Alte Kirche und Mittelalter: Neuausgabe 9783641310462

Das bewährte Lehrbuch für Kirchen- und Dogmengeschichte in einer gründlich überarbeiteten Form. Alle Abschnitte wurden i

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German Pages 927 [928] Year 2023

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Inhalt
Vorwort zur überarbeiteten Neuausgabe
Vorwort von Wolf-Dieter Hauschild zur 1. Auflage
Vorwort von Wolf-Dieter Hauschild zur 2. Auflage
Ein Lehrbuch zum Lernen − Zwei methodische Hinweise
Einleitung: Wieso Kirchen- und Dogmengeschichte?
§ 1 Christliche Gotteslehre als Trinitätslehre
§ 2 Christliche Gemeinschaft als Institution Kirche
§ 3 Frühes Christentum und Römisches Reich
§ 4 Christologie
§ 5 Augustin und die Entwicklung der lateinischen Theologie bis zum 9. Jh
§ 6 Mönchtum als wahres Christentum
§ 7 Die Christianisierung Europas
§ 8 Papsttum im Mittelalter
§ 9 Geistliche und weltliche Gewalt im Mittelalter
§ 10 Theologie und Frömmigkeit im Mittelalter
Chronologische Reihenfolge – Übersicht
Anhang
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Alte Kirche und Mittelalter: Neuausgabe
 9783641310462

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Lehrbuch der Kirchen- und Dogmengeschichte Band 1

Wolf-Dieter Hauschild Volker Henning Drecoll

Alte Kirche und Mittelalter

3. Aufl., vollständig überarbeitete Neuausgabe 2016, 2023 Copyright © 1995/2016 by Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen. Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen. Wir haben uns bemüht, alle Rechteinhaber an den aufgeführten Zitaten ausfindig zu machen, verlagsüblich zu nennen und zu honorieren. Sollte uns dies im Einzelfall nicht gelungen sein, bitten wir um Nachricht durch den Rechteinhaber. Karten: © Peter Palm, Berlin ISBN 978-3-641-31046-2 www.gtvh.de

Inhalt Vorwort zur überarbeiteten Neuausgabe.........................................................22 Vorwort von Wolf-Dieter Hauschild zur 1. Auflage.......................................27 Vorwort von Wolf-Dieter Hauschild zur 2. Auflage.......................................29 Ein Lehrbuch zum Lernen − Zwei methodische Hinweise............................30 Einleitung: Wieso Kirchen- und Dogmengeschichte?...................................37 § 1 Christliche Gotteslehre als Trinitätslehre............................................42 1.

Die Christologie im 1. Jh............................................................................48 1.1 Kontinuität oder Diskontinuität? − 1.2 Die besondere Personwürde Jesu von Nazareth − 1.3 Die Entwicklung unterschiedlicher christologischer Konzepte

2.

Die Vorstellungen von der Gottheit Christi im frühen 2. Jh.................50 2.1 Verehrung von Christus als Gott − 2.2 Geistchristologie − 2.3 Engelchris­ tologie − 2.4 Modalismus bei Ignatius? − 2.5 Adoptianismus bei Kerinth?

3.

Die Logoslehre der Apologeten.................................................................53 3.1 Philosophische Voraussetzungen − 3.2 Christologie und Gotteslehre − 3.3 Universaler Geltungsanspruch

4.

Heilsgeschichte und Trinität bei Irenäus..................................................56 4.1 Anthropologie und Soteriologie − 4.2 Trinitarische Gotteslehre

5.

Die Identifikationstheologie....................................................................58 5.1 Quellenlage − 5.2 Einwohnung Gottes in Christus (früher: Adoptia­ nismus) − 5.3 Einheit Gottes bei Noët und Praxeas (früher: Modalismus) − 5.4 Logostheologie bei Hippolyt und der Kompromissvorschlag des Kallistus von Rom

6.

Tertullians begriffliche Klärung der Trinitätslehre...................................62 6.1 Einheit der Trinität als una substantia − 6.2 Vater, Sohn und Geist als tres personae − 6.3 Tertullianrezeption bei Novatian

7.

Platonismus und Christentum................................................................63 7.1 Die Gottesvorstellung im Mittelplatonismus − 7.2 Der Neuplatonismus

8.

Origenes: Immanent-ewige Trinität und Hypostasenlehre...................67 8.1 Ewigkeit der Schöpfung, Güte und Pronoia Gottes − 8.2 Erlösung als Vervollkommnung, Apokatastasis − 8.3 Offenbarungstheologie als Hypostasenlehre − 8.4 Der Heilige Geist als Teil der Trinität

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9. Konflikte nach Origenes.............................................................................72 9.1 Die Hypostasenlehre des Dionysius von Alexandria − 9.2 Die Absetzung des Paul von Samosata − 9.3 Weitere Diskussionen

10. Der Trinitarische Streit 318-381: Orientierung über die Probleme........73 10.1 Trinitätslehre, politische Situation, Philosophie − 10.2 Die Phasen des Streits − 10.3 »Parteien« im Trinitarischen Streit

11. Der arianische Streit (318-325).....................................................................77 11.1 Die Anfänge des Konflikts bis 324 − 11.2 Arius’ Lehre: Monotheismus und besondere Stellung Christi − 11.3 Einheit von Vater und Sohn bei Alexander von Alexandria − 11.4 Das Konzil von Nicäa und sein Symbol, das Nizänum

12. Die kaiserliche Befriedungspolitik und ihr Scheitern (325-343)..........81 12.1 Die Kontroverse zwischen Markell von Ankyra und Euseb von Cäsarea − 12.2 Der Konflikt um Athanasius − 12.3 Die Synode von Rom 341 und die Kirchweihsynode in Antiochia 341 − 12.4 Die Reichssynode von Serdika 343

13. Die Lehre des Athanasius: Gottheit Christi und Erlösung der Menschen...............................................................................................86 13.1 Menschwerdung Gottes und Vergottung des Menschen − 13.2 Identität der Gottheit in Vater und Sohn − 13.3 Die Gottheit des Heiligen Geistes

14. Die theologischen Gruppen und das homöische Reichsdogma von 360..........................................................................................................89 14.1 Das Verbot der ontologischen Terminologie − 14.2 Die Heterousi­ aner: Aëtius und Eunomius − 14.3 Die homöusianische Gruppe seit 358 − 14.4 Der Sieg der Homöer und das Reichsdogma von 360

15. Neugruppierungen in der Julianzeit.........................................................94 15.1 Das Schisma in Antiochia − 15.2 Athanasius’ Programm seit 362: Erweiterung der Nizänergruppe − 15.3 Die Neuformierung der Nizänumsanhänger nach 364 − 15.4 Die Pneumatomachen

16. Die neunizänische Trinitätslehre der »drei großen Kappadokier«...............................................................................................98 16.1 Trinitätslehre und Kirchenpolitik bei Basilius von Cäsarea − 16.2 Gregor von Nazianz, »der Theologe« − 16.3 Gregor von Nyssa

17. Das Konzil von Konstantinopel 381..........................................................102 17.1 Die Vorbereitung des Konzils durch Meletius und Theodosius − 17.2 Der Verlauf des Konzils von Konstantinopel 381 − 17.3 Das Nicaeno-Constantinopolitanum − 17.4 Ausschaltung der Häretiker

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18. Die Trinitätslehre der lateinischen Kirche.............................................105 18.1 Hilarius von Poitiers − 18.2 Ambrosius von Mailand und Damasus von Rom − 18.3 Marius Victorinus: Sein und Dynamik Gottes − 18.4 Augustins Trinitätslehre − 18.5 Das sog. Athanasianum (Symbolum Quicumque)

§ 2 Christliche Gemeinschaft als Institution Kirche...............................115 1. Die Anfänge der Kirche............................................................................120 1.1 Jesus und die Kirche − 1.2 Reich Gottes und Kirche − 1.3 Theologische Deutung der Kirche (Ekklesiologie) − 1.4 Die Jerusalemer Urgemeinde − 1.5 »Urchristentum« – »Frühkatholizismus« – »Altkatholizismus«

2. Mission und Ausbreitung.........................................................................123 2.1 Missionsreisen im 1. Jh. − 2.2 Allmähliche Ausbreitung und Binnendifferenzierung im 2. Jh. − 2.3 Kontinuierliche Ausbreitung im 3. Jh. − 2.4 Ausbreitung nach der konstantinischen Wende − 2.5 Der Christliche Orient

3. Die Ablösung vom Judentum..................................................................129 3.1 Theologische Grundlage − 3.2 Ausgrenzung des Christentums durch das Judentum − 3.3 Die Auseinandersetzung des Christentums mit dem Judentum − 3.4 Die Ausgrenzung des Judenchristentums

4. Das 2. Jh. als »Laboratorium der Theologiegeschichte«......................133 4.1 Pluriformität der Lehren und Lebensformen − 4.2 Häresien als Anstoß zur Klärung der Grundlagen − 4.3 Apostolizität und Katholizität als Kennzeichen von Kirche

5. Die Gnosis und der Manichäismus.........................................................136 5.1 Diskussionen um Herkunft und Wesen der Gnosis − 5.2 Das typologische Modell − 5.3 Religionsgeschichtliche und chronologische Einordnung − 5.4 Die gnostischen Lehrer und Systeme − 5.5 Der Manichäismus als Weltreligion

6. Markion: Die Betonung des Neuen der Christusoffenbarung.............146 6.1 Die Kirche der Markioniten − 6.2 Der »fremde« Gott und der Gott des Gesetzes − 6.3 Antithesen und Bibelkanon

7. Der Montanismus als charismatische Bewegung..................................149 7.1 Chronologie − 7.2 Enthusiasmus, Chiliasmus, Rigorismus − 7.3 Montanistische Kirchenorganisation und Bekämpfung der Montanisten

8. Die Kanonisierung der Heiligen Schrift.................................................152 8.1 Die Entstehung normativer christlicher Texte − 8.2 Die Kanonbildung

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9. Glaubensregel und Bekenntnis................................................................156 9.1 Bekenntnisartige Formulierungen und die regula fidei (Glaubensregel) − 9.2 Bekenntnisse

10. Theologie als kirchliche Funktion und die Entstehung der Exegese.................................................................................................162 10.1 Irenäus von Lyon (ca. 130/140-ca. 200) − 10.2 Tertullian (ca. 160ca. 220/225) − 10.3 Clemens von Alexandria − 10.4 Hippolyt von Rom (ca. 170-235) − 10.5 Origenes (184/185-254)

11. Die Entstehung des kirchlichen Amtes.....................................................170 11.1 Urchristentum: Dienste und Funktionen − 11.2 Die Entstehung des Monepiskopats − 11.3 Die Entstehung von Synoden − 11.4 Die Norm der Apostolizität − 11.5 Die Priester − 11.6 Die Entwicklung des Bischofsamtes im 4. Jh. − 11.7 Die Ausdifferenzierung des Klerus − 11.8 Funktionen von Frauen

12. Die Taufe als umfassende Initiation........................................................178 12.1 Taufe als Beginn eines neuen Lebens − 12.2 Die Taufliturgie − 12.3 Grundmuster der Tauftheologie − 12.4 Bekehrung und Katechumenat − 12.5 Die Kindertaufe − 12.6 Ketzertaufstreit 255/256 − 12.7 Abtrennung der Firmung im Mittelalter

13. Institutionalisierung der Buße.................................................................186 13.1 Taufe und Sündlosigkeit − 13.2 Wiederholbarkeit der Buße − 13.3 Die öffentliche Gemeindebuße im 3./4. Jh. − 13.4 Buße für Todsünden? − 13.5 Der Streit um die Buße der lapsi (der Abgefallenen) um 250-254 − 13.6 Verfall der Gemeindebuße

14. Die Eucharistie...........................................................................................191 14.1 Entwicklung der Eucharistiefeier − 14.2 Eucharistie als mysterium bzw. sacramentum − 14.3 Die Eucharistie als Opfer − 14.4 Die Wandlungsvorstellung

15. Gottesdienst, Kirchengebäude, Feste......................................................196 15.1 Der Sonntagsgottesdienst − 15.2 Hauskirchen und Kirchenbauten − 15.3 Festtage − 15.4 Die Entstehung der Reliquienverehrung

16. Schismatische Gemeinschaften: Reinheit der Kirche...........................202 16.1 Das novatianische Schisma − 16.2 Das melitianische Schisma − 16.3 Das donatistische Schisma

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§ 3 Frühes Christentum und Römisches Reich......................................211 1. Die politische Struktur des Römischen Reiches..................................217 1.1 Die Problematik des Begriffes »Staat« − 1.2 Der Prinzipat als Herrschaftsform − 1.3 Ausbreitung der römischen Herrschaft − 1.4 Römische Kultur

2. Die politische Funktion der römischen Religion..................................222 2.1 Privatreligion und offizieller Kult − 2.2 Reichsreligion und Provinzialreligionen − 2.3 Der Kaiserkult − 2.4 Duldung von fremden Kulten und besondere Stellung des Judentums

3. Verfolgungen im 1. Jh...............................................................................226 3.1 Christen und Juden − 3.2 Die stadtrömische Aktion gegen Christen unter Nero im Jahre 64 − 3.3 Lokale Verfolgungen unter Domitian

4. Die Rechtslage ab dem 2. Jh.: Christsein als strafbarer Tatbestand?.................................................................................................229 4.1 Die juristische Grundlage − 4.2 Der Pliniusbrief von 112/113 − 4.3 Trajans Reskript − 4.4 Von Hadrian bis Philippus Arabs: Keine generelle Änderung

5. Märtyrerverehrung................................................................................235 5.1 Theologie des Martyriums − 5.2 Märtyrerakten und Märtyrerberichte

6. Heidnische Polemik gegen die Christen...............................................238 6.1 Vorwürfe gegen die christliche Lebensform − 6.2 Die philosophische Kritik am Christentum

7. Apologetik und christliche Beurteilung des Römischen Reiches.......240 7.1 Die Apologien des 2. Jh.s − 7.2 Wertungen des Römischen Reiches

8. Allgemeine Christenverfolgungen unter Decius und Valerian...........246 8.1 Die These von der Reichskrise − 8.2 Das allgemeine Bittopfer unter Decius 249/250 − 8.3 Valerians Maßnahmen 257-259 − 8.4 Vierzigjährige Friedenszeit

9. Diokletians Reichsreform und die Christenverfolgung 303-311........255 9.1 Die diokletianischen Reformen − 9.2 Maßnahmen gegen die Manichäer − 9.3 Edikte gegen die Christen 303/304 − 9.4 Der Verlauf der Verfolgungen 305-311 − 9.5 Das sog. »Toleranzedikt« des Galerius 311

10. Die »konstantinische Wende« 312-324..................................................259 10.1 Konstantins Motive − 10.2 Konstantins politische Entwicklung vor 312 − 10.3 Konstantin als Alleinherrscher im Westen 312 − 10.4 Die Vereinbarung von Mailand 313 − 10.5 Die Religionspolitik Konstantins Inhalt

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11. Imperium und Christentum unter Konstantin.....................................266 11.1 Anfänge der kirchlichen Privilegierung − 11.2 Christliche Einflüsse in der Gesetzgebung? − 11.3 Eingeschränkte Duldung von Heidentum und Judentum − 11.4 Die Stadt Konstantinopel − 11.5 Innerkirchliche Konflikte als politisches Problem

12. Auf dem Weg zur Reichskirche...............................................................274 12.1 Die Kirchenpolitik des Konstantius − 12.2 Gesetze gegen das Heidentum − 12.3 Heidnische Reaktion unter Julian 361-363

13. Das Christentum als offizielle Religion des Imperium Romanum unter Theodosius I.................................................................................278 13.1 Gegensatz zwischen westlicher und östlicher Kirchenpolitik 364-379 − 13.2 Theodosius’ Kirchenpolitik

14. Das Kaisertum im 5. und 6. Jh. bis zur Herrschaft Justinians.............283 14.1 Kaiserliche Religionspolitik im 5. Jh. − 14.2 Umgang mit dem Heidentum und Judentum − 14.3 Der Codex Theodosianus − 14.4 Geschichtsschreibung im 5. Jh. − 14.5 Das Ende des weströmischen Kaisertums 476 − 14.6 Justinians christliche Universalherrschaft

§ 4 Christologie...........................................................................................290 1. Frühformen der Christologie................................................................296 1.1 Inkarnation als Paradoxie − 1.2 Doketismus − 1.3 Menschheit und Gottheit in Christus bei Tertullian und Origenes

2. Gottheit und Menschheit Christi im trinitarischen Streit...................299 2.1 Ein seelenloser Christus bei Arius? − 2.2 Eustathius von Antiochia: Wahre Menschheit Jesu − 2.3 Athanasius: Der auf der Erde einherschreitende Logos

3. Soteriologisch-anthropologische Christologie bei Apollinaris von Laodicea..............................................................................................304 3.1 Wirken, Schriften, Verurteilung − 3.2 Christologie, Anthropologie und Soteriologie − 3.3 Apollinaris’ Kritiker

4. Die »antiochenische« Christologie bei Diodor und Theodor..............308 4.1 Unterscheidungschristologie bei Diodor von Tarsus − 4.2 Dyophysitismus bei Theodor von Mopsuestia − 4.3 Johannes Chrysostomus: Exeget und Erzieher

5. Der Christologische Streit 428-681: Orientierung über die Probleme.....312 5.1 Christologische Grundpositionen − 5.2 Machtkämpfe − 5.3 Die Phasen des Streites 10

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6. Der Nestorianische Streit 428-433........................................................317 6.1 Ausgangspunkt: Der Theotokos-Streit 428-430 − 6.2 Das gescheiterte Reichskonzil: Ephesus 431

7. Die antiochenische Christologie bei Nestorius und Theodoret..........321 7.1 Nestorius’ Christologie − 7.2 Theodoret von Kyros: Personeinheit der zwei Naturen

8. Kyrill von Alexandria: Machtpolitik und Betonung der Einheit in Christus....................................................................................324 8.1 Leben und Werk − 8.2 Christozentrische Theologie und Frömmigkeit − 8.3 Die gottmenschliche Einheit in Christus

9. Der eutychianische Streit 448-451.............................................................327 9.1 Labiler Friedenszustand nach 433 − 9.2 Der Prozess gegen Eutyches 448 und seine Folgen − 9.3 Der Lehrbrief Leos I. von Rom an Flavian − 9.4 Das Reichskonzil von Ephesus, die sog. »Räubersynode«

10. Das Konzil von Chalkedon 451...............................................................333 10.1 Vorbereitung, Verlauf und Ergebnis des Konzils − 10.2 Die Lehrentscheidung als Traditionskomplex − 10.3 Das Chalcedonense

11. Der Kampf gegen das Chalcedonense 457-518.....................................338 11.1 Widerstand der Miaphysiten − 11.2 Zenons »Henotikon« und die Folgen − 11.3 Die Entwicklung der miaphysitischen Theologie − 11.4 Christlicher Neuplatonismus bei »Dionysius Areopagita«

12. Der Neuchalkedonismus in der Justinian-Ära 518-565.......................344 12.1 Kirchenpolitischer Kurswechsel 518/519 − 12.2 Unterdrückung und Spaltung der Miaphysiten − 12.3 Neuchalkedonismus und Dreikapitelstreit − 12.4 Das Konzil von Konstantinopel 553

13. Der monenergistisch-monotheletische Streit 633-681.........................349 13.1 Politischer Umbruch und Kircheneinheit − 13.2 Westlicher Dyotheletismus gegen kaiserliche Despotie − 13.3 Maximus Confessor − 13.4 Das Konzil von Konstantinopel 680/681

14. Der Streit um die Bilderverehrung 726-843.........................................354 14.1 Die Bilderverehrung in Frömmigkeit und Kirchenbauten − 14.2 Die erste Phase des Bilderstreites: Gewaltsame Durchsetzung des Ikonoklasmus bis 754 − 14.3 Johannes von Damaskus − 14.4 Die zweite Phase des Bilderstreites: Die Etablierung der Bilderverehrung ab 787

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15. Die Kirchen des christlichen Orients........................................................359 15.1 Die ostsyrisch-persische Kirche (sog. Nestorianer) − 15.2 Die armenische Kirche − 15.3 Die westsyrische Kirche (sog. Jakobiten) − 15.4 Die koptische Kirche

§ 5 Augustin und die Entwicklung der lateinischen Theologie bis zum 9. Jh..................................................................................................364 1. Voraussetzungen für die lateinische Theologie.......................................369 1.1 Prägung durch die Debatten im späten 4. und frühen 5. Jh. − 1.2 Gemeinschaft als Feld theologischer Reflexion − 1.3 »Paulusrenaissance« − 1.4 Einfluss östlicher Theologie

2. Ambrosius, Bischof von Mailand: Kirchenpolitiker und Exeget........373 2.1 Kirche als Ort der Wahrheit − 2.2 Allegorische Exegese und mystische Spiritualität − 2.3 Sakramentenlehre

3. Hieronymus als Schriftgelehrter..............................................................376 3.1 Rhetor, Philologe, Lehrer der Askese − 3.2 Schriftauslegung und erster origenistischer Streit − 3.3 Bibelrevision: Die sog. Vulgata

4. Augustins Bedeutung für die Dogmengeschichte.................................379 4.1 Einflussbereiche augustinischer Theologie − 4.2 Konfessionelle Prägung der Augustinforschung

5. Augustin – Biographie und Theologie....................................................382 5.1 Bildungsweg und Begeisterung für die Weisheit − 5.2 Die Bekehrung 386 − 5.3 Philosophisches Leben in Cassiciacum − 5.4 Presbyter und Bischof − 5.5 Antimanichäische Schriften − 5.6 Confessiones (Bekenntnisse)

6. Augustins Sünden- und Gnadenlehre....................................................389 6.1 Der Gottesbegriff als Voraussetzung − 6.2 Die Zuspitzung des Gnadenbegriffs − 6.3 Die Verankerung im Gottesbegriff: Die Prädestinationslehre − 6.4 Die Lehre von der Erbsünde

7. Pelagianischer Streit..................................................................................396 7.1 Pelagius: Asket und Paulusexeget − 7.2 Die Gnadenlehre des Pelagius: Die umfassende Heilspädagogik Gottes − 7.3 Der Streit um die Kindertaufe und die Erbsünde 411-414 − 7.4 Der Streit um Pelagius 414-418 − 7.5 Kritik an Augustins Gnadenlehre 425-430

8. Erkenntnislehre, Ekklesiologie und Sakramentenlehre.......................406 8.1 Christliche Erkenntnislehre − 8.2 Die Kirche als corpus permixtum (als Leib mit »Beigemischten«) − 8.3 Die Sakramente als wirksame Zeichen 12

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9. Augustins Geschichtsdeutung.................................................................410 9.1 Christliche Apologetik − 9.2 Civitas dei (Gottesstadt) und civitas terrena (Irdische Stadt) − 9.3 Theologische Bewertung der weltlichen Obrigkeit

10. Auseinandersetzungen um die Gnadenlehre im 5./6. Jh.....................415 10.1 Augustin als umstrittene Autorität bis 440 − 10.2 Faustus von Riez − 10.3 Das Konzil von Arausio 529

11. Vermittlung des antiken Bildungserbes im Übergang zum Mittelalter...............................................................................................417 11.1 Augustins Begründung der Bemühungen um Bildung in De doctrina christiana − 11.2 Boethius als philosophische Autorität − 11.3 Cassiodors Bibliothek − 11.4 Isidor von Sevilla als kirchlicher Enzyklopädist − 11.5 Dionysius Exiguus und die christliche Zeitrechnung

12. Verkirchlichung der Tradition bei Gregor dem Großen......................422 12.1 Lebenslauf Gregors − 12.2 Literarisches Werk − 12.3 Formung des kirchlichen Lebens

13. Theologie im Zeitalter Karls des Großen...............................................426 13.1 Die Voraussetzung: Klöster in England − 13.2 Die karolingische correctio (Zurechtbringung) − 13.3 Lehrstreitigkeiten und dogmatische Entscheidungen

14. Theologische Diskurse im Karolingerreich 830-870..............................432 14.1 Hrabanus Maurus als Bildungsorganisator − 14.2 Streit über die Messallegorie um 835: Amalar und Florus − 14.3 Die Diskussion um das Abendmahl zwischen Paschasius Radbertus und Ratramnus − 14.4 Gottschalck und der Prädestinationsstreit − 14.5 Johannes Scotus Eriugena

§ 6 Mönchtum als wahres Christentum..................................................438 1. Ursprünge des Mönchtums: Weltabkehr und Gottessuche.................444 1.1 Wanderasketen in Syropalästina und Enkratiten in Ostsyrien − 1.2 Askese als Verzicht − 1.3 Gottes- und Sinnsuche − 1.4 Formen von asketischer Lebensweise im 2./3. Jh.

2. Anfänge des Mönchtums: Eremiten in Ägypten und Syrien...............448 2.1 Antonius als Prototyp des Anachoreten − 2.2 Die Väter der Wüste

3. Pachomius und das Könobitentum.........................................................451 3.1 Pachomius − 3.2 Die könobitische Lebensform

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4. Kirche und Mönchtum bei Basilius von Cäsarea..................................454 4.1 Die Synode von Gangra − 4.2 Basilius als Befürworter des Mönchtums − 4.3 Das monastische Leben nach den Basiliusregeln

5. Grundlegende Bedeutung des Mönchtums für die Ostkirche............458 5.1 Palästina als monastisches Zentrum − 5.2 Asketische Sonderformen in Syrien − 5.3 Das Mönchtum in Konstantinopel und Byzanz − 5.4 Asketische Theorie und Mystik

6. Die Anfänge des Mönchtums im Westen.................................................465 6.1 Asketische Gemeinschaften in Rom und Italien − 6.2 Konflikt mit der Kirche: Der Priscillianismus − 6.3 Askese und Palästinawallfahrt: Hieronymus − 6.4 Könobitentum und Anlehnung an Bischöfe in Gallien − 6.5 Das Klerikermönchtum bei Augustin

7. Die westeuropäischen Klosterregeln.........................................................471 7.1 Vielfalt der Mönchsregeln im 6. Jh. − 7.2 Benedikt von Nursia − 7.3 Irisches Mönchtum und Columbanregel − 7.4 Heiligenverehrung

8. Mönchtum im Frankenreich: Politische, kulturelle und kirchliche Integration ...............................................................................479 8.1 Bischofsstadt und Klosterwesen im 5./6. Jh. − 8.2 Interessen des lokalen Adels und irofränkisches Klosterwesen − 8.3 Mönchtum als Träger von Mission und Bildung − 8.4 Politische Inanspruchnahme unter Karl dem Großen − 8.5 Benedikt von Aniane: Durchsetzung der Benediktregel − 8.6 Der ordo monasticus (klösterliche Stand) − 8.7 Die vita canonica (die Lebensweise der Kanoniker bzw. des Weltklerus)

9. Monastische Neuaufbrüche im 10. und 11. Jh......................................486 9.1 Cluny − 9.2 Vielfältige Neuaufbrüche − 9.3 Die Aufbrüche in Brogne und Gorze − 9.4 Neuaufbruch des Eremitentums

10. Distanz zur Welt: Die Formation von Orden im 11./12. Jh.................493 10.1 Die Kartäuser als Orden von Eremitenklöstern − 10.2 Die Zisterzienser als eremitische Könobiten − 10.3 Regularkanoniker und Prämonstratenser

11. Armutsbewegung und Kirchenkritik im 12./13. Jh..............................499 11.1 Sozialkritik und asketische Neuaufbrüche − 11.2 Dualistische Begründung der Kirchenkritik bei den Katharern − 11.3 Das evangelische Ideal der Waldenser: Predigt für die Armen

12. Die religiöse Frauenbewegung..............................................................504 12.1 Frauenklöster und -orden − 12.2 Das Beginentum − 12.3 Frauenmystik − 12.4 Herausragende Frauengestalten

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13. Armut und Bußpredigt: Der Franziskanerorden..................................510 13.1 Franziskus – Leitbild neuer Frömmigkeit − 13.2 Der Aufbau des Ordens − 13.3 Klara von Assisi und die »Armen Frauen« − 13.4 Der Armutsstreit und die Spaltung des Ordens

14. Predigt und Studium: Der Dominikanerorden.....................................519 14.1 Von der Predigtbewegung zum Orden − 14.2 Organisation und Ausbreitung − 14.3 Der Dominikanerorden und die scholastische Theologie

15. Vielfalt des monastischen Lebens im späten Mittelalter......................522 15.1 Neue Bettelorden: Karmeliter und Augustinereremiten − 15.2 Hospital­ orden − 15.3 Die Observanzbewegung im 15. Jh.

16. Erneuerung der Frömmigkeitspraxis: Die Devotio moderna.............527 16.1 Die Brüder/Schwestern vom gemeinsamen Leben − 16.2 Die Windesheimer Kongregation: Erneuerung des monastischen Lebens im Geist der Devotio moderna − 16.3 Meditation und Passionsfrömmigkeit

§ 7 Die Christianisierung Europas...........................................................531 1. Christianisierung, Mission und die Transformationsprozesse 400-700........................................................537 1.1 Die dunkle Seite der Mission − 1.2 Mission und Ausbreitung − 1.3 Die sog. »Germanen« − 1.4 Die Problematik des Konzepts »Völkerwanderung« − 1.5 Migration und Ansiedlung nach 400

2. Die gentilen Reiche...................................................................................542 2.1 Die frühe Gotenmission − 2.2 Kirche im Westgotenreich − 2.3 Theoderich und das Ostgotenreich − 2.4 Das Vandalenreich in Nordafrika − 2.5 Der Einfluss der Langobarden in Italien

3. Das Frankenreich auf dem Weg zur christlichen Großmacht.............549 3.1 Chlodwigs Bekehrung zum Nizänertum − 3.2 Die Kirche im Frankenreich unter den Merowingern − 3.3 Fränkische und iroschottische Mission

4. Die europäische Bedeutung des irischen und angelsächsischen Christentums...............................................................553 4.1 Die Anfänge des Christentums in England − 4.2 Die Kirche in Irland und die iroschottische Mission − 4.3 Die Romorientierung der angelsächsischen Kirche

5. Die Expansion des Islam..........................................................................556 5.1 Die Entstehung des Islam − 5.2 Eroberung und eingeschränkte Toleranz gegenüber den Christen − 5.3 Nordafrika unter muslimischer Herrschaft − 5.4 Spanien unter muslimischer Herrschaft Inhalt

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6. Angelsächsische Mission im östlichen Frankenreich: Das Werk des Bonifatius..............................................................................562 6.1 Strategischer Neuansatz der Mission − 6.2 Aufbau einer Kirchenstruktur − 6.3 Anstöße zur Erneuerung der Kirche im Frankenreich

7. Die Mission der Sachsen unter Karl dem Großen................................566 7.1 Unterwerfung und Missionierung der Sachsen − 7.2 Unterwerfung und Missionierung von Slawen und Awaren − 7.3 Erneuerung der Kirche im Angesicht der Mission − 7.4 Mission jenseits der Reichsgrenzen im 9. Jh.

8. Zwischen West- und Ostkirche: Die Balkaninsel..................................572 8.1 Cyrill und Methodius in Mähren − 8.2 Die bulgarische Kirche und Byzanz − 8.3 Römischer und byzantinischer Einfluss in Kroatien und Serbien

9. Russland: Östliches Christentum am Rande Europas..........................576 9.1 Christliche Einflüsse im 9./10. Jh. − 9.2 Die »Taufe Russlands« 988 und ihre Folgen

10. Missionspolitik im Kraftfeld des Ottonenreiches.................................579 10.1 Heidenbekehrung und Ungarnabwehr − 10.2 Magdeburg als Metropole der Westslawenmission − 10.3 Böhmen und das Reich − 10.4 Christliche Herrschaften in Polen und Ungarn

11. Die Christianisierung in Skandinavien..................................................584 11.1 Der Zugriff der Normannen auf Westeuropa im 9.-11. Jh. − 11.2 Die Christianisierung in Dänemark − 11.3 Die Christianisierung in Norwegen im 11./12. Jh. − 11.4 Die späte Christianisierung Schwedens (11./12. Jh.)

12. Deutsche Ostkolonisation und »Schwertmission« (12./13. Jh.)..........588 12.1 Ausdehnung der Reichskirche nach Osten − 12.2 Christianisierung Preußens und des Baltikums − 12.3 Christianisierung in Litauen

§ 8 Papsttum im Mittelalter........................................................................593 1. Romidee und Petrusamt in der Frühzeit..................................................599 1.1 Petrus und Paulus − 1.2 Rom in kirchlichen Konflikten im 3. Jh. − 1.3 Rom als Appellationsinstanz im 4. Jh. − 1.4 Papales Selbstbewusstsein bei Damasus von Rom und Innozenz I. von Rom

2. Leo der Große und die Begründung des Papstamtes...........................602 2.1 Exegetisch-juristische Begründung des Primats − 2.2 Die christliche Rom­ idee − 2.3 Durchsetzung des Primatsanspruchs

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3. Der Papst im Acacianischen Schisma.....................................................604 3.1 Die Entstehung des Schismas und Gelasius’ Zwei-Gewalten-Lehre − 3.2 Rom im Ostgotenreich des Theoderich − 3.3 Rom im Reich Justinians

4. Gregor der Große: Ausbau der päpstlichen Herrschaft........................606 4.1 Kirchenpolitischer Einfluss − 4.2 Christianisierung der Angelsachsen und Rombindung − 4.3 Reorganisation des patrimonium Petri

5. Politische Neuorientierung am Frankenreich und territoriale Herrschaft in Italien..............................................................608 5.1 Das Frankenreich als neue Schutzmacht des Papsttums − 5.2 Päpstliche Territorialherrschaft in Italien nach 754

6. Behauptung der Papstidee in Zeiten des Niedergangs.........................611 6.1 Die Kaiserkrönung als päpstliches Privileg − 6.2 Nikolaus I. − 6.3 Das Papsttum bis zur Synode von Sutri 1046

7. Neu erhobener Leitungsanspruch im 11. Jh..........................................615 7.1 Die neue Betonung des Kirchenrechts seit Leo IX. − 7.2 Klerikerkirche gegen Laienherrschaft − 7.3 Verbot der Simonie und Zölibat − 7.4 Ausbau der päpstlichen Oberhoheit − 7.5 Zentralistisches Herrschaftsprogramm bei Gregor VII.

8. Päpstlicher Primat und Ostkirche...........................................................627 8.1 Das Schisma von 1054 − 8.2 Die Unionsversuche 1274-1439

9. Etablierung der Papstkirche im 12./13. Jh. ...........................................632 9.1 Päpstliches Recht − 9.2 Höhepunkt päpstlicher Macht: Innozenz III. − 9.3 Das 4. Laterankonzil − 9.4 Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit

10. Ketzertum und kirchliche Abwehr..........................................................638 10.1 Neue »Manichäer« im 11. Jh. − 10.2 Die Katharer und ihre Kirche − 10.3 Ketzerbekämpfung: Kreuzzug und Inquisition

11. Das Papsttum in Avignon und das große abendländische Schisma...........................................................................644 11.1 Französische Päpste in Anlehnung an Frankreich − 11.2 Die Kurie in Avignon − 11.3 Das große abendländische Schisma

12. Verweltlichung der geistlichen Gewalt im 14. Jh..................................649 12.1 Die Papstkirche als Finanzmacht − 12.2 Kirchenstrafen als politische Kampfmittel − 12.3 Das Ablasswesen

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13. Kirchenkritik und Reformprogramm bei Wyclif und Hus..................655 13.1 Radikale Kirchenreform bei John Wyclif − 13.2 Jan Hus und die Erneuerungsbewegung in Böhmen − 13.3 Die »Hussiten« in Böhmen

14. Der Konziliarismus und sein Scheitern....................................................662 14.1 Konziliarismus als Grundsatzprogramm − 14.2 Das Konzil von Konstanz 1414-1418 und die Kircheneinheit − 14.3 Niederlage der Konziliaristen: Das Konzil von Basel 1431-1449

§ 9 Geistliche und weltliche Gewalt im Mittelalter..............................668 1. Frühmittelalterliche Herrschaftsformen................................................674 1.1 Grundherrschaft, »Eigenkirche« und Stiftungen − 1.2 Die besondere Rolle der Bischöfe in den Städten − 1.3 Lehen

2. Sakrale Königswürde und Kirchenherrschaft im Frankenreich.........679 2.1 Merowinger-Könige und Karolinger-Hausmeier − 2.2 Pippin III. d. J.: König von Gottes Gnaden

3. Universalherrschaft und christliches Kaisertum bei Karl dem Großen....................................................................................682 3.1 Karl als theokratischer Herrscher − 3.2 Die Kaiserkrönung in Rom und ihre Folgen − 3.3 Schwächung der Reichsgewalt unter Ludwig dem Frommen − 3.4 Die Reichsteilung 843

4. Religiöse Kaiserherrschaft in Deutschland seit Otto I. .......................687 4.1 Zentralgewalt und Partikulargewalten − 4.2 Erneuerung des Kaisertums durch Otto I. − 4.3 Das Kaisertum der Ottonen und Salier − 4.4 Christliche Herrschaftssymbolik

5. Die Verbindung von Königsherrschaft und geistlichen Fürsten bei den ottonisch-salischen Kaisern.......................................................692 5.1 Die Entstehung der geistlichen Fürstentümer − 5.2 Wachsende wirtschaftliche und politische Bedeutung der geistlichen Fürsten

6. Konflikt der Universalgewalten und Streit um die Investitur..............697 6.1 Gregors VII. Anspruch auf weltliche Herrschaft − 6.2 Das Investiturproblem − 6.3 Heinrichs IV. Behauptung der Königsmacht − 6.4 Exkommunikation Heinrichs IV. und der Bußgang nach Canossa − 6.5 Die Spaltung von Reich und Kirche − 6.6 Klärungsversuche in der Investiturfrage und Wormser Konkordat

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7. Die Stauferkaiser und der Konflikt um die Universalherrschaft.........709 7.1 Neubegründung des Kaisertums bei Friedrich I. Barbarossa − 7.2 Innozenz III. − 7.3 Friedrich II.: Herrschaft über Italien im Konflikt mit dem Papst

8. Die Kreuzzugsbewegung..........................................................................717 8.1 Religiöse, soziale und politische Voraussetzungen − 8.2 Der Beginn der Kreuzzugsbewegung − 8.3 Die Kreuzzugsbewegung bis 1148 − 8.4 Die Kreuzzüge nach Palästina bis 1291 − 8.5 Wirkungsgeschichtliche Bedeutung

9. Die geistlichen Ritterorden......................................................................729 9.1 Die Templer − 9.2 Die Johanniter − 9.3 Der Deutsche Orden

10. Das Ende der christlichen Großmacht Byzanz....................................733 10.1 Innere Instabilität und territoriale Erosion − 10.2 Das lateinische Kaisertum 1204-1261 − 10.3 Die Spätphase: Hilfe gegen die Türken gegen Unterwerfung unter den römischen Primat

11. Verfolgung, Ausbeutung und königlicher Schutz: Die Situation der Juden................................................................................739 11.1 Rechtliche Situation vor dem Beginn der Kreuzzugsbewegung − 11.2 Pogrome gegen Juden zwischen dem späten 11. und dem frühen 13. Jh. − 11.3 Judenhass und städtisches Judenbürgerrecht

12. Erstarkende Reiche und Territorien gegen päpstlichen Herrschaftsanspruch.................................................................................744 12.1 Frankreichs paradigmatischer Konflikt mit dem Papst − 12.2 Verselbständigung der Territorien und Städte im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation − 12.3 Theoretische Begründungen weltlicher Gewalt

§ 10 Theologie und Frömmigkeit im Mittelalter....................................753 1. Sprache und Ontologie: Die Neuformierung der Theologie im 11. Jh. ....................................................................................................759 1.1 Berengar von Tours als Dialektiker − 1.2 Der Universalienstreit: Realismus gegen Nominalismus

2. Vorscholastische Wissenschaft bei Anselm von Canterbury..............761 2.1 Harmonie von Glauben und Wissen − 2.2 Denkerischer Nachweis von Gottes Existenz − 2.3 Die Satisfaktionstheorie

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3. Die Neuorientierung in Exegese, Kanonistik und den Wissenschaften um 1100..........................................................................765 3.1 Anselm von Laon und die Glossa ordinaria − 3.2 Die Konkordanzmethode im Kirchenrecht und das Decretum Gratiani − 3.3 Die Schule von Chartres: Pflege von Naturwissenschaften und Dialektik − 3.4 Die Entwicklung der Scholastik

4. Petrus Abaelard – Frühscholastische Methodik..................................768 4.1 Rationale Genialität im Konflikt mit der Kirche − 4.2 Verbindung von Dialektik und Theologie − 4.3 Versöhnungslehre und Ethik

5. Erfahrungstheologie bei Bernhard von Clairvaux................................773 5.1 Monastische Theologie als spezifischer Typ? − 5.2 Mystische Theologie: Hoheliedauslegung und Christuspassion

6. Frömmigkeit und Wissenschaft: Hugo von St. Viktor..........................776 6.1 Schriftauslegung und Mystik − 6.2 Sakramentenlehre − 6.3 Die Viktoriner

7. Die scholastische Standarddogmatik des Petrus Lombardus..............778 7.1 Die Systematik der Sentenzensammlung des Petrus Lombardus − 7.2 Der Lehrbetrieb im 12. Jh.

8. Theologische Deutungen der Eucharistie.................................................780 8.1 Der Abendmahlsstreit um Berengar von Tours 1049-1079 − 8.2 Frühscholastische Lehrbildung − 8.3 Das Bekenntnis des Laterankonzils 1215

9. Sakramente und Reliquien.......................................................................784 9.1 Wesen, Begriff und Zahl der Sakramente − 9.2 Eucharistiefrömmigkeit − 9.3 Das Bußsakrament − 9.4 Reliquienverehrung

10. Die Gnade als Thema scholastischer Lehrbildung................................791 10.1 Gnade und Tugend − 10.2 Gnadenwirkung in den Sakramenten − 10.3 Zustandsgnade und Disposition – Die Differenzierung in der Hochscholastik

11. Wissenschaftliche Neuorientierung im 13. Jh.: Universitäten und Aristotelismus............................................................794 11.1 Die Entstehung der Universitäten − 11.2 Neubegründung der Wissenschaft: Der Aristotelismus − 11.3 Christlicher Aristotelismus

12. Die Franziskaner Alexander Halesius und Bonaventura.....................800 12.1 Augustinismus in der Erkenntnistheorie − 12.2 Die Summa Halensis − 12.3 Bonaventura − 12.4 Die Gnadenlehre in der Summa Halensis und bei Bonaventura 20

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13. Thomas von Aquin....................................................................................806 13.1 Leben, Werk und Wirkung − 13.2 Gott und Welt − 13.3 Gott als Schöpfer und Vollender − 13.4 Gnadenlehre bei Thomas

14. Die Betonung des göttlichen Wollens bei Johannes Duns Scotus.......815 14.1 Gotteslehre, Metaphysik und Offenbarungslehre − 14.2 Anthropologie und Christologie − 14.3 Gnade als Akzeptation

15. Spekulative Theologie...............................................................................818 15.1 Einheit von Theologie und Philosophie bei Meister Eckhart − 15.2 Dietrich von Freiberg − 15.3 Raimundus Lullus − 15.4 Theologie als Dichtkunst: Dante

16. Kritischer Neuansatz bei Wilhelm von Ockham..................................822 16.1 Vom Theologen zum Politiker − 16.2 Omnipotenz Gottes und Kontingenz der Schöpfung − 16.3 Erkenntnistheorie − 16.4 Der angebliche Pelagianismus Ockhams

17. Spätscholastik im 14./15. Jh.....................................................................825 17.1 Der Wege-Streit zwischen Nominalismus und Realismus − 17.2 Naturphilosophie und Reformtheologie − 17.3 Scholastische Bibelwissenschaft − 17.4 Schrifttheologie als Grundlage der Kirchenkritik bei John Wyclif − 17.5 Gabriel Biel − 17.6 Spätmittelalterliche Blüte der Predigt

18. Vertiefung der Frömmigkeit im Spätmittelalter....................................831 18.1 Die sog. deutsche Mystik − 18.2 Passionsfrömmigkeit und Andachtsbilder − 18.3 Die Entwicklung des Buchdrucks und deutsche Bibeln

19. Neue Wege: Der Humanismus................................................................836 19.1 Die Renaissance als Neuaufbruch in Kunst, Architektur und Literatur − 19.2 Lorenzo Valla − 19.3 Die platonische Akademie in Florenz − 19.4 Die neue Bedeutung des Griechischen − 19.5 Nikolaus von Kues

Chronologische Reihenfolge – Übersicht......................................................842 Anhang Abkürzungsverzeichnis.............................................................................845 Abbildungsverzeichnis..............................................................................849 Kaiser- und Papstlisten..............................................................................851 Register........................................................................................................858 Namenregister............................................................................................858 Sachregister.................................................................................................905 Inhalt

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Vorwort zur überarbeiteten Neuausgabe Ob denn die Gliederung in Längsschnitte im neuen Hauschild aufgelöst werde – das wurde ich in den vergangenen Jahren immer wieder gefragt, wenn ich erzählt habe, dass ich den Hauschild überarbeite. Natürlich nicht, der Hauschild bleibt der Hauschild, gerade von seiner Grundkonzeption her. Kurz zu den Gründen, die mich – neben Anhänglichkeit an den akademischen Lehrer – dazu bewogen haben, die bisherige Gliederung der Kirchenund Dogmengeschichte in Paragraphen beizubehalten: 1. Ohne sachliche Zusammenhänge, nur als reine Annalistik ist ein Lehrbuch nicht schreibbar, weil dann die Zusammenhänge und Entwicklungen nicht oder nur sehr indirekt vor Augen treten würden. Insofern ist an sich jedes Lehrbuch von Längsschnitten geprägt. Die Frage ist nur, wie groß die jeweiligen Längsschnitte »zugeschnitten« werden. Hierfür gibt es in der Tat Traditionen, die das, was man als sachliche Entwicklung zusammennehmen muss, auf sehr unterschiedliche Zeiträume beziehen: wenige Jahre in der Zeit des Nationalsozialismus, Jahre oder Jahrzehnte in der Reformationsgeschichte, ganze Jahrhunderte im Mittelalter (Kreuzzugsbewegung, Christianisierung Russlands etc.). Die Alte Kirchengeschichte liegt mit Zeiträumen zwischen 50 und 100 Jahren irgendwo dazwischen. Inhaltlich begründet sind diese Traditionen nicht, ihre latente Normativität dessen, was wichtig und was unwichtig ist, lässt sich schnell und rasch hinterfragen. Es ist eine der Stärken des Hauschild, sich von dieser traditionellen Gliederung des Stoffs zu verabschieden und nach übergeordneten Gesichtspunkten zu fragen. 2. Die ungewohnte Ordnung gibt durch große Längsschnitte nicht nur eine neue Perspektive auf den Stoff frei, sie schafft auch Zusammenhänge und ordnet das Einzelwissen großen Hauptthemen zu. Das ist angesichts der großen Stofffülle, die der Hauschild bietet, wichtig. Die Breite des Stoffs der Kirchengeschichte ist für Studierende wie für Lehrende ein Problem. Man kann sich natürlich behelfen, etwa durch Reduktion des zu Wissenden oder durch eine erzählerische Gestaltung und Anekdoten – beides ist in Vorlesungen legitim und attraktiv. Demgegenüber ist der Hauschild der ambitionierte Versuch, einen großen Stoffumfang als Lehrbuch zugänglich zu machen. Hierfür sind die übergreifenden Längsschnitte eine wesentliche Hilfe. Je mehr ich mich in Konzeption und Aufbau des Lehrbuches vertieft habe, desto mehr erschien mir die Aufteilung der Paragraphen gut begründet. 3. Hauschild beginnt seine Darstellung mit Paragraph 1 über den Gottesbegriff und die Trinitätslehre. Das ist ein programmatischer Auftakt. Am Beginn stehen nicht Christenverfolgungen oder der Blick auf das Imperi22

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Vorwort zur überarbeiteten Neuausgabe

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um Romanum, sondern Vorstellungen über Gott und die Zuordnung Jesu zu Gott. Diese inhaltliche Aussage ist von Wolf-Dieter Hauschild bewusst getroffen worden. Damit verbindet sich die These, dass das Christentum gerade von der Zuordnung Jesu Christi zu Gott aus sein spezifisches Profil gewinnt und diese Grundlegung auch in verschiedenen anderen Kontexten fortwirkt – ohne dass sich diese Kontexte (etwa das Verhältnis zum Imperium Romanum und seiner Kultur oder die Entwicklung als Institution Kirche) einfach nur als Fernwirkungen des Gottesbegriffes verstehen ließen. Die Paragraphen stehen deshalb nebeneinander und signalisieren: Es gibt nicht die eine Metaerzählung, von der aus die Kirchengeschichte zu verstehen ist, aber es gibt größere Zusammenhänge und Akzente, die man setzen kann. Hauschilds Interesse an Institutionen und am Verhältnis des Christentums zum »Staat« wirkt in den einzelnen Paragraphen ebenso fort wie die Überzeugung, dass die Kirchengeschichte deswegen theologische Disziplin ist, weil sie die theologischen Gehalte, also die Rede über Gott, besonders intensiv und präzise beschreibt. Diese Grundkonzeption würde deutlich weniger sichtbar werden oder gar verschwinden, wenn man die Gliederung in Paragraphen auflösen würde. Die Einteilung in zehn Paragraphen und im Großen und Ganzen auch die Stoffdisposition beizubehalten, war eine wesentliche Grundentscheidung für die Überarbeitung von Band 1. Für Band 2 sind hier allerdings einige substantiellere Umstellungen und Ergänzungen der Paragraphenstruktur zu erwarten. Dem Wunsch, den Hauschild auch der traditionellen Ordnung entlang benutzen zu können, soll zugleich Rechnung getragen werden. Dazu dient die Übersicht »Chronologische Ordnung« im Anhang, die einen Vorschlag unterbreitet, in welcher Reihenfolge man die Abschnitte lesen könnte, wenn man eher die traditionellere Aufteilung in kleinteilige Längsschnitte bevorzugt. In den Paragraphen selbst verweist jeweils am Ende eines Abschnitts das Zeichen  auf den Abschnitt, in dem es nach dieser »chronologischen« Ordnung weitergeht (man kann also in den Paragraphen auch chronologisch lesen, ohne die Tabelle im Anhang zu benutzen). Zu den Änderungen gegenüber dem bisherigen Hauschild ist zu sagen: 1. Aktualisiert und nach Möglichkeit dem heutigen Forschungsstand angepasst wurden alle Abschnitte, mal mehr, mal weniger. Dabei zeigte sich, wie viel sich in den vergangenen 25 Jahren eigentlich getan hat. Der Begriff Staat ist problematisiert worden, die Forschung zur sog. Völkerwanderung hat erhebliche Neuimpulse gesetzt, die Perspektive auf das Mittelalter (den sog. Investiturstreit, aber auch das Mönchtum) hat sich maßgeblich geändert. Zudem sind an einigen Stellen Ergänzungen, an anderen Kürzungen vorgenommen worden, teilweise, weil ich die entsprechenden Sachverhalte Vorwort zur überarbeiteten Neuausgabe

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für wesentlich halte oder weil Überlegungen zur Proportionalität innerhalb des Bandes mich dazu veranlassten. 2. Die Aufteilung in Groß- und Kleindruck, die Wolf-Dieter Hauschild dem älteren Lehrbuch von Karl Heussi nachempfunden hat, ist beibehalten worden. Die Rückmeldung, dass es hier durchaus auch Großdruckabschnitte gab, die erst aufgrund des Kleingedruckten verständlich wurden, hat mich hin und wieder dazu bewogen, bisherige Kleinabschnitte in Großdruck zu verwandeln und umgekehrt. Außerdem wurden die Großdruckabschnitte insbesondere auf ihren nominalen Sprachcharakter hin überprüft und zum erheblichen Teil sprachlich neu und hoffentlich leichter zugänglich gefasst. Bewundernswert am bisherigen Hauschild ist der Umgang mit Dopplungen, der sehr gezielt erfolgte. Ganz vermeiden lassen sich Dopplungen von Namen, Personen und auch Ereignissen nie. Solche Überschneidungen bestehen zum einen in sehr begrenztem Maße zwischen den verschiedenen Paragraphen, zum anderen zwischen den einleitenden Texten und den Abschnitten mit untergeordneter Ordnungszahl (also der dritten Ebene wie z.B. 2.2.1). Das Bemühen ging dahin, die Überschneidungen nach wie vor in einem überschaubaren Rahmen zu halten. 3. Fettdruck ist typographisch ein eigenes Problem. Auf ihn wurde jetzt zugunsten von Marginalien verzichtet. Die Marginalien sollen die Aufmerksamkeit auf Stichworte lenken, die nicht in der Überschrift des entsprechenden Absatzes stehen, und sollen das Wiederfinden oder Sich-Orientieren beim Nachschlagen erleichtern. Jeder Absatz hat jetzt eine Überschrift, das gilt auch für die Abschnitte der dritten Gliederungsebene. 4. Der Vorspann jedes Paragraphen wurde überarbeitet. Dabei war mir die Berücksichtigung der studentischen Perspektive besonders wichtig. Die Überarbeitung der einleitenden Texte wurde daher von Alexander Beyer vorgenommen und mit mir inhaltlich wie sprachlich intensiv besprochen. Zudem wurden die bisherigen Stichworte in echte Lernfragen umformuliert, die man sich am besten nach dem Durcharbeiten eines Paragraphen vornehmen sollte. Die Tabellen wurden aktualisiert, die Paragraphen um einige Übersichten ergänzt. 5. Die Karten des alten Hauschild, die Wolf-Dieter Hauschild selbst zeichnerisch entworfen hat, waren – den damaligen technischen Möglichkeiten entsprechend – graphisch relativ einfach gestrickt. Sie sind jetzt neu gesetzt und erheblich modernisiert worden. 6. Die Literaturangaben wurden neu gegliedert, ergänzt und aktualisiert, bisweilen auch um Angaben aus dem nicht-deutschen Sprachraum ergänzt. Neben Quellen und Literatur steht jetzt jeweils ein Lektüretipp am Anfang. 24

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Dies trägt der Beobachtung Rechnung, dass Studierende oftmals sehr froh über Literaturangaben sind (die ja auch für die Weiterarbeit entsprechend hilfreich sind), dass sie aber oft genug auch fragen: Womit soll ich denn anfangen? Als Antwort auf diese Frage sind die entsprechenden Angaben in den Lektüretipps gedacht. Sie besagen also nicht: Das ist die beste Literatur, oder: Die als Lektüretipp angegebene Literatur erschließt das Thema endgültig, sondern sie sind nur ein Anfang, von dem aus man weitergehen könnte oder der einem einen wesentlichen Aspekt des entsprechenden Abschnitts noch einmal aufschließt. Die Umfänge sind daher auch sehr unterschiedlich, von wenigen Seiten bis zu kleineren Büchern. Nicht intendiert ist die Idee, dass jede(r) Studierende – zusätzlich zum Hauschild – alle Lektüretipps in der Examensvorbereitung durcharbeitet, sondern hier gilt: Man gehe seinen Interessen nach. Das, was einen besonders anzieht oder besonders abstößt, verdient ergänzende Lektüre, sowohl von Quellen als auch von weiterer Literatur. Ein solches, eine Vorlesung oder das Lernen begleitendes Lesen ist unersetzbar – und dazu sollen die Lektüretipps anleiten und anhalten. Ausgedünnt wurden z.T. ältere Literaturangaben und (relativ oft) der Verweis auf die einschlägigen Artikel der TRE. In der RGG und der TRE nachzuschlagen und sich so einem Thema zu nähern, wird eigentlich grundlegend erwartet; die entsprechenden Angaben sind nur dann gesetzt, wenn explizit auf diesen Artikel hingewiesen werden soll oder sich nicht automatisch nahelegt, unter welchem Stichwort man den entsprechenden Kontext findet. Das Lehrbuch seines akademischen Lehrers zu überarbeiten, ist eine besondere Herausforderung, der ich mich deshalb gestellt habe, weil mir WolfDieter Hauschild das Lehrbuch vermacht hat und mir völlig freie Hand bei der Bearbeitung zugesichert hat. Diese Bearbeitung so vorzunehmen, dass die Grundkonzeption erhalten bleibt, zugleich aber meine heutige Perspektive auf die Kirchen- und Dogmengeschichte eingearbeitet wird, das war die Grundaufgabe der Arbeit, die mich die letzten drei Jahre dauerhaft begleitet hat. Verbleibende Fehler und andere Unvollkommenheiten (es gibt sicher einige) sind allein mir zuzurechnen. Dank zu sagen gilt es allen, die an diesem Projekt teilgehabt, mich unterstützt und mir geholfen haben. Insbesondere das Team an meinem Lehrstuhl hat hier hervorragende und unverzichtbare Hilfe geleistet, ohne die auch dieses Projekt nicht zustande gekommen wäre. Ganz besonderer Dank gilt hier meiner Assistentin, Vanessa Bayha, die nicht nur umfassend Korrektur gelesen hat, sondern auch redaktionell und im Hinblick auf die Literaturangaben wesentlich zum Manuskript beigetragen hat. Alexander Beyer hat sich nicht nur intensiv mit den Einleitungsteilen der Paragraphen befasst, sondern auch die Anpassung des Registers organisiert und zum großen Teil selbst bewerkstelligt; von ihm stammen auch die methodischen Hinweise zum Lesen und Lernen im Vorspann. PD Dr. Benjamin Gleede hat zu § 4 wertvolle Hinweise gegeben, Johanna Jebe hat eine frühere Fassung von § Vorwort zur überarbeiteten Neuausgabe

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6 detailliert kommentiert. Beim Eintragen der Marginalien und durch Korrekturen war Isabella Schuler eine große Hilfe. Korrektur gelesen, Literatur­ angaben überprüft und an den Registern mitgewirkt haben außerdem David Burkhart Janssen (dem ich auch für einige inhaltliche Hinweise danke), Raphael Zager (Danke für die Überprüfung von Literaturhinweisen), Christoph Scharr, Mirjam Wien, Maximilian Schmid-Lorch, Constantin Cremer und Katharina Weber. Tanja Scheifele vom Gütersloher Verlagshaus danke ich nicht nur für Geduld, sondern für großes Engagement beim Neusatz der Paragraphen und besonders auch der Karten. Die Hoffnung, dass das Buch nun Studierenden und Lehrenden der Kirchengeschichte wie auch aus benachbarten Disziplinen und Fächern hilfreich sein möge, mag am Ende dieses Vorwortes stehen. Tübingen, im April 2016

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Volker Henning Drecoll

Vorwort zur überarbeiteten Neuausgabe

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Vorwort von Wolf-Dieter Hauschild zur 1. Auflage Dieses Buch hat eine längere Vorgeschichte, die mit dem eigenartigen Faktum zusammenhängt, daß es zwar eine stattliche Reihe vorzüglicher Lehrbücher gibt, es aber schwerfällt, Studierenden ein einziges als hinreichend zur kontinuierlichen Benutzung zu empfehlen. Schon 1982 fragte mich der Verleger Hansjürgen Meurer, ob ich einen Ersatz für »den Heussi« – das ebenso viel benutzte wie viel geschmähte Kompendium der Kirchengeschichte – schreiben könnte. Meine Antwort war ein klares Nein, weil jene didaktische Meisterleistung mit ihrer konzentrierten Verarbeitung der Forschung in sprachlich komprimierter Stoffülle kaum kopiert werden kann, wie ja auch die erstaunliche Tatsache belegt, daß dies Kompendium seit vielen Jahrzehnten seinen Platz behauptet hat. Jedoch führten jahrelange Erfahrungen mit der Vorbereitung von Examenskandidatinnen und -kandidaten auf das sog. Grundwissen sowie Frustrationen bei den entsprechenden Prüfungen zu dem Plan, eine Übersicht über den erforderlichen Lernstoff als eine Art Repetitorium zu verfassen. Sowohl bei der Auswahl des Materials als auch bei der Konzeption der Darstellung zeigte es sich aber, wie schwer das exakt zu formulieren ist, was der scheinbar eindeutige, hilfreiche Begriff »Grundwissen« unserer Studien- und Prüfungsordnungen suggeriert. Die Kenntnis der historischen Stoffe muß ja eingeordnet sein in einen Verstehensvorgang systematisierender Erkenntnis. Da nach meiner Erfahrung bei Studierenden erhebliche Verständnisschwierigkeiten begegnen, ist es ein wichtiges Ziel, die komplizierten Sachverhalte der Kirchen- und Dogmengeschichte verständlich zu machen und in ihre übergreifenden Zusammenhänge einzuordnen. Allerdings bedarf es dazu einer nicht geringen Masse an Stoffpräsentation. Als Ergebnis ist ein doppeltes Lehrbuch entstanden: einerseits ein Grundriß für allgemeine Kenntnisse, andererseits ein Nachschlagewerk für speziellere Informationen. Das Buch will keine komplette Darstellung der Kirchen- und Dogmengeschichte sein, wie auch sein Aufbau zeigt: Die konzeptionelle Ordnung an der Examensvorbereitung drückt sich darin aus, daß der in vielen Prüfungsordnungen genannte Wissensstoff in Form von zusammenfassenden thematischen Längsschnitten geboten wird. Vielfältiger Dank gilt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern am Seminar für Alte Kirchengeschichte, die bei der Erstellung des Buches geholfen haben. Frau Monika Bisping hat mit stetigem Einsatz und großer Akribie die verschiedenen Textfassungen geschrieben. Die typographische Gestalt des Buches in der vorliegenden Druckform mit den komplizierten Einzelheiten hat Frau Sabine Lehmann als Virtuosin auf dem Computer produziert. Sie hat auch bei didaktischen und fachwissenschaftlichen Fragen beratend mitgewirkt, ebenso Frau Dr. Anneliese Bieber und Herr Dr. Volker Drecoll. Die geographischen Abbildungen haben in mühevoller Arbeit Frau Lehmann Vorwort von Wolf-Dieter Hauschild zur 1. Auflage

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und Herr Drecoll unter Mithilfe von Frau Annette Gutsuz angefertigt. Ihr Werk sind auch die detaillierten Register und Listen im Anhang, bei denen Frau Bieber, Frau Gutsuz und Herr Frank Wiggermann fleißig-sorgsam mitgeholfen haben. Herr Wiggermann hat sich ferner bei der Überprüfung der Literaturangaben und Quellenbelege kräftig engagiert. Im Gütersloher Verlagshaus haben Herr Hansjürgen Meurer und Herr Paul Rybak mit großer Geduld die Planung und Drucklegung gefördert. Wolf-Dieter Hauschild

Münster, im September 1995

Benutzungshinweise aus der 1. Auflage Bei der Lektüre ist stets zu beachten, daß es sich um eine Kombination zweier Lehrbücher bzw. um die Differenzierung zwischen einem allgemeinen und einem speziellen Teil handelt: Zusätzlich zu dem Grund- bzw. Überblickswissen wird ein Ergänzungswissen geboten, welches zwar die normalen Anforderungen übersteigt, aber hinter einer wissenschaftlich fundierten, spezialisierten Beschäftigung mit der Kirchen- und Dogmengeschichte zurückbleibt (vielleicht zu dieser anregt). Die Doppelkonzeption wird dadurch äußerlich angezeigt, daß in allen zehn Paragraphen das in Kapitel gegliederte Grundwissen in einer größeren Drucktype erscheint. Wer nur dieses lernen will, sollte alle kleingedruckten Abschnitte weglassen, die für gelegentliches Nachschlagen nützlich sein wollen. Ein solches Verfahren ist durchaus möglich, weil der großgedruckte Text als in sich abgeschlossene Darstellung angelegt ist; er macht insgesamt weniger als die Hälfte des Buchumfangs aus. Die vor jedem Paragraphen eingefügten Problemskizzen und Übersichtstabellen sollen eine Einführung bieten und bei der Wiederholung helfen. Wegen der Konzentration auf das Grundwissen sind die Literaturangaben zur weiterführenen Beschäftigung auf deutschsprachige Übersichtswerke beschränkt worden. Lexika und Zeitschriften sind dadurch kenntlich gemacht, daß sie mit der Jahreszahl in Klammern zitiert werden. Kursivschrift im Text der Darstellung bedeutet, daß es sich um Zitate (Begriffe, Sätze, Werktitel) handelt. Nach Möglichkeit ist vor allem im speziellen Teil auf wichtige Textausgaben sowie deutsche Übersetzungen hingewiesen worden. Das soll eine Aufforderung zur Befassung mit möglichst vielen Quellen sein, weil diese die unverzichtbare Grundlage historischen Arbeitens bilden. Gute Dienste leisten die verschiedenen Auswahlausgaben in deutscher Übersetzung. Die Abbildungen (geographischen Skizzen) sind als wichtige Orientierungshilfen auf spezielle Inhalte der jeweiligen Paragraphen bezogen. Sie sollen die historischen Atlanten nicht ersetzen, auf deren Nutzen ausdrücklich verwiesen sei. 28

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Vorwort von Wolf-Dieter Hauschild zur 1. Auflage

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Vorwort von Wolf-Dieter Hauschild zur 2. Auflage Angesichts der positiven Aufnahme, die dieser Band bei Studierenden, Kolleginnen/Kollegen und Rezensenten gefunden hat, bringt die zweite Auflage keine Neugestaltung. Sie beschränkt sich auf kleinere Textänderungen und zahlreiche Korrekturen; durchgehend sind jedoch die Literaturangaben erheblich erweitert worden. Die Herstellung der Druckvorlage (die wegen technischer Umstellungen viel Mühe bereitete) haben in akribischem Einsatz Frau Monika Bisping, Frau Rebecca Frank, Frau Simone Klusmeier und Herr Andreas Kurschat besorgt. Meinen herzlichen Dank möchte ich auch öffentlich aussprechen. Münster, im März 2000

Vorwort von Wolf-Dieter Hauschild zur 2. Auflage

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Wolf-Dieter Hauschild

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Ein Lehrbuch zum Lernen – Zwei methodische Hinweise 1. Lernen für das Examen Einige Hinweise aus der Sicht eines Prüfers In Kirchengeschichte geht es keineswegs in erster Linie darum, eine möglichst große Fülle an Jahreszahlen und Namen auswendig zu lernen. Das Hauschild’sche Lehrbuch zielt ja gerade darauf, umfassende thematische Komplexe zu erschließen und durch Längsschnitte zur Reflexion übergreifender Linien anzuregen. Allerdings: Ohne Namen, Details und auch Jahreszahlen lässt sich Kirchengeschichte auch nicht betreiben oder in einer Prüfung präsentieren. Namen und Zahlen sind nicht nur ein leitendes Orientierungsgerüst, sondern sind auch ein unaufgebbarer Bestandteil der historischen Bildung, vorausgesetzt, mit ihnen werden inhaltliches Verständnis, methodische Aufbereitung und Einbindung in übergreifende Linien und Problemstellungen verbunden. Wer sich als Lehrender mit Kirchengeschichte befasst, steht daher vor der keineswegs trivialen Anforderung, einerseits zu einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit bestimmten Fragestellungen und Kontexten anzuleiten, andererseits aber auch aus einer unübersichtlich großen Stofffülle das herauszufiltern, was zum Überblick und zur Darstellung der einzelnen Fragen notwendig ist. An die Studierenden stellt das Lernen des so herausgefilterten Stoffes, der immer noch umfangreich genug ist, erhebliche Anforderungen, sowohl während des Theologiestudiums als auch in der Examensvorbereitung. Allerdings ist diese Anforderung auch nicht unrealistisch hoch oder gar nicht zu schaffen. Wer das nicht glaubt, dem sei ein Gespräch mit Studierenden der Medizin oder Jurisprudenz empfohlen, wo große Lernpensen ganz selbstverständlich verlangt und auch bewältigt werden. Lernen verlangt Fleiß, daran führt kein Weg vorbei – aber auch gute Selbstorganisation. Die allerdings ist auch für die spätere Berufstätigkeit von elementarer Bedeutung. Selbstorganisation sollte daher auch im Zentrum der Examensvorbereitung stehen – und das meint ja zunächst ganz schlicht: sich selbst organisieren. Nicht die Organisation und stetige Fütterung einer Lerngruppe sollte im Zentrum stehen, sondern die Frage: Wie lerne ich am besten eine große Stofffülle? Beliebt ist unter Studierenden ein Vorbereitungsjahr auf das Examen, und dies ist inzwischen sogar – verpackt als Integrationsphase – in Studienordnungen eingetaktet. In diesem Jahr werden dann nach und nach die Spezialthemen »erarbeitet« und entsprechende Lehrbücher für das Grundwissen durchgeackert. Oft genug wird das Jahr dabei in Phasen aufgeteilt, so dass für das Erlernen der Kirchengeschichte oder der einleitungswis30

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senschaftlichen Kenntnisse in AT oder NT ca. 6-8 Wochen verbleiben. Mit dieser Aufteilung der »Integrationsphase« in fachbezogene Blöcke ist die (illusorische) Hoffnung verbunden, dass man das Erlernte ein Jahr später für die mündliche Prüfung mit Lernkarten o.ä. schnell wieder wachrufen kann. Dieses Vorgehen führt bisweilen zu dem etwas paradoxen Effekt, dass Studierende in den einzelnen Vorlesungsprüfungen während des Studiums wesentlich besser aufgestellt sind als in der Examensprüfung, in der man in kurzer Zeit in den verschiedenen Fächern sein Wissen unter Beweis stellen soll (Hier zeigen sich auch die besondere Herausforderung und der Sinn einer Abschlussprüfung). Von einem solchen Lernen in thematischen Blöcken, das die anderen Fächer jeweils monatelang ausblendet, ist aus meiner Sicht dringend abzuraten. Für eine erfolgreiche Examensvorbereitung sind zwei Dinge wesentlich, nämlich 1. eine langfristige Planung, 2. kein Blocklernen während der Examensvorbereitung: 1. Langfristige Planung: Die Spezialgebiete sollten aus dem Hauptstudium erwachsen und schon während des Hauptstudiums erarbeitet werden. Bei der Examensmeldung sollte man hier auf bereits erarbeitete Zusammenhänge, durchgearbeitete Primärquellen und gelesene Sekundärliteratur zurückgreifen können. Dasselbe gilt auch für das Grundwissen. Grundwissen sollte nicht am Ende des Studiums stehen, sondern im Laufe desselben erworben werden. Die Examensvorbereitung sollte wiederholen, vertiefen, Lücken schließen und den Stoff übersichtlich aufbereiten, so dass man ihn sich einprägen kann. Das bedeutet für den gesamten Verlauf des Studiums, besonders aber für die Zeit nach der Zwischenprüfung: Man sollte jedes Semester Zeit einplanen, um sich ausgewählte Bereiche so intensiv zu erarbeiten, dass später ein Spezialgebiet daraus erwachsen könnte. Hausarbeiten, die laut Modulhandbüchern oder Prüfungsordnungen zu schreiben sind, sollten damit verbunden werden. Noch viel zu oft werden während der Semester nur die Veranstaltungen besucht (und mehr oder weniger vorbereitet). Stattdessen sollte die Devise heißen: Welche Lehrveranstaltungen besuche ich und welche Zusammenhänge, welchen Stoff bearbeite ich in diesem Semester intensiver? Je mehr man hier schon eigene Lernräume schafft, desto mehr entstehen eigene Fragen, die man wieder in die Lehrveranstaltungen einbringen kann. Auch im Zeitalter von ECTS-Punkten gilt: Das freiwillige, eigenständige Lernen und Lesen befördert das Studium und entlastet zugleich bei der Examensvorbereitung. Das ist die wirksamste Methode, um ein Studium erfolgreich zu gestalten. Für das Grundwissen in Kirchengeschichte benötigt man einen vertieften Überblick über die Epochen. Wo es noch vierstündige Hauptvorlesungen gibt, sollte man sich zwei oder (möglichst) drei Epochen der Kirchengeschichte anhand solcher Vorlesungen intensiv erarbeiten und zu anderen Ein Lehrbuch zum Lernen – Zwei methodische Hinweise

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Bereichen in Seminaren und Übungen einen vertieften Einblick bekommen. Eine kirchengeschichtliche Epoche mittels einer Vorlesung zu erschließen, setzt dreierlei voraus: a) begleitende Benutzung einer Quellensammlung während der Vorlesung, b) Erstellung von eigenen Übersichten über jeden Paragraphen der Vorlesung, dazu: Nachschlagen und Nachlesen in Lexika und etwa im Hauschild, der sich auch als Nachschlagewerk bewährt hat, c) vertiefende Lektüre, erst in einem Lehrbuch, z.B. dem Hauschild, bei Interesse oder besonderer Abneigung gegen das Thema auch weitergehend (z.B. anhand der Lektüretipps im Hauschild), danach Überarbeitung und Ergänzung der eigenen Übersichten. Neben der Tatsache, dass man so studieren sollte, dass die Examensvorbereitung aus dem Studium erwächst, ist dann für die Vorbereitungszeit selbst ein zweites wichtig: 2. Keine »Lernblöcke« in der Examensvorbereitung, sondern ein rollierendes System der theologischen Fächer. Aus der Schule kennt das jede(r). Alle Fächer kommen im Laufe der Woche wieder, das Wissen wird nicht nur Stück für Stück erweitert, sondern vor allem auch präsent gehalten. Das könnte z.B., wenn man fünf Fächer vorbereiten muss, so aussehen: Montag

Dienstag Mittwoch Donnerstag

Freitag

9.00-10.30

AT

NT

KG

ST

PT

11.00-12.30

NT

KG

ST

PT

AT

15.00-16.30

KG

ST

PT

AT

NT

17.00-18.30

ST

PT

AT

NT

KG

Mittagspause

Nach einem solchen, rollierenden System ist jedes Fach immer wieder dran, in diesem Falle vier Mal in der Woche jeweils 1,5 Stunden (das legt nahe, dass man auch nicht wesentlich mehr als 6h/Tag wirklich konzentriert lernen kann). In diesen 1,5 Stunden sollten in den historischen Fächern jeweils Primärtexte übersetzt werden (etwa 30 min.), dann sollte 60 min. entweder Grundwissen wiederholt bzw. ergänzt werden, oder es sollten Texte und Literatur für das Spezialthema erarbeitet werden, immer abwechselnd. 1,5h konzentriertes Arbeiten mit anschließender Pause/Themenwechsel ist eher zu empfehlen als lange Sitzungen. Der Plan ist so flexibel gestrickt, dass universitäre Lehrveranstaltungen eingebaut werden könnten (das kann etwa 2-3 Lehrveranstaltungen umfassen, z.B. um 14.00 Uhr oder um 18.00 Uhr) und auch Hobbys noch ihren Platz finden. Je nach Zeit und Kraft kann am Abend oder am Wochenende noch weiteres gelesen oder zu anderen Themen in Be32

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ziehung gesetzt werden, aber eine solide, nicht überfordernde Grundstruktur zu haben, die alle theologischen Fächer gleichzeitig betreibt, lässt am ehesten erwarten, dass man dann am Ende einer Examensvorbereitungszeit ein breit aufgestelltes Wissen präsentieren kann. Lehramtsstudierende, die zwei Fächer haben, müssen entsprechend angepasst ihre eigenen Pläne entwerfen, das kann man auch zusammen tun. Lerngruppen sollten abends stattfinden, eher nur einmal in der Woche. Mein Eindruck als Prüfer ist hier eindeutig: Das gemeinsame Lernen und gegenseitige Vorstellen wird eindeutig überschätzt und kostet oft wertvolle Zeit, die allein am Buch besser genutzt wäre. Der Hauschild kann für den gesamten Prozess des Studiums benutzt werden, also zum Erarbeiten einer kirchengeschichtlichen Epoche, zur Einordnung von spezifischen Themen in Proseminaren, Seminaren und Übungen, zur Vorbereitung auf das Examen, zum Nachschlagen – auch über die Grenzen des Faches Theologie hinweg. Das ist der Hintergrund dafür, dass das Buch weder »Einführung« noch »Repetitorium« heißt, aber auch nicht eine fundamental neue Gesamtdarstellung aus einer bestimmten Forschungsperspektive sein will, sondern eben ein »Lehrbuch«.

2. Allein lernen – aber wie? Methodische Empfehlungen eines Studierenden von Alexander Beyer

Lernen ist die Verbindung von neuem mit altem Wissen. Das bedeutet, dass das bloße Lesen eines Textes allein häufig nicht zum gewünschten Ergebnis führt. Deswegen schlage ich zur Benutzung dieses Lehrbuches eine Vorgehensweise vor, die nicht nur das Merken erleichtert, sondern auch eine an Konzepten orientierte Lern- und Denkweise hervorruft. Ein häufiges Missverständnis im Bereich der Kirchengeschichte ist, dass es im Wesentlichen um das Auswendiglernen von »Fakten« und »Daten« gehe. Mit dem Begreifen der Zusammenhänge historischer Entwicklungen wird das Lernen der Geschichte und das Entstehen von echtem Interesse hingegen leichter möglich; im Übrigen entspricht dies den Anforderungen der Prüfungen weit mehr als stures Pauken. Mit dem Bild einer Reise möchte ich die für dieses Lehrbuch vorgeschlagene Methodik verdeutlichen. Die sechs Schritte dauern teilweise jeweils nur wenige Sekunden bzw. Minuten, machen aber einen großen Unterschied zum bloßen Lesen. Je nach eigenen Vorlieben können einzelne Schritte ausführlicher oder kürzer begangen werden. Die »Inventur« sollte allerdings unbedingt vorgenommen werden. Wie bei einer Reise gilt: Eine gute Vorbereitung ist elementar! Die ersten vier Schritte kosten nur wenig Zeit, verändern aber die Wahrnehmung des Textes erheblich. Ein Lehrbuch zum Lernen – Zwei methodische Hinweise

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Die Schritte können auf beliebig gewählte Textabschnitte angewendet werden. Es ist allerdings wenig sinnvoll, einen ganzen Paragraphen auf einmal zu bearbeiten, besser sind kleinere Einheiten wie etwa ein Kapitel. 1. Wo geht die Reise hin? Erstes Überfliegen eines Textabschnitts (wenige Sekunden)

Als erster Schritt sollte der gewählte Abschnitt sehr schnell überflogen werden. Hierbei geht es nur um wenige erste Eindrücke: • Wie groß ist der Abschnitt? • Was kann ich schon sehr grob über den Aufbau, die Struktur feststellen? • Was fällt mir besonders ins Auge (Schaubilder, Tabellen o.ä.)? 2. Was bringe ich mit? Inventur: erste Assoziationen (60 Sekunden oder länger)

Was fällt mir schon zum Thema des Abschnitts ein? Hier ist es wichtig, die Assoziationen wirklich frei fließen zu lassen. Fällt mir der letzte Vorlesungsbesuch oder eine Anekdote aus einer Lehrveranstaltung ein, so nehme ich das wahr. Fallen mir Fragen ein: Sofort notieren! Es lohnt sich sehr, die Assoziationen auf einem Blatt Papier festzuhalten, sei es in Stichworten, Bildern oder auch in einer Mindmap. Eine Anregung bieten auch die die Paragraphen einleitenden Fragestellungen und Grundprobleme sowie die Überblickstabellen. Vor allem im Umgang mit den einleitenden Fragestellungen empfiehlt es sich sehr, schon eigene Vermutungen anzustellen. Wildes Spekulieren ist an dieser Stelle der beste Einstieg: Je schillernder und absurder die eigenen Ideen, desto leichter lässt sich das »richtige« Wissen später daran anknüpfen! 3. Die Umgebung erkunden: Zweites, genaueres Überfliegen (ca. 2 Minuten)

Mehrfaches schnelles Lesen oder Überfliegen verbessert das Textverständnis wesentlich. Wer keine Schnelllesetechniken beherrscht, kann etwa auch einfach die Marginalien kurz lesen, das liefert einen guten Ersteindruck. Im Vergleich zum ersten Schritt soll allerdings schon ein wenig vom Inhalt wahrgenommen werden. Was sind die »Highlights«, die man unbedingt gesehen haben muss, und wo kann ich mehr darüber erfahren? Welche Themen spielen in meinem Abschnitt die größte Rolle? Es genügt, die entsprechenden Textabschnitte wahrzunehmen und am besten grob zu markieren. Dieser Schritt bereitet Schritt 4 vor: Worauf will ich achten, wenn ich den Abschnitt gleich »richtig« lese? 4. Was will ich besichtigen? Orientierende Fragestellungen (ca. 2-5 Minuten)

Auf welche drei bis sechs Aspekte will ich beim Lesen achten? Mit welcher Fragestellung lese ich? Um Neues zu lernen, muss ich es differenziert wahr34

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nehmen können. Orientierende Fragestellungen oder bestimmte Aspekte strukturieren den Inhalt schon beim Lesen. Auf diese Weise bleibt wesentlich mehr im Gedächtnis haften, und zwar auch Inhalte, die ich hinsichtlich meiner Fragestellung »aussortiere«. »Das hat nichts zu tun mit ...« kategorisiert auch das für die eigene Fragestellung weniger Wichtige oder Irrelevante und stellt es damit wiederum in einen abgrenzenden Kontext. Sinnvolle Fragen sollten sich nach den ersten Assoziationen leicht finden lassen. Die Einleitungstexte, Kernfragen und -probleme sowie die Tabellen bieten sich ebenfalls an. Vor allem die Kernfragen selbst sind gut geeignet, um sich die Texte zu erschließen. Sie dienen außerdem der späteren Lernkontrolle. Natürlich ist meist die Frage nach den wichtigsten Themen oder Stichworten gut und richtig, etwa: Was sind die fünf wichtigsten Themen in diesem Kapitel und warum? Die Zahl im Beispiel hat ihren Sinn: Ein vorheriges Abschätzen (»Es werden wohl etwa vier oder fünf wichtige Themen sein«) bietet eine bessere Orientierung als die typische, unbeschränkte Herangehensweise, die dazu verleiten kann, jedes Detail für wichtig zu erklären. Gerade wenn man sich irrt und sich dennoch mehr – oder auch weniger – Themen aufdrängen, sollte man sich wenigstens ungefähr an die Zahl halten und die Themen etwa in Kategorien zusammenfassen oder auf andere Weise abstrahieren – oder eben differenzieren. So führt die Frage nach den »Top five« (oder einer anderen Anzahl) zur Reflexion des Stoffes statt bloßem Auswählen. Allerdings sollte das Suchen nach den wichtigsten Punkten nicht der einzige orientierende Aspekt sein. Andere Fragestellungen könnten sich z.B. an Personen oder Amtsinhabern orientieren, etwa: Welche Rolle spielt der Patriarch von Alexandria in diesem Abschnitt? Versucht der Kaiser Einfluss auf die Entwicklung zu nehmen? Wenn ja, wie und warum? Gibt es Interessen anderer Gruppen oder Personen, die hier nur angedeutet werden? Interessant sind aber auch Fragestellungen, die eher am Rande oder nur indirekt mit dem Inhalt zusammenhängen, etwa: Welche (ggf. unausgesprochene) Position nimmt der Autor ein? Was überrascht mich bei der Lektüre? 5. Mit den Einheimischen sprechen – mit dem Text diskutieren Sind die orientierenden Grundfragen gefunden, beginnt die eigentliche Lektüre des Textes. Dabei dienen die Grundfragen als Filter, die den Text hierarchisieren. Bei Abschnitten, die für die Fragestellungen relevanter sind, lohnt sich ein langsames, vertiefendes Lesen: Zu einem tieferen Begreifen der Zusammenhänge im Detail können weitergehende (kritische) Fragen führen, z.B.: • Was genau meint der Autor mit ...? • Wie lässt sich das mit ... vergleichen? • Wie hängen ... und ... zusammen? Ein Lehrbuch zum Lernen – Zwei methodische Hinweise

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• Was könnte ... verursacht haben? • Welche Bedeutung spielen inhaltliche, welche persönliche Differenzen für diese Entwicklung? • Warum hat ... eine so große Bedeutung für die damaligen Akteure? Warum für uns heute? • Welche Konsequenzen könnten sich daraus ergeben? Es kann sehr hilfreich sein, den Text dabei tatsächlich als Diskussionspartner wahrzunehmen und auch in Andeutungen nach möglichen Antworten zu suchen, bevor man weitere Details ggf. nachschlägt. 6. Fotos und Reisetagebuch – Sinnvolle Notizen Notizen dienen verschiedenen Zwecken. Im Falle eines Lehrbuches sind die Informationen ja schon festgehalten, d.h. das Ziel dürfte vorrangig Zusammenfassung und dauerhaftes Merken sein. Ein guter Zeitpunkt für die Notizen ist das Ende eines Teilabschnitts. Es ist effektiver, im Nachhinein noch einmal kurz über das Gelesene nachzudenken und das Ergebnis des Nachdenkens in Worten oder (Schau-)Bildern zu notieren (und eventuelle Lücken direkt mit dem Text zu schließen), als einfach nur einzelne Stichworte beim Lesen oder Überfliegen aus dem Text auszuwählen. Das bedeutet: Ich sollte die Notizen, die ich mir mache, auch erläutern können, besonders dann, wenn ich nur die wichtigsten Punkte notiere. Wenn das noch schwerfällt, kann eine zweite Inventur, also ein weiteres Assoziieren als Zwischenschritt hilfreich sein. Vorhandene Stichwörter zu strukturieren fällt oft leichter und überwindet das unangenehme Gefühl der fordernden leeren Seite. Leitend für die Notizen können etwa folgende Fragen sein: • Was halte ich für absolut grundlegend? Verändert sich meine Gewichtung in der Rückschau? • Was habe ich im Vergleich zur Inventur dazugelernt, was aber auch schon gewusst? • Wie stelle ich das Thema auf einer einzigen DIN A4-Seite sinnvoll und verständlich dar? Den gelernten Stoff dabei gedanklich für jemand anderen darzustellen, stellt sicher, dass die eigenen Notizen für das künftige Ich immer noch verständlich sind. Eine Bemerkung zum Druckbild: Durch das besondere Druckbild wird der Stoff in Überblickwissen und weiterführende Informationen unterteilt: Die etwas allgemeiner gehaltene, besonders auf den Gesamtzusammenhang abzielende Darstellung ist in einer größeren Schriftgröße gedruckt, die etwas detaillierten Abschnitte hingegen etwas kleiner. Mit ihnen kann der Leser tiefer einsteigen. Die allgemeinere Darstellung ist als geschlossener Text angelegt, sodass sie aber auch ohne die weiterführenden Informationen verständlich sein dürfte. 36

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Einleitung: Wieso Kirchen- und Dogmengeschichte?

Wolf-Dieter Hauschild hat sein Lehrbuch ein »Lehrbuch der Kirchen- und Dogmengeschichte« genannt. Dieser Titel trägt nicht nur der Tatsache Rechnung, dass in manchen Prüfungsordnungen der Begriff Dogmengeschichte noch auftaucht, sondern ist auch inhaltlich gefüllt. Hauschild selbst hat sich dazu konzise in dem Artikel »Dogmengeschichtsschreibung« in der TRE geäußert und umrissen, wie er sich die Zukunft einer Dogmengeschichtsschreibung vorstellt. Der Überblick über die Entwicklung der Dogmengeschichtsschreibung endet zunächst mit dem Ergebnis: »Die Krise der evangelischen Dogmengeschichtsschreibung konnte seitdem [scil. seit dem frühen 20. Jh.] weder mit neuen programmatischen Ansätzen noch mit der hochspezialisierten Einzelforschung nachhaltig überwunden werden.« (TRE 9, S. 122) Diesem Eindruck hat u.a. Ulrich Köpf in seiner Antrittsvorlesung 1987 Rechnung getragen und sich nachdrücklich dafür ausgesprochen, eine umfassende Theologiegeschichte an die Stelle der Dogmengeschichte zu setzen. Begründung: Die Theologiegeschichte hat »keinen einheitlichen Dogmenbegriff hervorgebracht ..., der für die historische Darstellung brauchbar wäre« (Köpf, S. 472). Er selbst befürwortet einen modernen Zugriff: Danach kann man unter Dogmen »Sätze« verstehen, »die Zusammenhalt und Einheit einer Gemeinschaft nach innen und ihre Abgrenzung nach außen bewirken« (S. 472). Dabei müssen natürlich »Frömmigkeit und Kult, Kirchenrecht und Kirchenpolitik« berücksichtigt werden. Nur: Gerade wenn man eine solche, methodisch erforderliche Einordnung der genannten »Sätze« vornimmt, also »Dogmengeschichte als Geschichte der Identitätsfindung religiöser Gemeinschaften« (S. 473) versteht, wird die Dogmengeschichte letztlich mit der Kirchengeschichte identisch, ist dann »eine Dublette zur allgemeinen Kirchengeschichte« (S. 473). Eine Dogmengeschichtsschreibung, die den heutigen Anforderungen entspricht, braucht dann nach Köpf eigentlich nicht mehr als solche betrieben zu werden, ihre Aufgabe ist durch die allgemeine Kirchengeschichte bereits erledigt. Dogmengeschichtliche Vorlesungen sind denn auch tatsächlich an vielen theologischen Fakultäten seit Längerem aus dem Lehrprogramm verschwunden, Titel wie »Kirchenund Theologiegeschichte« oder »Christentumsgeschichte« haben weite Verbreitung gefunden. Demgegenüber hatte Hauschild im Jahr 1982 eine Dogmengeschichte durchaus für sinnvoll erachtet, »wenn sie als Geschichte der Wahrheitserkenntnis, konzentriert auf den Sektor normativer, definierter, kirchlich rezipierter Bekenntnisse und Lehren, dargestellt wird« (TRE 9, S. 123). Auch er hält fest, dass dies nur möglich ist, wenn der Bezug auf die Institution Kirche bzw. die jeweiligen Gemeinschaftsbildungen hergestellt wird (vgl. ebd.) und man in Rechnung stellt, dass »externe Faktoren« konstitutive Bedeutung haEinleitung: Wieso Kirchen- und Dogmengeschichte?

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ben, also »die kulturellen, politischen und sozialen Faktoren« berücksichtigt werden. »Dogmengeschichtsschreibung konzentriert sich deshalb im Unterschied zur Theologiegeschichte auf diejenigen Lehren, die Geschichte gemacht haben, und auf diejenigen Theologen, deren Verarbeitung oder Bestreitung der vorgängigen Tradition allgemeine kirchliche Resonanz gefunden hat« (ebd.). Eine ideengeschichtliche Darstellung, wie sie bei Ferdinand Christian Baur angestrebt war und noch im großen dogmengeschichtlichen Entwurf von Harnack nachwirkt, kommt für Hauschild nicht in Frage. Dogmengeschichte entpuppt sich als eine wesentliche Perspektive von Kirchengeschichte überhaupt. Der Bezug auf die unterschiedlichen kirchlichen Gemeinschaften und ihren konkurrierenden Wahrheitsanspruch bedeutet für Hauschild eine ökumenische Weitung, weil nicht der Wahrheitsanspruch einer konfessionellen Gestalt von Kirche zugrundegelegt werden kann, sondern gerade die Vielfalt dieser Wahrheitsansprüche und ihre Eigenart zur Sprache kommen müssen (vgl. S. 124). Hauschild könnte Köpf also zustimmen, wenn es darum geht, den Inhalt der Dogmengeschichte zu weiten, institutionelle und externe Gegebenheiten sowie kulturelle, politische und soziale Aspekte zu beachten. Auch den Bezug auf die jeweilige kirchliche Gemeinschaft (und ihre Identität) teilt er. Er zieht daraus aber einen anderen Schluss als Köpf, plädiert nicht dafür, die Dogmengeschichte nicht länger zu betreiben, sondern sie integrativ mit der Kirchengeschichte zu verzahnen. Heraus kommt – ein »Lehrbuch für Kirchen- und Dogmengeschichte«, also eine Darstellung, die die Erkenntnisse, Sätze und Bekenntnisse, die normativ wurden, und ihre institutionellen, sozialen, kulturellen Kontexte in der Darstellung der Kirchengeschichte besonders beachtet. Allerdings geht auch das Verständnis von Dogmengeschichte, wie Hauschild es entworfen hat, im Kern von Sätzen und Bekenntnissen aus, von der Fixierung einer »Wahrheitserkenntnis« (TRE 9, S. 123), der normativer Charakter zugesprochen wird. Neben den strukturellen Kontexten hebt Hauschild dann besonders auch die Theologen vor, die entsprechende Beiträge geleistet haben. Damit wird – abgesehen von dem besonderen Interesse, das Hauschild an Personen und ihren Vernetzungen immer gehabt hat – zugleich einer Engführung von Geschichte auf eine Struktur- oder Institutionengeschichte, wie sie sich von längsschnittartigen Paragraphen aus auch nahegelegt hätte, entgegengewirkt. So wenig sich die Kirchengeschichte auf eine Geschichte großer Männer (und Frauen) reduzieren lässt, so wenig lassen sich die Personen (ihre Freundschaften und Konflikte, ihre Interessen und Nahkontexte usw.) aus der Betrachtung der Kirchengeschichte heraushalten. Schon die Quellenlage spricht eindeutig dafür, sich auch mit Personen zu beschäftigen. Gleichwohl, wenn man die »Wahrheitserkenntnis« (s.o.) zum Ausgangspunkt einer Betrachtung der Dogmengeschichte macht (und dies ließe sich ganz im Sinne von Köpf mit Gegebenheiten der Identitätsfindung und der 38

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Einleitung: Wieso Kirchen- und Dogmengeschichte?

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Normativität verbinden), zieht man noch weitergehende theologische Probleme auf sich, die zu der »Krise der evangelischen Dogmengeschichtsschreibung« (s.o.) zurückführen. Hier sind insbesondere die Argumente von Wolfram Kinzig weiter zu bedenken (vgl. Kinzig, S. 201). Zum einen lässt sich nämlich fragen, ob der Begriff des Dogmas nicht viel zu ungenau ist, als dass er für eine historische Darstellung geeignet wäre. Das Problem war schon von Köpf benannt worden. Neben der Vielfalt an Dogmenbegriffen, wie sie sich aus der Geschichte herleiten ließen, besteht das Problem darin, dass der Begriff unscharf ist, so dass nicht nur unterschiedliche Arten von Dogmenbegriffen deutlich werden, sondern sich das, was man als Dogma bezeichnen könnte, in so unterschiedlicher Weise in den einzelnen Kirchen bzw. Gemeinschaften entwickelt hat, dass man fragen kann, inwiefern diese verschiedenen Phänomene überhaupt unter einen Begriff zu fassen sind. Wenn aber eine innere Kohärenz dessen, was ein Dogma ist, im Grunde nicht gegeben ist, muss man den Begriff »Dogma« lieber aufgeben. Zum anderen – und das ist das zweite Argument, das spezifisch für eine protestantische Geschichtsschreibung zum Problem wird – steht auch ein breit angelegter und kulturell und sozial abgefederter und dynamisch auf historische Prozesse bezogener Dogmenbegriff in der Gefahr, dem Schriftprinzip zu widersprechen. Kirchen und Gemeinschaften protestantischer Prägung müssten ja gerade darauf bestehen, dass ihre Identität nicht von bestimmten Sätzen und Bekenntnissen, Texten, die eine bestimmte »Wahrheitserkenntnis« zu formulieren suchen, abhängt, sondern dass alles, was in der Kirche entfaltet, gesagt, festgehalten oder kritisiert wird, sich an der Schrift messen lassen muss. Das Schriftprinzip signalisiert also die grundlegende Einsicht reformatorischer Kirchen, dass es unter Menschen kein göttliches Recht gibt – und auch keine Aussagekomplexe und kirchlichen Festlegungen, die als schlechthinnig irrtumsfrei anzuerkennen sind. Diese theologisch begründete Kritik am Dogmenbegriff ist berechtigt, denn in der Tat steht für eine evangelische Theologie fest, dass es keine kirchliche Institution gibt, die von sich behaupten könnte, in Fragen des Glaubens unhintergehbar und irrtumsfrei letzte Entscheidungen treffen zu können, die zu glauben dann heilsnotwendig wäre. Insofern wird deutlich: Eine Dogmengeschichte lässt sich evangelischerseits nicht als Metaerzählung schreiben, etwa mit dem Thema, wie sich im Laufe der Geschichte der Inhalt des Evangeliums, das Wesen des Christentums o.ä. durchgesetzt hat oder verwässert worden ist. Weder eine positive Entwicklungs- noch eine Dekadenzgeschichte sind hier geeignet. Und es ist allererst danach zu fragen, mit welchen Vorstellungen von Normativität, Identitätsabgrenzungen und Alteritätserfahrungen jeweils eine Form sozialen christlichen Lebens einhergeht. Es kann also nicht ein spezifischer, bereits ausgeprägter Begriff von »Dogma« einer Dogmengeschichte zugrundegelegt werden, wonach etwa nur offiziell durch gemeinschaftliche Institutionen sanktionierte LehrEinleitung: Wieso Kirchen- und Dogmengeschichte?

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normen einer Gemeinschaft als Dogmen anzusehen sind oder nur die inhaltlichen Lehrsätze einer fides quae, die als normativ betrachtet werden, zu untersuchen sind. Vielmehr sollte eine Dogmengeschichte nach dem fragen, was – explizit wie latent – beansprucht, normativ zu sein, Identität gegen Alterität abzugrenzen, eigene Zuschreibungen und Selbstdeutungen zu begründen oder zu vergewissern. Im Grunde geschieht hier etwas Ähnliches wie mit der Frage, was denn eigentlich Gegenstand der Kirchengeschichte ist. Die Antwort von Albrecht Beutel, dass die Kirchengeschichte alles untersucht, was dem eigenen Anspruch nach christlich ist, lenkt die Leitfrage um: Nicht, was der Betrachter für christlich oder unchristlich hält, entscheidet darüber, ob es behandelt wird, sondern ob der Anspruch, christlich zu sein, erkennbar erhoben wird. In einer ähnlichen Weise ließe sich für die Dogmengeschichte sagen: Nicht, ob der Betrachter etwas für eine Festlegung einer Wahrheitserkenntnis und damit für ein Dogma hält oder nicht, ist entscheidend, sondern ob von denen, die zu einer christlichen Gemeinschaft gehören, ein erkennbarer Anspruch erhoben wird, die eigene Identität normativ, abgrenzend oder vergewissernd zu beschreiben oder anderweitig (etwa durch Handlungen) deutlich zu machen. Eine solche Umorientierung lenkt also den Blick auf die Perspektive derer, die betrachtet werden, und legt sie der eigenen Darstellung zugrunde. Dementsprechend entpuppen sich als Kern der Dogmengeschichte Vorstellungskomplexe, die deutlich über die »Wahrheitserkenntnis« hinausgehen, die also nicht nur inhaltliche Sätze oder Bekenntnisinhalte betreffen, sondern auch kulturelle Praktiken und Kontexte, ethische und soziale Verhaltensmuster, rituelle und frömmigkeitsgeschichtliche Selbstverständlichkeiten betrachten. Vorstellung wird dabei in einem denkbar weiten Sinn gebraucht, nämlich als sozial verankerte, mit Kultur, persönlicher (geistiger wie körperlicher) Entwicklung, mit Bildung und Praktiken verbundene Positionierung, die mehr oder weniger bewusste Wahrnehmungen, Perspektiven und Handlungsoptionen generiert (positiv wie negativ). Solche Vorstellungskomplexe lassen sich in ihrer Herkunft oft nicht eindeutig zuordnen, werden aber oft von Orten, Dingen, Büchern, Bildern, Geschichten, Personen etc. geprägt und weitergegeben, die dann dem jeweils eigenen Tun und Denken wesentliche Impulse geben. Der Begriff einer Identität ist entsprechend zu weiten und in eine Pluralität von miteinander vernetzten Identitätsprozessen umzuformen, deren Vielfalt weder in einem sozialen Gefüge noch in einer individuellen Lebensgeschichte immer ganz ausgeglichen ist (Markschies, S.373-382 spricht von einer »pluralen Identität im antiken Christentum«). Soziale Systeme wie individuelle Ich-Prozesse können von erheblicher Inkohärenz geprägt sein. Insofern ist auch der Begriff der Normativität oder Identität nicht zu stark zu belasten oder als Forderung nach einem bestimmten Maß an Kohärenz zugrundezulegen. Eine solche Dogmengeschichte lässt sich in der Tat, wie Köpf es formuliert hat, nicht von der Kirchengeschichte abtrennen, ist aber wohl ein spe40

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Einleitung: Wieso Kirchen- und Dogmengeschichte?

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zifischer Akzent, eine spezifische Fragestellung und Aufgabe innerhalb einer Kirchengeschichte. Insofern gehören die allgemeine Kirchengeschichte und die Dogmengeschichte unlösbar zusammen, sind zwei Münzen einer Medaille. Allerdings gilt dann auch wie bei einer Münze: Die Betrachtung kann nur mit einer Seite beginnen und muss dann auch die andere Seite betrachten. Die Vorstellungskomplexe, denen die Dogmengeschichte besondere Aufmerksamkeit schenkt, lassen sich nicht ohne die entsprechenden institutionellen, politischen, kulturellen, sozialen Gegebenheiten darstellen oder verstehen, und umgekehrt lassen sich die institutionellen, politischen, kulturellen Gegebenheiten christlicher Gemeinschaftsbildungen nicht verstehen, ohne dass die Frage nach dem, was diese Prozesse christlichen Lebens aus der Perspektive der Betroffenen steuert, abgrenzt, vergewissert oder begründet, gestellt wird. Insofern ist jede Darstellung im Bereich Kirchengeschichte gezwungen, die entsprechenden komplexen Zusammenhänge in eine künstlich erstellte Ordnung zu bringen, die auswählt, isoliert, erst nach und nach die Verwobenheit in die verschiedenen Bereiche des Geschehenen und Berichteten, Überlieferten und Erschlossenen entfaltet und so zu einer »Geschichte« verbindet. In diesem Sinne mag der Hauschild auch weiter ein „Lehrbuch der Kirchen- und Dogmengeschichte« heißen, ohne dass dies bedeuten müsste, dass er methodisch so eng geführt wäre, dass er für eine Vorlesung mit dem Titel »Christentumsgeschichte« oder »Kirchen- und Theologiegeschichte« nicht benutzbar wäre. Lektüretipp: W.-D. Hauschild, Art. Dogmengeschichtsschreibung, TRE 9 (1982) 116-125. Literatur: U. Köpf, Dogmengeschichte oder Theologiegeschichte?, Zeitschrift für Theologie und Kirche 85 (1988) 455-473. – A. Beutel, Vom Nutzen und Nachteil der Kirchengeschichte, Zeitschrift für Theologie und Kirche 94 (1997) 84-110. – W. Kinzig, Brauchen wir eine Dogmengeschichte als theologische Disziplin?, in: W. Kinzig/V. Leppin/G. Wartenberg (Hg.): Historiographie und Theologie, 2004, 181-202. – C. Markschies, Kaiserzeitliche christliche Theologie und ihre Institutionen, 2007.

Einleitung: Wieso Kirchen- und Dogmengeschichte?

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§1

§ 1 Christliche Gotteslehre als Trinitätslehre Bedeutung des Themas

Die Gottesvorstellung einer Religion bestimmt ihre geschichtliche Entwicklung in erheblichem Maße. Die (in sich durchaus plurale) Identität des Christentums ergab sich von Anfang an nicht allein aus der persönlichen Bindung der Gläubigen an Jesus von Nazareth, sondern auch aus der Glaubensüberzeugung, dass in ihm Gott in besonderer Weise gegenwärtig geworden ist. Heilserwartung und Zukunftshoffnung, Lebensgestaltung und Gemeinschaftsform waren abhängig von der mehr oder weniger starken Konzentration auf Jesus Christus. Für die Kirchengeschichte ist das ein wesentlicher Gesichtspunkt. Schließlich ist die allgemeine Entwicklung stets verbunden mit der religiösen: die Ereignis- und Strukturgeschichte ist eng mit der Theologie-, Dogmen- und Frömmigkeitsgeschichte verwoben. An Christus orientiert sich die soziale Gestaltung des Christentums, seine politische Beteiligung und Inanspruchnahme, die Strukturen der Kirche sowie die gesamte Theologie in ihren verschiedenen Bereichen (Gotteslehre, Anthropologie, Ekklesiologie, Sakramentenlehre, Eschatologie, Ethik). Das Nachdenken über diesen Christusbezug, die Christologie im weiten Sinne, ist damit die Grundlage für alles andere, ohne dass das stets ausdrücklich bewusst sein muss. Daraus wird ersichtlich, warum die frühe Christenheit sich besonders intensiv mit der Reflexion über Jesus befasste. Die hauptsächliche Herausforderung war die Frage: In welchem genauen Verhältnis steht Jesus Christus zu Gott? Die christliche Gottesvorstellung bestimmte die Auseinandersetzungen mit der Umwelt in wesentlichem Maße. Die Christenheit sah sich selbst als die richtige Mitte zwischen dem Monotheismus des Judentums und dem Polytheismus des sogenannten Heidentums. Daher lag es in der Logik der geschichtlichen Entwicklung, dass die Kirche auf diesem Gebiet Lehrentscheidungen traf, die zugleich die Grenze des Christentums nach außen, aber auch nach innen ziehen sollten. Die theologische Durchdringung der Christologie und die Ausgrenzung andersdenkender Theologen gingen Hand in Hand, eben weil die Frage den Kern der Identität und des Selbstverständnisses des Christentums betraf. Bei der Unterscheidung zwischen der trinitätstheologischen und der christologischen Lehrentwicklung darf die Zusammengehörigkeit beider Fragestellungen nicht außer Acht gelassen werden: Es ging beide Male um die theologische Bedeutung Jesu, einmal um sein Verhältnis zu Gott, sein Gott-Sein (und das Gott-Sein des Heiligen Geistes), zum anderen um das Verhältnis von Gottheit und Menschheit in der geschichtlichen Person Jesu. Für die Lehrentwicklung im 1.-4. Jh. müssten eigentlich beide Themen zusammen behandelt werden. Wenn die Christologie im allge42

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meinen Sinne (Jesus Christus als Gott) als Problem der Gotteslehre (unter Einschluss der Pneumatologie, der Lehre vom Heiligen Geist, als »Trinitätslehre«) hier zunächst und gesondert behandelt wird, dann soll das der Übersichtlichkeit der Darstellung dienen. Es ist deswegen historisch angemessen, weil die spezifisch christologische Debatte, wie Gott und Mensch in Christus zusammen gedacht werden müssen, erst nach 381 ausführlicher diskutiert wurde (allerdings unter Rückgriff auf bereits vorher entwickelte Konzepte). Stand der erste Bereich in innerem Zusammenhang mit der Entwicklung der Kirche im Imperium Romanum (so besonders im 4. Jh. auf dem Hintergrund der konstantinischen Wende), so der zweite im Zusammenhang mit der Auflösung der Einheit der Kirche, insbesondere im Osten. Die Lehrbildung des Trinitarischen Streits und das dem Konzil von 318 zugeschriebene Glaubensbekenntnis (das Nicaeno-Constantinopolitanum) sind bis heute die einzige von allen christlichen Kirchen anerkannte Grundlage neben der Bibel.

Wichtige Themen

(Lernkontrolle: Können folgende Fragen beantwortet werden?) • Wie ist die Quellenlage zur Identifikations- und Logostheologie? Welche Hauptvertreter gab es? • Wie wurde das Verhältnis von Theologie und Philosophie, von Platonismus und Christentum bestimmt? Welche Grundgedanken des Mittel- und Neuplatonismus sind hier wichtig? Welche Rezeptionen von Platonismus finden sich bei Ambrosius, Marius Victorinus, Augustin? • Wie gestalten folgende Theologen die Trinitätslehre? a) Tertullian b) Origenes c) Athanasius d) Basilius e) Augustin • Welche drei altkirchliche Glaubensbekenntnisse gibt es? Wie sind sie aufgebaut? Wann sind sie entstanden? In welchen historischen Kontext sind sie jeweils eingebettet? • Wie lässt sich der Trinitarische Streit 318-381 zeitlich sinnvoll gliedern? Welche Konzilien/Synoden des 4. Jahrhunderts spielen dabei eine Rolle und warum? • Welche Gruppen und Richtungen bestimmten den Trinitarischen Streit? § 1 Christliche Gotteslehre als Trinitätslehre

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• Was für eine Religionspolitik betrieben die Kaiser im Trinitarischen Streit? a) Konstantin b) Konstantius c) Julian d) Jovian e) Valens f) Theodosius • Welchen Ansatz verfolgte Arius, welchen Markell von Ankyra? Warum ist das wichtig? • Welche Bedeutung hat der Heilige Geist a) bei Origenes? b) bei Euseb? c) bei den Tropikern/Pneumatomachen? d) bei Basilius? e) im Nicaeno-Constantinopolitanum? f) bei Augustin? • Was ist unter den folgenden ontologischen Begriffen zu verstehen? Auf welche Weise wurden sie gebraucht, (wie) haben sie sich verändert? a) substantia/essentia/οὐσία b) persona/subsistentia/ὑπόστασις c) ad se dictum – ad aliquid dictum und relata (bei Augustin) • Wie würden Sie selbst ontologische Begriffe in einer Trinitätslehre verwenden? • Welche Differenzen existierten oder entstanden zwischen Ost und West? Welche Bedeutung kommt dabei den Konzilien von Serdika 343, Konstantinopel 381 und Aquileia 381 zu?

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§ 1 Christliche Gotteslehre als Trinitätslehre

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Wichtige Ereignisse, Sachverhalte, Personen I. Anfänge der Lehrentwicklung im 1./2. Jh. 1./frühes 2. Jh.

Entstehung verschiedener Zuordnungen von Christus zu Gott

ca. 150-230

Logostheologie (Justin, Tertullian, Hippolyt) und Identifikationstheologie (Praxeas, Noët)

2. Jh.

Dreiprinzipienlehre des Mittelplatonismus (Alkinoos, Numenius)

ca. 180 ca. 200

Ökonomische Trinitätslehre bei Irenäus Tertullian: trinitas ist eine substantia, Vater, Sohn und Geist sind tres personae II. Entwicklung im 3. Jh.

Mitte des 3. Jh.s

Neuplatonismus (Schule Plotins in Rom, Porphyrius ediert die Enneaden)

185-254

Origenes: umfassende Heilsgeschichte von der Schöpfung der Vernunftwesen bis zur Apokatastasis, drei Hypostasen III. Der Trinitarische Streit (318-381), 4 Phasen:

a) 318-325

Streit um Arius; Konzil von Nicäa 325 (Urnizänum incl. ὁμοούσιος)

b) 325-343

Einigungspolitik Konstantins und der Fall Athanasius 340/341 Synode in Rom (Markells Epistula ad Iulium mit dem Romanum, der Vorform des Apostolikums) 340/341 Kirchweihsynode in Antiochia: 2. Antiochenische Formel 343 Reichssynode von Serdika: Ost und West verurteilen sich gegenseitig

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c) 343-360

Erneute Einigungsbemühungen des Konstantius (ab 351 Alleinherrscher) ab ca. 355 a) Auftauchen der Heterousianer (Aëtius und Eunomius) und b) Athanasius betont das ὁμοούσιος, daher: Spaltung der Mittelgruppe 4 Richtungen: Homousianer, Homöusianer, Homöer, Heterousianer 359/360 Doppelsynode von Rimini/Seleukia und Konstantinopel: Reichsdogma

d) 361-381

Neusammlung der Nizäner und Neunizänismus 361-363 Restauration unter Julian; Neuformierung der theologischen Richtungen 362 Tomus ad Antiochenos ab 364 Valens begünstigt Homöer »Die drei großen Kappadozier«: Basilius, Gregor von Nazianz, Gregor von Nyssa Unterscheidung μία οὐσία – τρεῖς ὑποστάσεις (explizit belegt ab 373) 381 Konzil von Konstantinopel: bearbeitetes Nizänum = Nicaeno-Constantinopolitanum IV. Entwicklung im Westen

vor 381

Hilarius: Öffnung gegenüber den Homöusianern Marius Victorinus: Rezeption von Philosophie und/ oder Gnosis

381 381/383

Synode von Aquileia: Verurteilung der Homöer Ambrosius bildet lateinischen Neunizänismus

399-ca. 426

Augustins De trinitate, Relativierung der Begriffe substantia und persona, stattdessen: Plausibilisierung von Einheit und Dreiheit durch psychologische Analogien: mens – notitia – amor, memoria – intellegentia –voluntas Geist geht principaliter aus dem Vater aus, communiter aus Vater und Sohn (Filioque); Geist als vinculum caritatis

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§ 1 Christliche Gotteslehre als Trinitätslehre

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§ 1 Christliche Gotteslehre als Trinitätslehre

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Abb. 1 Zentren der Theologie und Wissenschaft im 2./3. Jahrhundert

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1. Die Christologie im 1. Jh. Die Anfänge des Christentums als einer sich vom Judentum allmählich abgrenzenden Religion ergaben sich aus der Deutung Jesu, besonders der Reflexion über Jesu Person und ihre Beziehung zu Gott. Die Einzelheiten dieser Entwicklung sind in der Forschung umstritten. Wie bei kaum einem anderen Thema bedingen sich dabei die jeweilige dogmatische Position und die historische Auffassung. So gibt es weder zu den Grundlinien noch zu den Detailproblemen einen Konsens der ntl. Wissenschaft, auf dem die kirchengeschichtliche Betrachtung aufbauen könnte. Insbesondere ist umstritten, ob die Vorstellungen, die später zur Ausformulierung von Trinitätstheologien und christologischen Konzeptionen führten, in Kontinuität zu Jesu Verkündigung oder seinem Selbstverständnis stehen oder eine spätere, mehr oder weniger sachgerechte Überformung dessen sind, was Jesus Chris­ tus selbst gewollt hat. Historisch entscheidend wurde, dass sich im frühen Christentum ein bestimmtes Bild von Jesu Selbstverständnis und Identität durchsetzte, das seine Zuordnung zu Gott implizierte.

1.1 Kontinuität oder Diskontinuität? Gemeindebildung?

Hoheitstitel

Hellenisierung

Die entscheidende Frage lautet, ob die christologischen Konzepte, die bei Paulus und den vier ntl. Evangelien vorausgesetzt sind, eine Gemeindebildung sind, die aus Jesus Christus etwas ganz anderes machte, als er selbst wollte und intendierte, oder ob sich die urchristlichen Christologien im Sinne einer traditionsgeschichtlichen Entwicklung oder zumindest im Sinne einer sachlichen Adäquatheit begreifen lassen. Im Protestantismus des 19. und 20. Jh.s gibt es – v.a. seit Albrecht Ritschl, Adolf von Harnack, Wilhelm Bousset und Rudolf Bultmann – Forschungsrichtungen, welche in unterschiedlicher Weise die Diskontinuität betont haben bzw. betonen: Mit der Übertragung christologischer Hoheitstitel werde der historische Jesus mehr oder weniger verfremdet, und diese Verfremdung werde in den späteren trinitarischen und christologischen Streitigkeiten durch die Übernahme von Grundannahmen der griechischen Metaphysik noch gesteigert, das Christentum sei »hellenisiert« worden (vgl. dazu die klassische Formulierung Adolf von Harnacks, Lehrbuch Bd. 1, 20: »Das Dogma ist in seiner Conception und in seinem Ausbau ein Werk des griechischen Geistes auf dem Boden des Evangeliums.«). Doch ist die dabei vorausgesetzte Unterscheidung von jüdischem Ursprung des Chris­ tentums in Palästina und hellenistischer Umwelt, in die das Christentum erst in einem zweiten Schritt eindrang, überholt. Martin Hengel hat die hellenistische Prägung des vorchristlichen Palästina nachweisen können, eine irgendwie geartete Gegenüberstellung von »typisch jüdisch« und »typisch griechisch bzw. hellenistisch« geht an der historischen Wirklichkeit vorbei. Zugleich zeigt sich, dass im vorchristlichen, in weitem Maße hellenisierten Judentum eine Fülle von Denkvoraussetzungen vorhanden war, an die sowohl Jesus selbst als auch die urchristliche Christologie anknüpfen konnten.

1.2 Die besondere Personwürde Jesu von Nazareth Auch wenn feststeht, dass die ntl. Schriften, besonders Paulus und die Evangelien, bereits auf dem Boden einer in den urchristlichen Gemeinden entwickelten vielgestaltigen 48

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§ 1 Christliche Gotteslehre als Trinitätslehre

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Tradition stehen, ist die Frage nach dem Selbstverständnis Jesu nicht obsolet. Sie ist mit erheblichen methodologischen Unsicherheiten belastet. Diese Unsicherheit kann dazu führen, dass die Frage nach dem Selbstverständnis Jesu ganz ausgeblendet und stattdessen auf die Verkündigung bzw. das Kerygma der Urgemeinde verwiesen wird. Ein solcher Verweis entzieht sich allerdings dem Selbstverständnis der ntl. Schriften, die sicher nicht davon ausgehen, eine Jesus selbst widersprechende oder von ihm völlig abtrennbare Christologie entfalten zu wollen. Auch die Tatsache, dass wir nur christliche Darstellungen und Zeugnisse haben, macht die entsprechende Rückfrage nicht überflüssig, muss aber bei der Quellenkritik berücksichtigt werden. Zudem ist eine historische Abwägung auch dann nicht überflüssig, wenn sie nur aus der Abwägung verschiedener Plausibilitäten und unter Berücksichtigung des hypothetischen Charakters bestehen kann (dies ist im Gegenteil für viele historische Fragestellungen der Fall). Eine solche ausführliche Abwägung dessen, was historisch für das Selbstverständnis Jesu wahrscheinlich ist, kann an dieser Stelle nicht erfolgen. Als eine historisch plausible Möglichkeit lässt sich aber die Hypothese vertreten, dass Jesus die in naher Zukunft anbrechende, in seinem Wirken zeichenhaft gegenwärtige Herrschaft Gottes mit seiner eigenen Person verknüpft hat. Die Vorstellung des Gottesreiches dürfte an jüdische Vorstellungen der Erneuerung des Bundes Gottes mit Israel angeknüpft haben. Damit verband sich vermutlich der Anspruch, Gottes Willen in besonderer Weise zu kennen und daher zu Recht Menschen in die Nachfolge zu rufen. Inwiefern dieser Anspruch in Wundern und Reden zum Ausdruck kam, ist im Einzelnen historisch kaum erkennbar. Entsprechend ist auch schwer zu bestimmen, ob Jesus sich selbst mit bestimmten Würdeprädikaten qualifiziert hat (Messias, Menschensohn). Die Frage, ob Jesu Auferweckung von den Toten ein von der religiösen Erfahrung seiner Anhängerschaft unabhängiges historisches Ereignis war, lässt sich mit historischer Methodik ebenfalls nicht eindeutig klären. Für die Entstehung des Christentums ist indessen die Behauptung, dass Jesus auferstanden ist, wesentlich geworden, weil die frühe Christenheit dies als historisch angesehen und daraus christologische Folgerungen gezogen hat.

methodologische Unsicherheiten

historische Abwägung

Gottesreich

Auferstehung

1.3 Die Entwicklung unterschiedlicher christologischer Konzepte Die frühchristliche Verkündigung hat besonders betont, dass die Auferstehung Jesu ihn als Gottes Sohn erwiesen hat und dass sich somit der von ihm erhobene Anspruch, in einer besonderen Beziehung zum Vater zu stehen, bestätigt habe. Zwei Vorstellungskreise griffen dabei ineinander, ohne miteinander ausgeglichen zu werden: a) Vorstellungen, die von einer Erhöhung bzw. Einsetzung als Weltherrscher ausgingen, knüpfen an die Vorstellungen eines Gerechten an, dem Gott die endzeitliche Gottesherrschaft überträgt. b) Hierneben gab es Vorstellungen, die die Transzendenz Gottes betonten und daher das heilsgeschichtliche Handeln Gottes auf eine von Gott seit Urzeiten dazu besonders bestimmte Größe (seinen Namen, seine Gegenwart, ein Engelwesen, die Weisheit) übertragen. Beide Vorstellungskreise konvergieren darin, dass sie die heilsame Gottesgegenwart, die im Sinaibund verheißen ist, universal ausweiten. Es handelt sich also nicht um abstrakte Spekulationen, sondern um soteriologische Vorstellungen, die in kurzen Formeln und hymnenartigen Textstücken verdichtet wurden. Ein besonders prägnantes Beispiel hierfür ist der als Philipperhymnus bekannte Text (Phil 2,5-11), der auf vorpaulinische 1. Die Christologie im 1. Jh.

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Erhöhung

Präexistenz

Universalität

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Soteriologie

Tradition zurückgehen dürfte. Die Christologie entwickelte sich also aus der Soteriologie – das ist ein auch für die weitere Geschichte fundamentaler Aspekt. Ihre Frühformen waren mannigfaltige, in Hoheitstiteln (wie Menschensohn, Sohn Davids, Christus, Kyrios, Sohn Gottes etc.) verdichtete Konzepte mit unterschiedlichen religiösen und kulturellen Hintergründen. 1.4 Literatur Lektüretipp: J. Dochhorn: Zu den religionsgeschichtlichen Voraussetzungen trinitarischer Gottesvorstellungen im frühen Christentum und in der Religion Israels, in: V.H. Drecoll (Hg.): Trinität, 2011, 11-79 [besonders 14-53]. – U. Schnelle: Die ersten 100 Jahre des Chris­ tentums, 2015, 95-108. Literatur: M. Hengel: Der Sohn Gottes, 2. A. 1977. – C. Markschies: Hellenisierung des Christentums, 2012. – E.P. Sanders: Sohn Gottes. Eine historische Biographie, 1996. – F. Hahn: Theologie des Neuen Testaments, 2002; ND 2011. – G. Theissen/A. Merz: Der historische Jesus, 2. A. 2007. – U. Wilckens: Theologie des Neuen Testaments 1,1-2, 2002/2003.

 § 2; 1.

2. Die Vorstellungen von der Gottheit Christi im frühen 2. Jh. Sammlung 1672

Unter der damals neuen Sammelbezeichnung Apostolici Patres (»Apostolische Väter«) gab im Jahr 1672 Jean-Baptiste Cotelier eine Sammlung von Schriften heraus, die mutmaßlich in das frühe 2. Jh. gehören. In späteren Editionen wurden weitere Schriften hinzugefügt. Die unter dieser Bezeichnung zusammengefassten Texte weisen keine innere Einheit auf und lassen sich weder von den teilweise zeitgleichen ntl. Schriften noch von den apologetischen und apokryphen Schriften derselben Zeit trennen. Vier dieser Schriften sind in den berühmten Bibelhandschriften Codex Sinaiticus (Siglum im NestleAland) und Codex Alexandrinus (Siglum A im Nestle-Aland) enthalten. sog. »Apostolische Väter« Didache (erst 1873 entdeckt) Barnabasbrief (im Codex Sinaiticus enthalten) 1. Clemensbrief (im Codex Alexandrinus enthalten) 2. Clemensbrief (eigentlich eine Predigt, im Codex Alexandrinus enthalten) Ignatiusbriefe Polykarpbrief Martyrium Polykarps Papiasfragmente Quadratusfragment (ältestes Fragment einer Apologie) An Diognet (1436 entdeckt) Hirt des Hermas (eine Apokalypse aus Rom Mitte des 2. Jh.s, im Codex Sinaiticus enthalten) 50

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§ 1 Christliche Gotteslehre als Trinitätslehre

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Diese Schriften zeigen, wie – teilweise zeitgleich mit dem NT, teilweise wenig später – die verschiedenen Deutungen der Person Jesu, wie sie auch in die ntl. Schriften eingegangen sind, aufgegriffen, bisweilen auch weiterentwickelt worden sind. Gottes Gegenwart in Jesus wurde dabei als so grundlegend vorausgesetzt, dass man zum Teil unreflektiert von der Gottheit Jesu ausgehen oder göttliche Eigenschaften auf ihn übertragen konnte. Vorstellungen von einer Inthronisation wurden dabei ebenso zugrundegelegt wie die Präexistenz- und Inkarnationsvorstellung. Letztere konnte auf unterschiedliche Weise begründet oder expliziert werden, indem man annahm, ein mit Gott besonders verbundenes Wesen wäre inkarniert: Gottes Sohn, Gottes Weisheit oder Logos, Gottes Geist, Gottes Engel. In diesen Aussagen war in der Regel ein Subordinatianismus enthalten, mehr als implizite Tendenz denn als durchdachte Verhältnisbestimmung. Manche dieser Konzeptionen bemühten sich darum, Gott als in Jesus unmittelbar präsent zu beschreiben (Vorformen der Identifikationstheologie), andere wiederum zogen hieraus die Konsequenz, Jesus Christus als göttliches Wesen zu beschreiben, das nicht ἀληθῶς (alēthōs/im wirklichen Sinne) Mensch war (vgl. dazu § 4; 1.2). Ob es in der Frühzeit auch die Vorstellung gegeben hat, Jesus sei als normaler Mensch erst nachträglich zum Sohn Gottes eingesetzt bzw. adoptiert worden, ist wahrscheinlich, lässt sich aber kaum eindeutig belegen.

Gottheit Jesu

Inkarnation Subordination

2.1 Verehrung von Christus als Gott Schon früh ist die Verehrung Christi als Gott auch in nichtchristlichen Quellen belegt (so besonders bei Plinius d. J. [§ 3; 4.2], wonach die Gemeinde Christo quasi deo [dem Chris­ tus gleichsam als Gott] Lieder sang, vgl. auch Celsus [s. § 3; 6.2] bei Origenes, Contra Celsum/Gegen Celsus 2,33). Ignatius von Antiochia (zur Datierung s. § 1; 2.4) bezeichnete Christus als unseren Gott oder meinen Gott (Ignatius, Ad Ephesios/An die Epheser 18,2; Ad Romanos/An die Römer 6,3): δοξάζωv Ἰησοῦν Χριστὸν τὸν θεόν (doxazōn Iēsun Christon ton theon/wobei ich Jesus Christus, den Gott, verherrliche; Ad Smyrnaeos/An die Smyrnäer 1,1). Vorausgesetzt war dabei eine klare Präexistenzvorstellung (vgl. Ad Magnesios/An die Magnesier 6,1). Im Barnabasbrief wird eine solche Präexistenzvorstellung in einer Auslegung von Gen 1,26, die sich an jüdischer Exegese orientiert, diese aber zugleich ablehnt, kosmologisch interpretiert (ebd. 5,5: »Gott hat zu ihm, dem Herrn der ganzen Welt, gleich nach der Gründung der Welt gesprochen«). Etwas später stellt der 2. Clemensbrief lapidar fest: δεῖ ἡμᾶς φρoνεῖν περὶ Ἰησοῦ Χριστoῦ ὡς περὶ θεοῦ (dei hēmas fronein peri Iēsu Christu hōs peri theu/Man muss über Jesus Christus wie über Gott denken; ebd. 1,1, bezogen auf das Richteramt).

Präexistenz

2.2 Geistchristologie Unter Geistchristologie versteht man eine Auffassung, die die vorinkarnatorische, göttliche Existenz Jesu Christi vornehmlich als Geist beschreibt. So kann etwa der Autor des 2. Clemensbriefs sagen, dass Christus, der zuerst Geist war, Fleisch wurde (ebd. 9,5). Der Geist wird zur göttlichen Existenzform, die mit Christus identifiziert werden kann (ebd. 14,4). Im Hirt des Hermas wird der Sohn Gottes, der hier auffälligerweise nirgends 2. Die Vorstellungen von der Gottheit Christi im frühen 2. Jh.

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Hirt des Hermas

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Jesus oder Christus genannt wird, mit dem Heiligen Geist identifiziert. Diese präexistente Geistgröße erwählte sich ein Fleisch, in dem sie dann Wohnung nahm und das ihr tadellos diente (vgl. Hirt des Hermas, Similitudines/Gleichnisse 5,5,2; 6,5f.). Es ist umstritten, ob an manchen Stellen im Hirt des Hermas zwischen dem Heiligen Geist, der als zu Gott gehörig aufgefasst wird, und dem Geist, der in einem allgemeineren Sinne göttlicher Geist bzw. heiliges Pneuma ist, unterschieden wird. Zumindest ist im griechischen Text diese Unterscheidung sprachlich nicht sichtbar. Indirekte Spuren einer Geistchristologie sind eventuell noch bei Irenäus (Adversus haereses/Gegen die Häresien 3,17,1; 5,20,2) greifbar, doch ist aus geistchristologischen Aussagen niemals eine kohärente Konzeption gebildet worden.

2.3 Engelchristologie

Ascensio Isaiae

Nur wenig greifbar sind christliche Versuche, die präexistente Gestalt neben Gott als Engel zu beschreiben und dies auf Jesus Christus zu beziehen. Diese, aus der jüdischen Apokalyptik stammende Vorstellung spielt wohl in der Ascensio Isaiae (Himmelfahrt des Jesaja) eine Rolle, wo Jesaja in den siebten Himmel emporgeführt wird und dort die himmlischen Heerscharen, die Gerechten und schließlich den Herrn und den Heiligen Geist schaut. Letzterer wird dabei deutlich als Engel charakterisiert, für den Herrn (also Christus) ist das eventuell vorausgesetzt. Im Hirt des Hermas konnte die Geistgröße, die mit dem Sohn Gottes identifiziert wurde, auch als engelartig beschrieben werden (vgl. Hirt des Hermas, Mandata/Gebote 11,9), eine klare Trennung zwischen Geist, Sohn und Engeln besteht nicht.

2.4 Modalismus bei Ignatius?

Spätdatierung

Ob die Bezeichnung Christi als Gott bereits im 2. Jh. auch im Sinne einer Identität (vgl. § 1; 5.) verstanden werden konnte, ist unsicher. Eine solche Auffassung könnte man als modalistisch bezeichnen, weil Christus dann eine Erscheinungsweise (modus) von GottVater darstellen würde. Die dafür als Quellenzeugnisse bisweilen angeführten Textstellen aus den Ignatiusbriefen (z.B.: Einer ist Arzt, fleischlich und geistig, gezeugt und ungezeugt, ins Fleisch gekommener Gott, wahres Leben im Tod, aus Maria und aus Gott, zuerst leidensfähig und dann ohne Leiden, Jesus Christus, unser Herr; Ad Ephesios/An die Epheser 7,2) sind wohl nicht modalistisch gemeint. Die Versuche, diese Texte mit entsprechend späteren Texten, besonders von Noët (s. § 1; 5.3.1), in Verbindung zu bringen und damit eine Spätdatierung der Ignatiusbriefe zu begründen (Hübner; Lechner), sind in der Forschung mehrheitlich auf Ablehnung gestoßen. Möglicherweise hat Markion (s. § 2; 6.) eine modalistische Christologie vertreten: In Christus ist Gott durch sich selbst offenbart worden (bei Tertullian, Adversus Marcionem/Gegen Markion 1,19,1). Undeutlich sind die Belege bei Meliton (Gott ist getötet worden; De Pascha/Über das Passah 96) und bei den Montanisten (s. § 2; 7.).

2.5 Adoptianismus bei Kerinth?

Taufe Jesu

Ob im 2. Jh. auch Vorstellungen vertreten wurden, die von einer Erhöhung eines Menschen, eben Jesus, zu Gottes Sohn (etwa im Zusammenhang der Taufe) ausgehen, ist umstritten. Nach dem sog. Ebionäerevangelium wurde Jesus durch die Taufe zum Gottessohn. Die Hinweise auf Kerinth, den Irenäus unter die Gnostiker subsumierte, beinhalten auch die Vorstellung, dass Jesus ein gewöhnlicher Mensch war, der sich an Ge52

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rechtigkeit, Klugheit und Weisheit ausgezeichnet habe und auf den in der Taufe Christus in Form einer Taube herabgestiegen sei (Irenäus, Adversus haereses/Gegen die Häresien 1,26,1), doch lässt sich ein womöglich gnostisches Lehrsystem des Kerinth nicht rekonstruieren. Insofern ist auch nicht deutlich, wie sich Kerinths Vorstellung zu doketistischen Vorstellungen etwa in der valentinianischen Gnosis verhielt (vgl. ebd. 1,7,2; s. § 2; 5.4.3). 2.6 Literatur Lektüretipp: J. Ulrich: Die Apostolischen Väter gestern und heute, in: W. Pratscher: Die Apostolischen Väter, 2009, 254-271 [ebd. 17-253 gute Kurzdarstellungen aller Schriften]. Quellen: J.A. Fischer/U. Körtner/M. Leutzsch/K. Wengst (Hg.): Schriften des Urchris­ tentums 1-3, 2006 [zweisprachig]. Literatur: Kommentar zu den Apostolischen Vätern (bisher 7 von 8 Bänden), 19912007. – C. Markschies: Kerinth: Wer war er und was lehrte er?, JAC 41 (1998) 48-76. – R. Hübner/M. Vinzent: Der paradox Eine. Antignostischer Monarchianismus im zweiten Jahrhundert, 1999. – T. Lechner: Ignatius adversus Valentinianos?, 1999. – H.J. Vogt: Bemerkungen zur Echtheit der Ignatiusbriefe, ZAC 3 (1999) 50-63.

 § 2; 4.-8.

3. Die Logoslehre der Apologeten Eine neue Stufe der begrifflichen Durchdringung der Gotteslehre ergab sich seit 150/160 mit der Logoslehre, wie sie insbesondere bei den frühen Apologeten (vgl. § 3; 7.) begegnete. Diese ermöglichte eine Deutung der Weltgeschichte als Heilsgeschichte und stellte eine Kontinuität zwischen Schöpfung und Erlösung her, die gegen die gnostische Trennung von Gott und Welt, Schöpfung und Heil abgegrenzt wurde (s. dazu § 2; 5.2).

3.1 Philosophische Voraussetzungen Schon im NT wurden die hellenistisch-jüdischen Vorstellungen von Gottes Wort (λόγος/logos) und Weisheit (σοφία/sophia) auf Jesus Christus bezogen (vgl. Joh 1; 1 Kor 1,24). Damit war insofern eine mögliche Verbindung zur Philosophie gegeben, als für die Stoiker der Logos ein zentrales Prinzip ihrer rationalen, materialistischen Kosmologie war. Die immanent in allen Dingen waltende universale Weltvernunft, eine fein-geistige Substanz, die mit der Gottheit identifiziert und als Pneuma bezeichnet werden konnte, gestaltet als aktives Prinzip die passive Masse bzw. Materie und ist insofern Grund der Ordnung. Zugleich teilt sich der Logos allen Menschen mit und befähigt sie damit zu gemeinsamer Erkenntnis und Moral. Das Verstehen der Welt und das Erreichen der beata vita (des glücklichen Lebens) wurden somit durch ein und dasselbe Prinzip, eben den Logos, ermöglicht. Diese Vorstellung wurde auch von Popularphilosophen übernommen. 3. Die Logoslehre der Apologeten

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Logos Stoa

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Vermittlung Ideen

Philo

Im Mittelplatonismus (s. § 1; 7.1) wurde diese Konzeption teilweise übernommen, aber ohne ihre materialistisch-naturwissenschaftliche Komponente; hier betonte man die Einheit Gottes, der als so transzendent gedacht wurde, dass ein direktes Handeln Gottes in der Welt bzw. ein Kontakt mit der Materie undenkbar schien. Entsprechend wurde der Logos als eine Art Vermittlungsinstanz aufgefasst, die in der Lage war, die Gedanken Gottes, d.h. die Ideen, zu erblicken und entsprechend in der Welt umzusetzen. Diese Instanz wurde auch als »zweiter Gott« bezeichnet und Gott als dem einen Vater (vgl. Platon, Timaios/Timaeus 28c) untergeordnet. In diesem Sinne hatte im Judentum insbesondere der Alexandriner Philo (gest. ca. 45/50) die platonische Logos-Metaphysik mit der Exegese von Gen 1 verbunden. Die Abfolge zweier Schöpfungsberichte konnte er als Abfolge von intelligibler, d.h. ganz im Geistigen verbleibender Schöpfung (scil. der Ideenwelt), der dann die Erschaffung der materiellen Welt folgte, deuten.

3.2 Christologie und Gotteslehre

Septuaginta

Christliches Nachdenken über Jesus Christus bezog sich auf die Bibel, zunächst vor allem auf die Schriften, die man vom Judentum übernahm, also das AT in der Form der Septuaginta. Dabei erwiesen sich die exegetischen Beiträge Philos als besonders anschlussfähig. Im Unterschied zu dessen metaphysischer Konzeption bedeutete aber der Bezug auf Jesus Christus die Einbringung einer Auffassung des Logos als Person. Die Logoschristologie wurde zum gedanklichen Zentrum der ganzen Theologie: der Offenbarungslehre und der Geschichtstheologie, der Kosmologie, der Anthropologie und der Soteriologie. Damit hatte sie auch einen konstitutiven Bezug zur Gotteslehre, denn sie begriff Gottes Reden und Handeln in Schöpfung und Geschichte als einen zu seinem Wesen gehörigen Aspekt, der eigenständig gedacht wurde.

3.3 Universaler Geltungsanspruch

Universalität

»zweiter Gott«

Für das Anliegen der Apologeten, den christlichen Glauben in Auseinandersetzung mit der philosophisch geprägten Umwelt zu behaupten, war die Logostheologie besonders geeignet. Denn so konnte die universale Geltung Jesu Christi beschrieben werden, und zwar in zweifacher Hinsicht: kosmologisch und geschichtstheologisch. Erstmals gab Justin um 155 dieser Konzeption eine literarische Form. In unterschiedlicher Ausprägung vertraten sie nach ihm vor allem Tatian, Theophilus von Antiochia und Athenagoras (vgl. § 3; 7.1.1), aber auch Theologen, die nicht mehr den Apologeten im strikten Sinne zuzurechnen sind, wie Irenäus, Hippolyt, Tertullian und Clemens von Alexandria, schließlich in neuer Systematisierung Origenes (vgl. § 2; 10.1-5). Die Logoslehre beinhaltete ein beträchtliches Maß an Subordination, d.h. sie ordnete Christus als den Logos Gottes und als »zweiten Gott« dem Vater 54

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unter. Sie stieß daher schon früh auf Widerstand (s. dazu § 1; 5.). Die ältere Ansicht, dass die Logostheologie die vorherrschende Theologie am Ende des 2. und Anfang des 3. Jh.s war, ist keineswegs sicher. 3.3.1 Logostheologie als Geschichtstheologie. Dass die Logoslehre christliche Geschichtstheologie und nicht kosmologische Spekulation ist, zeigt sich besonders bei Justin (zu ihm s. § 3; 7.1.1). In seinen beiden, in Rom entstandenen Apologien verbindet er die Heilsgeschichte mit der Weltdeutung. Der Logos ist a) Gottes Schöpferwort und Prinzip der Weltordnung, b) der göttliche Ermöglichungsgrund von Wahrheitserkenntnis, c) die göttliche Anleitung zum Leben (als Gesetz und Lehrer), d) Gottes Eingreifen in der Geschichte durch die verschiedenen Epiphanien, die Prophetie und die abschließende Inkarnation. Jesus Christus ist gemäß Ps 1,2 und Jes 2,3f. Logos und Nomos (Gesetz), die von Gott ausgehen. Deshalb ist er von Anfang an in der gesamten Menschheitsgeschichte präsent, bei den Juden in Gesetz und Prophetie, bei den Heiden – allerdings nur partiell – in Moral und Philosophie. Justin konzipiert die Soteriologie als Erkenntnis und Ethik, indem Erlösung durch Christus als Belehrung geschieht, als eine kraftvolle Neuorientierung, welche die Macht der Dämonen – der Herrscher in dieser Welt – bricht. Den Weissagungsbeweis, der früh im Christentum benutzt wurde, um das Christusgeschehen als Erfüllung der atl. Prophetie zu erweisen, wendet Justin systematisch an, wobei er sich auf das allgemeine Axiom stützt, dass das Ältere das Bessere, Mose älter als Platon sei. Gottes Logos hat ebenso wie der prophetische Geist das Geschick Jesu im Voraus verkündet. 3.3.2 Subordination. Die Verhältnisbestimmung von Gott und Logos wurde bei Justin als deutliche Subordination entwickelt (verstärkt noch durch die älteren geist- und engelchristologischen Vorstellungen). Als Gottes Kraft ist für Justin der Logos dessen Diener und Engel, der den »zweiten Platz« unter dem höchsten Gott einnimmt und insofern als der zweite Gott und Herr (Dialogus cum Tryphone/Dialog mit Tryphon 56,1-11) eingeordnet wird. In Anwendung der grundlegenden Bibelstelle Prov 8,22 (vgl. Dialogus cum Tryphone 61,2) wurde er auch als erstes Geschöpf angesehen, der vor allen anderen Geschöpfen und vor aller Zeit entstanden ist und als Schöpfungsmittler an der Schöpfung beteiligt war (Apologia/Apologie 1,21,1; 63,15; 2,6,3). Durch den Sohnesbegriff und den Gedanken der Zeugung soll die singuläre Stellung des Logos ausgesagt werden. 3.3.3 Logoslehre und Trinität. Die Logoslehre ist vom Ansatz her binitarisch orientiert, weil sie das Verhältnis zwischen Gott und Logos, Vater und Sohn betrifft. Der Heilige Geist wird in dieser Reflexion als Element der Heilsgeschichte verstanden. Er wirkt in den Propheten (so besonders bei Justin) oder auch als erlösende Kraft im Menschen (so besonders bei Tatian). Man findet also noch keine stringente Trinitätslehre. Den Versuch, eine Logostheologie bewusst trinitarisch zu konzipieren, unternahm Theophilus von Antiochia. In seiner nach 180 verfassten Schrift Ad Autolycum (An Autolykos) unterscheidet er den Logos, der immer in Gott war, und die entsprechend Prov 8,22 konstituierte Sophia, die als Schöpfungsmittlerin und dann als Geist Gottes in den Propheten tätig war. Gott, sein Logos und seine Sophia bilden eine Dreiheit (τριάς/trias). Damit begegnet hier erstmals nicht nur der spätere Begriff für Trinität, sondern auch die stoische Differenzierung zwischen dem λόγος ἐνδιάθετος (logos endiathetos/das als Gedanke im Kopf enthaltene Wort) und dem λόγος προφορικός (logos prophorikos/das vorgebrachte, ausgesprochene Wort), bezogen auf den Logos und die Sophia bzw. den Geist.

3. Die Logoslehre der Apologeten

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Justin

Mose älter als Platon

Prov 8,22

binitarisch

Theophilus

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3.4 Literatur Lektüretipp: W. Löhr: Logos, RAC 23 (2010) 327-435. Literatur: M.J. Edwards: Justin’s Logos and the Word, JECS 3 (1995) 261-280. – S. Parvis/P. Foster (Hg.): Justin Martyr and his Worlds, 2007. – C. Nahm: The Debate on the ›Platonism‹ of Justin Martyr, Second Century 9 (1992) 129-151. – N. Hyldahl: Philosophie und Chris­ tentum. Eine Interpretation der Einleitung zum Dialog Justins, 1966. – J.C.M. van Winden: An Early Christian Philosopher. Justin Martyr’s Dialogue with Trypho Chapters 1 to 9, 1971. – C. Munier: L’Apologie de saint Justin philosophe et martyr, 1994. – W. Pannenberg: Die Aufnahme des philosophischen Gottesbegriffs als dogmatisches Problem der frühchristlichen Theologie, ZKG 70 (1959) 1-45. – C. Andresen: Justin und der mittlere Platonismus, ZNW 44 (1952/1953) 157-195.

 § 1; 2.

4. Heilsgeschichte und Trinität bei Irenäus

Gottebenbildlichkeit

Christologie

Gegen die gnostischen Spekulationen über den Gegensatz von Gott und Welt, Heil und Geschichte entfaltete Irenäus (s. § 2; 5.4.1) nach 180 in seinem fünfbändigen Hauptwerk Adversus haereses (Gegen die Häresien) eine Konzeption, die die Kontinuität von Schöpfungs- und Erlösungshandeln betonte, und zwar bewusst als Auslegung der Bibel und der kirchlichen Lehre (regula veritatis/Wahrheitsregel, s. § 2; 9.1). Es war eine Theologie der Offenbarung und der Inkarnation, der in Jesus Christus kulminierenden Geschichte Gottes mit der Menschheit, die nach dessen Heilsplan (οἰκονομία/ oikonomia – dispositio) als Erziehung und Erlösung verläuft. Die mit der Schöpfung des Menschen gegebene Gemeinschaft mit Gott, sein Sein nach dem Bilde (εἰκών/eikōn – imago) Gottes und in Ähnlichkeit (ὁμοίωσις/ homoiōsis – similitudo) mit Gott ging durch Adams Fall verloren, wurde aber durch Jesus Christus wiederhergestellt. Christus ist dabei das neue Haupt, unter dem sich die erlöste Menschheit wieder in den Stand versetzt sieht, auf den die Schöpfung hin angelegt war (dies besagt der Grundgedanke der ἀνακεφαλαίωσις/anakephalaiōsis – recapitulatio, dt. etwa: »Wiederherstellung unter dem Haupt [scil. Christus]«). Christus wird dabei verstanden als der Mensch gewordene ewige Sohn Gottes, der als Logos die Offenbarung vermittelt und die Schöpfung ebenso wie die Erlösung bewerkstelligt hat. Sein Wirken in der Heilsgeschichte verleiht den Menschen Gottes Geist, der konkret in der bischöflich verfassten Kirche gegeben ist. Irenäus’ Theologie hat somit eine trinitarische Struktur und verbindet diese mit der Heilsgeschichte, sie lässt sich daher als ökonomisch-trinitarisch bezeichnen.

4.1 Anthropologie und Soteriologie Adversus haereses

In seinem Hauptwerk Adversus haereses (Gegen die Häresien), das genauer »Entlarvung und Widerlegung der fälschlich so genannten Gnosis« (s. § 2; 5.4.1; 10.1; vgl. 1.Tim 6,20) heißt, expliziert Irenäus den biblischen Schöpfungsbericht als Anfang der Mensch56

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heitsgeschichte, die Gott planvoll als Heilsgeschichte (οἰκονομία/oikonomia - dispositio) gestaltet hat, und zwar mit den beiden Hauptbezugspunkten Adam und Christus. Das Werk ist in umfangreichen griechischen Fragmenten, größtenteils aber nur in einer vermutlich aus dem 4. Jh. stammenden lateinischen Übersetzung erhalten. Buch 1 enthält dabei wichtige Referate über die Vielzahl gnostischer Systeme, unter denen die valentinianische Gnosis herausragt. Buch 2 weist dann schwerpunktartig einige Grundannahmen der valentinianischen Gnosis zurück. Buch 3 entwickelt seinerseits positiv die Gotteslehre und die Christologie. Buch 4 führt einen ausführlichen Schriftbeweis, der gerade auf die Kontinuität zwischen AT und NT abhebt. Buch 5 schließlich zieht daraus die Konsequenzen und entwirft eine umfassende Eschatologie und Auferstehungslehre. Irenäus’ Vorstellung vom viergestaltigen Evangelium (vgl. § 2; 8.2.1) wurde ebenso einflussreich wie seine Ekklesiologie (vgl. § 2; 10.1). 4.1.1 Schöpfungslehre. Von Gen 1,26f. her entwickelte Irenäus eine christologisch begründete Imago-Lehre (vgl. Adversus haereses 3,18,1-7): Christus ist als das Bild (εἰκών/ eikōn – imago) Gottes das Muster, nach welchem der Mensch erschaffen worden ist, so dass dieser keine naturhafte, sondern eine christologisch vermittelte Gottesbeziehung hat, die ihn zur Gemeinschaft mit Gott, zur Ähnlichkeit bzw. Angleichung (ὁμοίωσις/ ὁμοίωσις homoiōsis – similitudo) bestimmt. Die Begriffe für Bild und Ähnlichkeit aus Gen 1,26 unterscheidet Irenäus nicht durchgehend, aber an einigen Stellen scheint die Ähnlichkeit die ursprünglich intendierte, durch Adam verlorene und durch Christus wiederhergestellte Gottesgemeinschaft zu sein, von der sich die auch nach dem Fall erhaltene dauerhafte Abbildhaftigkeit des Menschen unterscheidet (so z.B. Adversus haereses 5,6,1). Das Ziel der Ähnlichwerdung mit Gott (vgl. Platon, Theaetetus 176b) kann der Mensch erreichen, weil Gott in seiner Güte durch das pädagogische Wirken des Logos-Sohnes und des Heiligen Geistes in der Geschichte Israels den Menschen darauf vorbereitet. 4.1.2 Erlösung als Vollendung der Schöpfung. Die Erlösung ist das Ziel der Schöpfung. Sie stellt wieder her, was der Mensch von Anfang an hätte sein sollen. Damit ist eine Trennung von Schöpfung und Erlösung ebenso ausgeschlossen wie die Zuschreibung der Schöpfung an einen bösen Demiurgen und der Erlösung an das Göttliche – wie es als Konzept in der Gnosis auftauchte. Die Erlösung geschieht aufgrund eines von Gott von Anfang an geplanten Heilswerkes. Der göttliche Logos-Sohn wird in Jesus Christus selbst Mensch und teilt den Gläubigen den Heiligen Geist mit, so dass diese in der Verbindung von Fleisch, Seele und Geist vollkommen werden (so gerade Adversus haereses 5,6,1). Christus ist somit in Antithese zu Adam der urbildliche, gehorsame Mensch (ebd. 3,18,1f.). Christus als das Haupt seines Leibes, unter dem die Kirche zu verstehen ist (vgl. Kol 1,18), fasst die Menschheit neu unter sich zusammen und versetzt sie in den von Anfang an intendierten Zustand (ἀνακεφαλαίωσις/anakephalaiōsis – recapitulatio, vgl. ἀνακεφαλαίωσις Eph 1,10; Adversus haereses 3,16,6).

4.2 Trinitarische Gotteslehre Irenäus hat die auch bei Theophilus (s. § 1; 3.3.3) auftauchende jüdische Tradition aufgegriffen, dass Gott mit seinem Logos und seiner Weisheit die Welt geschaffen hat, und hat dies auf den Sohn und den Heiligen Geist bezogen (mit jüdischer Genesisexegese auch als die beiden Hände Gottes bezeichnet, so z.B. Adversus haereses 4, prol. 4). Die Verbindung dieser Vorstellung mit der Schöpfungslehre zeigt, dass Irenäus nicht die metaphysische Durchdrin4. Heilsgeschichte und Trinität bei Irenäus

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gung eines trinitarischen Gottesbegriffes intendierte, sondern den Gottesbegriff offenbarungs- und heilsgeschichtlich entfalten wollte. Dabei betonte er die Einheit Gottes, weswegen jede weitere Aufgliederung des Gottesbegriffes in eine Vielzahl von Größen (wie in der Gnosis) als Blasphemie gebrandmarkt wird (ebd. 2,28,4). Gegen die Gnosis hob Irenäus hervor, dass gerade Christus auf den einen Gott und Vater verweisen wollte: Denn das, was am Sohn unsichtbar ist, ist der Vater, das aber, was am Vater sichtbar ist, ist der Sohn (ebd. 4,6,6). Der Sohn zeigt den Vater und ist gleichewig mit ihm (ebd. 2,30,9). Als Präsenz Christi in den Gläubigen beschreibt Irenäus insbesondere das Wirken des Heiligen Geistes, der zu Christus hinführt (ebd. 2,20,5f.; zum Bezug zur Taufe vgl. Epideixis/Darlegung 6f.). 4.3 Literatur Lektüretipp: D. Wyrwa: Kosmos und Heilsgeschichte bei Irenäus von Lyon, in: Ders. (Hg.): Die Weltlichkeit des Glaubens in der Alten Kirche. FS für U. Wickert, 1997, 443-480. Quellen: N. Brox (Hg.): Irenaeus Lugdunensis, Adversus haereses, FC 8,1-5, 1993-2001 [zweisprachig]. Literatur: J. Behr: Irenaeus of Lyons. Identifying Christianity, 2013. – D. Wanke: Das Kreuz Christi bei Irenäus von Lyon, 2000. – W. Overbeck: Menschwerdung, 1995. – J. Lashier: Irenaeus on the Trinity, 2014. – E. Osborn: Irenaeus of Lyons, 2001. – J. Fantino: La théologie d’Irénée, 1994. – B. Mutschler: Das Corpus Johanneum bei Irenäus von Lyon. Studien und Kommentar zum dritten Buch von Adversus Haereses, 2006. – S. Parvis/P. Foster (Hg.): Irenaeus. Life, Scripture, Legacy, 2012. – T. Holsinger-Friesen: Irenaeus and Genesis, 2009. – M.C. Steenberg: Irenaeus on Creation, 2008.

5. Die Identifikationstheologie

Monarchianismus

Adoptianismus

Die Logostheologie mit ihrer Ausdehnung des Gottesbegriffes und der Subordination Christi rief seit ca. 190 unterschiedliche Reaktionen hervor, die darin übereinstimmten, dass sie den Gottesbegriff in erster Linie auf Gott-Vater bezogen und die Gottheit Christi durch die Identifikation mit Gott-Vater ausdrückten. Der Begriff »Identifikationstheologie« ist dabei angemessener als die ältere Bezeichnung als Monarchianismus, weil auch die Vertreter einer Logostheologie an dem Gedanken der einen ἀρχή (archē/ Ursprung oder Prinzip) festhielten. In der Dogmengeschichte des 19. Jh.s hat man unter dem Oberbegriff des Monarchianismus den Adoptianismus (bzw. Dynamismus) und den Modalismus unterschieden. Als Adoptianismus wurde dabei ein Konzept bezeichnet, das die Gottheit Jesu dadurch ausdrückte, dass ab einem bestimmten Zeitpunkt (der Taufe im Jordan) Gott als Geist auf Jesus herabgestiegen sei und sich dort niedergelassen habe. Die Annahme einer präexistenten Größe neben dem Vater ist damit nicht notwendig. Die göttliche Seite in Christus ist der eine Gott selbst. Der Vorwurf der Gegner, Vertreter dieser Theologie würden Christus als bloßen Menschen lehren, ist ebenso falsch wie die dar58

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auf fußende Bezeichnung als Adoptianismus. Der Sohn wird nicht von Gott adoptiert und somit zu Gott erklärt, sondern der eine Gott lässt sich auf dem Menschen Jesus dauerhaft und vollkommen nieder. Für diese Theologie sind nur knappe Hinweise vorhanden, besonders bei Hippolyt, der auf Theodot den Gerber hinweist. Die Bezeichnung einer weiteren Strömung als Modalismus verweist auf einen Typus Theologie, der wohl deutlich stärker verbreitet war. Danach wurde die Inkarnation als ein Erscheinen des einen Gottes angesehen, so dass der Sohn gleichsam nur ein modus (Erscheinungsweise) Gottes ist. Auch in diesem Falle ist die Annahme des präexistenten Logos nicht notwendig. Der Begriff modus ist allerdings von den Vertretern dieser Theologie wohl nicht benutzt worden, weswegen die Bezeichnung »Modalismus« problematisch ist. Mit diesem Ansatz sollte insbesondere der Subordination der Logostheologie begegnet werden. Die Auseinandersetzungen zwischen der Logostheologie und bestimmten Formen der Identifikationstheologie waren die erste große trinitätstheologische Kontroverse, die unterschwellig bis ins 4. Jh. weiterwirkte und in der lateinischen Theologie Tertullian zur Ausbildung einer trinitätstheologischen Begrifflichkeit anregte.

Modalismus

Logostheologie

5.1 Quellenlage Die Quellenlage für die Identifikationstheologie ist äußerst dürftig. Zu nennen sind insbesondere Hinweise in Eusebs Historia ecclesiastica (Kirchengeschichte), so besonders in Buch 6 auf die beiden in der Dogmengeschichtsschreibung maßlos überschätzten Denker Theodot den Bankier und Theodot den Schuhmacher (oder Gerber). Hinzu kommen Hinweise in Hippolyts Refutatio omnium haeresium (Widerlegung aller Häresien), die allerdings deswegen problematisch sind, weil Hippolyt ein Außenseiter war, der in den Auseinandersetzungen um den Bischofsstuhl in Rom mit Kallistus aneinandergeraten war, den er überzogen als Vertreter einer häretischen Identifikationstheologie brandmarkte. Die Position des Kallistus dürfte viel eher einer allgemein verbreiteten Frömmigkeit entsprochen haben, Kallistus selbst hat sich um einen Kompromiss zwischen Logos- und Identifikationstheologie bemüht (s. § 1; 5.4). Somit bleibt als eine der wichtigsten Quellen für die Identifikationstheologie Tertullians Schrift Adversus Praxean (Gegen Praxeas). Die dem Hippolyt zugeschriebene Schrift Contra Noetum (Gegen Noët) ist in ihrem Quellenwert umstritten und gehört vermutlich erst in das 4. Jh. Ähnliches gilt für die Nachrichten über Sabellius und Paul von Samosata, die von den späteren häresiologischen Ausgrenzungen im 4. Jh. als Geschichtsbeweis aufgebaut und ausgeschlachtet worden sind (vgl. dazu § 1; 5.3.3; 9.). Die historische Verwertbarkeit dieses Materials ist gering.

Contra Noetum

5.2 Einwohnung Gottes in Christus (früher: Adoptianismus) Theodot der Gerber (oder Schuhmacher) aus Byzanz wirkte um 190 in Rom und wurde dort von Bischof Victor ausgeschlossen, mit der Begründung, er habe Christus für einen bloßen Menschen gehalten (Euseb, Historia ecclesiastica/Kirchengeschichte 5,28,6). Dies passt vielleicht insofern zu der Darstellung durch Hippolyt, als Hippolyt zufolge Theodot gelehrt hat, Jesus sei zuerst ein Mensch gewesen, der aus der Jungfrau geboren 5. Die Identifikationstheologie

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Theodot der Gerber

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Theodot der Wechsler

wurde, und habe dann als normaler Mensch gelebt, bis er bei der Jordantaufe Christus aufgenommen habe, der von oben auf ihn gekommen sei. Dabei wird unter Christus offensichtlich das göttliche Pneuma verstanden (Hippolyt, Refutatio omnium haeresium/ Widerlegung aller Häresien 7,35,1-2). Für Hippolyt bedeutet dies, dass Theodot Christus niemals als Gott aufgefasst habe, doch ist dies wohl polemische Verzerrung. Nicht ganz deutlich ist die Theologie eines zweiten Theodot, dem Wechsler bzw. Bankier. Hippolyt zufolge entwickelte dieser Theodot der Wechsler eine Melchisedek-Theologie. Melchisedek galt dabei vermutlich (entsprechend Hebr 7,3) als besondere göttliche Größe, die dann in Christus präsent geworden ist, genauer darin, dass Christus in der Taufe auf den Menschen Jesus niedergekommen ist (Hippolyt, Refutatio 7,36,1). Ähnliche Ansätze wurden auch im 3. Jh. noch vertreten (so wohl von Beryll von Bostra, eventuell auch von Paul von Samosata, s. § 1; 9.2).

5.3 Einheit Gottes bei Noët und Praxeas (früher: Modalismus)

Paradox

Patripassianismus

Leiden des Sohnes

Person

5.3.1 Noët. Die älteste Form einer Identifikation der göttlichen Seite im Inkarnierten mit dem einen Gott entwickelten Noët von Smyrna und dessen Schüler (v.a. Epigonus) in Rom in Abwehr der Logostheologie. Ihre Lehren müssen aus der Widerlegung durch Hippolyt in dessen Refutatio (9,10) rekonstruiert werden. Hippolyt stellt Noët als Gefolgsmann des Heraklit hin. Anlass für diese historisch sicher unzutreffende Beziehung ist die Verbindung von Gegensätzen, die Hippolyt als Grundprinzip der Theologie Noëts ansieht. Noët habe die Identität von Vater und Sohn stark betont: Derselbe, der als Vater unsichtbar ist, wird als Sohn sichtbar, derselbe, der unsterblich war, wurde sterblich, der, der ungezeugt war, wurde gezeugt. Als Ziel gibt Hippolyt an, die μοναρχία (monarchia/ Alleinherrschaft) auszudrücken. Dem Referat zufolge folgt daraus, dass der eine Gott die Geburt aus der Jungfrau erlitten habe, wobei er als Sohn aus sich und niemandem anders gezeugt worden sei. Er habe aber einigen Auserwählten durchaus offenbart, der Vater zu sein. Entsprechend habe auch der Vater selbst gelitten, wobei Hippolyt für die Auffassung eines Patripassianismus insbesondere den Namen des Noëtschülers Kleomenes nennt. 5.3.2 Praxeas. Praxeas, der nur durch Tertullians Gegenschrift (kurz nach 200) bekannt ist, vertrat in Rom und Karthago eine ähnliche Position wie Noët. Er unterschied in der Person Jesu zwischen dem Sohn als dem Menschen und dem Vater als der Gottheit (deus/Gott bzw. spiritus/Geist). Dementsprechend erleidet auch nur der Sohn den Tod, weil der Mensch Jesus stirbt, während der Vater als Gott unsterblich bleibt (vgl. Tertullian, Adversus Praxean 27,1f.). Der Vater leidet aber mit dem sterbenden Menschen bzw. Sohn. Identität bedeutet für Praxeas also die Betonung der unmittelbaren Präsenz Gottes in Jesus. Eine zweite Größe in Gott, etwa als Logos bzw. lateinisch sermo (Wort, Rede), ist für Praxeas demnach undenkbar (ebd. 7,5f.). 5.3.3 Sabellius. Eine historisch kaum greifbare Gestalt ist Sabellius, der in der späteren Tradition als Libyer angesehen wurde. Ihm wird die Auffassung zugeschrieben, Vater und Sohn seien identisch. Um jeden Ditheismus auszuschließen, sprach er von der einen Person (ἓν πρόσωπον/hen prosōpon; ein ursprünglich aus dem Theater stammender Begriff, der die jeweils durch die Maske tönende Rolle bezeichnete und entsprechend in der Exegese auf die Frage bezogen wurde, wer jeweils als Sprecher eines Verses vorzustellen ist). Im 4. Jh. wird Sabellius der Kunstbegriff υἱοπάτωρ (hyiopatōr/Sohnvater) zugeschrieben (u.a. Euseb, De ecclesiastica theologia/Über die kirchliche Theologie 1,5). Über eine Verurteilung des Sabellius ist historisch nichts auszumachen. Der Name des 60

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Sabellius wurde im 4. Jh. zur Chiffre für jede Theologie, der vorgeworfen wurde, die Unterschiedenheit zwischen Vater und Sohn nicht genügend deutlich zum Ausdruck zu bringen.

5.4 Logostheologie bei Hippolyt und der Kompromissvorschlag des Kallistus von Rom Hippolyt bekämpfte die verschiedenen Formen der Identitätstheologie und verdächtigte auch die Bischöfe von Rom Zephyrinus und Kallistus, eigentlich identitätstheologisch zu denken. Dies zeigt, wie umstritten die Logostheologie noch im frühen 3. Jh. war. Hippolyt selbst vertrat eine Logostheologie, die heilsgeschichtlich ausgerichtet war: Im Logos äußert sich der handelnde Gott, und zwar gleichermaßen in Schöpfung und Erlösung. Der Logos wird deutlich von den Geschöpfen unterschieden, zugleich aber Gott-Vater subordiniert. Unklar bleibt auch die Zuordnung des Geistes, den Hippolyt an vielen Stellen nicht eindeutig vom Logos unterscheidet. Demgegenüber hat der von Hippolyt heftig bekämpfte Kallistus versucht, den Streit zwischen Hippolyt und Sabellius zu beenden, indem er beide aus der Gemeinschaft ausschloss und theologisch einerseits den Logosbegriff aufnahm, andererseits aber die Einheit von Vater und Sohn behauptete. Die Einheit von Vater und Sohn machte Kallistus besonders daran fest, dass beide Geist waren. Der eine Gott, Logos und Geist, wurde in Jesus sichtbar, weil er einen Menschen annahm, der dann näherhin als Sohn zu bezeichnen ist (Hippolyt, Refutatio 9,12,16-18). Wie weit verbreitet solch eine Kompromissposition war, ist nicht mehr erkennbar.

Vater und Sohn als Geist

5.5 Literatur Lektüretipp: S. Gerber: Calixt von Rom und der monarchianische Streit, ZAC 5 (2001) 213-239. Literatur: W. Löhr: Theodotus der Lederarbeiter und Theodotus der Bankier. Ein Beitrag zur römischen Theologiegeschichte des zweiten und dritten Jahrhunderts, ZNW 87 (1996) 101-125. – M. Decker: Die Monarchianer, 1987. – L. Abramowski: Ein gnostischer Logostheologe. Umfang und Redaktor des gnostischen Sonderguts in Hippolyts »Widerlegung aller Häresien«, in: Dies.: Drei christologische Untersuchungen, 1981, 18-62. – A. von Harnack: Monarchianismus, Realencyklopädie für protestantische Theologie 3. A. 13 (1903) 303-336. – R. Hübner/M. Vinzent: Der paradox Eine. Antignostischer Monarchianismus im zweiten Jahrhundert, 1999. – J. Frickel: Das Dunkel um Hippolyt von Rom, 1988. – Ders.: Hippolyts Schrift Contra Noetum. Ein Pseudo-Hippolyt, in: H.C. Brennecke/C. Markschies/E.L. Grasmück (Hg.): Logos. FS für L. Abramowski, 1993, 87-123. – W. Bienert: Sabellius und Sabellianismus als historisches Problem, ebd. 124-139. – A. Brent: Hippolytus and the Roman Church in the Third Century, 1995. – L. Bertsch: Die Botschaft von Christus und unserer Erlösung bei Hippolyt von Rom, 1966.

5. Die Identifikationstheologie

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6. Tertullians begriffliche Klärung der Trinitätslehre

regula fidei

dispositio

trinitas

Nicht wie Irenäus im Zusammenhang der Soteriologie, sondern in apologetischer Weise, nämlich in Abgrenzung gegen die Gnostiker einerseits, gegen Identifikationstheologen wie Praxeas andererseits hat Tertullian erstmalig eine lateinische Trinitätslehre entfaltet und dazu auch sprachlich eine Terminologie entwickelt, die für die weitere Theologiegeschichte wegweisend wurde. Auch er hat an verschiedenen Stellen die regula fidei (Glaubensregel) formuliert (sowohl binitarisch als auch trinitarisch) und damit den Kerngehalt des christlichen Glaubens gegen die Gnostiker festgehalten: Christus ist Gottes Sohn, sein Logos (von Tertullian meist mit sermo/Rede, selten mit verbum/Wort übersetzt), der zu dem einen Schöpfergott hinzugehört. In der Schrift Adversus Praxean (Gegen Praxeas, um 200; die Datierung der Werke Tertullians ist im Detail unsicher) betonte Tertullian die heilsgeschichtliche Differenzierung zwischen Vater, Sohn und Geist und übertrug hierfür das griechische Fremdwort οἰκονομία (oikonomia) ins Lateinische (oeconomia neben dem lateinischen Parallelbegriff dispensatio oder dispositio, was beides soviel wie Verwaltung/Aufteilung bedeutet). Vater, Sohn und Geist sind drei personae (ein Pendant zum griechischen Begriff πρόσωπον/prosōpon/ Maske bzw. Rolle im Theater, dann auch: die jeweils individuelle Person), die zu einer substantia (Substanz bzw. Wesen) gehören. Tertullian hat zwar nicht die im Westen später maßgebliche Orientierungsformel una substantia, tres personae geprägt, kommt ihr aber in verschiedenen Formulierungen sehr nahe. Den Terminus monarchia, den Identifikationstheologen benutzt hatten, griff er durchaus auf und bezeichnete daher die Dreiheit als trinitas (Abstraktum zu trinus, dreifach, also: Dreifaltigkeit, im Unterschied zum im Griechischen üblichen Begriff τριάς/trias/Dreiheit).

6.1 Einheit der Trinität als una substantia

Stoa

Zunächst hat Tertullian die Offenbarung Gottes binitarisch als Selbstmitteilung verstanden und das Vater-Sohn-Verhältnis mit dem geläufigen Bild aus der stoischen und mittelplatonischen Philosophie gedeutet: Wie der Lichtstrahl, der von der Sonne ausgeht, nicht deren Substanz mindert und ebenso Licht ist wie die Sonne, so geht der Sohn vom Vater als Geist vom Geist, Gott von Gott aus (Apologeticum/Verteidigungsschrift 21,12f.). Schon hier wird deutlich, dass Tertullian Geist als Substanzangabe Gottes versteht. Dies kann sich bei Tertullian mit der stoischen Vorstellung verbinden, dass Geist eine besonders feinstoffliche, unsichtbare und eigene Materialität ist. Im Gegensatz zu den meisten anderen Theologen der Alten Kirche steht Tertullian der Stoa nahe und lehnt platonische Vorstellungen weitgehend ab, weil er den Platonismus als einen wesentlichen Grund für die Entstehung der Gnosis ansah. Dementsprechend hat Tertullian keine Probleme damit, das Verhältnis zwischen Vater, Sohn und Geist auch mit Beispielen zu illustrieren, die eine stoffliche Identität voraussetzen, so etwa mit Quelle und Fluss, Wurzel und Baum. Mit substantia meint er die Realität einer Sache, das Substrat eines Wesens als Träger von Eigenschaften; er betont, dass sowohl die Eigenschaften der Geistsubstanz als auch die göttlichen Eigenschaften bei Vater und Sohn identisch sind. In seinem trinitäts62

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§ 1 Christliche Gotteslehre als Trinitätslehre

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theologisch wichtigsten Werk Adversus Praxean hat er diese Argumentation trinitarisch erweitert: radix – frutex – fructus (Wurzel, Trieb, Frucht), fons – flumen – rivus (Quelle, Fluss, Strom), sol – radius – apex (Sonne, Strahl, Spitze des Sonnenstrahls) (Adversus Praxean 8,5-7). Wie die drei Größen jeweils von einer Substanz sind, so sind auch die drei Personen der Trinität ein Gott und daher von derselben Substanz. Dies zeigt gerade ihr innerer, voneinander nicht lösbarer Zusammenhang. Unterschieden sind Vater, Sohn und Geist aber im Hinblick auf ihre Abfolge (gradus/Stufe bzw. Schritt) und ihre Gestalt (forma bzw. species) im heilsgeschichtlichen Handeln.

bildliche Vergleiche

6.2 Vater, Sohn und Geist als tres personae Aus der sog. prosopographischen Exegese, wonach in einem Bibeltext die einzelnen Verse bzw. Halbverse auf unterschiedliche Sprecher bezogen werden, hat Tertullian den Personenbegriff gewonnen. So bezieht er Ps 110,1 auf Vater und Sohn (Adversus Praxean 11,7-10). Persona meint bei ihm die konkrete Gestalt Gottes als eigenständige Individualität. Tertullian betont, dass er keine Trennung innerhalb der Trinität lehre, sehr wohl aber eine Unterscheidung (distinctio trinitatis). Die Abfolge von Vater, Sohn und Geist kann Tertullian dementsprechend auch als die Abfolge von primus, secundus, tertius gradus (erster, zweiter, dritter Schritt bzw. Stufe) beschreiben, wobei weniger eine Subordination im Blick ist, als dass er die heilsgeschichtlich greifbare Abfolge von Schöpfungswirken, Erlösungshandeln und Gegenwart Gottes in der Kirche festhalten möchte.

prosopographische Exegese

6.3 Tertullianrezeption bei Novatian Unter dem Namen Tertullians ist eine Schrift überliefert, die den Titel De trinitate (Über die Trinität) trägt. Sie ist sehr wahrscheinlich von Novatian verfasst worden, der vor 250 in Rom gewirkt hat. Novatian hat die Terminologie Tertullians rezipiert und versucht, damit Markioniten, Gnostiker und Identifikationstheologen zu widerlegen. 6.4 Literatur Lektüretipp: B.J. Hilberath: Der Personbegriff der Trinitätstheologie in Rückfrage von Karl Rahner zu Tertullians »Adversus Praxean«, 1986, 145-294. Quellen: H.J. Sieben (Hg.): Tertullianus, Adversus Praxean, FC 34, 2001 [zweisprachig]. Literatur: J. Moingt: Théologie trinitaire de Tertullien, 4 Bde., 1966-1969. – R. Braun: Deus Christianorum. Recherches sur le vocabulaire doctrinal de Tertullien, 2. A. 1977. – R. Cantalamessa: La cristologia di Tertulliano, 1962. – G.D. Dunn: Tertullian, 2004. – E. Osborn: Tertullian. First Theologian of the West, 1997. – T.D. Barnes: Tertullian, 2. A. 1985. – W. Bender: Die Lehre über den Heiligen Geist bei Tertullian, 1961. – R.J. de Simon: The Treatise of Novatian on the Trinity, 1970. – J.L. Papandrea: The Trinitarian Theology of Novatian of Rome, 2008.

7. Platonismus und Christentum In der Philosophie dominierte ab dem 2. Jh. n.Chr. der Platonismus, der im 3. Jh. mit Denkern wie Plotin, Iamblich und Porphyrius einen Höhepunkt erreichte. Die platonischen Denker ab Plotin fasst man unter dem Begriff des Neuplatonismus zusammen, diejenigen vor Plotin (im Unterschied zur 6. Tertullians begriffliche Klärung der Trinitätslehre

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Alkinoos 3 Prinzipien

Numenius

Ideen

Plotin Transzendenz

3 Hypostasen

älteren platonischen Schultradition, der sog. Akademie) bezeichnet man als Mittelplatonismus. Neuere Forschungen betonen die Kontinuität zwischen dem Mittel- und dem Neuplatonismus. Gedanken aus dem Platonismus wurden im Christentum in verschiedener Weise benutzt, daher hat der Platonismus auch dogmengeschichtliche Bedeutung. Dies betrifft einerseits die Gotteslehre, andererseits die Ethik. In der Ethik wurde das platonische Ideal einer möglichst weitgehenden Angleichung an Gott (ὁμοίωσις θεῷ κατὰ τὸ δύνατον/homoiōsis theō kata to dynaton; Platon, Theaetetus 176b) rezipiert, aber spezifisch als christliches Lebensideal gedeutet, so bei Clemens von Alexandria oder Origenes. Für die Trinitätslehre wurde wichtig, dass die mittelplatonische Metaphysik von der Frage bestimmt wurde, wie der eigentlich transzendente Gott mit der Welt in Kontakt treten kann, ohne seine Trans­ zendenz zu verlieren bzw. wie es von der ursprünglichen Einheit in Gott zu der Vielheit in der Welt kommen konnte. Bei mittelplatonischen Denkern wie Alkinoos und Numenius diente dazu eine Differenzierung der Gotteslehre, die mit der Logostheologie vergleichbar ist. Alkinoos sprach von drei Prinzipien: Gott, dem παράδειγμα (paradeigma/dem Urbild, scil. der Fülle der Ideen) und der formlosen Materie. Der völlig transzendent bleibende Gott denkt das Urbild mit allen Ideen, so dass hier eine erste Fülle entsteht, die aber noch dadurch zu einer Einheit verbunden ist, dass es sich um die Gedanken des einen Gottes handelt. Diese Gedanken werden dann von Gott durch eine Weltseele umgesetzt, deren Verstand auf die Ideen schaut und entsprechend die Materie zu Gegenständen formt. Numenius unterschied den ersten transzendenten Gott von einer zweiten, der Materie zugewandten Größe. Die Zuwendung dieser zweiten Größe zur Materie führt dazu, dass sie von der Vielfalt der Materie affiziert und daher selbst zu einer Zweiheit wird, so dass ein zweiter und dritter Gott gegeben sind. In beiden Ansätzen ist das Gegenüber von Ideen und Materie, Ideen- und Sinnenwelt (κόσμος νοητός – κόσμος αἰσθητός/kosmos noētos – kosmos aisthētos) tragend. Eigentlich seiend sind nur die Ideen; die sinnlich wahrnehmbaren Dinge haben nur insofern Sein, als sie an den Ideen teilhaben. Diesen Gedanken haben Denker ab dem 3. Jh. zunehmend ontologisch ausgedrückt: Alles Sein entstammt dem einen monistischen Prinzip und unterscheidet sich durch verschiedene »Dosierungen« von Sein. Plotin hat diesen Monismus dadurch zugespitzt, dass er das höchste Prinzip als schlechthinnige Einheit beschrieben hat (τὸ ἕν/to hen/das Eine). Um die Transzendenz dieses Einen zu betonen, hat Plotin festgehalten, dass das Eine jenseits aller weiteren Zuschreibungen liegt, also auch jenseits des Seins und Denkens. Es ist ein abstrakter Fluchtpunkt, ohne den jedoch die Welt insgesamt nur in eine formlose Vielfalt auseinanderfallen würde. Im Blick auf das Eine denkt das zweite Prinzip, der νοῦς (nus/Intellekt bzw. Geist) eine Vielheit, die dann durch das dritte Prinzip, die ψυχή (psychē/Seele), aufgegriffen wird. Die Seele bewirkt, dass in der Welt Dinge geformt und belebt werden und so die Welt als geordnete Vielfalt entsteht. Diese Annahme von τρεῖς ἀρχικαὶ ὑποστάσεις (treis archikai hypo64

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§ 1 Christliche Gotteslehre als Trinitätslehre

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staseis/drei Hypostasen im Prinzipienrang) wurde im 4. Jh. in der christlichen Theologie, so bei Euseb von Cäsarea und Basilius von Cäsarea, als Beleg dafür angesehen, dass sogar der Platonismus eine (wenn auch rudimentäre) Form der Trinitätslehre gekannt habe. Das Grundproblem des Platonismus, wie es von der ursprünglichen transzendenten Einheit zur Vielheit der empirischen Phänomene kommen konnte, stellte sich auch christlichen Denkern und ermöglichte im 4. Jh. eine vielfältige Platonismusrezeption. Der Gedanke dürfte aber nicht seinerseits die Entwicklung der Trinitätslehre ausgelöst haben, da er erst Mitte des 3. Jh.s greifbar ist und zu diesem Zeitpunkt das trinitarische Denken im Christentum schon tief verwurzelt war. Daran ändert sich auch nichts, wenn man versucht, einige zentrale Gedanken Plotins auf dessen Lehrer Ammonius Sakkas zurückzuführen, über dessen Philosophie nichts Genaueres erkennbar ist.

7.1 Die Gottesvorstellung im Mittelplatonismus In der Forschung ist die Frage umstritten, ob Platonismus und Christentum von ihrem Grundansatz her miteinander unvereinbar sind (so v.a. H. Dörrie) oder ob es einen substantiellen Einfluss des Platonismus auf das Christentum gegeben hat. Einige grundlegende Unterschiede lassen sich an der Kontroverse zwischen dem Ende des 2. Jh.s schreibenden Platoniker Celsus (s. § 3; 6.2) und Origenes erkennen. Danach kennt a) der Platonismus weder Offenbarung noch Glauben, sondern betont rationale Erkenntniswege, b) betont der Platonismus das ungeschichtliche Sein, was die Vorstellung einer Heilsgeschichte unmöglich macht, dachte c) der Platonismus Gott nicht als Person, sondern als abstraktes Sein, d) schied für den Platonismus der Gedanke, dass Gott selbst Mensch wurde, aus, weil die Gottheit damit etwas getan hätte, was nicht zu ihrem Wesen gehört; denn die unteren Wesen können zwar nach dem höheren Sein streben, das höhere Sein aber sich nicht zum Schlechteren wenden. Damit sind Punkte benannt, in denen christliche Theologen Grundannahmen des Platonismus nicht übernehmen konnten. Doch zugleich adaptierten sie vielfach platonische Denkmuster, um die allgemeine Relevanz der christlichen Wahrheit darzulegen oder um theologische Probleme besser lösen zu können. Das galt auch für die Trinitätslehre, in der insbesondere a) die Verbindung von Metaphysik und Kosmologie als zentraler Gegenstand der Gotteslehre entfaltet wurde und b) diese Verbindung dadurch gelöst wurde, dass Gott als in sich differenziert gedacht wurde. Die Ansätze bei Alkinoos und Numenius haben sich in dieser Hinsicht als besonders anregend erwiesen. Von Alkinoos (früher Albinus genannt, 2. Jh.) ist ein Lehrbuch für Platonismus überliefert, der Didaskalikos (Lehrbuch), in dem für die drei Teile der platonischen Philosophie, die Dialektik (einschließlich Logik), die Physik (das Nachdenken über die φύσις/physis/Natur, also alles, was ist, was auch die Theologie und Kosmologie einschließt) und die Ethik, anhand einer Collage aus Platonzitaten wesentliche Grundgedanken zusammengestellt werden. Auffällig ist dabei die Absicht, das platonische Denken mit dem des Aristoteles zu verbinden. Für den Gottesbegriff hat dies insbesondere darin seine Auswirkung, dass Gott als Gegenstand wie als Subjekt von Denken verstanden wird und so die Ideen als Gedanken Gottes ihm zugeordnet, zugleich aber als παράδειγμα (paradeigma/Urbild) verselbständigt werden. Dadurch wird in den Platonismus eine Differenzierung zwischen Gott und den Ideen eingeführt, die Platons 7. Platonismus und Christentum

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Vereinbarkeit?

3 Teile der Philosophie

Aristoteles

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Apuleius

Begriff der Idee des Guten als der höchsten Idee und damit als dem höchsten Prinzip nicht unmittelbar entspricht. Die von Alkinoos vertretene Drei-Prinzipien-Lehre (Gott, Urbild, Materie) ist auch bei dem lateinischen Mittelplatoniker Apuleius (ca. 120-nach 170) in dessen Schrift De Platone et eius dogmate (Über Platon und seine Lehre) belegt und dürfte im Platonismus vor Plotin weit verbreitet gewesen sein. Die Theologie des Numenius (2. Jh.) ist vor allem in Fragmenten greifbar, die Euseb von Cäsarea in seiner Schrift Praeparatio evangelica (Vorbereitung auf das Evangelium) wiedergibt, und spricht ausdrücklich von zwei Göttern, wobei der zweite Gott durch seinen Kontakt mit der Materie selbst zu einer Zweiheit wird und somit den zweiten und dritten Gott bildet. Der dritte Gott kann dabei sogar mit der geordneten Materie selbst, also dem Kosmos als (geordneter) Welt identifiziert werden. Eine begrifflich klare Ontologie, in der diese verschiedenen Ebenen einander zugeordnet werden, hat der Mittelplatonismus noch nicht hervorgebracht.

7.2 Der Neuplatonismus Lehrer Plotins

Origenes?

Enneaden

Aufstieg

7.2.1 Ammonius Sakkas als Lehrer des Origenes und Plotins? Ammonius Sakkas (gest. ca. 241/242), von dessen Lehren nichts direkt überliefert worden ist, ist als Lehrer Plotins belegt. Die spätere Nachricht, dass er ursprünglich Christ war, ist wohl historisch wertlos. Die Nachrichten über Plotin bei Porphyrius und bei Euseb in seiner Biographie des Origenes (Historica ecclesiastica/Kirchengeschichte 6) belegen, dass auch ein Origenes Schüler des Ammonius Sakkas gewesen sei. Dabei passt das, was Porphyrius in seiner Vita Plotini (Lebensbeschreibung Plotins) über den neuplatonischen Philosophen Origenes und dessen Werk sagt, nicht zu dem Christen Origenes, gegen den er in seiner Schrift Κατὰ Χριστιανῶν (Kata Christianōn, lateinisch Contra Christianos/Gegen die Christen; s. § 3; 6.2) polemisiert. Doch ist unklar, ob Euseb (oder vielleicht schon seine Quelle, evtl. sogar Porphyrius) sich geirrt und zwei Personen aufgrund von Namensgleichheit miteinander identifiziert hat (Origenes, der »Horus-Geborene«, war in Ägypten kein seltener Name) oder ob es sich um zwei verschiedene Personen namens Origenes handelt, von denen der eine ein Studiengefährte Plotins war, der andere später bei Ammonius studiert hat, bevor er als christlicher Theologe tätig wurde. Jedenfalls sind die Hinweise auf Ammonius Sakkas nicht geeignet, um ein inhaltliches Profil herauszuarbeiten, von dem her sich die Ausgestaltung der christlichen Trinitätslehre bei Origenes einerseits, die Zuspitzung der platonischen Ontologie bei Plotin andererseits erklären ließe. 7.2.2 Plotin. Plotin (204-270), der seit 244 in Rom lehrte, entwickelte in einem Schulbetrieb eine umfassende Neufassung der platonischen Philosophie mit dem Anspruch, die authentische Philosophie Platons zu erneuern. Auf seine nur mündliche Lehrtätigkeit gehen verschiedene Konzeptpapiere zurück, die sein Schüler Porphyrius posthum zu Neunergruppen (sog. Enneaden) zusammengestellt und veröffentlicht hat. In ihnen thematisiert Plotin in unterschiedlicher Länge sehr verschiedene Themen, etwa: Über das Schöne (I,6), Über die Unsterblichkeit der Seele (IV,7), Über die drei Hypostasen im Prinzipienrang (V,1), Gegen die Gnostiker (II,9), Woher kommt das Böse? (I,8). In der Schrift Über die drei Hypostasen im Prinzipienrang entwickelt Plotin den Gedanken eines Aufstiegs der Seele, die sich über die sinnliche Wahrnehmung und alle vegetativen Funktionen zum Denken aufschwingt und mit dem Denken dann alle Bereiche des Stofflichen, materiell Gebundenen übersteigt, um so des höchsten Prinzips, des Einen, gewahr zu werden. Diese Einsicht führt zu einem Verstehen, wie vom höchsten Einen der νοῦς (nūs/Intellekt bzw. Geist) abhängt, dessen Gedanken schon auf eine Vielheit verweisen, die durch die ψυχή (psychē/Seele) in der Welt realisiert wird. Seele und Geist 66

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des Menschen und kosmisch wirksame Weltseele und Weltgeist (bzw. Himmelsintellekt) Weltseele sind dabei in ihren Funktionen parallelisiert, der Einzelne kann durch seine geistige Aufstiegsbewegung an den universalen Funktionen der Prinzipien teilhaben. Dieser Aufstieg macht nicht beim Intellekt halt, sondern transzendiert auch das Denken, so dass er des Einen gewahr wird, das ihm das höchste Ziel, die ἕνωσις (henōsis/Einung, scil. das Einswerden mit dem Einen), schenkt. In dieser Einung löst sich das Denken und Sein ἕν – νοῦς – ψυχή des Individuums auf, der Einzelne vermag – freilich nur für Sekundenbruchteile – das zu erleben, was die Welt im Innersten zusammenhält. Es zeigt sich, dass Plotins Konzept der drei Hypostasen im Prinzipienrang nicht nur ontologische Spekulation ist, sondern mit der Idee eines mystischen Aufstiegs verbunden ist und somit ein soteriologisches Konzept darstellt. Zugleich vermag Plotin von seiner Grundkonzeption her eine Reihe von philosophischen Fragen anzugehen, so etwa die Frage nach dem Bösen, das er als μὴ das Böse ὄν (mē on/nicht-seiend) einstuft. Entsprechend ist das Böse Privation, doch so, dass es nicht nachträglich seines Seins beraubt wird, sondern schlichtweg des Seins ermangelt. Diesen Charakter als nicht-seiend hat das Böse mit der formlosen Materie gemeinsam; denn erst wenn die Materie Form annimmt, gewinnt sie an Gestalt und hat an Gutem teil. Insofern neigt Plotins Philosophie zu einer massiven Abwertung des Materiellen. 7.2.3 Neuplatonismus nach Plotin. Plotins Philosophie hat eine neue Epoche philosophischer Systembildungen ausgelöst, zu denen neben Porphyrius (234-301/5) und Iamblichos (Anfang 4. Jh.) besonders Proclus (412-485) und Simplicius (Wirksamkeit nach Schließung der Akademie in Athen 529, gest. ca. 560) gehören. Die neuplatonische Philosophie wurde von griechischen christlichen Denkern fortwährend rezipiert (vgl. § 4; 11.4), für die Trinitätslehre spielen die neuplatonischen Gedanken auch in latinisierter Form eine wesentliche Rolle, so etwa bei Marius Victorinus, dann bei Ambrosius und Augustin. 7.3 Literatur Lektüretipp: H. Ziebritzki: Heiliger Geist und Weltseele, 1994, 44-92.131-136.146-191. Quellen: H. Dörrie/M. Baltes (Hg.): Der Platonismus in der Antike, 8 Bde., 1987-2002 [ausgewählte Quellentexte zu den Lehren des Platonismus, zweisprachig mit Kommentar]. – R. Harder: Plotins Schriften, 6 Bde., 1956-1971 [zweisprachig]. Literatur: V.H. Drecoll: Lateinischer Mittelplatonismus. Neuplatonismus, in: Ders. (Hg.): Augustin Handbuch, 2007, 66-85. – H. Dörrie: Platonica Minora, 1976. – H.-D. Blume/F. Mann (Hg.): Platonismus und Christentum, 1983. – J. Dillon: The Middle Platonists. 80 B.C. to A.D. 220, 2. A. 1996. – C. D’Ancona: Plotin, in: R. Goulet (Hg.): Dictionnaire des philosophes antiques 5a, 2012, 885-1068 [beste aktuelle Gesamtdarstellung Plotins incl. umfangreicher Bibliographie]. – W. Beierwaltes: Platonismus im Christentum, 2. A. 2001. – L.P. Gerson: The Cambridge Companion to Plotinus, 1996. – F.-P. Hager: Neuplatonismus, TRE 24 (1994) 341-363. – T.A. Szlezák: Platon und Aristoteles in der Nuslehre Plotins, 1979. – A. Smith: Plotinus, Porphyry and Iamblichus. Philosophy and Religion in Neoplatonism, 2011. – I. Tanaseanu-Döbler: Theurgy in Late Antiquity, 2013.

8. Origenes: Immanent-ewige Trinität und Hypostasenlehre In großen Städten wie Rom oder Alexandria bildete sich so etwas wie ein christlicher Schulbetrieb. Für Rom ließe sich insbesondere auf Justin verweisen, für Alexandria auf Clemens und Origenes. Letzterer wurde im grie7. Platonismus und Christentum

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Exegese

Hypostase

chischen Bereich der einflussreichste Theologe im 4. und 5. Jh. (zu seinem Leben s. § 2; 10.5), weswegen ein Überblick über seine Theologie zum kirchengeschichtlichen Grundwissen gehört. Seine überragende Bedeutung beruhte insbesondere auf seinen Reflexionen über Gott, Christus und den Heiligen Geist, die er auf der Grundlage einer methodisch entwickelten Exe­ gese anstellte. Die Ergebnisse seiner exegetischen Bemühungen verband er zu einer durchdachten Trinitätslehre, die sowohl den philosophischen Fragestellungen seiner Zeit als auch der kirchlichen Verkündigung entsprach. Für die Folgezeit wurde seine Verwendung des Begriffs Hypostase zur Betonung der eigenständigen Wirklichkeit von Vater, Sohn und Geist in der griechischen Theologie besonders bedeutsam. Für deren Einheit hatte er keinen entsprechenden Begriff, Gott bezeichnet bei ihm sowohl die Einheit von Vater, Sohn und Geist als auch spezifisch Gott-Vater (so besonders ὁ θεός/ho theos/der [scil. eine] Gott). Die in der Forschung umstrittene Frage, ob sein Denken primär durch spekulative Systematik oder durch mystische und kirchliche Frömmigkeit bestimmt ist, darf nicht als Alternative, sondern muss als Synthese gelöst werden. Umstritten ist ferner die inhaltliche Frage, ob seine Trinitätslehre sachlich eher den Arianismus oder die nizänische Orthodoxie vorbereitet hat; auch hier gilt beides: Origenes gehört zu den Vätern so gut wie aller Positionen im Trinitarischen Streit.

8.1 Ewigkeit der Schöpfung, Güte und Pronoia Gottes

Gottesbegriff

Logos

freier Wille gegen die Gnosis

Origenes hat schon kurz nach 220 in seinem Werk Περὶ ἀρχῶν (Peri archōn, lateinisch De principiis/Über die Prinzipien; vgl. dazu § 2; 10.5.2) eine theologische Weltdeutung konzipiert, und zwar in Auseinandersetzung mit dem Platonismus einerseits, der Gnosis andererseits. Danach ist Gott als der Grund des Seins und das eigentlich uranfängliche Prinzip anzusehen. Gott ist völlig transzendent und übersteigt alles Sein und Denken. Er ist reine Einheit, reiner Geist, aber auch Liebe, überströmende Vollkommenheit und Fülle. Zu seinem Wesen gehört auch die neidlose Mitteilung seiner Güte; deshalb erschafft er die Welt, wozu er zunächst das Prinzip seiner Selbstdifferenzierung als eigene Hypostase aus sich heraussetzt, indem er – biblisch gesprochen – einen Sohn zeugt, seinen Logos, ein rein geistig-transzendentes Wesen als Schöpfungsmittler. Dieser Logos erschafft die Geistwesen (τὰ λογικά/ta logika/die vernunftbegabten Wesen), allen voran den Heiligen Geist, dann die Engel und die menschlichen Seelen. Diese Setzung des Logos und die durch ihn erfolgte Erschaffung der Geistwesen erfolgten vor aller Zeit, d.h. zeitlos. Der Übergang in die Zeit ergibt sich aus dem Abfall der Vernunftwesen. Sie haben τὸ αὐτεξούσιον (to autexusion/die freie Entscheidungsinstanz) und sind nicht determiniert. Die Willensfreiheit betont Origenes besonders gegen die gnostische Vorstellung, die Menschen ließen sich in drei Klassen einteilen (die Pneumatiker, die den göttlichen Geist haben, die Psychiker, die durch ihr Verhalten denselben empfangen können, 68

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und die Sarkiker, die sich vom Geist abwenden). Für Origenes wenden sich einige der Vernunftwesen aufgrund ihrer freien Entscheidung von Gott ab und erkalten in ihrer Liebe. Darauf reagiert Gott in seiner πρόνοια (pronoia/ Fürsorge und Vorsehung) und erschafft die sichtbare Welt mit Raum und Zeit, in die die erkaltenden Geistwesen absinken und eingekörpert werden, was zugleich ein Akt der Bestrafung und der göttlichen Heilspädagogik ist. Denn Gott will in seiner Güte, dass alle Vernunftwesen von ihrer Freiheit rechten Gebrauch machen und zu ihm zurückkehren. Deswegen überlässt er die Vernunftwesen in der Welt nicht sich selbst, sondern startet eine Reihe von Heilsmaßnahmen, die auf die παίδευσις (paideusis/Erziehung) der Menschen zielen. Die Vernunftwesen sollen so zu Gott zurückkehren und wieder das werden, was sie ursprünglich waren, nämlich reiner Geist.

πρόνοια

8.2 Erlösung als Vervollkommnung, Apokatastasis Voraussetzung für die Rückkehr der Vernunftwesen zu Gott ist ihre Rückbesinnung auf ihren ureigenen Charakter als Vernunft- und Geistwesen. Diese vermittelt ihnen wiederum der Logos-Sohn, der somit nicht nur der Schöpfungs-, sondern auch der Erlösungsmittler wird. Schöpfung und Erlösung stehen somit in Kontinuität zueinander, was wiederum gegen die gnostische Trennung von schlechter Schöpfung und guter Erlösung als Befreiung aus der Schöpfung betont wird. Der Logos-Sohn wirkt als Offenbarer der Wahrheit und Erzieher zur Liebe. Erkenntnis und Ethik werden zu den beiden bestimmenden Dimensionen des christlichen Glaubens. Da die Seele Jesu Christi – abgesehen vom Heiligen Geist und den Engeln – das einzige Vernunftwesen ist, das nicht von Gott abfiel (zu Origenes’ Christologie s. § 4; 1.3), benutzt der Logos diese mit ihm besonders verbundene Seele, um die heilsgeschichtliche Wende im Erziehungswerk herbeizuführen. Der Inkarnierte ruft die Menschen zur Vervollkommnung im Sinne einer Vergeistigung auf. Dabei spielt auch der Heilige Geist eine wichtige Rolle als Kraft der Erleuchtung und Heiligung (s. § 1; 8.4). Da Gottes Güte das entscheidende Motiv der gesamten Welt- und Heilsgeschichte ist, nimmt Origenes an, dass Gott so lange heilsgeschichtlich auf die Vernunftwesen einwirkt, bis alle gereinigt zu Gott zurückgekehrt sind. Die wenigen Stellen, an denen Origenes diese Idee vorsichtig entwickelt oder vielmehr andeutet, sind später Gegenstand heftiger Debatten geworden. Vermutlich hat bereits Origenes selbst für die endzeitliche Erlösung aller Vernunftwesen den biblischen Begriff der ἀποκατάστασις πάντων (apokatastasis pantōn/Wiederbringung aller, selbst des Teufels, vgl. Apg 3,21; 1 Kor 15,28) benutzt. Der Gedanke liegt im Duktus seines Denkens, das davon ausgeht, dass dem Anfang das Ende entspricht (alles Seiende ist bei Gott) und jeder Abfall durch die von Gott herbeigeführte Hinwendung zu ihm überwunden wird. Dabei beruhen Abfall und Hinwendung auf dem freien Willen der Vernunftwesen, weswegen Gott zu immer wieder neuen heilsgeschichtlichen Maßnahmen greifen muss, bis er sein Ziel erreicht. 8. Origenes: Immanent-ewige Trinität und Hypostasenlehre

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Schöpfung

Seele Jesu

Erlösung aller

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8.3 Offenbarungstheologie als Hypostasenlehre

Vater – Sohn

keine Emanation

Der Ansatz von Origenes’ Trinitätslehre liegt beim Offenbarungsgedanken: Über den Logos bzw. den Sohn zu sprechen, ist deswegen notwendig, weil es in der Schrift bezeugt ist und die Zuwendung des völlig transzendenten Gottes zur Welt und den Vernunftwesen aussagt. Mit den biblischen Metaphern von Christus als Bild Gottes (Kol 1,15; vgl. Hebr 1,3) und vom VaterSohn-Verhältnis (so besonders in Aufgriff von Wendungen aus dem Johannesevangelium) beschreibt Origenes die Relation zwischen Gott und Logos als ontologische Übereinstimmung ebenso wie als personale Differenz. Gott ist ohne seinen Logos nicht existent, die Zeugung des Sohnes ist daher eine ewige, die jedoch nicht (wie bei den Gnostikern und Neuplatonikern) als προβολή (probolē/Emanation), sondern als bewusste Hervorbringung zu verstehen ist. Daher ist der Logos-Sohn auch selbst Gott (θεός/theos/Gott [ohne Artikel]). Allerdings verdankt sich seine Gottheit dem Vater, der die Quelle der Gottheit und damit die eine ἀρχή (archē/Ursprung, Prinzip) ist. Gott-Vater und Sohn sind dabei jeweils eigenständige Hypostasen (De principiis 1,2,2). Die Zuordnung des Sohnes zum Vater beinhaltet ein beträchtliches Maß an Subordination. Der Sohn ist ὁ δεύτερος θεός (ho deuteros theos/der zweite Gott; Contra Celsum 5,39).

8.3.1 Auslegung von Prov 8,22 bei Origenes. Origenes nutzt Joh 1,1 in Verbindung mit Gen 1,1, um das Verhältnis zwischen Vater und Sohn zu klären. Danach war der Logos ἀρχή ἐν ἀρχῇ (en archē/am Anfang bzw. im Ursprungsprinzip des Sohnes, d.h. dem Vater), zugleich hat Gott ἐν ἀρχῇ (en archē/mit dem Ursprungsprinzip der Welt, d.h. der Weisheit, also dem Logos) die Welt geschaffen (Joh.-Komm. 1,17,95-102). In dem letzteren Sinne wird ἀρχή als eine der vielen Bezeichnungen Christi in der Schrift angesehen, die als ἐπίνοιαι ἐπίνοιαι (epinoiai/Aspekte) gedeutet werden. Es handelt sich um verschiedene Aspekte Prov 8,22 des einen Logos-Sohnes. In diesem Sinne kann Origenes auch Prov 8 aufgreifen und das Verhältnis zwischen Vater und Sohn auch als κτίζειν (ktizein/erschaffen) bezeichnen, doch ist damit nicht gemeint, dass der Sohn in gleicher Weise wie die Schöpfung geschaffen ist, sondern aufgegriffen ist nur die in Prov 8,22 benutzte Begrifflichkeit für die Abhängigkeit des Sohnes vom Vater. Das Verhältnis zwischen Vater und Sohn wird bei Origenes nicht durch ontologisch kohärente Begriffe bestimmt (schon gar nicht begegnet bei ihm der später umstrittene Begriff ὁμοούσιος/homousios/wesensgleich, der nur in sekundären Textinterpolationen auftaucht). Die enge Zusammengehörigkeit von Vater und Sohn kommt darin zum Ausdruck, dass es keinen Moment gab, in dem der Sohn nicht existierte. Alles andere Seiende hingegen ist Geschöpf, aus dem Nichts durch den Schöpfungsmittler in die Existenz gerufen. 8.3.2 Binitarischer Ansatz. In der Trinitätslehre des Origenes stehen Vater und Sohn im Vordergrund. Sein Ansatz hat eigentlich eine binitarische Struktur: Urbild und Abbild. Auch die entsprechende Terminologie Vater – Sohn ist binitarisch angelegt und bietet keinen Platz für ein drittes Prinzip. Gleichwohl schätzt Origenes den Heiligen Geist sehr hoch ein und ordnet ihn Vater und Sohn zu. Entsprechend kann er auch fast beiläufig von τρεῖς ὑποστάσεις (treis hypostaseis/drei Hypostasen) sprechen (Joh.-Komm. 2,10). Den Begriff τριάς (trias/Dreiheit bzw. Trinität) verwendet er bisweilen, doch ohne ihn systematisch zu entfalten. 70

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8.4 Der Heilige Geist als Teil der Trinität Für Origenes ist der Geist deswegen von besonderer Bedeutung, weil sein Wirken im Menschen die Erleuchtung und Heiligung bewerkstelligt und so die Vervollkommnung des Menschen ermöglicht. Das Ziel der Menschen in der Heilsgeschichte besteht in der Rückkehr der Menschen zu Gott als Angleichung an Gott, d.h. als Vergeistigung. Demgemäß sind die Christen Pneumatiker. Der Geist wird dabei in besonderer Weise vom Logos in die Existenz geführt und ist selbst eine (neben Vater und Sohn dritte) Hypostase. Als »Gott« bezeichnet Origenes den Geist allerdings nie. 8.4.1 Die Auslegung von Joh 1,3. Die Stellung des Geistes wird bei Origenes nicht systematisch durchdacht. Das führt zu einer gewissen Unklarheit: Manchmal zählt der Geist als erster der Geistwesen und Anführer der Engel eher zu den durch den Logos geschaffenen Dingen, an anderen Stellen wird der Heilige Geist deutlich als göttlich beschrieben und mit Vater und Sohn zusammengestellt. In der Auslegung von Joh 1,3 (Joh.-Komm. 2,10f.) fragt sich Origenes, ob, wenn alles durch den Logos geworden sei, dies auch für den Heiligen Geist gelte. Die von ihm anschließend entfaltete Lösung ist kompliziert und die Deutung der Passage in der Forschung entsprechend umstritten. Vermutlich hat Origenes daran gedacht, dass der Logos dem Heiligen Geist bei dessen Konstitution alles gibt, was ihn selbst als ἐπίνοιαι (epinoiai/Aspekte) auszeichnet. Demnach wäre der Geist die aktuale Verselbständigung der Aspekte, die dem Logos zu eigen sind – und als solche sind sie in dem Gläubigen präsent. 8.4.2 Das Wirken des Heiligen Geistes. Das Werk des Heiligen Geistes besteht in der Vervollkommnung der zu Gott strebenden Menschen. Der Heilige Geist wirkt dabei in denen, die sich als würdig erwiesen haben, und unterstützt sie. Darin liegt eine Tendenz zum Synergismus, weil Origenes immer wieder den freien Willen betont und einen Determinismus ablehnt. Sich als würdig zu erweisen, liegt in der Möglichkeit des Menschen und drückt sich in der Erfüllung von Geboten, einer zunehmenden Heiligung und einem immer tieferen Eindringen in den geistigen Sinn der Schrift aus. Diese Menschen sind Pneumatiker und Heilige. Programmatisch drückt Origenes das in De principiis 1,3,7f. aus: Das Wirken des Vaters verleiht allen das Sein, das des Logos den Vernunftwesen eben die Vernunft, der Heilige Geist denen, die sich als würdig erwiesen, die Erleuchtung und Heiligung. Der Heilige Geist hat also den kleinsten Wirkbereich, der zugleich aber der höchste im Wert ist. Ausdrücklich lehnt es Origenes ab, hieraus eine Vorordnung des Geistes vor den Logos oder den Vater zu konstruieren. Der Geist bleibt insofern vom Erlösungswerk des Logos abhängig, ist aber für das Glaubensleben des Christen von zentraler Bedeutung.

Pneumatiker

Logos – Geist

Heiligung

8.5 Literatur Lektüretipp: H. Strutwolf: Gnosis als System. Zur Rezeption der valentinianischen Gnosis bei Origenes, 1993 [ebd. 216-235 zur Trinitätslehre]. – H. Ziebritzki: Heiliger Geist und Weltseele, 1994, 203-225. Quellen: H. Görgemanns/H. Karpp (Hg.): Origenes. Vier Bücher von den Prinzipien, 3. A. 1992 [zweisprachig].

8. Origenes: Immanent-ewige Trinität und Hypostasenlehre

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Literatur: A.-C. Jacobsen: Christ. The Teacher of Salvation. A Study on Origen’s Christology and Soteriology, 2015. – C. Bruns: Trinität und Kosmos. Zur Gotteslehre des Origenes, 2013. – M. Edwards: Origen against Plato, 2002. – H.S. Benjamins: Eingeordnete Freiheit und Vorsehung bei Origenes, 1994. – W.-D. Hauschild: Gottes Geist und der Mensch, 1972, 135-150.

9. Konflikte nach Origenes

ὁμοούσιος

Die Quellenlage zur Theologiegeschichte zwischen ca. 250 und 320 ist so dürftig, dass ein zuverlässiges Gesamtbild der Entwicklung nicht gezeichnet werden kann. Fragmentarische Informationen lassen erkennen, dass die Trinitätslehre des Origenes im Osten zahlreiche Anhänger, aber auch einige entschiedene Gegner fand. Zwei Konflikte hat man oft als Vorspiel zum arianischen Streit angesehen, den Streit der beiden Dionyse ca. 258/260 und die Absetzung des antiochenischen Bischofs Paul von Samosata 264/268. Beide Ereignisse sind nur in Quellen aus dem 4. Jh. greifbar und wurden hier massiv von späteren Fragestellungen her umgedeutet. Als Belege für eine Bestätigung bzw. Verurteilung des im 4. Jh. umstrittenen Begriffes ὁμοούσιος (homousios/wesensgleich) scheiden beide Auseinandersetzungen aus.

9.1 Die Hypostasenlehre des Dionysius von Alexandria

Prov 8,22

Interpolation bei Athanasius

Was in der Literatur als »Streit der beiden Dionyse« bezeichnet wird, war kein solcher. Vielmehr war es ein Konflikt zwischen dem alexandrinischen Bischof Dionysius mit Theologen aus Libyen, die sich um Unterstützung an den römischen Bischof Dionysius wandten. Dionysius von Alexandria hatte die hypostatische Unterschiedenheit des Sohnes-Logos gegenüber dem Vater betont und dabei auch die origenistische Deutung von Prov 8,22 benutzt (u.a. mit dem problematischen Vergleich, sie verhielten sich zueinander wie ein Schiff und dessen Baumeister). Auf einen entsprechenden Brief des Namensvetters aus Rom reagierte Dionysius von Alexandria mit einer Apologie, in der das Vater-Sohn-Verhältnis mit dem Verhältnis zwischen Quelle und Fluss, Wurzel und Pflanze (vgl. § 1; 6.1) verglichen wurde. Der später umstrittene Begriff ὁμοούσιος (homousios/wesensgleich) wurde in dieser Kontroverse wohl nicht gebraucht (eine im 4. Jh. von Athanasius als Beleg benutzte Stelle ist vermutlich eine Interpolation).

9.2 Die Absetzung des Paul von Samosata

Epistula ad Himenaeum

Die Nachrichten über die Christologie des Paul von Samosata stammen größtenteils aus dem Christologischen Streit und gehören ins 5. und 6. Jh. Wenige, eher undeutliche Hinweise aus dem 4. Jh. lassen im Unklaren, welches theologische Profil Paul von Samosata vertreten hat. Die Echtheit der Epistula ad Himenaeum (Brief an Himenäus) ist in der Forschung umstritten. Die Absetzung als Bischof von Antiochia durch zwei Synoden in Antiochia 264 und 268 scheint eher primär auf der Amtsführung von Paul von Samosata zu beruhen. Inwiefern hinter dem Verbot von Hymnen, das in den Streitigkeiten eine gewisse Rolle gespielt zu haben scheint (Näheres ist nicht erkennbar), ein christologisches Interesse steckt (und nicht nur eine liturgische Neuerung, die instrumentalisiert wurde), ist unsicher. Die Nachricht, dass die Synode von 268 auch den angeblich von Paul benutz72

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ten Begriff ὁμοούσιος (homousios/wesensgleich) verurteilt habe, ist historisch fragwürdig und dürfte eher eine nachträgliche Rückprojektion aus dem 4. Jh. sein. Die späteren Nachrichten über die Christologie Pauls von Samosata lassen sich plausibel einordnen, wenn man annimmt, dass Paul von Samosata den von Maria geborenen Menschen von dem präexistenten Logos unterschied. Eventuell hat er die Verbindung von beiden erst in der Taufe als geschehen angesehen. Die Bezeichnung als Christus (»der Gesalbte«) könnte er dann insbesondere auf die menschliche, zum Herrscher eingesetzte (eben gesalbte) Seite bezogen haben, wohingegen der Logos keine Salbung benötigt. Eine solche, hypothetische Rekonstruktion könnte erklären, wieso Paul von Samosata im 4. Jh. schnell als (verurteilter) Vertreter eines angeblichen Adoptianismus genannt wurde, dem zugleich eine zu weit gehende Identifikation zwischen Vater und Sohn zugeschrieben wurde.

Logos – Christus

9.3 Weitere Diskussionen Die Leugnung der Präexistenz Jesu dürfte auch bereits durch eine Synode in Bostra (um 238-244?) verurteilt worden sein. Verurteilt worden ist späteren Nachrichten bei Euseb (Historia ecclesiastica/Kirchengeschichte 6,33,1-3) zufolge der dortige Bischof Beryll von Bostra. Eventuell geht Origenes’ Dialog mit Heraclides auf diesen Vorgang zurück. Der in der späteren Tradition als Begründer einer Exegetenschule genannte, antiochenische Presbyter Lukian, der ursprünglich aus Samosata kam und im ostsyrischen Edessa ausgebildet worden war, ist historisch nicht mehr greifbar. Er kann daher nicht als Begründer einer exegetischen Tradition namhaft gemacht werden, auf die der Arianismus zurückgeht. 9.4 Literatur Lektüretipp: H.C. Brennecke: Zum Prozeß gegen Paul von Samosata, ZNW 75 (1984) 270290 (= Ders.: Ecclesia est in re publica, 2007, 1-23). Literatur: U. Heil: Athanasius von Alexandrien, De sententia Dionysii, 1999. – L. Abramowski: Dionys von Rom († 268) und Dionys von Alexandrien († 264/5) in den arianischen Streitigkeiten des 4. Jahrhunderts, ZKG 93 (1982) 240-272. – P. de Navascués: Pablo de Samosata y sus adversarios, 2004 [incl. Fragmentensammlung]. – J.A. Fischer/A. Lumpe: Die Synoden von den Anfängen bis zum Vorabend des Nicaenums, 1997, 351-378.

 § 2; 9.-10.

10. Der Trinitarische Streit 318-381: Orientierung über die Probleme In der Forschung wie in den Lehrbüchern hat der große Streit um die wahre Gottheit Christi und des Heiligen Geistes, der die Kirche des 4. Jh.s zutiefst erschütterte, stets besondere Beachtung erfahren. Zum kirchengeschichtlichen Grundwissen gehört er deshalb in besonderer Weise, weil er krisenhaft zugespitzt verdeutlicht, dass die religiöse Identität des Christentums auf der theologischen Deutung der Person Jesu Christi basiert (s. Einleitungen zu § 1 und § 4). Die entsprechenden Lehren wurden nicht in erster Linie als abstrakte Spekulationen entwickelt, sondern waren auf die christliche Existenz und die Vorstellung von Erlösung bezogen. Die Heftigkeit des Streites lässt 9. Konflikte nach Origenes

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(340; 377; 382)

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(381)

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Smyrna Ephesus

(325)

Nicäa

(318; 362/363)

Alexandria

(322)

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(359)

Tyana

Thmuis

Euphrat

(335)

(324; 341/344; 363; 379)

Antiochia

Jerusalem (335)

Tyrus

Salamis

Cäsarea

Zypern

Sebaste

Neocäsarea

Cäsarea/Kapp.

Laodicea

Seleukia

Nyssa Nazianz

(367)

Ankyra (358)

Nikomedia

(359/360; 381)

Schwarzes Meer

Konstantinopel

Mittelmeer

Kreta

Athen

Ägäis

(364)

Lampsakus

Nike

Serdika (343)

(351/52; 357; 358)

Abb. 2 Orte zum Trinitarischen Streit im 4. Jahrhundert

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sich nur verstehen, wenn man neben vielen anderen Faktoren auch diesen Bezug zur Frömmigkeit mitberücksichtigt. Die Abwertung der gegnerischen Meinungen erfolgte aus dem Gefühl heraus, dass durch diese Meinungen die Erlösung nicht adäquat ausgedrückt werden könne.

Frömmigkeit

10.1 Trinitätslehre, politische Situation, Philosophie Durch die für die Kirche neue Situation ab Konstantin gewannen die innerkirchlichen Konflikte eine neue Bedeutung, denn der Kaiser versuchte, die Einheit der Kirche zu bewahren und auf diesem Wege das Christentum zu einem das Imperium Romanum stabilisierenden Faktor zu machen. Dies führte dazu, dass die Kaiser auch selbst in die Lehrstreitigkeiten eingriffen. Die von den Kaisern einberufenen und zum Teil gelenkten Synoden unterschieden sich von früheren Synoden durch ihren politischen Bezugsrahmen, ihre Entscheidungen wurden vom Kaiser gebilligt, deren Ablehnung auch rechtlich sanktioniert. Darüber hinaus beanspruchte das Christentum im Laufe des 4. Jh.s zunehmend, die einzig wahre Religion zu sein. Zwar wurde die römische Religion von Konstantin noch durchaus neben dem Christentum unterstützt, so dass das »Heidentum« bis weit ins 5. Jh. das gesellschaftliche und kulturelle Leben im Imperium Romanum prägte, doch hatte seit Konstantin der christliche Monotheismus großes Gewicht bekommen. Dadurch stand das Christentum besonders vor der Aufgabe, auch im Hinblick auf die Denkkategorien der Philosophie die Gotteslehre und den Bezug auf Jesus Christus als Offenbarungs-, Schöpfungs- und Erlösungsmittler neu zu durchdenken. Die christliche Theologie rezipierte durchaus philosophische Denkmuster, blieb jedoch in ihrem Umgang mit denselben erstaunlich eigenständig. So ergab sich eine spezifisch christliche metaphysische, ontologische Reflexion, welche das Sein Gottes mit seinem geschichtlichen Handeln verband und stark an das Schriftzeugnis gebunden blieb.

Kaiser

Philosophie

Schriftauslegung

10.2 Die Phasen des Streits Der Trinitarische Streit lässt sich in verschiedener Weise einteilen. Die unterschiedlichen Einteilungen sind eher ein nachträglicher Ordnungversuch als zwingend aus der historischen Entwicklung ableitbar. 10.2.1 Der arianische Streit (318-325). Die erste Phase 318-325 bezieht sich auf die Auseinandersetzung um die Lehre des Arius und endet mit dem Konzil von Nicäa. Arius ist wenig später gestorben. Diese Phase ist der arianische Streit im eigentlichen Sinne; diesen Begriff auf die gesamte Entwicklung bis 381 anzuwenden, ist unangemessen, weil sich die späteren Theologen nicht auf Arius beriefen. 10.2.2 Die kaiserliche Befriedungspolitik und ihr Scheitern (325-343). Nach dem Konzil von Nicäa versuchte Konstantin, den Streit beizulegen, scheiterte jedoch an dem energischen Widerstand einiger origenistischer Theologen sowie an Athanasius, dem Bischof 10. Der Trinitarische Streit 318-381: Orientierung über die Probleme

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Arius Konzil von Nicäa 325

Athanasius

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Synode von Serdika 343

von Alexandria, der seine Gegner nach wie vor als Arianer diffamierte. Hinzu kam ein sich rasch bemerkbar machender Gegensatz zwischen Ost- und Westkirche, der durch die Rivalität der Konstantinsöhne nach Konstantins Tod 337 noch verstärkt wurde. Dies führte zu der Katastrophe der Synode von Serdika 343, durch die die Zerrissenheit von Ost und West offenbar wurde. Das Ziel der kaiserlichen Religionspolitik, eine Einheit der Kirche herbeizuführen, war gescheitert, Ost- und Westkirche verurteilten sich gegenseitig.

10.2.3 Versuche synodaler Einigung (343-360). Nach der Synode von Serdika versuchte besonders Kaiser Konstantius auf immer wieder neue Art und Weise, die Einheit der Kirche doch noch zu erreichen. Mit dem Antritt seiner Alleinherrschaft (im Westen und im Osten) ab 351/353 wurde diese Politik dominant. Konstantius konzentrierte sich dabei vor allem auf die origenistische Mehrheit im östlichen Episkopat und förderte ab 357 eine Kompromissposition, die die ontologische Spekulation verhindern wollte, die sog. Homöer Homöer. Da zugleich jedoch einige Theologen gerade aufgrund ontologischer Annahmen zu einer massiven ontologischen Abstufung zwischen Vater und Sohn gelangten (Aëtius und Eunomius, sog. Heterousianer [früher: Anhomöer]), formierte sich zugleich eine weitere Gruppe, die das origenistische Erbe mit gemäßigter ontologischer Terminologie bewahren wollte. Alle diese Gruppen wurden von dem nach wie vor kirchenpolitisch umstrittenen Athanasius als »Arianer« diffamiert. Athanasius entwickelte erst in dieser Zeit den Bezug auf das Glaubensbekenntnis von Nicäa 325 und erklärte das ὁμοούσιος ὁμοούσιος (homousios/wesensgleich) zum eigentlichen Maßstab der Orthodoxie, konnte sich damit aber nicht durchsetzen.

Konstantius

Nizänum

Basilius Konzil von Konstantinopel 381

10.2.4 Neuordnung nach der Julianzeit (361-381). Nach Konstantius’ Tod trat mit Julian ein Kaiser an, der die Begünstigung des Christentums nicht weiter verfolgte. Dies führte zu einer massiven Neuordnung der kirchlich-theologischen Gruppen. Entscheidend wurde, dass einerseits Athanasius auf die gemäßigten Vertreter des origenistischen Erbes zuging, andererseits ebendiese sich zu einer Akzeptanz des Nizänums zunehmend bereit fanden. Eine erste Einigung schien bereits 362/363 durch Synoden in Alexandria und Antiochia möglich, scheiterte jedoch aufgrund der Streitigkeiten um den antiochenischen Bischofsthron. Nach Julian und der kurzen Regierungszeit von Jovian traten mit Valens (im Osten) und Valentinian (im Westen) zwei Kaiser ihr Amt an, die jeweils auf die tonangebende theologische Richtung ihrer Reichshälfte achteten. Dabei griff besonders Valens auf die Politik des Konstantius zurück und förderte erneut die Homöer. Die Sammlung aller Bischöfe und Theologen, die sich – mit unterschiedlicher theologischer Ausrichtung – um das Nizänum scharten, wurde dadurch erschwert. Hinzu kam, dass die Debatten um die Gottheit des Heiligen Geistes die Diskussionen zusätzlich verkomplizierten. Die Denkbemühungen insbesondere des Basilius von Cäsarea führten in den siebziger Jahren zunächst noch nicht zum Erfolg, konnten sich aber mit dem Regierungsantritt des Theodosius nach 378 als maßgebliche Theologie durchsetzen und führten auf dem Konzil von Konstantinopel 381 zu einer Modifikation des Nizänums.

10.3 »Parteien« im Trinitarischen Streit In der Literatur zum Trinitarischen Streit wird immer wieder von »Parteien« gesprochen, so für die Zeit nach 325 von dreien: (»linken«) Arianern, (»rechten«) Nizänern und der »Mittelpartei« der Origenisten bzw. Eusebianer. Entsprechendes gilt dann für die Zeit nach 358 (vgl. § 1; 14.-15.). Der Begriff »Partei« kann zu dem Missverständnis führen, als handele es sich um feste Organisationen mit klar umrissenem Mitgliederbestand. 76

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Derartiges hat es aber nicht gegeben, vielmehr handelt es sich um flexible personelle Netzwerke, die sich auf den verschiedenen Synoden und gerade auch unter politischem Druck immer wieder neu zusammensetzen und verändern konnten. Daher können die einzelnen Bischöfe durchaus in verschiedenen Situationen unterschiedlichen Synodalerklärungen zustimmen und gleichsam für eine andere Richtung »Partei« ergreifen. Daher bietet es sich an, statt von »Parteien« eher von »Gruppen« oder »Richtungen« zu sprechen, gerade bei den komplizierten Verhältnissen nach 357. Anders steht es dann im 6. Jh. mit den byzantinischen Parteien der »Blauen« und »Grünen« in Konstantinopel (vgl. § 4; 12.2.2).

Netzwerke

10.4 Literatur Lektüretipp: W. Löhr: Der »arianische« Streit, in: P. Gemeinhardt (Hg.): Athanasius Handbuch, 2011, 56-73. Quellen: H.C. Brennecke/U. Heil/A. von Stockhausen/C. Müller/A. Wintjes (Hg.): Dokumente zur Geschichte des arianischen Streites, Athanasius Werke III,1,3-4, 2007.2014 [zweisprachig incl. Neudatierung für die Texte 318-362; Fortsetzung in Vorbereitung]. Literatur: M. Simonetti: La crisi ariana nel IV secolo, 1975. – C. Piétri/C. Markschies: Theologische Diskussionen zur Zeit Konstantins, GCh 2, 1996, 271-344. – C. Piétri/J. Ulrich: Von der partitio des christlichen Kaiserreichs bis zur Einheit unter Konstantius, GCh 2, 1996, 345-395. – Dies.: Vom homöischen Arianismus zur neunizänischen Orthodoxie (361385), GCh 2, 1996, 417-461. – R.P.C. Hanson: The Search of the Christian Doctrine of God. The Arian Controversy 318-381, 1988. – L. Ayres: Nicaea and Its Legacy, 2004. – J.N.D. Kelly: Altchristliche Glaubensbekenntnisse, 2. A. 1993, 205-361.

11. Der arianische Streit (318-325) Der Streit entstand durch eine spezifisch akzentuierte origenistische Christologie des alexandrinischen Presbyters Arius und ihre Verurteilung durch Bischof Alexander von Alexandria, gewann aber durch die Appellation des Arius an bedeutende Bischöfe außerhalb von Ägypten bald eine größere Relevanz und kirchenpolitische Brisanz. Bis 325 sind die Chronologie der Vorgänge und die theologischen Positionen z.T. nur hypothetisch rekonstruierbar.

Alexander von Alexandria

11.1 Die Anfänge des Konflikts bis 324 Ausgelöst wurde der Streit durch eine spezifische Origenesrezeption bei dem als Lehrer wohl durchaus erfolgreichen Presbyter Arius. Seine christologischen Formulierungen erregten Anstoß, und zwar zunächst bei den Melitianern (s. § 2; 16.2). Im Kampf gegen diese schismatische Kirche sah sich Bischof Alexander von Alexandria genötigt, Arius durch eine große Synode (wohl 319) verurteilen zu lassen. Arius wandte sich daraufhin an einflussreiche Freunde, darunter besonders den Bischof der Kaiserresidenz Nikomedia Euseb und dessen Namensvetter, Euseb von Cäsarea. Daraufhin erklärten zwei Synoden in Kleinasien und Palästina (wohl 321) Arius für rechtgläubig. 10. Der Trinitarische Streit 318-381: Orientierung über die Probleme

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Konstantin

Ossius von Cordoba

Synode in Antiochia 324/325

Damit wurde der Streit rasch zu einem Streit um die richtige Interpretation des origenistischen Erbes und um die Unabhängigkeit oder Vorherrschaft der wichtigen Bischofsstühle im Osten des Reiches. Längst hatten beide Seiten auch versucht, durch entsprechende offene Briefe die jeweils eigene Position zu verteidigen und zu verbreiten. Kaiser Konstantin nahm diesen Konflikt so ernst, dass er bald nach der Übernahme seiner Herrschaft im Osten (s. § 3; 10.4.2) im Herbst 324 in einem persönlichen Schreiben an Alexander und Arius zur Versöhnung mahnte: Sie sollten sich auf den schlichten Gottesglauben konzentrieren, in dem sie einig wären, und die wissenschaftliche Diskussion des Problems hintanstellen, um die Einheit der Kirche zu bewahren. Ein weiterer Vermittlungsversuch, zu dem Konstantin seinen theologischen Berater, den spanischen Bischof Ossius von Cordoba, als Sondergesandten nach Alexandria schickte, scheiterte. Daraufhin beschloss Konstantin, den Streit anlässlich der ohnehin geplanten Reichssynode zu schlichten, auf der er seine Alleinherrschaft ebenso wie sein 20jähriges Jubiläum als Augustus (seit 305; die sog. »Vicennalien«) feiern lassen wollte. Ob im Vorfeld dieser Reichssynode eine Synode in Antiochia 324/325 Euseb von Cäsarea vorbehaltlich weiterer Erklärungen verurteilt hat, ist in der Forschung umstritten.

11.2 Arius’ Lehre: Monotheismus und besondere Stellung Christi

ἀρχή

vor aller Schöpfung

Arius’ Theologie ist aus der Exegese gespeist und versucht, die Einzigkeit Gottes und zugleich die hypostatische Eigenheit des Logos zu betonen. Gott ist transzendent und die eine ἀρχή (archē/Ursprung), er selbst ist daher anfangs- bzw. ursprungslos. Der Logos ist weder ein Teil dieses Ursprungs noch fließt er gleichsam wie eine Emanation aus ihm hervor, sondern er wird bewusst vom Vater gesetzt, gesprochen, gezeugt und (mit den Verben aus Prov 8) gegründet, gemacht und geschaffen. Ausdrücklich hält Arius fest, dass damit keineswegs eine normale Geschöpflichkeit gemeint ist. Die Setzung des Logos ist vielmehr etwas, was vor aller Schöpfung geschieht und gerade dazu dient, die Schöpfung zu bewerkstelligen. Insofern ist der Logos auch Gott, aber eben nicht in demselben Sinne wie Gott-Vater als der eine Ursprung. Allerdings formuliert Arius durchaus paradox, wenn er etwa sagt, dass »es einen Moment gab, als es den Logos noch nicht gab« (ἦν ποτε ὅτε οὐκ ἦν/ēn pote hote ouk ēn). Da Arius zugleich behauptet, die Setzung des Logos sei vor aller Zeit erfolgt, kann damit nur ein logischer Moment gemeint sein, der die Vollkommenheit des Ursprungs ausdrücken soll. 11.2.1 Leben und Überlieferung. Über Person (geb. ca. 260?, gest. kurz nach 325) und Theologie des später als Erzketzer verteufelten Presbyters Arius ist wenig bekannt. Vermutlich stammte er aus Libyen, erhielt aber seine Ausbildung in Antiochia bei Lukian (s. § 1; 9.3) und gehörte evtl. zeitweise zur schismatischen Kirche der Melitianer. Seine Theologie ist aus einer umfangreichen Predigt- und Lehrtätigkeit entsprungen und will 78

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weniger abstrakte Spekulation als die Ergebnisse der Exegese ordnende Theologie sein. Neben einem Brief, in dem Arius seine Rechtgläubigkeit verteidigt, und einem Brief, den er gemeinsam mit weiteren Anhängern verfasste, sind nur noch wenige Fragmente aus einem Lehrgedicht, der sog. Thalia (Üppiges Mahl), erhalten, die Athanasius in seinen Arianerreden zitiert und deren Quellenwert nicht unumstritten ist. 11.2.2 Exegetisch fundierte Christologie. Die exegetische Grundlage war u.a. Prov 8 in Verbindung mit Gen 1: Gott spricht bewusst, um die Schöpfung zu initiieren, d.h. er setzt erst den Logos, durch den er dann die Zeit und die Welt überhaupt ins Sein ruft. Der Vater ist der eine Ursprung, der Sohn hingegen ist nicht ursprungslos, sondern hat einen Ursprung, nämlich eben den Vater. Die von Origenes gegen die Gnostiker betonte hypostatische Eigenständigkeit griff Arius auf, bezog diese aber nicht auf eine ewige Zeugung. Dadurch wurde der Moment der Zeugung des Sohnes ein vom Wesen Gottes unterschiedener, wenn auch vorzeitlicher Bezugspunkt. Die darin liegende Subordination ging über das bei Origenes Formulierte hinaus, weil sie sich explizit auf die Konstitution bzw. Zeugung des Sohnes bezog. Gleichzeitig war die Anwendung der Begriffe »Geschöpf« oder »Erzeugnis« als Interpretation von Prov 8 bei Origenes und wohl auch in der Zeit nach Origenes unproblematisch, weil ja deutlich war, dass es sich hierbei nicht um die normale Schöpfung handelt. Insofern ist die in der Ketzerpolemik immer wieder begegnende Aussage, Arius lehre die Geschöpflichkeit des Sohnes, unzutreffend, zumindest ungenau. Für Arius war diese für ihn biblisch gedeckte Ausdrucksweise wichtig, weil in seinen Augen eine Verankerung des Sohnes im Wesen des Vaters vor dem Problem stand, die hypostatische Eigenständigkeit des Sohnes nicht adäquat ausdrücken zu können. Die Subordination des Sohnes (vgl. Joh 14,28) sah Arius auch darin belegt, dass im NT immer wieder von Verhaltensweisen Jesu Christi gesprochen wird, die mit einer ursprünglichen Gottheit unvereinbar sind, etwa das Nichtwissen Gottes in Mk 13,32.

Thalia

Zeugung

Geschöpf?

Subordination

11.3 Einheit von Vater und Sohn bei Alexander von Alexandria Die Position des Gegners, Alexander von Alexandria, ist nicht ohne weiteres sicher erkennbar, die unter dem Namen des Alexander überlieferten theologischen Rundschreiben stehen in dem Verdacht, bereits von Alexanders Nachfolger, dem damals noch als Diakon tätigen Athanasius, verfasst zu sein. In diesen Schreiben wurde die Zugehörigkeit des Logos zum Vater als untrennbar beschrieben: Ohne Logos wäre Gott unvernünftig. Daher kann der Vater nicht gedacht werden ohne den Sohn. Die Differenzierung Gottes erläuterte Alexander mit dem Urbild-Abbild-Schema. Als exegetische Belege zog er insbesondere Kol 1,15 und Hebr 1,3 heran und betonte mit Joh 10,30 die Einheit von Vater und Sohn. Nimmt man hingegen wie Arius an, dass man den Vater auch ohne den Sohn denken kann, nimmt man gleichsam an, dass Gott auch ohne seinen Logos Gott ist. Dadurch entsteht aber ein Abstand (διάστημα/diastēma), eine Differenz zwischen dem, was Gott an sich ist, und seinem Logos, der gleichsam erst zusätzlich bzw. nachträglich hinzukommt. Im Hinblick auf diese Differenz zwischen Gott und dem Logos unterscheidet sich der Logos nicht von den anderen Geschöpfen: So wenig wie die Schöpfung erfolgen muss, damit Gott in seinem Wesen Gott ist, so wenig bräuchte es dann den Logos. In dem Hinweis auf diese kategoriale 11. Der arianische Streit (318-325)

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Athanasius

Urbild – Abbild

διάστημα

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Gleichheit zwischen Logos und Schöpfung liegt die sachliche Berechtigung der Aussage, Arius lehre die Geschöpflichkeit des Sohnes.

11.4 Das Konzil von Nicäa und sein Symbol, das Nizänum

Konstantin in Nicäa

Euseb von Cäsarea

Verurteilungen

Taufbekenntnisse

Zur Demonstration seiner Herrschaft als von Gott gewolltem Sieg auch im Osten des Imperium Romanum und zur Manifestation kirchlicher Einheit plante Konstantin eine umfassende Reichssynode, die eigentlich in Ankyra stattfinden sollte, dann aber wegen einer Seuche nach Nicäa (heute: Iznik; zu Konstantins Rolle s. § 3; 11.5.2) verlegt wurde. Etwa 250 Bischöfe und andere Kleriker aus dem Osten waren anwesend (während nur fünf Bischöfe aus westlichen Provinzen und zwei Presbyter aus Rom zugegen waren). Akten des Konzils sind nicht erhalten, der später behauptete Charakter eines ökumenischen Konzils ist unhistorisch (auch ist ein Unterschied in der Terminologie zwischen Konzil und Synode anachronistisch). Es handelt sich um eine der vielen, vom Kaiser einberufenen und gelenkten Synoden des 4. und 5. Jh.s. Kaiser Konstantin nahm zeitweise an den Verhandlungen teil, sein Votum wurde von den Konzilsvätern aufgegriffen. Insofern wurde die dem (noch nicht getauften!) Kaiser zugeschriebene besondere Würde als ausreichender Grund dafür angesehen, seine Meinung auch im Hinblick auf Glaubensfragen in besonderer Weise zu berücksichtigen. Nachdem Euseb von Cäsarea ein Glaubensbekenntnis vorgelegt hat, wurde er als rechtgläubig angesehen. Gemäß kaiserlichem Vorschlag benutzte eine Konzilskommission den von Euseb vorgelegten Text, um ein Bekenntnis der gesamten Synode auszuarbeiten. Das Ergebnis ist das Urnizänum von 325. Hierin wurde insbesondere auch der später so umstrittene Terminus ὁμοούσιος (homousios/ wesensgleich) integriert, nach Auskunft Eusebs auf ausdrücklichen Wunsch des Kaisers. Das Hauptproblem war allerdings, wie sich alsbald erwies, dass die Mehrheit der östlichen Bischöfe diese Aussage nicht nachvollziehen konnte und eher für gefährlich hielt. Insofern war das Urnizänum eine Lehrentscheidung ohne vorher erarbeiteten Konsens. Diejenigen, die sich der Verabschiedung widersetzten, wurden exkommuniziert und ins Exil geschickt: Neben Arius betraf dies aber nur zwei Bischöfe aus Libyen, später auch Euseb von Nikomedia und Theognis von Nicäa. 11.4.1 Herkunft des Nizänums. Die Herkunft des Urnizänums gehört zu den großen Rätseln der Forschung. In der älteren Forschung ist man davon ausgegangen, dass Bekenntnis­ texte wie das Urnizänum auf liturgische Texte zurückgehen müssten, etwa Taufbekenntnisse bestimmter Gemeinden, die dort eine in sich stabile Form besaßen, so dass man die Taufbekenntnisse einzelner Orte durch den genauen Vergleich der einzelnen Wendungen scharf voneinander abgrenzen konnte. Mittlerweile hat sich die Einsicht durchgesetzt, dass die Taufbekenntnisse in dieser Zeit noch recht flexibel gehandhabt und verändert werden konnten. Insofern ist die ältere Forschungsmeinung, es handele sich bei der Grundlage des Urnizänums um ein Taufbekenntnis des syropalästinischen Typs, überholt. Auch die Idee eines westlichen Einflusses, etwa über Ossius von Cordoba, hat sich als nicht stimmig 80

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erwiesen. Insofern ist die Annahme plausibel, dass es sich um eine Modifikation des von Euseb vorgelegten Textes handelt, in den verschiedenste lokale Elemente und theologische Aussagen integriert wurden. Neben weitgehend traditionellen Aussagen enthält der Text auch bewusst theologische Deutungen, und zwar: 1. Der alte Bekenntnissatz geboren aus dem Vater als Einziggeborener wurde interpretiert: das heißt: aus dem Sein/Wesen (ἐκ τῆς οὐσίας/ek tēs ousias) des Vaters; 2. Gott aus Gott wurde verstärkt zu wahrer Gott aus wahrem Gott und sodann 3. gegen die arianische Lehre präzisiert mit gezeugt, nicht geschaffen sowie 4. um die Wendung wesensgleich mit dem Vater (ὁμοούσιος τῷ πατρί/homousios tō patri) ergänzt. An den auffällig kurzen dritten Artikel (Und an den Heiligen Geist.) wurden fünf Anathematismen angehängt, die Arius’ Lehre ausschlossen. Dabei wurden die Begriffe οὐσία (usia/Wesen, Sein) und ὑπόστασις (hypostasis/Hypostase, Existenz) ohne Bedeutungsunterschied, aber auch ohne weitere Klärung gebraucht. 11.4.2 Herkunft und Bedeutung des ὁμοούσιος (homousios/wesensgleich). Ein ungelöstes Problem sind Herkunft und Bedeutung des Begriffs ὁμοούσιος, der im Trinitarischen Streit bis 350 eine marginale, danach aber eine zunehmend zentrale Rolle spielte. Die Einbringung einer westlichen Perspektive ist unwahrscheinlich, nicht zuletzt weil der lateinische Terminus una substantia (eine Substanz, ein Wesen) eher mit μία ὑπόστασις (mia hypostasis/eine Hypostase) bzw. οὐσία (usia/Wesen, Sein) wiedergegeben hätte werden müssen. Der Begriff taucht vor 325 vereinzelt auf, vor allem in der Ablehnung einer stofflichen Identität zweier Substanzen. Vielleicht hat ihn auch Alexander vereinzelt gebraucht, Arius hat ihn ausdrücklich als Nähe zu gnostischem Denken abgelehnt. Am wahrscheinlichsten ist die Annahme, dass der Begriff gewählt wurde, weil der Kaiser sich für ihn ausgesprochen hat und er von Arius auf jeden Fall abgelehnt werden würde. Die inhaltliche Deutung des Begriffes bereitete auf dem Hintergrund der origenistischen Hypostasenlehre größte Schwierigkeiten, denn er schien auf eine Identität zwischen Vater und Sohn hinzudeuten.

Veränderung von Eusebs Bekenntnis

Anathematismen

Ablehnung durch Arius

11.5 Literatur Lektüretipp: W. Löhr: Arius Reconsidered, ZAC 9 (2006) 524-560; 10 (2007) 121-157. Quellen: s. § 1; 10.4 – M.L. West: The Metre of Arius’ Thalia, JThS 33 (1982) 98-105 [Thaliafragmente]. Literatur: T. Böhm: Die Christologie des Arius, 1991. – R.C. Groh: Early Arianism, A View of Salvation, 1981. – R. Williams: Arius. Heresy and Tradition, 2. A. 2001. – H.C. Brennecke: Nicäa I, TRE 24 (1994) 429-431. – C. Piétri/C. Markschies: Theologische Diskussionen zur Zeit Konstantins, GCh 2, 1996, 271-344. – C.G. Stead: Homousios, RAC 16 (1994) 364433. – Ders.: Divine Substance, 1977. – K. Metzler: Ein Beitrag zur Rekonstruktion der »Thalia« des Arius, in: Dies./F. Simon: Ariana et Athanasiana, 1991, 11-45. – U. Heil: »... bloß nicht wie die Manichäer!«. Ein Vorschlag zu den Hintergründen des Arianischen Streits, ZAC 6 (2002) 299-319.

12. Die kaiserliche Befriedungspolitik und ihr Scheitern (325-343) Nach dem Konzil von Nicäa wurde schnell klar, dass der Konflikt zwischen den Origenisten um Euseb von Nikomedia und Euseb von Cäsarea einerseits, Alexander von Alexandria und seinem Nachfolger Athanasius (ab 328 11. Der arianische Streit (318-325)

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Euseb von Nikomedia Euseb von Cäsarea

nach 337

Julius von Rom

Bischof von Alexandria) andererseits keineswegs beigelegt war. Arius schied schon früh aus dem Streit aus, vermutlich starb er kurz nach 325. Für Konstantin war maßgeblich, sich an der Mehrheit des östlichen Episkopats zu orientieren, um eine möglichst große Unterstützung für seine Politik zu gewinnen. Nach 330 wurde Euseb von Nikomedia (gest. 341/342, seit 338/339 Bischof von Konstantinopel) der kirchenpolitische Führer und Euseb von Cäsarea (gest. ca. 339/340) der einflussreichste Theologe. Beide hatten engen Kontakt zu Konstantin. Da Athanasius die von ihnen vertretene Theologie als Arianismus ablehnte, wurde der Streit zunehmend zu einem Streit um Athanasius. Die origenistische Mittelgruppe (der Eusebianer) schaltete bis 335/336 die wichtigsten Köpfe der Opposition aus, die sich auf die in Nicäa erfolgte Ablehnung des Arianismus beriefen (ohne jedoch ihrerseits eine einheitliche, nizänische Theologie zu vertreten). Abgesetzt und verbannt wurden in diesen Jahren Eustathius von Antiochia (s. § 4; 2.2), Athanasius von Alexandria, Markell von Ankyra, Paulus von Konstantinopel, so dass alle wichtigen Bischofsstühle des Ostens neben Nikomedia und Cäsarea betroffen waren. Diese Streitigkeiten gewannen nach Konstantins Tod 337 an Schärfe. Der kirchenpolitische Kampf wurde verstärkt durch a) die Rückkehr der exilierten Bischöfe, allen voran Athanasius, b) den zunehmenden politischen wie kirchenpolitischen und theologischen Gegensatz zwischen Ost und West und c) die Rivalität der Kaiser Konstans und Konstantius (der dritte Konstantinsohn Konstantin II. war bereits 340 im Kampf gegen Konstans gefallen). Den Hegemoniebestrebungen des Westkaisers Konstans entsprach seit 340 der Anspruch des römischen Bischofs Julius, über die Rechtmäßigkeit der im Osten gefällten Absetzungsurteile gegen Athanasius und Markell urteilen zu können. Beide wurden als rechtgläubig anerkannt, was insbesondere eine dauerhafte Kooperation zwischen Alexandria und Rom begründete, die auch im 5. Jh. maßgeblich sein sollte. Demgegenüber beanspruchten die Eusebianer ihrerseits, der eigentliche Hort der Orthodoxie zu sein, theologischer Bezugspunkt wurde die Bekämpfung der von Markell vertretenen Theologie durch Euseb von Cäsarea. Der theologische wie kirchenpolitische Gegensatz eskalierte auf der insbesondere auf westlichen Druck zustandegekommenen Synode von Serdika 343. Die Synode spaltete sich bereits am Anfang in eine westliche und eine östliche Teilsynode, die sich gegenseitig exkommunizierten. Damit war anstelle der gewünschten Befriedung der denkbar größte Gegensatz zwischen West- und Ostkirche hergestellt.

12.1 Die Kontroverse zwischen Markell von Ankyra und Euseb von Cäsarea Eine Trinitätstheologie von besonderer Qualität vertrat der geniale Nonkonformist Markell von Ankyra (heute: Ankara) (gest. 374), der um 336 von den Eusebianern als Häretiker abgesetzt wurde und sich danach zeitweise in Rom aufhielt. Er vertrat eine biblisch begründete Theologie, die besonders 82

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das heilsgeschichtliche Handeln Gottes trinitarisch zu deuten versuchte. Dabei ging er von der Einheit Gottes aus (μία ὑπόστασις/mia hypostasis/eine Existenz, und ἓν πρόσωπον/hen prosōpon/eine Person) und verstand das Handeln Gottes als das Nach-Außen-Treten der in Gott existierenden Wirkkräfte Logos und Geist in einer scheinbaren »Ausdehnung« (πλατύνεσθαι/ platynesthai) seines Wesens. Der ewige Logos wohnte in einem Menschen ein (erst darauf bezieht Markell eigentlich die Bezeichnung als Sohn) und sandte den Heiligen Geist in die Welt, ohne dass Gott sich damit zerteilte. Am Ende der Heilsgeschichte, wenn alles Gott untergeordnet ist, wird Gott wieder zusammengefasst (ἀνακεφαλαιοῦσθαι/anakephalaiusthai), d.h. der Logos ist dann ebenso wie der Geist wieder in Gott – so wie am Anfang. Dadurch gelang es Markell, eine genuin trinitarische Theologie zu entwickeln, in der Einheit (μονάς/monas) und Dreiheit (τριάς/trias) in ein Verhältnis zueinandergesetzt wurden. Die origenistische Drei-Hypostasen-Theologie lehnte Markell ebenso ab wie die Rede von Urbild und Abbild, weil damit das Sein Gottes zerschnitten werde und eine unbiblische Philosophie eingeführt werde. Gegen Markell verteidigt Euseb von Cäsarea (ca. 264-340) in seinen Schriften Contra Marcellum (Gegen Markell) und De ecclesiastica theologia (Über die kirchliche Theologie) die origenistische Hypostasenlehre, bei der er das Verhältnis von Vater und Sohn betonte und dann eher beiläufig auch den Heiligen Geist miteinbezog (weil dieser in dem trinitätstheologischen Ansatz Markells von Anfang an mitbedacht wurde). Eusebs Trinitätstheologie ist über weite Strecken binitarisch orientiert. Der Gott-Logos ist vom Vater willentlich gesetzt und daher von ihm zu unterscheiden, stimmt mit dem Vater jedoch in allen biblisch bezeugten Bereichen überein, wie ein vollkommenes Abbild mit dem Urbild. Demnach sind der Vater und der Sohn zwei Hypostasen und beide Gott, und zugleich gibt es aufgrund ihrer weitgehenden Übereinstimmung nur einen Gott. Eusebs Verarbeitung der origenistischen Trinitätslehre wurde im Osten stark rezipiert bzw. entsprach dort verbreiteten theologischen Ansichten.

Logos und Geist

μονάς

De ecclesiastica theologia

binitarisch

12.2 Der Konflikt um Athanasius In Alexandria wurde 328 Athanasius Nachfolger von Bischof Alexander von Alexandria. Diese Wahl war später nicht unumstritten und zog erneute Auseinandersetzungen mit den Melitianern nach sich. Athanasius verweigerte sich von vornherein der kaiserlichen Befriedungspolitik. Dies machten sich seine Gegner, besonders Euseb von Nikomedia, zunutze. Ab 331/332 entfachten sie eine Kampagne gegen Athanasius und bezichtigten ihn verschiedener Verbrechen, so eines Kultfrevels (Zerstörung von Abendmahlsgeschirr), der Majestätsbeleidigung, ja sogar eines Auftragsmordes (allerdings tauchte das angebliche Mordopfer später wieder auf). Die Vorwürfe gegen seine Amtsführung kamen nicht zur Ruhe, schließlich wurde er 335 aus dis12. Die kaiserliche Befriedungspolitik und ihr Scheitern (325-343)

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Synode von Tyrus 335 Exil

ziplinarischen Gründen auf der Synode von Tyrus verurteilt und ins Exil nach Trier geschickt (1. Exil 335-337). Dieses Exil erwies sich für Athanasius insofern als Glücksfall, als er hier die lateinische Trinitätslehre kennenlernte und schnell ahnte, dass seine trinitätstheologische Auffassung von Gott als der einen οὐσία (usia/Wesen) bzw. der einen ὑπόστασις (hypostasis/Existenz) im Westen als rechtgläubig vermittelbar war, weil hier die Rede von der una substantia (ein Wesen) längst etabliert war.

12.3 Die Synode von Rom 341 und die Kirchweihsynode in Antiochia 341

Athanasius in Rom

Kirchweihsynode 341

2. Antiochenische Formel

Nach Konstantins Tod durfte Athanasius zunächst nach Alexandria zurückkehren, doch führte dies zu hartnäckigem Widerstand der Eusebianer und erneuten Vorwürfen gegen Athanasius, die bereits 339 zur erneuten Verbannung durch Konstantius führten. Athanasius hielt sich daraufhin in Rom auf und fand hier in Bischof Julius von Rom (337-352) einen wichtigen Unterstützer. Julius von Rom versammelte Ende 340/Anfang 341 eine Synode in Rom, die die Synodalverurteilungen gegen Athanasius und Markell überprüfen sollte. Athanasius wurde freigesprochen – in den Augen der östlichen Bischöfe ein Skandal, weil Synodalurteile als vom Heiligen Geist gewirkt und daher als prinzipiell nicht revidierbar galten. Markell reiste noch vor der Verhandlung ab, evtl. weil er Hoffnungen hatte, nach Ankyra zurückkehren zu können. Brieflich legte er ein Bekenntnis vor, das als rechtgläubig angenommen wurde. Markells Epistula ad Iulium (Brief an Julius) ist dabei von besonderer Bedeutung, weil sie der früheste Beleg für ein in Rom übliches Taufbekenntnis ist, das die Vorform des späteren Apostolischen Glaubensbekenntnisses darstellte. Im Osten nutzten etwa zeitgleich die Eusebianer die Einweihung eines kaiserlichen Prestigeobjekts, nämlich einer neuen Kirche in Antiochia, und die damit verbundene Synode (daher Kirchweihsynode bzw. Enkainiensynode genannt) zur Fixierung ihrer origenistisch-eusebianischen Theologie in einem eigenen Glaubensbekenntnis. Gesandtschaften zwischen den Synoden in Rom und Antiochia konnten den Konflikt ebenso wenig beilegen wie eine Delegation der östlichen Bischöfe, die zum Westkaiser reiste. Konstans wollte die kirchliche Einheit durch eine umfassende Synode in seinem Sinne herstellen. 12.3.1 Die Antiochenischen Formeln. Die Synode von Antiochia 341 brachte insgesamt vier Symbole hervor, die auch als Antiochenische Formeln bezeichnet werden. Dabei sind die 1. und die 3. Antiochenische Formel nicht eigentlich ein Ergebnis der Synode, vielmehr ist die sog. 1. Antiochenische Formel nur ein Fragment aus einem späteren Rundschreiben, die 3. Antiochenische Formel das Glaubensbekenntnis, das Theophronius von Tyana zum Erweis seiner Rechtgläubigkeit in betonter Abgrenzung gegen Markell vorlegte. Die 2. Antiochenische Formel ist der eigentlich entscheidende Text, der in der Folgezeit in der östlichen Theologie immer wieder rezipiert wurde. Eine bearbeitete Form, die 4. Antiochenische Formel, wurde wohl noch 341 nach Trier geschickt, um die 84

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Vorbehalte des Westkaisers gegen die Rechtgläubigkeit der östlichen Bischöfe auszuräumen. Wenig später wurde diese Formel auf der östlichen Teilsynode von Serdika erneut bearbeitet, diese Bearbeitung um 344 noch durch umfangreiche Erläuterungen ergänzt (die sog. Ekthesis makrostichos) und erneut an den Westkaiser geschickt. Der Text der 2. Antiochenischen Formel bezeichnet den Sohn als Gott aus Gott und als unveränderliches und unwandelbares Abbild des Vaters, und zwar genauer seines Wesens, seines Willens, seiner Kraft und Herrlichkeit. Betont wird sowohl die Eigenständigkeit von Vater, Sohn und Heiligem Geist als auch ihre Übereinstimmung: τῇ μὲν ὑποστάσει τρία, τῇ δὲ συμφωνίᾳ ἕν (tē men hypostasei tria, tē de symphōnia hen/der Hypostase nach drei, der Übereinstimmung nach eins). Ausdrücklich wird auf Joh 1,1 Bezug genommen und die arianische Theologie verdammt. Die Rückführung dieses Textes auf eine antiochenische Tradition, die mit dem Märtyrer Lukian zusammenhängt, ist wohl nachträgliche Konstruktion.

Hypostasenlehre

12.3.2 Markells Brief an Julius von Rom. Der Brief des Markell an Julius hat in der Forschung zu der Frage nach dem Ursprung und der Eigenheit des sog. Romanum geführt, das als Vorform des späteren Apostolischen Glaubensbekenntnisses (das erst im 6./7. Jh. allmählich fixiert wird) eine besondere Wirkungsgeschichte entfalten sollte. Die These, Markell habe diesen Text selbst entworfen, und zwar unter Rückgriff auf Wendungen, die man üblicherweise für Glaubensbekenntnisse verwandte (so Vinzent) hat sich in der Forschung nicht durchsetzen können. Der Text sticht aus der theologischen Argumentation von Markells Brief deutlich heraus. Allerdings könnte Markell den Text hier und da leicht modifiziert haben, so dass der Brief kein Beleg für die eine, allgemein in Rom gängige Form des Taufbekenntnisses ist (s. § 2; 9.2.3; die ältere Forschungssicht, die die Urform des Romanums anhand der sog. Traditio apostolica für das frühe 3. Jh. nachweisen wollte, ist überholt, s. dazu § 2; 9.2-9.2.1).

12.4 Die Reichssynode von Serdika 343 Konstans wollte sein politisches Übergewicht auch auf dem Feld der Religionspolitik demonstrieren und wie Konstantin durch eine große Reichssynode die Einheit herstellen. Diesem Druck gab 343 Konstantius nach, weswegen in der Nähe der Grenze zwischen West- und Ostteil, in Serdika (heute: Sofia), eine Reichssynode anberaumt wurde, zu der ca. 90 westliche und 80 östliche Bischöfe kamen. Allerdings erhoben die westlichen Bischöfe die Forderung, dass die östlichen Bischöfe die vorhergehenden Ergebnisse der Synode von Rom anerkannten, also insbesondere Athanasius und Markell als rechtgläubig akzeptierten. Daraufhin beschlossen die östlichen Bischöfe, getrennt zu tagen (wohl nicht in Philippopolis, wie in älteren Darstellungen zu lesen). Die Erklärungen beider Teilsynoden zeigen, wie stark die Differenzen zwischen West und Ost bereits waren, verstärkt noch durch die Sprachendifferenz zwischen Latein und Griechisch. Auf der westlichen Teilsynode wurde eine theologische Erklärung erarbeitet, die den Arianismus verwarf (der besonders mit zwei Bischöfen, Valens von Mursa und Ursacius von Singidunum, identifiziert wurde), sich für Vater und Sohn als eine substantia (bzw. Hypostase) aussprach und jegliche Subordination ablehnte. Dieses sog. Serdicense wurde in der Folgezeit als authentische Interpretation 12. Die kaiserliche Befriedungspolitik und ihr Scheitern (325-343)

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westliche Teilsynode

Serdicense

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Ost-WestSpaltung

des Nizänums aufgefasst. Die theologische Erklärung der östlichen Teilsynode griff die 4. Antiochenische Formel auf und betonte die Eigenständigkeit von Vater, Sohn und Geist. Folgerichtig exkommunizierten sich beide Teilsynoden gegenseitig. Das Vorhaben der Kaiser, durch die entsprechend forcierte Synode die kirchliche Einheit wiederherzustellen, war gescheitert. 12.5 Literatur Lektüretipp: C. Piétri/J. Ulrich: Von der partitio des christlichen Kaiserreichs bis zur Einheit unter Konstantius, GCh 2, 1996, 345-395 [besonders 345-369]. Quellen: s. § 1; 10.4 [ebd. auch Datierung von Serdika auf 343]. – K. Seibt: Die Theologie des Markell von Ankyra, 1994 [Übers. und Kommentierung der Fragmente Markells]. Literatur: H. Strutwolf: Die Trinitätstheologie und Christologie des Euseb von Caesarea, 1999. – S. Parvis: Marcellus of Ancyra and the Lost Years of the Arian Controversy 325-345, 2006. – J. Ulrich: Die Anfänge der abendländischen Rezeption des Nizänums, 1994 [ebd. 26-109 zur Synode von Serdika]. – W. Löhr: Die Entstehung der homöischen und homöusianischen Kirchenparteien, 1986, 4-25. – E. Schwartz: Von Konstantins Tod bis Sardika 342, in: Ders.: Gesammelte Schriften, Bd. 3, 1959, 265-334.

13. Die Lehre des Athanasius: Gottheit Christi und Erlösung der Menschen

»Arianer«

ὁμοούσιος

Den entscheidenden Beitrag zur Entwicklung einer nizänischen Theologie erbrachte Athanasius, der nicht zuletzt durch seine Hartnäckigkeit auch kirchenpolitisch an Bedeutung gewann. Der Machtmensch und Politiker war zugleich ein Theologe von besonderem Format, der später zur normativen Autorität wurde. Die ältere Sicht, wonach der Trinitarische Streit vor allem in der immer wieder neu durchzusetzenden Abwehr des Arianismus besteht, ist eine unhistorische Vereinfachung, die auf Athanasius’ eigener Darstellung beruht. Er hat in einer konsequent entwickelten literarischen Propaganda alle seine Gegner aus den Mittelgruppierungen – sachlich unberechtigt – als »Arianer« diffamiert und so Arius zum Erzketzer hochstilisiert. Zugleich hat er die origenistische Tradition umgeformt und dabei zentrale Grundanliegen der Trinitätslehre bearbeitet, so insbesondere das Problem der Subordination und des Bezuges der Christologie auf die Soteriologie (zu seiner Christologie vgl. § 4; 2.3). Erst nach 350 hat er in der ausdrücklichen Verteidigung des Nizänums den Begriff ὁμοούσιος (homousios/wesensgleich) herangezogen und zum Schibboleth der Orthodoxie gemacht. In derselben Zeit hat er zunehmend auch die Pneumatologie miteinbezogen. Auch seine Theologie ist eine biblisch geprägte Theologie, mit dem besonderen Bezug zur Frömmigkeit. Dazu passt sein Engagement für die Askese (s. § 6; 2.1.3). In den sechziger Jahren öffnete sich Athanasius einer Zusammenarbeit mit Theologen aus den Mittelgruppierungen, allerdings unter der Voraussetzung, dass das Nizänum akzeptiert würde. Diese Öffnung war eine 86

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wesentliche Weichenstellung für das Ende des Trinitarischen Streits (s. § 1; 15.), das er selbst, 373 in hohem Alter gestorben, nicht mehr erlebte.

13.1 Menschwerdung Gottes und Vergottung des Menschen Von grundlegender theologiegeschichtlicher Bedeutung ist Athanasius’ frühes Doppelwerk Contra gentes (Gegen die Heiden) und De incarnatione (Über die Fleischwerdung), letzteres die erste monographische Behandlung der Frage nach Ursache und Eigenart der Inkarnation. Die im Trierer Exil 336/337 oder dessen Umfeld verfassten Werke zeigen, dass die Inkarnationslehre das Zentrum von Athanasius’ Theologie ist. Gottes Logos-Sohn wurde in Jesus Christus Mensch, damit das gefallene Geschöpf wieder zu Gott gebracht würde. Erlöst wird dabei die menschliche Natur, die durch die Gottesferne dem Verderben preisgegeben ist, und nun durch die Erlösung, besonders die Erkenntnis Jesu Christi und den Glauben, zu einer neuen Gottesgemeinschaft findet: ἐνηνθρώπησεν ἵνα ἡμεῖς θεοποιηθῶμεν (enēnthrōpēsen hina hēmeis theopoiēthōmen/er [d.h. der Logos] wurde Mensch, damit wir vergottet würden; De incarnatione 54,3). Damit ist nicht eine Substanzgleichheit oder Verwandlung der menschlichen Natur in eine göttliche gemeint, sondern die von Gott ursprünglich intendierte, durch Jesus Christus hergestellte Gottesnähe. Diese Konzeption nimmt das auf, was Origenes über die Bestimmung des Menschen zur Vollkommenheit formuliert hat. Die Gottheit Jesu Christi wird dabei vorausgesetzt, ohne sie ließe sich die Soteriologie nicht angemessen verstehen.

menschliche Natur

Gottesnähe

13.2 Identität der Gottheit in Vater und Sohn Das trinitätstheologische Hauptwerk des Athanasius sind die drei Orationes contra Arianos (Arianerreden; entstanden um 340 oder wenig später; die vierte Arianerrede ist unecht, die Echtheit der dritten Rede ist nach längerer Diskussion allgemein anerkannt). Athanasius setzt sich hierin mit Arius auseinander und identifiziert einen weiteren namhaften Theologen der Mittelgruppierung, Asterius, mit dem arianischen Ansatz. In Abgrenzung gegen angeblich arianische Argumentationen entfaltet er seine Trinitätslehre auf der Grundlage der umstrittenen Bibelstellen. Dabei wird deutlich, dass der Logos-Sohn als zu Gott gehörig verstanden wird. Er ist ἴδιος τῆς οὐσίας τοῦ πατρός (idios tēs usias tu patros/zugehörig zum Wesen des Vaters bzw. ihm zu eigen). Daher kann der Vater nicht ohne den Logos gedacht werden. Die klassische Terminologie von Vater-Sohn, Urbild-Abbild und Licht-Abglanz greift Athanasius auf, deutet sie aber um: Zwischen beiden besteht keine Differenz, sondern die Begriffe zeigen gerade die unlösliche, d.h. ewige Einheit des Wesens. Wenn man den Sohn in einem abgeleiteten Sinne als Gott bezeichnet, etwa weil er erst nachträglich von Gott gesetzt worden ist, ist der Logos-Sohn nicht mehr eigentlich Gott. Der Sohn muss daher genauso ewig 13. Die Lehre des Athanasius: Gottheit Christi und Erlösung der Menschen

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Arianerreden

Asterius

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Gottheit – Schöpfung

ontologische Einheit

doppelte Exegese

sein wie der Vater. Man kann den Sohn nur entweder der ewigen Gottheit zuordnen oder den Geschöpfen. Zwischen der Gottheit und der Schöpfung besteht ein kategorialer Unterschied, der nicht durch eine Subordination und die Einführung von Zwischenebenen gelöst werden kann, sondern der nur durch das heilsgeschichtliche Handeln (ἐνέργεια/energeia/Handeln bzw. Tätigkeit) der Trinität überbrückt werden kann. 13.2.1 Trinitätslehre und Ontologie. Athanasius bezieht die Einheit von Vater und Sohn gerade auf das ewige Wesen Gottes und gebraucht hierfür die Begriffe οὐσία (usia/ Wesen) bzw. φύσις (physis/Natur). Vater und Sohn stimmen daher in allen Gottesprädikaten überein, insofern sind sie als zwei eins. Dadurch versucht Athanasius, an dem Grundgedanken der einen ἀρχή (archē/Ursprung) festzuhalten. Die Verbindung des Gottesbegriffes mit der Ewigkeit und dem Gedanken des einen Ursprungs führt ihn dazu, eine Diastase zwischen Gottheit und Schöpfung anzunehmen, die eine den Gegensatz von Gott und Welt überbrückende Abstufung ausschließt. Damit ist eine wesentliche theologiegeschichtliche Einsicht gewonnen, die sich klar gegen ältere Formen der Logostheologie wie auch der origenistischen Hypostasenlehre abgrenzen lässt. War in diesen älteren Ansätzen eine gewisse Vergleichbarkeit mit mittelplatonischen Konzepten gegeben, so kann man in Athanasius’ Ansatz die Grundlegung einer spezifisch christlichen Ontologie sehen. Wie Athanasius zu dieser Neukonzeption gekommen ist, ist weitgehend unklar. Vermutlich ist es direkt der Widerspruch gegen die Akzentsetzungen der origenistischen Hypostasenlehre bei Asterius und Euseb, der ihn zur grundlegenden Reflexion geführt hat. 13.2.2 Athanasius’ Auslegung von Prov 8,22. Gegen die Argumentationen des Asterius entwickelt Athanasius seine Exegese methodisch weiter. Dies lässt sich insbesondere an Prov 8,22-25 erkennen. Waren noch für Origenes die verschiedenen Verben in Prov 8 auf das Verhältnis zwischen Vater und Sohn zu beziehen, so entwickelt Athanasius die sog. doppelte Exegese (vgl. Orationes contra Arianos 3,29,1): Bei den biblischen Aussagen über den Heiland ist jeweils zu prüfen, ob sie sich auf den ewigen Logos beziehen (z.B. Sohn, Logos, Abglanz, Weisheit etc.) oder auf den von Maria geborenen Inkarnierten. In diesem Sinne bezieht Athanasius das Verb κτίζειν (ktizein/erschaffen) in Prov 8,22 auf den Menschen, den der Logos angenommen hat. Der aus Maria geborene Mensch ist natürlich Geschöpf, und hierauf sind auch biblische Aussagen wie das Unwissen oder das Leiden zu beziehen, doch gilt dies eben nicht für den Gott-Logos. Die Entwicklung dieser doppelten Exegese ist eine wesentliche Voraussetzung für den Christologischen Streit (s. § 4; 2.-4.).

13.3 Die Gottheit des Heiligen Geistes

Erleuchtung

Vom Gedanken der Erleuchtung und damit von dem binitarischen Denkschema Licht-Abglanz her bezog Athanasius auch den Heiligen Geist in seine Reflexion mit ein: Gott als schlechthinniges Licht offenbart sich nach außen in Christus als dem Abglanz und ermöglicht die Aneignung der Offenbarung als Erleuchtung durch den Geist. Dass dieses eine Veränderung der ganzen Existenz, nicht bloß ein kognitiver Akt ist, verdeutlichte Athanasius mit Aussagen über die Heiligung und Belebung durch den Geist. 88

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§ 1 Christliche Gotteslehre als Trinitätslehre

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13.3.1 Die Tropiker bzw. Pneumatomachen in Ägypten. Ende der fünfziger Jahre traten in Ägypten Theologen auf, die sich im Hinblick auf die Christologie durchaus Athanasius’ Konzeption anschließen konnten, jedoch im Hinblick auf den Heiligen Geist die origenistische Tradition fortführten und neu akzentuierten. Von exegetischen Überlegungen aus kamen sie zu der Behauptung, dass der Heilige Geist als Geschöpf angesehen werden müsse, wenn auch als besonders herausragendes und als Anführer der Engel. Diese Theologie ähnelt der der nur wenig später auch in Kleinasien auftretenden Pneumatomachen (s. § 1; 15.4). Als exegetische Begründung dienten Bibelstellen, die »tropisch« auszulegen seien, wobei nicht ganz deutlich ist, was die Bezeichnung »tropisch« genau meinen soll. Belege waren etwa Joh 1,3 (durch den alles geworden ist), woraus gefolgert wurde, dass auch der Geist zu alles gehören müsste, also durch den Logos geschaffen sei, oder 1.Tim 5,21 (vor Gott und Christus Jesus und den auserwählten Engeln), woraus gefolgert wurde, dass der Heilige Geist zu den Engeln zu zählen sei, aber auch Am 4,13 oder Sach 4,5. Athanasius reagierte hierauf mit seinen vier Epistulae ad Serapionem (Serapionsbriefen; neue Anordnung und Kapitelzählung in der kritischen Edition von 2010), in denen er die Einstufung des Geistes als Geschöpf als Fortsetzung des Arianismus brandmarkte. Zugleich betonte er die Einheit des Handelns Gottes. Die Trinität hat eine in sich unteilbare und zusammenhängende ἐνέργεια (energeia/Tätigkeit, Handeln): ὁ γὰρ πατὴρ διὰ τοῦ λόγου ἐν πνεύματι ἁγίῳ τὰ πάντα ποιεῖ (ho gar patēr dia tu logu en pneumati hagiō ta panta poiei/Denn der Vater tut das alles durch den Logos im Heiligen Geist; Epistulae ad Serapionem 1,28).

tropische Schriftauslegung

Serapionsbriefe

13.4 Literatur Lektüretipp: A.M. Ritter: Der dreieinige Gott. Christus der Logos. Der Heilige Geist, in: P. Gemeinhardt (Hg.): Athanasius Handbuch, 2011, 291-318. Quellen: s. § 1; 10.4 – E.P. Meijering: Die Dritte Arianerrede, 3 Bde., 1996-1998. – U. Heil (Hg.): Athanasius von Alexandria, Gegen die Heiden. Über die Menschwerdung des Wortes Gottes. Über die Beschlüsse der Synode von Nizäa, 2008 [Übers.]. Literatur: U. Heil: Athanasius als Apologet des Christentums. Athanasius und Eusebius, in: A.-C. Jacobsen/J. Ulrich (Hg.): Three Greek Apologists. Origen, Eusebius, and Athanasius, 2007, 159-214. – Dies.: Athanasius von Alexandrien, De sententia Dionysii, 1999. – X. Morales: La théologie trinitaire d’Athanase d’Alexandrie, 2006. – A. Martin: Athanase d’Alexandrie et l’église d’Égypte au IVe siècle (328-373), 1996. – C. Kannengiesser: Athanase d’Alexandrie. Évêque et écrivain. Une lecture des traités Contre les Ariens, 1983. – Ders.: Arius und Athanasius, 1991. – E.P. Meijering: Orthodoxy and Platonism in Athanasius, 2. A. 1974. – L. Abramowski: Die dritte Arianerrede des Athanasius. Eusebianer und Arianer und das westliche Serdicense, ZKG 102 (1991) 389-413. – W.-D. Hauschild: Die Pneumatomachen, 1967, 16-38. – J. Roldanus: Le Christ et l’homme dans la théologie d’Athanase d’Alexandrie, 1968. – M. Tetz: Athanasiana. Zu Leben und Lehre des Athanasius, 1995. – A. Laminski: Der Heilige Geist als Geist Christi und Geist der Gläubigen, 1969.

 § 4; 2.

14. Die theologischen Gruppen und das homöische Reichsdogma von 360 Das Scheitern der Reichssynode von 343 hatte den Plan einer Kircheneinheit zunächst in weite Ferne gerückt, er war aber bei Konstantius nicht vergessen. Nach dem Tod des westlichen Kaisers Konstans hatte sich Konstantius 13. Die Lehre des Athanasius: Gottheit Christi und Erlösung der Menschen

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Konstantius

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Altnizäner

Heterousianer

Homöusianer

Homöer

Reichsdogma

zunächst mit Magnentius auseinanderzusetzen, der ebenfalls beanspruchte Kaiser zu sein. Konstantius’ Sieg über Magnentius im Jahr 351 läutete eine zehnjährige Alleinherrschaft ein (Magnentius starb 353). Konstantius griff das Ziel, eine Einheit der Kirche in Glaubensfragen herzustellen, erneut auf. Er stützte sich dabei besonders auf die im östlichen Episkopat vorherrschende Richtung, also einen gemäßigten Origenismus, der an die Tradition der 2. Antiochenischen Formel anknüpfte. Seine Bemühungen wurden dadurch erschwert, dass zwei Gruppierungen die trinitätstheologische Diskussion erneut in Bewegung brachten: a) Zum einen befürwortete Athanasius zunehmend das Nizänum von 325 als Maßstab der Rechtgläubigkeit und betonte insbesondere das ὁμοούσιος (homousios/wesensgleich); b) zum anderen entwickelten Aëtius und Eunomius eine ontologisch fundierte Trinitätslehre, die gegen Markell und Photin insbesondere die Verschiedenheit von Vater und Sohn betonte (Heterousianer). Sie verschärften damit die gegen Markell und seinen Schüler Photin gerichtete Grundtendenz der origenistischen Mittelpartei, wie sie 351 auf einer Synode in Sirmium festgehalten wurde. Die sich daraus ergebenden Debatten führten zu zwei unterschiedlichen Richtungen in der origenistisch geprägten Mittelgruppe: Auf der einen Seite entwickelten sich ab 358 die Homöusianer, die die Gleichheit zwischen Vater und Sohn betonten und diese Gleichheit ausdrücklich auch auf die οὐσία (usia/Wesen) bezogen (ὅμοιος κατ’ οὐσίαν/homoios kat’usian/gleich im Bereich des Wesens). Auf der anderen Seite wollten biblizistisch geprägte Theologen den Gebrauch ontologischer Terminologie ganz ausschließen: der Sohn sei mit dem Vater ὅμοιος κατὰ τὰς γραφάς (homoios kata tas grafas/ gleich bzw. ähnlich nach den Schriften), daher Homöer genannt. Konstantius befürwortete die letztere Position und versuchte, sie zur Grundlage einer vom Kaiser hergestellten Einheit zu machen. Dies war nur gegen erheblichen Widerstand der Homöusianer und der Heterousianer möglich. Auf zwei parallel tagenden Synoden in Rimini (Westen) und Seleukia (Osten) sollten die westlichen und östlichen Bischöfe getrennt eine vorher erarbeitete gemeinsame Vorlage verabschieden und der Kaiser dann die Einheit beider Synodenbeschlüsse zusammenführen. Beide Synoden versuchten sich dem Ansinnen des Kaisers zu widersetzen, doch gelang es dem Kaiser, durch massiven Druck auf die Bischöfe die von ihm präferierte homöische Position durchzusetzen. Ergebnis war ein homöisches Glaubensbekenntnis, das 360 in Konstantinopel als allgemein verbindlich festgelegt wurde, das sog. Reichsdogma. Es beschrieb das Verhältnis zwischen Vater und Sohn als gleich bzw. ähnlich (ὅμοιος/homoios) und verbot den Gebrauch ontologischer Begrifflichkeit. Konstantius versuchte, dieses Reichsdogma durch Exilierung der sich widersetzenden Bischöfe durchzusetzen, doch gingen die theologischen Auseinandersetzungen weiter. Fast zeitgleich wurde in Gallien der erfolgreiche Feldherr Julian von seinen Truppen zum Augustus, d.h. zum Kaiser ausgerufen. Konstantius starb überraschend 361, als er sich nach Gallien aufmachte, um Julian dort in die Schranken zu weisen. Julian setzte 90

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die Religionspolitik des Konstantius nicht fort, sondern versuchte, die alte römische Religion als offiziellen Kult wieder zu etablieren (s. dazu § 3; 12.3). Theologische Gruppierungen

wichtige Vertreter

Altnizäner: Nizänum von 325 und ὁμοούσιος/homousios/ wesensgleich

Athanasius, Markell von Ankyra

Homöusianer: origenistische Tradition, 2. Antiochenische Formel, ὅμοιος κατ’οὐσίαν bzw. ὁμοιοούσιος/ homoiousios/wesensähnlich

Basilius von Ankyra, Georg von Laodicea

Homöer: origenistische Tradition, 2. Antiochenische Formel, Verbot der ontologischen Terminologie, ὅμοιος κατὰ τὰς γραφάς/homoios kata tas grafas/ähnlich nach den Schriften

Eudoxius von Konstantinopel, Acacius von Cäsarea (Palästina)

Heterousianer (früher Anhomöer/Neuarianer): Verschiedenheit von Vater und Sohn im Wesen, die aufgrund von gemeinsamem Wollen und Handeln heilsgeschichtlich zusammenwirken, ἕτερος κατὰ τὴν οὐσίαν/ heteros kata tēn usian/verschieden im Wesen

Aëtius, Eunomius

14.1 Das Verbot der ontologischen Terminologie Die origenistische Mittelgruppe war um 350 wohl die tonangebende theologische Richtung im östlichen Episkopat. Sie bezog sich auf die 2. oder die 4. Antiochenische Formel zurück und wandte sich besonders gegen Markell von Ankyra und dessen Schüler Photin von Sirmium, über dessen Theologie jedoch wenig bekannt ist. Eine Synode in Sirmium 351 setzte Photin ab und ergänzte die 4. Antiochenische Formel um neue, antimarkellische bzw. antiphotinianische Anathematismen (sog. 1. Sirmische Formel). Nach dem Erringen der Alleinherrschaft setzte Konstantius eine Theologenkommission ein, die die bisherige Debatte zusammenfassen und einen Vorschlag erarbeiten sollte. Diese Kommission tagte erneut in Sirmium. Der neue Bischof von Sirmium, Germinius, und die Bischöfe Valens von Mursa und Ursacius von Singidunum konnten dabei an Einfluss gewinnen. Auf sie geht die sog. 2. Sirmische Formel zurück, die eigentlich ein Art Kassensturz der bisherigen Diskussion sein wollte. Danach steht fest, dass der Sohn vom Va14. Die theologischen Gruppen und das homöische Reichsdogma von 360

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Photin

2. Sirmische Formel

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ter gezeugt ist, dass er nicht mit dem Vater ohne Weiteres identifiziert werden kann und dass man die wirkliche Menschheit des Sohnes betonen muss. In diesem Positionspapier aus dem Jahr 357 taucht erstmals der Gedanke auf, dass die ontologische Terminologie (besonders der Begriff der οὐσία/usia/Wesen und der Ausdruck ὁμοούσιος/homousios/ wesensgleich) unbiblisch und wegen der anhaltenden Streitigkeiten zu verwerfen sei. Konstantius erschien diese Kompromisstheologie am ehesten geeignet, eine umfassende Einheit der Kirche herzustellen – was, wie sich bald herausstellen sollte, eine fundamentale Fehleinschätzung war.

14.2 Die Heterousianer: Aëtius und Eunomius In Antiochia entwickelte ab 357 Aëtius eine Neufassung der origenistischen Theologie. In seiner Schrift Syntagmation (Kurze Zusammenstellung) betonte er, dass die Eigenschaften, die man von Gott-Vater aussage, nicht nur menschliche Interpretamente, sondern Wesenseigenschaften seien. Dies gelte in besonderem Maße auch für die Eigenἀγέννητος schaft ἀγέννητος (agennētos/ungezeugt), die besonders ausdrückt, dass Gott-Vater die eine, nicht weiter ableitbare ἀρχή (archē/der Ursprung) ist. Entsprechend ist der Sohn ἕτερος vom Vater verschieden (ἕτερος/heteros), und zwar wiederum ebenfalls im Bereich des Wesens. Der Sohn handelt aber aufgrund der Übereinstimmung mit dem Willen des Vaters, der größer ist als er (Joh 14,28). Diese mit Syllogismen rhetorisch geschickt vorgetragene Theologie wurde von den Gegnern bald als Neubelebung des Arianismus angesehen (von dort die Bezeichnung als Neuarianer), historisch zu unrecht. Auch die Bezeichnung ἀνόμοιος κατ’οὐσίαν (anhomoios kat’ usian/ungleich bzw. unähnlich im Bereich des Wesens) wurde von den Gegnern geprägt (daher ist die ältere Bezeichnung dieser Gruppe als Anhomöer aufzugeben), Aëtius und Eunomius haben eine willentliche Übereinstimmung zwischen Vater und Sohn im Hinblick auf das heilsgeschichtliche Handeln durchaus gelehrt. Sachlich gesehen ist die heterousianische Theologie (ähnlich wie die des Arius) nur unzureichend in der Lage, den Unterschied zwischen der ewigen Zeugung des Sohnes und der Erschaffung der Welt auszudrücken. Zugleich wurde durch die heterousianische Theologie die homöische Theologie verdächtig, weil die homöische Betonung der Ähnlichkeit zwischen Vater und Sohn auch im heterousianischen Sinne gelesen, d.h. auf eine nur willentliche Übereinstimmung zwischen Vater und Sohn bezogen werden konnte.

14.3 Die homöusianische Gruppe seit 358

Basilius von Ankyra

Mt 28,19

Der Verdacht, die Homöer wollten eine Theologie verbindlich machen, unter deren Dach auch die Heterousianer Platz finden könnten, führte zu einer Neureflexion der ontologischen Begrifflichkeit bei wichtigen Vertretern der origenistischen Mittelgruppe. Eine Synode in Ankyra 358 griff unter der Federführung von Basilius von Ankyra und Georg von Laodicea die antimarkellische Richtung der Mittelgruppe auf, hielt es aber zugleich – in Abwehr der heterousianischen Theologie – für notwendig, die Ähnlichkeit zwischen Vater und Sohn auch auf die οὐσία (usia/Wesen) zu beziehen. Das Stichwort hierfür lautete: ὅμοιος κατ’οὐσίαν (homoios kat’ usian/gleich bzw. ähnlich im Bereich des Wesens) bzw. (zusammengezogen): ὁμοιοούσιος (homoiousios/wesensähnlich; eigentlich wohl nicht: ὁμοιούσιος/homoiusios). Die auf die Häresiologie des Epiphanius zurückgehende Bezeichnung als Semiarianer ist unzutreffend. Die Homöusianer griffen zugleich die origenistische Hypostasenlehre auf, klärten jedoch das Verhältnis zwischen οὐσία und ὑπόστασις (hypostasis/Hypostase) nicht. Ihre Theologie war von Mt 28,19 geprägt, außerdem betonten sie das Abbildverhältnis zwischen Vater und Sohn und 92

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vertraten damit eine eigentlich binitarisch akzentuierte Trinitätslehre. Die Position der Homöusianer fand langfristig bei Kaiser Konstantius keine Unterstützung; es erschien dem Kaiser als kirchenpolitisch zweckmäßig, die dogmatische Fixierung so offen wie möglich zu halten.

14.4 Der Sieg der Homöer und das Reichsdogma von 360 Das Ziel, durch eine große Synode die kirchliche Einheit wiederherzustellen, verfolgte Konstantius mit großem Nachdruck. Skrupulös bereitete er das entsprechende Verfahren vor. Zunächst berief er eine Kommission ein, die auf der Grundlage der 2. Sirmischen Formel ein neues Bekenntnis verfassen sollte. Dieser Text, die sog. 4. Sirmische Formel (die 3. Sirmische Formel ist nur die Modifikation einer Antiochenischen Formel, die auf einer Synode in Sirmium 358 beschlossen wurde), knüpfte an die Antiochenischen Formeln an, war aber homöisch geprägt (sie verbot insbesondere die ontologische Begrifflichkeit). Dieses Bekenntnis sollte den Bischöfen aus Ost und West vorgelegt werden. Um zu verhindern, dass sich – wie in Serdika 343 – westliche und östliche Bischöfe gleich am Anfang gegenseitig verwarfen, sollten beide Reichshälften zunächst getrennt tagen und über die vom Kaiser vorgelegte 4. Sirmische Formel beraten. Dann sollten jeweils Delegationen beider Synoden ihr Ergebnis dem Kaiser mitteilen, der beide Ergebnisse dann zu einem Gesamtergebnis zusammenfassen wollte, das dann wiederum von beiden Synoden förmlich sanktioniert werden sollte. Die westliche Synode tagte mit ca. 400 Bischöfen in Rimini und verwarf die 4. Sirmische Formel als häretisch. Doch die Delegation, die dieses Ergebnis dem Kaiser mitteilen sollte, wurde unterwegs in Nike festgehalten und dort von Valens und Ursacius sowie durch kaiserliche Drohungen dazu gebracht, einer Modifikation der 4. Sirmischen Formel, der sog. Formel von Nike, zuzustimmen, die eigentlich homöisch ausgerichtet war. Etwa zeitgleich tagte im Osten eine Synode in Seleukia, die deutlich schlechter besucht war (ca. 160 Bischöfe). Die östliche Teilsynode zerfiel in zwei Lager, ein homöusianisches und ein homöisches, die sich nicht einigen konnten und daher zwei Delegationen zum Kaiser schickten. Die größere Gruppe war dabei die der Homöusianer, die die 4. Sirmische Formel ebenfalls ablehnten. Doch auch hier übte der Kaiser massiven Druck aus und zwang so die östliche Teilsynode, eine weitere Bearbeitung der 4. Sirmischen Formel zu verabschieden. Das so erreichte Ergebnis ließ der Kaiser in Rimini und auf einer Synode in Konstantinopel Ende 359/Jahresbeginn 360 feierlich sanktionieren. Führende Homöusianer wurden abgesetzt und exiliert. Das Reichsdogma von Konstantinopel enthielt die mit biblischen Begriffen angereicherte Bestimmung, dass der Sohn Gott aus Gott sei und dem Vater ähnlich sei, wie es die göttlichen Schriften sagen und lehren. Neben den Begriffen οὐσία (usia/Wesen) und ὁμοούσιος (homousios/wesensgleich) wurde jetzt auch der Begriff ὑπόστασις (hypostasis/Hypostase) ausgeschlossen, der in der origenistischen Tradition als Bezeichnung für die Eigenständigkeit von Vater, Sohn und Geist benutzt wurde.

4. Sirmische Formel

Synode in Rimini359

Synode in Seleukia 359

Synode in Konstantinopel 360

14.5 Literatur Lektüretipp: H.C. Brennecke: Studien zur Geschichte der Homöer, 1988, 5-66. Quellen: s. § 1; 10.4. Literatur: W. Löhr: Die Entstehung der homöischen und der homöusianischen Kirchenparteien, 1986. – H.C. Brennecke: Hilarius von Poitiers und die Bischofsopposition gegen Konstantius II., 1984. – L. Abramowski: Eunomios, RAC 6 (1966) 936-947. – L.R. Wickham: The Syntagmation of Aetius the Anomean, JThS 19 (1968) 532-569. – C. Piétri/J. Ulrich: Von der partitio des christlichen Kaiserreichs bis zur Einheit unter Konstantius, GCh 14. Die theologischen Gruppen und das homöische Reichsdogma von 360

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2, 1996, 345-395 [besonders 369-395]. – R. Klein: Constantius II. und die christliche Kirche, 1977. – T.D. Barnes: Athanasius and Constantius, 3. A. 2001. – T.A. Kopecek: A History of New-Arianism, 2 Bde., 1979. – K.-H. Uthemann: Die Sprache der Theologie nach Eunomius von Cyzicus, ZKG 104 (1993) 143-175.

15. Neugruppierungen in der Julianzeit

Osten Nizänum

Valens

Westen

Nur mit politischem Druck hatte Konstantius seine Vorstellung einer einheitlichen Kirche durchsetzen können. Nach seinem Tod setzte der neue Kaiser Julian diese Politik nicht fort. Unter seiner, auf eine Restitution der römischen Reichsreligion ausgerichteten Herrschaft durften die exilierten Bischöfe zurückkehren, was zu neuen Auseinandersetzungen innerhalb der Kirche führte. Julians kurze Regierungszeit bis 363 führte zu einer weitgehenden Neugruppierung der bis 360 entstandenen Gruppen. Es zeigte sich rasch, dass das homöische Reichsdogma kaum Rückhalt hatte, weil damit die heterousianische Theologie kaum ausgrenzbar schien. Dies führte dazu, dass sich 362/363 bisherige Homöer, Homöusianer und Altnizäner neu annäherten. Die Situation im Westen und im Osten entwickelte sich dabei unterschiedlich. Im Osten öffneten sich Bischöfe mit einem origenistischeusebianischen Hintergrund, die zwischen 357 und 360 homöusianisch oder homöisch orientiert waren, dem Nizänum und bemühten sich um ein Verständnis des ὁμοούσιος (homousios/wesensgleich), das mit der Vorstellung dreier Hypostasen vereinbar war. Diese neuen Bemühungen schienen zu einer umfassenden Verständigung zu führen, als Athanasius auf einer Synode in Alexandria 362 ein Synodalschreiben beschließen ließ, in dem die DreiHypostasen-Lehre grundsätzlich als eine mögliche Trinitätslehre anerkannt wurde, wenn zeitgleich das Nizänum anerkannt würde und zugestanden würde, dass es auch andere theologische Ansätze geben könne, die von einer ὑπόστασις (hypostasis/Hypostase, als Synonym verstanden von οὐσία/usia/ Wesen) ausgingen. Die Verständigung mit den origenistisch-eusebianischen Theologen kam dann jedoch aus zwei Gründen nicht zustande: a) In Antiochia entbrannte ein erbitterter Kampf um den Bischofsstuhl. Hier standen sich der Anhänger der origenistischen Tradition, Meletius von Antiochia, und der Anführer der Altnizäner, Paulinus, zu dem Athanasius stand, unversöhnlich gegenüber. b) Nach Julians frühem Tod regierte für nur wenige Monate Jovian, von dem sich viele Nizäner eine Unterstützung ihrer Position erhofften. Ab 364 regierte jedoch Valentinian, der Valens zum Mitregenten für den Osten ernannte. Valens nun griff auf das Reichsdogma von 360 zurück, das jetzt – nach den Veränderungen in der theologischen Landschaft – mehr denn je als kaiserlich aufoktroyierte Religionspolitik galt. Durch Valens’ Unterstützung konnten sich wichtige Anführer der Homöer in ihren Bistümern halten, so etwa Eudoxius von Konstantinopel und Euzoius von Antiochia; in manchen Provinzen konnten die Homöer sogar ihren Einfluss erweitern. Im Westen konnte zwar in Mailand Bischof Auxentius eine ho94

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möische Position aufbauen, doch sympathisierten die meisten westlichen Bischöfe, unter ihnen besonders Liberius von Rom, mit dem Nizänum, das in der Tradition von Serdika verstanden wurde. Durch diese Prägung war nicht nur eine Einigung mit den Homöern, sondern auch mit denjenigen Theologen erschwert, die eine Drei-Hypostasen-Lehre mit dem Nizänum verbinden wollten.

15.1 Das Schisma in Antiochia Der von den Homöern 360 als Bischof von Antiochia eingesetzte Armenier Meletius überwarf sich sogleich mit Kaiser Konstantius und führenden Homöern, so dass man ihn verbannte und 361 durch Euzoius ersetzte. Meletius nahm die Absetzung jedoch nicht hin und konnte unter Julian zurückkehren. Ab 362 öffnete sich Meletius für das Nizänum (s. § 1; 15.3), ihm folgte die Majorität der Gemeinde, so dass es zu einem Schisma zwischen der Meletiusgruppe und der Euzoiusgruppe kam. Zusätzlich opponierte eine kleine Altnizäner-Gruppe, die auf Eustathius von Antiochia zurückging, gegen Meletius (den homöischen Euzoius erkannte sie ohnehin nicht an). Sie wurde von Paulinus angeführt, der sich 362 zum Bischof weihen ließ, so dass es nunmehr drei Bischöfe in Antiochia gab. Später sollte sich noch eine vierte Gruppe etablieren, die die Christologie des Apollinaris vertrat (dazu s. § 4; 3.) und von Vitalis angeführt wurde, der ab 376 ebenfalls beanspruchte, Bischof von Antiochia zu sein. Da Antiochia neben Alexandria die wichtigste Stadt im Osten und Ort besonders intensiver theologischer Diskussionen war, war das Schisma von Antiochia von überregionaler Bedeutung. Meletius erhielt Unterstützung von vielen Bischöfen mit origenistischem Hintergrund, so etwa Basilius von Cäsarea. Paulinus hatte hingegen gute Kontakte zu Athanasius und wurde daher auch im Westen anerkannt. Wie oft in der Kirchengeschichte verbanden sich hier persönliche Animositäten und kirchenpolitische Rivalitäten mit theologischen Gegensätzen zu einem kaum lösbaren Problemkomplex.

Meletius von Antiochia Euzoius

Paulinus

Vitalis

15.2 Athanasius’ Programm seit 362: Erweiterung der Nizänergruppe Athanasius war nach seinen ersten beiden Exilen (335-337 in Trier und 339346 in Rom) unter Konstantius 356 erneut exiliert worden, entzog sich aber dadurch, dass er bei ägyptischen Mönchen Unterschlupf fand. Trotz intensiver Fahndungen und der Einsetzung eines neuen Bischofs (Georg) beruhigte sich die Lage nicht, da Athanasius nach wie vor literarisch tätig war und von seiner Gemeinde und den Klöstern unterstützt wurde. Nach dem Amtsantritt von Julian kehrte Athanasius nach Alexandria zurück und berief 362 eine Synode der ägyptischen Bischöfe ein. Diese Synode verabschiedete den berühmten Tomus ad Antiochenos (Schreiben an die Antiochener), in dem Athanasius ein historisch bedeutsames Verständigungsprogramm für eine Koalition zwischen Altnizänern und der neuen Gruppe der Origenisten, die sich dem Nizänum öffneten, entwarf. Folgende Grundsätze sollten dafür gelten: 1. Verwerfung des Arianismus (Christus als Geschöpf, verschieden vom Vater) und des Sabellianismus (Christus nur eine heilsgeschichtliche Erweiterung von Gott, daher im Grunde mit dem Vater identisch); 2. Anerken15. Neugruppierungen in der Julianzeit

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Tomus ad Antiochenos

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3 Hypostasen oder 1 Hypostase?

nung des Nizänums als alleiniger Bekenntnisgrundlage; 3. eine ergänzende Verwerfung der Auffassung, der Heilige Geist sei ein Geschöpf (gegen die Tropiker bzw. Pneumatomachen; vgl. § 1; 15.4), 4. Gleichwertigkeit zweier theologischer Sprachweisen im Hinblick auf die Ontologie: Es ist sowohl möglich von drei Hypostasen zu sprechen und die Übereinstimmung der drei Hypostasen auch auf das Wesen zu beziehen (und von daher das Nizänum zu deuten) als auch, von einer Hypostase bzw. einem Wesen zu sprechen. Der Tomus ad Antiochenos enthielt noch nicht die spätere begriffliche Differenzierung zwischen οὐσία (usia/Wesen) und ὑπόστασις (hypostasis/ Hypostase bzw. Existenz), sondern akzeptierte nur das Nebeneinander zweier Konzeptionen. Der Tomus wurde auf einer Synode der Meletiusgruppe in Antiochia freundlich aufgenommen. Der Versuch des Athanasius (nach einer weiteren kurzen Exilierung 362/363), in Antiochia persönlich den neuen Kaiser Jovian von seiner Politik zu überzeugen und mit Meletius eine umfassende Kircheneinheit zu etablieren, scheiterte jedoch, weil inzwischen der Altnizäner Paulinus von einem Gefolgsmann des Athanasius, Euseb von Vercelli, zum Bischof von Antiochia geweiht worden war und Athanasius zu Paulinus hielt. Dies ließ wiederum Meletius hinhaltend und gegenüber Athanasius reserviert agieren, so dass die greifbar nahe Verständigung nicht zustande kam.

15.3 Die Neuformierung der Nizänumsanhänger nach 364

Homöer Homöusianer

Synode in Lampsakus 364

Der Begriff ὁμοούσιος (homousios/wesensgleich) und die unklare Identifikation von ὑπόστασις (hypostasis/Hypostase) und οὐσία (usia/Wesen) in den Anathematismen des Nizänums hatte origenistisch-eusebianische Theologen oft davon abgehalten, das Nizänum zu akzeptieren. Mit dem Reichsdogma von 360 und dem Aufkommen der Heterousianer war eine neue Lage geschaffen worden, die vielen Bischöfen die Notwendigkeit einer begrifflich klar entwickelten Trinitätslehre vor Augen führte. Insbesondere die ontologische Begrifflichkeit schien dazu in neuer Weise geeignet. So kam es, dass auch solche Bischöfe, die 359/360 noch als Homöer anzusprechen sind, sich ab 362/363 dem Nizänum öffneten, so neben Meletius von Antiochia auch Acacius von Cäsarea und Euseb von Samosata. Entsprechend modifizierten etliche Homöusianer, die das ὁμοούσιος (homousios/wesensgleich) vor 360 noch abgelehnt hatten, weil sie hierin die Möglichkeit einer markellischen Theologie sahen, ihre Haltung und verstanden das ὁμοούσιος als ὅμοιος κατ’οὐσίαν ἀπαραλλάκτως (homoios kat’ usian aparallaktōs/gleich im Bereich des Wesens ohne Abweichung). Diese Gruppe sammelte sich zunächst auf einer Synode in Lampsakus 364 und schickte 366 eine Delegation in den Westen, die vor Liberius von Rom das Nizänum akzeptierte. Als theologischer Kopf dieser Gruppe fungierte ab 364 der junge Presbyter Basilius aus dem kappadokischen Cäsarea (s. § 1; 16.1). Ehemalige Homöer und Homöusianer bildeten so eine neue Richtung, die von Meletius von Antiochia und Basilius von Cäsarea angeführt wurde. Daran änderte auch die von Valens verfügte Exilierung des Meletius (365-367 und 372-378) nichts. Athanasius erkannte zwar das Bemühen dieser Gruppierung an, hielt aber nach wie vor zu Paulinus von Antiochia, so dass die 363 aufgebrochene Distanz zu der Meletiusgruppe bestehen blieb (s. § 1; 16.1.3). Athanasius starb (nach einem weiteren Exil 365/366) im Jahr 373, sein Nachfolger Petrus setzte seine Politik jedoch in großer Kontinuität fort. 96

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15.4 Die Pneumatomachen Nach dem Auftauchen der Tropiker in Ägypten (s. § 1; 13.3.1) fand ein zusätzliches Problem zunehmend Beachtung: die Bestreitung der Gottheit des Heiligen Geistes, besonders durch Vertreter der origenistisch-eusebianischen Tradition (seit Athanasius als Pneumatomachen, d.h. Geistbekämpfer bezeichnet). Sie konnten nur zum Teil das Nizänum akzeptieren, da sie an der origenistisch-eusebianischen Prägung ihrer Theologie und damit der abstufenden Differenzierung von Vater, Sohn und Geist festhalten wollten. Den Geist bestimmten sie entsprechend als Zwischengröße, als im Gläubigen wirksame Kraft Gottes, die einerseits über allen Engeln anzuordnen ist, andererseits aber deutlich als Gabe Christi zu verstehen ist. Diese Theologie wurde wohl auch Mitte der sechziger Jahre in Kleinasien vertreten, wo Basilius von Cäsarea sich gegen sie wandte. Hier sympathisierten die Pneumatomachen insbesondere mit der homöusianischen Tradition, konnten jedoch – selbst eher traditionell ausgerichtet – teilweise die Öffnung der Homöusianer zum Nizänum nicht mitmachen. Daraus entwickelte sich ein Konflikt innerhalb der origenistisch-eusebianischen Gruppe, die die Sammlung unter dem Nizänum gefährdete. Dabei spielte weniger der schon früh nach 360 verstorbene Makedonius von Konstantinopel eine führende Rolle (nach dem die Pneumatomachen, besonders im Westen, als Makedonianer bezeichnet wurden), sondern vielmehr der als Asket hochangesehene Eustathius von Sebaste (gest. nach 377; vgl. § 6; 4.1). Er hatte 366 vor Liberius von Rom noch das Nizänum akzeptiert, weswegen Basilius von Cäsarea versuchte, ihn 372 zur erneuten Unterzeichnung des Nizänums und einer theologischen Erklärung zu bewegen (Basilius, Epistula/Brief 125). Eustathius zog jedoch seine bereits geleistete Unterschrift zurück und befürwortete fortan eine Theologie, die das Nizänum nicht akzeptierte und eine ontologische Gleichstellung auch des Geistes mit Vater und Sohn ablehnte. Dies forderte Basilius von Cäsarea heraus, die Vereinbarkeit des origenistischen Erbes mit der These von der Gottheit des Geistes aufzuweisen (in der Schrift De spiritu sancto/Über den Heiligen Geist).

Geist als Kraft und Gabe

Makedonianer

Eustathius von Sebaste

15.5 Literatur Lektüretipp: H.C. Brennecke: Erwägungen zu den Anfängen des Neunizänismus, in: D. Papandreou/W.A. Bienert/K. Schäferdiek (Hg.): Oecumenica et Patristica, 1989, 241-257 (= Ders., Ecclesia est in re publica, 2007, 49-68). Quellen: Tomus ad Antiochenos, in: H.C. Brennecke/U. Heil/A. von Stockhausen (Hg.): Athanasius Werke, Bd. 2: Die Apologien, 2006, 340-351. Literatur: P. Gemeinhardt: Der Tomus ad Antiochenos (362) und die Vielfalt orthodoxer Theologien im 4. Jahrhundert, ZKG 117 (2006) 169-196. – F. Dünzl: Die Absetzung des Bischofs Meletius von Antiochien 361 nC, JAC 43 (2000) 71-93. – T.R. Karmann: Meletius von Antiochien, 2009. – J. Zachhuber: The Antiochene Synod in AD 363 and the Beginnings of Neo-Nicenism, ZAC 4 (2000) 83-101. – W.-D. Hauschild: Die Pneumatomachen, 1967. 15. Neugruppierungen in der Julianzeit

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– M.A.G. Haykin: The Spirit of God. The Exegesis of 1 and 2 Corinthians in the Pneumatomachian Controversy of the Fourth Century, 1994. – M. Tetz: Athanasiana. Zu Leben und Lehre des Athanasius, 1995.

16. Die neunizänische Trinitätslehre der »drei großen Kappadokier«

Einheit des Wesens

Den kappadokischen Bischöfen Basilius von Cäsarea (nach 330-378), Gregor von Nazianz (ca. 325/329-390) und Gregor von Nyssa (deutlich nach 330-395) kommt große dogmengeschichtliche Bedeutung zu, weil sie mit ihrer Trinitätslehre die Entscheidungen des Konzils von 381 vorbereiteten und verteidigten. Sie haben insbesondere die Unterscheidung von der μία οὐσία (mia usia/ein Wesen) und den τρεῖς ὑποστάσεις (treis hypostaseis/ drei Hypostasen bzw. Einzelexistenzen) entwickelt und argumentativ plausibel gemacht. Basilius – als Diplomat und Kirchenmann durch persönliche Beziehungen zu Bischöfen und Beamten auch kirchenpolitisch einflussreich – suchte das Geheimnis der Trinität von der religiösen Erfahrung wie von der Bibel her zu erschließen. Die Ontologie ist bei ihm nicht abstrakte philosophische Spekulation, sondern die grundsätzliche Reflexion des biblischen Zeugnisses. Selbst aus einem homöusianischen Umfeld stammend, bemühte er sich von seinem Frühwerk Adversus Eunomium (Gegen Eunomius) an, die Einheit der göttlichen οὐσία (usia/Wesen) zu untermauern und für die Trinitätslehre fruchtbar zu machen. Darin steht sein Ansatz dem des Athanasius nahe. Nach Basilius’ Tod wurde sein Freund Gregor von Nazianz zu einer bestimmenden Figur, scheiterte aber kirchenpolitisch als Bischof von Konstantinopel auf dem Konzil ebenda im Jahr 381. Basilius’ jüngerer Bruder Gregor von Nyssa entwickelte das Erbe des Basilius fort und entfaltete eine eigenständige Theologie. Die drei Kappadokier zu einer Einheit zusammenzufassen, wird ihrem jeweils unterschiedlichen Profil nicht gerecht.

16.1 Trinitätslehre und Kirchenpolitik bei Basilius von Cäsarea

gegen Eunomius

De spiritu sancto

Schon vor seiner Wahl zum Metropoliten von Kappadokien 370 hatte sich Basilius für eine Erneuerung der Kirche nach dem Modell des Urchristentums eingesetzt und dafür insbesondere eine Belebung des Mönchtums angestrebt. Gegen Eunomius ging er um 364 literarisch vor und schuf damit ein Grundlagenwerk, das für die Öffnung origenistisch-eusebianischer Theologen gegenüber dem Denken des Athanasius und dem Nizänum wegweisend sein sollte. Den ersten beiden Büchern von Adversus Eunomium (Gegen Eunomius) fügte er im dritten Buch eine kurze Auseinandersetzung mit den Pneumatomachen an, hielt aber noch an einer gewissen Subordination des Geistes fest. Dies bearbeitete er nach 372-375 in seinem zweiten Hauptwerk De spiritu sancto (Über den Heiligen Geist), in dem er die On98

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tologie weitgehend ausklammerte und versuchte, auf den Grundlagen der origenistisch-eusebianischen Tradition die Zuordnung des Geistes zu Vater und Sohn als Gleichwertigkeit zu entfalten. Für die Trinitätslehre ging Basilius insbesondere davon aus, dass Gottes Wesen an sich unerkennbar ist, dass jedoch viele Eigenschaften Gottes erkennbar sind, und zwar aufgrund des biblischen Zeugnisses. Die Namen und Bezeichnungen für Gott in der Bibel lassen sich dann aufteilen in diejenigen, die Vater, Sohn und Heiligem Geist gemeinsam sind, und die, die jeweils nur für Vater, Sohn oder Heiligen Geist zutreffen. Dabei lässt sich aufgrund der gemeinsamen Eigenschaften durchaus erkennen, dass Vater, Sohn und Heiliger Geist zu einem Wesen gehören, auch wenn sich dieses Wesen begrifflich nicht fassen lässt. Neben den Eigenschaften zeigt sich die Zusammengehörigkeit von Vater, Sohn und Geist gerade auch in ihrem heilsgeschichtlichen Wirken, in dem alle drei untrennbar zusammenwirken. Genau dies ist in der Taufe auf den dreieinigen Gott ausgedrückt, weswegen der Glaube genau diesen Bezug auf den dreieinigen Gott festhalten muss. Daraus folgerte Basilius, dass der Heilige Geist Vater und Sohn nicht untergeordnet werden kann, sondern mit ihnen gleichwertig ist. 16.1.1 Ontologische Begrifflichkeit. Ab 373 entwickelte Basilius eine Ontologie, die die Begriffe οὐσία (usia/Wesen) und ὑπόστασις (hypostasis/ Hypostase bzw. Einzelexistenz) bewusst unterschied (erste Behauptung der Nicht-Identität in Epistula/Brief 125). Mit οὐσία bezeichnete er das Vater, Sohn und Heiligem Geist gemeinsame Wesen, das zwar an sich nicht fassbar ist, über das sich jedoch anhand der aus der Bibel abgeleiteten, gemeinsamen Eigenschaften viel aussagen lässt: Güte, Heiligkeit, Geistartigkeit etc. Enorme Probleme bereitete Basilius der Begriff ὑπόστασις. Mit ihm bezeichnete er jetzt die Summe dessen, worin Vater, Sohn und Heiliger Geist sich unterscheiden, allem voran die Eigenschaften ἀγέννητος (agennētos/ungezeugt), γεννητός (gennētos/gezeugt) und ἐκπορευόμενον (ekporeuomenon/ hervorgehend; scil. laut Joh 15,26 das Verhältnis des Geistes zum Vater). An die verschiedenen Erläuterungen der Begriffe οὐσία und ὑπόστασις (Epistulae/Briefe 214 und 236) knüpft Epistula (Brief) 38 an, die in einem Teil der Überlieferung auch Gregor von Nyssa zugeschrieben wird. Dieser Text sollte in späterer Zeit zu dem immer wieder benutzten Dokument für die kappadokische »Formel« μία οὐσία – τρεῖς ὑποστάσεις (mia usia – treis hypostaseis/ein Wesen – drei Hypostasen bzw. Einzelexistenzen) werden. Damit ist eine neue Deutung des Nizänums erarbeitet, die sich 381 durchsetzen sollte und daher mit einem gewissen Recht als »neunizänisch« bezeichnet werden kann.

Gottes Wesen – Eigenschaften

οὐσία

ὑπόστασις

μία οὐσία – τρεῖς ὑποστάσεις

16.1.2 Basilius’ Pneumatologie. Durch umfangreiche Korrespondenz und Reisetätigkeit (trotz chronischer Erkrankung, die auch seinen frühen Tod erklärt) hat Basilius ein Netzwerk aufgebaut, das nach seinem Tod und dem 16. Die neunizänische Trinitätslehre der »drei großen Kappadokier«

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ὁμότιμον

Beteiligung des Geistes an der Schöpfung

Kontakte zum Westen

Tod des Valens wirksam wurde. Unter Theodosius wurde die von Basilius entfaltete Position durch Gregor von Nazianz und Gregor von Nyssa weiterentwickelt und schließlich als offizielle Position im Konzil von Konstantinopel 381 durchgesetzt. Dies gilt, auch wenn Basilius die Gottheit des Heiligen Geistes ontologisch nicht in völliger Klarheit formuliert hat. Anstatt den Geist auch ὁμοούσιον (homousion/wesensgleich) zu nennen, belässt Basilius es dabei, ihn ὁμότιμον (homotimon/gleichwertig) zu nennen und seine Anbetung und Verehrung als Gott zu betonen. Diese Zurückhaltung geht wohl nicht nur auf eine strategische Rücksichtnahme gegenüber den Bischöfen zurück, die der Öffnung der origenistisch-eusebianischen Theologie zum Nizänum skeptisch bis ablehnend gegenüberstanden, sondern auch darauf, dass Basilius selbst den origenistisch-eusebianischen Hintergrund seiner Theologie nie abgestreift hat. Er hatte selbst erhebliche Schwierigkeiten, eine klare Zuordnung des Geistes zu Vater und Sohn zu begründen. Insbesondere kam dem Heiligen Geist traditionellerweise keine Funktion bei der Erschaffung der Welt zu. Hilfreich wurde für Basilius die Vorstellung, dass der Geist bei allen heilsgeschichtlichen Handlungen beteiligt war, und zwar schon ganz am Anfang der Schöpfung, als (noch vor der Erschaffung der Welt) die Engel geschaffen wurden. Dass der Geist hier dabei war, ergibt sich aus dem Gedanken, dass die Engel vom Heiligen Geist gleich im Moment ihrer Erschaffung geheiligt wurden. Dies markiert den Unterschied zwischen dem Heiligen Geist, der Gott ist, und den Engeln, die Geschöpfe sind. 16.1.3 Bemühungen um die Kirchengemeinschaft. Obwohl für Basilius die Einheit der Kirche ein zentraler Wert war, war er nicht bereit, für die Einheit seine theologischen Überzeugungen zur Disposition zu stellen. Dies bewies er sowohl gegenüber Eustathius von Sebaste, mit dem er 372 brach, obwohl Eustathius für Basilius’ asketische Bemühungen jahrelang von entscheidender Bedeutung gewesen war, als auch gegenüber Athanasius und dem Westen. Zweimal, 372 und 375, versuchte Basilius, angesichts der Unterstützung der Homöer durch Kaiser Valens, Unterstützung für die Sammlungsbewegung der Nizäner aus dem Westen zu gewinnen. Die entsprechenden Gesandtschaften sollten jeweils über Athanasius bzw. Petrus von Alexandria vermittelt und entsprechend befürwortet werden. Bischof Damasus von Rom blieb jedoch reserviert, weil Alexandria im antiochenischen Schisma nach wie vor Meletius von Antiochia ablehnte, zu dem Basilius in einem engen Verhältnis stand. Diese Versuche sind nicht als programmatische Bemühungen um die Überwindung der Ost-West-Spaltung zu deuten, sondern als pragmatische Bemühungen, durch die Unterstützung aus dem Westen Druck auf Kaiser Valens und die Homöer auszuüben.

16.2 Gregor von Nazianz, »der Theologe« Gregor, als Koadjutor seines Vaters in Nazianz tätig, dann von seinem Studienfreund Basilius 372 zum Bischof von Sasima gemacht, wobei er sich weigerte, das Amt in diesem unbedeutenden Dorf anzutreten, wurde 381 für wenige Monate Bischof von Konstantinopel. Als Rhetor und Literat herausragend, als Kirchenpolitiker ungeschickt agierend beruht sein Ruhm als »der 100

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Theologe«, wie die Ostkirche ihn später bezeichnete, besonders auf den fünf Theologischen Reden (Orationes 27-31), in denen er – seit 379 Leiter der kleinen Nizänergemeinde in Konstantinopel – die neunizänische Konzeption publikumswirksam vortrug. Stärker als Basilius betonte Gregor die Einheit Gottes und seines Handelns. Entsprechend formulierte er auch die Homo­ usie des Heiligen Geistes. Die trinitarische Differenzierung in drei Hypostasen sah er insbesondere in Gottes Offenbarung begründet: Der Vater ist der absolute Ursprung, der Sohn dessen Offenbarung, der Geist dessen aktuelle Zugänglichkeit für den menschlichen Geist in der Erleuchtung. Auch für die Christologie sind Gregors Ausführungen wichtig geworden (s. § 4; 3.3.2).

5 Theologische Reden

16.3 Gregor von Nyssa Nach dem Tod des Basilius führte Gregor von Nyssa die literarische Auseinandersetzung mit Eunomius fort. Er entwickelte dabei den Ansatz seines älteren Bruders beträchtlich weiter. In seinen drei Büchern Contra Eunomium (Gegen Eunomius) beschrieb er Gott insbesondere durch den Begriff der Unendlichkeit (ἀόριστος/ahoristos/unbegrenzt). Dadurch wird nicht nur deutlich, dass Gottes Wesen dem Erkennen durch endliche Wesen kategorial entzogen ist, sondern dass auch die Annäherung der Menschen an Gott immer nur ein unendlicher, niemals abgeschlossener Prozess sein kann. In der Unendlichkeit ist zugleich die Anfangslosigkeit wie die Unvergänglichkeit begründet, so dass auch Vater, Sohn und Geist ewig und ohne Änderung die eine Trinität bilden. Der Gedanke, dass Gottes Wesen unfassbar ist, wird von Gregor weiterentwickelt: Nicht einmal das Gott-Sein Gottes ist als Bezeichnung seines Wesens zu verstehen, sondern als Beschreibung einer Handlung (nämlich von θεᾶν/thean/schauen abzuleiten: als das Daraufschauen Gottes). Gregor greift origenistische Gedanken auf, so insbesondere den Gedanken, dass der trinitarische Gott in der Heilsgeschichte dereinst alles Böse aufheben wird und die Menschheit insgesamt dann ihre Vollendung findet, wozu der Einzelne jetzt schon Zugang hat: zu einer immer weiter reichenden, sicher immer weiter vertiefenden Einsicht in die Geheimnisse Gottes und seiner Offenbarung. In diesem Sinne legte Gregor von Nyssa insbesondere das Hohelied, aber auch das Leben des Mose aus.

Unendlichkeit

Wesen Gottes

Vollendung

16.4 Literatur Lektüretipp: W.-D. Hauschild: Einleitungen, in: Ders.: Basilius von Caesarea, Briefe, Bd. 1, 1990, 1-31; Bd. 2, 1973, 1-8; Bd. 3, 1993, 1-29. – V.H. Drecoll: Entwicklungen und Positionen in der Geschichte des Christentums, in: Ders. (Hg.): Trinität, 2011, 81-162 [besonders 105-117]. Quellen: H.J. Sieben (Hg.): Basilius, De spiritu sancto, FC 12, 1993 [zweisprachig]. – Ders. (Hg.): Gregor von Nazianz, Orationes theologicae, FC 22, 1996 [zweisprachig]. – V.H. Drecoll: Translations, in: Ders./M. Berghaus (Hg.): Gregory of Nyssa. The Minor Treatises on Trinitarian Theology and Apollinarism, 2011, 3-86 [dt. Übers. der kleineren trinitätstheologischen Traktate]. 16. Die neunizänische Trinitätslehre der »drei großen Kappadokier«

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Literatur: V.H. Drecoll: Die Entwicklung der Trinitätslehre des Basilius von Cäsarea, 1996. – M. delCogliano: Basil of Caesarea’s Anti-Eunomian Theory of Names, 2010. – A. Radde-Gallwitz: Basil of Caesarea, Gregory of Nyssa, and the Transformation of Divine Simplicity, 2009. – C. Beeley: Gregory of Nazianzus on the Trinity and the Knowledge of God, 2008. – F.W. Norris: Faith Gives Fullness to Reasoning, 1991 [zu Gregor von Nazianz]. – E. Mühlenberg: Die Unendlichkeit Gottes bei Gregor von Nyssa, 1966. – J. Leemans/M. Cassin (Hg.): Gregory of Nyssa, Contra Eunomium III, 2014. – M. Cassin: L’écriture de la controverse chez Grégoire de Nysse, 2012.

 § 6; 4.

17. Das Konzil von Konstantinopel 381

Homöer

Theodosius

Die Konzilien von Konstantinopel und Aquileia im Jahr 381 markieren in Ost und West das Ende des Trinitarischen Streites. Zwar verschwanden die Homöer keineswegs unmittelbar von der Bildfläche, sondern spielten in verschiedenen Zusammenhängen auch danach noch eine Rolle (so im Streit um die Basiliken in Mailand im Jahr 386, dann besonders in den nicht-römischen Bevölkerungsanteilen in den sog. gentilen Reichen; s. § 7; 2.), doch war damit ein Konsens gefunden, der für die weitere Dogmengeschichte zu einem wichtigen Bezugspunkt wurde. Möglich wurde dies durch die Veränderung der politischen Situation nach dem Tod des Valens 378, besonders den Herrschaftsantritt des Theodosius, und die theologische Überzeugungskraft der neunizänischen Position. Durch die Unterstützung des Theodosius bekam die Geltung des Nizänums nach 381 eine rechtliche Verbindlichkeit. Zugleich wurde theologisch die Drei-Hypostasen-Lehre mit einer nizänischen Theologie verbunden und um eine pneumatologische Erweiterung ergänzt. Der Text des Nizänums von 325 wurde bearbeitet, doch ist der Wortlaut erst in den Akten von Chalkedon 451 belegt. Dieser veränderte Text ist als das Nicaeno-Constantinopolitanum das einzige, die gesamte Christenheit verbindende Glaubensbekenntnis (mit der Schwierigkeit des Filioque, vgl. dazu § 5; 13.3.3). Der Text entspricht der Pneumatologie des kurz zuvor verstorbenen Basilius und wurde nach 451 auch im Westen allgemein verbreitet und anerkannt. Dies sicherte die spätere Heraushebung des Konzils von Konstantinopel als 2. Ökumenisches Konzil nach Nicäa 325.

17.1 Die Vorbereitung des Konzils durch Meletius und Theodosius

Cunctos populos

Vor einem Feldzug gegen vordringende Gotenverbände lockerte Valens 378 die Gesetze gegen die Nizäner, eventuell unter dem Einfluss des Westkaisers Gratian. Die Schlacht von Adrianopel wurde für Valens und die Homöer zur Katastrophe, Valens fiel (vgl. § 7; 2.1.3). Daraufhin ernannte Gratian (der gemeinsam mit Valentinian II., dem ersten Kindkaiser, regierte) den spanischen General Flavius Theodosius I. (vgl. § 3; 13.1.2; 13.2) zum Mitregenten für den Osten. Theodosius signalisierte bereits früh, dass er die Nizäner unterstützte, so besonders in einem am 28.2.380 erlassenen, an das Volk der Stadt Konstantinopel gerichteten Edikt mit den Anfangsworten Cunctos populos (Alle Völker; Codex Theodosianus 16,1,2; vgl. dazu § 3; 13.2.1). Es benannte den Glauben an 102

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die eine Gottheit von Vater, Sohn und Heiligem Geist als allein christlich und die Bischöfe Damasus von Rom und Petrus von Alexandria als Garanten der Orthodoxie, mit denen man übereinstimmen muss, um als rechtgläubig gelten zu können. Damit hatte Theodosius seine eigene Richtung im Sinne einer Absichtserklärung kundgetan, jedoch zugleich gezeigt, dass er mit der komplizierten Situation im Osten noch nicht vertraut war, denn gegenüber Athanasius’ Nachfolger hatte man erhebliche Vorbehalte. Meletius von Antiochia sammelte bereits 379 ca. 150 Bischöfe in Antiochia, um seine Position zu konsolidieren. Immerhin entstand hier – nach langer Reserviertheit – ein freundlicher Kontakt zu Damasus von Rom, der Gesandte nach Antiochia geschickt hatte. Nachdem Theodosius die komplizierte Lage im Osten genauer kennengelernt hatte, orientierte er seine Kirchenpolitik an Meletius’ Position und strebte auf dieser Grundlage eine synodale Verständigung der Gruppen an.

Synode in Antiochia 379

17.2 Der Verlauf des Konzils von Konstantinopel 381 Die Quellenlage für das Konzil ist schlecht, Akten sind nicht erhalten, die Ergebnisse nur in späteren Überlieferungskontexten greifbar. Die Federführung bei der Vorbereitung lag wohl bei Meletius, der als Trägerkreis zunächst seine neunizänischen Freunde einlud. Wegen der nach wie vor nicht gänzlich ausgeräumten Differenzen mit Rom und Alexandria (etwa im Hinblick auf das antiochenische Schisma) wurden westliche und ägyptische Bischöfe zunächst nicht eingeladen. Auf Wunsch des Kaisers kamen aber 36 Pneumatomachen, die allerdings nicht für eine Zustimmung zum modifizierten Nizänum gewonnen werden konnten und wieder abzogen. Nach der Ausschaltung des homöischen Bischofs von Konstantinopel Demophilus durch Theodosius wählte das Konzil erwartungsgemäß den von Theodosius unterstützten Gregor von Nazianz zum neuen Bischof von Konstantinopel. Nach Meletius’ plötzlichem Tod übernahm er wenig später auch den Konzilsvorsitz. Gregor plädierte für eine unveränderte Beibehaltung des Textes von 325 und deutliche Verurteilungen der abweichenden Positionen. Davon konnte er jedoch die Mehrheit der Meletiusgruppe nicht überzeugen. Zugleich agierte Petrus von Alexandria gegen ihn, so dass die Frage auftauchte, ob Gregor überhaupt zum Bischof von Konstantinopel hätte geweiht werden dürfen (da er doch vorher Bischof von Sasima war und Translationen als verboten galten; Gregor hielt dem entgegen, er habe das Amt in Sasima nie angetreten; auch in der Affäre des aus Ägypten entsandten Maximus, der beanspruchte, Bischof von Konstantinopel zu sein, zeigte sich das Bemühen Alexandrias, Konstantinopel für sich zu gewinnen). Als Gregor in erhitzter Debatte mit seinem Rücktritt drohte, wurde dieser rasch bewilligt, Gregor von Nazianz zog sich ins Private zurück und beurteilte das weitere Konzilsgeschehen negativ. Sein Nachfolger Nektarius führte die Versammlung der 150 Väter (im Unterschied zu der unhistorischen, aus Gen 14,14 entlehnten und symbolisch gedeuteten Zahl der 318 Väter von Nicäa 325) zu Ende. Das antiochenische Schisma konnte allerdings nicht gelöst werden, da die Meletiusgruppe nach dem Tod des Meletius sich nicht an die Abmachung hielt, den überlebenden Bischof, also den Altnizäner Paulinus, anzuerkennen, sondern einen eigenen neuen Bischof weihte, Flavian. Das 381 beschlossene Lehrdekret ist nicht erhalten, doch ist aufgrund von Nachrichten aus dem Jahr 382 so gut wie sicher, dass die Unterscheidung von der μία οὐσία (mia usia/ein Wesen) und den τρεῖς ὑποστάσεις (treis hypostaseis/drei Hypostasen bzw. Einzelexistenzen, s. § 1; 16.1.1) positiv rezipiert wurde (erhalten in dem Regest eines Synodalschreibens von 382 bei Theodoret, Historia ecclesiastica/Kirchengeschichte 5,9). Neben dem Lehrdekret und dem Glaubensbekenntnis (dazu § 1; 17.3) werden auch Ca17. Das Konzil von Konstantinopel 381

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Pneumatomachen

Gregor Patriarch von Konstantinopel

Lehrdekret

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nones auf das Konzil von Konstantiopel 381 zurückgeführt, die die Einteilung des Imperium Romanum in fünf Diözesen für den kirchlichen Bereich übernahmen: Ägypten mit Alexandria, Orient mit Antiochia (und besonderer Ehrenstellung von Jerusalem), Asia, Pontus und Thracia. Daraus entwickelten sich in der Folgezeit die Patriarchate. Der Veränderung der politischen Situation und insbesondere der Installation des Kaiserhofes (und eines neuen Senats) in Konstantinopel folgte auch die gegen Alexandrias Ansprüche formulierte Bestimmung, dass der Bischof von Konstantinopel nach demjenigen von Rom einen Ehrenvorrang haben sollte. Das lehnte Damasus strikt ab.

17.3 Das Nicaeno-Constantinopolitanum Bearbeitung des Nizänums

pneumatologischer Teil

Ekklesiologie

Die Akten des Konzils von Chalkedon 451 zeigen, dass man ein vom nizänischen Bekenntnis von 325 unterschiedenes, bearbeitetes nizänisches Bekenntnis kannte, das dem Konzil der 150 Väter zugeschrieben wurde (Synopse in TRE 24 [1994] 445-447). Leider sind die Akten von Chalkedon im Hinblick auf den genauen Wortlaut nicht eindeutig (weil der Text in zwei Sitzungen angeführt wurde und in einem Teil der Überlieferung in zwei Varianten überliefert ist), doch lässt sich die Grundstruktur erkennen, die auf die Bearbeitung von 381 zurückgehen dürfte. Die Herkunft dieser Änderungen im sog. Nicaeno-Constantinopolitanum ist in der Forschung unterschiedlich beurteilt worden: a) als Versuch, einen Bekenntnistext zu formulieren, der auch von den Pneumatomachen angenommen werden könnte (Ritter), b) als Bearbeitung aus Antiochia, eventuell im Zusammenhang mit der Synode von Antiochia 379 und unter Einbeziehung von Wendungen aus dem Westen (Staats, Gerber), c) als Einarbeitung einer aus dem Westen stammenden Bearbeitung des Nizänums, die mit dem Konzil von Antiochia 379 zusammenhängen dürfte (Abramowski), d) als sprachliche Glättungen im Hinblick auf die liturgische Praxis (Hauschild). Der Text ist insbesondere im christologischen Teil erweitert, enthält nach wie vor das ὁμοούσιος (homousios/ wesensgleich) für den Sohn, streicht am Ende die Anathematismen, die sich gegen Arius richten, und erweitert den pneumatologischen Teil. Über den Heiligen Geist wird nicht die Homousie ausgesagt, sondern ganz im Duktus der Theologie des Basilius, dass der Heilige Geist herrschend (Adjektiv im Neutrum: κύριον/kyrion/herrschend) und lebensschaffend (Joh 6,63) ist, dass er aus dem Vater hervorgeht (Joh 15,26), dass er mit dem Vater und dem Sohn angebetet und verherrlicht wird (Homotimie) und durch die Propheten geredet hat. Die so formulierte Pneumatologie schließt die Theologie der Pneumatomachen aus, ist aber im Hinblick auf das origenistische Erbe der östlichen Theologie zurückhaltend formuliert. Inwiefern hinter dieser Theologie insbesondere Gregor von Nyssa steht, ist im Einzelnen nicht mehr erkennbar. Inhaltlich wird in dem pneumatologischen Teil das Bemühen deutlich, den Heiligen Geist als in der Kirche und im Gläubigen wirksame Größe neu zu bedenken. Die Pneumatologie des Nicaeno-Constantinopolitanums drückt aus, dass menschlicher Zugang zu Gott nur durch den Heiligen Geist – und damit nur im Raum der Kirche – ermöglicht werde, und 104

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dass Kirche nicht nur der Ort einer institutionalisierten Heilsvermittlung ist, sondern zugleich eine spirituelle und charismatische Realität. Dies war besonders für die östliche monastische Theologie eine wichtige Grundlage.

17.4 Ausschaltung der Häretiker In einem Canon des Konzils von Konstantinopel wird ein umfassender Katalog von Ketzern genannt, die fortan ausgeschlossen sein sollen: Eunomianer (Heterousianer), Arianer (also Homöer), Semiarianer (gemeint sind die Pneumatomachen), Sabellianer, Markellianer, Photinianer und Apollinaristen. Im Westen erfolgte mit der Synode von Aquileia 381 unter der Führung des Ambrosius eine richtungsweisende Verurteilung der Homöer (um Palladius von Ratiaria). Gegen die genannten Gruppen setzten nach 381 gesetzliche Maßnahmen ein: In zwei Dekreten vom Juli 381 wurde den Heterousianern und den Homöern der Kirchbau verboten und die Auslieferung aller Kirchen an die »katholischen« (d.h. die nizänischen) Bischöfe befohlen (Codex Theodosianus 15,5,8; 1,3). Zwar bemühte sich Theodosius, im Jahr 383 durch ein umfassendes Gespräch zwischen Homöern (Demophilus), Pneumatomachen (Eleusius von Kyzikus) und Heterousianern (Eunomius) auch diese Gruppen in den neuen Konsens einzubinden, doch scheiterte dies. Ab 383 erschien eine Fülle von Häretikergesetzen, die Versammlungsverbote, Verbote von Ordinationen und Ämtern, Beschlagnahmung der Kirchengebäude und Exilierungen vorsahen. Damit zeigte sich, dass die Entscheidung von 381 gesetzliche Wirkungen hatte, die entsprechend umgesetzt wurden.

Gesetze

17.5 Literatur Lektüretipp: W.-D. Hauschild: Das trinitarische Dogma von 381 als Ergebnis verbindlicher Konsensusbildung, in: K. Lehmann/W. Pannenberg (Hg.): Glaubensbekenntnis und Kirchengemeinschaft, 1982, 13-48. Quellen: J. Wohlmuth (Hg.): Conciliorum Oecumenicorum Decreta/Dekrete der Ökumenischen Konzilien, Bd. 1, 1998, 20-35. – A.M. Ritter: Concilium Constantinopolitanum I 381, in: G. Alberigo (Hg.): Conciliorum Oecumenicorum generaliumque Decreta, 2006, 35-70. Literatur: A.M. Ritter: Das Konzil von Konstantinopel und sein Symbol, 1965. – R. Staats: Das Glaubensbekenntnis von Nizäa-Konstantinopel, 1996. – S. Gerber: Theodor von Mopsuestia und das Nicänum, 2000. – L. Abramowski: Was hat das Nicaeno-Constantinopolitanum (C) mit dem Konzil von Konstantinopel zu tun?, Theologie und Philosophie 67 (1992) 481-513. – W.-D. Hauschild: Nicäno-Konstantinopolitanisches Glaubensbekenntnis, TRE 24 (1994) 444-456. – V.H. Drecoll: Wie nizänisch ist das Nicaeno-Constantinopolitanum?, ZKG 10 (1996) 1-18. – P. Gemeinhardt: Die Filioque-Kontroverse, 2002.

 § 4; 3.-4.

18. Die Trinitätslehre der lateinischen Kirche Die westliche Tradition war seit Tertullian und Kallistus durch den Gedanken der Einheit der Trinität geprägt. Die traditionelle Redeweise von una substantia – tres personae war weitgehend akzeptiert, was auch eine positive Rezeption des Nizänums ermöglichte. Eine genauere Reflexion des ὁμοούσιος (homousios/wesensgleich) fehlte zunächst und sollte erst in den 17. Das Konzil von Konstantinopel 381

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Synode von Serdika 343

Nizäner

Neuplatonismus

fünfziger Jahren des 4. Jh.s einsetzen. Vorher bezog man sich, wenn man das Nizänum für sich beanspruchte, auf die westliche Synode von Serdika zurück. Dort war die Lehre von der einen substantia ausdrücklich befürwortet worden, was zugleich die Ablehnung von drei ὑποστάσεις (hypostaseis/Hypostasen bzw. Einzelexistenzen) implizierte (wegen der sprachlichen Parallele ὑπό-στασις = sub-stantia). Aufgeschlossenheit für die östliche Trinitätslehre bekundete erstmals Hilarius von Poitiers um 358; seine Trinitätslehre war ein interessanter Versuch, Einheit und Dreiheit zu begründen. Zugleich entwickelte er eine Sensibilität dafür, dass eine homöusianische Trinitätslehre (für die es im Westen kein direktes Pendant gab) nicht automatisch »Arianismus« war. Dies bereitete die spätere Öffnung gegenüber der neunizänischen Lösung wesentlich mit vor. Die Rezeption der neunizänischen Terminologie und Ausrichtung, besonders auch im Hinblick auf die Pneumatologie, ist das Verdienst des Ambrosius, der als Bischof von Mailand eine eindeutig nizänische Position einnahm und literarisch auf Kaiser Gratian einzuwirken versuchte (durch die beiden Schriften De fide/Über den Glauben und De spiritu sancto/Über den Heiligen Geist). Dieser Position schloss sich auch Damasus von Rom an. Die nizänische Position verband sich bei Ambrosius mit einer auffälligen Neuplatonismusrezeption. Diese Verbindung von Neuplatonismusrezeption und Nizänertum hatte ihr Vorbild in Marius Victorinus, der als berühmter Rhetor erst spät Christ geworden war. Die Trinitätslehre des Ambrosius und des Marius Victorinus rezipierte dann Augustin, der hieraus eine eigenständige, besonders prononcierte Trinitätslehre entwickelte (so besonders in seinem trinitätstheologischen Hauptwerk De trinitate/Über die Trinität, verfasst 399-419). Augustins Trinitätslehre hat die westliche Theologie nachhaltig geprägt.

18.1 Hilarius von Poitiers Exil im Osten Homöusianer

Wegen seines Widerstandes gegen die Kirchenpolitik des Konstantius und die Homöer in Gallien wurde Hilarius (ca. 315-367/368) 356 nach Kleinasien verbannt, wo er bis 360 blieb und dabei die komplexe Diskussionlage im Osten kennenlernte. Besonders die Position der Homöusianer, die die Gleichheit zwischen Vater und Sohn auch explizit auf das Wesen beziehen wollten, hielt er für anknüpfungs- und entwicklungsfähig, ohne seinen eigenen Bezug auf das Nizänum in Frage zu stellen. In seinen 12 Büchern De trinitate (Über die Trinität) entwarf er das Ideal einer mittleren, die Extreme des Arianismus und des Sabellianismus vermeidenden Trinitätslehre, die neben der Homousie (= una substantia, natura, essentia/eine Substanz, Natur, ein Wesen) die Differenzierung der Personen reflektierte. Besonders rezipierte er den Gedanken, dass die Verschiedenheit der Personen durch ihre proprietates (Eigentümlichkeiten) gekennzeichnet ist. Dabei näherte sich sein Verständnis von persona dem Hypostasenbegriff an (vgl. De trinitate 2,1): Das Taufbekenntnis zeigt den Vater als Urheber aller Dinge (auctor), den Eingeborenen als Vermittler und den Geist als Gabe an.

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18.2 Ambrosius von Mailand und Damasus von Rom Während Liberius von Rom (Pontifikat 352-366) in traditioneller Weise das Nizänum vertrat, konnte Konstantius 355 in der Kaiserresidenz Mailand den Homöer Auxentius etablieren. Nach dessen Tod 373 wurde mit Ambrosius ein Kandidat gefunden, von dem wenn nicht eine homöische Politik, so doch eine dem Homöertum gegenüber offene Politik erwartet werden konnte; denn Ambrosius war vorher am homöisch geprägten Hof in Sirmium tätig und dann 370 Provinzstatthalter von Ligurien (Provinzhauptstadt: Mailand) geworden. Ambrosius wandte sich jedoch nach seiner Weihe 374 sehr schnell dem Nizänertum zu. Da auch der Nachfolger des Liberius, Damasus von Rom (Pontifikat 366-384), Nizäner war, waren die beiden wichtigsten Bischofsstühle Italiens von zwei machtbewussten und taktisch versierten Nizänern besetzt. Dies führte dazu, dass auf einer Synode in Aquileia im Jahr 381 die Homöer verurteilt wurden. Damasus von Rom, der an dieser Entscheidung nicht beteiligt war, beanspruchte, die letzte Beurteilungsinstanz für die Richtigkeit einer Lehre zu sein und verdeutlichte diesen Anspruch durch verschiedene Erlasse. 379 und 381 schickte er Gesandte in den Osten, um auch dort seine Ansprüche durchzusetzen, was jedoch nicht gelang. 18.2.1 Die Position des Damasus. Aus der Kanzlei des Damasus von Rom ergingen verschiedene Lehrschreiben, in denen Damasus das traditionelle westliche Profil der Trinitätslehre fortsetzte. Er betonte die Einheit der divinitas (Gottheit), die Unteilbarkeit der potestas (Macht) bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der tres personae (drei Personen). Die Zeugung des Sohnes führt nicht zu einem Abfall der Gottheit, daher ist der Sohn auch im Hinblick auf das Wesen mit dem Vater gleich, wahrer Gott von wahrem Gott (so das Lehrschreiben, das nach seinen Anfangsworten Ea gratia/In dieser Gnade heißt; DH 144). Eventuell hat eine von Damasus versammelte Synode 377/378 auch schon Anathematismen aufgestellt, doch ist die Überlieferungssituation der entsprechenden Texte verworren. Halbwegs sicher scheint zu sein, dass Damasus nach 381, in Reaktion auf die Synode von Konstantinopel wie auf die von Ambrosius dominierte Synode von Aquileia, 382 eine Synode in Rom versammelt hat, die 24 Anathematismen gegen eine homöische Trinitätslehre erließ (der sog. Tomus Damasi/Schreiben des Damasus; DH 152-177). Inwiefern Hieronymus, der 382-385 am Hof des Damasus arbeitete, an diesem Dokument Anteil hatte, ist unklar. 18.2.2 Die Trinitätslehre des Ambrosius. Die Hintergründe für die Hinwendung des Ambrosius zum Nizänertum sind undeutlich, so ist im Besonderen unklar, ob der Presbyter und spätere Nachfolger des Ambrosius, Simplician, daran Anteil hatte. Ambrosius gelang es jedenfalls schnell, die Mailänder Kirche dem Nizänertum zuzuführen. Die Homöer bekämpfte er entschieden, indem er sie – hierin der Argumentation des Athanasius folgend – schlichtweg als Arianer diskreditierte. Zugleich wandte er sich an den Kaiser Gratian, und zwar mit seiner Schrift De fide (Über den Glauben) in fünf Büchern (Bücher 1-2 um 378 oder etwas später, Bücher 3-5 um 380), in denen er eine ins Lateinische transferierte neunizänische Trinitätslehre entfaltete, wie er sie vermutlich kurz zuvor in Predigten vorgetragen hatte. Diesem Duktus entsprechend bemühte sich Ambrosius um eine biblische Begründung seiner Trinitätslehre. Wie in der Exegese (Genesisauslegung) 18. Die Trinitätslehre der lateinischen Kirche

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Synode in Aquileia 381

Ea gratia

Tomus Damasi

Schrift an den Kaiser

Predigten

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Eigenschaften

Palladius von Ratiaria

Konflikt um Basiliken in Mailand

rezipierte er insbesondere die Theologie des Basilius, dessen Argumentation er auch in seinem Werk De spiritu sancto (Über den Heiligen Geist, um 381) aufgriff. Wie Basilius und Athanasius machte er den Gegensatz Schöpfer – Geschöpf zum Angelpunkt der Argumentation: Der substantia der Geschöpfe steht die substantia Gottes gegenüber, die durch die göttlichen und in sich nicht abzustufenden Eigenschaften der Gottheit wie Ewigkeit, Allmacht etc. gekennzeichnet ist. Vater, Sohn und Geist wirken in der Heilsgeschichte immer gemeinsam, was auf ihren inneren Zusammenhang verweist. Die Personen beschrieb Ambrosius als durch die proprietates (spezifische Eigenschaften) bestimmt: Vaterschaft, Gezeugtsein (generatio) und Hervorgehen (processio) kennzeichnen so die drei Personen. Auf der Synode von Aquileia 381 kam es zu einem großen Disput mit dem nach dem Tod des Auxentius führenden homöischen Theologen, Palladius von Ratiaria, dem Ambrosius vorwarf, ganz wie Arius zu denken. Die homöische Position war nach 381 im Westen ohne Perspektive, auch wenn die Kaiserinmutter Iustina (in ihrer Funktion als Quasi-Regentin für den Kinderkaiser Valentinian II. nach dem Tod des Gratian 383) eine homöische Politik wiederzubeleben versuchte. Die entsprechenden Bemühungen im Jahr 386, in Mailand wichtige Kirchen den Homöern zur Verfügung zu stellen, scheiterten an Ambrosius. Die Kirchen wurden von dessen Anhängern besetzt, woraufhin der Kaiserhof mit Strafzahlungen und dem Aufmarsch von Soldaten reagierte. Obwohl ausgerechnet in der Karwoche die Eskalation drohte, verweigerte Ambrosius nach wie vor die Herausgabe der Kirchen. Wegen des massiven Widerstands auch in der Bevölkerung sah der Kaiserhof schließlich doch von einer gewaltsamen Lösung des Konflikts ab, was Ambrosius als großen Erfolg der nizänischen Sache feierte. Die wenig später erfolgte Auffindung der Gebeine der Märtyrer Protasius und Gervasius deutete er als Bestätigung dafür, dass Gott die nizänische Sache zum Sieg geführt hatte.

18.3 Marius Victorinus: Sein und Dynamik Gottes

subsistentia

Zostrianus

Eine bedeutungsvolle Konzeption entwarf der um 355 in Rom zum Christentum übergetretene, berühmte Rhetor Marius Victorinus nach 360 (das Todesdatum ist unbekannt). Er entwickelte eine metaphysisch-philosophische Begründung der Trinitätslehre, unter Aufgriff platonischen Gedankenguts und in stetiger Orientierung an dem biblischen Sprachgebrauch. Er beschäftigte sich in seinem Hauptwerk Adversus Arium (Gegen Arius, 4 Bücher) intensiv mit dem homöischen Vorwurf, der Begriff substantia (Substanz) bzw. οὐσία (usia/Wesen) sei unbiblisch, und versuchte, die sachliche Notwendigkeit der Rede von dem einen Wesen exegetisch zu plausibilisieren. Für die ontologische Terminologie stellte er den Begriff persona in Frage (auf dem Hintergrund, dass per-sona eigentlich das »Hindurchtönen« durch die vorgehaltene Theatermaske, d.h. die »Rolle« meinte, parallel zu πρόσωπον/prosōpon/Person; Vater, Sohn und Geist als drei »Rollen« des einen Gottes zu verstehen, bedeutete aber »Sabellianismus«) und entwickelte den Kunstbegriff der subsistentia: una substantia – tres subsistentiae wäre die eigentlich angemessene Formulierung. Diese Sprachregelung sollte sich in der lateinischen Theologie nicht durchsetzen, zeigt jedoch Victorinus’ intensive Beschäftigung mit der griechischen Terminologie. Neben dem biblischen Bezug griff Victorinus auch auf platonische Ontologie zurück. Wie eine fast wörtliche Parallele zu einem Abschnitt im koptischen gnostischen Nag Hammadi-Traktat Zostrianus (benannt nach dem Offenbarungsempfänger Zostrianus; Nag Hammadi Codex VIII,1) zeigt, benutzte er dabei auch philosophisches Material, dessen Charakter und Provenienz in der Forschung freilich umstritten ist (entweder handelt es sich um ein mittelplatonisches Lehrstück, das parallel von Victorinus und dem Verfasser der Nag Hammadi-Schrift rezipiert wurde, oder Victorinus hat eine frühere griechische Version des Zostrianus benutzt, wie sie nach der Auskunft des Por108

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phyrius auch in der Schule Plotins gelesen worden war). Jedenfalls überträgt Victorinus das philosophische Denkproblem, wie das höchste Prinzip trotz völliger Transzendenz auf die Welt einwirken bzw. diese gestalten, formen und erlösen kann, auf die Trinitätslehre. Um dieses Problem zu bearbeiten, griff Victorinus u.a. auf das Denkmodell von Potentialität und Verwirklichung zurück: Gottes Sein ist pure Potentialität, die selbst noch nicht ist, die aber in sich die Potentialität des Seins (esse), Lebens (vivere) und Erkennens (intellegere) beinhaltet. Durch den Sohn wird diese Potentialität verwirklicht, d.h. das, was im Vater potentiell vorhanden ist, wird Wirklichkeit, wobei diese Wirklichkeit einerseits statisch ist (Sein), andererseits dynamisch. Diese Dynamik besteht besonders aus zwei Aspekten, nämlich dem Leben und dem Erkennen. Das Leben meint die Fülle der Schöpfungstätigkeit, die insbesondere mit dem Wirken des Sohnes verbunden wird, das Erkennen wird durch den Heiligen Geist bewirkt und führt zur Rückkehr zu Gottes Fülle. Somit ist die verwirklichte Seite Gottes in ihrer Dreifachheit als Sein, Leben und Erkennen zu beschreiben, die jedoch ontologisch auf das eine (potentielle und völlig transzendente) Sein zurückgeführt wird. Der Einfluss dieser Trinitätslehre auf Augustin ist im Einzelnen schwer zu bestimmen, doch könnte insbesondere Victorinus’ Versuch, die Zusammengehörigkeit von Vater, Sohn und Geist mit Vorgängen im Inneren des Menschen zu plausibilisieren, anregend gewirkt haben. Die weitere Wirkungsgeschichte des Victorinus ist weitgehend unklar, doch dürfte Victorinus über Boethius und Eriugena die lateinische Trinitätslehre nachhaltig beeinflusst haben.

Potentialität – Verwirklichung Sein – Leben – Erkennen

 § 6; 6.

18.4 Augustins Trinitätslehre Da das bestimmende Thema der augustinischen Theologie die Frage ist »Wie setzt sich die Wirklichkeit Gottes in der Welt und insbesondere im Menschen durch?«, kommt der Trinitätslehre fundamentale Bedeutung zu. Augustin hat diese nicht als abstrakte Spekulation über Gottes Wesen entworfen, sondern auf dem Hintergrund seiner Soteriologie, Christologie und Pneumatologie formuliert. Nicht zufällig hat er sich mit diesem Thema lange und intensiv beschäftigt: außer in Briefen, Predigten und Bibelkommentaren besonders intensiv in seinem Werk De trinitate (Über die Trinität, begonnen um 399, Abschluss der Arbeiten zwischen 419 und 426). Ausgehend vom biblischen Zeugnis über das Handeln von Vater, Sohn und Heiligem Geist sowie der bereits als unumstritten orthodox geltenden nizänischen Lehre hat Augustin den Versuch unternommen, die Plausibilität der Trinitätslehre durch denkerische Rekonstruktion zu erweisen. Augustin ist gegenüber der klassischen ontologischen Terminologie in zweierlei Hinsicht skeptisch: a) Den Begriff der substantia (Substanz) möchte er lieber durch den der essentia (Wesen, Sein) ersetzt sehen, da hierdurch der Zusammenhang mit dem esse (Sein) besser ausdrückbar erscheint und die Implikationen des Substanzbegriffs (besonders die Unterscheidung Substanz – Akzidentien) nicht in der Trinitätslehre präsent wären, b) Der Begriff persona erscheint ihm problematisch, denn entweder fasst man den Begriff als etwas auf, was ad se (in Bezug auf sich selbst) ausgesagt wird, dann ist der Begriff von dem der substantia nicht mehr unterscheidbar, oder man fasst den Begriff als etwas auf, was ad aliquid (in Bezug auf etwas Anderes) 18. Die Trinitätslehre der lateinischen Kirche

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Skepsis gegenüber ontologischen Begriffen

persona

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Eigenschaften Gottes

Untrennbarkeit des Handelns Gottes

relata

Hervorgehen des Geistes

ausgesagt wird, dann ist jedoch nicht verständlich, warum die persona filii (die Person des Sohnes) nicht das Verhältnis des Sohnes zum Vater, sondern den Sohn selbst in seiner Eigenständigkeit ausdrücken soll. Zwar gesteht Augustin ein, dass er keinen Alternativvorschlag für den Begriff persona zu bieten hat, weswegen er den Begriff als Notlösung weiterhin zurückhaltend benutzt, doch wird zugleich deutlich, dass die denkerische Plausibilität des Zusammenhangs von Vater, Sohn und Geist nicht von dem Begriff der persona aus entwickelt werden kann. Über die griechische Terminologie geht Augustin ebenfalls schnell hinweg, mit dem Hinweis, ihm habe sich der Sinn der Unterscheidung von οὐσία (usia/Wesen) und ὑπόστασις (hypostasis/Hypostase bzw. Einzelexistenz) nicht erschlossen. Die klassische Eigenschaftslehre greift er auf, betont aber, dass Gott nicht Eigenschaften hat, sondern diese selbst in höchster Vollkommenheit ist (Weisheit, Macht, Güte, Heiligkeit etc.). Das Handeln der trinitarischen Personen ist zwar im Einzelnen aufgrund des biblischen Zeugnisses durchaus einer der Personen zuschreibbar, doch ergibt sich gerade in der Betrachtung des Handelns Gottes in der Welt, dass Vater, Sohn und Geist immer untrennbar zusammenwirken (inseparabilia sunt opera trinitatis/Untrennbar sind die Werke der Trinität). Unterscheidbar sind Vater, Sohn und Geist aber sehr wohl im Hinblick auf ihr gegenseitiges Verhältnis (da sie nicht austauschbar sind), entsprechend ist ihr Verhältnis untereinander für ihre jeweilige Eigenständigkeit konstitutiv. Zwar benutzt Augustin nicht den Begriff der relatio (Beziehung), doch beschreibt er das Verhältnis von Vater, Sohn und Geist untereinander als relata (aufeinander Bezogene). Vater und Sohn bezeichnen dabei eine Beziehung, die eine unumkehrbare Richtung besitzt (ausgedrückt durch die Zeugung). Die Verbindung zwischen beiden beschreibt Augustin als Liebe, die er mit dem Heiligen Geist verbindet. Insofern ist der Geist das vinculum caritatis (Liebesband) zwischen Vater und Sohn. Der Geist geht dabei vom Vater aus. Da jedoch der Vater alles, was er hat, an den Sohn weitergibt, geht der Geist in einem abgeleiteten Sinne auch vom Sohn aus. Dies hat später zu der Ergänzung der Aussage aus dem Nicaeno-Constantinopolitanum geführt, der zufolge der Geist aus dem Vater hervorgeht (Joh 15,26), indem das Wort filioque (und aus dem Sohn) ergänzt wurde (s. § 5; 13.3.3). Um die Einheit und zugleich Dreiheit von Vater, Sohn und Geist denkerisch zu durchdringen, greift Augustin zu einer Analyse des menschlichen Geistes, in dessen Funktionen sich vestigia (Spuren) der Trinität wiederfinden. In dieser Hinsicht entwickelt Augustin insbesondere die Triaden mens – notitia – amor (Geist – Erkenntnis – Liebe) und memoria – intellegentia – voluntas (Gedächtnis – Erkenntnis – Wille). Diese Beschreibung von Spuren führt Augustin zu einer philosophisch differenzierten Psychologie, die jedoch ihrerseits von der gesuchten Analogie zur Trinitätslehre abhängig ist. Daher ist es besser, Augustins Trinitätslehre nicht als »psychologische Trinitätslehre« (so Schmaus) zu bezeichnen, da nicht psychologische Gegebenheiten auf die Trinität übertragen werden, sondern umgekehrt die Trinitäts110

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lehre bei der Betrachtung der Seele wiederentdeckt und so veranschaulicht wird. 18.4.1 Entwicklung der augustinischen Trinitätslehre. Augustin hat sich seit seiner frühen Zeit mit der Trinitätslehre beschäftigt. Er nennt sie bereits als einen zentralen Gegenstand der manichäischen Lehre, und versteht hier Christus als die virtus et sapientia (Kraft und Weisheit, gemäß 1 Kor 1,24). Die Christologie gehört für ihn von Anfang an zum unverzichtbaren Bestand seines Denkens. In der Begegnung mit dem Denken des Ambrosius rezipiert er dessen nizänische Trinitätslehre, die ihm zugleich die Rezeption der neuplatonischen Ontologie ermöglicht. Die Symbiose aus beidem wird etwa in dem berühmten Eingangsgebet der Frühschrift Soliloquia (Alleingespräche) deutlich, in dem teilweise eine trinitarische Struktur durchschimmert. In De vera religione (Über die wahre Religion) entwirft Augustin bereits Grundzüge seiner Trinitätslehre, wobei er – ähnlich wie Marius Victorinus – den trinitarischen Personen bestimmte Funktionen zuschreibt: Der Vater ist der Ausgangspunkt allen Seins, der Sohn gibt die Form, was auf dem platonischen Hintergrund (Form als Idee bzw. ihre Summe als παράδειγμα/ paradeigma/Urbild, vgl. § 1; 7.) zugleich als Gegenstand der Erkenntnis anzusehen ist, schließlich ist der Heilige Geist dafür zuständig, das Wollen der Geschöpfe auf Gott hin auszurichten, ihnen Liebe zu schenken. Damit wird deutlich, dass der Sohn insbesondere mit dem Gedanken der Erkenntnis, der Schöpfung und Erlösung verbunden wird, der Geist insbesondere mit dem Gedanken des Wollens und der Liebe. Der Sohn ist Gegenstand der Erkenntnis und Nachahmung, der Geist Gabe und Kraft. In De trinitate greift Augustin in vielfacher Weise auf die frühen Ansätze zurück, außerdem steht er auf dem Boden der trinitätstheologischen Diskussion des 4. Jh.s. Der »Arianismus« ist zwar in seinem Werk präsent, aber nur als häretische und überwundene Größe der Vergangenheit und ohne direkte Quellenkenntnis. Erst nach 419 hat Augustin Kontakt mit homöischem Gedankengut. Die Auseinandersetzungen mit dem Militärbischof Maximinus, der mit den Vandalen nach Nordafrika kommt, haben dann zu zwei wichtigen trinitätstheologischen Spätwerken geführt, die im Frühmittelalter stark rezipiert wurden (Collatio cum Maximino/Gespräch mit Maximinus und Contra Maximinum/Gegen Maximinus). In diesen Auseinandersetzungen konnte Augustin auf sein Hauptwerk De trinitate bereits zurückgreifen. Augustin bemüht sich in den Büchern 1-4 von De trinitate um eine Diskussion der biblischen Aussagen zu Vater, Sohn und Geist. Hieran entwickelt er insbesondere deren stetige Zusammengehörigkeit. Beispielhaft lässt sich dies an der Jordantaufe Jesu erkennen: Jesus steht als Inkarnierter im Wasser, der Vater spricht Du bist mein geliebter Sohn, und der Geist steigt als Taube vom Himmel herab (Mt 3,16f.). Zwar lässt sich jede Person unverwechselbar beschreiben, doch ist das Geschehen nur als Zusammenwirken von allen dreien zu verstehen. Das biblische Zeugnis sichert für Augustin die Richtigkeit der nizänischen Lehre ab, die er ab Buch 5 näher durchdringen will. Die dabei entwickelte Skepsis gegenüber den Begriffen substantia und persona führt ab Buch 9 zu einem Neuansatz in der Trinitätslehre (s. § 1; 18.4.2). Tragend wird dabei die Vorstellung, dass Vater und Sohn in einem unlösbaren Aufeinander-Bezogensein zu denken sind: Der Vater ist nicht Vater ohne den Sohn. Der Sohn ist alles, was der Vater ist, Vater und Sohn haben nicht nur die göttlichen Eigenschaften, sondern ihr einheitliches Sein ist durch die göttlichen Eigenschaften konstituiert. Wenn der Vater aber alles an den Sohn weitergibt, was er selbst hat (vgl. Joh 5,26), und es zum Vater gehört, dass aus ihm der Geist hervorgeht, so ist dies aufgrund der Gemeinsamkeit von Vater und Sohn auch vom Sohn auszusagen. 18. Die Trinitätslehre der lateinischen Kirche

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Christologie

Funktionen von Vater, Sohn und Geist

Maximinus

biblische Grundlagen

Filioque

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Entsprechend kann Augustin formulieren, dass der Geist principaliter (im prinzipiellen Sinne bzw. im Hinblick auf den Ursprung) aus dem Vater hervorgeht, aber communiter (im Hinblick auf die Gemeinschaft) aus Vater und Sohn (ex patre filioque) (De trinitate 15,47). Das Filioque bei Augustin betont also eigentlich, dass der Sohn im Hinblick auf den Geist nicht unbeteiligt bzw. passiv ist. Augustin kannte noch nicht den Wortlaut des Nicaeno-Constantinopolitanums, so dass ihm nicht in den Sinn kam, mit seinen Formulierungen einen Bekenntnistext zu präzisieren oder umzudeuten.

Selbstliebe

mens – notitia – amor

memoria – intellegentia – voluntas

18.4.2 Psychologische Triaden in De trinitate. Augustins Suche nach Plausibilisierungen des Zusammenhangs von Einheit und Dreiheit greift exakt die drei Funktionen wieder auf, die bereits in den Frühschriften präsent waren, so besonders das Nebeneinander von Erkenntnis und Wollen/Liebe. Dies ist schon in der Trias mens – notitia – amor (Geist – Erkenntnis – Liebe) der Fall. Die mens ist Subjekt des Liebens. Augustin betrachtet nun die besondere Situation der Selbstliebe. Hier gibt es nämlich kein externes Objekt der Liebe, sondern der Geist ist zugleich Subjekt wie Objekt der Liebe. An diesem Fall zeigt sich, dass der Geist zwar nicht mit der in ihm seienden Liebe identisch ist, aber beide untrennbar voneinander vorzustellen sind. Nun ist Liebe jedoch nicht möglich ohne Kenntnis, also ist zusätzlich zu mens und amor auch die notitia vorauszusetzen. Augustin erhält so die Trias mens – notitia – amor, die den unlösbaren Zusammenhang und die zugleich gegebene Differenzierung als aufeinander bezogen ausdrückt. Damit ist zugleich der Unterscheidung von ad se dictum (ausgesagt in Bezug auf sich selbst) und ad aliquid dictum (ausgesagt in Bezug auf etwas Anderes) Rechnung getragen. Der sich selbst liebende und kennende Geist kann nur eins mit sich selbst sein (ad se), zugleich aber ergibt sich eine Binnendifferenzierung, deren einzelne Glieder nicht austauschbar sind, sondern durch ihr Verhältnis zueinander geprägt sind (ad aliquid). Den Gedanken des immer schon vorausgesetzten Sich-Selbst-Kennens entwickelt Augustin in Buch 10 noch weiter, und zwar durch die Unterscheidung von se nosse (Sich-Kennen/UmSich-Wissen, dem intuitiven, immer schon gegebenen Wissen um sich selbst, das jede Selbstreflexion überhaupt erst möglich macht) und se cogitare (SichDenken, dem bewussten Reflektieren und Nachdenken über sich selbst). In den Büchern 11-15 entwickelt Augustin in einem zweiten Ansatz eine weitere Triade, nämlich die von memoria – intellegentia – voluntas (Gedächtnis – Erkenntnis – Wille). Diese drei Funktionen des menschlichen Geistes wählt er schlicht aus (die Dreizahl lässt sich also nicht aus der Psychologie ableiten), es sind aber wohl kaum zufällig die Funktionen, die sich mit den in den Frühschriften entwickelten Funktionen der trinitarischen Personen besonders gut verbinden lassen. Entscheidend ist an dieser Triade, dass jeder der drei Vorgänge, Gedächtnis, Erkenntnis und Wollen – jedenfalls im Fall der Selbstreflexion des menschlichen Geistes – nicht ohne die jeweils anderen beiden vorstellbar ist. Im Fall eines auf sich selbst gerichteten Selbstbezuges gilt: Gedächtnis umfasst Wissen und Wollen, Wissen Gedächtnis und Wollen und Wollen Gedächtnis und Wissen. Zugleich betont Augustin, dass 112

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er nicht den Vater mit dem Gedächtnis, den Sohn mit dem Wissen und den Geist mit dem Wollen identifizieren wolle, Argumentationsziel ist vielmehr der Aufweis der Tatsache, dass etwas sehr wohl eines und zugleich dreifach sein kann. Gleichwohl ergibt sich eine auffällige Nähe zu den Funktionen der trinitarischen Personen, weil der Sohn die Erkenntnis vermittelt, der Geist das gute Wollen, d.h. die Liebe. Weil Augustin von der Trinitätslehre aus psychologische Erwägungen anstellt, ließe sich eher von einer trinitätstheologisch begründeten Psychologie reden als von einer psychologischen Trinitätslehre (so der klassische Terminus von Schmaus).

18.5 Das sog. Athanasianum (Symbolum Quicumque) Weitgehend von Augustins Trinitätslehre abhängig ist das Athanasianum, das nicht von Athanasius stammt, aber in einem Teil der Überlieferung diesem zugeschrieben wird. Nach seinem Anfangswort ist es daher sachgemäßer als Symbolum Quicumque (Das Bekenntnis »Wer auch immer ...«) zu bezeichnen. Es ist nicht wie das Apostolikum und das Nicaeno-Constantinopolitanum trinitarisch aufgebaut, sondern enthält in einem ersten Teil eine augustinische Trinitätslehre (incl. der Eigenschaftslehre und dem Filioque), im zweiten Teil eine auf der westlichen Rezeption des Chalcedonense (s. § 4; 10.3) beruhende Christologie. Der Text beruht auf verdichtenden Rezeptionen augustinischer Theologie, wie sie bei Fulgentius von Ruspe und Vinzenz von Lérins belegt sind. Dabei sind insbesondere die Texte aus der Auseinandersetzung mit Maximinus benutzt worden, die Entstehungzeit dürfte im späteren 6. oder frühen 7. Jh. zu suchen sein (vermutlich in Gallien). Das Symbolum Quicumque hat früh als Lerntext in der Klerikerausbildung gedient, gleichsam als Basistext für die theologischen Grundfragen der Trinitätslehre und Christologie, als solcher ist es im 7. Jh. belegt. Im 8. und 9. Jh. entstanden zahlreiche Kommentierungen des Werkes, die seine Rezeption ab der Karolingischen Renaissance beförderten. In der Scholastik wurde der Text mit dem Apostolikum und dem Nicaeno-Constantinopolitanum zusammengestellt. Diese drei altkirchlichen Bekenntnisse haben auch die reformatorischen Theologen rezipiert, daher steht das Symbolum Quicumque auch im Konkordienbuch (Die Bekenntnisschriften der Evangelisch-Lutherischen Kirche, 2014, 37-60 [bearbeitet von A.M. Ritter]; zweisprachig). Damit unterstrich die Reformation ihr Anliegen, nicht eine im 16. Jh. beginnende Kirche zu sein, sondern die reformierte Form der einen, seit der Alten Kirche bestehenden Kirche – ein Grund, warum die Beschäftigung mit den Kirchenvätern auch im Bereich der reformatorischen Theologie von Anfang an besonderes Gewicht besessen hat (und es heute Lehrstühle für Alte Kirchengeschichte an Evangelisch-Theologischen Fakultäten gibt).

18. Die Trinitätslehre der lateinischen Kirche

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2 Teile

Augustinverdichtung

Gallien?

3 altkirchliche Bekenntnisse

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18.6 Literatur Lektüretipp: J. Brachtendorf: De trinitate, in: V.H. Drecoll (Hg.): Augustin Handbuch, 2007, 363-377. – V.H. Drecoll: Trinitätslehre, ebd. 446-461. Quellen: C. Markschies (Hg.): Ambrosius von Mailand, De fide [ad Gratianum], FC 47/13, 2005 [zweisprachig]. – J. Kreuzer (Hg.): Aurelius Augustinus, De trinitate (Bücher VIIIXI, XIV-XV, Anhang: Buch V), 2001 [zweisprachig]. Literatur: H.C. Brennecke: Hilarius von Poitiers und die Bischofsopposition gegen Konstantius II., 1984. – J. Ulrich: Die Anfänge der abendländischen Rezeption des Nizänums, 1994. – M. Weedman: The Trinitarian Theology of Hilary of Poitiers, 2007. – C. Markschies: Ambrosius von Mailand und die Trinitätstheologie, 1995. – E. Dassmann: Ambrosius von Mailand, 2004. – V.H. Drecoll: The Greek Text behind the Parallel Sections in Zostrianos and Marius Victorinus, in: J.D. Turner/K. Corrigan (Hg.): Plato’s Parmenides and Its Her­ itage, 2010, 195-212. – J. Brachtendorf: Die Struktur des menschlichen Geistes nach Augustinus, 2000. – R. Kany: Augustins Trinitätsdenken, 2. A. 2012 [Forschungsgeschichte]. – L. Ayres: Augustine and the Trinity, 2010. – B. Studer: Augustins De trinitate. Eine Einführung, 2005. – V.H. Drecoll: Das Symbolum Quicumque als Kompilation augustinischer Tradition, ZAC 11 (2007) 30-56.

 § 6; 5.

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§ 1 Christliche Gotteslehre als Trinitätslehre

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§

§2

§ 2 Christliche Gemeinschaft als Institution Kirche Bedeutung des Themas

Die Kirche gründet in der Person Jesu, dem Sohn Gottes und Erlöser. Sie erwächst aus Juden und Nichtjuden gleichermaßen, und zwar in enger Berührung mit der griechischen Kultur des Hellenismus und als Teil der Kultur und Gesellschaft des kaiserzeitlichen und spätantiken Imperium Romanum. Zugleich wurde für die Selbstdeutung die Abgrenzung zum Heidentum wichtig, die an die Bezeichnung aller nichtjüdischen Menschen als »Völker« im Judentum anknüpfte. Im weitesten Sinne versteht sich die Kirche als das eschatologische, das neue, universelle Gottesvolk, ist aber doch nicht nur eine geistige, »unsichtbare« Größe, sondern auch eine sichtbare, erfahrbare Gemeinschaft, die zu einer Institution wurde. Entscheidend für die Geschichte des Christentums wurde dieser Prozess der Institutionalisierung, weil er mit innerer Kohärenz­ bildung ebenso einherging wie mit der Ausgrenzung abweichender Formen von Christentum. Christentum ist von Anfang an eine in sich zerstrittene und durch innere Konflikte geprägte Größe. Die Entwicklung zur Institution mit festen Strukturen und Amtsträgern, festgelegten Aufgaben und Rollen prägt die gesamte folgende Geschichte des Christentums, seine Innen- und Außenwahrnehmung. Aus der Unbestimmtheit und Vielfalt von Lehre und Leben im 1./2. Jh. bildete sich durch theologische Festlegungen und strukturelle Vereinheitlichung im 3./4. Jh. eine zunehmend deutlicher konfigurierte Institution. Die verschiedenen Gruppen des Christentums beanspruchten dabei jeweils für sich, die wahre »katholische« Kirche zu sein. Diese Bezeichnung verengte sich erst in der Neuzeit durch die Abgrenzung von den reformatorischen Kirchen, so dass heute »katholische Kirche« oft die aus dem Konzil von Trient hervorgegangene Konfession meint. Wenn im Folgenden von der Kirche die Rede ist, so ist damit die große christliche Gemeinschaft der Spätantike (ab dem 4. Jh.) gemeint, die durch bestimmte Normen in der Lehre und der Kirchenstruktur charakterisiert ist und die sich von anderen, von ihr als »häretisch« oder »schismatisch« abgewerteten Gruppen abgrenzte (etwa Gnostikern, Markioniten, Montanisten, Novatianern). Ein wichtiger Teil ihres Selbstverständnisses und ihrer Legitimation ist das Prinzip der Apostolizität, durch das die Rückbindung an ihren Ursprung, Jesus Christus, gesichert werden sollte. Ihre Strukturen prägen bis heute viele Kirchen trotz aller historischen Umstürze und Wandlungen. Die damaligen Fixierungen prägten die weitere Entwicklung, vieles heute Selbstverständliche hat dort seinen Ursprung: die Kanonisierung der Heiligen Schrift, die fundamentalen Bekenntnisinhalte, daraus folgend der Bezug der Theologie auf Schrift und Bekenntnis, die Begründung der Kirchenzugehörigkeit durch die Taufe, die Institutionalisierung der Buße, die Eucharistie § 2 Christliche Gemeinschaft als Institution Kirche

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als Zentrum des religiösen Lebens, der liturgische Ausbau des Gottesdienstes mit entsprechenden Kirchengebäuden und der christliche Festkalender, auf den das heutige Kirchenjahr zurückgeht. Mit der Institutionalisierung geht allerdings auch ein Grundproblem einher: die »Verweltlichung« des Christentums. Institutionalisierung bedeutet schließlich die dauerhafte Einrichtung in der Welt, die immerhin auch mit einer gewissen Anpassung an die nichtchristliche Umwelt verbunden ist. Da­ raus ergab sich ein ambivalentes Verhältnis zu Obrigkeit und Gesellschaft (s. § 3). Was in der Institution nun nicht mehr ausreichend Raum erhielt, verselbstständigte sich: Forderungen nach konsequenter Nachfolge und Protest gegen die Verweltlichung fanden Ausdruck im entstehenden Mönchtum (s. § 6).

Wichtige Themen

(Lernkontrolle: Können folgende Fragen beantwortet werden?) • Wie entwickelten sich die Kirchenstrukturen, wie die kirchlichen Ämter? Was ist eine Synode bzw. ein Konzil? Ab wann gab es Synoden? • Wie erfolgte die Ausbreitung des Christentums in den ersten drei Jahrhunderten? Welche Rolle spielte dabei aktive Mission? Welche unterschiedlichen Formen des Christentums entstehen in verschiedenen Regionen? Inwiefern kann überhaupt von einer »Einheit der Kirche« gesprochen werden? • Wie kommt es zur Abgrenzung des frühen Christentums vom Judentum? Welche (theologischen, soziologischen) Gründe spielten dabei eine Rolle? • Wie kam es zur Identitätsbildung des Christentums im »Laboratorium« des 2. Jh.s? Wie wurde bemessen, was »wahres« Christentum ausmacht? Welche Rolle spielten dabei die Konzepte der Apostolizität und Katholizität? • Welche Konzepte werden als Häresien ausgegrenzt? Was trennt die Gruppen voneinander? Wo liegen die Unterschiede und Streitpunkte? • Wie wandelte sich die Naherwartung der Gemeinde? Was versteht man unter Chiliasmus, Apokalyptik, Montanismus? • Was ist Gnosis? Was sind ihre wesentlichen Merkmale? Wie und wann entstanden die gnostischen Systeme, in welchem zeitlichen Verhältnis stehen sie zueinander? Was ist Manichäismus? Wie unterscheidet er sich von der Gnosis? • Wie entstand der Kanon des Neuen Testaments und der ganzen christlichen Bibel? Welche Persönlichkeiten, welche Streitigkeiten hatten darauf Einfluss? 116

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• Wie entstehen Bekenntnisse und was ist im Unterschied dazu eine Glaubensregel (regula fidei)? Welche Maßstäbe für »rechten« Glauben gab es überhaupt? • Wie entsteht Exegese? Wie entwickelt sich christliche Theologie? Welche Bedeutung kommt hierbei Irenäus und Origenes zu? • Wie entwickeln sich Form und Verständnis von Gottesdienst, Taufe, Buße und Abendmahl im 2. und 3. Jh.? • Welche Rolle spielten die Bischöfe für die Organisation der Kirche? Wie veränderte sich diese Rolle im Laufe der Zeit? Wie standen sich Amt und Gemeinde gegenüber? Wie verhalten sich Recht und Geist zueinander? • Wer waren die Donatisten? Was für Anliegen hatten sie? Welche Kritik übten sie?

Wichtige Ereignisse, Sachverhalte, Personen I. Frühe Gemeindeformen ca. 49-60

Christengemeinden in Jerusalem und Antiochia Gemeindegründungen in Kleinasien und Griechenland, Paulus

ab dem 2. Jh.

Trennung zwischen Judentum und Christentum

Anfang 2. Jh.

kollegiale Führungsgremien (Presbyter/Episkopen)

2. Jh.

sog. Apostolische Väter, spätere Schriften des Neuen Testaments II. Laboratorium der Theologie und Entwicklung von Kriterien der Ausgrenzung

ab ca. 130

Lehrer in Städten (Valentin, Basilides, Justin), ab ca. 150 gnostische Gruppen

ca. 140-160

Markion in Rom, markionitische Kirche (Offenbarung des unbekannten Gottes in Christus)

nach 160

Montanismus in Phrygien (charismatische Bewegung)

2. Hälfte 2. Jh.

Entstehung des Monepiskopats, Prinzip der apostolischen Sukzession

ca. 180-200

regula veritatis bei Irenäus und Tertullian

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ca. 180

vier Evangelien und erste Kanonisierung des Neuen Testaments (Abschluss der Kanonentwicklung erst im 4. Jh.), ntl. Schriften treten neben die Septuaginta

ca. 180-230

erste theologische Entwürfe: Irenäus, Tertullian, Clemens, Hippolyt, Origenes

ab ca. 195

Synoden als Entscheidungsinstanzen (Osterfeststreit) III. Kirchlichkeit im 3. und 4. Jh.

ab 220

Entstehung der Exegese (Origenes, Hippolyt)

ca. 220

Schisma des Hippolyt in Rom

185-254

Origenes in Alexandria und Cäsarea: Theologie als kirchliche Wissenschaft

250-256

Cyprian: Streit um die lapsi; Schismen in Karthago (Felicissimusgruppe) und Rom (Novatian)

255-257

Ketzertaufstreit: Dissens zwischen Cyprian und Stephan von Rom

nach 260

Kirchenbauten, Entwicklung der Liturgie (Taufe, Eucharistie als Opfer), Ausdifferenzierung des Klerus

216-277

Mani als Begründer des Manichäismus

nach 306

Melitianisches Schisma in Ägypten

ab 312

Donatistisches Schisma ca. 364/370 Optatus von Mileve ca. 360-393 Parmenian 411 Collatio in Karthago: kaiserliche Häretikergesetze gegen Donatisten

340/341

Markell, Epistula ad Iulium (frühester Beleg des Romanums)

seit ca. 350

Entstehung des Kirchenjahres und des Weihnachtsfestes, Ausbau des Katechumenats, Verfall der öffentlichen Buße, Fixierung von Liturgien und Kirchenordnungen

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Rhô

ne

Portus Adria Rom Ostia Audium Cumae Neapolis (?) Puteoli Pompeji (?)

Ravenna (?)

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Salona (?) Debeltum

u

na

Do

Anchialus Amastris Amisus

Sinope

Schwarzes Meer

Tripolis

(Nachweisbare christliche Gemeinden)

Abb. 3 Verbreitung des Christentums um 180

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0

100

200

300 km

Sardinien

Mittelmeer Cyrene

Knossus Gortyna

Kreta

Alexandria

1 Magnesia 2 Tralles

Sidon Damaskus Tyrus Kapernaum Ptolemais Bostra Pella Cäsarea/Pal. Samaria Joppe Sebaste Jerusalem Azotus Lydda

Zypern

Naucratis (?)

Paphos

Philippi Byzantium (?) Nikomedia Thessalonike Apollonia Arzon Beröa Parium Ankyra Cäsarea/Kapp. Melitene Troas Otrus Ty r r h e n i s c h e s Larissa Eumenea Meer Philomelium Samosata Ä g Pergamon äis Thyatira Nikopolis Sardes Antiochia/Pis. Nisibis Edessa Ionisches Philadelphia Smyrna Ikonium 2 Korinth Athenae Hierapolis M e e r Same Ephesus 1 Derbe Kolossa Lystra Tarsus Beröa Euphrat Patrae Sizilien Laodicea Perge Cirta (?) Syrakus (?) Cenchreae Aegina Patmus Milet Attalia Karthago Seleukia Antiochia Sparta Sitifis Dura Europos Myra Madaura Lambaesis Salamis

Massilia (?)

Arelate (?)

Mediolanum/ Mailand (?)

Korsika

Lugdunum/Lyon

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Vienna

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e Tib

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1. Die Anfänge der Kirche Das Christentum ist als »Jesusbewegung« entstanden: als Bewegung innerhalb des Judentums, vermutlich mit apokalyptischer Prägung. Sehr früh hat das Christentum jedoch bereits die Grenzen des Judentums überschritten. Die Botschaft von der Auferweckung Jesu und der dadurch angebrochenen neuen Herrschaft des erhöhten Christus wirkte so attraktiv, dass sich über Jerusalem hinaus rasch christliche Gemeinden in Palästina und Syrien bis hinauf nach Antiochia bildeten (s. § 2; 2.1).

1.1 Jesus und die Kirche

Pharisäer

Apokalyptik

Auferstehung

Jesus hat durch seine Botschaft von der Herrschaft Gottes eine Anhängerschaft aus Männern und Frauen um sich gesammelt und in spezifischer Weise an seine Person gebunden (vgl. § 1; 1.2). Durch die Forderung der Nachfolge, für die er Anweisungen gegeben hat, hat er einen bestimmten Lebensstil begründet, der eine innere Orientierung an der Gottesverehrung betonte und die Halakha, die Weisungen für einen gesetzestreuen Lebenswandel, wie sie die Pharisäer entwickelt hatten, relativierte. Aus historischer Perspektive ist dabei wichtig, die negative Bewertung der Pharisäer (bzw. »der Juden«) in den Evangelien aus dem historischen Kontext zu verstehen. Sie gehört bereits zu der beginnenden und schmerzhaften Abgrenzung zwischen Christentum und Judentum am Ende des 1. Jh.s. Gleichwohl dürfte es als historisch angesehen werden, dass Jesu Verkündigung zu Konflikten mit den Vorstellungen der Pharisäer führte. Die Halakha der Pharisäer war zwar selbst ebenfalls von einem besonderen Glaubensernst und einer tiefen Gottesverehrung getragen, versuchte dies jedoch durch die Observanz bestimmter Gebote (Sabbatheiligung, Speisevorschriften, Reinheitsvorstellungen) umzusetzen. Hiervon unterschied sich die Verkündigung Jesu einerseits durch eine Radikalisierung des Anspruchs Gottes auf den ganzen Menschen, andererseits durch eine Relativierung halakhischer Vorschriften, in der eine situationsbedingte Umgangsweise mit den Gesetzen als befreiend empfunden wurde. Die apokalyptische Begründung dieser neuen Lebensweise wird auch darin sichtbar, dass Jesus einen Kreis der Zwölf berufen hat, der symbolisch die Erlösung der zwölf Stämme Israels vorwegnahm. Damit war jedoch noch keine bestimmte religiöse Organisationsform geschaffen. Die Kirche geht also nur insofern auf Jesus zurück, als er die Verkündigung des anbrechenden Reiches Gottes mit der Beziehung zu seiner Person verbunden hat. Die Einzelheiten sind gleichwohl umstritten, so z.B. auch die Frage, welche Kontinuität zwischen der Jesusanhängerschaft vor der Kreuzigung (in Galiläa, Judäa und Jerusalem) und der im Anschluss an die Auferstehungsbotschaft sich bildenden Gemeinde bestand. Für die Kirchengeschichte wurde entscheidend, dass das grundlegende Verhältnis der Glaubenden zu Jesus Christus explizit auf den Auferstandenen bezogen wurde und so die Auferstehungsbotschaft auch für das Kirchesein zentral wurde. 120

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1.2 Reich Gottes und Kirche Die Verkündigung Jesu proklamierte den Anbruch des Reiches Gottes und eine besondere Nähe der Herrschaft Gottes. Die dadurch gegebene Nah­ erwartung passte zu der Bildung einer Gemeinschaft von Gläubigen, die sich als das eigentlich messianische Gottesvolk verstand. Die Vorbereitung auf Gericht, Weltende und Reich Gottes konstituierte diese Gemeinschaft. Die damit verbundene Relativierung der Welt blieb im Christentum auch erhalten, als die erwartete Wiederkunft, die Parusie, nicht eintrat. Aus der Parusieverzögerung ergab sich ein bleibender eschatologischer Vorbehalt gegenüber der Welt, der in der Geschichte des Christentums immer wieder wichtig wurde. Zugleich erwies sich, dass die Vorstellung von der Gemeinschaft der Christusgläubigen als messianisches Volk auch die Grundidee von Kirche entscheidend prägte: a) Mit der Vorstellung vom Reich Gottes war diejenige von der grundsätzlichen Einheit der Kirche als Postulat oder Hoffnung verbunden, denn es konnte nur ein einziges Gottesvolk geben. An diesem Postulat wurde auch dann festgehalten, als sich schon in den frühesten Gemeinden tiefgreifende Konflikte und gegenseitige Ausgrenzungen entwickelten. b) Die Erwartung des Gottesreiches als einer grundlegenden Veränderung der Welt erwies sich einerseits immer wieder als fruchtbarer Impuls, sich individuell oder gemeinschaftlich für die Veränderung der Welt einzusetzen, andererseits als kritisches Korrektiv gegenüber einer »Verweltlichung« der Kirche oder der individuellen christlichen Existenz.

Parusie­ verzögerung

1.3 Theologische Deutung der Kirche (Ekklesiologie) Die bleibende Beziehung der Gemeinschaft der Gläubigen auf Jesus Chris­ tus, nun den auferstandenen Herrn, bildete die Basis dafür, dass auch der Gemeinschaft der Gläubigen eine besondere Dignität zugemessen wurde. Die Kirche verstand sich als Gemeinschaft der Heiligen, Erwählten, als Tempel Gottes und besonders als Leib Christi. Die Bezeichnung als ἐκκλησία (ekklēsia/Versammlung bzw. Kirche, als lateinisches Lehnwort: ecclesia) verbreitete sich rasch. Damit wurde ein Begriff aus dem Zusammenleben der griechischen Stadt auf die Gemeinschaft der Christusgläubigen übertragen und zugleich ein Begriff gewählt, der auch das versammelte Volk, das auserwählte Volk Gottes, bezeichnen konnte. Die aus Juden und Heiden gebildete Kirche verstand sich denn auch als das wahre bzw. neue Israel. Damit waren Konflikte mit jüdischen Vorstellungen ebenso vorgezeichnet wie das Grundproblem der Ekklesiologie, das in der Frage besteht: Wie verhalten sich die jeweils konkret vorfindliche Organisationsform des christlichen Glaubens, die Gemeinde, und die Idee der Kirche als der einen Versammlung der Erwählten, der Kirche Gottes (1 Kor 1,1) bzw. Kirche Christi (Röm 16,16; Mt 16,18), zueinander? Später wurde diese Frage u.a. durch die Unterscheidung zwischen der sichtbaren und der unsichtbaren Gestalt der Kirche beantwortet. 1. Die Anfänge der Kirche

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Volk Gottes neues Israel

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1.4 Die Jerusalemer Urgemeinde

Pfingsten

»urgemeindlicher Kommunismus«

»Apostelkonzil«

Der traditionelle Begriff »Urgemeinde« geht auf die Darstellung in der Apos­ telgeschichte zurück und erwies sich in der Kirchengeschichte immer wieder als erstrebenswertes Ideal und als Orientierungspunkt ekklesiologischer Überlegungen. In der Apostelgeschichte wurde die Idee eines gemeinschaftlichen Zusammenlebens der Christusgläubigen mit der Auffassung verbunden, dass in der universalen, an Juden wie Heiden gerichteten Verkündigung der Auferstehung Christi die endzeitliche Ausgießung des Gottesgeistes gemäß Joel 3 erfolgt sei. Das Idealbild der Urgemeinde suggeriert zugleich das Bild einer harmonisch zusammenlebenden Einheit, was jedoch kaum der Realität entsprochen haben dürfte. Diskussionen über die nun zu entwickelnde christliche Lebensform, den Umgang mit der Parusieverzögerung und die Deutung des Christusereignisses führten bereits früh zu Auseinandersetzungen und Konflikten. 1.4.1 Das Zusammenleben der Urgemeinde in Jerusalem. Neben Petrus und dem Zwölferkreis spielten alsbald der Herrenbruder Jakobus und die Apostel als kollegiales Führungsgremium in Jerusalem eine wichtige Rolle. Die durch sie geleitete Gemeinde von vor allem wohl aramäisch sprechenden Judenchristen hielt sich grundsätzlich an Gesetz und Tempelkult und ist eine historisch wichtige Wurzel des späteren, schwer greifbaren Judenchristentums. Vielleicht klingt in Apg 2,42 historisch zutreffend an, dass Verkündigung und Unterweisung, gemeinsame Mahlzeiten und Gebete das Zusammenleben dieser Gemeinschaft prägten. Einen »urgemeindlichen Kommunismus« als Gütergemeinschaft hat es aber wohl nicht gegeben. Zu denken ist eher an eine gegenseitige Solidarität, die sich auch auf finanzielle Unterstützung der ärmeren durch wohlhabendere Gläubige bezog. Bereits in Jerusalem gab es neben den »Hebräern« schon früh die »Hellenisten«, d.h. Griechisch sprechende Juden oder auch σεβόμενοι (sebomenoi/Verehrer), die mit dem Judentum sympathisierten. Die Apostelgeschichte überliefert für diese Gruppe die Namen des Philippus und des Stephanus (Apg 6,5; 8,5 u.ö.). Zwischen dieser Gruppe und der thoraobservanten Jakobusgruppe gab es früh heftige Konflikte. Die Stephanusgruppe wurde wohl von den jüdischen Autoritäten verfolgt und nach der Hinrichtung des Stephanus aus Jerusalem (zumindest zeitweise) vertrieben. 1.4.2 Heidenmission. Ein Markstein der weiteren Entwicklung war die Billigung der Heidenmission durch die Autoritäten der Jerusalemer judenchristlichen Urgemeinde. Sie geht wohl auf ein Zusammentreffen zwischen der von Petrus und Jakobus geführten Gruppe einerseits und Paulus andererseits zurück. Allerdings handelt es sich dabei nicht um ein »Konzil« (trotz der eingebürgerten Bezeichnung als »Apostelkonzil«), nicht einmal um ein formal geregeltes Procedere, sondern vielmehr um eine informelle Übereinkunft. Zudem divergieren die beiden vorliegenden Berichte (in Apg 15 und Gal 2) erheblich: Nur Gal 2 berichtet von einer Aufteilung der Missionsgebiete: Die Judenmission bleibt unter der Verantwortung der Petrus- und Jakobusgruppe, die Heidenmission wird Paulus zugebilligt. Die Apg stellt hingegen Petrus als Begründer der Heidenmission dar und führt den Vorschlag, bei der Heidenmission auf die Beschneidung zu verzichten, auf Jakobus zurück. In Gal 2 wird Petrus dafür kritisiert, dass er mit Heidenchristen erst Tischgemeinschaft hielt, diese dann aber doch wieder auflöste. Davon ist in der Apg nicht die Rede, und es würde auch nicht zu der Begründung der Heidenmission durch 122

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Petrus in der Apg passen. Nur in der Apg wird von einem Minimalkatalog berichtet, der von Heidenchristen einzuhalten ist (in der Literatur missverständlich als »Aposteldekret« bezeichnet): Verlangt wird, sich von Götzenopfer, Unzucht, Blut und Ersticktem fernzuhalten (Apg 15,20.29). Dies wird wiederum von Paulus in Gal 2 nicht erwähnt, der hingegen davon berichtet, dass man übereingekommen sei, bei den neuen Gemeinden eine Kollekte für die Jerusalemer Urgemeinde einzusammeln. Wie diese beiden voneinander abweichenden Berichte historisch zu bewerten sind, ist in der Forschung umstritten. Einerseits kommt dem Zeugnis des Paulus aufgrund des höheren Alters und der direkten Beteiligung des Verfassers ein höherer Wert zu, andererseits verfolgt Paulus in Gal 2 eine bestimmte, seine Missionstätigkeit bei den Galatern verteidigende Intention, die die Ereignisse gerade auch tendenziös zugespitzt haben könnte. Zugleich ist wahrscheinlich, dass Petrus keineswegs nur vorübergehend Heidenmission betrieben hat. Die bereits im 2. Jh. belegte Verehrung von Petrus in Rom weist eher darauf hin, dass die heidenmissionarische Tätigkeit des Petrus doch recht umfassend gewesen sein dürfte und vor allem wohl auch Palästina überschritten haben dürfte.

Petrus

1.5 »Urchristentum« – »Frühkatholizismus« – »Altkatholizismus« Die dem Duktus der Apostelgeschichte folgende Idealisierung der Urgemeinde hat im 19. Jh. dazu geführt, dass die sich im 2. Jh. bildende Gestalt des Christentums von der Urgemeinde abgegrenzt wurde. Dabei wurde gerade in der protestantischen Forschung ein Dekadenzmodell wirksam, dem zufolge der ursprüngliche Impuls der Urgemeinde durch die Entwicklung der Kirche im 2. Jh. bereits entstellt und relativiert worden sei. Insbesondere die Entstehung der identitätsstiftenden Bezugsgrößen Kanon, Bekenntnis und Amt wurde als Beginn einer zunehmenden Entstellung des urgemeindlichen Ideals begriffen. So wurde der sog. »Frühkatholizismus« im 2. Jh. von dem »Altkatholizismus« im 3. Jh. unterschieden. Die Begriffe sind jedoch deswegen ungeeignet, weil sie das Bild einer relativ geschlossenen Entwicklung suggerieren, die gerade für das 2. Jh. so nicht gegeben ist. Vielmehr entwickelten sich erst im Laufe des 2. Jh.s Konzepte von christlicher und kirchlicher Identität und Maßstäbe für die Ausgrenzung, die jedoch auch im 3. Jh. durchaus unterschiedlich gehandhabt wurden. Die Begriffe sind daher als Periodisierung der Entwicklung des Phänomens »Kirche« im 2. und 3. Jh. ungeeignet. 1.6 Literatur Lektüretipp: D.-A. Koch: Geschichte des Urchristentums, 2. A. 2014, 157-286. Literatur: J. Schröter: Jesus und die Anfänge der Christologie, 2001. – Ders.: Von Jesus zum Neuen Testament, 2007. – L. Schenke: Die Urgemeinde, 1990. – J. Roloff: Die Kirche im Neuen Testament, 1993. – F. Vouga: Geschichte des frühen Christentums, 1994. – G. Theissen/A. Merz: Der historische Jesus, 3. A. 2001. – M. Hengel/A.M. Schwemer: Jesus und das Judentum, 2007. – J. Becker/C. Burchard/C. Colpe: Die Anfänge des Christentums, 1987.

 § 3; 1.-5.

2. Mission und Ausbreitung Das Christentum hat schon in früher Zeit in weiten Teilen des Ostens des Imperium Romanum und darüber hinaus Fuß gefasst. Eine wesentliche Voraussetzung dafür waren Missionsbemühungen, wie sie aus den Briefen 2. Mission und Ausbreitung

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Ausdifferenzierung

Bischofslisten

des Paulus bekannt sind. Zugleich wird man damit rechnen müssen, dass das Christentum eine Attraktivität entfaltete, die zu Zulauf zu bestehenden Kleinstgemeinden führte. Die Vielfalt der Gemeinden war dabei von Anfang an mit der Frage nach der christlichen Identität und dem Postulat, dass es nur eine Kirche geben soll, verbunden, so dass es bereits früh zu gegenseitigen Ausgrenzungen kam. Mission und Ausbreitung gingen somit von Anfang an mit der Binnendifferenzierung des Christentums Hand in Hand. Unter »Mission« lässt sich zunächst die bewusste, auf die Hinwendung zu Christus und die Taufe abzielende Bemühung und Verkündigung von Christen verstehen, die sich vor allem an Nichtchristen richtet. »Ausbreitung« bezeichnet demgegenüber ein viel diffuseres Phänomen, nämlich die im Einzelnen schwer greifbare Ausstrahlung der christlichen Gemeinden oder auch Einzelner, die durch ihren Lebensstil auf die christliche Botschaft aufmerksam machten (vgl. § 7; 1.2). Auch mehr oder weniger vage Nachrichten über die Gottesdienste, das ewige Leben, die Erlösung oder schlicht die Überwindung sozialer Grenzen in der Gemeinde könnten das Christentum interessant gemacht haben. Die Frage, wo das Christentum zu welchem Zeitpunkt bereits vertreten ist, ist im Einzelnen schwer zu beantworten (Karte: TAVO [= Tübinger Atlas des Vorderen Orients] Karte Nr. B VI 2, auch im Tübinger Bibelatlas), denn man ist auf literarische Hinweise in der nur bruchstückhaft erhaltenen Literatur des 2. und 3. Jh.s angewiesen. Erst im 4. Jh. hat man durch umfangreiche Bischofslisten, die im Rahmen von Synodalakten überliefert wurden, ein genaueres Bild von der Ausbreitung des Christentums. Bereits im 3. Jh. kam es wohl zu einer spürbaren Erhöhung des Anteils der Bevölkerung, der als christlich in Anspruch zu nehmen ist (auch wenn alle Zählungen oder Schätzungen sehr hypothetisch sind), und diese Entwicklung dürfte sich im 4. Jh., auch mit dem Rückenwind der kaiserlichen Religionspolitik, die seit Konstantin das Christentum begünstigte, fortgesetzt haben. Das sog. »Heidentum« kam jedoch nicht zum Erliegen, sondern blieb bis weit in das 5. Jh. hinein eine wichtige Größe. Archäologisch lässt sich das Christentum in den Metropolen ab dem 4. Jh., in vielen Städten aber erst ab dem 5. oder sogar 6. Jh. nachweisen.

2.1 Missionsreisen im 1. Jh.

Reisen des Paulus

An der Darstellung der Apg könnte durchaus historisch sein, dass Antiochia ein Zentrum etlicher Missionsbemühungen war. Die Paulusbriefe belegen Missionsaktivitäten in Kilikien, Pamphylien, Galatien, Asia, Macedonia und Achaia. Die in der Apg geschilderten drei Missionsreisen sind allerdings vermutlich erzählerische Konstruktion und mit etlichen historischen Einzelproblemen belastet. Sie sollten daher nicht in scheinbar eindeutige Landkarten umgesetzt werden. Gleichwohl hat das Bild, das die Apg von Paulus zeichnet, ihn zum Prototyp des Missionars werden lassen. Darüber darf nicht vergessen werden, dass es neben ihm etliche andere reisende Missio124

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nare gegeben haben dürfte (Barnabas, Timotheus und Silvanus, wohl auch Petrus). Kaum sicher sagen lässt sich, ob die Missionare hauptsächlich von den Synagogengemeinden und ihrem Umfeld ausgingen; es ist jedoch nicht unwahrscheinlich. Auch wenn sich historische Einzelheiten über eine Tätigkeit des Petrus und des Paulus in Rom nicht überprüfen lassen, dürfte das Christentum schon früh nach Rom gekommen sein (vor 49, wie das sog. Claudiusedikt bei Sueton, Vita Claudii/Leben des Claudius 25,4 zeigt; vgl. Apg 18,1-2). Der Pliniusbriefwechsel (s. § 3; 4.2-4.3) setzt um 112 bereits voraus, dass das Christentum sich auch in einigen ländlichen Gegenden ausgebreitet hat. Für das 1. Jh. bleibt es jedoch insgesamt bei wenigen, eher punktuell verstreuten Einzelnachrichten.

Rom

2.2 Allmähliche Ausbreitung und Binnendifferenzierung im 2. Jh. Für das 2. Jh. erlauben die spärlichen Nachrichten kein geschlossenes Bild, doch kamen einige wichtige Metropolen als Zentren hinzu, so besonders Alexandria, Karthago und Lyon. Außerdem erreichte das Christentum nach und nach wohl fast alle Provinzen des Imperium Romanum, so auch den nördlichen und östlichen Teil der heutigen Türkei (Pontus, Kappadokien), einige Städte in Gallien und wohl auch Germanien und die verschiedenen Provinzen von Nordafrika. Besonders in Rom und Ägypten, wohl aber auch in Gallien führte die Ausbreitung des Christentums bereits zu einer Vielfalt von christlichen Gemeinden, die mit gegenseitigen Abgrenzungsprozessen einherging (Markioniten, verschiedene Gnostiker, s. § 2; 5.-6.). In Phrygien entstand mit dem Montanismus ein eigenes Phänomen, das gerade auch in ländlichen Gegenden Verbreitung fand und dann recht bald auch in Nord­ afrika mit der Binnendifferenzierung des Christentums verbunden war.

2.3 Kontinuierliche Ausbreitung im 3. Jh. Die Entwicklung des Monepiskopats (s. § 2; 11.2) führte im 3. Jh. zu einem kontinuierlichen Wachstum der vorhandenen Gemeinden. Bis 312/324 erfasste das Christentum im Prinzip das gesamte Imperium, allerdings mit unterschiedlicher regionaler Dichte. Eine konsequente Mission unter bischöflicher Leitung betrieb man in Nordafrika, Ägypten, Syropalästina, Kleinasien sowie der Osrhoëne/Mesopotamien. Wie stark die Gemeinden in den afrikanischen Provinzen anwuchsen, zeigt die Tatsache, dass 256 auf einer Synode in Karthago 87 Bischöfe anwesend waren; bis 311 dürfte sich die Zahl der Bistümer auf ca. 250 vermehrt haben. Bischofssitze waren dabei sowohl große Städte wie Karthago, Mileve oder Hippo Regius als auch kleine Dörfer mit nur wenigen Einwohnern. In Kleinasien entstanden ebenfalls zahlreiche neue Bistümer, wie dann die umfänglichen, historisch im Einzelnen allerdings problematischen Bischofslisten für das Konzil von Nicäa 325 zeigen. In Ländern wie Spanien oder Gallien breitete sich das Christentum nun auch 2. Mission und Ausbreitung

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Nordafrika

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Ägypten

in Regionen aus, in denen es bisher nur wenig verbreitet war. Dazu kamen einige weitere Gebiete wie Britannien oder Dalmatien/Pannonien. Als Missionar des Pontus und Kappadokiens galt Gregor Thaumaturgos (»der Wundertäter«; ca. 210-270), nach ca. 240 Bischof von Neocäsarea, ein Origenesschüler, der später hohe Verehrung genoss. Nach Armenien brachte das Christentum wohl Gregor Illuminator (»der Erleuchter«) ca. 278-314, wo es der bekehrte König Trdat/Tiridates begünstigte (um 301?). In Ägypten gelang es den Bischöfen von Alexandria, eine umfassende, auf die Metropole ausgerichtete und von ihr abhängige Diözesanstruktur aufzubauen, mit fast 100 Bistümern. Die Abhängigkeit von Alexandria bezog sich insbesondere auf die Ernennungen von Bischöfen und spielte in der Kirchengeschichte Ägyptens (und später der der koptischen und äthiopischen Kirche) eine wichtige Rolle. Im Zusammenhang der Christianisierung der Landbevölkerung wurden christliche Texte, insbesondere aber die Bibel ins Koptische übersetzt, die dort gesprochene Mischung aus Griechisch und einer späten Form des Ägyptischen. Durch die Ausbreitungswellen im 3. Jh. kamen also zu den klassischen Gebieten mit den drei Hauptsprachen Griechisch, Syrisch und Lateinisch noch neue Gebiete hinzu, in denen sich ab dem 4. Jh. eine eigene christlich-orientalische Literatur entwickelte (besonders Armenisch und Koptisch).

2.4 Ausbreitung nach der konstantinischen Wende

Taufaufschub

Mönchtum

Es wäre ein grobes Missverständnis anzunehmen, dass sich die Bevölkerung seit der Begünstigung der Kirche seit Konstantin mehr oder weniger komplett dem Christentum zugewandt hätte. Doch die Unterstützung durch den Kaiser, das Ende der Verfolgungen, vom Kaiser geförderte große Bauprojekte mit hoher symbolischer Ausstrahlungskraft und eine wachsende Bedeutung der Bischöfe für das öffentliche Leben in den Städten erhöhten die Attraktivität des Christentums. Die daraus resultierenden Bekehrungen stellten die Gemeinden an vielen Stellen vor neue Herausforderungen, insbesondere die Frage, wie ernst gemeint bei den neu Bekehrten die Hinwendung zu Christus war und wie sie sich im alltäglichen Leben niederschlagen sollte. Der Unterweisung der Taufbewerber, dem Katechumenat, kam daher zunehmend besondere Bedeutung zu. Zugleich blieben viele Sympathisanten des Chris­ tentums auf der Stufe der Taufbewerber stehen (sog. Taufaufschub), um den hohen Erwartungen an die Getauften zu entgehen. Die ältere These, der zufolge das Mönchtum eine Reaktion von Christen auf die zunehmend verwässerte Christenheit seit Konstantin war, lässt sich nicht aufrechterhalten, weil die Wurzeln des Mönchtums in das späte 3. Jh. zurückreichen, also älter sind als die konstantinische Wende. Doch entstand mit dem Mönchtum eine neue, oftmals umstrittene christliche Lebensform, die für die Ausbreitung des Christentums wichtig wurde, weil hier »heilige Männer« durch Weisheit, Verkündigung und auch Wunder zu Bezugspunkten wurden. Auch die 126

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Möglichkeit, ins Heilige Land zu pilgern, wurde jetzt stärker genutzt; gerade Jerusalem und die Stätten des irdischen Wirkens Jesu wurden als Pilgerzentren ausgebaut (Bericht des Pilgers von Bordeaux um 333; Itinerarium Egeriae/Pilgerbericht der Egeria: 381-384 oder etwas später). Antiochia wurde im 4. Jh. zur christlichen Metropole und zum Zentrum der theologischen Diskussion schlechthin, rivalisierend mit Alexandria. Der von Konstantin in Auftrag gegebene Ausbau der kleinen Stadt Byzanz am Bosporus zum »neuen Rom« mit Namen Konstantinopel kam jedoch nur schleppend voran und war keineswegs eindeutig christlich geprägt. Erst durch den Einzug des Theodosius im Jahr 380 wurde Konstantinopel die neue Hauptstadt im Osten des Reiches. Heftige Konflikte zwischen Antiochia und Alexandria um den größtmöglichen Einfluss auf die neue Metropole bestimmten die Auseinandersetzungen im 5. und 6. Jh. entscheidend mit. Auch im Westen gewannen wichtige Städte wie Rom, Mailand oder Karthago bereits im 4. Jh. ein christliches Erscheinungsbild, in Rom vor allem durch die große Bischofs­kirche innerhalb der Stadtmauern (Lateranbasilika) sowie große Basiliken an den Ausfallstraßen (u.a. St. Peter, St. Paul). Zugleich blieb das sog. Heidentum im 4. Jh. weiterhin lebendig. Der in dieser Zeit allmählich verbreitete Begriff pagani (Heiden) fasst die verschiedenen Formen nicht-christlicher und nicht-jüdischer Religiosität zusammen. Die Bezeichnung als pagani hat vermutlich einen leicht pejorativen Klang, da der paganus eigentlich der ungebildete Bewohner ländlicher Gegenden ist (von pagus = Landbezirk), doch wird der Bezug zur Landbevölkerung im Gebrauch des Wortes kaum noch spürbar gewesen sein. Jedenfalls entsprach diese Kategorisierung aus christlicher Sicht keineswegs dem Selbstverständnis der so Bezeichneten, sondern ist eine verzerrende Fremdbezeichnung, die daher nur mit Vorsicht bzw. in Anführungszeichen benutzt werden sollte. Die Vertreter der römischen Religion verstanden sich selbst oft schlicht als Bewahrer der wahren alten Religion oder Verehrer der Di Romani (der römischen Götter, s. § 3; 2.). Hierneben bestanden etliche regionale Kulte, aber auch die großen Mysterienreligionen fort.

Pilgerreisen

Heidentum »pagani«

2.5 Der Christliche Orient Nach ersten Ansätzen zur Bildung eines armenischen und koptischen Christentums entwickelte sich im 4. und 5. Jh. das Christentum auch außerhalb der Grenzen des Imperium Romanum weiter. Die Entwicklungen sind dabei stark von den Auswirkungen des Christologischen Streits geprägt (vgl. § 4; 15.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine strikte Grenzlinie (wie sie in Germanien durch den limes/Grenzwall teilweise bestand) im Osten, besonders zum Perserreich, nicht existierte. Die heute vorherrschende Vorstellung eines geschlossenen Staatsgebietes mit präzise festgelegten Grenzen (und ihrer Abbildbarkeit auf Karten) lässt sich nicht einfach auf die Spätantike übertragen. Dieser Umstand sowie Handelsbeziehungen zum Imperium Romanum führten – trotz der heftigen Konflikte zwischen dem Imperium Romanum und dem Perserreich ab dem 3. Jh. und dem Vordringen von »germanischen« Verbänden über den Balkan ab dem 4. Jh. 2. Mission und Ausbreitung

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(s. § 7; 1.) – zur Ausbreitung des Christentums auch in einigen Herrschaftsgebieten außerhalb des Imperium Romanum, und zwar von Armenien und Georgien bis hin nach Äthiopien. Die dabei entstehende Vielfalt östlicher Christentümer wird nur ungenau durch den Begriff des »Christlichen Orients« zusammengefasst. Der Erforschung des Christlichen Orients kommt deswegen besondere Bedeutung zu, weil hier Formen des Christentums entstanden sind, die sich in Folge der Trennungen und Abgrenzungen von der byzantinischen Kirche mit Zentrum in Konstantinopel/Byzanz selbständig entwickelt haben. Die Frühgeschichte der zum Christlichen Orient gehörenden Kirchen (bis 400) betrifft neben Ägypten insbesondere die folgenden Regionen: Armenien, Georgien, Persien, Äthiopien und Nubien.

Armenia minor

Iberia

Tatian

Afrahat

– In Armenien bildeten sich nach den Anfängen am Anfang des 4. Jh.s zunehmend kirchliche Strukturen, die allerdings durch die Lage Armeniens im umstrittenen Gebiet zwischen dem Imperium Romanum und dem Perserreich immer wieder gefährdet waren. Um 370 vermochte jedoch der Oberbischof Nerses eine Stabilisierung zu erreichen, wobei der außerhalb des Imperium Romanum gelegene Teil Armeniens von Armenia minor (dem westlichen, zum Imperium Romanum gehörigen Teil) unterschieden wurde. Zugleich versuchte man, sich an die Kirche in Kappadokien und Pontus anzuschließen. Erst in Folge der christologischen Streitigkeiten kam es zu einer Verselbständigung. – In das benachbarte Georgien gelangten bereits am Anfang des 4. Jh.s christliche Einflüsse, die von König Meribanes um 305/306 aufgegriffen wurden. Auch hier entwickelte sich erst im 5. Jh. (im Teilgebiet Iberia, daher gehören die »iberischen« Übersetzungen nicht nach Spanien, sondern zur georgischen Kirche) eine eigene autonome Kirche. – In das Partherreich in Persien war das Christentum schon sehr früh gelangt. Zeugnis hiervon legen etwa die Oden Salomos ab (psalmenartige, deutlich christlich geprägte, insgesamt syrisch, teilweise auch auf Griechisch erhaltene Hymnen, die in die Mitte des 2. Jh.s gehören), aber auch Tatians Diatessaron (eine Evangelienharmonie, die die vier kanonischen Evangelien »ineinanderschiebt« und für die Textkritik besonders wichtig ist, weil hier Lesarten bewahrt sind, bevor sich ab dem 4. Jh. der sog. Mehrheitstext etablierte). Das Spektrum des Christentums im Perserreich (wo ab 218 die Sassaniden herrschten) dürfte besonders groß gewesen sein und hat schon früh zu einer eigenen liturgischen Tradition geführt. Während sich die römische Provinz Syria mit der Hauptstadt Antiochia zu einem der Zentren des Christentums im östlichen Imperium Romanum weiterentwickelte, verselbständigte sich der zum Perserreich gehörige Teil, insbesondere durch eine rege Übersetzungstätigkeit (zunächst untechnisch im 4. und 5. Jh., dann zunehmend technisiert und vereinheitlicht ab dem 6. Jh.) und die Entwicklung einer umfangreichen syrischen Literatur. Im Perserreich erlangte insbesondere Afrahat, der »persische Weise« Bedeutung (gest. nach 345; erhalten sind besonders seine Demonstrationes/Unterweisungen). Mit Nisibis, Edessa und Seleukia-Ktesiphon entstanden hier eigene geistige Zentren, auch wenn die Beziehungen nach Antiochia lange erhalten blieben. Neben Ägypten war Syrien Entstehungsort des Mönchtums, das syrische Mönchtum hat die Entwicklung der syrischen Kirche nachhaltig geprägt. Bereits früh im 5. Jh. kam es zu einer Neugestaltung der syrischen Kirche durch Bischof Marutha von Maiperqat, der 410 eine umfassende Synode in Seleukia-Ktesiphon leitete. – Nach Äthiopien gelangte das Christentum, den Nil aufwärts wandernd, von Ägypten aus. Ab 340 wirkten hier besonders die syrischen Kaufleute Frumentius und Aedesius, die auch den Königshof beeinflussten. Frumentius ließ sich vom Patriarchen in Alexan128

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dria, Athanasius, zum Bischof weihen, so dass auch die äthiopische Kirche dauerhaft von Alexandria abhängig blieb (eine bis ins 20. Jh. hinein bestehende Konstellation). – Ebenfalls von Ägypten aus gelangte das Christentum nach Nubien (nördlich von Äthiopien am Nil gelegen) und zu den Sabäern (Reich der Himyriten in Südarabien), wo der Hafen Adane für die Handelsbeziehungen nach Indien wichtig war. Kaiser Konstantius entsandte hierhin den Bischof Theophilus (»der Inder«, gest. ca. 365), um zur Sicherung des römischen Indienhandels in Kooperation mit dem König eine Kirchenorganisation aufzubauen. Nicht zum Christlichen Orient gehört die Missionierung unter den Goten und anderen »germanischen« Sippen und Verbänden, anfänglich vor allem im Donaugebiet, die sich dann besonders auswirkte, als viele Sippen und Verbände im Imperium Romanum angesiedelt wurden bzw. hineindrängten (vgl. § 7; 2.). 2.6 Literatur Lektüretipp: C. Piétri/C. Markschies: Eine neue Geographie, GCh 2, 1996, 55-155. Karten: S. Mittmann/G. Schmitt (Hg.): Tübinger Bibelatlas, 2001. – A.-M. Wittke/E. Olshausen/R. Szydlak (Hg.): Historischer Atlas der antiken Welt, 2012, 226f. – A. di Berardino: Atlante storico del cristianesimo antico. Con la collaborazione di G. Pila, 2010. Literatur: C. Lange/K. Pinggéra (Hg.): Die altorientalischen Kirchen. Glaube und Geschichte, 2010. – H. Frohnes/U.W. Knorr (Hg.): Kirchengeschichte als Missionsgeschichte, Bd. 1, 1974. – A. von Harnack: Die Mission und die Ausbreitung des Christentums in den ersten drei Jahrhunderten, 4. A. 1924; ND 1981. – B. Kötting: Christentum I (Ausbreitung), RAC 2 (1954) 1138-1159. – H. Crouzel: Gregor I (Gregor der Wundertäter), RAC 12 (1983) 779-793. – O. Lordkipanidse/H. Brakmann: Iberia II (Georgien), RAC 17 (1996) 12-106. – W.W. Müller: Himyar, RAC 15 (1991) 303-331. – R. MacMullen: Christianizing the Roman Empire (A.D. 100-400), 1984.

3. Die Ablösung vom Judentum Jesus und seine Jünger waren Juden. Das frühe Christentum wurde dementsprechend anfänglich noch als Bewegung innerhalb des Judentums angesehen, obwohl schon sehr früh die Verkündigung der Auferstehung Jesu die Grenzen des Judentums überschritten hat. Der umstrittene Anspruch, dass Jesus der Messias, der Menschen- und Gottessohn ist, auf den die biblischen Verheißungen zutreffen, führte zur baldigen Trennung zwischen Christentum und Judentum, ein für beide Seiten schmerzhafter Prozess. Jüdische Autoritäten versuchten teilweise, die aufkommende Bewegung zu unterdrücken. Dies verstärkte in Teilen der christlichen Bewegung eine fatale Abwertung des Judentums, die als Antijudaismus in die frühchristlichen Schriften einging und auf die sich die spätere Ausgrenzung der Juden immer wieder bezog. So ergab sich ein ambivalentes Verhältnis: Zum einen übertrug das Christentum Grundkategorien des jüdischen Denkens auf sich selbst; es verstand sich selbst als Volk Gottes und legte den eigenen Aussagen die Bibel des Judentums, d.h. die Septuaginta, zugrunde, zum anderen grenz3. Die Ablösung vom Judentum

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Antijudaismus

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»drittes Geschlecht«

Talmud

te es sich vom Judentum ab und begriff sich selbst als »drittes Geschlecht« zwischen hellenistisch-römischem Heidentum und dem Judentum. Die Abgrenzung zwischen Judentum und Christentum hatte auch für das Judentum wesentliche Bedeutung. War nach dem Scheitern der jüdischen Aufstände 66-70 und 132-135 der Tempelkult in Jerusalem zusammengebrochen, so konzentrierte sich das Judentum auf die eigenen Wurzeln und betonte die nicht-hellenistischen Ursprünge. Die Diskussionen führten zum rabbinischen Judentum und der Bevorzugung des Hebräischen gegenüber dem Griechischen. Eine Auswahl der damit verbundenen Diskussionen um den richtigen Lebenswandel ging in den Talmud ein und prägte das Judentum gerade auch außerhalb von Palästina (so besonders in Mesopotamien, wo der babylonische Talmud entstand). Für das Christentum blieb die Entwicklung des Judentums ein Punkt, mit dem sich verschiedene Autoren auch im 2.-4. Jh. auseinandersetzten. Christliche Gruppen, die in unterschiedlicher Weise versuchten, Grundgedanken des Judentums fortzusetzen, wurden in dieser Zeit zunehmend als Judenchristen ausgegrenzt und sind im Einzelnen historisch schwer greifbar.

3.1 Theologische Grundlage

Septuaginta

Die Verkündigung von der Auferstehung Jesu und seiner besonderen Herrschaft war im späten hellenistischen Judentum ebenso angelegt wie eine universalistische Ausdehnung dieser neuen Gottesherrschaft. Doch ging das Christentum schon früh eigene Wege, weil die Beschneidung in großen Teilen des Christentums bald nicht mehr praktiziert wurde und stattdessen die Taufe als Initiationsritus von Anfang an wesentliche Bedeutung erlangte. Die entstehenden Briefe und Schriften, die über Jesus Auskunft geben, knüpfen an die im Judentum maßgeblichen Schriften an und benutzen dabei die allgemein im zeitgenössischen Judentum verbreitete griechische Fassung, die Septuaginta. Diese Schriften wurden nun ihrerseits vom Christentum für sich beansprucht und christologisch ausgedeutet. Dabei waren weniger direkte messianische Hoffnungen wesentlich (der Anspruch, dass Jesus Christus der Messias sei, spielte eine nur vergleichsweise geringe Rolle), als vielmehr die Vorstellung einer von Gott eingesetzten, universal herrschenden, präexistenten Figur (die Sophia, der Logos), die mit eschatologischen Vorstellungen (besonders der Vorstellung des Menschensohns und der Apokalyptik) verbunden werden konnte.

3.2 Ausgrenzung des Christentums durch das Judentum Der Christenverfolger Saulus war vermutlich kein Einzelfall, auch wenn entsprechende Maßnahmen, das aufkommende Christentum zu unterdrücken, nur ansatzweise greifbar sind. Wahrscheinlich ist, dass jüdische Autoritäten an dem Prozess gegen den Herrenbruder Jakobus beteiligt waren, der im Jahr 62 gesteinigt wurde. Nach der Plünderung 130

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des Tempels im Jahr 70 wurde der Fall Jerusalems von vielen Christen als Gericht Gottes gewertet, was umgekehrt zu einer verstärkten Ausstoßung von Christen aus den Synagogen geführt haben dürfte. Die vermutlich noch im 1. Jh. n.Chr. erfolgte Einfügung einer Verfluchung von Separatisten und Ketzern in das Achtzehnbittengebet zielte ursprünglich wohl nicht auf die Christen, musste diese aber zwangsläufig treffen. Auch im Bar Kochba-Aufstand (132-135 n.Chr.) wurden Christen von Juden verfolgt (vgl. Justin, Apologia/Verteidigungsschreiben 1,31,5f.).

Achtzehnbittengebet

3.3 Die Auseinandersetzung des Christentums mit dem Judentum Das Christentum reagierte an vielen Stellen auf die Ausgrenzung durch das Judentum mit dem Anspruch, selbst das eigentlich erwählte Volk Gottes zu sein, also mit einem massiven Überlegenheitsanspruch, sowie mit wachsender antijüdischer Polemik. Zu unterscheiden sind dabei theologische Konzepte, die das »Judaisieren« als ein Einbringen von jüdischen Vorstellungen in das Christentum aus theologischen Gründen kritisieren, von einer pauschalen Verurteilung und Abwertung des Judentums, die besonders auch geschichtstheologisch begründet wurde. Die Auseinandersetzung des Paulus etwa mit dem Judentum hält an den Verheißungen für das Volk Israel fest, und Paulus hält auch persönlich an seiner Zugehörigkeit zum Judentum fest. Andere Schriften stellen diese Beziehung in Frage oder bestreiten sie bewusst. Dies ist etwa in der ambivalenten Ausgrenzung »der Juden« im Johannesevangelium der Fall, obwohl das Johannesevangelium an vielen Stellen explizit auf jüdisch-hellenistisches Gedankengut zurückgreift. Ein besonders deutliches Beispiel des Antijudaismus ist der Barnabasbrief, der dem Volk Israel (ganz anders als Paulus) explizit bestreitet, jemals einen Bund mit Gott geschlossen zu haben. Das Zerbrechen der Gesetzestafeln wird zum Zeichen dafür, dass das Volk Israel von Anfang an einen falschen Anspruch erhoben habe. Eigentlicher Bundespartner Gottes sei daher das Christentum. Solche Positionen konnten sich allerdings im Christentum auch nicht durchsetzen; der Barnabasbrief wurde eher wegen seiner vermuteten Apostolizität tradiert als aufgrund seines insgesamt dürftigen Inhalts. Wesentlich anspruchsvoller war die Auseinandersetzung um die richtige Deutung der Bibel, d.h. der Septuaginta, wie sie etwa bei Justin im Dialogus cum Tryphone Iudaeo (Dialog mit dem Juden Trypho) auftaucht. Dieser um die Mitte des 2. Jh. in Rom entstandene Text zeigt eine große Vertrautheit des Autors mit jüdischer Exegese, die er zum Teil sachgemäß dem fingierten jüdischen Gesprächspartner in den Mund legt. Gleichwohl lässt Justin den Text darauf hinauslaufen, dass sich die christologische Deutung des Alten Testaments als überlegen erweist. Die Juden hätten den Bund immer wieder gebrochen und sich schließlich dadurch, dass sie Jesus Christus nicht als Gottes Sohn anerkannt hätten, den Zorn Gottes zugezogen. Deutliche antijüdische Polemik entwickelte etwa Tertullian in seiner Schrift Adversus Iudaeos (Gegen die Juden). Schon früh wurde auch das Argument vorgebracht, die Juden seien am Tod Jesu schuld und hätten damit eigentlich Gott selbst ermorden wollen (so 3. Die Ablösung vom Judentum

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Barnabasbrief

Justin

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Polemik »Gottesmörder«

bei Melito von Sardes, Passahhomilie 96). Daraus wurde später die Bezeichnung der Juden als Gottesmörder. Der eigene Anspruch, dem Judentum gegenüber überlegen zu sein, wurde von etlichen Verfassern von Schriften der Adversus Iudaeos-Literatur weiter verfolgt, so etwa in Schriften, die später fälschlicherweise Cyprian zugeschrieben wurden (Pseudo-Cyprian). Gebildete Exegeten wie Origenes oder später Hieronymus ließen sich selbst (mehr oder weniger punktuell?) von Juden unterrichten, gerade auch im Hinblick auf den hebräischen Urtext. Andere, wie Euseb von Cäsarea, versuchten in groß angelegten Apologien, den christlichen Anspruch, dass sich in Christus die Weissagungen des Alten Testaments erfüllt hätten, zu verdeutlichen (so in der Demonstratio evangelica/Erweis des Evangeliums).

3.4 Die Ausgrenzung des Judenchristentums

Epiphanius

Ebioniten Nazoräer

Unter dem Judenchristentum sind verschiedene christliche Gemeindebildungen zusammengefasst, die sich teilweise nur sehr undeutlich fassen lassen (oft erst in den Häresiekatalogen des 4. Jh.s, hier vor allem bei Epiphanius, Panarion haeresium/Schatzkästlein der Häresien). Am ehesten lässt sich darunter eine von jüdischem Gedankengut tief geprägte Form des Christentums verstehen, deren Mitglieder bestimmte Elemente des jüdischen Lebens (Beschneidung, Reinheitsgebote, Sabbatgebot) als auch für sich selbst verbindlich empfanden. Verbreitung fanden solche Gruppen besonders im Südosten des Imperium Romanum, also in Palästina, Arabien, Syrien und Mesopotamien. Vermutlich entwickelte sich hier ein breites Spektrum, das im 3. und 4. Jh. zunehmend ausgegrenzt wurde. In welchem Verhältnis diese Gruppen zu gnostischen Gruppen und zum Manichäismus standen, ist nach wie vor in der Forschung umstritten. Insofern sind auch die Nachrichten über Ebioniten bei Irenäus (Adversus haereses/Gegen die Häresien 1,26,2) und Hippolyt (Refutatio omnium haeresium/Widerlegung aller Häresien 7,34) mit Vorsicht zu genießen. Auch Nachrichten über die »Nazoräer« sind in ihrem historischen Wert eher gering zu veranschlagen. Die Auseinandersetzung mit dem Judenchristentum blieb gleichwohl eine wichtige Wurzel theologischen Denkens, weil sie dazu zwang, den mit der Christologie verbundenen Anspruch zu formulieren und das Verhältnis zum Judentum ekklesiologisch wie geschichtstheologisch zu durchdenken. 3.5 Literatur Lektüretipp: P. Schäfer: Die Geburt des Judentums aus dem Geist des Christentums, 2010. Quellen: K.-H. Rengstorf/S. von Kortzfleisch (Hg.): Kirche und Synagoge, Bd. 1, 1968, 1-209. Literatur: P. Schäfer: Geschichte der Juden in der Antike, 2. A. 2010. – Ders.: Judenhass und Judenfurcht. Die Entstehung des Antisemitismus in der Antike, 2010. – A.-C. Jacobsen/J. Ulrich/D. Brakke (Hg.): Critique and Apologetics. Jews, Christians and Pagans in Antiquity, 2009. – J. Carleton Paget: Jews, Christians and Jewish Christians in Antiquity, 2010. – J. Maier: Geschichte des Judentums im Altertum, 2. A. 1989. – J. Amersfoort/J. van Oort: Juden und Christen in der Antike, 1990. – H. Frohnhofen (Hg.): Christlicher Antijudaismus und jüdischer Antipaganismus, 1990. – J. Lieu/J. North/T. Rajak (Hg.): The Jews among Pagans and Christians in the Roman Empire, 1992. – F.-R. Prostmeier: Der Barnabasbrief, 1998. – H. Schreckenberg: Die christlichen Adversus-Judaeos-Texte, 3. A. 1995. – G. Stemberger: Juden und Christen im Heiligen Land, 1987. – G.D. Dunn: Tertullian’s Aduersus Iudaeos. A Rhetorical Analysis, 2008. – N.R.M. de Lange: Origen and the Jews, 1976. – J. Ul132

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rich: Euseb von Caesarea und die Juden, 1999. – S. Morlet: La Démonstration évangélique d’Eusèbe de Césarée, 2009. – P. Fredriksen: Augustine and the Jews, 2008. – T.J. Horner: Listening to Trypho. Justin Martyr’s Dialogue Reconsidered, 2001. – C.D. Allert: Revelation, Truth, Canon and Interpretation. Studies in Justin Martyr’s Dialogue with Trypho, 2002.

 § 3; 6.-7.

4. Das 2. Jh. als »Laboratorium der Theologiegeschichte« Eine Vielfalt von theologischen Konzeptionen und kirchlich-gemeindlichen Lebensformen war seit der ersten Generation von Christen – beginnend mit dem Unterschied zwischen »Hebräern« und »Hellenisten« – angelegt. Gleichwohl war das Ideal, dass die Kirche eine Einheit bildete, ausgeprägt und als Korrektiv zur Realität wirksam. Dies führte am Ende des 2. und am Beginn des 3. Jh.s zur Bildung von Strukturen, die fortan wichtig wurden: der Bezug auf die apostolische Tradition, ihre Reformulierung in knappen formelhaften Sätzen und die Verbindung der apostolischen Autorität mit dem Amt, besonders dem Monepiskopat, der Bezug jeglicher Theologie und Kirchenform auf die Schrift, zu der neben den Schriften des Judentums nun die des Neuen Testaments hinzukamen, und schließlich die Entwicklung von Synoden als vom Geist gelenkte Versammlungen, deren Entscheidungen als normativ für das kirchliche Leben aufgefasst wurden. Jedes dieser Strukturelemente bildete sich aber erst nach einem langen Prozess und fand erst im Laufe des 3., teilweise erst des 4. Jh.s seine endgültige Ausprägung, die zu einer gewissen Normierung dessen, was Christentum ist bzw. sein soll, geführt hat. Im 2. Jh. sind diese Prozesse noch nicht absehbar, insofern ist zunächst noch offen, welche Ausgrenzungsprozesse wie verlaufen und welche Formen von Christentum im 3. und 4. Jh. besondere Verbreitung und Akzeptanz finden werden. Die Entstehung von »Theologie« als einem Diskurs darüber, was die Identität des Christentums inhaltlich bestimmt, war hierbei eine entscheidende Weichenstellung, die mit Vorstellungen von dem, was Kirche sein soll, eng verknüpft war. Daher bildete sich im 3. Jh. Theologie als eine kirchliche Funktion heraus, die mit den kirchlichen Entwicklungen eng verknüpft blieb und ihnen nur selten kritisch und unabhängig gegenübertrat. Insbesondere waren die wegweisenden Theologen Inhaber kirchlicher Ämter und daher in die entstandenen kirchlichen Strukturen eingebunden. Das erklärt, wieso theologische Klärungsprozesse und kirchenpolitische Auseinandersetzungen unlösbar verknüpft waren.

Apostolizität Monepiskopat Kanon Synoden

4.1 Pluriformität der Lehren und Lebensformen Die Literatur des 1. und 2. Jh.s zeigt eine breite Ausdifferenzierung und ein breites Spektrum von Auffassungen dessen, was als christlich zu gelten hat und was nicht mehr als »christlich« akzeptiert werden sollte: Die sich ständig verändernden Identitätsbildungsprozesse gingen mit Ausgrenzungen ein4. Das 2. Jh. als »Laboratorium der Theologiegeschichte«

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Häresie

Spaltungen

her. Schon früh entstand daher das Bemühen, die Gegensätze auf inhaltliche Grundlagen zurückzuführen – ein wesentlicher Impuls für die Entwicklung von »Theologie« als reflektierter Formulierung des Inhalts der christlichen Verkündigung und des Gedankens, dass bestimmte andere Entwürfe als Häresien abgewertet und ausgegrenzt werden sollten. Der Gedanke der »Häresie« begegnet bereits bei Ignatius (Epistula ad Trallianos/Brief an die Tral­ lianer 6,1, vgl. Tit 3,10 und schon 1 Kor 11,18f.). Die Bildung kirchlicher Identität ging mit der Behauptung einher, die legitime Form des Christseins zu sein. Dies führte im 2. Jh. schon früh, etwa in Kleinasien und in Rom, zu Spaltungen der Christenheit, so dass sich die Gruppen gegenseitig vorwarfen, nicht mehr das eigentliche Christsein zu vertreten. Zugleich diffundierte das Christentum in ganz unterschiedliche Lebensbedingungen; eine religiös-kulturelle Pluriformität bildete sich daher in verschiedenen Ausprägungen christlicher Gemeinden ab. Angesichts dessen ist es historisch unangemessen, für die Zeit im 2. Jh. ein Gegenüber von »Orthodoxie« und »Häresie« als generelle Orientierung zu statuieren. Eine allgemein etablierte »Kirche« gab es ja nicht. Viel eher kann man das Bild eines »Laboratoriums« (Markschies) benutzen, um sich klar zu machen, welchen experimentellen Charakter viele Entwürfe des »Christseins« im 2. Jh. hatten und wie wenig man von einem Normbild von Kirche oder Christsein in dieser Zeit ausgehen kann. Das Bild eines »Laboratoriums« verweist auf die Pluralität christlicher Identitäten und Lebensentwürfe, sowie darauf, dass auch Entwürfe entstanden, die theologisch wie kirchlich kaum dauerhaften Bestand hatten, also als »Experimente« schiefgingen.

4.2 Häresien als Anstoß zur Klärung der Grundlagen Mit fortschreitender Ausbreitung des Christentums wuchs auch der Kontakt zwischen den verschiedenen christlichen Regionen und Gemeinden. Das Anliegen, dem Ideal der Kircheneinheit auch praktischen Ausdruck zu verleihen, wurde durch Besuchsreisen, Briefe von Gemeinde zu Gemeinde und strukturelle, theologische und organisatorische Angleichungen gefördert. Dabei zeigte sich auch, dass bestimmte Formen des Christentums, insbesondere die Gnosis, der Markionitismus und der Montanismus, Grundsatzklärungen innerhalb des Christentums erforderlich machten, für die es an Entscheidungs- und Regelungsmechanismen fehlte. Diesen Klärungsprozess als »Identitätskrise« zu bezeichnen, ist insofern problematisch, als es ja noch gar keine festliegende Identität des Christentums bzw. der Kirche gab. Es ist höchstens insofern sachgemäß, als die Klärungsprozesse eine Krise bedeuteten, die die Frage der Identität des Christentums betraf – auch wenn diese noch weitgehend ungeklärt war. Zudem muss man sich vergegenwärtigen, dass diese Klärungsprozesse in eine Zeit fielen, in der einerseits die Abgrenzung vom Judentum noch nicht abgeschlossen war, es andererseits punktuell immer wieder zu Konflikten mit römischen Behörden kam (vgl. § 3). 134

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4.3 Apostolizität und Katholizität als Kennzeichen von Kirche Der Anspruch, die eigentliche Form des Christentums zu sein, wurde von den verschiedenen Gruppen erhoben. Schon früh tauchte dabei die Legitimation der eigenen Position durch Rückbezug auf die Apostel auf. Erst die Klärungsprozesse des 2. Jh.s führten jedoch dazu, dass die Apostolizität zu einem Schlüsselkriterium wurde, das einerseits inhaltlich, andererseits organisatorisch gefüllt wurde. Für die inhaltliche Klärung wurde insbesondere die Zuordnung von Jesus Christus zu Gott entscheidend, aber auch die Einordnung der Christologie in eine Heilsgeschichte, zu der die Schöpfung und die Geschichte Israels ebenso gehörten wie die Erwartung des Jüngsten Tages. Diese, besonders gegen Gnosis, Markionitismus und Montanismus festgezurrten Kernpunkte wurden schon von Irenäus und Tertullian formelhaft zusammengefasst (als regula fidei; s. § 2; 9.). Sie inhaltlich zu entwickeln, machte intensive exegetische Bemühungen notwendig, wobei neben die Schriften des Alten auch zunehmend die des Neuen Testaments traten. Der Bezug auf die apostolische Tradition wurde insofern immer als die authentische Auslegung dessen, was in der Heiligen Schrift bezeugt ist, verstanden. Schrift und Tradition lassen sich in dieser Zeit nicht gegeneinander ausspielen (vgl. § 2; 8.). Zugleich wurde der Gedanke der Apostolizität mit der Idee verknüpft, dass das apostolische Erbe die Einheit der Kirche sicherstellt. Gegen die Vielfalt der Gemeinden wurde eine Amtsstruktur etabliert, in der das Grundprinzip entwickelt wurde, dass in jeder Stadt genau ein Bischof existierte (Monepiskopat; s. § 2; 11.2). Die Bischöfe wurden so zu Amtsträgern, in deren Verantwortung nicht nur organisatorische und liturgische Aufgaben fielen, sondern gerade auch die Kompetenz, über die Identität des Christentums inhaltlich-theologisch Auskunft geben zu können. Theologie wurde ganz überwiegend von Amtsträgern im kirchlichen Kontext entwickelt (allerdings gibt es Ausnahmen), sie blieb auf die kirchlichen Identitäts- und Abgrenzungsprozesse bezogen und lässt sich daher als kirchliche Funktion beschreiben (s. § 2; 10.). Die Idee, dass es nur eine Kirche geben konnte, fand ihre Spitze in dem Gedanken, dass die Repräsentanten der einen apostolischen Tradition vor Ort zusammenkommen und in Einmütigkeit Grundentscheidungen für das theologische Denken wie das kirchliche Leben fällen können, die in der ganzen Kirche unbestritten gelten sollten. Die damit verknüpfte Idee der Synoden und der darin zum Ausdruck kommende Anspruch, dass es nur eine allumfassende, d.h. katholische Kirche gebe, führte – gerade in der Verbindung mit kirchlichen und theologischen Strukturen – zu Konflikten, die die weitere Kirchengeschichte im 3.-5. Jh. tiefgreifend prägen sollten.

Schrift und Tradition

Theologie und kirchliches Amt

Synoden

4.4 Literatur Lektüretipp: C. Markschies: Kaiserzeitliche christliche Theologie und ihre Institutionen, 2007 [besonders 337-383]. 4. Das 2. Jh. als »Laboratorium der Theologiegeschichte«

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Literatur: H.D. Altendorf/E. Junod/J.-P. Mahé/W. Rordorf/G. Strecker (Hg.): Orthodoxie et hérésie dans l’Église ancienne, 1993. – W. Bauer: Rechtgläubigkeit und Ketzerei im ältesten Christentum, 2. A. 1964. – R.M. Grant: Heresy and Criticism, 1993. – W.-D. Hauschild: Die theologische Begründung der Kircheneinheit im frühen Christentum, in: Ders. (Hg.): Kirchengemeinschaft – Anspruch und Wirklichkeit. FS für G. Kretschmar, 1986, 9-42. – S. Elm/E. Rebillard/A. Romano (Hg.): Orthodoxie, christianisme, histoire, 2000.

5. Die Gnosis und der Manichäismus Im 2. Jh. gab es verschiedene Schulen und Gruppen innerhalb des Christentums, die zusammenfassend als Gnosis bezeichnet werden. Gnostiker traten in verschiedenen Gegenden des Imperium Romanum auf, besonders in Ägypten und in Rom, aber auch in Gallien und Karthago. Ihre Theologie forderte verschiedene Reflexionen heraus und war daher ein wichtiger Impuls für die theologische Entwicklung. Offenbarung und Erlösung, Abkehr von der Welt und Abwertung der Schöpfung, Erwählungsbewusstsein und elitäres Geheimwissen, besonders auch in der Form der Mythologie, waren dominierende Elemente in der theologischen Vorstellungs- und Sprachwelt der Gnostiker. Die ältere Forschungshypothese, der zufolge es bereits vor und außerhalb des Christentums ein entwickeltes gnostisches System gab, das sowohl für Paulus als auch für die johanneische Literatur wichtig geworden ist, hat als überholt zu gelten. Ebenso wenig hat sich die Unterscheidung von Gnosis als einem allgemein verbreiteten Phänomen und Gnostizismus als einer spezifischen Systembildung durchsetzen können. Hingegen lassen sich unter Gnosis (engl. Gnosticism) verschiedene Entwürfe zusammenfassen, die durch eine Reihe von Merkmalen verbunden werden. Die neuere Gnosisforschung betont nicht nur die besondere Rezeption platonischen Gedankenguts, sondern auch die exegetische Begründung, die auf eine besondere Nähe zu jüdisch-hellenistischer Exegese verweist.

5.1 Diskussionen um Herkunft und Wesen der Gnosis

Carl Schmidt

Nag Hammadi

War im 19. Jh. die Gnosis vor allem aufgrund der antignostischen Literatur bekannt (besonders Irenäus, Adversus haereses/Gegen die Häresien und Hippolyt, Refutatio omnium haeresium/Widerlegung aller Häresien), so führte die Entdeckung gnostischer Originaltexte ab dem Ende des 19. Jh.s zu einem regelrechten Boom der Gnosisforschung. So wurde 1896 von Carl Schmidt der sog. Berliner Codex entdeckt, der u.a. das Apocryphon Johannis (Geheimoffenbarung des Johannes) enthält, eine für die Frühgeschichte der Gnosis wichtige Schrift. Der wichtigste Fund war sodann derjenige der Bibliothek von Nag Hammadi (Ägypten) im Jahr 1945/46. In den 13 Codices sind 52 Schriften sehr verschiedener Art enthalten: neben Evangelien (Philippus- und Thomasevangelium) auch Apokalypsen und spekulative gnostische Schriften. Die Hersteller der Codices (im 4. Jh., nach Teilen der neueren Forschung erst im 5. Jh.) haben sich offensichtlich bemüht, einen gewissen Bestand gnostischer Literatur zusammenzustellen.

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Im 20. Jh. herrschte zunächst der religionsgeschichtliche Ansatz vor, der die Gnosis als ein nichtchristliches, synkretistisches System ansah, mit starken Wurzeln in östlicher, besonders persischer oder zoroastrischer Religiosität. Bedeutende Forscher wie Hans Jonas oder Kurt Rudolph fassten Gnosis als ein umfassendes Phänomen auf, das das spätantike Denken an vielen Stellen prägte. Diesem Ansatz nach war die christliche Gnosis nur ein Teilphänomen dieser allgemein verbreiteten Strömung, nichts spezifisch Christliches. Besonders Rudolf Bultmann nutzte Texte der Mandäer, um eine Art gnostischen Urmythos zu konstruieren, den er auch für die Deutung des Johannesevangeliums heranzog. Noch im Horizont dieser älteren Forschung steht die Definition des Kongresses von Messina im Jahr 1966, die Gnosis als ein breites, auf Erkenntnis und dadurch zugängliche Erlösung angelegtes Denken ansah und davon Gnostizismus als ein spezifisches, mythologisches System unterschied. Festzuhalten ist allerdings die Erkenntnis, dass die Wurzeln der Gnosis in das späte 1. oder frühe 2. Jh. zurückreichen und hier insbesondere auch mit dem Judentum zusammenhängen. Dabei fallen die Ursprünge der Gnosis in eine Zeit, in der die Abgrenzung des Christentums vom Judentum noch nicht abgeschlossen war. Insofern ist die Frage, ob die Anfänge der Gnosis christlich oder nichtchristlich sind, problematisch, weil sie ein fest umrissenes Bild von »christlich« voraussetzt. Die Suche nach dem einen gnostischen Urmythos hat man inzwischen aufgegeben, die Texte unterscheiden sich in ihren mythologischen Einzelheiten und Figuren so erheblich, dass sich eine Urform nicht konstruieren lässt.

religions­ geschichtlicher Ansatz

Definition von Messina

5.2 Das typologische Modell Die diversen Ansätze der Gnosis bildeten auch am Anfang keine Einheit, so dass eine Wesensdefinition von Gnosis kaum zu erstellen ist. Bewährt hat sich ein typologisches Modell, das auf pragmatische Weise einige oft auftauchende Kennzeichen festhält, ohne dass immer alle Kennzeichen in gleicher Weise und Intensität gegeben sein müssten (die folgende Aufzählung schließt sich an das Modell von Christoph Markschies an): 1. Die Transzendenz des höchsten einen Gottes wird so sehr betont, dass ein direkter Kontakt mit den Menschen oder der Materie nicht möglich erscheint. Daher werden Zwischen- und Mittlergestalten eingeführt, die einzelne Aspekte der Gottheit ausdrücken. 2. Die Welt wurde von einer niedrigeren Zwischengestalt verursacht, die besonders auch (in Aufgriff eines platonischen Begriffs) Demiurg genannt wird. Dieser Demiurg ist dumm (und versteht nicht, was er anrichtet) oder böse (und erschafft absichtlich das materielle Sein, um gegen das Göttliche aufzubegehren). 3. Die Welt bzw. die materiell verfasste Wirklichkeit wird als schlecht empfunden. Damit geht das Gefühl der Fremdheit des Gnostikers in der Welt einher. 4. Die Weltentstehung wird als mythologisches Drama erzählt, in dem die einzelnen Aspekte der Gottheit als selbständig agierende Zwischen- und Mittlergestalten handeln und in dem erzählt wird, wie durch eine unglückliche Verkettung von Ereignissen schließlich die Welt entstanden ist. 5. Die Gnosis und der Manichäismus

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Transzendenz und Mittlergestalten

Demiurg

schlechte Materie

Mythos

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göttlicher Funken im Menschen Menschenklassen

Erlösergestalt und Erkenntnis

Dualismen

5. Ganz am Ende dieses Dramas wird die Entstehung des Menschen erklärt, dem eine eigentümliche Ambivalenz eignet: Einerseits ist er in der materiell verfassten Welt gefangen, andererseits hat er eine innere Verbindung mit dem Göttlichen nie verloren, die etwa als göttlicher Funken im Menschen beschrieben werden kann. 6. Die Menschheit wird in mehrere Klassen unterschieden, etwa dergestalt, dass einige so viel an Göttlichkeit haben, dass sie sicher erlöst werden (Pneumatiker), andere ein gewisses Maß an Göttlichkeit haben, so dass sie immerhin die Möglichkeit haben, erlöst zu werden (Psychiker), während andere gar keine Göttlichkeit haben (Sarkiker, vgl. 1 Kor 15). 7. Um diejenigen Menschen zu erlösen, die den göttlichen Funken haben bzw. an der Göttlichkeit teilhaben, muss eine Erlösergestalt geschickt werden, die als entscheidenden Schritt der Erlösung γνῶσις (gnōsis/Erkenntnis) bringt. Die Gnosis führt zur Rückwendung der Menschen, die mit der Göttlichkeit in Verbindung stehen, und zieht eine entsprechende, sich von der Welt abgrenzende Ethik nach sich. 8. Obwohl das mythologische Drama oftmals von dem einen transzendenten Gott ausgeht und hiervon alles Weitere ableitet, verselbständigen sich einige Zwischengestalten so sehr, dass ausgeprägte Dualismen das mythologische Drama und die Beschreibung der Welt prägen. Diese Dualismen finden sich auch in der Anthropologie wieder.

5.3 Religionsgeschichtliche und chronologische Einordnung Platonismus Exegese

Engel

Die Gnosis verdankt sich einer spezifischen Verarbeitung von platonischhellenistischem Denken auf der Basis der Exegese alttestamentlicher Texte, wie sie im Judentum des 1. Jh.s üblich war. Als platonisch lässt sich insbesondere die eigentümliche Ambivalenz nennen, dass einerseits ein holistischer Entwurf geliefert wird, der ontologisch in dem einen höchsten Gott zusammenläuft und dessen Transzendenz betont, andererseits die materiell verfasste Welt als Gegensatz zur Wirklichkeit Gottes beschrieben wird. Das führt zu tiefgreifenden Dualismen, die in eine mythologische Urzeit zurückverlegt werden. Die Überbrückung zwischen dem transzendenten Gott und der Welt wird durch Zwischengestalten geleistet, deren Entstehung und Verhalten Aufschluss über die gegenwärtige Existenz wie über die Erlösung geben. In der jüdischen, tief vom Hellenismus geprägten Exegese von Gen 1 wurde die Transzendenz Gottes ebenfalls so sehr betont, dass die Erschaffung der Welt nicht direkt dem höchsten Gott zugeschrieben wurde, sondern untergeordneten Instanzen, die auch als eigenständig agierende Größen beschrieben werden konnten, z.B. als Logos, Weisheit oder auch Engel. Letztere konnten auch als unwissend oder aufbegehrend dargestellt werden. Dies konnte mit der Vorstellung verbunden werden, dass einige Engel gefallen und so zu bösen Mächten geworden sind. Wurde dieser platonische und jüdische Hintergrund mit dem Gefühl einer persönlichen Erwählung sowie 138

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der Hoffnung auf den Erlöser und die dadurch vermittelte Gotteserkenntnis verknüpft, ergab sich eine Interpretation des Christusereignisses, die geistig anspruchsvoll und anschlussfähig an die zeitgenössischen Diskurse war. Verdankt die Gnosis einerseits dem hellenistisch-jüdischen Denken viel, so ist andererseits das Christentum der eigentliche Kontext, in dem gnostische Konzeptionen entwickelt wurden. Neben der Genesis griff man zunehmend auch auf andere biblische Texte zurück, etwa auf Paulus und das Johannesevangelium, die jeweils im gnostischen Sinn neu interpretiert wurden. Zugleich wurden differenzierte Gedanken in einer Fülle spekulativer Erzählzusammenhänge mythologischer Art dargestellt. Es ist umstritten, ob die Gnostiker neben den bewusst archaisierenden, mythologischen Erzählformen auch abstraktere, philosophisch geprägte Texte hatten, es ist jedoch nicht unwahrscheinlich. Erst im Laufe der Zeit und mit wachsender Abgrenzung von anderen Gemeinden scheint sich an einigen Stellen eine sekundäre Entfremdung vom Christentum ergeben zu haben, so dass sich dann um 200 stellenweise auch eine »nach-christliche« Gnosis entwickelt hat. Sie blieb aber ein begrenztes Phänomen.

Christentum als Kontext

philosophische Lehrtexte?

5.4 Die gnostischen Lehrer und Systeme In der Forschung sind für die Beschreibung der gnostischen Systeme zwei Ansätze zu unterscheiden: a) Die Beschäftigung mit der sog. sethianischen Gnosis versucht, inhaltliche Grundstrukturen einer bestimmten Textgruppe zu erheben und zu einem historisch plausiblen Bild einer Entwicklung der sog. sethianischen Gnosis zusammenzuführen (Schenke, Turner). b) Die Beschäftigung mit gnostischen Lehrern führte zu dem Ergebnis, dass zwischen den Lehrern und den sich auf sie berufenden Systemen tiefgreifende Unterschiede bestehen: Die Lehrer haben noch nicht die späteren gnostischen Systeme entwickelt, sondern durch bestimmte exegetische Überlegungen eine platonisch-hellenistisch-jüdische Deutung des Christusgeschehens zu entwickeln versucht. Dies ist besonders für Valentin (Markschies) und Basilides (Löhr) deutlich. Auf Valentin geht dabei das besonders einflussreiche valentinianische System zurück, gegen das sich besonders Irenäus gewandt hat und das auch für Origenes wichtig geworden ist. 5.4.1 Häresiologische Einordnung bei Irenäus und Hippolyt. Irenäus bekämpft die ψευδώνυμος γνῶσις (pseudōnymos gnōsis/fälschlich sogenannte Gnosis), indem er zum einen die Vielfalt betont und die Gnosis so als in sich zerstrittene und von den jeweiligen Lehrern erfundene Bewegung kennzeichnet (Adversus haereses/Gegen die Häresien 1,11f.), zum anderen eine Genealogie erstellt, die alle gnostischen Systeme auf Simon Magus zurückführt und so als von vornherein unsinnige, mit Magie und moralisch minderwertigem Verhalten verbundene Strömungen darstellt (Adversus haereses/ Gegen die Häresien 1,23,1-4). Zugleich erscheint in seiner Perspektive die Gnosis als ein genuin christliches Phänomen, auch wenn in manchen Beschreibungen spezifisch christliche Elemente eine nur untergeordnete Rolle spielen. Ferner behauptet Irenäus, 5. Die Gnosis und der Manichäismus

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sethianische Gnosis

Lehrer-Schüler

Irenäus

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Hippolyt

»Hellenisierung«

Apocryphon Iohannis

Barbelo Autogenes

Yaldabaoth Sophia

dass das Christentum von Anfang an von der einen Kirche verkörpert wurde, entwickelt also die Idee einer auf die Apostel zurückgehenden, legitimen Kirche, die sich erfolgreich gegen die Häresien verteidigt hat (Adversus haereses/Gegen die Häresien 1,10). Hippolyt widerlegt die Gnosis, indem er nachzuweisen versucht, dass die einzelnen gnostischen Systeme – genauso wie überhaupt alle Häresien – durch eine falsche und sachfremde Übertragung philosophischer Konzepte auf christliches Gedankengut entstanden seien. Auch für ihn ist die Gnosis ein spezifisch christliches Phänomen, doch ist sie gleichsam durch eine falsche »Hellenisierung« entstanden. Valentin sei eher als Platoniker und Pythagoräer denn als Christ anzusehen (Refutatio omnium haeresium/Widerlegung aller Häresien 6,30). Diese häresiologische Absicht führt dazu, dass Hippolyt in die Beschreibung der Gedankensysteme die entsprechende philosophische Terminologie einträgt, also in seinen Referaten (gerade im Hinblick auf die Begriffe) nicht immer über allen Zweifel erhaben ist. Das häresiologische Konzept, dass Häresien sich einem »Zuviel« an griechischer Philosophie verdanken, hat sich als sehr einflussreich erwiesen und wirkt noch in der negativen Bewertung einer »Hellenisierung« bzw. eines »Zuviels« an philosophischer Terminologie in den großen Lehrentscheidungen des 4. und 5. Jh.s nach.

5.4.2 Sethianische Gnosis. Unter der sethianischen Gnosis fasst man eine Gruppe von 14 Nag Hammadi-Schriften zusammen, unter denen das Apocryphon Iohannis (Geheimoffenbarung des Johannes) herausragt. Sie heißt nach Seth, dem Sohn und legitimen Erben Adams (nachdem Abel getötet und Kain verstoßen war). Dieser wird als eine geistige Figur verstanden, auf den eine Gruppe von Menschen mit besonderem Geistbesitz zurückgeht, die ein Geheimwissen von Generation zu Generation weitergegeben hat. Höchste Ebene ist eine Trias aus Unsichtbarem Geist (Vater), Barbelo (Mutter) und Autogenes (Sohn). Für den Unsichtbaren Geist wird eine negative Theologie entwickelt, die Offenbarung wird auf eine Erlöserfigur zurückgeführt, die oft mit Seth identifiziert wird. Dieser hat seinen Platz an einem himmlischen Ort, den vier Leuchter hervorgebracht haben, die wiederum vom Autogenes abstammen. Dieser Platz ist jedoch bedroht, weil ein bösartiger Demiurg namens Yaldabaoth versucht, den Samen Seths zu zerstören. Dieser Yaldabaoth wird auch als der Sohn der Sophia bzw. Weisheit verstanden, die ursprünglich zu der göttlichen Fülle gehörte, dann aber gefallen ist. Der von ihr hervorgebrachte Sohn entwickelt sich unkontrolliert und wird zur feindlichen Macht par excellence, teilweise wird er auch mit dem Gott des Alten Testaments identifiziert, jedenfalls für die Erschaffung der materiellen Welt verantwortlich gemacht. Der Same Seths gerät durch die Weltschöpfung und die Versklavung der Menschen in tiefe Gefahr, kann jedoch gerettet werden, weil ihm drei Mal die Erlöserfigur zu Hilfe eilt. Die Menschen, die zum Samen Seths gehören, durchlaufen daher ein spezielles Taufritual mit fünf »Siegeln«, das einen christlichen Charakter trägt. Es ist in der Forschung umstritten, ob die so skizzierte Grundstruktur wirklich als ein kohärentes Gedankengut allen Traktaten, die der sethianischen Gnosis zugerechnet werden, zugrunde liegt (sogar die zentrale Rolle Seths in diesen Texten ist umstritten). In der Forschung wurde dann insbesondere diskutiert, ob dieses Gedankengut erst sekundär christianisiert 140

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worden ist. Aufgrund der Textparallelen zwischen dem Apocryphon Iohannis und dem Bericht des Irenäus über die sog. Barbeloiten (Adversus haereses/ Gegen die Häresien 1,29) hat man das Apocryphon Iohannis gleichsam als Ausgangs- und Kulminationspunkt der sethianischen Gnosis verstanden. Jüngere Forschungen haben dies in Frage gestellt und schlagen vor, in dem Text eine Synthese verschiedener gnostischer Strömungen zu sehen (so der Barbelo-Gnosis einerseits, benannt nach der Zurückführung der Welt auf die höchste Trias, bestehend aus einem transzendenten, höchsten Gott, weiblicher Barbelo und deren Sohn Autogenes, sowie den Ophiten andererseits, die die Figur des Yaldabaoth durch sieben alttestamentlich klingende Götternamen beschrieben und dann besonders Eva eine positive Rolle zuschrieben, beide unterschieden von dem eigentlichen sethianischen Traditionskern). Innerhalb der Texte, die man zur sethianischen Gnosis rechnet, zeichnen sich schließlich einige Traktate noch einmal durch eine besonders intensive Platonismusrezeption und eine weitgehend unchristliche Oberfläche aus (Zostrianus, Allogenes). Gnostische Schriften mit demselben Titel sind nach der Auskunft des Porphyrius auch in der Philosophenschule Plotins um 250 in Rom gelesen worden, doch ist unsicher, inwiefern die heute erhaltenen (koptischen) Traktate schlicht Übersetzungen der von Plotin gelesenen (griechischen) Schriften sind oder in einer nicht näher erkennbaren Weise überarbeitet (weiter gnostisiert?) worden sind. Die Auseinandersetzung mit diesen Schriften durch Plotin (Enneade II,9; der sog. »Großschrift«) zeigt aber, dass einige platonisierende Texte der sethianischen Gnosis (in ihrer allerdings nicht näher erkennbaren griechischen Gestalt) widerlegenswert erschienen. 5.4.3 Valentin und Basilides und die auf sie zurückgeführten Systeme. Für Lehrer wie Valentin und Basilides bietet besonders Clemens von Alexandria wenige, nicht zusammenhängende Fragmente. In der Forschung ist umstritten, ob man diese Texte aufgrund gewisser Grundgedanken in den diversen späteren Systementwürfen miteinander verbinden darf – oder ob man damit nicht vielmehr historisch unzutreffend ein späteres Stadium der Systembildung zurückdatiert. Die wenigen Fragmente, die für Valentin selbst in Anspruch zu nehmen sind, zeigen z.B., dass hier noch keine spekulative Systembildung greifbar ist, sondern eher eine platonisierende, teilweise auf jüdische Exegese zurückgreifende Form von Theologie. So ist etwa erkennbar, dass die Welt von unvorsichtigen Engeln geschaffen wurde, die mit dem Menschen etwas bildeten, was mehr konnte, als es sollte – weswegen das Gebilde verdorben wurde. Auch wird die materielle Welt tendenziell eher negativ bewertet, der Leib wird als nicht erlösungsfähig eingestuft. Als Erlöserfigur erscheint Chris­ tus, doch sind auch hier Einzelheiten nicht erkennbar. Wesentliche Grundgedanken der späteren valentinianischen Gnosis fehlen, etwa die Ausdifferenzierung der Gottheit in ein Pleroma mit 30 Größen, der Fall der Sophia als 5. Die Gnosis und der Manichäismus

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Parallelen zu Irenäus

Ophiten

platonisierende sethianische Gnosis

Schule Plotins

Fragmente

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Ptolemäus

Isidor

Umgang mit dem Gesetz

Heracleon

der letzten dieser Größen und die damit zusammenhängende Rückführung der Welt- und dann der Menschenentstehung auf den Demiurgen, aber auch die Einteilung der Menschheit in drei Klassen (die Pneumatiker, die auf jeden Fall erlöst werden, die Psychiker, die sich bewähren können, die Sarkiker, die verloren sind) oder das Zurücklaufen der erlösten Geistelemente in das Pleroma. Insofern spricht einiges dafür, dass erst Schüler Valentins wie Ptolemäus bestimmte Impulse Valentins aufgriffen und eine umfassende Systembildung entwickelt haben, wie sie dann Irenäus als großes Gegenbild wiedergibt (so besonders Adversus haereses/Gegen die Häresien 1,1-9). Noch schlechter bestellt ist es mit dem Befund bei Basilides. Hier besteht nicht nur das Problem, dass sich die Berichte bei Irenäus und Hippolyt über das basilidianische gnostische System so fundamental unterscheiden, dass eine Rekonstruktion des Systems schlicht unmöglich erscheint, auch die bei Clemens überlieferten Fragmente lassen kaum ein klares Bild erkennen. Das gilt auch, wenn man noch einige Fragmente für Basilides’ Sohn und Nachfolger Isidor hinzunimmt. Demnach hatte Basilides ein wohl platonisch geprägtes Gottes- und Seelenbild: Gott erzieht den Menschen, der sich entsprechend gegen die Affekte und die Regungen der niederen Seelenteile zur Wehr setzen muss, aber auch kann. Gottes erziehendes Handeln hat Basilides auch für Ausnahmesituationen wie das Martyrium angenommen, auch den Gedanken einer Seelenwanderung hat er wohl aufgenommen. Alles das lässt jedoch noch nicht die Grundzüge eines gnostischen Systems erkennen, sondern passt gut in das zeitgenössische Bildungsmilieu, wie man es sich für eine Stadt wie Alexandria vorstellen kann. Die Bedeutung der Exegese ist für Basilides eher undeutlich, für Valentin im Hintergrund aber doch fast immer zu greifen. Die von dem Valentinschüler Ptolemäus erhaltene Epistula ad Floram (Brief an Flora) beschäftigt sich explizit mit der Frage, wie man mit dem Gesetz, d.h. dem Pentateuch, umgehen muss. Danach muss man das eigentliche, nach wie vor in Geltung stehende »reine« Gesetz von dem durch Christus aufgehobenen und von den symbolisch bzw. übertragen zu verstehenden Passagen unterscheiden. Insofern ist es vielleicht kein Zufall, dass Origenes nun ausgerechnet für den Valentinianer Heracleon Fragmente einer fortlaufenden Kommentierung des Johannesevangeliums überliefert. Das ist immerhin die älteste fortlaufende Exegese einer neutestamentlichen Schrift, die heute greifbar ist. Insofern spricht manches dafür, dass die valentinianische Exegese eine der großen Herausforderungen gewesen ist, die die Entwicklung einer antignostischen und bewusst kirchlichen Exegese provoziert hat.

5.5 Der Manichäismus als Weltreligion Die ursprünglich in Persien entstandene Religion, die sich auf Mani (lateinische Namensform: Manichaeus; Lebensdaten: 216-ca. 277) zurückführte, fand am Ende des 3. Jh.s und im 4. Jh. eine weite Verbreitung im Imperium Romanum, wo sie hauptsächlich als christlich geprägte Häresie wahrgenom142

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men und verfolgt wurde. Im 4. Jh. hat der Manichäismus in seiner Bedeutung die gnostischen Systeme überholt. Ähnlich wie bei der Gnosis gelang es erst im 20. Jh., durch den Fund manichäischer Originaltexte, besonders in Ägypten, ein historisch zuverlässigeres Bild zu entwerfen. Während man in der älteren Forschung hauptsächlich von einem stark synkretistischen Charakter des Manichäismus ausging, hat sich durch neuere Textfunde (insbesondere den Kölner Mani-Kodex) herausgestellt, dass der Manichäismus schon in seiner Anfangszeit stark christlich geprägt war. Der Manichäismus hat in seiner Geschichte eine sehr starke Verbreitung gefunden, von Rom und Nordafrika und den östlichen Teilen des Imperium Romanum, besonders Ägypten und Syrien, sowie im Perserreich bis hin zur chinesischen Wüste (wo umfangreiche Texte aus dem Mittelalter gefunden wurden). Diese Verbreitung ging Hand in Hand mit einer regional sehr stark differierenden Weiterentwicklung der manichäischen Gedanken. Auch im Fall des Manichäismus hat man in der Forschung oft versucht, einen manichäischen Urmythos zusammenzustellen. Im Vergleich mit den verschiedenen gnostischen Systemen ergibt sich tatsächlich auch eine wesentlich höhere Kohärenz der verschiedenen Ausprägungen. Doch sind die Unterschiede nach wie vor erheblich, ein geschlossener Ablauf lässt sich am ehesten auf der Grundlage antimanichäischer Häresiologen herstellen (besonders Severus von Antiochia, Homilie 123, Theodor bar Koni und den Acta Archelai/Akten des Archelaos, auf die Epiphanius von Salamis zurückgriff). Der Manichäismus wird in der Forschung oft auch als Teil der Gnosis eingeordnet, doch gibt es erhebliche Unterschiede. Insbesondere führt der Manichäismus die Dualismen nicht auf ein ihnen zugrundeliegendes, einziges Urprinzip zurück, sondern radikalisiert sie. Grundlegend ist die Annahme zweier Prinzipien, die in einem kosmischen Kampf miteinander stehen. Zwar steht auch für Mani fest, dass das Prinzip des Guten, Gott im eigentlichen Sinne, siegreich sein wird, weil es de facto stärker ist als das Prinzip des Bösen, doch wird das Prinzip des Bösen nicht (wie in der Gnosis) durch eine mythologische Vorgeschichte von der Gottheit abgeleitet. Auch fehlen einige Motive, die in gnostischen Texten oft auftauchen, etwa die Idee eines Demiurgen (tätig wird vielmehr eine Instanz der Gottheit, die aus bestimmten Elementen des entgegengesetzten Prinzips die Welt fabriziert). 5.5.1 Mani als Religionsgründer. Wertvolle Nachrichten über Mani liefert der Kölner Mani-Kodex, ein griechischer Miniaturkodex, der das Leben Manis in bewusster Anlehnung an das Leben des Paulus berichtet. Danach wurde Mani im Perserreich bei Seleukeia-Ktesiphon geboren und wuchs in einer Täufergruppe auf, in der jüdische Speisegebote und der Sabbat gehalten wurden, Jesus als Erlöser galt und dies mit kosmologischen Spekulationen verbunden wurde. Im Alter von 25 Jahren erhielt er eine besondere Offenbarung durch die ihm zugesellte göttliche Begleitergestalt (den Syzygos), der mit dem Parakleten identifiziert wurde. Dementsprechend zog Mani in Anknüpfung an das apostolische Ideal los und verkündete als Apostel Jesu Christi die eigene Offenba5. Die Gnosis und der Manichäismus

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christliche Prägung

Dualismus

Kölner Mani-Kodex

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rung. Unter den Perserkönigen Šapur und Hormizd konnte er im Perserreich seine neue Religion erfolgreich ausbreiten. Unter König Bahram wurde er gefangengenommen, gefoltert und starb wenig später im Gefängnis. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich seine Weltdeutung schon so weit verbreitet, dass eine zweite Generation von Manischülern das Denken Manis in Schriften festhielt, die auf Mani zurückgeführt wurden, und die die neu gegründete Religion weiter ausbreiteten.

Kephalaia

Psalmen­ frömmigkeit

Welt als Ausläuterungs­ maschine

Askese

Augustin

Kodex von Tebessa

electi – auditores

5.5.2 Die koptischen Manichaica. Aus der Zeit des späten 4. Jh.s stammen koptische Handschriften (heute in Berlin und Dublin), die in den zwanziger Jahren des 20. Jh.s entdeckt wurden und über den ägyptischen Manichäismus Auskunft geben. Besonders wichtig sind die Kephalaia (Kapitel) und das Psalmbuch. Letzteres verweist bereits auf die für die Manichäer wichtige Psalmenfrömmigkeit, die in Fortsetzung zu den biblischen Psalmen eigene Texte hervorbrachte. In den Kephalaia lassen sich viele mythologische Elemente finden, die sich auch in den Manichäerreferaten der Kirchenväter (so besonders Epiphanius) wiederfinden. Auch hier gibt es aber im Einzelnen erhebliche Unterschiede zwischen den Texten. Grundlegend ist jedenfalls die Vorstellung, dass das Reich des Lichts, um einen Angriff des Reiches der Finsternis abzuwehren oder zu verhindern, als erste Maßnahme den Urmenschen sendet. Dieser unterliegt jedoch und wird mitsamt allen Waffen des Lichtreiches im Finsternisreich gefangengesetzt. Ergebnis ist eine Durchmischung von Reich der Finsternis und Lichtelementen. Das Reich des Lichtes sendet daraufhin den Lebendigen Geist, der zehn Himmel und acht Erden und damit die Welt erschafft – gedacht als große Ausläuterungsmaschine für die Lichtelemente. Auch in Pflanzen und Tieren sind Lichtelemente in unterschiedlicher Weise enthalten. In Reaktion hierauf veranlasst der Fürst der Finsternis, dass alle anderen Gestalten des Reiches der Finsternis ihre Lichtelemente auf ihn selbst übertragen, der dann mit seiner Gattin den Menschen nach dem Vorbild einer weiteren göttlichen Größe, des Dritten Gesandten, hervorbringt. Der Mensch verfügt daher über eine besonders hohe Konzentration an Lichtelementen, die er durch sein Verhalten entweder dem Reich des Lichtes wieder zuführen kann oder die er weiter in das Reich der Finsternis verbreiten kann. Durch das richtige Verhalten des Manichäers wird also gerade der Plan des Fürsten der Finsternis durchkreuzt, die Lichtelemente bei sich zu behalten. Dazu muss der Mensch den stofflich bedingten Begierden widerstehen, sich in sexueller Askese üben und besonders nur pflanzliche Nahrung zu sich nehmen. Jesus und Mani offenbaren den Menschen diesen Weg. Am Ende wird das Reich der Finsternis besiegt und von Lichtelementen gefangen gehalten. Die besseren Lichtelemente und Seelen steigen in das Reich des Lichts hinauf und sind damit erlöst.

5.5.3 Der lateinische Manichäismus. In den nordafrikanischen Quellen (neben den manichäischen Gegnern Augustins wie Faustus, Fortunatus und Felix sind dies insbesondere die Epistula fundamenti/der Grundlagenbrief, der auf Mani oder seine Schülergeneration zurückgeht und in einer lateinischen Version verbreitet war, und der Kodex von Tebessa, eine manichäische Originalschrift, die 1918 entdeckt wurde) erscheint der Manichäismus mit dem Anspruch, das echte und vollkommene Christentum zu sein. Die mythologischen Elemente, die in den koptischen Manichaica dominant sind, treten zurück. Stattdessen stehen die Askese und der Anspruch, die Welt erklären zu können, im Vordergrund. Die manichäische Kirche (so die Selbstbezeichnung) besteht aus electi (Erwählten) und auditores (Hörern bzw. Ka144

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techumenen), wobei nur die ersteren alle Speisegebote einhalten müssen. In rituellen Feiern wird die Ausläuterung des Lichtes durch zeremonielle Nahrungsaufnahme vorangetrieben. Die auditores bereiten diese Speisen vor und versorgen auch sonst die electi, die die drei Siegel (das Siegel des Schoßes = sexuelle Askese, des Mundes = Nahrungsgebote und der Hände = vorbildliche Ethik) einhalten müssen. Nordafrikanische Manichäer wie Faustus und Fortunatus haben insbesondere die Bibel als Grundlage ihrer Lehren ausgewertet (etwa die Schöpfungsgeschichte sowie besonders Paulus; Röm 7 wird ihnen etwa zur Beschreibung der Lichtelemente im Menschen gegen das von den Dämonen geschaffene Fleisch). Verbunden wurde dies mit Spekulationen über die Gestirne (Sonne und Mond als »Lichtschiffe«, mit denen Lichtelemente in das Reich des Lichts transportiert werden) und die stofflichen Elemente. Obwohl der Manichäismus schon früh verboten war, wirkte er in Karthago und Rom gerade auf Intellektuelle und sozial Höhergestellte attraktiv und wurde so zu einer besonderen Herausforderung für andere Formen des Christseins.

Bezug auf die Bibel

Sonnenverehrung

5.6 Literatur Lektüretipp: C. Markschies: Die Gnosis, 2001. Quellen: H.-M. Schenke/H.-G. Bethge/U.U. Kaiser (Hg.): Nag Hammadi Deutsch, 2 Bde., 2001.2003. – I. Gardner/S.N.C. Lieu: Manichaean Texts from the Roman Empire, 2004. – M. Stein: Manichaica Latina 1-3, 1998-2006 [zweisprachig incl. Kommentierung]. Literatur: C. Markschies:Valentinus Gnosticus? Untersuchungen zur valentinianischen Gnosis mit einem Kommentar zu den Fragmenten Valentins, 1992. – Ders.: Gnosis und Christentum, 2009. – W.A. Löhr: Basilides und seine Schule, 1996. – B. Aland: Was ist Gnosis? Studien zum frühen Christentum, 2009. – T. Rasimus: Paradise Reconsidered in Gnostic Mythmaking. Rethinking Sethianism in Light of the Ophite Evidence, 2009. – D. Brakke: The Gnostics. Myth, Ritual, and Diversity in Early Christianity, 2010. – A. Wucherpfennig: Heracleon Philologus. Gnostische Johannesexegese im zweiten Jahrhundert, 2002. – J. Lahe: Gnosis und Judentum. Alttestamentliche und jüdische Motive in der gnostischen Literatur und das Ursprungsproblem der Gnosis, 2012. – G.P. Luttikhuizen: Gnostic Revisions of Genesis Stories and Early Jesus Traditions, 2006. – H.M. Schenke: Das sethianische System nach Nag-Hammadi-Handschriften, in: P. Nagel (Hg.): Studia Coptica, 1974, 165-173. – J.D. Turner: Sethian Gnosticism and the Platonic Tradition, 2001. – E. Thomassen: The Spiritual Seed. The Church of the »Valentinians«, 2006. – S.N.C. Lieu: Manichaeism in the Later Roman Empire and Medieval China, 2. A. 1992. – Ders.: Manichaeism in Mesopotamia and the Roman East, 1994. – J.K. Coyle: Manichaeism and its Legacy, 2009. – M. Franzmann: Jesus in the Manichaean Writings, 2003. – N.A. Pedersen: Demonstrative Proof in Defence of God. A Study of Titus of Bostra’s Contra Manichaeos, 2004. – J. van Oort/O. Wermelinger/G. Wurst (Hg.): Augustine and Manichaeism in the Latin West, 2001. – J.D. BeDuhn: The Manichaean Body in Discipline and Ritual, 2000. – Ders.: Augustine’s Manichaean Dilemma, Bd. 1, 2010. – V.H. Drecoll/M. Kudella: Augustin und der Manichäismus, 2011.

5. Die Gnosis und der Manichäismus

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6. Markion: Die Betonung des Neuen der Christusoffenbarung

Harnack

Liebe Gottes Paulus

Zorn Gottes

Gerechtigkeit Gottes

Einheit Gottes?

Ein besonders fruchtbarer und umstrittener Ansatz stammt von Markion, der ca. 140-160 in Rom wirkte. Er wollte das Spezifische der Christusoffenbarung deutlich herausarbeiten und gegen jede Form des Synkretismus abgrenzen. Zu letzterem rechnete er auch die Übernahme jüdischer Traditionen. Auf der Grundlage exegetischer Einsichten entwickelte er eine eigene Sicht von dem, was in Christus neu offenbart wurde. Sein Bruch mit der römischen Gemeinde ca. 144 führte zur Organisation einer eigenen Kirche, die sich rasch ausbreitete und vermutlich stärker als die gnostischen Gruppen eine Struktur aufbaute. Will man ihn mit Adolf Harnack als einen grundlegenden Reformer verstehen, dann setzt das voraus, dass Markion zufolge die zentrale Botschaft des Christentums in seiner noch jungen Geschichte bereits verfälscht und entstellt worden ist. Hiergegen habe Markion nun dem ursprünglichen, reinen Evangelium wieder Geltung verschaffen wollen. Dies setzt bereits eine fest umrissene Form von Christentum voraus, die so nicht vorauszusetzen ist. Fest steht, dass für Markion der zentrale Inhalt des Evangeliums in der Güte und Liebe Gottes bestand, die Jesus offenbart hat. Diesen Inhalt sah er insbesondere in der Lehre des Paulus ausgedrückt. Dessen Theologie von Gesetz und Gnade verstand er als Gegensatz zwischen dem neuen, in Christus offenbarten Evangelium und dem alten Gesetz und damit verbundenen Vorstellungen. In der Markionforschung ist nun umstritten, wie sich Markion das Verhältnis zwischen dem im Evangelium neu offenbarten und dem im Gesetz greifbaren Gott genauer vorgestellt hat. Ein Teil der Markionforscher geht von den Stellen aus, in denen der Zorn des alttestamentlichen Gottes besonders betont wird. Nach dieser Deutung näherte sich Markion der Idee an, dass der im Alten Testament greifbare, zornige und unberechenbare Gott nichts mit dem liebevollen Gott des Evangeliums zu tun hat, es also im Grunde zwei Götter gebe. Andere Markionforscher betonen jedoch, dass Markion die Gerechtigkeit des alttestamentlichen Gottes besonders herausgestellt hat. Dann lässt sich weiter fragen, ob denn der liebende, durch Christus offenbarte Gott etwa nicht gerecht ist. Diese Überlegung führt dazu, den Gegensatz zwischen dem strafenden und die Einhaltung der Kultrituale fordernden Gott des Gesetzes, der auch für die materielle Schöpfung verantwortlich ist, und dem durch Christus offenbarten Gott heilsgeschichtlich aufzulösen: Der liebende Gott tut durch seine Offenbarung zwar etwas völlig Neues, doch übergipfelt er damit das, was im Gesetz bekannt war. Es handelt sich letztlich also um einen Gott, der nach einer Zeit des materiellen Handelns und des gerechten Strafens nun etwas völlig Neues tut und sich als der liebende, eigentlich erlösende Gott offenbart. Manche Markionforscher versuchen, diese beiden Ansätze zu kombinieren, etwa indem sie eine Entwicklung annehmen, der zufolge Markion erst die Gerechtigkeit des strafenden Gottes, dann seinen Zorn betont hat. Jedenfalls ist die Botschaft von dem liebenden Gott für Markion etwas fundamental 146

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Neues, das im Gegensatz zum Alten Testament steht. Dies führte ihn zu einer weitgehenden Bestreitung einer Kontinuität zwischen Altem Testament und den Bezeugungen des Christusgeschehens, wie sie in den Evangelien und den Paulusbriefen vorlagen. Markion stellte diese Zeugnisse besonders zusammen und bearbeitete sie, weil er an vielen Stellen in den Texten bereits eine verfälschende Tradition eingearbeitet sah, die nicht den Gegensatz der Christusoffenbarung zum Gott des Alten Testaments betonte, sondern alttestamentliche Vorstellungen in die Bezeugung des Christusgeschehens integriert hatte. Das Ergebnis war eine überarbeitete Fassung des Lukasevangeliums und der Paulusbriefe. Damit hatte Markion als einer der ersten so etwas wie einen neutestamentlichen Kanon aufgestellt.

6.1 Die Kirche der Markioniten Markion (ca. 90/100?-ca. 160?), aus Sinope im Pontus stammend, entstammte wohl einer reichen Reedereifamilie, siedelte sich um 140 in Rom an und schenkte der Gemeinde eine erhebliche Summe Geld (die genaue Höhe ist umstritten). Der Versuch, seine Ideen in Rom zu verbreiten, führte zu Auseinandersetzungen, in denen die Markiongruppe ausgegrenzt wurde und Markion sein gestiftetes Vermögen zurückerstattet wurde. Markion ging rasch daran, eine eigene Kirchenstruktur aufzubauen, die auch in Nord­­afrika und Gallien, Palästina und Kleinasien, Syrien und Mesopotamien nachweisbar ist. Die Abwehr der Markioniten blieb bis weit ins 4. Jh. eine bestimmende Größe antihäretischer Strategien. Besonders ragt das fünfbändige Werk Adversus Marcionem (Gegen Markion) des Tertullian heraus, das die bedeutendsten Fragmente und Referate für die Rekonstruktion der Theologie Markions bietet. Es ist in der Forschung umstritten, ob bestimmte Theologen wie Apelles und Hermogenes als Markionschüler anzusehen sind. Vermutlich gehören sie eher zu Kreisen, die an Platonismus und Exegese interessiert waren und neben markionitischem auch gnostisches Gedankengut rezipierten und daher eher als platonische Lehrer des späten 2. Jh.s denn als Markionschüler anzusprechen sind.

Markion in Rom

Tertullian Apelles Hermogenes

6.2 Der »fremde« Gott und der Gott des Gesetzes Die exegetische Grundlage von Markions Theologie ist heutzutage weitgehend unbestritten. Seine Einsicht in den zentralen Ansatz der Christusoffenbarung baute Markion zu einer umfassenden Hermeneutik aus, die er zur Grundlage einer literarkritischen Arbeit machte. Die Betonung, dass der in Christus offenbarte Gott von Liebe und Güte geprägt ist, wurde zum bestimmenden Kriterium des Schriftverständnisses. Die Erschaffung der materiellen Welt, die Markion als zutiefst schlecht einstufte, sowie die im Alten Testament vorfindlichen Aussagen von der Gerechtigkeit bzw. dem Zorn Gottes schienen dazu nicht zu passen. Markion ging so weit, dass er daher nicht nur das Neue der Christusoffenbarung betonte, sondern auch annahm, dass alle Züge in der Bezeugung des Christusgeschehens, die eine positive Bedeutung des Materiellen oder des Zorns be6. Markion: Die Betonung des Neuen der Christusoffenbarung

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Exegese

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inhalteten, eine spätere Verfälschung seien. Entsprechend grenzte Markion die Erschaffung der materiellen Welt als Werk eines Demiurgen von dem in Christus offenbarten Gott ab und forderte eine entsprechende Ethik sowie eine rigorose Asketik.

gnostische Reaktion auf Markion?

Markions Ansatz wies eine gewisse Nähe zur Gnosis auf, weil auch er die positive Bedeutung des alttestamentlichen Gottes für das Christentum relativierte und die materielle Welt des Schöpfergottes abwertete, doch unterschieden sich die Denkansätze fundamental, weil Markion keine umfassende Spekulation für die Welt- und Menschenentstehung entwickelte. Auch den Gedanken, dass ein Teil der Menschen einen Teil bzw. Funken des göttlichen Pneumas hat, kennt er nicht; hier liegt der stärkste Unterschied zur Gnosis. Es lässt sich freilich überlegen, ob die Gnosis umgekehrt den markionitischen Gegensatz zwischen dem im Gesetz bezeugten Gott und dem von Christus offenbarten Gott bereits so verstanden hat wie die späteren Häresiologen (besonders Irenäus und Tertullian), nämlich im Sinne eines echten Dualismus zwischen zwei Göttern. Dann könnte nämlich insbesondere der monistische Impuls der valentinianischen Gnosis, die ja die verschiedenen Differenzierungen in der Gottheit auf eine höchste und transzendente Gottheit zurückführt, eine Reaktion auf Markions angeblichen Dualismus sein. Allerdings ist der monistische Grundzug der Gnosis wohl älter als Markion, und bei Markion entscheidet sich an der Interpretation des Gegensatzes zwischen dem Gott des Gesetzes und dem des Evangeliums, ob nicht auch bei ihm eine monistische Grundtendenz wirksam ist.

6.3 Antithesen und Bibelkanon

Lukasevangelium und Paulus

Markions Werk ist nur in Fragmenten und Referaten greifbar, besonders bei Tertullian. Dabei ist nicht immer deutlich, wie authentisch Tertullian Markions Wortlaut wiedergibt. So ist zwar deutlich, dass Markion ein Werk verfasst hat, das Verse aus den alttestamentlichen Schriften und aus dem Lukasevangelium sowie den Paulusbriefen einander gegenüberstellte. Der Titel Antitheseis (Gegensätze) ist dabei jedoch genauso ungesichert wie die Frage, ob dieses Werk eine Einleitung oder eine Art Anhang zu Markions Bibelkanon darstellte. Deutlich wird jedenfalls, dass Markion keineswegs das Alte Testament schlichtweg abgelehnt und ignoriert hat, im Gegenteil: Das Alte Testament ist besonders wichtig, um das Neue der Christusoffenbarung zu verstehen. Erst von der Christusoffenbarung aus erschließen sich die Sünde, die Bedeutung des Gesetzes und der Schöpfung in ihrer vollen Dimension. Im Einzelnen ist der von Markion erstellte Bibeltext schwer zu rekonstruieren, viele Einzelheiten des Bibeltextes sind umstritten. Doch steht fest, dass Markion den Bibeltext intensiv bearbeitet hat, im Grunde einen eigenen Bibeltext hergestellt hat. Dabei hat er von allen Evangelien (er kannte wohl bereits eine Zusammenstellung der vier Evangelien, die dann Irenäus als kanonisch verteidigen sollte) das Lukasevangelium bevorzugt, weil er es für die Beschreibung der Christusoffenbarung hielt, die am ehesten dem paulinischen Zeugnis entsprach. Auch diesen Text des Lukasevangeliums hat er allerdings für bereits verfälscht gehalten, etwa im Hinblick auf die Geburtsgeschichten. Sein Paulusbild ist insbesondere vom Gegensatz zu Petrus und Gal 2 geprägt. Auch die Paulusbriefe hat Markion von seiner Mei148

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nung nach entstellenden Verfälschungen gereinigt. Das Ergebnis war eine Zusammenstellung eines einheitlichen Evangeliums und des sog. Apostolikons (d.h. den gereinigten Paulusbriefen). Damit hatte Markion erstmals einen Entwurf eines neutestamentlichen Kanons vorgelegt, der grundsätzliche Überlegungen notwendig machte: Welche Schriften der Bezeugung des Christusgeschehens sind als autoritativ anzusehen und wie verhalten sich hierzu die Schriften des Alten Testaments? Es ist wohl zu einfach, zu sagen, dass Markion die Kanonbildung herausgefordert oder initiiert hat (eine Abgrenzung und Konzentration auf bestimmte Schriften als Grundlage der christlichen Theologie war auch in der Auseinandersetzung mit der Gnosis und darüber hinaus notwendig), doch dürfte die Auseinandersetzung mit Markions Theologie die entsprechenden Überlegungen entscheidend angestoßen und befördert haben.

Kanon

6.4 Literatur Lektüretipp: B. Aland: Marcion/Marcioniten, TRE 22 (1992) 89-101. Literatur: J. Lieu: Marcion and the Making of a Heretic, 2015. – G. May: Markion. Gesammelte Aufsätze, hg. von K. Greschat/M. Meiser, 2005. – G. May/K. Greschat (Hg.): Marcion und seine kirchengeschichtliche Wirkung, 2002. – K. Greschat: Apelles und Hermogenes. Zwei theologische Lehrer des zweiten Jahrhunderts, 2000. – U. Schmid: Marcion und sein Apostolos, 1995. – D.T. Roth: The Text of Marcion’s Gospel, 2015. – H. von Campenhausen: Die Entstehung der christlichen Bibel, 1968; ND 2003. – A. von Harnack: Marcion. Das Evangelium vom fremden Gott, 2. A. 1924; ND 1985.

7. Der Montanismus als charismatische Bewegung Zwei ungeklärte Probleme brachen in der Bewegung des Montanismus auf: a) das prophetische Geistwirken und damit die Zuordnung von Geist und Amt, b) die apokalyptische Naherwartung und damit das Verhältnis von Eschatologie und Ethik (Buße). Die Bewegung entstand in Phrygien als Neuaufbruch der Prophetie: Montanus verkündigte in direkter Rede, was der Geist bzw. der in Joh 14,16f.26 verheißene Paraklet ihm eingab. Inhaltlich zielte seine Verkündigung darauf, dass das Weltende unmittelbar bevorstehe und eine sofortige und umfassende Buße notwendig sei. Neben Montanus wirkten verschiedene Prophetinnen, für die verschiedene Namen überliefert sind, die wohl aber Priskilla (Priska) und Maximilla zuzuordnen sind. Die charismatische Bewegung breitete sich rasch aus, zunächst im westlichen Kleinasien, dann aber auch in anderen Gegenden wie Syrien, Gallien und Nordafrika. Nach 250 zerfiel sie allmählich, doch hielten sich kleine Gruppen bis ins 4./5. Jh. Erstaunlich ist, dass die Bewegung auch dann weiter existierte, als die Ankündigung des Weltendes sich nicht erfüllte. Grund dafür war vermutlich, dass die Forderung eines rigorosen und asketischen Lebensstils sich in den Vordergrund drängte. Da der Montanismus in dog7. Der Montanismus als charismatische Bewegung

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Prophetie

Buße Prophetinnen

Askese

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Amt

matischer Hinsicht keinen eigenen Lehrbestand entwickelte, war es schwierig, die montanistischen Gruppen zu bekämpfen, an vielen Orten dürften die montanistischen Gemeinden daher auch nicht sofort und definitiv ausgegrenzt worden sein. Erst allmählich erfolgte die Ausgrenzung, worauf der Montanismus mit dem Aufbau einer eigenen Kirchenstruktur reagierte. Bei der Ausgrenzung des Montanismus wurde nicht generell die Möglichkeit eines prophetischen Charismas bestritten, vielmehr wurde die Idee entwickelt, dass das prophetische Charisma nicht gegen das Amt ausgespielt werden kann, weil auch das Amt einen besonderen Geistbesitz voraussetzt und der Geist sich nicht selbst widersprechen kann. Prophetie sollte also nur in Übereinstimmung mit der Verkündigung und Theologie des Amtes denkbar sein – was etwa ekstatische Phänomene ausschloss. Die Verbindung von Amt und Geistbesitz war eine der wichtigen Grundlagen der sich nun gegen Ende des 2. Jh.s bildenden Ekklesiologie. Der berühmteste Theologe, der sich zum Montanismus hielt, war Tertullian.

7.1 Chronologie

antimontanistischer Anonymus

Tertullian

Vom montanistischen Schrifttum ist nur wenig erhalten, neben wenigen Fragmenten, die prophetische Aussprüche von Montanus und den Prophetinnen wiedergeben, ist besonders ein bei Euseb ohne Namen überlieferter Bericht, der antimontanistische Anonymus, zu nennen (Euseb, Historia ecclesiastica/Kirchengeschichte 3,15,4-19,3). Die Darstellung bei Euseb führt auf ein Entstehungsdatum von 171/172. Im Unterschied hierzu verweist die Darstellung bei Epiphanius (Panarion omnium haeresium/Schatzkästlein aller Häresien 48) auf ein deutlich früheres Entstehungsprogramm um 156/157. Für dieses Datum würde sprechen, dass der Montanismus in den siebziger Jahren des 2. Jh.s schon weit verbreitet ist. Nach dem Ausbleiben des Weltendes wurde der Montanismus eine Bewegung, die das prophetische Charisma pflegte und eine besondere Ethik befürwortete, die dem durch die Taufe verliehenen Geistbesitz entsprechen sollte. Dies kann man insbesondere in den Schriften Tertullians erkennen. Dabei lässt sich das traditionell in den Lehrbüchern zu findende Datum 206/207 als Scheidegrenze zwischen den nichtmontanistischen und den montanistischen Werken Tertullians nicht aufrechterhalten. Neben den Unsicherheiten der Tertullianchronologie ist insbesondere fraglich, wie deutlich sich die montanistische Gemeinde in Karthago kurz nach 200 schon abgegrenzt hat. Es ist durchaus möglich, dass die montanistische Gruppe dort noch in Gemeinschaft mit anderen Gemeindegruppen stand.

7.2 Enthusiasmus, Chiliasmus, Rigorismus Phryger

Chiliasmus

Die neue Prophetie, die zunächst als Häresie der Phryger, erst später als Montanismus bezeichnet wurde, war eine eschatologisch orientierte Bußbewegung. Versuche, sie aus nichtchristlichen Religionen besonders Phrygiens (z.B. dem Kybelekult) abzuleiten, haben nicht überzeugt. Vielmehr knüpfte der Montanismus an die in Kleinasien im 2. Jh. noch lebendige Tradition des urchristlichen Prophetentums an und führte den dort verbreiteten Chiliasmus fort. Unter Chiliasmus versteht man die Erwartung eines unmittelbar bevorstehenden tausendjährigen Reiches, des Millenniums, auf Erden (vgl. Apk 20,2-4). Diese Form einer apokalyptischen Eschatologie vertraten z.B. Papias von 150

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Hierapolis um 130/140 sowie – hierin durch kleinasiatische Theologie geprägt – Justin und Irenäus. Die Montanisten erwarteten die Parusie bei einem heiligen Berg bei dem nicht lokalisierbaren Ort Pepuza, den sie wohl auch Jerusalem nannten (Die Lokalisierung durch P. Lampe wurde bestritten durch C. Markschies). Zum Teil versammelten sie sich dort in Vorbereitung auf das nahe Reich. Ihre Lebensweise radikalisierte bestimmte Formen der Askese: Verbot des Geschlechtsverkehrs, Auflösung der Ehen, Fasten (Abstinenz von Fleisch, Fisch, Milchprodukten, Öl, Wein). Vielleicht propagierten sie auch das Martyrium besonders. Die von Montanus und den Prophetinnen verkündeten Orakel sind nicht so zu verstehen, dass Montanus sich selbst als den Heiligen Geist oder den Parakleten bezeichnete, vielmehr gab Montanus in direkter Rede wieder, was er als Eingebung des Heiligen Geistes betrachtete.

Pepuza

7.3 Montanistische Kirchenorganisation und Bekämpfung der Montanisten Die Betonung der prophetischen Gaben, die Endzeiterwartung und die rigorose Askese bedeuteten eine stärkere Rolle von Laien in den montanistischen Gemeinden. Es ist undeutlich, wie strikt der Montanismus eine eigene Kirchenstruktur aufbaute. So bleibt fraglich, in welcher Weise ein Patriarch von Pepuza aus die verschiedenen montanistischen Gruppen und Gemeinden steuerte. Auch gibt es Hinweise darauf, dass Frauen in montanistischen Gemeinden eine wichtige Rolle spielten, nicht nur durch Charismen und Askese, sondern eventuell auch durch die Übernahme von Klerusämtern (wohl eher des kollegialen Episkopen- und Presbyteramtes als eines Bischofsamtes). Die Bekämpfung des Montanismus setzte noch vor 200 ein, zunächst als Ausgrenzung in den kleinasiatischen Gemeinden, dann nach 200 durch das neu entstandene Instrument der Synoden (vgl. zu den ersten Synoden im Zusammenhang des Streits um den Termin des Osterfests § 2; 15.3.1). Die Nachricht, der zufolge überall Versammlungen stattfanden, die den Montanismus ablehnten (vgl. etwa Euseb, Historia ecclesiastica/Kirchengeschichte 5,16,10), ist allerdings noch kein eindeutiger Beleg für Synoden, vielmehr handelt es sich um so etwas wie Gemeindeversammlungen. Die Auseinandersetzung mit dem Montanismus führte bei den Gegnern zu einer starken Betonung des Geistbesitzes der Amtsträger. Insofern könnte die Ausgrenzung des Montanismus die Durchsetzung der bereits vorher entwickelten Vorstellung des Monepiskopats (s. § 2; 11.2) beschleunigt haben. Die Hochschätzung des Martyriums wurde als falsche Martyriumssehnsucht kritisiert. Sich in Ekstase ausdrückende Charismen wurden aus den Gemeinden ausgegrenzt. Im 4. Jh. gab es in Kleinasien nur noch vereinzelte montanistische Gruppen, die von der theodosianischen Häretikergesetzgebung getroffen wurden (sechs Edikte zwischen 398 und 428).

Frauen

7.4 Literatur Lektüretipp: C. Markschies: Montanismus, RAC 24 (2012) 1197-1220. – Ders.: Kaiserzeitliche christliche Theologie und ihre Institutionen, 2007, 109-136. 7. Der Montanismus als charismatische Bewegung

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Quellen: N. Bonwetsch (Hg.): Texte zur Geschichte des Montanismus, 1914. – P. de Labriolle: Les sources de l’histoire du Montanisme, 1913. – R.E. Heine: The Montanist Oracles and Testimonia, 1989. – W. Tabbernee: Montanist Inscriptions and Testimonia. Epigraphic Sources Illustrating the History of Montanism, 1997. Literatur: J.A. Fischer/A. Lumpe (Hg.): Die Synoden von den Anfängen bis zum Vorabend des Nicaenums, 1997, 23-59. – M. Wünsche: Der Ausgang der urchristlichen Prophetie in der frühkatholischen Kirche, 1997. – C. Markschies: Nochmals: Wo lag Pepuza? Wo lag Tymion? Nebst einigen Bemerkungen zur Frühgeschichte des Montanismus, JAC 37 (1994) 7-28. –W. Tabbernee: Fake Prophecy and Polluted Sacraments. Ecclesiastical and Imperial Reactions to Montanism, 2007. – Ders./P. Lampe: Pepouza and Tymion. The Discovery and Archeological Exploration of a Lost Ancient City and an Imperial Estate, 2008. – C. Trevett: Montanism. Gender, Authority and the New Prophecy, 1996. – F. Hahn/H. Klein: Die frühchristliche Prophetie. Ihre Voraussetzungen, ihre Anfänge und ihre Entwicklung bis zum Montanismus. Eine Einführung, 2011. – A. Strobel: Das heilige Land der Montanisten, 1980. – V.-E. Hirschmann: Horrenda secta. Untersuchungen zum frühchristlichen Montanismus und seinen Verbindungen zur paganen Religion Phrygiens, 2005. – H.E. Mader: Montanistische Orakel und kirchliche Opposition. Der frühe Streit zwischen den phrygischen »neuen Propheten« und dem Autor der vorepiphanischen Quelle als biblische Wirkungsgeschichte des 2. Jh. n.Chr., 2012. – R.D. Butler: The New Prophecy and »New Visions«. Evidence of Montanism in The Passion of Perpetua and Felicitas, 2006.

8. Die Kanonisierung der Heiligen Schrift

Septuaginta hebräisches AT

vier Evangelien

Apokalypse und Hebräerbrief

Im 2. und 3. Jh. entwickelte das Christentum den Bezug auf die Heilige Schrift Alten und Neuen Testaments als entscheidende Norm für Lehre und Leben. Damit traten neben die heiligen Schriften des Judentums nun weitere Schriften, die das Christusereignis autoritativ bezeugten und deuteten. Erst so wurde die Septuaginta, die Bibel der ersten Christen, jetzt als das »Alte Testament« im Unterschied zum »Neuen Testament« betrachtet (Der hebräische Text des Alten Testaments spielte im frühen Christentum lange Zeit eine untergeordnete Rolle und wurde später nur von wenigen Fachleuten wie Origenes oder Hieronymus bearbeitet). Betont wurde, gerade auch in Abgrenzung gegen Markion, dass Altes und Neues Testament auf den einen Gott zurückgehen und das Alte Testament das Neue vorbereitet, ankündigt, auf es vorausweist etc. Bereits vor 200 kam dieser Prozess zu einem gewissen Abschluss. Irenäus legte ausführlich dar, dass die vier Evangelien nach Matthäus, Markus, Lukas und Johannes die entscheidende Grundlage für die Darstellung des Christusereignisses sind. Außerdem war eine Sammlung der Paulusbriefe bereits weit etabliert und wurde als autoritativ angesehen. Auch der 1. Petrusbrief, die Apostelgeschichte und der Jakobusbrief wurden breit rezipiert. Die Apokalypse hingegen stieß im Osten auf Vorbehalte, während im Westen der Hebräerbrief noch nicht überall akzeptiert war. Außerdem wurden noch einige andere Schriften, etwa der Barnabasbrief, der Hirt des Hermas und andere in manchen Orten zugrunde gelegt und auch in der Liturgie benutzt. Der Abschluss der Kanonentwicklung sollte erst im 4. Jh. erfolgen. 152

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8.1 Die Entstehung normativer christlicher Texte In den Paulusbriefen wird an vielen Stellen positiv auf die Septuaginta als die heilige Schrift des Judentums Bezug genommen. Dies ist auch in den Evangelien nach Matthäus, Markus, Lukas und Johannes der Fall. Dieser Bezug sah durchaus verschieden aus. So betonte etwa das Matthäusevangelium das heilsgeschichtliche Schema von Weissagung und Erfüllung oder das Markusevangelium deutete die Passion Jesu vom Gottesknechtslied in Jes 53 aus. Die autoritative Geltung der heiligen Schriften des Judentums wurde damit nicht in Frage gestellt, im Gegenteil: Sie wurde die entscheidende Basis für die eigene Deutung des Christusgeschehens. Dies gilt besonders auch für Paulus, der seine Theologie unter engem Bezug auf das Alte Testament entwickelte. Insofern wurden die neutestamentlichen Schriften nicht mit der Absicht geschrieben, ein Korpus älterer autoritativer Schriften zu ersetzen, es ging vielmehr um Erläuterung, angemessenes Verstehen im Lichte der neu offenbarten Wahrheit und Weiterführung verschiedener Gedanken und Konzepte. Der Gedanke, dass die Schriften, die später als Neues Testament zusammengestellt wurden, nur dann angemessen verstanden werden, wenn sie in einer gewissen Kontinuität zu den älteren heiligen Schriften gedeutet werden, war bereits von Anfang an angelegt. Das Alte Testament gehört daher historisch wie sachlich wesentlich zur christlichen Bibel hinzu. Die Datierung der später als neutestamentlich anerkannten Schriften ist eines der Kardinalprobleme der Geschichte des Christentums im 1. und 2. Jh. Fest steht eigentlich nur, dass die Paulusbriefe die ältesten Texte sind. Schon die Datierung der pseudoapostolischen Texte (Eph, Kol, 1/2 Tim, Tit) bereitet hingegen große Schwierigkeiten und dürfte teilweise erst in das frühe 2. Jh. gehören. Ähnliches gilt für das Johannesevangelium, die Johannesbriefe und besonders die Apokalypse. Die Entstehung der neutestamentlichen Texte überlappt sich mit der Entstehung anderer christlicher Texte, etwa des 1. Clemensbriefes, des Barnabasbriefes, vielleicht auch der Ignatiusbriefe und anderer apostolischer Väter. Zugleich ging der Prozess weiter, in dem verschiedene Traditionen zusammengestellt wurden, besonders Jesustraditionen und Traditionen zu den Aposteln. Dies führte zu einem breiten Strom von Texten, die später als neutestamentliche Apokryphen eingestuft wurden. Dabei lassen sich Evangelien (z.B. die in Nag Hammadi erhaltenen Texte des Philippus- und des Thomasevangeliums) von Apostelakten (z.B. Paulusakten, Petrusakten, Andreasakten etc.) und Apokalypsen (z.B. Hirt des Hermas) unterscheiden. Dieser Prozess zog sich bis weit in die Spätantike hin.

AT als Teil der christlichen Bibel

Jesustraditionen sog. Apokryphen

8.2 Die Kanonbildung Der Begriff »Kanon« wurde in der Alten Kirche nur selten für die Liste der anerkannten biblischen Schriften benutzt, meistens meinte er eher die Glaubensregel (s. dazu § 2; 9.). Erst in der neuzeitlichen Forschung wird unter 8. Die Kanonisierung der Heiligen Schrift

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Abschluss im 4. Jh.

Kanonbildung der Prozess verstanden, in dem ein Korpus alttestamentlicher und neutestamentlicher Schriften fixiert wurde. Für das Alte Testament wurde dabei die Septuaginta übernommen, inklusive der Schriften, für die kein hebräisches Original bekannt war. Um 150 bei Justin scheint es hingegen noch keinen fest fixierten Bestand neutestamentlicher Schriften oder auch nur der vier Evangelien gegeben zu haben (Daraus lässt sich jedoch nicht schließen, dass die Evangelien erst danach entstanden seien, wie M. Vinzent annimmt). Irenäus verteidigte schon um 170/180 die besondere Geltung der vier Evangelien, bereits im 2. Jh. dürfte es Handschriften gegeben haben, die die vier »kanonischen« Evangelien zusammenstellten. Besondere Verbreitung hat das Matthäusevangelium gefunden. Feste Kriterien für die Auswahl gab es nicht, der Prozess dürfte vielgestaltig gewesen sein, da es noch keine übergeordneten Instanzen gab, die hier Festlegungen hätten beschließen können. Daher wurden als besondere Kriterien etwa die (vermeintliche) Apostolizität sowohl im Hinblick auf die Verfasser als auch im Hinblick auf den Inhalt benutzt. Als ein erstes frühes Verzeichnis aus der Zeit um 180/200 wird oft der Canon Muratori angesehen, dessen Datierung jedoch nicht unumstritten ist. Erst im 4. Jh. kommt die Kanonbildung zu einem gewissen Abschluss, im 39. Osterfestbrief des Athanasius von 367 im Osten und im sog. Breviarium Hipponense (Aktenauszug aus Hippo) der Synode von Hippo 393 im Westen. Auch Bibelhandschriften des 4. Jh.s bezeugen diesen Prozess, so weist etwa der Codex Alexandrinus eine gewisse Flexibilität in der Auswahl der zum Neuen Testament zusammengestellten Schriften auf. Ab der 2. Hälfte des 4. Jh.s steht der Kanon der 27 neutestamentlichen Schriften fest. 8.2.1 Kanontheologie bei Irenäus. Die theologische Begründung des Kanons wird exemplarisch bei Irenäus (zu ihm s. § 2; 10.1) deutlich. Zur Abwehr der gnostischen Verkündigung berief er sich auf das apostolische Zeugnis, für das er eine innere Einheit ebenso beanspruchte wie universale Ausbreitung (im Gegensatz zur Zerstrittenheit der Gnosis). Die Apostolizität sei der Universalkirche anvertraut und manifestiere sich im kirchlichen Amt, besonders dem Bischofsamt. Der Bischof habe als herausragender Geistträger auch das richtige Verständnis der Schrift sicherzustellen. Insofern hängt bei Irenäus das Schriftverständnis unmittelbar mit der Ekklesiologie und der Pneumatologie zusammen. Neben den vier Evangelien und der Apostelgeschichte betrachtete Irenäus 13 Paulusbriefe, 1 Petr und 1/2 Joh als Heilige Schrift. Die Vierzahl der Evangelien hob er als von Gott gewollte Vollkommenheit hervor.

Rom

8.2.2 Der sog. Canon Muratori. Ein von L.A. Muratori 1740 entdecktes Handschriftenfragment gilt oft als das älteste erhaltene Kanonverzeichnis und wird in der Forschung oftmals in Rom um 200 verortet. Es könnte eine Privatarbeit gewesen sein und schlichtweg die Schriften nennen und kurz 154

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kommentieren, die auch im Gottesdienst zugelassen und damals als normativ anerkannt waren. Es fehlen Hebr, Jak, 1/2 Petr und 3 Joh, die Petrusapokalypse gilt als umstritten, wird aber nicht abgelehnt. Allerdings ist die Datierung dieses Textes immer wieder auch bestritten worden, besonders mit dem Hinweis darauf, dass alle sonst bekannten Kanonlisten erst in das 4. Jh. gehören. Wenn in dem Text die Abfassungszeit des Hirten des Hermas und der Pontifikat des Pius in Rom als erst »jüngst« zurückliegende Vergangenheit angesprochen werden, stellt sich die Frage, ob deswegen eine Entstehung des Canon Muratori nur wenige Jahrzehnte später anzunehmen ist. Es könnte sich dabei auch um eine allgemein zu verstehende Wendung handeln (oder um eine literarische Fiktion), aus der sich keine genauere Datierung ableiten lässt. 8.2.3 Die Fixierung des Kanonumfangs. Bereits Origenes wollte zwischen den Schriften, die allgemein anerkannt waren, und solchen, deren Geltung umstritten war, unterscheiden und von beiden diejenigen abheben, die schlichtweg zu verwerfen waren. Daran anknüpfend kategorisierte Euseb von Cäsarea um 320 die Autorität von Schriften wie folgt: Es gibt Schriften, die als autoritativ anzusehen sind, dann gibt es Schriften, die nützlich und gut zu lesen sind, denen jedoch keine besondere Autorität beizumessen ist, schließlich gibt es Schriften, die in ihrem Wert zu relativieren sind. Im Osten bestanden noch im 4. Jh. erhebliche Bedenken gegen die Apokalypse, die ja tatsächlich auch von der Gattung her aus den sonst als autoritativ verstandenen Schriften des Neuen Testaments herausfällt. Erstmalig nennt Athanasius in seinem 39. Osterfestbrief (dem jährlichen Rundbrief, mit dem er zu aktuellen Fragen des kirchlichen Lebens Stellung bezog) aus dem Jahr 367 eine Liste von 27 neutestamentlichen Schriften. Athanasius konnte den Umfang dieser Schriften auch κανών (kanōn/Richtstab, Richtschnur, Regel) nennen. Dieser Bestand war ab dieser Zeit im Osten nicht mehr umstritten. Im Westen war insbesondere der Hebräerbrief noch Bedenken ausgesetzt. Eine römische Synode unter Bischof Damasus fixierte schon 382 eine Liste der 47 alttestamentlichen und von 26 neutestamentlichen Schriften (wenn denn die Überlieferung im Decretum Gelasianum/Beschluss des Gelasius aus dem 6. Jh. zuverlässig ist). Auf einer Synode in Hippo 393 wurde der Bestand einhellig fixiert (eventuell in Abwehr des Manichäismus; belegt im sog. Breviarium Hipponense/Aktenauszug aus Hippo). Damit setzte sich faktisch im Westen derselbe Bestand durch wie im Osten. In der lateinischen Tradition blieb dieser Umfang bis zur Reformation unumstritten. Während das Konzil von Trient ihn erneut aufgriff (DH 1502-1504), unterschieden die lutherische und die reformierte Tradition im Alten Testament zwischen den Schriften, für die es ein hebräisches Original gab, und solchen, die auf einem griechischen Text beruhten. Letztere wurden als Apokryphen in ihrer Bedeutung relativiert (doch tauchten im 20. Jh. durch Textfunde in der Kairoer Geniza und in Qumran für Jesus Sirach hebräische Originale auf). Für 8. Die Kanonisierung der Heiligen Schrift

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Euseb

Athanasius, 39. Osterfestbrief

Beschluss des Gelasius

Breviarium Hipponense

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die evangelische Tradition waren diese Schriften nützlich und gut zu lesen, hatten jedoch keine Autorität in Lehrfragen. 8.3 Literatur Lektüretipp: C. Markschies: Kaiserzeitliche christliche Theologie und ihre Institutionen, 2007, 215-335. Literatur: H. von Campenhausen: Die Entstehung der christlichen Bibel, 1968; ND 2003. – C. Markschies: Haupteinleitung, in: Ders./J. Schröter (Hg.): Antike christliche Apokryphen in deutscher Übersetzung, 2012, 1-180. – H. Karpp: Schrift, Geist und Wort Gottes, 1992, 11-60. – M. Hengel/A.M. Schwemer (Hg.): Die Septuaginta zwischen Judentum und Christentum, 1994. – D.-A. Koch: Die Schrift als Zeuge des Evangeliums. Untersuchungen zur Verwendung und zum Verständnis der Schrift bei Paulus, 1986. – M. Tilly: Einführung in die Septuaginta, 2005. – K. Schmid: Literaturgeschichte des Alten Testaments, 2008. – B.M. Metzger: Der Kanon des Neuen Testaments, 1993. – D. Trobisch: Die Endredaktion des Neuen Testaments, 1996. – G.M. Hahneman: The Muratorian Fragment and the Development of the Canon, 1992. – H. Graf Reventlow: Epochen der Bibelauslegung, Bd. 1, 1990. – U.-K. Plisch: Was nicht in der Bibel steht. Apokryphe Schriften des frühen Christentums, 2006. – H.-J. Klauck: Apokryphe Evangelien. Eine Einführung, 2002.

 § 1; 4.-9.

9. Glaubensregel und Bekenntnis

drei »altkirchliche« Bekenntnisse

Kurze bekenntnisartige Formulierungen entstanden schon vor 200. Es handelte sich dabei noch nicht um feststehende Glaubensbekenntnisse, sondern um individuelle Formulierungen, die zentrale Inhalte des christlichen Glaubens zusammenstellten, oft in Abgrenzung gegen auszugrenzende Meinungen, etwa die Gnosis. Die Formulierungen waren nicht als Ergänzung des Schriftzeugnisses gedacht, sondern als Inbegriff des richtigen Verständnisses des apostolischen Zeugnisses, das zugleich das richtige Verständnis der als autoritativ anerkannten Schriften (vgl. § 2; 8.) ausdrückte. Irenäus und Tertullian nahmen Bezug auf diesen Grundkonsens, den sie als κανὼν τῆς ἀληθείας/τῆς πίστεως (kanōn tēs alētheias/tēs pisteōs) bzw. regula veritatis/fidei (Regel der Wahrheit bzw. des Glaubens) bezeichneten. Erst im 4. Jh. entwickelten sich Glaubensbekenntnisse, einerseits in synodalen Zusammenhängen, andererseits als Texte der Liturgie, besonders im Zusammenhang der Taufe. Erstere wurden in sehr unterschiedlichem Maße Bezugspunkte der theologischen wie kirchenpolitischen Diskussion, besonders im trinitarischen Streit. Letztere haben vermutlich eine kaum greifbare Vorgeschichte im 3. Jh. und behielten noch über längere Zeit hinweg eine gewisse Flexibilität. Erst nach und nach bildeten sich feststehende Texte heraus, die in Liturgie, Katechumenenunterweisung und Priesterausbildung zugrunde gelegt wurden. Erst ab dem 9. Jh. kristallisierte sich ein Bestand von sog. »drei altkirchlichen Bekenntnissen« heraus. Die damit gemeinten Texte (das Apostolikum, das Nicaeno-Constantinopolitanum und das sog. Athanasianum) haben ganz unterschiedliche Entstehungs156

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kontexte und sind keineswegs als in der Alten Kirche allgemein akzeptierte Texte vorauszusetzen.

9.1 Bekenntnisartige Formulierungen und die regula fidei (Glaubensregel) Man sollte vermeiden, thetisch formulierte Spitzensätze etwa im Neuen Testament als Bekenntnisformeln zu bezeichnen. Zwar handelt es sich um Sätze, die von ihrem Sprechakt her »bekennen« und dazu fast formelartige Sprache (kurze Sätze, Reihungen, Nominalsätze) verwenden, doch handelt es sich eben nicht um feststehende Wendungen, für die sich dann ein ursprünglich separater »Sitz im Leben« (etwa in der Liturgie) behaupten ließe. Texte wie Röm 1,3f. oder 1 Kor 15,3-5 stellen zwar zentrale Inhalte des Christusglaubens zusammen, doch lässt sich im Einzelnen nicht erkennen, welche Sprachformen der Frömmigkeit oder Liturgie im Hintergrund stehen. Auch für die Taufe ist im 1./2. Jh. nicht belegbar, dass ein Bekenntnis abgelegt wurde, auch wenn eine irgendwie geartete Tauffrage nicht unwahrscheinlich ist. Von diesen Texten sind die sog. regulae fidei (Glaubensregeln) zu unterscheiden, die sich bei Tertullian und Irenäus finden. Bei beiden Autoren gibt es kurze Zusammenfassungen des Glaubensinhaltes, die gegen eine auszugrenzende Theologie den Zusammenhang von Schöpfung und Erlösung betonen. Es handelt sich nicht um feststehende Bekenntnistexte (oder deren Verarbeitung), sondern um spontane Formulierungen im jeweiligen Kontext. Sie sind teilweise trinitarischer Art (z.B. Irenäus, Adversus haereses/Gegen die Häresien 1,10,1, Tertullian, Adversus Praxean/Gegen Praxeas 2,8f.), teilweise binitarischer Art (betreffen also nur den Vater und den Sohn, z.B. Tertullian, De virginibus velandis/Über die Verschleierung der Jungfrauen 1). Dabei wurde der Vater regelmäßig als Schöpfer dem Sohn als dem Menschgewordenen, Gestorbenen und Auferstandenen vorangestellt. Der tatsächlich leibliche Charakter der Menschwerdung Jesu wurde ebenso betont wie sein Leiden. Der Heilige Geist wurde insbesondere mit der Inspiration (der Propheten und damit der Heiligen Schrift) verbunden. Eine differenzierte Trinitätslehre liegt diesen Formulierungen noch nicht zugrunde, vielmehr handelt es sich um pointierte, wohl spontan im Argumentationsduktus entstandene Spitzensätze, die einen common sense behaupten. Eine formale Verbindlichkeit dieser Sätze bestand nicht.

Tertullian Irenäus

9.2 Bekenntnisse Glaubensbekenntnisse als literarische Gattung sind erst im 4. Jh. greifbar. Allerdings ist es wahrscheinlich, dass es Vorläufer bereits im 3. Jh. gab, besonders im liturgischen Zusammenhang und hier wiederum insbesondere bei der Taufe. Im 4. Jh. werden Glaubensbekenntnisse auch zum Gegenstand 9. Glaubensregel und Bekenntnis

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Taufe

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Katechesen

Synodal­ bekenntnisse

der Unterweisung der Katechumenen (so belegt in den Homiliae catecheticae/Katechetischen Homilien des Kyrill von Jerusalem und Theodor von Mopsuestia). Die Katechumenen bekommen den Text zum Auswendiglernen übergeben (sog. traditio symboli/Überreichung des Symbols) und müssen ihn dann im Zusammenhang der Taufe aufsagen, gleichsam »zurückgeben« (sog. redditio symboli/»Wiedergabe« des Symbols). Diese Texte dürften immer wieder leichte Veränderungen erlebt haben. Hiervon lassen sich die Glaubensbekenntnisse unterscheiden, die auf Synoden vorgelegt wurden, und zwar von Einzelpersonen, Gruppen oder Kommissionen. Eine klare Unterscheidung von »Individual«- und »Gemeindebekenntnissen« geht an diesem Kontext vorbei. Das jeweilige Verhältnis zu regionalen Traditionen ist im Einzelnen oft nicht erkennbar, die Versuche älterer Forschungen, aus den verschiedenen Bekenntnissen eine Landkarte festgeprägter Glaubensbekenntnisse abzuleiten, sind als verfehlt anzusehen. Die in den Synoden vorgelegten Bekenntnisse waren schriftliche Dokumente, hatten also einen fixierten Wortlaut, der jedoch nur selten außerhalb des konkreten synodalen Kontexts eine größere Rolle spielte. Gleichwohl wurden einige Texte, etwa die sog. 2. Antiochenische Formel für die Mehrheit des östlichen Episkopats, Bezugspunkt der eigenen theologischen Position. Ob daraus auch ein liturgischer Gebrauch resultierte, ist im Einzelnen kaum erkennbar. Das Nizänum von 325 wurde erst ab den fünfziger Jahren verbreitet, als Ausdruck der Rechtgläubigkeit besonders von Athanasius propagiert und dann auch liturgisch gebraucht. Wie rasch die überarbeitete Fassung von 381 Verbreitung fand, ist unklar, erst nach dem Konzil von Chalkedon wurde es zu dem auch in der Liturgie gebrauchten »nizänischen Bekenntnis« (s. § 1; 11.4; 17.3). Das apostolische Glaubensbekenntnis ist ein Produkt des frühen Mittelalters, hat aber einen Vorgänger, der im 4. Jh. belegt ist, das sog. Romanum (römische [Glaubensbekenntnis]). Dieser Text weist eine gewisse Nähe zu dem in der sog. Traditio apostolica (der Apostolischen Überlieferung) belegten interrogatorischen Taufbekenntnis auf. Die Datierung dieses Textes ist problematisch. Die ältere These, der Text stamme aus dem Anfang des 3. Jh.s und gehöre nach Rom, lässt sich nicht aufrechterhalten. Es handelt sich wohl um ein in Rom spätestens im frühen 4. Jh. verbreitetes Bekenntnis, das vermutlich in die Taufliturgie gehörte und wohl noch längere Zeit hier und da variiert wurde. 9.2.1 Traditio apostolica. In der älteren Forschung wurde die sog. Traditio apostolica (Apostolische Überlieferung) als ältester Beleg für ein hohes Alter eines Glaubensbekenntnisses gewertet, das mit dem um 340 belegten sog. Romanum verwandt ist. Als Traditio apostolica bezeichnet man verschiedene Texte, die Anweisungen für Teile der Liturgie enthalten und die auf ein (nicht erhaltenes) griechisches Original (bzw. dessen verschiedene Fassungen) zurückgehen dürften. Vor allem eine lateinische Fassung scheint relativ alt zu sein und vielleicht ins (späte?) 3. Jh. (oder frühe 4. Jh.) zurückzugehen, andere Fassungen wie die koptischen und spätere Verarbeitungen in griechischen 158

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Liturgietexten scheinen demgegenüber jünger zu sein. In der vielfältigen Überlieferung dieser Texte taucht erst spät und punktuell der Name Hippolyts auf. Erst durch die Auffindung einer Statue im 16. Jh., deren Fundament einen Werkkatalog mit Werken Hippolyts enthält, darunter ein sonst nicht bekanntes Werk Παράδοσις ἀποστολική (Paradosis apostolikē/Apostolische Überlieferung), hat zu der Vermutung geführt, dass das vermutete griechische Original hinter den verschiedenen liturgischen Texten das nicht erhaltene Werk Hippolyts war. Da es sich dabei um liturgische Texte handelt, hat man zudem vermutet, dass Hippolyt in diesem Werk einen zu seiner Zeit bereits etablierten Zustand wiedergibt, der schon vor ihm entstanden ist. Das hat zu der Vermutung geführt, dass bestimmte Teile wie die Abendmahlsliturgie oder das Taufbekenntnis am Anfang des 3. oder sogar am Ende des 2. Jh.s entstanden sind, und zwar (weil Hippolyt in Rom tätig war) in Rom. Allerdings ist in der neueren Forschung in Frage gestellt worden, ob die Querverbindung zwischen dem Werkkatalog auf der Statue und dem vermuteten Original hinter den liturgischen Texten geeignet ist, um bestimmte rekonstruierte Liturgiestrukturen mit dem Namen Hippolyts zu verbinden und damit auf den Anfang des 3. Jh.s zu datieren und in Rom zu verorten. Die Unterschiede zwischen den einzelnen liturgischen Texten sind zugleich so erheblich, dass die Rekonstruktion eines griechischen Originals mit großen Unsicherheiten belastet ist. Auch wenn sich die Verfasserschaft Hippolyts und eine frühe Datierung und Verortung in Rom nicht halten lassen, dürften in dem als Traditio apostolica bezeichneten Material liturgische Traditionen aus dem frühen 4. oder späten 3. Jh. enthalten sein.

9.2.2 Individual- und Synodalbekenntnisse. Es ist nicht näher erkennbar, wie es dazu kam, dass auf Synoden Glaubensbekenntnisse vorgelegt und verabschiedet wurden. Die Formulierung von Glaubensbekenntnissen ist allerdings naheliegend, wenn Synoden sich auch mit inhaltlich-theologischen Positionen bestimmter Personen und Gruppen beschäftigten. Es leuchtet ein, dass die Personen, deren Rechtgläubigkeit in Frage gestellt wurde, auf Wendungen zurückgriffen, für die sie eine hohe Akzeptanz annahmen, und diese formelhaften Wendungen so zusammenstellten, dass die eigene theologische Position in den vorausgesetzten common sense eingeordnet wurde. Die Texte zeigen also nicht eine besonders zugespitzte Position oder eine abgewogene theologische Argumentation, sondern sind einerseits auf den Kontext synodaler Diskussionen (oder deren Vorbereitungen) bezogen, andererseits in gewisser Weise zeitlos. Quellen sind insbesondere liturgische Formulierungen, aber auch Texte wie die regulae fidei, die den Grundkonsens des apostolischen Verständnisses zusammenfassen. Die älteren Thesen, denen zufolge sich in diesen Glaubensbekenntnissen feststehende liturgische Regionaltraditionen finden, lassen sich nicht aufrecht erhalten. Berühmte frühe Beispiele für Bekenntnisse, die (auf Synoden oder in ihrem Vorfeld) vorgelegt wurden, sind etwa das Bekenntnis des Arius und seiner Gefährten (Urkunde 6) oder das Bekenntnis, das Euseb von Cäsarea auf dem Konzil von Nicäa vorlegte (erhalten in Urkunde 22). Diese Texte zeigen auch, wie problematisch die Annahme von Individualbekenntnissen ist, denn es handelt sich um Texte, denen ihr Charakter als Verteidigungsschreiben oder als Vorschlag für einen synodalen Kompromiss deutlich anzumerken ist. Texte wie das Urnizänum sind das Ergebnis synodaler Redaktionsprozesse, für 9. Glaubensregel und Bekenntnis

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Hippolyt?

Rom

Arius Euseb

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die man sich durchaus Kommissionsarbeit oder den maßgeblichen Einfluss herausragender Bischöfe vorstellen kann. So sehr also einerseits die sog. Individualbekenntnisse auf ihren synodalen und sozialen Kontext hin bezogen sind, so sehr hängen die sog. Synodalbekenntnisse wiederum mit dem (oft im Einzelnen nicht mehr rekonstruierbaren) Einfluss maßgeblicher Einzelpersonen zusammen. Markell von Ankyra

9.2.3 Das sog. Romanum. Der in Markells Epistula ad Iulium (Brief an Julius) belegte Text ist der älteste Beleg für ein Glaubensbekenntnis, das man Romanum nennt. Nur wenig modifiziert findet es sich in einer Kommentierung wieder, die dem Rufin zugeschrieben wird (Expositio symboli/Auslegung des Bekenntnisses; die Verfasserschaft Rufins ist nicht ganz sicher) und wohl ans Ende des 4. Jh.s gehört. In dieser Auslegung wird der Text nicht nur als Inbegriff apostolischer Lehre angesehen, sondern auf die Apostel selbst zurückgeführt. Markells Brief ist auf Griechisch abgefasst, doch ist ganz unsicher, ob das eingefügte Bekenntnis wirklich im Original griechisch war. Zwar ist nicht genau erkennbar, wann in Rom in der Liturgie nicht mehr die griechische, sondern die lateinische Sprache benutzt wurde (erst im 4. Jh.?), doch ist aus der griechischen Form in dem Markellbrief kein vermeintlich hohes Alter des hier benutzten Textes ableitbar. Auch ist nicht deutlich, ob Markell den Text unverändert wiedergegeben hat. Die Nähe zu dem in der sog. Traditio apostolica bezeugten Text (dessen lateinische Version allerdings erst auf das 4. Jh. zu datieren ist, aber vielleicht auf ältere Vorgänger zurückgeht) spricht deutlich gegen die These, dass Markell diesen Text gleichsam als »Individualbekenntnis« geschrieben hat. Es handelt sich um einen Text der westlichen Tradition (auch wenn nicht die Synode von Rom 341 diesen Text förmlich beschlossen haben sollte). Romanum nach Markell, Epistula ad Iulium

Romanum nach Rufin (?), Expositio symboli

Deutsche Übersetzung

πιστεύω οὖν εἰς θεὸν παντοκράτορα

Credo in deum patrem omnipotentem, et in Iesum Christum unicum filium eius

Ich glaube an Gott, den allmächtigen Vater,

dominum nostrum, qui natus est de spiritu sancto ex Maria virgine, crucifixus sub Pontio Pilato et sepultus descendit

unsern Herrn, der geboren ist von/aus dem Heiligen Geist aus der Jungfrau Maria, gekreuzigt unter Pontius Pilatus und begraben. [Er stieg hinab in die Unterwelt],

καὶ εἰς Χριστὸν Ἰησοῦν τὸν υἱὸν αὐτοῦ τὸν μονογενῆ, τὸν κύριον ἡμῶν, τὸν γεννηθέντα ἐκ πνεύματος ἁγίου καὶ Μαρίας τῆς παρθένου, τὸν ἐπὶ Ποντίου Πιλάτου σταυρωθέντα καὶ ταφέντα 160

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und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn,

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καὶ τῇ τρίτῃ ἡμέρᾳ ἀναστάντα ἐκ τῶν νεκρῶν, ἀναβάντα εἰς τοὺς οὐρανοὺς καὶ καθήμενον ἐν δεξιᾷ τοῦ πατρός, ὅθεν ἔρχεται κρίνειν ζῶντας καὶ νεκρούς,

in inferna tertia die resurrexit,

am dritten Tage erstand er auf [von den Toten],

ascendit in caelos,

stieg hinauf in den Himmel,

sedet ad dexteram patris, inde venturus iudicare vivos et mortuos,

καὶ εἰς τὸ ἅγιον πνεῦμα, ἁγίαν ἐκκλησίαν, ἄφεσιν ἁμαρτιῶν,

et in spiritum sanctum, sanctam ecclesiam, remissionem peccatorum, huius carnis resurrectionem.

er sitzt zur Rechten des Vaters, von dort wird er kommen zu richten die Lebenden und die Toten. Und an den Heiligen Geist, die heilige Kirche, Vergebung der Sünden,

σαρκὸς ἀνάστασιν, ζωὴν αἰώνιον.

die Auferstehung dieses Fleisches [und das ewige Leben].

Erst im 6./7. Jh. verbreitete sich von Gallien aus eine weiterentwickelte Form des Romanums, das als Text der Apostel angesehen wurde. In Texten aus dieser Zeit taucht auch die Idee auf, dass der Text entstanden sei, indem jeder Apostel einen Satz beigetragen habe. Das als »Apostolisches Glaubensbekenntnis« etablierte Symbol fand in der lateinischen Tradition weite Verbreitung. In der östlichen Theologie wurde der Text nicht rezipiert. Das »Apostolische Glaubensbekenntnis« ist ein Partikularbekenntnis des Westens, verbindet also keineswegs die ganze Christenheit, sondern die Kirchen der lateinischen Tradition (römisch-katholischer, anglikanischer, protestantischer Prägung) untereinander. Zusammen mit dem NicaenoConstantinopolitanum und dem sog. Athanasianum (dazu vgl. § 1; 18.5) wurde der Text ab dem Mittelalter als »altkirchliches Bekenntnis« angesehen.

Apostolisches Glaubens­ bekenntnis

9.3 Literatur Lektüretipp: U. Heil: Markell von Ancyra und das Romanum, in: A. von Stockhausen/ H.C. Brennecke (Hg.): Von Arius zum Athanasianum, 2010, 85-103. Quellen: A. Hahn: Bibliothek der Symbole und Glaubensregeln der alten Kirche, 3. A. 1897; ND 1962 [neue Sammlung in Vorbereitung durch W. Kinzig: Faith in Formulae. A Collection of Early Christian Creeds and Creed-Related Texts, 2017]. – Markells Brief [zweisprachig], in: H.C. Brennecke/U. Heil/A. von Stockhausen/A. Wintjes (Hg.): Dokumente zur Geschichte des arianischen Streites, Athanasius Werke, Bd. 3,1,3, 2007, 152-156. Literatur: J.N.D. Kelly: Altchristliche Glaubensbekenntnisse, 1972, 9-204.362-425. – W. Kinzig/C. Markschies/M. Vinzent: Tauffragen und Bekenntnis, 1998. – F. Kattenbusch: Das apostolische Symbol, 2 Bde., 1894-1900; ND 1962. – H. Lietzmann: Symbolstudien, 1966. – M. Tetz: Zum altrömischen Bekenntnis. Ein Beitrag des Marcellus von Ancyra, ZNW 75 (1984) 107-127. – M. Vinzent: Der Ursprung des Apostolikums im Urteil der kritischen Forschung, 2006. – L.H. Westra: The Apostles’ Creed. Origin, History, and some Early Commentaries, 2002. – P. Bradshaw/M. Johnson/L.E. Philipps (Hg.): The Apostolic Tradition. A Commentary, 2002. 9. Glaubensregel und Bekenntnis

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10. Theologie als kirchliche Funktion und die Entstehung der Exegese

kirchliches Amt

Während im 2. Jh., im »Laboratorium der Theologiegeschichte« (s. § 2; 4.), freie Lehrer vorherrschend waren (wie sie etwa für Valentin und Justin anzunehmen sind), entwickelte sich in der ersten Hälfte des 3. Jh.s Theologie als kirchliche Funktion. Das bedeutet, dass Theologie als eine Aufgabe der Amtsträger angesehen wurde: Das richtige Verständnis des Christus­ ereignisses beruhte auf der richtigen Auslegung der Schrift, wie sie sich im Grundkonsens der regula fidei thesenartig formulieren ließ. Diese war aber nur möglich, wenn einen der Geist anleitete und zum richtigen Verständnis führte. Da der Geist am Ende des 2. Jh.s zunehmend mit dem Amt verbunden wurde, als greifbares und institutionalisiertes Charisma, wurde den Amtsträgern, allen voran den Bischöfen, nicht nur die Kompetenz, sondern auch die Pflicht zu richtiger Schriftauslegung zugeschrieben – gerade auch in der Ausgrenzung von bestimmten Lehrmeinungen (Gnosis, Markionitismus, Montanismus). Die Entwicklung der Theologie als methodisch beschriebener Exegese hängt mit diesem Prozess der Institutionalisierung eng zusammen und bedeutete gegenüber der unübersichtlichen Situation im 2. Jh. eine deutliche Verschiebung. Zugleich brachte er neben der Entwicklung des neutestamentlichen Kanons (§ 2; 8.) und der regula fidei (§ 2; 9.) die Normen der Schriftauslegung und Theologie und des Amtes (vgl. § 2; 11.) hervor. Schriftauslegung und die Entwicklung des kirchlichen Amtes hängen somit eng zusammen (dieser Zusammenhang wird schon im 4. Jh. durch die Entwicklung des Mönchtums wieder relativiert). Dies hatte zur Konsequenz, dass Streitigkeiten um bestimmte Schriftauslegungen nicht nur als Fragen des gelehrten Diskurses angesehen wurden, sondern als Fragen, die die christliche Identität betrafen. Eine falsche Exegese war nicht nur eine intellektuelle Torheit, sondern eventuell der Hinweis auf Mangel an Geistbesitz. Damit standen aber die Legitimität und die Orthodoxie des Exegeten unmittelbar mit zur Debatte. Diskussionen um Exegesen und Konflikte um Amtsträger hingen daher künftig unlösbar zusammen.

10.1 Irenäus von Lyon (ca. 130/140-ca. 200) Heilsgeschichte

Traditionen seiner Heimat Kleinasien prägten seine theologische Konzeption, die sich als heilsgeschichtlicher Gesamtentwurf verstehen lässt. Als Presbyter in Lyon übernahm er nach der Verfolgung von 177 (s. § 3; 4.4.1) das dortige Bischofsamt, das wohl bereits als monarchischer Episkopat strukturiert war. Nach 180 verfasste er sein umfangreiches Werk Adversus haereses (Gegen die Häresien) in fünf Büchern. Von seinen sonstigen Schriften ist außer Fragmenten nur eine katechetische Entfaltung der regula fidei erhalten (erst 1904 in einer armenischen Version mit dem Titel Epideixis/Darstellung [der apostolischen Verkündigung] entdeckt). 162

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Irenäus’ heilsgeschichtliche Konzeption (vgl. dazu § 1; 4.) zeigt die besondere Verbindung zwischen Theologie und Kirche als Ort des Geistes. Die auf die ἀνακεφαλαίωσις (anakephalaiōsis, lateinisch recapitulatio, die Wiedererneuerung unter dem einen neuen Haupt, Christus) zielende Erlösung ist in der Kirche bereits vorläufig gegeben. Die Kirche wird dabei als der Ort des Geistes angesehen. In der Kirche wurde der Geistbesitz besonders dadurch sichergestellt, dass der Bischof über die Bewahrung der apostolischen Tradition wachte und in den Sakramenten die Teilhabe an Christus als dem einen Haupt möglich wurde. Von hier aus maß Irenäus dem bischöflichen Amt auch für das Betreiben der Theologie maßgebliche Bedeutung zu. Damit war er seiner Zeit voraus, mit Tertullian und Clemens waren noch Theologen aktiv, die kein kirchliches Amt innehatten. Mit Hippolyt und Origenes wurden dann Kleriker zu maßgeblichen Theologen ihrer Zeit.

Kirche als Ort des Geistes

10.2 Tertullian (ca. 160-ca. 220/225) Die Anfänge der lateinischen christlichen Literatur liegen weitgehend im Dunkeln, weil nur weniges erhalten ist (u.a. eine alte lateinische Übersetzung des [ersten] Clemensbriefes, die wohl aus Rom im 2. Jh. stammt; die Anfänge der lateinischen christlichen Literatur sind also nicht vorschnell nach Karthago zu verlegen). Daneben ist umstritten, ob die ältesten lateinischen Werke von Minucius Felix (von dem eine Apologie mit dem Titel »Octavius« erhalten ist) oder von Tertullian stammen. Tertullian als Begründer der lateinischen Theologie zu bezeichnen, ist jedenfalls nicht ganz richtig, denn es ist im Einzelnen nicht erkennbar, welche Begriffe von Tertullian wirklich eingeführt wurden oder welche Begriffe in dem heute erhaltenen Bestand lateinischer christlicher Literatur eben erstmalig bei Tertullian belegt sind (andere lateinische Literatur aus dieser Zeit könnte auch schlicht nicht überliefert sein). Es ist nicht unplausibel anzunehmen, dass Tertullian, der wohl nie ein kirchliches Amt bekleidete, bereits eine gewisse christliche lateinische Sprachlichkeit kannte, die er modifizierte und ausbaute. Zugleich war Tertullian zweisprachig und dürfte auch griechische Werke in größerem Umfang rezipiert haben, neben philosophischen Werken insbesondere auch Irenäus, dessen Kampf gegen die Gnostiker er fortsetzte (besonders im Kampf gegen die Valentinianer, Apelles und Hermogenes; zu nennen ist besonders die Schrift De carne Christi/Über das Fleisch Christi, die sich mit der Frage des angeblichen gnostischen Doketismus beschäftigt). Die ältere These, der zufolge Tertullian Jurist war und dementsprechend in die christliche Latinität eine gewisse »juridische« Grundstruktur des Denkens eingebracht habe, lässt sich nicht aufrechterhalten. Er benutzte besonders bisweilen in seinen apologetischen Schriften juristische Denkmuster (etwa in der Schrift Apologeticum/Verteidigungsschrift), doch entsprach das einfach allgemeinem rhetorischen Gestus, juristische Denkmuster dürften kaum sein gesamtes Denken und seine lateinische Begrifflichkeit geprägt haben. 10. Theologie als kirchliche Funktion und die Entstehung der Exegese

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Anfänge lateinisch christlicher Literatur Minucius Felix

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Stoa Seelenlehre

Askese

Inhaltlich ist Tertullian in der altkirchlichen Theologiegeschichte insofern die große Ausnahme, als er den Platonismus als Wurzel aller Häresien ansah und sich selbst dem Erbe der Stoa verpflichtet sah, etwa auch in der Seelenlehre (von ihm stammt die älteste und für lange Zeit umfangreichste Schrift zur Seelenlehre, die auch im Hinblick auf medizinische Kenntnisse wichtige Schrift De anima/Über die Seele). Dementsprechend verstand er unter Geist eine gleichsam feinstoffliche Substanz, eine Form eigener Materialität, ohne die er sich Existenz gar nicht vorstellen konnte. Zugleich schrieb er eine Fülle von Schriften zur Askese. In dieser Hinsicht war er vermutlich ein Außenseiter, dessen moralische Vorstellungen nur wenig Verbreitung fanden. In Traktaten behandelte er viele ethische Fragen, etwa die Ehe, die Keuschheit, das Fasten, die Schauspiele, die Geduld, den Schmuck. Diese Schriften sind zunehmend von Tertullians Hinwendung zur rigorosen Ethik des Montanismus (s. § 2; 7.) geprägt. Seine Schriften wurden überliefert, obwohl er 495 von Papst Gelasius als Irrlehrer verurteilt worden ist und schon vorher wegen seiner Nähe zum Montanismus als verdächtig galt.

10.3 Clemens von Alexandria

Schule

wahre Philosophie

In produktiver Auseinandersetzung mit der Gnosis (besonders der valentinianischen Gnosis; s. § 2; 5.) und der Philosophie betrieb Clemens wohl eine Schule in Alexandria, die für die Vermittlung alexandrinischer Theologie und Philosophie in die griechische Theologie und besonders für Origenes wichtig wurde. Die Nachricht, er habe eine »Katechetenschule« betrieben und somit ein kirchliches Amt innegehabt, lässt sich nicht überprüfen und ist historisch eher unwahrscheinlich. Clemens vertrat (im Gegensatz zu Tertullian) eine relativ gemäßigte Ethik, die auf das richtige Mittelmaß und die »Nichtabhängigkeit« von äußerlichen Gütern zielte (so besonders in der für die Sozialgeschichte wichtigen Schrift Quis dives salvetur/Welcher Reiche gerettet wird). Inhaltlich propagierte er das Christentum (so in den an die Heiden und Sympathisanten des Christentums adressierten Schriften Protreptikos/Mahnrede und Paidagōgos/Erzieher), in dem er es als eine vertiefte, die alten Weisheitsquellen eigentlich erst angemessen verstehende Lebensform darstellte. Das Christentum ist das wahre Verständnis von Weisheit, von Gott und Welt und der Frage, wie der Mensch leben muss. Dazu benutzte Clemens ein breites Spektrum von nichtchristlichen und christlichen Texten, die er als Hinweise auf die zentralen Inhalte christlicher Lehre deutete (so besonders in den 7 Büchern mit dem Titel Strōmateis/Teppiche; das passt gut zu der patchworkartigen Struktur des Werkes). Sein Verständnis des Christentums als dem eigentlichen, tieferen Verständnis konnte Clemens besonders mit platonischer Philosophie verbinden: Die eigentliche tiefere Ebene ist die geistige, die von der sinnlich-wahrnehmbaren zu unterscheiden ist. Die Schrift ist entsprechend auf ihre tiefere, geistige Ebene hin zu verstehen, womit Clemens in vieler Hinsicht an das Schriftverständ164

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nis und den Platonismus von Philo von Alexandria anknüpfen konnte. Sein Verständnis des Christentums konnte Clemens gegen die Gnosis wenden: Die Christen haben durch die Taufe den Geist, sind also Pneumatiker (was also nicht wie in der Gnosis auf ihre Natur zurückgeht) und werden durch Christus als den wahren Erzieher zu wahren Gnostikern erzogen, in denen Glaube und Erkenntnis deckungsgleich werden.

Platonismus

10.4 Hippolyt von Rom (ca. 170-235) Hippolyt wirkte wohl als Presbyter in Rom und schrieb dort seine Werke (als einer der Letzten in Rom) auf Griechisch (weswegen seine Wirkung im lateinischen Westen deutlich geringer war als im griechischen Osten). Sein Werk ist zum größeren Teil nur in Fragmenten erhalten. Hippolyts Kritik an der Theologie seines Bischofs Kallistus (vgl. § 1; 5.4), seine rigide Ansicht im Hinblick auf Fragen der Kirchenzucht und Moral sowie vermutlich auch eine persönliche Rivalität mit Kallistus (und vielleicht das Bemühen, selbst Bischof von Rom zu werden) führten um 220 zur Abspaltung einer eigenen Gemeinde in Rom unter Hippolyts Führung (ob er sich hier wirklich zum Bischof weihen ließ, ist unklar). Das Schisma endete 235 durch den Tod des Hippolyt in Sardinien. Neben dem besonders für die Kenntnis der theologischen Vielfalt des 2. Jh.s wichtigen Werk Refutatio omnium haeresium (Widerlegung aller Häresien, vgl. § 2; 5.4.1) sind von Hippolyt seine exegetischen Werke wichtig. Zusammen mit Origenes (und Heracleon) kann Hippolyt als Begründer der wissenschaftlichen Exegese, verstanden als methodisch vorgehende fortlaufende Bearbeitung und Kommentierung biblischer Schriften, gelten. Dabei ist in der Forschung im Einzelnen umstritten, ob die unter dem Namen des Hippolyt überlieferten exegetischen Schriften alle zu demselben Autor gehören (verdächtig sind insbesondere die Werke zu den Psalmen und den Proverbien, erhalten sind außerdem Fragmente zu Genesis, dem Matthäus- und dem Johannesevangelium sowie einige kleinere Schriften, z.B. zu den Segnungen der 12 Jakobssöhne und dem Abschiedssegen des Mose). Hingegen ist der Danielkommentar weitgehend unbestritten. An ihm ist besonders erkennbar, dass er eigentlich auf Homilien zurückgeht, die dann gesammelt, in nicht genauer erkennbarem Maße überarbeitet und veröffentlicht wurden. Insofern hat Hippolyt (anders als Origenes) noch keine literarische Exegese betrieben, sondern die Tätigkeit als Prediger wissenschaftlich vertieft.

Spaltung

Refutatio omnium haeresium

Exegese

Danielkommentar

10.5 Origenes (184/185-254) Origenes ist einer der einflussreichsten Figuren der griechischen Theologiegeschichte, und das, obwohl (aufgrund der Verurteilung seiner Theologie auf dem Konzil von Konstantinopel 553) viele seiner Werke nur in Frag10. Theologie als kirchliche Funktion und die Entstehung der Exegese

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menten oder in (besonders lateinischen) Übersetzungen erhalten sind. Die besondere Bedeutung des Origenes liegt auf drei Ebenen: 1. Auseinandersetzung mit dem Platonismus: Gegen Celsus (vgl. dazu § 3; 6.2) 2. Darstellung des zentralen Inhalts der Schrift als Theologie: Περὶ ἀρχῶν (Peri archōn, lateinisch De principiis, Über die Anfangsgründe/Prinzipien) 1. Buch: Die Ebenen des Seins: Von Gott bis zur sichtbaren Welt 2. Buch: Über die Erlösung durch Christus 3. Buch: Über die Willensfreiheit 4. Buch: Schrifthermeneutik 3. Begründer der wissenschaftlichen Exegese (besonders: Johanneskommentar) und Verfasser exegetischer Homilien

Philokalie

1. und 2. origenistischer Streit

Schon zu Lebzeiten waren manche Gedanken des Origenes umstritten, etwa die Überlegung, ob auch der Teufel am Ende von Gott erlöst werden wird (Origenes hielt dies für denkbar, hielt die Frage aber nicht für eindeutig lösbar), ob die Seelen vor ihrer Einkörperung bei Gott existierten (Theorie der Präexistenz) und ob die Umstände der Einkörperung von ihrem Verhalten in der Zeit vor der Einkörperung abhängen, schließlich, ob es eine Wiedereinkörperung geben könne. Diese Fragen konnten die besondere Wirkungsgeschichte des Origenes im 3. und 4. Jh. aber nicht aufhalten. Vermutlich noch im späten 4. oder frühen 5. Jh. stellte man besonders wichtige Origenespassagen zusammen, um die Rezeption des Origenes zu befördern (in der sog. Philokalie/Blütenlese, in der Tradition den beiden Kappadokiern Basilius von Cäsarea und Gregor von Nazianz zugeschrieben). Erst als Ende des 4. Jh.s (zwischen 393 und 401) die origenistische Theologie von Epiphanius von Salamis und Hieronymus mit dem Arianismus in Verbindung gebracht wurde (sog. erste origenistische Streitigkeiten, vgl. § 5; 3.2), wurde seine Lehre insgesamt zunehmend als heterodox angesehen. Erst in den zweiten origenistischen Streitigkeiten des 6. Jh.s (zwischen 535 und 553; vgl. § 4; 12.4.1) wurde jedoch eine umfassende Verurteilung als Häretiker erreicht, die zur Vernichtung eines großen Teils seiner Schriften geführt hat. 10.5.1 Leben. Durch die von Euseb überlieferten Angaben (Historia ecclesiastica/Kirchengeschichte 6,2-39) ist über Origenes’ Leben im Vergleich zu vielen anderen Autoren relativ viel bekannt. Sein Vater starb danach in einer Christenverfolgung in Alexandria um 201/202, als Origenes 17 Jahre 166

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alt war. Wenig später berief ihn Bischof Demetrius als Katechumenenlehrer (dies meinte wohl keine förmliche Leitung einer Katechetenschule, die es zu dieser Zeit wohl noch nicht institutionalisiert gab). Darüber hinaus wollte Origenes wohl – ähnlich wie Clemens – in Auseinandersetzung mit heidnischer Philosophie und besonders den Gnostikern das Christentum in Lehrvorträgen entwickeln. Ob er bei dem Platoniker Ammonius Sakkas studiert hat, ist ebenso unklar wie die spätere Nachricht, dass er sich aus asketischem Eifer kastriert habe, um gemäß Mt 19,12 ein Eunuch des Himmelreiches zu werden. Aufgrund seiner Theologie wurde er rasch berühmt, was ihm Einladungen zum Statthalter der Provinz Arabia und 218 zu Julia Mamäa, der Kaiserinmutter, an ihren Hof in Antiochia einbrachte. Seine erfolgreiche Lehrtätigkeit wie seine geistige Unabhängigkeit führten zu Konflikten mit dem Bischof Demetrius und dessen Nachfolger Heraklas. Zum Bruch kam es, als sich Origenes bei einer Palästinareise in Cäsarea ohne Genehmigung seines Bischofs zum Presbyter weihen ließ. Er musste aus Alexandria weggehen und war fortan in Cäsarea (Palästina) tätig. Hier baute er eine umfangreiche Bibliothek auf, auf die noch Euseb von Cäsarea zurückgreifen konnte. In der decischen Verfolgung (vgl. § 3; 8.2.2) wurde er wegen Verweigerung des Opfers eingekerkert und starb wenig später an den Folgen der Haft (oder von damit verbundenen Folterungen), weswegen er als Märtyrer verehrt wurde. 10.5.2 Begründung der wissenschaftlichen Exegese. In seinem Hauptwerk De principiis (Über die Anfangsgründe/Prinzipien; die Schrift geht wohl auf Lehrvorträge in der Zeit zwischen 217 und 222 zurück) entwickelte Origenes nicht nur wesentliche Grundlagen seiner Trinitätslehre (vgl. zur Gesamtkonzeption § 1; 8.), sondern auch der Erlösungsvorstellung. Diese entwickelte er einerseits als Betonung des freien Willens (besonders gegen die deterministische Anthropologie der Gnosis; Buch 3), andererseits als Schrifthermeneutik (Buch 4). Anthropologie und Schrifthermeneutik hingen dabei eng miteinander zusammen. Origenes bestritt nämlich, dass die Unterscheidung von πνευματικός (pneumatikos/geistlich), ψυχικός (psychikos/seelisch) und σαρκικός (sarkikos/fleischlich) bei Paulus (1 Kor 15) eine Einteilung der Menschen in verschiedene Klassen (und damit verbundenen Geistbesitz und entsprechend verschiedene Erlösungsaussichten) meinte, sondern entwickelte eine auf den Aufstieg und die Erziehung konzentrierte Schrifthermeneutik. Der Geist hat die Heilige Schrift nicht absichtslos so zusammengestellt, wie sie jetzt vorliegt, vielmehr ist sie als ein mehrschichtig zu verstehendes Erziehungsinstrument anzusehen, durch das der Mensch nach seinen Fähigkeiten zum höheren, geistigeren Verständnis geführt wird. Dem körperlichen Verständnis entspricht ein weitgehend dem Buchstaben entsprechendes, historisches Verstehen dessen, was der Text berichtet. Dem seelischen Verständnis entspricht dann schon ein tieferes Verstehen, dass den biblischen Text auf das ethische Verhalten bezieht. Erst das pneumati10. Theologie als kirchliche Funktion und die Entstehung der Exegese

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Ammonius Sakkas

Cäsarea

Schrift als Erziehungs­ instrument

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wörtlicher und übertragener Sinn

sche, geistige Verständnis erschließt den inneren Sinn des Textes, besonders die Bezeugung des Christusgeschehens und der Tiefen der Gotteserkenntnis. Dies ist nur solchen Gläubigen möglich, die sich durch ihre entsprechende Vorbereitung (in intellektueller wie ethischer Hinsicht) als würdig erwiesen haben und so vom Geist das geistige Verständnis geschenkt bekommen. An anderen Stellen konnte Origenes auch einfacher nur den wörtlichen und den übertragenen Sinn der Schrift unterscheiden, es handelt sich also nicht um eine feststehende Systematik, sondern um eine flexible Herangehensweise, die darauf zielt, den biblischen Text auf mehreren Ebenen zu verstehen. Dabei ist entscheidend, dass die verschiedenen Verstehensmöglichkeiten nicht in Konkurrenz zueinander stehen, sondern gleichzeitig funktionieren. Der fortgeschrittene Exeget wie Gläubige hat sich natürlich um den geistigen Sinn zu bemühen, der die christologische Dimension des Alten Bundes ebenso erschließt wie die geistigen Bedeutungen des Lebens Jesu. In diesem Sinne legte Origenes das Alte Testament sowohl typologisch (auf das Leben Jesu vorausverweisend) als auch allegorisch (auf das Leben des Gläubigen und die geistige Sinnebene bezogen) aus. Sein Johanneskommentar (von dem nur einige Bücher erhalten sind, eventuell hat Origenes nie mehr geschrieben) war die Auftragsarbeit eines reichen Mäzens namens Ambrosius und setzte sich mit einem Werk des valentinianischen Gnostikers Heracleon auseinander, der in seinen Ὑπομνήματα (Hypomnēmata/Erinnerungen bzw. Denkschrift) eine erste frühe fortlaufende Kommentierung des Johannesevangeliums vorgelegt hat (vgl. § 2; 5.4.3). Origenes zitiert Heracleon relativ ausführlich, entwickelt aber auch unabhängig von Heracleon seine Auslegung des Johannesevangeliums. Von der exegetischen Technik her benutzte er dieselben Methoden wie Heracleon, Methoden, wie sie außerhalb des Christentums im Schulbetrieb für die Kommentierung etwa Homers und Platons benutzt wurden. Danach hatte ein Kommentator folgende Schritte zu leisten: 1. ἀναμνηστικόν (anamnēstikon/Lesen): Das Lesen des Textes, bei scriptio continua [Schrift ohne Wortabtrennungen] durchaus nicht immer eindeutig und einfach, stellt einen ersten Schritt der Annäherung und Deutung dar. 2. διορθωτικόν (diorthōtikon/Korrektur): Die Textkritik stellt den richtigen Text her bzw. emendiert den in der Handschrift vorgefundenen Text. 3. ἐξηγητικόν (exēgētikon/Auslegung): Die eigentliche Exegese umfasst vier Bereiche: 168

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a) γλωσσηματικόν (glōssēmatikon/Worterklärung): Die Worterklärung erfolgt durch Etymologien, die Unterscheidung von Parallelbegriffen, die Nennungen von Opposita, die Bedeutung eines Wortes im Kontext. b) ἱστορικόν (historikon/Sacherklärung): Neben dem historischen oder sachlichen Gehalt werden weitere Informationen über erwähnte Dinge oder Personen eingebracht, also über Pflanzen, Tiere, Steine, historische Personen und Ereignisse, Mythen und Legenden, literarische Werke etc. c) τεχνικόν (technikon/Erläuterung der »Machart«): Die grammatische und rhetorische Gestaltung eines Textes wird erläutert. Logische Verknüpfungen werden besonders erläutert (etwa Syllogismen). d) μετρικόν (metrikon/Versmaß bzw. Längen/Kürzen): Bei poetischen Texten wird das Versmaß erläutert, bei Prosatexten geht es um Längen/Kürzen, z.B. die Erläuterungen, ob für bestimmte Wortstellungen bestimmte Satzrhythmen (sog. Klauseln) die Ursache sind. 4. κριτικόν (kritikon/Beurteilung): In einem abschließenden Schritt konnte der Kommentator Überlegungen anschließen, ob der Text in ästhetischer, ethischer und inhaltlicher Hinsicht positiv zu beurteilen ist bzw. welche Überlegungen sich hieran anschließen lassen. Für den Einsatz dieser Techniken brauchte man nicht nur eine große Erfahrung und entsprechende philologische Schulung, sondern auch Hilfsmittel wie Konkordanzlisten und Nachschlagewerke für Etymologien. Origenes dürfte diese Hilfsmittel zum guten Teil selbst entwickelt haben. Origenes entfaltete oft mehrere Deutungsvorschläge und überließ es nicht selten dem Leser, welcher Deutung er sich anschloss. Die exegetischen Arbeiten des Origenes lassen sich unterscheiden in a) Homilien, b) eigentliche Kommentare (sog. Τόμοι/tomoi/Bände) und c) Scholien (kommentierende Randnotizen), auch wenn sich zwischen diesen Typen Grauzonen befinden. Ein durchgehendes Problem stellte dabei die Bearbeitung des Bibeltextes dar. Für den hebräischen Text entwickelte Origenes dazu die Hexapla, ein großes spaltenartig angelegtes Werk, in dem neben der Umschrift des hebräischen Textes auch noch die Standardversion der Septuaginta sowie die drei Übersetzungen des Symmachus, Theodotion und Aquila synoptisch zusammengestellt waren. Für manche Texte zog 10. Theologie als kirchliche Funktion und die Entstehung der Exegese

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Hexapla

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Origenes noch weitere Übersetzungen heran. Damit war eine Annäherung an den hebräischen Text und die älteren Septuagintaversionen erreicht, die erst durch Hieronymus wieder erreicht werden konnte. Die Hexapla ist nur aufgrund von Fragmenten und Zitaten rekonstruierbar, der Verlust der Hexaplahandschriften gehört zu den großen unersetzbaren Verlusten der Überlieferungsgeschichte (immerhin sind wenige Fragmente einer Hexaplahandschrift erhalten, die einen ungefähren Eindruck vermitteln). 10.6 Literatur Lektüretipp: C. Markschies: Origenes, RGG4 6 (2003) 657-662. Quellen: A. Fürst/C. Markschies (Hg.): Origenes. Werke mit deutscher Übersetzung, ab 2009 [zweisprachig, bisher 6 Bde.]. Literatur: P. Gemeinhardt: Das lateinische Christentum und die antike pagane Bildung, 2007 [besonders 63-128]. – N. Brox: Offenbarung, Gnosis und gnostischer Mythos bei Irenäus von Lyon, 1966. – R. Noormann: Irenäus als Paulusinterpret. Zur Rezeption und Wirkung der paulinischen und deuteropaulinischen Briefe im Werk des Irenäus von Lyon, 1994. – B. Mutschler: Das Corpus Johanneum bei Irenäus von Lyon. Studien und Kommentar zum dritten Buch von Adversus Haereses, 2006. – J.-C. Fredouille: Tertullien et la conversion de la culture antique, 1972. – E.F. Osborn: Tertullian. First Theologian of the West, 1997. – U. Schneider: Theologie als christliche Philosophie, 1999 [zu Clemens]. – M. Havrda/V. Hušek/J. Plátová (Hg.): The Seventh Book of the Stromateis, 2012. – M. Pujiula: Körper und christliche Lebensweise. Clemens von Alexandreia und sein Paidagogos, 2006. – A. Brent: Hippolytus and the Roman Church, 1995. – K. Bracht: Hippolyts Schrift In Danielem. Kommunikative Strategien eines frühchristlichen Kommentars, 2014. – B. Neuschäfer: Origenes als Philologe, 1987. – C. Markschies: Origenes und sein Erbe, 2007. – A. Fürst: Von Origenes und Hieronymus zu Augustinus. Studien zur antiken Theologiegeschichte, 2011. – A. Wucherpfennig: Heracleon Philologus. Gnostische Johannesexegese im zweiten Jahrhundert, 2002. – M. Del Fabro: Il commentario nella tradizione papiracea, Studia Papyrologica 18 (1979) 69-132. – M. Simonetti: Origene esegeta e la sua tradizione, 2004. – J. Tloka: Griechische Christen – Christliche Griechen. Plausibilisierungsstrategien des antiken Christentums bei Origenes und Johannes Chrysostomos, 2005. – A. Monaci Castagno: Origene. Dizionario. La Cultura, il pensiero, le opere, 2000.

 § 4; 1.

11. Die Entstehung des kirchlichen Amtes

Monepiskopat

Die Verfestigung der Organisation durch ein spezifisches Amtsgefüge (ein allgemeines Phänomen der Religionsgeschichte) gehört zu den wesentlichen Elementen der Entwicklung der Kirche als Institution. Charakteristisch für das Amt war die Vorstellung, in besonderer Weise und dauerhaft Geistträger zu sein. Das Amt umfasste einerseits bestimmte liturgische Funktionen, andererseits organisatorische Zuständigkeiten in der Leitung der Gemeinden. Erst im Laufe des 2. Jh.s entwickelte sich der Monepiskopat, die Struktur, in der die gesamte Christenheit an einem Ort (unabhängig von seiner Größe) von einem Bischof geleitet wurde. Durch die Bildung des Monepiskopats wurde das Bischofsamt vom Presbyteramt unterschieden. Hierneben gab es das Amt der Diakonen. Die Ausdifferenzierung der Liturgie führte im 3. 170

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und besonders 4. Jh. zur Einführung weiterer Ämter (Lektoren, Subdiakone, Akolythen, Ostiarii). Nach wie vor blieben regionale Unterschiede in der Ausdifferenzierung des Klerus bestehen, doch waren schon im 3. Jh. Diakone, Presbyter und Bischöfe allseits akzeptierte und überall verbreitete Ämter. Im Hinblick auf diese allgemeine Akzeptanz kann man davon sprechen, dass sich das dreistufige Amt bereits in der Alten Kirche entwickelt hat. Auch entwickelten sich bereits im 4. Jh. kirchenrechtliche Regelungen, die zwischen Bischöfen, Presbytern, Diakonen und dem sog. niederen Klerus differenzierten. Eine grundsätzliche Strukturierung des Amtes in drei Weihestufen erfolgte aber noch nicht.

11.1 Urchristentum: Dienste und Funktionen In der Frühzeit wurden die Gemeinden noch nicht durch ein präzise definiertes und durch Weihehandlungen übertragenes Amt geleitet, vielmehr gab es eine Vielfalt von Funktionen zur Verkündigung, Lehre, Gemeindeleitung, liturgischen Funktionen und der Armenfürsorge. Ob sich dabei im 1. Jh. verschiedene Typen unterscheiden lassen (etwa eine eher charismatisch ausgeprägte Betreuung durch Wanderprediger in Syrien, die Leitung durch ein kollektives Gremium von Presbytern in Palästina und Klein­ asien), ist in der Forschung umstritten. Einzelheiten sind nur mit großen Vorbehalten rekonstruierbar. So ist es insbesondere auch problematisch, aus den Paulusbriefen ein auf Charismen beruhendes, flexibles Leitungskonzept abzuleiten und das der Leitung der Jerusalemer Gemeinde durch Presbyter und der in der Apostelgeschichte bezeugten Einrichtung der sieben Diakone gegenüberzustellen. Vermutlich dürften viele Gemeinden zunächst durch informelle Leitungskreise ohne formale Kompetenz oder liturgische Einsetzungen geleitet worden sein. Liturgische Funktionen und die Übertragung von bestimmten Zuständigkeiten (Korrespondenz, Verwaltung von Geldern) dürften dann dazu geführt haben, dass sich – ähnlich wie in den Synagogengemeinden – kollektive Leitungsgremien gebildet haben, innerhalb derer bestimmte Funktionen festgelegt wurden. Das konnte in den verschiedenen Städten sicherlich sehr verschieden aussehen und stand noch lange Zeit in einem unklaren Verhältnis zu Charismen aller Art, etwa der Prophetie oder der Lehre. Die Bezeichnung dieser Leitungsgremien als πρεσβύτεροι καὶ ἐπίσκοποι (presbyteroi kai episkopoi/Älteste und »Aufseher«) zeigt eine noch weitgehende Kollegialität innerhalb dieser Leitungskreise. Das deckt sich mit dem Bild, das frühe Texte bis weit in das 2. Jh. zeichnen, etwa für Rom oder andere Städte, und passt sehr gut zu der anzunehmenden Struktur vieler Gemeinden in größeren Städten: Hier dürfte es verschiedene Kreise gegeben haben, die sich als zu der Kirche Christi in der jeweiligen Stadt gehörig fühlten. Das Zusammengehörigkeitsgefühl dürfte anfänglich in der gemeinsamen Wahrnehmung von bestimmten Aufgaben (gemeinsame Korrespondenz, Sammlung und Verwaltung von Kollektengeldern) seinen Ausdruck gefunden haben. Die Unterschiede zwischen den einzelnen, sich in Privathäusern versammelnden Gemeindeteilen dürften dabei durchaus beträchtlich gewesen sein.

kollektive Leitungsgremien

11.1.1 Die Gemeindestruktur im 1. Clemensbrief. Der 1. Clemensbrief ist in Rom geschrieben und an die Gemeinde in Korinth adressiert (die traditionelle Datierung auf das Jahr 96 ist nur scheinbar sicher begründet). Er setzt voraus, dass es in Korinth ἐπίσκοποι und Diakone gegeben hat. Zugleich fehlt jeder Hinweis auf ein Bischofsamt im späteren Sinn in Rom. Insofern ist 11. Die Entstehung des kirchlichen Amtes

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apostolische Sukzession

der 1. Clemensbrief ein wichtiger Beleg für die kollektiven Leitungsstrukturen in den Gemeinden um 100. Zugleich wird das kollektive Leitungsamt auf die Apostel zurückgeführt, die in den von ihnen oder ihren unmittelbaren Schülern begründeten Gemeinden Leitungen eingesetzt haben. Damit ist die Grundidee der apostolischen Sukzession gegeben, die voraussetzt, dass eine ununterbrochene Nachfolge der Apostel das gegenwärtige Amt legitimiert. Zugleich ist damit ausgedrückt, dass ein Unterschied zwischen kirchlichem Amt und dem Volk der Gläubigen vorausgesetzt wird. Dadurch wird deutlich, dass die Leitungsstrukturen nicht nur als pragmatisch begründete Regelungen angesehen wurden, sondern als Institutionen mit besonderer, gleichsam sakraler Würde. 11.1.2 Die Gemeinde in Rom. Die Nachrichten über die Gemeinde in Rom sind bereits für das 1. und frühe 2. Jh. relativ zahlreich, angefangen mit der Grußliste in Röm 16 und Nachrichten über die Christen in Rom bei nichtchristlichen Schriftstellern (s. § 3; 3.1-3.2). Das macht es wahrscheinlich, dass die Gemeinde in Rom für die Ausbreitung des Christentums im Westteil wichtig war. Die verschiedenen Nachrichten fügen sich zu einem Bild zusammen, das historische Plausibilität beanspruchen kann. So passt der Anteil von nichtlateinischen Namen, die für das frühe Christentum in Rom belegt sind, zu dem vorauszusetzenden Charakter von Rom als Schmelztiegel, in dem die verschiedensten Kulturen aufeinandertrafen. Texte wie der 1. Clemensbrief zeigen, dass die verschiedenen christlichen Gruppen durchaus koordiniert vorgehen konnten, etwa wenn es darum ging, mit Gemeinden in anderen Städten zu korrespondieren. Auch die Verwaltung von Geldern scheint koordiniert gewesen zu sein. Ob man diese Koordination schon an einem spezifischen Amt festmachen kann, einer Art »Außen- und Finanzminister« oberhalb der einzelnen Gruppen, ist fraglich. Zugleich weisen die verschiedenen Nachrichten auf eine dezentrale Struktur verschiedener Gruppen hin, die sich an unterschiedlichen Orten, vor allem in Privathäusern, trafen und für die man unterschiedliche Frömmigkeiten, theologische und liturgische Eigenheiten annehmen kann. Dieses Nebeneinander von kollektiven Leitungsgremien, dezentralen Gemeindestrukturen und Koordination im Hinblick auf Außenkontakte und Finanzfragen ist auffallend und lässt sich ähnlich für andere Großstädte des Imperium Romanum vorstellen (Karthago, Antiochia, Korinth, Ephesus).

11.2 Die Entstehung des Monepiskopats Für die Entwicklung der Leitungsstrukturen des Amtes geben die Quellen ein so lückenhaftes Bild, dass jede Generalisierung auf schmaler Basis steht. An die Stelle einer kollektiven Leitung trat erst nach und nach die Struktur, wonach die Christenheit an jedem Ort durch einen Bischof geleitet wird (sog. Monepiskopat). Einer der vermutlich frühesten Texte, die diese Vorstellung 172

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transportierten, sind die Briefe des Ignatius von Antiochia. In ihnen ist die durch den Bischof repräsentierte Einheit der Gemeinde ein maßgebliches Ideal, das die Bewahrung der apostolischen Tradition sicherstellt. Ob Ignatius damit einen bereits vorfindlichen Zustand in Kleinasien bezeugt oder eine bestimmte Idealvorstellung propagiert, ist in der Forschung umstritten. Erst in der zweiten Hälfte des 2. Jh.s scheint sich der Monepiskopat überall durchgesetzt zu haben. Dieser Vorgang ist mit zwei weiteren Elementen verbunden, nämlich mit dem Gedanken der apostolischen Sukzession und der Praxis der Weihe bzw. Ordination. 11.2.1 Das Bischofsideal bei Ignatius. Die Briefe des Ignatius von Antiochia, der sich als Bischof Syriens bezeichnete, bezeugen die Vorstellung, dass jede Gemeinde an einem Ort von einem einzigen Bischof geleitet wird. Die Datierung ist allerdings nicht unumstritten, neben der weit verbreiteten Frühdatierung (auf 110/115) wird auch eine Spätdatierung vertreten (und damit ein pseudepigrapher Charakter der Briefe angenommen). Die Argumente für die Spätdatierung beziehen sich allerdings nicht auf die Amtsstruktur, sondern auf die Zuordnung Christi zu Gott-Vater und werden von der Mehrheit der Forscher abgelehnt (vgl. § 1; 2.4). Ignatius setzt nicht nur schon relativ klar ein in Bischofsamt, Presbyter und Diakone differenziertes Amtsverständnis voraus, sondern versucht auch, das Amt als solches theologisch zu begründen. Die Kirche ist für ihn der Ort, an dem der Geist wirkt (in diesem Zusammenhang begegnet der Begriff der »katholischen Kirche« als Begriff für die universale Gemeinschaft, Epistula ad Smyrnaeos/Brief an die Smyrnäer 8,2). Dies kann jedoch nicht für eine innerlich zerstrittene Gemeinschaft angenommen werden, vielmehr ist die Gemeinde nur dann wirklich Gemeinde Jesu Christi, wenn sie in sich einig ist. Dies stellt der Bischof sicher, der der wahre Pneumatiker und Träger des Geistes ist. Glaube und Gehorsam gegenüber dem einen Bischof sind für Ignatius daher nicht zu trennen (Epistula ad Ephesios/Brief an die Epheser; Polykarpbrief 6,1). Der Bischof sollte besonders das einheitliche Gemeindeleben mit Taufe, Eucharistie und Agape sicherstellen. 11.2.2 Die Entstehung der Weihen bzw. der Ordination. Die Entwicklung des Amtes als eine dauerhafte, herausgehobene Funktion, der besonderer Geistbesitz zugeschrieben wurde, führte zu einer liturgischen Innovation, die Einsetzung der Amtsträger in ihr Amt unter Gebet und Handauflegung. Die Handauflegung knüpfte dabei durchaus an Vorbilder an (etwa die jüdische Praxis der Handauflegung, mit der ein Rabbi seine Schüler zur Weitergabe der Lehre bevollmächtigte), wurde aber besonders als Geste der Geistverleihung aufgefasst. Mit dem kirchlichen Amt wurde daher einerseits die richtige Lehre durch die Predigten verbunden, andererseits aber auch die besondere geistliche Vollmacht zur Sündenvergebung und die Leitung der Tauf- und Eucharistiefeiern. Dadurch wurde die Einsetzung in ein Amt ein eigener, liturgischer Akt, für den spätere Kirchenordnungstexte wie die Traditio apostolica (vgl. § 2; 9.2.1) eigene liturgische Formulare vorgeben. Für die Wahl zum Bischof entwickelte sich im 3. und 4. Jh. eine nicht genau geklärte Konkurrenz zwischen der Akklamation durch den Klerus und die Gemeinde und der Weihe durch die benachbarten Bischöfe. Zudem wurde im 4. Jh. ein Mitwirkungsrecht des jeweils führenden Bischofs der Provinz (meistens der Bischof der Provinzhauptstadt, in manchen Gegenden aber auch der dienstälteste Bischof) entwi­ ckelt. Faktisch dürfte die Benennung für die Bischofsposition in den meisten Fällen auf Diskussionen oder auch Machtkämpfe in dem jeweiligen Klerus und mit Bischöfen aus der Umgebung, die ihren Einfluss geltend machen wollten, zurückgegangen sein. 11. Die Entstehung des kirchlichen Amtes

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Ignatius

Spätdatierung

Handauflegung

Akklamation

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11.3 Die Entstehung von Synoden

Synode oder Konzil

ökumenische Konzilien

vom Kaiser einberufen

Rom

endemische Synode

Der Monepiskopat ist eine wichtige Voraussetzung für ein neues Instrument überregionaler Konsensbildung, die Synoden. Erstmals sind sie im Osterfeststreit belegt (s. § 2; 15.3.1), dann auch in der Abwehr des Montanismus. Gemeint ist die Versammlung von Bischöfen entweder einer Region oder mehrerer Gegenden an einem Ort. Dadurch, dass die Bischöfe, denen man besonderen Geistbesitz zumaß, quasi potenziert zusammentreten, ist – so die Vorstellung – sichergestellt, dass auf einer Synode der Heilige Geist wirkt und in ihren Beschlüssen spricht. Die Beschlüsse einer Synode (griechisch ἡ σύνοδος/hē synodos/die Synode, lateinisch als Fremdwort synodus fem., die Synode oder concilium/Zusammenkunft – beide Begriffe, Synode und Konzil, sind bedeutungsgleich) gelten daher als vom Heiligen Geist gewirkt. Auffällig ist, dass die frühen Synoden zunächst Fragen des kirchlichen Lebens (Ostertermin, Geltung der Prophetie o.ä.) berieten und entschieden, nicht also bereits theologische Festlegungen trafen. Ab dem 4. Jh. führt in einer Synode der Metropolit den Vorsitz, bei Synoden, die mehrere Regionen vereinen, der als ranghöchst angesehene Bischof (etwa von Alexandria, Antiochia oder ab dem späten 4. Jh. auch Konstantinopel, im Westen besonders Rom und Karthago). Einen Unterschied zwischen »normalen« Synoden und den großen ökumenischen Konzilien gibt es an sich nicht. Erst die Zählung bestimmter Synoden als ökumenischer Konzilien in der römischen Geschichtsdeutung führt im Nachhinein diesen Unterschied ein (erstmalig für die vier Synoden praktiziert, denen man wegweisende Entscheidungen für die Trinitätslehre und die Christologie zuschrieb, also Nicäa 325, Konstantinopel 381, Ephesus 431 und Chalkedon 451). Große Synoden, die einen ganzen Reichsteil oder das ganze Reich umfassen, werden nicht selten vom Kaiser einberufen (Konstantin führte – obwohl ungetauft – den Vorsitz in Nicäa 325, was aufgrund der dem Kaiser zugemessenen religiösen Vollmacht allgemein akzeptiert wurde; der Kaiser steuerte auch die Vorgänge in Chalkedon 451). Den Bischöfen von Rom räumte man ab dem 5. Jh. auch im Osten eine Art »Ehrenvorsitz« ein, wenn er denn die Synode mit seinen Gesandten beschickte (so z.B. in Chalkedon). Dies wurde von römischer Seite aus als Jurisdiktionsprimat gedeutet, der jedoch von griechischer Seite nicht akzeptiert wurde. Das Zusammentreten von Bischöfen an einem Ort, ohne dass eine Ausschreibung alle Bischöfe einer bestimmten Gegend zusammengerufen hätte, nennt man eine endemische Synode (so u.a. in Konstantinopel und Rom praktiziert).

11.4 Die Norm der Apostolizität In einer Zeit, in der Innovation als etwas Negatives und Gefährliches galt und durchweg das Ältere als das Bessere galt (getreu der Maxime πρεσβύτερον κρεῖττον/presbyteron kreitton/Das Ältere ist das Bessere), war es wichtig, 174

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die eigenen Vorstellungen und Institutionen auf Traditionen zu begründen, denen höchstmögliche Legitimität zukam. Dafür kamen insbesondere die Apostel und deren Schüler in Frage, denen man ein hohes Maß an Geistbesitz zuschrieb. Daher setzte sich in der zweiten Hälfte des 2. Jh.s die Vorstellung durch, dass der gegenwärtige Amtsinhaber ein Nachfolger der Nachfolger der Apostel sei. Um dieses zu illustrieren, wurden Bischofslisten entwickelt, etwa für Rom oder Antiochia. Irenäus etwa demonstriert die Bewahrung der Kontinuität zur Lehre der Apostel um 180 mit dem Hinweis auf die besondere Bedeutung Roms (was noch nicht im Sinne einer Leitungsfunktion oder eines Primats zu verstehen ist) und führt für Rom eine Bischofsliste mit 12 Namen an. Diese Namen sind nur zum Teil historisch verifizierbar, das Bild, das schon Petrus selbst im Sinne des Monepiskopats Bischof von Rom war, passt nicht zu den älteren Nachrichten über die Gemeinde in Rom (s. § 8; 1.1). Das Ideal war jedoch sehr wirkmächtig und ist noch heute oftmals die Grundlage für entsprechende »Papstlisten«. Cyprian entwickelte eine auf den Bischof zentrierte Ekklesiologie. Wer nicht mit dem Bischof vereint ist, gehört nicht zur Kirche (vgl. Cyprian, Epistula/Brief 66,8). Cyprians Schrift De unitate ecclesiae catholicae (Von der Einheit der katholischen Kirche) bezog dies auf Mt 16,18, wonach Petrus der Fels ist, auf den Christus die Kirche gründet. In den entscheidenden Kapiteln 4-5 sind allerdings zwei Fassungen überliefert, von denen die eine (die sog. Primatsfassung) Mt 16,18 explizit auf den Bischof von Rom, die andere den Text allgemeiner auf das Bischofsamt bezieht. In der Forschung ist umstritten, wie beide Texte einander zuzuordnen sind. Entweder hat ein späterer Interpolator den eigentlichen Cypriantext entstellt und die Vorstellung, dass Rom die Einheit der Kirche in besonderer Weise repräsentiert, hier eingetragen (auch das wäre noch nicht eine Primatvorstellung im Sinne einer rechtlichen Weisungsbefugnis), oder (was das historisch vielleicht Wahrscheinlichere ist) Cyprian selbst hat die ursprüngliche Fassung aufgrund seines Konflikts mit dem Bischof von Rom nachträglich entschärft und allgemeiner gefasst.

Bischofslisten

Cyprian, De unitate

11.5 Die Priester Zur Entwicklung der vom Amt her definierten Institutionalität der Kirche gehörte die Übertragung des Priesterbegriffs (sacerdos) auf Bischöfe und Presbyter am Anfang des 3. Jh.s. Damit wurde eine religionsgeschichtlich bemerkenswerte Annäherung an die spätantike Umwelt vollzogen, parallel zur Bezeichnung der Eucharistie als Opfer (vgl. § 2; 14.3). Eine wesentliche theologische Vorbereitung lag in der typologischen Beziehung des Christentums auf das Alte Testament: Was dort über das Priestertum gesagt wurde, wurde nun typologisch auf das gegenwärtige Priestertum übertragen. Zugleich gewann das Christentum dadurch eine auch nach außen hin leicht nachvollziehbare Struktur sakraler Amtsträger, die in Konkurrenz zu den 11. Die Entstehung des kirchlichen Amtes

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Priesterschaften anderer Kulte trat. Dadurch war vorbereitet, dass auch im Christentum sakrale Räume ausgewiesen wurden und Priester als Heilsmittler fungierten.

11.6 Die Entwicklung des Bischofsamtes im 4. Jh.

Provinzialstruktur Metropoliten

audientia episcopalis

Predigt

Im 4. Jh. nahm die Bedeutung des Bischofsamtes noch einmal wesentlich zu. Es entwickelte sich, anknüpfend an ältere Strukturen, eine binnenkirchliche Struktur, die sich an die Provinzen des Imperium Romanum anlehnte. Der jeweilige Bischof der Provinzhauptstadt (an manchen Stellen auch der dienstälteste Bischof) beanspruchte zunehmend die Rechte eines Metropoliten für die Provinz. Dadurch stachen die Bischöfe der Hauptstädte mächtiger Provinzen, allen voran Alexandria für Ägypten, das als Kornkammer des Reiches galt, deutlich hervor und konnten in besonderem Maße Macht und Einfluss gewinnen (im Osten des Imperium konnte mit Alexandria höchstens noch Antiochia konkurrieren, Jerusalem und die Provinzhauptstadt von Palästina, Cäsarea, traten demgegenüber zurück; zu Konstantinopel vgl. § 3; 11.4; im Westen konnte mit Rom eigentlich nur Karthago konkurrieren). Das Bischofsamt bekam im 4. Jh. zunehmend auch Bedeutung für die Stadt. Konstantin selbst baute die Funktion von Bischöfen als Schiedsrichtern aus und begründete die audientia episcopalis (wörtlich »Anhörung vor dem Bischof«), die rechtlich verankert auch für Nichtchristen verbindlich war. Noch Augustin klagt über die Fülle der damit verbundenen Arbeit. Allerdings wurde diese zivilrechtliche Zuständigkeit im Laufe des 4. Jh.s in ihrem Ausmaß und in ihrer Verbindlichkeit auch wieder eingeschränkt. Zugleich wurden die Bischöfe durch den schnell wachsenden Kirchenbesitz mächtige Entscheidungsträger in den Städten, die gegen Ende des 4. Jh.s diese zivilrechtliche Bedeutung auch zunehmend selbstbewusst wahrnahmen. Dies war die Voraussetzung dafür, dass im Westen in der zunehmenden Erosion der Strukturen des Imperium Romanum die Bischöfe (besonders in Italien und Gallien) besondere politische Bedeutung bekamen. Zugleich wurde es auch für die geistige Elite zunehmend attraktiv, Bischof einer wichtigen Stadt zu werden. So wurden auch Personen mit herausragender Bildung Bischöfe (wie fast alle berühmten Kirchenväter, etwa Gregor von Nazianz, Basilius von Cäsarea, Ambrosius, Augustin). Innerhalb der Kirche wurde dem Bischof nicht nur das Recht zu taufen, Kleriker zu weihen und die Eucharistie zu leiten zugeschrieben, sondern auch das Recht der Predigt. Im Osten war es dabei schon früh üblich, dass auch Presbyter predigten (Beispiel: Origenes), im Westen wurde dies erst zu Zeiten Augustins üblich. Die Unterweisung der Taufbewerber und Neophyten war eine genuine Aufgabe der Bischöfe, ebenso die disziplinarrechtliche Aufsicht über die Priester und den niederen Klerus. Hierfür legten Synoden auch Vorgehensweisen fest und regelten, wie Priester sich gegen die Urteile ihrer Bischöfe wehren durften (so die Synode von Serdika und die von Kar176

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thago 419). Somit lag auch die Entwicklung des Kirchenrechts im Kompetenzbereich der Bischöfe. Die Bischöfe wurden zur entscheidenden Instanz im Hinblick auf die Kirchengemeinschaft und die überregionale Struktur der Kirche. Das schloss allerdings nicht aus, dass es immer wieder zu Schismen bei den Bischofswahlen kam (so in Rom, Antiochia, Alexandria) und dass auch immer wieder Priester in Konflikt mit ihren Bischöfen gerieten und sich um Unterstützung durch andere Bischöfe von außerhalb bemühten.

Kirchenrecht

11.7 Die Ausdifferenzierung des Klerus Spätestens seit dem 3. Jh. war der Gegensatz zwischen den Laien, dem Kirchenvolk (λαός/laos/Volk bzw. plebs/Volk), und dem Klerus (κλῆρος/Rang bzw. ordo/Stand) ausgeprägt. Innerhalb des Klerus fand eine zunehmende Ausdifferenzierung statt, die von den liturgischen Funktionen her benannt wurde. Einen lebhaften Eindruck für den Umfang des Klerus gibt eine Aufstellung des Klerus in Rom um 250. Danach gab es neben dem Bischof 46 Priester, 7 Diakone (zuständig für die sieben Bezirke Roms und die entsprechend strukturierte Sozialfürsorge), 7 Subdiakone und 42 Akolythen. Schon im 3. Jh. hat es weitere Ämter unterhalb des Diakonenamtes gegeben, neben den Subdiakonen und Akolythen, die die Diakone unterstützten, besonders die Lektoren (die für die Lesungen zuständig waren). Weitere Funktionen waren die Exorzisten und die Ostiarii (Türwärter). Dadurch entstand ein sog. clerus minor (niederer Klerus) unterhalb der Klerusgrade von Bischof, Presbytern und Diakonen. Zugleich wurden die alten Ämter der Propheten und Lehrer seit dem 3. Jh. zurückgedrängt und verschwanden bald ganz.

11.8 Funktionen von Frauen Die Zurückdrängung charismatischer Ämter wie der Lehrer und Propheten führte dazu, dass Frauen schon früh in den Liturgien nicht mehr aktiv in Erscheinung traten, spätestens seit dem 3. Jh. scheint dies überall der Fall gewesen zu sein. Die Einschränkung der kirchlichen Ämter auf Männer scheint im Großen und Ganzen ohne größere innere Auseinandersetzungen erfolgt zu sein. Sie wurde nicht diskutiert und dürfte größtenteils kulturell bedingt sein. Theologische Begründungen begegneten nur vereinzelt. Allerdings konnten Stellen wie 1 Kor 11,1-16 oder 1 Kor 14,33-36 (der letztere Passus ist in der Handschriftentradition an verschiedenen Stellen eingefügt, könnte also in früher Zeit interpoliert worden sein; denkbar ist auch, dass sich die Stelle nicht auf die öffentliche Wortverkündigung, sondern allgemeines Fragen und Reden im Gottesdienst bezieht) benutzt werden, um eine angeblich gottgewollte Unterordnung der Frau zu legitimieren. Insgesamt griff man die kulturell allgemein verbreitete Einschätzung der Frauen als das »schwache Geschlecht« auf, dem man Wankelmütigkeit, mangelnden Mut, Verführbarkeit durch falsche Lehren und Naivität im Umgang mit Geld zuschrieb. Zugleich wurden Märtyrerinnen, die diesem Negativbild nicht entsprachen, besonders verehrt (etwa Perpetua und Felicitas in Karthago, im 4. Jh. bereits im ganzen Westen, Agnes in Rom, die Paulusschülerin Thekla im Osten). Faktisch dürften Frauen in vielen Gemeinden eine wichtige Rolle 11. Die Entstehung des kirchlichen Amtes

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»schwaches Geschlecht« Märtyrerinnen

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Diakonissen

Jungfrauen

gespielt haben, die zunehmende Institutionalisierung durch das kirchliche Amt ab dem 3. Jh. schloss sie jedoch von den maßgeblichen Entscheidungen auf Leitungsebene aus. Als einziges Gemeindeamt blieb das seit dem 1. Jh. erkennbare Amt der »Witwe« erhalten (ab dem 4. Jh. auch als Diakonisse bezeichnet). Diese Frauen waren dem Bischof bei der Taufe von Frauen behilflich und nahmen ansonsten Funktionen der Armen- und Krankenpflege wahr. Zudem bildete sich schon im späten 2. oder frühen 3. Jh. an verschiedenen Stellen der Stand der Jungfrauen heraus, die ein Keuschheitsgelübde abgelegt und sich in den Dienst der Gemeinde gestellt hatten. Ihre Funktionen sind im Einzelnen undeutlich. Durch die Entstehung des weiblichen Mönchtums entwickelte sich im 4. Jh. eine neue Lebensform, die Frauen eine neue, eigene Stellung eröffnete. 11.9 Literatur Lektüretipp: V. Saxer/J. Franzkowiak: Die Entstehung des Monepiskopats im zweiten Jahrhundert, GCh 1, 2003, 309-339. Literatur: P. Lampe: Die stadtrömischen Christen in den ersten beiden Jahrhunderten. Untersuchungen zur Sozialgeschichte, 2. A. 1989. – T. Schmitt: Paroikie und Oikoumene. Sozial- und mentalitätsgeschichtliche Untersuchungen zum 1. Clemensbrief, 2002. – J. Ysebaert: Die Amtsterminologie im Neuen Testament und in der alten Kirche. Eine lexikographische Untersuchung, 1994. – G.G. Blum: Tradition und Sukzession, 1963. – H. von Campenhausen: Kirchliches Amt und geistliche Vollmacht in den ersten drei Jahrhunderten, 2. A. 1963. – G. Schöllgen: Ecclesia sordida? Zur Frage der sozialen Schichtung frühchristlicher Gemeinden am Beispiel Karthagos zur Zeit Tertullians, 1984. – D. Rankin: Tertullian and the Church, 1995. – E. Dassmann: Ämter und Dienste in den frühchristlichen Gemeinden, 1994. – G. Kretschmar: Das bischöfliche Amt, 1999. – R. Gryson: Les élections ecclésiastiques au IIIe siècle, Revue d’histoire ecclésiastique 68 (1973) 353-404. – R. Seagraves: Pascentes cum disciplina. A Lexical Study of the Clergy in the Cyprianic Correspondance, 1993. – C. Munier: Autorité épiscopale et sollicitude pastorale. IIe-VIe siècles, 1991. – U. Eisen: Amtsträgerinnen im frühen Christentum, 1996. – S. Heid: Zölibat in der frühen Kirche, 1997. – B. Kötting: Ecclesia peregrinans, Bd. 1, 1988.

12. Die Taufe als umfassende Initiation

Taufaufschub

Von Beginn an wurde die Idee entwickelt, dass eine volle Zugehörigkeit zur Kirche nur durch die Taufe konstituiert ist. Allerdings steht die Taufe faktisch nur an der Spitze verschiedener Zugehörigkeitsformen zum Christentum. Über die Jahrhunderte hinweg hat es hier immer auch Versuche gegeben, weniger verbindliche Formen der Zugehörigkeit zu entwickeln. So gab es Sympathisanten, die teilweise auch an den Wortgottesdiensten teilnahmen oder sich inhaltlich mit dem Christentun beschäftigten, aber nicht den Schritt der Taufe gehen wollten. Ab dem 3. Jh. entwickelte sich auch die Praxis des Taufaufschubs, so dass aus dem Stand der Taufbewerber ein Dauerzustand wurde, der das ganze Leben dauern konnte. Von theologischer Seite aus wurde hingegen stets betont, dass die Taufe die grundlegende Zueignung des Heils ist und eine personale Bindung an Jesus Christus bedeutet. Dem178

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entsprechend galt das Prinzip der Einmaligkeit (Nichtwiederholbarkeit) der Taufe. Auch hierbei handelt es sich um ein Strukturelement, das durch die Kirchengeschichte durchgehalten wurde. Die in der Alten Kirche entwickelten Grundüberlegungen zur Theologie der Taufe, ihrer Liturgie und ihren Folgen (insbesondere auch im Hinblick auf ihre Gültigkeit) blieben im Wesentlichen bestehen.

Einmaligkeit

12.1 Taufe als Beginn eines neuen Lebens Taufpraxis und -lehre der Urchristenheit entsprachen deren eschatologischer Orientierung: Die Wassertaufe zur Reinigung, d.h. zur Vergebung der Sünden, und als Zeichen der Bekehrung war der Initiationsritus, die Eingliederung in das endzeitliche Gottesvolk. Die darüber hinausgehenden theologischen Konzeptionen waren durchaus unterschiedlich, hatten aber durchweg insofern einen christologischen Bezug, als die Taufe die Teilhabe an dem durch Jesus Christus vermittelten Heil begründete, das neue Sein »in Christus« ermöglichte. Ob der Taufritus überall einheitlich war, bleibt für das 1. und frühe 2. Jh. unklar. Besonders ist nicht deutlich, ob die Taufe zunächst im Namen Jesu oder sehr früh entsprechend Mt 28,19 als Taufe auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes gespendet wurde. Im 2. Jh. dürfte sich die trinitarische Taufe zunehmend durchgesetzt haben. Seit Paulus wurde eine Theologie entwickelt, in der die Taufe anstelle der Beschneidung als das entscheidende Zeichen der Zugehörigkeit zum Gottesvolk, als »Siegel« gedeutet wurde. Die Deutung des Martyriums als »Bluttaufe« beruht auf der Voraussetzung, dass das Martyrium einen besonderen Geistbesitz voraussetzt (vgl. Mk 13,11), der der Verleihung des Geistes in der Taufe mindestens ebenbürtig ist. Das ermöglichte die Annahme, dass das Christusbekenntnis in der Verfolgungssituation auch bei Katechumenen ausreicht, um als Christ zu gelten und am Heil teilzuhaben.

trinitarische Taufformel

12.2 Die Taufliturgie Die Taufliturgie des 1. und 2. Jh.s lässt sich nur ansatzweise aus wenigen literarischen Quellen rekonstruieren. Immerhin belegt Didache 7 die trinitarische Taufe entsprechend Mt 28,19, die auch bei Justin vorausgesetzt ist. Tertullian lässt einiges über den Ablauf der Buße und der Taufe erkennen. Vieles bleibt gleichwohl unklar. Erst mit den liturgischen Texten des 4. Jh.s wird ein genauerer Ablauf greifbar. Schon für das 3. Jh. lassen sich jedoch vier Teile der Taufe unterscheiden, für die sich Ostern als der bedeutendste Tauftermin etablierte: a) Absage an den Teufel und Vorbereitung: Der Herrschaftswechsel (weg von der Welt bzw. seinem Herrn, dem Teufel, und hin zu Christus) wird durch verschiedene Gebete und Rituale (u.a. mit konsekriertem Wasser, aber auch Öl) verdeutlicht. In diesem Zusammenhang entwickelt sich neben der 12. Die Taufe als umfassende Initiation

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Exorzismus

Bekenntnis

Siegel

Handauflegung

Teilnahme an der Eucharistie

abrenuntiatio diaboli (Absage an den Teufel) auch der Exorzismus – als vom Kleriker, dem Geist zugemessen wird, ausgesprochene Zusage, dass der Teufel nicht mehr von dem Taufbewerber Besitz ergreifen kann. b) Der eigentliche Taufakt bestand aus den Tauffragen (vermutlich schon recht früh trinitarisch strukturiert) und dem darauf folgenden Bekenntnisakt, dem das dreimalige Untertauchen (oder Begießen) folgte. Auf die Taufe folgten eine Salbung als Zeichen der Versiegelung und die Bekleidung mit dem weißen Gewand als Symbol der Neuwerdung. c) Der Geist wurde unter Handauflegung durch den Bischof und unter Gebet verliehen. Diese Handauflegung war mit weiteren Ritualen verbunden, so besonders der Siegelung der Stirn mit Öl (consignatio, in Nordafrika wohl unbekannt), Gebet und Friedenskuss. d) Die Neugetauften (Neophyten) nahmen im Anschluss an die Taufe erstmalig am μυστήριον (lateinisch mysterium bzw. sacramentum/geheimnisvolle Handlung), also an der Eucharistie teil. Dabei wurde ihnen zugleich (zusätzlich zu Brot und Wein) Milch und Honig gereicht, als Zeichen, dass sie nun zum neuen Gottesvolk im gelobten Land gehörten. Die Unterscheidung von dem mit dem Untertauchen und Bekennen verbundenen Taufakt und der Geistverleihung wurde für die theologische Deutung der Taufe ebenso wichtig wie die Tatsache, dass der Taufe eine Bußund Unterweisungszeit voranging (zu letzterer vgl. § 2; 12.4).

12.3 Grundmuster der Tauftheologie Die bereits im NT erkennbare Vielfalt der Taufdeutungen wurde in der Alten Kirche ausgebaut und erweitert. Zu den Grundmustern gehörte die Deutung als Versiegelung, als Reinigung und Sündentilgung, als Wiedergeburt, Erleuchtung, Gotteskindschaft, Geistbegabung oder Gleichförmigkeit mit Christus, besonders mit seinem Begrabenwerden und Auferstehen (Röm 6, Kol 2), sowie als Durchzug durch den Jordan oder das Rote Meer. 12.3.1 Taufe als Zeichen der neuen Zugehörigkeit. Hermas kennzeichnet die Taufe v.a. als Siegel und versteht darunter die Zugehörigkeit zu Christus als Vorbereitung auf das Reich Gottes, die im Wasserritus durch das Hinabsteigen der dem Tod Verfallenen sowie durch das Hinaufsteigen der zum Leben Bestimmten begründet wird. Man kann annehmen, dass die Taufe im frühen 2. Jh. insgesamt oft als Siegel/Versiegelung bezeichnet wurde. Dabei spielte auch der Gedanke des Schutzmittels gegen Sünden und Dämonen eine Rolle.

Sakrament

12.3.2 Taufe und Geistbesitz. Justin zeigt, dass das Verständnis der Taufe als Wiedergeburt und Erleuchtung um 150 allgemeine Bedeutung hatte. Damit wurden Deutungsmuster aufgegriffen, die auch in den Mysterienkulten benutzt wurden. Auch die Taufe selbst wurde als μυστήριον (mystērion, Geheimnis bzw. geheimnisvolle Handlung, lateinisch sacramentum, eigentlich: heiliges Geschehen) bezeichnet. Damit wurde verdeutlicht, dass die Christen Zugang zu einem tieferen Verständnis der Wirklichkeit hatten und zugleich erlöst waren. Inhaltlich wurde das Motiv der Erleuchtung besonders auf 180

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das heilsame Handeln Gottes bezogen: Die Taufe war die Neuerschaffung des Menschen nach Gottes Bild analog zur Schöpfung unter Abstreifung aller Sünden und die Teilhabe am neuen Leben in Christus analog zum auferstandenen Christus. Besonders eindrücklich hat Clemens von Alexandria in seinem Werk Παιδαγωγός (Paidagōgos/Erzieher), Buch 1, diese christliche Umformung der Mysterienvorstellung beschrieben. Taufe ist die Begründung der Gotteskindschaft als Erleuchtung und Wiedergeburt. Der Gedanke der Geistverleihung wurde dabei besonders auch gegen die gnostische Vorstellung profiliert, der zufolge ein Teil der Menschen aus »Pneumatikern« bestand. Dadurch wurde zum einen die Präsenz des Göttlichen im Menschen besonders betont (was als Theologie der Vergottung in der östlichen Theologie große Bedeutung gewinnen sollte), zum anderen wurde die Frage besonders virulent, wie sich die fortwährende Sündhaftigkeit von Christen zu diesem Geistbesitz verhält. Die daraus folgenden Probleme der Buße und der Anerkennung der außerhalb der eigenen Kirche gespendeten Taufe führten zu grundsätzlichen Überlegungen zur christlichen Existenz und Ekklesiologie.

Erleuchtung und Wiedergeburt

12.3.3 Taufe und Heilsgeschichte. Die heilsgeschichtliche Entsprechung zu Vorgängen im alten Bund hat besonders Origenes herausgearbeitet: Taufe gilt ihm als Exodus aus dem Land des Verderbens, als Durchgang hin zu Gottes Seite, als Abkehr von der Sünde nach der Sintflut. In besonderem Maße hat er die Deutung von Röm 6 aufgegriffen: Taufe wird als Gemeinschaft mit Christus verstanden, als Sterben des sündigen Menschen und Auferstehen der um Heiligung und Vervollkommnung bemühten, würdigen Chris­ ten. Dadurch wurde eine gewisse Ambivalenz in die Deutung der christlichen Exis­tenz eingeführt: Zum einen entspricht der Geistbesitz der erreichten Würdigkeit des Täuflings, zum anderen war aber genau dieses Bemühen um ein würdiges Leben selbst die Wirkung der Gnade Gottes und nur eine Reaktion hierauf. Eine genauere Bestimmung, welche Eigenständigkeit diese Reaktion des Menschen im Unterschied zu Gottes Handeln hat, erfolgte in der östlichen Theologie nur in begrenztem Umfang. Dies führte zu Formulierungen, die sich in synergistischem Sinne deuten lassen: Die freie Willens­ entscheidung des Menschen, seine Erkenntnis und Vorbereitung wirkten mit Gottes Heilswillen zusammen.

12.3.4 Taufe und Gnadenlehre. In der westlichen Theologie wurde insbesondere die Tauftheologie Augustins einflussreich. Er hat seine Lehre im Kampf gegen die Donatisten und Pelagianer entfaltet. Dadurch waren zwei Problemhorizonte eingebracht, nämlich a) Wie verhält sich die Tatsache, dass Christus das eigentliche Subjekt der Taufhandlung ist, zur Voraussetzung, dass die Kirche der Ort des Heils ist? und b) Wie verhält sich die Eigenständigkeit des Menschen zum Gnadenwirken Gottes? Für Augustin blieb die Annahme der Kirche als Ort des Heils bestehen. Deswegen war zwar die außerhalb der Kirche (z.B. in der ausgegrenzten Gemeinschaft der Donatisten) erfolgte Taufe als Taufritus gültig, kann ihren Nutzen jedoch nur in der Kirche als Ort des Geistbesitzes erbringen. Zugleich ist für Augustin das Gnadenwirken Gottes übermächtig und formt den Menschen auch in seinem Innersten um. Dadurch wurde eine Eigenständigkeit der Entscheidung zum Glauben und zur Taufe verneint, auch wenn Augustin stets daran festhielt, dass die erfolgte Entscheidung von Gott im Willen des Menschen bewirkt und so tatsächlich vom jeweiligen Individuum wirklich gewollt wird. Die Taufe beseitigt den Schuldzustand der Ursprungssünde, doch bleibt die con12. Die Taufe als umfassende Initiation

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Gültigkeit und Nutzen

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Kindertaufe

Taufritus

cupiscentia (das Begehren) zurück, die Neigung zur Sündhaftigkeit. Daher waren stete Ermahnung, Erinnerung, das Gebet, die Buße und die Teilnahme an der Liturgie wichtig, um nach und nach diese Neigung zurückzudrängen. Wem dies gelingt, der erreicht die perseverantia (Beharrlichkeit), die ebenso wie alle Elemente des Glaubens und der Hinwendung zu Gott bereits selbst als Gabe Gottes und als direkte Wirkung seines Handelns zu verstehen ist. Die bereits etablierte Kindertaufe wird von Augustin auch theologisch besonders gedeutet: Sie zeigt in besonderer Weise, dass die Taufe nicht auf Voraussetzungen im Menschen beruht, sondern den Menschen aus seinem sündigen Sein befreit. Sie zeigt zugleich, dass der Mensch nicht in einem neutralen Zustand oder einer Art Bewährungszustand auf die Welt kommt, sondern bereits verstrickt in den Sündenzusammenhang, von dem nur Christus befreit. Die Deutung des Taufritus selbst entwickelte Augustin von seiner grundsätzlichen Hermeneutik aus, als Unterscheidung zwischen signum (Zeichen) und res (Sache) (s. § 5; 8.3). Das Zeichen ist die durch das Wort gekennzeichnete Symbolwirkung von Wasserbad, Salbung und Handauflegung, die Sache ist die Erlösung durch Aufnahme als Glied in den Leib Christi mit Sündenvergebung und Geistmitteilung. Die dadurch grundgelegte Deutung der Taufe als (wirksames) Symbol wurde für die spätere Taufund Sakramententheologie zentral.

12.4 Bekehrung und Katechumenat

Ethik

Taufbewerber

Katechese Kyrill von Jerusalem Theodor von Mopsuestia

Die Hinwendung zum Christentum beinhaltete nicht nur einen Wandel im Glauben, sondern auch die Anforderung eines neuen, dem Geistbesitz entsprechenden Lebenswandels. Als Bekehrung wurde nicht nur eine innere, rationale wie emotionale Hinwendung zu Christus verstanden, sondern die Wahl eines neuen, des christlichen Lebenstyps. Seit dem 3. Jh. verbreitete sich der Usus, dass die Kirche die Menschen, die sich taufen lassen wollten, erst nach einer längeren Vorbereitungszeit und Unterweisung taufte. Taufbewerber mussten Leumundszeugen beibringen (die späteren Paten), ihren Lebenswandel prüfen lassen und, falls sie einen mit dem Christentum unvereinbaren Beruf (Schauspiel, Handwerke für heidnische Kulte u.ä.) ausübten, diesen aufgeben. Als Hörer nahmen die Taufbewerber, die sog. Katechumenen, bereits am Gottesdienst teil, den sie – wie auch andere Nichtgetaufte – vor der Feier der Eucharistie verlassen mussten. Im 4. Jh. entwickelte sich der Brauch, dass die Katechumenen sich nach einer längeren Zeit direkt für die Taufe anmeldeten (als sog. competentes, d.h. unmittelbare Bewerber). Sie nahmen dann an der vom Bischof erteilten Katechese teil. Aus dem 4. Jh. sind insbesondere zwei Katechesen überliefert, die von Kyrill von Jerusalem und die von Theodor von Mopsuestia. Diese Katechesen lassen erkennen, dass vor der Taufe ausführlich der Glaubensinhalt anhand des Glaubensbekenntnisses erläutert wurde. Hintergrund ist dabei, dass das Glaubensbekenntnis den Katechumenen zum Auswendiglernen übergeben 182

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wurde (sog. traditio symboli/Übergabe des Bekenntnisses). Eventuell hat der Bischof dabei sowohl den Text des Glaubensbekenntnisses als auch den Inhalt seiner Erläuterungen immer wieder leicht modifiziert. Der Text etwa der Katechesen des Kyrill von Jerusalem geht daher teilweise vielleicht auch auf dessen Nachfolger Johannes zurück. Bei der Taufe haben im 4. Jh. die Katechumenen das Glaubensbekenntnis aufgesagt (sog. redditio symboli/ Zurückerstattung des Bekenntnisses), vermögenden Katechumenen räumte man die Möglichkeit ein, separat vor dem Bischof das Glaubensbekenntnis abzulegen (vgl. § 2; 9.2). Erst nach der Taufe und der ersten Teilnahme an der Eucharistie erläuterte der Bischof in weiteren Katechesen den Taufritus und insbesondere den Ablauf und die Bedeutung der Eucharistiefeier (in den sog. mystagogischen Katechesen). Im 4. Jh. entwickelte sich zugleich die Praxis des Taufaufschubs. Der Gedanke, dass die Taufe eine vollkommene Sündenvergebung bedeutete, führte dazu, dass viele die größte Zeit ihres Lebens im Stand der Katechumenen blieben und sich teilweise erst auf dem Totenbett taufen ließen. Die Bischöfe versuchten immer wieder, gegen den Taufaufschub anzugehen, doch nur mit begrenztem Erfolg. Insbesondere die männlichen Mitglieder von Familien schoben die Taufe auf, weil sie befürchteten, in ihrem Berufsleben schnell schuldig zu werden oder sich nicht deutlich genug von heidnischen Riten abgrenzen zu können. Das führte dazu, dass in manchen Familien insbesondere die Frauen getauft waren und das Christentum an die Kinder (und Enkel) weitergaben.

Taufaufschub

12.5 Die Kindertaufe In der Forschung ist umstritten, ob die frühe Kirche auch die unmündigen Angehörigen christlicher Familien getauft hat. Für das 1. und 2. Jh. lässt sich dies weder ausschließen noch ausdrücklich belegen. Für das 3. Jh. ist das hin und wieder belegt, Origenes erklärte die Kindertaufe als legitim. Zu Zeiten Augustins wird sie bereits als üblich vorausgesetzt. Erstmals bei Cyprian begegnete als Argument für die Kindertaufe der Verweis auf die Gnadenhaftigkeit der Taufe, von der niemand ausgeschlossen werden dürfe. Auch der Zusammenhang mit der Adamssünde begegnete bereits im 3. Jh. Auch die neugeborenen Kinder müssten aus dem durch Adam verursachten Sündenzusammenhang befreit werden (vgl. Cyprian, Epistula/Brief 64,5).

12.6 Ketzertaufstreit 255/256 In der Mitte des 3. Jh.s entwickelte sich zwischen den beiden westlichen Zentren Rom und Karthago ein scharfer Konflikt um die Frage, ob die außerhalb der eigenen, als ecclesia catholica (der katholischen Kirche) anerkannten Gemeinschaft gespendete Taufe als gültig anerkannt werden kann oder nicht. In Rom gab es hierbei den Brauch, dass die außerhalb der eigenen 12. Die Taufe als umfassende Initiation

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Handauflegung oder (neue) Taufe?

Novatianer

Cyprian

Stephan von Rom

Firmilian von Cäsarea

Gemeinschaft gespendete Taufe als gültig anerkannt wurde, aber erst durch die Handauflegung beim Übertritt in die ecclesia catholica wirksam werde. In Nordafrika herrschte hingegen die Position vor, dass die außerhalb der eigenen Gemeinschaft gespendete Taufe ungültig war. Jemand, der sich zu der ecclesia catholica hinwandte, galt daher als ungetauft, so dass er jetzt eben noch getauft werden musste. Diese Position war seit Tertullian (De baptismo/Über die Taufe 15) verbreitet. 12.6.1 Die Entstehung des Konflikts. Der Konflikt brach 255 zunächst innerhalb von Nordafrika aus, als Cyprian novatianische Christen, die sich seiner Kirche anschlossen, taufen lassen wollte. Die Gruppe der Novatianer hatte sich erst wenige Jahre zuvor in Rom gebildet, vor allem wohl, weil die Ethik der Gesamtgemeinde den Novatianern zu lax war (vgl. § 2; 16.1). Inhaltlich unterschied sich die Theologie der Novatianer aber wohl nur unmaßgeblich. Dies passte zu der in Rom verbreiteten Tradition, dass man Christen, die von den Novatianern zur Mehrheitsgemeinde in Rom zurückkehrten, nicht erneut taufte, sondern ihnen lediglich mit Handauflegung den Geistbesitz zusprach. Cyprians Entscheidung unterschied sich hiervon und stieß daher auf Widerstand. Eine Synode bekräftigte Cyprians Position im Jahr 255 (vgl. Cyprian, Epistula/Brief 70), Cyprian gab dafür eine ausführliche theologische Begründung (vgl. Cyprian, Epistula/Brief 69): Es gebe nur eine Kirche mit der apostolischen Vollmacht zur Sündenvergebung und der Mitteilung des Heiligen Geistes. Wer sich von dieser einen Kirche getrennt habe, verfüge nicht über den Geist und könne ihn auch entsprechend nicht weitergeben. Dieser Auffassung entsprach die berühmte ekklesiologische Sentenz in Cyprians langer Darlegung gegenüber einem Kollegen, der anderer Ansicht war: Die Ketzertaufe ist unwirksam, quia salus extra ecclesiam non est (da es außerhalb der Kirche kein Heil gibt; Epistula/Brief 73,21). 12.6.2 Eskalation und offenes Ende. Zur Eskalation zwischen Rom und Karthago kam es, als Stephan von Rom (254-257), der im Zusammenhang des Streites um die lapsi (Abgefallenen) bereits früher mit Cyprian aneinandergeraten war (vgl. dazu § 2; 13.5), die Entscheidung Cyprians als unzulässige Neuerung kritisierte. Dies führte zur Solidarisierung der nord­ afrikanischen Bischöfe mit Cyprian und einer entsprechenden Erklärung auf einer Synode in Karthago 256. Die Bischöfe von Karthago bemühten sich sogar um Unterstützung aus dem Ostteil des Reiches. Hier erklärte Firmilian von Cäsarea die Position der Nordafrikaner für richtig und kritisierte Stephans Anspruch, diese Frage entscheiden zu können, deutlich. Die darauf folgende Drohung mit der Exkommunikation der gegnerischen Position durch Stephan und das Selbstbewusstsein der nordafrikanischen Bischöfe hätten beinahe zum Schisma zwischen Rom und Karthago geführt, doch wurde die Diskussion durch die valerianische Christenverfol184

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gung 257 abgebrochen. Nach dem Tod der Hauptkontrahenten blieb der Dissens bestehen, d.h. in Rom und Karthago blieben bis zum Beginn des 5. Jh.s die unterschiedlichen Ansichten und Gebräuche erhalten. Erst Augus­ tin klärte diese Frage erneut, wobei er im donatistischen Streit aufgrund theologischer Überlegungen die römische Tradition der Handauflegung befürwortete und durchsetzte. Damit war ein wichtiger Grundgedanke der Tauftheologie etabliert, der bis heute für die ökumenische Verbundenheit der Kirchen entscheidend ist: Jede rite vollzogene Taufe (mit korrekter triadischer Taufformel nach Mt 28,19) ist als solche Handlung Christi und daher grundsätzlich gültig. Insofern ist die Taufe nicht abhängig von der Gemeinschaft, in der sie gespendet wird (es gibt daher z.B. keine in ihrer Substanz evangelische oder katholische Taufe, vielmehr wird eine trinitarische Taufe konfessionsübergreifend anerkannt). Zugleich hat Augustin allerdings festgehalten, dass die Wirkung der Taufe erst in der ecclesia catholica (der allgemeinen Kirche, d.h. der eigenen, als rechtgläubig verstandenen Gemeinschaft) zum Tragen kommt. Dies wurde insbesondere durch den Ritus der Handauflegung verdeutlicht, der an den Gedanken anknüpft, dass nur die ecclesia catholica der Ort des Geistes ist und entsprechend erst beim Übertritt in die rechte Gemeinschaft der Geist verliehen werden kann.

12.7 Abtrennung der Firmung im Mittelalter An der im 2.-4. Jh. verbreiteten Erwachsenentaufe waren neben dem Bischof mehrere Kleriker beteiligt. Seit dem 4. Jh. entwickelte sich zunächst im Osten der Brauch, dass Presbyter die ganze Handlung vornahmen, also auch die die Geistverleihung symbolisierende Salbung. Im Westen rückte hingegen die Handauflegung in den Vordergrund, die dem Bischof vorbehalten blieb, weil er als Träger der den Aposteln gegebenen Fülle des Heiligen Geistes galt. Erst im frühen Mittelalter, vermutlich ab dem 7. Jh., verselbständigte sich der Akt der Handauflegung von dem Taufritus und wurde nun als confirmatio (Kräftigung, Bestätigung) der Taufe als eigener Ritus gefeiert. Die Gründe hierfür lagen neben den Taufzahlen besonders in der Größe der Bistümer in den gentilen Reichen. Das Bischofsamt wurde (besonders in Gallien) auf die wichtigeren Städte beschränkt, die Taufe wurde daher auch durch Presbyter gespendet, die dann durch die Firmung durch den Bischof bestätigt wurde. Der Bischof nahm die Firmung bei Reisen durch seine Diözese vor, so dass bisweilen einige Zeit zwischen Taufe und Firmung verging. Im hohen Mittelalter wurde die Firmung (lateinisch confirmatio) als eines der sieben Sakramente mitgezählt (so bei Petrus Lombardus, vgl. § 10; 9.1.2) und dann in Trient 1547 entsprechend als Sakrament behandelt. 12.8 Literatur Lektüretipp: C. Lange/C. Leonhard/R. Olbrich (Hg.): Die Taufe. Einführung in Geschichte und Praxis, 2008. Quellen: A. Benoît/C. Munier (Hg.): Die Taufe in der Alten Kirche (1.-3. Jahrhundert), 1994 [zweisprachig]. – D. Schleyer (Hg.): Tertullianus, De baptismo. De oratore, FC 76, 2006 [zweisprachig]. 12. Die Taufe als umfassende Initiation

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Literatur: M. Öhler (Hg.): Taufe, 2012. – G. Kretschmar: Die Geschichte des Taufgottesdienstes in der alten Kirche, in: K.F. Müller (Hg.): Leiturgia, Bd. 5, 1970, 1-348. – B.D. Spinks: Early and Medieval Rituals and Theologies of Baptism, 2006. – R.N. Jensen: Living Water. Images, Symbols, and Settings of Early Christian Baptism, 2011. – B. Kleinheyer: Sakramentliche Feiern, Bd. 1, 1989. – E. Ferguson: Baptism in the Early Church. History, Theology, and Liturgy in the First Five Centuries, 2009. – S. Ristow: Frühchristliche Baptisterien, 1998. – M. Stuflesser/K. Westerfield Tucker/P. Prétot (Hg.): Die Taufe. Riten und christliches Leben, 2012. – P. Bruns: Den Menschen mit dem Himmel verbinden. Eine Studie zu den katechetischen Homilien des Theodor von Mopsuestia, 1995. – S. Gerber: Theodor von Mopsuestia und das Nicänum. Studien zu den katechetischen Homilien, 1997. – D.L. Schwartz: Paideia and Cult. Christian Initiation in Theodore of Mopsuestia, 2013.

13. Institutionalisierung der Buße

Sünden nach der Taufe

zweite Buße

Die Taufe stand für die bereits erfolgte Umkehr und das neue Leben im Heiligen Geist. Damit verbunden war die Vorstellung, dass jemand, der den Heiligen Geist besitzt, eigentlich nicht sündigen kann. Heiligkeit und ethische Reinheit wurden unmittelbar miteinander verbunden. Die Buße gehörte demnach als μετάνοια (metanoia/Umkehr) eigentlich vor die Taufe. Insofern wurde es zu einem theologischen wie seelsorgerlichen Problem, dass Christen auch nach der Taufe sündigten. Unter Sünde wurden hierbei in erster Linie konkrete Vergehen und einzelne Verfehlungen verstanden, etwa Ehebruch, Diebstahl etc. Grundlegend war die Vorstellung, dass entsprechende Verfehlungen eigentlich den Verlust des Geistbesitzes mit sich brachten. Im 2. und 3. Jh. war umstritten, wie man damit umgehen sollte. Neben Gruppen, die auf besonders hohe ethische Normen Wert legten (wie die Montanisten oder die Novatianer), gab es auch die Vorstellung einer »zweiten Buße«, also einer einmaligen zweiten Chance, wieder in die Gemeinschaft aufgenommen zu werden. Hieraus entwickelte sich erst ab dem 4. Jh. das wiederholbare Bußsakrament. Zugleich entwickelte Augustin eine Sünden- und Gnadenlehre, die die grundsätzliche Bedeutung der Sünde für die menschliche Existenz und die bleibende Neigung der Getauften zur Sünde beschrieb. Die Vorstellung der Sündlosigkeit wurde hingegen als häretisch (pelagianisch) ausgeschieden (auch wenn dies in der Frömmigkeit nur begrenzt rezipiert wurde).

13.1 Taufe und Sündlosigkeit Das frühchristliche Prinzip, wonach die Existenz der Bekehrten und Getauften durch Sündlosigkeit gekennzeichnet war, war eschatologisch begründet: Dem eschatologischen Aufruf zur Buße durch Jesus Christus folgte die Taufe. Die Kirche als Gottesvolk ist eine Gemeinschaft von Heiligen, d.h. moralisch Reinen. Für sündige Glieder gilt der Ausschluss (vgl. 1 Kor 5) oder – bei leichteren Vergehen – die Gemeindezucht (vgl. Mt 18,15-18; Joh 20,23). Entsprechend lehnte der Hebräerbrief eine Buße nach der Taufe ab (Hebr 6,4-6; 12,14-17). Sünde nach der Taufe wurde als Blasphemie gegen den Heiligen Geist angesehen (vgl. Mt 12,31f.) und entsprechend negativ beurteilt. 186

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13.2 Wiederholbarkeit der Buße Schon früh gab es die Vorstellung, dass es auch nach der Taufe eine Umkehr geben könne – gleichsam als Fortsetzung der Umkehrhaltung der vor der Taufe erfolgten Buße. Gemeint ist wohl kein institutionalisierter Bußritus, sondern eine Umkehr, die auf die Vergebung durch Gott hofft (vgl. 1 Clem 7; Did 14,1; 15,3). Hierbei begegnet auch schon der Aufruf, sich nicht naiv für sündlos zu halten (1 Joh 1,8f.). Entsprechend konnte eine predigtartige Schrift wie der 2. Clemensbrief zur Buße aufrufen (2 Clem 8). Allerdings ging man wohl davon aus, dass besonders schwere Sünden wie Abfall vom Christentum, Mord oder Ehebruch bereits durch die Tat den Verlust des Geistes irreparabel bewirkten. Dies waren Sünden, die zum ewigen Tod führen (vgl. 1 Joh 5,16), die späteren Todsünden. Aus dem Bemühen, einerseits an dem Ideal der Sündlosigkeit und des geistgewirkten Zustands der Reinheit festzuhalten, andererseits der Faktizität der Sünde auch in der christlichen Gemeinschaft Rechnung zu tragen, entwickelte sich der Gedanke der »zweiten Buße«, wie er erstmals im Hirt des Hermas belegt ist. Die Buße nach der Taufe ist nur einmalig möglich, als letzte Chance, doch noch am Heil teilzuhaben.

Todsünden

13.3 Die öffentliche Gemeindebuße im 3./4. Jh. Die Institutionalisierung und Regelung der »zweiten Buße« führte im 3. Jh. zur rituellen Verankerung der Buße im Gottesdienst. Dadurch entstand die öffentliche Gemeindebuße mit temporärer Exkommunikation (verstanden als Ausschluss von der Eucharistie). Erstmals klar bezeugt ist sie bei Tertullian (De paenitentia/Über die Buße). Die Schrift ist um 200 geschrieben und könnte ein Beleg dafür sein, dass sich der entsprechende Ritus schon einige Zeit vorher entwickelt hat. (Im Osten belegt die Syrische Didaskalie vergleichbare Riten für die Zeit um 250). Bei schweren Vergehen wie z.B. Diebstahl oder Unzucht musste der Sünder zunächst im Gottesdienst, bekleidet mit einem Trauergewand, seine Sünde öffentlich bekennen (ἐξομολόγησις/ exhomologēsis/Bekenntnis bzw. Exhomologese, lateinisch confessio). Dem folgte dann der zeitweise Ausschluss aus der communio (der Teilhabe an der Eucharistie), wobei der Büßer aber als besonderer Stand neben den Katechumenen am Wortteil des Gottesdienstes und an Wortgottesdiensten teilnahm. Diese (zeitlich gestaffelte) Bußzeit endete mit der Rekonziliation (Versöhnung bzw. Wiederaufnahme), über die zunächst die Gemeinde, ab dem 3. Jh. allein der Bischof entschied und die mit der Handauflegung (d.h. der erneuten Geistmitteilung) vollzogen wurde. Im Osten entwickelten sich Bußstufen, denen die Büßer entsprechend der Schwere ihrer Vergehen zugeordnet wurden: Sie mussten als Weinende in der Vorhalle bleiben und die Gemeinde um Fürbitte anflehen, dann als Hörende im hinteren Teil der Kirche am Wortgottesdienst teilnehmen, 13. Institutionalisierung der Buße

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Tertullian

Exhomologese

Rekonziliation

Bußstufen

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Kirchenrecht

dann als Kniende in den Teil, wo die Vollglieder standen, aufrücken und schließlich sich als Dabeistehende unter die Gläubigen einreihen, ohne jedoch bereits zu kommunizieren. Aus den entsprechenden Festlegungen der Bußzeiten und Bußstufen für die einzelnen Vergehen, wie sie etwa Basilius entwickelt hat (Epistulae/Briefe 188.199.217), entwickelte sich ein wichtiger Zweig des Kirchenrechts.

13.4 Buße für Todsünden? Die Auffassung, dass es für Todsünden (vgl. 1 Joh 5,16f.) keine Buße gebe, bestimmte weitgehend die Praxis. Einzelne Bischöfe dürften hier aber aus seelsorgerlichen Gründen Ausnahmen gemacht haben, so etwa Agrippus von Karthago, den Tertullian in seiner Schrift De pudicitia (Über die Ehrbarkeit) kritisiert. Für Tertullian bedeutete eine solche versöhnliche Auslegung des Amts der Schlüssel (vgl. Mt 16,19) eine Auflösung der Disziplin und bedrohte somit die Heiligkeit der Kirche. Tertullian gestand den Bischöfen zwar die Vollmacht der Sündenvergebung zu, sprach sich jedoch dafür aus, von ihr so wenig Gebrauch wie irgend möglich zu machen – um den moralischen Anspruch der Kirche als Gemeinschaft der Heiligen nicht zu gefährden.

13.5 Der Streit um die Buße der lapsi (der Abgefallenen) um 250-254

confessores

Die Differenz zwischen rigoristischer und liberaler Bußlehre zeigte sich in zugespitzter Weise im Streit um die Wiederaufnahme der lapsi (Gefallene, d.h. Abgefallene) in der decischen Verfolgung. Nach bisheriger Praxis bedeutete eine solche Todsünde den automatischen Ausschluss aus der Kirche. Doch in manchen Gemeinden, besonders in Rom, plädierten Kleriker für die Zulassung zur Buße. In Karthago erhoben Gläubige, die in der Verfolgungssituation an ihrem Glauben festgehalten hatten, verhaftet oder in anderer Weise verfolgt worden waren, die Verfolgung aber überlebt hatten, sog. confessores (Bekenner), den Anspruch, den unter Beweis gestellten Geistbesitz auch nutzen und gefallene Gläubige wiederaufnehmen zu dürfen. Hieraus ergab sich ein Konflikt mit dem Bischof Cyprian. Cyprian vermochte es, durch eine Reihe von Synoden die Mehrheit des Episkopats nach und nach hinter sich zu bringen, wobei er von seiner ursprünglich schroffen Position merklich abrückte. Ergebnis war, dass die Rekonziliation strikt an das kirchliche Amt, sprich den Bischof, gebunden war, die Buße aber auch für die meisten lapsi möglich wurde. Zugleich konnte Cyprian die besondere Machtstellung des Bischofs von Karthago für die nordafrikanische Kirche ausbauen. Als er dann später selbst Opfer der valerianischen Verfolgung wurde, avancierte Cyprian als Märtyrerbischof schnell zur unumstrittenen Autorität in der nordafrikanischen Kirche. 13.5.1 Konflikte innerhalb Karthagos. In Karthago verband sich die Opposition gegen den neuen Bischof Cyprian mit dem Streit um den Umgang mit den lapsi. Cyprian war als Bischof nicht unumstritten, weil er in der decischen 188

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Verfolgung aus Karthago weggegangen und so sich der Verfolgung entzogen hatte. Als er dann in seiner Schrift De lapsis (Über die Gefallenen) die Position entwickelte, dass lapsi nur als lebenslange Büßer akzeptiert werden können und nur in Todesgefahr wiederaufgenommen werden dürfen, opponierte eine Gruppe von Presbytern mit Novatus an der Spitze, die ohne Zustimmung Cyprians den vermögenden Felicissimus zum Diakon machte. Während Cyprian noch außerhalb von Karthago verweilte, nahmen confessores im Einverständnis mit der Felicissimusgruppe eine beträchtliche Zahl von lapsi wieder in die volle Gemeinschaft auf. Auch dies geschah ohne Zustimmung des (allerdings abwesenden) Bischofs. Cyprian schrieb daraufhin eine weitere Schrift, De unitate ecclesiae catholicae (Über die Einheit der katholischen Kirche), in der er die Bedeutung des Bischofsamtes besonders herausstellte (vgl. dazu § 2; 11.4). Damit hatte sich Cyprian schriftlich positioniert, sowohl in der Frage des Umgangs mit den lapsi als auch im Hinblick auf das Bischofsamt. Als sich 251 die Rückkehr Cyprians abzeichnete und dieser ein umfassendes Konzil zu beiden Fragen vorbereitete, befürchtete die Felicissimusgruppe Sanktionen und bemühte sich um Rückendeckung in Rom. 13.5.2 Die Ausweitung des Streits. In Rom war 251 ein neuer Bischof gewählt worden, Cornelius, der eine eher liberale Haltung zur Frage der lapsi vertrat und hiermit auf Widerstand in seiner Gemeinde traf. Hier war es eine Gruppe um den Presbyter Novatian, die opponierte und sich für eine schroffere Haltung aussprach. Novatian ließ sich wenig später ebenfalls zum Bischof wählen, ein weiteres Schisma der Petruskathedra in Rom. Cyprian reagierte taktisch geschickt, indem er Cornelius’ Wahl anerkannte (und damit die Unterstützung der Felicissimusgruppe durch Rom verhinderte, denn inhaltlich stand Cornelius der Position der Felicissimusgruppe näher als Cyprian mit seiner in De lapsis entwickelten Haltung). Auf dem Konzil von Karthago 251 ließ Cyprian die Wahlanzeige des Cornelius verlesen und einen Kompromiss in der Bußfrage beschließen: Diejenigen unter den lapsi, die selbst geopfert hatten, die sog. sacrificati (die Geopfert-Habenden), wurden nur als lebenslange Büßer aufgenommen, doch die libellatici (wörtlich »die Bescheinigten«, also diejenigen, die eine Opferbestätigung durch Bestechung erlangt, aber nicht selbst geopfert hatten) wurden, wenn sie bereits als Büßer aufgenommen waren, durch Konzilsbeschluss wieder aufgenommen. Den confessores wurde jede Möglichkeit einer eigenmächtigen Aufnahme verwehrt, kollektive Rekonziliationen wurden abgelehnt, jeder Einzelfall war nur durch den Bischof zu entscheiden. Der Versuch der Novatianer, durch eine Gesandtschaft unter der Leitung des Presbyters Maximus Cyprian auf ihre Seite zu ziehen, scheiterte. Daraufhin ernannten die Novatianer Maximus zum Gegenbischof Cyprians. Als dann auch noch auf einer weiteren Synode in Karthago im Jahr 252 einige Kleriker abgewiesen worden waren, die trotz Verfehlungen in der Verfolgungszeit wiederaufgenommen werden wollten, benannte auch die Felicissimusgruppe einen Gegenbischof gegen 13. Institutionalisierung der Buße

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Felicissimus

Cornelius von Rom

sacrificati libellatici

Maximus

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Cyprian, Fortunatus. Cyprian stand so in der Mitte zwischen der Felicissimusgruppe mit Fortunatus als Bischof (Vollmacht der confessores, liberaler Umgang mit lapsi) und den Novatianern unter Maximus als Bischof (schroffe Haltung gegenüber den lapsi).

Stephanus von Rom

13.5.3 Liberalisierung der Bußpraxis für die lapsi und Konflikt zwischen Karthago und Rom. 253 behandelte ein weiteres Konzil in Karthago die Frage der lapsi erneut. In Erwartung einer weiteren Verfolgung wurden alle Büßer rekonziliiert, damit sie, gestärkt durch die Teilhabe an der Eucharistie und den Zuspruch des Geistbesitzes, die bevorstehende Verfolgungssituation bestehen könnten. Die erwartete Verfolgung blieb aus (und kam erst 257/258 unter Valerian), doch hatte sich damit eine Position durchgesetzt, die die Buße nach dem Fall grundsätzlich als möglich ansah. Damit war Cyprian weit von seiner 250 vertretenen Position abgerückt, der Widerstand der Felicissimusgruppe gegen ihn bröckelte. Zugleich zeigte sich, dass die lapsi nach wie vor ein ungelöstes Problem vieler Gemeinden in Nordafrika darstellten (vermutlich schon schlicht wegen der großen Zahl der Büßer). Cyprian konnte seine Position als Bischof von Karthago und als führender Bischof des nordafrikanischen Episkopats dadurch sichern, dass er in der Frage der lapsi sich auf die Position seiner Bischofskollegen einließ. Anlässlich einer weiteren Synode im Jahr 254 kam es dann zum Konflikt zwischen Rom und Karthago. In Rom war 254 Stephanus an die Stelle des verstorbenen Cornelius getreten. Als zwei abgesetzte spanische Bischöfe, Basilides von Astorga und Martialis von Mérida, sich brieflich an Stephanus wandten und um Unterstützung bei der Wiedererlangung ihrer Bischofsstühle baten, erklärte Stephanus sie zu rechtmäßigen Inhabern ihrer Bischofsstühle. Basilides war als libellaticus abgesetzt worden, hatte die Bußzeit als Laie akzeptiert, später aber seinen Abfall bestritten und sich zum rechtmäßigen Amtsinhaber (anstelle des inzwischen gewählten Sabinus) erklärt. Martialis hatte aufgrund von familiären Verbindungen an einem heidnischen Begräbnisverein mitgewirkt und war daher abgesetzt worden. Cyprian nun ließ auf einer Synode in Karthago beide Fälle untersuchen, mit dem Ergebnis, dass beide zu Recht abgesetzt waren, Stephanus von Rom sei schlecht informiert und überrumpelt worden. Damit nutzte Cyprian nun seine konsolidierte Machtposition im nordafrikanischen Episkopat, um selbstbewusst eine Entscheidung des römischen Kollegen zu bestreiten. Damit war ein wichtiges Präjudiz für den Konflikt zwischen Stephanus und Cyprian im sog. Ketzertaufstreit geschaffen (vgl. § 2; 12.6).

13.6 Verfall der Gemeindebuße Die herkömmliche Form der Exkommunikationsbuße, die für die Betroffenen eine soziale »Demütigung« und Ausgrenzung bedeutete, geriet mit der starken Ausbreitung des Christentums im 4. Jh. in die Krise. Das führte dazu, dass an die Stelle der individuellen 190

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zunehmend die liturgische Begehung von Bußzeiten der gesamten Gemeinde trat, so besonders in der Gestaltung der vorösterlichen Fasten- und Bußzeit. Im Osten entwickelte sich im 4./5. Jh. zudem die private Form des seelsorgerlich orientierten Gesprächs. In den Klostergemeinschaften fand diese Form des Bußgesprächs ihren Ort innerhalb der Gemeinschaften von Mönchen und Nonnen. Dies führte dazu, dass im 5. Jh. insbesondere auch Mönche Bußgespräche durchführten, auch außerhalb der Klöster. Dadurch war quasi eine Form der Privatbeichte entstanden, die auf die individuelle Wegführung und Bußübungen zielte. Im Westen entwickelten sich Formen individueller Bußübungen ebenfalls im Mönchtum, dann besonders durch die Entwicklung von Bußbüchern und im iroschottischen Mönchtum (vgl. dazu § 7; 7.3.1).

Privatbeichte

13.7 Literatur Lektüretipp: J.A. Fischer/A. Lumpe: Die Synoden von den Anfängen bis zum Vorabend des Nicaenums, 1997, 165-307. Quellen: H. Karpp (Hg.): Die Buße. Quellen zur Entstehung des altkirchlichen Bußwesens, 1969 [zweisprachig]. Literatur: I. Goldhahn-Müller: Die Grenze der Gemeinde, 1989. – B. Poschmann: Pae­ nitentia secunda, 1940; ND 1964. – K. Rahner: Frühe Bußgeschichte in Einzeluntersuchungen, in: Ders.: Schriften zur Theologie, Bd. 11, 1973. – H. Vorgrimler: Buße und Krankensalbung, 2. A. 1978. – K. Holl: Enthusiasmus und Bußgewalt beim griechischen Mönchtum, 1898. – H. von Campenhausen: Kirchliches Amt und geistliche Vollmacht in den ersten drei Jahrhunderten, 1963. – A. Brant: Cyprian and Roman Carthage, 2010. – E. Baumkamp: Kommunikation in der Kirche des 3. Jh.s. Bischöfe und Gemeinden zwischen Konflikt und Konsens im Imperium Romanum, 2014.

 § 3; 8.

14. Die Eucharistie In Anknüpfung an Jesu letztes Mahl mit seinen Jüngern hat die Christenheit überall von Anfang an das Abendmahl gefeiert. Dabei ist für die Frühzeit nicht präzise erkennbar, ob und wie sich das Abendmahl als liturgischer Akt zu einer gemeinsamen Mahlzeit verhielt. Im 2. und 3. Jh. hat es an einigen Orten wohl ein Nebeneinander von gottesdienstlicher Eucharistie und mit einer Mahlzeit verbundener Agapefeier gegeben. Ab dem 4. Jh. wird die Eucharistie vor allem als zweiter Teil des Gottesdienstes gefeiert. Die theologische Deutung betonte insbesondere die Teilhabe an dem durch Christus geschenkten Heil. Gegenstand theologischer Auseinandersetzungen wurde die Eucharistie erst im 9. Jh., doch entwickelten sich bereits in der Alten Kirche zentrale Deutungsmuster.

Agapefeier

14.1 Entwicklung der Eucharistiefeier Die Rekonstruktion der Entwicklung der altkirchlichen Liturgie steht vor besonderen Schwierigkeiten, insbesondere für die vorkonstantinische Zeit. Erst ab dem 4. Jh. ist der Ablauf genauer erkennbar, ab dieser Zeit lassen sich 14. Die Eucharistie

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auch verschiedene Haupttypen erkennen, die die weitere liturgiegeschichtliche Entwicklung geprägt haben. Hieraus entwickelte sich im Osten insbesondere die Chrysostomusliturgie, im Westen entstand im frühen Mittelalter die römische Messe.

Anamnese

Epiklese

Chrysostomus­ liturgie

Markusliturgie Basiliusliturgie

14.1.1 Entwicklung bis zum 3. Jh. Die Didache belegt eine Abfolge von Kelchwort – Sättigungsmahl – Brotwort (in dieser Reihenfolge!) und bezeugt auch entsprechende Gebetstexte. Justin setzt um 150 für Rom voraus, dass die entsprechende Abendmahlsfeier insgesamt als εὐχαριστία (eucharistia/Danksagung) bezeichnet wurde. Dem Vorsteher wurden zwei Kelche (mit Wasser und Wein) sowie Brot gereicht, hierüber hat er ein Gebet gesprochen, das die Trinität verherrlicht und für die Heilsgeschichte dankt. Die Bezeichnung als Eucharistie knüpft also an einen Gebetstext an, der anamnetischen Charakter hat. Die Anamnese (Wiedererinnerung) wird zum zentralen Bestandteil des eucharistischen Gebets. Das findet sich dann auch in dem Text der Traditio apostolica (Apostolischen Überlieferung) wieder, in dem erstmalig ein ausführlicheres eucharistisches Hochgebet belegt ist (vermutlich geht die lateinische Fassung auf einen Zustand im frühen 4. Jh. zurück, vgl. § 2; 9.2.1). Dieser Text belegt eine Abfolge von Anamnese, Darbringung der Gaben und Epiklese (d.h. Herabrufung des Heiligen Geistes durch entsprechende Anrufung), abgeschlossen durch eine Doxologie, also die formelhafte Verherrlichung der Trinität. In diesen Texten spielen die Einsetzungsworte keine Rolle. Jus­ tin allerdings zitiert die Einsetzungsworte, entweder weil sie in dieser Zeit schon in das anamnetische Gebet integriert worden waren, oder um den Sinn der Eucharistie durch den Rückverweis auf die Einsetzung durch Jesus selbst zu verdeutlichen.

14.1.2 Die drei Liturgiestämme. Ab dem 4. Jh. sprudeln die liturgiegeschichtlich relevanten Quellen wesentlich reicher. Es ist anzunehmen, dass die größeren Städte ihre eigenen eucharistischen Liturgien entwickelt haben. Im Osten haben sich dann aber insbesondere der von Antiochia ausgehende und der von Alexandria ausgehende Liturgiestamm durchgesetzt, neben dem ostsyrischen Liturgiestamm, der besonders für die nachchalkedonischen syrischen Kirchen eine gewisse Bedeutung gewonnen hat. Auf den von Antiochia her geprägten Liturgiestamm geht die spätere byzantinische Chrysostomusliturgie zurück, ältere Formen sind etwa in den Katechesen des Kyrill von Jerusalem und des Theodor von Mopsuestia für Jerusalem und Antiochia belegt. In Jerusalem entwickelte sich hieraus die Jakobusliturgie. Hiervon unterschied sich die alexandrinische Liturgie, die sich zur Markusliturgie (andere Bezeichnung: Kyrillliturgie) weiterentwickelte. Einen besonders schwer zu untersuchenden Fall stellt die sog. Basiliusliturgie dar. Sie entstammt ursprünglich wohl aus dem antiochenischen Bereich (auch von der Struktur her), ist aber zunächst in einer ägyptischen Rezension belegt, für die der alexandrinische Einfluss umstritten ist. Daher ist auch eine andere Bezeugung, die armenische, heranzuziehen. Trotzdem ist in der Forschung heftig umstritten, wie diese Liturgie den Liturgiestämmen im Einzelnen zuzuordnen ist und welche Bedeutung sie für die Entwicklung derselben gehabt hat. Dabei spielt besonders das Sanctus eine wichtige Rolle, ein liturgischer Text, der auf das Trishagion in Jes 6,3 zurückgeht und wohl erst Ende 192

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des 4. Jh.s in die Liturgien eingefügt wurde (und fortan das eucharistische Hochgebet in einen Prae- und einen Post-Sanctus-Teil gliederte). Unklar ist, ob die Einfügung des Sanctus eher auf den antiochenischen oder eher auf den alexandrinischen Liturgiestamm zurückzuführen ist. Auch im Westen wird das Sanctus erst spät rezipiert, vermutlich erst im 5. Jh. 14.1.3 Die römische Messe. Die Quellen für die Entstehung der römischen Messe sind sehr fragmentarisch und in ihrer Bedeutung umstritten. Immerhin zitiert Ambrosius in De sacramentis (Über die Sakramente) kurze Stücke aus dem eucharistischen Hochgebet, die dem späteren Text der römischen Messliturgie nahekommen, doch lassen sich hieraus kaum weitreichende Schlüsse über eine verbreitete Messform ziehen. Erst aus dem frühen Mittelalter sind liturgische Abläufe erhalten, so im Sacramentarium Gregorianum (aus dem 7. Jh., belegt im 8. Jh.) und im Sacramentarium Gelasianum (aus dem 7. oder 8. Jh., belegt im 9. Jh.). Insofern lässt sich sagen, dass die römische Messe ein Produkt des frühen Mittelalters ist, in der sich die lateinische Tradition bereits (auch bedingt durch die gesonderte Entwicklung der gentilen Reiche auf dem Boden des ehemaligen Westteils des Imperium Romanum im Gegensatz zu Byzanz) zunehmend verselbständigte. Für den Ablauf der römischen Messe ist wesentlich, dass die Einsetzungsworte durch einen komplizierten Relativsatz in die Anamnese eingebaut sind. Sie gehören also zur Vergegenwärtigung des Heilsgeschehens im Gebet und stellen keinen eigenständigen liturgischen Schritt dar. In den Gebetstexten ist die Vorstellung des Darbringens und des Opfers bereits vorausgesetzt, ebenso die unmittelbare Gegenwart Christi und des Heiligen Geistes. Eine genauere Fixierung eines Wandlungszeitpunktes (etwa signalisiert durch einen Glockenschlag) existiert in der Frühzeit aber noch nicht. In das Hochgebet wurden (wie in den östlichen Liturgien) neben Fürbitten auch sog. Interzessionsbitten eingeschlossen, d.h. Bitten an die Heiligen, für die Gemeinde bittend bei Gott einzustehen. Auch eine Aufzählung der Gläubigen, für die besonders gebetet wird, fand bereits früh ihren Platz im Hochgebet, wozu man eigene Listen, die sog. Diptychen, zusammenstellte. Die Abfolge der Gebetstexte, die traditionell nach ihren Anfangsworten benannt werden, wurde dann auch als Liste zusammengestellt (lateinisch canon, also Liste scil. der Gebete, die zum eucharistischen Hochgebet gehören, teilweise ohne das Präfationsgebet). Der gesamte Gottesdienst wurde nach seinem Entlassungswort (dem schwer zu interpretierenden missa est [soviel wie: Die Entlassung/ Entsendung ist geschehen) schon früh auch missa (Messe) genannt. Daher wird der Ablauf der Eucharistiegebete auch als Messkanon bezeichnet.

Sanctus

Ambrosius Hochgebet

Diptychen

Begriff »Messe« Messkanon

14.2 Eucharistie als mysterium bzw. sacramentum Die Bedeutung des Abendmahls wurde in der Frühzeit unterschiedlich formuliert. Zwei Aspekte begegneten grundsätzlich: die Gegenwart Jesu Christi 14. Die Eucharistie

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Gegenwart Christi

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in Brot und Wein sowie die existentielle Auswirkung der Speise auf die teilhabenden Gläubigen. Die Art der Gegenwart wurde theologisch noch nicht in begrifflich präziser Terminologie ausgedrückt, die Auswirkung eher bildlich beschrieben. Beides zusammen floss in die Bezeichnung als μυστήριον (lateinisch mysterium oder sacramentum, geheimnisvolle Handlung) ein. Dieser Begriff wurde in der Frühzeit sehr flexibel gebraucht, etwa auch für das Christusereignis, die Inkarnation oder Kreuz und Auferstehung und ihre entsprechende liturgische Begehung wie Ostern, Epiphanias bzw. (ab Ende des 4. Jh.s) Weihnachten. In besonderer Weise wurden allerdings die Taufe und die Eucharistie als μυστήρια bzw. sacramenta herausgestellt, so etwa in den mystagogischen Katechesen oder in der Sakramentstheologie, die Augustin in Epistula (Brief) 55 entwarf. 14.2.1 Die Gegenwart Jesu Christi. Die Art und Weise, wie Christus genau in Brot und Wein präsent sein soll, wurde in der Frühzeit kaum thematisiert. Begründet war sie in der Anamnese. Diesen Zusammenhang entfaltete Tertullian, indem er davon sprach, dass Christus seinen Leib im Brot darstellt bzw. vergegenwärtigt (repraesentat; Adversus Marcionem/Gegen Markion I,14,3). Naheliegend waren auch Argumentationen, die die Gegenwart Christi im Brot mit der Inkarnation begründeten: So wie Christus in die Welt gekommen ist, so ist er auch in Brot und Wein in der Gemeinde präsent. Damit wurde die Gegenwart nicht als eine in erster Linie geistige verstanden, sondern auf die Gaben bezogen und somit latent substantiell gedacht. 14.2.2 Die Wirkung der Eucharistie. Ignatius bezeichnete die Eucharistie als φάρμακον ἀθανασίας (pharmakon athanasias/Unsterblichkeitsmedizin) und betonte damit nicht nur die heilsame, heilbringende Wirkung der Eucharistie, sondern auch ihre an die Elemente gebundene Wirkung. Justin begründet diesen Gedanken christologisch: Im Fall der Inkarnation hat das Wort Christi zu seiner Gegenwart in Fleisch und Blut geführt, im Fall der Eucharistie ist es das Gebetswort (eventuell mit den auf Christus zurückgehenden Einsetzungsworten). Durch das Wort werden Brot und Wein zu Fleisch und Blut, das Essen und Trinken führt dazu, dass – analog zur Ernährung des Körpers durch Brot und Wein – der Gläubige durch Christi Fleisch und Blut genährt und so zu einem Teil des Leibes Christi, der Kirche, wird (Justin, Apologia/Verteidigungsschrift I,66). Irenäus bezog die Wirkung der Eucharistie insbesondere auf das ewige Leben (Adversus haereses/Gegen die Häresien III,18,5; 9,1f.). Origenes betonte den Nutzen für die kontinuierlich voranschreitende Heiligung des Gläubigen. Die sündenvergebende Funktion des Abendmahls wurde im 2./3. Jh. kaum angesprochen. Das dürfte daran liegen, dass sie Proprium der Taufe und der Buße war.

14.3 Die Eucharistie als Opfer Verschiedene Gründe führten seit dem 3. Jh. dazu, das eucharistische Geschehen häufig als Opfer (θυσία/thysia, lateinisch sacrificium) bzw. als Darbringung (προσφορά/prosphora, lateinisch oblatio) zu bezeichnen: das Verständnis des Todes Jesu als Opfer und dessen Vergegenwärtigung in der Anamnese, die Darbringung von Gaben und die Einsammlung eines Armen­ opfers im Zusammenhang der Eucharistie, der Bezug auf Mal 1,11 mit der 194

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Ankündigung eines reinen Opfers unter den Völkern, die alttestamentliche Opfervorstellung, die religiös-soziale Konkurrenz mit nichtchristlichen Kulten, in denen Opfer, Altäre und Priester eine zentrale Rolle spielten. Entsprechend übernahm das Christentum auch die Bezeichnung der Presbyter als Priester (s. § 2; 11.5) und bezeichnete ab dem 3. Jh. auch den Gabentisch als Altar (θυσιαστήριον/thysiastērion, lateinisch altare). Damit war ein wesentlicher Schritt der Inkulturation getan, der erst nach und nach theologisch durchdacht und ausgelegt wurde. Insbesondere führte er seit dem 4. Jh. zu der Vorstellung, dass Christi einmaliges Opfer von der Kirche erneuert bzw. im liturgischen Handeln präsent werde. Die darauf aufbauende Akzentverschiebung, der zufolge die Kirche zum darbringenden Subjekt des einen heilbringenden und versöhnenden Opfers wird, schließt an eine bestimmte Deutungslinie bei Augustin an, die Gregor der Große entwickelt hat.

Priester Altar

14.3.1 Die Opfertheologie in der östlichen Theologie. In der syrischen Theologie wurde das Opferverständnis besonders von der Anamnese her gedeutet. Der in Nisibis und Edessa tätige Ephraem der Syrer (ca. 306-373) verstand die Eucharistie als kultisch-anamnetische Vergegenwärtigung von Christi Opfer. Johannes Chrysostomus (ca. 350-407) identifizierte das einzigartige historische Opfer Christi, die Dahingabe des Lebens für die Seinigen, mit dem eucharistischen Opfer des Priesters, das kein neues Opfer, sondern die Vergegenwärtigung des einen Opfers bedeutete. Theodor von Mopsuestia (ca. 352-428) und Theodoret von Kyros (ca. 393-ca. 466) lehrten ähnlich: Für sie war die Kirche (und streng genommen auch der Priester) nicht Subjekt des Opfervorganges, sondern nur Diener bei der Vergegenwärtigung Christi, dessen Opfer in der Eucharistie präsent wurde. 14.3.2 Die Eucharistie als Opfer in der westlichen Theologie. Die Opfermetaphorik hat in der lateinischen Theologie zunächst eher vereinzelt eine Rolle gespielt. Doch konnte schon Cyprian in der Auseinandersetzung mit der Sitte der Aquarier, statt Wein Wasser zu benutzen, die Eucharistie als Opfer deuten. Der Priester bringt anstelle bzw. in Nachahmung Christi Gott das wahre und vollständige Opfer (sacrificium) in der Kirche dar. Auch Cyprian bezog dies allerdings auf die Anamnese (lateinisch commemoratio) der Passion Christi (Epistula/Brief 63,14.17). Augustin hat diesen Gedanken weiterentwickelt. Er greift die Bezeichnung der Kirche als Leib Christi auf und kommt so zu der Aussage, dass Christus sich in der Eucharistie dergestalt darbringe, dass sein Leib, d.h. die Kirche, sich selbst Gott als Opfer darbringe. Diese Darbringung erfolgt dann insbesondere in der Gemeinschaft der Gläubigen, in der die Vielen der eine Leib Christi werden. Augustin verband also die individuelle Ausrichtung jedes Gläubigen auf Gott mit der universalen Darbringung der Kirche. Diese ekklesiologische Deutungsebene griff insbesondere Gregor der Große auf. Gregor zufolge stellt die Messe ein Versöhnungsopfer dar, das die Kirche darbringt (s. § 5; 12.3.1). Dies sollte die Messfrömmigkeit im Mittelalter stark prägen.

Aquarier

Kirche als Leib Christi

14.4 Die Wandlungsvorstellung Die Betonung der unmittelbaren Gegenwart Christi in Brot und Wein führte in der Alten Kirche zu keiner genaueren Reflexion über den genauen Zeitpunkt einer Wandlung. Die Vorstellung, dass Brot und Wein verändert, gewandelt, umgeformt werden, begegnet aber verschiedentlich. So formulierte Gregor von Nyssa um 385, dass das durch den Lo14. Die Eucharistie

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gos Gottes geheiligte Brot in den Leib des Logos Gottes verwandelt ist (Oratio catechetica/Katechetische Rede 37,9). Was Gregor als Wirkung des Logos ansah, konnten andere Autoren auch auf den Geist beziehen (wobei sie vermutlich an die Epiklese dachten). Der Geist verwandelt durch seine Herabkunft (parallel zur Inkarnation) Brot und Wein (Johannes Chrysostomus, Homilia in Matthaeum/Matthäushomilie 82,5). Den christologischen Bezug betonte besonders Kyrill von Alexandria, der von einer Umgestaltung der Abendmahlselemente durch die Kraft des Logos sprach und die Identität von eucharistischem und historischem Leib Christi hervorhob (MG 72, 452C; 912A). Diese Vorstellung aufgreifend, entwickelte Johannes Damascenus (s. § 4; 14.3) seine Transformationslehre, die in der östlichen Theologie vielfach rezipiert wurde. 14.5 Literatur Lektüretipp: V.H. Drecoll: Gottesdienst in der Alten Kirche, in: H.-J. Eckstein/U. Heckel/B. Weyel (Hg.): Kompendium Gottesdienst, 2011, 42-61. Quellen: A. Hänggi/I. Pahl (Hg.): Prex Eucharistica, Bd. 1, 3. A. 1998. – F.E. Brightman: Liturgies. Eastern and Western, Bd. 1: Eastern Liturgies, 1896; ND 1965. Literatur: J. Schröter: Das Abendmahl, 2006. – C. Markschies: Kaiserzeitliche christliche Theologie und ihre Institutionen, 2007, 136-213. – G. Winkler: Die Basilius-Anaphora, 2005. – A. Budde: Die ägyptische Basilios-Anaphora, 2004. – M.E. Johnson: The Prayers of Sarapion of Thmuis, 1995. – G. Röwekamp: Einleitung, in: Ders. (Hg.): Cyrillus Hierosolymitanus, Mystagogicae Catecheses, FC 7, 1992, 1-91. – B.D. Spinks: The Roman Canon Missae, in: A. Gerhards/H. Brakmann/M. Klöckener (Hg.): Prex Eucharistica, Bd. 3, 2005, 129-143. – M. Klöckener: Das eucharistische Hochgebet in der nordafrikanischen Liturgie der christlichen Spätantike, ebd. 43-128. – J. Deshusses: Le Sacramentaire Grégorien, 1992. – H. Lietzmann: Messe und Herrenmahl, 3. A. 1955; ND 1967.

15. Gottesdienst, Kirchengebäude, Feste Erst im Laufe der Alten Kirche haben sich zwei grundlegende Strukturen entwickelt, die im Wesentlichen bis heute die meisten Kirchen kennzeichnen: a) der Sonntagsgottesdienst, besonders mit der Verbindung von Wortverkündigung und Eucharistiefeier, b) die Errichtung von speziell für Gottesdienste konzipierten öffentlichen Gebäuden. Die Entwicklung von Kirchenbauten führte nach Ansätzen im 4. Jh. besonders im 5. und 6. Jh. zu einer Umgestaltung vieler Städte, sowohl in den gentilen Reichen, die ab dem 5. Jh. das Imperium Romanum im Westen ablösten, als auch besonders in dem byzantinischen Reich, das im Osten das Imperium Romanum fortsetzte. Insbesondere die Entwicklung der basilikalen Grundform als Bischofskirche mit dem Gegenüber von Klerus und Laien wurde in der Folgezeit prägend.

15.1 Der Sonntagsgottesdienst

Wortgottesdienst Eucharistiefeier

Die Liturgie wies im 2./3. Jh. eine beachtliche Mannigfaltigkeit in den unterschiedlichen Regionen auf, in denen das Christentum verbreitet war. Ein besonderes Merkmal etablierte sich aber fast überall: die Verbindung von Wortgottesdienst und Eucharistiefeier als sonntäglicher Gottesdienst. Schon 196

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früh (im 3. Jh.?) entwickelten sich hierneben einfachere Wortgottesdienste auch an Wochentagen. Im ab dem 4. Jh. entstehenden Mönchtum entstand zusätzlich das Stundengebet. Somit hatte sich bis zum Ende des 4. Jh.s ein breites Spektrum an Gottesdienstformen entwickelt. Der Sonntagsgottesdienst ragte durch die Feier der Eucharistie heraus. Die Liturgietypen unterscheiden sich insbesondere durch die Ausgestaltung der Eucharistiefeier (vgl. dazu oben § 2; 14.1). Dem ging ein kurzer Wortgottesdienst voraus. Er orientierte sich am Synagogengottesdienst (der wiederum seinerseits von der Entwicklung christlicher Gottesdienste nicht unbeeinflusst blieb) und umfasste insbesondere Lesungen aus der Heiligen Schrift und gemeinschaftliches Gebet. Verbreitet war ab dem 3. Jh. die Ab­ folge von drei Lesungen: 1. ein Abschnitt aus dem Alten Testament, der Apos­ telgeschichte oder den Apostelbriefen, 2. ein Psalm, 3. die Evangeliums­ perikope. Erst später traten die Lesung aus dem Alten Testament und die aus den Episteln nebeneinander. Die Lesung des Alten Testaments wie die Evangelienlesung setzen die entsprechende Entwicklung des christlichen Kanons voraus. Mit den Psalmen übernahm die Christenheit ein Korpus jüdischer Gebete, hierneben traten weitere Gebete und Gebetsrufe, allen voran das Vater unser, das schon im 3. Jh. verbreitet und Gegenstand eigener Kommentierung wurde (so z.B. Cyprian, De oratione dominica/Über das Herrengebet). Kurze Gebetsrufe, die fast überall bekannt waren, waren etwa das aus den Psalmen abgeleitete Halleluja und die hebräische Bekräftigungsformel »Amen«. Auch trinitarische Doxologien verbreiteten sich offensichtlich ab dem 3. Jh. rasch, im 4. Jh. sind sie bereits Gegenstand theologischer Diskussionen und Debatten (so bei Basilius von Cäsarea in De spiritu sancto/ Über den Heiligen Geist). Nicht zum altkirchlichen Sonntagsgottesdienst gehörte ein Glaubensbekenntnis, das seinen Sitz in der Taufliturgie hatte. Die Stellung der Predigt war uneinheitlich. Folgte sie in Wortgottesdiensten auf die Lesungen, konnte sie im eucharistischen Gottesdienst vor oder nach der Eucharistiefeier erfolgen. Als der Eucharistie nachgeordneter Übergang zur Sendung mit entsprechendem paränetischem und auf die Ethik zielendem Charakter fand sie ihren festen Ort insbesondere in der byzantinischen Liturgie.

Stundengebet

Lesungen

Psalmen Vater unser

Doxologien

Predigt

15.2 Hauskirchen und Kirchenbauten Archäologisch sind Kirchenbauten eigentlich erst ab dem 4. Jh. greifbar. Das einzig wirklich sichere Beispiel für die vorkonstantinische Zeit ist die Hauskirche in Dura-Europos, die jedoch im extremen Osten des Imperium Romanum liegt und keineswegs repräsentativ ist. Die archäologischen Belege für Kirchenbauten im 4. Jh. sind ebenfalls noch relativ wenige, erst ab dem 5. Jh. wird dies deutlich besser. Dies zeigt, wie lange der Prozess der Christianisierung dauerte: Erst mehr als 100 Jahre nach der sog. konstan15. Gottesdienst, Kirchengebäude, Feste

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Dura-Europos

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Titelkirchen

Basilika

Apsis Ostung

Baptisterium

tinischen Wende werden Kirchen nach und nach zu zentralen Bauten und Erkennungszeichen der Städte. Ab dem 4. Jh. haben Kaiser aber erhebliche Summen eingesetzt, um an besonders wichtigen Stellen repräsentative Bauten für das Christentum zu errichten und so ihre Begünstigung des Chris­ tentums zu demonstrieren. Literarisch ist belegt, dass es bereits im 3. Jh. Kirchenbauten gegeben haben muss. Sie dürften teilweise auch bereits beträchtliches Ausmaß erreicht haben, zugleich aber so geartet gewesen sein, dass sie im 4./5. Jh. vollständig ersetzt werden mussten. Man darf sich die Kirchen, in denen Cyprian oder Origenes predigten, also nicht als Basiliken späterer Art vorstellen. Vielmehr handelte es sich wohl um große Räume in Privathäusern, die ab dem 3. Jh. wohl auch größtenteils der Kirchengemeinde gehörten. Vorher versammelte sich die Gemeinde in den Häusern vermögenderer Gemeindeglieder, zentrale Kultorte waren im 2. Jh. auch in großen Städten wie Antiochia oder Rom nicht vorhanden. Die Namen der Personen oder Familien, in deren Räumen man sich versammelte, wurden auf sog. tituli (Schildern mit der Angabe des Besitzers) angegeben, daraus entwickelte sich die Bezeichnung der kleineren Versammlungsorte als Titelkirchen. In Rom waren um 300 wohl um die 20 Titelkirchen vorhanden (die Einzelheiten sind allerdings nach wie vor sehr umstritten). Aus diesen kleineren Kirchen entwickelten sich im 4. Jh. kleine Gemeindekirchen neben den großen Bischofskirchen. Letztere waren nur unter Einsatz öffentlicher Mittel finanzierbar. Man benutzte insbesondere den Typ der Basilika, einer langen, relativ breiten Halle, die durch Apsiden und Säulen gegliedert werden konnte. Typisch christlich wurde die Ausrichtung als Längsbau, der auf eine Apsis zulief. Aufgrund der Übertragung der Sonnenmetaphorik auf Chris­ tus wurde die Ostung eine verbreitete Ausrichtung, neben die aber auch andere, oft durch die entsprechenden örtlichen Vorbebauungen bedingte Ausrichtungen traten (so sind einige wichtige Kirchen der Christenheit von Anfang an gewestet, z.B. St. Peter in Rom). Oftmals passten sich die Kirchenbauten zunächst innerhalb der Stadt in die (oft komplexe) Struktur der Grundstücke ein, nur an besonders herausragenden Stellen wurden Kirchen wirklich im Stadtzentrum gebaut (so etwa in Mailand mit der Basilica Nova/Neuen Basilika Ende des 4. Jh.s oder in Konstantinopel, das erst 379 von Theodosius als Residenzstadt in Funktion genommen wurde). Oftmals nutzte man zunächst Randlagen oder sogar Gelände außerhalb der Stadtmauern (so in Rom und Mailand). Neben die Basiliken trat schon früh ein Anbau oder separater Bau, das Baptisterium als Taufort. Bisweilen hat man in der Nähe der Basilika (oder auch unmittelbar angrenzend) ein Haus für den Bischof gebaut, das dann rasch auch Verwaltungszentrum wurde, bisweilen aber auch der Ort war, an dem die zum Bischof gehörenden Kleriker zusammenlebten (vgl. § 6; 6.5).

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15.3 Festtage Drei Elemente haben zur Ausbildung eines christlich geprägten Festkalenders geführt, nämlich a) die bereits im 1. Jh. erfolgte Etablierung des Sonntages als besonderem Herrentag in der Siebentageswoche (die sich erst im 1. Jh. n.Chr. gegen die konkurrierende Achttageswoche durchgesetzt hat), b) die Etablierung des Osterfestkreises (mit wechselndem Datum in Abhängigkeit vom Frühjahrsäquinoctium) ab dem 2. Jh. und c) die Begehung jährlich feststehender Gedenktage, etwa für Märtyrer oder verstorbene Bischöfe, ab dem späten 3. Jh. Zu diesen jährlich am selben Datum wiederkehrenden Festen kamen ab dem 4. Jh. die Ausbreitung des Epiphaniasfestes und des Weihnachtsfestes. Greifbar sind diese drei Elemente z.B. im sog. Chronographen von 354, einer Zusammenstellung der verschiedensten Listen, die man als gebildeter Mensch für die Zeitberechnung brauchte, also etwa: Liste der Konsuln für die einzelnen Jahre, Auflistung der Feiertage im römischen Jahresablauf (Geburts- und Todestage der Kaiser, religiös geprägte Feste). Interessanterweise enthält die Sammlung auch zwei christlich geprägte Lis­ ten, nämlich eine Liste der Ostertermine sowie der jährlich zu begehenden Gedenktage. 15.3.1 Der Streit um den Ostertermin. Im 2. Jh. kam es zu unterschiedlichen Bräuchen, das Osterfest zu feiern. In der Provinz Asia wurde Ostern als das christliche Passah und daher am 14. Nisan des jüdischen Festkalenders gefeiert. Die Befolger dieser Praxis wurden eben nach diesem Datum Quartadezimaner genannt. In Rom kam es zu einer Ausgestaltung des Herrentages nach dem ersten Vollmond im Frühjahr (dessen Anfang mit dem Frühjahrsäquinoctium angesetzt wurde, heute dem 21. März), daher dominikale Praxis genannt (nach dominica = Herrentag). Beide Bräuche existierten nebeneinander, die inhaltlichen Unterschiede der Festgestaltung dürfen nicht überschätzt werden; allerdings konzentrierte sich das sonntägliche Osterfest ganz auf die Auferstehung, während der Termin 14. Nisan an die Vorbereitung des Passahs erinnerte, den Tag, an dem das Passah­ lamm geschlachtet wurde. Als um 195 in Rom ein aus der Asia stammender Presbyter die heimatliche Sitte praktizieren wollte, reagierte Bischof Victor von Rom schroff, versammelte Bischöfe nach Rom und ließ durch dieses Gremium, die erste greifbare Synode, den Brauch der Provinz Asia verurteilen. Dem schlossen sich entsprechende Bischofsversammlungen an anderen Orten an, etwa in Palästina und im Pontus. Die Provinz Asia unter Polykrates von Ephesus blieb beim alten Termin. Daraufhin versuchte Victor, die Kirchengemeinschaft mit den Quartadezimanern abzubrechen, stieß aber auf Widerstand. Der ebenfalls aus der Asia stammende, mittlerweile in Lyon tätige und angesehene Bischof Irenäus warb in dem sog. Friedensbrief für die Akzeptanz beider Daten. Der unterschiedliche Ostertermin blieb in der Folgezeit bestehen. Das Konzil von Nicäa 325 legte den sonntäglichen 15. Gottesdienst, Kirchengebäude, Feste

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Sonntag

Osterzyklus jährliche Gedenktage

Chronograph von 354

Quartadezimaner

dominikale Praxis

Irenäus

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Pfingsten

Stephanus Petrus und Paulus Perpetua und Felicitas

Sonnenwendfest?

Ostertermin fest, die quartadezimanische Praxis verschwand im Laufe des 4. Jh.s. Die grundsätzliche Bedeutung des Streits lag darin, dass hier erstmals eine Synode greifbar ist, die eine Frage der kirchlichen Praxis zu entscheiden versuchte. Zugleich zeigt sich, dass Bischof Victor von Rom zwar seine Tradition generell durchsetzen wollte, damit jedoch scheiterte (vgl. § 8; 1.2). Im späten 3. und frühen 4. Jh. wurde der Osterfestkreis nach und nach erweitert und ergänzt: Hinzu kam die österliche Freudenzeit, sieben Wochen nach Ostern, die mit dem Fest der Geistverleihung endeten, nach der Zeitspanne Pentekoste, d.h. Pfingsten, genannt (von griechisch ἡ πεντηκοστὴ [scil. ἡμέρα]/hē pentēkostē hēmera/der fünfzigste Tag, die antike Zählweise zählt dabei den ersten wie den letzten Tag mit, so dass sieben Wochen fünfzig Tage ergeben). Die Zeit vor Ostern wurde als Fastenzeit begangen. In ihr fand die Unterweisung der Katechumenen ihren vornehmlichen Ort, da sich Ostern zugleich als wichtiger Tauftermin etablierte. 15.3.2 Gedenktage für Märtyrer. Die Zahl der Menschen, die in vorkonstantinischer Zeit für ihren Glauben gestorben sind und dementsprechend als Märtyrer, als Blutzeugen, verehrt wurden, darf nicht überschätzt werden. Die Zahl war aber immerhin so beschaffen, dass viele Gemeinden, zumindest die größeren, eigene Märtyrer aufzuweisen hatten. An diese Märtyrer wurde vor Ort gedacht, durch Verlesung einer Passio (eines Leidensberichtes) oder der Vita (Lebensbeschreibung) und ab dem 4. Jh. im Zusammenhang mit Prozessionen. Nur wenige Märtyrer gewannen überregionale Bedeutung. Das ist z.B. für den Stephanuskult der Fall, der sich im 4. Jh. in Ost und West ausbreitete. Im Westen gewannen auch Petrus und Paulus (29. Juni) von Rom aus und Perpetua und Felicitas (7. März) sowie Cyprian (14. September) von Karthago aus überregionale Bedeutung. Der Chronograph von 354 belegt etwa die Feier des Tages von Perpetua und Felicitas und Cyprians auch für Rom, zeigt aber einen ansonsten stark an römischen Begebenheiten orientierten Kalender. Auffällig ist, dass auch eine eigene Liste angefügt ist, die die Todesdaten einer Reihe römischer Bischöfe festhält. Eventuell wurden auch diese Tage vor Ort (so besonders in der sog. Papstgruft der Callixtuskatakombe) begangen. 15.3.3 Die Entstehung des Weihnachtsfestes. Erst im 4. Jh. entstand das Weihnachtsfest am 25. Dezember in Konkurrenz zu dem Epiphaniasfest am 6. Januar, an das sich verschiedene Inhalte anlagerten (Taufe Jesu, Geburt, Anbetung durch die Weisen aus dem Morgenland, Hochzeit zu Kana). Dabei ist der Hintergrund für die Annahme, Jesus Christus sei am 25. Dezember geboren worden, unklar. Ein gewollter Bezug zu einem verbreiteten heidnischen Sonnenwendfest ist in den Quellen nicht feststellbar. Die Metaphorik der Sonne selbst wurde allerdings im 4. Jh. vielfach genutzt, so insbesondere in dem synkretistischen Bemühen Konstantins, Christus als Sol Invictus (die unbesiegte Sonne) aufzufassen (und so an den älteren, nichtchristlichen Sol Invictus-Kult anzuknüpfen; in einer ähnlichen Zielsetzung führte Julian ein Sonnenfest in Konstantinopel ein, ohne bleibenden Erfolg). Insofern kann der Bezug auf die Sonnenwende vielleicht eher als einer der Gründe dafür angesehen werden, dass sich Weihnachten gegenüber dem Epiphaniasfest als Tag der Geburt Jesu durchgesetzt hat, als dass man in dem Sonnen­wendfest den Grund für die Angabe des Termins für die Geburt Jesu erblicken kann. Wahrscheinlicher ist, dass einfach zwei verschiedene Datumstraditionen existierten, von denen die eine auf den 25. Dezember, die andere auf den 6. Januar verwies. Im 200

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4. Jh. verbreitete sich, ausgehend von der Verehrung der Stätte der Geburt Jesu in Bethlehem (mit dem Bau der Geburtskirche), ein Fest für die Geburt Jesu. Die Betonung der Gottheit Christi im Trinitarischen Streit wie im Christologischen Streit trug verstärkend dazu bei, dass sich ein solches Fest zunehmender Beliebtheit und Bedeutung erfreute. Das Epiphaniasfest geht wohl nicht auf gnostische Gruppen zurück, sondern dürfte ein besonders in Ägypten verorteter (und dann eben auch von manchen gnostischen Gruppen genutzter) Brauch gewesen sein, der sich im 4. Jh. auch in anderen Regionen verbreitete. Je stärker sich das Weihnachtsfest als Fest der Geburt durchsetzte, desto mehr konzentrierte sich Epiphanias auf die Anbetung der Weisen aus dem Morgenland und die Hochzeit zu Kana – beides Evangelienlesungen, die mit dem Thema der Epiphanie, der Erscheinung Gottes in Jesus Christus, verbunden waren.

Epiphanias

15.4 Die Entstehung der Reliquienverehrung Das Reliquienwesen stellte seit dem 4. Jh. einen wichtigen Bestandteil der Frömmigkeit dar. Bei Reliquien handelt es sich ursprünglich nicht um die sterblichen Überreste, sondern zunächst einmal um die Verehrung von Erinnerungsgegenständen von Heiligen, besonders Märtyrern, denen im Gedenken eine besondere Verehrung zuteil wird. Auch Orte des Martyriums oder besonderer Heilungen konnten als Erinnerungsorte entsprechend verehrt werden (vgl. § 2; 15.3.2). Da man im Christentum die Bestattung der sterblichen Überreste sehr früh als Liebesdienst an den Verstorbenen deutete und daher als Gemeinde beging, bekam die Verehrung der sterblichen Überreste von Märtyrern und Heiligen rasch besondere Bedeutung. Ursprünglich galt dabei das Grab als unantastbar, dies änderte sich im Osten früher als im Westen, wo dies erst ab dem Frühmittelalter aufgegeben wurde. Reliquien konnten somit aufgeteilt werden, um an verschiedenen Orten das Heilige präsent zu halten. Ab dem Ende des 4. Jh.s wurde es üblich, Reliquien unter dem Altar beizusetzen (vgl. Apk 6,9) und so das Opfer der Märtyrer mit dem Opfer der Eucharistie sinnbildlich zu verbinden (greifbar z.B. für Ambrosius’ Umbettung der Gebeine von Gervasius und Protasius, s. § 1; 18.2.2). Eine weit verbreitete Frömmigkeit maß den Reliquien eine unmittelbar kraftverleihende und im Alltag helfende, insbesondere auch heilende Funktion zu. Dies begründete den Erfolg von Orten, an denen besondere Reliquien aufbewahrt wurden, als Zielpunkten von Pilgerreisen, die als religiöse Bußübung gedeutet wurden. Theologische Begründungen der Reliquienverehrung betonten in der Regel die geistige Verbindung mit den Heiligen, die in der Gemeinschaft mit Christus stehen. Insofern lässt sich die Reliquienverehrung nicht gegen die Christusverehrung ausspielen.

Erinnerungs­ gegenstände

Bestattung

Reliquien unter dem Altar

15.4.1 Kritik am Reliquienhandel. Wie schnell die Reliquienverehrung zum unverzichtbaren Bestandteil der Frömmigkeit wurde, zeigt sich schon an der vernichtenden Kritik, die ein Kritiker wie Vigilantius auf sich zog, gegen den Hieronymus ein vehementes Werk schrieb (Contra Vigilantium/Gegen Vigilantius). Die Kaiser versuchten früh, den Handel mit Reliquien einzuschränken (Codex Theodosianus 9,17,7 aus dem Jahr 386). Gerade durch die Verbindung mit den Pilgerreisen wurde der Besitz von Reliquien zu 15. Gottesdienst, Kirchengebäude, Feste

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einem wichtigen Wirtschaftsfaktor und konnte zugleich zur Legitimation von (innerkirchlicher wie politischer) Herrschaft gebraucht werden. das Heilige Land

15.4.2 Pilgerreisen. Die Reise in das Heilige Land zu den Stätten, wo Christus selbst gelebt hat, gewann ab konstantinischer Zeit erheblich an Bedeutung, unterstützt noch durch die kaiserliche Baupolitik in Bethlehem (Geburtskirche) und Jerusalem (Anastasiskomplex). Pilgerberichte wie das Itinerarium Burdigalense (Reisebericht des Pilgers von Bordeaux, um 333) und das Itinerarium Egeriae (Reisebericht der Egeria, ca. 381384?) trugen die Kenntnis von heiligen Stätten (incl. der Jerusalemer Liturgie), ihren Entfernungen und möglichen Reiserouten weit in das Reich hinaus. Mahnungen wie die des Gregor von Nyssa (Epistula/Brief 2), lieber die innere Verbindung mit Christus zu suchen, als um jeden Preis die Reise ins Heilige Land auf sich zu nehmen, oder des Hieronymus (Epistula/Brief 58) verhallten recht wirkungslos. Neben Jerusalem entwickelte sich Rom (mit dem Doppelapostolat von Petrus und Paulus) zu einem wichtigen Pilgerziel. Im 5. Jh. kam in Syrien insbesondere Kal’at Schimān (s. § 6; 5.2.2) hinzu. 15.5 Literatur Lektüretipp: J.A. Fischer/A. Lumpe: Die Synoden von den Anfängen bis zum Vorabend des Nicaenums, 1997, 60-87. – B. Brenk: Die Christianisierung der spätrömischen Welt, 2003, 3-48. Quellen: W. Rordorf: Sabbat und Sonntag in der Alten Kirche, 1972. – R. Cantalamessa: Ostern in der Alten Kirche, 1981. – J. Beckmann: Quellen zur Geschichte des christlichen Gottesdienstes, 1956. Literatur: J.C. Salzmann: Lehren und Ermahnen. Zur Geschichte des christlichen Wortgottesdienstes in den ersten drei Jahrhunderten, 1994. – R. Volp: Liturgik, Bd. 1, 1992, 181271. – H. Brandenburg: Die frühchristlichen Kirchen Roms vom 4. bis zum 7. Jahrhundert, 2004. – R. Krautheimer: Three Christian Capitals. Topography and Politics, 1983. – C. Piétri: Roma christiana, 2 Bde., 1976. – M. Wallraff: Christus verus sol. Sonnenverehrung und Christentum in der Spätantike, 2001. – M.R. Salzman: On Roman Time. The Codex-calendar of 354 and the Rhythms of Urban Life in Late Antiquity, 1990. – K. Gamber: Liturgie und Kirchenbau, 1976. – Ders.: Sancta Sanctorum. Studien zur liturgischen Ausstattung der Kirche, vor allem des Altarraumes, 1981. – B. Kötting: Der frühchristliche Reliquienkult und die Bestattung im Kirchengebäude, 1965. – W. Huber: Passa und Ostern, 1969. – W. Rordorf: Der Sonntag, 1962. – Ders.: Lex orandi – Lex credendi, 1993, 1-191. – H. Förster: Die Anfänge von Weihnachten und Epiphanias, 2007. – K. Heyden: Orientierung. Die westliche Christenheit und das Heilige Land in der Antike, 2014. – M. Jonas, Mikroliturgie, 2015.

 § 1; 10.-13.

16. Schismatische Gemeinschaften: Reinheit der Kirche Ein für die ganze Kirchengeschichte relevantes Element ist das Auftauchen von Reformbewegungen, die beanspruchen, die wahre Kirche zu repräsentieren. Wo dieser Anspruch durch Ausgrenzungen zurückgewiesen wird, entstehen schismatische Gemeinschaften. Das ekklesiologische Grundproblem, ob die Heiligkeit der Kirche sich in moralischer Reinheit ihrer Glieder und Amtsträger ausdrücken müsse, führte im 3. Jh. und im 4. Jh. zu Konflikten, die vor allem den Umgang mit Fehlverhalten während der Verfolgungs202

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wellen betrafen. Hinzu kamen persönliche Rivalitäten, kirchenpolitische Interessen und wohl auch soziale Differenzen. Aus der Opposition gegen die Buße für Apostaten während der decischen Verfolgung entstand seit 251 das Schisma der Novatianer, die rigoristische Kirche der Reinen. Nicht ganz klar, aber wahrscheinlich ist der Zusammenhang des melitianischen Schismas mit der diokletianischen Verfolgung nach 306. Deutlich greifbar ist dieser Zusammenhang in der Spaltung der nordafrikanischen Kirche nach 312. Das Donatistische Schisma ist deswegen von besonderer Bedeutung, da sich in den wichtigen und im 4. Jh. weit christianisierten Provinzen Nordafrikas zwei annähernd gleichgroße Kirchen gegenüberstanden (die Donatisten und die Caecilianisten). Die hieraus erwachsenen Konflikte warfen nicht zuletzt grundlegende theologische Fragen auf. Insbesondere die Gültigkeit des Sakraments der Taufe wurde neu durchdacht. Die caecilianistische Lösung, die insbesondere von Augustin ausformuliert wurde, geht von einer Gültigkeit der Taufe auch bei schweren Vergehen des Amtsträgers aus und verweist auf Christus als den eigentlichen Spender des Sakraments. Diese sakramentstheologische Grundlage ist in der Folgezeit weitgehend akzeptiert worden. Zugleich unterschied Augustin zwischen der Gültigkeit der Spendung des Sakraments und dessen Nutzen, letzterer trete nur in dem ein, was er selbst die ecclesia catholica (die katholische Kirche) nannte, also die caecilianistische Kirche. Natürlich erhob auch die donatistische Kirche den Anspruch, die eine wahre ecclesia catholica zu sein. Beide Parteien versuchten, die römischen Behörden zur Durchsetzung ihrer Position zu instrumentalisieren. Den Caecilianisten gelang dies nach 100jährigem Ringen durch die Unionsgesetze von 405 und die sog. Collatio (Konferenz) von 411, auf der ein kaiserlicher Sonderbevollmächtigter als Richter die Position der Caecilianisten für rechtmäßig erklärte. Danach befanden sich die Donatisten zunehmend in der Defensive und verschwanden einige Jahrzehnte später weitgehend.

Gültigkeit der Taufe

Caecilianisten

16.1 Das novatianische Schisma Im Konflikt um die Buße für lapsi (vom Glauben Abgefallene) der Verfolgung unter Kaiser Decius (s. § 2; 13.5) ging es um das Problem der Heiligkeit und Reinheit der Kirche. Gegen die Entscheidung des Bischofs Cornelius, die Apostaten bei entsprechender Reue und im Rahmen eines Bußverfahrens wieder aufzunehmen, opponierte in Rom der gelehrte Presbyter Novatian (gest. 257/258?; vgl. auch § 1; 6.3). Hinzu kam vielleicht auch persönliche Rivalität zwischen Novatian und Cornelius, die evtl. darauf zurückzuführen ist, dass Novatian bei der vorangegangenen Bischofswahl Cornelius unterlegen war. Jedenfalls propagierte Novatian nun eine rigorose Kirchenzucht mit dauerhaftem Ausschluss der lapsi. Seine kleine Anhängerschaft wählte ihn zum Bischof. Inwiefern sich weitere, eher konservativ und rigoros ausgerichtete Gruppen (die Reste der Hippolytgruppe in Rom?, einzelne Montanistengruppen?, im 5. Jh. in Nordafrika Teile der Donatisten?) der neuen 16. Schismatische Gemeinschaften: Reinheit der Kirche

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Cornelius von Rom

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Sokrates Scholasticus

Bewegung anschlossen, ist im Einzelnen nicht mehr erkennbar. Doch erhob die novatianische Kirche den Anspruch, die reine Kirche zu sein. Da sie theologisch ansonsten nicht besonders auffällig war, konnte sie sich bis ins 6. Jh. halten und erreichen, dass sie im Hinblick auf die Häretikergesetzgebung einen Ausnahmestatus erhielt, der sie vor Verfolgungsmaßnahmen weitgehend bewahrte. Das erklärt, wieso mit Sokrates Scholasticus noch im 5. Jh. ein gelehrter Jurist und Kirchengeschichtsschreiber unverhohlen seine Sympathien mit dem Novatianismus in seine Darstellung einfließen lassen konnte.

16.2 Das melitianische Schisma Dem Zugriff der diokletianischen Verfolgung hatte sich Petrus von Alexandria entzogen, indem er Alexandria zeitweise verlassen hatte. In dieser Zeit beanspruchte Bischof Melitius von Lykopolis, die Visitations- und Ordinationsrechte an seiner Stelle auszuüben. Nach dem Ende der Verfolgungen sah sich Petrus jedenfalls einer rigoristischen Opposition gegenüber, die auch unter seinen Nachfolgern Alexander und Athanasius bestehen blieb. Unklar ist, ob hierbei auch ein moderater Umgang mit Gefallenen eine Rolle spielte, vergleichbar den Auseinandersetzungen um die lapsi in Nordafrika unter Cyprian. Es könnte auch sein, dass es lediglich um die Frage ging, ob Melitius in zeitweise ohne geistliche Führung dastehenden Gemeinden eingreifen durfte oder nicht. Um 325 gehörten zu dieser melitianischen Gruppe immerhin 29 Bistümer. Die Bedeutung dieses reichlich unklaren Schismas besteht insbesondere darin, dass Athanasius in Ägypten bei seinem Amtsantritt als Patriarch im Jahr 327 keineswegs unangefochten war.

 § 3; 9.-11.

16.3 Das donatistische Schisma

Traditoren

Felix von Abthugni

Geistverlust

16.3.1 Entstehung des Schismas und Konzil von Arles 314. Nach der diokletianischen Verfolgung entstand in den beiden wichtigsten Provinzen Nord­ afrikas, Africa proconsularis und Numidia, ein Konflikt um die sog. Traditoren, d.h. Kleriker, die den Behörden biblische Schriften ausgeliefert hatten. Zum großen Streit kam es zwischen 308 und 312, als man in Karthago Caecilian zum neuen Bischof weihte, gegen den Widerstand etlicher Kleriker und Gemeindeglieder (darunter der vermögenden Lucilla). Der Widerstand formierte sich mit dem Argument, einer der weihenden Bischöfe, Felix von Abthugni, sei ein Traditor. Dem lag die Vorstellung zugrunde, dass schwere Sünden (wie der Abfall oder die Leugnung, Christ zu sein) den Geistverlust bewirkten, Amtsträger also hierdurch gerade ihre pneumatische Vollmacht verlören. Entsprechend kann ein solcher gefallener Amtsträger nicht mehr den der Kirche anvertrauten Geist weitergeben, sondern muss ausgeschlossen werden, weil er sonst den reinen Geistkörper der Kirche verunreinige. Er kann dann zwar im Status eines Büßers wieder aufgenommen werden, jedoch ohne sein vorheriges Amt und ohne die Möglichkeit, erneut Kleriker zu werden. Die Vorstellung vom Geistverlust durch die Verleugnung Christi ging so weit, dass auch diejenigen, die entsprechende Sünden kleinredeten oder bewusst Sakramente von Amtsträgern empfingen, die als Sünder zu 204

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gelten hatten, aus der Geistgemeinschaft der Kirche herausfielen. Genau das wurde für Caecilian jetzt behauptet und verband sich mit dem Anspruch des Primas von Numidia, Secundus von Tigisi, dass der Bischof von Karthago (der Primas der Africa proconsularis) vom führenden Bischof der Provinz Numidia geweiht werden müsse. Secundus versammelte an die siebzig Bischöfe in Karthago und weihte einen Gegenbischof, Maiorinus. Schon bald aber tat sich ein numidischer Bischof als Sprecher der Gegenpartei hervor, Donatus, nach dem die Gruppe des Maiorinus seit 313 als Donatisten bezeichnet wurde. Nach seinem Sieg über Maxentius im Jahr 312 begann Konstantin, das Christentum auch durch Geldleistungen zu unterstützen. In Nordafrika ergriff er Anfang 313 Partei für die Caecilianer. Daraufhin schickten die Donatisten eine Eingabe an Konstantin und verlangten eine offizielle Untersuchung und ihre Anerkennung. Daraufhin setzte Konstantin drei Bischöfe aus Gallien (Reticius von Autun, Maternus von Köln und Marinus von Arles) als Sonderermittler ein und ordnete an, dass eine von dem römischen Bischof Miltiades geleitete Kommission italienischer Bischöfe in Rom das Ergebnis bewerten sollte. Diese Kommission tagte am 2.10.315 im Lateranpalast in Rom, von dem Konstantin erst kurz zuvor Teile der römischen Kirche übereignet hatte (die hier entstehende Lateransbasilika wurde fortan der Sitz des Bischofs von Rom), und erklärte die Vorwürfe der Donatisten gegen Caecilian für unbegründet. Hiergegen legten die Donatisten Widerspruch ein, weswegen Konstantin eine erneute Versammlung in Arles ansetzte. Diese erste, vom Kaiser einberufene Synode (vgl. § 3; 11.5.1) endete mit einer Verurteilung der Donatisten, die den Entscheid jedoch nicht akzeptierten. Konstantin lud daraufhin Caecilian und Donatus an den Kaiserhof in Mailand vor, mit dem unveränderten Ergebnis, dass die Vorwürfe gegen Caecilian unhaltbar seien und das Schisma beendet werden müsse. Daraufhin einsetzende Verfolgungsmaßnahmen (u.a. Exilierungen von donatistischen Bischöfen) durch die römische Provinzialverwaltung in Nordafrika führten nur zu einer Stärkung der Donatistenkirche, die sich als Kirche der Märtyrer in die Tradition Cyprians stellte. Schließlich verfügte Konstantin 321 die Duldung auch der Donatisten und arrangierte sich mit dem Nebeneinander zweier Kirchen in Nordafrika, ohne je die vorher ergangenen Urteile aufzuheben. Im Jahr 336 konnten die Donatisten ein umfassendes Konzil in Karthago mit 270 Bischöfen abhalten, was zeigt, dass sie inzwischen die knappe Mehrheit im nordafrikanischen Episkopat darstellten. An vielen Orten gab es zwei Bischöfe, einen der Caecilianer und einen der Donatisten, mit entsprechenden Kirchen, entsprechendem Klerus und entsprechenden Gemeinden. An anderen Orten wiederum gab es nur Donatisten oder nur Caecilianer.

Caecilian

Donatus

Miltiades von Rom

Synode in Arles

Kirche der Märtyrer

16.3.2 Fortgang im 4. Jh. Der Fortgang des Donatistischen Schismas im 4. Jh. nach Konstantin lässt sich in zwei Abschnitte einteilen: a) die Zeit unter Konstans und b) die Zeit nach dem Regierungsantritt Julians. Nach dem 16. Schismatische Gemeinschaften: Reinheit der Kirche

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Macarius und Paulus

Circumcellionen

Parmenian

Rogatus

Schisma und Häresie

Tod Konstantins im Jahr 337 versuchte dessen Sohn Konstans, durch zwei Gesandte das Donatistische Schisma zu beheben. Die beiden Gesandten, Macarius und Paulus, hatten die Aufgabe, die Verteilung der kaiserlichen Gelder zu überprüfen. Die Donatisten lehnten dies strikt ab. Die Situation eskalierte durch den Einsatz von Gewalt, auf donatistischer Seite durch die sog. Circumcellionen (die wohl danach benannt waren, dass sie circum cellas/um Kapellen mit Märtyrergräbern oder um Lagerhäuser herum gingen), eine gewaltbereite extreme Richtung, die den Donatismus mit dem Widerstand gegen die führende soziale Schicht der Großgrundbesitzer und die römischen Machthaber im Land verbanden (unklar ist, inwiefern sie auch durch die Berber im Landesinneren unterstützt wurden). Entsprechende Plünderungen beantwortete Macarius mit dem Einsatz des Militärs. Donatistische Bischöfe wurden teilweise gefangengesetzt, es kam sogar zu vereinzelten Hinrichtungen, die entsprechende Märtyrerverehrung bei den Donatisten nach sich zog. Kaiserliche Erlasse, das Schisma zu beenden, verhallten fruchtlos. Die Donatisten breiteten sich weiter aus und konnten sogar in Rom einen eigenen Bischof etablieren, der dann 343 auf dem Konzil von Serdika von den östlichen Bischöfen anerkannt wurde. In der Folgezeit ließen die Verfolgungen nach, doch kam es immer wieder zu Zwischenfällen und zu Exilierungen donatistischer Bischöfe. Nach dem Regierungsantritt Julians ließ dieser exilierte Bischöfe zurückkehren, um die Kirche durch innere Streitigkeiten zu schwächen. In Karthago konnte sich jetzt Parmenian etablieren, der für fast dreißig Jahre (bis 391) die Donatisten anführte, ein exzellenter Organisator und gebildeter Theologe, gegen den (nach dessen Tod) noch Augustin schrieb. Parmenian hatte sich dabei innerhalb der Donatisten gegen Widerstand durchzusetzen, in Mauretanien bildete sich eine eigene donatistische Gruppe um Rogatus von Cartenna. Damit war ein erstes innerdonatistisches Schisma geschaffen, das bis ins 5. Jh. hinein andauern sollte, aber nicht nach Numidien und Africa proconsularis übergriff. Parmenian baute die donatistische Kirchenstruktur gezielt aus. In seine Zeit fällt die Auseinandersetzung um Tyconius (s. § 2; 16.3.3) und der literarische Angriff des Optatus von Mileve in dessen Schrift Contra Parmenianum Donatistam (Gegen den Donatisten Parmenian; 7 Bücher, von denen das siebte nachträglich hinzugefügt wurde). Optatus unterschied dabei Schisma und Häresie. Ein Schisma liegt demzufolge dann vor, wenn der Ausgangsgrund der Spaltung nicht dogmatischer Natur war, sondern disziplinarischer oder kirchenrechtlicher Art. Erst eine abweichende Theologie, etwa im Hinblick auf die Christologie, begründet eine Häresie. Demnach waren die Donatisten als Schisma einzuordnen. Optatus kritisierte die Existenz der Donatistischen Kirche, indem er besonders auf die Entstehungsgeschichte hinwies. Damit war ein Streit um die Vergangenheit eingeläutet, der sich bis ins 5. Jh. hinziehen sollte. Optatus wollte zeigen, dass die Donatisten sich zu Unrecht aufgrund von fehlerhaften und unbegründeten Anschuldigungen abgespalten hatten. Die Nachfolge Parmenians führte 206

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innerhalb der Donatisten zu neuen Auseinandersetzungen, die zu einer innerdonatistischen Spaltung führten: Der zum Bischof von Karthago geweihte Primian exkommunizierte einen sich ihm widersetzenden Diakon, Maximian. Die sich daraufhin bildende Gruppe der Maximianisten wurde von den Primianern auf einem Konzil in Bagai im Jahr 394 verurteilt und danach energisch verfolgt, auch unter Zuhilfenahme der Provinzialverwaltung und des römischen Militärs. Unter den Erhebungen des Firmus (372-374) und des Gildo (397-398) unterstützten einige Donatisten die neuen Herrscher, doch lässt sich entgegen älterer Forschung keine prinzipielle Unterstützung durch die donatistische Kirche feststellen. 16.3.3 Donatistische Theologie. Eine innerdonatistische theologische Auseinandersetzung ist zwischen Tyconius und Parmenian greifbar. Tyconius entwickelte in seinem Liber Regularum (Buch der Auslegungsmethoden) sieben verschiedene Zugriffsweisen auf die Schrift. Die einzelnen Aussagen sind demnach nach einer oder mehrerer der entsprechenden Regeln zu verstehen, also 1. De domino et corpore eius (in Bezug auf den Herrn und seinen Leib [scil. die Kirche]), 2. De domini corpore bipertito (in Bezug auf den zweigeteilten Leib des Herrn; d.h. neben den wahren Frommen gibt es in der Kirche eine pars sinistra/einen linken Teil, der nicht zum Heil findet), 3. De promissis et lege (im Hinblick auf Verheißungen und das Gesetz; notwendig ist für Tyconius das richtige, geistige Verstehen des Gesetzes), 4. De specie et genere (im Hinblick auf spezifische und allgemeine Aussagen, so kann Jerusalem entweder die konkrete Stadt oder den Versammlungsort der Erlösten meinen). 5. De temporibus (im Hinblick auf die verschiedenen Zeiten), 6. De recapitulatione (im Bezug auf die Wiederholung, d.h. im Hinblick auf rhetorische Gliederungssignale) und 7. De diabolo et eius corpore (im Hinblick auf den Teufel und seinen Leib, d.h. Anhang, hierauf sind etwa die Aussagen über Babylon zu beziehen). Neben der hermeneutischen Leistung dieses Ansatzes, die dazu führte, dass Augustin in seiner Schrift De doctrina christiana (Über die christliche Unterweisung und Lehre), Buch 3, die Regeln des Tyconius ausführlich besprach, enthielt insbesondere die zweite Regel Sprengkraft für die donatistische Ekklesiologie. Denn sie besagte nichts weniger, als dass auch die donatistische Kirche nicht die reine Kirche der Auserwählten war, sondern dass es in der wahren Kirche immer einen beigemischten Anteil von Menschen gibt, die letztlich nicht erlöst werden. Die Grenzen der sichtbaren Kirche sind mit der unsichtbaren Kirche der Erlösten nicht identisch, sondern sind größer als dieselbe. Die Meinung des Tyconius war innerhalb des Donatismus nicht konsensfähig, Tyconius wurde aus der donatistischen Kirche ausgeschlossen. Die entgegengesetzte Position lässt sich bei Parmenian greifen (Fragmente bei Augustin erhalten). Demnach hat Parmenian gerade von der Scheidung zwischen Gut und Böse aus argumentiert. Eine solche Scheidung wäre nach der diokletianischen Verfolgung dringend notwendig gewesen, ist aber bei 16. Schismatische Gemeinschaften: Reinheit der Kirche

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Maximianisten

Tyconius

permixti mali

Scheidung zwischen Gut und Böse

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»Wiedertaufe«

verborgene Sündhaftigkeit

Ausschluss der Sünder

Aurelius von Karthago

Petilian von Cirta

den Caecilianern unterblieben. Die Folge ist, dass auch Frevler bei den Caecilianern Kleriker sind und Opfer (d.h. die Eucharistie) darbringen – ein Frevel, der den Zorn Gottes heraufbeschwört. Entsprechend ist auch die Taufe durch solche Kleriker ungültig, ja mehr noch die Taufe der Caecilianer insgesamt, da die anderen Kleriker es unterlassen haben, die offensichtlichen Sünder auszuschließen. Caecilianer, die zu den Donatisten übertraten, wurden daher getauft, was von den Caecilianern als »Wiedertaufe« gebrandmarkt wurde (entsprechende gesetzliche Regelungen gegen die Wiedertäufer in Codex Theodosianus 16,6,1-3.5 entfalteten erst im 16. Jh. eine größere Bedeutung). Den Donatisten ging es um das sichtbare Bemühen um die Reinheit der Kirche und des Klerus. Die sündigen Kleriker verlieren den Geist und können somit keine gültigen Sakramente spenden. Ferner verlieren diejenigen, die die Kirchenzucht vernachlässigen und sündhafte Kleriker akzeptieren, ebenfalls den Geist. Wo die Sünde der Kleriker jedoch verborgen ist (oder von diesen vorsätzlich verborgen wird), die kirchliche Gemeinschaft sich aber um die Reinhaltung der Kirche bemüht, schadet die verborgene Sündhaftigkeit des Klerikers zwar dem Kleriker (der den Geist verliert), nicht jedoch dem empfangenden Gläubigen (der den Geist behält oder in der Taufe empfängt). Denn in diesem Fall greift der Heilige Geist selbst ein und ersetzt, was dem Kleriker fehlt, eben weil die kirchliche Gemeinschaft (noch nicht) handeln und den Kleriker entsprechend ausschließen konnte. Diese Argumentation Parmenians zeigt, dass die Donatisten keineswegs direkt die Wirksamkeit des Sakraments an die Würdigkeit des Amtsträgers banden (wie man oft lesen kann). Vielmehr geht es darum, den Geistbesitz der Kirche sicherzustellen, und zwar durch das Bemühen um Reinhaltung und den Ausschluss der Sünder (bzw. deren Buße). Die donatis­ tische Theologie erweist sich als eine Haltung, die nicht ertragen kann, dass großzügig über Fehlverhalten von Christen hinweggegangen wird (etwa mit dem Verweis auf die alles überwindende Barmherzigkeit und Liebe Gottes oder die veränderte gesellschaftliche Situation), sondern die den Ernst des Christseins betonte. 16.3.4 Die Entwicklung zu Zeiten Augustins und die Collatio von 411. Als Augustin sein Bischofsamt antrat, spitzte sich der Konflikt zwischen Caecilianern und Donatisten erneut zu. Aurelius von Karthago versammelte mehrere Konzilien in Karthago, um über die Folgen des Donatistischen Schismas zu beraten (397 und 401). Dabei stand zunächst das Bemühen im Vordergrund, den Übertritt donatistischer Kleriker zu den Caecilianern zu erleichtern. Sie sollten ihr Amt auch bei den Caecilianern behalten dürfen. Außerdem sollten regionale Verhandlungen darüber stattfinden, wie man vor Ort beide Kirchen zusammenführen konnte, was dann in eine umfassende Konferenz münden sollte. Dies wurde von den Donatisten unter ihrem theologischen Kopf Petilian, Bischof von Cirta, abgelehnt, denn damit schien genau die Uneindeutigkeit in der Kirchenzucht sich durchzusetzen, 208

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die die Donatisten gerade vermeiden wollten. Die Caecilianer veränderten daraufhin ihre Vorgehensweise und schalteten den Kaiserhof ein. Eine vom Konzil von Karthago 404 an Kaiser Honorius entsandte Delegation erreichte entsprechend scharfe Gesetze gegen den Donatismus (Codex Theodosianus 16,5,38; 6,3-5). Diese sog. Unionsgesetze verschärften den Druck auf die Donatisten erheblich und führten zu einer Diskussion, ob denn überhaupt entsprechend gesetzlicher Zwang und Gewalt der römischen Behörden gegen die Donatisten eingesetzt werden sollte. Augustin befürwortete dies nach anfänglichem Zögern (unter Berufung auf Lk 14,23: coge intrare oder compelle intrare/zwing sie einzutreten) mit Blick auf die erfolglosen Bemühungen vorher, die Unentschiedenheit vieler und mit Blick auf das zu erreichende Ziel der Beendigung des Schismas. Eine Eingabe der Donatisten an den Kaiserhof führte zunächst zu einer Abmilderung der antidonatistischen Maßnahmen, die Caecilianer erbaten und erreichten daraufhin jedoch die Einsetzung eines kaiserlichen Sonderermittlers, der vor Ort in Karthago eine umfassende Konferenz zwischen Caecilianern und Donatisten leiten und die Argumentationen überprüfen sollte. Die Donatisten befürchteten (wohl zu Recht), dass hier erneut die Position der Caecilianer bestärkt oder zumindest ein Kompromiss gefunden werden sollte, der gegen die donatis­ tischen Grundprinzipien strenger Kirchenzucht verstieß. Der Sondergesandte Marcellinus bereitete die Collatio (Konferenz) von 411 umfassend vor, beide Seiten kamen mit einer großen Zahl an Bischöfen nach Karthago. Die Konferenz fand an drei Verhandlungstagen statt, am 1., 3. und 8.6.411. Es handelt sich um eine eigenartige Mischform aus Gerichtsverfahren und Synode. Marcellinus als iudex (Richter) führte die Verhandlungen. Zunächst wurde um Verfahrensfragen sowie darum gestritten, ob die Liste der aufgeführten Bischöfe wirklich stimmt. Eine Überprüfung und Korrektur der Listen führte zu dem Ergebnis, dass die Caecilianer mit 286 Bischöfen einen Bischof mehr als die Donatisten mit 285 Bischöfen aufzuweisen hatten. Die entsprechenden Listen sind ein herausragendes Zeugnis für die Verbreitung und Organisation des Christentums in Nordafrika in dieser Zeit. Als man endlich zu der Sachfrage kam, zeigte sich, dass die Delegation der Caecilianer gut vorbereitet war (vermutlich wird hier Augustin im Hintergrund besonders aktiv gewesen sein). Sie hatte nicht nur eine theologische Erklärung vorbereitet, sondern sich auch intensiv mit den entsprechenden Akten aus der Entstehungszeit des Schismas beschäftigt. Nicht nur konnte juristisch überzeugend gezeigt werden, dass der Konsekrator des Caecilianus, Felix von Abthugni, bereits wenige Jahre später (315) für unschuldig erklärt worden war, sondern die theologische Erklärung setzte die Donatisten auch inhaltlich unter Zugzwang. Ihre hektisch ausgearbeitete Gegeneingabe konnte denn auch nicht mehr verhindern, dass Marcellinus am 8.6.411 sich zugunsten der Caecilianer erklärte und in zwei Edikten vom 26. und 30.6.411 scharfe Maßnahmen gegen die Donatisten erlassen wurden. Die Donatisten setzten ihren Widerstand fort, konnten jedoch an vielen Orten zurückge16. Schismatische Gemeinschaften: Reinheit der Kirche

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Unionsgesetze

Marcellinus Collatio 411

Edikte gegen Donatisten

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drängt werden. Augustin verbreitete und begründete theologisch die Position der Caecilianer und entwickelte in Auseinandersetzung mit dem Donatismus seine Ekklesiologie und Sakramentenlehre (s. § 5; 8.). 16.4 Literatur Lektüretipp: W.H.C. Frend: Donatismus, RAC 4 (1959) 128-147. Quellen: J.-L. Maier: Le dossier du Donatisme, 2 Bde., 1987.1989 [umfassende Quellensammlung mit franz. Übersetzung und Kommentierung]. – H. von Soden: Urkunden zur Entstehungsgeschichte des Donatismus, 2. A. 1950. – H.-J. Sieben (Hg.): Optatus von Mileve, Contra Parmenianum Donatistam, FC 56, 2013 [zweisprachig]. Literatur: A. Hogrefe: Umstrittene Vergangenheit. Historische Argumente in der Auseinandersetzung Augustins mit den Donatisten, 2009. – W.H.C. Frend: The Donatist Church, 3. A. 1985. – E.L. Grasmück: Coercitio. Staat und Kirche im Donatistenstreit, 1965. – B. Kriegbaum: Kirche der Traditoren oder Kirche der Märtyrer?, 1986. – A. Schindler: Die Unterscheidung von Schisma und Häresie in Gesetzgebung und Polemik gegen den Donatismus, in: E. Dassmann/K.S. Frank (Hg.): Pietas. FS für B. Kötting, 1980, 228-236. – I. Tholen: Die Donatisten in den Predigten Augustins. Kommunikationslinien des Bischofs von Hippo mit seinen Predigthörern, 2010. – K. Pollmann: Doctrina christiana, 1996. – P. Bright: The Book of Rules of Tyconius, 1988. – V. Hirschmann: Die Kirche der Reinen. Kirchen- und sozialhistorische Studie zu den Novatianern im 3. bis 5. Jahrhundert, 2015. – H.J. Vogt: Coetus Sanctorum. Der Kirchenbegriff des Novatian und die Geschichte seiner Sonderkirche, 1968. – H. Gülzow: Cyprian und Novatian, 1975. – M. Wallraff: Geschichte des Novatianismus seit dem vierten Jahrhundert im Osten, ZAC 1 (1997) 251-279. – P. Mattei: Novatianus, RAC 25 (2013) 1145-1159. – F.H. Kettler: Der melitianische Streit in Ägypten, ZNW 35 (1936) 155-193. – S. Moll: Die Anfänge des Melitianischen Schismas, ZAC 17 (2013) 479503. – A. Martin: Athanase d’Alexandrie et l’église d’Égypte au IVe siècle, 1996.

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§

§3

§ 3 Frühes Christentum und Römisches Reich Bedeutung des Themas

Das frühe Christentum ist ein Teil der antiken Welt. Kulturell, sprachlich wie sozial nistet es sich in die vielfältige Gesellschaft des Römischen Reiches ein. Das Römische Reich selbst ist eine militärisch geprägte, politische Struktur, die als Ordnungsmacht im Mittelmeerraum nur wenige zentralistische Ansprüche und Forderungen erhebt und sich ansonsten darauf beschränkt, die eigene Vormachtstellung zu sichern, wo sie bedroht erscheint. Das Römische Reich ist daher kulturell wie religiös ausgesprochen offen, ja seit der Kaiserzeit wurde immer wieder eine Überfremdung Roms durch andere Religionen oder kulturelle Strömungen befürchtet, eben weil viele verschiedene Einflüsse in Rom selbst, erst recht aber in den Provinzen vorherrschten. Das Christentum ordnete sich zunächst in diese Struktur ein, entwickelte aber bald – ausgehend von der Idee der einen, universalen Kirche – überregionale Strukturen. Zugleich verweigerte es, indem es die Verehrung der römischen Götter und der Kaiserbilder ablehnte, wesentliche Grundelemente des Bandes, das die verschiedenen Kulturen und Regionen des Römischen Reiches überspannte. Mit ihren ethisch-moralischen Ansprüchen grenzten sich Christen vielerorts selbst aus dem Stadtleben aus und wurden dementsprechend misstrauisch oder feindselig beargwöhnt. Durch die Ausbildung von kirchlichen Ämtern und einer kirchlichen Hierarchie entstand zudem im 3. Jh. der Eindruck einer geschlossenen Organisation, die die Grundwerte des Römischen Reiches nicht teilte. Dadurch war der Grundkonflikt gegeben, der sich in Christenverfolgungen niederschlug. Die Christenverfolgungen waren insgesamt allerdings nicht so umfassend, dass sie die Ausbildung kirchlicher Strukturen insgesamt verhindert hätten. Die Ausbreitung des Christentums und die zunehmende gesellschaftliche Akzeptanz in der zweiten Hälfte des 3. Jh.s bereiteten denn auch die sog. »konstantinische Wende« vor, in der Kaiser Konstantin zunächst das Christentum duldete und neben anderen Religionen unterstützte, bevor er (vermutlich ab 324/325) sich zunehmend als Schutzherr des Christentums und als christlicher Kaiser präsentierte. Dadurch war das Christentum grundlegend vor eine neue Situation gestellt. Der kulturellen und sozialen Einnistung entsprach jetzt auch die politische Integration. Die Idee, dass das Römische Reich durch die richtige Religionsausübung gesichert werde, wurde nun auch auf das Christentum bezogen. Dies geschah, ohne Aufsehen zu erregen, und wurde nur wenig hinterfragt – ein deutliches Zeichen dafür, dass die kulturelle Einnistung des Christentums in der antiken Welt weit vorangeschritten war. Selbst die bewusste Abkehr von der Welt, etwa im Mönchtum, änderte daran nichts, sondern wurde in die kirchliche und kulturelle Vielfalt integriert. § 3 Frühes Christentum und Römisches Reich

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Die Grundproblematik blieb jedoch bestehen. Sollen Christen in dem Gemeinwesen, in dem sie leben, politisch aktiv werden? Wie verhalten sich die Anforderungen eines politischen Gemeinwesens zu den Ansprüchen, die der christliche Glaube erhebt? Was bedeutet dies für die Lebensweise und Ethik? Und wo liegt für Christen die Grenze, jenseits derer sie sich politisch oder kulturell nicht mehr als konform erweisen können? Im Hinblick auf die sich überschneidenden Ansprüche von weltlicher und geistlicher Obrigkeit ist das Verhältnis des Christentums zum Römischen Reich von übergeordneter, epochenübergreifender Bedeutung. Das Miteinander bzw. die Konkurrenz der weltlichen und der kirchlichen Institutionen gehört zu den Grundkonstanten der Kirchengeschichte und verweist darauf, dass die Christen in den Kontext der diesseitigen Welt gewiesen, aber auch an diesen gebunden sind.

Wichtige Themen

(Lernkontrolle: Können folgende Fragen beantwortet werden?) • Welche politische Bedeutung kommen Religion und Kult im spätantiken Weltverständnis zu? Wie hängen Politik und Religion zusammen? • Welcher Konflikt bestand in den ersten drei Jahrhunderten zwischen dem römischen Konzept vom öffentlichen Wohl (salus publica) und christlichen Heilsvorstellungen? Welche Folgen hatte das? • Welche Ursachen führten zum Gegensatz von Christentum und Römischem Reich? Welche politischen, sozialen, religiösen Gründe/ Einflüsse beförderten diesen Gegensatz? • Welche Verlaufsformen nahmen die Christenverfolgungen an? Wie unterschieden sich die Verfolgungen des 1./2. Jh.s von denen des 3./4. Jh.s? Welche Rechtsgrundlagen hatten die Christenverfolgungen vor 249, welche danach? • Wie reagierten die Christen auf die Anfeindungen und Verfolgungen? Welche Bedeutung kommt den Märtyrern zu? • Wie beurteilten christliche Theologen die römisch-hellenistische Kultur und das Römische Reich? Welche Rolle spielten die Apologeten? Wie argumentierten sie? • Was führte schließlich zur »konstantinischen Wende«? Welche politischen Notwendigkeiten, welche historischen Besonderheiten lagen zugrunde? Welche öffentliche Relevanz kam dem Christentum mittlerweile zu? • Welche Ziele verfolgte Konstantin mit seiner Religionspolitik? • Wie formierte sich die Kirche im 4./5. Jh.? Welche politischen Hintergründe spielten in diese Entwicklung hinein? Welche Bedeutung hatte die Religionspolitik von Theodosius I.? 212

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§ 3 Frühes Christentum und Römisches Reich

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• Wie kam es zur Bedrängung und Verfolgung von Heiden, Juden und Häretikern seit dem 4. Jh.? Welche Konsequenzen hatten solche Verfolgungen? • Wie unterschied sich seit dem 5./6. Jh. die Entwicklung des Ostens von der des Westens? Wie endete das weströmische Kaisertum? • Welche besonderen Merkmale und Ereignisse zeichneten die Herrschaft Justinians aus? Wie deutete er seine Herrschaft und seine eigene Person? Welche politischen Folgen ergaben sich daraus?

Wichtige Ereignisse, Sachverhalte, Personen I. Ursachen und Entwicklung der Christenverfolgung 1. Jh. v.Chr./ 1. Jh. n.Chr.

Expansion des Imperium Romanum, religiöse Vielfalt und Duldung von Kulten, Kaiserkult, Provinzialreligion und Reichsreligion, Religion sichert salus publica soziale Selbstausgrenzung des Christentums, Verweigerung des Kaiserkults

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Nero: Christen werden in Rom hingerichtet II. Sporadische Christenverfolgungen bis 249

112/113

Pliniusbrief und Trajanreskript; Unklarheit der Rechtslage

seit 130

christliche Apologetik: Verteidigung und Selbstvergewisserung

nach 150

Frühformen der Märtyrerverehrung (Acta und Passiones) Vorwürfe gegen Christen (Fronto, Celsus)

167-177

einzelne Verfolgungen, u.a. in Gallien

202/203

einzelne Verfolgungen und Pogrome unter Septimius Severus

§ 3 Frühes Christentum und Römisches Reich

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III. Reichsweite Christenverfolgungen 249-258.303-311 249-251

allgemeines Bittopfer unter Decius

257/258

Bittopfergesetze und Christenverfolgungen unter Valerian

nach 258

sog. vierzigjährige Friedenszeit (bei unklarer Rechtslage)

seit 303

Edikte gegen die Kirche unter Diokletian, unterschiedliche Ausführung in den Reichsteilen der Tetrarchie

311

Galeriusedikt IV. Die konstantinische Wende

seit 306

Konstantin unterstützt (auch) das Christentum

ab 312

Schlacht an der Milvischen Brücke, Konstantin Herrscher im Westen, diffuse Religiosität, die offen für Christen wie für Nichtchristen ist (Sol Invictus)

312-324

konstantinische Wende: Christlicher Kult stellt salus publica sicher zunehmende Selbstrepräsentation Konstantins als christlicher Kaiser Begünstigung der Kirche durch Geldzahlungen und Privilegien 314 Synode in Arles: Eingreifen in den Donatistischen Streit 324/325 Synode in Nicäa: Eingreifen in den Arianischen Streit

ab 324

Konstantin Alleinherrscher in West und Ost

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§ 3 Frühes Christentum und Römisches Reich

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V. Zunehmende Privilegierung des Christentums ab 351/353

Konstantius setzt Religionspolitik Konstantins fort

359/360

Eingreifen des Konstantius in den Trinitarischen Streit (homöisches Reichsdogma)

361-363

Restauration der römischen Religion unter Julian

ab 364

christliche Kaiser, aber viele Nichtchristen in Verwaltung und Heer

379-395

Theodosius I. 379-381 Eingreifen in den Trinitarischen Streit (380 Cunctos populos) 382 Streit um den Victoriaaltar 393 Gliederung des Reiches in Ost und West

408-450

Theodosius II., Codex Theodosianus theologische Geschichtsdeutungen: Sokrates, Sozomenus, Theodoret, Philostorgius 428-433 und ab 448 Eingreifen in den Christologischen Streit

5. Jh.

zunehmende Auflösung der westlichen Kaisergewalt 476 letzter westlicher Kaiser abgesetzt

527-565

Ideal der christlichen Universalherrschaft unter Justinian I. 532 Nika-Aufstand 534 Codex Iustinianus 534-555 Eroberung Nordafrikas und Italiens

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Córdoba

Rhô

ne

Aquileia

Ionisches Meer

Adria

Mittelmeer

Sizilien

Ty r r h e n i s c h e s Meer

Rom

Karthago

Sardinien

Korsika

Marseille

ein

z. T. die Hälfte der Bevölkerung stärkerer Anteil der Bevölkerung geringer Anteil der Bevölkerung

Tejo

Atlantischer Ozean

London

Nordsee

Rh

Kreta

Ephesus

Rotes Meer

Jerusalem

Zypern

Schwarzes Meer

Alexandria

Athen

Ägäis

Donau

0

rat

ph

Eu

200

is

400

600 km

Kaspisches Meer

Abb. 4 Verbreitung des Christentums um 325

Nil

216 r Tig

§ 3 Frühes Christentum und Römisches Reich

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1. Die politische Struktur des Römischen Reiches 1.1 Die Problematik des Begriffes »Staat« Es ist unangemessen, das Römische Reich als Staat zu bezeichnen. Der Begriff »Staat« ist erst in der Neuzeit in die historiographische und politische Debatte eingeführt worden und hat seine spezifische Prägung in der Geschichtsschreibung des 19. Jh.s erhalten. Danach ist ein Staat ein territorial abgegrenztes, d.h. mit Staatsgrenzen ausgestattetes Gebilde, in dem ein Staatsvolk wohnt, das durch eine einheitliche Regierungsform und Rechtssetzung regiert wird und nach außen eine gemeinsame Politik, etwa durch Außenpolitik und ggf. militärische Maßnahmen, vertritt. Für das Imperium Romanum fehlt es nicht nur an einem Staatsvolk (es gibt differenzierte, häufig an Städte geknüpfte Bürgerrechte), es fehlt auch an der festen Fixierung der Staatsgrenzen, die in der Antike keineswegs präzise definiert waren. Die entsprechenden neuzeitlichen Karten sind in dieser Hinsicht Illusion, nur durch den Bau des Limes war wenigstens in Germanien und Großbritannien die Grenze einigermaßen eindeutig. Die wichtige Grenze gegenüber dem Perserreich war keineswegs genau festgelegt, andere Grenzen waren entweder territorial vorgegeben (z.B. in Spanien) oder entsprechend unklar. Hinzu kommt, dass das Römische Reich ein Flickenteppich sehr unterschiedlicher Territorien war, der nur durch sehr basale Machtstrukturen und eine große Berücksichtigung regionaler und kultureller Eigenheiten zusammengehalten wurde. Zwar entwickelten die Römer vergleichsweise schnelle Formen der Kommunikation, doch war es unter den Bedingungen der Antike nicht möglich, ein Reich von dem Ausmaß des Römischen Reiches strikt von der Zentrale in Rom aus zu regieren, die Delegation von Macht an die lokalen Provinzregierungen und die Nutzung regional vorhandener Macht- und Rechtsstrukturen waren daher unabdinglich. Der Auflösung in eine Vielzahl von Einzelregelungen versuchte man durch Rotation wichtiger Beamter, eine einheitliche Struktur des römischen Militärs, die gezielte Verbreitung von Infrastrukturmaßnahmen sowie die römische Religion entgegenzuwirken. Es gehört zu den immensen Leistungen des Römischen Reiches, dass der von Augustus erreichte und unter Tiberius im 1. Jh. konsolidierte Zustand im Wesentlichen bis zum Ende des 4. Jh.s bestehen blieb. Dies war nur möglich durch Konzentration der Zentrale auf Kernaufgaben, militärische Kontrolle sowie ein kulturelles Attraktivitätsgefälle, das die römische Kultur und Lebensweise als nachahmenswert erscheinen ließ. Zu letzterem stellte die Verbindung römischer Lebensweise mit der hellenistischen, besonders der griechischen Kultur eine wesentliche Voraussetzung dar (vgl. § 3; 1.4). Im Hinblick auf die Herrschaftsform ist es daher wesentlich besser, vom »Römischen Reich« (als Entsprechung zu der lateinischen Bezeichnung als Imperium Romanum) zu sprechen als vom römischen »Staat«. 1. Die politische Struktur des Römischen Reiches

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Staatsgrenzen Staatsvolk

Zentrale in Rom – Provinzen

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1.2 Der Prinzipat als Herrschaftsform

Senat

Volkstribun imperium

Imperator

princeps

Augustus

Der Prinzipat ist eine spezifische, unter Augustus und Tiberius entwickelte Herrschaftsform, die formal an die ältere römische Republik anknüpft. Die Institutionen der römischen Republik hatten in der Zeit der Bürgerkriege (von der Diktatur des Sulla [ab 82/81 v.Chr.] bis Julius Caesar [ermordet 44 v.Chr.]) ihre Macht weitgehend eingebüßt. An ihre Wiederherstellung knüpfte Octavian an, nachdem er sich gegen Marcus Antonius durchgesetzt hatte. In der römischen Republik war der römische Senat das entscheidende Gremium, die eigentliche Regierungsgewalt übten die beiden Konsuln aus, die jährlich neu bestimmt wurden. Die Vollmachten des Senats wurden in gewissem Maße eingeschränkt durch die Volksversammlung, vertreten durch den Volkstribun, der ein Vetorecht bei bestimmten Gesetzen und Interzessionsrecht in Gerichtsverfahren hatte. Der Senat konnte das imperium, d.h. die Befehlsgewalt, über die römische Armee für einen bestimmten Krieg an eine Person übertragen (imperium proconsulare/Befehlsgewalt anstelle eines Konsuln). Octavian lehnte es in den Wirren nach Caesars Ermordung zunächst ab, sich zum Konsul auf Lebenszeit ernennen zu lassen (wie es Sulla und Caesar getan hatten), ließ sich aber ab 23 v.Chr. die tribunizische Gewalt verleihen, d.h. er übernahm Befugnisse des Volkstribuns (ohne das eigentliche Amt zu bekleiden). Nach und nach, dauerhaft ab 18 v.Chr. übernahm er zudem das imperium proconsulare, und zwar als besondere Vollmacht, die keinem anderen imperium unterworfen war und nicht räumlich oder zeitlich begrenzt war (hieraus resultierte die Bezeichnung des Kaisers als Imperator; wörtlich: Befehlshaber). Dadurch erlangte Octavian die Hoheit über alle Provinzen. Zudem ließ er sich (fast) jedes Jahr zum Konsul wählen und als Pontifex maximus (wörtlich: größter Brückenbauer) einsetzen, dem höchsten Priester, der für alle Priesterkollegien zuständig war. Damit hatte er als princeps (Anführer, der princeps senatūs war der erste, der im Senat sein Votum abgab) eine auctoritas (Autorität, Machtfülle) erreicht, mit der er die Institutionen der römischen Republik beherrschte. Als Ehrentitel nahm er nicht nur den Namen seines Großonkels Caesar an (woraus sich der Titel Kaiser ableitet), sondern wurde auch mit dem Titel Augustus (der Erhabene bzw. Ehrwürdige, griechisch: Σεβαστός/Sebastos) ausgestattet, was zur üblichen Bezeichnung des princeps bzw. des Kaisers wurde. Aufgrund der erlangten Machtfülle gelang es ihm auch, durch Übertragung erst der tribunizischen Gewalt, dann des imperium proconsulare und schließlich des Konsulats an seinen Stiefsohn Tiberius eine Dynastie (die julisch-claudische) zu gründen. Entsprechend versuchte auch in späterer Zeit der jeweilige princeps, seinen Sohn oder einen adoptierten Nachfolger zu installieren. Schon im 1. Jh. entwickelte sich die Gewohnheit, dem neuen Kaiser alle Gewalten und Privilegien gleichzeitig zu verleihen. Nach der Ausrufung durch das Heer bestätigte der Senat mit Gesetzeskraft die entsprechenden Privilegien, insbesondere das dauerhafte imperium proconsulare, dann erfolgte durch 218

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eine Volksakklamation die Übertragung der tribunizischen Gewalt. Das so gefundene Verhältnis zwischen Institutionen der alten Republik und der im Kaiser gegebenen Machtfülle zeichnet den Prinzipat besonders aus, war aber – insbesondere im Zusammenhang der Ernennung – nicht immer stabil. So führten besonders im 3. Jh. immer wieder Erhebungen von Generälen durch Teile der römischen Armee zu konkurrierenden Ansprüchen auf das Kaisertum. Damit ging nicht nur ein Machtverlust des Senats einher, sondern auch eine Zerstörung bzw. Begünstigung dynastischer Pläne.

1.3 Ausbreitung der römischen Herrschaft Das Römische Reich erreichte erst im 1. Jh. v.Chr. und im 1. Jh. n.Chr. das Ausmaß, das dann bis zum Ende des 4. Jh.s Bestand haben sollte. In drei Richtungen erweiterte das Imperium seine Grenzen: a) in Richtung Gallien, mit absichernden Eroberungen links des Rheins und von England, b) in Richtung Nordafrika und Spanien, den Sieg über Karthago fortsetzend, c) in Richtung Syrien-Palästina und Ägypten, aufbauend auf die Eroberung von Griechenland und Kleinasien. Hier wurde die Auseinandersetzung mit dem Parther- bzw. (ab 218) Perserreich zu der entscheidenden militärischen Herausforderung Roms, die im 2.-4. Jh. n.Chr. die militärischen Mittel in großem Stil band und oft nur durch erhebliche Geld- bzw. Tributzahlungen bewältigt werden konnte. Die Sippen und Völker, die man unter dem Sammelbegriff Germanen zusammenfasste, bildeten demgegenüber lange Zeit eine nur mäßige und beherrschbar erscheinende Bedrohung. In Gallien hatte Caesar zusätzlich zu dem südlichen, schon seit 121 v.Chr. zum Imperium gehörenden Gebiet der Gallia Narbonensis durch umfangreiche Eroberungen die sog. »Drei Gallien« geschaffen (Aquitania, Lugdunensis und Belgica), zu denen dann unter Augustus die beiden Germania-Provinzen hinzukamen (Germania inferior/Niedergermanien mit Köln, Germania superior/Obergermanien mit Mainz). Die andauernden Unruhen führten zu umfangreichen Verteidigungsanlagen, dem limes (Grenzwall), der die Grenze zwischen Rhein und Donau absichern sollte. 43 n.Chr. eroberten die Römer Britannien, konnten jedoch insbesondere Schottland nicht dauerhaft besetzen und zogen sich hinter einen Limes zurück. Die germanischen und britischen Provinzen blieben auch im 2. und 3. Jh. ein permanenter Unruheherd mit entsprechend starker militärischer Besatzung. In Spanien hatten die Römer seit 197 v.Chr. zwei Provinzen gebildet, die gesamte Halbinsel wurde nach langen Kämpfen unter Caesar und Augustus bis 15 v.Chr. dem Imperium Romanum einverleibt. In Nordafrika behielten die Römer nach der Zerstörung Karthagos 146 v.Chr. einen Brückenkopf, zu Caesars Zeiten wurde dies ausgedehnt und durch die Annexion des Königreichs Numidien eine weitere Provinz geschaffen, 39 n.Chr. wurde dann das Vasallenreich Mauretanien annektiert, zu dem man eher von Spanien aus gelangte als über die weiten Landstrecken von Numidien aus. Ab dem 2. Jh. entwickelte sich besonders in Karthago und Numidien eine blühende römische Kultur. 1. Die politische Struktur des Römischen Reiches

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Perserreich

Germania

Nordafrika

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Syrien

Ägypten

Antiochia – Alexandria

Provinzstatuten

Im Osten war Makedonien bereits 148 v.Chr. erobert worden, wenig später wurde auch Griechenland als Provinz Achaia angeschlossen. Unter Augustus wurden hier die Provinzen neu organisiert und ausgedehnt, auch die Verbindungen nach Norditalien (in Illyrien) wurden dadurch gesichert, dass man die Grenze nach Norden vorschob. Erst nach und nach gelang es, auch von der Donaumündung aus die Nordgrenze zu sichern (durch die Schaffung der Provinz Moesia). 46 n.Chr. wurde das Vasallenreich Thrakien annektiert, damit war der Balkan südlich der Donau weitgehend römisches Gebiet. In Kleinasien wurden nach den 27 v.Chr. gegründeten Provinzen Asia und Bithynia im 1. Jh. n.Chr. die Vasallenreiche Pontus, Galatien und Kappadokien annektiert und durch die Eroberung des westlichen Teils von Armenien (Kleinarmenien) abgesichert. Dies geschah schon im Hinblick auf die Auseinandersetzung mit dem gefährlichen Hauptgegner im Osten, dem Partherreich. Vom Süden her war die Provinz Syrien der entscheidende Ausgangspunkt, hier waren die von Pompeius eroberten und direkt unter römische Kontrolle gestellten Gebiete umgeben und durchsetzt von Vasallenreichen, die im Laufe des 1. Jh.s nach und nach annektiert wurden. Zugleich dehnte man den Einfluss des Imperiums in Richtung des Zweistromlandes aus, so gerade unter Trajan. Einige der eroberten Gebiete konnten hier jedoch nicht dauerhaft gegen die vordrängenden Perser gehalten werden. Gleichwohl gerieten wichtige Städte wie Edessa im 3. Jh. dauerhaft unter römischen Einfluss. Eine Sonderrolle spielte Ägypten. Hatte Kleopatra zunächst versucht, mit Caesar eine römisch-ägyptische Allianz zu schmieden (in der der gemeinsame Sohn Kaisarion herrschen sollte), so wandte sie sich nach der Ermordung Caesars Antonius zu, unterlag jedoch in der Schlacht von Actium 31 v.Chr. Octavian, dem späteren Augustus. Ägypten wurde als Provinz dem Imperium Romanum einverleibt, bekam jedoch in den Provinzstatuten weitreichende Selbständigkeiten verbrieft und blieb direkt dem Kaiser unterstellt. Dadurch entwickelte Ägypten ein besonderes Selbstbewusstsein und fügte sich in der weiteren Entwicklung nicht einfach in den Osten des Imperium Romanum ein, in dem Antiochia zunehmend zur bestimmenden Metropole wurde. Der Gegensatz zwischen Alexandria, das zugleich immer Kontakte in den Westen des Imperium Romanum pflegte, und Antiochia wurde auch für die Kirchengeschichte ein bestimmender Faktor. Ab dem 4. Jh. versuchten beide Metropolen, ihren Einfluss auf das neu aufsteigende Konstantinopel zu wahren – was den Konflikt noch verschärfte. Jede Provinz erhielt durch die lex provinciae (das Provinzgesetz, d.h. die Provinzstatuten) eine eigene Regelung im Hinblick auf Struktur, Beteiligungsrechte, Steuerfragen usw. Eine wesentliche Unterscheidung war die zwischen den Provinzen, die direkt dem Senat unterstellt waren, und den sog. kaiserlichen Provinzen. Erstere wurden durch Prokonsuln regiert, die durch Losentscheid auf die Provinzen verteilt wurden. Letztere waren oftmals die Gebiete, in denen anhaltende Unruhen oder Grenzstreitigkeiten die Präsenz von Militär erforderlich machten, sie wurden direkt von einem vom Kaiser beauftragten Legaten regiert und stärkten umgekehrt die Macht des Kaisers.

1.4 Römische Kultur

Hellenismus

Die Ausbreitung des Imperium Romanum und die Ausbildung einer römischen Kultur gehen Hand in Hand. Bestimmenden Einfluss bekam die griechisch-hellenistische Kultur, die im Osten durch die Diadochenreiche weit verbreitet war. Im Bereich der Literatur begann die lateinische Literatur 220

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als Adaption und Transformation griechischer Vorbilder. In der Architektur wurden hellenistische Bauformen aufgegriffen, insbesondere die klassischen Baustile (besonders mit ionischen und korinthischen Kapitellen, die auch als Kompositkapitelle zusammengesetzt werden konnten). Besonders war dies in der Tempelarchitektur greifbar, aber auch in städtischen Gebäuden wie Basiliken (Markt- und Geschäftshallen), Nymphäen (Brunnenanlagen) und Thermen oder Bibliotheken. Die Zeit des Untergangs der Republik und der Gründung des Prinzipats wurde zugleich zur Blütezeit der klassischen Literatur. An die homerischen Epen schließt die Aeneis (Geschichte des Aeneas) des Vergil an (70-19 v.Chr.). Damit schuf er zugleich eine literarisch wirkmächtige Fassung der Gründungslegende Roms, die er geschickt mit dem Erbe Trojas verknüpfte: Der aus Troja entkommene Aeneas versucht zunächst erfolglos, in Karthago zu landen, bevor er in Italien sesshaft wird. In seinen Eclogae (Einzelgedichte) spricht Vergil u.a. von der bevorstehenden Geburt eines Kindes, das eine neue, friedliche Weltherrschaft herbeiführen wird (Ecloga 4). Ob damit allerdings Augustus, ein Augustussohn oder gar Jesus Christus gemeint ist (letzteres wurde in christlichen Kreisen ab dem 4. Jh. immer wieder angenommen), ist zweifelhaft. Das Gedicht zeigt jedoch, dass das Motiv eines Kindes, das der Welt umfassenden Frieden bringt, auch in der lateinischen Literatur durchaus bekannt war. Neben Vergil traten besonders Horaz (65-8 v.Chr.) und Ovid (43 v.Chr.-18 n.Chr.) als Dichter hervor. Ovids Werk Metamorphoses (Verwandlungen) ist eine Fundgrube antiker Mythologie, deren Erzählungen in ironischer Distanz zu einer Kette der »Verwandlungen« miteinander verbunden werden – zugleich wird hier die griechische Mythologie in eine lateinische »Standardform« gebracht, die breit rezipiert wurde. In Ovids Darstellung der Mythologie sticht das Thema der Liebe (zwischen Göttern, Göttern und Menschen sowie zwischen Menschen) hervor, dem sich Ovid auch in der Ars amandi (Kunst zu lieben) und den Amores (Liebesgedichte) widmete. Cicero war nicht nur ein herausragender Rhetor (berühmt u.a. durch die Reden gegen Verres), sondern entwickelte auch in bahnbrechender Weise eine lateinische philosophische Fachsprache, vor allem durch Übersetzungen und Übertragungen der aristotelischen Fachterminologie ins Lateinische (so besonders in den Tusculanae Disputationes/Gesprächen aus Tusculum). In der Schrift De natura rerum (Über die Natur der Dinge) stellt er die Position der jüngeren Skepsis, die jedes Wissen nur als Abwägen von Wahrscheinlichkeiten versteht, der stoischen Philosophie gegenüber, für deren latinisierte Gestalt er neben Seneca die wichtigste Quelle darstellt. In der Geschichtsschreibung ragen Livius (59 v.Chr.-17 n.Chr.) und Tacitus (55/56nach 113 n.Chr.) hervor. Ersterer entwarf mit Ab urbe condita (Seit Gründung der Stadt [Rom]) eine Gesamtsicht der römischen Geschichte, die besonders für die Zeit der Bürgerkriege eine wichtige Quelle darstellt. Letzterer verfasste mit den Annales (Jahresberichten) eine Geschichtssicht aus der Perspektive der senatorischen Aristokratie, die dem Prinzipat skeptisch bis 1. Die politische Struktur des Römischen Reiches

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Vergil

Ovid

Cicero

Livius

Tacitus

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ablehnend gegenüberstand. Damit wird – ältere lateinische Entwürfe ebenso aufnehmend wie die klassische griechische Geschichtsschreibung – eine römische Identität auch literarisch greifbar und entsprechend im Schul- und Rhetorikunterricht standardisiert. Die Attraktivität der hellenistischen Kultur umfasste auch die Alltagskultur, greifbar etwa in der Keramik oder dem Straßenbau. Das Imperium Romanum entwickelte sich in der Zeit des Prinzipats zu einer regional zwar sehr unterschiedlich geprägten, aber durch große kulturelle Gemeinsamkeiten und Infrastrukturmaßnahmen verbundenen Welt, die die Ausbreitung des Christentums erleichterte, ja wohl überhaupt erst ermöglichte. 1.5 Literatur Lektüretipp: M. Dreher: Grundzüge des römischen Kaisertums, in: H. Leppin/B. Schneidmüller/S. Weinfurter (Hg.): Kaisertum im ersten Jahrtausend, 2012, 95-116. Literatur: F. Jacques/J. Scheid: Rom und das Reich in der Hohen Kaiserzeit. 44 v.Chr.-260 n.Chr. Bd. 1: Die Struktur des Reiches, 1998. – C. Lepelley: Rom und das Reich in der Hohen Kaiserzeit. 44v.Chr.-260 n.Chr. Bd. 2: Die Regionen des Reiches, 2001. – K. Bringmann/T. Schäfer: Augustus und die Begründung des römischen Kaisertums, 2002. – K. Christ: Die Römer. Eine Einführung in ihre Geschichte und Zivilisation, 3. A. 1994. – J. Bleicken: Augustus, 2000. – M. von Albrecht: Geschichte der römischen Literatur, 2. A. 1997. – Ders. (Hg.): Die römische Literatur in Text und Darstellung, 5 Bde., 1985-1991. – M. Fuhrmann: Seneca und Kaiser Nero, 1997. – Ders. (Hg.): Römische Literatur, 1974. – G. Binder (Hg.): Saeculum Augustum, Bd. 1: Herrschaft und Gesellschaft, 1987. – D. Gall: Die Literatur in der Zeit des Augustus, 2006. – C. Reitz: Die Literatur im Zeitalter Neros, 2006. – W. Reinhard: Geschichte der Staatsgewalt, 1999. – W. Blockmans/J.-P. Genet (Hg.): The Origins of the Modern State, 7 Bde., 1995-2000.

2. Die politische Funktion der römischen Religion Religion begegnet in der Antike auf vielen Ebenen: als Verehrung von Stadtgöttern, als Verehrung von Lokalgottheiten oder auch an überregional attraktiven Kultorten, die bisweilen mit Orakeln und/oder Heilungen verbunden waren, als familiäre Frömmigkeit, etwa in der Verehrung von Hausgöttern und dem Totengedenken. Diese Formen von Religiosität sind in starker Weise an die Gemeinschaft gebunden, während die in nachklassischer Zeit sich zunehmend ausbreitenden Mysterienreligionen sich nicht auf soziale Systeme beziehen, sondern einzelne »Eingeweihte« zu neuen Gemeinschaften verbinden. Das Imperium Romanum hat auch diese neue Form von Religiosität aufgegriffen, sichtbar insbesondere an der Präsenz der Mysterienkulte in Rom selbst. Zu sagen, das Imperium Romanum sei im Hinblick auf Religionen allgemein »tolerant«, meint diesen Sachverhalt. Allerdings ist der Begriff der Toleranz nur begrenzt geeignet, es handelt sich eher um ein Gewährenlassen und die Entstehung eines komplexen Amalgams. Doch lässt sich umgekehrt sagen, dass das Imperium Romanum Religion als einen wichtigen Faktor des öffentlichen Lebens ansah, zugleich aber eine große Vielfalt 222

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religiösen Lebens akzeptierte. Von daher ist die Verfolgung und Tötung von Christen ein auffälliges Ausnahmephänomen, das eigener Erklärung bedarf.

2.1 Privatreligion und offizieller Kult Der soziale Zusammenhalt der Gesellschaft fand in verschiedenen Formen der Religiosität seinen Ausdruck. So waren Familien schon durch den Totenkult und die Verehrung der Hausgötter (insbesondere der sog. Laren) miteinander verbunden, der Hausaltar gehörte zur Standardarchitektur römischer Stadthäuser und Villen. Gemeinsame Mahlzeiten und Feste waren durch religiöse Riten gerahmt. Entsprechend wurde die städtische Gemeinschaft durch die Verehrung von Stadtgottheiten stabilisiert, so insbesondere im Osten des Imperium Romanum, wo nicht nur oft die Stadt selbst als divinisierte Größe verehrt wurde, sondern auch seit langem bestehende Stadtkulte – hellenistisch überformt – fortexistierten. Die öffentlichen Kulte wurden durch hochangesehene Priesterkollegien gewährleistet, die jeweils eigenen Regularien unterlagen. Diese Alltags- und Gemeinschaftsfrömmigkeit sollte nicht vorschnell als äußerlicher Ritualismus abgewertet werden, vielmehr rhythmisierte sie den Tages- wie Jahresablauf und schuf Identifikationspunkte, die auch innerlich prägend wirkten. Der Gemeinschaftsbezug von Religion zeigt sich insbesondere auch in der Vorstellung, dass die richtige religiöse Verehrung das Wohlergehen der Gemeinschaft sicherstellt. Dies konnte wiederum auf die Familie, die Stadt oder das Imperium Romanum insgesamt bezogen werden.

Hausgötter

Stadtgottheiten

Priesterkollegien

2.2 Reichsreligion und Provinzialreligionen Rom als Zentrum der Macht entwickelte eine besondere Ausstrahlung auch in religiöser Hinsicht. Zum einen wurde Rom zum Schmelztiegel der verschiedensten Kulte. Literarisch wurde durch Dichter wie Vergil und Ovid ein lateinisches Pantheon wenn nicht geschaffen, so doch etabliert, das mit dem griechischen Pantheon parallelisiert werden konnte. Zugleich wurde hierdurch eine Vielzahl von Gottheiten und weiteren Identifikationen ermöglicht. Stadtgottheiten konnten so mit bekannten Gottheiten identifiziert werden, indem einfach zum Namen der Stadtgottheit der überregionale Bezug hinzutrat. Ähnliches galt für Berggottheiten und andere Kultorte. Dies führte zu einer großen, von Provinz zu Provinz anders gelagerten Vielfalt von Kulten und Frömmigkeiten. Das Imperium Romanum hat sich hier nie durchgreifend um eine Vereinheitlichung bemüht, sondern diese provinzialen Ausprägungen akzeptiert und unter einer Perspektive grundsätzlicher Vereinbarkeit der verschiedenen Kulte so bestehen lassen. Zugleich wurde durch die Attraktivität der römisch-hellenistischen Kultur die Identifikation lokaler Gottheiten mit römischen und griechischen Gottheiten gefördert. Auch architektonisch und begrifflich passten sich viele Kulte an die gemein2. Die politische Funktion der römischen Religion

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Rom als Schmelztiegel

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kapitolinische Trias

salus publica

same Kultur an. So erklärt sich eine in sich differenzierte Einheit der Tempelarchitektur und der Namen, die umgekehrt auch als nur durch wenige Gemeinsamkeiten verbundene Vielfalt gedeutet werden kann. Als genuin römischer Kult kann die Verehrung der sog. kapitolinischen Trias gelten, also die Verehrung von Iuppiter (analog zu Zeus), Iuno (analog zu Hera) und Minerva (analog zu Athene). Diesen drei Gottheiten war auf dem Kapitol ein herausragender Kultort gewidmet, und entsprechende Kultorte wurden auch an verschiedenen Stellen in den neuen Provinzen geschaffen. Damit entstand – neben der Vielfalt der Provinzialreligionen – so etwas wie eine Reichsreligion, deren genaue Gestalt jedoch wiederum vielfach regional verschieden ausgeprägt war. Zugleich symbolisierte die Verehrung der kapitolinischen Trias die reichsweite religiöse Verehrung der Gottheiten, die das friedliche Zusammenleben im Imperium Romanum ermöglichen sollten – über die kulturellen und sprachlichen Divergenzen hinweg. Insofern diente die Verehrung der kapitolinischen Trias der Sicherstellung der salus publica (des öffentlichen Wohlergehens). Sie nicht zu verweigern (auch wenn individuell oder regional andere Gottheiten und Kulte wichtiger waren), war somit ein Zeichen der Loyalität zu den Grundwerten des Imperium Romanum.

2.3 Der Kaiserkult

numen genius

divus

Im Laufe des 1. Jh.s n.Chr. entwickelte sich mit dem Kaiserkult ein Phänomen, das für die Christenverfolgung besondere Bedeutung gewann. Die Ursprungsidee des Kaiserkultes liegt in der Vorstellung, dass die besondere öffentliche Verantwortung des Kaisers nur möglich war, wenn göttlicher Beistand ihm dies ermöglichte. Ältere Vorstellungen der sakralen Würde des Königs wirkten fort. Besonders im Osten des Imperium Romanum knüpfte dies an ältere, noch lebendige Traditionen der Herrscherverehrung und Königsideologie an. Das göttliche numen (die Zuneigung, Gunst der Götter) des Kaisers war daher ebenso wichtig wie der jeweilige genius (die zu jedem Individuum gehörende Schutzgottheit). Zunächst bezog sich die Verehrung nur auf das numen bzw. den genius der Kaiser. Die Vorstellung, dass verstorbene Kaiser – ohne ihren Leib – fortwirkten, eben als besonderes numen bzw. als genius, der auch den adoptierten Nachfolger beschützte, führte zu der Vorstellung, dass verstorbene Kaiser divinisiert, d.h. zu Göttern erhoben und entsprechend kultisch verehrt wurden. Dies legitimierte zugleich die Nachfolger und färbte sehr rasch auch auf diese ab (d.h. die Söhne oder die als adoptierte Nachkommen auftretenden Nachfolger), so dass die Verehrung des numen bzw. des genius des lebenden Kaisers und die Verehrung der divinisierten Vorgänger ineinanderflossen. Hieraus entstand auch die Verehrung der lebenden Kaiser als divi (eigentlich »göttlich, gottgestaltig«, dann auch als Bezeichnung für Gott schlechthin). In der römischen Armee (in der die Abbilder der Kaiser neben den Standarten vorangetragen wurden) oder 224

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bei offiziellen Amtsbestellungen wichtiger Funktionäre spielte dies durchaus eine gewisse Rolle, nicht als individualreligiöse Erlösungshoffnung, sondern als Ausdruck der Loyalität und Verehrung gegenüber dem Imperium und seinem princeps. Die kultische Verehrung der Kaiser wurde aber keineswegs flächendeckend und von jedermann verlangt. Die meisten Einwohner des Imperium Romanum waren wohl nie verpflichtet, bewusst und individuell an entsprechenden Kulten teilzunehmen. Zugleich entwickelte sich aber durchaus eine gewisse Beliebtheit des Kaiserkultes (gerade auch im Osten des Imperium Romanum).

2.4 Duldung von fremden Kulten und besondere Stellung des Judentums Neben der eher allgemein verlangten Loyalität zum Imperium Romanum fanden die verschiedensten Kulte im Imperium Romanum Verbreitung, ohne dass es hierfür einer offiziellen Genehmigung bedurft hätte. Dies gilt etwa für die Mysterienkulte, deren Bedeutung man daran sehen kann, dass viele von ihnen schon in klassischer Zeit prominente Kultorte in Rom besaßen. Unter dem unscharfen Begriff »Mysterienkulte« fasst man verschiedene Religionen zusammen, die insbesondere das Heil des Einzelnen ins Zentrum rückten und hierfür einen Initiations- und Fortschrittsweg anboten, der einen mythologischen Hintergrund hatte. Die Einzelheiten liegen dabei oft im Dunkeln, weil das Gebot der Arkandisziplin es den Eingeweihten verbot, über das Erlebte detailliert Auskunft zu geben. Die archäologischen Zeugnisse können das Fehlen der literarischen Quellen nur zum Teil ausgleichen. Bedeutende Mysterienkulte sind: a) der Mithraskult: Verehrt wird der aus Persien stammende Gott Mithras, der (oft mit der sog. phrygischen Mütze abgebildet) den Urstier besiegt (und dabei von verschiedenen Tieren und Gestalten unterstützt wird, die zugleich den sieben Initiationsgraden zugeordnet waren). Der Mithraskult wurde in sog. Mith­ räen gefeiert, kleinen, meist unterirdischen Kultorten, in denen die (im Einzelnen unbekannten) Initiationsrituale und kultische Mahlzeiten gefeiert wurden (darunter eine Mahlzeit mit Brot und Wein, gegen die das Christentum die Originalität der Eucharistie verteidigen musste). Der Mithraskult stand nur Männern offen und war besonders in der römischen Armee verbreitet. b) Der aus Ägypten stammende Isiskult knüpfte an den Mythos von Isis und Osiris an: Der Widersacher der Göttin Isis und des Gottes Osiris, Seth (auch: Typhon), tötet Osiris und verstreut die Leichenteile am Nilufer. Isis sucht die Leichenteile des Osiris zusammen, der dadurch einmal im Jahr in das Leben zurückkehrt und den gemeinsamen Sohn Horus zum Kampf gegen Seth zurüstet. Die Einzelheiten der Isismysterien sind trotz der relativ ausführlichen Schilderung bei Apuleius, Asinus aureus (Goldener Esel), unklar. Isis wurde zum Teil auch in Prozessionen verehrt (in denen sie durch die Kuh symbolisiert wurde), ihre Rolle als Muttergottheit wurde künstlerisch umgesetzt, indem sie als Mutter ihren als Säugling dargestellten Sohn Horus stillt (vergleichbar den späteren Darstellungen der stillenden Maria). Weitere Mysterienkulte sind etwa der c) der Kybelekult (bzw. Verehrung der Mater magna/Großen Mutter), ein aus Kleinasien stammender Fruchtbarkeitskult, sowie d) die eleusinischen Mysterien 2. Die politische Funktion der römischen Religion

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Mysterienkulte

Arkandisziplin

Mithras

Isis

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(aus Griechenland), in deren Zentrum die Fruchtbarkeitsgöttin Demeter stand, die ihre vom Gott der Unterwelt, Hades, entführte Tochter Persephone befreit.

religio licita?

Die verschiedenen Kulte bestanden im Imperium Romanum nebeneinander und schlossen sich gegenseitig nicht aus. Es sind Grabinschriften überliefert, die bezeugen, dass man Mitglied in mehreren Mysterienkulten sowie weiteren Kultvereinen sein konnte. Von dieser religiösen Pluriformität hob sich das Judentum bereits seit der Eroberung Palästinas 63 v.Chr. ab. Die Römer ließen dabei die älteren Sonderprivilegien weitgehend bestehen, darunter auch das Recht der Juden, nicht zu öffentlichen Kulthandlungen im Rahmen anderer Kulte (etwa von Stadtgottheiten, der kapitolinischen Trias oder des Kaiserkultes etc.) gezwungen zu werden. Der in der Sekundärliteratur oft anzutreffende Begriff einer religio licita (erlaubten Religion) ist irreführend und taucht im römischen Recht nicht auf. Keineswegs musste eine Religion erst (von irgendeiner »staatlichen Instanz«) genehmigt werden. Vielmehr griff das Imperium Romanum nur selten zu Maßnahmen, um religiöse Entwicklungen zu unterbinden oder einzelne Gruppen zu verfolgen, etwa im Falle, dass es sich um für das Römische Reich gefährliche Gruppen oder um für den Einzelnen verhängnisvolle superstitio (Aberglauben) handelte. 2.5 Literatur Lektüretipp: H. Cancik/J. Rüpke (Hg.): Römische Reichsreligion und Provinzialreligion, 1997. Literatur: J. Rüpke: Die Religion der Römer, 2001. – K. Latte: Römische Religionsgeschichte, 1960. – G. Binder (Hg.): Saeculum Augustum, Bd. 2: Religion und Literatur, 1988. – D. Fishwick: The Imperial Cult in the Latin West, 2 Bde., 1987.1992. – E. Simon: Die Götter der Römer, 1990. – C. Bechtold: Gott und Gestirn als Präsenzformen des toten Kaisers, 2011. – S. Pfeiffer: Der römische Kaiser und das Land am Nil. Kaiserverehrung und Kaiserkult in Alexandria und Ägypten von Augustus bis Caracalla (30 v.Chr.-217 n.Chr.), 2010. – T. Witulski: Kaiserkult in Kleinasien, 2007. – H. Cancik/K. Hitzl (Hg.): Die Praxis der Herrscherverehrung in Rom und seinen Provinzen, 2003. – I. Gradel: Emperor Worship and Roman Religion, 2003. – M. Clauss: Kaiser und Gott. Herrscherkult im römischen Reich, 1999; ND 2001. – Ders.: Mithras. Kult und Mysterium, 2012. – W. Burkert: Antike Mysterien, 3. A. 1994. – C. Hattler (Hg.): Imperium der Götter. Isis, Mithras, Christus, 2013.

3. Verfolgungen im 1. Jh. Die Trennung zwischen Judentum und Christentum am Anfang des 2. Jh.s war das Ergebnis eines längeren Prozesses, in dem die Ablehnung des Chris­ tentums durch jüdische Autoritäten einerseits, die zunehmende Orientierung an nichtjüdischen Kreisen, die sich zum Christentum bekehrten, andererseits zu einer erst allmählich sichtbaren gegenseitigen Abgrenzung führten. Dadurch wurde das Christentum zu einer Größe, die auch vom Imperium Romanum als vom Judentum unterschiedene Gruppe wahrgenommen wurde. 226

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Das bedeutete, dass das Christentum als Neuerung aufgefasst wurde und nicht mehr unter die Sonderprivilegien für das Judentum fiel. Entsprechend konnten auch von Christen die Loyalitätsbekundungen gegenüber dem Imperium verlangt werden, also etwa die Teilnahme am Kaiserkult bei Übernahme wichtiger Ämter und Funktionen. Zudem führte die Einschätzung der Christen als Anhänger von Aberglauben und als sich von der Gesellschaft abgrenzende Sekte dazu, dass sie als verdächtig galten und Gegenstand von pogromartigen Ausschreitungen werden konnten.

3.1 Christen und Juden Solange in Judäa/Palästina noch Elemente politischer Eigenständigkeit existierten (bis 135 n.Chr.), wurde das Christentum als jüdische Sekte von jüdischen Instanzen verfolgt. Diese Maßnahmen dürften sowohl Judenchristen betroffen haben (etwa Paulus) als auch Heidenchristen, die sich durch die Nichtübernahme der Beschneidung und der jüdischen Speisegesetze am auffälligsten aus dem jüdischen Volks- und Religionsverband heraushoben. Die Historizität der entsprechenden Ereignisse, wie sie in der Apostelgeschichte berichtet werden (Apg 6-8), ist im Einzelnen allerdings umstritten. Außerhalb von Judäa/Palästina ist die Lage noch wesentlich komplexer, weil hier neben der klassischen Zugehörigkeit zum Judentum (jüdische Mutter, Beschneidung, Observanz der Speise- und Sabbatgebote) unterschiedliche Lebensweisen einer mehr oder weniger losen Zugehörigkeit existierten: Es gab Leute, die nur inhaltlich am hellenisierten Judentum interessiert waren oder den einen Gott Israels verehren wollten, andere beachteten zwar das Sabbatgebot und/oder die Speisegebote, ließen sich aber nicht beschneiden oder in die Kultusgemeinde integrieren. Diese Formen der lockeren Zugehörigkeit und des Interesses dürften in ähnlicher Weise auch für das Christentum bestanden haben, Überschneidungen und unklare Zuordnungen sind denkbar. Konflikte, die zwischen der jüdischen Kultusgemeinde und den neuen christlichen Gruppen entstanden, dürfte es an verschiedenen Stellen gegeben haben. Belegt ist etwa die Ausweisung der Juden aus Rom unter Kaiser Claudius im Jahr 49 (Sueton, Vita Caesarum/Das Leben der Kaiser 5,25,3), die auf Unruhen impulsore Chresto (aufgrund des Unruhestifters Chrestus – Ist Christus gemeint? Das würde zu Apg 18,2 passen) zurückging. Die archäologische Evidenz jüdischer Katakomben in Rom zeigt, dass diese Ausweisung nur temporärer Natur war, die umfangreiche jüdische Gemeinde in Rom existierte ebenso weiter wie christliche Gruppen.

Christentum als jüdische Sekte

Ausweisung aus Rom

3.2 Die stadtrömische Aktion gegen Christen unter Nero im Jahre 64 Entgegen der älteren Forschung und wirkmächtigen Filminszenierungen aus Hollywood war auch die neronische Verfolgung im Jahr 64 keine gezielte Maßnahme des Imperium Romanum gegen das Christentum als ganzes. Es handelte sich um eine lokal und zeitlich begrenzte Polizeiaktion, die allerdings zu Todesurteilen führte. Dadurch entstand ein Präjudiz für weitere Prozesse. Ein entsprechendes, gegen Christen gerichtetes Gesetz hat es jedoch im Jahr 64 nicht gegeben. Der kaiserkritische Historiker Tacitus berichtet um 120, dass Nero Christen in einem abscheulichen Schauspiel mit dem Feuertod bestraft habe, um Gerüchten entgegenzutreten, er selbst sei 3. Verfolgungen im 1. Jh.

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Brand Roms?

Petrus und Paulus

für den vorangegangenen Brand Roms verantwortlich (das entsprechende Gerücht machte Sinn, wenn man den Hang Neros zu großartigen Bauwerken im Zentrum Roms bedenkt). Tacitus spricht davon, dass es sich um eine große Menge Hingerichteter gehandelt habe, die Nero wie Fackeln in seinen Palastgärten habe brennen lassen. Tacitus lässt Zweifel an diesem Gerücht erkennen, doch es kommt ihm für seine Nerokritik gelegen. Dass hinter dem Berichteten jedenfalls eine erste größere Hinrichtungswelle stand, ist wohl kaum zu bezweifeln. Um wie viele Opfer es sich handelte, ist nicht mehr erkennbar. Auch der Zusammenhang mit dem Brand Roms könnte erst von Tacitus hergestellt worden sein. Neuere Forschungen machen wahrscheinlich, dass Nero die Verurteilten als Figuren aus der Mythologie verkleidet hinrichten ließ. Folgt man entsprechenden Hinweisen, kommt man auf zwischen 50 und 100 Opfer. Möglich waren die entsprechenden Maßnahmen sicherlich nur, weil in der römischen Bevölkerung Vorurteile gegen Chris­ten bestanden. Tacitus erwähnt das odium humani generis (Hass auf das Menschengeschlecht), womit ein Verhalten gemeint ist, das sich aus den öffentlichen Bezügen des Gemeinwesens selbst ausgrenzte und als Fundamentalopposition gegen die römisch-hellenistische Kultur und Zivilisation verstanden wurde. Dies konnte auch ein Kaiser aufgreifen und seine Liebe zu den Menschen durch eine inszenierte Hinrichtungswelle derer, die das Menschengeschlecht hassen, unter Beweis stellen. Ob sich hieraus bereits eine allgemeine Einschätzung der Christen als Verbrecher ergab, kann bezweifelt werden, doch taucht bereits am Anfang des 2. Jh.s die Frage auf, ob man Christen nur wegen ihres Christseins, rein aufgrund der Zugehörigkeit, vor Gericht ziehen konnte (vgl. § 3; 4.). Das von Tertullian um 200 genannte institutum Neronianum (Anordnung Neros; Ad nationes/An die Heiden 1,7,9) dürfte sich jedenfalls auf eine entsprechende lokale Anordnung Neros beziehen (vermutlich ein mandatum/Verwaltungserlass), nicht auf ein reichsweit geltendes Gesetz. Für die junge christliche Gemeinde in Rom dürften die Hinrichtungen ein enormer Schock gewesen sein. Die Hingerichteten wurden als Märtyrer sicherlich schon früh verehrt. Es ist nicht unwahrscheinlich anzunehmen, dass Petrus und Paulus in diesem Zusammenhang in Rom den Tod fanden. Damit ist über die Historizität der entsprechenden Reliquien und Orte, deren Verehrung erst ab dem 2. Jh. greifbar ist, noch nichts gesagt.

3.3 Lokale Verfolgungen unter Domitian Nachrichten über weitere Christenverfolgungen im 1. Jh. sind insbesondere mit Kaiser Domitian verbunden. Auch hierbei dürfte es sich aber eher um lokal und regional begrenzte Polizeiaktionen gehandelt haben, nicht um entsprechende gesetzliche Regelungen. Die Darstellung bei Euseb (Historia ecclesiastica/Kirchengeschichte 3,18) stilisiert Domitian zwar zum zweiten großen Christenverfolger nach Nero, doch lässt sich dies anhand der sonst erhaltenen Quellen nicht bestätigen. Insbesondere ist es fragwürdig, aus eher allgemein gehaltenen Hinweisen auf Bedrängnisse (etwa im 1. Clemensbrief, in der Johannesapokalypse oder im 1. Petrusbrief) auf konkrete Verfolgungen zu schließen. 228

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Hinweise auf den Kreis des Flavius Clemens in Rom und dessen Nähe zur jüdischen Lebensart erlauben keine Schlussfolgerung auf den christlichen Charakter dieser Gruppe. Es dürfte in dieser Zeit gleichwohl hier und dort zu einzelnen Hinrichtungen gekommen sein.

Flavius Clemens

3.4 Literatur Lektüretipp: T. Schmitt: Die Christenverfolgung unter Nero, in: S. Heid (Hg.): Petrus und Paulus in Rom, 2011, 517-537. Quellen: P. Guyot/R. Klein (Hg.): Das frühe Christentum bis zum Ende der Verfolgungen, Bd.1, 1993, 10-37. Literatur: D.-A. Koch: Geschichte des Urchristentums, 2. A. 2014, 459-493. – H. Bottermann: Das Judenedikt des Kaisers Claudius, 1996. – M. Griffin: Nero. The End of a Dynasty, 2. A. 2001. – J. Malitz: Nero, 1999. – J. Elsner/J. Masters (Hg.): Reflections of Nero, 1994. – B.W. Jones: The Emperor Domitian, 1992. – P. Keresztes: The Jews, the Christians, and Emperor Domitian, VigChr 27 (1973) 1-28. – Ders.: Nero, the Christians, and the Jews in Tacitus and Clement of Rome, Latomus 43 (1984) 401-413.

4. Die Rechtslage ab dem 2. Jh.: Christsein als strafbarer Tatbestand? Das Christentum machte sich besonders dort verdächtig, wo es sich (im beginnenden 2. Jh.) zunehmend vom Judentum abgrenzte. Dies ging einher mit der Forderung der Verehrung Christi und der Verweigerung, am religiös geprägten Leben der Gesellschaft teilzunehmen. Das Christentum galt daher nicht nur als moralisch gefährliche Sekte, sondern auch als atheistisch (eben weil es die Verehrung der Götter, die zur Gemeinschaft gehörten, verweigerte) oder abergläubisch, zudem auch als politisch verdächtig, weil es den Kaiserkult ablehnte. Zwar war der normale Bürger des Imperium Romanum nicht ständig in der Situation, am Kaiserkult teilnehmen zu müssen, doch wenn es in offiziellem Zusammenhang von ihm verlangt wurde, konnte die Verweigerung streng bestraft werden. Die Vorbehalte gegenüber dem Chris­ tentum führten zu einem allgemeinen, nicht präzise definierten Vorurteil, dass das Christsein als solches strafbar sei. Die juristische Grundlage dafür ist nicht genau zu eruieren. Insofern stellt die Verfolgung von Christen durch Institutionen des Imperium Romanum eine besondere Ausnahme in der Religionsgeschichte des Imperiums dar.

Atheismusvorwurf

4.1 Die juristische Grundlage Unklar sind und bleiben die juristischen Grundlagen: 1. der Grund, welcher die Verurteilung und Bestrafung legitimierte, 2. die Rechtsform des Einschreitens gegen die Christen. Als Strafgründe hat man in der Forschung besonders diskutiert: allgemein strafrechtliche Tatbestände wie Majes­ tätsbeleidigung, Gottlosigkeit (sacrilegium/Atheismus), gemeingefährlicher 4. Die Rechtslage ab dem 2. Jh.: Christsein als strafbarer Tatbestand?

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Strafrecht

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Verhöre durch Prokonsuln

politische Gefährlichkeit

Aberglaube (superstitio), auch Kindstötung, Inzest und Magie, politische Verschwörungen. Solche Tatbestände wurden normalerweise in der Form eines Untersuchungsprozesses (cognitio, wörtlich: Erkenntnis) abgeurteilt. Dazu passt der Zusammenhang mit hohen Beamten des Imperiums, z.B. den Verhören durch Prokonsuln einer Provinz, wie er in zahlreichen Märtyrerakten belegt ist. An einigen Stellen dürften die Christen auch wegen Störung der öffentlichen Ordnung bzw. wegen einer allgemein angenommenen politischen Gefährlichkeit Ziel von Polizeiaktionen geworden sein. Dies würde der Rechtsform der coercitio (wörtlich: Züchtigung, Strafmaßnahme ohne Prozess) entsprechen, was eine angeordnete Polizeiaktion bezeichnet. Einige Quellen vermischen auch Elemente beider Rechtsformen, sei es aus Unkenntnis, sei es, weil beide Formen auch tatsächlich nicht immer strikt voneinander getrennt waren.

4.2 Der Pliniusbrief von 112/113

Pontus

nomen ipsum

superstitio

altersunabhängig? Verjährungsfrist?

Das entscheidende Dokument für die Rechtslage der Christen im beginnenden 2. Jh. ist ein Brief, den Caius Plinius d. J. 112/113 an Kaiser Trajan schrieb (Epistula/Brief 10,96), worauf ihm in Form eines offiziellen Reskripts (Epistula/Brief 10,97) geantwortet wurde (Text/Übers.: P. Guyot/R. Klein 38-43). Als Statthalter in der Provinz Pontus-Bithynia sollte Plinius allerlei Missstände beseitigen und stieß dabei auch auf das Christenproblem. Bei der Fortsetzung der bisher geübten Praxis, Christen vor dem prokonsularischen Gericht abzuurteilen, stellte sich Plinius, der mit dieser Rechtsfrage bisher nichts zu tun gehabt hatte, vor allem die Frage: War bereits das bloße Christsein (nomen ipsum/nur die Bezeichnung) strafbar oder wurden damit zusammenhängende Vergehen bestraft? Um zu eruieren, worum es sich bei dem Christentum handelte, ließ er zwei Sklavinnen foltern, deren Aussagen jedoch nicht auf bestimmte Verbrechen schließen ließen, sondern nur auf besonders minderwertigen Aberglauben (superstitio). Da sie aber das Opfer vor den römischen Göttern und den Kaiserkult verweigerten, hielt er es für berechtigt, sie wegen hartnäckigen Widerstands zu bestrafen. 4.2.1 Rechtsfragen. Plinius ist unsicher im Hinblick auf Gegenstand (quid/ was?) und Verfahrensweise (quatenus/inwiefern?) der Prozesse. Das belegt, dass eine eindeutig gegebene Rechtsbasis (etwa in Form eines Gesetzes) nicht gegeben war. Dass Plinius als Provinzstatthalter die Prozesse durchführte, dürfte darauf hinweisen, dass es sich um Prozesse außerhalb der normalen Gerichtsbarkeit handelte (cognitiones extra ordinem/außerordentliche Untersuchungsprozesse). Neben der Frage, ob das nomen ipsum (nur die Bezeichnung) oder damit zusammenhängende flagitia (Vergehen) bestraft werden, stellt sich Plinius insbesondere die Frage, ob das Verbrechen altersunabhängig zu bestrafen ist, ob es eine Verjährungsfrist gibt und ob es die Möglichkeit gibt, im Laufe des Prozesses umzukehren und dann begna230

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digt zu werden. Das Verfahren des Plinius setzt voraus, dass zwar bereits das nomen ipsum für eine Bestrafung ausreicht, dies aber nur für aktuell bekennende Christen gilt. Das bedeutet, dass es keine Alterseinschränkung gibt und die Frage der Verjährung sich nicht stellt, weil noch die Abkehr vom Christentum während des Prozesses möglich ist. Um herauszufinden, ob die Aussage von Angeklagten, Christen zu sein oder nicht, zutrifft, führt Plinius einen Test ein, der aus drei Bestandteilen besteht: a) einem Weihrauch- und Weinopfer vor Götterbildnissen (wohl der kapitolinischen Trias), b) einem Opfer vor dem Kaiserbild (damit war die Frage der politischen Loyalität zum Kaiser gestellt), c) der Verwerfung Christi (weil Plinius gehört hat, dass sich dazu »echte« Christen niemals bewegen lassen). Diejenigen, die trotz mehrfacher (d.h. in der Regel dreimaliger) Aufforderung bei ihrer Verweigerung bleiben, werden bestraft, entweder mit dem Tod oder (in dem Fall, dass es sich um römische Bürger handelt) mit der Überstellung nach Rom. Die juristische Grundlage hierfür wird nicht genau benannt. Neben der von Plinius genannten Hartnäckigkeit (die er für strafwürdig hält) kommen insbesondere Atheismus (sacrilegium bzw. ἀσέβεια/asebeia/Gottlosigkeit) und Majestätsbeleidigung (crimen laesae maiestatis) in Frage. Deutlich wird jedenfalls, dass das Christsein nicht wie andere Strafbestände behandelt wird (in denen das Problem der Verjährung auftaucht), sondern die Strafwürdigkeit sich auf die aktuelle Aussage im Prozess bezieht. Vorrangig dürfte dabei die Verweigerung des Loyalitätsbeweises gegenüber dem Imperium Romanum gewesen sein, die als sozialgefährdendes und das Gemeinwesen unterminierendes Verhalten nicht geduldet werden konnte. Dass dieser Loyalitätsbeweis religiös so konnotiert war, dass er von Christen nicht in der erwünschten Form praktizierbar war, wurde nicht berücksichtigt. Eine analoge Anwendung der Privilegien des Judentums fand nicht (mehr) statt. Plinius rechtfertigt sein Vorgehen, nur das aktuelle Bekenntnis, Christ zu sein, zu bestrafen und sonst weitgehende Möglichkeiten zur Umkehr einzuräumen, damit, dass auf diesem Wege vielen die Möglichkeit der Umkehr (d.h. der Abkehr vom Christentum) ermöglicht werde. 4.2.2 Informationen über das Christentum in Pontus-Bithynien. Der Brief gibt einige interessante Informationen über die Situation der Christen in Pontus-Bithynien. Bei den Untersuchungen hat sich herausgestellt, dass nicht wenige Befragte einige Jahre zuvor zwischenzeitlich Christen gewesen sind, sich dann aber wieder davon abgewandt haben. Plinius fügt hinzu, dass er keinen Fall gefunden habe, in dem dies länger als 20 Jahre zurückliegt, das könnte ein Indiz für eine Ausbreitung des Christentums in der Region ab ca. 90 n.Chr. sein. Zudem bemerkt Plinius, dass das Christentum schon eine beträchtliche Verbreitung gefunden hat (weswegen eine flächendeckende Bestrafung auch aller derer, die sich zur Abkehr bewegen lassen oder früher Christ waren, nicht naheliegt). Interessant ist dabei auch die Notiz, dass dies nicht nur für Städte der Fall ist, sondern auch in ländlichen Regionen. Die 4. Die Rechtslage ab dem 2. Jh.: Christsein als strafbarer Tatbestand?

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Opfertest

Hartnäckigkeit

ländliche Regionen

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Sonntagsfeier

Namenslisten

beiden Sklavinnen, die Plinius foltern ließ, um mehr über das Christentum herauszufinden, brachten nur prava superstitio (minderwertigen Aberglauben) zum Vorschein, worüber Plinius leider nicht genauer berichtet. Die Angeklagten, die bekannten, früher einmal Christen gewesen zu sein, beharrten darauf, dass ihr Vergehen darin bestand, dass sie sich an einem bestimmten Tage morgens getroffen und Christus mit Liedern als Gott verehrt hätten und dann später zu einer gemeinsamen Mahlzeit zusammengekommen seien. Diese Zusammenkünfte wurden auch von dem Verbot der Hetärien (Vereinsfeiern) betroffen (solche regionalen Verbote von Hetärien gab es immer wieder einmal, wenn die entsprechenden Feiern unbeherrschbar zu werden schienen), was einige Angeklagte auch als Grund dafür angaben, die Zusammenkünfte nicht mehr praktiziert zu haben. Bei seinen Untersuchungen benutzte Plinius offensichtlich auch umfangreichere Listen mit Namen von Christen, von denen viele bekannten, früher einmal Christen gewesen zu sein. Die Bekehrung zum Christentum war also keineswegs in allen Fällen eine fundamentale Lebensentscheidung, Christentum wurde auch »ausprobiert« und dann nach einer gewissen Zeit wieder aufgegeben.

4.3 Trajans Reskript

Reskript­ sammlungen

conquirendi non sunt keine anonyme Anzeigen

Ein Reskript ist die offizielle Antwort des Kaiserhofes auf eine entsprechende Anfrage hin, mit der der Kaiser erklärt, welches Verfahren er in einer bestimmten Angelegenheit sicherstellen will. Der Wirkungsbereich des Reskripts beschränkt sich daher zunächst nur auf den Bereich, aus dem die Anfrage kam. Fragen grundsätzlicherer Art konnten jedoch in Reskriptsammlungen auch reichsweit bekanntgemacht werden. Die Geltung erlosch mit dem Tod des Kaisers, es sei denn, der Nachfolger machte sich die Reskripte zu Eigen. Im Falle des Reskripts von Trajan ist nicht überliefert, ob das Reskript allgemein bekannt war und ob es von seinen Nachfolgern analog übernommen wurde. Insofern stellt das Trajanreskript nicht die verlässliche Regelung der Rechtsfrage für das 2. Jh. dar, die die moderne Forschung zu gerne in ihm sehen möchte. Andererseits passen die in ihm gestellten Anweisungen recht gut zu dem Bild, das sich aus den Märtyrerakten sowie späteren Nachrichten (vgl. § 3; 4.4.1) ergibt. Das spricht dafür, dass man so oder so ähnlich tatsächlich vorgegangen ist (wenn auch evtl. nicht auf der Grundlage des Trajanreskripts). Trajan regelte nicht die Gesetzesgrundlage für den Straftatbestand »Christsein«, sondern bestätigte im Großen und Ganzen das Vorgehen seines Provinzstatthalters in Pontus-Bithynien und brachte zwei Korrekturen an, die darauf zielen, das Ausmaß der Christenprozesse noch weiter einzuschränken: 1. Nach Christen soll nicht von Seiten der römischen Obrigkeit aus gefahndet werden (conquirendi non sunt/sie sind nicht herauszufinden). 2. Anonyme Anzeigen, besonders auch Listen mit Namen von Christen, sollen nicht bearbeitet werden. Nur namentlich vorgebrachte Anzeigen führen zu einem entsprechenden Prozess vor dem Provinzstatthalter. 232

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Dies schränkte die Christenprozesse insofern ein, als es für den Anzeigenden nicht ganz ungefährlich war, die entsprechende Anzeige zu erheben. Für den Fall, dass die Anzeige sich als ungerechtfertigt herausstellte, konnte der Ankläger seinerseits zur Verantwortung gezogen werden. Trajans Reskript teilt mit Plinius’ Anfrage die Annahme, dass nur das aktuelle Bekenntnis zum Christentum und die Verweigerung des (religiös geprägten) Loyalitätsbeweises zum Imperium Romanum strafwürdig seien. Umkehr war jederzeit, auch noch während des Prozesses, möglich. Das setzt voraus, dass das Christsein als etwas für das Imperium und die Gesellschaft Schädliches und Gefährliches angesehen wurde. Inwiefern hierbei Kenntnisse über frühere Verfolgungen von Christen (etwa unter Nero) oder die Hinrichtung von Christus als Verbrecher durch Pontius Pilatus eine Rolle spielten, ist unklar. Der für die Antike konstitutive Zusammenhang von Religion und Gemeinwesen hatte jedenfalls zur Folge, dass die christliche Frömmigkeit mit ihrem religiösen Absolutheitsanspruch und der daraus resultierenden Verweigerung der Reichsreligion und des Kaiserkultes eine politische Dimension bekam, die entsprechende Hinrichtungen zur Folge hatte.

4.4 Von Hadrian bis Philippus Arabs: Keine generelle Änderung Die Rechtslage blieb bis 249 in ihrer prinzipiellen Unklarheit bestehen. Immer wieder gingen auch Behörden gegen Christen vor, anscheinend kam es dabei immer wieder auch zu Kettenreaktionen durch die Aussagen Verhafteter. Die Behandlung der Christen scheint dabei durchaus unterschiedlich gewesen zu sein. Hin und wieder gab es auch spontane Aktionen der Bevölkerung oder sogar Pogrome gegen die Christen, welche dann wiederum manchmal zu offiziellen Prozessen führten. Eine Verschärfung der Situation brachte die Regierungszeit des Kaisers Mark Aurel, ohne dass sich die Rechtslage grundsätzlich geändert hätte. Am Anfang des 3. Jh.s förderte Septimius Severus die orientalischen Kulte, die dadurch entstehende religiöse Vielfalt kam auch dem Christentum zugute, das sich bis zur Mitte des 3. Jh.s an vielen Stellen ausbreiten und auch in höheren Gesellschaftsschichten, teilweise wohl sogar am Kaiserhof, etablieren konnte. Die Dynastie der Severer (zwischen 193 und 235) brachte eine deutliche Beruhigung der Situation, die die Verehrung der Märtyrer ebenso beförderte wie die Ausbreitung des Christentums und die Bildung kirchlicher Strukturen. In diese Zeit fallen mit der Etablierung des monarchischen Bischofsamtes und der Synoden sowie der Entstehung der Exegese auf der Grundlage eines Kanons wichtige Weichenstellungen für die binnenkirchliche Diskussion und die damit verbundenen Identitätsprozesse. 4.4.1 Die Situation der Christen im 2. Jh. Ein Reskript des Kaisers Hadrian (117-138) von 124/125 an den Statthalter der Provinz Asia, Minucius Fundanus, (Text bei Justin, Apologia/Verteidigungsrede 1,68) greift die Linie des Trajanreskripts auf und untersagt 4. Die Rechtslage ab dem 2. Jh.: Christsein als strafbarer Tatbestand?

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Pogrome

Severer

Hadrian

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Märtyrer von Lyon und Vienne

anonyme Anzeigen. Unter Antoninus Pius (138-161) verfuhr man ebenfalls auf der bisher eingeschlagenen Linie (nach einem Reskript, das Euseb, Historia ecclesiastica/Kirchengeschichte 4,26,10 überliefert; der ebd. 4,13,1-7 überlieferte Text, der die Freilassung der Christen anordnet, wenn keine Verbrechen nachgewiesen werden können, ist vermutlich das Ergebnis einer christlichen Überarbeitung und historisch wohl wertlos). Unter Mark Aurel (161-180) und seinem Bruder Lucius Verus (161-169) verschärfte sich die Situation für die Christen, weil beide Kaiser zur Aufrechterhaltung des Imperiums um 167 ein allgemeines Bittopfer zu den römischen Göttern anordneten. Hintergrund war einerseits eine Pestepidemie, andererseits spielten die außenpolitischen Bedrohungen durch das Partherreich und germanische Verbände eine Rolle. Wo bekannt wurde, dass sich Christen dem Bittopfer verweigerten, kam es zu Prozessen. Um 176/177 kam es zu einer weiteren Verfolgungswelle, deren genauer Hintergrund unklar ist. Eventuell sollten die Behörden nach Feinden des Gemeinwesens (hostes publici) fahnden, was auch Christen treffen musste. Besonders in Gallien kam es zu blutigen Verfolgungen (bekannt sind insbesondere durch Euseb die Märtyrer von Lyon und Vienne), hier wurden zum Tode verurteilte Verbrecher, also auch Christen, zu Gladiatorenkämpfen eingesetzt. 4.4.2 Wachsende religiöse Vielfalt im frühen 3. Jh. Ein Wechsel deutete sich unter Kaiser Commodus an (180-192) (wie Euseb, Historia ecclesiastica/Kirchengeschichte 5,21,1 berichtet). Er förderte verschiedene Religionen oder ließ sie gewähren. Welchen Einfluss dabei seine Konkubine Marcia (vielleicht eine Christin) übte, bleibt offen (wahrscheinlicher ist, dass sie in Einzelfällen den Christen – zumal in Rom – geholfen hat). Unter Septimius Severus erlebten orientalische Religionen eine besondere Blüte, so besonders der Isiskult. Auch Elemente syrischer Religiosität gelangten nun nach Rom, eventuell unter dem Einfluss der Kaiserin Julia Domna (gest. 217), die aus dem Priesteradel von Emesa in Syrien stammte. Die Nachricht (Historia Augusta/Kaisergeschichte, Severus 17,1), dass Septimius Severus den Übertritt zum Judentum und zum Christentum verboten habe, ist vermutlich historisch wertlos. Antoninus Caracalla (211-217) führte die Politik seines Vaters darin weiter, dass er Identifikationen und Mischformen von römischer Religion und östlichen Kulten förderte. Dies zielte auf eine größere Gleichbehandlung von Römern (und den Einwohnern Italiens, die das römische Bürgerrecht besaßen) und den Provinzialen. Diese schlug sich 212/213 in der Constitutio Antoniniana (Gesetzgebung des Antoninus [scil. Caracalla]) nieder, durch die alle freien Reichsbewohner das römische Bürgerrecht erhielten. Dadurch wurden Christenverfolgungen erschwert. Der Versuch Elagabals (218-222), den Baal von Emesa als Sonnengott im Sinne einer henotheistischen Religionssynthese zur obersten Reichsgottheit zu machen, scheiterte. Der Kult war in Rom und vielen Provinzen deutlich zu wenig verankert, die bisher erfolgten Identifikationen und Mischformen lokaler Kulte mit religiösen Vorstellungen des Hellenismus und der römischen Religion hatten sich inzwischen weitgehend etabliert. Unter Severus Alexander (222-235) blühte die religiöse Vielfalt erneut auf, was das Christentum begünstigte. Die Kaiserinmutter Julia Mamäa (gest. 235) bewies wohl gewisse Sympathien für christliche Lehren, laut Euseb hat Origenes zu ihr Kontakt gehabt (Euseb, Historia ecclesiastica/Kirchengeschichte 6,21,3f.). 4.5 Literatur Lektüretipp: J. Molthagen: Der römische Staat und die Christen im zweiten und dritten Jahrhundert, 2. A. 1975, 13-60. Quellen: P. Guyot/R. Klein (Hg.): Das frühe Christentum bis zum Ende der Verfolgungen, Bd. 1, 1993, 38-123. 234

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Literatur: E. dal Covolo: I Severi e il cristianesimo, 1989. – M. Rizzi: Hadrian and the Christians, 2010. – R. Freudenberger: Das Verhalten der römischen Behörden gegen die Christen im 2. Jh., dargestellt am Brief des Plinius an Trajan und den Reskripten Trajans und Hadrians, 2. A. 1969. – P. Keresztes: The Imperial Roman Government and the Christian Church. I. From Nero to the Severi, ANRW II.23/1, 1979, 247-315. – H. Last: Christenverfolgung II (juristisch), RAC 2 (1954) 1208-1228. – J. Speigl: Der römische Staat und die Christen. Staat und Kirche von Domitian bis Commodus, 1970. – G. Gottlieb/P. Barceló (Hg.): Christen und Heiden in Staat und Gesellschaft des zweiten bis vierten Jahrhunderts, 1992, 3-86.

5. Märtyrerverehrung Ein christliches Spezifikum wurde es, dass die in den Verfolgungen Getöteten besondere Verehrung erfuhren, und zwar als um des Bekenntnisses zu Chris­ tus willen Getötete. Der Begriff »Kirche der Märtyrer« für die Zeit 311/324 ist nicht im historischen Sinne zutreffend. Das Martyrium bestand als Möglichkeit für alle Christen, doch tatsächlich war die Anzahl der Martyrien nicht allzu groß (vielleicht wenige tausend). Keineswegs lebten die Christen im Verborgenen (oder gar unterirdisch in Katakomben). Bischöfe und kirchliche Versammlungsorte waren schon im 3. Jh. an vielen Orten allgemein bekannt und Teil des Stadtlebens. Auch Synoden ließen sich kaum geheim halten. Da es jedoch immer wieder zu Martyrien kam und besonders unter Decius und Valerian zu eigentlichen Christenverfolgungen (s. § 3; 8.), hatten viele Gemeinden einen Bezug zu Märtyrern aus der näheren Umgebung oder sogar aus der eigenen Gemeinde. Dass jemand für sein Bekenntnis gestorben war, obwohl er durch die Leugnung Christi den eigenen Tod leicht hätte vermeiden können, nötigte den anderen Christen besondere Hochachtung ab, die sich als Verehrung niederschlug. Seit Mitte des 2. Jh.s wurde der Titel μάρτυς μάρτυς (martys/Zeuge) fixiert als spezifische Bezeichnung für Blutzeugen des Glaubens. Etwa zeitgleich entwickelte sich auch eine gottesdienstliche Verehrung der Märtyrer.

5.1 Theologie des Martyriums Religionsgeschichtliche Vorbilder lagen in der jüdischen Apokalyptik (Danielbuch) und der Geschichtsdeutung der Makkabäerbücher (2 Makk 6f.): Der Tod konnte in besonderen Bedrängnissituationen wissentlich eingegangen werden als stellvertretendes Leiden, Opfer oder Sühne für das Volk. Für die christliche Martyriumstheologie wurde das Bekenntnis zu Jesus Christus der grundlegende Bezugspunkt. Bereits in der Johannesapokalypse, dem 1. Petrusbrief und den Ignatianen deutet sich eine religiöse Deutung des Leidens und Sterbens um Christi willen an, besonders als Nachfolge Christi, der als eigentlicher Zeuge der Wahrheit verstanden wurde. In der Deutung der Märtyrer und der terminologischen Fixierung flossen verschiedene Tra5. Märtyrerverehrung

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Nachfolge Christi

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Bluttaufe Gedenktage

ditionen zusammen: das Leiden der Propheten um ihrer Botschaft willen, der Einsatz für das eigene Volk und das Festhalten am Glauben, aber auch die Nonkonformität von Philosophen (etwa Kynikern, Stoikern) mit der römischen Gesellschaft. Das Martyrium Polycarpi (Polykarpmartyrium) ist einer der frühesten Texte, für die sich der technische Gebrauch des Begriffes μάρτυς (martys/Zeuge) nachweisen lässt. Es zeigt zugleich bereits Auseinandersetzungen mit anderen Deutungen des Martyriums und darf daher keineswegs einfach als der Prototyp des Märtyrerberichts gelten. Insbesondere der Charakter des Martyriums als Opfer blieb lange umstritten. Allgemein konnte sich durchsetzen, dass der Christ, der auch in der Bedrängnissituation bei seinem Bekenntnis blieb und dafür den Tod in Kauf nahm, in besonderer Weise vom Heiligen Geist unterstützt wurde. Diese besondere pneumatologische Qualifikation des Märtyrers führte dazu, dass das Martyrium auch mit der Taufe verglichen werden konnte (als Bluttaufe, die im Falle von bekennenden Katechumenen als der Taufe ebenbürtig galt). Ab dem Ende des 2. Jh.s wurden Gedenktage an Märtyrer durch Gottesdienste begangen, in denen auch Martyriumsberichte verlesen wurden. Wo es möglich war, erbauten die Christen auch kleine Gedenkstätten an dem Ort des Todes oder einem anderen Erinnerungsort (etwa dem der Bestattung). Eine Verehrung der Gebeine als Reliquien ist für diese frühe Zeit noch nicht nachzuweisen, sie entwickelte sich erst ab dem 4. Jh.

5.2 Märtyrerakten und Märtyrerberichte

christliche Rahmung der Akten

Wunder Darstellung der Hinrichtung

Von der Gattung her lassen sich kurze, als Gerichtsprotokolle gestaltete Texte von längeren, hagiographisch teilweise massiv überformten Erzählungen (sog. Passiones/Leidensbereichten) unterscheiden. Allerdings gibt es zugleich viele Mischformen, was eine klare Zuordnung zu Akten und Passiones oftmals problematisch macht. Von der Grundtendenz her wollen die Akten den Anschein erwecken, als gäben sie auf authentische Weise, geradezu offiziell über das Verfahren Auskunft, das zum Martyrium führte. Es handelt sich jedoch um Texte aus christlichem Umfeld, in denen das Gesprächsverhalten des Prokonsuls und der Märtyrer stilisiert ist und sich überdies oft eine Rahmung findet, die eine eindeutige Wertung und verehrende Lesehaltung verrät. Es darf daher eher bezweifelt werden, dass in diesen Akten tatsächlich die römischen Akten aus den prokonsularischen Archiven benutzt wurden. In den längeren Märtyrerberichten, den Passiones, spielt das Verhör vor dem Prokonsul ebenfalls eine entscheidende Rolle. Ähnlich wie in den Akten wird auch hier das Gesprächsverhalten stark stilisiert. In den Passiones kommen aber weitere Erzählbestandteile hinzu, etwa über die Verhaftung, Wunder, die zwischen Verhaftung und Verurteilung von dem Märtyrer bewirkt werden, besonders aber eine oft wunderhaft dargestellte Hinrichtungsszene, in der das Leiden auf wundersame Weise überhöht wird, sei es, weil mehrere Hinrichtungsversuche scheitern (bis hin zu der Darstellung, dass 236

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der Märtyrer selbst an seiner Tötung mitwirken muss), sei es, weil der Körper des Märtyrers auf wundersame Weise bewahrt wird (beim Verbrennen nicht aufgezehrt wird oder Wohlgeruch entwickelt etc.). Besonders die Stilisierung des Martyriums von Frauen ist hier interessant, weil die Darstellung mutmaßlich frauenspezifischen Verhaltens scharf kontrastiert wird mit dem tapferen Bekennen und Leiden als Märtyrerin. Ein Spezifikum dieser Texte ist es, dass sie oft einen nachträglichen Wachstums- und Bearbeitungsprozess durchlebt haben, so dass viele Berichte in verschiedenen, teilweise kaum zu harmonisierenden Fassungen vorliegen. Oft ist dabei der hagiographische Akzent verstärkt worden. Die Überarbeitungen sind so intensiv, dass sich nur selten Interpolationsthesen nahelegen und ältere Schichten deutlich herausgearbeitet werden können. Ab dem 4. Jh. wurden diese Texte ähnlich wie die Berichte über Heilige Bestandteil der hagiographischen Tradition, in die auch Legenden, Motive aus anderen Berichten, Wundergeschichten etc. integriert wurden.

Frauen

5.2.1 Akten. Für die Märtyrerakten sind insbesondere die kurzen Acta Scilitanorum (Akten der Märtyrer aus Scili) aus Nordafrika aufschlussreich. Sie sind in knapper Protokollform gehalten und nur sehr moderat im christlichen Sinne stilisiert. In mehreren Überarbeitungsstufen liegen die Acta Iustini (Akten Justins) vor, die die zunehmende Stilisierung des Gesprächsverhaltens zeigen. 5.2.2 Passiones (Leidensberichte). Das Martyrium Polycarpi (Martyrium des Polycarp; einmal separat unter dem Namen des Pionius überliefert, einmal in veränderter Fassung bei Euseb, Historia ecclesiastica/Kirchengeschichte 4,15) verortet den Prozess gegen Polykarp und seine Hinrichtung in einer lokalen Christenverfolgung in Smyrna. Das Gesprächsverhalten des Prokonsuls, der durch Zureden versucht, den Angeklagten zur Loyalitätsbekundung gegenüber dem Kaiser und dem Imperium zu überreden, ist ebenso stilisiert wie das bekennende Gesprächsverhalten des Polykarp. Schon dessen Verhaftung wird so erzählt, dass sein unerschrockenes Bekennen selbst die Soldaten beeindruckt. Die Hinrichtung des Polykarp wird als Opfer dargestellt und deutlich mit dem Kreuzestod Christi parallelisiert. Dies führt so weit, dass einer Masse von Juden ein erheblicher Anteil am Tod unterstellt wird. Die Hinrichtung selbst wird überhöht: Der Leib wird von den Flammen umhüllt, nicht aber verzehrt, ein Soldat muss den in den Flammen stehenden, Wohlgeruch verbreitenden Polykarp erdolchen, das hervorsprudelnde Blut löscht die Flammen. Der Text setzt eine sich anschließende Verbreitung durch Briefe und Abschreiben voraus und ist ein früher Beleg (zu datieren zwischen 155 und 177) für die Märtyrerberichte. Instruktives Beispiel für eine pogromartige regionale Verfolgung ist die Passio der Märtyrer von Lyon und Vienne (bei Euseb, Historia ecclesiastica/Kirchengeschichte 5,1), sie zeigt die Verbindung von Lynchjustiz und dem Vorgehen römischer Institutionen und belegt, dass die Christen als Außenseiter besonders gefährdet waren. Die Passio der Katechumeninnen Perpetua und Felicitas in Karthago (für die umstritten ist, ob Tertullian als Verfasser in Frage kommt) hat eine besondere Verbreitung gefunden. Sie ist insbesondere für die Darstellung des Bekennermuts von Frauen interessant.

5. Märtyrerverehrung

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Martyrium Polycarpi

Perpetua und Felicitas

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5.3 Literatur Lektüretipp: S.-P. Bergjan/B. Näf: Märtyrerverehrung im frühen Christentum, 2014, 73-119. Quellen: W. Wischmeyer/H.R. Seeliger: Märtyrerliteratur, 2015. – H. Musurillo (Hg.): The Acts of Christian Martyrs, 1972. – T. Baumeister: Genese und Entfaltung der altkirchlichen Theologie des Martyriums, 1991. Literatur: T. Baumeister: Die Anfänge der Theologie des Martyriums, 1980. – D. Boyarin: Dying for God. Martyrdom and the Making of Christianity and Judaism, 1999. – P. Brown: The Cult of the Saints. Its Rise and Function in Latin Christianity, 1981. – A. Angenendt: Heilige und Reliquien, 1994. – A. Hartmann: Zwischen Relikt und Reliquie, 2010. – V. Saxer: Morts, martyrs, reliques en Afrique chrétienne aux premiers siècles, 1980. – T.D. Barnes: Early Christian Hagiography and Roman History, 2010. – G. Buschmann: Das Martyrium des Polykarp, 1998. – B. Näf: Städte und ihre Märtyrer. Der Kult der Thebäischen Legion, 2011. – E. González: The Fate of the Dead in Early Third Century North African Christianity. The Passion of Perpetua and Felicitas and Tertullian, 2014. – C. Butterweck: »Martyriumssehnsucht« in der Alten Kirche?, 1995. – H. von Campenhausen: Die Idee des Martyriums in der alten Kirche, 2. A. 1964. – N. Brox: Zeuge und Märtyrer, 1961. – W.H.C. Frend: Martyrdom and Persecution in the Early Church, 1965. – A.M. Schwemer: Prophet, Zeuge und Märtyrer, ZThK 98 (1999) 320-350. – D. Wendebourg: Das Martyrium in der Alten Kirche als ethisches Problem, ZKG 98 (1987) 295-320. – P. Gemeinhardt/J. Leemans (Hg.): Christian Martyrdom in Late Antiquity (300-450 A.D.), 2012. – P. Kitzler: From »Passio Perpetuae« to »Acta Perpetuae«, 2015.

 § 2; 2.-3.

6. Heidnische Polemik gegen die Christen

soziale Selbst­ ausgrenzung

Insgesamt nahm die Gesellschaft des Imperium Romanum zunächst nur wenig Notiz von den Christen. Dort, wo Christen sich vom sozialen Leben der Städte absonderten, wurde dies verächtlich zur Kenntnis genommen. An verschiedenen Stellen hat sich wohl auch sozialer Sprengstoff gebildet, der sich in Notsituationen pogromartig entfalten konnte. An vielen anderen Stellen haben sich Christen aber auch gut integriert, in das römische Heer, in wichtige Ämter, in die verschiedensten Berufe. In den ersten drei Jahrhunderten ist daher die heidnische Polemik nur aus der Wiedergabe bei den Apologeten bekannt, wo sie entsprechend stilisiert und übertrieben auftaucht. Hierbei standen sozial verdächtige Verhaltensmuster der Christen im Vordergrund, wie sie Tertullian in seinem Apologeticum (Verteidigungsschrift, geschrieben kurz vor 200) skizzierte: Christen kommen auffällig oft zusammen, nennen sich Brüder und Schwestern, veranstalten seltsame Feiern und gemeinsame Mahlzeiten, boykottieren den öffentlichen Kult und entsprechende Feste, nicht zuletzt auch das damit zusammenhängende gesellschaftliche Leben wie Schauspiele und Gladiatorenkämpfe. Neben diese auf die Lebensform als Christ bezogene Polemik treten nur einzelne inhaltliche Auseinandersetzungen mit dem christlichen Glauben, so besonders durch Celsus und Porphyrius.

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6.1 Vorwürfe gegen die christliche Lebensform Vereinzelte literarische Hinweise belegen, dass im 2. Jh. das Christentum aufgrund der mit ihm verbundenen Lebensform abqualifiziert wurde. So erwähnte der Stoiker Epiktet um 100/120 beiläufig die christliche Einstellung zum Tod als eine unvernünftige Gewohnheit. Verächtlich äußerte sich Lukian von Samosata in der Satire Peregrinus Proteus (Der Pilger Proteus) über die Primitivität der Christen und ihrer Märtyrerverehrung. Der nordafrikanische Rhetor Marcus Cornelius Fronto (ca. 110-ca. 170/180) hat wohl als erster eine explizite Christenpolemik vorgetragen. Als Polemiker gegen das Christentum taucht er in dem wohl 210-230 verfassten Dialog Octavius des Minucius Felix auf (Octavius 9,6). Ob die hier zusammengestellten Vorwürfe in dieser Form auf Fronto zurückgehen, ist allerdings unklar. Die Schlagwörter, die hier zusammengestellt sind, tauchen danach immer wieder auf: 1. Atheismus: Die ungebildeten Christen verachten den traditionellen Götterkult und schaden dadurch dem Gemeinwesen. 2. Ödipeische Verirrungen: In ihren obskuren Geheimversammlungen vollziehen Brüder und Schwestern einen ausschweifenden Kult sexueller Promiskuität (vgl. dazu den Brauch der Christen, sich mit dem heiligen Kuss zu grüßen). 3. Thyesteische Mahlzeiten: Christen fressen und trinken bei ihren Zusammenkünften Fleisch und Blut von getöteten Säuglingen (vgl. die Abendmahlsfeier). 4. Onolatrie: Christen verehren einen Esel als Gott (Die genaue Deutung des sog. Spottkruzifix vom Palatin in Rom, einer Wandkritzelei, die eine gekreuzigte Figur mit Eselskopf und einen davor stehenden Mann darstellt, mit der Unterschrift »Alexamenos verehrt seinen Gott«, ist unklar, könnte sich aber auf diese Verunglimpfung beziehen.) 5. Christen verehren die Genitalien ihrer Priester (was sich auf die Bußpraxis mit dem Niederfallen beziehen könnte). Alle diese Vorwürfe begegnen – teilweise in variierender Form – auch in anderen polemischen Zusammenhängen.

Fronto

Spottkruzifix vom Palatin

6.2 Die philosophische Kritik am Christentum Auf höherem Niveau und mit guter Kenntnis des Christentums führte der dem Mittleren Platonismus (s. § 1; 7.1) zuzurechnende, aus Alexandria stammende Philosoph Celsus die Auseinandersetzung mit dem Christentum. Fragmente seines Werkes Ἀληθὴς Λόγος (Alēthēs Logos/Wahre Rede) (ca. 180) sind in Origenes’ Widerlegung Contra Celsum (Gegen Celsus) erhalten. Ausgehend von Grundprinzipien des Platonismus, insbesondere einer konsequenten Unterscheidung zwischen Intelligiblem und Materiellem, lehnte Celsus die christliche Theologie als unvernünftig ab. Sie hat sich nicht nur von der Tradition der Väter getrennt (sowohl der Griechen und Römer als auch der Juden), sondern vermischt Geistiges und Materielles, etwa mit der Annahme, Gott sei Mensch geworden. Die Unvernunft des Christenglaubens zeigt sich für Celsus auch in der Annahme von Wundern und in der Missionspraxis. Wesentlich wirksamer ist die literarische Bekämpfung des Christentums durch Porphyrius geworden, einen Schüler Plotins (vgl. § 1; 7.2.3). Von seinen 15 Büchern Contra Christianos (Gegen die Christen) sind nur vereinzelte Fragmente erhalten (die in der älteren Forschung dem Porphyrius zugerechneten Textpassagen mit antichristlicher Polemik bei Makarius Magnes gehören wohl eher in die Wirkungsgeschichte des Porphyrius, 6. Heidnische Polemik gegen die Christen

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Celsus

Porphyrius

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Deutung Jesu

als dass sie sich als Fragmente bezeichnen lassen). Porphyrius’ Angriff kritisierte das Christentum nicht nur als besonders unvernünftige Entstellung jüdischer Traditionen, sondern insbesondere auch als grobes Missverständnis der Jesusgestalt. Richtige Grunderkenntnisse (etwa, dass es einen vom höchsten Gott zu unterscheidenden Intellekt gegeben habe) werden entstellt (etwa durch die Logostheologie und die Identifikation des Logos mit Jesus). Jesus selbst hat vorbildlich gelebt, seine Lehren sind laut Porphyrius mit der späteren Stilisierung als Gott nicht vereinbar. Das wenige, das über Porphyrius’ Werk bekannt ist, lässt auf gute und detaillierte Kenntnisse christlicher Exegese schließen. Sein Werk ist als die wichtigste antichristliche Schrift der Antike in die Geschichte eingegangen. Dies hat nicht nur die Nichtüberlieferung dieser wichtigen Schrift, sondern auch den schlechten, oft nur fragmentarischen Überlieferungszustand der Werke des Porphyrius überhaupt verursacht. 6.3 Literatur Lektüretipp: S. Benko: Pagan Criticism of Christianity During the First Two Centuries, ANRW II.23/2, 1980, 1055-1108. Quellen: M. Fiedrowicz/C. Barthold (Hg.): Origenes, Contra Celsum 1-5, FC 50, 2011.2012 [zweisprachig]. – M. Becker (Hg.): Porphyrios, Contra Christianos, 2016 [zweisprachig, mit Einleitung und Kommentar]. Literatur: J.G. Cook: The Interpretation of the New Testament in Greco-Roman Paganism, 2000. – Ders.: The Interpretation of the Old Testament in Greco-Roman Paganism, 2004. – H.E. Lona: Die »Wahre Lehre« des Kelsos, Kommentar zu frühchristlichen Apologeten, Ergänzungsbd. 1, 2005. – C. Andresen: Logos und Nomos. Die Polemik des Kelsos wider das Christentum, 1955. – S. Morlet (Hg.): Le traité de Porphyre contre les chrétiens, 2011. – M.B. Simmons: Universal Salvation in Late Antiquity. Porphyry of Tyre and the PaganChristian Debate, 2015. – A. McGowan: Eating People. Accusations of Cannibalism Against Christians, JECS 2 (1994) 312-442. – R.L. Wilken: Die frühen Christen. Wie die Römer sie sahen, 1986. – K. Pietzner: Bildung, Elite und Konkurrenz. Heiden und Christen vor der Zeit Constantins, 2013.

7. Apologetik und christliche Beurteilung des Römischen Reiches

Aufweis der Wahrheit Verteidigung

Bejahung der Obrigkeit

Die Christen reagierten auf die Verdächtigungen und Verfolgungen auch literarisch. Als spezifische Literaturgattung entwickelte sich die Apologetik, die zwei Gedankenkomplexe miteinander verband: a) den Aufweis der Wahrheit der christlichen Religion, auch im Vergleich mit nichtchristlichen Denkkonzepten, besonders der Philosophie, b) die Entkräftung der gegen das Christentum erhobenen Vorwürfe. Letzteres gab der Gattung den Namen (ἀπολογεῖν/apologein/verteidigen). In der apologetischen Literatur finden sich durchaus unterschiedliche Bewertungen der Obrigkeit und des Römischen Reiches, insgesamt herrscht aber eine generelle Be240

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jahung der Obrigkeit vor, die an entsprechende Mahnungen des Paulus (Röm 13,1-7) anknüpfen konnte. Demgegenüber trat eine pauschale Verurteilung der weltlichen Strukturen in den Hintergrund und ist fast nur als binnenchristlicher polemischer Vorwurf und in Randgruppen greifbar. Die Zielrichtung der Apologien war eine doppelte: Zum einen richten sie sich literarisch an gebildete Heiden oder direkt an den Kaiser (wobei unklar ist, ob einer der Kaiser sich jemals mit diesen Schriften befasst hat). Damit wird deutlich, dass Apologien die Auseinandersetzung mit den gebildeten nichtchristlichen Schichten suchen. Zum anderen zielen die Apologien gerade durch diesen Anspruch auch auf die binnenchristlichen Diskurse und geben hier interessierten Christen (oder solchen, die es werden wollten oder mit dem Christentum sympathisierten) Argumente der Selbstvergewisserung und der intellektuellen Durchdringung des Glaubens an die Hand. Diese letztere Ausrichtung wird in der jüngeren Forschung zunehmend betont.

christliche Leser

7.1 Die Apologien des 2. Jh.s Die frühesten Apologien sind ab ca. 120 entstanden, d.h. in unmittelbarer Nachbarschaft oder zeitlicher Überschneidung mit den späten Schriften des Neuen Testaments und parallel zu anderen Richtungen (etwa der Gnosis und Markion). Sie sind dabei ein überregional verbreitetes Phänomen und sowohl im griechischen als auch im lateinischen Sprachraum früh und relativ breit belegt. Übersicht Apologeten Griechisch: Quadratus, Fragmente Aristides, Apologia (Verteidigungsschrift) Justin, Apologia 1 und 2 (bzw. Große und Kleine Apologie) Tatian, Oratio ad Graecos (Rede an die Griechen) Athenagoras, Legatio pro Christianis (Bittschrift für die Christen) Theophilus, Ad Autolycum (An Autolykus) Diognetbrief (oft zu den Apostolischen Vätern gerechnet, vgl. § 1; 2.) im 4. Jh.: apologetisches Doppelwerk von Euseb von Cäsarea: Praeparatio evangelica (Die Vorbereitung des Evangeliums) und Demonstratio evangelica (Der Aufweis des Evangeliums) sowie Athanasius, Contra gentes (Gegen die Heiden)

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Lateinisch: Tertullian, Apologeticum (Verteidigungsschrift), Ad nationes (An die Heiden), Ad Scapulam (An Scapula) Minucius Felix, Octavius (benannt nach der zentralen christlichen Figur in diesem Dialog) Cyprian, Ad Demetrianum (An Demetrianus) im 4. Jh. Arnobius, Adversus nationes (Gegen die Heiden) Lactantius, Divinae Institutiones (Unterweisungen über Gott) im frühen 5. Jh.: apologetische Geschichtswerke von Orosius, Historiae adversus paganos (Geschichtsschreibung gegen die Heiden) und Augustin, De civitate dei (Gottesstadt)

Aristides

Justin

Tatian

Athenagoras

7.1.1 Griechische Apologetik. Von der Apologie des Quadratus, die 125/126 (oder 132) in Athen dem Kaiser Hadrian übergeben worden sein soll, sind nur Fragmente erhalten. Als erste vollständig erhaltene Apologie zeigt die des Aristides (ebenfalls aus Athen) zwei charakteristische Elemente: die ausführliche Polemik gegen den Polytheismus und die Behauptung der alleinigen Wahrheit der christlichen Gotteslehre. Die an den Kaiser Antoninus Pius gerichtete Schrift warb auf dieser Grundlage für die Duldung des Chris­ tentums. Die ausführlichste Apologie stammt von Justin, der seine Apologie auch zu einer umfassenden Darstellung des Christentums nutzte. Justin (gest. um 165), der in Rom eine Schule unterhielt, schilderte das christliche Leben (etwa den sonntäglichen Gottesdienst) und die grundlegenden Inhalte, insbesondere die Schöpfungslehre und die Christologie. Er rekurrierte in umfassender Weise auf mittelplatonisches Gedankengut und entwickelte so insbesondere die Vorstellung von Christus als dem Logos bzw. als dem zweiten Gott (s. § 1; 3.3.2). In der 2. (oder Kleinen) Apologie berichtet er zudem von einer Verfolgungssituation aus Rom: Weil es zwischen einer Christin und ihrem Ehemann zu einem Zerwürfnis kommt und sie sich von ihm trennen will, verklagt der Ehemann nicht nur seine Frau als Christin, sondern auch deren christlichen Lehrer Ptolemäus. Die darauf folgende Untersuchung erstreckt sich dann auch auf Begleiter des Ptolemäus, so dass letztlich mehrere Todesurteile vollstreckt werden. Dieses Vorgehen wird als ungerechtfertigt hingestellt – kein unplausibles Argument, bedenkt man die rechtliche Unklarheit der Christenprozesse. Der aus Syrien stammende Tatian betonte in seiner Oratio ad Graecos (Rede an die Griechen; verfasst zwischen 150 und 172) den Gegensatz zwischen der Offenbarungswahrheit und der römisch-hellenistischen Kultur und Philosophie, der er gleichwohl auch inhaltlich viel verdankt. Demgegenüber betonte der gebildete Athenagoras in seiner Legatio pro Christianis 242

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(Bittschrift für die Christen), die sich um 176-180 an die Kaiser Mark Aurel und Commodus richtete, die Vergleichbarkeit von philosophischen Aussagen und dem christlichen Glauben. Zugleich ging er ausführlich auf die weit verbreiteten Anklagen wegen Atheismus, Verweigerung des Opferkultes, thyesteischer Mahlzeiten und ödipeischer Vermischungen ein. In ähnlicher Weise verband Theophilus aus Antiochia um 180 in seinen drei Büchern Ad Autolycum (An Autolykus) den Aufweis der Wahrheit der christlichen Lehre und der Bibel mit der Verteidigung der Lebensweise der Christen. Er entwi­ ckelte dabei u.a. eine erste christliche Auslegung der Schöpfungsgeschichte. Etliche weitere Apologien sind verloren (z.B. von Miltiades, Apollinaris von Hierapolis und Meliton von Sardes). An diese apologetische Tradition knüpfte Euseb von Cäsarea Anfang des 4. Jh.s an. Er verfasste ein groß angelegtes apologetisches Doppelwerk. Ein Teil mit dem Titel Praeparatio evangelica (Die Vorbereitung des Evangeliums bzw. auf das Evangelium) versucht nachzuweisen, welche Aussagen der christlichen Theologie bereits bei den Griechen (und anderen Völkern) aufzufinden waren. Die Trinitätslehre findet Euseb z.B. nicht nur bei zeitgenössischen Platonikern, sondern auch bei Platon selbst als bereits ansatzweise erkannt. Dadurch wird die Philosophie der Heiden als etwas dargestellt, das der vollen Wahrheit der christlichen Theologie unterlegen ist, diese aber vorbereitet. Diese Schrift ist durch ihre ausführliche Quellenbenutzung eine wahre Fundgrube für Fragmente von sonst nicht überlieferten Schriften. Hinzu kommt der zweite Teil des apologetischen Doppelwerkes mit dem Titel Demonstratio evangelica (Aufweis des Evangeliums), der anhand des Alten Testaments nachweist, inwiefern die christlichen Glaubensgrundsätze bereits im Judentum grundgelegt sind und nur von Christus aus richtig verstanden werden können. Damit verfolgte Euseb eine Strategie, die das Christentum als den richtigen, »dritten Weg« zwischen Heidentum (mit Überbetonung des Polytheismus) und Judentum (mit Überbetonung des Einheitlichen im Gottesbegriff) darstellt. Die Geschichte des Christentums selbst wird entsprechend mit apologetischer Ausrichtung als Geschichte der Verfolgungen dargestellt (so in der berühmten Historia ecclesiastica/Kirchengeschichte, deren Entstehung in die Zeit vor 311 zurückreicht, die aber danach von Euseb mehrfach ergänzt und bearbeitet worden ist). 7.1.2 Lateinische Apologetik. Im lateinischen Bereich ist Tertullian der erste Autor, von dem umfangreichere apologetische Schriften erhalten sind. Sie zeichnen sich durch ihre gekonnte Rhetorik ebenso aus wie durch die Konzentration auf die gegen das Christentum erhobenen Vorwürfe, die Tertullian auffällig wenig mit eigenen Bemühungen um die philosophische Tradition verband (die er gleichwohl an anderer Stelle intensiv rezipierte; dabei stand Tertullian, anders als die meisten anderen christlichen Autoren des 2. und 3. Jh.s, der Stoa besonders nahe, während er den Platonismus als eine wesentliche Voraussetzung der Gnosis ablehnte, vgl. § 2; 10.2). In seinem an 7. Apologetik und christliche Beurteilung des Römischen Reiches

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Theophilus

Euseb Praeparatio evangelica

Demonstratio evangelica

Tertullian

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Apologeticum

Minucius Felix

Euhemerismus

Cyprian

Protreptik

Arnobius

Lactantius

alle Statthalter adressierten, vor 200 (197?) entstandenen Apologeticum (Verteidigungsschrift) konzentrierte er sich auf die Entkräftung der politischen Beschuldigungen und ging seinerseits zum Gegenangriff auf den polytheis­ tischen Götterglauben über (um zu begründen, wieso es für Christen nicht in Frage kam, diese Götter zu verehren, und wie unsinnig es ist, Christen ausgerechnet dafür zu bestrafen). In seinem Kunstdialog Octavius schildert Minucius Felix die Gründe für die Bekehrung zum Christentum. Der Dialogfigur Caecilius, welche die Vorwürfe gegen das Christentum aufbietet, steht die Dialogfigur Octavius gegenüber. Octavius legt zunächst die Exis­ tenz Gottes und die von ihm der Schöpfung eingestiftete Ordnung dar, stellt dann die heidnischen Götter als ursprüngliche, erst nach dem Tod als Götter verherrlichte Menschen der Vorzeit hin (sog. Euhemerismus, genannt nach Euhemeros von Messene, um 300 v.Chr.) und geht schließlich auf die christliche Auferstehungsbotschaft und Martyriumsbereitschaft ein. Cyprian verknüpft in seiner Schrift Ad Donatum (An Donatus) apologetische Motive (so insbesondere die Verurteilung des weltlichen Treibens wie der Gladiatorenspiele, Theateraufführungen, Schlafgemächer, weltlicher Ämter und Ehren sowie des Reichtums) mit einer protreptischen Ausrichtung (Protrepticus = Werbeschrift, vgl. die gleichnamige Schrift des Clemens von Alexandria) auf die Hinwendung zum Christentum hin. Stärker apologetisch ausgerichtet ist die Schrift Ad Demetrianum (An Demetrianus), in der Cyprian nicht nur heidnische Vorwürfe zurückweist, sondern selbst den Verfall der Gesellschaft und des Imperiums als sich abzeichnende Rache und Strafe Gottes für das Fehlverhalten der Heiden bewertet. Dem stellt er die christliche Hoffnung auf das Jüngste Gericht und die Auferstehung gegenüber. In ähnlicher Weise geißelte Arnobius von Sicca (der Ältere) um 303305 in seinem Werk Adversus nationes (Gegen die Heiden) den heidnischen Götterglauben als Ursache vielfältigen Unglücks. Stärker auf den positiven Aufweis der christlichen Wahrheit sind die Divinae Institutiones (Unterweisungen über Gott) des Lactantius ausgerichtet. In diesem siebenbändigen Werk werden zunächst der Götterglaube und die heidnische Philosophie kritisiert, dann die Christologie, die christliche Lebensweise und Ethik als wahre Gerechtigkeit und schließlich die Auferstehungshoffnung behandelt. Lactantius erlebte die neue Religionspolitik Konstantins aus nächster Nähe mit und wurde wenig später (316?) als Erzieher des Konstantinsohnes Crispus an den Kaiserhof in Trier berufen. Nach dem Ende der Verfolgungen lebte diese apologetische Tradition in Geschichtswerken fort, so besonders bei Orosius und Augustin.

7.2 Wertungen des Römischen Reiches

Fürbitte für die Obrigkeit

Im Christentum war seit frühester Zeit eine grundsätzliche Loyalität zur Obrigkeit weit verbreitet. Dies bezeugt die seit Ende des 1. Jh.s belegte gottesdienstliche Fürbitte für die Obrigkeit (vgl. 1.Tim 2,1f. und den Gebetstext im 244

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1. Clemensbrief 50,4-61,3). Hieran änderte sich auch trotz der Verfolgungen nichts. Die Apologeten verwiesen immer wieder darauf, dass die Christen durch ihr vorbildliches Leben und ihre Ethik auch dem Gemeinwesen nützen und (gegen den Atheismusvorwurf gewendet) ja auch zu ihrem Gott für Kaiser und Reich beteten. Aristides leitete daraus den Anspruch ab, die Christen stellten einen besonderen Segen für das Gemeinwesen dar, und Jus­ tin empfahl die Christen als die besten Bürger des Reiches, weil sie mit ihrer Moral freiwillig die gesetzlichen Normen erfüllten, welche die Heiden nicht oder nur aus Angst vor Strafe einhielten (1. Apologie 12.17). Erstmals für Meliton von Sardes (um 175) ist eine Theorie belegt, die die Entstehung der Kirche und eine besondere Blüte des Römischen Reiches miteinander in Verbindung bringt. Danach geht es dem Imperium Romanum gerade dann gut, wenn die Kaiser die Christen gewähren lassen (vgl. Euseb, Historia ecclesiastica/Kirchengeschichte 4,26,7-11). Irenäus von Lyon ordnete um 180 die Funktion der Obrigkeit in die auf den Sündenfall reagierende Heilsgeschichte ein: Dass es auf Zwang basierende Ordnung gibt, die dem menschlichen Zusammenleben nützt, ist der Sündigkeit des Menschen sowie dem Erhaltungswillen Gottes zuzuschreiben, der das Böse eindämmt und die Möglichkeit einer relativen Gerechtigkeit schafft (Adversus haereses/Gegen die Häresien 5,24,2f.). Damit wurde das Grundmuster einer positiven Wertung des Römischen Reiches geschaffen, die sich auf das Verhältnis zu den christlichen Kaisern auswirken sollte. Insbesondere Euseb von Cäsarea, der die konstantinische Wende miterlebte, setzte diese Tradition fort, so besonders in der Vita Constantini (Lebensbeschreibung Konstantins). Gottes Schöpfungswille setzt sich in der bestehenden Ordnung fort, die wiederum vom Kaiser garantiert wird. Nach Jahrhunderten der Verfolgung hat sich mit Konstantin jetzt ein Kaisertum durchgesetzt, welches das Christentum nicht nur nicht verfolgt, sondern sogar unterstützt und fördert. Die traditionelle Deutung, der zufolge der Kaiser nur das Heil und Wohlergehen des Römischen Reiches erhalten kann, wenn er göttlichen Beistand hat, wird nun ins Christliche gewendet. Der Kaiser ist demnach von Gott eingesetzt und kommt seiner Pflicht als frommer Herrscher nach, indem er die Kirche unterstützt und so wiederum die Verkündigung des Evangeliums und die Ausbreitung des Christentums fördert. Diese Vorstellung kommt der späteren Vorstellung einer Synergie, einer heilsgeschichtlich gewollten Konvergenz und Kooperation von Kirche und weltlicher Obrigkeit, bereits sehr nahe. Abweichend von dieser Grundrichtung lehnten nur wenige christliche Theologen die weltliche Obrigkeit insgesamt als Teil der sündhaften Welt ab. Die aus der jüdischen Geschichte ererbte Kritik an Babylon konnte auf Rom übertragen werden, Rom im apokalyptischen Kontext geradezu zum Inbegriff des Satansreiches werden (so etwa bei Hippolyt von Rom). Doch blieben diese Stimmen in der Minderheit. Immerhin findet sich bei Tertullian bereits eine deutliche Distanz gegenüber der Vorstellung, das Wohlergehen 7. Apologetik und christliche Beurteilung des Römischen Reiches

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Euseb, Vita Constantini

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des Römischen Reiches sei heilsgeschichtlich von Gott so gewollt. Grundsätzlich entwickelt diesen Gedanken dann Augustin in seiner apologetisch ausgerichteten Geschichtssicht in De civitate dei (Gottesstadt) (vgl. § 5; 9.). Seine Sicht, die den vorläufigen und relativen Wert weltlicher Ordnungen insgesamt betonte, war auch zu seiner Zeit nicht vorherrschend, wie man etwa an Orosius’ Geschichtsdeutung in seinem Werk Historiae adversus paganos (Geschichtsschreibung gegen die Heiden) sehen kann (in dem eine universalgeschichtliche Perspektive zeigen soll, wie sehr sich die Welt durch die Ausbreitung und zunehmende Durchsetzung des Christentums verbessert hat). 7.3 Literatur Lektüretipp: W. Kinzig: Der »Sitz im Leben« der Apologien in der Alten Kirche, ZKG 100 (1989) 291-317. Quellen: E.J. Goodspeed (Hg.): Die ältesten Apologeten, 1914; ND 1984. – M. Fiedrowicz: Christen und Heiden. Quellentexte zu ihrer Auseinandersetzung in der Antike, 2004 [Übers.]. – T. Georges (Hg.): Tertullian, Apologeticum, FC 62, 2015 [zweisprachig]. – D. Schleyer (Hg.): Tertullian, De praescriptione haereticorum, FC 42, 2002 [zweisprachig]. Literatur: W. Kinzig: Novitas Christiana, 1994, 376-483. – M. Fiedrowicz: Apologie im frühen Christentum, 3. A. 2005. – R.N. Grant: Greek Apologists of the Second Century, 1988. – A.-C. Jacobsen: Main Topics in Early Christian Apologetics, in: Ders./J. Ulrich/D. Brakke (Hg.): Critique and Apologetics, 2009, 85-110. – Ders./J. Ulrich (Hg.): Three Greek Apologists, 2007 [zu Origenes, Euseb und Athanasius]. – J. Engberg/A.-C. Jacobsen/J. Ulrich (Hg.): In Defence of Christianity. Early Christian Apologists, 2014. – B. Pouderon/J. Doré (Hg.): Les apologistes chrétiens et la culture grecque, 1998. – T. Georges: Tertullian, Apologeticum. Kommentar zu frühchristlichen Apologeten 11, 2011. – H.M. Zilling: Tertullian. Untertan Gottes und des Kaisers, 2004. – C. Schubert: Minucius Felix, Octavius. Kommentar zu frühchristlichen Apologeten 12, 2014. – J. Ulrich: Euseb von Caesarea und die Juden, 1999.

 § 1; 3.

8. Allgemeine Christenverfolgungen unter Decius und Valerian

reichsweites Bittopfer

Waren die Verfolgungen bisher unkoordinierte Einzelmaßnahmen auf Provinzebene mit nicht ganz klarer Rechtslage, so ergab sich durch die Anordnungen der Kaiser Decius und Valerian, die ein reichsweites Bittopfer vorsahen, erstmalig eine reichsweite Christenverfolgung. Vieles spricht dafür, dass die Christenverfolgung nicht eine gezielte, gegen die Kirche als Institution gerichtete Maßnahme war, sondern eher ein an sich unerwünschter Effekt des allgemeinen Bittopfers für Kaiser und Reich, das im Zusammenhang einer Reformpolitik stand, die eine Rückbesinnung auf alte römische Traditionen und die erklärte Loyalität der Bürger des Römischen Reiches mit sich brachte.

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8.1 Die These von der Reichskrise In der älteren Forschung hat man das 3. Jh. als Krise des Römischen Reiches zu interpretieren versucht. Dafür verwies man auf Anzeichen einer sich verschlechternden wirtschaftlichen Gesamtsituation wie Münzverschlechterung und Preiserhöhungen sowie den Ausbau von Heer und Verwaltung. Das Römische Reich habe sich mehr und mehr zu einem »Zwangsstaat« unter Vorherrschaft des Militärs entwickelt. Die jüngere Forschung ist in der Bewertung der Fakten zurückhaltender. Inflation und Steuererhöhungen, Anwachsen der Städte und vereinzelte soziale Unruhen bewegen sich nicht in einem besonders auffälligen Bereich und stehen neben einem Aufschwung der Infrastruktur und umfangreichen Baumaßnahmen. Die Verwaltungsstruktur des Römischen Reiches wurde nach und nach ausgebaut, Verteidigungsmaßnahmen wurden wirksam eingesetzt, sowohl gegen die Perser als auch gegen die Goten und die seit 248 in den Donauraum vordrängenden Hunnen, auch wenn die hierfür notwendigen Gelder ihrerseits wiederum Steuererhöhungen nach sich zogen und die öffentliche Finanznot nicht linderten. Richtig ist auch, dass es nach der Severerdynastie (193-235) zu einer fast fünfzigjährigen Zeit immer wieder aufflackernder Thronwirren kam, in denen das römische Heer zunehmend die Initiative zu Kaisererhebungen ergriff (zwischen 235 und 284 regierten über dreißig Kaiser). Daraus lässt sich jedoch keine umfassende »Reichskrise« konstruieren. Insgesamt wird man mit einem erheblichen, gerade auch wirtschaftlichen Wachstum (insbesondere des Ostens des Reiches) rechnen müssen. Hiervon profitierten insgesamt auch die Kirchen, die im 3. Jh. zunehmend zu umfassenden und auch öffentlich sichtbaren Institutionen in der Stadt wurden (mit entsprechend wachsender Bedeutung der Bischöfe). Die Kaiser zielten auf eine zunehmende Integration der Provinzen und versuchten immer wieder, die regional stark differierenden Bedingungen im Reich zu vereinheitlichen. In diesen Zusammenhang gehört auch die constitutio Antoniniana (Festlegung des Antoninus) des Kaisers Antoninus Caracalla (211-217) von 212, die (fast) alle Einwohner des Römischen Reiches zu römischen Bürgern machte (unter Beibehaltung der bisherigen, regionalen Bürgerrechte). Dadurch wurde die Frage der inneren Einheit des Reiches immer drängender. Es ist demnach einleuchtender, die Verordnungen des Decius und Valerian in diese Reformbemühungen einzuordnen, als sie als verzweifelte Reaktion auf eine dramatische Reichskrise hinzustellen.

Aufschwung

Kaisererhebungen

constitutio Antoniniana

8.2 Das allgemeine Bittopfer unter Decius 249/250 Decius erließ kurz nach seinem Regierungsantritt als flankierende Maßnahme ein allgemeines Bittopfer (supplicatio) für das ganze Reich. Er ordnete durch ein Edikt an, dass den römischen Göttern und Kaisern geopfert werden müsse. Dies zielte wohl auf den Erweis der Solidarität mit und Loyalität zum Imperium Romanum und seinem princeps (Vorsteher, Anführer). Ungewöhnlich war der Zwangscharakter dieser Maßnahme, denn die Opfer mussten vor Kommissionen absolviert und schriftlich bescheinigt werden. Die Maßnahme richtete sich an alle Reichsbewohner, ohne dass klar wäre, wie umfassend und konsequent sie in den einzelnen Provinzen wirklich durchgeführt worden ist. Die Aktion zielte nicht auf die Christen und erst recht nicht auf die Institution Kirche. Sie wirkte nur insofern als Christenverfolgung, als Christen sich nicht dazu bereitfanden, neben dem eigenen Gott auch die kapitolinische Trias und die Kaiserbilder zu verehren. 8. Allgemeine Christenverfolgungen unter Decius und Valerian

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Edikt

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Abb. 5a Provinzen des Imperium Romanum um 180 (Westlicher Teil)

Mare Germanicum

Britannia

Germania inferior

ein

Rh

Oceanus Atlanticus

Belgica Lugdunensis

Decumates agri Raetia Germania superior 3

Aquitania 2 Narbonensis

Lusitania

1

4

u

Noricum Pannonia superior Pannonia inferior

Liguria Aemilia

Corsica

Sardinia

Baetica

na

Venetia et Istria

Etruria

Tarraconensis

Do

Dalmatia

Umbria Picenum

Samnium Apulia et Calabria

Latium et Campania

Macedonia

Lucania et Bruttium

Mare Internum

Moesia superior

Epirus

Sicilia Mauretania Tingitana

Mauretania Caesariensis Numidia

Africa proconsularis

1 Alpes Maritimae 2 Alpes Cottiae 3 Alpes Poeninae et Graiae 4 Transpadana

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0

100 200 300 km

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Abb. 5b Provinzen des Imperium Romanum um 180 (Östlicher Teil)

Noricum

Provincia trium Daciarum Pannonia inferior Dalmatia

Picenum

Pontus Euxinus

nau

Do

Moesia superior

Moesia inferior Pontus et Bithynia

Thracia

Cappadocia Galatia

Macedonia Epirus

Tigris

Asia Lycia et Pamphylia

Achaia

Eup

hra t

Cilicia Syria

Iudaea

Mare Internum

Arabia

Africa proconsularis Creta et Cyrene Aegyptus

l

Ni

Sinus Arabicus

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Abb. 6a Provinzen des Imperium Romanum um 320 (Westlicher Teil)

Britannia secunda

Mare Germanicum

MaximaFlaviaCaesariensis Caesariensis Britannia prima

Lugdunensis secunda

P RA E F E CTU RA GAL L I AE

Belgica prima

ein

Belgica secunda

Rh

Oceanus Atlanticus

Germania secunda Germania prima

Lugdunensis prima Sequania

au

Don

Noricum ripense

Raetia Noricum Pannonia Aquitania mediterra- superior 4 prima Aquitania 5 neum secunda Viennensis Liguria et Venetia et Savensis Istria Aemilia 6 Novem 3 Populi 2 Flaminia et Narbonensis 1 Picenum Dalmatia prima Tuscia et Umbria Tarraconensis Corsica Samnium

Gallaecia

Lusitania

Apulia et Calabria

Campania

Carthaginensis Sardinia

Baetica

Lucania et Bruttium

Mare Internum Mauretania Tingitana

Mauretania Caesariensis

Mauretania Sitifensis

Africa proconsularis

Numidia

Dardania

Epirus Vetus

Sicilia

P RAE FE CTU RA ITAL IA Byzacena

Tripolitana 1 Narbonensis secunda 2 Alpes Maritimae 3 Alpes Cottiae 4 Alpes Poeninae et Graiae 5 Valeria 6 Pannonia inferior

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Abb. 6b Provinzen des Imperium Romanum um 320 (Östlicher Teil)

Noricum ripense Noricum mediterraneum

Valeria Pannonia inferior

Pontus Euxinus

nau

Do

Dalmatia Moesia superior

Dacia

Pontus Polemoniacus

Moesia inferior

Paphlagonia HelenoThracia Haemimontus Praevali- Dardania pontus tana 1 Rhodope Armenia Macedonia Bithynia minor Epirus Galatia Hellespontus Nova Mesopotamia Tig Cappadocia ris 3 4 Epirus Thessalia Lydia 2 Osrhoene Cilicia Asia Vetus Pisidia

PRA E F E CTU RA I L LYR I C UM Caria Achaia

Lycia et Isauria Pamphylia

Libya inferior

ra t

P RA E FE CTU RA OR I E N S

Mare Internum

Libya superior

ph

Cyprus Libanensis Phoenice

Creta

Tripolitana

Eu

Coelesyria

Palaestina

Arabia

Arabia Nova

Aegyptus Iovia Aegyptus Herculia

l

Ni

Thebais

Sinus Arabicus

1 Europa 2 Phrygia prima 3 Phrygia secunda 4 Syria Euphratensis 0

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Kommissionen

Flucht von Klerikern

confessores

8.2.1 Die Nachrichten über das Edikt und die libelli (Bescheinigungen). Neben den christlichen Berichten (aufschlussreich der Bericht des Dionysius von Alexandria bei Euseb, Historia ecclesiastica/Kirchengeschichte 6,40,2-42,6 und Informationen in den Briefen Cyprians) hat man für die Opfermaßnahme des Decius in Ägypten auch Papyri gefunden, sog. libelli (Bescheinigungen) über die erfolgte Opfermaßnahme. Sie sind genau datiert und belegen jeweils das vor einer Kommission erbrachte Opfer. Das Opfer wird mit der Zusicherung verbunden, immer die römischen Götter und die Kaiser verehrt zu haben, eventuell geht dies ebenso auf das Edikt zurück wie die Anordnung, explizit von dem Opferfleisch zu kosten. Dass die Maßnahme nicht auf Christen zielte, belegt u.a. eine Bescheinigung der Priesterin des Krokodilgottes Petesuchos namens Aurelia Ammonous in der Stadt Arsinoë. Die christlichen Quellen datieren den Beginn der Verfolgung auf den Herbst 249, die erhaltenen Papyri stammen aus dem Sommer 250. Der Vergleich mit entsprechenden Vorstellungen von der Reichseinheit (etwa bei Cassius Dio in der sog. Maecenasrede [von 214?]) macht wahrscheinlich, dass die Maßnahme die Gunst der römischen Götter wiederherstellen und die religiöse Einheit des Reiches stärken sollte. 8.2.2 Die Wirkung als Christenverfolgung. Für die Christen musste die Maßnahme verheerend wirken. Zwar zielte sie nicht in erster Linie auf die Kleriker, doch waren diese in vielen Städten allgemein bekannte und öffentlich agierende Personen, die kaum übergangen werden konnten. Die Art und Weise, wie das Edikt die Loyalität zum Imperium Romanum einforderte, stellte die einzelnen Christen vor die Entscheidung: Entweder opferten sie, dann gaben sie ihre Zugehörigkeit zur Kirche preis, oder sie weigerten sich und standen dann als Feinde des Reiches und des Gemeinwesens da. Dies stellte insbesondere die Kleriker vor die Wahl, entweder zur Kirche oder zum Imperium zu stehen. Nicht wenige versuchten, sich dieser Entscheidung durch Flucht zu entziehen (wie Cyprian von Karthago). Die Behörden versuchten, den Christen die Möglichkeit zur Umkehr einzuräumen, etwa durch Gefängnisstrafen oder Konfiskation der Güter. Dies führte dazu, dass nicht wenige Kleriker eingekerkert waren, sich aber nicht zum Abfall überreden ließen. Nach dem Ende der Verfolgungsmaßnahmen beanspruchten sie als confessores (Bekenner) besondere geistliche Vollmacht. Andere starben noch Jahre später an den Folgen der im Gefängnis erlittenen Folter (berühmtes Beispiel: Origenes, der 254 an den Folgen der Haft starb). Dies wertete man als Martyrium. Da es dem Imperium nicht darum ging, Christen zu vernichten (oder gar wichtige Bürger abzuschlachten), wurden nur als letzte Maßnahme Todesurteile verhängt. Schlagartig beendet wurde die Verfolgung mit den Thronwirren, die Decius’ Tod im Kampf gegen die Goten im Juni 251 folgten. 252

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8.2.3 Das Apostatenproblem. Die Verfolgung unter Decius führte innerhalb der Kirche zu enormen Problemen: Die Tatsache, dass zahlreiche Christen geopfert und so ihren Abfall vom Christentum manifestiert hatten, stellte die Frage, ob solchen Christen nach der Verfolgung vergeben werden dürfe. Nach traditioneller Auffassung gab es für eine Todsünde wie den Abfall vom Chris­ tentum keine Buße, also auch keine Aufnahme reuiger lapsi (Abgefallener). Einige der lapsi verwiesen aber wohl darauf, dass sie nicht eigentlich geopfert hatten, sondern nur das als weniger gewichtig eingeschätzte Weihrauchopfer dargebracht hätten (sog. turificati/die, die Weihrauch geopfert haben) oder die Opferbescheinigung durch Bestechung erschlichen hätten, ohne tatsächlich geopfert zu haben (sog. libellatici/die, die eine Bescheinigung erworben haben). Cyprian vertrat die Meinung, dass diese Gruppen ebenso gesündigt hatten wie die sacrificati (die, die geopfert haben). Diese Position war jedoch umstritten. Hinzu kam der Anspruch von Christen, die eingekerkert, aber nicht hingerichtet worden waren und die nun als standhafte confessores (Bekenner) besondere Geistvollmacht für sich beanspruchten. Sie führten ihre Standhaftigkeit auf den in ihnen wirksamen Heiligen Geist zurück und leiteten hieraus die Vollmacht ab, reuige lapsi wiederaufzunehmen. Dem trat Cyprian mit dem Verweis auf das Bischofsamt entgegen (vgl. § 2; 13.5). Cyprian war aber klug genug, um in dieser für den Bestand der Kirche wichtigen Frage den Konsens der Bischöfe zu suchen, und öffnete sich nach und nach einer vermittelnden Position, die auch in Rom vertreten wurde. Dort befürwortete man grundsätzlich die Möglichkeit einer Eingliederung der Bußfertigen. Das bedeutete langfristig eine Stärkung der Institution Kirche.

lapsi turificati libellatici sacrificati

8.3 Valerians Maßnahmen 257-259 Unter dem Nachfolger des Decius, Trebonianus Gallus, kam es nicht zu weiteren reichsweiten Maßnahmen, die als Christenverfolgungen wirkten. Dies war auch in den ersten Jahren der Regierungszeit des Valerian nicht der Fall, der ab 253 regierte. Ab Herbst 257 setzte Valerian die Politik des Decius fort und zielte durch ein Edikt auf die Integration auch der Christen in das Imperium Romanum. Dazu sollten besonders die Kleriker die römischen Götter verehren (ohne dass dies aus Sicht des Imperium Romanum bedeuten muss­ te, die eigene Religion aufzugeben). Gedacht war wie unter Decius nicht an eine Ausrottung der christlichen Religion, sondern an den positiven Aufweis seitens der Christen, dass sie zum Imperium Romanum stünden. Neu war unter Valerian jedoch, dass sein Edikt, dessen Inhalt nur aus christlichen Berichten rekonstruiert werden kann, sich wohl in erster Linie an Kleriker wandte. Valerian nahm also gezielt die Führungsschicht der Kirchen ins Visier. Für den Weigerungsfall drohte er damit, die Kleriker zu exilieren oder hinzurichten. Bezeugt sind außerdem weitere Strafmaßnahmen, besonders das Verbot christlicher Versammlungen und das Betreten der christlichen Friedhöfe. Übertretungen dieser Strafbestimmungen führten dann wohl 8. Allgemeine Christenverfolgungen unter Decius und Valerian

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Kleriker

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Todesstrafe

auch zu Verfolgungsmaßnahmen gegen christliche Laien. Viele Kleriker flohen, versteckten sich oder wurden verhaftet und verbannt. Im Frühjahr 258 bestätigte und verschärfte Valerian diese Maßnahmen noch. Die Verschärfung lag insbesondere darin, dass nun auch die Todesstrafe bei Opferverweigerung explizit vorgeschrieben wurde. Für Senatoren und Angehörige des Kaiserpalastes galten Verbannung, Zwangsarbeit und Konfiskation der Güter. Berühmtestes Opfer in Nordafrika wurde Cyprian, der fortan als Märtyrerbischof verehrt wurde. In Rom traf die Verfolgung den römischen Bischof Sixtus und einige Diakone, darunter den legendären Laurentius. Die Verfolgungsmaßnahmen schädigten die Strukturen der Kirche stark, denn nun wurden auch kirchliche Gebäude, Friedhöfe, Kassen und Hilfsmittel für die Armenfürsorge eingezogen. Die Verfolgung fand ein rasches Ende, als Valerian bei Edessa in einer Schlacht in Gefangenschaft geriet und sein Sohn Gallienus die Regentschaft übernahm.

8.4 Vierzigjährige Friedenszeit Angesichts der äußeren Bedrohung (besonders durch das Perserreich) ordnete Gallienus (253-268) die Beendigung der Verfolgungsmaßnahmen an und befahl die Freilassung der Gefangenen sowie die Rückgabe der kirchlichen Liegenschaften. Dieser Kurswechsel bedeutete keine grundsätzliche Toleranz des Christentums, sondern bloß eine Rückkehr zu dem unklaren Rechtsstatus vor Beginn der Verfolgungsmaßnahmen. Die Kirche entfaltete in der Folgezeit ein ungestörtes, zunehmend blühendes Leben, das sich auch mehr und mehr in der Öffentlichkeit bewegte. Unklar ist, ob es unter Aurelian (270-275) Vorbereitungen erneuter Christenverfolgungen gegeben hat. Aurelian strebte wohl eine Kultreform an, die darauf zielte, die alte römische Religion in eine allgemeine Verehrung der Sonne als oberstem Reichsgott einzubinden, wobei sich der Kaiser als dessen Stellvertreter auf Erden ansah. Das Christentum war in diese Synthese nicht eingebunden. Die Ermordung des Kaisers im Jahr 275 machte diese Pläne zunichte. 8.5 Literatur Lektüretipp: J. Molthagen: Der römische Staat und die Christen im zweiten und dritten Jahrhundert, 2. A. 1975, 61-100. Quellen: P. Guyot/R. Klein (Hg.): Das frühe Christentum bis zum Ende der Verfolgungen, Bd.1, 1993, 124-165. Literatur: C. Andresen: »Siegreiche Kirche«, ANRW II.23/1, 1979, 387-459. – Ders.: Der Erlass des Gallienus an die Bischöfe Ägyptens, StPatr 12, 1975, 385-398. – R. Selinger: Die Religionspolitik des Kaisers Decius, 1994. – Ders.: The Mid-Third Century Persecutions of Decius and Valerian, 2. A. 2004. – H.A. Pohlsander: The Religious Policy of Decius, ANRW II.16/3, 1986, 1826-1842. – K.-H. Schwarte: Die Christengesetze Valerians, in: W. Eck (Hg.): Religion und Gesellschaft in der römischen Kaiserzeit, 1989, 103-163. – T. Glas: Valerian. Kaisertum und Reformansätze in der Krisenphase des Römischen Reiches, 2014.

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9. Diokletians Reichsreform und die Christenverfolgung 303-311 Eine durchgreifende Reform der politischen Struktur des Reiches war am Ende des 3. Jh.s dringend notwendig. Die durch Diokletian eingeführten Reformen stabilisierten das Reich nachhaltig, auch wenn das von ihm intendierte System, die sog. Tetrarchie, keinen dauerhaften Bestand hatte. Diokletian orientierte sich an altrömischen Traditionen. Dies bedeutete auch, dass er dem Zusammenhang von religio (Gottesverehrung) und salus publica (Gemeinwohl) besondere Aufmerksamkeit widmete. Trotzdem wandte er sich erst nach fast zwanzigjähriger Herrschaft der Frage zu, wie das Imperium Romanum mit dem Christentum umgehen solle. Die darauffolgende Christenverfolgung übertraf die von Decius und Valerian durch ihren systematischen und explizit gegen die Kirche gerichteten Charakter.

9.1 Die diokletianischen Reformen 9.1.1 Neuzuschnitt der Provinzen. Der aus Dalmatien stammende General Diocles, der 284 vom Heer zum Kaiser erhoben wurde und sich seitdem Diokletian nannte, veränderte durch eine energische Regierungsarbeit die Strukturen des Imperiums. Deren Stabilisierung förderte er durch eine großangelegte Neuordnung der Provinzen. Dazu wurden viele Provinzen geteilt oder entsprechend neu zugeschnitten, so dass es nunmehr 96 Provinzen gab. Außerdem führte er zwischen Kaiserhof und Provinzen eine Zwischenebene ein, die (insgesamt 12) sog. Diözesen unter der Leitung kaiserlicher Beamter (wobei die Zuständigkeiten der Ziviladministration in Abgrenzung von der Militärstruktur nach wie vor nicht ganz klar waren). Zudem nahm Diokletian eine umfassende Steuerreform in Angriff und versuchte, die Wirtschaft zu stabilisieren und die Inflation gering zu halten (das berühmte Höchstpreisedikt war nur eine der vielen Maßnahmen und keineswegs die Ausnahme, die man in ihm in der Vergangenheit gesehen hat). 9.1.2 Das System der Tetrarchie. Schon früh war es üblich geworden, dass der Kaiser die politische Stabilität dadurch zu stärken suchte, dass er seinen Sohn oder Nachfolger (etwa besonders fähige Generäle) zum Mitregenten ernannte. Dies war oft mit dem Titel Caesar (unter Aufnahme des Namens von Caius Iulius Caesar, gemeint ist eine Art »Mitkaiser«) verbunden. Diokletian entwickelte hieraus eine ideale Struktur, für die intendiert war (und das war neu), dass die jeweiligen Augusti (Kaiser) nach 20 Jahren abdankten und den bisherigen Cäsaren das Kaiseramt überließen, die dann neue Cäsaren ernannten. Zudem ging Diokletian von einer Doppelspitze von zwei Augusti aus, die dem zunehmend in Osten und Westen auseinanderdriftenden Imperium vorstehen sollten. Daraus ergab sich die Tetrarchie (Viererherrschaft). Diokletian ernannte 286 den General Maximian zum Augustus. Hinzu kamen ab 293 die beiden Cäsaren Galerius und Constantius Chlorus, so dass die Viererherrschaft etabliert war. Diokletian (mit Sitz in Nikomedia) regierte im Osten mit Galerius als Cäsar (mit Sitz in Sirmium und Thessalonike), Maximian im Westen (mit Sitz in Mailand und Aquileia) mit Constantius Chlorus als Cäsar für Gallien und England (mit Sitz in Trier und York). Dadurch sollte eine konsequente Präsenz kaiserlicher Macht insbesondere an den umkämpften Grenzen gegen die Germanen und Perser erreicht werden. 9. Diokletians Reichsreform und die Christenverfolgung 303-311

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Diözesen

2 Augusti – 2 Cäsaren

Osten – Westen

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9.1.3 Die Reorganisation der römischen Religion. Bestandteil der Reformpolitik war auch das Bemühen um eine religiöse Neubelebung. Dazu knüpfte Diokletian an Tendenzen an, die in Zeus bzw. Iuppiter den höchsten, eigentlichen Gott und Weltenlenker sahen. Sich selbst präsentierte er als Sohn und irdischen Stellvertreter (mit dem Beinamen Jovius/der Iuppiter-artige bzw. zu Iuppiter gehörende), wodurch das Kaisertum theokratische Züge annahm, die z.B. im Ausbau des Hofzeremoniells (vor allem der Proskynese, d.h. des verehrenden Hinfallens vor dem Kaiser) zum Ausdruck kamen. Maximian griff die Herkulesverehrung auf und präsentierte sich als Herculius (der Hercules-artige). Dem Ziel der Neubelebung der altrömischen Religion und ihrer Verbindung mit dem tetrarchischen System dienten auch der Ausbau von Tempeln, die Reorganisation von Priesterschaften und die geregelte Durchführung des Opferkultes.

9.2 Maßnahmen gegen die Manichäer Dem Programm einer Restauration der altrömischen Religion im Zusammenhang der Reformpolitik entsprach das Edikt von 302 (wohl nicht 297), das sich an den Statthalter in Nordafrika richtete und den Manichäismus als eine neue und dazu noch aus Persien stammende (somit auch politisch verdächtige) Bewegung verbot. Die entsprechenden Maßnahmen waren grausam (Hinrichtung der Anführer, Tötung oder Exilierung der Gläubigen, Verbrennung der Schriften). Die Maßnahmen sind in ihrer Schärfe mit den späteren Edikten gegen die Christen vergleichbar.

9.3 Edikte gegen die Christen 303/304

Opfertest 299?

späte Maßnahmen

Bereits 299 hatte der Kaiser vereinzelte Maßnahmen gegen Christen durchgeführt, die zunächst den kaiserlichen Hof, dann wohl auch das Militär insgesamt betrafen. Der genaue Umfang und die Zielrichtung dieser Maßnahmen sind umstritten. Vermutlich wurden Palastangehörige und Heeresangehörige zum Opfer vor der kapitolinischen Trias und den Kaiserstandbildern verpflichtet. Undeutlich ist sodann, ob die Maßnahmen bereits ein Vorspiel für die späteren Edikte gegen die Christen darstellten oder eher Einzelmaßnahmen ohne systematischen Hintergrund waren. Erst 303 begann Diokletian nach ausführlichen Beratungen in Nikomedia mit der Christenverfolgung. Warum er dies erst so spät anging, bleibt unklar. Vielleicht wollte er auch noch das Problem der Christen lösen, bevor er 305, wie im System der Tetrarchie vorgesehen, zurücktreten würde. Vielleicht stand ihm auch die Größe und Schwierigkeit der Aufgabe vor Augen, so dass er erst aufgrund gesicherter Herrschaft das entsprechende Vorhaben anpacken wollte. Die Edikte sind nicht erhalten und müssen aus christlichen Quellen rekonstruiert werden (weder Euseb, Historia ecclesiastica/Kirchengeschichte 8,1-17 noch Lactantius, De mortibus persecutorum/Über die Todesfälle der Verfolger 10-35 berichten vollständig). Die von Lactantius hervorgehobene Beteiligung des Galerius ist im Einzelnen unklar, Diokletian dürfte als der eigentliche Urheber gelten. Seine Maßnahmen unterschieden sich von denen Valerians dadurch, dass er direkt gegen die kirchlichen Strukturen vorging. 256

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9.3.1 Der Beginn der Verfolgungen. Die Aktion begann am 23.2.303 mit der Zerstörung der Hauptkirche in Nikomedia in der Nähe des Kaiserpalastes. Diesem Signal entsprach ein reichsweit gültiges Edikt mit folgenden Anordnungen: 1. Zerstörung aller Kirchengebäude, 2. Ablieferung und Verbrennung der heiligen Schriften, 3. Christen büßten ihre Rechtsfähigkeit ein und durften somit ihrerseits keine Prozesse anstrengen; außerdem verloren sie ihre Ämter und Privilegien, 4. Die Freigelassenen wurden, sollten sie Christen bleiben wollen, in den Sklavenstand zurückversetzt. Auffällig ist, dass das Edikt vermutlich nicht unmittelbar mit der Tötung der Christen drohte, sondern versuchte, die christliche Infrastruktur zu schädigen und Christen erhebliche rechtliche Nachteile zu verschaffen. Die Folgen des Edikts waren überall im Reich Kirchenzerstörungen, Bücherverbrennungen und Exilierungen. Die Situation verschärfte sich, als im Kaiserpalast ein Brand ausbrach, der den Christen zur Last gelegt wurde. Diokletian zwang daraufhin alle Hofangehörigen, auch seine Frau Prisca und seine Tochter Valeria, zur Ableistung des Opfertests. 9.3.2 Der weitere Verlauf der Verfolgungsmaßnahmen. Da die Maßnahmen nicht den erwünschten Effekt brachten, erließ Diokletian im Frühjahr 303 ein zweites Edikt, welches direkt die Inhaftierung aller Kleriker befahl. Bald darauf kam wohl ein drittes Edikt heraus, welches das Götteropfer forderte und im Fall des Vollzuges die Freilassung, im Fall der Verweigerung die Todesstrafe vorsah. Die Zahl der Märtyrer war beträchtlich, noch größer war jedoch die Zahl der Kleriker, die den Drohungen und Folterungen nachgaben. Ein viertes Edikt, wohl von Anfang 304, forderte von allen Christen ein allgemeines Opfer und drohte im Weigerungsfall die Deportation zur Zwangsarbeit oder die Hinrichtung an. Dieses Edikt knüpfte zwar formal an die Maßnahmen von Decius und Valerian an, steht jedoch nach den vorangegangenen Edikten in einem anderen Kontext, der nämlich nicht die Integration der Christen ins Imperium Romanum zum Ziel hatte, sondern die Ausschaltung der Kirche und die Ausrottung des Christentums.

1. Edikt

2.-4. Edikt

9.4 Der Verlauf der Verfolgungen 305-311 Bei der Durchführung der Edikte wirkte sich die unterschiedliche Haltung der vier Herrscher aus. Im Gebiet des Constantius Chlorus (305-306) gab es in Gallien Kirchenzerstörungen, aber keine Martyrien, unter Maximian fand in Italien, Spanien und Nordafrika eine kurze, blutige Verfolgung statt. Im ganzen Osten ging man unter Diokletian und Galerius systematischer vor. 305 erfolgte die im System der Tetrarchie vorgesehene geplante Abdankung der beiden Augusti Diokletian und Maximian. Galerius als neuer Augustus des Ostens setzte Maximinus Daia als Cäsar ein, beide setzten die Christenverfolgung konsequent fort. Besonders Maximinus Daia profilierte sich in seinem Herrschaftsgebiet Palästina/Ägypten als Christenverfolger (durch weitere Edikte 306 und 309). Im Westen dagegen schlief die Verfolgung nach 305 weitgehend ein. Dies hing auch damit zusammen, dass nach dem überraschend frühen Tod von Constantius Thronwirren entbrannten. Der als Nachfolger vorgesehene Severus musste sich gegen den Sohn des Constantius, Konstantin, sowie gegen Maximians Sohn Maxentius zur Wehr setzen. Konstantin war von den Truppen in England zum Kaiser erhoben worden, Maxentius von den Truppen in Italien. Nachdem Severus bald besiegt war, 9. Diokletians Reichsreform und die Christenverfolgung 303-311

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Unterschied Osten – Westen

Konstantin

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spitzte sich der Kampf auf Konstantin und Maxentius zu. Konstantin leitete dabei eine Erneuerung der Religionspolitik ein, indem er sich als gegenüber dem Christentum tolerant gerierte. Die Kämpfe um die Nachfolge des Constantius bedeuteten das Ende des Systems der Tetrarchie.

9.5 Das sog. »Toleranzedikt« des Galerius 311

Kirchenbau

Gebet für das Imperium

Die von Diokletian eingeleiteten Maßnahmen gegen das Christentum scheiterten insgesamt, weil das Christentum bereits eine zu bedeutende Größe war, die sich aus der Gesellschaft nicht mehr gewaltsam verdrängen ließ, weil die durch die Maßnahmen ausgelösten Zerstörungen und Verfolgungen Unruhe brachten und das Reich destabilisierten, weil die Herrscher in den einzelnen Reichsteilen unterschiedlich vorgingen und weil die Folgen für Bevölkerung und Wirtschaft besonders im blühenden Osten des Imperiums fatal waren. Der Aufstieg Konstantins zwang schließlich Galerius zu einem radikalen Kurswechsel. In einem (wie immer) im Namen aller Herrscher am 30.4.311 in Nikomedia erlassenen Edikt (Text bei Lactantius, De mortibus persecutorum/Über die Todesfälle der Verfolger 34) erklärte er nicht nur die Maßnahmen gegen die Christen für beendet, sondern gestattete den Christen auch ausdrücklich, wieder Kirchen zu bauen und Gottesdienst zu feiern. Ganz in Anknüpfung an das Verständnis des Zusammenhangs von Religion und Imperium forderte Galerius die Christen auf, für das Heil des Imperiums zu beten. Er ließ zugleich keinen Zweifel daran, dass er das Christentum innerlich ablehnte. Ziel des Edikts war es, die Kirche für die Bestandssicherung des Reiches in die Pflicht zu nehmen. Das Edikt ist also nicht als Ausdruck einer allgemeinen Toleranz gegenüber Religionen zu bewerten, die man selbst ablehnt, sondern als ein Zugeständnis, das zugleich die alte Vorstellung von der religiös fundierten salus publica (dem Gemeinwohl) erneut aufgriff. Hieran konnten die christlichen Kaiser ab Konstantin anknüpfen. 9.6 Literatur Lektüretipp: J. Molthagen: Der römische Staat und die Christen im zweiten und dritten Jahrhundert, 2. A. 1975, 101-122. Quellen: P. Guyot/R. Klein (Hg.): Das frühe Christentum bis zum Ende der Verfolgungen, Bd.1, 1993, 166-191. Literatur: F. Kolb: Diocletian und die Erste Tetrarchie, 1987. – A. Demandt/A. Goltz/H. Schlange-Schöningen (Hg.): Diokletian und die Tetrarchie, 2004. – M.U. Sperandio: Diocleziano e i cristiani. Diritto, religione, politica nell’era dei martiri, 2013. – W. Portmann: Zu den Motiven der Diokletianischen Christenverfolgung, Historia 39 (1990) 212-248. – K. Rosen: Passio Sanctae Crispinae, JAC 40 (1997) 106-125. – K.-H. Schwarte: Diokletians Christengesetz, in: R. Günther/S. Rebenich (Hg.): E fontibus haurire. FS für H. Chantraine, 1994, 203-240. – D.V. Twomey/M. Humphries (Hg.): The Great Persecution, 2009. – H. Castritius: Studien zu Maximinus Daia, 1969. – B. Leadbetter: Galerius and the Will of Diocletian, 2009; ND 2011. 258

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10. Die »konstantinische Wende« 312-324 Der Begriff »konstantinische Wende« kann auf verschiedene Sachverhalte bezogen werden, etwa auf die längerfristige Veränderung, die nach der Verfolgungssituation der ersten drei Jahrhunderte eintrat und in deren Gefolge das Christentum nach und nach zur bestimmenden Religion im Imperium Romanum wurde. Dieser Vorgang umfasst mindestens das 4. Jh., reicht aber wohl weit in das 5. Jh. hinein. Je stärker man jedoch betont, dass die Verfolgungssituation vor Konstantin keineswegs umfassend war und – mit Ausnahme der decisch-valerianischen und der diokletianischen Verfolgung – das Imperium Romanum kein Interesse an einer durchgehenden Ausrottung des Christentums hatte, desto stärker kann der Begriff »konstantinische Wende« nicht auf einen etwaigen Wechsel von der »verfolgten Religion« zur »Staatsreligion« bezogen werden. Vielmehr wird man dann mit dem Begriff genauer den Wechsel in der kaiserlichen Religionspolitik bezeichnen müssen, der sich eng mit dem Namen Konstantin verbindet und von der Duldung des Christentums über die Instrumentalisierung bis hin zur Begünstigung des Christentums führte. Dieser Wechsel darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass nun wichtige Grundzüge der religiösen Prägung des Imperium Romanum auf das Christentum, besser: auf den christlichen Kaiser übertragen wurden. Dass die richtige Gottesverehrung die salus publica (das Gemeinwohl) des Imperiums sicherstellt und der Kaiser das Imperium nur mit besonderer göttlicher Unterstützung in Frieden und Wohlstand zu regieren vermag, galt weiterhin. Dies als eine dem Christentum eigentlich wesensfremde Synthese zwischen »Staat und Kirche« anzusehen und darin die durch Konstantin verursachte Erblast der nachkonstantinischen Chris­ tenheit zu sehen (und dementsprechend für die Gegenwart eine strikte Trennung zwischen neuzeitlichem Staat und Kirche zu fordern), geht an den spätantiken Vorstellungen weit vorbei. Die Christen hatten ja auch vor der »konstantinischen Wende« beansprucht, ihren Beitrag zum Gemeinwohl zu leisten, etwa durch besonders vorbildliche Ethik oder das Gebet für den Kaiser. Insofern lässt sich der Vorgang eher als eine Anpassung an die wachsende kulturelle Bedeutung des Christentums verstehen denn als ein durch die individuelle Frömmigkeit Konstantins ausgelöste Fehlentwicklung.

Wechsel der kaiserlichen Religionspolitik

10.1 Konstantins Motive Die ältere Forschung fragte besonders nach dem Verhältnis zwischen Konstantins persönlicher Religiosität und Frömmigkeit und den politischen Motiven, die die Neuausrichtung der kaiserlichen Religionsausübung bestimmt hätten, ohne dabei jedoch zu einem einheitlichen Bild zu gelangen. Seit der klassischen Biographie von Jakob Burckhardt im Jahre 1853 wurde Konstantin immer wieder als skrupelloser Machtmensch dargestellt, dessen religiöse Überzeugungen nur inszeniert waren (wirkungsvoll bei Eduard Schwartz 10. Die »konstantinische Wende« 312-324

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Konstantins Religiosität

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Selbst­ repräsentation

Kontinuitäten

Sol Invictus

1913 und Jochen Bleicken 1992). Dem stand die Mehrzahl der kirchenhis­ torischen Analysen gegenüber (so besonders Hermann Dörries, Heinrich Kraft), die eine schrittweise Hinwendung Konstantins zum Christentum annahmen, und zwar in einer Koinzidenz von persönlicher Frömmigkeit und politischem Kalkül. Modernere Forschung verzichtet darauf, über die persönlichen Beweggründe und religiösen Gefühle Konstantins zu spekulieren, sondern betrachtet Konstantins Selbstrepräsentation und ihren religiösen Gehalt. Was der Mensch Konstantin innerlich gefühlt hat, ist der forschenden Nachfrage weitgehend entzogen. Greifbar sind hingegen die Selbstrepräsentation als Herrscher und die damit verbundene, nach und nach expliziter hervortretende demonstrierte Christlichkeit Konstantins. In der moderneren Forschung verzichtet man zunehmend darauf, zwischen heidnischem Imperium vor Konstantin und christlich geprägtem Imperium nach Konstantin einen diametralen »Bruch« anzunehmen. Zum einen sind die vielen Kontinuitäten zu betonen, die auf kultureller wie politischer Ebene vom 3. in das 4. Jh. hinüberführen, zum anderen ist festzuhalten, dass das Imperium im 4. Jh. keineswegs schlagartig christlich wurde. Nichtchristliche Beamte, Militärs und Denker sind noch bis weit in das 5. Jh. hinein in großer Zahl bekannt. Konstantin selbst hat sich keineswegs explizit gegen das Heidentum gewandt, sondern versucht, die verschiedenen Strömungen im Imperium für seine Herrschaft fruchtbar zu machen. Dazu hat er insbesondere die Verehrung des Sol Invictus (des unbesiegbaren Sonnengottes) genutzt, und zwar in einer offenen Deutung, die es Christen ermöglichen sollte, ihren Gott mit dem Sol Invictus zu identifizieren. Eine solche heidnisch-christliche Synthese im Sinne eines vom Kaiser befürworteten diffusen Monotheismus führte dazu, dass Konstantin sich selbst lange nicht taufen ließ (erst auf dem Totenbett, vermutlich durch Euseb von Nikomedia, nicht – wie in späteren Legenden und der Ikonographie – durch Silvester von Rom) und auch offizielle Verlautbarungen wie das Gesetz zum Sonntag oder der Konstantinbogen nicht eindeutig christlich oder eindeutig heidnisch waren. Zugleich hat Konstantin aber begonnen, die Kirche als eine Institution des Imperium Romanum gezielt zu fördern. Dabei auftauchende Spaltungen und Spannungen innerhalb der Kirche suchte er zu überwinden, um die das Imperium und seine Einheit stützende Funktion des Christentums auch fruchtbar zu machen – ohne Erfolg, wie besonders der Donatistische Streit in Nordafrika und der Arianische Streit im Ostteil des Imperium Romanum zeigten.

10.2 Konstantins politische Entwicklung vor 312 Konstantin wurde als illegitimer Sohn des illyrischen Tribunen Constantius Chlorus und dessen Konkubine Helena geboren (ca. 285? oder nach 272). Ab 296 erhielt er am Hofe Diokletians und im Machtbereich des Galerius seine militärische Ausbildung bis zum Tribun. Nach dem Machtwechsel 305 folgte er seinem Vater, der inzwischen zum Augustus aufgestiegen war, 260

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nach Gallien und begleitete ihn auf dem Feldzug nach Britannien. Nachdem Constantius Chlorus überraschend gestorben war, wurde Konstantin am 25.7.306 in York von den Truppen zum Augustus ausgerufen. Dies löste umfassende Thronwirren aus, da der Augustus des Ostens, Galerius, den Severus, einen Adoptivsohn des Constantius Chlorus, zum neuen Augustus erhoben hatte. In Rom riefen die Prätorianer Maxentius, den Sohn des 305 zurückgetretenen Augustus Maximian, als Augustus aus. Aus dem Kampf zwischen Severus und Maxentius ging 307 Maxentius als Sieger hervor, der Severus wenig später hinrichtete. In dieser Situation gelang Galerius die Neuordnung der Tetrarchie: Im Westen wurde als Augustus Licinius eingesetzt, Konstantin blieb Cäsar mit der Würde eines Augustus. Für dieses Zugeständnis sicherte ihm Galerius Unterstützung im Kampf gegen Maxentius zu. Im Osten regierte Galerius als Augustus mit Maximinus Daia als Cäsar weiter, letzterer erhielt in Parallele zu Konstantin wenig später ebenfalls den Augustustitel. Maxentius konnte sich zunächst ungestört in Italien entfalten und in Rom eine prächtige Baupolitik beginnen (z.B. mit der Maxentiusbasilika auf dem Forum Romanum). Die Lage wurde dadurch noch komplizierter, dass in Nordafrika ein Usurpator beanspruchte, Augustus zu sein, nämlich Alexander, der jedoch bald Maxentius unterlegen war. Als Galerius 311 starb, zerbrach die Tetrarchie. Im Osten versuchte Licinius, sich mit Maximinus Daia über eine Aufteilung des Gebiets des Galerius zu einigen (d.h. für Galerius wurde kein neuer Augustus eingesetzt). Im Westen machte sich Konstantin daran, Maxentius auszuschalten und die Alleinherrschaft in Britannien, Gallien, Spanien, Nordafrika und Italien zu erlangen. In diesen machtpolitischen Verschiebungen stilisierte sich Konstantin bereits als Beschützer des Christentums. Das richtete sich gegen den stärker an Diokletian anknüpfenden Maxentius ebenso wie gegen Maximinus Daia, in dessen Gebiet die diokletianischen Verfolgungen auch nach 305 noch andauerten. Münzprägungen ab 310 zeigen zudem, dass Konstantin die Sol-Invictus-Verehrung förderte.

Britannien

Maxentius

neue Tetrarchie 308

Die tetrarchischen Systeme und die Augusti 286-337 Tetrarchie 286-305 Augusti: Maximian (Westen) Caesares: Constantius Chlorus

Diokletian (Osten) Galerius

Tetrarchie 305/306 Augusti: Constantius Chlorus (Westen) Caesares: Severus 10. Die »konstantinische Wende« 312-324

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Galerius (Osten) Maximinus Daia 261

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Ernennungen zum Augustus (des Westens) 306 Konstantin (Britannien, Gallien) Maxentius (Rom) Severus (Norditalien, Illyrien) Alexander (Nordafrika) Neuordnung der Tetrarchie 308 Augusti: Licinius (Westen) Caesares: Konstantin

Galerius (Osten) Maximinus Daia

Zerbrechen der Tetrarchie 311 (nach Galerius’ Tod) Konstantin gegen Maxentius (Westen)

Licinius und Maximinus Daia teilen Osten auf Niederlage des Maximinus Daia: 313

Niederlage des Maxentius: 312

Alleinherrschaft Konstantins 324 Augusti: Konstantin Caesares: Crispus (ab 317, hingerichtet 326), Konstantinus II (ab 317), Konstantius II (ab 324), Konstans (ab 335)

Licinius (besiegt 324, ermordet 325)

10.3 Konstantin als Alleinherrscher im Westen 312

Maximinus Daia

Das noch von Galerius vor dessen Tod erlassene Toleranzedikt von 311 (s. § 3; 9.5) wurde von Licinius und Konstantin beachtet. Den machtpolitischen Gegensätzen entsprachen solche auf religiösem Gebiet: Licinius hielt sich an das Toleranzedikt, während Maximinus Daia seine an Diokletian anknüpfende Religionspolitik fortsetzte. Im Westen stand gegen Konstantins Position die des Maxentius, der sich an altrömischer Tradition orientierte. Der militärische Konflikt, aus dem Konstantin als Alleinherrscher im Westen hervorging, ist oft behandelt worden, weil Konstantin ihn später mit seiner Hinwendung zum Christentum verband und entsprechend stilisierte. Die Schlacht an der Milvischen Brücke vor den Toren Roms im Herbst 312 als entscheidendes Datum der Hinwendung Konstantins zum Christentum, gar als Bekehrung zu deuten, passt nicht zu dem Gesamteindruck, den man von der Religionspolitik Konstantins in den vorangehenden und nachfolgenden Jahren gewinnt. 262

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10.3.1 Die Schlacht an der Milvischen Brücke – das militärische Ereignis. Konstantin marschierte im Frühjahr 312 mit einem eilig zusammengestellten, relativ kleinen Heer über die Alpen nach Norditalien, eroberte gegen Maxentius’ starke Truppen Turin, die Po-Ebene mit Mailand und schließlich auch Verona. Rom, wo Maxentius mit zahlenmäßig überlegenen Kräften stand, anzugreifen, war ein riskantes Unternehmen, das Konstantin erst im Herbst startete. Maxentius beging einen schweren strategischen Fehler, als er sich nicht in Rom verschanzte, sondern – nachdem er die Milvische Brücke im Norden Roms hatte abbrechen und durch eine Schiffsbrücke ersetzen lassen – nördlich des Tibers bei Saxa Rubra den heranziehenden Gegner vor der Stadt erwartete. Ob dafür Unruhen in Rom selbst (die Lactantius erwähnt) der Grund waren, ist nicht mehr zweifelsfrei feststellbar. In dem engen Raum konnten sich seine Truppen nicht entfalten, wurden gegen den Fluss gedrückt und gerieten in Panik, wobei die Schiffsbrücke einbrach und Maxentius ertrank. Es lag nahe, diesen überraschenden, durch taktische Fehler der Gegenseite geschenkten Sieg als ein Wunder zu verstehen. 10.3.2 Die Deutung des Sieges Konstantins als Sieg Christi. Für die spätere Deutung des Ereignisses liegen zwei erheblich voneinander unterschiedene Berichte vor, der des Lactantius in De mortibus persecutorum (Über die Todesarten der Verfolger), geschrieben ca. 316, und der des Euseb in der Vita Constantini (Lebensbeschreibung Konstantins), geschrieben nach 337. Nach Lactantius hatte Konstantin vor der Schlacht einen Traum, in dem er den Auftrag erhielt, ein himmlisches Zeichen auf den Schildern seiner Truppen anbringen zu lassen. Er habe daraufhin ein durchgestrichenes Chi (d.h. X) mit umgebogener Spitze auf die Schilder malen lassen (also wohl Chi Ro, das Christusmonogramm; die ältere Deutung, dass es sich um ein quergestelltes X, d.h. ein + handelt, dessen obere Spitze umgebogen war, ist unwahrscheinlich). Unklar ist, ob nach Lactantius Konstantin dieses Zeichen im Traum gesehen oder selbst gewählt hat. Eusebs Erzählung steht in einem hagiographischen Zusammenhang, der den verstorbenen Kaiser verherrlicht. Euseb behauptet, dass seine Version auf die Erzählung Konstantins selbst zurückgehe – das ist nicht ganz unwahrscheinlich, wenn auch nicht beweisbar. Danach hat der Kaiser mitsamt seinem ganzen Heer vor Beginn des Feldzuges am helllichten Tage, genauer am Nachmittag ein Lichtkreuz am Himmel gesehen, zusammen mit den Worten: τούτῳ νίκᾳ (toutō nika/hierdurch siege), und erst in der darauffolgenden Nacht im Traum von Christus den Auftrag erhalten, eine Standarte anfertigen zu lassen, die in Gestalt eines Kreuzes (T) das Christusmonogramm trug; dieses Feldzeichen, das sog. Labarum, ist seit 317/318 auch auf Münzen belegt. Vor der Schlacht an der Milvischen Brücke hat er dann zusätzlich das Zeichen für Christus auf die Schilde seiner Soldaten malen lassen. Die Erzählung, dass ein solares Zeichen den Sieg verheißt und so Konstantin und seine Truppen ermutigt, in die Schlacht zu ziehen, ist vergleichbar mit einem Ereignis, das sich vorher ereignet hatte: Nach einem 10. Die »konstantinische Wende« 312-324

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Maxentius

2 Berichte: Lactantius und Euseb

Christus­ monogramm

Lichtkreuz

Labarum

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anonymer Panegyricus

kein Gang zum Kapitol

Konstantinbogen

anonymen, heidnischen Panegyricus (Lobgedicht) ist Konstantin bereits in Gallien in einer im Grunde ausweglosen Situation zu einem Tempel des mit der Sonne assoziierten Apoll gepilgert und hat dort den Auftrag erhalten, gegen alle militärische Wahrscheinlichkeit den Angriff zu wagen, mit Erfolg. Die Stilisierung militärischer Siege als durch ein Eingreifen Gottes ermöglichtes Geschick war kein spezifisch heidnisches Phänomen, sondern konnte ebenso auch mit Christus verbunden werden. 10.3.3 Der Konstantinbogen in Rom. Konstantin hat seinen erfolgreichen Feldzug als Bestätigung der göttlichen Erwählung und Beauftragung verstanden – ein grundlegender Gedanke seiner Selbstrepräsentation als Kaiser. Beim anschließenden Einzug in Rom verzichtete er auf den traditionellen Gang zum Kapitol, also auf das Dankopfer für die kapitolinische Trias und damit die offizielle römische Religion. Die Gründe hierfür sind im Einzelnen unklar und könnten auch mit der brisanten politischen Situation in Rom zusammenhängen, zugleich war es ein riskanter Akt, da Konstantin somit seinen Sieg nicht der kapitolinischen Trias und dem Senat übereignete. Eine grundlegende Bedeutung kann dem Ereignis aber wohl nicht zugemessen werden. In der Folgezeit verhielt sich Konstantin jedenfalls keineswegs eindeutig als Christ. Er behielt eine höchst ambivalente Religionspolitik bei, in der sich das Bemühen um einen abstrakten, solar geprägten Monotheismus mit der Förderung des Christentums verband. Diese undeutliche Religionspolitik schlug sich insbesondere in dem von ihm ca. 315 errichteten Triumphbogen nieder. Hierfür übernahm er ältere Plastiken, die der klassischen heidnischen Motivik verpflichtet waren, und ließ sie nur hier und da ergänzen – ohne jedoch explizit christliche Symbolik zu benutzen. Die Inschrift spricht davon, dass Konstantin instinctu divinitatis, mentis magnitudine (durch Eingebung der Gottheit und die Größe seines Geistes) über den Tyrannen (Maxentius) und seine Partei gesiegt habe. Christen konnten das ebenso wie die verwendete Sonnensymbolik auf Christus beziehen, für Heiden war es akzeptabel, weil es an die klassische Begrifflichkeit und Ikonographie anschloss.

10.4 Die Vereinbarung von Mailand 313

Licinius

Dass Konstantin die Kirche durchaus direkt begünstigte, zeigte sich bald durch verschiedene juristische und finanzielle Maßnahmen nach 312. Durch seinen Sieg gegen Maxentius war zugleich eine Rivalität mit Licinius und Maximinus Daia entstanden. Es ist wohl dieser Konstellation zu verdanken, dass Licinius sich mit Konstantin verbündete, was bei einem Treffen in Mailand im Februar 313 besiegelt wurde. Bei diesem Treffen erreichte Konstantin u.a., dass Licinius wie Konstantin die Duldung der christlichen Religion bekräftigte. Der Text ist nicht erhalten, sein Inhalt nur indirekt erschließbar. Die ältere Ansicht, das sog. Mailänder Edikt habe das Christentum offiziell anerkannt, lässt sich nicht aufrechterhalten. Diese ältere Sicht war damit verbunden, dass Konstantin erst nach der Schlacht an der Milvischen Brücke die Duldung des Christentums durchsetzte. Dies ist jedoch wegen des vorangegangenen Galeriusedikts von 311 nicht richtig, vielmehr zeigt die Mailänder Vereinbarung, dass Konstantin seine politischen Interessen mit dem Schutz bzw. der Förderung des Christentums verband und so Licinius dazu bewegte, auch im Osten die entsprechende 264

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Duldung einzuführen. Im Osten wurde dies Wirklichkeit, als Licinius 313 über Maximinus Daia siegte. 10.4.1 Die Regelungen der Mailänder Vereinbarung. Licinius stand zur Zeit der Mailänder Vereinbarung unter Druck, da Maximinus Daia inzwischen den Krieg gegen ihn eröffnet hatte. Er konnte sich jedoch wehren und die Truppen des Maximinus Daia zurückdrängen. Nach der Eroberung der Kaiserresidenz Nikomedia verkündete Licinius in einem Reskript vom 13.6.313 die Geltung des älteren Toleranzedikts von 311 und griff auf die Vereinbarung von Mailand zurück (Text bei Lactantius, De mortibus persecutorum/Über die Todesarten der Verfolger 48,2-12; griechisch bei Euseb, Historia ecclesiastica/Kirchengeschichte 10,5,2-14). Hieraus wird ersichtlich, dass die Mailänder Vereinbarung nicht nur die Duldung des eigentlich abgelehnten Christentums enthielt (wie noch das Toleranzedikt von 311), sondern das Christentum nun als eine mögliche, dem Gemeinwohl des Imperiums zuträgliche Religion einstufte. Die Kaiser selbst betonten ihre persönliche Verehrung der summa divinitas (höchsten Gottheit). Entsprechend wurden die in den Verfolgungsmaßnahmen eingezogenen Güter und Ländereien den Kirchen sowie den betroffenen Privatpersonen zurückerstattet. Die Kirche wird als corpus Christianorum (Körperschaft der Christen) anerkannt, erhält also die grundsätzliche Rechtsfähigkeit. 10.4.2 Der Machtkampf zwischen Licinius und Konstantin. Nach dem Sieg über Maximinus Daia scheint Licinius die christenfreundliche Politik allmählich zurückgenommen zu haben. Bereits im Herbst 316 bahnte sich ein umfassender militärischer Konflikt zwischen beiden Kaisern an, der zunächst mit dem Sieg Konstantins und dem Erwerb von Thrakien und Moesia (auf dem Balkan) endete. Zwar gelang es noch einmal, einen Modus Vivendi zu finden, doch 323 eskalierten die Spannungen erneut. In diesem Zusammenhang hat Licinius wohl auch zu Repressalien gegen Christen gegriffen, die als Sympathisanten Konstantins galten, z.B. durch Entfernung von Christen aus Heer und Verwaltung. Die Einzelheiten sind hier nicht erkennbar. Die Schlachten bei Adrianopel (Edirne) und Chrysopolis (heute ein Vorort von Istanbul) brachten zusammen mit der Vernichtung von Licinius’ Flotte die Entscheidung zugunsten Konstantins. Licinius wurde zunächst exiliert, wenig später ermordet (325). Der ehrgeizige Politiker Konstantin stand auf dem Höhepunkt seiner Macht. Auf dem Weg dorthin hatte die Religion keine geringe Rolle gespielt.

Sieg über Licinius 324

10.5 Die Religionspolitik Konstantins Unmittelbar nach dem Erringen der Alleinherrschaft im gesamten Imperium Romanum schuf Konstantin für die Christen im Osten eine neue Rechtslage durch ein umfassende Edikt vom Herbst 324 (gerichtet an die östlichen Provinzstatthalter, Text bei Euseb, Vita Constantini/Leben Konstantins 2,24-42). Darin deutete er seinen Sieg als Sieg über die Verehrer falscher Götter und die Christenverfolger. Durch ihn, Konstantin, habe letztlich Gott selbst den Frieden und das Wohlergehen wiederhergestellt. Die verkehrte Religion habe das Reich in die Katastrophe geführt, aus der es der allmächtige Gott durch seinen erwählten Diener Konstantin gerettet habe. In dieser Selbstrepräsentation zeigt sich, dass Konstantin die klassische Funktion der Religion als Garant für die salus publica (das Gemeinwohl) übernahm und nun auf das Christentum bezog. Dies verband sich mit der direkten Begünstigung des Christentums 10. Die »konstantinische Wende« 312-324

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Restitution der Kirchengüter

nichtchristliche Bevölkerungs­ anteile

und zeigt, dass Konstantin um 324 seine ambivalente und diffuse Religionspolitik mehr und mehr zugunsten des Christentums aufgab. Die konkreten Restitutionsregelungen brachten den östlichen Kirchen eine materielle Wiedergutmachung (Befreiung der Gefangenen und Zwangsarbeiter, Rückruf der Exilierten, Eingliederung der Versklavten und der aus dem Heer Ausgestoßenen, Rückgabe der Gebäude und Liegenschaften), außerdem Vergünstigungen wie die, dass herren- bzw. erbenloses Gut der Kirche zufallen solle und dass die öffentlichen Plätze, auf denen Martyrien stattgefunden hatten, hinfort der Kirche gehören sollten. Trotz dieser Maßnahmen darf man das Tempo der Transformation der Gesellschaft und der Städte zu einem christlichen Imperium nicht überschätzen. Das gesamte 4. und große Teile des 5. Jh.s über blieben erhebliche und wichtige Bevölkerungsanteile nichtchristlich, und auch die Städte gewannen oft erst im 5. oder 6. Jh. ein durch die Kirchen geprägtes, christliches Gesamtbild. Gleichwohl ist durch Konstantin die Selbstverortung und Entwicklung des Christentums in der spätantiken Kultur des Imperium Romanum entscheidend geprägt worden. Die Zeit als »Kirche der Märtyrer« war vorbei (auch wenn unterdrückte Gemeinschaften innerhalb des Christentums diesen Anspruch auch später noch erheben sollten). 10.6 Literatur Lektüretipp: M. Wallraff: Sonnenkönig der Spätantike. Die Religionspolitik Konstantins des Großen, 2013, 53-98. Quellen: A. Städele (Hg.): Lactantius, De mortibus persecutorum, FC 43, 2003 [zweisprachig]. – B. Bleckmann/H. Schneider (Hg.): Eusebius von Caesarea, De vita Constantini, FC 83, 2007 [zweisprachig]. Literatur: M. Wallraff: Christus verus sol. Sonnenverehrung und Christentum in der Spätantike, 2001. – E. Mühlenberg (Hg.): Die konstantinische Wende, 1998. – K.M. Girardet: Die konstantinische Wende, 2. A. 2007. – Ders.: Der Kaiser und sein Gott. Das Christentum im Denken und in der Religionspolitik Konstantins des Großen, 2010. – A. Demandt/J. Engemann (Hg.): Konstantin der Große. Imperator Caesar Flavius Constantinus, Ausstellungskatalog, 2007. – T.D. Barnes: Constantine, 2011. – M. Clauss: Konstantin der Große und seine Zeit, 1996. – K. Ehling/G. Weber (Hg.): Konstantin der Große zwischen Sol und Christus, 2011. – S. Berrens: Sonnenkult und Kaisertum von den Severern bis zu Constantin I. (193-337 n.Chr.), 2004. – P. Maraval: Constantin le Grand, 2011. – H. SchlangeSchöningen (Hg.): Konstantin und das Christentum, 2007. – J. Bleicken: Constantin der Große und die Christen, 1992. – J. Burckhardt: Die Zeit Constantins des Großen, 2. A. 1880; ND 1982. – E. Schwartz: Kaiser Konstantin und die christliche Kirche, 2. A. 1936. – H. Kraft: Kaiser Konstantins religiöse Entwicklung, 1955. – H. Dörries: Das Selbstzeugnis Kaiser Konstantins, 1954. – Ders.: Konstantin der Große, 1958.

11. Imperium und Christentum unter Konstantin Konstantins Religionspolitik knüpfte in vielfacher Hinsicht an den klassischen Umgang mit Religiosität an. Religiosität wurde eine öffentliche Bedeutung zugemessen, der Kaiser fühlte sich verantwortlich für die Sicherstellung und ordentliche Regelung der Religionsausübung. Konstantin nahm 266

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diese Pflichten sowohl im Hinblick auf das Heidentum als auch im Hinblick auf das Christentum wahr, auch wenn er sich ab den zwanziger Jahren zunehmend eindeutig als Unterstützer des Christentums präsentierte. Er war insofern kein »christlicher Kaiser«, zumal er sich erst auf dem Sterbelager im Jahr 337 taufen ließ. Wie tief die Überzeugung, dass der Kaiser für die Ordnung der Religionsangelegenheiten zuständig ist, kulturell verankert war, zeigte sich bald daran, dass man dem Kaiser, der die Kirche begünstigte, nun auch entsprechende Ordnungs- und Weisungskompetenz im Hinblick auf die Kirche, ja sogar die Theologie zumaß. Einen Höhepunkt erreichte dies sicherlich, als Konstantin auf der Synode von Nicäa 325 wie selbstverständlich den Vorsitz in der Bischofsversammlung übernahm. Damit deutete sich eine Zuordnung von Kirche und Imperium Romanum an, die den Kaiser als von Gott beauftragten Herrscher ansah und auf die Übereinstimmung von Kirche und Imperium zielte. Dem lag zu Konstantins Zeiten noch keine ausgearbeitete ethische oder theologische Konzeption zugrunde (am ehesten ließe sich noch die geschichtstheologische Verklärung Konstantins durch Euseb von Cäsarea nennen). Die dadurch vorbereitete Verschränkung von Imperium und Kirche, später als »Symphonieprinzip« bezeichnet (weil zwischen Kirche und Imperium trotz jeweiliger Selbständigkeit eben »Übereinklang« herrschen sollte), wurde im Laufe des 4. und 5. Jh.s immer wichtiger, so dass die jeweilige kaiserliche Religionspolitik ein entscheidender Faktor der Kirchengeschichte wurde. Besonders deutlich ist dies im Christologischen Streit und dem Kampf um das Chalcedonense. Es prägte aber auch über die Zeit der Alten Kirche hinaus die Kaiseridee so tiefgreifend, dass es in der Übernahme der Kaiseridee im Westen durch Karl den Großen und im gesamten Mittelalter und der Frühen Neuzeit eine wesentliche Rolle spielte: Kaiser zu sein, war dann nicht nur selbst ein sakrales Amt, weil es die Beauftragung und Unterstützung durch Gott voraussetzte, sondern es war auch ein Amt, das sich von vornherein um die Religion, um die rechte Gottesverehrung und die Förderung des Christentums zu kümmern hatte. Schattenseite dieser religiösen Grundierung der Kaiseridee war die Tatsache, dass bei innerkirchlichen Konflikten der Kaiser zum Eingreifen gezwungen war und so von denen, deren Meinung sich der Kaiser nicht zu eigen machte, die Legitimität der kaiserlichen Gewalt auch sehr schnell in Frage gestellt werden konnte.

Kaiser für Religion zuständig

Symphonieprinzip

Kaisertum als sakrales Amt

11.1 Anfänge der kirchlichen Privilegierung Schon bald nach 312 begann Konstantin eine Religionspolitik, die die Kirche unterstützte. Besonders drei Faktoren spielten dabei eine Rolle: a) direkte Geldleistungen, insbesondere Kirchenbauten an herausgehobenen Stellen, aber auch Finanzierung von Klerus und Armenfürsorge, b) rechtliche Sonderstellung der Bischöfe (Anerkennung ihrer Zivilgerichtsbarkeit, protokollarische Gleichstellung mit hohen Ämtern des Imperiums), c) Privilegien für den Klerus, besonders die Steuerfreiheit. 11. Imperium und Christentum unter Konstantin

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Schenkungen und Testamente

Kirchenbau

cursus publicus

Immunität

11.1.1 Finanzielle Unterstützung. Konstantin gab den Kirchen nicht nur ihr Vermögen zurück, sondern ordnete – wohl Ende 312 – an, dass den Bischöfen in allen Provinzen seines Gebiets beträchtliche Summen aus dem fiscus (Steuerhaushalt) gezahlt wurden (Euseb, Historia ecclesiastica/Kirchengeschichte 10,6,1). Ab 315 hat Konstantin auch selbst die Kirche massiv finanziell unterstützt (Codex Theodosianus 11,1,1; Euseb, Vita Constantini/Lebensbeschreibung Konstantins 4,28,1). Günstig wirkte sich auch aus, dass 316 Schenkungen an die Kirche und 321 Testamente an die Kirche ermöglicht wurden (Codex Theodosianus 16,2,4). Die kirchliche Armenfürsorge förderte er – zumal nach 324 – angesichts der Mängel der öffentlichen Sozialpolitik besonders. Der Kirche wurde ein Teil der Getreideverteilung (Euseb, Vita Constantini 4,28,1) und in jeder Stadt ein Anteil am Steueraufkommen (Sozomenus, Historia ecclesiastica/Kirchengeschichte 1,8,10) übertragen. An herausgehobenen Orten ließ Konstantin Kirchen erbauen. So wurde in Rom nicht nur rasch ein Teil des zur Verfügung stehenden Geländes der Kirche überlassen (wo der spätere Lateranpalast, später Sitz der Bischöfe von Rom, entstand), sondern es entstand auch – unter massiver Umarbeitung des Geländes – die Basilika über dem als Petrusgrab verehrten Ort am Vatikan. Auch in Nikomedia, Antiochia, Trier und andernorts setzte er ähnliche Akzente. In Palästina wurden durch ihn oder seine Mutter Helena, die ab 324 den Ehrentitel Augusta trug, verschiedene Bauprojekte angestoßen: die Grabes- und Auferstehungskirche in Jerusalem, die Himmelfahrtskirche auf dem Ölberg, die Geburtskirche in Bethlehem, die Pilgerkirche in Mamre. 11.1.2 Rechtliche Sonderstellung der Bischöfe. Die Stellung der Bischöfe wertete Konstantin durch rechtliche Maßnahmen stark auf, indem er ihnen eine zivilrechtliche Sonderfunktion zusprach, die audientia episcopalis (Bischofsaudienz). Sie war ein Schiedsgericht für Zivilrechtsfragen, dessen Ergebnis juristisch bindend war und an das man sich auch als Nichtchrist wenden konnte (vgl. Codex Theodosianus 1,27,1, wohl von 318; vgl. § 2; 11.6). Auch in anderen Fragen erhielten die Bischöfe besondere Rechte, so wurde etwa die von ihnen ausgesprochene Freilassung von Sklaven als bindend eingestuft (Codex Iustinianus 1,13,1; Codex Theodosianus 4,7,1). Die Stellung der Bischöfe wertete Konstantin auch dadurch auf, dass er sie hohen Beamten durch Insignien, Ehrenrechte und Privilegien wie die Benutzung des cursus publicus (öffentliches Transportsystem für hohe Beamte) gleichstellte. Nach Jahren der Verfolgung muss dies auf Bischöfe besonders eindrücklich gewirkt haben. 11.1.3 Privilegien des Klerus. Schon früh (wohl Oktober 313) dekretierte Konstantin die Immunität, d.h. die Befreiung von den Lasten und Steuern, für die Kleriker. Auch von den sog. λειτουργίαι (liturgiai/Diensten, lateinisch munera; dies waren Verpflichtungen zugunsten des Gemeinwesens, der Sozial- oder der Bildungsarbeit) wurden sie befreit – ein attraktiver Punkt für vermögende Christen, an eine Laufbahn als Bischof zu denken. Verfehlungen des Klerus sollten zunächst vor den Bischof gebracht und von diesem entsprechend untersucht und ggf. bestraft werden – eine wichtige Weichenstellung im Hinblick auf die spätere, weitgehende eigene Rechtssprechung für Kleriker.

11.2 Christliche Einflüsse in der Gesetzgebung? Es ist umstritten, ob und wie stark die in Konstantins Regierungszeit erlassenen Gesetze christlich motiviert waren. Eine Verchristlichung der Gesellschaft hat er jedenfalls nicht intendiert. In den Gesetzen lässt sich teilweise – wie schon bei Diokletian – eine Abmilderung von Strafmaßnahmen er268

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kennen, die nicht religiös motiviert zu sein scheint. Einige Gesetze dürften durchaus so gestaltet worden sein, dass sie auch aus christlicher Perspektive willkommen waren. So wurde die Einführung des Sonntags als Feiertag 321 in dem entsprechenden Gesetz nicht mit dem Hinweis auf den Herrentag des Christentums begründet, kam aber der herausgehobenen liturgischen Stellung dieses Tages in der Kirche sehr entgegen. Insgesamt gilt, dass Konstantin die Reformpolitik Diokletians fortgesetzt hat und sie dabei besonders auch im Heer- und Münzwesen erfolgreich weiterführen konnte. Diese Reformpolitik trug kein spezifisch christliches Gepräge. Kaum zufällig wurden die hohen Positionen im Heer und in der Verwaltung noch lange Zeit ohne Rücksicht auf die Religionszugehörigkeit besetzt, wobei Nichtchristen bis zum Ende des 4. Jh.s vorherrschten. 11.2.1 Abmilderungen von Strafmaßnahmen. Verschiedene Abmilderungen von Strafvorschriften könnten durch eine neue Anthropologie geprägt sein, die gerade auch mit der Hochschätzung des Menschen als Geschöpf Gottes im Christentum zusammenhängen könnte. Sicher auszumachen ist das aber nicht, es könnten auch allgemeinere, philosophische Motive eine Rolle gespielt haben. So wurde z.B. 315/316 die Brandmarkung des Gesichts von Verbrechern mit der Begründung untersagt, dass das Gesicht nach dem Ebenbild der himmlischen Schönheit geformt ist (in similitudinem pulchritudinis caelestis est figurata; Codex Theodosianus 9,40,2 – Bezug auf Gen 1,26f. oder stoischer Einfluss?). Auch die Motive für die Abschaffung der Kreuzigungsstrafe sind nicht eindeutig (noch 314 war die Kreuzigungsstrafe in einem wohl von Licinius inaugurierten Gesetz [Codex Theodosianus 9,5,1] vorgesehen, Sozomenus, Historia ecclesiastica/Kirchengeschichte 1,8,13 bewertet die Abschaffung der Kreuzigungsstrafe als eindeutig christlich motiviert). Auch die Einschränkungen der Möglichkeiten einer Ehescheidung oder eines Konkubinats von anderweitig Verheirateten (das Konkubinat war eine vorgesehene Form der Partnerschaft, z.B. zwischen Angehörigen verschiedener Schichten, die nicht miteinander heiraten durften) sind in ihrem christlichen Charakter nicht eindeutig, kommen aber den kirchlichen Vorstellungen entgegen. Ähnliches dürfte für das Verbot der Aussetzung oder Tötung von Neugeborenen gelten (Codex Theodosianus 9,27,1f.) und die Einschränkung von Gladiatorenkämpfen (Codex Theodosianus 15,12,1). Die letzteren beiden Gesetze waren wohl nur sehr beschränkt wirksam. Dabei ist zu bedenken, dass kaiserliche Edikte oft auf konkrete Ereignisse, Eingaben oder Proteste reagierten, ihre Funktion also situativ war. Oft dienten sie der Selbstrepräsentation des Kaisers als Schützer des Rechts oder wurden wiederholt, wenn ähnliche Fragen in einem anderen Kontext erneut auftauchten. Einen in sich kohärenten, normativen Gesetzescodex hat es im 4. Jh. nicht gegeben.

Kreuzigung Ehescheidung

11.2.2 Der Sonntag. Die Einführung des Sonntags setzt die – bereits unabhängig vom Christentum erfolgte – Etablierung der Sieben-Tage-Woche (gegenüber der Acht-TageWoche) voraus. Die Benennung der Wochentage nach den sieben Gestirnen Sonne, Mond, Mars, Merkur, Iuppiter, Venus und Saturn zeigt diesen nichtchristlichen Charakter deutlich. Das Gesetz von 312, das den Sonntag einführte (Codex Iustinianus 3,12,2; vgl. Codex Theodosianus 2,8,1), bestimmte, dass jegliche Gerichtstätigkeit und Handwerksarbeit am verehrungswürdigen Tag der Sonne ruhen solle. Landarbeit war wegen der Bedürfnisse der Agrarwirtschaft ausgenommen. Ein christlicher Charakter kam erst später dadurch hinzu, dass am Sonntag im Kaiserpalast regelmäßig der Herrentag auch 11. Imperium und Christentum unter Konstantin

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liturgisch mit einem Gottesdienst begangen wurde, Soldaten Zeit für den Kirchgang bekamen und die heidnische Bevölkerung am Sonntag nicht opfern durfte (so Euseb, Vita Constantini/Leben Konstantins 4,17f.23).

11.3 Eingeschränkte Duldung von Heidentum und Judentum

Haruspizien

Opfer in den heidnischen Tempeln Kaiserkult

Judentum

In einem grundsätzlichen Edikt an alle östlichen Reichsbewohner von 324/325 kritisierte Konstantin zwar den Polytheismus scharf, lehnte aber eine Zwangskonversion ab (Text: Euseb, Vita Constantini/Leben Konstantins 2,48-60). Den Heiden im Militär gab er im Zusammenhang der Einführung des Sonntags ein bewusst neutral gehaltenes Gebetsformular vor, in dem zum wahren Gott gebetet wurde – dies ließ sich auch auf den Sol Invictus oder Iuppiter beziehen. Das heidnische Amt des Pontifex maximus behielt er bei, Konstantin war insofern zugleich der oberste Aufseher über die Pries­terkollegien in Rom, die er duldete (das Verbot privater Haruspizien, d.h. der Deutung von Eingeweiden, Vogelflug etc. [Codex Theodosianus 9,16,1f.], ist eher in dem häufigen Missbrauch begründet als in einer explizit antiheidnischen Religionspolitik, denn die öffentlichen Haruspizien in Rom gingen weiter; Codex Theodosianus 16,10,1). Den Tempel- und Opferdienst schränkte er nur wenig ein, auch wenn an verschiedenen Orten fällige Renovierungen von Tempeln nicht durchgeführt wurden und es auch zu Einziehungen von Gold und Silber aus Tempeln kam. Der Kaiserkult wurde umgeformt, indem nicht mehr der lebende Kaiser als Gott verehrt wurde. So genehmigte Konstantin etwa den Bau eines Tempels im italischen His­ pellum zu Ehren seiner Familie, verbot jedoch die Aufstellung einer Kaiserstatue. Zugleich blieben jedoch die Kaisergedenktage größtenteils erhalten, Konstantin selbst wurde – genauso wie seine Söhne – ebenfalls nach dem Tod entsprechend verehrt, als von Gott beauftragter und bevollmächtigter, frommer und heiliger Kaiser. Die zunehmende Begünstigung des Christentums wirkte sich auch auf die Stellung zu den Juden aus, denen insbesondere Konversionsbemühungen untersagt wurden. Das Judentum behielt seine Sonderrechte, jedoch schränkte Konstantin Konversionen vom Christentum bzw. zum Judentum ein (Verbot der Beschneidung nichtjüdischer Sklaven; Bestrafung von Misshandlungen an zum Christentum konvertierten Juden; Verbot der Behinderung von Konversionen zum Christentum; Codex Theodosianus 16,8,1.5; 16,9,1).

11.4 Die Stadt Konstantinopel Die Gründung der neuen Hauptstadt Konstantinopel 330 war ein besonderer Ausdruck der Selbstrepräsentation Konstantins. Das 4. Jh. über blieb die Stadt weitgehend eine Großbaustelle, erst Theodosius I. rückte sie als Residenzstadt in den Mittelpunkt der Politik. Die Entscheidung, als Alleinherrscher nicht länger von Rom aus zu regieren, sondern eine neue Machtzen270

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trale im Osten zu schaffen, beruhte auf der ökonomischen Überlegenheit des Ostens des Imperium Romanum sowie der Nähe zu den Konfliktherden auf dem Balkan bzw. an der Donaugrenze und in Armenien bzw. dem Perserreich. Die Stadt war keine völlige Neugründung, krempelte aber den kleinen, an einer strategisch hervorragenden Stelle gelegenen Ort Byzantion völlig um. Die Stadt erhielt schon früh hohe protokollarische Ehrung als neues Rom (mit eigenem Senat). Auch Euseb von Nikomedia wechselte schon 338/339 nach Konstantinopel, ebenso Eudoxius von Antiochia um 360, beide versuchten, den Aufstieg Konstantinopels für ihre kirchenpolitischen Zwecke zu nutzen – zunächst mit nur begrenztem Erfolg. Vor dem Einzug des Theodosius klafften Anspruch und Wirklichkeit weit auseinander. Bei dem Ausbau der Stadt kam besonderen Kirchenbauprojekten große Bedeutung zu: der Hagia Eirene (Friedenskirche; als Analogon zur Ara Pacis des Augustus in Rom), der Hagia Sophia (als Bischofskathedrale, erst 360 geweiht, unter Justinian nach 532 wurde das Gebäude gebaut, das heute noch zu besichtigen ist) und der Apostelkirche, in welcher Konstantin im Kreise der Apostel beigesetzt werden sollte – gleichsam als Repräsentant Christi und Garant der apostolischen Rechtgläubigkeit der Kirche. Hierin zeigt sich die Transformation und zugleich Fortführung der bisherigen Kaiserverehrung sehr deutlich. Neben den Kirchen wurden aber auch heidnische Tempel gebaut, so am Markt ein heidnischer Doppeltempel, zudem ein Tempel für die Schicksalsgöttin Tyche und einer für Rhea, die alte Schutzgöttin der Stadt. Das zeigt, dass Konstantinopel nicht als »idealchristliche Stadt« gedeutet werden kann, und passt zu der Religionspolitik Konstantins insgesamt.

Senat in Konstantinopel

Kirchenbau Hagia Sophia

11.5 Innerkirchliche Konflikte als politisches Problem Die das Reichsgebiet umspannende Organisation der Kirche war gewiss für Konstantin ein Grund, die Kirche zu unterstützen. In der Kirche existierte eine Institution, die über alle regionalen Unterschiede hinweg doch eine gewisse Einheit bildete und herstellte. Deshalb lag Konstantin besonders an der Einheit der Kirche, die mit seinem Bemühen um eine Einheit des Imperium Romanum unter seiner Leitung einherging. Das entsprach einer langen kulturellen Tradition, die Frieden und Einheit eng miteinander verband, und konvergierte mit dem im Christentum erhobenen Anspruch, dass es nur eine katholische Kirche geben könne (die gegen alle Häretiker abzugrenzen sei; der Begriff »katholisch«, der eigentlich »allgemein/verbreitet« heißt, wurde schon früh gezielt als Ausgrenzungsbegriff benutzt). Dem stand nun die Realität eines in sich zerstrittenen Christentums gegenüber. Die aktuell aufbrechenden Konflikte wie der Donatistische Streit im Westen und der Arianische Streit im Osten erhielten so auch eine politische Dimension, denn sie störten Konstantins Bemühungen um die Einheit. Die öffentliche Funktion der Religion führte nun dazu, dass der Kaiser, der das Christentum unterstützte, sich nun auch für die Herstellung oder Bewahrung der Einheit 11. Imperium und Christentum unter Konstantin

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Einheit der Kirche

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Häretikergesetze

Ossius von Cordoba

Synode in Arles 314

Collatio von 411

der Kirche zuständig fühlte. Entsprechend wurden durch Gesetze die Formen des Christentums, die schon seit längerem ausgegrenzt waren, verboten, dies traf z.B. Gnostiker und Manichäer, aber auch Novatianer, für die später jedoch besondere Duldungsregeln galten. Außerdem griff Konstantin selbst entsprechend in die aktuellen Streitigkeiten ein. Kaiserliche Religionspolitik wurde dadurch zugleich zu einem bestimmenden Faktor der innerkirchlichen Auseinandersetzungen, weil alle Parteien jeweils versuchten, den Kaiser für die eigene Sache zu gewinnen. Als Berater in Kirchenfragen nahm der Bischof Ossius von Cordoba, der Konstantin wohl seit seiner frühen Zeit in Gallien über das Christentum informierte, eine Schlüsselstellung ein. 11.5.1 Konstantins Eingreifen im Donatistischen Streit. Mit dem nach 305 in Nordafrika ausgebrochenen Donatistischen Streit (vgl. § 2; 16.3) bekam Konstantin 312 zu tun, als sich beim Vollzug der Restitutionsmaßnahmen zunächst in Karthago die Frage stellte, welche Gruppe die rechtmäßige Empfängerin der Finanzhilfe und Rückerstattung der Gebäude war. Hielt der Kaiser zunächst die Caecilianer für die richtige Kirche, so zeigte sich ihm aufgrund einer Intervention der Donatisten die Kompliziertheit des Falles (vgl. § 2; 16.3.1). Der von ihm um Prüfung gebetene römische Bischof Miltiades hielt 313 eine Synode ab, deren Ergebnis jedoch von den Donatisten nicht akzeptiert wurde. Als Politiker sah Konstantin, dass eine Verurteilung der Donatisten sinnlos und gefährlich war. Darum schaltete er sich selbst direkt ein und berief eine Synode in das gallische Arelate/Arles ein, die im Sommer 314 tagte. Dabei handelte es sich insofern um ein Novum, als die Bischofsversammlung aufgrund eines konkreten Arbeitsauftrages des (ungetauften) Kaisers tagte. Die Synode verurteilte die Donatisten, die das jedoch erneut nicht akzeptierten. Da das innerkirchliche Schlichtungsverfahren versagte, war das Dilemma für den Kaiser groß. Die erstrebte Einheit der Kirche ließ sich auch durch von ihm initiierte Verhandlungen nicht wiederherstellen. Nachdem sich auch einige gewaltsame Maßnahmen gegen die Donatisten als fruchtlos herausgestellt hatten, resignierte Konstantin ab 321 und überließ die nordafrikanische Kirche ihrem Schicksal. Dies ermöglichte das Fortdauern des Donatistischen Schismas bis ins 5. Jh. Im Jahr 411 griff das Imperium Romanum erneut ein, durch den Sonderermittler Marcellinus und den Schiedsspruch zugunsten der Caecilianer in der sog. Collatio (s. § 2; 16.3.2-16.3.4). Da es den Donatisten nicht gelang, dauerhaft mit anderen Kirchen außerhalb von Nordafrika in Kirchengemeinschaft zu treten, blieb das Problem weitgehend auf Nordafrika begrenzt. Dies dürfte ein wichtiger Grund dafür gewesen sein, dass die Kaiser das Nebeneinander zweier christlicher Kirchen in Nordafrika hinnahmen. 11.5.2 Konstantins Eingreifen im Arianischen Streit. Als Konstantin 324 die Alleinherrschaft im Imperium übernahm, dauerte der Streit um den alexandrinischen Presbyter Arius schon seit einigen Jahren an (vgl. § 1; 11.1). Der 272

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Streit war dabei bereits über Ägypten hinaus eskaliert, da Arius Rückhalt bei bedeutenden Bischöfen wie Euseb von Nikomedia und Euseb von Cäsarea gesucht hatte. Noch im Herbst 324 griff Konstantin in den Streit ein, indem er zunächst seinen Ratgeber, Ossius von Cordoba, nach Alexandria schickte und brieflich um Wiederherstellung des Friedens bat. Nach dessen vergeblicher Mission setzte er seine Hoffnung darauf, dass eine große Bischofsversammlung, die zugleich den Beginn seines zwanzigsten Herrschaftsjahres (die sog. Vicennalien) feierlich begehen sollte, in seiner Gegenwart das Problem lösen würde. Die Synode von Nicäa 325 war insofern ein Novum, als Konstantin nicht nur an der Synode teilnahm, sondern diese teilweise auch leitete, sich direkt auch in die theologischen Auseinandersetzungen einschaltete und das Ergebnis massiv beeinflusste. Das wurde von den Bischöfen anscheinend ohne größere Diskussion akzeptiert, obwohl Konstantin weder getauft noch theologisch ansonsten ausgewiesen war. Da es auf der Synode von Nicäa zunächst so aussah, als sei durch das Nizänum eine eindeutige Entscheidung getroffen worden, schickte Konstantin eine kleine Gruppe um Arius ins Exil, bestrafte also diejenigen, die das Ergebnis einer Synode nicht akzeptierten, nun auch auf dem Rechtswege. Da der Streit nach 325 keineswegs beendet war und das Nizänum die theologischen Diskussionen keineswegs auf eine neue Grundlage stellte (und daher bald in den Hintergrund geriet), unternahm Konstantin weitere Maßnahmen, um den innerkirchlichen Frieden wiederherzustellen. Er exilierte die Bischöfe, die seiner Ansicht nach (von Euseb von Nikomedia und Euseb von Cäsarea beeinflusst) den kirchlichen Frieden störten: Markell von Ankyra, Eustathius von Antiochia, Paulus von Konstantinopel sowie allen voran Athanasius von Alexandria. Die Feier des Antritts des dreißigsten Regierungsjahres 335 verband er mit einer Synode in Tyros, die sich wiederum gegen Athanasius und seine Position wandte. Hieran zeigte sich, dass Konstantin die Erreichung pragmatischer politischer Ziele auch im Hinblick auf die Kirche wichtiger war als die Durchsetzung einer bestimmten theologischen Option (etwa des Nizänums).

Synode von Nicäa 325

Exilierungen

Synode in Tyros 335

11.5.3 Häresien als Gegenstand der Gesetzgebung. Die Ausgrenzung bestimmter christlicher Gruppen als »Häretiker« gewann durch die neue Unterstützung der Kaiser eine neue Dimension: Nun machte sich auch der Kaiser die entsprechenden Ausgrenzungen zu eigen und regelte sie auf dem Rechtswege. Dadurch entstanden Häretikergesetze und eine Verfolgung christlicher Gruppen durch Organe des Imperium Romanum. 326 erließ Konstantin ein umfassendes Edikt (Euseb, Vita Constantini/Leben Konstantins 3,64f.), das sich gegen die Novatianer (für diese galt wenig später ein Duldungsgesetz: Codex Theodosianus 16,5,2), Valentinianer, Markioniten, Paulianer (die Anhänger des Paul von Samosata) und Montanisten wandte. Damit war eine Zusammenstellung der wichtigsten im 2. und 3. Jh. ausgegrenzten Gruppen gegeben. Den Häretikern wurden die Gemeinderäume 11. Imperium und Christentum unter Konstantin

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polemische Ausgrenzung

und Friedhöfe weggenommen (an die »katholische Kirche« übergeben) und die Abhaltung von Zusammenkünften aller Art verboten, auch in Privathäusern. Damit sollte ihr religiöses Leben zerstört werden. Weitergehende Maßnahmen gegen einzelne Mitglieder waren nicht vorgesehen. Das zeigt, dass es Konstantin darum ging, konkurrierende christliche Gruppen auszuschalten. Die Häretikergesetze wurden das ganze 4. und 5. Jh. über weiter ausgebaut, erneuert und zugespitzt. Dabei wurde die polemische Ausgrenzungssprache der Synoden in die Gesetzessprache integriert. Den Fortbestand der entsprechenden Gruppen und die Entstehung neuer Spaltungen und Kontroversen konnten diese Gesetze allerdings nicht verhindern. 11.6 Literatur Lektüretipp: M. Wallraff: Sonnenkönig der Spätantike. Die Religionspolitik Konstantins des Großen, 2013, 99-147. Quellen: V. Keil (Hg.): Quellensammlung zur Religionspolitik Konstantins des Großen, 1989. – K.M. Girardet (Hg.): Konstantin, Oratio ad sanctorum coetum, FC 55, 2013 [zweisprachig]. Literatur: W. Kinzig: Novitas Christiana, 1994, 485-566. – J.N. Dillon: The Justice of Constantine. Law, Communication, and Control, 2012. – T.D. Barnes: Constantine and Eusebius, 1981. – R. Leeb: Konstantin und Christus, 1992. – J.W. Drijvers: Helena Augusta, 1992. – K.M. Girardet: Vom Sonnen-Tag zum Sonntag. Der dies solis in Gesetzgebung und Politik Konstantins d. Gr., ZAC 11 (2007) 279-310. – Ders.: Der Kaiser und sein Gott. Das Christentum im Denken und in der Religionspolitik Konstantins des Großen, 2010. – S. Bradbury: Constantine and the Problem of Anti-Pagan Legislation in the Fourth Century, Classical Philology 89 (1994) 120-139. – J. Harries: Constantine the Lawgiver, in: S. McGill/C. Sogno/E. Watts (Hg.): From the Tetrarchs to the Theodosians, 2010, 73-92. – J. Krüger: Die Grabeskirche zu Jerusalem, 2000. – H. Brandenburg: Die frühchristlichen Kirchen Roms vom 4. bis zum 7. Jahrhundert, 2004. – W. Mayer/P. Allen: The Churches of Syrian Antioch (300-638 CE), 2012. – G. Dagron: Naissance d’une capitale. Constantinople et ses institutions de 330 à 451, 1975. – S. Bassett: The Urban Image of Late Antique Constantinople, 2004. – A. Berger: Konstantinopel, 2011. – S. Rebenich: Vom dreizehnten Gott zum dreizehnten Apostel? Der tote Kaiser in der Spätantike, ZAC 4 (2000) 300-324. – M. Wallraff: Gab es eine konstantinische Hagia Sophia in Konstantinopel?, in: R. Harreither/P. Pergola/R. Pillinger/A. Pülz (Hg.): Frühes Christentum zwischen Rom und Konstantinopel, 2006, 767-774. – Ders.: Die antipaganen Maßnahmen Konstantins in der Darstellung des Euseb von Kaisareia, in: J. Hahn (Hg.): Spätantiker Staat und religiöser Konflikt, 2011, 7-18.

 § 2; 16.3

12. Auf dem Weg zur Reichskirche

Provinzialstruktur

Nach dem Tod Konstantins wurde das Reich unter dreien seiner Söhne aufgeteilt, von denen Konstantius 351 bzw. 353 die Alleinherrschaft erlangte. Konstantius setzte die Politik seines Vaters insofern fort, als auch er sich gezielt um eine Einheit der Kirche bemühte und dies bewusst mit der Idee der Einheit des Reiches verband. Expliziter als noch sein Vater repräsentierte sich Konstantius als christlicher Kaiser. Zugleich lehnte sich die Kirche zunehmend deutlicher an die Strukturen des Imperiums an, etwa dadurch, 274

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dass der Zuschnitt der Diözesen weitgehend dem der Provinzen entsprach und den Bischöfen der Provinzhauptstädte besondere Vollmachten (etwa bei den Bischofsweihen) zukamen. Auch gingen einige Bischöfe gezielt an den Kaiserhof, um die kaiserliche Religionspolitik zu beeinflussen. Aus kaiserlichen Beratern wurden »Hofbischöfe«. Der Begriff der Reichskirche soll diese zunehmend enge Verflechtung von kaiserlicher Religionspolitik, Innenpolitik und Kirchenpolitik bezeichnen.

Bischöfe am Kaiserhof

12.1 Die Kirchenpolitik des Konstantius Der Fortgang des Trinitarischen Streits stand zwar der Intention kaiserlicher Religionspolitik entgegen, eine Einheit der Kirche herzustellen, förderte aber zugleich die Einflussmöglichkeiten der Kaiser auf die Kirche. Der Kaiser entschied über Bekenntnisfragen, setzte Bischöfe ab und ein, exilierte Vertreter abweichender Meinungen und begünstigte diejenigen, die seine Konzeption unterstützten. Kirchenpolitik wurde zum wesentlichen Teil der Innenpolitik. Nach Konstantins Tod 337 wurde die Herrschaft – Grundgedanken des tetrarchischen Systems aufgreifend – auf drei Konstantinsöhne verteilt: Konstantin II. (337-340) mit Britannien, Gallien und Spanien, Konstans (337-350) mit Afrika, Italien, Illyrien und Griechenland sowie Konstantius (337-360), der den gesamten Orient vom Donauraum bis Ägypten beherrschte. Zwischen Konstans und Konstantin II. entbrannte schon bald ein Kampf um die Vorherrschaft im Westen, Konstantin II. fiel dabei im Kampf gegen Truppen seines Bruders 340. Das Verhältnis zwischen Konstans und Konstantius war nicht ohne Spannungen. Dies wirkte sich auch kirchenpolitisch aus, da beide Kaiser jeweils die Position unterstützten, die in ihrer Reichshälfte am ehesten konsensfähig erschien: Dies war im Westen eine relativ unausgearbeitete Trinitätslehre, die von dem Begriff una substantia ausging (und sich auf das Nizänum berufen konnte), im Osten eine eusebianisch-origenistische Position, die die Übereinstimmung zwischen Vater und Sohn betonte (aber die Theologie des Athanasius als Verwischung des Unterschiedes zwischen Vater und Sohn ablehnte). Dieser Ost-West-Gegensatz kam in der Synode von Serdika zum Ausdruck und beherrschte die Kirchenpolitik der vierziger und fünfziger Jahre (vgl. § 1; 12.4). Konstans wurde 350 im Zuge der Usurpation des Generals Magnentius ermordet, Konstantius beanspruchte daraufhin die Alleinherrschaft, konnte Magnentius jedoch erst 353 endgültig besiegen. Danach ging er daran, seine Kirchenpolitik insgesamt durchzusetzen. Im Westen wirkte dies fatal, weil er prominente nizänische Bischöfe wie Hilarius von Poitiers exilierte. Im Osten ging er entschieden gegen Bischöfe vor, die seinen Konsenswillen störten. Insbesondere zu Athanasius entstand eine auch persönlich geprägte Feindschaft. Nur mit massivem Druck gelang es Konstantius 359/360, eine synodale Erklärung durchzusetzen, die er als verbindliche Glaubensnorm für das gesamte Reich festsetzte, das sog. Reichsdogma (vgl. § 1; 14.). Konstantius’ Tod im Jahr 361 verhinderte allerdings, dass nach den ersten Exilierungen diese Religionspolitik konsequent umgesetzt wurde.

Aufteilung des Reiches 337

Ost-WestGegensatz Konstantius Alleinherrscher

12.2 Gesetze gegen das Heidentum Obwohl auch Konstantius sich wie sein Vater erst auf dem Sterbebett taufen ließ, präsentierte er sich als dezidiert christlicher Herrscher und erließ explizit Gesetze gegen das Heidentum. Es ist in der Forschung umstritten, ob die im Codex Theodosianus belegten kurzen Abschnitte (aus eigentlich wesentlich längeren Gesetzen) sich gegen alle Arten von heidnischen Opfern richteten und diese wirksam zu unterbinden suchten. 12. Auf dem Weg zur Reichskirche

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heidnische Opfer

Firmicus Maternus

Die Fortdauer heidnischer Opfer und Rituale ist auch für den Zeitpunkt nach diesen Gesetzen vielfach belegt. Zugleich wird man berücksichtigen müssen, dass diese Edikte kontextbezogene Willenserklärungen der Kaiser waren, die keineswegs unmittelbar Realität wurden – die Kommunikationsbedingungen der Spätantike erlaubten vor Ort viele Freiräume. Gleichwohl lässt sich nicht übersehen, dass unter Konstantius erstmalig vom Kaiser massiv gegen die heidnischen Opfer vorgegangen wurde. Der Opferkult wurde als Ausdruck des Aberglaubens verboten (Codex Theodosianus 16,10,2 von 341), die Teilnahme an ihm konnte sogar mit der Todesstrafe bedroht werden (Codex Theodosianus 16,10,5 von 356). Nachdem zunächst noch der Bestand der Tempel außerhalb Roms explizit festgeschrieben wurde, sah ein Gesetz von 356 die Schließung der Tempel vor (was jedoch auch nicht umgehend umgesetzt wurde). Bezeichnend für die zunehmende Unduldsamkeit in christlichen Kreisen war die an beide Kaiser gerichtete Schrift des sizilianischen Rhetors Firmicus Maternus, De errore profanarum religionum (Über den Irrsinn der heidnischen Religion; ca. 346/348), die erstmalig unter Berufung auf das Alte Testament die gewaltsame Ausrottung des Götzendiensts forderte. In dieser Zeit dürfte es auch erstmalig zu regionalen Ausschreitungen gekommen sein, in denen Tempel zerstört oder geplündert wurden. Eine konsequente »Heidenverfolgung« bedeutete dies alles nicht, zumal Konstantius selbst nach seinem Rombesuch 357 vorsichtiger wurde und auch um die Unterstützung der heidnischen Führungsschichten (etwa im römischen Senat) warb.

12.3 Heidnische Reaktion unter Julian 361-363

Apostata?

Neffe Konstantins

Die Gesetzesmaßnahmen des Konstantius gegen die heidnischen Opfer und die vereinzelten Tempelzerstörungen stärkten den Widerstandswillen der überzeugten Anhänger der alten römischen Religion, so dass sie den programmatischen Kurswechsel in der Religionspolitik unter Julian begrüßten. Für ihn ist undeutlich, inwiefern er aufgrund seiner Erziehung als Christ anzusprechen ist. Die Bewertung als Apostat, d.h. »vom Christentum Abgefallener« (daher Julian Apostata genannt), könnte auch christlicher Polemik entsprungen sein. Eine wesentliche Rolle dürften für Julian philosophische Überzeugungen gespielt haben sowie das Bemühen, an die alte römische Kultur anzuknüpfen, insbesondere durch die Restauration des offiziellen römischen Kultes. Um dies zu erreichen, versuchte er auch, die Christen aus dem öffentlichen Leben zu verdrängen, u.a. durch sein Schulgesetz, das de facto Christen die Lehrtätigkeit an öffentlichen Schulen verstellte. Sein früher Tod beendete die eingeleiteten Maßnahmen. Damit war der letzte Versuch, das Imperium Romanum wieder nicht-christlich zu gestalten, gescheitert. 12.3.1 Julians Werdegang. Seit 355 als Cäsar in Gallien mit der Reorganisation und Verteidigung der Provinzen erfolgreich, wurde Julian, ein Neffe Konstantins, 360 von den Truppen zum Augustus ausgerufen. Der sich darauf anbahnende militärische Konflikt zwischen Julian und Konstantius kam nicht zustande, weil Konstantius überraschend 361 starb. Julian übernahm daraufhin die Alleinherrschaft und dekretierte schon Ende Dezember 361, dass die Verehrung der Götter wieder gestattet und der alte Kult restauriert würde. Zugleich wollte er der alten Religion ein neues, philosophisch reflektiertes 276

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und vergeistigtes Leben verleihen. Seine eigenen Vorstellungen versuchten, bestimmte monotheistische Ideen (unter Aufgriff der Metaphorik, dass der höchste Gott mit der Sonne zu verbinden sei) mit einer religiösen Bewertung und Verehrung von in der Natur wirksamen Kräften zu kombinieren. Daraus sollte eine besondere Betonung der Ethik folgen, die zugleich eine umfassende soziale Verpflichtung (und eine daraus folgende Armenfürsorge) mit sich brachte. Diese elitären Ideen fanden aber in der Bevölkerung nur geringe Resonanz. 12.3.2 Julians Schulgesetz. Julian ging nicht massiv mit Verfolgungsmaßnahmen gegen das Christentum vor, bekämpfte es aber literarisch. Seine Schrift Contra Galilaeos (Gegen die Galiläer) ist nach den Schriften des Celsus und des Porphyrius (§ 3; 6.2) die dritte große antichristliche Schrift, deren Fragmente in der Widerlegung durch Kyrill von Alexandria (Contra Iulianum/Gegen Julian) erhalten sind. Einzelne Christen wurden aus führenden Positionen in Heer und Verwaltung entlassen. Das Schulgesetz von 362 richtete sich nicht ausdrücklich gegen die Christen, verlangte aber, dass als Lehrer in öffentlichen Schulen nur jemand in Frage kommt, dessen mores (Verhalten, Sitten, Charakter) von der Stadtverwaltung als einwandfrei eingestuft wurden. Diese Regelung galt auch über die Regierungszeit Julians hinaus (Codex Theodosianus 13,3,5; Codex Iustinianus 10,53,7). In einem Begleitschreiben (Julian, Epistula/Brief 36/61c) erläuterte Julian, dass untadelige mores nur dann gegeben seien, wenn die Lehrer auch an die Inhalte der herkömmlichen (heidnischen) Schulautoren (wie Homer) glaubten – was bei christlichen Lehrern eben nicht der Fall war. Tatsächlich wirkte das Schulgesetz als Ausschluss von Christen aus dem Unterrichtswesen, was bei diesen große Aufregung verursachte. 12.3.3 Die Bedeutung der Julianzeit für das Christentum. Julian fiel im Perserkrieg 363. Mit ihm erlosch die konstantinische Flavier-Dynastie. Julians kurze Regierungszeit blieb eine Episode, deren Wirkung jedoch immens war. Nicht nur wurde die Auseinandersetzung zwischen Heidentum und Christentum hierdurch zugespitzt, vor allem zeigte sich auch die Unmöglichkeit, die von Konstantin eingeleiteten Transformationen der Kultur rückgängig zu machen und durch etwas Künstliches zu ersetzen. Innerhalb des Christentums führte die Regierungszeit Julians zu einer erheblichen Veränderung der unter Konstantius erreichten Machtverhältnisse. Da Julian nicht länger eine bestimmte Richtung oder Konzeption begünstigte oder durchsetzte, exilierte Bischöfe zurückkehrten und so die regionalen Konflikte neu entbrannten, bildeten sich besonders im Trinitarischen Streit neue Koalitionen und Einigungsbemühungen (etwa greifbar im Tomus ad Antiochenos, vgl. § 1; 15.2). Dies führte zu bisher undenkbar gewesenen Allianzen, zugleich aber auch zu neuen Problemen, die die Kirchengeschichte der sechziger und siebziger Jahre prägten. Diese Neufindung der kirchenpolitischen Gruppen und Allianzen setzte sich in der kurzen Regierungszeit Jovians fort, der 363 zum Augustus ausgerufen wurde und einen ungünstigen Frieden mit dem Perserreich schließen musste, aber bereits 364 auf dem Weg nach Konstantinopel überraschend starb.

Contra Galilaeos

Jovian

12.4 Literatur Lektüretipp: T. Nesselrath: Kaiser Julian und die Repaganisierung des Reiches. Konzept und Vorbilder, 2013. Literatur: T.D. Barnes: Athanasius and Constantius. Theology and Politics in the Constantinian Empire, 3. A. 2011. – R. Klein: Constantius II. und die christliche Kirche, 1977. – Ders.: Julian Apostata, 1978. – Ders.: Kaiser Julians Rhetoren- und Unterrichtsgesetz, RQ 76 (1981) 73-94. – S. Stöcklin-Kaldewey: Kaiser Julians Gottesverehrung im Kontext der 12. Auf dem Weg zur Reichskirche

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Spätantike, 2014. – S. Elm: Sons of Hellenism, Fathers of the Church. Emperor Julian, Gregory of Nazianzus, and the Vision of Rome, 2012. – C. Schäfer: Kaiser Julian ›Apostata‹ und die philosophische Reaktion gegen das Christentum, 2008. – G. Wirth: Jovian, in: E. Dassmann/K. Thraede (Hg.): Vivarium. FS für T. Klauser, 1984, 353-384.

 § 6; 1.-3.

13. Das Christentum als offizielle Religion des Imperium Romanum unter Theodosius I.

keine Staatskirche

Nach 363 entwickelten die Kaiser die Religionspolitik als wesentlichen Teil ihrer Innenpolitik konsequent weiter. Während unter Valentinian und Valens die Religionspolitik in West und Ost auseinanderdriftete, setzte Theodosius I. (379-395) auch im Osten konsequent auf eine nizänische Religionspolitik. Legislatorische Maßnahmen benachteiligten das Heidentum und griffen in die innerkirchlichen Konflikte ein. Für den Trinitarischen Streit wurde der Einsatz des Theodosius zugunsten der Nizäner entscheidend. Eine »Staatskirche« entstand dadurch nicht, doch legte Theodosius wesentliche Grundlagen für die Verbindung zwischen Kirche und kaiserlicher Religionspolitik, die im 5. Jh. besonders im Christologischen Streit prägend werden sollte.

13.1 Gegensatz zwischen westlicher und östlicher Kirchenpolitik 364-379 Valentinian I.

Valens

Basilius

Die kirchenpolitischen Verhältnisse im Ost- und Westteil des Imperium unterschieden sich nach 363 erheblich. Valentinian I. (363-375), ein illyrischer Offizier, befolgte im Westen eine Politik der Duldung und griff kaum in kirchliche Belange ein. Er selbst begünstigte die nizänische Majorität im Westen. Dagegen knüpfte sein mit der Regentschaft im Osten betrauter jüngerer Bruder Valens (364-378) an die Konzeption des Konstantius an und versuchte, das homöische Reichsdogma von 360 doch noch durchzusetzen. Er griff daher massiv in die innerkirchlichen Belange ein und setzte ihm missliebige Bischöfe ab. 13.1.1 Homöische Kirchenpolitik im Osten. Durch die Religionspolitik des Valens gerieten die Nizäner weiter in die Defensive. Dies zeigte sich besonders, als Valens nach 370 durch eine Provinzteilung versuchte, den Einfluss des Basilius von Cäsarea zu beschneiden, einem der letzten verbliebenen Befürworter einer am Nizänum orientierten Kirchenpolitik, den direkt abzusetzen er sich wegen des großen Rückhalts in Mönchtum und Bevölkerung wohl nicht traute (evtl. kamen freundschaftliche Kontakte des Basilius zu hochrangigen Beamten hinzu). Das Heidentum wurde in Ost und West gleichermaßen geduldet. Allerdings stieß Valens mit seiner Religionspolitik auch rasch an seine Grenzen: In Antiochia erhoben weiterhin der Altnizäner Paulinus und der homöusianisch gesinnte und mit Basilius verbündete 278

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Meletius Anspruch auf den Bischofsstuhl. In Alexandria konnte sich der homöische Gegenbischof des Athanasius, Lucius, nicht etablieren. Um zu verhindern, dass er wie sein homöischer Vorgänger Georg 361 gelyncht wurde, musste der Präfekt ihn gefangen nehmen und ihn heimlich aus der Stadt bringen. 13.1.2 Nizänische Kirchenpolitik im Westen. Ab 375 nahm die Religionspolitik im Westen einen deutlicher auf das Nizänum ausgerichteten Kurs auf. Die Wahl des Ambrosius zum Nachfolger des (zumindest anfänglich) homöisch gesinnten Auxentius 374 dürfte noch als Kompromiss gedacht gewesen sein (die konsequent nizänische Haltung des am homöisch dominierten Kaiserhof in Sirmium ausgebildeten Ambrosius war nicht absehbar gewesen). Der Nachfolger von Valentinian I., der sechzehnjährige Gratian (375383, der formal die Herrschaft im Westen mit seinem 371 geborenen Bruder Valentinian II., dem ersten »Kinderkaiser«, teilte), gab die kirchenpolitische Zurückhaltung nach und nach auf. Ob dies auf den Einfluss des Ambrosius zurückgeht (wie dieser an verschiedenen Stellen suggeriert), ist in der Forschung umstritten. Letzterer verfasste mit den fünf Büchern De fide (Über den Glauben) eine an Gratian adressierte Schrift, in der er das Homöertum als Arianismus geißelte und die von Basilius entwickelte neunizänische Position ins Lateinische übertrug. Dies konvergierte mit der neuen Ausrichtung der Religionspolitik unter Theodosius, einem spanischen General, den Gratian 379 als Nachfolger des 378 in der Schlacht von Adrianopel gefallenen Valens einsetzte. Im Westen konnte sich auch nach der Synode von Aquileia 381 das Homöertum behaupten, so insbesondere nach Gratians Tod 383 am Kaiserhof bei der Kaiserinmutter des noch unmündigen Valentinian II., Iustina. Als diese 385/386 die Überlassung einer Kirche in Mailand für die homöische Hofgemeinde verlangte, ließ Ambrosius die Kirche besetzen und trotzte auch der Androhung von Strafsteuern für die Kaufleute und von militärischer Gewalt. Nachdem sich die Lage zugespitzt hatte, gab der Kaiserhof schließlich nach – was von Ambrosius entsprechend als Sieg der nizänischen Sache gewertet wurde (vgl. § 1; 18.2.2).

Lucius von Alexandria

Ambrosius

Gratian

Iustina

13.2 Theodosius’ Kirchenpolitik Der aus dem Westen stammende Theodosius war getauft und persönlich vom Nizänum überzeugt. Er strebte eine umfassende Konsolidierung des Imperiums an, sowohl im Inneren durch Beendigung des Trinitarischen Streites als auch im Äußeren durch Abwehr bzw. Einbindung der Germanen (seit 451 wurde Theodosius mit dem Beinamen »der Große« geschmückt). Im Osten kannte er sich zunächst nur wenig aus, setzte aber bald eigene Akzente. Mit seinem Einzug in Konstantinopel machte er diese Stadt zum Zentrum der Herrschaft. In die Kirchenpolitik griff er früh ein, so schon 379 13. Das Christentum als offizielle Religion des Imperium Romanum unter Theodosius I.

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mit einem Edikt gegen alle Häresien (Codex Theodosianus 16,5,5). Signalwirkung hatte sodann das in Konstantinopel erlassene Gesetz vom 28.2.380, das nach seinen Anfangsworten Cunctos populos (Dass alle Völker ...) heißt. Damit wurde eine Orientierung an der nizänischen Position als verbindliche Grundlage erkennbar, die dann auch auf dem Konzil von Konstantinopel 381 etabliert wurde.

Konstantinopel als Kontext

Normbischöfe

Pontifex maximus

13.2.1 Das Edikt Cunctos populos. Die Deutung und Einordnung dieses Gesetzestextes (Codex Theodosianus 16,1,2) gehört zu den meistdiskutierten Fragen der Historiographie der Spätantike. Zunächst ist festzuhalten, dass der Text in Konstantinopel erlassen wurde und sich in erster Linie an die Bevölkerung dort richtete. Die Wendung, dass alle Völker (vgl. den Titel Cunctos populos) sich nur dann als katholische Christen bezeichnen dürften, wenn sie mit der Position des Damasus von Rom und des Petrus von Alexandria übereinstimmten, d.h. Nizäner im westlichen Sinne waren, glich eher einer Absichtserklärung im Sinne eines Regierungsprogramms als einer konkreten gesetzlichen Regelung. Doch war damit zugleich die Aussage verbunden, dass alle Andersdenkenden als vesani (Irre, der Begriff entstammte der Polemik) und als Häretiker anzusehen sind (hieran knüpften spätere Gesetze an, die insbesondere die Versammlungsfreiheit und Gebäude der Häretiker betrafen, etwa Codex Theodosianus 16,5,6; 16,5,8; 16,5,11-17; 16,5,19-24 von 381-395). Die Namen Petrus von Alexandria (der Nachfolger des Athanasius) und Damasus von Rom verweisen auf eine Position, die bisher im Osten keineswegs mehrheitsfähig war, sind also ein Indiz für die noch mangelnde Vertrautheit des Theodosius mit den kirchlichen Machtverhältnissen im Osten. Ein später nachgeschobenes Edikt vom 30.7.381 (Codex Theodosianus 16,1,3) benannte denn auch eine Liste von Normbischöfen aus der Diözese Oriens, darunter auch Gregor von Nyssa. Das Edikt Cunctos populos wurde erst später als wegweisende Richtungsentscheidung des Theodosius gedeutet, so im Codex Iustinianus, der es bewusst an die Spitze der Gesetzgebung stellte (Codex Iustinianus 1,1,1), im Kontext des Jahres 380 blieb seine Bedeutung begrenzt. 13.2.2 Der Streit um den Victoriaaltar. Theodosius nahm als erster Kaiser nicht mehr den Titel eines Pontifex maximus (oberster Brückenbauer) an (das Amt war für die Aufrechterhaltung besonders des Vestakultes zuständig) und bewegte 383 auch Gratian dazu, den Titel abzulegen. Im Westen ergab sich ein symbolkräftiger Streit um den Victoriaaltar, der als Symbol der römischen Weltherrschaft im Senat aufgestellt war (zu unterscheiden von der Victoriastatue, die bis 408 im Senat stehenblieb). Nachdem Konstantius diesen Altar bereits 357 entfernt, Julian ihn aber 361 restituiert hatte, beraumte Gratian 382 die erneute Beseitigung des Altars an. Gratian fiel jedoch wenig später im Kampf gegen den Usurpator Maximus. Valentinian II. wollte aufgrund der eindrucksvollen Eingabe des römischen Stadtpräfek280

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ten Symmachus, eines entschiedenen Anhängers der klassischen Romidee und Nichtchristen, den Altar wieder aufrichten lassen, unterließ es dann aber doch, eventuell wegen der scharfen Intervention des Ambrosius. Mit der Beseitigung des Victoriaaltars, die selbst eher symbolisch war, war die Finanzierung des heidnischen Kultes verbunden, die Gratian 382 aufhob. Damit war den heidnischen Kulten eine wesentliche Basis für das öffentliche Wirken entzogen. 13.2.3 Legislatorische Maßnahmen gegen die »Heiden«. Gesetzliche Maßnahmen gegen das Heidentum oder gar einen entschlossenen Kampf des Theodosius gegen dasselbe gab es zunächst nicht. Die Tempel sollten geöffnet bleiben, allerdings ohne Opferkult (Codex Theodosianus 16,10,8 von 382). Verboten waren lediglich Konversionen zum Heidentum und die Teilnahme von Christen an heidnischen Kulten. Die Unterstützung des Christentums führte allerdings dazu, dass Ausschreitungen gegen heidnische Kultorte oft ungesühnt blieben. So unterstützte der Präfekt der Diözese Oriens, Cynegius, ab 386 an verschiedenen Orten in Syrien und Ägypten die Zerstörung von Tempeln, 389 kam es in Alexandria nach Tumulten zur Zerstörung des Serapeions. Beides zog keine Konsequenzen nach sich. Betroffen waren neben heidnischen Kulten auch jüdische Gemeinden. So ordnete Theodosius den Wiederaufbau der Synagoge in Kallinikon am Euphrat an, die von Chris­ten zerstört worden war. Ambrosius intervenierte und erreichte tatsächlich, dass die Synagoge nicht wieder aufgebaut wurde. Ab den neunziger Jahren verschärfte Theodosius die legislatorischen Maßnahmen, so verbot er 391 den Besuch von Tempeln (Codex Theodosianus 16,10,10) und dehnte das Verbot des heidnischen Kultes 392 auch auf alle privaten Formen der Religiosität aus (Codex Theodosianus 16,10,12). Infolge dieser Restriktionen endeten berühmte Einrichtungen wie das Orakel von Delphi, die olympischen Spiele oder der Vestakult in Rom. Die Gesetze fanden allerdings nur eine begrenzte Resonanz und ließen sich bis weit ins 5. Jh. hinein nicht überall durchsetzen.

Symmachus Ambrosius

Verbot von Konversionen Zerstörungen von Tempeln

13.2.4 Theodosius und Ambrosius. Ambrosius war als ehemaliger hoher Beamter des Kaiserhofes mit dem Innenleben der Politik vertraut. Dies machte ihn zum geeigneten Mittelsmann in den Verhandlungen mit dem Usurpator Maximus nach 381 und dann 384 (als es um die Herausgabe des Leichnams Gratians ging). Beides zeigt, dass Ambrosius für die kaiserliche Politik Bedeutung besaß. Theodosius selbst residierte 388-391 in Mailand, um die Folgen der Usurpation des Maximus zu beseitigen. Man wird den Einfluss des Ambrosius auf die Religionspolitik des Theodosius nicht überschätzen dürfen, doch lassen sich verschiedene Ereignisse nennen, an denen Ambrosius direkt versuchte, Theodosius zu beeinflussen. Neben der Intervention im Zusammenhang des Victoriaaltars und dem Wiederaufbau der Synagoge von Kallinikon ist besonders die öffentliche Buße für 13. Das Christentum als offizielle Religion des Imperium Romanum unter Theodosius I.

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Blutbad in Thessalonike

Buße des Kaisers

Eugenius

Ost- und Westteil 393

das Blutbad in Thessalonike zu nennen: Als dort die aufgebrachte Menge den Heermeister Illyriens totgeschlagen hatte, hatte Theodosius als Strafe ein Blutbad unter den im Zirkus versammelten Einwohnern angeordnet. Ambrosius forderte Theodosius zu öffentlicher Kirchenbuße auf und begründete dies damit, dass in religiösen Dingen selbst der Kaiser dem Klerus unterstehe. Theodosius ließ sich hierauf ein. Damit war keine prinzipielle Verhältnisbestimmung zwischen geistlicher und weltlicher Gewalt gegeben, vielmehr agierte der Kaiser so, wie es den Anforderungen und Erwartungen an einen frommen Kaiser gebührte. Er stärkte durch seine Buße also seine Selbstrepräsentation als demütiger, frommer und nicht dem Zorn überlassener Herrscher. 13.2.5 Die sog. Reichsteilung von 393. Die politischen Verhältnisse im Westteil des Reiches waren seit der Usurpation des Maximus instabil. Der Heermeister Arbogast, ein Franke, erhob nach der (in ihren Einzelheiten unklaren) Ermordung Valentinians II. im Jahr 392 den römischen Rhetoriklehrer Eugenius zum Kaiser für den Westteil – ohne Zustimmung des Theodosius. Hiergegen ernannte Theodosius seinen jüngeren Sohn Honorius zum Mitkaiser für den Westen (der ältere Sohn Arcadius war seit 383/384 Mitkaiser im Osten), 394 wurde Eugenius besiegt. In diesem Zusammenhang wurden 393 der Westteil und der Ostteil des Imperiums juristisch deutlicher voneinander getrennt, die Übernahme von Gesetzen des anderen Reichsteils unterblieb fortan oft. Es handelt sich nicht um eine förmliche Teilung des Reiches, aber doch um eine erheblich größere formale Selbständigkeit beider Reichsteile. 13.3 Literatur Lektüretipp: H. Leppin: Theodosius der Große, 2003, 153-228. Quellen: R. Klein (Hg.): Der Streit um den Victoriaaltar, 1972 [zweisprachig]. Literatur: S. Schmidt-Hofner: Reagieren und Gestalten. Der Regierungsstil des spätrömischen Kaisers am Beispiel der Gesetzgebung Valentinians I., 2008. – P.F. Beatrice (Hg.): L’intolleranza cristiana nei confronti dei pagani, 1993. – J. Hahn (Hg.): Spätantiker Staat und religiöser Konflikt. Imperiale und lokale Verwaltung und die Gewalt gegen Heiligtümer, 2011. – J. Ernesti: Princeps christianus und Kaiser aller Römer. Theodosius der Große im Lichte zeitgenössischer Quellen, 1998. – R.N. Errington: Christian Accounts of the Religious Legislation of Theodosius I., Klio 79 (1997) 398-443. – R. Klein: Symmachus, 2. A. 1986. – N.B. McLynn: Ambrose of Milan. Church and Court in a Christian Capital, 1994. – K.L. Noethlichs: Heidenverfolgung, RAC 13 (1986) 1148-1190. – P. Thrams: Christianisierung des Römerreiches und heidnischer Widerstand, 1992. – J. Liebeschuetz: Ambrose and John Chrysostom. Clerics between Desert and Empire, 2011. – R. Lizzi Testa: Christian Emperor, Vestal Virgins, and Priestly Colleges. Reconsidering the End of Roman Paganism, Antiquité Tardive 15 (2007) 251-262. – A. Cameron: The Last Pagans of Rome, 2011.

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14. Das Kaisertum im 5. und 6. Jh. bis zur Herrschaft Justinians Das Machtzentrum des Imperium Romanum verlagerte sich ab der theodosianischen Dynastie rasch in den Osten. Gründe hierfür waren das wirtschaftliche Übergewicht des Ostens, die militärische Stabilisierung an der Ostgrenze gegen die Perser und die gleichzeitige Destabilisierung des Wes­ tens durch vordringende Germanen. Die kulturellen Divergenzen nahmen rasch zu, so dass sich der lateinische Westen und der griechische Osten insgesamt auseinanderentwickelten. Das betraf auch die kirchlichen Verhältnisse, wobei in der ersten Hälfte des 5. Jh.s zwischen Rom und Alexandria noch eine enge, aus dem 4. Jh. herrührende Verbindung bestand. Die Auflösungserscheinungen im Westen führten 476 zum Ende des westlichen Kaisertums. Einen letzten großangelegten Versuch, das Imperium Romanum in seiner alten Größe zu restituieren, unternahm Justinian durch die Eroberung von Nordafrika (wo die Vandalen die römische Herrschaft übernommen hatten) und von Italien (wo die Ostgoten ein eigenes Reich aufgebaut hatten). Nach dem Tod Justinians löste sich dieses Reich rasch wieder auf. Ab dieser Zeit wird aus der oströmischen Herrschaft die eigentlich byzantinische, die sich auch kulturell eigenständig weiterentwickelte. Ab dem 7. Jh. hatte das byzantinische Reich gegen die von Ägypten über Syrien vordringende Araberherrschaft zu kämpfen, was politisch neue Rahmenbedingungen schuf.

14.1 Kaiserliche Religionspolitik im 5. Jh. Die Zuständigkeit des Kaisers für die Sicherstellung guter Religionsausübung wurde von den christlichen Kaisern nahtlos übernommen. Dies führte zu einem Verständnis kaiserlicher Herrschaft, das sich durch Attribute wie »orthodox« und »fromm« auszeichnete. Dementsprechend war der Vorwurf an den Kaiser, nicht fromm zu handeln oder Häretiker zu unterstützen, eine Demontage des kaiserlichen Machtanspruchs. Dies konnte die Kaiser erheblich unter Druck setzen, so dass die kaiserliche Religionspolitik darauf angelegt sein musste, die innerkirchlichen Konflikte möglichst zu lösen und Gegner der eigenen Machtentfaltung einzubinden oder zu bekämpfen. Diese Gratwanderung führte zu einem Wechsel von massiven Eingriffen in die kirchliche Personalpolitik (Ab- und Einsetzung von Patriarchen, Bischöfen etc.) und dem Versuch, Positionen zu entwickeln oder zu fördern, die einen möglichst breiten Konsens finden konnten. Beides wurde vom Kaiser mit dem Hinweis auf seine Pflicht zur Wahrung der Orthodoxie verlangt und zugleich von den Gegnern erbittert als Ausweis unorthodoxen oder unfrommen Verhaltens gebrandmarkt. Kaiserliche Religionspolitik wurde im 5. Jh. zu einem bedeutenden Feld der Innenpolitik. Die Kaiser sind in unterschiedlicher Weise an dieser Herausforderung gescheitert. Die im Christologischen Streit ausbrechenden Konflikte ließen sich mit den Mitteln herkömmlicher Religionspolitik nicht beilegen. 14. Das Kaisertum im 5. und 6. Jh. bis zur Herrschaft Justinians

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Eingriffe

Konsenssuche

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14.2 Umgang mit dem Heidentum und Judentum

Tempel­ zerstörungen

Hypatia

Im Hinblick auf das Heidentum kam es erst im Laufe des 5. Jh.s zu einer faktischen Zurückdrängung. Kaiser Theodosius II. (408-450) schloss seit 415 Heiden grundsätzlich von den Ämtern im Reich aus (was sich jedoch noch einige Jahrzehnte lang nicht durchsetzen ließ) und verbot 435 alle Opfer bei Todesstrafe (Codex Theodosianus 16,10,25). Die im selben Gesetz dekretierte Zerstörung aller paganen Heiligtümer wurde an vielen Stellen zum Anlass genommen, Tempel zu zerstören oder zu Kirchen umzubauen. Dadurch veränderte sich im Laufe des 5. und 6. Jh.s das Aussehen der Städte massiv: Die Kirchen rückten ins Zentrum der Städte und wurden hier oft repräsentativ neu aufgebaut. Immer wieder kam es auch zu brutalen Ausschreitungen (berühmtes Beispiel: die Ermordung der Philosophin Hypatia 415 in Alexandria). Parallel zur Zurückdrängung des Heidentums wurde auch das Judentum von gesetzlichen Maßnahmen betroffen. Zwar bemühte sich Theodosius II., die Gewalt von Christen gegen Juden zu unterbinden, doch verbot er gleichzeitig den Neubau von Synagogen, die Beschneidung von Nichtjuden, schloss Juden aus dem Heerdienst und von öffentlichen Ämtern aus und schuf das jüdische Patriarchat ab. Diese Maßnahmen wurden in unterschiedlicher Konsequenz auch von seinen Nachfolgern, den Kaisern Markian und Zenon, weitergeführt.

14.3 Der Codex Theodosianus

Exzerpte

Auswahlkriterien

Das römische Recht war durch die Vielzahl von kaiserlichen Edikten und Gesetzen vor allem seit Diokletian ein unübersichtliches Konglomerat geworden, dessen begriffliche Stringenz und innere Kohärenz oft nicht gegeben war. Theodosius II. beabsichtigte daher eine umfassende Sammlung von Kaisergesetzen. Diese Sammeltätigkeit wurde die Grundlage für die Redaktion des Codex Theodosianus ab 435. Hier sollten die Gesetze nicht nur gesammelt werden, vielmehr sollten die jeweils zentralen rechtlichen Regelungen ausgewählt und nach thematischen Zusammenhängen zusammengestellt werden. Die einleitenden ausführlichen Darstellungen vieler kaiserlicher Konstitutionen über den Entstehungshintergrund der Gesetze wurden weggekürzt, einige Gesetze in mehrere Abschnitte zerlegt und entsprechend zugeordnet. Erlassende Kaiser, Adressaten, Ort und Zeitpunkt des Erlasses wurden als Rahmung jeweils hinzugefügt (wobei diese Angaben nicht immer fehlerfrei sind). Festgehalten werden sollten nur gesetzliche Regelungen, die einen umfassenden Rechtsanspruch erheben konnten, sei es, dass es direkt kaiserliche Edikte waren, sei es, dass es sich um Anweisungen an den Senat oder allgemeine Gesetze handelte. Weitere Regelungen (aus Briefen, kaiserlichen Reskripten etc.) wurden dann aufgenommen, wenn sie wegen ihres Inhalts als unverzichtbar galten. 438 von Theodosius II. verkündet und von Valentinian III. für das Westreich übernommen, galt der Codex 284

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Theodosianus ab 439 in beiden Reichsteilen. Erhalten sind die Bücher 5-16, während für die Bücher 1-5 nur die Weiterverarbeitung in der Lex Romana Visigothorum (Das Römische Gesetz der Westgoten; es handelt sich um eine verkürzende Zusammenstellung von Alarich II. für die Wesgoten, 506 entstanden) vorliegt. Die auf die Religion bezogenen Gesetze wurden in Buch 16 zusammengestellt und sind eine der wichtigsten Quellen für die kaiserliche Religionspolitik zwischen Konstantin und Theodosius II.

Lex Romana Visigothorum

14.4 Geschichtsschreibung im 5. Jh. Im 5. Jh. unternahmen im griechischen Osten gleich mehrere Schriftsteller den Versuch, die kirchengeschichtlichen Ereignisse seit Konstantin darzustellen und so – in Fortsetzung der Kirchengeschichte Eusebs – eine Deutung des christlichen Imperium Romanum zu geben. Zu nennen sind insbesondere die Schriftsteller Sokrates und Sozomenus, die teilweise auf eine ältere (wohl homöusianisch geprägte) Sammlung des Sabinus aus dem 4. Jh. zurückgriffen, sowie Theodoret. Alle diese drei Kirchenschriftsteller stehen auf einem nizänischen Standpunkt und stellen die Ereignisse des 4. Jh.s als Durchsetzung der Orthodoxie dar. Davon unterscheidet sich Philostorgius, der eine eunomianische Perspektive einnimmt (ein wichtiger Beleg dafür, dass diese Perspektive im 5. Jh. noch nicht verschwunden ist). Sokrates, genannt Scholasticus (d.h. Rechtsanwalt), lebte in Konstantinopel und ahmte die Kirchengeschichte Eusebs auch durch einen kritischen Umgang mit den benutzten Quellen nach, von denen er viele im Original zitiert. Er hat hohe Sympathien für die Novatianer, über die er detaillierte Informationen hat (ob er selbst zu den Novatianern gehörte, ist unsicher). Bezeichnend für die Sicht auf die Kirchengeschichte ist die Aufteilung des Stoffes nach den einzelnen Regierungszeiten der Kaiser. Damit wird die kaiserliche Religionspolitik zum entscheidenden Aspekt der kirchenpolitischen Entwicklungen. Seine Darstellung benutzte wenig später Sozomenus (ohne Sokrates zu nennen). Er möchte in seinem Konkurrenzprodukt die Geschichte lebhafter und erzählerischer gestalten, was allerdings teilweise auf Kosten der historischen Zuverlässigkeit geht. Deutlicher auf die Verteidigung der Orthodoxie bezogen ist das Werk des Theodoret, der die Geschichte des 4. Jh.s als Voraussetzung und Hintergrund der aktuellen Debatten darstellt. Er spitzt Bewertungen deutlich zu und setzt eigene Akzente gegenüber Sokrates und Sozomenus, die er benutzt hat. Die Kirchengeschichten des Sokrates, Sozomenus und Theodoret hat dann um 530 ein Kleriker aus Konstantinopel, Theodor Lector (d.h. Vorleser, auch Theodor Anagnostes genannt), zu einem Werk zusammengefasst, der sog. Historia tripartita (Geschichte, die aus drei Teilen besteht). Eine lateinische Übersetzung dieses Werkes durch den Mönch Epiphanius im Umfeld des Cassiodor machte dieses Werk im Westen bekannt. Von Theodor Lector stammt auch eine Fortsetzung dieser Kirchengeschichte, die bis in die eigene Gegenwart reicht. Aus dem Ende 14. Das Kaisertum im 5. und 6. Jh. bis zur Herrschaft Justinians

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Philostorgius

Sokrates Scholasticus

Sozomenus

Theodoret

Historia tripartita

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des 5. Jh. stammt außerdem eine anonyme Kirchengeschichte (deren frühere Zuschreibung an Gelasius von Cyzikus auf einer Verwechslung beruht), von der nur ein Anfang zur konstantinischen Zeit erhalten ist.

14.5 Das Ende des weströmischen Kaisertums 476

Aëtius Rikimer

Im 5. Jh. nahm die Notwendigkeit der Abwehr und Integration germanischer Personen und Gruppen erheblich zu. Das führte zu einer massiven Machtverschiebung zugunsten des Militärs, seit 430 übten im Westen Heermeister die eigentliche Macht aus, ab 430 Aëtius, nach dessen Ermordung ab 454 Rikimer. Nach dessen Tod 472 versuchte Glycerius, die kaiserliche Macht zu stabilisieren. Er wurde aber von einem Heer des oströmischen Kaisers Leon besiegt und abgesetzt, als Nachfolger wurde der Heermeister Nepos eingesetzt, der jedoch 475 seinem Rivalen Orestes unterlag. Dieser versuchte nun, seinen eigenen Sohn, Romulus Augustus, ein Kind, als Kaiser zu installieren, doch führte dies zu einem Aufstand im Heer. Die Truppen ernannten daher im August 476 einen der Ihren zum König, nämlich Odoaker. Orestes wurde getötet, Romulus entmachtet und auf einem Landgut bei Neapel untergebracht. Zwar versuchte der abgesetzte Kaiser Nepos noch bis 480, sein Amt wiederzuerlangen, wurde jedoch 480 ermordet. Auch ähnliche Versuche des Glycerius blieben erfolglos. Demnach war Romulus Augustus der letzte formelle römische Kaiser. Odoaker beanspruchte nicht mehr die westliche Kaiserwürde, sondern ließ sich von Ostrom als patricius (d.h. den eingesetzten Regenten eines Reichsteiles) anerkennen (vgl. § 7; 2.3.1).

14.6 Justinians christliche Universalherrschaft Nach der Herrschaft des Anastasius leitete der überraschend zum Kaiser ernannte Justin einen kirchenpolitischen Kurswechsel im Christologischen Streit ein. Dies war verbunden mit einer Neuausrichtung der Kaiserherrschaft insgesamt, die insbesondere sein Neffe Justinian vorantrieb. Dessen fast vierzigjährige Regierungszeit hat den Ostteil des Imperium Romanum gegen erhebliche innere wie äußere Widerstände stabilisiert. Besondere Bedeutung bekam für seine Herrschaft die religiöse Komponente des östlichen Kaisertums: Der Kaiser verstand sich als von Gott beauftragter Herrscher, der auch für das Wohlergehen der Kirche und des glaubenden Gottesvolkes zu sorgen hatte.

Hagia Sophia

14.6.1 Selbstverständnis als Kaiser. Den Anspruch, als Kaiser in besonderer Weise von Gott beauftragt zu sein, brachte Justinian bereits bei seiner Kaiserwahl zum Ausdruck, an der das Volk in Konstantinopel nicht beteiligt war (obwohl das mittlerweile üblich war). Seine Befugnis in theologischen Fragen zeigte sich sehr bald an seiner Positionierung zugunsten des Neuchalkedonismus (vgl. § 4; 12.). Die Hagia Sophia (ein Bau aus dem 286

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4. Jh. ging 404 in Flammen auf, der Neubau des Theodosius II. 532 im Nika-Aufstand; der Neubau Justinians aus den Jahren 532-537 ist erhalten, da er 1453 Moschee und 1953 Museum wurde) wurde zum Symbol eines christlichen Kaisertums. Justinian entwickelte während seiner Herrschaft intensive theologische Interessen und wurde auch literarisch tätig, womit er sich als »Theologe auf dem Kaiserthron« inszenierte, auch wenn seine Ausführungen ihm den Vorwurf einbrachten, ein Aphthartodoket zu sein (vgl. § 4; 12.2.1). Justinian muss über ein erhebliches religiöses Sendungsbewusstsein verfügt haben, da er durch seine kirchenpolitischen wie theologischen Initiativen erhebliche Risiken für seine Herrschaft einging. Der Begriff »Cäsaropapismus« ist wenig geeignet, das Verhältnis zwischen kaiserlicher Herrschaft und kirchlichen Strukturen in seiner Herrschaftszeit zu beschreiben. Zwar konnte der Kaiser erhebliche Macht in kirchlichen Belangen entfalten (und tat es auch), ja ihm wurde sogar eine christusgleiche Herrschaft und Aufsicht zugesprochen, doch beanspruchten die Patriarchen die Herrschaft über die Kirche und konnten – sollten sie sich gegen den Willen des Kaisers behaupten können – die kaiserliche Herrschaft in gefährlicher Weise destabilisieren. Auch die kirchenrechtliche Eigenständigkeit von Synoden darf nicht unterschätzt werden. Die Idealvorstellung, dass zwischen der orthodoxen Herrschaft des Kaisers und dem von den Bischöfen ausgedrückten Konsens der einen Kirche eine Übereinstimmung (συμφωνία/symphōnia/Übereinklang; daher spricht man auch vom Symphonieprinzip zwischen weltlicher und geistlicher Gewalt) besteht, konnte daher nur selten oder ansatzweise erreicht werden. Trotzdem prägte diese Vorstellung das Leitbild einer mit der weltlichen Herrschaft eng verbundenen und auf sie angewiesenen, wenn auch selbständigen Kirche. In der Geschichte der orthodoxen Kirchen, die auf die byzantinische Tradition zurückgehen, führte dies dazu, dass sich kirchliche Strukturen oft an die politischen Grenzen anpassten (also Regionalkirchen entstanden) und als Stützen weltlicher Herrschaft erwiesen. 14.6.2 Die Eroberung Nordafrikas und Italiens. Die Beruhigung der Lage an der Ostfront (Friedensschluss mit dem Perserkönig Chosroes I. 532, anschließend durch hohe Tributzahlungen erhalten) war die Voraussetzung für Justinians Versuch, den Einfluss im Westen erheblich auszubauen. 533 schickte Justinian seinen General Belisar mit einem relativ kleinen Heer nach Nordafrika, um den Usurpator Gelimer ab- und den Vandalenkönig Hilderich wiedereinzusetzen. Der Widerstand brach jedoch so rasch in sich zusammen, dass Justinian Nordafrika zur oströmischen Provinz machte. Das Ziel, von hier aus auch Italien wieder unter direkte Herrschaft zu bringen, führte zu den Gotenkriegen, die mit wenigen Unterbrechungen bis 552 dauerten und Italien in einem verwüsteten Zustand zurückließen. Wichtigster Feldherr war neben Belisar Narses. 14. Das Kaisertum im 5. und 6. Jh. bis zur Herrschaft Justinians

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Theologe auf dem Kaiserthron

Cäsaropapismus?

Symphonieprinzip

Belisar

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Institutiones Digesten Novellen Tribonian Corpus Iuris Civilis

Zirkusparteien

Johannes Malalas

14.6.3 Der Codex Iustinianus. Die Rechtsentwicklung seit dem Codex Theodosianus (s. § 3; 14.3.) führte zu einem erneuten Kodifizierungswerk. Zunächst wurden die Kaisergesetze neu zusammengestellt, dabei standen jetzt die die Religion betreffenden Gesetze als Buch 1 voran. Der so entstandene Codex Iustinianus von 529 (2. verbesserte Auflage 534 in 12 Büchern, weitgehend nur in der Fassung von 534 erhalten; die lateinische Überlieferung ist breit, lässt aber die griechischen Konstitutionen aus, die weitgehend verloren sind) wurde um eine kurze einleitende Schrift ergänzt, die Institutiones (Anordnungen). Hinzu kam eine Zusammenstellung der wichtigsten Auslegungen älterer römischer Juristen, der sog. Digesten (oder Pandekten), und der nach 534 erlassenen Gesetze, der Novellen. Diese vier Teile, an deren Entstehung der Jurist Tribonian federführend beteiligt war, bilden zusammen das (seit Dionysius Gothofredus 1583 so genannte) Corpus Iuris Civilis (Korpus des bürgerlichen Rechts), die Grundlage des römischen Rechts im gesamten Mittelalter und in der Neuzeit (Text/Übers.: ed. O. Behrends/R. Knütel/B. Kupisch/H.-H. Seiler). 14.6.4 Der Nika-Aufstand. In besonders markanter Weise zeigte sich das Machtbewusstsein Justinians in dem verheerenden Nika-Aufstand im Jahr 532. Auslöser waren Kämpfe zwischen den Zirkusparteien (die nach ihren Erkennungsfarben die Grünen und die Blauen hießen), die sich mit sozialen Unruhen angesichts neuer Finanzbelastungen verbanden. Als Justinian die Begnadigung von zum Tode verurteilten Rädelsführern verweigerte, brach der Aufstand los, öffentliche Gebäude und Kirchen wurden in Brand gesetzt, die Parole lautete νῖκα (nika/Pl. Siege, d.h. Sieg!). Justinian reagierte zunächst nur halbherzig, bis sich seine senatorischen Gegner sicher waren, es mit einem schwachen Kaiser zu tun zu haben. Ein Gegenkaiser (Hypatius) sollte im Hippodrom zum neuen Kaiser ausgerufen und von der Menge akklamiert werden. Erst im letzten Moment ließ Justinian den Aufstand durch Belisars Truppen im Hippodrom grausam niederschlagen (von 30.000 Toten ist die Rede, diese Zahl ist natürlich nicht belastbar) und alle, die sich gegen ihn gestellt haben, hinrichten. Damit war der Widerstand gegen Justinian seiner Führung beraubt und brach in sich zusammen. Justinian konnte in den Folgejahren seine Herrschaft immer weiter ausbauen. Allerdings wurde das Verhalten des Kaisers im Nika-Aufstand zugleich zu einer schweren Belastung für das Ansehen des Kaisers, die lange und vielfältig nachwirkte. Naturkatastrophen (neben Erdbeben insbesondere die Pest ab 540) führten zudem zum Aufblühen apokalyptischer Erwartungen (interessant ist die nach dem Tod Justinians entstandene Chronographie des Johannes Malalas, der gegen apokalyptisch-chiliastische Vorstellungen eine eigene Zeitberechnung setzte, der zufolge das Weltende noch nicht unmittelbar bevorstand). Die Universalherrschaft Justinians wurde von den Zeitgenossen keineswegs als glorreiche Restauration, sondern als Zeit der Katastrophen und des inneren Zerfalls erlebt. 288

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14.7 Literatur Lektüretipp: M. Meier: Justinian. Herrschaft, Reich und Religion, 2004. Quellen: G.C. Hansen (Hg.): Sozomenos, Historia ecclesiastica, FC 73/1-4, 2004 [zweisprachig]. – B. Bleckmann/M. Stein (Hg.): Philostorgios, Kirchengeschichte, 2016 [zweisprachig]. Literatur: M. Wallraff: Der Kirchenhistoriker Sokrates, 1997. – Ders. (Hg.): Geschichte als Argument? Historiographie und Apologetik, 2015. – H. Leppin: Von Constantin dem Großen zu Theodosius II. Das christliche Kaisertum bei den Kirchenhistorikern Socrates, Sozomenus und Theodoret, 1996. – S. Crogiez-Pétrequin/P. Jaillette (Hg.): Le code théodosien. Diversité des approches et nouvelles perspectives, 2009. – J.-J. Aubert/P. Blanchard (Hg.): Droit, religion et société dans le Code Théodosien, 2009. – M. Meier: Das andere Zeitalter Justinians. Kontingenzerfahrung und Kontingenzbewältigung im 6. Jahrhundert n.Chr., 2. A. 2004. – Ders. (Hg.): Justinian, 2011. – R. Browning: Justinian and Theodora, 1981. – H. Börm: Westrom. Von Honorius bis Justinian, 2013. – G. Dagron: Empereur et prêtre. Étude sur le »césaropapisme« byzantin, 1996. – F. Botta (Hg.): Il diritto giustinianeo fra tradizione classica e innovazione, 2003. – R. Pfeilschifter: Der Kaiser und Konstantinopel. Kommunikation und Konfliktaustrag in einer spätantiken Metropole, 2013. – M. Meier/C. Radtki/F. Schulz (Hg.): Die Weltchronik des Johannes Malalas, 2016.

 § 8; 3.

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§4

§ 4 Christologie Bedeutung des Themas

Die Inkarnationsaussagen des Neuen Testaments (etwa in Phil 2, 6-11 oder Joh 1, 1-18) schreiben Jesus sowohl Gottheit als auch Menschheit zu. Die Evangelien berichten zudem von Handlungen wie Totenauferweckung oder der Gewalt über die Elemente, verbinden mit Jesus also Eigenschaften, die Gott zukommen. Daneben stehen Berichte über ausgesprochen menschliches Verhalten und Erleben Jesu, seinen Hunger oder Zorn, besonders aber Todesangst und Tod am Kreuz. Wie kann angesichts dieses Befundes die Einheit von Jesus Christus überhaupt gedacht und ausgedrückt werden? Aus dem, was die Bibel über Christus sagt, ergeben sich besonders zwei Problemfelder: das christologische Problem im weiteren Sinne, nämlich das Verhältnis Jesu Christi zu Gott Vater als Teil der Trinitätslehre (vgl. § 1), und das christologische Problem im engeren Sinne, die Frage nach dem Verhältnis von Gottheit und Menschheit Jesu Christi, die in diesem Paragraphen thematisiert wird. Völlig trennen lassen sich beide Bereiche aber nicht: Entscheidungen in einem Bereich haben auch Einfluss auf den anderen. Wird beispielsweise in der Christologie die menschliche Seite Jesu besonders betont, liegt eine starke Unterordnung unter den Vater nahe. Während in den ersten Jahrhunderten das christologische Problem im Wesentlichen begrifflich unscharf erfasst und darum kaum wirklich geklärt wurde, entwickelte es sich – nach ersten Beiträgen im 4. Jh. – im 5. Jh. zu einer umfassenden Diskussion, dem sogenannten Christologischen Streit, der 451 im Konzil von Chalkedon gipfelte, sich aber politisch und kirchenpolitisch bis ins 7. Jh. auswirkte. Das Thema war aus zwei Gründen besonders brisant: Einerseits speist sich die Identität des Christentums aus einem bestimmten Verständnis von Jesus Christus. Mit dem Selbstverständnis einer Gemeinschaft entscheidet sich auch, ob andere Positionen ausgegrenzt oder integriert werden können. Daher musste eine Debatte um Jesus Christus unmittelbar für das Selbstverständnis wichtig werden. Andererseits besteht zwischen der Christologie und der Lehre von der Erlösung des Menschen ein enger Zusammenhang. So kann die Vergöttlichung der menschlichen Seite im Inkarnierten zum Vorbild für das heilige Leben der Christen werden. Umgekehrt ist es laut dem Grundsatz »Es wird nur erlöst, was auch angenommen ist« wichtig, im Inkarnierten auch die volle Menschlichkeit zu betonen. Daran zeigt sich, dass Christus zur Folie für das Leben aller Christen wird, sowohl für die Lebensführung als auch für die Erlösung. Die neuzeitliche Diskreditierung des christologischen Problems und der Zwei-Naturen-Lehre als abstraktes Problem verkennt diesen existentiellen Bezug zur Soteriologie und Frömmigkeit. 290

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§ 4 Christologie

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Was den Christologischen Streit zusätzlich zu den theologischen Differenzen auflud, war die Konkurrenz der Patriarchate von Alexandria und Antiochia. Mit der Gründung des Patriarchates von Konstantinopel begann ein Tauziehen zwischen Alexandria und Antiochia um den Einfluss auf das neue Patriarchat. Da die innerkirchlichen Konflikte die Stabilität des Reiches betrafen, griffen auch die oströmischen Kaiser sehr bald in den Streit ein. In wechselnden Bündnissen zwischen den Patriarchaten, den römischen Bischöfen und den Kaisern kollidierten im Christologischen Streit kirchenpolitische und politische Interessen. Schließlich erzwang Kaiser Markian auf dem Konzil von Chalkedon 451 einen Kompromiss, um die innere Stabilität des Reiches zu sichern. Doch der Kompromiss hatte eine geradezu fatale Wirkung: Nach verschiedenen Versuchen der Durchsetzung spalteten sich wichtige Kirchen im Osten ab. Die kirchliche Einheit des Ostens war damit ausgerechnet durch den Versuch ihrer Sicherung zerschlagen. Hinzu kam ein Bruch zwischen östlicher und westlicher Kirche im sog. Acacianischen Schisma. Auch wenn das zwischenzeitlich eingetretene Schisma offiziell wieder beendet wurde, entfremdeten sich die beiden großen Kirchen seitdem noch mehr. Das Christentum konnte weder die Gegensätze der Lehrmeinungen noch die Vermischung mit politischen Interessen überwinden.

Wichtige Themen

(Lernkontrolle: Können folgende Fragen beantwortet werden?) • Welche Probleme ergeben sich aus der Inkarnationsvorstellung? Wie wurden entsprechende biblische Aussagen gedeutet? Was versteht man unter Doketismus? • Was wurde an Jesus als besonders gegenüber anderen Menschen bestimmt? Warum? Welche wichtigen Theologen haben sich wie dazu geäußert? Welche Position vertreten Sie in diesen Fragen? Wem schließen Sie sich gegebenenfalls an? • Welche Differenzierung nahm Apollinaris von Laodicea vor? • Was war das Grundanliegen von Theodor von Mopsuestia? Welche Position vertrat dagegen Kyrill von Alexandria? • Welches Schema beschreiben die veralteten Denkmodelle von Logos – Sarx und Logos – Anthropos? Warum ist diese Einteilung problematisch? • Was versteht man unter dem Christologischen Streit? • Worin besteht das Problem einer Schematisierung von »alexandrinischer« und »antiochenischer« Christologie? Wie könnte die Entwicklung des 5. Jh.s angemessener beschrieben werden? • Welche Eigenarten grenzten die westliche Zwei-Naturen-Lehre von der östlichen ab? Welche Gründe gab es dafür? § 4 Christologie

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• Was genau besagt das Chalcedonense von 451? Inwiefern handelte es sich dabei um einen Kompromiss? Welche Positionen wurden zusammengeführt? Welche Rolle spielten die Kaiser? Welche bedeutsamen Folgen hatte diese Festlegung? • Wer bekämpfte dieses Dogma und warum? Mit welchen Folgen? Was versteht man unter Miaphysitismus? Welche unterschiedlichen Auffassungen der Begriffe Natur und Person gab es? Bei wem? Welche Folgen hatte das? • Welche religiösen Motive standen hinter dem Gegensatz der Lehren? • Wie hingen Dogma und Politik zusammen? Welchen Einfluss hatte dieser Zusammenhang auf die Einheit von Lehre, Kirche und Reich im 5.-8. Jh.? • Wie entstand die Rivalität zwischen den Patriarchaten von Alexandria und Konstantinopel? Wer war beteiligt? Welche Auswirkungen hatte dieser Konkurrenzkampf? • Worüber entzweiten sich Ost- und Westkirche? Welche politischen Gründe und Hintergründe gab es, welche theologischen? • Wie hingen religiöse und kulturelle Gegensätze bei Syrern und Kopten zusammen? Welche Folgen ergaben sich daraus? • Welche Bedeutung kommt der Bilderverehrung zu, d.h. wer oder was wurde auf welche Weise »verehrt«? Wie kam es zum Bilderstreit? Wie wurde die Verehrung theologisch begründet?

Wichtige Ereignisse, Sachverhalte, Personen I. Anfänge christologischer Reflexion 1./2. Jh.

Paradoxie von Gott und Mensch in Christus

um 100

Doketismus und Betonung des wahren Menschseins (Leiblichkeit)

200/250

Christologie bei Tertullian: Personeinheit Christologie bei Origenes: Einheit des Logos mit der auserwählten Seele

nach 325

Vorwürfe an die »Arianer«, sie lehrten einen seelenlosen Leib (erhoben von Eustathius von Antiochia)

nach 363

Entwicklung der Christologie des Apollinaris von Laodicea: Betonung der Einheit des Inkarnierten

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§ 4 Christologie

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(Logos tritt an die Stelle des Nus als des höchsten Seelenteils) Anfang der sechziger Jahre: Auseinandersetzungen in Antiochia (Apollinaris, Diodor?) 377

Verurteilung der apollinaristischen Lehre in Rom

nach 381

Auseinandersetzung von Gregor von Nyssa und Gregor von Nazianz mit Christologie Personeinheit und Unterscheidung der Naturen bei Theodor von Mopsuestia II. Der Christologische Streit 428-451

428-433

Nestorianischer Streit 428 Diskussion um das Theotokos-Prädikat, Kyrill und Coelestin von Rom gegen Nestorius 430 römische Synode verurteilt Nestorius 431 Synode in Ephesus: Verurteilung des Nestorius 433 Unionsformel (Laetentur-Brief Kyrills) nach 433 Entwicklung der Christologie Kyrills (hypostatische Einung, Dominanz der göttlichen Natur) und Theodorets von Kyros (Unterscheidung der Naturen in der einen Person)

448-451

Eutychianischer Streit 448 Verurteilung des Eutyches in Konstantinopel (Betonung der einen Natur des Inkarnierten) 449 Tomus Leonis ad Flavianum 449 Synode von Ephesus (dominiert von Dioskur; »Räubersynode«) 451 Synode von Chalkedon (kaiserlich gelenkt, Lehrformel erzwungen = Chalcedonense) Chalcedonense: Übereinstimmung von Leo (ZweiNaturenlehre, Personeinheit) und Kyrill (Einheit im Inkarnierten und Dominanz des Göttlichen) III. Der Kampf um das Chalcedonense und die Miaphysiten

ab 457

Aufstände von Miaphysiten in Palästina, Syrien, Ägypten

482

Kaiser Zenon und Acacius von Konstantinopel: Henotikon

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484-519

Acacianisches Schisma zwischen West und Ost

ab 486

Kirche des Ostens (»nestorianische« Kirche in Ostsyrien/Perserreich)

nach 500

miaphysitische Theologie (Philoxenus von Mabbug, Severus von Antiochia)

519

skythische Mönche in Konstantinopel ▷ Neuchalkedonismus 527/536 Justinian übernimmt Neuchalkedonismus; Widerstand der Miaphysiten Formierung der Miaphysiten in Westsyrien (Jakob Baradaios)

544

Verurteilung der drei Kapitel (Theodor, Theodoret, Ibas von Edessa), Dreikapitelstreit

553

Synode von Konstantinopel: Fixierung des Neuchalkedonismus, Verurteilung des Origenismus IV. Zerfall der Kircheneinheit im Osten

565-610

kaiserliche Ausgleichspolitik, Konsolidierung der Miaphysiten

610-668

Kaiser Heraklius und Konstans II.: Sicherung des Reiches gegen Perser und Araber

seit 633

Monenergistisch-monotheletischer Streit 580-662 Maximus Confessor: Dyotheletismus, Vergöttlichung der menschlichen Natur in Christus 680/681 Synode in Konstantinopel (Trullanum I): Dyotheletismus 692 Synode in Konstantinopel (Trullanum II/ Quinisextum): Abgrenzung von Rom

726-787

Bilderstreit nach 726 Bildtheologie bei Johannes von Damaskus 754 Synode in Hiereia: Ikonoklasmus 787 Reichssynode in Nicäa: Dogmatisierung der Bilderverehrung 815 erneuter Sieg des Ikonoklasmus 843 Behauptung der Bilderverehrung

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§ 4 Christologie

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100

200

300 km

Ägäis

Alexandria

Mittelmeer

Rhodos

Halicarnassus

Maia

Dorylaeum

(787)

Ha

Damaskus

ANTIOCHIA

JERUSALEM

Bostra Skythopolis

Pharan

Jerusalem

Cäsarea

Salamis

Laodicea

ph rat

Eu

Nisibis

Vansee Urmiasee

Dwin

Reichssynoden Grenzen der Patriarchate seit 451

SeleukiaKtesiphon

Abb. 7 Orte zum Christologischen Streit

Tigris

Samosata Edessa

Cyrus Mabbug Antiochia

t hra

Eup

Mopsuestia

Cäsarea

Tarsus

Neapolis

Zypern

lys

Chalkedon (451) Nicäa KO N STA N T I N O P E L

Hiereia (754)

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ALEXANDRIA

Kreta

(431; 449)

Ephesus

Lesbos

(553; 680/681)

Konstantinopel

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Schwarzes Meer

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Ionisches Meer

Thessalonike

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Donau

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1. Frühformen der Christologie

Göttlichkeit Jesu

Christologische Konzepte begegnen relativ früh überall dort, wo für Jesus Christus eine besondere Zugehörigkeit zu Gott ausgedrückt wurde. Denn damit stellte sich das Problem, wie diese »Göttlichkeit« mit dem Menschsein Jesu vereinbar ist. Jesus Christus wurde somit schon früh in zweifacher Weise betrachtet: als Sohn Gottes, präexistenter Logos und von Gott eingesetzter Universalherrscher einerseits, als wirklicher Mensch, der Hunger hat, leidet und stirbt, andererseits. Schon früh gab es Konzepte, die das Menschsein Christi relativierten oder gar ganz ausblendeten. Die Abwehr dieser Konzepte betonte, dass dann Christus ja nur dem Schein nach (δοκήσει/dokēsei) Mensch geworden sei. Dementsprechend fasst man die hierhergehörigen Konzepte auch als Doketismus zusammen. Hiergegen hielt man fest, dass Christus wirklich Mensch geworden sei. Diese Betonung blieb neben der Betonung des göttlichen Charakters Jesu oft recht unverbunden stehen (etwa in der Gegenüberstellung von Gottessohn und Menschensohn). Begrifflich durchdacht wurde das Problem erst ab dem 4. Jh.

1.1 Inkarnation als Paradoxie

Inkarnation

Menschwerdung

Die Voraussetzung, dass in Jesus Gott gegenwärtig werde, wurde im 1./2. Jh. u.a. durch die nicht tiefer reflektierte Inkarnationsvorstellung ausgedrückt. Dabei wurde entweder die angenommene menschliche Gestalt betont (z.B. Phil 2,6f.) oder ein Eingehen ins Fleisch (vgl. Joh 1,14), ohne dass sich damit präzise Vorstellungen oder anthropologische Konzepte verbanden. Mensch und Fleisch wurden ohne weitere Unterscheidung als Bezeichnung des Menschseins verstanden (im Griechischen wurde der Begriff ἐνσάρκωσις/ ensarkōsis/Inkarnation, d.h. wörtlich: »Einfleischung« neben dem allgemeineren ἐνανθρώπησις/enanthrōpēsis/Menschwerdung benutzt). Zugleich wurde die göttliche Seite in Christus festgehalten und herausgestellt, so besonders auch bei Markion und in der Gnosis. Bereits bei Valentin, auf den sich später die valentinianische Gnosis berief, wurde eine uneigentliche Leiblichkeit Jesu (u.a. ohne Verdauung) behauptet. Auch das Leiden am Kreuz wurde nur als uneigentliches Leiden, etwa einer äußeren Hülle, gedeutet. Hiergegen hielten frühe Theologen wie der Verfasser des 1. Johannesbriefes oder Ignatius nur fest, dass Jesus Christus beides ist: Mensch wie Gott. Das damit gegebene Problem wurde jedoch nicht genauer durchdrungen. Es kam zu der Behauptung einer Paradoxie: Obwohl Christus Gott ist, ist er auch Mensch. Obwohl er Mensch ist, ist er auch Gott. 1.1.1 Gottessohn und Menschensohn. Ein häufig bezeugter Versuch, die Göttlichkeit und Menschlichkeit Jesu auszusagen, bestand in der Zusammenstellung der Prädikate Gottessohn und Menschensohn (wobei letzteres auf das Menschsein Jesu bezogen und nicht als Bezeichnung eines apokalyptischen Weltenherrschers verstanden wurde), so 296

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z.B. bei Ignatius, Epistula ad Ephesios/Epheserbrief 20,2; Barnabasbrief 12,10; Justin, Dialogus cum Tryphone/Dialog mit Tryphon 100,3. Gegen markionitische und valentinianische Christologien griffen auch Meliton und Irenäus diese Paradoxie auf (vgl. Meliton, Passahomilie 7f.; Irenäus, Adversus haereses/Gegen die Häresien 3,10,2; 16,3 u.ö.). Die Nebeneinanderstellung von Gottessohn und Menschensohn hatte als biblisch begründete Tradition noch im 3. und 4. Jh. große Bedeutung. 1.1.2 Wahre Menschwerdung. Ignatius betonte gegen den Doketismus die wahre Menschwerdung und damit das tatsächliche Leiden Jesu (Epistula ad Smyrnaeos/Smyrnäerbrief 1,1f.; 2; 5,2; Epistula ad Trallianos/Trallianerbrief 9,1). Die Verbindung des Menschen mit der göttlichen Wirklichkeit drückte er in der synthetischen Formel aus, Jesus Christus sei σαρκικὸς καὶ πνευματικός (sarkikos kai pneumatikos/fleischlich und geistlich; Epistula ad Ephesios/Epheserbrief 7,2). Die Paradoxie wurde zugespitzt festgehalten in Formulierungen wie γεννητὸς καὶ ἀγέννητος, ἐν σαρκὶ γενόμενος θεός, [...] καὶ ἐκ Μαρίας καὶ ἐκ θεοῦ (gennētos kai agennētos, en sarki genomenos theos, [...] kai ek Marias kai ek theū/geworden und ungeworden, ins Fleisch gekommener Gott [...], sowohl aus Maria als auch aus Gott; Ignatius, Epistula ad Ephesios/Epheserbrief 7,2). Ähnlich formulierte um 170/175 Meliton (Passahomilie 66.70; vgl. § 1; 2.4). Er verfasste gegen Markions Doketismus eine nicht erhaltene Schrift Über die Fleischwerdung Christi. Die Einheit von Göttlichkeit und Menschsein in Christus betonte auch Irenäus, indem er von ein- und demselben Christus sprach (vgl. Adversus haereses/Gegen die Häresien 3,16,1-9).

1.2 Doketismus Die Betonung besonders der Göttlichkeit Jesu konnte dazu führen, die Paradoxie des Miteinanders von Gottheit und Menschheit aufzulösen. Entweder wurde dann das wirkliche Menschsein negiert oder es wurden bestimmte Elemente des menschlichen Lebens negiert oder umgedeutet, etwa die Geburt, der Tod, oder Gefühle wie Zorn, aber auch Hunger. Im Hintergrund stand oftmals ein soteriologisches Interesse. Wenn man den traditionellen Gegensatz zwischen Geist und Materie, Transzendenz und Immanenz voraussetzt, war es plausibel, dass Gott zwar als Offenbarungs- und Erlösungsgestalt erscheinen, aber nicht in vollem Umfang sich in die Materie verstricken konnte. Dementsprechend wurde etwa angenommen, dass nur ein Scheinleib am Kreuz gelitten hat – während der eigentliche Erlöser göttlich ist, also nichts erleiden muss und kann. Die Ansätze differierten, Doketismus bezeichnet daher nicht eine einheitliche Gruppe, sondern eine theologische Auffassung, die schon um 90/110 als Häresie bekämpft wurde, aber auch noch im 4. Jh. eine Rolle spielt. Es ist schwierig zu bestimmen, inwiefern eine solche Auffassung auch in der Frömmigkeit der Gemeinden verbreitet war. In theologischen Konzepten drängt sich bisweilen der Eindruck auf, als seien »doketistische« Tendenzen bei vielen Theologen verbreitet, etwa dergestalt, dass der Sieg über den Tod betont und das menschliche Erleben eher nicht weiter bedacht wurde. Daran wird deutlich, auf welche Schwierigkeiten im Rahmen des antiken Denkens das Konzept der Inkarnation stieß (dies zeigt besonders auch die Kritik des Platonikers Celsus; vgl. Origenes, Contra Celsum/Gegen Celsus 4,18). 1. Frühformen der Christologie

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Transzendenz

Scheinleib

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1.2.1 Doketismus in Kleinasien. Doketistische Lehren werden in kleinasiatischen Gemeinden erstmals um 90/110 fassbar in der Polemik von 1 Joh 4,1-3 und den Briefen des Ignatius (Epistula ad Smyrnaeos/Smyrnäerbrief 2; Epistula ad Trallianos/Trallianerbrief 10). Die Bestreitung, dass Gottes Sohn wirklich Mensch geworden sei und gelitten habe, mit dem Hinweis, dass er nur scheinbar gelitten habe (griechisch: τὸ δοκεῖν αὐτὸν πεπονθέναι/to dokein auton peponthenai; Epistula ad Smyrnaeos/Smyrnäerbrief 2), löste die entsprechende Gegenreaktion des Ignatius aus: Auch der Auferstandene sei im Fleisch gewesen, aß und trank auch als Auferstandener auf leibhaftige Art und Weise (ebd. 3).

Simon von Kyrene

1.2.2 Doketismus bei Markion und in der Gnosis. In gnostischen Konzepten spielte Christus als Erlösergestalt eine zentrale Rolle. Dabei wurde nicht selten zwischen dem himmlischen, geistigen Christus und dem irdischen Jesus unterschieden. Ersterer habe sich mit letzterem nur äußerlich verbunden und dann nicht wirklich, sondern nur zum Schein gelitten (z.B. 2. Logos des großen Seth p. 51f.55f.). Zur Erklärung des Kreuzestodes wurde u.a. angenommen, ein anderer sei an seiner Stelle gekreuzigt worden (vgl. 1. Apokalypse des Jakobus p.31; bisweilen wird hier Simon von Kyrene genannt, vgl. 2. Logos des großen Seth p. 56). Der himmlische Christus war als Geistwesen leidensunfähig. Die gnostischen Texte von Nag Hammadi haben ein auffällig geringes Interesse an der Kreuzigung, Christus erscheint in ihnen als präexistente und/oder erhöhte Erlösergestalt, die durch Offenbarung und Belehrung erlöst. Eine einheitliche »gnostische Christologie« gibt es aber nicht. Inwiefern die Nachrichten des Irenäus, schon Kerinth habe eine solche Trennung zwischen himmlischem Christus und irdischem Jesus vorgenommen, wobei nur letzterer gelitten habe, zutreffend sind, lässt sich kaum sagen. Hippolyt schreibt dem Basilides ein System von drei Sohnschaften zu, von denen die ersten beiden präexistente, himmlische Größen waren, die letzte mit dem Inkarnierten verbunden wurde und die Vereinigung der Seele mit der Gottheit vorab darstellte (doch lassen sich mit diesem Ansatz die bei Clemens u.a. überlieferten Fragmente des Basilides nicht zur Deckung bringen; das in sich uneinheitliche Referat des Hippolyt verweist evtl. auf einen Schülerkreis oder ist unklarer Herkunft). Auch Markion scheint eine doketische Christologie vertreten zu haben, der zufolge Christus nur per imaginem substantiae humanae (als Abbild menschlichen Seins) erschienen sei (vgl. Tertullian, Adversus Marcionem/Gegen Markion 3,10,2).

1.3 Menschheit und Gottheit in Christus bei Tertullian und Origenes

persona

Erste christologische Konzeptionen entstanden bei Tertullian und Origenes. Ersterer wurde durch die Unterscheidung von Gottheit und Menschheit als zweier substantiae (Substanzen, d.h. Naturen) und die Betonung, dass es sich bei dem Inkarnierten um eine einzige persona (Person) handelt, für die lateinische Theologie begrifflich wegweisend. Letzterer ragte durch seine sys­ tematische Konzeption hervor: Er deutete die Inkarnation als Verbindung des präexistenten Logos mit einer besonderen, sündlosen Seele, die dann in einen Leib gelangte. Voraussetzung hierfür war die Vorstellung der Präexistenz aller Seelen und ihrer späteren Einkörperung. Die Verbindung des Logos mit der besonderen Seele verdeutlichte das Miteinander von Gottheit und Menschheit in besonderer Weise, zugleich wurde die menschliche Seite ein Modell des wahren Menschen, weil Jesu Seele im Unterschied zu allen anderen Seelen mit der Gottheit verbunden blieb. 298

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1.3.1 Tertullian. Tertullian interpretierte von Joh 1,14 her die traditionelle Sicht des Inkarnierten als Annahme zweier substantiae (Wirklichkeiten) und status (Zustände). In der Auseinandersetzung mit Praxeas (s. § 1; 6.1) formulierte er etwa: Videmus duplicem statum, non confusum, sed coniunctum in una persona, deum et hominem Iesum (Wir sehen einen zweifachen Zustand, nicht vermengt, aber verbunden in einer Person, Gott und den Menschen Jesus; Adversus Praxean/Gegen Praxeas 27,11). Die Verbindung von Gottheit und Menschheit beschrieb er auch als mixtio (Mischung), wobei er die physikalische Theorie zugrunde legte, dass in einer Mischung die beteiligten Substanzen ihre Identität wahren, trotzdem aber zu einer Flüssigkeit zusammentreten. An diese Vorstellung knüpfte die spätere lateinische Theologie vielfach an. 1.3.2 Origenes. Im Rahmen seines spekulativen Gesamtsystems (De principiis/Über die Prinzipien II,6; vgl. § 1; 8.1) ging Origenes davon aus, dass ursprünglich alle Seelen und Engel als Geistwesen geschaffen und die Seelen dann erst später eingekörpert wurden (sog. Präexistentianismus im Unterschied zum Kreatianismus [die Seele wird gleichzeitig mit dem Körper im Moment der Empfängnis geschaffen] und Traduzianismus [die Seele wird durch die Zeugung von den Eltern auf die Kinder übertragen]). Die Seele Jesu erwies sich als besonders würdig, weswegen sie nicht an dem allgemeinen Schicksal der Seelen teilhatte, nämlich sich von Gott abzuwenden und zu fallen. Diese besondere, sündlose Seele ging mit dem präexistenten Logos eine innige Verbindung ein (wie Eisen und Feuer in einem glühenden Stück Eisen). Ihre Einkörperung und Geburt aus Maria dient dann der Erlösung, weil so ein Modell des wahren Menschseins entsteht, das auf die anderen Seelen attraktiv wirkt und so Erkenntnis und Nachahmung auslöst. Die menschliche Seite des Inkarnierten bestand also aus einem Leib und einer (geschöpflichen) Seele, die sich jedoch maßgeblich von allen anderen Seelen unterscheidet. Das Leiden Christi bezog Origenes auf die menschliche Seite, also auf die Seele und den Leib, doch wirkte sich die besondere Einheit zwischen der Seele und dem Logos dahingehend aus, dass der Logos auch die Seele vor dem Untergang bewahrt und so insgesamt den Sieg über den Tod erlangt. Dem folgen dann die anderen Seelen nach.

Mischung

präexistente Seele Jesu

1.4 Literatur Lektüretipp: N. Brox: »Doketismus« – eine Problemanzeige, ZKG 95 (1984) 301-314. Quellen: H. Karpp: Textbuch zur altkirchlichen Christologie, 1972, 33-82. – K.-H. Ohlig: Christologie I. Von den Anfängen bis zur Spätantike, 1989, 65-131. Literatur: R. von Bendemann: Die Fülle der Gnade. Neutestamentliche Christologie, in: J. Schröter (Hg.): Jesus Christus, 2014, 71-118. – R. Cantalamessa: La cristologia di Tertulliano, 1962. – A. Grillmeier: Jesus der Christus im Glauben der Kirche, Bd. 1, 3. A. 1990, 157-280. – M. Harl: Origène et la fonction révélatrice du Verbe incarné, 1958. – W.-D. Hauschild: Christologie und Humanismus bei dem »Gnostiker« Basilides, ZNW 68 (1977) 6792. – J.R. Lyman: Christology and Cosmology. Models of Divine Activity in Origen, Eusebius, and Athanasius, 1993, 39-81. – A. Orbe: Cristología Gnóstica, 2 Bde., 1976.

 § 2; 11.-13.

2. Gottheit und Menschheit Christi im trinitarischen Streit Der Streit darum, inwiefern der präexistente Christus Gott sei, musste im Blick auf die Inkarnation die Frage aufwerfen, wie die Verbindung von Gottheit und Menschheit vorzustellen sei. Diese Problematik wurde bis weit in 2. Gottheit und Menschheit Christi im trinitarischen Streit

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zweifache Auslegung: Logos oder Leib

Logos-Sarx Logos-Anthropos

die sechziger Jahre des 4. Jh.s kaum bedacht. Allerdings erhob sich schon früh die Frage, wie man mit den Bibelstellen umzugehen hat, die für Jesus Christus menschliche Verhaltensweisen und Schwächen wie Zorn, Nichtwissen, Hunger, Angst und Leiden aussagen. Arius deutete diese Stellen wohl als Hinweis darauf, dass der Logos nicht in jeglicher Hinsicht so sei wie der Vater (dem man menschliche Affekte nicht zuschreiben könne). Athanasius entwickelte die hermeneutische Grundregel, dass die Bibelstellen über Jesus Christus teilweise auf den präexistenten (Gott gleichen) Logos, teilweise auf den Leib des Inkarnierten zu beziehen seien. Für beide stand fest, dass der Logos das lebensbestimmende Prinzip im Inkarnierten war. Die ältere Forschung hat zur Beschreibung der christologischen Konzeptionen zwischen einem Logos-Sarx-Schema und einem Logos-AnthroposSchema unterschieden. Das Logos-Sarx-Schema gehe, so die schematisierte Auffassung, davon aus, dass der Logos als personbildendes Lebenselement Fleisch angenommen habe (also im Grunde an die Stelle der Seele getreten sei). Das Logos-Anthropos-Schema hingegen betone auch die menschliche Seele in Jesus Christus, der als Mensch aus Seele und Leib bestehe und als solcher mit dem Logos vereint sei. Diese Schematisierung wird in der neueren Forschung weitgehend abgelehnt, weil sich zu viele Texte mit ihr nicht zur Deckung bringen lassen, da der Gegensatz zu σάρξ (sarx) oft πνεύμα (pneuma/Geist) ist und Ausagen der Menschwerdung und der Inkarnation nebeneinander stehen. Gleichwohl ist festzuhalten, dass im 4. Jh. die Probleme, die sich aus der Annahme einer menschlichen Seele für Jesus Christus ergaben, kaum durchdacht wurden. Ausnahmen bilden aber Eustathius von Antiochia und Apollinaris von Laodicea (s. § 4; 3.1).

2.1 Ein seelenloser Christus bei Arius?

Schwächen des Logos?

In der Polemik gegen Arius spielte der Vorwurf, er vertrete einen seelenlosen Jesus, eine Rolle. Allerdings ist nicht recht erkennbar, worauf dieser Vorwurf gründet, da von Arius nur wenige Texte und Fragmente erhalten sind, die hierzu nicht einschlägig sind. Auch für Asterius ist dies nicht eindeutig feststellbar. Plausibel ist, dass schon in der frühen arianischen Theologie die Hinweise auf die Schwächen des Inkarnierten als Hinweis darauf gedeutet wurden, dass der Logos vom Vater verschieden sei, also entsprechend vom Vater abgeleitet werden muss. Während dem Vater Unveränderlichkeit und Leidensunfähigkeit zukamen, galt dies dann für den Sohn keineswegs. Für die Gegner des Arius wie Athanasius und Eustathius von Antiochia ergab sich daraus der Vorwurf, dass die Arianer die Schwächen nicht der Seele, sondern dem Logos zuschrieben, also im Grunde keine Seele Jesu annahmen (der sie die Schwächen hätten zuschreiben können). Entsprechend kursierte in der antiarianischen Polemik sehr früh bereits der Vorwurf, die Arianer würden die menschliche Seite im Inkarnierten als σῶμα ἄψυχον (sōma apsychon/seelenloser Leib) auffassen. Diese Formel traf jedoch schon auf Arius 300

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nicht zu, erst recht nicht auf die als Arianer diskreditierte Mittelgruppe der Eusebianer, später der Homöusianer und Homöer. 2.1.1 Arius. Arius hat im Konflikt mit Alexander und Athanasius mit exegetischen Belegen die Unwandelbarkeit und Ewigkeit des Logos bestritten. Hierfür benutzte er – soweit sich das aufgrund der Darstellung des Athanasius erkennen lässt –Niedrigkeitsaussagen wie Mt 26,38; 27,46; Mk 13,32; Lk 2,52; Joh 19,28. Er nahm an, dass der Logos im Inkarnierten entscheidend und bestimmend war, so dass diese Aussagen nicht nur die Veränderlichkeit der menschlichen Natur, sondern des Logos insgesamt belegten. Dem könnte eine Anknüpfung an die Christologie des Origenes zugrunde gelegen haben: Danach hat sich eines der Geistwesen mit dem Logos so vereint, dass die Vollkommenheit erreicht wurde und Logos und vollkommene Seele in vollkommener Einheit ineinander aufgehen. Der Inkarnierte ist insofern der vollkommene Mensch, in dem der Logos herrscht und somit das eigentliche Personzentrum bildet. Dem sollen die anderen Menschen nachfolgen, um ebenfalls Söhne Gottes zu werden. Die so entworfene Christologie könnte in erster Linie soteriologisch orientiert gewesen sein und das Ziel verfolgt haben, die Vervollkommnung der Menschen als Analogie zum Inkarnierten zu beschreiben. 2.1.2 Polemik gegen die arianische Theologie. Erst die Polemik gegen die arianische Theologie, so insbesondere die unter dem Namen des Gregor von Nyssa überlieferte Schrift Contra Ariomanitas (Gegen die wahnsinnigen Arianer), in der eine ältere Schrift des Eustathius exzerpiert wurde, hat die arianische Christologie als Lehre vom seelenlosen Leib hingestellt. Insbesondere die letztere Schrift belegt, dass diese Polemik schon deutlich vor 360 eine Rolle gespielt hat.

Eustathius

2.1.3 Eusebianische Theologie. Euseb von Cäsarea verstand die Inkarnation als Höhepunkt der Theophanien im Verlauf der Heilsgeschichte. Gottes Logos erschien im menschlichen Leib Jesu, um in sichtbarer Gestalt die Gotteserkenntnis zu vermitteln. Besonders gegen Markell betonte Euseb, dass der Logos nicht erst mit der Inkarnation entstand (gleichsam als Entfaltung des einen Gottes), sondern dass der Logos präexistent war und nun eben ein menschliches Fleisch annahm (vgl. De ecclesiastica theologia/Über die kirchliche Gotteslehre 1,20). Euseb betonte nicht das Fehlen einer menschlichen Seele, sondern wollte durch die Betonung des Logos im Inkarnierten betonen, dass Jesus Christus nicht nur ein normaler Mensch war. 2.1.4 Christologie bei Homöern und Heterousianern. Die in der späten, aus dem 7. Jh. stammenden Textsammlung Doctrina Patrum (Lehre der Väter) enthaltenen Fragmente der homöischen Bischöfe Eudoxius (Bischof von Antiochia 357-360, von Konstantinopel 360-370) und Lucius (Bischof von Alexandria 373-378) enthalten die These, dass Chris­ tus keine menschliche Seele angenommen habe, sondern dass im Inkarnierten der Logos an die Stelle der Seele getreten sei. Diese Fragmente sind vermutlich eine Fälschung, doch könnten sie auf Diskussionen in Antiochia in den sechziger Jahren hinweisen, ob man im Inkarnierten wirklich die menschliche von der göttlichen Natur zu unterscheiden oder von einer Natur auszugehen habe (vgl. § 4; 2.3.2). Nur für den Heterousianer Eunomius ist der Quellenbefund anders: Eunomius hat betont, dass der Logos ins Fleisch gelangt ist und aus einer Frau geboren wurde, nicht jedoch den Menschen angenommen habe, der aus Seele und Leib bestehe (Confessio fidei/Glaubensbekenntnis 3). Die Bedeutung dieser Aussage ist allerdings nicht ganz klar, eventuell ist nur eine nachträgliche Annahme eines Menschen (etwa im Sinne eines »Adoptianismus«) gemeint. 2. Gottheit und Menschheit Christi im trinitarischen Streit

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Eudoxius und Lucius

Eunomius

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2.1.5 Euseb von Emesa. In seinen (nur auf lateinisch erhaltenen) Homilien wendet sich Euseb von Emesa (ca. 300-ca. 358/359), ein aus Edessa stammender Schüler des Euseb von Cäsarea, gegen die arianische Christologie. Keineswegs komme der Logos als Träger der Affekte und Schwächen in Frage. Auch für ihn ist der Logos in erster Linie der göttliche Geist bzw. die göttliche Kraft, die im menschlichen Fleisch einwohnt.

2.2 Eustathius von Antiochia: Wahre Menschheit Jesu Einer der ersten Autoren, die die Einheit von Gottheit und Menschheit im Inkarnierten besonders durchdachten, war Eustathius von Antiochia, ein Außenseiter, der schon früh das Nizänum akzeptierte und sich gegen Arius und die eusebianische Theologie wandte. Auch für ihn war der Logos das entscheidende Lebensprinzip im Inkarnierten, doch betonte er, dass der Logos gemäß Joh 1,14 im Menschen Jesus wie in einem Tempel wohnte. Seine Theologie war in Antiochia nach 360 bekannt und könnte dazu geführt haben, dass hier Diskussionen um die Menschheit im Inkarnierten entstanden, in denen Apollinaris seine Theologie entwickelte.

Ps.-Gregor Contra Ariomanitas

Diodor von Tarsus

2.2.1 Jesus als Gott-tragender Mensch. Die Theologie des Eustathius lässt sich wegen der fragmentarischen Überlieferung nur hypothetisch rekonstruieren. Die Quellenlage ist erheblich dadurch erweitert worden, dass die Schrift Pseudo-Gregor von Nyssa, Contra Ariomanitas (Gegen die wahnsinnigen Arianer) als Epitome (exzerpierende Zusammenstellung) einer Schrift des Eustathius erkannt worden ist. Insgesamt ergibt sich das Bild, dass Eustathius die Gottheit des Logos besonders herausstellte. Dementsprechend konnte er sich die Anwesenheit des Logos im Inkarnierten so vorstellen, dass der unveränderliche und in jeder Hinsicht Gott gleiche Logos im Menschen einwohnte. Dementsprechend sah er in Jesus den ἄνθρωπος θεοφόρος (anthrōpos theoforos/Gott-tragenden Menschen) und betonte das Nebeneinander der menschlichen Seele und des Logos. 2.2.2 Diskussionen in Antiochia nach 360. Die eustathianische Theologie entwickelte aufgrund der Betonung der Gottheit Jesu eine Tendenz, im Inkarnierten die göttliche von der menschlichen Natur zu unterscheiden – eine wichtige Voraussetzung für die späteren antiochenischen Theologen. Wie verbreitet und prägend Eustathius’ Theologie in Antiochia nach 360 war, ist nicht im Einzelnen geklärt. Doch könnte die Entstehung der apollinaristischen Theologie sich gerade gegen späte Anhänger des Eustathius gerichtet haben. Sie verglichen die Inkarnation mit der prophetischen Inspiration und unterschieden in Jesus Christus die Gottesgestalt von der Menschengestalt (vgl. Phil 2,6-8). Hiergegen betonte Apollinaris die Einheit im Inkarnierten (vgl. § 4; 3.2). Gegen eine Betonung der Einheit polemisierte schon früh Diodor (wie die schwer zu interpretierenden Fragmente der Schrift Contra Synousiastes/Gegen die Wesenseiner zeigen). Er lehnte es ab, die Verbindung von Gottheit und Menschheit im Inkarnierten als Analogiefall zur Verbindung von Seele und Körper zu deuten, so den Logos an die Stelle der Seele zu setzen und von einer Hypostase und Person zu sprechen. Das war eher eine Unterscheidung beider Naturen denn eine bewusst entwickelte ZweiNaturen-Lehre, doch war hiermit eine wichtige Voraussetzung für die spätere antiochenische Theologie gegeben.

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2.3 Athanasius: Der auf der Erde einherschreitende Logos Die Christologie des Athanasius war von der Dominanz der Gottheit im Inkarnierten bestimmt: Gottes Logos ist das beherrschende Prinzip von Jesu Handeln. In Jesus wandelt der Logos selbst über die Erde. Er wird Mensch, indem er – in Maria, der θεοτόκος (theotokos), der Gottesgebärerin – einen Leib annimmt. Beim Tode verlässt er diesen wieder. Der Leib ist das ὄργανον (organon/Instrument) für sein Offenbarungs- und Heilswerk, er ist leidensfähig und stirbt (und dementsprechend muss man die biblischen Aussagen über Affekte und den Tod Jesu auf den Leib beziehen), doch entwickelte Athanasius keine genauere Lösung des damit gegebenen anthropologischen Problems. 2.3.1 Der Logos im Fleisch in der dritten Arianerrede. Die in der Forschung des 20. Jh.s aufgeworfene Frage, ob die Oratio contra Arianos 3 (die dritte Arianerrede) wirklich ein Werk des Athanasius ist, dürfte zugunsten der athanasianischen Verfasserschaft entschieden sein. Die sprachliche wie inhaltliche Übereinstimmung mit den ersten beiden Arianerreden und anderen Schriften ist groß. Hier (besonders 3,26-58) entwickelt Athanasius eine bewusste Unterscheidung von den Aussagen, die auf den Logos zu beziehen sind, und denen, die auf den Leib zu beziehen sind (sog. »doppelte Exegese«, vgl. 3,29). Dass er in diesem Zusammenhang nicht auf die Seele Jesu eingeht, sie nicht einmal erwähnt, ist auffällig, besonders, weil er sich zugleich gegen die arianische Theologie wendet. Darin wird deutlich, dass der Logos das Fleisch annahm und so Mensch wurde (vgl. 3,30; Ad Epictetum/An Epiktet 2); bestimmendes Zentrum blieb der Logos, der aber mit dem Leib unmittelbar auch im Leiden verbunden ist, d.h. das Leiden des Leibes als eigenes Leiden sich zu eigen machte (denn nur so konnte er auch den Leib erlösen). Die seit Origenes vereinzelt auftauchende Bezeichnung von Maria als θεοτόκος (theotokos/ Gottesgebärerin) benutzte Athanasius untechnisch und ohne besondere Betonung. 2.3.2 Athanasius’ Christologie 362. In seinem Tomus ad Antiochenos (Sendschreiben an die Antiochener), verfasst für die alexandrinische Synode 362, bemühte sich Athanasius um die Integration auch der Apollinaristen in den angestrebten Konsens zwischen Altnizänern und der Meletiusgruppe (s. § 1; 15.2; die ältere Forschungsmeinung, es gehe um die Abgrenzung von den Homöern Eudoxius und Lucius, ist hinfällig, vgl. § 4; 2.1.4). Die Abgrenzung gegen die arianische Lehre vom σῶμα ἄψυχον (sōma apsychon/seelenlosen Leib) wird dabei zur Grundlage der Behauptung, dass der Logos keinen vernunftlosen Leib annahm, weil durch ihn auch das Heil der Seele erwirkt wird. Wie dies genau zu durchdenken ist, wird nicht gesagt, stattdessen verweist Athanasius auf die Identität dessen, dem menschliche Affekte (wie Nichtwissen) zugeschrieben werden, mit dem göttlichen Logos. Diese Einheit konnte er jedoch noch nicht begrifflich auf den Punkt bringen (etwa durch den Personbegriff).

Leib als Instrument

doppelte Exegese

Tomus ad Antiochenos

2.4 Literatur Lektüretipp: H.C. Brennecke: »Apollinaristischer Arianismus« oder »arianischer Apollinarismus« – Ein dogmengeschichtliches Konstrukt?, in: S.-P. Bergjan/B. Gleede/M. Heimgartner (Hg.): Apollinarius und seine Folgen, 2015, 73-92. Quellen: H. Karpp: Textbuch zur altkirchlichen Christologie, 1972, 83-102. – K.-H. Ohlig: Christologie I. Von den Anfängen bis zur Spätantike, 1989, 131-148.

2. Gottheit und Menschheit Christi im trinitarischen Streit

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Literatur: K.-H. Uthemann: Eustathius von Antiochien wider den seelenlosen Christus der Arianer. Zu neu entdeckten Fragmenten eines Traktats des Eustathios, ZAC 10 (2006) 472-521. – T. Böhm: Die Christologie des Arius, 1991, 43-84. – F.R. Gahbauer: Das anthropologische Modell, 1984, 32-96. – A. Grillmeier: Jesus der Christus im Glauben der Kirche, Bd. 1, 3. A. 1990, 300-326.374-385.440-479. – R. Lorenz: Die Christusseele im Arianischen Streit, ZKG 94 (1983) 1-51. – J.R. Lyman: Christology and Cosmology. Models of Divine Activity in Origen, Eusebius, and Athanasius, 1993, 82-159. – A. Peterson: Athanasius and the Human Body, 1990, 35-77. – H. Strutwolf: Die Trinitätstheologie und Christologie des Euseb von Caesarea, 1999, 276-375. – M. Tetz: Athanasiana, 1995, 135-184.

 § 3; 12.

3. Soteriologisch-anthropologische Christologie bei Apollinaris von Laodicea

personale Einheit

eine Natur

Das historische Verdienst, das christologische Problem als eigenes Thema erstmalig intensiv durchdacht und hierfür eine eigene begriffliche Lösung vorgelegt zu haben, gebührt Apollinaris (bzw. Apolinarios; ca. 310/315-ca. 390), Bischof im westsyrischen Laodicea (nicht weit von Antiochia entfernt). Er war hochgebildet, ein gründlicher Exeget und konsequenter Denker. Mit Athanasius kämpfte er für das Nizänum und das Homousios. Seine Christologie ist soteriologisch motiviert, denn er versucht, sowohl die Gleichheit des Inkarnierten mit allen Menschen festzuhalten als auch die besondere Ausnahmestellung des Inkarnierten als Erlöser auszudrücken. Der Inkarnierte ist für ihn eine personale Einheit von Gottheit und Menschheit. Der Mensch besteht aus Seele und Leib, wobei die Seele von ihrem höchsten Teil, dem νοῦς (nūs/Vernunft), geleitet wird. Im Inkarnierten tritt an die Stelle eines normalen menschlichen νοῦς unmittelbar Gott (verstanden als νοῦς) bzw. genauer der Logos. Die personale Einheit des Inkarnierten wird so besonders betont: Der Logos selbst lenkt die seelisch-leibliche Menschlichkeit. Apollinaris war einer der ersten (wenn nicht sogar der erste), die die Einheit von Gottheit und Menschheit mit dem Begriff der φύσις (physis/Natur) verbanden. Für ihn war der Inkarnierte μία φύσις τοῦ θεοῦ λόγου σεσαρκωμένη (mia physis tū theū logū sesarkōmenē/eine Fleisch gewordene Natur des Gott Logos). Da er in Interpretation besonders paulinischer Stellen die menschliche Seite auch als σάρξ (sarx/Fleisch) beschrieb, warfen seine Gegner ihm vor, die angeblich arianische Lehre vom σῶμα ἄψυχον (sōma apsychon/seelenlosen Leib) zu vertreten – was jedoch nicht stimmte. Ab 377 wurde er mehrmals als Häretiker verurteilt, doch die Diskussion ging weiter. Die Wendung μία φύσις machte in der Theologie Kyrills und dann insbesondere bei den Miaphysiten Karriere.

3.1 Wirken, Schriften, Verurteilung Apollinaris’ Vater stammte aus Alexandria, von ihm erhielt er eine umfassende rhetorisch-philosophische Bildung. In Laodicea wurde er Kleriker, dann (vermutlich 360/361) Bischof der dortigen Nizänergemeinde. Mit Athanasius seit 346 eng verbun304

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den, kämpfte er gegen Eusebianer, dann Homöer und Homöusianer, ab 360 wohl auch gegen Eunomius. Im Kontakt mit Basilius von Cäsarea erläuterte er diesem kurz nach 360 die Bedeutung des ὁμοούσιος (homousios/wesensgleich; Basilius, Epistulae/Briefe 361-364). Seine Theologie ist durchweg exegetisch begründet, von seinen Bibelkommentaren sind nur Fragmente in Katenen erhalten. Neben den beiden Briefen an Basilius, einem glaubensbekenntnisartigen Text (mit dem Titel Ad Iovianum/An Jovian) und dem Brief an einen gewissen Dionysius sind eine Reihe von kleineren christologischen Schriften erhalten, für die nicht klar ist, inwiefern spätere Apollinaristen sie (leicht?) überarbeitet haben. Hinzu kommen Fragmente (größtenteils in Schriften des 5. und 6. Jh.s erhalten). Wichtig sind sodann die bei Gregor von Nyssa erhaltenen Fragmente der Apodeixis (Darlegung) (schon wegen ihrer zeitlichen Nähe zu Apollinaris selbst). Wie sich seine Theologie in den sechziger Jahren entwickelt hat, ist daher schwer zu sagen. Das eigentliche christologische Sonderprofil, für das er verurteilt wurde, ist erst durch die Verurteilungen ab 377 und die Abwehr durch Gregor von Nyssa und Gregor von Nazianz belegt. Bereits 373/374 konnte man jedoch gegen Basilius mit dem Hinweis auf seine (früheren) Kontakte zu Apollinaris Stimmung machen. Diodor hat sich vermutlich bereits in den sechziger Jahren in Antiochia gegen ihn gewandt (vgl. § 4; 2.3.2). Eine römische Synode unter Damasus verurteilte seine Lehre 377, 381 tat dies das Konzil von Konstantinopel, 388 folgte ein kaiserliches Gesetz. Seine Schriften wurden fortan unter falschem Namen tradiert (u.a. dem des Julius von Rom und des Athanasius; letzteres führte zur Rezeption seiner Schriften in Alexandria). Er hatte eine weit ins 5. Jh. hinein wirkende breite Schülerschaft. Die in der Forschung vereinzelt erfolgte Zuschreibung weiterer Schriften an Apollinaris (so insbesondere von Pseudo-Athanasius, Oratio contra Arianos/Arianerrede 4 und Ps.-Basilius, Adversus Eunomium/Gegen Eunomius 4-5) mit dem Ziel, die Trinitätslehre des Apollinaris zu rekonstruieren und dann einen hohen Einfluss des Apollinaris auf die Entwicklung des Trinitarischen Streites in den vierziger und fünfziger Jahren zu behaupten, steht vor dem Problem, dass sie nicht zu den sicher erhebbaren Daten für Apollinaris passt und auch philologisch ohne Grundlage ist.

Quellenlage?

3.2 Christologie, Anthropologie und Soteriologie Apollinaris’ Denken zielt darauf, Menschheit und Gottheit in Christus plausibel zu einer Einheit miteinander zu verbinden – ohne dabei die Gottheit Christi zu gefährden oder das Göttliche im Inkarnierten nur als Spezialfall einer göttlichen Inspiration anzunehmen. Seine Christologie baut auf seiner (im Einzelnen kaum erkennbaren) Trinitätslehre auf, die die Wesensgleichheit des Logos mit Gott-Vater betont. Bestimmend im Inkarnierten muss das Göttliche sein, das Zentrum der Person des Inkarnierten ist daher nicht ein menschliches, wohlmöglich schwaches Ich, sondern der göttliche Logos selbst. Jesus Christus ist nicht als ἄνθρωπος ἔνθεος (anthrōpos entheos/gottbegabter Mensch) zu verstehen, sondern als θεὸς ἔνσαρκος (theos ensarkos/ Gott im Fleisch; vgl. Joh 1,14). Da Apollinaris Gottes Wesen zugleich als Geist beschreibt (vgl. Joh 4,24) und dies mit der klassischen Beschreibung des νοῦς (nūs/Vernunft) als höchster Instanz der Seele verband (frg. 25), ergab sich daraus die These vom Inkarnierten als νοῦς ἔνσαρκος (nūs ensarkos/Vernunft im Fleisch; frg. 70-72). Mit νοῦς (nūs/Vernunft) war dabei ein Wechselbegriff zu Logos gefunden, der die unmittelbare Präsenz des mit 3. Soteriologisch-anthropologische Christologie bei Apollinaris von Laodicea

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Gott im Fleisch

Logos-Nus

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präexistente Einheit

Gott wesensgleichen Logos im Inkarnierten ausdrückte. Ausdrücklich hielt Apollinaris fest, dass auch der Inkarnierte – wie jeder Mensch – aus drei Dingen bestand: Geist, Seele, Körper (frg. 89). Der Inkarnierte war strukturiert wie ein Mensch (frg. 45), aber kein vollkommener Mensch (mit einer in ihren Fähigkeiten beschränkten, normalen Vernunft). Unplausibel war es für Apollinaris anzunehmen, dass zwei vollkommene Dinge eins werden können (frg. 81; 92), also eine vollkommene Gottheit und eine vollkommene Menschheit schlicht additiv zusammentreten (frg. 91). Für Apollinaris war eine Veränderlichkeit des Logos undenkbar, weswegen er annahm, dass die Einheit des Logos mit Seele und Leib nicht erst durch die Jungfrauengeburt entstand, sondern ebenfalls präexistent war, als ἄνθρωπος ἐξ οὐρανοῦ (anthrōpos ex ūranū/Mensch aus dem Himmel; 1 Kor 15,47; frg. 25; 32-37). Der Inkarnierte war daher zugleich das Urbild der neuen, vollkommenen Menschheit. Wenn der Gläubige durch seinen Glauben mit dem Logos eins wurde, wurde dadurch auch nicht nur sein Geist, sondern auch sein Fleisch, sein Menschsein erlöst (vgl. frg. 74). Dass von Apollinaris die Betonung der Einheit im Inkarnierten dann auch mit verschiedenen Begriffen (οὐσία/usia/Wesen, ὑπόστασις/hypostasis/Existenz, φύσις/physis/Natur, πρόσωπον/prosōpon/Person u.a.) beschrieben wurde, lässt sich mit verschiedenen Fragmenten belegen (die allerdings nicht allesamt unstrittig sind). Es könnte insbesondere damit zusammenhängen, dass es in Antiochia in den sechziger Jahren Diskussionen um das Nebeneinander von Gottheit und Menschheit gab und in diesen Diskussionen der Begriff der φύσις (physis/Natur) erstmalig eine Rolle gespielt haben könnte. Die Schrift Ad Jovianum (An Jovian) aus diesem Kontext ist der erste Beleg für die Rede von der μία φύσις (mia physis/einen Natur), die in der miaphysitischen Theologie so wichtig wurde. Er ist von Apollinaris aber noch nicht in einem technischen Sinne gebraucht (und dabei von anderen ontologischen Begriffen strikt geschieden), sondern soll zum Ausdruck bringen, dass es sich um eine Einheit handelt, die keinen Veränderungen unterliegt oder erst sekundär zum Logos hinzugekommen ist.

3.3 Apollinaris’ Kritiker Die Theologie des Apollinaris löste in den siebziger Jahren eine lebhafte Diskussion aus, die vorerst noch zu keinem Ergebnis führte, aber insbesondere bei Gregor von Nazianz und Gregor von Nyssa umfangreichere Reflexion über die Christologie auslöste. Ersterer entfaltete den wirkungsgeschichtlich wichtigen, bereits bei Origenes und Athanasius begegnenden Gedanken, dass in Christus eine vollständige Menschheit angenommen werden muss­ te, weil sonst die Erlösung nicht den ganzen Menschen umfassen würde. Letzterer stellte insbesondere die unendliche Übermacht des Göttlichen im Inkarnierten heraus. 306

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3.3.1 Die Verurteilung in Rom 377/378. Epiphanius von Salamis, Metropolit von Zypern (ca. 315-403; Verfasser des Panarion haeresium/Arzneikasten gegen die Häresien, ca. 374/377), starrer Gralshüter der Orthodoxie, betonte gegen Apollinaris den soteriologischen Grundsatz, dass nur erlöst wird, was auch angenommen wurde, weswegen der Gottessohn einen vollständigen Menschen angenommen haben müsse, damit auch der Mensch ganz, d.h. seinen Leib eingeschlossen, erlöst werde. Ähnlich unreflektiert war zunächst die Verurteilung durch Damasus von Rom (vgl. § 8; 1.4). Auch er hielt zunächst nur fest, dass ein Mensch mit Seele und Leib angenommen worden sein müsse (Text/Übers.: DH 176). Eine eigene christologische Argumentation entwickelte er nicht. In Antiochia spaltete sich eine nizänische Apollinaristengemeinde ab, die 376/377 einen eigenen Bischof erhielt: Vitalis (In Antiochia gab es damit vier Bischöfe: neben dem Altnizäner Paulinus und dem dem Nizänum gegenüber offenen Meletius noch Vitalis und den Homöer Euzoius, der 376 starb). Dieser Vitalis hatte vorher versucht, in Rom Unterstützung zu erhalten und war auch zunächst von Damasus als rechtgläubig anerkannt worden, doch verwies ihn Damasus wenig später an den Altnizäner Paulinus, mit dem er sich einigen müsse. Aufgrund von Informationen von Paulinus, mit dem Epiphanius in Kirchengemeinschaft stand, verurteilte dann eine Synode in Rom 377/378 Apollinaris und seine Theologie sowie den Apollinarisschüler Timotheus (Text/Übers.: DH 178).

3.3.2 Gregor von Nazianz. Gregor von Nazianz nahm in ausführlichen Briefen zum Apollinarismus Stellung und entfaltete seine christologische Position (Epistulae/Briefe 101f. und 202, Anfang der achtziger Jahre des 4. Jh.s). Diese Briefe wurden im Christologischen Streit im 5. und 6. Jh. zu wichtigen Bezugstexten. Gregor verglich die Einheit von Gott und Mensch im Inkarnierten mit der Verbindung von Seele und Leib im Menschen. So wie die Seele im Leib überall präsent sei, ohne dass der Leib deswegen irgendwie unvollständig wäre, genau so ist die Gottheit im Menschen vorhanden, der als vollständiger Mensch zu denken ist. Dem Grundsatz »Was nicht angenommen ist, ist nicht erlöst« folgend betonte er, dass die Menschheit des Inkarnierten nicht nur Leib und Seele, sondern auch eine menschliche Vernunft umfasse. Gottheit und Menschheit treten im Inkarnierten zusammen und bleiben dabei durchaus verschieden (sie sind ἄλλο καὶ ἄλλο/allo kai allo/das eine und das andere), es handelt sich aber nicht um zwei Subjekte (sie sind οὐκ ἄλλος καὶ ἄλλος/ūk allos kai allos/nicht der eine und der andere). Deswegen können auch Aussagen über die göttliche Natur beim Inkarnierten von der menschlichen Natur ausgesagt werden und umgekehrt: Die Eigenschaften beider Naturen durchdringen einander aufgrund der besonderen Einheit von göttlicher und menschlicher Natur im Inkarnierten.

Epiphanius

Apollinaristen in Antiochia

Seele und Leib

3.3.3 Gregor von Nyssa. Eine Widerlegung der Apodeixis (Darlegung) des Apollinaris verfasste Gregor von Nyssa, seine antiapollinaristische Chris­ tologie skizziert er in der kurzen Schrift Ad Theophilum (An Theophilus) (beide wohl ca. 384-386). Gregor verwahrt sich gegen den Vorwurf, zwei Söhne zu lehren, nur weil er annehme, dass im Inkarnierten neben dem Logos die ganze menschliche Natur vorhanden sei. Allerdings betont Gregor zugleich, dass das Göttliche das Menschliche in sich aufnimmt wie das 3. Soteriologisch-anthropologische Christologie bei Apollinaris von Laodicea

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Tropfen Essig im Meer

Meer einen Tropfen Essig – im Meer des heilsamen und erlösenden Göttlichen verschwinden die Eigenschaften der menschlichen Natur, die von der Gottheit trennen. Eigentlich bestimmend ist also der göttliche Logos, der die menschliche Natur annimmt und so vergöttlicht. Die von ihm eingegangene (ungleichgewichtige) Einheit ist der Grund dafür, dass die Bezeichnungen der Gottheit auf die menschliche Natur bezogen werden können und umgekehrt: Die Bezeichnungen können ihre Position tauschen (eine frühe Form der communicatio idiomatum, der gegenseitigen Mitteilung der Eigenschaften). 3.4 Literatur Lektüretipp: V.H. Drecoll: Apollinarius, Ad Iovianum: Analyse und Bedeutung für die Apollinariuschronologie, in: S.-P. Bergjan/B. Gleede/M. Heimgartner (Hg.): Apollinarius und seine Folgen, 2015, 35-57. Quellen: H. Lietzmann: Apollinaris von Laodicea und seine Schule, 1904; ND 1970. – H. Karpp: Textbuch zur altkirchlichen Christologie, 1972, 98-105. Literatur: E. Mühlenberg: Apollinaris von Laodicea, 1970. – Ders.: Apollinaris von Laodicea und die origenistische Tradition, ZNW 76 (1985) 270-283. – A. Grillmeier: Jesus der Christus im Glauben der Kirche, Bd. 1, 3. A. 1990, 480-497. – F.R. Gahbauer: Das anthropologische Modell, 1984, 127-224. – B. Gleede: Der eine Christus vor, in und nach dem Fleisch – Einige Überlegungen zu Gregor von Nyssas Ad Theophilum adversus Apollinaristas, in: V.H. Drecoll/M. Berghaus (Hg.): Gregory of Nyssa. The Minor Treatises on Trinitarian Theology and Apollinarism, 2011, 519-540.

4. Die »antiochenische« Christologie bei Diodor und Theodor

Antiochia – Alexandria

In der älteren Forschung wurde üblicherweise eine antiochenische Schule einer alexandrinischen gegenübergestellt. Erstere habe das Nebeneinander von Gottheit und Menschheit betont und dabei besonders die wahre Menschheit Christi herausgestellt, letztere habe die Einheit von Gottheit und Menschheit betont und dabei besonders die bestimmende göttliche Präsenz des göttlichen Logos im Inkarnierten betont. Zugleich habe man in Antiochia in der Exegese eine die Allegorese ablehnende, wörtliche Exegese bevorzugt, während man in Alexandria gerade die Allegorese hochgeschätzt habe. Dies habe dann auch letztlich sich mit der kirchenpolitischen Rivalität zwischen den beiden großen Patriarchaten verbunden (vgl. dazu § 4; 5.2). Diese Gegenüberstellung ist jedoch viel zu schematisch, um die komplexe Entwicklung beschreiben zu können. Insbesondere lassen sich die frühen Konzepte sog. »antiochenischer« Theologen wie Diodor und Theodor nicht mit den im 5. Jh. entwickelten Kategorien (etwa im Hinblick auf die Rede von δύο φύσεις/dyo physeis/zwei Naturen) messen, umgekehrt spielt die Betonung der Differenz von Gottheit und Menschheit im Inkarnierten auch bei Theologen eine Rolle, die man der sog. »alexandrinischen« Schule zurechnet (insbesondere auch Kyrill von Alexandria). Hinzu kommt, dass der in das 308

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Umfeld von Antiochia gehörige Apollinaris ausgerechnet in Alexandria seine größte Wirkung entfaltet hat (durch die Rezeption seiner Schriften unter dem Namen des Athanasius). Auch im Hinblick auf die Exegese lässt sich die nach Antiochia gehörige Exegese nicht auf eine wörtliche Auslegung und die Ablehnung der Allegorese reduzieren. Es ist daher ratsam, die Kategorien »antiochenisch« und »alexandrinisch« als nicht viel mehr denn als gut einprägsame Grobzuordnungen zu verstehen und von den Einzelentwicklungen aus zu relativieren. Die Annahme einer antiochenischen Richtung im Christologischen Streit hat jedoch darin eine gewisse Berechtigung, dass mit Diodor und besonders seinem Schüler Theodor von Mopsuestia zwei Theologen hervortraten, deren Konzeption besonders in Antiochia und seinem Umfeld breite Wirkung entfaltet hat, etwa bei Flavian, Johannes Chrysostomus (s. unten), Theodoret (s. § 4; 7.2), Nestorius (s. § 4; 7.1) und Johannes von Antiochia (§ 4; 6.2).

4.1 Unterscheidungschristologie bei Diodor von Tarsus Der Asket Diodor (gest. vor 394), bis 378 Presbyter in Antiochia, danach Bischof in Tarsus, griff schon früh in die christologischen Diskussionen in Antiochia ein (vgl. § 4; 2.2.2) und wandte sich in der (nur fragmentarisch bezeugten) Schrift Contra synousiastes (Gegen die Wesenseiner) insbesondere gegen Apollinaris, aber wohl auch gegen alle Versuche, aus den Hinweisen auf die menschliche Schwäche des Inkarnierten (etwa die Affekte, Hunger und Todesangst) Schlüsse auf die Zuordnung des Logos zu Gott zu ziehen. Er unterschied daher deutlich die Menschheit Jesu und die Gottgleichheit des Logos, die er mit dem Nizänum strikt befürwortete. Der Gott-Logos hat einen vollständigen Menschen mit Leib, Seele und Geist angenommen. Für den Inkarnierten ist der Same Abrahams und Davids zu unterscheiden von der Natur des göttlichen Logos (vgl. Mt 22,45). Der Begriff φύσις (physis/Natur) wurde hierbei in erster Linie für die Natur Gottes benutzt (als Wechselbegriff zu οὐσία/usia/Wesen), dann aber auch auf die menschliche Seite im Inkarnierten bezogen, die von Natur aus Mensch, durch Gnade Gottessohn war. Die Gottheit wohnt in dem Menschen wie in einem Tempel, er hat Knechtsgestalt angenommen, sich aber nicht in einen Knecht verwandelt (vgl. Phil 2,6f.). Das Leiden am Kreuz und der Tod sind auf die menschliche Natur zu beziehen, können aber nicht auf die Gottheit übertragen werden. Entsprechend hat Maria den Menschensohn, nicht den Gottessohn hervorgebracht. Postum geriet Diodor in den Sog der Polemik gegen Nestorius und wurde 499 als häretisch verurteilt. Das hatte zur Folge, dass sein reiches Schrifttum, vor allem seine umfangreichen Bibelkommentare, weitgehend unterging und nur Fragmente erhalten sind.

Contra synousiastes

vollständige Menschheit

Verurteilung 499

4.2 Dyophysitismus bei Theodor von Mopsuestia Theodor von Mopsuestia (ca. 352-428) entfaltete gegen Apollinarismus, Heterousianer und Doketismus eine die Inkarnation intensiv bedenkende Christologie. Im Inkarnierten treten göttliche Natur und menschliche Natur zu einer Person zusammen. Diese Verbindung ist einzigartig und bedeutet das Ende der Sündhaftigkeit der Menschheit, so dass Christus eine heilsgeschichtliche Wende bringt und die Vervollkommnung der Menschen 4. Die »antiochenische« Christologie bei Diodor und Theodor

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ermöglicht. Theodor betont Jesu volles Menschsein als heilsnotwendige Tatsache und als dem biblischen Christusbild gemäßes Konzept.

postum als Nestorianer verurteilt

Adam – Christus

De incarnatione

Einwohnung Konzept der

εὐδοκία

zwei Naturen – eine Person

4.2.1 Leben und Werk. Theodor war seit ca. 372 Asket und seit ca. 383 Presbyter in Antiochia. Er wurde intensiv von Diodor beeinflusst. 392 wurde er Bischof im kilikischen Mopsuestia (s. Abb. 7), nicht weit von Antiochia entfernt. Im 6. Jh. wurde er als einer der Wegbereiter des Nestorianismus verurteilt. Von seinem reichen Schrifttum ist daher nur wenig erhalten (insbesondere in syrischer Übersetzung, da in der syrischen Kirche des Ostens [den sog. Nestorianern] sein Ruhm unangefochten blieb). Neben Kommentaren (u.a. zum Johannesevangelium und zum Corpus Paulinum) schrieb er u.a. sehr aufschlussreiche Katechesen, die ein lebendiges Bild der Taufunterweisung und der Liturgie in Antiochia um 390 bieten. Er stellte Adam und Christus einander gegenüber: Durch den ersten Adam wurden Sünde und Tod die bestimmenden Mächte der menschlichen Existenz, Christus als der zweite Adam, der Erstling der neuen Schöpfung, hat die menschliche Natur wiederhergestellt (Homiliae catecheticae/Katechetische Homilien 5,1-6,11; 7,4-5). Die Taufe bedeutet Sündenvergebung, Gotteskindschaft und Erneuerung durch den Heiligen Geist und ermöglicht so ein Leben nach Gottes Willen. 4.2.2 Die Christologie Theodors. Besonders in den Fragmenten der einst umfangreichen Schrift De incarnatione (Über die Menschwerdung) entwi­ ckelte Theodor seine christologische Konzeption, die auch in anderen Werken aufscheint. Danach geht er zunächst davon aus, dass der Logos als Hypostase der Trinität eine eigene Person darstellt und dass auch der von Maria geborene Mensch als Individuum der Gattung Mensch eine Hypostase darstellt, der eine eigene Person entspricht. Nun ist zu überlegen, wie beides sich zueinander verhält. Hierzu benutzt Theodor den Begriff der ἐνοίκησις (enoikēsis/Einwohnung), die jedoch nicht so verstanden werden kann, als reduziere Gott sein Wesen oder seine Wirksamkeit auf den angenommenen Menschen. Vielmehr wohnt die göttliche Natur im Sinne der εὐδοκία (eudokia/des Wohlgefallens) in der menschlichen Natur ein, d.h. der göttliche Logos begnadet die individuelle angenommene Natur in einzigartiger Weise (nicht vergleichbar mit der Einwohnung des Geistes in den Propheten). Er vereint die menschliche Natur ganz mit sich, so dass die göttliche Natur der menschlichen Natur an ihrer eigenen Herrlichkeit Anteil gibt (frg. 6). Dadurch entsteht die eine Person des Inkarnierten, in der beide Naturen bestehen bleiben (eine Vermischung der Naturen lehnt Theodor ebenso ab wie eine Trennung): δύο φύσεις (dyo physeis/zwei Naturen) bilden ἓν πρόσωπον (hen prosōpon/eine Person) (frg. 12f.). Die Personeinheit bei voller Bewahrung beider Naturen führt dazu, dass sich bei Jesus die menschliche Natur in höchster Vollkommenheit entwickelt. So erlangt seine menschliche Natur sehr früh und in vollkommener Weise die Möglichkeit, zwischen Gut 310

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und Böse zu unterscheiden und nimmt an Alter, Weisheit und Gnade zu (vgl. Lk 2,52) (frg. 8). Theodor beschreibt ausführlich die Entwicklung des Menschen Jesus und betont dessen freie Willensentscheidung zum Guten. Damit betont Theodor in besonderer Weise die menschliche Natur des Inkarnierten, die – durch die Einheit mit dem göttlichen Logos – bereits erlöst und vervollkommnet allen anderen Menschen als sichtbares Bild vor Augen steht.

4.3 Johannes Chrysostomus: Exeget und Erzieher Der Beitrag des berühmtesten Predigers der Alten Kirche (ca. 350-407) zur Christologie ist unerheblich, und es ist auch fraglich, ob er (der bis 398 in Antiochia wirkte) eine mit Theodor vergleichbare Position vertreten hat. Seine Predigten legten aber eine mit Theodor vergleichbare Grundausrichtung im Umgang mit der Bibel zugrunde. In seinen Predigten bezog er das Evangelium auf die Ethik und das religiöse Leben, besonders den Gottesdienst. Im Anschluss an Jesus Christus sollen die Menschen zur Vollkommenheit gelangen, indem sie sich von der Unmoral der zeitgenössischen Gesellschaft und der Oberflächlichkeit des verweltlichen Christentums abkehren. Wie viele Mönche seiner Zeit bemühte sich Johannes um eine grundlegende Erneuerung der Kirche. Seit 398 Bischof von Konstantinopel, scheiterte dieser Idealist 403/404 in dem komplexen Machtgefüge der Hauptstadt, wurde abgesetzt und starb im Exil. Der Patriarch von Alexandria, Theophilus, ging hier intrigant gegen den Patriarchen von Konstantinopel vor, der dem Umfeld von Antiochia zuzurechnen war – ein bedeutsames Vorspiel für die Rivalität der Patriarchate im Christologischen Streit.

Ethik

4.3.1 Leben und Werk. Seit dem 6. Jh. wurde der in Antiochia geborene Johannes als Chrysostomus (»Goldmund«) bezeichnet. Die darin zum Ausdruck kommende besondere Wertschätzung seiner Predigten zeigt sich in einer unübersichtlichen und reichen Überlieferung, die noch weitgehend unaufgearbeitet ist, ebenso wie in Übersetzungen (auch ins Lateinische) und einer breiten Rezeptionsgeschichte, die kaum mit dem theologischen Gehalt der Predigten erklärbar ist. In seiner Schriftauslegung war er wie in seiner Christologie von Diodor beeinflusst. Seit 381 (oder 386?) war er als Diakon und Presbyter in Antiochia tätig. Seine Homilien, Paränesen und Katechesen geben Aufschluss über das kirchliche Leben und die Frömmigkeit der großen Metropole am Ende des 4. Jh.s (Text: MG 47-64; teilweise Übers.: BKV 23.25-27.39.42; II,15; FC 6). Auffällig sind die sprachliche Kunstfertigkeit und die seelsorgerlich-paränetische Ausrichtung (z.B. in den 90 Homilien zum Matthäusevangelium und den 88 Homilien zum Johannes­ evangelium). Sein Traktat De sacerdotio (Vom Priestertum, ca. 386) galt später als die klassische Darstellung des kirchlichen Amtes (Text: SC 272; Übers.: BKV 27,98-251).

4.3.2 Das Scheitern in Konstantinopel. Während sein Freund und Mitasket Flavian (gest. 404), seit 381 Bischof von Antiochia (s. § 1; 17.2), sich als geschickter Organisator der eigenen Einflussmöglichkeiten und Kirchenpolitiker bewährte, war Johannes auf diesem Feld völlig unbegabt. Dies zeigte sich 4. Die »antiochenische« Christologie bei Diodor und Theodor

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Patriarch von Konstantinopel

Theophilus von Alexandria

Eichensynode 403

bald, nachdem er wegen seines Ruhmes als Prediger von Kaiser Arcadius (s. § 3; 13.2.5) 398 zum Patriarchen von Konstantinopel gemacht worden war. Er geriet einerseits in die Rivalität zwischen Antiochia und Alexandria und eckte zugleich durch seine Gesellschaftskritik am Hof an, zumal bei der Kaiserin Eudoxia. Es kam zu Unruhen in der Kirche. Der despotische alexandrinische Theophilus (385-412), ein skrupelloser Machtpolitiker, nahm die Tatsache, dass einige der von ihm wegen Origenismus verfolgten nitrischen Mönche (vgl. § 6; 2.2.2) 402 in Konstantinopel Zuflucht gefunden hatten, zum Anlass, gegen Johannes ein dubioses Verfahren zu inszenieren. Mit Unterstützung des Hofes und einiger Bischöfe setzte die sog. Eichensynode in der Kaiserresidenz Chalkedon 403 Johannes ab. Flavian von Antiochia konnte nicht verhindern, dass Johannes 404 nach Armenien verbannt wurde, wo er wenig später starb. Der Wirkungsgeschichte seiner Predigten hat dies keinen Abbruch getan. An diesem Fall zeigte sich, dass die beiden großen Patriarchate Alexandria und Antiochia versuchten, jeweils bestimmenden Einfluss auf das neue Patriarchat in Konstantinopel und den Kaiserhof auszuüben, woraus sich eine tiefgreifende Rivalität ergab (vgl. § 4; 5.2). 4.4 Literatur Lektüretipp: L. Abramowski: Zur Theologie Theodors von Mopsuestia, ZKG 72 (1961) 263-293. Quellen: R. Abramowski: Der theologische Nachlass des Diodor von Tarsus, ZNW 42 (1949) 19-69. – M. Brière: Quelques fragments syriaques de Diodore, évêque de Tarse (378394?), Revue de l’Orient chrétien 30 (1935-1936) 231-283. Literatur: T. Jansen: Theodor von Mopsuestia, De incarnatione, 2009. – P. Bruns: Den Menschen mit dem Himmel verbinden, 1995 [zu Theodor]. – F.R. Gahbauer: Das anthropologische Modell, 1984, 225-347. – A. Grillmeier: Jesus der Christus im Glauben der Kirche, Bd. 1, 3. A. 1990, 506-515.610-634. – R.A. Norris: Manhood and Christ. A Study in the Christology of Theodore of Mospuestia, 1963. – U. Wickert: Studien zu den Pauluskommentaren Theodors von Mopsuestia, 1962. – R. Abramowski: Untersuchungen zu Diodor von Tarsus, ZNW 30 (1931) 234-262. – R. Brändle: Johannes Chrysostomus, 1999. – C. Tiersch: Johannes Chrysostomus in Konstantinopel (398-404), 2000. – A. Heiser: Die Paulusinszenierung des Johannes Chrysostomus, 2012. – J. Tloka: Griechische Christen - Christliche Griechen. Plausibilisierungsstrategien des antiken Christentums bei Origenes und Johannes Chrysostomos, 2005.

 § 5; 1.-3.

5. Der Christologische Streit 428-681: Orientierung über die Probleme Im Christologischen Streit wirkten in besonderer Weise theologische wie kirchenpolitische Konstellationen zusammen. Der Kaiserhof und der rivalisierende Versuch der großen Patriarchate Antiochia und Alexandria, in der als Regierungszentrale zunehmend wichtigen Metropole Konstantinopel den eigenen Einfluss zu entfalten, sind für den Verlauf des Streites von enor312

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mer Bedeutung. Man sollte das nicht vorschnell als Verfremdung eigentlich theologischer Sachverhalte und Interessen bewerten, denn es beruht auf dem spätantiken Verständnis von Religion als Garanten des Gemeinwohls und der Bedeutung, die dem Kaiser bei der Wahrung der Orthodoxie zugemessen wurde. In einer Zeit, in der sich die Regionen zunehmend auseinanderentwickelten, bemühte sich der Kaiser um eine einheitliche Religion als eine der Bindekräfte für das Reich. Dass dieses Bemühen der Kaiser letztlich scheiterte, weil die Kaiser nicht über Methoden verfügten, die theologischen Innovationen und die daraus folgenden Debatten zu kanalisieren und zu integrieren, gehört zu den grundlegenden Sachverhalten des Christologischen Streites. Das Scheitern bedeutete zugleich das Scheitern der Einheit der Kirche im Osten, die im Streit um die Lösung von 451, das Chalcedonense, auseinanderbrach und eine Vielzahl von unterschiedlich ausgerichteten Kirchen entwickelte.

Rolle des Kaisers

5.1 Christologische Grundpositionen Der Streit wurde nicht durch das Gegeneinander von Extrempositionen bestimmt. Dennoch spielen die Verurteilungen der jeweils bekämpften Position als Nestorianismus (extremer Dyophysitismus) und Eutychianismus (strikter Miaphysitismus, früher Monophysitismus genannt) eine große Rolle. Als Nestorianismus wird demnach alles verurteilt, was (der Meinung der Verwerfenden zufolge) Gottheit und Menschheit auseinander reiße und so die Einheit der Person nicht ausdrücken könne. Als Eutychianismus wird hingegen eine Position gebrandmarkt, der man eine Vermengung der Naturen und die Auflösung der wahren Menschheit Jesu vorwirft. Beide Positionen haben mit den jeweiligen Namensgebern (Nestorius bzw. Eutyches) nur bedingt etwas zu tun. Insbesondere im Fall des Nestorius lässt sich fragen, ob die Lehrentscheidung des Konzils von Chalkedon 451 seiner Theologie nicht in vielem sehr nahe kommt. Die verschiedenen, im 5. Jh. vertretenen Theologien lassen sich auch nicht einfach als Dyo- und Miaphysitismus unterscheiden, auch wenn damit Eckpunkte der Theologien benannt sind, die für eine grobe Orientierung hilfreich sind (zur Schwierigkeit, beide Positionen auf eine antiochenische und eine alexandrinische Schule zurückzuführen, vgl. oben § 4; 4.). Dabei ist festzuhalten, dass die grundsätzliche Unterscheidung von Menschheit und Gottheit als zweier φύσεις (physeis/ Naturen) nicht in Frage stand. Die Debatte ging vielmehr darum, wie beide Naturen im Inkarnierten zusammentraten. Eine dyophysitische Position betont die Bewahrung der beiden Naturen, eine miaphysitische Position betont ihre dauerhafte, ontologisch auszudrückende, substantielle Verbundenheit im Inkarnierten (geht also von der μία φύσις/mia physis/einen Natur nach der Inkarnation aus). Die letztere Position berief sich vor allem auf Kyrill von Alexandria, die erstere auf Theodor von Mopsuestia. Das Dogma von Chalkedon 451 sanktionierte einen Dyophysitismus, der wichtige Elemente 5. Der Christologische Streit 428-681: Orientierung über die Probleme

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Nestorianismus Eutychianismus

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Chalcedonense als Kompromiss­ position

der Theologie Kyrills integrierte und auch westliche Gedanken (aus dem Tomus Leonis ad Flavianum/Sendschreiben von Papst Leo an Flavian) aufgriff. Es war eine typische Kompromissposition, die in der Folgezeit heftig umstritten war. Es begründete eine terminologische Differenz zwischen φύσις (physis/Natur; Gottheit und Menschheit bleiben erhalten) und ὑπόστασις (hypostasis/Hypostase bzw. Einzelexistenz; zu ihr treten beide Naturen im Inkarnierten unauflösbar zusammen). Während es im Westen schon früh allgemein rezipiert und zur Grundlage weiterer Überlegungen gemacht wurde, entzündete sich gerade an diesem Dokument der Streit im Osten aufs heftigste neu und führte zur Zerstörung der Kircheneinheit. Die Opposition gegen Chalkedon verband relativ verschiedene Positionen miteinander (und lässt sich nur ungenau mit der Formel von der μία φύσις/mia physis/ einen Natur bezeichnen, daher: Miaphysiten; die ältere Bezeichnung als Monophysiten entstammt der spätantiken Polemik und sollte daher heute nicht mehr verwendet werden).

5.2 Machtkämpfe Antiochia

Bevölkerung Konstantinopels

Alexandria

Mit den theologischen Positionen verbanden sich machtpolitische, wobei die großen Patriarchate Antiochia und Alexandria in Konkurrenz zueinander traten. Traditionell war Antiochia die bestimmende Metropole in Syrien, mit weitreichendem Einfluss bis nach Griechenland und Palästina. Der Einfluss Antiochias zeigte sich daran, dass insbesondere Bischöfe und Kleriker aus Antiochia zu Patriarchen von Konstantinopel geweiht wurden. Dies war auch ein politisch wichtiges Faktum, da Konstantinopel ab 381 in die Rolle der Machtzentrale hineinwuchs und somit die kirchenpolitische Lage in Konstantinopel immer auch mit der Stellung des Kaisers zusammenhing. Die Kommunikation des Kaisers mit der Bevölkerung der Hauptstadt entwickelte sich zunehmend zu einem wichtigen Faktor der kaiserlichen Macht­ entfaltung überhaupt. Dementsprechend versuchten alle wichtigen Größen, ihren Einfluss in Konstantinopel zu etablieren – so insbesondere auch der Patriarch von Alexandria. Die Sonderstellung Ägyptens im Reich und die besondere wirtschaftliche Bedeutung (als Kornkammer) waren wichtige politische Faktoren, auf die der Patriarch von Alexandria erheblichen Einfluss hatte. Daher sahen sich die oft mit Antiochia verbundenen Patriarchen von Konstantinopel den Intrigen und Störfeuern der alexandrinischen Patriarchen in Konstantinopel gegenüber: Die Patriarchen von Alexandria Theophilus, Kyrill und Dioskur verfochten hartnäckig und mit allen Mitteln die Wahrung ihrer Interessen. So war der Streit um die Christologie zugleich auch ein Konflikt zwischen dem Reich und Ägypten, der im 6. Jh. vollends zum Konflikt zwischen Griechen und Kopten wurde. Der regionalistischen Autonomietendenz entsprach die Opposition der Miaphysiten gegen die Religionspolitik des Kaisers, die dessen Rechtmäßigkeit in Frage zu stellen drohte. 314

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Regionale und kulturelle Gegensätze machten sich je länger desto stärker auch in Syrien bemerkbar, so vor allem durch das Auseinanderdriften von West- und Ostsyrien. Der nicht zum Imperium Romanum gehörige Teil Syriens entwickelte sich zunehmend eigenständig, wurde aber kirchlichtheologisch noch lange von Antiochia beeinflusst. Hier entwickelte sich eine Kirche, die die Ablehnung des Nestorius nicht übernahm (und entsprechend als nestorianisch gebrandmarkt wurde): die Kirche des Ostens. Im Gegensatz dazu führte in Westsyrien und dem benachbarten Armenien der Widerstand gegen die kaiserliche Religionspolitik zur Übernahme einer eher miaphysitischen Position. Ein weiterer machtpolitischer Faktor war das Verhältnis des oströmischen Kaisertums zum Westen (vgl. § 8; 3.2-3.3). Hier spielten nicht nur die Rivalitäten zwischen Rom und Konstantinopel und der sprachlich-kulturelle Unterschied eine Rolle, sondern auch die Auflösung des Imperium Romanum (mit der Absetzung des letzten lateinischen Kaisers 476) und die Entstehung der gentilen Reiche. Unter Justinian gelang es Ostrom zwar, bedeutende Teile des ehemaligen weströmischen Reiches wieder zu beherrschen, doch nach dem Ende des justinianischen Reiches bestand hier nur noch ein kleiner Einflussbereich in Italien, von dem aus die byzantinischen Kaiser versuchten, in die politischen Verhältnisse des Westens einzugreifen und Unterstützung aus dem Westen zu bekommen (so insbesondere gegen die islamischen Eroberungen ab dem 7. Jh.). In diesen Zusammenhang gehören dogmatische Zugeständnisse besonders im 7. Jh., mit einem gewissen Abschluss 681.

Syrien

Ost – West

5.3 Die Phasen des Streites Der Christologische Streit umfasst zunächst die Zeit von der Auseinandersetzung um das Prädikat θεοτόκος (theotokos/Gottesgebärerin) ab 428 bis zum Konzil von Chalkedon 451. Dies ist der dogmengeschichtlich wichtigs­te Teil des Streites. Die sich anschließenden Streitigkeiten um bzw. gegen das Chalcedonense schließen an diesen Streit an und sind insbesondere für die Entwicklung der Ostkirchen wichtig. 5.3.1 Die erste Phase 428-451. Man unterscheidet den Nestorianischen Streit (428-433) (um Nestorius’ Vermittlungsversuch in der Debatte um das Prädikat θεοτόκος/theotokos/Gottesgebärerin) und den Eutychianischen Streit (448-451) (um die Verurteilung des von Eutyches vertretenen Miaphysitismus). Die wichtigsten Protagonisten beider Streitigkeiten waren verschieden, doch knüpften die konträren Machtpositionen im Eutychianischen Streit an die alten Fronten des Nestorianischen Streites an. Die Verurteilung des Nestorius durch das von Kyrill beherrschte (Teil-)Konzil von Ephesus 431 blieb als Ergebnis fortan in Geltung – anders als die Lehrerklärung des Konzils von Chalkedon 451, das Chalcedonense, das als Sanktionierung des Dyophysitismus von den Miaphysiten entschieden bekämpft wurde. 5. Der Christologische Streit 428-681: Orientierung über die Probleme

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Ephesus 431 Chalkedon 451

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Henotikon Acacianisches Schisma

Neuchalke­ donismus Konstantinopel 553

monenergetischmonotheletisch

Konstantinopel 680/681

Nicäa 787

5.3.2 Die zweite Phase 457-518. Nach dem Konzil von Chalkedon versuchte die kaiserliche Politik, den Widerstand gegen das Chalcedonense zunächst zu brechen, dann durch Kompromisse aufzuweichen. Die reichsgesetzliche Einschränkung des Chalcedonense durch das Henotikon (die Einigungsformel) des Kaisers Zenon hatte nur einen sehr mäßigen Erfolg, führte aber zu einem förmlichen Schisma zwischen Rom und Konstantinopel: das Acacianische Schisma (484-519). 5.3.3 Die dritte Phase 519-553. In Anknüpfung an die Religionspolitik des Kaisers Anastasius (491-518) bemühte sich zunächst Justin, dann intensiv Justinian um eine Verständigung sowohl mit den Miaphysiten als auch mit Rom. Dies erforderte eine theologische Neuinterpretation des Chalcedonense, den sog. Neuchalkedonismus, in dem die Übereinstimmung des Chalcedonense mit Kyrills Theologie besonders betont wurde. Zugleich wurden die Begründer der antiochenischen Theologie verurteilt (auf dem Konzil von Konstantinopel 553). 5.3.4 Die vierte Phase bis 681. Die nachjustinianische Phase kann als vierte Phase betrachtet werden, obwohl keine einheitliche Entwicklung vorliegt. Besonders im 7. Jh. entbrannte nach 633 der monenergetisch-monotheletische Streit, in dem es um die Frage geht, ob die Einheit der Person Christi durch die Einheit seiner ἐνέργεια (energeia/Tätigkeit bzw. Wirkungsweise) bzw. die Einheit seines θέλημα (thelēma/Willens) konstituiert werde. Dies behauptete die neue Unionsformel von 633, die 638 von Kaiser Heraklius dekretiert wurde, jedoch den Streit nicht beilegen konnte. Nachdem insbesondere die ägyptische Kirche durch die Eroberung durch die Araber dem Einflussbereich des byzantinischen Kaisers entzogen war, konzentrierte sich dieser zunehmend auf die Verständigung mit dem Westen. Das Konzil von Konstantinopel 680/681 hielt dann – in Fortsetzung des Chalcedonense – die Lehre von den zwei Wirkweisen und zwei Willen fest. 5.3.5 Der Bilderstreit. Als Folgeproblem kann der Bilderstreit (erste Phase: 726-787, zweite Phase: 815-843) gelten, auch wenn er sich auf eine eigenständige Thematik bezog und sich nicht aus dem Christologischen Streit entwickelte. Denn auch dabei ging es um die Präsenz Gottes in der kreatürlichen Wirklichkeit, in den Ikonen. Das zweite Konzil von Nicäa 787 sanktionierte die Bilderverehrung, die seit 843 endgültig ostkirchliche Lehre und Praxis wurde. 5.4 Literatur Lektüretipp: A.M. Ritter: Der christologische Streit und das Dogma von Chalkedon, HDThG, Bd. 1, 2. A. 1999, 230-283. Literatur: F. Winkelmann: Die östlichen Kirchen in der Epoche der christologischen Auseinandersetzungen, 4. A. 1994. – E. Schwartz: Über die Reichskonzilien von Theodosius bis 316

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Justinian, in: Ders.: Gesammelte Schriften, Bd. 4, 1960, 111-158. – W. Elert: Der Ausgang der altkirchlichen Christologie, 1957.

6. Der Nestorianische Streit 428-433 Ein zunächst lokaler Konflikt in Konstantinopel um die Berechtigung des traditionellen Prädikats θεοτόκος (theotokos/Gottesgebärerin) für Maria im Jahr 428 entwickelte sich seit 429 zu einer Kontroverse zwischen Nestorius von Konstantinopel und Kyrill von Alexandria. Die christologischen Grundsätze verbanden sich mit den kirchenpolitischen Rivalitäten beider Patriarchate. Auch die Patriarchate Antiochia und Rom wurden in den Streit eingeschaltet, so dass der Streit eine das ganze Imperium umfassende Bedeutung erlangte. Das von Kaiser Theodosius II. nach Ephesus einberufene Konzil 431 zerfiel in einen kyrillischen und einen antiochenischen Teil, die sich gegenseitig verurteilten. Erst nachträglich wurde das Ergebnis des kyrillischen Teilkonzils (das sog. Ephesinum) als 3. Ökumenisches Konzil gezählt: Es bekräftigte die kyrillische Christologie, verdammte Nestorius und bekräftigte das Theotokos-Prädikat. Doch kam es bereits 433 zu einer vom Kaiser erzwungenen kirchenpolitischen Verständigung, als Kyrill einer Unionsformel des Johannes von Antiochia zustimmte.

6.1 Ausgangspunkt: Der Theotokos-Streit 428-430 Den Streit um die Frage, ob Maria als θεοτόκος (theotokos/Gottesgebärerin) oder vielmehr als ἀνθρωποτόκος (anthrōpotokos/Menschengebärerin) anzusehen sei, wollte der neue Patriarch von Konstantinopel, der aus Antiochia stammende Nestorius, mit dem Kompromissbegriff χριστοτόκος (christotokos/Christusgebärerin) beilegen. Die Gegner des Nestorius nahmen das zum Anlass, ihn in Alexandria und Rom zu verklagen, weil er damit die volle Gottheit des Inkarnierten leugne. Kyrill von Alexandria griff 429 in den Streit ein und entfaltete in seinen Lehrbriefen gegen Nestorius 429/430 seine christologische Position. Er betonte die Einheit in Christus (s. § 4; 8.28.3), Nestorius hielt an der antiochenisch geprägten Theologie, dass die zwei Naturen auch im Inkarnierten erhalten bleiben, fest.

Nestorius

6.1.1 Der Streit in Konstantinopel 428. In Konstantinopel hatte sich die Lage seit 403/404 (s. § 4; 4.3.2) nicht beruhigt. Ein starker alexandrinischer Einfluss hielt sich am Kaiserhof wie in Klerus und Mönchtum (besonders in einigen Stadtklöstern). Dem versuchte sich der dortige Patriarch Atticus (406-425) durch geschicktes Taktieren zu widersetzen und seinen Einfluss auszudehnen. Gleichwohl blieb er stark vom Kaiser abhängig (408450 war dies Theodosius II., beeinflusst von seiner Schwester Pulcheria und seiner Frau Eudoxia; vgl. § 3; 14.2). Im April 428 machte Theodosius den als Prediger und Asketen berühmten, kirchenpolitisch jedoch unbegabten Antiochener Nestorius zum neuen Bischof. Dieser wollte sich sogleich nicht nur als Ketzerverfolger (gegen Novatianer, Arianer u.a.) profilieren, sondern auch einen kurz zuvor ausgebrochenen dogmatischen Streit 6. Der Nestorianische Streit 428-433

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schlichten. Die in der Frömmigkeit verankerte Bezeichnung von Maria als θεοτόκος (theotokos/Gottesgebärerin) führte bei antiochenisch geprägten Theologen zu Widerspruch, weil Maria nicht den Gott hervorgebracht habe, sondern die menschliche, von der göttlichen angenommene Natur. Dies werde besser durch den Begriff ἀνθρωποτόκος (anthrōpotokos/Menschengebärerin) ausgedrückt. Der hiergegen sich formierende Widerstand entstammte noch keiner fest geprägten theologischen Schule, verband sich aber mit dem kirchenpolitischen Widerstand Alexandrias gegen den neuen Patriarchen und mit einer Anknüpfung an die Christologie des Athanasius. Nestorius wollte den Streit schlichten, indem er beide Positionen in mehreren Predigten verurteilte und als Kompromiss den Begriff χριστοτόκος dekretierte. Die Begründung, die er hierfür gab, entsprach seiner antiochenischen Christologie, so dass die Befürworter des Theotokos-Prädikats dies nur als Finte und als Leugnung der Gottheit des Inkarnierten ansahen.

Brief von Kyrill

Johannes Cassian

Verurteilung in Rom 430

12 Anathema­ tismen

6.1.2 Das Eingreifen Kyrills. Der kaiserliche Beamte Euseb (seit 448 Bischof von Doryläum; s. § 4; 9.2.2) attackierte 428 Nestorius als Vertreter der Häresie Pauls von Samosata (s. § 1; 9.2) und schickte Auszüge von Nestorius’ Predigten an Kyrill von Alexandria und Coelestin von Rom. Kyrill reagierte 429 mit kritischen Bemerkungen im Osterfestbrief von 429 und dann mit einem direkt an Nestorius gerichteten Brief (= Epistula/Brief 2). Er stilisierte den lokalen Streit als »ökumenischen (d.h. die ganze Christenheit betreffenden) Skandal« hoch. Gegen Nestorius’ selbstbewusste Antwort verfasste er ein ausführliches Lehrschreiben, den 2. Brief an Nestorius (=Epistula/Brief 4), woraufhin jener in einem zweiten Brief an Kyrill seine Vorstellung der Unterscheidung von zwei Naturen entfaltete. Kyrill schickte das ganze Material an Coelestin, verbunden mit dem Vorwurf, Nestorius halte Jesus wie Paul von Samosata für einen bloßen Menschen. 6.1.3 Das Eingreifen Roms. Nestorius hatte sich nach dem Aufbranden des Streits nach Rom gewandt, vermutlich, weil er den Schulterschluss zwischen Alexandria und Rom verhindern wollte. In Rom reagierte man jedoch zurückhaltend. Der römische Bischof Coelestin zog Erkundigungen ein, wobei er sich insbesondere auf den Gesandten Kyrills, Poseidonius, stützte. Ein von ihm bestelltes Gutachten von Johannes Cassian, De incarnatione domini contra Nestorium (Über die Menschwerdung des Herrn gegen Nestorius) erfasste das theologische Problem nur unzureichend und warf Nestorius vor, Christus nur für einen bloßen Menschen zu halten. Zudem hatte Nestorius in der Zwischenzeit einen taktischen Fehler begangen: Um sich gegenüber Coelestin als gleichrangige Appellationsinstanz zu behaupten, verwies er auf Julian von Aeclanum und andere vom Westen verurteilte Pelagianer (s. § 5; 7.4.5), die in Konstantinopel zwecks Rehabilitierung vorstellig geworden waren. Damit trieb er Rom direkt auf Alexandrias Seite, zumal Kyrill dem Bischof Rom Hoffnung auf eine Anerkennung seiner Hoheitsrechte in Illyrien machte. Eine römische Synode zu Ostern 430 verurteilte Nestorius, und Coelestin bevollmächtigte – im Sinne eines Primatanspruches – Kyrill als seinen »Stellvertreter«, um gegen jenen vorzugehen. Als der Kaiser ein Reichskonzil ankündigte, versuchte Kyrill hierfür ein Präjudiz zu schaffen. Er berief im November 430 eine ägyptische Synode ein, in deren Namen er ein dogmatisches Schreiben an Nestorius, den dritten Brief an Nestorius, erließ, an den 12 Anathematismen (capita/Kapitel) angehängt waren (=Epistula/Brief 17).

6.2 Das gescheiterte Reichskonzil: Ephesus 431 Das seit dem 4. Jh. entwickelte Ideal von der Rechtgläubigkeit des Kaisers schloss u.a. ein, dass dem Kaiser eine Kompetenz dafür zugemessen wurde, für die Festlegung bzw. Durchsetzung dessen, was als rechtgläubig zu gelten 318

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hatte, zu sorgen. Deshalb bat Nestorius Theodosius II. um ein Reichskonzil, das dieser für Juni 431 nach Ephesus einberief und welches den Streit unter Leitung eines kaiserlichen Kommissars beilegen sollte. Diese Synode wurde zu einem Fiasko, weil die Kyrillgruppe zusammen mit Bischof Memnon von Ephesus das Konzil eröffnete, bevor die Kontrahenten unter der Führung von Johannes von Antiochia erschienen waren. Die Kyrillgruppe terrorisierte die protestierende Minderheit um Nestorius und beschloss im Eilverfahren, dass Kyrills Position als orthodox zu gelten habe. Die später eintreffende Gruppe um Johannes von Antiochia, eine Minorität, eröffnete in Anwesenheit des kaiserlichen Kommissars das Konzil, verurteilte seinerseits Kyrill und Memnon und exkommunizierte die Teilnehmer der kyrillischen Teilsynode. Ergebnis war also ein Schisma, das trotz weiterer Vermittlungsbemühungen des Kaisers vorerst nicht beigelegt werden konnte. Kyrills Allianz mit Rom führte dazu, dass die kyrillische Teilsynode später als 3. Ökumenisches Konzil galt. Der Kaiser erhöhte nach dem Scheitern des Konzils den Druck und erzwang 433, dass Kyrill eine von Johannes von Antiochia erarbeitete Kompromissformel akzeptierte (Unionsformel), die u.a. das Theotokos-Prädikat enthielt, Johannes sich im Gegenzug dafür von Nestorius distanzierte, der als Opfer der Kirchenpolitik aus seinem Amt entfernt und verbannt wurde. 6.2.1 Die kyrillische Teilsynode. Die Eröffnung der Synode war vom Kaiser auf den 7.6.431 festgesetzt worden. Als sich die Ankunft von Johannes von Antiochia verzögerte, eröffneten am 22.6.431 Kyrill und seine Gefolgsleute Juvenal von Jerusalem und Memnon von Ephesus in der großen Marienkirche die Beratungen. Der kaiserliche Kommissar Candidianus versuchte, durch Verlesung des Eröffnungsschreibens des Kaisers und den Hinweis auf das Verbot von Teilversammlungen, den Beginn der Beratungen zu verhindern – vergeblich. Der bereits in Ephesus anwesende Nestorius wurde aufgefordert, vor dieser Synode zu erscheinen, weigerte sich aber. Die Einschüchterung der Opponenten des Kyrill durch Mönchshaufen (besonders Parabalanen, kräftige, zum Krankentransport geeignete Mönche) zeigte ihre Wirkung, Nestorius verschanzte sich, beschützt von Soldaten. Dadurch gelang es Kyrill auch, eine beträchtliche Zahl zögerlicher Bischöfe, die kurze Zeit zuvor noch zu Nestorius gehalten hatten, zur Zustimmung zu zwingen. Die so unter Druck gesetzte Synode erklärte noch am 22. Juni, dass dem Nizänum von 325 als Norm der zweite Brief Kyrills an Nestorius (= Epistula/ Brief 4) entspreche. Außerdem nahm man den dritten Brief Kyrills an Nestorius mitsamt der 12 Anathematismen zu den Akten (ohne sie in gleicher Weise zur Lehrgrundlage zu erklären). Zugleich verurteilte man Nestorius’ zweiten Lehrbrief an Kyrill (s. § 4; 6.1.2), exkommunizierte ihn und erklärte ihn für abgesetzt (Text/Übers.: DH 250-264). Später verurteilte man noch die Denkweise des Caelestius (DH 267; als eine förmliche Verurteilung des gesamten Pelagianismus kann man diese beiläufige Äußerung kaum werten, 6. Der Nestorianische Streit 428-433

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Johannes von Antiochia

Kyrill Memnon von Ephesus

Verurteilung des Nestorius

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römische Legaten

Absetzung Kyrills

Amtsverzicht des Nestorius

doppelte Homousie

eine Person zwei Naturen

vgl. § 5; 7.4.5). Dieser kyrillischen Teilsynode schlossen sich nach ihrer Ankunft am 10. Juli die Legaten des römischen Bischofs Coelestin an, die im Sinne des römischen Jurisdiktionsprimats (vgl. § 8; 2.1) beanspruchten, die Lehrentscheidung zu beaufsichtigen. 6.2.2 Die antiochenische Teilsynode. Wenige Tage, nachdem die kyrillische Teilsynode getagt hatte, traf Johannes von Antiochia mit ca. 40 weiteren Bischöfen ein. In Anwesenheit des kaiserlichen Kommissars Candidianus eröffnete Johannes umgehend die Beratungen, erklärte die Beschlüsse der kyrillischen Teilsynode für null und nichtig und Kyrill und Memnon für abgesetzt. Dem wenig später eintreffenden Befehl des Kaisers Theodosius II., das Konzil neu zu konstituieren, widersetzte sich die kyrillische Teilsynode, indem sie separat weitertagte. Beide Teilsynoden wandten sich mit Gesandtschaften an den Kaiserhof. Die antiochenische Teilsynode legte dabei ein Bekenntnis vor, dass u.a. das Theotokosprädikat enthielt. Die anschließenden Verhandlungen brachten keine Einigung, so dass Theodosius II. Nestorius, Kyrill und Memnon verhaftete und das Konzil auflöste. Nestorius verzichtete auf sein Bischofsamt und kehrte in sein antiochenisches Kloster zurück. Zu seinem Nachfolger wurde der Römer Maximianus ernannt, dem 434 Proklos, ein begabter Kirchenfürst, folgte. Kyrill erwirkte durch Bestechung seine baldige Freilassung und setzte alles in Bewegung, um seine Rehabilitierung zu erreichen. 6.2.3 Die Unionsformel von 433. Die kaiserliche Religionspolitik zielte nun auf eine Beseitigung des Schismas. Nach schwierigen Verhandlungen mit den Hauptkontrahenten kam 433 ein Kompromiss zustande: Kyrill stimmte – unter der Voraussetzung, dass Johannes die Verurteilung des Nestorius bestätigte – der Ergänzung der Beschlüsse von 431 durch eine antiochenische Lehrformel zu. Diese Formel wird in einem Brief an Johannes von Antiochia (= Epistula/Brief 39 mit dem Anfangswort und Titel Laetentur/Es mögen sich freuen) zitiert. Sie war eine Überarbeitung des in Ephesus beschlossenen und dem Theodosius vorgelegten Bekenntnisses der antiochenischen Teilsynode. Sie hielt fest, dass Jesus Christus vollkommener Gott und vollkommener Mensch mit Vernunftseele und Leib ist. Außerdem bekräftigte sie die doppelte Homousie: Jesus Christus ist wesenseins mit dem Vater nach der Gottheit, wesenseins mit uns Menschen nach der Menschheit. Es handele sich um eine δύο φύσεων ἕνωσις (dyo physeōn henōsis/Vereinigung von zwei Naturen). Damit war der für Kyrill zentrale Begriff der ἕνωσις (henōsis/ Vereinigung bzw. Einheit) integriert, zugleich wurde festgehalten, dass es sich um eine ἀσύγχτος ἕνωσις (asynchytos henōsis/Vereinigung ohne Vermischung) handelt (womit ein wichtiger Gesichtspunkt antiochenischer Christologie aufgenommen war). Die biblischen Aussagen seien einerseits auf das ἓν πρόσωπον (hen prosōpon/eine Person) zu beziehen, andererseits auf die δύο φύσεις (dyo physeis/zwei Naturen). Weil der Logos Mensch ge320

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worden sei und den Leib wie einen Tempel angenommen habe, könne man Maria auch als θεοτόκος (theotokos/Gottesgebärerin) bezeichnen. Dies war ein Text, dem deutlich die antiochenische Position zugrunde lag. Nicht alle Anhänger Kyrills akzeptierten dessen Kurswechsel. Der Streit war jedoch insgesamt erst einmal beendet. Das verdeutliche Theodosius II. auch dadurch, dass er Nestorius 435 ins ägyptische Exil verbannte. 6.3 Literatur Lektüretipp: T. Graumann: Die Kirche der Väter. Vätertheologie und Väterbeweis in den Kirchen des Ostens bis zum Konzil von Ephesus (431), 2002, 278-419. Quellen: J. Wohlmuth (Hg.): Conciliorum Oecumenicorum Decreta/Dekrete der Ökumenischen Konzilien, Bd. 1, 1998, 37-74. – L. Abramowski: Concilium Ephesenum, in: G. Alberigo (Hg.): Conciliorum Oecumenicorum generaliumque Decreta, 2006, 71-118. Literatur: C. Fraisse-Coué/T. Böhm: Die theologische Diskussion zur Zeit Theodosius’ II: Nestorius, GCh 2, 1996, 570-626. – P.-T. Camelot: Ephesus und Chalcedon, 1964, 15-83.225251. – L.I. Scipioni: Nestorio e il concilio di Efeso, 1974. – E. Schwartz: Konzilstudien, 1914. – Ders.: Neue Aktenstücke zum Ephesinischen Konzil von 431, 1920.

7. Die antiochenische Christologie bei Nestorius und Theodoret Die Christologie des Nestorius knüpfte an die ältere Tradition der antiochenischen Theologie an, besonders an Theodor von Mopsuestia. Nestorius wurde aus kirchenpolitischen Gründen fallen gelassen, die antiochenische Theologie gewann jedoch über die Unionsformel weitreichende Bedeutung. Als ihr Wortführer trat nun eigentlich Theodoret von Kyros in den Vordergrund.

7.1 Nestorius’ Christologie Nestorius (geb. nach 381, gest. ca. 451 im Exil) war kein Häretiker, sondern ein relativ durchschnittlicher Vertreter der antiochenischen Christologie (s. § 4; 4.). Durch seine Ungeschicklichkeit wurde er zum Opfer der Kirchenpolitik. Da er auch von Johannes von Antiochia ab 433 fallengelassen wurde, musste er im Exil zwanzig Jahre lang zusehen, wie sein Name als Ketzername geschmäht und seine Theologie zu Unrecht als Adoptianismus gegeißelt wurde. Es nützte ihm auch nichts, dass er unter bestimmten Verstehensvoraussetzungen später das Theotokos-Prädikat akzeptieren konnte. 7.1.1 Nestorius’ Ansatz im Lehrbrief gegen Kyrill. Nestorius lehnte in Erwiderung auf den zweiten Brief Kyrills an ihn eine Vermischung beider Naturen ab, da dann auch die Eigenschaften der menschlichen Natur dem göttlichen Logos zugerechnet werden müss­ ten. Darin sah Nestorius die Gottheit Christi bedroht, was er als Arianismus bekämpfen wollte. Insbesondere der Tod Christi könne nicht dem Logos selbst zugerechnet werden. 7. Die antiochenische Christologie bei Nestorius und Theodoret

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χριστοτόκος Maria als χριστοτόκος (christotokos/Christusgebärerin) zu bezeichnen, sei die angemes-

sene Bezeichnung. Diese begriffliche Innovation knüpfte daran an, dass die Bezeichnung des Inkarnierten als Christus sich auf die Einheit der Person des Inkarnierten beziehe, in dem beide Naturen zusammentreten (ohne jedoch miteinander vermischt zu werden). In Anknüpfung an die Theologie Theodors sprach er von zwei Naturen und einer Person und griff den Gedanken der ἕνωσις κατ’ εὐδοκίαν (henōsis kat’ eudokian/Vereinigung aufgrund des Wohlgefallens) auf (vgl. § 4; 4.2.2). Dies wurde von seinen Gegnern als bloß willentliche und punktuelle Vereinigung verstanden, doch meinte Nestorius (wie Theodor) eine besondere gnadenhafte Aufnahme der menschlichen Natur in die besondere Personeinheit des Inkarnierten.

Person Hypostase

7.1.2 Der Liber Heraclidis. Nestorius’ umfassendster Entwurf zur Christologie ist der Liber Heraclidis (Buch des Heraclides), im ägyptischen Exil um oder kurz vor 450 verfasst. Diese (nur syrisch erhaltene) Schrift enthält allerdings Interpolationen und einen einführenden Dialog, die vermutlich nicht von Nestorius stammen (so Abramowski; wenig überzeugend die abweichende Rekonstruktion von Scipioni). Hier bestimmt Nestorius den Begriff des πρόσωπον (prosōpon/Person) näher: Der Begriff meint die Existenz in ihrer konkreten Erscheinungsweise und kann daher gleichbedeutend mit ὑπόστασις (hypostasis/Existenz) benutzt werden. Zudem unterscheidet Nestorius bewusst den trinitätstheologischen und den christologischen Gebrauch: In der Trinität gibt es ein Wesen in drei πρόσωπα (prosōpa/Personen), in der Christologie hingegen eine Person in zwei Wesenheiten (im griechischen Original wohl: φύσεις/physeis/Naturen, auch synonym mit οὐσία/usia/Wesen). Dementsprechend kann Nestorius die kyrillische Formel von der ἕνωσις καθ’ ὑπόστασιν (henōsis kath’ hypostasin/hypostatische Einung; s. § 4; 8.3) durchaus positiv deuten: als Vereinigung der beiden (unvermischt bleibenden Naturen) in der einen Person. Der Liber Heraclidis bewegt sich auf der Höhe der theologischen Diskussion seiner Zeit, blieb jedoch ohne Einfluss.

7.2 Theodoret von Kyros: Personeinheit der zwei Naturen

Verurteilung 553

Zu den bedeutendsten griechischen Theologen des 5. Jh.s gehört der Exeget und Apologet Theodoret (ca. 393-ca. 460/466). Von seinem umfangreichen Schrifttum ist wegen der Verurteilung (544/553) (s. § 4; 12.3.-12.4) nur einiges erhalten. Seit 431/433 war er der bedeutendste Vertreter der antiochenischen Christologie, mit großem Einfluss, weil er ab 433 auch Möglichkeiten zum Konsens mit kyrillischer Theologie entdeckte. Durch seine ausgewogenen Formulierungen wurde er zu einem der Väter des Chalcedonense von 451. 7.2.1 Leben und Werk. In Antiochia aufgewachsen, als Asket berühmt, wurde Theodoret 423 Bischof in Kyros (ca. 150 km nordöstlich von Antiochia, s. Abb. 7). 431 verfasste er eine Widerlegung der 12 Anathematismen Kyrills (s. § 4; 6.1.3) und eine umfassende Kritik von dessen Christologie (so in dem Doppelwerk De trinitate et de incarnatione/ Über die Trinität und über die Menschwerdung). Seine Theologie hatte maßgeblichen Einfluss auf die Unionsformel (s. § 4; 6.2.3). 444 zog er sich die Feindschaft Dioskurs von Alexandria zu und wurde 448 von Theodosius II. abgesetzt und 449 in Ephesus verurteilt (s. § 4; 9.4). Gegen Eutyches nahm er schriftlich Stellung, so u.a. in dem Werk Eranistes (wörtlich: Gastmahlsteilnehmer). Das Konzil von Chalkedon rehabilitierte 322

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ihn als rechtgläubigen Lehrer. Er verfasste Kommentare (zu den Psalmen, den Propheten und den Paulusbriefen), eine Kirchengeschichte (s. § 3; 14.4), eine großangelegte Apologie (Graecarum affectionum curae/Heilung der griechischen Krankheiten) und mit dem Haereticarum fabularum compendium (Kompendium der häretischen Fabeln) ein umfassendes, wegen seiner umfangreichen Quellenbenutzung wichtiges Ketzerkompendium.

7.2.2 Christologie. In der Christologie orientierte sich Theodoret an Theodor von Mopsuestia. Er warf Kyrill Apollinarismus vor, was insofern nicht falsch war, als Kyrill Schriften unter dem Namen des Athanasius benutzte, die eigentlich dem Apollinaris zugehörten. Insbesondere könne man nicht von der μία φύσις (mia physis/einen Natur) des Inkarnierten sprechen, da man dann beide Naturen vermenge, der Gottheit Leidensfähigkeit zuschreibe und die Verbindung mit dem Menschen für eine zwangsläufige, aufgrund von Naturgegebenheiten existierende Notwendigkeit ansehe. Außerdem kritisierte er die kyrillische Formel von der ἕνωσις καθ’ ὑπόστασιν (henōsis kath’ hypostasin/hypostatische Einung) als unbiblische Spekulation. Dem stellte er seine eigene Christologie gegenüber, die von den beiden Naturen und ihren Eigenschaften ausging und die Einheit der Person im Inkarnierten betonte. Diese Personeinheit bedeute auch, dass für den Inkarnierten menschliche wie göttliche Eigenschaften auszusagen seien. Hier zeigt sich, dass Theodorets Theologie exegetisch fundiert war, denn das Grundproblem bestand für ihn darin, wie die biblischen Aussagen über den Inkarnierten sich zu dem Zusammentreten beider Naturen verhalten. Diese Einheit ist aber kein Vorgang aus Naturgegebenheiten, sondern eine von Gott heilsgeschichtlich gewollte Vereinigung und Annahme der menschlichen Natur. Theodorets Personenbegriff entwickelte sich in den dreißiger und vierziger Jahren weiter und wurde zunehmend mit ὑπόστασις (hypostasis/Hypostase) synonym. Dadurch bereitete er die begriffliche Lösung, die in das Chalcedonse einging, maßgeblich mit vor.

Person und Hypostase

7.3 Literatur Lektüretipp: S.-P. Bergjan: Theodoret von Cyrus und der Neunizänismus, 1994, 191-212. Quellen: F. Loofs (Hg.): Nestoriana. Die Fragmente des Nestorius, 1905. Literatur: L. Abramowski: Untersuchungen zum Liber Heraclidis des Nestorius, 1963. – Dies.: Trinitarische und christologische Hypostasen, Theologie und Philosophie 54 (1979) 38-49. – L.I. Scipioni: Nestorio e il concilio di Efeso, 1974. – Ders.: Ricerche sulla cristologia del Libro di Eraclide di Nestorio, 1956. – J.-N. Guinot: L’exégèse de Théodoret de Cyr, 1995. – P.B. Clayton: Theodoret Bishop of Cyrus, and the Mystery of the Incarnation in Late Antiochene Christology, 1985. – J.L. Stewardson: The Christology of Theodoretus of Cyrus according to his Eranistes, 1972.

7. Die antiochenische Christologie bei Nestorius und Theodoret

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8. Kyrill von Alexandria: Machtpolitik und Betonung der Einheit in Christus Kyrill (ca. 375-444, Patriarch von Alexandria ab 412) wurde in den Debatten nach Chalkedon zu der maßgeblichen Bezugsgröße für die Chris­ tologie, sowohl bei den sog. Miaphysiten als auch bei den chalkedonisch geprägten Theologen (besonders ab dem 6. Jh.). Das liegt zum einen daran, dass seine (an sich nicht besonders originelle) Theologie Ansätze zu beidem bot, zum anderen daran, dass Kyrill es verstanden hat, sich als Vorkämpfer und Verteidiger der Orthodoxie zu präsentieren. Darin sowie in einem rigorosen Einsatz kirchenpolitischer Mittel imitierte er sein großes Vorbild Athanasius.

8.1 Leben und Werk

Orientierung an Athanasius

Contra Iulianum

Quod unus sit Christus

Zwischen 370 und 380 geboren, stand Kyrill früh unter dem Einfluss seines Onkels, des Erzbischofs Theophilus (vgl. § 4; 4.3.2), dessen Nachfolger er 412 wurde, was seine Kirchenpolitik prägte. Wie sein Onkel versuchte er, die Macht des alexandrinischen Patriarchen auszubauen, nach innen (gegen Häretiker, nicht gehorsame Mönche, Juden, Heiden) wie nach außen (besonders in Konstantinopel, aber auch in Jerusalem und Antiochia). In seiner Frühzeit orientierte er sich stark an Athanasius, wie sich an seinen beiden Frühwerken zur Trinitätslehre zeigt (Thesaurus/Schatz und Dialogi de sancta et consubstantiali trinitate/Dialoge über die heilige und wesenseine Trinität). Als Schriftsteller wurde er besonders aktiv. Ausführlich beschäftigte er sich mit der antichristlichen Polemik, so besonders in dem bedeutenden Werk Contra Iulianum (Gegen Iulian [scil. Apostata]), das für die Kenntnis von Julians Contra Galilaeos (Gegen die Galiläer) entscheidend ist. Seine Predigttätigkeit schlug sich in den Homilien zum Lukasevangelium (nur fragmentarisch und in Scholien erhalten) und zum Johannesevangelium (fast vollständig erhalten) nieder und fand in dem umfangreichen Werk Glaphyra in Pentateuchum (Feine Auslegung zum Pentateuch) eine exegetische Vertiefung. Als Prediger verstand er es, die Massen zu begeistern und für seine Zwecke zu manipulieren. Kurz vor oder unmittelbar im Umfeld der Auseinandersetzung mit Nestorius, d.h. um 428, schrieb er De incarnatione (Über die Menschwerdung; Text: SC 97; Übers.: BKV 1879, 471-528). In der Auseinandersetzung mit Nestorius schrieb er – zusätzlich zu den Lehrbriefen (= Epistulae/Briefe 2.4.17.39) und weiteren Briefen – eine umfangreiche Schrift Contra Nestorium (Gegen Nestorius), eine dialogartige Schrift De recta fide (Über den rechten Glauben; es handelt sich um eine dem Kaiser Theodosius II. zugeeignete, überarbeitete Fassung der älteren dialogartigen Schrift De incarnatione unigeniti/ Über die Menschwerdung des Eingeborenen) und eine Explanatio XII capitum (Verteidigung der 12 Anathematismen). Nach dem Friedensschluss von 433 war er darum bemüht, die Extrempositionen auf beiden Seiten abzuwehren. Seine Christologie fasste er ca. 435/436 grundlegend in dem Dialog Quod unus sit Christus (Dass Christus einer ist; Text: SC 97; Übers.: BKV II,12,109-204) zusammen (Gesamtausgabe seiner Werke, hg. von P.E. Pusey, 8 Bände, 1868-1877, ND 1965; ansonsten ist größtenteils noch der Mignetext heranzuziehen: MG 68-77; Neuedition von Contra Iulianum hg. von W. Kinzig/C. Riedweg/M.-O. Boulnois, 2015; weitere Editionen, etwa der Glaphyra, sind dringendes Desiderat).

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8.2 Christozentrische Theologie und Frömmigkeit Die Theologie Kyrills zeichnet sich – hierin durchaus seinem Ideal Athanasius verpflichtet – dadurch aus, dass sie eine gerade die Transzendenz und Göttlichkeit betonende Position in eine populäre religiöse Gesamtanschauung eingebracht hat. Ohne diese Verankerung der von Kyrill entfalteten Christologie in der Frömmigkeit sind die Wirkungsgeschichte und die Hartnäckigkeit, mit der in Ägypten später an einer miaphysitischen Position festgehalten wurde, nicht erklärlich. Zentral ist die traditionelle Idee der (gnadenhaften) Vergöttlichung als Ziel menschlicher Existenz. Gerade hierfür war eine Christologie besonders naheliegend, die von der Göttlichkeit Jesu Christi ausging und den Inkarnierten als Gott im Menschen auffasste. Anhalt in der Frömmigkeit fand dies besonders in der Eucharistie, in der Gott leiblich fasslich wurde und so das veränderte, von Gott angenommene und in sich aufgenommene Leben vermittelte. Der Einspruch Kyrills gegen Nestorius lässt sich nicht auf die (durchaus vorhandenen) robusten kirchenpolitischen Machtinteressen (oder die zunehmende Entfremdung Ägyptens von dem Rest von Byzanz) reduzieren (so sehr auch diese Faktoren eine Rolle gespielt haben mögen), sondern ist in der eigenen Exegese und Frömmigkeit verankert. Es ging darum, das Christus nur dann das Heil bringt, wenn er wirklich und vollständig so Mensch geworden ist, dass in ihm die Menschheit nur in der Gemeinschaft mit Gott existiert und dabei die Gottheit dominiert und die Menschheit dauerhaft verändert.

Vergöttlichung

Menschheit des Inkarnierten

8.3 Die gottmenschliche Einheit in Christus Kyrill deutete die Christologie weniger als Einwohnung oder als Annahme eines Menschen, sondern versuchte, sie als Menschwerdung und Vereinigung zu deuten. Ohne Trennung, aber auch ohne Vermischung oder Veränderung hat der göttliche Logos sich mit einem menschlichen Leib mitsamt Seele vereint. Zwei Naturen verbinden sich zu einem Christus. Dieser eine jedoch besteht aufgrund der Einung nicht länger aus zwei nicht zusammengehörigen Teilen oder Naturen, sondern bildet auch im Bereich der Natur bzw. der Hypostase eine Einheit. Wenn Kyrill die Einung als ἕνωσις καθ’ ὑπόστασιν (henōsis kath’ hypostasin/hypostatische Einung) beschrieb, wollte er damit vor allem ein bloß auf Willen oder Wirksamkeit beruhendes Zusammentreten beider Naturen ausgeschlossen wissen (das er Nestorius unterstellte). Zugleich sollte die dauerhafte Einheit ausgedrückt werden, in der das Göttliche das personbildende Element ist. Das Menschsein ist im Inkarnierten vorhanden, jedoch ohne in ihm eine eigene Existenz aufzubauen, die nicht vom göttlichen Logos dominiert wird, obwohl die menschlichen Eigenschaften erhalten bleiben. Besonders in einigen frühen Schriften gebrauchte Kyrill auch den Ausdruck μία φύσις τοῦ θεοῦ λόγου σεσαρκωμένη (mia physis tū theū logū sesarkōmenē/die eine fleischgewordene Natur des 8. Kyrill von Alexandria: Machtpolitik und Betonung der Einheit in Christus

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hypostatische Einung

μία φύσις

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Gott-Logos), dessen Herkunft von Apollinaris ihm damals noch nicht klar war, doch wird die Behauptung der μία φύσις (mia physis/der einen Natur) keineswegs zur zentralen und reflektierten Begrifflichkeit.

Dominanz des Logos

8.3.1 Die zwei Naturen bei Kyrill. Kyrill hat Gottheit und Menschheit als zwei distinkte Naturen unterschieden. Auch stand für ihn fest, dass beide Naturen ihre Eigenschaften haben und auch im Inkarnierten behalten. Die menschliche Natur beschrieb er, auch in Verteidigung gegen den Vorwurf des Apollinarismus, als vollständig, weil für ihn die Seele als Sitz der Vernunft, des Willens und der Gefühle Jesu Menschsein und damit auch sein Leiden charakterisiert (z.B. Epistula/Brief 46). Zugleich betonte er allerdings, dass die menschliche Natur schon vom göttlichen Logos aufgenommen und erlöst ist, so dass der göttliche Logos im Inkarnierten dominant ist. Wenn man von einer Einheit des Inkarnierten ausgehen möchte, kann dies nur eine Einheit sein, in der die menschliche Natur nicht unverändert neben der göttlichen liegt. Der Mensch Jesus ist daher nicht bloß der Tempel, sondern die Gestalt, in der Gott für die Menschheit wahrnehmbar erscheint (Homiliae paschales/Osterpredigten 17), und (wie der Leib Christi für Athanasius) das Werkzeug, wodurch er das Heilswerk vollbringen kann. Exegetische Grundlage hierfür waren insbesondere Joh 1,14 und Phil 2,6-9. 8.3.2 Die apollinaristischen Fälschungen. In der Frühzeit benutzte Kyrill Schriften des Apollinaris, die ihm unter dem Namen des Athanasius oder dem des Julius von Rom vorlagen. Darin fand er (u.a. in der Schrift Epistula ad Jovianum/Brief an Jovian) die Kernformel von der μία φύσις τοῦ θεοῦ λόγου σεσαρκωμένη (mia physis tū theū logū sesarkōmenē/die eine fleischgewordene Natur des Gott-Logos), die er in seinem Sinne deutete, nämlich als Ausdruck der unauflöslichen Vereinigung beider Naturen in dem Inkarnierten mit Dominanz des göttlichen Logos. Seine Gegner warfen ihm sehr bald Apollinarismus vor und wiesen ihm die Benutzung apollinaristischer Termini nach (so u.a. Theodoret in seinem Eranistes). Die Übereinstimmung der Begriffe ist deswegen jedoch nicht entscheidend, da Kyrill nirgends bestreitet, dass der Inkarnierte wirklich Mensch bzw. vollkommener Mensch ist (während er für Apollinaris strukturgleich, aber letztlich »wie ein Mensch« ist). Kyrill selbst hat den Begriff der μία φύσις (mia physis/ einen Natur) nicht sehr oft und umfassend gebraucht. Da er sich aber bei ihm fand, konnten auch die späteren Miaphysiten sich auf ihn berufen.

8.3.3 Das Konzept der hypostatischen Einung. Kyrill sprach von der ἔνωσις φυσική (henōsis physikē/Einung im Bereich der Natur[en]), ohne damit eine zwangsläufig aus den Naturen folgende Einung vertreten zu wollen. Vielmehr meinte er damit ein dauerhaftes Zusammentreten der beiden Naturen zu einer Einheit, in der die göttliche Seite das eigentliche Subjekt ist. Hierfür benutzte er auch, besonders in den frühen antinestorianischen Schriften, den Terminus ἕνωσις καθ’ ὑπόστασιν (henōsis kath’ hypostasin/ Einung im Bereich der Hypostase, hypostatische Einung). Im Hinblick auf die Christologie ist damit gesagt, dass durch die Einung etwas Neues entsteht, das allerdings nicht symmetrisch zu beschreiben ist, sondern in dem die Gottheit als unveränderlich und erθεοτόκος lösend dominiert. Entsprechend kann Maria als θεοτόκος (theotokos/Gottesgebärerin) bezeichnet werden, weil sie nicht nur ein menschliches Fleisch hervorbringt, sondern den im Fleisch erscheinenden göttlichen Logos.

Eigenschaften

8.3.4 Comunicatio idiomatum und Enhypostasie. Durch sein Konzept der hypostatischen Einung zweier Naturen vertritt Kyrill eine frühe Form der communicatio idiomatum (Austausch bzw. Mitteilung der Eigenschaften): Die ἰδιώματα (idiōmata/Eigenschaften) 326

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beider Naturen bleiben in dem Geeinten erhalten. Dementsprechend bleibt die göttliche Natur eine, die kein Leiden aufnimmt (und sich dadurch zum Schlechteren verändern müsste), doch sie nimmt teil an den menschlichen Eigenschaften der Person, so dass gilt: Der Logos leidet nicht als Gott, aber in der Verbindung mit dem Menschen Jesus (De incarnatione/Über die Menschwerdung 709a-712a u.ö.). Damit begreift er die Naturen letztlich als Eigenschaftenbündel: Dem Logos kommen die göttlichen Eigenschaften im prinzipiellen Sinne und unableitbar zu, die menschlichen Eigenschaften kommen ihm aufgrund der Fleischwerdung zu. Daher konnte Kyrill der antiochenischen Rede von den zwei Naturen ab dem Zeitpunkt zustimmen, als klargestellt wurde, dass mit der menschlichen Natur des Inkarnierten nicht ein konkreter, individueller Mensch, sondern im Grunde die Menschheit im Sinne der Summe menschlicher Eigenschaften gemeint ist. Dies wurde bei ihm aber noch nicht systematisch als gegenseitige überkreuzter Gebrauch der Bezeichnungen für die göttliche wie die menschliche Seite durchreflektiert (wie dies das klassische, ab dem 6. Jh. entwickelte Konzept der communicatio idiomatum/ Austausch bzw. Mitteilung der Eigenschaften besagt; vgl. § 4; 14.3.1). Eine eigenständige ὑπόστασις (Hypostase/Existenz) des Menschen im Inkarnierten ist damit ausgeschlossen (denn das würde ja einen Aspekt der Nicht-Einung mit dem Logos bedeuten). Dies kommt dem ab dem 6. Jh. entwickelten Gedanken nahe, dass der Mensch im Inkarnierten ἐνυπόστατος (enhypostatos/existierend in einem anderen) ist, d.h. seine Existenz in einem anderen (nämlich dem göttlichen Logos) hat (vgl. § 4; 12.3.1; 14.3.1). Auch dieser Gedanke ist bei Kyrill noch nicht deutlich ausgeprägt, aber sachlich angelegt. 8.4 Literatur Lektüretipp: A. Grillmeier: Jesus der Christus im Glauben der Kirche, Bd. 1, 3. A. 1990, 673-686. Literatur: M.-O. Boulnois: Die Eucharistie, Mysterium der Einigung bei Cyrill von Alexandrien, ThQ 178 (1998) 294-310. – Dies.: Le paradoxe trinitaire chez Cyrille d’Alexandrie. Herméneutique, analyses philosophiques et argumentation théologique, 1995. – F.R. Gahbauer: Das anthropologische Modell, 1984, 348-419. – A. de Halleux: Le dyophysitisme christologique de Cyrille d’Alexandrie, in: H.-C. Brennecke/E.L. Grasmück/C. Markschies (Hg.): Logos. FS für L. Abramowski, 1993, 411-428. – R.M. Siddals: Logic and Christology in Cyril of Alexandria, JThS 38 (1987) 341-367. – H. van Loon: The Dyophysite Christology of Cyril of Alexandria, 2009. – B.C. Blackwell: Christosis. Pauline Soteriology in Light of Deification in Irenaeus and Cyril of Alexandria, 2011. – J.A. McGuckin: St. Cyril of Alexandria. The Christological Controversy, 1994; ND 2004. – L.J. Welch: Christology and Eucharist in the Early Thought of Cyril of Alexandria, 1994. – S. Schurig: Die Theologie des Kreuzes beim frühen Cyrill von Alexandria, 2005. – B. Gleede: The Development of the Term ἐνυπόστατος from Origen to John of Damascus, 2012.

9. Der eutychianische Streit 448-451 Die Unionsformel von 433 hatte die christologische Sachfrage nicht geklärt und den Antagonismus zwischen Alexandria und Antiochia/Konstantinopel nicht aufgelöst. Eine neue Generation von Protagonisten brachte die mühsam vom Kaiser erzwungene Balance ins Wanken. Die Kyrillanhänger drängten nicht nur auf eine weitergehende Ausschaltung des »Nestorianismus« (d.h. der antiochenischen Position), sondern auch auf die dogmatische Präzisierung ihrer eigenen Position. Ihr Anführer wurde der neue Patriarch 9. Der eutychianische Streit 448-451

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Goldenes Tor

Mauer Theodosius’ II.

ko s

Ly

JohannesBasilika/ Studios-Kloster

Burg der sieben Türme

MamasKloster

Karpus- u. Andreas- Papyluskirche Kirche

MokiosZisterne

Hiobkloster

AsparZisterne

BusForum

0

500

1000 m

SophiaHafen

Großer Palast (mit Tyche)

Augusteum

Hagia Sophia

Hagia Eirene

altes griech. Byzanz Erweiterung Konstantin I. (330) Erweiterung Theodosius II. (408 –450) Erweiterung Herakleios (629 – 641)

Marmara-Meer

Hebdomen

Schwarzes Meer

Chalkedon

Hiereia

Irenaion/ AkoimetenKloster

(6. Jh. v. Chr.)

Chrysopolis

Konstantinopel

Bosporus

Abb. 8 Konstantinopel im 5.– 7. Jahrhundert

Palast Justinians

Akropolis

Sergius- u. Bakchos-Kirche

Euphemiakirche Zirkus/Hippodrom

Propontis (Marmara-Meer)

EleutheriosHafen

Arkadios-Säule

ArkadiosForum

Sykai

Theodosius- KonstantinForum Forum Konstantin-Säule

Euphemia-Kloster

Pantokratorkloster

Apostelkirche

(mit Kaisermausoleum)

Polyeuktoskirche

AetiosZisterne

Goldenes Horn

Hebdomon-Palast Chora-Kloster

Mauer Konstantins

(Theotokos)

Blachernenkirche

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sp

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Lyko

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von Alexandria, Dioskur (444-451). In Konstantinopel entzündete sich der Konflikt an der Position des Mönches Eutyches, gegen den der Patriarch von Konstantinopel, Flavian, vorging. Dies nahm Dioskur zum Anlass, 449 durch ein neues Reichskonzil in Ephesus (die sog. Räubersynode) die Rivalen in der Hauptstadt sowie im Patriarchat Antiochia auszuschalten und eine miaphysitische Position zu dogmatisieren. Dadurch rief er den Widerspruch der gemäßigten Kräfte hervor. In die sich anschließenden Bemühungen schaltete sich auch der römische Bischof Leo I. ein. Dadurch entwickelte sich der christologische Dissens zu einem gesamtkirchlichen Problem.

Dioskur Flavian

9.1 Labiler Friedenszustand nach 433 Kyrill hatte zwar die Unionsformel akzeptiert, obwohl sie stark antiochenisch geprägt war, aber viele seiner Anhänger folgten dem nicht, sondern blieben bei der Position von 431 und sahen vor allem in den 12 Anathematismen gegen Nestorius das maßgebliche Dokument zur Abwehr des Dyophysitismus. Auf theologischer wie auf kirchenpolitischer Ebene kam es fortgesetzt zu Auseinandersetzungen, die die Ereignisse von 448/449 vorbereiteten. 9.1.1 Schwelende Konflikte nach 433. Die Widerstände gegen die Union erhoben sich auf beiden Seiten. Auf der antiochenischen Seite hatte Johannes von Antiochia Mühe, für eine Anerkennung der Verurteilung des Nestorius Zustimmung zu finden. Hier opponierten insbesondere kilikische Bischöfe unter der Führung von Helladius von Tarsus und Alexander von Hierapolis. Auch Theodoret von Kyros widersetzte sich dem neuen Kurs zunächst, einigte sich aber ab 435 mit Johannes von Antiochia (ebenso wie Andreas von Samosata). Auf der kyrillischen Seite, die bei einigen Mönchen sowohl in Konstantinopel als auch in Antiochia Anhänger hatte, taten sich Acacius von Melitene und Rabbula von Edessa hervor, letzterer, nachdem er 433 noch für eine antiochenische Christologie eingetreten war. Der baldige Tod des Nachfolgers des Nestorius, Maximianus, führte zu neuen Auseinandersetzungen um den Stuhl von Konstantinopel. Aus diesen Auseinandersetzungen ging Proklos als Sieger hervor, der sich teilweise von Kyrillanhängern beeinflussen ließ und Johannes von Antiochia unter Druck setzte, für eine dezidierte Zustimmung zur Verdammung des Nestorius zu sorgen. Seine eigene gemäßigte Position legte er im Tomus ad Armenios (Schreiben an die Armenier) nieder. Kyrill verteidigte seine Zustimmung zur Unionsformel von 433 in mehreren Briefen, so an Succensus von Diocäsarea. In Edessa trat an die Stelle des verstorbenen Kyrillanhängers Rabbula ein dezidiert antiochenischer Theologe, Ibas von Edessa. Widerstände gegen den neuen Bischof und seine Theologie führten zu dem Versuch, 438 auf einer Synode die Verurteilung des Nestorianismus auf die verstorbenen Theologen Diodor und Theodor (s. § 4; 4.1-4.2) auszudehnen. Auch Kyrill richtete sich literarisch gegen Diodor und Theodor von Mopsuestia, ohne eine Distanzierung der Mehrheit des orientalischen Episkopats von der antiochenischen Theologie erreichen zu können. Die Zustimmung zur Unionsformel blieb eine labile gemeinsame Basis, doch bestanden die Konfliktlinien fort.

Theodoret

Proklos von Konstantinopel

Succensusbriefe Ibas von Edessa

9.1.2 Neues Führungspersonal. Auf die gewandten Kirchenführer Johannes und Kyrill folgten 442 in Antiochia der schwächliche Literat Domnus, 444 in Alexandria der skrupellose Despot und Taktiker Dioskur, beides schlechte Theologen. In Konstantinopel wurde 9. Der eutychianische Streit 448-451

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Juvenal von Jerusalem

Chrysaphius

446 zum Nachfolger des gebildeten, erfahrenen Proklos der besonnene Flavian bestimmt, der einen modifizierten Kyrillianismus vertrat, aber politisch ungeschickt agierte. In Jerusalem blieb mit Juvenal (422-458) ein charakterloser Feind der Antiochener am Werk. In Rom amtierte seit 440 der theologisch gebildete und kirchenpolitisch geschickte Leo I. Die Heftigkeit der ab 448 ausgetragenen Konflikte hängt auch mit dem Führungspersonal der großen Patriarchate zusammen, das (anders als Kyrill von Alexandria, Johannes von Antiochia oder Proklos von Konstantinopel) wenig kompromissfähig war. 9.1.3 Das Scheitern der kaiserlichen Religionspolitik. Theodosius II. wollte grundsätzlich an der 433 erreichten Position festhalten. Doch gewann die kyrillische Partei am Kaiserhof zunehmend Sympathisanten, zumal sich der mächtige Eunuch Chrysaphius, der Chef der Palastverwaltung, mit dem neuen Patriarchen Flavian verfeindete. Die Invektiven gegen Theodoret und der Einfluss des Chrysaphius führten 449 dazu, dass Theodosius II. am 16.2.448 ein Edikt erließ, das den Nestorianismus verurteilte und auf Theodoret von Kyros zielte. Dadurch entstand neue Unruhe im Patriarchat Antiochia, verstärkt durch die neu aufflammenden Konflikte um Ibas von Edessa.

9.2 Der Prozess gegen Eutyches 448 und seine Folgen Die kompromisslose Befürwortung einer miaphysitischen Position durch den Archimandriten Eutyches löste den Widerstand Flavians aus. Eine Synode in Konstantinopel unter Flavian verurteilte 448 die Position des Eutyches als häretisch. Dies löste das Eingreifen Dioskurs aus, der schließlich 449 bei Theodosius II. die Einberufung eines neuen Reichskonzils erreichte.

keine Homousie mit den Menschen

Euseb von Doryläum

9.2.1 Die Position des Eutyches. Der betagte Eutyches, Vorsteher des großen Konstantinopeler Hiobklosters und politisch einflussreicher Parteigänger Dioskurs, propagierte einen über Kyrill hinausgehenden Miaphysitismus. In Christus gebe es nach der Vereinigung von Gottheit und Menschheit nur die μία φύσις (mia physis/eine Natur). Dementsprechend sei er daher nicht wesensgleich mit den Menschen und besitze nicht dieselbe Leiblichkeit wie diese. Das war eine theologisch deutlich hinter Kyrill zurückbleibende, an die Apollinarisschriften anknüpfende Position. Eutyches plädierte für eine Beseitigung der Unionsformel von 433. Wegen seiner guten Kontakte zu Hofkreisen und die Unterstützung durch Mönchskreise entstand dadurch für Flavian eine brisante Situation. 9.2.2 Die Verurteilung des Eutyches. Im November 448 verhandelte unter Flavians Vorsitz gegen Eutyches eine sog. endemische Synode, d.h. die Versammlung der jeweils gerade in der Stadt weilenden Bischöfe, aufgrund einer Anklageschrift, die Euseb von Doryläum vorgelegt hatte, ein Gegner des Nestorius, der sich u.a. auf Kyrill berief. Eutyches weigerte sich zunächst zu erscheinen und erschien schließlich in Begleitung hoher kaiserlicher Beamter. Inhaltlich hielt er an seiner Position fest. Das Ergebnis der Synode bestand in der Verurteilung des Eutyches als Apollinarist. Im Gegenzug bekräftigte man die doppelte Konsubstantialität im Sinn der Unionsformel von 433. Auch nach der Menschwerdung gebe es in Christus zwei Naturen, ἐν μίᾳ ὑποστάσει καὶ ἑνὶ προσώπῳ (en mia hypostasei kai heni prosōpō/in einer Hypostase und einer Person) – Das war eine für Chalkedon wegweisende Gleichsetzung von Hypostase und Person. Hiergegen setzte sich Eutyches zur Wehr, indem er seine politischen Freunde mobilisierte und den Schulterschluss mit Dioskur suchte. Dieser sah nun die Chance, den Konstantinopeler Rivalen auszuschalten, und erreichte, dass der Kaiser am 30.3.449 zu einer Reichssynode 330

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nach Ephesus einlud. Zeitgleich entbrannte der Konflikt um Ibas von Edessa erneut. Zwei Synoden, eine in Berytus und eine weitere in Tyrus, untersuchten die gegen ihn erhobenen Vorwürfe und kamen zu dem Ergebnis eines Freispruchs. Dies führte dazu, dass sich Dioskur in den Streit einschaltete und eine massive Kampagne gegen Ibas von Edessa entfesselte. Dies bewirkte ein Erstarken der miaphysitischen Richtung auch am Kaiserhof, so dass Theodosius II. nun ein Vorgehen gegen die Anführer der antiochenischen Theologie zuließ, wie es insbesondere von dem einflussreichen Eunuchen Chry­ saphius verlangt wurde.

Ibas von Edessa

9.3 Der Lehrbrief Leos I. von Rom an Flavian In der Vorbereitung des Reichskonzils schalteten Eutyches und Theodosius II. den römischen Bischof ein. Leo nahm daraufhin Kontakt mit Flavian auf und verfasste aufgrund von dessen Bericht ein ausführliches Schreiben mit einer Verurteilung des Eutyches und der Entfaltung einer westlich geprägten Zwei-Naturen-Lehre. Der sog. Tomus Leonis ad Flavianum (Schreiben Leos an Flavian) brachte die westliche Konzeption in die östliche Diskussion ein. Kirchenpolitisch bedeutete das zugleich das Ende der Allianz Rom – Alexandria. Leo beanspruchte, als oberste Instanz auch diese Streitfrage entscheiden zu können, was im Osten jedoch nicht akzeptiert wurde. So blieb Leos Schreiben zunächst ohne nachhaltigen Einfluss auf die Synode von 449. 9.3.1 Das theologische Profil des Tomus Leonis. Leos Lehrbrief vom 13.6.449 (= Epistula/Brief 28) entfaltete vom Ansatz beim Credo her in klarer, einfacher Sprache – ohne Berücksichtigung der terminologischen Bemühungen im Osten – das biblische Zeugnis über den menschgewordenen Gottessohn, unter besonderer Aufnahme von Phil 2,6-11 und 1.Tim 2,5-6. Der ewige Schöpfergott hat die menschliche Natur angenommen und ist endliches Geschöpf ebenso wie ewiger Gottessohn, er ist vere deus (wahrhaftig Gott) und vere homo (wahrhaftig Mensch). Als Mittler zwischen Gott und den Menschen (einem bei Augustin besonders betonten Gedanken) vermittelt er den Menschen das Heil, den Sieg über Sünde und Tod. Die Niedrigkeit wird in die Hoheit aufgenommen, die Sterblichkeit durch die Göttlichkeit überwunden. Als Gott ist der Inkarnierte impassibilis (nicht zu Leiden fähig), als Mensch passibilis (leidensfähig). Die beiden Naturen bleiben in der einen Person erhalten: salva igitur proprietate utriusque naturae et in unam coeunte personam (wobei also die Eigentümlichkeit beider Naturen bewahrt wird und zu einer Person zusammenkommt). Die beiden Naturen erscheinen fast als zwei Subjekte der Person, teilen sich jedoch gegenseitig im Handeln jeweils mit, was zur anderen Natur gehört (agit enim utraque forma cum alterius communione quod proprium est/es handeln nämlich beide Formen [scil. die forma domini/Gestalt des Herrn und die forma servi/Knechtsgestalt lt. Phil 2], wobei sie der anderen mitteilen, was ihnen selbst eigentümlich ist). Diese Aussagen kommen der späteren Lehre der communicatio idiomatum (Austausch bzw. Mitteilung der Eigenschaften) sehr nahe. 9. Der eutychianische Streit 448-451

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vere deus – vere homo

zwei Naturen mit proprietas in einer Person

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9.3.2 Die Wirkung im Osten. Nicht nur kirchenpolitische Vorbehalte gegen den Anspruch Leos, den Fall Eutyches entscheiden zu können, verhinderten zunächst eine Rezeption des Tomus Leonis. Für die komplexe Diskussion im Osten und die hierbei entwickelten terminologischen Lösungsstrategien bot Leos Lehrbrief keine Problemlösung. Die Position stand an sich eher der antiochenischen Position nahe, gerade durch die Betonung der Paradoxie, durch die Leo insbesondere die Menschheit des Inkarnierten betonen wollte.

9.4 Das Reichskonzil von Ephesus, die sog. »Räubersynode«

Theodoret

Eutyches rehabilitiert

12 Anathema­ tismen

»Räubersynode«

Mit Hilfe von Chrysaphius konnte Dioskur samt seinen Parteigängern, allen voran Juvenal von Jerusalem, die Reichssynode in Ephesus im August 449 dominieren. Rücksichtslos setzte er sich über die wenigen Gegner hinweg (Domnus von Antiochia, Flavian von Konstantinopel, die römischen Legaten). Durch seinen Einfluss am Kaiserhof erreichte er, dass Theodoret von Kyros von den Verhandlungen ausgeschlossen wurde. Die Versammlung setzte er auch durch den Einsatz von bewaffneten Soldaten und Mönchshorden unter Druck, was zu Tumulten in der Synode führte. Euytches baute seine Verteidigungsstrategie u.a. darauf auf, dass die Akten der Synode von Konstantinopel 448 gefälscht seien. Die Akten wurden daher minutiös vorgelesen und überprüft, ohne dass sich die entsprechenden Vorwürfe erhärten ließen. Eutyches wurde gleichwohl rehabilitiert. Anschließend schritt man zur Verurteilung aller Gegner, beginnend mit Flavian von Konstantinopel (Flavian starb alsbald an den dabei erlittenen Misshandlungen), gefolgt von Ibas von Edessa, Theodoret von Kyros, Domnus von Antiochia und Euseb von Doryläum. Sie alle wurden durch miaphysitische Kandidaten ersetzt. Theologisch hob das Konzil faktisch die Unionsformel von 433 auf, ohne jedoch eine eigene Glaubensdefinition vorzulegen. Weder die Position des Eutyches noch eine reflektierte kyrillische Position wurden bekräftigt. Man griff auf die Synode von Ephesus 431 zurück, auf der eine dyophysitische Theologie verurteilt worden war, und betonte, dass jede weitere Erklärung, die über das Glaubensbekenntnis von Nicäa hinausgehe, überflüssig sei. Durch die Berufung auf die 12 Anathematismen Kyrills machte das Konzil jedoch zugleich deutlich, dass sie den Dyophysitismus ablehnte. Das wirkte bei Anhängern einer miaphysitischen Position lange nach. Durch die kaiserliche Approbation erhielt Dioskurs Konzil offizielle Geltung, aber durch den Fortgang der Geschichte verlor es diese rasch (Leo I. sprach mit Mt 21,13 von der Synode als einem latrocinium/Räuberversammlung, daher die in der Literatur eingebürgerte Bezeichnung als Räubersynode). 9.5 Literatur Lektüretipp: A. Grillmeier: Jesus der Christus im Glauben der Kirche, Bd. 1, 3. A. 1990, 731-752. 332

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§ 4 Christologie

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Quellen: H. Karpp: Textbuch zur altkirchlichen Christologie, 1972, 130-138. – Tomus Leonis: E. Mühlenberg: Concilium Chalcedonense, in: G. Alberigo (Hg.): Conciliorum Oecumenicorum generaliumque Decreta, 2006, 127-132. Literatur: T. Krannich: Von Leporius bis zu Leo dem Großen. Studien zur lateinischsprachigen Christologie im fünften Jahrhundert nach Christus, 2005. – L. Pidolle: La christologie historique du pape Saint Léon le Grand, 2013. – H. Arens: Die christologische Sprache Leos des Großen, 1982. – W.H.C. Frend: The Rise of the Monophysite Movement, 2. A. 1979. – G. May: Das Lehrverfahren gegen Eutyches im November 448, AHC 21 (1989) 1-61. – E. Schwartz: Der Prozeß des Eutyches, 1929. – P. Stockmeier: Leos I. des Großen Beurteilung der kaiserlichen Religionspolitik, 1959.

10. Das Konzil von Chalkedon 451 Dass der Erfolg der Miaphysiten nur von kurzer Dauer war, lag an der Einsicht am Kaiserhof, dass auf die in Ephesus 449 eingeschlagene Weise eine dauerhafte innere Befriedung der Kirchenangelegenheiten nicht erfolgen konnte. Nach dem Tod des Theodosius II. setzte sich seine Schwester Pulcheria, die den General Markian heiratete und mit ihm zusammen die Nachfolge antrat, für eine erneute Synode ein, die durch eine Kompromissformel einen umfassenden Konsens herstellen und den Streit beenden sollte. Das von ihnen einberufene und weithin gelenkte Reichskonzil in der Kaiserresidenz Chalkedon verabschiedete einen umfangreichen Textkomplex, in dem neben dem Glaubensbekenntnis von Nicäa 325 und der überarbeiteten Fassung des Nizänums von Konstantinopel 381 eine ausführliche christologische Lehrerklärung geboten wurde (das sog. Chalcedonense). Der entscheidende Kernsatz ist in seiner Grundstruktur dyophysitisch und greift neben Wendungen aus der Unionsformel Begriffe der Synode von 448 und aus Leos Tomus ad Flavianum (Schreiben an Flavian) auf. Zugleich werden wichtige Theologoumena der kyrillischen Theologie integriert. Der den Bischöfen aufgezwungene Kompromiss führte in der Folgezeit zu heftigen Konflikten und langfristig zum Zerbrechen der Kircheneinheit in der griechischen Kirche (durch die Verselbständigung miaphysitischer wie »nestorianischer« Kirchen). Im Westen wurde der Text wegen seiner Übereinstimmung mit der Theologie Leos schon bald ohne weitere Streitigkeiten rezipiert und bildete fortan einen grundlegenden Bezugspunkt christologischer Reflexion.

Pulcheria Markian

Chalcedonense

10.1 Vorbereitung, Verlauf und Ergebnis des Konzils 10.1.1 Die Neuausrichtung der kaiserlichen Religionspolitik. Leo von Rom forderte schon bald nach Bekanntwerden der Ergebnisse von Ephesus 449 ein neues Reichskonzil und überzeugte auch den Westkaiser Valentinian III.; Theodosius II. verweigerte sich jedoch. Nach seinem Tod im Juli 450 änderte sich die Situation schlagartig. Pulcheria (399-453), eine fromme Asketin, die selbst eher der miaphysitischen Richtung zuneigte, ließ den mächtigen Eunuchen Chrysaphius liquidieren und machte den thrakischen General Markian (ca. 393-457) zu ihrem Ehemann und Kaiser. Neben der Gefährdung 10. Das Konzil von Chalkedon 451

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durch die Hunnen mussten die inneren Unruhen überwunden werden, die durch die kirchlichen Konflikte verstärkt worden waren. Um die eigene Herrschaft zu stabilisieren und zugleich den Einfluss Alexandrias zurückzudrängen, erschien ein Reichskonzil nun geeignet. Dies sollte an symbolträchtiger Stelle, nämlich in Nicäa, tagen. Anatolius von Konstantinopel

kaiserliche Kommissare

Theodoret

Nizänum von 325

Bekenntnis von Konstantinopel 381

10.1.2 Die Synode von Konstantinopel 450. Der von Dioskur anstelle Flavians eingesetzte Patriarch von Konstantinopel, Anatolius, stellte sich rasch auf den neuen Kurs ein und versammelte noch im Oktober 450 eine Synode, auf der in Anwesenheit der Legaten des Bischofs von Rom Leos Tomus ad Flavianum (Schreiben an Flavian) verlesen wurde. Dies bildete die Basis für eine Verurteilung sowohl des Nestorius als auch des Eutyches und das Bemühen, sich mit den Unterzeichnern der Ergebnisse von Ephesus 449 auszusöhnen. Dies bereitete den Konsens in Chalkedon vor, doch stieß die neue Politik des Anatolius in vielfältiger Weise auf Widerstand im Episkopat.

10.1.3 Eröffnung und Verlauf des Reichskonzils. Die Bischöfe versammelten sich – der Aufforderung des Kaisers entsprechend – im September 451 in Nicäa, doch verzögerte sich die Ankunft des Kaisers, der wegen militärischer Probleme nach Thrakien gereist war. An seiner Stelle sollten zunächst kaiserliche Kommissare die Verhandlungen leiten. Die wachsenden Spannungen unter den Bischöfen führten schließlich zur Verlegung in die Kaiserresidenz Chalkedon, unweit von Konstantinopel. Die Eröffnungssitzung am 8.10.451 brachte bereits die Forderung der römischen Legaten, Dioskur zu verbannen. Euseb von Doryläum trat erneut als Ankläger hervor. Als die kaiserlichen Kommissare durchsetzten, dass Theodoret von Kyros an den Verhandlungen teilnehmen sollte, kam es zum Eklat, weil viele Bischöfe sich weigerten, von den erst wenige Monate zuvor gefassten Beschlüssen abzurücken. Dies hatte zur Folge, dass sich die Bischöfe zunächst weigerten, eine Glaubensformel zur Lösung der christologischen Frage aufzustellen, wie die kaiserlichen Kommissare dies verlangten. Man berief sich darauf, dass das Symbol von Nicäa ausreichend sei und keiner Ergänzung bedürfe. In einer weiteren Sitzung, an der etwa 200 der insgesamt über 300 Bischöfe teilnahmen und die von den römischen Legaten, nicht von den kaiserlichen Kommissaren geleitet wurde, wurde Dioskur verurteilt und abgesetzt. Vermutlich sollte so der kaiserliche Druck auf die Synode vermindert werden, indem man Dioskur fallen ließ. Die kaiserlichen Kommissare akzeptierten in der 3. Sitzung die Verwerfung Dioskurs, bestanden jedoch nach wie vor auf einer Erklärung zur Glaubensfrage. Auf die abermalige Weigerung der Bischöfe hin ließen sie das bearbeitete nizänische Glaubensbekenntnis, das auf die Synode von Konstantinopel 381 zurückgeführt wurde (hier ist dieser wirkmächtige Text zum ersten Mal belegt), verlesen, außerdem den zweiten Brief Kyrills an Nestorius, schließlich die Unionsbriefe Kyrills von 433 und den Tomus ad Flavianum (Schreiben an Flavian). Außerdem wurden besonders eifrige Dioskuranhänger abgesetzt, allen voran Juvenal von Jerusalem, gefolgt von vier weiteren Bischöfen, darunter dem kyrillisch geprägten Basilius von 334

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Seleukia. Dadurch erhöhte sich der kaiserliche Druck auf die Synode. Erst als die Bischöfe in einer weiteren, der 4. Sitzung, erreichten, dass die so Verurteilten wieder integriert wurden (sie mussten dafür dem Tomus ad Flavianum zustimmen, was im Falle Juvenals einem radikalen Kurswechsel gleichkam), gelang es in der 5. Sitzung, eine Kommission einzusetzen, die eine Glaubensdefinition aufstellte, die in einer 6. Sitzung am 25.10.451 in Anwesenheit des Kaisers feierlich proklamiert wurde. In weiteren Sitzungen wurde diese Definition von allen anwesenden Bischöfen unterschrieben (324 Bischöfe waren anwesend, die Metropoliten unterschrieben auch im Namen ihrer Suffraganbischöfe, weswegen schließlich 452 Namen unter dem Dokument standen). In weiteren Sitzungen wurden die im Jahr 449 Verurteilten rehabilitiert, so neben Theodoret insbesondere Ibas von Edessa. 10.1.4 Die Canones. Verschiedene Fragen der kirchlichen Ordnung und bischöflichen Jurisdiktion regelte das Konzil durch 27 Canones, darunter z.B. die Einführung der bischöflichen Aufsicht über die Klöster und das Verbot des Wanderasketentums. Außerdem wurde der Jurisdiktionsbereich des Bischofs von Jerusalem so geregelt, dass die Stadt damit definitiv ein fünftes Patriarchat wurde. Zum brisanten Problem der Sonderstellung Konstantinopels parallel zu Rom (vgl. zu 381: § 1; 17.2) erging ein eigener Beschluss, der seit dem 6./7. Jh. als 28. Kanon in den Rechtssammlungen begegnete, aber vom Westen nicht anerkannt wurde. Hier war vorgesehen, dass Konstantinopel neben Rom einen besonderen Ehrenvorrang haben solle.

Glaubens­ definition

Jerusalem als 5. Patriarchat 28. Kanon

10.2 Die Lehrentscheidung als Traditionskomplex Die Weigerung der Bischöfe, eine neue Glaubensdefinition aufzustellen, rekurrierte auf die Verbindlichkeit der Tradition der Väter, allem voran des Glaubensbekenntnisses von Nicäa 325. Dies erklärt, wieso der dann auf Druck der kaiserlichen Kommissare doch verabschiedete Text ausdrücklich auf die Tradition zurückgriff und sich auch in seinen eigenen Formulierungen bemühte, aus traditionellem Begriffsmaterial zu schöpfen. Eine konsensfähige theologische Klärung war nicht in Sicht. Daher führte man das Glaubensbekenntnis von Nicäa 325 an und ließ dem die Bearbeitung, die auf die Synode von Konstantinopel 381 zurückgeführt wurde, folgen. Anschließend erläuterte ein darstellender Text, dass man sich in Kontinuität zu den sog. »ökumenischen Briefen« Kyrills (d.h. Epistula/Brief 4 von 430 und Epistula/Brief 39 von 433; damit auch die dort zitierte Unionsformel, nicht aber die 12 Anathematismen, die Grundstein der miaphysitischen Argumentation gewesen waren) und Leos Tomus ad Flavianum (Schreiben an Flavian) bewegte. In der eigenen Formulierung der Christologie griff man auf diese Texte Kyrills zurück und baute sie in eine Weiterentwicklung der Unionsformel ein, in die man insbesondere Elemente aus dem Tomus ad Flavianum eingebracht hatte.

10. Das Konzil von Chalkedon 451

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Traditions­ argument

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10.3 Das Chalcedonense

doppelte Homousie

in zwei Naturen

Einung Eigenheit beider Naturen in einer Person/Hypostase

ἐκ/ἐν

10.3.1 Die christologische Lehrformel. Ein einziger Satz von 27 Gliedern bekräftigt in zwei Teilen in feierlicher Bekenntnissprache die Personeinheit Christi in zwei Naturen: a) Zu bekennen ist, dass Jesus Christus vollständig in der Gottheit und vollständig in der Menschheit ist (letzteres wurde präzisiert: Er bestehe aus einer [scil. menschlichen] vernunftbegabten Seele und einem Leib; er ist in allem den Menschen gleich – bis auf die Sünde). Also besteht die doppelte Homousie (mit dem Vater nach der Gottheit, mit den Menschen nach der Menschheit) und die doppelte Geburt (vor allen Zeiten aus dem Vater, am Ende der Zeiten aus Maria, die als θεοτόκος/theotokos/ Gottesgebärerin bezeichnet wird). b) Zu bekennen ist, dass Christus einer ist, der ἐν δύο φύσεσιν ἀσυγχύτως, ἀτρέπτως, ἀδιαιρέτως, ἀχωρίστως (en dyo physesin asynchytōs, atreptōs, adihairetōs, achōristōs/in zwei Naturen ohne Vermischung, Veränderung, Teilung, Trennung) erkannt wird. Der Unterschied der Naturen wird wegen der ἕνωσις (henōsis/Einung) nicht aufgehoben, die ἰδιότης (idiotēs/Eigentümlichkeit) beider Naturen wird bewahrt und »läuft zusammen« εἰς ἓν πρόσωπον καὶ μίαν ὑπόστασιν (eis hen prosōpon kai mian hypostasin/zu einer Person und einer Hypostase). Eine Trennung in zwei Personen scheidet dementsprechend aus. 10.3.2 Natur, Person und Hypostase. Der komplexe christologische Lehrsatz zielte auf die Ausscheidung der Extrempositionen einer Trennungsund Vermischungschristologie. Diese Extrempositionen wurden als solche gar nicht vertreten, denn einerseits betonte die antiochenische Theologie die Einheit der einen Person, andererseits bestritt auch die miaphysitische Theologie nicht, dass die beiden Naturen als solche unterschieden und besonders die göttliche Natur unverwandelt bleibe. Doch spielte der Vorwurf, Christus auseinanderzureißen, in der miaphysitischen Polemik eine ebenso große Rolle wie der Vorwurf der Vermischung in der antiochenischen Argumentation. Dementsprechend sollte den Grundanliegen beider Richtungen Rechnung getragen werden: Die Einheit ist so auszudrücken, dass zwar die Differenzierung der Naturen nicht bestritten wird, die Einheit im Inkarnierten aber auch nicht als nur vorübergehendes Zusammenwirken zweier getrennter Größen aufgefasst werden konnte. Hatte die Kommission zunächst mit Kyrill die Einheit ἐκ δύο φύσεων (ek dyo physeōn/aus zwei Naturen) formuliert, so hieß es auf Druck der kaiserlichen Kommissare unter Verweis auf Leos Tomus ad Flavianum (Schreiben an Flavian) im endgültigen Text, der eine Inkarnierte werde ἐν δύο φύσεσιν (en dyo physesin/in zwei Naturen) erkannt. Damit war eine Kompromissformulierung gefunden, die sachlich eher antiochenisch klang, sich jedoch auch bei Kyrill fand und daher als für die Miaphysiten akzeptabel galt. Zugleich blieb das genaue Verhältnis von Zweiheit der Naturen und Einheit der Person unscharf, weil die Formel die Erkennbarkeit der Einheit betonte und hierauf auch das Zusam336

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menkommen der Eigentümlichkeiten beider Naturen in einer Person bezog. Doch brachte sie eine Präzisierung des christologischen Personenbegriffs, weil dieser hier deutlich mit der μία ὑπόστασις (mia hypostasis/einen Hypostase) parallelisiert wurde. Dadurch wurde der Begriff der Hypostase im christologischen Kontext als Bezeichnung der dauerhaften Individualität der Erscheinungsform festgelegt, während der Begriff der φύσις (physis/Natur) auf die zugrunde liegende Unterscheidung von Gottheit und Menschheit beschränkt blieb. Genau an diesem Punkte erhob sich Widerstand seitens der Miaphysiten, die diese Unterscheidung von Hypostase und Natur nicht akzeptieren wollten. 10.3.3 Kyrill und Leo – das Chalcedonense ein Triumph der antiochenischen Position? Eine traditionsgeschichtliche Analyse der Formel muss ansetzen bei dem Selbstverständnis der Konzilsväter, das sich in folgendem Ausruf kundtat: »Leo und Kyrill lehren einstimmig.« Das war das Programm. Es ermöglichte den anwesenden Bischöfen, die eigene Haltung in Ephesus 449 zu rechtfertigen und zugleich auf den nun neuen Kurs des Kaisers einzuschwenken und einen Kompromiss mitzutragen. In Leos Tomus ad Flavianum (Schreiben an Flavian) fand man eine Position, die mit der antiochenischen Theologie gut vereinbar war und die man nun mit der Position Kyrills identifizierte. Hatte die Forschung früher z.T. den Anteil der westlichen Tradition am Chalcedonense als entscheidend hervorgehoben, so ist in der jüngeren Forschung die Mischung und Konvergenz verschiedener Traditionen detailliert herausgearbeitet worden. Ein wichtiger Bestandteil ist dabei der Rückgriff auf Kyrill, den kyrillische Theologen wie Basilius von Seleukia einbrachten. Zugleich beginnt der Text – darin ganz antiochenischer Tradition ebenso wie Leos Tomus ad Flavianum entsprechend – mit symmetrischen Gegenüberstellungen zu Gottheit und Menschheit (nimmt aber wichtige Anliegen aus dem Tomus ad Flavianum nicht auf, etwa den Mittlergedanken, den Rückgriff auf Phil 2 und die Demutschristologie). Die Grundstruktur des Textes ist somit eher antiochenisch, und hierzu passt auch die (wenngleich abgemilderte) Betonung der beiden Naturen, doch sind wichtige Kernpunkte der kyrillischen Theologie integriert, so insbesondere der Begriff der ἕνωσις (henōsis/Einung) und die Beschreibung dieser Einheit als Hypostase (was sich durchaus als hypostatische Einung deuten ließ). Somit erweist sich der Text als echter Kompromisstext, der sich sowohl kyrillisch als auch antiochenisch als auch mit Leos Position vereinbar deuten lässt. Aus kyrillischer Perspektive ist Subjekt der Lehrformel der eine Christus und Herr, also der Logos, dessen Einung mit der menschlichen Natur den Logos nicht ändert, aber die menschliche Natur dauerhaft und hypostatisch annimmt und so erlöst. Aus antiochenischer Perspektive ist Subjekt der Lehrformel die eine Person, in der die beiden Naturen Gottheit und Menschheit zusammentreten und auf die sich die Aussagen der Schrift beziehen lassen. Aus der Sicht einer an Leo orientier10. Das Konzil von Chalkedon 451

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Person und Hypostase

Kompromisstext

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ten Theologie ist Subjekt der Lehrformel der eine Christus und Herr, in dem beide Naturen erhalten bleiben und der zugleich transzendenter Erlöser wie demütig Menschengestalt annehmender Mittler ist. Rezipierte man das Chalcedonense im Westen auf der Grundlage des Tomus ad Flavianum, führten die unterschiedlichen Lesarten des Chalcedonense im Osten dazu, dass der Konflikt zwischen antiochenischer Theologie und Miapyhsiten gerade nicht geklärt wurde. 10.4 Literatur Lektüretipp: K.-H. Uthemann: Zur Rezeption des Tomus Leonis in und nach Chalkedon, in: Ders.: Christus, Kosmos, Diatribe, 2005, 1-36. Quellen: J. Wohlmuth (Hg.): Conciliorum Oecumenicorum Decreta/Dekrete der Ökumenischen Konzilien, Bd. 1, 1998, 75-103. – E. Mühlenberg: Concilium Chalcedonense, in: G. Alberigo (Hg.): Conciliorum Oecumenicorum generaliumque Decreta, 2006, 119-151. Literatur: P.-T. Camelot: Ephesus und Chalcedon, 1964, 129-196.260-271. – A. Grillmeier/H. Bacht: Das Konzil von Chalkedon, 3 Bde., 5. A. 1979. – A. Grillmeier: Jesus der Christus im Glauben der Kirche, Bd. 1, 3. A. 1990, 751-775. – Ders.: Mit ihm und in ihm. Christologische Forschungen und Perspektiven, 1975. – A. de Halleux: Patrologie et œcuménisme, 1990, 443-555. – J. van Oort/J. Roldanus (Hg.): Chalkedon: Geschichte und Aktualität, 1997. – R.V. Sellers: The Council of Chalcedon, 2. A. 1961. – V. Monachino: Il canone 28 di Calcedonia. Genesi storica, 1979.

 § 7; 1.-3.2

11. Der Kampf gegen das Chalcedonense 457-518

Ägypten

Seit 451 war die strittige Lehrfrage definitiv mit der kaiserlichen Religionspolitik und dem Problem der Reichseinheit verknüpft. Dabei stellte sich die Integration von Ägypten als das zentrale Problem heraus. Da Ägypten zugleich eine Hochburg der Miaphysiten war, verbanden sich die politischen Fragen vielfach mit theologischen. Die kaiserliche Religionspolitik bemühte sich dementsprechend, an dem erreichten Konsens von Chalkedon festzuhalten und zugleich eine Interpretation des Chalcedonense zu ermöglichen, die den Miaphysiten entgegenkommen sollte bzw. wichtige Anliegen der mia­physitischen Theologie aufgriff. Das Scheitern dieser Strategie sollte sich erst nach und nach herausstellen. Grob kann man eine erste Phase nach 451, in der die Kaiser versuchten, zunächst auf traditionellem Wege das Chalcedonense als verbindliches Reichsgesetz notfalls gewaltsam durchzusetzen (bis 474), von einer zweiten Phase unterscheiden, in denen man sich darum bemühte, das Chalcedonense akzeptabel zu machen.

11.1 Widerstand der Miaphysiten Kaiser Markian (450-457) und sein Nachfolger Leon I. (457-474; erstmals vom Patriarchen von Konstantinopel gekrönt, was seitdem fester Brauch 338

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wurde) versuchten, das Chalcedonense durchzusetzen (452 als Reichsgesetz verbindlich erlassen). In Palästina gelang dies nur durch Waffengewalt. In Ägypten jedoch kam es zur Spaltung der Kirche in eine kaisertreue Minderheit (später hier wie in Syrien als Melkiten bezeichnet) und eine antichalkedonische Mehrheit mit eigenem Patriarchen. Wie in Syrien wurde der Widerstand besonders vom Mönchtum getragen. 11.1.1 Palästina. In Palästina revoltierten v.a. Mönche gegen den Kurswechsel ihres Patriarchen Juvenal von Jerusalem und anderer Bischöfe (Severian von Skythopolis wurde sogar ermordet). Juvenal konnte sich nicht im Amt halten, an seiner Stelle wurde ein miaphysitisch gesinnter Gegenpatriarch, Theodosius, eingesetzt. Nur mit militärischem Einsatz konnte der Kaiser 453 Theodosius vertreiben, Juvenal wieder einsetzen (der 458 starb) und den Widerstand im Land brechen. Sein Nachfolger Anastasius verfolgte eine Ausgleichspolitik mit den miaphysitischen Mönchen und Klerikern. 11.1.2 Das Patriarchat von Alexandria. Für das stolze, mächtige Alexandria war die Niederlage Dioskurs eine Demütigung. Unter Berufung auf Kyrills Lehre und das (kyrillische) Konzil von Ephesus 431 lehnten die Ägypter das Chalcedonense als häretisch ebenso ab wie den vom Kaiser eingesetzten Patriarchen Proterius. Nach Markians Tod organisierte sich der Widerstand systematisch: Proterius wurde ermordet, zum »orthodoxen« (d.h. miaphysitischen) Patriarchen wählte man 457 Timotheus Aelurus (d.h. »Kater« bzw. »Wiesel«), einen streng an Kyrill sich orientierenden Theologen mit großer Bedeutung für den weiteren Miaphysitismus. Hiergegen wurde der Patriarch von Konstantinopel, Anatolius, aktiv. Daraufhin schickte Kaiser Leon I. ein Rundschreiben an alle Metropoliten und bat um eine Erklärung über die Rechtmäßigkeit der Weihe des Timotheus Aelurus. Die Antworten wurden als Sammlung zusammengestellt (sog. codex encyclius/auf ein Rundschreiben zurückgehender Codex) und zeigen, dass man mehrheitlich das Chalcedonense als Bestätigung der Konzilien von Nicäa 325, Konstantinopel 381 und Ephesus 431 ansah, ohne damit wirklich eine bewusste theologische Position eingenommen zu haben. Man interpretierte das Chalcedonense als einen in Übereinstimmung mit Kyrill stehenden Text (Leos Tomus ad Flavianum [Schreiben an Flavian] hingegen wurde ausgeblendet oder abgelehnt). Zugleich erklärte die Mehrheit des östlichen Episkopats die Weihe des Timotheus Aelurus für unrechtmäßig, was Leon I. zum Anlass nahm, ihn aus seinem Amt zu vertreiben und durch den kaisertreuen Timotheus Salophaciolus (d.h. »Wackelhut«) zu ersetzen, der bis 475 erfolgreich einen Ausgleichskurs steuerte, so dass die Miaphysiten Ruhe hielten. Nachdem Timotheus Aelurus 477 gestorben war, fand er in Petrus Mongus (»der Heisere«) einen gemäßigt miaphysitischen Nachfolger, der weiterhin beanspruchte, der rechtmäßige Patriarch von Alexandria zu sein. 11.1.3 Das Patriarchat von Antiochia. In Westsyrien breitete sich die Opposition gegen das Chlacedonense zunehmend aus, organisiert von dem miaphysitischen Mönch Petrus Fullo (fullo = γναφεύς/gnapheus/der »Walker«; gest. 488), der als Prediger und Seelsorger auch die Unterstützung des späteren Kaisers Zenon gewann, als dieser noch General war. Petrus Fullo versuchte 471, an die Stelle des rechtmäßigen Patriarchen von Antiochia, Martyrius, zu treten, wurde jedoch sofort vom Kaiser wieder entfernt. Er beanspruchte aber trotzdem weiterhin den Patriarchatsthron und nutzte die Gelegenheit der politischen Unruhen nach 474, um das Amt einzunehmen.

11. Der Kampf gegen das Chalcedonense 457-518

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Melkiten

Juvenal von Jerusalem

Timotheus Aelurus

codex encyclius

Timotheus Salophaciolus Petrus Mongus

Petrus Fullo

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11.2 Zenons »Henotikon« und die Folgen Herrschaftsstabilisierung durch Ausgleich war angesichts der inneren Wirren die religionspolitische Maxime Kaiser Zenons (474-491). Zu diesem Zweck griff er in den Streit um den Patriarchatsstuhl von Alexandria ein und verlangte die Anerkennung einer vom Konstantinopeler Patriarchen Acacius 482 verfassten Einigungsformel, die durch Rückgriff auf Kyrill den Miaphysiten entgegenkommen wollte (sog. Henotikon, d.h. Einigungsformel). Felix III. von Rom – päpstlichen Jurisdiktionsprimat gegenüber dem Rivalen von Konstantinopel beanspruchend – nahm das Eingreifen des Konstantinopeler Patriarchen bei der Wahl des Patriarchen von Alexandria zum Anlass, förmlich die Kirchengemeinschaft aufzuheben (sog. Acacianisches Schisma 484519). Das Schisma dauerte unter Kaiser Anastasius I. (491-518) fort und wurde mit dem Vorwurf verbunden, dass die Kaiser die miaphysitische Position begünstigten. Als sich 488/493 in Italien das Ostgotenreich formierte, sagte sich Italien auch politisch vom Konstantinopeler Herrschaftsbereich los.

Basiliscus

Petrus Fullo

Petrus Mongus

12 Anathema­ tismen

11.2.1 Der Machtkampf nach 474. Im Kampf um die Nachfolge Leons 474 konnte sich Zenon, ein Isaurierfürst, der zuvor am Kaiserhof und als General eine Führungsrolle gespielt hatte, nur mühsam etablieren. Der Schwager des verstorbenen Kaisers Leon I., Basiliscus, vertrieb ihn zunächst und übernahm 475 die Herrschaft. Basiliscus versuchte, seine Position durch ein Bündnis mit den Miaphysiten zu stärken. Zu diesem Zweck erließ er 475 ein Enkyklion (Rundschreiben), adressiert an Timotheus Aelurus, welches das Chalcedonense außer Kraft setzte (Übers.: Winkelmann 95f.). In Antiochia setzte er den miaphysitisch orientierten Petrus Fullo wieder ein. Zenon schaltete Basiliscus bereits 476 aus, wodurch sich auch die kirchliche Situation erneut schlagartig änderte. In seiner Religionspolitik orientierte sich Zenon an Acacius von Konstantinopel, der eine strikte Durchsetzung des Chalcedonense befürwortete. Entsprechend wurde Petrus Fullo in Antiochia wieder abgesetzt, der stattdessen geweihte Johannes Kodonatos sofort vertrieben, an seiner Stelle ein chalkedontreuer Kandidat geweiht, Stephanus, der jedoch bereits 479 ermordet wurde. Erst unter dessen Nachfolger Kalandion, ebenfalls einem Chalkedonanhänger, kehrte eine gewisse Stabilität ein. 11.2.2 Das Henotikon. In Alexandria kam es nach dem Tod des Timotheus Salophaciolus zur Weihe des Johannes Talaia, doch wurde diese Weihe vom Kaiser nicht anerkannt (vermutlich weil Johannes Talaia zugleich den Usurpator Illus unterstützte). Diesen Konflikt nutzte Petrus Mongus, um seinerseits Anspruch auf den Patriarchatsstuhl zu erheben. Der Kaiser ging hierauf ein, verlangte jedoch von Petrus Mongus die Unterzeichnung einer theologischen Erklärung, die von Acacius von Konstantinopel, einem strikten Chalkedonanhänger, verfasst wurde. Das sog. Henotikon (Übers. z.T. Winkelmann 98f.) interpretierte das Chalcedonense durch die Bekräftigung der Beschlüsse des Konzils von Ephesus 431 und der Christologie Kyrills neu. Insbesondere die umstrittenen 12 Anathematismen, deren Bekräftigung man 451 in Chalkedon aufs peinlichste vermieden hatte, wurden nun als Ausdruck der reinen kyrillischen Christologie bestätigt. Zugleich wurden die strittigen Formulierungen (zwei Naturen, eine Person und Hypo­ stase) schlicht verschwiegen. Auch dieser Kompromiss beruhigte die Lage aber nicht, da die ägyptischen und syrischen Miaphysiten die Halbheit dieser Erklärung ablehnten. Zugleich protestierten die Anhänger des Chalcedonense, voran das Akoimetenkloster bei 340

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Konstantinopel. In Antiochia wurde Kalandion (wegen fortgesetzter Unterstützung des Usurpators Illus und seines Mitusurpators Leontius) von Kaiser Zenon abgesetzt, was erneut Petrus Fullo auf den Plan rief, der nun (zum dritten Mal) den Patriarchatsstuhl von Antiochia bestieg. Auch er musste das Henotikon unterzeichnen, womit er heftige Kritik seitens der syrischen Miaphysiten hervorrief. Auch wenn hiermit das Henotikon erneut als ein Text angesehen wurde, durch dessen Anerkennung die Vereinbarkeit mit der kaiserlichen Religionspolitik unter Beweis gestellt wurde, war das Henotikon (anders als das Chalcedonense) zunächst kein Reichsgesetz (so fälschlicherweise in der älteren Forschung). Verbindliche Grundlage kaiserlicher Religionspolitik wurde es erst unter dem Nachfolger Zenons, Kaiser Anastasius.

11.2.3 Das Acacianische Schisma. Der römisch Papst Felix III. (483-492; s. § 8; 3.1), durch die Akoimeten um Beistand gebeten, kritisierte nicht das Henotikon als solches, sondern die Eingriffe des Acacius, des Patriarchen von Konstantinopel, in Alexandria und anderen Kirchen. Dem stellte er seinen eigenen Primatsanspruch gegenüber. Dass er den Patriarchen von Konstantinopel vor Gericht zitierte, war eine unerhörte Anmaßung, die im Osten nicht akzeptiert wurde. Hieraufhin exkommunizierte Felix III. den Konstantinopeler Patriarchen (weil er nicht zur Gerichtsverhandlung erschienen war), also nicht aus Glaubens-, sondern aus Disziplinargründen. Das Schisma bezog sich zunächst nur auf die Person des Acacius, wurde jedoch aus römischer Perspektive bald mit den theologischen Gegensätzen verknüpft. Insbesondere wurde die Religionspolitik der byzantinischen Kaiser (allen voran Anastasius) als Begünstigung der Miaphysiten hingestellt und entsprechend verurteilt. Kaiser Anastasius war an einer Beilegung des Konflikts nur halbherzig interessiert, weil ihm die Erhaltung der inneren Einheit im Osten wichtiger war. In diesem Zusammenhang hat Papst Gelasius die berühmte Vorstellung von den zwei Schwertern entwickelt, die in der mittelalterlichen Diskussion um imperium (weltlicher Herrschaft) und sacerdotium (Priestertum, d.h. geistliche Gewalt) eine so wichtige Rolle spielen sollte (s. § 8; 3.1).

Petrus Fullo

kein Reichsgesetz

Felix III.

Primatsanspruch

11.3 Die Entwicklung der miaphysitischen Theologie Die Bezeichnung Miaphysiten geht auf die Betonung der μία φύσις (mia physis/einen Natur) im Inkarnierten zurück. Es handelt sich um die modernere Bezeichnung dessen, was in der Dogmengeschichte lange Zeit unter dem Terminus Monophysitismus verhandelt wurde. Der Begriff Monophysiten wurde ab dem 7. Jh. in pejorativer Absicht gebraucht und ist daher eine häresiologische Kategorie, die nicht ohne weiteres verwendet werden sollte (Sie ist auch für den ökumenischen Dialog mit den nicht-chalkedonischen Kirchen wenig hilfreich). Miaphysitische Theologie stellt keine geschlossene Einheit dar, sondern hat sich in unterschiedlicher Weise auf ein bestimmtes Verständnis der kyrillischen Theologie bezogen. Entscheidend wurde dabei, dass neben Ägypten auch in Syrien miaphysitische Theologen auftraten. 11. Der Kampf gegen das Chalcedonense 457-518

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μία φύσις/ eine Natur

»Monophysiten«

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zwei Naturen

Dominanz des Logos

menschliche Eigenschaften

11.3.1 Grundcharakter der miaphysitischen Theologie. In unterschiedlicher Aufnahme der von Apollinaris stammenden, im kyrillischen Sinne gedeuteten Formel μία φύσις τοῦ θεοῦ λόγου σεσαρκωμένη (mia physis tū theū logū sesarkōmenē/eine einzige fleischgewordene Natur des Gott-Logos) wird insbesondere die Dominanz der göttlichen Seite im Inkarnierten betont. Die meisten miaphysitischen Theologen lehnen es nicht ab, grundsätzlich Gottheit und Menschheit als zwei Naturen zu unterscheiden (weswegen auch ein gesuchter Gegensatz zum »Dyophysitismus« begrifflich in die Irre führt; besser ist es von einer antiochenischen und – nach 451 – einer chalkedonischen Position zu sprechen). Sie betonen aber die dauerhafte Einheit, in der die Gottheit die Menschheit bereits erlöst hat und von der Vereinigung mit der Menschheit nicht selbst affiziert wird. Eigentliches Subjekt der Evangelien ist also der göttliche Logos. Deswegen lassen sich im Hinblick auf den Inkarnierten die beiden Naturen im Grunde nur gedanklich unterscheiden, alle Momente der Schwäche und des Leidens werden der angenommenen menschlichen Seite zugeschrieben, die vom Logos dominiert wird. 11.3.2 Philoxenus von Mabbug. Der griechisch gebildete Syrer Aksenaja/Philoxenus, seit 485 Bischof von Mabbug (dem westlich des Euphrat gelegenen Hierapolis), war ein hervorragender Exeget (der syrische Bibelübersetzungen besorgt hat) und fruchtbarer Schriftsteller, der gegen die chalkedonische Theologie die Einheit in Christus besonders betont hat (so besonders in dem Werk Dissertationes/Erörterungen). Dabei wird der Logos, eine der drei Hypostasen der einen göttlichen Natur, Mensch (nicht nur im Sinne einer äußerlichen Annahme), leidet und stirbt, um die menschliche Natur in Gemeinschaft mit Gott zu bringen. Das Menschliche hat dabei allerdings in ihm keine Natur, ist nichts ontologisch Selbständiges, weil die menschlichen Eigenschaften bereits in die Einheit des göttlichen Subjekts aufgenommen sind. 518 wurde Philoxenus gemeinsam mit Severus von Antiochia von Justin abgesetzt und starb wenig später im Exil.

11.3.3 Severus von Antiochia. Großen Einfluss (auch auf chalkedonische Theologen) entwickelte der miaphysitische Theologe Severus (ca. 465-538), der seit 508 in Konstantino518 abgesetzt pel wirkte und dank Kaiser Anastasius’ Gunst 512-518 Patriarch von Antiochia war, dann abgesetzt und schließlich 536 unter Kaiser Justinian als Ketzer verurteilt wurde. Er orientierte sich stark an Kyrill und verstand die Vereinigung der beiden Naturen als Verbinμία φύσις dung, aus der ein neuer Zustand hervorging (μία φύσις σύνθετος/mia physis synthetos/ σύνθετος eine zusammengesetzte Natur), in dem die menschliche Besonderheit nicht untergeht, aber keine selbständige Existenz besitzt (insofern ἐνυπόστατος/enhypostatos, d.h. nur in der Hypostase des Logos bestehend ist). Demgemäß hielt Severus eine gedankliche Differenzierung der beiden Naturen für möglich, doch das entscheidende Zentrum im Inkarnierten war der Sohn Gottes. Gegen Sergius hält er etwa sogar fest, dass man, wenn auch keinesfalls von zwei Naturen, doch von zwei natürlichen Qualitäten im Inkarnierten sprechen müsse und liegt damit sachlich sehr nahe beim Neuchalkedonismus. Dem Inkarnierten eignet eine μία ἐνέργεια θεανδρική (mia energeia theandrikē/eine einzige gottmenschliche Wirkweise). Zusatz im Trishagion

11.3.4 Der Staurotheis-Aufstand 512. Unter Severus’ Einfluss führten in Konstantinopel v.a. Mönche 510/511 einen Zusatz in das Trishagion der Liturgie ein (d.h. in einen Gebets342

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text der byzantinischen Liturgie, der nicht mit dem Sanctus identisch ist), nämlich den von Petrus Fullo (s. § 4; 11.1.3; 11.2.2) in Antiochia praktizierten Zusatz ὁ σταυρωθεὶς δι’ ἡμᾶς (ho staurōtheis di hēmas/der für uns gekreuzigt wurde). Das erregte Anstoß, weil damit der Anschein entstand, als schriebe man der Gottheit selbst das Leiden zu (Vorwurf des Theopaschitismus). Zugleich wurde befürchtet, dass der Kaiser sich in seiner Religionspolitik zunehmend von einer miaphysitischen Deutung des Henotikon leiten ließ. In der Tat versuchte Kaiser Anastasius in dieser Zeit, durch eine Auslegung des Henotikon, die für die Miaphysiten akzeptabel war, deren Unterstützung zu gewinnen. Hierfür nahm er auch den Konflikt mit dem Konstantinopeler Patriarchen Makedonios in Kauf, den er im Sommer 511 absetzte. Als dann im November 512 auf kaiserliche Anordnung hin der neue Patriarch von Konstantinopel, Timotheus, die Formel offiziell einführte und dies auch bei einer Prozession in Beisein des Kaisers praktiziert wurde, kam es in Konstantinopel zum Aufstand, angestachelt von den chalkedonischen Widerständlern (sog. Staurotheis-Aufstand, 4.-8.11.512). Die Proklamation eines Gegenkaisers blieb erfolglos, da Anastasius es vermochte, durch eine demonstrative Demutsgeste im Hippodrom und die vorläufige Rücknahme des Zusatzes den Aufstand zu beenden. Dies nutzte er, um Gegner seiner Religionspolitik zu eliminieren. Dies passte zu seinem neuen religionspolitischen Kurs, aufgrund dessen er ebenfalls 512 Severus in Antiochia etablierte und 516 noch einen miaphysitischen Patriarchen in Jerusalem einsetzte. Der Vorfall zeigt deutlich, dass die theologischen Auseinandersetzungen so mit den politischen Konstellationen verbunden waren, dass die kaiserliche Religionspolitik unmittelbar die Stabilität der kaiserlichen Herrschaft tangierte.

Anastasius

Demutsgeste im Hippodrom

11.4 Christlicher Neuplatonismus bei »Dionysius Areopagita« Große Bedeutung für die weitere Theologie- und Geistesgeschichte gewann ein in Syrien entstandenes pseudepigraphes Schriftenkorpus, bestehend aus 4 Abhandlungen und 10 Briefen, welches unter dem Namen des Athener Paulusschülers Dionysius vom Areopag (Apg 17,34) alsbald weite Verbreitung fand. Verfasserschaft (eher nicht: Petrus Fullo) und chronologische Einordnung (vermutlich um 500 oder 510) sind bisher ungeklärt. Das Corpus stellt eine bedeutende Verarbeitung neuplatonischer Philosophie (besonders in der Prägung durch den Athener Philosophen Proklos [412-485]) auf christlichem Boden dar. In De divinis nominibus (Über die göttlichen Namen) werden das Wesen und die biblischen Attribute Gottes im Sinne einer negativen Theologie interpretiert. Gott wird als das Eine beschrieben, das als Sein jenseits des Seins zu denken ist. In De caelesti hierarchia (Über die himmlische Hierarchie) werden die verschiedenen Engelarten in Dreiergruppen als geordnete himmlische Welt beschrieben, deren Ordnung sich dann – wie De ecclesiastica hierarchia (Über die kirchliche Hierarchie) fortsetzt – in der Kirche in ontologisch absteigender Folge abbildet (in den Sakramenten Taufe, Eucharistie, Ölweihe, in den Ämtern Bischof, Presbyter, Diakon, in den christlichen Ständen Mönch, Laie, Unvollkommener). Die Vereinigung des Menschen mit dem göttlichen Wesen skizziert De mystica theologia (Über die mystische Theologie) als eine das rationale Denken überschreitende Ekstase. Wegen seines neuplatonisch-mystischen Grundzuges sah das Corpus Dionysiacum die Menschwerdung Jesu als Spezialaspekt der ontologischen Beziehung zwischen Gott und dem Seienden an. Dies führte dazu, dass sich Miaphysiten ebenso wie Chalkedonier wie z.B. Maximus Confessor auf das Corpus beriefen. Besonders in Westeuropa hat das Corpus Dionysiacum stark gewirkt (vgl. § 5; 14.5; § 10; 6.1; 12.1.-2.; 13.1).

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Proklos negative Theologie

Mystik

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11.5 Literatur Lektüretipp: H.C. Brennecke: Chalkedonense und Henotikon. Bemerkungen zum Prozess der östlichen Rezeption der christologischen Formel von Chalkedon, in: J. van Oort/J. Roldanus (Hg.): Chalkedon. Geschichte und Aktualität, 1997, 24-53 (auch in: H.C. Brennecke: Ecclesia est in re publica, 2007, 259-290). Literatur: C. Laga/J.A. Munitiz/L. van Rompay: After Chalcedon, 1985. – M. van Esbroeck: Ein Jahrtausend antichalkedonischer Literatur, AHC 30 (1998) 146-184. – B. Aland: Monophysitismus und Schriftauslegung, in: A. Rexheuser/K.-H. Ruffmann (Hg.): FS für F. von Lilienfeld, 1982, 142-166. – R.C. Chesnut: Three Monophysite Christologies. Severus of Antioch, Philoxenus of Mabbug, and Jacob of Edessa, 1976. – W.H.C. Frend: The Rise of the Monophysite Movement, 2. A. 1979. – A. Grillmeier: Jesus der Christus im Glauben der Kirche, Bd. 2/1, 1986. – J. Martikainen: Gerechtigkeit und Güte Gottes, 1981 [zu Philoxenus]. – I.R. Torrance: Christology after Chalcedon. Severus of Antioch and Sergius the Grammarian, 1988. – J.M. Kötter: Zwischen Kaisern und Aposteln. Das Akakianische Schisma (484-519) als kirchlicher Ordnungskonflikt der Spätantike, 2013. – M. Meier: Σταυρωθεὶς δι’ ἡμᾶς. Der Aufstand gegen Anastasios im Jahr 512, Millenium 4 (2007) 157-237. – A. Louth: Denys the Areopagite, 1989. – B.R. Suchla: Dionysius Areopagita, Leben, Werk, Wirkung, 2008. – S.K. Wear/J. Dillon: Dionysius the Areopagite and the Neoplatonist Tradition. Despoiling the Hellenes, 2007.

 § 3; 14.

12. Der Neuchalkedonismus in der Justinian-Ära 518-565 Der von Justinian schon unter der Herrschaft seines Onkels Justin eingeleitete kirchenpolitische Kurswechsel stand im Zusammenhang einer umfassenden politischen Erneuerung des Reiches. Durch Verständigung mit Rom und Zurückdrängen der Miaphysiten sollte die innere Einheit wiedergewonnen werden, und zwar auf der Basis eines christologischen Programms, das der Kaiser selbst mitprägte. Dies kann man als Neuchalkedonismus bezeichnen.

12.1 Kirchenpolitischer Kurswechsel 518/519 Kaiser Justin (518-527) und Justinian (527-565) waren infolge ihrer Herkunft aus dem westlich geprägten Illyrien Anhänger des Chalcedonense. Da die Forderung nach einer Abkehr vom Henotikon und der Begünstigung der Miaphysiten auch in Konstantinopel erhoben wurde, diente der kirchenpolitische Kurswechsel auch der eigenen Machtstabilisierung. Hierzu passte auch, dass Justin sich bemühte, einen neuen Kontakt nach Rom aufzubauen und das Acacianische Schisma beizulegen. Die Deutung des Chalcedonense durch »skythische« Mönche mit ihrer theopaschitischen Formel akzeptierten sie, weil sie hierin eine Möglichkeit sahen, auch gegenüber den Miaphysiten eine konsensfähige Öffnung zu vertreten. 12.1.1 Die neue theologische Orientierung unter Justin und Justinian. In Konstantinopel verteidigte v.a. das Kloster der Akoimeten (s. Abb. 8) das Chalcedonense. Diese Mönche mobilisierten 518 den Volkszorn, so dass 344

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Patriarch Johannes das Chalcedonense annehmen, das Henotikon und Severus hingegen verwerfen musste. Kaiser Justin bekräftigte dies durch ein Gesetz. Eine Neuorientierung brachten 519 die »skythischen« Mönche (romanische Goten aus der Dobrudscha), chalkedonische Theologen unter Führung des Johannes Maxentius und eines Mönches Leontius, unterstützt von dem einflussreichen magister militum (Heermeister) Vitalian (der sich mehrfach gegen Anastasius gestellt hatte). Sie deuteten das Chalcedonense konsequent von Kyrill her und betonten insbesondere die im Chalcedonense ausgedrückte Einheit der Hypostase. Sie lasen diesen Ausdruck als gleichbedeutend mit dem der μία φύσις (mia physis/einen Natur). Die chalkedonische Formulierung ἐν δύο φύσεσιν (en dyo physesin/in zwei Naturen) sei kein Widerspruch zu dem kyrillischen Grundsatz eines hypostatisch geeinten Christus ἐκ δύο φύσεων (ek dyo physeōn/aus zwei Naturen) (so schon der miaphysitische Mönch Nephalius um 510 in Palästina). Insbesondere den miaphysitischen Vorwurf gegen eine chalkedonische Theologie, mit der Betonung von zwei Naturen im Inkarnierten werde eine vierte ontologische Entität zur Trinität hinzugefügt, wiesen sie zurück und betonten umgekehrt, dass die 2. Person der Trinität inkarniert worden ist und im Fleisch gelitten hat. Das klang theopaschitisch, sollte aber nicht das Leiden für das göttliche Wesen, sondern die hypostatische Einheit des Logos ausdrücken, der zugleich einen Menschen angenommen hat (der jedoch kein selbständiges Sein hat). Justinian schloss sich dieser Position 527 an (im Codex Iustinianus 1,1,5 erstmals dokumentiert). Dies stellte eine Mittelposition dar, die sowohl von entschieden miaphysitischer Seite als auch von chalkedonischer Seite aus kritisiert wurde. Da der Kaiser diese Position vertrat, wurde mit der entsprechenden Kritik auch die Stabilität der kaiserlichen Herrschaft in Frage gestellt. Justinians Religionspolitik ging also auf einem dünnen Grat zwischen theologisch begründeter Kompromissposition, die die Chance hatte, mehrheitsfähig zu sein, und dem Risiko, von allen Positionen wegen der eigenen Religionspolitik angefeindet zu sein. Zugleich zeigte sich in dem Engagement Justinians ein kaiserliches Selbstverständnis, das das Kaiseramt religiös auflud und ihm eine entsprechende Zuständigkeit für die Lösung des christologischen Konflikts zumaß. 12.1.2 Beilegung des Acacianischen Schismas. Die von Vitalian schon 514/515 geforderte Wiederaufnahme der Kirchengemeinschaft mit Rom erfolgte im März 519. Papst Hormisdas (514-523) hatte hierfür die Zustimmung zu einer Erklärung gegen den Nestorianismus und Eutychianismus verlangt, in der auch der Tomus ad Flavianum (Schreiben an Flavian) explizit bekräftigt wurde (Text/Übers.: DH 363-365). Außerdem mussten Acacius und seine Nachfolger sowie die Kaiser Zenon und Anastasius verdammt werden. Justinian gab dem nach, akzeptierte zugleich jedoch nicht die vom Papst vertretene Theorie einer Überordnung Roms über Konstantinopel, was sich wenig später bei der Eroberung Italiens schnell zeigen sollte. 12. Der Neuchalkedonismus in der Justinian-Ära 518-565

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skythische Mönche

ἐν/ἐκ

Justinians Stellungnahme

Kirchengemeinschaft mit Rom

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12.2 Unterdrückung und Spaltung der Miaphysiten

Theodora

Julian von Halikarnassus

Aphthartodoketen

Italienpolitik

Die religionspolitische Neuorientierung unter Justin führte in den Jahren nach 518 und dann erneut ab 536 zu Maßnahmen, die den Einfluss der Miaphysiten zurückdrängen sollten, so u.a. Absetzung und Vertreibung von einschlägigen Bischöfen und Klerikern insbesondere in Syrien. Dagegen organisierte sich in Ägypten Widerstand, der am Kaiserhof insbesondere bei Theodora (seit 525 mit Justinian verheiratet) Unterstützung fand. 12.2.1 Auseinandersetzungen um das Leiden Christi in der miaphysitischen Theologie. Severus von Antiochia floh 518 wie viele andere Anführer der Miaphysiten nach Ägypten. Hier entwickelte sich eine Kontroverse zwischen ihm und dem ebenfalls hierher geflohenen Julian von Halikarnassus. Julian behauptete die prinzipielle Leidensunfähigkeit auch des Leibes Christi, weil dieser durch seine Verbindung mit der Gottheit dem Leiden bereits entzogen sei: Christus sei leidlos im Leiden und unsterblich im Tod, auch nach dem Fleisch. Dem trat Severus entgegen. Die Kontroverse führte dazu, dass die Anhänger des Julian die Severianer als Phtartolatrai (Vergänglichkeitsverehrer), diese die Anhänger Julians als Aphthartodoketen (Leute, die das Leiden nur als ein zum Schein geschehenes ansehen) beschimpften. Julians Position fand viele Anhänger in Ägypten und Armenien, doch die Severianer bildeten die Majorität. 12.2.2 Die kaiserliche Religionspolitik nach 535. Ab 529 versuchte Justinian, auch bei den Miaphysiten Rückhalt für seine Herrschaft zu finden. Nach 518 vertriebene miaphysitische Kleriker durften aus dem Exil zurückkehren. Dies bildete die Grundlage dafür, dass die Miaphysiten 532 bei einer Revolte der politisch einflussreichen Zirkusparteien der »Blauen« und der »Grünen« (dem sog. Nika-Aufstand; vgl. § 3; 14.6.4) dem gefährdeten Kaiser ihre Loyalität bekundeten. Es kam, auch unter dem Einfluss der Kaiserin Theodora, zu Verständigungsbemühungen. Justinian lud sogar Severus von Antiochia zu einem Religionsgespräch nach Konstantinopel ein, was zwar keine Einigung brachte, aber eine gewisse Duldung der Miaphysiten zur Folge hatte. Dies änderte sich ab 535, als Justinian im Zusammenhang der Expansion in Italien den neuen, miaphysitisch geprägten Patriarchen von Konstantinopel, Anthimus absetzen ließ. Anlass hierfür war der Besuch des Papstes Agapet von Rom in Konstantinopel, der für die Unterstützung Justinians eine klar chalkedonische Religionspolitik verlangte. Es folgte die Verurteilung des Severus von Antiochia durch eine Synode in Konstantinopel 536. Der neue, gemäßigt miaphysitische Patriarch in Alexandria, Theodosius, wurde abgesetzt, weil er sich weigerte, das Chalcedonense zu unterschreiben. Die vom Kaiser eingesetzten chalkedonischen Gegenpatriarchen Paulus und (ab 540) Zoilus konnten sich aber nur mühsam und mit Waffengewalt halten. Theodosius wurde von den meisten Ägyptern weiterhin als rechtmäßiger Patriarch anerkannt. Justinians Versuch, Ägypten zur Anerkennung des Chalcedonense zu zwingen, scheiterte.

12.3 Neuchalkedonismus und Dreikapitelstreit Ab 540 versuchte Justinian, die von ihm akzeptierte Neudeutung des Chalcedonense den Miaphysiten dadurch akzeptabel zu machen, dass er die Übereinstimmung mit Kyrill betonte und wichtige Repräsentanten der antiochenischen Theologie, nämlich Theodor von Mopsuestia, Theodoret von 346

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Kyros und Iba von Edessa, verurteilen ließ. Die drei Verwerfungen waren aber heftig umstritten (v.a. im Westen) und führten nicht zu der erhofften Einigung. 12.3.1 Neuchalkedonismus und Enhypostasie. Die ab 518 deutlich gewordene Neudeutung des Chalcedonense (vgl. § 4; 12.1.1) war vorbereitet durch ein in Alexandria verfasstes Florilegium, das die Übereinstimmung des Chalcedonense mit Kyrill durch 244 Zitate von letzterem zu erweisen suchte. Der zentrale Einwand gegen die Rede von den zwei Naturen in einer Person bestand darin, dass keine allgemeine Natur für sich bestehen kann, ohne in einem konkreten Individuum, einer Hypostase zu existieren, es also keine anhypostatische Natur geben kann. Dagegen betonte Johannes Grammaticus in seiner wohl um 514/518 in Cäsarea/Palästina entstandenen Apologie für Chalkedon, dass keineswegs alle Naturen als Individuen existieren, sondern es auch ontologisch abhängiges Sein gebe. Leontius von Byzanz entwickelte diesen Gedanken weiter: Gottheit und Menschheit sind zwei οὐσίαι (usiai/ Wesenheiten bzw. Naturen) (und hierin bestand der Anknüpfungspunkt an das Chalcedonense), die zwar nicht zu einer οὐσία (usia/Wesen bzw. Natur) sich vermischen können, die aber eine hypostatische Einung eingehen können. Hierbei überformt die göttliche Natur mit ihrer erlösenden, göttlichen Kraft die menschliche Natur so sehr, dass letztere kein eigenständiges Sein hat. Die menschliche Natur ist nur ἐνυπόστατος (enhypostatos/in der Hypostase [scil. eines anderen] bestehend). Die hypostatische Einung Kyrills wird als »enhypostatische Einung« gedeutet. Dieser Gedanke wurde von Johannes von Skythopolis und Leontius von Jerusalem aufgegriffen. Letzterer ist sowohl von dem skythischen Mönch Leontius (s. § 4, 12.1.1) als auch von Leontius von Byzanz zu unterscheiden, wobei letzterer stärker an die antiochenische Tradition anknüpfte (so insbesondere in seinem berühmten Werk Contra Nestorianos et Eutychianos/Gegen die Nestorianer und Eutychianer). Im Neuchalkedonismus betonte man so die Hypostasenlosigkeit der menschlichen Natur im Inkarnierten, die somit zum Vorhandensein von menschlichen Eigenschaften wurde (was an Kyrill anknüpfte). 12.3.2 Die drei Kapitel. Um der miaphysitischen Kritik am Chalcedonense zu begegnen, erließ Justinian ca. 544 – beraten von Theodor Askidas, dem Bischof von Cäsarea/Kappadokien – ein Lehrdekret gegen drei maßgebliche antiochenische Theologen als angebliche Vertreter des Nestorianismus. Verurteilt wurden Person und Werk des Theodor von Mopsuestia, die antikyrillischen Schriften des Theodoret von Kyros und der nach 433 verfasste Brief des Ibas von Edessa an den persischen Mönch Mari. (Diodor von Tarsus war schon 499 als »Nestorianer« verurteilt worden.) Diese drei Anathematismen (κεφάλαια/kephalaia/Kapitel) trafen v.a. im Westen auf Widerstand, wo Facundus von Hermiane (gest. 571) in Nordafrika zum Haupt des Widerstands wurde (so besonders in seiner Schrift Defensio trium capitulorum/Verteidi12. Der Neuchalkedonismus in der Justinian-Ära 518-565

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Johannes Grammaticus

Leontius von Byzanz

Enhypostasie

Theodor von Mopsuestia Theodoret Ibas von Edessa Facundus von Hermiane

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Vigilius

gung der drei Kapitel, d.h. der drei verurteilten antiochenischen Theologen). Justinian blieb bei seiner Position und zwang 548 sogar Papst Vigilius dazu, der Verurteilung der drei Kapitel zuzustimmen, indem er ihn nach Konstantinopel bringen und hier in Schutzhaft festhalten ließ. Vigilius, dessen Autorität hierdurch im Westen schwer erschüttert war, revozierte nachträglich und exkommunizierte den Patriarchen Menas von Konstantinopel sowie Theodor Askidas. Das blieb bis auf weiteres unbedeutend, weil Vigilius bis 555 in kaiserlicher Schutzhaft blieb.

12.4 Das Konzil von Konstantinopel 553 Zur Absicherung seiner religionspolitischen Entscheidungen berief Justinian eine ihm völlig gefügige Reichssynode ein, die gemäß seinen Vorgaben die Verurteilung der drei Kapitel und des Origenismus bestätigte. Als 5. ökumenisches Konzil erreichte sie normative Geltung. Eine positive Lehrformulierung erging nicht, doch das in 14 Anathematismen enthaltene Dogma war in der Sache ein Sieg des Neuchalkedonismus. Die Miaphysiten lehnten dies ab.

Verurteilung 543

Euagrius Ponticus Verurteilung 553

12.4.1 Die Verurteilung des Origenismus. Schon 543 verurteilte ein kaiserliches Dekret die Theologie des Origenes. Dessen Theologie war schon früher umstritten gewesen (vgl. § 5; 3.2), doch hatte sie insbesondere im Mönchtum fortgewirkt, so v.a. in der mystisch-spekulativen Umformung durch Euagrius Ponticus (s. § 6; 5.4.1). Hinzu kam im 6. Jh. die Weiterentwicklung origenistischer Gedanken durch den syrischen Mönch Stephanus bar Sudaili. Konflikte um dessen Lehre zwischen den Mönchen der »Großen Laura« und der »Kleinen Laura« (Laura = Ansammlung von Asketenhütten) bei Jerusalem, über die der päpstliche Apokrisiar (d.h. der Repräsentant des Papstes am Kaiserhof in Konstantinopel) Pelagius (der spätere Papst) Justinian berichtete, nahm dieser 543 zum Anlass, in neun Anathematismen die Lehre des Origenes zu verwerfen (Text/Übers.: Görgemanns/Karpp 822-825). Verworfen wird eine Vorstellung, dass Seelen präexistent seien und aufgrund von Verfehlungen eingekörpert würden. Die Beseelung der Gestirne wird ebenso abgelehnt wie eine künftige Erlösung der Dämonen und der verworfenen Menschen. Ein Bezug zur Christologie war durch die Verbindung von Seelenlehre und Christologie gegeben: Auch für die Seele Christi ist festzuhalten, dass sie nicht vor der Empfängnis Mariens eine Einung mit dem Logos eingegangen ist. Die Diskussionen um den Origenismus ebbten auch nach 543 nicht ab, so dass Justinian das Thema 553 noch einmal aufgriff (Text/ Übers.: Görgemanns/Karpp 824-831). Hierbei stand mehr die Lehre des Euagrius Ponticus im Vordergrund als Origenes selbst. Dessen Lehre über die Isochristie, d.h. dass die Seelen durch Erkenntnis mit dem Logos eine volle Einung erreichen würden, wurde abgelehnt. Außerdem wurden spekulative Fortentwicklungen der Lehre des Origenes verurteilt, so die Vorstellung, dass die Seelen von ihrer Substanz her den Engel gleich seien, die christolo348

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gische Vorstellung, dass der Logos ganz verschiedene Gestalten angenommen habe (den Menschen sei er in einem ätherischen Leib, den Engeln als Engel erschienen etc.) und nur der Nus des Logos in die Unterwelt hinabgestiegen sei, schließlich die Vorstellung, dass am Ende der Zeit im Endgericht alles Körperliche aufgehoben werde. Aufgrund der Verurteilung des Konzils wurden Origenes’ Schriften im griechischen Original weithin nicht mehr abgeschrieben und gingen so zum größeren Teil verloren. 12.4.2 Die christologischen Verwerfungen des Konzils. Da Justinian die definitive Zustimmung des Vigilius zur Verurteilung der drei Kapitel nicht erreichen konnte, erließ er 551 ein Edikt, das eine neuchalkedonische Deutung festschrieb. Das Konzil der 166 Konzilsväter von 553 setzte das in 14 Anathematismen um (Text/Übers.: DH 421-438). Auf der Grundlage des Nizänums und des Chalcedonense wurde die Einheit beider Naturen mit Kyrill als hypostatische Einigung, sachlich als Enhypostasie der menschlichen Natur, beschrieben, die sowohl Christi Wundertaten als auch sein Leiden einschloss. Die kyrillische Formel von der μία φύσις (mia physis/einen Natur) sollte sich nun auf die Einheit der Hypostase und Person, wie sie im Chalcedonense auftauchte, beziehen. 12.5 Literatur Lektüretipp: K.-H. Uthemann: Kaiser Justinian als Kirchenpolitiker und Theologe, in: Ders.: Christus, Kosmos, Diatribe, 2005, 257-331. Quellen: J. Wohlmuth (Hg.): Conciliorum Oecumenicorum Decreta/Dekrete der Ökumenischen Konzilien, Bd. 1, 1998, 105-122. – P. Conte: Concilium Constantinopolitanum II, in: G. Alberigo (Hg.): Conciliorum Oecumenicorum generaliumque Decreta, 2006, 153-188. – E. Schwartz/M. Amelotti: Drei dogmatische Schriften Justinians, 2. A. 1973. Literatur: A. Grillmeier: Jesus der Christus im Glauben der Kirche, Bd. 2/2, 1989. – F.X. Murphy/P. Sherwood: Konstantinopel II und III, 1990, 9-159. – E. Schwartz: Zur Kirchenpolitik Justinians, in: Ders.: Gesammelte Schriften Bd. 4, 1960, 276-328. – E.M. Ludwig: Neo-Chalcedonism and the Council of 553, 1984. – F. Bruckmann: ἕνωσις καθ’ ὑπόστασιν. Die ersten zehn Anathematismen des fünften ökumenischen Konzils (Konstantinopel 553) als Dokument neuchalkedonischer Theologie, AHC 36 (2004) 1-166.259.388. – B. Gleede: The Development of the Term ἐνυπόστατος from Origen to John of Damascus, 2012.

 § 5; 12.

13. Der monenergistisch-monotheletische Streit 633-681 Nach Justinian konnte das oströmische Reich dem Ansturm der Perser, Araber, Slawen und Awaren nur noch dadurch standhalten, dass es sich auf Kerngebiete zurückzog, neben Griechenland/Thrakien vor allem Kleinasien. Durch den endgültigen Verlust des Westens (nur kleinere Herrschaftsbereiche in Italien, besonders Süditalien blieben erhalten) und großer Teile des östlichen Teils des Imperium Romanum (besonders Ägypten, Palästina und 13. Der monenergistisch-monotheletische Streit 633-681

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Ionisches Meer

300 km

Kreta

Ephesus

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Ptolemais

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Nil

KO P T E N

Rotes Meer

Bostra

Damaskus

Emesa

Jerusalem Pelusium

(JAKOBITEN)

Edessa

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(NESTORIANER)

miaphysitische Kirchen

SeleukiaKtesiphon

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Nisibis

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ARMENIER

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Sebaste

Schwarzes Meer

Oxyrhynchus

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Mittelmeer

Ägäis

Konstantinopel

Abb. 9 Verbreitung der Miaphysiten

r Tig is

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Syrien) entstand ein neuer politischer und kultureller Kontext. Es empfiehlt sich, erst diesen neuen Bezugsrahmen ab dem 7. Jh. als byzantinisches Reich zu bezeichnen. In ihm spielten die christologischen Fragen nach wie vor eine Rolle, die sich nun auf das Wirken bzw. den Willen des Inkarnierten konzentrierten.

byzantinisches Reich

13.1 Politischer Umbruch und Kircheneinheit Die Nachfolger Justinians versuchten, durch erneutes Zugehen auf die Mia­ physiten das Reich zu stabilisieren, allerdings vergeblich. Seit 605 drangen die Perser in das Reichsgebiet vor, eroberten 611 Antiochia, 614 Jerusalem, 619 Ägypten. Kaiser Heraklius (610-641) konnte jedoch bis 628 die Invasoren vertreiben. Da die Miaphysiten durchaus mit den Persern sympathisiert hatten (weil sie hofften, damit der kaiserlichen Religionspolitik zu entkommen), versuchte Heraklius erneut, auf die Miaphysiten zuzugehen. Dazu erließ er 633 eine monenergistische Unionsformel, die die Gemeinsamkeit des Handelns der beiden Naturen als μία θεανδρικὴ ἐνέργεια (mia theandrikē energeia/eine gottmenschliche Energie) beschrieb. Dies löste jedoch heftigen Widerstand aus, weswegen die Formel zurückgezogen wurde und 638 durch eine monotheletische Formel ersetzt wurde, die die Einheit beider Naturen im Inkarnierten dadurch beschrieb, dass der Logos das Wollen der gottmenschlichen Einheit bestimmt. Da die muslimischen Araber ab 636 Ägypten, Palästina und Syrien eroberten, gingen die miaphysitischen Kirchen hierauf nicht mehr ein. Stattdessen führte die Formel zu neuen Konflikten mit dem Westen. 13.1.1 Konsolidierung des Reiches unter Heraklius. Mit dem Sturz des Usurpators Phokas 610 und der Herrschaft des Armeniers Heraklius wurde die bisherige Führungsschicht abgelöst. Die verbliebenen Brückenköpfe, die Exarchate Ravenna und Karthago, als Vorbild benutzend, begann Heraklius mit einer Neuorganisation des Reiches durch die sog. Themen-Verfassung, die eine stärkere Rolle des Militärs verankerte. Sein Krieg gegen die Perser 622-628 weckte ein neues, auch religiös motiviertes Reichsbewusstsein. Die Rückführung der aus Jerusalem geraubten Kreuzesreliquie 629 (nach deren legendärer »Auffindung« durch Konstantins Mutter Helena 335 kultisch verehrt) rief allgemeine Begeisterung hervor. Kirchenbau und Liturgie entwickelten sich weiter. Das Lateinische wurde als Verwaltungssprache zunehmend verdrängt, die Herrscherverehrung wurde (unter Einfluss persischer Vorbilder?) verändert: Statt des alten Diadems trug der Kaiser eine Krone mit Christusbild, die Nachfolge wurde als Erbe an seine Familie gebunden. 13.1.2 Theologische Kompromissversuche: Eine Wirksamkeit und ein Wille. Aufgrund seines armenischen Hintergrundes war Heraklius der miaphysitischen Position gegenüber ohnehin aufgeschlossen. Zur Stabilisierung des Reiches ging er nach 628 auf die Miaphysiten zu, indem der Konstantinopeler Patriarch Sergius und der Alexandriner Cyrus den Miaphysiten 633 zwecks Union eine neue christologische Formel vorlegten, die auf den neuchalkedonischen Theologen Theodor von Pharan/Sinai (= Theodor von Raithu) zurückging, aber mit der Autorität des Dionysius Areopagita begründet wurde 13. Der monenergistisch-monotheletische Streit 633-681

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Unionsformel 633

Verlust von Ägypten, Palästina und Syrien

Kreuzesreliquie

Sergius von Konstantinopel

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μιᾷ ἐνεργείᾳ und besagte, dass Christus Göttliches wie Menschliches μιᾷ θεανδρικῇ ἐνεργείᾳ (mia

theandrikē energeia/mit einer gottmenschlichen Tätigkeit) bewirkte. Sie stieß jedoch sogleich auf Protest, u.a. bei Sophronius von Jerusalem, der sie vom Chalcedonense her kritisierte. Der daraufhin entstandene monenergistische Streit machte eine Union unmöglich. Nun modifizierte Sergius die Formel auf Vorschlag des Honorius von Rom so, dass der ungeklärte Begriff der Wirksamkeit durch den des einen Willens ersetzt wurde. Zwecks Beendigung des Streites erließ Heraklius 638 ein Edikt (Ekthesis) mit einer von Sergius entworfenen Lehrformel (Übers.: Winkelmann 107f.). Sie verbot die Verwendung des Begriffes der ἐνέργεια (energeia/Wirksamkeit) und folgerte aus der hypostaἓν θέλημα tischen Einigung der beiden Naturen, dass man das ἓν θέλημα (hen thelēma/den einen Willen) von Christus bekennen müsse. Die neue Formel stieß aber auf noch heftigeren Widerstand (sog. monotheletischer Streit). Für die syrischen und ägyptischen Miaphysiten wurde der ganze Unionsplan ohnehin uninteressant, weil sie unter der Araberherrschaft die Freiheit von der kaiserlichen Religionspolitik zum Aufbau einer eigenen Kirchenorganisation nutzten (vgl. § 4; 15.3-15.4).

13.2 Westlicher Dyotheletismus gegen kaiserliche Despotie

Laterankonzil 649

Ost-WestSpaltung

Nach 642 ging es nicht mehr um die Einbindung der Miaphysiten, sondern um die Konsolidierung des verbleibenden Reiches, wobei die westlichen Herrschaftsgebiete in Illyrien und Ravenna für die Abwehr von Awaren und Slawen wichtig wurden. Kaiser Konstans (641-668) befürwortete eine monotheletische Christologie. Hiergegen erhob sich Widerstand im Westen, angestachelt von Maximus, genannt Confessor (s. § 4; 13.3), der ca. 630 nach Karthago geflohen war und hier 645 den nordafrikanischen Episkopat und den Papst Theodor für den Widerstand gegen die monotheletische Ekthesis von 638 gewann. Auch die byzantinischen Exarchen von Karthago, Gregor, und Ravenna, Olympius, stellten sich gegen den Kaiser. Der reagierte mit einer erneuten gesetzlichen Regelung, dem Typos von 648, mit dem er die Verwendung der Begriffe ἐνέργεια (energeia/Wirksamkeit) und θέλημα (thelēma/Wille) ganz untersagte. Den Widerstand brach er brutal. Hiergegen berief der ohne Zustimmung des Kaisers ins Amt gekommene Papst Martin I. (649-653) 649 ein Laterankonzil ein, das – beraten von Maximus – den Dyotheletismus als dem Chalcedonense gemäße Lehre bekräftigte (DH 500-522). Die damit verbundene Exkommunikation des Konstantinopeler Patriarchen Paulus verdeutlichte die abermalige Ost-West-Spaltung. Als mit dem Tod des Olympius 652 der politische Schutz für diese Opposition entfiel, ließ Konstans den Papst gefangen nehmen, in Konstantinopel als Hochverräter zum Tode verurteilen und anschließend ins Exil auf die Krim schicken (gest. 655). Maximus Confessor wurde wegen des Widerstands gegen den Typos 656 nach Thrakien verbannt, 662 wurden ihm die Zunge und die rechte Hand abgeschnitten, bald darauf starb er im georgischen Exil.

13.3 Maximus Confessor

Mystik

Maximus (ca. 580-662; der griechischen, evtl. nicht zuverlässigen Vita zufolge ab 610 Sekretär des Kaisers Heraklius, ab ca. 613 Mönch in Palästina) wurde als Märtyrer einer orthodoxen Christologie (vgl. 13.2) hoch geehrt und war schon zu Lebzeiten eine Autorität in Ost und West. Seine Werke zeigen eine Verbindung von Askese und Mystik (so im Liber asceticus/ Askesebuch und in den Capita de caritate/Kapitel über die Liebe), die die origenistisch-mystische Tradition des Euagrius Ponticus und des Dionysi352

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us Areopagita weiterentwickelte. Durch Reinigung von den Affekten und Erkenntnis der in der Bibel offenbarten Wahrheit öffnet sich der Mensch dem Wirken des Heiligen Geistes, der ihn »vergöttlicht«. Mit dieser mystischen Theologie hing die Christologie zusammen. Nur durch Gottes unverkürzte Menschwerdung kann umgekehrt die menschliche Natur mit der göttlichen eins werden. Deswegen war für Maximus der Dyotheletismus unverzichtbare Voraussetzung seiner Soteriologie. Durch die Einheit der Naturen in der Hypostase wird der menschliche Wille nicht beseitigt, sondern bleibt als Vermögen durchgehend erhalten, während die konkrete Aktualisierung dieses Vermögens in völliger Übereinstimmung mit dem Logos geschieht. Maximus begreift die Naturen somit zunächst insgesamt als potentielle Gehalte, welche an sich strikt geschieden bleiben, in ihrer Realisierung im Inkarnierten jedoch zusammenfallen. Die menschliche Natur im Inkarnierten wird vergöttlicht, weil sie ganz und dauerhaft durch den Logos bestimmt wird. Gerade darin wurde Christus zum Prototypen jedes Christen.

Christologie

menschlicher Wille

13.4 Das Konzil von Konstantinopel 680/681 Nach dem Friedensschluss mit den Arabern 678 drängte Konstantin IV. (668-685) auf eine Beendigung des Streites um die Frage der Einheit des Willens in Christus. Da der westliche Widerstand ungebrochen andauerte und andererseits die Kerngebiete der Miaphysiten langfristig an die Araber verloren waren, verständigte sich Konstantin IV. mit Rom. Ein Reichskonzil (7.11.680-16.9.681) im Kuppelsaal (Trullos) des Konstantinopeler Kaiserpalasts (daher Trullanum I genannt) bestätigte zusammen mit dem Chalcedonense den Dyotheletismus und verurteilte die Gegenpositionen (Text/ Übers.: DH 553-559; verurteilt wurden u.a. vier Konstantinopeler Patriarchen seit Sergius, aber auch Honorius von Rom; da das Konzil im Westen als 6. Ökumenisches Konzil anerkannt wurde, spielte die Verurteilung des Papstes bei der Diskussion um die Unfehlbarkeit des Papstes 1870 als »Honoriusfrage« eine Rolle). Die Ostkirche, in der dieses Ergebnis galt, war auf den griechischen Teil geschrumpft. Die neu erreichte Einheit wurde wenig später allerdings durch die Beschlüsse eines weiteren Konzils (des sog. Trullanum II, auch als Ergänzung zum 5. und 6. Konzil gewertet und daher Quinisextum genannt) stark belastet. Denn hier wurde nicht nur die Gleichrangigkeit Konstantinopels mit Rom erneut bekräftigt, sondern es wurden in 102 Canones auch etliche römische Regelungen (zum Zölibat, zum Fasten, der Darstellung von Christus als Lamm, die nur im Westen verbreitet war) abgelehnt. Rom verweigerte diesem Konzil die Anerkennung.

Trullanum I

Trullanum II = Quinisextum

13.5 Literatur Lektüretipp: K.-H. Uthemann: Der Neuchalkedonismus als Vorbereitung des Monotheletismus, in: Ders.: Christus, Kosmos, Diatribe, 2005, 207-255. 13. Der monenergistisch-monotheletische Streit 633-681

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Quellen: H.G. Thümmel: Concilium Constantinopolitanum III, in: G. Alberigo (Hg.): Conciliorum Oecumenicorum generaliumque Decreta, 2006, 189-202. – G. Nedungatt/S. Agrestini: Concilium Trullanum, ebd. 203-293. – H. Ohme (Hg.): Concilium Quinisextum, FC 82, 2006 [zweisprachig]. Literatur: C. Lange: Mia energeia. Untersuchungen zur Einigungspolitik des Kaisers Hera­ clius und des Patriarchen Sergius von Constantinopel, 2012. – G. Dagron: Das byzantinische Christentum vom 7. bis in die Mitte des 11. Jh.s, GCh 4, 1994, 3-96. – F. Winkelmann: Die Quellen zur Erforschung des monenergetisch-monotheletischen Streites, Klio 69 (1978) 515-559. – P. Booth: Crisis of Empire. Doctrine and Dissent at the End of Late Antiquity, 2014. – P. Allen (Hg.): The Oxford Handbook of Maximus the Confessor, 2015. – J. Lollar: To See into the Life of Things. The Contemplation of Nature in Maximus the Confessor and his Predecessors, 2013. – T. Tollefsen: The Christocentric Cosmology of St. Maximus the Confessor. A Study of his Metaphysical Principles, 1999. – G. Bausenhart: »In allem uns gleich außer der Sünde«. Studien zum Beitrag Maximos’ des Bekenners zur altkirchlichen Christologie, 1992. – F. Heinzer: Gottes Sohn als Mensch, 1980. – Ders./C. Schönborn (Hg.): Maximus Confessor, 1982. – F.X. Murphy/P. Sherwood: Konstantinopel II und III, 1990, 163-315. – H. Ohme: Das Concilium Quinisextum und seine Bischofsliste, 1990. – G. Nedungatt/M. Featherstone: The Council in Trullo Revisited, 1995.

14. Der Streit um die Bilderverehrung 726-843

zwei Phasen: bis 754 bis 843

Mit der Bilderverehrung entwickelte sich ein Spezifikum der griechischbyzantinischen Kirchlichkeit mit weitreichender Bedeutung für die orthodoxen Kirchen bis heute. Die bildliche Darstellung von Heiligen ging der von Christus voran und etablierte sich ab dem 5./6. Jh. breit in der Frömmigkeit und im Kirchenbau. Erst im 8. Jh. entbrannte ein theologischer Streit um die genaue Bedeutung der Bilderverehrung, die dann auch mit den christologischen Fragen verbunden wurde. Johannes Damascenus entwickelte die maßgeblichen theologischen Denkfiguren für eine Bilderverehrung. Der Streit verlief in zwei Phasen, von denen die erste (726-754) in einem umfassenden Verbot der Bilderverehrung endete, die zweite (787843) die Bilderverehrung doch noch durchsetzte. Der Streit wirkte sich insofern auf das Verhältnis zwischen Ost und West aus, als im Westen die Ergebnisse der Synode von Nicäa 787 wenig später abgelehnt wurden (vgl. § 5; 13.3.1).

14.1 Die Bilderverehrung in Frömmigkeit und Kirchenbauten

Katakomben

Christus­ darstellungen

Die frühesten Bilder im Christentum sind im 3. Jh. greifbar (die Kirche von Dura-Europos am Euphrat liegt am äußeren Rand des Römischen Reichs und ist wenig repräsentativ), vor allem in Katakomben verbreiteten sich Symbole und bildliche Darstellungen von biblischen Geschichten, die auf das Weiterleben nach dem Tod hindeuteten. Auch auf Sarkophagen verbreiteten sich ab dem späten 3. Jh. biblische Motive. Literarische Polemik besonders gegen die Christusdarstellung ist bereits im 4. Jh. greifbar (bei Euseb von Cäsarea und Epiphanius von Salamis). Erst im Laufe des 5. Jh.s gab man 354

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zunehmend die Scheu auf, auch Christus selbst darzustellen. Neben Wandmalereien spielten auch Vorhänge vor dem Altar eine Rolle (eine Vorform der späteren Ikonenwand vor dem Altar, der Ikonostase, die erst ab dem 14. Jh. üblich wurde). Der Aufschwung der Märtyrer- und Heiligenverehrung ab dem 4. Jh. förderte die bildliche Darstellung von Heiligen und die Verehrung der Heiligen vor den Bildern. Das Konzil von 692 (s. § 4; 13.4) setzte die allgemeine Zulässigkeit von Bildern in Kirchen voraus, weil es im 82. Kanon die Darstellung von Christus als Lamm verbot.

Ikonostase

14.2 Die erste Phase des Bilderstreites: Gewaltsame Durchsetzung des Ikonoklasmus bis 754 Die Gründe für den Ausbruch des Streites sind nicht klar erkennbar. Eventuell ist er eher in dem religiösen Eifer von Außenseitern begründet als in übertriebenen Formen der Heiligenverehrung. Jedenfalls griff Kaiser Leon III. kritische Stimmen gegen die Bilderverehrung im Episkopat ab 726 auf und erließ 730 ein Gesetz, das die Beseitigung der Bilder anordnete. Erst jetzt kam es zum theologischen Streit. Als sich der Widerstand gegen die Beseitigung der Bilder mit dem politischen Aufstand gegen Kaiser Konstantin V. verband, erließ dieser auf einer Reichssynode in Hiereia 754 ein theologisch begründetes Bilderverbot. Diese Durchsetzung des Ikonoklasmus (εἰκονοκλασμός/ikonoklasmos/das Zerbrechen der Bilder) stieß auf Widerstand besonders im Mönchtum. 14.2.1 Kaiser Leons Gesetz gegen die Bilder 730. 726 stellte sich der Konstantinopeler Patriarch Germanos gegen die Kritik kleinasiatischer Bischöfe an der Bilderverehrung. Diese griff Leon III. auf, vermutlich um die Konsolidierung des von den Arabern fortwährend bedrohten byzantinischen Reiches zu stärken (698 gingen die Stützpunkte in Nordafrika verloren, erst 740 konnte ein dauerhafter Friede geschlossen werden). Die Beseitigung der Bilder sollte Gottes Zorn besänftigen, die Frömmigkeit stärken und der muslimischen Kritik am Christentum begegnen. Die Aktivitäten des Kaisers gipfelten in der Entfernung einer Christusikone vom Bronzeportal des Kaiserpalastes und in dem 730 erlassenen Edikt, alle Bilder zu beseitigen. Der opponierende Patriarch Germanos wurde abgesetzt. 14.2.2 Widerstand im Westen. In Italien verband sich die Opposition gegen die byzantinische Herrschaft (die mit den schwachen Stützpunkten in Ravenna und Süditalien nur wenig Schutz vor den Langobarden bieten konnte) mit der Befürwortung der Bilderverehrung. Dieser Widerstand eskalierte in einem militärischen Aufstand 726/727, als Leon III. gegen den Papst die Besteuerung der römischen Latifundien durchsetzen wollte. 731 verdammte eine Synode italischer Bischöfe unter dem neuen Papst Gregor III. (731-741) die Zerstörung der Bilder und berief sich auf den alten apostolischen Brauch. Der Kaiser reagierte ca. 732 mit einem kirchengeschichtlich höchst folgenreichen Dekret: Er entzog Rom die kirchliche Jurisdiktion über Sizilien, Kalabrien und besonders Illyrien und übertrug sie Konstantinopel. Damit trieb er das Papsttum auf die Seite des Frankenreichs (s. § 8; 5.1).

14. Der Streit um die Bilderverehrung 726-843

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Beseitigung der Bilder

Christusikone

Jurisdiktion über Sizilien, Kalabrien und Illyrien

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Urbild – Abbild

14.2.3 Die Reichssynode von Hiereia 754. Der Sohn Leons III., Konstantin V. (741-775), musste seine Herrschaft gegen den Usurpator Atarbasdos verteidigen, mit dem sich die Bilderfreunde (Ikonodulen von εἰκονοδοῦλοι/ ikonoduloi/»Bilderdiener«) verbündeten. Den Ikonoklasmus machte Konstantin zum religionspolitischen Programm. Er griff auch literarisch in den theologischen Streit ein (Fragmente in Übers.: Dumeige 283-286). Für ihn bestand eine ontologische Verbindung zwischen Urbild und Abbild, weswegen Christus nicht bildlich dargestellt werden konnte, denn eine Abbildung könne nur die menschliche Natur betreffen und trenne diese in unzulässiger Weise von der göttlichen Natur. Nur die Eucharistie könne als wahres Christusbild gelten. Damit wurden Bilderfrage und christologisches Problem offiziell miteinander verknüpft. Diese Position ließ der Kaiser durch eine Reichssynode im Kaiserpalast Hiereia (am östlichen Ufer des Bosporus) sanktionieren (10.2.-8.8.754). Die Synode deklarierte sich ausdrücklich als 7. ökumenisches Konzil (später nicht anerkannt und durch das Konzil von 787 verdrängt) und verwarf in einem ὅρος (horos/wörtlich: Grenze/begriffliche Definition, d.h. Glaubensdefinition eines Konzils) die Darstellung Christi als Nestorianismus (Text: Geischer 44-53; Übers.: Dumeige 290-292). Verfolgungen von Ikonodulen gab es zunächst nicht, erst nach 761/762 trafen sie v.a. den Widerstand im Mönchtum, schliefen jedoch mit Konstantins Tod 775 ein.

14.3 Johannes von Damaskus

De haeresibus

Sacra Parallela

Eine wirkungsgeschichtlich wichtige Synthese der Vätertradition formulierte der aus Damaskus gebürtige Johannes (ca. 650-750; die genaueren Lebensdaten sind unbekannt). Als christlicher Araber hatte er zunächst im Dienst der Kalifen von Damaskus gestanden, bevor er Mönch im berühmten SabasKloster bei Jerusalem wurde. Seine Schriften umfassen Homilien, Traktate zu asketischen Themen und eine Auslegung der Paulusbriefe. Hauptwerk ist ein dreiteiliges Werk mit dem Titel πηγὴ γνώσεως (pēgē gnōseōs/Quelle der Erkenntnis; Text: PTS 7.12.22), dessen erster Teil mit dem Titel Dialectica (Dialektik) ein Kompendium der Philosophie bot (u.a. im Rückgriff auf Porphyrius’ Isagoge/Einleitungsschrift), dessen zweiter Teil (De haeresibus/Über die Häresien) in 100 Kapiteln eine einflussreiche Häresiologie entwickelte (u.a. wird der Islam als christliche Häresie eingeordnet) und das im dritten Teil (Expositio fidei/Darlegung des Glaubens) eine Zusammenschau der als autoritativ eingestuften Kirchenväter enthält (später ins Lateinische übersetzt und ab dem 12. Jh. analog zu den Sentenzen des Lombarden als Sententiae Damasceni/Sentenzen des Damaszeners verbreitet, obwohl das Werk nicht eigentlich Kirchenväter zitiert, sondern einschlägige Theologumena zusammenstellt). Eine wertvolle Zusammenstellung von Väterzitaten enthalten auch die Sacra Parallela (Heilige Vergleichsstellen). Nicht mehr Stand der Forschung ist die Zuschreibung des Mönchsromans Barlaam et Joasaph 356

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an Johannes von Damaskus (eine Verchristlichung der Buddhalegende, der zufolge der indische Königssohn Joasaph durch den Mönch Barlaam zum christlichen Asketismus bekehrt wird; auch im lateinischen Westen ab dem 11. Jh. weit verbreitet). 14.3.1 Perichorese der beiden Naturen. Johannes’ Christologie knüpft an ein stark von Kyrill her gesteuertes Verständnis des Chalcedonense an. Monenergismus und Monotheletismus lehnte er ab. Die Einheit der Hypostase Christi änderte nichts an dem Bestehen der beiden Naturen, Energien und Willen, doch betonte Johannes die Enhypostasie der menschlichen Natur in der Hypostase des Gott-Logos. Nur weil die menschliche Natur Christi ihre Existenz rein dem Logos verdankt und durch ihn als Individuum konstituiert wurde, ist die Einheit der Hypostase denkbar, da sich diese primär ihrem Ursprungspunkt verdankt und in der dort festgelegten Eigenschaftskonfiguration besteht. Da hier beide Naturen ihre Eigenschaften beisteuern, besteht das Verhältnis beider Naturen in einer fortwährenden, sich gegenseitig durchdringenden Gemeinschaft, wofür Johannes den Begriff περιχώρησις (perichōrēsis/Durchdringung) benutzte, was auch die communicatio idiomatum, die wechselseitige Prädikation menschlicher Eigenschaften vom göttlichen Subjekt und umgekehrt, begründet.

Enhypostasie

14.3.2 Der Beitrag des Johannes von Damaskus zur Bildtheologie. In den drei (ca. 726/730 oder etwas später verfassten) Reden Contra imaginum calumniatores (Gegen die Schmäher der Bilder; Text: PTS 3; Übers.: W. Hradsky, 1994) entwickelte Johannes von Damaskus als einer der ersten eine umfassende Bildtheologie. Im Abbild ist das Urbild Bild von Christus gegenwärtig, beide sind ontologisch aufeinander bezogen, jedoch nicht identisch. Chris­ tus kann als Mensch abgebildet werden. Wegen der Perichorese (s. § 4; 14.3.1) kommt damit aber mehr zum Ausdruck als nur die menschliche Natur: Auch die unsichtbare Gottheit wird im Abbild ausgedrückt und ist in ihm wegen der ontologischen Verbindung mit dem Urbild präsent. Dementsprechend ist das Bild nicht nur eine pädagogische Lernhilfe, sondern soteriologisch wertvoll: Wie das Evangelium auf das Hören soteriologisch zielt, so das Bild auf das Schauen: Ich sah das Bild Gottes in Menschengestalt, und meine wichtig Seele wurde gerettet (1,22). Dies begründet die Verehrung des Bildes, wobei zwischen der προσκύνησις κατὰ λατρείαν (proskynēsis kata latreian/Verehrung als Anbetung) und λατρεία – τιμή der προσκύνησις κατὰ τιμήν (proskynēsis kata timēn/Verehrung als Ehrerbietung) zu unterscheiden ist, nur die letztere gebührt den Bildern, die erste hingegen gebührt nur der Trinität. Gemäß dem im Bilderstreit immer wieder zitierten (trinitätstheologischen) Grundsatz des Basilius von Cäsarea bezieht sich die dem Bild erwiesene Ehre auf das Urbild und ist deswegen keine Idolatrie (Götzendienst).

14.4 Die zweite Phase des Bilderstreites: Die Etablierung der Bilderverehrung ab 787 Die Bilderfrömmigkeit blieb auch nach 754 im Mönchtum und im Kirchenvolk stark genug, um den Nachfolgern Konstantins V. einen behutsamen Kurswechsel nahezulegen. Ihn vollzog Kaiserin Irene, eine energische Regentin, 787 mit dem politisch geschickt vorbereiteten Konzil von Nicäa (als 7. ökumenisches Konzil gewertet, auch Nicäa II genannt). An ihm nahmen die Legaten von Papst Hadrian I. und die Vertreter der orthodoxen Patriarchate Alexandria, Jerusalem und Antiochia teil. Das Ergebnis 14. Der Streit um die Bilderverehrung 726-843

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Irene Nicäa II

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von 754 wurde aufgehoben und der Bilderkult förmlich dogmatisiert (allerdings ohne eine christologische Begründung). Die Bilderverehrung sei als τιμητικὴ προσκύνησις (timētikē proskynēsis/ehrerbietige Verehrung) von der ἀληθινὴ λατρεία (alēthinē latreia/der wahrhaften Anbetung) zu unterscheiden (Text/Übers.: DH 600-603; zum Widerspruch der fränkischen Theologen vgl. § 5; 13.3.1). 14.4.1 Erneutes Aufflammen des Ikonoklasmus. Da die bilderfeindlichen Kräfte – zumal im Heer – großen Einfluss behielten, kam es 815 unter Kaiser Leon V. zu einer abermaligen Wende durch Erneuerung des Bilderverbots von 754. Maßgeblich wirkte dabei in den Unruhen das geschichtstheologische Argument der Ikonoklasten, dass das Reich unter den Kaisern Leon III. und Konstantin V. gesichert gewesen sei, weil sie den Götzendienst beseitigt hätten.

Theodor Studites

Fest der Orthodoxie

14.4.2 Widerstand und Sieg der Ikonodulen. Die Opposition der Befürworter der Bilderverehrung war heftig, getragen vom Mönchtum, angeführt von Patriarch Nicephorus, der 815 aus seinem Amt vertrieben wurde, und Theodor Studites (759-826; vgl. § 6; 5.3.2). Letzterer hat die Unabhängigkeit der Kirche vom Kaiser nachdrücklich verlangt und in seinen Ἀντιρρητικοί (Gegenreden [scil. gegen die Ikonoklasten]; Text MG 99,328426) die christologische Begründung der Bilderverehrung ausgearbeitet: Die Inkarnation legitimiert nicht nur die Bilder, sondern macht sie notwendig, weil die Christusikone den gegenwärtigen Erlöser darstellt. Wäre Christus – als mit der Gottheit geeinter und erlöster Mensch – nicht darstellbar, würde sein Menschsein geleugnet, es würde sich also um Miaphysitismus handeln. Die Bilderverehrung erschien so als konsequente Folge des Chalcedonense. Patriarch Nicephorus betonte insbesondere die Schau des Bildes, die wegen ihrer unmittelbaren Wirkung sogar dem Hören auf das Evangelium überlegen sei. Ein innenpolitischer Kurswechsel führte dazu, dass Kaiserin Theodora 843 die Beschlüsse von 815 aufhob und das Dogma von 787 restituierte, das nun definitiv gültig blieb. Seitdem feiert die Orthodoxie diesen Akt im jährlichen Fest der Orthodoxie (bezeichnend für die grundlegende Bedeutung der Bilderverehrung für die orthodoxe Kirche). 14.5 Literatur Lektüretipp: H. Ohme: Ikonen, historische Kritik und Tradition. Das VII. ökumenische Konzil (787) und die kirchliche Überlieferung, ZKG 110 (1999) 1-24. Quellen: E. Lamberz/J.B. Uphus: Concilium Constantinopolitanum III, in: G. Alberigo (Hg.): Conciliorum Oecumenicorum generaliumque Decreta, 2006, 189-202. – T. Krannich/C. Schubert/C. Sode (Hg.): Die ikonoklastische Synode von Hiereia 754, 2002. – H.-J. Geischer (Hg.): Der byzantinische Bilderstreit, 1968. Literatur: G. Dagron: Das byzantinische Christentum vom 7. bis in die Mitte des 11. Jh.s, GCh 4, 1994, 97-175. – S. Gero: Byzantine Iconoclasm during the Reign of Leo III., 1973. – Ders.: Byzantine Iconoclasm during the Reign of Constantine V., 1977. – D.J. Sahas: Icon and Logos. Sources in Eigth-Century Iconoclasm, 1986. – D. Stein: Der Beginn des byzantinischen Bilderstreites und seine Entwicklung bis in die 40er Jahre des 8. Jh.s, 1980. – I. Rochow: Byzanz im 8. Jahrhundert in der Sicht des Theophanes, 1991. – R.-J. Lilie: Byzanz unter Eirene und Konstantin VI. (780-802), 1996. – C. Schönborn: Die Christus-Ikone, 1984. – E. Lamberz: Die Bischofslisten des VII. Ökumenischen Konzils (Nicaenum II), 2004. – H.G. Thümmel: Bilderlehre und Bilderstreit, 1991. – Ders.: Die Frühgeschichte der ostkirchlichen Bilderlehre, 1992. – Ders.: Die Konzilien zur Bilderfrage im 8. und 9. Jahrhundert. Das 7. Ökumenische Konzil von Nikaia 787, 2005. – J.B. Uphus: Der Horos des Zweiten Konzils von Nizäa 787, 2004. 358

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15. Die Kirchen des christlichen Orients Langfristig hat das Chalcedonense die Kircheneinheit des Ostens zerstört. Der Widerstand gegen die Religionspolitik der byzantinischen Kaiser in Verbindung mit wachsenden kulturellen Gegensätzen führte zur Ausbildung eigener kirchlicher Identitäten, in denen das Griechische durch die verschiedenen Regionalsprachen verdrängt wurde. Dabei herrschte die miaphysitische Prägung vor, so besonders bei den Westsyrern, Armeniern und Kopten. Im Perserreich fand hingegen die antiochenische Theologie in der ostsyrischen Kirche Anklang. Die Eroberung weiter Gebiete durch die Araber ab dem 7. Jh. löste diese Kirchen definitiv von der byzantinischen Reichskirche. Die Beschäftigung mit dem Christlichen Orient ist nicht nur konfessionskundlich wichtig, sondern auch für das Verhältnis zwischen Islam und Christentum von zentraler Bedeutung. Sie steht allerdings vor dem Problem erheblicher sprachlicher Anforderungen. Trotzdem bleibt unverständlich, dass dieses wichtige Forschungsfeld in den letzten Jahren aus der deutschen Wissenschaftslandschaft und der evangelischen Theologie weitgehend verschwunden ist.

miaphysitische Kirchen in Westsyrien, Armenien und Ägypten

15.1 Die ostsyrisch-persische Kirche (sog. Nestorianer) Die assyrisch-aramäische Christenheit in Mesopotamien entwickelte im 4./5. Jh. eine besondere Blüte. Dabei war bestimmend, dass ein Teil sich im Römischen Reich mit Edessa als Zentrum befand, während sich der andere im Sassanidenreich mit Nisibis und Seleukia-Ktesiphon als Zentrum entwickelte. Die hier entstehende Kirche orientierte sich weitgehend an der antiochenischen Theologie (definitive Festlegung 486) und blieb als geduldete, manchmal verfolgte Minderheit auch unter der ab 633 errichteten Araberherrschaft bestehen. 15.1.1 Spaltung der Syrer. Heftige Konflikte zwischen den christologischen Richtungen in Edessa führten dazu, dass Narses (Narsai; ca. 399-502?) seine dort befindliche Schule nach dem Tod des Ibas 457 nach Nisibis verlegen musste, wo Bischof bar Sauma (Barsumas; gest. ca. 495) die Kirche an der antiochenischen Tradition ausrichtete. Seitdem entwickelten sich die beiden Teile kirchlich und theologisch auseinander: In Westsyrien wurden die Miaphysiten dominant (vgl. § 4; 15.3), in Ostsyrien die Antiochener (von ihren Gegnern als Nestorianer verunglimpft). 15.1.2 Bildung einer eigenen Kirche. 410 und 424 hatten Synoden in der persischen Hauptstadt Seleukia-Ktesiphon die »Apostolische Kirche des Ostens« mit sechs Kirchenprovinzen unter der Oberleitung eines eigenen (von Antiochia unabhängigen) Katholikos (d.h. leitenden Gesamtbischofs) in Seleukia-Ktesiphon konsolidiert. Dort legte 486 eine Synode die persische Kirche auf eine strikte Zwei-Naturen-Lehre fest, die sich an Diodor und Theodor von Mopsuestia orientierte. Die Araberherrschaft seit 633 führte zu gewissen Einschränkungen, doch bis zum 9. Jh. waren die christlichen Schulen in Nisibis, Seleukia, Bet Lapat und Merw die führenden Bildungsinstitutionen, die – durch 15. Die Kirchen des christlichen Orients

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Nisibis

Kirche des Ostens

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Wissenstransfer an die Araber

Stele von Xian

syrische Übersetzungen – den Arabern die spätantiken Wissenschaften (v.a. Philosophie, Mathematik, Medizin) vermittelten. 15.1.3 Mission. Auf den Handelswegen der syrischen Kaufleute gelangte die ostsyrische Prägung des Christentums durch die Mission v.a. von Mönchen bis nach Indien und China. Stützpunkt wurde das Bistum Merw. Seit dem 7. Jh. gab es auch in China einige »nestorianische« Gemeinden (berühmtestes Zeugnis ist die Stele von Xian), die jedoch im 11./12. Jh. weitgehend untergingen. Im südlichen Indien gab es schon seit dem 3./4. Jh. christliche Gemeinden, die von der persischen Mission gestärkt wurden und auch organisatorisch mit ihr verbunden waren (seit ca. 700 mit eigenem Metropoliten; im 13. Jh. weitgehend untergegangen).

15.2 Die armenische Kirche In Armenien, einem mehr oder weniger selbständigen Königreich nördlich von Persien, das kulturell eng mit demjenigen Teil Armeniens zusammengehörte, der als Kleinarmenien zum Römischen Reich gehörte, entwickelte sich in Abwehr der byzantinischen Politik eine miaphysitische Kirche (definitiv festgelegt 552).

Etschmiazin Mesrop

Henotikon

15.2.1 Entstehung der armenischen Kirche. Infolge der Mission von Kappadokien her unter Gregor dem Erleuchter um 300 (s. § 2; 2.3; 2.5) bestand zunächst eine enge Verbindung mit der kappadokischen Kirche. Nach der Aufteilung zwischen Rom und dem Perserreich verselbständigte sich die Kirche im persischen Teil (mit Zentrum in Etschmiazin). Unter dem Katholikos Sahak (390-439) entwickelte sich eine armenische Literatur, nachdem Mönch Mesrop (gest. 441) ein eigenes Alphabet entwickelt hatte. Der Katholikos und die den Grundbesitz kontrollierenden Bischöfe wurden nach dem Ende des Königshauses 428 zu den eigentlichen Repräsentanten der Armenier. 641 eroberten die Araber auch diesen Teil des Perserreiches (im 10./11. Jh. kam es vorübergehend zu politischer Autonomie, die für die Identität wichtig wurde). Durch Auswanderung bildete sich ein zweiter Schwerpunkt der armenischen Kirche in Kilikien. 15.2.2 Theologische Orientierung. Die armenische Kirche blieb an den Vorgängen von 431/433 und 451 unbeteiligt, nahm aber 491 das Henotikon an, um sich von den im Perserreich dominanten Ostsyrern abzuheben. Den Neuchalkedonismus lehnte man im frühen 6. Jh. zunehmend ab. Die Synode von Dwin 552 verwarf definitiv das Chalcedonense. Bestimmend wurde nun eine Orientierung an der aphthartodoketischen Form des Miaphysitismus (s. § 4; 12.2.1). Dies bekräftige eine Synode in Dwin ca. 645/649, nachdem die Byzantiner die Perser militärisch besiegt hatten. Die Synode von Manaskert 726 brachte eine dogmatische Verständigung mit der syrisch-jakobitischen Kirche, doch war die damit begründete Union durch liturgische Differenzen belastet und endete im 13. Jh. 15.2.3 Die georgische Kirche. Die seit dem 4. Jh. bestehende Kirche in Georgien (politisch meist zweigeteilt: Lasika und Iberia) formte sich zunächst unter armenischem und syrischem Einfluss. Die armenische Hinwendung zum Henotikon wurde 491/506 übernommen, doch schloss sich die georgische Kirche im 6. Jh. dem Neuchalkedonismus an (definitiv 610), blieb allerdings nach 680 selbständig (autokephal) mit eigenem Katholikos. Auch unter der Herrschaft der Araber (ab dem 7. Jh.) und der Mongolen (ab dem 13. Jh.) hielt sich die kirchliche Organisation und wurde zur wichtigsten Stütze der eigenen Identität. 360

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15.3 Die westsyrische Kirche (sog. Jakobiten) Nach der Trennung zwischen dem ostsyrischen und dem westsyrischen Teil kam es in letzterem mit Zentrum in Antiochia zu heftigen Auseinandersetzungen, weil sich hier vor allem viele Mönche an miaphysitischen Theologen wie Philoxenus von Mabbug und Severus von Antiochia orientierten. Durch die Unterdrückung unter Justin/Justinian nach 519 entstand hieraus eine Untergrundkirche, die seit 543 durch Jakob Baradaios organisiert wurde (daher »Jakobiten«). 15.3.1 Der Streit um Antiochia und das Wirken des Jakob Baradaios. Schon im 4. Jh. war der Bischofsstuhl von Antiochia heftig umstritten. Er kam auch im Christologischen Streit nicht zur Ruhe. Nach den Konflikten um Petrus Fullo nach 471 (s. § 4; 11.1.3) standen sich Miaphysiten und Melkiten (d.h. Königstreue) unversöhnlich gegenüber. Die Opposition gegen das Chalcedonense verband sich mit dem politischen Widerstand gegen eine Bevormundung durch Konstantinopel und war zudem kulturell bedingt. Nach der Absetzung des Severus beherrschten Melkiten das Patriarchat. Miaphysitische Neigungen verbreiteten sich aber im Mönchtum und zum Teil in den Gemeinden. Als der miaphysitische Araberfürst Harit von Ghassan ca. 542/543 bei Kaiserin Theodora für sein Gebiet um Bischöfe nachsuchte, ließ diese zwei Miaphysiten weihen: Theodor für Arabien (d.h. Transjordanien und die syrische Wüste mit Sitz in Bostra) und Jakob Baradaios (syr. Burd’ana, d.h. der Filzene – wegen seines Asketenkleides) für Syrien mit Sitz in Edessa. Bis zu seinem Tod 578 durchzog Jakob Syrien, Kleinasien, Palästina und Ägypten, ordinierte ca. 30 Bischöfe und zahllose Presbyter und Diakone, organisierte die Gemeinden als Untergrundkirche (besonders in Syrien) und setzte für Antiochia sogar einen Gegenpatriarchen ein, der ebenso wie seine Nachfolger nur im Geheimen von Klöstern aus wirken konnte. 15.3.2 Blüte unter der Araberherrschaft. Nach der Eroberung Syriens durch die Araber seit 636/639 wurden die Jakobiten wie die anderen christlichen Kirchen geduldet und konnten daher ihre Kirche stärker entfalten und Kontakte zu den anderen miaphysitischen Kirchen in Armenien und Ägypten aufbauen. Missionsbemühungen erstreckten sich auf die arabische Halbinsel und traten hier in Konkurrenz zu den Aktivitäten der Ostsyrer. Bedeutendster Theologe war Jakob von Edessa (633-708). Die Blüte dauerte bis zum 12./13. Jh., gestört durch Spaltungen, die 1292-1495 zu einem Schisma führten. Antiochia, Edessa und andere große Städte verblieben bei den melkitischen Bischöfen, doch blühten besonders in Nordsyrien die jakobitischen Gemeinden. Im 13. Jh. trat hier der konvertierte Jude Johannes bzw. Gregor, genannt Barhebraeus (1227-1286) hervor, Asket und Oberbischof der östlichen Jakobiten, dessen Aristoteleskenntnis wichtig wurde. Verfolgungen durch muslimische Perser und Türken im 14. Jh. ließen die jakobitischen Gemeinden auf kleine Reste schrumpfen. 15.3.3 Die Maroniten. In Westsyrien entstand ab dem 5. Jh. eine asketische Bewegung, die sich nach dem Kloster des Abtes Maron (gest. ca. 410/420) nannte. Die Anhänger bekannten sich zum Chalcedonense, akzeptierten aber unter Kaiser Heraklius den Monotheletismus (s. § 4; 13.1.2). Ob sie daran auch nach 681 festhielten, ist unklar. Sie bildeten seit ca. 675 ein eigenes Patriarchat (im Gegensatz zu Melkiten und Jakobiten). Vor den Arabern zogen sie sich seit dem 10. Jh. in den Libanon und nach Zypern zurück. Als Chalkedonier kooperierten sie mit den westlichen Kreuzfahrern und gingen 1181 15. Die Kirchen des christlichen Orients

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Barhebraeus

Union mit Rom

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(1445 bestätigt) eine Union mit Rom ein; sie sind bis heute eine der wichtigsten (mit dem Papsttum) unierten Kirchen im Christlichen Orient.

15.4 Die koptische Kirche Das selbstbewusste Patriarchat von Alexandria war im Christologischen Streit erbittert umkämpft, seine Dominanz für die gesamte ägyptische Kirche hielt jedoch an. Die kulturelle und politische Verselbständigung als Abwehr des Einflusses der byzantinischen Kaiser machte Ägypten zur eigentlichen Hochburg der Miaphysiten. Hier blieben die Anhänger des Chalcedonense, die Melkiten, eine kleine Minderheit. Da letztere aber den offiziellen Patriarchen stellten, war die ägyptische Kirche – auch nach der Eroberung durch die Araber – gespalten.

Johannes Philoponos

15.4.1 Der Weg in die Selbständigkeit und die innere Spaltung der Miaphysiten. Ägypten besaß im Römischen Reich schon immer eine Sonderrolle, die sich mit entsprechendem Selbstbewusstsein verband und sich in politischem Widerstand gegen die »Griechen« äußerte. Kulturell entstand mit dem Koptischen seit dem 4. Jh. eine Mischsprache aus ägyptischen Sprachbestandteilen und griechischen Lehnwörtern, die zu einer eigenen, asketischen und hagiographischen Literatur führte (wichtigste Figur: Schenute von Atripe, gest. 465). Die Versuche der byzantinischen Kaiser, in Alexandria chalkedonfreundliche Patriarchen oder gemäßigte Miaphysiten einzusetzen, führten nicht zu einer Befriedung. Geschwächt wurde der miaphysitische Widerstand durch innere Streitigkeiten. Neben den Severianern und den Julianisten (bzw. Aphthartodoketen) gab es weitere Gruppen, so die Akephalen und die Agnoëten. Eine Sonderrolle spielten die als Tritheisten verspotteten Miaphysiten, deren geistiger Kopf Johannes Philoponos war (ca. 490-ca. 570), der als Kritiker der aristotelischen Naturphilosophie eine eigenständige, neuplatonisch geprägte Schöpfungslehre vertrat (in Auseinandersetzung mit Proklos), die bis in die Neuzeit hinein wichtig blieb (Kritik der aristotelischen Konzeption von Materie, Äther und Bewegung, Impetustheorie). Nach den Bemühungen des Jakob Baradaios und dem Aufbau eines antichalkedonischen Episkopats unter dem Patriarchen Petrus seit 575 war es v.a. dessen Nachfolger Damian (578-607), der die Zersplitterung überwand und eine gefestigte Kirchenstruktur errichten konnte. 616 wurde auf einer Synode in Alexandria das zwischen Kopten und Westsyrern 575 eingetretene Schisma beendet. Angesichts der Unterdrückung durch die byzantinischen Kaiser wurden 619 die Perser und 639/642 die Araber als Befreier begrüßt. Unter Patriarch Benjamin (626665) als dem von der Besatzungsmacht anerkannten Repräsentanten der Kopten entwi­ ckelte sich das miaphysitische Kirchenwesen nachhaltig. 15.4.2 Wachsender Konversionsdruck unter der Araberherrschaft. Die Araberherrschaft brachte zunächst die Freiheit von der byzantinischen Religionspolitik und damit ein Aufblühen der miaphysitischen Kirche. Daneben bestand auch die melkitische Kirche fort. Im 8. Jh. verschlechterten sich die Bedingungen, es kam zu Kirchenplünderungen, die Zahl der Bistümer und der Kirchenbauten ging zurück. Zunehmend entwickelte sich der Druck zur Konversion. Den endgültigen Niedergang brachte die Herrschaft der türkischen Mamluken 1250-1517 mit Verfolgungen und Massenübertritten. So entstand auf lange Sicht ein islamisch geprägtes Land, in dem die miaphysitisch geprägten koptischen Christen eine wenn auch bedeutende Minderheit darstellten. 362

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§ 4 Christologie

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15.4.3 Die äthiopische Kirche. Wegen der kirchenrechtlichen Bindung an Alexandria und der Missionsbemühungen der koptischen und jakobitischen Christen entwickelten sich auch die nubische und die äthiopische Kirche als miaphysitisch geprägte. Seit ca. 550 wurden die nubischen Teilreiche von Oberägypten aus geprägt und entfalteten im 7./8. Jh. eine eigene Blüte. Erst ab dem 14. Jh. wurde das Christentum allmählich verdrängt. Die äthiopische Kirche, deren Katholikos bis 1959 vom alexandrinischen Patriarchen ernannt wurde, entwickelte sich besonders im 5./6. Jh. als miaphysitische Kirche mit eigener Kirchenmusik und Liturgie. (Ob dabei die sog. neun Heiligen, syrische Asketen, eine Rolle spielten, ist historisch nicht zu klären.) Von der übrigen Christenheit blieb sie durch den Sperrgürtel der Araberherrschaft jahrhundertelang isoliert.

nubische Kirche

Isolation der äthiopischen Kirche

15.5 Literatur Lektüretipp: C. Lange/K. Pinggéra (Hg.): Die altorientalischen Kirchen. Glaube und Geschichte, 2010, 21-88. Literatur: P. Kawerau: Das Christentum des Ostens, 1972, 34-97. – S.A. Atiya: History of Eastern Christianity, 1968. – W. Baum/D.W. Winkler: Die Apostolische Kirche des Ostens. Geschichte der sogenannten Nestorianer, 2000. – R. Malek (Hg.): Jingjiao. The Church of the East in China and Central Asia, 2006. – L. Xu: Die nestorianische Stele in Xi’an, 2004. – R. Devreesse: Le patriarcat d’Antioche depuis la paix de l’église jusqu’à la conquête arabe, 1945. – W. Hage: Die syrisch-jakobitische Kirche in frühislamischer Zeit, 1966. – G. Troupeau: Kirchen und Christen im muslimischen Orient, GCh 4, 1994, 391-472. – S. Brock/D. Taylor: Die verborgene Perle. Die Syrisch-Orthodoxe Kirche und ihr antikes aramäisches Erbe, 4 Bde., 2001. – W. Klein: Syrische Kirchenväter, 2004. – V.L. Menze: Justinian and the Making of the Syrian Orthodox Church, 2008. – F. Heyer: Die Kirche Armeniens, 1978. – J.-P. Mahé: Die armenische Kirche von 611-1066, GCh 4, 1994, 473-542. – J. Mécérian: Histoire et institutions de l’Église arménienne, 1965. – B. Martin-Hisard: Kirche und Christentum in Georgien, GCh 4, 1994, 543-599. – P. Verghese (Hg.): Koptisches Christentum, 1973. – K. Pinggéra (Hg.): Christentum im Schatten von Pyramiden und Minaretten. Beiträge zur Geschichte und Gegenwart der Koptischen Kirche, 2009. – S.J. Davis: Coptic Christology in Practice, 2008. – A.S. Atiya (Hg.): The Coptic Encyclopedia, 8 Bde., 1991. – S.G. Richter: Studien zur Christianisierung Nubiens, 2002.

 § 9; 1.-2.

15. Die Kirchen des christlichen Orients

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§5

§ 5 Augustin und die Entwicklung der lateinischen Theologie bis zum 9. Jh. Bedeutung des Themas

Die lateinische Theologie ist ein Spätzünder. Für das 2. und 3. Jh. sind nur wenige Denker bekannt, unter denen Tertullian und Cyprian herausragen. Ab der zweiten Hälfte des 4. Jh.s setzte jedoch eine Blüte der lateinischen Theologie ein. Herausragende Theologen wie Hilarius, Ambrosius, Hieronymus und Augustin formulierten ausdifferenzierte theologische Entwürfe und verfassten exegetische Werke. Damit legten sie zugleich die Grundlage für ein eigenes, typisch westlich-lateinisches Profil von Kirche und Theologie, das sich dann im 5.-7. Jh. fortentwickelte und in der Karolingerzeit in einer neuen Blüte kulminierte, die auch für die handschriftliche Überlieferung maßgeblich wurde. Dieser Sachverhalt ist für die Kirchengeschichte insgesamt prägend geworden, weil sich ab dieser Zeit ein westlich-lateinisches Christentum zunehmend von einem östlich-griechischen abhebt (und sich heute in den beiden großen Konfessionstypen der westlichen und östlichen Kirchen wiederfindet). Das Profil der westlich-lateinischen Theologie inhaltlich in Abgrenzung von der griechischen und der syrischen Tradition zu beschreiben, ist allerdings schwierig. Das zeigt schon die Tatsache, dass man in der Vergangenheit sowohl eine besondere Vorliebe für das Individuum behauptet hat als auch eine besondere Vorliebe für Institutionen. Auch die Entwicklung einer Gnadenlehre als solcher kann kaum als lateinisches Proprium begriffen werden. Ambrosius und Hieronymus sind in diesen Hinsichten in vielfacher Weise mit griechischen Autoren ihrer Zeit vergleichbar. Vieles von dem, was im Verdacht steht, ein Spezifikum der westlich-lateinischen Tradition zu sein, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als die sprachliche und inhaltliche Füllung, die Augustin verschiedenen Bereichen der Theologie gegeben hat. Das hängt an der starken Augustinrezeption ab dem 5. Jh., durch die Augus­tins Schriften in der Folgezeit zum maßgeblichen Orientierungspunkt der theologischen Tradition wurden. Mit seinem Denken und Werk vertraut zu sein, ist daher von besonderer Bedeutung. Dabei zeigt sich auch, dass Augus­tin keineswegs nur eine Perspektive auf das Individuum, sondern auch eine Ekklesiologie und eine umfassende Geschichtstheologie entwickelt hat – und zugleich die Bedeutung formaler, äußerer Bedingungen für den Glauben relativiert hat. Von besonderer Bedeutung ist die Ausbildung einer eigenen theologischen Sprachlichkeit und Terminologie. Dabei ist erstaunlich, ein wie breites lateinisches Vokabular bereits Tertullian benutzte. War im 4. Jh. eine massive Transferleistung der griechischen Theologie für viele lateinische Denker prägend, so gewann die lateinische Theologie im frühen 5. Jh. eine 364

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§ 5 Augustin und die Entwicklung der lateinischen Theologie bis zum 9. Jh.

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Selbständigkeit und eigene Produktivität. Es ist daher unangemessen, die lateinische Theologie nur als Nachahmerin der griechischen Theologie einzuschätzen und abzuwerten. Die Eigenständigkeit der westlich-lateinischen Tradition wurde vollends deutlich, als ab dem 5. Jh. der politische Zusammenhang mit dem griechischen Osten erlosch (und in der Justinianzeit im 6. Jh. nur für kurze Zeit wiederhergestellt werden konnte). War das Papsttum noch lange Zeit nicht die zentrale Lenkungsinstanz der westlichen Kirchen, so bildete sich in Gallien und Spanien im 5.-9. Jh. eine eigene theologische Kultur, auf der die mittelalterliche Theologie aufbauen konnte. Durch die starke Orientierung an Augustin wurden wichtige Themen in einer spezifischen Weise in der lateinischen Tradition diskutiert, so etwa die Prädestinations- und Gnadenlehre, die Ekklesiologie, die Zuordnung des Geistes zur Trinität (Filioque) oder die Geschichtstheologie. Zugleich wurden in der Trinitätslehre, der Christologie, der Entstehung der römischen Messe, der Frömmigkeit und Sakramentenvorstellung eigene Akzentsetzungen deutlich.

Wichtige Themen

(Lernkontrolle: Können folgende Fragen beantwortet werden?) • Wann entwickelt sich eine christliche lateinische Literatur? Welche Bedeutung hat die griechische Theologie für die lateinische Theologie? • Gibt es inhaltliche Charakteristika, die ein westlich-lateinisches Profil des Christentums ausmachen? • Welche Gestalt hat die lateinische Bibel? Welchen Beitrag hat Hieronymus dazu geleistet? • Worin liegt die Bedeutung von Ambrosius? • Wie lässt sich Augustins Sünden- und Gnadenlehre zusammenfassen? Worauf stützt er sich? Wie bestimmt er Sünde und Gnade, wie das Verhältnis von Gott und Mensch? Wie stehen Sie selbst dazu? • Worum ging der Pelagianische Streit? Welche Folgen haben die verschiedenen Positionen für die Frage nach Gnade, Willensfreiheit, Prädestination, guten Werken, Verdiensten? • Was unterscheidet Augustin von den anderen Theologen seiner Zeit? Welche Nachwirkung hatte die Rezeption seines Werkes? Inwiefern wurde seine Gnadenlehre bei der Rezeption verändert, abgemildert, zugespitzt? • Welchen Zusammenhang stellt Augustin zwischen Soteriologie und Ekklesiologie her? Welche Bedeutung kommt den Sakramenten als Gnadenmitteln (Taufe, Buße, Eucharistie) zu? § 5 Augustin und die Entwicklung der lateinischen Theologie bis zum 9. Jh.

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• Welche Geschichtssicht hat Augustin entwickelt? Wie wirkt sich das auf das Verständnis der Kirche aus, auf das Verständnis weltlicher Herrschaft? • Was könnten mögliche Gründe für die einzigartige Nachwirkung von Augustins Werk sein? • Welche theologischen Deutungen der Eucharistie wurden im 9. Jh. entwickelt? Welche theologischen Fragen wurden in karolingischer Zeit noch debattiert? Mit welchem Ergebnis? • Wie wurden das Wissen und die Literatur der Antike und der Spät­ antike tradiert? Welche Bedeutung hat dabei die Zeit der Karolinger? Wie wirkt sich das auf das Verhältnis Ost-West aus? Wie wandelt sich das Verhältnis von Philosophie und Theologie im Laufe der Zeit, was bleibt gleich?

Wichtige Ereignisse, Sachverhalte, Personen I. Lateinische Theologie im 4./5. Jh. 339-397

Ambrosius von Mailand: Exegese (Hohelied, Psalmen, Genesis), Neuplatonismus, kappadozische Trinitätslehre, Liturgie und Sakramente

347-ca. 420

Hieronymus: Gelehrter und Asket (in Rom und Bethlehem); Exegese, Bibelrevision (Vulgata)

354-430

Augustin ab 373 Hinwendung zum Manichäismus 385/386 Begegnung mit Ambrosius, Plotinlektüre 386 Bekehrung zum asketischen Leben in Mailand (Ostern 387 Taufe) 391 Presbyter in Hippo Regius 396/397 Bischof in Hippo Regius; Korrektur der Paulusauslegung in Ad Simplicianum (Auslegung von Röm 9) um 400 Confessiones, ca. 399-422/426: De trinitate Auseinandersetzung mit Manichäismus (ab 390) und Donatismus (Schwerpunkt: 400-411) 411-418 Pelagianischer Streit (nach 418: Auseinandersetzung mit Julian) nach 410: De civitate dei

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§ 5 Augustin und die Entwicklung der lateinischen Theologie bis zum 9. Jh.

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II. Augustinrezeption zwischen Spätantike und Frühmittelalter 429-459

Streit um die Gnadenlehre Augustins (Johannes Cassian und Vinzenz von Lerinum; Prosper von Aquitanien als Augustinapologet)

440-461

Leo I.: Briefe und Predigten; Augustinrezeption

ab 500

augustinische Sprachlichkeit bei Fulgentius von Ruspe und Cäsarius von Arles

529

Synode von Arausio/Orange: Verurteilung der Selbständigkeit des Glaubens und Betonung der Gnadengabe des Geistes

590-604

Gregor d. Gr. als augustinisch geprägter Papst (Hiobauslegung, Regula pastoralis)

6./7. Jh.

Wissensvermittlung bei Boethius, Cassiodor, Isidor von Sevilla III. Theologische Diskurse im Karolingerreich

ab 780

karolingische correctio (Alkuin, Theodulf, Einhard)

787-794

Streit um die Bilderverehrung (Libri Carolini, 794 Synode in Frankfurt)

786-799

Streit um den Adoptianismus (Elipandus von Toledo, Felix von Urgel)

808/809

Streit um das Filioque im Nicaeno-Constantinopolitanum (ab dem 7. Jh. in Spanien und Südgallien verbreitet): Franken verteidigen Filioque gegen Byzanz und Rom

ca. 810-ca. 877

Johannes Scotus Eriugena

ca. 844/845

Diskussion um die Abendmahlslehre: Ratramnus (Symbolismus) und Paschasius Radbertus (Realismus)

848-855

Verurteilung der Prädestinationslehre Gottschalcks

§ 5 Augustin und die Entwicklung der lateinischen Theologie bis zum 9. Jh.

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Rhein

Abb. 10 Wichtigste Orte des Zeitalters Augustins

Genfersee

Rhône

Vienna

Mailand

Vercellae

Po

Sav

Aquileja

Cassiciacum

Lyon/Lugdunum

e

Verona

Arausio/ Orange

Ravenna

Arelate

Stridon(?)

Riex/Reji Lerinum Ligurisches Meer

Salona

r Tibe

Marseille/ Massilia

Drau

Adria

Elba

Korsika

Ostia

Rom Nola

Aeclanum

Sardinien

Ty r r h e n i s c h e s Meer

Vivarium

Sizilien

Hippo Regius Mileve

Cirta Madaura

Sitifis Lambaesis

Karthago

Thagaste

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Abthugni Hadrumetum Thapsus Ruspe

Thamugadi Casae Nigrae

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Syrakus

Mittelmeer

150 km

§ 5 Augustin und die Entwicklung der lateinischen Theologie bis zum 9. Jh.

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1. Voraussetzungen für die lateinische Theologie Theologie und Philosophie wurden in Rom bis ins 3. Jh. hinein auf Griechisch betrieben, erst nach und nach bildete sich eine lateinische Begrifflichkeit und Sprachgestalt. Die Rezeption griechischer Kultur, Philosophie und Literatur waren für die Formation der römischen Kultur im 1. Jh. v.Chr. und im 1. Jh. n.Chr. konstitutiv gewesen – Rezeption meint dabei nicht eine unveränderte Übernahme, sondern eine umgestaltende Aneignung, eine kreative Neukonstruktion, die das rezipierte Erbe in eine neue, zeitgemäße Form gießt (Transformation). Das gilt auch für die christliche Theologie, die wesentliche Impulse aus der griechischen Theologie und Philosophie erhielt, dabei jedoch nicht nur äußerlich eine eigene, lateinische Prägung entwi­ ckelte. Rom, Gallien (Lyon) und Nordafrika (Karthago, Augustin in Hippo Regius) waren die entscheidenden Zentren. Der lateinischen Theologie und Kirchlichkeit sagt man traditionellerweise nach, sich einerseits besonders am Glauben und christlichen Leben des Einzelnen zu orientieren, andererseits eine besondere Neigung zur Institutionalisierung zu haben. Beides ließ sich nur zu bequem mit einer bestimmten Sicht auf die römische Kultur verbinden, der man eine pragmatische und auf die institutionelle Ordnung ausgerichtete Mentalität zuschrieb. Die jüngere Forschung hat dieses Bild weitgehend aufgegeben. Zum einen konnte gezeigt werden, dass auch die scheinbar abstrakten Spekulationen (etwa der Trinitätslehre und der Christologie) im Osten durchweg auf die Bibel und die Frömmigkeit bezogen waren und dass (etwa im Streit der Patriarchate oder der Entwicklung des Kirchenrechts) im Osten eine besonders ausgeprägte Institutionalisierung stattgefunden hat. Zum anderen wurde deutlich, dass die theologisch-philosophische Grundlagenarbeit im Westen sehr differenzierte eigene Konzeptionen hervorbrachte und sich nicht in einer Übernahme entsprechender östlicher Konstruktionen erschöpfte (dies gilt etwa für die sog. Geistmetaphysik Augustins oder seinen Zeitbegriff, aber auch seine Trinitätslehre). Es empfiehlt sich daher, nicht vermeintliche mentale Grundannahmen der Römer o.ä. als Voraussetzungen für die Prägung der lateinischen Theologie anzunehmen, sondern den historischen Kontext zu beachten, in dem die lateinische Theologie Gestalt angenommen hat. Durch diesen Kontext sind bestimmte Fragestellungen in den Focus der lateinischen Theologie gelangt und in spezifischer Weise bearbeitet worden, die dann auch die weitere Theologiegeschichte im Westen maßgeblich beeinflusst haben.

Transformation

Prägung durch römische Mentalität

historischer Kontext mit seinen Fragestellungen

1.1 Prägung durch die Debatten im späten 4. und frühen 5. Jh. Die besondere Aufmerksamkeit, die Ethik und Soteriologie, Ekklesiologie und Sakramentenlehre in der lateinischen Theologie gefunden haben, lässt sich nicht als Desinteresse an grundsätzlichen Fragen oder abstrakten Über1. Voraussetzungen für die lateinische Theologie

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Trinitätslehre

Mystik Neuplatonismus

Vulgata Gottesbegriff Ekklesiologie Gnadenlehre

legungen werten. Dies lässt sich gerade an Werken des 4. und frühen 5. Jh.s zeigen: Marius Victorinus entwickelte in seinen vier Büchern Adversus Arium (Gegen Arius) eine komplexe Trinitätslehre, Hilarius legte mit De trinitate (Über die Trinität) eine umfassende trinitätstheologische Erörterung vor, an die Augustin anknüpfte. Auch die Rezeption mystischer Gedankengänge fand in stetiger Auseinandersetzung mit der Philosophie, besonders dem Neuplatonismus statt, so etwa bei Ambrosius, aber auch bei Augustin. Zugleich muss man berücksichtigen, dass die Ausmaße der christlichen lateinischen Literatur um 350 noch eher gering waren. In den folgenden Jahren kam es aber zu einer wahren Explosion, in gewisser Weise kulminierend im umfangreichen Werk Augustins. Die lateinische Theologie ist – im Vergleich mit der griechischen Theologie – ein »Spätzünder«. Innerhalb weniger Jahre arbeiteten sich die später als »lateinische Kirchenlehrer« verehrten Theologen Ambrosius, Augustin und Hieronymus an den entscheidenden Fragen ihrer Zeit so ab, dass ihre Werke die Kirchlichkeit und Frömmigkeit des gesamten Mittelalters intensiv beeinflussten. Dies erklärt, dass die Fragestellungen, die in dieser Zeit virulent waren, das Gepräge der lateinischen Theologie besonders prägten: die Entwicklung einer lateinischen Exegese führte u.a. zur Verbesserung der lateinischen Bibel (Entstehung der Vulgata), die Auseinandersetzung mit dem Manichäismus zur Klärung der grundlegenden Fragen des Gottesbegriffes sowie zu einer Reflexion von Askese und Ethik, die Auseinandersetzung mit dem Donatismus zu einer entwickelten Ekklesiologie und Sakramentenlehre, die Auseinandersetzung mit dem Pelagianismus zu einer vertieften Sünden- und Gnadenlehre.

1.2 Gemeinschaft als Feld theologischer Reflexion

Institutionen

Ekklesiologie

Gemeinschaft mit Gott

In der älteren Forschung hat man die Bedeutung der Rechtsbegriffe für die westliche Theologie hervorgehoben (so schon für Tertullian). Eine grundlegende Bedeutung juridischer Denkformen für die lateinische Theologie lässt sich jedoch nicht zeigen. Auch die These einer besonderen Neigung zur Institutionalisierung lässt sich kaum aufrechterhalten, zumal die jüngere Institutionenforschung das Konzept von »Institutionen« auch auf sehr flexible und nur kurzfristig entstandene Gemeinschaften bezieht. Weiter führt die Beachtung von Gemeinschaft, die in der Tat in der lateinischen Theologie in vieler Hinsicht bedacht wird – sowohl im Verhältnis zwischen Gott und Mensch als auch im Hinblick auf das menschliche Leben. Es ist vielleicht kein Zufall, dass sich mit dem Donatismus im Westen eine Theologie entwickelt hat, die besonders der Frage nachgeht, was die Geistgemeinschaft der Christen und somit die Kirche zerstört. Auch heilsgeschichtliche Überlegungen werden auf die Gemeinschaft der Christen bezogen, so dass die Kirche in besonderer Weise als Fortsetzung Israels bedacht und bei Augustin dann mit Jerusalem, der civitas dei (Gottesstadt), verglichen wird. Die Interpretation des Verhältnisses des Gläubigen zu Gott als Gemeinschaft, die 370

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gestört werden kann, führte zu besonderer Aufmerksamkeit für die Sündenund die Gnadenlehre. Der Diskurs über die im Westen erst spät im 4. Jh. eingeführte Askese schlug sich besonders in der Frage nach der Möglichkeit der Sündlosigkeit nieder und führte zum Konflikt zwischen Augustin und Hieronymus mit Pelagius. Dabei wirkte sich aus, dass bereits vor dem Streit mit Pelagius Augustins konsequente Rückfrage nach dem (paulinischen) Bibeltext zu einer spezifischen Ausprägung der Gnaden- und Prädestinationslehre geführt hatte, die von Gottes Willen her konzipiert war. Doch so sehr sich das für Augustins Theologie beobachten lässt, so wenig lässt sich das für die lateinische Theologie verallgemeinern. Es empfiehlt sich daher, detailliert zu verfolgen, welche Auswirkungen die Beachtung des Gemeinschaftsgedankens bei den einzelnen Theologen gefunden hat. Fragen lässt sich auch, ob gerade die besondere Beachtung des Gemeinschaftsgedankens eine besondere Reflexion über den Einzelnen ausgelöst hat – so dass Fragen wie die nach dem liberum arbitrium (freien Willen) des Einzelnen oder nach der Bedeutung seiner anima (Seele) bzw. mens (Geist) für den Weg zu Gott intensiv reflektiert wurden. Einen »typisch westlichen« Individualismus sollte man hier jedenfalls nicht voraussetzen.

Gnadenlehre

1.3 »Paulusrenaissance« Die Methode einer fortlaufenden Exegese ist im 3. Jh. besonders in der griechischen Theologie entwickelt worden, neben Origenes ist der in Rom wirksame Hippolyt zu nennen. Zu eigener lateinischer Exegese kommt es jedoch erst im 4. Jh., zunächst in Form der kurzen Notizen zur Apk bei Victorinus von Pettau, dann in mehreren Pauluskommentaren. Den Anfang machte in Rom Marius Victorinus (vgl. § 1; 18.3), der in seiner Auslegung besonders die Bedeutung des Glaubens für die christliche Existenz hervorhob. Erhalten sind seine Kommentierungen zu Gal, Eph und Phil. Marius Victorinus hatte, als er noch heidnischer Rhetor war, eine Kommentierung zu Ciceros De inventione verfasst, war also mit den Methoden der klassischen Textkommentierung vertraut. Glaube wird bei ihm verstanden als die richtige Ausrichtung auf Gott, die von einem falschen Vertrauen auf eigene Werke und Möglichkeiten und damit verbundener falscher Selbstsicherheit abhält. Ein in Rom tätiger anonymer Autor, der sog. »Ambrosiaster« (wohl ein konvertierter Heide um 370/380, überliefert unter den Namen des Hilarius und des Ambrosius), verfasste Kommentare zu allen Pauluswerken. Diesen beiden Autoren folgten nach 387 Hieronymus, der nur die Kommentare zu Gal, Eph, Tit und Phlm fertigstellte, dann Pelagius, Augustin und ein weiterer anonymer Kommentator (der sog. Budapester Pauluskommentar). Diese Kommentierungen als typisch westliche »Paulusrenaissance« zu verstehen, ist jedoch problematisch, weil es auch im Osten eine erhebliche, wohl sogar größere Zahl von Pauluskommentierungen gab (Pauluskommentierungen sind bezeugt bzw. erhalten für: Asterius Sophista, Acacius von Cäsarea, 1. Voraussetzungen für die lateinische Theologie

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lateinische Exegese

Marius Victorinus

Ambrosiaster

griechische Pauluskommentierungen

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Euseb von Emesa, Theodor von Heraklea, Eunomius, Didymus, Apollinaris von Laodicea, Diodor von Tarsus, Theodor von Mopsuestia, Johannes Chrysostomus, Severian von Gabala, Kyrill von Alexandria, Theodoret, Gennadius). Die Bedeutung der lateinischen Pauluskommentare liegt darin, dass die Paulusdeutung für Augustins Theologie insgesamt, besonders seine Gnadenlehre, wichtig wurde und dann im Pelagianischen Streit eine besondere Rolle spielte. Dies hat eine Zuspitzung und einen Diskurs nach sich gezogen, der im 5. und 6. Jh. zu weiteren Auseinandersetzungen führte.

1.4 Einfluss östlicher Theologie Hilarius Ambrosius

Plotinbenutzung

Marius Victorinus Übersetzungen

»Mailänder Kreis«?

Gelehrte Theologen wie Ambrosius oder Hilarius waren wichtige Transporteure griechischer Theologie in den Westen, Hilarius hat sich während seines Exils auch im Osten aufgehalten und mit griechischer Theologie vertraut gemacht. Ambrosius hat insbesondere die Werke des Philo, des Origenes und der Kappadozier rezipiert und für die Auslegung des Hld und der Gen benutzt. Zudem hat er Plotin direkt benutzt und zitiert (ob als griechischen Text oder in einer lateinischen Übersetzung, ist unklar). Marius Victorinus hat neben Plotin auch einen griechischen Text benutzt, dessen koptische Fassung in den Nag Hammadi-Codices erhalten ist (den sog. Zostrianus, Nag Hammadi-Codex 8/1; die ältere These, dass es sich bei den von Marius Victorinus benutzten Texten um Texte des Porphyrius handelt, ist nicht aufrechtzuerhalten). Hieronymus und Rufin haben umfangreiche Übersetzungen der Werke des Origenes angefertigt, aus den persönlichen Konflikten dieser beiden Studienfreunde entstanden später ernsthafte Auseinandersetzungen um die Rechtgläubigkeit des Origenes. Rufin und Johannes Cassianus beschäftigten sich auch intensiv mit dem griechischen Mönchtum, Rufin durch die Übersetzung der Basiliusregeln, Johannes Cassianus besonders durch sein Bemühen, die Spiritualität des östlichen Mönchtums nach Gallien zu übertragen. Neben der Rezeption neuplatonischer Gedanken aus den Texten griechischer Theologen benutzten lateinische Theologen aber auch nichtchristliche philosophische Texte direkt (eventuell in lateinischer Übersetzung). Ob es hierfür insbesondere in Mailand ein intellektuelles Mischmilieu gab, das Christentum und Neuplatonismus zueinander in Beziehung setzen wollte (der sog. »Mailänder Kreis«), ist umstritten. Sicher ist, dass es hier (wie auch in Karthago und andernorts) Intellektuellenkreise gegeben hat, in denen Christen und Heiden sich gemeinsam mit philosophischen und theologischen Fragen beschäftigt haben (vgl. § 5; 5.2.2). Dass diese Diskussionen sich jedoch besonders mit griechischen Texten (oder denen griechischer Autoren) beschäftigt hätten, lässt sich nicht zeigen. Die Sprache der christlichen lateinischen Literatur hat einen vielfältigen Hintergrund. Sie nimmt zuerst an der Entwicklung des spätantiken Lateins insgesamt teil, integriert darin einen eigenen Wortschatz, der zum Teil von altlateinischen Bibelübersetzungen und biblischen Bildern abhängig ist, und 372

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wird durch die Rezeption griechischer Literatur und Begrifflichkeit geprägt. Hinzu kommen die gezielten Orientierungen einzelner Autoren (wie Hieronymus) an klassischer Literatur. Dies führt zu einer erheblichen Breite der christlichen Latinität, die sich nicht als Sondersprache einer abgrenzbaren Gruppe verstehen lässt (so die besonders von Chr. Mohrmann angeführte »Schule von Nimwegen«), sondern als funktionale Benutzung vorhandener sprachlicher Möglichkeiten in sehr unterschiedlicher Weise zu beschreiben ist. Es handelt sich insofern nicht um ein besonders abzugrenzendes »christliches Latein«, sondern schlichtweg das Latein der Christen, die in vielfältiger Weise mit Nichtchristen und nichtchristlicher Literatur umgingen.

christl. Latinität Sondersprache

1.5 Literatur Lektüretipp: A. Wlosok: Die Anfänge der christlichen Literatur lateinischer Sprache. Einleitung zu § 466, in: K. Sallmann (Hg.): Die Literatur des Umbruchs (s.u.), 1997, 343-346. – V.H. Drecoll: Marius Victorinus, RAC 24 (2010) 122-147. Literatur: K. Sallmann: Die Literatur des Umbruchs. Von der römischen zur christlichen Literatur 117-284 n.Chr., Handbuch der lateinischen Literatur der Antike 4, 1997. – R. Herzog (Hg.): Restauration und Erneuerung 284-374 n.Chr., Handbuch der lateinischen Literatur der Antike 5, 1989. – C. Kannengiesser: Handbook of Patristic Exegesis, 2006, 589645.989-1297. – B. Lohse: Beobachtungen zum Paulus-Kommentar des Marius Victorinus und zur Wiederentdeckung des Paulus in der lateinischen Theologie des vierten Jahrhunderts, in: A.M. Ritter (Hg.): Kerygma und Logos. FS für C. Andresen, 1979, 351-366. – S.A. Cooper: Marius Victorinus’ Commentary on Galatians, 2005. – M.G. Mara: Agostino interprete di Paolo, 1993 [ebd. 14-17 Aufstellung der griechischen Pauluskommentierungen]. – C. Mohrmann: Études sur le latin des chrétiens, 4 Bde., 1961-1977. – E. Löfstedt: Late Latin, 1959. – J. de Ghellinck: Latin chrétien ou langue latine des chrétiens, Études classiques 8 (1939) 449-478; 12 (1944) 286-296.

2. Ambrosius, Bischof von Mailand: Kirchenpolitiker und Exeget Ein besonders wirkmächtiger Bischof und Theologe war Ambrosius (ca. 333-397), ein kluger Kirchenpolitiker (vgl. § 3; 13.1.2; 13.2.1-13.2.3) und engagierter Seelsorger, brillanter Prediger und fleißiger Exeget, reflektierter Dogmatiker (vgl. § 1; 18.2.2) und wirkungsmächtiger Dichter. Seine Theologie steht zwar wirkungsgeschichtlich im Schatten des in dieser Hinsicht bedeutenderen Augustin, aber sie hat ein beachtliches Profil.

2.1 Kirche als Ort der Wahrheit Ambrosius spielte eine entscheidende Rolle bei der Durchsetzung der nizänischen Trinitätslehre im Westen. Dass seine in De fide (Über den Glauben) vorgetragene Trinitätslehre zum Teil auf Predigten zurückgeht, ist kein Zufall, denn er wirkte auch als Prediger und Katechet (Augustin ließ sich von ihm taufen). Durch bischöfliche Gerichtsbarkeit (vgl. § 3; 11.2) und Armen2. Ambrosius, Bischof von Mailand: Kirchenpolitiker und Exeget

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Predigten

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Liturgie

Hymnen

Provinzstatthalter

stoische Ethik

fürsorge erwarb er sich einen hervorragenden Ruf. Er betonte, dass die Kirche der Ort des Heils sei. Die Herrlichkeit des durch Christus ermöglichten neuen Seins war in der Kirche in geheimnisvoller Weise präsent. Dies führte zu einer besonderen Betonung der Gottesdienste und der Liturgie. Ambrosius nahm hier einige Neuerungen vor und führte nach östlichem Vorbild das antiphonale Psalmodieren (Psalmen, die von zwei Gruppen im Wechsel gesungen werden) ein. Außerdem ließ er auch die Gemeinde singen und dichtete dafür Hymnen (die Verfasserschaft der unter seinem Namen überlieferten Hymnen steht nicht durchweg fest; spätere Zeit hat ihm zu Unrecht viele ambrosianische Gesänge beigelegt, darunter auch das Te Deum/Dich, Gott [scil. loben wir; verarbeitet in EG 191 und EG 331]; die Verfasserschaft des Ambrosius ist durch Augustin gesichert für den Hymnus Veni, redemptor gentium/Komm, Erlöser der Heiden, bei dem die erste Strophe: Intende qui regis Israel/Merke auf, der du Israel leitest, später ausgefallen ist und das in EG 4 »Nun komm, der Heiden Heiland« verarbeitet ist; die später auf Mailand zurückgeführte Liturgie geht ebenfalls nicht auf Ambrosius zurück). 2.1.1 Lebenslauf des Ambrosius. Ambrosius entstammte einer römischen Adelsfamilie, die im Unterschied zu vielen Standesgenossen wohl schon länger christlich war (sein Vater war Prätorianerpräfekt Galliens in Trier, wo Ambrosius 334 oder 339 geboren wurde). Er absolvierte dann das Rhetorikstudium, das vielen den Weg in die Politik ebnete, und war dann am Kaiserhof in Sirmium tätig, bevor er ab 370 Provinzstatthalter der Provinz Liguria-Aemilia mit Sitz in Mailand wurde. Seinen Wechsel auf den Bischofssitz (nach dem Tod des homöischen Vorgängers Auxentius) hat er selbst später als ungewollt stilisiert, ganz unbeteiligt dürfte er jedoch nicht gewesen sein. Der Wechsel ist symptomatisch für eine Umorientierung der Führungskreise des Imperium Romanum: Bischof einer wichtigen Stadt zu sein, wurde zu einem attraktiven Lebensentwurf. Als Bischof baute er Mailand zu einer christlichen Metropole um, u.a. durch neue Baumaßnahmen, so für die neu aufgefundenen Märtyrergebeine des Protasius und Gervasius. Da Mailand Kaiserresidenz war, ergab sich ein gewisser, nicht immer konfliktfreier Kontakt zu den Kaisern, die Ambrosius zu beeinflussen suchte (vgl. dazu § 3; 13.1.2; 13.2.3). Theologisch beschäftigte er sich neben der Trinitätslehre besonders auch mit der Christologie (so in seinem Werk De incarnatione domini/Über die Menschwerdung des Herrn, ca. 382). 2.1.2 Christliche Tugendlehre. Zunächst der Erziehung der Kleriker dienten Predigten, die er nach 386 (oder 391) in drei Büchern De officiis ministrorum (Über die Pflichten der Diener) veröffentlichte – einer Übertragung der stoischen Ethik, wie sie Cicero in De officiis (Über die Pflichten) entwickelt hatte, ins Christliche. Der Inhalt zielte aber nicht nur auf Kleriker, sondern entwickelte eine Pflichten- und Tugendlehre für alle Christen. Im Grunde war es die erste umfassende christliche Ethik, die im Mittelalter fortlebte. 374

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Höchstes Gut ist die beata vita (das selige Leben), die man eigentlich erst im ewigen Leben erreichen kann, zu der aber schon jetzt Erkenntnis Gottes und ein daran ausgerichtetes tugendhaftes Leben hinführen. Aus der stoischen Ethik konnte Ambrosius insbesondere die Relativierung der an der vergänglichen Welt orientierten Affekte übernehmen. In eine ähnliche Richtung weisen seine asketischen Schriften, die die Idee der Jungfräulichkeit im Westen propagierten. Dazu passte, dass Ambrosius selbst in der Nähe von Mailand ein Kloster beaufsichtigte.

Befürwortung der Askese

2.2 Allegorische Exegese und mystische Spiritualität Ambrosius’ Predigten beruhten auf einer gründlichen Beschäftigung mit der Schrift. Er hat sich – abgesehen von dem großen Lukaskommentar von ca. 391 (Übers.: BKV 21) – vor allem mit dem Alten Testament beschäftigt: Gen, Ps und Hld standen im Zentrum seiner Bemühungen. Für die Genesis adaptierte er die Allegorese, wie sie vor ihm besonders Philo und Origenes in Alexandria für ihre Schriftauslegung benutzt hatten. So deutete er die Genesis in einer Reihe von Traktaten und verstand die Patriarchen als bestimmte Typen, an denen sich die christliche Seele auf ihrem Weg zur Gemeinschaft mit Gott orientieren konnte. In De Isaac et anima (Über Isaak und die Seele) beschrieb er diesen Weg besonders als Abkehr von der Welt und Aufstieg zur Einheit mit Gott, wobei er umfangreiche Plotinzitate in seine Darstellung einbaute. Diese mystische Auslegungsweise prägte auch sein Verständnis des Hld, in dem er unter dem Bräutigam Christus verstand, unter der Braut die Seele oder die Kirche. Der Wechsel zwischen individueller und kollektiver Perspektive durchzieht seine Exegesen vielfach (so auch in der berühmten Auslegung von Ps 118LXX).

Genesisdeutung Hohelied­ auslegung

2.3 Sakramentenlehre Ob es berechtigt ist, Ambrosius’ Eucharistieverständnis scharf von dem Augustins zu unterscheiden (Ambrosius hätte demnach ein eher realistisches Verständnis der Eucharistie geboten, Augustin ein eher symbolisches), ist zweifelhaft. Richtig ist, dass Ambrosius den Geheimnischarakter der Eucharistie stark betont hat, so besonders in seiner Erklärung von Taufe und Abendmahl in De mysteriis (Über die Sakramente; wohl um 397). Erstmals im Westen hat er die Vorstellung einer geheimnisvollen Verwandlung der Elemente durch die Worte Christi, die analog zur Schöpfung durch das Wort zu verstehen sei, klar vertreten (De mysteriis 52). In der Schrift De sacramentis (Über die Sakramente) werden auch kurze Passagen aus dem eucharistischen Hochgebet rezipiert, die später in der römischen Messe belegt sind. Daraus kann man jedoch weder schließen, dass De sacramentis unecht ist, noch, dass der römische Messkanon (d.h. das der Austeilung vorangehende, komplex strukturierte Abendmahlsgebet) bereits zu Ambrosius’ Zeiten ent2. Ambrosius, Bischof von Mailand: Kirchenpolitiker und Exeget

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De sacramentis

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wickelt oder gar allgemein verbreitet war. Die Schrift geht auf katechetische Predigten zurück und gibt interessante Einblick in den Katechumenat (und die damit verbundene Erläuterung des Taufbekenntnisses) und die Taufliturgie der damaligen Zeit. 2.4 Literatur Lektüretipp: C. Markschies: Einleitung, in: Ders. (Hg.): Ambrosius von Mailand, De fide [ad Gratianum], FC 47/1, 2005, 9-133 [besonders 9-52]. Literatur: G. Madec: Saint Ambroise et la philosophie, 1974. – C. Markschies: Ambrosius von Mailand und die Trinitätstheologie, 1995. – E. Dassmann: Ambrosius von Mailand. Leben und Werk, 2004. – T. Graumann: Christus interpres, 1994. – J. Schmitz: Einleitung, in: Ders. (Hg.): Ambrosius, De sacramentis. De mysteriis, FC 3, 1990, 7-68. – V.H. Drecoll: Ambrosius als Taufvater Augustins und der ›Mailänder Kreis‹, in: Ders. (Hg.): Augustin Handbuch, 2007, 127-143. – C. Lanéry: Ambroise de Milan hagiographe, 2008.

3. Hieronymus als Schriftgelehrter Hieronymus, ein professoraler Egozentriker mit problematischem Charakter, hat als Kirchenlehrer auf Westeuropa besonders durch seine Bibelkommentare und die Initiierung der sog. Vulgata (d.h. der allgemein verbreiteten [scil. Bibelübersetzung]) gewirkt. Auch seine lateinische Stilistik wirkte vielfach stilbildend. Er unterscheidet sich von Ambrosius und Augustin dadurch, dass er – trotz Priesterweihe – nie ein kirchliches Amt ausgeübt und so immer einen gewissen Abstand zur Kirchenpolitik gehabt hat.

3.1 Rhetor, Philologe, Lehrer der Askese

Freundschaft mit Rufin in Rom

in Bethlehem

Zwischen 340 und 350 (347/8?) in Stridon/Dalmatien geboren, aus begüterter christlicher Familie, erwarb sich Hieronymus in Rom durch den Unterricht bei dem berühmten Donatus (dessen Grammatik, die Ars Donati/ Methode des Donatus, noch im Mittelalter und der frühen Neuzeit das meistbenutzte Lateinbuch war) und durch das anschließende Rhetorikstudium eine exzellente Kenntnis der römischen Klassiker (besonders Ciceros) und sprachliche Virtuosität, die er – etwa in seinen Briefen und Vorworten – exzessiv einsetzte. Nach der Taufe entschied er sich ca. 368 zusammen mit seinem Studienfreund Rufin von Aquileia für das asketische Leben, dem er sich seit 374/375 in der Nähe Antiochias widmete. 379-381 ging er nach Konstantinopel, 382-385 nach Rom, wo er in das nähere Umfeld von Bischof Damasus gehörte (nicht als sein Sekretär, wie es spätere Deutungen annahmen und deswegen Hieronymus als »Kardinal« mit Kardinalshut darstellten). Nach dem Tod des Damasus ging er wenig später nach Palästina und beschäftigte sich in Bethlehem bis zu seinem Tod 420 (oder 419?) in Art eines Privatgelehrten mit seinen Forschungen und der Schriftstellerei (vgl. auch § 6; 6.3). Seine Schriftauslegung war von philologischer Gelehrsamkeit 376

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geprägt, oft aber auch erbaulich. Durch Briefe pflegte er ein weitausgreifendes Netzwerk zu einflussreichen Persönlichkeiten im ganzen Imperium, besonders in Rom. Als Theologe war er weder besonders originell noch hat er produktiv gewirkt. Sein Geltungsdrang kommt u.a. in seiner Schrift De viris illustribus (Über bedeutende Männer) zum Ausdruck, in der er eine Art Ahnengalerie christlicher Literaturgeschichte vorführte, an deren Ende Hieronymus selbst stand. Damit präsentierte er sich als Höhepunkt der lateinischen Literatur.

Netzwerk

De viris illustribus

3.2 Schriftauslegung und erster origenistischer Streit Hieronymus’ exegetische Arbeiten basieren weithin auf den Kommentaren und Homilien des Origenes zu den Psalmen, Propheten und Evangelien, die er teilweise ins Lateinische übersetzte. Auch von Euseb von Emesa, Acacius von Cäsarea und Didymus übernahm er etliches; die Chronik des Euseb von Cäsarea bearbeitete er 380 und dessen Werk über die biblischen Ortsnamen plagiierte er 390 ebenso wie die Schrift eines unbekannten Verfassers über die hebräischen Personennamen 389. Besonders wichtig war ihm eine Kommentarreihe zu sämtlichen Propheten (406-415, unvollständig zu Jeremia), auch sein Matthäuskommentar von 398 wurde im Mittelalter viel benutzt. In seiner Origenesrezeption ist das Bemühen erkennbar, methodisch an Origenes anzuknüpfen und diesen zugleich zu überbieten. Pikant ist das deswegen, weil Hieronymus sich im ersten origenistischen Streit auf die Seite der Antiorigenisten um Epiphanius von Salamis stellte. Dieser hatte 392 den Bruder des Hieronymus, Paulinianus, zum Priester für das Kloster in Bethlehem geweiht – womit er die Zuständigkeit des Johannes von Jerusalem verletzte. Daraufhin kam es zu heftigen Konflikten, in denen Epiphanius versuchte, Johannes zu diskreditieren, indem er ihm vorwarf, die dogmatischen Irrtümer des Origenes zu vertreten. Hieronymus machte sich diese Vorwürfe 396/397 zu eigen. Nachdem 395 Hieronymus bereits die Exilierung gedroht hatte, fand er sich Ostern 397 zu einer Aussöhnung bereit. Der Friede war nicht von langer Dauer, da Rufin von Aquileia (ca. 345-410) ab 397 in Jerusalem seine Bewunderung für Origenes verbreitete. Dies führte zu einem Konflikt mit Hieronymus, der in Contra Rufinum gegen seinen Studienfreund Stellung bezog. Zankapfel war insbesondere Rufins Übersetzung von Origenes’ Hauptwerk De principiis (Prinzipienlehre), in der Rufin bestimmte Stellen, die Ende des 4. Jh.s als häretisch gelten mochten, auch inhaltlich etwas geglättet hatte. Hieronymus legte eine eigene Übersetzung vor, von der nur wenige Fragmente erhalten sind. Das Anliegen des Hieronymus war es, die exegetischen Techniken und Fähigkeiten des Origenes zu nutzen – ohne die Theologie des Origenes übernehmen zu müssen. Origenes galt fortan als theologisch verdächtiger Autor, ein wichtiges Präjudiz für die späteren origenistischen Streitigkeiten. 3. Hieronymus als Schriftgelehrter

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Origenes­ benutzung

Epiphanius von Salamis

Johannes von Jerusalem

Rufin

Übersetzungen von De principiis

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3.3 Bibelrevision: Die sog. Vulgata

hebraica veritas

2 Versionen des Psalter

Hexapl

Streit mit Augustin

Vulgatalesarten

Vetus Latina

383 bat Damasus von Rom Hieronymus, seine exegetischen und stilistischen Fähigkeiten dafür einzusetzen, die in Italien geläufige lateinische Bibelübersetzung zu revidieren. Daraufhin begann Hieronymus mit der Verbesserung der Evangelien und wohl auch der Psalmen auf der Grundlage des griechischen Textes (Psalterium Romanum/Römischer Psalter = Psalmi secundum LXX/Psalmen nach der Septuaginta). Diese Arbeit setzte er 386 in Bethlehem fort, wobei er insbesondere für das AT Origenes’ Hexapla (vgl. § 2; 10.5.2) heranzog. Dabei war ihm klar, dass neben der Septuaginta insbesondere auch der hebräische Urtext, die hebraica veritas (der eigentliche, hebräische Text), heranzuziehen war (besonders dort, wo die Übersetzungen voneinander abwichen). Die hieraus erwachsene neue Überarbeitung der Psalmenübersetzung wurde später besonders in Gallien gebraucht (daher = Psalterium Gallicanum/Gallischer Psalter = Psalmi secundum M[asoreticum] T[extum]/ Psalmen nach dem masoretischen [scil. also dem hebräischen] Text). In heutigen Vulgataausgaben finden sich beide Versionen synoptisch einander gegenübergestellt, die Zählung der Psalmen folgt der Septuaginta. 391-406 arbeitete er an einer eigenen AT-Übersetzung, unter Benutzung des Urtextes. De facto hat er dabei nach wie vor auf die Hexapla zurückgegriffen, weil seine Hebräischkenntnisse (und die entsprechenden semitistischen Kenntnisse für seltenere Wörter) für eine vom griechischen Text wirklich unabhängige Neuübersetzung wohl nicht ausreichten. Über diese Übersetzung entstand zwischen Augustin und Hieronymus eine brieflich ausgetragene Auseinandersetzung, weil Augustin an der Normativität der Septuaginta festhalten wollte (die ja bereits im hellenistischen Judentum vorherrschend geworden und auch im griechischen Bereich die Grundlage der christlich-exegetischen Bemühungen war). Augustin verwies dafür auf den Gebrauch in der Kirche (und die Inspiration der 70) und die Gefahr, von Forschungen abhängig zu sein, die kaum jemand nachvollziehen konnte (im Gegensatz zum griechischen Text, den Augustin gelegentlich selbst konsultierte). Hieronymus hielt dem entgegen, dass der griechische Text eben nur als Übersetzung zu verstehen sei (und die Erzählung von den 70 Übersetzern der Septuaginta eine Legende sei) und vielfach erst der Rückgriff auf den hebräischen Text die eigentliche exegetische Arbeit ermöglichte (dies wurde später von den Reformatoren aufgegriffen, ein Grund für die besondere Wertschätzung des Hieronymus etwa durch Martin Luther). Trotz seiner Kritik benutzte auch Augustin nach 400 zunehmend Vulgatalesarten, besonders dort, wo ihm der Vulgatatext besser zum Kontext und der theologischen Intention des Textes zu passen schien. Ab dem 5. Jh. drang diese Fassung (die wohl teilweise in dem Umfeld des Hieronymus vollendet wurde; dies gilt besonders für die ntl. Briefe und die Apokalypse) in viele lateinische Bibelhandschriften ein und verdrängte zunehmend die Lesarten der altlateinischen Übersetzungen (der sog. Vetus Latina /Alte lateinische [scil. Bibelübersetzung]). Ihre Durchset378

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zung als Vulgata (d.h. allgemein verbreitete [scil. Bibelübersetzung]) erfolgte erst im 9. Jh., als unter Karl dem Großen Musterkodizes für die Bibelhandschriften angefertigt wurden und dabei die Bibelrevision Alkuins auf die durch Hieronymus angestoßene Übersetzungsleistung aufbaute. Der Name Vulgata wurde ab dem 13. Jh. üblich, 1546 erklärte das Konzil von Trient sie zur maßgeblichen Ausgabe. 3.4 Literatur Lektüretipp: A. Fürst: Askese und Wissenschaft in der Spätantike, 2003 [besonders 57-137]. Literatur: M. Testard: Saint Jérôme, 1969. – I. Opelt: Hieronymus’ Streitschriften, 1973. – J.N.D. Kelly: Jerome, 1975. – V. Reichmann: Zur Geschichte der Vulgata. Bibelübersetzungen I.3.3, TRE 6 (1980) 178-181. – E.A. Clark: The Origenist Controversy, 1992. – A. Fürst: Augustins Briefwechsel mit Hieronymus, 1999. – S. Rebenich: Hieronymus und sein Kreis. Prosopographische und sozialgeschichtliche Untersuchungen, 1992. – Ders.: Jerome, 2002. – P. Laurence: Le monachisme féminin antique. Idéal Hiéronymien et réalité historique, 2010. – E. Birnbaum: Hieronymus als Exeget und Theologe. Interdisziplinäre Zugänge zum Koheletkommentar des Hieronymus, 2014.

 § 1; 18.1-18.3

4. Augustins Bedeutung für die Dogmengeschichte Die Bedeutung Augustins für die Dogmengeschichte des Mittelalters, ihr Einfluss auf die Reformation bis hin zu wichtigen Impulsen für die Philosophie und Theologie der Neuzeit ist immens. Grundlage dafür war zum einen die frühe Anerkennung als Autorität, die teilweise zu Augustins Lebzeiten einsetzte (greifbar sodann in der hagiographischen Vita des Possidius von Calama), zum anderen die systematische Verbreitung seiner Werke, die Augustin selbst noch zu beeinflussen versucht hat. So schrieb er als alter Mann mit den Retractationes (»Rückziehern«) ein Buch, in dem er über den Entstehungskontext seiner literarischen Werke Auskunft gab und die Stellen, die ihm später problematisch erschienen, kritisierte und korrigierte. Das Werk ist bis heute die Grundlage der Sichtung von Augustins riesigem literarischem Werk, zu dem mit einem umfangreichen Predigtkorpus und dem größten Briefkorpus der lateinischen Spätantike noch weitere Werkteile hinzukommen. Im Hinblick auf die beiden letzten Korpora haben noch in den letzten Jahrzehnten wichtige Textneufunde (der Epistulae Divjak [Divjak-Briefe], 29 neuen Briefen, die man mit Sternchennummern [z.B. ep. 1*] anführt, und der sermones Dolbeau [Dolbeau-Predigten], 26 Predigten, von denen einige in Auszügen bereits bekannt waren) die Perspektive verändert. Weitere Textfunde sind wegen der komplizierten Überlieferungslage gerade der Predigten nicht auszuschließen (erst kürzlich wurden in Erfurt sechs weitere Augustinpredigten gefunden). Eventuell geht auch der sog. Indiculus (Verzeichnis), eine Art Bestandsverzeichnis augustinischer Werke, auf die Bibliothek Augustins in Hippo Regius zurück. Die Werke Augustins wurden schon früh 4. Augustins Bedeutung für die Dogmengeschichte

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Retractationes

Textneufunde

Indiculus

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in Gallien überliefert, wo es im Zusammenhang des 8. und 9. Jh. zu einem wahren Boom der Produktion von Augustinhandschriften kam, auf die die modernen Editionen zum großen Teil zurückgehen.

4.1 Einflussbereiche augustinischer Theologie Augustins Werk ist so breit, dass sich sein Einfluss nicht auf einzelne Teile der Theologie bezieht, sondern diese in vielfältigster Weise geprägt hat, nicht zuletzt auch sprachlich. Die folgende tabellarische Übersicht mag einen Überblick über einige herausragende Bereiche geben, die wirkungsgeschichtlich von besonderer Bedeutung geworden sind. Werktitel

Datierung

besonders wichtig für

Confessiones / Bekenntnisse

um 400

Schilderung von Bekehrungen, Demutsgestus bei der Schilderung des eigenen Lebens, Psychologie (Lehre von der memoria / Erinnerung, Buch 10), Zeittheorie (Buch 11)

De trinitate / Über die Trinität

ca. 399-424

Trinitätslehre, insbesondere die Darstellung anhand von psychologischen Triaden und die Grundlage des Filioque

De civitate dei / Über die Gottesstadt

411-426

umfassende Apologie und Geschichtstheologie, Fundgrube historischen Wissens, Auseinandersetzung mit dem Platonismus (Bücher 8-10), Teufelsfall (Buch 11), Adam und Eva im Paradies (Buch 14), Eschatologie mit doppeltem Ausgang (Bücher 21-22), Lehre von Obrigkeit, Frieden und gerechtem Krieg (Buch 19)

De doctrina christiana / Über die christliche Lehre und Unterweisung

ca. 399-426

umfassende Hermeneutik und Wissenschaftstheorie (Umgang mit artes liberales), Grundlagen des Schriftverständnisses, Übertragung klassischer Rhetorik auf die Homiletik (Buch 4)

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Antimanichäische Werke (bes. De natura boni / Über die Natur des Guten, Contra Faustum / Gegen Faustus)

zwischen 396 und 410

Grundlegung der Ontologie für den Gottesbegriff, Betonung der heilsgeschichtlichen Kontinuität zwischen AT und NT

Antidonatistische Werke (bes. De baptismo / Über die Taufe)

zwischen 400 und 410

Kirche als corpus permixtum, d.h. Gemeinschaft, in der auch Unheilige sind; Christus als eigentlicher Spender der Sakramente, Amtstheologie

Ad Simplicianum / An Simplician

396/397

Grundlegung der Gnadenlehre auf der Basis von Röm 7 und Röm 9: Gnade als unverdiente Gabe, auch der Anfang des Glaubens kann nicht vom Menschen geleistet werden, Prädestinations- und Erbsündenlehre

Antipelagianische Werke (bes. De peccatorum meritis et remissione / Über die Folgen der Sünden und ihre Vergebung und De spiritu et littera / Über den Geist und den Buchstaben

nach 411

Gnade als innere Erlösung von der Adamssünde und als Verleihung des Heiligen Geistes, der als Liebe im Inneren des Menschen den Glauben bewirkt

4.2 Konfessionelle Prägung der Augustinforschung Der intensive Bezug auf Augustin durch die Reformatoren hat dazu geführt, dass Augustin im 16. Jh. einmal mehr die umkämpfte Autorität wurde, die die verschiedenen Theologen für sich in Anspruch nahmen. Luther und Melanchthon haben die Erneuerung des Theologiebetriebes in Wittenberg unter das Programm »mit Paulus und Augustin gegen die Scholastik« gestellt, Calvin war insbesondere durch Augustin geprägt, in der altgläubigen Theologie wurde Augustin vielfach als Grundlage gegen die Reformatoren angesehen. Dies hat dazu geführt, dass bis weit ins 20. Jh. die Augustinforschung stark von konfessionellen Vorverständnissen abhängig war. Wurde er auf 4. Augustins Bedeutung für die Dogmengeschichte

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evangelischer Seite gerade als Entdecker der Innerlichkeit gefeiert (Harnack), wurde auf katholischer Seite seine Übereinstimmung mit der Lehre der Scholastik herausgestellt (so noch bei Gilson). Erst die Forschung ab den sechziger Jahren hat durch strenge Anwendung philologischer und historischer Methoden und ökumenische Kooperation bei wichtigen Forschungsprojekten diese Konfessionalität entscheidend überwunden. Trotzdem sind in den Perspektiven auf Augustin konfessionelle Vorlieben und Prägungen nach wie vor festzustellen und bei der Sichtung von Literatur kritisch zu berücksichtigen. 4.3 Literatur Lektüretipp: E. Mühlenberg: Augustin, RGG4 1 (1998) 959-967. Quellen: J. Brachtendorf/V.H. Drecoll (Hg.): Augustinus. Opera – Werke, ab 2006 [zweisprachig, bislang 6 Bde.]. Literatur: C.P. Mayer u.a. (Hg.): Augustinus-Lexikon, ab 1986 [erschienen bis vol. 4,3/4: Pelagius, Pelagiani]. – T. Fuhrer: Augustinus, 2004. – V.H. Drecoll (Hg.): Augustin Handbuch, 2007. – S. Lancel, Augustin, 1999 [beste Gesamtbiographie, aber franz.; engl. Übers. 2002].

5. Augustin – Biographie und Theologie

Vandalen in Hippo

Der römische Nordafrikaner Augustin (354-430; der Beiname Aurelius beruht auf einer Verwechslung mit Aurelius von Karthago in bestimmten Namenslisten) lebte in einer Zeit dramatischer Umbrüche. Er hat zunächst eine steile Karriere bis an den Kaiserhof in Mailand hingelegt, sich dann einem asketischen Leben zugewandt und sich schließlich in seiner Heimat in Nordafrika als Bischof der wichtigsten Stadt Numidiens, Hippo Regius, in vielfältige kirchenpolitische Kontexte eingebracht. Zu seiner Lebenszeit eroberten die Westgoten Rom (vgl. § 7; 2.2.1; § 5; 9.1). Er starb, während die Vandalen seine Bischofsstadt Hippo Regius belagerten. In seinem Leben spiegelt sich die Attraktivität des Christentums auf Angehörige der Führungselite Ende des 4. Jh.s ebenso wie der beginnende Zusammenbruch der Westhälfte des Imperium Romanum.

5.1 Bildungsweg und Begeisterung für die Weisheit Quellenlage

Die theologische Reflexion des eigenen Lebensweges (s. § 5; 5.6) wie die Fülle der biographischen und historischen Informationen im Werk Augustins erlauben einen einzigartigen Einblick in die Biographie eines Bischofs und wichtigen Theologen, wie er sonst nur für sehr wenige Personen der Spätantike möglich ist (vergleichbar ist am ehesten Hieronymus). Seine literarischen Schriften stammen allesamt aus der Zeit nach der Bekehrung (s. § 5; 5.2), trotzdem enthalten sie wichtige Informationen über den Lebensweg bis 382

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386. Danach ist ein rasanter sozialer Aufstieg erkennbar, der sich mit einer geistigen Suche nach Wahrheit und dem Sinn des Lebens verband und ihn schließlich an den Kaiserhof in Mailand brachte. 5.1.1 Familie und Ausbildung. Geboren am 13.11.354 in der Landstadt Thagaste in Numidien (heute Souk Aras in Algerien), strebte Augustin aus der provinziellen Enge heraus nach sozialem Aufstieg. Seine Familie war mäßig begütert, sein Vater Patricius, ein Heide, starb früh, weswegen Augustin eine besondere Bindung an seine christliche Mutter Monnica hatte. Dem damaligen Brauch folgend, war Augustin als Katechumene eingetragen und besuchte von Kindheit an Gottesdienste bei den Caecilianern (einer der beiden Parteien im Donatistischen Streit, vgl. § 2; 16.3). Aufgrund einer lebensbedrohlichen Erkrankung wäre er beinahe als Kind getauft worden. Das entscheidende Mittel des sozialen Aufstiegs war die klassische Bildung als Rhetor, mit entsprechend gründlicher Kenntnis der lateinischen Sprache und Literatur. Für sein Studium fand er die Unterstützung durch einen reichen Magnaten, Romanianus. Als junger Student wurde er (um 373) durch die Lektüre von Ciceros Hortensius (einem nur in Fragmenten erhaltenen Dialog Ciceros) grundlegend geprägt: Das Erreichen der vita beata (des seligen, gelingenden Lebens) ist nur möglich durch philosophia, d.h. Liebe zur Weisheit. Auch als Student besuchte er Gottesdienste, empfand jedoch die Bibel zunehmend als sprachlich und inhaltlich abstoßend (später benennt Augustin hierfür insbesondere die anthropomorphen Gottesaussagen). Ab 371 lebte er mit einer namentlich unbekannten Frau in der Rechtsform des Konkubinats zusammen (ein Konkubinat gingen Standesungleiche ein, für die im römischen Recht Ehehindernisse bestanden; es handelt sich um eine rechtlich geregelte, grundsätzlich auflösbare Partnerschaft), der schon wenig später sein – wohl 389/390 verstorbener – Sohn Adeodatus entstammte. Nach dem Studium wurde Augustin als Rhetoriklehrer in Thagaste, dann (ab ca. 376) in Karthago tätig. 5.1.2 Hinwendung zum Manichäismus. Ungefähr 373 wandte sich Augustin dem Manichäismus zu, der in Nordafrika mit dem Anspruch auftrat, das bessere Christentum zu sein (vgl. § 2; 5.5.3). Verschiedene Motive führten zu dieser Neuorientierung: a) Die Manichäer erhoben den Anspruch, eine rationale Welterklärung geben zu können, insbesondere auch eine Antwort auf die Frage unde malum? (Woher stammt das Böse?). Sie verwiesen auf die beiden Grundprinzipien, das Reich des Lichts und das Reich des Bösen, die in einem permanenten Kampf miteinander standen, der in der Welt wie im Menschen stattfand. Der Mensch hat in sich Lichtelemente, die sich nach dem Guten sehnen, den Geist, der gegen das Fleisch, die materielle Bedingung allen Sündigens, streitet (vgl. Gal 5,17). Deswegen ist der Mensch innerlich zerrissen und braucht die Offenbarung durch Christus, um seine eigentliche Zugehörigkeit zu erkennen (vgl. Röm 7). Augustin fand diese sich christlich gebende Deutung überzeugend, zumal er unter Geist etwas Substanzhaftes, im Grunde (feinstofflich) Materielles verstand. b) Die Manichäer traten mit dem Anspruch auf, ein umfassendes Lebenskonzept bieten zu können. Die Askese ihrer electi (Auserwählten) wirkte aufgrund ihrer Entschiedenheit attraktiv und ließ sich aus der Weltdeutung unmittelbar ableiten. Zwar konnte Augustin sich nicht entschließen, ebenfalls als electus zu leben (u.a. auch durch die Bindung an seine Konkubine und seinen Sohn), doch konnte er den Eindruck gewinnen, durch seine Tätigkeit als auditor (Hörer) den Dienst der electi zu ermöglichen (insbesondere durch die Zubereitung der Speisen, die die electi im rituellen Mahl zu sich nahmen, vgl. conf. 4,1) und so zu ihm beizutragen. c) Die Manichäer boten eine umfassende Deutung der Bibel, wobei sie Teile des Alten Testaments allegorisch auf ihre mythologische Weltdeutung bezogen, anderes als judaisierende Verfälschung ganz ablehnten. Das Neue Testament, 5. Augustin – Biographie und Theologie

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Monnica Katechumene

Hortensius

Adeodatus

unde malum?

Askese

auditor Bibeldeutung

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besonders Paulus und die Evangelien, diente ihnen als zentrale Stütze ihrer Lehre, jedenfalls nach Reinigung von judaisierenden Interpolationen (besonders in den Evangelien). Das erlaubte dem jungen Augustin, der sich an den angeblich anthropomorphen Aussagen gestört hatte, einen neuen Zugriff auf die ihm seit langem vertraute Bibel. So wurde aus dem Katechumenen der Caecilianerkirche der Hörer bzw. catechumenus der manichäischen Kirche: Der junge Augustin hatte das Gefühl, jetzt endlich die bessere Form des Christentums gewählt zu haben. Durch die Zugehörigkeit zum Manichäismus fand Augustin zugleich Zugang zu hochgestellten und gebildeten Kreisen in Rom, wohin er um 383 ging, um als Rhetoriklehrer Karriere zu machen. Ob diese Kreise (etwa durch Einfluss auf Symmachus, den Stadtpräfekten von Rom) ihren Anteil daran hatten, dass Augustin um 384 eine neue Stellung als Rhetor am Kaiserhof in Mailand antreten konnte, ist unklar.

5.2 Die Bekehrung 386 Die Bekehrung Augustins bekam durch ihre literarische Gestaltung in den Confessiones (Bekenntnissen; vgl. § 5; 5.6) eine Berühmtheit, die sie zum Prototyp vieler Bekehrungserzählungen werden ließ. Deutlich wird an der Darstellung, dass es sich nicht um einen abrupten Wechsel der Erkenntnis oder grundsätzlichen religiösen Ausrichtung, sondern um einen letzten, bedeutsamen Gewissheitsgewinn handelte. Die zunehmende Distanz zum Manichäismus, die Überwindung skeptizistischer Gedanken durch die Rezeption eines christlich gefärbten Neuplatonismus und eine individuelle Lebenskrise führten Augustin zu einer Änderung des von ihm eingeschlagenen Lebensweges. Anstatt die erfolgreiche Karriere am Kaiserhof durch eine entsprechende Heirat abzusichern, verzichtete er auf Beruf und Ehe und begann ein asketisches Leben, in dem er sich ganz der Kontemplation der Wahrheit widmen wollte. Ostern 387 ließ er sich von Ambrosius taufen.

Faustus

5.2.1 Abkehr vom Manichäismus und Skeptizismus. Seit Anfang der achtziger Jahre wuchs bei Augustin eine innere Distanz zum Manichäismus, dem er äußerlich nach wie vor angehörte. Insbesondere die Begegnung mit dem berühmten Manichäerbischof Faustus desillusionierte ihn. Dem Versprechen, rationale Erklärungen bieten zu können, misstraute Augustin mehr und mehr. In Rom angekommen, beschäftigte sich Augustin erneut mit Cicero und übernahm die Skepsis der jüngeren Akademie. Danach ist eine gewisse Wahrheitserkenntnis als solche dem Menschen gar nicht möglich, die Erkenntnisgegenstände können bestenfalls als probabilia (Wahrscheinliches, d.h. plausible Lösungen) der eigenen Lebensgestaltung zugrundegelegt werden. Auch diese Lösung überzeugte Augustin aber nicht dauerhaft.

5.2.2 Der christliche Neuplatonismus. In den gebildeten Kreisen, in denen Augustin sich in Mailand bewegte, gab es Christen wie Nichtchristen. Christliche Gedanken wurden hier ebenso intensiv diskutiert wie die Erkenntnisse der neuplatonischen Philosophie. Mit Ambrosius begegnete dem jungen Rhetor am Kaiserhof eine imponierende geistige wie politische Autorität, dessen Predigten Augustin anfangs nur aus rhetorischem, dann aber zunehmend mit inhaltlichem Interesse hörte. Ihn beeindruckte besonders 384

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Ambrosius’ Schriftauslegung, die von Gott und der Seele als strikt geistigen Größen ausging und daher den geistigen Gehalt der Schrift besonders herausarbeitete. Dies wirkte auf Augustin befreiend, weil hiermit ein in sich konsistenter Umgang mit der Philosophie ebenso möglich wurde wie mit der Schrift. Im Hinblick auf die Philosophie stützte sich Ambrosius selbst auf Plotin. Zwar ist nicht eindeutig klärbar, was sich unter den von Augus­ tin genannten libri Platonicorum (Büchern der Platoniker) verbarg, doch spricht Augustin an anderer Stelle von Plotinlektüre, die ihn nachhaltig geprägt habe. Neben dem geistigen Charakter Gottes beeindruckte ihn hier insbesondere die Verbindung von Sein und Gut-Sein, von dem aus sich das Böse als Defizienz, als Mangel an Gutem und als ontologisch nichtig verstehen ließ. Von dieser Neuorientierung seines Denkens aus las er erneut Paulus und führte Gespräche mit überzeugten Christen wie dem Presbyter Simplician (der Ambrosius’ Nachfolger werden sollte) und dem kaiserlichen Beamten Pontician. Ein geschlossener »Mailänder-Kreis«, der eine eigenartige Mischung aus Neuplatonismus und Christentum vertreten habe, lässt sich daraus nicht konstruieren. Die Verbindung von Christentum und Neuplatonismus ist jedoch das geistige Milieu gewesen, in dem sich Augustin in Mailand bewegt hat. Der Einfluss seiner Mutter Monnica, die ihm inzwischen hinterhergereist war und den Sohn Adeodatus erzog, kam hinzu. 5.2.3 Die eigentliche Bekehrung. Augustin selbst bezeichnete später als conversio (Bekehrung) nicht die neue inhaltliche Deutung des Christentums, wie er sie von Ambrosius und unter Rezeption neuplatonischer Gedanken vornahm, sondern die Lösung einer Lebenskrise, in die er nach und nach geriet. Der eigene, von der Karriere geprägte Lebensweg schien ihm zunehmend weniger zu der Überzeugung zu passen, dass man sich nicht um die vergänglichen und äußerlichen Dinge, sondern um die Weisheit selbst, die geistige Wirklichkeit, das Verhältnis der Seele zu Gott, kümmern soll. Diesen Widerspruch zwischen Lebensführung und Erkenntnis schilderte Augustin später (in Buch 8 der Confessiones) als Willensschwäche und innere Zerrissenheit, die ihn in eine tiefe Lebens- und Sinnkrise stürzte. An anderer Stelle nennt Augustin zusätzlich eine schwere Erkrankung der Atemwege. Jedenfalls gewann Augustin im August 386 die Klarheit, dass er sein bisheriges Leben radikal ändern müsse und in einem asketischen Leben sich ganz der Liebe zur Weisheit hingeben wolle. In den Confessiones berichtet Augustin, dass ihm diese Klarheit im Garten seines Hauses plötzlich zugekommen sei, als er die Stimme eines Kinderreimes Tolle, lege (Nimm, lies) hörte und nicht anders deuten konnte, als würde Gott ihm selbst befehlen, den Pauluskodex aufzuschlagen und die erstbeste Stelle (es war Röm 13,13f.) auf sich zu beziehen. Sein Freund Alypius, der mit ihm im Garten war, folgte ihm und entschied sich ebenfalls zum asketischen Leben. Noch im Herbst gab Augustin seinen Beruf auf und fing an, sich auf die Taufe vorzubereiten, die er dann zu Ostern 387 empfing. 5. Augustin – Biographie und Theologie

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Gott als Geist

Plotin

»MailänderKreis«?

Erkenntnis und Lebensführung

Tolle, lege

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5.3 Philosophisches Leben in Cassiciacum

Dialoge

Seelenlehre

artes liberales

Augustin zog sich im Herbst 386 auf das Landgut seines (nichtchristlichen) Freundes Verecundus zurück, wo er zusammen mit einem Freundeskreis das Ideal eines auf die Philosophie ausgerichteten Lebens zu realisieren suchte. Neben Alypius waren hier die Augustinschüler Licentius und Trygetius anwesend, vielleicht auch Evodius, daneben einige Angehörige: Augustins Mutter Monnica, sein Sohn Adeodatus und sein älterer Bruder Navigius. Zu weiteren Freunden wie Nebridius hielt Augustin brieflichen Kontakt. Auch wenn die hier entstandenen Schriften in Dialogform literarisch gestaltet sind, ist erkennbar, dass dieser Freundeskreis sich mit der Diskussion philosophischer wie theologischer Fragen und Bibellektüre beschäftigte. In der Schrift De Academicis (Über die Angehörigen der [scil. jüngeren] Akademie) versuchte Augustin die Gewissheit der Wahrheitserkenntnis zu begründen, die sich gerade aus dem Wissen um die eigene Exis­ tenz ergibt (unabhängig von allen Täuschungen der Sinnenwelt, nur aus der Tätigkeit des sich selbst reflektierenden Geistes). In De beata vita (Über das selige Leben) entfaltete er den Bezug der Seligkeit als Haben Gottes, das nur als rechtes Maß durch diesen selbst vermittelt möglich ist. De ordine (Über die Ordnung) verfolgt den Gedanken der der Welt inhärierenden Ordnung als Hinweis auf Gottes Handeln. In den Soliloquia (Selbstgesprächen) überführte er die klassische Form des Dialogs unter Freunden in ein Zwiegespräch der Seele mit ihrer eigenen ratio (Vernunft). Ziel aller Suche ist das Wissen um Gott und die Seele, nur die von Gott gestiftete Erkenntnis ermöglicht dem Menschen die eigentlich ersehnte Ruhe. Die Seelenlehre verfolgte Augustin auch in weiteren Schriften, wobei er anfangs durchaus eine Weltseele annahm, die – parallel zur Individualseele – den Kosmos insgesamt belebt (und sich hierbei als göttliches Handeln erweist, das mit dem Logos bzw. der Weisheit [vgl. 1 Kor 1,24] verbunden werden konnte). Für Augustin stand nun fest, dass der Mensch in der Seele eine dem Körper gegenüber eigenständige Größe besitzt, deren höchste Instanz, die Vernunft, direkten Zugang zur geistigen Wirklichkeit hat und daher Gott am nächsten ist. Für die Bildung der Vernunft plante Augustin eine großangelegte Propädeutik für die artes liberales (die freien Künste), von denen aber nur die Bücher De musica (Über die Musik; Buch 6 nach 400 überarbeitet) und wenige weitere Stücke erhalten sind (vgl. § 5; 11.1). Nach der Taufe blieb Augustin noch einige Zeit in Rom, wo seine Mutter Monnica in Ostia starb. Hier begann Augus­tin bereits damit, sich literarisch mit dem Manichäismus auseinanderzusetzen (so u.a. in seinem Werk De libero arbitrio/Über den freien Willen). Nach seiner Rückkehr setzte er das Ideal des gemeinsamen, von der Philosophie geprägten Lebens zunächst auf den väterlichen Besitzungen in Thagaste fort.

5.4 Presbyter und Bischof

Hippo

Seine literarischen Aktivitäten in Thagaste machten Augustin rasch bekannt, so insbesondere seine frühen, philosophisch begründeten Stellungnahmen gegen den Manichäismus. Daher wählte die Gemeinde der wichtigsten Stadt Numidiens, Hippo Regius (heute Bône/Anaba), ihn zum Presbyter, Anfang 391 wechselte er dorthin und gründete mit bischöflicher Genehmigung eine klosterähnliche Gemeinschaft von Klerikern. Nach und nach wuchs er in die Rolle des Vertreters des Bischofs von Hippo Regius, Valerius, hinein, nach dessen Tod er 396 (oder 397) zum Bischof der Caecilianergemeinde wurde (mit einem donatistischen Gegenüber). Die Bischofsweihe Augustins war nicht unumstritten, insbesondere seine donatistischen Gegner warfen 386

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ihm seine manichäische Vergangenheit vor. Durch antimanichäische Schriften und die Confessiones (Bekenntnisse) begegnete Augustin diesen Vorwürfen und entfaltete seine eigene Theologie. Zugleich versuchte er, durch eine möglichst wörtliche Auslegung der Genesis und des Paulus (vgl. § 5; 6.) den Manichäern die Basis ihrer Theologie zu entziehen. Diese exegetischen Bemühungen waren der Beginn einer jahrzehntelangen intensiven exegetischen Beschäftigung Augustins, der seine Sprache mehr und mehr durch biblische Bilder und Anspielungen anreicherte. Durch eine umfangreiche Korrespondenz und regelmäßige Besuche in Karthago baute sich Augustin rasch ein Netzwerk auf, das er dann auch in den Auseinandersetzungen mit dem Donatismus und (nach 411) dem Pelagianismus zu nutzen wusste. Besonders die Zusammenarbeit mit Aurelius von Karthago, dem Primas der Nachbarprovinz Africa proconsularis, und seinen Freunden Alypius und Evodius sollte sich hier als effizient erweisen. Als Bischof war Augustin zugleich für eine bestimmte Form der zivilrechtlichen Schiedsgerichtsbarkeit zuständig (die sog. audientia episcopalis/Verhandlung vor dem Bischof). Neben diesen Pflichten und umfangreichen administrativen Geschäften fand Augustin Zeit, eine große Zahl theologischer Schriften zu verfassen, die ihn zum geistigen Kopf der nordafrikanischen Kirche seiner Zeit machten.

Genesis und Paulus

Aurelius von Karthago

5.5 Antimanichäische Schriften Noch in Rom hatte Augustin mit einer Widerlegung der Manichäer begonnen, wobei er den Anspruch der Manichäer, eine vorbildliche Askese zu praktizieren, durch Hinweis auf die unsinnige Begründung der Askese und auf ihm bekanntes Fehlverhalten manichäischer electi (Auserwählter) zu entkräften suchte. Seine eigene Begründung der Askese stützte er erstmalig umfassend auf biblische Argumentationsmuster. Dieses Bemühen setzte er nach seiner Rückkehr nach Nordafrika fort, so in der grundlegenden Schrift De vera religione (Über die wahre Religion), mit der er versuchte, seinen Gönner Romanianus von der Unrichtigkeit des Manichäismus zu überzeugen. Er versuchte, im Rückgriff auf neuplatonische Ontologie Gott als das Gute und eigentliche Sein zu erweisen, demgegenüber das Böse als nichtig erscheint. Der menschliche Wille ist entweder vom Guten, d.h. von Gott als höchstem Leben, geprägt oder wendet sich in verkehrter Ausrichtung der Schöpfung zu, die ihm eigentlich untergeordnet sein sollte, dann sündigt er und verfängt sich in einem Zustand der dauerhaften und nicht mehr ohne weiteres abstreifbaren Sündhaftigkeit, aus dem ihn nur Christus befreit. Sünde ist daher nicht wie im Manichäismus auf ein zweites Prinzip zurückzuführen, sondern auf die innere Ausrichtung des vernunftbegabten Menschen. Gegenüber dem Platonismus (und auch dem Manichäismus) hat das Christentum den Vorteil, nicht nur für eine kleine Elite zugänglich zu sein, sondern aufgrund der inneren Kongruenz zwischen Lehre (philosophia) und Frömmigkeit (religio) wirklich breite Massen zu erreichen. Diese Grundlegung seiner Theologie verteidigte Augustin auch in einer öffentlichen Debatte gegen den gebildeten Manichäer Fortunatus, der insbesondere mit Verweis auf Paulus die Berechtigung manichäischer Theologie zu erweisen suchte. Die manichäische Theologie griff er auch in De natura boni (Über die Natur des Guten) und Contra epistulam quam vocant fundamenti (Gegen den sog. Grundlagenbrief) an, zwei der wichtigsten Fundorte für Zitate, die im Duktus Manis manichäische Mythologie darstellen. In De 5. Augustin – Biographie und Theologie

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neuplatonische Ontologie

Sünde

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Gegen Faustus

natura boni rekurrierte Augustin insbesondere auf die notwendigerweise anzunehmende Einheit des höchsten Guts, die die Annahme eines prinzipiell gleichwertigen Gegenprinzips von vornherein ausschloss. Gegen die allegorisch-mythologische Auslegung der Genesis versuchte er in De Genesi adversus Manichaeos (Über die Genesis, gegen die Manichäer) eine wörtliche Auslegung der Schöpfungsgeschichte, wobei er die Gottebenbildlichkeit des Menschen letztlich doch nur allegorisch als Hinweis auf die Vernunft des Menschen zu deuten vermochte. Gegen die Infragestellung der Geltung des alt- wie des neutestamentlichen Kanons (durch die Annahme von judaisierender Verfälschung und Interpolation) durch Faustus schrieb Augustin sein größtes antimanichäisches Werk, 32 Bücher Contra Faustum (Gegen Faustus), eine Fundgrube manichäischer Mythologie und Lebensweise, in der er seinerseits den Anspruch des Faustus, das bessere Christentum zu repräsentieren, angriff und den heilsgeschichtlichen Zusammenhang von Altem und Neuem Testament hervorhob.

5.6 Confessiones (Bekenntnisse)

2 Teile

keine Auto­ biographie

Bekenntnis von Gottes Handeln

Die Confessiones (um 400 entstanden) sind eines der berühmtesten Werke der Weltliteratur geworden und bestehen aus zwei etwa gleich langen Teilen, nämlich a) einer Reflexion des eigenen Lebensweges bis zur Rückkehr nach Nordafrika (in den Büchern 1-9) und b) einer allegorischen Auslegung der Genesis (in den Büchern 10-13), eingeleitet durch eine ausführliche Reflexion dessen, was die memoria (das Gedächtnis bzw. die Erinnerung) leistet (Buch 10), und der Zeit als Beginn aller Schöpfung (Buch 11). Der Zusammenhang dieser beiden Teile ist die entscheidende Problemstellung für die Frage, welche Gattung und innere Zielsetzung das Werk hat. Es als Autobiographie einzustufen, ist nicht nur im Hinblick auf den zweiten Teil wenig plausibel, sondern auch im Hinblick auf den starken Anteil der auf die Gegenwart bezogenen Reflexion im ersten Teil, in dem Augustin deutlich mehr über sein vergangenes Leben verschweigt, als er eigentlich erzählt. Es als reine Darstellung der Anthropologie zu deuten, ist im Hinblick auf die Genesisauslegung auch nicht überzeugend. Die Genesisauslegung wiederum stellt die Frage, wie sich dazu der erste, das eigene Leben reflektierende Teil verhält. Den entscheidenden Schlüssel bietet die Sprachform der Confessiones, in der sich der Autor bekennend an Gott wendet. Augustin ruft sein vergangenes Leben vor Gott auf, bekennt es ihm und lobt so Gottes Handeln im individuellen Leben, im Menschen überhaupt wie in der Welt insgesamt. Die werbende (d.h. protreptische) Befürwortung des von Augustin vertretenen Gottesbegriffes ist das eigentliche Ziel der Confessiones. Das eigene Leben zeigt, wie Gott einen Menschen nach und nach zur Taufe und zur kirchlichen Gemeinschaft führt, nämlich über die Hinführung zur Weisheit, d.h. zu Christus als dem einen Mittler, der den Weg in die eigentliche patria (Heimat), d.h. zur beata vita (zum seligen Leben) ermöglicht, ja durch sein demütiges Verhalten als Inkarnierter selbst vor Augen stellt. Dabei spielt auch das Eingeständnis, in seinem bisherigen Leben erheblichen Irrtümern (besonders dem des Manichäismus) erlegen gewesen zu sein, eine besondere Rolle. Dieses demütige 388

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Eingeständnis, das er in seinen Weg zur Taufe einordnet und zugleich als göttliches Handeln und Überwinden menschlicher Widerstände beschreibt, entwaffnet alle diejenigen, die den aufstrebenden Bischof wegen seiner manichäischen Vergangenheit angriffen. Die Vergangenheit wird offen eingeräumt (natürlich in stilisierter Form, so dass nur wenige handfeste Vergehen stehenbleiben) und so zugleich ausgeräumt. Gottes Handeln im Einzelnen betrifft nicht nur die Konstellation der Lebensumstände, sondern gerade auch das Innere des Menschen, seine Einfälle und Ideen, seine Erinnerung und seinen Platz in der von Gott geschaffenen Welt. Die dahinschwindende Zeit erweist sich dabei als grundlegende Dimension menschlichen Seins, die Gottes Schöpfung von dem trinitarischen Gott unterscheidet. Den Schöpfer anstelle der Schöpfung zu loben, wird so zum eigentlichen Ziel jeden Bekennens. Der Mensch kann das Gute daher nur tun, wenn er sich nicht an der vergänglichen Schöpfung orientiert, sondern in seinem Inneren Gottes umfassendes Handeln vorfindet und beachtet: Nicht nur Erkenntnis des Richtigen, sondern vor allem auch die Kraft, Gottes Willen zu tun, verdankt sich der Mensch nicht selbst. In der prägnanten, an Gott gerichteten Gebetsformel Da quod iubes et iube quod vis (Gib, was du befiehlst, und befiehl, was du willst) drückt sich diese Ergebenheit gegenüber Gottes Handeln aus, die den Widerspruch des Pelagius herausforderte (vgl. § 5; 7.).

Vorwürfe gegen Augustin

Zeit

5.7 Literatur Lektüretipp: V.H. Drecoll: Die Entstehung der Gnadenlehre Augustins, 1999, 275-324. Quellen: K. Flasch/B. Mojsisch (Hg.): Augustin, Confessiones, 1989; ND 2003 [Übers.]. Literatur: V.H. Drecoll/M. Kudella (Hg.): Augustin und der Manichäismus, 2011. – E. Feldmann: Confessiones, Augustinus-Lexikon 1 (1986-1994) 1134-1193. – G. Madec u.a. (Hg.): Sant’Agostino. Confessioni, 5 Bde., 1992-1997 [bester Kommentar zu den Confessiones, aber ital.]. – J.J. O’Donnell: Augustine. Confessions, 3 Bde. [sehr guter, engl. Kommentar zu den Confessiones]. – Ders.: Augustine. Sinner and Saint. A New Biography, 2005. – N. Fischer (Hg.): Die Confessiones des Augustinus von Hippo. Einführung und Interpretationen zu den dreizehn Büchern, 2004. – J. Brachtendorf: Augustins Confessiones, 2005.

6. Augustins Sünden- und Gnadenlehre Augustin wurde im Mittelalter als der doctor gratiae (Lehrer der Gnade) gerühmt. Seine Gnadenlehre bildete einen fortwährenden Diskussionsgegenstand in der lateinischen Theologie und wurde von den Reformatoren hochgeschätzt und als Autoritätenbeweis für die eigene Erlösungsvorstellung angeführt. Grund für diese Tradition ist die innere Konsequenz, mit der Augustin die Frage der gnadenhaften Erlösung durchdacht hat. Mit seiner Zuspitzung des Gnadenbegriffs hat Augustin eine theologiegeschichtliche Innovation eingebracht, die von Anfang an umstritten war. Im Pelagianischen Streit (vgl. § 5; 7.) wurde diese Thema. Eine pointierte Prädestinati6. Augustins Sünden- und Gnadenlehre

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doctor gratiae

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Ad Simplicianum

onslehre und die Erbsündenlehre stellen dann zwei wichtige Folgerungen dieses Ansatzes dar. Augustin selbst hat die entscheidende Zuspitzung seines Denkansatzes erst 396/397 vorgenommen, und zwar in der Schrift Ad Simplicianum (An Simplician, auch De diversis quaestionibus ad Simplicianum/ Über verschiedene Fragen an Simplician genannt). Kontext ist die Auslegung von Röm 7 und Röm 9. Daher ist danach zu fragen, welche Voraussetzungen für Augustins Gnadenlehre vor dieser Schrift bereits im Denken Augustins vorlagen und wie er diese dann anhand der Paulusauslegung zugespitzt und später weiterentwickelt hat.

6.1 Der Gottesbegriff als Voraussetzung

Wirken Gottes

Heilsgeschichte

ontologische Ordnung

liberum arbitrium

Die entscheidende geistige Erkenntnis der Mailänder Jahre besteht in der Entdeckung, dass Gott und die Seele etwas Geistiges sind. Geist meint dabei nicht länger eine feinstoffliche Materialität und Substanzialität, sondern eine eigene Wirklichkeitsweise, die auf die Materie einwirken und in ihr überall präsent sein kann, zugleich aber von ihr unabhängig ist. Im Falle Gottes bedeutet dies, dass Gott zwar auf die Schöpfung einwirkt, zugleich aber in unveränderlicher Ewigkeit über der Welt schwebt. Die Eigenschaft, dass Gott incorruptibilis (nicht ins Verderben zwingbar) ist, verbindet sich bei Augustin mit der Vorstellung, dass Gott das Gute schlechthin ist und entsprechend alles Gute in der Welt nur existiert, weil es von Gott bewirkt wird. Dieses Wirken Gottes ist dabei (im Unterschied zum Sein Gottes) ein dynamisches, das sich – bedingt durch die Zeitlichkeit der Schöpfung – in der Heilsgeschichte nach und nach durchsetzt und erst im Eschaton zu seinem Ziel, der eigentlichen pax (Frieden), kommt. Die Heilsgeschichte ist so als Fortsetzung des Schöpfungshandelns zu verstehen. Das Böse ist in diesem Zusammenhang nur als Störung zu begreifen, als Unordnung und Nichtiges. Es steht von vornherein fest, dass Gottes Handeln sich nach und nach durchsetzt und alles Ungeordnete, Nichtige in eine umfassende Ordnung bringt. In diese grundlegende Ontologie baut Augustin den Menschen ein. Der Mensch hat aufgrund seiner ratio (Vernunft) Zugang zu dem Unvergänglichen, kann daher Einsicht in die Ordnung insgesamt sowie seine Stellung innerhalb dieser Ordnung gewinnen. Dadurch ist es ihm möglich, nicht nur aufgrund von naturgegebener Festlegung (wie unbelebte Objekte oder Tiere) sich der Ordnung gemäß zu verhalten, sondern sich selbst für das richtige, der Ordnung entsprechende Handeln zu entscheiden. Damit ist freilich zugleich die Möglichkeit mitgesetzt, dass er sich gegen die Ordnung entscheidet. Diese Entscheidung für oder gegen die Ordnung ist etwas Willentliches, liberum arbitrium voluntatis (freie Entscheidung des Willens). Liberum arbitrium meint oft einfach die Entscheidungsinstanz (arbiter ist der Schiedsrichter, der so oder so entscheidet), mit der der Mensch die Richtung seines Willens festlegt. Der Wille des Menschen ist als solcher von außen nicht zwingbar und insofern frei, er ist aber sehr wohl beeinflussbar, ja 390

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er ist schon immer beeinflusst. Im Blick auf die gesamte Schöpfung steht also von vornherein fest, dass Gott sein ordnendes Handeln durchsetzen wird. Im Blick auf den einzelnen Menschen steht jedoch nicht von vornherein fest, dass er das liberum arbitrium so benutzt, dass das Leben des Menschen dem ordnenden Schöpfungshandeln Gottes entspricht. Dementsprechend wird als Aufgabe der Gnade erkennbar, den Menschen mit seinem liberum arbitrium in die große Gesamtordnung zu integrieren. Für Augustin steht dabei von vornherein fest, dass der Mensch sich nicht gegen Gottes Handeln durchsetzen kann. Mit diesen Gedankengängen, die sich bereits in den Frühschriften, die die Gnadenlehre so gut wie nicht thematisieren, finden, sind die wesentlichen Eckpunkte des augustinischen Denkens benannt, die in der Gnaden-, Prädestinations- und Sündenlehre bestimmend werden.

6.2 Die Zuspitzung des Gnadenbegriffs In den Frühschriften begegnet der Begriff gratia (Gnade) nur vereinzelt und meint den durch Christus ermöglichten Erlösungszustand, ohne dass genauer reflektiert würde, wie sich hier göttliches und menschliches Handeln zueinander verhalten. In der Paulusauslegung wird gratia dann zunehmend die in dem Einzelnen wirkende Kraft Gottes, die der Mensch sich nicht selbst geben kann und die das Tun des Guten ermöglicht. Erst mit der Zuspitzung der Gnadenlehre 396/397 entwickelt Augustin den Gedanken, dass auch das Wollen des Guten und der Glaube bereits Wirkung der Gnade sind. Später bezeichnete Augustin seine vor 396/397 vertretene Auffassung als error (Fehler). 6.2.1 Gnade als Kontinuität zwischen Erkenntnis, Wollen und Handeln. In der relativ traditionellen frühen Paulusauslegung (genauer: in der Schrift Expositiones quarundam propositionum ex epistula ad Romanos/Auslegung einiger vorgelegter Probleme aus dem Römerbrief, ca. 394/395) unterscheidet Augustin vier Stadien, die der Mensch ebenso durchläuft wie die Menschheit insgesamt: ante legem (vor dem Gesetz) – sub lege (unter dem Gesetz) – sub gratia (unter der Gnade) – in pace (im Frieden). Vor dem Gesetz tut der Mensch unwissentlich Böses und gibt entsprechenden Verlockungen nach, unter dem Gesetz weiß er um die Sündhaftigkeit des Verbotenen und will das Gute tun, vermag es jedoch letztlich nicht, den Verlockungen des Bösen bzw. der concupiscentia (dem Begehren) zu widerstehen. In der Kenntnis des Gesetzes wird ihm so die eigene Sündhaftigkeit bewusst. Erst die Gnade ermöglicht es, das Gute nicht nur zu kennen, sondern es auch so zu wollen, dass es umgesetzt wird. Gnade ist daher eine im Individuum wirksame Kraft Gottes, mit der Gott die Kongruenz von Erkenntnis, Wollen und Handeln herstellt. In dem Zustand unter der Gnade sind dabei die Verlockungen und das Begehren noch vorhanden, sie können jedoch aufgrund der Gnade besiegt werden. Erst im Eschaton erreicht der Mensch den Frieden, ohne in 6. Augustins Sünden- und Gnadenlehre

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Gnade als Kraft

4 Stadien

Gesetz und Gnade

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antimanichäische Ausrichtung

initium fidei

Gottes Wirken im Willen

seinem Erlösungszustand angefochten zu sein. Diese Vier-Stadien-Lehre hat insofern eine antimanichäische Ausrichtung, als sich aus ihr zweierlei ergibt: a) Das Gesetz ist eine gute, pädagogische Heilsmaßnahme Gottes. b) Der Mensch hat ein liberum arbitrium (freien Willen), mit dem er sich zum Guten oder zum Bösen entscheiden kann. 6.2.2 Gnade als direkte Beeinflussung des liberum arbitrium (des freien Willens). In der Schrift Ad Simplicianum (ca. 396/397) rekurriert Augus­ tin bei der Auslegung von Röm 7 zunächst auf die von ihm vorher bereits entwickelte Vier-Stadien-Lehre. Bei der Auslegung von Röm 9 fragt er sich jedoch genauer, wer eigentlich die Gnade bekommt. Hierfür könnte man zunächst auf den Glauben verweisen: Wer glaubt, wird durch die Gnade unterstützt. Dabei steht für Augustin bereits fest, dass der Glaube als lebenslanges Geschehen kontinuierlich von der Gnade unterstützt wird. Fraglich ist jedoch, wie der Mensch zum Glauben kommt, das initium fidei (der Anfang des Glaubens). Es geht also um den ersten Moment einer inneren Zustimmung zu der Tatsache, dass nur die Gnade Christi es einem ermöglicht, das Gute auch zu tun. Dieser Anfang des Glaubens ist sicherlich eine willentliche Entscheidung des Menschen, findet also in seinem liberum arbitrium statt und ist daher als ein menschliches Verhalten zu betrachten. Da Paulus aber sagt, dass der Mensch non ex operibus (nicht aufgrund von Werken) gerecht gemacht, d.h. in den Zustand der Gnade überführt wird, kann auch der Anfang des Glaubens nicht Voraussetzung dafür sein, dass man die Gnade bekommt, sondern muss bereits selbst Wirkung der Gnade sein. In späteren Schriften beschreibt Augustin diesen Sachverhalt immer wieder mit der Gegenüberstellung von non quia (nicht weil [scil. wir glauben, bekommen wir die Gnade]) und sed ut (sondern damit [wir glauben, bekommen wir die Gnade]). Wenn aber einerseits der Anfang des Glaubens im liberum arbitrium als willentliches Geschehen entsteht, andererseits sich nur als Wirkung Gottes verstehen lässt, ist anzunehmen, dass Gott das Wollen des Menschen direkt beeinflusst. Augustin fragt daher, wer es in seiner Macht hat, was ihm einfällt, und ob ihm das gefällt. Wie ein Einfall sich plötzlich im menschlichen Wollen vorfindet und zu einer plötzlichen Willensregung führt, so passiv erlebt der Mensch auch den Anfang des Glaubens, der als unmittelbar von Gott im Inneren des Menschen bewirkt zu verstehen ist. Diese Einwirkung Gottes auf den Menschen hat Augustin später besonders pneumatologisch beschrieben, als direkte Einwirkung des Heiligen Geistes auf die mens (das Innere, den Geist) des Menschen.

6.3 Die Verankerung im Gottesbegriff: Die Prädestinationslehre Römer 9: Jakob und Esau

Die Frage, wer die Gnade erhält, führt zur Frage der Prädestination. Augus­ tin entwickelt die Zuspitzung seiner Gnadenlehre anhand der aus Röm 9 stammenden Frage, warum Jakob geliebt und Esau gehasst wird. Dabei steht 392

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für Augustin von Anfang an fest, dass Gott die Initiative ergreift, um Menschen zu erlösen. Ob dabei Gott aber bei seiner Erwählung auf Unterschiede zwischen den Menschen reagiert (es also im Beispiel einen Unterschied zwischen Jakob und Esau gab), ist eine Frage, die Augustin ab 396/397 anders beantwortet als vorher. 6.3.1 Die Präszienzlösung. Für den konkreten Lebensvollzug des Menschen betonte Augustin schon früh, dass Gott von sich aus die Initiative ergreift und Menschen erlöst, indem er sie beruft und dann mit Gnade so unterstützt, dass sie gut leben können. Die Frage, wen Gott beruft, beantwortete Augustin in der frühen Paulusauslegung mit dem Verweis darauf, dass Gott vorherweiß, wer auf die Berufung wie reagieren und sich im weiteren Leben als würdig erweisen wird. Die prascientia (das Vorherwissen) ist somit die Grundlage für die electio (Erwählung) bzw. praedestinatio (Vorherbestimmung). Das Beispiel von Jakob und Esau lässt sich damit gut erklären: Jakob wird begnadet, weil Gott seinen künftigen Glauben voraussieht, Esau wird nicht begnadet, weil Gott seine schlechten Verhaltensweisen voraussieht. Das Vorherwissen als Grund der Erwählung sichert so auch Gottes Gerechtigkeit. 6.3.2 Die unbedingte Gnadenwahl. In der Exegese von Röm 9 stellte sich Augustin in der Schrift Ad Simplicianum (An Simplician) 396/397 die Frage, ob Gott bei seinem Erwählungshandeln auf merita (Verdienste, Folgen des eigenen Handelns) seitens des Menschen reagiert. Dies schließt er kategorisch aus, da dann die Gnade nicht mehr Gnade, d.h. umsonst gegeben, wäre, sondern Belohnung. Als mögliche merita (Unterscheidungsmerkmale, Verdienste) zieht Augustin Unterschiede in der Natur, aufgrund der Sternenkonstellation oder das künftige Handeln in Betracht, verneint aber, dass zwischen den Menschen naturhafte oder von der Sternenkonstellation festgelegte Unterschiede bestehen, die ausschlaggebend dafür sein könnten, wer erlöst wird und wer nicht (Jakob und Esau weisen als Zwillinge solche Unterschiede ja nicht auf: Sie stammen von denselben Eltern ab und wurden zum selben Zeitpunkt gezeugt bzw. geboren). Auch die künftigen Werke scheiden aus, weil Paulus sagt, dass die Erwählung nicht aufgrund von Werken erfolgt, also auch nicht aufgrund von künftigen Werken, die noch gar nicht getan wurden. Dementsprechend fragt Augustin nun weiter, ob der künftige Glaube ausschlaggebend sein könnte – so wie er das selbst in seiner frühen Paulusauslegung angenommen hatte. Auch das ist zu verwerfen, da dann nicht mehr deutlich wäre, wieso nicht auch die künftigen Werke ausschlaggebend sein könnten, die ja ihrerseits wiederum Wirkung des Glaubens sind. Die Prä­ szienzlösung lehnt Augustin jetzt explizit ab. Das bedeutet: Das menschliche Verhalten kann gar nicht mehr Grund für die Erwählung sein. Eine Auswahl der Guten kann nur erfolgen, wenn Gnade schon gegeben wurde (etwa im Hinblick auf das Gericht), die Gnadenwahl als solche, die darüber bestimmt, 6. Augustins Sünden- und Gnadenlehre

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Berufung

merita

künftige Werke?

künftiger Glaube?

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1 Kor 4,7

Gerechtigkeit Gottes

dass jemand so berufen wird, dass er glaubt, erfolgt absolut grundlos, eben gratis (umsonst). Im Menschen gibt es dafür keinen positiven Anhaltspunkt, weder zum Zeitpunkt des berufenden Handelns, noch als künftiges, von Gott vorausgewusstes Geschehen. Alles, was gut ist – und das gilt gerade auch für das initium fidei (den Anfang des Glaubens) –, ist bereits Wirkung der Gnade. Damit wird konsequent zu Ende gedacht, dass Gott es ist, der alles Gute schafft und bewirkt. Augustin bringt diesen Gedanken mit 1 Kor 4,7 zum Ausdruck: Was hast Du, was Du nicht empfangen hast? Gott setzt sich sozusagen auch im Einzelnen durch, ohne dabei Anknüpfungspunkte im Menschen vorfinden zu müssen. Alles andere würde bedeuten, dass die Frage, wer erlöst wird und wer nicht, letztlich nicht von Gott abhängt, sondern vom Menschen. Die Frage der Gerechtigkeit Gottes wird dadurch in ganzer Schärfe gestellt. Augustin verweist hierfür auf die Erbsündenlehre und verlangt, dass man auch dann an der Annahme, dass Gott gerecht ist, festhalten muss, wenn sich das dem menschlichen Nachdenken nicht erschließt.

6.4 Die Lehre von der Erbsünde Die Vorstellung von einer negativen Wirkung der Adamssünde war weit verbreitet. Augustin hat diesen Gedanken aufgegriffen und schon früh für sein Sündenverständnis fruchtbar zu machen versucht. In der Reflexion der Gnaden- und Prädestinationslehre wurde ihm dieser Gedanke wichtig, weil er die Frage nach der Gerechtigkeit Gottes betrifft. Die Erbsündenlehre wird ebenfalls 396/397 zugespitzt, dann aber im Pelagianischen Streit noch ausgebaut. Sie ist nicht Voraussetzung, sondern Folge des Gnadenbegriffs.

Adams Fall

6.4.1 Unkenntnis und Unvermögen als Folgen der Adamssünde. In seiner Schrift De libero arbitrio (Über den freien Willen) bestimmt Augustin das Übel als schlechte Tat, die auf ein schlechtes Wollen zurückgeht, oder als Strafe (denn auch dann erlebt der Mensch Schlechtes, allerdings gegen seinen Willen). Im Hinblick auf letzteres bedenkt Augustin die Folgen des Adamsfalls in zweifacher Weise und verbindet sie mit der Betrachtung menschlicher Existenz. Als Strafzustand lässt sich besonders verstehen, dass die Menschen ignorantia (Unwissenheit) haben, also den Willen Gottes nicht erkennen, und dass sie der difficultas (der Schwierigkeit, an anderer Stelle auch infirmitas, der Schwäche) unterliegen, d.h. dass sie es nicht vermögen, das Gute umzusetzen (selbst wenn es bekannt ist). Unwissenheit und Schwäche sind Grundgegebenheiten des Menschen – postlapsarisch (d.h. nach dem Fall), damit ist der aktuelle Zustand des Menschen bereits deutlich eingeschränkt, ohne dass man behaupten könnte, er habe kein liberum arbitrium (keinen freien Willen bzw. keine freie Entscheidungsmöglichkeit). In dieser Weise ist in der Vier-Stadien-Lehre der Mensch ante legem (vor dem Gesetz) unwissend, sub lege (unter dem Gesetz) schlicht zu schwach, um das, was er als gut erkannt hat, auch zu tun. 394

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6.4.2 Die Menschheit als massa damnata (die verdammte Masse). Die strikte Zurückführung des Gnadenhandelns auf Gott ruft die Frage auf, wieso dann andere (paradigmatisch: Esau) nicht erwählt, sondern bestraft werden. Die Annahme, dass Gott gerecht ist, macht es notwendig, für jede Strafe auch ein zugrundeliegendes Vergehen anzunehmen. Gott bestraft nur den, der es verdient hat. Hierfür rekurriert Augustin auf den Strafzustand, den Gott über die gesamte Menschheit aufgrund des originale peccatum (Ursprungssünde, d.h. die Sünde, die ganz am Anfang geschah) verhängt hat. Dabei wird eine inklusive Anthropologie wirksam, die die Menschheit in Adam inbegriffen sein lässt. Dieses Inbegriffen-Sein bezieht Augustin auf den körperlich-stofflichen Zusammenhang aller Menschen mit Adam, der durch die Fortpflanzung gegeben ist (Augustin geht dabei latent davon aus, dass im Fortpflanzungsprozess Leib und Seele weitergegeben werden; dies nennt man Traduzianismus [von tradux, der Weitergabe], im Gegensatz zum Präexistentianismus, der Annahme, dass die Seelen vor ihrer Einkörperung exis­tieren, und zum Kreatianismus, der Annahme, dass die Seelen ad hoc bei der jeweiligen leiblichen Zeugung neu geschaffen werden). Alle Menschen sind eigentlich schon in Adam angelegt und sind deshalb von der über Adam verhängten Strafe mitbetroffen. Die Menschheit ist daher als ganze eine massa damnata (eine verdammte, verurteilte Masse) und befindet sich in einem Strafzustand, der weitere Bestrafung nach sich zieht. Dieser Zustand ist nicht ihre Schöpfungsnatur, aber umfassend der gesamten Menschheit zu eigen: quasi secunda natura (gleichsam eine zweite Natur). Nur Gottes gnadenhaftes, d.h. ohne Anhalt im Menschen geschehendes Erlösungshandeln erwählt aus dieser massa damnata diejenigen, die gerettet werden (und denen verleiht Gott dann eben die Gnade so, dass sie anfangen zu glauben). Zwischen Gnade und Verdammung besteht daher ein Ungleichgewicht: Während das Verdammungsurteil alle Menschen betrifft, betrifft die Gnade nur die grundlos Erwählten. Verwerfung ist daher keine eigene Handlung Gottes, sondern ein Belassen unter der gerechten Strafe, während Gnade gerade die aktive Aussetzung der gerechten Strafe ist. Das macht es problematisch, bei Augustin von einer doppelten Prädestination zu sprechen (auch wenn Augustin an wenigen zugespitzten Stellen das Gnadenhandeln der Verwerfung gegenüberstellt).

originale peccatum

Traduzianismus

quasi secunda natura

Verwerfung

6.5 Literatur Lektüretipp: V.H. Drecoll: Gratia: Augustinus-Lexikon 3 (1996-2004) 182-242. Quellen: T.G. Ring (Hg.): Sankt Augustinus, der Lehrer der Gnade. Aurelius Augustinus, Schriften gegen die Pelagianer, Prolegomena 1-3, 1989-1997 [zweisprachig]. Literatur: V.H. Drecoll: Die Entstehung der Gnadenlehre Augustins, 1999, 144-250. – P.L. Fredriksen: Augustine’s Early Interpretation of Paul [unveröffentlichte Diss. aus Princeton], 1979. – D. Marafioti: Il problema dell’ »Initium fidei« in sant’Agostino fino al 397, Augus­ tinianum 21 (1981) 541-565. – K. Flasch: Logik des Schreckens. Augustinus von Hippo, De diversis quaestionibus ad Simplicianum I 2, 2. A. 1995. 6. Augustins Sünden- und Gnadenlehre

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7. Pelagianischer Streit

theologische Strömung

Augustins theologische Innovation und radikale Konsequenz in seiner Gnaden-, Prädestinations- und Erbsündenlehre stieß auf Widerspruch. Pelagius vertrat eine auf die Erziehung des Menschen ausgerichtete Theologie, deren asketische Impulse nicht zu übersehen sind. Er war eine Einzelperson, vertrat aber eine weitgehend traditionelle Theologie. Eine »pelagianische Kirche« (womöglich mit eigener Hierarchie) gab es nie (im Gegensatz zum Donatismus, den Homöern und der manichäischen ecclesia/Kirche). Es war eine theologische Strömung von Einzelpersonen, die als solche von Augustin (und dann auch von Hieronymus) bekämpft wurden. Wie Augustin seine Position auch im nordafrikanischen Episkopat und im Konflikt mit dem Bischof von Rom durchsetzen konnte, ist wichtig, weil sich daran zeigte, welche Teile des augus­ tinischen Denkens positiv aufgenommen wurden und welche eher nicht.

7.1 Pelagius: Asket und Paulusexeget

Rom

Pauluskommentar

Salvianus

Seit ca. 380 wirkte der aus Britannien stammende Pelagius (ca. 350-ca. 418/420), ein gebildeter Theologe (kein Kleriker) und Asket (kein Mönch im strikten Sinne), mit großem Erfolg als Lehrer in Rom. Er propagierte Askese als christliches Lebensideal. Dies verband sich mit einer umfassenden Kirchen- und Sozialkritik. Pelagius’ reiches Schrifttum ging wegen seiner späteren Verurteilung weitgehend verloren, herausragt besonders sein Kommentar zu den Paulusbriefen. 7.1.1 Pelagius’ Schriften. Neben dem umfassenden Pauluskommentar von ca. 406-409 (Text: ed. Souter, 1922-1931; engl. Übers.: T. de Bruyn, 1993) sind ein für die Askese werbender Brief Ad Demetriadem (An Demetrias) sowie einige weitere Briefe erhalten, daneben nur Fragmente (insbesondere aus Augustins Schriften). Hier sind besonders die beiden gnadentheologischen Hauptschriften De natura (Über die Natur) und De libero arbitrio (Über den freien Willen) zu nennen. Weitere Schriften zur Trinität, über das christliche Leben oder das Gesetz sind weitgehend verloren. 7.1.2 Sozialkritische Schriften aus dem Umfeld des Pelagius. Nicht von Pelagius, sondern von Schülern in Sizilien stammt ein sozialkritischer Traktat mit dem Titel De divitiis (Über den Reichtum; ML.Suppl. 1,1380-1418), der allerdings auf Pelagius’ Sozialkritik beruht. Die Schrift enthält eine Kritik an Reichtum und Privilegien der Oberschicht sowie an den Wirtschaftsstrukturen des Imperium Romanum, rekurriert auf die ursprüngliche Gleichheit aller Menschen entsprechend dem von Gott gewollten Schöpfungszustand und entwirft das Ideal einer an Apg 4 orientierten Gütergemeinschaft. Solche Theorien waren vor allem religiös (weniger sozial oder politisch) motiviert, wurden aber auch vereinzelt an anderer Stelle vertreten. So hat ohne direkte Beeinflussung durch Pelagius Salvianus von Marseille (ca. 400-470), vor allem in seinem Hauptwerk De gubernatione Dei (Über die Weltregierung Gottes) von ca. 440/450, die Ansätze bei Gottes Gerechtigkeit und seinem Gericht über die Welt zu einer umfassenden, geschichtstheologischen Sozialkritik ausgebaut (Übers.: BKV II,11). 396

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7.2 Die Gnadenlehre des Pelagius: Die umfassende Heilspädagogik Gottes Gegen ein naturalistisches Sündenverständnis, wie es der Manichäismus vertrat, befürwortete Pelagius den freien Willen als entscheidende Ursache der Sünde. Er griff dazu besonders Gedanken des Origenes auf, die dieser gegen die valentinianische Gnosis entwickelt hatte. Der freie Wille ist eine Schöpfungsgabe, die dem Menschen geschenkt ist, damit er sich an Gottes Willen orientiert und so gut und gerecht lebt. Dass der Mensch diesen freien Willen falsch gebrauchen kann, zeigt sich bereits an Adam. Er hat mehr seinem eigenen Wollen und Wünschen nachgegeben als sich am Gotteswillen orientiert. Durch ihn ist die Sünde faktisch in die Welt gekommen. Er ist eine forma (prägende Gestalt), ein exemplum (Vorbild), eine Art Prototyp des Menschen, der immer wieder der Sünde unterliegt. Ihm folgen die allermeisten Menschen nach, nur wenige Gerechte (die Gerechten des Alten Testaments wie Abel oder Hiob) vermögen es, sich diesem Sog zu entziehen. Gott lässt den Menschen jedoch nicht allein, sondern wirkt kontinuierlich auf ihn ein, um ihn zu erziehen. Er zeigt ihm das Gute und stellt es ihm einladend vor Augen. Eine der wichtigsten Maßnahmen ist die Verleihung des Gesetzes an Israel, durch das der Wille Gottes noch einmal manifest wurde. Weil sich das Gesetz als zu schwach erwies, um die Menschen umfassend zu einem guten Leben zu führen, ist Gott selbst erschienen. Die Inkarnation wird damit zum zentralen Datum der gesamten Heilsgeschichte. Die Demut, die Gott unter Beweis gestellt hat, indem er selbst Mensch geworden ist, ist ein mächtiger Antitypus zu Adam. In ihm wird das gerechte und heilige Leben sichtbar und greifbar. Als exemplum iustitiae (Vorbild an Gerechtigkeit) ist er nicht nur eine interessante Möglichkeit, der Menschen nachfolgen können, sondern wirkt attraktiv, anziehend und überzeugend. Menschen werden so von der Orientierung am Vorbild Adams abgebracht und zu Chris­ tus und damit zu Gott hingebracht. Dieser Wechsel ist in erster Linie einer der inneren Einstellung, der Mensch wird sola fide (nur durch den Glauben) gerecht. Zeichenhaft kommt der Wechsel in der Taufe zum Ausdruck, die den Menschen in die Kirche als den Leib Christi eingliedert. In der Gemeinschaft der Gläubigen beginnt der Mensch ein Leben der Heiligung, in dem er sich immer stärker an Gottes Willen orientiert, ermuntert und unterstützt durch die Predigt des Evangeliums (in der Christus vor Augen gestellt wird), die Sakramente und die gegenseitige Ermahnung und Zurechtweisung (die Askese wird so verständlich als der Versuch, das Ideal eines ganz an Chris­ tus orientierten Lebens umzusetzen). In der Kirche wird Christus als die entscheidende Weichenstellung konkret erfahrbar. Zugrunde liegt eine Anthropologie, die die Selbständigkeit des menschlichen Wollens hervorhebt, zugleich aber eine umfassende Beeinflussung des Menschen durch das heilsgeschichtliche Handeln Gottes annimmt. Gnade ist für Pelagius also umfassend erfahrbar: Schon der freie Wille, unverlierbar mit der menschlichen 7. Pelagianischer Streit

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freier Wille

exemplum

Gesetz Inkarnation

Adam – Christus

Askese Kirche

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Pädagogik Gottes

Natur gegeben, ist Gnade, weil er das gerechte Tun an sich ermöglicht. Das Gesetz, das Vorbild Christi, die konkret erfahrbare Besserung der Heiligung im kirchlichen Leben setzen diese Gnade in Kraft und erleichtern das gute Verhalten. Das Gesetz und das Vorbild Christi wirken nicht nur als Information oder Erkenntnisvermittlung, sondern entwickeln eine eigene Attraktivität, einen eigenen Sog. Heilsgeschichte wird so als umfassende Pädagogik Gottes erkennbar, durch die die Menschen zu einem gerechten Leben geführt werden. Voraussetzung ist dabei allerdings immer, dass die Menschen sich dem Gnadenhandeln Gottes nicht entziehen oder widersetzen.

7.3 Der Streit um die Kindertaufe und die Erbsünde 411-414

Kindertaufe

Adam – Christus

Der Pelagianische Streit begann als Auseinandersetzung um den Pelagiusschüler Caelestius, der 410 nach Karthago kam und hier versuchte, in den Klerus aufgenommen zu werden. Er verstand den Tod nicht als Strafe für die Adamssünde und deutete die Kindertaufe nicht als Befreiung von ewiger Verdammnis, sondern als Geistverleihung, die den Zugang zum Himmelreich ermöglicht. Die ungetauften Kinder, die vorzeitig sterben, würden – so die Vorstellung – an einen dritten, gleichsam neutralen Ort zwischen Himmel und Hölle gelangen. Die durch Caelestius ausgelösten Diskussionen führten zu einer Synode in Karthago im Jahr 411, an der Augustin unbeteiligt war. Caelestius wurde abgewiesen, sechs Spitzensätze, die aus seiner Theologie abgeleitet wurden, wurden verurteilt. Damit war ein erstes Präjudiz geschaffen: Wer behauptet, dass die neugeborenen Kinder in einem straflosen, neutralen Zustand auf die Welt kommen, Adams Sünde also keine unmittelbaren, unausweichlichen Folgen für die Menschheit hat, gilt als Häretiker. Caelestius ging bald aus Karthago weg, wo die Diskussionen jedoch anhielten. Die Frage der parvuli (der neugeborenen Kinder) wurde dabei zu einer Art Testfall, an dem sich eine Sünden- und Tauflehre bewähren muss­ te. Die Vorstellung, dass auch die neugeborenen Kinder bereits unter einem Verdammungsurteil stehen, stieß dabei auf schwere Vorbehalte. 7.3.1 Augustins erste Antwort: Adam und Christus. Die Diskussionen veranlassten den zur Schlichtung des Donatistischen Streits nach Nordafrika entsandten Sonderbeauftragten Marcellinus (s. § 2; 16.3.4), sich an Augustin zu wenden, der aufgrund verschiedener, teilweise schriftlicher, teilweise mündlicher Informationen eine theologische Klärung des Problems versuchte. In seiner Schrift De peccatorum meritis et remissione (Über die Folgen der Sünden und ihre Vergebung, entstanden 411/412) entfaltete er eine ausführliche Adam-Christus-Typologie auf der Basis von Röm 5. So wie durch den einen Adam die Sünde auf alle überging, so werden nur durch Christus die Gläubigen erlöst. Zwischen Adam und allen Menschen, also auch den neugeborenen Kindern, besteht durch die Fortpflanzung ein direkter Zusammenhang. Der gefallene Adam, nicht der noch sündlose Adam, ist der Urvater des 398

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Menschengeschlechts. Insbesondere Röm 5,12 (in quo omnes peccaverunt/ in dem alle gesündigt haben, in quo ist hierbei Fehlübersetzung des griechischen ἐφ’ ᾧ/eph’ hō/weil) schien Augustin das auszudrücken (Röm 5,12 ist aber nicht die Basis für Augustins Vorstellung von der Ursprungssünde; diese hatte er bereits früher vertreten). Im 2. Buch der Schrift stellt Augustin vier Fragen: 1. Kann der Mensch in diesem Leben an sich ohne Sünde sein? Antwort: Ja. 2. Gibt es das auch? Antwort: Nein, denn die Bibel bezeugt, dass alle Menschen Sünder sind (Ps 142,2; 1 Joh 1,8). 3. Warum ist das so, dass der Mensch, obwohl er den freien Willen hat und durch die Gnade Gottes unterstützt wird, nicht ohne Sünde ist? Antwort: Weil die Menschen es nicht wollen, denn die Folge der Adamssünde besteht darin, dass der Mensch eher seinem eigenen Wollen nachgeht als dem Willen Gottes. 4. Ob es je einen sündlosen Menschen gegeben hat oder geben wird? Antwort: Ja, nämlich Christus, und zwar: Christus allein. Nur Christus ist (durch die Jungfrauengeburt) aus dem Zusammenhang mit Adam so herausgenommen, dass bei ihm nicht das böse Wollen die Oberhand gewinnt, sondern dass er tatsächlich sündlos ist. Damit hat Augustin die Frage um die Kindertaufe erweitert: Sie wird zu einer Frage nach der Möglichkeit der Sündlosigkeit und der Bedeutung des Heilswerkes Christi. Die Taufe wird als einziger Zugang zum Heil gedeutet, als Verleihung von Gnade, die aus dem allgemeinen Sündenzusammenhang herauslöst. 7.3.2 Augustins zweite Antwort: Die Gnade als Geistgeschehen. Die Antwort in De peccatorum meritis et remissione löste eine Rückfrage seitens des Marcellinus aus: Ist es sinnvoll, eine Möglichkeit anzunehmen, die als solche (mal abgesehen von Christus) nie Realität wird? Augustin versucht daraufhin, in der Schrift De spiritu et littera (Über den Geist und den Buchstaben) das Anliegen seiner Gnadenlehre mit einer Paraphrase des Römerbriefes neu zu formulieren. Dass es nur die Gnade ist, die den Menschen erlöst und zur Zustimmung zum Gotteswillen bringt, lässt sich gerade an dem Gesetz sehen. Das Gesetz ist nämlich tötender Buchstabe, wenn nicht der lebendig machende Geist hinzukommt (2 Kor 3,6). Nicht das Gesetz als solches (als dessen Kerngehalt Augustin die Weisung Non concupisces/Du sollst nicht begehren bestimmt) ändert sich durch den Glauben, doch solange das Gesetz nur von außen an den Menschen herantritt, bleibt der Mensch innerlich dem Gesetz gegenüber reserviert, befolgt es bestenfalls aus Furcht vor Strafe. Eine innere, willige Zustimmung kann der Mensch nicht von sich aus erbringen, sie muss von Gott unmittelbar bewirkt werden, und zwar als Verleihung des Geistes im Inneren des Menschen, in seinem Wollen. Die Zustimmung zu Gottes Willen ist insofern eine Tätigkeit des menschlichen Willens, aber eine, die von Gott veranlasst und getragen wird. Deswegen ist es nicht ausreichend, auf den freien Willen, das Gesetz oder das Vorbild Christi zu verweisen, sondern man muss das unmittelbare Einwirken Gottes auf das Wollen des Menschen beschreiben. Damit ist der in der Schrift Ad 7. Pelagianischer Streit

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Röm 5,12

Sündlosigkeit

Taufe

De spiritu et littera

Gnade als Geistverleihung

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Simplicianum eingeschlagene Weg nun gnadentheologisch so ausgewertet, dass Pelagius’ Theologie als insuffizient erscheinen muss, da sie zwar betont, dass das Vorbild Christi attraktiv ist, aber daran festhält, dass es von außen auf den Menschen zukommt und dieser sich der Wirkung des Vorbildes willentlich entziehen kann. Für Augustin entzieht sich der Mensch von vornherein, aber Gott dreht ihn trotzdem durch seinen Geist so um, dass er zu glauben beginnt. Augustin benutzt für diesen Sachverhalt zwar nicht den Begriff gratia irresistibilis (unwiderstehliche Gnade), der im 17. Jh. für heftige Diskussionen im jansenistischen Streit führen sollte, doch kommt er diesem Konzept sachlich sehr nahe.

7.4 Der Streit um Pelagius 414-418 414 verschärfte sich der Streit allmählich. Augustin wurde eine Schrift des Pelagius bekannt (De natura/Über die Natur), in der er eine grundlegend falsche Anthropologie am Werk sah und die er ausführlich widerlegte. Wenig später wurde Pelagius auf einem kleinen Konzil in Diospolis (Palästina) freigesprochen, was Pelagius umgehend literarisch verbreitete. Hiergegen wandten sich Augustin und Hieronymus. Pelagius in Palästina

die gefallene Natur

7.4.1 De natura (Über die Natur) und Augustins Widerlegung. Pelagius war in den bisherigen Auseinandersetzungen um Caelestius nicht in den Mittelpunkt der Auseinandersetzung geraten. Auch er war 410 nach Nordafrika geflohen, hatte hier einen kurzen freundlichen brieflichen Kontakt mit Augustin gehabt und war dann weiter nach Palästina gegangen. 414 übersandten zwei Pelagiusschüler, Timasius und Jacobus, Augustin 414 eine Schrift des Pelagius, für die in der Forschung umstritten ist, ob es eine ältere, für den internen Kreis gedachte Ausführung war, oder eine aktuell in Palästina entstandene Stellungnahme. Der Titel zeigt das grundlegende Thema der nur fragmentarisch bei Augustin erhaltenen Schrift: De natura (Über die Natur). Pelagius beharrte auf der grundsätzlichen Möglichkeit der menschlichen Natur, dem Willen Gottes nachzukommen, und bezog dies auch auf den postlapsarischen Menschen. Beleg: Die Gerechten des Alten Testaments waren sehr wohl in der Lage, dem Willen Gottes gemäß zu leben. Nur die Annahme, dass Menschen das eigentlich können, bewahrt die Theologie Pelagius zufolge davor, einen schlimmen Fatalismus zu vertreten, der die Predigt des Evangeliums ebenso wie das Gesetz überflüssig macht. Augustins Gegenschrift mit dem ebenso programmatischen Titel De natura et gratia (Über die Natur und die Gnade) stellt den Naturbegriff des Pelagius in Frage. Die Natur des gefallenen Menschen (die natura vitiata/die durch Fehlerhaftigkeit entstellte Natur) ist nicht mit dem Naturzustand, in dem Adam geschaffen wurde, identisch. Der Fehler des Pelagius besteht darin, dass er annimmt, der Mensch sei immer noch in dem Zustand, in dem Adam vor dem Fall war. Doch muss die Theologie den Menschen so betrachten, wie er 400

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ist: als Abkömmling des gefallenen Adams ist seine Natur schwer belastet, so schwer, dass nur Christus als der Arzt für Heilung und Erlösung sorgen kann. In seiner Widerlegungsschrift nennt Augustin seinen Widersacher nicht namentlich, doch zeigt sich die grundlegende Differenz bereits sehr deutlich. Neben Augustin war in der zweiten Jahreshälfte des Jahres 415 auch Hieronymus mit seiner Schrift Dialogi adversus Pelagianos (Dialoge gegen die Pelagianer) aktiv. 7.4.2 Der Freispruch von Diospolis. Der aus Spanien stammende Orosius, der ca. 414 Augustin besuchte und ihn veranlasste, gegen den Priscillianismus (s. § 6; 6.2) Stellung zu beziehen, zog bald nach Palästina weiter, ausgestattet mit diversem Material, u.a. der Verurteilung des Caelestius von 411. In Palästina nahm er Kontakt zu Hieronymus auf, der sich ansatzweise gegen die Theologie des Pelagius geäußert hatte. Dieser unterstützte ihn bei der Vorbereitung einer Anklageschrift, die von zwei etwas fragwürdigen gallischen Bischöfen, die von ihren Bischöfssitzen vertrieben worden waren, Heros von Arles und Lazarus von Aix, einer kleinen Provinzsynode, die Ende 415 in Diospolis tagte, vorgelegt wurde. Vorangegangen war ein Gespräch vor Johannes von Jerusalem, der aufgrund der Auseinandersetzungen um Origenes ein Gegner des Hieronymus war und als Sympathisant origenistischer Theologie auch mit Pelagius verbunden war. Die Synode legte dem Pelagius die Punkte der Anklageschrift nacheinander vor und fragte Pelagius nach seiner Meinung. Pelagius erklärte das, was von ihm zitiert wurde, mit Bibelstellen oder dem Kontext, lehnte es ab, sich die 411 in Karthago verurteilten Thesen zu eigen zu machen, und wurde prompt freigesprochen. Den Freispruch verbreitete er literarisch in der Chartula defensionis (Verteidigungsschrift). Augustin hatte Mühe, an die Akten der Synode zu kommen (er erhielt sie letztlich von Kyrill von Alexandria), widerlegte sie dann aber rasch in der Schrift De gestis Pelagii (Über die Pelagiusakten). Ab jetzt gab er die namentliche Zurückhaltung gegenüber Pelagius auf, verurteilte ihn eindeutig als Ketzer und nannte die mit ihm sympathisierenden Theologen Pelagianer oder inimici gratiae (Feinde der Gnade). Augustin bestritt nicht die Legitimität der Synode von Diospolis, sondern nahm an, dass Pelagius die dort versammelten Bischöfe absichtlich getäuscht habe, so dass sie ihre Entscheidung auf falscher Grundlage (aber rechtgläubig) getroffen hätten.

Orosius

Hieronymus

Johannes von Jerusalem

Pelagius als Ketzer

7.4.3 Die nordafrikanischen Synoden von 416 und die Zustimmung Roms. Der Freispruch des Pelagius bewirkte nicht nur eine grundlegende Änderung in der Polemik Augustins, welcher nun offen gegen die inimici gratiae (die Feinde der Gnade) agierte und ein koordiniertes Vorgehen der nordafrikanischen Provinzen initiierte. Im Herbst traten in Karthago die Bischöfe der Kirchenprovinz Africa proconsularis (unter der Leitung des Augustinfreundes Aurelius von Karthago), in Mileve die der Kirchenprovinz Numidia (zu denen auch Augustin gehörte) zusammen. Beide Synoden folgten 7. Pelagianischer Streit

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Brief an Innozenz von Rom

Zosimus

Kaiserhof

Konzil von Karthago 418

Erbsünde

Gnade

Sündlosigkeit

der augustinischen Strategie, das Verhalten des Pelagius in Diospolis als bewusste Irreführung der Synode hinzustellen und die Theologie des Pelagius zu kritisieren. Sie verfassten Schreiben an Innozenz, den Bischof von Rom, mit der Aufforderung, sich dem Urteil anzuschließen. Eine Gruppe prominenter Bischöfe (Aurelius, Augustin, Alypius, Evodius und Possidius) hob in einem Begleitschreiben die wichtigsten Punkte noch einmal hervor und übersandte beide Briefe nach Rom. Innozenz stimmte der Lehrentscheidung der beiden Konzilien im Januar 417 zu und versuchte dabei, sich selbst als die zu Recht angerufene oberste Lehrinstanz zu präsentieren. Pelagius und Caelestius wurden jedoch vorerst nicht persönlich verurteilt. 7.4.4 Der Konflikt zwischen Nordafrika und Rom 417/418. Als Innozenz wenig später starb, erhielt sein Nachfolger Zosimus (417-418) von Pelagius eine schriftliche Darlegung, einen libellus fidei (kleine buchartige Darlegung des Glaubens), und wurde von diesem wie von dem aus Ephesus zurückgekehrten Caelestius um eine erneute Untersuchung der Angelegenheit gebeten. Zosimus wollte seinen Anspruch auf den Lehr- und Jurisdiktionsprimat untermauern und erklärte im Spätsommer 417 an der Spitze einer Synode in Rom Pelagius und Caelestius für orthodox. Darin sahen die Nordafrikaner einen Widerspruch zu der von Innozenz gefällten Entscheidung sowie zu der von den nordafrikanischen Konzilien festgelegten Theologie. Zwischen Rom und Nordafrika war es zu einem offenen Konflikt gekommen. Die nordafrikanischen Kirchen dachten gar nicht daran, einen Lehr- und Jurisdiktionsprimat Roms anzuerkennen. Im Gegenteil, nun setzten die Nordafrikaner ihre guten Verbindungen zum Kaiserhof ein, um ein Einlenken des Bischofs von Rom zu erzwingen. Nach gründlicher Vorbereitung fiel die Entscheidung auf zwei Ebenen: a) Ein Edikt des Kaisers Honorius vom 30.4.418 verurteilte die Pelagianer als Häretiker und unterwarf sie damit den allgemeinen Ketzergesetzen. b) Parallel dazu erklärte ein Generalkonzil in Karthago am 1.5.418 die Grundlagen der augustinischen Gnadenlehre für verbindlich. Dieses Konzil verabschiedete neun (nach anderer Überlieferung acht) Canones, die den Pelagianismus verwerfen. Verworfen wird 1. die Annahme, dass Adam sterblich geschaffen worden ist, der Tod also keine Sündenstrafe ist, dass daher auch die Kinder bei ihrer Taufe keine Sünden vergeben bekommen und ohne Taufe nicht verworfen werden, sondern an einen neutralen Ort gelangen. 2. Die Gnade besteht nicht nur aus der Vergebung der Sünden oder der Einsicht in die Gebote und auch nicht in einer Unterstützung des freien Willens bei seiner Entscheidung zum Guten, etwa dergestalt, dass durch die Gnade die Gebote leichter erfüllt werden können. 3. Sündlosigkeit ist nicht erreichbar, auch nicht für die Getauften (vgl. 1 Joh 1,8). Die tägliche Bitte um die Vergebung der Sünden im Vaterunser spricht der Gläubige wirklich für seine eigenen Sünden. Damit waren wichtige Abgrenzungen fixiert. Deutlich war damit gesagt, dass die Adamssünde auch den Nachkommen so schadet, dass in der Taufe wirklich Sünden vergeben werden, 402

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dass Gnade eine direkte Beeinflussung des Willens ist und dass Sündlosigkeit auch in der Kirche nicht gegeben ist. Nicht fixiert waren jedoch wichtige Grundlagen und Folgerungen der augustinischen Gnadenlehre. So fehlten insbesondere Festlegungen zum Anfang des Glaubens, zur Prädestination und zur Verwerfung. Auch die Beschreibung der Gnade als umsonst gegebene Erwählung aus dem Zustand allgemeiner Strafe wird nicht genannt. Augustin und seine Gefährten vermochten aber – wohl insbesondere mit dem Hinweis auf die Gebetspraxis und die Wirklichkeit des in der Taufliturgie Gesagten – wesentliche Eckpunkte antipelagianischer Theologie im nordafrikanischen Episkopat zu etablieren. Da die Canones von 418 in die Kirchenrechtssammlungen Afrikas, Roms und Galliens aufgenommen wurden, wurden sie fortan breit rezipiert. Dem Bischof von Rom Zosimus blieb nach den Entscheidungen des Kaiserhofes und des Konzils von Karthago nichts anderes übrig, als sich der Verurteilung anzuschließen und nun seinerseits in der Epistula tractoria (dem Rundbrief) die explizite Zustimmung der italienischen Bischöfe zur Entscheidung von 418 zu fordern. 7.4.5 Julian von Aeclanum. Während Pelagius wohl wenig später starb (um 420?), setzte sich der Konflikt nach 418 fort, weil eine kleine Gruppe von 18 Bischöfen Italiens sich der Aufforderung widersetzte, der Lehrentscheidung von 418 zuzustimmen. Als führender theologischer Kopf dieser Gruppe trat Julian von Aeclanum in Apulien hervor. Nach seiner Weigerung, der Epistula tractoria (Rundbrief) des Zosimus zuzustimmen, musste Julian in den Osten fliehen, wo er bei den führenden Theologen Antiochias, besonders Theodor von Mopsuestia und Nestorius, Zuflucht fand und seine exegetischen Interessen betrieb. Augustin richtete sich nun literarisch nicht nur gegen Pelagius und dessen Schrift De libero arbitrio (Über den freien Willen), eine Entgegnung auf Hieronymus’ Dialogi adversus Pelagianos (Dialoge gegen die Pelagianer), sondern zunehmend auch gegen Julian. Julians Angriff auf Augustin war deswegen besonders gefährlich, weil dieser ihm Leibfeindlichkeit und Nähe zum Manichäismus vorwarf – beides Vorwürfe, die in der Bewertung Augustins bis in die Gegenwart immer wieder erhoben wurden. Zunächst in der Schrift Ad Turbantium (An Turbantius), dann in der Schrift Ad Florum (An Florus) verteidigte Julian die pelagianische Auffassung von der menschlichen Natur, die trotz aller Beeinträchtigung durch die Sünde grundsätzlich in der Lage sei, den Willen Gottes zu erfüllen, dafür aber eben die Unterstützung durch die göttliche Belehrung und Gnade brauche, als der kirchlichen Tradition gemäß. Die Erbsündenlehre sei eine schlimme fatalistische Theorie, die nicht nur die Sexualität als sündhaft hinstelle (Julian selbst war verheiratet und stand mit der römischen Oberschicht in engem Kontakt), sondern auch die Ehe entwerte. Hiergegen wehrte sich Augustin mit massiven Widerlegungsschriften, so besonders mit De nuptiis et concupiscentia (Über die Ehe und die Begehrlichkeit), mit der für Augustin typischen Ehelehre, die die Ehe als bonum (Gut) beschrieb, die die concupiscentia, d.h. das selbstsüchtige Begehren (also ein malum/Schlechtes), in etwas Gottgewolltes umlenke, nämlich insofern, als die Sexualität in der Ehe gebunden sei. Das Gute der Ehe besteht für Augustin aus einer dreifachen Bindekraft, nämlich der fides (der Treue), der proles (den Nachkommen, zumindest der Intention nach) und dem sacramentum (dem Charakter als geheimnisvollem Zeichen, das auf das Verhältnis zwischen Gott und Mensch verweist). Diese Beschreibung der Ehe ist wirkungsgeschichtlich (und auch kirchenrechtlich) folgenreich geworden. In den großen gegen Julian gerichteten Werken Contra Iulianum (Gegen Julian, der Wi7. Pelagianischer Streit

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Epistula tractoria

Flucht in den Osten

Manichäismus­ vorwurf

Ehelehre

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derlegung von Ad Turbantium) und Contra Iulianum opus imperfectum (Unvollendetes Werk gegen Julian, der Widerlegung der ersten sechs Bücher von Ad Florum) verteidigte Augustin seine Erbsündenlehre als die einzig richtige Möglichkeit, zu erklären, wieso das Böse einerseits im Leben des Menschen übermächtig ist, andererseits aber nicht als von Gott gewollte Schöpfung anzusehen ist, so dass die Erlösung Gottes das Böse sicher überwindet. Der Kontakt Julians zu Theodor von Mopsuestia und Nestorius führte dazu, dass die kyrillische Teilsynode von Ephesus 431 zusammen mit Nestorius auch die Parteigänger des Pelagius und des Caelestius, d.h. faktisch Julian, verurteilte. Der Bischof von Rom Coelestin (422-432) hatte sich hierfür bei Kyrill von Alexandria eingesetzt. Eine inhaltliche Beschäftigung mit den Problemen des im griechischen Osten weitgehend unbekannten Pelagianischen Streits gab es jedoch nicht.

7.5 Kritik an Augustins Gnadenlehre 425-430

Semipe­lagianismus

posse non peccare gratia operans – gratia cooperans

Augustins antipelagianische Theologie stieß auf vielfältigen Widerstand, und zwar nicht nur bei Anhängern des Pelagius und Gegnern Augustins, sondern gerade auch bei Theologen, Mönchen und Laien, die an sich Augus­ tin zugetan waren und seine Werke lasen. Diese Debatten wurden im 17. Jh. mit dem Begriff des »Semipelagianismus« zusammengefasst (der Begriff ist bereits in der Konkordienformel 1577 belegt), so besonders im Streit um den Arminianismus und den Jansenismus. Diese Bezeichnung ist insofern unzutreffend, als es sich nicht um »halbe Pelagianer« handelt, sondern um Augustinanhänger, denen die schroffe Prädestinationslehre Augustins zu weit ging. Interessant ist, dass sich für Nordafrika ein Zusammenhang dieser Debatten mit monastischen Kreisen nachweisen lässt. Für Gallien ist dies weit weniger deutlich. Augustin reagierte kurz vor seinem Tod noch auf diese Debatten und durchdachte das Problem der Gnadenwahl und der Prädestination im Hinblick auf das gesamte Leben der Gläubigen wie der Mönche. 7.5.1 Die Hadrumetumkontroverse: Die Möglichkeit der Zurechtweisung. Die systematische Zusammenfassung der Gnadenlehre, die Augustin 418 für den römischen Archidiakon Sixtus (vielleicht den späteren Papst) geschrieben hatte (Epistula/Brief 194), löste eine heftige Kontroverse unter den Mönchen des Klosters Hadrumetum (ca. 130 km südlich von Karthago, s. Abb. 10) aus, und zwar über die Frage, ob die Annahme einer unverdienten Gnade nicht den freien Willen als solchen aufhebe und die Zurechtweisung unter Brüdern, damit aber das asketische Bemühen um Vollkommenheit überhaupt, eigentlich überflüssig mache – da ja Gott ohnehin erwähle, wen er wolle. Augus­ tin reagierte mit zwei Schriften: De gratia et libero arbitrio (Über die Gnade und den freien Willen), worin er seine Deutung des Willensproblems als biblisch begründet darlegte, und De correptione et gratia (Über die Zurechtweisung und die Gnade), worin er die Möglichkeit und Notwendigkeit von Zurechtweisung als Folge von Gnade darstellte (Text/Übers. ALG 7; 2. Aufl. 1987). In diesen Spätschriften entwickelte Augustin terminologische Gegenüberstellungen, die wirkungsgeschichtlich besonders wichtig werden sollten: Adam hatte das posse non peccare (das Vermögen, nicht zu sündigen), erst durch die Erlösung durch Christus wird hieraus das non posse peccare (das Unvermögen zu sündigen). Die gratia operans (tätige Gnade) stellt den eigentlichen guten Willen her, der dann in seiner Ausübung und Aktivität fortwährend von der gratia cooperans (mit dem Menschen zusammenwirkende Gnade) gestützt, fortgeführt und vollendet wird 404

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(die gratia cooperans meint also keinen Synergismus, sondern den dauerhaften Aspekt der den Menschen zum Guten bringenden Gnade). Parallel dazu kann Augustin hervorheben, dass die Gnade dem menschlichen Bemühen vorangeht (praevenire/vorangehen) und dann den gnadenhaft hergestellten guten Willen fortwährend unterstützt (subsequi/ nachfolgen). 7.5.2 Kritik an der Prädestinationslehre in Gallien. Die Kritik, die an Augustins Prädes­ti­ nationslehre in Gallien geübt wurde, bereitete die Auseinandersetzungen des 5. Jh.s vor. Eine relativ gängige Vorstellung, dass die Mönche durch Ermahnung und asketisches Bemühen gerade zeigen, dass der freie Wille – eingeladen, angelockt und unterstützt durch die Gnade – vermag, sich glaubend an Gott zu wenden, begegnet bei Johannes Cassian, dem großen Befürworter des Ideals des ägyptischen Mönchtums (s. § 6; 6.4.3; § 5; 10.1). Inwiefern die Kritik an Augustins Schrift De correptione et gratia (Über die Zurechtweisung und die Gnade), die Prosper Tiro von Aquitanien und ein ansonsten unbekannter Hilarius brieflich an Augustin berichteten, auf monastische Kreise (und besonders Cassian) zurückgeht, ist in der Forschung umstritten. Augustin reagierte jedenfalls mit einem aus zwei Büchern bestehenden Traktat: De praedestinatione sanctorum et de dono perseverantiae (Über die Vorherbestimmung der Heiligen und die Gabe der Perseveranz; Text/Übers.: ALG 7, 2. Auflage 1987). Hier verdeutlichte Augustin nicht nur, wie er selbst in Ad Simplicianum (An Simplician) zu seiner Auffassung von der Gnadenwahl aufgrund von Prädestination gekommen ist, sondern berief sich auch auf Cyprian und Ambrosius als Gewährsmänner für die Vorstellung, dass der Mensch nicht in seiner Macht hat, was ihm in den Sinn kommt (Gott aber kann es direkt eingeben). Das Vorherwissen Gottes muss im Hinblick auf die Erwählten als festlegendes Wissen und somit als Prädestination beschrieben werden, weil sonst Gott nicht durchsetzen kann, was er beschlossen hat. Gott bestraft aber nicht künftige (noch nicht getane) Vergehen, sondern verhängt über die Menschheit die gerechte Strafe des Todes und der sündhaften, verletzten Natur. Nur Christus ist davon ausgenommen – und auch das wusste Gott von Anfang an voraus. Christus wird somit zum paradigmatischen Fall der Prädestination: Genauso wie Gott um seinen Heilsplan wusste, genauso erlöst er den erwählten Menschen. Dies bedeutet, dass nur diejenigen, die in dieser Weise erwählt sind, sich auch tatsächlich in ihrem Glauben als bis ans Ende beharrlich erweisen werden. Auch perseverantia (Beharrlichkeit) ist also kein menschliches Verdienst (aufbauend auf Gottes Gnade), sondern die Vollendung des gnadenhaften Handelns Gottes, mit dem Gott sich im Leben des Einzelnen durchsetzt. Die Antworten Augustins entfachten in Gallien neuen Streit, wobei sich Prosper vehement als Anwalt des augustinischen Denkens betätigte (s. § 5; 10.1.1).

Prosper und Hilarius

Präszienz und Prädestination

Perseveranz

7.6 Literatur Lektüretipp: V.H. Drecoll/W. Löhr/J. Lössl: Der Pelagianische Streit. Antipelagianische Werke, in: V.H. Drecoll (Hg.): Augustin Handbuch, 2007, 179-203.323-347. Quellen: A. Kunzelmann/A. Zumkeller (Hg.): Sankt Augustinus. Der Lehrer der Gnade. Schriften gegen die Pelagianer, Bd. 1-3, 1964-1977; Bd. 4/1, 2005; Bd. 7, 1955 [zweisprachig]. Literatur: V.H. Drecoll: Pelagius, Pelagiani, Augustinuslexikon 4 (2012-2014) 624-666. – W. Löhr: Pelagius’ Schrift De natura. Rekonstruktion und Analyse, Recherches Augustiniennes 31 (1999) 235-294. – Ders.: Pélage et pélagianisme, 2015. – O. Wermelinger: Rom und Pelagius, 1975. – G. Greshake: Gnade als konkrete Freiheit. Eine Untersuchung zur Gnadenlehre des Pelagius, 1972. – S. Thier: Kirche bei Pelagius, 1999. – A. Kessler: Reichtumskritik und Pelagianismus, 1999. – J. Lössl: Julian von Aeclanum. Studien zu seinem Le7. Pelagianischer Streit

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ben, seinem Werk, seiner Lehre und ihrer Überlieferung, 2001. – D. Ogliari: Gratia et Certamen. The Relationship between Grace and Free Will in the Discussion of Augustine with the so-called Semipelagians, 2003. – J.-M. Salamito: Les virtuoses et la multitude. Aspects sociaux de la controverse entre Augustin et les pélagiens, 2005.

8. Erkenntnislehre, Ekklesiologie und Sakramentenlehre Augustins Denken berührt an vielen Stellen grundlegende Fragen der Erkenntnismöglichkeiten und Weltdeutung, so im Hinblick auf die Grundlagen der Anthropologie in De trinitate (Über die Dreieinigkeit), im Hinblick auf die Erinnerung und das Zeitverständnis in den Confessiones (Bekenntnissen) oder im Hinblick auf die menschliche Suche nach Glück in De civitate dei (Über die Gottesstadt). Der Reflexion der Erkenntnisbedingungen des Menschen kommt daher in Augustins Werk eine hohe Bedeutung zu.

8.1 Christliche Erkenntnislehre

auctoritas – ratio

Die Frage nach der Möglichkeit der Wahrheitserkenntnis hat Augustin seit seiner Zeit als Manichäer begleitet. In Auseinandersetzung mit der Skepsis der jüngeren Akademie hat er bereits in Cassiciacum die Unterscheidung von auctoritas (Autorität) und ratio (Vernunft) entwickelt. Der Mensch kann nicht eigenständig und gleichsam von einem neutralen Punkt aus sich durch Erkenntnisse eine umfassende Weltdeutung konstruieren, sondern ist darauf angewiesen, vorhandene Deutungskonzepte zu übernehmen, gedanklich zu durchdringen und so zu einem tieferen Verständnis derselben zu kommen. Die ratio ist insofern einerseits im Erkenntnisweg der auctoritas nachgeordnet (hier kommt es darauf an, möglichst die richtige auctoritas auszuwählen, der man sich anvertraut; Augustin befürwortet hier das weltweit verbreitete Christentum), inhaltlich ihr jedoch überlegen, da sie über das bloße Wiederholen des Erlernten hinausführt. Dass jede Erkenntnis dabei eine gewisse sprachliche Struktur hat und insofern auf nichtmaterielle Gegebenheiten verweist, bindet jede Erkenntnis an die ratio des Menschen zurück. In dem Dialog De magistro (Über den Lehrer, einem Dialog , in dem Augustins Sohn Adeodatus die zentrale Rolle spielt) geht Augustin diesem Sachverhalt näher nach und macht dabei für jede Form von Erkenntnis geltend, dass sie nicht aufgrund äußerer Sinneswahrnehmungen (aufgrund von Empirie) entsteht, sondern durch das denkende Ordnen und Zusammenstellen seitens des denkenden Menschen. Hier ist der Mensch zwar aktiv, doch findet er die Gedanken und Verbindungen, die er zwischen den Sinneseindrücken und deren Reflexionen herstellt, in sich vor. Erkenntnis lässt sich insofern nicht einfach »machen«, sondern verweist darauf, dass im Erkenntnisvorgang die intelligible Wahrheit, letztlich Gott selbst, aufscheint. Dieses verbindet Augustin insbesondere mit dem Gedanken, dass Christus Gottes Weisheit ist. 406

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Daher ist es eigentlich Christus, der dem Menschen als magister interior (innerer Lehrer) Erkenntnis schenkt. In seinem wirkungsgeschichtlich äußerst wichtigen Werk De doctrina christiana (Über die christliche Unterweisung, wobei doctrina sowohl den Inhalt des Unterweisens, also die Lehre, als auch den Prozess der Unterweisung bezeichnet; vgl. § 5; 11.1) entwickelt Augustin auf dieser Grundlage eine umfassende Hermeneutik. Grundlegend ist der Unterschied zwischen frui (genießen) und uti (benutzen). Letzteres bezeichnet die Beziehung des Menschen zu etwas um einer anderen Sache willen, ersteres den direkten, zweckfreien Kontakt zu etwas. Gegenstand des frui im ganz eigentlichen Sinn ist daher nur der trinitarische Gott, alles andere in der Welt ist ein Arsenal von signa (Zeichen), d.h. von Dingen (res), die auf etwas anderes (nämlich letztlich den Schöpfer als der höchsten res) verweisen. Dass auch die Beziehung zu anderen Menschen (etwa einem geliebten Menschen) als uti qualifiziert wird, meint keine Instrumentalisierung, sondern drückt aus, dass diese Beziehung erst dann ihren eigentlichen Charakter erhält, wenn das Gegenüber als Geschöpf Gottes aufgefasst wird (und insofern als in seiner eigenen Würde unverfügbar respektiert wird).

Christus als magister interior

frui – uti

8.2 Die Kirche als corpus permixtum (als Leib mit »Beigemischten«) Augustin hat seine Ekklesiologie v.a. gegen den Donatismus seit 394 entwickelt. Dabei werden zwei Akzente bestimmend: a) die Auffassung von der Kirche als der unsichtbaren Gemeinschaft der Heiligen, die zwar einerseits mit der sichtbaren Kirche untrennbar verbunden ist, andererseits aber nicht einfach deckungsgleich mit ihr ist, b) die eschatologische Ausrichtung der Kirche, die erst am Ende der Zeiten zu ihrem Ziel kommt, bis dahin aber in immer wieder sich verändernder und über die Generationen hinweg weitergegebener Gestalt in der Geschichte pilgernd unterwegs ist. Als communio sanctorum (Gemeinschaft der Heiligen) ist sie in erster Linie ein Personenverband, der sich durch die Zugehörigkeit zu Christus auszeichnet, daher corpus Christi (Leib Christi) ist. Zu dieser Gemeinschaft gehören nur die Getauften, genauer aber nur die, die getauft und auch erwählt sind, also innerlich die Liebe haben und Perseveranz aufweisen (d.h. bis ans Lebensende bei ihrem Glauben bleiben). Beides, Liebe und Perseveranz, sind nur als Gnadengeschenke verstehbar, genauer als Gabe des Heiligen Geistes. Der Einzelne kann hoffen und beten, dass er diese Gnadengeschenke erhält, und kann daher in demütiger Zuversicht auf die Gnade Gottes vertrauen. Eine Gewissheit, ob man zur Schar der Erwählten gehört, gibt es jedoch nicht. Insofern sind nicht alle, die sichtbar zur ecclesia catholica (katholischen Kirche) gehören (dafür hält Augustin die eigene Gemeinschaft der Caecilianer), auch tatsächlich erwählt. Innerhalb der sichtbaren Kirche gibt es also auch Menschen, die eigentlich Sünder sind, entweder gegenwärtig oder im Laufe ihres Lebens. Diese permixti (Beigemischten) machen es unmöglich, die 8. Erkenntnislehre, Ekklesiologie und Sakramentenlehre

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unsichtbare – sichtbare Kirche

Gewissheit?

permixti

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Schar der Erwählten

Geistbesitz

eschatologische Gestalt von Kirche

ab 405 aufgegeben

Liebe zur Einheit

sichtbare Gemeinschaft der Kirche als Gemeinschaft von Sündlosen zu beschreiben, Kirche ist vielmehr ein corpus permixtum (ein Leib bzw. eine Körperschaft mit Beigemischten). Weil das so ist, hängt der Geistbesitz, der für die Sakramente notwendig ist, nicht an den einzelnen Gläubigen und Amtsträgern, sondern an der Kirche als solcher. Ihr kommt damit ein eigener, quasi institutioneller Charakter zu: Kirche ist heilig, auch wenn Menschen in ihr Sünder sind. In den Sakramenten und dem kirchlichen Amt handelt Christus auf wirksame Weise, auch wenn sich Amtsträger verfehlen. Deckungsgleichheit zwischen der sichtbaren Kirche und der unsichtbaren Schar der Erwählten wird es erst im Eschaton geben, dann, wenn Gott es herstellt. Bis dahin ist die Kirche als Pilgerin unterwegs. Dies hat Augustin in De civitate dei zur Grundlage einer umfassenden Geschichtstheologie gemacht. 8.2.1 Die Rezeption von Optatus und Tyconius. In seiner Ekklesiologie griff Augustin auf zwei Denker des Donatistischen Streits im 4. Jh. zurück, nämlich Optatus von Mileve und den Donatisten Tyconius, der wegen seiner Ekklesiologie von den Donatisten ausgeschlossen worden war. Von letzterem hat Augustin insbesondere die Idee der gegenwärtigen Kirche als eines corpus bipartitum (eines zweigeteilten Leibes, vgl. § 2; 16.3.3), in dem es neben den eigentlich Gläubigen noch andere, nur äußerlich bzw. scheinbar Dazugehörige gibt. Von ersterem hat Augustin vor allem die Auffassung der Kirche als einer sakramental verfassten Institution, in der Christus selbst handelt. Dies verband Augustin zu einer wirksamen Synthese, in die er die Gnaden- und Prädestinationslehre einbrachte (die Schar der eigentlich Glaubenden ist die Schar der Erwählten). Damit konnte Augustin das alte Problem bearbeiten, das daraus entsteht, dass die Kirche als communio sanctorum (Gemeinschaft der Heiligen) den Heiligen Geist besitzt und dementsprechend eigentlich sündlos sein sollte. Sündlos im eigentlichen Sinne ist nur die vollendete, eschatologische Schar der Erwählten, denen Gott ihre Sünden vergibt. Die sichtbare Kirche wird dieser eschatologischen Gestalt zugeordnet, aber nicht mit ihr identifiziert. 8.2.2 Die Unterscheidung von Schisma und Häresie. Die traditionelle, von Optatus entwickelte Unterscheidung von schisma (Abspaltung) und haeresis (Häresie) übernimmt Augustin zunächst: Schismatische Gemeinschaften sind in den Grundzügen ihrer Theologie, also des Gottesbegriffes, der Trinitätslehre und Christologie, unverdächtig, haben sich aber aufgrund von äußeren Ereignissen oder Disziplinarfragen abgespalten. Eine Häresie hingegen ist durch ihre inhaltlich verwerfliche Theologie gekennzeichnet. Die Auffassung von der Kirche als der Gemeinschaft der Heiligen, d.h. derer, die den Heiligen Geist besitzen, füllt Augustin inhaltlich insbesondere mit dem Verweis auf die Liebe als von Gott gnadenhaft geschenkter Grundhaltung (Röm 5,5). Um 405 gibt Augustin die Unterscheidung von Schisma und Häresie auf, denn die Donatisten würden es eben gerade an dieser Grundsignatur von Kirche fehlen lassen: Sie haben nicht die Liebe, denn Liebe wäre immer auch die Liebe zur Einheit, und zwar auch der sichtbaren Kirche. In dieser Argumentation wirkt sich die Rückbindung der unsichtbaren an die sichtbare Kirche massiv aus und dient als Begründung, wieso die Anwendung der Häretikergesetze gegen die Donatisten möglich ist. 8.2.3 Antidonatistische Argumentationen: Das Problem der »Wiedertaufe«. Der eschatologische Charakter der Kirche ist die Grundlage der antidonatistischen Argumentati408

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on Augustins. Danach ist es falsch zu versuchen, bereits jetzt, vor der Zeit der Ernte, die Spreu vom Weizen trennen zu wollen, also die permixti (Beigemischten) als solche erkennen und ausschließen zu wollen (wie es die Donatisten Augustin zufolge versuchen). Zwar sind offensichtliche Vergehen zu ahnden, Amtsträger verwirken ihren Anspruch auf das Amt und werden zu gewöhnlichen Büßern, doch ist damit immer die Einsicht verbunden, dass es neben den offensichtlichen auch verborgene Sünden gibt. Die verborgenen Sünden des Amtsträgers sind für diesen zwar verderblich (und er ist in dieser Hinsicht besonders auf das Erbarmen Gottes angewiesen), sie zerstören aber nicht die von ihm dargereichten Sakramente als solche, denn in ihnen handelt Christus unmittelbar selbst. Die donatistische Theorie, der zufolge Christus dann, wenn ein sündiger Amtsträger noch nicht als solcher entlarvt und entfernt worden ist, selbst eingreift und das, was dem sündigen Amtsträger fehlt (scil. der Geistbesitz), durch unmittelbares Eingreifen ersetzt, gilt für Augustin gleichsam grundsätzlich. Daraus folgert Augustin, dass die von den Donatisten gespendete Taufe an sich wirksam ist (und dementsprechend ehemalige Donatisten, die sich den Caecilianern anschließen, nicht erneut getauft werden), wenn diese Häretikertaufe auch erst in der Gemeinschaft der wahren Kirche ihre wirkliche Frucht bringen und sich entfalten kann. Dies führt zu einer grundsätzlichen Verwerfung der »Wiedertaufe«. Für die Donatisten konnte außerhalb der wahren Kirche (d.h. der eigenen Gemeinschaft) der Geist nicht weitergegeben werden, d.h. die bei den Caecilianern geübte Taufe war keine solche (also mussten Caecilianer, die sich den Donatisten anschließen wollten, donatistisch, nach ihrer Auffassung also erstmalig getauft werden). Hierin sah Augustin den vermessenen Anspruch, über den Geist verfügen zu können, und eine grundlegende Missachtung des eigentlich handelnden Subjekts Christus. »Wiedertaufe« ist damit nicht nur ein Problem der Frömmigkeitspraxis, sondern eine häretische Auffassung davon, wie Christus die Erwählten um sich sammelt. Diese Auffassung sollte fortan die Bewertung der »Wiedertaufe« nachhaltig prägen.

unwürdige Amtsträger

Häretikertaufe

8.3 Die Sakramente als wirksame Zeichen Aus der Verbindung seiner Zeichenlehre mit der Ekklesiologie folgte für Augustin seine Sakramentenlehre, die wirkungsgeschichtlich besonders folgenreich geworden ist. Auch bei ihm ist der Begriff des sacramentum (Sakraments, parallel zu mysterium, d.h. der geheimnisvollen Handlung) noch unscharf, kann also auch das Heilsereignis Christi meinen. Grundsätzlich ist ein Sakrament für Augustin eine heilige Handlung, die auf ein Heilsereignis hin durchsichtig wird und mit der Vergegenwärtigung desselben zugleich den Empfang des Heils bedeutet. Zu den überlieferten, aber nicht biblisch begründeten Sakramenten zählt Augustin etwa die Feste des Kirchenjahres: In der Vergegenwärtigung des jeweiligen Heilsereignisses (der Menschwerdung, der Kreuzigung, der Auferstehung etc.) wird das durch Christus jeweils geschenkte Heil auch tatsächlich empfangen. Zu den biblisch begründeten Sakramenten zählt Augustin sodann in erster Linie Taufe und Eucharistie. Die Taufe gliedert einen grundlegend in die Gemeinschaft der Gläubigen ein, die Eucharistie schenkt immer wieder die Teilhabe an der sündenvergebenden und lebensspendenden Gemeinschaft mit Christus. Die beiden Sakramente Taufe und Eucharistie sind somit grundlegend für die Gemeinschaft der Gläubigen überhaupt. Kirche ist für Augustin sakra8. Erkenntnislehre, Ekklesiologie und Sakramentenlehre

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weiter Sakramentsbegriff

Taufe und Eucharistie

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Geltung – Nutzen

Zeichen

mental verfasste Kirche. Zwar hat Augustin in der Auseinandersetzung mit den Donatisten den Gedanken entwickelt, dass die außerhalb der wahren Kirche gespendeten Sakramente grundsätzlich gültig sind, doch unterscheidet er zwischen der grundsätzlichen Geltung und der inneren Wirkung im Gläubigen, dem fructus (Frucht bzw. Nutzen), der nur in der Gemeinschaft der Liebe, also der wahren Kirche sich entfaltet. Die Sakramente haben eine äußere Form (species corporalis/körperliche Gestalt) und eine innere Wirkung (fructus spiritualis/geistige Frucht). Beide fallen bei den Sakramenten, die innerhalb der wahren Kirche gespendet werden, zusammen. Lässt sich die Welt insgesamt als Zeichenensemble verstehen, das auf Gott hin zu lesen ist, so sind die Sakramente besondere, von Gott eingesetzte Zeichen, in denen Gott sein Heil in besonderer Weise schenkt. Die Deutung der Sakramente als Zeichen ist bei Augustin also in sein grundsätzliches Verständnis von Zeichen einzuordnen (vgl. dazu § 5; 11.1). Eine Zuordnung Augustins zu einem eher symbolistisch ausgerichteten Sakramentsverständnis (dem zufolge die Sakramente in erster Linie Zeichen sind, die auf etwas anderes verweisen, im Gegensatz zu einem Realismus, dem zufolge das Bedeutete wirklich in den Sakramenten präsent ist) greift daher zu kurz. Die von Augustin im Blick auf die Taufe formulierte Beschreibung des Sakraments (Accedit verbum ad elementum et fit sacramentum, etiam ipsum tamquam visibile verbum/Es tritt das Wort zum Element, und es entsteht ein Sakrament, ja wirklich ein gleichsam sichtbares Wort; Tractatus in Iohannis evangelium/Johannestraktate 80,3) wurde später oft zitiert und insbesondere als Betonung des durch das Wort hergestellten Zeichencharakters oder als Hinweis auf die durch die Worte herbeigeführte Wandlung der Elemente verstanden. Beides geht über den Sakramentsbegriff Augustins deutlich hinaus. 8.4 Literatur Lektüretipp: K. Pollmann: Doctrina christiana (De -), in: Augustinus-Lexikon 2 (19962002) 551-575. Quellen: K. Pollmann (Hg.): Aurelius Augustinus, Die christliche Bildung (= De doctrina christiana), 2002 [zweisprachig]. Literatur: K. Pollmann: Doctrina christiana. Untersuchungen zu den Anfängen der christlichen Hermeneutik unter besonderer Berücksichtigung von Augustinus, De doctrina christiana, 1996. – C.P. Mayer: Die Zeichen in der geistigen Entwicklung und in der Theologie Augustins, 2 Bde., 1969/1974. – J. Ratzinger: Volk und Haus Gottes in Augustins Lehre von der Kirche, 1954. – W. Simonis: Ecclesia visibilis et invisibilis, 1970. – K.-H. Lütcke: »Auctoritas« bei Augustin, 1968.

9. Augustins Geschichtsdeutung Mit dem monumentalen Werk De civitate dei (Über die Gottesstadt) hat Augustin eine umfassende, apologetisch ausgerichtete Deutung der Weltge410

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schichte geliefert, die aufgrund ihres Materialreichtums und ihrer Gedankenfülle für das Mittelalter eine Fundgrube für die antike Bildung war. Wie wenige Schriften sonst hat dieses Werk Geschichte gemacht, indem es zahlreiche Theorien über die christliche Existenz in der Welt und das Verhältnis zwischen Kirche und weltlicher Obrigkeit ausgelöst hat (bis hin zur sog. Zwei-Regimenten-Lehre der lutherischen Reformation). Der Titel verdankt sich der Gegenüberstellung zweier civitates (Städte bzw. Bürgerschaften), von denen die eine zu Gott gehört (die Kirche), die andere die sündhafte, an der vergänglichen Welt orientierte Lebensweise meint. Das Werk gliedert sich in 22 Bücher, die in zwei Hälften und fünf Hauptteile zerfallen. Nach 10 Büchern gegen das Heidentum folgen 12 Bücher der christlichen Geschichtssicht. Buch 1-5

Gegen die römische Religion als Garant weltlichen Wohlergehens

Buch 6-10

Gegen die pagane Philosophie als Garant der (ewigen) Glückseligkeit

Buch 11-14

Der exortus (Ursprung) der beiden civitates (Städte)

Buch 15-18

Der procursus (Fortgang, Entwicklung) der beiden civitates

Buch 19-22

Der finis (das Ende) der beiden civitates

9.1 Christliche Apologetik Konkreter Anlass zur Abfassung war die heidnische Polemik gegen das Christentum angesichts der Eroberung Roms durch die Westgoten unter Alarich am 24.8.410 (s. § 7; 2.2.1). Die symbolische Bedeutung dieses militärisch recht unwichtigen Ereignisses war groß, Heiden nahmen es zum Anlass, sich gegen das Christentum zu wenden: Das Aufblühen des Chris­ tentums sei daran schuld, dass die römischen Götter nicht mehr verehrt worden seien. Dadurch sei der seit Jahrhunderten bewahrte Zustand der Verbindung von religio (der richtigen Gottesverehrung) und salus publica (Gemeinwohl) zerstört worden, das Christentum sei nicht in der Lage, hierfür einen entsprechenden Ersatz zu leisten. Dies zeige sich gerade an 9. Augustins Geschichtsdeutung

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Eroberung Roms

Religion

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Philosophie

theologia fabulosa civilis naturalis

Philosophie und Religion

der Eroberung und Plünderung Roms. Augustin hat hiergegen eine großangelegte Apologie gestellt, in der er sich mit der römischen Religion und Philosophie auseinandersetzte und zugleich eine christliche Deutung der Weltgeschichte entwickelte. Daran zeigt sich, dass sich die apologetische Ausrichtung mit einem werbenden Aspekt verbindet: Das Werk zielt (wie alle Apologien) gerade auch auf Christen und soll ihnen eine entsprechende Weltsicht vermitteln. Bedeutung kommt dem Werk auch deshalb zu, weil es einen direkten Zusammenhang zwischen Religion und politischem Wohlergehen bestritt. Die eschatologische Ausrichtung der Ekklesiologie wie aller menschlicher Gesellschaftsordnungen erhielt hier eine durchdachte Gestalt. 9.1.1 Auseinandersetzung mit der römischen Religion und der paganen Philosophie. Die römische Religion kritisiert Augustin insbesondere dafür, dass sie eine Vielzahl von Göttergestalten erfunden hat, so dass jedes positive Abs­traktum als Gottheit verehrt werde, dass diese Vielzahl aber keineswegs zu einem besonders tugendhaften Leben geführt hat (weil die Göttermythen selbst bereits oft unmoralisch seien). Außerdem habe auch die römische Religion in der Vergangenheit keineswegs das Imperium vor Niederlagen und Katastrophen bewahrt. Dem stehen die christlichen Kaiser Konstantin und Theodosius gegenüber, die gerade als christliche Kaiser das Imperium zu neuem Wohlstand geführt haben. Nun gibt es auch im Heidentum Philosophie, die sich von der Religion unterscheidet. Während die theologia fabulosa (bzw. mythica, also die auf Erzählungen beruhende Rede von Gott) der Heiden und ihre theologia civilis (die gemeinschaftlich gelebte Frömmigkeit) in sich widersprüchlich sind, kommt der von Heiden entwickelten theologia naturalis (dem Reden über Gott, das die Natur [scil. der Welt und des Menschen] bedenkt) durchaus ein eigener Wert zu, doch sei es den heidnischen Philosophen nicht gelungen, ihre Philosophie mit einer ihr entsprechenden Religiosität zu verbinden und für die Massen zugänglich zu machen. Dies vermag erst das Christentum. Die Geschichte der Philosophie stellt Augustin dabei als Weg von den einfach gestrickten Vorsokratikern bis hin zu den Platonikern vor, die dem Christentum am nächsten stehen. In Buch 10 setzt sich Augustin insbesondere mit Porphyrius auseinander, dessen Werk De regressu animae (Über die Rückkehr der Seele) ihm neben vielen Irrtümern auch sehr bedenkenswerte Aussagen über die richtige Orientierung der Seele an Gott zu enthalten schien. 9.1.2 Der Zusammenhang von Heil und Geschichte. Die Bücher 11-22 zeichnen sich dadurch aus, dass die Geschichtsdeutung gar nicht durch eine eigentliche Geschichtsschreibung gestützt wird, sondern durch eine theologische Deutung des Anfangs und des Endes. Für den Anfang greift Augustin dabei auf die Zeit vor der Erschaffung der materiellen Welt und der Menschen zurück und schildert den Ursprung der beiden civitates (Städte bzw. 412

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Bürgerschaften) in der Engelwelt, eine der wirkmächtigsten Beschreibungen des Engelfalls. Die Einordnung des Teufels und der Dämonen als gefallene Engel geht der eigentlichen Menschheitsgeschichte voran, in der sich mit Kain und Abel erstmals beide civitates gegenüberstehen. Die Geschichte der Menschheit wird größtenteils auf der Grundlage des AT verfolgt. Ziel ist es, das Gegenüber beider civitates als biblisch begründet zu erweisen. Ab Buch 19 beschäftigt sich Augustin mit der Endzeit. Dabei geht er zunächst von der Frage aus, inwiefern Friedenszustände in der gegenwärtigen Welt bereits den endzeitlichen Frieden andeuten, bevor er dann – in Aufnahme der Apokalypsedeutung seiner Zeit, u.a. durch den Donatisten Tyconius – eine ausführliche Deutung der Endzeit und des himmlischen Jerusalems entwickelt.

Engelfall

Friedenslehre

9.2 Civitas dei (Gottesstadt) und civitas terrena (Irdische Stadt) Mit der Konzeption der beiden civitates (Städte) überträgt Augustin die Einsichten seiner Sünden- und Gnadenlehre auf kollektive Größen in der Menschheit und ihre Geschichte. Dabei greift er zunächst die alttestamentliche Sprachlichkeit auf: Jerusalem wird ihm zum Symbol für die Menschen, die zu Gott gehören, die civitas dei (Gottesstadt), Babylon zum Symbol für die Menschen, die ihre eigene Macht durchsetzen wollen, die civitas terrena (mit dem Irdischen verbundene Stadt). Gemeint sind jeweils zwei Typen von Menschengruppen, die sich in der Geschichte immer wieder gegenüberstanden. In der civitas dei herrscht Gott durch seine Gnade, in der civitas terrena herrscht das Böse, insofern ist sie die civitas diaboli (Teufelsstadt). Diese beiden civitates bilden auf vielen Ebenen Gegensätze: Gottesliebe (amor dei) und Selbstsucht (concupiscentia), Demut (humilitas) und Hochmut (superbia), Liebe (caritas) und Herrschsucht (libido dominandi). Die Glieder der civitas dei streben unvergängliche Güter an, die der civitas terrena irdischvergängliche. Beide sind allerdings nicht ohne weiteres in der Welt vorzufinden, und beiden eignet eine gewisse Ambivalenz: Zur civitas terrena gehören auch gute und weise Menschen, z.B. manche Philosophen, in ihr entstehen auch gewisse Ordnungen und relativ gute ethische Normen (vgl. dazu das Buch 19 über den Frieden). Umgekehrt ist die civitas dei nicht einfach in der Kirche gegeben, denn innerhalb der Kirche gibt es auch Nichterwählte, die noch abfallen werden oder ihr Christsein nur vorgaukeln. Daher kann man die civitas dei auch nicht einfach mit der sichtbaren Kirche identifizieren. Die sichtbare Kirche bildet jedoch den größeren Kreis, innerhalb dessen sich die civitas dei befindet – verstanden als die unsichtbare Schar der von Gott Erwählten, die von Gott auf ruhmreiche Weise durch die Geschichte ihrer Vollendung entgegengeführt wird. Die sichtbare Kirche ist insofern als Vorgriff das, was dereinst in vollkommenem Zustand bei Gott Wirklichkeit wird. Diese eschatologische Relativierung hat Augustin besonders durch das Bild des Pilgerns ausgedrückt: Die civitas dei befindet sich gegenwärtig noch auf der Pilgerschaft – hin zu ihrem Ziel, dem endzeitlichen Frieden mit Gott. 9. Augustins Geschichtsdeutung

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Jerusalem – Babylon

Pilgerschaft der Kirche

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Das pilgernde Gottesvolk lebt in weltlichen Bezügen, also nicht säuberlich abgesondert von der civitas terrena, sondern mitten in ihr, und macht daher Gebrauch von den relativen Ordnungen, die in der civitas terrena entstehen.

9.3 Theologische Bewertung der weltlichen Obrigkeit Gottesstaat?

weltliche Obrigkeit

Die eingebürgerte Übersetzung von civitas dei als Gottesstaat wird weder der Bedeutung von civitas im augustinischen Werk gerecht noch lässt sich der Begriff Staat für die Antike einfach anwenden (vgl. § 3; 1.). Passender ist die Übersetzung als Gottesstadt, die einerseits die Jerusalemsymbolik aufgreift, andererseits die Vorstellung von der Bürgerschaft, d.h. der Gemeinschaft der zu einer civitas bzw. πόλις (polis/Stadt) gehörenden Menschen wachruft. Auch hat Augustin keine abstrakte theoretische Staatslehre entworfen (oder gar eine Trennung zwischen Staat und Kirche oder das Gegenüber von imperium/weltlicher Herrschaft und sacerdotium/geistlicher Herrschaft befürwortet). Trotzdem ergibt sich aus seiner Sicht eine ambivalente Wertung der weltlichen Obrigkeit: Zum einen ist die weltliche Obrigkeit und Ordnung etwas relativ Positives, weil sie durch weltliche Gesetze Schlimmeres verhütet und eine relative Gerechtigkeit erreicht. Zum anderen steht diese Ordnung aber immer wieder in Gefahr: Gerade der Verlauf der Geschichte zeigt, wie sehr auch kollektive Größen durch Herrschaftssucht, Streit und Hass zerstörerisch wirken können. Daraus ergibt sich eine vergleichsweise kritische Sicht der weltlichen Obrigkeit, auch wenn christliche Herrscher wie Konstantin und Theodosius sehr positiv bewertet werden. Die weltlichen Reiche sind in erster Linie als Zweckverbände (vgl. De civitate dei/Über die Gottesstadt 19,24) zu verstehen. Dadurch wird eine positive theologische Überhöhung des christlichen Imperiums oder einzelner Herrschaften erschwert – was Augustins Sicht der Geschichte und der weltlichen Obrigkeit von anderen Entwürfen unterscheidet (etwa von der relativ klassischen Rom­ideologie bei Orosius in seinen sieben Büchern Adversus paganos/Gegen die Heiden; allerdings sollte man bei Orosius auch die kritischen Zwischentöne nicht überhören). 9.4 Literatur Lektüretipp: G. O’Daly: Ciuitate Dei (De -): Augustinus-Lexikon 1 (1986-1994) 771-781. Quellen: W. Thimme (Hg.): Augustinus, Vom Gottesstaat, 2 Bde., 1955 [Übers.]. Literatur: J. van Oort: Jerusalem and Babylon. A Study into Augustine’s City of God and the Sources of his Doctrine of the Two Cities, 1991. – C. Horn (Hg.): De civitate dei, 1997. – C. Tornau: Zwischen Rhetorik und Philosophie. Augustins Argumentationstechnik in De ciuitate Dei und ihr bildungsgeschichtlicher Hintergrund, 2004. – U. Duchrow: Christenheit und Weltverantwortung, 2. A. 1983. – R. Dodaro: Christ and the Just Society in the Thought of Augustine, 2004. – R. Markus: Saeculum. History and Society in the Theology of St. Augustine, 2. A. 1988. – T.J. Weissenberg: Die Friedenslehre des Augustinus, 2005.

 § 1; 18.4-18.5

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10. Auseinandersetzungen um die Gnadenlehre im 5./6. Jh. Das Verhältnis zwischen göttlichem Gnadenwirken und menschlicher Aktivität ist durch die Beschlüsse des Konzils von Karthago 418 (vgl. § 5; 7.4.4) nur teilweise geklärt worden. Die Rezeption der augustinischen Werke zur Gnadenlehre hat weitere Diskussionen nach sich gezogen. Die Auseinandersetzungen (in drei Phasen: 429-440, um 470, 519-529) führten nicht zu einer abschließenden Klärung, sondern ließen besonders die augustinische Prädestinationslehre als eine diskutierte, von manchen als überzogen betrachtete Form der Gnadenlehre erscheinen. Dies ist die Voraussetzung für die Auseinandersetzungen um die Gnaden- und Prädestinationslehre im 9. Jh. und die verschiedenen scholastischen Interpretationen im 13. Jh.

10.1 Augustin als umstrittene Autorität bis 440 Als theologischer Lehrer und geistliche Autorität in Mönchskreisen wirkte Johannes Cassian (ca. 360-430/435), Abt des Klosters St. Viktor bei Massilia/ Marseille. Er betonte die Universalität des göttlichen Heilswillens und lehnte die augustinische Prädestinationslehre als Fatalismus ab (ein direkter Bezug auf Augustin wird allerdings in der modernen Forschung zum Teil auch bestritten). Prosper Tiro aus Aquitanien (ca. 390-nach 455) hingegen wurde als Verteidiger augustinischer Ideen literarisch aktiv. Er erwirkte von Coelestin von Rom schon 431 eine Erklärung, dass Augustin zu den anerkannten Lehrern der Kirche gehöre. Als Sekretär von Papst Leo I. hat er sich seit 440 für die allgemeine Geltung der Autorität Augustins eingesetzt. 10.1.1 Der Konflikt zwischen Cassian und Prosper. In Buch 13 der Collationes Patrum (Gespräche der Väter) in einem fiktiven Gespräch zum Thema De protectione dei (Über die Fürsorge Gottes) entfaltete der in Mönchskreisen als Seelsorger hochgeschätzte Cassian seine Argumentation: Der Mensch ist durch die Erbsünde verdorben, doch bleiben der freie Wille und das Bemühen um das Gute ansatzweise erhalten. Allein ist der Mensch in diesem Zustand unfähig zum Guten, daher greift Gott gnadenhaft ein und verleiht den Willen zum Guten und die Kraft, das Gewollte umzusetzen (zu Cassians Sündenlehre vgl. § 6; 6.4.3). Menschliche Aktivität und göttliche Gnadenhilfe wirken so zusammen, dass Gott eigentlich alles tut, der Mensch aber wegen seiner Bemühungen merita (Verdienste) erwerben kann, die nicht bloß Gottes Geschenke sind. Die Gnade unterstützt und fördert das willentliche Bemühen der Menschen und führt sie so zum ewigen Leben. Hiergegen betont Prosper in seiner Schrift De gratia et libero arbitrio contra collatorem (Über die Gnade und den freien Willen gegen den Teilnehmer an den Gesprächen) mit Augustin, dass die Natur des Menschen so zerstört ist, das auch das initium fidei (die erste Regung des Glaubens) von Gott geschenkt werden muss. In der sich anschließenden Debatte stellte Prosper Aussagen Augustins zusammen und förderte so die Benutzung von Augustin als Autorität.

Johannes Cassian

Prosper

freier Wille und Gnadenhilfe

10.1.2 Augustinrezeption bei Vinzenz von Lérins. Gegen Prosper stellte Vinzenz von Lerinum (Lérins, vgl. § 6; 6.4.2) um 434 ein Commonitorium pro catholicae fidei anti10. Auseinandersetzungen um die Gnadenlehre im 5./6. Jh.

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Katholizitäts­ kriterium

quitate (Denkschrift für den altbewährten katholischen Glauben) zusammen, das sich vordergründig mit Nestorius beschäftigte, eigentlich aber auch auf die Debatten um Augustin zielte. Pelagius und Caelestius werden scharf kritisiert, eine Theologie, die die eigenen Sünden auf die Verdorbenheit der Natur zurückführt, also als nicht willentlich erscheinen lässt, aber ebenso deutlich verworfen. Das konnte auf Augustins Verständnis des freien Willens (und auf Prosper) bezogen werden, auch wenn keine Namen genannt werden. (Dass Vinzenz selbst stark von Augustin beeinflusst war, zeigt sich an seinen Excerpta/Auszügen, in denen er wichtige Aussagen Augustins zur Trinitätslehre und zur Christologie formelhaft verdichtet.) Als Kriterien für die Wahrheit der kirchlichen Lehre formulierte er das sog. Katholizitätskriterium. Danach ist als rechtgläubig anzunehmen, quod ubique, quod semper, quod ab omnibus creditum est; hoc est enim vere proprieque catholicum (was überall, was immer, was von allen geglaubt worden ist, denn das ist wahrhaft und im eigentlichen Sinne katholisch). Allgemeine Verbreitung, Alter der Lehre und Zustimmung zu diesen Lehren sind demnach die entscheidenden Elemente der Katholizität.

10.2 Faustus von Riez

Universalität des Heilswerkes Christi

freier Wille

Der Streit um die augustinische Prädestinationslehre brach um 470 wieder auf, als Faustus (seit ca. 430 Abt von Lérins, seit ca. 460 Bischof von Reiji/ Riez) auf zwei Synoden in Arles und Lyon die Lehre des Presbyters Lucidius verurteilen ließ, der sich stark an Augustin orientiert hatte. Besonders verurteilt wird die Annahme, dass Christus nicht für alle gestorben sei (weil nur einige wenige zum Heil prädestiniert sind, die anderen aber wegen der gefallenen Natur sich nicht zum Guten bzw. zum Glauben umkehren können). In seiner Schrift De gratia (Über die Gnade) propagierte er einen Mittelweg zwischen Pelagianismus und Manichäismus (wobei Augustin unter letzteren subsumiert wurde). Faustus bemüht sich zwar, den umfassenden und vorausgehenden Charakter der Gnade zu betonen, doch misst er dem menschlichen Wollen eine entscheidende Rolle zu. Der Sündenfall schwächt zwar den freien Willen, zerstört ihn aber nicht, was für Faustus heißt, dass der Mensch mit der Gnade zusammenarbeitet und so zu eigenen Verdiensten kommen kann. Die Position des Faustus entsprach wohl weitgehend der im gallischen Episkopat verbreiteten Auffassung, wie die Synodalentscheidungen zeigten.

10.3 Das Konzil von Arausio 529

Fulgentius

Der Gnadenlehre des Faustus wurde erst nach dessen Tod widersprochen. Eher zufällig (im Zusammenhang der Debatte mit Johannes Maxentius um den Theopaschitismus nach 519; vgl. § 4; 12.1.1) wurde Fulgentius von Ruspe (ca. 462/8-527/32), Abt und Bischof in Ruspe in Nordafrika, der zeitweise von den Vandalen nach Sardinien verbannt war, auf die Gnadenlehre des Faustus aufmerksam, die er in mehreren (teilweise verlorenen) Schriften zu widerlegen suchte. Dazu stellte er Aussagen Augustins zur Gnadenlehre in formelhafter Verdichtung zusammen. Erst die Unterstützung durch den 416

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§ 5 Augustin und die Entwicklung der lateinischen Theologie bis zum 9. Jh.

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geschickten Organisator und bedeutenden Prediger Cäsarius von Arles (ca. 470-542) führte dazu, dass diese Position auch im gallischen Episkopat akzeptiert wurde. Auf einer der von ihm betriebenen regionalen Synoden, 529 in Arausio/Orange (mit denen Cäsarius seine Vorrechte als Metropolit von Arles gegen seinen Konkurrenten in Vienne durchsetzen wollte), konnte Cäsarius erreichen, dass in 25 Canones eine augustinisch gefärbte Gnadenlehre sanktioniert wurde (Text/Übers.: DH 370-395). Dabei wurde festgehalten: 1. Die Erbsünde macht den Menschen völlig unfrei zum Guten. 2. Bekehrung und Glaube (auch der Anfang des Glaubens) sind allein Werk der Gnade. 3. Der freie Wille wird erst durch die Taufgnade so wiederhergestellt, dass der Mensch das Gute will. Dies verändert den Zustand der menschlichen Natur. 4. Der Heilige Geist unterstützt fortlaufend in allen einzelnen Handlungen den Glaubenden; ohne die infusio, inspiratio und illuminatio (Eingießung, Einhauchung und Erleuchtung) des Heiligen Geistes kann der Gerechtfertigte nicht gut leben. Da die Prädestinationsproblematik nicht berührt wurde, fehlte das entscheidende Stück der seit 426 umkämpften Lehre Augustins. Gleichwohl gingen die Canones über das Ergebnis von 418 hinaus. Die Entscheidung von Arausio 529 war nicht unumstritten, gewann aber durch die Rezeption durch Papst Bonifatius II. 531 allgemeine Bedeutung und wurde daher in die gallischen Rechtssammlungen übernommen. Trotzdem wurde sie in der Folgezeit nur begrenzt rezipiert, weswegen sein Gewicht für die dogmengeschichtliche Entwicklung nicht zu hoch eingeschätzt werden darf. Faktisch blieb die Position des Faustus auch in der Folgezeit weit verbreitet.

Cäsarius von Arles

Glaube als Werk der Gnade

Pneumatologie

Rezeption durch Papst Bonifatius II.

10.4 Literatur Lektüretipp: U. Heil: Die Auseinandersetzungen um Augustin im Gallien des 5. Jahrhunderts (bis 529), in: V.H. Drecoll (Hg.): Augustin Handbuch, 2007, 558-564. Literatur: O. Chadwick: John Cassian, 2. A. 1968. – C.M. Kasper: Theologie und Askese, 1991. – W.E. Klingshirn: Caesarius of Arles, 1994. – T.A. Smith: Dea Gratia. Faustus of Riez’s Treatise on Grace and its Place in the History of Theology, 1990. – R.H. Weaver: Divine Grace and Human Agency. A Study on the Semi-pelagian Controversy, 1996. – D. Ogliari: Gratia et Certamen. The Relationship between Grace and Free Will in the Discussion of Augustine with the so-called Semipelagians, 2003.

 § 4; 5.-10.

11. Vermittlung des antiken Bildungserbes im Übergang zum Mittelalter Infolge der Entstehung gentiler Reiche im Westteil des Imperium Romanum (vgl. § 7; 1.-3.) und der davon zunehmend getrennten Entwicklung in Byzanz (vgl. § 4; 12.-15.) entwickelten sich auch die kulturellen Gegebenheiten zunehmend auseinander. Auch wenn es im Imperium Romanum ein erhebliches Maß an Regionalisierung gegeben hat, hatte der Mittelmeerraum doch 11. Vermittlung des antiken Bildungserbes im Übergang zum Mittelalter

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Christianisierung

Anpassung von Institutionen

Bildungserbe

Klöster

artes liberales

über Jahrhunderte hinweg einen Kulturraum gebildet, in dem bestimmte Kenntnisse technischer wie wissenschaftlicher Art erreichbar waren. Dies wurde nun erheblich schwieriger. Die Entwicklung der Kirchen orientierte sich im Westen größtenteils an den neuen politischen Strukturen, die Kirchen in Nordafrika, Italien, Gallien, Spanien und Britannien nahmen daher jeweils ihre eigene Entwicklung. Das machte drei Aufgaben besonders wichtig: a) die christlich-religiöse Sozialisation der autochthonen wie der zugewanderten Bevölkerung: Zum einen waren viele Bevölkerungsanteile um 400 noch nicht christlich, erst nach und nach wurde das Christentum zur vorherrschenden Religion; zum anderen ergab sich in den gentilen Reichen der konfessionelle Gegensatz zwischen homöischen, »germanischen« Herrschaftsschichten und nizänischer Bevölkerung, b) die Aufrechterhaltung oder Transformationen von Institutionen: So wurde das römische Recht an die Gegebenheiten der gentilen Reiche angepasst, Steueraufkommen und öffentliche Aufgaben umverteilt oder neu strukturiert, c) die Bewahrung des antiken Bildungserbes. Nach der Blütezeit im späten 4. und frühen 5. Jh. brachte die Zeit zwischen 500 und 800 einen tiefgreifenden Transformationsprozess auch im Bildungsbereich mit sich. Die klassischen Institutionen der städtischen und freien Schulen hörten vielfach auf zu bestehen, Bibliotheken verkamen, veralteten oder wurden sogar zerstört. Die Klöster wurden in diesem Kontext als »Bildungsinseln« immer wichtiger: Sie wurden zu Orten von Schulen und wichtigen Bibliotheken. Für die Rezeption des antiken Erbes wurde die Entwicklung eines Kanons der sieben artes liberales (freien Künste) wichtig. Die theologische Grundlage dafür, dass man das antike Erbe auch in einem verchristlichten und monastischen Kontext tradierte, hatte Augustin mit seiner bedeutenden Hermeneutik De doctrina christiana (Über die christliche Unterweisung und Lehre) gelegt. Im 6. Jh. gründete der hohe Reichsbeamte Cassiodor nach dem Ende seiner politischen Karriere in Süditalien das Kloster Vivarium (ca. 550), das zu einem zentralen Umschlagplatz für Bücher und Bildung wurde. Als Tradent enzyklopädischen Wissens trat um 600 Isidor von Sevilla hervor. Für die Vermittlung des Neuplatonismus im Westen gewann Boethius grundlegende Bedeutung, besonders für die Erkenntnislehre und die Ontologie. Sein Buch Consolatio philosophiae (Trost der Philosophie) wurde neben Augustins Confessiones (Bekenntnissen) eines der meistbenutzten Bücher im Mittelalter.

11.1 Augustins Begründung der Bemühungen um Bildung in De doctrina christiana Augustin verfolgte nach seiner Taufe das Ziel, einen umfassenden Bildungskanon zu schaffen, der für die Beschäftigung von Christen mit Philosophie und Theologie eine geeignete Grundlage darstellen sollte. Neben dem um418

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fassenden und in Buch 6 eine neuplatonische Ontologie rezipierenden Werk De musica (Über die Musik; gemeint ist eine Relationenlehre der Zahlenproportionen, also eine grundlegende musiktheoretische wie ontologische Abhandlung) sind davon nur Bruchstücke zustandegekommen (De rhetorica/ Über die Rhetorik, De dialectica/Über die Dialektik, unecht die Fragmente zu De grammatica/Über die Grammatik). Zugleich entwickelte Augustin eine grundlegende Hermeneutik (in De doctrina christiana/Über die christliche Unterweisung bzw. Lehre 1,1-3,35; entstanden ca. 395/397, die zweite Hälfte von Buch 3 und Buch 4 wurden erst ca. 424-427 nachgetragen). Die grundlegende Unterscheidung von uti – frui (benutzen – genießen) (s. § 5; 8.1) bedeutet, dass eine negative Bewertung der Schöpfung ausgeschlossen ist: Die Schöpfung selbst ist gut und tut auch dem Menschen gut, solange er sich eben nicht an ihr ausrichtet und im Umgang mit den vergänglichen Gütern ein permanentes Glück sucht. Tut der Mensch dies doch, kehrt er sich von Gott ab und verhält sich sündhaft. Zu dieser Unterscheidung tritt eine zweite hinzu: zwischen res (Sache) und signum (Zeichen). Auch die Zeichen sind Sachen, doch solche, die auf etwas anderes verweisen. In gewisser Weise lässt sich die gesamte Schöpfung, ja auch die Geschichte als Zeichenprozess verstehen, der auf Gott hinweist. Der Christ muss den Zeichencharakter der ihn umgebenden Welt verstehen und ihn nutzen, um Gott genießen zu können. Die Installation der Zeichen, das Verstehen, das Sich-Ausrichten an Gott und das Genießen kann der Mensch dabei nicht selbst herstellen, sondern nur in sich erleben. Die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Welt erhält so einen doppelten Charakter: Einerseits ist sie in ihrem Wert eingeschränkt, weil sie nicht das Genießen Gottes und damit das selige Leben mit sich bringt, andererseits hat sie einen hohen Wert, weil sie – recht verstanden – zum Genießen Gottes und dem seligen Leben hinführt. Diese Hermeneutik ist weichenstellend für die Rezeption des antiken Bildungserbes geworden. Augustin selbst geht in diesem Sinne in Buch 2 von De doctrina christiana die Wissenschaften durch: Zoologie und Botanik, Medizin, Techniken wie Ackerbau und Seefahrt, schließlich die disciplinae liberales (die freien Wissenschaftsdisziplinen): Grammatik, Dialektik, Rhetorik (später als trivium/Kreuzung aus drei Wegen zusammengefasst) sowie Arithmetik, Geometrie, Musik (verstanden als Relationenlehre) und Astronomie (später als quadrivium/Kreuzung aus vier Wegen zusammengefasst). Die Quellen für diese Zusammenstellung sind umstritten (Varro?), doch greift Augustin hier auf eine bereits existierende Wissenschaftssystematik zurück, denn eine vergleichbare Ordnung liegt auch dem Handbuch des heidnischen Karthagers Martianus Capella (Anfang des 5. Jh.s) zugrunde. Hierneben wurden Grammatiklehrbücher benutzt, so die Ars ([scil. grammatische] Kunstlehre) des Donatus (vgl. § 5; 3.1) und des Marius Victorinus (s. § 5; 1.3). Den Bezug aller Menschen und der gesamten Welt auf Gott zu entdecken, lehrt insbesondere die Bibel, für die Augustin nicht nur den Kanonsumfang feststellt, sondern auch ausführliche Auslegungsregeln entwickelt, 11. Vermittlung des antiken Bildungserbes im Übergang zum Mittelalter

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res – signum

Wissenschaften

trivium – quadrivium

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Theologie – andere Wissenschaften

Homiletik

Predigtwerke Augustins

so insbesondere im 3. Buch von De doctrina christiana in der Rezeption von Tyconius (vgl. § 2; 16.3.3). Von der Bibel aus ergibt sich jedoch die Notwendigkeit, weitere Wissenschaften zu betreiben. Die weltlichen Wissenschaften sind zwar in gewisser Weise von einer theologischen Klammer umgeben (nämlich dem Letztverweis auf Gott, wie ihn die Theologie beschreibt), haben aber doch ihr eigenes Recht. Diese Zuordnung von Theologie und anderen Wissenschaften hat den mittelalterlichen Schulbetrieb und letztlich die Universitäten tief beeinflusst. Für den praktischen Gebrauch dieser Hermeneutik durch Kleriker hat Augustin selbst die Voraussetzung geschaffen, indem er die klassische Rhetorik Ciceros und Quintilians in eine christliche Homiletik überführte (Buch 4 von De doctrina christiana). Einen großen Einfluss auf die Exegese des Mittelalters hat Augustin dann auch durch seine eigenen homiletischen Werke ausgeübt. Neben den eigentlichen Predigten (den sermones ad populum/den Predigten an das Kirchenvolk) hat Augustin auch Reihenpredigten zu biblischen Büchern vorgetragen und dann literarisch vollendet, so besonders die Enarrationes in psalmos (Erläuterungen zu den Psalmen; ca. 392-420) und die Tractatus in Iohannis evangelium (Abhandlungen über das Johannesevangelium, zwischen 405 und ca. 425). Es entsprach dem Duktus dieser Bemühungen, auch dogmatische Lehrkomplexe in geraffter und zusammenfassender Form zu überliefern. Dies taten für die Trinitätslehre und Chris­ tologie etwa – weitgehend auf Werken Augustins fußend – Fulgentius von Ruspe und Vinzenz von Lérin. Einflussreich war außerdem die (ebenfalls an Augustin orientierte) Predigtsammlung des Cäsarius von Arles (Anfang des 5. Jh.s). Aus solchen Zusammenstellungen wurden wiederum kurze Texte für pädagogische Zwecke destilliert (u.a. das sog. Symbolum Quicumque, vgl. § 1; 18.5).

11.2 Boethius als philosophische Autorität

Übersetzungen

theologische Schriften Personbegriff Consolatio philosophiae

Für die Vermittlung antiker Bildung wurde der christliche Neuplatoniker Anicius Boethius (ca. 474/480-524) wichtig, ein Römer, der unter dem Ostgotenkönig Theoderich höchste Ämter innehatte, dann aber der Verschwörung und heimlichen Kollaboration mit dem oströmischen Kaiser Justin verdächtigt, unter Hausarrest gestellt und 524 hingerichtet wurde, weswegen er als Märtyrer galt. Sein Ziel war die Latinisierung der griechischen Bildung. Dazu griff er insbesondere auf Porphyrius und Aristoteles zurück. Durch Übersetzungen und Kommentierungen (wie die Kommentierung der Isagoge/ Einleitungsschrift des Porphyrius zu Aristoteles’ Kategorienschrift) vermittelte er dem lateinischen Bildungsbetrieb Aristoteles’ Logik und Metaphysik. Für die Fächer des Quadriviums fasste er griechische Kompendien zusammen. Für die Rhetorik wurde er durch seine Cicerokommentare wichtig. Schließlich hat er in fünf kleinen theologischen Schriften einflussreiche Überlegungen zu Trinitätslehre und Christologie angestellt (und dabei die wirkungsreiche Definition von persona/Person als naturae rationabilis individua substantia/nicht aufteilbares Wesen einer vernunftbegabten Natur geprägt). Sein berühmtestes Werk hat er 523/524 geschrieben, nachdem er verhaftet worden war: Die fünf Bücher der Consolatio philosophiae (Trost der Philosophie) sind in der Gestalt eines 420

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Dialogs des fiktiven Ichs mit der Philosophie geschrieben und von hymnischen Gedichten durchsetzt. Die Philosophie vergegenwärtigt dem betrachtenden Menschen, dass der Verlust aller vergänglichen Güter verschmerzbar ist, weil der Mensch nur in der Abkehr von allem Vergänglichem und der Hinwendung zu Gott als dem höchsten Gut das wahre Glück findet. Eigentlich auffällig an dem Buch ist das Fehlen explizit christlicher Elemente. Die Wirkungsgeschichte dieses Buches zeigt, wie stark Mitglieder der Führungsschichten in der antiken Bildungswelt verwurzelt waren und dass auch im Mittelalter die Wirkmächtigkeit dieser Bildungswelt nie ganz abgebrochen ist.

11.3 Cassiodors Bibliothek Als ein besonders bedeutsames Beispiel für die Tradierung, Ordnung und Verbreitung von Kirchenväterschriften und der Methodik des Bibelstudiums gilt Cassiodor (ca. 485/490-ca. 580), ein gebildeter, bis 540 im Ostgotenreich einflussreicher Politiker, der sich – nachdem die Dynastie der Amaler untergegangen und das Ostgotenreich von Byzanz zurückerobert war – ins Privatleben zurückzog und sich mit Bibelstudium und dem Aufbau einer Bibliothek beschäftigte. Er gründete nach 550 auf einem seiner süditalischen Güter das Kloster Vivarium und kümmerte sich gezielt um die Sicherung und Verbreitung von Kirchenväterschriften (u.a. durch eine Schreibschule). Es ist unklar, welchen Einfluss diese Bibliothek, die bis ca. 600 bestand und vielleicht nach Rom verlegt wurde, auf die Handschriftenüberlieferung hat. Wirkungsgeschichtlich wichtig wurden Cassiodors Institutiones (Anleitungen) zur exegetischen Arbeit und zur Einführung in profane Bildung. Er ließ auch verschiedene griechische Werke übersetzen. In diesem Umfeld entstand auch die Historia ecclesiastica tripartita (Die aus drei Schriften zusammengesetzte Kirchengeschichte), in der Cassiodors Schüler Epiphanius die Kirchengeschichten des Sokrates, des Sozomenus und des Theodoret zusammenstellte (vgl. § 3; 14.4).

Vivarium

11.4 Isidor von Sevilla als kirchlicher Enzyklopädist Die Blüte des Westgotenreiches im 7. Jh. (vgl. § 7; 2.2.4) bildet den Kontext für das umfangreiche Wirken des gelehrten Metropoliten von Hispalis/Sevilla, Isidor (560-636). Neben seinen historischen und exegetischen Lehrbüchern hat er besonders enzyklopädisches Wissen angehäuft: Seine Etymologiae (Herleitungen; anderer Titel: Origines/ Ursprünge von ca. 630) stellten in 20 Büchern das verfügbare Wissen zusammen, beginnend mit den artes liberales (den freien Künsten). Der Titel gibt die Methodik an, durch Begriffsableitungen die Sachverhalte zu klären. Auch Isidors Sententiae (Sentenzensammlung), in denen wichtige Aussagen der Kirchenväter zur Dogmatik und Ethik zusammengestellt waren, wirkten im Mittelalter fort.

11.5 Dionysius Exiguus und die christliche Zeitrechnung Für das Kirchenrecht des frühen Mittelalters spielten die Sammlungen des Dionysius Exiguus, eines gelehrten skythischen Mönches, der ca. 500-540 in Rom tätig war, eine wichtige Rolle. Aus den griechischen Konzilssammlungen übersetzte er vieles und stellte insbesondere die Bedeutung des Papstamtes heraus (durch entsprechende Zusammenstellungen von Dokumenten). Dionysius beschäftigte sich auch mit chronologischen Fragen (etwa der richtigen Berechnung des Ostertermins, so in der Schrift De magno cyclo pas11. Vermittlung des antiken Bildungserbes im Übergang zum Mittelalter

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Kirchenrecht

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chae/Über den großen Osterterminzyklus). Auf ihn geht die Idee zurück, die Jahre nicht (wie sonst damals üblich) nach Konsulaten, Regierungszeiten der Kaiser oder städtischen Lokaltraditionen zu zählen, sondern einheitlich auf Christi Geburt zu beziehen (vgl. § 5; 13.1.2). Diese Datierungsweise wurde ab dem 8. Jh. zunehmend rezipiert. 11.6 Literatur Lektüretipp: D. Illmer: Formen der Erziehung und Wissensvermittlung im frühen Mittelalter, 1971. Literatur: K. Pollmann: Doctrina christiana. Untersuchungen zu den Anfängen der christlichen Hermeneutik unter besonderer Berücksichtigung von Augustinus, De doctrina christiana, 1996. – B. Englisch: Die Artes liberales im frühen Mittelalter (5.-9. Jh.), 1994. – J. Koch (Hg.): Artes liberales. Von der antiken Bildung zur Wissenschaft des Mittelalters, 1959; ND 1976. – H. Chadwick: Boethius. The Consolations of Music, Logic, Theology, and Philosophy, 1981; ND 1992. – T. Böhm (Hg.): Boethius as a Paradigm of Late Ancient Thought, 2014. – J. Gruber: Boethius. Eine Einführung, 2011. – J. Marenbon (Hg.): The Cambridge Companion to Boethius, 2009. – J.J. O’Donnell: Cassiodorus, 1979. – H.J. Diesner: Isidor und das westgotische Spanien, 1977/1978. – J. Fontaine: Isidor IV (von Sevilla), RAC 18 (1998) 1002-1027. – Ders.: Isidore de Séville et la culture classique dans l’Espagne wisigothique, 3 Bde., 2. A. 1983. – W. Büsgens: Einleitung, in: Ders. (Hg.): Cassiodor, Institutiones divinarum et saecularium litterarum, FC 39/1, 2003, 9-88. – C. Kakridi: Cassiodors Variae. Literatur und Politik im ostgotischen Italien, 2005.

 § 4; 11.

12. Verkirchlichung der Tradition bei Gregor dem Großen Eine markante Person des Übergangs zum frühen Mittelalter war der erste Mönch auf dem Papstthron, Gregor (Papst 590-604), schon bald als der Große verehrt und (neben Ambrosius, Augustin und Hieronymus) zu den vier lateinischen Kirchenlehrern gerechnet. Er war für die Geschichte des Papsttums (vgl. § 8; 4.) wie des Mönchtums (vgl. § 6; 7.2.1) eine wirkungsgeschichtlich wichtige Gestalt. Er hat Mönche zur Mission in England ausgesandt (vgl. § 7; 4.1) und durch seine theologischen Schriften die Frömmigkeit des frühen Mittelalters entscheidend mitgeprägt.

12.1 Lebenslauf Gregors

Andreaskloster in Rom

Gregor entstammte einer bedeutenden, senatorischen Familie Roms und wurde 573 Stadtpräfekt Roms. Auch wenn dieses Amt in dieser Zeit bereits an Einfluss verloren hatte, übernahm Gregor damit eine zentrale Aufgabe in Rom, die durch die Zusammenarbeit mit dem Papst geprägt war. Nach dem Tod seines Vaters gab Gregor jedoch bereits 574 dieses Amt auf und wurde Mönch. Dazu gründete er aus dem elterlichen Vermögen verschiedene Klöster in Sizilien und das Andreaskloster in Rom, dessen Leitung er selbst übernahm. Als er 579 als päpstlicher Apokrisiar nach Konstantinopel 422

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Abb. 11 Zentren der westlichen Theologie im 7. – 9. Jahrhundert

Iona Derry Armagh Clonmacnoise

Lindisfarne

Bangor

Durrow

Ripon

Nordsee

Jarrow Wearmouth York

We se

r

Malmesbury Themse

Canterbury

Corvey

M

Fulda Prüm Corbie Q(uierzy) Frankfurt Soissons Laon Echternach Compiègne Mainz Reims St. Denis Metz Paris ine Orbais Se Orléans Toul Sens

Dordogn

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Caesaraugusta/ Saragossa

Tolosa/Toulouse Narbo/ Narbonne

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Bracara/Braga

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Atlantischer Ozean

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Nursling

Valence

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Arelate/Arles Massilia/Marseille

Pisa

Korsika

Tajo

Toletum/Toledo

Hispalis/ Sevilla

Guadalquivir

Sardinien Balearen

Mittelmeer

0

12. Verkirchlichung der Tradition bei Gregor dem Großen

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100

200

300 km

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Apokrisiar in Konstantinopel

Buße

geschickt wurde, nahm er eine Reihe seiner Mönche mit. In Konstantinopel diskutierte er mit dem umstrittenen, zwischenzeitlich exilierten Patriarchen Eutychios über die Unvergänglichkeit des Leibes Christi (d.h. den Aphthartodoketismus, es ging genauer darum, ob die Unvergänglichkeit des Leibes Christi diesem erst nach der Auferstehung zukam oder schon dem von Maria geborenen Leib, so Eutychios, den Gregor nach eigenen Angaben ebenso überzeugte wie den byzantinischen Kaiser). Ein geschickt aufgebautes Netzwerk und ein Kreis intellektuell begabter westlicher Kleriker (unter ihnen Leander von Sevilla) zeigten die besonderen Qualitäten Gregors, der jedoch ein Hauptanliegen, für ein entschiedenes Eingreifen der Byzantiner gegen die Langobarden zu sorgen, nicht erreichen konnte. Einige Jahre nach seiner Rückkehr nach Rom wurde Gregor 590 zum Papst gewählt und markierte den Anfang seines Pontifikats mit einer umfassenden Bußlitanei und -prozession. Das darin zum Ausdruck kommende Bemühen um eine innerlichgeistliche Erneuerung der Kirche und ihrer Kleriker bestimmte sein weiteres Wirken. Er setzte sich besonders dafür ein, dass die Kleriker die Aufgaben der Predigt und Seelsorge in den Vordergrund stellten, und propagierte das (in sich vielfältige) Mönchtum als ideale Form christlicher Existenz. Politisch suchte er den Kontakt zu den Langobarden so herzustellen, dass das Papsttum von der sich ausbreitenden Langobardenherrschaft möglichst wenig tangiert würde. Den eigenen Anspruch, als Papst oberster Richter in disziplinarischen Fragen zu sein, versuchte er in Italien, Gallien und Nordafrika durchzusetzen – mit wechselndem Erfolg (vgl. § 8; 4.1).

12.2 Literarisches Werk Augustin­-­ rezeption Moralia in Iob

Regula pastoralis

Dialogi

In seinem literarischen Werk verarbeitet Gregor in fruchtbarer Weise die augustinische Tradition, angereichert durch seine Kenntnis der östlichen Theologie und ein besonderes Bemühen um mystische und monastische Traditionen. Zu nennen sind: a) Die Moralia in Iob (auf die Ethik bezogene Erklärung zum Buch Hiob), eine ausführliche Auslegung des Buches Hiob (womit ein Nichtchrist als Tugendvorbild für die Christen vorgestellt wurde) in 35 Büchern, die sich zu einer umfassenden Betrachtung von Askese, Ethik und Mystik entwickeln (entstanden wohl in Konstantinopel; Text: CChr.SL 143.143A.143B). – b) Die Regula pastoralis (Anweisung für die Hirten) in 4 Büchern (bald nach 590; Text: CChr.SL 141; Übers.: BKV II,4), eine programmatische Beschreibung des Wesens und der Aufgaben des »Seelenhirten« und Predigers, die das Idealbild eines Klerikers im Mittelalter prägte. – c) Die Homilien zu den Evangelien und zu Ezechiel (zwischen 590 und ca. 593; Text: CChr.SL 142). – d) Die Dialogi, in denen Gregor legendarische Berichte über die Wunder und Visionen der Asketen aus Italien sammelte und so für das Mönchtum warb (ca. 593/594; Text. SC 251.260.265; Übers. BKV II,3; wichtigste Quelle für Benedikt von Nursia; die Echtheit dieser Schrift wird in der modernen Forschung zum Teil be424

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stritten, vgl. § 6; 7.2.1). Zugleich wurde hierdurch die Heiligenverehrung maßgeblich geformt.

12.3 Formung des kirchlichen Lebens Gregor betonte die Einheit der Kirche als Leib Christi und leitete daraus eine besondere Verpflichtung für die Kleriker ab, die das Gottesvolk zu Buße, Willensänderung und einem guten Leben anleiten sollten. Zugleich forderte er eine Vorbildfunktion der Kleriker in ethischer wie in geistlicher Hinsicht. Askese und mystische Spiritualität sollten hierzu beitragen. Dies erklärt die eigentümliche Verbindung, die im Denken Gregors zwischen der vita contemplativa (dem betrachtenden, auf Schau ausgerichteten Leben) und der vita activa (dem tätigen Leben) besteht. Die durch die Buße hergestellte Willensänderung muss anschließend in einen dauerhaften Lebensstil überführt werden, in dem die Orientierung an Heiligen und Vorbildern aus dem Mönchtum ebenso wichtig ist wie die tätige Nächstenliebe. Von dieser Grundorientierung aus deutete Gregor die Frömmigkeit seiner Zeit. 12.3.1 Fegefeuer, Seelenmessen und Eucharistie. Die seit Cyprian geläufige Vorstellung von der Eucharistie als Opfer, das in liturgischer Vergegenwärtigung des Todes Jesu besteht (vgl. § 2; 14.3), griff Gregor auf und formte sie um: Die Eucharistie wird nun als Opfer der Kirche verstanden, als wiederholte geheimnisvolle Realisation des einen Opfers. Der Priester bringt (als Repräsentant der Kirche wie von Christus) Leib und Blut dar. Die Eucharistie ist demnach ein wirkliches rekonziliatorisches Opfer, das die Vergebung der Sünden und die Versöhnung Gottes bewirkt. Es macht zugleich in besonderer Weise bewusst, dass die Kirche die zentrale Institution ist, die das Heil vermittelt. Als vom Priester geleiteter liturgischer Akt ist die Eucharistie zugleich Gabe Gottes als auch ein opus (ein Werk) des Menschen, mit welchem man – neben Gebet und Almosen – vor Gott tritt. Die schon bei Cyprian und Augustin auftauchende, besonders von Cäsarius von Arles popularisierte Vorstellung eines purgatorium (Fegefeuers), einem jenseitigen Ort zur Reinigung von den Sünde, von Gott gütigerweise ermöglicht, um den ewigen Strafen entkommen zu können, griff Gregor auf und verband dies mit der Vorstellung des rekonziliatorischen Opfers. Aus der Fürbitte für die Toten wurde eine Form von Widmung einzelner Eucharistiefeiern. Dadurch entstand die Konzeption der Seelenmesse, die Eingang in die kirchliche Praxis und das allgemeine Bewusstsein gefunden hat. In der Solidargemeinschaft der Kirche, die Lebende und Tote umfasst, wird die durch Christi Erlösungswerk fundierte Rettung durch kultisches Handeln zugänglich.

Buße und Heiligung

Opfer

purgatorium

12.3.2 Buße und Beichte. Die zentrale Aufgabe der Buße wird von Gregor vielfältig betont und durch eigene Bußlitaneien und Prozessionen auch liturgisch gestaltet. Zugleich propagierte er – ganz dem Programm seiner 12. Verkirchlichung der Tradition bei Gregor dem Großen

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Bekenntnis des Einzelnen

Interzession

innerlichen Erneuerung entsprechend – die Verinnerlichung der Buße als das individuelle Vorwegnehmen dessen, was man im Jüngsten Gericht zu erwarten hat. Die Hirten der Kirche haben zu dieser individuellen Selbstbesinnung anzuleiten und entsprechend auf das Bekenntnis des Einzelnen hin die Vergebung zuzusagen und zu gutem Leben anzuhalten. Dadurch hat Gregor maßgeblich den Wechsel von der öffentlichen Buße vor der Gemeinde (und der gemeinschaftlichen offenen Buße) hin zur Beicht-Buße, also einem vor allem zwischen Beichtendem und Priester stattfindenden Geschehen, geprägt, die in den folgenden Jahrhunderten mehr und mehr Verbreitung finden sollte. 12.3.3 Satanologie und Heiligenverehrung. Die altkirchliche Dämonologie hat Gregor weiterentwickelt, besonders der Satan tritt nun als vielfach präsenter Gegenspieler Gottes in den Mittelpunkt. Die Macht des Bösen ist zwar prinzipiell durch Christi Werk zerstört, doch bedroht sie faktisch immer wieder den Christen, der sich den Anfechtungen und Angriffen des Teufels widersetzen muss. Unterstützung und Zuflucht findet der Gläubige bei den Heiligen, an die sich der Gläubige im Gebet wendet und so um die Fürbitte der Heiligen und Märtyrer bittet (im Sinne einer Interzession). Zwar löst bei Gregor der Heiligen- und Märtyrerkult die zentrale Stellung des Verdienstes Christi nicht auf, doch wird die gelebte Frömmigkeit nun theologisch reflektiert und von den Seelenhirten direkt gefördert. Damit war eine wesentliche Voraussetzung dafür gegeben, dass der bereits entwickelte Heiligen- und Reliquienkult für die mittelalterliche Frömmigkeit bestimmend wurde. 12.4 Literatur Lektüretipp: K. Greschat: Die Moralia in Job Gregors des Großen, Tübingen 2005, 79-139. Literatur: G.R. Evans: The Thought of Gregory the Great, 1988. – M. Fiedrowicz: Das Kirchenverständnis Gregors des Großen, 1994. – G. Kessler: Gregor der Große als Exeget, 1996. – R.A. Markus (Hg.): Gregory the Great and his World, 1997. – B. Müller: Führung im Denken und Handeln Gregors des Grossen, Tübingen 2009. – A. Angenendt: Heilige und Reliquien, Die Geschichte ihres Kultes vom frühen Christentum bis zur Gegenwart, 2. A. 2007.

 § 8; 4.

13. Theologie im Zeitalter Karls des Großen

»Karolingische Renaissance«

Mit der Neuformation des Frankenreichs (vgl. § 9; 2.-3.) war eine Erneuerung der Kirche verbunden, mit der eine umfassende Belebung der Theologie einherging. Es wurden neue, an das spätantike Erbe anknüpfende Standards der Theologie entwickelt. Diesen Prozess hat man etwas unpassend »Karolingische Renaissance« genannt – etwas unpassend deshalb, weil es sich zwar um einen Rückgriff auf die Spätantike handelte, oftmals aber erst durch diese Neuformation das, was als spätantikes Erbe weitervermit426

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§ 5 Augustin und die Entwicklung der lateinischen Theologie bis zum 9. Jh.

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telt wurde, die heute bekannte Form annahm. Viele antike und spätantike Texte sind nur durch Handschriften ab der Karolingerzeit belegt, die darin wirksamen Sammlungsmechanismen und philologischen Standards prägen das heutige Bild von der antiken und spätantiken Theologie maßgeblich. Die damit verbundene Vereinheitlichung und Normierung lässt sich mit dem Begriff correctio (Zurechtbringung) beschreiben. Die Belebung der Theologie hat inhaltlich zu dogmatischen Kontroversen geführt, so dass in der Zeit Karls des Großen mehrere Weichenstellungen der lateinischen Theologie erfolgten, so besonders für die Bilderverehrung (in Auseinandersetzung mit der östlichen Entscheidung des Konzils von Nicäa 787), die Christologie (in der Abwehr des spanischen sog. Adoptianismus) und die Trinitätslehre (mit der Befürwortung des Filioque).

Handschriften

13.1 Die Voraussetzung: Klöster in England Von den iroschottischen Klöstern aus entwickelten sich besonders englische Klöster zu Bildungszentren, an denen das Studium der Bibel und der Kirchenväter im 7. Jh. intensiviert wurde. Über Klosterschulen, die mit den Kathedralen der beiden kirchlichen Zentren Canterbury und York verbunden waren, wirkten diese Impulse auf die englische Kirche ein. Der bedeutends­ te Gelehrte war Beda Venerabilis, der auch im Frankenreich stark rezipiert wurde. 13.1.1 Römische und iroschottische Impulse in England. In Mittelengland (besonders in Northumbria) kamen zwei Einflüsse zusammen, die von Canterbury ausgehenden Einflüsse der römisch-lateinischen Tradition und die von Iona über Lindisfarne aus wirkenden iroschottischen Einflüsse. In Canterbury baute der aus Tarsus/Kilikien stammende Erzbischof Theodor (ca. 602-690) eine theologische Ausbildung auf, die sich auf die Kirchenväter bezog und eine Kenntnis der griechischen Sprache einschloss. In North­umbria ragte das Doppelkloster Wearmouth-Jarrow hervor, das durch die intensiven Kontakte des Gründungsabtes Benedict Biscop (gest. 689) nach Rom und Gallien einen reichen Bibliotheksbestand aufbaute und so zum theologischen Zentrum wurde. 13.1.2 Beda Venerabilis. In Wearmouth-Jarrow wirkte Beda (genannt Venerabilis/der Ehrwürdige; 672-735), der durch seine Schriften das kirchliche Schulwesen in England und im Frankenreich nachhaltig geprägt hat. Neben Lehrbüchern mit Elementarwissen für Mönche und Kleriker, die er zum Teil in Anlehnung an Isidor verfasste, hat er Bibelkommentare geschrieben, in denen er die altkirchliche Exegese rezipierte und zusammenstellte. Diese Kommentare wurden viel benutzt und dienten später als exegetische Handbücher oder wurden in ihnen viel zitiert, zumal in der Glossa ordinaria (s. § 10; 3.1). Beda hat ein klares, an klassische Standards anknüpfendes Latein geschrieben, das vielfach stilbildend wurde. Seine Chronologie mit der von Dionysius Exiguus übernommenen Datierung nach Christi Geburt (anstelle der bis dahin üblichen Kalenderrechnung nach Kaiser-, Papst- und Königsjahren) hat sich allgemein durchgesetzt. Sein berühmtestes Werk, die Historia ecclesiastica gentis Anglorum (Englische Kirchengeschichte), galt lange als Muster der Historiographie. Über die angelsächsische Mission gelangten diese Impulse ins Frankenreich. 13. Theologie im Zeitalter Karls des Großen

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Klosterschulen

Canterbury Iona

WearmouthJarrow

Datierung nach Christi Geburt

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13.2 Die karolingische correctio (Zurechtbringung) Aachen wurde nicht nur zum Zentrum des politischen Lebens, sondern auch zu einem Zentrum der Bildung und Kultur. An der Hofschule in Aachen (schola Palatina, d.h. Palastschule) wirkte eine Reihe bedeutender Theologen, v.a. Alkuin, Theodulf von Orléans und Paulus Diaconus. Hinzu kamen weitere Schulen, etwa die Klosterschule von Tours, die Alkuin 796-804 prägte, andere Klosterschulen wie die von Corbie, St. Denis und Reims oder die Domschulen (besonders Lyon und Metz).

Paulus Diaconus Theodulf

Einhard

Alkuinbibel

13.2.1 Gelehrte an der Hofschule. Die Hofschule war keine feste Institution, sondern eher ein Kreis von Gelehrten, die sich in Laon, Compiègne oder Soisson aufhielten und unter denen Alkuin herausragte. Diesen Kreis erweiterte Karl nach 774 um Gelehrte aus dem Langobardenreich, welche als Vermittler der lateinischen Kultur wichtig wurden: die Grammatiklehrer Petrus von Pisa und Paulus (seit 787 Patriarch von Aquileia) sowie den Historiker und Theologen Paulus Diaconus (ca. 720/724 – ca. 790/799, seit 786 wieder Mönch in Monte Cassino), dessen wichtigster Beitrag ein Homiliar war (vgl. § 7; 7.3). Seit ca. 780 wirkte der Westgote Theodulf (ca. 750/760-821, vor 798 Bischof von Orléans), der – primär ein Dichter – biblische und religiöse Themen behandelte, z.B. die Nachfolge Christi und die Gnade Gottes. Er arbeitete wissenschaftlich an der Bibelrevision und dürfte der Hauptverfasser der Libri Carolini (die von Karl stammenden Bücher) von 790/791 (s. § 5; 13.3.1) gewesen sein. Alkuins Schüler Einhard (ca. 770-840) verfasste – nach dem Vorbild der antiken Kaiserbiographien Suetons gestaltet – eine Vita Caroli Magni (Lebensbeschreibung Karls d. Gr.), die für die aufblühende Historiographie beispielhaft wurde. 13.2.2 Alkuin. Die wichtigste Gestalt an der Hofschule war der Angelsachse Alkuin (ca. 730-804), der als Lehrer an der Domschule von York tätig gewesen war und über gute Kontakte nach Rom verfügte, so dass Karl ihn 781 als Leiter der Hofschule nach Aachen holte. Er wurde zum maßgeblichen Berater des Kaisers in kirchlichen wie politischen Fragen. In königlichem Auftrag erstellte er – zusammen mit anderen Mitgliedern der Hofschule – 801 eine Rezension der Vulgata, die sog. Alkuinbibel. Diese stellte eine wesentliche Voraussetzung für die Vereinheitlichung des Vulgatatextes dar. Er verfasste Lehrbücher zu den artes liberales, Gedichte, Bibelkommentare und theologische Traktate (darunter einen über die Trinitätslehre). Alkuins Denken war von der Exegese geprägt und darauf ausgerichtet, die Tradition aufzugreifen und für die Gegenwart fruchtbar zu machen. Inhaltlich wie sprachlich griff er dazu besonders auf Augustin zurück, aber auch auf Hieronymus, Gregor I., Isidor und Beda. 13.2.3 Karolingische Philologie und Minuskel. Die Pflege der Tradition fand auf einer philologischen Basis statt und schlug sich in einer hochwertigen 428

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und umfangreichen Handschriftenproduktion nieder. Ab dem Ende des 8. Jh.s bauten viele Klöster Schreiberschulen auf (Corbie, Reims, Reichenau u.a.), in denen gezielt Werke interessanter Autoren zusammengestellt und emendiert, gleichsam neu ediert wurden. Dabei wurden hohe philologische Standards entwickelt, mit denen man die verwilderte Texttradition sichtete und auf eine korrekte Morphologie und Syntax Wert legte. Für Autoren wie Augustin lässt sich zeigen, dass die entsprechenden Emendationen auf einer hervorragenden Kenntnis von Sprache und Stil des jeweiligen Autors beruhten. Dieser Prozess wurde durch einen Rundbrief Karls von 786, die Epistula de litteris colendis (Brief über die Wertschätzung der Literatur), gefördert. Zugleich verbreitete sich die sog. karolingische Minuskel, eine sehr klare und schön gestaltete, relativ einheitliche und mit nur wenigen Abkürzungen belastete Schriftform, die an die Stelle der älteren verwilderten Schriftformen trat. Insgesamt ergab sich hierdurch ein Standard für die lateinischen Texte der Antike und Spätantike, hinter den das weitere Mittelalter nicht mehr zurückging. Die intensive Handschriftentradition im 9. Jh. hat dazu geführt, dass viele lateinische Autoren überhaupt nur in Handschriften ab dem 9. Jh. greifbar sind. Es ist im Einzelfall zu prüfen, inwiefern die karolingische Emendationstätigkeit den Text geprägt hat (das lässt sich naturgemäß am besten bei den wenigen Werken sehen, wo man auch ältere Handschriften heranziehen kann).

Emendationen

13.3 Lehrstreitigkeiten und dogmatische Entscheidungen Die intensive Beschäftigung mit der altkirchlichen Tradition und ihrer Rezeption in der byzantinischen Theologie führten zu einem eigenständigen theologischen Profil karolingischer Theologen. Sie bearbeiteten zentrale Themen der Theologie wie die Trinitätslehre und die Christologie. Mit der Frage der Bilderverehrung griffen sie ein besonderes Problem auf, das in Byzanz zu erbitterten Auseinandersetzungen geführt hatte, die auf dem Konzil von Nicäa 787 entschieden worden waren (vgl. § 4; 14.). Zudem war diese Frage für die gelebte Frömmigkeit von großem Gewicht. 13.3.1 Der Streit um die Bilderverehrung 787-794. Die Entscheidung des Konzils von Nicäa von 787 (vgl. § 4; 14.4) über den byzantinischen Bilderstreit – dessen Akten Papst Hadrian I. (772-795) in lateinischer Übersetzung an Karl den Großen sandte, verbunden mit der Bitte, zuzustimmen – provozierte im Frankenreich scharfen Widerspruch. Nicht nur die Unterschiede der Mentalität und Spiritualität, sondern auch die Rivalität mit Byzanz und der Anspruch, die wahre Kirche zu repräsentieren, machten die Übernahme des Konzilsergebnisses zu einer Zumutung für das Frankenreich. Karl ließ durch seine Theologen eine Widerlegung anfertigen und schickte sie 790 nach Rom. Da die römische Übersetzung der Konzilstexte die für die Griechen entscheidende terminologische Differenzierung zwischen Anbetung 13. Theologie im Zeitalter Karls des Großen

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Rivalität mit Byzanz

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Libri Carolini

Bilder als Schmuck

Synode von Frankfurt 794

Elipandus von Toledo

assumptio – adoptio

(λατρεία/latreia, sie kommt nur Gott zu) und Verehrung (προσκύνησις/ proskynēsis, sie kommt auch im Bereich der Schöpfung vor, Heiligenbilder weisen auf verehrungswürdige Personen hin, deren ehrend gedacht werden kann) verdeckte, lehnten die Franken die Konzilsentscheidung unter Hinweis auf Dtn 6,13 und das alttestamentliche Bilderverbot ab. Auf die dagegen vorgebrachte Kritik Hadrians hin erstellte Theodulf – unter Mitwirkung Alkuins und anderer – ein umfangreiches Gutachten, welches Karl sich zu eigen machte (indem er das Original mit eigenen Randnotizen versah), so dass das Werk unter seinem Namen überliefert (wenn auch nie veröffentlicht) wurde, die Libri Carolini (die von Karl stammenden Bücher) von 790/791. Das Werk zeigt die differenzierte und biblisch begründete Theologie der Hofschule. Bilder dürfen nicht als Vermittlungsinstanz zwischen Gott und Mensch fungieren, da nur Christus als Mittler und Offenbarer in Frage kommt. Zudem sind die Bilder mehrdeutig und können nicht als Offenbarung qualifiziert werden, was nur die Bibel als das geoffenbarte Wort kann. Nicht das Anschauen, sondern das Hören auf das Wort und die daraus folgende Nachfolge bestimmen die Christenexistenz. Bilder werden als Schmuck zugelassen, weil sie eine pädagogische Zeichenfunktion haben können (es handelt sich also nicht um Ikonoklasmus). Sie sind mit Wertschätzung zu behandeln, aber nicht zu verehren (anders als die Reliquien, die doch entweder direkt zum Heiligen gehörten oder – im Fall von Berührungsreliquien – immerhin einen direkten Kontakt mit den Heiligen gehabt haben). 794 berief Karl eine fränkische Reichssynode nach Frankfurt, die den Anspruch erhob, eine universale, d.h. ökumenische Synode zu sein (in bewusster Konkurrenz zum Konzil von Nicäa 787), und diese Position fixierte. Der Papst stimmte dem nicht zu, da er selbst am Konzil von Nicäa 787 beteiligt gewesen war (und entsprechend wurde in den päpstlichen Listen die Synode später auch nicht als ökumenisches Konzil gewertet). Eine Lateransynode im Jahr 863 fixierte die römische Position, wonach den Bildern eine Verehrung (venerari und colere) zukommt. Der Ikonoklasmus wurde im gesamten Westen nicht rezipiert, doch die niveauvolle theologische Durchdringung der Libri Carolini fand nur ansatzweise in der Frömmigkeit Widerhall. 13.3.2 Der Streit um den spanischen Adoptianismus 786-799. Auch unter der Araberherrschaft in Spanien (ab 711) entwickelte sich die westgotische Kirche und Theologie zunächst fort. Der Metropolit Elipandus von Toledo (717-nach 800) wandte sich gegen charismatische Rigoristen, die – vielleicht auch in Rezeption islamischer Vorstellungen und Kritik an der Trinitätslehre – die Identität von Gott und Christus betonten. Hiergegen hielt Elipandus fest, dass man in Jesus Christus den ewigen Gottessohn, der mit Gott-Vater eins ist, von der angenommenen Menschheit unterscheiden muss. Weil Elipandus statt des eingebürgerten Begriffs der assumptio (Annahme [scil. der menschlichen Natur]) den Begriff adoptio (Aufnahme in den Status eines Sohnes) benutzte, nennt man diese Position unzutreffenderweise »Adop430

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tianismus« (unzutreffend, weil Elipandus mit adoptio die Aufnahme der menschlichen Natur in die personale Einheit Christi meinte, nicht die Konzeption, wonach Jesus ursprünglich ein Mensch war, der dann nachträglich – etwa durch die Geistverleihung bei der Taufe im Jordan – als Gottessohn angenommen wurde). Diese Position machte sich auch Felix von Urgel (der Bischof einer Pyrenäenstadt, die zur spanischen Mark des Frankenreichs gehörte) zu eigen, weswegen diese Konzeption nun auch im Frankenreich diskutiert wurde. Papst Hadrian qualifizierte die Christologie des Elipandus und des Felix als »Nestorianismus«, weil sie die Differenz zwischen göttlicher und menschlicher Natur betonten. 792 verurteilte eine fränkische Synode Felix, 794 folgte die Synode in Frankfurt mit einer allgemeinen Verurteilung. Dies verhinderte allerdings nicht, dass die theologische Diskussion weiterging. In sie griff Alkuin 798/799 in verschiedenen Schriften ein, bezog gegen Elipandus und Felix Stellung und rezipierte die Einheitschristologie des Kyrill von Alexandria in latinisierter Form. Die Einheit von göttlicher und menschlicher Natur ist danach als wesenhaft bzw. hypostatisch zu beschreiben, Christus ist deswegen auch nach seiner menschlichen Natur wirklich Sohn Gottes (und nicht nur durch Gnade wie die anderen Menschen, die Gott auch zu seinen Söhnen/Kindern »adoptiert«). Eine Synode in Aachen 799 bekräftigte diese Position Alkuins. 13.3.3 Der Streit um das Filioque. Seit dem 6./7. Jh. bildete sich in der spanischen, dann auch in der gallischen und angelsächsischen Bekenntnistradition der Brauch heraus, den Geist als Geist Christi aus Vater und Sohn hervorgehend zu bekennen (credo in spiritum sanctum ... ex patre et filio procedentem/ich glaube an den Heiligen Geist ..., der aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht; so in der westgotischen Kirche ab 653). Diese an Augustin orientierte Auffassung verbreitete sich auch in der fränkischen Theologie (und wird u.a. vom sog. Symbolum Quicumque [vgl. § 1; 18.5] aufgegriffen). Die Libri Carolini (die von Karl stammenden Bücher) von 790/791 bekräftigten diese Position gegen die in den Konzilsakten von Nicäa 787 auftauchende Redeweise, der Geist sei per filium (durch den Sohn) aus dem Vater hervorgegangen, und betonten, dass die Gemeinschaft von Vater und Sohn sich auch auf das Hervorgehen des Geistes beziehen müsse und der Geist weder den Sohn als Hilfsmittel (vgl. per/durch) benötige noch ähnlich wie die Geschöpfe per filium entstanden sei. Neben Theodulf vertrat besonders Paulinus, Patriarch von Aquileia, die darin implizierte Position und setzte sie auf einer Provinzsynode 796 in Cividale durch (einschließlich der Ergänzung des Bekenntnistextes, der dem Konzil von Konstantinopel 381 zugeschrieben wurde, dem Nicaeno-Constantinopolitanum, um das Wort filioque). Weihnachten 807/808 kam es in Palästina zum Konflikt, als fränkische Mönche den entsprechend modifizierten Text des Nicaeno-Constantinopolitanums benutzten und hiergegen griechische Mönche bei Papst Leo III. (795-816) protestierten. In Rom war diese Ver13. Theologie im Zeitalter Karls des Großen

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Felix von Urgel

ab 653

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Ablehnung des Filioque in Rom

änderung des Bekenntnistextes unüblich, Leo selbst lehnte sie auch in der Folgezeit ab. Das Filioque wurde in Rom erst durch Papst Benedikt VIII. 1014 auf Drängen Heinrichs II. eingefügt. Karl d. Gr. verteidigte jedoch die fränkischen Mönche. Eine Synode in Aachen 809 erklärte aufgrund von theologischen Gutachten (u.a. Theodulf, De spiritu sancto/Über den Heiligen Geist) das Filioque für rechtens. Damit hatte sich die karolingische Kirche festgelegt. Die Divergenz im Credo bildete fortan ein schweres Hindernis für die Kontakte zwischen West- und Ostkirche und spielte schon im Photinianischen Schisma als Häresievorwurf gegen den Westen eine wichtige Rolle (vgl. § 8; 6.2.2). 13.4 Literatur Lektüretipp: P. Gemeinhardt: Die Filioque-Kontroverse zwischen Ost- und Westkirche im Frühmittelalter, 2002, 76-164. Literatur: R. Berndt (Hg.): Das Frankfurter Konzil von 794, 2 Bde., 1997. – S. Patzold: Ich und Karl der Große. Das Leben des Höflings Einhard, 2013. – W. Hartmann: Die Synoden der Karolingerzeit im Frankenreich und in Italien, 1989. – D. Ganz: Corbie in the Carolingian Renaissance, 1990. – J. Fleckenstein: Die Hofkapelle der deutschen Könige, Bd. 1: Grundlegung. Die karolingische Hofkapelle, 1959. – D. Dales: Alcuin. Theology and Thought, 2013. – E. Trempp/K. Schmuki (Hg.): Alkuin von York und die geistige Grundlegung Europas, 2010. – S. DeGregorio: The Cambridge Companion to Bede, 2010. – V. Gunn: Bede’s Historiae. Genre, Rhetoric, and the Construction of Anglo-Saxon Church History, 2009. – K. Mitalaité: Philosophie et théologie de l’image dans les »Libri Carolini«, 2007.

14. Theologische Diskurse im Karolingerreich 830-870 Die neuen Impulse im karolingischen Bildungswesen brachten eine beträchtliche Vielfalt der theologischen Konzeptionen hervor. Als Theologen ragten hier Hinkmar von Reims und Hrabanus Maurus, Erzbischof von Mainz, heraus. Ein genialer Einzelgänger war Johannes Scotus Eriugena, dessen Synthese von Augustinismus und Neuplatonismus umstritten war. Stark beachtet wurde die Verurteilung der Prädestinationslehre Gottschalcks, die zu einem Diskurs über Gnade und Prädestination führte. Für die Abendmahlslehre wurde die Position des Paschasius Radbertus bestimmend, hinter der die Positionen von Hrabanus Maurus und Ratramnus zurücktraten.

14.1 Hrabanus Maurus als Bildungsorganisator Fulda

Schon in der Zeit Kaiser Ludwigs des Frommen wurde die Schule der Reichsabtei Fulda durch den ab 804 dort lehrenden Alkuinschüler Hrabanus Maurus (ca. 780-856; 822-842 Abt, seit 847 Erzbischof von Mainz) zur wichtigsten ostfränkischen Bildungsstätte. Hrabanus Maurus war ein produktiver Schriftsteller mit wenig Originalität, der die Schriften der Kirchenväter zusammenstellte und auswertete. Sein Werk galt der Verbesserung der kirchlichen Praxis (z.B. durch Bußbücher) und der Klerikerausbildung. Großes Ansehen erlangte er durch zahlreiche Bibelkommentare. 432

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14.2 Streit über die Messallegorie um 835: Amalar und Florus In der Kathedralschule von Lyon wandten sich der gelehrte Spanier Agobard (769-840, seit 816 Erzbischof) und sein gebildeter Diakon Florus (gest. ca. 860) im Sinne einer stärkeren Bibelorientierung gegen religiöse Dichtungen im Gottesdienst und gegen die allegorisierende Auslegung der Messe. Eine solche hatte der Alkuinschüler Amalar (ca. 775-ca. 850) in Metz, dem liturgischen Zentrum der Francia seit Erzbischof Chrodegang (gest. 766), in seinem Liber officialis (Buch über die Liturgie) entwickelt. Danach galt die gesamte Messe mit ihren verschiedenen Gebeten und Riten als dramatische Darstellung der Heilsgeschichte, besonders des Heilswerkes Christi. Im Opfer, der mit den Einsetzungsworten verbundenen Darbringung von Leib und Blut, fielen dramatische Darstellung und realer Gehalt dann zusammen. Hiergegen betonte Florus in seiner Schrift De expositione missae (Messerklärung), dass ein so massiv realistisches Verständnis des Opfers ebenso wenig einen Anhalt in Schrift und Vätertradition hätte wie die Auffassung der Liturgie als repräsentierende Dramaturgie. Der Streit entbrannte öffentlich, als Agobard abgesetzt (weil er der Verschwörung gegen Ludwig verdächtigt wurde) und an seiner Stelle Amalar als Erzbischof eingesetzt wurde. Florus setzt sich auf einer Synode in Quierzy 838 durch, Amalar wurde aus seinem Amt entfernt. Gleichwohl lebte die Vorstellung der Liturgie als »Stationendramaturgie« in mittelalterlichen Messerklärungen fort.

Synode in Quierzy 838

14.3 Die Diskussion um das Abendmahl zwischen Paschasius Radbertus und Ratramnus Für die Deutung der Eucharistie in der mittelalterlichen Theologie wurde die Position des Paschasius Radbertus, des Abts von Corbie, wichtig, dessen Realpräsenzlehre die Identität der gewandelten Gaben mit dem historischen Leib Christi betonte. Die davon unterschiedene Position des Ratramnus betonte die Nicht-Identität des Zeichens mit dem geschichtlichen Leib und die Vorrangigkeit des geistlichen Leibes Christi. Insofern, als die Position des Ratramnus nicht allgemein bekannt wurde, handelt es sich nicht um einen (öffentlichen ersten) Abendmahlsstreit. Ein Ergebnis im Sinne einer synodalen Lehrentscheidung hatte die rein literarische Kontroverse nicht. 14.3.1 Die Abendmahlslehre des Paschasius Radbertus. Der gelehrte, als Exeget berühmte Mönch Radbertus mit dem Beinamen Paschasius (ca. 790ca. 860) in Corbie, dessen Abt er nach 842 wurde und von wo aus er an der Gründung von Corvey beteiligt war, verfasste für die dortigen Mönche 831/833 eine Thesenreihe De corpore et sanguine domini (Über Leib und Blut des Herrn), in der er betonte, dass die gewandelten Elemente in der Eucharistiefeier wahrhafter Leib und wahrhaftes Blut Christi seien, die nicht von Leib und Blut der historischen Person des Inkarnierten unterschieden werden können. Allerdings ist diese Wahrheit nur geheimnisvoll im Glauben erfassbar, während äußerlich die Elemente noch Symbole bleiben. Konsequenz dieses Ansatzes war, dass in der Eucharistie Christus täglich in Wahrheit für die Sünden der Gläubigen geopfert wird. Dadurch, dass Radbertus 14. Theologische Diskurse im Karolingerreich 830-870

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literarische Kontroverse

Corbie

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diese Schrift überarbeitet Karl dem Kahlen widmete, veröffentlichte er diese Konzeption 843.

veritas = Zeichen

spiritualiter

14.3.2 Die Abendmahlslehre des Ratramnus. Karl der Kahle bat den Mönch Ratramnus (gest. nach 868) aus Corbie um ein Gutachten zu der Frage, ob in der Eucharistie Leib und Blut Christi in mysterio an in veritate (im Geheimnis oder in Wahrheit) genossen würden. Damit war die Pointe der Konzeption des Radbertus, dass gerade im Geheimnis die eigentliche Wahrheit zugänglich ist, zu einer Alternative umgeformt. Ratramnus antwortete mit einem Traktat, der ebenfalls De corpore et sanguine domini (Über Leib und Blut des Herrn) betitelt war. Dabei bezog er die Kategorie der veritas auf die empirisch zugängliche Wirklichkeit (also die Zeichen) und stellte demgegenüber als das eigentlich Entscheidende die im Sakrament zugängliche geistige Wirklichkeit heraus. Dies entsprach der augustinischen Unterscheidung von res (Sache) und signum (Zeichen). Ein richtiges Verständnis der signa ergibt sich erst durch die Berücksichtigung dessen, worauf sie verweisen: Christi Leib sei nicht auf körperliche Weise zu verstehen, sondern spiritualiter (im geistlichen Sinn) und figurative (im übertragenen Sinn) als die Gemeinschaft der Gläubigen mit Christus. Die verweisende Funktion von Brot und Wein bleibt erhalten, doch sind Brot und Wein eben nicht mit dem identisch, worauf sie verweisen. In einem ähnlichen Sinne äußerte sich Hrabanus Maurus. Radbertus äußerte sich noch einmal zum Thema in einem Lehrbrief nach 850, danach schlief die Diskussion ein. Die realistische Auffassung des Radbertus setzte sich in der Folgezeit immer breiter durch. Von besonderem Interesse wurde die Diskussion im 16. Jh., als Lutheraner sich auf Radbertus, Reformierte sich auf Ratramnus beriefen.

14.4 Gottschalck und der Prädestinationsstreit

Hinkmar von Reims

Ein großer dogmatischer Konflikt mit kirchenpolitischen Implikationen bewegte 848-860 v.a. die westfränkische Kirche. Der Mönch Gottschalck belebte mit seiner Lehre von der doppelten Prädestination die Konflikte um den Teil von Augustins Gnadenlehre, der durch synodale Erklärungen wie die von Orange 529 nie aufgegriffen worden war, nämlich die Festlegung der Erwählten durch die Prädestination Gottes, die zugleich die Bestrafung der Nicht-Erwählten fixiert. Die theologisch differenzierte Auseinandersetzung darum, ob man diese Fixierung der Verwerfung selbst als zweiten Teil der Prädestination anzusehen hat oder nicht, verband sich mit Konflikten um Hinkmar von Reims. Mehrere westfränkische Synoden befassten sich mit dem Thema, doch blieben beide Positionen auch in der Folgezeit bestehen. Erst im 17. Jh. kam der Streit bei den Auseinandersetzungen um die Prädestinationslehre wieder zur Sprache. 14.4.1 Die Prädestinationslehre Gottschalcks. Der Sohn eines sächsischen Grafen und dem Kloster als puer oblatus (dargebrachtes Kind) anvertraute 434

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Gottschalck (ca. 806/808-ca. 866/869), der im Kloster Fulda unter Hrabanus Maurus erzogen worden war und dann in den Klöstern Corbie und Orbais als Mönch lebte, war ein religiöser Dichter und guter Kenner Augustins. Warum er die Lehre von der doppelten Prädestination (gemina praedestinatio; Begriff durch Isidor von Sevilla) systematisierte, bleibt unklar. Er betonte Gottes machtvolle, unverdiente Gnade, mit der dieser vor der Erschaffung der Welt – also supralapsarisch – die Erwählten zum Heil bestimmt habe, andererseits Gottes Gerechtigkeit, mit der dieser die Verworfenen in der von ihm vorausgewussten Sündenstrafe belasse. Da Gott unveränderlich ist, kann zwischen Prädestination und Präszienz keine Differenz bestehen: Dadurch, dass Gott um die Bestrafung der Sünder weiß, die nicht aus Gnade erlöst werden, legt er auch deren Schicksal fest. Das gilt auch für Christi Sühnetod, von dem Gott vorherweiß (also festlegt), dass er den Verworfenen nicht nützen wird. Der Determinismus Gottschalcks zog Konsequenzen aus Augustins Gnadenlehre, die dieser nicht gezogen hatte, so insbesondere in der Bestreitung der Universalität des Sühnetodes Christi. 14.4.2 Die Verurteilung Gottschalcks. Heftigster Kritiker von Gottschalcks Lehre war zunächst Hrabanus Maurus, dessen Betonung der menschlichen Freiheit synergistischen Konzepten sehr nahe kam. Vor allem kritisierte er die verwerfliche pastorale Wirkung eines solchen Determinismus, denn Gottschalcks Lehre mache Gott zum Urheber des Bösen, führe zum Fatalismus und zur sittlichen Indifferenz, zerstöre die Universalität des Heilswerkes Christi, entwerte die Sakramente und untergrabe die Arbeit der Kirche. Durch eine ostfränkische Reichssynode in Mainz unter Hrabanus’ Leitung 848 wurde Gottschalck als Häretiker verurteilt und, da er vorher im Westfrankenreich zum Priester geweiht worden war, an den für ihn zuständigen Metropoliten Hinkmar von Reims zur Bestrafung überwiesen. Infolgedessen geriet die Sache in die kirchenpolitischen Auseinandersetzungen im Westfrankenreich hinein, in denen der von Hinkmar erhobene Führungsanspruch nicht durchweg akzeptiert wurde. Hinkmars Stellungnahme löste so ihrerseits Kritik aus. 14.4.3 Synoden zur Prädestinationslehre 849-860. Eine Synode in Quierzy unter der Leitung Hinkmars machte sich die Position des Hrabanus Maurus zu eigen und bekräftigte die Verurteilung Gottschalcks, der sich in zwei Glaubensbekenntnissen zu rechtfertigen suchte. Gottschalcks Lehre traf auf breite Ablehnung, lediglich Ratramnus von Corbie verteidigte die Position seines Freundes Gottschalck gegenüber Karl dem Kahlen, woraufhin dieser bei seinem Hoflehrer Eriugena ein Gutachten bestellte. Dieses lehnte vom Gedanken der Einheit Gottes her die Annahme eines doppelten Wirkens ab. Zudem könne sich die Prädestination Gottes nicht auf etwas ontologisch Nichtiges beziehen, als welches das Böse einzustufen sei. Die Position Hinkmars, die dieser auf einer Synode in Quierzy 853 bekräftigen ließ, betonte, 14. Theologische Diskurse im Karolingerreich 830-870

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Augustin-Kenntnis

Prädestination und Präszienz

Hrabanus Maurus

Synode in Quierzy 853

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Florus von Lyon

Synode in Valence 855

dass die Prädestination sich nur auf die Erwählten und auf die Festlegung der Strafe als solche beziehe; die Verworfenen seien als solche Gegenstand der Präszienz, jedoch nicht einer eigenen Prädestination. Diese Position wurde nun ihrerseits als irreführend und in sich widersprüchlich kritisiert, so von Florus von Lyon. Eine Synode in Valence 855 verwarf die Synode Hinkmars ausdrücklich und hielt die Prädestination der Erwählten zum ewigen Leben und der Verworfenen zur ewigen Bestrafung fest, wobei sie betonte, dass die Prädestination der Verworfenen auf der Präszienz beruhe und niemanden der Notwendigkeit zu sündigen unterworfen habe. Die Positionen unterschieden sich also besonders darin, dass in Quierzy die Einheit der Prädestination betont (und ein synergistisches Verständnis nicht ganz ausgeschlossen) worden war, in Valence eine zweifache Prädestination festgesetzt (und die freie Entscheidung des Menschen zur Sünde für möglich gehalten) worden war. Hinkmar verteidigte sich durch ein Kompromisspapier, eine Synode der drei fränkischen Teilreiche in Tuzey bei Toul legte den Konflikt formal bei, ohne theologisch wirklich zu einer Lösung der Frage zu kommen.

14.5 Johannes Scotus Eriugena

Laon

Neuplatonismus

Logik und Tradition

Singuläre Genialität zeigte sich in dem literarischen Werk des großen Außen­ seiters Johannes Scot(t)us (ca. 810?- ca. 877), der sich selbst als Eriugena, d.h. aus Irland gebürtig, bezeichnete. Sein Leben ist kaum bekannt. Um 845 ist er in Laon als Lehrer am Hof Karls des Kahlen nachweisbar. Entscheidend für seinen systematischen Gesamtentwurf in seinem Hauptwerk Periphyseon (Über die Naturen) wurde die Rezeption der Schriften des Ps.-Dionysius Areopagita und die damit verbundenen neuplatonischen inhaltlichen wie methodischen Denkvorstellungen. Seine Methodik, Glaubenswahrheiten auf der Grundlage philosophischer Überlegungen zu erhärten, und manche Inhalte seines Systems, besonders die Annahme einer allumfassenden Vereinigung der Schöpfung mit Gott als Ziel der Heilsgeschichte, machten ihn verdächtig, so dass seine Werke schon früh auf verschiedenen Synoden verurteilt wurden. Dies behinderte die Rezeption seiner Gedanken, die jedoch indirekt spätere Vorstufen der Scholastik vorbereiteten. 14.5.1 Die Methodik von Eriugena. Bereits in seinem Gutachten zu Gottschalcks Prädestinationslehre hat Eriugena um 850 seine Methode erarbeitet: Ein Glaubenssatz, der in der Schrift oder Kirchenlehre als Prinzip enthalten ist, wird zunächst nach den logischen Regeln begrifflich eindeutig und widerspruchsfrei als allgemein gültige Wahrheit formuliert und erst dann durch Rückgriff auf die Tradition der Kirchenväter abgeklärt. Für die Prädestinationslehre Gottschalcks bedeutete dies, dass er auf die Einheit Gottes, die Gegebenheit des liberum arbitrium (des freien Willens) und die ontologische Nichtigkeit des Bösen hinwies und daraus die Unhaltbarkeit von Gottschalcks Lehre ableitete. Die Synode von Valence 855 verurteilte diese ins Grundsätzliche gehende Argumentation. Die Methodik Eriugenas basierte auf einer intensiven Beschäftigung mit den artes 436

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liberales (den freien Künsten; er kommentierte das Handbuch von Martianus Capella), besonders mit der Logik. Dies wurde als Abkehr von dem gängigen Autoritätenbeweis empfunden. 14.5.2 Das spekulative System in Periphyseon (Über die Naturen). In Rezeption des neuplatonischen Schemas von exitus und reditus (Ausgang aller Vielheit aus dem Einen und Rückkehr zu ihm), wie er es besonders dem Werk des Ps.-Dionysius Areopagita entnahm, formulierte Eriugena ein spekulatives Gesamtsystem als ontologische Deutung von Gen 1-3. Die fünf Bücher Peri pyhseon merismou id est de divisione naturae (Über die Einteilung der Naturen) fasst natura als universal gegebene Wirklichkeit auf, zu der der Schöpfer ebenso gehört wie die Schöpfung. Daraus ergibt sich, dass die Einteilung aus dem Zusammenhang von natura (Natur) und creare/creari (Erschaffen/Erschaffenwerden) entsteht. Es ergeben sich vier Grundkategorien: 1. Gott als die schöpferische, nicht-geschaffene Ursache von allem, das Sein und Selbst-Denken schlechthin (natura quae creat et non creatur/die Wirklichkeit, die schafft und nicht geschaffen wird), 2. Aus der Primärursache setzt Gott die absoluten Entstehungsursachen (causae primordiales), wie z.B. das Leben und die Wahrheit, also die Ideenwelt (die inhaltlich ganz mit dem Logos übereinstimmen) (natura quae creatur et creat/die Wirklichkeit, die geschaffen wird und schafft), 3. Die Ideenwelt schlägt sich in vergänglich-irdischen Konkretionen nieder, z.B. Lebendigem und Wahrem (natura quae creatur et non creat/die Wirklichkeit, die geschaffen wird und nicht schafft), 4. die nach Gottes Bild geschaffene menschliche Seele kehrt von der Vergänglichkeit zu den Ideen und von dort aus zu Gott zurück, weil sie die inneren Zusammenhänge in der Welt versteht und so durch ihr Denkvermögen Gott als allererste Ursache begreift. Diese Rückkehr wird als durch Christus ermöglicht verstanden und als Erkenntnis und Ethik akzentuiert. Ziel ist eine Einheit von Schöpfer und Schöpfung, die den eigentlichen Zielpunkt der Heilsgeschichte ausmacht (natura quae nec creat nec creatur/die Wirklichkeit, die weder schafft noch geschaffen wird). Eriugenas System hat die ontologische Mystik, aber auch einen Teil der Scholastik beeinflusst, wurde aber im 13. Jh. auf verschiedenen Synoden verurteilt (u.a. weil der Unterschied zwischen Schöpfer und Geschöpf aufgehoben werde).

Ps.-Dionysius Areopagita

Schöpfer – Schöpfung

14.6 Literatur Lektüretipp: E Mühlenberg: Abwehr radikaler Augustin-Interpretationen (Prädestinationsstreit und eucharistische Kontroverse). Der Versuch einer neuplatonischen Alternative zu Augustin: Johannes Scottus, HDThG, Bd. 1, 2. A. 1999, 524-542. Literatur: G.H. Tavard: Trina deitas. The Controversy between Hincmar and Gottschalk, 1996. – J.-P. Bouhot: Ratramne de Corbie. Histoire littéraire et controverses doctrinales, 1976. – F.J. Felten/B. Nichtweiss (Hg.): Hrabanus Maurus. Gelehrter, Abt von Fulda und Erzbischof von Mainz, 2006. – H.-C. Picker: Pastor doctus. Klerikerbild und karolingische Reformen bei Hrabanus Maurus, 2001. – G. Schrimpf: Das Werk des Johannes Scottus Eriugena im Rahmen des Wissenschaftsverständnisses seiner Zeit. Eine Hinführung zu Periphyseon, 1982. – D. Carabine: John Scottus Eriugena, 2000. – K. Vielhaber: Gottschalck der Sachse, 1956. – J.R. Geiselmann: Die Eucharistielehre der Vorscholastik, 1933. – C. Gliozzo: La dottrina della conversione eucaristica in Pascasio Radberto e Ratramno monachi di Corbia, 1945. – J.F. Fahey: The Eucharistic Teaching of Ratramn of Corbie, 1951.

 § 7; 8.

14. Theologische Diskurse im Karolingerreich 830-870

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§6

§ 6 Mönchtum als wahres Christentum Bedeutung des Themas

Eine Antwort auf die Frage, wie das wahre Christentum auszusehen habe, wie man als Christ in der Nachfolge Jesu sein Leben gestalten soll, ist die Askese. Askese begegnet in der gesamten Kultur- und Religionsgeschichte in vielfältigen Formen. Auch Mönchtum als organisierte, asketische Lebensform ist ein allgemeines religionsgeschichtliches Phänomen. Im Christentum haben beide eine eigene Bedeutung und Institutionalisierung erfahren. Asketische Lebensweisen haben schon früh im Christentum eine Rolle gespielt, mit dem Mönchtum hat sich ab dem 4. Jh. ein eigener Faktor in der Kirchengeschichte herausgebildet, der besonders in der Alten Kirche und im Mittelalter von herausragender Bedeutung war. (In der Neuzeit ist in den westlichen Kirchen die Bedeutung des Mönchtums für die römisch-katholische Konfession nach wie vor sehr hoch). Grundproblem des Mönchtums ist die prinzipielle Abgrenzung der Chris­ ten von der Welt. Es ist der Versuch, eine Antwort auf die Frage zu geben, wie man als Christ wirklich christlich leben kann und wie die Nachfolge Christi konkret gestaltet werden kann. Die Einsicht, dass die Mehrheit der Christen zu einer konsequenten Absage an weltliche Bindungen nicht bereit ist, führt zur Begründung sich aus der Gesellschaft abgrenzender, besonderer Lebensformen. Oft verbindet sich das mit einem Gefühl der Überlegenheit, in der die höheren asketischen Forderungen von der normalen Moral und Frömmigkeit abgehoben wurden (Zwei-Stufen-Ethik). Eine vorbildliche Lebensführung konnte dazu führen, dass von den monastischen Gemeinschaften eine besondere Nähe zu Gott und entsprechende Vermittlung und Gebetsintensität erwartet wurde – was wiederum die Trennung von der Welt erschwerte. Zugleich lässt sich die Geschichte des Mönchtums aber auch als Protest gegen eine Verweltlichung des Christentums lesen. Daher ist die Geschichte des Mönchtums eine Geschichte von Neuaufbrüchen, die nun endlich ernst machen wollen mit der Forderung nach konsequenter Nachfolge. Diese werden nicht selten ausgelöst durch individuelle Personen mit besonderer geistlicher Ausstrahlung und können wichtige Faktoren in der Kirchengeschichte insgesamt werden. Insofern ist die Geschichte des Mönchtums auch eine Geschichte der Erneuerung der Frömmigkeit. Während das Eremitentum von Anfang an eine Sonderform für Minderheiten blieb, bildeten sich die Klöster zu einem wichtigen Bestandteil der kirchlichen und gesellschaftlichen Wirklichkeit heraus. Die Ausrichtung des Lebens von Klerikern nach monastischen Lebensformen (im Westen in den Kanonikern besonders greifbar) zeigt die Bedeutung für die Kirche insgesamt. Als Träger von Kultur und Bibelauslegung wurden die Klöster zudem zu wichtigen Orten des Wissenstransfers, die u.a. in 438

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der Umbruchszeit des Frühen Mittelalters, in der Zeit der karolingischen correctio (Zurechtbringung) und in der Entstehungszeit der Universitäten eine maßgebliche Rolle spielten. Hinzu kamen politische und gesellschaftliche Aspekte (etwa im Armutsstreit oder bei den Ritterorden für die Kreuzfahrerbewegung).

Wichtige Themen

(Lernkontrolle: Können folgende Fragen beantwortet werden?) • Was ist die Grundausrichtung asketischen Lebens? Worin besteht die Motivation der Mönche und Nonnen? • Was unterscheidet das christliche Mönchtum von dem allgemeinen religionsgeschichtlichen Phänomen der Askese? • Wann und wo entsteht das Mönchtum als organisierte Form des asketischen Lebens? Welche Entwicklungen gehen dem voraus? • Welche wesentlichen Merkmale zeichnen die beiden Grundformen Eremitentum und Könobitentum aus? Was ist gemeinsam, was unterscheidet sich? Wie wurden sie praktisch ausgestaltet? • Wie entstand das westliche Mönchtum? Welche Rolle spielte der Einfluss aus dem Osten, was gab es dagegen für eigenständige Entwicklungen? • Welcher Unterschied besteht zwischen kanonischem und monastischem Leben, besonders ab dem 9. Jh.? Welche beiden wichtigen Grundregeln gibt es? Wie entwickelt sich im 9. Jh. das benediktinische Mönchtum? Was sind Augustinerchorherren? • Welche Bedeutung, welche Folgen hatte das kritische Potenzial des Mönchtums für die Kirche? Wie bewegten sich verschiedene Formen des Mönchtums im Spektrum von Integrierbarkeit – Distanz – Kooperation? • Wie hat das Mönchtum zur Christianisierung in Europa beigetragen (vgl. § 7)? Welche Bedeutung kommt ihm im Mittelalter als Träger von Kultur und theologischer Wissenschaft zu? • Welche Neuaufbrüche prägen die Geschichte des Mönchtums? Welche Zustände werden angeprangert, welche Maßnahmen als Abhilfe verlangt und realisiert? • Wann und wie entstehen die Mönchsorden? Welche Eigenschaften unterscheiden die Orden von anderen Formen des Mönchtums? Welche Charakteristika verbinden sich mit a) Cluny, b) Cîteaux, § 6 Mönchtum als wahres Christentum

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• • •



c) Prémontré, d) Franziskus und Dominikus? Wie hängt das Mönchtum mit der Armutsbewegung im 12./13. Jh. zusammen? Wie verhalten sich Mönchtum und Mystik zueinander? Welche Rolle spielen Frauenklöster hierbei? Welche Zwischenformen zwischen monastischem und nicht-monastischem Leben entwickelten sich? Was sind a) Konversen, b) Religiose und Tertiarier, c) Beginen, d) Brüder des gemeinsamen Lebens? Wie entwickelt sich das Mönchtum im 14. und 15. Jh.? Was ist der Armutsstreit? Was sind Observanzkongregationen?

Wichtige Ereignisse, Sachverhalte, Personen I. Anfänge des Mönchtums 2./3. Jh.

Wanderasketen in Syropalästina, Gemeindeaskese: »Jungfrauen«

seit ca. 260/280

Asketen in Ostsyrien/Mesopotamien, Palästina, Ägypten

ab ca. 320

2 Grundformen: 1. Anachoretenkolonien, Wüsten-Eremiten: z.B. Antonius (gest. 356) 2. Könobitentum, Klöster mit Regeln, z.B. Pachomius (gest. 346)

360-378

Basilius von Cäsarea: Regeln; Integration des Mönchtums in die Kirche

ca. 370-410

Entstehung des westlichen Mönchtums (u.a. Martin von Tours) Augustin: Kleriker als Mönche monastische Zentren in Südgallien: Johannes Cassian als Lehrer der Askese

ab 396 ab 410

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II. Westliches Mönchtum im frühen Mittelalter 6. Jh.

verschiedene Regeln in Italien und Gallien, u.a. Magisterregel

ca. 530-550

Benediktregel: Grundsätze: stabilitas loci, conversio morum, oboedientia

6.-8. Jh.

Mönchtum als Träger der Christianisierung: Iroschotten/Columban (um 600) Angelsachsen/Bonifatius (ca. 720-750)

8./9. Jh.

ab 755 Vita canonica der Kleriker: Kanoniker (Chrodegang von Metz) (Augustinregel) ab 770 Diskussion um Geltung der Benediktregel 816-819: Aachener Synoden etablieren Benediktregel als Norm für Klöster (Benedikt von Aniane) III. Neuaufbrüche

909/910

Gründung von Cluny/Burgund: Disziplin und Liturgie, Freiheit der Klöster von weltlicher Herrschaft, Klosterverband (noch kein Orden); Hirsau

10./11. Jh.

Brogne/Gorze: Impulse in Frankreich und Deutschland

11./12. Jh.

Aufleben der Eremiten in Italien und Deutschland

ab 1084

Bruno von Köln: Kartäuser als Eremitenorden

ab 1098

Cîteaux: Entstehung des Zisterzienserordens, Bernhard von Clairvaux Filiationssystem; bewusste Abgrenzung von Cluny

ab 1120

Norbert von Xanten/Prämonstratenserorden

11./12. Jh.

Erneuerung der Regularkanoniker: Augustinerchorherren (Augustinregel)

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IV. Armutsbewegung und die Entstehung der Bettelorden, Frömmigkeit im 13.-15. Jh. 12./13. Jh.

Entstehung der Spitalorden/Hospitalierorden (Antoniter, Hospitäler) und der Ritterorden (Templer, Johanniter, Deutscher Orden)

12./13. Jh.

religiöse Frauenbewegungen: Beginentum, Frauenmystik (Hildegard von Bingen, Mechthild von Magdeburg)

seit ca. 1170

verschiedene Strömungen der Armutsbewegung: Pataria, Katharer, Waldenser, Humiliaten

13. Jh.

Entstehung der Bettelorden (präsent in den Städten, Seelsorge und Predigt, Verbot der Ordensneugründungen 1215)

1209-1226

1. Franziskus von Assisi: Wanderpredigt; Orden der Minderbrüder/Franziskaner (Regula bullata 1223); Klara von Assisi

ab 1206/1215

2. Dominikus: Kampf gegen »Ketzer« in Südgallien, Dominikaner

ab 1247

3. Karmeliter

ab 1256

4. Augustinereremiten als Zusammenfassung verschiedener Eremiten

13./14. Jh.

neuer Wohlstand der Städte: Tertiarier; Entstehung von Bruderschaften Armutsstreit der Franziskaner: Spirituale gegen Konventuale

seit 1380

Devotio moderna (Gert Groote), Imitatio Christi (Thomas a Kempis)

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Exeter

Durrow

ro

Loire

Tours

St. Denis Metz

Trier

Amorbach

Utrecht Corvey Inden Werden Corbie Echternach Fulda

Canterbury

Nordsee

Lindisfarne Jarrow Wearmouth Ripon

§ 6 Mönchtum als wahres Christentum

0

200

400

600 km

Ruspe

Thagaste

Sizilien

Hadrumetum

Karthago

Sardinien

Hippo Regius

Balearen

Arsinoe

Gaza Alexandria Nitria Kellia Sketis

Jerusalem

Emesa

up hra t

Edessa Antiochia E

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Nisibis

Tig r

Samosata

Annisi Sebaste Cäsarea/Kapp. Nyssa

Zypern

Iconium (?)

Ankyra

Gangra

Schwarzes Meer

Kaspisches Meer

Abb. 12 Monastische Zentren im 4. – 9. Jahrhundert

Konstantinopel

u

Dona

Kreta

Thessalonike

Mittelmeer

Regensburg Marmoutier Do nau Reichenau Poitiers Luxeuil Ligugé St. Gallen Clermont Lyon Mailand Verona Aquileia Aniane Vercellae Braga Tolosa Arles Riez Bobbio Tajo Genua Massilia Lerinum Antipolis/ Nursia Merida Toledo Cannes Subiaco Rom Valencia Monte Cassino Vivarium Cordoba

Atlantischer Ozean

Clonmacnoise

Bangor

Iona

Rhein

Derry

Eb Nil

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1. Ursprünge des Mönchtums: Weltabkehr und Gottessuche

Askese

Das Mönchtum ist allmählich im späten 3. Jh. aus dem älteren Asketismus entstanden. Enthaltsamkeit (ἐγκρατεία/enkrateia) als Verzicht auf Eigentum, Nahrung und Sexualität/Ehe konnte schon in der hellenistischen Popularphilosophie mit dem Begriff ἄσκησις (askēsis/Übung bzw. Training) verbunden werden. Man muss zwischen einem allgemeinen Asketismus, der sich auch in individuellen Lebensentwürfen findet, und dem Mönchtum als spezifischer, institutionalisierter Lebensform unterscheiden. Die Ursprünge des letzteren lassen sich nicht auf ein bestimmtes Datum oder eine bestimmte Person eingrenzen. Auch entstand das Mönchtum in mehreren Regionen ungefähr zeitgleich, besonders in Syrien und Ägypten. Die Quellenlage ist allerdings lückenhaft. Die Frage, wie sich das christliche Mönchtum von vergleichbaren religionsgeschichtlichen Phänomenen abhebt, ist schwierig zu beantworten und in der Forschung entsprechend umstritten.

1.1 Wanderasketen in Syropalästina und Enkratiten in Ostsyrien

Nachfolge Christi

Mönch

Jesus hat zwar nicht asketisch gelebt und kein asketisches Programm gelehrt, aber er hat durch seine Botschaft vom anbrechenden Reich Gottes die Bedeutung irdischer Dinge grundsätzlich relativiert und als Wanderprediger die Freiheit von weltlichen Bedingungen zeichenhaft vorgelebt. Seine Forderungen, alle Bindungen, auch die der Familie, hinter sich zu lassen, signalisierten einen radikalen Bruch mit der Welt. Dadurch, dass er Menschen in seine Nachfolge berufen hat, wurde die Nachfolge Christi von Anfang an zu einem wichtigen Motiv bei dem Bemühen, das eigene Leben möglichst christusgemäß zu gestalten. Bereits im 2./3. Jh. entwickelten sich in Syrien unterschiedliche Formen asketischen Lebens, vor allem ein Enkratitentum, das u.a. die sexuelle Enthaltsamkeit propagierte, und ein Asketentum, das im Rückzug des Einzelnen aus der Welt das Ideal der Christusnachfolge sah. Hieraus bildeten sich eventuell schon kleinere Gruppen innerhalb (und in Distanz) zu den Gemeinden (belegt dann allerdings erst bei Afrahat im 4. Jh. um 340). Dafür kam in Syrien der Begriff Mönch (von griechisch μοναχός/ monachos/vereinzelt, syr. īhīdāyā) auf. 1.1.1 Wanderasketen. Hinweise auf herumziehende Lehrer und Propheten finden sich in der Didache. Dies konnte in den Gemeinden für Probleme sorgen, etwa wenn die Verkündigung der Propheten verdächtig schien oder sie lange Zeit auf Kosten der Gemeinde an einem Ort leben wollten. Die pseudoklementinischen Briefe an die Jungfrauen (Übers. ZKG 63, 1950/51, 166-188) sind ein deutlicher Beleg für die Existenz von Wanderasketen und gehören vermutlich in die Zeit um 200 nach Syrien. 1.1.2 Enkratitentum. In der ostsyrischen Christenheit gab es früh Vorstellungen, die die Ehelosigkeit und den Verzicht auf Sexualität, Fleisch und Wein als Voraussetzung für die Taufe betrachteten. Tatian (s. § 3; 7.1.1) repräsentierte diese Lebensform um 170. Enkra444

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tismus gab es auch in anderen Regionen, so z.B. in Alexandria. In Kleinasien fand er eine zahlreiche Anhängerschaft, zumal unter Frauen, wie die apokryphen Apostelakten des 2./3. Jh.s zeigen. Bekehrung realisiert sich programmatisch in sexueller Enthaltsamkeit (so z.B. in den Paulus- und Petrusakten). 1.1.3 Syneisaktentum. Eine spezielle Form des Enkratismus war das Syneisaktentum. Als Syneisakten bezeichnet man Asketen, die mit einer Asketin zusammenleben – sexuelle Enthaltsamkeit und geistige Verbundenheit sollten hier Hand in Hand gehen. Diese Lebensform existierte wohl schon im 1. Jh. (vgl. Didache 11,11, vielleicht vgl. sogar 1 Kor 7,36-38) und war v.a. in der syrischen Kirche verbreitet. Trotz vielfacher Polemik (z.B. Cyprians) und der Verbote durch Synoden im 3. und 4. Jh. hielt sich diese – für Missstände offene – Praxis noch im 3./4. Jh.

1.2 Askese als Verzicht Eine generelle Disposition zur Askese entstand, wie für die früheste Zeit Paulus zeigt, durch den Gegensatz von jenseitiger Herrlichkeit und neuer Existenz in Christus einerseits, diesseitigen, sozialen Bindungen und dem Verhaftetsein im Fleisch andererseits. Das darin implizierte Postulat einer Entweltlichung konnte durch eine eschatologische Grundorientierung verschärft werden. Daraus für die eigene Lebensführung radikale Konsequenzen zu ziehen, war von Anfang an nur ein Minderheitenphänomen, aber eines, das hohe Aufmerksamkeit auf sich zog und in seiner Entschiedenheit (als Ausweis besonderer Glaubensstärke und Geistpräsenz) bewundert wurde. 1.2.1 Nahrungsverzicht und Fasten. Obwohl die Nahrungsbeschränkung bei Jesus nicht als Forderung begegnete (im Gegenteil Speisegebote grundsätzlich relativiert wurden), hat sich in der Kirche früh – in Übernahme jüdischer Praxis – eine allgemeine Fastensitte herausgebildet (etwa das sog. Stationsfasten am Mittwoch und Freitag sowie das Fasten vor Passah bzw. Ostern). Fasten galt oft als Ausdruck einer eschatologischen Daseinshaltung. Darüber hinausgehende Nahrungsaskese lehnte man jedoch – auch in Reaktion auf gnostische und ab dem 3. Jh. manichäische Gruppen – ab. Die Fastenpraxis nahm ab dem 3. Jh. regional unterschiedliche Formen an. 1.2.2 Sexuelle Enthaltsamkeit. Die eschatologisch und christologisch begründete Relativierung der Ehe durch Paulus (vgl. 1 Kor 7,9) führte nicht zu einer grundsätzlichen Norm der Ehelosigkeit (vgl. die Abwehr in 1.Tim 5,1-3), zumal Paulus die Ehe durchaus als eine Möglichkeit christlicher Existenz akzeptiert hatte. Zugleich bildete sich jedoch die Hochschätzung derer heraus, die als einzelne in der Gemeinde sexuelle Enthaltsamkeit praktizierten (vgl. 1. Clemensbrief 38,2; Justin, Apologia/Apologie 1,15,6; 29,1).

Entweltlichung Eschatologie

Fastenzeiten

Ehe

1.2.3 Armut. Ein radikaler Besitzverzicht fand im 1./2. Jh. wenig Verbreitung, spätere Überlieferung über judenchristliche Randgruppen, die radikalen Besitzverzicht forderten, sind unzuverlässig. Doch das Ideal des von allem Besitz freien, unbelasteten Gottesverehrers wirkte nach und fand gelegentlich Verwirklichung. Auch das Ideal gemeinsamen Besitzes (als idealisierte Vorstellung der Jersualemer Urgemeinde transportiert) wirkte nach. 1. Ursprünge des Mönchtums: Weltabkehr und Gottessuche

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1.3 Gottes- und Sinnsuche

Platon

Apathieideal

philosophisches Leben

Askese und Körper

wahre Philosophie

In Teilen der griechischen Philosophie hatte sich das Ideal gebildet, dass man, um sich wirklich mit dem Geistigen auseinanderzusetzen und die höhere, intelligible Wahrheit zu erfassen, sich von irdischen Zwängen und Bedürfnissen frei machen muss. Hatte Platon selbst noch eine Synthese von Philosophie und politischem Engagement befürwortet (so besonders in den Dialogen Politeia/Bürgerschaft und Nomoi/Gesetze), so entwickelte sich im kaiserzeitlichen Platonismus eine Gegenüberstellung der vergänglichen Welt mit ihren Anforderungen sowie ihren politischen Notwendigkeiten einerseits und der geistig-intelligiblen Welt mit ihren ewigen Wahrheiten andererseits. Dies verband sich vielfach mit der eigentlich stoischen Vorstellung, dass man das eigene Glück nur erreichen kann, wenn man sich von den Affekten nicht berühren lässt (Apathieideal, von ἀπάθεια/apatheia/Unempfindlichkeit gegenüber Leidenschaften). Eine popularphilosophische Prägung dieser Gedanken verstand den Leib als Gefängnis der Seele, die Verstrickung in politische, gesellschaftliche oder wirtschaftliche Angelegenheiten als Hindernisse auf dem Weg der Seele zu Gott. Dem stand das Ideal eines philosophischen Lebens gegenüber, einem Leben, das nur der Reinigung der Seele von den Affekten und der Betrachtung der geistigen Wahrheiten gewidmet war. Voraussetzung hierfür waren eine stetig sich vervollkommnende Übung der Tugend, die Reinigung der Seele von den Vorstellungen, die aus den Leidenschaften bzw. Affekten resultieren, und eine immer höhere Konzentration auf die geistigen Wahrheiten bzw. Gott. Askese wurde so als Voraussetzung für ein in besonderer Weise sinnerfülltes Leben betrachtet. Von christlicher Seite aus konnte dieser Gedankenkomplex vielfach aufgegriffen werden. Askese wird attraktiv – als Voraussetzung für ein Leben, das in besonderer Nähe zu Gott steht. Die Sinnsuche findet ihre Erfüllung in einem asketischen Leben, das von der Betrachtung der göttlichen Wahrheit geprägt ist. 1.3.1 Dualistische Anthropologie. Eine wichtige Voraussetzung für die Rezeption des Askeseideals im Christentum war eine Anthropologie, die die Leidenschaften und Affekte als niedere Form des Seelenlebens mit dem Körper und seinen Verfallsprozessen verband und diesem die höheren geistigen Fähigkeiten, die Selbstreflexion und die Betrachtung zeitloser Wahrheiten gegenüberstellte. Dadurch ergaben sich eine Abwertung des Leibes und eine Hochschätzung von Erkenntnis und dem rationalen Anteil der Seele. Eine solche, leibfeindliche wie intellektualistische Grundauffassung des Menschen verbreitete sich im Platonismus (Plotin, Porphyrius) ebenso wie in christlichen Kreisen (gemäßigt: Clemens von Alexandria, deutlich prononcierter: Origenes). »Philosophie« wurde auf diesem Hintergrund oft als Entscheidung für einen Lebenstypus verstanden, der asketisch geprägt war und im Rückzug aus der Welt bestand (otium/Muße als Gegenwelt zu den negotia/Geschäften bzw. politisch-gesellschaftlichen Verpflichtungen). Dies ermöglichte es christlichen Denkern, ein an Christus und der Schrift, auf Gebet und Meditation ausgerichtetes Leben als »Philosophie« zu bezeichnen, ja, das Christentum als eigentlich wahre Philosophie zu verstehen. 446

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1.3.2 Apathieideal und Askese. Das Ideal der Bedürfnislosigkeit und das Apathieideal wurden von Popularphilosophen, besonders Stoikern und Kynikern des 1./2. Jh.s verbreitet (z.B. Epiktet, Musonius, Dion von Prusa, Peregrinus Proteus) und als Ausdruck innerer Freiheit proklamiert. Gegenüber den oft erdrückenden Lasten des politischen und wirtschaftlich aktiven Lebens wurde dieses Ideal gerade auch in höheren sozialen Schichten als attraktiv empfunden. Askese war eine Form des Ausstiegs, die gerade auch für Frauen interessant war. Umgeformt durch christliche Motivation vertrat dieses Ideal u.a. Clemens von Alexandria. Er hat als erster christlicher Autor die Begriffe ἄσκησις (askēsis/Übung bzw. Training) und ἀσκήτης (der Übende bzw. Trainierende) im technischen Sinne verwandt, die er aus der Tradition der griechischen Paideia übernahm, wo die Übung neben der μάθησις (mathēsis/Lernen) der Selbstvervollkommnung diente.

Ausstieg

1.4 Formen von asketischer Lebensweise im 2./3. Jh. Bereits im 2. Jh. bildete sich mit den gottgeweihten virgines (Jungfrauen, d.h. ehelos lebenden Frauen) ein eigener Stand innerhalb der Gemeinden. Sie weihten ihre Leben durch ein Gelübde Christus, lebten aber innerhalb ihrer Familien und übernahmen z.T. in der Gemeinde (z.B. karitative) Aufgaben. Als Eunuchen für das Himmelreich (vgl. Mt 19,21) lebten auch Männer in geschlechtlicher Enthaltsamkeit. Meliton von Sardes, Athenagoras und die Sentenzen des Sextus (Alexandria, 2. Jh.) propagierten dieses Ideal. Ob es aufgrund des Ideals der Geschlechtslosigkeit auch zu Selbstverstümmelungen kam (wie dies für Origenes überliefert ist, vgl. Euseb, Historia ecclesiastica/ Kirchengeschichte 5,24,5; 6,8,2), ist unklar. Es dürfte im 3. Jh. auch vereinzelt bereits Anachoreten gegeben haben (Euseb, Historia ecclesiastica/Kirchengeschichte 6,9,6-10 nennt etwa den Jerusalemer Bischof Narcissus und ebd. 6,41,16 den römischen Presbyter Novatian; berühmt als Arzt und Wundertäter war der Novatianer Eutychianus, der als Einsiedler in den Bergen bei Prusa/Bityhnien lebte, vgl. Sokrates, Historia ecclesias­ tica 1,113, evtl. ist auch Jakob von Nisibis um 280 zu nennen). In einigen christlichen Gruppen, besonders gnostischen, markionitischen und manichäischen wurde das Ideal der geschlechtlichen Askese besonders hochgeschätzt. Der polemische Vorwurf besonderer Ausschweifungen und eines allgemeinen Libertinismus dürfte in den seltensten Fällen zutreffend sein.

Jungfrauen

Anachoreten

1.5 Literatur Lektüretipp: J. Gribomont: Askese IV., TRE 4 (1979) 204-225. Quellen: H. Koch (Hg.): Quellen zur Geschichte der Askese und des Mönchtums in der Alten Kirche, 1933, 1-76. – C. Munier: Ehe und Ehelosigkeit in der Alten Kirche (1.-3. Jh.), 1987 [zweisprachig]. Literatur: H. Chadwick: Enkrateia, RAC 5 (1962) 343-365. – K.S. Frank (Hg.): Askese und Mönchtum in der alten Kirche, 1975 [darin u.a.: G. Kretschmar: Ein Beitrag zur Frage nach dem Ursprung frühchristlicher Askese (= ZThK 61 [1964] 27-67), ebd. 129-180]. – K. Heussi: Der Ursprung des Mönchtums, 1936; ND 1980, 11-52. – B. Lohse: Askese und Mönchtum in der Antike und in der alten Kirche, 1969, 17-189. – P. Nagel: Die Motivierung der Askese in der alten Kirche und der Ursprung des Mönchtums, 1966. – G. Schöllgen: Jungfäulichkeit, RAC 19 (1999) 523-592. – P. Hadot: Philosophie als Lebensform. Geistige Übungen in der Antike, 1991.

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2. Anfänge des Mönchtums: Eremiten in Ägypten und Syrien

Wüste

Im 3. Jh. – wohl nach 260 – entwickelte sich die Askese zu neuer Form, zur strikten Absonderung von der Gesellschaft und der Kirche. Der Rückzug (ἀναχώρησις/anachōrēsis) in die Wüste (ἔρημος/erēmos) gab dieser Bewegung den Namen: Anachoretentum bzw. Eremitentum. Charakteristisch war die Isolierung des einzelnen Mönchs in einer Hütte, der Zelle, allerdings zumeist in der Nähe anderer Zellen, so dass sich Eremitenkolonien bildeten. Die Wüste galt als Ort besonderer Prüfung, der Buße und der Begegnung mit Gott. Das rauhe Mönchsgewand demonstrierte die Absage an die Welt, die sich negativ in Besitzlosigkeit, Fasten, sexueller Enthaltsamkeit und positiv in der Konzentration auf Gott in Gebet, Meditation und Schweigen konkretisierte.

2.1 Antonius als Prototyp des Anachoreten Nicht der Begründer des Mönchtums, sondern eine bedeutende Gestalt der zweiten Generation war Antonius. Durch Athanasius’ Vita Antonii (Lebensbeschreibung des Antonius) wurde er zum Modell asketischer Frömmigkeit, ja zum Prototyp des Anachoreten schlechthin stilisiert. Dieses Antoniusbild bekam große Bedeutung für die Entwicklung des Mönchtums, als Heroe der Weltentsagung, Dämonenbekämpfer und pneumatischer Lehrer. Es ist im Einzelnen schwer zu bestimmen, was in der Lebensbeschreibung durch Athanasius auf den historischen Antonius verweist.

Vita Antonii Apophthegmata Patrum

Briefe

Besitzverzicht

2.1.1 Quellenlage. Als Quellen für den historischen Antonius kommen in Frage: a) die Vita Antonii (Lebensbeschreibung des Antonius) des Athanasius (s. § 6; 2.1.3), b) die Apophthegmata Patrum (s. § 6; 2.2.1) und c) Briefe, die in ihrer Echtheit umstritten sind (eventuell ist nur Epistula/Brief 1 echt). Ob es sich um einen ungebildeten Kopten oder eher doch um einen recht gebildeten Theologen handelte, hängt von der Bestimmung der Echtheitsfrage der Briefe und ihrer Einordnung ab. Die Vita Antonii setzt das Todesjahr des Antonius um 356 an und behauptet, dass er 100 Jahre alt wurde – allerdings ist die stabile Gesundheit auch im höchsten Alter in der Vita Antonii ein Element, das die besondere charismatische Qualität des Antonius zeigen soll. Jedenfalls dürfte Antonius im 4. Jh. als alter Mann auf die ägyptischen Mönchskreise eine enorme Ausstrahlung entwickelt haben. Wenn die Bekehrungsgeschichte, die Athanasius schildert, historisch stimmt, war Antonius ein Sohn wohlhabender christlicher Eltern aus Herakleopolis und bekehrte sich nach deren Tod zu einem vollkommenen Leben, als er beim Eintreten in eine Kirche Mt 19,21 hörte und sofort auf sich bezog. Die weiteren Stationen, die Athanasius schildert, sind: Verteilung seines Besitzes und Unterbringung der Schwester bei asketisch lebenden Jungfrauen, Belehrung durch einen Alten, d.h. eine Art geistlichen Lehrer, dann Verschärfung der Askese mittels 448

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Rückzug in eine nahegelegene Nekropole (Felsengräber), dann in die Wüste, wo er sich in einem verlassenen Kastell einmauern ließ und so als Inkluse lebte. Um ihn herum entstanden Eremitenkolonien, auch aus dem Bemühen heraus, von Antonius bei der Askese angeleitet zu werden. Antonius suchte daraufhin die Einsamkeit durch Rückzug in noch einsamere Gebirgsgegenden (vermutlich in der oberen Thebaïs, spätere Tradition lokalisierte den Mons Antonii/Kolzim weit nordöstlich der Thebaïs; s. Abb. 13a). 2.1.2 Anachoretische Lebensweise. Antonius steht als Ideal für ein vorbildliches Anachoretentum. Die Vita Antonii des Athanasius lässt allerdings erkennen, dass die Anachoreten bzw. Eremiten so einsam nicht waren. Zum einen kamen immer wieder Besucher, um Belehrung über die Weltabkehr und den Kampf gegen die Dämonen und Sünden zu erhalten. Zum anderen wurden ältere Anachoreten zu vielgefragten Ratgebern für jüngere Eremiten, eine Situation, die in vielen Variationen auch den Apophthegmata Pat­ rum zugrundeliegt. Das Zusammenkommen der benachbarten Eremiten unterbrach die Existenz in der Einzelhütte oder -höhle. Der Tagesrhythmus bestand aus einem Wechsel von Beten, schweigender Meditation (Memorieren von Bibelsprüchen) und einfacher Arbeit (Flechten von Körben oder Matten). Die besondere Ausstrahlung macht Antonius zu einem »holy man«, einer besonders herausragenden charismatischen Persönlichkeit mit hoher gesellschaftlicher und kultureller Prägekraft. Die Zustimmung oder Ablehnung von solchen heiligen Männern spielte auch bei der Akzeptanz politischer Prozesse durchaus eine Rolle. Dazu passt, dass auch Kaiser Konstantin zu ihm Kontakt gesucht haben soll. 2.1.3 Die Vita Antonii (Lebensbeschreibung des Antonius) von Athanasius. Athanasius kannte Antonius persönlich und hatte außerdem weitere Nachrichten aus dem monastischen Umfeld und von Serapion von Thmuis zur Verfügung. Seine Vita Antonii (verfasst zwischen 357/360) entstand in einer Zeit, als Athanasius selbst vor drohender Exilierung durch Kaiser Konstantius zu den Mönchen in die Wüste und damit gleichsam in den Untergrund ging. Dadurch, dass er beschrieb, wie Antonius ihm sein Mönchsgewand vermacht hatte (so dass man, wenn man Athanasius sieht, gleichsam auf Antonius schaut), beanspruchte er, in der Nachfolge dieses bedeutenden Geistträgers zu stehen. In seiner Vita Antonii beschrieb Athanasius auch, dass Antonius nach Alexandria gekommen, hier gegen die »Arianer« argumentiert und sich hierbei als überlegen erwiesen habe. Auffällig ist zudem die Intensität, mit der Athanasius die Dämonenkämpfe ausgemalt hat. Dies hat das Antoniusbild nachhaltig geprägt (auch in bildlichen Darstellungen bis hin zum Isenheimer Altar von Matthias Grünewald und Max Ernst). Es sollte die besondere Qualität des Heiligen als eines Geistträgers zeigen, der allen Nachstellungen durch Dämonen widerstehen konnte. Weder in den Apophthegmata Patrum noch in den Briefen spielen die Dämonen eine ver2. Anfänge des Mönchtums: Eremiten in Ägypten und Syrien

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Gräber Inkluse

Gebet Arbeit holy man

Gewand des Antonius

Dämonenkämpfe

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gleichbare Rolle, so dass das hagiographische Element hier besonders deutlich wird. Athanasius hat mit diesem Werk die herkömmliche Form einer Lebensbeschreibung, wie sie etwa auch für Apostel benutzt wurde, weiterentwickelt und ist damit zum Vorbild vieler Heiligen- und Mönchsviten geworden. Die Vita Antonii ist schon bald nach ihrer Entstehung zweimal ins Lateinische übersetzt worden und hat hier entsprechend gewirkt (s. § 6; 6.1.2).

2.2 Die Väter der Wüste

engelgleiches Leben

Apophthegmata Patrum

Historia Lausiaca Historia Monachorum

Seit ca. 280 entwickelte sich das Anachoretentum nicht nur in der Thebaïs, sondern auch in der unterägyptischen Wüste südlich Alexandrias. In den Eremitenkolonien Nitria, Sketis und Kellia (s. Abb. 13a) erreichte es um 350 eine erste Hochphase, eine zweite um 400. Die dort lebenden Mönche, meist ungebildete Kopten, galten in der Kirche des 4./5. Jh.s als Muster des Pneumatiker- und Charismatikertums. Sie praktizierten das engelgleiche Leben, ein weit verbreitetes Ideal in der Askese, das die Minimierung der Einflüsse des Körpers, besonders der πάθη (pathē/Affekte bzw. Leidenschaften) als Ideal verfolgte (denn die Engel waren ja vernunftbegabte Geschöpfe, die Gott lobten und dabei nicht von vergänglichen Dingen und ihrer Leiblichkeit abgelenkt wurden). In der bedeutenden Sammlung der Apophthegmata Patrum (Aussprüche der Väter) wurden Sprüche und kurze, zumeist lehrhafte Dialoge überliefert. Johannes Cassian hat sie dem Westen übermittelt (s. § 6; 6.4.3). 2.2.1 Quellenlage für das ägyptische Mönchtum. Unter der Bezeichnung Apophthegmata Patrum (Aussprüche der Väter) subsumiert man verschiedene Sammlungen, unter denen einige eine alphabetische, andere eine systematische Anordnung der verschiedenen Einzelsprüche und Anekdoten enthalten. Sie wurden wohl um 460-500 zusammengestellt (Text der systematischen Ordnung: SC 387.474.498; Übers.: B. Miller, Weisung der Väter, 1965; 2. Aufl. 1980; Text des Alphabetikon: MG 65, 71-440). Daneben stehen die Historia Lausiaca des Palladius von 419/420 (Text: Palladio, La Storia Lausiaca, ed. Bartelink, Mailand 1974; Übers.: BKV 5, 315-440), die auch früh ins Lateinische übersetzt wurde (Text: PTS 51), und die Historia Monachorum (Text: ed. A.-J. Festugière, Subsidia Hagiographica 34, Brüssel 1961; der lateinische Text ist von dem erhaltenen griechischen Text unabhängig und insofern ein wichtiger Zeuge für die ältere Textgeschichte, Text: PTS 34). Die Texte stellen das ägyptische Mönchtum insgesamt als eine von großer Entschiedenheit geprägte Absonderung von der Welt dar, als eine monastische Gegenwelt. Die Distanz zur verfassten Kirche wird minimiert, ein kirchenkritisches Potential des entstehenden Mönchtums nicht besonders betont. 2.2.2 Die Eremitenkolonien in der Nitria, der Sketis und der Kellia. Beim Natrontal/ Wadi Natrun in der Nitria, ca. 100km südlich von Alexandria, einer bergigen Wüstenlandschaft, siedelten sich seit ca. 300, zeitgleich mit Antonius, Eremiten an, als deren geistlicher Führer Ammun (gest. vor 350), ein strenger Asket, berühmt wurde. Parallel dazu bildeten sich Eremitenkolonien in der Nähe: die Sketis, eine Niederung, und die Kellia, eine Höhlenlandschaft. Als Begründer der Sketis-Siedlung galt Makarius der »Große« (ca. 300-ca. 360). Die Blütezeit nach 400 repräsentierte v.a. Poimen (gest. 450) 450

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als geistliche Autorität. In der nitrischen bzw. sketischen Wüste wuchsen seitdem zahlreiche Kolonien, aber auch Klöster (im 5./6. Jh. mit über 3000 Asketen), die das wichtigs­ te Zentrum des ägyptischen Mönchtums bildeten. Eine der wichtigsten Gestalten war Euagrius Ponticus, der für das östliche Mönchtum insgesamt bedeutend wurde (s. § 6; 5.4.1). Überfälle von Wüstenstämmen auf die Siedlungen seit 404 und 434 trafen diese Klöster schwer, später befestigte man sie mit Türmen und Mauern. Hieraus ergaben sich Übergänge zur könobitischen Lebensweise (vgl. § 6; 3.). Diese Siedlungen hielten sich – meist in Form von Klöstern – bis ins 14./15. Jh., z.T. bis heute. Eremiten lebten auch im ganzen Niltal in Berghöhlen und Felsgräbern. 2.3 Literatur Lektüretipp: P. Gemeinhardt: Antonius. Der erste Mönch. Leben – Lehre – Legende, 2013 [ebd. 231f. Angaben zu den Quellen]. Literatur: D. Brakke: Athanasius and the Politics of Asceticism, 1995. – M. Tetz: Athanasius und die Vita Antonii, ZNW 73 (1982) 1-30. – D. Burton-Christie: The Word in the Desert, 1993. – K. Fitschen: Serapion von Thmuis, 1992. – F. von Lilienfeld (Hg.): Spiritualität des frühen Wüstenmönchtums, 1983. – G. Gould: The Desert Fathers on Monastic Community, 1993. – H. Holze: Erfahrung und Theologie im frühen Mönchtum, 1992. – S. Rubenson: The Letters of St. Anthony, 1990. – B. Müller: Der Weg des Weinens, 2000 [zu den Apophthegmata Patrum]. – Dies.: Zur hesychiastischen Gebetsmethode der ägyptischen Wüstenväter, ZKG 112 (2001) 168-188. – D. Bumazhnov: Visio mystica im Spannungsfeld frühchristlicher Überlieferungen, 2009 [zu den Antoniusbriefen, ebd. 1-9 zur Forschungslage].

3. Pachomius und das Könobitentum Eine spezifische Prägung erhielt das frühe Mönchtum durch die Regulierung gemeinschaftlichen asketischen Lebens durch Pachomius (ca. 287/292-ca. 346). Die Einzelheiten über die Gründungsphase der ersten Klöster, in denen Mönche nach einer festgeordneten Lebensweise zusammenlebten, ist im Einzelnen nicht erkennbar, dürfte aber in das frühe 4. Jh. fallen (um 320?). Das gemeinsame Leben (griechisch κοινὸς βίος/koinos bios, daher: Könobitentum) wurde durch eine Mauer als Wohnort geschützt und zugleich von der Welt abgegrenzt und durch feste Gebetszeiten und gemeinschaftliche Arbeit strukturiert. Dieser Typus monastischen Lebens verbreitete sich im 4. Jh. rasch in Ägypten, Syrien, Kleinasien und erreichte auch bereits im 4. Jh. die großen Städte. Im Westen wurde dieser Lebenstypus Ende des 4. Jh.s ebenfalls übernommen.

Kloster

3.1 Pachomius Pachom, ein Kopte, ursprünglich wohl Soldat, lebte nach seiner Bekehrung zunächst als Eremit und knüpfte an ältere Formen des asketischen Lebens an. Als Zusammenfassung von Anachoretenzellen schuf er ein erstes Kloster aus praktischen Erwägungen. Dabei verbanden sich religiöse und soziale Motive: Der gegenseitige Beistand und die gegenseitige Kontrolle sollten den 3. Pachomius und das Könobitentum

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Klostermauer

Frauenkloster Eucharistie

lateinische Übersetzung

Bibellektüre

Ernst der Askese ebenso sicherstellen wie die Gefahren des Eremitenlebens reduzieren. Die Absonderung von der Welt wurde nun nicht mehr nur durch den Wegzug in die Wüste oder verlassene Gegenden ausgedrückt, sondern auch durch die nach außen möglichst geschlossene Klostermauer greifbar. 3.1.1 Die Vita Pachomii (Lebensbeschreibung des Pachomius). Die auf mündlichen Traditionen beruhende, legendarisch gestaltete Vita Pachomii ist in verschiedenen Fassungen erhalten und ermöglicht nur ansatzweise eine historische Rekonstruktion der Anfänge des von Pachomius geprägten Mönchtums. Zuverlässig scheint der Hinweis darauf zu sein, dass Pachomius ein einfacher Kopte aus der südlichen Thebaïs war, der in Tabennisi zusammen mit seinem Bruder Johannes ein Gemeinschaftsleben organisierte. Seine Schwester Maria errichtete in der Nähe zusammen mit weiteren Asketinnen ein Frauenkloster. Die Eucharistiefeier hielten zunächst Presbyter aus der Umgebung in der Klosterkirche. Die Kommunität entwickelte sich rasch (mit über 100 Mönchen), so dass Pachomius ein zweites Kloster in Pbow (Pabau) gründete (in Tabennisi übernahm der Pachomiusschüler Theodor die Leitung) und weitere μοναστήρια (monastēria/Klöster) errichtete oder strukturierte (insgesamt wohl 9-11). Weitere Klöster schlossen sich in unterschiedlicher Dichte an, so dass insgesamt ein umfangreiches Netzwerk entstand (von vielleicht 7000-9000 Asketen). Pachomius wurde zu einer Berühmtheit in Ägypten und hatte Kontakt zu Athanasius. Seine Nachfolger waren Petronius, Horiese und Theodor. 3.1.2 Die Pachomiusregeln. Ursprünglich koptisch, sind die Pachomiusregeln vollständig nur in der lateinischen Übersetzung des Hieronymus erhalten (Text/Übers.: Bacht 82278). Es handelt sich nicht um einen einheitlichen Text aus der Gründungszeit oder um einen Text des Pachomius, sondern um eine unsystematisierte Sammlung einzelner Anordnungen, die nach und nach entstanden und das tägliche Leben der Mönche ebenso regelten wie etliche Sonderfälle. Durch ihre nüchterne Ausgewogenheit und ihre maßvolle Regulierung wurde sie zum Leitfaden für Regelungen in vielen Klöstern. Nur selten zitiert sie Schriftworte, doch die Bibel war als Ganze für Pachomius – wie schon für die Eremiten – die höchste Regel, deren Meditation und Lektüre das Leben der Mönche prägte. 3.1.3 Andere Formen des Könobitentums. Neben den von Pachomius geprägten Klös­ tern entstanden im 4. Jh. auch andere Klöster und klosterähnliche Lebensweisen. Die Klöster der Melitianer (s. § 2; 16.2) stachen wohl durch ihre strenge Lebensweise heraus und bestanden z.T. bis ins 6. Jh. (z.B. bei Arsinoë). Schwer einzuordnen sind die bei Cassian erwähnten Sarabaiten. Hierbei handelte es sich wohl um Gruppen von Asketen, die ohne Abt und ohne Besitzverzicht gemeinschaftlich bei Städten und Dörfern lebten und evtl. auch weltliche Berufe ausübten. Über sie ist wenig bekannt.

3.2 Die könobitische Lebensform Die von Pachomius geprägte könobitische Lebensweise zeichnet sich durch eine Regulierung des Alltags aus, die eine weitgehende Uniformität her452

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stellte: einheitliche Kleidung, Einordnung in die Gemeinschaft und Unterordnung unter den Abt waren hier wichtige Elemente. Zu den Idealen von Besitzlosigkeit und Enthaltsamkeit kam damit der Gehorsam, der Verzicht auf ein eigenes Wollen, als zentrales Element der Askese hinzu. Die Strukturierung des Tagesablaufes nahm schon im 4. Jh. die Form des Stundengebets an, die den Tag durch acht Gebetszeiten in dreistündige Einheiten gliederte. Der Psalter wurde hier zum zentralen Gebetsbuch der Mönche. Die Arbeit wurde teilweise innerhalb des Klosters (durch Einrichtung von Werkstätten), teilweise außerhalb der Klostermauern durchgeführt (so insbesondere Landwirtschaft), was gegenüber der eremitischen Lebensweise ein wesentlich erfolgreicheres Wirtschaften und entsprechenden Wohlstand ermöglichte. Unter den prägenden Gestalten des Mönchtums im 5. Jh. ragte Schenute von Atripe hervor.

Gehorsam

3.2.1 Die innere Struktur des Klosters. An der Spitze eines Klosters stand der Abt (koptisch Apa, d.h. Vater), ihm unterstanden Hausvorsteher für die einzelnen Gruppen. Funktionsämter waren u.a. Pförtner, Krankenpfleger, Wirtschafter für die Verwaltung von Vorräten, Medikamenten usw., Erzieher für junge Mönche u.a. Die Struktur war streng hierarchisch, der Abt leitete das Kloster an Christi statt sowohl in geistlichen als auch in organisatorischen oder weltlichen und wirtschaftlichen Belangen. Die Klöster waren nicht durch verbindliche Rechtsstrukturen, sondern durch Kontakte und Besuche mit Pachomius verbunden.

Abt

3.2.2 Gottesdienstliches Leben. Die Zahl der Gottesdienste und Gebetszeiten steht für die Anfangszeiten nicht genau fest. Morgens und abends gab es eine gemeinsame Andacht für das ganze Kloster, nach der Abendmahlzeit wohl Psalmenrezitationen in den Häusern, ferner Katechesen und samstags und sonntags die Eucharistiefeier. Das Ideal des engelgleichen Lebens wirkte hier insofern nach, als das Ideal des ununterbrochenen Gebets aufgegriffen wurde. Die Mönche sollten bei der Arbeit Psalmen und Bibelverse sprechen (später waren 12 Gebete während des Tages und 3 während des Essens vorgeschrieben). Bibellektüre wurde als besonders vorbildlich angesehen, woraus sich ein monastisches Bildungswesen entwickelte, zunächst noch auf niedrigem Niveau. Hieraus entstanden Klosterschulen, die auch Kindern aus der Umgebung offenstanden. 3.2.3 Regulierung der Kleidung, der Nahrung und der Arbeit. Die einheitliche Kleidung durch Hemd/Tunika, Fellmantel, Kapuze, Gürtel, Sandalen und Stock war ein Zeichen der Aufgabe der individuellen Eitelkeit und ein wichtiger Bestandteil der Integration in die Gemeinschaft. Hinzu kamen gemeinschaftliches Fasten (an zwei Wochentagen) sowie das Schweigegebot (auch bei Mahlzeiten). Eine Besonderheit der Pachomianer war ihre Ausstattung mit Proviant bei der auswärtigen Arbeit. Die Funktion des Kochs war im Klosterleben besonders wichtig, die Mahlzeiten waren einfach. Als Arbeiten kamen neben den einfachen Tätigkeiten wie Flechtarbeiten (Matten und Körbe aus Binsen), Leinweben und Walken nach und nach auch handwerkliche Tätigkeiten (Schneiderei, Bäckerei) hinzu sowie Landwirtschaft. Die Produkte der Klöster wurden durch Händler in der näheren und weiteren Umgebung vertrieben, so dass die Klöster Besitz anhäuften.

3. Pachomius und das Könobitentum

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Stundengebet

Arbeit

Psalmen

Klosterschulen

einheitliche Kleidung

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das Weiße Kloster Schenute

3.2.4 Neuaufbrüche. Uneinheitliche Auslegungen der verschiedenen Fassungen der Pachomiusregeln sowie eigene Regeln und deren Ausgestaltungen führten dazu, dass im 5. Jh. viele Klöster den Anforderungen überzeugter und die strenge Askese suchender Mönche nicht mehr genügten. Ökonomische Probleme kamen hinzu. Beides führte zu Neuaufbrüchen im ägyptischen Mönchtum. Nach 360 gründete der Eremit Pgol das Weiße Kloster bei Sohag (Thebaïs) und gab ihm eine gegenüber Pachomius verschärfte Regel. Sein Nachfolger Schenute von Atripe (gest. um 460) sorgte für strenge Regelbeachtung und baute die Klosteranlage samt Ablegern zu einem Zentrum des Mönchtums aus. Er beeinflusste die ägyptische Christenheit durch seine Predigten, Briefe und Schriften nachhaltig. Er hat das Koptische (in der Form des sahidischen Dialekts) zur Literatursprache fortgebildet. 3.3 Literatur Lektüretipp: C. Joest: Die Pachom-Briefe. Übersetzung und Deutung, 2014 [ebd. 1-28 zum Leben und ebd. 29-50 zur Regel des Pachomius]. Quellen: H. Bacht: Das Vermächtnis des Ursprungs, Bd. 2: Pachomius – Der Mann und sein Werk, 1983 [gekürzte 2. A. unter dem Titel: Pachomius, Klosterregeln, 2010]. Literatur: F. Ruppert: Das pachomianische Mönchtum und die Anfänge klösterlichen Gehorsams, 1971. – A. de Vogüé: De saint Pachome à Jean Cassien. Études littéraires et doctrinales sur le monachisme égyptien à ses débuts, 1996. – P. Rousseau: Pachomius, 1985. – J.E. Goehring: Ascetics, Society and the Desert, 1999.

 § 1; 14.-16.

4. Kirche und Mönchtum bei Basilius von Cäsarea

Geistträger

Die monastische Bewegung bildete eigene Gemeinschaften, die sich der Aufsicht der Bischöfe weitgehend entzogen. Als Gegenwelt zu der Kirche in den Orten und Städten genoss das Mönchtum zugleich besonderes Ansehen, Mönche galten als Geistträger und Vorbilder. Sich daraus ergebende Ansprüche der moralischen wie spirituellen Unterweisung kollidierten mitunter mit denen des örtlichen Klerus, was zu erheblichen Konflikten führte (so besonders in Kleinasien). Eine kirchliche Integration des Mönchtums vollzog seit ca. 360 Basilius von Cäsarea/Kappadokien. Unter Betonung der sozialen Dimension des Christentums als Gemeinschaft der Liebe propagierte er das Könobitentum als adäquate Form der Askese, zugleich als Beitrag zu einer Neuausrichtung der Kirche als Rückbesinnung auf das Evangelium. Seine pastoralen Anweisungen für das Klosterleben, als Basiliusregeln tradiert, wurden für das Mönchtum der griechischen – später auch der russischen – Ostkirche zur maßgeblichen Orientierung.

4.1 Die Synode von Gangra Distanz zur Kirche

In dem weiten Raum zwischen Ägäis, Schwarzem Meer und Mesopotamien gewannen asketische Strömungen im 4. Jh. eine besondere Distanz zur kirchlich breit ausgebauten Struktur der Diözesen. Der Rückzug in eine aske454

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§ 6 Mönchtum als wahres Christentum

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tische Lebensform wurde zugleich als Relativierung der kirchlichen Ämter, Ordnungen und Gottesdienste gedeutet. Gegen einen solchen sich abgrenzenden Asketismus entschied schon eine Synode in Gangra in Paphlagonien (das traditionelle Datum 340 ist unsicher). Hier wurde insbesondere verworfen, dass bestimmte asketische Forderungen (etwa der Verzicht auf Besitz, Ehe oder jegliche soziale Unterschiede) als für alle Christen verbindlich angesehen wurden. Einer der Anführer dieser asketischen Bewegung war der armenische Presbyter Eustathius, der vor 356 Bischof der Metropole Sebaste wurde und auch als solcher das Asketengewand trug (zu ihm vgl. § 1; 15.4). Er galt später als Initiator des Mönchtums in Armenien, Pontus und Paphlagonien. Von seiner Bewegung aus führten wohl Verbindungen zu den Messalianern (s. § 6; 5.2.1).

Eustathius von Sebaste

4.2 Basilius als Befürworter des Mönchtums Basilius hat erstmals vom Leitbegriff »Evangelium« her eine monastische Theologie entfaltet, in der die bisherigen religiösen Motive und praktischen Ansätze reflektiert und biblisch begründet wurden. Zentrum ist die Verbindung von Gottes- und Nächstenliebe. Die Absage an die Welt wird mit dem Gebot der Gottesliebe begründet, die sich in der Christus- und Kreuzesnachfolge als Trennung von allen weltlichen Bindungen realisiert. Da aber der Mensch auf Gemeinschaft angelegt und die Nächstenliebe das höchste Gebot ist, ist das Ideal des asketischen Lebens nicht das Eremitendasein, sondern die klösterliche Gemeinschaft der Brüder oder Schwestern, die zugleich auf die ganze Kirche als Leib Christi bezogen ist. Nicht den Aufbau einer asketischen Gegenkultur, sondern die Heiligung aller Christen (mit den asketisch lebenden Brüdern und Schwestern an der Spitze) intendierte Basilius (den Begriff Mönch vermied er dementsprechend). Er befürwortete daher die strikte Unterordnung der Klöster unter die Aufsicht der Bischöfe (wie sie auf dem Konzil von Chalkedon dann auch beschlossen wurde). Unter Basilius’ Einfluss entstand im Pontus und in Kappadokien ein zahlenmäßig starkes Könobitentum, das bis nach Armenien und ins südliche Kleinasien ausstrahlte. 4.2.1 Die Entscheidung für ein asketisches Leben. Basilius entstammte einer Familie, deren mütterliche Seite schon länger christlich geprägt war. Seine ältere Schwester Makrina hat nicht nur auf die Erziehung von Basilius (und seinem Bruder Gregor von Nyssa) enormen Einfluss gehabt (insbesondere im Hinblick auf die Bibellektüre), sondern selbst auch im Pontus am Fluss Iris ein kontemplatives Leben eingeschlagen, dem Gregor von Nyssa in der Vita Macrinae (Lebensbeschreibung der Makrina; Text: SC 178; Übers.: BKV 56, 337-368) ein literarisches Denkmal gesetzt hat und das entsprechend als Idealbild vorbildlich gewirkt hat. Neben Makrina war Basilius durch Eustathius von Sebaste geprägt, dessen Askese er nacheiferte. Dementsprechend schlug auch Basilius nach der Taufe zunächst ein kontemplatives Leben auf dem Familienbesitz ein, bevor er sich später für das kirchliche Amt in Cäsarea gewinnen ließ. Der Zeitpunkt dieses Rückzuges ist nicht sicher, dürfte aber vor 360 erfolgt sein. 4. Kirche und Mönchtum bei Basilius von Cäsarea

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Gottes- und Nächstenliebe

Heiligung

Aufsicht der Bischöfe

Makrina

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Basilius

4.2.2 Die sog. Basilias. Vor den Toren seiner Bischofsstadt, der als Verkehrsknotenpunkt und Provinzhauptstadt der Provinz Kappadokien wichtigen Metropole Cäsarea (heute Kaysari), baute Basilius als Bischof einen umfassenden Klosterkomplex auf (später Basilias genannt). Die Armenfürsorge und die Pflege von Kranken wurden hier mit dem Arbeiten von Mönchen und Nonnen verbunden. Dementsprechend gab es Speiseanstalten, Einrichtungen für Kranke und Alte, eine Herberge für Wanderasketen, ein Hospiz für Jungfrauen, Werkstätten in zahlreichen Berufen für Mönche. Die Basilias macht deutlich, wie sich Basilius das ideale Mönchtum vorstellt – als förderlicher, selbstständiger, karitativ tätiger Beitrag zum Gemeinwesen.

4.3 Das monastische Leben nach den Basiliusregeln

Seelsorge

Moralia

Kleines und Großes Asketikon

Das von Basilius geprägte Mönchtum war als umfassender Gottesdienst von biblischer Frömmigkeit und praktischer Nüchternheit geprägt. Der Tagesablauf war durch den Wechsel von Stundenzeiten, Bibellektüre und Arbeit geprägt. Askese war hier konzipiert als geistliche Übung in einem an Gott orientierten Leben der Vollkommenheit. Die Seelsorge der Mönche untereinander erhielt großes Gewicht (und wurde als eine Wurzel für die Entstehung der Einzelbeichte wichtig). Die Organisation der Arbeit wurde so angelegt, dass das Gebetsleben damit vereinbar und die praktischen Anforderungen der unterschiedlichen Berufe berücksichtigt waren. Klöster wurden wichtig als Institutionen für Arme, Kranke, Alte und Fremde sowie als Bildungsinstitutionen. 4.3.1 Die Basiliusregeln. Als Orientierung für monastische Gemeinschaften und die gesamte Christenheit verfasste Basilius 359/360 Regulae morales (Anweisungen für das christliche Verhalten, auch Moralia genannt; Text: MG 31, 691-869; Übers.: Sämtl. Werke der Kirchenväter 21-22, 1839), zunächst nicht mehr als ein Register, in dem auf die einschlägigen Weisungen Jesu und der Apostel verwiesen wurde (in späteren Fassungen wurden die programmatischen Vorreden De iudicio dei/Über das Gottesurteil und De fide/Über den Glauben vorgeschaltet und Bibelzitate ergänzt). Ziel war ihm die Ausrichtung des Lebens an einem christlichen, von der Bibel geprägten Ideal und in Anlehnung an die ursprüngliche Gemeinschaft der Christen in Jerusalem. Kirche verstand er als Gemeinschaft der Brüder und Schwes­ tern, die sich um die von Jesus geforderte Vollkommenheit und die bessere Gerechtigkeit (Mt 5,20) in Gottes- und Nächstenliebe bemühten. Bei der Betreuung vieler klösterlicher Gemeinschaften wurde ihm der Bedarf konkreter Regelungen immer deutlicher, weswegen er (nach 360) im Stil der antiken Erotapokriseis (Fragen-Antworten) eine Sammlung zusammenstellte (das sog. Kleine Asketikon, das nur noch in der lateinischen Übersetzung Rufins [Text: CSEL 86, engl. Übers.: Silvas] und in syrischen Fragmenten erhalten ist). Diesen Text hat Basilius kontinuierlich weiter bearbeitet, mit dem Ergebnis des sog. großen Asketikons, bestehend aus den Regulae fusius tractatae (den längeren, d.h. ausführlicher behandelten Regeln) und den 456

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Regulae brevius tractatae (den kürzeren, d.h. knapper behandelten Regeln). Durchgehend versuchte Basilius, die Ausrichtung des asketischen Lebens an der Bibel und den dort enthaltenen Weisungen zu betonen und durch den Hinweis auf die entsprechenden Bibelzitate zu untermauern. Für eine Zusammenstellung der Moralia incl. der Vorreden und des Großen Asketikons als die sog. Hypotyposen hat Basilius ein weiteres Vorwort verfasst. 4.3.2 Struktur der Klöster. Im Unterschied zu den pachomianischen Großklöstern waren die von Basilius beeinflussten Klöster kleine Einheiten nach dem Familienprinzip (mit ca. 30-40 Mönchen), je für sich autonom, aber im Kontakt miteinander. Der προεστώς (prohestōs/Vorsteher) leitete die Brüder als geistlicher Vater und Seelsorger mit Liebe und Demut; der Gehorsam gegen seine Anweisungen war wichtig, weshalb notorisch ungehorsame Mönche die Gemeinschaft verlassen mussten. Basilius gestaltete erstmals das Noviziat: Voraussetzung war nicht nur die innere Abkehr von der Welt, die Trennung von der Familie und der Verzicht auf Eigentum, sondern auch die sorgfältige Prüfung des Vorsatzes zum asketischen Leben. Erst am Ende der Zeit als Novize stand das Gelübde (bei Basilius erstmals belegt). Das Noviziat war gleichzeitig eine intensive Ausbildungszeit, in der die Novizen insbesondere die Bibellektüre als Grundlage der monastischen Existenz lernten. 4.3.3 Der Wechsel von Arbeit und Gebet und die Grundform der Beichte. Der Tagesablauf war durch die acht Stundengebete und eine einfache (frugale) Mahlzeit geprägt. Die Stundengebete dienten nicht nur der Reduktion des Schlafes, sondern unterbrachen auch die Arbeit in den Werkstätten und auf den Feldern, wobei man – je nach Einsatzort – praktische Regelungen traf. Aus diesen Regelungen ergibt sich auch, wie vielfältig die Arbeit der Mönche mit dem Wirtschafts- und Sozialleben von Städten oder Orten in der Umgebung verflochten war. Das erklärt auch die immer wiederkehrenden Mahnungen zum Kampf gegen die Sündhaftigkeit in Taten, Worten und Werken. Basilius betonte daher die Notwendigkeit des Bekenntnisses vor den Mitbrüdern und der brüderlichen Zurechtweisung durch den Vorsteher. Damit war die Grundform der Beichte geschaffen, und zwar aus seelsorgerlichem Motiv zwecks innerlicher Korrektur im Blick auf das ewige Heil.

Bibelzitate

Vorsteher

Noviziat

Gelübde

Stundengebete

Beichte

4.4 Literatur Lektüretipp: A.M. Silvas: The Asketikon of St. Basil the Great, 2005, 51-145. Quellen: K.S. Frank (Hg.): Basilius von Caesarea, Die Mönchsregeln, 1981 [Übers.]. – A.M. Silvas: The Rule of St. Basil in Latin and English, 2013. – Dies.: Basil of Caesarea, Questions of the Brothers. Syriac Text and English Translation, 2014. Literatur: U.W. Knorr: Basilius der Große. Sein Beitrag zur christlichen Durchdringung Kleinasiens, 1968. – R. Albrecht: Das Leben der heiligen Makrina auf dem Hintergrund der Thekla-Traditionen, 1986. – S. Elm: Virgins of God, 1994; ND 1996. – W.-D. Hauschild: Basilius von Caesarea, TRE 5 (1980) 301-313. – Ders.: Eustathius von Sebaste, TRE 10 (1982) 4. Kirche und Mönchtum bei Basilius von Cäsarea

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547-550. – K. Koschorke: Spuren der alten Liebe, 1991. – F. von Lilienfeld: Basilius der Große und die Mönchsväter der Wüste, in: Dies. (Hg.): Spiritualität des frühen Wüstenmönchtums, 1983, 62-85.

 § 3; 13.

5. Grundlegende Bedeutung des Mönchtums für die Ostkirche

Kirchenpolitik

Theologie

Typikon

In vielfacher Gestalt prägte seit dem 5. Jh. das Mönchtum die Frömmigkeit in Ägypten, Palästina, Syrien, Mesopotamien, Kleinasien und Konstantinopel (s. Abb. 12). Große Ausstrahlung erreichte es im 6./7. Jh. Trotz grundsätzlicher Verbindung mit der Institution Kirche blieb es ein z.T. schwer integrierbarer Faktor, der auch die kirchenpolitischen Auseinandersetzungen beeinflusste. Kaiser Justinian systematisierte die juristische Integration, der sich die monastische Praxis allerdings oft entzog. Für die Opposition gegen die Reichskirche und für die Identität der verschiedenen östlichen Kirchen bekam das Mönchtum entscheidende Bedeutung (vgl. § 4; 15.1-15.4). Träger der theologischen Leistungen waren im Wesentlichen nur noch Mönche (vgl. z.B. § 4; 13.3; 14.5). Zugleich prägten die Mönche die Religiosität der Gemeinden. Als die exemplarischen Heiligen genossen sie große Verehrung. Ihre Predigten wurden vielfach tradiert; ansonsten dominierte in der Literatur die Hagiographie. Neben dem Könobitentum hielt sich das Eremitentum, beides in differenzierten Formen. Die Einzelklöster lebten selbständig nach eigener Ordnung (ihrem Typikon). Umfassende Netzwerke von zusammengehörenden Klöstern gab es vereinzelt (z.B. bei den Pachomianern in Ägypten, z.T. in Palästina, im 11.-14. Jh. auf dem Athos). Wichtigster Unterschied zum westlichen Mönchtum ist, dass es im östlichen Mönchtum nicht zu einer Bildung von Orden kam.

5.1 Palästina als monastisches Zentrum An verschiedenen Stätten des Heiligen Landes – zumal in und um Jerusalem – entstanden seit dem späten 4. Jh. neben dem älteren Eremitentum viele Klöster, in denen zu erheblichen Teilen Asketen und Asketinnen aus anderen Ländern lebten, die zumeist als Pilger kamen. So entwickelte sich Palästina im 5./6. Jh. zu einem Zentrum von gleichsam internationalem Charakter mit bedeutenden Mönchsvätern und -theologen, das auf andere Regionen im Osten ausstrahlte (vgl. § 6; 6.3 und Abb. 13b).

Epiphanius

5.1.1 Klöster im Heiligen Land. Protagonisten des frühen Asketentums in Palästina waren u.a. Chariton (gest. um 350), Hilarion von Gaza (gest. 371) und der in Judäa geborene Epiphanius (ca. 315-403), seit 367 Bischof von Salamis/Cypern, der – wohl nach ägyptischen Vorbildern – um 340 bei Eleutheropolis ein Kloster gründete und später allgemein das Mönchtum förderte. Neben den lateinischen Klostergründungen in und 458

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Abb. 13a Mönchtum in Ägypten

Abb. 13b Mönchtum in Syropalästina

(4. / 5. Jh.)

(4. – 6. Jh.)

Mittelmeer

Alexandria Thmuis

Nitria

Kellia

Pelusium

Bubastis

Sketis

Mopsuestia

Cyrus Kal’at Schim’an Antiochia

Bitter-See

Chalkis

Memphis Fayyum

Laodicea

Arsinoe

Apamea Oro

Herakleopolis

nte s

Mons Antonii Nil

ch is ab Ar

Emesa

Mittelmeer

e W ü

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Atripe

Sohag

Chenoboskion

Berytus

Tabennisi

Damaskus

Nag Hamadi Pbow

Tyrus

Diospolis (Thebae) Esne/Latopolis

Ni l

Elephantine Assuan

Mönchsansiedlungen 0

50

100

Bostra

an Jord

Cäsarea

Skythopolis

Jericho Lydda Jerusalem Bethlehem Große Laura Neue Laura Hebron Gaza Eleutheropolis Totes Meer

150 km

5. Grundlegende Bedeutung des Mönchtums für die Ostkirche

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Große Laura

Neue Laura

Katharinenkloster

um Jerusalem (s. § 6; 6.3.1.-2.) gab es solche von Kappadokiern, Armeniern, Georgiern, aber auch von Einheimischen. Eremitensiedlungen fand die Pilgerin Egeria um 390/395 z.B. auf dem Ölberg, im Jordantal und am Sinai vor. Entscheidende Beiträge zur Neuorganisation in verschiedenen Teilen Palästinas lieferte der Armenier Euthymius (377473), der zuletzt am Toten Meer um 428 eine Laura (Lavra, d.h. Straße), einen Verbund von Eremitenhütten (Kellia), aufbaute. Sein Schüler Sabas (439-532), ein Kappadokier, gründete um 483 südöstlich von Jerusalem die berühmte Große Laura/Mar Saba, die sich zu einer »Stadt in der Wüste« und asketischen Metropole entwickelte, danach noch weitere Klöster und Hospize. Um 507 spaltete sich hier eine Gruppe ab, die eine spekulative Mönchtstheologie im Anschluss an Euagrius Ponticus pflegte. Sie gründete die Neue Laura (vgl. § 4; 12.4.1). Ein könobitisches Mönchtum nach dem Vorbild des Basilius baute der Kappadokier Theodosius (Koinobiarches; ca. 424-529) auf. Biographien dieser und anderer palästinischer Mönche verfasste Kyrill von Skythopolis um 550. 5.1.2 Klöster auf der Sinaihalbinsel. Auf der Sinaihalbinsel existierten Anachoretenkolonien z.B. in Raithu und in der Oase Pharan. Zu deren Schutz baute Kaiser Justinian ca. 557 das am Berg der Gesetzgebung gelegene Dornbusch- bzw. Marien-Kloster (seit dem 14. Jh. Katharinenkloster; mit wichtigem Handschriftenbestand) festungsartig aus. Dessen Abt Johannes Climacus (ca. 579-ca. 649) verfasste einflussreiche asketische Werke, darunter die mystische Scala Paradisi (Himmelsleiter, nach Gen 28,10-22; Text: MG 88; 631-1164; Übers. Johannes vom Sinai: Klimax oder Die Himmelsleiter, 2000), die visionär den Stufenweg der Vervollkommnung bis hin zur Gemeinschaft mit Gott beschrieb.

5.2 Asketische Sonderformen in Syrien In Syrien mitsamt Mesopotamien blieb die Tradition eines charismatischen Wanderasketentums relativ lange lebendig. Eine bemerkenswerte Sonderbildung war hier im 4./5. Jh. der Messalianismus, eine enthusiastische Bewegung. Aufsehen erregte das im Anschluss an den asketischen Volksprediger Symeon (gest. 459) seit dem 5./6. Jh. aufblühende Stylitentum, das es auch außerhalb Syriens gab: Die Säulenheiligen wurden zu gesellschaftlich hoch angesehenen Idealen eines vollkommenen Lebens, die auch politisch erheblichen Einfluss entwickelten.

Gebet

Pseudo-MakariusSymeon

5.2.1 Die Messalianer. Ein radikales Pneumatiker- und Wanderasketentum vertraten die seit 350/370 zunächst in Ostsyrien und Mesopotamien auftretenden Messalianer (d.h. Beter; nach dem griechischen Wort für Gebet auch Euchiten). Sie lehrten, dass das Böse im Menschen, ein Dämon bzw. der Satan, nur durch ständiges Beten, welches das Einströmen des Heiligen Geistes bewirke, vertrieben werden könne. Damit relativierten sie die Heilsbedeutung der Sakramente und der Kirche insgesamt. Ihr Vollkommenheitsstreben äußerte sich außerdem in schroffer Weltentsagung (Heimatlosigkeit, Ablehnung der Arbeit, grundsätzliche »Apathie«) und in charismatischem Enthusiasmus. Die geistige Spannbreite der Bewegung, die bald auch in Westsyrien, Kleinasien und Ägypten begegnete, macht das theologische Schrifttum (Reden und Briefe und Sammlung von 50 Homilien; Text: GCS und PTS 4; Teilübers.: BKV 10) deutlich, das unter dem Namen des Makarius (wohl = Symeon von Mesopotamien [ca. 360-430]) überliefert ist und große wirkungsgeschichtliche Bedeutung bis in die Neuzeit – auch im Protestantismus – hatte. Gregor von Nyssa hat zeitweise Sympathien zum Messalianismus gehabt, das literarische Abhängigkeitsverhältnis der unter seinem Namen überlieferten Schrift De instituto christiano (Über die christ460

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liche Unterweisung) zu der Epistula magna (dem großen Brief) des Pseudo-Makarius/Symeon ist umstritten (eventuell hat die Gregorschrift den messalianischen Traktat benutzt). Johannes Chrysostomus setzte sich kritisch mit messalianischen Lehren auseinander. Verschiedene Synoden verwarfen diese seit ca. 390 als häretisch. Trotz der abschließenden Verurteilung durch das Konzil von Ephesus 431 wirkten die Messalianer bis weit ins 6. Jh. fort und beeinflussten das griechische Mönchtum (z.B. die Akoimeten, s. § 6; 5.3.1). 5.2.2 Die Styliten. Eine spektakuläre Sonderform des asketischen Ideals vom engelgleichen Leben bildete das Stylitentum: der ständige Aufenthalt auf einer hohen Säule (ikonographisch als Stehen vor Gott dargestellt). Der im Gebirge zwischen Antiochia und Aleppo lebende Eremit Symeon Stylites d. Ä. (ca. 390?-459) praktizierte dies ab 422. Er wurde als Volksprediger und Seelsorger besonders gesucht, so dass seine Säule ein beliebtes Ziel von Pilgerfahrten war. Der Einfluss auf die Gesellschaft war immens, Symeon repräsentierte die mögliche Nähe des Menschen zu Gott. Er gehört zum Typus des »holy man«, dem besondere Autorität und die Möglichkeit zu Heilungswundern zugeschrieben wurden. Auch die Kaiser suchten den Rat solcher Asketen und legitimierten so ihre eigene Herrschaft als rechtgläubig. Nach dem Tod Symeons wurde der Ort um die Säule als massives Pilgerzentrum ausgebaut, wobei die Säule in der Mitte einer riesigen kreuz­ armigen Kirchenanlage zu stehen kam (Kal’at Schimān). Das Vorbild Symeons fand Nachahmer, so z.B. seinen Schüler Daniel um 460 in der Nähe von Konstantinopel. Auf einem Bergfelsen bei Antiochia wirkte als Prediger und Wundertäter Symeon Stylites d. J. (521-592), den dort ein Kloster umgab. Das besondere Ansehen der Styliten führte dazu, dass einige Styliten in das Bischofsamt geholt wurden.

Symeon Stylites

holy man

Kal’at Schimān

5.3 Das Mönchtum in Konstantinopel und Byzanz Schon früh erreichte das Mönchtum auch die Städte. Seit dem Ende des 4. Jh.s wurde Konstantinopel zu einem neuen Brennpunkt der östlichen Hälfte des Römischen Reiches, in dem die verschiedenen religiösen und monastischen Richtungen und Regionen präsent waren. Dies führte zu einer explosionsartigen Zunahme von Klöstern. Dieses Großstadtmönchtum bildeten wegen der vielen Verbindungen mit den Repräsentanten des Kaiserhofes und des Klerus (in Konstantinopel und z.T. auch in den jeweiligen Heimatkirchen) eine spezifische Trägergruppe kirchlicher und theologischer Vorstellungen und konnte – wegen des Einflusses auf die Stadtbevölkerung – auch politisch von höchster Bedeutung werden. Zugleich waren die Klöster als Orte theologischer Bildung für die theologischen Debatten von großer Bedeutung. Im 9. Jh. wurde Theodor Studites ein wichtiger Impulsgeber für das griechische Mönchtum. Soziale Bedeutung bekamen die Klöster durch angeschlossene Hospitäler, Pilgerherbergen und Einrichtungen für die Armenfürsorge (mit Ausstrahlung auf das spätere lateinische Hospitalwesen). Auch außerhalb von Konstantinopel wurde das Mönchtum seit dem 7. Jh. zu einem prägenden Faktor für die byzantinische Kirche. Die Mönche genossen hohes Ansehen als Seelsorger und Beichtväter. Höhere Positionen im Klerus wurden zunehmend von Mönchen besetzt. Herausragende Bedeutung als Zentrum des Mönchtums in allen Ostkirchen erlangte seit dem 10. Jh. der Heilige Berg Athos, wo zahlreiche Klöster entstanden. 5. Grundlegende Bedeutung des Mönchtums für die Ostkirche

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Stadtmönchtum

Hospitäler Armenfürsorge

Mönchtum – Klerus

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Akoimetenkloster

Theodor Studites Typikon

Vatopedi Iviron

Handschriften

Idiorhythmie

5.3.1 Die Entwicklung der Klöster in Konstantinopel. Nach ca. 350 fasste das Mönchtum in Konstantinopel Fuß und nahm rasch zu (383 wurde das einflussreiche Dalmatiosklos­ ter gegründet, um 535 waren es mindestens 76 Klöster, in späterer Zeit sogar um 300). Stiftungen durch das Kaiserhaus oder hohe Beamte kamen hinzu. Viele Klöster hatten einen Hintergrund in einem Teil des byzantinischen Reiches: Ägypten, Syrer, Skythen etc. waren mit eigenen Klöstern in der Hauptstadt präsent. Diese Klöster spielten im christologischen Streit eine wichtige Rolle, da sie theologisch den Traditionen ihrer Heimat verbunden waren (vgl. § 4; 4.3.2; 9.2.1; 12.1.1). Auf den vom Messalianismus (s. § 6; 5.2.1) beeinflussten Wanderasketen Alexander ging das ca. 430 errichtete Kloster für Akoimeten (von ἀκοίμητος/akoimētos/schlaflos) zurück. Das Akoimetenkloster bei Konstantinopel spielte bis 534 eine beträchtliche Rolle für Theologie und Liturgie (vgl. § 4; 11.2.2-11.2.3; 12.1.1). Ziel war das ständige Gotteslob, das von den Asketen Tag und Nacht in den Sprachen der drei Nationen der Griechen, Lateiner und Syrer dargebracht wurde. Psalmengesang, Zahlensymbolik und Mystik verbanden sich dabei. 5.3.2 Das Studioskloster. Für Mönche, die Schlafentzug als asketische Übung praktizierten, stiftete 463 der Konsul Studios das hinfort nach ihm benannte Kloster, das aber erst seit 798 Bedeutung erlangte, als es durch Theodor Studites (759-826) als MusterKoinobion nach den Idealen des Basilius von Cäsarea erneuert wurde. Das Typikon (die Ordnung) des Studiosklosters beeinflusste viele andere Klöster, später auch das Mönchtum auf dem Athos und in Russland. Bibliothek und zahlreiche Gelehrte machten es zu einem wissenschaftlichen Zentrum. Theodor wurde berühmt durch seine Schriften zur asketischen Spiritualität, in der die Diakonie eine große Rolle spielte, und zur Liturgiegeschichte sowie durch seinen Kampf gegen den Ikonoklasmus (vgl. § 4; 14.4.2). 5.3.3 Der Athos. Zum östlichen Teil der Chalkidike, dem Athos, flohen im 9. Jh. wegen des Bilderstreits byzantinische Mönche, die dort als Eremiten in hesychastischer Weise lebten, z.T. in Kolonien (Lauren) zusammengefasst. Mit der Gründung der Großen Laura durch Athanasius Athonites (ca. 920-ca. 1000) um 963 breitete sich hier das Könobitentum aus; der Begriff Laura (s. § 6; 5.1.1) erfuhr allmählich einen Bedeutungswandel und meinte dann ein Kloster. Um 980/985 kamen die bis heute bedeutenden Klöster Vatopedi und (von Georgiern errichtet) Iviron hinzu. Die Kaiser sicherten die Autonomie des Gebiets und griffen in interne Konflikte ein, die sich vor allem um das jeweilige Typikon (die jeweilige Ordnung) drehten. Seit dem 11. Jh. begann die Blütezeit des »Heiligen Berges« mit schließlich 20 Großklöstern (u.a. von Russen, Serben) und zahlreichen Eremitenkolonien, die die Vielfalt der Ostkirchen widerspiegelten. Zum Schutz vor feindlichen Angriffen und Plünderungen wurden die Klöster burgartig befestigt, die geographische Lage auf einer Halbinsel begünstigte dies. Zugleich ermöglichte die Abgrenzung eine einzigartige Bewahrung der monastischen Traditionen, was sich u.a. in umfangreichen wichtigen Handschriftenbeständen niederschlägt (heute als Mikrofilme zum größeren Teil gut zugänglich im Institut in Vlatadon bei Thessaloniki; Frauen wird bis heute der Zugang zum Athos verwehrt). Ab dem 14./15. Jh. bildete sich die Organisationsform der Idiorhythmie: Mönche lebten einzeln oder in kleinen Gruppen, nur noch die Gottesdienste waren gemeinsam. Diese Lebensform verbreitete sich auch außerhalb des Athos als dritte monastische Lebensform neben Eremiten- und Könobitentum.

5.4 Asketische Theorie und Mystik Charakteristisch für die monastische Spiritualität wurde weithin die Pflege einer mystischen Theologie. Ihre verschiedenen Formen entwickelten sich 462

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in Verbindung mit einer Methodik des asketischen Lebens. Erstmals ausgeprägt erschien sie im 4. Jh. bei Gregor von Nyssa und Euagrius Ponticus, dem eigentlichen Begründer der Mönchsmystik, dessen Gedanken nicht nur im Osten, sondern auch im Westen wirkten: Im Übersteigen der Welt gelangt der gereinigte Geist zur Schau Gottes. Ps.-Dionysius-Areopagita und Maximus Confessor boten im 6./7. Jh. eine ontologisch bzw. christologisch begründete Mystik, welche die alle Erkenntnis überbietende ekstatische Hingabe an Gott betonte. Symeon, als Neuer Theologe bekannt, fasste um 1000 die Tradition in seiner Lichtmystik zusammen, wonach die Kontemplation durch Lichtvisionen die Vereinigung mit dem göttlichen Licht bewirkt. Er beeinflusste den Hesychasmus, eine asketische Bewegung mit meditativkontemplativer Gebetstechnik im 14. Jh. Dessen genialster Vertreter, Gregor Palamas, prägte eine monastische Erfahrungstheologie als Lehre von Gottes gnadenhaften Wirkkräften, die den Menschen mit dem göttlichen Wesen verbinden. Durch diese Energienlehre wurde er zu einem der bedeutendsten Theologen der Ostkirche. 5.4.1 Entstehung der Mönchsmystik bei Gregor von Nyssa und Euagrius Ponticus. Gregor von Nyssa (ca. 331/9-395; vgl. § 1; 16.3) hat in asketischen Traktaten (z.B. De perfectione/Über die Vervollkommnung und De professione christiana/Über das Bekenntnis als Christ) – das Werk seines Bruders Basilius fortsetzend – das monastische Leben als Streben nach Vollkommenheit befürwortet (die Authentizität der Schrift De virginitate/ Über die Jungfräulichkeit ist hingegen umstritten). Er benutzte, besonders in seinem Hoheliedkommentar, mystische Traditionen (wobei er insbesondere die Auslegung des Origenes rezipierte, die nur fragmentarisch erhalten ist). Zugleich war er mit platonischen, vermutlich neuplatonischen Traditionen vertraut. Gotteserkenntnis war nur dem möglich, der würdig war, der durch Ethik und geistige Konzentration seiner Bestimmung als Gottes Ebenbild nachkam. Die ὁμοίωσις θεῷ (homoiōsis theō/Angleichung an Gott) wurde christlich neu interpretiert: Ziel des geistig-ethischen Aufstiegs war die Erfahrung des punktuellen Kontakts mit dem Unnahbaren, dem höchsten Licht, das zugleich vollständiges Dunkel war. Ein noch stärkeres Maß an Origenesrezeption zeigte Euagrius Ponticus (ca. 345-399), der die Erfahrungen ägyptischer Mönche reflektierte. Sein Hauptwerk, die Kephalaia Gnostica (Hauptstücke bzw. Kapitel, die die Erkenntnis betreffen), entfaltet den Weg zur Vollkommenheit als zunehmendes Zurückdrängen der störenden Affekte und Gedanken und als immer stärkere Beschäftigung mit dem Geistigen. In der Handschriftenüberlieferung sind die Werke des Euagrius mit denen des Nilus von Ankyra (erste Hälfte des 5. Jh.s; genauere Details sind nicht eruierbar – der Mönchsroman Narratio/Erzählung stammt von einem anderen Nilus und ist durchweg Fiktion) vermischt. Dessen Hauptwerk, der Logos asketikos (asketische Rede; Alternativtitel: De exercitatione monastica/Über das Einüben des Mönchslebens), ist eine mit biblischen Exempeln durchsetzte Anweisung, sich nicht unter dem Deckmantel des Mönchslebens einen angesehenen Platz in der Gesellschaft zu suchen, sondern unter der Anleitung erfahrener und erprobter Askeselehrer den eigenen Weg zur Vollkommenheit anzutreten. Die Schrift De octo cogitationibus (Über die acht Gedanken), die wohl eher dem Euagrius als dem Nilus gehört, hat – über die Rezeption bei Johannes Cassian (s. § 6; 6.4.3) – auch im Westen gewirkt. Trotz der Verurteilung 553 (s. § 4; 12.4.1) blieb Euagrius eine einflussreiche Größe im östlichen Mönchtum. Die ἡσυχία (hēsychia/Ruhe) als entscheidendes Ziel des monastischen Lebens ermöglichte sowohl die Abkehr von den Affekten 5. Grundlegende Bedeutung des Mönchtums für die Ostkirche

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Vollkommenheit

Mystik

Neuplatonismus

Nilus von Ankyra

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als auch den stufenhaften Aufstieg zum reinen Gebet, in dem der Mönch zum wahren Gnostiker wird, der in der Schau Gottes lebt. Euagrius knüpfte in vielfacher Hinsicht an die Spiritualität der Wüstenväter an, entwickelte aber den Gedanken des Aufstiegs, die Kontrolle aller Affekte und die Gebetsfrömmigkeit wesentlich systematischer.

Vergöttlichung

apophatische Theologie

Wesen Gottes Wirkung Gottes

Pneumatologie

Gregor Sinaites

5.4.2 Dionysius Areopagita und Maximus Confessor. Eine weiterentwickelte Art der Mys­ tik bietet das unter dem Namen des Dionysius Areopagita tradierte Schrifttum (s. § 4; 11.4), das vor 510 ein unbekannter Mönch verfasste. Es hat auf die griechische Mystik z.B. bei Maximus Confessor und Gregor Palamas eingewirkt und in Westeuropa z.B. die Mystik von Bonaventura und Meister Eckhart beeinflusst. Die Erkenntnis Gottes durch Transzendieren der sinnlichen Welt wird überboten durch die Vergöttlichung, die Vereinigung mit Gott. Diese ermöglicht der in seinem Wesen unerkennbare Gott, indem er in seinen Kräften als seinen Offenbarungen aus sich heraustritt. Die Vergöttlichung ist als Ekstase eine Unkenntnis, ein Einströmen des göttlichen Lichts, darstellbar nur in der Weise der negativen bzw. apophatischen Theologie, die sich dem Dunkel von Gottes Wesen durch Aussagen darüber, was er nicht ist, nähert. Mystik ist hier also die vollständige Entäußerung von allem Denken und Sprechen. Die areopagitischen Schriften wurden von Maximus Confessor (ca. 580-662; vgl. zur Bedeutung von Maximus Confessor im christologischen Streit § 4; 13.3.1) kommentiert. Seitdem wurde die Unterscheidung zwischen Gottes unerkennbarem Wesen und seinen offenbaren Wirkungen und Attributen ein konstitutives Element der mystischen Theologie. Die menschliche Erkenntnis erstreckt sich nach Maximus mit Hilfe des Heiligen Geistes auf Gottes Attribute (Ewigkeit, Unendlichkeit, Unsichtbarkeit etc.), doch die Vergottung, die Vereinigung mit der ungeschaffenen Natur nach dem Vorbild der hypostatischen Union von Gottheit und Menschheit in Christus, erfolgt als Abschluss des Strebens nach Vervollkommnung in höchster Unkenntnis, d.h. in einer alle Erkenntnis transzendierenden Ekstase, der Hingabe an Gott. 5.4.3 Symeon, der neue Theologe. Der aus dem Studioskloster in Konstantinopel hervorgegangene Symeon (ca. 949-1022), von seinen Schülern als »der neue Theologe« (d.h. nach den Theologen Johannes, dem Evangelisten, und Gregor von Nazianz nun neuer Theologe) gepriesen, lieferte eine originelle, für die Geschichte der Mystik bedeutsame Synthese (Texte: SC 51.96.104.113.122.129.156.174.196). Die Gottesschau wird dem zur Gotteserkenntnis an sich unfähigen Menschen durch das gnadenhafte Wirken des Heiligen Geistes in seinem Geist zuteil, wodurch sich seine Existenz verändert, bestimmt durch Weltflucht als permanente Reinigung. Die Kontemplation bringt durch Lichtvisionen eine Vereinigung mit der Trinität, dem göttlichen Licht, jedoch nicht eine wesensmäßige Verschmelzung. Der asketische Geistträger ist der wahre Heilige, der über den Klerikern steht. Die Wirkungsgeschichte von Symeons Mystik verlief im Wesentlichen über den Hesychasmus. 5.4.4 Der Hesychasmus. Als Hesychasten bezeichnete man schon früh die auf ἡσυχία (hēsychia/Ruhe), d.h. Weltentsagung, Einsamkeit, Schweigen und Kontemplation, konzentrierten Anachoreten (vgl. auch § 6; 5.4.1). Im Athosmönchtum profilierte sich im 14. Jh. der Hesychasmus als Frömmigkeitsbewegung, die sich in der byzantinischen und slawischen Ostkirche verbreitete. Ihr maßgeblicher Theoretiker war Gregor Sinaites (gest. 1337/1346; Texte: MG 150; 1240-1345) mit der Lehre vom geistlichen Aufstieg durch meditative Gebetstechnik und psychologische Bußübung. Das vom einzelnen Mönch in der Zelle bzw. in der Skiti (einer Eremitenhütte neben dem Mutterkloster) im Rhythmus des Atmens zu sprechende Jesusgebet (»Herr Jesus Christus, Sohn Gottes, erbarme dich meiner« – ein älterer Gebetsruf) sollte verbunden werden mit der bußfertigen Erfor464

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schung der sündigen Seele, um dadurch zu einer dauerhaften Erleuchtung – d.h. zur sinnlich wahrnehmbaren Schau des göttlichen Lichtes von Mt 17,1-8 (des Taborlichtes) als innerer Ruhe – und zu ständigem geistigem Gebet zu kommen. 5.4.5 Gregor Palamas. Der Athosmönch Gregor Palamas (1296/1297-1359), Schüler des Gregor Sinaites, 1347 Erzbischof von Thessalonike, hat die Erfahrungstheologie des Hesychasmus von der Trinitätslehre der Kappadokier her (vgl. § 1; 16.) durch seine Energienlehre systematisiert (Texte: z.T. MG 150.151; Neuedition von P. Chrestou ab 1962). Im sog. Hesychasmusstreit 1337-1351 um den richtigen Weg der Gotteserkenntnis hat er sie gegen die Kritik des Barlaam von Kalabrien, Nicephorus Gregoras und anderer verteidigt. Gottes Wesen ist der menschlichen Erkenntnis verborgen, doch es wird der Erfahrung zugänglich in Gottes Energien/Wirkkräften, die in der Sendung des Heiligen Geistes durch den Sohn Gottes offenbart werden. Diese Energien sind Gnadenwirkungen (v.a. das unerschaffene göttliche Licht, das Taborlicht), die allen durch Gebet und Kontemplation nach hesychastischer Art vorbereiteten Christen in der Erleuchtung zuteil werden können. Nach schweren Auseinandersetzungen dogmatisierte die byzantinische Kirche 1347 und 1351 durch Synodalbeschluss diese Energienlehre. Seitdem bildete der Palamismus eine – zumal im 20. Jh. erneuerte – wesentliche Richtung in der Orthodoxie. Der Hesychasmus setzte sich als unterschiedlich praktizierte monastische Lebensform in Teilen der verschiedenen Ostkirchen durch (z.B. bei Nil Sorskij und im russischen Starzentum seit dem 15./16. Jh.).

Energienlehre

5.5 Literatur Lektüretipp: V. Leppin: Die christliche Mystik, 2007, 25-55. Literatur: J. Binns: Ascetics and Ambassadors of Christ. The Monasteries of Palestine 314631, 1994. – K. Fitschen: Messalianismus und Antimessalianismus, 1998. – A. Vööbus: His­ tory of Ascetism in the Syrian Orient, 3 Bde., 1958-1988. – V.H. Drecoll: Die Stadtklöster in Kleinasien und Konstantinopel bis 451 n.Chr., Cristianesimo nella storia 23 (2002) 623648. – G. Dagron: Naissance d’une capitale. Constantinople et ses institutions de 330 à 451, 2. A. 1984. – H.M. Biedermann: Athos, TRE 4 (1979) 436-441. – A. Guillaumont: Un philosophe au desert. Évagre le Pontique, 2009. – A. Müller: Das Konzept des geistlichen Gehorsams bei Johannes Sinaites, 2006. – J. Gavin: They are like the angels in the heavens. Angelology and Anthropology in the Thought of Maximus the Confessor, 2009. – A. Louth: The origins of the Christian mystical tradition. From Plato to Denys, 1981; ND 1983. – Ders.: Maximus the Confessor, 1996. – Ders.: Denys the Areopagite, 1989. – B. Müller-Schauenburg: Religiöse Erfahrung, Spiritualität und theologische Argumentation. Gotteslehre und Gottebenbildlichkeit bei Gregorios Palamas, 2011.

 § 8; 1.-2.

6. Die Anfänge des Mönchtums im Westen Wesentliche Teile des westlichen Mönchtums erwuchsen seit ca. 350 aus einer Umformung älterer, in der Hausgemeinschaft gelebter Askese sowie des Rückzugs Gebildeter in ein der Betrachtung und Philosophie gewidmetes Leben. Hinzu kamen Einflüsse aus dem Osten, sowohl literarischer Art als auch durch Pilgerreisen (besonders von Menschen aus dem Westen nach Jerusalem). In der weiteren Entwicklung wurden das Stadtmönchtum und das Klerikermönchtum zwei für Westeuropa typische Formen. 6. Die Anfänge des Mönchtums im Westen

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6.1 Asketische Gemeinschaften in Rom und Italien Aristokratinnen

Eremiten

Kreis des Hieronymus

Melania und Pinian

Paulinus von Nola

Die Entwicklung aus dem alten Virginitätsideal von Hausgemeinschaften ist besonders deutlich in Rom ab ca. 350 erkennbar: Reiche Aristokratinnen bildeten auf ihren Landgütern mit Sklavinnen, Freigelassenen und Freundinnen asketisch lebende Gemeinschaften. Diese Askese war nicht von Armut oder Gehorsam geprägt, sondern von Absonderung vom gesellschaftlichen Leben und sexueller Enthaltsamkeit. Frauen spielten für diese Form eine besonders wichtige Rolle. Neben dieser Art gemeinschaftlich gelebter Askese gab es vereinzelt auch Eremiten. Wesentliche Impulse gab die lateinische Übersetzung der Vita Antonii (Lebensbeschreibung des Antonius) des Athanasius. 6.1.1 Asketisch lebende Frauen in Rom und Italien. Frühe Beispiele für asketisches Leben sind Asella, eine reichte Aristokratin, die sich nach 345 als geweihte Jungfrau ein eremitisches Zentrum mit Fasten, Psalmodieren und Handarbeit aufbaute, sowie Ambrosius’ Schwester Marcellina ab 352. Besonders im Briefwechsel des Hieronymus lässt sich für die Zeit ab 380 ein Netzwerk erkennen, in dem asketisch lebende, gebildete und reiche Aristokratinnen hervortraten. Die reichen Witwen Melania d. Ä. und Paula (mit den Töchtern Eustochium und Blaesilla) schlugen ein der Kontemplation und dem Gebet gewidmetes, enthaltsames Leben ein. Hieronymus fungierte als wichtiger Berater. Marcella zog sich 385 auf ihr Landgut zurück, nachdem sie bereits vorher in ihrem Stadtpalais mit anderen Jungfrauen ein asketisch-kontemplatives Leben begonnen hatte. In Rom war das Haus der Proba ein wichtiges Zentrum, in dem Pelagius (§ 5; 7.1) als asketischer Lehrer wirkte. Besonderen Einfluss gewann das asketisch lebende Ehepaar Melania d. J. und Pinian, die zunächst in Kampanien und Sizilien ein Hauskloster gründeten, dann nach Nordafrika und Palästina gingen (vgl. § 6; 6.3.1). In Kampanien gründete der reiche Patrizier Paulinus von Nola zusammen mit seiner Frau Therasia auf einem ihrer Landgüter eine asketisch ausgerichtete Hausgemeinschaft, die durch die Dichtungen und Briefe des Paulinus bald ein wichtiges Zentrum der Bildung und Kommunikation unter Gebildeten wurde. 6.1.2 Die lateinische Vita Antonii (Lebensbeschreibung des Antonius). Athanasius’ Vita Antonii (s. § 6; 2.1.3) wurde bald nach ihrer Entstehung, wohl bereits kurz nach 360 ins Lateinische übersetzt. Diese frühe, sehr wörtliche und stilistisch grobe Übersetzung wurde etwas später durch die Neuübersetzung des Eustathius verdrängt, die im lateinischen Mittelalter zu der Standardfassung dieses wichtigen Textes wurde. Dabei wirkte sowohl die Stilisierung der Askese als fortgesetzter Kampf gegen die Dämonen weiter als auch das Bild von Antonius als Eremit und asketischer Lehrer. Inwiefern Athanasius schon bei seinem Exil in Rom um 340/341 das asketische Ideal propagiert hat, lässt sich nicht mehr erkennen.

Bischöfe

6.1.3 Klerikerklöster. Schon früh sammelten von dem Askeseideal begeisterte Bischöfe ihre Kleriker als Gemeinschaft um sich, so um 350 bereits Euseb von Vercellae. Der hieraus entstehende Typus des Klerikerklosters sollte für das westliche Mönchtum von besonderer Bedeutung werden. Eventuell ist auch das von Rufin für Aquileia um 370 belegte Kloster ein solches Klerikerkloster. Auch Ambrosius legte großen Wert darauf, die Klöster an die kirchliche Struktur anzubinden, und übernahm selbst die Aufsicht über 466

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ein vor den Toren der Stadt Mailand gelegenes Kloster. Demgegenüber sind Formen des Eremitentums nur relativ selten belegt (so etwa für den Gefährten des Hieronymus, Bonosus, oder für Martin von Tours, bevor er Bischof wurde; s. § 6; 6.4.1).

6.2 Konflikt mit der Kirche: Der Priscillianismus In Spanien entstand vor 380 eine rigoristische Bewegung im Anschluss an die Lehren des Priscillianus. Da sie u.a. die Verweltlichung der Kirche kritisierte, stieß sie auf Opposition. Die Lehren des Priscillianus wiesen dualistische Gegenüberstellungen auf, die von den Gegnern als dem Manichäismus nahestehend diffamiert wurden. Besonders wurde der Weg der Seele in einen kosmologischen Gesamtzusammenhang gestellt, die Reinigung der Seele sollte durch entsprechende Askese erreicht werden. Der Priscillianismus ist neben dem westlichen Manichäismus die konsequenteste spekulative Begründung asketischen Lebens im Westen (ohne entsprechende Lebenstypen, die man dem Mönchtum zurechnen könnte, zu entwickeln). Die Abwehr von Priscillianismus und Manichäismus haben die Vorbehalte gegen asketische Lebensformen verstärkt. 6.2.1 Die Entstehung des Priscillianismus. Der reiche, gebildete Laie Priscillianus warb als Prophet wohl seit ca. 375 für einen radikalen Asketismus. Er begründete seine Theologie mit seiner Paulusdeutung, die er mit kosmologischen Spekulationen verband. Dennoch war er aber wohl weder ein Gnostiker noch ein dem Manichäismus nahestehender Denker, als den ihn Orosius hinstellte. Vom Gegensatz zwischen Gott und dem Bösen her ist das Leben als Kampf des Geistes gegen das Fleisch zu verstehen. Nur die Zerstörung alles Leiblichen, d.h. die Überwindung von Begierden und Lastern, ermöglicht die Reinigung der Seele und ihre Vereinigung mit Christus bzw. Gott, die als Rückkehr zu ihrer vorweltlichen Heimat verstanden wird. Die entsprechende Askese (strenges Fasten, Trennung von Familie und Besitz, zeitweiser Rückzug in die Einsamkeit mit Bußübungen zumal in der Fastenzeit vor Ostern) fand viele Anhänger in den spanischen Provinzen und in Aquitanien, auch bei einigen Bischöfen, die Priscillianus ca. 381 zum Bischof von Avila (in Lusitania) weihten. 6.2.2 Die Verfolgung des Priscillianismus. Die Unruhe, die durch den Priscillianismus in den Gemeinden entstand, löste schon früh Kritik aus. Bereits um 380 verurteilte eine Synode in Saragossa die priscillianistischen Lehren und Praktiken. Der Streit breitete sich nach Gallien und auch Italien aus. 384 griff der kurz zuvor zum Kaiser ausgerufene Usurpator Maximus, der Britannien, Gallien und Spanien unter seine Kontrolle hatte bringen können, in den Streit ein und ließ 385 Priscillianus und einige Gefährten in seiner Residenz Trier hinrichten. Nach dem Sieg von Gratian und Theodosius über Maximus wurde dieses Eingreifen als Tyrannenwillkür hingestellt. Die sich auf ihn berufende Bewegung sah Priscillianus als Märtyrer an und verbreitete sich zunehmend in Südgallien und Spanien. Noch Leo I. hatte im 5. Jh. damit zu tun, erst im 6. Jh. verschwand die Bewegung allmählich.

6. Die Anfänge des Mönchtums im Westen

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Dualismen

kosmologische Spekulationen

Bischof von Avila

Hinrichtung des Priscillianus

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6.3 Askese und Palästinawallfahrt: Hieronymus das Heilige Land

Itinerarium Egeriae

Vita Pauli

Trostbriefe

Helvidius Jovinian

Bethlehem

Im 4. Jh. entwickelte sich das Pilgerwesen. Dabei gewann die Idee, in das Heilige Land als die Stätte, wo Christus selbst gewirkt hat, zu fahren, besondere Bedeutung. Hieronymus griff diese Begeisterung für das Heilige Land auf und verband sie mit seinem wissenschaftlichen Bemühen um die Bibel, als er ab 386 in Bethlehem lebte. Neben und mit ihm bauten römische Aris­ tokratinnen Klöster in Jerusalem und Umgebung auf. Hierdurch entstand eine wichtige Kulturbrücke zwischen Ost- und Westkirche. Durch literarische Verherrlichung der Askese hat Hieronymus große Bedeutung für das westliche Mönchtum erlangt. 6.3.1 Pilgerreisen und Klostergründungen. Das Itinerarium Egeriae (Reisebeschreibung der Egeria) um 395 bezeugt die besondere Attraktivität von Pilgerreisen ins Heilige Land und vermittelte im Westen ein reiches Bild über die in Jerusalem gefeierten Liturgien und Gebäude. Hier hatte bereits ab 378 Melania d. Ä. (342-409) ein Doppelkloster für Frauen und Männer gegründet (nach entsprechender Studienreise nach Ägypten). Ihr geistlicher Berater war Rufinus von Aquileia (vgl. § 5; 3.2), der ein umfassendes Übersetzungsprogramm verfolgte und so – neben den Werken des Origenes – besonders asketische Schriften (Basilius) dem Westen vermittelte. Auch Melanias Enkelin, Melania d. J. (383-439), lebte seit 417 in einem von ihr gegründeten Frauenkloster auf dem Ölberg, unterstützt von ihrem ebenfalls asketisch lebenden Ehemann Pinian. 6.3.2 Hieronymus’ Befürwortung der Askese. Hieronymus setzte sich literarisch wie brieflich für die Askese ein. Er versuchte, durch die Vita Pauli (Lebensbeschreibung des Paulus) eine hagiographische Beschreibung für den angeblich ersten Eremiten zu schreiben (in Konkurrenz und Überbietung der Vita Antonii des Athanasius, deren Bedeutung das Werk jedoch nicht erreichte); später fügte er noch zwei weitere Mönchsromane hinzu, die Vita Malchi (Lebensbeschreibung des Malchus) und die Vita Hilarionis (Lebensbeschreibung des Hilarion). Zudem verherrlichte er besonders in Trostbriefen für verstorbene Asketinnen das asketische Leben. Dabei betonte er besonders das Ideal der Jungfräulichkeit, so dass sich Askese bei ihm größtenteils auf die Überwindung des Sexualtriebes reduziert. Dies führte ihn in Auseinandersetzungen mit zwei Theologen, Helvidius und Jovinian, die sich gegen die Befürwortung der Askese gewandt hatten. Sie betonten, dass Körperlichkeit und Ehe nicht an sich für den Menschen und sein Heil nachteilig seien, umgekehrt aber eine Befürwortung der geschlechtlichen Enthaltsamkeit als höherwertigere Form christlichen Lebens die von Gott eingesetzte Ehe abwerte und in ihrer Leibfeindlichkeit dem Manichäismus nahekomme. Hieronymus wehrte sich gegen diese, besonders in Rom virulenten Vorwürfe literarisch (mit der gegen Helvidius gerichteten Schrift De Mariae virginitate perpetua/Über die beständige Jungfräulichkeit Mariens und mit Contra Iovinianum/Gegen Jovinian). Nach Enttäuschungen in Rom zog er 385 mit der reichen Paula und deren Tochter Eustochium nach Ägypten. Seit 386 errichteten sie in Bethlehem drei Frauenklöster und ein Männerkloster, bestehend aus miteinander verbundenen »Zellen« (Hütten), dazu eine Klosterschule samt Bibliothek und Pilgerherberge. Da Hieronymus das Könobitentum als die Regelform der Askese ansah, das Eremitentum nur für fortgeschrittene Asketen empfahl, übersetzte er die Pachomiusregel ins Lateinische. Er deutete das Mönchsgelübde als zweite Taufe; die Absage an die Sünde und die Zusage, sein Leben Gott zu weihen, würden von Gott wohlgefällig angenommen, womit Hieronymus einem Synergismus nahekam. 468

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§ 6 Mönchtum als wahres Christentum

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6.4 Könobitentum und Anlehnung an Bischöfe in Gallien Im Zusammenhang mit dem Zerfall der Institutionen des Imperium Romanum blühte in Gallien das Klostermönchtum auf. Den Übergang vom Eremitentum zum kirchlich eingebundenen Könobitentum repräsentierte zwischen 360 und 390 Martin von Tours. Nach 400 wurden Klöster zu Zufluchtsorten für Gebildete. Hier ragte seit 410 das Inselkloster Lerinum/Lérins heraus, aus dem viele Bischöfe (besonders in Arles) hervorgingen. Ein drittes Zentrum bildete sich bei Massilia/Marseille, wo ab ca. 410 Johannes Cassian wirkte, der durch seine Schriften das Ideal des ägyptischen Eremitentums befürwortete. Er wurde neben Hieronymus und Augustin der für das Mittelalter maßgebliche Mönchstheoretiker. 6.4.1 Martin von Tours. Über den Lebenslauf des Martin von Tours (ca. 316/7-397) wissen wir nur aus der hagiographischen Darstellung bei Sulpicius Severus, einem Zeitgenossen. Danach hatte Martin von Tours zunächst ab 360 als Eremit bei Poitiers in der Anachoretenkolonie Ligugé gelebt. Als er 371 Bischof von Tours wurde, behielt er die asketische, einfache Lebensweise bei (adaptierte also nicht den aristokratischen Lebensstil anderer Bischöfe) und bemühte sich auch als Bischof, den Kontakt zum Mönchtum nicht zu verlieren, so besonders durch die Gründung des Klosters Marmoutier bei Tours, das rasch zu einem kirchlichen und kulturellen Zentrum Galliens wurde. Die Vita Martini des Sulpicius Severus stellt Martin als Charismatiker und Wanderpropheten dar, der dem östlichen Mönchtum zumindest ebenbürtig ist. Er betont zugleich seinen Einsatz für die Armenfürsorge (mit der berühmten Legende, der zufolge er für einen Bettler seinen Mantel geteilt hat). Als Heiliger genoss er früh paradigmatische Verehrung und wurde seit Chlodwig zum Schutzherr der Merowinger, dann des Frankenreichs insgesamt. 6.4.2 Lérins. Da es in Gallien keine Wüste gab, suchte man für die Gründung von Klöstern bisweilen abgelegene Bergregionen oder Inseln vor der Küste aus. Lerinum lag auf einer vor Cannes liegenden Insel und entwi­ ckelte sich rasch zu einem einflussreichen Großkloster. Zahlreiche Klostergründungen in der Provence und im Rhônetal folgten. Angehörige der römischen Oberschicht, die sich angesichts des Zerfalls des Imperium Romanum aus dem Norden Galliens zurückzogen, suchten hier einen Zufluchtsort, weswegen man Lérins auch als »Sammelbecken« senatorischer Aristokraten (nach F. Prinz) bezeichnet hat. Dank ihrer Bildung und Verwaltungserfahrung sowie des hier entstehenden Netzwerkes gingen aus Lérins viele Bischöfe hervor, so z.B. Honoratus, Hilarius, Caesarius und Vigilius, die nacheinander die Metropole Arles lenkten, Maximus und Faustus von Riez, Eucherius von Lyon, Salonius von Genf sowie Lupus von Troyes. 6. Die Anfänge des Mönchtums im Westen

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Marseille

Sulpicius Severus

Marmoutier

Schutzherr der Merowinger

Insellage

Zufluchtsort

Bischöfe

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Ägyptisches Mönchtum

8 Hauptlaster

7 Todsünden vierfacher Schriftsinn

6.4.3 Johannes Cassian. Die Klostergründung bei Massilia um 410/415 durch den Skythen Johannes Cassian (ca. 360-430/435) entwickelte eine große geis­ tige Ausstrahlung. Cassian hat Lebensform und Spiritualität des ägyptischen Mönchtums, die er bei längeren Aufenthalten in Palästina und Ägypten vor 400 studiert hatte, durch eine adaptierende Übertragung im Westen eingebürgert. Durch sein Werk De institutis coenobiorum (Über die Einrichtungen der Klostergemeinschaften) transportierte er Vorstellungen von Disziplin, Tagesablauf (fünf Gebetszeiten mit Psalmenrezitation und Bibellesungen), Ämtern im Kloster und Zulassungsbedingungen in den Westen. In seinen Collationes Patrum (Gespräche der Väter) schuf er eine theologische Grundlage. Er deutete die mönchische Existenz als Schule der Vollkommenheit, die durch Überwindung der Sünden und Begierden ein Leben nach dem Evangelium ermöglichte. Die Trennung von der Welt besteht für ihn aus dem äußerlichen Rückzug, der inneren Reinigung und der Konzentration auf das Unsichtbare und Gott. Die innere Reinigung bezieht sich auf die acht Hauptlaster, die er von Euagrius Ponticus (s. § 6; 5.4.1) übernahm: gastrimargia (Völlerei), fornicatio (Unzucht), filargyria (Habgier), ira (Zorn), tristitia (Schwermut), acedia (Trägheit) und superbia (Hochmut). Daraus leitet Gregor I. eine Reihe von sieben Todsünden ab, die im Mittelalter weite Verbreitung fand. Für das kontemplative Leben rückte Johannes Cassian die Schriftinterpretation in den Vordergrund, für die er einen vierfachen Schriftsinn annahm. Danach ist Jerusalem secundum historiam (im historischen Sinn) die Stadt in Palästina, secundum allegoriam (in übertragener Bedeutung) die Kirche, secundum anagogen (in auf das Eschaton bezogener Bedeutung) das himmlische Jerusalem als die endzeitliche Gemeinschaft mit Gott, secundum tropologiam (in auf das Verhalten des Menschen bezogener, moralischer Deutung) die Seele (Collationes 14,8; zum klassischen vierfachen Schriftsinn vgl. § 10; 17.3.1).

6.5 Das Klerikermönchtum bei Augustin

Gartenkloster

In Nordafrika waren asketische Tendenzen schon früh weit verbreitet, etwa im Jungfrauenstand in Karthago. Augustin beeinflusste die Entstehung des Könobitentums wesentlich. Für ihn war die conversio (Bekehrung) in ers­ ter Linie Abkehr von einer weltlichen Karriere und sexuelle Enthaltsamkeit (honor et uxor/Ehre und Ehefrau). Entsprechend hatte er schon vor der Taufe eine auf Kontemplation ausgerichtete Lebensgemeinschaft in Cassiciacum etabliert, in der Heiden und Christen zusammenlebten, und nach seiner Rückkehr nach Nordafrika auf seinem Familienbesitz in Thagaste eine christlich geprägte Gemeinschaft eingerichtet. Es handelte sich dabei noch nicht um eine förmlich durch Gelübde und eine Ordnung strukturierte könobitische Lebensweise, sondern eher um eine geistig-geistliche Gemeinschaft unter Freunden. Nach seiner Weihe zum Priester 391 setzte Augustin in Hippo diese Lebensweise fort, wofür ihm Bischof Valerius ein Gartengrundstück überließ (das sog. Gartenkloster). Nach seiner Wahl zum Bi470

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schof übertrug er diese Lebensgemeinschaft auf die Kleriker seiner Diözese, die er zu einer monastischen Gemeinschaft unter seiner Führung versammelte. Asketisches Leben, Betrachtung und Auslegung der Schrift und die Pflichten als Kleriker fanden so eine neue Einheit. In Aufgriff älterer Formen des Klerikermönchtums hatte Augustin damit eine Lebensform gefunden, deren Lebensweise und Spiritualität der ihm zugeschriebenen Augustinregel zugrundelagen (s. § 6; 7.1.1). Theologisch begründete Augustin diese Verbindung zwischen Askese und Klerikerpflichten (ähnlich wie Basilius) mit der Betonung der Liebe als der Gott entsprechenden, von Demut und Gebet geprägten Lebensweise, die seiner Gnadenlehre entsprach. Neben den Klerikerklöstern förderte Augustin auch die könobitische Lebensweise außerhalb der Bischofssitze. Die asketischen Schriften Augustins über Enthaltsamkeit, Jungfräulichkeit und der als notwendig erachteten Arbeit der Mönche, die nicht als Kleriker beschäftigt sind, wurden im Mittelalter viel gelesen.

Askese und Klerikerpflichten

6.6 Literatur Lektüretipp: A. Fürst: Hieronymus. Askese und Wissenschaft in der Spätantike, 2003, 4356. – C. Leyser: This Sainted Isle, Panegyric, Nostalgia, and the Invention of Lerinian Monas­ ticism, in: W.E. Klingshirn (Hg.): The Limits of Ancient Christianity, 1999, 188-213. Quellen: G. Huber-Rebenich (Hg.): Sulpicius Severus, Vita sancti Martini, 2010 [zweisprachig]. Literatur: R. Lorenz: Die Anfänge des abendländischen Mönchtums im 4. Jh., ZKG 77 (1966) 1-61. – A. de Vogüé: Histoire littéraire du mouvement monastique dans l’antiquité. Pt. 1, Faszikel 1-12, Paris 1991-2008. – Ders.: De saint Pachome à Jean Cassien. Études littéraires et doctrinales sur le monachisme égyptien à ses débuts, 1996. – G. Petersen-Szemerédy: Zwischen Weltstadt und Wüste. Römische Asketinnen in der Spätantike, 1993. – H. Chadwick: Priscillian of Avila, 1976. – M. Conti: Priscillian of Avila. The Complete Works, 2010. – C. Stancliffe: St. Martin and His Hagiographer, 1983. – D. von der Nahmer: Martin von Tours, Francia 15 (1987) 1-40. – H. Holze: Erfahrung und Theologie im frühen Mönchtum, 1992. – O. Chadwick: John Cassian, 2. A. 1968. – R.J. Goodrich: Contextualizing Cassian. Aristocrats, Asceticism, and Reformation in Fifth-century Gaul, 2007. – A. Zumkeller: Das Mönchtum des hl. Augustinus, 2. A. 1968. – A. Grote: Anachorese und Zönobium, 2001. – F. Prinz: Frühes Mönchtum im Frankenreich, 2. A. 1988.

 § 5; 4.-9.

7. Die westeuropäischen Klosterregeln Ein Spezifikum des westlichen Mönchtums wurde die Entwicklung einer Vielzahl von Mönchsregeln. Die kurz vor oder um 550 entstandene Benediktregel war dabei zunächst nur eine unter vielen. Erst ab dem 9. Jh. wurde sie als Musterregel verbreitet, die neben der sog. Augustinregel prägend wurde. Die Entstehung von Orden war mit der Vielzahl von Regeln noch nicht verbunden, sondern ergab sich erst nach und nach aufgrund der Ausdifferenzierung innerhalb des benediktinischen Mönchtums ab dem 10./11. Jh. und dann durch die Etablierung der Bettelorden ab dem 13. Jh. Benedikt ist 7. Die westeuropäischen Klosterregeln

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demnach nicht als Vater des westeuropäischen Mönchtums anzusehen, seine Regel ist jedoch symptomatisch für die zunehmende Dominanz des Klosterwesens gegenüber anderen Formen der Askese: Die Lebensweise als Wandermönch oder Eremit wurde im 6. Jh. zunehmend zurückgedrängt. Diese Ausrichtung dürfte auch dafür verantwortlich gewesen sein, dass Papst Gregor I. Leben und Wirken Benedikts literarisch propagierte.

7.1 Vielfalt der Mönchsregeln im 6. Jh.

herumziehende Asketen

Ob die unter dem Namen Augustins überlieferten Texte auf Augustin zurückgehen, ist in der Forschung umstritten. Ab dem frühen 6. Jh. ist der Einfluss dieser Texte in verschiedenen Regeln greifbar, so besonders in der Regel des Cäsarius von Arles und dem Text eines unbekannten Lehrers, der wichtigen Magisterregel. Diese Vielfalt der Regeltexte entspricht der Vielfalt von Lebensweisen in Stadtklöstern, Kleinklöstern außerhalb der Städte und Eremitensiedlungen. Ein besonderes Problem entstand durch herumziehende Asketen und Charismatiker, die durch Bettelei und den Anspruch, von den Gemeinden unterstützt bzw. ausgehalten zu werden, für Unruhe sorgten. Demgegenüber betonten die Mönchsregeln die feste Struktur der könobitischen Lebensweise, mit Regeln für den Eintritt in den Klosterverband und der Betonung des Gehorsams gegenüber dem praepositus (Vorsteher, also Abt oder Prior). 7.1.1 Die Augustinregel. Unter der Bezeichnung Augustinregel fasst man verschiedene Texte zusammen, die auf drei Grundtexte zurückgehen: Obiurgatio/ Tadel; Abk.: reg. 1

ein Brief an eine zerstrittene Gemeinschaft von Frauen (Epistula/Brief 211,1-4), der wohl auf Augustin selbst zurückgeht

Ordo monasterii/ Klosterordnung, Abk.: reg. 2

eine kurze Zusammenstellung, die von dem Gebot der Liebe zu Gott und dem Nächsten ausgeht und dann Gebet, Arbeit und Gehorsam einschärft; später als ordo novus/neue Ordnung bezeichnet

Praeceptum/ Vorschrift; Abk.: reg. 3

eine relativ ausführliche Regel, die von der apostolischen Einmütigkeit der Urgemeinde ausgeht und dann das Alltagsleben im Kloster ordnet; später als ordo vetus/alte Ordnung bezeichnet

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Für das Praeceptum stellen viele Forscher einen Zusammenhang mit dem Gartenkloster in Hippo her, doch bleibt diese Verbindung unsicher, weil Augustin in seinem gesamten Werk nirgends auf die Regeln zu sprechen kommt. Wahrscheinlicher ist es daher anzunehmen, dass es sich um Zusammenstellungen in enger Anlehnung an augustinischen Sprachgebrauch und in Fortsetzung augustinischer Spiritualität handelt. Entscheidend ist die Auffassung des Klosters als Gemeinschaft, in der sich die Liebe zu Gott realisiert. Die später als Regula recepta weit verbreitete Augustinregel besteht aus dem Praeceptum, dem der Anfang des Ordo monasterii vorangestellt ist. Für Frauenklöster hat man das Praeceptum entsprechend angepasst und mit der vorangestellten Obiurgatio zur Epistula longior (dem längeren Brief = Augustin, Epistula/Brief 211) zusammengestellt. Auch von dem Ordo monasterii gab es eine Adaption für Frauenklöster. Die verschiedenen Texte, die zur Augustinregel gerechnet werden, wurden in Gallien und Italien vielfach benutzt und beeinflussten die Erstellung weiterer Mönchsregeln im 6. Jh. Erst seit dem 11. Jh. wurde die Augustinregel spezifisch als Regel für Kanoniker benutzt (daher Regularkanoniker; s. § 6; 10.3.1). 7.1.2 Die Magisterregel. Die in der älteren Forschung umstrittene Priorität der Magisterregel gegenüber der Benediktregel kann heute als allgemein akzeptiert gelten. Es handelt sich um einen anonymen Text, der von einem Klosterabt verfasst wurde, der sich selbst als Lehrer bezeichnet. Danach hat man diesen wohl zwischen 510 und 530 entstandenen Text als Magisterregel bezeichnet. Der Entstehungsort ist unklar (Rom oder Süditalien). Die Regel ordnet das Kloster dem zuständigen Ortsbischof zu und regelt den Besuch der dort gefeierten Eucharistie. Innerhalb der Klostergemeinschaft ragt besonders der praepositus (Vorsteher) hervor, dem die anderen Mönche strikt gehorchen müssen. Unter Aufnahme östlicher Traditionen wurden Stundengebete mit Psalmenrezitation festgelegt, Kleidungsvorschriften, Fas­ tenzeiten und die Aufnahme von Novizen geregelt. 7.1.3 Cäsarius von Arles. Die Verbindung gallischer Klöster mit den Ortsbischöfen wurde auch in Gallien zunehmend dominant. Besonders Cäsarius von Arles (ca. 470-542, seit 502 Metropolit von Arles) rezipierte die augustinische Theologie (u.a. in Predigtsammlungen). In seiner 512 für ein Nonnenkloster in Arles verfassten Regel kombinierte er Vorstellungen von Johannes Cassian für den Alltag der Mönche mit einer augus­ tinischen Grundausrichtung. Dies war eine wichtige Weichenstellung, weil es die von Johannes Cassian rezipierte, eher auf die Absonderung zielende Konzeption des Mönchtums in das Bemühen integrierte, das Mönchtum in die Diözesanstruktur zu integrieren. Der erhaltene Text der Cäsariusregel ist allerdings wohl ein späterer Auszug aus jener Regel, die im 6. Jh. einigen Einfluss in Gallien ausübte.

7. Die westeuropäischen Klosterregeln

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Frauenklöster

praepositus

Cäsariusregel

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7.2 Benedikt von Nursia Bericht bei Gregor I.

Monte Cassino

Abt

stabilitas loci

Dialogi

Subiaco

Benedikt (ca. 480/490-ca. 550/560) wurde Ende des 6. Jh.s von Gregor I. durch eine ausführliche Darstellung besonders gewürdigt, von der auch alle Informationen über sein Leben abhängen. Das 577 von den Langobarden geplünderte, zur Zeit Gregors also verlassene Kloster in Monte Cassino (erst ab dem 8. Jh. wieder aufgebaut) war demnach von Benedikt um 529 gegründet worden. Auch die Verbindung der Benediktregel mit Benedikt von Nursia geht auf Gregor I. zurück. Die Benediktregel übernahm am Anfang die Magisterregel, modifizierte und ergänzte sie aber. Sie verstand das Kloster als geistliche Familie unter der zentralen Leitung des Abts, der an Christi statt die Gemeinschaft führte. Der Gottesdienst und die Gemeinschaft des Gebetes wurden durch die tägliche Eucharistiefeier und das ausgebaute Stundengebet unterstrichen. Der Gehorsam gegenüber dem Abt und die lebenslange Bindung an das Kloster (die stabilitas loci/Beständigkeit des Aufenthaltsortes) wurden als Lebensprinzip festgeschrieben (gerade in Abgrenzung von unabhängigen Wandermönchen). Dies bedeutete, dass nur bestimmte, möglichst im Kloster durchführbare Arbeiten ausgeführt werden sollten. Die später daraus abgeleitete Maxime ora et labora (bete und arbeite) stellt mit der Kombination von Gebet und Arbeit keine Neuerung dar und kann daher nicht als spezifisches Merkmal des benediktinischen Mönchtums verstanden werden. Die Einbeziehung der Klostergemeinschaft in grundlegende Entscheidungen und der gemäßigte Charakter für die Askese dürften für den späteren Erfolg der Regel entscheidend gewesen sein. 7.2.1 Benedikts Leben. Die Beschreibung von Benedikts Leben, v.a. seiner Wundertaten, durch Gregor I. im 2. Buch der Dialogi de vita et miraculis patrum Italicorum (Dialoge über das Leben und die Wunder der italischen Väter; vgl. § 5; 12.2; Übers.: Leben des Benedictus, hg. von F. van der Meer/G. Bartelink, 1979) hat sein allgemeines Ansehen in Westeuropa begründet. Selbst die Verfasserschaft Gregors wurde in der Forschung bestritten, dürfte aber aufrecht zu erhalten sein (auch wenn das Werk im 7. Jh. keine Spuren der Rezeption hinterlassen hat). Im Einzelnen ist die Historizität des dort Berichteten schwer oder gar nicht überprüfbar. Eine Biographie Benedikts zu schreiben, ist wegen der fehlenden chronologischen Angaben bei Gregor unmöglich (dementsprechend wurde in der Forschung die Existenz Benedikts sogar gleich ganz bestritten). Legt man Gregors Bericht zugrunde, stammte Benedikt aus Nursia (in Umbrien) und hat zunächst als Eremit bei Subiaco (60 km östlich von Rom) gelebt und zwischenzeitlich auch eine Siedlung von Kleinklöstern geleitet, wohl ohne größeren Erfolg. Wegen Konflikten (mit dem dortigen Klerus?) ging er aus Subiaco weg und gründete auf dem Monte Cassino (ca. 150 km südlich von Rom) an der Stelle eines heidnischen Heiligtums ein Großkloster, das zugleich Ausgangspunkt von Missionsbemühungen war. Sein Todesjahr ist unbekannt (um 550 oder etwas später?). 474

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§ 6 Mönchtum als wahres Christentum

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7.2.2 Quellen der Benediktregel. Die Benediktregel ist in drei Fassungen erhalten, die nach älteren Editionsstandards der Textphilologie bezeichnet werden: a) textus purus (reiner Text; die vermutlich älteste Textstufe), b) textus interpolatus (interpolierter Text, ein geglätteter, teilweise ergänzter, hier und da aber auch gekürzter Text) und c) der textus receptus (der allgemein rezipierte Text, eine Kombination aus den anderen beiden Textfassungen). Die Benediktregel benutzt die Magisterregel am Anfang in großem Umfang wörtlich. Sicher sind die Abhängigkeit vom Werk des Johannes Cassian sowie der Einfluss der Regeln Augustins und des Basilius (in der lateinischen Fassung des Rufin). Die im textus receptus hergestellte Ordnung der Kapitel war durch ihre klare Struktur für die Verbreitung der Regel förderlich.

7.2.3 Das Klosterleben nach der Benediktregel. Die Klostergemeinschaft ist von der Hingabe an Gott geprägt. Wie in der Magisterregel ist das Klos­ ter eine Schule für den Dienst am Herrn. Die Gemeinschaft wird durch das gemeinsame Gelübde konstituiert, in der sich der eintretende Mönch zu Armut, Ortsbeständigkeit, Gehorsam gegenüber dem Amt und sexueller Enthaltsamkeit verpflichtet. Der Gehorsam ist Ausdruck der Demut und konkretisiert sich gegenüber dem abbas (Abt) bzw. dem von ihm ein- und evtl. auch abzusetzenden Stellvertreter (dem praepositus/Prior). Hinzu kommen in größeren Klöstern decani (Dekanen), die jeweils Gruppen von ungefähr 10 Mönchen vorstehen. Außerdem gibt es einen cellerarius (Kellermeister), der für die Vorräte zuständig ist, sowie extra für kranke Mönche zuständige Brüder. Damit war innerhalb der Klöster eine Hierarchie geschaffen, die das Zusammenleben auch größerer Gemeinschaften ermöglichte. Der Abt wurde als Stellvertreter Christi hochgeschätzt, trotzdem wurde in der Benediktregel eine Anhörung der Mönchsversammlung bei wichtigen Grundfragen festgelegt (die Entscheidung lag dann aber nur beim Abt) – ebenso wie die freie Abtswahl durch die Mönche (deren Rechtmäßigkeit dann vom Bischof bestätigt werden musste). Anders als die Magisterregel sah die Benediktregel vor, dass Mönche zu Priestern geweiht wurden. Dies war im Hinblick auf die täglich zu feiernde Eucharistie praktisch, begünstigte aber die Verselbstständigung der Klöster und ihre Unabhängigkeit von der Ortsgemeinde. Die Aufnahme in den Klosterverband erfolgte nach einem einjährigen Noviziat, in dem die Regel immer wieder verlesen wurde und die Absicht einzutreten überprüft wurde (zuständig war hierfür ein eigens dafür ausgewählter älterer Mitbruder). Die Mönche lebten in familienähnlicher Gemeinschaft zusammen (Schlafen z.B. in Gemeinschaftsräumen). Diese Gemeinschaft ist die Grundlage für das gemeinsame, als Stundengebet strukturierte Gebet. Das gesungene Psalmengebet (nach östlichem Vorbild) und Bibellesungen (auch während des Essens) wurden zur bestimmenden Tagesstruktur (hingegen wird die Arbeit der Mönche nur kurz geregelt; die Benediktregel sollte daher nicht mit der Kurzformel ora et labora/bete und arbeite zusammengefasst werden). Vergehen werden als Störung der Gemeinschaft betrachtet und entsprechend mit zeitweisem Ausschluss aus der Gebets- und Tischgemeinschaft bestraft. 7. Die westeuropäischen Klosterregeln

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Gelübde

Hierarchie im Kloster

freie Abtswahl Priestermönche

Psalmengebet

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»römische Regel«

7.2.4 Verbreitung. Die Benediktregel verbreitete sich erst ab dem 7. Jh., befördert durch die literarische Befürwortung durch Gregor I. Im Frankenreich fand sie besonders als Mischregel, d.h. kombiniert mit Elementen aus der Columbanregel, Verbreitung (vgl. § 6; 7.3.3). Dadurch entstand eine eigene Prägung des Mönchtums, die man auch als irofränkisch bezeichnet. In England wurde sie erst durch Benedict Biscop und Wilfrith im späten 7. Jh. (nicht schon durch Augustinus von Canterbury am Ende des 6. Jh.s) eingeführt. Die irofränkische und die angelsächsische Tradition verbanden sich im Zusammenhang von Bonifatius’ Wirken (§ 7; 6.3.1). Im Frankenreich wurde die Benediktregel deswegen besonders geschätzt, weil die neue Romorientierung eine besondere Bedeutung dieses mit Rom verbundenen Textes nahelegte.

7.3 Irisches Mönchtum und Columbanregel

Abtsbischof Bußbücher

Iona

Die irischen Großklöster zeichneten sich durch eine besonders strenge Askese und die strikte Leitung durch die Äbte aus, die oft auch für Seelsorge und Jurisdiktion zuständig waren. Die formal eigenständigen Bischöfe wurden oft als Mönche in diese Klöster integriert, manchmal vereinigte ein Bruder auch das Amt als Abt und das als Bischof auf sich (Abtsbischof). Von diesen Zentren aus wurde eine bestimmte Mentalität und Frömmigkeit verbreitet, die in Bußbüchern greifbar wird. Hier waren besonders die Vorstellungen von kultischer Reinheit und der Schwere der Sünden entsprechenden Bußstrafen prägend. Damit wurde die Gemeinschaft mit Gott in gewisser Weise regelbar, weil Störungen und Wiedergutmachungen kasuistisch fixiert wurden. Diese Konkretisierung führte zu weiteren Entwicklungen, so besonders der Vorstellung der Kommutation (Ersatz einer Strafe durch eine andere) und der Redemption (stellvertretendes Ableisten der Strafe). Diese Mechanismen wurden über das iroschottische Mönchtum in Westeuropa verbreitet und prägten das mittelalterliche Sünden- und Bußverständnis nachhaltig. Die iroschottischen Bußstrafen zeichneten sich durch (auch körperliche) Härte aus. Zugleich wurzelte in dieser Frömmigkeit eine entschiedene Absicht, für Christus tätig zu werden – auch unter Einsatz des eigenen Lebens. Dies wurde besonders in der lebensgefährlichen peregrinatio propter Christum (Pilgerschaft um Christi willen) konkret, die die umfangreiche Missionstätigkeit iroschottischer Mönche ermöglichte. 7.3.1 Großklöster und peregrinatio (Pilgerschaft). Seit ca. 540/550 kam es in Irland zur Gründung von Großklöstern, die die entscheidenden Zentren des kirchlichen Lebens wurden, z.B. Clonmacnois, von Ciarán, dem bedeutendsten Mönchsvater der Frühzeit gegründet, Clonard unter Abt Finnian, Clonfert unter Brendan und Bangor unter Comgall. Besondere Aktivitäten entfaltete der durch Basilius- und Cassianlektüre geschulte Columcilla bzw. Columba (Taube, ca. 521/522-597), der nach 546 die wichtigen Klöster Durry und Durrow gründete. Er zog 563 mit 12 (!) Brüdern im Sinne der peregrinatio propter Christum (Pilgerschaft um Christi willen) an die Westküste Schottlands und errichtete auf der Hebrideninsel Iona ein Großkloster für die Mission unter den Schotten. Die von hier ausgehende Welle der Klostergründungen in Schottland begründete 476

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§ 6 Mönchtum als wahres Christentum

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das iroschottische Mönchtum. Regeln, die für diese Klöster gegolten hätten, sind nicht überliefert. Das Ideal der peregrinatio propter Christum bedeutete das Verlassen der eigenen Heimat unter Inkaufnahme erheblicher Risiken, nämlich ohne Schutz vor Tieren, Räubern oder Unwettern und ohne festes Ziel, eben als fortdauernde Pilgerschaft. Dies wurde als eine besondere Bußleistung angesehen.

7.3.2 Kommutation und Redemption. Die Auflistung von Vergehen und passend abgestuften Strafen in den paenitentialia (Bußbüchern) beförderte ein Verständnis von Sünden als einzelnen Taten, was ein quantitatives Aufaddieren und Vergleichen ermöglichte. Die Konkretisierung der Sünden, die der schärferen Selbstprüfung und Demut dienen sollten, hatte langfris­ tig den genau entgegengesetzten Effekt: Als Sünde wurde nur das wahrgenommen, was in Bußbüchern als solches explizit verzeichnet war. Durch die Absehbarkeit von entsprechenden Sündenstrafen wurde das mit der Sünde verbundene Risiko, das Heil zu verlieren, abschätzbar. Dies verschärfte sich noch durch den Umgang mit den Sündenstrafen. Zum einen konnten in den Bußbüchern vorgesehene Sündenstrafen durch andere Sündenstrafen ersetzt werden, etwa eine bestimmte Zahl von Tagen des Fernbleibens von der Eucharistie durch eine entsprechende Zahl von Gebeten (sog. Kommutation). Zum anderen konnten Strafen auch für andere abgeleistet werden, z.B. durch Priester oder Mönche, die dafür eine Geldspende oder entsprechende Almosen erhielten (als Redemption, d.h. Loskauf bezeichnet). Wo beide Mechanismen miteinander verbunden wurden, ergab sich schnell die Möglichkeit, zu erwartende Sündenstrafen in eine wesentlich geringere Strafe umzuwandeln, die – gegen die entsprechende Geldzahlung – durch einen Mönch oder Priester abgeleistet werden konnte. 7.3.3 Die Columbanregel. In Bangor wuchs Columban (ca. 543/547-615/616) auf, der seine iroschottische Prägung nach Gallien brachte, als er mit 12 Brüdern in den Vogesen in Gallien zuerst das Kloster Luxovium/Luxeuil, dann Fontanae/Fontaines gründete. Er schrieb für diese ein Bußbuch, das in Gallien Verbreitung fand. Außerdem sind unter seinem Namen zwei Regeln (die Regula coenobialis/auf das Zusammenleben bezogene Regel und die Regula monachorum/auf die Spiritualität der Mönche bezogene Regel) überliefert, deren Authentizität allerdings umstritten ist. Die hierin enthaltene iroschottische Spiritualität verbreitete sich im Frankenreich. Da diese Klosterregeln deutlich unkonkreter als die Benediktregel waren, wurden sie oft mit der Benediktregel vermischt. Diese Mischregel fand im Frankenreich weite Verbreitung und prägte das irofränkische Mönchtum.

Sündenstrafen

Luxeuil Fontaines

Mischregel

7.4 Heiligenverehrung Die Verbreitung asketischer Ideale und ihre orientierende vorbildliche Kraft wurde im 5./6. Jh. besonders durch zahlreiche Hagiographien (Heiligenvi7. Die westeuropäischen Klosterregeln

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Heiligengräber

ten) befördert. Die überliefernden Mönchskreise vergewisserten sich damit zugleich ihres eigenen Lebensstils und stellten ihn als das wahre, vorbildliche Christentum hin. In die legendarisch überformte Lebensbeschreibung flossen Wunder ebenso ein wie Ätiologien für regionale Erinnerungsorte, die auch Gegenstand von Pilgerreisen wurden. Nachdem in der Frühzeit Erinnerungsorte nicht automatisch mit Grablegen verbunden waren, verbreitete sich ab dem 4. Jh. zunehmend die Verehrung der Gebeine von verstorbenen Heiligen. Hier ragte in Gallien besonders Martin von Tours hervor. Im Zusammenhang mit solchen Kultstätten entwickelte sich ein neuer Typ Kloster, das Basilikakloster, eine monastische Kommunität, die v.a. den liturgischen Dienst an Kultstätten versah. 7.4.1 Mönchsviten. In Gallien entstand eine Vielzahl von Mönchsviten, die an die lateinische Vita Antonii (Lebensbeschreibung des Antonius) des Athanasius ebenso anknüpften wie an die Mönchsromane des Hieronymus oder die Martinsvita von Sulpicius Severus. Eugippius schrieb um 510 eine Lebensbeschreibung des heiligen Severinus, Jonas von Bobbio die Vita Columbans. An die Seite von Gregors Dialogi trat der von Gregor von Tours verfasste Liber vitae patrum (Buch der Lebensbeschreibung der Väter), mit 20 Heiligenviten aus Gallien. Auch eine im 6. Jh. aus dem Griechischen übersetzte Sammlung von Mönchslegenden, die Vitae patrum (Lebensbeschreibungen der Väter), fand weite Verbreitung. 7.4.2 Basilikaklöster. Das Basilikakloster als spezifische Form gewann im Frankenreich im 7. Jh. große Bedeutung. Schon im 5. Jh. gab es in Rom Klöster, die mit den über Heiligengräbern errichteten Basiliken verbunden waren (im 8. Jh. bereits ca. 60 an der Zahl). In Gallien nahm man diese Sitte auf. Herausragende Kultstätten waren St. Martin von Tours, St. Denis bei Paris, St. Germain in Auxerre, St. Médard in Soissons, St. Eucharius in Trier, St. Gereon und St. Severin in Köln. Für die Führungsschicht in Gallien wurden diese Kultzentren zu wichtigen identitätsstiftenden Orten, da viele der neuen Heiligen deren Familien entstammten. 7.5 Literatur Lektüretipp: U. Köpf: Die Regula Augustini (Augustinregel), in: V.H. Drecoll (Hg.): Augustin Handbuch, 2007, 565-570. – G. Jenal: Italia ascetica atque monastica, Bd. 1, 1995, 233-264. Literatur: L. Verheijen: La règle de Saint Augustin, 2 Bde., 1967. – H. Holze: Erfahrung und Theologie im frühen Mönchtum, 1992. – A. de Vogüé: Le Maître, Eugippe et Saint Benoît, 1984. – Ders.: Die Regula Benedicti. Theologisch-spiritueller Kommentar, 1983. – F. Clark: The »Gregorian« Dialogues and the Origins of Benedictine Monasticism, 2003. – J. Fried: Der Schleier der Erinnerung. Grundzüge einer historischen Memorik, 2004, 344-354 [zu Benedikt]. – G. Melville: Die Welt der mittelalterlichen Klöster. Geschichte und Lebensformen, 2012, 31-52. – H. Lutterbach: Monachus factus est. Die Mönchwerdung im frühen Mittelalter, 1995. – C. Thom: Early Irish Monasticism, 2006. – A. Angenendt: Heilige und Reliquien. Die Geschichte ihres Kultes vom frühen Christentum bis zur Gegenwart, 2. A. 2007. – A. Diem: Inventing the Holy Rule, in: H.W. Dey/E. Fentress (Hg.): Western Monas­ ticism ante litteram, 2011, 53-84. – P. Engelbert: Regeltext und Romverehrung. Zur Frage der Regula Benedicti im Frühmittelalter, RQ 81 (1986) 39-60.

 § 7; 3.3-4.

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8. Mönchtum im Frankenreich: Politische, kulturelle und kirchliche Integration Für das Frankenreich im 6.-9. Jh. gewann das Mönchtum grundlegende Bedeutung. Drei Phasen sind zu unterscheiden: Phase 1 (6. Jh.): Das Mönchtum wird (besonders in Südgallien) zu einer wesentlichen Stütze von Bischofsherrschaften, die nach dem Zusammenbruch des Imperium Romanum zu einer auch politisch wichtigen Größe in den Städten wird. Phase 2 (ca. 590-690): Es entsteht ein von Franken getragenes Mönchtum, das in vielen Hinsichten von Impulsen iroschottischer Missionare abhängig ist (das sog. irofränkische Mönchtum). Dieses Mönchtum ist eng mit Adel und Königsherrschaft im Merowingerreich verbunden. Phase 3 (ca. 690-ca. 830): Durch neue Impulse angelsächsischer Missionare verändert sich das Mönchtum und wird von den aufsteigenden Karolingern genutzt, um die Erweiterung der Herrschaft im Osten abzusichern. Die sich daran anschließenden Erneuerungsmaßnahmen machten erstmalig die Benediktregel zur Standardregel des westeuropäischen Mönchtums (neben der nur in Kanonikergemeinschaften die Augustinregel noch weiter ähnliche normative Akzeptanz behält). Mit der zweiten Phase ist der Übergang zum Frühmittelalter insofern markiert, als sich die an die Grundherrschaft gebundene Gesellschaftsstruktur auch auf das Klosterwesen auswirkte, v.a. in dem neuen Typ des Königs- und Adelsklosters. Dadurch erhielten die Klöster umfangreichen Landbesitz, unterlagen aber zugleich der Verfügungsgewalt weltlicher Herren. Die Spannung zwischen ökonomischen Interessen, gesellschaftlichen Ansprüchen (erwartet wurde das Gebet der Mönche für die Gesellschaft, die Christenheit und den König) und asketischer Spiritualität wurde für das mittelalterliche Mönchtum zu einem konstitutiven Problem, das immer wieder Neuaufbrüche hervorrief. Zwei neue Merkmale prägen das Mönchtum dieser Zeit: a) die Missionstätigkeit, angeregt durch iroschottische und angelsächsische Impulse, b) die kulturelle Multiplikatorenfunktion, die das Mönchtum im Karolingerreich bekam.

Bischofs­ herrschaften

irofränkisches Mönchtum

angelsächsisches Mönchtum

8.1 Bischofsstadt und Klosterwesen im 5./6. Jh. Der Übergang von spätantiken zu frühmittelalterlichen Strukturen vollzog sich in den Bischofsstädten des südlichen und mittleren Galliens. Hier blieb auch nach dem Zusammenbruch der Strukturen des Imperium Romanum ein relativ dichtes Netz städtischer Zentren erhalten, in denen die Bischöfe zunehmend die wichtigsten Personen des öffentlichen Lebens wurden und daher auch öffentliche Aufgaben übernahmen. Die Bischöfe wurden zu Stadtherren (vgl. § 9; 1.2). Sie entstammten oft dem Mönchtum und grün8. Mönchtum im Frankenreich: Politische, kulturelle und kirchliche Integration

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deten ihre Herrschaft auf Klöster in der Stadt wie auf dem Land (z.B. für die Armenfürsorge, die kirchliche Betreuung, die Rekrutierung von Klerikern). Seit dem 6. Jh. wuchs die Zahl der Klöster erheblich. Für die von Norden her vordrängende Frankenherrschaft war es entscheidend, diese Strukturen zu integrieren – was auf lange Sicht gelang. Die Franken kooperierten mit der städtischen Bischofsherrschaft und den Klöstern. Letztere erhielten Stiftungen von Grund und Boden, was ihre ökonomische Bedeutung ansteigen ließ. Durch die bischöfliche Kontrolle und durch eine teilweise Klerikalisierung der Mönche (die kirchenrechtlich ja Laien waren) wurde die Integration des Mönchtums in die Kirche verstärkt.

8.2 Interessen des lokalen Adels und irofränkisches Klosterwesen

Verbindung zum Adel

Seit Chlodwig förderten die fränkischen Könige aus dem Geschlecht der Merowinger die Klöster. Columban hat nach 590 im Zusammenhang seiner Missionsarbeit (s. § 7; 3.3) die enge Verbindung von Königtum und Adel mit dem Mönchtum etabliert, besonders durch Klostergründungen durch Adlige und den König sowie durch Gewinnung von Mitgliedern aus dieser Elite für eine monastische Lebensweise. So entfaltete sich v.a. abseits der alten Städte im Zusammenhang der Christianisierung des weiten Landes ein irofränkisches Mönchtum, d.h. ein von den Iroschotten angeregtes, aber von den Franken getragenes monastisches Leben, das sich zumeist nach der columbanisch-benediktinischen Mischregel und lokalen Eigentraditionen richtete (vgl. § 6; 7.3.2). Es entstand der für das Mittelalter charakteristische Typ von Klöstern, die personell und herrschaftlich eng mit den Interessen des lokalen Adels verflochten waren (vgl. § 9; 1.1; 1.3).

8.3 Mönchtum als Träger von Mission und Bildung

Klosterschulen Bibliotheken

Waren Mönche in früheren Zeiten vereinzelt nebenbei missionarisch tätig gewesen (z.B. Martin, Severin), so brachten die Iroschotten und Angelsachsen den Missionsimpuls in das fränkische Mönchtum. Schon Columban und seine Gefährten propagierten die peregrinatio propter Christum (Pilgerschaft um Christi willen; vgl. § 6; 7.3), die sich mit der Verkündigung des Evangeliums an die Heiden verband. Dies wurde von den angelsächsischen Missionaren weitergeführt (vgl. § 7; 6.1.2; 6.2.2). Die Missionsbemühungen verbanden sich mit den politischen Interessen der Herrscher, die östlichen Randgebiete des Reiches durch die Christianisierung stärker zu integrieren (vgl. dazu § 7, 3.3; 6.1-6.2). Die gallisch-fränkischen Klöster im 5.-8. Jh. waren zwar oft schon Sammelpunkte von Bildung (beispielhaft kann hier das Kloster Vivarium des Cassiodor genannt werden, über dessen Bibliotheksbestand Cassiodor in seinen Schriften recht ausführlich Auskunft gibt; s. Abb. 12; § 5; 11.3), erfüllten jedoch kaum Bildungsaufgaben für die Gesellschaft insgesamt. Wo es Klosterschulen gab, dienten sie dazu, dem Mönchsnachwuchs Lesen und Schreiben beizubringen. Dem antiken Schulwesen waren sie nicht vergleichbar. Auch die Bibliotheken dienten in erster Linie monastischen Interessen, was sich besonders in der Auswahl der Schriften niederschlug. Erst ab der Karolingerzeit wurden Klöster zu Bildungsinstitutionen, die weit über die Klosterwelt hinaus wirksam wurden. 480

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8.4 Politische Inanspruchnahme unter Karl dem Großen Karl wies beim Aufbau seines Reiches 768-814 dem Mönchtum drei spezifische Funktionen zu: a) die Pflege und Weitergabe von Bildung und Wissenschaft, b) das stellvertretende Gebet für die Christenheit und den König bzw. (ab 800) den Kaiser (so die Epistula de litteris colendis/Brief über die Wertschätzung der Wissenschaften) sowie c) die Missionsverkündigung als christliche Durchdringung der neu eroberten Randgebiete im Osten (hier hatte besonders Bonifatius eine wichtige Rolle gespielt; s. § 7; 6.2; 7.1-7.2). Beides diente der inneren Homogenisierung und damit der Stabilisierung der karolingischen Herrschaft. Auch wenn die Christianisierung in den neu eroberten Gebieten nur schleppend vorankam, leisteten die Klöster doch einen wichtigen Beitrag zur kulturellen Durchdringung dieser Gebiete. Um die Klöster zu stärken, förderte Karl Klöster und stattete sie materiell reich aus. Eine innere Neuordnung des monastischen Lebens forcierte er nicht so stark wie sein Sohn Ludwig der Fromme. Die Integration in das Reich und die Verbindung mit politischen Zielen wurde zu einem Merkmal des Mönchtums, gegen das sich spätere Forderungen nach einer Erneuerung des Mönchtums immer wieder erneut abzusetzen versuchten. Besonders die Klöster, die der König mit besonderen Privilegien ausstattete (später: Reichsklöster), erlangten im ganzen Mittelalter besondere Bedeutung als politische Stützen der Zentralgewalt (neben den Stiften bzw. Erzstiften der Fürstbischöfe bzw. Fürsterzbischöfe; s. § 9; 5.). 8.4.1 Das Klosterwesen im Osten des Karolingerreiches. Die Entwicklung des Klosterwesens verlief im Reich Karls unterschiedlich. Drei Bereiche lassen sich unterscheiden: a) eine gewisse Vernachlässigung strenger asketischer Lebensführung im Zentralgebiet des Reiches in der zweiten Hälfte des 8. Jh.s (Vernachlässigung des Armutsgebotes, des Gemeinschaftslebens, der stabilitas loci [Ortsbeständigkeit der Mönche] u.a.), b) die Bemühungen um eine neue Ausrichtung des Mönchtums im Südwesten (Aquitanien), die mit Benedikt von Aniane verbunden sind (s. dazu § 6; 8.5) und c) die besondere Unterstützung der Klöster in den von Karl eroberten östlichen Randgebieten zwischen ca. 780 und 800. Hier förderte Karl in Fortführung der merowingischen Klosterpolitik neue und bereits bestehende Klöster durch Vergabe von Privilegien und Ländereien (z.B. Lorsch, Amorbach, Fritzlar, Hersfeld, Ansbach, Kempten). Diese großen Königsklöster, in denen Karl seine Vertrauensleute als Äbte einsetzte, dienten ihm durch vielfältige Leistungen (z.B. Truppenkontingente für Heerzüge, Beherbergung des Königs und seiner Amtsträger), v.a. aber durch missionarische und kolonisatorische Aktivitäten in den teilweise wenig durchdrungenen neu erworbenen Gebieten, für die sie häufig Ableger bzw. auswärtige Zellen errichteten (z.B. Hameln, Münster, Werden, St. Pölten). Ab 800 übertrug Karl Verkündigungs- und Seelsorgeaufgaben zunehmend 8. Mönchtum im Frankenreich: Politische, kulturelle und kirchliche Integration

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Ostgebiete

Königsklöster

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an Bistümer und Pfarreien, was die Bedeutung der Klöster in diesem Zusammenhang wieder relativierte.

Skriptorien

Schulen

8.4.2 Klöster als Bildungseinrichtungen. Im Gefolge der Admonitio generalis (Allgemeinen Anweisung) von 789 (vgl. § 7; 7.3.2), die die Einrichtung von Schulen in allen Mönchsklöstern und Kanonikerstiften anordnete, wurden in vielen Klöstern Skriptorien eingerichtet und gezielt Abschriften und Ausgaben von Kirchenvätern und Bibelhandschriften erstellt. Dies ging mit einer philologischen Schulung und neuen Standards für die lateinische Sprache (und Orthographie) einher (vgl. § 5; 13.). Diese Bemühungen setzte Ludwig der Fromme fort. Im 9. Jh. unterhielten manche Klöster eine Schule auch für den Unterricht (zumeist den Elementarunterricht) externer Laien. Einige (z.B. Fulda, St. Gallen, Reichenau, St. Denis, Ferrières, Bobbio) entwickelten sich zu bedeutenden Bildungseinrichtungen, die neben den Klos­terschulen (s. § 6; 8.6) zu wichtigen Orten der Wissenschaft wurden. Im Ostteil des Frankenreichs wirkte Hrabanus Maurus (s. § 5; 14.1), im Westteil förderte Lupus von Ferrières (ca. 805-ca. 865) auch die Beschäftigung mit der heidnischen Antike und die literarische Bildung. Diese nahm im 10. Jh. in einigen Klöstern zu, wie z.B. Hrotsvita in Gandersheim und Notker Labeo in St. Gallen zeigten.

8.5 Benedikt von Aniane: Durchsetzung der Benediktregel Mit der Gründung des Klosters Aniane nach 782 am Südrand des Frankenreichs durch Benedikt nahm die Geschichte des Mönchtums eine folgenreiche Wende: Das Bemühen, die Benediktregel zur verbindlichen Regel zu machen, konnte nach nur bedingt erfolgreichen Versuchen unter Karl dem Großen unter Ludwig dem Frommen ab 816 zum Erfolg geführt werden. Die Vorherrschaft des benediktinischen Mönchtums dauerte bis zum 12. Jh. 8.5.1 Gründung von Aniane. Auf Familienbesitz gründete der Grafensohn Witiza, der sich programmatisch Benedikt nannte (ca. 750-821) und über dessen Leben eine hagiographische Vita Auskunft gibt, in Septimanien am Bach Aniane 782/787 das gleichnamige Kloster, das sich zu einer weitläufigen Anlage entwickelte. Aus seinem Umfeld stammt die Concordia regularum (Zusammenstellung von Regeltexten), die auch für die Textüberlieferung wichtig wurde. Auf der Grundlage dieser Sichtung bestehender Regeln plädierte Benedikt für die strikte Orientierung an der Benediktregel und setzte sich für eine einheitliche Lebensordnung (una consuetudo/ eine Gewohnheit) der Mönche im Frankenreich ein. Dazu gründete er bis 814 in Aquitanien neue Klöster und richtete bestehende Klöster neu aus (wobei Mischregeln und regionale Bräuche durch die Benediktregel ersetzt wurden). 482

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8.5.2 Die Benediktregel als Norm. Die alleinige Geltung der Benediktregel war schon im 8. Jh. verschiedentlich proklamiert worden, so von Bonifatius auf dem Concilium Germanicum für Austrasien (vgl. § 7; 6.3.1). Karl d. Gr. ließ einen Mustercodex der Benediktregel nach Vorlagen aus Monte Cassino erstellen und setzt sie ab 789 als allgemein verbindlich voraus. Doch in der Praxis sah es anders aus, weil an vielen Orten Mischregeln galten oder die klösterliche Disziplin eigenen Regeln folgte. Der Reichstag von Aachen 802 erneuerte deshalb die Bestimmung, dass die Benediktregel einzige Norm für Leben und Gottesdienstordnung sein sollte. Er forderte u.a. die Residenzpflicht im Kloster, die persönliche Besitzlosigkeit, den Gehorsam gegenüber den Oberen, die gemeinsame Unterkunft im Schlafsaal und das Stundengebet. Doch die Opposition vieler Klöster verhinderte die allgemeine Durchsetzung. Erst die von Ludwig dem Frommen unterstützten Aachener Synoden und die wirkkräftigen Vereinheitlichungsbestrebungen Benedikts von Aniane setzten die Benediktregel als den maßgeblichen Text durch. Die Synoden von Aachen 816/817 beschlossen die einheitliche, von kaiserlichen Beauftragten zu kontrollierende Observanz der Benediktregel, und die Bischofsversammlungen 818/819 unterstützten die sich an dem neuen Standard orientierenden Klöster durch Privilegien. Die Schriftlichkeit des Regeltextes und seine genaue Beachtung wurden zu wichtigen Bezugspunkten monastischen Lebens.

Mustercodex

Synoden 816-819

8.6 Der ordo monasticus (klösterliche Stand) Im kirchlichen Leben wuchs die Bedeutung der Klöster, die sich zu kulturellen und ökonomischen Zentren entwickelten. Oft waren es große Komplexe, deren Anlage der einer Stadt glich. Die Ausrichtung des Mönchtums als ordo monasticus (klösterlicher Stand) auf das Gottesdienstleben lässt sich als Klerikalisierung beschreiben, die einen tiefen Bruch mit der bisherigen monastischen Tradition mit sich brachte: die Auslagerung der Handarbeit an nicht-monastische Laien (Handwerker und Bauern). Diese Entwicklung wurde noch dadurch begünstigt, dass in der Benediktregel die Arbeit nur am Rande erwähnt war. Klöster wurden zu attraktiven Aufenthaltsorten für Mitglieder der Oberschicht, weil Frauenklöster zur Versorgung unverheirateter Töchter genutzt wurden. Klosterschulen wurden nicht nur zu wichtigen Bildungsinstitutionen, sondern ermöglichten auch Mittellosen Bildung. 8.6.1 Die Klerikalisierung des Mönchtums. Gemäß der Benediktregel stand das Stundengebet der Mönche und Nonnen im Mittelpunkt. Die Rhythmisierung des Tages durch acht Horen (Matutin/Laudes-Prima-Tertia-Sexta-Nona-Vesper-Complet-Nocturna/Vigiliae) wurde zum bestimmenden Element, ausgestaltet durch umfangreiche Psalmenrezitationen und Gesänge. Ergänzt wurde es durch zwei gemeinsame Eucharistiefeiern (Konventsmessen) und durch Sondermessen an den verschiedenen Altären der Klos­ terkirchen. Da man für diese Zwecke Priester brauchte, setzte sich im 9. Jh. die Praxis durch, dass die meisten Mönche die Priesterweihe erhielten, zumal diese ohnehin als be8. Mönchtum im Frankenreich: Politische, kulturelle und kirchliche Integration

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Arbeit

Stundengebet

Priestermönche

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sondere sakrale Würde geschätzt wurde. Die Vermehrung der Altäre, die Sehnsucht nach Gebet und Fürbitte und der Opfercharakter der Messe (vgl. dazu § 5; 12.2.1) verursachten diese Klerikalisierung des Mönchtums, der die Preisgabe der Handarbeit entsprach. Außer dem Gottesdienst oblag den (Priester-)Mönchen die Tätigkeit in Klosterschule, Skriptorium und Bibliothek.

Abt als Grundherr

8.6.2 Die Auslagerung der Arbeit an Laien. Die reiche Ausstattung der Klöster mit Ländereien und ganzen Dörfern im Umkreis der Klöster, oft aber auch weit entfernt, machte es erforderlich, dass klösterliche Ländereien von Nicht-Mönchen (bzw. Nicht-Nonnen) bestellt wurden. Die Klöster wurden zu wichtigen Wirtschaftsbetrieben mit gewaltigen Einnahmen, da immer wieder neue Stiftungen hinzukamen. In den Klosteranlagen dominierten neben der Kirche die Werkstätten, Vorratsräume und Ställe. Der Abt (oder die Äbtissin) wurde zum Grundherrn, die Güterverwaltung beanspruchte erheblichen Einsatz. Da infolge der Beschlüsse von 816-819 sich die Mönche auf geistliche Arbeiten konzentrieren sollten, übernahmen nichtmonastische Laien die Arbeiten in Landwirtschaft und Handwerk. Das war ein folgenreicher Bruch mit der alten asketischen Tradition. Der Reichtum ermöglichte den Klöstern aber auch den Ausbau der Armenfürsorge und Pilgerbetreuung. 8.6.3 Die pueri oblati (dargebrachten Kinder). Eine wichtige Neuerung war das sog. Oblateninstitut, d.h. die Praxis, dass Eltern ihre kleinen Kindern einem Kloster als Weihegabe bzw. Opfer (oblatio) für Gott übereigneten, damit sie monastisch erzogen würden und zeitlebens als Mönche bzw. Nonnen dort verblieben. Schon die Benediktregel hatte das vorgesehen, die Beschlüsse von 816-819 schufen dafür – in Anlehnung an alttestamentliche Vorbilder – die rechtlich verbindliche Form. Die pueri oblati (dargebrachten Jungen) bzw. puellae oblatae (dargebrachten Mädchen) brachten meist einen Teil des Familienerbes in den Klosterbesitz ein. Doch wurden auch Waisen und nicht versorgbare Kinder auf diese Weise den Klöstern übereignet. Die Klosterschulen gewannen neue Bedeutung durch die Erziehung dieser Kinder, die auch sozialen Aufstieg (bis hin zum Abt) ermöglichte, aber zugleich einen Lebensweg als Mönch vorzeichneten, an dessen Anfang kein bewusster Klostereintritt oder Entschluss zum asketischen Leben stand.

Idealbild

8.6.4 Der Klosterplan von St. Gallen. Wie die verschiedenen Bereiche des benediktinisch geprägten Klosterlebens miteinander am besten vereinbar sind, zeigt der berühmte Klos­ terplan von St. Gallen, ein auf der Reichenau (in einem durch Gebetsverbrüderung mit dem Kloster in St. Gallen verbundenen Kloster) entstandenes Idealbild, das die Kirche in den Mittelpunkt stellte und dann Abtshaus, Erziehungsbereich, Gästebereich, Wirtschaftsbereich in kunstvoller Weise um das Zentrum anordnet. Der Plan gibt durchaus architektonische Details an (z.B. ob ein Gebäude zweigeschossig sein soll), ist aber kein konkreter Bauplan, sondern eher die Illustration eines Ideals, an dessen Studium sich die Regelungen der Benediktregel meditieren ließen. Dies legt auch die Widmung des den Plan begleitenden Textes nahe.

8.7 Die vita canonica (die Lebensweise der Kanoniker bzw. des Weltklerus) Die Unterscheidung zwischen monastischer Lebensweise und dem Gemeinschaftsleben der Kleriker unter ihrem Bischof nivellierte sich im Laufe des 8. Jh.s, besonders im Zentralgebiet des Reiches. Zumal in den Städten wandelten sich Klöster in Kanonikerstifte um (z.B. St. Martin in Tours; St. Denis 484

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bei Paris entschied sich gegen die Orientierung an der Benediktregel und entwickelte sich infolgedessen zu einer Kanonikergemeinschaft). Eine Führungsgestalt wie Chrodegang von Metz (ca. 712/715-766) konnte ca. 750 in Gorze ein Klos­ter unter bischöflicher Aufsicht gründen, das nach der Benediktregel lebte, und zugleich die vita communis (das gemeinsame Leben) der Kleriker in Metz ca. 755 als Kanoniker neu ordnen, so dass diese ganz auf das liturgische Leben der Bischofskirche ausgerichtet waren (er integrierte dabei durchaus Elemente des benediktinischen Lebens). Dies machte die Neuordnung des ordo canonicus/saecularis (kanonischer bzw. weltlicher Stand) erforderlich. Die Aachener Synode 816 beschloss eine Kanonikerregel, die die Lebensführung des regulierten Dom- und Stiftsklerus fixierte: Konzentration auf Stundengebet und Eucharistie im Chor der Bischofskirche, geregelter Tagesablauf, gemeinsames Leben im Dormitorium und Refektorium, Zölibat. Wichtigster Unterschied zum Mönchtum war, dass die Kanoniker kein Armutsgelübde ablegen und nicht auf Privatbesitz verzichten mussten. In einigen Städten wurde der Klerus hierdurch ausgesprochen »monastisch« (so z.B. in Trier, Köln, Würzburg und Hildesheim), doch setzte sich dies nicht überall durch. Da sich Kanoniker mitunter ausgesprochen monastisch verhielten und umgekehrt einige klösterliche Konvente in der strikten Befolgung der Benediktregel nachließen, kam es auch im 9. und 10. Jh. zu einem Zustand, in dem Klöster und Kanonikerstifte oft nicht trennscharf voneinander zu unterscheiden sind. Eine sozial- und kunstgeschichtlich wichtige Folge der Beschlüsse von 816 war, dass an Domen und Stiftskirchen Klosteranlagen mitten in den Städten entstanden und sich aus deren Kommunitäten die Dom- und Stiftskapitel entwickelten, die für das Hoch- und Spätmittelalter große Bedeutung gewannen. Auch die Einrichtung von Domschulen war hier oft verankert.

Synode in Aachen 816

Domkapitel Domschulen

8.8 Literatur Lektüretipp: W. Kettemann: Subsidia Anianensia, 2008, 1-32. Literatur: A. Angenendt: Monachi peregrini. Studien zu Pirmin und den monastischen Vorstellungen des frühen Mittelalters, 1972. – H. Lutterbach: Monachus factus est. Die Mönchwerdung im frühen Mittelalter, 1995. – F. Prinz: Frühes Mönchtum im Frankenreich, 2. A. 1988. – R. Schieffer: Die Entstehung von Domkapiteln in Deutschland, 1976. – J. Semmler: Die Beschlüsse des Aachener Konzils im Jahre 816, ZKG 74 (1963) 15-82. – Ders.: Benedictus II: una regula – una consuetudo, in: W. Lourdaux/D. Verhelst (Hg.): Benedictine Culture 750-1050, 1983, 1-49. – W. Hartmann: Die Synoden der Karolingerzeit im Frankenreich und in Italien, 1989. – P. Engelbert: Benedikt von Aniane und die karolingische Reichsidee, in: G. Penco (Hg.): Cultura e spiritualità nella tradizione monastica, 1990, 67-103. – D. Geuenich: Kritische Anmerkungen zur sogenannten »anianischen« Reform, in: D.R. Bauer/N. Becker (Hg.): Mönchtum – Kirche – Herrschaft 750-1000. FS für J. Semmler, 1998, 99-112. – M. de Jong: Carolingian Monasticism, in: R. McKitterick (Hg.): The New Cambridge Medieval History, Bd. 2, 1995, 622-653. – J.E. Raaijmakers: The Making of the Monastic Community of Fulda, c.744-c.900, 2012. – S. Patzold: Episcopus. Wissen über Bischöfe im Frankenreich des späten 8. bis frühen 10. Jahrhunderts, 2008. – B. Schedl: Der Plan von St. Gallen. Ein Modell europäischer Klosterkultur, 2014.

 § 5; 13.-14.

8. Mönchtum im Frankenreich: Politische, kulturelle und kirchliche Integration

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9. Monastische Neuaufbrüche im 10. und 11. Jh.

Laienäbte

Benediktregel Consuetudines

Das Mönchtum geriet im 9./10. Jh. teilweise in eine schwierige Situation. Dafür waren insbesondere zwei Gründe verantwortlich: a) Raubzüge der Normannen im westlichen Frankenreich (zwischen 840 und 890), Überfälle der Sarazenen auf Italien sowie der Ungarn und Slawen auf das fränkische Ostreich führten zu Zerstörungen vieler Klöster. b) Viele Klöster gerieten in die Verfügungsgewalt von Grundherren, die den Klosterbesitz für ihre Zwecke einsetzten, wirtschaftlich ausnutzten und oft als sog. Laienäbte fungierten, d.h. die Klöster leiteten, ohne deren monastischer Bruderschaft anzugehören. Diese sollte für den Laienabt und seine Familie, also einen Magnaten des Reiches oder auch den König, beten, was die gesellschaftliche Bedeutung der Klöster förderte, zugleich aber die Abkehr der Mönche von der Welt relativierte. Diese zwei Probleme packten verschiedene Neuaufbrüche an: Sie errichteten Neubauten von Klöstern oder erweiterten bestehende Anlagen und sie strebten die weitgehende Unabhängigkeit von den Grundherren an. Entscheidender Motor wurde die strikte Rückbesinnung auf die Spiritualität der Benediktregel, die durch sog. Consuetudines (Gewohnheiten) ergänzt und präzisiert wurde. Bestimmte Zentren entwickelten dabei besondere Ausstrahlung, so etwa Cluny in Burgund (mit gesamteuropäischer Ausstrahlung) und Gorze in Lothringen. Die Erneuerung der monastischen Spiritualität bekundete sich auch in einem Neuaufbruch des Eremitentums, das in Mischformen mit könobitischer Lebensweise zu neuen Aufbrüchen führte.

9.1 Cluny

Filiation

Consuetudines Cluniacenses

Abtprofess in Cluny

Exemtion

In dem 910 gegründeten Kloster Cluny begann eine Erneuerungsbewegung, die sich bald durch zwei Prinzipien weit ausbreitete: a) das Prinzip der Filiation: Es wurden Tochterklöster ohne eigene Äbte gegründet, deren Prior dem Abt von Cluny unterstand. Dadurch entstand ein Klosterverband von bisher unbekannter Größe, b) die Verbreitung bzw. Übernahme der Consuetudines Cluniacenses (der Gewohnheiten von Cluny) nicht nur in Klöstern des eigenen Klosterverbandes, sondern auch in anderen, unabhängig bleibenden Klöstern. Dies konnte etwa dergestalt geschehen, dass nur der Abt seine Profess in Cluny ablegte, also dem Abt von Cluny zu Gehorsam verpflichtet war, ohne dass sein Kloster als solches dem Abt von Cluny unterstand. Die durch Cluny gesetzten Impulse zielten besonders auf die Unabhängigkeit von den weltlichen Grundherren und eine unterschiedlich weit reichende Exemtion von den Hoheitsrechten der Bischöfe (oft durch Berufung auf den päpstlichen Schutz). Inhaltlich zeichnete sich das cluniazensische Mönchtum durch eine Betonung der Liturgie aus. Mit seinem Kirchenbau beeinflusste Cluny die sakrale Architektur der Romanik. Die seit 1088 gebaute Monumentalkirche (die größte Westeuropas) 486

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Atlantischer Ozean

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Cluny

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Regensburg/St. Emmeram

Vallombrosa Mittelmeer

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Dijon/St. Bénigne

St. Blasien

Hirsau

Mainz Lorsch

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Halberstadt Hersfeld

Siegburg

Echternach Trier/St. Maximin Metz Gorze

Brogne

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Abb. 14 Monastische Zentren im 10./ 11. Jahrhundert

ne

Rhein

No_Lehrbuch_5AK_07.07.mitKarten.indd 487 Rhô

9. Monastische Neuaufbrüche im 10. und 11. Jh. Loire

487

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100

150 km

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dokumentierte die religiöse Ausstrahlung und den Wohlstand dieser Klös­ ter. Die Äbte von Cluny gehörten im 10.-11. Jh. zu den kirchenpolitisch einflussreichsten Gestalten. Wilhelm von Aquitanien

Stiftung und Gebet

Berno

päpstliches Privileg 931

lange Amtszeiten als Äbte

Cluny III

9.1.1 Die Gründung von Cluny. Herzog Wilhelm von Aquitanien gründete auf Ländereien, die ihm fernab seiner eigenen Stammgebiete durch Erbschaft zugefallen waren, ein Kloster. Diese Klostergründung zeichnet sich durch drei Besonderheiten aus: a) Der gestiftete Besitz sollte samt seinen Einnahmen ganz dem Kloster verbleiben, b) Das Kloster sollte frei sein und sich nur nach der Benediktregel richten, c) Das Kloster wurde unter den besonderen Schutz von Petrus und Paulus, d.h. den Papst gestellt. Damit waren wichtige Voraussetzungen für eine eigenständige Entwicklung geschaffen, weil der Stifter auf seine Rechte als Grundherr weitgehend verzichtete (nur die Fürbitte der Mönchsgemeinschaft blieb ihm gewiss) und so die wirtschaftliche Ausnutzung ebenso wie die Aufteilung oder die Lenkung durch einen Laienabt auch für die Zukunft ausschloss. Gegenüber Ansprüchen seitens der Bischöfe, aber auch weltlicher Herren konnte der ideelle Bezug auf den Papst geltend gemacht werden (der allerdings weder rechtlich noch praktisch durchgesetzt werden konnte). Der Gründungsabt Berno (gest. 927) hatte vorher bereits in seinem Kloster Baume (und dann als Prior des Tochterklosters Gigny) Ideen für eine Erneuerung des Mönchtums kennengelernt, die er nun in Cluny umsetzte. Die Zusammenfassung mehrerer Klöster unter einem Abt war keine grundlegende Neuerung, doch handelte es sich zumeist um kleine Verbände von wenigen Klöstern (so gehörten etwa zum Verband von Cluny beim Tod Bernos sechs Klöster). Erst unter Abt Odo (927-942) erreichte Cluny größere Ausmaße. Dies lag insbesondere an dem 931 vom Papst Johannes XI. verliehenen Privileg, fremde Mönche aufzunehmen (auch wenn der zuständige Abt [etwa ein Laienabt] dies nicht angeordnet hatte; dies war eine wichtige Ausnahme von der in der Benediktregel vorgesehenen stabilitas loci/Beständigkeit, am selben Ort zu bleiben, wonach ein Mönch sein Kloster nur im Auftrag des Abts verlassen darf). Außerdem durfte Cluny andere, bereits bestehende Klöster sich unterstellen. 9.1.2 Cluny im 10. und 11. Jh. Große Persönlichkeiten sicherten für mehr als zweihundert Jahre Cluny europäischen Ruhm, erstaunlich lange Amtszeiten als Abt sicherten die Kontinuität. Majolus (948/965-994), Odilo (994-1049) und Hugo (1049-1109) sorgten für den Aufstieg zum größten Klosterverband Europas mit entsprechendem kirchenpolitischem Gewicht. Unter Majolus wurden wohl erstmals die Consuetudines Cluniacenses (Gewohnheiten von Cluny) fixiert, das Kloster wurde unter ihm schon erheblich erweitert (Cluny II). Odilo baute gute Beziehungen zu Kaisern und Päpsten auf und sorgte für den entscheidenden Ausbau des Klosterverbandes. Der diplomatisch geschickte Hugo, Freund Heinrichs IV. und Berater Gregors VII., verbreitete die Consuetudines Cluniacenses durch zahlreiche Reisen u.a. nach Deutschland und Italien. Unter ihm wurde die Klosterkirche noch einmal mit erheblich erweiterten Maßen neuerbaut (Cluny III; nach der Zerstörung des Klosters in der Französischen Revolution 1790 blieb davon nur ein 488

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geringer Rest erhalten). Der gelehrte Abt Petrus Venerabilis (1122-1156) reorganisierte den Konvent und war ein entschiedener Gegner Bernhards von Clairvaux, der seinerseits die Cluniazenser kritisierte. Ab dem 13. Jh. schwand das Gewicht der Cluniazenser zusehends, der Verband zerfiel im 14./15. Jh. 9.1.3 Unterschiedliche Zugehörigkeiten zum Klosterverband. Der Klosterverband mit Cluny als Hauptkloster und zahlreichen Filiationen unter einem Abt war noch keine Ordensbildung wie später bei den Zisterziensern. Auch die Bezeichnung als Klosterverband trifft im strikten Sinne nur für die direkt unterstellten Priorate (und deren Subpriorate) sowie die direkt inkorporierten Abteien zu. Doch da die Consuetudines Cluniacenses auch darüber hinaus weite Verbreitung fanden, ergab sich innerhalb des benediktinisch geprägten Mönchtums eine spezifische Ausprägung. Die Zugehörigkeit zur cluniazensischen Bewegung konnte aber im Einzelfall sehr unterschiedlich aussehen, es gab also keine klaren Grenzen zwischen Zugehörigkeit zur ecclesia Cluniacensis (der Kirche von Cluny, d.h. dem Klosterverband von Cluny) und weiteren Klöstern, die cluniazensische Ideale mehr oder weniger direkt übernahmen (insgesamt ungefähr 1200 Klöster in Frankreich, Italien, Deutschland, Flandern, Spanien und England). Die direkt zu Cluny gehörenden Klöster kann man am ehesten noch daran erkennen, dass die Gelübde vor dem Abt von Cluny abgelegt wurden (dem auch der Gehorsam galt) und die Mönche als Angehörige in das dortige Totenbuch aufgenommen und in der Gebetsgemeinschaft von Cluny kommemoriert wurden. Sehr unterschiedlich wurden auch die Freiheiten von weltlichen Grundherren sowie die Exemtion von bischöflichen Rechten gehandhabt. Seit dem Privileg Papst Gregors V. (996-999) war Cluny selbst von der bischöflichen Strafgewalt befreit. Die freie (d.h. hier nicht vom Bischof oder einem Grundherren beeinflusste) Abtwahl konnte nicht überall in den Klöstern durchgesetzt werden, die sich an den Consuetudines Cluniacenses orientierten. Eigene Zurechnung, ideelle Ansprüche und durchsetzbare Realität unterschieden sich oft. Insofern empfiehlt es sich, vom cluniazensischen Klosterverband und den Klöstern, die sich an Cluny orientierten, zu sprechen (und nicht vom »Orden von Cluny«; es fehlen – im Vergleich mit späteren Orden und jedenfalls in der frühen Zeit – auch noch Institutionen wie das Generalkapitel und eine klare regionale Struktur). Die Betonung der klösterlichen Freiheit hat der gregorianischen Erneuerung des Papsttums nur sehr indirekt vorgearbeitet, die Unterstellung von Cluny unter den Papst hat den päpstlichen Zentralismus ideell gefördert (auch wenn Cluny selbst weitgehend vom Papst unabhängig blieb; eine »Hilfstruppe« des Papstes gegen Kaiser und Bischöfe ist Cluny nie gewesen).

9.1.4 Cluniazensische Frömmigkeit. Das herausragendste Merkmal der Cluniazenser war die reich gestaltete Liturgie (Stundengebete, Messen), mit entsprechender Ausstattung der Kirchen. Die Handarbeit trat demgegenüber stark zurück. Besondere Pflege erfuhren die Marienverehrung und das Totengedächtnis, insbesondere durch die Feier des Allerseelenfes­ tes am 2. November, die 1030 allen Cluniazenserklöstern empfohlen wurde und sich auch darüber hinaus stark verbreitete. Die Praxis, Verstorbene namentlich in die Fürbitte aufzunehmen und Sterbende durch Gelübde in die Mönchsgemeinschaft zu integrieren (mit Grab auf dem Klosterfriedhof) trug erheblich zur Anziehungskraft bei. Dies machte die Klöster auch für Stifter besonders attraktiv. Mit der Einrichtung von Laienfriedhöfen, die wegen der Nähe zur heiligen Klostersphäre viele nutzten, trat man in Konkurrenz zu 9. Monastische Neuaufbrüche im 10. und 11. Jh.

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kein Orden

ecclesia Cluniacensis

Exemtion

Liturgie

Totengedächtnis

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Bußwesen

den Pfarrkirchen, denen bisher allein das Begräbnisrecht zugestanden hatte. Innerlich war die Klostergemeinschaft außerhalb der Liturgie durch Schweigen geprägt, das als inneres Gebet und Nachahmung der himmlischen Stille (Apk 8,1) galt (entsprechend entwickelte man eine gestische Zeichensprache, die von Cluny aus Verbreitung fand und in Hirsau modifiziert wurde). Die Demutsübung fand in einem aufblühenden Bußwesen Ausdruck, in speziellen Bußprozessionen sowie in der freiwilligen Geißelung. Eine hohe Regeldichte für alle Alltagsbelange, auch für die Körperdisziplinierung, sollte das heilige Leben und somit die Gebete besonders fördern.

9.2 Vielfältige Neuaufbrüche

Siegburg

Unter Clunys Einfluss entstanden im 11. Jh. verschiedene Neuaufbrüche mit regionaler Ausstrahlung. Trotz gewisser Differenzen entsprachen sie dem Ansatz von Cluny darin, dass sie sich strikt an der Benediktregel ausrichteten und die Freiheit der Klöster in religiöser und rechtlicher Hinsicht anstrebten, oft unter päpstlichem Schutz. In diesem Sinne wirkten in Burgund St. Bénigne/Dijon, in Piemont Fruttuaria, von dort beeinflusst Siegburg in der Erzdiözese Köln und St. Blasien im Südschwarzwald. Eine besondere Rolle spielte Hirsau im Nordschwarzwald, dessen Erneuerungsprogramm nach 1080 mehr als 120 Klöster in Deutschland übernahmen. Bischöfe und Kaiser unterstützten diese Bemühungen im Interesse der allgemeinen religiösen Erneuerung. Im Streit zwischen Papst und Kaiser um die Investitur im 11./12. Jh. spielten sie eine unterschiedliche, insgesamt nicht unwichtige Rolle. 9.2.1 Der Einfluss von Fruttuaria. Der lombardische Grafensohn Wilhelm von Volpiano, in Cluny geprägt, erneuerte die seit 990 verfallene Abtei SaintBénigne in Dijon und übertrug dieses Muster auf das 1001/1003 als Kloster seiner Familie gegründete Kloster Fruttuaria (bei Ivrea). Nach dessen Consuetudines (Gewohnheiten) richteten sich ca. 40 Klöster in Lothringen, Frankreich und Oberitalien, ohne einen Klosterverband zu bilden. Der mächtige Erzbischof Anno von Köln (s. § 9; 6.3.1) richtete mit Mönchen aus Fruttuaria seit 1068 sein Kloster Siegburg neu aus. An Siegburg orientierten sich bis ca. 1150 mehr als 50 Klöster u.a. im Rheinland, in Westfalen, Hessen und Thüringen, deren Spezifikum in der Bindung an die jeweiligen Diözesanbischöfe – unter Ausschaltung der weltlichen Grundherren – bestand. Fruttuarias Grundprinzipien übernahm nach 1070 auch eine Gruppe südwestdeutscher Klöster, voran St. Blasien (südöstlich von Freiburg), das im 12. Jh. zahlreiche Priorate und Frauenklöster gründete. 9.2.2 Die Hirsauer Erneuerung. Im Reich bekam die von Papst Leo IX. 1049 veranlasste Neugründung von Hirsau durch den Grafen von Calw 10591065 erhebliche Bedeutung. Dessen Abt Wilhelm (gest. 1091) formte das Kloster zunächst nach dem Vorbild von Gorze (s. § 6; 9.3.2), übernahm 490

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1079 aber die Cluniazenser Observanz. Er baute Hirsau prächtig aus, dessen Kirche einen spezifischen, durch seine Schlichtheit von Cluny unterschiedenen Baustil beeinflusste. Die Consuetudines Hirsaugienses (die Hirsauer Gebräuche), die wesentlich auf die Consuetudines Cluniacenses (die Gebräuche von Cluny) aufbauten, führten zur Neugründung von Klöstern und zur Erneuerung älterer Abteien in Süd- und Mitteldeutschland. Ein organisierter Klosterverband entstand damit aber nicht. Prinzip war die völlige Freiheit von weltlichen Herren (ohne Exemtion gegenüber dem Bischof, aber mit Unterstellung unter den Papst) und die exakte Beachtung der Benediktregel. Aus Vallombrosa (vgl. § 6; 9.4) übernahm man die Lebensform der conversi (derer, die sich zum Kloster halten): Menschen aus einfachen Bevölkerungsschichten, bisweilen auch aus dem Adel übernahmen die einfachen Arbeiten in Landwirtschaft und Handwerk. Auch sie lebten in Armut, Keuschheit und Gehorsam gegenüber dem Abt, unterlagen aber nicht dem Schweigegebot, der Gestaltung des Tagesablaufes durch das Gebet und allen Regeln der Benediktregel. Ihr äußeres Erkennungszeichen war der Bart (daher auch barbati/Bärtige genannt). Hirsau schloss sich der gregorianischen Neuausrichtung des Papsttums an und stand – wie viele der ihm folgenden Klöster – im Streit um die Investitur auf päpstlicher Seite.

Consuetudines Hirsaugienses

conversi

9.3 Die Aufbrüche in Brogne und Gorze Unabhängig von Cluny entwickelten in Lothringen zwei Benediktinerklös­ ter nach 930 eine neue Lebensordnung in strikter Orientierung an der Benediktregel. Neben Brogne (bei Namur), das besonders auf einige Klöster in Flandern einwirkte, war vor allem Gorze (bei Metz) wichtig, an deren Lebensweise sich insgesamt ca. 160 Abteien in Deutschland orientierten. Wegen der geistlichen Ausstrahlungskraft dieser Klöster förderten Bischöfe, Kaiser und Adlige diese Klöster, die weder die Unterstellung von Klöstern unter Grundherren noch die bischöfliche Gewalt bestritten. Die Einflüsse von Gorze und Cluny überschnitten sich, die verschiedenen Klöster waren teilweise durch Gebetsverbrüderungen miteinander verbunden. Daran lässt sich sehen, dass es sich nicht um zwei sich gegenseitig ausschließende Verbände handelt, sondern um ein vielgestaltiges Phänomen innerhalb des benediktinischen Mönchtums. Ab ca. 1100 ging der Einfluss von Gorze zurück und verschwand im 13./14. Jh. weitgehend. Seine Bedeutung lag in der Stabilisierung des Benediktinertums in einer Zeit beginnender monastischer Differenzierung (vgl. § 6; 10.).

Lothringen

Überschneidungen

9.3.1 Brogne. Als ihm selbst unterstehendes Kloster für Kanoniker errichtete der flämische Adlige Gérard de Brogne (Gerhard von Brogne) 913 Brogne und richtete es 928 nach den Idealen des Benedikt von Aniane aus. Der Auflösung des monastischen Lebens setzte er die strenge Befolgung der Regel entgegen, z.B. Verzicht auf Privatbesitz für Mönche und Äbte, Erneuerung der liturgischen Tagesgestaltung, freie Abtwahl durch 9. Monastische Neuaufbrüche im 10. und 11. Jh.

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den Konvent, Einschränkung der Abgaben an Grundherren und Bischöfe. Etwa 15 Abteien in Flandern schlossen sich dem an. Die Abteikirche wurde in der Französischen Revolution zerstört.

Einfluss in Deutschland

9.3.2 Gorze. Das ca. 750 von Chrodegang von Metz gegründete Kloster Gorze (s. § 6; 8.7) hatte sich im 9. Jh. weitgehend aufgelöst, 933 bauten einige Kleriker, die dem eremitischen Ideal anhingen, die verfallene Abtei neu auf, gefördert durch Bischof Adalbert von Metz. Sie wollten wie Gérard de Brogne konsequent nach der Benediktregel im Sinne Benedikts von Aniane leben. Da ihr religiöses Leben mit ständigem Gebet, Fürbitte für die Weltchristen und exemplarischer Christusnachfolge eine kompensatorische Funktion für Kirche und Gesellschaft erfüllte, förderten der lothringische Adel und Episkopat – zumal in ihren Klöstern – die Erneuerung, so dann auch Kaiser Otto I., Otto III. und Heinrich II. in den deutschen Königsklöstern. Die Gorzer Bewegung kannte keine zentrale Steuerung und bildete auch keinen Klosterverband, ihr Einfluss war jedoch immens, weil bedeutende Abteien in Deutschland sich an Gorze orientierten, so Prüm, Reichenau und die einflussreiche Reichsabtei St. Maximin in Trier, auch die Bischofsklöster St. Moritz in Magdeburg und St. Emmeram in Regensburg. Von hier aus strahlte die Bewegung u.a. auf Köln, Mainz, Halberstadt, Echternach, Lorsch, Fulda, Hersfeld, Tegernsee u.a. aus. Seit ca. 1020 erfasste eine zweite Erneuerungswelle weitere Klöster in Deutschland, insgesamt wohl ca. 160, wobei sie sich mit Einflüssen anderer Zentren überschnitt.

9.4 Neuaufbruch des Eremitentums

Nilus von Rossano Grottaferrata

Petrus Damiani

Vallombrosa conversi

Die Belebung monastischer Frömmigkeit im 10. und 11. Jh. führte zu einer Verstärkung auch des Ideals des anachoretischen Lebens als höchster Form der Askese. Daraus ergab sich eine eigentümliche Neubelebung eremitischer Lebensweise, oft in Kombination mit könobitischen Lebensformen. Charakteristisches Merkmal war die Eremitenhütte, in der der einzelne Eremit lebte. Oftmals waren Eremitenhütten zu Kolonien zusammengefasst, die teilweise Strukturen des Klosterlebens übernahmen (mit gemeinsamen Gottesdiensten usw.) oder einem könobitischen Kloster zugeordnet waren. Dadurch wurde die eremitische Lebensweise in das westliche Mönchtum neu eingebracht, das Ideal der Wüstenväter gelangte wieder stärker ins Bewusstsein. Ein Vorläufer dieser Bewegung war um 950-1000 in Süditalien der Eremit Nilus von Rossano (910-1004). Das von ihm um 1000 gegründete Kloster bei Grottaferrata orientierte sich vor allem an Basilius von Cäsarea und war (besonders von der Liturgie her) am byzantinischen Mönchtum orientiert. In Mittel- und Norditalien wirkten der berühmte Asket Romuald (950-1027), der verschiedene Eremitenkolonien gründete (darunter Camaldoli bei Arrezzo, nach der sich die Kamaldulenserkongregation nannte), und Petrus Damiani (1007-1072; 1057 Kardinal; vgl. § 8; 7.1), eine der einflussreichsten Gestalten jener Zeit, der die theologische und organisatorische Basis der Eremitenbewegung schuf. Das von ihm als Prior geleitete Eremitenkloster Fonte Avellana wurde seit 1043 zu einem Zentrum einer eigenen Kongregation, die weit ausstrahlte. Sie zeichnete sich durch die Verbindung der einzeln lebenden Eremiten mit einer Kirche bzw. einem Kloster, das intensive Gebetsleben und die strengen Bußübungen (u.a. Selbstgeißelungen) aus. Seit 1036 initiierte Johannes Gualbertus (990-1073) in Vallombrosa ein Klosterleben in konsequenter Armut und in Einzelhütten, die zu einem Konvent zusammengefasst wurden. Von Kaiser Heinrich III. und Papst Leo III. gefördert wurde Vallombrosa das Zentrum eines ganzen Verbandes ähnlich strukturierter Konvente. Dem Kampf gegen Simonie und Klerikerprivilegien entsprach die Einführung der sog. conversi (Konversen, Laienbrüder), die kein Mönchs492

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gelübde ablegten, aber in Armut und Askese ein evangelisches Leben führten. Das fand Nachahmung bei späteren monastischen Bewegungen, insbesondere in Hirsau (s. § 6; 9.2.2). Neben den sesshaften, oft zu Konventen oder mit Klöstern verbundenen Eremitenkongregationen gab es auch Wanderprediger, die ihre Heimatlosigkeit als Bußübung verstanden und durch ihre Bußpredigten einflussreichen waren (so u.a. Robert von Arbissel seit 1095, durch den die strenge Kongregation von Fontevrault entstand, und Peter von Amiens; vgl. § 9; 8.2.2). Diese Prediger waren für die Ausbreitung der Armutsbewegung wie für die Popularisierung der Kreuzzugsbewegung wichtig. 9.5 Literatur Lektüretipp: J. Wollasch: Cluny – »Licht der Welt«. Aufstieg und Niedergang der klösterlichen Gemeinschaft, 1996 [besonders 19-60]. Literatur: R. Kottje/H. Maurer: Monastische Reformen im 9. und 10. Jahrhundert, 1989. – D. Poeck: Cluniacensis Ecclesia, 1988. – G. Melville: Die Welt der mittelalterlichen Klös­ ter. Geschichte und Lebensformen, 2012, 53-83. – K. Hallinger: Gorze-Kluny, 1950-1951. – M. Parisse/O.G. Oexle (Hg.): L’abbaye de Gorze au Xe siècle, 1993. – G. Constable: The Abbey of Cluny, 2010. – D. Iogna-Prat: Études clunisiennes, 2002. – H. Jakobs: Die Hirsauer, 1961. – A. Kohnle: Abt Hugo von Cluny (1049-1109), 1993. – G. Gassmann: Konversen im Mittelalter, 2013. – S. Patzold: Die monastischen Reformen in Süddeutschland am Beispiel Hirsaus, Schaffhausens und St. Blasiens, in: C. Stiegemann/M. Wemhoff (Hg.): Canossa 1077, Bd. 1, 2006, 199-208. – R. Kottje/H. Maurer (Hg.): Monastische Reformen im 9. und 10. Jahrhundert, 1989.

 § 7; 9.-11.

10. Distanz zur Welt: Die Formation von Orden im 11./12. Jh. Die monastische Aufbruchsstimmung des 10./11. Jh.s setzte sich im 12. Jh. in Bemühungen fort, neue ideale Formen der Askese zu leben, die insbesondere durch die Distanz zur Welt, den Rückzug in die Einsamkeit und die bewusste Einfachheit des monastischen Lebens geprägt waren. Die Kritik an der Lebensart der etablierten Großklöster mit deren Einbindung in das Lehnswesen war dafür ein wichtiges Motiv. Drei Bewegungen gewannen historische Bedeutung, die sich erstmals in Orden organisierten: Kartäuser, Zisterzienser und Prämonstratenser. Sie boten eine Neuprägung der klassischen Typen Eremiten (Kartäuser), Könobiten (Zisterzienser) und Kanoniker (Prämonstratenser). Der heutige Begriff »Orden«, mit dem die Zusammenfassung vieler Klöster in einer Organisation bezeichnet wird, unterscheidet sich vom mittelalterlichen Sinn von ordo (Stand, Lebensweise), der für alle monastischen Lebensformen benutzt werden konnte. Merkmale eines Ordens sind: zentrale Leitung, Gliederung in Teilkörperschaften bzw. Regionalgliederung in Provinzen o.ä., einheitliche Geltung einer bestimmten Regel (z.T. einer neuen) bzw. rechtsförmige Anwendung der Regel, spezifische Tracht, weitgehende Exemtion von bischöflicher Aufsicht. In diesem Sinne waren erst die Neubildungen des 12. Jh.s Orden.

10. Distanz zur Welt: Die Formation von Orden im 11./12. Jh.

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Kennzeichen eines Orden

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10.1 Die Kartäuser als Orden von Eremitenklöstern La Chartreuse

La Chartreuse pauperes Christi

Zellen

Kritik an Cluny

Aus der 1084 vom ehemaligen Weltkleriker Bruno von Köln gegründeten Eremitensiedlung erwuchs nach dem Tod des Gründers La Chartreuse (die »Große Kartause«), das Mutterkloster zahlreicher Kartausen, einer Kombination von Zellen und Gemeinschaftsräumen, in denen kleine Gruppen lebten. Als Orden gewannen die Kartäuser durch die Fixierung einer spezifischen Regel 1127 Gestalt. Typisch waren die Abkehr vom traditionellen Klosterwesen, die individualistische Askese mit Konzentration auf die Kontemplation und die Handarbeit der Konversen. 10.1.1 Bruno von Köln. Bruno (ca. 1030-1101), ein aus Köln stammender Lehrer an der Domschule und Kanzler des Erzbistums Reims, zog sich ca. 1081/1083 nach kirchlichen Konflikten nach Molesme in die Einsamkeit der Berge (als Pendant zur Wüste) zurück, um sich auf ein kontemplatives Leben zu konzentrieren. Der Rückzug eines so wichtigen Klerikers erregte großes Aufsehen. Auf einem von Bischof Hugo von Grenoble geschenkten Gelände erbaute er 1084 mit sechs Freunden die Einsiedelei Cartusia (La Chartreuse), eine Kolonie von Hütten/Zellen. Programmatisch bezeichneten sich die Einsiedler als pauperes Christi (die Armen Christi). Bruno von Köln verließ bereits 1090 die Kartause, da er von seinem ehemaligen Schüler, Papst Urban II., nach Rom geholte wurde, von wo aus er sich alsbald in eine Eremitenkolonie nach Kalabrien zurückzog. Etwas entfernt von der Ursprungskartause entstand nach 1132 eine größere Anlage, die dann (im Unterschied zur Gründungskartause) als La Grande Chartreuse (Große Kartause) bezeichnet wurde. Nach diesem Vorbild bildeten sich auch andernorts Eremitenkolonien. 10.1.2 Die Ordensregel. Wohl aus den monastischen Prinzipien Brunos von Köln erwuchsen die Regeln, die Consuetudines Cartusiae, die auf den späteren Prior von La Chartreuse, Guigo zurückgehen (zwischen 1121 und 1127 schriftlich fixiert, 1143 approbiert, 1170 und 1271 ergänzt als Antiqua Statuta/Alte Festsetzungen; Text: SC 313). Diese Lebensordnung war für alle weitere Klausen verbindlich. Im 12. Jh. gehörten zu dem so sich formierenden Orden 36 Kartausen vor allem in Frankreich. Der Orden wuchs bis zum 14./15. Jh. auf ca. 150 Kartausen europaweit an. Seit ca. 1150 wurden auch vereinzelt Frauenklöster akzeptiert (nicht mehr als 12 im 13. Jh., danach weniger). Kennzeichnend waren die Kontemplation des Einzelnen und das Schweigegebot. Die Gemeinschaft der in einzelnen Zellen (nicht in dormitoria/Schlafsälen wie in der Benediktregel vorgesehen) lebenden Mönche kam zu einfachen kurzen Stundengebeten zusammen (nur drei von den acht Stundengebeten wurden gemeinsam gefeiert, keine Messe, keine ausgeschmückte Liturgie wie in Cluny). Die Gemeinschaften sollten klein bleiben (max. 12 Mönche und 16 Konversen, denen die Arbeit in den Wirtschaftsräumen und Werkstätten übertragen wurde) und unterstanden direkt dem Prior von Chartreuse und dem Generalkapitel. Die Kritik an der Grundherrschaft und dem die Liturgie betonenden Mönchtum von Cluny äußerte sich in der Bezeichnung des Klostervorstehers als Prior (nicht als Abt) und der bewusst einfachen, ungefärbten (d.h. grauen) Ordenstracht.

10.2 Die Zisterzienser als eremitische Könobiten Benediktiner gründeten 1098 in der burgundischen Wildnis das Kloster Cis­ tercium/Cîteaux. Dessen Lebensordnung fixierte seit 1118/1119 der Englän494

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der Stephan Harding, der eigentliche Gründer des Ordens, als Ergänzung zur Benediktregel. Diese Neuausrichtung des könobitischen Mönchtums entwickelte große Attraktivität. Schon um 1150 gab es fast 350, um 1300 sogar über 700 Zisterzienserabteien. Besonderen Einfluss entwickelte Bernhard von Clairvaux, der seit 1115 die Tochtergründung Claravallis/Clairvaux leitete und zum geistlichen Vater der Zisterzienser wurde. Die Zisterzienser verfolgten konsequent das Filiationsprinzip unter Leitung eines Generalkapitels, verbunden mit gegenseitiger Visitation. Im Gegensatz zu Cluny wurde die Einfachheit das zentrale Gestaltungsprinzip: Reduktion der Liturgie, schmuckloser Kirchenbau (u.a. Verbot prächtiger Kirchentürme, stattdessen nur Dachreiter), vegetarisches Essen und Schweigen. Das Bemühen, in der Einsamkeit zu siedeln, und der Einsatz von Konversen für die Arbeit ermöglichten im Osten des Reiches einen wichtigen Beitrag zum Kolonisierungswerk durch Kultivierung von Ödland. Die religiöse Frauenbewegung führte dem Zisterzienserorden im 12./13. Jh. einen bemerkenswert großen weiblichen Zweig zu (s. § 6; 12.1). 10.2.1 Gründung der Zisterzienser. Eine Gruppe von Mönchen des Klos­ ters Molesme (bei Langres) unter dessen Abt Robert und Prior Alberich gründete 1098 ein neues Kloster (coenobium novum) in Cistercium/Cîteaux. Vorausgegangen waren interne Konflikte um eine Erneuerung in Molesme selbst. Robert von Molesme kehrte daher schon wenig später nach Molesme zurück. Die in Cîteaux verbliebenen Mönche achteten auf eine strikte Einhaltung der Benediktregel und betonten die Armut und Einfachheit (Reduktion der Liturgie, einfache Kleidung mit ungefärbter, d.h. grauer bzw. weißer Kutte). Der organisatorische Ausbau gelang Stephan Harding (10591134), der seit 1108 als Abt von Cîteaux wirkte. 1113-1115 wurden vier Tochterklöster in der näheren Umgebung von Cîteaux gegründet: La Ferté, Pontigny, Clairvaux und Morimond (welches besonders nach Deutschland ausstrahlte). Diese sog. Primärabteien errichteten neue Klöster/Zisterzen als Ausgangsorte für weitere Neugründungen (Clairvaux bis 1153 allein 68), wobei alle weiteren Tochtergründungen der Tochtergründungen an das jeweilige Mutterkloster gebunden blieben (an Clairvaux bis 1153: 166). Das Filiationssystem ermöglicht eine besonders strenge Kontrolle der einheitlichen Lebensführung, denn mit ihm verbunden war die jährliche Visitation durch den Abt des jeweiligen Mutterklosters. Die Unterstellung unter den Papst ebnete den Weg zur Exemtion von der bischöflichen Aufsicht. An ihre Stelle trat das jährlich tagende Generalkapitel aller Äbte, das die Vorschriften auslegte bzw. fortschrieb, wobei Cîteaux als Normkloster fungierte.

Stephan Harding

Gegensatz zu Cluny

Kolonisierung

Robert von Molesme

4 Tochterklöster

Filiationssystem

Generalkapitel

10.2.2 Die Charta Caritatis. Die spezifische Lebensordnung hielt Stephan Harding um 1118/1119 in einem Text fest, der als Charta Caritatis (scil. prior) ([scil. erste] Urkunde der Liebe) bezeichnet wurde (1124 als Summa Chartae Caritatis/Zusammenfassung der Urkunde der Liebe, 1165 als Char10. Distanz zur Welt: Die Formation von Orden im 11./12. Jh.

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Klausur

Bernhard von Clairvaux

Mystik

Buße Kontemplation

Apokalyptik

ta Caritatis posterior/zweite Urkunde der Liebe fortgeschrieben). Danach sollten die Klöster an einsamen Orten und mit schmucklosen Kirchen entstehen, keine Grundherrschaft ausüben, selbst für ihren Unterhalt sorgen (durch Arbeit), das Fasten- und Schweigegebot einhalten, das gemeinsame Stundengebet (mit einfacher Liturgie) und die Lesung in den Mittelpunkt stellen. Die Abgrenzung der Mönche ging so weit, dass sie auch von den Konversen scharf getrennt wurden. Diese lebten in einem separaten Teil des Klosters (oft auch mit eigenem Teil der Kirche und eigenem Eingang) und arbeiteten auf den Feldern sowie in den Werkstätten, zumeist auf den entfernt liegenden Höfen, den Gangrien. 10.2.3 Die Zisterzienser-Spiritualität. Überragende Bedeutung für das Mönchtum insgesamt erlangte der Zisterzienser Bernhard von Clairvaux (1090-1153), der 1113 (oder schon 1112) mit 30 Verwandten und Freunden in Cîteaux eintrat und 1115 Gründungsabt von Clairvaux wurde. Als radikaler Vorkämpfer strenger Observanz wandte er sich gegen die Pracht des cluniazensischen Benediktinertums (v.a. im Streit mit Petrus Venerabilis). Er hat die Spiritualität der Zisterzienser nachhaltig geprägt, indem er seine Theologie auf die religiöse Erfahrung der Mönche gründete und sie theologisch vertiefte, so insbesondere durch seine Hoheliedauslegung und mystische Gedanken (vgl. § 10; 5.2). Damit einher ging die Betonung des Mönchsideals als Buße und Demut, wodurch sich der Mönch von allen weltlichen Bindungen lösen sollte. Die durch das Gelübde als zweiter Taufe begründete Askese und das durch Kontemplation erreichte Fortschreiten zur Vollkommenheit gehören für ihn eng zusammen und sollen eine Verweltlichung des Klosterlebens verhindern. Zeitgleich zu Bernhard wirkten außerdem Wilhelm von St. Thierry (1075-1145) und Guerricus von Igny (ca. 1070/80-1157), die ebenfalls Kontemplation und Mystik betonten, zudem der Engländer Aelred von Rievaulx (1110-1167), der die Jesusliebe hervorhob, und der Exeget Gottfried von Auxerre (gest. nach 1188), etwas später der Prediger Caesarius von Heisterbach (ca. 1180-ca. 1240). Berühmt als Historiker und Geschichtsphilosoph wurde Bischof Otto von Freising (ca. 1111/1112-1158), der für kurze Zeit Abt in Morimond war. 10.2.4 Joachim von Fiore. Aus dem Zisterzienserorden ging Joachim von Fiore hervor (ca. 1135-1202), der zunächst Zisterzienser war, dann aber ab ca. 1177 in Kalabrien sich um die Erneuerung eines Benediktinerklosters kümmerte und schließlich nach 1188 in Fiore ein eigenes Kloster gründete. Daraus entwickelte sich ein eigener Orden, die Fiorenser. Seine trinitarische Geschichtstheologie beruhte auf einer Auslegung der Johannesapokalypse und wurde später in apokalyptischen Zusammenhängen vielfach rezipiert und radikalisiert. Die Personen der Trinität wirken jeweils mit heilsgeschichtlich versetztem Schwerpunkt und kristallisieren sich im Vorherrschen eines bestimmten Lebensmodells: Im Reich des Vaters herrscht das Lebensmodell 496

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der Ehe vor, im Reich des Sohnes dann das des Klerikers, schließlich im (dritten) Reich das des Asketen. Das dritte Reich hat mit Elia und Benedikt von Nursia bereits begonnen, steht aber in seiner vollen Dimension noch aus, in ihm bildet sich die bis zum Ende bestehende Mönchskirche (im Gegensatz zur Petrus-Kirche, die mit der Welt verflochten ist). Daran knüpften sich Überlegungen zu einer Christusherrschaft vor dem Eintritt des Eschatons, die später chiliastisch ausgedeutet werden konnten.

Mönchskirche

10.3 Regularkanoniker und Prämonstratenser Im Zusammenhang mit der gregorianischen Neuformierung des Papsttums (s. § 8; 7.2-7.3) kam es im 11./12. Jh. vielfach zu Erneuerungen in Chorherrenstiften, die anhand der Regel Augustins ein Gemeinschaftsleben mit der Seelsorgetätigkeit verbanden. Diese sog. Regularkanoniker (auch Augus­ tinerchorherren genannt) verbreiteten sich in verschiedenen Zweigen, die sich teilweise auch außerhalb von Städten ansiedelten. Ab dem 12. Jh. wurde neben dem Praeceptum besonders der Ordo monasterii (vgl. § 6; 7.1) heranzogen, was sich als ordo novus (neue Lebensordnung) von dem ordo vetus (der alten Lebensordnung) abhob. Deren bedeutsamste Repräsentanten wurden die Prämonstratenser, ursprünglich eine eremitisch ausgerichtete Armutsund Predigerbewegung im Anschluss an Norbert von Xanten und seine Klos­ tergründung in Prémontré. 10.3.1 Regularkanoniker. Im Unterschied zu den sog. Säkularkanonikern, d.h. Klerikern, die in Dom- und Kollegiatstiften nicht in monastischer Abgrenzung von der Welt lebten und u.a. Privatbesitz haben durften, bezeichnet man die Priester, die seit dem 11. Jh. ein nach der Augustinregel geordnetes Klosterleben führten, als regulierte Kanoniker bzw. als Augustinerchorherren. Sie bildeten keinen Orden, schlossen sich aber oft in Kongregationen selbständiger Abteien zusammen. Der Einfluss eremitischer Ideale führte dazu, dass nicht nur an Bischofskirchen Kleriker als Kanoniker quasimonastisch zusammenlebten, sondern dass sich auch an abgelegenen Stellen gegründete Klöster die Augustinregel wählten. Dadurch entstanden Konvente, die die Augustinregel benutzten, sich aber sonst nur schwer von den (benediktinischen) Klöstern unterscheiden lassen. Die Verbindung des Klosterlebens mit der Seelsorge ließ die Förderung der Regularkanoniker den Bischöfen attraktiv erscheinen. Diese verschiedenen Formen von Kanonikern wurde neben dem in sich zunehmend differenzierten benediktinisch geprägtem Mönchtum zu einer zweiten großen Säule des westeuropäischen Mönchtums und fand in unterschiedlichen Ausprägungen in ganz Europa weite Verbreitung (mit bis zu 4500 Konventen). Besondere Bedeutung erlangten: St. Rufus bei Avignon (1039 gegründet, hieran orientierten sich über 100 Stifte), Rottenbuch im Ammergau (1084 vom Bayernherzog Welf gestiftet) und der von dort aus gegründete Konvent in Klosterrath in der 10. Distanz zur Welt: Die Formation von Orden im 11./12. Jh.

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Augustiner­ chorherren

Klöster mit Augustinregel

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St. Viktor bei Paris

Norbert von Xanten

Prémontré

Hugo von Fosses

Generalkapitel

Kolonisierung

Frauenklöster

Diözese Lüttich (Consuetudines Rodenses, zweisprachig in FC 11), das für die Theologiegeschichte wichtige, 1113 gegründete Stift St. Viktor bei Paris (vgl. § 10; 6.), die seit ca. 1050 auf ein Hospiz für Alpenreisende spezialisierte Bruderschaft vom Großen St. Bernhard, die seit 1191 als Augustinerstift gilt. Als Theoretiker des Regularkanonikertums wie als Kirchenkritiker trat Gerhoch von Reichersberg (ca. 1093-1169) hervor. Dem Verfall eines an der Regel orientierten Lebens ab dem 12. Jh. begegneten im 14./15. Jh. verschiedene Bemühungen um eine Neuausrichtung, die sich als Kongregationen auch eine institutionelle Gestalt gaben. 10.3.2 Gründung des Prämonstratenserordens. Der Prämonstratenserorden entstand aus einer Gruppe von Eremiten, deren spiritus rector der einflussreiche niederländische Adlige Norbert von Xanten (ca. 1080/1085-1134) war. Als Kanoniker in Xanten beschloss er 1115, ein Leben als Wanderprediger in Buße und Armut zu führen (seit 1118 mit päpstlicher Erlaubnis). Angesichts der Probleme dieser unsteten Lebensweise wurde er mit seiner Gefolgschaft von ca. 40 Klerikern zur Gründung eines Klosters gedrängt, was dann 1120 in Prémontré (d.h. dem von Gott gezeigten Ort; bei Soissons) gelang. 1121 wurde die Augustinregel als Ordnung festgelegt. Die Gründung von Tochterklöstern in Laon, Antwerpen, Cappenberg (Westfalen), Ilbenstadt (Oberhessen) u.a. führte zu einem raschen Aufblühen des neuen Ordens, den Papst Honorius II. 1126 anerkannte. Noch im selben Jahr wurde Norbert von Xanten Erzbischof von Magdeburg (wo er wiederum ein Klerikerklos­ ter nach prämonstratensischem Vorbild einrichtete). Sein Nachfolger Hugo von Fosses (ca. 1093-1161) wurde seit 1128 zum eigentlichen Gründer des Ordens, indem er die Ausbreitung förderte (mit ca. 120 Klöstern um 1160). In Anlehnung an die Zisterzienser griff er auch auf das Filiationsprinzip zurück, doch blieben die Klöster weitgehend selbständig. 10.3.3 Die Struktur und Tätigkeit des Ordens. Die Augustinregel wurde seit 1130 durch die Consuetudines Praemonstratenses (Gebräuche von Prémontré) ergänzt. Spezifisches Kennzeichen war die Verbindung von asketischer Selbstheiligung durch Fasten, Schweigen, Chorgebet und Seelsorgetätigkeit (später mit dem päpstlichen Privileg, Pfarreien zu übernehmen). Einmal im Jahr trafen sich die Äbte zum Generalkapitel aller Äbte/Pröpste in Prémontré, der Orden war seit dem 13. Jh. in Circarien (Ordensprovinzen) gegliedert und von den Ortsbischöfen weitgehend unabhängig. Die positive Bedeutung der Handarbeit führte wie bei den Zisterziensern dazu, dass die Prämonstratenser bei der Urbarmachung und Besiedlung im Osten eingesetzt wurden und hier sehr erfolgreich waren (so durch die Tochtergründungen des Magdeburger Stifts in Leitzkau, Jerichow u.a., durch die Domstifte in Brandenburg, Havelberg, wo Bischof Anselm, ein Schüler Norberts von Xanten, wirkte, Ratzeburg und Riga). Hauptverbreitungsgebiet waren das heutige Deutschland, Ostfrankreich, England, Spanien und Ungarn mit über 1000 Klös­ tern um 1230 und bis zu 3000 im 14./15. Jh. Schon zu Norberts Zeiten schlossen sich Frauen als Konversen an, z.B. Ricuera von Clastre 1121, die als Gründerin des weiblichen Zweigs gilt. Einige der frühen Stifte waren Doppelklöster, doch seit 1137 drang der Orden auf Trennung, so dass unabhängige Chorherrenstifte der Prämonstratenserinnen entstan498

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den (im 14. Jh. waren es ca. 400, zumal in Deutschland verbreitet). Sie unterstanden dem Abt eines benachbarten Prämonstratenserklosters bzw. einem Propst/Prior, der auch die priesterlichen Dienste verrichtete, und einer eigenen Magistra bzw. Priorin. Da sie viel Landbesitz hatten, dienten sie v.a. dem Adel zur Versorgung der unverheirateten Töchter. 10.4 Literatur Lektüretipp: J. Oberste: Die Zisterzienser, 2014 [besonders 19-83]. Quellen: H. Brem/A.M. Altermatt (Hg.): Einmütig in der Liebe. Die frühesten Quellentexte von Cîteaux, 1998 [zweisprachig]. Literatur: J. Hogg: Kartäuserregel und Kartäuserleben, 4 Bde., 1984-1987. – K. Elm u.a. (Hg.): Die Zisterzienser, 1980. – M.R. Dihsmaier: Carta Caritatis. Verfassung der Zisterzienser, 2010. – M. Birkedal Bruun: The Cistercian Order, 2013. – S. Vanderputten: Reform, Conflict, and the Shaping of Corporate Identities, 2013. – G. Melville: Die Welt der mittelalterlichen Klöster. Geschichte und Lebensformen, 2012, 123-148. – Ders.: Die Zisterzienser und der Umbruch des Mönchtums im 11. und 12. Jahrhundert, in: F.J. Felten/W. Rösener (Hg.): Norm und Realität. Kontinuität und Wandel der Zisterzienser im Mittelalter, 2009, 23-43. – D.R. Bauer/G. Fuchs (Hg.): Bernhard von Clairvaux und der Beginn der Moderne, 1996. – P. Dinzelbacher: Bernhard von Clairvaux, 1998 [weitere Literatur zu Bernhard s. § 10; 5.3]. – B. McGinn: The Calabrian Abbot. Joachim of Fiore in the History of Western Thought, 1985. – W.M. Grauwen: Norbert, Erzbischof von Magdeburg (1126 - 1134), 1986. – K.H. Halder: Norbert von Xanten, 2010. – N. Backmund: Geschichte des Prämonstratenserordens, 1986. – I. Crusius/H. Flachenecker (Hg.): Studien zum Prämonstratenserorden, 2003. – J. Châtillon: Le mouvement canonial au moyen age. Réforme de l’église, spiritualité et culture, 1992. – J. Laudage: Norm und Geschichte. Mittelalterliche Kanoniker und ihre Lebensregeln, in: Ders. (Hg.): Frömmigkeitsformen in Mittelalter und Renaissance, 2004, 48-95.

 § 9; 8.-9.

11. Armutsbewegung und Kirchenkritik im 12./13. Jh. Unter der Armutsbewegung versteht man die in sich höchst differenzierte Fülle von Strömungen und Ansätzen, die in Kritik an den gesellschaftlichen und sozialen Zuständen sich an dem Leitbild des pauper Christus (des armen Christus) und der vita evangelica (dem evangeliumsgemäßen Leben) orientierte. Realer Hintergrund ihrer Breitenwirkung war die Zunahme der Armut infolge von neuen Wirtschaftsstrukturen, Bevölkerungswachstum und Hungersnöten (bedingt durch Klimakatastrophen und Missernten, die sich im 12. Jh. häuften). Große Bedeutung bekam die Wander- und Laienpredigt, die sich gegen die traditionelle Struktur der pastoralen Betreuung richtete. Träger der Armutsbewegung waren keineswegs nur Mitglieder der Unterschichten, vielmehr plädierten nicht wenige Angehörige der höheren Schichten als Aussteiger für Verzicht auf Wohlstand und die evangeliumsgemäße Armut. Da die kirchlichen Institutionen vielfach mit dem Lehnssystem verbunden waren, hatte die Armutsbewegung ein eminent explosives Potential und wurde als Bedrohung wahrgenommen. Die Kirche reagierte darauf mit dem Versuch, die entsprechenden Regungen entweder zu integrieren (z.B. als Bettelorden: 11. Armutsbewegung und Kirchenkritik im 12./13. Jh.

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vita evangelica

Laienpredigt

Integration – Ausgrenzung

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0

50 100 150 km

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Kartäuser Zisterzienser Prämonstratenser Augustiner-Chorherren

Atlantischer Ozean

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Ostsee

Brandenburg Leitzkau Magdeburg

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Ratzeburg

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Halberstadt Altenberg Heisterbach

Morimont Citeaux

Clairvaux

Laon

Stade

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Cappenberg Klosterrath

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St. Viktor/Paris

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Antwerpen

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Abb. 15 Wichtige Klöster im 12. Jahrhundert Nordsee

Loire Rhô

No_Lehrbuch_5AK_07.07.mitKarten.indd 500 ein Rhein

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Donau

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Franziskaner und Dominikaner) oder sie auszuschließen (z.B. die Katharer). Mit der Verfolgung der Katharer bekam die Ausgrenzung der Ketzerei eine neue Qualität in der mittelalterlichen Kirchengeschichte.

11.1 Sozialkritik und asketische Neuaufbrüche Die asketischen Neuaufbrüche des 11./12. Jh.s (vgl. § 6; 9.4; 10.1-10.3) standen im Zusammenhang mit sozialen, ökonomischen und politischen Umbrüchen, die sich zunächst besonders stark in Norditalien, Südfrankreich und Flandern als den wirtschaftlich am weitesten entwickelten Regionen bemerkbar machten. Sie schufen in Teilen der Bevölkerung eine neue Mentalität, die für Strukturveränderungen offen war. Dabei spielte die Verarmung breiter Schichten eine wesentliche Rolle, die einerseits in der Sinndeutung durch charismatische Prediger religiös qualifiziert wurde, andererseits zu verstärkten karitativen Bemühungen führte. 11.1.1 Die Pataria und Arnold von Brescia. Ab 1057 bildete sich in Mailand die Pataria, deren Anführer Erlembald und dessen Bruder Landulf als Laien das Recht beanspruchten zu predigen. Dem widersprach der Bischof Guido, der jedoch zunehmend selbst in die Defensive geriet. Auch als Erlem­bald 1075 bei Straßenschlachten umkam, beruhigte sich die Lage nicht. Im Konflikt zwischen Papst und Kaiser am Ende des 11. Jh.s erhielt die Pataria als Gegnerin der vom König bzw. Kaiser unterstützten Bischöfe besondere Bedeutung (vgl. § 9; 6.3.2). Ihr Gedankengut breitete sich auch in anderen Städten wie Brescia, Cremona und Piacenza aus. Unterstützung fand die Bewegung der Pataria im 12. Jh. bei Arnold von Brescia, der besonders die Sozialkritik fortführte, dafür aber auf dem 2. Laterankonzil 1139 verurteilt wurde. Er ging nach Paris und verteidigte u.a. Abaelard auf der Synode von Sens 1140/1141 (vgl. § 10; 4.1.4). Nach der Kritik an Bernhard von Clairvaux und der Flucht nach Zürich ging er 1145 nach Rom, wo er erneut die Verweltlichung der Kirche kritisierte, 1148 exkommuniziert und 1155 hingerichtet wurde. Seine Anhänger werden 1184 als Arnoldisten auf der Synode von Verona verurteilt, verschmolzen aber weitgehend mit Katharern oder Waldensern. Neben den Arnoldisten beunruhigten in der 2. Hälfte des 12. Jh.s die Passagier (von passagini, die genaue Bedeutung ist unklar, entweder von passagium/Überfahrt [scil. ins Gelobte Land] oder von πᾶς ἅγιος/pas hagios/ganz heilig), die ihre Sozialkritik mit dem Alten Testament begründeten und dementsprechend Speisegebote und die Beschneidung einführten. Ihre Christologie ist nicht genau erkennbar, sie scheint adoptianistisch gewesen zu sein oder Christus gar nicht mehr als Sohn Gottes gedeutet zu haben. Sie wurden ebenfalls auf der Synode von Verona verurteilt.

Norditalien Südfrankreich Flandern

Erlembald

Arnoldisten Passagier

11.1.2 Die Humiliaten. Seit 1170 bildeten sich in den lombardischen Städten, v.a. in Mailand, angesichts der ökonomischen Probleme Laiengenos11. Armutsbewegung und Kirchenkritik im 12./13. Jh.

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Eides­ verweigerung

Integration als Orden

senschaften von Männern und Frauen aus den sozialen Mittel- und Unterschichten, die Humiliaten (Selbstbezeichnung: humiliati per Deum/um Gottes willen Gedemütigte). Sie lebten sesshaft in asketischer Gemeinschaft nach Prinzipien der Bergpredigt: mit öffentlicher Predigt des Armutsideals, Arbeit und Diakonie, Kirchenkritik und Eidesverweigerung. Sie praktizierten eine »kommunistische« Lebensform mit gemeinsamer Eigentumsnutzung in der Produktion (v.a. der Tuchweberei). Nach und nach nahmen sie auch Kleriker auf, zugleich hielten sich auch verheiratete Laien zu ihnen, so dass die Gemeinschaften nicht in die traditionelle Ordnung passten. Daher stießen sie auf Skepsis und wurden schließlich 1184 auf der Synode in Verona verurteilt. Ab 1201 versuchte Innozenz III., die Humiliaten zu integrieren. Sie wurden als Orden anerkannt, der in drei Klassen gegliedert ist: 1. praelati/virgines (Prälaten und Jungfrauen, d.h. Priester, Kanoniker und Nonnen), 2. continentes (ehelos und enthaltsam lebende Laien, Männer wie Frauen), 3. coniugati (die Verheirateten), denen ein propositum (Vorlage/ Vorsatz) auferlegt wird, durch das sie den Büßern gleichgestellt werden. Der so formierte Orden breitete sich v.a. in den Städten Norditaliens aus und bildete hier ein wichtiges Element städtischer religiöser Lebenspraxis.

11.2 Dualistische Begründung der Kirchenkritik bei den Katharern

Dualismus

Die Katharer, eine seit 1140 sich rasch ausbreitende Bewegung (vgl. dazu § 8; 10.2), entwickelten eine schroffe Kirchenkritik, die jedoch anders gelagert war als die der Armutsbewegung. Ihre Kirchenkritik war in einer umfassenden Ablehnung der Welt begründet, die ihr theologisches Fundament in einem dualistischen Gesamtkonzept hatte. Die entsprechende Forderung nach der Abkehr von der Welt betraf auch die Kirche und führte zu einer spezifischen Nahrungs- und Sexualaskese. Die Verwerfung der Katharer wurde für die Armutsbewegung wie für die Waldenser wichtig, weil diese z.T. analog behandelt, d.h. verfolgt wurden. Dies sollte sich insbesondere am Albigenserkreuzzug zeigen.

11.3 Das evangelische Ideal der Waldenser: Predigt für die Armen pauperes Christi

Wanderpredigt

Im Unterschied zu den Katharern wollte die Laienbewegung der pauperes Christi (Armen Christi) zunächst als Impuls innerhalb der Kirche wirken. Ihr Initiator war der ca. 1176/1178 bekehrte Kaufmann Waldes aus Lyon. Dessen entscheidender Impuls war die strikte Befolgung des in den Evangelien, besonders der Bergpredigt und der Aussendungsrede Mt 10 greifbaren Ideals. Nachfolge Christi hieß für ihn daher: Wanderpredigt in Armut. Gegen den Widerstand des Erzbischofs predigte Waldes in der Diözese von Lyon und gewann eine zahlreiche Anhängerschaft, auch unter Frauen. Die Waldenser wollten keinen Orden bilden, sondern sich unmittelbar am Evangelium ausrichten. Ihre Kritik an der Kirche bezog sich nicht auf die Welt 502

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insgesamt (als deren Teil dann auch die Kirche abgelehnt wurde, wie das bei den Katharern der Fall ist), sondern auf die Lebensart der Kleriker und den Reichtum der Institution. Schwerpunkt der Bewegung waren Südfrankreich und Norditalien. Als sie 1182/1184 förmlich verurteilt wurden, bauten sie eine eigene Organisationsstruktur außerhalb der Kirche auf. Nach 1200 spaltete sich die Bewegung: Ein Teil ordnete sich Rom unter und wurde dort integriert, ein anderer Teil blieb separiert und wurde als Ketzerei bekämpft. Bei diesen separierten Waldensern lassen sich zwei Gruppen unterscheiden: a) Die Armen von Lyon wurden von dem Albigenserkreuzzug betroffen und von der Inquisition verfolgt. Sie lebten im 13. Jh. als Untergrundkirche und gingen im 14. Jh. allmählich unter. b) Die Lombardischen Armen hielten sich trotz heftiger Unterdrückung und missionierten im 13./14. Jh. in Mittelund Westeuropa. Im 15./16. Jh. suchten sie Kontakt zu den Hussiten, dann zum Calvinismus. So bildete sich unter dem Einfluss v.a. der Genfer Reformation eine eigene evangelische Kirche mit kleinen Gemeinden in Piemont und Italien, die bis heute besteht und unter deren Merkmalen bis heute die Sozialarbeit hervorragt. 11.3.1 (Petrus?) Waldes. Vor dem Hintergrund der Verarmung breiter Bevölkerungskreise durch die Hungersnöte des späten 12. Jh.s ermöglichte die Hinwendung zur religiös qualifizierten Armut eine neue Sinnstiftung. Der reiche Kaufmann Waldes (oder Valdesius u.ä.; ca. 1140/50? – ca. 1206?, seit 1368 mit dem Vornamen Petrus bezeichnet), beschäftigte sich als Laie intensiv mit der Bibel, die er zuvor eigens dafür ins Romanische übersetzen hatte lassen. In einer Hungersnot (wohl 1176) gab er seinen Besitz hin, brachte seine Töchter im Kloster unter und begann ein Leben als Bußprediger in apostolischer Armut. Um die an sich verbotene Laienpredigt – Kernstück seines Programms – vom Papst bestätigt zu bekommen, reiste er nach Rom. Im Zusammenhang des 3. Laterankonzils kam es hier zu einem Verhör mit Kardinal Walter Map, der sich für eine Ausgrenzung aussprach. Der Papst billigte hingegen die apostolische Armut, band die Predigt aber an die Zustimmung des Klerus und des Ortsbischofs. Dementsprechend versuchte Waldes nun auch auf einer Synode in Lyon Gehör zu finden und unterschrieb hier ein Glaubensbekenntnis, das seine Rechtgläubigkeit sicherstellen sollte. Der Widerstand blieb aber bestehen und führte 1182 zur Exkommunikation in Lyon. Danach verlagerte sich die Tätigkeit der Armen Christi in die Städte Südfrankreichs (v.a. der Provinz Narbonne) und die Lombardei. Die Abgrenzung gegen die Katharer gewann zunehmend an Bedeutung. Ihre Tätigkeit in Italien zog 1184 die Aufnahme in den Ketzerkatalog der Synode von Verona (vgl. § 8; 10.3.1) nach sich. Ab jetzt wurden die Waldenser energisch verfolgt.

Spaltung

Lombardei

Waldenser heute

Bibellektüre

Laienpredigt

11.3.2 Die Spaltungen der Waldenser. Die Waldenser bildeten von Anfang an keine zentralistisch geführte oder durchstrukturierte Gemeinschaft. Die einzelnen Gruppen vor 11. Armutsbewegung und Kirchenkritik im 12./13. Jh.

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Kirchenkritik Sakramentspraxis

Durandus von Osca

Ort konnten daher durchaus unterschiedliche Akzente setzen. Gemeinsam war die Betonung des Laienapostolats mit Bußpredigt, Besitzlosigkeit, Verwerfung von Eid, Krieg und Todesstrafe sowie eigenmächtige Spendung der Sakramente (Taufe, Eucharistie, Buße/Absolution). Nach 1184 nahmen die kirchenkritischen Tendenzen zu, besonders in Südwestfrankreich und Norditalien. Die eigene Sakramentspraxis wurde hier z.T. mit dem Hinweis auf die Ungültigkeit der von unwürdigen Klerikern gespendeten Sakramente begründet. Dies ermöglichte es, die Waldenser als Fortsetzer der donatistischen Häresie auszugrenzen. Partielle Beeinflussung durch die Katharer kam hinzu. Die Bemühungen der Kirche um Integration zeigten sich in Gesprächen, in denen es um 1201 gelang, eine südfranzösische Gruppe um Durandus von Osca/Huesca (1160-1224; einen scharfen Gegner von Katharern und »Donatisten«, wie besonders an seinem Liber Antiheresis/Antihäretisches Werk deutlich wird) und eine oberitalienische Gruppe um Bernard Prim als Bruderschaften in die vom Papst gelenkte Kirche zu integrieren. Diese Bruderschaften verschmolzen im Laufe des 13. Jh.s mit anderen Orden, z.T. den großen Bettelorden. Unter den separatistischen Waldensern kam es aufgrund unterschiedlicher Ekklesiologien auf der Synode von Bergamo 1218 zu einer Spaltung zwischen den Lyonensern/Ultramontanen und den kirchenfeindlichen Lombarden um Johannes von Ronco (der die Ungültigkeit der von unwürdigen Klerikern gespendeten Sakramente vertrat). Die letzteren verbanden sich z.T. mit Arnoldisten und Humiliaten. Die römische Kirche galt für sie als unchristlich; deren Ämter, Kult, Marien- und Heiligenverehrung, Fegefeuer- und Ablasslehre verwarfen sie. Dies ermöglichte die Übernahme hussitischen und dann reformierten Gedankenguts im 15. und 16. Jh. 11.4 Literatur Lektüretipp: G. Audisio: Die Waldenser. Die Geschichte einer religiösen Bewegung, 1996 [besonders 15-53]. Literatur: M. Mollat: Die Armen im Mittelalter, 2. A. 1987. – K.-V. Selge: Die ersten Waldenser. Mit Edition des Liber Antiheresis des Durandus von Osca, 2 Bde., 1967. – Ders.: Humiliaten, TRE 15 (1986) 691-696. – F. Andrews: The Early humiliati, 1999. – M. Schneider: Europäisches Waldensertum im 13. und 14. Jahrhundert. Gemeinschaftsform, Frömmigkeit, sozialer Hintergrund, 1981. – P. Biller: The Waldenses 1170-1530, 2001. – E. Cameron: Waldenses, 2000. – A. Molnár: Die Waldenser, 1993. – G. Tourn: Geschichte der Waldenser, 2006. – M. Benedetti (Hg.): Valdesi medievali. Bilanci e prospettive di ricerca, 2009. – A. Borst: Die Katharer, 1991. – G. Rottenwöhrer: Der Katharismus, 6 Bde., 1982-2007. – U. Bejick: Die Katharerinnen, 1993. – C. Bruschi: The Wandering Heretics of Languedoc, 2009. – M. Roquebert: Die Geschichte der Katharer. Häresie, Kreuzzug und Inquisition im Languedoc, 2012. [s. § 8; 10.4 zur Verfolgung der Katharer und zur Inquisition].

12. Die religiöse Frauenbewegung Ab dem 12. Jh. wurden Frauen (die im weiblichen Mönchtum von jeher eine eigenständige Rolle gespielt hatten) zu einem bestimmenden Element der vita religiosa (der asketischen Lebensweise und Spiritualität). Dies schlägt sich zum einen in der rasant zunehmenden Zahl von Frauenklöstern und der Entwicklung der Frauenorden nieder, zum anderen in dem großen Anteil, den Frauen an dem Aufschwung der Mystik hatten. Im Aufbruch einer vielfältigen Laienbewegung, zum Teil auch im Zusammenhang der Armutsbewegung, bildete sich ab 1200 mit dem Beginentum eine völlig neue 504

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Form. Sie stieß z.T. auf Häresieverdacht, zumal ihre Lebensweise nicht in den kirchlichen und gesellschaftlichen Rahmen passte. Ihr Anschluss v.a. an die neuen Bettelorden bot eine Möglichkeit, dem zu begegnen.

12.1 Frauenklöster und -orden Im 12. Jh. schlossen sich dem monastischen Aufbruch auch viele Frauen aus dem Adel, z.T. aus dem städtischen Patriziat an, stießen aber auf Widerstände bei den neuen Orden, so dass die weiblichen Klöster in relativer Selbständigkeit organisiert wurden. Besonderen Zulauf fand im 13. Jh. – zumal in Deutschland – der Zisterzienserorden. Mit dem Aufblühen der Städte und der Präsenz der Bettelorden in ihnen ergab es sich, dass bei den Franziskanern und Dominikanern förmliche Ordenszweige und weibliche Tertiaren entstanden (vgl. § 6; 13.2.2; 14.2.2). Hier bot sich allmählich auch für Angehörige der sozialen Mittelschicht eine Möglichkeit der Aufnahme. In Deutschland stieg die Zahl der Frauenklöster von 150 im Jahre 1100 auf ca. 500 um 1250. Neben den Klöstern lebten zahlreiche Frauen als Eremitinnen (bzw. Reklusen, d.h. Abgeschiedene) in abgelegenen Klausen, die z.T. Anschluss an den Kartäuserorden fanden. 12.1.1 Die Situation von Frauen in den einzelnen Orden. In der Prämonstratenserbewegung engagierten sich auch Frauen (s. § 6; 10.3.3). Der Augustinerorden (vgl. § 6; 10.3.1) umfasste ebenfalls regulierte Chorfrauen/Kanonissenstifte. Die Zisterzienser ließen erst nach längerem Widerstreben zu, dass Frauenklöster, die bisher nach der Benediktregel lebten, sich ihnen anschlossen (aus Sorge, ihre eigene Abgeschlossenheit durch die Seelsorge an Frauen aufzulösen). Seit ca. 1200 gab der Orden diese Reserve auf, so dass bis ca. 1250 ca. 220 Zisterzienserinnenklöster v.a. in Frankreich und im Heiligen Römischen Reich entstanden (bis zu ca. 1000 im 15. Jh.). Auch die Mendikanten wehrten sich zunächst dagegen, die Seelsorge in Frauenkonventen zu übernehmen, die ein z.T. blühendes religiöses Leben entfalteten. Angesichts ihrer relativen Eigenständigkeit kann man die Prämonstratenserinnen, Zisterzienserinnen, Franziskanerinnen, (Klarissen) und Dominikanerinnen als »Frauenorden« bezeichnen (bzw. als zweiten Stand der jeweiligen Orden; zum Birgittenorden s. § 6; 12.4.3). Das bedeutet natürlich nicht, dass es nicht nach vor auch selbständige Einzel-Frauenklöster gegeben hätte (z.B. Héloïses Oratorium bei Paris, vgl. § 10; 4.1.2).

Zisterzienserinnen

Kanonissenstifte

»Frauenorden«

12.1.2 Der Magdalenenorden. Eine spezifische Funktion für die Versorgung einer sozialen Randgruppe bekam der von dem Kanoniker Rudolf von Hildesheim 1224-1227 für Straßendirnen bzw. »gefallene Mädchen« zunächst in Worms begründete Orden der Bußschwestern Mariae Magdalenae (der sog. Reuerinnen). In zahlreichen deutschen Städten verbreitete sich dieser Magdalenenorden im 13. Jh.; er umfasste auch Klöster in anderen Ländern. Seit dem 14. Jh. zerfiel er allmählich.

12.2 Das Beginentum Zunächst in Städten des Bistums Lüttich seit ca. 1200, dann in Brabant, Flandern und im Rheinland entstand eine neue asketische Lebensform au12. Die religiöse Frauenbewegung

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Beginenhäuser in Städten

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Tertiarierregeln

Beginenhöfe

Begarden

Häresieverdacht 1311 Verbot

Maria von Oignies Jakob von Vitry

ßerhalb der Klöster. Der Keuschheit, Armut und Buße verpflichtet, organisierten kleine Gruppen von Jungfrauen und Witwen in eigenen Häusern in den Städten ein Gemeinschaftsleben. Ihren Lebensunterhalt bestritten sie in der Regel durch Handarbeit (Weben, Spinnen u.ä.), selten durch Betteln. Zumeist entstammten sie dem Adel und der begüterten Stadtbevölkerung, gegen deren Lebensstil sie protestierten. Erst im 14./15. Jh. kamen auch Frauen der Mittel- und Unterschichten hinzu. Das Beginentum verbreitete sich als urbane Sonderform neben dem Mönchtum rasch v.a. im nördlichen West- und Mitteleuropa und gewann für das religiöse Leben bis zum Spätmittelalter große Bedeutung. Es etablierte sich zahlreich in den Städten unter kirchlicher Aufsicht, zumeist nach den Tertiarierregeln der Bettelorden (s. § 6; 13.2.2; 14.2.2) organisiert und deren Klöstern verbunden. Religiöse Motive waren ausschlaggebend, doch der Einfluss sozioökonomischer Faktoren kam hinzu (Mangel an aufnahmebereiten Klöstern, Frauenüberschuss, fehlender Lebensunterhalt). Neben zahlreichen, über die Stadt verstreuten Beginenhäusern bildeten sich auch Beginenhöfe, in denen um die zentrale Kapelle herum ein ganzer Straßenzug Beginenhäuser stand, als abgeschlossene Einheit in der Stadt. Die Beginenhäuser und -höfe widmeten sich unter der Leitung einer magistra (Meisterin) meist der Krankenpflege und Armenfürsorge sowie dem Unterricht von Mädchen. Die männliche Parallelerscheinung der – oft aus den Unterschichten stammenden – Begarden war numerisch weniger stark und umfasste neben den religiösen Konventen auch Vagantengruppen, die z.T. Strömungen zuneigten, die als Häresie ausgegrenzt wurden. Häresieverdacht und Aversion des Klerus gegen die der kirchlichen Reglementierung entzogene Lebensform führten 1311 zum offiziellen Verbot des Beginen- und Begardentums. In der Folgezeit erwies sich aber, dass deren regulierte Gemeinschaften davon nicht betroffen waren. 12.2.1 Die Entstehung des Beginentums. Die Herkunft des Begriffs »Beginen« ist unklar (vielleicht vereinfacht für »Albigenser«, also Katharer, oder in Anlehnung an die hellgraue, ungefärbte, »beige« Kleidung), schon bald wurde er zur Selbstbezeichnung. Die Beginen wollten das Ideal des evangelischen Lebens durch Absage an das unrecht erworbene Gut und durch Bindung an den Bräutigam Christus in quasimonastischer Gemeinschaft verwirklichen (aber unter Umgehung des sozialen hohen Standards mancher Frauenklöster). In der Diözese Lüttich wirkte die Mystikerin Maria von Oignies (ca. 1177/1178-1213) und verbreitete um 1210 das Beginentum in der Region. Ihr bedeutendster Fürsprecher war Jakob von Vitry (ca. 1170-1240), der 1216 von Honorius III. und 1230 von Gregor IX. eine päpstliche Duldung erwirkte. Seine Vita Mariae Oigniacensis (Lebensbeschreibung der Maria Oignies) ist trotz ihres hagiographischen Charakters eine der wichtigsten Quellen für das frühe Beginentum. Das Beginentum verbreitete sich im 13. Jh. stark, z.B. gab es in Köln 106, in Mainz 22, in Straßburg 24, in Basel 28 Beginenhäuser (mit je ca. 20 Frauen). 12.2.2 Verfolgung und Verbot von Beginen. Da die Beginen zunächst ohne Regel lebten, als Zwischenform zwischen Mönchtum und Laientum nicht in die kirchliche Struktur passten, eine ungewöhnliche Frömmigkeit pflegten und z.T. in geistiger Nähe zu den 506

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verketzerten Bewegungen standen, zogen sie seit ca. 1250 vielfach Verfolgung durch Bischöfe und Inquisitoren auf sich. Diözesansynoden fixierten angesichts praktischer Missstände Ordnungen (z.B. Verbot des Bettelns, der Aufnahme junger Frauen, des Kontakts mit Männern; geistliche Versorgung durch den Pfarrklerus). Der Kritik begegneten die Beginen oft dadurch, dass sie sich der Seelsorge durch Franziskaner oder Dominikaner unterstellten und sich von den Bischöfen Regeln geben ließen. Gleichwohl blieb es bei massiven Vorbehalten, die 1311 zur Verurteilung durch Papst Clemens V. und das Konzil von Vienne führten (Text/Übers.: DH 891-899). Faktisch zerfiel das Beginentum mit dem 14. Jh. in zwei Teile: verfolgte Ketzerinnen und offiziell anerkannte, regulierte Konvente. Diese spielten für das religiöse Leben in den Städten eine beachtliche Rolle.

regulierte Konvente

12.3 Frauenmystik Die monastische Spiritualität war in besonderer Weise für mystische Theologie offen (vgl. § 6; 5.4; § 10; 5.2; 6.1). Bei einigen Nonnen und Beginen begegnete eine neue Form der Mystik, in der Gefühle dominierten und mit Einzeloffenbarungen (Visionen, Auditionen, Ekstasen) verbunden wurden. Letztere konnten Formen der Prophetie annehmen. Da Frauen oft die höhere Bildung verschlossen blieb, wurden diese Erfahrungen in volkssprachlichen Texten aufgezeichnet und fanden breite Resonanz in anderen Frauenklöstern und Beginenhöfen. Angesichts der Monopolisierung der Theologie durch Männer bot für Frauen gerade die mystisch-prophetische Redeweise eine Legitimation, ihren Auffassungen zu religiösen und kirchlichen Fragen Gehör zu verschaffen. Häufig waren diese Mystikerinnen mit Mönchen oder Klerikern als theologischen Lehrern oder literarischen Helfern verbunden. 12.3.1 Mystik und Prophetie. In der Mystik galt klassischerweise der Inhalt der höchs­ ten Schau als nicht beschreibbar, was insbesondere mit Metaphern des Lichts oder des Dunkels beschrieben wurde. Demgegenüber bildete sich ab dem 12. Jh. eine Verbindung von geistigen Aufstiegserlebnissen und prophetischen Erfahrungen heraus, die in der Geschichte der Mystik eine Neuerung darstellte. Eine genaue Beschreibung ihrer Visionen gab erstmals Hildegard von Bingen (zu ihr s. § 6; 12.4.1). Im 13. Jh. begegneten visionär begabte Beginen im Bistum Lüttich und im Herzogtum Brabant, v.a. bei Maria von Oignies (§ 6; 12.2.1), Ida von Nivelles (1197-1231) und der Dichterin Hadewijch um 1240, deren Leben weithin unbekannt ist. Eine reflektierte Entfaltung der Erfahrung mys­tischer Art und des Liebesgedankens und der daraus folgenden Umformung der Seele entfaltete Margarete Porete (ca. 1250/1260-1310), wohl eine Begine, deren Gedankenwelt der Meister Eckharts nahesteht. In ihrem Le miroir des simples âmes (Spiegel der einfachen Seelen) relativierte sie u.a. alles menschliche Streben, was als Befürwortung eines tugendlosen Lebens missdeutet wurde. Ihr Prozess und ihre Hinrichtung in Paris 1310 haben die Verurteilung der Beginen 1311 wesentlich beeinflusst. In Deutschland bildete das zisterziensisch geprägte Kloster Helfta bei Eisleben ein Zentrum. Dort wirkten nach Mechthild von Hackeborn, die ihre mystischen Gnadenvisionen niederschreiben ließ, Gertrud von Helfta, genannt die Große (1256-1301/1302; ihre Meditationen wurden im 15.-17. Jh. zu einem weit verbreiteten Erbauungsbuch; Text: SC 127.139.143.255; Teilübers.: J. Lanczkowski, 1989), und besonders Mechthild von Magdeburg (ca. 1207-ca. 1282), die zuvor in einem Magdeburger Beginenhaus wirkte und ihre Offenbarungsvisionen und mystischen Geisterlebnisse durch einen Domi12. Die religiöse Frauenbewegung

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volkssprachliche Literatur

Margarete Porete

Mechthild von Magdeburg

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Fronleichnamsfest

Elisabeth von Schönau

nikaner aufzeichnen ließ (Das fließende Licht der Gottheit, dt. Ausgabe: H. Neumann, 1990). Aufgrund von ekklesiologisch-eucharistischen Visionen, die die Nonne Juliana von Cornillon seit 1209 erlebte, entstand im Bistum Lüttich 1246 das Fronleichnamsfest (vgl. § 10; 9.2). 12.3.2 Ekstase und Stigmatisation. Der Typ der ekstatischen Offenbarungsvision findet sich zuerst bei der Nonne Elisabeth von Schönau (1129-1164). Sie ließ ihre unter Qualen erlebten Entrückungen durch den Heiligen Geist von ihrem Bruder Ekbert, dem Abt des Doppelklosters Schönau, aufzeichnen. Ein besonderes Kennzeichen einiger Mystikerinnen war das Erleben psychosomatischer Qualen, z.T. als Stigmatisation (Nachvollzug der Wundmale Jesu) erfahren, einer intensiven Form der imitatio Christi (Nachahmung Christi), bei der das Beispiel des Franziskus von Assisi anregend wirkte (s. § 6; 13.1.4). Die Historizität des Erlebten ist aufgrund des hagiographischen Charakters der entsprechenden Berichte nicht mehr feststellbar.

12.4 Herausragende Frauengestalten

sozialer Status

Bildung

Predigten Scivias

Das monastische Leben bot für Frauen Betätigungsmöglichkeiten, die sie sonst in der Gesellschaft nicht hatten: Als Äbtissinnen, Priorinnen oder Nonnen konnten sie organisatorische Aufgaben übernehmen, die nicht selten mit politischen und kirchlichen Konflikten verknüpft waren. Zugleich ermöglichte das Leben im Kloster erhebliche theologische (und allgemeine) Bildung sowie den Austausch hierüber. Das berühmteste Beispiel gab die Universalgelehrte Hildegard von Bingen. Außerhalb der Klöster bot die Kranken- und Armenfürsorge weitere Möglichkeiten, wie sich exemplarisch an Elisabeth von Thüringen sehen lässt. 12.4.1 Hildegard von Bingen. Eine überragende geistige Autorität im 12. Jh. war die aus dem rheinpfälzischen Ministerialadel stammende Hildegard (1098-1179), als Nonne in Disibodenberg erzogen, wo sie 1136 die Leitung der Frauenklause übernahm, bevor sie seit ca. 1150 Äbtissin von Rupertsberg bei Bingen wurde. Der Einfluss der prophetissa teutonica (deutschen Prophetin; offiziell von Papst Eugen III. anerkannt auf einer Synode in Trier 1147/1148) gründete auf ihrer visionären Begabung und deren Umsetzung in Lehren, praktischen Ratschlägen und prophetischer Kritik. Ihre (lateinischen) Schriften, Predigten und Briefe fanden starke Resonanz bei kirchlichen und weltlichen Machthabern. Dass sie auf ihren Reisen öffentlich predigte, erregte Aufsehen. Seit 1141 fasste sie ihre Visionen literarisch zusammen in dem Werk Scivias (Wisse die Wege), einer Offenbarung des Erlösungsweges in Verbindung von Kosmologie und Trinitätslehre, Geschichtstheologie und Inkarnationslehre (Text: CChr.CM 43-43A/Übers.: W. Storch, 1991). In dem ebenfalls visionär gestalteten Liber vitae meritorum (Buch vom verdienstlichen Leben; ca. 1158-1163; Übers.: H. Schipperges, 1972) bot sie anhand der Darstellung von Tugenden und Lastern eine Art Lebenskunde. Ihr letztes visionäres Werk, der Liber divinorum operum (Buch der göttlichen 508

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Werke), stellte die Entsprechungen zwischen Mikrokosmos (Mensch) und Makrokosmos (Welt) in symbolistischer Weise schöpfungstheologisch dar. Ihren Ruf, die erste deutsche Ärztin und Naturforscherin zu sein, begründete sie mit einem zweiteiligen Werk über Naturkunde und Krankheiten (Physica, Causae et Curae/Naturkunde, Ursachen und Behandlungsmethoden; Übers.: H. Schipperges, 2. A. 1961). Ihr poetisch-musiktheoretisches Werk mitsamt Gedichten und Liedern (Symphonia/Zusammenklang; Text/Übers.: W. Berschin/H. Schipperges, 1995) bekundete die stupende Weite ihrer Bildung und Begabung. Kirchenpolitisch engagierte sie sich u.a. für die Sicherung ihrer beiden Klöster, für eine Neuausrichtung des Lebenswandels von Klerikern und für die kirchliche Autonomie im Konflikt Kaiser Friedrichs I. mit dem Papsttum (Epistulae/Briefe: CChr.CM 91-91A). 12.4.2 Elisabeth von Thüringen. Elisabeth (1207-1231), Tochter des Ungarnkönigs Andreas, war der religiösen Armutsbewegung verbunden. Als Frau des Landgrafen von Thüringen organisierte sie bei einer Hungersnot Hilfsmaßnahmen und pflegte Kranke. Nach dem Kreuzfahrertod ihres Mannes wandte sich die junge Witwe 1228 als Büßerin einem freien Asketinnentum zu (nicht als Franziskanerin), seelsorgerlich geführt von dem franziskanisch geprägten Prämonstratenser Konrad von Marburg, dem päpstlichen Inquisitor für Deutschland, der 1233 wegen seiner Ketzerverfolgungen erschlagen wurde. In Marburg errichtete sie 1229 ein Hospital und diente dort als Schwester zusammen mit anderen Frauen den Kranken, Aussätzigen und Kindern. Dies brachte ihr hohes Ansehen, das nach ihrem vorzeitigen Tod 1231 rasch in eine Verehrung als Heilige umschlug. Dies wurde von ihrer Familie, Kaiser Friedrich II. und dem Deutschen Orden zielstrebig gefördert, so dass sie bereits 1235 von Gregor IX. (in erstmaliger Anwendung des neuen päpstlichen Rechts zur Heiligsprechung) kanonisiert bzw. heiliggesprochen wurde. Sie wurde eine der volkstümlichsten Heiligen Deutschlands. Ihr Grab in der – mit reichen Ablassprivilegien ausgestatteten – Marburger Elisabethkirche wurde ein Wallfahrtsort von europäischem Rang. Auch ihre Tante, die Herzogin Hedwig von Schlesien (1174-1243), wurde heiliggesprochen (1267); sie hatte sich für die Christianisierung ihres Landes, Klostergründungen und Armenfürsorge eingesetzt. 12.4.3 Birgitta von Schweden. Die adelige Schwedin Birgitta (ca. 1303-1373; 1391 als Nationalheilige kanonisiert) entsagte nach dem Tod ihres Mannes 1344 als asketische Büßerin der Welt und lebte seit 1347 in Rom. Ihre Visionen, aufgezeichnet und literarisch gestaltet durch ihre Beichtväter, wurden in dem Werk Revelationes extravagantes (Außergewöhnliche Offenbarungen) festgehalten (Erstdruck in Lübeck 1492). Sie handelten über das Endgericht und zogen daraus Folgerungen für die aktuelle politische Situation. Das Papsttum und die kirchliche Hierarchie wurden von ihr heftig kritisiert. Den Plan, einen Orden zur besonderen Verehrung der Passion Christi zu gründen, wobei die Klosterangehörigen der Zahl der Apostel und Jünger entsprechen sollten, führte sie auf eine Weisung Christi zurück. So entstand 1369-1374 unter der Leitung ihrer 12. Die religiöse Frauenbewegung

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Naturkunde

Marburg

Heiligsprechung

in Rom

Kirchenkritik

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Doppelklöster

Kirchenkritik

Kirchenpolitik

Tochter Katharina (gest. 1381; Heilige seit 1484) das Kloster Vadstena bei Linköping als Zentrum des neuen Birgittenordens (bzw. des Ordens vom hl. Erlöser), der sich mit 79 Klöstern v.a. in Schweden und Norwegen, aber auch in Dänemark, Deutschland, England und Italien ausbreitete. Frauen dominierten hier, obwohl alle Konvente als Doppelklöster eingerichtet wurden. 12.4.4 Katharina von Siena. In der Toskana scharte die mystisch-meditativ begabte Katharina (ca. 1347-1380; 1461 kanonisiert), die in Siena den Dominikaner-Tertiarinnen beitrat, eine asketische Gemeinschaft um sich, welche sie als Mutter verehrte. Seit ca. 1370 mischte sich Katharina – in Rezeption der Birgitta, jedoch noch expliziter– als prophetische Kritikerin und Ratgeberin in politische und kirchliche Konflikte ein, um ihr Ideal eines allgemeinen Friedens in der Christenheit zu realisieren. Als besonderes Anliegen proklamierte sie (auch in ihrem umfangreichen Briefwechsel; Übers.: L. Gnädinger, 1980) den Kreuzzug gegen die Ungläubigen und eine Erneuerung der Kirche. Sie fand zwar Resonanz im Volk, aber kaum bei den Mächtigen. Gewissen Einfluss hatte sie wohl darauf, dass Papst Gregor XI. 1377 von Avignon nach Rom zurückkehrte; beim Papstschisma nach 1378 trat sie propagandistisch für Urban VI. ein (vgl. § 8; 11.3). Ein als Dialog gestalteter, ihre Visionen beschreibender Dialogus de divina providentia (Dialog über die göttliche Vorsehung; Übers.: E. Sammer-von Seckendorff) geht wohl nur teilweise auf sie zurück. 12.5 Literatur Lektüretipp: P. Dinzelbacher: Mittelalterliche Frauenmystik, 1993. Literatur: H. Grundmann: Religiöse Bewegungen im Mittelalter, 4. A. 1977. – P. Dinzelbacher/D.R. Bauer (Hg.): Religiöse Frauenbewegung und mystische Frömmigkeit im Mittelalter, 1988. – B. McGinn (Hg.): Meister Eckhart and the Beguine Mystics. Hadewijch of Brabant, Mechthild of Magdeburg and Marguerite Porete, 1994. – G. Duby/M. Perrot (Hg.): Geschichte der Frauen, Bd. 2: Mittelalter, 1993. – E. Ennen: Frauen im Mittelalter, 5. A. 1994. – E. Forster (Hg.): Hildegard von Bingen, 1997. – G. Lautenschläger: Hildegard von Bingen, 1993. – H. Schipperges: Hildegard von Bingen, 1995. – T. Altenburg: Soziale Ordnungsvorstellungen bei Hildegard von Bingen, 2007. – K. Ruh: Geschichte der abendländischen Mystik, Bd. 2, 1993, 64-371. – B. Hahn-Jooss: Ceste Ame est Dieu par condicion d’Amour. Theologische Horizonte im »Spiegel der einfachen Seelen« von Marguerite Porete, 2010. – I. Leicht: Marguerite Porete. Eine fromme Intellektuelle und die Inquisition, 1999. – F.-M. Reichstein: Das Beginenwesen in Deutschland, 2001. – A. Wilts: Beginen im Bodenseeraum, 1994. – P. Dinzelbacher: Vision und Visionsliteratur im Mittelalter, 1981.

13. Armut und Bußpredigt: Der Franziskanerorden

in Städten

Mit dem Franziskaner- und dem Dominikanerorden etablierten sich Anfang des 13. Jh.s zwei Orden, die in der Geschichte des Mönchtums eine erhebliche Neuerung darstellten. Sie waren gezielt in den Städten aktiv, besonders auch durch Seelsorge und Predigt, und wurden rasch zu Zentren theologischer Wissenschaft. Beide Orden trugen damit der veränderten sozialen Wirklichkeit des 13. Jh.s und dem neuen Wohlstand der Städte Rechnung, auch wenn sie sich jeweils in ihrem Gepräge erheblich voneinander unterschieden. Der Franziskanerorden entstand ab 1220 aus einer charis510

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Franziskaner Dominikaner Verbreitungsgebiete der Katharer und der Waldenser

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Minoriten

Papsttum

matischen Bruderschaft von Wanderpredigern, welche die Jesusnachfolge in Armut praktizierten, geformt durch das religiöse Genie des Franziskus von Assisi. In Abgrenzung gegen bisherige Formen des Mönchtums orientierten sich die Minoriten/Minderen Brüder (Ordo Fratrum Minorum; Namenszusatz: OFM, in Deutschland oft Barfüßer genannt) an einer grundlegend neuen Regel. Der ursprüngliche Zusammenhang mit der Armutsbewegung bildete eines der Grundprobleme des sich rasant entwickelnden Ordens und führte im 14. Jh. zur Spaltung in Observante (die sich für eine strikte Armut aussprachen) und Konventuale (die die Benutzung von Besitz zu Zwecken des Ordens einräumten). Hinzu kam im 16. Jh. als von den Observanten ausgehende Gruppe der Orden der Kapuziner (Ordo Fratrum Minorum Cappucinorum). Schon früh, 1212, entstand im Anschluss an die fromm-energische Klara von Assisi als Teil der religiösen Frauenbewegung eine kontemplative Gemeinschaft von Büßerinnen, der später als sog. Zweiter Orden des hl. Franziskus reguliert wurde: die Klarissen. Seit ca. 1230 entwickelten sich franziskanisch geprägte Bruder- und Schwesterschaften von Weltleuten zum Dritten Orden, den sog. Tertiariern/Terziaren, weiter – ein breitenwirksamer Versuch, wichtige Elemente des Mönchtums wie das geregelte gemeinschaftliche Gebet mit dem Alltag zu verbinden. Obwohl das Papsttum dem Aufblühen verschiedener asketischer Bewegungen, besonders unkontrollierbarer Eremiten, Wanderasketen und charismatischer Gemeinschaften im Zusammenhang der Armutsbewegung, kritisch gegenüberstand, gelang es wichtigen Fürsprechern der Franziskusbewegung, diese als päpstlich anerkannten Orden zu etablieren. Er wurde (ebenso wie der Dominikanerorden) zu einer Stütze des Papsttums im 13. Jh. Damit war der Franziskanerorden eine der wichtigsten, zur Armutsbewegung gehörenden Erscheinungen, die in die kirchliche Struktur integriert wurden.

13.1 Franziskus – Leitbild neuer Frömmigkeit evangelisches Leben

Christusnachfolge

Testament

Das Ideal eines evangelischen Lebens stellte der Umbrier Franziskus (1181/1182-1226) dar, dessen Leben und Wirken schon früh Gegenstand besonderer Verehrung und hagiographischer Überhöhung wurde. Das an ihm festgemachte Leitbild wirkte nicht nur im entstehenden Franziskanerorden, sondern weit darüber hinaus in der Gesellschaft. Die Verbindung von Absage an das städtische Lebensideal und Hinwendung zu den Randsiedlern der Gesellschaft, der grundlegende Einspruch gegen die Verweltlichung der Kirche und die emotional gefüllte Christusnachfolge, die auch die Leidensbereitschaft einschloss, wurden zu einem Gesamtbild franziskanischer Frömmigkeit, das die Darstellungen von Franziskus’ Leben prägte. Die Ausbreitung der Bruderschaft nach 1220 führte – gegen Franziskus’ ursprüngliche Intention – zur ordensmäßigen Fixierung durch die Regula bullata (die päpstlich approbierte Regel) von 1223. Franziskus’ Versuch, durch sein Tes­tament 1226 die Tendenzen zur Anpassung an traditionelle monastische 512

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Formen einzudämmen und das Armutsgebot einzuschärfen, war vergeblich, spielte aber in den inneren Auseinandersetzungen des Ordens in der Folgezeit eine erhebliche Rolle. 13.1.1 Hagiographische Darstellungen des Lebens von Franziskus. Die biographischen Quellen über Franziskus stammen allesamt aus der Zeit nach seinem Tod und hängen größtenteils mit den Streitigkeiten über die künftige Ausrichtung des Ordens zusammen. An der Beurteilung und Einordnung der verschiedenen Quellen entscheiden sich nicht nur historische Details, sondern die Gesamteinschätzung, besonders inwiefern der Franziskanerorden das Anliegen des Franziskus aufgegriffen oder vielmehr entstellt hat. Diese »franziskanische Frage« wurde in der Forschung des 20. Jh.s kontrovers diskutiert. Thomas von Celano schrieb im Auftrag des Papstes Gregor IX. 1228/1229 seine Vita prima (erste Lebensbeschreibung). Das Generalkapitel von 1244 forderte dazu auf, mündliche Überlieferungen über Franziskus festzuhalten. Ergebnis war nicht nur die Überarbeitung der Vita des Thomas von Celano (Vita secunda/zweite Lebensbeschreibung), sondern auch die Legenda trium sociorum (Legende der Drei Gefährten). Der theologisch bedeutende Ordensgeneral Bonaventura (s. § 10; 12.3.1) schrieb einige Jahre später ebenfalls eine Franziskusvita (zunächst in einer Langfassung, der Legenda maior, die er dann später kürzte, Legenda minor), wobei die Legenda maior 1266 durch das Generalkapitel als allein verbindliche Darstellung festgelegt wurde. Gleichwohl entstanden auch später noch (z.T. in ihrem historischen Wert sehr umstrittene) Darstellungen (etwa die Legenda Perusina/Legende aus Perugia [ca. 1260/1270] und das Speculum perfectionis/Spiegel der Vollkommenheit [wohl erst 14. Jh.]). Für die Lebensbeschreibung des Franziskus sind daher die wenigen, von ihm stammenden Schriften heranzuziehen, die hagiographischen Darstellungen von ihrem historischen Ort und der damit verbundenen Aussageabsicht aus zu deuten. 13.1.2 Entstehung einer Armutsgemeinschaft. Die Lebensbeschreibungen stellen die Entscheidung des Franziskus (so der Rufname des 1181/1182 geborenen Giovanni Bernadone) als eine aus dem Streit mit dem Vater entstandene, radikale Absage an das städtische Leben (den Lebensstil der Tuchhändlerfamilie, aus der Franziskus stammte) dar. Bei dem entsprechenden Schlichtungstermin vor dem Bischof von Assisi habe Franziskus seine Kleider abgelegt und sich nackt von seinem bisherigen Vater losgesagt, mit dem Ziel, jetzt nur noch dem Vater im Himmel zu dienen. In den Darstellungen werden die Pflege von Aussätzigen und die Bemühungen um verfallene Feldkirchen/Kapellen bei Assisi, besonders der Portiuncula (d.h. Teilchen eines Kamaldulenserklosters) genannt. Als weitere Steigerung der Askese kommt der Entschluss, als Wanderprediger umherzuziehen, hinzu (hagiographisch mit der Aussendungsrede Jesu nach Mt 10,5-15 verbunden). Diese Ereignisse müssen zwischen 1206 und 1209 stattgefunden haben. Mit wenigen Anhängern (unter ihnen besonders Bernhard von Quintavalle) bildete Franziskus so eine kleine, unorganisierte Bruderschaft, die das Leben Jesu und seiner Jünger nachzuahmen suchte. Ob Franziskus zu dieser Zeit seiner Gemeinschaft eine Urregel gegeben hat (die vor allem aus den Evangeliumsworten Mt 19,21; 16,24; 19,29 bestand), ist historisch umstritten (der Text ist jedenfalls nicht erhalten). Die umherziehende Gruppe passt in das Bild der Armutsbewegung der Zeit und stieß auf den entsprechenden Häresieverdacht.

Thomas von Celano

Bonaventura

Bischof Guido von Assisi

Portiuncula

13.1.3 Päpstliche Duldung und Rückzug des Franziskus. Die Unterstützung des Bischofs Guido von Assisi ermöglichte es Franziskus, 1209/1210 durch eine Reise nach Rom und die Versicherung der Treue zum apostolischen Stuhl eine vorläufige Duldung durch Papst 13. Armut und Bußpredigt: Der Franziskanerorden

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Regula non bullata Petrus Catanii

Stigmatisation Sonnengesang

Innozenz III. zu erreichen (noch vor dem Verbot der Neugründung von religiösen Lebensformen auf dem 4. Laterankonzil 1215; die Überlieferung, Innozenz habe die Franziskusbewegung wegen eines Traumes, dass ein kleiner Mönch die einstürzende Lateranbasilika gestützt habe, gewähren lassen, ist legendarisch). Damit einher ging die Erlaubnis zur Wanderpredigt, allerdings mit der Auflage, dass die Brüder durch die Tonsur in den Klerus eingegliedert wurden. Da die Bewegung bald um sich griff, trafen sich seit 1212 alle entsprechenden Gruppen zu jährlichen Versammlungen (Generalkapiteln) an der Portiuncula-Kirche. Franziskus versuchte in dieser Zeit, seine Wanderungen auszudehnen und insbesondere auch die Mission der Heiden aufzunehmen – Reisen in den Orient und nach Marokko scheiterten. Die aufgrund eines Waffenstillstands zwischen den Kreuzfahrern und den Muslimen möglich gewordene Predigt 1219 vor dem ägyptischen Sultan al Malik al Kamil blieb folgenlos. Die Kurie drängte die sich ausbreitende Bewegung zu einer stärkeren Organisation, was zur Ausarbeitung einer vorläufigen Regel führte, die jedoch päpstlich nicht approbiert wurde (Regula non bullata/Nicht durch päpstlich Bulle anerkannte Regel von 1221/1222). Franziskus zog sich mehr und mehr aus der Gestaltung des Ordens zurück, die zunehmend von Petrus Catanii geprägt wurde (gest. 1227). Mit seinem Testament von 1226 (dessen Authentizität heute weitgehend anerkannt ist) schärfte er den unbedingten Willen zur Armut und die Bedeutung der Christusnachfolge ein. Nach langer Krankheit starb er am 3.10.1226. Schon 1228 wurde er durch Papst Gregor IX. heilig gesprochen. Die 1230 über seinem Grab gebaute Monumentalkirche San Francesco wurde bald zu einem Wallfahrtsort von westeuropäischer Bedeutung (mit eindrücklichen Fresken über das Leben des Franziskus, die dem italienischen Künstler Giotto zugeschrieben werden; allerdings ist die Autorschaft Giottos jüngst auch bestritten worden). 13.1.4 Die Frömmigkeit des Franziskus. Franziskus’ naiv-poetische Frömmigkeit war geprägt durch optimistisches Gottvertrauen, naturverbundenen Schöpfungsglauben, tiefe Demut und intensive Jesusbindung. Heimatlosigkeit und Leiden entsprachen dem. Die Christusfrömmigkeit wird in Berichten über eine Weihnachtsfeier mit Krippe in Greccio 1223, eine Zeit des Fastens und der Visionen auf dem Monte Alverno 1224 sowie von der Stigmatisation mit Jesu Wundmalen wohl 1226 besonders deutlich. Die Historizität dieser Erzählungen lässt sich nicht überprüfen. Zentrales Zeugnis seines Schöpfungsglaubens ist der Sonnengesang (wohl von 1224/1226), einem wichtigen Zeugnis für die Entwicklung der italienischen Volkssprache, in dem sich das anbetende Staunen über Gottes Wohltaten besonders niederschlägt. Entscheidende Voraussetzung dafür, dass die Franziskusbewegung in die Kirche integriert werden konnte, war die Tatsache, dass Franziskus die kirchlichen Ämter und Sakramente nie bestritten oder relativiert hat, im Gegenteil: Franziskus rief seine Brüder zu unbedingtem Gehorsam gegenüber dem Klerus, besonders dem Papst, auf und zur Teilnahme am sakramentalen Leben der Kirche. Auch wenn Konflikte mit manchen Bischöfen wegen der Predigttätigkeit nicht ausblieben, hielt er selbst gute Kontakte zu Episkopat, Kurie und Päpsten.

13.2 Der Aufbau des Ordens Hugolino von Segni

Aufgrund der Unterstützung durch den Bischof von Assisi und besonders durch Kardinal Hugo/Hugolino von Segni (bzw. von Ostia), der als Papst Gregor IX. (1227-1241) die Heiligsprechung des Franziskus vollzog, wurde die Franziskusbewegung zuerst 1209/1210 von Innozenz III., dann von Honorius III. zwischen 1218-1223 zunächst geduldet, dann zunehmend auch geprägt und als Orden in den eigenen Dienst genommen. Die nach länge514

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rer Diskussion 1223 fertiggestellte, durch päpstliche Bulle anerkannte Regel (die sog. Regula bullata) fixierte die Lebensordnung der Brüder und die zentralistische Organisation des Ordens. Die Abgrenzung zu den bisherigen Mönchsorden schlug sich auch in den Titeln des neuen Ordens nieder. Es gab keine Äbte, sondern sog. Guardiane (d.h. Aufseher) in den einzelnen Konventen, die zu Kustodien unter einem Kustos (d.h. Wächter) zusammengeschlossen waren. Diese wurden wiederum in Provinzen zusammengefasst (in Deutschland seit 1230/39: Rheinland/oberdeutsch und niederdeutsch sowie Sachsen). Die Leitungsämter werden als ministri (Diener) bezeichnet (Provinzialminister und an der Spitze des Ordens der Generalminister). Regelmäßig tagen die Provinzialminister als Generalkapitel. Der Orden erhielt seine Form als Orden insbesondere dadurch, dass aus einer radikal besitzlosen Wanderpredigergruppe eine an Klöster in den Städten gebundene Mönchsgemeinschaft wurde. Diese Klöster wurden zu Kulminationspunkten der theologischen Wissenschaft (vgl. § 10; 12.1-12.4; 14.) und prägten durch Predigt und Seelsorge die kirchliche Situation in den Städten neu (Konkurrenz zum Pfarrklerus). Die Einbindung in die Sozialstruktur der Städte zeigte sich auch im Anwachsen der sog. Tertiarier, religiös engagierter Laien. Gegenüber diesen Entwicklungen trat das mobile Element (der Wanderpredigt) stark zurück, blieb aber z.T. in der franziskanischen Missionstätigkeit erhalten. 13.2.1 Die päpstliche Anerkennung. Die Kurie drängte nach 1215 auf eine stärkere Regulierung des Ordens. Wegen der undeutlichen Quellenlage ist die Chronologie der Regelentstehung mit vielen Unsicherheiten belastet. Honorius III. dekretierte 1220 die Einrichtung eines Noviziats und eines lebenslänglich bindenden Gelübdes (Profess). Auf dem Kapitel, d.h. der Versammlung aller zur Bewegung gehörenden Asketen, zu Pfingsten (1221? oder doch schon 1216?), das wegen des erforderlichen Hüttenbaus für insgesamt ca. 3000 Teilnehmer Mattenkapitel genannt wurde, verhinderte Franziskus die Übernahme der Benedikts- oder Augustinregel. Nachdem ein erster Regeltext (die Regula non bullata/nicht durch päpstliche Bulle anerkannte Regel, wohl von 1221/1222), bestehend aus 24 Kapiteln und starkem Bezug auf den Bibeltext (Text: Analekten 1-18; Übers.: Schriften 29-54), keine päpstliche Akzeptanz gefunden hatte, erarbeitete Hugolino von Ostia eine neue, straffere Lebensordnung mit 12 Kapiteln, die durch Honorius’ Bulle vom 27.11.1223 bestätigt wurde (die Regula bullata/durch päpstliche Bulle anerkannte Regel; Text: Analekten 20-24; Übers.: Schriften 57-65). Ihre wesentlichen Merkmale sind: Verschärfung der Gehorsamspflicht, striktes Verbot des Eigentums und der Annahme von Geld (auch für die Konvente), Verpflichtung zur Handarbeit zur Sicherung des Lebensunterhaltes, Zulassung des Bettels/Almosensammelns, Bindung an den Konvent (stabilitas loci/Verpflichtung, am selben Ort zu bleiben), Unterordnung durch den Papst und Verbindung mit ihm durch einen Protektor. Ergänzungen zur Regel brachten die Anordnungen der Generalkapitel und Generalminister als Generalstatuten seit 1239. Insbesondere Elias von Cortona, ein ehemaliger Notar, Generalminister 12321239, wirkte an der Festlegung der Struktur des jungen Ordens mit.

Regula bullata

Generalminister Generalkapitel

Predigt und Seelsorge

Mattenkapitel

Besitzlosigkeit und Bettel

päpstliches Protektorat

13.2.2 Die Tertiarier. Neben dem sog. Zweiten Orden der Klarissen (s. § 6; 13.3) strahlten die neuen Klöster in die städtische Gemeinschaft aus. Hier bildeten sich Bruderschaften 13. Armut und Bußpredigt: Der Franziskanerorden

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Dritter Orden

Paris

Oxford

von Laien, die nach 1226 als sog. Dritter Orden (Tertiarier) in lockerer Form organisiert wurden. Diese Weltleute unterwarfen sich einer eigenen Regel (v.a. mit Vorschriften für Gebet und Fasten; 1289 päpstlich bestätigt), blieben aber – meist verheiratet – in ihrem städtischen Lebensraum und Beruf. Solche Vereinigungen gab es auch bei anderen Orden, v.a. bei den Prämonstratensern und Dominikanern. Doch bei den Franziskanern erlangten sie im 13.-15. Jh. die größte Breitenwirkung. Teils bildeten sich auch hieraus klosterartige Konvente (als regulierte Tertiarier mit Gelübde), teils formierten sie sich als Bruderschaften (ordo saecularis/weltlicher Stand) in Anlehnung an ein Minoritenkloster. Auch Frauen schlossen sich dem Dritten Orden an, v.a. in Deutschland nahmen viele Beginenhäuser die Tertiarierregel an, um kirchlich anerkannt zu sein. 13.2.3 Franziskaner und scholastische Theologie. Durch den Kontext der Klöster in den Städten und die Bedeutung der Predigt für den Orden wurden die Franziskanerkonvente früh zu Zentren der Theologie, insbesondere dort, wo Universitäten entstanden (auch wenn die antihäretische Lehrverkündigung nicht so im Zentrum stand wie bei den Dominikanern). In Bologna lehrte seit 1224 Antonius von Padua (1195-1231) als Ordenslektor. In Paris entwickelte sich ab 1219 eine Franziskanerschule (neben Haymo von Faversham war hier ab 1235/1236 besonders Alexander von Hales tätig, s. § 10; 12.). Weitere Lehrer in Paris waren Johannes von Rupella (gest. 1245), Johannes von Parma (ca. 1209-1289) und seit 1242/43 Bonaventura (s. § 10; 12.3.1). Später lehrte hier auch Duns Scotus (s. § 10; 14.1.1). In Oxford errangen Franziskaner seit ca. 1230 an Bedeutung durch Robert Grosseteste (ca. 1168-1253), Adam von Marsh (gest. 1259) und Johannes Peckham (ca. 1230-1292).

13.3 Klara von Assisi und die »Armen Frauen«

Kontakt zu Franziskus

Eremitin

Viele Frauen engagierten sich für die religiöse Bewegung im 13. Jh. und das Armutsideal. Unter ihnen fand die Predigt des Franziskus und der Minderbrüder besonderen Anklang. Die junge Klara aus einer Adelsfamilie in Assisi floh 1212 aus dem Elternhaus zur Bruderschaft des Franziskus. Da ein Anschluss an die Bruderschaft ebenso unmöglich war wie das Leben als Wanderprediger, sie aber den Eintritt in ein normales Kloster ablehnte, baute sie eine eigene Frauengemeinschaft auf, die nach einer von Franziskus konzipierten Lebensform in strenger Kontemplation und völliger Besitzlosigkeit lebte. Als weitere Frauenkonvente in Mittel- und Norditalien hinzukamen, gab diesen »armen Frauen« Kardinal Hugolino von Ostia 1218/1219, von Papst Honorius mit der Integration der Frauengruppen der Armutsbewegung beauftragt, eine traditionell-monastische Regel. Klara verteidigte demgegenüber ihr Ideal und erlangte nach längeren Konflikten von Papst Innozenz IV. 1253 die Bestätigung ihrer strengeren Regel. Hierdurch entwi­ ckelten sich auch im Zweiten Orden des Franziskus eine strengere und eine gemäßigtere Richtung. 13.3.1 Klara von Assisi. Klara/Chiara (1193/1994-1253), Tochter des Ritters Favarone (nicht Sciffi/Scefe, wie früher angenommen) aus Assisi, lebte nach dem Anschluss an Franziskus seit 1212 zunächst als Eremitin/Klausnerin, der sich bald ihre Mutter und Schwester sowie weitere Frauen anschlossen. Eine demütige Christusfrömmigkeit 516

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bestimmte fortan ihr Leben als eine zu radikaler Armut verpflichtete Büßerin. In San Damiano bei Assisi errichtete sie ihren Konvent der »armen Frauen«, dem Franziskus schon früh (1212/1213?) eine kurze, stark an Evangeliumstexten orientierte Lebensform gab. 1215/1216 erhielt sie von Innozenz III. das Armutsprivileg, d.h. die Befreiung von jedem Klosterbesitz. Nach ihrem Vorbild entstanden bald einige Konvente, für die Kardinal Hugolino als Protektor der Minoriten 1218/1219 eine benediktinisch geprägte Regel verfasste, die u.a. eine strenge Klausur, intensives Fasten und zum Unterhalt der Nonnen Einkünfte aus Klosterbesitz vorsah (1247 erweitert). Klara lehnte das ab, bekam von Papst Honorius III. 1228 das Armutsprivileg für San Damiano bestätigt und verteidigte es durch Erstellung einer eigenen, 1253 päpstlich approbierten Regel für San Damiano. Dadurch war die dauerhafte Anbindung an den Franziskanerorden möglich geworden. Dieser Regel schlossen sich in der Folgezeit zahlreiche Klöster an, während andere sich an einer Neufassung der gemäßigteren Regel des Hugolino von Ostia (überarbeitet 1263; mit Besitzerlaubnis für die Konvente) orientierten. 13.3.2 Ausbreitung. Trotz der Regeldivergenz blieb die Anbindung an den Franziskanerorden für alle Klarissen maßgeblich. Sie breiteten sich zügig in Italien, danach u.a. in Spanien, Frankreich, Deutschland aus (mit ca. 110 Klöstern um 1250, über 400 um 1400). Ihre Ordenstracht war ein schwarzes Wollkleid mit schwarzem Schleier. Auch in Deutschland entstanden im Verlauf des 13. Jh.s zahlreiche Klöster, oft gefördert von Adel und reichen städtischen Schichten. Eine herausragende Rolle spielte Agnes von Prag (ca. 1205?-1282), Tochter Ottokars von Böhmen, die seit 1234 als Äbtissin deutsche Klarissenkonvente prägte. Im 15. Jh. erlebten die meisten Konvente eine Erneuerung des geistlichen Lebens im Gefolge der Observantenbewegung (s. § 6; 15.3).

Armutsprivileg

Agnes von Prag

13.4 Der Armutsstreit und die Spaltung des Ordens Der ursprüngliche Impuls der franziskanischen Bewegung konzentrierte sich auf die grundlegende Bedeutung des radikalen Armutsgebots (der Besitzlosigkeit auch der Gemeinschaft), weil es insgesamt um eine Alternative zur an die Welt angepassten Christenheit ging. Dies erwies sich für eine große Organisation und die Einrichtung von Konventen in den Städten als wenig praktikabel. Die Frage, wie mit der Institutionalisierung des Ordens und dem Sesshaftwerden in den Städten umgegangen werden soll, wurde zu einem Grundproblem, das im sog. Armutsstreit im 14. Jh. eskalierte. Hier standen sich Befürworter der apostolischen Armut und der Besitzlosigkeit (auch des Ordens bzw. der Konvente), die sog. Spiritualen, und Befürworter der persönlichen Armut bei gleichzeitiger Anerkennung, dass der Orden Besitz für seine Zielsetzungen einsetzen durfte, die sog. Konventualen, gegenüber.

Spirituale Konventuale

13.4.1 Die Entstehung des Konflikts im 13. Jh. Die Konflikte begannen bereits mit der Frage, ob das Testament des Franziskus von 1226 für den Orden verbindlich sei. Dies wurde durch eine Bulle von Gregor IX. (Hugolino von Ostia) verneint, der Streit wurde dadurch jedoch nicht beigelegt. Eine Minorität von zelanti (Eiferern) trat für eine geistliche Existenz ein, d.h. die strikte Anwendung der Regel ohne jede Abmilderung (später als Spiritualen bezeichnet). Daraus folgte für sie, dass jeglicher Besitz als Bindung an die Welt abzulehnen ist, also auch die Konvente keinen Besitz haben sollten. Die Majorität 13. Armut und Bußpredigt: Der Franziskanerorden

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Besitz des Ordens

Eigentumsfrage

Spaltung

Minoriten

der Brüder, die »Brüder der Gemeinschaft bzw. Kommunität« (daher als Konventuale bezeichnet), befürwortete eine Angleichung an andere Orden und den Besitz des Gesamtordens. Sie berief sich auf die päpstlichen Regelerklärungen von 1230, 1245 und 1279, welche für die Franziskaner ein bloßes Gebrauchsrecht an ihren Besitzungen (die eigentlich Eigentum der Gesamtkirche seien) statuierten. Der Gegensatz gewann zunehmend allgemeine Bedeutung, weil sich die Spiritualen z.T. zu energischen Kritikern der Papstkirche entwickelten und der Ketzerei verdächtigt wurden. 13.4.2 Der Armutsstreit im 14. Jh. Verschärft wurde der Streit im 14. Jh. durch die Frage, ob die Auffassung, dass Jesus und die Apostel weder persönlich noch gemeinschaftlich Eigentum besessen hätten, häretisch sei. Dies tangierte nicht nur den Orden, sondern stellte die gesamte gesellschaftliche Ordnung in Frage, weil ein weltliches Leben als nicht christusgemäß erschien. Papst Johannes XXIII. verurteilte 1323 die Auffassung, Jesus Christus habe kein Eigentum besessen, als häretisch. Einzelne Gruppen, welche die strenge Regelbeachtung (Observanz) praktizierten, zogen sich – zunächst v.a. in Italien – seit ca. 1340 als Wanderprediger und Eremitengemeinschaften auf die ursprüngliche Lebensweise zurück und erhielten dafür die päpstliche Genehmigung. Auf dem Hintergrund der zunehmenden Massenarmut und der Reformforderungen des 14./15. Jh.s fanden diese Observanten, die als die wahren Minderbrüder galten, breiten Zulauf, öffentliche Anerkennung und eine zunehmende Selbständigkeit durch den Aufbau einer eigenen Hierarchie in den Provinzen. Die einstige Majorität der Konventualen verlor an Einfluss. Der Gegensatz beider Gruppen führte schließlich zur definitiven Spaltung des Ordens, die 1517 von Papst Leo X. sanktioniert wurde. Aus den Spiritualen gingen auch in den folgenden Jahrhunderten weitere Gruppen hervor, die erst 1897 von Papst Leo XIII. mit den Observanten zum neuen Franziskanerorden zusammengelegt wurden. Die Observanten trugen braune Kutte, die Konventualen schwarze Kutte (auf sie ging in Deutschland zunehmend die Bezeichnung als Minoriten über). 13.5 Literatur Lektüretipp: U. Köpf: Hugolino von Ostia (Gregor IX.) und Franziskus, in: D.R. Bauer/H. Feld/U. Köpf (Hg.): Franziskus von Assisi. Das Bild des Heiligen aus heutiger Sicht, 2005, 163-182. Quellen: H. Boehmer/F. Wiegand (Hg.): Analekten zur Geschichte des Franciscus von Assisi, 3. A. 1961. – D. Berg/L. Lehmann (Hg.): Franziskus-Quellen, 2014 [Sammlung/Übers.]. – J. Schneider/P. Zahner (Hg.): Klara-Quellen, 2013 [Sammlung/Übers.]. Literatur: K. Esser: Anfänge und ursprüngliche Zielsetzung des Ordens der Minderbrüder, 1966. – H. Feld: Franziskus von Assisi und seine Bewegung, 1994. – J. Le Goff: Franz von Assisi, 2. A. 2007. – A. Vauchez: François d’Assise. Entre histoire et mémoire, 2009. – C. Stiegemann/B. Schmies/H.-D. Heimann (Hg.): Franziskus. Licht aus Assisi. Katalog zur Ausstellung im Erzbischöflichen Diözesanmuseum und im Franziskanerkloster Paderborn, 2011. – M.F. Cusato: The Early Franciscan Movement (1205-1239), 2009. – M. Bartoli: Klara von Assisi, 1993. – J. Mueller (Hg.): A Companion to Clare of Assisi, 2010. – G. Melville/J. Oberste (Hg.): Die Bettelorden im Aufbau, 1999. – I.W. Frank: Die Bettelordensstudia im Gefüge des spätmittelalterlichen Universitätswesens, 1988. – W. Schenkluhn: Architektur der Bettelorden. Die Baukunst der Dominikaner und Franziskaner in Europa, 2000. – D. Burr: The Spiritual Franciscans, 2003. – U. Horst: Evangelische Armut und päpstliches Lehramt. Minoritentheologen im Konflikt mit Papst Johannes XXII. (1316-1334), 1996. – T. Ertl: Religion und Disziplin. Selbstdeutung und Weltordnung im frühen deutschen Franziskanertum, 2006.

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14. Predigt und Studium: Der Dominikanerorden Der von dem Spanier Dominikus gegründete Orden setzte sich insbesondere die Abwehr von Häresien durch Predigt und ein apostolisches und missionarisches Leben zum Ziel. Der Predigerorden (Ordo Praedicatorum; Namenszusatz: OP) breitete sich während des 13. Jh.s rasch in Westeuropa aus, konzentriert auf die größeren Städte und oft parallel zum Franziskanerorden. Die Sozialgestalt des Mönchtums erfuhr dadurch eine grundlegende Neuerung. Der Dominikanerorden bestand aus Klerikern und Laienbrüdern, die als Bettelmönche (Mendikanten) in strikt apostolischer Weise nach dem Armutsgebot – ohne Grundbesitz und feste Einkünfte der Klöster – zunächst allein von den Zuwendungen aus der Bevölkerung lebten. Die Päpste unterstützten den Orden, weil er eine von den kirchlichen Gegebenheiten vor Ort unabhängige, dem Papst treu ergebene zentrale Organisation war. Dies machte ihn auch besonders für das neue Instrument der unabhängigen Untersuchung, der Inquisition, geeignet. Durch die Ausrichtung auf Predigt und Verteidigung der Wahrheit war der Dominikanerorden unmittelbar mit der theologischen Wissenschaft verbunden und nahm an der Ausgestaltung der scholastischen Theologie an den neu entstehenden Universitäten (besonders in Paris und Bologna) aktiv teil.

Predigtorden

Bettel

Papsttum

14.1 Von der Predigtbewegung zum Orden Angesichts der durch Katharer und Waldenser ausgelösten, durch die gewaltsame Ketzerbekämpfung verstärkten Unruhen im südlichen Frankreich konzentrierten sich Dominikus (ca. 1170/1175-1221) und sein Freund Diego nach 1205/1206 auf die Predigt des Evangeliums unter der Bevölkerung des Languedoc südöstlich von Toulouse. Sie wollten die biblische Heilswahrheit glaubwürdig vorleben durch Wanderpredigt, Armut, Nächstenliebe und Barmherzigkeit, und zwar in bewusster Verbindung mit dem Episkopat. Das war in der Situation der kriegerischen Auseinandersetzungen der Albigenserkreuzzüge nach 1209 (vgl. dazu § 8; 10.3.3) ein mutiges Unterfangen. 1215 errichtete Dominikus in Toulouse ein Haus für seine kleine Predigergemeinschaft und erhielt den bischöflichen Auftrag zur Verkündigungsarbeit in der ganzen Diözese. Da das 4. Laterankonzil die Gründung neuer monas­ tischer Lebensweisen verbot, nahm er die Augustinregel – ergänzt durch Prämonstratenser-Vorschriften – als Basis und erhielt so 1216/1217 die Anerkennung durch Papst Honorius III. Dank der päpstlichen Unterstützung konnte der Orden – unabhängig von den Bischöfen – überall in Westeuropa Konvente gründen. 14.1.1 Die Anfänge der Predigerbewegung um Dominikus. Der Kastilier Dominikus/ Domingo (von Guzmán?, geb. ca. 1170/1175 in Caleruega bei Burgos) war zunächst regulierter Kanoniker in Osma. Auf Reisen begegneten er und Diego/Didacus, Bischof im 14. Predigt und Studium: Der Dominikanerorden

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Toulouse 4. Laterankonzil Augustinregel

Diego von Osma

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gegen Katharer und Waldenser

Predigt als Aufgabe

kastilischen Osma (gest. 1207), in Südwestfrankreich der Albigenserbekämpfung durch päpstliche Legaten (Zisterzienser). Wegen deren Erfolglosigkeit entwickelten beide 1205 als neue Konzeption die Verbindung des Lebensstils der Katharer und Waldenser (Armut, Wanderpredigt) mit einer strikten Kirchenbindung und betont auf Rechtgläubigkeit achtenden Predigt. Es gelang Diego, eine Waldensergruppe um Durandus von Huesca (s. § 6; 11.3.2) in die Kirche zurückzuholen. Mit der Gründung eines Klosters in Prouille 1206 begannen sie programmatisch die Seelsorge an Frauen, weil diese bei den Katharern und Waldensern besondere Betreuung erfuhren. 14.1.2 Bischöfliche und päpstliche Anerkennung. In der Zeit des Krieges gegen die Albigenser nach 1208/1209 wirkte Dominikus so erfolgreich, dass ihn 1215 der Erzbischof von Toulouse nach der Eroberung der Stadt dorthin holte und mit der Predigt in der Diözese beauftragte. Er überließ ihm für das von ihm gegründete Kloster die Romanuskirche und bestätigte seine Predigergemeinschaft. Die für eine Ordensgründung erforderliche Erlaubnis durch den Papst erteilte Honorius III. 1216/1217 in Anerkennung der Tatsache, dass die Bewegung schon vor dem 4. Laterankonzil erzbischöfliche Anerkennung gefunden hatte und eine der bewährten Ordensregeln, nämlich die Augustinregel, übernahm. Die päpstliche Anerkennung stellte die »Brüder von St. Romanus« unter päpstlichen Schutz und übertrug ihnen die Predigtaufgabe, eine der genuinen Aufgaben des Bischofsamts. 1218 empfahl Honorius III. die fratres ordinis Praedicatorum (Brüder des Predigerordens) allen Bischöfen. Damit war die Unabhängigkeit von der jeweiligen Diözesanorganisation angebahnt. Dominikus wirkte ab 1220 von Rom aus, das damit zum Sitz des Ordensgenerals wurde.

14.2 Organisation und Ausbreitung Der Erfolg des Predigerordens beruhte darauf, dass er das Armutsideal nicht nur predigte, sondern auch vorlebte. Zugleich partizipierte der Orden an dem ökonomischen und kulturellen Aufschwung der Städte im 13. Jh. Auf die religiöse Frauenbewegung reagierte der Orden durch die Errichtung spezieller Konvente für ein kontemplatives Leben – mit Erfolg. Durch seine Konstitutionen von 1220/1221 und 1228 schuf er sich eine zentralistische, aber flexible Verfassung. Mit der kirchlichen Hierarchie eng verbunden, wurde der Dominikanerorden ein wichtiger Multiplikator der Papstherrschaft. Generalkapitel

keine stabilitas loci Ordensgeneral

14.2.1 Aufbau. Das 4. Laterankonzil von 1215 schrieb allen Orden die Abhaltung von Generalkapiteln nach dem Vorbild der Zisterzienser vor. In Bologna, dem zweiten Zentrum neben Paris, versammelte Dominikus 1220 und 1221 das Generalkapitel als oberstes Leitungsgremium, um auf der Grundlage der Augustinregel die Grundzüge der Verfassung zu beschließen. Diese Beschlüsse wurden durch die Konstitutionen von 1228 und späterer Generalkapitel ergänzt. Dem städtischen Leben entsprach das Prinzip der kollektiven Führung und der Wahl auf Zeit für die Ämter. Auch das Prinzip des völligen Güterverzichts und der Bettelarmut entsprach dieser sozialen Situation, weil die Predigerbrüder ihren Unterhalt von der Stadtbevölkerung bekamen – im Gegenzug zu Seelsorge und Predigt. Vom herkömmlichen Klosterwesen unterschied man sich dadurch, dass das Gebot der stabilitas loci (Ortsbeständigkeit) wegen des Ideals der apos­ tolischen Wanderpredigt nicht galt und dass jedem Konvent – bestehend aus Klerikern und Laienbrüdern – ein Prior (kein Abt) vorstand. Die Konvente wurden in Provinzen unter einem Provinzial zusammengefasst, die dem Ordensgeneral (seit 1273 mit Sitz in 520

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Rom) unterstanden. Jeder Konvent bekam eine Schule mit einem doctor (Lehrer) für die theologische Ausbildung, jede Provinz ein zentrales, besonders gut ausgestattetes Studienhaus. Die Ordenskleidung entsprach der der Kartäuser: weißer Talar mit Kapuze und Skapulier (Schultertuch), darüber ein schwarzer offener Mantel. 14.2.2 Dominikanerinnen. Von Anfang an spielten Frauenkonvente im Orden eine besondere Rolle (so in Prouille, dann in Bologna, Madrid und Rom). Trotz anfänglicher Widerstände übernahmen Predigermönche seit 1267 die seelsorgerlich-priesterliche Betreuung der Klausurschwestern (der moniales), deren Konvente sich zu einem Zweiten Orden entwickelten (seit 1259 mit eigener Regel). Dieser war besonders in Deutschland weit verbreitet, wo um 1250 18 Dominikanerinnenklöster existierten (von 22 insgesamt; um 1300 lagen 80 der insgesamt 141 Dominikanerinnenklöster in Deutschland). Die Schwestern, die meist dem Adel und höheren städtischen Schichten entstammten, widmeten sich dem meditativen Leben; ihre profilierte Spiritualität und Bildung führte in vielen Konventen zur Pflege der Mystik. Auch zum Dominikanerorden bildete sich ein sog. Dritter Orden des hl. Dominikus (mit Regel von 1285; Tertiarier, vgl. § 6; 13.2.2); ihm gehörte z.B. Katharina von Siena (s. § 6; 12.4.4) an. 14.2.3 Der Orden nach Dominikus’ Tod. Nach Dominikus’ Tod wurde 1223 sein Nachfolger als Generalmagister (Ordensgeneral) der Westfale Jordan von Sachsen (ca. 11851237), ein glänzender Prediger, der die Organisation tatkräftig ausbaute und die Verbreitung förderte. Ein weiterer Deutscher leitete 1241-1252 den Orden: Johannes Teutonicus aus Wildeshausen, der sich für die Bewahrung der Disziplin und des Armutsgebotes einsetzte. Das Heilige Römische Reich wurde rasch zu einem der Zentren des Ordens; hier entstanden – gefördert durch Adel und städtische Schichten – die ersten Konvente zwischen 1222 und 1240 u.a. in Köln, Straßburg, Magdeburg, Trier, Basel, Wien, Erfurt, Würzburg, Regensburg, Leipzig, Lübeck (bis um 1300 waren es ca. 50 Konvente). 1303 wurde der Orden in Deutschland in die beiden Provinzen Teutonia und Saxonia geteilt. Der Orden, der in den Städten eine erhebliche soziale und kulturelle Bedeutung erlangte, breitete sich auch in Ungarn und Skandinavien aus. Missionare arbeiteten im 13. Jh. u.a. im Baltikum und in Russland, in Asien und Afrika. Die Verbindung zum Papst und der römischen Kurie war von Anfang an eng. Durch ihre Bildung, ihre Papstbindung und ihre Unabhängigkeit als zentral aus Rom geführte Institution wurden sie im Laufe des 13. Jh.s zu einer tragenden Säule der Papstherrschaft (Innozenz V. [1276] und Benedikt XI. [1303-1304] waren Dominikaner). Das führte allerdings dazu, dass sie in der Öffentlichkeit sehr bald (und stärker als die ebenfalls beteiligten Franziskaner) mit der Inquisition verbunden wurden.

Seelsorge

Jordan von Sachsen

Papstbindung

14.3 Der Dominikanerorden und die scholastische Theologie Dominikus hat die Ausbreitung in ganz Europa dadurch gefördert, dass er von den Predigerbrüdern das Studium, die theologische Bildung als Basis katholischer Glaubensverkündigung, verlangte. Sollten sie auf diese Weise zunächst für die intellektuelle Auseinandersetzung mit den ketzerischen Ideen gerüstet werden, so erweiterte sich das schnell zu einer generellen Bildungsfreundlichkeit der Dominikaner. Aufgrund ihres städtischen Kontextes wurden Dominikanerkonvente wichtige Bezugspunkte der neu entstehenden Universitäten und prägten die scholastische Theologie entscheidend mit. Dominikus selbst entsandte 1217 einige Brüder nach Paris, um dort zu 14. Predigt und Studium: Der Dominikanerorden

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Bildung

Paris

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Thomas von Aquin Studienhäuser

studieren, zu predigen und einen Konvent aufzubauen. Andere Brüder sandte er nach Bologna, Madrid, Segovia und Lyon. Das Jakobskloster in Paris wurde bald ein Zentrum des Ordens. Die wissenschaftliche Beschäftigung und die Beteiligung an der Universität führten aber auch zu Konflikten mit dem Weltklerus, in die auch die Franziskaner verwickelt waren (sog. Pariser Mendikantenstreit). In Paris wirkten auch Albertus Magnus und Thomas von Aquin im Sinne des neuen Programms der Aristotelesrezeption (vgl. § 10; 11.2). Dadurch wurden die Dominikaner zu einem bestimmenden Faktor in der scholastischen Theologie. Seit 1309 galt Thomas als offizieller Lehrer des Ordens, so dass seine Schriften dem Studium zugrunde gelegt wurden. Große Ausstrahlung entwickelten auch die Studienhäuser in Bologna, Oxford und Köln. Nicht nur Theologie (besonders Exegese), sondern auch Philosophie, Naturwissenschaften und Kirchenrecht wurden gepflegt. In Deutschland erhielt die Mystik ihre herausragenden Vertreter im 14. Jh. mit den Dominikanern Meister Eckhart, Johannes Tauler und Heinrich Seuse (vgl. § 10; 15.1-15.2; 18.1). 14.4 Literatur Lektüretipp: K. Elm: Franziskus und Dominikus, Saeculum 23 (1972) 122-147. Literatur: W. Hinnebusch: The History of the Dominican Order, 1981. – A. Hertz: Dominikus und die Dominikaner, 1981. – M. Lohrum: Dominikus. Beter und Prediger, 1984. – M.-H. Vicaire: Geschichte des heiligen Dominikus, 2 Bde., 1962/1963. – [ohne Hg., G. Danroc/D. Le Blevec (Hg.)]: Dominique avant les Dominicains, Mémoire dominicaine 21 (2007) 9-161. – R. Spiazzi: San Domenico di Guzman, 1999. – P. Thourault: Saint Dominique face aux cathares, 1999. – M.-L. Ehrenschwendtner: Die Bildung der Dominikanerinnen in Süddeutschland vom 13. bis 15. Jahrhundert, 2004. – I.W. Frank: Die Bettelordensstudia im Gefüge des spätmittelalterlichen Universitätswesens, 1988. – W. Schenkluhn: Architektur der Bettelorden. Die Baukunst der Dominikaner und Franziskaner in Europa, 2000. – C. Jäggi: Frauenklöster im Spätmittelalter. Die Kirchen der Klarissen und Dominikanerinnen im 13. und 14. Jahrhundert, 2006.

 § 8; 10.

15. Vielfalt des monastischen Lebens im späten Mittelalter Die Vielfalt des monastischen Lebens im Spätmittelalter trug der wachsenden sozialen Ausdifferenzierung der Gesellschaft, der kulturellen Horizonterweiterung durch die Kreuzzüge und der religiösen Komplexität Rechnung. Die Spannbreite des Mönchtums bekundeten neben den älteren Orden (Benediktiner, Augustinerchorherren, Zisterzienser) besonders drei Entwicklungen: a) die Bettelorden: Zu den Franziskanern und Dominikanern kamen noch im 13. Jh. die Karmeliter und Augustinereremiten hinzu, die als die vier großen Bettelorden das religiös-kulturelle Erscheinungsbild der Städte prägten; 522

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b) Ritterorden, die im Zusammenhang mit den Kreuzzügen seit 1120/1130 entstanden waren und nach dem Ende der Kreuzfahrerreiche im Nahen Osten ihre Tätigkeit nach Westeuropa verlegten (vgl. dazu § 9; 9.). c) Hospitalorden, die teilweise aufgrund von Kreuzzugsbewegung und Pilgerwesen, teilweise aber auch unabhängig davon im Zusammenhang mit der Zunahme sozialer Notstände besonders in den Städten entstanden. Seit der Mitte des 14. Jh.s geriet das Mönchtum aller Formationen in eine Krise, bedingt durch verschiedene Faktoren, v.a. die allgemeine Verweltlichung, die Autoritätseinbußen durch geistliche Erschlaffung, die ständigen Streitigkeiten der Bettelorden untereinander, die Konflikte mit dem Stadtklerus und die Folgen der großen Pest. Gegen Ende des 14. Jh.s kam die Spaltung der lateinischen Kirche im sog. Großen Schisma (s. § 8; 11.3) hinzu. Im letzten Dritten des 15. Jh.s wurden vielfältige Neuaufbrüche von den Landesherren unterstützt. Insbesondere die Observanzbewegung führte zu einer neuen Belebung vieler Orden und Konvente, die sich gerade in massiver Bautätigkeit (im spätgotischen Stil) um 1500 niederschlug.

15.1 Neue Bettelorden: Karmeliter und Augustinereremiten Im Zusammenhang von Eremiten-, Pilger-, Armuts- und Kreuzzugsbewegung entstand in Palästina am Karmelgebirge im 12. Jh. eine Einsiedlergemeinschaft, deren Leben durch Schweigen und Handarbeit, Fasten und Gebet bestimmt war: die Karmeliter (bzw. Karmeliten). Infolge der muslimischen Rückeroberung des Heiligen Landes zogen viele von ihnen sich seit ca. 1240 nach Europa zurück und passten hier ihre Lebensweise an die Mendikanten an. Sie widmeten sich ebenfalls v.a. der Seelsorge in den Städten und fanden insbesondere durch ihre Marienfrömmigkeit allgemeine Resonanz. Erst im 15. Jh. entstand ein weiblicher, zweiter Orden, die Karmeliterinnen. Die verschiedenen, teilweise schwer kontrollierbaren Eremitengemeinschaften fasste Papst Alexander IV. 1256 zu einem neuen Bettelorden zusammen, den Augustinereremiten. Diese legten (wie die Dominikaner) die Augustinregel zugrunde und gestalteten ihr Leben im bewussten Rückgriff auf augustinische Spiritualität. Auch dieser Eremitenorden war besonders in den Städten durch Seelsorge und Predigt aktiv. Durch die Angliederung regionaler Einsiedlergemeinschaften wuchs der Orden rasch in ganz Europa. 15.1.1 Die Karmeliter. Am Karmel lebten seit dem 5./6. Jh. griechische Einsiedler in Höhlen und Zellen. Wie sich (hieraus?) die Karmelitergemeinschaft entwickelte, ist im Einzelnen unklar, eine wichtige Rolle scheint um 1155 Berthold von Kalabrien (gest. ca. 1195) gespielt zu haben. Die Marienfrömmigkeit prägte die meist aus Europa stammenden »Eremiten der seligsten Jungfrau Maria vom Berge Karmel«, die 1207/1209 eine – 1226 von Papst Honorius III. bestätigte – Regel bekamen (auch sie waren gerade noch vor dem allgemeinen Verbot neuer monastischer Lebensweisen von 1215 entstanden). Dem wachsenden Druck durch den Zusammenbruch der Kreuzfahrerherrschaften im Heiligen Land wichen zunächst einzelne Gruppen nach Europa aus, v.a. nach Sizilien, 15. Vielfalt des monastischen Lebens im späten Mittelalter

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Palästina

Marien­ frömmigkeit

Berthold von Kalabrien

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Simon Stock

Eremiten­ gemeinschaften

Studienhäuser

Südfrankreich, Flandern und England. Unter dem englischen Generalprior Simon Stock (gest. 1265) formierten sie sich zu einem Orden mit Klöstern und gemilderter Regel (1247 von Papst Innozenz IV. bestätigt, Ordo Carmelitarum; Namenszusatz: OCarm, brauner Habit). Sie verbreiteten sich im 13./14. Jh. in den Städten Europas, z.B. mit 40 Konventen in England bis 1265, mit 35 in Deutschland bis 1348. Ihrem intensiven Marienkult schlossen sich viele städtischen Bruderschaften (Tertiarier) an. Ein weiblicher Zweig wurde erst 1452 gegründet. 15.1.2 Die Augustinereremiten. Die Umgestaltung etlicher – v.a. in der Toskana verbreiteter – Eremitengemeinschaften zu einem einheitlichen Orden der Augustinereremiten (Ordo Eremitarum Sancti Augustini; Namenszusatz: OESA; mit schwarzem Habit) bewirkte der Druck der römischen Kurie, die verschiedene Missstände beheben wollte (Gründungskapitel bereits 1244 in Rom, erheblich erweitert durch die Bulle Alexanders IV. von 1256). Neben der Augustinregel galten besondere Konstitutionen; die Ordensverfassung lehnte sich an die der Dominikaner an. Die Augustinereremiten sind nicht zu verwechseln mit den Augustinerchorherren. Durch die Orientierung an Augustin entstand eine spezifische Augustinerschule mit hervorragenden Scholastikern (s. § 10; 17.1.2-17.1.3). Wie die Dominikaner betrieben die Augustinereremiten Studienhäuser in den Provinzen (z.B. dem Generalstudium in Erfurt und dem Zentrum in Paris). Da durch päpstliche Legaten verschiedene Eremitengemeinschaften mit dem neuen Orden zusammengelegt wurden, wuchs dieser rasch an (bis 1329 entstanden 24 Ordensprovinzen, davon 4 in Deutschland) und erreichte im 15. Jh. mit ca. 2000 Klöstern in 42 Provinzen eine beeindruckende Ausdehnung. Weit über den Orden hinaus haben der Mystiker Heinrich von Friemar d. Ä. (ca. 1245-1340) und der als Prediger bekannte Jordan von Quedlinburg (bzw. von Sachsen, nicht zu verwechseln mit dem Dominikanergeneral; s. § 6; 14.2.3) gewirkt.

15.2 Hospitalorden

Krankenpflege

Antoniter

Große sozialgeschichtliche Bedeutung bekam der Aufschwung des Hospitalwesens seit der Kreuzzugszeit durch die Entstehung spezifischer Kommunitäten und durch die städtischen Stiftungen von Hospitälern, Siechen- und Leprosenhäusern. Gemäß dem ritterlichen Ideal des Einsatzes für Hilfsbedürftige stellten auch einige Ritterorden den Hospitaldienst in den Vordergrund (so der Johanniter- und der Deutschorden). In vielen Städten entwi­ ckelten sich städtische Hospitaliter und Hospitaliterinnen in verschiedenen Organisationsformen, Gemeinschaften, deren Glieder sich durch eine Art Gelübde banden und ein religiös geformtes, auf Kranken- und Armenpflege ausgerichtetes Leben führten. Vergleichbar mit den Beginen entstand damit eine Analogie zum Klosterwesen, die teilweise ordensartige Formen annahm. 15.2.1 Die Hospitaliter. Vor 1095 entstand in Südfrankreich eine Bruderschaft der Hospitaliter des hl. Antonius zur Pflege der am sog. Antoniusfeuer (d.h. meist tödlichen Hautgeschwüren) Erkrankten. Diese Bruderschaft verbreitete sich in Europa und wurde 1247/1297 zu einem Regularkanonikerorden umgeformt (den sog. Antonitern, in Deutschland oft Tönniesherren genannt). Der zentralistisch aufgebaute Orden unterhielt bis zu 369 Spitäler und erwarb großen Grundbesitz. Starke Verbreitung (besonders in 524

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Italien) erreichte der um 1180/1195 in Montpellier gegründete Orden der Brüder vom Heiligen Geist, der – ab 1250 ein Klerikerorden – neben den traditionellen Gelübden die Verpflichtung zum Dienst an Kranken vorsah. Zu ihm gehörten auch die nicht direkt in die Ordensstruktur eingebundenen Heiliggeistbrüder in vielen städtischen Spitälern. Zudem entwickelte sich hier auch ein weiblicher Ordenszweig mit den Schwestern des Ordens vom Heiligen Geist. Der Leprosenpflege widmeten sich u.a. die um 1120 in Jerusalem gegründeten Lazariten, ein Ritterorden, der auch in Deutschland Niederlassungen unterhielt. Bei den Johannitern, Deutschherren, Lazariten und Augustinereremiten bildeten sich weibliche Ordenszweige, die sich in der Krankenpflege engagierten. Neben der Krankpflege diente der vor 1198 in Frankreich entstandene Trinitarierorden auch dem Freikauf christlicher Gefangener aus muslimischer Versklavung. 15.2.2 Hospitäler in den Städten. Mit dem Begriff Hospital/Spital erfasste man die verschiedenen Einrichtungen für Hilfsbedürftige, insbesondere für dauerhaft Kranke und gebrechliche Alte (»Sieche«). Neben den Hospitaliterorden traten seit dem 12./13. Jh. die Bürger und Stadtobrigkeiten als Stifter und Träger solcher Häuser hervor. Diese waren oft dem Heiligen Geist als dem Tröster geweiht und wuchsen z.T. zu riesigen, begüterten Anstalten heran (so z.B. das Hôtel-Dieu in Paris seit 1195). Im Reich entstanden sie seit dem 14. Jh. zahlreich, erstmals 1227-1234 in Lübeck. Die medizinische Versorgung war kaum entwickelt, die Möglichkeiten zumeist auf bloße Betreuung beschränkt, die oft von speziellen Bruder- und Schwesterschaften geleistet wurde. Durch die geistliche Versorgung mit Gottesdiensten in der Spitalkirche oder -kapelle war eine Verbindung zur Kirche gegeben. Durch das geregelte Gebetsleben, das Keuschheits- und Gehorsamsgelübde, die einheitliche Kleidung, die gemeinsamen Mahlzeiten u.a. bildeten die Hospitäler eine dem Mönchtum angeglichene Welt. Spezielle Einrichtungen zur sozialhygienischen Isolierung der Aussätzigen waren die überall in Stadt und Land seit dem 13. Jh. entstehenden Leprosenhäuser, die nach denselben Prinzipien organisiert wurden.

 § 10; 8.3-15.

Brüder vom Hl. Geist

Lazariten

Sieche

Heilig-GeistSpitäler

Leprosenhäuser

15.3 Die Observanzbewegung im 15. Jh. Das Aufkommen von Forderungen nach einer strikteren Observanz der Regel wurde für viele Orden im späten 15. Jh. zu einer Herausforderung. Einerseits lag hierin das Potential zur Erneuerung und zu größerer Attraktivität (für Gebildete, Landesherren, Stadtobrigkeiten, gehobene städtische Schichten), andererseits erhob sich an vielen Stellen auch innerhalb der Orden massiver Widerstand, was deren Einheit in Frage stellte. Oftmals gingen zunächst einzelne Konvente voran, die dann zu Kulminationspunkten für Verbände von observanten Klöstern innerhalb der jeweiligen Provinzen wurden. Diese Verbände strebten zunehmend nach auch organisatorischer Autonomie und wurden bisweilen mit eigenen Vikaren für die jeweiligen Provinzen (dem Sprecher der observanten Klöster neben dem Provinzial oder Provinzmeister) organisiert. Die Versuche, observante und nicht-observante Klöster zu vereinigen, gingen in den verschiedenen Orden unterschiedlich aus und führten teilweise zu Spaltungen (so bei den Franziskanern). Die Erneuerungen des monastischen Lebens im Sinne der Observanzbewegung bedeuteten für viele Konvente einen Neuanfang, der sich oft auch baulich niederschlug. 15. Vielfalt des monastischen Lebens im späten Mittelalter

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Spannungen innerhalb der Orden

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spätgotische Klostergebäude

observante Kongregationen

Bursfelder Kongregation

Augustiner­ eremiten

So kam es gerade Ende des 15. Jh.s und Anfang des 16. Jh.s zu einer Hochzeit im Bauwesen, auf die viele spätgotische Klostergebäude zurückgehen. 15.3.1 Observanzbewegungen in alten Orden. In den klassischen, nach der Benediktinerregel lebenden Orden bildeten sich besonders in Südeuropa mächtige observante Kongregationen, so in Frankreich unter dem Einfluss des Klosters Cheval-Benoît und in Italien – besonders einflussreich – Santa Giustina. Dabei beschritten die verschiedenen Ansätze durchaus unterschiedliche Wege: Während die Erneuerungsbemühungen in Melk, die auf viele Klöster in Österreich und Süddeutschland ausstrahlten, zu einem losen Verbund reformierter Klöster führten, entwickelte sich die Bursfelder Kongregation zu einer geschlossenen Struktur mit regelmäßigen Visitationen seit 1478 (beides waren Benediktinergemeinschaften). Analoge Bewegungen gab es auch bei den Kanonikern (S. Giorgio di Alga bei Venedig) und den Zisterziensern. 15.3.2 Observanzbewegungen bei den Bettelorden. Bei den Franziskanern verbanden sich die Bemühungen um Observanz mit den Gegensätzen, die nach dem Armutsstreit erhalten geblieben waren, und gipfelten in der Trennung zwischen Observanten/Spiritualen und Konventualen ab 1431 (1446 bestätigt, 1517 als förmliche Trennung vom Papst anerkannt, vgl. § 6; 13.4.2). Die Dominikaner konnten einen ähnlichen Weg vermeiden, u.a. wegen der schon früh auf Integration von Observanzbestrebungen ausgerichteten Politik des Ordensgenerals Raymundus von Capua (1380-1399 Ordensgeneral). Die Augustinereremiten erlebten im Zusammenhang der von der Devotio moderna beeinfluss­ ten Erneuerung des monastischen Lebens in Windesheim (vgl. § 6; 16.2) eine Welle von ähnlichen Neuausrichtungen, die in der Bildung mächtiger Observanzkongregationen gipfelte (um 1500 bereits in 11 Provinzen). Die Streitigkeiten, die aufgrund der vom Ordensgeneral vorgesehenen Zusammenlegung konventualer und observanter Klöster entstanden, könnten der Hintergrund der Romreise Martin Luthers 1510 gewesen sein. Bei den Karmelitern bildeten sich nach 1430 v.a. in Frankreich und Italien strengere Oberservanzkongregationen, darunter die von Mantua, deren Leiter Thomas Connecte – ein volkstümlicher Bußprediger, der auch das Papsttum kritisierte – 1434 als Ketzer verbrannt wurde. Im 16. Jh. brachte die strenge Erneuerungsbewegung der Discalceati (Unbeschuhten Karmeliter/Karmeliterinnen) einen Aufschwung (wichtig v.a. Teresa von Avila 1515-1582 und Johannes vom Kreuz 1542-1591). 15.4 Literatur Lektüretipp: A. Zumkeller: Augustiner-Eremiten, TRE 4 (1979) 728-739. Literatur: A. Kunzelmann: Geschichte der deutschen Augustiner-Eremiten, 7 Bde., 19691976. – G. Mesters: Geschichte des Karmelitenordens, 1958. – J. Smet/U. Dobhan: Die Karmeliter, 1981. – F. Andrews: The Other Friars. The Carmelite, Augustinian, Sack and Pied Friars in the Middle Ages, 2006. – D. Jetter: Geschichte des Hospitals, 6 Bde., 19661987. – H. Schipperges: Die Kranken im Mittelalter, 3. A. 1993. – A. Mischlewski: Grundzüge der Geschichte des Antoniterordens, 1976. – M. Escher-Apsner (Hg.): Mittelalterliche Bruderschaften in europäischen Städten, 2009. – E. Isenmann: Die deutsche Stadt im Mittelalter 1150-1550, 2. A. 2014. – K. Elm (Hg.): Reformbemühungen und Observanzbestrebungen im spätmittelalterlichen Ordenswesen, 1989. – R. Weinbrenner: Klosterreform im 15. Jahrhundert zwischen Ideal und Praxis, 1996. – B. Laqua: Bruderschaften und Hospitäler während des hohen Mittelalters. Kölner Befunde in westeuropäisch-vergleichender Perspektive, 2011.

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§ 6 Mönchtum als wahres Christentum

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16. Erneuerung der Frömmigkeitspraxis: Die Devotio moderna Als Devotio moderna (wörtlich: neue Frömmigkeit) verstand sich eine in den Niederlanden seit ca. 1380 entstehende und von dort ausstrahlende Bewegung, die z.T. den Rahmen des herkömmlichen Mönchtums sprengte. Aus Kritik an dem verweltlichten Lebensstil vieler Kleriker und der Äußerlichkeit der Laienreligiosität war das Hauptziel eine geistliche, innere Vertiefung der Frömmigkeit. Dazu diente insbesondere der Rückgriff auf die geistliche Erfahrung und eine als spiritualisierte Christusnachfolge verstandene Innerlichkeit. Buße, Demut, Bewährung christlicher Tugenden im Alltag und Meditation waren wichtige Ideale. Besonders die seit der Gotik sich verstärkende Passionsfrömmigkeit fand hier starke Resonanz. Das geregelte Gemeinschaftsleben organisierte sich in Bruder-, später auch Schwes­ terhäusern, in denen die sogenannten Brüder (bzw. Schwestern) vom gemeinsamen Leben quasimonastisch zusammenlebten. Durch die technische Innovation des Buchdrucks wurden Schriften aus dem Umfeld der Devotio moderna weit verbreitet und trugen ihre Ideale rasch in viele Städte, wo die Brüder vom gemeinsamen Leben in Konkurrenz zu den Bettelorden traten. Dies hatte Einfluss auf die Observantenbewegung. Ein besonderes Beispiel hierfür ist die Windesheimer Kongregation. Die Devotio moderna als wichtiger Versuch einer qualitativen Vertiefung der Frömmigkeit hat sowohl auf die Reformation als auch auf den Reformkatholizismus im 16. Jh. eine enorme Wirkung gehabt.

Passions­ frömmigkeit

Buchdruck

16.1 Die Brüder/Schwestern vom gemeinsamen Leben Initiator und geistlicher Führer der Bewegung war Geert Groote, der sich nach seiner Bekehrung in ein bußfertig-kontemplatives Leben zurückzog. Sein Haus in Deventer stellte er (1374/1379) einer Frauengemeinschaft zur Verfügung, der er auch eine geistliche Lebensordnung gab. In derselben Stadt sammelte sich um Grootes Freund und Priester Florens Radewijns seit 1380 erstmals eine Gemeinschaft von Klerikern und Laien in einem Bruderhaus (daher auch Fraterherren genannt), das zum Vorbild für die zunächst in den Niederlanden, dann im 15. Jh. besonders auch im nordwestlichen Deutschland zahlreich entstehenden Kommunitäten wurde. 16.1.1 Gert Grootes Ideal der Herzensinnigkeit. Gerard/Geert Grote (bzw. Grote; 13401384), ein gebildeter Kanoniker (aber nicht Priester) propagierte eine Bekehrung zum inneren Leben (ynnicheit van herten/Herzensinnigkeit), die möglich wird durch die Ablösung von allen äußerlichen Gütern, Ehren und Tätigkeiten und sich in einem asketischen, demütigen, auf Schriftmeditation und Gebet konzentrierenden Leben niederschlägt. Dieser Ansatz verband Einflüsse aus dem Kartäusertum (Geert Groote lebte 1371-1374 selbst in einem Kartäuserkloster und wurde hier u.a. von Heinrich Eger von Kalkar [1328-1408 ] beeinflusst, dem Verfasser des für die Devotio moderna wichtigen 16. Erneuerung der Frömmigkeitspraxis: Die Devotio moderna

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Deventer Florens Radewijns

Kartäusertum

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Mystik

keine Regel

Statuten

Münster

Generalunion 1499

Tübingen

Einsiedel

Speculum peccatorum/Sündenspiegel) und der Mystik (die er im Kontakt mit Jan van Ruus­broec kennenlernte und aus den Schriften Heinrich Seuses aufnahm, vgl. § 10; 18.1.; hinzu kam die Beschäftigung mit Bernhard von Clairvaux und den Viktorinern; vgl. § 10; 5.-6.). Als Wanderprediger (daher 1379 zum Diakon geweiht) verbreitete er sein Ideal in niederländischen Städten und Dörfern. 16.1.2 Die Fraterherren als quasimonastische Lebensform. Monastische Regeln und Gelübde lehnte Geert Groote ab (wegweisend wurde der Traktat Conclusa et proposita, non vota/Entschlüsse und Vorsätze, nicht Gelübde; Text: Thomas a Kempis, Opera omnia, 1922, vol. 7, 87-107; Übers.: Janowski 45-66). Der Frauengemeinschaft in Deventer gab er Statuten, diese betonten u.a. die Handarbeit als Basis des Lebensunterhalts (in Abgrenzung von den Bettelorden und den aus Grundbesitz dotierten Klöstern der klassischen Orden). Demgemäß lebten die Brüder des gemeinsamen Lebens v.a. vom Abschreiben und Verkauf von Büchern, denn dies ließ sich mit der Meditation und Lesung der Bibel und mystisch-asketischer Schriften gut verbinden. Die Hausgemeinschaften waren durch Consuetudines (Gebräuche) geregelt, unterschieden sich aber durchaus voneinander. Viele Häuser wandten sich auch der religiösen Unterweisung der Jugend zu, doch eigene Schulen unterhielten die Devoten nur selten. 16.1.3 Organisation und Ausbreitung. Maßgeblicher Organisator war zunächst Florens Radewijns (1350-1400), der durch seinen Tractatus devotus (Fromme Abhandlung, einer Anweisung zu geistlichen Übungen; Text: H. Nolte 1862; Übers. Janowski 69-102) starken Einfluss ausübte. Seit 1394 bildete sich in Zwolle ein zweites Zentrum, das unter Dirc van Herxen (1381-1457) seit ca. 1420 die Führung übernahm. Gegen die Attacken der Bettelorden verteidigte die neue Bewegung besonders der Priester Gerhard Zerbolt van Zutphen (1367-1398). Die Bewegung breitete sich in der 1. Hälfte des 15. Jh.s rasch aus (1450 ca. 20 Fraterhäuser und 80 Schwesternkonvente). In Deutschland wirkte das Vorbild des Fraterhauses in Münster, das 1401 der Priester Heinrich von Ahaus (ca. 1370-1439) gründete (mit Ablegern in Köln 1416 und Wesel 1435). Daraus entwickelte sich der starke westdeutsche Kreis der Devotenbewegung, z.B. mit dem Fraterhaus in Herford seit 1426. Neben ihm standen der mitteldeutsche Kreis um Hildesheim und der mittelrheinische Kreis um Köln und Butzbach. Erst 1499 kam es auf einer Versammlung der Bruderhäuser in Münster zu einer Generalunion mit einheitlichen Statuten (bis 1500 gab es ca. 25 Bruderhäuser und wesentlich mehr Schwesternhäuser). In Württemberg bildete sich ein weiteres Zentrum, das nicht nur für die Theologiegeschichte wichtig wurde (insbesondere aufgrund der Tätigkeit von Gabriel Biel, s. § 10; 17.5), sondern auch von Eberhard im Bart (Herzog ab 1495, vorher Graf, der die Uracher und die Stuttgarter Linie der Grafschaft Württemberg vereint hatte) bewusst eingesetzt wurde. Neben der Beteiligung an der Gründung der Universität Tübingen (1477), auf deren Frühphase das auf dem Schloss Hohentübingen untergebrachte Bruderhaus erheblichen Einfluss nahm (neben Biel sind besonders die Brüder Wendelin und Heinrich Steinbach zu nennen), war der Konvent auf dem nahe bei Tübingen gelegenen Einsiedel der Versuch, in einem idealen Zusammenleben zwischen Geistlichen, Adligen und gebildeten Laien Erneuerungsimpulse für das gesamte Territorium zu geben. Allerdings war diesem Versuch kein großer Erfolg beschieden, schon 1517 mussten die Brüder vom gemeinsamen Leben aus Württemberg weichen.

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§ 6 Mönchtum als wahres Christentum

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16.2 Die Windesheimer Kongregation: Erneuerung des monastischen Lebens im Geist der Devotio moderna Grootes Anregungen entsprechend gründeten einige seiner Schüler unter Florens Radewijns 1387 ein Kloster auf der Grundlage der Augustinregel, um die neue Frömmigkeit in einer kirchenamtlich legitimen Lebensform praktizieren zu können: das Chorherrenstift Windesheim bei Zwolle. Es wurde das Modell für eine Erneuerungsbewegung, die im 15. Jh. zahlreiche Neugründungen nach sich zog (besonders in den Niederlanden und Nordwestdeutschland; seit 1395 miteinander verbunden als Windesheimer Kongregation; 87 Stifte bis 1500). Charakteristisch für diese vom Geist der Devotio moderna geformten Klöster, die abseits der Städte lagen, war das auf Kontemplation und Meditation ausgerichtete Gemeinschaftsleben (ohne Seelsorgetätigkeit in der Bevölkerung). Die Verbindung zu den städtischen Fraterhäusern war eng. Die Bewegung strahlte auch auf andere Orden aus, so insbesondere auf die Observanzbewegung (vgl. § 6; 15.3). So nahmen etwa viele Augustinerstifte Impulse aus der Windesheimer Kongregation auf. Bis 1500 standen (besonders in den Niederlanden, Deutschland und Frankreich) 200-300 Klöster unter dem Einfluss der Windesheimer Ideale. In Deutschland trat der aus Windesheim entsandte Johannes Busch (13991479) seit 1435/1451 als rigoroser Organisator hervor.

Chorherrenstift Windesheim

16.3 Meditation und Passionsfrömmigkeit Das Schrifttum der Devotio moderna formte Gedanken der Mystik in eine praktisch-orientierte Meditationsfrömmigkeit um. Spekulative und philosophische Querbezüge traten deutlich zurück, in den Vordergrund trat insbesondere die Betrachtung des Lebens und Leidens Jesu Christi. Durch diese Betrachtung sollte die Gemeinschaft mit Gott erreicht werden, Glaube wird als Bemühen um die Nachfolge, insbesondere die Kreuzesnachfolge verstanden. Das bedeutendste Meditationsbuch war die unter dem Namen des Thomas a Kempis überlieferte Schrift De imitatione Christi (Über die Chris­ tusnachfolge) von ca. 1427. Es wurde zum klassischen – neben der Bibel am stärksten verbreiteten – Erbauungsbuch, das bis in die Gegenwart fortwirkt. 16.3.1 De imitatione Christi (Über die Christusnachfolge). Die Verfasserschaft der vier Bücher von der Nachfolge Christi (seit 1424/1427 anonym in ca. 700 Handschriften reich überliefert) lässt sich nicht abschließend klären. Als Schreiber des Autographen von 1441 nennt sich Thomas Hemerken aus Kempen/Niederrhein (1379/1380-1471), ein gebildeter Augustinerchorherr in Agnetenberg bei Zwolle, der u.a. asketisch-mystische Erbauungsschriften verfasste. Er dürfte der Redaktor der Endgestalt jener in verschiedenen Stufen gewachsenen (im Ansatz auf Groote zurückgehenden?) Spruchsammlung sein, die keine systematische Lehrentfaltung bietet. Im Zentrum der Schrift steht die Passion Jesu als Vorbild für Demut und Standhaftigkeit im Leiden, als Trost in den Anfechtungen und als Anleitung zur Weltverachtung. Das Kreuz ist danach der eigentliche Zugang zum 16. Erneuerung der Frömmigkeitspraxis: Die Devotio moderna

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Nachfolge Christi

Passion Jesu

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Kreuzestheologie

Johannes Mauburnus

Wessel Gansfort

Heil und zum geistlichen Leben (vgl. 2,12,2). Dieser moralisierenden Kreuzestheologie entspricht eine individualisierende Spiritualisierung, die alles Äußerliche verschmäht. Der Rückzug in die Innerlichkeit durch Meditation bekommt soteriologische Funktion. Damit einher geht Kritik an der weit verbreiteten, veräußerlichten Religiosität (z.B. Reliquien, Wallfahrten), doch bleibt der Rahmen der Kirche unangetastet, wie sich insbesondere an den Ermahnungen zur eucharistischen Andacht und würdigen Kommunion zeigt (vgl. 4,1-18). 16.3.2 Meditationsliteratur im Zusammenhang der Devotio moderna. Nicht so einflussreich wie die Imitatio Christi, aber beachtlich wirkte das 1494 veröffentlichte, später überarbeitete Handbuch des kontemplativen Lebens: das Rosetum exercitiorum spiritualium et sacrarum meditationum (Rosengarten geistlicher Übungen und heiliger Betrachtungen) des flämischen Fraterherrn Johannes Mauburnus (Jan Mombaer; ca. 1460-1501). Dieser beeinflusste eine beträchtliche Zahl französischer Augustinerchorherrenstifte bei ihrer Neuausrichtung des monastischen Lebens. Das Rosetum bot exakte Anleitungen zum Meditieren sowie Gebetstexte und Hymnen, die den Erfahrungsschatz der Devotio moderna repräsentierten und weitreichenden Einfluss entwickelten (evtl. auch auf die Exercitia spiritualia/geistlichen Übungen des Ignatius von Loyola). Diese Methodik der Meditation war seit Gerhard Zerbolt von Zutphen, bezogen auf den Tages- und Wochenrhythmus, entwickelt worden. Einflüsse der Devotio moderna finden sich bei bedeutenden Theologen wie Johannes Gerson (s. § 10; 17.2.1), der die Bewegung auch auf dem Konzil von Konstanz verteidigte, oder Dionysius dem Kartäuser (s. § 10; 17.3.2) im Kloster Roermond. Eine besondere Verbindung von Mystik, Augustinismus, nominalistischer Scholastik und Idealen der Devotio moderna findet sich bei dem Reformtheologen Wessel Gansfort (ca. 1419-1489), der zeitweise Lehrer am Bruderhaus in Zwolle war und seit 1478 im Kloster Agnetenberg lebte. Er hat mit seiner Meditationsmethode Mauburnus beeinflusst. 16.4 Literatur Lektüretipp: I. Crusius: Gabriel Biel – eine Karriere zwischen vita contemplativa und vita activa, in: U. Köpf/S. Lorenz (Hg.): Gabriel Biel und die Brüder vom gemeinsamen Leben, 1998, 1-22. Quellen: H.N. Janowski (Hg.): Geert Grote, Thomas von Kempen und die Devotio moderna, 1978. Literatur: R.R. Post: The Modern Devotion, 1968. – G. Faix: Gabriel Biel und die Brüder vom Gemeinsamen Leben, 1998. – S. Krauss: Die Devotio moderna in Deventer, 2007. – M. Derwich/M. Staub (Hg.): Die Neue Frömmigkeit in Europa im Spätmittelalter, 2004. – D. Metz: Gabriel Biel und die Mystik, 2001. – U. Köpf (Hg.): Gabriel Biel und die Brüder vom gemeinsamen Leben. Beiträge aus Anlaß des 500. Todestages des Tübinger Theologen, 1998. – A.E. Jostes: Die Historisierung der Devotio moderna im 15. und 16. Jahrhundert. Verbandsbewusstsein und Selbstverständnis in der Windesheimer Kongregation, 2008.

 § 10; 17.-19.

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§ 6 Mönchtum als wahres Christentum

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§

§7

§ 7 Die Christianisierung Europas Bedeutung des Themas

Mit der fortschreitenden Ausbreitung des Christentums bildete sich langsam ein europäischer Kulturraum heraus. Die damaligen Veränderungen im Mittelmeerraum sollten bis heute die kulturelle Identität »Europas« nachhaltig mitbestimmen. Doch weder geographisch noch kulturell kann eindeutig festgelegt werden, was genau mit »europäischem Kulturraum« gemeint ist. Beide Begriffe hängen mit der römisch-hellenistischen Kulturwelt und der Auflösung der politischen Einheit des Imperium Romanum zusammen. Der westliche Teil nimmt eine eigenständige Entwicklung seit dem 5. Jh. gegenüber dem östlichen, byzantinischen. Im Mittelalter wurde der Begriff Europa nur selten auf die kirchlichen Verhältnisse oder eine Einheit der europäischen Reiche bezogen; die Bezeichnung der einzelnen Reiche oder universale Bezeichnungen waren vorherrschend. Wesentlich wirkte an der westlichen Entwicklung die Entstehung der sogenannten gentilen Reiche innerhalb der Grenzen des Imperium Romanum mit, die früher mit dem Begriff der Völkerwanderung beschrieben wurde. Germanische und slawische Gruppen siedelten aus verschiedenen Gründen – die Flucht vor einer Bedrohung durch die Hunnen spielte wohl eine geringere Rolle, als zumeist angenommen wird – sich im Römischen Reich an und entwickelten eigene Traditionen und Organisationsformen. Dabei übernahmen sie zum guten Teil die römische Kultur und das Christentum, wodurch diese verändert, aber auch bewahrt wurden. Der langfristige politische und kulturelle Einfluss der gentilen Reiche verlagerte den Schwerpunkt der Macht im Westen des Römischen Reiches nach Norden. Die Entwicklung in Westeuropa umfasst allerdings nur einen Teil des europäischen Kulturraumes; im Allgemeinen lässt dieser sich für die Zeit des Mittelalters mit dem Gebiet identifizieren, in dem das Christentum vorherrscht. Damit gehört natürlich auch der byzantinische Mittelmeerraum sowie der weite Raum bis zum Ural dazu, in dem sich im 10./11. Jh. das russische Reich bildete. Diese Gebiete lassen sich nicht scharf voneinander trennen, weil sie sich in ihrer kulturellen und politischen Entwicklung gegenseitig bedingten und durchdrangen. Was Ost und West bis ins 15. Jh. verband, war der politisch-religiöse Gegensatz zum sich seit dem 7./8. Jh. ausbreitenden Islam. Allerdings sollte angesichts der langen Geschichte militärischer Auseinandersetzungen beachtet werden, dass es auch einen fruchtbaren kulturellen Austausch mit dem Islam gegeben hat. Der Übernahme des Christentums durch Germanen und Slawen sowie dem Vordringen der Kirche in neue Gebiete außerhalb des Römi§ 7 Die Christianisierung Europas

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schen Reiches kommt für die Geschichte des europäischen Kulturraumes entscheidende Bedeutung zu. Dieses Vordringen führte zu einer wechselseitigen Veränderung von Kirche und Kulturen. Dies ist aber nicht als rasanter Umbruch zu verstehen, der zwei vermeintlich klar abgrenzbare Epochen der Kirchengeschichte voneinander trennen würde. Vielmehr passierte dieser Prozess über einen langen Zeitraum von der Entstehung der gentilen Reiche im 4./5. Jh. bis zum Karolingerreich und der Ausbildung der arabisch-islamischen Territorien im 8. Jh. bis ins hohe Mittelalter hinein. Die Christianisierung – d.h. die Durchdringung aller sozialen Bereiche mit christlichem Leben – im westlichen, nördlichen und östlichen Europa steht einer Dechristianisierung durch die muslimischen Eroberungen im südlichen Mittelmeerraum gegenüber. Die Ausbreitung des Christentums wird v.a. von teilweise gezielten und nicht immer friedlichen Missionsvorgängen befördert und kommt im 12./13. Jh. im Wesentlichen zum Abschluss. Die vielfältigen Zusammenhänge mit Veränderungen in der Kirchenstruktur, Frömmigkeit und Theologie sind nicht in diesem einen Paragraphen zu erfassen, weshalb zur Vertiefung dieser Themen auf die anderen Paragraphen verwiesen sei (vgl. §§ 5-6; 8-9).

Wichtige Themen

(Lernkontrolle: Können folgende Fragen beantwortet werden?) • Welche politischen und kulturellen Faktoren wirkten bei der Christianisierung mit? Wie wirkte sie sich auf diese Bereiche aus? • Was genau ist bei der Verwendung des Begriffes »Germanen« zu beachten? Was ist am Begriff der Völkerwanderung problematisch? • Was ist Ethnizität? Was sind »gentile Reiche«? Welche bedeutenden Gruppen gab es, welche Auswirkungen hatten sie auf den Mittelmeerraum? • Wie breitete sich das Christentum aus? Welche Rolle spielte Mission dabei? Wie verhielten sich äußerliche Missionierung (Taufe, Kirchenorganisation) und innerliche Bekehrung (Frömmigkeit) zueinander? Welche Probleme entstanden dadurch? • Wie wirkte sich die Entstehung der gentilen Reiche auf die Kirche aus? • Welche Rolle spielte das Frankenreich für die Entwicklung des christlichen Europas? • Wie verhielten sich neu christianisierte Gebiete zum Papsttum? Wie entwickelte sich der päpstliche Einfluss auf diese? • Welche Bedeutung hatte die Balkanmission für das Nebeneinander von West- und Ostkirche, Westeuropa und Byzanz? 532

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§ 7 Die Christianisierung Europas

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• Wie kam es zur Entstehung des Islam? Auf welche Weisen begegneten sich Christentum und Islam in Konflikt und Austausch?

Wichtige Ereignisse, Sachverhalte, Personen I. Entstehung der gentilen Reiche und islamische Expansion 378

Schlacht von Adrianopel

4. Jh.

Wulfilas Gotenmission, Homöertum

410

Plünderung Roms durch Alarich

418-711

Reich der Westgoten in Südgallien (Toulouse) und Spanien (Toledo), 589 Hinwendung zum Nizänertum

429-534

Reich der Vandalen in Nordafrika

482-511

Chlodwig, 498 Taufe und nizänisches Christentum bei den Franken (Merowingerkönige)

493-553

Odoakerreich wird durch Ostgoten (Theoderich) ersetzt

533-552

Justinian erobert Vandalenreich und Italien: Gotenkriege

ab 568

Langobardenherrschaften in Italien, ab ca. 680 nizänisch

ca. 610-632

Mohammed und die Konstituierung des Islam, 622 Hidschra

633-695

Eroberung des Mittelmeerraums durch muslimische Araber

711-732

Eroberung Spaniens, 732 Niederlage bei Tours gegen karolingischen Hausmeier Karl Martell

§ 7 Die Christianisierung Europas

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II. Die Zeit der Karolinger und Ottonen ca. 590-612

Columban (Luxeuil im Frankenreich, Bobbio in Italien), iroschottische Mission

719-754

Bonifatius’ Tätigkeit im östlichen Teil des Frankenreichs (Unterstützung der karolingischen Hausmeier Karl Martell und Karlmann)

ab 780

karolingische correctio: Bildungserneuerung, Musterkodizes, Mönchtum (Benediktregel), Kanonikertum

772-811

Unterwerfung der Sachsen, Friesen, Awaren: Zwangstaufen (785 Taufe Widukinds)

794

Bayern wird in Frankenreich eingegliedert, 798 bayerische Bistümer unter neuem Erzbistum Salzburg organisiert

831/832

Missionserzbistum Hamburg für den Norden (ab 864: Erzbistum Hamburg-Bremen)

936-973

Otto d. Gr.: Ausbreitung der ottonischen Herrschaft nach Osten, Bistumsgründungen und Christianisierung der Slawen (983 Slawenaufstand)

955

Schlacht am Lechfeld (Sieg über Ungarn)

968

Magdeburg Erzbistum (für den Aufbau der Kirchenstruktur im Osten) III. Die Christianisierung Ost- und Nordeuropas

863-885

Cyrill und Methodius in Mähren: slawische Liturgiesprache

seit 865

Bulgarische Kirche (in Verbindung mit Byzanz)

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§ 7 Die Christianisierung Europas

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9./10. Jh.

Christianisierung der Kroaten (zu Rom gehörig, slawische Sprache) und der Serben (zu Byzanz gehörig), umstrittene Jurisdiktionsansprüche auf dem Balkan (Rivalität Rom – Byzanz)

966

Bekehrung des Polenherzogs Mieszko (1000 Erzbistum Gnesen)

988

»Taufe Russlands« im Kiewer Reich, Aufbau einer Kirchenorganisation im 11.-13. Jh. (ab 1326 Moskau als kirchliches Zentrum) ab 973 Christianisierung Ungarns und Böhmens (976 Bistum Prag, 1001 Erzbistum Gran)

ab 965

Christianisierung Dänemarks (Harald Blauzahn, ab 1020: Knut d. Gr.)

ab ca. 1000

Christianisierung Skandinaviens (ab 995 Norwegen; ab ca. 1008 Schweden; 1164 Erzbistum Uppsala; ab 1030 Island)

1066

Wendenaufstand (1147 Wendenkreuzzug durch Heinrich den Löwen)

seit 1180

Kreuzzüge in Livland (1201 Bistum Riga)

seit 1231

Kolonisation und gewaltsame Christianisierung der Prußen (Deutscher Orden)

1386

Christianisierung Litauens

§ 7 Die Christianisierung Europas

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i

Toledo

Cartagena

Köln

Balearen

(bis 507)

Dijon

n

Sardinien

Sizilien

Palermo

Rom

(bis 553)

O STG OT E N

Ravenna

Verona

Dnj

epr

el hs eic W

e

Donau

Gepiden

Thessaloniki

tr

Dnj es

Kreta

Athen

0

Konstantinopel

Awaren

O ST R Ö M I S C H E S REICH

Mittelmeer

Adria

Sav

u

Dra

Langobarden

er

Od

Bug

100 200 300 km

Schwarzes Meer

Dnje pr

Abb. 17 Die Ausdehnung des Frankenreichs um 530

O STG OT E N

Aquileja

Bajuware n

Regensburg

Karthago

Po

Mailand

Korsika

Wa n d a l e n (bis 534)

Genf

(bis 532/4)

nne

(bis 529/531)

Thüringer

Sachsen

Jüten/ Angeln

Alema

Reims

Burgunder

Narbonne

Arles

(bis 507/511)

W E STG OT E N

Saragossa

Ebr o

re Loi

Paris

Aquitanien

Toulouse

Bretagne

ie

n se

FRANKENREICH

/ Angelnn Sachse Jüten Fr

n te

Expansion des Frankenreiches

Malaga

Cordoba

Tajo

Sueben Braga

Br

Nordsee

Rhône

Atlantischer Ozean

Iren

in

Rhe eiß

e Th

Elb

§ 7 Die Christianisierung Europas

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1. Christianisierung, Mission und die Transformationsprozesse 400-700 Das Christentum hat sich bis zum 4. Jh. im Imperium Romanum ausgebreitet, daneben aber auch weitere Regionen erreicht, so besonders das Perserreich. Umfangreichere Wirkungen bei den verschiedenen Bevölkerungsgruppen, die man traditionell als »Germanen« zusammenfasst, lassen sich erst ab dem 4. Jh. nachweisen, und zwar im Zusammenhang mit Kulturkontakten zum Imperium Romanum, dann ab 400 durch die Ansiedlung von einzelnen »Germanen« wie von ganzen Gruppen im Bereich des Römischen Reiches. Voraussetzung sind die Ausbreitung des Christentums innerhalb des Imperium Romanum und die kaiserliche Religionspolitik nach Konstantin, die das Christentum gezielt unterstützte. Bei den »Germanen« wirkte die frühe Gotenmission als Schrittmacher, mit dem Effekt, dass die meisten »Germanen« der homöischen Form des Christentums anhingen. Erst Jahrhunderte später verlor sich dieses Profil oder wurde bewusst aufgegeben (dazu s. § 7; 2.). Mit der Christianisierung germanischer gentes (hier: Sippen, Bevölkerungsgruppen) veränderte sich zugleich die Form der Christianisierung. Im frühen Mittelalter und im Hochmittelalter gab es Massenbekehrungen, die von Anführern vorgegeben wurden. Dies bereitete breite Bekehrungsbewegungen aufgrund von politischen wie kulturellen Vorgängen vor, die später z.T. auch gewaltsam durchgeführt wurden (so besonders im Fall der Sachsen und deren östlichen slawischen Nachbarn). Der Begriff »Schwertmission« ist in sich problematisch, bringt aber diese gewaltsame Zuspitzung zum Ausdruck. Im Osten ist die Ausbreitung des Christentums durch das Scheitern der Durchsetzung des Chalcedonense (s. § 4; 15.) geprägt. Durch die Abgrenzung von der byzantinisch-kaiserlichen Religionspolitik entstanden eigene Kirchentümer, die die entsprechenden Ausbreitungen außerhalb des Imperium Romanum prägten. Auch im Hinblick auf Christianisierung und Mission entwickelten sich West und Ost seit dem 4. Jh. zunehmend auseinander.

»Germanen«

Homöertum gentes

Osten

1.1 Die dunkle Seite der Mission Es ist für ein umfassendes Verständnis von Mission zu kurz gegriffen, nur auf die problematische Seite von einigen Missionsvorgängen im Mittelalter und der Neuzeit hinzuweisen und ansonsten Mission für etwas an sich Unproblematisches zu halten. Dies wird auch durch modernere, tolerant wirkende Missionskonzepte noch nicht grundlegend geändert. Jahrhundertelang verstand man unter Mission die direkte Verkündigung des Evangeliums an Nichtchristen – mit dem Ziel, Nichtchristen zu Christen zu machen, also zur Taufe zu bringen. Dabei knüpfte man vielfach an die vorhandenen Begebenheiten an, etwa die Sprache und Kultur, betonte jedoch zugleich die Wahrheit der christlichen Botschaft. Nicht selten brachte dies ein Überlegenheitsgefühl mit sich, das die autochthone Kultur und Religiosität geringschätzte. Oft war dieses Überlegenheitsgefühl auch gar nicht primär religiös geprägt, sondern verband sich mit kulturellen oder 1. Christianisierung, Mission und die Transformationsprozesse 400-700

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Überlegenheitsgefühl

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Kommunikationshorizont

Identität und Ausgrenzung

moralischen Vorstellungen und Verhaltensmustern. Erst modernere Missionskonzepte unterscheiden Missionsbemühungen mit direkter Bekehrungsabsicht, die autoritativ die eigene Religion weitergeben oder anderen Kulturen aufdrängen, von solchen Konzepten von Mission, die einen Kommunikationshorizont zwischen Gleichen eröffnen, in dem der christliche Glaube zur Sprache kommt. Allerdings ist auch ein solches Missionsverständnis von der Hoffnung getragen, dass sich die christliche Botschaft als attraktiv erweist (bzw. der Heilige Geist wirkt). Daran zeigt sich, dass Mission notwendigerweise mit dem Identitätsgefühl von Christen zusammenhängt. Das bedeutet zugleich eine Ausgrenzung anders gelagerter Identitätsprozesse – selbst dort, wo man sich um eine wertschätzende Wahrnehmung der jeweiligen nichtchristlichen Religiosität und Kultur bemüht. Die entsprechenden Ausgrenzungsprozesse bleiben nicht ohne Rückwirkung auf das Christentum selbst, das sich gerade im Bereich der Mission zu anderen Formen des Christseins in Beziehung setzt. Die so entstehende innerchristliche Rivalität bringt weitere Ausgrenzungsprozesse mit sich. Selbst dort, wo man in freundschaftlicher Absicht kooperiert, wird die Alterität des ebenfalls missionierenden, anders geprägten Christen deutlich. Identität als Christ, Mission und Ausgrenzung bilden einen unlösbaren Zusammenhang. Dieser kann nicht einfach aufgegeben werden, weil er zur christlichen Identität und Gewissheit gehört, ist aber zugleich in sich zutiefst problematisch und hat in der Geschichte auch immer wieder zu großer Grausamkeit und verzerrten Formen der Inanspruchnahme des Christlichen geführt. Ein Missionsverständnis, das diese Seite von Mission ausblendet, verharmlost oder leugnet, steht in der massiven Gefahr, den gutgemeinten Einsatz für das Christentum in sein Gegenteil zu verkehren (und das gilt auch für angeblich auf »Augenhöhe« stattfindende Missionsbemühungen in säkularen Gesellschaften). Nur die Kenntnis der entsprechenden Ausgrenzungsmechanismen und die reflektierte Distanz zur eigenen Geschichte ermöglichen es, mit dieser gleichsam dunklen Seite christlicher Gewissheit vorsichtig umzugehen. Das gelingt nur ansatzweise und nur dann, wenn die eigene, geschichtliche Identität als Christ immer wieder in Frage gestellt wird.

1.2 Mission und Ausbreitung

Obrigkeit Attraktivitäts­ gefälle

Bezeichnet man als Mission das bewusste Bemühen von Menschen, das Evangelium Nichtchristen zu verkündigen, und zwar in der Überzeugung, dass Christus der Retter der Welt ist, und in der Hoffnung, dass viele Menschen zum Glauben an Christus kommen, so wird man sagen müssen, dass viele Christianisierungsprozesse nicht durch Mission entstanden sind. Die Ausbreitung des Christentums knüpfte aber sehr wohl in vieler Hinsicht an vorausgehende Missionen und entsprechende Kulturkontakte und Alteritätserfahrungen an. Insofern sind Missionare oft Schrittmacher gewesen, die wie Katalysatoren wirkten. Geschichtlich gesehen, wurden die meisten umfassenden Christianisierungsprozesse entweder durch Entscheidungen, die von der Obrigkeit getroffen wurden, ausgelöst oder sie fanden als keinem Individuum zuschreibbare Ausbreitungsprozesse statt, die durch Attraktivitätsgefälle an Dynamik gewannen. Mit Attraktivitätsgefälle ist dabei die empfundene Differenz zwischen der eigenen Kultur und Religiosität und der zunehmend bekannten, christlichen Kultur gemeint, die dazu führt, dass die als überlegen empfundene christliche Kultur und Religion (zumindest partiell) adaptiert und den eigenen Bedürfnissen angepasst wird. In der Spätan538

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tike ging vom Imperium Romanum eine hohe Anziehungskraft aus. Dafür sind militärische Überlegenheit, wirtschaftliches Wohlergehen, technische Errungenschaften, auf Wissenschaft beruhende Kenntnisse (etwa in der Medizin) und kulturelle Vorbilder (etwa der Kunst, Architektur, Literatur und Musik) wichtig gewesen. Zu dieser Anziehungskraft gehörte ab dem 4. Jh. zunehmend auch das Christentum, insbesondere in Verbindung mit der Kultur des Imperium Romanum. Christianisierungsprozesse, die durch Attraktivitätsgefälle ausgelöst sind, können durchaus so aussehen, dass bisher tradierte nichtchristliche Lebensformen und Frömmigkeitsmuster weitgehend erhalten bleiben. Die Christianisierung beruht dann weniger auf einer bewussten, individuellen Lebensentscheidung, sondern passt sich an eine kulturelle »Großwetterlage« an. Das erklärt den relativ oberflächlichen Charakter vieler Christianisierungsprozesse (der nicht nur bei durch die Obrigkeit vorgegebenen Massenbekehrungen anzutreffen ist). Dies bedeutet, dass der anfänglichen Christianisierung weitere Prozesse folgen mussten, um in den entsprechenden Bevölkerungsanteilen eine kirchliche Struktur zu etablieren und die Kultur zunehmend christlich zu prägen – ein Prozess, der sich oft über Jahrzehnte oder Jahrhunderte hinzog.

Imperium Romanum

1.3 Die sog. »Germanen« Die nicht zum Imperium Romanum gehörenden Völker östlich des Rheins (bzw. des limes/Grenzwalls) wurden von den Römern mit verschiedenen Bezeichnungen benannt. Entsprechend weichen spätantike Völkerlisten stark voneinander ab. Dies betrifft besonders den Begriff »Germanen«, aber auch die Begriffe »Kelten« oder »Skythen«, die eher als Oberbegriffe aufzufassen sind. Häufig transportieren diese Begriffe auch bestimmte Einschätzungen, so gelten »Germanen« als besonders kräftig, mutig und schön, zugleich als ungebildet und barbarisch, »Skythen« hingegen sind grundsätzlich alle Völker, deren Herkunft man nicht kennt, und sie gelten als grausam, zerstörerisch und hässlich. Es handelt sich um eine Außenwahrnehmung, die man nicht für die betroffenen Gruppen selbst voraussetzen kann. Die literarischen Zeugnisse sind aus römischer Perspektive formuliert. Auch archäologische Untersuchungen haben hier keine größere Eindeutigkeit gebracht, weil man zwar Unterschiede (etwa bei den Grabbeigaben) feststellen, doch nicht zeigen konnte, dass bestimmte Merkmale eindeutig als Zeichen ethnischer Identität anzusehen sind (und nicht auf interkulturellem Austausch beruhen). Dies stellt in Frage, inwiefern man überhaupt von »germanischen« Völkern oder »den Germanen« als einer einheitlichen Kultur ausgehen kann. Ein Volk ist durch gemeinsame Kultur und Traditionen, Sprache und eventuell Recht geprägt. Dies ist für die einzelnen »Germanenvölker« aber gar nicht ohne weiteres als solches nachweisbar – ein Hinweis darauf, dass »Völker« nicht einfach gegebene Naturphänomene sind, sondern das Ergebnis von Identitätsprozessen und kulturellen Aushandlungsprozessen. Dem hat 1. Christianisierung, Mission und die Transformationsprozesse 400-700

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Außen­ wahrnehmung

Volk

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Ethnizität

gentes

»germanische Mentalität«

man in der jüngeren Forschung durch den Begriff der Ethnizität Rechnung zu tragen versucht. Ethnizität meint dann genau die Summe von tradiertem, angeeignetem, transformiertem, abgegrenztem und identitätsstiftendem Selbstbewusstsein, das eine Zusammengehörigkeit und Gruppenbildung ermöglicht. Führen diese Prozesse zu einer gewissen Stabilität des Identitätsgefühls, entstehen gentes (eigtl. Sippen, im apologetischen Kontext auch: Heiden, hier: Gruppen mit einem gewissen Maß an gefühlter, konstruierter ethnischer Zusammengehörigkeit, die durch einen Prozess kultureller Formation entsteht, der auch Ethnogenese genannt wird). Die eigentliche Leis­ tungsstärke dieses Modells liegt darin, dass die ethnische Zugehörigkeit für Personen und Gruppen nicht mehr eindeutig festliegt, sondern Wandlungsprozesse gefühlter ethnischer Zugehörigkeit und entsprechende Grauzonen und Mehrschichtigkeiten beschrieben werden können. Die Suche nach dem typisch »Germanischen« (oder einer einheitlichen »germanischen Religion«) ist aufzugeben, erst recht in ihrer nationalistischen Akzentsetzung, wie sie im 19. und 20. Jh. üblich war. Im Bereich der Kirchengeschichte bedeutet dies, dass man weder eine »germanische Mentalität« erheben kann, die dann bei der Ausbreitung des Christentums das Christentum geprägt und verändert hätte (z.B. bestimmte Formen des Rechts wie die Satisfaktion für verletzte Ehre, vgl. § 10; 2.3, oder das »Eigenkirchenrecht«, vgl. § 9; 1.1), noch eine besondere Nähe des von vielen »Germanen« angenommenen Homöertums zur germanischen Mentalität annehmen kann (der Begriff »germanischer Arianismus« ist demnach aufzugeben, vgl. § 7; 2.).

1.4 Die Problematik des Konzepts »Völkerwanderung«

»Wanderung« Einzelne

Familien

Verbände

Das Konzept »Völkerwanderung« ist nicht nur wegen des in ihm enthaltenen Begriffs »Volk« problematisch, sondern auch wegen des Wortbestandteils »-wanderung«. Die Vorstellung, dass geschlossene Verbände östlich des Rheins irgendwann begannen, in geschlossenen Formationen die Grenzen des Imperium Romanum zu überrennen, ist einseitig und unzureichend. Zum einen gehen nicht alle Reichsbildungen, die im 5. Jh. erfolgten, auf Wanderungen zurück (z.B. bei den Alemannen, teilweise auch bei den Franken). Zum anderen ist der Begriff »Wanderung« in seiner Vielschichtigkeit zu verstehen. Schon früh konnten einzelne »Germanen« in den Dienst des Imperium Romanum treten, etwa im Militär, aber auch in anderen Bereichen. Dadurch entstehende Kulturkontakte führten bisweilen auch zur Übersiedlung einzelner Familien in den Bereich des Imperium Romanum. Rückkehrer in die nichtrömischen Siedlungsgebiete führten ebendort zu interkulturellem Wissen, so dass sich auch andere aufmachten und ihr Glück im Imperium Romanum versuchten. Davon zu unterscheiden ist die Formation größerer Verbände, besonders von Kriegern, die z.B. durch entsprechende Anwerbungen seitens des Imperium Romanum entstanden. Auch unabhängig von den Römern bildeten sich zu einzelnen Plünderungszügen 540

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Gruppen, deren Gemeinschaft keineswegs auf gemeinsamer Ethnizität beruhte. Das zeigt sich u.a. daran, dass im Kampf unterlegene Kriegergruppen nicht selten in den eigenen Verband aufgenommen wurden. Im späten 4. und frühen 5. Jh. nimmt die Tendenz zur Bildung solcher Kriegerverbände, die oft genug dann auch Familien und weitere Angehörige mitschleppen, rapide zu, und zwar zum einen, weil die Römer zunehmend auf solche Kriegsverbände zugreifen, zum anderen, weil »germanische« gentes ihrerseits versuchen, in das Imperium Romanum vorzudringen. Für Letzteres dürften einerseits Wanderungsbewegungen weit östlich des Rheins verantwortlich sein (insbesondere die sog. Hunnen haben Wanderungsprozesse ausgelöst), andererseits sozioökonomische Ursachen wie Hungersnöte oder schlicht das Streben nach Teilhabe an dem Wohlstand und der Kultur des Imperium Romanum. Wo sich diese Kriegerverbände im Imperium Romanum niederlassen oder angesiedelt werden und Herrschaft ausüben, entstehen – formal auf dem Boden des Imperium Romanum und zunächst in dessen Struktur – eigene Rechtsbereiche, die dann zunehmend Strukturen des Imperium übernehmen und zu eigenen Reichsbildungen führen. Das Konzept der »Völkerwanderung« ist daher durch das Konzept der Entstehung gentiler Reiche zu ersetzen.

Hunnen

1.5 Migration und Ansiedlung nach 400 In fast allen wichtigen bewaffneten Konflikten des späten 4. und des 5. Jh.s wirken »germanische« Kampfverbände auf beiden Seiten mit. Keineswegs kämpfen also ausschließlich Römer gegen Germanen, sondern Germanen kämpfen auch gegen Germanen, Römer auch gegen Römer (z.B. im Fall von Usurpationen). Der Einsatz nichtrömischer Krieger, teilweise in der römischen Armee, wo einzelne Germanen zu bedeutenden Generälen werden und dann auch politischen Einfluss gewinnen (so besonders die berühmten Heermeister Stilicho und Rikimer), teilweise in Kriegsverbänden, die man bezahlt oder anders entlohnt, führt zu Migrationsprozessen, denen entsprechende Ansiedlungen folgen. Die Römer haben die verschiedenen gentes und Kriegergruppen zum guten Teil selbst ins Land geholt, angesiedelt und zu kontrollieren versucht. Zu unterscheiden sind dabei insbesondere zwei Methoden, die zur Ansiedlung führten: Die sog. hospitalitas (eigtl. Gastfreundschaft) meint die zwangsweise Einquartierung von Truppen auf einem Teil des Grundeigentums in einem bestimmten Gebiet. Der Grundeigentümer durfte also nur noch einen Teil seines Landes selbst bestellen oder anderweitig nutzen, ein Drittel (manchmal auch zwei Drittel) wurde zur Versorgung von Truppenkontingenten benutzt (und konnte bisweilen auch durch Geldleistungen abgegolten werden). Was eigentlich zur vorübergehenden Versorgung von Truppen gedacht war, konnte sich schnell als Dauerzustand entpuppen. Unklar ist auch, ob die so angesiedelten Truppen direkt ein Landlos zugeteilt bekamen oder zunächst nur einen Anteil an 1. Christianisierung, Mission und die Transformationsprozesse 400-700

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nichtrömische Soldaten

hospitalitas

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foedus

dem Steueraufkommen des entsprechenden Gebietes, das sie selbst eintreiben durften (weswegen sie dann selbst die jeweiligen Gebiete kontrollierten bzw. die Herrschaft vor Ort übernahmen). Davon zu unterscheiden sind die foedera (Bündnisse auf Vertragsgrundlage; Singular: das foedus). Damit sind Verträge mit Kriegerverbänden gemeint, die sehr flexibel gestaltet werden konnten und z.B. den Einsatz in innerrömischen Konflikten oder zur Abwehr anderer »germanischer« Kriegerverbände mit der Zuweisung von Land entlohnen konnten. Dort, wo auf der Grundlage von foedera Ansiedlungen erfolgten, geschah dies formal im Rahmen des Imperium Romanum. Dadurch, dass den so Angesiedelten oft aber auch eine juristische Sonderstellung (etwa die Anwendung gentilen Rechts) zugestanden wurde, bildeten sich mitunter eigene Herrschaftsformen und Strukturen aus, die das Imperium destabilisierten. Dies war auch dort der Fall, wo aufgrund von hospitalitas Kriegerverbände selbst die Eintreibung von Steuern betrieben. Diese Relativierungen der Strukturen und Rechtsformen des Imperium Romanum sind die entscheidende Voraussetzung dafür, dass an verschiedenen Stellen die angesiedelten Verbände selbst die Herrschaft übernahmen und systematisch ausbauten. Dass es hierbei zu einem vielfachen Wechselverhältnis und Austausch zwischen den Bevölkerungsanteilen kam (trotz entsprechender Bemühungen der gentilen Führungsschichten, eine allzu große Vermischung und Auflösung in die normale Bevölkerung zu verhindern, um die eigenen Führungsansprüche nicht zu verwässern), versteht sich von selbst. 1.6 Literatur Lektüretipp: W. Pohl: Die Völkerwanderung, 2002, 13-39. Literatur: H.-W. Goetz/J. Jarnut/W. Pohl (Hg.): Regna and Gentes. The Relationship between Late Antique and Early Medieval Peoples and Kingdoms in the Transformation of the Roman World, 2003. – R. Mathisen (Hg.): Romans, Barbarians, and the Transformation of the Roman World. Cultural Interaction and the Creation of Identity in Late Antiquity, 2011. – W. Pohl/H. Reimitz (Hg.): Strategies of Distinction. The Construction of Ethnic Communities, 300-800, 1998. – H. Frohnes/U.W. Knorr (Hg.): Kirchengeschichte als Missionsgeschichte, Bd. 1: Die Alte Kirche, 1974. – K. Schäferdiek (Hg.): Kirchengeschichte als Missionsgeschichte, Bd. 2/1: Das frühe Mittelalter, 1978. – A. Feldtkeller: Missionsgeschichte als ökumenische Kirchen- und Religionsgeschichte, in: C. Dahling-Sander/A. Schultze/D. Werner/H. Wrogemann (Hg.): Leitfaden Ökumenische Missionstheologie, 2003, 51-62. – H. Wolfram: Die Germanen, 4. A. 1999.

2. Die gentilen Reiche Die gentilen Reiche sind für die Transformation des Christentums am Übergang von der Spätantike zum frühen Mittelalter der entscheidende Kontext. Das Christentum gewann durch die Übertragung in die verschiedenen Sprachen und die Amalgamierung mit nichtrömischer Kultur eine neue, regional durchaus unterschiedliche Gestalt, die ihrerseits auch wieder weitere Ausbreitung ermöglichte (so in Britannien, Irland und den Gebieten östlich des 542

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Rheins). Besonders zu nennen sind in diesem Kontext die West- und die Ostgoten, die Sueben und die Vandalen, die Burgunder, die Langobarden und die Franken. Letztere sollen wegen ihrer besonderen Bedeutung für die weitere Geschichte gesondert behandelt werden (s. § 7; 3.).

2.1 Die frühe Gotenmission Für die Ausbreitung des Christentums war die frühe Gotenmission unter Wulfila richtungsweisend. Auch der Begriff »Goten« ist ein Sammelbegriff, der verschiedene gentes zusammenfasst, die durch gewisse sprachliche und kulturelle Ähnlichkeiten miteinander in Kontakt standen. Wulfila (ca. 311383) hat durch eine Bibelübersetzung (und die dafür notwendige Adaption des Alphabets) eine Grundlage für die Ausbreitung des Christentums unter den als Goten zusammengefassten Stämmen geschaffen. Da diese Bibelübersetzung auch anderen gentes näher war als die entsprechenden griechischen oder lateinischen Versionen, wirkte Wulfilas Gotenmission weit über die Goten hinaus. Das hatte zur Folge, dass nicht nur die Goten, sondern die meisten gentes das Christentum in der Form annahmen, die Wulfila selbst vertrat: das Homöertum. Dadurch entstand eine konfessionelle Differenz zwischen den gentes und den schon seit langem im Imperium Romanum lebenden Christen. 2.1.1 Wulfila. Bereits am Konzil von Nicäa 325 nahm, schenkt man den entsprechenden Teilnehmerlisten Glauben, ein Bischof aus Gothia teil: Theophilus. Das setzt voraus, dass schon im späten 3. Jh. das Christentum zu den Goten gekommen sein muss. Wulfila (d.h. kleiner Wolf, gräzisiert: Ulfilas) wurde wohl 336 in Konstantinopel von Euseb von Nikomedia zum Bischof Gothiens (bzw. für Gothien) ernannt. Das war insofern eine Besonderheit, als hier ein Bischofsamt nicht auf eine Stadt bezogen war, sondern auf ein Gebiet (gemeint war das gotische Siedlungsgebiet nördlich der Donaugrenze). Wulfila übernahm eine gemäßigte eusebianisch-origenistische Trinitätslehre und machte sich daher in den fünfziger Jahren des 4. Jh.s die Position des Konstantius zu eigen. Das unter seinem Namen laufende Bekenntnis zeigt eine deutlich Subordination des Sohnes und passt zu der Annahme des homöischen Reichsdogmas von 360 (s. § 1; 14.). Wulfilas Missionstätigkeiten verlagerten sich, als zunehmend auch Goten als Föderaten im Gebiet des Imperium Romanum siedelten (sog. Kleingoten). Er bereitete die Ausbreitung des Christentums unter den Goten vor, die allerdings nicht konfliktfrei verlief. 2.1.2 Konflikte unter den Goten wegen der Christianisierung. Innergotische Auseinandersetzungen sind dort belegt, wo sie in unmittelbarer Nähe zum Imperium Romanum geschahen und auf dieses einwirkten. So ist der Konflikt zwischen Athanarich und Fritigern deswegen belegt, weil Fritigern sich an Kaiser Valens annäherte und für ihn Waffendienste leistete. Athanarich stand der Christianisierung wohl ablehnend gegenüber und versuchte, sie zurückzudrängen. Der Konflikt mit Fritigern erhielt dadurch eine religiöse Komponente. Nach dem Sieg Fritigerns wurden die von ihm geführten Goten zunächst in den Provinzen Thracia und Moesia (dem heutigen Bulgarien) angesiedelt, 382 erfolgte mit Theodosius I. das entsprechende foedus (der Vertrag), der die dauerhafte Ansiedlung mit der Pflicht zur Verteidigung der Donaugrenze verband. 2. Die gentilen Reiche

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Wulfila

Gothia

Homöertum

Athanarich

Fritigern

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Donaugrenze

Valens

foedera

Radagaisus

2.1.3 Die Schlacht von Adrianopel 378. Gotische Verbände (Terwingen und Greutungen) unter Fritigern drängten 376/377 von der Donaugrenze her in das Imperium Romanum vor. Korrupte römische Offiziere verlangten dafür hohe Bestechungsgelder, andere Vereinbarungen wurden nicht eingehalten, die Entwaffnung wurde nicht konsequent durchgeführt. Daraus entstand zunächst in der Grenzprovinz eine Rebellion. Die rebellierenden gotischen Verbände fanden weiteren Zustrom und besiegten 377 die in Thracia stationierten Truppen. Daraufhin marschierte der oströmische Kaiser Valens mit einer Armee von 30.000-40.000 Mann gegen die rebellierenden Goten auf. Er wartete die im Anmarsch befindliche Unterstützung durch Truppen aus dem Westteil des Imperiums nicht ab und suchte außerdem eine offene Feldschlacht (anstatt sich in Adrianopel zu verschanzen) – zwei schwerwiegende Fehler, die am 9.8.378 zum Verlust der Schlacht führten. Valens selbst fiel auf dem Schlachtfeld. In den Folgejahren gelang es Theodosius mühsam, mit den Goten foedera (Verträge) auszuhandeln und sie in Pannonien und im Donaugebiet anzusiedeln. Erst hier bildeten sich stabilere Gruppen, die dann als Vesegothae bzw. Westgoten und als Ostrogothae bzw. Ostgoten bezeichnet werden können. Die Bedeutung der Schlacht von Adrianopel liegt darin, dass gotische Kriegerverbände erstmals eine umfangreiche, reguläre römische Armee besiegt hatten. Zwar konnten auch in der Folgezeit Goteneinfälle immer wieder zurückgeschlagen werden (so der Einfall der unter dem Nichtchristen Radagaisus gesammelten Goten in Italien 405/406, die vom römischen Heermeister Stilicho besiegt wurden), doch wurde die Schlacht von Adrianopel zum Symbol dafür, dass gotische Verbände bei ihren Versuchen, in das Imperium Romanum zu gelangen, nicht umfassend und wirksam aufgehalten werden konnten.

2.2 Kirche im Westgotenreich

Toulouse

Toledo

Eine für die Kirchengeschichte wichtige Reichsbildung war die der Westgoten in Südwestfrankreich und Spanien. Als Föderaten des Imperiums bei Toulouse (lateinisch Tolosa, daher: Tolosanisches Reich) angesiedelt, breiteten die Westgoten ihre Herrschaft aus. Damit fanden erfolglose Versuche der Westgoten, in Italien oder Illyrien angesiedelt zu werden, ein Ende. Im Zusammenhang dieser Bemühungen hatten die Westgoten unter Alarich am 24.8.410 Rom geplündert, ohne dass dies eine dauerhafte Lösung herbeigeführt hätte. Als das Tolosanische Reich ab 507 von den aus dem Norden vordrängenden Franken nach Süden abgedrängt wurde, verlagerte sich das Zentrum des Westgotenreichs nach Toledo (sog. Toletanisches Reich) und wurde 711 infolge der arabischen Eroberung der Iberischen Halbinsel stark dezimiert. Die Reste, die nördlich des Ebro und der Pyrenäen noch bestanden, wurden schließlich vom Frankenreich geschluckt. Die Westgoten versuchten, die Diffusion ihrer Führungsschicht in die autochthone Bevölkerung hinein u.a. durch ihr Beharren auf dem Homöertum zu stabilisieren. 544

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Erst König Rekkared nahm 589 den nizänischen Glauben an, was die innere Einheit des Reiches und das kirchlich-kulturelle Leben förderte. 2.2.1 Alarich und die Eroberung Roms 410. Bereits 391 traten rebellierende Westgoten unter Alarich in Erscheinung, denen es zunächst gelang, Truppen des Theodosius zu besiegen, dann jedoch dem Heermeister Stilicho unterlagen. Obwohl sie im Aufstand gegen den Usurpator Eugenius (s. § 3; 13.2.4) wertvolle Dienste leisteten, erhielten sie nicht die die gewünschten Ansiedlungsgebiete. Daraufhin drangen von Alarich geführte Kriegerverbände 401 nach Italien vor, wo sie von Stilicho erneut besiegt, aber nicht vernichtet wurden. Im Zusammenhang der Abwehrmaßnahmen gegen die Westgoten wurde die Kaiserresidenz in das besser zu verteidigende Ravenna verlegt. Erneut wurden Absprachen über Ansiedlungen getroffen, die jedoch wegen des Sturzes des Stilicho, dem man zu wenig hart durchgreifendes Vorgehen gegen die Goten als Hochverrat auslegte, nicht realisiert wurden. Alarich zog daraufhin vor Rom, setzte sogar einen eigenen Kaiser ein (Attalus, wenig später wieder abgesetzt) und verhandelte mit dem dortigen Senat sowie mit dem in Ravenna residierenden Kaiser, ohne Erfolg. Daraufhin eroberten die Verbände Alarichs Rom und plünderten die Stadt drei Tage lang. Archäologisch lässt sich dieses Ereignis nicht nachweisen – ein Hinweis darauf, dass die Stadt keineswegs tiefgreifend beschädigt oder zerstört wurde. Die symbolische Bedeutung war gleichwohl erheblich (vgl. § 5; 9.1). 2.2.2 Die Etablierung der Westgoten im Reich von Toulouse. Alarich selbst starb kurz nach der Plünderung Roms, sein Nachfolger Athaulf wandte sich 412 nach Gallien, wo er 414 Attalus erneut zum Kaiser machte und mit der Schwester des weströmischen Kaisers Honorius, Galla Placidia, die als Geisel in westgotischer Hand war, verheiratete. Nach der Ermordung Athaulfs gelang schließlich ein Vertrag, der die Westgoten bei Toulouse ansiedelte. Hier konnten besonders Eurich II. (466-484) und Alarich II. (484-507) das Reich konsolidieren und bis nach Spanien ausbreiten. Das große Gesetzeswerk Alarichs II. (Lex Romana Visigothorum) von 506 griff weitgehend auf das römische Recht zurück. Zunehmend passten sich die Westgoten an die römische Kultur und Sprache an. Daher erschien es den Königen wichtig, die westgotische Führungsschicht als solche abzuschotten, wozu u.a. das Festhalten am homöischen Bekenntnis diente. 2.2.3 Das Reich der Sueben. Die zusammen mit Alanen und Vandalen nach Spanien vorgedrungenen Sueben errichteten 409/411 ein Reich im nordwestlichen Spanien. Die Christianisierung erfolgte im späten 5. Jh. vor allem unter westgotischem Einfluss, führend war u.a. Martin von Dumio, Erzbischof von Braga. 585 eroberten die Westgoten dieses Reich. 2.2.4 Die westgotische Kirche in Spanien im 6./7. Jh. Das frühe 6. Jh. war zunächst von politischer Instabilität geprägt: Toulouse ging 507 an die Franken verloren, die Provence wenig später an die Ostgoten. 552 eroberten Truppen Justinians den Süden Spaniens (mit Sevilla). Erst Leovigild (568-586) vermochte das Reich mit dem Zentrum Toledo zu stabilisieren, sein Nachfolger Rekkared (586-601) führte es zu einer neuen Blüte und beseitigte den Gegensatz zwischen westgotischer Führungsschicht und den Hispanoro2. Die gentilen Reiche

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Stilicho

Ravenna

Athaulf

Lex Romana Visigothorum

Martin von Braga

Rekkared

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589 nizänisch

mozarabische Liturgie

manen, indem er auf dem Konzil von Toledo 589 alle Bischöfe und Adelsführer förmlich das Nizänum bekennen ließ. Diesen Wechsel der Religionspolitik hatte Leander, ab 584 Erzbischof der mittlerweile zurückeroberten Stadt Sevilla (540-600; zu seinem älteren Bruder Isidor vgl. § 5; 11.4) eingeleitet. Unter königlicher Herrschaft formierte sich im 7. Jh. ein eigener Liturgietypus, der sich bei den spanischen Christen unter arabischer Herrschaft bis ins Spätmittelalter hielt (die sog. mozarabische Liturgie).

2.3 Theoderich und das Ostgotenreich Odoaker

Homöertum

Amalaswintha Gotenkriege

Zenon Theoderich Strabo

Nur von relativ kurzer Dauer war das Ostgotenreich in Italien, das 493 das Reich des Odoaker ablöste und 553 unterging. Odoaker hatte nach der Absetzung des letzten römischen Kaisers Romulus Augustus ein de facto eigenständiges eigenes Reich errichtet. Dieses wurde 493 von Theoderich im Auftrag des oströmischen Kaisers erobert. Theoderich etablierte daraufhin eine eigene Herrschaft, die formal dem oströmischen Kaiser unterstellt war, de facto aber selbständig war. Er hielt selbst am Homöertum fest, kooperierte aber mit dem Papsttum und ließ der nizänischen Kirche große Freiheiten. Er strebte einen Ausgleich zwischen Römern und Goten an, lehnte jedoch eine Verschmelzung ab. Dem Bemühen um Eigenständigkeit gegenüber Ostrom diente nicht nur das Festhalten an dem Titel König der Goten, den er neben römischen Titeln wie dem Ehrentitel patricius führte, sondern auch eine Bündnispolitik mit den Westgoten und Burgundern. Innenpolitisch konnte er Italien zu einer neuen Blütezeit führen. Nach seinem Tod 526 gelang es seiner Frau Amalaswintha für einige Jahre, eine Regentschaftsregierung für den minderjährigen Athalarich zu installieren, doch nach dessen Tod 534 begann ein zerstörerischer Bürgerkrieg, in den Justinian eingriff. Die hieraus folgenden sog. »Gotenkriege« zogen sich bis 553 hin und führten zum Untergang des Ostgotenreiches. 2.3.1 Die Bildung des Ostgotenreiches. 476 wurde Odoaker, ein römischer General aus der gens der Skiren, von seinen Truppen zum König ausgerufen, setzte den letzten römischen Kaiser, Romulus Augustus (vgl. § 3; 14.5), ab und konnte seine Herrschaft in Italien und Illyrien stabilisieren. Nach 480 wurde er zunächst auch von Ostrom anerkannt, doch beauftragte der oströmische Kaiser 487 Theoderich damit, mit seinen ostgotischen Kriegerverbänden Odoaker zu besiegen. Dies war das Ergebnis eines jahrelangen Ringens zwischen dem oströmischen Kaiser und Theoderich gewesen. 474 hatte Theoderich Kaiser Zenon beim Antritt seiner Herrschaft zunächst gestützt, in den Folgejahren musste Zenon jedoch einem anderen Gotenführer namens Theoderich Strabo Zugeständnisse machen, was wiederum zu Spannungen zwischen Theoderich und Zenon führte. Nach dem Tod des Theoderich Strabo 481 gelang es Theoderich, durch Übernahme der Verbände des Theoderich Strabo, eine mächtigere Position aufzubauen. Zenon griff zu der Lösung, Theoderichs Verbände nach Italien zu lenken. Zwar gelang es Theoderich nach wechselndem Schlachtenglück und mit Unterstützung der Westgoten 490 in der Schlacht von Adda, Odoaker zu besiegen, doch zog sich dieser nach Ravenna zurück. Ein ausgehandelter Kompromiss wurde 493 dadurch hinfällig, dass Theoderich Odoaker bei einem Gastmahl eigenhändig ermordete und so Herrscher Italiens wurde. Er schlug eine Politik ein, die die Kontinuität zu den römischen Strukturen in Italien bewahrte 546

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(z.B. mit Latein als Amtssprache) und sich um eine rechtliche Einheit bemühte (so mit dem für Goten wie Römer geltenden Gesetzeswerk, dem Edictum Theoderici). 2.3.2 Theoderichs Kirchen- und Innenpolitik. Die Kirchenpolitik Theoderichs ist in sich nicht einheitlich: Zum einen unterstützte er massiv die Homöer (auch in Ostrom) und baute seine außenpolitischen Kontakte auf der Übereinstimmung im homöischen Bekenntnis auf, auf der anderen Seite unterstützte er den nizänischen Papst (so besonders im Acacianischen Schisma; s. § 4; 11.2; entsprechend versuchte er, die Aussöhnung des Papstes mit Byzanz 519 zu verhindern). Er ging hart gegen die aus Senatorenkreisen erwachsende Opposition vor (u.a. durch die Hinrichtung des Boethius; vgl. § 5; 11.2), förderte aber sonst Geistesleben, Kultur und Kirchenleben, wie seine Verbindung mit Cassiodor zeigte, der als Nachfolger des Boethius hohe Ämter bekleidete (vgl. § 5; 11.3). Prächtige (homöische) Kirchenbauten entstanden in Ravenna. Sein monumentales Mausoleum gestaltete Theoderich nach Konstantins Vorbild so, dass er sich selbst den Aposteln beigesellte.

Kontakt zum Papst

Mausoleum

2.4 Das Vandalenreich in Nordafrika Das unter dem Vandalenkönig Geiserich ab 429 errichtete Reich in Nord­ afrika war das erste gentile Reich, das von den römischen Kaisern anerkannt wurde. Die Vandalen benutzten ihr homöisches Bekenntnis als Mittel bewusster Abgrenzung von den etablierten römischen und nizänischen Strukturen. Dies wurde von nizänischer Seite aus als Unterdrückung und Verfolgung empfunden. Zugleich war es für die Vandalen notwendig, auf die bereits etablierten Strukturen zurückzugreifen und mit der römischen Oberschicht einen Interessenausgleich herzustellen. Nordafrika erlebte unter den Vandalen eine kulturelle und wirtschaftliche Blüte. Die außenpolitischen Versuche Geiserichs, sich auch in Sizilien, Sardinien und Korsika zu behaupten, waren nur zeitweise erfolgreich und führten zu Konflikten mit dem Ostgotenreich und Byzanz. Die Plünderung Roms 455 hinterließ ein verheerendes Bild von den Vandalen (daher der Begriff »Vandalismus«). Innere Thronwirren um 530 stellten für den oströmischen Kaiser Justinian die geeignete Gelegenheit dar, Nordafrika zurückzuerobern. 2.4.1 Die Errichtung des Vandalenreiches. Nach 406 zogen größere Kriegerverbände von Alanen, Sueben und Vandalen über den Rhein nach Gallien, wo sie zunächst auf keinen nennenswerten Widerstand stießen, weil Stilicho (selbst ein Vandale) die in Gallien stationierten Truppen zur Abwehr der Goteneinfälle (unter Radagaisus) in Italien benötigte. Als sich die Lage in Gallien nach dem Sturz Stilichos zuzuspitzen drohte, zogen die Kriegerverbände nach Spanien, wo ihnen vier der fünf römischen Provinzen überlassen wurden. Die Alanen bekamen dabei die größten Gebiete zugesprochen, wurden aber durch Angriffe der Westgoten so dezimiert, dass sie sich den Vandalen anschlossen. Deren Anführer Geiserich beschloss, 429 nach Nordafrika überzusetzen. 430 erreichte er Hippo, das sich kurz nach Augustins Tod den Belagerern ergeben musste. Erst 439 konnte Karthago eingenommen werden, 442 erfolgte die Anerkennung durch den Kaiser des Westens, Valentinian III., die durch die anberaumte Hochzeit von Geiserichs Sohn Hunerich mit der Kaisertochter Eudokia besiegelt werden sollte. Als nach dem Tod Va2. Die gentilen Reiche

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Homöertum

Alanen Geiserich

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»Vandalismus«

Homöertum

Victor von Vita

Synode in Karthago 484

lentinians III. der neue Kaiser Petronius Maximus Eudokia mit seinem Sohn verheiratete, führte dies zum Angriff Geiserichs auf Rom. Petronius Maximus wurde bei dem Versuch zu fliehen, von der römischen Bevölkerung gelyncht, die Vandalen eroberten und plünderten zwei Wochen lang Rom. Die Zurückdrängung vandalischer Herrschaft von der Westküste Italiens ermöglichte den Aufstieg des Heermeisters Rikimer, der bis zu seinem Tod 472 die Geschicke des westlichen Teils des Imperium Romanum in der Hand hielt. Versuche von Byzanz in den Jahren 468-474, Nordafrika, die Kornkammer des Westens des Imperium Romanum, zurückzuerobern, scheiterten, eine Voraussetzung für den Untergang des westlichen Kaisertums 476. Die Plünderungen und Zerstörungen der Vandalen wurden schon von Zeitgenossen als besonders negativ herausgestellt, dürften jedoch de facto nicht wesentlich zerstörerischer gewesen sein als die Verwüs­ tungen in anderen kriegerischen Auseinandersetzungen (erst im Zusammenhang der französischen Revolution wurde – in Fortsetzung der spätantiken Polemik – der Begriff »Vandalismus« geprägt, um gewaltsame Zerstörungen von Kirchen und Kunstschätzen als barbarisches Verhalten zu brandmarken). Die Vandalen übernahmen selbst die Lebensweise der römischen Oberschicht und ließen die Strukturen der nordafrikanischen Provinzen größtenteils intakt. 2.4.2 Die Kirchenpolitik der Vandalen. Die Vandalen hatten das Christentum, vermutlich unter westgotischem Einfluss, in der homöischen Form angenommen und betonten ihre konfessionelle Identität. Es hatte zwar im 4. Jh. auch in Nordafrika Bemühungen von homöischer Seite aus gegeben, die homöische Theologie dort zu etablieren (vgl. dazu Athanasius, Epistula ad Afros/Brief an die Bewohner der Provinz Africa und die Auseinandersetzungen Augustins mit Maximinus), doch hatte in Nordafrika eine homöische Kirche niemals Fuß fassen können. Entsprechend heftig fiel nun die Abwehr der von der Obrigkeit unterstützten Kirche aus. Der Kampf um Kirchen und Strafmaßnahmen gegen sich widersetzende nizänische Kleriker wurden von nizänischer Seite aus als Verfolgung der nizänischen Sache stilisiert, so besonders von Victor von Vita in seiner Historia persecutionis ecclesiae Africae (Geschichte der Verfolgung der Kirche in Afrika). De facto konnte sich die nizänische Kirche und Theologie durchaus weiter entwickeln (etwa durch Fulgentius von Ruspe; vgl. § 5; 10.3). Die Auseinandersetzungen mit den Homöern führten zu erneuten Diskussionen über das ὁμοούσιος (homousios/wesensgleich), das auf einer großangelegten Nizänersynode in Karthago 484 mit größtenteils traditionellen Argumenten erneut bekräftigt wurde. Als der ab 523 regierende Hilderich einen Ausgleich zwischen Nizänern und Homöern anstrebte, entstand innerhalb der Vandalen Widerstand, der in der Erhebung Gelimers gipfelte. Dies bot Byzanz den willkommenen Anlass, 533 das eigene Eingreifen in Nordfrika durch General Belisar als Einsatz für den nizänischen Glauben hinzustellen. In dem Kampf gegen Byzanz ging die relativ kleine vandalische Führungsschicht größtenteils unter.

2.5 Der Einfluss der Langobarden in Italien

Homöertum

Das Langobardenreich war das letzte größere gentile Reich, das auf dem Boden des ehemaligen Imperium Romanum entstand. 568 zogen größere Kriegerverbände nach Norditalien, wo sich verschiedene, regionale Einzelherrschaften bildeten. Nur mühsam konnte Agilulf ab 600 eine übergreifende Königsherrschaft etablieren. Viele der einwandernden Krieger waren noch lange Zeit heidnisch, auch wenn die Führungsschicht schon früh zur homöischen Form des Christentums übergegangen war. Die Christianisierungsbemühungen seitens der Führungsschicht griffen auch auf nizänische Akteure zurück, was insgesamt allmählich das Homöertum zurückdrängte. Die kirchli548

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chen Zentren Pavia und Mailand unterstanden ebenso wie die übrigen Bistümer dem römischen Papst, was diese Tendenz förderte. Nach 650 gingen die langobardischen Herrscher zum Nizänertum über (unter Aripert und Cunincpert). Die Langobarden bemühten sich um eine weitgehende Integration, auch wenn das Gesetzeswerk Edictus Rothari das langobardische Gesetz kodifizierte (643; in den Folgejahren durch Zusätze kontinuierlich ergänzt) und daneben das römische Recht fortbestand. Unter König Liutprand (712-744) versuchten die Langobarden, ihre Herrschaft nach Mittel- und Süditalien auszubreiten. Die Versuche, Rom zu erobern, und die Eroberung Ravennas begünstigten das Eingreifen der Karolinger: Pippin II. griff 754 in Italien ein und versprach 756 dem Papst den Dukat Rom und das Exarchat Ravenna (das war die Geburtsstunde des Patrimonium Petri; vgl. § 8; 5.2). Doch erst unter Karl d. Gr. übernahmen die Karolinger 774 die langobardische Königswürde und besiegelten das Ende des Langobardenreiches.

Liutprand

2.6 Literatur Lektüretipp: M. Meier (Hg.): Sie schufen Europa. Historische Portraits von Konstantin bis Karl dem Großen, 2007 [darin Beiträge u.a. zu Alarich, Geiserich, Eurich, Theoderich]. Quellen: H.-W. Goetz (Hg.): Die Germanen in der Völkerwanderung. Auszüge aus den antiken Quellen über die Germanen von der Mitte des 3. Jahrhunderts bis zum Jahre 453 n.Chr., AQDGMA 1, 2. A. 2006 [zweisprachig]. Literatur: W. Pohl: Die Völkerwanderung, 2002. – H.-W. Goetz/J. Jarnut/W.Pohl (Hg.): Regna and Gentes. The Relationship between Late Antique and Early Medieval Peoples and Kingdoms in the Transformation of the Roman World, 2003. – W. Pohl/H. Reimitz (Hg.): Strategies of Distinction. The Construction of Ethnic Communities (300-800), 1998. – M. Becher/S. Dick (Hg.): Völker, Reiche und Namen im frühen Mittelalter, 2010. – H. Harich-Schwarzbauer/K. Pollmann (Hg.): Der Fall Roms und seine Wiederauferstehungen in Antike und Mittelalter, 2013. – K. Schäferdiek: Wulfila. Vom Bischof von Gotien zum Gotenbischof, ZKG 90 (1979) 253-292. – H.C. Brennecke: Christianisierung und Identität – das Beispiel der germanischen Völker, in: Ders.: Ecclesia est in re publica, 2007, 145-157. – U. Heil: Avitus von Vienne und die homöische Kirche der Burgunder, 2011. – P. Heather: Goths and Romans (332-489), 1991. – H. Wolfram: Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts, 4. A. 2001.

3. Das Frankenreich auf dem Weg zur christlichen Großmacht Während die großen gentilen Reiche in Nordafrika, Spanien und Italien untergingen, konnte sich in Gallien mit dem Frankenreich ein gentiles Reich etablieren, das die künftige Kirchengeschichte wesentlich prägen sollte. Entscheidend war dabei, dass die Franken an die vorhandenen Reststrukturen des Imperium Romanum anknüpften. Hierzu gehörte auch die Kirchenstruktur, in der die Bischöfe in den Städten eine wichtige Rolle spielten. Die Hinwendung des fränkischen Herrschers Chlodwig zum Nizänertum leitete eine Phase der Integration ein, die die Grundlage für die Ausbreitung nach Südfrankreich und das Rheingebiet darstellte. In den neugewonnenen Gebieten östlich des Rheins wurde die Christianisierung eine wichtige Maxime der Herrschaftssicherung. 3. Das Frankenreich auf dem Weg zur christlichen Großmacht

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Bischöfe

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3.1 Chlodwigs Bekehrung zum Nizänertum fränkische Stämme

Nizäner

Salfranken, Rheinfranken Childerich

Syagrius

2 Quellen

Chrodechilde

Die Vielfalt fränkischer Stämme im Norden Galliens, teilweise verstärkt durch Zuzug aus dem Niederrhein, wurde unter Chlodevech/Chlodwig (ca. 466-511) zu einem umfassenden Reich geeint. 486 beseitigte der junge, seit 482 regierende König eines Frankenstammes den Rest römischer Herrschaft zwischen Somme und Loire und errichtete durch weitere militärische Erfolge bis 511 ein auch innenpolitisch gefestigtes Reich. Zur Behauptung seines Herrschaftsanspruchs entzog er sich der Bündnis- und Religionspolitik Theoderichs (s. § 7; 2.3). Nach reiflicher Überlegung und Beratung mit den Heerführern nahm er 498 das Christentum in der nizänischen Form an; mit ihm ließen sich ca. 3000 Gefolgsleute taufen. Damit waren grundsätzlich die Weichen gestellt für die – erst in einer längeren Entwicklung – folgende Christianisierung aller Franken sowie der unterworfenen Alemannen und Burgunder. Zugleich ergab sich die Möglichkeit, in Südgallien an die dort bestehende Kirchenstruktur anzuknüpfen und sie als stabilisierenden Faktor des Reiches zu nutzen. 3.1.1 Bildung des Frankenreiches. Die Bildung des Frankenreiches ist unter den gentilen Reichen insofern eine Ausnahme, als keine erheblichen Wanderungsbewegungen vorangegangen sind. Es handelte sich vielmehr um ortsansässige Stämme, die durch den Zuzug weiterer Verbände aus dem Nieder- und Mittelrheingebiet verstärkt wurden. Die Einteilung in Salfranken und Rheinfranken ist nur eine grobe Klassifizierung einer Fülle von Sippen, Stämmen und Verbänden, die sich teilweise im Norden um Tournay, teilweise im Nordwesten Galliens, von Köln-Trier aus, ausbreiteten. Unter den Salfranken tat sich ein Kleinkönig aus dem Geschlecht der Merowinger hervor, Childerich, der in Koordination mit den römischen Heermeistern Aëtius, Aegidius und Syagrius gegen Westgoten, Burgunder und Alemannen kämpfte und dabei sein eigenes Herrschaftsgebiet ausbreitete. Sein Sohn Chlodwig wandte sich gegen die Römer und eroberte das Gebiet, das sich nach dem Untergang des weströmischen Kaisertums in Gallien verselbständigt hatte (das sog. Syagrius-Reich mit Soissons als Residenz). Damit stieg Chlodwig über den Status eines Kleinkönigs hinaus, zumal er Rivalen brutal liquidierte. Der Gegensatz zu den Westgoten bestimmte nun seine Politik, auch die allmählich Annäherung an das Christentum.

3.1.2 Chlodwigs Taufe. Hintergrund und Bedeutung der Taufe Chlodwigs gehören zu den meistbehandelten und umstrittenen Themen der Kirchengeschichte. Neben einem Glückwunschbrief des Avitus von Vienne (Epistula/Brief 46) ist die Darstellung bei Gregor von Tours (Historiae/Geschichte II,29-31) die wichtigste Quelle, die jedoch zugleich in ihrer historischen Zuverlässigkeit problematisch ist, weil sie Chlodwig als neuen Konstantin stilisiert. Trotzdem ist es nicht unwahrscheinlich, zu vermuten, dass die Frau Chlodwigs, Chrodechilde, eine nizänische Burgunderin, Chlodwig beeinflusst hat, da dieser schon früh seine Kinder taufen ließ und dabei die nizänische Form des Christentums auswählte. Das lässt es auch als unwahrscheinlich erscheinen, dass Chlodwig selbst erst das homöische Christen550

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tum annahm und später zum Nizänertum kam. Wenn die Taufe tatsächlich im Zusammenhang eines Sieges über die Alemannen steht (wie bei Gregor herausgestellt), ergibt sich als mögliches Datum am ehesten 497/498 (weniger wahrscheinlich ist dann eine Spätdatierung um 506 oder 507). Christus erscheint dann in erster Linie als der Gott, der Chlodwig zum Sieg verholfen hat. Diese militärischen Zusammenhänge weisen darauf hin, dass Chlodwig keine individuell motivierte Einzelentscheidung traf, sondern eine repräsentative Entscheidung, der die Taufe der Führungsschicht folgte. Das setzt einen entsprechenden Konsens voraus, der bei Gregor auch genannt wird. Eine Unterweisung als Katechumene hat Chlodwig – wenn überhaupt – nur in sehr knapper Form erhalten, der ihn taufende Bischof Remigius von Reims hat gleichwohl entscheidenden Anteil und Einfluss ausgeübt. Gregor von Tours (538-594) hat in seinem zehnbändigen Werk Historiae (Geschichte; Text/Übers.: hg. von R. Buchner, AGDGMA 2, 1955, 8. A. 1990) diesen Vorgang als entsprechende Gründungsgeschichte des Frankenreiches unter der Herrschaft des Königsgeschlechts der Merowinger stilisiert. Hierin sieht Gregor den Zielpunkt einer heilsgeschichtlichen Entwicklung: Gott verwirklicht seinen Heilsplan bei den frommen und moralisch Reinen. Diese besondere Betonung der Taufe Chlodwigs war sehr wirkungsvoll, nicht nur im Mittelalter, sondern auch bis in die gegenwärtige Forschung (wo die Taufe Chlodwigs mit Begriffen wie »Anfang Europas« oder »Anfang Frankreichs« verbunden wird).

Datierung

Remigius von Reims

3.2 Die Kirche im Frankenreich unter den Merowingern Als König beanspruchte Chlodwig, auch über die Kirche die Hoheit zu haben, und übte entsprechenden Einfluss im Episkopat aus. Die Bischöfe wurden – zunehmend auch aus dem fränkischen Adel stammend – die wichtigsten Organe innerhalb der kirchlichen Struktur. Neben den Bistümern entwickelten sich die Klöster (im Norden allerdings erst im 7. Jh.) zu wichtigen Zentren des kirchlichen Lebens. Chlodwig selbst gelang es 507, die Westgoten nach Süden abzudrängen und Toulouse zu erobern, Chlodwigs Söhnen gelang mit der Annexion des Thüringerreiches 531 und des Burgunderreiches 534 eine weitere Vergrößerung des Herrschaftsgebietes. Damit war ein Reich entstanden, das ganz Gallien und große Gebiete östlich des Rheins umfasste. 3.2.1 Die Kirchenhoheit der Merowinger. Demonstrativ versammelte Chlodwig den gallofränkischen Episkopat im Jahr 511 in Orléans zu einer Reichssynode, mit deren Beschlüssen die kirchliche Reorganisation und die weitere Kirchenrechtsentwicklung begannen. Dabei knüpfte man in großer Kontinuität an die spätantiken Strukturen (Gliederung in Diözesen, Metropoliten, synodale Beschlüsse) an. Noch lange Zeit lag der kulturelle Schwerpunkt in Südgallien (wo besonders von Lérins aus eine ganze Reihe gebildeter Adliger 3. Das Frankenreich auf dem Weg zur christlichen Großmacht

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Expansion

Synode in Orléans 511

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Reichsteilung

Inhomogenität

Bischofsstühle besetzte, vgl. § 6; 6.4.2). Die kirchliche Einheit litt unter der Aufteilung des Reiches nach Chlodwigs Tod unter seinen Söhnen nach 511 bzw. nach 561 (mit zunächst vier Zentren in Orléans, Paris, Reims und Soissons), die sich dann zur Bildung der drei Reichsteile Neustrien (im Westen), Austrien/Austrasien (im Osten) und Burgund (Mitte/Südosten) verfestigte. Durch den wachsenden Einfluss der Könige auf den Episkopat wurde die altkirchliche Metropolitanstruktur und die Bedeutung von Arles allmählich zurückgedrängt; auch die Beziehung zum römischen Papsttum verlor an Bedeutung. 3.2.2 Kulturelle Integration. Das nominell christliche Reich, in dem es viele verschiedene Stämme und Ethnizitäten gab, zu vereinheitlichen, war keine leichte Aufgabe. Die Christianisierung bildete hier ein wichtiges Instrument der kulturellen Vereinheitlichung und Integration. Dies galt schon für das fränkische Kerngebiet, die Francia, erst recht aber für die westlich davon gelegenen Gebiete zwischen Loire und Rhein, wo die Organisationsdichte gering war und das Christentum noch nach wie vor keine Mehrheit darstellte. Jenseits des Rheins erstreckte sich bei den Alemannen, Thüringern und Bayern ein völlig neues Missionsgebiet. Die Kirche im Frankenreich war durch diese Inhomogenität für lange Zeit bestimmt (6.-8. Jh.).  § 5; 11.

3.3 Fränkische und iroschottische Mission

Columban

östliche Bistümer

Luxeuil

Bis ca. 600 gingen die Neubelebung des Christentums und der Neuaufbau einer Kirchenorganisation in Austrien von einzelnen Bischöfen und Klerikern aus. So kam die Christianisierung nur langsam voran und wirkte nur partiell sozial prägend, v.a. im Adel. Neue Impulse brachten der Iroschotte Columban und seine Begleiter seit ca. 590/592 in Verbindung mit einem Aufschwung des Mönchtums (s. § 6; 7.3; 8.2-8.3). Die Mission von Iroschotten und Gallofranken im Ostteil des Reiches erhielt im 7. Jh. wesentlichen Aufschwung, auch unterstützt von Chlothar II. und Dagobert I. Allerdings kam es in der Mitte des 7. Jh.s zu Konflikten zwischen den iroschottischen Charismatikern und dem zunehmend verweltlichten Episkopat. Einen Sonderweg beschritten die Herzöge im verselbständigten, um 600 noch weithin heidnischen Bayern: Mit Hilfe von iroschottischen und fränkischen Missionaren bauten sie seit 660 eine Kirchenprovinz mit monastischen Bistümern auf. 3.3.1 Missionsbemühungen im 6. und 7. Jh. Wichtiger äußerer Rahmen war die Wiedererrichtung und Neugründung von Bistümern in der östlichen Randzone des Frankenreiches. Unter den alten Bistümern, die neubelebt wurden, sind besonders Maastricht, Köln, Mainz, Straßburg und Basel zu nennen, später auch Augsburg. Hinzu kommen im 7. Jh. die neuen Bistümer in Speyer, Worms und Konstanz. Der Iroschotte Columban wirkte besonders auf den Adel ein, vor allem durch die Klöster Luxeuil, Fontaines und Annegray. Seine Vorstellungen von einer Mönchskirche und sein strikter Moralismus 552

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führten jedoch bald zu Konflikten, so dass er um 610 Luxeuil verließ und zunächst am Bodensee tätig wurde (wo sein Schüler (?) Gallus 612 eine monastische Missionsstation errichtete, woran das um 720 durch Othmar gegründete Kloster St. Gallen anknüpfte). Schon bald brach Columban in das Langobardenreich auf und gründete dort 612 mit königlicher Hilfe das Kloster Bobbio, das für die Christianisierung der Langobarden große Bedeutung erlangte. Die von Luxeuil ausgehende Christianisierung strahlte zunächst nach Nordgallien/Belgien aus, wo u.a. Walarich, Audomar und Amandus (die sog. »Apostel der Belgier«) wirkten. Besonders Dagobert I. (seit 623 in Austrien und seit 629 im Gesamtreich) unterstützte die Gründung von Klöstern und die Tätigkeit der Missionare, versuchte aber auch, sie mit den Bistümern zu verbinden und den Bischöfen zuzuordnen. In dem von Franken kolonisierten Maingebiet um Würzburg gab es nach 600 einzelne Gemeinden und einen christlichen Thüringerherzog. Dort hat der um 689 wegen politischer Querelen umgebrachte irische Wanderbischof Kilian (der sog. »Frankenapostel«) wohl nur kurze Zeit gewirkt. 3.3.2 Das Herzogtum Bayern. Südlich des von Franken kolonisierten Gebietes konnte sich unter den Agilofingern ein eigenes Herzogtum Bayern etablieren, das an ältere Reste des Christentums aus der Zeit, als die südlicheren Gebiete noch zum Imperium Romanum gehörten, anknüpfen konnte. Die seit dem 5. Jh. dort siedelnden Bevölkerungsanteile, die man als Bajuwaren zusammenfasst, waren hingegen größtenteils noch Heiden. Dynastische Verbindungen zu Burgund und die Unterstützung durch Dago­ bert I. dürften seit ca. 620 die Missionierung gefördert haben (z.B. durch Eustasius, Columbans Nachfolger, mit einem Stützpunkt in Weltenburg/Donau). Verstärkt wurde sie seit ca. 665 von dem Aquitanier Emmeram, durch den der Herzogsitz Regensburg zum bayerischen Missionszentrum aufstieg. Der aus Worms vertriebene Bischof Rupert organisierte seit 695 von Salzburg aus eine Mission unter Slawen. Von Freising aus wirkte der Irofranke Korbinian im Gebiet südlich der Donau. Insgesamt war damit in Bayern die Christianisierung relativ weit fortgeschritten.

Bobbio

Thüringen

Emmeram

3.4 Literatur Lektüretipp: U. Heil: Chlodwig, ein christlicher Herrscher. Ansichten des Bischofs Avitus von Vienne, in: M. Meier/S. Patzold (Hg.): Chlodwigs Welt. Organisation von Herrschaft um 500, 2014, 67-90. Literatur: A. Wieczorek/P. Périn/W. Menghin (Hg.): Die Franken. Wegbereiter Europas, 1996. – M. Rouche (Hg.): Clovis. Histoire et mémoire, 2 Bde., 1997. – S. Diefenbach/G.M. Müller (Hg.): Gallien in Spätantike und Frühmittelalter, 2013. – M. Heinzelmann: Gregor von Tours (538-594), 1994. – O. Pontal: Die Synoden im Merowingerreich, 1986. – E. Ewig: Die Merowinger und das Frankenreich, 2. A. 1993. – R. Kaiser: Das römische Erbe und das Merowingerreich, 2. A. 1997. – R.W. Mathisen/D. Shanzer (Hg.): The Battle of Vouille 507 CE. Where France Began, 2012.

4. Die europäische Bedeutung des irischen und angelsächsischen Christentums Seit der Mitte des 5. Jh.s gelangte das Christentum nach Irland, wo sich eine eigene Prägung der kirchlichen Landschaft ergab, die nach Schottland und England ausstrahlte. Dadurch sowie durch päpstliche Impulse kam es im 4. Die europäische Bedeutung des irischen und angelsächsischen Christentums

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7. Jh. zu einer ersten Christianisierung der angelsächsischen Königreiche. Von dort aus wirkten in der Folgezeit bedeutsame missionarische Kräfte in das Frankenreich und gewannen dabei eine besondere Prägung durch ihre Romorientierung.

4.1 Die Anfänge des Christentums in England

Augustinus von Canterbury

York

Die Strukturen des Imperium Romanum in England brachen im frühen 5. Jh. zusammen. Ab 410 fielen von Westen her die Iren, von Norden her die Pikten ein, seit ca. 450 drangen vom Festland her Angeln, Jüten und Sachsen vor. Diese vordringenden Verbände und Stämme waren heidnisch geprägt. Das Christentum behielt eine gewisse Verbreitung bei den Kelten, die sich nach Wales und Cornwall zurückzogen. Wichtigste literarische Quelle für das frühe Christentum ist das Geschichtswerk des Gildas (ca. 500-570). Papst Gregor I. beauftragte Mönche unter der Leitung des Augustinus mit der Mission in England. Ihr wichtiger Bekehrungserfolg bei König Aethelbert von Kent (ca. 562-618; seine Frau Berta stammte aus dem Geschlecht der Merowinger und war bereits Christin) führte jedoch deswegen nicht zum Aufbau einer Kirchenorganisation, weil sein Sohn das Christentum nicht annahm. Immerhin errichtete Bischof Liutprand, der Berta aus dem Frankenreich begleitet hatte, eine erste Kirche bei Canterbury. Augustinus knüpfte hieran an und gründete in Canterbury und Rochester zwei Bistümer. Weiter nördlich gelang die Bekehrung von Edwin, dem König von Northumbria. Von York aus sollte eine Kirchenorganisation entstehen und das Reich stützen. Diese Maßnahmen fanden mit dem Tod Edwins 634 vorläufig ein Ende.

4.2 Die Kirche in Irland und die iroschottische Mission

Patrick Armagh

Iona

Nach Irland, das nie zum Imperium Romanum gehört hatte, kamen christliche Einflüsse wohl zunächst vereinzelt über Kriegsgefangene, dann seit ca. 430 durch Missionare, v.a. aus Britannien. Aus dem Wirken des später als Nationalheiliger verehrten Patrick, eines Britoromanen (ca. 390-460), dürften zahlreiche Gemeindegründungen hervorgegangen sein, mit Armagh als Zentrum. Wegen der dünnen Besiedlung war jedoch der Aufbau einer Diözesanstruktur schwierig. Bedeutend wurden große Klöster, die als Siedlungs- und Wirtschaftszentren fungierten. Dies führte zu einer Dominanz des Mönchtums, insbesondere der Äbte. Große Klöster wie Clonmacnois, Clonard oder Bangor wurden zu Zentren des kirchlichen Lebens. Das irische Mönchtum strahlte nach Schottland aus (vgl. § 6; 7.3), besondere Bedeutung gewann das an der schottischen Westküste liegende Kloster Iona (vgl. § 6; 7.3.1). Oft lebten die Bischöfe als Mönche in den Klöstern und standen somit unter der Leitung der Äbte. Demgegenüber suchten die Bischöfe von Armagh seit dem 7. Jh. im Kontakt mit Rom eine besondere Legitimation als Erzbischof und Primas von Irland zu erreichen. Das auf diese Weise vom Mönchtum stark geprägte Christentum zeichnete sich durch rigorose Ethik, die besonders in Bußbüchern greifbar wird, sowie eine eigene liturgische Prägung aus.

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4.3 Die Romorientierung der angelsächsischen Kirche Wirksame Missionstätigkeiten konnten iroschottische Mönche ab 636 in Northumbria entfalten, zumal sie von König Oswiu gefördert wurden. Die iroschottischen Missionare brachten ihre vom Mönchtum geprägten Vorstellungen von Kirche mit, während im Süden Englands von Canterbury aus eine eher bischöfliche Struktur vorherrschte. Die sich daraus ergebenden Konflikte kulminierten im Streit um die Berechnung des Ostertermins. Die iroschottischen Mönche blieben bei der älteren Berechnungsmethode, die sie zu einem früheren Zeitpunkt aus Britannien übernommen hatten, während sich in Südengland die aus Rom importierte neue Berechnungsmethode durchsetzte. Im Hinblick auf die zukünftige Ausrichtung war es daher eine wichtige Weichenstellung, als König Oswiu auf einer Versammlung von Klerikern in Withby 664 für die römische Praxis entschied. Ab 667 stieg Canterbury zur gesamtenglischen Metropole auf, so besonders unter dem vom Papst entsandten Erzbischof Theodor, der bis 690 eine Diözesanstruktur in England aufbaute. Dadurch entstand eine kirchliche Struktur und Einheit, lange bevor die Angelsachsenreiche ab dem 9./10. Jh. auch politisch eine Einheit bildeten. 4.3.1 Iroschottische Mission in Northumbria. Zur religiösen Stabilisierung seiner Herrschaft in Northumbria förderte König Oswald – im iroschottischen Kloster Iona als Christ erzogen – die Missionsarbeit v.a. dadurch, dass er 636 aus Iona den Mönchsbischof Aidan holte. Das auf einer Küsteninsel gelegene Kloster Lindisfarne wurde zu einem Zentrum der iroschottischen Missionstätigkeiten. Seinem Bruder und Nachfolger Oswiu gelang es seit 650, dem Christentum auch in Mercia und Essex Anerkennung zu verschaffen. Seit 660 wirkte in Northumbria auch der zunächst in Lindisfarne erzogene, dann aber römisch orientierte Wilfrith (634-710), Abt von Ripon, nach 664 Bischof von York. Er befürwortete die neuere, durch Osterfestbriefe aus Rom verbreitete Berechnungsmethode des Ostertermins (1. Sonntag nach dem Frühjahrsäquinoctium), die für die Bestimmung des Frühjahräquinoctiums einen 19jährigen Zyklus vorsah – während die ältere Berechnungsmethode einen 84jährigen Zyklus annahm. Ihm stand auf der von König Oswiu veranlassten Versammlung in Streaneshalch/Withby der iroschottische Abtbischof Colman von Lindisfarne gegenüber. Wilfrith begründete die Richtigkeit der römischen Berechnung des Ostertermins mit dem Hinweis auf die von Christus verliehene Autorität des Petrus gemäß Mt 16,18. Folgt man der Darstellung bei Beda, Historia ecclesiastica gentis Anglorum (Kirchengeschichte des Stammes der Angeln, d.h. Englische Kirchengeschichte), wollte Oswiu mit seiner Entscheidung für die römische Berechnung Petrus als Himmelspförtner folgen. In den folgenden Jahren wurde der Einfluss von Lindisfarne durch die aufstrebenden Bistümer York und Ripon zurückgedrängt, mit Colman verließen etliche Iroschotten das Land. 4.3.2 Canterbury und York. Initiativen des Königs von Kent führten zur Aufwertung von Canterbury als Haupt der Kirchenprovinz, das mit dem in Rom geweihten Erzbischof Theodor (ca. 602-690; vgl. § 5; 13.1.1) zum Angelpunkt der schon lange geplanten systematischen Organisation wurde. Mit der Etablierung von 15 auf die politische Einteilung bezogenen Bistümern – u.a. in London, Winchester, Worcester, Hereford, Hexham – stand das Fundament der künftigen englischen Kirche. Es erfuhr allerdings 735 inso4. Die europäische Bedeutung des irischen und angelsächsischen Christentums

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Northumbria

Streit um Ostertermin

Wilfrith von Ripon

Synode in Whitby 664

Theodor von Canterbury

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fern eine Veränderung, als – nach langen Konflikten, die schon Wilfrith gegen Theodor austrug – in York ein zweites Erzbistum für den Nordteil errichtet wurde. Theodor regulierte das Kirchenwesen nach römischen Prinzipien: Klerus und Mönchtum, Recht und Liturgie, Bußdisziplin und Festkalender, Wissenschaft und Bildung. Damit hat er erstmals eine Kirchenstruktur in einem (allerdings zersplitterten) gentilen Bereich eng an die päpstliche Autorität gebunden. 4.4 Literatur Lektüretipp: A. Angenendt: Das Frühmittelalter, 3. A. 2001, 203-213.223-232. Literatur: L. Bieler: Hibernia, RAC 15 (1991) 1-26. – L.M. Bitel: Isle of the Saints. Monastic Settlement and Christian Community in Early Ireland, 1990. – M. Lapide (Hg.): Archbishop Theodore, 1995. – R. Gameson (Hg.): St. Augustine and the Conversion of England, 1999. – T.N. Charles-Edwards: Early Christian Ireland, 2000. – I. Warntjes/D.O. Cróinín (Hg.): The Easter Controversy of Late Antiquity and the Early Middle Ages, 2011. – H. Vollrath: Die Synoden Englands bis 1066, 1985. – M. Dunn: The Christianization of the Anglo-Saxons c. 597-c. 700, 2009. – D. Walz/J. Kaffanke (Hg.): Irische Mönche in Süddeutschland, 2009.

5. Die Expansion des Islam Eroberung christlicher Ursprungsländer

Die Entstehung und rasche Ausbreitung der islamischen Herrschaft im 7. Jh. ist kirchengeschichtlich von großer Bedeutung, weil das Ursprungsgebiet des Christentums (Syropalästina) und wichtige Kerngebiete der älteren Zeit (Syrien, Ägypten, Nordafrika) dauerhaft unter eine nicht-christliche Herrschaft gerieten. Dadurch wurde das Byzantinische Reich auf seinen Kernbereich in Griechenland und der heutigen Türkei reduziert. Die Auswirkungen bestehen in sechs Punkten: a) Die rasche Eroberung im 7. Jh. brachte einen rasanten Umsturz der politischen Struktur, die mit der Förderung und Ausbreitung des Islam anstelle des Christentums einherging. b) Die anschließende soziokulturelle Transformation der eroberten Gebiete drängte das Christentum im 8.-11. Jh. allmählich zurück, es entstanden muslimische Gesellschaften mit christlichen Minderheiten. c) Die Expansion des Islam führte zu dauerhaften Konfliktlinien im Osten (mit dem Byzantinischen Reich) wie im Westen (in Spanien/Südgallien), wo Karl Martell 732 nur mühsam die Expansion nach Gallien verhindern konnte. d) Die religiös-kulturelle Auseinandersetzung war geprägt von Abgrenzung, aber auch von Kommunikation und gegenseitiger Anregung. e) Mit Nordafrika ging eine für die lateinische Christenheit wichtige Region dem Christentum langfristig verloren. Die Rivalität zwischen Karthago und Rom bestand nicht weiter fort, was den Vorrang Roms in der lateinischen Christenheit stützte. f) Nach dem Untergang des Westgotenreiches nach 711 konnte die spanische Kirche zwar weiter bestehen, war aber lange Zeit isoliert und nahm eine eigene Entwicklung. 556

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Toledo

Córdoba

ob

a

Tripolis

Kairuan

Sizilien

Palermo

Neapel

Rom

ng

Ravenna

Venedig

Regensburg

Karthago Tunis

Sardinien

Korsika

Numidien

Balearen

La

Mailand Pavia Po

Provence

Narbonne

Barcelona

Saragossa

Genf

Dijon

Islamische Gebiete im 8. Jh. Septimanien, im 8. Jh. zeitweise islamisch Oströmisches Reich

Mauretanien

Tarifa

Sevilla

Mérida

Tajo

Pamplona

Toulouse

Tours

F RA N KE N R E I C H

Köln

en

Tanger

ro

Eb

al-Andalus

Asturien

Santiago de Compostela León

Loire Atlantischer Ozean Poitiers

Paris

Rhône

e

u

Kreta

Athen

Libyen

Mittelmeer

Nicäa

Konstantinopel

0 100 200 300 km

Ägypten

Alexandria

Ni l

Mekka

Medina

Bagdad

Armenien

Arabien

Damaskus

Antiochia

Harran

Chasaren

Assuan

Jerusalem

Zypern

Schwarzes Meer

O STRÖMI S C H E S R EI C H

Thessaloniki

au

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Abb. 18 Expansion des Islam und Oströmisches Reich Dnje

Don

Bulgaren

Awaren

Ragusa

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5.1 Die Entstehung des Islam Mohammed

Hidjra

Mekka

Ka‘ba

Kalifen Koran

Arabisch

Hadith Sunna Scharia 5 Grundpflichten

Sunniten – Schiiten

In dem von verschiedenen religiösen Einflüssen geformten Arabien gelang es Mohammed/Muhammad (ca. 570-632), den von ihm verkündigten Islam (d.h. Hingabe an Gottes Willen) als Religion durchzusetzen. Mit dem Anspruch, als letztgültiger Prophet des einzigen Gottes (Allah) aufzutreten, begründete er ab ca. 610 in Mekka eine stark eschatologisch orientierte Bewegung, die auf Widerstand stieß, weswegen Mohammed 622 nach Jathrib (Medina) übersiedelte (nach dieser Hidjra bzw. Hedschra/Übersiedlung richtet sich die islamische Zeitrechnung). Mohammeds Verkündigung entwickelte sich weiter und führte zu einer neuen Gesellschaftsordnung und dem politischen Ziel, den Bereich der Gottesherrschaft auszudehnen. Die Möglichkeit eines christlichen Einflusses (oder eines judenchristlichen Einflusses) auf Mohammed wird in der Forschung kontrovers diskutiert. Von Medina aus eroberte Mohammed nach langem Krieg 630 die alte arabische Kultmetropole Mekka, die er zum religiösen Zentrum des Islam machte (ausgedrückt durch die Ausrichtung der Gebetsrichtung nach Mekka, die Wallfahrt dorthin und die Integration der Verehrung des schwarzen Steins in der Ka‘ba in die neue Religion). Bis 632 schlossen sich die meisten Araberstämme der neuen Religion an. Die für den politischen Zusammenhalt konstitutive Unterordnung unter den Propheten setzte sich nach dessen Tod in der Herrschaft der Kalifen fort, d.h. seiner Nachfolger bzw. Stellvertreter. Der Islam entwickelte sich zu einer Buchreligion, als im Laufe des 7. Jh.s (evtl. auch noch später?) im Koran (Qur’an, d.h. Rezitation) Mohammeds Verkündigung – in geformten Sprüchen und Geschichten tradiert – fixiert und fortan als authentische Offenbarungsurkunde des Gotteswillens betrachtet wurde (bestehend aus 114 Suren/Abschnitten). Da der Koran nicht in andere Sprachen übersetzt werden durfte, wurde das Arabische zur verbindenden Allgemeinsprache (in regional unterschiedlichen Aussprachen) des islamischen Einflussbereichs. Neben den Koran tritt die Tradition (der Hadith), die zusammen mit der Sunna (der Gewohnheit des Propheten) zu wichtigen Bezugspunkten der Koranauslegung wurden. Die mit der Religion verbundene Lebensordnung wird durch die nichtkodifizierte Scharia (Wegweisung) mit Vorschriften für die einzelnen Lebensprobleme geformt. Fünf Grundpflichten bestimmen das Leben der Muslime: 1. das Bekenntnis zu Allah und zu Mohammed als seinem Gesandten, 2. das tägliche Gebet (in fünf Gebetszeiten, nach Möglichkeit in der Moschee und nach entsprechender Reinigung), 3. das Almosengeben, 4. das Fasten von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang im Monat Ramadan, 5. die einmalige Wallfahrt nach Mekka. Schon früh entbrannten um die Frage der rechtmäßigen Nachfolge Mohammeds Konflikte (ab 657 zwischen Ali und Muawija), die bereits 657/661 zur konfessionellen Spaltung zwischen Sunniten (Anhänger Muawijas) und Schiiten (Anhänger Alis, die nach dessen Tod die Herrschaft Muawijas nicht anerkannten) führten. 558

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5.2 Eroberung und eingeschränkte Toleranz gegenüber den Christen Motiv für die Unterwerfung der Umwelt war die Ausbreitung der Herrschaft Allahs über die Welt. Aufgrund der Schwächung der Großmächte Byzanz und Persien gelang diese in Ägypten, Syrien und Persien sowie Mesopotamien sehr rasch. Während das Perserreich unter dem arabischen Vorstoß völlig zusammenbrach, verlor Byzanz zwar wesentliche Teile (und damit seine vorherrschende Position im östlichen Mittelmeerraum), konnte aber das griechische Kerngebiet behaupten (Angriffe auf Konstantinopel 668-680 konnten abgewehrt werden, 718 mit einem vernichtenden Sieg). Die Araber wurden seitens der christlich-orientalischen Bevölkerung, die nicht mit der Religionspolitik der byzantinischen Kaiser übereinstimmte, zunächst als Befreier unterstützt. Unter den Kalifen der Omajjadendynastie 661-750 mit der Hauptstadt Damaskus lag das Herrschaftszentrum in Syrien, somit auf altem römischem Gebiet. Die muslimischen Eroberer beschränkten ihre Herrschaft zunächst auch auf die politische Oberhoheit (realisiert v.a. in militärischer Okkupation und Abgaben), Christen waren an vielen Stellen zunächst Beamte und Fachleute, auf die man nicht verzichten konnte. Das Christentum wurde von den Muslimen als falsche Religion eingestuft, konnte aber toleriert werden, weil es sich – wie das Judentum – auf Abraham zurückbezog. Die Christen besaßen daher bei Zahlung einer Kopfsteuer den Status von Schutzbefohlenen; an deren Bekehrung waren die Araber nicht interessiert, weil sonst die Zwangsabgaben entfallen wären. Sie genossen eine eingeschränkte Freiheit, ihre Religion zu leben (Zulassung der Gottesdienste, Taufen und Beibehaltung des Klerus), wurden jedoch aus der Öffentlichkeit gedrängt (wo sie insbesondere nicht mehr durch Prozessionen und Feste oder Neubauten von Kirchen und Klöstern in Erscheinung treten durften). Die christlichen Araber erlagen relativ schnell dem islamischen Missionsdruck, Syrer und Kopten bewahrten noch länger ihre christlichorientalische Identität, doch nahm der Anteil der Muslime an der Gesamtbevölkerung auch hier ab dem 8./9. Jh. merklich zu. Allerdings blieben die christlich-orientalischen Kirchen insgesamt erhalten, auch Pilgerreisen in das Heilige Land waren nach wie vor möglich.

Byzanz

Omajjaden

Kopfsteuer

5.3 Nordafrika unter muslimischer Herrschaft Bei dem Vorstoß der muslimischen Truppen von Ägypten aus nach Westen zeigte sich, dass die militärischen Kräfte der Araber nicht mehr ausreichten und dass die innenpolitisch-religiösen Spaltungen die einheitliche Stoßkraft beeinträchtigten (zumal das Zentrum der Macht in Syrien, mit der Verlegung der Hauptstadt nach Harran bzw. Bagdad sogar im Irak lag). Die Eroberung der nordafrikanischen Provinzen ab 665 gelang nur mühsam mit Hilfe der zum Islam konvertierenden Berberstämme (v.a. der Mauri/Mauren, d.h. der Mauretanier). 670 wurde südlich von Karthago in Kairawan/ 5. Die Expansion des Islam

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Mauren

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Sarazenen

Kairuan eine Festung erbaut, die später zum arabischen Herrschaftszentrum wurde. Erst 695 gelang die Einnahme Karthagos und bald danach die Eroberung ganz Nordafrikas. Die verschiedenen Berberstämme in Numidien und Mauretanien – teils Juden, teils (donatistische) Christen, teils Heiden – schlossen sich in beträchtlicher Zahl Richtungen des Islam an und bildeten von den Kalifen unabhängige Herrschaften. Bei der Eroberung Spaniens spielten sie eine wesentliche Rolle als Verbündete der Araber. Das einst blühende Christentum in Nordafrika, das im Wesentlichen von der lateinischen Oberschicht getragen war, verschwand seit dem 8./9. Jh. zusammen mit der römischen Zivilisation weithin. Der oppositionelle Donatismus (s. § 2; 16.3) hatte sich nicht als Kirche der Berber etablieren können und verschwand ebenfalls. Der ganze südliche Mittelmeerraum gehörte somit fortan zur orientalischen Kulturwelt. Von Nordafrika aus gelang es den Muslimen, den sog. Sarazenen, Brückenköpfe in Sizilien und Süditalien zu errichten, die für den Austausch zwischen Christentum und Islam, orientalisch-arabischer und lateinischer Kulturwelt wichtig wurden.

5.4 Spanien unter muslimischer Herrschaft

Cordoba

Schlacht bei Tours 732

León

Toledo

Ein komplexes Geflecht von muslimischer Herrschaft und einer sich weiterentwickelnden christlichen Gesellschaft entstand in Spanien durch die Eroberung des Westgotenreiches mit dem Emirat bzw. Kalifat von Cordoba. Hier blieb unter der muslimischen Führungsschicht und trotz massenhafter Konversion der bäuerlichen Bevölkerung zum Islam ein teilweise verbreitetes, kulturell-religiös lebenskräftiges Christentum erhalten (z.T. getragen von sprachlich assimilierten Nachfahren der Westgoten und Hispanoromanen, den sog. Mozarabern). Der Versuch der Muslime, nördlich der Pyrenäen die Reste des dortigen Westgotenreiches zu erobern, scheiterte an dem Widerstand der Franken unter Karl Martell. Durch die Niederlage der Muslime bei Tours 732 und die Einrichtung einer militärischen Pufferzone an den Pyrenäen gelang es dem Frankenreich, dauerhaft den Vormarsch der Muslime nach Westeuropa zu stoppen (begrenzte Aktionen an der Küste bis zur Provence konnten jeweils zurückgedrängt werden). Im Bergland des spanischen Nordwestens jenseits des Duero sammelten sich seit dem 8. Jh. Widerstandskräfte der dorthin geflüchteten Christen. Daraus entwickelte sich das Königreich Asturien/León, das im 9.-11. Jh. zu einem Ausgangspunkt für die Reconquista/Rückeroberung Spaniens wurde, die erst im späten 15. Jh. abgeschlossen wurde. 5.4.1 Der Untergang des Westgotenreiches und das Kalifat von Cordoba. Innere Konflikte schufen im Westgotenreich eine bürgerkriegsähnliche Situation, in der die Muslime zum Teil als Bundesgenossen begrüßt wurden. So gelang einem relativ kleinen Berberheer unter Tarik 711 ein Sieg über ein gotisches Heer nahe dem Guadalete-Fluss. In der Folge fiel die Hauptstadt Toledo kampflos in die Hände der Muslime. Den Christen wurde die 560

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Ausübung ihrer Religion unter Auferlegung einer Kopfsteuer zugestanden. Die zahlreichen Juden in den Städten konnten sich hinfort frei von Unterdrückung entfalten. Die wenigen Araber siedelten sich in den Ebenen an, die Berber betrieben im Bergland Viehzucht. Bei dem Versuch, den Rest des tolosanischen Westgotenreiches in Südwestgallien (Septimanien mit Narbonne) und Aquitanien zu annektieren, kam es im Herbst 732 auf dem Marsch nach Tours zu einer vernichten Niederlage (wohl bei Nirac) gegen das von Karl Martell neu organisierte Frankenheer. Dieser oft als »Rettung des Abendlandes« hochstilisierte Sieg bildete die Grundlage dafür, dass die Franken an den Pyrenäen einen Sperrgürtel errichteten (bestehend aus der Spanischen Mark und den Grafschaften Navarra, Barcelona sowie Gothia), der das Vordringen der Muslime dauerhaft verhinderte. In Spanien etablierten die Muslime unter einer Omajjadenherrschaft ein Emirat, das seit 756 vom östlichen Abbasidenkalifat unabhängig war. Dessen Zentrum Cordoba wurde zu einer florierenden Metropole mit entsprechender Wirtschaftskraft und Kultur. Der Versuch von Karl d. Gr., innermuslimische Konflikte und einen Christenaufstand 778 in Nordspanien für ein militärisches Eingreifen zu nutzen, um den fränkischen Einflussbereich bis Saragossa auszuweiten, scheiterte. Das Emirat von Cordoba konnte sich im 9. Jh. dauerhaft stabilisieren. Unter dem tatkräftigen Abd ar-Rahman III (912-961), der u.a. Kontakte zu Kaiser Otto I. unterhielt, wurde es sogar Kalifat. Die Konversionen zum Islam stiegen seit dem 9. Jh. an, starke christliche Minderheiten hielten sich v.a. in Toledo, Merida, Sevilla und Cordoba, doch ging die Zahl der Christen insgesamt zurück (nur 18 Bistümer und drei Erzbistümer bestanden weiterhin). 5.4.2 Die Reconquista. Noch in der Konsolidierungsphase des Emirats von Cordoba im 8. Jh. gelang es Christen, die sich in das schwer zugängliche Bergland Asturien zurückgezogen hatten, unter dem Fürsten Alfons I. dem Katholischen (739-757), eine dauerhafte Herrschaft in der Hochebene nördlich des Duero zu errichten. Das Sendungsbewusstsein als Bastion für das Christentum fand symbolischen Ausdruck im Jakobskult von Santiago de Compostela seit ca. 820/830, einem der wichtigsten Pilgerziele des Mittelalters. Muslimische Angriffe konnten abgewehrt werden, Oviedo wurde unter Alfons II. (791-842) zur Residenz ausgebaut, die 910 nach León verlegt wurde. Die sich so formierende Grafschaft León-Kastilien wurde im 11. Jh. zum Ausgangspunkt von Rückeroberungsversuchen. Voraussetzung hierfür war der Zerfall des Kalifats von Cordoba nach 1031 in zahlreiche kleinere Reiche. Seit 1050 kam es zu erheblichen Gewinnen südlich des Duero (Eroberung von Coimbra 1064, Toledo 1085, Saragossa 1118). Das Reich León-Kastilien entwickelte sich unter Alfons VI. (1065-1109; mit dem Titel imperator/Kaiser ganz Spaniens) zu einer Großmacht, die auch für die europäische Politik wichtig wurde. Die Verbindung der Reconquista mit der Kreuzzugsbewegung führte zu weiteren Gewinnen (Lissabon 1147). Im 12./13. Jh. wurde die muslimische Herrschaft bis zum Guadalquivir zurückgedrängt (Eroberung z.B. von Cordoba 1236, Sevilla 1248), so dass sie sich seitdem auf das Reich von Granada beschränkte. Erst im 15. Jh. setzte die Reconquista neu ein und führte zur Vertreibung der Muslime aus Spanien (Fall Granadas 1492).

Karl Martell

Santiago de Compostela

León-Kastilien Reconquista

5.5 Literatur Lektüretipp: H. Bobzin: Der Koran. Eine Einführung, 8. A. 2014. Literatur: A. Neuwirth: Der Koran als Text der Spätantike. Ein europäischer Zugang, 3. A. 2013. – J. van Ess: Theologie und Gesellschaft im 2. und 3. Jahrhundert Hidschra, 6 Bde., 1991-1997 (Bd. 5 und Bd. 6 sind Quellensammlungen). – C. Cahen: Islam 1. Vom Ursprung bis zu den Anfängen im Osmanenreich. Bearbeitet von G. Endress, 2003. – G. Endress: 5. Die Expansion des Islam

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Der Islam. Eine Einführung in seine Geschichte, 3. A. 1997. – F. Donner: The Early Islamic Conquests, 1981. – T. Nagel: Geschichte der islamischen Theologie, 1994. – A. Bașol/Ö. Özsoy (Hg.): Geschichtsschreibung zum Frühislam. Quellenkritik und Rekonstruktion der Anfänge, 2014.

 § 4; 13.-15.

6. Angelsächsische Mission im östlichen Frankenreich: Das Werk des Bonifatius

Romorientierung

Im 7./8. Jh. geriet das Frankenreich unter der Herrschaft der Merowinger in eine Krise, weil sich die einzelnen Teile des Reiches zunehmend der königlichen Zentralgewalt entzogen. Die ungenügende Organisation von Bistümern und Gemeinden, Verweltlichung des Episkopats, Zweckentfremdung von Kirchengut, weltliche Herrschaft über Kirchen und Klöster sowie Unbildung und Sittenlosigkeit im Klerus behinderten die innere Konsolidierung des Christentums im fränkischen Kerngebiet. In den östlichen Grenzgebieten kam die Missionierung nicht zu durchschlagenden Erfolgen, weil sie ohne effektive Kirchenorganisation blieb. Es war die besondere Leistung des 719-754 hier wirkenden Angelsachsen Winfried/Bonifatius, Ansätze zur Lösung dieser Probleme etabliert zu haben – auch wenn viele seiner konkreten Planungen scheiterten. Außerdem schuf er die Basis für eine bislang nicht dagewesene Romorientierung in der fränkischen Kirche, die dem Papsttum neue Einflussmöglichkeiten eröffnete.

6.1 Strategischer Neuansatz der Mission

Willibrord Utrecht

Die von den Iroschotten geprägte angelsächsische Mission wandte sich zunächst den benachbarten Friesen, dann den Hessen und Thüringern zu. Neu gegenüber der iroschottischen Mission war das Bemühen, eng mit der Obrigkeit zusammenzuarbeiten und im Schutz der fränkischen Herrschaft eine Kirchenorganisation aufzubauen. Für das Gebiet der Friesen praktizierten das nach 690 Willibrord und seine Mitarbeiter, v.a. durch Gründung des Bistums Utrecht 695 sowie die Einrichtung von Klöstern als Stützpunkten. Wesentlich für Willibrords Missionsarbeit war die Unterstützung durch die Hausmeier Pippin seit 687 und Karl (seit 714) (s. § 9; 2.1) einerseits, durch den Papst andererseits. Die Erfolge dieser Arbeit waren gleichwohl noch lange unsicher und von vielen Rückschlägen gekennzeichnet. Ab 719 beteiligte sich an der Friesenmission auch Winfried, der jedoch schon bald getrennte Wege ging und sich – 722 in Rom von Papst Gregor II. zum Missionsbischof geweiht und nunmehr unter dem Namen Bonifatius – den Hessen und Thüringern zuwandte. 6.1.1 Die Friesenmission. Die Friesen konnten lange nicht in das Frankenreich integriert werden. Erst mit der Mission des angelsächsischen Mönchsbischofs Egbert (639-729) 562

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begannen planvolle Bemühungen um die Christianisierung der Friesen. Egberts Schüler Willibrord (658-739; Text/Übers.: Briefe – Willibrord. Apostel der Friesen, hg. von H.-J. Reischmann, 1989) knüpfte zunächst an die Mission des Amandus (s. § 7; 3.3.1) an und plante – dem Vordringen der fränkischen Herrschaft folgend – den Aufbau einer Kirchenprovinz mit Utrecht als Zentrum. Dazu ließ er sich 695 in Rom zum Erzbischof der Friesen weihen. Sein von den karolingischen Hausmeiern mit riesigen Ländern dotiertes Kloster Echternach gab ihm (ebenso wie Susteren/Maas) personelle, geistige und finanzielle Unterstützung. Einen Rückschlag erlitten diese Bemühungen, als der heidnische Friesenkönig Radbod die Frankenherrschaft zurückdrängen konnte. Erst nach 719 stellte Karl Martell die fränkische Herrschaft wieder her, doch die Planungen Willibrords wurden nicht mehr realisiert.

6.1.2 Die frühe Wirksamkeit von Bonifatius bis 722. Der aus einem Adelsgeschlecht in Wessex stammende Bonifatius/Winfried (ca. 672-754), ein gebildeter Mönch, wirkte zunächst als Lehrer in der Klosterschule in Nursling, machte sich dann die Idee der peregrinatio propter Christum (Pilgerfahrt um Christi willen; s. § 6; 7.3.1) zu eigen und ließ sich 719 durch persönliche Bindung an den Papst mit der Mission beauftragen. Er schloss sich zunächst Willibrords Friesenmission an, zielte aber von vornherein – von Papst Gregor II. zur Wahl eines eigenen Missionsgebietes bevollmächtigt – auch auf das Gebiet der weithin heidnischen Hessen und Thüringer. Die Hessen im Land zwischen Eder/Fulda und Rhein/Main mit Zentrum in Mattium (bei Fritzlar) hatten sich im 6. Jh. dem Frankenreich angeschlossen, dabei aber ihre religiöse sowie eine gewisse politische Selbständigkeit bewahrt. Das von Aller und Elbe bis zum Main ausgedehnte Thüringerreich war 531 von den Franken zerschlagen und zum größeren Teil angegliedert worden. Doch auch hier lebten die Thüringer unter fränkischen Amtsherzögen – mit Zentrum in Würzburg – relativ selbständig. 721 gründete Bonifatius im Schutz der fränkischen Festung Amöneburg ein erstes Kloster als Missionsstützpunkt. Zur Sicherung der Unabhängigkeit zog er 722 nach Rom, wo Gregor II. ihn zum Missionsbischof ohne festen Sitz weihte und durch einen besonderen Eid an sich band (Epistula/Brief 16). Über unkanonisch lebende Bischöfe sollte Bonifatius regelmäßig berichten, womit der Papst Einfluss auf den fränkischen Episkopat zu gewinnen suchte. Bonifatius’ Briefwechsel ist daher eine aufschlussreiche Quelle für die kirchlichen Zustände im Ostteil des Frankenreiches.

Echternach

Hessen

Thüringen

Gregor II.

6.2 Aufbau einer Kirchenstruktur Die grundsätzliche Unterstützung durch Karl Martell ermöglichte Bonifatius die Ausweitung der Arbeit vom Hessenland ins Gebiet der Thüringer. Auch hier gründete er Klöster als Missionsstützpunkte, von denen aus auch Landpfarreien betreut wurden. Durch dieses Netz konnte erstmals die geistliche Betreuung der Bevölkerung systematisch betrieben werden. Zur Absicherung dieser Strategie bedurfte es der Gründung von Bistümern. Deswegen ließ sich Bonifatius 732 von Papst Gregor III. zum Missionserz6. Angelsächsische Mission im östlichen Frankenreich: Das Werk des Bonifatius

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Missions­ erzbischof

Donareiche

Lul

Fulda

bischof ernennen. Seine Bemühungen scheiterten jedoch am Widerstand des fränkischen Episkopats und an der Weigerung Karl Martells, die von Bonifatius geplante Kirchenprovinz zu unterstützen. Bonifatius wandte sich daher – nach seiner Ernennung zum päpstlichen Legaten für Germanien 738 – dem bereits weitgehend christianisierten Herzogtum Bayern zu, wo er eine Diözesanstruktur errichtete. 6.2.1 Zurückdrängung des Heidentums in Hessen und Thüringen. Der Einfluss der Sachsen im nördlichen Hessen und Thüringen gab dem dortigen Heidentum Rückhalt. Dagegen stützte sich Bonifatius (Text/Übers.: Briefe des Bonifatius. Willibalds Leben des Bonifatius, hg. von R. Rau, AQDGMA 4b, 2. A. 1988) auf einen Schutzbrief Karl Martells und die entsprechende Unterstützung durch die fränkischen Grafen vor Ort. So konnte er 723/724 den spektakulären Akt wagen, zum Erweis der Macht des Chris­ tengottes die – angeblich den Himmel stützende – Donareiche zu fällen und für den Kirchbau in Fritzlar zu verwenden. Dort errichtete Bonifatius 732 ein Kloster, ebenso im thüringischen Ohrdruf (bei Gotha). Zahlreiche angelsächsische Mönche und Nonnen halfen ihm bei der christlichen Unterweisung des Volkes, der Zurückdrängung heidnischen Brauchtums und der Erziehung des Klerus. Um eine germanische Kirchenprovinz aufzubauen, erhielt Bonifatius 732 in Rom das erzbischöfliche Pallium, das er jedoch nur für die Weihe von Bischöfen gebrauchen sollte. Die Mehrheit der fränkischen Bischöfe opponierte jedoch, da sie die Beschneidung eigener Möglichkeiten zur Machtentfaltung befürchtete. 6.2.2 Klostergründungen. Im bereits weithin missionierten Gebiet um Würzburg wurden die Frauenklöster Tauberbischofsheim (unter Lioba), Kitzingen (unter Thekla) und Ochsenfurt gegründet, später die Klöster Heidenheim, Eichstätt und Solnhofen. Bonifatius’ wichtigster Mitarbeiter war seit 738 der Gelehrte Lul/Lullus aus Wessex (710-786), der ihm nach seinem Tod 754 auf den Bischofsstuhl von Mainz nachfolgen sollte. Das Zentrum von Bonifatius’ Tätigkeiten wurde nun das von Karlmann gut dotierte, 744 gegründete Kloster in Fulda unter dem Abt Sturmi (ca. 715-779), einem der wenigen Nicht-Angelsachsen unter Bonifatius’ engen Mitarbeitern, der zuvor einen Mönchskonvent in Hersfeld aufgebaut hatte. Nach dem Vorbild von Montecassino wurde Fulda zu einem wissenschaftlichen und kulturellen Zentrum ausgebaut. 6.2.3 Die Kirchenorganisation in Bayern. Da es Bonifatius nicht gelang, die erhoffte Bistumsstruktur im Frankenreich zu errichten, wandte er sich nach 738 zunächst nach Bayern. Hier konnte er die Unterstützung von Herzog Odilo von Bayern gewinnen, der den Bedarf für eine Neuorganisation der Kirche sah, da sich z.T. noch heidnischer Kult erhalten hatte und iroschottische Wanderprediger die Ordnung störten. Bonifatius setzte (wohl 739) Bischöfe in den Residenzen Regensburg, Freising und Salzburg ein (in Passau hatte das zuvor der Papst getan). Damit war eine Diözesanstruktur errichtet, auch wenn Bayern erst 798 eine eigene Kirchenprovinz wurde.

Reichenau

6.2.4 Pirmin. In Süddeutschland wirkte – parallel zu Bonifatius – Pirmin (gest. 753), wohl ein Westgote. Dieser gründete die Abteien Reichenau am Bodensee 724, Murbach im Elsass 728 und Hornbach in der Pfalz nach 742. Er war der irofränkischen Mönchs­ tradition verbunden (s. § 6; 8.) und stützte sich wie Bonifatius auf die Unterstützung durch die Obrigkeit. Heidenmission hat er nicht betrieben, als Heiliger genoss er seit dem Mittelalter große Verehrung (Patron z.B. von Pirmasens). 564

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6.3 Anstöße zur Erneuerung der Kirche im Frankenreich Karl Martells Nachfolger im Hausmeieramt, Karlmann und Pippin d.J. (s. § 9; 2.2.1), verfolgten seit 741 einen neuen kirchenpolitischen Kurs, der Bonifatius’ Plänen für kurze Zeit zugute kam. Dieser konnte nun die Kirchenorganisation für Thüringen, Hessen und Mainfranken durch die Gründung von Bistümern auf eine neue rechtliche Basis stellen. In Verbindung mit Karlmann hielt er 743 für Austrasien eine Synode ab, mit dem Ziel, die kirchlichen Strukturen, das Klosterleben und die Lebensweise des Pfarrklerus zu verbessern. Diese Bemühungen blieben jedoch in den Folgejahren stecken. So resignierte Bonifatius angesichts zunehmender Einflusslosigkeit und zog sich 746/747 in das ihm zugeteilte Bistum Mainz zurück. Bei einer Missionsreise in Friesland fand er 754 den Märtyrertod. Der neue Gesamtherrscher Pippin baute eigene Kontakte zum Papst auf und stützte sich auf fränkische Bischöfe und Äbte, die aber teilweise an Bonifatius’ Programm anknüpften (z.B. Chrodegang von Metz und Fulrad von St. Denis). 6.3.1 Bistumsgründungen und Concilium Germanicum. Wohl 742 errichtete Bonifatius drei Bistümer und setzte Mitarbeiter von sich als Bischöfe ein: Büraburg (bei Fritzlar), Erfurt und Würzburg. Später kam Eichstätt dazu. Büraburg und Erfurt konnten sich nicht lange halten und wurden schon unter Lul dem Bistum Mainz eingegliedert. Die in der Forschung als Concilium Germanicum (Konzil in Germanien, d.h. dem östlichen Teil des Frankenreichs) bezeichnete Versammlung weniger Bischöfe von 743 (oder 742?; an unbekanntem Ort) beschloss – ebenso wie 744 zwei weitere Synoden im Westen – Regelungen zur Erneuerung des Kirchenwesens, die Karlmann zum Gesetz erhob (Text/ Übers.: Briefe [s. Quellen] 378-391). Künftig sollten jährliche Synoden das kirchliche Leben überwachen und fördern. Ziele waren u.a. die geistlichere Lebensweise der Kleriker, Zölibat und exaktere Amtsführung mit Konzentration auf Taufe, Buße und Predigt, dogmatische Kontrolle durch die Bischöfe, Verbot von heidnischem Brauchtum wie Totenopfern, Zauberei und Amuletten, Normierung des Klosterlebens nach der Benediktregel. 6.3.2 Das Scheitern der Pläne des Bonifatius. Bonifatius fasste 742/743 neue Hoffnung, auch im Frankenreich seine Vorstellungen durchsetzen zu können. Auch diese wurde jedoch bald zerstört, weil die Forderung nach Wiederherstellung der Metropolitanverfassung, die Ernennung neuer Bischöfe (aus dem weitgehend angelsächsischen Umfeld des Bonifatius) und die Forderung nach Rückgabe entfremdeten Kirchenvermögens auf scharfe Ablehnung bei Episkopat und Adel stießen. Nur einige Kompromisslösungen kamen zustande (Rouen im Westen wurde einziges Erzbistum, Kirchengüter wurden nur noch als Lehen vergeben). Karlmann unterstützte die Vorhaben des Bonifatius, ging jedoch 744 selbst ins Kloster. Bei Pippin fand Bonifatius keinen vergleichbaren Rückhalt. Das zeigte sich schon 745, als das Vorhaben, eine austrasische Kirchenprovinz unter der Leitung des Bonifatius mit Köln als Metropolitansitz zu etablieren, scheiterte. Die Übernahme des Bistums in Mainz schien unter diesen Umständen noch der beste Weg zu sein, die begonnenen Vorhaben weiter zu verfolgen. Zudem blieb Bonifatius als Erzbischof und Legat für die Missionsgebiete im Osten und in Friesland zuständig, wobei es im Hinblick auf letzteres auch eine Rivalität mit Köln gab. Deswegen reiste er zur Ausübung seiner bischöflichen Rechte 753 erneut nach Friesland. Am 5.6.754 wurde 6. Angelsächsische Mission im östlichen Frankenreich: Das Werk des Bonifatius

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Bischof von Mainz

Würzburg, Eichstätt Synoden 743/744

Ablehnung durch Episkopat

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Ermordung

er bei Dokkum anlässlich eines Firmgottesdienstes von einer heidnischen Friesenhorde zusammen mit vielen Klerikern und Mönchen ermordet. Der Märtyrer wurde in Fulda beigesetzt und genoss hinfort allgemeines Ansehen im Frankenreich. 6.4 Literatur Lektüretipp: L.E. von Padberg: Bonifatius. Missionar und Reformator, 2003. Quellen: R. Rau (Hg.): Briefe des Bonifatius. Willibalds Leben des Bonifatius, AQDGMA 4b, 2. A. 1988 [zweisprachig]. Literatur: J. Jarnut: Bonifatius und die fränkischen Reformkonzilien (743-748), Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Kanonistische Abteilung 66 (1979) 1-26. – H. Löwe: Religiosität und Bildung im Mittelalter. Gesammelte Aufsätze, 1993. – L.E. von Padberg: Die Inszenierung religiöser Konfrontationen, 2003. – F. Felten u.a. (Hg.): Bonifatius – Leben und Nachwirken, 2007. – H. Wagner: Bonifatiusstudien, 2003. – S. Schipperges: Bonifatius ac socii eius, 1996.

 § 8; 5.

7. Die Mission der Sachsen unter Karl dem Großen

Massentaufen

Die Christianisierung der Sachsen und Friesen, Slawen und Awaren unter Karl d. Gr. entsprang nicht einem kirchlichen Missionskonzept, sondern der Macht- und Expansionspolitik. Das Christentum wurde zum Stabilisierungsfaktor fränkischer Herrschaft. Die zugrundeliegende Maxime, dass alle Angehörigen des Frankenreiches Christen sein müssten, führte zu erzwungenen Massentaufen und machte den anschließenden Aufbau einer Kirchenstruktur und die Unterweisung im Christentum notwendig. Die von Karl energisch betriebene Bildungserneuerung wirkte hier besonders, weil sie dem Aufbau der Kirchenstruktur zugrundelag.

7.1 Unterwerfung und Missionierung der Sachsen

Widukind

Die Sachsen hatten im 8. Jh. alle fränkischen Eroberungsaktionen abgewehrt, Missionare behandelten sie als Angehörige der Feindesmacht. Politische Selbständigkeit und religiöse (nichtchristliche) Identität gehörten eng zusammen. Als Karl d. Gr. ab 772 das Land gewaltsam zu annektieren versuchte, erzwang er immer wieder Massentaufen ohne vorangehende Missionsunterweisung. Die im Huldigungseid geschworene Treue (fidelitas) gegenüber dem König und der Glaube (fides) an Christus gehörten zusammen. Als sich die Sachsen in Aufständen unter Führung des Adligen Widukind von fränkischer Herrschaft und Religion befreien wollten, wandte Karl brutale Gewalt an, weil er den Widerstand als (todeswürdige) Apostasie vom Christentum qualifizierte. Das sog. Blutbad von Verden/Aller und die scharfen Strafgesetze von 782 an zeigten das drastisch. Trotz Widukinds Unterwerfung und Taufe 785 setzten sich die Aufstände und Kämpfe bis 803 fort. Seit 780 nahm der Aufbau einer kirchlichen Organisation im Sachsenland 566

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Ostsee

Abb. 19 Ausdehnung des Frankenreiches im Osten (7. – 9. Jh.) Nordsee Hamburg Bremen

Osnabrück

Utrecht

Paderborn

Susteren

Werden

Maastricht

ein

Echternach

Trier

Corvey

Mainz Würzburg Worms

Metz Hornbach

Fontaine

Luxeuil

Murbach

Basel

Kitzingen

Tauberbischofsheim

Eichstätt

Heidenheim

nau

Do

Reichenau Konstanz

Lausanne

Passau Freising

Augsburg

Bregenz

Neuburg

Salzburg

Chur

Fränkisches Herrschaftsgebiet 768 Erwerbungen Karls des Großen Grenzmarken Klöster Bistümer Gründungen durch Bonifatius Gründungen durch Karl d. Gr. /Ludwig d. Fr.

7. Die Mission der Sachsen unter Karl dem Großen

Regensburg

Solnhofen

St. Gallen

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Erfurt Ohrdruf

Ochsenfurt

Straßburg Annegray

Halberstadt

Fulda

Speyer

Toul

Helmstedt

Gandersheim

Fritzlar Hersfeld

Amöneburg

Rh

Cornelimünster/ Inden

e

Hildesheim

Büraburg

Köln

Elb

Minden Herford

Münster

Lüttich

Verden

Säben/Sabiona

0

Po

50

100

150 km

Adria

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zu. So entstanden nach und nach als Missionsvorposten acht Bistümer. Die Entwicklung von Pfarreien und die innere Christianisierung Sachsens dauerten noch bis ins 11. Jh. fort. Bischöfe und Theologen wie Alkuin (s. § 5; 13.2) widersprachen Karls Konzeption einer Zwangsbekehrung und bemühten sich um die nachträgliche Glaubensunterweisung.

Westfalen

Irminsul

Blutbad von Verden 782

Taufe Widukinds

7.1.1 Die Sachsen vor der fränkischen Eroberung. In dem Raum zwischen Elbe und Lippe, Ems und Saale hatten sich verschiedene Stämme angesiedelt, die man zusammenfassend als Sachsen bezeichnete (wohl nach dem für sie typischen Kurzschwert, dem sahs). In ihrem Expansionsdrang kollidierten sie seit dem 6. Jh. mit dem Frankenreich, dem sie auf Dauer unterlegen waren. Sie bildeten keine einheitliche Führung durch einen Herzog oder König heraus. Die Einteilung in drei größere Verbände (Westfalen, Engern und Ostfalen) gibt das Bild nur grob wieder. Der westfälische Adlige Widukind (ein mächtiger Grundherr, kein Herzog o.ä.) vertrat mit seiner Widerstandsposition nach 778 innerhalb des Adels nur eine Minderheitsmeinung, fand aber breite Unterstützung im Bauerntum. 7.1.2 Die Sachsenkriege. Karls Feldzüge gegen die Sachsen dauerten gut dreißig Jahre (772-803). Sie begannen mit der Zerstörung der Irminsul 772, eines zentralen Kultortes der Engern auf der Eresburg an der Diemel, was die Überlegenheit des Frankenkönigs wie des Christengottes darstellen sollte. Die militärisch überlegenen Franken zwangen die Sachsen zur Unterwerfung, die durch Massentaufen symbolisch vollzogen wurde, so auch auf einem Reichstag im sächsischen Paderborn, der neuen Königspfalz, 777. Der Aufstand unter Widukind 778 drängte die Franken erfolgreich zurück, doch seit 780 griff Karl brutal mit großer Streitmacht durch. Als Vergeltung für die vorangegangene Niederlage am Süntel und als Strafe für den Abfall vom Christentum ließ er 782 in Verden an der Aller zahlreiche Sachsen hinrichten, die z.T. von mit den Franken kooperierenden Adligen denunziert worden waren (4500 nach den Reichsannalen, tatsächlich wohl weniger). In der nationalistischen Historiographie des 19. Jh.s galt dieser Gräuel als wichtigstes Beispiel für den »Sachsenschlächter« Karl. 7.1.3 Die Strafgesetze nach 782. Auf den Zusammenhang der Mission reagierten die harten Strafgesetze in der Capitulatio de partibus Saxoniae (Festsetzung für das Gebiet Sachsen; Text: MGH.Leges 2/1, Nr. 26), die die Todesstrafe vorsah für Empörung gegen die Reichsgewalt und Rückkehr zum Heidentum, für Vergehen gegen Kleriker und Kirchengebäude und für Taufverweigerung. Zugleich wurden die Zehntabgaben festgesetzt. Tributpflichtigkeit und Zehnter, Taufe und Unterwerfung, Planung von Missionsbistümern und Einführung des fränkischen Grafschaftssystems gehörten nun zusammen. Fränkische Adlige kamen ins Land, sächsische Adlige kooperierten mit den neuen Herren oder wurden deportiert. Widukind unterwarf sich 785 und wurde in der Königspfalz Attigny getauft. Dabei erhielt er Karl d. Gr. zum Paten, was eine geistliche Verwandtschaft unter Herrschern begründete (vgl. § 7; 7.4; 8.2; 9.2.1). Doch auch unabhängig von Widukind war der Widerstand der Sachsen nicht gebrochen, nach 791 flammte der Aufstand erneut auf und zog sich bis 803 hin (803 Friedensschluss mit den Westfalen, Engern und Ostfalen, jedoch nach 804 noch neue Kämpfe in Nordelbien). 7.1.4 Der Aufbau von Bistümern. Die seit 780 angestrebten Bistumsgründungen kamen nur nach und nach und unter großen Mühen zustande. Sie dienten dem Aufbau der fränkischen Herrschaft ebenso wie der Errichtung einer Kirchenstruktur und der weite568

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ren Mission. Der Angelsachse Willehad wurde 787 für das Gebiet zwischen Unterweser und Unterelbe zum Bischof geweiht und baute 789 in Bremen eine Kirche, erst seine Nachfolger weiteten die Organisation aus. Vielleicht wurden etwa um 790 ein von Missionaren aus dem Kloster Amorbach getragenes Bistum in Verden und ein von Fulda aus getragenes in Minden errichtet, nach 799 wohl in Osnabrück (von Lüttich unterstützt) und in Paderborn (von Würzburg unterstützt). Wie Willehad besaß auch der 805 zum Bischof geweihte Friesenmissionar Liudger Rückhalt im Bistum Utrecht für seine Missionstätigkeit im Westfalenland (mit dem Kloster Werden an der Ruhr als Zentrum). In Mimigernaford entwickelte sich aus einem Kloster das seit 799 geplante Bistum (lateinisch monasterium, daher später Münster genannt). Östlich der Weser verzögerte sich die Organisation: Die Bistümer Hildesheim und Halberstadt wurden erst ca. 815 bzw. ca. 814/827 gebildet. Eine eigene Kirchenprovinz unter einem Erzbischof bildeten diese Bistümer im Sachsenland jedoch nicht. Zahlreiche Klostergründungen unterstützten den Aufbau einer Kirchenstruktur und die damit verbundenen Missionsbemühungen: Neben Werden waren besonders Corvey, Gandersheim, Herford und Helmstedt wichtig.

Bremen

7.1.5 Die Unterwerfung der Friesen. Die früheren Missionsversuche bei den Friesen litten darunter, dass diese das Christentum als Beseitigung ihrer Autonomie durch die Franken ablehnten. Nach der partiellen Eroberung Mittelfrieslands 734 gelang erst Karl d. Gr. 785 die völlige Eingliederung des Gebiets an der Nordseeküste von der Rhein- bis zur Wesermündung. Die Mission drang von den Bistümern Utrecht (seit 695), Bremen (seit 787) und Münster (seit 805) allmählich vor. Eine eigene Kirchenprovinz wurde Friesland nicht.

7.2 Unterwerfung und Missionierung von Slawen und Awaren Eine zweite Expansionsbewegung konzentrierte sich auf die östlichen Nachbargebiete des Herzogtums Bayern. Dessen Herrscher Tassilo versuchte nach 760, die Slaven in Kärnten und die Awaren zu missionieren (so besonders die Karantanen bzw. Slowenen ab 747 von Salzburg aus, wo Bischof Virgil [gest. 784] aktiv war). Die Awaren waren asiatische Reiterverbände, die sich seit dem 6. Jh. an der Donau (im alten Pannonien) angesiedelt hatten. Nach der Annexion Bayerns (vgl. § 9; 3.1.1) führte Karl d. Gr. Kriege gegen die Awaren, bei denen er gegen den Protest der Bischöfe Bayerns, die einen Taufunterricht forderten, die Unterwerfung durch Massentaufen demonstrieren ließ. Anders als bei den Sachsen assimilierten sich die Awaren deutlich rascher, so dass sie als Ethnizität bereits im 9. Jh. verschwanden. Durch die Eingliederung des Awarenreiches schob sich das Karolingerreich weit nach Südosten vor, so dass westliches und byzantinisches Christentum fortan auf dem Balkan konkurrierten. Wesentlich dafür war, dass das 798 errichtete Erzbistum Salzburg auch diese neuen Gebiete zugeordnet bekam.

Erzbistum Salzburg

7.3 Erneuerung der Kirche im Angesicht der Mission Die sog. karolingische correctio (vgl. § 5; 13.) diente nicht nur der inneren Neuformation der Kerngebiete des Frankenreiches, sondern prägte auch den Aufbau der Kirchenstrukturen und der Frömmigkeit in den neu eroberten Gebieten im Osten und Südosten. Dies zeigte sich zum einen in der praktisch-theologischen Ausrichtung der Maßnahmen. So stellte etwa Paulus Diaconus (vgl. § 5; 13.2) aus Kirchenvätertexten ein Homiliar zusammen, 7. Die Mission der Sachsen unter Karl dem Großen

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Beichte

das zum Normbuch im ganzen Reich wurde. Die Privatbuße/Beichte neben der öffentlichen Gemeindebuße fand besonders im Ostteil des Frankenreiches im Gefolge der Mission Verbreitung, sie war als ein individueller Akt grundsätzlich öfter wiederholbar und weniger ehrenrührig. Die rasche Ausbreitung des Christentums beförderte eine verdinglichte, oft auch oberflächliche Frömmigkeit. Dies zeigte sich unter anderem an einer formalistischen Ausübung von Bußstrafen, der zunehmenden Verbreitung von Kommutation und Redemption, aber auch der Entwicklung von Stiftungsmessen, die abgeleistet wurden, auch wenn keine Gemeinde dabei war. Reliquien und Heiligenkult, Benediktionen und Exorzismen fanden rasche Verbreitung. Die Theologen der Aachener Hofschule versuchten, dem entgegenzuwirken, so etwa in der Admonitio generalis (der allgemeinen Ermahnung) von 789 und durch einen neuen Standard in der Liturgie, der sich an dem vermeintlich besonders alten und in seiner ursprünglichen Form erhaltenen römischen Ritus orientierte.

Privatbuße

7.3.1 Verdinglichung der Buße. Für die Erziehung des Volkes gewann die Privatbuße erhebliches Gewicht. Die Zweigleisigkeit von Privatbuße und öffentlicher Buße bestand bis ins 12. Jh., weil die karolingischen Theologen die Wildwüchse willkürlich-subjektiv gehandhabter Tarifbuße (also der Bemessung von Sündenstrafen auf der Grundlage von Katalogen, die den einzelnen Bevölkerungsgruppen für bestimmte Vergehen quantitativ abgestufte Strafen zuordneten) durch das Kirchenrecht eindämmen wollten. Sie intendierten, dass die öffentliche Buße für schwere öffentliche Sünden mit harten Strafen, die Privatbuße für geheime und kleinere Sünden zuständig war. Bußbücher (paenitentialia) gab es für beide Formen, v.a. jedoch für die Privatbuße, wo sie den Priestern als praktische Ratgeber dienten.

Visitationen

Priesterausbildung

7.3.2 Die Admonitio generalis. Das grundlegende Gesetz war die wohl maßgeblich von Alkuin geformte Admonitio generalis (Allgemeine Ermahnung) von 789, ein Gesetz, das Karls Aufgabe mit den Maßnahmen Josias verglich. Die dazu eingesetzten Königsboten (missi dominici) sollten mit den Grafen und Bischöfen die Realisierung vor Ort überwachen. Die Bischöfe wurden verpflichtet, das kirchliche Leben durch Visitationen zu kontrollieren und ein funktionierendes Netz von Pfarreien aufzubauen. Die Entwicklung der Pfarreien in größeren Kirchen und Orten als selbständige Einrichtungen unter der Aufsicht des Bischofs erhielt hierdurch einen bedeutenden Schub, zumal nun auch Taufe und Messfeier den Pfarreien zugeordnet und diese durch Zehntabgaben auch finanziell stabilisiert wurden. Zur Mithilfe bei der Durchführung der Firmung wurden sog. Chorbischöfe (von griechisch χώρα/chōra/Land, also eigentlich: Landbischöfe) eingesetzt, die besonders in den großen und nur wenig strukturierten Diözesen im Ostfrankenreich tätig waren. Von den Priestern wurde ein (bescheidenes) Mindestmaß an theologischer Bildung gefordert, z.B. Kenntnis des lateinischen Credos und des Vaterunsers, des Festkalenders und der Bußzeiten sowie der rechte Gebrauch der Liturgie bei Taufe und Messe. Außerdem wurden regelmäßige Predigt und Beichte und eine ethisch vorbildliche Lebensführung verlangt. Analoges galt für die Laien, von denen Kenntnis von Credo und Vaterunser, die Befolgung der Gebote, die Teilnahme an Gottesdienst und Beichte erwartet wurden. Die Volkssprache konnte dabei verwandt werden, was insbesondere in den Missionsgebieten ein Vorteil war.

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7.3.3 Vereinheitlichung der Liturgie. Die Liturgie hatte in den verschiedenen Teilen des Frankenreiches eine Vielzahl von Formen entwickelt. Das Bemühen um eine einheitliche Liturgie war angesichts dessen von vornherein ein unrealistisches Vorhaben. Doch wirkten die entsprechenden Musterkodizes fort und beeinflussten die Liturgieentwicklung nachhaltig. Karl. d. Gr. ließ dafür aus Rom ein »gregorianisches« Sakramentar besorgen, das sog. Hadrianum (benannt nach Papst Hadrian), das die römische Messordnung im Frankenreich verbreitete. Allerdings ist bereits das Hadrianum in mehreren Fassungen überliefert, so dass man sich die Normierungsprozesse durch die karolingische correctio (s. § 5; 13.) nicht zu einheitlich vorstellen darf. Einen ähnlichen Normierungsprozess intendierte Karl für das Kirchenrecht, für das er von Papst Hadrian eine erweiterte Fassung der Sammlung des Dionysius Exiguus (vgl. § 5; 11.5) erhielt, die sog. Dionysio-Hadriana (vgl. auch zur Normierung des Vulgatatextes § 5; 13.2.2).

Hadrianum

Dionysio-Hadriana

7.4 Mission jenseits der Reichsgrenzen im 9. Jh. Schon Karl d. Gr. hatte die fränkische Einflusssphäre im Norden und Südosten über die Grenzen des Reiches hinweg ausgedehnt und darum die Mission dort gefördert. Ludwig der Fromme (814-840) betrieb systematisch die Ausbreitung des Christentums nach Dänemark und Schweden. Bereits 822/823 reiste Erzbischof Ebo von Reims nach Dänemark, wo erste Missionsbemühungen durch Willibrord (s. § 7; 6.1) folgenlos geblieben waren. Als in den innerdänischen Machtkämpfen der Teilkönig Harald Klak 826 zu Ludwig kam, um Unterstützung einzuwerben, wurde er getauft und erhielt Ludwig zum Paten. Auf seiner Rückkehr begleitete ihn der in Corbie erzogene, in Corvey tätige Mönch Ansgar (801-865), der jedoch zunächst nicht viel ausrichten konnte, da die innerdänischen Konflikte andauerten. Er wandte sich daher nach Schweden, wo er im Zusammenwirken mit König Björn in der Residenz Birka/Mälarsee eine Missionsstation errichtete. 831/832 errichtete Ludwig in Hammaburg/Hamburg ein Bistum, Ansgar sollte ab 832 als Missionserzbischof und päpstlicher Legat die Christianisierung Skandinaviens vorantreiben. Nach Schweden entsandte Ansgar den Missionsbischof Gauzbert, der aber 845 durch einen heidnischen Aufstand vertrieben wurde. Mit der Reichsteilung von 843 entfiel die einheitliche Unterstützungsbasis. Zudem verwüsteten die Raubzüge der Wikinger und Normannen im 9. Jh. die Küstenregionen Westeuropas. In dieser Situation war der Fortbestand des Bistums Hamburg bedroht. Mit Rückhalt beim ostfränkischen König Ludwig konnte Ansgar 848 das Bistum in Bremen übernehmen, das Papst Nikolaus I. 864 mit Hamburg zu einem Erzbistum vereinigte. Sein weiterer Einsatz in Schweden blieb wenig erfolgreich, in Dänemark blieben nur die Kirchen in Haithabu/ Schleswig und Ripen erhalten. Seine Nachfolger missionierten trotzdem weiter, doch kam es erst nach 948 zu einem organisatorischen Ausbau der Mission (s. § 7; 10.1.2). Im Südosten versuchte der ostfränkische König Ludwig (genannt der Deutsche; 840-876), sein Einflussgebiet nach Osten zu erweitern. Insbesondere wollte er seit 845/846 das aufstrebende Reich in Mähren und dessen Vorfeld in Böhmen an sich binden (s. § 7; 8.1).

Dänemark

Schweden Erzbistum Hamburg

Hamburg-Bremen

7.5 Literatur Lektüretipp: M. Glatthaar/K. Zechiel-Eckes: Einleitung, in: H. Mordek/K. ZechielEckes/M. Glatthaar (Hg.): Die Admonitio generalis Karls des Großen, 2012; ND 2013, 1-62.112-147. Quellen: R. Rau (Hg.): Quellen zur karolingischen Reichsgeschichte, Bd. 1, 1987; ND 1993. – W. Trillmich/R. Buchner (Hg.): Quellen des 9. und 11. Jh.s zur Geschichte der Hamburgischen Kirche und des Reiches, 6. A. 1990. 7. Die Mission der Sachsen unter Karl dem Großen

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Literatur: B. Wavra: Salzburg und Hamburg. Erzbistumsgründung und Missionspolitik in karolingischer Zeit, 1991. – T. Klapheck: Der heilige Ansgar und die karolingische Nordmission, 2008. – K. Blaschke: Geschichte Sachsens im Mittelalter, 1990. – W. Schlesinger: Kirchengeschichte Sachsens im Mittelalter, Bd. 1, 2. A. 1983. – E. Boshof: Ludwig der Fromme, 1996. – M. de Jong: The Penitential State. Authority and Atonement in the Age of Louis the Pious 814-840, 2009. – G. Haendler: Die lateinische Kirche im Zeitalter der Karolinger, 2. A. 1992. – W. Braunfels (Hg.): Karl der Große. Lebenswerk und Nachleben, 5 Bde., 19651968 [ebd. Bd.1, 454-487: H. Büttner: Mission und Kirchenorganisation des Frankenreichs bis zum Tode Karls des Großen]. – L. von Padberg: Mission und Christianisierung. Formen und Folgen bei Angelsachsen und Franken im 7. und 8. Jh., 1995. – U. Weidinger: Untersuchungen zur Wirtschaftsstruktur des Klosters Fulda in der Karolingerzeit, 1991. – F.G. Hirschmann: Die Anfänge des Städtewesens in Mitteleuropa. Die Bischofssitze des Reiches bis ins 12. Jahrhundert, 2. Teilband, 2012.

 § 9; 3.

8. Zwischen West- und Ostkirche: Die Balkaninsel

Slawen

In den südlichen Balkan war das Christentum innerhalb der Grenzen des Imperium Romanum vorgedrungen (Pannonien, Moesia, Dacia). Im 6./7. Jh. sickerten im Zusammenhang verschiedener Wanderungsprozesse Slawenstämme in den Balkan ein, zunächst, ohne eigene Reiche zu bilden. Erst im 9. Jh. bildete sich eine übergreifende Struktur (Moravia; die ältere Annahme eines großmährischen Reiches ist aufzugeben), mit dem das Frankenreich durch die Ausbreitung nach Bayern und Südosten in Kontakt kam. Die Etablierung eines Reiches der Bulgaren (unter Einschluss der dort siedelnden Slawen) veränderte diese Situation. Eine komplexe Entwicklung führte zu einer kirchlichen wie liturgischen Anbindung des südlichen und östlichen Balkans an die byzantinische Kirche – mit wesentlichen Folgen für die Chris­tianisierung der Russen und die Geschichte der Familie der orthodoxen Kirchen.

8.1 Cyrill und Methodius in Mähren

Kirchenslawisch

Das Reich des slawischen Stämmeverbands der Mähren schloss sich unter fränkischem Einfluss dem Christentum an und wurde kirchlich den Bistümern Regensburg und Passau unterstellt. Um die eigene Unabhängigkeit zu stärken, wurden um 860 die bayerischen Missionare vertrieben. Von Byzanz erbat man sich kirchliche Lehrer. Daraufhin kamen 863 mit einer kleinen Gruppe die Brüder Konstantin (später Cyrill genannt) und Methodius nach Mähren. Mit der von dem gelehrten Konstantin erfundenen Schrift schufen sie die slawische Kirchensprache für Bibel und Liturgie (Kirchenslawisch). Um dem Einspruch der bayerischen Bischöfe zu begegnen, die das Slawische als Liturgiesprache ablehnten, zogen die beiden Lehrer nach Rom, wo Hadrian II. 868/869 die liturgische Verwendung der Volkssprache zuließ. Konstantin/Cyrill starb 869 in Rom, der zum Erzbischof von Sirmium ernannte Methodius 572

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konnte nur gegen starke Widerstände wirken. Nach seinem Tod 885 wurden seine Mitarbeiter vertrieben, sie zogen nach Bulgarien und leisteten dort einen entscheidenden Beitrag für den Aufbau der dortigen Kirche (s. § 7; 8.2). 8.1.1 Das Reich in Mähren. Nach dem Untergang des Awarenreiches (s. § 7; 7.2) bildete sich ca. 835 (bis zum Ungarneinfall 894-907) in einem Gebiet, das in den Quellen Moravia genannt wird, ein Reich, das sich im Norden nach Böhmen und südöstlich nach Pannonien erstreckte, somit Gebiete umfasste, in die im frühen 9. Jh. von Salzburg und bayerischen Bistümern aus immer wieder Missionare geschickt worden waren. 862 vollzog Fürst Ratislaw eine außenpolitische Wende, wehrte ostfränkische Versuche, das Reich zu erobern, ab und suchte Rückhalt bei dem byzantinischen Kaiser Michael III. Dies stellte nicht unmittelbar die kirchliche Anbindung an die bayerischen Bischöfe in Frage, die weiterhin ihre Oberhoheit erhalten wollten. 8.1.2 Das Kirchenslawische. Der Mönch Methodius (ca. 815-885) und der kirchliche Lehrer bzw. Priester Konstantin (826/827-869; beim Eintritt in ein römisches Kloster kurz vor seinem Tod mit dem Namen Cyrill benannt, begraben in San Clemente in Rom) waren auf ihre Aufgabe in Mähren gut vorbereitet. Sie stammten aus Thessalonike, wo seit dem 6. Jh. auch Slawen siedelten. Konstantin war ca. 860/861 an einer Gesandtschaft ins Chasarenreich auf der Krim beteiligt gewesen und hatte schon vor 863 für die Slawenmission im byzantinischen Reich ein dem Lautsystem entsprechendes, auf dem griechischen Alphabet aufbauendes Alphabet geschaffen (diese sog. glagolithische Schrift wurde später in Bulgarien vereinfacht zur kyrillischen Schrift). Konstantins und Methodius’ Erziehungsauftrag in Mähren war seitens von Byzanz zunächst nicht als Zeichen der Oberhoheit gedacht, sondern als pädagogische »Entwicklungshilfe«. Die entscheidende Neuerung, die Liturgie in der slawischen Volkssprache zu feiern und die wichtigs­ ten biblischen Texte ins Slawische zu übersetzen (erst später übersetzten ihre Schüler die gesamte Bibel), stieß auf den Widerstand der bayerischen Bischöfe, die betonten, dass es für christliche Schriften nur die drei heiligen Sprachen (Hebräisch, Griechisch, Latein) geben dürfe. Konstantin und Methodius suchten und fanden hiergegen 868/869 Rückhalt in Rom bei Papst Hadrian II. Methodius wurde zum Erzbischof von Sirmium ernannt, denn Hadrian witterte die Möglichkeit, die Einflussmöglichkeiten des Papstes im Balkan zu vergrößern und den Verlust der Jurisdiktion über Illyrien (s. § 8; 5.1.1) zu kompensieren. Dies wirkte sich jedoch deswegen nicht aus, weil Ratislaws Nachfolger Swatopluk eine erneute Anlehnung an das Ostfrankenreich betrieb und deswegen der Einfluss der bayerischen Bischöfe erneut zunahm. Methodius wurde 870 auf einer Synode verurteilt und in Klosterhaft gesteckt, nur massive päpstliche Interventionen konnten den Salzburger Erzbischof Adalwin dazu bewegen, ihn 873 freizulassen. Fruchtbar wirken konnte er jedoch auch in den Folgejahren nicht mehr.

Ratislaw

glagolithische Schrift

Hadrian II.

8.2 Die bulgarische Kirche und Byzanz Bulgaren, ein turktatarisches Nomadenvolk aus Asien, waren nach 680 in die weithin von ebenfalls heidnischen Slawen besiedelte Provinz Moesia (s. Abb. 6b) eingedrungen, in der Reste von Christentum aus der römisch-byzantinischen Zeit trotz Verfolgung weiter bestanden. Das ab 681 von Byzanz anerkannte erste Bulgarenreich näherte sich im 8. Jh. dem byzantinischen Hof an. Der Einfluss von Christen stieg, zudem wurde das Christentum zu einem 8. Zwischen West- und Ostkirche: Die Balkaninsel

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Boris

Taufe 865

Nikolaus I.

Erzbistum 869

Einigungsband der sich zunehmend assimilierenden Führungsschicht der Bulgaren. Durch die Ausdehnung nach Westen in die ehemals awarischen Gebiete bis zur Theiß seit 814 gerieten die Bulgaren in die Nachbarschaft des Frankenreiches und bemühten sich um Verständigung mit diesem. Khan Boris (852-889) versuchte, die eigene Autonomie gegen die Franken mit Unterstützung von Byzanz und gegen Byzanz mit Unterstützung der Franken zu erhalten. So schloss er 863 ein Bündnis mit dem ostfränkischen König Ludwig (s. § 7; 7.4) und öffnete sein Land für fränkische Missionare. 865 ging er durch seine Taufe eine geistliche Verbindung mit Byzanz ein (er wurde Patensohn des byzantinischen Kaisers und erhielt dessen Namen Michael). Seine Hoffnung, von Byzanz die kirchliche Autonomie zugestanden zu bekommen, scheiterte. Deswegen wandte er sich nach Rom. Hier gewährte Papst Nikolaus I. (vgl. § 8; 6.2) 866 in einem ausführlichen Lehrschreiben die bisherige christliche Praxis des Landes, lehnte verschiedene griechische Bräuche ab und wies auf dogmatische wie kirchenrechtliche Differenzen hin. Er schickte zwei Bischöfe und stellte die Gründung eines Erzbistums in Aussicht. Diese Annäherung an Rom führte dazu, dass der oströmische Kaiser Michael III. und Patriarch Photius sich um eine stärkere Anbindung Bulgariens an Byzanz bemühten – bei zeitgleichen Zugeständnissen. Dies führte dazu, dass Byzanz (und nicht Rom) 869 ein autokephales Erzbistum in Bulgarien gründete. Nun hatte Khan Boris-Michael erreicht, was Rom ihm verweigert hatte. Unter Boris’ Sohn Symeon d. Gr. (893-927) gab es eine kirchliche und kulturelle Blütezeit. Der Methodius-Schüler Clemens (gest. 916) und dessen Mitarbeiter legten dafür durch ihre Übersetzungstätigkeit das Fundament. Nun entwickelte sich das Alt-Kirchenslawische in Schrifttum, Liturgie und Recht zum Einheitsband der ostslawischen Christenheit. Wann ein eigenes Patriarchat enstand, steht nicht fest (zwischen 927 und 969). 1018 wurde Bulgarien byzantinische Provinz, aus dem Patriarchat wurde ein Erzbistum (bis zur Errichtung des zweiten Bulgarenreiches 11861393), doch war die Eigenständigkeit der bulgarischen Kirche schon so weit entwickelt, dass sie für die weitere Entwicklung der slawischen Kirchen (besonders der Serben und Russen) große Ausstrahlung behielt. Damit war die Etablierung von regional begrenzten slawischen Kirchentümern, die an der orthodoxen Kirche von Byzanz orientiert sind, als grundlegende Entwicklung vorgezeichnet.

8.3 Römischer und byzantinischer Einfluss in Kroatien und Serbien

Venedig

Am stärksten umstritten war die Zugehörigkeit zum westlichen bzw. östlichen Einflussbereich im Nordwesten der Balkaninsel. Die Kroaten wurden seit Anfang des 7. Jh.s von Italien aus missioniert, seit dem 10. Jh. bestand eine kirchliche Anbindung an Rom. Das aufstrebende Venedig verdrängte zunehmend den Einfluss von Byzanz, während das Königreich Kroatien im 11. Jh. mit Ungarn verbunden wurde. Langfristig setzte sich der römische 574

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Katholizismus durch (aber mit slawischer Kirchensprache). Eine allmähliche Christianisierung ergab sich bei den Serben, die nach ca. 870 eine slawisch geprägte, rechtlich dem byzantinischen Patriarchen unterstellte Kirchenorganisation bekamen. Das Königreich Serbien schuf sich seit 1219 eine unabhängige Kirche (mit autokephalen, d.h. ihre jeweilige Kirche eigenständig leitenden Patriarchen im 14./15. Jh.). 8.3.1 Kroatien. Nach dem Zerfall der fränkischen Oberhoheit bauten die südslawischen Kroaten seit ca. 850-875 ihr Herrschaftsgebiet im nördlichen Dalmatien auf, das seit dem 10. Jh. kirchlich an Rom gebunden blieb. Die Küstenstädte unterstanden meist Konstantinopel, das hier im 9. Jh. die politische Oberhoheit stabilisierte. Eine Synode beschloss 928 die Unterstellung der gesamten kroatischen Kirche unter das Erzbistum Spalato (Split), das dem Jurisdiktionsbereich Roms zugeordnet wurde. Eine Sonderstellung hatte das Bistum (bzw. seit 1022 Erzbistum) in der halbautonomen Handelsstadt Ragusa (Dubrovnik), das bis 1204 zu Konstantinopel gehörte. Das seit ca. 1070 bestehende Königreich Kroatien (bis 1102 mit Ungarn verbunden) suchte seine politische Unabhängigkeit durch päpstliche Lehnshoheit zu sichern (vgl. § 9; 6.1.2). Die kroatische Kirche war daher die einzige westliche Kirche mit römischer Liturgie und Kirchenverfassung in slawischer Sprache (und glagolithischer, nicht kyrillischer Schrift). 8.3.2 Serbien. Die südlich von Kroatien in zersplitterten Kleinfürstentümern siedelnden Serben schlossen sich infolge der Unterwerfungspolitik des byzantinischen Kaisers Basilius I. zwischen 870-890 Byzanz an, gerieten aber seit 924 unter bulgarische Herrschaft, was sich auch auf die Kirchenorganisation und das Klosterwesen auswirkte. Die Einflüsse von Byzanz und Bulgarien prägten im 10. Jh. das religiöse und kulturelle Leben. Durch die Berührungen mit den Küstenstädten kamen westliche Traditionen ins Land, zumal die kirchenrechtliche Zuständigkeit des lateinischen Erzbistums Spalato (Split) für den nordwestlichen Landesteil erhalten blieb. Der dort regierende Fürst von Zeta, der zeitweise alle serbischen Gebiete unterwarf, ließ sich sein Königtum als päpstliches Lehen von Gregor VII. bestätigen und setzte 1089 offiziell das lateinische Christentum durch. Aber in der wechselvollen politischen Geschichte des 12. Jh.s kam es mit der Vereinigung der Serben im Nordwesten und Südosten unter dem Fürsten von Raska zur Dominanz des östlichen Kirchentyps. Der in Serbien als Heiliger verehrte Erzbischof Sava baute seit 1219 eine eigenständige orthodoxe Kirche mit 10 Bistümern auf.

Erzbistum Split

Byzanz, Bulgarien

8.4 Literatur Lektüretipp: C. Hannick: Cyrillus und Methodius, TRE 8 (1981) 266-270. Quellen: J. Bujnoch: Zwischen Rom und Byzanz (= Slavische Geschichtsschreiber, Bd.1), 1958. – J. Schütz (Hg.): Die Lehrer der Slawen Kyrill und Method, 1985. Literatur: M. Eggers: Das Erzbistum des Method, 1996. – Ders.: Das »Großmährische Reich«. Realität oder Fiktion?, 1995. – L. Waldmüller: Die Synoden in Dalmatien, Kroatien und Ungarn. Von der Völkerwanderung bis zum Ende der Arpaden (1311), 1987. – F. Dvornik: Byzantine Mission among the Slavs, 1970. – C. Hannick: Die byzantinischen Missionen, KGMG 2/1, 1978, 279-359. – Ders.: Die neue Christenheit im Osten: Bulgarien, Rußland, Serbien, GCh 4, 1994, 921-952. – Ders. (Hg.): Sprachen und Nationen im Balkanraum, 1987. – V. Gjuzelev/R. Pillinger: Das Christentum in Bulgarien und auf der übrigen Balkanhalbinsel in der Spätantike und im frühen Mittelalter, 1987.

 § 8; 6.-6.2

8. Zwischen West- und Ostkirche: Die Balkaninsel

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9. Russland: Östliches Christentum am Rande Europas

Waräger, Rus’

Kiewer Reich

Im riesigen Siedlungsraum zwischen Ostsee und dem Fluss Dnjepr (der westlich der Krim ins Schwarze Meer mündet) siedelten sich Slawen an. Die politische Herrschaft übernahmen ab dem 9. Jh. Waräger (d.h. Nordleute, aus Skandinavien vordringend, slawisch als Rus’ bezeichnet). In dem von ihnen aufgebauten Reich führten vielfältige Einflüsse aus Byzanz zu einer sukzessiven Christianisierung. Seit der offiziellen Einführung des Christentums durch Großfürst Wladimir ab 988 bestand im Kiewer Reich eine slawische Kirche orthodoxer Prägung in Verbindung mit der byzantinischen Reichskirche. Der Untergang des Kiewer Reiches 1225-1238 infolge der Mongolenstürme bedeutete nicht das Ende des dortigen Christentums, vielmehr blieb dieses Fundament der kulturellen Identitätsbewahrung. Teile des ehemaligen Kiewer Reiches im Nordwesten mit dem Zentrum von Nowgorod kamen zeitweise in Kontakt mit der deutschen Kolonisation im Baltikum (s. § 7; 12.2), was jedoch ohne dauerhafte Wirkung blieb. Die Abwehr gegen schwedisch-deutsche Annexionsversuche führte seit ca. 1240 zur Annäherung an die byzantinischen Traditionen des südlichen Bereiches. Damit wurden die Grundlagen für die russisch-orthodoxe Kirche geschaffen, die seit dem 16. Jh. mit Zentrum in Moskau als eigener Konfessionstyp der östlichen Christenheit große Bedeutung erlangte.

9.1 Christliche Einflüsse im 9./10. Jh. Die Anfänge der Christianisierung im Kiewer Reich liegen im Dunkeln. Eine gezielte Mission von Byzanz aus gab es nicht, doch führten ökonomische wie politische Verbindungen mit Byzanz nach 860 zu einem stärkeren Einfluss von Griechen im Kiewer Reich. Die ersten Versuche, nach der Taufe der Fürstin Olga 957, eine Kirchenorganisation aufzubauen, scheiterten zunächst.

Chasaren

Nestorchronik

9.1.1 Einflüsse aus dem Chasarenreich? Die These von einer vielfältigen Wurzel des Christentums im Kiewer Reich steht auf wackligen Füßen. In Frage kommen christliche Gemeinden auf der Krim, armenische Minderheiten in Kiew, Einflüsse aus dem Reich der Chasaren. Letztere (mit den noch weiter östlich an der Wolga siedelnden Wolgabulgaren verwandt) hatten um 700 das Judentum als offizielle Religion angenommen, ließen aber auch Christen, Muslime und Heiden ihre Religion praktizieren. Das Chasarenreich ging 966/969 unter, so dass fortan Steppenvölker wie Petschenegen und Kumanen das Kiewer Reich gefährdeten; Brun von Querfurt – 1004 zum Erzbischof für die Heiden geweiht – kam bei dem Versuch, die Petschenegen zu missionieren, 1009 um. Legendarische Informationen über die Anfänge der Christianisierung bietet die sog. Nestorchronik (»Bericht von den vergangenen Zeiten«; im 11./12. Jh. in Kiew verfasst; hg. von R. Trautmann, 1931). 9.1.2 Der Einfluss der Griechen in Nowgorod/Kiew. Entscheidend für die Christianisierung in der Kiewer Region wurde der Kontakt nach Byzanz. Die Waräger (Rus’; s. Einleitung zu § 7; 9.) unternahmen Vorstöße nach Süden und griffen 860 mit ihrer Flotte sogar 576

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Konstantinopel an, konnten es aber nicht einnehmen, so dass es bei Handelsbeziehungen und einzelnen politischen Kontakten blieb. Die Notiz beim Patriarchen Photius 867, das Volk der Rus’ hätte sich zum Christentum bekehrt, ist Wunschdenken. Von Norden her nachdrängende heidnische Waräger unter dem Fürsten Oleg/Helge (878-912) fassten die verschiedenen Warägerherrschaften in einem umfassenden Reich zusammen, das sich von der Ostsee und dem Zentrum Nowgorod bis weit in die heutige Ukraine erstreckte (mit Zentrum in Kiew). Erst nach und nach konnten hier byzantinisch-christliche Einflüsse wirken. Die Nestorchronik belegt ein Handelsabkommen mit Fürst Igor um 945, wobei ein Teil seiner Gefolgschaft den Vertrag bei der Kirche des hl. Elias in Kiew bekräftigen sollte. 9.1.3 Die Taufe der Fürstin Olga. Die Fürstenwitwe Olga/Helga, die von einem Kiewer Priester bekehrt wurde, betrieb während ihrer Vormundschaftsregierung (945-962) die Christianisierung des Reiches. Ihre Taufe ließ sie sich in Konstantinopel unter kaiserlicher Patenschaft erteilen. Ihrem Wunsch nach einer autonomen Kirche im Kiewer Reich kam der byzantinische Kaiser Konstantin VII. nicht nach. Deshalb wandte sie sich an den Westkaiser Otto I., der 961 als Missionsbischof den Trierer Mönch Adalbert (s. § 7; 10.2.1) entsandte. Dieser konnte nichts ausrichten, weil ihr inzwischen volljähriger Sohn Swjatoslaw (ca. 962-972) die Christianisierungspolitik nicht fortsetzte. Er stabilisierte das Kiewer Reich (u.a. durch Siege gegen Chasaren und Bulgaren). Seine drei Söhne teilten die Herrschaft, in den Machtkämpfen musste Wladimir zunächst nach Skandinavien fliehen, siegte aber ca. 978 über seinen älteren Bruder Jaropolk, der wohl dem Christentum nahegestanden hatte.

Kontakt zu Otto I.

9.2 Die »Taufe Russlands« 988 und ihre Folgen Großfürst Wladimir (972/978-1015), der ursprünglich sein Land auf Grundlage aller heidnischen Kulte stabilisieren wollte, konnte die relativ starke Verbreitung des christlichen Glaubens gerade in der Elite seines Volkes nicht ignorieren. Er entschied sich daher 988 für einen folgenreichen Kurswechsel und nahm selbst das Christentum an, eine Massentaufe zeigte diesen Kurswechsel demonstrativ. Diese »Taufe Russlands« ging einher mit einer Bündnispolitik mit dem byzantinischen Kaiser Basilius II. und begründete die enge Bindung der Kirche als Metropolie/Erzbistum an das Konstantinopeler Patriarchat. Auch theologisch und vom Personal her blieb der griechische Einfluss lange Zeit bestimmend. Bedeutsam war dabei die Verwendung der altkirchenslawischen Schriftsprache (s. § 7; 8.1). 9.2.1 Das Bündnis mit Byzanz 988. Der legendarische Bericht der Nestorchronik (s. § 7; 9.1.1) stilisiert die Gründe der Bekehrung: Wladimir habe die verschiedenen Religionen (Islam, Judentum, deutsches, d.h. westliches Christentum, byzantinisches Christentum) prüfen und durch Gesandtschaften besuchen lassen, nur in Konstantinopel seien die Gesandten in der Hagia Sophia von der Herrlichkeit und Gegenwart Gottes überzeugt gewesen. Wichtiger dürfte der politische Grund gewesen sein: Dem von Usurpatoren bedrohten Kaiser Basilius II. kam Wladimir mit der Entsendung eines umfangreichen Heeres zu Hilfe, zum Preis einer dauerhaften Verbindung mit dem Kaiserhaus (durch die Heirat mit Anna, der Schwester des byzantinischen Kaisers). Hierfür war die Taufe Wladimirs unter kaiserlicher Patenschaft Voraussetzung, die auch innenpolitisch opportun 9. Russland: Östliches Christentum am Rande Europas

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Bündnis mit Basilius II.

Wladimir

Heiratspolitik

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war. Seine Hinwendung zum Christentum 988 begründete die Verehrung Wladimirs als apostelgleichem Heiligen ab dem 13. Jh.

Theophylakt von Sebaste

Boris und Gleb Jaroslaw

Höhlenkloster

Rurik

9.2.2 Der Aufbau der Kirchenstruktur. Die Einflüsse aus Byzanz nahmen nach 988 zu und wirkten sich besonders bei der Besetzung von Klerikerstellen und dem Aufbau einer Diözesanstruktur aus. Die Eroberung der griechischen Kolonie Cherson auf der Krim verstärkte dies. Um 1015 ist Theophylakt von Sebaste, ein Grieche aus der byzantinischen Provinz Armenien, Metropolit in Kiew. Über die genaueren Umstände der Einrichtung dieser Metropolie (kurz vor 1000?) ist jedoch nichts bekannt. Neben dem personalen Einfluss wirkte auch die griechische Literatur prägend, doch wurde die pagane antike Philosophie und Literatur nicht ins Kirchenslawische übersetzt und wirkte daher nur indirekt oder gar nicht auf die entstehende eigene Literatur. Nach dem Tod Wladimirs entbrannten unter seinen Söhnen Machtkämpfe, die die Einheit des Kiewer Reichs bedrohten. In ihnen starben die bis heute als Heilige verehrten Fürstensöhne Boris und Gleb (gedeutet als Symbole christlicher Gewaltlosigkeit). Aus diesen Kämpfen ging Jaroslaw (1015-1054) als Großfürst hervor, der Kirchenorganisation, Kultur und Rechtspflege kräftig ausbaute. In der Folgezeit erschien das Kiewer Reich auch auf der Bühne europäischer Außenpolitik (durch Kriege mit Polen und Heiratsverbindungen mit Schweden, Frankreich und Ungarn). Die Stadt Kiew baute Jaroslaw nach dem Vorbild Konstantinopels zu einer imposanten Metropole aus (mit einer Sophienkirche im Mittelpunkt). 1051 wurde erstmals ein Russe, Hilarion, Metropolit von Kiew, doch waren die allermeisten seiner Nachfolger wieder Griechen, so besonders Theopemptos um 1037 (dass die Ernennung Hilarions der Versuch war, den Einfluss von Byzanz zurückzudrängen, ist eher zweifelhaft). Für die Christianisierung der Städte und nachfolgend des Landes spielte das Mönchtum eine wichtige Rolle. Große Ausstrahlung entwickelte seit 1055/1060 das berühmte Höhlenkloster am Ufer des Dnjepr in Kiew. An der von Hilarion als Gebetsort benutzten Höhle gründete der auf dem Athos zum Mönchtum gelangte Eremit Antonius/Antonij ein Kloster, das nach dem Vorbild des Studitenklosters unter Abt Feodossi (1062-1074) strukturiert wurde und große Bedeutung erlangte, weil aus ihm in der Folgezeit viele Bischöfe hervorgingen. 9.2.3 Mongolensturm und die Herrschaft von Nowgorod. Innere Spannungen und die Eroberung von Byzanz durch die Kreuzfahrer 1204 (s. § 9; 10.2) destabilisierten das Kiewer Reich. Seit 1223 drangen die Mongolen bzw. Tataren vor, zerstörten 1225 Kiew und eroberten 1238 ganz Russland. Das Christentum ließen sie im Wesentlichen bestehen. Nur der nordwestliche Teil um Nowgorod konnte sich gegen die Tataren halten, entsprechend wurde Rurik, der Waräger, der dort um 860/870 seine Herrschaft aufgebaut hatte, als Stammvater der russischen Dynastie bis 1598 gedeutet. Fürst Alexander Newskij errichtete durch seine Siege über die Schweden und die deutschen Ordensritter 1240-1242 ein eigenes Reich. Dies ist wichtig, weil sich in seinem Reich die byzantinisch-orthodoxe Prägung der Kirche erhielt. Seit dem 13. Jh. übernahm sukzessive das Fürstentum Moskau die Rolle Kiews, 1326 wurde der Metropolitensitz dorthin verlegt. Seitdem entstand ein neues Zentrum der Weltchristenheit (vgl. § 9; 10.3.3). 9.3 Literatur Lektüretipp: C. Hannick: Die neue Christenheit im Osten: Bulgarien, Rußland, Serbien, GCh 4, 1994, 921-952 [ebd. 937-950 zu den Anfängen in Russland]. Quellen: P. Hauptmann/G. Stricker (Hg.): Die Orthodoxe Kirche in Rußland. Dokumente ihrer Geschichte (860-1980), 1988. – R. Trautmann (Hg.): Die altrussische Nestorchronik, 1931. 578

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Literatur: K.C. Felmy/G. Kretschmar/F. von Lilienfeld/C.-J. Roepke (Hg.): Tausend Jahre Christentum in Rußland, 1988. – L. Müller: Die Taufe Rußlands. Die Frühgeschichte des russischen Christentums bis zum Jahre 988, 1987. – G. Podalsky (Hg.): Christentum und theologische Literatur in der Kiever Rus’ (988-1237), 1982.

10. Missionspolitik im Kraftfeld des Ottonenreiches Mehr programmatische als faktische Bedeutung besaß zunächst die Missionspolitik Ottos I. Er setzte die älteren Missionsbemühungen dahingehend fort, dass er gezielt versuchte, das Christentum in Richtung Osten auszubreiten. Begründet war dieses Bemühen in der Selbstrepräsentation als christlicher Herrscher und in einer imperialen Großmachtpolitik. Das christianisierte Böhmen assoziierte er dem Reich, im Bereich der Wenden (Elb- und Ostseeslawen) bis zum Baltikum verzögerte sich die Christianisierung (hier sollte erst die deutsche Ostkolonisation im 12./13. Jh. eine Änderung bringen).

christlicher Herrscher

10.1 Heidenbekehrung und Ungarnabwehr Otto I. plante eine systematische Christianisierung nördlich und östlich der Elbe, verbunden mit dem Bemühen, die entsprechenden Gebiete dauerhaft in sein Reich zu integrieren. Zunächst konzentrierte er sich auf den Raum der Abodriten und Liutizen und die nordelbische Region bis Jütland. 948 errichtete er drei Bistümer für Jütland als Suffragane (d.h. einem Erzbischof zugeordnete Bischöfe) des Erzbistums Hamburg-Bremen sowie zwei Bistümer für die Wenden als Suffragane des Erzbistums Mainz. Die Rivalitäten der beiden Erzbistümer erwiesen sich auch in der Folgezeit als Störfaktor. Wegen der ungarischen Angriffe auf südöstliche Teile und Nachbargebiete des Reiches seit ca. 900 wurde der Weg für die Ostmission erst durch den großen Sieg über die Ungarn (Schlacht am Lechfeld) 955 frei. 10.1.1 Ausweitung der Herrschaft im Norden und Osten. Die militärischen Aktionen König Heinrichs I. (919-936), des vormaligen Sachsenherzogs, gegenüber Dänen 934 und Slawen ab 928 boten nördlich und östlich der Elbe erste Möglichkeiten, die z.T. Erzbischof Unni von Hamburg-Bremen durch eine Missionsreise nach Dänemark und Schweden zu nutzen suchte. Otto I. war von seiner Jugend an mit dem slawischen Umfeld bei Magdeburg vertraut, wo er vor 936 teilweise selbst gelebt hat und 937 das Mauritiuskloster (Moritzkloster) gründete. Der Plan weitergehender Missionierung stieß bei den Sachsenführern auf Ablehnung, weil christianisierte Slawen nicht weiter tributpflichtig gemacht werden konnten. Militärisch wurde das nördliche und östliche Grenzgebiet durch Marken mit einem System von Burgen gesichert, die königlichen Beauftragten mit speziellen Vollmachten unterstanden: die Billunger Mark (benannt nach Markgraf Hermann Billung, seit 936 für die Abodriten jenseits der Unterelbe), die Nordmark (unter Markgraf Gero, für die Liutizen, Redarier und Heveller; später geteilt in Nordmark/ Brandenburg, Ostmark/Lausitz und die Mark Meißen). 10. Missionspolitik im Kraftfeld des Ottonenreiches

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östlich der Elbe

Otto I. Magdeburg Moritzkloster

Marken

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10.1.2 Neue Bistümer. Im Zusammenhang der Reichssynode von Ingelheim 948 wurden erstmals Bischöfe für Schleswig, Ripen und Aarhus erwähnt. So erhielt der tüchtige Erzbischof Adaldag von Hamburg-Bremen (937-988) die bisher fehlenden Suffragane. Mit Zustimmung des päpstlichen Legaten konnten noch 948 ebenfalls neue Missionsbistümer in Brandenburg und Havelberg gegründet werden, die aber ihr Gebiet kaum kirchlich durchdringen konnten. Schwer getroffen wurden sie 983 dadurch, dass die Elbund Ostseeslawen die deutschen Truppen aus der Billunger Mark und der Nordmark vertrieben. Erst seit 1137/1138 kam es dort zu einer Neubelebung, v.a. durch den Prämonstratenser Anselm von Havelberg (s. § 7; 12.1.2).

ungarische Niederlage 933

10.1.3 Die Schlacht am Lechfeld. Die Magyaren (Madjaren) bzw. Ungarn waren seit 890 über die Karpaten nach Pannonien und Mähren vorgedrungen und bildeten zwei Generationen lang eine schwere Bedrohung. Sie vernichteten das mährische Reich (s. § 7; 8.1.2) und griffen seit 906/907 mit ihren Reiterheeren Bayern, Sachsen, selbst Alemannien und Lothringen an. Trotz der Niederlage gegen ein deutsches Heer unter König Heinrich I. an der Unstrut 933 wiederholten sie seit 937 ihre Plünderzüge. Als sie erneut in Bayern einfielen, besiegte sie Otto I. mit einem großen Heer, verstärkt durch böhmische Truppen, auf dem Lechfeld bei Augsburg am 10.8.955. In den Tagen darauf wurde das fliehende Ungarnheer vernichtet, die Ungarn zogen sich in die Theißebene zurück und öffneten sich der Christianisierung (s. § 7; 10.4.2). Für Ottos Machtposition und die Selbstdeutung als von Gott begnadeter, das Christentum schützender König hatte dieser Sieg erhebliche Folgen (symbolisiert in der Heiligen Lanze; vgl. § 9; 4.4.2).

10.2 Magdeburg als Metropole der Westslawenmission

Burgen

Sorben

Mit der religiösen Legitimation seit der Schlacht am Lechfeld und der Kaiserkrönung 962 verband Otto I. ein Sendungsbewusstsein, als von Gott beauftragter Herrscher die Ausbreitung der Christenheit zu fördern. Seine weitausgreifenden Pläne, etwa seine Versuche 959/961, Einfluss auf die Christianisierung des russischen Fürstentums Kiew zu gewinnen (s. § 7; 9.1), scheiterten zwar und brachten ihn in Konflikt mit Byzanz, doch entlang der Elbe konnte er gegen lang anhaltende Widerstände im deutschen Episkopat 967/968 ein Erzbistum in Magdeburg errichten, welches – wie 831 Hamburg – ausschließlich für die Mission bestimmt war. Neben den bereits errichteten Bistümern in Brandenburg und Havelberg wurden weitere Missionsbistümer in Merseburg, Zeitz und Meißen errichtet (für das Sorbenland zwischen Saale und Elbe). Diese Bistümer stützten sich auf die deutschen Burgen als Zentren der Militärverwaltung in den Markgrafschaften. Demgemäß bestimmte primär nicht die individuelle Bekehrung, sondern eine rigide Eroberungspolitik die Slawenmission. Erfolg erzielte man nur bei den Sorben, die bis ca. 1000 weithin getauft wurden. Im Bereich östlich der Elbe brachen die Bemühungen durch den Slawenaufstand von 983 zunächst völlig zusammen. Ottos I. großräumig angelegte Konzeption blieb erfolglos, 580

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Magdeburg rückte wie Hamburg-Bremen für lange Zeit einflusslos an den Rand des Reiches. 10.2.1 Die Erhebung von Magdeburg zum Erzbistum. Sogleich nach dem Sieg über die Ungarn verhandelte Otto I. mit Papst Agapet II. (946-955) über die Umwandlung des Magdeburger Mauritiusklosters in ein Missionserzbistum. Hiergegen wandte sich Erzbischof Wilhelm von Mainz, ein Sohn Ottos, weil er eine Schmälerung des Einflusses im östlichen Sachsen (z.B. durch eine neue Zuordnung von Halberstadt) befürchtete und eine Vermischung von königlichen und kirchlichen Kompetenzen ablehnte. Während seines Romaufenthaltes 962 drängte Otto Papst Johannes XII. dazu, ein Dekret für die Errichtung des Erzbistums zu verfassen. Förmlich gegründet werden konnte es erst nach dem Tod von Erzbischof Wilhelm 967. Zwei Synoden in Ravenna beschlossen die Abgrenzung der vorgesehenen neuen Diözesen. Als ersten Erzbischof setzte Otto seinen Vertrauensmann Adalbert (gest. 981) ein, den er 961 als Missionsbischof zu Fürstin Olga von Kiew gesandt hatte (s. § 7; 9.1.3). 10.2.2 Weitere neue Bistümer. Die neuen Bistümer bestanden zunächst nur aus Bischofssitzen in einer Königspfalz, Merseburg, und in den Burgen Zeitz und Meißen. Ihre Bischöfe engagierten sich zunächst wenig. Bis dahin war unter den Sorben z.T. von Regensburg aus missioniert worden (v.a. durch den Mönch Boso, der dann Merseburger Bischof wurde). Alle Slawenvölker jenseits von Elbe und Saale sollten in die Magdeburger Zuständigkeit fallen, doch es kam nach 968 vorerst nicht zu einer zielgerichteten Missionsstrategie. Für die Abodritenmission gründete Otto wohl 972 das – dem hamburgischen Erzbistum unterstellte – Bistum Oldenburg/Holstein (nicht zu verwechseln mit Oldenburg im Oldenburger Land) als einsamen Vorposten, der nach dem Slawenaufstand von 983 bedeutungslos wurde.

Widerstand Wilhelms von Mainz

Merseburg, Zeitz, Meißen

10.3 Böhmen und das Reich Erste christliche Einflüsse verbreiteten sich bei den westslawischen Stämmen der Böhmen/Tschechen mit Zentrum in Prag während des 9. Jh.s durch Missionsaktivitäten von Bayern und Mähren her. Dadurch dominierten lateinische Formen im kirchlichen Leben. Die Dynastie der Przemysliden einte im 10. Jh. das Land unter ihrer Herrschaft, annektierte Mähren und setzte das Christentum als offizielle Religion durch. Ausdruck dieser Veränderung war die Ablösung von der kirchlichen Hoheit Regensburgs durch Gründung des Bistums Prag 973/976 in Anbindung an das Ottonenreich. Die Verbindung zum Ottonenreich verfestigte sich nach und nach zu stärkerer Abhängigkeit und Integration in das Reichsgefüge: Seit dem 11. Jh. galt Böhmen als deutsches Reichslehen, und sein Herzog wurde im 12./13. Jh. einer der bedeutendsten Reichsfürsten (seit 1198 mit erblicher Königswürde). Für das Grenzgebiet zwischen Böhmen und Thüringen gründete Kaiser Heinrich II. 1007 das (ab 1020 exemte, d.h. mit Einschränkungen der Mainzer Metropolitanrechte ausgestattete) Bistum Bamberg, das sich – trotz einiger missionarischer Aktivitäten in Polen von Otto von Bamberg (gest. 1039) – nicht wie geplant zu einer dynamischen Missionsmetropole zwischen Magdeburg und Salzburg entwickelte. 10. Missionspolitik im Kraftfeld des Ottonenreiches

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Przemysliden

Prag

Bamberg

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10.3.1 Anfänge der Christianisierung im 9. Jh.. Die Anbindung an den östlichen Teil des Frankenreiches kam dadurch zum Ausdruck, dass sich 845 14 duces (Stammesfürsten) in Regensburg taufen ließen. Sie wurde durch die Abhängigkeit vom Reich der Mährer nur kurzfristig unterbrochen. Dadurch kamen auch Einflüsse der Methodius-Mission ins Land (vgl. § 7; 8.1.2). Der Stammvater der bis 1306 regierenden Przemyslidendynastie, Herzog Borziwoj, empfing ca. 880 von Methodius die Taufe. Seine durch heidnische Reaktion getötete Witwe Ludmilla wurde später als Heilige verehrt, ebenso sein Enkel Wenzel I./Václav (921-935), der den Ausbau der Kirchenorganisation wie seine Landeshoheit vorantrieb und deshalb ermordet wurde. Boleslaw I.

Olmütz

Flucht nach Rom

Prußen

10.3.2 Abhängigkeit vom Ottonenreich. Wenzels Bruder Boleslaw I. (935-967), der sich vergeblich gegen die Abhängigkeit vom deutschen Reich sperrte, musste 950 Otto d. Gr. Lehnshuldigung leisten. Dadurch bekam er Rückhalt für eine größere Einflussnahme u.a. in Polen, dessen Herzog er 965/966 zu seinem Schwiegersohn machte und zur Taufe bewog (s. § 7; 10.4.1). Als neue Form einer Abhängigkeit beschloss der Reichstag zu Quedlinburg 973 die kirchliche Loslösung von Bayern und die Gründung eines direkt dem Erzbistum Mainz unterstellten Bistums für Böhmen. Dieses wurde 975/976 in der Hauptstadt Prag errichtet und erhielt den Sachsen Thietmar als Bischof, um die Verbindung zu den Ottonen zu pflegen. Ein wohl schon damals geplantes zweites Bistum für Mähren wurde erst 1063 in Olmütz (Olomouc) errichtet. Der Widerstand gegen die Abwehr einer Dominanz deutscher Einflüsse blieb für die Christianisierung noch lange prägend. 10.3.3 Adalbert von Prag. Der seit 983 amtierende Bischof Adalbert von Prag (956-997), ein tschechischer Hochadliger, dessen Familie in scharfem Gegensatz zum böhmischen Herrscherhaus, aber in Freundschaft mit den Ottonen lebte, konnte sich mit seinem asketischen Reformeifer nicht halten und wich 988/989 in ein römisches Kloster aus. Nach seiner Rückkehr 992 konnte er zwar einige Erfolge seiner Politik erzielen, musste aber wegen seiner Opposition gegen die Przemysliden 995 erneut flüchten. In Rom begegnete er Kaiser Otto III., dessen religiöse Einstellung er stark beeinflusste. Nach kurzer Missionstätigkeit in Ungarn ließ er sich vom Polenherzog mit der Bekehrung der Prußen/ Preußen beauftragen, im Zuge derer er 997 den Märtyrertod fand (von den Polen, später auch von den Böhmen als Nationalheiliger verehrt).

10.4 Christliche Herrschaften in Polen und Ungarn

Otto III.

Otto d. Gr. zielte vergeblich auf einen Anschluss aller im Osten angrenzenden Slawen an das Heilige Römische Reich. Es gelang ihm nicht, die zersplitterten Einflussbereiche bei den Elbslawen (Abodriten, Liutizen, Heveller) dauerhaft zu unterwerfen oder gar zu christianisieren. Auch die Versuche, Polen dem Reich einzuverleiben, blieben trotz einiger militärischer Erfolge vergeblich. Doch ging der Polenherzog Mieszko eine tributpflichtige »Freundschaft« mit dem Reich ein und nahm 996 das Christentum an, das er seitdem in seinem Land förderte. Komplizierter lagen die Verhältnisse bei den Ungarn, die seit ca. 970 die Christianisierung und damit die Anlehnung an den Westen anstrebten. Grundlegende Bedeutung bekam die auf jeweilige Selbständigkeit bedachte Konzeption Ottos III. (s. § 9; 4.3.1). Sie hatte zur Folge, dass die neu entstehenden Kirchenstrukturen in Polen 582

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und in Ungarn – anders als in Böhmen – ihre Unabhängigkeit behaupteten. Durch die Gründung der Erzbistümer Gnesen im Jahr 1000 und Gran im Jahr 1001 wurden Polen und Ungarn autonome Kirchenprovinzen mit direkter Verbindung zu Rom. Sie gehörten fortan zum christlichen Europa. Eine Christianisierung der Bevölkerung vollzog sich allerdings erst vom späten 11. Jh. an. 10.4.1 Polen. Die Taufe des Herzogs Mieszko (Dagon/Dagobert), der eine Tochter des böhmischen Herzogs Boleslaw (s. § 7; 10.3.2) heiratete, erfolgte aus politischen Gründen, u.a. aus Abwehr gegen die heidnisch-slawischen Stämme an der Ostseeküste (Pomoranen, Prußen u.a.). Dem Missionsbischof Jordan (der wohl mit anderen aus Böhmen kam) wurde das 968 gegründete, vermutlich direkt Rom unterstellte Bistum Posen (Poznan) übertragen. Die Unabhängigkeit von Magdeburg spielte für Mieszko eine so wesentliche Rolle, dass er kurz vor seinem Tod 992 das Land formell dem Papst übereignete, d.h. dessen ideellem Schutz unterstellte. Dadurch erhielt das polnische Chris­ tentum von vornherein eine lateinische Prägung und eine besondere Bindung an Rom (die von Mieszko begründete Piastendynastie beherrschte Polen bis 1370). Sein Nachfolger Boleslaw Chrobry (d.h. der Tapfere) (992-1025), mit dem Otto III. gemäß seiner Konzeption einen brüderlichen Freundschaftspakt schloss (so jedenfalls der in seiner Historizität nicht unumstrittene Bericht bei Gallus Anonymus), baute die Kirchenorganisation aus. Er konnte erreichen, dass Otto III. nach Absprache mit Papst Silvester II. in Gnesen (wo er das Grab von Adalbert von Prag besuchte) ein Erzbistum gründete (mit neuen Bistümern: Kolberg/Kolobrzeg, Krakau/Krakow und Breslau/Wroclaw, ab dem 11. Jh. auch Posen). Polen konnte für kurze Zeit seinen Einfluss in die Lausitz, nach Mähren, in die Slowakei und nach Russland ausdehnen, doch stürzte das Land 10341040 in anarchische Zustände, die die kirchliche Organisation weithin zerstörten. Erst ab dem ausgehenden 11. Jh. konnte mit einer Fülle von Pfarrkirchen eine Kirchenstruktur etabliert werden. 10.4.2 Ungarn. Einem ganz anderen Kulturkreis als die Slawen entstammten die Ungarn (Magyaren/Madjaren), eine Ethnizität, die auf ihren Migrationsbewegungen aus dem Ural- und Schwarzmeergebiet verschiedene ethnische Identitäten miteinander verbunden hatte. Nachdem sie sesshaft geworden waren, suchte ihr Fürst Géza (972997) gegen Byzanz (und von dort kommende Missionsversuche ab 948) den Rückhalt im ottonischen Reich. 973 bat er um die Entsendung von Missionaren. Bischof Pilgrim von Passau engagierte sich (u.a. in der Absicht, die Metropolitanrechte über Ungarn und Mähren zu erlangen). Konkurrierende Interessen verfolgte Wolfgang, ab 972 Bischof von Regensburg. Erst Gézas Sohn Vaijk (seit seiner Taufe durch Pilgrim mit dem Namen Stephan bezeichnet; 997-1038; 1083 als Nationalheiliger kanonisiert) baute eine umfassende Kirchenorganisation auf. Kaiser Otto III. und Papst Silvester II. ernannten ihn 1000/1001 zum König und genehmigten die Errichtung eines Erzbistums für Ungarn in der Hauptstadt Gran/Esztergom. Zur Stärkung seiner Landeshoheit baute Stephan zehn Bistümer auf und gründete ca. 1009 ein weiteres Erzbistum in Kalocsa für die südöstlichen Gebiete. Um die Kirchenstruktur vor dem Zugriff des Adels zu schützen, holte er ausländische Kleriker ins Land (u.a. Schüler Adalberts von Prag). Nach 1038 kam es zu inneren Wirren und z.T. zu einer heidnischen Reaktion. Doch konnte Ladislaus I. (1077-1095) die Lage konsolidieren und entscheidende Impulse für die weitere Christianisierung setzen.

10. Missionspolitik im Kraftfeld des Ottonenreiches

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Mieszko

Boleslaw Chrobry

Gnesen

Vaijk

Gran

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10.5 Literatur Lektüretipp: C.R. Bowlus: Die Schlacht auf dem Lechfeld, 2012, 19-40 [vgl. S. Weinfurter: Vorwort, ebd. 7-12]. Quellen: A. Bauer/R. Rau (Hg.): Quellen zur Geschichte der sächsischen Kaiserzeit, 4. A. 1992. – W. Trillmich (Hg.): Thietmar von Merseburg, Chronik, 7. A. 1992. Literatur: H. Rothe (Hg.): Die historische Wirkung der östlichen Regionen des Reiches, 1992. – K. Blaschke: Geschichte Sachsens im Mittelalter, 1990. – M. Puhle (Hg.): Otto der Große, Magdeburg und Europa, 2 Bde., 2001. – F.G. Hirschmann: Die Anfänge des Städtewesens in Mitteleuropa. Die Bischofssitze des Reiches bis ins 12. Jahrhundert, 2. Teilband, 2012 [ebd. 836-871 zu Magdeburg]. – B. Schneidmüller (Hg.): Ottonische Neuanfänge, 1999. – F. Seibt (Hg.): Bohemia Sacra. Das Christentum in Böhmen 973-1973, 1974. – J.K. Hoensch: Geschichte Böhmens, 3. A. 1997, 19-113. – J. Henning (Hg.): Europa im 10. Jahrhundert. Archäologie einer Aufbruchszeit, 2002. – P. Urbańczyk (Hg.): The Neighbours of Poland in the 10th Century, 2000. – M. Borgolte (Hg.): Polen und Deutschland vor 1000 Jahren, 2002. – J. Fried: Otto III. und Boleslaw Chrobry, 2. A.2001.

11. Die Christianisierung in Skandinavien Die historische Bedeutung Skandinaviens besteht darin, dass aus diesem Raum Wanderungs- und Invasionsbewegungen kamen, die das europäische Siedlungsgefüge beeinflussten. Die gewaltige Expansion der heidnischen Wikinger/Normannen im 9.-11. Jh. hat die Kirchengeschichte Europas von Island bis Sizilien beeinflusst. Im Mittelalter erfasste quasi rückwirkend die Christianisierung auch Dänemark und Skandinavien.

11.1 Der Zugriff der Normannen auf Westeuropa im 9.-11. Jh. Dänen und Norweger betrieben mit ihren Schiffsflotten seit ca. 800 Beuteund Eroberungszüge an den Küsten Schottlands, Englands und Frankreichs. Seit 866 siedelten die Normannen in England, dann ab 911 in Westfrankreich (in der späteren Normandie). Sie passten sich der dortigen Zivilisation an und übernahmen auch das Christentum. Von England aus beeinflussten sie die Christianisierung in ihren Heimatländern ab dem 11. Jh. Zugleich drangen sie von Westfrankreich aus nach Süditalien und Sizilien vor, wo sie eigene Herrschaftsbereiche bildeten. Vom Ostseeraum aus beeinflussten sie die Entwicklung in Russland, im Nordatlantik besiedelten sie Island und Grönland. Zu einem einheitlichen Reich verbanden sich die verschiedenen Normannenherrschaften nicht. 11.1.1 Die Expansion der Wikinger/Normannen im Frankenreich. Als die politische Zersplitterung in Kleinlandschaften und -königtümer seit dem 9. Jh. – zuerst in Dänemark – durch die Bildung größerer Reiche abgelöst wurde, entzogen sich integrationsunwillige Wikinger (d.h. wohl: Leute auf Beutezug) bzw. Normannen durch Eroberungszüge nach Westen. Seit 834 okkupierten sie Friesland und plünderten von dort aus die Küstenregionen und das Hinterland des Frankenreiches (z.B. 841 Rouen, 845 Hamburg und 584

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Abb. 20 Ausbreitung des Christentums 10.–13. Jh.

Nidaros/ Trondheim

Ladogasee

Hamar

Bergen

Uppsala

Oslo Västeras

Stavanger

Sigtuna Birka

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Strängnäs

Hal

Götaland

lan d

Ripen

Roskilde Odense

Ösel

Gotland

Blekinge Schonen

Aarhus

Reval Dagö

Linköping

Skara

Nordsee

Åbo

Åland

Peipussee

(Ösel-Wiek)

Ilmensee

Dorpat

Pilten

Riga

(Kurland)

Öland

Nowgorod

Hapsal

Ostsee

Lund



na

Fischhausen (Samland) Oliva Olden- Rügen Königsberg Belbuck burg Grobe Lübeck Danzig Marienburg Eldena Hamburg Heilsberg (Ermland) Kammin Schwerin Marienwerder Ratzeburg Kolbatz (Pomesanien) Stettin Kulm Bremen Havelberg Thorn Lekno Magdeburg Gnesen BrandenPosen Warschau burg Lebus

Schleswig

Smolensk

Wilna

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Liegnitz

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Kalocsa

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Rom

Adria

Erzbistümer Bistümer Klöster sonstige Orte 11. Die Christianisierung in Skandinavien

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0

100

200

300 km

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Normandie

Danelaw Wilhelm der Eroberer

Paris). Sie setzten sich seit 879 zahlreich in den Mündungsgebieten von Schelde, Maas und Rhein fest. Um die Bedrohung einzudämmen, erhielt eine dänische Normannengruppe unter Rollo 911 von König Karl III. Teile des nordwestlichen Küstengebietes, was sie im 10. Jh. zum Herzogtum Normandie erweiterte. Da die Skandinavier sich an die einheimische Bevölkerung assimilierten, entstand eine romanisch-christliche Kultur von starker Ausstrahlungskraft, was sich in Klostergründungen (z.B. Bec) und Kirchen niederschlug. 11.1.2 Der Ausgriff nach England. 793 und 802/804 überfielen die Normannen die berühmten Klöster Lindisfarne und Iona (s. § 6; 7.3.1; § 5; 13.1.1), seit 850 besetzten sie weite Gebiete der angelsächsischen Teilreiche (seit 866 in eigener Hoheit als Danelaw, d.h. dänisches Gebiet regiert). Nur Wessex blieb unter König Alfred dem Großen (871899) den Angelsachsen erhalten, die nach und nach das Danelaw zurückeroberten. Folgenreich wurde die dauerhafte Annexion durch die Normannen 1066-1071 unter Wilhelm dem Eroberer (1066-1087). In der so entstehenden, den Ärmelkanal überspannenden Herrschaft etablierten die Normannen auch im Episkopat ihre Adelsherrschaft, bauten gewaltige Kathedralen und organisierten die Kirche in größerer Unabhängigkeit vom Papsttum neu.

11.2 Die Christianisierung in Dänemark

Harald Blauzahn

Knut d. Gr.

Bistümer

Die Christianisierung Dänemarks erfolgte unter Einflüssen des für die Skandinavienmission gegründeten Erzbistums Hamburg-Bremen und durch den Einfluss der in England siedelnden Dänen, die das dort angenommene Christentum in die Heimat brachten. Harald Gormssons (genannt Blauzahn, gest. 986) konsolidierte seinen Herrschaftsbereich durch die Taufe und anschließende erste Missionierungsversuche. Seine Kontakte zu Adaldag, dem Erzbischof von Hamburg-Bremen (937-988), einem Vertrauten Ottos I., versandeten jedoch, als 983 der große Slawenaufstand die Autorität der Königsmacht in Norddeutschland deutlich schwächte. Haralds Sohn Sven Gabelbart (985-1014) unterwarf England und Norwegen und förderte eher wieder das Heidentum. Erst sein Sohn Knut d. Gr. (1018-1035), der im Wesentlichen in England residierte, legte langfristig wirksame Grundlagen für die Christianisierung Dänemarks. Dass er seine Tochter Gunhild (gest. 1038) mit dem deutschen König Heinrich III. verheiratete, zeigte seine Machtposition. Er entsandte angelsächsische Missionare nach Dänemark, ließ dort zahlreiche Kirchen bauen und gründete Bistümer in Odense und Roskilde. Seine eigene Frömmigkeit stellte Knut durch seinen Pilgerzug nach Rom 1027 unter Beweis. Sein Plan, in Dänemark eine eigene Kirchenprovinz zu schaffen, scheiterte am Widerstand des bremischen Erzbischofs Unwan. Sven Estridsen (1047-1076) baute die Diözesanstruktur aus, indem er in Lund, Viborg und Börglum/Vendsyssel neue Bistümer gründete. Nachdem er zunächst mit dem missionarisch aktiven Erzbischof Adalbert von Hamburg-Bremen (1043-1072) kooperiert hatte, suchte er im Laufe der Jahre zunehmend den Kontakt zum neu erstarkten Papsttum. Trotzdem erreichte erst sein Sohn 1103/1104 die Erhebung Lunds zum Erzbistum (was jedoch wegen der Widerstände in Schweden bald zu einer Loslösung führte; s. § 7; 11.4).

11.3 Die Christianisierung in Norwegen im 11./12. Jh. In Norwegen war die Christianisierung eng mit der politischen Einigung des Landes verbunden. Die in England (oder der Normandie) getauften Könige Olaf I. Tryggvason und Olaf II. Haraldsson (gen. der Heilige) bemühten sich intensiv um den Aufbau einer 586

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Kirchenstruktur. Letzterer unterstellte die Kirche gegen Widerstände aus dem Adel dem Erzbistum Hamburg-Bremen. Erst 1154 bildete sich mit dem Erzbistum Trondheim eine eigene Kirchenprovinz. 11.3.1 Die Christianisierung in Norwegen. Die Einigung Norwegens ab 1000 war eng mit der Befreiung von direkter dänischer Herrschaft verbunden (bis 1380/1397). Englische Missionare waren schon durch den in England getauften König Hakon I. (den Guten; ca. 935-959) nach Norwegen gekommen. Olaf I. Tryggvason ließ sich ca. 991 taufen, um die neue Religion als Integrationskraft für den Aufbau seines Reiches zu nutzen. Er gründete Trondheim und baute dort eine Kirche. Olaf II. Haraldsson (König 1015-1028/1030, später als norwegischer Nationalheiliger verehrt) setzte diese Bestrebungen in seinem Kampf gegen Dänen und rivalisierende Kleinkönige fort. Durch Pfarrkirchen, Kollektivtaufen, neue Rechtssatzungen (das sog. Christenrecht) und die Errichtung des Bistums in Nidaros/Trondheim legte er den Grund für die norwegische Kirche. Seine Nachfolger konsolidierten zwischen 1060 und 1160 die Kirchenorganisation (weitere Bistümer in Oslo, Bergen, Stavanger und Hamar). 1154 legte der Papst diese Bistümer mit den Inselbistümern der Orkneys, Shetlands, Färöer und Hebriden, Islands und Grönlands zu einer Kirchenprovinz mit Nidaros/Trondheim als Erzbistum zusammen. 11.3.2 Die Christianisierung Islands. Nach verschiedenen erfolglosen Missionsversuchen in Island seit 900 (durch iroschottische Eremiten, den Isländer Thorvald und nach 981 durch den deutschen Wanderbischof Friedrich) erzwang Olaf I. Tryggvason durch Androhung von Gewalt die Bekehrung: Auf dem Allthing des Jahres 1000 übertrugen die beiden Religionsparteien (Christen und Heiden) dem Gesetzessprecher Thorgeir, einem Heiden, die Entscheidung; und dieser erklärte angesichts der angedrohten Gewalt die allgemeine Annahme des Christentums – unter Duldung einiger heidnischer Bräuche – als allein dem Frieden dienlich. Nun entstanden Klöster, Pfarrkirchen und zwei Bistümer, die mit ihren Schulen den Aufbau einer christlichen Kultur förderten. Besondere historische Bedeutung gewann die literarische Fixierung der nordischen Sagas, der Götter- und Heldenlieder der Skalden, im 13. Jh., die als sog. Edda eine wesentliche Quelle für die »germanische« Religion darstellen.

Olaf II.

Bistümer

Edda

11.4 Die späte Christianisierung Schwedens (11./12. Jh.) In Schweden behinderten innere Spannungen lange Zeit die Christianisierung. So behauptete sich besonders im nördlichen Svealand (mit Kultzentrum in Uppsala) lange das Heidentum (obwohl die in Birka von Ansgar gegründete Kirche [vgl. § 7; 7.4] erhalten blieb), während im südlicheren Götaland das Christentum im 11. Jh. zunehmend verbreitet wurde. In den dänischen Provinzen an der südlichen Küste (Schonen, Blekinge und Halland) hatte sich zudem die Mission vom Bistum Lund aus durchsetzen können. Olaf (ca. 995-1022; mit dem Beinamen Schoßkönig) ermöglichte ausländischen Missionaren (wie dem englischen Wanderbischof Sigfrid, der später als Nationalheiliger verehrt wurde) ihre Tätigkeit. Erst im 12. Jh. wurden neue Bistümer in Linköping, Västeras, Strängnäs und Sigtuna gegründet. König Sverker (ca. 1130-1156) förderte die in der Missionsarbeit besonders aktiven Zisterzienser durch Klostergründungen. Sein Gegenspieler Erik IX. (König 1156-1160; der Heilige) soll ebenfalls die Christianisierung (auch in Finnland) vorangetrieben haben; die Legende hat ihn zum Schutzpatron der schwedischen Kirche stilisiert. König Karl Sverkersson nutzte die politische Schwäche Dänemarks, die Vertreibung des Erzbischofs Eskil aus Lund (eines Anhängers der 11. Die Christianisierung in Skandinavien

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Bistümer

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Uppsala

Finnland

gregorianischen Neuausrichtung des Papsttums; gest. 1181) und das Papstschisma nach 1159 (s. § 9; 7.1.3) aus, um 1164 von Alexander III. die päpstliche Genehmigung für ein Erzbistum in Uppsala zu bekommen. Seit dem 13. Jh. festigten sich die kirchlichen Strukturen zusehends (u.a. durch die Tätigkeit der Franziskaner und Dominikaner; zum Birgittenorden s. § 6; 12.4.3). Von Schweden aus wurde das Christentum (teilweise gewaltsam) auch nach Finnland getragen, wo es zum Teil auf russisch-orthodoxen Einfluss traf. Erik IX. unterwarf um 1155 südwestliche Teile Finnlands, ohne eine umfassende Christianisierung erreichen zu können. Henrik, Erzbischof von Uppsala, errichtete in Nousiainen ein Bistum (im 13. Jh. nach Turku/Åbo verlegt), wurde um 1160 von Heiden getötet und als Märtyrer verehrt. Weitere als Kreuzzüge stilisierte militärische Feldzüge sicherten ca. 1249 und 1294 die schwedisch-christliche Herrschaft im Westen Finnlands, während Karelien unter russisch-orthodoxem Einfluss blieb. Heidentum hielt sich bis ins Spätmittelalter. 11.5 Literatur Lektüretipp: M. Kaufhold: Europas Norden im Mittelalter. Die Integration Skandinaviens in das christliche Europa (9.-13. Jh.), 2001. Literatur: R.A. Brown: Die Normannen, 1991. – K.-U. Jäschke: Die Anglonormannen, 1981. – R. Simek, Die Wikinger, 1998. – B. Sawyer u.a. (Hg.): The Christianization of Scandinavia, 1987. – B. and P. Sawyer: Medieval Scandinavia, 1993. – L.E. von Padberg: Der Abschluss der Missionsphase in Skandinavien durch die Errichtung der Kirchenprovinzen im späten 11. Jahrhundert, in: J. Jarnut/M. Wemhoff (Hg.): Vom Umbruch zur Erneuerung?, 2006, 469-485.

 § 8; 6.3-6.4

12. Deutsche Ostkolonisation und »Schwertmission« (12./13. Jh.) Wenden

Kolonisation

Das seit der Ottonenzeit gesteckte Ziel, die nordöstlich der Reichsgrenze gelegenen Gebiete der Wenden (Elb- und Ostseeslawen) zu annektieren und zu christianisieren, konnte auch im 11. Jh. nicht erreicht werden (nur für die Sorben gelang es). Im 12. Jh. änderte sich die Situation grundlegend, weil nun eine Kolonistenbewegung sukzessive vom bevölkerungsreicheren Westen in den dünn besiedelten Osten vordrang, diesen durch Rodung und Urbarmachung erschloss und dabei die Christianisierung förderte. Die politische Führung lag bei deutschen Fürsten, die kirchliche Trägerschaft im Wesentlichen bei Mönchen (v.a. Zisterziensern, Prämonstratensern) und Ritterorden. Bis zum 14./15. Jh. wurden dadurch erhebliche Gebiete dem Reich einverleibt: Schlesien, Lausitz, Brandenburg, Mecklenburg, Pommern, West- und Ostpreußen. Nicht der gesamte Vorgang war eine »Schwertmission«, doch zeigt die Anwendung der Kreuzzugsidee für die Eroberungszüge, wie wichtig die Gewaltanwendung für die Unterdrückung des Heidentums war.

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12.1 Ausdehnung der Reichskirche nach Osten Die verschiedenen Ansätze der Mission unter den Wendenstämmen, so insbesondere die Aktivitäten von Erzbischof Adalbert von Hamburg-Bremen (vgl. § 7; 11.2; 11.4) gingen im großen Wendenaufstand 1066 unter. Neue Impulse gab die Ostpolitik Kaiser Lothars III. nach 1134, die die anhebende Siedlungswelle unterstütze. 1147 führten sächsische Fürsten und Bischöfe – unterstützt durch Bernhard von Clairvaux und Papst Eugen III. – einen Wendenkreuzzug. Dieser angeblich der Mission dienende Feldzug war nur z.T. erfolgreich und belastete die künftige Missionsarbeit. Allerdings konnten in der Folgezeit in Holstein, Mecklenburg und Brandenburg Bistümer aufgebaut werden. In Pommern entstanden erste kirchliche Ansätze v.a. durch die Missionsarbeit Bischof Ottos von Bamberg seit 1124. Doch setzte sich auch hier die umfassende Christianisierung erst im Zusammenhang der deutschen Kolonisation bis ca. 1300 durch. Eine entscheidende Rolle spielte dabei das Wachstum von Städten und die kulturelle Assimilation der Wenden an die deutschen Bevölkerungsanteile, die mittlerweile über mehrere Jahrhunderte hier siedelten. 12.1.1 Scheitern der Christianisierungsversuche bis 1066. Die Missionsversuche unter den verschiedenen Wendenstämmen blieben im 10./11. Jh. weitgehend erfolglos. Bei den an der Ostseeküste siedelnden Abodriten waren zwar verschiedene Fürsten Christen geworden, um Kontakte zu den deutschen Königen aufzubauen, doch beendete der große Slawenaufstand 983, der von den benachbarten Liutizen begonnen worden war, auch die christlichen Ansätze bei den Abodriten und den nördlich der Havel siedelnden Hevellern. Ab 1043 war der in England erzogene Abodritenfürst Gottschalck in Kooperation mit Adalbert von Bremen-Hamburg an einer Christianisierung interessiert. Um 1060 errichtete Adalbert das Bistum Oldenburg/Holstein wieder (s. § 7; 10.2.2) und die Bistümer in Ratzeburg und Mecklenburg neu. Die Entmachtung Adalberts durch den volljährig gewordenen König Heinrich IV. 1066 gab den antichristlichen Kräften Auftrieb, die im Wendenaufstand 1066 die Ansätze der Christianisierung weitgehend vernichteten.

12.1.2 Der Wendenkreuzzug 1147. Erst im 12. Jh. kam es zu neuen Maßnahmen, die nun militärisch durchgesetzt wurden. Der Sachsenherzog Lothar von Supplingenburg (König/Kaiser 1125-1137) baute das System der Marken (militärisch beeinflusste Puffergebiete ohne Einbindung in das Reich) in Holstein und Mecklenburg aus. Im Schutz seiner Burgen kamen Missionare ins Land, z.B. der Augustinerchorherr Vicelin (später Bischof von Oldenburg/ Holstein, gest. 1154). 1134 erhielt der Askanier Albrecht der Bär (ca. 11001170) die sächsische Nordmark, die er östlich ins Hevellerland ausdehnte. Dort wurde Brandenburg Bistum und Residenz (seitdem Markgrafschaft Brandenburg). Havelberg erhielt mit dem königlichen Berater Anselm 11291155 einen neuen Bischof. Albrechts Rivale, der bedeutende Sachsenherzog und Welfe Heinrich der Löwe (ca. 1129/1130-1195), ging ab 1142 militärisch gegen Abodriten und Liuitzen vor, um seinen Machtbereich auszudehnen. 12. Deutsche Ostkolonisation und »Schwertmission« (12./13. Jh.)

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Wendenaufstand 1066

Abodriten

Albrecht der Bär Brandenburg

Heinrich der Löwe

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Schwerin

Ratzeburg, Lübeck, Schwerin

Otto von Bamberg

Norbert von Xanten

Breslau

Ihr Vorgehen koordinierten beide 1147 in dem sog. Wendenkreuzzug, zwei Heereszügen ins Liutizen- und Abodritenland, die vom Papst als Kreuzzug ausgezeichnet wurden. Diese Heereszüge zielten nicht so sehr auf die Taufe (denn damit wäre die Tributpflicht für die Wenden hinfällig geworden, die deren Heidentum voraussetzte), sondern auf Unterwerfung und dauerhafte militärische Kontrolle. Der bekehrte, unterworfene Abodritenfürst Pribislaw wurde als Graf von Schwerin integriert (Stammvater der späteren Herzöge von Mecklenburg). Nach 1147 verstärkten Heinrich und Albrecht die Anwerbung von Siedlern aus Flandern, Friesland, Westfalen u.a., um die neuen Gebiete landwirtschaftlich zu erschließen. 1154 erhielt Heinrich der Löwe von Kaiser Friedrich I. das Recht, Bistümer zu errichten und Bischöfe einzusetzen. So entstanden die Bistümer von Ratzeburg, Lübeck (statt Oldenburg/ Holstein) und Schwerin (statt Mecklenburg). Prämonstratenser und Zisterzienser förderten die zivilisatorische Erschließung und Christianisierung durch neue Klöster. 12.1.3 Pommern. Die an der Odermündung bis zur Weichsel siedelnden Pomoranen widersetzten sich den verschiedenen Missionsbemühungen aus Polen und Deutschland im 10./11. Jh. Erst politischer Einfluss öffnete dem Christentum im 12. Jh. den Weg. In Absprache mit dem Polenherzog Bleslaw 1124/1125 wurde besonders Otto von Bamberg (ca. 1060-1139) aktiv und baute Missionsstützpunkte zwischen Wolgast und Kolberg auf. Nach einer heidnischen Reaktion begründete er seit 1128 eine Kirchenstruktur (1140 Errichtung des Bistums Kammin). Pommern wurde an das deutsche Reich angebunden (seit 1181 galten dessen Herzöge als Reichsfürsten). Doch trotz Zerstörung der Heiligtümer Arkona/Rügen und Rethra hielt sich das Heidentum bis weit ins 13. Jh. und wurde erst durch die langfristigen Wirkungen der Kolonisation verdrängt, die im Wesentlichen von Prämonstratensern und Zisterziensern getragen wurde. 12.1.4 Brandenburg und mittleres Odergebiet. Die Askanier seit Albrecht dem Bären und die Erzbischöfe von Magdeburg förderten nach 1147 die Mission. Städte wurden dabei zu Schwerpunkten neuer und christlich geprägter Kultur, an die sich das Umland nach und nach assimilierte. Daneben spielten auch hier Klöster eine bedeutende Rolle. Hier ragte Norbert von Xanten (vgl. § 6; 10.3.2) heraus, der als Erzbischof von Magdeburg (1126-1134) die Mission in den Slawengebieten förderte. Der einflussreiche Erzbischof Wichmann von Magdeburg (1152/1154-1192) setzte dies fort. Im mittleren Odergebiet erfolgten Missionsbemühungen von dem 1124/1125 gegründeten Bistum Lebus aus, das seit dem 13. Jh. zur Mark Brandenburg gehörte. In der südlich angrenzenden Markgrafschaft Meißen (vgl. § 7; 10.1.1; 10.2.2), der Keimzelle des wettinischen Sachsen, brachte die Kolonisation im 12. Jh. entscheidende Impulse der Christianisierung. Die slawischen Sorben in der Oberlausitz spielten dabei eine Sonderrolle, denn sie hatten sich schon früh dem Christentum geöffnet, behielten aber bei aller sonstiger Assimilation ihre eigene Sprache auch im kirchlichen Leben bei. 12.1.5 Schlesien. Die Christianisierung Schlesiens (v.a. vom Bistum Breslau aus; vgl. § 7; 10.4.1) im 11. und frühen 12. Jh. entwickelte sich nur zögerlich. Durch eine gewisse Verselbständigung seit 1163 wurde das Herzogtum zu einer wichtigen Kulturbrücke zwischen West- und Osteuropa (Teilung in Nieder- und Oberschlesien, nach 1250 in verschiedene Fürstentümer, seit 1348 unter der Oberhoheit Böhmens und so indirekt 590

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mit dem deutschen Reich verbunden). Der Ansturm der Mongolen/Tataren auf Ungarn und Polen mit deren Sieg in Liegnitz 1241 über ein Heer der Schlesier, Polen und Ordensritter verwüstete das Land, hatte aber keine langfristigen Folgen. Danach wurden zum Wiederaufbau Siedler aus dem Westen geholt, deren Zustrom erst eine intensivere Christianisierung mit sich brachte.

Mongolen

12.2 Christianisierung Preußens und des Baltikums In Preußen und im Baltikum fasste das Christentum erst im 13. Jh. Fuß, größtenteils aufgrund militärischer Maßnahmen, z.T. als Kreuzzüge ausgegeben, von Deutschland und Polen her. Einflüsse aus Dänemark und Russ­ land kamen hinzu. Seit 1231 etablierte in Preußen besonders der Deutsche Orden eine eigene Herrschaft, der die deutsche Besiedlung im 14. Jh. beförderte. In Litauen kam es erst 1386 aus politischen Gründen zu einer Bekehrung und Verbindung mit Polen. Reste von heidnischer Religiosität und Brauchtum hielten sich in Preußen wie im Baltikum teilweise bis in die frühe Neuzeit. 12.2.1 Christianisierung in Estland und Lettland. Neben Handelsbeziehungen wurde das Christentum in Estland v.a. durch dänische Missionare bekannt (Gründung des Bistums Reval 1219/1228 als Suffragan von Lund). Erste Kirchen in Livland errichteten seit ca. 1180 deutsche Kaufleute und Missionare (z.B. der Augustinerchorherr Meinhard, 1186 Livland-Bischof in Üxküll; gest. 1196). Systematische Mission betrieb in Kooperation mit dem Erzbistum Hamburg-Bremen Bischof Albert von Buxhoeveden (gest. 1229). Er gründete 1201 Riga und missionierte seit 1202 mit dem Schwertbrüderorden sowie deutschen Kreuzfahrern die heidnischen Letten, Liven, Kuren und Esten gewaltsam. Livland wurde seit 1207/1224 grundsätzlich mit dem deutschen Reich verbunden, Riga seit 1254/1255 ein mächtig aufstrebendes Erzbistum mit Suffraganbistümern bis nach Preußen.

12.2.2 Der Deutsche Orden in Preußen. Frühe Missionsversuche Adalberts von Prag 997 und Bruns von Querfurt 1109 unter den Prußen blieben erfolglos. Versuche der Polenfürsten im 11./12. Jh., ihren Machtbereich nach Norden hin auszudehnen, wurden abgewehrt. Die Zisterzienser gründeten in Lekno um 1200 einen Missionsstützpunkt (mit dem Missionsbischof Christian 1216), ihnen folgten Kreuzfahrer. Der in Ungarn tätige Deutsche Orden (vgl. § 9; 9.3) verlegte seine Herrschaft ab 1225/1226 nach Preußen, unterstützt durch den polnischen Herzog Konrad von Masowien. Dessen Hochmeister Hermann von Salza (gest. 1239) sicherte die Rechtsbasis der künftigen Herrschaft durch ein kaiserliches Privileg Friedrichs II. 1226, einen Vertrag mit dem polnischen Herzog Konrad 1230 und eine päpstliche Schutzurkunde Gregors IX. 1234. Die Eroberung des Kulmer Landes bis ca. 1238 und des gesamten Prußengebietes bis ca. 1285 begründete eine auf Burgen gegründete Herrschaft, der die kolonisatorische Erschließung durch deutsche Städte und Dörfer folgte. Die dezimierten Prußen wurden nicht ausgerottet, aber meist als Unfreie unterdrückt, sie assimilierten sich z.T., 12. Deutsche Ostkolonisation und »Schwertmission« (12./13. Jh.)

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Riga

Hermann von Salza

Kulmer Land

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Marienburg Tannenberg Königsberg

behielten aber ihre Sprache (bis ins 16./17. Jh.). Nach 1237 kooperierte der Deutsche Orden mit dem Schwertbrüderorden und errang dadurch weitere Gebiete in Livland. Die der Zwangstaufe folgende Christianisierung leis­ teten im Wesentlichen Dominikaner, z.T. auch Franziskaner seit ca. 1238. Die Pfarrkirchen wurden meist Priesterbrüdern des Deutschen Ordens übertragen. 1243 errichtete Innozenz IV. vier preußische Bistümer, die 1255 dem Erzbistum Riga unterstellt wurden: Kulm, Pomesanien, Ermland und Samland. Diese Kirchenstruktur stand in Konkurrenz zu den Machtansprüchen des Hochmeisters, der als deutscher Reichsfürst galt und seit 1309 in Marienburg residierte, dem imposanten Symbol der Ordensherrschaft. Diese inneren Konflikte und die Kämpfe gegen Polen (mit der vernichtenden Niederlage bei Tannenberg 1410) führten im 2. Thorner Frieden 1455 zum Verlust von Pommerellen, Kulmer Land, Ermland u.a. (Reduktion des Ordensgebiets auf Ostpreußen mit Residenz Königsberg).

12.3 Christianisierung in Litauen

Jagiello

Aufgrund intensiver Kreuzzugspropaganda zogen im 14. Jh. ständig neue Ritter aus Deutschland und Westeuropa mit dem Orden gegen die nach wie vor heidnischen Litauer, ohne jedoch mit ihrer verheerenden Kriegsführung die Christianisierung erreichen zu können. Ein Ansatz zu friedlicher Christianisierung mit Errichtung eines Bistums und Taufe des Königs scheiterte. Die Litauer befanden sich zwischen dem Einfluss des östlichen Christentums (aus Russland) und dem lateinischen Christentum (aus Polen und dem Gebiet des Deutschen Ordens). Großfürst Jogaila/Jagiello konvertierte 1386 zum Christentum und heiratete die polnische Kronerbin Jadwiga/Hedwig, um König des in Personalunion vereinten Reiches Polen-Litauen zu werden. Dieses – innerlich freilich instabile – Reich drängte die Herrschaft der Deutschen, besonders des Deutschen Ordens, zurück und spielte bis in die Neuzeit eine wichtige politische Rolle. Trotz des polnischen Einflusses und formeller Christianisierung (Bistum in Wilna seit 1387) blieb das Heidentum z.T. noch bis ins 16. Jh. lebendig. 12.4 Literatur Lektüretipp: J. Sarnowsky: Der Deutsche Orden, 2007, 31-42.64-69.89-98. Quellen: K. Scholz/D. Wojtecki (Hg.): Peter von Dusburg, Chronik des Preußenlandes, 1984. – H. Helbig/L. Weinrich (Hg.): Urkunden und erzählende Quellen zur deutschen Ostsiedlung im Mittelalter, 2 Bde., 1968.1970. – A. Bauer (Hg.): Heinrich von Lettland, Livländische Chronik, 1959. Literatur: H. Beumann (Hg.): Heidenmission und Kreuzzugsgedanke in der deutschen Ostpolitik des Mittelalters, 1963. – H. Boockmann: Der Deutsche Orden, 4. A. 1994. – Ders.: Ostpreußen und Westpreußen, 1992, 75-221. – D. Kurze: Das Mittelalter. Anfänge und Ausbau der christlichen Kirche in der Mark Brandenburg (bis 1535), in: G. Heinrich (Hg.): Tausend Jahre Kirche in Berlin-Brandenburg, 1999, 15-146. – J. Petersohn: Der südliche Ostseeraum im kirchlich-politischen Kräftespiel des Reichs, Polens und Dänemarks vom 10. bis 13. Jahrhundert, 1979.

 § 10; 1.-8.2

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§ 7 Die Christianisierung Europas

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§

§8

§ 8 Papsttum im Mittelalter Bedeutung des Themas

Das Papsttum besteht als einzige Institution kontinuierlich seit der Spätantike bis in die Gegenwart. Im römischen Katholizismus spielt dieses Amt bis heute eine besonders große Rolle: Nach der Lehre des neuzeitlichen römischen Katholizismus, der immerhin den zahlenmäßig größten Teil der heutigen Christenheit stellt, gehört das Papstamt zum Wesen der Kirche, weil es als Petrusamt Ausdruck und Garant von deren Einheit ist. Dementsprechend sei es durch seine autoritativen Festlegungen nicht nur für Recht und Dogma in der Gesamtkirche wichtig, sondern auch für viele Einzelheiten des kirchlichen Lebens. Obwohl die übrigen Kirchen der östlichen wie der westlichen Tradition den Anspruch dieses Amtes ablehnen, muss das Papsttum in unterschiedlicher Weise auch als Teil deren Geschichte angesehen werden. Denn einerseits gehört das Papsttum, zumindest für Protestantismus und Anglikanismus, zur eigenen Geschichte, andererseits spielt es auch für die konfessionelle Abgrenzung eine beträchtliche Rolle. Der Zusammenhang von Anspruch und Realität lässt sich an kaum einem kirchengeschichtlichen Thema so gut zeigen wie am Papsttum: Eine allmählich sich ausprägende Lehre hat in verschiedenen historischen Schüben eine ihr entsprechende Wirklichkeit gestaltet, wobei bestimmte geschichtliche Situationen die Verwirklichung des mit dem Amt verbundenen Anspruchs begünstigt haben. Gerade aus heutiger Sicht muss betont werden, dass die Sonderstellung des Papstes in der westlichen Christenheit viele Jahrhunderte lang innerkirchlich nicht allgemein anerkannt wurde. Das Papsttum und seine konkrete Stellung mit ihren Vollmachten bleiben bis in die Gegenwart immer wieder umstritten. Am Anfang der Entwicklung (im 2.-5. Jh.) steht der Anspruch des römischen Bischofs auf eine besondere Würdestellung innerhalb der gesamten Christenheit, zunächst insbesondere eine christianisierte Form der spätantiken Romideologie, die Rom eine – teilweise auch religiös begründete – grundsätzliche Vormachtstellung über die Welt zuschreibt (Roma caput orbis/Rom als Hauptstadt der Welt). Dieser Anspruch wird zunehmend historisch-dogmatisch begründet mit der Amtssukzession des »Apostelfürsten« Petrus, der von Christus besondere Vollmachten erhalten habe. Zusätzlich zu dieser Petrinologie beanspruchten die Päpste seit dem 4./5. Jh., Appellationsinstanz für kirchliche Konfliktfälle mindestens im Westen des Reiches zu sein, auch wenn dieser Anspruch von den anderen Bischöfen oft nicht anerkannt wurde. Im Zweifel konnte ein Papst auch eine bloße briefliche Bitte um eine (theologische) Meinung entsprechend umdeuten. § 8 Papsttum im Mittelalter

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Mit zunehmender Romorientierung der in Mitteleuropa neu entstehenden Kirchen gewann dieser Anspruch mehr und mehr an tatsächlicher Bedeutung. Theorien, Fiktionen und z.T. gefälschte Urkunden bauten Rechtsansprüche auf, welche die Päpste meist erst in späterer Zeit unter Ausnutzung der richtigen politischen und kirchlichen Gelegenheiten in die Wirklichkeit umsetzen konnten. Der Papst gewann schließlich als oberste kirchenrechtliche Instanz eine umfassende Hoheit und damit größeren Einfluss auf das kirchliche, aber teilweise auch auf das weltliche Leben. Seit dem 11./12. Jh. ist der Papst faktisch der Leiter der westlichen Kirchen. Die Trennung von Ost- und Westkirche bzw. Rom und Byzanz hängt mit dieser Entwicklung zur Papstkirche zusammen. Zwischenzeitlich erfährt das Papsttum eine Schwächung im 14./15. Jh. durch Spaltungen unter den Kardinälen und Eingriffe weltlicher Herrscher, welche zum sogenannten großen abendländischen Schisma führten. Unter dem Eindruck der dadurch entstandenen chaotischen Verhältnisse wurde die Forderung nach einer reformatio in capite et membris (Erneuerung an Haupt und Gliedern) laut, die zu einem Kräftemessen zwischen zwei Gruppen führte: Die Papalisten standen für ein starkes Papstamt ein, während die Konziliaristen eine Relativierung päpstlicher Macht durch starke Konzilien forderten. Dieser Konflikt wurde recht bald zugunsten des Papalismus entschieden, sodass damit die Position des Papsttums langfristig gestärkt wurde. Eine besondere Rolle in der Geschichte des Papsttums spielt das Verhältnis zum westlichen Kaisertum. Nachdem das Papsttum durch das Bündnis mit den Karolingern zunächst in seinen Ansprüchen gestärkt wurde, entstand mit steigendem Machtanspruch im Laufe des Mittelalters eine scharfe Konkurrenz zum Kaisertum, die sich in teilweise jahrzehntelangen Konflikten mit Gegenkaisern und Gegenpäpsten hinzog. Zwischen geistlicher und weltlicher Macht ließ sich keine klare Trennung finden (vgl. § 9).

Wichtige Themen

(Lernkontrolle: Können folgende Fragen beantwortet werden?) • Was ist Papsttum? Welche wesentlichen Merkmale zeichnen es aus? • Wie entwickelte sich die Primatsidee in der alten Kirche? Wie verhielten sich Anspruch und Wirklichkeit zueinander? • Welche Rolle spielten Fiktionen und Rechtsansprüche für die Entstehung und Wandlung des Papstamtes? • In welchem Verhältnis stand Rom zu den übrigen Kirchen, Bistümern, Patriarchaten im 2.-7. Jh.? • Wie und gegen welche Widerstände gelang der Ausbau der Vorrangstellung des Papstes im Westen seit dem 5./6. Jh.? 594

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§ 8 Papsttum im Mittelalter

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• Welche besondere Stellung nahm das Papsttum seit dem 8./9. Jh. gegenüber den neu christianisierten Gebieten ein? • Inwiefern erfuhr es eine Aufwertung durch das Kirchenrecht und die Verbreitung einer Petrusfrömmigkeit? • Welche Konflikte entstanden zwischen Rom und Konstantinopel seit dem 4. Jh.? Welche politischen und theologischen Differenzen führten zur Entfremdung von Ost- und Westkirche im 8.-11. Jh.? • Welche Ziele verfolgte der päpstliche Zentralismus im 11./12. Jh.? Welche Neuerungen wurden im 11./12. Jh. Jh. eingeführt? • Wie entstand das patrimonium Petri? Welche Rolle spielte die Italienpolitik für das Papsttum? • Welche Umstände führten zu einer Politisierung und Verweltlichung des Papsttums? • Wie kam das Papsttum nach Avignon? Wie entwickelte es sich dort? Was ist päpstlicher Fiskalismus? Welche Einnahmequellen hatte das Papsttum? Wie entstand das ausgefeilte Ablasswesen? Welche Vorstellungen standen dahinter, wie wurde es begründet? • Wie kam es zum großen abendländischen Schisma? Inwiefern wurde die Papstherrschaft im 14./15. Jh. eingeschränkt? Welche Rolle spielten dabei weltliche Herrscher? • Wie entstand das Hussitentum? Welche anderen »Ketzerbewegungen« gab es noch? Welche Maßnahmen wurden gegen diese Bewegungen ergriffen? Was ist Inquisition? • Was versteht man unter Konziliarismus und Papalismus? Welchen Verlauf nahm der Konflikt zwischen beiden Richtungen mit welchen Ergebnissen?

Wichtige Ereignisse, Sachverhalte, Personen I. Umstrittener Primatsanspruch 2./3. Jh.

Ehrenvorrang Roms (Doppelapostolat und Romidee)

4. Jh.

Kanzleistil und Selbstrepräsentation als Appellationsinstanz (Damasus, Innozenz I.)

440-461

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Leo I.: Papst als juristischer Petrusnachfolger, Führungsanspruch in Italien und der Westkirche, Eingreifen im Christologischen Streit 595

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5./6. Jh.

Rom als Patriarchat des Westens (484-519: Acacianisches Schisma)

590-604

Gregor I.: servus servorum, päpstlicher Führungsanspruch in Italien (Süditalien/Sizilien), Reorganisation des Patrimonium Petri II. Wachsende Führungsrolle und neuer Führungsanspruch (8.-11. Jh.)

seit 754

Bindung an das Frankenreich (Königssalbung) sog. Pippinsche Schenkung (Einbindung in die Italienpolitik) Fälschung: Constitutum Constantini

9./10. Jh.

Römische Adelsparteien dominieren Papsttum Ausnahme: Nikolaus I. (Photianisches Schisma 867-880)

1046

Synode von Sutri (Heinrich III.)

ab 1050

Neuerungsbewegung: libertas ecclesiae (gegen Laieninvestitur, gegen Simonie und für Zölibat) Leo IX.: Aufbau eines päpstlichen Zentralismus; Kurie und Kardinalskollegium 1059 Papstwahldekret

1054

weitere gegenseitige Verwerfung zwischen Ost und West (Humbert – Michael Kerrularios)

1073-1085

Gregor VII. Dictatus Papae, Konflikt mit Heinrich IV. und Streit um die Investitur III. Herrschaft durch das Recht: Die Papstkirche des Hohen und Späten Mittelalters

1095

596

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Kreuzzugsaufruf Konflikt mit Staufern (1159-1170 mit Friedrich I. Barbarossa und 1227-1250 mit Friedrich II.)

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1198-1216

Innozenz III.: Stellvertreter Christi 1215: 4. Laterankonzil, Jurisdiktionsprimat

ab 1231/1232

Inquisition und Zusammenwirken mit der weltlichen Obrigkeit bei der Ketzerverfolgung

1302

Bonifatius VIII. Unam sanctam (Konflikt mit Philipp IV. von Frankreich)

1309-1377

Papsttum in Avignon Abhängigkeit von Frankreich, Aufbau des päpstlichen Fiskalismus (Reservationen, Annaten etc.; Ablässe)

1378-1417

sog. großes abendländisches Schisma (Avignon – Rom: 2 Obödienzen) 1409: Konzil von Pisa (Avignon – Rom – Pisa: 3 Obödienzen)

ab 1377

Kirchenkritik in England: John Wyclif

ab 1407

Kirchenkritik in Prag: Jan Hus (1415 verbrannt); Hussitenkriege

1414-1418

Konzil von Konstanz (1415: Haec sancta – Konziliarismus)

1431-1449

Konzil von Basel (eigene Rechtsprechung, Reformdekrete) päpstliches Konzil in Ferrara-Florenz (Union mit Byzanz 1439)

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Verona

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Dukat von Rom 756 „Pippinsche Schenkung“ Ansprüche, die ins 8. Jh. datiert werden

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Mathildische Güter Dukat von Rom (mit Sabina u. Campagna) Radicofani Hzm. Spoleto Mark Ancona Pentapolis Romagna

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Abb. 21b Patrimonium Petri im 13. Jh.

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Abb. 21a Patrimonium Petri im 8. Jh.

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§ 8 Papsttum im Mittelalter

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1. Romidee und Petrusamt in der Frühzeit Die Frühgeschichte des Papsttums besteht v.a. in der Entwicklung einer Petrusverehrung und der daraus abgeleiteten Sonderstellung der Gemeinde von Rom, die ab der zweiten Hälfte des 2. Jh.s durch einen Bischof geleitet wurde (zur Entstehung des Monepiskopats vgl. § 2; 11.2). Erst nach und nach wurde aus dieser besonderen Ehrenstellung des Bischofs von Rom der Anspruch abgeleitet, als Appellationsinstanz auch außerhalb der eigenen Diözese und außerhalb Italiens eingreifen zu können. Dieser Anspruch wurde ab dem 4. Jh. in die Form juristischer Setzungen gekleidet. Erst ab dieser Zeit kann man im eigentlichen Sinne vom Papstamt sprechen. Der damit errichtete Anspruch war weder in der West- noch in der Ostkirche unumstritten. Im Osten erhoben die Patriarchate von Antiochia, Alexandria, dann auch Konstantinopel und – aufgrund der besonderen Würde als Stätte des Todes und der Auferstehung Jesu – Jerusalem eigene Führungsansprüche, im Westen wurde der römische Anspruch insbesondere in Nordafrika und Karthago nicht anerkannt. In Gallien entwickelte sich im 5. Jh. mit Arles ebenfalls ein konkurrierendes Metropolitanbischofsamt. Das Bemühen der römischen Bischöfe war daher, neben der Legitimation durch die Märtyrer Petrus und Paulus juristische Formen zu entwickeln, die den Anschein einer objektiven Geltung des Machtanspruchs erweckten. Zugleich griff man auf die Romidee und eine bestimmte Deutung einschlägiger Bibelstellen zurück, um die Bedeutung des Bischofs von Rom zu untermauern. Die politische Unabhängigkeit des römischen Bischofs wurde dadurch gestärkt, dass die Westkaiser seit 337 in Mailand, seit 402 in Ravenna als residierten.

Ehrenvorrang

juristische Formen

1.1 Petrus und Paulus Die römische Gemeinde genoss schon früh – wie Paulus und Ignatius bezeugen – herausragendes Ansehen. Dafür waren zwei Faktoren wesentlich: a) Rom war die Hauptstadt des Imperiums und galt insofern als caput mundi (Haupt der Welt), b) Rom hatte mit Petrus und Paulus gleich zwei wichtige Märtyrer aufzuweisen. Dieser Doppelapostolat bedeutete eine besondere Würde der Gemeinde und verhieß besonderen Geistbesitz, der sich auch durch Verfolgungen im 3. und 4. Jh. zu bestätigen schien. Dass Paulus und Petrus tatsächlich in Rom starben, ist nicht zweifelsfrei belegbar, aber doch nicht ganz unwahrscheinlich (vgl. die Apg einerseits, 1. Clemensbrief 5,4; 6,1f. andererseits). Um 200 zeigte man bereits Erinnerungsorte für beide Apostel, und zwar zum einen einen Ort der Petruserinnerung in einer Nekropole bei dem neronischen Zirkus, dem Vatikan, zum anderen eine (eventuell nur vorübergehend genutzte) Verehrungsstätte an der Via Appia (heute bei San Sebastiano). Die Paulusverehrung fand erst später (wohl im späten 3. oder frühen 4. Jh.) ihren endgültigen Ort südwestlich der Stadt (unter der heutigen Kirche San Paolo fuori le mura). Ausgrabungen unter 1. Romidee und Petrusamt in der Frühzeit

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Doppelapostolat

Vatikan

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Petrusgrab

Bischofsliste

apostolische Sukzession

dem Petersdom haben eine Grabanlage zutage gefördert, die mit der bei Euseb erwähnten Gedenkstätte identisch sein könnte (vgl. Euseb, Historia ecclesiastica/Kirchengeschichte 2,25,7). Schlampereien während der ersten Ausgrabungen machen aber eine genaue Zuordnung der Knochenfunde nicht einwandfrei möglich, Nachgrabungen haben diesen Befund nicht wesentlich ändern können. Archäologisch lässt sich ein im 1. Jh. errichtetes Petrusgrab also nicht nachweisen, doch lässt sich archäologisch erhärten, dass in dem betreffenden Bereich tatsächlich schon früh (ab dem 2. Jh.?) ein Erinnerungsort an Petrus existiert hat (in welcher genaueren Zuordnung zu einem Begräbnisort auch immer). Damit wurde jedoch ein Märtyrer verehrt, nicht der Inhaber eines monarchischen Bischofsstuhls. Noch Mitte des 2. Jh.s wurde Rom wohl von einem Kollegium von Presbytern und Bischöfen (weitgehend deckungsgleich) geleitet. Erst mit Soter (ca. 166-174) (oder bestenfalls seinem Vorgänger Anicetus) setzt sich auch in Rom der Monepiskopat durch. Die bei Irenäus nach 175 belegte Bischofsliste von 12 Bischöfen für Rom, beginnend mit Petrus (Adversus haereses/Gegen die Häresien 3,3,3), war eine relativ junge Konstruktion, welche die Treue dieses wichtigen Bischofssitzes zur apostolischen Überlieferung belegen sollte. Diese Methodik, die inhaltliche Übereinstimmung mit dem apostolischen Zeugnis durch eine ununterbrochene Kette von treuen Zeugen und Amtsinhabern auszudrücken, wird als successio apostolica (kontinuierliche Nachfolge zu den Aposteln) bezeichnet. Eine Primatsvorstellung war damit zunächst nicht verbunden. Historisch war sie im Hinblick auf das Bischofsamt im 1. Jh. eine Fiktion.

1.2 Rom in kirchlichen Konflikten im 3. Jh.

Cyprian, De unitate

Die besondere Ehrenstellung Roms und damit verbundene Ansprüche, in kirchlichen Streitfällen schlichtend oder entscheidend tätig sein zu können, führten schon im 3. Jh. zu Konflikten und zeigen, wie wenig etabliert der entsprechende Anspruch war. Im Konflikt um den Ostertermin konnte sich Viktor von Rom nicht durchsetzen (s. § 2; 15.3.1); der Anspruch des Callixtus im Konflikt mit der nordafrikanischen Kirche wurde von letzterer ebenso deutlich zurückgewiesen wie der des Stephan von Rom (s. § 2; 12.6.2; 13.5.3). Eventuell zeigen sich die Spuren dieser Debatten in Cyprians Schrift De unitate ecclesiae catholicae (Über die Einheit der katholischen Kirche; vgl. § 2; 11.4; 13.5.1). Von den zwei Textfassungen spricht die eine deutlich von einem primatus (Stellung als erster, auch als zeitlicher Vorrang) und der cathedra (dem Stuhl) Petri, eine andere bezieht Mt 16,18f. nur auf das Bischofsamt allgemein, betont also die Bedeutung des kollegialen Bischofsamtes. Welche Fassung die ursprünglichere ist, ist umstritten. Da die Schrift im Zusammenhang des Streits um die Kompetenzen des Bischofsamtes geschrieben ist, könnte die Primatsfassung durchaus ursprünglich sein, aber gar nicht auf einen Vorrang des römischen Bischofs zielen. Cyprian hätte dann – in den Auseinandersetzungen mit Stephan von Rom – diese Fassung deutlich entschärft. Eine andere Hypothese hält die Primatsfassung schlicht für eine spätere Eintragung, die den römischen Führungsanspruch auf den hochgeschätzten Märtyrer Cyprian zurückführen möchte. 600

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§ 8 Papsttum im Mittelalter

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1.3 Rom als Appellationsinstanz im 4. Jh. Im 4. Jh. wurde von römischen Bischöfen zunehmend der Anspruch erhoben, als Schiedsinstanz für Streitigkeiten in anderen Kirchen zuständig zu sein. Als ein wichtiges Indiz mochte die Entscheidung Konstantins gegolten haben, den Bischof von Rom Miltiades mit der Untersuchung des Donatistischen Schismas zu beauftragen (vgl. § 2; 16.3; § 3; 11.5.1). Julius von Rom erhob um 340 sogar den Anspruch, als Appellationsinstanz gegen im Osten gefällte Synodalurteile eingreifen zu können, indem er die Verurteilungen von Markell von Ankyra und Athanasius von Alexandria aufhob (vgl. § 1; 12.3). Das wurde von den östlichen Patriarchaten entschieden zurückgewiesen.

Julius von Rom

1.4 Papales Selbstbewusstsein bei Damasus von Rom und Innozenz I. von Rom Damasus (366-384) gelang es auf besondere Weise, den Primatsanspruch zu formulieren und zur Grundlage seines kirchenpolitischen Vorgehens zu machen. Er usurpierte den Titel pontifex (Brückenbauer), der vorher nur für bestimmte heidnische Priesterkollegien gebraucht war, und bezeichnete sich selbst als die eine sedes apostolica (den apostolischen Stuhl). Sein Versuch, 378 diese Vorrangstellung durch Kaiser Gratian bestätigt zu bekommen, scheiterte aber. Er (oder sein Nachfolger Siricius [384-399]) führte den Kanzleistil ein, d.h. Briefe an den Bischof von Rom sowie dessen Antworten wurden in Anlehnung an Rechtsformen der Kaiserkorrespondenz als juristisch verbindliche Entscheidungen formuliert. Insofern ließ er auch Schreiben ausstellen, die den kaiserlichen Reskripten nachgebildet waren, die sog. Dekretalen. Durch die Benutzung der Rechtsform wurde der theologisch mit Mt 16,18f. begründete Primatsanspruch gleichsam als gegeben vorausgesetzt und so nach und nach wirksam etabliert. Zugleich war damit eine Entscheidungsform angelegt, die neben die Synodalentscheidung trat. Damit war ein Konflikt zwischen Primatsanspruch und synodalen Entscheidungen angelegt, der seit dem Mittelalter immer wieder zu tiefen Konflikten führen sollte. Die Regelung des Kanon 6 des Konzils von Nicäa 325, der die Metropolitanrechte der großen Patriarchate fixierte, wurde in diesem Zusammenhang umgedeutet (indem man später eine Überschrift hinzusetzte, der zufolge die römische Kirche immer den Primat innegehabt habe). Die Regelung des Konzils von Konstantinopel 381, dem zufolge Konstantinopel als das neue Rom einen besonderen Ehrenvorrang (nach Rom, aber vor den anderen Patriarchaten) haben sollte, wurde von Rom immer abgelehnt (weil darin eine Konkurrenz zum eigenen Primatsanspruch gesehen wurde). Auf dem von Damasus und Siricius beschrittenen Wege schritt Innozenz I. weiter voran (402-417). Sein Anspruch, etwa im Pelagianischen Streit den Konflikt endgültig entscheiden zu können, wurde von den nordafrikanischen Kirchen abgelehnt (wie sich in der erzwungenen Kehrtwende des Zosimus nur zu deutlich zeigen sollte; § 5; 7.4.4). Innozenz versuchte, die Rolle als Appellationsinstanz durch eine programmatisch entwickelte Petrusdoktrin 1. Romidee und Petrusamt in der Frühzeit

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pontifex

Kanzleistil

Dekretalen Mt 16,18f.

Patriarchate

Appellations­ instanz

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zu untermauern. Immerhin gelang es ihm, den Bischof von Thessalonike zum apostolischen Vikar (d.h. entsandtem Vertreter des Bischofs von Rom) für die Präfektur Illyrien zu machen. In die Zeit des Innozenz I. oder wenig später gehört die gefälschte Schrift Epistula Clementis ad Iacobum (Brief des Clemens an Jakobus), der zufolge Petrus vor seinem Tod Clemens als seinen Nachfolger eingesetzt und ihm die von Christus übertragene Schlüsselgewalt übergeben habe. 1.5 Literatur Lektüretipp: J. Guyon/T. Graumann: Die Kirche Roms vom Anfang des 4. Jahrhunderts bis zu Sixtus III. (312-432), GCh 2, 1996, 877-917. Quellen: H.-J. Sieben (Hg.): Vetustissimae epistulae Romanorum Pontificum/Die ältesten Papstbriefe, FC 58,1-3, 2014.2015 [zweisprachig]. Literatur: U. Reutter: Damasus. Bischof von Rom (366 - 384). Leben und Werk, 2009. – E. Caspar: Geschichte des Papsttums, Bd. 1, 1930, 1-343. – G. Haendler (Hg.): Die Rolle des Papsttums in der Kirchengeschichte, 1993. – W. Marschall: Karthago und Rom, 1971. – C. Piétri: Roma christiana, 2 Bde., 1976; ND 1993. – M. Wojtowytsch: Papsttum und Konzile von den Anfängen bis zu Leo I. (440-461), 1981.

2. Leo der Große und die Begründung des Papstamtes

Primatsanspruch

Die Entwicklungen im späten 4. und frühen 5. Jh. kamen bei Leo I. (440-461), genannt »der Große«, zu einem gewissen Abschluss. Insofern kann man den Beginn des Papstamtes im spezifischen Sinn bei ihm ansetzen. Drei Elemente zeigen dies: a) Innozenz formulierte eine in sich kohärente exegetischjuristische Theorie des Primatsanspruches, b) Er übertrug die Romidee wie keiner vor ihm auf das Papstamt, c) Er hat in verschiedenen Kontexten den Anspruch zu realisieren vermocht. Auch das ändert allerdings nichts daran, dass nach wie vor der Primatsanspruch im Osten überhaupt nicht, im Westen nur sehr eingeschränkt akzeptiert wurde.

2.1 Exegetisch-juristische Begründung des Primats

Erbe Petri

Leo setzte eine bereits von seinen Vorgängern (besonders Coelestin) formulierte Rechtsfigur in besonderer Weise für das Petrusamt ein. Nach römischer Rechtsvorstellung tritt der Erbe in die Rechte und Pflichten des Erblassers ein, vertritt diesen gleichsam als sein legitimer Nachfolger. Entsprechend beanspruchte Leo, nicht nur Empfänger und Tradent von Traditionen und Ansprüchen zu sein, sondern unmittelbar vice Christi (an der Stelle Christi) zu wirken (vgl. sermo/Predigt 3,4; die Bezeichnung als vicarius Christi/ Stellvertreter Christi wurde erst viel später eingeführt, vgl. § 8; 9.1.2; 9.2.1). Den Begriff vicarius Petri (Stellvertreter des Petrus) hat Leo wohl kaum explizit verwandt, aber die Sache deutlich ausgedrückt; schon die Legaten Coelestins I. hatten in Ephesus 431 einen entsprechenden Ausdruck verwandt (vgl. § 4; 6.2.1). Neben Mt 16,16-19 griff Leo besonders auf Lk 22,31f. und Joh 21,15-19 zurück und gab so eine exegetische Begründung des Primatsanspruches. Die Glaubensstärke und die Bekenntnissicherheit des Petrus, 602

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die seinen Vorrang vor allen Aposteln begründete, würden ebenso wie die speziell ihm verliehene Binde- und Lösegewalt von den legitimen Erben und Nachfolgern Petri wahrgenommen. Insofern komme dem Papst eine besondere plenitudo potestatis (Machtfülle) zu. Damit ist zwar noch nicht die später belegte Dreiteilung des Primats (bezogen auf Schlüsselamt, Hirtenamt, Lehramt) gegeben, doch kommt Leo dieser umfassenden Beschreibung des Primats bereits sehr nahe.

Schlüsselgewalt

2.2 Die christliche Romidee Der Aufgriff der Romidee und die Übertragung auf den Bischof von Rom wurde erheblich dadurch erleichtert, dass Rom im 5. Jh. nicht mehr Zentrum des westlichen Teils des Imperium Romanum war (ab 476 gab es keinen Westkaiser mehr) und der dort ansässige Senat rapide an Bedeutung verlor. Das Machtvakuum ermöglichte es dem Bischof von Rom, sich als der zu repräsentieren, der das Gemeinwohl in Rom und Umgebung sicherstellt. Das übertrug die bisherige Verbindung von Religion und salus publica (Gemeinwohl) (vgl. § 3; 2.2) nun umgekehrt auf eine politische Funktion des Bischofs von Rom. Da Rom traditionellerweise als caput mundi (Haupt der Welt) galt, erhob Leo zugleich den Anspruch, auch über den anderen Metropoliten zu stehen und so als Haupt aller Kirchen zu wirken (so u.a. von Leos Legaten in Chalkedon betont; vgl. § 4; 10.1.2-10.1.3). Eine unerwartete Bewährung fand Leos politischer Anspruch, als die Hunnen 452 in Italien einfielen und Leo d. Gr. in Verhandlungen mit dem Hunnenkönig Attila erreichen konnte, dass Italien nicht weiter verwüstet wurde. Einen ähnlichen Achtungserfolg konnte er erreichen, als er 455 den Vandalenkönig Geiserich davon überzeugen konnte, bei der Eroberung Roms die Bevölkerung zu schonen. Der Führungsanspruch wurde durch das furchtlose wie zweifelsohne politisch geschickte Agieren Leos bestätigt. Hinzu kam, dass die konkurrierenden Zentren wie Karthago oder Arles durch die Machtverschiebungen und Konflikte in den gentilen Reichen in Mitleidenschaft gezogen waren und keinen entsprechenden Widerstand leisten konnten (wie noch im 3. und 4. Jh.).

politische Funktionen caput mundi

2.3 Durchsetzung des Primatsanspruchs Leo hat es nicht nur vermocht, den eigenen Anspruch zu formulieren, sondern hat ihn auch in wirkmächtiger Weise inszeniert und eingesetzt. In einem Konflikt mit Hilarius von Arles konnte er 445 Valentinian III. (425-455) zu einem Schreiben bewegen, welches – unter Hinweis auf die Vorrangstellung des Petrus, Kanon 6 von Nicäa und die Würde Roms – dem Papst die Leitung der westlichen Gesamtkirche zusprach. Zugleich vermochte Leo in geschickter Weise, an der Bearbeitung der Christologischen Frage auf dem Konzil von Chalkedon mitzuwirken. Sein Tomus Leonis ad Flavianum (Lehrschreiben Leos an Flavian) war für die Lehrerklärung eine entscheidende Weichenstellung. Hieran zeigt sich, dass Leo auch ein scharfsichtiger Theologe war (vgl. § 4; 9.3). Dass allerdings der damit erhobene Anspruch, die Frage definitiv zu schlichten, nicht anerkannt wurde, zeigt Kanon 28 des Konzils von Chalkedon, der Konstantinopel mit Rom gleichstellte (gegen den Protest der kaiserlichen Legaten) (vgl. § 4; 10.1.4). Damit war ein wichtiger Grund des Zerwürfnisses zwischen West- und Ostkirche geschaffen.

Konflikt mit Arles

Kanon 28 von Chalkedon

2.4 Literatur Lektüretipp: R. Krautheimer: Rom. Schicksal einer Stadt. 312-1308, 3. A. 2004, 13-71. Literatur: B. Neil: Leo the Great, 2009. – E. Caspar: Geschichte des Papsttums, Bd. 1, 1930, 423-564. – K. Schatz: Der päpstliche Primat, 1990, 44-82. – H.-J. Sieben: Die Konzilsidee 2. Leo der Große und die Begründung des Papstamtes

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der Alten Kirche, 1979, 103-147. – W. Ullmann: Gelasius I. (492-496), 1981, 35-107. – Ders.: Leo I. and the Theme of Papal Primacy, JThS 11 (1960) 25-51. – H. Feichtinger: Die Gegenwart Christi in der Kirche bei Leo dem Großen, 2007. – S. Wessel: Leo the Great and the Spiritual Rebuilding of a Universal Rome, 2008. – S. Diefenbach: Römische Erinnerungsräume. Heiligenmemoria und kollektive Identitäten im Rom des 3. bis 5. Jahrhunderts n.Chr., 2007.

 § 5; 10.

3. Der Papst im Acacianischen Schisma Henotikon

Eine unerwünschte Nebenwirkung der Religionspolitik der Kaiser in Byzanz im Christologischen Streit entstand durch die Ablehnung des Henotikons durch Papst Felix III. Das dadurch 484 entstandene Schisma (vgl. § 4; 11.2.3) dauerte bis 519 (kurz nach dem Regierungsantritt Justins), begünstigt dadurch, dass in Italien der Ostgote Theoderich ein blühendes und relativ unabhängiges Reich aufbaute. In der Folgezeit geriet das Papsttum unter Druck, insbesondere als Italien dem Reich Kaiser Justinians einverleibt wurde. Die Päpste versuchten zwar, auch gegenüber Justinian ihre Position zu behaupten, weitgehend jedoch ohne Erfolg.

3.1 Die Entstehung des Schismas und Gelasius’ Zwei-Gewalten-Lehre

Felix III.

geistliche und weltliche Gewalt

Das von Kaiser Zenon als Befriedung erdachte Henotikon (s. § 4; 11.2) und die vom Kaiser erzwungene Zustimmung des neuen Patriarchen von Alexandria Petrus Mongus hierzu nahm der römische Papst Felix III. (bzw. II., 483492) zum Anlass, die Kirchengemeinschaft mit dem Osten aufzuheben. Dies richtete sich vor allem gegen den Patriarchen von Konstantinopel Acacius, den eine römische Synode 484 exkommunizieren und seines Amtes entheben ließ. Das hatte zwar keinerlei praktische Auswirkungen im Ostreich, führte aber zu einem förmlichen Schisma. Der Nachfolger des Felix, Gelasius I. (492496), ein theologisch gebildeter und politisch kluger Kopf, verteidigte die Position seines Vorgängers und hielt an dem Schisma fest. In einem Schreiben an Kaiser Anastasius stellte er die Autorität des Bischofsamtes der weltlichen Macht gegenüber: Erstere sei letzterer insofern überlegen, als sie sich um das höhere Gut, nämlich das Seelenheil, kümmere. Daher sei letztere, die weltliche Macht (sprich: der Kaiser) nicht berechtigt, in religiösen Angelegenheiten den Anspruch auf Weisungsbefugnis gegenüber Bischöfen zu erheben. Dies gelte erst recht für den Bischof von Rom. Das Schreiben war unmittelbar auf den Kontext bezogen und nicht als allgemeine Grundlegung des Verhältnisses zwischen geistlicher und weltlicher Macht konzipiert. Als solches wirkte es gleichwohl im Mittelalter. Nicht von Gelasius stammen das Sacramentarium Gelasianum (ein liturgisches Sammelwerk mit verschiedenen Schichten aus dem 6./7. Jh.) und das Decretum Gelasianum (eine wohl im 6. Jh. zusammengestellte Dokumentensammlung zu Trinität, Primat, Konzilien und Kanon). 604

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3.2 Rom im Ostgotenreich des Theoderich Eine gegenüber Byzanz unabhängige Position konnten die Päpste in den folgenden Jahren auch deswegen vertreten, weil die Ostgoten unter ihrem König Theoderich ein weitgehend unabhängiges Reich errichteten. Die Entstehung der gentilen Reiche beschränkte die Einflussmöglichkeiten Roms de facto auf Italien, hier insbesondere auf das suburbikarische, d.h. südlich von Rom liegende Italien. Dass die Anlehnung der römischen Bischöfe an Theoderich in Rom nicht unumstritten war, zeigte sich bei der Papstwahl 498, wo eine byzanzfreundliche Minderheit den Archipresbyter Laurentius, eine byzanzfeindliche Mehrheit den Diakon Symmachus zum Papst wählte. Es kam zu Ausschreitungen, in die Theoderich eingriff. Theoderich erklärte zwar Symmachus zum rechtmäßigen Papst, doch konnte sich Laurentius halten. Die gegen Symmachus erhobenen Vorwürfe wurden auf einer von Theoderich einberufenen Synode 502 verhandelt, doch wurde hier kein Urteil gefällt. Dies wurde damit begründet, dass der Inhaber des ersten Stuhls (der prima sedes) von den untergebenen Bischöfen nicht gerichtet werden dürfe. Daraus machten bald darauf die sog. Symmachianischen Fälschungen, ein Konvolut fiktiver Akten von Papstprozessen, den Grundsatz, dass der Papst von niemandem gerichtet werden dürfe, eine Maxime, die in der späteren Papstgeschichte nachhaltig wirkte. Theoderich unterstützte Symmachus weiterhin, der sich nach dem Tod des Laurentius 505 als Papst durchsetzen konnte (bis 514). Für die Papstidee wurde neben den Symmachianischen Fälschungen die um 480/490 entstandene Silvesterlegende wichtig, der zufolge Konstantin durch Papst Silvester bekehrt und getauft worden sei (Der Text wurde im 8. Jh. zur Grundlage der sog. Konstantinischen Schenkung, vgl. § 8; 5.2.2). Etwas später (wohl um 530) entstand der Liber pontificalis (Papstbuch), eine Redaktion älterer Papstlisten mit kurzen Notizen, das nach und nach durch hagiographisches Material angereichert wurde, eine wichtige, allerdings nicht sehr zuverlässige Quelle besonders für die Papstgeschichte des 6.-9. Jh.s (Text: hg. von L. Duchesne, 1886; ND 1953). Der Liber Diurnus, eine Formularsammlung für die Kanzleigeschäfte der Päpste, eine wichtige Quelle bis zum 11. Jh., entstand etwas später.

Laurentius – Symmachus

Symmachianische Fälschungen

Silvesterlegende

Liber pontificalis

3.3 Rom im Reich Justinians Nachdem Justin durch die Aussöhnung mit Papst Hormisdas 519 das Acacianische Schisma beenden konnte, versuchte der Kaiser, den römischen Bischof in seine Politik zu integrieren. So wurde Agapetus I. (535/536) gebeten, in Konstantinopel den neuen Patriarchen zu weihen. Papstreisen wie diese brachen mit dem bisherigen Axiom, dass der Papst Rom nicht verlässt, und zeigten die neuen Machtverhältnisse. Dies zeigte sich insbesondere, als Justinian Papst Vigilius dazu zwang, der Verurteilung der drei Kapitel zuzustimmen und die Revokation des Papstes mit Gefangensetzung beantwortete, bis dieser nach dem Konzil von Konstantinopel 553 schließlich doch wieder zustimmte (vgl. § 4; 12.3.2). Ähnlichen Druck übte er auf den Nachfolger des Vigilius, Pelagius I., aus. Dies hatte für das Ansehen des Papstes im Westen negative Folgen, denn die Kirchen Nordafrikas und Galliens stellten die Rechtgläubigkeit des Papstes in Frage, die Metropoliten von Mailand und Aquileia kündigten um 557 die Gemeinschaft auf. Dieses inneritalische Schisma dauerte bis ca. 600, z.T. noch länger. Dies schränkte die Einflussmöglichkeiten des Papstes auch innerhalb von Italien stark ein. 3. Der Papst im Acacianischen Schisma

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Vigilius

Schisma Rom – Mailand

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3.4 Literatur Lektüretipp: C. Sotinel/T. Graumann: Rom und Italien am Übergang vom Römischen Reich zum Gotenreich, GCh 3, 2001, 300-342. Quellen: B. Neil/P. Allen: The Letters of Gelasius I (492-496), 2014 [ebd. 3-64: Introduction]. Literatur: J.-M. Kötter: Zwischen Kaisern und Aposteln. Das Akakianische Schisma (484-519) als kirchlicher Ordnungskonflikt der Spätantike, 2013. – E. Caspar: Geschichte des Papsttums, Bd. 2, 1933, 10-305. – W. Ullmann: Gelasius I. (492-496), 1981, 108-275. – E. Wirbelauer: Zwei Päpste in Rom. Der Konflikt zwischen Laurentius und Symmachus (498514), 1993. – P. Allen/B. Neil: Crisis Management in Late Antiquity (410-590 CE). A Survey of the Evidence from Episcopal Letters, 2013. – G.D. Dunn (Hg.): The Bishop of Rome in Late Antiquity, 2015. – P. Blaudeau: Le Siège de Rome et l’Orient (448-536), 2012.

 § 4; 12.

4. Gregor der Große: Ausbau der päpstlichen Herrschaft

Demutsgestus

Führungsanspruch

servus servorum

Im Übergang von der Antike zum Mittelalter hat Gregor I. (590-604) nicht nur als Theologe und Seelsorger (vgl. § 5; 12.) entscheidend gewirkt, sondern auch das Papsttum gestärkt und dessen rechtliche wie finanzielle Möglichkeiten ausgebaut. Vor allem drei Leistungen in struktureller Hinsicht bewirkten das: 1. der Ausbau des Jurisdiktionsanspruchs, 2. das systematische Bemühen um die Mission, insbesondere in England, 3. die Reorganisation der päpstlichen Domänenverwaltung, des patrimonium Petri. Bei ihm begegnet eine spezifische Mischung aus Demutsgestus und politisch geschicktem Verhalten, die sich bereits aus seinem Lebenslauf ergab: Der Eintritt in das von ihm selbst gegründete Andreaskloster in Rom 574, wofür er sein Amt als Stadtpräfekt Roms aufgab, und die Zeit als päpstlicher Gesandter (Apokrisiar) in Byzanz 579-585 prägten ihn nachhaltig. Entsprechend setzte er als Papst monastische Netzwerke zur Stabilisierung seiner Herrschaft ein, achtete bei der Personalwahl auf juristische und verwaltungstechnische Fähigkeiten und propagierte eine milde, fürsorgliche Amtsführung. Den Anspruch der römischen Kirche als caput omnium ecclesiarum (Haupt aller Kirchen) brachte er gleichwohl unmissverständlich zum Ausdruck. So kritisierte er den Patriarchen von Konstantinopel für die Verwendung des Titels eines ökumenischen Patriarchen (lateinisch universalis patriarcha/für den gesamten Erdkreis zuständiger Patriarch; dieser Titel war seit 588 üblich geworden). Seine eigene Mischung aus Demut und Führungsanspruch zeigte sich in der Selbstbezeichnung als servus omnium (Knecht aller) und servus servorum (Knecht der Knechte). Die letztere Devotionsformel wurde seitdem ein regulärer Papsttitel und unterstrich gerade durch den ostentativen Demutsgestus den Führungsanspruch.

4.1 Kirchenpolitischer Einfluss Der kirchenpolitische Einfluss Gregors blieb weitgehend auf den Machtbereich von Byzanz beschränkt, d.h. vor allem Sizilien, Sardinien, Nordafrika, 606

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Süditalien und mit Einschränkungen Norditalien (wo die Langobardenherrschaft seine Einflussmöglichkeiten begrenzte). Gregor konnte durchsetzen, dass Bischofsweihen in Italien von seiner Zustimmung abhängig gemacht wurden, mehrfach etablierte er Freunde und getreue Gefolgsleute (so 595 in Ravenna und Syrakus), zum Teil auch Asketen. Ein besonderer Erfolg gelang ihm in Sizilien, wo er unfähige Bischöfe absetzen und Petrus, einen Mitbruder aus dem Andreaskloster, die kirchlichen Verhältnisse neu ordnen ließ. Weniger erfolgreich waren seine Versuche, auch zum Westgotenreich und zum Frankenreich umfangreiche Kontakte aufzubauen. Im Westgotenreich stand besonders Leander von Sevilla mit ihm im freundschaftlichen Kontakt, der an der Synode von Toledo 589 maßgeblich beteiligt war (§ 7; 2.2.4). Im Frankenreich versuchte Gregor, seinen Einfluss über den Metropoliten in Arles, Virgilius, auszubauen und darauf hinzuwirken, dass die Bischofsämter nicht an Laien bzw. aufgrund wirtschaftlicher Vorteile (als Ämterkauf/Simonie) vergeben wurden. Der faktische Einfluss blieb hier aber eher gering.

Bischofsweihen

Sizilien

4.2 Christianisierung der Angelsachsen und Rombindung Kirchengeschichtlich war das Interesse Gregors an der Mission der Angelsachsen eine wichtige Weichenstellung, weil der römische Einfluss über die angelsächsischen Mönche ins Frankenreich zurückkam. Sein Plan, den Abt des Andreasklosters, der sich fortan Augustinus nannte, ins Königreich Kent zu senden, um hier eine Kirchenorganisation aufzubauen (mit Canterbury und York), war ein ehrgeiziges Unterfangen, dessen langfristigen Erfolg Gregor nicht mehr erlebte. Für die Mission in England war die Selbstrepräsentation als Erbe und Stellvertreter Petri in Verbindung mit der Vorstellung von Petrus als Himmelspförtner wichtig, die im Mittelalter für die Papstvorstellung prägend wurde.

Augustinus von Canterbury

Himmelspförtner

4.3 Reorganisation des patrimonium Petri Die römische Kirche besaß reichen Grundbesitz aufgrund von Stiftungen und Schenkungen. Diese Güter lagen nur teilweise in Rom, zum guten Teil auch in Süd- und Norditalien, aber auch in Gallien und Nordafrika. Diese Erbgüter (patrimonia) bildeten das wirtschaftliche Rückgrat der päpstlichen Machtentfaltung. Hieraus wurde nicht nur der Unterhalt des römischen Klerus bestritten, sondern auch die Armenfürsorge in der Stadt. Dadurch verstärkte sich der päpstliche Einfluss in Rom und Umgebung beträchtlich. Gregor war mit der Verwaltung des Kirchenguts von früh auf vertraut (vermutlich war bereits sein Vater hiermit befasst). Er strukturierte diese Verwaltung neu (besonders durch Neubesetzungen des Defensorenamtes; die sieben Defensoren waren für die wirtschaftliche und rechtliche Verwaltung der Güter zuständig) und kontrollierte aktiv durch entsandte Kleriker oder Mönche den Zustand und die Verwaltung des Streubesitzes in Italien, den 4. Gregor der Große: Ausbau der päpstlichen Herrschaft

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Verwaltung des Kirchenguts

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er teilweise zusammenfassen und arrondieren ließ. Dieser Landbesitz hatte privatrechtlichen Status, weswegen man Gregor nicht als Begründer des »Kirchenstaates« ansehen kann, doch hat die erfolgreiche Neustrukturierung der Verwaltung des patrimonium Petri wichtige materielle Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die Päpste im 8. Jh. zunehmend in der Innenpolitik Italiens aktiv wurden. 4.4 Literatur Lektüretipp: B. Müller: Führung im Denken und Handeln Gregors des Grossen, 2009 [besonders 307-340]. Literatur: K. Greschat: Die Moralia in Job Gregors des Großen. Ein christologisch-ekklesiologischer Kommentar, 2005. – G.R. Evans: The Thought of Gregory the Great, 1986. – M. Fiedrowicz: Das Kirchenverständnis Gregors des Großen, 1995. – J. Modesto: Gregor der Große. Nachfolger Petri und Universalprimat, 1989. – J. Richards: Gregor der Große, 1983.

 § 6; 7.

5. Politische Neuorientierung am Frankenreich und territoriale Herrschaft in Italien

Konflikt mit Byzanz

Aus der formalen Zuordnung Roms zum byzantinischen Reich löste sich das Papstamt im 8. Jh. durch die Neuorientierung am Frankenreich. Hierzu trugen verschiedene Faktoren bei: die Rivalität mit dem Patriarchen in Konstantinopel und die zunehmend als Unterdrückung empfundene Italienpolitik der byzantinischen Kaiser, die dogmatischen Unterschiede im monotheletischen Streit und im Bilderstreit, der Zerfall der byzantinischen Herrschaft und die zunehmende Gefährdung durch die Langobarden. Der militärische Schutz durch die Frankenkönige konsolidierte einen päpstlichen Machtbereich in Italien, brachte aber zugleich zwei Probleme mit sich: a) die Anlehnung an das Frankenreich brachte eine jahrhundertelange politische Abhängigkeit mit sich, b) die Übertragung obrigkeitlicher Funktionen verstrickte das Papsttum für lange Zeit in die Machtkämpfe des zersplitterten Italiens.

5.1 Das Frankenreich als neue Schutzmacht des Papsttums Langobarden

Die zunehmende Bedrohung Roms durch die Langobarden, die zunehmende Unfähigkeit von Byzanz, militärisch in Italien durchzugreifen, und die Beschneidung der Jurisdiktion und des Grundbesitzes des Papstes führten seit 739 zu einer Neuausrichtung der päpstlichen Außenpolitik. In akuter Bedrängnis durch die Langobarden wandte sich Stephan II. (752-757) an Pippin d. J. um Hilfe (vgl. § 9; 2.2). Aus dieser Notmaßnahme wurde eine historisch folgenreiche Symbiose beider Gewalten, die durch die Übernahme der langobardischen Königswürde durch Karl 774 (seit 768 König des 608

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Frankenreiches) besiegelt wurde (vgl. § 9; 3.1). Das Papsttum mit seinem Anspruch auf Universalität wurde einerseits zur unentbehrlichen religiöspolitischen Legitimationsinstanz des ab 800 existierenden, neuen westlichen Kaisertums, andererseits aber zu einem Teil des Frankenreiches und seiner Kirche. 5.1.1 Konflikte mit Byzanz. Infolge des Verfalls obrigkeitlicher und wirtschaftlicher Strukturen in Italien schwand Roms allgemeine Bedeutung im 7. Jh. immer mehr, im byzantinischen Reich wurde es zur Randzone. Grundsätzlich hielten die Päpste (im 7. und frühen 8. Jh. zumeist Griechen, Sizilianer, Syrer) loyal zum Kaiser. Ausdruck ihrer Unterordnung war es, dass jeder neugewählte Papst erst nach kaiserlicher Bestätigung die Weihe empfing. Doch die byzantinische Religionspolitik verstärkte die bereits vorhandenen theologischen und kirchlichen Gegensätze. Das zeigten beispielhaft die Opposition Papst Martins I. (649-653) gegen das kaiserliche Vermittlungskonzept im monotheletischen Streit, die Abgrenzung des Konzils von Konstantinopel 692 gegen westliche Bräuche und die Ablehnung des Ikonoklasmus des Kaisers Leon III. durch Papst Gregor II. (715-731). Im 8. Jh. versuchten die byzantinischen Kaiser, ihren Einfluss in Süditalien und Sizilien auszubauen. Dabei griffen sie zu Steuergesetzen, dann auch zu Konfiskationen. Zudem sprach Kaiser Leon III. dem römischen Bischof die Jurisdiktion über Süd­ italien und Sizilien und das Vikariat Thessalonike ab. Letzteres schmälerte den Einfluss des Papstes auf dem Balkan nachhaltig.

Universalität

byzantinischer Einfluss in Süditalien

5.1.2 Überlegungen zur Neuorientierung. Römische Kreise strebten seit ca. 730 eine politische Autonomie Roms an. Papst Gregor III. (731-741) entwickelte wohl erstmals das Konzept einer Absicherung dieser Autonomie (gegen die Langobarden und gegen Byzanz) durch das Frankenreich. Seine Bitte an Karl Martell im Jahr 739, Rom vor der Vereinnahmung durch den Langobardenkönig Liutprand zu schützen, blieb jedoch wirkungslos. Als der Langobardenkönig Aistulf sich 749 anschickte, die Hoheit über Rom zu übernehmen, vollzog der Römer Stephan II. systematisch die politische Wende durch das Bündnis mit Pippin, dessen Königtum er religiös sanktionierte (vgl. § 9; 2.2.3).

5.2 Päpstliche Territorialherrschaft in Italien nach 754 Nach der Eroberung des oströmischen Exarchats Ravennas durch die Langobarden 751 war ein umfassender Schutz Roms vor den Langobarden durch byzantinische Truppen nicht mehr zu erwarten. Durch das Freundschaftsbündnis mit Pippin (vgl. § 9; 2.2.3) suchte Stephan II. hier neue Möglichkeiten. Die in diesem Zusammenhang von Pippin gemachten territorialen Zusagen sind im Einzelnen unklar, dürften aber wesentlich umfassender gewesen sein als die etwas später eingerichtete Territorialherrschaft der Päpste. Nach dem Eingreifen Pippins in Italien 756 übertrug Pippin dem Papst den Dukat Rom und den Exarchat Ravenna (verbunden mit der Pentapolis). Damit erhielt das Papsttum über die kirchlichen Befugnisse und die privatrechtlichen Ländereien hinaus obrigkeitliche Hoheitsrechte für Gebiete, die formal noch dem byzantinischen Reich angehörten. Karl d. Gr. bestätigte diese »Pippinsche Schenkung«, zeitweise wurden noch einige weitere Gebiete zugewiesen, doch konnte der Papst die entsprechenden 5. Politische Neuorientierung am Frankenreich und territoriale Herrschaft in Italien

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Zusagen Pippins

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»Kirchenstaat«

Patrimonium Petri

Dukat Rom

Exarchat Ravenna

Pentapolis

Fälschung

Donatio Constantini

Territorien im 9. und 10. Jh. nicht dauerhaft unter seiner Herrschaft halten. Es ist daher verkehrt, die territorialen Herrschaftsansprüche des Papstes in Italien als »Kirchenstaat« zu bezeichnen (der als »staatliches« Gebilde erst in der Neuzeit an Gestalt gewann; für das Mittelalter ist wegen der vielfältigen und in sich uneinheitlichen Besitz- und Herrschaftsverhältnisse der neutralere Begriff des patrimonium Petri/Erbe bzw. Erbgut des Petrus zu bevorzugen). Als Ausdruck päpstlicher Herrschaftsansprüche entstand (wohl nach 754) eine historisch folgenreiche Fälschung, das Constititum Constantini (Konstantinische Schenkung), die das Papsttum in späteren Konflikten als Rechtsurkunde für die Behauptung der eigenen Territorialherrschaft geltend machte. 5.2.1 Die »Pippinsche Schenkung«. Eine Urkunde, die die »Pippinsche Schenkung« von 756 fixiert, ist nicht erhalten. Die Schenkung betraf drei Gebiete: a) die Provinz um Rom, die unter der Leitung eines byzantinischen Militärkommandeurs (dux) stand (daher Dukat Rom), auf dessen Gebiet sich wesentliche Teile des patrimonium Petri befanden; hier wurden also die bisherige kirchliche Oberhoheit und die Verfügungsrechte über die Domänen in eine weltliche Herrschaft überführt, b) den von den Langobarden 751 eroberten Exarchat Ravenna als militärisch-administratives Machtzentrum des kaiserlichen Stellvertreters in Italien (des exarchos), wo der Papst vorher keinen Einfluss hatte; hier sollte der Papst die militärische und administrative Gewalt anstelle des Ostkaisers ausüben, c) die südlich davon gelegene Pentapolis. Damit war der Umfang des 756 Übertragenen deutlich geringer als das, was 754 wohl in Aussicht gestellt worden war (angeblich auch die Provinzen Venetien und Istrien, die Herzogtümer Spoleto und Benevent sowie Korsika). Durch die Italienpolitik Karls des Großen kamen nach 774 noch einige weitere Gebiete hinzu (besonders Sabina und die Gegend um Orvieto und Viterbo). Faktisch wurde diese Territorialherrschaft dabei zu einem Teil des Frankenreichs. Im 9./10. Jh. konnte das Papsttum diese umfangreiche Territorialherrschaft größtenteils nicht behaupten. 5.2.2 Die »Konstantinische Schenkung«. Zweck, Bedeutung, Entstehungszeit und -ort des Constitutum Constantini (der sog. Konstantinischen Schenkung; Text der konstantinischen Schenkung: Das Constitutum Constantini (Konstantinische Schenkung). Textausgabe, hg. von H.H. Fuhrmann, 1968) sind in der Forschung trotz intensiver Diskussion nicht geklärt. Die Urkunde dürfte in romtreuen Klerikerkreisen nach 756 (oder erst im 9. Jh.) zur rechtlichen Untermauerung päpstlicher Herrschaftsansprüche angefertigt worden sein. Ob es eine spätere Überarbeitungsstufe (analog zu den pseudisidorischen Dekretalen, etwa im Frankenreich, gegeben hat), ist umstritten. Auch ob die Fälschung in Rom oder (wahrscheinlicher:) im Westfrankenreich entstanden ist, wird heftig debattiert. Seit dem 9. Jh. wurde dieser Text immer wieder herangezogen, die Kaiser des Hochmittelalters mussten sie vor der Krönung bestätigen. Ihr Inhalt ist die Beschreibung einer utopischen Schenkung von Kaiser Konstantin (die eigentliche Donatio Constantini) an Papst Silvester I. mit einer Fülle von Rechtsübertragungen: Rom sei das Haupt der christlichen Welt, die päpstliche Gewalt sei mit der kaiserlichen gleichwertig, der römische Stuhl habe über die vier anderen Patriarchate (Byzanz, Antiochia, Alexandria, Jerusalem) den Vorrang. Außerdem berichtete der Text von zahlreichen Schenkungen angefangen vom Lateranpalast über weitreichende Ländereien in Nordafrika und Italien einschließlich der weltlichen Oberhoheit über die Stadt Roms und alle Provinzen 610

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§ 8 Papsttum im Mittelalter

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Italiens. Fundament dieser programmatischen Ansprüche war die Theorie vom Papst als Stellvertreter und Rechtsnachfolger Petri. Ihre konkrete Begründung gab der einleitende Bericht (die confessio) über Konstantins Heilung vom Aussatz und seine Taufe durch Silvester, womit der Text die Silvesterlegende aufgriff. Wegen seiner manifesten Unhistorizität erwiesen 1433/1440 Nikolaus von Kues und Laurentius Valla unabhängig voneinander den Text als Fälschung (was u.a. schon Otto III. aus Rechtsgründen behauptet hatte).

Silvesterlegende

5.3 Literatur Lektüretipp: J. Miethke: Die »Konstantinische Schenkung« in der mittelalterlichen Diskussion, in: A. Goltz/H. Schlange-Schöningen (Hg.): Konstantin der Große. Das Bild des Kaisers im Wandel der Zeiten, 2008, 35-108. Literatur: J. Fried: ’Donation of Constantine’ and ’Constitutum Constantini’. The Misinterpretation of a Fiction and its Original Meaning, 2007. – Ders.: Die Konstantinische Schenkung, in: Ders./O.B. Rader (Hg.): Die Welt des Mittelalters. Erinnerungsorte eines Jahrtausends, 2011, 295–311.

 § 7; 7.

6. Behauptung der Papstidee in Zeiten des Niedergangs Der Zerfall des Reiches Karls des Großen und der Niedergang der Kaisermacht beschränkten auch die Möglichkeiten des Papsttums. Der Papst wurde im Laufe des 9. Jh.s ein Metropolit von Italien (weitgehend ohne Einfluss außerhalb Italiens) und wegen der territorialen Ansprüche ein Kleinfürst, der sich insbesondere gegen die Einfälle der Sarazenen zur Wehr zu setzen hatte. Zwischen 896 und 1046 wurde der Stuhl Petri größtenteils zum Spielball römischer Adelsfamilien. Viele Päpste des 10. Jh.s konnten sich nur wenige Wochen oder Monate halten, die Papstliste lässt sich für diesen Zeitraum nicht sicher rekonstruieren. Daher gilt dieser Zeitraum auch als das saeculum obscurum (finstere Zeitalter). Immerhin blieb den Päpsten das Recht der Kaiserkrönung erhalten, was für den theoretisch erhobenen Universalanspruch wichtig war. Eine wichtige Ausnahmeerscheinung in dieser Zeit des Niedergangs bildete allerdings Nikolaus I.

römische Adelsfamilien

6.1 Die Kaiserkrönung als päpstliches Privileg Die seit der Kaiserkrönung Ludwigs I. 816 erteilte Salbung galt als ein Sakrament, das nur der Papst vollziehen konnte. Durch das sog. pactum Ludovicianum (Bündnis mit Ludwig) von 817 sicherte Paschalis I. (817-824) dem Papsttum seine territorialen Ansprüche, die päpstliche Gerichtsbarkeit und den kaiserlichen Schutz; es wurde von den folgenden Kaisern bis ins 11. Jh. wiederholt und Teil des Kirchenrechts (Text: Mirbt-Aland 516). Seit der Krönung Lothars I. zum Mitkaiser 823 und der Krönung von dessen Sohn Ludwig II. 850 setzte sich die Kaiserkrönung als Privileg des Papstes durch. So krönte Johannes VIII. (872-882) auch Karl den Kahlen 875 und Karl den Dicken 881. 6. Behauptung der Papstidee in Zeiten des Niedergangs

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6.2 Nikolaus I. Mit Nikolaus I. betrat ein gebildeter und machtbewusster Papst die Bühne, der seinen universalen Anspruch durch etliche Einzelmaßnahmen zu behaupten wusste, insbesondere durch eine konsequente Haltung bei Stellenbesetzungen. Seine Exkommunikation des Patriarchen von Konstantinopel, Photius, 863 (beantwortet durch den Bann des Photius gegen Nikolaus 867) führte zum Photianischen Schisma (bis 880), das die Kluft zwischen Rom und Byzanz vertiefte.

Konflikt mit Lothar II.

Ignatius von Konstantinopel

Photius’ Bibliotheca

Primatsanspruch

6.2.1 Der Ausbau des Jurisdiktionsprimats unter Nikolaus I. Durch seine Dekretalen und Briefe (Text: MGH.Epistulae 6) arbeitete Nikolaus konsequent auf die Durchsetzung seines Jurisdiktionsprimats hin. Es gelang ihm 861, den nach kirchlicher Autonomie strebenden Erzbischof Johannes von Ravenna abzusetzen. Gegenüber dem mächtigen Beherrscher der fränkischen Kirche, Erzbischof Hinkmar von Reims (vgl. § 5; 14.4), setzte er seinen Anspruch durch, als er 864 den von einer fränkischen Reichssynode abgesetzten Bischof Rothad von Soissons wieder einsetzte. In einem spektakulären Konflikt mit Lothar II., dem König des Mittelreiches (Lotharingien), und dessen Bischöfen 863/864 verteidigte er das kirchliche Eherecht gegen die Praxis, indem er Lothars Friedelehe (eine besondere Rechtsform, das einer lösbaren Ehe gleichkam) mit Waldrada und die daraus stammenden Söhne, die für Lothars Nachfolge wichtig waren, nicht als legitim anerkannte. Da dies die lothringischen Erzbischöfe Gunther von Köln und Thietgaud von Trier zuvor getan und die kinderlose, nach kirchlichem Recht geschlossene Ehe mit Theutberga annulliert hatten, setzte Nikolaus sie ab. Er konnte sein Urteil gegen großen Widerstand durchsetzen, auch gegen die militärische Drohung Ludwigs II.

6.2.2 Das photianische Schisma. Der von Kaiserin Theodora 847 in kanonisch zweifelhafter Weise als Patriarch eingesetzte Ignatius – ein ungebildeter Mönch und ungeschickter Kirchenführer, der Teile des Episkopats gegen sich aufbrachte – wurde nach Theodoras Sturz wegen Hochverrats von Kaiser Michael III. abgesetzt. An seine Stelle trat der hohe Beamte Photius (ca. 820-ca. 891), ein hervorragender Gelehrter, dessen wichtigstes Werk, die Bibliotheca, eine Literaturgeschichte der griechischen Literatur, viele sonst verlorene Werke nennt bzw. zitiert. Da er für die Wahl zum Patriarchen unkanonisch im Schnellverfahren die nötigen Weihen erhielt, erkannten ihn die Ignatiusanhänger nicht an und wandten sich an Rom. Daraufhin schrieb Nikolaus I. 862 an Photius und Michael III., dass ohne seine Zustimmung die Streitfrage nicht entschieden werden dürfe, weil der päpstliche Primat in Disziplinarfragen überall gelte. Durch eine Lateransynode 863 ließ er Photius exkommunizieren und für abgesetzt erklären. Auf die (von Photius gelenkte) Antwort des Kaisers, die Roms Ansprüche mit historischer Begründung zurückwies, reagierte er 865 mit schroffer Ausdehnung des Primatanspruchs auf alle Bereiche und mit genereller Kritik an der Legitimität des Patriarchats von Konstantinopel (Epistula/Brief 88; Text/Übers. DH 638-642). Eine Zuspitzung erfuhr der Streit durch die Rivalität um die Oberhoheit über die neue bulgarische Kirche (vgl. § 7; 8.2). Der alte Kampf um den Einfluss auf 612

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§ 8 Papsttum im Mittelalter

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dem Balkan trennte Rom und Konstantinopel unversöhnlich. Photius ließ 867 auf einer Synode die lateinischen Häresien verurteilen (u.a. den Zölibat und das Filioque) und Nikolaus als Häretiker für abgesetzt erklären. Der Nachfolger im Papstamt, Hadrian II. (867-872), führte diesen Konfrontationskurs fort. Ein Machtwechsel im byzantinischen Reich zwang Photius 867 zu Abdankung und Exil. Der neue Kaiser, Basilius I., der Makedonier, setzte Ignatius wieder ein und suchte den Konflikt in der Ostkirche durch ein Konzil in Konstantinopel 869/870 zu beheben. Das schwach besuchte und inhaltlich dürftige Konzil wurde später im Westen wegen der vagen Bestätigung eines allgemeinen römischen Primats und wegen der Verurteilung des Photius als 8. Ökumenisches Konzil gewertet. Nach Ignatius’ Tod 877 kehrte Photius ins Patriarchenamt zurück und bekräftigte seine Zurückweisung der römischen Primatsansprüche auf einem vom ganzen östlichen Episkopat getragenen Konzil in Konstantinopel 879/880, das die Gleichrangigkeit beider Patriarchate betonte. Dieses Konzil wird in der Ostkirche als Ökumenisches Konzil gewertet. Papst Johannes VIII. (872-882) nahm das hin in der Hoffnung auf byzantinische Hilfe gegen die Sarazenen. Photius verlor beim abermaligen Machtwechsel 886 erneut sein Amt und starb ca. 891. Das Schisma wurde nie formell, sondern implizit beendet. Die tiefe Kluft zwischen Ost und West blieb jedoch (s. § 8; 8.). 6.2.3 Die pseudoisidorischen Fälschungen. Als pseudoisidorische Fälschungen bezeichnet man vier große Sammlungen juristischer Texte, die größtenteils gefälscht bzw. stark überarbeitet waren. Sie wurden wohl zwischen 845 und 857 zusammengestellt. In einer Zeit, in der die Authentizität von Dokumenten und Urkunden schwer nachprüfbar war, spielten Fälschungen zur Absicherung von Rechtsansprüchen eine große Rolle. Ein historisch gebildeter Kreis von Theologen und Kirchenrechtlern im Erzbistum Reims stellte daher Dokumente zusammen, veränderte sie, erfand neue hinzu, alles mit dem Ziel, den Einfluss von Grundherren auf das Kirchenwesen zurückzudrängen und die Bischofsgewalt sowie den Klerikerstand zu stärken. Zumal das Recht der Päpste als höchste Autorität wurde zitiert, ihr Jurisdiktionsprimat und der Universalepiskopat betont, so besonders im vierten Teil, der unter dem Namen eines ansonsten unbekannten Isidor Mercator lief (daher auch die Bezeichnung der Gesamtsammlung; Text: Decretales Pseudo-Isidorianae et capitula Angilramni; hg. von P. Hinschius, 1863; ND 1963; Benedicti Levitae collectio capitularium, in: MHG.Leges II/2). Hier war auch die sog. Konstantinische Schenkung enthalten (s. § 8; 5.2.2). Die Sammlung spielte das ganze Hoch- und Spätmittelalter eine wichtige Rolle und wurde erst im 15. Jh. von den Humanisten als Fälschung entlarvt.

Konzil in Konstantinopel 869/870

Konzil in Konstantinopel 879/880

Universal­ episkopat

 § 9; 4.-5.

6.3 Das Papsttum bis zur Synode von Sutri 1046 Infolge des Machtverfalls der fränkischen Teilreiche und der politischen Zersplitterung Italiens konzentrierte sich das Papsttum im 10. Jh. auf die Stadtherrschaft in Rom. Auch das Eingreifen Ottos I. änderte daran nur kurzfristig etwas. Die europäisch orientierte Politik Kaiser Ottos III. und die 6. Behauptung der Papstidee in Zeiten des Niedergangs

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Eingreifen der Kaiser

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Einsetzung von Nicht-Römern als Päpste blieben ebenso erfolglos wie die Einberufung von kaiserlich gelenkten Synoden unter Heinrich II. Erst die Verschärfung der inneren Konflikte zwischen den Adelsparteien ermöglichte ein erfolgreiches Eingreifen des Kaisers. Heinrich III. setzte auf Synoden in Sutri und Rom die drei rivalisierenden Amtsinhaber ab und ermöglichte so eine Neuorientierung des Papsttums. Theophylaktus

Alberich Namensänderung der Päpste

Crescentier – Tuskulaner

Silvester II.

Benedikt VIII.

6.3.1 Marozia. Die weltliche Regierung Roms (als Dukat geführt von einem Dux/Herzog) lag seit ca. 890 bei Theophylaktus (gest. ca. 924), der maßgeblichen Einfluss auf die Papstbesetzungen entwickelte. Seine tyrannisch-vitale Tochter Marozia (gest. ca. 936), mit Alberich von Spoleto verheiratet, wohl Geliebte des Papstes Sergius (904-911) und Mutter des minderjährigen Papstes Johannes XI. (931-935), beherrschte mit Gewalt und Intrigen das Papsttum ebenso wie die Stadt Rom. Den politisch tüchtigen Johannes X. (914-928; er errang u.a. durch eine Allianz der italischen Fürsten 915 einen entscheidenden Sieg gegen die Sarazenen) ließ sie einkerkern und ermorden. Ihr Sohn Alberich II. beherrschte 932954 als Fürst Stadt und Kurie und setzte Päpste ein, u.a. seinen moralisch verkommenen Sohn Octavian als Johannes XII. Die hier erstmals begegnende Namensänderung neugewählter Päpste wurde seit 983 zu einem festen Brauch. 6.3.2 Das Pactum Ottonianum 962. In die bleibenden Rivalitäten zwischen den römischen Adelsparteien griff Otto I. 962 ein. In einem Vertragswerk, dem sog. Pactum Ottonianum, bestätigte er 962 einerseits das Patrimonium Petri, ordnete andererseits den Papst der kaiserlichen Herrschaft unter, insbesondere durch das Recht einer erheblichen Mitwirkung an der Papsterhebung. Allerdings blieb dieses Dokument faktisch wirkungslos, da Otto I. nicht dauerhaft in Rom präsent sein konnte. So kam es, dass die bedeutenden Adelsparteien Roms ihren Einfluss auf das Papsttum behaupten konnten: die Crescentier ca. 974-1012, die Tuskulaner bis 1046. 6.3.3 Das Eingreifen Ottos III. Gegen die Tyrannei der Crescentier rief Papst Johannes XV. (985-996) Kaiser Otto III. zu Hilfe, der wenig später seinen Vetter Bruno von Kärnten zum ersten deutschen Papst machte: Gregor V. (996-999) bemühte sich um eine religiöse Erneuerung, stieß aber in Rom auf heftigen Widerstand (manifest in der Ernennung eines Gegenpapstes: Johannes XVI. 997/998). Kirchenpolitisch festigte er den Jurisdiktionsprimat in Norditalien und Frankreich. Das setzte Silvester II. (999-1003; Gerbert von Aurillac, der erste Franzose auf dem Petrusthron, der sich als Gelehrter und Erzbischof von Ravenna einen Namen gemacht hatte) fort. Langfristig hatten diese Bemühungen wenig Erfolg, die Crescentier und Tuskulaner konnten ihren Einfluss auf das Papsttum behaupten. 6.3.4 Die Bemühungen Heinrichs II. Heinrich II. unterstützte die Bemühungen von Benedikt VIII. (1012-1024), der sich seit der Synode von Ravenna 1014 für eine Stärkung der päpstlichen Autorität und für eine neue Disziplin in der Lebensweise des Klerus (Durchsetzung des Zölibats, Abstellung des Ämterkaufes) einsetzte, so v.a. auf der Synode von Pavia 1022 (Text: Mirbt-Aland 528). Das blieb jedoch wirkungslos, weil Johannes XIX. (1024-1032), der Bruder von Benedikt VIII., diese Politik nicht fortsetzte und dessen Neffe Benedikt IX. (1032-1045) vor allem durch Unmoral auffiel (allerdings den päpstlichen Einfluss in Süditalien stärken konnte).

6.3.5 Die Synode von Sutri 1046. Der Widerstand gegen Benedikt IX. vor allem seitens der Crescentier führte 1044/1045 zur Ernennung eines Gegen614

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papstes (Silvester III.). Benedikt IX. verzichtete zugunsten eines unbelasteten Kandidaten gegen eine hohe Entschädigungssumme auf sein Amt. Der neu installierte Gregor VI. geriet jedoch bald selbst unter den Verdacht der Simonie (d.h. der Ermöglichung des Ämterkaufes). Heinrich III. griff nun mit einem Romzug ein und leitete selbst eine Synode in Sutri, wo am 20.12.1046 Gregor VI. und Silvester III. notgedrungen ihren Amtsverzicht erklärten. Benedikt IX. wurde am 24.12.1046 auf einer Synode in Rom formell für abgesetzt erklärt. Der von Heinrich eingesetzte neue Papst, ein Vertrauter des Kaisers, Suidger von Bamberg, nannte sich in programmatischem Rückgriff auf die apostolische Zeit Clemens II., amtierte aber nur bis 1047 (wohl durch Gift ermordet). Die vom Kaiser unterstützte Richtung, die das Papsttum aus den Rivalitäten zwischen den römischen Adelsparteien führen und ihm eine neue Bedeutung beimessen wollte, konnte sich aber dauerhaft in Rom festsetzen. Zudem hatte sich der Kaiser ein Vorrecht bei der Papstwahl (einen principatus electionis) gesichert.

Romzug Heinrichs III.

Suidger von Bamberg

6.4 Literatur Lektüretipp: P. Engelbert: Heinrich III. und die Synoden von Sutri und Rom im Dezember 1046, RQ 94 (1999) 228-266. Literatur: P. Gemeinhardt: Die Filioque-Kontroverse zwischen Ost- und Westkirche im Frühmittelalter, 2002, 165-298. – F. Dvornik: Le schisme de Photius. Histoire et légende, 1950. – P. Haugh: Photius and the Carolingians. The Trinitarian Controversy, 1975. – J. Schamp: Photios historien des lettres, 1987. – D. Stiernon: Konstantinopel IV, 1975. – D. Stratoudaki White: Patriarch Photios of Constantinople, 1982. – H. Fuhrmann: Einfluß und Verbreitung der Pseudoisidorischen Fälschungen von ihrem Auftauchen bis in die neuere Zeit, 3 Bde., 1972-1974. – K. Zechiel-Eckes: Ein Blick in Pseudoisidors Werkstatt. Studien zum Entstehungsprozeß der falschen Dekretalen, Francia 28 (2001) 37-90. – K.-J. Herrmann: Das Tuskulanerpapsttum (1012-1046), 1973. – H. Zimmermann: Das dunkle Jahrhundert, 1971. – D. Hägermann: Das Papsttum am Vorabend des Investiturstreits. Stephan IX. (1057-1058), Benedikt X. (1058) und Nikolaus II. (1058-1061), 2008.

 § 8; 8.-8.1

7. Neu erhobener Leitungsanspruch im 11. Jh. Das für die Papstgeschichte typische Element – die Erhebung von unrealistischen Ansprüchen, die erst lange Zeit später, oft in veränderter Form, Realität wurden – trat im 11. Jh. besonders deutlich zutage, denn nun konnte die seit langem postulierte Idee eines universalen Leitungsanspruches des Paps­ tes in bisher unbekannter Form etabliert werden. Zwar darf man den im 11. Jh. erreichten Einfluss Roms auch nicht überschätzen, denn viele regionale Sonderregelungen und Bedingungen begrenzten diesen auch in der Folgezeit wirksam, doch entstand erst durch das Papsttum im 11. Jh. eine ganz Europa umfassende kirchliche Struktur, die deutlich auf Rom ausgerichtet ist und sich markant von der Bedeutungslosigkeit des Papsttums im 10. Jh. und der Ausrichtung auf die Kirchen der einzelnen Länder unterscheidet. 7. Neu erhobener Leitungsanspruch im 11. Jh.

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Dieser Ausbau der Einflussmöglichkeiten des Papstes erfolgte unter der Parole der libertas ecclesiae (Freiheit der Kirche). Unter dieser Parole wandten sich die Päpste gegen die Priesterehe und alles, was sie als Verkauf von Ämtern einstuften (sog. Simonie). Zugleich wurde Rom zu einem funktionsfähigen Machtzentrum ausgebaut, so insbesondere durch die Neuformation des Kardinalskollegiums und den Ausbau der Kurie als rechtlichem Verwaltungszentrum. Dieser Prozess ist klassisch als »Kirchenreform« bzw. als »Reformpapsttum« bezeichnet worden. Das ist deswegen problematisch, weil es die Selbstdeutung des Papsttums einträgt, der zufolge es sich um die Wiederherstellung früherer, besserer Zustände handele. Dadurch wird jedoch der Neuerungscharakter der entsprechenden Entwicklung unterbewertet. Zudem scheint »Reform« vorauszusetzen, dass am Anfang des 11. Jh.s schreiende kirchliche Missstände vorherrschten, die nun zurückgedrängt wurden. Dieses Bild ist inzwischen veraltet. Am ehesten lässt sich noch im Hinblick auf das römische Bischofsamt von einer Reform sprechen, und zwar insofern, als sich das Papsttum im 11. Jh. zunehmend aus den Lokalantagonismen der römischen Adelsparteien befreite. Auch die ältere Deutung, der zufolge im 11. Jh., sozusagen phasenversetzt, die Bemühungen um eine Erneuerung des Klosterwesens (besonders Cluny) im »Reformpapsttum« wirksam wurden, lässt sich nicht aufrechterhalten, weil sich so wesentliche Elemente der Erneuerung (etwa die neue Betonung des Kirchenrechts oder die Formation der Kurie) nicht erklären lassen. Der Einfluss der Neuaufbrüche im Mönchtum beschränkt sich größtenteils darauf, dass die von den Päpsten propagierten Ziele für den Klerus (Zölibat und Konzentration auf geistliche Amtsführung) vielfach auf fruchtbaren Boden fielen, weil sie den im Mönchtum verbreiteten Vorstellungen vorbildlichen asketischen Lebens entsprachen. Außerdem gab es persönliche Querbeziehungen der führenden Leute in Rom zu Kreisen der monastischen Erneuerung, etwa zu Cluny. Insgesamt handelt es sich demnach um eine Neuformation des Papsttums, die sich durch einen neu erhobenen Führungsanspruch auszeichnet. Dieses Neuerungswerk ist durch Leo IX. Mitte des 11. Jh.s initiiert worden und findet in Gregor VII. seinen vorläufigen Höhepunkt (ohne dass man deswegen gleich von einem »Gregorianischen Zeitalter« sprechen müsste).

libertas ecclesiae

»Kirchenreform« »Reformpapsttum«

Zusammenhang mit Cluny

Neuformation des Papsttums

7.1 Die neue Betonung des Kirchenrechts seit Leo IX. Nachdem Heinrich III. auf seinem Romzug das römische Papstschisma 1046 beendet hatte (s. § 8; 6.3.5), kamen Kleriker auf den Papstthron, die nicht dem römischem Umfeld entstammten. Mit Leo IX. (1049-1054) setzte dabei ein wirksamer Prozess ein, der wichtige Voraussetzungen für die folgende Entwicklung schuf. Er institutionalisierte das Kardinalskollegium im Sinne eines päpstlichen Senats, baute die kuriale Verwaltung aus und holte eine Reihe exzellenter Mitarbeiter und Vordenker nach Rom, v.a. Humbert von Silva Candida, Petrus Damiani, Friedrich von Lothringen (später Papst Ste7. Neu erhobener Leitungsanspruch im 11. Jh.

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Neuerer in Rom

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erneutes Papstschisma

Kardinäle als Berater

phan IX.) und Hildebrand (später Papst Gregor VII.). Fortan bestand so ein Führungsgremium, das unabhängig vom Wechsel der Päpste für eine gewisse Kontinuität sorgte. Die Konzeption dieser Neuerer orientierte sich an der Durchsetzung der göttlichen Ordnung (ordo) und Gerechtigkeit (iustitia). Letzteres führte zu einer neuen Betonung des Kirchenrechts. Dieser Führungskreis konnte sich keineswegs schlagartig gegen den römischen Stadtadel durchsetzen, so dass es 1058 zu einem erneuten Papstschisma kam. In Reaktion hierauf verkündete Nikolaus II. das Papstwahldekret von 1059, das eine herausragende Rolle der Kardinalsbischöfe für die Papstwahl festlegte, später überarbeitet und angepasst wurde und große Wirkung entfaltete. Zwar konnte das nicht verhindern, dass es nach seinem Tod 1061 erneut zum Schisma kam, doch unterstützte der Königshof die Neuerungsbewegung, die sich dann ab 1064 rasch durchsetzte. 7.1.1 Leo IX. Leo IX., ein elsässischer Grafensohn, Bischof von Toul, war ein Vertrauter Heinrichs III. Die Unterstützung durch den deutschen Königshof wurde für sein Wirken ebenso wichtig wie seine Kontakte zur Erneuerung des Mönchtums in Lothringen (vgl. § 6; 9.3), das er weiterhin förderte. Er baute ein persönliches Netzwerk auf, durch das er seine neuen Vorstellungen des Papsttums verbreitete. Hierzu gehörten einflussreiche Berater, die er zu Kardinalbischöfen (oder kurz: Kardinälen) machte: Humbert (s.u.), Friedrich, ein Sohne des Herzogs von Lothringen, Archidiakon in Lüttich und 1057-1058 als Stephan IX. Papst, Hugo Candidus (der Weiße) aus dem Kloster Remiremont bei Toul, Azelin von Compiègne, Udo von Toul. Unterstützung fand Leo IX. bei einer Reihe von um Erneuerung bemühten Mönchen wie Petrus Damiani, Odilo von Cluny und Halinard von Lyon. Die Verbindungen von Hildebrand (s.u.), der mit Gregor VI. ins deutsche Exil gegangen war (s. § 8; 6.3.5), mit dem Mönchtum von Cluny ist durch neuere Forschungen hinterfragt worden. 7.1.2 Humbert. Eine herausragende Gestalt war der theologisch gebildete Humbert (ca. 1006-1061), ein Mönch aus dem Kloster Moyenmoutier bei Toul, seit 1050 Kardinalbischof von Silva Candida. Er wurde in Rom, auf Synoden und Reisen der schroffste Wortführer der Neuerer und war wohl ihr maßgeblicher Ideengeber (s. § 8; 7.3.2). Er war an zentralen Konflikten seiner Zeit führend beteiligt: An der Kollision mit Byzanz 1054 wirkte er maßgeblich mit (s. § 8; 8.1.2), in der Auseinandersetzung um die Eucharistielehre ging er wirksam gegen Berengar vor (s. § 10; 8.1.2). Für den Konflikt mit dem Kaiser in der Frage der Investitur legte er die päpstliche Position fest (s. § 9; 6.2.1).

Erneuerung des Mönchtums

7.1.3 Petrus Damiani. Mit Petrus Damiani (1007-1072) unterstützte einer der berühmtes­ ten Befürworter einer Erneuerung des Mönchtums die päpstliche Politik (vgl. § 6; 9.4; § 10; 1.1.2). Als ein fruchtbarer theologischer Schriftsteller nahm er zu vielen Streitfragen Stellung (Werke: ML 144/145) und setzte sich literarisch für das Ideal des zölibatären und unabhängigen Klerikers ein. Als Kardinalbischof seit 1057 vertrat er an der Kurie und als Legat u.a. in Mailand, Florenz und Ravenna erfolgreich das neue päpstliche Programm. 618

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7.1.4 Das Papstwahldekret. Wie so oft im 10./11. Jh. kam es nach dem Tod Stephans IX. 1058 zu Konflikten. Gegen die zweifelhafte Wahl des Kardinals Johannes durch den Stadtadel (= Benedikt X.) protestierten die Unterstützer der Neuerungsbewegung um Hildebrand, Humbert und Petrus Damiani und erhoben in Florenz den dortigen Bischof zum Papst (= Nikolaus II., 1059-1061). Eine Lateransynode sanktionierte diese Wahl und beschloss im April 1059 – unter dem Einfluss Humbert und des Petrus Damiani – ein Dekret zur Regelung der Papstwahl, um den Einfluss der Adelsparteien auszuschließen (Text/Übers. der ursprünglichen Fassung: Laudage, Investiturstreit 42-49). Entscheidend für die Wahl – die entgegen dem Herkommen nun auch außerhalb Roms stattfinden und auch amtierende Bischöfe berücksichtigen durfte (die bisher wegen des Verbots des Wechsels von einem Bistum auf ein anderes ausgeschlossen waren) – sollten die Kardinalbischöfe sein. Sie sollten als erste wählen und erst dann den übrigen Kardinalsklerus sowie das Volk hinzuziehen. Auf das bisherige Mitwirkungsrecht des deutschen Königs/Kaisers wurde so vage Bezug genommen, dass die Anwendung später umstritten war. Erst im 12. Jh. setzte sich dieses Papstwahldekret allmählich durch (zum Wahldekret von 1179 s. § 8; 9.1.4). Direkt nach dem Tod von Nikolaus II. entstand erneut ein Schisma, da römische Adlige und lombardische Bischöfe mit Hilfe des deutschen Königshofes gegen den bereits gewählten Alexander II. ihren Kandidaten als Honorius II. erhoben, der jedoch nach synodaler Verurteilung 1064 keine Chancen mehr hatte (vgl. auch § 9; 6.3.2). Neben den Regelungen zur Papstwahl legte die Lateransynode außerdem fest, dass Laien die Messe nicht bei einem verheirateten oder im Konkubinat lebenden Priester hören dürften, eine der ersten generellen Festlegungen des Zölibats (vgl. § 8; 7.3.1). 7.1.5 Das Kardinalskollegium. Als Kardinäle bezeichnet man oft die Kardinalsbischöfe. Diese bildeten den obersten Rang innerhalb des Kardinalskollegiums, zu dem noch die Kardinalspriester und die Kardinalsdiakone gehörten. Der Titel cardinalis hob seit dem 6. Jh. die an einer Bischofskirche (cardo, d.h. Angelpunkt) tätigen Kleriker hervor (nicht nur in Rom). In Rom bildeten seit dem 8. Jh. die ranghöchsten Priester der 25 bzw. 28 Titelkirchen als cardinales ein besonderes Gremium, zusammen mit den Diakonen der 7 (später 12) Regionen und den 7 suburbikarischen Bischöfen (der Vorstädte Roms: Ostia, Albano, Porto, Silva Candida, Palestrina, Sabina und Tusculum), die liturgische Funktionen an der Lateranbasilika ausübten. Seit 1049/1059 entwickelte sich das Kardinalskollegium zu einer zentralen Beratungsinstanz. Mit dem Papstwahldekret 1059 traten diese drei ordines (Stände, d.h. Kardinalsbischöfe, -priester und -diakone) als korporative Institution auf, die im 12. Jh. großen Einfluss gewann. Später konnten auch Äbte der bedeutenden italischen Klöster zu Kardinälen ernannt werden (d.h. als solche kreiert werden, von lateinisch creare/erschaffen). Das Konsistorium, die Tagung des Kardinalskollegiums zur Beratung des Papstes, ver7. Neu erhobener Leitungsanspruch im 11. Jh.

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Nikolaus II.

Papstwahl durch Kardinalbischöfe

cardinalis

3 ordines

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drängte seit dem 12. Jh. die bis dahin entscheidenden Provinzsynoden (zur Entwicklung der Kurie s. § 8; 11.2.2). Als persönliche Gesandte vertraten die Kardinallegaten den Papst bei speziellen kirchenpolitischen Gesandtschaften (vgl. § 8; 7.4).

7.2 Klerikerkirche gegen Laienherrschaft geistliche und weltliche Macht

Zentralismus

Angleichung von Klerikern und Mönchen

kanonische Wahl

Die von Leo IX. initiierte Neuerungsbewegung diagnostizierte sehr früh die Vermengung von geistlicher und weltlicher Macht in den geistlichen Fürstentümern in Deutschland, die Einsetzung von Bischöfen, Äbten und Klerikern überhaupt durch weltliche Herren und die Vorstellung der sakralen Würde des Königs als Grundprobleme, die die libertas ecclesiae (Freiheit der Kirche) einschränkten. Um dem entgegenzutreten, griff man auf ältere, an sich unumstrittene Rechtsregelungen zurück, die man nun konsequent durchsetzen wollte. Dies richtete sich an vielen Orten gegen die dort üblichen regionalen Gewohnheiten, das »Herkommen«, das für die Ausgestaltung von Rechtsverhältnissen von entscheidender Bedeutung war. Die neue Vorstellung, man könne durch zentrale Festlegungen den Zustand der Kirche verbessern und müsse sich dementsprechend auch über das Herkommen hinwegsetzen, erregte naturgemäß Widerstand, bei weltlichen Herrschern, denen Rechte abgesprochen wurden, ebenso wie bei geistlichen Herrschern, die Machtverlust und entsprechende Verteilungskämpfe befürchteten. Im Hinblick auf den König stellte diese Neukonzeption die Sakralität der Königswürde in Frage, was sich besonders im Konflikt mit dem König um die Investitur (sog. Investiturstreit) als tiefgreifendes Problem entpuppte. Zugleich ist diese neue Idealvorstellung einzuordnen in die großen Transformationen des 11. Jh.s. Im Mönchtum war das Ideal des asketischen, arbeitenden, in der Einöde tätigen Mönches besonders erfolgreich (s. § 6; 9.29.4). Dieses Ideal der Abtrennung von der Welt wurde nun vielfach auf die Kleriker insgesamt übertragen. Die Heiligkeit der Kirche manifestierte sich in beeindruckenden Bauten der Romanik. Mit dem Wachstum der Städte bildeten sich die Kleriker zunehmend als eigener sozialer Stand heraus, der sich von den anderen städtischen Schichten unterschied. Diese langfristigen Entwicklungen führten nach und nach zu einer Identifikation der Kirche mit dem, was der Klerus war, tat und anbot. Das Lebensideal der asketischen Kleriker, die Vertiefung der Sakramentsfrömmigkeit (besonders von Eucharistie und Buße, vgl. § 10; 8.2.1; 9.2-9.3) und die Betonung der Heiligkeit von Kirche hingen so eng miteinander zusammen. Kirche wurde zunehmend als Klerikerkirche verstanden. Die damit gegebene Neuausrichtung fand programmatisch ihren Ausdruck in dem Ruf nach der libertas ecclesiae (Freiheit der Kirche) – Freiheit insbesondere von weltlichen Einflüssen (die gleichwohl fortbestanden). Neuralgische Punkte, an denen sich dieses Ideal konkretisierte, waren die electio canonica (die kirchenrechtlich ordnungsgemäße Wahl) und der Zölibat. 620

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7.3 Verbot der Simonie und Zölibat Nach vereinzelten Ansätzen zu Beginn des 11. Jh.s machte seit Leo IX. das Papsttum das Simonieverbot und die Zölibatsforderung zu zentralen Inhalten der eigenen Politik. Neben der Unterscheidung der Kleriker vom normalen Christenleben mit Arbeit, Ehe und Familie etc. und der Sicherung des Kirchengutes vor Vereinnahmung (etwa durch Vererbung) war dabei die Unabhängigkeit des Klerus – schon bei seiner Wahl – ein entscheidendes Ziel. Keineswegs war der Grund eine besonders verbreitete Unmoral der Kleriker, die es abzustellen galt (auch wenn bedenkliche sittliche Verwahrlosung und Verweltlichung des Lebensstils durchaus vorkamen), vielmehr wurden die bisher üblichen Lebensformen nunmehr als religiös-ethische Missstände disqualifiziert. Dass Kandidaten für die Übertragung einer materiell einträglichen Pfründe dem zuständigen Grundherren eine finanzielle Beteiligung zahlten, war gängige Praxis und entsprach der Gabe-Gegengabe-Relation zwischen dem Grundherren und der von ihm gestifteten Pfründe. Jetzt wurde diese Praxis pauschal als Simonie verdammt, d.h. als Kauf der Gabe des Heiligen Geistes nach Simons Bestechungsversuch Apg 8,18f. Als Simonie wurden aber nicht nur solche Geldzahlungen oder gar direkte Bestechungen (etwa von Angehörigen der Domkapitel) gewertet, sondern die Investitur durch Laien überhaupt (mit dem Argument, dadurch würden die weltlichen Bindungen des Lehnsverhältnisses bzw. der Übertragung der Pfründe zum eigentlichen Grund für die Wahl zum Priester oder Bischof). Damit wurde Simonie zum zentralen Begriff im Kampf gegen die Laieninves­titur. Der seit dem 4./5. Jh. immer wieder geforderte Zölibat war nicht nur für Bischöfe, sondern auch für Priester während des Frühmittelalters kaum durchsetzbar; nicht wenige Kleriker waren verheiratet oder lebten im Konkubinat (entsprechend der Friedelehe, s. § 8; 6.2.1). Dass Kleriker geistliche Güter vererbten, war zwar illegal, kam aber nicht selten vor. Dies wurde nun zunehmend seit ca. 1060 als Nikolaitismus denunziert (nach der Verwerfung der Werke der Nikolaiten Apk 2,6.14, die von dem in Apg 6,5 genannten Diakon Nikolaus her auf Kleriker bezogen wurden). 7.3.1 Der Zölibat. Die Forderung der Ehelosigkeit (caelibatus, mask., daher: der Zölibat), für Priester entsprang ursprünglich Vorstellungen kultischer Reinheit (wie sie etwa in den paenitentialia/Bußbüchern des Frühmittelalters greifbar waren; es sind dieselben Vorstellungen, die Eheleuten sexuelle Enthaltsamkeit vor der Teilnahme an der Eucharistie auferlegten und Verunreinigung, etwa durch Pollution oder Menstruation, als Ausschlussgründe ansahen). Seit der Karolingerzeit wurde diese Forderung durch Synoden und Bischöfe, Kirchenrechtssätze und Bußbücher immer wieder erhoben. Sie war aber nicht konsequent durchsetzbar, weil v.a. die kaum begüterten Landpfarrer Frau und Kinder zur Erwirtschaftung des Unterhalts brauchten und nicht selten ihre Söhne die Nachfolge antraten (die sog. Priestererbkir7. Neu erhobener Leitungsanspruch im 11. Jh.

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Unabhängigkeit des Klerus

Geldzahlungen

Laieninvestitur

kultische Reinheit

Priestererbkirchen

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Petrus Damiani, Liber Gomorrhianus

Erweiterung des Begriffs

Humbert, Adversus Simoniacos

chen). Gegen die Vererbung von Kirchengut wandten sich die Bischöfe z.B. mit Bestimmungen, dass die Priesterkinder zu Unfreien (also Leibeigenen) der Kirche würden und entsprechend nicht erben könnten (so auf den Synoden in Goslar 1019 und in Pavia 1022). Die Verbreitung des Kanonikertums (vgl. § 6; 10.3.1) und die Orientierung an monastischen Idealen stärkten die Forderung nach dem Zölibat. Allgemein wandte sich die Stimmung im 11. Jh. zunehmend gegen diese »Hurerei« der Kleriker, d.h. gegen Ehe und Konkubinat. Literarisch fand dies 1049 in dem Liber Gomorrhianus (Buch über Gomorrha) des Petrus Damiani seinen Niederschlag (Text: ML 145, 159-190), in der der Nikolaitismus angeprangert wurde. Ähnlich äußerte er sich in einem Gutachten, dem sog. Liber gratissimus (»sehr erwünschtes/beliebtes Buch«; Text: Briefe Teil 1, MGH.Epistulae, 1983, 384-509). Er forderte von allen Klerikern Ehelosigkeit, Keuschheit und Eigentumsverzicht und plädierte für eine bessere Ausbildung. 7.3.2 Die Simonie. Als Simonie war seit dem 5. Jh. die Annahme von Geschenken und Geldern für die Spendung von Sakramenten, v.a. die Priester- und Bischofsweihe, offiziell verboten. Nun wurde der Begriff insofern erweitert, als er auch die üblichen Geschenke, Anerkennungs- und Entschädigungszahlungen umfassen sollte, die Kleriker für ihre Pfründen (also nicht für die geistlichen »Gaben«, sondern für die zur Sicherung des Unterhaltes überlassenen Güter) an Stifter, Grundherren o.ä. zu zahlen hatten. Das war angesichts zahlreicher Fälle von regelrechtem Ämterkauf nicht unberechtigt, traf aber auch die laufenden Zahlungen aus dem Kirchengut, zu dem Bischöfe als Lehensnehmer des Königs verpflichtet waren. Durch Verbindung mit der Polemik gegen die Laieninvestitur entstand ein Grundsatzkonflikt (s. § 9, 6.2). Die umfassendste Polemik gegen die bisherigen Zustände bot Humbert von Silva Candida 1054-1058 in den Libri tres adversus Simoniacos (Drei Bücher gegen die Simonisten, Text: MGH.Libelli 1, 1891, 95-253). Er erklärte Simonie pauschal zur Häresie (mit der Folge, dass er die Gültigkeit der simonistischen Weihen und Sakramente abstritt – im Gegensatz zu Petrus Damiani, der die Gültigkeit der Sakramente anerkannt hatte). Da er die Laieninvestitur grundsätzlich ablehnte, hat er erstmals das bisherige Verhältnis zwischen geistlicher und weltlicher Gewalt in Frage gestellt. Humberts Schrift war zwar kaum verbreitet, doch hat Humbert seine Position in den päpstlichen Entscheidungsprozess eingebracht, so dass 1060 und 1063 bereits Lateransynoden gegen die Simonisten entschieden (Text: DH 691-694).

7.4 Ausbau der päpstlichen Oberhoheit Der Primatsanspruch der Päpste hatte bislang in Europa nur eine begrenzte praktische Bedeutung erlangt (so besonders bei der Lösung von Streitfragen). Die Kirchen der einzelnen Länder waren weitgehend autonom, Bischöfe und Erzbischöfe regierten selbständig und größtenteils unabhängig 622

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vom Papst, etwa durch die vom König einberufenen Synoden. Im 11. Jh. versuchten die Päpste ihre Einflussmöglichkeiten zu verbessern. Die Verleihung des Palliums an die Erzbischöfe (eines weißen, wollenen, mit Kreuzen verzierten Bandes als päpstliches Hoheitszeichen, das zur Mitwirkung als Metropolit bei den Bischofsweihen ermächtigte) sollte nur persönlich in Rom unter Ablegung eines Treueeides erfolgen (so seit Alexander II.), um eine persönliche Bekanntschaft und Verpflichtung zu etablieren. Leo IX. versuchte auch, durch Reisen direkte Kontakte herzustellen und ein persönliches Netzwerk aufzubauen. Auf Synoden v.a. in Frankreich und Deutschland demonstrierte er seinen Anspruch, als Oberhaupt der Kirche auch in die Belange der Kirchen der jeweiligen Länder eingreifen zu können. Bereits direkt nach seiner Wahl 1049 machte er z.B. auf einer Synode in Reims seine Vorstellungen bekannt und wandte sich gegen Priesterehe bzw. Priesterkonkubinat und Simonie. Seine Nachfolger knüpften daran an (zwischen 1049 und 1122 fanden ca. 100 Synoden unter der direkten Leitung der Päpste statt). Hinzu kam das Institut der päpstlichen Legaten, also Kardinälen, die mit päpstlicher Vollmacht als persönliche Stellvertreter des Papstes handelten. Dies sollte die Eigenständigkeit der landesspezifischen Metropolitanstruktur zurückdrängen. Zugleich versuchten die Päpste, ihre Einflussmöglichkeiten in Italien auszudehnen. In Norditalien entwickelte sich dabei Mailand zum permanenten Konfliktherd mit dem lombardischen Episkopat. In Süditalien gingen die Päpste ein Bündnis mit den neu ankommenden Normannen ein, um die byzantinische Vorherrschaft zurückzudrängen. Hinzu kamen weitere Maßnahmen, etwa die Verkündigung eines Ablasses für die Teilnahme an einem Kreuzzug gegen die Araber in Spanien, besonders aber die Exemtion (d.h. das Herausnehmen) von Klöstern von der bischöflichen Aufsicht, was wiederum die Loyalität monastischer Kreise zum Papsttum stärkte. 7.4.1 Primatsanspruch und Kirchenrecht. Primatsanspruch und Romidee spielten auch in der Theoriebildung der Neuerer eine große Rolle. Den Grundsatz, dass die römische Kirche cardo, fons et origo (Angelpunkt, Quelle und Ursprung), kurz die Mutter aller Kirchen sei, prägte Humbert in seiner Schrift De sancta Romana ecclesia (Über die heilige römische Kirche) von ca. 1053/1054. Damit wurde eine Ekklesiologie entwickelt, die konsequent von der Romidee aus entwickelt war. Das ging erheblich über den bisherigen Anspruch auf Jurisdiktions- und Lehrprimat hinaus und fundierte künftige Universalitätsansprüche (vgl. § 8; 7.5.2). Petrus Damiani begründete die hierin sichtbare Vorstellung eines römischen Zentralismus auch kirchenrechtlich, indem er päpstliche Dekretalen zum letztgültigen Maßstab bei Rechtsunklarheiten erhob. Gezielt wurden nun Rechtssatzungen, Synodalentscheide und andere Rechtstexte zusammengestellt, die das neue Konzept zu stützen schienen. 7.4.2 Mailand als Konfliktherd. Gegenüber Rom hatte das Erzbistum Mailand traditionell ein hohes Maß an Selbständigkeit bewahrt (in Fortsetzung der alten Stellung als Kaiserresidenz und kirchliches Zentrum im zum Reich gehörenden Norditalien). Hier bildete sich im 11. Jh. die Pataria, eine Volksbewegung, die sich gegen die etablierten Herrschaftsstrukturen wandte, so besonders gegen die Verbindung von Adel und Klerus 7. Neu erhobener Leitungsanspruch im 11. Jh.

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Pallium

Treueeid Papstreisen

Kardinallegaten

Romidee

Pataria

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(vgl. § 6; 11.1.1). 1057 entlud sich dieser Widerstand in einem Aufstand gegen »simonistische« Kleriker. Petrus Damiani als Legat von Nikolaus II. vermittelte zwischen Klerus und Pataria und erreichte dabei die Anerkennung der päpstlichen Oberhoheit in Mailand. In der Folgezeit verbündete sich Alexander II. nach 1064 mit der Pataria, deren Führer Erlembald er durch die Übersendung der Petrusfahne demonstrativ unterstützte, gegen den lombardischen Episkopat. Die Konflikte um Mailand wurden zu einem zentralen Kampfplatz im Streit um die Investitur (s. § 9; 6.3.2).

Kurswechsel unter Nikolaus II.

7.4.3 Die Päpste und die Normannen. Seit Beginn des 11. Jh. veränderte sich die Lage in Süditalien durch die Eroberungen der Normannen, die in Apulien und Kalabrien einzelne Herrschaften errichteten. Dies nahmen die Päpste als willkommene Gelegenheit, um ihren Einfluss in Süditalien auszubauen, wo sie teils an den byzantinischen Ansprüchen, teils an der fortwährenden Gefährdung durch Sarazenen und der Eigenmächtigkeit langobardischer Einzelherrschaften mit ihren Ansprüchen bisher gescheitert waren (so war etwa die Ernennung Humberts zum Erzbischof von Sizilien 1050 faktisch bedeutungslos). Leo IX. hatte noch 1053 versucht, militärisch die Normannen zurückzudrängen, war aber militärisch bei Civitate unterlegen und in Gefangenschaft geraten. Nikolaus II. ging 1059 auf die Normannen zu, die er durch einen Treu- und Lehnseid an sich band, zugleich aber legitimierte. Dadurch waren Richard von Aversa-Capua und besonders Robert Guiscard nun nicht mehr marodierende Raubritter, sondern päpstlich anerkannte Herrscher. Die Ausbreitung der Normannenherrschaft in den folgenden Jahrzehnten bildete die Basis für zunehmenden päpstlichen Einfluss in Süditalien und Sizilien. Direkt nach dem Bündnis 1059 hielt Nikolaus II. eine Synode in Melfi zwecks Neuordnung der Kirchen in Süditalien ab. Alexander II. und Gregor VII. bauten die päpstlich-normannische Allianz aus (vgl. § 9, 6.5).

7.5 Zentralistisches Herrschaftsprogramm bei Gregor VII. Hildebrand

Konflikt mit Heinrich IV.

Der römische Archidiakon Hildebrand verschärfte als Papst Gregor VII. den Kampf gegen Priesterehe, Simonie und Laieninvestitur. Man bezeichnet ihn zutreffend als religiösen Eiferer mit intensiver asketischer Frömmigkeit oder als kirchlichen militanten Vorkämpfer einer Rom-Petrus-Ideologie mit starken politischen Interessen. Er überschätzte die Realisierungsmöglichkeiten seiner Ansprüche und unterschätzte die Widerstände, worin sein Scheitern begründet war. Als Theoretiker der Primatsidee ragte er insofern hervor, als er alte Ansprüche aufgriff und zuspitzte und jeden Widerspruch gegen ihn als Aufkündigung des der Kirche gegenüber zu erbringenden Gehorsams betrachtete. In einer (unveröffentlichten) Zusammenstellung von Leitsätzen, dem sog. Dictatus Papae (»Diktat des Papstes«, wohl von 1075), hob er die Sonderstellung und Unfehlbarkeit der römischen Kirche hervor, begründete weitreichende Eingriffsmöglichkeiten in allen Kirchen, beanspruchte die Superiorität der päpstlichen gegenüber aller weltlichen Gewalt und untermauerte seinen Jurisdiktionsprimat. Seine Politik versuchte, diese Vorstellung umzusetzen, was zu heftigen Konflikten mit den Bischöfen Deutschlands, Frankreichs und Norditaliens führte. In Kaiser Heinrich IV. fand er einen ebenso energischen wie selbstbewussten Gegner, der ihn – trotz zwischenzeitlicher Versöhnung –1084 aus Rom vertrieb, so dass Gregor zu 624

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den Normannen flüchtete, wo er 1085 im Exil starb. Die unversöhnlich erhobenen Ansprüche hatten zu diesem Zeitpunkt bereits zur Ernennung des gemäßigten Gegenpapstes Clemens III. (1080-1100) geführt. Der erhobene Universalanspruch führte zunächst also zur Spaltung und zu umstrittenen Zugehörigkeiten zu den miteinander verfeindeten Päpsten. Trotzdem wirkten die Vorstellungen Gregors VII. im 12. Jh. weiter und legten die Grundlage für den Ende des 12. und im 13. Jh. erhobenen Universalanspruch der Päpste. 7.5.1 Die Karriere von Hildebrand. Der in der Toskana ca. 1025 geborene Hildebrand gehörte seit Gregor VI. (s. § 8; 6.3.5) und Leo IX. (s. § 8; 7.1.1) zu der Gruppe der Neuerer in Rom. Nikolaus II. machte ihn 1059 zum einflussreichen Archidiakon der römischen Kirche, der u.a. für das Gerichts-, Finanz- und Militärwesen des Patrimonium Petri zuständig war. An den wichtigsten Maßnahmen der Päpste der Folgezeit war er beteiligt, die Wahlen von Nikolaus II. und Alexander II. dürfte er maßgeblich beeinflusst haben. Unter tumultuarischen Umständen wurde er 1073 – unter Missachtung des Papstwahldekrets von 1059 – als Papst akklamiert. Dies ermöglichte im Konflikt zwischen Kaiser und Papst die Bestreitung der Rechtmäßigkeit seiner Wahl. Durch die Verbindung mit dem königstreuen Gregor VI., die sich auch in der Namenswahl niederschlägt (neben dem Rückgriff auf Gregor I.), hatte er eine auch persönliche Verbindung zu Heinrich III. und dessen Sohn Heinrich IV., was jedoch den großen Zusammenstoß von 1077 nicht verhinderte.

7.5.2 Der Dictatus Papae. In ungewöhnlich vielen Briefen hat Gregor seine Einflussmöglichkeiten auszubauen versucht, über 360 davon sind in päpstlichen Briefregistern (d.h. Zusammenstellungen von Aktenstücken) erhalten (Text/Übers.: z.T. AQDGMA 12a). Dort ist unter der Gattungsbezeichnung Dictatus Papae (d.h. persönliches Diktat des Papstes, eine Bezeichnung, die auch über anderen Konzeptpapieren steht) einer der am meisten kommentierten Texte der Kirchengeschichte erhalten, dessen Form und Zweck nach wie vor in der Forschung umstritten ist. Es handelt sich wohl nicht um den Index einer nicht erhaltenen Kanonessammlung (wie früher vermutet), sondern um eine nicht zur Veröffentlichung bestimmte Zusammenstellung von Leitsätzen bzw. Sentenzen über die Universalgewalt des Papstes. Auffällig ist, dass Gregor VII. zum Teil an Synodaltexte und kanonistische Texte anknüpfte, zum Teil an die Vorstellungen von Petrus Damiani. Es spricht einiges dafür, dass der Text der internen Arbeit an den Rechtsgrundlagen des päpstlichen Hoheits- und Leitungsanspruchs diente. Demnach darf man den Text nicht einlinig als Selbstverständnis Gregors interpretieren, sehr wohl aber als Zusammenstellung von Leitsätzen, die Gregor interessant und bedenkenswert fand. Da der Text zwischen zwei Briefen vom 3.3.1075 und 4.3.1075 im Register steht, dürfte er etwa in dieser Zeit diktiert worden sein; doch eine Abfassung schon 1074 ist ebenso gut möglich (Text/Übers. Laudage, Investiturstreit 100-103). Der Text stellt in loser Reihenfolge Leitsätze zu vier Themen zusammen (Nr. des Dictatus Papae in Klammern): 7. Neu erhobener Leitungsanspruch im 11. Jh.

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Wahl zum Papst

Konzeptpapier

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Sonderstellung des römischen Bischofs

Eingriffsrechte

Verhältnis zur weltlichen Gewalt

Jurisdiktions­ primat

Irrtumslosigkeit

Translationstheorie

Sakralität des Königs

a) Die Sonderstellung Roms wird herausgehoben. Sie ist direkt vom Herrn begründet worden (I.), die kanonische Wahl zum Papst macht den Amtsinhaber heilig (XXIII.) Der römische Bischof ist daher allein als pontifex universalis (universaler Bischof) zu bezeichnen (II.), sein Name ist einzigartig in der Welt (XI.) und wird entsprechend in einzigartiger Weise in der Liturgie verlesen (X.). Wer nicht mit der ecclesia Romana (römischen Kirche) übereinstimmt, kann nicht als catholicus (katholisch) gelten. b) Daraus leiten sich etliche Eingriffsrechte innerhalb der Kirche ab. So kann der Papst Bischöfe absetzen oder wiedereinsetzen (III.), auch in Abwesenheit (V.) und ohne Synoden (XXV.), aus Abteien Kanonikerstifte oder umgekehrt machen (VII.), Bistümer aufteilen oder zusammenlegen (ebenfalls VII.), Bischöfe versetzen (XIII.) oder Klerikerweihen vornehmen (XIV.). c) Gegenüber den weltlichen Herrschern kommt den Päpsten Superiorität zu. Nur der Papst darf die kaiserlichen Insignien benutzen (VIII.), alle weltlichen Herrscher müssen den Papst durch Fußkuss ehren (IX). Besonders zugespitzt und durch das bisherige Kirchenrecht nicht gedeckt ist der Satz: Quod illi liceat imperatores deponere (Dass es ihm erlaubt ist, Kaiser abzusetzen; XII.). Zudem kann der Papst Untergebene vom Treueeid gegenüber weltlichen Herrschern lösen, wenn diese als Sünder zu betrachten sind (XXVII.) – eine politisch höchst brisante Regelung. d) Dem Papst kommt der Jurisdiktionsprimat zu. Seine Legaten führen bei allen Synoden den Vorsitz (IV.), nur mit seiner Zustimmung ist eine Synode eine Generalsynode (XVI.), nur er kann die Verbindlichkeit von Rechtstexten festsetzen (XVII.), er selbst kann alle Urteile widerrufen, seine Urteile jedoch können nicht aufgehoben werden (XVIII.), seine Entscheidungen sind irrtumsfrei (Quod Romana ecclesia numquam erravit nec imperpetuum scriptura testante errabit/Dass die römische Kirche niemals geirrt hat und auch in Ewigkeit niemals nach dem Zeugnis der Schrift irren wird; XXII.), was sich auf die Institution, nicht die Person bezieht. Dementsprechend kann der Papst von niemandem gerichtet werden (XIX.). Alle größeren causae (Rechtsfälle) müssen an den römischen Stuhl gebracht werden (XXI.). Das Papstamt wird so als letzte Instanz betrachtet, die innerkirchlich und kirchenrechtlich weitgehende Durchgriffsrechte hat. Im Hinblick auf die weltliche Macht greifen die Sätze die Vorstellung von der translatio imperii (Übertragung der [scil. weltlichen] Herrschaftswürde) auf: Die Kaiserwürde ist danach nicht eine zweite, neben der geistlichen Gewalt stehende, von Gott eingesetzte Gewalt, sondern hängt ihrerseits von der geistlichen Gewalt ab. Zugrunde liegt ein Begründungsmuster, das der geistlichen Gewalt die höhere Macht einräumt, weil sich die geistliche Gewalt auf die höheren Güter (nämlich das ewige Leben) bezieht. Damit war die an sich übliche Notwendigkeit einer Zustimmung des Kaisers zur Papstwahl ebenso in Frage gestellt wie das Gottesgnadentum der Königswürde, die sakrale Funktion des Königs. In der Tat hat Gregor VII. im Konflikt mit Heinrich IV. nicht gezögert, die Sakralität des Königs in Frage zu stellen (s. § 9; 6.). Der aus der 626

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Konstantinischen Schenkung abgeleitete Anspruch, allein die kaiserlichen Insignien tragen zu dürfen, fand seit 1059 in der Hinzufügung einer Krone zur Tiara (einer spitzen Mütze als weltlichem Hoheitszeichen, seit dem 14. Jh. mit drei Kronen) Ausdruck.

Tiara

7.5.3 Konflikte mit den Bischöfen. Der Anspruch Gregors, dass seinen Befehlen als den Befehlen Petri oder Gottes Gehorsam zu leisten sei, führte zu heftigen Konflikten. In Frankreich konnte er zwar die Absetzung des mächtigen Erzbischofs Manasse von Reims 1077-1080 durchsetzen, doch begrenzten Vorbehalte und Widerstände hier den dauerhaften Einfluss. In der Lombardei hatte er, u.a. durch die Unterstützung der Pataria, den adligen Episkopat gegen sich aufgebracht, und auch im Reich gelang es ihm nur mühsam, Teile des Episkopats auf seine Seite zu ziehen und so gegen den König einzusetzen. Eigentlich war dies nur möglich aufgrund der Verbindungen der deutschen Bischöfe mit den Herzögen, die gegen Heinrich IV. vorgehen wollten. Zwar kritisierte man nicht Gregors Vorgehen gegen die Simonie (so ließ man etwa Bischof Hermann von Bamberg nach der päpstlichen Absetzung wegen Simonie 1075 schlicht fallen), doch das Vorgehen Gregors, die Bischöfe nach Rom vorzuladen und hier wegen Simonie gegen sie zu verhandeln, stieß ebenso auf Kritik wie der umfassende Leitungsanspruch Gregors. Denkwürdig war die Kritik des von der römischen Fastensynode 1075 exkommunizierten Bremer Erzbischofs Liemar: Der gefährliche Mensch will den Bischöfen wie Gutsverwaltern befehlen, was er will. 7.6 Literatur Lektüretipp: U.-R. Blumenthal: Gregor VII. Papst zwischen Canossa und Kirchenreform, 2001. Quellen: J. Laudage/M. Schrör (Hg.): Der Investiturstreit. Quellen und Materialien (Lateinisch – Deutsch), 2. A. 2006. Literatur: B. Szabó-Bechstein: Libertas ecclesiae, ein Schlüsselbegriff des Investiturstreits und seine Vorgeschichte. 4.-11. Jahrhundert, 1985. – D. Hägermann: Das Papsttum am Vorabend des Investiturstreits. Stephan IX. (1057-1058), Benedikt X. (1058) und Nikolaus II. (1058-1061), 2008. – J. Laudage: Gregorianische Reform und Investiturstreit, 1993. – W. Goez: Kirchenreform und Investiturstreit 910-1122, 2. A. 2008. – U. Schludi: Die Entstehung des Kardinalkollegiums, 2014. – S. Weiss: Die Urkunden der päpstlichen Legaten von Leo IX. bis Coelestin III. (1049-1198), 1995. – M. Dischner: Humbert von Silva Candida, 1996. – T. Schmidt: Papst Alexander II. (1061-1073) und die römische Reformgruppe seiner Zeit, 1977. – M. Stroll: Popes and Antipopes. The Politics of Eleventh Century Church Reform, 2012. – G. Gresser: Die Synoden und Konzilien in der Zeit des Reformpapsttums in Deutschland und Italien von Leo IX. bis Calixt II. (1049-1123), 2006.

 § 9; 6.

8. Päpstlicher Primat und Ostkirche Machtfragen dominierten in dem lang andauernden Prozess der Entfremdung zwischen Ost und West. Nach den ersten gegenseitigen Verwerfungen auf dem Konzil von Serdika 343 (vgl. § 1; 12.4) und den Spannungen im Acacianischen Schisma (vgl. § 4; 11.2.3) hatten sich im 9. Jh. die Spannungen durch die Frankfurter Synode (vgl. § 5; 13.3.1) und den Konflikt um den Patriarchen Photius 8. Päpstlicher Primat und Ostkirche

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Schismen vor 1054

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(s. § 8; 6.2.2) verschärft. Hinzu kam der Konflikt um Jurisdiktionsgebiete, so besonders den Balkan und Süditalien. Dies bildet den Hintergrund für die gegenseitige Verwerfung von 1054, die jedoch nur einen weiteren Schritt in der Geschichte der Spannungen darstellt, nicht die grundsätzliche Spaltung zwischen Ost und West, die in ihr gerne gesehen wird. Die Kreuzzugsbewegung führte dann ab dem Ende des 11. Jh.s zu zusätzlichen Konflikten, die mit der Eroberung von Byzanz durch die Kreuzfahrer 1204 und die Errichtung des lateinischen Kaisertums in Byzanz eskalierten (s. § 9; 10.2). Die Auflösung des lateinischen Kaiserreiches führte zu neuen Verständigungsbemühungen, die die Union auf dem Konzil in Lyon 1274 ermöglichten, die jedoch unter westlichen Vorgaben und faktisch ohne Wirkung blieb. Das gilt dann ähnlich für die Erklärungen der Union zwischen der Westkirche, Byzanz, den Armeniern, Kopten und Syrern auf dem Konzil von Florenz 1439.

8.1 Das Schisma von 1054 Konflikte in Süditalien

Michael Kerrularios

gegenseitige Exkommunikation

Leon von Ochrid Azyma

Die Ausdehnung des päpstlichen Einflusses in Mittel- und Süditalien, wo die Normannen vordrangen, aber noch Reste byzantinischer Herrschaft bestanden, führte zum Konflikt nach 1050. In der Zeit, als die Päpste noch gegen die Normannen vorgingen (später machten sie sich die Normannenherrschaft zu Nutze, vgl. 8; 7.4.3), opponierte der machtbewusste Patriarch von Konstantinopel Michael Kerrularios gegen den Plan Papst Leos IX., mit Hilfe des Ostkaisers gegen die Normannen einzuschreiten. Die liturgischrituellen Differenzen sollten in diesem Zusammenhang den wechselseitigen Häresievorwurf begründen. Dies führte schließlich dazu, dass 1054 Kardinal Humbert als päpstlicher Legat in Konstantinopel eine Bannbulle auf dem Hauptaltar der Hagia Sophia niederlegte und eine Synode unter Kerrularios die päpstlichen Legaten als Häretiker exkommunizierte. Diese personengebundene Exkommunikation entfaltete größere Wirkung, weil zugleich untersagt wurde, mit den Gebannten in Gemeinschaft zu stehen, an denen natürlich beide Seiten festhielten. Die beigefügten Begründungen enthielten außerdem grundsätzliche Sachdifferenzen und zementierten so das Bewusstsein des Getrenntseins. 8.1.1 Das Vorgehen des Michael Kerrularios. Die Reste byzantinischer Herrschaft wurden in Süditalien gegen Sarazenen und gegen die seit dem 11. Jh. vordrängenden Normannen verteidigt und hielten sich bis ins 12. Jh. Gegen die Normannen verbündete sich Leo IX. mit dem byzantinischen Statthalter. Hierin sah Patriarch Michael Kerrularios (1043-1058), eine Gefährdung seiner Jurisdiktion in Süditalien. In seinem Auftrag polemisierte 1053 der bulgarische Erzbischof Leon von Achrida/Ochrid gegen die angeblich judaisierenden Häresien der Westkirche, v.a. den Gebrauch von Azyma/ungesäuertem Brot in der Eucharistie und das Fasten an den Samstagen der Fas­ tenzeit (Text: MG 120, 836-844). Das war für Kerrularios Grund genug, die 628

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lateinischen Kirchen in Konstantinopel schließen zu lassen, die es dort für die Westeuropäer gab. Doch da Papst und Kaiser an einer politischen Verständigung interessiert waren, kam eine römische Gesandtschaft 1054 nach Konstantinopel (die Kardinäle Humbert von Silva Candida und Friedrich von Lothringen sowie Erzbischof Petrus von Amalfi). 8.1.2 Die Bannbulle Humberts. Humbert forderte, dass die päpstliche Jurisdiktion in Süditalien und in Illyrien gelten sollte, und polemisierte zugleich maßlos gegen die Häresien der Griechen, unter denen er jetzt erstmals auch die angebliche Weglassung des Filioque im Credo thematisierte. Seine z.T. absurden Vorwürfe fasste er in einer Bannbulle zusammen, die er als Zeichen der Exkommunikation des Patriarchen und aller, die mit ihm in Gemeinschaft blieben, am 16.7.1054 auf dem Hauptaltar der Hagia Sophia niederlegte (Text: ML 143, 1002-1004). Nach der Benennung der angeblichen östlichen Häresien stellte die Bulle abschließend fest: Sie seien verflucht, Maranatha, zusammen mit ... allen Häretikern, ja mit dem Teufel und seinen Engeln, wenn sie nicht doch zur Einsicht kommen. Maßgebliche Begründung dafür war, dass sie dem Glauben des heiligen römischen und apostolischen Stuhls widersprochen hätten. Kerrularios reagierte entsprechend, indem er am 24.7. durch eine Synode die Verurteilung der päpstlichen Legaten beschließen ließ.

Filioque

Hagia Sophia

8.1.3 Verständigungsbemühungen. Im 11. und 12. Jh. gab es gelegentlich Vorstöße, durch theologische Gespräche die Einheit wiederherzustellen, so z.B. von Kaiser Alexios I. im Zusammenhang seiner Bemühung um politische Kooperation mit dem Westen und dem Papst zwischen 1097 und 1112. Diese Bemühungen wurden durch die Errichtung der Kreuzfahrerherrschaften nachhaltig gestört. In den theologischen Debatten erhielt das Filioque-Problem nun zentrale Bedeutung. Neben Unterschieden im Hinblick auf die Liturgie und Mentalitätsdifferenzen war insbesondere die Primatsfrage nicht ausräumbar. Das zeigte sich auch bei den politisch motivierten Gesprächen, die Anselm von Havelberg im Auftrag von Kaiser Lothar III. 1136 in Konstantinopel führte (Text: ML 188, 1139-1248; SC 118) und bei den Bemühungen Kaiser Manuels I. (1143-1180) um eine Verständigung, die seinen Versuch begleitete, in Süditalien erneut Einfluss zu entwickeln.

 § 8; 7.

8.2 Die Unionsversuche 1274-1439 Der von Innozenz III. erhobene Universalanspruch schien nach 1200 Realität zu werden, denn mit der Errichtung des lateinischen Kaiserreiches in Byzanz (vgl. § 9; 10.2) ging die Einsetzung eines lateinischen Patriarchen in Byzanz einher. In den Kreuzfahrerherrschaften waren die neu eingesetzten Patriarchen von Antiochia und Jerusalem dem Papst unterstellt. Doch Kleriker und Gemeinden der Ostkirchen entzogen sich diesem Anspruch durch hartnäckige Opposition, so dass der Primat faktisch nur für die dort leben8. Päpstlicher Primat und Ostkirche

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lateinische Patriarchen

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Konzil in Lyon 1274

Johannes Bekkos

Venedig

4. Laterankonzil

Differenz im Ritus

den Westeuropäer galt. Auch die solennen Dekrete des 4. Laterankonzils von 1215, die den Primat Roms auch über die Ostkirche fixierten, standen nur auf dem Papier. Es waren politische Gründe, die den bedrängten Kaiser Michael VIII. 1262 zu neuen Verhandlungen veranlassten (nach dem üblichen Muster: Unionsangebot gegen Militärhilfe). In Papst Gregor X. fand er schließlich einen geneigten Partner, der auf dem Konzil von Lyon 1274 feierlich die Union vollziehen ließ. Dazu mussten die griechischen Gesandten dem römischen Primat und dem Filioque zustimmen. Diese Union entfaltete jedoch keine Wirkung, weil in Byzanz die Zustimmung insbesondere zum Filioque umstritten war (trotz der Befürwortung durch den Patriarchen Johannes Bekkos [1275-1282]) und Papst Martin IV. 1281 den byzantinischen Kaiser erneut exkommunizierte. Die byzantinischen Kaiser, die im 14./15. Jh. erneut die Union betrieben, versuchten, das durch intensivere theologische Vorarbeiten besser zu verankern. So kamen Lehrgespräche zwischen östlichen und westlichen Theologen zustande, die allerdings keinen Rückhalt im griechischen Klerus und Kirchenvolk besaßen. Ihre Aversion gegen die Lateiner war seit 1274 noch gewachsen, zumal erneut die westlichen Vorstellungen dominant wurden. Den Höhepunkt erreichten diese Bemühungen in den Lehrdekreten auf dem Konzil von Florenz 1439, die eine förmliche Union herstellten, die gleichwohl keine nachhaltige Wirkung entfaltete. 8.2.1 Lateinische Bischöfe im Osten. Als erster lateinischer Patriarch in Konstantinopel wurde 1204 der Venezianer Thomas Morosini (gest. 1211) eingesetzt und nachträglich von Innozenz III. bestätigt. Auch dessen Nachfolger bis 1261 stammten meist aus Venedig. Der Papst, der diese Amtseinsetzung bereits als Union mit der Ostkirche deutete, ließ neben den griechischen Bischöfen lateinische Bischöfe einsetzen. Da die griechischen Bischöfe sich weigerten, ihre Kirchen mit den lateinischen Neugründungen zusammenzuführen und sich dem Papst zu unterstellen, gab es fortan zwei Kirchen nebeneinander mit unterschiedlichem Ritus und Kirchenrecht. Auf dem 4. Laterankonzil von 1215 waren dementsprechend drei der vier östlichen Patriarchate durch lateinische Amtsinhaber vertreten, ohne dass die griechischen Kleriker und Gemeinden sich hierdurch repräsentiert sahen. Die Konzilsdekrete bauten auf der Fiktion der erreichten Kircheneinheit auf, sahen vor, dass die östlichen Patriarchen (analog zu den westlichen Erzbischöfen) vom Papst das Pallium erhielten, und befahlen die Abstellung aller schädlichen Riten (u.a. der erneuten Taufe lateinischer Christen). 8.2.2 Die Union von Lyon 1274. Kaiser Michael VIII. Palaiologos setzte sich nach dem Ende des lateinischen Kaiserreiches für eine Union mit Rom ein. Er setzte sich damit über die Bedenken von Patriarch und Episkopat hinweg, die die päpstlichen Forderungen (1273 von einer römischen Synode bekräftigt) der Anerkennung des römischen Primats und des Filioque ablehnten. Der byzantinische Kaiser stimmte, um die Union zu erreichen, einem von Rom vorgeschriebenen Glaubensbekenntnis zu, meinte aber, die im Osten verbreiteten Formen von Liturgie und Credo beibehalten zu können. Man zielte auf eine grundsätzliche Übereinstimmung in Glaubensfragen, hinter die die Differenz des Ritus zurücktreten sollte. In diesem Sinne stimmten die Gesandten des Kaisers von Byzanz auf dem Konzil in Lyon am 6.7.1274 der Union zu, indem sie ein umfangreiches Bekenntnis des Kaisers rezitierten, das u.a. das Filioque, die Siebenzahl 630

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der Sakramente, die Transsubstantiationslehre, die Verwendung von Azymen bei der Eucharistie und den uneingeschränkten Primat (primatus et principatus/Vorrang und Vorherrschaft) der römischen Kirche anerkannte. Selbst wenn man die letztere Wendung auf den traditionellen Ehrenvorrang Roms bezog, war das Bekenntnis insgesamt nicht in der griechischen Theologie verankert und wurde daher in der griechischen Kirche weitgehend abgelehnt.

8.2.3 Ausblick auf spätere Verständigungsbemühungen. Die alte byzantinische Forderung nach einem ökumenischen Konzil erhielt durch den westlichen Konziliarismus seit 1409 Auftrieb. Die Konflikte zwischen Konziliaristen und dem Papst führten dazu, dass das zunächst 1431 in Basel eröffnete Konzil sich der Auflösung und Neueröffnung durch den Papst in Italien widersetzte (vgl. § 8; 14.3). Es war also nur die auf der Seite des Papstes stehende Teilsynode, die nach zähen Verhandlungen am 9.4.1438 in Ferrara eröffnet und wenig später von Papst Eugen IV. nach Florenz verlegt wurde. Hier erschienen der byzantinische Patriarch und Gesandte weiterer Ostkirchen. Das hier am 6.7.1439 formell abgeschlossene Unionsdekret war im Grunde eine bloß kirchenpolitische Aktion ohne wirkliche dogmatische Verständigung (Text/Übers. z.T.: DH 1300-1308). Die Wortführer der großen griechischen Delegation waren der Humanist Bessarion (seit 1439 römischer Kardinal, gest. 1472) und der Erzbischof von Ephesus Markus Eugenikos, ein scharfer Kritiker der Lateiner. Die Diskussion über die strittigen Lehrfragen Fegefeuer, Transsubstantiation und Filioque erbrachte keine Annäherung, so dass man sich mit Formelkompromissen behalf. Das galt auch für den jetzt dogmatisch und juristisch exakter als 1274 definierten römischen Primat, weil er unter Wahrung aller Privilegien und Rechte der östlichen Patriarchate gelten sollte. Die tatsächliche Situation im Osten, in der die byzantinischen Truppen ohne westliche Hilfe zunehmend auf verlorenem Posten standen, machte die Union zur Illusion. 1453 fiel Konstantinopel im Kampf gegen die Osmanen (s. § 9; 10.3.2). Ähnliches galt auch für die Unionsdekrete, die nach 1439 einer winzigen Delegation der Armenier und 1442/1444 einzelnen Vertretern der Kopten und der Syrer diktiert wurden. Die langen Ausführungen über die Sakramente im Decretum pro Armenis (Dekret für die Armenier, Text/Übers.: DH 1309-1328) waren künftig nur für die Westkirche bedeutsam, weil sie deren Lehren dogmatisch fixierten (vgl. § 10; 9.1.3). Das Decretum pro Iacobitis (Dekret für die Jakobiten, d.h. Kopten und Syrer) brachte neben christologischen Ausführungen u.a. den westlichen Kanon der biblischen Bücher (Text/Übers.: DH 1330-1353). Sie wurden für die Maroniten deshalb wichtig, weil diese sich als zu Rom gehörig verstanden (vgl. § 4; 15.3.3).

Konzil von Ferrara-Florenz

Bessarion Markus Eugenikos

1453 Fall Konstantinopels

8.3 Literatur Lektüretipp: P. Gemeinhardt: Die Filioque-Kontroverse zwischen Ost- und Westkirche im Frühmittelalter, 2002 [besonders 322-359 zu den Ereignissen von 1054]. 8. Päpstlicher Primat und Ostkirche

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Literatur: M. Dischner: Humbert von Silva Candida, 1996. – A. Michel: Humbert und Kerullarios, 2 Bde., 1924.1930. – A. Riebe: Rom in Gemeinschaft mit Konstantinopel. Patriarch Johannes XI. Bekkos als Verteidiger der Kirchenunion von Lyon (1274), 2005. – B. Roberg: Das Zweite Konzil von Lyon (1274), 1990.

 § 10; 16.

9. Etablierung der Papstkirche im 12./13. Jh.

Kurie

Papatologie

Mit dem Begriff Papstkirche soll hier der im Anschluss an Gregor VII. erhobene universale Herrschaftsanspruch des Papstes gemeint sein, womit sich die Vorstellung verband, dass dem Papst kirchenrechtlich wie religiös eine zentrale Stellung in der Christenheit zukommt. Maßgebliches Instrument war der Ausbau der Kurie und des Kirchenrechtswesens. Von der Kurie erhobene kirchenrechtliche Ansprüche wurden auch dann erhoben, wenn sie nicht realisierbar waren, bis die Gunst der historischen Situation eine – meist nur teilweise mögliche – Realisierung erlaubte. Der Anspruch, als Papst die Kirche leiten zu können, stieß vor Ort auf die unterschiedlichsten Bedingungen, die die Macht des Papstes begrenzten. Gleichwohl wurde eine umfassende Papatologie entwickelt, innerhalb derer der Papst als Stellvertreter des Weltherrschers Christus eine singuläre Dignität und Herrschaftswürde innehatte. Dies konvergierte mit der Vorstellung, dass das Geistliche und die Sorge um das ewige Heil gegenüber dem Weltlichen und diesseitigen Wohlergehen den Vorrang haben sollten. Es kam zu einem wachsenden Hiatus zwischen Idee und Realität. Begünstigt durch die Thronwirren nach dem Tod Heinrichs VI. 1197 konnte Innozenz III. (1198-1216) in besonders eklatanter Weise einen universalen Herrschaftsanspruch erheben. Schon seine Nachfolger sahen sich mit Friedrich II. einem Kaiser gegenüber, der seinerseits einen universalen Anspruch verfolgte. Heftige Konflikte zwischen Kaiser und Papst waren die Folge.

9.1 Päpstliches Recht

Konflikt mit dem Kaiser

Die Papstgeschichte im 12. Jh. ist geprägt durch innere Konflikte, den Ausbau des Kirchenrechtssystems und den Konflikt mit Friedrich Barbarossa und das daraus folgende erneute Papstschisma. Theoretische Grundlage päpstlicher Politik war eine zunehmend entwickelte Papatologie (woran Bernhard von Clairvaux maßgeblich beteiligt war), die in einem entsprechend rom­ orientierten Kirchenrecht ihren Ausdruck fand. Der große Grundsatzkonflikt zwischen Papsttum und Kaisertum seit 1155 (s. § 9; 7.1) stärkte trotz des erneuten Schismas das Papsttum, da Alexander III. sich gegen den Kaiser behaupten konnte. Der im 12. Jh. betriebene Ausbau der Kurie zu einer effektiven »Regierungszentrale« übertraf die weltlichen Herrschaftszentren deutlich. 632

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9.1.1 Papstschisma und 2. Laterankonzil. Trotz der Veränderung im 11. Jh. blieb das Papsttum in Rom von den politischen Rivalitäten der Adelsfamilien (v.a. der Pierleoni und der Frangipani) und vermögender Familien geprägt. 1130 kam es zu einer Spaltung des Kardinalskollegiums. Der formal rechtmäßig gewählte Anaklet II. (1130-1138, ein Pierleoni) konnte sich in Rom etablieren, der an die gregorianische Neuerungsbewegung anknüpfende Innozenz II. (1130-1143) musste nach Frankreich ausweichen und gewann weite Teile Europas für seine Position, u.a. durch die Unterstützung durch Bernhard von Clairvaux und Norbert von Xanten. Durch Intensivierung der Synoden benutzte er erstmals konsequent das Kirchenrecht, um den Klerus zu disziplinieren. Nach dem Tod seines Konkurrenten konnte er dies auf dem 2. Laterankonzil 1139 in Rom in 30 Canones festschreiben (Text/Übers.: COD/DÖK 2, 196-203). 9.1.2 Die Papatologie von Bernhard von Clairvaux. Direkten Einfluss auf das Papsttum konnte Bernhard von Clairvaux über seinen Schüler, den Zisterzienser Eugen III. (11451153) ausüben, auch wenn sich letzterer nicht in Rom halten konnte, das sich – u.a. infolge der Agitation von Arnold von Brescia – zur Republik erklärt hatte. Die 1145 verfasste Schrift De consideratione (Erwägung) war ein »Papstspiegel«, der die Besonderheit des Papstes als Stellvertreter Christi auf Erden, seine Stellung als Mittler zwischen Gott und den Menschen und als Aufseher über die gesamte Christenheit herausstellte. Die Schrift vertrat die Translationstheorie, der zufolge der Papst das geistliche Schwert (Wort, Sakrament, Kirchenrecht, Bann) selbst führt und das weltliche Schwert den Fürsten übergeben hat. Zugleich kritisierte Bernhard die Verweltlichung und die Verrechtlichung des Papstamtes, konnte jedoch die Gesamtentwicklung nicht aufhalten.

9.1.3 Erneutes Papstschisma. Nach dem Pontifikat Hadrians IV. (1154-1159) kam es bei der Wahl des Juristen Roland Bandinelli (Alexander III., wohl Verfasser einer kanonistischen Summa und einer Sentenzensammlung; s. § 10; 7.2) erneut zum Schisma, weil Friedrich Barbarossa den rivalisierenden Viktor IV. unterstützte (s. § 9; 7.1.3). Alexander III. baute das Kirchenrecht gezielt aus, indem er in ganz Europa mit Dekretalen in strittige Rechtsfragen eingriff. Durch seine Dekretalensammlung entstanden fortdauernde Normen für viele Bereiche des kirchlichen und städtischen Lebens (z.B. Lehns-, Zins-, Wahlund Disziplinarrecht). Alexanders Dekretalen waren auch für die Entstehung des Patronatsrechts wichtig. 9.1.4 Das 3. Laterankonzil. Eine Fixierung dieser Rechtszentralisierung brachte das – zunächst der Bereinigung der Folgen des Papstschismas dienende – 3. Laterankonzil 1179 mit 27 Canones (Text/Übers.: COD/DÖK 2, 210-225) mit Dekreten u.a. zur Klerikerdisziplin, Ämterbesetzung, Besteuerung der Kleriker, Exkommunikationspraxis, Ketzerbekämpfung, Wahl- und Beschlussrecht (erstmals eindeutig mit dem Mehrheitsprinzip). Die wichtigste Bestimmung betraf die Papstwahl: Zur Vermeidung eines Schismas sollte derjenige als gewählt gelten, für den zwei Drittel der Kardinäle stimmten. 9. Etablierung der Papstkirche im 12./13. Jh.

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Innozenz II.

Eugen III.

Translations­ theorie

Roland Bandinelli

Dekretalen­ sammlung

Papstwahl

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Wer sich aufgrund einer Minderheit trotzdem als Bischof von Rom betrachtet, ist eo ipso exkommuniziert. Demgemäß galt hier nicht mehr der Vorrang besonderer Kardinalbischöfe, sondern die Zwei-Drittel-Mehrheit des Kardinalkollegiums.

9.2 Höhepunkt päpstlicher Macht: Innozenz III.

Stellvertreter Christi

Antrittspredigt

Lehnshoheit

Der Kampf um das Kaiseramt nach 1197 begünstigte den Ausbau der päpstlichen Macht. Die Abwehr von Waldensern und Katharern und die teilweise geglückte Integration der Armutsbewegung stärkten die innerkirchliche Bedeutung des Papstes. Innozenz III. vermochte es als genialer Organisator der Macht, diese Entwicklungen für den päpstlichen Universalanspruch zu nutzen. Damit war ein Höhepunkt päpstlicher Machtentfaltung erreicht, der trotz des bald darauf folgenden Abstiegs noch weit in das Spätmittelalter hineinwirkte. Innozenz III. führte den Titel vicarius Christi (Stellvertreter Christi) in die offizielle Papsttitulatur ein und baute den Jurisdiktionsprimat gezielt aus. Er verringerte die Kompetenzen der Erzbischöfe und gab erstmals eine päpstliche Sammlung des römischen Kirchenrechts heraus. In Italien konsolidierte er das päpstliche Territorium, indem er durch die Rekuperationen (Wiedergewinnungen scil. von Hoheitsrechten) alte Ansprüche realisierte und einer päpstlichen Verwaltung unterwarf. Damit war zugleich ein wesentlicher Schritt der Politisierung des Papsttums getan. 9.2.1 Die Vorstellung vom Papsttum bei Innozenz III. Der aus alter lombardischer Adelsfamilie stammende Lothar de Segni (geb. ca. 1160/1161), ein frommer Asket, Kardinal seit 1190, hatte in Paris Theologie und in Bologna Kanonistik studiert. Unter seinen Schriften ragt De missarum mysteriis (Über die Geheimnisse der Messe; Text. ML 217,763-916) heraus, eine Erörterung der Transsubstantiationslehre. Seit 1198 formulierte er programmatisch einen universalen Herrschaftsanspruch als Papst, so schon in seiner Antrittspredigt. Der Papst sei als vicarius Christi (Stellvertreter) über alle Völker und Königreiche (vgl. Jer 1,10) eingesetzt. Er stehe zwischen Gott und den Menschen und könne daher von niemandem gerichtet werden. Als Priester nach der Art Melchisedeks komme ihm königliche Würde zu. Hieraus leitete er die Translationstheorie ebenso ab wie den Versuch, die Lehnshoheit über europäische Königtümer zu behaupten (vgl. § 9; 7.2.3). Getragen war diese Papatologie durch die Vorstellung der Christenheit als des einen corpus (Leib) Christi, das nur ein Haupt haben könne. Liturgisch kam dieser Anspruch insbesondere in der Papstmesse zum Ausdruck. 9.2.2 Stärkung der Papstgewalt innerhalb der Kirche. Der politische Universalanspruch ließ sich viel schlechter durchsetzen als der innerkirchliche. Im Hinblick auf letzteren hat Innozenz III. die folgende Kirchengeschichte bleibend geprägt. Er betonte, dass er als vicarius Christi die Machtfülle (plenitudo potestatis) empfangen habe, so dass alles Recht 634

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vom Papst ausströme. Geistliche Vollmachten von Erzbischöfen und Bischöfen werden somit quasi als Beauftragungen und Delegationen päpstlicher Gewalt verstanden und bleibend an den Papst gebunden. Neben den traditionellen Ansprüchen von Rom als höchster Appellationsinstanz und der Notwendigkeit der Verleihung des Palliums an die Erzbischöfe durch den Papst beanspruchte Innozenz III. auch, durch Dispense vom Kirchenrecht befreien, den Zuschnitt von Bistümern bestimmen und auch in niedere Stufen der Klerikerhierarchie eingreifen zu können (zum System der Reservationen vgl. § 8; 12.1.1). 9.2.3 Die Rekuperationen. Die päpstliche Territorialherrschaft bestand im Einzelnen aus einer unkoordinierten Kumulation von Gebieten, Rechts- und Besitztiteln (d.h. Urkunden oder anderen Schriftstücken, aus denen Vermögensverhältnisse hervorgingen), Einnahmequellen und Abhängigkeiten. Große Teile der beanspruchten Gebiete gehörten zu Reichsitalien, aber während der deutschen Thronwirren betrieb Innozenz III. eine erfolgreiche Rekuperationspolitik durch Okkupation von Reichsgütern, Ersetzung kaiserlicher Amtsleute durch päpstliche und Aufbau einer zusammenhängenden Verwaltung in den jeweiligen Provinzen mit weltlichen rectores (Statthaltern) an der Spitze. So gliederte er dem Patrimonium Petri, das im 11./12. Jh. um einige Schenkungen erweitert worden war, v.a. die Städte Benevent und Ferrara, das Herzogtum Spoleto, die Mark Ancona und die Grafschaft Radicofani an. Doch die dauerhafte Besetzung der Romagna, der Pentapolis und der Mathildischen Güter gelang nicht. Daran änderten auch die kaiserlichen Versprechungen von 1209 und 1213 faktisch nichts. Insgesamt entstand ein päpstlich beherrschtes Territorium (kein einheitlicher »Kirchenstaat«) in Mittelitalien als Sperrgürtel zwischen dem Königreich Sizilien und dem Reich (Oberitalien, Burgund, Deutschland). Die Folge war, dass die Päpste noch massiver als vorher in die Konflikte in Italien verwickelt waren.

Güter in Reichsitalien

Erweiterung des Patrimonium Petri

9.3 Das 4. Laterankonzil Die Konzeption eines die gesamte Kirche zentral beherrschenden Papsttums und deren kirchenrechtliche Fixierung fand eine beeindruckende Demonstration in dem 4. Laterankonzil, der größten Bischofsversammlung des Mittelalters. Neben den drängenden Fragen der Zeit, etwa der Vielfalt von monastischen Bewegungen, der Kreuzzugsbewegung und dem Verhältnis zur Ostkirche, formulierte es eine dogmatische Konstitution, die als theologische Grundlage der Ketzerbekämpfung dienen sollte. Eine umfassende Disziplinierung der Kleriker wurde ebenso eingeleitet wie eine jährliche Beicht- und Kommunionspflicht. Rechtsbestimmungen für Juden sind Teil des umfassenden Versuchs, ganz Europa als vom Papst gelenkte Kirche zu reglementieren und alle, die nicht hierzu gehören, auszugrenzen (vgl. § 9; 11.2). 9.3.1 Einberufung und Verlauf des Konzils. Die sorgfältige Vorbereitung seit der Ankündigungsbulle von 1213, die u.a. die Aufstellung von Gravamina vorsah, und die für Europa repräsentative Teilnehmerschaft (über 400 Bischöfe, 800 Äbte/Prälaten, Gesandte europäischer Könige und Fürsten) unterstrichen die Bedeutung des Konzils, das in drei Sitzungen am 11., 20. und 30.11.1215 in der Lateranbasilika tagte. Die Einbeziehung der Bischö9. Etablierung der Papstkirche im 12./13. Jh.

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Teilnehmer

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fe aus dem lateinischen Kaiserreich und den Kreuzfahrerherrschaften verstärkte die Illusion einer Versammlung der gesamten Christenheit, als deren Oberhaupt Innozenz III. auftrat. Die päpstliche Führung zeigte sich daran, dass die vom Papst vorgelegten Dekrete weitgehend ohne Diskussion verabschiedet wurden. Viele der 71 Canones wurden später in zahlreiche Kirchenrechtssammlungen aufgenommen und entwickelten so eine langfristige Wirkung.

Glaubens­ bekenntnis Häretiker­ bekämpfung

Beichtpflicht

9.3.2 Die Canones. Die 71 Canones (Text/Übers.: COD/DÖK 2, 229-271) kombinierten Ketzerabwehr und Reformanliegen. Gegen Katharer und Waldenser definierte can. 1 die katholische Lehre als Glaube an die Trinität und die Kirche mit ihren Sakramenten (zur Transsubstantiationslehre vgl. § 10; 8.). Der Kanon zur Häretikerbekämpfung (can. 3) knüpfte an die Bestimmungen von 1184 an und legte insbesondere fest, dass die weltliche Obrigkeit die Bestrafung der Ketzer übernehmen sollte (vgl. § 8; 10.3.1). Einen entscheidenden Beitrag zur Verbesserung des kirchlichen Lebens sollten die Bischöfe durch regelmäßige Provinzialsynoden, Überwachung der Moral der Kleriker und Verbesserung von Predigt- und Schulwesen leisten. Unkanonische Weihen wurden ebenso untersagt wie die Bestätigung der Bischofswahlen durch den Papst vorgesehen. Allen Gläubigen galt die Verpflichtung, mindestens einmal im Jahr zur Beichte zu gehen und zu Ostern an der Eucharistie teilzuhaben. Detaillierte Vorschriften spezifizierten das Eherecht. Die umfangreiche Kreuzzugskonstitution (can. 71) sollte für 1217 einen Kreuzzug vorbereiten, u.a. durch die erstmals allgemeine Besteuerung der Kleriker sowie durch Erneuerung des Plenarablasses und weiterer Teil­ ablässe.

9.4 Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit

antipäpstliche Propaganda

Der Zenit päpstlicher Macht, wie ihn Innozenz III. repräsentierte, war – kaum erreicht – rasch überschritten. Im 13. Jh. begann bereits ein allmählicher Niedergang, der im 14. Jh. zur Krise führte. Dieser Sachverhalt zeigt, dass die beanspruchte Universalherrschaft ein fragiles Ideengebilde war, dessen Realisierung von der jeweiligen Situation abhing. Das zunehmend deutlich werdende Scheitern der Kreuzzugsbewegung und der heftige Konflikt mit Kaiser Friedrich II. mit entsprechender antipäpstlicher Propaganda schadeten dem Ansehen des Papsttums nachhaltig. In der zweiten Hälfte des 13. Jh.s gelang es den Päpsten zwar, das Haus Anjou im Königreich Sizilien zu installieren und damit die Verbindung zwischen Süd- und Norditalien, wie sie unter den Staufern zeitweise gelungen war, zu beenden, doch wurden die Päpste anschließend umso heftiger in die inneritalischen Konflikte verwickelt. Probleme bei der Papstwahl und kurze Pontifikate häuften sich. In Bonifatius VIII. fand diese Entwicklung einen bezeichnenden Höhepunkt, weil er einerseits den von Innozenz III. erhobenen Anspruch in der Bulle 636

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Unam sanctam (Die eine heilige [scil. Kirche]) noch einmal zuspitzte, andererseits dem zunehmenden Einfluss Frankreichs nichts entgegenzusetzen wusste. Dies bereitete die Zeit in Avignon und die Abhängigkeit von der französischen Krone vor. 9.4.1 Die Päpste nach Innozenz III. Auf Innozenz III. folgte zunächst Honorius III. (1216-1227), der für die Anerkennung des Franziskanerordens wichtig war, dann Gregor IX. (1227-1241) und Innozenz IV. (1243-1254), deren Pontifikate stark machtpolitisch ausgerichtet war, so besonders im Konflikt mit Friedrich II. Als herausragende Juristen haben beide den päpstlichen Jurisdiktionsprimat ausgebaut: Gregor IX. durch den liber extra (Buch außerhalb [scil. der bisherigen Zählung]), eine große Gesetzessammlung als Ergänzung zum Decretum Gratiani (vgl. § 10; 3.2), Innozenz IV. durch seinen Kommentar hierzu. Das von Innozenz IV. gegen Friedrich II. einberufene 1. Konzil von Lyon 1245 (s. § 9; 7.3.3) verabschiedete auch Canones zum kirchlichen Prozessrecht und zur Exkommunikation (Text/Übers.: COD/DÖK 2, 278-301).

liber extra

9.4.2 Konklaveordnung. Erst nach dreijähriger Sedisvakanz konnte das zerstrittene Kardinalskollegium sich auf Gregor X. (1271-1276) einigen, einen Nichtpriester, der an der Kreuzzugsidee energisch festhalten wollte. Er machte die Union mit den Griechen zum Schwerpunkt für das 2. Konzil von Lyon 1274 (s. § 9; 10.3.1). Hier fixierte man auch erstmals die Konklaveordnung, die zwar von den nächsten Päpsten wieder umgestoßen wurde, danach aber im Wesentlichen bis zur Gegenwart gültig blieb (Text/Übers. COD/ DÖK 2, 313-318): Das Kardinalskollegium wurde so lange von der Außenwelt abgeschirmt, bis es sich auf einen Kandidaten geeinigt hatte. 9.4.3 Unzufriedenheit mit dem Papsttum. Eine bemerkenswerte Episode war der kurze Pontifikat des angesehenen Eremiten Peter von Morone, der als Coelestin V. 1294 nach sechs Monaten chaotischer Amtsführung abdankte (gest. 1296). Die in ihn gesetzten Hoffnungen auf eine geistliche Neubesinnung des verweltlichen Papsttums verbanden sich mit der – auf Joachim von Fiore (vgl. § 6; 10.2.4) zurückgehenden – apokalyptischen Vorstellung vom Engelpapst. Das war charakteristisch für die Unzufriedenheit mit der Institution, die sich auch in heftiger antipäpstlicher Literatur Raum verschaffte. In diesen Zusammenhang gehört auch die völlig unhistorische, aber bis ins 16. Jh. verbreitete Legende von der Päpstin Johanna, einer gelehrten Jungfrau, die 855/857 als Johannes Angelicus Papst gewesen sei – was erst aufgrund ihrer Schwangerschaft entdeckt worden sei.

9.4.4 Unam sanctam (Die eine heilige [scil. Kirche]). Der robuste Machtpolitiker Bonifatius VIII. (1294-1303) ging in Rom insbesondere gegen die konkurrierende Familie der Colonna vor und stabilisierte seine Herrschaft durch konsequenten Nepotismus (s. § 8; 11.). Im Konflikt mit Philipp IV. von Frankreich griff er auf die Papatologie des 13. Jh.s zurück. In der Konstitution Unam sanctam von 1302 (Text/Übers. z.T.: DH 870-875; Verfasser war wohl Kardinal Matthäus von Acquasparta; s. § 10; 12.1.2; 13.1.2) wird dargelegt, dass der Papst als Petrusnachfolger an Christi Stelle steht und dessen Richteramt als eine von Gott eingesetzte Gewalt ausübt. Die Bulle schließt mit der feierlichen Deklaration: subesse Romano Pontifici omni humanae creaturae ... omnino esse de necessitate salutis (dass es für jede menschliche 9. Etablierung der Papstkirche im 12./13. Jh.

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Peter von Morone

Päpstin Johanna

Bonifatius VIII.

Heils­notwendig­keit des Papsttums

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Natur auf jeden Fall heilsnotwendig ist, dem römischen Papst unterworfen zu sein) (Text: QGPRK 785; Übers.: KTGQ 2,179f.). Dies wurde nur wenige Jahre, bevor das Papsttum nach Avignon und damit in den Einflussbereich des französischen Königs umsiedelte, formuliert und zeigt besonders stark die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit. 9.5 Literatur Lektüretipp: A. Paravicini Bagiliani: Die römische Kirche vom ersten Laterankonzil bis zum Ende des 12. Jh.s, GCh 5, 1994, 181-252. – Ders.: Die römische Kirche von Innozenz III. bis Gregor X., ebd. 555-614. Literatur: C.D. Spornick: The Life and Reign of Pope Eugene III (1145-1153), 1988. – M. Horn: Studien zur Geschichte Papst Eugens III. (1145-1153), 1992. – J. Laudage: Alexander III. und Friedrich Barbarossa, 1997. – W. Imkamp: Das Kirchenbild Innocenz’ III., 1983. – C. Egger: Papst Innozenz III. als Theologe, Archivum Historiae Pontificiae 30 (1992) 55-123. – T. Frenz (Hg.): Papst Innozenz III. Weichensteller der Geschichte Europas, 2000. – J.C. Moore: Pope Innocent III. (1160/61-1216), 2003. – R. Foreville: Lateran I-IV, 1970. – B. Roberg: Das zweite Konzil von Lyon (1274), 1990. – P. Herde: Cölestin V. (1294), 1981. – A. Paravicini Bagliani: Boniface VIII. Un pape hérétique?, 2003. – P. Herde: Bonifaz VIII. (1294-1303), 1. Halbband, 2015. – Ders.: Beiträge zum päpstlichen Kanzlei- und Urkundenwesen im 13. Jahrhundert, 2. A. 1967.

 § 6; 11.-14.

10. Ketzertum und kirchliche Abwehr

Armutsbewegung

Eine neue Qualität der Binnendifferenzierung des westlich-lateinischen Chris­ tentums stellten die im 11./12. Jh. sich bildenden Gruppen dar, die die Institution Kirche, teilweise auch wesentliche Punkte der kirchlichen Lehre ablehnten. Oft standen sie in Wechselbeziehungen zur Armutsbewegung oder waren Teil derselben. Die wichtigste Erscheinung waren (neben den Waldensern, vgl. § 6; 11.) die Katharer. In Fortführung der traditionellen Ausgrenzung als Häretiker entwickelte die vom Papst zunehmend dominierte Kirche hierfür besondere Abwehrmechanismen, unter denen die Anwendung des (eigentlich unabhängig von der Ketzerfrage entwickelten) Inquisitionsprozesses und die Übertragung des Kreuzzugsgedankens besonders herausragten.

10.1 Neue »Manichäer« im 11. Jh.

Ablehnung der Sakramente

Seit 1010/20 fielen in verschiedenen Gegenden Deutschlands, Frankreichs und Italiens Gruppen – meist von Laien, unter Führung von Predigern – durch nonkonformistische Anschauungen und Verhaltensweisen auf. Unter ihnen bemerkten die Zeitgenossen v.a. solche, die sie als Manichäer bezeichneten (obwohl sie nicht auf die Manichäer der Antike zurückgingen). Die betreffenden Gruppen vertraten zumeist eine Ablehnung der Institution Kirche und der dort propagierten Frömmigkeit, so insbesondere der Sakramente und der Heiligenverehrung. Sie waren kaum organisiert und erlagen 638

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bis ca. 1050/1060 rasch den sporadischen Verfolgungsmaßnahmen. Ihr Gedankengut konnte jedoch bei Wanderpredigern fortleben, die dann später Einflüsse aus der Ostkirche bzw. Bulgarien übernahmen, insbesondere von den dortigen Bogomilen. Die Bogomilen vertraten einen auf einem Dualismus begründeten Asketismus und propagierten die Geisttaufe (anstelle der Wassertaufe). 10.1.1 Paulicianer und Bogomilen. Die Manichäer waren im 7. Jh. in Europa verschwunden, doch lebten vermutlich manichäische Gedanken in Armenien und Ostsyrien fort, wo sich seit ca. 660 eine neue dualistische Bewegung formierte, die nach der bei ihr verbreiteten Paulusverehrung Paulicianismus genannt wurde. Inhaltlich lehnten die Paulicianer das traditionelle Kirchenwesen mit Ämtern, Sakramenten und Liturgie ab. Die wegen ihrer Panzerreiter auch militärisch bedrohliche militante Sekte drang nach Kleinasien vor. Sie wurde massiv bekämpft, um 870 zum größeren Teil ausgerottet und in ihren Resten in Thrakien angesiedelt. Von dort beeinflussten sie Gruppen in Bulgarien, die unter dem Einfluss des Priesters Bogomil (um 930-960) ihre Kritik an der Lebensweise der Führungsschicht und der von ihr dominierten Kirche zu einer spezifischen Religiosität der Weltflucht ausbildeten: die sog. Bogomilen. Ihre Hauptlehre war ein Dualismus, der angesichts leidvoller Wirklichkeitserfahrung die Welt als Schöpfung des Teufels verstand, das AT und Teile des NT ablehnte und einen asketischen Lebensstil forderte. Die Wassertaufe ersetzten die Bogomilen durch einen Initiationsritus, das consolamentum (Trostspende) bzw. Geisttaufe. Nach der Eingliederung des bulgarischen in das byzantinische Reich 1018 (vgl. § 7; 8.2) verbreitete sich auch hier das Bogomilentum und fand v.a. bei Mönchen, Klerikern, aber auch bei gebildeten Laien regen Zuspruch und intellektuell-theologische Durchdringung. Konstantinopel wurde ihr Zentrum, wo ihr Führer Basilius und dessen Anhänger von Kaiser Alexios I. ca. 1110 als Häretiker verbrannt wurden. Trotz der Verfolgung breiteten sich die Bogomilen im 12. Jh. aus und bauten eine eigene Kirchenstruktur auf. Von Bulgarien aus hatten sie schon zuvor in Serbien und Bosnien missioniert. So gelangte ihr Einfluss auch nach Westeuropa. 10.1.2 Dualismus und Kirchenkritik. Nicht ganz sicher, aber wahrscheinlich ist, dass die um 1020-1050 verfolgten kleinen Ketzergruppen in Mainz, Orléans, Arras und andernorts in Frankreich, Burgund, Oberitalien und Nordspanien von den Bogomilen beeinflusst waren. Meist ungebildete Laien, lehnten sie Taufe, Eucharistie, Buße, Ehe, Kirchengebäude und Klerikerhierarchie ab, was sich mit bogomilischen Auffassungen ebenso berührte wie mit kirchenkritischen Tendenzen überhaupt im 11. Jh. Ihre Ablehnung der Welt war weniger ontologisch begründet als vielmehr praktisch ausgerichtet. Wahrscheinlich gingen einige dieser Gruppen in der Armutsbewegung des 11./12. Jh.s auf (s. § 6; 11.1). In das weitere Umfeld dieser Gruppen gehören auch Wanderprediger wie Tanchelm von Flandern (1115 erschlagen), Petrus von Bruis (ca. 1138 verbrannt) und der Eremit Heinrich, der seit 1116 in der Provence und im Languedoc erfolgreich gegen die verweltlichte Kirche predigte, die Sakramente ablehnte und seine Anhänger, die Heinricianer, erneut taufte. Das 2. Laterankonzil verurteilte ihn, Petrus von Bruis und einiger ihrer Sonderlehren (Text/Übers.: DH 718).

Thrakien Bogomil

Dualismus

consolamentum

Wanderprediger

10.2 Die Katharer und ihre Kirche Mit den Katharern bildeten sich Gruppen, die nicht nur eine asketische Weltkritik (und hierin eingeschlossen: Kirchenkritik) vertraten und bogo10. Ketzertum und kirchliche Abwehr

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Kirchenkritik

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milische Einflüsse aufnahmen, sondern auch eine eigene Kirchenorganisation aufbauten. Letzteres erfolgte allerdings erst ab 1170. Dem ging eine fast vierzigjährige, in sich vielfältige Entwicklung voraus. Die Bewegung hatte ihren Schwerpunkt in Südfrankreich und Norditalien, wo sie sich mit anderen welt- und kirchenkritischen Gruppen verband, die keineswegs alle dualistisch geprägt waren.

Albigenser

Bezeichnung »Ketzer«

Niketas

6 Bistümer

Kampf zwischen Gut und Böse

consolamentum Askese

10.2.1 Die Entstehung der Katharer. Die Entwicklung der zunächst namentlich nicht fixierten Häresie war durch rapides Wachstum bestimmt. Im Languedoc und in der Gascogne (v.a. im Gebiet um Toulouse) begegneten unter den religiösen Sondergruppierungen seit ca. 1135 solche, die durch ihren – freilich noch gemäßigten – Dualismus auffielen und anfangs als Arianer oder Manichäer bezeichnet wurden, später nach ihrem Hauptverbreitungsgebiet Albi Albigenser. Von Nordfrankreich her beeinflusst traten in Köln und Lüttich nach 1140 Gruppen auf, die sich die Armen Christi, die Vollkommenen, die Auserwählten o.ä. nannten und beanspruchten, die wahre Kirche zu sein. Ähnliche Gemeinschaften machten sich in Norditalien bemerkbar. Erst später etablierte sich die Bezeichnung als Katharer (nach dem griechisch καθαροί/katharoi/die Reinen), woraus vielleicht – vermittelt über die italienische Bezeichnung gazzari – der deutsche, seit 1210 nachweisbare Begriff Ketzer abgeleitet wurde. 10.2.2 Bogomilische Einflüsse. Dualistische Tendenzen entwickelten diese Gruppen schon früh. Nach 1170 wurde der bogomilische Einfluss manifest, als der Konstantinopeler Bogomilenbischof Niketas auf einer Missionsreise in Italien einige Gruppen (v.a. die Albanenser bei Brescia) und dann die Albigenser auf einer Synode in St. Félix-de-Caraman (bei Toulouse; eher 1174/1176 als 1167) dogmatisch und organisatorisch formte. Er vermittelte ihnen den bogomilischen Dualismus und weihte Bischöfe. Damit fanden die Katharer in Südfrankreich inhaltliches Profil und eine organisatorische Gestalt (in sechs Bistümern: Mont Aimé, Albi, zusätzlich jetzt: Toulouse, Carcassone, Val d’Aran und Agen), auch in Italien entstehen in der Folgezeit mehrere Bistümer (mit Desenzano als Zentrum). Gruppen, die von dieser Formierung nicht erfasst wurden, begründeten ihre Weltablehnung z.T. anders. In Italien traten so die Concorrezzenser und Bagnolenser hervor, die nicht ganz deutlich von den dortigen Katharern unterscheidbar sind. 10.2.3 Die Theologie und Frömmigkeit der Katharer. Die Theologie der Katharer war heilsgeschichtlich orientiert und griff mythologische Muster auf, die mit dem Manichäismus und der Gnosis vergleichbar sind. Die Geschichte wurde als Kampf zwischen einem guten Prinzip des Geistes und einem bösen Prinzip der Materie gedeutet. Licht und Finsternis, Engel und Dämonen stehen einander gegenüber. Die Erlösung bringt der von Gott gesandte Engel Jesus Christus (eine Inkarnation lehnten die Katharer ab). Er offenbart eine asketische Lebensweise, welche die Materie überwindet und mit der Geistwelt verbindet. Er bringt das erlösende Sakrament, das consolamentum (Trostspende; so bezeichnet nach dem Heiligen Geist als Paraklet, d.h. consolator/Tröster). Die Bekehrung bedeutete so Hinwendung zu einer asketischen Lebensweise, was in einer Zeit, da die Armutsbewegung und monastische Erneuerungsbewegungen breite Anziehungskraft entfalteten, starke Resonanz fand. Das unter Handauflegung vollzogene consola640

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mentum wurde nur den perfecti(Vollkommenen) gespendet, die zur völligen asketischen Lebensweise bereit waren. Von diesen abgehoben war die breite Masse der credentes (Gläubigen), die den Predigten beiwohnten und sich z.T. erst auf dem Sterbelager das consolamentum erteilen ließen. Die perfecti verteilten in der Mahlfeier das von ihnen gesegnete Brot. Ein umfassender Bußritus war das melioramentum (Verbesserungsmaßnahme). Die Askese war besonders von der Ablehnung des Geschlechtsverkehrs geprägt (und entsprechender Nahrungsaskese, die alles ablehnte, was durch Geschlechtsverkehr entsteht: Fleisch, Milch, Eier etc.). Zahlreiche Fastentage und -zeiten regelten das Leben. Nur selten praktizierten die Katharer das völlige Fasten bis zum Verhungern (endura/ Hungertod). Die kirchlichen Sakramente und den Klerus lehnten die Katharer als Teil der Welt ab. Ihre eigenen Bischöfe waren einfache Gemeindeleiter. Frauen waren vom Prinzip her gleichberechtigt, da sie als perfectae (Vollkommene Frauen) den perfecti gleichkamen (zu Bischöfen wurden sie allerdings nicht gemacht).

perfecti – credentes

Fasten

10.3 Ketzerbekämpfung: Kreuzzug und Inquisition Für eine institutionell scheinbar gefestigte Kirche, die unter zentraler Leitung des Papstes alle Lebensbereiche zu normieren beanspruchte, bedeuteten die Katharer – ebenso wie die der Kirche näherstehenden Waldenser, Humiliaten und sonstigen Vertreter der Armutsbewegung – Verunsicherung und Herausforderung zugleich. Die Päpste, voran Innozenz III., reagierten darauf mit einer Doppelstrategie: Sie förderten einerseits die neuen Bettelorden, die durch ihre Predigt und Seelsorge der Bewegung entgegenwirken sollten. Andererseits riefen sie zum Kreuzzug gegen diese Feinde der Kirche auf und schufen mit der Ketzerinquisition einen erschreckend effizienten Unterdrückungsmechanismus, der weite Bevölkerungskreise einschüchterte. Durch seine Kreuzzugsproklamation löste Papst Innozenz III. den Kreuzzug gegen die Albigenser aus, der bis 1229 durch ständige Militäraktionen eine blühende Kulturlandschaft verwüstete und zunehmend von politischen Zielen, insbesondere der Durchsetzung der auf Nordfrankreich gestützten Königsherrschaft, überlagert war. Der anfangs nicht für die Ketzerverfolgung eingeführte Inquisitionsprozess wurde seit 1231 systematisch für diese eingesetzt. Papst Gregor IX. und Friedrich II. wirkten in dieser Hinsicht zusammen: Die Feststellung der Ketzer wurde durch die Inquisition vorgenommen, die weltliche Obrigkeit führte das Inquisitionsurteil aus. Die Vernichtung der Katharer zog sich bis 1300/1350 hin. 10.3.1 Wege der Häretikerbekämpfung vor der Inquisition. Traditionell war die Beurteilung von Häretikern Sache der Bischöfe, es gab jedoch kein einheitliches Verfahren. Klosterhaft war die normale Strafe für Verurteilte. Eine Synode in Verona 1184 unter Papst Lucius III. (der sich trotz kaiserlicher Unterstützung nicht in Rom etablieren konnte) stellte in Reaktion auf die vielfältigen Bewegungen und Gruppen einen umfassenden Ketzerkatalog auf und konzentrierte sich dabei besonders auf die Ablehnung der kirchlichen Sakramente. Waldenser, Katharer, Humiliaten u.a. galten nunmehr 10. Ketzertum und kirchliche Abwehr

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Bettelorden Kreuzzugsgedanke

Synode in Verona 1184

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Bischöfe und weltliche Gewalt

Prozessform

Inquisitor

Ketzerei als Majestäts­ beleidigung

Inquisitions­ kommissionen

gleichermaßen als Häretiker bzw. Ketzer. Die Synode verpflichtet die Bischöfe vor Ort, Hinweisen auf das Vorhandensein von Häresie nachzugehen. Auf ihr Ersuchen hin sollten die weltlichen Obrigkeiten – wie der anwesende Kaiser Friedrich I. Barbarossa versprach – gewaltsam gegen die Häretiker einschreiten. Durch die Aufnahme dieser Regelung in das Kirchenrecht wurde der Grundsatz rechtlich fixiert, dass die kirchliche Seite für die Feststellung von Häresie zuständig ist, die weltliche Seite die Bestrafung der Ketzer übernimmt. 1199 stellte Innozenz III. in einer Dekretale die Häresie dem Majestätsverbrechen gleich, was die Anwendung der Todesstrafe ermöglichte. Durch das 4. Laterankonzil ließ er ein ausführliches Glaubensbekenntnis verabschieden (Text/Übers.: DH 800-802), das bei Untersuchungen den Häretikern als Norm vorgelegt werden sollte. 10.3.2 Die Inquisition. Mit der Inquisition ist zunächst eine bestimmte Prozessform gemeint, die sicherstellen soll, dass es nicht zu persönlichen Begüns­ tigungen oder Übervorteilungen kommt. Wesentlicher Bestandteil ist die Schaffung einer unabhängigen Instanz, die Hinweisen auf Vergehen nachgeht, auch wenn keine förmliche Anklage vorliegt (inquisitio ex officio/Untersuchung von Amts wegen). Um die Unabhängigkeit des Verfahrens sicherzustellen, wird ein Inquisitor eingesetzt, der direkt dem Papst unterstellt und von örtlichen Gegebenheiten, etwa den Bischöfen, unabhängig ist. Dieses Mittel, ursprünglich zur Sicherstellung von disziplinarischen Maßnahmen im Klerus entwickelt (als solches 1215 im 4. Laterankonzil vorgesehen), bestimmt es als Rolle des Inquisitors, Verdachtsmomente zu sammeln und Beweisargumentationen zu erstellen (analog zum heutigen Staatsanwalt). Die daraus folgende Gesamtbeurteilung anzufechten oder in Frage zu stellen, machte einen selbst verdächtig und wurde in der Folgezeit zunehmend erschwert. Auch wurden die Möglichkeiten zur Verteidigung eingeschränkt. Dadurch erhielt der Inquisitionsprozess eine gefährliche Schieflage, weil es an Kontroll- bzw. Korrekturinstanzen fehlte. Erst nach und nach wurde die Gesamtbeurteilung des Inquisitors auch faktisch das Urteil in dem gesamten Prozess. 1220 und 1224 hatte Friedrich II. bereits bestätigt, dass er Ketzerei als crimen laesae maiestatis (Majestätsverbrechen) ansah und entsprechend mit der Todesstrafe zu sanktionieren bereit war. Hieran knüpfte ein 1232 für das gesamte Reich erlassenes Ketzeredikt an. 1229 legte eine Synode in Toulouse fest, dass Häretiker aufgespürt werden sollten. Dazu sollten jeweils Kommissionen eingesetzt werden, bestehend aus einem Priester und drei Laien (oftmals Dominikaner, zum Teil auch Franziskaner). Das Ergebnis ihrer Untersuchungen überstellten die Kommissionen dem jeweiligen Bischof, der weiterhin für die Verurteilung als Häresie zuständig war. Diese Regelung übernahm Gregor IX. 1231 mit der Bulle Ille humani generis (Jener [scil. Feind] des Menschengeschlechts) in das allgemeine Kirchenrecht. Faktisch schwand der Einfluss der Bischöfe jedoch an vielen Orten. Der Inquisitionsprozess verselbständigte sich oftmals und wurde in Geheimhaltung und 642

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unter Anwendung von Folter durchgeführt (was den damaligen Rechtsvorstellungen entsprach). Unbußfertige Ketzer verfielen dem Feuertod, den die weltliche Obrigkeit auszuführen hatte. Doch diese Strafe kam nur in seltenen Fällen zur Anwendung, wesentlich häufiger war die Gefängnisstrafe. Viel hing hier jedoch von den Inquisitoren ab. In Deutschland wirkte Konrad von Marburg besonders verheerend, der 1231/1232 eine Verfolgungswelle im Rheingebiet initiierte. Erst die Anklage eines Grafen (Heinrich von Sayn) führte 1233 dazu, dass eine Fürstenversammlung sich einschaltete und Konrad Einhalt gebot (der noch auf der Heimreise ermordet wurde). In Frankreich setzte Robert le Bougre (d.h. genannt der Schlächter) die Gesetze besonders strikt um. 1233 bereits wurden die Dominikaner um die Benennung von Personen gebeten, die als Inquisitoren geeignet wären. 1252 regelte Innozenz IV. in der Bulle Ad exstirpanda (Um auszulöschen) die Inquisition neu: Der Inquisitionsprozess wurde ein »kurzer Prozess«. Der Inquisitor übernahm von vornherein die Rollen des Anklägers, des Richters und auch des Verteidigers. Die Möglichkeiten des Angeklagten, Entlastungszeugen aufzurufen oder sich von außen Unterstützung zu holen, wurden stark eingeschränkt. Die so geführten Prozesse endeten wesentlich häufiger mit dem Todesurteil und konnten dazu eingesetzt werden, um missliebige Personen aus dem Weg zu räumen. Im 14. Jh. verfiel die päpstliche Inquisition zunehmend. In Spanien wurde sie jedoch ab 1480 zur Bekämpfung von Juden, Muslimen und »Ketzern« besonders intensiv neu etabliert. 10.3.3 Der Albigenserkreuzzug. Gegen die in Südfrankreich stark verbreiteten, von etlichen Fürsten und Baronen unterstützten Albigenser ging Innozenz III. zunächst so vor, dass Zisterzienser als seine Legaten die Obrigkeiten vor Ort zum Einschreiten bewegen sollten. Das war wenig erfolgreich, genauso wie das öffentliche Religionsgespräch 1204 mit einem Katharerbischof in Carcassonne. Deswegen belegte der Papst 1207 den mächtigsten Fürsten, der sich gegenüber den Katharern zurückhaltend verhielt, Raymond VI. de Toulouse, mit dem Bann. Als die Situation sich weiterhin nicht änderte und 1208 einer seiner Legaten ermordet wurde, rief Innozenz die Christenheit zum Kreuzzug gegen die Ketzer auf. Von Lyon aus zog 1209 ein großes Heer v.a. französischer, aber auch deutscher und englischer Ritter gegen die Fürsten im Languedoc und eroberten die Städte Béziers (unter Niedermetzelung von ca. 7000 Einwohnern) und Carcassonne. Der Kreuzzug ging sehr bald in einen regionalen Krieg über, in dem nordfranzösische Fürsten (v.a. Simon de Montfort) sich die neueroberten Gebiete des gebannten Grafen von Toulouse aneignen wollten. Der französische König unterstützte diese Maßnahmen, um seinen Einfluss im traditionell auf seine Unabhängigkeit pochenden Süden zu stärken. 1229 unterwarf sich Raymond de Toulouse König Ludwig IX. In der Zwischenzeit waren tausende von Katharern, aber auch Waldenser und nicht der Ketzerei Verdächtige getötet. 1240-1255 fielen die letzten Fes­ tungen der Katharer, von denen sich Reste jedoch bis ins 14. Jh. hielten. 10. Ketzertum und kirchliche Abwehr

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Feuertod, Gefängnis

Konrad von Marburg

»kurzer Prozess«

Raymond VI. de Toulouse

Simon de Montfort

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10.4 Literatur Lektüretipp: J. Oberste: Ketzerei und Inquisiton im Mittelalter, 2. A. 2012. Quellen: J. Fearns (Hg.): Ketzer und Ketzerbekämpfung im Hochmittelalter, 1968. – G. Rottenwöhrer: Katharismus, Bd. 1, 1982. – K.-V. Selge: Texte zur Inquisition, 1967. – Pierre des Vaux-de-Cernay: Kreuzzug gegen die Albigenser, 1996. – V. Bivolarov: Inquisitoren-Handbücher. Papsturkunden und juristische Gutachten aus dem 13. Jh. mit Edition des Consilium von Guido Fulcodii, 2014. Literatur: A. Borst: Die Katharer, 7. A. 2000. – G. Rottenwöhrer: Der Katharismus, 7 Bde., 1982-2011. – U. Bejick: Die Katharerinnen, 1993. – C. Bruschi: The Wandering Heretics of Languedoc, 2009. – M. Roquebert: Die Geschichte der Katharer. Häresie, Kreuzzug und Inquisition im Languedoc, 2012. – G. Schwerhoff: Die Inquisition. Ketzerverfolgung in Mittelalter und Neuzeit, 3. A. 2009. – P. Segl (Hg.): Die Anfänge der Inquisition im Mittelalter, 1993. – J.-L. Biget: Hérésie et inquisition dans le midi de la France, 2007. – J. Feuchter: Ketzer, Konsuln und Büßer, 2007.

 § 6; 15.-15.2

11. Das Papsttum in Avignon und das große abendländische Schisma

Babylonische Gefangenschaft?

Schisma ab 1378

2 Obödienzen

Neben die traditionelle Verbindung des Papstamtes mit der Romidee trat seit dem 13. Jh. eine auf den Amtsträger bezogene Papatologie (von den Kanonisten seit dem 13. Jh. auf die Formel gebracht: Ubi est papa, ibi est Roma/ Wo der Papst ist, dort ist Rom). Wegen der inneren Unruhen in Rom sowie dem Patrimonium Petri verlegten die Päpste ihre Residenz immer wieder zeitweise in andere Städte Italiens. Die politische Nähe zu Frankreich führte dann 1309 zur dauerhaften Residenz in Avignon. Die Metapher der Babylonischen Gefangenschaft der Kirche, die seit dem 14. Jh. vielfach verwendet wurde, suggeriert, der Papst sei wider Willen nach Avignon gekommen, beherrscht von einer fremden Macht. Es handelte sich jedoch um eine souveräne Entscheidung, die – ganz im Gegenteil – mit einer Steigerung seiner Macht verbunden war. Dies wurde besonders in der Rechtsprechung und in einem neu aufgebauten Steuer- und Abgabensystem deutlich (vgl. § 8; 12.). Der damit entstehende Fiskalismus brachte das Papsttum bald in Miss­ kredit: Papsttum und Geldgier fielen seitdem im allgemeinen Bewusstsein zusammen. Massiv anwachsende Kritik am Papsttum verband sich mit der Forderung der Rückkehr nach Rom. Eine missglückte Papstwahl 1378 führte dazu, dass fortan sowohl in Rom als auch in Avignon Päpste residierten. Die Länder Europas hielten sich – vor allem aus politischen Gründen – entweder zu Avignon oder zu Rom, so entstanden zwei sog. Obödienzen (Gehorsamsbereiche), die an vielen Stellen auch miteinander rivalisierten. Das große abendländische Schisma konnte auch durch das Konzil von Pisa 1409 nicht beseitigt werden (dies geschah erst durch das Konzil von Konstanz; vgl. dazu § 8; 14.).

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11.1 Französische Päpste in Anlehnung an Frankreich Die Beziehungen zu Frankreich zu verbessern war angesichts der Schwäche des deutschen Königtums (besonders sichtbar im sog. Interregnum 12541273; vgl. § 9; 12.2.1) ein wichtiges Ziel päpstlicher Außenpolitik. Nach dem Konfrontationskurs von Bonifatius VIII. (s. § 9; 12.1) suchten die Päpste zunehmend die Nähe zu Frankreich, mit Clemens V. wurde ein Franzose zum Papst gewählt. Dieser nahm seine Residenz in Avignon, einer Stadt, die formal zum Heiligen Römischen Reich gehörte, aber sehr nahe an Frankreich lag. Die politische Abhängigkeit vom französischen König zeigte sich u.a. beim Prozess gegen die Templer und beim Konzil von Vienne 1311/1312. Clemens’ Nachfolger, Johannes XXII. (1316-1334), zuvor Bischof von Avignon, baute in Avignon die Kurie und das päpstliche Finanzsystem aus, seine Nachfolger – bis 1378 allesamt Franzosen – setzten das fort. Das Papsttum wurde nie offiziell nach Avignon verlegt, die Rückkehr nach Rom wurde erst im Zusammenhang der Papstkritik ab 1350 relevant. 11.1.1 Clemens V. Benedikt XI. (1303-1304) verlegte seine Residenz wegen innerer Unruhen in Rom nach Perugia und war um eine Verständigung mit Frankreichs König Philipp IV. dem Schönen bemüht. Einen postumen Prozess gegen seinen Vorgänger, wie vom französischen König gefordert, lehnte er allerdings ab. Nach seinem Tod blockierten sich die anti- und die profranzösische Partei im Kardinalskollegium gegenseitig, so dass erst nach Monaten mit dem Erzbischof von Bordeaux als Clemens V. (1305-1314) ein neuer Papst antrat – ein Schwächling, der dem Druck Philipps IV. nicht gewachsen war. Schon seine Inthronisation wurde auf Druck des Königs in Lyon gefeiert, anschließend ernannte er etliche Franzosen zu Kardinälen. Er versorgte seine Familie mit reichen Pfründen und machte fünf Neffen zu Kardinälen (zum Nepotismus vgl. § 8; 11.2).

11.1.2 Das Konzil von Vienne 1311/1312. Philipps Vernichtungsfeldzug gegen den Templerorden (s. § 9; 9.1.2) legitimierte Clemens V. kirchenrechtlich durch das vom König geforderte allgemeine Konzil in Vienne 1311/1312 (nach späterer römischer Zählung das 15. ökumenische). In der Konzilsgeschichte bildete das Konzil eine Zäsur, denn es arbeitete nicht einfach mehr nur das vom Papst vorgelegte Programm ab, sondern bearbeitete lange Listen mit Beschwerden, die von den Bischöfen vorgelegt wurden, fasste die Bischöfe zu sog. Nationen zusammen und richtete Kommissionen für einzelne Fragen ein. Die Idee der Reform betraf zum Teil Übergriffe weltlicher Gewalten gegen die Gerichtsbarkeit, Steuerfreiheit und Güter der Kirche, zum Teil aber auch die päpstliche Verwaltungspraxis, was eine Diskussion um eine reformatio in capite et in membris (eine Erneuerung an Haupt und Gliedern) einleitete. Im franziskanischen Armutsstreit (s. § 6; 13.4.2) beschloss das Konzil eine vermittelnde Lösung, erzielte damit jedoch wenig Wirkung. Die Beginen wurden verurteilt (s. § 6; 12.2.2). Eine dogmatische Konstitution entschied theologische Fragen der Scholastiker, etwa, dass die Taufe nicht 11. Das Papsttum in Avignon und das große abendländische Schisma

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Lage von Avignon

Philipp IV. von Frankreich

Nationen

reformatio

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nur die Erbsünde tilge, sondern auch die formende Gnade mitteile (Texte/ Übers. z.T.: COD 2, 336-401; DH 891-908). 11.1.3 Avignon als päpstliche Residenz. Johannes XXII. baute den Bischofspalast (in dem er als Bischof von Avignon residiert hatte) zur Papstresidenz um, in der und um die herum sich die verschiedenen Ämter der Kurie einrichteten. Die Stadt Avignon ge­hörte zur Grafschaft Provence, einem Teil des Königreiches Arelate/Burgund – und damit formell zum Heiligen Römischen Reich (nicht zu Frankreich). Clemens VI. kaufte sie 1348 samt Umland (der Grafschaft Venaissin) und baute den Palast zu einer mächtigen Festung als Sitz der Kurie aus (einem der prächtigsten mittelalterlichen Gebäude). Durch eine Fülle von Neubauten der Kardinäle und Kurialen, eine Universität u.a. sowie durch ein rasantes Bevölkerungswachstum übertraf die Stadt bald Rom an Glanz. Bis 1791 gehörte sie zum »Kirchenstaat«.

11.2 Die Kurie in Avignon

Nepotismus

Papst – Kardinäle

Einnahmen

Curia Romana

In Avignon erlangte der schon im 13. Jh. weit gediehene Ausbau der Kurie eine neue Qualität. Das seit dem 11. Jh. bestehende Kardinalskollegium (s. § 8; 7.1) entwickelte sich zu einem oligarchischen Gremium, das an der gesamtkirchlichen Regierung beteiligt war. Die Kardinäle übernahmen wichtige Funktionen in den kurialen Behörden und bildeten dadurch ein Gegengewicht zum Papst. Da das Recht zur Kardinalsernennung (Kardinäle werden »kreiert«, d.h. »geschaffen« [von creare/erschaffen]) beim Papst lag, suchten die Päpste ihren Einfluss dadurch sicherzustellen, dass sie ihnen vertraute oder ergebene Personen zu Kardinälen machten. Dabei spielten Familienangehörige eine zunehmend wichtige Rolle, so dass der schon im 13. Jh. entwickelte Nepotismus zu dem für das Spätmittelalter typischen System wurde. Die Übertragung wichtiger Kurienämter an Nepoten (v.a. Neffen, aber auch andere Verwandte) ließ quasidynastische Beziehungen entstehen. 11.2.1 Das Kardinalskollegium im 14. Jh. Das päpstliche Recht, Kardinäle zu ernennen, und das Recht der Kardinäle, den Papst zu wählen (rechtlich fixiert durch die Dekrete von 1179 und 1274, vgl. § 8; 9.1.4; 9.4.2), führten zu einem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis. Die Versuche der Kardinäle, die neuen Päpste durch Wahlkapitulationen (d.h. Verträge, die vor der Wahl ausgehandelt wurden) zu binden, blieben größtenteils erfolglos. Die Päpste waren daran interessiert, die Zahl der Kardinäle klein zu halten (in der Regel waren es 20-30), u.a. weil sie an allen Einkünften der Kurie beteiligt waren. Neben den Kurieneinkünften bot das Kardinalsamt die Möglichkeit, sich lukrative Pfründen in ganz Europa (besonders Frankreich und Italien) zu besorgen. Im 13. Jh. dominierten die Franzosen (zwischen 1305 und 1375 gab es 111 französische Kardinäle gegenüber 15 italienischen), während vorher fast nur Italiener Kardinäle gewesen waren. 11.2.2 Zentralisierte Rechtsprechung. Seit dem 11. Jh. fasste die Curia Romana (d.h. ursprünglich der römische »Hof«) die verschiedenen Verwaltungszweige zusammen. Mit einer in Europa einmaligen Effizienz erledigte die Kanzlei den immensen Schriftverkehr, der durch den wachsenden Zentralismus entstand (Verfertigung von Urkunden, Urteilen, Privilegien, Dekretalen etc.). Das dazu notwendige Personal und eine gute Organi646

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sation (Register, Archiv, Bibliothek) ließen die Kurie in Avignon stark anwachsen. Die Apostolische Kammer verwaltete die päpstlichen Finanzen, für den Einzug der Steuern und Abgaben arbeitete europaweit ein Netz von Kollektoren. Der päpstliche Gerichtshof gliederte sich in zwei Abteilungen: a) Die Audientia sacri palatii (die Anhörungsinstanz des heiligen Palastes) war mit sog. Auditoren als Richtern die höchste Appellationsinstanz für Prozesse, die an Bischofsgerichten begonnen hatten. Wegen des riesigen Arbeitsanfalls wurde sie 1331 in mehrere Kammern geteilt. Die Rota Romana (wörtlich: Römisches Rad) war fortan für alle Zivil- und Strafrechtssachen zuständig. b) Die Sacra paenitentiaria (Heiliges Bußgericht) regelte die Bußfälle, Dispense und Ablässe, die vom Kirchenrecht dem Papst vorbehalten waren. Für die Ausgestaltung der päpstlichen Gottesdienste gab es die Kapelle mit zahlreichen Kaplänen, deren Einfluss in der Kurie auch sonst groß war.

Kollektoren

Rota Romana Pönitentiarie

11.3 Das große abendländische Schisma Die Erosion päpstlicher Macht in Italien und zunehmende Konflikte mit dem französischen König legten auf dem Hintergrund anwachsender Papstund Kirchenkritik die Rückkehr nach Rom nahe. Nach zwei vergeblichen Versuchen zog Gregor XI. 1377/1378 um. Bei der Wahl seines Nachfolgers 1378 kam es jedoch zum Schisma. Nachdem ein Teil des Kardinalskollegiums den problematischen Urban VI. gewählt hatte und es rasch zu heftigen Konflikten mit den Kardinälen gekommen war, wurde in Avignon Clemens VII. installiert. Welcher von den beiden »rechtmäßig« gewählt war, ließ sich angesichts der kirchenrechtlichen Komplikationen weder damals noch im historischen Rückblick entscheiden. Die politischen Begleitumstände führten dazu, dass das – an sich keineswegs ungewöhnliche – Schisma Europa in zwei gegensätzliche Obödienzen (Gehorsamsbereiche, scil. gegenüber dem Papst in Rom bzw. Avignon) spaltete. Neben zwei Päpsten existierten nun zwei Kurien mit zwei Kardinalskollegien, zwei päpstlichen Gerichtshöfen und zwei Finanzsystemen. Frankreich, Schottland und meistens auch Spanien stand auf der Seite Avignons, Deutschland, England, Portugal und die östlichen und nördlichen Länder Europas standen auf der Seite Roms. Die Zweiteilung wirkte sich auf viele Amtsbesetzungen (insbesondere Bischofswahlen) und auf zentrale Institutionen wie die Orden aus und schuf, je länger das Schisma dauerte, desto schwierigere, umstrittene Rechtsverhältnisse. Die politischen Gegensätze führten dazu, dass Einigungsversuche scheiterten, so dass sich auch die Nachfolger von Clemens VII. und Urban VI. im Amt halten konnten. In dieser Situation verbreitete sich der Ruf nach einem Konzil, dem allein die Regelung dieser Frage zugetraut wurde (zum Konziliarismus vgl. § 8; 14.). Kardinäle beider Obödienzen organisierten das Konzil in Pisa 1409, das zwar beide Päpste ab- und einen eigenen Papst neu einsetzte, doch erkannten die Päpste in Avignon und Rom das Konzil und seine Entscheidung nicht an, so dass es fortan drei Päpste und drei Obödienzen gab (Rom – Avignon – Pisa).

11. Das Papsttum in Avignon und das große abendländische Schisma

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Rückkehr 1377

2 Obödienzen

Konzil

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1. Rückkehr 1357

Urban V.

Clemens VII.

via cessionis via concilii

11.3.1 Rom im 14. Jh. Rom verlor durch den Wegzug der Päpste im 14. Jh. schnell weiter an Macht, besonders im Vergleich mit den aufblühenden Metropolen Norditaliens wie Mailand und Florenz. Das Patrimonium Petri zerfiel zunehmend in relativ selbständige Territorien und Städte. In Rom kam es vorübergehend (1347-1354) unter dem seltsamen »Volkstribunen« Cola di Rienzo zur Bildung einer Republik nach altrömischem Muster. Die Romidee blieb bei Dichtern wie Petrarca (1304-1374) lebendig. Die religiös motivierte Forderung nach einer Rückkehr der Kurie verbreiteten die prophetischen Charismatikerinnen Katharina von Siena und Birgitta von Schweden (s. § 6; 12.4.3-12.4.4) auf populäre Weise. Auch weltliche Fürsten wie Kaiser Karl IV. drängten den Papst dazu, nachdem der tüchtige Kardinallegat Aegidius Albornoz seit 1353-1357 den päpstlichen Einfluss im Patrimonium Petri konsolidiert hatte. Die Rückkehr Urbans V. 1357 zeigte jedoch, dass in Rom ein gedeihliches Wirken kaum möglich war, weswegen er 1360 wieder nach Avignon zog.

11.3.2 Die Entstehung des abendländischen Schismas. Nach militärischen Aktionen gegen renitente Kräfte im Patrimonium Petri (u.a. Bologna, Cesena) unternahm Gregor XI. Ende 1377 einen zweiten Anlauf, nach Rom zurückzukehren. Sein baldiger Tod verhinderte eine Konsolidierung des Papsttums in Rom. Bei der anschließenden Papstwahl weilten 16 Kardinäle in Rom, 6 in Avignon. Nachdem die 16 Kardinäle in Rom Urban V., einen Italiener, gewählt hatten, zeigte sich bald, dass dieser über die Interessen der Kardinäle hinwegging, so dass einige Monate später die meisten Kardinäle nach Avignon abreisten, die Wahl Urbans für unrechtmäßig erklärten und in Avignon mit den französischen Kardinälen Clemens VII., einen Verwandten des französischen Königs, zum Papst wählten, der seit 1379 in Avignon residierte. Beide Päpste bannten sich gegenseitig. Dem klugen Taktiker Clemens VII. (1378-1394) gelang es, nicht nur den König und die Kirche Frankreichs sowie das Königreich Neapel auf seine Seite zu ziehen, sondern auch Schottland, Aragon, Kastilien und Navarra sowie kleinere Teile Deutschlands (u.a. Mark-Kleve). Zu Urban VI. (1378-1389), der in Rom Kurie und Kardinalskollegium weitgehend neu aufbauen musste, hielten der Kaiser, der größere Teil Deutschlands, dessen nördlichen und östliche Nachbarkirchen (in Skandinavien, Polen, Litauen und Ungarn) sowie die meisten norditalienischen Territorien. 11.3.3 Das Konzil von Pisa 1409. Die Verhandlungen um eine Beseitigung des Schismas bzw. um die Aufkündigung einer Obödienz führten zu einer weitgehenden Politisierung des Papstamtes. Für die Beendigung des Schismas waren verschiedene Möglichkeit im Gespräch: Neben der via cessionis (dem Weg des Rücktritts, scil. beider Päpste, befürwortet u.a. von der Pariser Universität) war dies vor allem die via concilii (der Weg eines Konzils). Das entscheidende Hindernis war die Tatsache, dass in Avignon als Clemens’ Nachfolger ein Spanier gewählt wurde, Benedikt XIII. (1394-1417/1423), der es verstand, nicht nur Frankreich bei sich zu behalten (entgegen der 1395/1398 angekündigten, aber nicht ausgeführten Aufkündigung der Obödienz), sondern auch die spanischen Reiche für sich zu gewinnen. In Rom 648

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war Gregor XII. (1406-1415) durch seine unkluge Politik zunehmend isoliert. Eine wichtige Rolle übernahmen 1408 diejenigen Kardinäle, die sich mit den Päpsten in Rom und in Avignon überworfen hatten. Diese Kardinäle beider Obödienzen, 24 an der Zahl, setzten nun die via concilii um. Das von ihnen ins Werk gesetzte Konzil in Pisa machte Benedikt und Gregor den Prozess und verurteilte beide als Schismatiker und Häretiker. Dann wählten sie den aus Kreta stammenden Franziskanergeneral Alexander V. (1409-1410) zum neuen Papst. Benedikt und Gregor erkannten das Konzil nicht an und kreierten eigene neue Kardinäle als Ersatz für die abtrünnigen. Eine große Zahl von Kurialen war inzwischen nach Pisa gezogen, so dass es Alexander nicht schwer fiel, rasch eine kuriale Verwaltung aufzubauen. Seine Kontrahenten fanden jedoch auch weiterhin noch politische Unterstützung und konnten sich daher in Rom bzw. Avignon halten. Somit entstanden drei Obödienzen. Teile von Deutschland und Ungarn blieben vorerst bei Gregor XII. (gingen aber etwas später zur Pisaner Obödienz über), Schottland und Spanien bei Benedikt XIII. Der Rest Europas (vor allem Frankreich, England, der größere Teil von Deutschland, Skandinavien und Polen) hielt sich zu Pisa. Der Rückhalt für die Pisaner Obödienz schwand allerdings unter Alexanders Nachfolger Johannes XXIII. (1410-1415), einer ungeistlichen Gestalt, der in Italien und Deutschland nur wenig Unterstützung fand. Dies ermöglichte es den Päpsten in Avignon und in Rom, sich vorerst im Amt zu halten.

Konzilspapst

3 Obödienzen

11.4 Literatur Lektüretipp: B. Guillemain: Der Aufbau und die Institutionen der römischen Kirche. II. Die Päpste und ihre Wähler, GCh 6, 1991, 31-50. – P. Ourliac: Das Schisma und die Konzilien (1378-1449), ebd. 75-96. Literatur: J. Lecler: Vienne, 1965. – G. Mollat: Les Papes d’Avignon (1305-1378), 10. A. 1965. – J. Favier: Les papes d’Avignon, 2006. – B. Guillemain: Les papes d’Avignon, 2000. – S. Weiss: Rechnungswesen und Buchhaltung des Avignoneser Papsttums (1316-1378). Eine Quellenkunde, 2003. – J. Hamesse (Hg.): La vie culturelle, intellectuelle et scientifique à la cour des papes d’Avignon, 2006. – [o. Hg.] Genèse et débuts du Grand Schisme d’Occident (1362-1394), 1980. – H.-J. Schmidt/M. Rohde (Hg.): Papst Johannes XXII, 2014. – H. Müller/B. Hotz (Hg.): Gegenpäpste, 2012. – K. Hitzbleck: Exekutoren. Die außerordentliche Kollatur von Benefizien im Pontifikat Johannes XXII., 2009.

12. Verweltlichung der geistlichen Gewalt im 14. Jh. Das Papsttum baute im 14. Jh. nicht nur ein umfassendes Steuer- und Abgabensystem auf, sondern schuf auch Möglichkeiten, durch rechtliche Normierung in das Leben aller einzugreifen. Das Kirchenrecht erfuhr im Blick auf die christliche Lebensgestaltung eine immer umfassendere Fixierung. Dies beeinflusste die Frömmigkeit auch im 15. Jh. nachhaltig. Die Papstkirche und ihr Einfluss auf Bistümer und Pfarreien waren für die Menschen im 14./15. Jh. insbesondere als Rechts- und Finanzsystem erlebbar. Diese 12. Verweltlichung der geistlichen Gewalt im 14. Jh.

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Kirchenrecht

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Vorgänge wurden von Anfang an heftig kritisiert, die Idee einer Reform und Polemik gegen den Papst entwickelten sich rasch.

12.1 Die Papstkirche als Finanzmacht

Zentralisierung

Peterspfennig päpstlicher Zehnter Reservationen

Anwartschaften

Annaten

Apokalyptik

Johannes XXII. Verurteilung 1323

Kurie und päpstlicher Hof mit dem zahlreichen Personal und die Militäraktionen in Italien erforderten gewaltige Mittel, die aus dem zerrütteten Patrimonium Petri nicht zu bestreiten waren. Deshalb bauten die Päpste im 14. Jh. ein europaweites Finanzsystem auf. Neben die regelmäßigen Einnahmen traten immer neue Gebühren. Der Ausbau dieses Finanzsystems erfolgte auf der Basis des Kirchenrechts als Folge der Zentralisierung des Gerichtswesens und der Pfründenvergabe. In diesem Zusammenhang gewann der Armutsstreit der Franziskaner eine für das Papsttum bedrohliche Dimension: Johannes XXII. verurteilte die Position der Spiritualen, der zufolge Christus und die Apostel kein Eigentum besessen hätten, als häretisch und provozierte damit den Widerstand bedeutender Theologen wie Wilhelm von Ockham. 12.1.1 Das System der Einkünfte. Außer den herkömmlichen Einnahmen durch Gerichtsgebühren, Kreuzzugssteuern, Zinserträgen aus den Gütern des Patrimonium Petri, dem von einigen Ländern gezahlten Peterspfennig und dem besonders ergiebigen päpstlichen Zehnten schuf die Kurie in Avignon neue Einkünfte, besonders im Zusammenhang mit Stellenbesetzungen. Das Rechtsinstrument der Reservation, d.h. des Vorbehalts des Papstes, bestimmte Stellen bei der nächsten Wahl von Rom aus zu besetzen, wurde auf viele Abteien, aber auch niedere Pfründen ausgedehnt. Für deren Vergabe, aber auch schon für die Anwartschaften, mit denen man die Verleihung einer Pfründe bereits im Voraus sichern bzw. erwerben konnte, kassierte die Kurie Teile der Pfründeneinkünfte. Da zugleich mehrere Pfründen an einen Kleriker vergeben werden konnten, kamen etliche Pfründenjäger nach Avignon (bzw. nach 1378 auch nach Rom), um Ämter zu erwerben. Die Bischöfe und Prälaten, die vom Papst eingesetzt wurden, mussten dafür Servitien entrichten (ein Drittel des ersten Jahreseinkommens). Neu war seit dem 14. Jh. die Zahlung der Annaten (d.h. sämtlicher Einkünfte des halben ersten Amtsjahres). Hinzu kam die Beanspruchung der Spolien (d.h. des Nachlasses der Prälaten und Pfarr­herrn, der traditionell dem König zustand). Da die Pfründenerwerber diese Summen häufig nicht bar bezahlen konnten, nahmen sie Kredite auf. Dies wurde zu einem wichtigen Bestandteil der »frühkapitalistischen« Geldwirtschaft im 15./16. Jh. Die Klagen über die enorm belastenden Zahlungen nach Rom wuchsen kontinuierlich an. 12.1.2 Der theoretische Armutsstreit. Gegen die durch apokalyptische Tendenzen (unter dem Einfluss der Ideen des Joachim von Fiore) verstärkte Armutsbewegung unter den Franziskanern, besonders den Spiritualen um Petrus Olivi, setzte Johannes XXII. seit 1317 die Inquisition ein. Als dabei v.a. die Dominikaner die franziskanische Berufung auf das Vorbild Christi und der Apostel für die Besitzlosigkeit attackierten, kam es zum sog. theoretischen Armutsstreit. Das franziskanische Generalkapitel erklärte 1322 die völlige Armut Jesu und seiner Jünger zur verbindlichen Lehre. Dagegen verwies Johannes XXII. zunächst auf die Divergenz zwischen Ideal und Praxis im Ordensleben und verwarf dann in einer dogmatischen Konstitution 1323 jene Lehre. Die Behauptung, dass Christus und seine Apostel weder je für sich noch gemeinsam etwas besessen hätten, sei häretisch, ebenso die Behauptung, sie hätten kein Verfügungsrecht über ihren 650

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Besitz gehabt (DH 930-931) (vgl. § 6; 13.4). Die nunmehr von der Inquisition verfolgten Franziskaner, u.a. deren Generalminister Michael von Cesena sowie Wilhelm von Ockham, flohen zu Kaiser Ludwig dem Bayern und erklärten nun ihrerseits Johannes XXII. zum Häretiker, dem offiziell der Prozess gemacht werden müsse.

12.2 Kirchenstrafen als politische Kampfmittel Die wirkungsvollste Kirchenstrafe war die Exkommunikation bzw. der Bann, der einzelne aus der Kirchengemeinschaft ausschloss (sog. großer Bann) bzw. ihm die Sakramente vorenthielt (sog. kleiner Bann). Vom Kirchenrecht her blieb der Bann bestehen, bis er nach erfolgter Buße und Wiedergutmachung wieder aufgehoben wurde. Im Spätmittelalter wurde der Bann aber oft auch als öffentliche Strafmaßnahme eingesetzt, die gar nicht auf die Buße des Bestraften zielte. Seine Wirksamkeit war besonders groß, wenn ihm weltliche Sanktionen folgten. Kaiser Friedrich II. und die geistlichen Fürsten vereinbarten z.B. 1220 für Deutschland, dass Gebannte nicht prozessfähig seien und mit der kaiserlichen Acht belegt würden. In der politischen Auseinandersetzung mit Kaisern und Königen hatte sich die Strafe zwar wegen des häufigen Gebrauchs abgenutzt, blieb aber trotzdem noch gefürchtet (vgl. z.B. § 9; 6.5; 7.1-7.3; 12.1). Seit dem 14. Jh. wurde sie von Päpsten und Bischöfen systematisch eingesetzt, um Steuern und Abgaben einzutreiben (Johannes XXII. z.B. exkommunizierte 1328 wegen unterbliebener Abgabenzahlung nicht weniger als 30 Bischöfe und 40 Äbte). Das trug ebenfalls zur Abstumpfung bei. Eine zweite wichtige Strafmaßnahme war das Interdikt, das nicht einzelne traf, sondern in bestimmten Orten oder Territorien die Abhaltung aller Gottesdienste verbot und so gleichsam das Heil vorenthielt. Es war ursprünglich nur bei schweren Vergehen vorgesehen, wurde aber im 14. Jh. oft bei Konflikten um die kirchliche Gerichtsbarkeit und Steuererhebung eingesetzt. Als politische Maßnahme wurde es auch über große Länder verhängt, etwa über Frankreich unter Philipp IV. (im Konflikt mit Bonifatius VIII., vgl. § 9; 12.1.1) oder den Teilen Deutschlands, die 1324-1347 zu Ludwig IV. dem Bayern hielten (s. § 9; 12.2). Bei häufiger Anwendung und langer Dauer stumpfte auch diese Maßnahme ab, zumal bei einem Interdikt auch die Kleriker litten (wegen des Ausfalls der entsprechenden Spenden und Stolgebühren für Amtshandlungen) und etliche (v.a. die durch päpstliche Privilegien eximierten Ordensangehörigen) trotzdem Gottesdienste feierten. Die Rechtmäßigkeit der Interdikte wurde oft angezweifelt und entsprechend unterlaufen (so wurden Taufen und Beichten hinter verschlossenen Kirchentüren geduldet). Der Missbrauch beider Kirchenstrafen verstärkte die Kirchenkritik und die Reformforderungen (besonders im 15. Jh.).

großer / kleiner Bann

Interdikt

12.3 Das Ablasswesen Ein wichtiger Bestandteil des päpstlichen Abgabensystems wurden die Zahlungen, die für Ablässe geleistet wurden. Ablass meint eigentlich den Nachlass zeitlicher Sündenstrafen, die auf die Reue, Beichte und Vergebung der Sünden folgten, also etwa den zeitweisen Ausschluss vom Sakrament der Eucharistie. Seit dem 11./12. Jh. wurde dieser Nachlass zunehmend für Geldleistungen gewährt. Dadurch entstand das Missverständnis, dass mit den zeitlichen Sündenstrafen auch die Schuld selbst vergeben worden sei (was in den theologischen Begründungen des Ablasses in der Regel nicht der Fall war). Dies höhlte das Bußsakrament erheblich aus. Aus einem Element, 12. Verweltlichung der geistlichen Gewalt im 14. Jh.

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zeitliche Sündenstrafen

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Fegefeuer

Reduktion der Sündenstrafen

culpa

poena

Kommutationen Redemptionen

indulgentia

Fürbitte des Papstes

das im Bußwesen seelsorgerliche Funktionen erfüllen sollte, wurde eine Geldzahlung für das Seelenheil. Dies wurde mit der Vorstellung vom Fegefeuer verknüpft: Zusätzlich zu den Strafen für Sünden, die im Leben nicht gebeichtet und vergeben waren, musste – so die Vorstellung – die Seele im Jenseits auch noch die zeitlichen Sündenstrafen ableisten, die im Leben nicht geleistet werden konnten. Die weitere Entwicklung brachte zwei zusätzliche Weiterungen: Zum einen konnten die Geldzahlungen auch stellvertretend für andere (etwa für Verwandte) geleistet werden, zum anderen auch für Gestorbene (erst 1476/1477 lehramtlich fixiert). Zudem konnte der Ablass auch im Voraus (d.h. bevor die entsprechenden sündigen Taten überhaupt existierten) erworben werden. Dadurch entstand ein umfassendes System, in dem die Reduktion der im Fegefeuer zu erbringenden Sündenstrafen zunehmend in den Vordergrund trat. Wichtige Ablassformen waren zudem der Plenarablass (ursprünglich im Zusammenhang der Kreuzzugsbewegung entstanden) und der Jubiläumsablass (seit 1300 für Romwallfahrten in einem sog. »Heiligen Jahr« gewährt). Die sog. kleinen Ablässe gewannen im Alltagsleben im 15. Jh. besondere Bedeutung, z.B. weil sie den Bruch von Fastenregeln »heilten« (Butter- und Fleischbriefe). 12.3.1 Ablass und Sündenvergebung. Die theologische Auffassung des Bußsakraments knüpfte die Sündenvergebung an aufrechte Reue und die entsprechende Beichte. Die Sünde löste dabei zweierlei aus: a) eine Schuld bei Gott (culpa), die durch die Absolution vergeben wurde – ohne Gegenleistung, nur aus Gnade (entsprechend waren die ewigen Strafen ebenfalls getilgt), b) eine zeitliche Sündenstrafe (poena), die durch die Kirche verhängt wurde. Letztere waren Bußzeiten oder andere Handlungen, die ursprünglich (schon in der Alten Kirche) als Zeichen der Bußgesinnung abzuleisten waren, etwa Zeiten, in denen man nicht an der Eucharistie teilnahm, Fasten oder Wallfahrten. Bereits im Frühmittelalter hatte sich hierfür insbesondere das Mittel der Kommutationen (Umwandlung einer Bußstrafe in eine andere) und der Redemptionen (Ersatzleistung für eine Bußstrafe) eingebürgert (So konnte eine Bußstrafe von 365 Tagen in 365 Vaterunser umgewandelt und anschließend durch eine Geldzahlung an einen Kleriker übertragen werden; vgl. § 6; 7.3.2). Der Ablass sah vor, dass durch eine Ersatzleistung, in der Regel eine Geldzahlung für einen guten Zweck, die zeitliche Sündenstrafe nachgelassen wurde. Dementsprechend wird der Ablass lateinisch mit den juristischen Fachbegriffen venia (Verzeihung incl. Aufhebung der Rechtsfolgen) bzw. indulgentia (gnadenhafte Aufhebung einer Strafe) bezeichnet. Er ist also Straferlass, nicht Sündenvergebung. Die faktische Loslösung dieses Straferlasses vom Bußsakrament legte aber nahe, dass – wenn die Strafen aufgehoben waren – auch die Schuld schon nicht mehr bestand, zumal sich mit der Gewährung des Ablasses die Zusicherung der Kirche (besonders des Papstes) verband, fürbittend für den Sünder einzutreten (was die Vergebung der Schuld durch Gott im Grunde zusicherte). Anders als die Schuld waren 652

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die Strafen aufsummierbar. Entsprechend konnten auch Ablässe entsprechend gestaffelt und aufaddiert werden (ein Ablass von 40 Tagen entsprach einer entsprechenden Bußleistung, etwa 40 Tagen Fasten oder einer entsprechenden Wallfahrt). Die Ausdehnung der entsprechenden Tatbestände und Bußzeiten führte dazu, dass die zeitlichen Sündenstrafen mitunter nicht mehr im Leben ableistbar waren. Die Vorstellung, dass auf der Welt nicht geleistete zeitliche Sündenstrafen noch im Fegefeuer abgeleistet werden muss­ ten, setzte dies im Jenseits fort. Hinzu kam die Unsicherheit, ob überhaupt alle Sünden erfasst waren – nicht gebeichtete Sünden zögen aber ihrerseits nicht nur entsprechende Strafen im Fegefeuer nach sich, sondern auch noch zeitliche Sündenstrafen, die dann zusätzlich abzuleisten wären. Dies erhöhte den Bedarf, Ablässe sozusagen sicherheitshalber zu kaufen. Die Vorstellung, dass dies auch im Voraus geschehen könne, bestärkte dies, weil man dann auch Ablässe auf Vorrat kaufen konnte. Hinzu kam die Ausweitung auf andere Personen und – etwas später – auch auf Verstorbene, so dass der Ablass eine Geldleistung wurde, die man aus Sorge um das eigene Seelenheil sowie um das der (verstorbenen) Verwandten zu zahlen bereit war. Damit war die Loslösung vom Bußsakrament auf seine Spitze getrieben. Viele Kirchen, Klöster und Wallfahrtsorte wurden mit speziellen und umfassenden Ablässen ausgestattet. Eine besondere Funktion erfüllte der von Bonifatius VIII. 1300 eingeführte Jubiläumsablass, der allen beichtenden Besuchern der römischen Hauptkirchen – theologisch problematisch – die Vergebung nicht nur der Sündenstrafen (poenae), sondern (wegen der damit verbundenen Beichte) auch die Lossprechung von der culpa zusagte. Er war ab 1390 auch ohne Wallfahrt gegen Geldzahlung an bestimmten Orten erhältlich. Im Zusammenhang der Kreuzzugsbewegung war der sog. Plenarablass entstanden, der Nachlass aller gegenwärtig bestehender Sündenstrafen (später auch auf die künftigen ausgeweitet), der ursprünglich für die Kreuzfahrer gedacht war, dann aber auch auf Nichtkreuzfahrer ausgedehnt wurde (und als Möglichkeit, die gute Sache zu unterstützen, attraktiv war). 12.3.2 Bindung an das päpstliche Richteramt und der Schatz der Kirche. Die Ablasspraxis war eng an das Papstamt gebunden, weil sie sich auf die Theorie vom universalen Richteramt des Papstes stützte, das dieser in göttlicher Vollmacht als Stellvertreter Christi innehabe (vgl. § 8; 9.4.4). Verstärkend trat die zuerst um 1230 von dem Dominikaner Hugo von St. Cher (s. § 10; 17.3.2) formulierte Lehre hinzu, dass allein der Papst als Haupt der Kirche über den thesaurus ecclesiae (den Schatz der Kirche) verfüge, in dem die (unendlichen) Verdienste Christi, vermehrt um die überschießenden Verdienste der Heiligen (besonders Marias), gesammelt waren. Christus hatte durch den Kreuzestod nicht nur für sich, sondern – da zugleich göttlichen Wesens – unendliche Verdienste erworben, die er (bzw. sein Stellvertreter) für die Menschheit bzw. die Gläubigen einsetzen konnte. Thomas von Aquin systematisierte in diesem Sinne die Ablasslehre und setzte dabei auch vor12. Verweltlichung der geistlichen Gewalt im 14. Jh.

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Quantifizier­ barkeit

im Voraus kaufbar

Jubiläumsablass

Plenarablass

Verdienste Christi

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Unigenitus Dei Filius 1343

Salvator noster 1476 Fürbittte

aus, dass die Kirche sogar den Verstorbenen im Fegefeuer Ablass zuwenden könne. Offen blieb, ob dies durch die richterliche Entscheidung oder nur auf dem Weg der Fürbitte bei Gott erfolge. Die Lehre vom Schatz der Kirche wurde erst 1343 lehramtlich fixiert, als Clemens VI. – auf dem Hintergrund der europäischen Pestkatastrophe – das Jubiläumsjahr 1350 vorbereitete und dazu in der Bulle Unigenitus Dei Filius (Der eingeborene Sohn Gottes) festhielt, dass der Stellvertreter Christi den vere paenitentes et confessi (denen, die wahrhaftig gebüßt und gebeichtet haben) aus dem Schatz der Kirche die Vergebung der zeitlichen Sündenstrafen zuteilen konnte (Text/Übers.: DH 1025-1027). Das war theologisch umsichtig formuliert (weil einerseits von der Buße, andererseits von den Sündenstrafen, nicht von der Vergebung der Schuld die Rede war), drückte aber die alleinige Vollmacht des Papstes aus, unbeschränkt Ablässe zu verleihen. 12.3.3 Der Ablass für Verstorbene. Die Vorstellung, Ablässe auch für Verstorbene erwerben zu können, geht auf die ekklesiologische Vorstellung zurück, dass auch die Seelen der Verstorbenen Mitglieder der Kirche Christi sind (ebenso wie die Engel). Trotzdem wurde der Erwerb von Ablässen für Verstorbene erst spät lehramtlich fixiert. Erst Sixtus IV. fixierte in der Bulle Salvator noster (Unser Heiland) 1476 die Möglichkeit, für verstorbene Angehörige und Freunde gegen bestimmte Geldbeträge für fromme Zwecke einen vollkommenen Ablass erwerben zu können, der per modum suffragii (auf die Weise der Fürbitte) vom Papst gewährt werde (Text/Übers.: DH 1398). Bereits ein Jahr später sah sich Sixtus IV. genötigt, zu verdeutlichen, dass damit nicht die Notwendigkeit der Fürbitte für die Verstorbenen aufgehoben sei, sondern dass vielmehr der päpstliche Ablass selbst wie Fürbitten und Almosen wirke, eben per modum suffragii (so dass die eigentliche Vergebung der Schuld Christus überlassen bleibt) (Text/Übers.: DH 1405-1407). Das populäre Missverständnis einer durch das päpstliche Richteramt bewirkten »Automatik«, dem zufolge nach Aufhebung der zeitlichen Sündenstrafen dann aufgrund der päpstliche Fürbitte auch die Schuld vergeben sei, konnte dadurch allerdings nicht ausgeräumt werden. 12.4 Literatur Lektüretipp: A. Angenendt: Geschichte der Religiosität im Mittelalter, 4. A. 2009, 630-657. Literatur: M.A. Denzel: Kurialer Zahlungsverkehr im 13. und 14. Jahrhundert, 1991. – S. Weiss: Rechnungswesen und Buchhaltung des Avignoneser Papsttums (1316-1378). Eine Quellenkunde, 2003. – M. Ohst: Pflichtbeichte, 1995. – B. Poschmann: Der Ablaß im Licht der Buß-Geschichte, 1948. – N. Paulus: Geschichte des Ablasses im Mittelalter, 3 Bde., 19221923; ND 2000 [mit Einleitung von T. Lentes]. – S. Thalmann: Ablaßüberlieferung und Ablaßpraxis im spätmittelalterlichen Bistum Hildesheim, 2010.

 § 9; 12.

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§ 8 Papsttum im Mittelalter

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13. Kirchenkritik und Reformprogramm bei Wyclif und Hus Die allgemeine Unzufriedenheit mit den kirchlichen Zuständen, insbesondere mit der Papstherrschaft, äußerte sich seit Mitte des 14. Jh.s in verschiedenen Formen. Politiker und Theologen forderten eine reformatio (Erneuerung), auch im Mönchtum kam es zu Erneuerungsbewegungen (vgl. § 6; 16.). Es entstanden Bewegungen wie die Beginen und Begarden, die sich aber z.T. integrieren ließen. Die Brüder und Schwestern des freien Geistes waren hingegen eine nonkonformistische Bewegung, die ein individualistisches, institutionenkritisches Christentum befürwortete und bis ins 15. Jh. bestand. Zu einer Krise des gesamten Kirchensystems kam es jedoch nicht. Die Pestepidemie 1347-1351 (auch der Schwarze Tod oder das Große Sterben genannt) löste einen erheblichen Bevölkerungsrückgang und einen Kulturschock aus. Flagellanten, Züge von organisierten Geißelbruder- und -schwesterschaften, versuchten, Gottes Strafgericht durch intensive Bußübungen abzuwenden. Da sie ihren Bußruf mit Kritik an Kirche und Papsttum verbanden, galten sie bald als Ketzer. Im Zusammenhang politischer Autonomiebestrebungen bildeten sich in England und Böhmen zwei wirkungsmächtige Bewegungen, die die Einheit der europäischen Christenheit in Frage stellten.

Brüder / Schwestern des freien Geistes

Flagellanten

13.1 Radikale Kirchenreform bei John Wyclif In England verband sich Kritik an dem päpstlichen Finanzsystem mit den enormen Finanznöten der englischen Krone, zumal seit 1369 in dem sog. Hundertjährigen Krieg gegen Frankreich (1339-1453) erhebliche Verluste zu vermelden waren. Adelige und Bürger propagierten den Zugriff der Krone auf die Kirchengüter als Entlastung. Der renommierte Oxforder Theologieprofessor John Wyclif (ca. 1330-1384) engagierte sich ab 1374 für diese Forderung und begründete sie theoretisch. Dies löste den Widerstand hoher Kleriker aus. 1377 wurden ausgewählte Lehrsätze Wyclifs vom Papst für häretisch erklärt. Da Wyclif jedoch von König, Parlament und Bevölkerung gestützt wurde, blieb er selbst unbehelligt und entwickelte 1378/1379 eine grundsätzliche Kritik an der bisherigen Ekklesiologie und am Papsttum (das just 1378 im sog. großen abendländischen Schisma in Avignon und Rom zerfiel). Für ihn war die Kirche die Gemeinschaft der Prädestinierten; durch sein Auftreten erwies sich der Papst nicht als Stellvertreter Christi, sondern als Stellvertreter des Antichristen. Ein Bauernaufstand 1381, für den Wyclifs Ideen verantwortlich gemacht wurden, und die Verwerfung seiner Abendmahlslehre durch eine Synode in London 1382 ließen sein Ansehen rapide sinken. In der Lollardenbewegung, einer Gruppe von Laien und Klerikern, v.a. aus den unteren sozialen Schichten, lebten seine Ideen jedoch bis nach 1450 weiter.

Finanznot der englischen Krone

13.1.1 Politische Unterstützung für Wyclifs Kirchenkritik. Die erhebliche Kritik am päpstlichen Finanzsystem in Kreisen des Adels und des Bettelmönchtums bildete den 13. Kirchenkritik und Reformprogramm bei Wyclif und Hus

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Herzog von Lancaster

William Courtenay

De ecclesia

Kritik an Frömmigkeits­ praxis

Synode in London 1382

Hintergrund für Wyclifs Kritik an der Verweltlichung der Kirche. Johann von Gent (John of Gaunt, dritter Sohn des Königs Edward III., Herzog von Lancaster und Begründer der Lancaster-Dynastie) konnte einen theologischen Kopf wie Wyclif gut gebrauchen, v.a. bei den Verhandlungen mit Abgesandten des Papstes in Brügge 1374. Deshalb bekam Wyclif die Kronpfarrei Lutterworth in Leicestershire als gut dotierte Pfründe. In Predigten und Schriften untermauerte er die Forderung auf Verzicht der Kirche auf weltliche Herrschaft und reiche Güter. In den beiden zusammengehörenden Schriften De divino dominio (Über die göttliche Herrschaft, 1375) und De civili dominio (Über die weltliche Herrschaft, 1376) gab er eine theoretische Grundlegung seiner Auffassung von der Trennung zwischen Kirche und weltlicher Herrschaft. Sein energischster Widersacher, William Courtenay, Bischof von London, wurde durch königliche Gewaltmaßnahmen an der Durchführung eines Ketzerprozesses gehindert, doch konnte er erreichen, dass Gregor XI. in päpstlichen Bullen 19 Thesen aus Wyclifs Werk, die v.a. die päpstliche Autorität in Frage stellten, verurteilte (Text/Übers.: DH 1121-1139). Wyclif verteidigte seine Thesen (ohne DH 1127) mit Erläuterungen in einem Schreiben an das englische Parlament (Übers.: Benrath 264-274). 13.1.2 Das Papsttum als Herrschaft des Antichristen. Der Antritt des neuen Königs Richard II. in England (1377-1399), eines Zehnjährigen, der unter dem Einfluss seines Onkels, des papstkritischen Herzogs von Lancaster, stand, das Papstschisma zwischen Rom und Avignon 1378 und eine weitere Verschärfung der Finanzsituation durch Niederlagen in Frankreich bildeten den Hintergrund für eine Verschärfung der Kirchenkritik Wyclifs, besonders in seinem Werk De ecclesia (Über die Kirche) von 1378. Bewegte sich seine bisherige Kirchenkritik noch auf der Linie entsprechender Äußerungen z.B. radikaler Franziskaner (vgl. § 9; 12.3.2), stellte Wyclif nun von seiner Ekklesiologie her die Papstkirche insgesamt in Frage. Als das Wesen der Kirche Christi sah er die unsichtbare Gemeinschaft der Prädestinierten mit ihrem Haupt Christus an. Dem widersprächen die verweltlichte Herrschaft des Papstes und der Missbrauch der apostolischen Vollmacht (insbesondere in der Exkommunikationspraxis). Dementsprechend sei der Papst als der Stellvertreter des Antichristen zu identifizieren, die von ihm gestützte Frömmigkeits- und Abgabenpraxis sei abzulehnen. Dies betraf insbesondere den Ablass, aber auch weitere Frömmigkeitsformen wie die Verehrung von (und den Handel mit) Reliquien, den Heiligenkult, die Fürbitte für die Toten, die priesterliche Absolution (weil nur Christus selbst die Schuld vergeben kann). Seine Ablehnung der Transsubstantiationslehre und der Messopferlehre traf die traditionelle Religiosität des Kirchenvolks und fand wenig Zustimmung. Da ihn inzwischen selbst die Bettelorden angegriffen hatten, lehnte er auch die Mönchsorden mitsamt ihrem Reichtum ab. William Courtenay, inzwischen zum Erzbischof von Canterbury aufgerückt, eröffnete nun ein Zensurverfahren gegen Wyclif. Eine Kirchenversammlung in London 1382 verurteilte 24 Lehrsätze von Wyclif als zum Teil häretisch, zum Teil irrig (Übers.: Benrath 288-290). Vor einer namentlichen Verurteilung Wyclifs schreckte man jedoch zurück, weil dieser immer noch erheblichen Rückhalt am Königshof und beim Parlament besaß. So lebte Wyclif bis 1384 unbehelligt in seiner Pfarrei Lutterworth und verfasste weitere polemische Schriften gegen die Papstkirche. Erst postum wurde er im Zusammenhang des Hus-Prozesses vom Konstanzer Konzil als Häretiker verurteilt (Katalog seiner 45 »Irrtümer«: DH 1151-1195). 13.1.3 Die Lollarden. Die Unterstützung Wyclifs nahm rapide ab, als sich 1381 ein Bauernaufstand gegen die drückenden königlichen Steuermaßnahmen richtete. Zwar verurteilte Wyclif die damit verbundenen Enteignungsversuche der Bauern, doch wandten sich zahlreiche Adelige von ihm ab. Seine Anhänger im Land wurden von den Gegnern 656

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mit einem bereits geläufigen Sektennamen als Lollarden bezeichnet (d.h. als Unkrautsäer und Vagabunden). Unter ihnen spielte eine Gruppe von poor priests (armen Priestern) eine wichtige Rolle, durch die die »Wyclifie« in der Mittel- und Unterschicht verbreitet wurde. Ein bedeutsames Element in der Tätigkeit der Lollarden wurde die volkssprachliche Bibelübersetzung (unter Mitwirkung Oxforder Gelehrter verfasst, so waren für das NT v.a. John Purvey, der Wyclif auch als Sekretär in Lutterworth diente, und für das AT Nicholas von Hereford tätig). Sie wurde als ketzerisch verboten. Wyclifs Berufung auf die Schrift erschien als Angriff auf die Lehrautorität der Kirche (zu Wyclifs Schriftprinzip vgl. § 10; 17.4). Die Lollarden fanden, v.a. beim niederen Adel, Unterstützung für ihre Forderung einer radikalen Kirchenreform, die sie 1395 mit 12 Thesen beim Parlament beantragten (Übers.: Benrath 294-301). Sie nahmen auf Wyclifs Theologie Bezug und verlangten u.a. die Unterstellung der Bischöfe unter die königliche Gerichtsbarkeit. Als der Sohn des Herzogs von Lancaster den bisherigen König Richard II. zur Abdankung zwang und als Henry IV. (1399-1413) auf die Unterstützung des Episkopats angewiesen war, machte er sich die Forderung des Episkopats nach Verfolgung der Häretiker zu eigen. Das Statut De haeretico comburendo (Dass ein Häretiker verbrannt werden muss) von 1401 führte die in England bis dahin unübliche Todesstrafe für Häresie ein und wurde im 15. Jh. zur Rechtsgrundlage der Verfolgung der Lollarden. Als diese in den Aufstand des John Oldcastle gegen den neuen König Henrich V. (1413-1422) verwickelt wurden, verloren sie ihre Unterstützung beim Landadel und bei den vermögenderen Stadtbürgern und konnten sich fortan nur als Untergrundbewegung mit Sympathien bei verarmten Handwerkern und Klerikern halten. Ihre historische Bedeutung besteht darin, dass sie eine papsttumskritische Haltung in England verbreiteten.

poor priests

Bibel in der Volkssprache

Untergrund­ bewegung

13.2 Jan Hus und die Erneuerungsbewegung in Böhmen Wyclifs Kirchenkritik fand eine besondere Resonanz in Böhmen. Berühmtester Wortführer des Protestes wurde Jan (Johannes) Hus (ca. 1370-1415). In der Theologie deutlich gemäßigter als Wyclif, verlieh er der Kirchenkritik durch seine populäre Predigtweise enorme Breitenwirkung. In den seit 1407 schwelenden Unruhen, die sich mit dem Gegensatz der Tschechen gegen die Deutschen verbanden, profilierte sich Hus als entschiedener Kirchenkritiker. 1412 wurde er gebannt und musste sich bei ihn unterstützenden Adligen verstecken. Seine Verurteilung und Verbrennung auf dem Konzil von Konstanz 1415 machten ihn zum Märtyrer des Widerstandes gegen eine vom Papst gelenkte Kirchenstruktur. 13.2.1 Voraussetzungen: Die Erneuerungsbewegung ab 1360. Böhmen hatte sich im 14. Jh. zu einem bedeutenden Wirtschaftszentrum entwickelt. Die dadurch entstandenen sozialen Spannungen verstärkten die Kirchenkritik und führten seit 1360 zu zunehmenden Reformforderungen. Wenzel (1378-1419, ab 1378 auch deutscher König, 1400 wegen Unfähigkeit abgesetzt, danach nur noch König von Böhmen) war auf die Unterstützung des einflussreichen Adels angewiesen, der mit den Reformforderungen sympathisierte und dem hohen Klerus kritisch gegenüberstand (Die Kritik war etwa in der Ermordung des Generalvikars von Prag Johannes von Nepomuk 1393 eskaliert, der ab dem 18. Jh. als Nationalheiliger verehrt wurde). Prediger propagierten z.B. Rückbesinnung auf die Urchristenheit, stärkere Beteiligung der Laien am kirchlichen Leben, 13. Kirchenkritik und Reformprogramm bei Wyclif und Hus

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Wenzel

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Kelchkommunion

Bethlehemkapelle

»Nationen«

Hus als Rektor

Intensivierung der Eucharistiefrömmigkeit (z.T. Zulassung der Kelchkommunion). Bedeutende Prediger waren Matthias von Waldhausen (gest. 1369), der Spiritualist und Apokalyptiker Jan Milić von Kremsier/Mähren (gest. 1374) oder der Biblizist Matthias von Janow (gest. 1393).

13.2.2 Hus als Rezipient von Wyclif. Große Breitenwirkung entfaltete Jan Hus durch seine tschechischen Predigten in der Bethlehemkapelle in Prag ab 1402. Er orientierte sich an Jan Milić und wurde zunächst vom König wie vom Erzbischof Zbynĕk von Hasenburg unterstützt. Seit 1398 befasste sich Hus intensiv mit Wyclifs Schriften, die u.a. durch Studenten, die in Oxford studiert hatten, nach Prag gelangten (Hintergrund der besonderen Beziehungen nach England ist u.a. die Heirat einer Schwester von König Wenzel mit dem englischen König Richard II.). Wyclif war zunächst als Repräsentant eines Realismus interessant, der gegen den dominanten Nominalismus ins Feld geführt wurde. Dies verband sich mit dem Bestreben jüngerer Tschechen, in der Universität größeren Einfluss zu erhalten. Seit 1403 spielte in dieser Auseinandersetzung auch Wyclifs Eucharistielehre eine Rolle (die Hus selbst nie übernahm). Ab 1408 gingen die römische Kurie und der Erzbischof von Prag gegen einige Wyclifiten vor. 13.2.3 Streit an der Universität: Das Kuttenberger Dekret 1409. Der Streit um den maßgeblichen Einfluss in der Prager Universität, die traditionell nach vier sog. »Nationen« (Böhmen, Bayern, Sachsen, Polen) gegliedert war, eskalierte, als er sich 1409 mit der unterschiedlichen Haltung zum Papstschisma nach dem Konzil von Pisa (s. § 8; 11.3.3) verband. Während die Professoren der drei nicht-tschechischen Nationen mit Erzbischof Zbynĕk an der römischen Obödienz festhielten, favorisierten die Tschechen zusammen mit König Wenzel die Pisaner Obödienz. Wenzel änderte daher im Kuttenberger Dekret die Universitätsverfassung: Er gab der böhmischen Nation in allen Entscheidungen drei Stimmen gegenüber einer Stimme der nun zur deutschen Nation zusammengefassten Nicht-Tschechen. Das stärkte auch den Einfluss der Wyclifiten enorm. Hus, der ab 1396 als Magister an der Artistenfakultät unterrichtete, wurde zum Rektor gewählt. Die meisten deutschen Magister und Studenten verließen daraufhin Prag (in diesem Zusammenhang wurde die Universität in Leipzig gegründet). Die Wyclifiten wurden für den Erzbischof und den hohen Klerus zunehmend politisch gefährlich, weil sie die Übergriffe von König und Adel auf Kirchengüter legitimierten. 13.2.4 Der Bann gegen Hus 1412. Gestärkt durch Johannes XXIII. verbot Erzbischof Zbynĕk 1410 die Beschäftigung mit Wyclilfs Schriften (die öffentlich verbrannt wurden) sowie Hus’ Predigttätigkeit, den er zudem exkommunizierte. Unruhen in Prag waren die Folge. Als schwerer Fehler erwies sich inzwischen, dass Hus beim Papst in Rom 1408 die Überprüfung der 658

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als Irrtümer Wyclifs verurteilten Aussagen angestrengt hatte. Der Papst griff daraufhin ein, belegte 1411 Hus mit dem kleinen Bann und verhängte über Prag das Interdikt. Der Konflikt wurde 1412 noch verschärft durch den Streit um einen Ablass, den Alexander V. 1410 für einen Kreuzzug gegen König Ladislaus von Neapel (wegen dessen Festhalten an der römischen Obödienz) ausgeschrieben hatte. Da an den Einnahmen aus diesem Ablass auch König Wenzel beteiligt war, richtete sich die Polemik von Hus nun auch gegen diesen. Drei Anhänger von Hus wurden wegen ihrer Ablasskritik hingerichtet. Als die theologische Fakultät erneut die häretischen Lehrartikel Wyclifs verurteilte, verteidigte Hus diese öffentlich. Der von Johannes XXIII. über ihn verhängte große Bann zwang ihn dazu, aus Prag zu weichen und sich 1412-1414 unter dem Schutz südböhmischer Adliger auf deren Burgen aufzuhalten. 13.2.5 Die Ekklesiologie von Hus. Hus stand grundsätzlich auf dem Boden traditioneller Kirchlichkeit. Er lehnte das Papsttum und die Institutionen der Kirche nicht grundsätzlich ab und war insofern deutlich weniger radikal als Wyclif. Diesen benutzte Hus vor allem, um das apostolische Leben in Armut als Ideal zu propagieren und seine Kirchenkritik zu konkretisieren (so besonders in seinem Tractatus de ecclesia/Kirchentraktat von 1413; hg. von S.H. Thomson, 1956; Übers. z.T.: Benrath 346-355). Die Kirche besteht für ihn als Gemeinschaft der Prädestinierten aus den Gläubigen, die Christus in Armut und Demut nachfolgen. Ein echter Stellvertreter Christi müsste dies vorbildhaft realisieren. Das Papsttum als solches lehnte Hus nicht ab. Den päpstlichen Missbrauch des Schlüsselamtes kritisierte Hus aber ebenso wie die Auswüchse bei Ablass, Heiligenkult und Mönchtum, ohne dass er die Institutionen als solche ablehnte. In seinem Traktat De simonia (Über die Simonie) geißelte er den Ämterkauf sowie die Habsucht und Unsittlichkeit der Kleriker. Die Bibel war für ihn eine ethische Norm, mit der er auch seine Gesellschaftskritik begründete. Ein Schriftprinzip, das gegen die Lehrtradition eingesetzt werden konnte, entwickelte Hus nicht.

13.2.6 Die Verbrennung von Hus in Konstanz 1415. In den Verhandlungen des deutschen Königs Sigismund mit dem Papst Johannes XXIII. über ein Konzil nördlich der Alpen brachte der Papst u.a. ins Spiel, dass der Fall Hus geklärt werden möge. Dies wurde von König Wenzel unterstützt. Auch Sigismund musste an der Beilegung der Unruhen Interesse haben, da er erb­ rechtlich mit Böhmen verbunden war. Er sagte daraufhin Hus freies Geleit zu (die entsprechende Urkunde erreichte Hus allerdings erst, als er in Konstanz ankam). Das Konzil wurde am 5.11.1414 eröffnet, noch bevor Sigismund in Konstanz eintraf. Nach einem Abendessen wurde Hus am 28.11. wegen angeblicher Fluchtgefahr in Klosterhaft festgesetzt. Ob das ein Bruch des königlichen Schutzes war, ist seit damals vielfach erörtert worden. Hus’ Hoffnung, dass sich nach dem Eintreffen des Königs in Konstanz zu Weihnachten 1414 seine Lage rasch verbessern ließe, erfüllte sich nicht. Der Protest des Königs gegen die Gefangensetzung von Hus wurde von den maßgeblichen Bischöfen (besonders Pierre d’Ailly) ignoriert. Der König versuchte auf Zeit zu spielen und zunächst die Zustimmung der Bischöfe zu seinem 13. Kirchenkritik und Reformprogramm bei Wyclif und Hus

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Interdikt über Prag

Tractatus de ecclesia

freies Geleit

Klosterhaft

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Johannes Gerson

Laienkelch

Hus’ Hinrichtung

Hieronymus von Prag

Plan zu erreichen, dass alle drei Päpste abgesetzt werden müssten. Unterdessen wurden die Untersuchungen gegen Hus vorangetrieben, in denen theologisch Johannes Gerson tonangebend wurde. Er konzentrierte sich auf den Wyclifievorwurf. Als das Konzil durch die Flucht von Johannes XXIII. zu scheitern drohte (s. § 8; 14.2.1), hätte Sigismund Hus befreien lassen können, tat dies jedoch nicht, vermutlich aus Rücksicht auf die maßgeblichen Bischöfe, die gegen Hus eingestellt waren. Das Konzil erklärte nun Wyclif postum zum Ketzer und verabschiedete ein Dekret, dem zufolge die Kelchkommunion nicht als allein stiftungsgemäße Eucharistiefeier angesehen werden dürfe (Text/Übers.: DH 1198-1200). Dies sollte auch Hus treffen, weil dieser den Laienkelch biblisch gerechtfertigt hatte (Obwohl Hus den Laienkelch nicht strikt verlangt hatte, wurde der Laienkelch in seiner Abwesenheit in Prag verschiedentlich praktiziert und so rasch zu einem Erkennungszeichen der hussitischen Bewegung). Hus lehnte einen Widerruf, der ihm mehrfach angeraten wurde, mit der Begründung ab, dass er nicht widerrufen könne, was er nicht gelehrt habe. In der Tat war die Anklageschrift handwerklich schlecht gemacht und hatte Zitate und entstellende Paraphrase gemischt, so dass aufgrund der Verhöre mit Hus das Anklagelibell mehrfach korrigiert werden musste. Dass das wahre Motiv für die Verweigerung eines Widerrufes die Rücksicht auf seine Anhänger in Böhmen war, ist in der Forschung umstritten, aber gut möglich. Nach der Verurteilung der 30 errores (Irrtümer) von Hus (Text/Übers.: DH 1201-1230) wurde er als unbußfertiger Ketzer verurteilt und gemäß dem Reichsrecht dem weltlichen Arm zur Vollstreckung der Todesstrafe übergeben, die am 6.7.1415 in Konstanz durch Verbrennung vollzogen wurde. Diese Hinrichtung verletzte das Bewusstsein der Tschechen, insbesondere des Adels, der sich schriftlich bei König Sigismund für Hus eingesetzt hatte, zutiefst. Entsprechend groß war der Rückhalt, den die Anhänger von Hus nun in Böhmen fanden. Neben Jan Hus verurteilte man auch Hieronymus von Prag, einen engen Weggefährten von Hus, der gegen den Rat von Hus nach Konstanz gereist war, zum Feuertod (Übers. seiner Verteidigungsrede vor dem Konzil: Benrath 362-364).

13.3 Die »Hussiten« in Böhmen

Uneinheitlichkeit

Nach 1415 beruhigte sich die Lage in Böhmen keineswegs, Hus wurde zum Symbol des Widerstands gegen den König, den Erzbischof und den papsttreuen Klerus. Als solcher war er ein einigendes Band zwischen den verschiedenen Gruppen, die sich in ihrer Ausrichtung jedoch erheblich unterschieden. Die Bezeichnung als »Hussiten« wurde besonders von den Gegnern als Ketzername verwandt. Ab 1417 unterschieden sich die radikaleren Taboriten von den gemäßigteren Utraquisten. Der Laienkelch wurde zum Symbol einer eigenständigen tschechischen Kirche, die sich gegenüber dem Papsttum behaupten konnte und stand daher auch am Anfang der Vier Prager Artikel von 1420, auf die sich die hussitischen Gruppen beriefen. Kö660

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nig Sigismund als Nachfolger von König Wenzel begann ab 1420 als Kreuzzüge ausgegebene Feldzüge gegen die »Hussiten«, diese konnten sich jedoch behaupten. Die Gegensätze zwischen Taboriten und Utraquisten führten schließlich dazu, dass die letzteren sich mit dem König verbündeten und 1434 die Taboriten vernichtend schlugen. 1436/1437 erreichten sie dafür die Anerkennung ihrer Forderungen. Damit war innerhalb der westlich-lateinischen Kirche ein besonderer Bereich entstanden, in dem vom Papsttum abgelehnte Regelungen (wie der Laienkelch) akzeptiert waren. Die taboritische Tradition lebte z.T. in Kreisen weiter, die sich nach 1450 als Böhmische Brüder zusammenschlossen. 13.3.1 Taboriten und Utraquisten. Die Gegensätze zwischen den verschiedenen hussitischen Gruppen führten dazu, dass sich seit 1416/1417 zwei große Richtungen bildeten: Die radikalen chiliastischen Bruderschaften formierten sich als Taboriten (Südböhmen) und als Orebiten (Ostböhmen), womit sie in apokalyptischer Tradition auf biblische Namen zurückgriffen. Sie fanden bei Bauern, Kleinadligen und armen Klerikern Unterstützung und forderten eine radikale Erneuerung der Gesellschaft. Dagegen forderten die um das Symbol des Laienkelchs vereinten Universitätsreformer, selbstbewusste Bürger in Prag, soziale Unterschichten und Hochadlige, als Utraquisten (von sub utraque specie – unter beiderlei Gestalt, nämlich Brot und Wein) eine behutsame Reform der Ständegesellschaft. Blutige Unruhen brachen 1419 in Prag aus. Bei dem Versuch, hussitische Gefangene aus dem Rathaus der Prager Neustadt zu befreien, wurden Vertreter der königstreuen Obrigkeit aus dem Fenster geworfen und getötet (sog. Erster Prager Fenstersturz). Wenig später starb König Wenzel. König Sigismund, der wegen seines nicht eingehaltenen Schutzbriefes für Hus als Hus-Mörder abgelehnt wurde, begann die Hussitenkriege, die er als Kreuzzüge gegen Ketzer propagierte. Dies schweißte die Taboriten und die Utraquisten für eine Reihe von Jahren zusammen. Gemeinsame Grundlage wurden die Vier Prager Artikel vom 27.5.1420. Hier verlangten die Anhänger von Hus: Laienkelch, freie Predigt des Gotteswortes, Armut der Kirche durch Verzicht auf Besitz und weltliche Macht, Bestrafung der Todsünder, v.a. unter den Klerikern (Übers.: Benrath 368-371). 13.3.2 Die Prager Kompaktaten 1433. Die Utraquisten besiegten Sigismund in mehreren Schlachten 1420/1421. Die Anerkennung der Vier Artikel durch den Prager Erzbischof Konrad von Vechta und durch den böhmischen Landtag 1421 bot die Grundlage zur Errichtung eines utraquistischen Klerus und Konsistoriums in Prag. Theologischer Führer der Utraquisten wurde der Hus-Freund Jakob von Mies (ca. 1373-1429). Die Taboriten bauten dagegen eine eigene Kirchenorganisation auf, ihr religiös-politischer Führer war der Kleinadlige Jan Žižka (ca. 1360-1424), ein genialer Militärtaktiker, der mit neuen Kriegstechniken die großen königlichen Heere besiegte. Nach seinem Tod versuchte der Priester Prokop der Kleine (gest. ca. 1434) das fortzusetzen. Seit 1427 warben Taboriten und Utraquisten in ganz Europa literarisch für ihre Sache. Nach einem weiteren Sieg über ein königliches Heer 1431 erklärte sich das Konzil in Basel zu Verhandlungen mit den Utraquisten bereit. Das Ergebnis waren die Prager Kompaktaten von 1433, die u.a. den Laienkelch vorsahen und 1436 von König Sigismund, 1437 vom Konzil in Basel akzeptiert, aber vom Papst abgelehnt wurden. Das war die Grundlage für einen dauerhaften, wenngleich immer wieder gestörten »Religionsfrieden«. Die Utraquisten gingen nun gemeinsam mit dem König gegen die Taboriten vor, die 1434 besiegt wurden. Die Taboriten unterlagen daraufhin weitgehend der Verfolgung, die seit 1452 durch den 13. Kirchenkritik und Reformprogramm bei Wyclif und Hus

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Kreuzzugsidee

1. Prager Fenstersturz

Vier Prager Artikel

Jakob von Mies Jan Žižka

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Landesverweser Georg von Podiebrand, einem Utraquisten (1458-1471 König von Böhmen), energisch durchgeführt wurde. Peter Chelčický

13.3.3 Die Entstehung der Böhmischen Brüder. Von den Taboriten hatte sich 1420 der Pazifist Peter Chelčický (gest. nach 1450) separiert, der eine Brüdergemeinde nach christlichem Modell aufbaute. Er lehnte die Kirche als Hure Babylon und den Papst als Antichrist ab, verwarf aber auch einen revolutionären, gewaltsamen Chiliasmus. Er wollte die Gemeinschaft der Erwählten sammeln (darin Wyclifs Ekklesiologie folgend) und als einzige Autorität die Bibel gelten lassen. Die weltlichen Ordnungen lehnte er ab (sichtbar an der Verweigerung des Eides). Aus der Vereinigung dieser Gemeinde mit verschiedenen Reformgruppen, Waldensern und verstreuten Resten der Taboritenkirche entstand durch Gregor Rokycana (gest. 1474), den englischen Wyclifiten Peter Payne (gest. 1456) u.a. 1457/1458 bei Kunwald eine Brüdergemeinde, die zum Kristallisationspunkt der Böhmischen Brüder wurde. Bis 1464 erlitten die Brüder Verfolgungen wegen ihrer Ablehnung u.a. der kirchlichen Sakramente. Danach entwickelten sie sich in Böhmen und Mähren beträchtlich, wobei sie die Obrigkeit und die Gesellschaftsstruktur nunmehr weitgehend akzeptierten, so besonders unter dem Einfluss von Lukas von Prag (1460-1528). 13.4 Literatur Lektüretipp: P. Soukup: Jan Hus, 2014. Quellen: G.A. Benrath (Hg.): Wegbereiter der Reformation, 1967 [Übers.]. Literatur: R. Manselli: Brüder des freien Geistes, TRE 7 (1981) 218-220. – A. Kenny: Wyclif, 1985. – G. Evans: John Wyclif. Myth and Reality, 2005. – S.E. Lahey: John Wyclif, 2009. – P. Hilsch: Johannes Hus, 1999. – G.A. Benrath: Wycliff und Hus, ZThK 62 (1965) 196216. – A. Patschovsky/F. Šmahel (Hg.): Eschatologie und Hussitismus, 1996. – F. Seibt: Hussitenstudien, 2. A. 1991. – Ders. (Hg.): Jan Hus. Zwischen Zeiten, Völkern, Konfessionen, 1997. – T.A. Fudge: The Trial of Jan Hus. Medieval Heresy and Criminal Procedure, 2013. – J. Kejř: Die Causa Johannes Hus und das Prozessrecht der Kirche, 2005.

14. Der Konziliarismus und sein Scheitern reformatio

Seit dem Papstschisma nach 1378 wurde eine reformatio in capite et membris (Erneuerung an Haupt und Gliedern), also des Papsttums, der Kurie, des gesamten Klerus und aller Gläubigen, zunehmend gefordert. Als Institution, die diese Reformation anstoßen sollte, hoffte man auf ein umfassendes Konzil und die Unterstützung weltlicher Herrscher. Das im Wesentlichen von Kardinälen konzipierte Konzil von Pisa konnte das Papstschisma nicht beenden, dies gelang erst auf dem Konzil von Konstanz 1414-1418, das zugleich grundlegend die Rechte eines Konzils gegenüber dem Papsttum festlegte. Der Konflikt zwischen Papalismus und Konziliarismus wurde im Zusammenhang des Konzils von Basel ab 1431 ausgetragen, das sich 1437 in ein päpstliches und ein konziliaristisches Konzil aufspaltete. Letzteres geriet zunehmend in die Bedeutungslosigkeit. Der Konziliarismus war besiegt, der Ruf nach dem Konzil blieb jedoch lebendig und wurde im 16. Jh. erneut aufgegriffen. 662

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14.1 Konziliarismus als Grundsatzprogramm Gegen die Entwicklung des Papsttums und der Kurie in Avignon zu einer zentralistischen, mit dem Finanzwesen eng verknüpften Institution griffen Kanonisten und Theologen in verschiedenen Konstruktionen auf das Konzil als die entscheidende Lösungsmöglichkeit zurück. Dem konsequenten Konziliarismus galt der Papst nicht als Träger der plenitudo potestatis (Machtfülle) in der Kirche, sondern als Repräsentant der Kirche. Die Gesamtkirche existiert demnach unabhängig vom Papst, so dass sie im allgemeinen Konzil, d.h. einem Universalkonzil, auch eine andere Repräsentationsform finden kann. Dies richtete sich nicht gegen das Papsttum insgesamt, gedacht war zumeist an eine Kooperation zwischen Universalkonzil und Papsttum. Doch gab es unterschiedliche Zuordnungen von Papst und Konzil (zugespitzt in der Frage der Über- oder Unterordnung des Papstes über oder unter das Konzil). Demgegenüber vertraten die Papalis­ ten und Kurialisten die Auffassung, dass das Konzil legitimerweise nur ein besonderes Handlungsinstrument des Papstes als des einzigen Hauptes der Kirche sein könne.

Repräsentation der Gesamtkirche

Papalismus

14.1.1 Historiographie des Konziliarismus und Papstprimat. Die Forschungsgeschichte des Konziliarismus ist ein interessantes Beispiel dafür, wie aktuelle Diskussionen und Haltungen die Geschichtsschreibung prägen können. Auf der Folie der Dogmatisierung des päpstlichen Primats durch das I. Vatikanische Konzil 1870 erscheint der Konziliarismus als Häresie, dementsprechend wurden die Konzilsbeschlüsse des 15. Jh.s so interpretiert, dass sie mit dem Papstprimat vereinbar scheinen. Kritiker der Papstkirche hingegen betonten den Gegensatz zwischen Konzil und Papst. Aktuelle Debatten beeinflussten die Historiographie bzw. versteckten sich hinter ihr. 14.1.2 Breite der konziliaristischen Positionen. Der Konziliarismus war kein einheitliches Phänomen. Eine wichtige Rolle spielten dabei die Kanonisten, die aus der Häresieklausel des Decretum Gratiani (distinctio 40, capitulum 6, wonach der Papst nur bei Abweichung vom wahren Glauben gerichtet werden dürfe) eine Unterordnung des Papstes unter das Konzil ableiteten (bei Verdacht auf Häresie oder in Glaubensdingen allgemein). Die radikalen Formen des Konziliarismus gingen im Wesentlichen auf Marsilius von Padua und Wilhelm von Ockham zurück (s. § 9; 12.3.2). So begründete z.B. der deutsche Kurienbeamte Dietrich von Niem (1340-1418) in seinem Dialogus von 1410 eine Lehre von der Vollmacht des allgemeinen Konzils, was er 1414 für das Konzil von Konstanz zu einem Programm der reformatio in capite et membris (Erneuerung an Haupt und Gliedern) ausbaute. Eine gemäßigte Konzilstheorie vertrat der einflussreiche Kanzler der Pariser Universität Johannes Gerson, der sich seit 1392 mit den ekklesiologischen Problemen des Papstschismas auseinandersetzte und im Konzil die Einheit und die hierarchische Ordnung der Kirche sichtbar dargestellt sah. Das Konzil habe seine Vollmacht direkt von Gott und dürfe ggf. auch den Papst richten. Ähnlich äußerte sich Nikolaus von Kues (s. § 10; 19.5), der sich auf dem Konzil von Basel stark engagierte, in seinem Traktat De concordantia catholica 1434.

14. Der Konziliarismus und sein Scheitern

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Dietrich von Niem

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14.2 Das Konzil von Konstanz 1414-1418 und die Kircheneinheit

causa unionis, reformationis, fidei

Martin V.

Kaiser Sigismund

»Nationen«

Das durch das Konzil von Pisa 1409 verschärfte Papstschisma mit drei Obödienzen bildete ein Kernproblem, auch wenn die Pisaner Obödienz unter Johannes XXIII. zunehmend Unterstützung in Europa gewinnen konnte. Als Lösung wurde die Kombination von via cessionis (der Weg des Rücktritts) und via concilii (der Weg des Konzils) angesehen. König Sigismund konnte durch diplomatische Bemühungen erreichen, dass das Konzil 1414 in Konstanz eröffnet wurde. Drei Aufgaben waren gestellt: causa unionis (Einheitsfrage, Beseitigung des Schismas), causa reformationis (Frage der Erneuerung scil. der Kirche) und causa fidei (Lösung dogmatischer Probleme, besonders Jan Hus, s. § 8; 13.2). Die erste Frage war vordringlich. Das Konzil setzte 1415 Johannes XXIII. (pisanische Obödienz), der eine Abdankung verweigert hatte, wegen Unwürdigkeit ab, Gregor XII. (römische Obödienz) trat 1415 zurück. Benedikt XIII. (Avignon), den man trotz langer Verhandlungen nicht zum Rücktritt bewegen konnte, traf 1417 ebenfalls das Absetzungsverfahren. Der vom Konzil (nicht nur vom Kardinalskollegium) neu gewählte Papst Martin V. (1417-1431) konnte die Kirchenspaltung wirklich beenden. Hierzu war die politische Unterstützung von Kaiser Sigismund und der lokalen Könige erforderlich. Im Hinblick auf die Kirchenreform verabschiedete das Konzil ein Dekret über die oberste Gewalt des allgemeinen Konzils (Haec sancta/Diese heilige [scil. Synode]), fortan wichtigste Grundlage des Konziliarismus, dem jedoch nach dem Konzil ein zunehmend sich konsolidierendes Papsttum gegenüberstand. Eine umfassende Kirchenreform gelang nicht. Im Hinblick auf die Kirchenkritik wirkte die Verurteilung von Jan Hus als Ketzer lange nach und führte in Böhmen zu den Hussitenkriegen. 14.2.1 Das Zustandekommen des Konzils. Das Konzil des skrupellosen Politikers Johannes XXIII. 1412/1413, mit dem er seine Konkurrenten ausschalten wollte, blieb wirkungslos. Als das Oberhaupt der pisanischen Obödienz konnte er 1410 nach Rom umsiedeln, sich dort aber ab 1413 dort nicht mehr halten. Er suchte daher den Schulterschluss mit Sigismund, dem Sohn Kaiser Karls IV. (seit 1410/1411 römischer König, erst 1433 Kaiser, gest. 1437). Sigismund gewann durch geschickte Diplomatie Frankreich und England für die Teilnahme (später auch die spanischen Reiche). Wegen der strittigen Papstobödienz lud er als Kaiser zum Konzil ein. Auf dem Konzil lag das Stimmrecht nicht wie sonst bei den einzelnen Bischöfen, sondern bei vier, ab 1417 fünf »Nationen« (natio Italia, Germanica, Gallica, Anglicana, seit 1417: Hispanica, jeweils unter Zuordnung der kleineren Reiche; damit sollte eine Einseitigkeit zugunsten der Italiener oder der Franzosen vermieden werden). Im Grunde war es eine politische Versammlung der westeuropäischen Christenheit, auf der die Herrscher und Laien dominierten (ca. 300 Bischöfe und Äbte, fast 600 Professoren, die meisten weltlichen Herrscher waren durch entsprechende Gesandtschaften vertreten). Johannes XXIII. er664

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öffnete das Konzil am 5.11.1414, Gregor XII. dann seinerseits am 4.7.1415 (allerdings nur, um anschließend abzudanken). Johannes verweigerte die Amtsniederlegung und floh aus Konstanz. Das Konzil machte ihm den Prozess wegen unsittlicher Lebens- und unwürdiger Amtsführung (weswegen erst der 1958 gewählte Papst den Papstnamen Johannes wiederaufgriff, und zwar erneut mit der Zählung Johannes XXIII.). Er wurde wenig später gefasst und bis 1419 in einem deutschen Gefängnis festgehalten. Dadurch, dass es Sigismund gelang, die Könige von Aragon, Kastilien und Navarra zum Abrücken von Benedikt XIII. zu bewegen, verlor dieser jeglichen Rückhalt und wurde 1417 ebenfalls als Schismatiker und Häretiker verurteilt. Die erstaunlich rasche Einigung fiel auf Kardinal Oddo Colonna, Spross der für die Papstgeschichte bedeutsamen römischen Adelsfamilie, der als Martin V. von einem breiten politischen Konsens getragen wurde. 14.2.2 Das Dekret Haec sancta (Diese heilige [scil. Synode]). Die Flucht Johannes’ XXIII. veranlasste das Konzil zur Feststellung seiner Unabhängigkeit vom Papst (Text: COD/DÖK 2, 408f.). Wenig später bekräftigte es das in dem berühmten, u.a. auf Johannes Gerson zurückgehenden Dekret Haec sancta vom 6.4.1415 über die Konzilsautorität: Das legitime Universalkonzil hat seine potestas (Macht, Gewalt) direkt von Christus. Die Bedeutung des Textes ist umstritten, es war eine auf die akute Situation bezogene Erklärung, die jedoch grundsätzliche Folgerungen implizierte. Ergänzt wurde dieser Anspruch durch das Dekret Frequens (Häufig) vom 9.10.1417, das die häufige Abhaltung von Universalkonzilien als bestes Mittel für die Beseitigung von Missständen vorsah (Text: COD/DÖK 2, 438f.). Keineswegs wurde damit das Konzil als vom Papst unabhängiges Organ konstituiert, doch der päpstlichen Willkür sollte durch Verfahrensregeln Einhalt geboten werden.

Flucht von Johannes XXIII.

potestas des Konzils von Christus Dekret Frequens 1417

14.3 Niederlage der Konziliaristen: Das Konzil von Basel 1431-1449 Die päpstliche Politik zielte nach 1418 darauf, die lästige Einschränkung durch ein Konzil zu überwinden. Martin V., dem an einer einschneidenden Kirchenreform nichts lag, organisierte das in Konstanz vereinbarte Konzil von Pavia (dann verlegt nach Siena) 1423/1424 so, dass es scheitern musste. Hinzu kamen die allgemeine Konzilsmüdigkeit im Episkopat und die enormen Kosten für die Teilnahme. Eine gezielte Desavouierung der konziliaren Praxis intendierte Martin V. auch für das nächste obligatorische Konzil, 1431 nach Basel einberufen. Es fand erst unter seinem politisch unbegabten Nachfolger Eugen IV. statt und war anfänglich schwach besucht. Als Eugen IV. es auflösen und durch ein von ihm kontrolliertes Konzil ersetzen wollte, kam es zu einem folgenreichen Konflikt: Nun strömten Theologen, Juristen und Vertreter weltlicher Gewalten nach Basel (allerdings kaum Bischöfe und Äbte). Das Konzil wurde von der Mehrheit der Kardinäle und Könige unterstützt und etablierte sich als Konkurrenzinstitution zum Papst mit eigener 14. Der Konziliarismus und sein Scheitern

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Konzil in Pavia 1423/1424

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Union mit Byzanz 1439

eigene Gerichtsbarkeit

Felix V.

Kirchenleitungspraxis. Es erarbeitete eine Fülle von Dekreten, die z.T. die päpstliche Macht deutlich beschnitten, aber weitgehend wirkungslos blieben. Zum Statusproblem wurde die Frage, wo das geplante Unionskonzil mit den Griechen stattfinden sollte. Hier konnte sich der Papst, der das Konzil 1437 eigenmächtig nach Ferrara und damit in die Nähe seines Einflussbereiches verlegt hatte, gegenüber dem Konzil durchsetzen: In Ferrara kam es zu den Unionsdekreten (s. § 8; 8.2). Doch die Mehrheit verweigerte den Umzug, erklärte 1439 die Oberhoheit des Konzils über den Papst und setzte Eugen IV. als Papst ab und einen eigenen Papst (Felix V.) ein. Das päpstliche Konzil wurde in der Folgezeit noch nach Florenz und dann nach Rom verlegt, das Konzil von Basel wich 1448 nach Lausanne aus, wo es sich 1449 auflöste. Die konziliaristischen Leitungsansprüche fanden kaum noch Resonanz in den Teilkirchen und bei den weltlichen Herrschern. Der Konziliarismus als Reformkonzept hatte gegen das Papsttum als Machtfaktor verloren. 14.3.1 Der Leitungsanspruch des Konzils von Basel. Dass das Konzil sich 1431-1433 gegen Eugen IV. behaupten konnte, lag an dem verbreiteten Reformbedarf im Hinblick auf das päpstliche Finanz- und Stellenbesetzungswesen. Kaiser Sigismund unterstützte das Konzil und erhöhte den Druck auf den Papst, der 1433 das Konzil anerkannte, es aber in seinen Einflussbereich translozieren wollte. Das Konzil hatte sich allerdings bereits zuvor als unabhängige Leitungsinstanz konstituiert, u.a. auch deswegen, weil sich viele Kleriker in Rechtsstreitigkeiten nach Basel statt nach Rom wandten. Es baute einen eigenen Behördenapparat und Gerichtshof auf, vergab Pfründen und verfügte Ablässe. Seine Zusammensetzung widersprach der bisherigen Konzilstradition, weil nicht Bischöfe, sondern – dem radikalen Konziliarismus gemäß – Vertreter des gesamten Kirchenvolks beteiligt waren (bis zu 3500 inkorporierte Konzilsväter, v.a. aus Universitäten, Domkapiteln und Stiften, die aber nur zeitweise anwesend waren). Auch seine Tagung in Permanenz über Jahre hinweg war ein Indiz dafür, dass es eine dauerhafte Kirchenleitung (vergleichbar der Kurie) beanspruchte. Dazu passte das Dekret über die Oberhoheit des Konzils über den Papst vom 16.5.1439 (von Eugen IV. verurteilt; s. DH 1309). Die Absetzung Eugens und die Wahl von Amadeus, Hz. von Savoyen, zum Papst (Felix V., 1439-1449) versuchten, diesen Anspruch in die Realität umzusetzen, was jedoch scheiterte. Felix V. fand so gut wie keinen Rückhalt. Als das Konzil 1448 durch Friedrich III. aus Basel vertrieben wurde, ermöglichte Felix – auch aufgrund seines Reichtums – zunächst die Fortsetzung in Lausanne, dankte jedoch angesichts der Aussichtslosigkeit seines Herrschaftsanspruchs 1449 ab. Daraufhin löste sich das – seit 1443 ohnehin kaum noch aktive – Konzil auf. 14.3.2 Die Reformdekrete aus Basel. Angesichts der Machtlosigkeit des Konzils blieben seine beachtlichen Reformdekrete größtenteils bloße Theorie. 1433-1436 beschloss man u.a. Dekrete über die Wahl von Bischöfen und Äbten (ohne Eingriffsrechte des Papstes), das Verbot von Abgaben bei der Ämterverleihung (Annaten) und die zurückhaltendere Anwendung von Exkommunikation und Interdikt. Das Kardinalskollegium sollte künftig aus maximal 24 Kardinälen bestehen (davon höchstens 8 aus einer Nation), seine Mitglieder sollten vom Kollegium gewählt (und nicht vom Papst ernannt, d.h. kreiert werden). Eine umfassende Reform des Klerus (z.B. mit Abschaffung des Konkubinats) und der Gottesdienste sollte durch Provinzialsynoden und in Diözesen überwacht werden (Texte: COD/DÖK 2, 469-505). Trotz der Verurteilung des Konziliarismus durch die 666

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Päpste (durch Eugen IV. 1441 als teuflische Häresie) realisierten einige Länder diejenigen der Baseler Reformdekrete, die ihnen in das Konzept einer Befreiung von päpstlicher Finanzausbeutung passten. Pius II. verurteilte in einer Bulle von 1460 die Appellation an ein Konzil gegenüber päpstlichen Entscheidungen (Text/Übers.: DH 1375), Papst und Kurie übernahmen nach 1449 rasch wieder das Rechts- und Stellenbesetzungswesen. 14.4 Literatur Lektüretipp: H. Müller/J. Helmrath (Hg.): Die Konzilien von Pisa (1409), Konstanz (1414-1418) und Basel (1431-1449). Institution und Personen, 2007, 9-30. Quellen: J. Miethke/L. Weinrich (Hg.): Quellen zur Kirchenreform im Zeitalter der großen Konzilien des 15. Jahrhunderts, Bd. 1: Die Konzilien von Pisa (1409) und Konstanz (1414-1418); Bd. 2: Die Konzilien von Pavia/Siena (1423/24), Basel (1431-1449) und Ferrara/ Florenz (1438-1445), AQDGMA 38, 2. A. 2015. Literatur: R. Bäumer (Hg.): Die Entwicklung des Konziliarismus, 1976. – W. Brandmüller: Papst und Konzil im Großen Schisma, 1990. – Ders.: Das Konzil von Konstanz 1414-1418, 2 Bde., 1991.1998. – J. Gill: Konstanz und Basel-Florenz, 1967. – I. Hlaváček/A. Patschovsky (Hg.): Reform von Kirche und Reich zur Zeit der Konzilien von Konstanz (1414-18) und Basel (1431-49), 1996. – H.J. Sieben: Die Konzilsidee des lateinischen Mittelalters, 1984. – H. Müller: Die kirchliche Krise des Spätmittelalters. Schisma, Konziliarismus und Konzilien, 2012. – Ders./E. Müller-Luckner (Hg.): Das Ende des konziliaren Zeitalters (1440-1450), 2012. – K.-H. Braun/Badisches Landesmuseum (Hg.): Das Konstanzer Konzil 1414-1418. Weltereignis des Mittelalters. Katalog und Essays, 2013. – T.M. Buck/H. Kraume: Das Konstanzer Konzil (1414-1418), 2013. – G. Signori (Hg.): Das Konstanzer Konzil als europäisches Ereignis. Begegnungen, Medien und Rituale, 2014. – J. Helmrath: Das Basler Konzil 1431-1449. Forschungsstand und Probleme, 1987. – S. Sudmann: Das Basler Konzil. Synodale Praxis zwischen Routine und Revolution, 2005. – B. Tierney: Foundations of the Conciliar Theory. The Contribution of the Medieval Canonists from Gratian to the Great Schism, 2. A. 1998. – G.H.M. Posthumus Meyjes: Jean Gerson. Apostle of Unity. His Church Politics and Ecclesiology, 1999. – U. Giessmann: Der letzte Gegenpapst: Felix V., 2014.

 § 6; 15.3-16.

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§9

§ 9 Geistliche und weltliche Gewalt im Mittelalter Bedeutung des Themas

Schon seit der Frühzeit des Christentums spielte das Verhältnis von Kirche und Obrigkeit eine besondere Rolle. Im Verlauf der Jahrhunderte veränderten sich allerdings die Rahmenbedingungen erheblich: Die Christianisierung Westeuropas mit den damit einhergehenden sozialen und kulturellen Veränderungen und der Herausbildung neuer Herrschaftsformen führte zu einer stärkeren Durchdringung von Politik und Religion. Das Christentum als zunehmend verbreitete Mehrheitsreligion beanspruchte öffentliche Geltung mit einer entsprechenden Regelung des gesellschaftlichen und politischen Lebens. Die Vermischung von religiösen und politischen Ansprüchen führte zu vielfältigen Konflikten. Eine klare Trennung von geistlicher und weltlicher Gewalt war der mittelalterlichen Mentalität ebenso fremd wie das, was unser Begriff »Staat« meint. Charakteristisch für dieses Zeitalter waren fünf Merkmale: 1. Es gab im 5.-11. Jh. statt einer institutionellen Organisation der Gesellschaft eine Vielzahl personaler Herrschaftsformen. Macht war weniger an Institutionen als an Personen und ihre Stellung gebunden. Diese Formen von Herrschaft wurden zum einen religiös begründet, zum anderen regelten sie auch teilweise das religiöse Leben. Erst seit dem 13.-15. Jh. entwickelten sich allmählich institutionelle Formen, die den neuzeitlichen Staat vorbereiteten und zu einer neuartigen Verbindung von Herrschaft und Religion führen sollten. 2. Die geistliche Gewalt entwickelte – besonders im Spätmittelalter – Strukturen, die aufgrund ihres offensichtlichen Erfolgs von der weltlichen Gewalt in verschiedenen Hinsichten und mit jeweils regionalen Unterschieden kopiert wurden. Herausragendes Beispiel hierfür ist die effiziente Verwaltung des Papsttums in Avignon, die einen wichtigen Vorreiter moderner Verwaltungsstrukturen darstellte. 3. Neben dem Papst als (selbsternanntem) Repräsentanten der Gesamtkirche beanspruchte auch das von Karl dem Großen seit 800 erneuerte und durch Otto den Großen seit 962 mit dem deutschen Reich verbundene Kaisertum eine universale Geltung im westeuropäischen Christentum (analog zum byzantinischen Kaisertum im Osten). Die Konkurrenz von Papsttum und Kaisertum als zweier Universalgewalten (sacerdotium – imperium) prägte im 11.-13. Jh. die Kirchengeschichte nachhaltig, weil sie durch das Austragen grundsätzlicher Konflikte die politische Situation stark veränderte. 4. Seit dem Hochmittelalter vollzog sich ein bedeutsamer Mentalitätswandel: Die undifferenzierte Vereinigung von religiöser und politischer Macht wurde abgelöst durch eine Unterscheidung der Einflussbereiche und ihrer spezifischen Aufgaben, die zumindest in der Theorie klarere Verhältnisse schuf, aber ebenso den Konflikt verstärkte. Unabhängig vom westlichen Kaiserreich (imperium) bildeten seit dem 11. Jh. einzelne Königreiche (regna), etwa Frankreich und England, eine eigene Identität aus. Die Köni668

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ge begründeten ihren Herrschaftsanspruch ohne Bezug auf das Papsttum. Außerdem entzogen sich die Kirchen dort mehr und mehr dem päpstlichen Zugriff und gewannen so besonders seit dem 14. Jh. eine größere Unabhängigkeit vom Papst, allerdings um den Preis königlicher Einflussnahme. 5. Obwohl nun die beiden Machtbereiche in der Theorie voneinander unterschieden wurden, war das politische und religiöse Leben bis zum 15. Jh. von einer praktischen Verschränkung beider Gewalten auf allen Ebenen geprägt. Die kirchlichen Amtsträger nahmen politische Funktionen wahr und die Könige sowie die übrigen weltlichen Herren bestimmten vielfach auch in kirchlichen Angelegenheiten mit. Deswegen kann kaum von einem scharf getrennten Dualismus von weltlicher und geistlicher Gewalt die Rede sein; dafür waren die Bereiche zu sehr ineinander verschränkt.

Wichtige Themen

(Lernkontrolle: Können folgende Fragen beantwortet werden?) • Wie veränderte sich die politische und kulturelle Situation Westeuropas seit dem Zerfall des Imperium Romanum? Welche Herrschafts- und Kirchenstrukturen entstanden in diesem Zusammenhang in den gentilen Reichen? • Inwiefern beanspruchte der weltliche Herrscher sakrale Würde und Kirchenhoheit? Wie wurden diese Ansprüche begründet? • Woran entzündete sich der Konflikt zwischen Papst und Kaiser im 11. Jh.? Welche Rolle spielte dabei die Frage der Laieninvestitur? Welchen Verlauf nahm der langjährige Konflikt? • Wie verhalten sich Universalanspruch des Papsttums und Universalanspruch des erneuerten römischen Kaisertums zueinander: Wer ist das Haupt der Christenheit? • Was sind geistliche Fürsten im Unterschied zu weltlichen? Wie wird man geistlicher Fürst? • Wie kam es zum Erstarken der Königtümer außerhalb des Heiligen Römischen Reiches seit dem 13. Jh.? Welchen Einfluss hatte das auf die Kirche? • In welchem Verhältnis standen westliches Kaiserreich (imperium) und die einzelnen Königtümer (regna) zueinander, zur Kirche als Ganzer und den jeweiligen Regionalkirchen? • Wie greifen geistliche und weltliche Macht rechtlich ineinander? Welche Auswirkungen hatte das? • Welche Phänomene lassen sich mit dem Begriff Kreuzzugsbewegung zusammenfassen? Welche Voraussetzungen und Motive führten zu dieser Bewegung? Welche Folgen hatte sie? § 9 Geistliche und weltliche Gewalt im Mittelalter

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• Welche wesentlichen Punkte prägten das Kaisertum der Karolinger? der Ottonen? der Salier? der Staufer? • Welche kirchengeschichtliche Bedeutung hatte der Zusammenbruch der Stauferherrschaft im 13. Jh. für Europa? für Deutschland? für das Papsttum? • Wann und wie endet das oströmische Reich? Welche Rolle spielte dabei der europäische Westen?

Wichtige Ereignisse, Sachverhalte, Personen I. Religiöse Herrscherwürde und universales Kaisertum bei Karolingern und Ottonen 751-918

Karolinger

751

Legitimation der Herrschaft Pippins d. J.: Von Gottes Gnaden

754

Bündnis Karolinger – Papst (756 Königssalbung durch Papst)

800

Kaiserkrönung Karls d. Gr. (768-814) durch den Papst

9. Jh.

Reichsteilungen (843 Verdun, 870 Aufteilung Lothringens), Schwächung der Kaisergewalt; Kaiser als überhöhender Titel eines (partikularen) Königs

919-1024

Ottonen (Sachsen)

ab 919

Wahlkönigtum im Reich (Bedeutung der fünf wichtigen Herzöge), Kaisertitel verbunden mit Königtum im Heiligen Römischen Reich (Deutschland und Norditalien)

962

Krönung von Otto I. (936-973): Kaiser als Haupt der Christenheit

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Stütze der Königsherrschaft: Bischöfe und Äbte mit Regalien 1024-1125

Salier

11. Jh.

Entwicklung geistlicher Fürstentümer als Territorien, Verbindung von Lehnswesen und Vasallität

11. Jh.

Betonung der sakralen Kaiserwürde unter Heinrich III.

1138-1254

Staufer II. Streit um die Investitur und Kampf um die Universalherrschaft

1075-1085

Konflikt zwischen Heinrich IV. und Gregor VII. Einsetzung von Bischöfen in Norditalien (Mailand), Verbot der Laieninvestitur Aufforderung des Kaisers an den Papst, auf das Amt zu verzichten; Exkommunikation des Kaisers

1076

Gang nach Canossa, danach: Fortsetzung des Konflikts, Romzug, Gregor VII. stirbt im Exil Fortsetzung des Konflikts unter Heinrich V.

1122

sog. Wormser Konkordat: Verzicht des Kaisers auf geistliche Investitur (in Deutschland), aber: Beibehaltung der weltlichen Belehnung (Sonderregelungen für Italien und Burgund)

ab 1159

Konflikt zwischen Friedrich I. Barbarossa und Papsttum (Alexander III.)

1177

Friede von Venedig

1198

Papst Innozenz III. beansprucht Universalherrschaft, Eingreifen in Kampf zwischen Welfen (Otto IV.) und Staufern (Philipp von Schwaben, Friedrich II.)

1213

Bulle von Egern (beendet Wormser Konkordat)

1215-1250

Kaisertum Friedrichs II. (Schwerpunkt: Sizilien) Krieg gegen Papsttum und lombardische Städte Gregor IX.: Exkommunikationen des Kaisers, Propagandaschlacht

1250-1268

Vernichtung der Stauferdynastie (und damit eines starken Königtums in Deutschland)

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1324-1347

Kampf zwischen Ludwig von Bayern und dem Papst, Verselbständigung der Kirchen in Frankreich und England III. Die Kreuzzugsbewegung: Krieg gegen die Feinde der Kirche

1095

Aufruf des Papstes Urban II. (Synode in Clermont) Judenpogrome, Massen- und Ritterzüge

1099

Eroberung Jerusalems Kreuzfahrerherrschaften: Jerusalem, Tripolis, Antiochia, Edessa

1107-1149

Unternehmungen zur Unterstützung der Kreuzfahrer,

1147/1148

Aufruf von Eugen III., Unterstützung durch Bernhard von Clairvaux

1147

Wendenkreuzzug, Reconquista in Spanien als Kreuzzüge

1148

Kreuzzug von Konrad III. und Ludwig VII. von Frankreich scheitert

1187

Schlacht bei Hattin (Saladin)

1188-1197

verschiedene Kreuzzüge können Verlust der Kreuzfahrerherrschaften nicht verhindern (nur Küstenstädte verbleiben)

1204

Kreuzzug gegen Konstantinopel (bis 1261: Lateinisches Kaisertum in Konstantinopel)

1209

Albigenserkreuzzüge

nach 1225

Kreuzzüge im Land der Prußen (Deutscher Orden)

1228

Kreuzzug Friedrichs II. (wird auf dem Verhandlungswege König von Jerusalem)

1291

Fall Akkons

1307

Templerprozess (in Frankreich, 1311/1312 auf dem Konzil von Vienne legitimiert)

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Abb. 23 Das Frankenreich im 8./9. Jahrhundert

Ulster

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Le n s t e r

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Reichsteilung 879/80

Westfränkisches Reich Ostfränkisches Reich Burgund Königreich Italien

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Capua Sardinien

0

100

200

300 km

673

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1. Frühmittelalterliche Herrschaftsformen

personale Herrschaft und Grundbesitz Begriffe

Die zunehmende Auflösung der Strukturen des Imperium Romanum und das wachsende Gewicht des Frankenreiches im Norden Galliens sowie dessen Expansion nach Osten führten dazu, dass einerseits die Bedeutung der Städte als regionaler Zentren und Herrschaftsbereiche wuchs, andererseits Territorien wichtig wurden, die dünn besiedelt und weitgehend agrarisch bestimmt waren. Entscheidend wurde hier die Verbindung von personaler Herrschaft und Grundbesitz, die nach und nach die soziale und politische Ordnung bestimmte. Dabei ist zu beachten, dass »Herrschaft« ein allgemeiner Begriff ist, dem in den lateinischen Quellentexten ganz unterschiedliche Begriffe entsprechen (z.B. dominium/Grundherrschaft, auctoritas/Autorität bzw. beanspruchte Verfügungsgewalt, potestas/Macht bzw. Herrschaftsgewalt, imperium/Befehlsgewalt bzw. Reich und die damit zusammenhänge Herrschaft, regnum/Reich, eigentlich die mit der Königswürde verbundene Macht). Die soziale und rechtliche Konkretion von Herrschaft deckt ein weites Spektrum ab: Haus-, Gefolgschafts-, Gerichts-, Stadt-, Kirchen-, Lehns-, Königsherrschaft u.a. Für die Struktur der Gesellschaft ist diese Fülle verschiedener und zum Teil miteinander konkurrierender Herrschaftsformen prägend geworden. Zusätzlich zu beachten ist die Fortentwicklung des Sklavenstandes: Neben Freien und Unfreien (die keinen eigenen Besitz haben und die ohne irgendeine Bindung an Grundbesitz weitergegeben werden können) gibt es Hörige (die zu einem Grundbesitz gleichsam dazugehören und eingeschränkte Rechte haben, aber nicht unfrei sind).

1.1 Grundherrschaft, »Eigenkirche« und Stiftungen Latifundien

propria ecclesia

Schon im Imperium Romanum hatte sich riesiger Landbesitz der Senatoren, die Latifundien, an vielen Stellen zu einem eigenen Herrschaftsbereich entwickelt, auf dem vom Grundherren Abhängige (clientes) unter dem patrocinium (Schutz ihres Patrons) lebten. In der Spätantike hatten christliche Landbesitzer auf ihren Latifundien Privatkirchen errichtet und den dazugehörigen Klerus finanziert. Auf der Grundlage von hospitalitas oder foedera wurden gentile Verbände angesiedelt und bildeten ähnliche Herrschaftsbereiche mit eigenen kirchlichen Strukturen. Diese vielfältigen Einflussnahmen von weltlichen Herrschern auf die von ihnen gegründeten, zum Teil auch unterhaltenen Kirchen entwickelten sich im frühen Mittelalter weiter. Dabei werden in Quellen einige Kirchen auch dauerhaft einem Grundherrn zugerechnet und als dessen (bzw. zu dessen Familie gehörende) Kirche, als propria ecclesia (zugehörige bzw. ihm gehörende Kirche) bezeichnet. Dies schloss in der Regel nicht nur bestimmte Zugriffsmöglichkeiten auf die Einnahmen (die entweder aus dem Wirtschaftsbereich z.B. eines Klosters stammen oder aus den kirchlichen Zehntabgaben oder Gebühren, etwa für Amtshandlungen, sog. Stolgebühren), sondern auch das Besetzungsrecht für 674

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die dazugehörenden Ämter (Pfarrer, Äbte etc.) ein. U. Stutz hat hierfür den Begriff des »Eigenkirchenrechts« benutzt, was er als Einfluss germanischer Rechtsvorstellungen und als Sachenrecht verstand. Für ihn war das Eigenkirchenrecht die zentrale Voraussetzung für den Streit um die Investitur und die späteren Entwicklungen des Patronatsrechts. In der jüngeren Forschung ist nicht nur die Zurückführung auf germanisches Recht, sondern auch der Zusammenhang mit dem Streit um die Investitur und die Entwicklungslinie »vom Eigenkirchenrecht zum Patronatsrecht« bestritten worden. Grundsätzlich hat man in Frage gestellt, ob eine systematisierende juristische Betrachtungsweise (wie sie bei Stutz vorherrschte) als solche geeignet ist, um die Vielfalt der entsprechenden Gründungsakte und Verfügungsmöglichkeiten angemessen in den Blick zu bekommen. Stattdessen hat man Stiftungen daraufhin untersucht, inwiefern gestiftete Kirchen dauerhaft an ihre Stifter (und deren Erben) gebunden blieben und welche Herrschaftsformen damit verbunden sein konnten. Diese Betrachtungsweise nimmt die sozialen Beziehungen zwischen dem Grundherren bzw. Stifter und der gegründeten Kirche bzw. dem gegründeten Kloster in den Blick. Gabe und Gegengabe (Gebete, Gottesdienste, aber auch Abgaben) werden im Kontext dieser sozialen Beziehungen gedeutet. Bei der Ausbreitung der Herrschaft in nichtchristianisierte Gebiete waren solche Stiftungen und Gründungen auf eigenem Grundbesitz häufig Schrittmacher der Christianisierung, weil der Aufbau von Bischofsherrschaften und dazugehörender Parochien erst allmählich und mit Verzögerungen erfolgte. Die Gründung solcher Kirchen und Klöster entsprang zudem nicht nur individueller Frömmigkeit, die durch die Verbindung mit Reliquien oder Gebetsgemeinschaften der angesiedelten Mönche oder Nonnen bestärkt werden konnte, sondern auch sozioökonomischen Zweckmäßigkeiten: Die Erschließung und Bewirtschaftung von Gebieten machte die Gründung von Kirchen, besonders von Klöstern, zu einer lukrativen Kapitalanlage und ermöglichte eine wirtschaftlich prosperierende Erschließung von Land, das zu weit weg oder verstreut war, um es selbst entsprechend bestellen zu können. Doch entstand zugleich ein enormes Konfliktpotential, da die Bischöfe ihre eigenen Aufsichts- und Besetzungsrechte in ihren Diözesen etablieren wollten. Erst 826 wurde den Grundherren kirchenrechtlich durch den Papst zugestanden, dass sie selbst die Auswahl der Kleriker vornehmen konnten. Außerdem waren die Grundherren seit 818/819 verpflichtet, keine Leibeigenen als Priester einzusetzen (bzw. sie vor der Priesterweihe freizulassen) und ihnen ein eigenes Stück Land und/oder einen Anteil an den anfallenden Einnahmen (Gebühren) einer Kirche als Pfründe (beneficium) für den Unterhalt zu überlassen. Entsprechend ihrem Charakter als Stiftung durfte sie auch nicht in eine profane Sache umgewandelt (»säkularisiert«) werden (gestattet wurden hingegen der Erwerb von Zehntrechten). Der Nachlass (als spolia bezeichnet, spolium meint ursprünglich die erbeutete Rüstung, dann auch den Raub oder die Wiederverwendung von Architekturteilen 1. Frühmittelalterliche Herrschaftsformen

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»Eigenkirchenrecht«

Stiftungen

Christianisierung

sozioökonomische Gründe

Spolien

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und anderem Gut) eines Priesters oder Abts einer solchen Stiftung unterlag eigenen Regelungen, woraus sich das Spolienrecht entwickelte, das auch den Anspruch weltlicher wie geistlicher Herren auf das Vermögen von Bischöfen und Äbten einschloss, erst recht, wenn noch Regalienrechte (vom König verliehene Rechte, z.B. Zoll- und Gebührenrechte) hinzukamen.

1.2 Die besondere Rolle der Bischöfe in den Städten öffentliche Funktionen

Führungsschicht

Verbindung zum König

In der Zeit des 5. und 6. Jh.s wuchs den Bischöfen in vielen Städten (besonders in Südgallien) eine Vielzahl von Lenkungs- und Herrschaftsformen zu, ohne dass hierdurch die weltliche Obrigkeit als solche verschwunden wäre. Der Bischof übernahm etwa Armenfürsorge, wirkte durch Schiedssprüche an der Gerichtsbarkeit mit, stellte durch Predigt und Auftreten öffentliche Ordnung her und organisierte bisweilen auch militärischen Schutz. Die Bischöfe entstammten oft der Oberschicht und brachten die entsprechende Ausbildung mit, im 5.-7. Jh. drangen nach und nach Angehörige der fränkischen Führungsschicht in den Episkopat vor. Folgenreich war, dass man das dem Bischof unterstellte Kirchengut als dessen Besitz ansah, auch in den erst später erschlossenen Gebieten östlich des Rheins, wo es keine alten Städte gab. Um die Herrschaft vor Ort zu stabilisieren, förderten die fränkischen Könige diese Entwicklung, und zwar durch Gewährung von Immunität (d.h. zunächst Befreiung von Steuerpflicht und Gerichtsbarkeit), Privilegien, welche die Bischöfe aus der Verwaltungshoheit der königlichen Beamten herausnahmen, und Schenkungen von Fiskalgütern, die die bischöfliche Abgabenhoheit und Gerichtsbarkeit ermöglichten. Dies bereitete eine Entwicklung vor, die die königliche Macht nicht nur auf weltliche Herzöge und Grafen, sondern auch auf die Bischöfe stützte.

1.3 Lehen

Zusammenhalt und Schutz

Lehen sind zunächst Güter, besonders Ländereien, die vom Lehnsgeber an den Lehnsnehmer verliehen werden. Sie sind oft mit Auflagen verbunden, etwa der Pflicht, das Land zu bestellen und einen Teil der Einnahmen an den Lehnsgeber zu geben. Es gibt sehr viele verschiedene Lehnsarten, zu einem einheitlichen System hat sich das nicht entwickelt. Für die Lehnsgeber konnte das Verteilen von Lehen (beneficia; wörtlich: Wohltaten) sinnvoll sein, weil es die Bestellung von Land ermöglichte, das man nicht selbst bestellen konnte, aber auch für Lehnsnehmer konnte es sinnvoll sein, sich selbst einem bedeutenden Lehnsgeber zu unterstellen, weil hiermit Zusammenhalt und Schutz verbunden sein konnte. Wenn der Lehnsgeber ein Bischof oder Kloster war, konnte hiermit auch die Hoffnung verbunden sein, für sich und die Nachkommen an der Gottesnähe der klösterlichen Gebetsgemeinschaft oder an der religiösen Bedeutung des Bischofs teilzuhaben. Nach und nach entwickelte sich die Vergabe von Lehen zunehmend als Instrument sozialer 676

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Herrschaft. Erst im frühen 11. Jh. ist jedoch – ausgehend von Oberitalien – eine explizite Verbindung von Lehnsvergabe und Vasallität (Gefolgschaft bzw. die Verpflichtung gegenüber einem Herzog/König etc., durch Rat und Waffenhilfe dienstbar zu sein) greifbar. Ein umfassendes Lehnswesen als gesamtgesellschaftliche Struktur ab der Karolingerzeit hat es wohl nicht gegeben (so die ältere Forschung). Grundlegend unterscheidet sich das Lehnsgut vom Eigengut (Allod genannt), das man uneingeschränkt verkaufen und vererben kann. Ein Lehnsgut unterliegt dagegen der Beschränkung, dass man es nicht ohne weiteres verkaufen oder vererben kann, weil es einem nur zeitlich beschränkt überlassen wird. Das Lehnsverhältnis erlosch mit dem Tod des Lehnsnehmers, konnte aber von dessen Erben erneuert werden. Daraus entwickelte sich nach und nach eine gewisse Verpflichtung, dem Erben nun auch tatsächlich das Lehen wieder zu übergeben, so dass diese Tradition auch als rechtmäßige Pflicht verstanden werden konnte (so ab dem 10. Jh.). Dies begründete ein gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis zwischen Lehnsgeber und Lehnsnehmer, das im hohen Mittelalter deswegen wichtig geworden ist, weil die so konstruierte Herrschaft Ergebnis einer immer wieder neu zu führenden Kommunikation ist: Der Herrscher muss die Herrschaft so organisieren, dass die Lehnsnehmer (bzw. ihre Nachkommen) ihre Gefolgschaft nicht aufkündigen. Die Lehnsnehmer müssen ihre Gefolgschaft und Treue so leisten, dass der Herrscher seine Funktionen auch erfüllen kann. Konflikte in diesem Verhältnis bestehen permanent und bestimmen die Herrschaftsdynamik nachhaltig: Herrschaft ist nicht etwas, was der König, ein Herzog, Bischof o.ä. einfach »hat«, sondern will fortlaufend etabliert, verteidigt, stabilisiert, neubegründet werden. Die Kirche war auf allen Ebenen an dieser komplexen Vernetzung beteiligt und entwickelte sich zu einer vom Adel geprägten Kirche. Die hohen Positionen im Klerus und Mönchtum besetzten im hohen Mittelalter in der Regel Adlige, während die verschiedenen Niederkirchenämter (Pfarrer, Diakone, Kapläne etc.) den nichtadligen Freien, teilweise auch Hörigen überlassen wurden. Es bildete sich die für das ganze Mittelalter typische Standestrennung zwischen hohem und niederem Klerus. 1.3.1 Vasallität. Der in der älteren deutschsprachigen Forschung benutzte Begriff Lehnswesen entspricht dem englischen Begriff des feudalism oder dem französischen der féodalité weitgehend (»Feudalwesen«, von lateinisch feudum/Lehen, das sich aus fe(vum)/Vieh, Besitz ableitet). Es ist eine historiographische Rückdatierung von Zuständen aus dem 11. und 12. Jh., wenn man bereits für das 9. Jh. eine enge Verbindung von Lehnsvergabe und Vasallität herstellt und diese dann auf ältere spätantike Modelle zurückführt (etwa die Gefolgschaft in gentilen Kriegsverbänden mit der wechselseitigen Verpflichtung, einander zu schützen, wobei der Anführer das wirtschaftliche Auskommen sicherzustellen, die Gefolgsleute in Gehorsam Kriegsdienst zu leisten hatten). Die vassi (Gefolgsleute) eines Adligen hatten sich dem Schutz ihres Anführers unterstellt und waren zu Diensten verpflichtet (als Ratgeber oder Verwalter ihres Herrn bzw. durch die Bereitstellung von bewaffneten Mannschaften). Dies war nicht von vornherein mit 1. Frühmittelalterliche Herrschaftsformen

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Allod

Erblichkeit

Aushandlung von Herrschaft

Adlige

»Feudalwesen«

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der Vergabe von Lehen verbunden, und wurde im 9. Jh. auch nicht auf Bischöfe, Herzöge oder Adlige (etwa für ihr Verhältnis gegenüber dem König) bezogen.

Kommendation

Investitur

1.3.2 Die Verbindung von Lehen und Vasallität. Die Verbindung von Lehen und Vasallität ist erst im 11. Jh. nachweisbar, etwa in dem Edictum de feudis (Gesetzeserlass über die Lehen) Kaiser Konrads II. von 1037, in dem die Verpflichtung der Lehnsgeber, die Lehen nicht ohne Grund und Klärung der Rechtslage anderen zu übertragen, die Erblichkeit und der Kaiser als höchste Schiedsinstanz festgelegt wurden. Erst ab dem 10. Jh. lässt sich auch die Kommendation (Übereignung bzw. Handgang, später auch als hominium/Zugehörigkeit bezeichnet, was ursprünglich jedoch einfach die Huldigung meinte und in verschiedenen Kontexten vorkommen konnte) nachweisen. Sie basierte auf einem Treueeid (fidelitas) des Vasallen, der persönlichen Dienstverpflichtung, die die Zusage von Rat und Hilfe, insbesondere den Waffendienst beinhaltete und mit der Übertragung von Lehen verbunden war. Ihm eignete insofern religiöse Qualität, als er auf Evangelienbüchern oder Reliquien abgelegt wurde. Die Besitzeinweisung (investitura/ eigl. Bekleidung, d.h. Amtseinführung) erfolgte als symbolischer Akt durch die Übergabe einer Fahne, einer Waffe, eines Stabes o.ä. Das galt auch für die Investitur in kirchliche Ämter. Lehnsverhältnisse konnten dann ab dem 11. Jh. auch kumuliert (Mehrfachvasallität) oder weitergegeben werden (Aftervasallität). Erst ab dem 12. Jh. (und hier erst auch nur vereinzelt) wurde das Lehnsverhältnis auch auf das Verhältnis zwischen König und Herzögen bezogen. 1.4 Literatur Lektüretipp: S. Patzold: Das Lehnswesen, 2012. Literatur: J. Dendorfer/R. Deutinger (Hg.): Das Lehnswesen im Hochmittelalter, 2010. – H.-W. Goetz: »Regnum«. Zum politischen Denken der Karolingerzeit, Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Germanistische Abteilung 104 (1987) 110-189. – J. Fried: Gens und Regnum. Wahrnehmungs- und Deutungskategorien politischen Wandels im früheren Mittelalter, in: J. Miethke/K. Schreiner (Hg.): Sozialer Wandel im Mittelalter, 1994, 73-104. – C. Moddelmog: Stiftung oder Eigenkirche? Der Umgang mit Forschungskonzepten und die sächsischen Frauenklöster im 9. und 10. Jh., in: W. Huschner/F. Rexroth (Hg.): Gestiftete Zukunft im mittelalterlichen Europa. FS für M. Borgolte, 2008, 215-243. – S. Wood: The Proprietary Church in the Medieval West, 2006. – M. Borgolte: Die Stiftungen des Mittelalters in rechts- und sozialhistorischer Sicht, Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Kanonistische Abteilung 74 (1988) 71-94. – U. Stutz: Die Eigenkirche als Element des mittelalterlich-germanischen Kirchenrechts, 1895; ND 1955. – B. Jussen: Über »Bischofsherrschaften« und die Prozeduren politisch-sozialer Umordnung in Gallien zwischen »Antike« und »Mittelalter«, HZ 260 (1995) 673-718. – S. Patzold: Zur Sozialstruktur des Episkopats und zur Ausbildung bischöflicher Herrschaft in Gallien zwischen Spätantike und Frühmittelalter, in: M. Becher/S. Dick (Hg.): Völker, Reiche und Namen im frühen Mittelalter, 2010, 121-140. – M. Becher: Eid und Herrschaft, 1993. – L. Kuchenbuch: Grundherrschaft im früheren Mittelalter, 1991. – Ders.: Potestas und Utilitas. Ein Versuch über Stand und Perspektiven der Forschung zur Grundherrschaft im 9.-13. Jahrhundert, HZ 265 (1997) 117-146. – D. Hägermann: Der Abt als Grundherr, in: F. Prinz (Hg.): Herrschaft und Kirche, 1988, 345-385.

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2. Sakrale Königswürde und Kirchenherrschaft im Frankenreich Das Frankenreich war seit Chlodwig das größte Herrschaftsgebilde im westlichen Europa und entwickelte sich seit dem 8. Jh. zu dessen politischem Zentrum. Für die Kirchengeschichte wurde bedeutsam, dass sich hier mit den Karolingern seit Pippin III. d. J. (741-768) ein Königtum herausbildete, das für sich eine spezifische Sakralität in Anspruch nahm. Geistliche und weltliche Gewalt standen unter der Leitung des Königs, der sich als von Gott berufenes Oberhaupt der Kirche verstand und dementsprechend in die Kirche eingriff. Dass seit 800 durch Karl d. Gr. dieses sakrale Königtum mit dem Kaisertum eine zusätzliche Würde erhielt, verstärkte dies nur (u.a. durch Anknüpfung an die römische Kaiserideologie, die den Kaiser als göttlich legitimiert und für die Religion zuständig verstand) und versah es überdies mit einer universalen Perspektive.

2.1 Merowinger-Könige und Karolinger-Hausmeier Die Selbstrepräsentation der merowingischen Könige verband die eigene Dynastie mit der Identität der Franken insgesamt. Dem König wurden eine besondere Vollmacht und charismatische Qualitäten zugeschrieben. Seit dem 6. Jh. sahen sich die Merowingerkönige in besonderer Beziehung zu Gott und Christus, also als bewusst christliche Herrscher. Daraus leiteten sie ihre Verfügungsgewalt über die fränkische Kirche ab. Allerdings war die Gewalt des Königs dauerhaft dadurch gefährdet, dass aufgrund des fränkischen Erbrechts die Herrschaft jeweils unter den Nachfahren aufgeteilt wurde und es daher nur wenigen Königen im 6.-8. Jh. gelang, das gesamte Frankenreich unter sich zu vereinen. In den vielen Teilungen und Wiedervereinigungen bildete sich als besonders wirkmächtig die Dreiteilung in Neustrien (Westen), Austrien (Osten) und Burgund heraus, wo jeweils anstelle des Königs ein Hausmeier (maior domus, wörtlich: Größerer über das Haus [Genitiv der u-Deklination, daher langes u]) regierte. Die innerdynastischen Konflikte der Merowinger führten dazu, dass sich ab 650 die Karolinger als bedeutendstes Geschlecht etablierten, das die Hausmeier stellte. Mit Pippin II./ dem Mittleren und Karl Martell gelang es den Karolingern, eine königgleiche Herrschaft über das gesamte Frankenreich auszuüben.

Merowinger

Neustrien Austrien Burgund

Hausmeier

2.1.1 Der Aufstieg der karolingischen Hausmeier. In der Merowingerzeit gelang es nach Chlodwig nur Chlothar II. (613-629) und Dagobert I. (623/629639), das Gesamtreich unter sich zu vereinen. Sie trieben durch den Vergleich mit David und Salomo sowie durch den bischöflichen Segen bei der Königserhebung die Verchristlichung des Herrscherideals voran. Nach 639 wuchs die Macht der Hausmeier, die formal im Auftrag der Merowingerkönige, faktisch aber weitgehend selbständig die Reichsteile Austrien (auch 2. Sakrale Königswürde und Kirchenherrschaft im Frankenreich

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Pippin d. M.

Lehen

Austrasien) und Neustrien (mitsamt Burgund) regierten. Hier traten die Karolinger hervor, ein Geschlecht, das auf den mächtigen Bischof Arnulf von Metz und Pippin d. Ä. zurückging und in umfangreichen Allodien zwischen Maas, Mosel und Rhein seine Machtbasis besaß. Entscheidend wurde, dass es Pippin d. M. (687-714) gelang, Austrien, Neustrien und Burgund unter seiner Führung als princeps Francorum (Anführer der Franken) zu vereinen. Damit übernahmen die Karolinger faktisch bereits die Herrschaft. Sein Sohn Karl Martell (714-741) baute diese Position aus und gliederte noch Südgallien und Aquitanien ein. Praktisch war er ein Vizekönig (subregulus), wie ihn der Papst 739 nannte (s. § 8; 5.1.2). 2.1.2 Karl Martells Kirchenpolitik. Karl Martell führte zur Stabilisierung seiner Herrschaft aggressive Kriege und wehrte das Vordringen islamischer Truppen ins südliche Frankenreich ab (s. § 7; 5.4.1). Die dafür notwendigen Reiterheere finanzierte er, indem er Bischöfe und Äbte dazu zwang, seine Reitervasallen mit Ländereien als Lehen auszustatten und auch direkt Truppen aufzustellen. Letzteres führte dazu, dass der Besitz von Bistümern und Reichsklöstern seinerseits zu Lehen gegeben wurde. Dadurch wuchsen die Bischöfe und Äbte in die Rolle von adligen Lehnsherren hinein. Außerdem besetzte Karl Martell zunehmend Bistümer und Klöster mit Familienangehörigen sowie mit ihm nahestehenden austrasischen Adligen. Dadurch drängte er die im 5.-7. Jh. im Episkopat dominierenden Schichten zurück. Es entstand eine neue, mit den Karolingern aufsteigende Führungsschicht.

2.2 Pippin III. d. J.: König von Gottes Gnaden

Königswahl Königsweihe

Den entscheidenden Schritt vom Hausmeier zum König vollzog Pippin III. d. J. (741-768), als er 751 den letzten Merowingerkönig absetzte und selbst die Königsherrschaft übernahm. Diese begründete er als Gottesgnadentum, also als unmittelbar von Gott verliehene, mit sakraler Würde ausgestattete Herrschaft. Dies kam in der Königsweihe und -salbung zum Ausdruck und sollte die im Vergleich mit den Merowingern mangelnde Legitimität ersetzen. Das Gottesgnadentum ist mit dem Anspruch verbunden, unabhängig von Menschen direkt von Gott beauftragt worden zu sein. De facto war die Herrschaft aber nicht ohne Zustimmung des fränkischen Adels möglich. Wahl und Huldigung einerseits und Königsweihe andererseits waren somit die symbolischen Grundlagen der Macht. Das Bündnis mit dem Papsttum unter Stephan II. 754 führte zum Eingreifen Pippins in Italien und dem folgenreichen Versprechen, dem Papst ein eigenes Gebiet zu übertragen (vgl. § 8; 5.2-5.2.1). Da die Bistümer zunehmend mit Angehörigen der fränkischkarolingischen Führungsschicht besetzt wurden, zog Pippin die Bistümer auch in der Reichsverwaltung heran. Dadurch ergab sich eine besonders enge Verbindung zwischen geistlicher und weltlicher Gewalt. 680

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2.2.1 Das Ende der Merowinger. Infolge der von Karl Martell verfügten Herrschaftsteilung regierten zunächst neben Pippin d. J. auch Karlmann (der sich 747 als Mönch ins Kloster zurückzog) und Grifo (747/749 ausgeschaltet). Als faktischer Alleinherrscher strebte Pippin die Ausschaltung der Merowingerdynastie an. Er dürfte dafür bereits die Zustimmung breiter Adelskreise gehabt haben, als er 749 bei Papst Zacharias anfragen ließ, ob der bisherige Zustand von König und Hausmeiern gut sei, und erhielt zur Antwort, es sei besser, dass derjenige König heiße, der die Gewalt habe, als dass derjenige König genannt wird, welcher ohne königliche Gewalt sei (ut melius esset illum regem vocari, qui potestatem haberet, quam illum, qui sine regali potestate manebat; Reichsannalen zum Jahr 749; AQDGMA 5,1,14f.). Daraufhin organisierte Pippin in der merowingischen Residenz Soisson nach fränkischer Sitte seine Wahl zum König und verbannte den letzten Merowingerkönig Childerich III. in ein Kloster. Im Sinne einer Legitimationsund Devotionsformel bezeichnete sich Pippin nun als König durch Gottes Gnade (gratia dei rex – seitdem fester Bestandteil der Herrschertitulatur). 2.2.2 Königssalbung. Die Königsweihe wurde von Pippin mit einer Salbung verbunden, die später zum konstitutiven Bestandteil der Inthronisation wurde. Es ist nicht ganz klar, wer diese Salbung vollzog (Chrodegang von Metz?). Diese Analogie zu alttestamentlichen Vorbildern war vorher bereits bei den Westgoten praktiziert worden. Sie ersetzte bei den Karolingern die Legitimität, die das königliche Merowingergeschlecht für sich beanspruchte, und erhöhte den König zugleich zum Gesalbten des Herrn (christus Domini), der an Gottes Stelle (als vicarius dei/Stellvertreter Gottes) regierte. Die dadurch unterstrichene Gottunmittelbarkeit trat neben die Wahl und stand zu ihr in Spannung. Kirchengeschichtlich ergab sich aus ihr zugleich die Berechtigung, als Haupt der Chris­ ten­heit auch in die kirchlichen Belange einzugreifen. Zugleich wurde in Aufgriff entsprechender Überlegungen von Isidor von Sevilla dem König ein Dienstamt (ministerium) zugeschrieben, das durch besondere Verantwortung von Gott und entsprechende Pflichten gekennzeichnet war. Dies ermöglichte es den Königen, ihr Handeln als Erfüllung einer von Gott übertragenen Pflicht darzustellen. 2.2.3 Bündnis mit dem Papsttum. Das Bündnis Pippins mit dem Papsttum diente der Legitimation der eigenen Herrschaft als König ebenso wie dem strategischen Ziel, die eigene Herrschaft nach Italien auszuweiten, zumal sich die Beziehungen zu den Langobarden verschlechterten. Dementsprechend ging Pippin auf die Bitte von Papst Stephan II. um Hilfe und Schutz ein. In der Königspfalz Ponthion (in der Champagne gelegen) empfing ihn Pippin am Epiphaniastag 754 mit besonderen Ehren, die sonst nur einem Kaiser zustehen, nämlich mit der Proskynese (dem anbetenden Sich-Verneigen, wohl als Kniefall) und dem Stratordienst (dem Steigbügelhalten als Symbol der Dienstbarkeit, was später im Streit zwischen Papsttum und Kaisertum wichtig wurde). Stephan II. und Pippin d. J. schlossen hier einen förmlichen Freundschaftsbund. Der darin vorgesehene Kriegszug gegen die Langobarden stieß im fränkischen Adel auf Widerstand, doch konnte sich Pippin an Ostern 754 auf einer Reichsversammlung in der Königspfalz Quierzy (bei Noyon) durchsetzen. Dort machte er wohl das historisch folgenreiche Schenkungsversprechen im Hinblick auf Mittelitalien (s. dazu § 8; 5.2). Pippins Herrschaft war in dieser Zeit durchaus gefährdet, da sich eine Opposition bildete, die auf Karlmann und dessen Söhne setzte. Angesichts dessen wiederholte Stephan II. in St. Denis bei Paris, der Grabstätte der Merowinger, dem religiösen Zentrum des Frankenreiches, die Salbung Pippins. Indem er auch dessen Söhne salbte, wurde damit symbolisch die sakrale Würde auf die ganze Dynastie übertragen. Nach Pippins Sieg gegen die Langobarden trug Pippin den Titel patricius Romanorum (Beschützer des Vaterlandes der Römer), 2. Sakrale Königswürde und Kirchenherrschaft im Frankenreich

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Anfrage beim Papst

Gottunmittelbarkeit

Stratordienst

2. Salbung

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der langobardische König Aistulf erkannte die Oberhoheit Pippins an, hielt sich jedoch nur kurz daran, was das erneute Eingreifen Pippins und schließlich Karls d. Gr. auslöste (vgl. § 8; 5.2).

cappellani

2.2.4 Hofkapelle. Pippin d. J. setzte die von Karl Martell eingeschlagene Kirchenpolitik fort, indem er Synoden abhalten ließ und Bischöfen wie Äbten auch obrigkeitliche Aufgaben und Beteiligung an der Reichsregierung übertrug. Besondere Bedeutung erlangte dabei die Schaffung der sog. Hofkapelle. Das war zunächst eine lose Gruppe von Klerikern in Pippins Umgebung, die v.a. die wertvollste Königsreliquie, den Mantel (lateinisch cappa) des hl. Martin von Tours, zu bewachen hatten und daher cappellani hießen. Unter Leitung des mächtigen Abts Fulrad von St. Denis entwickelte sich diese Gruppe zur zentralen Institution in der Reichsverwaltung und der vom König ausgehenden Beeinflussung des kirchlichen Lebens. 2.3 Literatur Lektüretipp: A.T. Hack: Zur Herkunft der karolingischen Königssalbung, ZKG 110 (1999) 170-190. Literatur: M. Becher/J. Jarnut (Hg.): Der Dynastiewechsel von 751. Vorgeschichte, Legitimationsstrategien und Erinnerung, 2004. – A. Fischer: Karl Martell. Der Beginn karolingischer Herrschaft, 2012. – W. Joch: Legitimität und Integration. Untersuchungen zu den Anfängen Karl Martells, 1999. – J. Jarnut/U. Nonn/M. Richter (Hg.): Karl Martell in seiner Zeit, 1994. – E. Ewig: Die Merowinger und das Frankenreich, 6. A. 2012. – F. Kern: Gottesgnadentum und Widerstandsrecht im früheren Mittelalter, 2. A. 1954; ND 1980. – T. Mayer (Hg.): Das Königtum. Seine geistigen und rechtlichen Grundlagen, 1956; ND 1973.

 § 7; 6.

3. Universalherrschaft und christliches Kaisertum bei Karl dem Großen

Bischöfe

Durch den gewaltigen Ausbau des Frankenreichs nach außen wie nach innen hat Karl I. (768-814) die Grundlagen Europas als eines christlichen Kulturraumes geschaffen. Als Herrscher über das mächtigste Großreich entwickelte Karl schon früh eine imperiale und theokratisch begründete Selbstrepräsentation. Er setzte die von Karl Martell und Pippin begonnene Kirchenpolitik fort, indem er Bischöfe in der Reichsverwaltung einsetzte und den römischen Papst als ihm untergeordneten Bischof seines Reiches mit besonderer Würde einstufte. Es war ein Ausdruck dieses Aufstiegs, als er im Jahr 800 den Kaisertitel annahm. Sein universaler, christlich begründeter Herrschaftsanspruch fand darin eine adäquate Form. Für die Geschichte Europas ergaben sich daraus zwei wichtige Folgen: Zum einen wurde die Vorstellung eines westlichen Kaisertums wieder errichtet, die ab 962 dauerhaft mit Deutschland und Italien verbunden wurde (bis 1806). Zum anderen ergab sich ein konstitutiver Bezug zum Papsttum, der das Verhältnis zwischen Kaiser und Papst zu einem Dauerproblem machte. Die Kaisermacht konnte allerdings unter Karls Nachfolger Ludwig dem Frommen (814-840) nur aufrechterhal682

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ten werden, indem dessen Söhne an der Herrschaft beteiligt wurden. Die hieraus sich entwickelnden Konflikte führten zum Bedeutungsverlust der Kaiserwürde im 9. und 10. Jh., zumal seit der Aufteilung des Frankenreichs in drei Teilreiche durch den Vertrag von Verdun 843.

3.1 Karl als theokratischer Herrscher Karl dehnte seine Herrschaft in zwei Richtungen aus, durch die Eroberung sächsischer und awarischer Gebiete und der hiermit verbundenen Christianisierungsbemühungen (vgl. zu diesem mühevollen und von Rückschlägen gekennzeichneten Prozess § 7; 7.1-7.2) und durch die Unterwerfung des Langobardenreiches in Italien im Jahr 774. Mit letzterer erfolgte eine bedeutsame Weichenstellung, weil die Italienpolitik fortan zu einem wichtigen Bestandteil königlicher bzw. kaiserlicher Politik wurde. Zu den außenpolitischen Erfolgen kamen Bemühungen um die Bildung und um eine Vereinheitlichung des Kirchenwesens und des Mönchtums hinzu, die man auch als karolingische correctio bezeichnet (vgl. § 7; 7.3) und die zu dogmengeschichtlich wichtigen Entscheidungen (vgl. § 5; 13.) führte. Somit erschien es berechtigt zu sein, als er 796 gegenüber dem neuen Papst Leo III. seine universale Herrschaft kundtat und seine Ratgeber ihm 799 eine imperiale Position zuschrieben. Dies bildete die Voraussetzung für die Wiedererrichtung des westlichen Kaisertums. 3.1.1 Die Unterwerfung des Langobardenreiches. Die Nachfolgeregelung Pippins d. J. sah eine Reichsteilung unter seinen Söhnen Karlmann und Karl vor, die jedoch durch den frühen Tod Karlmanns 771 hinfällig wurde. Die Verbindung zwischen Karlmanns Söhnen mit dem Herrscher des Langobardenreiches, dem ab 757 regierenden Desiderius, provozierte das Eingreifen Karls in Italien, zumal Desiderius ab 772 gegen den Papst vorging, der daraufhin die Anlehnung an den fränkischen König suchte. 774 unternahm Karl einen Italienfeldzug, erneuerte in Rom den Freundschaftsbund von Ponthion/Quierzy (vgl. § 9; 2.2.3) und eroberte noch 774 Pavia. Im Unterschied zu anderen unterworfenen Gebieten löste Karl das Langobardenreich nicht auf, sondern übernahm die langobardische Königswürde neben seiner fränkischen Königswürde. Dies begründete die dauerhafte Ausweitung der fränkischen Herrschaft nach Italien (bis zu den Grenzen des noch nicht genau fixierten päpstlichen Territoriums, s. § 8; 5.2.1). Das Langobardenreich war wegen der inneren Zerrissenheit kein einheitliches Territorium. Die Franken konnten ihren Herrschaftsanspruch in Oberitalien durchsetzen (mit dem Zentrum Pavia), auch das Herzogtum Spoleto fiel an sie. Die mittel- und süditalischen Fürstentümer Benevent, Capua und Salerno behielten jedoch – trotz zeitweiser fränkischer Oberherrschaft – bis zum 11. Jh. ihre Selbständigkeit (dann abgelöst durch die Normannenherrschaft). Durch die Italienpolitik ergaben sich seit 774 neue Beziehungen zum oströmischen Reich, das in Süditalien und Sizilien noch herrschte. Eine wichtige Folge der Eroberung Italiens war, dass der Hz. von Bayern, Tassilo III., der mit den Langobarden kooperiert hatte, sich 787 dem Frankenkönig unterwerfen musste und das Herzogtum als Lehen empfing. Wenig später wurde ihm gleichwohl der Prozess gemacht, 794 wurde er zum Verzicht auf die Herrschaft gezwungen, Bayern wurde dem Frankenreich eingegliedert, wobei 798 hier eine eigene Kirchenprovinz unter der Führung von Salzburg errichtet wurde. 3. Universalherrschaft und christliches Kaisertum bei Karl dem Großen

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Sachsen

Italien

Desiderius

Pavia

Bayern

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Alkuin

Verantwortung für die Kirche

3.1.2 Theologische Deutung der Herrschaft. Wichtige Berater Karls wie Alkuin (s. § 5; 13.2.2) spielten für die Selbstrepräsentation Karls als von Gott beauftragtem Kaiser eine wichtige Rolle. Dabei griff Alkuin klassische Königspflichten auf: Sorge für Recht und Frieden, Hilfe für Arme und Unterdrückte, Bestrafung der Bösen und Bestärkung der Guten. Der damit verbundene Anspruch, auch die Kirche zu leiten, zeigte sich in der Antwort auf die Wahlanzeige des neuen Papstes Leo III. Anfang 796, in der er den Schutz der Kirche und die Bewahrung des katholischen Glaubens als seine Aufgabe ansah, die der Papst durch Gebete unterstützen solle. Der Kaiser gerierte sich also nicht nur als für den äußeren Schutz der fränkischen Kirche zuständig, vielmehr beanspruchte er die Verantwortung auch für den inneren Zustand der Kirche. Dementsprechend stufte Alkuin in einem Vergleich der drei ranghöchsten Personen in der Welt (des Papstes, des Kaisers von Byzanz und des fränkischen Königs) Karl als Lenker der Christenheit ein, auf dem allein das Heil der Kirche ruhe und dem die höchste Herrschaftswürde zukam.

3.2 Die Kaiserkrönung in Rom und ihre Folgen

Leo III.

Byzanz

Weihnachten 800

Romanum imperium

Faktische Hegemoniestellung im westlichen Europa und imperialer Anspruch bewogen Karl dazu, sich am Weihnachtsfest des Jahres 800 von Papst Leo III. zum Kaiser (imperator) krönen und vom römischen Volk akklamieren zu lassen. Diese Krönung, die eine Neuerung darstellte, beanspruchte, das römische Kaisertum auch im Westen wiederaufleben zu lassen. Dabei sollte die Kaiserwürde nicht in erster Linie auf die Römer bezogen sein, sondern auf die Franken. Die Ergreifung der Kaiserwürde verschlechterte kurzfristig das (seit der Synode von Frankfurt 794 ohnehin belastete) Verhältnis zu Byzanz, die durch die Konkurrenz im Hinblick auf die Italienpolitik noch verstärkt wurde. Deswegen ergriff Karl diplomatische Bemühungen, um eine Verständigung mit Byzanz zu erreichen, die bald erfolgreich waren. 3.2.1 Die Kaiserkrönung durch den Papst. Papst Leo III. (795-816) stieß mit seiner profränkischen Politik und seiner Amtsführung auf Widerstand im römischen Adel und Klerus, die ihn im April 799 unter Misshandlungen vertrieben und bei Karl anklagten. Daraufhin floh Leo zu Karl nach Paderborn und kehrte 799 mit einer Schutzmannschaft/ Untersuchungskommission nach Rom zurück. Karl kam im Herbst 800 nach Rom, wo Leo vor einer römischen Synode am 23.12. einen Reinigungseid ablegte und so in seinem Amt bestätigt wurde. In diesem Zusammenhang müssen Verhandlungen über die Kaiserkrönung stattgefunden haben, die Leo am Weihnachtstag, also am 25.12. (zugleich als Neujahrstag des Jahres 801 betrachtet), in der Peterskirche vollzog, wobei das ganze Volk die traditionelle Kaiserakklamation darbrachte. Mit dem Kniefall vor dem Gekrönten drückte Leo – dem byzantinischen Zeremoniell entsprechend – die Unterwerfung des Papstes unter den Kaiser aus. 3.2.2 Der Kaisertitel. Karl selbst führte seit 801 in Urkunden einen differenzierten Titel, der den Unterschied gegenüber dem oströmischen Kaiser markieren sollte: Karolus serenissimus Augustus a deo coronatus magnus pacificus imperator Romanum gubernans imperium, qui et per misericordiam dei rex Francorum atque Langobardorum (Karl, der allermildeste, von Gott gekrönte Kaiser und große friedensstiftende Kaiser, der das römische Reich lenkt, der zugleich durch das Erbarmen Gottes König der Franken und Langobarden ist; MGH.Dipl.Kar. 1,265). In dieser Formel, die Karl aus diplomatischen 684

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Gründen im Hinblick auf Byzanz nicht explizit als römischen Kaiser bezeichnete, trat zugleich klar die theokratische Begründungsstruktur zutage, mit der Karl seine Herrschaft zu legitimieren suchte: Gott war der eigentliche Auftraggeber, das Frankenreich mitsamt dem Langobardenreich fungierte als Machtbasis. Die viel diskutierte Bemerkung in Einhards Vita Caroli Magni (Lebensbeschreibung Karls des Großen; Kap. 30; AQDGMA 5,1, 200-203), Karl hätte von dem Plan des Papstes nichts gewusst und sei darüber unwillig gewesen, ist nicht eindeutig geklärt; sie könnte eine traditionelle Bescheidenheitsgeste gewesen sein oder (und das ist wahrscheinlicher) die Form der Krönung meinen, in der Leo III. eine konstitutive Mitwirkung des Papstes erreicht hatte, die für die Folgezeit wichtig werden sollte. Das Kaiseramt wurde nun nicht als mit dem Imperium Romanum (bzw. dessen gegenwärtiger Realisierung im Frankenreich) verbunden betrachtet, sondern als eine vom Papst verliehene, außerordentliche und sakrale Funktion, die zu der Königswürde hinzukam. Ein fränkischer (später deutscher) König wurde – nach Leos geschicktem Fundierungsakt – nur Kaiser, wenn er sich in Rom vom Papst krönen ließ. Die religiöse Qualität des Kaisertitels machte sich auch in dem allgemeinen Sprachgebrauch bemerkbar, wo man bald vom imperator Christianissimus (allerchristlichsten Kaiser) und dem imperium Christianum (dem Christenreich) sprach. 802 ordnete Karl an, dass alle Reichsbewohner über den Treueeid von 789 hinaus ihm als imperator Christianissimus persönliche Treue und ihre Bindung an Gottes Gebote schwören sollten (MGH.Capit. 1, 102-104). 3.2.3 Verhältnis zu Byzanz. Durch die vom Papst durchgeführte Krönung und Weihe unterschied sich das westliche Kaisertum grundlegend von dem in Byzanz, wo die Krönung kein konstitutiver, sondern nur ein deklaratorischer Akt war. Im Osten gab es das Amt des Kaisers als genuinen Bestandteil der politischen Ordnung, im Westen gab es Könige, denen die Würde eines Kaisers zugeeignet werden konnte. Dass das byzantinische Kaiseramt im Jahr 800 als vakant gelten konnte (weil von einer Frau besetzt, Kaiserin Irene), dürfte für Karl keine Rolle gespielt haben. Er suchte in Verhandlungen mit Byzanz, das ihn zunächst als Usurpator betrachtete, einen Ausgleich, der 812 mit seiner Anerkennung als imperator zustande kam (wogegen der Ostkaiser als imperator Romanorum galt). Kontakte zu Harun al-Raschid, dem Kalifen von Bagdad, die u.a. dem Schutz der Stätten im Heiligen Land galten, unterstrichen seine Bedeutung als mächtigs­ tem Herrscher der Christenheit.

Krönung durch den Papst

Kaiserin Irene

3.3 Schwächung der Reichsgewalt unter Ludwig dem Frommen Ludwig I. – von seinem Vater Karl 813 eigenhändig zum Kaiser gekrönt, von dem übergangenen Papst 816 nochmals gekrönt und gesalbt – scheiterte trotz hoffnungsvoller Ansätze mit seinem Programm einer umfassenden renovatio regni Francorum (Erneuerung des Frankenreichs), das die Chris­ tianisierung der von Karl neu erworbenen Gebiete intensivieren sollte (vgl. § 6; 8.5-8.7; § 7; 7.4). Er hat der Kirche ein größeres Eigenleben ermöglicht, die Macht der Bischöfe und des Papstes aufgewertet und durch seine Regierungsschwäche den Zerfall des Reiches angebahnt. Der Aufstand seiner Söhne seit 829/833 führte zum Chaos. 3.3.1 Die nachgeholte päpstliche Kaiserkrönung. Karl hatte versucht, in bewusster Nichtwiederholung der Ereignisse von 800, die Kaiserkrönung unabhängig vom Papst zu etablieren, als er 813 seinen Sohn zum Mitkaiser erhob und eigenhändig krönte. Die 3. Universalherrschaft und christliches Kaisertum bei Karl dem Großen

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Lothar I.

Söhne Ludwigs

Papst als Schiedsrichter

Wiederholung der Kaiserkrönung und die Salbung durch Stephan IV. (816-817) in Reims nach Karls Tod machten den päpstlichen Anspruch, die (sakral gedeutete) Kaiserwürde zu verleihen, erneut geltend. Dem versuchte Ludwigs Sohn Lothar I. (seit 817 Mitkaiser und Regent in Italien) entgegenzuwirken, indem er seinerseits in der sog. Constitutio Romana (Gesetz von Rom) von 824 dem Kaiser die Bestätigung der Papstwahlen und einen Treueeid des Papstes gegenüber dem Kaiser festschrieb. 3.3.2 Der Kampf um die Erhaltung der Reichseinheit. Ludwig wollte dem Zerfall der Reichseinheit entgegentreten, in dem er 817 das Prinzip der Herrschaftsteilung mit einer Rangfolge der Herrschaft verband. Die zu erwartenden Miterben sollten bereits frühzeitig mit der Ausübung der Herrschaft betraut werden, zugleich sollte die Kaiserwürde dadurch stabilisiert werden, dass der älteste Thronfolger (Lothar I.) den größten Teil des Reiches und die Kaiserwürde zugesprochen bekam. Die jüngeren Söhne Ludwig (genannt der Deutsche) und Pippin (gest. 838) bekamen Bayern und Aquitanien zugesprochen. Als Ludwig diese Ordnung 829 änderte, um Karl (genannt den Kahlen), den Sohn aus zweiter Ehe, zu beteiligen, revoltierten die älteren Söhne, was zu jahrelangen Unruhen führte, zumal ein Großteil des Episkopats sie im Interesse der Reichseinheit unterstützte. 833 fungierte auf Veranlassung Lothars I. Papst Gregor IV. als Schiedsrichter, der die Absetzung Ludwigs – nach öffentlicher Kirchenbuße vor den Bischöfen, wie Ludwig sie für harte Strafmaßnahmen schon einmal, 822, geleistet hatte – durch die Söhne sanktionieren sollte. Das bedeutete zugleich, dass die Regenten den Repräsentanten der Kirche eine politisch relevante Kontrolle über die ethischen Normen des Kaisers zugestanden, auch wenn die Instrumentalisierung des Papstes für politische Zwecke nicht zu verkennen ist. Ludwig der Fromme konnte 834 seine Herrschaft wiedererlangen, musste seinen Söhnen aber weitgehende Zugeständnisse machen. Als er 840 starb, entbrannte unter seinen Söhnen ein Nachfolgekrieg.

3.4 Die Reichsteilung 843

Vertrag von Verdun

Reichsteilung 855

In wechselnden Koalitionen, die schon die Unruhen nach 829 begleitet hatten, kämpften die Nachkommen Ludwigs I. um möglichst große Anteile am Reich. Im Vertrag von Verdun 843 erhielt Lothar I. (817-855) als Kaiser ein die Residenzen Aachen und Rom verbindendes Mittelreich, während Ludwig der Deutsche den Ostteil und Karl der Kahle den Westteil bekamen. Dieses Mittelreich Lothars I. wurde noch im 9. Jh. aufgeteilt, so dass ab 870 Karl der Kahle im Westen und Ludwig der Deutsche im Osten regierten. Hierin war die spätere, zunehmend getrennte Entwicklung in Frankreich und Deutschland bereits angelegt. Der Kaisertitel – nunmehr eine Würde ohne Machtbasis – blieb für gut 100 Jahre mit den Resten der Karolingerherrschaft in Italien verbunden, was zugleich zu einem Bedeutungsverlust für das Papsttum führte. 3.4.1 Die Reichsteilungen nach 843. Die Vormachtsansprüche Lothars I. scheiterten an der militärischen Kooperation Ludwigs und Karls (die dafür grundlegenden Straßburger Eide sind die ersten Zeugnisse für die offizielle Verwendung von althochdeutscher und altfranzösischer Sprache). Lothars I. Reich war nach dem Vertrag von Verdun 843 nur ein schmaler Streifen, der von Friesland über Burgund bis Mittelitalien reichte, und wurde nach seinem Tod 855 unter seinen drei Söhnen aufgeteilt (Reichsteilung vom 686

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Prüm): Ludwig II. erhielt Italien und die Kaiserwürde und übte bis zu seinem Tod 875 erheblichen Einfluss auf Kirche und Papsttum aus (s. § 8; 6.1). Sein Bruder Karl, der Burgund erhielt, starb bereits 863, so dass Burgund unter Ludwig II. und dem dritten Bruder, Lothar II., aufgeteilt wurde. Dieser Lothar II. (855-869) hatte den nördlichen Teil des Mittelreiches bekommen, der von der Nordsee bis zur Mosel reichte. Nach seinem Tod wurde sein Reich, das Lothari regnum (später Lothringen genannt), 870 zwischen Karl dem Kahlen und Ludwig dem Deutschen aufgeteilt. Damit war der auf Lothar I. zurückgehende Zweig der Karolingerdynastie ausgestorben, mit Karl dem Kahlen im Westen und Ludwig dem Deutschen im Osten entstanden aus dem Frankenreich zwei Herrschaftsbereiche, die sich zunehmend unterschiedlich entwickelten. 3.4.2 Getrennte Entwicklungen im West- und Ostfrankenreich. Im Westfrankenreich entfaltete sich unter Karl dem Kahlen (840-877, seit 875 Kaiser Karl II.) ein vielfältiges kulturelles und kirchliches Leben, das die künftige Entwicklung Frankreichs vorbereitete (vgl. § 5; 14.). Der Episkopat unter Führung des bedeutenden Erzbischofs Hinkmar von Reims gewann eine starke politische Stellung. Die königliche Zentralgewalt erlitt dadurch Einbußen, auch durch die wachsende Machtposition des Adels, der sukzessive erhebliche Teile des Königsgutes sowie des Kirchen- und Klosterbesitzes erhielt. Dagegen bewahrte im kulturell und kirchlich unterentwickelten Ostfrankenreich König Ludwig der Deutsche (840-876) die karolingische Oberhoheit über die Kirche z.B. durch Bischofsernennungen und Verfügung über das Kirchengut.

Aufteilung Lothringens 870

Karl der Kahle

3.5 Literatur Lektüretipp: J. Laudage: Die Zeit der Karolinger, 2006. Quellen: R. Rau (Hg.): Quellen zur karolingischen Reichsgeschichte, 1 Teil, AQDGMA 5, 1955; ND 2008 [zweisprachig]. Literatur: M. Becher: Karl der Große, 6. A. 2014. – R. Schieffer: Die Karolinger, 5. A. 2014. – J. Fried: Karl der Große. Gewalt und Glaube. Eine Biographie, 4. A. 2014. – E. Boshof: Ludwig der Fromme, 1996. – G. Haendler: Die lateinische Kirche im Zeitalter der Karolinger, 2. A. 1992. – W. Hartmann: Karl der Große, 2. A. 2015. – W. Braunfels (Hg.): Karl der Große. Lebenswerk und Nachleben, 5 Bde., 1966-1968. – P. Classen: Karl der Große, das Papsttum und Byzanz, 2. A. 1988. – C. Stiegemann/M. Wemhoff (Hg.): Kunst und Kultur in der Karolingerzeit, 3 Bde., 1999. – P. van den Brink/F. Pohle (Hg.): Karl der Große/ Charlemagne, 3 Bde., 2014. – S. Patzold: Ich und Karl der Große. Das Leben des Höflings Einhard, 2015.

 § 6; 8.

4. Religiöse Kaiserherrschaft in Deutschland seit Otto I. Die Erneuerung des Kaisertums Karls d. Gr. durch den Sachsen Otto I. (936973) hat die deutsche Kirchengeschichte nachhaltig bestimmt. Ein aus dem Ostfrankenreich erwachsenes Partikularreich überhöhte sein Selbstverständnis durch ideelle Universalität als Kaiserreich. Zwar blieb es faktisch hinter dem gesamteuropäischen Machtanspruch zurück, aber als geographisches Zentrum Europas war es durch die politische Verbindung von Deutschland mit Italien und Rom und die grundsätzliche Möglichkeit, weitere Gebiete zu beherrschen, geprägt. Zugleich entwickelte sich das Königtum/Kaisertum 4. Religiöse Kaiserherrschaft in Deutschland seit Otto I.

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ideelle Universalität

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zu einer Institution, die über den regionalen Herrschaften stand, wobei es (anders als etwa in Frankreich) zu einer nur schwachen Ausbildung zentraler Regierungsstrukturen kam. Das Nebeneinander und Gegeneinander von Reichsgewalt und Herzogtümern, später Territorialfürstentümern bestimmte fortan die politische Dynamik. Hinzu kamen als kirchengeschichtlich bedeutsames Element die geistlichen Fürstentümer.

4.1 Zentralgewalt und Partikulargewalten Herzogtümer

Markgrafschaften

Wahlkönigtum

Im ostfränkischen Reich formierten sich nach dem Tod Ludwigs des Deutschen 876 die von Karl d. Gr. ausgeschalteten Herzogtümer neu und wurden zu entscheidenden Machtfaktoren: 1. Sachsen, das die nördlichen und östlichen Gebiete umfasste, die erst im 8. Jh. und unter Karl d. Gr. zum Reich gekommen waren, 2. Bayern, das erst 794 in das Frankenreich integriert worden war, 3. Franken, das durch die Ansiedlung von Franken zwischen Thüringen und Bayern entstand, aber zunächst wenig konsolidiert war, 4. Schwaben als westlich davon gelegenes Gebiet mit Traditionen aus dem Alemannenreich, schließlich 5. Lothringen als Teil des aufgeteilten karolingischen Zwischenreiches. Neben den Herzogtümern entwickelten sich seit dem 10. Jh. am Ostrand des Reiches verschiedene Markgrafschaften (Grenzmarken), ferner innerhalb des Reiches mancherlei Grafschaften. Eine für die weitere deutsche Geschichte grundlegende Entscheidung fixierte sich seit der Wahl der Sachsen Heinrich I. 919 und Otto I. 936 zu Königen: An die Stelle des dynastischen Prinzips der Karolinger (und der damit verbundenen erbrechtlich bedingten Reichsteilungen) trat das Prinzip des Wahlkönigtums und der Unteilbarkeit des Reiches. Dabei blieb die religiöse Legitimation der Königsherrschaft als von Gottes Gnaden gestiftet erhalten. Für die Stärkung der Zentralgewalt gewannen die Schutzvogtei über die Kirche und die enge Verbindung mit dem Episkopat große Bedeutung.

4.2 Erneuerung des Kaisertums durch Otto I.

Burgund

Otto I. knüpfte bewusst an das Karolingerreich an. Die 951 erreichte Verbindung mit Italien und die für ganz Europa wichtige Abwehr der Ungarn 955 bildeten die Grundlage für einen umfassenden Herrschaftsanspruch und die umfassende Erneuerung des fränkischen Kaiserreichs (renovatio imperii Francorum). Durch die Heirat mit der bedeutenden Adelheid erwarb Otto außerdem Herrschaftsansprüche in Burgund. 962 ließ er sich von Papst Johannes XII. zum Kaiser krönen. In einem feierlichen Privileg garantierte er den Bestand des Patrimonium Petri. Schon wenig später ging er jedoch gegen Johannes XII. vor, ließ ihn durch eine Synode absetzen und installierte Leo VIII. (963-965). Künftig sollte kein Papst ohne kaiserliche Zustimmung gewählt werden (sog. Römereid). Die Italienpolitik erforderte immer wieder das persönliche Eingreifen der Kaiser in Rom oder Norditalien. Zu den bei688

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den Königreichen in Deutschland (die ostfränkische Königswürde) und Italien (die alte Königswürde der Langobarden) kam 1032/33 das Königreich Burgund, so dass das Gesamtreich bis zum 14. Jh. aus der Personalunion dieser drei Reiche bestand. Das Reich in Deutschland entwickelte sich zum stärksten Reich Europas, das durch die Slawenmission nach Osten ausgriff. Otto I. und seine sächsisch-salischen Nachfolger praktizierten ein bewusst religiös geprägtes Sakralkönigtum mit universalem Führungsanspruch für die ganze Christenheit: An der Spitze des Volkes Gottes stand danach der Kaiser (nicht der Papst), was auch entsprechend durch Zeremoniell und Symbole zur Geltung gebracht wurde. Versuche einer Verständigung mit Byzanz gelangen insofern, als der oströmische Kaiser seine Nichte Theophanu Ottos Sohn zur Frau gab und das westliche Kaisertum anerkannte. 4.2.1 Machtakkumulation durch Otto I. Europäischen Machtanspruch demonstrierte Otto I. erstmals 948 mit einer Reichssynode in seiner Pfalz Ingelheim, die Konflikte im Westfrankenreich ebenso regeln sollte wie sie die Gründung von Missionsbistümern in Dänemark und im Slawengebiet behandelte (vgl. § 7; 10.1.2). Zunehmenden Einfluss gewann er in den Königreichen Burgund, das in Hochburgund (samt Schweiz) und Niederburgund (das Gebiet um Arles, das regnum Arelatense) geteilt war. Der Macht­ erweiterung diente das militärische Eingreifen in Italien mit der Eroberung von Pavia 951. Damit übernahm Otto I. die (ehemals langobardische, nun:) italische Königskrone. Direkter Auslöser war das Hilfeersuchen von Adelheid von Burgund (ca. 931-999), der Witwe Königs Lothars II. von Italien, gegen Berengar, der seinerseits die italische Krone beanspruchte. Die Heirat mit Adelheid brachte Erbansprüche auf Teile des politisch zerrissenen Burgund mit sich, die sich erst 1033 realisieren ließen, als sich Kaiser Konrad II. zum König von Ober- und Niederburgund krönen ließ. Adelheid übte als consors regni (Teilhaberin an der Königsherrschaft) und seit 962 als vom Papst gekrönte Kaiserin einen beachtlichen politischen Einfluss aus und verhinderte nach dem Tod Ottos I., dass das Reich geteilt wurde. 4.2.2 Kaiserkrönung. Schon 951 ließ Otto in Rom sondieren, ob Papst Agapet (946955) ihn zum Kaiser krönen könnte, was am Widerstand des stadtrömischen Herrschers Alberich II. scheiterte. Dessen Sohn geriet als Papst Johannes XII. 959 in so starke Bedrängnis durch Berengar, dass er Otto zu Hilfe rief. Dieser bereitete den Romzug von 961/962 sorgfältig vor und klärte durch Vorverhandlungen die Übernahme der Kaiserwürde. Dass in diesem Zusammenhang die spätere Reichskrone mit ihrer religiös-politischen Programmatik angefertigt worden sei, lässt sich nicht erweisen, auch wenn es eine plausible Hypothese ist. Sein als Ottonianum bezeichnetes Privileg für die römische Kirche vom 13.2.962 (Text: GGPRK 269-271) versprach – auf der Grundlage der Pippinschen Schenkung und des Constitutum Constantini – die illusionäre Restitution der päpstlichen Besitzansprüche in Mittelitalien, im Exarchat Ravenna, in der Pentapolis, in Tuskien u.a. Zugleich regelte es in einem zweiten Teil die Papstwahl durch Klerus und Volk in Rom, der die Weihe erst nach Ablegen eines Treueeides vor kaiserlichen Gesandten folgen sollte. Der Kaiser sicherte sich damit ein wichtiges Mitspracherecht an der Papstwahl.

Personalunion dreier Reiche

Adelheid

Kaiserin

Romzug

Ottonianum 962

4.2.3 Verwicklung in die Italienpolitik. Mit der Absetzung von Johannes XII. und der Einsetzung von Leo VIII. konnte Otto nur vorübergehend Einfluss gewinnen, die Einsetzung von Leo VIII. wurde nicht allseitig anerkannt, was zu einem Schisma führte. Der 4. Religiöse Kaiserherrschaft in Deutschland seit Otto I.

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von einer Synode verurteilte Benedikt V. wurde nach Hamburg exiliert (dort 965/966 gestorben). Eine fruchtbare Zusammenarbeit ergab sich erst mit Johannes XIII. (965-972), der Ottos Missionspolitik unterstützte. Der Kaiser war von 961-972 fast durchgehend in Italien, um direkt in die römischen Konflikte sowie in die süditalienischen Verhältnisse einzugreifen, was allerdings zur militärischen Konfrontation mit dem in Apulien und Kalabrien noch präsenten Byzanz führte.

Otto II.

4.2.4 Theophanu. Der von Otto angestrebte Ausgleich mit Byzanz kam 972 zustande, weil der byzantinische Kaiser Johannes Tzimiskes zusätzlich zu den Bedrohungen im Osten keinen Konflikt im Westen gebrauchen konnte und einer Verständigung zustimmte. Besiegelt wurde dieser Ausgleich durch die Hochzeit (nicht der Tochter, sondern) der Nichte des byzantinischen Kaisers, Theophanu, mit Ottos Sohn, Otto II., der schon 961 zum deutschen König und 967 zum Mitkaiser gekrönt worden war. Als Königin und Kaiserin sorgte Theophanu ab 973 für den Einfluss byzantinischer Kultur, Kunst und Architektur in Deutschland. Nach dem Tod von Otto II., führte die Griechin seit 985 für ihren Sohn eine energische Regentschaft bis zu ihrem Tod 991 (ermöglicht durch die Unterstützung durch Erzbischof Willigis von Mainz und die Beschränkung von Adelheid auf die Königsherrschaft in Italien).

4.3 Das Kaisertum der Ottonen und Salier

renovatio imperii?

Papst­ einsetzungen

4.3.1 Rompolitik unter Otto III.. Nach der glücklosen Regierung Ottos II. (973-983) brachte das Kaisertum unter dessen Sohn Otto III. (983/9841002) Neuaufbrüche im kirchlichen und kulturellen Leben hervor. Der gebildete und religiöse Otto III. orientierte sich in seiner Rhetorik an Rom als Zentrum der Weltherrschaft. Ob die so in Urkunden auftauchende Idealvorstellung einer renovatio imperii ein politisches Programm war oder eher nur sprachliche Ausschmückung, ist in der Forschung umstritten. Die entsprechenden Texte zeigen jedoch den Versuch, eine große Kontinuität zur antiken Kultur aufscheinen zu lassen. Die besondere Hervorhebung von Rom passt auch zu dem Bemühen von Otto III., mit dem Papst zu kooperieren. Wie über die dem Kaiser unterstehenden deutschen Bistümer (s. § 9; 5.1) verfügte er auch über den Stuhl Petri, indem er 996 seinen Hofkapellan Bruno als Gregor V. und 999 seinen Lehrer Gerbert als Silvester II. zum Papst machte. Doch in Italien scheiterte er an den Partikularmächten. Nördlich der Alpen bemühte sich Otto III. um die Christianisierung des Ostens, womit er Ziele von Otto I. aufnahm, nun aber mit dem Ziel einer brüderlichen Vereinigung der Herrscher betrieb (§ 7; 10.4), was die kirchliche Eigenständigkeit von Polen und Ungarn vorbereitete. 4.3.2 Pragmatische Politik im Reich unter Heinrich II. Eine auf den deutschen Reichsteil konzentrierte Realpolitik betrieb Heinrich II. (1002-1024). Er konsolidierte damit ganz erheblich die Herrschermacht der Ottonen. Er förderte die Slawenmission (s. § 7; 10.3) sowie die Erneuerung von Klöstern in Lothringen (s. § 6; 9.3) und baute den königlichen Einfluss auf die Kirche konsequenter als seine Vorgänger aus. Als einziger Kaiser wurde er offiziell heiliggesprochen (1146).

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4.3.3 Die Fortsetzung der ottonischen Politik unter den Saliern. Die Politik Heinrichs II. setzte Konrad II. (1024-1039) aus dem Haus der Salier fort, v.a. durch die Angliederung Burgunds (s. 4.2) und durch eine Wiederherstellung der Reichsgewalt in Italien. Die salischen Kaiser bis 1125 führten die religiöse Herrschaft zum Höhepunkt, gerieten aber zugleich in den Konflikt mit dem Papsttum (s. § 9; 6.). In herausragender Weise verstand sich der düster-fromme Heinrich III. (1039-1056) als theokratischer Kaiser, als Priester und König, Stellvertreter Christi und Herr der Christenheit. In diesem Sinn vollzog er erstmals die Bischofsinvestitur nicht nur wie bisher mit dem Stab, sondern auch mit dem Ring (s. § 9; 6.2). Er hat die Erneuerung von Klöstern gefördert und die des Papsttums ab 1046 initiiert (s. § 8; 6.3.5; 7.1). Doch in Deutschland hat er die Machtbasis gegenüber Herzögen und Grafen geschwächt.

Heinrich III.

4.4 Christliche Herrschaftssymbolik Die sakrale Funktion des Königtums fand in entsprechender symbolischer Kommunikation und Repräsentation ihren Ausdruck, der zugleich Legitimität und damit faktische Macht konsolidierte. Entsprechend wurde die sakrale Würde des Königs und Kaisers schon bei der Krönung zum Ausdruck gebracht und dann fortlaufend durch Festgottesdienste, feierliche Einzüge in Städten, Klöstern und Pfalzen, durch die Reichsinsignien (besonders die Reichskrone) und die Reliquie der Heiligen Lanze gestützt. Es handelt sich nicht um nachrangige, äußerliche »Dekoration«, sondern um die (erst recht in einem Zeitalter mit nur eingeschränkten Kommunikationsmöglichkeiten) permanent notwendige Etablierung und Sicherung der Königsherrschaft. 4.4.1 Die Krönung. Über den Ablauf der Krönungen in dieser Zeit geben die Krönungsordines Auskunft, liturgische Formulare für die Königskrönung. In Deutschland fand diese Form v.a. seit dem Mainzer Krönungsordo (sog. Pontificale Romano-Germanicum/ Römisch-deutsche Agende für bischöfliche Handlungen) von ca. 950/965 Verbreitung. Die Gebete dieser Ordnung betonen die sakrale Qualität des Königtums nach dem Vorbild Davids und Salomos, die Beiordnung der Bischöfe als Apostelnachfolger, die den König bei seinem Amt unterstützen sollen, die religiöse Verpflichtung des Herrschers zur Verteidigung der Kirche gegen äußere und innere Feinde (symbolisiert durch das Schwert), die Treue zum katholischen Glauben (symbolisiert durch den Ring), den Schutz der Gerechtigkeit nach Christi Vorbild (symbolisiert mit dem Szepter) und die Heiligkeit der Herrschaft in Stellvertretung Christi (symbolisiert mit der Krone). Die hymnischen Herrscherakklamationen (laudes regiae/Königsgesänge), die in den Gottesdiensten der hohen Feste v.a. in den Domen und Reichsklöstern zur Huldigung gesungen wurden, parallelisierten Christi Weltherrschaft mit der geistlichen und weltlichen Gewalt von König/Kaiser und Papst. 4.4.2 Die Reichsinsignien. Nahezu kultische Verehrung galt seit dem Hochmittelalter der bei Königs- und Kaiserkrönungen, bei Prozessionen, Einzügen, Festgottesdiensten etc. verwandten Reichskrone, die wohl schon in ottonischer Zeit entstand und unter Konrad II. überarbeitet wurde (heute in der Wiener Hofburg). Sie enthält ein ikonographisches Herrscherprogramm, welches den Kaiser als irdischen Vertreter Christi (mit dem Bibelvers Spr 8,15: Per me reges regnant/Durch mich regieren die Könige) und Nachfolger Davids sowie Salomos versteht und dessen Regentschaft über die Christenheit auf die atl. 4. Religiöse Kaiserherrschaft in Deutschland seit Otto I.

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symbolische Kommunikation

Krönungsordines

Reichskrone

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Heilige Lanze

Vorstellungen vom Gottesvolk und Hohepriester sowie auf die endzeitliche Erfüllung im himmlischen Jerusalem bezieht. Ihre – unter den Kronen Europas einmalige – oktogonale Form ist ein Hinweis auf die eschatologische Vollendung. Zusammen mit den anderen Reichsinsignien wurde sie im 14. Jh. in Prag, im 15. und frühen 16. Jh. in Nürnberg einmal jährlich in den sog. Heiltumsweisungen den Wallfahrern gezeigt. Seit Otto I. mit der Heiligen Lanze (einer Verbindung von Christus- und Mauritiusreliquie), die er vom Burgunderkönig erworben hatte, 955 den Sieg über die Ungarn einleitete, galt diese als Symbol für die Universalherrschaft und für die Missionsaufgabe des Kaisers. 4.5 Literatur Lektüretipp: L. Körntgen: Ottonen und Salier, 4. A. 2014. Quellen: A. Bauer/R. Rau (Hg.): Quellen zur Geschichte der sächsischen Kaiserzeit, AQDGMA 8, 4. A. 1992; ND 2002 [zweisprachig]. Literatur: H. Keller/G. Althoff: Die Zeit der späten Karolinger und der Ottonen (8881024), 3. A. 2008. – J. Laudage: Otto der Große (912-973), 3. A. 2012 – M. Becher: Otto der Große, 2012. – Ders.: Rex, Dux und Gens. Untersuchungen zur Entstehung des sächsischen Herzogtums im 9. und 10. Jahrhundert, 1996. – K.G. Beuckers/J. Cramer/M. Imhof (Hg.): Die Ottonen. Kunst – Architektur – Geschichte, 2002. – M. Puhle (Hg.): Otto der Große. Magdeburg und Europa, 2 Bde., 2001. – G. Althoff: Die Ottonen, 3. A. 2013. – Ders.: Otto III., 1996. – H. Beumann: Die Ottonen, 5. A. 2000. – H. Keller: Ottonische Königsherrschaft, 2002. – K. Görich: Otto III., Romanus Saxonicus et Italicus. Kaiserliche Rompolitik und sächsische Historiographie, 2. A. 1995. – J. Kirmeier/B. Schneidmüller/S. Weinfurter/E. Brockhoff (Hg.): Kaiser Heinrich II. 1002-1024, 2002. – B. Schneidmüller/S. Weinfurter (Hg.): Otto III. – Heinrich II. Eine Wende?, 1997. – S. Weinfurter: Das Jahrhundert der Salier, 2. A. 2008. – Ders.: Heinrich II., 3. A. 2002. – R. Staats: Die Reichskrone, 2. A. 2008. – M. Schulze-Dörrlamm: Die Kaiserkrone Konrads II., 2. A. 1992.

5. Die Verbindung von Königsherrschaft und geistlichen Fürsten bei den ottonisch-salischen Kaisern

Reichsprälaten

Hochstifte

Die Verzahnung von geistlicher und weltlicher Gewalt erreichte in der ottonischen Zeit eine neue Qualität in den sog. geistlichen Fürstentümern. Damit kam eine Entwicklung zum Tragen, die von den Karolingern eingeleitet worden war. Die Bischöfe wurden zunehmend zur wichtigen Stütze der Königsherrschaft. Der Vorteil dieser Struktur lag für den König darin, dass die Reichsprälaten (also Bischöfe/Erzbischöfe und Äbte/Äbtissinnen der Reichsklöster) ihre Herrschaft nicht vererben konnten, während sich in den weltlichen Herrschaften die Erblichkeit der Reichslehen verfestigte. Seit Otto I. erhielten die Reichsprälaten weiten Grundbesitz als königliche Lehen sowie königliche Hoheitsrechte/Regalien. Im Gegenzug waren sie dem König zu besonderer Treue verbunden. Das war der Ansatz für den allmählichen Aufbau einer Territorialherrschaft (das sog. Hochstift), deren Grenzen mit den Grenzen der Diözese nicht übereinstimmten. Analog war der Abt eines Reichsklosters der geistliche Vater in seinem Kloster, zugleich aber der weltliche Regent über (teilweise erhebliche) Ländereien. Die Reichsprälaten wurden so zu Reichsfürsten, wobei sie den Hochadelsfamilien verbunden waren, 692

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jedoch dauerhaft vom König abhängig blieben, der die jeweilige Nachfolge beeinflusste. Die deutsche Kirchengeschichte blieb bis zur Säkularisation aller geistlichen Fürstentümer 1803 durch diese Reichskirche geprägt. Die 1803 verfügte Enteignung der geistlichen Fürsten begründete umfangreiche Staatsleistungen an die Kirche bis in die Gegenwart.

bis 1803

5.1 Die Entstehung der geistlichen Fürstentümer Die Kirche im Reich (seit dem 10. Jh. auch als ecclesia regni oder ecclesia imperii/Reichskirche bezeichnet) hatte darin ihr Spezifikum, dass sich Machtbereiche von Reichsprälaten zu gleichrangigen Fürstentümern neben den Herzogtümern und Grafschaften entwickelten. Otto I. machte damit insofern den Anfang, als er den königlichen Einfluss auf die Wahl der Reichs­ prälaten verstärkte, diese vereinzelt mit Reichsgut sowie Regalienrechten belehnte und umgekehrt ihre Beiträge zum Königsdienst vermehrte. Herzöge durften – nach der Beseitigung des Investiturrechts in Bayern 939 – keine Bistümer besetzen.

Regalien

5.1.1 Die Problematik des Begriffs »Reichskirchensystem«. In der neueren Forschung ist der Begriff »ottonisch-salisches Reichskirchensystem« zu Recht bestritten worden, denn weder handelt es sich um ein geschlossenes System, das auf einheitlichen Rechtsregelungen beruhte, noch um eine zentrale kirchliche, reichsweite Struktur. Selbst in der Periode stärkster königlicher Herrschaft über die Kirche unter den sächsischen (= ottonischen) und salischen Kaisern gab es keine Reichskirche im Sinne einer deutschen Nationalkirche. Otto I. hat nicht schlagartig eine feststehende Verfassungsstruktur geschaffen oder angelegt, es handelte sich vielmehr um eine differenzierte und allmähliche Entwicklung der Zustände in den einzelnen Bistümern und Stiften. Doch die spezifische Verbindung von Königsherrschaft und geistlichen Fürstentümern war ein Novum und blieb im Vergleich mit dem Rest Europas ein Unicum. 5.1.2 Hoftage. Die Integration von Kirche und Reich zeigte sich u.a. daran, dass die unregelmäßig stattfindenden Hoftage bzw. Reichsversammlungen (aus denen sich später die Reichstage entwickelten) unter starker Beteiligung der Bischöfe oft mit Synoden verbunden waren, die kirchliche Belange auf Reichsebene regelten. Es waren keine Nationalsynoden, wie sich schon daran zeigt, dass bei den Italienaufenthalten der Kaiser von Otto I. bis Heinrich III. auch dortige Bischöfe und Kardinäle hinzugezogen werden konnten oder die Versammlungen in Form römischer Synoden abgehalten wurden (vgl. § 9; 4.2; 4.2.3; 6.5.2; § 8; 6.3.5). Die Anbindung an die Gesamtkirche kam seit dem 11. Jh. durch die Teilnahme päpstlicher Legaten zum Ausdruck (s. § 8; 7.4).

5.1.3 Die Kirchenprovinzen in Deutschland. Die Dichte der Sprengelorganisation war in Deutschland viel geringer als etwa in Frankreich, hier wirkte insbesondere die Missionssituation des 8./9. Jh.s nach. Eine kirchenrechtliche Struktur entwickelte sich erst allmählich. Die sechs Kirchenprovinzen im Reich waren ungleich verteilt und umfassten um 1000 38 Bistümer. Das stärkste Gewicht lag bei den alten Erzbistümern Köln, Mainz und Trier (Mainz war infolge der Missionen des 8./9. Jh.s mit 14 Suffraganbistümern 5. Die Verbindung von Königsherrschaft und geistlichen Fürsten bei den ottonisch-salischen Kaisern

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Synoden

6 Erzbistümer

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694

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0

50

100

150 km

Toul

Basel

Trier Verdun Metz

Köln

Eichstätt

Chur

Konstanz

Augsburg

Speyer

Würzburg

Straßburg

Mainz Worms

Brixen

Chiemsee

(1215)

Freising

Passau

Prag

Gurk

Salzburg

Regensburg

Bamberg

(1225)

Lavant

Seckau

(ab 1344)

Leitomischl

(ab 1420 zu Magdeburg)

Lebus

Kammin

Ostsee

Merseburg Meißen Naumburg

Lübeck Hamburg Schwerin Ratzeburg Bremen Verden Havelberg Minden HildesBrandenburg Osnabrück heim Rhein Magdeburg Münster Paderborn Halberstadt

Schleswig

e

Besançon

Reims

Lüttich

Utrecht

Nordsee

Elb

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Olmütz

Breslau

Posen

Donau

Gnesen

Weic hse l

Erzbistum Köln Erzbistum Trier Erzbistum Hamburg–Bremen Erzbistum Magdeburg Erzbistum Salzburg

(ab 1344, vorher zu Mainz)

Erzbistum Mainz Erzbistum Prag

Kirchenprovinzen:

Abb. 24 Bistümer in Deutschland im 12. Jahrhundert

das größte), während die neuen Erzbistümer Salzburg, Bremen-Hamburg und Magdeburg durch weitere Missionen im Osten bzw. Norden an Gewicht zu gewinnen suchten. Die Gewichtsverteilung zeigte sich auch daran, dass nur die drei rheinischen Erzbischöfe von Köln, Mainz und Trier bei der Königswahl und -krönung mitwirkten (was nach 1257/1290 durch ihre Mitgliedschaft im Kurfürstenkollegium fortgesetzt wurde). Die Krönung vorzunehmen, wurde seit 1052 zum Vorrecht des Kölner Erzbischofs, während der Mainzer Erzbischof als Erzkanzler für Deutschland in Verbindung mit der Hofkapelle (s. § 9; 5.2.3) großen Einfluss auf die Reichsverwaltung erhielt und seit 975 mit päpstlicher Hilfe zum faktischen Primas der deutschen Kirche aufstieg. 5.1.4 Die Bischofswahl. Nicht einheitlich geregelt war die Wahl eines Bischofs. Nach altkirchlichem Muster waren daran Klerus und Volk der Diözese beteiligt, die Weihe wurde von benachbarten Bischöfen und unter Zustimmung des Metropoliten vollzogen. Seit Pippin und Karl d. Gr. beanspruchte der König das Vorschlags- oder gar das Besetzungsrecht. Dies faktisch durchzusetzen, gelang seit Otto III. – oft gegen Widerstände – allen folgenden Kaisern, wobei sie häufig Mitglieder ihrer Hofkapelle erwählten. An die Stelle des Ortsklerus trat seit dem Mittelalter das Domkapitel, das sich aus den Kanonikergemeinschaften entwickelte. In ihnen waren die Vertreter der in der jeweiligen Region wichtigen Hochadelsfamilien vertreten, die als Domherren für die Verwaltung der Diözesen wichtig waren. Ihr Einfluss wuchs seit dem 11. Jh. und war oft mit dem Anspruch verbunden, einen der Ihren zum Bischof zu machen. Das Eigentum der Bistümer war gegliedert in das Tafelgut des Bischofs, das Kapitelsgut und die Pfründen der Domherren. Spezifischen Einfluss sicherten sich die Herrscher seit den Ottonen dadurch, dass sie ihren Hofkapellanen Pfründen (sog. Kanonikate) in den Dom- bzw. Stiftskapiteln verschafften und sich diesen durch Gebetsverbrüderung persönlich verbanden. An einigen Stellen wurden die Könige sogar selbst Mitglieder des Dom- bzw. Stiftskapitels (so v.a. in Aachen und Köln, Entwicklung des sog. Königskanonikats seit dem 12. Jh.). 5.1.5 Reichsabteien. Als Reichsabteien haben ab dem 11. Jh. die wenigen seit dem 8./9. Jh. bestehenden Großklöster zu gelten, die unter besonderem Königsschutz standen und in unterschiedlicher Weise von der Diözesangewalt des zuständigen Bischofs ausgenommen waren (die ältere Unterscheidung zwischen Reichs- und Königsklöstern ist aufzugeben). Sie erhielten weitgehende, freilich stark voneinander abweichende Immunitäten, Regalien, Grundbesitz und Hoheitsrechte (z.B. die niedere Gerichtsbarkeit und – ausgeübt durch Klostervögte – die Blutgerichtsbarkeit). Zu ihrer Herrschaft gehörten z.T. zahlreiche Dörfer, Pfarrkirchen und Forsten. Durch den besonderen Königsschutz waren sie weitgehend selbständig und unterstanden nicht den Herrschaftsrechten anderer Herzöge oder Grafen (wie das für die 5. Die Verbindung von Königsherrschaft und geistlichen Fürsten bei den ottonisch-salischen Kaisern

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Erzkanzler

Bischofswahl Bischofsweihe

Domkapitel

Königsschutz

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Liste

landsässigen Klöster galt, zu denen insbesondere die Klöster der neu entstehenden Orden ab dem 11. Jh. zählen). Die ältesten Reichsklöster lagen im Südwesten und Süden, doch kamen wichtige Missionszentren in Mittel-, Ost- und Norddeutschland hinzu. Reichsklöster waren u.a. Echternach, Prüm, St. Maximin/Trier, Weißenburg/Elsass, Gengenbach, St. Gallen, Reichenau, Lorsch, Mursmünster, Murbach, Amorbach, Ellwangen, Fulda, Hersfeld, St. Emmeram/Regensburg, Ottobeuren, Tegernsee, Kempten, Corvey, Herford, Essen, Werden, Gandersheim, später Quedlinburg, Meschede, St. Mauritius/Magdeburg und Berge.

5.2 Wachsende wirtschaftliche und politische Bedeutung der geistlichen Fürsten Gerichtsbarkeit

Regalien

Königsdienst

Die alten Immunitätsprivilegien, die Bischöfe und Äbte von der weltlichen Gerichtsbarkeit ausnahmen, boten den Ansatz, den geistlichen Fürsten weltliche Hoheitsrechte zu übertragen, so insbesondere die eigene Gerichtsbarkeit in den ihnen übertragenen Lehen. Damit verbunden waren die Polizeigewalt und der bewaffnete Schutz des Territoriums, was einen eigenen Heerbann unter einem weltlichen Vogt bedeutete. Seit ca. 950, vermehrt seit 1050, wurden den Bistümern und Reichsklöstern Regalien übertragen, d.h. Rechte, die eigentlich dem König zustehen: Genehmigung von Marktrechten, Prägung von Münzen, Erhebung von Zöllen und Handelssteuern; später kamen auch Hoheitsrechte über Straßen, Flüsse und Forsten hinzu. Dadurch erhöhten sich die Einnahmen gewaltig, die bisher schon aus den Agrarerträgen des Kirchenguts und aus dem allgemeinen Kirchenzehnten flossen. Verstärkt wurde der Prozess durch die Übertragung von Ländereien, kleineren Lehen, aber auch ganzen Grafschaften. Dieser wachsende Reichtum versetzte die Reichsprälaten in die Lage, den Königsdienst (servitium regis) leisten zu können. Er bestand aus der Heerfolge (d.h. der Stellung von Truppenkontingenten) und der Beherbergung des Königs bzw. Kaisers. Letzteres wurde zu einem wichtigen politischen Faktor, weil der König keine zentrale Residenz besaß und so seine Macht nur dadurch stabilisieren konnte, dass er durch intensive Reisetätigkeit Präsenz demonstrierte und seinen Einfluss vor Ort geltend machte. Die Kosten für die (teilweise monate- oder jahrelange) Unterbringung des Königshofes incl. der entsprechenden Verwaltung waren gewaltig und konnten nur von den Bischofsresidenzen geleistet werden (später traten die reichen Städte hinzu). Dadurch gewannen die Bischofsresidenzen auch politische Bedeutung. Hinzu kam, dass für die Besetzung der Reichsprälaturen Angehörige der Hofkapelle bevorzugt wurden, die auch in den geistlichen Fürstentümern die Kontakte zum Königshof nicht abreißen ließen. 5.2.1 Brun von Köln. Entscheidende Anstöße für die Entwicklung der geistlichen Fürs­ tentümer gab Ottos I. politisch begabter Bruder Brun (925-965), seit 953 Erzbischof von Köln, Reichsverweser 961-965 während Ottos I. Italienaufenthalt. Durch verschiedene 696

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Maßnahmen erwarb er im Herzogtum Lothringen weltliche Hoheitsgebiete und Herrschaftsrechte, so dass er hier faktisch die Herzogsgewalt ausübte (auch als archidux/Erzherzog bezeichnet). Weltliche Herrschaften vergab er auch an die ihm gefügig gemachten Suffraganbistümer Metz und Lüttich. 5.2.2 Wachsende Territorien. Das Erzstift Köln bekam sukzessive als weltliches Territorium – z.T. aus Reichsgut – ein linksrheinisches Gebiet von erheblichem Umfang, dazu u.a. 1180 das Herzogtum Westfalen-Engern, im 13. Jh. das Vest Recklinghausen, im 14. Jh. die Grafschaft Arnsberg. Ähnlich – wenngleich nicht so mächtig – entwickelten sich die anderen Hochstifte, meist aber mit Streubesitz wie z.B. Mainz (mit Besitz im Rheingau um Bingen, am Main um Aschaffenburg, in Hessen, Thüringen u.a.). Nur wenige Bistümer kamen schon früh in den Besitz ganzer Grafschaften, so z.B. Lüttich, Paderborn, Magdeburg und Würzburg. Zwischen 983 und 1056 gingen ca. 40 Grafschaften in den Besitz von Bischöfen über, hier tat sich der Würzburger Bischof hervor, der auch das Herzogtum Franken verwaltete (seit 1168 regulär damit belehnt). Der ältere Zustand, dem zufolge Geistliche nicht direkt das weltliche Schwert führen durften und entsprechend dem Vogteizwang weltliche Vögte einsetzten (besonders aus dem Adel der Region bzw. dem Domkapitel), wurde ab dem 11. Jh. zunehmend dadurch abgelöst, dass die Vögte ausgeschaltet wurden und die Bischöfe die Gerichtsbarkeit unmittelbar an sich zogen.

Köln

Mainz

Würzburg

Vögte

5.2.3 Heeresfolge und Hofkapelle. An der Größe der Truppenkontingente, die die Bistümer stellten, lässt sich ersehen, welche Finanzkraft hier bereits früh akkumuliert wurde. Unter Otto II. stellten sie 982 gut 70 Prozent des Reichsheeres (z.B. stellten die Bischöfe von Mainz, Köln und Straßburg jeweils 100 gepanzerte Reiter, die Grafen 20-30). Zum organisatorischen Zentrum der Reichsverwaltung und zugleich entscheidenden Netzwerk entwickelte sich die Hofkapelle. Ihr gehörten zunächst die am umherreisenden Königshof tätigen Kleriker an, sodann auch Mitglieder der Domkapitel, die einen direkten Kontakt zum Königshof pflegten. Hieraus erstand dem König zugleich ein mit dem Hochadel verknüpftes Personalreservoir, das – an Kloster- und Domschulen entsprechend gut ausgebildet – bei der Besetzung der Reichsprälaturen bevorzugt wurde. 5.3 Literatur Lektüretipp: M. Borgolte: Die mittelalterliche Kirche, 4. A. 2002 [besonders 38-60.70-122]. Literatur: H. Mayr-Harting: Church and Cosmos in Early Ottonian Germany, 2007. – A. Graf F. von Finckenstein: Bischof und Reich, 1989. – L. Körntgen: Königsherrschaft und Gottes Gnade, 2001. – L. Zielinski: Der Reichsepiskopat in spätottonischer und salischer Zeit (1002-1125), Bd. 1, 1984. – L. Santifaller: Zur Geschichte des ottonisch-salischen Reichskirchensystems, 2. A. 1964. – R. Schieffer: Der geschichtliche Ort der ottonisch-salischen Reichskirchenpolitik, 1998. – T. Vogtherr: Die Reichsabteien der Benediktiner und das Königtum im hohen Mittelalter (900-1125), 2000.

 § 6; 9.

6. Konflikt der Universalgewalten und Streit um die Investitur Der 1076 ausbrechende Grundsatzstreit zwischen Kaiser und Papst war das Ergebnis zweier gegenläufiger Bemühungen: zum einen der Bemühungen der Päpste, ihre Macht zentralistisch auszubauen (vgl. § 8, 7.), zum anderen 6. Konflikt der Universalgewalten und Streit um die Investitur

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päpstlicher Zentralismus

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sakrale Königswürde

Kaiser – Herzöge

der Kampf der Kaiser um die Stärkung der Zentralmacht als König gegenüber erodierenden Tendenzen sich verselbständiger Herzöge und Fürsten. Der Kampf des Papsttums gegen die Simonie, zu der jetzt auch die seit langem übliche und in Deutschland verbreitete Investitur der Bischöfe durch den König gerechnet wurde, stieß auf ein Königtum, das genau dieses Recht benötigte, um die eigene Machtposition zu festigen. Der Konflikt stellte die Sakralität des Kaisers ebenso in Frage wie den Universalanspruch des Papstes. Mit Gregor VII. und Heinrich IV. standen sich zudem zwei unbeugsame, machtbewusste und energische Persönlichkeiten gegenüber, die auch vor extremen Maßnahmen nicht zurückschreckten. Beide scheiterten in gewisser Weise an den eigenen Ansprüchen. Der Kaiser übte 1077 in Canossa eine vielbeachtete Kirchenbuße, die seine Sakralität zu beeinträchtigen schien, letztlich wurde er von den Herzögen wie den eigenen Söhnen bekämpft und zur Abdankung gezwungen. Der Papst starb 1085 im Exil, in Rom verdrängt von einem kaisertreuen Gegenpapst. Der Kompromiss im sog. Wormser Konkordat regelte das umstrittene Problem der Investitur auf pragmatische Weise, war jedoch undeutlich formuliert, was in der Folgezeit zu Problemen führte. Vor allem aber brachte dies keine grundsätzliche Klärung des Verhältnisses zwischen weltlicher und geistlicher Macht, besonders zwischen Papst und Kaiser mit ihrem jeweiligen Universalanspruch. Der Kaiser hielt an dem Anspruch einer sakralen Königswürde ebenso fest wie der Papst an seinem Anspruch, alle geistliche Gewalt autoritativ auf sich zu vereinigen. Dies führte im 12. und 13. Jh. zu immer wieder neuen Konflikten zwischen Kaiser und Papst (s. § 9; 7.).

6.1 Gregors VII. Anspruch auf weltliche Herrschaft

geistliche – weltliche Gewalt

Translationstheorie

Hinter dem Bemühen Gregors VII., auch gegenüber weltlichen Herrschern Hoheitsansprüche zu erheben, insbesondere durch Treue- und Lehnseide, stand eine Neuakzentuierung der klassischen Zuordnung der zwei Gewalten. Die in der Lehre des Gelasius (vgl. § 8; 3.1) bereits angelegte und von Petrus Damiani aufgegriffene Höherwertigkeit der geistlichen Gewalt (als derjenigen, die für die höheren Güter, das heilige Leben, zuständig ist) wurde nun als politische Vormachtstellung interpretiert: Die Übergabe der zwei Schwerter an Petrus (in Anlehnung an Lk 22,38) bedeutet, dass der Papst als Oberhaupt der Christenheit das geistliche Schwert direkt führt und über das weltliche Schwert zwar grundsätzlich verfügt, es aber den Königen zur Gewaltausübung überlassen hat. Gregors Versuch, europäische Herrscher auf der Grundlage dieser Vorstellung in eine Art Lehensverhältnis zu bringen, blieb insgesamt erfolglos. 6.1.1 Lehnsverhältnisse zum Papst in Italien. Neben den Gebieten, die unmittelbar zur weltlichen Herrschaft der Päpste in Mittelitalien gehörten, konnten die Päpste im 11. Jh. zwei weitere, wichtige Lehnsverhältnisse etablieren. Zum einen schenkte Mathilde 698

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von Tuskien (1046-1115), eine enge Vertraute Gregors VII., als Erbin der toskanischen Markgrafschaft und Gemahlin von Herzog Gottfried von Lothringen, um 1079 wohl erhebliche Güter der römischen Kirche und erhielt sie als Lehen zurück. Seitdem spielten die sog. Mathildischen Güter im Konflikt zwischen Papst und Kaiser (der später Erbansprüche hierauf erheben sollte) eine beträchtliche Rolle (vgl. § 9; 7.2.2). Sodann konnten die Päpste die Normannen zu Treue- und Lehnseiden bewegen, doch waren diese unzuverlässige Partner und bedrohten je nach Situation auch die päpstlichen Gebiete in Süditalien. Im Rückenwind der Vertreibung der Byzantiner aus Süditalien konnten sie nicht nur hier ihren Einfluss erweitern, sondern auch in Korsika und Sardinien eine Art päpstlicher Lehnsherrschaft etablieren.

Mathildische Güter

6.1.2 Behauptete Lehnshoheit in Europa. Die Kämpfe der nordspanischen Königreiche Aragon und León unterstützten die Päpste, u.a. durch Kreuzzugsaufrufe gegen die Araber. Damit verbunden war der irreale Anspruch Gregors, dass die rückeroberten Gebiete päpstliche Lehen würden. Gregors Versuche, den Russenkönig und den Polenherzog in eine ideelle Abhängigkeit zu bringen, blieben vage und ergebnislos, die Behauptung der Lehnshoheit gegenüber den Ungarn blieb faktisch weitgehend folgenlos. Die Könige von Dalmatien-Kroatien und Serbien konnte er 1075 und 1077 durch Vasalleneide an sich binden (vgl. § 7; 8.3.1.-8.3.2), ohne hier jedoch stärkeren Einfluss entwickeln zu können. Sein Versuch, durch die Unterstützung des England erobernden Normannenkönigs Wilhelm des Eroberers England als päpstliches Lehen zu verstehen, schlug fehl, nicht einmal die kirchliche Oberhoheit der Päpste konnte hier durchgesetzt werden. So blieb Gregors Politik, den Anspruch auf die Verfügungsgewalt auch über das weltliche Schwert zu konkretisieren, insgesamt erfolglos, doch als Tendenz war sie ein Signal künftiger Universalansprüche (vgl. § 9; 7.2.3).

6.2 Das Investiturproblem Die Amtseinsetzung der Bischöfe erfolgte traditionellerweise aufgrund der Wahl durch Klerus bzw. Domkapitel und Volk sowie durch die Weihe durch den zuständigen Metropoliten und Bischöfe der Umgebung. Die Mitwirkung des Königs wurde dadurch sichergestellt, dass er denjenigen benannte, der gewählt werden sollte. Damit war die Zustimmung des Königs ebenso gesichert wie die Bereitschaft desselben, dem neu gewählten Bischof die weltlichen Lehen und die Regalien zu übertragen. Symbolisch wurde dies dadurch sichergestellt, dass nach dem Tod eines Bischofs der Bischofsstab (baculus) dem König übersandt wurde, der ihn – als Zeichen der übertragenen weltlichen Lehen – dem Neubenannten übergab bzw. übersandte. Dieser legte ihn dann für die Weihe auf dem Altar nieder, von wo er ihn aus den Händen des Metropoliten bzw. der weihenden Bischöfe erhielt – ein Symbol der Verbundenheit von geistlicher und weltlicher Macht. Im 11. Jh. kam (ab Heinrich III.) der Ring (anulus) hinzu, der nicht nur Zeichen königlicher Gunst war, sondern zugleich – analog zur symbolischen Bedeutung des Ringes in den Krönungsordines – Ausdruck des rechten Glaubens. Damit trug der König seiner sakralen Funktion besonders Rechnung und drückte aus, das Seine dazugetan zu haben, dass das vakante Bistum einen Beschützer und Vertreter des wahren Glaubens erhielt. Die so entstehende komplexe Symbolhand6. Konflikt der Universalgewalten und Streit um die Investitur

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Benennung durch den König

baculus

anulus

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Investitur

Laieninvestitur

auf König bezogen?

Bischofsstab

lung der investitura per baculum et anulum (Investitur mit Ring und Stab) integrierte die Elemente der klassischen kanonischen Wahl, stellte aber sicher, dass nur der Bischof wurde, der die Zustimmung des Königs bereits erhalten hatte. Aus der Benennung bzw. dem Vorschlagsrecht wurde die eigentliche Investitur durch den König, der die später tätigen Instanzen (Domkapitel und Metropolit; die Mitwirkung des Volkes war ohnehin größtenteils symbolisch) kaum widersprechen konnten. Die päpstliche Politik ab Leo IX. sah hierin eine unrechtmäßige Bevormundung der Wahl in ein geistliches Amt, da die eigentliche Festlegung, wer Bischof würde, nun in der Hand eines Laien lag (die sakrale Würde des Königs wurde also nicht berücksichtigt, sondern nur der kirchenrechtlich eindeutige Status des Königs als Laie zugrunde gelegt). Entsprechend wurde diese Form der Investitur jetzt als Simonie gegeißelt. Für den König wiederum war das Mitspracherecht bei den Bischofsernennungen eine wesentliche Stütze der eigenen Macht, zumal in einer Zeit, in der die Herzöge ihre eigene Macht gegen den König auszubauen versuchten. Zugleich trug sie der Selbstdeutung des Königs als sakralem, von Gott unmittelbar eingesetztem Herrscher Rechnung, dem auch die gute Regelung in Kirchen- und Glaubensfragen zukam. 6.2.1 Verbote der Laieninvestitur vor 1075. Kirchenrechtlich war die Investitur durch einen Laien immer verboten. Dies ging jedoch an der komplexen Rechtsstruktur, die aus der Übertragung von Elementen des von Grundherrschaften dominierten Kirchenwesens auf die Bistümer seit ottonischer Zeit resultierte, ebenso vorbei wie an dem »überlaikalen Status« des Königs als mit besonderer Sakralität ausgestatteter Größe. Die Verbindung von weltlicher und geistlicher Herrschaft setzte voraus, dass geistliche Mechanismen der kanonischen Bischofswahl und weltliche Mechanismen der Belehnung auf dieselbe Person zusammenwirkten. Dass dabei der König nach und nach faktisch die Oberhand gewann und als erster entschied (und so den weiteren Prozess festlegte), trug der besonderen (sakralen) Würde des Königs ebenso Rechnung wie seiner faktischen Macht. Humbert von Silva Candida sah in den Libri tres adversus Simoniacos (Drei Bücher gegen die Simonisten) genau in dieser Reihenfolge, durch die der König zur entscheidende Gewalt bei der Bischofsweihe wurde, das eigentliche Problem der Investitur mit Ring und Stab. Zudem kritisierte er die Doppelbedeutung des Bischofsstabes, der zuerst vom König, dann bei der Weihe vom Metropoliten übergeben wurde. Ersteres entwerte letzteres (vgl. § 8; 7.3). Heinrich IV. erhob allerdings nie den Anspruch, die kanonische Wahl der Bischöfe zu ersetzen (sie fand ja weiterhin statt), weswegen er sich von dem generellen Verbot der Laieninvestitur nicht direkt getroffen fühlen konnte. Das Verbot der Lateransynode von 1059, die verbot, kirchliche Würden aus Laienhand zu empfangen (Text/ Übers.: Laudage, Investiturstreit 40f.) wurde so nicht auf die königliche Bischofseinsetzung bezogen, sondern auf das Niederkirchenwesen (wo aber das Vorschlagsrecht des Grundherren ebenfalls unangetastet blieb). Beson700

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ders schwierig war die Rechtslage in Norditalien, das ja nicht zum regnum Teutonicum gehörte, wo Heinrich IV. aber trotzdem analoge Rechte bei der Mitwirkung der Bischofsernennungen beanspruchte. 6.2.2 Das Verbot der Laieninvestitur von 1075. Die Chronik des Arnulf von Mailand behauptet, das es bereits bei der Fastensynode im Frühjahr 1075 ein allgemeines Verbot der Laieninvestitur gegeben habe, das sich auch auf die Mitwirkung des Königs an den Bischofsernennungen bezieht. Diese Nachricht ist in der Forschung zum Teil befürwortet (Laudage), zum Teil abgelehnt worden. Für ein solches Verbot spricht jedoch, dass Gregor in Briefen der Jahre 1075 und 1077 auf ein solches Verbot rekurriert (nämlich im Hinblick auf die Investitur des Huzmann von Speyer und Heinrichs von Aquileia). Das Verbot hat kein weites Echo ausgelöst, da es sich auf den Bahnen bisheriger Rechtstexte bewegte. Nicht das Verbot an sich, sondern sein Bezug auf die Mitwirkung des Königs war in der Folgezeit neu. Eindeutiger war das Verbot einer römischen Synode vom 19.11.1078 formuliert, dass vorschrieb, dass kein Kleriker die Investitur in ein Bistum, in eine Abtei oder Kirche aus der Hand des Kaisers, des Königs oder irgendeiner Laienperson, Mann oder Frau, empfangen darf (Text/Übers.: AQDGMA 12a, 288-291). Zu dieser Zeit war der Konflikt zwischen Gregor VII. und Heinrich IV. schon eskaliert, so dass sich fragen lässt, welche Bedeutung die Investiturfrage für diesen Konflikt insgesamt hatte.

Norditalien

Mitwirkung des Königs Verbot 1078

6.3 Heinrichs IV. Behauptung der Königsmacht Der frühe Tod von Heinrich III. und die Regentschaftsregierung für den minderjährigen Heinrich IV. schwächte die königliche Zentralgewalt nachhaltig. Daraus erwuchs das Bemühen Heinrichs IV., die Macht im Reich, das seit 1032 aus den drei Königtümern Deutschland, Burgund und Italien bestand, zu stabilisieren. Die erste Phase bis 1075 war bestimmt durch Heinrichs rigide Versuche, die königlichen Güter, Rechte und Einflussmöglichkeiten wiederherzustellen, wogegen sich eine mächtige Opposition im Hochadel bildete. 1075 verschärfte der Versuch, in Mailands Kirche durch die Investitur eines neuen Erzbischofs eine Lösung herbeizuführen, die Situation, weil dadurch ein Konflikt mit dem Papst heraufbeschworen wurde, der bald eskalierte und auch die politischen Machtverhältnisse im Reich erfasste. Zunächst schien dabei Heinrich IV. erfolgreich zu sein, weil es ihm gelang, den deutschen Episkopat zur Aufkündigung des Gehorsams gegenüber Gregor VII. zu bewegen. Dem fügte er die Aufforderung an Gregor VII. hinzu, vom Papstthron herunterzusteigen.

Opposition im Hochadel

6.3.1 Die Regentschaftsregierung 1056-1066. Für den minderjährigen, bereits gekrönten König Heinrich IV. (geb. 1050) übernahm zunächst seine Mutter Agnes eine schwache Regentschaft. Schon der Herrschaftsantritt 6. Konflikt der Universalgewalten und Streit um die Investitur

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Herzöge

Anno von Köln

Aufstand in Sachsen

Pataria

Gottfried von Mailand

Eingreifen Heinrichs

Protestbrief Gregors

Versammlung in Worms

Heinrichs IV. war nur durch den Einsatz Papst Viktors II. (1055-1057), einem Angehörigen des Reichsepiskopats (er war vor seiner Wahl als Gebhard Bischof von Eichstätt), möglich geworden. Schon bald bauten die Herzöge ihre Macht aus, annektierten dabei auch Königsgüter und Reichsklöster sowie Regalien. Unter ihnen ragten die einflussreichen Erzbischöfe Anno von Köln (ca. 1010-1075) und Adalbert von Hamburg-Bremen (ca. 1000-1072) heraus. Ersterer entführte den minderjährigen König sogar nach Köln, worin sich die eigentlichen Machtverhältnisse zeigten. Nach dem Erreichen der Mündigkeit 1066 ging der junge und energische König an den Aufbau einer eigenen Machtposition, u.a. durch den Bau von Burgen im östlichen Sachsen und den Einsatz von Ministerialien aus dem Herzogtum Schwaben als loyalen Beamten. Dies führte zu Widerstand im Hochadel und 1073 schließlich zum offenen Aufstand gegen den König in Sachsen unter Führung einiger Bischöfe und Hochadliger, den Heinrich erst 1075 niederwerfen konnte. 6.3.2 Konfliktherd Mailand. In Mailand hatte sich bereits ab 1060 der Widerstand gegen den Hochadel bemerkbar gemacht. Die Pataria unter ihrem Führer Erlembald suchte gezielt den Kontakt zum Papsttum. Erzbischof Wibo von Mailand resignierte 1068 und überließ das Erzbistum dem Subdiakon Gottfried, der wenig später von Heinrich IV. als Erzbischof investiert wurde. Hiergegen setzte die Pataria mit Unterstützung des Papstes Alexander II. 1072 den seinen Ideen zugeneigten Kleriker Atto ein und bannte königliche Räte und lombardische Bischöfe, die mit Gottfried verbündet waren. Angesichts der Unruhen in der Stadt griff Heinrich nach seinem militärischen Sieg in Sachsen hier ein und ersetzte den unhaltbaren Gottfried durch den Mailänder Tedald, einem Mitglied der königlichen Hofkapelle. Außerdem setzte er in Fermo und Spoleto Bischöfe seiner Wahl ein. Dagegen protestierte Gregor VII. in einem langen Schreiben vom 8.12.1075, kritisierte das Vorgehen Heinrichs IV. als voreilig und eigenmächtig und verlangte für den fortgesetzten Umgang mit den gebannten königlichen Räten Buße. Nicht die Investitur an sich wurde hier bestritten, sondern die Tatsache, dass Heinrich gehandelt hatte, ohne sich mit dem Papst abzustimmen, sowie die nach dem Kirchenrecht eindeutige Verfehlung, mit Exkommunizierten weiterhin in Kontakt zu stehen. 6.3.3 Die Absetzung des Papstes. Auf den Brief Gregors hätte Heinrich IV. einlenkend antworten können, zumal Gregor VII. die Möglichkeit von Kompromisslösungen angedeutet hatte. Heinrich IV. sah sich jedoch in seiner sakralen Würde als Gesalbter des Herrn angetastet und beharrte darauf, dass die Exkommunikationen seiner Räte unrechtmäßig, die Investituren in Mailand, Fermo und Spoleto dem Herkommen gemäß und rechtmäßig erfolgt seien. Seine Abwehr fiel entsprechend heftig aus. Er versammelte in Worms eine Versammlung (wohl der Bischöfe), die am 24.1.1076 beschlossen, Gregor VII. den Gehorsam aufzukündigen, weil er a) unkanonisch (eben ohne 702

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Berücksichtigung des Papstwahldekrets) gewählt worden sei, b) die bischöflichen Vollmachten an sich gerissen habe (vgl. § 8; 7.5.1; 7.5.3) und c) selbst einen unwürdigen Lebenswandel aufweise (Unterstellt wurde unzüchtiger Umgang mit Mathilde von Tuskien). Heinrich IV. fügte dem einen offenen Brief hinzu, der in zwei Fassungen überliefert ist und Gregor VII. zum Verzicht auf den Papstthron auffordert. Die heftigere Fassung dieses Schreibens trägt die berühmte Überschrift: An Hildebrand, nicht mehr den Papst, sondern den falschen Mönch, und enthält die pathetische Aufforderung: Wir, Heinrich, König von Gottes Gnaden, mit allen unseren Bischöfen sagen dir: Steige herab, steige herab. Die Authentizität dieser zweiten, schroffen Fassung ist unklar, eher zweifelhaft, sie dürfte eher in die nun entbrennende gegenseitige Propaganda gehören. Heinrich begründete seine Aufforderung damit, dass der Papst die königliche Würde verletzt und sich gegen seine Königsherrschaft aufgelehnt und den Bischöfen ihre Vollmachten entrissen habe. Deutlich wird, dass Heinrich auf die Entscheidung der Bischöfe verwies, also nicht nur aus eigener Machtvollkommenheit handelte, sondern auch als Wahrer geistlicher Interessen, die er als weltlicher Herrscher durchzusetzen hatte.

2 Fassungen

6.4 Exkommunikation Heinrichs IV. und der Bußgang nach Canossa Heinrichs Attacke nahm Gregor zum Anlass für eine bis dahin unvorstellbare Handlung: Auf der traditionellen päpstlichen Fastensynode in Rom 1076 erklärte er Heinrichs Absetzung als König, löste alle Untertanen von ihrem Gehorsamseid und verhängte über ihn den kirchlichen Bann, der nur aufgrund von Buße aufgehoben werden konnte. Dieser Schlag wirkte nur allmählich und auch nur deshalb, weil er der deutschen Adelsopposition des Königs ins Konzept passte. So gelang es Gregor, während des Jahres 1076 zunehmend deutsche Bischöfe auf seine Seite zu ziehen. Dies führte dazu, dass im Oktober 1076 auf einer Fürstenversammlung in Tribur eine Mehrheit für Heinrichs Absetzung votierte. Die Verhandlungen mit dem König und den päpstlichen Legaten ergaben, dass Heinrich sich grundsätzlich dem päpstlichen Schiedsspruch unterwerfen sollte. Etliche Fürsten und Bischöfe planten für Februar 1077 eine Versammlung in Anwesenheit Gregors als Richter, die Heinrich absetzen sollte, wenn er sich bis dahin nicht vom Bann gelöst hatte (was man für unmöglich hielt). Zugleich sperrten die deutschen Herzöge die Alpenpässe, um zu verhindern, dass Heinrich nach Italien ziehen könnte. Doch der kluge Taktiker Heinrich zog mitten im Winter über einen strapaziösen Umweg durch Burgund nach Norditalien und begegnete Gregor in der Burg Canossa als Büßer (25.-28.1.1077). Hier leistete er ostentativ Buße und konnte zugleich in Verhandlungen erreichen, dass der Bann über ihn aufgehoben wurde. Die Deutung dieses Ereignisses bewegte die Gemüter der Zeitgenossen, die – zumindest aus päpstlicher Perspektive – hierin eine Unterwerfung des Königs unter den Papst sahen, ebenso wie die 6. Konflikt der Universalgewalten und Streit um die Investitur

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Fastensynode in Rom 1076

Fürsten­ versammlung in Tribur

Burg Canossa

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moderne wissenschaftliche Forschung. Umstritten ist insbesondere, welchen Stellenwert die Verhandlungen in Canossa genau gehabt haben, welchen Vorlauf es hierfür eventuell gab und inwiefern die symbolische Kommunikation der Buße diese Verhandlungen wirklich beeinflusst hat. Zugleich ist deutlich, dass es Heinrich mit dem Gang nach Canossa und den dortigen Verhandlungen gelungen war, eine wirksame Verbindung von Gregor VII. mit der deutschen Adelsopposition zu unterlaufen. Zu dem Gericht über den König unter Vorsitz Gregors in Deutschland sollte es nicht mehr kommen.

Rechtsgrund

Lösung des Treueeides

Einseitigkeit der Quellen

Verhandlungen

6.4.1 Exkommunikation und Absetzung. Im unveröffentlichten Dictatus Papae (s. § 8; 7.5.2) war die Möglichkeit, dass der Papst weltliche Herrscher absetzt, vorgesehen, doch war dies ohne Vorbilder und als solches nicht denkbar. Es tastete die sakrale Würde des Königs in höchstem Maße an. Die römische Synode vom 14./15.2.1076 hatte mit Absetzung und Exkommunikation zunächst den Mainzer Erzbischof Siegfried verurteilt, sodann einige weitere lombardische und burgundische Bischöfe (Text/Übers.: AQDGMA 12a, 206-209). Daran knüpfte die Verurteilung Heinrichs an, die die Exkommunikation mit der Rechtsform begründete, dass Heinrich durch den fortgesetzten Umgang mit Exkommunizierten ipso facto aus der Gemeinschaft der Gläubigen herausgefallen sei und hierbei zugleich der Kirche gegenüber ungehorsam gewesen sei. Mit der Absetzung war die Lösung des Treueeides verbunden, die politische weitreichende Folgen hatte, weil sich die politischen Gegner Heinrichs nun frei gegen ihn wenden konnten. Das Problem der Laieninvestitur spielte hier nur indirekt eine Rolle (in der breiteren Formulierung des Ungehorsams gegenüber Gregor, der einige der vorgenommenen Investituren als ungültig erklärt hatte), denn damit hätte sich Gregor auf ein wesentlich schwierigeres und weniger eindeutiges Rechtsgebiet begeben. 6.4.2 Deutungen von Canossa. In der protestantischen Nationalgeschichtsschreibung des 19. Jh.s ist der »Gang nach Canossa« als unerhörte Demütigung des Königs durch die Papstkirche dargestellt worden. Demgegenüber ist immer wieder betont worden, dass Heinrich durch den Gang von Canossa das Heft des Handelns wieder in der Hand genommen hat und Gregors Pläne durchkreuzt hat. In der neueren Forschung sind vor allem vier Fragen diskutiert worden: a) Inwiefern ist die heutige Sicht auf Canossa von einer verdächtigen Schieflage der Quellen geprägt, die das Geschehen größtenteils aus päpstlicher Sicht wiedergeben? Ist hier Canossa rasch zum Erinnerungsort aufgewertet worden, der für das Verhältnis von Papst und Kaiser insgesamt aufschlussreich sein sollte? b) Kündigt sich in Canossa eine grundlegende Wende im Verhältnis zwischen Papst und Kaiser an, die einer allgemeineren Ausdifferenzierung der Gewalten, latent also einer deutlicheren Unterscheidung von weltlicher und geistlicher Gewalt vorarbeitete? c) Gab es wohlmöglich schon im Sommer/Herbst 1076 Verhandlungen 704

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Heinrichs (die etwa über Mathilde von Tuskien oder die Kaisermutter Agnes laufen konnten)? Das würde bedeuten, dass der Bußgang von Canossa nur ein relativ unwichtiger Bestandteil in einem wesentlich größeren Aushandlungsprozess war, der in Canossa nur seinen Abschluss fand (Die Buße selbst wäre dann eher symbolisch vollzogen worden). d) Wie ist es zu erklären, dass Heinrich zwar in Canossa schwören musste, sich dem Papst als Schiedsrichter zu unterstellen, dieser aber den Plan, nach Deutschland zu reisen, aufgegeben hat? Hat Gregor die Absetzung nur als Druckmittel benutzt, um seine kirchenpolitischen Ziele zu erreichen, so dass er – nach Erreichen dieser Ziele – in Canossa kein Interesse an einer Instrumentalisierung durch die deutsche Adelsopposition mehr hatte? In der Diskussion dieser Fragen hat sich als Konsens herausgebildet, dass die Bedeutung von Canossa für den Gesamtverlauf des Konflikts zwischen Heinrich und Gregor nur eine Etappe war, es sich also keineswegs um das herausragende, weichenstellende Ereignis gehandelt hat. Auch die unterschiedlichen Zielsetzungen von Adelsopposition (Absetzung) und Papst (Einbindung in die neue Ordnung der Christenheit) sind hervorzuheben. Zudem ist deutlich geworden, dass in Canossa die Bußhandlung eingebettet werden muss in die gleichzeitig laufenden Verhandlungen (auch wenn die entsprechenden Verhandlungsergebnisse nur rudimentär – etwa in dem Eid Heinrichs – greifbar sind). Zugleich lässt sich aber wohl auch festhalten, dass Heinrich durch seinen Bußakt diese Verhandlungen wesentlich beeinflusst hat. Die Bedeutung symbolischer Kommunikation für die Aushandlungsprozesse der damaligen Zeit sind mit Recht in der Forschung betont worden.

keine Papstreise ins Reich

Canossa als Etappe

symbolische Kommunikation

6.5 Die Spaltung von Reich und Kirche Mit dem Verhandlungsergebnis von Canossa hatte Heinrich zwar erreicht, dass Papst und Adelsopposition sich nicht verbündeten, die Konflikte mit beiden gingen jedoch weiter. Die deutsche Adelsopposition erhob – auch ohne Verhandlungen unter Vorsitz des Papstes – den Schwabenherzog Rudolf von Rheinfelden zum Gegenkönig (erstmals in der deutschen Geschichte). In den militärischen Auseinandersetzungen, die dem folgten, konnte sich Heinrich aber behaupten. Die in Canossa nicht geregelte Investitur von Bischöfen vollzog Heinrich weiterhin, was zu neuen Konflikten mit dem Papst führte. Dieser erließ 1078 ein explizites Verbot der Laieninvestitur und bannte 1080 Heinrich IV. erneut, verbunden mit der Anerkennung des Gegenkönigs Rudolf. Dem begegnete der König mit der Ernennung eines Gegenpapstes, Clemens III. (1080-1100). Die militärischen Erfolge gegen die deutsche Adelsopposition ermöglichten einen Italienfeldzug ab 1081, der 1084 in der Eroberung Roms gipfelte. Clemens III. krönte Heinrich IV. hier nun zum Kaiser, Gregor VII. floh zu den Normannen nach Süditalien und starb hier 1085. Die Spaltung von Kaiser- und Papsttum setzte sich jedoch fort und spiegelte sich in etlichen Lokalschismata im geistlichen wie im 6. Konflikt der Universalgewalten und Streit um die Investitur

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Gegenkönig

Gegenpapst Italienfeldzug

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weltlichen Bereich wieder. Eine heftige Propaganda verschärfte die Konflikte nachhaltig.

Konrad

Synode in Brixen

Urban II.

regnum Teutonicum

6.5.1 Die Königswahl Rudolfs. Mit Rudolf von Rheinfelden, einem Schwager Heinrichs IV., ernannte die Adelsopposition einen der ihren zum neuen König und bekräftigte so die grundsätzliche Bedeutung des Wahlrechts der Fürsten. Rudolf versprach den päpstlichen Legaten die freie kanonische Bischofswahl und Ausschluss aller »Simonie«. Nach Rudolfs Tod wurde mit Hermann von Salm ein weiterer Gegenkönig gewählt, der jedoch politisch bedeutungslos blieb. Der Papst verhielt sich gegenüber Rudolf längere Zeit zurückhaltend, erst die neuen Konflikte mit Heinrich ließen ihn Partei ergreifen, was politisch für das Papsttum verheerende Folgen hatte. In der militärischen und politischen Auseinandersetzung gegen die Adelsopposition stützte sich Heinrich u.a. auf den niederen Adel, die Städte und die neue Reichsministerialität, also auf Kräfte, die fortan an Gewicht in der Gesellschaft gewannen. In seinem eigenen Sohn Konrad, der 1087 bereits zum König gewählt worden war, erwuchs ihm ab 1093 ein Gegner, der in Italien zur Gegenpartei überlief. Daraufhin ließ ihn Heinrich IV. für abgesetzt erklären und übertrug die Königswürde auf den jüngeren Bruder Heinrich (Heinrich V. 1106-1125). 6.5.2 Die Papstwahl von Clemens III. Nach dem expliziten Verbot der Investitur geistlicher Ämter durch Kaiser und König 1078 ging Gregor ab 1080 kirchenrechtlich gegen Heinrich vor. Dies löste erneut Konflikte innerhalb der Kirche aus. Die gegen Gregors Politik eingestellten Bischöfe Deutschlands und Norditaliens (zum größeren Teil von Heinrich investiert) verurteilten Gregor auf einer Synode in Brixen (25.6.1080) und wählten den von diesem gebannten, vom König nominierten Erzbischof Wibert von Ravenna zum Papst, der mit der Namensgebung als Clemens III. an das königlichen Eingreifen in Sutri 1046 anknüpfte (s. § 8; 6.3.5). Er fand, auch dank der Unterstützung Heinrichs, zunehmende Akzeptanz. Erst 1085 ging Heinrich daran, Parteigänger Gregors abzusetzen und durch neue Bischöfe zu ersetzen. Nach dem Tod Gregors gelang es seinen Unterstützern erst 1086, wieder einen neuen, »gregorianisch« gesinnten Papst zu wählen (1086-1087), nach dessen baldigem Tod dauerte es wieder einige Zeit, bis Urban II. (1088-1099) etabliert werden konnte. Urban II. konnte sich ab 1093 wieder in Rom etablieren (und von hier aus auch in Frankreich eingreifen, wo er 1095 zum Kreuzzug aufrief; vgl. § 9; 8.2.1). 6.5.3 Spaltung und Propaganda. Der Konflikt wurde durch ein Anschwellen der Streitschriftenliteratur begleitet, vor allem nach 1080 (s. eine Auswahl der Texte in AQDGMA 12b, 46-595). Hier ragte auf der Seite Heinrichs Petrus Crassus hervor, der die Superiorität der Königswürde mit Hilfe des alten römischen Kaiserrechts erwies. Umgekehrt waren die aus der Sicht Gregors geschriebenen Annalen des Lampert von Hersfeld besonders wirkmächtig (Text/Übers.: AQDGMA 13). In diesem Zusammenhang wurde auch der Begriff regnum Teutonicum (deutsches Reich) in der päpstlichen Propaganda benutzt, der das deutsche neben andere Reiche stellen und so den Universalanspruch des (ab 1084 zum Kaiser gekrönten) Königs Heinrich abweisen sollte. Die offizielle Nomenklatur hatte schon unter Heinrich III. die Einheit der deutschen, italischen und burgundischen Königswürde als Imperium Romanum (Römisches Reich) bezeichnet (und entsprechend den König als rex Romanorum/König der Römer, so definitiv seit Heinrich V. 1110).

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6.6 Klärungsversuche in der Investiturfrage und Wormser Konkordat Erst unter dem letzten Salierkönig, Heinrich V., wurde die Investiturfrage zum eigentlichen Gegenstand der Auseinandersetzungen zwischen Papst und Kaiser. Heinrich V. hielt an den alten Investiturrechten fest, da in Deutschland die Bischöfe und Reichsäbte als königliche Lehnsträger über die Regalien, riesige Ländereien und wesentliche Herrschaftsrechte, verfügten, deren Kontrolle Heinrich nicht aus der Hand geben wollte. Nach den Klärungsversuchen von Papst Paschalis II., die am Episkopat scheiterten, war es Calixt II., der hier in Verhandlungen einen Kompromiss erreichen konnte. Das sog. Wormser Konkordat besteht aus zwei sich ergänzenden Verpflichtungen von Kaiser und Papst. Der Kaiser versprach den Verzicht auf die Investitur mit Ring und Stab, der Papst räumte dem Kaiser die Anwesenheit und damit die Beeinflussung der Wahlen der Bischöfe und Äbte in Deutschland ein (nicht aber in Italien und Burgund). Langfristig wirkte dies dahingehend, dass die deutschen Bischöfe und Reichsäbte zu in das Lehnssystem integrierten Landesherren wurden – mit zunehmender Selbständigkeit gegenüber dem König/Kaiser und wachsender Abhängigkeit vom Papst. Dies erklärt, wieso die geistlichen Fürsten im hohen und späten Mittelalter im Vergleich mit der Zeit der Ottonen und Salier zunehmend weniger »Stützen der Königsherrschaft« gewesen sind. 6.6.1 Der Streit um die Investitur nach 1100. Nach dem Putsch gegen seinen Vater konnte Heinrich V. im Einvernehmen mit den Reichsfürsten die Königsherrschaft stabilisieren. Obwohl Papst Paschalis II. 1106 das Investiturverbot bekräftigte und es 1107 und 1110 verschärft wiederholte, setzte Heinrich zahlreiche königstreue Bischöfe ein. Die Investitur mit Stab und Ring galt ihm als weltlicher Belehnungsakt, weshalb der Gehorsamseid gegenüber dem König besonders wichtig war. Dies diente der zusätzlichen Stabilisierung der Königsherrschaft. Im sog. englischen Investiturstreit hatte sich Anselm von Canterbury (s. § 10; 2.1.1) seit 1095 für die freie Bischofswahl eingesetzt, 1107 erreichte der englische König Heinrich I., dass die freie Bischofswahl vereinbart wurde, die weltliche Lehnsherrschaft der Bischöfe jedoch erhalten blieb und der König auf diesem Wege die Bischofswahl beeinflussen konnte. In Frankreich war die Investitur mit Ring und Stab wesentlich bedeutungsloser für den König, da entsprechende Lehnsverhältnisse weitgehend fehlten. Philipp I. verzichtete daher 1107 auf dieses Recht. 6.6.2 Der Klärungsversuch von Paschalis II. In Verhandlungen über die Kaiserkrönung und die Laieninvestitur zwischen Papst und Kaiser arbeiteten päpstliche Unterhändler den Vorschlag aus, als Gegenleistung für den Verzicht auf die Laieninvestitur alle Regalien dem König zurückzuerstatten. Das war an sich konsequent gedacht, weil es auf eine Trennung zwischen bischöflicher Gewalt und Regalien zielte, entsprach jedoch nicht den Interessen der 6. Konflikt der Universalgewalten und Streit um die Investitur

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geistliche Fürsten

Einsetzung von Bischöfen

englischer Investiturstreit

Regalien

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Pravilegium

Exkommunikation Heinrichs V.

Gegenpapst

Kirchenrecht

Heinricianum und Calixtinum

Anwesenheit des Königs Szepter

Bischöfe. Als dieser Vertrag vor der angesetzten Kaiserkrönung 1111 in Rom verlesen wurde, revoltierten die anwesenden Bischöfe, so dass die Kaiserkrönung verschoben werden musste. Heinrich V. entführte daraufhin Paschalis II. und erpresste ein Privileg, später von der päpstlichen Propaganda als Pravilegium (von pravus, minderwertig, schlecht) bezeichnet, in dem er sich die Laieninvestitur ausdrücklich bestätigen ließ. Paschalis II. wurde anschließend von Anhängern der gregorianischen Politik gezwungen, diesen Text zu widerrufen. Eine Synode in Vienne 1112 unter Leitung des dortigen Erzbischofs Guido (des späteren Calixt II.) exkommunizierte Heinrich V. daraufhin, ein päpstlicher Legat wiederholte dies 1115 in Deutschland, um damit neue Aufstände gegen den Kaiser zu unterstützen. Dieser konnte seine Machtposition jedoch weiter ausbauen, in Italien durch die 1111 durch Erbfall ihm zugefallenen Mathildischen Güter (auf die jedoch auch der Papst Ansprüche erhob). Der Konflikt mit dem Papsttum eskalierte erneut in der Ernennung eines Gegenpapstes, Gregor VIII. (1118-1121), der jedoch nicht viel ausrichten konnte. 6.6.3 Das Wormser Konkordat 1122. Die Differenzierung der französischen Kanonisten (u.a. Ivo von Chartres; s. § 10; 3.2.1) zwischen spiritualia (geistlichen Gaben) und temporalia (zeitlichen, d.h. weltlichen Gaben) griff Calixt II. (1119-1124) auf. Eine Vertragslösung scheiterte zunächst daran, dass Calixt forderte, der Kaiser müsse auch auf die Temporalieninvestitur, also die Belehnung mit Regalien, verzichten. 1121 ergriffen die deutschen Fürsten auf einem Reichstag in Würzburg die Initiative, die am 23.9.1122 in den Wormser Verhandlungen mit dem päpstlichen Legaten zum Abschluss beidseitiger Erklärungen führte. Das Wormser Konkordat (so die Bezeichnung ab W. Leibniz 1693) besteht also aus zwei Texten, dem Heinricianum (der Verpflichtungserklärung Heinrichs V.) und dem Calixtinum (der entsprechenden Verpflichtungserklärung des Papstes). Heinrich V. erklärte den Verzicht auf die Investitur mit Ring und Stab und versprach, überall die kanonische und freie Wahl der Bischöfe und Äbte sicherzustellen. Calixt konzedierte Heinrich, dass in Deutschland die Wahlen der Bischöfe und Äbte in praesentia tua (also in deiner, scil. des Kaisers Gegenwart) stattfinden und der Gewählte vor der Weihe die Belehnung mit den Regalien per sceptrum (durch ein Szepter) empfing. In Burgund und Italien sollte die Belehnung erst nach der Weihe innerhalb von sechs Monaten stattfinden. Mit dem Szepter war ein neues Symbol geschaffen, das die bisherige Doppelfunktion des Hirtenstabes bei der Investitur und Weihe beendete und deutlich weltliches Lehnsverhältnis und geistliche Gewalt unterschied. An dem Text fällt auf, dass das kaiserliche Privileg die Institution Kirche insgesamt adressiert, das päpstliche Privileg jedoch die Person des Herrschers persönlich anspricht. Das darf jedoch nicht überbewertet werden, weil es der Verfassungsstruktur entsprach. Der Kirche stand nicht »der Staat« o.ä. gegenüber, sondern der Kaiser. Das Wormser Konkordat regelte nicht genau, 708

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wie weit die Einflussmöglichkeiten des Kaisers bei den Bischofs- und Abtwahlen gingen. Es sah zwar vor, dass der König bei Auseinandersetzungen bzw. Streit um mehrere Personen eingreifen könne, doch war ein informeller Einfluss des Kaisers und damit eine erhebliche Beeinflussung der Wahlen nicht ausgeschlossen, sondern billigend in Kauf genommen worden. Dies führte in der Folgezeit zu neuen Konflikten und Auseinandersetzungen, weswegen das Wormser Konkordat nicht einfach als »Lösung« der Investiturfrage angesehen werden kann.

König als Schiedsrichter

6.7 Literatur Lektüretipp: J. Laudage: Einleitung, in: Ders./M. Schrör (Hg.): Der Investiturstreit. Quellen und Materialien (Lateinisch – Deutsch), 2. A. 2006, 17-31. Quellen: F.J. Schmale/R. Buchner (Hg.): Quellen zum Investiturstreit. 1. Teil: Ausgewählte Briefe Papst Gregors VII., AQDGMA 12a, 1978, ND 2012 [zweisprachig]. – I. SchmaleOtt (Hg.): Quellen zum Investiturstreit. 2. Teil: Schriften über den Streit zwischen Regnum und Sacerdotium, AQDGMA 12b, 1984; ND 2012 [zweisprachig]. Literatur: C. Stiegemann (Hg.): Canossa 1077. Erschütterung der Welt, 3 Bde., 2006. – J. Jarnut/M. Wemhoff (Hg.): Vom Umbruch zur Erneuerung?, 2006. – W. Goez: Kirchenreform und Investiturstreit 910-1122, 2. A. 2008. – U.R. Blumenthal: Der Investiturstreit, 1982. – S. Weinfurter: Canossa. Die Entzauberung der Welt, 3. A. 2007. – R. Schieffer: Papst Gregor VII. Kirchenreform und Investiturstreit, 2010. – Ders.: Die Entstehung des päpstlichen Investiturverbots für den deutschen König, 1981. – G. Althoff: Heinrich IV., 3. A. 2013. – J. Fried: Der Pakt von Canossa. Schritte zur Wirklichkeit durch Erinnerungsanalyse, in: W. Hartmann/K. Herbers (Hg.): Die Faszination der Papstgeschichte, 2008, 133-197. – J. Fried: Canossa. Entlarvung einer Legende. Eine Streitschrift, 2012. – W. Hasberg/H.-J. Scheidgen (Hg.): Canossa. Aspekte einer Wende, 2012. – E. Boshof: Königtum und Königsherrschaft im 10. und 11. Jahrhundert, 3. A. 2010. – B. Schilling: Guido von Vienne – Papst Calixt II., 1998. – W. Hartmann: Der Investiturstreit, 3. A. 2007. – M. Suchan: Königsherrschaft im Streit. Konfliktaustragung in der Regierungszeit Heinrichs IV. zwischen Gewalt, Gespräch und Schriftlichkeit, 1997. – G. Gresser: Die Synoden und Konzilien in der Zeit des Reformpapsttums in Deutschland und Italien von Leo IX. bis Calixt II. (1049-1123), 2006.

 § 6; 10.

7. Die Stauferkaiser und der Konflikt um die Universalherrschaft Nach dem Wormser Konkordat entwickelte sich der Gegensatz zwischen Kaiser und Papst als Konflikt zweier unterschiedlich konzipierter Universalansprüche weiter. Die Päpste konnten durch Ausbau des innerkirchlichen Zentralismus europaweit an Einfluss gewinnen, so v.a. auch in England, Frankreich und Spanien. Die Stauferkaiser, allen voran Friedrich I. Barbarossa, zielten auf die Festigung der Reichsgewalt in Deutschland und Norditalien. Beide Universalansprüche entsprachen jedoch nur sehr bedingt der Realität: Die Kaiserwürde wurde von den Herrschern der anderen Reiche in Europa keineswegs als maßgeblich anerkannt, das Papsttum stieß bei der Bewahrung regionaler und politischer Interessen schnell an seine Grenzen. 7. Die Stauferkaiser und der Konflikt um die Universalherrschaft

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Abb. 25 Das Reich und seine Nachbarn um 1200

KG R . S C H OT T L A N D

Nordsee G ft . G ft . Yo r k L a n c a s t e r York Fsm. Wa l e s

Dithmarschen G ft .

KG R . E N G L A N D London

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Hzm. Steiermark Hzm. Kä r nt e n Dra u

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Mailand

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KGR. ITALI EN Genua

Pisa

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Neapel

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Hzm. Spoleto

Korsika

Ofen

KG R . UNGARN

Venedig Ferrara

Pat r i m o n i u m Pe t r i

zu Aragon 1232/48

zum Kgr. Kastilien ab 1239/46

Mainz

Basel Konstanz

G ft . S avo ye n

G ft . To u l o u s e

We

Mark Lausitz

zm. Regensburg BHaye M ä h re n rn Hzm. Straßburg Don Ö s t e r re i c h au Hzm. Wien S c h wa b e n

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G ft . Northhumbrien

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KG R . SERBIEN

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Sardinien

(Haus Aragon ab 1266)

Balearen

Mittelmeer

Palermo

KG R . S I Z I L I E N (Haus Aragon ab 1262)

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400

600 km

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Konkreter Konfliktherd zwischen Papst und Kaiser wurde die Italienpolitik, wo mit den norditalienischen Städten mächtige Metropolen entstanden. Der fast zwei Jahrhunderte andauernde Kampf der Universalgewalten erbrachte das Ende der Kaiserherrschaft, wie sie von Otto I. bis Friedrich II. praktiziert bzw. erstrebt worden war.

Italienpolitik

7.1 Neubegründung des Kaisertums bei Friedrich I. Barbarossa Der Staufer Friedrich I. strebte in seiner langen Regierungszeit energisch die Stärkung der königlichen Zentralgewalt an. Die unzureichende Machtposition in Deutschland (aufgrund der geringen Hausmacht als Schwabenherzog) suchte er auszugleichen, indem er auf die Königsgüter zurückgriff und die Macht der Reichsfürsten begrenzte (so v.a. im Kampf gegen den Sachsenherzog Heinrich den Löwen). Die Abhängigkeit vom Papst bei der Begründung des Kaisertums suchte er durch die Beeinflussung der Papstwahl und in dem darauffolgenden Papstschisma zu relativieren, konnte hier jedoch seine Ziele nicht erreichen. Mit dem 1188 organisierten Kreuzzug als gemeinsamer Aktion der westeuropäischen Christenheit unter seiner – nicht der päpstlichen – Führung (s. § 9; 8.4) demonstrierte Friedrich die kaiserliche Autorität noch einmal eindrucksvoll. 7.1.1 Der Reichstag in Besançon 1157. Die Eindämmung papalistischer Hoheitsansprüche gehörte von Anfang an zum Regierungsprogramm Friedrichs I. (den die Italiener Barbarossa/Rotbart nannten). Das zeigte sich schon 1155, als er für die Kaiserkrönung nach Rom zog und dort Hadrian IV. den traditionellen Stratordienst (Führen des Pferdes) verweigern wollte, um nicht als päpstlicher Vasall zu erscheinen. Auf dem Reichstag von Besançon 1157 kam es zum Zusammenstoß zwischen dem Kardinallegaten Roland Bandinelli und dem einflussreichen, kaiserlichen Kanzler Rainald von Dassel (ca. 112011267, seit 1159 Erzbischof von Köln). Den im Schreiben Hadrians benutzten Begriff beneficium (wörtlich: Wohltat, aber auch terminus technicus für Lehen) deutete Rainald als Lehen, weswegen Friedrich dem Kardinallegaten gegenüber auf der Unabhängigkeit seiner Kaisergewalt bestand. Hintergrund war der systematische Ausbau päpstlichen Einflusses in Italien (Konkordat von Benevent 1156 mit dem Normannenkönig Wilhelm I.; Verhandlungen mit den lombardischen Städten über ein antikaiserliches Bündnis). Friedrich ließ daher 1158 auf einem Reichstag auf den Ronkalischen Feldern bei Piacenza durch Juristen aus Bologna den Katalog der Regalien verlesen. Auch der Konflikt um die Mathildischen Güter (s. § 9; 6.1.1) belastete das Verhältnis zwischen Kaiser und Papst. 7.1.2 Die neue Begründung der kaiserlichen Herrschaft. Friedrichs Konzeption der kaiserlichen Macht unterschied diese – stärker, als es bei seinen Vorgängern der Fall gewesen war – als weltliche Macht von der geistlichen. Die Zweischwertertheorie (s. § 9; 6.1) deutete er als politische Oberhoheit der weltlichen Gewalt und als Begrenzung des Papsttums auf geistliche Funktionen. Sein Amt als Kaiser sah er als unmittelbar von Gott gegeben an, damit war es prinzipiell vom Papsttum unabhängig. Dies richtete sich insbesondere gegen die Translationstheorie (s. § 9; 7.2.1). Die Befehlsgewalt des Kaisers bezeichnete seine Kanzlei daher auch als sacrum imperium (von Gott stammende Befehlsgewalt bzw. Herrschaftsbefugnis). In seiner Selbstrepräsentation griff er stark auf 7. Die Stauferkaiser und der Konflikt um die Universalherrschaft

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Schwabenherzog

Kreuzzug 1189-1191

Stratordienst

Rainald von Dassel

Reichstag auf den Ronkalischen Feldern

sacrum imperium

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Karl d. Gr. zurück, über den die Kontinuität bis zu den Römern zurück verfolgt wurde. Für die praktische Politik ergab sich hieraus die Notwendigkeit einer starken Präsenz in Italien (sechs z.T. lange Italienzüge zwischen 1155 und 1186).

Roland Bandinelli

Friede von Venedig

Heinrich der Löwe

7.1.3 Das Papstschisma 1159-1181. Als 1159 die Kardinalsmehrheit Roland Bandinelli zum Papst machte (Alexander III., 1159-1181; s. § 8; 9.1.3) und eine Minorität für Kardinal Oktavian votierte (Viktor IV., 1159-1164), griff Friedrich gemäß altem Kaiserrecht in den Konflikt ein und berief eine Synode nach Pavia, die 1160 Viktor als rechtmäßig anerkannte und Alexander bannte (woraufhin dieser den Kaiser exkommunizierte). Friedrichs Unterstützung von Viktor (und dessen Nachfolgern Paschalis III., 11641168, und Calilxt III., 1168-1178) fand jedoch nur in Deutschland, Dänemark und Polen Gefolgschaft (1165 Verpflichtung der deutschen Fürsten auf Paschalis III.), die anderen europäischen Reiche hielten zu Alexander III. Daran änderten auch militärische Maßnahmen (1162 Mailand, Einnahme Roms 1167) nichts. Nach der Niederlage gegen den lombardischen Städtebund 1176 bei Legnano suchte Friedrich schließlich die Verständigung mit Alexander III. Im Frieden von Venedig garantierten beide Seiten sich ihren Besitzstand. Friedrich ließ seinen Gegenpapst fallen, Alexander befreite ihn vom Bann. Es war ein für beide Seiten vorteilhafter Kompromiss: Alexander konnte seine innerkirchliche Machtposition ausbauen (zum 3. Laterankonzil s. § 8; 9.1.4). Friedrich konnte a) 1180/1181 den zu königgleicher Macht in Norddeutschland aufgestiegenen Herzog Heinrich den Löwen niederringen und die Königsherrschaft durch Ausbau des Lehenssystems stärken, b) einen dauerhaften Ausgleich mit den Lombarden unter Wahrung der kaiserlichen Rechte bewerkstelligen (Friede von Konstanz 1183) und c) Frieden mit den Normannen unter König Wilhelm II. schließen (1184 besiegelt durch die Heirat von Friedrichs Sohn Heinrich mit der Schwester des früh gestorbenen Wilhelm I. von Sizilien, Konstanze). Die Kooperation von Kaiser und Papst kam auch durch die Beschlüsse zur Ketzerverfolgung auf der Synode von Verona 1184 (s. § 8; 10.3.1) zum Ausdruck.

7.2 Innozenz III.

Welfen

Das Machtvakuum nach dem Tod des Stauferkaisers Heinrich VI. (11901197) und die anschließenden Thronwirren nutzte der bedeutendste Politiker unter den mittelalterlichen Päpsten, Innozenz III. (1198-1216; vgl. § 8; 9.2), aus, um eine geistliche Weltherrschaft zu etablieren. Durch eine geschickte Schaukelpolitik zwischen Welfen und Staufern erlangte er wichtige Zugeständnisse, die ihm Friedrich II. 1213 bestätigte. Seinen Hoheitsanspruch gründete er auf die Höherwertigkeit der geistlichen Gewalt und den Gedanken, dass der Papst Stellvertreter Christi (nicht nur Petri) sei. Seinen Anspruch versuchte er auch für andere europäische Reiche zu etablieren, kam hier jedoch über symbolische Belehnungen kaum hinaus. Was faktisch 712

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blieb, war der Ausbau der innerkirchlichen Papstherrschaft und die Konsolidierung des Patrimonium Petri. 7.2.1 Innozenz III. in den Thronwirren nach 1197. Der Sohn Friedrichs I., Heinrich VI., konnte aufgrund seiner Hochzeit mit Konstanze von Sizilien, seinen Einflussbereich auf ganz Italien ausdehnen, starb jedoch früh. Für den Nachfolger, Friedrich II., sollte im Reich Philipp von Schwaben die Regentschaft übernehmen, in Sizilien der Papst. Als die Stauferpartei in Deutschland Philipp von Schwaben 1198 zum König wählte, erhob die Welfenpartei den Sohn Heinrichs des Löwen, Otto von Braunschweig, zum König. In den folgenden »Bürgerkrieg« griff Innozenz III. seit 1199 mit dem Anspruch autoritativer Entscheidung ein. Er bannte Philipp und deklarierte 1201 Otto als rechtmäßigen Herrscher. Er beanspruchte, aufgrund der Translationstheorie principaliter et finaliter (vom Anfang bis zum Ende bzw. sowohl im Hinblick auf Verleihung wie Entzug) für das Kaiseramt zuständig zu sein. Dies bekräftigte er 1202 in dem Dekret Venerabilem fratrem (Den ehrwürdigen Bruder). Doch da sich Philipp in dem militärischen Machtkampf durchsetzte, erkannte ihn Innozenz 1208 schließlich gegen erhebliche Zugeständnisse an und ließ sich diese – nach der Ermordung Philipps – 1209 von Otto IV. bestätigen, den er in Rom zum Kaiser krönte. 7.2.2 Die Goldene Bulle von Eger 1213. Als Otto IV. versuchte, das Königreich Sizilien zu erobern, bannte ihn der Papst und betrieb die Wahl von Heinrichs Sohn Friedrich (seit 1208 eigenständiger König in Sizilien) zum deutschen König. Der Konflikt zwischen Friedrich II. und Otto IV. erhielt europäische Dimensionen, weil er sich mit dem Konflikt zwischen Johann Ohneland, König von England (1199-1216, der Beiname geht auf eine Erbaufteilung zurück, in der Johann ursprünglich kein Land zugesprochen bekommen hatte), und Philipp II. August, König von Frankreich, verband. Letzterer verbündete sich mit Friedrich II., ersterer mit Otto IV. Im Jahr 1214 konnten Friedrich II. und Philipp II. August von Frankreich in der entscheidenden Schlacht bei Bouvines den Sieg erringen, Friedrich II. war seitdem unbestritten deutscher König. Für seine Unterstützung in diesem Konflikt hatte sich Innozenz III. bereits 1213 durch Friedrich II. in einer Goldbulle wichtige Rechte übertragen lassen. So erklärte der Kaiser seinen Verzicht auf die Königsrechte bei der Wahl der Bischöfe und Reichsäbte, womit das Wormser Konkordat von 1122 (s. § 9; 6.6.3) hinfällig wurde, den Verzicht auf das Spolien- und Regalienrecht, d.h. auf den persönlichen Nachlass der Reichsprälaten und die Einkünfte bei Sedisvakanz, und bestätigte das ungehinderte Recht auf Appellation an den Papst in kirchlichen Streitfragen. Er garantierte außerdem das genau umgrenzte Patrimonium Petri (welches durch einige Gebiete erweitert wurde) und gab den kaiserlichen Anspruch auf die Mathildischen Güter auf (Text/Übers.: AGDGM 32, 358-365). 7. Die Stauferkaiser und der Konflikt um die Universalherrschaft

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Heinrich VI.

Otto IV.

Philipp von Schwaben

Johann Ohneland Philipp II. August

Ende des Wormser Konkordats

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Translationstheorie

7.2.3 Innozenz’ Begründung seiner Weltherrschaft: Das Christusvikariat. Schon in seiner Antrittspredigt betonte Innozenz, dass er als vicarius Christi (Stellvertreter Christi) über Völker und König eingesetzt sei und dass er damit eine Mittelposition zwischen Menschen und Gott einnehme (vgl. § 8; 9.2.2). Er sei wie Melchisedek Priester und König zugleich, deshalb stehe ihm die Krönung der Könige zu. Dies verband er mit der Translationstheorie und dem Anspruch auf das höchste Richteramt, dessen Inhaber von niemandem gerichtet werde. Der Anspruch, als Stellvertreter Christi zu herrschen, ging über die traditionelle Auffassung des Papstes als Erbe und Stellvertreter Petri deutlich hinaus. Faktisch versuchte Innozenz dies umzusetzen, indem er die Lehnshoheit über Königtümer beanspruchte, so gegenüber Konstanze und Friedrich II. von Sizilien, Peter II. von Aragon und Johann Ohneland von England. Praktische Bedeutung für die Politik hatte das jedoch kaum.

7.3 Friedrich II.: Herrschaft über Italien im Konflikt mit dem Papst

Propaganda

geistliche Territorien

Heinrich VII. Constitutio

Nach einer kurzen Zeit der Harmonie eskalierte der Konflikt zwischen Kaiser und Papst unter Friedrich II. in neuer Schärfe ab 1226. Der Anspruch des Kaisers auf die Oberhoheit in Norditalien kollidierte mit den lombardischen Städten und dem Patrimonium Petri. Der darauffolgende gegenseitige Propagandafeldzug zwischen Papst und Kaiser (mit Bann des Kaisers 1227 durch Gregor IX. und Verurteilung durch das Konzil von Lyon 1245 unter Innozenz IV. und massiver Papstkritik seitens Friedrichs) erschütterte die Autorität von Kaiser und Papst nachhaltig. Nach Friedrichs Tod brach das Kaisertum als universale Gewalt zusammen (Vernichtung der Stauferdynastie bis 1268). Beim Papsttum zeigte sich der Verfall weniger spektakulär bis 1302. 7.3.1 Zugeständnisse an deutsche Fürsten. Friedrich II. konnte nach seinem Sieg über die Welfenpartei zunächst seine Herrschaft in Deutschland konsolidieren (ab 1215 als unumstrittener König, ab 1220 als Kaiser). Um eine Nachfolgesicherung zu erreichen, machte er den geistlichen Fürsten erhebliche Zugeständnisse. In der Confoederatio cum principibus ecclesiasticis (Vertrag mit den Kirchenfürsten) von 1220 überließ er ihnen wichtige Königsrechte, z.B. Spolienrechte, Gerichtsbarkeit, Zölle und Münzrechte sowie Vogteien (Burgen und Städte mit weltlichen Herrschaftsrechten). Dadurch wurden die geistlichen Gebiete als Territorien erheblich konsolidiert. Seinen minderjährigen Sohn Heinrich (VII.) ließ er 1222 zum deutschen König wählen, der, ab 1228 selbständig regierend, den weltlichen Territorien in der Constitutio in favorem principum (Erlass zugunsten der Fürsten, Text/Übers.: AQDGMA 32,434-439) vergleichbare Zugeständnisse machte. Darüber kam es zum Zerwürfnis mit Friedrich II., der ihn nach einer Reihe von Konflikten 1235 absetzte (gest. 1242). Friedrich II. war 1232 im Konflikt mit dem Papst auf die Unterstützung der Reichsfürsten angewiesen und bestätigte 714

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daher die Constitutio 1232. Sie war die Grundlage dafür, dass die Fürsten als Landesherren deutlich an Autonomie gewannen. Ein königlich beherrschtes einheitliches Reich wie in Frankreich konnte sich daher in Deutschland ebenso wenig etablieren wie eine Erbmonarchie. 7.3.2 Kulturelle Blüte im Königreich Sizilien. In Sizilien konnte Friedrich seine Herrschaft gegen die normannischen Barone und die Sarazenen durchsetzen. Er baute ein Netz von Kastellen und eine Verwaltung mit geschulten Beamten aus (dazu Gründung der Universität Neapel 1224; s. § 10; 11.1.4), ordnete die Rechtsprechung neu (1231 Liber Augustalis/Kaiserliches Buch) und schuf eine Flotte zur außenpolitischen Absicherung. Die entstehende Handels- und Kulturblüte mit Duldung von Moslems (Friedrich II. hatte selbst eine muslimische Leibgarde, die gegen päpstliche Propaganda immun war) förderte die Wissenschaften (v.a. die Medizin und empirische Forschungen) und die Künste. Er selbst war literarisch tätig (so in seinem berühmten Falkenbuch De arte venandi cum avibus/Über die Kunst, mit Vögeln zu jagen; Text hg. von C.A. Willemsen, 1942; Übers. 1964). Friedrichs herausragende, schillernde Persönlichkeit hat schon die Mitwelt zu Erstaunen geführt (daher die Bezeichnung als stupor mundi/Staunen der Welt), aber auch scharfe Ablehnung bewirkt. Seine Kontakte zu Muslimen und die Adaption orientalischer Kultur an seinem Hof machten ihn in den Augen seiner Gegner verdächtig. Zur Institution Kirche entwickelte er eine politisch begründete Distanz, blieb aber ein frommer, z.B. dem Mönchtum zugetaner Herrscher.

7.3.3 Gegenseitige Propaganda- und Vernichtungsschlacht zwischen Kaiser und Papst. Friederich II. nahm seine christlichen Herrscherpflichten sehr ernst und unterstützte daher die Verfolgung der Häretiker (Erlass des Ketzeredikts von 1232, vgl. § 8; 10.3.2). Als frommer Herrscher hatte er bereits 1215 ein Kreuzzugsgelübde abgelegt, das er 1227 umsetzen wollte. Damit durchkreuzte er zugleich die seit Innozenz III. verfolgten Pläne, denen zufolge der Papst die Leitung der Befreiung des Heiligen Landes übernehmen würde. Seine Verfügung über die sizilischen Bistümer, die Ansprüche auf Spoleto, Ancona und Tuskien (Gebieten, die der Papst für das Patrimonium Petri beanspruchte) und sein Vorgehen gegen die lombardischen Städte führte zunehmend zu einem neuen Konflikt mit dem Papst. Dieser eskalierte unter Gregor IX. (1227-1241), der den wegen einer Seuche abgebrochenen Kreuzzug 1227 zum Anlass nahm, um Friedrich mit dem Bann zu belegen. Daran änderte auch der tatsächlich durchgeführte Kreuzzug 1228/1229 nichts, erst nach weiteren Konflikten und Verhandlungen kam es 1230 zum Friedensschluss. Als der Konflikt mit den lombardischen Städten erneut eskalierte (1237 Sieg über die Städte bei Cortenuova) und Friedrich Ancona und Spoleto annektierte, exkommunizierte Gregor IX. ihn erneut. Darauf reagierte der Kaiser mit der Betonung seiner religiösen Würde als Haupt der Christenheit. Nun steigerten sich auf beiden Seiten die Manifeste zu einem einmalig schroffen Propagandafeldzug. Gregor erklärte den Kaiser zum Läs­ tertier aus dem Meer (Apk 13,1f.), zum Vorläufer des Antichristen und zum Ketzer. Friedrich antwortete mit der Behauptung, der Papst sei die Gestalt von Apk 6,4, die den Frieden zerstöre, der Drache von Apk 12,9, ja der An7. Die Stauferkaiser und der Konflikt um die Universalherrschaft

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muslimische Leibgarde Falkenbuch

Kreuzzugsgelübde

Exkommunikationen Friedrichs II.

Antichrist

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Konzil in Lyon 1245

Wilhelm von Holland

Vernichtung der Stauferdynastie

tichrist selbst (Texte/Übers.: Heinisch 423-427). 1239 forderte er ein Konzil über den Papst, verhinderte jedoch ein papsttreues Konzil, das Gregor 1241 nach Rom einberufen hatte. Innozenz IV. (1243-1254), ein juristisch versierter Papst, entwich daher nach Lyon und berief hier 1245 ein Konzil ein (das mit 150 hauptsächlich französischen und spanischen Bischöfen wenig repräsentativ war). Einzig relevantes Ergebnis war die Absetzung des Kaisers und die Lösung aller Untertanen vom Treueeid. Dieses Konzil diente – abgesehen von Neuerungen im Prozessrecht – erstmals rein politischen Zwecken (wurde aber dennoch ab dem 17. Jh. als 13. ökumenisches Konzil gewertet; vgl. DH 830-839). Die sich fortsetzende Propaganda untergrub die Autorität beider Seiten. Der Versuch des Papstes, einen Gegenkönig einzusetzen (Heinrich von Raspe 1246/1247), blieb zunächst erfolglos, sein Nachfolger Graf Wilhelm von Holland überlebte jedoch Friedrich II. und konnte sich gegen dessen Sohn Konrad IV. (gest. 1254) durchsetzen, dessen Stiefbruder Manfred in Sizilien die Herrschaft gegen den vom Papst gekrönten Karl von Anjou, den Bruder des französischen Königs, verlor (sein Sohn Konradin wurde 1268 hingerichtet). Die Vernichtung der Stauferdynastie sollte aber dem Papsttum nur wenig nutzen. An die Stelle universaler Machtansprüche traten die regionalen und territorialen Interessen der europäischen Reiche bzw. in Deutschland die zunehmende Autonomie der Fürsten. 7.4 Literatur Lektüretipp: W. Stürner: Dreizehntes Jahrhundert (1198-1273), 2007 [besonders 190217.241-273]. Quellen: A. Schmidt (Hg.): Bischof Otto von Freising und Rahewin, Die Taten Friedrichs, oder richtiger: Cronica, AQDGMA 17, 4. A. 2000 [zweisprachig]. – L. Weinrich (Hg.): Quellen zur deutschen Verfassungs-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte bis 1250, AQDGMA 32, 2. A. 2000 [zweisprachig]. – K.J. Heinisch (Hg.): Kaiser Friedrich II. in Briefen und Berichten seiner Zeit, 6. A. 1978. – K. van Eickels/T. Brüsch (Hg.): Kaiser Friedrich II., 2000. Literatur: J. Laudage: Friedrich Barbarossa (1152-1190). Eine Biografie, 2009. – Ders.: Alexander III. und Friedrich Barbarossa, 1997. – H. Houben: Kaiser Friedrich II. (11941250). Herrscher, Mensch und Mythos, 2008. – K. Görich: Die Ehre Friedrich Barbarossas, 2001. – O. Engels: Die Staufer, 9. A. 2010. – A. Wieczorek/B. Schneidmüller/S. Weinfurter (Hg.): Die Staufer und Italien. Drei Innovationsregionen im mittelalterlichen Europa, 2 Bde., 2010. – S. Burkhardt/T. Metz/B. Schneidmüller/S. Weinfurter (Hg.): Staufisches Kaisertum im 12. Jahrhundert. Konzepte – Netzwerke – Politische Praxis, 2010. – A. Haverkamp: Zwölftes Jahrhundert (1125-1198), 2003. – M. Laufs: Politik und Recht bei Innozenz III., 1980. – J. Luckhardt/F. Niehoff (Hg.): Heinrich der Löwe und seine Zeit. Herrschaft und Repräsentation der Welfen 1125-1235. Katalog der Ausstellung Braunschweig 1995, 3 Bde., 1995. – W. Hechberger: Staufer und Welfen 1125-1190, 1996. – P. Csendes: Heinrich VI., 1997. – W. Stürner: Friedrich II, 3. A. 2009. – A. Sommerlechner: Stupor mundi? Kaiser Friedrich II. und die mittelalterliche Geschichtsschreibung, 1999.

 § 8; 9.

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8. Die Kreuzzugsbewegung Mit der Kreuzzugsbewegung entstand seit 1095 ein neues, die Grenzen Europas überschreitendes Gewaltphänomen, das zu weiten Teilen Züge von Religionskriegen annahm, sich aber von formell geführten Kriegen vielfach unterscheiden lässt. Professionell organisierte militärische und mehr oder weniger unorganisierte Bewegungen und Gewaltanwendungen gingen nebeneinander her. Entstanden in dem gegen den Islam gerichteten Bemühen, das Heilige Land zu befreien bzw. zu beherrschen, richtete sich die Kreuzzugsbewegung dann innerhalb Europas auch gegen andere »Feinde der Christenheit«, etwa noch nicht missionierte Slawen oder als Häretiker ausgegrenzte Christen. Die religiöse Legimitation, insbesondere durch den Papst, stiftete etwas Verbindendes, das es als berechtigt erscheinen lässt, die sehr unterschiedlichen Entwicklungen unter einem Terminus zusammenzufassen. Zugleich sind die Ursachen der Bewegung nicht ausschließlich in religiösen Motiven zu suchen. Wirtschaftliche, politische, soziale und kulturelle Beweggründe kamen hinzu und führten zu einer spezifischen Weltlichkeit des Christentums, wie sie im Bild des Kreuzritters besonders kulminierte. Die ältere Forschung hob 6-7 große »Kreuzzüge« ins Heilige Land zwischen 1096 und 1270 hervor und setzte das Ende der Kreuzzugsbewegung meist mit dem Fall Akkons 1291 an. Demgegenüber hat die neuere Forschung deutlich gemacht, a) dass es zwischen den großen militärischen Unternehmungen weitere, kleinere »Kreuzzüge« sowie zahlreiche, nur lose oder gar nicht organisierte Pilgerströme nach Palästina gab, weswegen die Züge der größeren militärischen Einheiten nicht isoliert betrachtet werden sollten, b) dass die Kreuzzüge in Europa ein integraler Bestandteil der Bewegung waren, c) dass die Kreuzzugsidee bis zum 15., teilweise bis zum 16. Jh. lebendig blieb und die europäische Politik in verschiedenen Schüben bestimmte (v.a. als Kampf gegen die Türken). Erst die Transformationen des 15. Jh.s und die kirchliche Differenzierung in den einzelnen Teilen Europas in der Frühen Neuzeit beendeten die Kreuzzugsbewegung.

»Feinde der Christenheit«

kleinere »Kreuzzüge«

auch in Europa bis zum 15. Jh. lebendig

8.1 Religiöse, soziale und politische Voraussetzungen Zwei religiöse Voraussetzungen gingen in die Kreuzzugsbewegung ein, zum einen die Belebung des Wallfahrtswesens, besonders bezogen auf das Heilige Land, zum anderen die Ablasspraxis. Wallfahrten in das Heilige Land waren seit dem 4. Jh. eine verbreitete Frömmigkeitspraxis, die auch durch die islamische Eroberung Palästinas im 7. Jh. nicht unterbrochen wurde (Erst die Kriege der Abassiden und der Fatimiden gegen die Seldschuken Ende des 11. Jh.s machten die Pilgerfahrten praktisch unmöglich). Das Aufkommen der Ablasspraxis seit dem 11. Jh. (s. § 8; 12.3) verstärkte nicht nur das Wallfahrtswesen erheblich, sondern beförderte auch diejenigen Frömmigkeitspraxen, die mit einem Plenarablass (dem Ablass für alle Sünden) verbunden waren. 8. Die Kreuzzugsbewegung

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Wallfahrten

Plenarablass

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»gerechter Krieg«

Ritter

Aufschwung

Grabeskirche

geistlicher Militarismus

Hierfür spielte eine wichtige Rolle, dass die Päpste die neuartige Wallfahrts­ praxis im Zeichen des Kreuzes (das man fortan auf der Pilgerkleidung trug) mit dem Plenarablass ausstatteten. Als ethisch-politische Maxime ist die Neubewertung des Krieges zu nennen, die sich insbesondere in der Theorie vom gerechten Krieg niederschlug. Auch das Prinzip, dass Gewaltanwendung gegen Häretiker und Feinde des Christentums legitim sei, verbreitete sich seit dem 11. Jh. zusehends. Hinzu kam die kulturelle Alteritätserfahrung, die sich nicht nur auf den Islam, sondern auch auf die Ostkirche und Byzanz bezog. Eine gesellschaftliche Voraussetzung war die Herausbildung des Ritterstandes, der sich regional und sozial zwar breit ausdifferenziert hat, aber doch eine ideelle Einheit bildete. Hierfür war die Gottesfriedens- bzw. Landfriedensbewegung ein wesentlicher Impuls gewesen. Die Verarmung eines erheblichen Anteils des Adels führte zu vielfältiger Neuorientierung der betroffenen Fürsten und Grafen, hier ergab sich mit der Idee, in den Kreuzzügen auch politisch und wirtschaftlich aktiv zu werden und ggf. im Heiligen Land eine neue Position zu finden, eine attraktive Alternative. Für die Masse der Kreuzfahrer muss auch die allgemeine Verbreitung der Armut im 11./12. Jh. infolge von Naturkatastrophen, Hungersnöten und Seuchen beachtet werden. Insgesamt ergibt sich also ein breites Spektrum der Voraussetzungen für die Kreuzzüge. 8.1.1 Pilgerreisen ins Heilige Land vor 1080. Die Pilgerreise, meist in Gruppen, zu den Orten im Heiligen Land als den Wirkungsstätten Jesu galt als besonders herausfordernde Frömmigkeitspraxis, da sie nicht nur mit erheblichem finanziellen Aufwand verbunden war, sondern auch lebensgefährlich war (Viele Wallfahrer kamen auf dem Weg oder dem Rückweg um). Im frühen Mittelalter war der Weg ins Heilige Land immer frei gewesen. Karl d. Gr. hatte mit dem Kalifen Harun al-Raschid sogar einen entsprechenden Vertrag geschlossen, der den Pilgern den ungehinderten Zugang zu den heiligen Stätten ermöglichte. Im 11. Jh. nahmen die Jerusalemwallfahrten einen beträchtlichen Aufschwung, weil das seit 1000/1040 christianisierte Ungarn die Pilger passieren ließ und weil Byzanz seit 1019 den gesamten Balkan beherrschte. Das ermöglichte den Landweg ins Heilige Land. In Konstantinopel, entlang der Route nach Jerusalem und ebendort gab es spezielle Unterkünfte und Hospitäler. Eine fatale Signalwirkung entfaltete die vom fatimidischen Kalifen in Kairo Al-Hakim angeordnete Zerstörung der Grabeskirche in Jerusalem 1009, der jedoch noch im 11. Jh. ein Wiederaufbau erfolgte (die an die Rotunde anschließende kurze Basilika, die die Ausmaße der antiken Basilika nur noch teilweise überbaute, wurde erst unter der Herrschaft der Kreuzfahrer im späten 12. Jh. gebaut). 8.1.2 Die Kreuzzugsidee bei Gregor VII. Idee und Praxis der Missionskriege zur Ehre Gottes im 10. Jh. sowie die Lehre vom gerechten Krieg bildeten die Voraussetzung für den geistlichen Militarismus der von Gregor VII. betriebenen Neuformation des Papsttums: Dieser Papst verstand seine kirchenpolitische Auseinandersetzung mit renitenten Bischöfen und mit Heinrich IV. als heiligen Krieg, in dem Christus gegen den Satan kämpfte; seine Feldzüge in Süditalien gegen die Normannen deutete er ebenfalls religiös als Kriege des Petrus. Dem Normannenkönig Wilhelm schickte er vor der Eroberung Englands die Petrusfahne, um dessen Kriegszüge als Gottesdienst zu qualifizieren. Wie die Päpste vor ihm sah er die Reconquista in Spanien (s. § 7; 5.4.2) als heiligen Krieg an 718

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und ermunterte die Ritter Südfrankreichs durch Absolution zur Teilnahme. Auf diesem Hintergrund war sein Plan von 1074 plausibel, an der Spitze eines Ritterheeres in das von den Seldschuken bedrohte byzantinische Reich und nach Jerusalem zu ziehen. Die Wirren des Konflikts zwischen Papst und Kaiser verhinderten eine Ausführung dieses Planes, bereiteten jedoch die Rolle des Papstes für die Legitimation der Kreuzzugsbewegung vor. 8.1.3 Die Gottesfriedenbewegung. Seit Ende des 10. Jh.s versuchten viele Bischöfe in Südfrankreich, die vielfältigen Gewalttätigkeiten, v.a. des Fehdewesens, einzudämmen. Dazu fixierten sie eine Rechtsordnung, die für Arme, Geistliche und das Kirchengut Schutzbestimmungen vorsah und Zuwiderhandlungen unter Strafe stellte. Hinzu kam ab 1030/1040 die zeitliche Einschränkung der Fehde durch die Ausrufung von Zeiten der treuga dei (des Landfriedens Gottes), u.a. am Sonntag, an hohen Festtagen und bestimmten Werktagen, für die Advents-, Passions- und Osterzeit. Auf einer Synode in Reims 1049 verkündete Papst Leo IX. diese Friedensordnung, für deren Einhaltung die Kirche den niederen Adel heranzog, der damit einen religiös qualifizierten Dienst übertragen bekam. Das war eine der Wurzeln für die Entwicklung eines neuen Standes und Ideals, des christlichen Rittertums. Mit Waffengewalt und auf der Grundlage eines Ehrenkodexes Gottes Ordnung zu schützen, wurde eine ideelle Vorbereitung des Kreuzzugsgedankens. 8.1.4 Das Vordringen der Seldschuken. Das durch Thronwirren destabilisierte byzantinische Reich wurde 1071 von den Seldschuken (nomadischen Turkmenen, die sich zum sunnitischen Islam bekehrt und ein Reich im Iran aufgebaut hatten) bei Mantzikert/Armenien besiegt. In der Folge konnten die Seldschuken unter ihrem Sultan Suleiman IbnKutulmisch (gest. 1085) fast ganz Kleinasien erobern. Da Byzanz zugleich 1065 durch die in Thrakien siedelnden Petschenegen, seit 1072 durch Slawenaufstände, seit 1081 in Epirus durch die Normannen bedroht wurde (an die es zuvor schon Sizilien und Süditalien verloren hatte), war der neue Kaiser Alexius I. Komnenos (1081-1118) bestrebt, auch mit westlicher Hilfe sein Reich zu schützen. Der Ansturm der Seldschuken hatte das Kalifat der Abassidendynastie in Bagdad 1055 beendet. Das seldschukische Großreich mit Sitz in Mossul eroberte neben Kleinasien Syrien und Palästina und geriet so in den Konflikt mit dem Kalifat von Kairo, wo seit 969 die schiitische Fatimidendynastie herrschte. 1098 gelang den Fatimiden die Rückeroberung Jerusalems, das 1076 an die Seldschuken gefallen war. Diese Konflikte zwischen den muslimischen Reichen verhinderten die Pilgerfahrten und machten es zugleich überhaupt erst möglich, dass für Kreuzfahrerheere eine Aussicht auf Erfolg bestand.

Kreuzzugsplan 1074

treuga dei

Byzanz

Fatimiden

8.2 Der Beginn der Kreuzzugsbewegung Die skizzierten Voraussetzungen machen verständlich, warum der Aufruf von Papst Urban II., einen Kreuzzug nach Palästina zu unternehmen, so breite Resonanz fand. Eine Bitte des byzantinischen Kaisers um westliche Militärhilfe bot den akuten Anlass. Das Interesse des Papstes, unter päpstlicher Führung die Christenheit durch den Kampf gegen den Islam zu einen und die Ostkirche mit dem Westen zu verbinden, kam hinzu. Nach vorbereitender Werbung unter der südfranzösischen Ritterschaft proklamierte Urban auf einer Synode in Clermont 1095 den Krieg zur Befreiung der 8. Die Kreuzzugsbewegung

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Synode in Clermont 1095

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Apokalyptik

Predigt Urbans II. Deus le volt

Peter von Amiens

heiligen Stätten im Zeichen des Kreuzes als Möglichkeit, sich Gottes Gnade und kirchlichen Ablass zu erwerben. Dieser Plan löste nicht nur sorgfältige Vorbereitungsaktionen in der Ritterschaft, sondern auch eine begeisterte, unkontrollierbare Massenbewegung aus. Schon im Frühjahr 1096 brachen als erste Kreuzfahrerwelle schlecht organisierte Gruppen von Bauern und Handwerkern auf. Apokalyptische Religiosität trieb sie ebenso an wie die eigene Verarmung, aber sie erreichten ihr Ziel nicht und gingen meist unterwegs zugrunde. Bei ihrer Sammlung kam es v.a. im Rheinland zu fürchterlichen Judenverfolgungen. Als zweite Welle folgte ebenfalls auf dem Landweg das nach päpstlichen Plänen organisierte Heer der Ritter unter Führung des Grafen Gottfried von Bouillon und seines Bruders Balduin. Trotz großer logistischer Probleme, Konflikte mit dem byzantinischen Kaiser und interner Interessengegensätze erzielte man nach dreijähriger Heerfahrt einen gewissen Erfolg mit der Eroberung Jerusalems 1099. Die Kunde von dieser als göttlichem Wunder verstandenen Tat versetzte alsbald ganz Europa in Begeisterung und trug dazu bei, die erlahmende Kreuzzugsbewegung am Leben zu erhalten. 8.2.1 Der Aufruf von Urban II. 1095. Der aus dem nordfranzösischen Adel stammende, als Prior von Cluny monastisch geprägte Papst Urban II. (10881099) hatte schon als Kardinal seit 1080 eine Union mit Byzanz angestrebt und war mit den Plänen von Gregor VII. vertraut. Eine päpstliche Synode in Piacenza im März 1095 forderte allgemein die christlichen Ritter zur Verteidigung der Ostkirche auf. Bei Sondierungen in der Provence und der Grafschaft Toulouse stieß Urban auf große Bereitschaft, dies in die Tat umzusetzen. Der Kreuzzugsaufruf auf der Synode in Clermont 1095 war eine Predigt, die nicht nur die bewaffnete Wallfahrt als Befreiung der heiligen Stätten propagierte, sondern auch die sündenbefreiende Kraft derselben betonte. Die Volksmenge reagierte mit begeisterter Zustimmung (Deus le volt/ Gott will es). An der Kleidung befestigte Stoffkreuze wurden zum Zeichen, dass man bereit war, das Kreuz zu nehmen (als Zeichen der Christusnachfolge) und zu der bewaffneten Jerusalemwallfahrt aufzubrechen. 8.2.2 Der Untergang der pauperes (Armen). Der Kreuzzugsgedanke wurde unmittelbar von Bußpredigern aufgegriffen, unter denen Peter von Amiens (1050-1113) herausragte. Auf seine Anregung hin brachen regellose Haufen von 50.000-70.000 pauperes (Armen) auf, d.h. Bauern, Handwerker, z.T. verarmt, auch Besitzlose. Diese Haufen zogen im Frühjahr 1096 auf dem Landweg nach Ungarn und über die Balkaninsel, wo sie Schrecken und Misstrauen gegen die Kreuzzugsbewegung provozierten. Viele von ihnen wurden von byzantinischen Truppen bekämpft und kamen – militärisch schlecht ausgerüstet und nicht ausgebildet – um. Reste dieser marodierenden Truppen gelangten nach Kleinasien, wo sie im Herbst 1096 von den Seldschuken vernichtet wurden. Im Laufe des Jahres 1096 brachen noch 720

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drei weitere Haufen dieses sog. Bauernkreuzzugs auf und kamen unterwegs elend um. 8.2.3 Die Judenverfolgungen. Der religiöse Fanatismus, der sich gegen die Feinde Christi richtete, fand sein erstes Opfer noch in Europa selbst: Die Juden als vermeintliche Christusmörder sollten angesichts des nahen Welt­ endes im Zeichen des Kreuzes bestraft werden. Nach ersten Übergriffen gegen die Juden in Rouen kam es 1096 zu ausschweifenden Pogromen gegen die blühenden jüdischen Gemeinden u.a. in Neuß, Köln, Metz, Trier, Mainz, Worms und Speyer, v.a. durchgeführt von den zahlreichen Banden des Grafen Emicho von Flonheim (mit mehr als 5000 Toten). Auf dem Zug nach Osten verfolgte man auch in Regensburg und Prag die Juden. Gemäß der Parole »Taufe oder Tod« wurden nur die Juden, die zum Christentum konvertierten, unbehelligt gelassen. In der Geschichte der Judenverfolgungen bildete der erste Kreuzzug eine Zäsur im Hinblick auf das flächendeckende Ausmaß und die religiöse Legitimation der Gewaltanwendung. 8.2.4 Die Eroberung Jerusalems. Das Hauptheer aus Rittern (v.a. aus Frankreich, Flandern und Süditalien) brach in verschiedenen Gruppen auf, teils auf dem Seeweg. Der größte Verband mit ca. 20.000 Mann stand unter der Leitung von Gottfried von Bouillon (ca. 1060-1100), der sich in dem ihm übertragenen Herzogtum Niederlothringen nicht durchsetzen konnte, und dessen Bruder Balduin von Boulogne. Sie zogen über Ungarn nach Konstantinopel. Für die Ausrüstung des Heeres hatten die Ritter oft Hab und Gut verkauft oder verpfändet, was ihre starke religiöse Motivation erweist. Kaiser Alexius verweigerte die ursprünglich zugesagte Hilfe. Das Heer wurde noch durch französische und normannische Scharen verstärkt, die über Griechenland heranzogen (insgesamt ca. 40.000 Mann, davon ca. 4.500 Ritter), und eroberte im Juni 1097 Nicäa, das vorher von den Seldschuken erobert worden war. Es zog durch Kleinasien in das von den Seldschuken eroberte Antiochia, das erst nach längerer Belagerung 1098 fiel. Die verschiedenen Heerführer waren uneins hinsichtlich der Interessen, Ziele und Kampfmethoden. Viele Ritter und Söldner starben an Krankheit und Hunger. In dieser Situation gründete im Frühjahr 1098 Balduin von Boulogne die Grafschaft Edessa und damit ein von den Kreuzfahrern im Sinne einer Besatzungsmacht kontrolliertes Territorium. Ohne den Nachschub, den die Flotten der italienischen Seemächte (Venedig, Genua, Pisa u.a.) brachten, wäre das Heer wahrscheinlich verloren gewesen. Stark dezimiert erreichte das Heer Jerusalem, das die ägyptischen Fatimiden erst wenige Monate vorher von den Seldschuken zurückerobert hatten. Die Einnahme der Stadt am 15.7.1099 endete in einem fürchterlichen Blutbad, das sich tief in das kulturelle Gedächtnis der Muslime eingrub. Die Eroberung Jerusalems konnte durch einen Sieg gegen das Fatimidenheer bei Askalon abgesichert werden. Damit war gegen alle Wahrscheinlichkeit der Machtverhältnisse ein militärischer 8. Die Kreuzzugsbewegung

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»Taufe oder Tod«

Gottfried von Bouillon Balduin von Boulogne

Nicäa

Grafschaft Edessa

Eroberung Jerusalems 1099

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Königreich Jerusalem

Erfolg errungen, der die Kreuzzugsstimmung belebte. Im Jahr 1109 starb Gottfried von Bouillon (der sich wohl als Vogt des Heiligen Grabes titulieren ließ), sein Bruder Balduin ließ sich zum König von Jerusalem krönen.

8.3 Die Kreuzzugsbewegung bis 1148

Burgen

Bernhard von Clairvaux

Fürstentum Antiochia Grafschaft Tripolis

Kirchen­ organisation

Die weitere Geschichte war weithin durch die Bemühungen der Franken (wie die lateinischen Christen im Orient genannt wurden) um eine Herrschaftsstabilisierung und Landgewinn für die Kreuzfahrer geprägt. Diese eroberten nach Errichtung des sog. Königreiches Jerusalem im Jahr 1100 zunächst die Küstenstädte und erbauten gewaltige Burgen zur Kontrolle des Landes zwischen Antiochia und Gaza. Eine wichtige Rolle spielten dabei die Ritterorden. Kulturell wie wirtschaftlich haben die Kreuzfahrer hier Bedeutendes geleistet. Einen permanenten Zustrom brachten neben den individuellen Wallfahrten die vielfältigen Kreuzzüge größerer und kleinerer Gruppen zwischen 1107 und 1147. Angesichts neuer Bedrohungen durch das Sultanat Mossul rief Papst Eugen III. zu einem neuen großen Kreuzzug auf, der erst zustande kam, als der einflussreiche Bernhard von Clairvaux sich intensiv für das Projekt einsetzte. (Gleichzeitig unternahmen die deutschen Fürsten den sog. Wendenkreuzzug, und in Spanien zogen Kreuzfahrer erfolgreich gegen die Mauren; s. § 7; 5.4.2; 12.1.2). 1147/48 marschierten Konrad III. von Deutschland und Ludwig VII. von Frankreich mit zwei Heeren nach Palästina. Politische Gegensätze und Niederlagen gegen die Türken machten diesen Kreuzzug (in der alten Zählung den sog. 2. Kreuzzug) jedoch zum Desaster. Sein Resultat war eine verbreitete Kreuzzugskritik und -verdrossenheit, die dazu führte, dass die Bewegung nachließ und die zahlreichen Aufrufe der Päpste bis 1187 kaum Resonanz fanden. 8.3.1 Die Herrschaften der Kreuzfahrer. Nach der Grafschaft Edessa und der Gründung des Königreiches Jerusalem gründeten die Kreuzfahrer noch das Fürstentum Antiochia und die Grafschaft Tripolis. Die Bezeichnungen als Grafschaft, Fürstentum oder sogar Königreich entsprachen insofern nicht der Realität, als es sich um Besatzungsverhältnisse handelte, die ohne den laufenden Nachschub aus Europa nicht überlebensfähig gewesen wären. Zugute kam ihnen, dass die rivalisierenden muslimischen Mächte (der Fatimiden in Ägypten und der Seldschuken in Mossul, Aleppo und Damaskus) sich gegenseitig blockierten. Die Ritterherrschaften, die sich entgegen vorherigen Absprachen nicht dem byzantinischen Kaiser unterstellten, waren in sich nach dem Lehnssystem strukturiert, dadurch entstand ein Netz von Burgen und Verteidigungsanlagen unter der Leitung von Baronen oder Grafen. Die Besatzungsmacht war aber numerisch zu klein, um die beanspruchten Gebiete dauerhaft halten zu können. In den Städten entstand eine Kirchenorganisation nach römischem Recht, mit zumeist westlichen Klerikern unter Leitung des lateinischen Patriarchen von Jerusalem, der dem Papst unterstand. In den Städten, besonders in Jerusalem, wurden Klöster und Kirchen gebaut (oder wiederaufgebaut) und brachten in der Folgezeit wichtige Bauten der Romanik in einer spezifischen Ausprägung hervor. Der Ausdehnung der Ritterherrschaften dienten seit 1100 verschiedene kleinere Kreuzzüge und Pilgergruppen (so etwa 1107 die bewaffnete Wallfahrt des 722

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Norwegerkönigs Sigurd). Die Grenzziehung zwischen Kreuzfahrern und Pilgergruppen ist dabei im Einzelnen schwierig oder unmöglich. Papst Calixt II., der auf dem 1. Laterankonzil 1123 den Kreuzzugsgedanken institutionalisierte und die bindende Kraft des Kreuzzugsgelübdes dekretierte, hatte 1122 eine größere Unternehmung proklamiert, die sowohl auf Palästina als auch auf Spanien ausgerichtet war und bis 1126 anhielt (u.a. mit der Eroberung von Tyrus). 8.3.2 Der Kreuzzug von 1147/48. Die politische Lage für die Ritterherrschaften änderte sich durch das Vordringen der Türkenherrschaft im Norden Syriens und Mesopotamiens. Hier konnten der Feldherr Zengi und sein Sohn Nur al-Din (1146-1174) ab 1127 ein mächtiges Reich schaffen. 1144 wurde Edessa erobert, weitere Teile der Ritterherrschaften waren bedroht. Die Kreuzzugsbulle Papst Eugens III. (1145-1153), eines Zisterziensers, von 1145 stellte zwar viele geistliche Vorteile und rechtliche Privilegien in Aussicht, fand aber unter den Fürsten und Rittern kaum Resonanz. Daraufhin beauftrage er seinen Lehrer Bernhard von Clairvaux, eine Predigtkampagne zur Werbung für den Kreuzzug zu organisieren. Unermüdlich warb dieser auf Reisen in Frankreich und Deutschland sowie durch Briefe an Könige und Fürsten für das Projekt. Nach dem französischen König Ludwig VII. (1137-1180) gewann er auch den deutschen König Konrad III. (1138-1152) für die Idee eines umfassenden Kreuzzuges. Beide stellten daraufhin ein Reichsheer auf und zogen getrennt nach Konstantinopel, zahlreiche Gruppen liefen parallel mit Schiffen in Richtung Palästina aus. Konrads Heer erlitt gegen die Türken bei Doryläum eine schwere Niederlage; dessen Reste kamen 1148 zusammen mit dem ebenfalls bedrängten Heer Ludwigs VII. nach Palästina, doch die Feindschaft beider Könige verhinderte zielstrebiges Handeln, Konflikte mit den Rittern vor Ort kamen hinzu. Die Grafschaft Edessa blieb zum größeren Teil verloren, der Versuch, Damaskus zu erobern, scheiterte (wie schon ein erster Angriff von 1128/1129). Ergebnis der ganzen Aktion waren bleibende Spannungen zwischen den schon länger in Palästina und Westsyrien lebenden Rittern und den neu hinzugekommenen Kreuzfahrern.

Verlust Edessas

Ludwig VII. Konrad III.

8.4 Die Kreuzzüge nach Palästina bis 1291 Der aufsteigende General Saladin eroberte 1171 Ägypten und übernahm 1174 das Reich Nur al-Dins in Syrien. Da er die Rückeroberung der christlichen Gebiete betrieb, fanden sich mehrere europäische Reiche unter Führung Friedrich Barbarossas zu einem neuen Kreuzzug bereit (in der alten Zählung der 3.). Dies war der Anfang einer zunehmend unübersichtlicheren Reihe von Unternehmungen mit sehr unterschiedlichem, oft nur sehr kurzfristigem Erfolg, die die in der älteren Forschung übliche Zählung von sechs oder sieben Kreuzzügen als besonders fraglich erscheinen lässt. 1189-1191 zogen verschiedene Heere zu Land und zu Wasser nach Palästina, aber Barbarossas Tod 1190 und Konflikte unter den Kreuzfahrern beeinträchtigten die Stoßkraft, so dass nur die Besetzung einiger Städte und kleiner Gebiete zustande kam. Erfolgreicher war der von Kaiser Heinrich VI. geplante Kreuzzug, der 1197 fast das ganze Küstengebiet zurückgewann (nicht jedoch Jerusalem). Der universalen Herrschaftskonzeption von Papst Innozenz III. (s. § 9; 7.2) entsprach sein programmatisches Engagement für die Kreuzzugsbewegung. 1198/1199 kam so eine Planung für einen weiteren Kreuzzug 8. Die Kreuzzugsbewegung

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Saladin

Friedrich I. Barbarossa

Innozenz III.

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Abb. 26 Die Kreuzfahrerherrschaften in Syrien–Palästina

G F T. E D E S S A

Edessa

(1098 – 1144/46)

Tulupe

Sis

Lampron Tarsus

Laranda

BYZANTI N ISCH ES REICH Germanicopolis

(Anemorium)

Sultanat Aleppo

(1096 – 1188)

Laodicea/ Latakia

Or on tes

Tortosa

Cerinia

Famagusta

Nikosia

ZYPERN

G F T. T R I P O L I S (1104 – 1188)

Tripolis

(ab 1191 /92)

Limassol Beirut

Emirat /Sultanat Damaskus

Sidon

Damaskus

Tyrus

Mit t e lm e e r

Akkon

Tiberias

C H A F T E N H E R R S

Paphos

Aleppo

Mallus

FSM. ANTIOCHIA

Carpas

(Cyrenia)

rat

C H E M I S S L I M U

Anamur

ph

Mamistra

Antiochia

Seleukia

(Erminek)

Eu

(Daluk)

KG R . A R M E N I E N

KG R . J E R U S A L E M (1099 – 1187)

an Jord

Jaffa Askalon Darum Damiette

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50

Totes Meer

El-Arisch Farama

Mansurah 0

Jerusalem

Gaza

100

Ä GY P T E N / FAT I M I D E N - K A L I FAT

150 km

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zustande, der sich jedoch fehlgeleitet gegen Byzanz richtete (früher als 4. Kreuzzug gezählt). Auf dem großen 4. Laterankonzil 1215 propagierte er die Notwendigkeit der Kreuzzüge, woraufhin 1217-1221 einige kleinere Heere nach Palästina und Ägypten zogen (früher z.T. als 5. Kreuzzug bezeichnet). Die Erfolglosigkeit dieser Unternehmungen ließ weitere Aufrufe verpuffen. Dem vom Papst unabhängig agierenden Kaiser Friedrich II. (vgl. § 9; 7.3) gelang es von Sizilien aus, nach Ägypten vorzudringen und durch Verhandlungen die christliche Präsenz in Jerusalem zu sichern (und sich selbst als König von Jerusalem darzustellen; früher als 5. bzw. 6. Kreuzzug gezählt). Andere Kreuzfahrerheere konnten zwischen 1231 und 1241 das Gebiet des Königreiches Jerusalem erweitern, erlitten jedoch auch rasch wieder massive Rückschläge. Daran konnten auch der religiös motivierte Einsatz des französischen Königs Ludwig IX. 1248-1254 (früher als der 6. bzw. 7. Kreuzzug gezählt) und 1270 sowie Aktionen anderer Fürsten nichts mehr ändern. Der Fall Akkons 1291 symbolisiert das definitive Ende der Ritterherrschaften in Palästina, wenngleich Zypern, Rhodos und Kreta in byzantinischer Hand blieben und von hier aus im 14. Jh. neue westliche (erfolglose) Vorstöße nach Kleinasien und Syrien erfolgten. 8.4.1 Saladin und Barbarossa. Das von Zengi (s. § 9; 8.3.2) begründete und von dessen Sohn Nur al-Din ausgebaute türkische Reich wuchs zu einer schweren Bedrohung heran, als es sich seit 1154 über Damaskus bis nach Ägypten ausdehnte. Im Auftrag Nur al-Dins beseitigte der energische Kurde Salah al-Din/Saladin 1171 die dortige Fatimidenherrschaft. Nach Nur al-Dins Tod 1174 übernahm er 1174 die Herrschaft auch in Syrien und errichtete ein umfassendes, am sunnitischen Islam orientiertes Reich. Damit kreiste er die Herrschaften der Kreuzfahrer ein, die er 1187 in der Schlacht bei Hattin/Galiläa vernichtete und die er bis auf kleine Reste um Tyrus, Tripolis und Antiochia eroberte. Jerusalem stand jetzt wieder unter muslimischer Herrschaft. Die Nachricht von diesem Verlust erschütterte Europa. Noch 1187 rief Papst Gregor VIII. zu einem neuen Kreuzzug auf. Nun nahmen die mächtigsten Herrscher das Kreuz. 1189 zog der alte Friedrich I. Barbarossa an der Spitze eines großen Reichsheeres von Regensburg aus nach Kleinasien. Als er hier im Juni 1190 im Saleph ertrank, löste sich sein Heer weitgehend auf. Zu dieser Zeit brachen der englische König Richard I. Löwenherz und der französische König Philipp II. gemeinsam auf, um zur See von Marseille über Sizilien nach Akkon vorzustoßen. Da sie sich zerstritten, zog nur Philipp nach Akkon, kehrte aber nach Eroberung dieser wichtigen Hafenstadt 1191 nach Frankreich zurück. Richard Löwenherz eroberte das von den Byzantinern beherrschte Zypern und operierte dann längere Zeit in Palästina mit dem Kreuzfahrerheer gegen Saladins Truppen. Zwar gelang es ihm nicht, Jerusalem zu befreien, aber er sicherte vor seiner Rückkehr durch einen Vertrag mit Saladin 1192 den ungehinderten Zugang der Pilger und die Existenz der fränkischen Herrschaftsgebiete in einem schmalen Streifen von Tyrus bis Askalon. 8. Die Kreuzzugsbewegung

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Friedrich II.

Ludwig IX.

Nur al-Din

Schlacht bei Hattin 1187

Philipp II. von Frankreich

Richard Löwenherz

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alte Zählung

1. Kreuzzug

2. Kreuzzug 3. Kreuzzug

4. Kreuzzug (5. Kreuzzug?) 5. (oder 6.) Kreuzzug 6. (oder 7.) Kreuzzug

Einbettung der Kreuzzüge ins Heilige Land in vielgestaltige Kreuzzugsbewegung mit permanentem Nachstrom/Nachschub 1095 Kreuzzug der pauperes 1096 drei weitere Haufen von pauperes 1096 Heer unter Gottfried von Bouillon 1096 Zuzug französischer und normannischer Soldaten 1099 Eroberung Jerusalems 1107 Norwegerkönig Sigurd 1122-1126 von Calixt II. initiierte Unternehmung kleinere Kreuzzüge, Pilgergruppen 1147 Kreuzzug von Ludwig VII. und Konrad III. 1189-1191 Kreuzzug unter Friedrich I. Barbarossa 1191 Eroberung Akkons durch Philipp II. von Frankreich 1191 Richard Löwenherz erobert von den Byzantinern Zypern 1197 Kreuzzug von Heinrich VI. nach Akkon 1198/1199 Kreuzzug richtet sich gegen Byzanz 1212 sog. Kinderkreuzzug endet in Marseille und Genua 1217-1221 kleinere Heere in Palästina 1218-1221 Angriff auf Damiette und Ägypten 1227f. abgebrochener Kreuzzug von Friedrich II. 1228-1229 Kreuzzug Friedrichs II. 1231-1241 Kleinere Kreuzzugsheere stärken Königreich Jerusalem (u.a. Kreuzzüge Theobalds von Champagne und Richards von Cornwall) 1248-1254 Kreuzzug Ludwigs IX. von Frankreich 1270 zweiter Kreuzzug König Ludwigs IX. von Frankreich 1270-1271 Kreuzzug Edwards I. von England nach 1291 Vorstöße von Zypern, Rhodos oder Kreta aus

8.4.2 Heinrich VI. Barbarossas Sohn Heinrich VI. organisierte im Zusammenhang seiner imperialen Politik (vgl. § 9; 7.2.1) einen neuen Kreuzzug. Sein Heer segelte 1197 nach Akkon, eroberte Sidon und Beirut, löste sich aber nach seinem plötzlichen Tod auf. Die Erfolge waren dadurch ermög726

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§ 9 Geistliche und weltliche Gewalt im Mittelalter

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licht worden, dass nach Saladins Tod 1193 sein Reich in rivalisierende Teile zerfiel. In der Folgezeit bestanden die Kreuzfahrerherrschaften in stark verkleinertem Ausmaß fort: das Königreich Jerusalem ohne die heilige Stadt, mit Akkon als Hauptstadt; die Grafschaft Tripolis und das isolierte Fürstentum Antiochia, dazu das Königreich Zypern. Der unmittelbar folgende Kreuzzug 1202-1204 wurde von Venedig dominiert und führte dazu, dass sich das Kreuzzugsheer gegen Byzanz richtete und das lateinische Kaisertum errichtete. Seitdem war das Verhältnis zwischen den Kreuzfahrern und den Resten des byzantinischen Reiches stark beschädigt, was die Unterstützung der Kreuzzugsbewegung durch Byzanz fortan verhinderte. 8.4.3 Die Kreuzzugsbewegung im 13. Jh. Neue Erfolge der Reconquista in Spanien und die Kreuzzüge im Baltikum (s. § 7; 5.4.2; 12.2) fachten die Begeisterung für die Kreuzzugsbewegung nach 1200 wieder an. Der Albigenserkreuzzug gegen die häretischen Feinde der Kirche mobilisierte in Südfrankreich neben König und Adel auch fanatisierte Massen (s. § 8; 10.3). Im Zusammenhang mit Armutsbewegung und Apokalyptik entstand eine Bewegung von Armen zur gewaltlosen Befreiung Jerusalems durch Gottes Kraft, die in den Schwachen und Demütigen mächtig ist, der sog. Kinderkreuzzug von 1212. Dessen Hauptträger waren nicht Kinder im Alter von 10-18 Jahren, wie man aufgrund der legendarischen Berichte meist gemeint hat, sondern die Angehörigen sozialer Unterschichten, die zu Tausenden aus Frankreich und dem Rheinland nach Marseille und Genua zogen und dort – in ihren apokalyptischen Hoffnungen bitter enttäuscht – umkamen. Der von Innozenz III. vorbereitete, von Honorius III. inaugurierte päpstliche Kreuzzug führte 1217/1218 größtenteils deutsche und ungarische Truppen nach Palästina. Verstärkt durch eine Flotte, griffen diese 1218 Damiette im Nildelta an, um das ägyptische Sultanat auszuschalten. Bis 1221 bewirkten diese Aktionen weitgehend nichts. Das Scheitern lastete man Kaiser Friedrich II. an, der sein Kreuzzugsgelübde nicht eingelöst hatte, weil er zur Stabilisierung seiner Herrschaft in Deutschland und Sizilien bleiben wollte. Aufgrund seiner Heirat mit Isabella, der Tochter des Königs Johannes von Jerusalem, erhob er 1225 dynastische Ansprüche auf das dortige Reich. Deswegen startete er 1227 von Brindisi aus mit einer Flotte, brach das Unternehmen jedoch wegen einer Seuche, an der er auch selbst erkrankte, ab (und wurde deshalb von Papst Gregor IX. gebannt). Er nahm das Unternehmen 1228 wieder auf, unterstützt von Hermann von Salza und dem Deutschen Orden, seinem wichtigsten Partner im Heiligen Land, wo ihn der Jerusalemer Patriarch und der Klerus wegen des päpstlichen Bannes bekämpften. Da wegen der militärischen Schwäche der Kreuzfahrer eine Rückeroberung Jerusalems illusorisch war, sicherte Friedrich durch geschickte Diplomatie in einem Friedensvertrag mit dem ägyptischen Sultan 1229 für zehn Jahre die fränkische Herrschaft über Jerusalem und andere Orte wie Bethlehem, Lydda, Nazareth. Er konzedierte aber den Muslimen den Besitz ihrer beiden Moscheen in Jerusalem, was auf scharfe Kritik des Papstes und des Patriarchen stieß. Als König von Jerusalem verband er seinen kaiserlichen Universalanspruch mit der eschatologischen und weit verbreiteten Vorstellung, dass er der messianische Endkaiser war, der von Jerusalem aus die Weltherrschaft antrete. Zugleich rezipiert Friedrich II. in Sizilien und Süditalien in erheblichem Maße Errungenschaften der islamischen Kultur. Ende der dreißiger Jahre stießen weitere kleinere Kreuzzüge nach Palästina vor und stabilisierten dort die Herrschaftsgebiete der Kreuzfahrer, so u.a. Theobald von Champagne und Richard von Cornwall. 1244 besetzten Truppen des ägyptischen Sultans Jerusalem und vernichteten ein Kreuzfahrerheer, so dass bis 1250 weite Teile des Landes definitiv verloren gingen. Durch einen sorgfältig geplanten Flot8. Die Kreuzzugsbewegung

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Akkon

Kreuzzüge in Europa

»Kinderkreuzzug«

Friedrich II.

Deutscher Orden

Friedrich II. als König von Jerusalem

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Mamluken

Fall Akkons 1291

Union mit Rom

tenkreuzzug versuchte König Ludwig IX. von Frankreich (genannt der Heilige, 12261270) 1248/1249, die Lage zu ändern. Er konnte auch zunächst Damiette erobern, doch sein Heer wurde 1250 in Ägypten geschlagen. Er zog sich daraufhin nach Akkon zurück und baute bis 1254 dort wie in anderen Festungen die französische Vorherrschaft aus. In Ägypten übernahmen die Mamluken die Macht (importierte türkische Soldatensklaven) und etablierten dort ein straff geordnetes Reich, das sich bis nach Syrien ausdehnte. Diesem Expansionsdrang konnten die auch innerlich zerstrittenen Kreuzfahrerherrschaften nicht standhalten, seit 1263 eroberten die Mamluken konsequent die Kreuzfahrerburgen. Ein weiterer Versuch von Ludwig IX. von Frankreich 1270 fiel in sich zusammen, als Ludwig IX. starb. Edward I. (später König von England, damals noch Kronprinz), der ihn unterstützen wollte, ging nach Ludwigs Tod allein vor, scheiterte jedoch. 1291 wurde die Hauptstadt Akkon von den Mamluken erobert, die danach die restlichen christlichen Siedlungen ausräumten. Die Eroberung von Akkon war nur ein Schritt in dieser Entwicklung, mit dem Verlust des wichtigen Hafens wurde es aber erheblich schwieriger, umfassenden Nachschub ins Land zu bringen. Auch symbolisch war der Verlust der entsprechend ausgebauten langjährigen Residenz des Königreichs Jerusalem wichtig, so dass 1291 oft als Ende der Kreuzzüge gilt. Einzelne Vorstöße wurden allerdings auch im 14. Jh. noch unternommen, blieben jedoch erfolglos. 8.4.4 Zypern und Klein-Armenien. Auf vorgeschobenem Posten hielt sich die westliche Herrschaft im Königreich Zypern, das nach der Eroberung von 1191 (s. § 9; 8.4.1) für die Kreuzfahrer große Bedeutung als Nachschubbasis und Rückzugsort besaß. Seit 1196 wurde eine lateinische Kirchenorganisation mit einem Erzbischof in Nikosia errichtet, der die griechischen Bischöfe jurisdiktionell untergeordnet wurden. Die päpstliche Hoheit hielt sich hier – nach Ablösung des Königtums durch Venedig 1489 – bis zur Eroberung durch die Türken 1570/1571. Eine christliche Enklave im muslimischen Herrschaftsbereich war das 1199 begründete Königreich Klein-Armenien in Kilikien. Wegen der Eroberung ihres Landes durch die Seldschuken seit 1070 waren zahlreiche Armenier hierhin ausgewandert, zunächst unter dem Schutz der Kreuzfahrer, die allmählich eine Latinisierung des armenischen Kirchenwesens und eine Anbindung an Rom betrieben. Diese wurde 1197 durch eine Union besiegelt. Der in der Hauptstadt Sis residierende Patriarch unterstand bis zur Auflösung der Union 1361 dem Papst. Klein-Armenien fiel 1375 an die ägyptischen Mamluken, 1516 an die osmanischen Türken.

8.5 Wirkungsgeschichtliche Bedeutung Levantehandel

Wissenstransfer

Durch die Ritterherrschaften der Kreuzfahrer ergab sich eine dauerhafte Verbindung zum Vorderen Orient, die den Aufschwung des Levantehandels begleitete. In Städten wie Akkon und Tyrus blühte auch ab dem 13. Jh. der Handel auf, der zunehmend von Italienern dominiert wurde. Das verstärkte die wirtschaftliche Blüte Südfrankreichs und vor allem Italiens. Die Städterepubliken Venedig, Genua und Pisa entwickelten sich zu politischen Mächten mit weitreichendem Einfluss, der bis ins 16. Jh. andauerte. Das Königreich Sizilien wurde unter den Normannen und Staufern die zentrale Drehscheibe zur Begegnung der verschiedenen Kulturen, büßte aber diese Funktion nach 1268 wegen der Aufteilung in ein spanisches Königreich Sizilien und ein französisches Königreich Neapel ein. Die Begegnung Westeuropas mit Byzanz und dem arabischen Geistesleben führte zu einem Aufschwung von 728

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Philosophie, Mathematik, Geometrie, Astronomie und Medizin. Über arabische und griechische Quellen fand eine neue Begegnung mit antiker Literatur und Wissenschaft statt. Die Kultur der arabischen Welt machte sich u.a. bemerkbar in Veränderungen von Mode, Wohnkultur (z.B. Tapeten), Schreib-, Bank- und Waffenwesen. Die ursprünglich religiösen Motive der Kreuzzugsbewegung wurden teilweise durch weltliche Interessen verdrängt. Folgenreich waren die Kreuzzüge sowohl für das Selbstverständnis des Chris­tentums, das sich in seinem Bewusstsein, die universale Wahrheit zu besitzen, deutlich relativiert sah (was sich auch auf den Universalanspruch des Papstes auswirkte). Im Hinblick auf das Verhältnis zwischen Christentum und Islam hinterließen die Kreuzzüge im Vorderen Orient das Bild eines grausamen und stark verweltlichten christlichen »Abendlandes«, gegen das die kulturellen Errungenschaften der Kreuzfahrerherrschaften in den Hintergrund traten. Die Qualifizierung der Muslime als Feinde des Chris­ tentums prägte auch die späteren Abwehrfeldzüge gegen die vordringenden muslimischen Osmanen. Damit waren kulturell tief verankerte Feindbilder geschaffen, die über Jahrhunderte fortwirkten.

Christentum – Islam

8.6 Literatur Lektüretipp: T. Asbridge: Die Kreuzzüge, 6. A. 2015 [engl. The Crusades, 2010]. Quellen: H.E. Mayer (Hg.): Idee und Wirklichkeit der Kreuzzüge, 1965. – Ders. (Hg.): Die Kanzlei der lateinischen Könige von Jerusalem, 2 Bde., 1996. – R. Pernoud (Hg.): Die Kreuzzüge in Augenzeugenberichten, 5. A. 1980. Literatur: N. Jaspert: Die Kreuzzüge, 6. A. 2013. – S. Runciman: Geschichte der Kreuzzüge, 6. A. 2012. – P. Thorau: Die Kreuzzüge, 4. A. 2012. – R.W. Southern: Das Islambild des Mittelalters, 1981. – T. Pratsch (Hg.): Konflikt und Bewältigung. Die Zerstörung der Grabeskirche zu Jerusalem im Jahre 1009, 2011. – J. Phillips: Heiliger Krieg, 2012 [engl. Holy Warriors, 2009]. – Ders.: The Crusades 1095-1204, 2. A. 2014. – H.-J. Kotzur (Hg.): Kein Krieg ist heilig, 2004. – H.E. Mayer (Hg.): Die Kreuzfahrerstaaten als multikulturelle Gesellschaft, 1997. – Ders.: Herrschaft und Verwaltung im Kreuzfahrerkönigreich Jerusalem, HZ 261 (1995) 695-738. – S.B. Edgington/L. García-Guijarro (Hg.): Jerusalem the Golden. The Origins and Impact of the First Crusade, 2014. – M. Hoch: Jerusalem, Damaskus und der Zweite Kreuzzug, 1993. – J.T. Roche/J.M. Jensen (Hg.): The Second Crusade, 2015. – B. Hechelhammer: Kreuzzug und Herrschaft unter Friedrich II., 2004. – J. Riley-Smith (Hg.): Großer Bildatlas der Kreuzzüge, 1992.

9. Die geistlichen Ritterorden Mit den Kreuzzügen entstanden im 12./13. Jh. Ritterorden, vor allem die Templer und Johanniter, später der Deutsche Orden. Vergleichbar sind verschiedene Orden in Spanien. Es ist zu kurz gegriffen, hierin einfach eine Verbindung von Rittertum und Mönchsideal zu sehen, denn in den Ritterorden verbindet sich eine spezifische religiöse Grundhaltung mit karitativem Einsatz, militärischem Engagement und ständischer Exklusivität. Tragend wird die Idee, die militia Christi (der Kriegsdienst für Christus) erfordere gerade 9. Die geistlichen Ritterorden

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militia Christi

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karitative Ziele

ständisch organisiert

Geldwirtschaft

von den adligen Laien auch den bewaffneten Einsatz. Damit wird der militärische Dienst zu einer religiös qualifizierten Frömmigkeitspraxis. Die Ritterorden haben ihre Bereitschaft zum militärischen Dienst von vornherein nicht von karitativen Zielen wie der Pilgerbetreuung, Armenfürsorge und Krankenpflege getrennt. In der Kombination von Kampf gegen die Heiden und Schutz des Heiligen Landes einerseits, mildtätigem Einsatz andererseits liegt ein Spezifikum der Ritterorden, die spezifisch umgestaltete Mönchsregeln übernahmen. Zu den klassischen Gelübden Armut, Keuschheit und Gehorsam kam als vierte Verpflichtung der Waffendienst für die Christenheit hinzu (daher die charakteristische Tracht mit dem Kreuz). Ihre Mitgliedschaft war ständisch organisiert: die adligen Ritter (numerisch die kleinste Gruppe) versahen als die eigentlichen Träger des Ordens den Waffendienst zu Pferde; die Ordenskapläne waren für die priesterlichen Dienste zuständig, nichtadlige Servienten (dienende Brüder) fungierten als Fußtruppen im Kampf und waren sonst als Landarbeiter oder Handwerker für den Orden tätig. Päpstliche Anerkennung, Exemtionen (Freistellungen) und Privilegien (v.a. die Befreiung von der Zehntpflicht) gaben den Ritterorden eine hervorgehobene Stellung. Besondere Bedeutung gewannen sie – ermöglicht durch die Gelder aus den Kreuzfahrerablässen – als Bankiers und Kreditgeber in der sich entwickelnden Geldwirtschaft. Dadurch und durch ihre reichen Besitztümer wurden sie – miteinander konkurrierend – zu ökonomischen und politischen Machtfaktoren, zumal die Johanniter und der Deutsche Orden eigene Herrschaftsgebiete errichteten.

9.1 Die Templer Unter dem Einfluss der Kreuzfahrerbewegung entstand als adlige Kampfgemeinschaft zum Schutz der Pilger und der Wallfahrtsorte im Heiligen Land seit 1118/1129 durch französische Laien der Orden der Tempelritter. Er wurde zum Vorbild für die anderen Ritterorden. Er war eine rein militärische Organisation mit Zentrale in Jerusalem und umfangreichen Besitztümern in Europa, v.a. in Frankreich, die zunächst dem Unterhalt des stehenden Heeres in den Kreuzfahrerherrschaften in Palästina dienten. Dank der propagandistischen und kirchenpolitischen Unterstützung durch Bernhard von Clairvaux und dank der Privilegierung durch Papst Innozenz II. entwi­ ckelte er sich zu einem eigenständigen Machtfaktor, der für die Verteidigung der Gebiete der Kreuzfahrer bis 1291 große Bedeutung gewann, aber die innere Konsolidierung der Obrigkeitsstrukturen in Westeuropa störte. Deshalb vernichtete der französische König die Templer 1307-1314 in einem spektakulären politischen Prozess. Hugo von Payens

9.1.1 Die Entstehung des Ordens. Nach der Errichtung des Königreiches Jerusalem ab 1100 bildeten kurz nach 1118 einige wenige französische Ritter unter Hugo von Payens eine Bruderschaft zum Schutz der Pilger und der heiligen Stätten. Nach ihrem Sitz auf 730

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dem Tempelberg (wo die Al-Aqsa-Moschee vorübergehend zum Königspalast umfunktioniert und ein Teil desselben dann den Templern als Sitz übergeben worden war) nannten sie sich Tempelritter. Materiellen und personellen Rückhalt fanden sie v.a. in Frankreich. Unter dem Einfluss Bernhards von Clairvaux und der Zisterzienser (deren weißen Mantel sie übernahmen) wandelten sie sich zu einem kirchlichen approbierten Orden. Bernhard propagierte ihn in seiner Schrift Ad milites templi de laude novae militiae (An die Tempelritter, über das Lob des neuen Kriegsdienstes) von ca. 1130 als Realisierung des neuen christlichen Ritterideals. Auf der Synode von Troyes 1128 (oder 1129) erhielt er eine eigene, benediktinisch beeinflusste Regel. Seit 1139 wurde er durch päpstliche Privilegien gefördert (z.B. Freiheit vom Zehnten, Recht auf eigene Priester, was zu Konflikten mit dem Weltklerus führte). 9.1.2 Das Ende der Templer. Der straff organisierte, herrschaftlich auftretende Orden verbreitete sich schnell in Westeuropa und gewann durch Besitzungen in Frankreich und Geldgeschäfte Macht und Einfluss. Das wurde ihm zum Verhängnis nach der Beendigung seiner Tätigkeit in Syropalästina, als er mangels eines eigenen Ordensgebietes sich auf seine französischen Güter konzentrierte. König Philipp IV. (genannt der Schöne) wollte im Zusammenhang seiner Politik einer Stärkung der zentralen Königsmacht diesen Machtfaktor ausschalten und initiierte den sog. Templerprozess. Er ließ 1307 die Templer in Frankreich verhaften, u.a. wegen Ketzerei anklagen und bis 1314 in Schauprozessen hinrichten. Andere Reiche in Europa folgten diesem Beispiel. Der anfangs opponierende Papst Clemens V. half dabei mit durch Verbot und Auflösung des Ordens auf dem Konzil von Vienne 1311/1312. Dieser spektakuläre »Justizmord« verdeutlichte die weltlichen Verflechtungen des geistlichen Rittertums besonders deutlich.

Bernhard von Clairvaux

Templerprozess

Konzil in Vienne 1311/1312

9.2 Die Johanniter Zur Betreuung kranker Pilger bildete sich ca. 1100-1130 der Hospitalorden der Johanniter (Diener der Armen Christi) in Jerusalem. Neben seinen bedeutenden Leistungen in der Krankenpflege traten angesichts der Existenzbedrohung der Kreuzfahrerherrschaften der bewaffnete Schutz der Pilger und der christlichen Siedlungen sowie der Kampf gegen die Muslime seit ca. 1140 in den Vordergrund. So entstand ein zunehmend von Adligen beherrschter Ritterorden, dessen besonderes Gelübde dem Dienst an den Armen und der Verteidigung des Glaubens galt. Nach dem Verlust von Akkon 1291 errichteten die Johanniter auf Rhodos eine eigene Herrschaft und spielten im 14./15. Jh. mit ihrer Flotte und ihren gewaltigen Burgen im östlichen Mittelmeerraum eine wichtige Rolle beim Abwehrkampf gegen die osmanischen Türken. Diesem Zweck dienten sie weiterhin, als sie 1530 ihre Zentrale nach Malta verlegen mussten (daher auch Malteser genannt), bis ins 18. Jh.

Hospitalorden

9.2.1 Entstehung des Ordens. Der alten Tradition der Palästinawallfahrt entsprach die Fürsorge für die Pilger, die fern der Heimat besonderer Hilfe bedurften. Italienische Kaufleute renovierten um 1080 (d.h. noch vor der Eroberung durch die Kreuzfahrer) in Jerusalem ein seit dem 7./8. Jh. bestehendes Hospital zusammen mit einem Benediktinerkloster. Nach der Eroberung Jerusalems 1099 bildete sich hier ein Hospitaliterorden mit einer ersten Regel um 1130 zur Pilgerbetreuung und Krankenpflege, der sich später 9. Die geistlichen Ritterorden

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Johannes der Täufer

Raymond de Puy

Rhodos

Malta

Johannes den Täufer als Patron nahm. Weitere Hospitäler entstanden in Syropalästina sowie in südeuropäischen Hafenstädten und Wallfahrtsorten. Ihre nach byzantinischen Vorbildern organisierte medizinische Versorgung war vorbildlich. Seit 1136 übernahmen die Johanniter (Ordenstracht: schwarzer Mantel mit weißem achtspitzigem Kreuz) Burgen im Königreich Jerusalem zum Grenzschutz gegen die Muslime. Der militärische Dienst wurde ausgebaut und trat in den Vordergrund. Der Reichtum des Ordens wuchs durch Schenkungen von Landbesitz und durch Ablassgelder. Unter dem Meister Raymond de Puy erhielt der Orden ca. 1155/1160 eine Regel auf der Basis von Augustinerund Templerregel. Konflikte mit Templern und Kreuzfahrern behinderten im 12./13. Jh. die Verteidigung der christlichen Bastionen. 9.2.2 Struktur und Weiterleben des Ordens. Der zentralistisch organisierte Orden war v.a. in Westeuropa verbreitet und gliederte sich in 7 Zungen (Nationen), 25 Priorate und ca. 700 Kommenden/Komtureien auf regionaler Ebene. Nach dem Fall Akkons 1291 verlegte der Ordensmeister seinen Sitz nach Zypern, 1309 nach Rhodos, das als Festung und Hafen ausgebaut wurde. Die Johanniter entwickelten sich zu einer mittleren Seemacht mit umfangreichen Handelsgeschäften. Die Besitztümer in Europa wurden – v.a. durch Übernahme von Teilen des Templervermögens – kräftig vermehrt. Im Kampf gegen das Vordringen des osmanischen Türkenreiches erwarb der Orden sich große Verdienste, bis er 1522 Rhodos aufgeben musste. Von Kaiser Karl V. erhielt er 1530 Malta, als souveräner »Staat« spielte er bis 1798/1809 eine politische Rolle in Europa. Neben dem im 19./20. Jh. reorganisierten katholischen Orden (mit dem Malteser-Hilfsdienst in Deutschland) entstand in Preußen 1812/1852 ein evangelischer Johanniterorden mit sozialkaritativen Aufgaben, der sich u.a. in Deutschland bis heute gehalten hat (z.B. mit Johanniter-Unfallhilfe und -Schwesternschaft).

9.3 Der Deutsche Orden

Hermann von Salza

Marienhospital

Als letzter der drei großen Ritterorden entwickelte sich in Palästina aus einer Hospitalbruderschaft analog zu den Johannitern seit 1198 der Orden der Deutschen Brüder, dessen Regel die Verpflichtungen zum Kampf gegen das Heidentum und zur Krankenpflege verband. Kaiser Friedrich II. förderte ihn im Blick auf seine Palästinapolitik und wurde bei seinem Kreuzzug 1128/1229 von ihm – im Unterschied zu Templern und Johannitern – kräftig unterstützt. Bis 1291 blieb er in Palästina ein militärischer Machtfaktor. Unter seinem bedeutenden Hochmeister Hermann von Salza bildete er einen neuen Schwerpunkt mit der gewaltsamen Heidenmission in Preußen und im Baltikum seit 1231, wo er ein eigenes Herrschaftsgebiet etablierte (vgl. § 7; 12.2). 9.3.1 Gründung des Ordens. Im Zusammenhang mit der Gründung eines Feldspitals beim Kampf um Akkon 1189/1190 durch Lübecker und Bremer Kaufleute entstand eine Laienbruderschaft, die die Kontinuität zum älteren Hospital der Deutschen Brüder in Jerusalem beanspruchte und sich 1198/1199 nach dem Vorbild der Templer zum Ritterorden wandelte (1199 päpstlich anerkannt): dem Ordo fratrum domus hospitalis Sanctae Mariae Theutonicorum (Orden der Brüder des St. Marienhospitals der Deutschen) (oder kurz: Ordo Theutonicorum/ Orden der Deutschen). Er rekrutierte sich v.a. aus dem Ministerialadel Deutschlands, v.a. aus Thüringen-Hessen (mit besonderem Schwerpunkt in 732

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Marburg um die Verehrung der heiligen Elisabeth; s. § 6; 12.4.2). Seine bis 1245 entwi­ ckelte Regel kombinierte diejenigen der Johanniter und Templer, denen der Orden auch äußerlich entsprach (Balleien und Komtureien als Verwaltungseinheiten, Mitgliedschaft in drei Klassen; weißer Mantel mit schwarzem Kreuz als Rittertracht). Hermann von Salza (Hochmeister 1209-1239) erwarb ihm durch seine guten Kontakte zu Friedrich II. und den Päpsten politischen Einfluss und Privilegien. Im Heiligen Land erwarb er Burgen (v.a. Montfort/Starkenberg bei Akkon, bis 1271 Sitz des Hochmeisters) und Ländereien. Die Konflikte mit den Johannitern und Templern belasteten die Situation. Durch den Kreuzfahrerablass und zahlreiche Stiftungen in Deutschland wurde er reich. 9.3.2 Hinwendung zur Heidenmission. Da der Kampf in Syropalästina im 13. Jh. zunehmend aussichtsloser wurde, intendierte Hermann von Salza ein eigenes Herrschaftsgebiet in Europa. Die vom Papst unterstützte Mission im Burzenland (Siebenbürgen) 1211-1225 scheiterte am Widerstand des ungarischen Königs Andreas. Als der polnische Herzog Konrad von Masowien den Orden bat, das angrenzende Land der Prußen im Sinne der Kreuzzugsidee zu christianisieren, baute dieser seit 1231 bis 1283 eine eigenständige Herrschaft im Kulmer Land, in Samland und Preußen auf. Der 1228 gegründete polnische Ritterorden der Dobriner und der seit 1202/1203 in Livland tätige Schwertbrüderorden schlossen sich ihm 1235 bzw. 1237 an (vgl. weiterhin § 7; 12.2.1.-12.2.2).

Land der Prußen

9.4 Literatur Lektüretipp: H. Boockmann: Deutscher Orden, LMA 3 (1986) 768-777. Literatur: J. Sarnowsky: Die Templer, 2009. – Ders.: Die Johanniter, 2011. – Ders.: Der deutsche Orden, 2. A. 2012. – K. Militzer: Die Geschichte des Deutschen Ordens, 2. A. 2012. – Ders.: Von Akkon zur Marienburg. Verfassung, Verwaltung und Sozialstruktur des Deutschen Ordens 1190-1309, 1999. – H. Boockmann: Der Deutsche Orden, 5. A. 2012. – L. Wetzel: Le Concile de Vienne 1311-1312 et l’abolition de l’Ordre du Temple, 1993. – A. Demurger: Die Templer, 4. A. 1994. – M. Barber: The Trial of the Templars, 2. A. 2006. – Ders.: The Military Orders, 5 Bde., 1994-2012. – J. Fleckenstein/M. Hellmann (Hg.): Die geistlichen Ritterorden Europas, 1980. – B. Waldstein-Wartenberg: Die Vasallen Christi. Kulturgeschichte des Johanniterordens im Mittelalter, 1988.

 § 7; 12.

10. Das Ende der christlichen Großmacht Byzanz Die Expansion westeuropäischer Herrschaften in den östlichen Mittelmeerraum in der Kreuzzugsbewegung brachte eine neue Phase der Konflikte mit dem byzantinischen Reich, die an die bisherige Konfliktgeschichte (rivalisierender Anspruch auf die universale Kaiserwürde, gegenseitige kirchenpolitische Abgrenzung, zuletzt 1054, die Nicht-Akzeptanz des römischen Primats, Konflikte um Reste byzantinischer Herrschaft in Süditalien bis zum 11. Jh.) anknüpfte. Ihren Höhepunkt fand sie in der Eroberung Konstantinopels durch ein Kreuzfahrerheer und die Einrichtung lateinischer Herrschaften auf oströmischem Boden (1204-1261). Byzanz konnte sich davon nur mühsam erholen und wurde schon bald durch die vordrängenden Reiche der Bulgaren und besonders der türkischen Osmanen auf ein kleines Restterritorium reduziert. Die Versuche der byzantinischen Kaiser, aus dem Westen 10. Das Ende der christlichen Großmacht Byzanz

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Konfliktgeschichte

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Militärhilfe gegen Union

Militärhilfe zu bekommen und dafür die Kirchenunion (incl. Anerkennung des römischen Primats) zu bewerkstelligen, waren illusorisch und zerstörten das traditionelle Verhältnis zwischen Kaiser und Klerus in Byzanz. Die Eroberung Konstantinopels 1453 war eine weltgeschichtliche Zäsur, denn damit rückte ein muslimisches Territorium weit bis nach Europa (Balkan) vor und prägte die weitere europäische Geschichte ab dem 16. Jh. Das ostkirchliche Christentum lebte zum größeren Teil unter muslimischer Herrschaft weiter, als Hort der orthodoxen Tradition gewann Russland eine neue Bedeutung (mit dem Anspruch, dass Moskau das dritte Rom nach Rom und Konstantinopel sei).

10.1 Innere Instabilität und territoriale Erosion vielfältige Bedrohungen

Basilius I.

Symphonieprinzip

Komnenen­ dynastie

Außenpolitisch war Byzanz infolge seiner geostrategischen Lage besonders bedroht: Vom Balkan- bzw. Schwarzmeergebiet her bedrohten es Bulgaren, Petschenegen und Kumanen, nach Kleinasien drangen Araber, Seldschuken, Türken und Mongolen vor. Die Verteidigung westlicher Herrschaften in Italien bis ca. 1070 kam hinzu. Innenpolitisch wurde das Reich durch Machtkämpfe erschüttert, die Ausdruck sozialer Spannungen waren. In der Zeit des sog. Mittelbyzantinischen Reiches (867-1261) gab es zunächst für ca. 150 Jahre eine erstaunliche Blüte mit Siegen über Araber und Slawen und Rückgewinnung alter Reichsgebiete bis Edessa, Antiochia und Damaskus. Seit 1025 begann ein Prozess der Destabilisierung. 10.1.1 Blüte von Byzanz unter der Makedonierdynastie. Unter der von Basilius I. (867886; vgl. § 8; 6.2.2) begründeten Dynastie der Makedonier erreichte Byzanz eine bedeutende Machtentfaltung. Das Vordringen der Araber konnte ab 940 gestoppt werden, Syrien, teilweise Palästina und Kreta konnten eingenommen werden. Diese stabile Periode endete nach Basilius II. (976-1025). Kirchengeschichtlich ist für diese Periode die als Ideal postulierte συμφωνία (symphōnia/Zusammenklang, Harmonie) zwischen Kaiser und Kirche charakteristisch, die allerdings de facto eine Opposition kirchlicher Repräsentanten und Gruppen gegen den Kaiser nicht ausschloss. Der Kaiser beanspruchte sakrale Würde und sah sich konkret für die äußeren Geschicke der Kirche zuständig, z.B. durch Einberufung von Konzilien, Ein- bzw. Absetzung von Patriarchen, Erlass der Kirchengesetze, Verfolgung von Häretikern. In dieser Hinsicht knüpfte die mittelbyzantinische Zeit an die Entwicklung in der Zeit nach Justinian (527-565) und Heraklius (610-641) an. 10.1.2 Destabilisierung nach 1025. Innenpolitische Instabilität im 11. Jh. mit einer raschen Abfolge von Kaisern und die Neuordnung unter der Komnenendynastie (10811185) mit fortschreitender Feudalisierung (Begünstigung der Großgrundbesitzer, Schaffung einer Militäraristokratie) und Zerrüttung der öffentlichen Finanzen führte dazu, dass die außenpolitischen Gefahren nicht mehr abgewendet werden konnten: Kleinasien wurde zwischen 1071 und 1076 von den Seldschuken erobert, die letzten Gebiete in Sizilien und Süditalien gingen 1061/1071 an die Normannen verloren, auf dem Balkan entstand das großserbische Reich um 1171, Dalmatien und Kroatien wurden durch die Ungarn erobert und die Bulgaren verselbständigten sich in einem neuen Reich seit 1185/1186. Die Regierungszeiten von Alexius I. (1081-1118), Johannes II. (1118-1143) und Manuel 734

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I. (1143-1180) brachten einerseits eine gewisse innenpolitische Konsolidierung mit beachtlicher kultureller Blüte und militärischen Erfolgen in Kleinasien und Syrien, konnten aber den langfristigen Trend nicht umkehren. Versuche, nach Apulien auszugreifen (1155-1158) scheiterten ebenso wie das Bemühen von Manuel I., von dem Kampf des Papstes gegen Friedrich I. zu profitieren (Das Angebot von 1162, dafür den römischen Primat anzuerkennen, traf in der byzantinischen Kirche auf hartnäckigen Widerstand).

10.2 Das lateinische Kaisertum 1204-1261 Die Hoffnung der byzantinischen Kaiser, mit Hilfe der Kreuzfahrer die alten Herrschaftsgebiete in Syrien zurückgewinnen zu können, wurde bitter enttäuscht. Nicht nur dort bauten die Kreuzfahrer unabhängige Herrschaften auf, 1192 ging auch Zypern an die Kreuzfahrer verloren. Die Seldschuken im Sultanat Ikonium waren seit 1176 wieder ein gefährlicher Feind, hinzu kamen die Venezianer, die die Inseln und Küsten der Ägäis zu beherrschen suchten. Auf dem Balkan löste sich die byzantinische Herrschaft ab 1181 rapide auf. Die Krise wurde zur Katastrophe, als Venedig 1202-1204 ein Kreuzfahrerheer nach Konstantinopel lenkte. Innere Konflikte gaben den Vorwand für die Eroberung der bislang uneinnehmbaren Hauptstadt. Ein lateinisches Kaisertum mit autonomen Vasallenreichen in Griechenland wurde etabliert, Byzanz auf ein Rumpfreich in Kleinasien um Nicäa reduziert. Die Deklaration der kirchlichen Union mit Rom (mit Etablierung eines lateinischen Patriarchen und entsprechendem hohen Klerus) hatte wenig Auswirkung, da sie von Klerus und Volk abgelehnt wurde. Die Machtposition der lateinischen Herrschaften bröckelte bereits seit 1216/1225 erheblich, doch erst 1261 konnte ein byzantinisches Heer die Hauptstadt zurückerobern, während die Herrschaft der Franzosen in Morea (Peloponnes) und der Venezianer (sowie der Genuesen) auf den Inseln sich bis ins 15. Jh. hielt. Das Verhältnis zwischen Ost- und Westkirche wurde durch die Episode des lateinischen Kaisertums auf Jahrhunderte schwer belastet. 10.2.1 Die Eroberung Konstantinopels 1204. Dem Aufruf von Innozenz III. zu einem erneuten großen Kreuzzug folgten viele Herzöge und Ritter und schlossen einen Vertrag mit der Republik Venedig unter dem mächtigen Dogen Enrico Dandolo (gest. 1205), wonach dessen Flotte das Heer gegen eine riesige Geldsumme ins Heilige Land bringen sollte. Da aber bis 1202 nur ein Teil der vorgesehenen Streitmacht versammelt war, der die Summe nicht bezahlen konnte, mussten die Kreuzfahrer im Auftrag Venedigs die bis 1186 venezianische Küstenstadt Zara in Dalmatien von den Ungarn zurückerobern. Als der junge byzantinische Alexius IV., Mitkaiser seines abgesetzten Vaters Isaak II., gegen einen Usurpator Hilfe bei Venedig und dem Kreuzfahrerheer suchte, eine gewaltige Geldsumme und die Kirchenunion mit Rom versprach, segelte die Flotte 1203 nach Chalkedon. Die Kreuzfahrer wurden zudem durch die immensen Reliquien- und sons­ tigen Schätze in Konstantinopel sowie die Propaganda über die »griechischen Ketzer« motiviert, konnten aber Konstantinopel erst 1204 einnehmen, als es in Konstantinopel zum offenen Aufstand kam und Alexius IV. und sein Vater gelyncht wurden. Damit war Konstantinopel, geostrategisch günstig gelegen und so gut befestigt, dass es bisher allen äußeren Feinden hatte trotzen können, zum ersten Mal erobert worden. 10. Das Ende der christlichen Großmacht Byzanz

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Zypern

Venedig

Griechenland

Eroberung von Zara

Reliquien

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Abb. 27 Lateinisches Kaiserreich um 1214

KG R . U N G A R N

Don

au

SERBIEN

B U LG A R I E N

Serdika/Sofia

Adrianopel

Dyrrhachion

BYZ. D E S P OTAT EPIRUS

L AT E I N . Konstantinopel KAISERREICH

Thessalonike

KG R . T H E S S A LO N I K E

Nicäa

Athos

Larissa

Korfu

Warna

Tarnovo

Lemnos Lesbos

(Hzm. Athen)

Kephalonia Zante

S c hwa r ze s M e e r

Euboia

Athen

Korinth

BYZ. KAISERREICH NICÄA Smyrna

Chios

Ephesos

F TM . A C H A I A

Mistra

S U LTA N AT I KO N I U M Attalia

HZM. ARCHIPELAGOS ( N A XO S )

Rhodos

Kreta

Mit te l m e e r

Teilreiche Venedigs Herrschaften 0

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100

200

300 km

§ 9 Geistliche und weltliche Gewalt im Mittelalter

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10.2.2 Die Vasallenreiche. Während man in Konstantinopel Balduin von Flandern (gest. 1205) zum ziemlich machtlosen Kaiser über ein kleines Gebiet mit der Bezeichnung Romania (Thrakien und das nordwestliche Kleinasien am Marmarameer) machte, dem dann sein Bruder Heinrich nachfolgte (gest. 1216), entstand ein unabhängiges Königreich Thessalonike mit Teilen Makedoniens und Thessaliens, das allerdings schon 1224 unterging. Als stabilste lateinische Herrschaft erwies sich das Fürstentum Achaia mit Schwerpunkten in Attika (1280-1311 als autonomes Herzogtum Athen) sowie auf der Peloponnes (jetzt Morea genannt) unter dem Franzosen Gottfried von Villehardouin und dessen Nachkommen. Die Festung Mistra (bei Sparta) entwickelte sich zum Herrschaftszentrum, das nach 1261/1262 in Anlehnung an das Haus Anjou (Königreich Neapel) das Kerngebiet bis 1432 behaupten konnte. Venedig erhielt Küstenstädte in Dalmatien und Westgriechenland sowie die meisten Inseln (sog. Herzogtum Archipelagos) und Kreta (bis 1669). 10.2.3 Das byzantinische Rumpfreich in Nicäa. Der nach der Eroberung Konstantinopels 1204 zum Kaiser ausgerufene Theodor I. Laskaris zog sich nach Nicäa zurück und beherrschte hier das byzantinische Rumpfreich, das er allmählich konsolidieren und ausdehnen konnte. Auch der byzantinische Patriarch residierte fortan hier. Konkurrierende Ansprüche auf den Kaisertitel bestanden in der Herrschaft Trapezunt (an der Schwarzmeerküste) und in Epirus (wo die letzten Nachkommen aus der Angelosdynastie eine Herrschaft etablieren konnten und nach der Eroberung des Königreichs Thessalonike 1224 den Kaisertitel beanspruchten). Der tatkräftige Johannes III. Dukas Vatatzes (1222-1254) konnte durch eine geschickte Finanz- und Wirtschaftspolitik und die Stärkung der Militärmacht die Grundlage für den Aufstieg schaffen. Er verdrängte zunächst die Lateiner aus Kleinasien, dann – wie die Bulgaren – aus Thrakien und Makedonien. Eine neue Dynastie begründete Michael VIII. Palaiologos (1259-1282), durch dessen geschickte Außenpolitik – nach der eher zufälligen Einnahme Konstantinopels 1261 – Byzanz letztmalig eine bedeutende Position errang. Die Palaiologendynastie regierte bis 1453.

Achaia Morea

Palaiologen­ dynastie

10.3 Die Spätphase: Hilfe gegen die Türken gegen Unterwerfung unter den römischen Primat Durchgängige Krisenszenarien bestimmten die Geschichte des spätbyzantinischen Reiches (1261-1453). Die Abwehr gegen die Zugriffe des Westens und der Osmanen schwächte das Reich ebenso wie innere Unruhen, Bürgerkriege und religiöse Konflikte. Interessengegensätze und eine größere kirchliche Selbständigkeit stellten das Symphonieprinzip in Frage. Die byzantinischen Kaiser versuchten – nach Ansätzen im 11./12. Jh. – in mehreren Anläufen, Militärhilfe aus dem Westen mit einer Kirchenunion unter Roms Führung zu bezahlen. Doch Patriarchen, Klerus und Kirchenvolk widersetzten sich diesem Vorhaben, so auch dem Unionsplan von 1274. Westliche Herrscher achteten mehr auf ihre eigenen Interessen als auf den Erhalt des byzantinischen Reiches. Letzte Versuche führten schließlich zu einer förmlichen Union 1439, die jedoch ebenfalls nie umgesetzt wurde. Das seit 1354 vordrängende Osmanenreich beschränkte Byzanz Ende des 14. Jh.s im Wesentlichen auf seine Hauptstadt, die 1453 als letzte Bastion fiel. Das osmani10. Das Ende der christlichen Großmacht Byzanz

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Osmanenreich

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sche Reich war dadurch eine Großmacht in Europa geworden, die die europäische Geschichte bis 1918 mitbestimmte. 10.3.1 Die Union von 1274. Die Bedrohung durch westliche Angriffe in Südgriechenland blieb auch nach 1261 für das restituierte Reich ein Dauerproblem, zumal der neue König von Sizilien, Karl von Anjou, seine Eroberungspläne ab 1266 mit dem Streben nach der Kaiserwürde verband. Dem begegnete Michael VIII. Palaiologos durch das Manöver, dass er Papst Gregor X. und Ludwig IX. von Frankreich durch das Angebot einer Kirchenunion auf seine Seite zog, die auf dem 2. Konzil von Lyon 1274 ohne theologische Vorbereitung formell deklariert wurde (s. § 8; 9.4.2). Die Opposition der griechischen Kirche versuchte Michael durch Gewalt zu unterdrücken, seine Unionspolitik scheiterte vollends, als Papst Martin IV. und Karl von Anjou 1281 zusammen mit den Serben nach Makedonien eindrangen.

Unionspläne

Manuel II.

russische Kirche

10.3.2 Scheitern der Osmanenabwehr im 14. Jh. Nach dem Zerfall des seldschukischen Sultanats von Ikonium um 1300 drangen aus Zentralasien eingewanderte Turkstämme ein, unter denen dasjenige des Osman (ca. 1300-1326) besondere Dynamik entwickelte. Die territoriale Expansion der osmanischen Türken wurde seit 1328 begünstigt durch bürgerkriegsähnliche Thronfolgekämpfe in Byzanz und die Unruhen im Zusammenhang des Hesychasmusstreits (s. § 6; 5.4.5). 1354 überquerten die Osmanen die Dardanellen und eroberten 1391 Adrianopel (als Edirne ihre neue Residenz). Der byzantinische Kaiser Andronikus III. (1328-1341) versuchte daher, Hilfe aus dem Westen zu erhalten. Um die Akzeptanz seiner Unionspläne zu erhöhen, schaltete er auch Theologen ein, so den gelehrten kalabrischen Mönch Barlaam (ca. 1290-1350; s. § 6; 5.4.5). Während die Griechen ein ökumenisches Konzil vorschlugen, forderte Rom die Ratifikation der Beschlüsse von 1274. Daran scheiterten die Bemühungen. Ebenso erging es den Unionsverhandlungen des Usurpators Johannes VI. Kantakuzenos 1347 und Johannes’ V. (1341-1391) 1355-1369 (selbst Johannes’ Konversion in Rom brachte nichts). Der vom Papst gewünschte Kreuzzug kam erst zustande, als die Türken/ Osmanen Makedonien eroberten und 1389 das Reich der Serben (Schlacht auf dem Amselfeld) und 1393 das der Bulgaren unterwarfen. Doch das Ritterheer unter dem ungarischen König Sigismund (seit 1410/1411 Kaiser) wurde in der Schlacht von Nikopolis/Donau 1396 besiegt. 10.3.3 Die Union von 1439. Das von osmanischer Herrschaft umzingelte Zwergenterritorium Konstantinopel, dem noch das Despotat Morea (Peloponnes) unterstand, blieb vorerst verschont, weil die Osmanen durch eine schwere Niederlage gegen die Mongolen unter Timur Lenk 1402 für einige Zeit geschwächt waren. Eine Rettung durch die – diesmal sorgfältig vom theologisch gebildeten Kaiser Manuel II. schon seit 1414 vorbereiteten – neuen Unionsverhandlungen zu erhoffen, war illusionär. Zwar kam es nach verschiedenen, mühseligen Anläufen unter Johannes VIII. (1425-1448) dazu, dass Kaiser, Patriarch und Vertreter des östlichen Episkopats auf dem Konzil von FerraraFlorenz 1438/1439 nach intensiver Diskussion eine förmliche Union vereinbarten (s. § 8; 8.2.3). Auch versprach der Papst die Ausrüstung einer Flotte und Landstreitmacht. Doch konnte dieses aus Finanznot nicht realisiert werden, und in Konstantinopel rebellierte die Bevölkerung gegen die unionistische Preisgabe der eigenen religiösen Identität, so dass die Union von 1439 niemals praktiziert wurde. Die russische Kirche sah damit die Orthodoxie von Byzanz verraten, erklärte sich für autonom und verstand sich hinfort als legitime Hüterin der orthodoxen Tradition. Nach dem Untergang Konstantinopels 1453 beanspruchte das Moskauer Reich die Nachfolge (Moskau sollte als drittes Rom 738

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Konstantinopel, das zweite Rom, ersetzen). Das demonstrierten die Annahme des Kaisertitels (Zar) 1547 durch Großfürst Iwan IV. Groznyi (den Schrecklichen, d.h. Ehrfurcht Gebietenden) und die Erhebung Moskaus zum Patriarchat 1589. 10.4 Literatur Lektüretipp: E. Patlagean: Die Beziehungen zwischen Konstantinopel und Rom, GCh 5, 1994, 372-387. – Dies.: Die griechische Christenheit. Zerfall des Kaiserreichs und Herrschaft der Lateiner (1204-1274), ebd. 716-753. Literatur: B. Roberg: Das Zweite Konzil von Lyon (1274), 1990. – H. Wolter/H. Holstein: Lyon I. Lyon II, 1972. – A. Riebe: Rom in Gemeinschaft mit Konstantinopel, 2005. – S. Kolditz: Johannes VIII. Palaiologos und das Konzil von Ferrara-Florenz (1438/39), 2 Bde., 2013.2014. – R.-J. Lilie: Byzanz und die Kreuzfahrerstaaten, 1981. – F. Majoros/B. Rill: Das Osmanische Reich (1300-1922), 1994. – P. Wirth: Grundzüge der byzantinischen Geschichte, 4. A. 2006. – M.-H. Congourdeau: Die byzantinische Kirche von 1274-1453, GCh 6, 1991, 132-204. – Ders.: Die Beziehungen zwischen den Kirchen des Ostens und des Westens, ebd. 812-839. – S. Runciman: Die Eroberung von Konstantinopel 1453, 7. A. 2012. – D.M. Nicol: The Last Centuries of Byzantium 1261-1453, 2. A. 1993. – S. Burkhardt: Mediterranes Kaisertum und imperiale Ordnungen. Das lateinische Kaiserreich von Kons­tantinopel, 2014.

 § 8; 8.2

11. Verfolgung, Ausbeutung und königlicher Schutz: Die Situation der Juden Das hohe Mittelalter hat, insbesondere auch im Zusammenhang der Kreuzzüge, eine deutliche Verschlechterung der ohnehin labilen Situation von Juden im Reich mit sich gebracht, die sich ab dem 13. Jh. noch einmal deutlich verschlimmerte. Zwar versuchten die Könige im 12. Jh., ihren königlichen Schutz auch auf die Juden zu erstrecken, doch mit dem Zusammenbruch der Stauferdynastie ab 1250 erwies sich der königliche Schutz als wenig wirksam. Lokale Schutzbestimmungen, besonders von Städten, sicherten die gefährdete Existenz von Juden. Über die ganze Zeit hinweg ist die Geschichte der Juden eine Geschichte der Ausgrenzung und der Verfolgungen durch Christen. Insofern ist sie Teil der Kirchengeschichte. Religiös aufgeladener Judenhass und ökonomische Vorteile durch Aneignung des Besitzes von vertriebenen oder ermordeten Juden gingen Hand in Hand.

11.1 Rechtliche Situation vor dem Beginn der Kreuzzugsbewegung Im Reich waren die (durch Zuzüge aus Italien und Südfrankreich ab dem 9. Jh. verstärkten) Juden im 11. Jh. eine ansehnliche Gruppe in der Bevölkerung von Bischofsstädten geworden, mit wichtigen Zentren in Worms, Speyer und Mainz. Der rechtliche Status war allerdings schwach. Ob es seit karolingischer Zeit bereits königliche Schutzformulare gegeben hat, ist in 11. Verfolgung, Ausbeutung und königlicher Schutz: Die Situation der Juden

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Bischofsstädte

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Schutzprivilegien

Judenviertel

Lehrhäuser

der Forschung umstritten (aus der Karolingerzeit sind nur Formulartexte, keine konkreten Urkunden erhalten, aus der Zeit der Ottonen gar keine entsprechenden Texte). Erst ab dem 11. Jh. ist eine größere Zahl von Schutzprivilegien erhalten, ohne dass sich ein einheitlicher Rechtsstatus entwickelt hätte. Man wird vielmehr mit einem Nebeneinander von Gemeinden mit Schutzprivilegien (ausgestellt etwa vom Bischof, so in Speyer 1084, oder vom Kaiser, so in Worms 1090) und solchen ohne Privilegien (z.B. Mainz) ausgehen können. Wichtigster Grund für die Ansiedlung und Duldung von Juden waren wirtschaftliche Gründe, da die Juden im Reich in erster Linie als Händler (erst ab dem späten 12. Jh. vor allem als Geldverleiher) tätig waren (ohne dass sie den Handel monopolisiert hätten). Juden lebten in Judengassen oder Judenvierteln, die ab dem 11. Jh. zunehmend auch baulich, etwa durch Mauern oder verschließbare Tore, abgegrenzt wurden (1462 entstand in Frankfurt das erste Ghetto). Die Ausgrenzung wurde etwa durch das Verbot der Teilnahme von Juden an christlichen und von Christen an jüdischen Festen deutlich, auch am Verbot des gemeinsamen Badens oder sexueller Beziehungen. Die jüdischen Gemeinden unterhielten neben der Synagoge oft eine Jeschiwah (ein Lehrhaus). Einige dieser Lehrhäuser entwickelten sich zu bedeutenden Zentren der Bildung und Literatur, aber auch der Theologie (besonders der Talmudauslegung und der Mystik; berühmt ist etwa das für die Entstehung chassidischer Mystik wichtige Werk Sefer Chassidim/Buch der Frommen, verfasst von Jehuda haChassid [1140-1217]).

11.2 Pogrome gegen Juden zwischen dem späten 11. und dem frühen 13. Jh. Kreuzzug 1096

Kiddusch ha-Schem

Sicut Iudaeis

Schon der erste Aufruf zu Kreuzzügen brachte Ausschreitungen und brutale Vernichtungen jüdischer Bevölkerungsanteile mit sich (s. § 9; 8.2.3). Die Devise »Tod oder Taufe« bestimmte das auf Vernichtung des Judentums zielende Vorgehen. Zwangstaufen und Pogrome waren die Folge. Wenn überhaupt, waren es lokale Machthaber, die ihre Schutzrechte für Juden versuchten durchzusetzen (so etwa der Bischof in Speyer). Der Kaiser war in der Italienpolitik gebunden, das an sich bestehende königliche Schutzrecht kam daher nicht zum Tragen. In vielen Städten entzogen sich Juden der nahenden Vernichtung durch kollektiven Selbstmord (als Kiddusch ha-Schem/ Heiligung des Namens bezeichnet und mit der Aqedah nach Gen. 22 und als Martyrium gedeutet; hierin eingeschlossen war oft die Tötung der eigenen Familie, insbesondere auch der Kinder). An der hohen Gefährdung änderte auch der besondere Schutz im Landfrieden von 1103 nichts. Erst Friedrich I. Barbarossa konnte im Zusammenhang seines Kreuzzuges um 1188 mit einiger Wirkung den Schutz der Juden als königliches Schutzrecht etablieren. Die Päpste gaben mehrfach Bullen heraus (die nach ihrem Anfang Sicut Iudaeis/Gleichwie den Juden genannt wurden; ein Grundtext wurde dabei 740

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immer wieder an die aktuellen Bedürfnisse angepasst), die die Zwangstaufe untersagten und die Duldung der jüdischen Religionsausübung verlangten. Gleichwohl kam es im 12. Jh. immer wieder zu Ausschreitungen in verschiedenen Städten. Das 4. Laterankonzil von 1215 förderte die Ausgrenzung der Juden auf der Grundlage des Kirchenrechts: Neben das Verbot von Wucherzinsen traten die Vorschrift von kennzeichnender Kleidung und die Anweisung, dass Juden keine öffentlichen Ämter übernehmen dürften, denen Christen untergeordnet waren. In dem Bemühen, gegen den Papst die eigene Zuständigkeit für den Schutz der Juden und die entsprechenden Steuereinnahmen durchzusetzen, ordnete Friedrich II. die Juden als servi camerae nostrae (Kammerknechte) seiner Fiskalbehörde zu. Die daraus entstehende Zuständigkeit des Königs für die Juden konnte als Regalie an territoriale Herrscher weitergegeben werden (als »Judenregal«). Daraus entwickelte sich jedoch keine umfassende Rechtsordnung, da mit dem Untergang der Stauferdynastie Mitte des 13. Jh.s eine starke Königsgewalt im Reich aufhörte zu existieren. Bestimmend wurden die territorialen Einzelregelungen, die erheblich voneinander differierten.

4. Laterankonzil

Kammerknechte

11.3 Judenhass und städtisches Judenbürgerrecht Ab der zweiten Hälfte des 13. Jh.s steigerte sich der Judenhass und führte zu immer neuen Verfolgungen und Gewaltexzessen. Hieraus entstand die typisch spätmittelalterliche Ausgrenzung der Juden, die aufgrund von ökonomischen Bedürfnissen zugleich in eingeschränktem Rechtsstatus und mit Schutzbriefen angesiedelt wurden. 11.3.1 Blick auf Europa. In Spanien begünstigte die Reconquista in León-Kastilien zunächst die jüdischen Gemeinden. Da die Juden als Außenseiter nicht in die Interessen des Adels involviert waren, wurden sie von den Königen gerne als Ministeriale an den Hof geholt. Die Juden wurden unter den besonderen Schutz des Königs gestellt. Dies führte zu Vorbehalten beim Adel und einem durch Predigt und Kirchenrecht angeheizten Judenhass in der Bevölkerung und entlud sich angesichts einer Schwächung der Königsgewalt im 14. Jh. in aufflammenden Pogromen, die seit Ende des 14. Jh.s an Schärfe zunahmen (so nach 1390 von Sevilla ausgehend, wo Ferrant Martínez die Zwangstaufe und die Zerstörung der Synagogen forderte). Durch die Zwangstaufen konvertierte Juden wurden als conversos (Bekehrte; auch Marranen genannt) verdächtigt, heimlich doch Juden geblieben und nun besonders auf eine Schädigung der Christen aus zu sein. Dies führte nach der Erneuerung der Inquisition 1481 zu Hinrichtungswellen. 1492 wurden die Juden aus Spanien, 1496/1497 aus Portugal ausgewiesen (und flohen größtenteils in das muslimische Nordafrika). Insbesondere die Krone bereicherte sich an dem zwangsweise zurückgelassenen Besitz. In England hatte sich die Situation der Juden ab der 2. Hälfte des 12. Jh.s verschlechtert. Der König versprach zwar Schutz und verlangte dafür teilweise immense Abgaben, die Schwächung der Königsgewalt in Thronwirren führte aber auch hier zu grausamen Verfolgungen und Brandschatzungen der Judenviertel (so 1181 in London). 1290 verfügte Edward I. die Ausweisung, nachdem bereits im 13. Jh. angesichts von Repressalien immer wieder in Wellen erhebliche jüdische Bevölkerungsanteile England verlassen hatten. 11. Verfolgung, Ausbeutung und königlicher Schutz: Die Situation der Juden

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Spanien

conversos Ausweisung 1492

England

Ausweisung 1290

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Frankreich

Talmud­ verbrennung 1242

Ausweisungen ab 1306

Freispruch 1236

Rindfleisch Judenschläger

Brunnen­ vergiftung

In Frankreich wurden die Juden im Zusammenhang der Albigenserkreuzzüge verfolgt (so bei der Einnahme von Béziers 1209). Kirchlich geschürter Judenhass führte auch hier immer wieder zu Pogromen mit erheblichen Opferzahlen. 1240 setzte Ludwig der Heilige (1226-1270) eine Disputation über den Talmud in Paris an, weil er Christus schmähe und Gottlosigkeiten enthalte, außerdem die Konversion zum Christentum verhindere (mit folgender Verbrennung wohl 1242; weitere Verbrennungen und päpstliche Verurteilungen folgten). Aufgrund anhaltender Finanznöte der Krone wurden die jüdischen Händler und Geldverleiher mit immer neuen Abgaben belegt, bis sie 1306 binnen Monatsfrist auswandern mussten (Ihr Gut wurde konfisziert, womit sie ein ähnliches Schicksal erlitten wie wenig später die Templer, vgl. § 9; 9.1.2). Die kurzzeitige Ermöglichung der Rückkehr 1315 endete bereits 1322 mit einer erneuten Ausweisung. Erst nach der Pestepidemie wurden die Juden 1356 wieder zugelassen, doch wechselten sich in der Folgezeit Duldung und Ausweisung ab, so dass Ende des 15. Jh.s nur noch in wenigen Regionen (Elsass) Juden ansässig waren. Der Blick auf Europa zeigt, dass die Lage der Juden eng mit der Geschichte der jeweiligen Königsgewalt und der kirchlichen Situation verbunden war, sich aber ab dem 13. Jh. deutlich verschlechterte. In dieser Hinsicht stellte das Reich keinen Sonderfall dar. Im Gegensatz zu Spanien oder England gab es im Reich aber keine generelle Ausweisung.

11.3.2 Ritualmord und Hostienfrevel. Der Vorwurf an die Juden, »Christusmörder« zu sein, begründete das Vorurteil, Juden seien in besonderer Weise zu Mord und Totschlag bereit. Daran anknüpfend wurde den Juden ab dem 13. Jh. Ritualmord unterstellt, also der Vorwurf, regelmäßig in geheimen Ritualen das Blut eines christlichen Kindes zu benötigen und dafür christliche Kinder zu töten. Das Verschwinden eines Kindes konnte so Pogrome auslösen und zahlreiche jüdische Opfer nach sich ziehen. Eine von Friedrich II. 1236 anlässlich von Vorwürfen in Fulda eingesetzte Untersuchungskommission sprach die Juden zwar von dem Ritualmordvorwurf (sowohl in Fulda als auch im Reich insgesamt) frei, konnte die Verbreitung dieses Schauermärchens und daran anknüpfende Gewalt aber nicht dauerhaft verhindern. Hinzu kam der Vorwurf des Hostienfrevels, also der Vorstellung, dass Juden einmal im Jahr eine Hostie (und damit den Leib Christi) quälen müssten. Diese in Predigten, erbaulichen Erzählungen und Wundergeschichten verbreiteten Phantasien führten zu immer neuen Verfolgungswellen. So gab es etwa nach 1298 um die 4000 Opfer durch eine Verfolgungswelle unter dem Anführer Rindfleisch. 1336-1338 konnten die Exzesse der als Judenschläger bekannten Banden (aus Bauern, verarmten Rittern und Stadtbewohnern; nach dem Anführer auch Armleder genannt), die sich auch gegen den Adel und den Klerus richteten, in einem breiten Streifen zwischen Franken und Elsass nur mühsam beendet werden. 11.3.3 Die Zeit der Großen Pest 1348-1351. Eine neue Qualität bekamen die Vorwürfe gegen die Juden im Zusammenhang des Schwarzen Todes. Der Ausbreitung der Epidemie eilte das aus Südfrankreich stammende Gerücht voraus, dass die Juden sich mit Aussätzigen oder Erkrankten verbündet und die Brunnen vergiftet hätten. Dieser scheinbar plausible Grund 742

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für die Verbreitung der Pest führte zu massiven Verfolgungen. Neuere Forschungen haben gezeigt, dass diese Verfolgungen nicht spontane Ausschreitungen (oder Aufstände), sondern gezielte Maßnahmen von Rittern oder städtischen Bevölkerungsanteilen waren, die teilweise mit erpressten Geständnissen von Juden, Gerichtsurteilen oder sogar Ratsbeschlüssen vorbereitet und dann militärisch geplant und durchgeführt wurden. Juden wurden zusammengetrieben und verbrannt, geflohene Juden verfolgt, damit sie nicht bei territorialen Herrschern ihre Schutzrechte einklagen konnten. Der Besitz wurde unter den Zünften der Stadt bzw. den teilnehmenden Rittern verteilt. Die Verfolgungen von 1348-1351 haben im weiteren 14. Jh. die Nachwirkung, dass die Zahl der Opfer insgesamt regelmäßig höher war als vor 1348. 11.3.4 Städtische Schutzrechte. In Ermangelung einer zentralen Königsgewalt entwickelten ab dem späten 13. Jh. besonders Städte eigene Schutzrechte für Juden. Die Beweggründe waren hier in erster Linie wirtschaftlicher und politischer Natur, weil damit entsprechende Besteuerungen und die Regelung rechtlicher Verhältnisse (Begrenzung der jüdischen Gerichtsbarkeit, Eigentumsverhältnisse) einhergingen. Das Judenbürgerrecht grenzte die Juden von den eigentlichen Bürgern der Stadt aus (sie waren also gerade keine Bürger der Stadt) und legte ihnen Verpflichtungen (oft zu Waffendienst und zu besonderen Abgaben) auf. Den einzelnen Juden oder jüdischen Familien wurden die daraus resultierenden Schutzzusagen in meist zeitlich begrenzten Schutzbriefen zugesichert (die sich nur selten auf ganze Gemeinden bezogen). Zugleich nahm die Ausgrenzung der Juden festere Formen an, etwa durch die Pflicht, einen gelben Punkt (oder Kreis) auf der Kleidung aufgenäht zu haben oder den »Judenhut«, einen charakteristischen, spitzen Hut zu tragen. Juden wurden aus einzelnen Städten im 15. Jh. immer wieder auch vertrieben, konnten sich aber insgesamt im Reich weiter halten, wenn auch die rechtliche Situation außergewöhnlich labil und regional unterschiedlich war und ihnen von Seiten der christlichen Majorität oft Ausgrenzung und Hass entgegenschlug, der sich immer wieder auch in Verfolgungen entlud.

Waffendienst

Schutzbriefe gelber Punkt »Judenhut«

11.4 Literatur Lektüretipp: M. Toch: Die Juden im mittelalterlichen Reich, 3. A. 2013, 33-68.96-120. Quellen: W.P. Eckert: Hoch- und Spätmittelalter. Katholischer Humanismus, in: K.H. Rengstorf/S. von Kortzfleisch (Hg.): Kirche und Synagoge, Bd. 1, 1968; ND 1988, 210-306. Literatur: H. Greive: Die Juden. Grundzüge ihrer Geschichte im mittelalterlichen und neuzeitlichen Europa, 4. A. 1992. – A. Haverkamp (Hg.): Zur Geschichte der Juden in Deutschland des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit, 1981. – Ders./F.-J. Ziwes (Hg.): Juden in der christlichen Umwelt während des späten Mittelalters, 1992. – Germania Judaica, Bd. 1: Von den ältesten Zeiten bis 1238 (hg. von M. Brann/I. Elbogen/A. Freimann/H. Tykocinski), 2. A. 1963; Bd. 2: Von 1238 bis zur Mitte des 14. Jh.s (hg. von Z. Avneri), 2 Teil11. Verfolgung, Ausbeutung und königlicher Schutz: Die Situation der Juden

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bände, 1968; Bd. 3: 1350-1519 (hg. von A. Maimon/M. Breuer/Y. Guggenheim), 3 Teilbände, 1987-2003. – J. Riley-Smith: The First Crusade and the Persecution of the Jews, Studies in Church History 21 (1984) 51-72. – G. Kisch: The Jews in Medieval Germany, 1949; ND 1970. – Ders.: Ausgewählte Schriften, 2 Bde., 1978/1979. – A. Patschovsky: Das Rechtsverhältnis der Juden zum deutschen König (9.-14. Jahrhundert). Ein europäischer Vergleich, Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Germanistische Abteilung 110 (1993) 331-371. – F. Battenberg: Des Kaisers Kammerknechte. Gedanken zur rechtlich-sozialen Situation der Juden in Spätmittelalter und früher Neuzeit, HZ 245 (1987) 545-599. – B. Diestelkamp: Der Vorwurf des Ritualmordes gegen Juden vor dem Hofgericht Kaiser Friedrichs II. im Jahr 1236, in: D. Simon (Hg.): Religiöse Devianz, 1990, 19-39. – D. Jäckel: Judenmord, Geißler, Pest. Das Beispiel Straßburg 1349, in: M. Meier (Hg.): Pest, 2005, 162-178. – A. Haverkamp: Die Judenverfolgungen zur Zeit des Schwarzen Todes im Gesellschaftsgefüge deutscher Städte, in: Ders. (Hg.): Zur Geschichte der Juden im Deutschland des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit, 1981, 27-93. – H. Schreckenberg: Die Juden in der Kunst Europas, 1996. – F. Burgard/A. Haverkamp/G. Mentgen (Hg.): Judenvertreibungen in Mittelalter und früher Neuzeit, 1999.

 § 8; 13.

12. Erstarkende Reiche und Territorien gegen päpstlichen Herrschaftsanspruch

Könige in Europa

Kurfürsten

Neben dem Kaisertum verlor auch das Papsttum nach ca. 1280 rasch die Möglichkeit, den eigenen Anspruch auf Universalherrschaft zu verwirklichen. Zwei Entwicklungen bildeten den Hauptwiderpart: a) In vielen Ländern konsolidierte sich die Königsherrschaft und damit oft ihr Einfluss auch auf das kirchliche Leben, so v.a. in Frankreich, das im 14. Jh. seinerseits großen Einfluss auf das Papsttum entwickeln konnte, aber auch in England, Skandinavien oder Spanien. b) In Deutschland kam es – mangels einer starken Zentralgewalt – zu einem Erstarken der territorialen Fürsten, insbesondere der Kurfürsten (darunter den Erzbischöfen von Mainz, Köln und Trier). Der päpstliche Anspruch auf eine Weltherrschaft blieb bestehen, verlor jedoch an Plausibilität, weil vermehrt Theologen und Philosophen die Autonomie des weltlichen Bereiches einforderten. In alledem bekundete sich der Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit.

12.1 Frankreichs paradigmatischer Konflikt mit dem Papst

Karl von Anjou

Rückhalt gegen die Stauferkaiser fanden die Päpste seit dem 12. Jh. immer wieder bei französischen Königen, Herzögen und Bischöfen. Dies hatte 1265 zur Etablierung Karls von Anjou in Sizilien geführt, die französischen Könige versuchten außerdem zunehmend, ihren Einfluss in Norditalien geltend zu machen. Diesem erstarkenden Einfluss entsprach ein verstärkter Zugriff des Königs auf Kirchengüter in Frankreich selbst, so besonders unter Philipp IV. dem Schönen, dem Bonifatius VIII. mit der Bulle Unam sanctam (Die eine heilige [Kirche]) 1302 seine Theorie der päpstlichen Oberhoheit entgegenschleuderte. Die Wirkungslosigkeit dieses Schreibens war evident 744

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(drastisch bekundet durch den französischen Versuch, den Papst gefangen zu setzen) und führte zu politischer Publizistik, die die Eigenständigkeit der weltlichen Gewalt betonte. Der Ausbau des Fiskalsystems der Päpste in Avignon verstärkte je länger desto mehr die Kritik am Papsttum und seinem Zentralismus. Dies führte im 15. Jh. zur Betonung der libertas gallicana (französischen Freiheit) und der weitgehenden Loslösung der französischen Kirche von den Herrschaftsansprüchen des Papstes, erkauft freilich durch königliche Oberhoheit. 12.1.1 Unam sanctam 1302. König Philipp IV. der Schöne (1285-1314) zog in notorischer Geldnot 1294 alle kirchlichen Pfründen zur Zehntabgabe heran. Kleriker und Klös­ter beschwerten sich bei Bonifatius VIII. (1294-1303), der 1296 in seiner Dekretale Clericis laicos (Dass die Laien den Klerikern ...) solche Zahlungen an Laien verbot und dem französischen König die Exkommunikation und Absetzung androhte. Dieser unterband daraufhin die Ausfuhr von Gold und Silber an die Kurie. Da Bonifatius zusätzlich in Konflikte mit der römischen Adelsfamilie Colonna geriet, blieb ihm wenig später nichts anderes übrig, als einzulenken (in diesem Zusammenhang Heiligsprechung von Ludwig IX, s. § 9; 8.4.3, dadurch Stärkung des religiösen Charismas der französischen Dynastie). Als Philipp IV. 1301 einem französischen Bischof (Bernard Saisset, Bischof von Pamiers) den Prozess machen wollte, Bonifatius aber dessen Freilassung und Verhandlung vor dem päpstlichen Gericht forderte, lebte der Konflikt wieder auf. In verschiedenen Dekreten, Bullen und Schreiben trug Bonifatius eine extreme Form der Translationstheorie vor, der zufolge der Papst als Stellvertreter Christi auch das weltliche Schwert führt und es eben nur den Königen überlässt. Dies attackierten die königlichen Legisten (Rechtsgelehrten) unter Pierre Flotte und Guillaume de Nogaret (ca. 1260/1270-1313, einem einflussreichen Ratgeber Philipps und scharfen Papstkritiker): Der König habe auf Erden keinen Vorgesetzten. Bonifatius erließ nun zur Vorbereitung der Bannung Philipps die Konstitution Unam sanctam (Die eine, heilige ...; 18.11.1302, Text/Übers.: DH 873-875), welche die Konsequenzen der Translationstheorie betonte. Der Papst verfügt über das geistliche wie über das weltliche Schwert. Die Verleihung des weltlichen Schwertes ist von der Zustimmung der geistlichen Gewalt abhängig. Daraus zog Bonifatius die Konsequenz, dass dieses Wohlgefallen auch entzogen werden kann, er als Papst also berechtigt ist, über Könige zu Gericht zu sitzen, wohingegen er selbst nur von Christus gerichtet werden könne. Diesen Anspruch suchte Bonifatius geistlich zu untermauern, indem er behauptete, dass die Unterwerfung unter den Papst für jeden Menschen heilsnotwendig (de necessitate salutis) ist. Die Publikation der folgenden Bannbulle verhinderte Philipp. In Kooperation mit der Colonnafamilie setzte er Bonifatius 1303 in seiner Residenz in Anagni gefangen, um ihn vor ein Ketzergericht zu stellen. Doch befreite ihn die Bevölkerung von Anagni, und wenig später starb Bonifatius. Dieses Attentat charakterisierte die faktische Machtlosigkeit des Universalherrschaft beanspruchenden Papsttums. 12.1.2 Erosion der französischen Königsgewalt im Hundertjährigen Krieg. Das Erstarken der Königsgewalt in Frankreich ist relativ auf dem Hintergrund der zahlreichen und diversifizierten Lehns- und Machtverhältnisse zu sehen. Ein Staat im neuzeitlichen Sinn war Frankreich dadurch noch lange nicht. Das zeigte sich v.a. am Fehlen einer institutionalisierten Finanzgrundlage, was zur Folge hatte, dass die französischen Könige an ständiger Geldnot litten und daher auch auf die Kirchengüter zugriffen. Es zeigte sich auch an der Aufsplitterung des Gerichtswesens und der Landesverwaltung, wo die kirchlichen Zuständigkeiten zunehmend störend wirkten. Die Macht des Hochadels und 12. Erstarkende Reiche und Territorien gegen päpstlichen Herrschaftsanspruch

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Zehntabgabe Bonifatius VIII.

Translations­ theorie

Grenzen der Königsgewalt

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Jeanne d’Arc Rosenkrieg

Bischöfe Frankreichs

Pragmatische Sanktion von Bourges

Bischöfe – König

des mit ihm eng verbundenen Episkopats relativierte die Macht des Königs zusätzlich. Im Hundertjährigen Krieg (1339-1453), der sich an der Nachfolge der französischen Könige nach dem Tod Karls IV. entzündete (Sowohl das Haus Valois mit Philipp VI. als auch der englische König Edward III. erhoben den Anspruch auf die französische Krone), konnten die französischen Könige die Eroberung erheblicher Teile Frankreichs durch die Engländer nicht verhindern. Der Krieg zog sich insgesamt über 100 Jahre mit wechselndem Schlachtenglück hin und brachte beide Dynastien in existenzbedrohende Krisen. Das wundersam-charismatische Auftreten der von ihrer göttlichen Sendung überzeugten Jeanne d’Arc/Johanna von Orléans 1429 wurde zu einem Symbol des antienglischen Widerstands unter Karl VII. (1422/1429-1461), der jedoch – um Friedensverhandlungen nicht zu gefährden – Jeanne d’Arc an die Engländer verriet, wo ihr ein Prozess als Ketzerin gemacht wurde (hingerichtet 1431). Erst der Rosenkrieg in England (zwischen den rivalisierenden Geschlechtern der Yorks [weiße Rose] und der Lancasters [rote Rose], die beide aus der Königsdynastie der Plantagenets hervorgegangen waren) ermöglichte es den französischen Königen zwischen 1436 und 1453, die Engländer fast vollständig aus Frankreich zu vertreiben (Calais blieb bis 1559 englisch). Dieser Konflikt beeinträchtigte die Möglichkeit der französischen Könige, ihre Macht gegenüber der Kirche durchzusetzen, erheblich, verschärfte aber auf lange Sicht die Finanznot, weswegen die französische Kirche zunehmend danach strebte, den päpstlichen Zentralismus mit seinem Fiskalsystem abzuschütteln. 12.1.3 Der Gallikanismus. Der Versuch, unter der Parole libertas gallicana (französische Freiheit) dem Papst die Zugriffsmöglichkeiten zu beschneiden, verband sich mit dem (gegen England erstarkenden) Gefühl, eine Nation (noch nicht im Sinne des Nationenbegriffs des 19. Jh.s) zu sein, die auf ihre eigenen Rechte bedacht sein muss. Dies verband sich mit dem Konziliarismus, war also eine vom Episkopat getragene, innerkirchlich verbreitete Tendenz, die sich der französische König zunutze machte. 1407 ergingen entsprechende Verordnungen, die allerding nur mühsam in die Praxis umgesetzt werden konnten. 1438 beschloss eine Nationalsynode die entsprechenden Maßnahmen, die Karl VII. in der Pragmatischen Sanktion von Bourges als Religionsgesetz umsetzte: Neben innerkirchlichen Erneuerungen in Bezug auf Messe und Lebensweise des Klerus schaffte diese alle päpstlichen Steuerrechte ab, übertrug die geistliche Gerichtsbarkeit den weltlichen Gerichten/Parlamenten, schränkte die Appellation nach Rom ein und verstärkte den königlichen Einfluss auf die Stellenbesetzungen (besonders im Episkopat). Bei der Anwendung gab es erheblichen Widerstand. Aus politischen Gründen (Rivalität mit dem Haus Habsburg) gab König Franz I. im Konkordat von 1516 Papst Leo X. einige der Rechte zurück, erhielt aber das völlige Ernennungsrecht für alle Bistümer und Klöster, was die königliche Kirchenhoheit langfristig enorm stärkte. 12.1.4 Auswirkungen auf England. Seit dem 14. Jh. drängten die englischen Könige den Einfluss der Päpste massiv zurück, so schon Edward I. (1272-1307). Dabei wirkten sich die Konflikte mit Frankreich aus, weil das Papsttum ab 1309 als französisch dominiert galt. Nun wurde die bisherige Integration der Kirche in das Lehnssystem ausgebaut. Da der König sich als ihr oberster Patron verstand, drängte er im 14. Jh. die wachsenden Zugriffe des Papstes auf die Besteuerung des Klerus und die Vergabe von Pfründen zurück (in Statuten von 1351, 1365 und 1390). Auch die kirchliche Rechtsprechung beschnitt er bis hin zum Verbot der Appellationen an Rom (Statuten von 1353, 1365 und 1393). Die kirchliche Gerichtsbarkeit wurde – im Zuge des Ausbaus der weltlichen Gerichte – auf rein geistliche Dinge beschränkt. Da die schwindende Autorität des Papstes im Schisma ab 1378 noch weiter sank, galt die Loyalität der englischen Bischöfe stärker dem König 746

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als der Kurie, was die Eigenständigkeit der englischen Kirche gegenüber dem Papsttum stabilisierte.

12.2 Verselbständigung der Territorien und Städte im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation Die Ausschaltung der Stauferherrschaft brachte eine lange Phase einer schwachen deutschen Königsgewalt mit sich. Der Titel als rex Romanorum (Römischer König) und als imperator (Kaiser) blieb zwar erhalten, doch hatten die jeweiligen Amtsinhaber kaum eine Machtbasis qua Amt (sondern nur über ihre Hausmacht). Da sich die Teilreiche Burgund und Italien im 14./15. Jh. zunehmend verselbständigten, wurde es üblich, vom »Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation« zu sprechen. Die Kaiserwürde blieb auf die Zustimmung durch den Papst angewiesen, was im Vergleich mit anderen Kronen Europas ein Spezifikum blieb. Der propagandistisch angeheizte Konflikt um Ludwig IV. (dem Bayern 1314-1347) bildete einen letzten Nachklang der großen Auseinandersetzungen des Hochmittelalters mit Bannfluch, Gegenpapst und Kämpfen um Italien. In der antipäpstlichen Publizistik kündigten sich neue Auffassungen von der weltlichen Obrigkeit an. Zur Abwendung der päpstlichen Eingriffsmöglichkeiten sicherten sich die Kurfürsten das Königswahlrecht, so dass die Wahl zum römischen König auch ohne päpstliche Bestätigung gültig war. In der Praxis führte dies dazu, dass auch die Kaiserkrönung in Rom nicht mehr als konstitutiv für die Kaiserwürde betrachtet wurde und deshalb nach 1452 entfiel. Das in der Goldenen Bulle 1356 festgelegte Verfassungsrecht blieb im Grundsatz bis 1806 erhalten. Es prägte die politische Wirklichkeit in Deutschland nachhaltig, weil einer schwachen Königsmacht eine Vielzahl territorialer und regionaler Interessen gegenüberstand, die sich in umfassenden Neuordnungs- und Vereinheitlichungstendenzen in den Territorien niederschlugen. In diesem Zusammenhang griffen die weltlichen Obrigkeiten zunehmend auch in kirchliche Belange ein. 12.2.1 Das sog. Interregnum. Nach dem Ende der Stauferdynastie entstand 1254-1273 keineswegs eine königslose Zeit, ein Interregnum (Zeit zwischen den Regierungszeiten scil. von Königen). Entgegen häufiger Verwendung dieses missverständlichen Begriffs gab es durchaus legitime Könige, wenngleich in einer Doppelwahl 1256/1257 (Richard von Cornwall bis 1272 und Alfons X. von Kastilien bis 1275). Beide taten für das Reich wenig bzw. nichts. Erst die Wahl Rudolfs I. von Habsburg (1273-1291) stabilisierte die Reichsherrschaft. Der Gegensatz zwischen Habsburgern und Luxemburgern begrenzte dies allerdings. Der Versuch von Heinrich VII. (1308-1313, 1312 in Rom zum Kaiser gekrönt), an die staufische Kaiserpolitik und den Universalanspruch anzuknüpfen, scheiterte an den Gegensätzen zwischen Ghibellinen/Waiblingern (stauferfreundlichen Kaisertreuen) und Guelfen/Welfen (Papstanhängern bzw. Antikaiserlichen, jetzt allgemein auf die inneritalienischen Gegensätze beschränkt).

Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation

bis 1806

Doppelwahl

12.2.2 Der Konflikt um Ludwig den Bayern. Im Jahr 1314 kam es erneut zu einer Doppelwahl (Ludwig von Bayern gegen Friedrich den Schönen von Österreich), die die 12. Erstarkende Reiche und Territorien gegen päpstlichen Herrschaftsanspruch

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Exkommunikation Ludwigs

Gegenpapst

Kurverein von Rhens

Karl IV. Kurfürsten

Lage erneut destabilisierte. Als Ludwig IV. von Bayern in Oberitalien eingriff, um Mailand gegen den Papst zu unterstützen, berief sich Johannes XXII. darauf, dass er die Königswahl bestätigen müsse, und eröffnete einen Ketzerprozess gegen Ludwig. Auf die Exkommunikation reagierte Ludwig 1324 mit der Forderung nach einem allgemeinen Konzil als Berufungsinstanz gegen den päpstlichen Entscheid (sog. Sachsenhäuser Appellation). Er folgte damit den franziskanischen Papstkritikern im Armutsstreit und konziliaristischen Ansätzen. Der in Avignon residierende Papst erklärte seine Königswahl für nichtig. Zur Stärkung seiner Ansprüche zog Ludwig nach Italien, empfing in Mailand die Langobardenkrone und ließ sich in Rom (das sich zur Republik erklärt hatte) von Vertretern des Volks zum Kaiser krönen, erstmals eine Kaiserkrönung, die nicht ein religiöser Akt war. Als Johannes XXII. gegen ihn zum Kreuzzug aufrief, machte er den Franziskaner Petrus von Corvaro zum Gegenpapst (Nikolaus V., 1328-1330). Doch konnte Ludwig in Italien dauerhaft wenig ausrichten, weswegen dieser Gegenpapst keinen Nachfolger fand.

12.2.3 Die Goldene Bulle 1356. Der in der Reichspolitik einflussreiche Erzbischof Balduin von Trier (1307-1354) versammelte 1338 die Kurfürsten (Kurverein von Rhens), die als Weistum, d.h. als Feststellung geltenden Rechts, festhielten, dass der von den Kurfürsten Gewählte als römischer König auch ohne päpstliche Zustimmung regieren dürfe. Ludwig IV. bestätigte das 1338 durch sein Gesetz Licet iuris (Auch wenn [scil. die Zeugnisse beider] Rechte) (Text/Übers.: AQDGMA 33, 286-293). Allerdings kam es wegen der Opposition gegen Ludwigs Politik und durch den Einfluss von Papst Clemens VI. (1342-1352) 1346 zur Erhebung eines Gegenkönigs, des Luxemburger Markgrafen Karl. Dieser setzte sich als Karl IV. nach Ludwigs Tod 1347 als König durch (gest. 1378) und verkündete 1356 die Goldene Bulle. Darin war festgehalten, dass das nunmehr klar definierte Kollegium der Kurfürsten (d.h. Wahlfürsten; lateinisch electores/Wähler) das Recht der Königswahl und weitgehende Beratungsrechte hatte. Mit der Fixierung der Unteilbarkeit der Kurfürstentümer und der Primogenitur (Nur der älteste Sohn erbt) bekamen diese einen langfristig garantierten Sonderstatus. Neben die drei geistlichen Kurfürsten (von Mainz, Köln und Trier) traten die vier weltlichen (die Kurfürsten von Pfalz, Brandenburg und Sachsen sowie der König von Böhmen). Die Goldene Bulle, bis 1806 gültig, prägte die künftige Verfassungswirklichkeit des Reiches und sicherte die Unabhängigkeit gegenüber päpstlichen Rechtsansprüchen (Text/Übers.: AQDGMA 33,314-395). Innerhalb der Fürsten hatte sich ein Kreis besonders einflussreicher Territorien gebildet, der für die Reichspolitik eine herausragende Rolle einnahm. 12.2.4 Reformvorschläge im 15. Jh. Auch wenn Karl IV. seit 1354 die Freiheit der Kirche durch verschiedene Privilegien bestätigt hatte, wirkten sich im 15. Jh. zunehmend die Papstkritik und der Konziliarismus aus. Die Kurfürsten machten 1438 nach der Wahl des Habsburgers Albrecht von Österreich umfassende Reformvorschläge, insbesondere ein Verbot der Fehde und eine Einteilung des Reiches in neue Kreise (zur besseren Organisation militärischer Hilfe und Durchsetzung von Urteilen) sowie eine Neuordnung 748

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der Rechtsprechung. An dem Bestreben des Königs, die Rechtsprechung möglichst ganz an sich zu ziehen, scheiterten die Reformbemühungen vorerst. Gegen die päpstlichen Durchgriffsrechte erklärten die Kurfürsten 1439 im Mainzer Akzeptationsinstrument die Gültigkeit der Dekrete des Baseler Konzils. In das Klima dieser Jahre passt ein anonymer, in deutscher Sprache geschriebener Reformentwurf, der weite Verbreitung fand (vermutlich von einem südwestdeutschen Kleriker geschrieben, besonders seit 1476 vielfach gedruckt, ed. H. Koller, 1964): die Reformatio Sigismundi (Neuordnung durch Sigismund, eine dem König Sigismund in den Mund gelegte Vision einer gesellschaftlichen Neuordnung). Der Autor geißelt die Gegenwart als eine Situation, in der die Fürsten und Ritter ihre Rechte überziehen und die Geistlichen weitgehend verweltlicht sind. Als Maßnahme hiergegen fordert er eine Stärkung der Königsgewalt (die sich u.a. auf den »kleinen Mann« stützen solle), lehnt die Leibeigenschaft ab und befürwortet die Begrenzung fürstlicher Willkür. Die politische Einsicht, dass für einen Zusammenhalt des Reiches die Königsmacht gestärkt werden muss, verbindet sich hier mit der Utopie eines Friedenskaisers. Die kuriale Diplomatie unter Enea Silvio Piccolomini beeinflusste den neuen König Friedrich III. (1440-1493), durch Privilegien für die habsburgischen Erblande und mit dem Wiener Konkordat für das Reich päpstliche Einflussmöglichkeiten und Finanzvorteile in Deutschland weitgehend zu erhalten. Nach dem Ende des Baseler Konzils konnte die Kurie so ihre Einflussmöglichkeiten ausbauen. Die Reichsfürsten legten seit 1456 die verschiedenen Beschwerungen in Katalogen von Gravamina (Beschwernissen) vor, die dem Kaiser überreicht wurden und von diesem abgestellt werden sollten. Zu einer konsequenten Umsetzung kam es dann nicht, weil Reichsfürsten und Kaiser sich über die jeweils zuzustehenden Rechte nicht einigen konnten (erst 1495 auf dem Reichstag von Worms gelang ein vorläufiger Ausgleich). In diesen Gravamina spielten die Beschwerden über päpstliche Eingriffsmöglichkeiten bei Ämterbesetzungen, Abgaben und Gerichtsbarkeit eine große Rolle. Insofern entstand hier der Appell an den Kaiser, für eine umfassende Reform der Kirche zu sorgen – gegen päpstliche Ansprüche. 12.2.5 Der Einfluss der weltlichen Obrigkeit auf das Kirchenwesen. Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation war ein Flickenteppich sehr unterschiedlicher Territorien und Rechtsverhältnisse. Grundsätzlich bildeten sich für die Ausformung weltlicher Herrschaft zwei Typen heraus: Ratsherrschaft in den Reichsstädten und Fürstenherrschaft in den Territorien. Der Aufstieg der Städte ab dem 13. Jh. hatte in Deutschland nur zu wenigen großen Städten geführt, von denen die meisten alte Königsprivilegien hatten und als Reichsstädte bezeichnet wurden (insgesamt ca. 60-70). Die Reichsstädte hatten ihre jeweiligen Verfassungen, in denen festgelegt war, wie die Patrizierfamilien und die Vertreter der Zünfte in dem jeweiligen 12. Erstarkende Reiche und Territorien gegen päpstlichen Herrschaftsanspruch

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Rechtsprechung

Reformatio Sigismundi

Gravamina

Reichsstädte

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Zünfte Rat

Territorien Vereinheitlichung

Vogteirechte

Zuständigkeit für Kirchenwesen

Rat als maßgeblichem Gremium der Stadt regierten (nach dem Anteil der Zünfte unterschieden in Zunfts- [z.B. Ulm, Augsburg] oder Patriziatsverfassungen [z.B. Nürnberg]). Oft stand einem Engeren oder Geheimen Rat ein Großer Rat (von etwa 200 Mitgliedern) zur Seite, der jedoch nur selten tagte. Der Rat übernahm die Funktion der weltlichen Obrigkeit in den Städten und entwickelte als solcher zunehmend auch Einflussmöglichkeiten auf das Kirchenwesen der Stadt (durch Ausstattung städtischer Pfründen und entsprechende Patronate und Amtsbesetzungen, durch finanzielle Eingriffe und Unterstützung, Gerichtsbarkeit etc.). In den Territorien waren die Fürsten bemüht, die unübersichtlichen Einzelregelungen für Grundstücke, Abgaben und Gerichtsbarkeiten nach und nach zu vereinheitlichen und so eine modernere Verwaltung aufzubauen. Dies stellte sie vor erhebliche Schwierigkeiten, da die jeweiligen Rechte seit langem bestanden und oft auch nicht zweifelsfrei feststellbar waren, so dass das Herkommen zu einer wichtigen Begründung von Rechten wurde. In dieser Situation war die Einordnung kirchlicher Güter und Herrschaftsansprüche in die territoriale Struktur ein wichtiges Ziel, zugleich aber auch eine Möglichkeit, die zentrale Herrschaft der jeweiligen Landesherren auszubauen. Ansatzpunkt boten dafür insbesondere die sog. Vogteirechte, d.h. die erblichen oder verkaufbaren Rechte weltlicher Herren, für Klöster oder Kirchengüter »Schutz und Schirm« zu übernehmen. Diese Schutzfunktion konnte sehr unterschiedlich ausgestattet sein (und vergütet werden), etwa als Wahrnehmung der Vertretung vor Gericht, als Zuständigkeit für die Wirtschaftsführung (Kastvogtei) oder als Übernahme der niederen Gerichtsbarkeit. Oft versuchten die Landesherren, entsprechenden Einfluss auf die Amtsbesetzungen zu nehmen. Diese Vogteirechte und die Überzeugung, als christlicher Fürst auch für das religiöse Leben des Territoriums zuständig zu sein, führten im 15. Jh. dazu, dass sich die Landesherren zunehmend für das Kirchenwesen verantwortlich fühlten und entsprechend eingriffen. Ansiedlung von observanten oder als vorbildlich angesehenen Orden wurde unterstützt, bischöfliche Rechte wurden mitunter übergangen, eine gute Amtsführung auch der Geistlichen angestrebt. Diese territorialen Prozesse haben die Kritik am Klerus und am Papsttum erheblich gestützt. Allerdings bewegten sich diese Reformbestrebungen – trotz aller Kritik – grundsätzlich im Rahmen des Kirchenrechts und waren um Legitimität bemüht. Daher bemühten sich viele Fürsten, für ihre Bemühungen Visitationsprivilegien zu erhalten, die sie, je nach politischer Opportunität, oft auch bekamen.

12.3 Theoretische Begründungen weltlicher Gewalt Aus der aristotelischen Betonung des Gemeinwohls als zentralem Ziel politischer Ordnung bei Thomas von Aquin konnten gegensätzliche politische Theorien abgeleitet werden, sowohl eine hierokratische Position, der zufolge die weltliche Obrigkeit der geistlichen unterliege, als auch eine Position, die 750

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die Selbständigkeit des weltlichen Bereiches betonte. Umfassend begründet und mit Papstkritik verbunden wurde letzteres besonders bei Marsilius von Padua und Wilhelm von Ockham. 12.3.1 Unterschiedliche Rezeption von Thomas. Thomas erkannte dem Übernatürlichen die Höherwertigkeit gegenüber dem Natürlichen zu, hielt jedoch an der eigenen Gesetzmäßigkeit des natürlichen Bereiches fest: Der Mensch als animal politicum et sociale (als auf Gemeinwesen und Gemeinschaft ausgerichtetes Lebewesen) ist auf das bonum commune (das Gemeinwohl) ausgerichtet. Der Papst hat als Priester zwar die höhere Würde, weil er sich um das höhere Gut, nämlich die Gemeinschaft mit Gott, kümmert, doch folgt daraus keine direkte Oberhoheit über den weltlichen Bereich (die sich z.B. in einer Belehnung realisieren könnte), sondern nur eine potestas indirecta (eine indirekte Gewalt), weil sie in weltlichen Fragen, die für das Seelenheil belangvoll sind, mitentscheiden kann. Aus der Höherwertigkeit des geistlichen Bereiches folgerte der Thomasschüler Aegidius Romanus (vgl. § 10; 17.1.3) in seinem Traktat De ecclesiastica potestate (Über die Macht der Kirche) von 1301/1302 (Text hg. von R. Scholz, 1929, ND 1961), dass dem Papst als Stellvertreter Christi auch in weltlichen Dingen die Oberhoheit zukomme. Ähnlich äußerten sich z.B. Jakobus von Viterbo (gest. 1307/1308) und Augustinus Triumphus (von Ancona, gest. 1328). Demgegenüber beschränkte der Dominikaner Johannes von Paris/Jean Quidort (gest. 1306) in seinem Traktat De potestate regia et papali (Über die Macht von König und Papst) von 1303 an Thomas anknüpfend die Autorität des Papstes auf den innerkirchlichen Bereich und betonte die Autonomie des weltlichen Bereiches. Ähnlich äußerte sich Petrus de Palude (gest. 1342) in seiner Schrift De potes­ tate papae (Über die Macht des Papstes; Text: hg. v. P. Stella, 1966). 12.3.2 Papstkritik und Autonomie der weltlichen Gewalt. Dante Alighieri (s. § 10; 15.4) diagnostizierte in seiner Monarchia (Alleinherrschaft) die Rivalität zwischen Kaiser und Papst als zerstörerisch für Glück und Wohlfahrt der Menschheit und befürwortete daher eine einheitliche Weltmonarchie in Gestalt des Kaisers. Damit war einer Abhängigkeit der kaiserlichen von der päpstlichen Gewalt der Boden entzogen. In ähnlicher Weise sah Marsilius von Padua (ca. 1280/1290-1342/1343, seit 1313 Rektor der Pariser Universität) in seiner einflussreichen Schrift Defensor pacis (Verteidiger des Friedens; Text/Übers.: hg. von H. Kusch, 2 Bde. 1958) den Frieden in Europa durch die Ansprüche des Papstes gestört. Das Gemeinwesen wird daher mit der aristotelischen Naturrechtslehre (unter Einfluss seines Freundes Johannes von Jandun, gest. 1329) eigenständig begründet. Der Kirche wird eine wichtige Aufgabe bei der religiösen und moralischen Erziehung der Menschen beigemessen, dadurch wird sie tendenziell eine Funktion des politischen Gemeinwesens. Die Kirche soll sich daher gemäß franziskanischen Vorstellungen auf den geistlichen Bereich beschränken, eigentlicher Verteidiger des Friedens ist der weltliche Herrscher, der als Repräsentant des christlichen Volkes gilt. Papst Johannes XXII. verurteilte Marsilius von Padua als Ketzer, der 1326 zu Ludwig IV. von Bayern nach München floh und hier als Arzt und Berater wirkte. Hier traf er auf Wilhelm von Ockham (s. § 10; 16.), der seit 1330 auch in politischen Schriften seine Kritik am päpstlichen Anspruch verbreitete (Opera politica, ab 1941; teilw. Übers. des Hauptwerks Dialogus, hg. von J. Miethke, 1992). Zu nennen ist hier insbesondere der Traktat De imperatorum et pontificum potestate (Über die Gewalt von Kaisern und Päpsten, hg. von R. Scholz, 1914; ND 1971). Kaiser und Papst sind demnach wechselseitig einander zugeordnet, haben jedoch selbst in ihrem jeweiligen Herrschaftsbereich keine absolute potestas (Macht), weil diese ihre Grenzen bei der Freiheit des Individuums und dem Gemeinwohl hat. Entsprechend dem nominalistischen Ansatz (wonach Allgemeinbegriffe sekundäre Abstraktionen 12. Erstarkende Reiche und Territorien gegen päpstlichen Herrschaftsanspruch

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Oberhoheit des Papstes

Aegidius Romanus

Jean Quidort

Dante

Marsilius von Padua

Wilhelm von Ockham

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der Einzelphänomene sind) werden Kirche und Gemeinwesen als Gemeinschaften von Individuen verstanden (nicht als vorgängige Größen, in die sich Individuen einfügen). Dementsprechend hat der Papst eine Leitungsaufgabe für die Kirche, die jedoch an die Gemeinschaft rückgebunden bleibt und von der Aufgabe des Kaisers zu unterscheiden ist. Ockhams Abgrenzung der Zuständigkeitsbereiche ging nicht so weit wie bei Marsilius von Padua, insofern war sie konventioneller, darum auch repräsentativer für die papstkritischen Positionen im 14. Jh. 12.4 Literatur Lektüretipp: J. Miethke/A. Bühler: Kaiser und Papst im Konflikt. Zum Verhältnis von Staat und Kirche im späten Mittelalter, 1988 [besonders 34-56]. Quellen: L. Weinrich (Hg.): Quellen zur Verfassungsgeschichte des Römisch-Deutschen Reiches im Spätmittelalter (1250-1500), AQDGMA 33, 1983 [zweisprachig]. – F. Bleienstein: Johannes Quidort von Paris. Über königliche und päpstliche Gewalt, 1969. Literatur: H. Nehlsen/H.-G. Hermann (Hg.): Kaiser Ludwig der Bayer. Konflikte, Weichenstellungen und Wahrnehmung seiner Herrschaft, 2002. – H. Thomas: Ludwig der Bayer (1282-1347), 1993. – J. Favier: Frankreich im Zeitalter der Lehnsherrschaft 1000-1515, 1989. – W. Kölmel: Wilhelm Ockham und seine kirchenpolitischen Schriften, 1962; ND 1992. – M. Kaufhold: Deutsches Interregnum und europäische Politik. Konfliktlösungen und Entscheidungsstrukturen 1230-1280, 2000. – K.-U. Jäschke: Europa und das römisch-deutsche Reich um 1300, 1999. – J. Miethke: Politiktheorie im Mittelalter von Thomas von Aquin bis Wilhelm von Ockham, 2. A. 2008.

 § 9; 11.

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§

§10

§ 10 Theologie und Frömmigkeit im Mittelalter Bedeutung des Themas

Das mittelalterliche Christentum zeichnete sich besonders durch zwei Dinge aus: eine intensive rationale Durchdringung der Glaubensinhalte und eine besonders tiefe Frömmigkeit. Beide Bereiche gehören besonders für diese Zeit eng zusammen und standen in einer ständigen Wechselbeziehung, die in den Klöstern beispielhaft sichtbar wurde. Anlass für die Erneuerung der Theologie im hohen Mittelalter war die Frage nach dem Verhältnis von Tradition und Vernunft und das zunehmende Bewusstsein von Spannungen in der Überlieferung: Zu vielen Fragen widersprachen sich die Autoritäten, sodass ein Ausgleich gefunden werden musste. Von diesem Problem ausgehend entwickelten verschiedenste Denker Lösungen, vom rationalen Nachvollziehen der Glaubensinhalte bei Anselm von Canterbury zur philologischen Bearbeitung der Tradition bei Petrus Abaelard und der Scholastik etwa des Thomas von Aquin, der jedes Einzelproblem sorgfältig mit möglichst allen denkbaren Argumenten und Gegenargumenten zu entscheiden suchte. Grundlage für diese intensive theologische Arbeit war eine erneute gründliche Erschließung der autoritativen Schriften. Dieses Fundament wurde gelegt durch umfangreiche Bibelkommentare und Sentenzensammlungen, in denen Kirchenväterzitate für das systematische Arbeiten thematisch geordnet und kommentiert wurden. Doch ging die Arbeit über die reine Rezeption weit hinaus. Auf der Grundlage der Tradition wurden auch neue Problemstellungen bearbeitet und Lösungen entwickelt. Mit der Scholastik bildete sich ab dem 13. Jh. eine neue Art von Theologie, die nicht nur ein umfassendes Durchdringen und Verstehen der Glaubensinhalte zum Ziel hatte, sondern auch Lösungen zu Problemen suchte, auf welche die Tradition noch keine Antwort gegeben hatte. Die Methode der Scholastik ist die quaestio, bei der eine These aufgestellt und sorgfältig bewertet wird. Die Grundidee dahinter ist, die Gegenposition möglichst stark zu machen und in sorgfältiger Abwägung aller Argumente für und wider zu einer stichfesten Antwort zu kommen. Damit ist die Scholastik auch ein wichtiger Meilenstein in der Entwicklung der Wissenschaften allgemein. Die Theologie spielte im mittelalterlichen Geistesleben grundsätzlich eine große Rolle. Sie war die Leitdisziplin und galt als die bedeutendste Wissenschaft. So dominierte die Theologie auch die ab dem 13. Jh. entstehenden Universitäten, die bis heute den Wissenschaftsbetrieb prägen. Mit der verbreiteten Bildungssprache Latein wurde ein reger Austausch innerhalb Europas ermöglicht; doch auch mit dem Islam gab es fruchtbare Diskussionen. Einen prägenden Effekt hatte die Wiederentdeckung des Aristoteles, dessen Werke im arabischen Raum weiter überliefert und übersetzt wurden. § 10 Theologie und Frömmigkeit im Mittelalter

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Als sie nach Europa gelangten, lösten sie eine Kontroverse an den Universitäten aus und beeinflussten die Entwicklung der Scholastik. Mit dem Sys­ tem des großen Philosophen gab es eine gemeinsame Diskussionsbasis, die gelehrte Auseinandersetzungen zwischen Christen, Juden und Muslimen erleichterte. Neben den Universitäten waren die Klöster der wichtigste Kontext des theologischen Arbeitens. Es entstand ein Spektrum verschiedener Theologien mit fließenden Übergängen zwischen monastischen und universitären Theologien. Erfahrungstheologien; insbesondere Formen von Mystik entstanden im Kontext des Mönchtums, in dem sich Theologie und Frömmigkeit verbanden. Die verschiedenen Ansätze durchdrangen sich gegenseitig ebenso wie die Lebenswelten. So war der große Scholastiker Thomas selbst ein Mönch, und die Mystiker stellten sich gerade nicht gegen systematisches Denken, sondern betrieben es selbst rege und ergänzten es mit ihren eigenen Erfahrungen. Im 14. Jh. trat mit Wilhelm von Ockham ein Denker auf, der die erkenntnistheoretischen Grundlagen des Thomismus hinterfragte und mit seinem neuen Denkansatz einen Innovationsschub in der Theologie hervorrief, der bis zur Reformation und darüber hinaus die Diskussion entscheidend mitbestimmte. Trotz intensiver theologischer Arbeit wurden im Mittelalter nur wenige Lehrentscheidungen getroffen, nämlich im Bereich der Sakramentenlehre, die weiterentwickelt und präzisiert wurde. Mit der Zeit etablierte sich die Siebenzahl der Sakramente. Mit den Sakramenten, insbesondere mit der Eucharistie verbanden sich neue Frömmigkeitsformen, die bis heute nachwirken. Dazu verbreiteten sich Reliquien- und Heiligenverehrung weiter und gewannen an Intensität. Die Denker des Mittelalters haben eine breite Nachwirkung entfaltet und werden wegen ihres sachlichen Gewichts bis heute in der systematischen Theologie rezipiert. Denker wie Anselm von Canterbury, Petrus Abaelard, Bernhard von Clairvaux, Thomas von Aquin, Johannes Duns Scotus und Wilhelm von Ockham haben mit ihren Gedanken und Konzepten nach wie vor einen festen Platz in der Theologie.

Wichtige Themen

(Lernkontrolle: Können folgende Fragen beantwortet werden?) • Welche Rolle spielen die beiden Pole Tradition und Vernunft (auctoritas und ratio) für die mittelalterliche Theologie? Wie wurden Spannungen und Widersprüche bearbeitet? • Welche Bedeutung kommt Anselm von Canterbury für die mittelalterliche Theologie zu? Was sind Kerngedanken seiner Theologie? 754

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• Wie wandelt sich das Verständnis der Sakramente, insbesondere des Abendmahles? Wie wirkte sich das auf die Frömmigkeit aus? Was für Formen mittelalterlicher Frömmigkeit gab es außerdem? • Welche Rolle spielte die Gnadenlehre in der mittelalterlichen Theologie? Was für Positionen gab es, welche wichtigen Vertreter? • Wie entstanden die Universitäten? Welche Veränderungen im Wissenschaftsbetrieb brachten sie mit sich? • Welche Rolle spielte die Neuerschließung des Aristoteles für die mittelalterliche Theologie? • Worin besteht die scholastische Methode? Wie ist sie entstanden? Welche Probleme sollte sie lösen? Was zeichnet die Vor-, Früh-, Hoch- und Spätscholastik aus? Inwiefern sind diese Bezeichnungen problematisch? • Welche Bedeutung kommt Thomas von Aquin zu? Was sind die wichtigsten Kerngedanken seiner Theologie? Worum handelt es sich bei den sogenannten fünf Wegen? • Welche Lehre vertraten Duns Scotus und Wilhelm von Ockham? Wo stimmen sie überein, wo unterscheiden sie sich? • Wie entwickelte sich die Exegese im Mittelalter weiter? • Welche Formen von Mystik gab es? Wer sind wichtige Vertreter? In welchem Zusammenhang standen Mystik und spätmittelalterliche Frömmigkeit? • Worum ging es beim Universalienstreit? Welche Positionen wurden vertreten? Welche theologischen Konsequenzen haben sie? • Welche Auswirkungen hatten die Renaissance und das Aufkommen des Humanismus auf Theologie und Kirchengeschichte?

Wichtige Ereignisse, Sachverhalte, Personen I. Theologie und Philosophie ca. 10491079

Streit um die Abendmahlslehre: Berengar von Tours als Dialektiker

seit ca. 1090

Universalienstreit: Realismus und Nominalismus

1033-1109

Anselm von Canterbury: fides quaerens intellectum, ontologischer Gottesbeweis, Satisfaktionslehre

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ca. 10801140

Exegetische Methodik in der Schule von Laon: Glossa

ab 1140

Entwicklung der Kanonistik II. Neubewertung der Autoritäten und Mystik Entwicklung der Kathedralschulen und der Klosterschulen

1079-1142

Petrus Abaelard, Sic et Non (rationale Abwägung der Autoritäten)

1090-1153

Bernhard von Clairvaux: Erfahrungsbezogene Mystik (Hoheliedauslegung), Bezug auf den leidenden Christus

ca. 11201140

Hugo von St. Viktor und Viktoriner: Verbindung von Mystik, Erkenntnis und Exegese

ab 12. Jh.

zunehmende Eucharistiefrömmigkeit, Siebenzahl der Sakramente, Sakramente als Gnadenmittel, Intensivierung der Reliquienfrömmigkeit

ca. 11551158

Petrus Lombardus, Sentenzen

ab 1150

Transsubstantiation (im 4. Laterankonzil 1215 erwähnt) III. Die Scholastik Aristoteles Latinus, Kenntnis des arabischen (Avicenna, Averroës) und jüdischen (Maimonides) Aristotelismus

seit 1200

Entstehung der Universitäten (Paris, Oxford; Kanonistik in Bologna)

ca.11931280

Albertus Magnus: Christlicher Aristotelismus

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seit 1235

Summa Halensis (Alexander von Hales und Schüler): scholastische quaestio

1217-1274

Bonaventura (Augustinismus, Christologie, habitus)

1225-1274

Thomas von Aquin: Natur und Gnade

1270-1277

Streit um Aristotelismus in Paris (Siger von Brabant), 1277 Verurteilung von 219 Sätzen des Aristotelismus

ca. 12601328

Meister Eckhart: Mystik und spekulative Metaphysik

ca. 12651308

Johannes Duns Scotus: potentia absoluta – ordinata

IV. Relativierung der Grundlagen und Sakramentsfrömmigkeit ca. 12801349

Wilhelm von Ockham: Betonung der Logik (Satz vom Widerspruch)

seit ca. 1380

Wegestreit (Universalienproblem): via antiqua – via moderna

ab 13. Jh.

vierfacher Schriftsinn (Nikolaus von Lyra)

13./14. Jh.

deutsche Mystik (Tauler, Seuse, Theologia deutsch) Gotik (Kirchen als Orte des Heils), Passionsfrömmigkeit Mariologie

14./15. Jh.

spätmittelalterliche Blüte der Predigt

1456

Gutenbergbibel

15. Jh.

Humanismus (Florenz, 1462: Akademie) Lorenzo Valla (1405-1457), Pico della Mirandola (1463-1494)

1410-1495

Gabriel Biel: ockhamistische Spätscholastik

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100

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300 km

Cordoba

Salamanca

Palencia

Atlantischer Ozean

Orléans Clairvaux

Paris

Köln

Mittelmeer

Montpellier

Lyon

Trier

Po

Monte Cassino

Adria

Aversa Neapel Salerno

Rom

Orvieto

Bologna Florenz Siena

Wien

Regensburg

Prag

Freiberg

München

Padua

Viterbo

Pisa

Pavia

St. Gallen

Reichenau

Straßburg

Heidelberg

Fulda

Erfurt

Corvey

Hersfeld

Donau

Abb. 28 Kloster- und Domschulen/Universitäen im 11.–14. Jh.

Laon Reims Le Paraclet

Compiègne

Palma de Mallorca

Toulouse

Poitiers

Tours

Chartres Angers

Bec

Cambridge

Canterbury

Oxford

ein

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758 e Loir

Eb ro

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1. Sprache und Ontologie: Die Neuformierung der Theologie im 11. Jh. Schon im 11. Jh. kündigten sich in der Theologie Tendenzen an, die im 12. Jh. zu einer methodischen Neuausrichtung führten. Das alte Problem des Verhältnisses von auctoritas (Autorität) und ratio (Vernunft) wurde dabei neu bedacht, indem der Realitätsbezug theologischer Begriffe hinterfragt wurde. Diejenigen, die dazu die Mittel der Philosophie (der Dialektik und Logik) anwenden wollten, nannte man Dialektiker. Ihnen standen die konservativen Antidialektiker gegenüber.

auctoritas – ratio

1.1 Berengar von Tours als Dialektiker In seiner Kritik an der herkömmlichen Vorstellung einer substantiellen Verwandlung von Brot und Wein in der Eucharistie benutzte Berengar sprachlogische und ontologische Argumente. Damit wollte er weniger die überlieferte Frömmigkeit kritisieren, als vielmehr eine gute und widerspruchsfreie Begründung der gläubigen Teilnahme an der Eucharistie erreichen. Seine Theologie rief jedoch massiven Widerstand hervor, so insbesondere im sog. ersten Abendmahlsstreit (s. dazu § 10; 8.1). 1.1.1 Dialektiker. In einigen Schulen wurde die Dialektik in die theologische Arbeit integriert, so z.B. in der von Fulbert (ca. 960-1028) begründeten Kathedralschule von Chartres. Einzelne Dialektiker (auch philosophi/Philosophen, sophistae/Sophisten genannt) demonstrierten die Reichweite dialektisch-rationalen Denkens, so z.B. der italienische Wanderlehrer Anselm von Besate (genannt Peripateticus) ca. 1050. Daran knüpfte Berengar (ca. 1005-1088) als Leiter der Kathedralschule von Tours an. Sein wichtigster Gegner Lanfrank (ca. 1010-1089; seit 1042/1045 an der Klosterschule von Bec) war ebenfalls Dialektiker, bemühte sich aber stärker als Berengar, sein Denken an die traditionellen Vorstellungen anzupassen. 1.1.2 Antidialektiker. Die Opposition der Antidialektiker formierte sich oft in monas­ tischem Kontext. Neben dem Benediktiner Otloh von St. Emmeram/Regensburg (ca. 1010-ca. 1070) und dem Augustiner Manegold von Lautenbach (Elsass) (ca. 1030-nach 1103) trat besonders der berühmte Eremit Petrus Damiani (1007-1072; s. § 6; 9.4.2) hervor. Seiner schroffen Absage an die Welt entsprach die Ablehnung einer Dominanz des menschlichen Denkens. Er bestritt daher generell die Anwendbarkeit der Dialektik auf Glaubenslehren (so 1067 in seiner Schrift De divina omnipotentia/Über die göttliche Allmacht; Text: ML 145,595-622): Gottes Wundertaten übersteigen alle Regeln der Logik, auch das Gesetz der Widerspruchsfreiheit, so dass die Theologie schlicht die offenbarten Geheimnisse zu erläutern hat; die artes liberales (die freien Künste) können lediglich bei der Bibelexegese dienend eingesetzt werden (die Philosophie als ancilla/Dienerin).

Chartres

Lanfrank

Petrus Damiani

1.2 Der Universalienstreit: Realismus gegen Nominalismus In der klassischen platonischen Tradition kam den abstrakten Allgemeinbegriffen (universalia) eine eigene Realität zu, an der die Einzeldinge in 1. Sprache und Ontologie: Die Neuformierung der Theologie im 11. Jh.

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Einzeldinge nomina – res

Roscelin von Compiègne

St. Viktor

Indifferenzlehre

unterschiedlicher Abstufung teilhatten: Das Gute an sich spiegelte sich in vielfachen, abgestuften Teilhabe-Relationen in den Einzeldingen wieder. Für die Erkenntnis bedeutet das, dass nur von der Erkenntnis der Idee des Guten aus Einzeldinge (oder Vorgänge) als gut erkannt und bezeichnet werden können. Demgegenüber kam im 11. Jh. eine Denkrichtung auf, die gerade von den Einzeldingen ausging und hierin die entscheidende Realität sah. Roscelin von Compiègne wird dabei die These zugeschrieben, dass er die Allgemeinbegriffe nur als nomina (Namen), nicht als eigene res (Sachen, d.h. als die übergeordneten Ideen) ansah. Dies warf die Frage auf, wie objektiv gültig menschliche Aussagen (auch in der Theologie) überhaupt sein können. Realisten wie Wilhem von Champeaux und Anselm von Canterbury betonten, dass die Universalien real (und nicht nur als nomina/Namen) existieren, um so den Glaubensinhalt dem Bereich der subjektiven Behauptung zu entziehen. Damit war eine Problematik gegeben, die bis zum 15. Jh. hohe Aufmerksamkeit auf sich zog: der Gegensatz zwischen Realismus und Nominalismus. 1.2.1 Nominalismus bei Roscelin von Compiègne. Durch das sukzessive Vordringen des Aristotelismus in der Philosophie wurden die Grundlagen der platonischen Ontologie fraglich. In den Schuldiskussionen des späten 11. Jh.s wurde anhand eines Abschnittes aus Boethius’ Kategorien-Lehrbuch (das an die lateinische Übersetzung der aristotelischen Kategorien und der porphyrischen Isagoge/Einführung anknüpfte) diskutiert, ob die genera (Gattungsbegriffe) und die species (Individualbegriffe) real existieren oder nur gedacht werden. Der Dialektiker Roscelin von Compiègne (ca. 1050-1120/1125), Lehrer u.a. an der Kathedralschule von Tours, soll angeblich die Allgemeinbegriffe als Setzungen des Verstandes (als flatus vocis/»Hauch der Stimme«, d.h. das akustische, vorübergehende Phänomen des gesprochenen Wortes, bzw. als voces/Ausdrücke, zugleich: gesprochene Worte) bezeichnet und deren Realität bestritten haben. Nur den Einzeldingen komme Realität zu. Später meinte man, er habe die Universalien als nomina (Namen) betrachtet, und machte ihn zum Vater des Nominalismus, der im 11./12. Jh. allgemein verworfen wurde und erst im 14./15. Jh. eine reflektierte Form fand. Da Roscelin seine Auffassung anhand der Trinitätslehre entfaltete, wurde er u.a. von Anselm von Canterbury als Tritheist kritisiert und von einer Synode in Soissons 1092 verurteilt. Sein Schüler Abaelard nahm die Thematik neu auf (s. § 10; 4.2.1). 1.2.2. Realismus bei Wilhelm von Champeaux. Einen extremen Begriffsrealismus vertrat zunächst der berühmte Pariser Dialektiklehrer Wilhelm von Champeaux (ca. 1070-1122), der Gründer des Stifts von St. Viktor (s. § 10; 6.1). Er behauptete die volle Substantialität der Universalien und begründete dies damit, dass das Allgemeine allen unter seinem Begriff zusammengefassten Individuen innewohne als eine ungeteilte Wesenhaftigkeit (z.B. die Substanz Mensch im Sinne der Menschheit, die in allen Einzelmenschen vorhanden ist). Nach Abaelards Kritik (vgl. § 10; 4.2.1) modifizierte er diese Position im Sinne der sog. Indifferenzlehre dahingehend, dass die Universalien in den Einzeldingen nicht substantialiter oder essentialiter (beides: wesenhaft), sondern individualiter (in »Einzelausformung«), aber indifferenter (ohne Unterschied [scil. zum Allgemeinen]) existierten. Eine differenzierte Lösung trug Anselm von Canterbury vor (s. § 10; 2.1.3).

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1.3 Literatur Lektüretipp: L. Sturlese: Die deutsche Philosophie im Mittelalter, 1993, 15-95. Quellen: H.-U. Wöhler: Texte zum Universalienstreit, Bd. 1: Vom Ausgang der Antike bis zur Frühscholastik. Lateinische, griechische und arabische Texte des 3.-12. Jahrhunderts, 1992. Literatur: P. Ganz/R.B.C. Huygens/F. Niewöhner (Hg.): Auctoritas und Ratio. Studien zu Berengar von Tours, 1990. – T.J. Holopainen: Dialectic and Theology in the Eleventh Century, 1996. – J. Reiners: Der Nominalismus in der Frühscholastik, 1910. – A. De Libera: Der Universalienstreit. Von Platon bis zum Ende des Mittelalters, 2005.

2. Vorscholastische Wissenschaft bei Anselm von Canterbury Der epochale Beitrag Anselms (1033/1034-1109) liegt in drei Punkten: a) der methodischen Reflexion, die auf den Erweis der rationalen Notwendigkeit der Glaubensinhalte zielte (gebündelt in der Formel fides quaerens intellectum/der Glaube, der nach der Vernunfteinsicht strebt), b) dem ontologischen Gottesbeweis (der ratio Anselmi/dem Argument Anselms) und c) der sog. Satisfaktionstheorie, die die Notwendigkeit der Inkarnation und des Kreuzestodes aufzuzeigen suchte. Anselm ist mit seinem methodischen Denken ein Wegbereiter der Scholastik, doch begegnet die für die Scholastik typische Methode (s. § 10; 4.2) noch nicht bei ihm, weswegen er nicht als »Vater der Scholastik« oder als »Frühscholastiker« anzusehen ist.

fides quaerens intellectum

2.1 Harmonie von Glauben und Wissen Anselms Bemühung, die tradierten Inhalte der kirchlichen Lehre durch den Aufweis ihrer denkerischen Notwendigkeit zu verstehen, muss auf dem Hintergrund des Streits zwischen Dialektikern und Antidialektikern verstanden werden: Anknüpfend an die augustinische Dialektik von auctoritas (Autorität) und ratio (Vernunft) setzte Anselm die zentralen Aussagen des christlichen Glaubens voraus und nahm an, dass sich die Glaubensinhalte sola ratione, d.h. allein durch logisches Argumentieren, nachvollziehen und verstehen lassen müssen. Die Theologie beschränkt sich daher nicht auf den Nachvollzug der Offenbarung und der autoritativen Deutungen derselben, sondern zielt auf eine eigenständige, vernünftige Glaubenseinsicht, die die wesentlichen Aussagen des christlichen Glaubens als notwendig (necessaria) erweist. Anselm rechnete nicht damit, dass das rationale Argumentieren zu Ergebnissen kommen könnte, die den Glaubensaussagen widersprächen. Insofern nahm er eine Synthese von Tradition und Vernunft an und befürwortete die Anwendung der Logik bei grundlegender Annahme der tradierten Glaubensaussagen.

sola ratione

Logik

2.1.1 Leben und Werk Anselms. Anselm von Aosta, aus lombardischer Adelsfamilie gebürtig, studierte an verschiedenen Schulen, bevor er 1060 – angezogen durch Lanfrank 2. Vorscholastische Wissenschaft bei Anselm von Canterbury

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Bec

englischer Investiturstreit

(s. § 10; 1.1.1) – in das Kloster Bec eintrat, wo er 1063 Prior und Leiter der Klosterschule wurde, die er zu einer allseits angesehenen Bildungsstätte machte (seit 1079 als Abt). Er pflegte Kontakte zu den Geistesgrößen und Kirchenfürsten seiner Zeit. Nach dem Tod Lanfranks, der seit 1070 Erzbischof von Canterbury war, nominierte ihn der Normannenkönig Wilhelm II. 1093 für dieses Primasamt, das ihn hinfort in den englischen Investiturstreit verwickelte. Er kämpfte für die Unabhängigkeit der Kirche vom englischen König und suchte dafür mehrfach den Rückhalt beim Papst (v.a. Urban II.). Zweimal musste er deswegen ins Exil ausweichen (1097-1100 und 1103-1106). Sein Schüler Eadmer verfasste eine Vita und eine Historia (Geschichtsdarstellung) zu seinem Wirken. Seine Schriften sind im Wesentlichen thematische Traktate zu Einzelthemen, z.B. zur Willensfreiheit, Erbsünde, Prädestinationslehre, Trinität oder Christologie (Text: S. Anselmi Opera omnia, hg. von F.S. Schmitt, 6 Bde., 1938-1961; ND, 2 Bde., 1968). Sein Ruhm führte dazu, dass zahlreiche spätere Schriften unter seinem Namen tradiert wurden. 2.1.2 Wort- und Sachdialektik. In der Aussage über einen Sachverhalt sind für Anselm zwei Möglichkeiten der Wahrheitsbeziehung (rectitudo) zu unterscheiden: die Bezeichnung als subjektives Moment (Wortebene) und die zutreffende Erfassung (Sachebene). Beides kann differieren, nur bei Gott fällt beides immer zusammen. Da der menschliche Verstand ein Abbild des göttlichen Lichtes ist, kann er jedoch dem Urbild, dem höchsten Sein, nahekommen. Daran, dies tatsächlich zu tun, ist er allerdings durch die Folgen des Sündenfalls gehindert, so dass die göttliche Gnade erst ermöglichen muss, dass der Mensch auf der Grundlage der offenbarten Wahrheit (auctoritas/Autorität) seine ratio (Vernunft) recht gebrauchen kann. Zwei nicht erhaltene Traktate um 1070 entwickelten dies als grundlegende Methodik (De ratione fidei/Über den Vernunftgehalt des Glaubens und Fides quaerens intellectum/Der Glaube, der die Vernunfteinsicht anstrebt). 2.1.3 Anselms Haltung im Universalienstreit. Anselm vertrat gegen Roscelin (s. § 10; 1.2.1) einen gemäßigten Realismus: Er ging davon aus, dass das Allgemeinste zugleich den höchsten Grad an Realität einnahm. Gott ist als ens realissimum (Seiendes im höchs­ ten Sinne) zu verstehen, von dem aus alle anderen seienden Dinge sich als Abstufungen ableiten. Die Universalien sind daher ante rem (vor der Sache) im Geist Gottes, dann in rebus (in den Einzeldingen) wirklich präsent. Erst an dritter Stelle sind sie dann auch in intellectu (im Verstand des Menschen), was sich auf das esse etiam in re (die Existenz auch in der Sache) bezieht. Dieser Ansatz kombinierte platonische und aristotelische Annahmen und entsprach der Prägung durch Boethius.

2.2 Denkerischer Nachweis von Gottes Existenz

ontologischer Gottesbeweis

Anselms philosophiegeschichtliche Bedeutung ist mit dem sog. Gottesbeweis verbunden. Versuchte er in dem Traktat Monologion (Selbstgespräch) die Annahme eines höchsten Seins als notwendig zu erweisen, indem er auf die Selbstreflexion der menschlichen Vernunft verwies, die den Maßstab des Guten, Gerechten etc. nicht selbst setzen kann, sondern voraussetzen muss, so nahm er im Proslogion (Anrede, d.h. an Gott) an, dass der Gottesbegriff als aliquid quo nihil maius cogitari potest (etwas, im Vergleich mit dem nichts Größeres/Höheres gedacht werden kann) auch das Sein Gottes einschließen muss (sog. ontologischer Gottesbeweis). Mit beiden Denkbewegungen 762

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knüpfte Anselm an die philosophische und die augustinische Tradition an. Kant hat in seiner Kritik der reinen Vernunft beide Beweise zurückgewiesen. 2.2.1 Das Monologion. Das Monologion (ca. 1076) ist eine Meditationsschrift und gehört damit einer typisch monastischen Gattung an. Materiell knüpfte Anselm an Augustin, besonders dessen Werk De trinitate (Über die Trinität), an, ging jedoch rational argumentierend vor. Denkende Wesen erstreben nur das, was sie für gut halten. Sie fragen nach dem, was dem vielen Guten zugrundeliegt, womit sie auf das eine Gute stoßen, durch welches alles andere gut ist. Analoges gilt für das Gerechte. Die Kette des Seienden und des begründenden Allgemeinen führt so auf ein letztes Sein-Selbst, das höchste Gute bzw. den göttlichen Geist, dessen Abbild der menschliche Geist ist. Da dieser Beweis von der vorfindlichen Wirklichkeit (eben dem Kosmos) auf Gottes Existenz zurückschloss, nannte Kant diesen Beweis später den »kosmologischen Gottesbeweis«. 2.2.2 Das Proslogion. Das Proslogion (ca. 1077/1078) ist wesentlich kürzer und als Gebet stilisiert, auch darin monastischer Frömmigkeit verpflichtet. In der Gebetsform wird deutlich, dass es Anselm nicht um einen voraussetzungslosen Beweis der Existenz Gottes ging, sondern um das vernünftige Verstehen des Glaubensinhaltes. Der Mensch schreitet in seinem Denken bis zum Absoluten voran, über das hinaus nichts Größeres gedacht werden kann. Da alle Dinge zueinander in einem geordneten Gesamtgefüge stehen und dabei die besseren Dinge auch einen höheren Grad an Realität haben, ergibt sich notwendigerweise, dass das, über das hinaus nichts Höheres bzw. Größeres gedacht werden kann (aliquid quo nihil maius cogitari potest), also die Spitze jeglichen Abstraktions- und Aufstiegsprozesses, selbst auch im höchsten Maße seiend sein muss. Demnach besteht Gott nicht nur als Begriff oder Idee, sondern auch real, weil sonst die Instanz, die ihn denken würde, besser wäre – was aber dem Denkgehalt des Höchsten, über das hinaus nichts gedacht werden kann, widerspräche. Die Denknotwendigkeit eines höchsten Bezugspunktes, der zugleich real sein muss, ist die ratio Anselmi (Argument Anselms) bzw. das unum argumentum (das eine, entscheidende Argument), das für Anselm keiner weiteren Herleitung bedarf. Kant nannte diese Argumentationsfigur den »ontologischen Gottesbeweis«. 2.2.3 Kritik am ontologischen Gottesbeweis. Kritik an dem ontologischen Gottesbeweis haben schon Zeitgenossen geübt, besonders der Mönch Gaunilo (gest. 1083) in Marmoutiers, der dagegen den Liber pro insipiente (Buch für den Unverständigen) verfasste. Er verteidigte den von Anselm angesprochenen Unverständigen (die Toren sagen laut Psalm 14,1; 53,2, dass es keinen Gott gebe), d.h. den Gottesleugner bzw. -zweifler, und warf Anselm vor, dass er einen unberechtigten Übergang vom esse in intellectu (Sein im Verstand) zum esse in re (Sein in der Wirklichkeit) vollziehe. Das traf Anselm insofern nicht, als Anselm davon ausging, dass das esse in intellectu auf das esse in re bezogen ist und das menschliche Erkennen als Nachvollzug des göttlichen Denkens anzusehen ist, 2. Vorscholastische Wissenschaft bei Anselm von Canterbury

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Trinitätslehre

Gott als höchstes Gut

Abstraktion

ratio Anselmi

Gaunilo

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weswegen er eine Übereinstimmung zwischen (richtigem) Denken und Sein, Begriff und Wirklichkeit postulierte.

2.3 Die Satisfaktionstheorie

remoto Christo

Ehre, Wille Gottes

deus-homo

meritum Christi

In der Schrift Cur deus homo (Warum Gott Mensch [scil. wurde]), einem literarischen Dialog mit seinem Schüler Boso (um 1098 verfasst), wollte Anselm unter Absehung der Offenbarung (remoto Christo/unter Absehung von der Christusoffenbarung) die Notwendigkeit der Inkarnation und des Kreuzestodes als einziger Möglichkeit der Erlösung darstellen. Die Schrift setzt mit der apologetischen Stilisierung ein, dass er die Inkarnation den Ungläubigen gegenüber darlegen wolle (Sein Schüler Gilbert Crispin, gest. 1117, hatte Anselm die literarische Verarbeitung einer Disputation mit einem Juden über die Inkarnation zugeschickt). Die nicht-christliche Außenperspektive (so literarisch oder fiktiv sie sein mag) wird zur Begründung für das rationale Argumentieren. Anselm ging davon aus, dass die Menschen als Geschöpfe Gottes diesem Gehorsam schulden und die Ehre (honor) zu erweisen haben. Damit ist das Leben nach Gottes Willen gemeint. Durch den Ungehorsam des Menschen, sein sündiges Verhalten, wird diese Ehre zerstört, d.h. der Mensch handelt Gottes Willen zuwider und stört somit die von Gott intendierte Ordnung insgesamt. Dadurch zieht sich der Mensch Schuld und Strafe zu. Da der Mensch aber sowieso nie mehr tun kann als das, was er Gott gegenüber schuldet, nämlich die geschuldete Ehre zu erweisen, kann der Mensch Schuld und Strafe nicht durch eine entsprechende satisfactio (Genugtuung) abwenden. Gott wiederum kann nicht ohne weiteres die Schuld und Strafe aus misericordia (Barmherzigkeit) wegwischen, weil er so seiner Gerechtigkeit zuwiderhandeln würde. Daher muss die Erlösung jemand leisten, der einerseits Mensch ist, andererseits aber als Gott unendlich viel mehr kann als nur die geschuldete Ehre zu erweisen: Die Erlösung muss also notwendigerweise durch den deus-homo (den Gottmenschen) erfolgen. Dadurch, dass dieser deus-homo Gott alle Ehre erweist und trotzdem den Tod erträgt, obwohl er ihn als Strafe nicht verdient hätte, leistet er die satisfactio (Genugtuung) für die eigentlich dem Menschen zustehende Strafe und erwirbt ein (aufgrund seiner göttlichen Natur) unendliches meritum (Verdienst, im Unterschied zum debitum, dem Geschuldeten), durch das die menschliche Natur erlöst wird. Die Erlösung durch den Kreuzestod bringt so die Schöpfungsordnung wieder zurecht. Ältere Forschungsansätze haben versucht, in Anselms Satisfaktionstheorie das Nachwirken angeblich germanischer Rechtsvorstellungen oder einen Einfluss des Lehnssystems als Personenverband (Gott als Pendant zum Lehnsherren) nachzuweisen. Beides trifft Anselms Argument aber nicht, da er von der grundlegenden Relation zwischen Schöpfer und Geschöpf ausgeht und den Ehrbegriff auf Gottes einzig guten und gerechten Willen bezieht (Nicht der in seiner Ehre gekränkte Gott fordert ein blutiges Opfer, sondern der seine Gerechtigkeit ausübende 764

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Gott stellt selbst die gestörte Schöpfungsordnung her und setzt damit seinen Gotteswillen durch). 2.4 Literatur Lektüretipp: F.S. Schmitt: Einführung, in: Anselm von Canterbury, Proslogion. Untersuchungen, 3. A. 1995 [zweisprachig], 9-65. Quellen: F.S. Schmitt (Hg.): Anselm von Canterbury, Cur Deus Homo, 5. A. 1993; ND 2006 [zweisprachig]. – Ders. (Hg.): Anselm von Canterbury, Monologion, 1964 [zweisprachig]. – Ders. (Hg.), Anselm von Canterbury, Proslogion (s.o.) [zweisprachig]. Literatur: J. Hopkins (Hg.): A Companion to the Study of St. Anselm, 1972. – S. Ernst: Anselm von Canterbury, 2011. – I. Dalferth: Fides quaerens intellectum. Theologie als Kunst der Argumentation in Anselms Proslogion, ZThK 81 (1984) 54-105. – F. Gäde: Eine andere Barmherzigkeit. Zum Verständnis der Erlösungslehre Anselms von Canterbury, 1989. – G. Greshake: Erlösung und Freiheit. Zur Neuinterpretation der Erlösungslehre Anselms, ThQ 153 (1973) 323-345. – K. Kienzler: Glauben und Denken bei Anselm von Canterbury, 1981. – G. Plasger: Die Not-Wendigkeit der Gerechtigkeit, 1993. – R.W. Southern: Saint Anselm, 1991.

3. Die Neuorientierung in Exegese, Kanonistik und den Wissenschaften um 1100 Eine grundlegende Veränderung erfuhr die methodische Reflexion zwischen ca. 1080 und 1140. Die bisher üblichen Zusammenstellungen von Autoritäten wurden systematisiert und so zu einer Synthese verbunden, in der das Problem des Ausgleichs zwischen sich widersprechenden Autoritäten intensiv bedacht wurde. Hierzu wurden Mittel der Begriffsdifferenzierung und der Kontextualisierung der einzelnen Autoritäten eingesetzt. Somit ergaben sich drei Aspekte der neuen Methodik, die die Scholastik vorbereiteten: a) das Bemühen um Vollständigkeit oder umfassende Bearbeitung, b) die erhebliche Ausdifferenzierung und Klärung der theologischen Termini (insbesondere auch durch den Einsatz der Dialektik) und c) die Berücksichtigung widersprechender Aussagen der Tradition. An der Entwicklung der entsprechenden Methoden hatten insbesondere die Exegese und die Kanonistik erheblichen Anteil, aber auch die verstärkte Beschäftigung mit den artes liberales (den freien Künsten).

3.1 Anselm von Laon und die Glossa ordinaria Die klassische Sammlungsarbeit von Bibelauslegungen der Kirchenväter führten Anselm von Laon (1050-1117) und sein Bruder Radulf an der dortigen Kathedralschule zusammen mit anderen (z.B. Wilhelm von Champeaux) fort. Sie entwickelten dazu eine die ganze Bibel betreffende Methode, die sich in Interlinearglossierung (kurze Erläuterungen zu Wortbedeutung, Grammatik, Sinngliederung, die zwischen den Zeilen eingetragen werden) und 3. Die Neuorientierung in Exegese, Kanonistik und den Wissenschaften um 1100

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Kathedralschule in Laon Interlinear- und Marginalglossen

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Exegese

Marginalglossen (ad marginem/an den Rand [notiert], d.h. umfangreichere Kommentierungen von Kirchenväterzitaten und eigene Beobachtungen) gliederte. Die doppelte Form spiegelte den Lehrbetrieb von Laon wieder und hat die mittelalterliche Universitätspraxis bis weit in die frühe Neuzeit hinein geprägt. Die so entstehende Glossa (= Kommentar) wurde als Standardwerk breit rezipiert (ab dem 14. Jh. Glossa ordinaria/Reguläre Bibelkommentierung genannt, ab dem 16. Jh. fälschlicherweise dem Reichenauer Abt Walahfried Strabo [ca. 808/809-849] zugeschrieben). Wegen der Teamarbeit lassen sich die individuellen Anteile nur schwer eruieren, von Anselm stammten wohl die Glossen zum Psalter, zum Johannesevangelium und zu den Paulusbriefen. Auf der Exegese beruhten die dogmatischen Ausführungen, bei denen in der Schule von Laon eine heilsgeschichtliche Systematik (1. Urstand, 2. Sündenfall und derzeitige Welt, 3. Erlösung und künftige Welt, zugänglich bereits in der Kirche und ihren Heilsmitteln) vorherrschte.

3.2 Die Konkordanzmethode im Kirchenrecht und das Decretum Gratiani

Kanonistik

Auf dem Hintergrund des allgemeinen Strebens nach Erneuerung und Eigenständigkeit der Kirche (so besonders in der gregorianischen Erneuerung des Papsttums) strebten Bischöfe und Gelehrte Rechtssammlungen an, in denen eine systematische Ordnung der verstreuten Rechtstexte einen schnelleren Zugriff ermöglichen sollten. Durch die Zusammenstellung wurde die Frage nach der Übereinstimmung der verschiedenen Rechtstexte, ihre Konkordanz, besonders wichtig. Daraus entwickelte sich eine eigene Wissenschaft, die Kanonistik (Kirchenrechtswissenschaft) mit Zentrum in Bologna. Besondere Bedeutung erlangte die Zusammenstellung Gratians, die unter dem Titel Decretum Gratiani (Zusammenstellung von Rechtstexten durch Gratian) bis weit ins 16. Jh. hinein maßgeblich wurde. 3.2.1 Rechtssammlungen und Konkordanzmethode. Seit dem 6. Jh. war das gewaltig anschwellende kirchenrechtliche Material – Synodalentscheidungen (canones), bischöfliche Regelungen, päpstliche Dekretalen etc. – in verschiedenen Sammlungen geordnet worden, meist mit kirchenpolitischer Absicht. Schon Bischof Burchard von Worms (965-1025) wollte mit seinem Decretum (Beschlossen, d.h. als Recht festgesetzt) die kirchliche Praxis in Verwaltung und Rechtsprechung, Seelsorge und Unterweisung auf eine solide Basis stellen. Dies wurde im 11. Jh. aufgenommen. Bernold von Konstanz (ca. 1054-1100), ein Parteigänger der gregorianischen Erneuerung, entwickelte angesichts der Widersprüche der überlieferten Rechtssätze eine neue Konkordanzmethode. Er fixierte Regeln für den rationalen Ausgleich: Vergleich der verschiedenen Rechtssätze, Berücksichtigung ihrer Situationsgebundenheit, ihrer Ursachen und Tendenzen, Untersuchung der Authentizität. Der einflussreiche Bischof Ivo von Chartres (ca. 1040-1115), Schüler Lanfranks, förderte durch seine rechtssystematischen Theorien das päpstliche Dekretalenrecht und prägte die Kanonistik, weil er umfassend patristisches Material heranzog und Grundsätze der Systematisierung und des Ausgleichs von Widersprüchen entwickelte. 766

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3.2.2 Das Decretum Gratiani (Zusammenstellung von Rechtstexten durch Gratian). An der päpstlich geförderten Juristenschule in Bologna schuf der gelehrte Mönch Gratian (gest. ca. 1150) eine systematische Kompilation besonderen Ausmaßes. Er durchdrang das kirchenrechtliche Material systematisch und unter Heranziehung dogmatischer Theologie. Um die dabei zu Tage tretenden Widersprüche auszugleichen, kombinierte er die Konkordanzmethode Bernolds und Ivos mit der Dialektik. Sein Werk, das von anderen Autoren überarbeitet und ergänzt wurde, erlangte zwar nie offizielle Geltung als kirchlicher Rechtskodex, wurde aber faktisch für Jahrhunderte zur Grundlage der Kanonistik. Insofern ist das Decretum Gratiani der Vorgänger des ab 1582 in Kraft gesetzten und mehrfach überarbeiteten Corpus Iuris Canonici (Korpus des kanonischen Rechts, erst 1917 ersetzt durch den Codex Iuris Canonici/Kodex des kanonischen Rechts, abgekürzt CIC, letzte Überarbeitung: 1983).

Bologna

Corpus Iuris Canonici

3.3 Die Schule von Chartres: Pflege von Naturwissenschaften und Dialektik Der Pflege des gesamten Wissenschaftsspektrums und der artes liberales (der freien Künste; s. § 5; 11.1) widmete sich die von Bischof Fulbert (gest. 1028) ausgebaute Kathedralschule in Chartres, d.h. man beschäftigte sich intensiv mit der antiken Literatur, Platons Dialog Timaios (und den damit verbundenen kosmologischen und naturphilosophischen Fragen) sowie mit Aristoteles’ Logik. Erweitert wurde dies durch die Pflege des Kirchenrechts v.a. unter Ivo von Chartres seit 1090 (s. § 10; 3.2.1), so dass in Chartres ein breites Spektrum der Wissenschaften betrieben wurde. Besondere Wirkung entfalteten Gilbert Porreta und Johannes von Salisbury. 3.3.1 Gilbert Porreta. Unter den Schülern des Bernhard von Chartres (gest. ca. 1124/1130) ragten Thierry/Theoderich von Chartres (gest. ca. 1150) und Gilbert von Poitiers (lateinisch Porreta oder Porretanus; ca. 1080-1154) hervor. Letzterer lehrte 11241137 in Chartres, danach in Paris und Poitiers. Er wandte eine an Aristoteles orientierte Sprachlogik auf die Theologie an. Bernhard von Clairvaux attackierte ihn als häretischen Neuerer, doch Synoden in Paris 1147 und Reims 1148, die seine Lehren prüften, verurteilten ihn nicht. Seine Schülerschaft, die sog. Porretanerschule, wirkte mit beträchtlichem Einfluss im 12./13. Jh. Ein Schüler von Thierry und Gilbert war der bedeutende Naturphilosoph und Dichter Alanus ab Insulis (d.h. aus Lille, ca. 1125/1130-1203), der doctor universalis (der in allem kundige Lehrer), dessen Hauptwerk (Anticlaudianus/der Gegen-Claudian) eine differenzierte Tugendlehre enthielt.

artes liberales

Aristoteles

Alanus ab Insulis

3.3.2 Johannes von Salisbury. Der in der englischen Politik als Kämpfer für die Freiheit und Erneuerung der Kirche engagierte Johannes von Salisbury (ca. 1115/11201180), seit 1176 Bischof von Chartres, war ein bedeutender lateinischer Stilist, der in Anlehnung an Aristoteles Werke zur Ethik und Logik verfasste (so besonders im Metalogicon/Weiterführung der Logik, wo er das Universalienproblem behandelte) und als Empiriker die Grenzen der philosophisch-theologischen Erkenntnis herausstellte. Sein Traktat Polycraticus (Vielherrscher) behandelte den Machtmissbrauch der geistlichen und weltlichen Gewalt und hat die politischen Theoretiker im späten Mittelalter beeinflusst.

3. Die Neuorientierung in Exegese, Kanonistik und den Wissenschaften um 1100

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3.4 Die Entwicklung der Scholastik

Vorscholastik Frühscholastik

Scholastik

Der in der älteren Literatur kaum problematisierte Begriff »Scholastik« ist in neuerer Zeit durchaus kritisiert worden, weil das damit bezeichnete Phänomen in sich beträchtliche Unterschiede aufweist. Die Einteilung der theologiegeschichtlichen Entwicklung in Vor-, Früh- und eigentliche Scholastik stößt auf das Bedenken, dass die an den Universitäten und Ordensschulen im 13. Jh. entwickelte Theologie als eigentlicher Zielpunkt angesehen wird, so dass im Vergleich damit die Entwicklungen des 11. und 12. Jh.s nur als Vorstufen eingeordnet werden. Allerdings ist der Begriff Scholastik nach wie vor geeignet, um eine differenzierte Form der vor allem an Universitäten und Ordensschulen vertretenen Explikation der in der Bibel enthaltenen Glaubenswahrheiten zu bezeichnen. Grundlegend änderte sich dabei der Umgang mit den Autoritäten, vor allem den Kirchenvätern. In der Vorscholastik (vor allem im 11. Jh.) wird davon ausgegangen, dass ein rationales Erschließen (auch ohne Bezug auf die Kirchenväter) mit der Tradition und der Wahrheit des Geglaubten übereinstimmt (Anselm). In der Frühscholastik (vor allem im 12. Jh.) werden nicht nur umfangreiche Ketten von Testimonien aus der Tradition zusammengestellt, das zunehmend rationale Argumentieren führt besonders auch dazu, dass die Widersprüche in der Tradition wahrgenommen und bearbeitet werden (Abaelard). Ab dem 13. Jh. entsteht die eigentlich scholastische Methodik, die insbesondere in einem logisch reflektierten und begrifflich differenzierenden Umgang mit den Widersprüchen im Schriftzeugnis wie in der Tradition besteht. 3.5 Literatur Lektüretipp: R. Schönberger: Was ist Scholastik?, 1991. Literatur: C. Girand: Per verba magistri. Anselme de Laon et son école au XIIe siècle, 2010. – P. Landau: Kanones und Dekretalen, 1997. – H. Graf Reventlow: Epochen der Bibelauslegung, Bd. 2, 1994. – H. Fichtenau: Ketzer und Professoren. Häresie und Vernunftglaube im Hochmittelalter, 1992. – P. Weimar (Hg.): Die Renaissance der Wissenschaften im 12. Jahrhundert, 1981. – L. Smith: The Glossa Ordinaria. The Making of a Medieval Bible Commentary, 2009. – A. Winroth: The Making of Gratian’s Decretum, 2000. – R. Quinto: Scholastica. Contributo alla storia di un concetto, Medioevo 18 (1991) 1-82.

4. Petrus Abaelard – Frühscholastische Methodik Einen besonders wichtigen Fortschritt in der theologischen Methodik erreichte Petrus Abaelard (1079-1142), weil er in Sic et Non eine Methodik zum Umgang mit den Widersprüchen innerhalb der Tradition entwickelte. Auch für die Exegese und den Fortgang des Universalienstreites leistete er Bedeutendes. Als Theologe erst ungemein erfolgreich, wurde er vielfach angefeindet, seine Theologie (besonders seine Trinitätslehre) wurde mehrfach verurteilt. 768

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4.1 Rationale Genialität im Konflikt mit der Kirche Den traditionellen Lehrbetrieb, den er u.a. in Laon kennenlernte, kritisierte Abaelard als zu konservativ. Durch Intelligenz, rhetorische Begabung und Arroganz schuf er sich überall Feinde. Er wollte mit der Sprachlogik und dialektischen Mitteln die Theologie insgesamt erneuern und stieg ab 1114 zu einem der bedeutendsten Lehrer in Paris auf. Diese Karriere endete in einer Katastrophe, als er mit der Tochter eines Kanonikers, Heloise, eine Beziehung einging, aus der ein Sohn hervorging. Die Selbstjustiz der Familie von Heloise führte in der Folgezeit zum Rückzug in verschiedene Klöster. Nur wenig später stieß seine Theologie auf Vorbehalte, so wurde seine Trinitätslehre 1121 auf einer Synode in Soissons verurteilt. Die Kollision mit der traditionellen Theologie erlebte er paradigmatisch in der erbitterten Feindschaft Bernhards von Clairvaux, der in den dreißiger Jahren erneut seine Verurteilung betrieb. Diese erfolgte 1140/1141 durch eine Synode in Sens und ein Urteil von Papst Innozenz II.

Paris

Bernhard von Clairvaux

4.1.1 Abaelards Ausbildung. 1079 bei Nantes geboren, entstammte Abaelard einem Rittergeschlecht aus der Bretagne. Er wandte sich aber bereits als junger Mann der Theologie als Wissenschaft zu, 1095 studierte er u.a. bei Roscelin von Compiègne und Wilhelm von Champeaux in Paris. Nach kurzen Tätigkeiten in Corbeil und Melun ist er ab 1109 wieder in Paris, wo er auf dem Mont St. Geneviève mit großem Erfolg lehrte. 1113 ging er nach Laon, geriet dort aber mit Anselm von Laon in einen heftigen Konflikt, so dass er 1114 nach Paris zurückkehrte und hier (vermutlich als Kanoniker) zu einem wirkmächtigen Lehrer wurde. Als Meister im Disputieren schuf er sich viele Feinde, aber auch einen großen Kreis begeisterter Schüler. 4.1.2 Abaelard und Heloise. Die dramatische Geschichte der Beziehung zwischen Abaelard und Heloise ist in ihrer Historizität nicht mehr zweifelsfrei aufklärbar. Der Briefwechsel zwischen beiden ist handschriftlich erst ab dem 13. Jh. belegt. Dies gilt auch für die als Epistula/Brief 1 gezählte, autobiographische Skizze, die als Historia calamitatum (Leidensgeschichte) berühmt wurde und die wichtigste Quelle für die Biographie Abaelards ist. Folgt man dem hier Dargestellten, begann die Romanze mit Heloise, als deren Vater, Fulbert, ein Kanoniker an Notre Dame in Paris, Abaelard zum Privatlehrer seiner Tochter bestellte. Als sie in flagranti erwischt wurden und Heloise wenig später schwanger war, flohen Abaelard und Heloise zu seiner Familie in die Bretagne. Einige Monate später wurde ihr Sohn, Astrolabius, geboren. Die Verhandlungen mit Fulbert führten zu dem Plan, dass Abaelard Heloise heiratete, diese Ehe jedoch geheim gehalten werden sollte. Eine solche klandestine, d.h. geheime, Ehe war kirchenrechtlich verboten. Nach der Eheschließung machte Fulbert diese öffentlich, doch wurde die Ehe von Heloise heftig bestritten. Als Abaelard Heloise der wachsenden Aufmerksamkeit entziehen wollte und sie im Kloster Argenteuil unterbrachte, deutete Fulbert dies als Aufkündigung der Ehe. Als Strafe ließ er Abaelard kastrieren (was auch sonst für Fälle von Selbstjustiz im Fall der Untreue belegt ist). Fulbert wurde zwar seines Amtes enthoben, konnte jedoch einige Jahre später wieder zurückkehren. Abaelard geriet hierdurch in eine tiefe Krise, da 4. Petrus Abaelard – Frühscholastische Methodik

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Historia calamitatum

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er meinte, nicht mehr zum Altardienst (etwa als Kanoniker) zugelassen zu sein. Er zog sich zunächst in das bei Paris gelegene Kloster St. Denis zurück und verfasste dort eine erste Fassung seiner Theologie.

Theologia summi boni

Appropriationen

Le Paraclet

Wilhelm von St. Thierry

Synode in Sens 1140/1141

4.1.3 Die Verurteilung der Trinitätslehre 1121. Anlass für die Verurteilung von Abaelards Trinitätslehre wurde die Zuschreibung bestimmter Gottesprädikate in eigentümlicher Weise an Vater, Sohn und Geist, wie sie Abaelard ab 1118 entwickelt hatte. Erhalten ist nur eine spätere Fassung des Werkes, auf das sich die Verurteilung von 1121 bezog, die Theologia summi boni (Theologie des höchsten Gutes; später überarbeitet; 2. Fassung als Theologia Christiana/Christliche Theologie; 3. Fassung als Theologia scholarium/Theologie der Gelehrten). In ihr betont Abaelard, dass die unteilbare Substanz des trinitarischen Gottes ganz potentia, sapientia und caritas ist (Allmacht, Weisheit und Liebe). Zugleich lässt sich die potentia insbesondere mit dem Vater verbinden, die sapientia mit dem Sohn und die caritas mit dem Heiligen Geist. Diese Appropriationen zeigen die unlösbare Zusammengehörigkeit von Vater, Sohn und Geist, da eine Allmacht ohne Weisheit und Liebe genauso defizitär wäre wie eine Weisheit, die in ihrem Vermögen eingeschränkt und ohne Liebe existierte. Eine Liebe, die sich widervernünftig gegen die Weisheit stellte und in ihrem Vermögen eingeschränkt wäre, wäre ebenfalls nicht im höchsten Sinne gut. Nur die Realisierung aller drei Aspekte in einem gemeinsamen Sein ist das höchste Gut. Die Aussagen Abaelards wurden von seinen Gegnern – gegen seine Intention – als Aussage interpretiert, dass er die Allmacht für den Sohn und den Geist ebenso leugne wie die Weisheit für den Vater. Die Verurteilung von 1121 überstellte Abaelard zunächst in Klosterhaft, doch konnte er 1122 die Begnadigung durch Papst Calixt II. erreichen. Danach gründete er bei Nogent eine Einsiedelei, genannt Le Paraclet, wo er später auch einen Schulbetrieb einrichtete. 1127 wurde er Abt in St. Gildas-de-Rhuys in der Bretagne. Als Suger von St. Denis alte Eigentumsrechte über Argentueil durchsetzen konnte und Heloise mit weiteren Nonnen von dort vertrieb, lud Abaelard sie ein, nach Le Paraclet zu kommen, wo sich ab 1129 ein Nonnenkloster mit päpstlichem Privileg entwickelte. 4.1.4 Der Konflikt mit Bernhard von Clairvaux. Als Abaelard wenige Jahre später (1132) nach Paris zurückkehrte, wo er erst auf dem Mont St. Geneviève lehrte, dann ab 1137 in Paris selbst, zog er sich die Feindschaft von Wilhelm von St. Thierry (ca. 1080/1085 – 1148/1149) zu. Dieser schaltete seinen Ordensbruder und Lehrer Bernhard von Clairvaux ein. Nach einem Treffen mit Abaelard gingen Bernhard und Wilhelm entschieden gegen Abaelard vor. Ersterer nutzte seine ausgedehnte Korrespondenz, um Abaelard zu diskreditieren, der in einer Apologia contra Bernardum (Verteidigungsschrift gegen Bernhard) antwortete. Bernhard sah in der Dialektik Abaelards einen Angriff auf die Verbindlichkeit der Kirchenlehre und damit auf die Frömmigkeit. Für die Synode in Sens 1140/1141 setzte Bernhard durch, dass über 770

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Abaelards Lehre nicht disputiert, sondern diese insgesamt verurteilt wurde. Die Appellation an den Papst führte zu einer erneuten Verurteilung. Nur der Schutz durch Petrus Venerabilis von Cluny ermöglichte es Abaelard, dem üblichen Ketzerschicksal zu entkommen. Auf einer Reise starb er in einem Haus der Cluniazenser 1142 und wurde in Le Paraclet beigesetzt (wo später auch Heloise an seiner Seite bestattet wurde). Seine Schüler, darunter berühmte Theologen wie Robert von Melun (ca. 1100-1167), Johannes von Salisbury (s. § 10; 3.3.2); Roland Bandinelli (s. § 10; 7.2), der Geschichtstheologe Otto von Freising, aber auch ein Prediger der Armutsbewegung wie Arnold von Brescia verbreiteten Abaelards Gedanken in ganz Europa.

Schüler

4.2 Verbindung von Dialektik und Theologie Abaelard erörterte in bahnbrechender Weise Methodenfragen. Dies wirkte auf seine Zeitgenossen als eine ungeheure Innovation und Relativierung des überkommenen Theologiebetriebes. In seiner Frühzeit konzentrierte er sich auf sprachlogische Probleme, die er dialektisch löste. Im Universalienstreit entwickelte er eine Lösung, die weithin Anklang fand: den sog. Konzeptualismus. Er besagt, dass die menschliche Erkenntnis übereinstimmende Merkmale als conceptus (Vorstellung) formuliert, denen Gedanken im Geist Gottes entsprechen. Für das Autoritätenproblem entwickelte er in seinem Werk Sic et Non (Ja und Nein) eine für die Zukunft maßgebliche Lösung. Theologie sollte fortan nicht nur traditionelle Aussagen reproduzieren oder mit der Vernunft tiefer ergründen, sondern wissenschaftlich kontrollierbar Denkprobleme selbständig lösen. 4.2.1 Abaelards Position im Universalienstreit. Seine erste Schaffensperiode bis ca. 1126 war vor allem durch philosophische Schriften geprägt (so u.a. durch die Logica und die Dialectica; hg. von B. Geyer, 1919-1933). Damit legte er den Grund für seine späteren Werke. Der Dialektik kam dabei die zentrale Rolle zu, weil sie zu einer vernünftig nachvollziehbaren Erkenntnis der Glaubensgegenstände führen sollte. Insofern konnte die Vernunft auch Heiden und Juden zu einer gewissen Gotteserkenntnis führen (vgl. hierzu den Dialogus inter philosophum, Iudaeum et Christianum/Dialog zwischen einem Philosophen, Juden und Christen). Abaelard schränkte die Möglichkeiten der Vernunft jedoch zugleich auf den Bereich der empirischen Wirklichkeit ein. So hielt er etwa Gottesbeweise für unmöglich; vielmehr fänden sich in der empirischen Wirklichkeit viele Hinweise auf den Wahrheitsgehalt des Geglaubten. Die Konsequenz dieses Ansatzes zeigte sich im Universalienstreit. Aus der vernünftigen Reflexion dessen, was an den Einzelphänomenen festgestellt wird, folgt die Erkenntnis, dass die Dinge in Natur und Eigenschaften Gemeinsamkeiten aufweisen, von denen die Vernunft einen conceptus (eine Vorstellung) bilden kann. Diese Vorstellung kann sprachlich als sermo (Wort, Ausdruck) ausgedrückt werden. Die universalia (Allgemeinbegriffe) verweisen also auf Konzepte, deren Allgemeinheit durch das in den Einzeldingen gegebene Gemeinsame gedeckt ist. Ihr sprachlogischer Gehalt ist daher nicht willkürlich (vgl. dazu die mutmaßliche Position des Roscelin von Compiègne), die universalia sind aber auch nicht einfach res (keine vom Denken unabhängige Wirklichkeit, vgl. dazu die Position von Wilhelm von 4. Petrus Abaelard – Frühscholastische Methodik

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Konzeptualismus

philosophische Schriften

conceptus

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Champeaux). Sowohl ihr Anhalt an der emprischen Wirklichkeit der Schöpfung Gottes als auch ihre Entsprechung im Geist Gottes sichern ihre Objektivität.

Et contra

Abwägen

4.2.2 Die Methodik im Umgang mit den Widersprüchen in der Tradition. Die juristische Konkordanzmethode (vgl. § 10; 3.2.1) übertrug Abaelard auf die Dogmatik. Die traditionelle Methode, theologische Aussagen durch das Zitieren und die Kommentierung von Autoritäten (Belegstellen und Sentenzen aus Bibel, Kirchenvätern, Konzilstexten, Liturgie, Kirchenrecht) zu formulieren, entwickelte er weiter. In seinem Werk Sic et Non (Ja und Nein) spitzte er das daraus sich ergebende Problem, wie man mit Widersprüchen in der Tradition umzugehen hat, zu: In 158 Kapiteln stellte er zunächst die Traditionsbelege so zusammen, dass zu einer Aussage immer auch eine gegenteilige Aussage hinzugefügt wurde (eingeleitet mit Et non/Und nicht ... oder Et contra/Und dagegen ...). Abaelard lag dabei allerdings nicht an einer Abschaffung des Traditionsbeweises, sondern an einem reflektierten Umgang mit der Tradition. Dafür entwickelte er in der Vorrede eine wissenschaftliche Methodik: Der Theologe muss sich um den Charakter der herangezogenen Schriften kümmern (handelt es sich um eine authentische oder eine pseudonyme Schrift?) und evtl. den Text aufgrund von Vergleich mit anderen Exemplaren verbessern. Sodann sind andere Stellen desselben Autors zu berücksichtigen, insbesondere auch spätere Korrekturen oder Präzisierungen. Wichtig ist auch zu beachten, ob ein Autor die Meinung selbst vertritt oder nur anführt, um sie zu diskutieren oder einzuordnen. Die Aussageintention und der historische Kontext sollten ebenso berücksichtigt werden wie die Untersuchung des Bedeutungsspektrums von Begriffen und ihre zeitlich bedingten Veränderungen. Schließlich, wenn alles dies nicht zur Auflösung des Widerspruches führt, muss man eine inhaltliche Abwägung vornehmen. Dabei ist den Aussagen der Heiligen Schrift der Vorrang gegenüber anderen Schriften zu geben. Die Schrift Sic et Non bietet nicht selbst die entsprechenden Abwägungen, sondern ein reiches Arsenal von Problemen (insbesondere aus der Glaubenslehre, der Sakramentenlehre und der Ethik), die man entsprechend durcharbeiten konnte. Sie bereitete das methodisch kontrollierte Abwägen in der Scholastik ebenso vor wie das Achten auf das Bedeutungsspektrum und den sprachlogischen Gehalt der Begriffe.

4.3 Versöhnungslehre und Ethik Abaelards Theologie beschränkte sich nicht auf Dialektik, Universalienlehre und den Umgang mit der Tradition. Er war auch ein profilierter Exeget, so insbesondere in seinem Römerbriefkommentar, in dem er eine umfassende Deutung des Kreuzestodes als Ausdruck göttlicher Liebe entwickelte. In seiner Ethica (Ethik) betonte er insbesondere die Bedeutung des Gewissens für die ethische Entscheidung. 772

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4.3.1 Der Römerbriefkommentar. Abaelards Römerbriefkommentar (ca. 1135-1137 entstanden; Text: CChr.CM 11) zeigt einen originellen und eigenständigen Ausleger. Er bestritt, dass es für Christi Inkarnation und Kreuzestod eine Notwendigkeit gebe, die sich logisch nachvollziehen lässt, etwa weil eine Verfügungsgewalt des Teufels über alle Menschen seit dem Sündenfall angenommen werden muss. Damit war zugleich die klassische Erbsündenlehre relativiert. Ob er sich hier spezifisch gegen Anselms Satisfaktionslehre richtete, ist in der Forschung umstritten. Jedenfalls betonte Abaelard nun umgekehrt die Freiwilligkeit von Inkarnation und Kreuzestod, die er beide als Ausdruck der göttlichen Liebe deutete. Gottes Liebe zielt dabei auf eine Weckung der Gegenliebe, die ebenso wie der Glaube von der göttlichen Gnade gewirkt wird. Die Liebe wird als die den Glauben fortsetzende Ausrichtung des menschlichen Handelns verstanden, die als gute Gesinnung und moralische Kraft von der Sünde befreit. Abaelard greift dabei zu Formulierungen, die die Selbständigkeit des Menschen betonen. 4.3.2 Die Ethik. Die wohl 1138/1139 verfasste Ethica (Ethik; hg. von D.E. Luscomb, 1971, Übers.: F. Hommel, 1947) stellte die Selbsterkenntnis in den Mittelpunkt. Handlungen und Motive sind nicht an sich gut oder schlecht, sondern werden es erst dadurch, dass sie von einer freien Zustimmung, einer bewussten Intention getragen werden. Eine den Menschen determinierende Erbsünde kann es daher nicht geben, denn Sünde ist weder die objektive Tat noch eine allgemeine Verfasstheit, sondern die gottwidrige Gesinnung. Aufgehoben wird sie nicht durch Vergebung und Satisfaktion im Bußsakrament, sondern durch die Reue als Gesinnungswandel. Damit kommt der conscientia (dem Gewissen) eine zentrale Rolle für die Ethik zu, denn das Gewissen beurteilt die Intentionen, mit denen Handlungen angestrebt oder getan werden. Abaelard zog hieraus nicht die Konsequenz, dass das kirchliche Bußsakrament zugunsten einer subjektiven Gesinnungsethik aufgegeben werden könne, doch entzog seine Ethik einer objektivierenden Feststellbarkeit von Sünden den Boden. Seine psychologische und moralische Beschreibung des guten Lebens beeinflusste spätere Überlegungen zur Gnadenlehre in der Scholastik.

Gottes Liebe

conscientia

4.4 Literatur Lektüretipp: R. Rieger: Petrus Abaelard. Theologie im Widerstreit, in: U. Köpf (Hg.): Theologen des Mittelalters, 2002, 61-78. Literatur: M.T. Clanchy: Abaelard. Ein mittelalterliches Leben, 2000. – U. Niggli/H.-W. Krautz (Hg.): Peter Abaelard. Leben – Werk – Wirkung, 2003. – I. Klitzsch: Die »Theologien« des Petrus Abaelardus, 2010. – M. Perkams: Liebe als Zentralbegriff der Ethik nach Peter Abaelard, 2001. – T. Georges: Quam nos divinitatem nominare consuevimus. Die theologische Ethik des Peter Abaelard, 2005. – R. Heyder: Auctoritas scripturae. Schriftauslegung und Theologieverständnis Peter Abaelards unter besonderer Berücksichtigung der »Expositio in Hexaemeron«, 2010. – H. Fichtenau: Ketzer und Professoren. Häresie und Vernunftglaube im Hochmittelalter, 1992, 199-291. – D.E. Luscombe: The School of Peter Abaelard, 1969. – R. Peppermüller: Abaelards Auslegung des Römerbriefes, 1972. – R. Thomas (Hg.): Petrus Abaelard (1079-1142). Person, Werk und Wirkung, 1980. – L. Grane: Peter Abaelard. Philosophie und Christentum im Mittelalter, 1969.

5. Erfahrungstheologie bei Bernhard von Clairvaux Bernhard (1090-1153) ist nicht nur als Organisator des Mönchtums und als Befürworter der Kreuzzugsbewegung bedeutsam geworden, sondern auch 5. Erfahrungstheologie bei Bernhard von Clairvaux

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als Theologe und Mystiker. Alle drei Aspekte seines Denkens gehören zusammen. Seine Theologie ist insbesondere von einer bewussten Reflexion religiöser Subjektivität und Erfahrung geprägt. Bernhards Betonung der Liebe, besonders in der Hoheliedauslegung, passt in die kulturelle Umwelt des 12. Jh.s, in dem Minnegesang und Liebeslyrik, Troubadoure und Vaganten eine Blüte erlebten. Neben mystischen Denkern hat er u.a. die Verbindung von scholastischer Lehre und religiöser Erfahrung angeregt, die Devotio moderna und schließlich auch Martin Luther beeinflusst.

5.1 Monastische Theologie als spezifischer Typ?

Kloster als Kontext Zisterziensermystik

monastische – scholastische Theologie

Im Unterschied zu denjenigen Kathedralschulen, in denen sich im 12. Jh. allmählich ein neues, auf Logik basierendes Denken und eine methodisch geleitete Verwissenschaftlichung der Theologie entwickelte (die sog. Frühscholastik; vgl. § 10; 3.-4.), ist Bernhards Theologie auf den Kontext der spirituellen Erfahrung von Mönchen ausgerichtet. Er stieß eine spezifische Mystik an (Zisterziensermystik; so etwa bei Wilhelm von St. Thierry, Guerricus von Igny, Aelred von Rievaulx und Isaak von Stella; vgl. § 6; 10.2.3), die sich von anderen mystischen Konzepten (besonders dem der Viktoriner) abheben lässt. Damit ergibt sich für das 12. Jh. eine erhebliche Ausdifferenzierung der Theologie. Allerdings lässt sich keine eindeutige Zuordnung bestimmter Theologien zu einem bestimmten institutionellen Kontext herstellen (etwa dem Gegensatz von Klöstern und Schulen), denn auf der einen Seite finden wichtige frühscholastische Denkbemühungen in Klöstern statt, auf der anderen Seite sind mystische Konzeptionen auch in einem städtischen Kanonikerstift wie St. Viktor in Paris beheimatet (s. § 10; 6.). Diese Gemengelage macht es problematisch, eine »monastische« Theologie einer »scholastischen« gegenüberzustellen. Entscheidend ist indessen die innere Konfiguration der verschiedenen Theologien. Hier zeigt sich, dass Bernhards Theologie mit ihrem starken Bezug auf Kontemplation, Gebet und Askese, ihrer auf die Erfahrung der Mönche bezogenen Hoheliedauslegung und der Betonung der subjektiven Beziehung zum leidenden Christus einen persönlich-pastoralen Bezug des Abts zu seinen Adressaten ausdrückt (und sich hierin etwa von der Theologie Abaelards fundamental unterscheidet). Die so ausgerichtete Theologie hat ebenso wie die der Viktoriner erheblichen Einfluss auf scholastische Denker des 13. Jh.s gehabt. Wenn man an dem Begriff einer »monastischen Theologie« festhalten will, dann ist dies am ehesten für den Kontext des 12. Jh.s und als Hinweis auf die mystischen und erfahrungsbezogenen Entwürfe der Zisterzienser sinnvoll. 5.1.1 Bernhards literarisches Werk. Schon bald nach dem Eintritt ins Kloster 1113 (s. § 6; 10.2.1) hat Bernhard seine theologische Konzeption ausgearbeitet, so z.B. in den Tractatus de gradibus humilitatis et superbiae (Traktate über die Stufen der Demut und des Hochmuts) von 1122/1125, der Apologia (Apologie) ca. 1124/1125 (über die Spiritualität 774

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des Mönchtums), Epistula/Brief 11 von 1125 über die Liebe oder dem Liber de diligendo deo (Buch über die Gottesliebe) zwischen 1126 und 1141. Die Mystik hat er in seinem Lebenswerk von 1135-1153, den 86 Sermones in Cantica Canticorum (Predigten über das Hohelied) entfaltet. Sein literarisches Werk besteht v.a. aus Predigten (daher auch der traditionelle Beiname doctor mellifluus/honigsüßer Lehrer) und Briefen. Darin schlägt sich nieder, dass sein primärer Denkhorizont zwar das Kloster war, er sich jedoch seit 1128 auf vielen Reisen in der europäischen Kirchenpolitik engagierte, so dass er sich im Blick auf diesen Widerspruch als chimaera mei saeculi (Chimäre meines Jahrhunderts; Epistula/Brief 250,4) bezeichnete. Schon 1174 wurde er heiliggesprochen. 5.1.2 Exegese bei Bernhard. Bernhard war vor allem ein Prediger, der als Erzieher wirken wollte. Die elementaren Wahrheiten der Bibel wollte er anschaulich zur Geltung bringen. Dementsprechend war seine Sprache von biblischen Bildern und Konkretionen durchsetzt. Die sapientia (Weisheit, d.h. die an Christus orientierte Spiritualität und Lebenserfahrung) stellte er über die scientia (Wissenschaft, das logisch vorgehende Erkenntnisbemühen). Wie sein großer Gegner Abaelard war er tief von Augustin beeinflusst, besonders im Hinblick auf die Verbindung von Glaube und Liebe als Gottesgaben. Die Erfahrung (experientia magistra) bildete den Bezugsrahmen seiner biblischen Theologie, in der Bernhard gerade auch die Selbstzerknirschung und die Anfechtungen in die Beschreibung des Glaubenslebens integrierte. Jesusnachfolge, Christusfrömmigkeit und Demut galten ihm daher als entscheidende Achsen der Theologie. Den primären Bezugsrahmen seines Denkens, das monastische Leben, sah er als vorbildlich für die christliche Existenz insgesamt an.

Predigten

sapientia – scientia

5.2 Mystische Theologie: Hoheliedauslegung und Christuspassion Bernhards Mystik zeichnet sich neben dem Erfahrungsbezug durch drei Besonderheiten aus: a) Er übertrug die erotische Sprache des Hohelieds auf die Beschreibung des Glaubenslebens, b) Seine Beschreibung des Weges zu Gott erhielt durch die Berücksichtigung der Buße und dem Leiden unter der eigenen Sündhaftigkeit eine enorme Tiefe und Dialektik: Selbstzerknirschung und Vertrauen in die Erlösung griffen eng ineinander, c) Ziel der Kontemplation und Vertiefung des Glaubens war Christus, doch standen Bernhard dabei der leidende Christus und dessen menschliche Seite besonders vor Augen. Das Ineinander dieser drei Vorstellungswelten lässt sich insbesondere an der Abfolge der drei Küsse verdeutlichen. Die am Anfang des Hohelieds genannten Küsse werden auf den Weg des Gläubigen zu Christus bezogen, versinnbildlicht an einer von unten her erfolgenden Betrachtung des Gekreuzigten: Dem osculum pedum (dem Kuss der Füße) entsprechen die Wahrnehmung der eigenen Sündhaftigkeit und eine umfassende Bußbereitschaft, zugleich aber das Umarmen Christi, das Sich-Anvertrauen an den Erlöser – und damit verbunden: die Zuversicht, in Christus das Heil zu finden. Im weiteren Aufstieg folgt dem das osculum manuum (der Kuss der Hände), das die Buße fortsetzt, in dem Bemühen um die Nachfolge Christi, die sich im asketischen Leben und der Nächstenliebe zeigt. Als höchsten Punkt erreicht der Aufstieg das osculum oris (den Kuss des Mundes), die Vereinigung mit Christus, die nicht als mystische Verschmelzung gedacht wird, 5. Erfahrungstheologie bei Bernhard von Clairvaux

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erotische Sprache Buße

leidender Christus

3 Küsse

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mystische Einheit

sondern als innige Gemeinschaft und Liebe. Bernhards Mystik zielt nicht auf ein Aufgehen individueller Subjektivität in das transzendente Eine, sondern auf die Liebe zu Christus, die vom Geist geschenkt wird. Zwar kann Bernhard die Vereinigung mit Christus als unitio (Einswerdung) beschreiben, einem ekstatischen Moment, zu dem die Seele in einem raptus (dem Hinweggerissen) gezogen wird, doch bezieht sich die Einheit eher auf eine conformitas (Gleichförmigkeit) der Seele mit Christus, eine Übereinstimmung mit dem Willen Christi, durch die die einzelne Seele in den Leib Christi eingegliedert wird. Hierin zeigt sich, dass Bernhard kein Visionär und institutionenkritischer Einzelgänger war, sondern ein Mann der Kirche, der vom Gedanken der Nachfolge aus die Bedeutung der Kirche und der Sakramente für das Glaubensleben des Einzelnen herausstellte. 5.3 Literatur Lektüretipp: V. Leppin: Die christliche Mystik, 2007, 56-70. Quellen: G.B. Winkler (Hg.): Bernhard von Clairvaux, Sämtliche Werke, 10 Bde., 19901999 [zweisprachig]. Literatur: B.P. McGuire: A Companion to Bernard of Clairvaux, 2011. – M. Diers: Bernhard von Clairvaux. Elitäre Frömmigkeit und begnadetes Wirken, 1991. – P. Dinzelbacher: Bernhard von Clairvaux. Leben und Werk des berühmten Zisterziensers, 1998. – U. Köpf: Religiöse Erfahrung in der Theologie Bernhards von Clairvaux, 1980. – A.H. Bredero: Bernhard von Clairvaux. Zwischen Kult und Historie. Über seine Vita und ihre historische Auswertung, 1996. – M.P. Bruun: Parables. Bernhard of Clairvaux’s Mapping of Spiritual Topography, 2007. – D.R. Bauer/G. Fuchs (Hg.): Bernhard von Clairvaux und der Beginn der Moderne, 1996. – B. McGinn: Die Mystik im Abendland, Bd. 2, 1996, 244-340. – K. Ruh: Geschichte der abendländischen Mystik, Bd. 1, 2. A. 2001, 226-275. – G. Wendelborn: Bernhard von Clairvaux, 1993. – F. Ohly: Hohelied-Studien, 1958.

6. Frömmigkeit und Wissenschaft: Hugo von St. Viktor Das Kanonikerstift St. Viktor in Paris wurde unter dem Universalgelehrten Hugo (gest. 1141) zu einer der einflussreichsten Stätten theologischer Bildung in Europa. Er war eng mit Bernhard verbunden und vertrat selbst eine Form der Mystik, zugleich entwickelte er eine wissenschaftliche Methodik der Schriftinterpretation, die methodischen Überlegungen der Frühscholas­ tik nahestand (auch wenn er selbst Abaelards Theologie ablehnte).

6.1 Schriftauslegung und Mystik Hugo (geb. 1099/1101) wirkte seit ca. 1120 in dem von Wilhelm von Champeaux (s. § 10; 1.2.2) begründeten Augustinerchorherrenstift St. Viktor als Schulmeister der jungen Mönche. Seine einflussreiche Einführung in das Studium, das Didascalicon de studio legendi (wörtlich: Lehrbuch über die Bemühung zu lesen, d.h. das wissenschaftliche Studium), sah die Wissenschaften (Logik, Theorie, Praxis, Mechanik) als Voraussetzung für die Beschäftigung mit der Bibel an. Die philologische Schulung im Trivium (Gramma776

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tik, Rhetorik und Dialektik) sollte der Exegese dienen. Für die Schrift unterschied er in Anknüpfung an Augustin und Johannes Cassian (s. § 5; 8.1; § 6; 6.4.3) einen dreifachen Schriftsinn. Er befürwortete eine intensive Beschäftigung mit dem wörtlich-historischen Sinn. Erst dann sollten als Frage nach der tieferen Bedeutung ein allegorisches und ein tropologisches (d.h. auf die Moral und Paränese bezogenes) Verständnis folgen. Die meditatio (geistliche Verinnerlichung) des allegorischen und tropologischen Sinnes war die Vollendung der geistlichen Schriftlektüre (vgl. dazu die wirkungsgeschichtlich wichtige Schrift De arrha animae/Unterpfand der Seele; Text: hg. von K. Müller, 1913). Diesen Aufstieg konnte Hugo von St. Viktor auch mit Sprachmustern der Mystik beschreiben, als Aufstieg und Erfahrung Gottes (er kommentierte auch die Schrift De caelesti hierarchia des Dionysius Areopagita, vgl. § 4; 11.4). Liebe und Erkenntnis wirkten dabei zusammen, wobei die Liebe dominierte und die eigentliche Schau und Vereinigung mit Gott dem Jenseits vorbehalten bleibt. Hugos Lehre von den drei Augen der Erkenntnis (oculus carnis, rationis, contemplationis/Auge des Fleisches, der Vernunft, der Betrachtung bzw. Schau) hat in der Geschichte der Mystik fortgewirkt.

dreifacher Schriftsinn

6.2 Sakramentenlehre In seinem Hauptwerk De sacramentis Christianae fidei (Über die Heilszeichen des christlichen Glaubens; wohl ca. 1130-1137; Text: ML 176. 173-618) legte Hugo ein heilsgeschichtliches Gesamtkonzept vor. Der Begriff sacramenta war im 12. Jh. noch nicht fixiert (etwa auf die Siebenzahl; vgl. § 10; 9.1.2), sondern meinte allgemein die sichtbaren Zeichen, in denen die unsichtbare Wirklichkeit Gottes spürbar ist (so ist etwa auch die Auferstehung ein Sakrament). Die Zeichen weisen dabei eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Bezeichneten auf, die sinnlich wahrnehmbare Zeichenebene verweist auf die unsichtbare Gnade. Sakramente sind eingesetzte bzw. von Gott errichtete Zeichen, über die die Bibel berichtet und die eine heiligende Wirkung haben; sie bezeichnen die Heilsgabe also nicht bloß, sondern bewirken sie auch (De sacramentis I,9,2). Das Handeln Gottes ist durch die beiden Hauptwerke Gottes gekennzeichnet, die – durch den Sündenfall gestörte – Schöpfung und die Erlösung. Den drei Epochen der Heilsgeschichte sind unterschiedliche Zeichen zugeordnet, die Sakramente des natürlichen Gesetzes, des alttestamentlichen Gesetzes und die der Gnade. Damit war ein breit angelegter Sakramentenbegriff entwickelt, der auf die spätere Scholastik einwirkte.

Zeichen

6.3 Die Viktoriner Unter den Kollegen und Schülern von Hugo war Richard (gest. 1173) der wichtigste. In seinem Traktat De trinitate (Text: SC 63; Übers.: H.U. von Balthasar, 1980) interpretierte er mit dialektischer Methodik die Dreieinheit des einen Gottes als Fülle der Güte, Glückseligkeit und Herrlichkeit in wechselseitiger Liebe. Seine durch die Verbindung von Erkenntnis und Liebe geprägte Mystik (vgl. den traditionellen Beinamen magnus contemplator/der große Betrachtende bzw. Schauende) betonte – im Unterschied zur neuplatonischen Konzeption des Dionysius Areopagita – besonders die Liebe als Wesenszug des höchsten Seins (so in De quattuor gradibus violentae caritatis/Über die vier Stufen der drängenden Liebe; De praeparatione animi ad contemplationem seu Beniamin minor/ 6. Frömmigkeit und Wissenschaft: Hugo von St. Viktor

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Richard von St. Viktor

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Über die Vorbereitung des Geistes auf die Schau bzw. Kleinerer Benjamin und De gratia contemplationis seu Beniamin maior/Über die Gnade der Schau bzw. Größerer Benjamin; Text: ML 196). Neben Richard traten besonders hervor: der aus England stammende Andreas (gest. 1175), der besonders die wörtliche Auslegung betrieb und hierfür auch die zeitgenössischen Arbeiten von Rabbi Rashi (ca. 1039/1040-ca. 1104/1105) benutzte, der Hymnendichter Adam (ca. 1110-1192?) und der Antidialektiker Walter (gest. nach 1180), der gegen Abaelard, Gilbert Porreta und Petrus Lombardus polemisierte. 6.4 Literatur Lektüretipp: R. Berndt: Hugo von St. Viktor. Theologie als Schriftauslegung, in: U. Köpf (Hg.): Theologen des Mittelalters, 2002, 96-112. Quellen: P. Sicard: Hugues de Saint-Victor et son école, 1991. Literatur: L. Karfiková: »De esse ad pulchrum esse«. Schönheit in der Theologie Hugos von St. Viktor, 1998. – S. Ernst: Gewißheit des Glaubens. Der Glaubenstraktat Hugos von St. Viktor als Zugang zu seiner theologischen Systematik, 1987. – D. Poirel: Hugues de Saint-Victor, 1998. – P. Rorem: Hugh of Saint Victor, 2009. – M.-D. Chenu: La théologie au douzième siècle, 3. A. 1976. – P. Weimar (Hg.): Die Renaissance der Wissenschaften im 12. Jahrhundert, 1981. – J. Ehlers: Hugo von St. Viktor. Studien zum Geschichtsdenken und zur Geschichtsschreibung des 12. Jahrhunderts, 1973. – B. McGinn: Die Mystik im Abendland, Bd. 2, 1996, 553-638. – K. Ruh: Geschichte der abendländischen Mystik, Bd. 1, 2. A. 2001, 354-406. – R. Berndt (Hg.): Schrift, Schreiber, Schenker. Studien zur Abtei Sankt Viktor in Paris und den Viktorinern, 2005.

7. Die scholastische Standarddogmatik des Petrus Lombardus

Sentenzen­ sammlungen

Seit dem 7. Jh. wurden Zitate aus der Tradition, d.h. der Kirchenväter, der Liturgie, aus Konzilstexten und dem Kirchenrecht, in Form von Sentenzensammlungen überliefert. Im 11./12. Jh. erreichte die Erstellung solcher Sammlungen eine neue Blüte und verdrängte oftmals die durchgehende Lektüre der zugrundeliegenden Werke. Besonders einflussreich wurde nach 1150 die Sentenzensammlung des Petrus Lombardus (ca. 1095/1100-1160), der die heilsgeschichtliche Grundkonzeption von Hugo von St. Viktor mit der Methodik von Abaelard verband, dabei aber zurückhaltender und insgesamt harmonisierend vorging. Dadurch entstand ein Lehrbuch, das für die verschiedensten Schulen brauchbar war. Seit dem 13. Jh. wurde es das Standardwerk, in dessen Kommentierung die Lehrer ihre eigene Theologie entwickelten.

7.1 Die Systematik der Sentenzensammlung des Petrus Lombardus Petrus war ein Genie der Kompilation, ein eigenständiger Didaktiker und Traditionalist. Seine Sentenzensammlung sollte der Vorbereitung auf die Schriftexegese dienen. Zu diesem Zweck ordnete er die Quellenauszüge nach Abaelards Methode der Abwägung von Traditionszeugen. Seine Zurückhaltung bei der Präsentation des eigenen Urteils machte das Sentenzenwerk 778

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für alle Schulen mit ihren unterschiedlichen Positionen akzeptabel. Unter den Zeugen ragt Augustin mit weitem Abstand heraus. In strittigen Fragen schloss sich Petrus Lombardus meistens Hugo von St. Viktor an. Diese Beeinflussung durch Hugo von St. Viktor zeigt sich auch am heilsgeschichtlichen Gesamtaufbau in vier Büchern: I. Gottes-, Trinitäts- und Offenbarungslehre, II. Schöpfungs- und Sündenlehre, Anthropologie, III. Christologie und Soteriologie, IV. Ekklesiologie und Eschatologie. Diese Gliederung beeinflusste die theologische Arbeit nachhaltig und wurde zur Voraussetzung vieler scholastischer Summen (und späterer Dogmatiken).

Augustin

Die Sententiae (Sentenzen) des Petrus Lombardus – heilsgeschichtlicher Aufbau Buch 1

Gotteslehre, Trinitätslehre

Buch 2

Schöpfungslehre, Sündenlehre, Anthropologie

Buch 3

1. Hauptteil: Christi Heilswerk 2. Hauptteil: Tugendlehre

Buch 4

Das christliche Leben: Ekklesiologie, Sakramentenlehre; Eschatologie

7.1.1 Leben und Werk des Petrus Lombardus. Der aus der Gegend von Novara stammende Petrus, in Frankreich nach seiner Herkunft, Lombardus genannt, studierte in Reims und Paris und wirkte dort seit ca. 1134 an der Domschule von Notre Dame. Er war bald ein allgemein angesehener Gelehrter; 1159 wurde er Bischof in Paris, starb jedoch bereits ein Jahr später. Er verfasste zunächst Bibelerklärungen (als Glossen u.a. zu den Psalmen und den Paulusbriefen), die er z.T. in seinem ca. 1155-1158 vollendeten Lehrbuch Sententiarum libri IV (Vier Bücher Sentenzen; hg. von Collegium S. Bonaventurae, 2 Bde., 3. A. 1971-1981) verwendete. Dieses wurde im 12.-15. Jh. zahlreich kommentiert (vgl. F. Stegmüller, Repertorium commentariorum in sententias Petri Lombardi, 2 Bde., 1947). Seit Alexander von Hales (s. § 10; 12.2) benutzte man es als maßgebliches Unterrichtswerk. 7.1.2 Die Sentenzen. Das Werk war in vier Bücher, dann jeweils in distinctiones (Abschnitte) und capitula (Kapitel) gegliedert (also etwa: Sent. I, d. 3, cap. 4 = Buch I, distinctio 3, capitulum 4), bot die zu diskutierenden Probleme (quaestiones/Fragen bzw. Untersuchungsgegenstände) als Überschriften des Autors, die Problemlösungen durch Belege aus Bibel (als der höchsten Autorität) und Kirchenvätern (davon ca. 90 Prozent Augustin), dazu bestimmte Gegenmeinungen aus der Tradition, die er anhand der methodischen Regeln Abaelards harmonisierte. Seinem auch mnemotechnisch geschickten 7. Die scholastische Standarddogmatik des Petrus Lombardus

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Paris

quaestiones

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frui – uti

res – signa

heilsgeschichtlichen Aufbau lag ein an Augustins Hermeneutik orientierter Grundgedanke zugrunde, nämlich erst die res (die Sache) zu betrachten, für die allein das frui (genießen) angemessen ist, also Gott (Buch I), dann die vielen res (die Dinge), für die das uti (benutzen) angemessen ist, also den Bereich der Schöpfung (Bücher II-III), sowie dann die res (die Dinge), die auch signa (Zeichen) sind: also Kirche und Sakramentenlehre incl. Ausblick auf die Eschatologie, auf die die Erlösung vorausweist. Evtl. liegt dem Aufbau auch die Kenntnis einer Übersetzung der Expositio fidei (Auslegung des Glaubens) des Johannes von Damaskus zugrunde.

7.2 Der Lehrbetrieb im 12. Jh. Exegese

lectio

quaestio disputata

Der Lehrbetrieb an den Kathedral- und Ordensschulen, später auch an den Universitäten hat sich intensiv mit der Bibel befasst, die eigenständige Auslegung der Bibel galt als die höchste Stufe des Theologiebetriebes und blieb die eigentliche Aufgabe der Professoren. Die Beschäftigung mit den Sentenzen sollte dies vorbereiten. Vorherrschende Lehrform war die Textlesung (lectio) und Erklärung (glossa bzw. expositio) durch einen Lehrer. Zahlreiche Sentenzenkommentare sind erhalten, so z.B. durch Roland Bandinelli (später Papst Alexander III.) wohl um 1140/1142 (Text: Die Sentenzen, hg. von A.M. Gietl, 1891; ND 1969). Große Verbreitung erfuhr das Handbuch eines Anonymus von ca. 1140, das mit den Schriften Hugos von St. Viktor tradiert wurde, die in acht Traktate gegliederte Summa sententiarum (Sentenzensumme; Text ML 176, 41-154). An Hugos heilsgeschichtlicher Systematik orientierte sich auch die Summe des Engländers Robert von Melun (ca. 1100-1167). Zu der lectio (Vorlesung) trat bereits im 12. Jh. die quaes­ tio disputata, d.h. die Lehrdiskussion zwischen verschiedenen Meinungen, die durch Abwägung von Meinung und Gegenmeinung unter Aufrufung von Zeugen eine spezifische Frage klären sollte. Erst ab dem 13. Jh. entstanden hierfür eigene Regeln der Disputation. 7.3 Literatur Lektüretipp: P.W. Rosemann: Peter Lombard, 2004. Literatur: M.L. Colish: Peter Lombard, 2 Bde., 1994. – C. Monagle: Orthodoxy and Controversy in Twelfth-Century Religious Discourse. Peter Lombard’s »Sentences« and the Development of Theology, 2013. – F. Stegmüller: Repertorium commentariorum in sententias Petri Lombardi, 2 Bde., 1947. – O. Baltzer: Die Sentenzen des Petrus Lombardus, 1902; ND 1987. – J. Schupp: Die Gnadenlehre des Petrus Lombardus, 1932.

8. Theologische Deutungen der Eucharistie Wegen der zentralen Bedeutung der Eucharistie für das kirchliche Leben musste das Problem, wie Christi sakramentale Gegenwart aufzufassen wäre, gerade die scholastische Theologie herausfordern. Im 12. Jh. wurde hier die Lehre von der Substanzverwandlung (transsubstantiatio) entwickelt. Doch wurde diese Lehre im Mittelalter niemals förmlich dogmatisiert (sondern nur beiläufig in der Lehrdefinition des 4. Laterankonzils 1215 erwähnt). Erst das Konzil von Trient hat in zwei Lehrdekreten (1551 und 1562) eine ausführliche Dogmatisierung der Messopferlehre und der Eucharistie gebracht. 780

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8.1 Der Abendmahlsstreit um Berengar von Tours 1049-1079 Der Dialektiker Berengar (s. § 10; 1.1) kritisierte die verbreitete Vorstellung der Wandlung: Die Substanz von Brot und Wein werde gerade nicht geändert, weil ja die zu den Substanzen gehörenden Akzidentien (Eigenschaften) von Brot und Wein erhalten blieben. Daher interpretierte Berengar die eucharistischen Elemente symbolisch als Hinweise auf den im Himmel befindlichen Christus. Gegen Berengar trugen besonders Lanfrank von Bec und Guitmund von Aversa die Grundzüge der Lehre von der Transsubstantiation vor. Behauptet wird demnach, dass im Fall der Eucharistie die substantia sich ändert, obwohl die accidentia (Eigenschaften) erhalten bleiben. Nach verschiedenen Verurteilungen sah sich Berengar auf einer Synode in Rom 1059 genötigt, einem Bekenntnis zuzustimmen, dass die reale Gegenwart betonte. Weil Berengar auch dieses Bekenntnis in seinem Sinne uminterpretierte, gab eine römische Synode 1079 ein erneutes Bekenntnis zur substantiellen Verwandlung der Abendmahlselemente ab. 8.1.1 Berengars Abendmahlslehre. Berengar nahm um 1048/1049 die Erörterungen des Ratramnus von ca. 845 (s. § 5; 14.3.2) auf. Der volkstümliche Realismus, der annahm, dass in der Eucharistie Fleisch und Blut stofflich vorhanden seien, implizierte für ihn logisch wie ontologisch Unsinn, denn die accidentia (Eigenschaften) müssen zu der sie tragenden substantia (Wesen, Substanz) passen. Insofern müssten bei einer Substanzwandlung Brot und Wein vom Altar verschwinden oder ihre Eigenschaften ändern. Dem stellte Berengar seine symbolistische Deutung gegenüber: Die Konsekration mache die unveränderten Elemente zum Sakrament, d.h. zum Zeichen (signum) des Leibes und Blutes im Sinne eines Hinweises auf Christus als geistliche Speise. Dessen Gegenwart sei wahr, weil das Sakrament ihn im Glauben präsent werden lasse. 8.1.2 Die Verurteilungen der Lehre Berengars und seine Bekenntnisse. Eine päpstliche Synode in Rom 1050 exkommunizierte Berengar, eine Synode in Vercelli 1050 verurteilte die Lehre des Ratramnus. Berengar akzeptierte auf Synoden in Tours 1051/1052 und 1054 eine traditionalistische Formel, die er jedoch in seinem Sinne uminterpretierte. Der päpstliche Legat Hildebrand (s. § 8; 7.5.1) bewog Berengar zur Reise nach Rom, wo er unter Druck auf der Fastensynode von 1059 ein von Kardinal Humbert von Silva Candida vorgelegtes Bekenntnis unterzeichnete. Danach werden Leib und Blut Christi sensualiter, non solum sacramento, sed in veritate manibus sacerdotum tractari et frangi et fidelium dentibus atteri (sinnlich wahrnehmbar, nicht nur als Sakrament, sondern wahrhaftig durch die Hände der Priester berührt, gebrochen und durch die Zähne der Gläubigen zermahlen; Text/Übers.: DH 690). Lanfrank verteidigte in seiner Schrift De corpore et sanguine domini (Text: ML 150,407-422) die Wandlungslehre. Sein Schüler Guitmund (nach 1088 Bischof von Aversa) entwickelte daran anknüpfend in seiner Schrift De corporis et sanguinis Christi veritate in eucharistia (Text: ML 149, 1427-1494) den Ansatz der späteren Transsubstantiationslehre: In der Eucharistie wird durch die Wandlung der Zusammenhang von substantia und accidentia gelöst. Die unsichtbare substantia von Brot und Wein werde gewandelt in Leib und Blut, während die accidentia von Brot und Wein erhalten blieben. Nur so sei erklärbar, dass der eine Leib substantiell gleichzeitig an vielen Orten gegenwärtig ist. Gregor VII. bewog Berengar auf einer Fastensynode 1079 erneut, sich einem Bekenntnis zu unterwerfen, welches im Sinne Guitmunds die Wandlung als 8. Theologische Deutungen der Eucharistie

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Substanz – Akzdientien

Zeichen

Lanfrank

Wandlung der substantia

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Substanzveränderung (substantialiter converti) bezeichnete. Berengar entging dadurch einer Verurteilung, doch dürfte er seine theologische Deutung, die die geistige Ebene als die entscheidende ansah, nicht geändert haben. Das Bekenntnis Berengars von 1079 war insofern wirkungsgeschichtlich wichtig, als eine symbolistische Deutung fortan ausschied.

8.2 Frühscholastische Lehrbildung

Transsubstan­ tiation

Transformation Konsubstantiation Annihilation

totus Christus

Die verschiedenen wissenschaftlichen Versuche, den Übergang von der einen Substanz in eine andere zu erklären, führten im 12. Jh. zu einem zunehmenden Konsens. Die begriffliche Neubildung transsubstantiatio (Substanzverwandlung bzw. Transsubstantiation) kam seit 1140/1150 auf und setzte sich rasch durch. Der etwa gleichzeitig entwickelten Konkomitanzlehre entsprach die allmählich sich einbürgernde communio sub una (scil. specie), d.h. die Teilhabe der Gläubigen nur an einer (scil. Gestalt, d.h. dem Brot). 8.2.1 Scholastische Klärung des Substanzübergangs. In seiner Sakramentenlehre (s. § 10; 6.2) stellte Hugo von St. Viktor die Eucharistie als zentrales Sakrament heraus. Er differenzierte zwischen der sichtbaren Gestalt (species) von Brot/Wein als Bild und dem wahren Leib (veritas corporis) und nahm einen Substanzübergang bei gleichbleibender Gestalt an. Entsprechend lehrte auch Petrus Lombardus. Damit setzte sich die Vorstellung eines Substanzübergangs gegen alternative Deutungsmodelle durch, insbesondere gegen die folgenden Konzepte: a) Transformation (die Substanzen von Brot und Wein erhalten eine neue Form), b) Konsubstantiation (Erhaltung der Substanzen von Brot und Wein, zu denen die Substanzen von Fleisch und Blut hinzutreten) und c) Annihilation (Brot und Wein werden als Substanzen zunichtegemacht und durch die Substanzen von Fleisch und Blut ersetzt). Wann als Zusammenfassung der Wandlungslehre der Begriff transsubstantiatio entstand, ist unklar. Erstmals belegt ist er in den Sentenzen des Roland Bandinelli (s. § 10; 7.2) in einer beiläufigen Bemerkung über die Konsekration von Brot und Wein (p. 231, 6f.). Seit 1150/1160 begegnete er zunehmend häufig in den verschiedenen Eucharistietraktaten.

8.2.2 Die Konkomitanzlehre und der Kelchverzicht. Die Konzentration auf die substantielle Wandlung brachte es mit sich, dass im 12. Jh. die Theorie vertreten wurde, in jedem Teil der Elemente bzw. sowohl im Brot als auch im Wein sei der ganze Christus gegenwärtig. Diese Konkomitanzlehre, die sich ansatzweise schon bei Anselm findet, formulierte klassisch Petrus Lombardus: Et licet sub utraque specie totus Christus sumatur, tamen non fit conversio panis nisi in carnem, nec vini nisi in sanguinem (Auch wenn unter beiderlei Gestalt der ganze Christus empfangen wird, wird nur das Brot in Fleisch und der Wein in Blut verwandelt; Sent. lib. IV, dist. 11, cap. 4). Bei Lothar von Segni (s. § 10; 8.3.1) begegnete die Erklärung, dass dies sich aus der naturhaften Zusammengehörigkeit (ex naturali concomitantia) von Fleisch und Blut im Inkarnierten ergebe. Dies bezeichnete man seit dem 13. Jh. als concomitantia realis (tatsächliche Mitfolge). Die im 12. Jh. aufkommende Praxis des Kelchverzichts seitens der Laien war wohl primär in deren Sakramentsscheu, der Angst vor dem Verschütten des Weins o.ä., begründet. Sie setzte 782

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die Wandlungslehre voraus und fand nachträglich in der Konkomitanzlehre eine theologische Begründung.  § 9; 7.

8.3 Das Bekenntnis des Laterankonzils 1215 Das 4. Laterankonzil von 1215 stellte an den Anfang der Disziplinarbeschlüsse eine Erklärung De fide catholica (Über den katholischen Glauben), in der der Glaubensinhalt trinitarisch und christologisch entfaltet wurde. Dies stand im Zusammenhang der Ketzerbekämpfung (s. § 8; 9.3), der Behauptung des päpstlichen Führungsanspruches und der Integration von Teilen der Armutsbewegung. Der Text betonte den Zusammenhang der einen, universalen Kirche mit der eucharistischen Gegenwart Christi im Messopfer. Dabei wurde beiläufig auch das Verb transssubstantiari (als Substanz verwandeln) benutzt, aber nicht eigens reflektiert oder als die einzig richtig Formulierungsweise festgelegt. Eine förmliche Dogmatisierung ist das – gegen die ältere dogmengeschichtliche Zuschreibung – nicht. Vielmehr zeigt die Formulierung, wie üblich die im 12. Jh. entstandene Wandlungsvorstellung mittlerweile geworden war. 8.3.1 Ekklesiologie und Abendmahlslehre im Lehrdekret De fide catholica. Innozenz III., der als Papst das 4. Laterankonzil leitete, hatte vor seiner Erhebung zum Papst (als Lothar de Segni) in sechs Büchern De missarum mysteriis (Über die Geheimnisse der Messfeiern) ca. 1195/1197 umfangreich die Realpräsenz- und Transsubstantiationslehre entfaltet. Inwiefern er persönlich den Text des Lehrdekrets beeinflusst hat, lässt sich nicht mehr nachweisen; unwahrscheinlich ist es nicht. Im Anschluss an einen trinitarischen und einen christologischen Teil wird die eine Universalkirche betont, in der Christus zugleich Priester und Opfer ist. In einer angefügten Partizipialwendung wird die Präsenz Christi im Altarsakrament erläutert: transsubstantiatis pane in corpus et vino in sanguinem in potestate divina (nachdem durch göttliche Vollmacht das Brot in Leib und der Wein in Blut substanzverwandelt sind; Text/Übers.: DH 800-802). Dieses Sakrament kann nur der Priester vollziehen, der rite ordinatus (gültig geweiht), d.h. von den Bischöfen in apostolischer Sukzession eingesetzt ist. Die Verbindung von Realpräsenz, Transsubstantiation und auf den Priester konzentrierter Ekklesiologie hatte damit eine prägnante Formulierung gefunden, auf die man später immer wieder zurückkam. 8.3.2 Transsubstantiation und Konsubstantiation. Den Zusammenhang der Transsubstantiationslehre mit der Messopferlehre entfaltete insbesondere Thomas von Aquin. Er verstand den in Brot und Wein substanzhaft gegenwärtigen Leib Christi als wirksames Zeichen des Opfers, so dass mit der Konsekration dessen objektive Vergegenwärtigung (memoria passionis) erfolgt. Dies geschieht durch den Vollzug des Priesters, der in persona Christi (in der Person/»Rolle« Christi) das einmalige Opfer darbringt. Dass das Bekenntnis des 4. Laterankonzils von 1215 nicht als abschließende Dogmatisierung verstanden wurde, zeigte sich in den Diskussionen des 14./15. Jh.s. Anknüpfend an die ältere Vorstellung der impanatio bzw. companatio (Hinzufügung in bzw. bei dem Brot), die schon Schüler Berengars entwickelt hatten, vertrat z.B. Duns Scotus eine Konsubstantiation, Wilhelm von Ockham eine Annihilation (vgl. § 10; 8.2.1). 8. Theologische Deutungen der Eucharistie

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Messopfer

Innozenz III.

transsubstantiari

Rolle des Priesters

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8.4 Literatur Lektüretipp: H. Chadwick: Ego Berengarius, JThS 40 (1989) 414-445. Literatur: H.E.J. Cowdrey: Lanfranc. Scholar, Monk, Archbishop, 2003. – P. Ganz/R.B.C. Huygens/F. Niewöhner (Hg.): Auctoritas und Ratio. Studien zu Berengar von Tours, 1990. – H. Jorissen: Die Entfaltung der Transsubstantiationslehre bis zum Beginn der Hochscholas­ tik, 1965. – J. de Montclos: Lanfranc et Bérenger, 1971. – H.R. Schlette: Die Eucharistielehre Hugos von St. Viktor, ZKTh 81 (1959) 67-100.163-210. – M.T. Gibson: Lanfranc of Bec, 1978. – H.B. Meyer: Eucharistie. Geschichte, Theologie, Pastoral, 1989. – C. Radding/F. Newton: Theology, Rhetoric, and Politics in the Eucharistic Controversy, 1078-1079. Alberic of Monte Cassino Against Berengar of Tours, 2003. – K.H. Kandler: Die Abendmahlslehre des Kardinals Humbert, 1971. – A.J. MacDonald: Berengar and the Reform of Sacramental Doctrine, 1930.

9. Sakramente und Reliquien Die scholastische Theologie brachte seit ca. 1130-1160 einen Konsens im Hinblick auf die Zahl der Sakramente hervor und reflektierte ihre Bedeutung als heilsvermittelnde Handlungen der Kirche (zur Verbindung mit der Gnadenlehre s. § 10; 10.2). Dem entsprach die hohe Bedeutung, die den Sakramenten im kirchlichen Leben zukam. In ihm wurde insbesondere die Eucharistie zum zentralen Element der Frömmigkeit. Die dabei entwickelte Vorstellung des Messopfers und der unmittelbaren Präsenz des Göttlichen in der Hostie führten zu eigenen Formen der Verehrung und Anbetung, aber auch der öffentlichen Zurschaustellung (so v.a. in der Fronleichnamsprozession). Als Bezugspunkt von Wundergläubigkeit trat die Hostie neben die Reliquien, die im Zusammenhang des Bußsakraments und des Ablasswesens hohe Bedeutung hatten.

9.1 Wesen, Begriff und Zahl der Sakramente

Siebenzahl

Die ursprüngliche Bedeutung von sacramentum (bzw. mysterium) als heilbringender, geheimnisvoller Handlung wirkte sich darin aus, dass der Begriff lange Zeit sehr unspezifisch benutzt wurde, etwa für die Inkarnation oder das Erlösungswerk Christi, aber auch für einzelne Handlungen wie Taufe und Eucharistie. Erst im Hochmittelalter wurde der Begriff eingeschränkt und fand in der Siebenzahl im 13. Jh. eine gewisse Standardisierung. Nunmehr zählten als Sakramente: Taufe, Firmung, Ehe, Priesterweihe, Buße, Eucharistie, Krankensalbung (bzw. letzte Ölung). Die theologische Deutung setzte voraus, dass die Sakramente (direkt oder indirekt) von Christus eingesetzt sind, und betonte, dass die Sakramente das Heil selbst vermitteln und dass diese Heilsvermittlung mit einem Element verbunden ist. 9.1.1 Einsetzung durch Christus. Mit der Einsetzung (institutio) durch Christus war nicht so sehr der historische Vorgang gemeint, sondern der heilsgeschichtliche Bezug 784

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der Sakramente auf das Erlösungswerk Christi, das in den Sakramenten der Kirche den Gläubigen zugänglich wurde. Der klassische Sprachgebrauch, dem zufolge die Inkarnation bzw. das Erlösungswerk Christi das eigentliche sacramentum sei, findet sich noch bei Hugo von St. Viktor, Roland Bandinelli und anderen. Für die Einsetzung nahmen Thomas von Aquin und Duns Scotus an, Christus hätte prinzipiell alle Sakramente eingesetzt, aber deren öffentliche Kundgebung teilweise seinen Aposteln überlassen. Dagegen unterschieden Bonaventura und andere zwischen deutlicher Stiftung (Taufe, Eucharistie, Priesterweihe), intentionaler Initiation (Firmung, Letzte Ölung) und vollendender Bestätigung der Sakramente des Alten Bundes (Ehe, Buße). 9.1.2 Die Zahl der Sakramente. Divergenzen hinsichtlich der Zahl der Sakramente bestanden noch im 12. Jh. Bei Petrus Abaelard findet sich gegenüber dem älteren breiten Sprachgebrauch bereits eine Verengung auf die kirchlichen Handlungen, die Gnade vermitteln. Abaelard und viele der von ihm beeinflussten Lehrer zählten fünf Sakramente: Taufe, Firmung, Eucharistie, Krankensalbung und Ehe (alternativ: Buße). Erst durch die Auflistung der Siebenzahl bei Petrus Lombardus (Sententiae IV,1-42) sowie durch den Einfluss seines Werkes im scholastischen und kanonistischen Lehrbetrieb setzte sich die Siebenzahl durch. 9.1.3 Die Wirkung der Sakramente. Dass die Sakramente den teilnehmenden Gläubigen gerecht und heilig machen, drückte Hugo von St. Viktor dadurch aus, dass er sie als Gefäße der Gnade bezeichnete. Lombardus nannte die Sakramente causa gratiae (Ursache der Gnade bzw. des Gnadenstandes), und diese Definition setzte sich durch. Die Wirksamkeit der Sakramente durch ihren Vollzug hing dabei nicht von der Qualität des Spenders ab (wie es seit dem Donatistischen Streit allgemeine Lehre war, s. § 2; 16.3.2; § 5; 8.2.3). Dies wurde im 11./12. Jh. angesichts der Diskussion um die von Simonisten gespendeten Weihen virulent. Im 12. Jh. wurde die objektive Wirkung durch den Begriff ex opere operato (aufgrund des geschehenen Vollzugs, wörtlich: aufgrund des Werkes als eines, das getan worden ist) ausgedrückt (erst 1547 förmlich dogmatisiert). Damit wurde das in den Sakramenten gegebene Heil zugleich ein Garant für die in der Kirche zugängliche Erlösung, zugleich aber an diese gebunden. Die Bindung an die Elemente fasste man seit Hugo von St. Cher (ca. 1190/1200-1263) mit der aristotelischen Unterscheidung von materia (Materie/Masse) und forma (Form, Gestalt) zusammen: Zur materia (z.B. Brot und Wein) kam die forma hinzu (z.B. die Einsetzungsworte), erst beides zusammen macht das sacramentum aus. Zusätzlich unterschied man den Spender und den effectus (die Wirkung), z.B. bei der Taufe: Wasser (als materia), trinitarische Taufformel (als forma), den Priester als Spender (an Christi statt) und die Sündenvergebung (als effectus). Ausführlich buchstabierte dies das Decretum pro Armenis (Dekret für die Armenier) 1439 für alle sieben Sakramente durch (Text/Übers.: DH 1310-1328). Den Geistsakramenten Taufe, Firmung und Priesterweihe kam dabei eine besondere Qualität zu, deretwegen sie grundsätzlich unwiederholbar waren. Seit Alexander von Hales sah man in ihnen eine besondere Qualität der Seele konstituiert, die unverlierbar war (der sog. character indelebilis/die nicht zerstörbare Prägung; vgl. dazu ebenfalls das Decretum pro Armenis von 1439; Text/Übers.: DH 1313).

9. Sakramente und Reliquien

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Inkarnation als sacramentum

5 Sakramente

ex opere operato

materia – forma

Geistsakramente

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Übersicht über die sieben Sakramente nach dem Decretum pro Armenis materia

forma

effectus

minister

baptismus (Taufe)

aqua (Wasser)

ego te baptizo in nomine patris et filii et spiritus sancti (Ich taufe Dich im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes)

remissio omnis culpae originalis et actualis (Vergebung jeder Schuld, der durch den Ursprung wie der durch Tat verursachten)

sacerdos (Priester)

poenitentia (Buße)

actus paenientis (Handlungen des Büßenden): 1. contritio cordis (Zerknirschung des Herzens), 2. confessio oris (Bekenntnis des Mundes), 3. satisfactio pro peccatis (Genugtuung für die Sünden = Gebet, Fasten und Almosen)

ego te absolvo (Ich spreche dich los)

absolutio a peccatis (Loslösung von den Sünden)

sacerdos (Priester)

eucharis­tia/ coena domini Eucharistie/ Herrenmahl

panis triticeus et vinum de vite (Weizenbrot und Wein vom Weinstock), Beimischung von Wasser

verba Salvatoris (Worte des Herrn = Einsetzungsworte)

adunatio hominis ad Christum (Vereinigung des Menschen mit Christus) = Vermehrung der Gnade

[sacerdos/ Priester]

signo te signo crucis et confirmo te chrismate salutis (Ich kennzeichne Dich mit dem Zeichen des Kreuzes und mache Dich gewiss mit dem Chrisam des Heils)

Verleihung des Geistes

episcopus (Bischof)

confirmatio chrisma (Firmung) confectum ex oleo et balsamo (Chrisam hergestellt aus Öl und Duftstoff)

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ordo/ ordinatio (Weihe)

Priester: Darreichung des Kelches Diakon: Darreichung des Evangeliars etc.

Priester: Accipe potestatem offerendi sacrificium in ecclesia pro vivis et mortuis (Empfange die Fähigkeit, das Opfer in der Kirche für Lebende und Tote darzubringen)

augmentum gratiae (Vermehrung der Gnade)

matrimonium (Ehe) (schert aus dem Schema von materia/ forma/ minister/ effectus aus)

signum coniunctionis (Zeichen der Vereinigung)

causa efficiens: mutuus consensus (Wirkursache: gegenseitige Zustimmung)

triplex bonum [Eheleute] (dreifaches Gut): proles (Nachkommen), fides (Treue), indivisibilitas (Unauflöslichkeit, die auf die Einheit von Christus und der Kirche verweist)

unctio (extrema) (Letzte Ölung)

oleum olivae per episcopum benedictum (durch den Bischof gesegnetes Olivenöl)

Sündenvergebung

mentis sanatio et, in quantum animae expedit, ipsius etiam corporis (Iac 5,14) (Heilung des Geistes und, insoweit es der Seele nützt, auch des Körpers selbst; Jak 5,14)

episcopus (Bischof)

sacerdos (Priester)

9.2 Eucharistiefrömmigkeit Der Grundsatz, dass die Kirche der Ort sei, wo allein das Heil erlangt werden kann, fand in der Sakramentsfrömmigkeit, insbesondere der Wertschätzung der Eucharistie, seinen Ausdruck. Die Transsubstantiationslehre verstärkte dies, weil die substanzhafte Präsenz des Göttlichen ganz dinglich verstanden werden konnte. Dies wirkte sich besonders in der Elevation der Hostie während des Hochgebets, die ab dem 12. Jh. praktiziert wurde, und in der Ausstellung der Hostie im Altarraum in Monstranzen aus. Beides führte zu einer Akzentverschiebung: Das Betrachten des präsenten Göttlichen gewann ge9. Sakramente und Reliquien

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Elevation Monstranzen

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Tabernakel

Hostie

Fronleichnam

Prozessionen

Hostienwunder

genüber der Gemeinschaft der Teilnehmenden an Gewicht. Scheu vor dem Heiligen führte dazu, dass die Eucharistie eher selten, etwa einmal im Jahr, genommen wurde, nach entsprechender Beichtvorbereitung und Buße (so explizit vom 4. Laterankonzil 1215 verlangt; Text/Übers.: DH 812). Die Überzeugung von der substanzhaften Wandlung führte auch dazu, dass das geweihte, nicht ausgegebene Brot (ab dem 8. Jh. brauchte man hier besonderes, ungesäuertes Brot als Hostien) in Tabernakeln (von tabernaculum, lateinisch für Stiftshütte) in der Kirche aufbewahrt wurde – der Kirchenraum wurde damit zum Ort, in dem das Göttliche dinglich präsent war. Die Bezeichnung des Brots als hostia (Opfer) zeigt die damit verbundene Messopferfrömmigkeit: Der Priester bringt für die Gemeinde das Gott wohlgefällige, einmalige Opfer im sakramentalen Vollzug dar. Die Verehrung des gewandelten Brots gewann zunehmendes Gewicht, so besonders im Fronleichnamsfest (von Papst Urban IV. 1264 für die ganze Kirche eingeführt, ab dem 14. Jh. umfassend praktiziert; s. § 6; 12.3.1) und ab dem 14. Jh. in Sakramentsprozessionen, bei denen die geweihte Hostie in einer Monstranz durch Städte und Dörfer getragen wurde. Der Hostie wurde mirakulöse Wirkkraft beigemessen (so in der Schrift Dialogus miraculorum/Dialog über Wunder des Zisterziensers Caesarius von Heisterbach [gest. nach 1240]). Hostienwunder (Blutmirakel) – Wunder, bei denen Hostien anfangen zu bluten – gewannen große Bedeutung. Die entsprechenden Wunderorte wurden zu überregional wichtigen Wallfahrsorten. Diese Formen der Sakramentsfrömmigkeit konnten einen fast magischen Umgang mit der Hostie fördern (z.B. Verwendung geweihter Hostien als Heilmittel).

9.3 Das Bußsakrament

deprekatorisch – deklaratorisch

Die Scheu vor dem Göttlichen, das in der Eucharistie dinglich präsent vorgestellt wurde, führte zu einer Betonung der Buße. Dies forderte die scholastische Theologie zu einer eigenständigen Reflexion über die Buße heraus. Die öffentliche Gemeindebuße verschwand im 13. Jh.; an ihre Stelle trat die private Beichtbuße (vgl. § 7; 7.3.1), in der das persönliche Bekenntnis mit der Absolution durch den Priester verbunden war. Bis zum 13. Jh. erfolgte diese Lossprechung zumeist in Gebetsform (deprekatorisch bzw. optativ), wurde dann aber zunehmend durch die deklaratorische Zusage (ego te absolvo/Ich spreche dich los) verdrängt. Dies wurde in der scholastischen Reflexion des Bußsakraments aufgenommen. 9.3.1 Reue als Kern der Buße in der Frühscholastik. Als Sakrament wurde die Buße schon im 11. Jh., allgemein seit ca. 1120/1130 bezeichnet. Dabei stand zunächst die innere Reue im Vordergrund. Abaelard konnte die innere Reue (contritio/Zerknirschung bzw. compunctio/das »Stechen« der eigenen Sünden, die Reue) als die eigentliche Buße verstehen. Demgemäß erfolgte die Sündenvergebung durch Gott aufgrund der persönlichen Reue. Hugo von St. Viktor konnte diesen individuellen Aspekt noch dadurch verstärken, dass er auch das Sündenbekenntnis und die Tilgung der Schuld durch eine 788

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entsprechende Satisfaktionsleistung betonte. Buße war demnach ein in erster Linie psychologisch-moralischer Vorgang. 9.3.2 Betonung der Absolution durch den Priester in der Hochscholastik. War in der Frühscholastik die subjektive Reue ausschlaggebend und wurde dementsprechend die Absolution durch den Priester als Deklaration der von Gott vollzogenen Sündenvergebung gedeutet, so änderte sich das im 13. Jh. zunehmend. Die Betonung des institutionellen Charakters der Buße führte dazu, dass die Sündenvergebung als Funktion der Schlüsselgewalt (potestas clavium gemäß Mt 16,18f. und Joh 20,23) aufgefasst wurde: Der Priester bewirkt die Vergebung der Sünden. Thomas von Aquin sah als materia (Stoff) die drei Handlungen des Büßenden an (contritio cordis/Zerknirschung des Herzens, confessio oris/Bekenntnis des Mundes, satisfactio operis/Genugtuung durch das Werk), denen die priesterliche Absolution als die eigentlich bestimmende forma (Gestalt, Form) gegenüberstand (so auch im Dekret von 1439; Text/Übers.: DH 1323). Duns Scotus verstand die Absolution als den richterlichen Akt des Priesters, der aufgrund von göttlichem Auftrag die Sünden wirksam vergibt.

Schlüsselgewalt

9.4 Reliquienverehrung Die auf die Alte Kirche zurückgehende, seit dem Frühmittelalter an Gewicht zunehmende Reliquienfrömmigkeit verstärkte die Auffassung von Kirche als Ort des zugänglichen Heils. War die Reliquienverehrung schon im Merowingerreich wichtig geworden (so etwa in der Verehrung des Martin von Tours oder der Verbindung des Königtums mit der Verehrung des hl. Dionysius in St. Denis bei Paris, das ab den Karolingern zur königlichen Grablege wurde), so nahm die Reliquienfrömmigkeit im Hochmittelalter erheblich zu. Spektakuläre Fälle von nicht verwesenden Körpern toter Heiligen führten zu entsprechender Verehrung. So öffnete Kaiser Otto III. das Grab Karls d. Gr. und präsentierte dem Volk den unverwesten Leichnam des als heilig verehrten Vorgängers. Der Zusammenhang von Reliquien und Legitimation der eigenen (gottgewollten) Macht wird hier besonders deutlich. Die Verbindung mit der Sakramentsfrömmigkeit ergab sich insbesondere über die Verbindung von Reliquien mit dem Altar, auf dem die Eucharistie gefeiert wurde: Jede Dorfkirche erhielt nun ihre eigenen Reliquien. Reliquien wurden auf dem Altar ausgestellt oder in den Altar sichtbar eingebaut. Dies wurde oft mit dem Patrozinium einer Kirche (Namensgebung und besondere Schutzwirkung eines oder einer Heiligen, bisweilen auch mehrerer) verbunden. Reliquienverehrung und die stellvertretende Fürbittfunktion der Heiligen für die Gläubigen griffen eng ineinander. 9.4.1 Wachsende Zahl von Einzelreliquien. Das Bedürfnis, Reliquien nicht nur an wichtigen zentralen Orten, sondern flächendeckend präsent zu haben, erforderte eine enorme Zahl von Reliquien, so dass ein schwunghafter Reliquienhandel entstand. Nach der Eroberung von Konstantinopel durch die Kreuzfahrer 1204 wurde dieser noch einmal erheblich gefördert, da die hier geraubten Reliquien nun in Europa weitergegeben wurden. Das Problem der Authentizität und der Fälschungen verschärfte sich dadurch noch einmal erheblich (weswegen das 4. Laterankonzil 1215 eine Prüfung neuaufgefundener 9. Sakramente und Reliquien

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Martin in Tours St. Denis

Altar

Patrozinium

Reliquienhandel

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Reliquare

Santiago de Compostela Köln Trier Aachen

Veronika

Turiner Grabtuch

Reliquien durch den Papst vorsah). Die Scheu, den Körper von Heiligen zu zerlegen und so eine Vielzahl von Reliquien zu erhalten, hatte sich seit dem 10. Jh. verloren. Einzelreliquien wurden nun zu einem wichtigen Ausweis dafür, dass das Heilige in einer Kirche präsent ist (so betont in der Schrift Flores epitaphii sanctorum/Blüten des Heiligengrabs des Theofried von Echternach [gest. 1100]). Die Einzelreliquien wurden ausgestellt oder in Reliquaren aufbewahrt, von denen viele den Körper des Heiligen bzw. der Heiligen darstellten und dann an entsprechender Stelle das eigentliche Reliquienbehältnis enthielten. Dadurch wurde die Auferstehung der verehrten Heiligen sinnbildlich vor Augen gestellt. 9.4.2 Überregional wichtige Reliquien. Reliquien, deren Verehrung weite Ausstrahlung besaß, führten zu entsprechenden Wallfahrten, deren Charakter als Buße durch die Zusagen umfassender Ablässe noch gesteigert wurde. Manche Ziele, wie Santiago de Compostela mit den Reliquien des hl. Jakob und Rom mit den Reliquien von Petrus und Paulus entwickelten europaweite Ausstrahlung. In Deutschland gewannen die Reliquien der Heiligen Drei Könige (nach der Eroberung Mailands von Kaiser Friedrich I. Barbarossa 1164 an den Kölner Erzbischof Rainald von Dassel verschenkt) besondere Bedeutung, neben der Verehrung des Heiligen Rocks (scil. Jesu) in Trier (1196 erstmalig erwähnt) und den Heiligtümern in Aachen (die teilweise wohl auf karolingische Zeit zurückgehen: Windeln und Lendentuch Jesu, das Hemd Mariens, in dem sie Jesus geboren hat, das Enthauptungstuch Johannes’ des Täufers). Die Verehrung des Schweißtuches der heiligen Veronika (wohl abgleitet von dem ursprünglicheren Begriff vera icon/wahrhaftes Abbild, einem Tuch, das Christus auf dem Weg zur Kreuzigung gereicht worden sein soll und in das sich die Gesichtszüge des Leidenden eingedrückt hätten) in Rom ab dem 12. Jh. und des Turiner Grabtuches (in das sich der Abdruck des gesamten Leichnams Jesu eingedrückt habe) ab dem 14. Jh. gehören zu den Tuchreliquien, die für die Christusfrömmigkeit besonders wichtig geworden sind. 9.5 Literatur Lektüretipp: A. Angenendt: Geschichte der Religiosität im Mittelalter, 4. A. 2009, 440515.630-657. Literatur: W. Knoch: Die Einsetzung der Sakramente durch Christus. Eine Untersuchung zur Sakramententheologie der Frühscholastik von Anselm von Laon bis zu Wilhelm von Auxerre, 1983. – Ders.: Die Frühscholastik und ihre Ekklesiologie, 1992. – B. Neunheuser: Taufe und Firmung, 2. A. 1983. – B.D. Spinks: Early and Medieval Rituals and Theologies of Baptism, Bd. 1, 2006. – B. Seyderhelm (Hg.): Tausend Jahre Taufen in Mitteldeutschland, 2006. – H.B. Meyer: Eucharistie. Geschichte, Theologie, Pastoral, 1989. – W. Simon: Die Messopfertheologie Martin Luthers. Voraussetzungen, Genese, Gestalt und Rezeption, 2003. – A. Odenthal: Liturgie vom Frühen Mittelalter zum Zeitalter der Konfessionalisierung. Studien zur Geschichte des Gottesdienstes, 2011. – B. Kleinheyer: Die Priesterweihe im römischen Ritus, 1962. – L. Ott: Das Weihesakrament, 1969. – J. Piegsa: Das Ehesakrament, 2002. – H.-J. Bachorski (Hg.): Ordnung und Lust. Bilder von Liebe, Ehe und Sexualität in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, 1991. – H. Vorgrimler: Buße und Krankensalbung, 1978. – H. Finger (Hg.): Die Heiligen Drei Könige. Die Translation ihrer Gebeine 1164 und ihre Verehrung in Köln, 2014. – Katholisches Bibelwerk: Jesus-Reliquien, 2013. – E. Aretz (Hg.): Der Heilige Rock zu Trier. Studien zur Geschichte und Verehrung der Tunika Christi, 2. A. 1996.

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10. Die Gnade als Thema scholastischer Lehrbildung Das Mittelalter hat keine Dogmatisierung der Gnadenlehre hervorgebracht. Gleichwohl hat die scholastische Theologie die Frage der Gnade und der menschlichen Erlösung in einer Weise reflektiert, die maßgeblich wurde. Insbesondere drei Aspekte sind hier hervorzuheben: a) die Verbindung der Gnadenwirkung mit der Tugendlehre, b) die Verbindung der Gnadenwirkung mit den Sakramenten und c) die differenzierte Deutung von Gnade und menschlichem Tun in den hochscholastischen Ansätzen.

10.1 Gnade und Tugend Den augustinischen Gedanken, dem zufolge die Gnade als Liebe zu beschreiben ist und so die Voraussetzung guter, weil aus Liebe motivierter Werke ist, griffen scholastische Lehrer des 12. Jh.s auf und behandelten die Gnade im Rahmen der Tugendlehre. Damit sollte der Zusammenhang von Bekehrung und Neuwerdung, Beginn des Glaubens und Realisierung des Glaubens im Leben des Christen Rechnung getragen werden. Rechtfertigung wurde dabei zum einen auf die Berufung und den Beginn des Glaubens bezogen, zum anderen auf die ethische Vervollkommnung in den drei (übernatürlichen) Tugenden Glaube, Liebe, Hoffnung. Die Frage, wie das menschliche Verhalten in der ethischen Vervollkommnung eine gewisse Selbständigkeit erreicht, wurde dabei nicht abschließend geklärt. 10.1.1 Die dauerhafte Wirkung der Gnade. Um den Zusammenhang von Glaube und Liebe auszudrücken, benutzten scholastische Autoren augustinische Begrifflichkeiten, die sie systematisierten. So wurde der Glaube als von der Gnade bewirkt verstanden: Die Gnade ging also allem menschlichen Bemühen voraus (gratia praeveniens/vorausgehende Gnade). Der Gläubige ist aber auch nach seiner Bekehrung in seinem ganzen Leben auf die Gnade angewiesen (gratia subsequens/nachfolgende Gnade). Die Gnade bewirkt allererst den Glauben und macht den Menschen gerecht (gratia operans/bewirkende Gnade). Der so verwandelte, von Liebe erfüllte Mensch braucht aber auch für sein weiteres Leben die Hilfe Gottes (gratia cooperans/die mit dem Menschen zusammen tätige Gnade). Abaelard interpretierte die Gnade als gratia inhabitans (einwohnende Gnade) und betonte, dass Gott dem menschlichen Tun zuvorkommt und im Menschen die Liebe als die prägende Lebenskraft bewirkt. Petrus Lombardus betonte die verschiedenen Aspekte der einen Gnade, die sich auf den Willen richtet, Gnade wirkt als motus mentis (Bewegung des Geistes). Der Wille wird durch die gratia operans befreit und zum Tun des Guten befähigt, dann wird er durch die gratia cooperans dauerhaft zu tugendhaftem Verhalten geführt (Sent. II,26,1-2; 27,1-7). 10.1.2 Die Gnadengabe der Liebe. Das im 12. Jh. diskutierte Problem, wie bei der Auslegung von Röm 5,5 der Heilige Geist und dessen Wirkungen im Gläubigen zu unterscheiden sind, löste Petrus Lombardus so: Der Geist als in das Herz eingegossene Gnadengabe der Liebe ist die dritte Person der Trinität selbst. Er teilt sich in vielgestaltiger Form als Charismen und Tugenden mit, ohne sich zu zerteilen. Er ist Geber und Gabe zugleich. 10. Die Gnade als Thema scholastischer Lehrbildung

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Gnade als Liebe

gratia praeveniens – subsequens gratia operans – cooperans

Pneumatologie

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habitus gratia increata – creata

Er ist das Subjekt der Begnadung, der Rechtfertigung und Heiligung, er ist ein quasi habitus (gleichsam eine Haltung), eine quasi virtus (gleichsam eine Tugend) im Christen (Sent. I,17,1-6). Die scholastische Kritik dieser Position führte zu deren Differenzierung: Nun unterschied man zwischen der gratia increata (der ungeschaffenen Gnade), d.h. der Einwohnung des Geistes bzw. der göttlichen Liebe als etwas, was dem Menschen unverfügbar bleibt, und der gratia creata (der geschaffenen Gnade), d.h. der bewirkten Willensrichtung der Liebe, die dem Menschen wirklich als Umwandlung seiner Existenz zu eigen ist.

10.2 Gnadenwirkung in den Sakramenten

infusio gratiae

causa gratiae

Die Greifbarkeit der Gnade bezog man seit Gregor d. Gr. in erster Linie auf die Kirche und ihre Sakramente: Die Taufe setzt den Gläubigen in den Gnadenstand ein, in der Eucharistie erfüllt die Gnade der Versöhnung kontinuierlich das christliche Leben; wenn dieses durch die Sünde gestört wird, bringt die Buße Heilung. Durch die Betonung der Objektivität der Wirkung der Sakramente und die Verstärkung des institutionellen Charakters wurde das geistliche Amt hervorgehoben: Der Priester vermittelte die gnadenwirkenden Sakramente. Die Sakramente sind nicht nur Zeichen, sondern wirksame Mitteilung der Gnade. Hugo von St. Viktor beschrieb etwa die Eucharistie als infusio gratiae (Eingießung der Gnade), die Sakramente sind vasa spiritualis gratiae (Gefäße der geistlichen Gnade). Eigentlich Handelnder in den Sakramenten ist dabei Christus. Die dadurch ausgesagte wirksame Kraft der Sakramente wurde im 13./14. Jh. weiter als Verursachung reflektiert. Die Sakramente sind causa gratiae (Ursache der Gnade). So hat Thomas von Aquin zwischen Gott als dem eigentlichen Handelnden (der causa principalis/der hauptsächlichen bzw. ursprünglichen Ursache) und den Sakramenten als Werkzeugen der Gnadenwirkung (der causa instrumentalis/der als Werkzeug vermittelnden Gnade) unterschieden. Das fand weithin Zustimmung. Hingegen lehrten Alexander von Hales und Bonaventura, dass das sakramentale Zeichen die Gnade nicht substantiell enthalte, sondern eine Disposition im Empfänger schaffe für die Aufnahme der innerlich gegebenen Gnade. Diese Auffassung (Gott bewirkt als causa/Ursache die Gnadenwirkung der Sakramente innerlich parallel zum äußerlichen Vollzug des Sakraments) fand im 14./15. Jh. viel Zustimmung.

10.3 Zustandsgnade und Disposition – Die Differenzierung in der Hochscholastik

forma, habitus

Die zunehmende Orientierung der scholastischen Theologie an dem Begriffs­ instrumentarium des Aristoteles führte im 13. Jh. zu einer differenzierten Beschreibung des Verhältnisses zwischen göttlicher Gnadenwirkung und menschlichem Wollen. Man bestimmte die Gnade als Prinzip des Willens, als übernatürliche forma (Form, Wesen), welche die menschliche Natur als materia (Stoff) präge. Die Gnade als prägende forma führt zu einem gna792

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denhaften Zustand (habitus), der sich in den Tugenden niederschlägt. Für die Aufnahme der Gnadenform muss die materia allerdings eine gewisse dispositio (Struktur, das Angeordnetsein) aufweisen, so dass weiterhin dargelegt werden musste, wie die göttliche Gnade diese dispositio bewirkt. Voraussetzungen und Gnadenwirkung wurden so Gegenstand der theologischen Reflexion. Man unterschied das, was die menschliche Natur auch nach dem Fall auszeichnete (etwa vernünftiges Denken, Gewissen, naturgegebene Einsicht in Grundlagen des Gotteswillens, etwa im Hinblick auf das Tötungsverbot etc.), von dem, was von der Gnade als dispositio, die der eigentlichen Begnadung zugrundeliegt, geschaffen wurde. Dies wurde insbesondere mit dem Begriff des meritum (Verdienst) bezeichnet (meint aber nicht, dass der Mensch von sich aus die Gnade verdienen könne, sondern meint gleichsam die »Anknüpfungspunkte«, die die Gnade im Menschen selbst schafft, um daran dauerhaft anknüpfen zu können). Die Diskussion dieser Thematik wurde in der Hochscholastik besonders durch drei Ansätze geprägt: Bonaventura und andere Franziskaner reflektierten die anthropologische Situation des Unerlösten und diskutierten die Frage des meritum (des Verdienstes) im Verhältnis zur Gnadenwirkung (s. § 10; 12.4.3). Thomas von Aquin wandte die Unterscheidung von Natur und Gnade auf die Gnadenlehre an (s. § 10; 13.4.2). Duns Scotus ordnete die Frage in seinen voluntaristisch-personalistischen Begründungsrahmen ein und betonte die Unverfügbarkeit des göttlichen Wollens (s. § 10; 14.2-14.3). 10.3.1 Der Hylemorphismus. Nach Aristoteles sind allem Seienden vier Prinzipien gemeinsam: 1. Form bzw. Wesen (forma), 2. Stoff (materia), 3. bewegende bzw. bewirkende Ursache (causa), 4. Zweck (finis). Der Stoff, der geformt werden kann, ist Möglichkeit oder Anlage (potentia), reine Potentialität. Dagegen wird die Realität eines Seienden durch die Form bestimmt, die die Verwirklichung (actus) bringt. Erst durch das Hinzutreten der Form zum Stoff entsteht das vollendete Gebilde; ohne Form existiert kein Stoff, während es eine stofflose Form sehr wohl gibt (z.B. als Gedanke Gottes oder Idee, aber auch Gott selbst als die bewegende Ursache alles Seienden). Die Bewegung (motus) ist der Übergang von der Möglichkeit (potentia) zur Wirklichkeit (actus). Diesen aristotelischen Hylemorphismus übertrugen die Scholastiker des 13. Jh.s auf die Anthropologie, die Gnaden- und Sakramentenlehre, was ihnen eine Präzisierung der theologischen Aussagen ermöglichte.

materia, dispositio

potentia – actus

10.3.2 Gnade als prägende forma. Philipp, der Kanzler des Bischofs und der Universität in Paris, war um 1230 der erste, der die traditionelle Beziehung von Gnade und Tugend mit aristotelischer Begrifflichkeit interpretiert. Die Gnade bestimmte er als Prinzip, das der Willensbewegung vorangehen muss, also als heiligende Substanz der Seele: als übernatürliche forma, welche die menschliche Natur als materia prägt. Dadurch war zugleich ausgedrückt, dass Gott der eigentlich Handelnde ist, an dessen Handeln sich die Erlösung entscheidet, und dass Gottes Gnadenhandeln nicht am Menschen vorbei handelt, sondern mit ihm und seinem Willen. Das Zusammenwirken von Gnade und menschlichem Willen ist also nicht »paritätisch«, sondern der Wille wirkt als materia, die geprägt wird, mit. Wie sich das menschliche Wollen als von der Gnade ermöglichter habitus (als Haltung) zur dauerhaften Unterstützung durch die Gnade verhält, wurde so ebenso zu 10. Die Gnade als Thema scholastischer Lehrbildung

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einem weiter zu bedenkenden Problem wie die Frage, inwiefern die Gnade bereits im Moment der Vorbereitung der eigentlichen Gnadenverleihung wirksam ist. Für beides brachten Bonaventura und andere Franziskaner Lösungen (s. § 10, 12.4.3). 10.4 Literatur Lektüretipp: O.H. Pesch/A. Peters: Einführung in die Lehre von Gnade und Rechtfertigung, 3. A. 1994, 42-54. Quellen: G.L. Müller (Hg.): Gnadenlehre, 2 Bde., 1996. Literatur: J. Auer: Die Entwicklung der Gnadenlehre in der Hochscholastik, 2 Bde., 1942.1951. – P. Fransen: Dogmengeschichtliche Entfaltung der Gnadenlehre, in: J. Feiner/M. Löhrer (Hg.): Mysterium salutis, Bd. 4,2, 1973, 631-765. – J. Gross: Geschichte des Erbsündendogmas, Bd. 3, 1971. – J. Schupp: Die Gnadenlehre des Petrus Lombardus, 1932.

11. Wissenschaftliche Neuorientierung im 13. Jh.: Universitäten und Aristotelismus Dem allgemeinen Umbruch, der sich zwischen ca. 1200 und 1350 vielfältig manifestierte, besonders im Aufstieg der Städte, entsprach der Umbruch im Wissenschaftsbetrieb, der sich in zwei formalen Neuerungen bekundete: der Entstehung der Universitäten und der neuen, intensiven Beschäftigung mit Aristoteles. Für die Theologie hatte dies zur Folge, dass sie in enger Nachbarschaft zu anderen Wissenschaften betrieben wurde und sich dem empirisch-rationalen Denken öffnen musste. Zugleich verselbständigte sich die Philosophie zu einem eigenen Fach, was auch eine neue Beschäftigung mit Mathematik und Physik, Astronomie und Geographie mit sich brachte. Der universale Geltungsanspruch von kirchlicher Lehre und Theologie wurde so gerade in jener Epoche unterminiert, als er eine neue systematische Ausgestaltung erfuhr; dem entsprach die Entwicklung im politischen Bereich (vgl. § 9; 12.).

11.1 Die Entstehung der Universitäten

studium generale

universitas

Bisher waren kirchliche Schulen an Kathedralen und in Klöstern die Träger der Bildung gewesen. In den drei großen Zentren Paris, Bologna und Oxford veränderte sich seit ca. 1200 die Organisation der Lehre durch Zusammenfassung der nebeneinander bestehenden Schulen zu einem einheitlichen Wissenschaftsbetrieb (studium generale/umfassendes Studium, collegium studii/Gemeinschaft des Studiums, collegium scholasticum/Schulgemeinschaft o.ä. genannt). Im Verlauf des 13. Jh.s setzte sich der Begriff Universität durch, der ursprünglich die Gesamtheit von Lehrern und Schülern als privilegierte Korporation bezeichnete (universitas magistrorum et scholarium/ Gesamtheit der Lehrer und Schüler). Neu entstand wenig später die programmatisch gegründete Universität (so in Neapel, Toulouse, Salamanca). Paris wurde für die Theologie in ganz Europa zur maßgeblichen Instanz 794

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mit starkem Einfluss auf die kirchliche Lehrbildung, Bologna wurde zum Zentrum für das römische und kanonische Recht. Für den Aufbau der Universitäten wurde die Einteilung in vier Fakultäten typisch: Artes liberales/ Philosophie (Artistenfakultät) als Vorstufe für das Fachstudium in der theologischen, juristischen oder medizinischen Fakultät. Die Studenten an den höheren Fakultäten unterrichteten zugleich in der philosophischen Fakultät. Mit den Universitätslehrern (magistri, doctores, erst seit dem 16. Jh. allgemein als Professoren bezeichnet) bildete sich ein neuer Stand mit erheblichem Einfluss in Kirche und Gesellschaft heraus. Die an den Universitäten erworbenen Grade schufen neue soziale Dignitäten und ermöglichten Berufskarrieren. Unterrichtssprache war überall Latein, was die internationale Kommunikation und Fluktuation bis weit in die Neuzeit hinein gewährleistete. 11.1.1 Die Universität in Paris. Aufgrund von Konflikten mit Bürgerschaft und Bischof schlossen sich Lehrer und Studenten der Schulen in Paris (zu Notre Dame und St. Geneviève s. § 10; 4.1.1; 7.1.1) enger zusammen, wurden seit 1200 durch königliche und päpstliche Privilegien von der weltlichen und geistlichen Gerichtsbarkeit befreit und erhielten 1215 erste Statuten (1221 erstmals als universitas magistrorum et scholarium bezeichnet). Dominikaner und Franziskaner verstärkten seit 1224/1226 die neue Gemeinschaft (vgl. § 6; 13.2.3; 14.3), die sich – nach schwerem Streit seit der päpstlichen Anerkennung von 1231 und 1245/1246 – als Universität etablierte. Die aus 12 Lehrstühlen bestehende Theologenfakultät erlebte nach 1250 eine Krise durch den Streit zwischen Weltklerikern und Mönchen um die Lehrberechtigung. Die Artistenfakultät entwickelte sich seit 1240 durch die Aristotelesrezeption unter heftigen Konflikten (s. § 10; 11.2.411.2.5) zu einem Zentrum der Philosophie. Unter den Kollegien, die zur Versorgung der Studenten gebildet wurden, ragte die Sorbonne, eine Stiftung des Robert von Sorbon ab 1245, heraus, die später der Universität den Namen gab. 11.1.2 Die Universität in Oxford. Die Pariser Konflikte begünstigten den Aufstieg der Universität in Oxford, die sich seit 1200/1214 aus verschiedenen Kirchen- und Ordensschulen formierte und 1252/1253 erste Statuten durch Robert Grosseteste (s. § 10; 12.1.1) erhielt, dem als Bischof von Lincoln die Universität unterstand. Schon früh, ab 1209, wurde – aufgrund von inneren Konflikten in Oxford – in Cambridge eine neue Universität gegründet, die allerdings hinter der europäischen Ausstrahlung von Oxford jahrhundertelang zurückblieb. 11.1.3 Die Universität in Bologna. Aus den beiden im 12. Jh. bedeutsamen, von Kaisern und Päpsten geförderten Schulen der Legisten (Römisches Recht) und Kanonisten/ Dekretisten (Kirchenrecht) in Bologna entwickelte sich die Universität seit 1219/1224 durch päpstlichen Schutz gegenüber der Stadt. Eine philosophische Fakultät kam im späten 13. Jh., eine theologische erst im 14. Jh. hinzu. Die europäische Rechtsgeschichte wurde durch die juristische Fakultät in Bologna bis in die Neuzeit geprägt. Als ein Ableger entstand seit 1222 die Universität in Padua aus einer juristischen Schule. Die berühmte Rechtsschule in Pavia wurde erst im 14. Jh. eine Universität.

4 Fakultäten

Universitätslehrer

Privilegien

Sorbonne

Cambridge

Römisches Recht, Kanonistik

11.1.4 Universitätsgründungen. Da die Universitäten als Ausbildungsstätten für eine Elite der kirchlichen und öffentlichen Verwaltung rasch an Bedeutung gewannen, schritten Fürsten und Päpste zu Neugründungen, die teilweise an bereits existierende Schu11. Wissenschaftliche Neuorientierung im 13. Jh.: Universitäten und Aristotelismus

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Toulouse

len anknüpften. Kaiser Friedrich II. etablierte in Neapel 1224 eine Universität für sein süditalisch-sizilianisches Königreich (daneben stand die berühmte Medizinakademie in Salerno). Analog verfuhr König Alfons VIII. von Kastilien, der 1212/1214 die Schule in Palencia zur Universität ausbaute; diese wurde 1243 durch König Ferdinand III. von León-Kastilien nach Salamanca verlegt (seit 1254 definitiv etabliert) und bildete für Jahrhunderte das geistige Zentrum Spaniens mit Ausstrahlung auf ganz Europa. Das südwestfranzösische Toulouse erhielt seit 1229/1233 als erste päpstliche Gründung eine Universität v.a. für die Ketzerbekämpfung (vgl. § 8; 10.3.3). Die Domschule in Angers entwickelte sich nach 1229 allmählich zur Universität. In Montpellier entstanden die Fakultäten seit 1280 getrennt (besonders berühmt die medizinische) und wurden durch den Papst 1289 als Universität konstituiert. Eine städtische Universität mit päpstlichen Privilegien entwickelte sich in Siena seit 1246/1252 durch Zusammenlegung der Domschule mit den Schulen für Ärzte und Juristen.

Köln

11.1.5 Universitäten in Deutschland erst im 14. Jh. Angesichts der rasch zunehmenden Zahl an Universitäten war es bezeichnend, dass es entsprechende Gründungen in Deutschland lange Zeit nicht gab. Es fehlte an einer tatkräftigen Zentralmacht, die eine Universitätsgründung durchsetzen wollte. Die zahlreichen kirchlichen Schulen hatten kaum überregionale Bedeutung. Für die Theologie allgemein wichtig wurde allerdings Köln mit den Studienhäusern der Bettelorden seit 1248; v.a. die Dominikanerschule entwickelte sich zu einem Zentrum von europäischem Rang. Erst 1348 gründete Karl IV. in Prag eine Universität für sein Königreich Böhmen. Wien folgte 1365. Im Zusammenhang des Großen Papstschismas (s. § 8; 11.3) entstanden wegen der Ablösung von Paris Universitäten in Heidelberg 1386, Köln 1388 und Erfurt 1389/1392 (nach erstem vergeblichen Gründungsversuch 1379).

Neapel

Salamanca

Prag

päpstliches Privileg

Kanzler Bursen

11.1.6 Regelung des universitären Lebens. Für die Anerkennung als Universität war neben einem zumeist königlichen Gründungsakt ein päpstliches Privileg erforderlich. Das Universitätsleben war in die Kirche insofern integriert, als die Lehrer und Studenten in erheblichem Maße dem Klerus angehörten, durch kirchliche Pfründen dotiert wurden und der bischöflichen Lehraufsicht unterstanden. Die Statuten regelten nicht nur die Ordnung, sondern auch die Lehrinhalte. Die Leitung lag zumeist bei einem unter bischöflicher Aufsicht tätigen cancellarius (Kanzler), der auch für die Rechtgläubigkeit zuständig war und selbst ein Lehramt ausübte. Die Studentenschaft lebte in klosterähnlichen Konventen, den Bursen, unter strenger Aufsicht, sie gliederte sich oft in nationes (Herkunftsländer, z.B. in Paris: Franzosen, Pikarden, Normannen, Engländer, später auch Deutsche; in Bologna: Italiener und Ausländer).

11.2 Neubegründung der Wissenschaft: Der Aristotelismus Die philosophische Begründung theologischer Lehren seit dem 12. Jh. war ein wesentliches Element der Scholastik, wobei der Rückgriff auf die Logik des Aristoteles eine beträchtliche Rolle spielte. Man hatte jedoch nur eine fragmentarische, neuplatonisch gefärbte Kenntnis der aristotelischen Lehren. Das änderte sich zwischen 1150 und 1250, indem sukzessive alle Aristotelesschriften zugänglich wurden, vermittelt auf zwei Wegen: direkt durch Übersetzung der von Arabern und Griechen tradierten Schriften, indirekt durch den geistigen Einfluss des arabischen und jüdischen Aristotelismus. Die aufblühende Philosophie führte zu einer Auseinandersetzung mit den 796

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Inhalten der aristotelischen Philosophie. Besonders problematisch erwiesen sich dabei die Lehren von der unpersönlichen Gottheit, der Ewigkeit der Welt, der Suffizienz des rationalen Denkens und der Sterblichkeit der Seele. Die Entwicklung führte einerseits zu einem radikalen Aristotelismus, auf der anderen Seite zur Integration des Aristotelismus in die Theologie. 11.2.1 Neue Kenntnis des Aristoteles. Das an einem christlichen Platonismus orientierte Denken der Zeit lehnte Aristoteles als gottlosen Philosophen weithin ab, von seinen Schriften kannte man nur wenige logische (so besonders die Kategorienschrift mit der Isagoge/Einleitung des Porphyrius, außerdem Übersetzungen durch Boethius). Seit 1140 wurde diese Kenntnis durch Übersetzungen, zunächst weiterer Schriften aus dem sog. Organon (d.h. den logischen Schriften des Aristoteles, die man als ὄργανον/organon/Werkzeug scil. für das dialektische Denken brauchte), erweitert. Große Bedeutung hatte dann der um 1150 in Segovia tätige Kleriker Dominicus Gundissalinus als Übersetzer des Aristoteles und arabischer Philosophen. Besonders wichtig wurden außerdem die Übersetzerschulen in Toledo, Salerno, Neapel, später auch in Oxford. Die griechische Textüberlieferung kam nach und nach hinzu. 11.2.2 Arabischer Aristotelismus. Die Hochschätzung des Aristoteles bei den Syrern (Nestorianern wie Jakobiten; s. § 4; 15.1; 15.3) führte dazu, dass diese den Arabern eine vollständige Übersetzung seiner Werke vermittelten, wodurch deren Philosophie seit Al-Kindi und Al-Farabi (9./10. Jh.) beeinflusst wurde. Allerdings war auch hier der Aristotelismus z.T. stark neuplatonisch gefärbt. Zum Grundproblem wurde das Verhältnis von Vernunft und offenbarter Religion. Der iranische Philosoph und Mediziner Ibn Sina, latinisiert Avicenna (980-1037), konzipierte ein metaphysisches System mit Gott, dem unverursacht Seienden und schlechthin Einen, als Spitze. Einen Aristotelismus ohne neuplatonische Elemente vertrat erstmals Ibn Rusd, latinisiert Averroës (1126-1198), der in Cordoba und Marrakesch wirkte. Er wollte ein rein wissenschaftliches, auf der vernünftigen Reflexion der Empirie gegründetes Weltbild etablieren. Mit seiner Definition Gottes als der ersten Ursache und des unbewegten Bewegers alles Seienden interpretierte er die Weltschöpfung als ewigen Prozess. Er unterschied die Religion mit ihrer Bilder- und Symbolsprache von einer wissenschaftlichen philosophischtheologischen Weltdeutung (Dieser Ansatz wurde von den Pariser Gegnern des sog. Averroismus als Lehre von der doppelten Wahrheit interpretiert).

Kategorien Organon

Aristoteles Latinus

Avicenna

Averroës

doppelte Wahrheit

11.2.3 Jüdischer Aristotelismus. Zumal von Spanien aus beeinflusste auch die jüdische Philosophie die christliche Aristotelesrezeption, z.T. mit neuplatonischem Einschlag. Salomo Ibn Gabirol, latinisiert Avicebron (10201058) aus Malaga, wirkte durch seine Lehre über die Materie als Prinzip der Vielheit, welches den differenziert geformten Dingen ihre Gemeinsamkeit gibt. Bedeutendere Anstöße gab der Toralehrer und Arzt Mose ben Maimon, 11. Wissenschaftliche Neuorientierung im 13. Jh.: Universitäten und Aristotelismus

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Maimonides

Amalrich

Siger von Brabant

219 Sätze 1277

latinisiert Maimonides (1135-1204, geboren in Cordoba, tätig v.a. in Kairo), durch seinen theologischen Rationalismus und seine Aristoteleskommentierung. In den Grundfragen entsprach sein System demjenigen des Averroës (Gott als erster Beweger, Ewigkeit der Welt als permanente Emanation aus dem göttlichen Sein, Harmonie von Denken und Glauben). 11.2.4 Streit um Aristoteles. An der Universität Paris erregten schon sehr früh zwei Philosophielehrer aufgrund ihrer Benutzung des Aristoteles Anstoß, David von Dinant (gest. nach 1210), der im Anschluss an Aristoteles’ Naturphilosophie die drei Prinzipien Urmaterie, Weltseele/Geist und Gott miteinander identifizierte, sowie Amalrich von Bena (gest. 1206), dessen Lehre als Pantheismus diskreditiert wurde (nur die Prozessakten und Schriften der Gegner sind bekannt). Pariser Provinzialsynoden verurteilten 1210 und 1215 die Lehren eines weiteren Schülerkreises, der Amalrikaner (1215 vom 4. Laterankonzil pauschal bekräftigt). Die Lektüre der naturphilosophischen Schriften des Aristoteles wurde verboten. Der Streit zeigte, dass eine die traditionelle Gotteslehre tangierende Weltdeutung als nicht akzeptabel galt. Erst 1255 nahm die Artistenfakultät die Bearbeitung der Aristotelesschriften in ihren Lehrplan auf. Das wirkte anregend auf andere Universitäten. 11.2.5 Die Verurteilung des radikalen Aristotelismus in Paris 1270/1277. Große Tragweite gewannen die Konflikte um den radikalen Aristotelismus, den seine Gegner als lateinischen Averroismus diffamierten. Exponent dieser Richtung waren Siger von Brabant (gest. 1286) und sein Schüler Boethius von Dacien/Dänemark (gest.1284). Siger wollte den Lehren des Aristoteles dann, wenn sie rational überzeugen, auch dort folgen, wo sie christlichen Dogmen widersprachen. Wichtige Themen des Streits waren: die Ewigkeit der Welt, die ontologische Determination des Weltgeschehens, die Materie als Individuationsprinzip und die Einheit des von der Seele zu unterscheidenden Geis­ tes bzw. Intellekts. In letzterem sahen seine Gegner die Unsterblichkeit der Einzelseele bestritten. Theologisch anspruchsvolle Erwiderungen kamen von Albertus Magnus und Thomas von Aquin. Einer ersten Verurteilung durch den Pariser Bischof 1270 folgte aufgrund eines umfassenden Katalogs von 219 Sätzen 1277 die endgültige Verurteilung des radikalen Aristotelismus. Gleichwohl blieb die Tradition einer strikt Aristoteles verpflichteten Philosophie auch danach noch lebendig und entwickelte sich im 14. Jh. zu einer umfassenden laikal-diesseitigen Weltdeutung mit erheblichen politischen Folgen (vgl. zu Johannes von Jandun und Marsilius von Padua § 9; 12.3.2).

11.3 Christlicher Aristotelismus Positive Aristotelesrezeption prägte die großen Summen der Hochscholastik nachhaltig, so besonders die Summa Halensis (s. § 10; 12.2) und Thomas von Aquin (s. § 10; 13.). Der Aristotelismus wurde zu einer die verschiedenen 798

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Wissenschaften verbindenden Klammer, wie sich exemplarisch im Werk des Dominikaners Albertus Magnus zeigte. In seiner Philosophie wurden insbesondere die Auffassung von Gott als letzter Ursache, das Verständnis der Welt als rationaler Ordnung Gottes und die Betonung der Leib-Seele-Einheit wichtig. Primär an den Naturwissenschaften interessiert war der geniale Außenseiter Roger Bacon. 11.3.1 Wichtige frühe Vertreter des christlichen Aristotelismus. Die Beanspruchung aristotelischer Lehren für die Theologie entwickelte sich v.a. an der Universität Paris. Wilhelm von Auxerre (gest. 1231/1237) benutzte in seiner einflussreichen theologischen Summe neben der Analytik auch die aristotelische Metaphysik und Ethik. Philipp der Kanzler (gest. 1236) rezipierte Aristoteles besonders auch im Rahmen seiner Gnadenlehre (s. § 10; 10.3.2). Kirchliche Praxis und Wissenschaft verband Wilhelm von Auvergne (ca. 1180-1249, seit 1228 Bischof von Paris), der einen neuplatonisch gefärbten Augustinismus mit aristotelischen und arabischen Einflüssen mischte. In Oxford förderte Robert Grosseteste (s. § 10; 12.1.1) die Beschäftigung mit Aristoteles entscheidend. Hieran knüpften die Summa Halensis, Albertus Magnus und Thomas von Aquin an.

11.3.2 Albertus Magnus. Albert, zwischen 1193 und 1220 im schwäbischen Lauingen geboren, im Mittelalter als einziger Wissenschaftler »der Große« (Magnus) genannt und als doctor universalis (Universalgelehrter) gerühmt, trat früh dem Dominikanerorden bei, unterrichtete in dessen Studienhäusern und lehrte seit 1243/1244 in Paris. 1248-1260 baute er in Köln das Ordensstudium der Dominikaner auf, war 1260-1262 Bischof in Regensburg, bevor er sich erneut der Ausbildung in seinem Orden widmete und ab 1270 wieder in Köln tätig war, wo er 1280 starb. Seit 1245/1248 widmete er sich der Interpretation des gesamten Aristoteleskorpus in Form von Paraphrasen. Sein Ziel war eine alle Geistes- und Naturwissenschaften umfassende Enzyklopädie. Theologie und Philosophie unterschied er deutlich, indem er deren Prinzipien (Vernunft und Offenbarung) und Gegenstandsbereiche (Welt und Heil) methodologisch differenzierte. Doch war die Welt als Gottes Schöpfung nicht ewig, sondern mit Gott als der alles wirkenden Ursache verbunden. Er lehrte gegen die sog. Averroisten die Unsterblichkeit der Seele, die als formende Substanz des Körpers eng mit diesem verbunden sei, betonte aber die Einheit von Seele und Leib. Sein Einfluss zeigte sich bei einer Reihe von deutschen Dominikanern, so bei Ulrich von Straßburg, Dietrich von Freiberg, Meister Eckhart und Berthold von Moosburg, noch im 15. Jh. bei Nikolaus von Kues. Der sog. Albertismus entwickelte sich im 15. Jh. von Köln und Paris aus zu einer philosophischen Schulrichtung, die in Metaphysik und Naturphilosophie bis zum 17. Jh. Bedeutung besaß.

Köln

Aristoteles­ kommentierung

Seelenlehre

11.3.3 Roger Bacon. In Oxford und Paris lehrte der Franziskaner Roger Bacon (ca. 1220-1292/1294), der wegen seiner Kritik am herkömmlichen Wissenschaftsbetrieb und wegen seiner Naturforschungen 1277-1289 als Häretiker eingekerkert war. Sein Aristotelismus verband sich mit neuplatonischem und augustinischem Einfluss. Anders als Albertus Magnus sah er Theologie und Philosophie als Einheit, begründet in der Har11. Wissenschaftliche Neuorientierung im 13. Jh.: Universitäten und Aristotelismus

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monie von Offenbarung und Vernunft. Seine Originalität war beachtlich, seine Wirkung gering. Er strebte eine Erneuerung von Kirche und Gesellschaft an. Für das Bibelstudium forderte er eine Verbesserung des Sprachenlernens (Hebräisch, Arabisch, Griechisch). 11.4 Literatur Lektüretipp: R. Heinzmann: Philosophie des Mittelalters, 1992, 137-164.191-201. Quelle: R. Hissette (Hg.): Enquête sur les 219 articles condamnés à Paris le 7 Mars 1277, 1977. Literatur: L. Honnefelder (Hg.): Albertus Magnus und der Ursprung der Universitätsidee. Die Begegnung der Wissenschaftskulturen im 13. Jahrhundert und die Entdeckung des Konzepts der Bildung durch Wissenschaft, 2011. – Ders.: Albertus Magnus und die kulturelle Wende im 13. Jahrhundert. Perspektiven auf die epochale Bedeutung des großen Philosophen und Theologen, 2012. – Ders. (Hg.): Albertus Magnus und die Anfänge der Aristoteles-Rezeption im lateinischen Mittelalter, 2005. – I.M. Resnick (Hg.): A Companion to Albert the Great. Theology, Philosophy, and the Sciences, 2013. – J. Craemer-Ruegenberg: Albertus Magnus, 2. A. 2005. – O. Pedersen: The First Universities, 1997. – K. Flasch/U.R. Jeck (Hg.): Das Licht der Vernunft. Die Anfänge der Aufklärung im Mittelalter, 1997. – J. Fried (Hg.): Schulen und Studium im sozialen Wandel des hohen und späten Mittelalters, 1986. – Ders. (Hg.): Studium und Gesellschaft im Mittelalter, 1983. – H. Grundmann: Vom Ursprung der Universität im Mittelalter, 2. A. 1964. – B. Lawn: The Rise and Decline of the Scholastic »Quaestio disputata«, 1993. – M. Halbertal: Maimonides. Life and Thought, 2014. – M.-R. Hayoun: Maimonides, 1999. – D. Gutas: Avicenna and the Aristotelian Tradition. Introduction to Read­ing Avicenna’s Philosophical Works, 2. A. 2014. – M.R. Hayoun/A. De Libera: Averroès et l’averroïsme, 1991. – U. Köpf: Die Anfänge der theologischen Wissenschaftstheorie im 13. Jh., 1974. – A. Zimmermann: Die Auseinandersetzungen an der Pariser Universität im XIII. Jahrhundert, 1976. – Ders. (Hg.): Albert der Große. Seine Zeit, sein Werk, seine Wirkung, 1981. – W. Rüegg (Hg.): Geschichte der Universität in Europa, Bd. 1, 1993. – L. Sturlese: Die deutsche Philosophie im Mittelalter, 1993, 324-388. – G. Mensching: Roger Bacon, 2009.

12. Die Franziskaner Alexander Halesius und Bonaventura »Franziskanerschule«?

In dem breiten Spektrum scholastischer Entwürfe im 13. Jh. eine geschlossene »Franziskanerschule« auszumachen, ist viel zu schematisch. Trotzdem sind bedeutende Vertreter der Scholastik als Franziskaner durch die Traditionen und die Christusfrömmigkeit ihres Ordens geprägt. Dies gilt besonders für Alexander von Hales, auf dessen Umfeld die erste große scholastische Summe, die Summa Halensis, zurückgeht, und für Bonaventura, den bedeutendsten franziskanischen Scholastiker. Inhaltlich ist ein neuplatonisch gefärbter Augustinismus bestimmend, der auch die Aristotelesrezeption steuert.

12.1 Augustinismus in der Erkenntnistheorie Der Titel von Bonaventuras Traktat De reductione artium ad theologiam (Über die Zurückführung der philosophischen Wissenschaften auf die Theologie) ist Programm: Alexander von Hales und Bonaventura befürworteten die Philosophie und die Anwendung von Aristoteles, ordneten 800

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jedoch die Philosophie konsequent der Theologie unter. Die Erkenntnismöglichkeiten der Vernunft sind eingeschränkt. Entscheidend ist die innere Verbindung der Seele mit Gott, die zu einer höherwertigeren Erleuchtung führt. Diese Illuminationslehre knüpfte an entsprechende Vorstellungen bei Augustin an und wurde durch die Rezeption neuplatonischer Lichtmetaphysik, wie sie insbesondere bei Dionysius Areopagita begegnet, vertieft. Die so erreichte Schau führt zu einer Neuausrichtung des Willens in Anpassung an den Gotteswillen und lässt sich inhaltlich als Liebe beschreiben. Darin zeigt sich die starke Betonung des Willensgedankens aus dem augus­ tinischen Erbe. 12.1.1 Die Illuminationslehre. Anknüpfend an platonische Vorstellungen hatte schon Augustin angenommen, dass Erkenntnis nicht durch die Vermittlung neuen Wissens entsteht, das vorher in der Seele gar nicht vorhanden wäre, sondern in der Freilegung bzw. Rückkehr der Seele zu dem, was sie eigentlich ausmacht. Das gilt insbesondere für zwei Bereiche: a) die Selbstreflexion des menschlichen Geistes und b) die Gewissheitsthematik. Von Augustin geprägte Theologen standen daher einer stark auf der sinnlichen Wahrnehmung beruhenden Erkenntnistheorie, wie sie sich von Aristoteles aus ergab, skeptisch gegenüber, so schon Wilhelm von Auvergne (s. § 10; 11.3.1; er neigte eher dem Dominikanerorden zu). Daran anknüpfend explizierte Alexander von Hales die Erkenntnis der Vernunft. Erst wenn sie durch die Gnade als Glaubenshaltung (habitus) den Menschen neu ausrichtet, ist die höhere Erkenntnis möglich. Diese ist ein übernatürliches Licht im Menschen, mit dem dieser an dem von den göttlichen Ideen ausstrahlenden Licht teilhat. Eine systematische Lichtmetaphysik entwickelte der Engländer Robert Grosseteste (geb. vor 1168, gest. 1253), der – selbst kein Franziskaner – seit 1229 im Oxforder Lektorium der Franziskaner lehrte. Obwohl er umfangreiche Kommentare zu Aristoteles verfasste, sah er die Erkenntnismöglichkeiten der empirisch vorgehenden Vernunft als beschränkt an. Nur Gott selbst (trinitarisch gedeutet als lux, lumen, splendor/Licht, Leuchten, Glanz) ermöglicht im Menschen die Erkenntnis der geistigen Wahrheit. Den Gnadencharakter der Gotteserkenntnis, die von der Erkenntnis sinnlicher Wirklichkeit strikt zu unterscheiden ist, betonte auch Bonaventura: Gott als Licht ist nicht nur das Ziel, sondern auch Voraussetzung aller Erkenntnis. 12.1.2 Aristotelismus im Dienste der Theologie. Bonaventura nahm die klassische Dreiteilung der platonischen Philosophie auf: Sie untersucht zu Recht a) die Beziehungen des Seienden untereinander, insbesondere das Prinzip der Verursachung (als Logik bzw. Vernunftphilosophie), führt b) alles Seiende auf den einen Urgrund zurück (als Metaphysik) und entwirft c) Regeln für die Lebensordnung (als Ethik). Doch zum letztlich entscheidenden Heilswillen kann die Philosophie nichts beitragen (De reductione/ Über die Zurückführung 4). Bonaventura benutzte daher Aristoteles in umfangreicher Weise (wie andere Franziskaner), polemisierte aber (mit zunehmender Schärfe nach 1257) gegen den zeitgenössischen Aristotelismus als Weltweisheit. Charakteristisch für ihn war sein Urteil, dass Platon eine sapientia (Weisheit) ohne scientia (Wissenschaft), Aristoteles eine scientia ohne sapientia, Augustin jedoch im Heiligen Geist beides gelehrt habe (Sermo theologicus/Rede über Theologie IV,18f.). Einen ähnlich gelagerten Augustinismus vertraten auch Bonaventuras Schüler wie z.B. Matthäus von Acquasparta (1235/1240-1302) und Johannes Peckham (ca. 1230-1292), berühmte Kritiker des Thomismus, ferner Petrus Johannes Olivi (ca. 1248/1249-1298) und Richard von Mediavilla (ca. 1249-1302/1308). 12. Die Franziskaner Alexander Halesius und Bonaventura

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Augustin Dionysius Areopagita

Empirie

Lichtmetaphysik

sapientia – scientia

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12.2 Die Summa Halensis Paris

scholastische quaestio

kulturelle Auswirkungen

Alexander, geb. 1185 im englischen Hales, war ab 1225 einer der führenden Lehrer in Paris und schloss sich 1235 dem Franziskanerorden an, was seinen Lehrstuhl dauerhaft an den Orden band (Nachfolger: Johannes von Rupella, Wilhelm von Melitona, Bonaventura). Er hat in Teamarbeit (zusammen mit anderen Franziskanern wie Johannes von Rupella und Wilhelm von Melitona) seit 1235 an der sog. Summa Halensis (der von [Alexander von] Hales stammenden Summe) gearbeitet, die erst nach seinem Tod 1245 vollendet wurde (Text: Summa theologica, hg. von Collegiium S. Bonaventurae, 4 Bde., 1924-1948). Es war die erste umfassende theologische Summe, die sich durch zwei Merkmale auszeichnete: a) Anknüpfend an die Sentenzenkommentierung systematisierte die Summa Halensis das Verfahren der scholastischen quaestio (s. Übersicht). Damit wurde eine ausdifferenzierte Form der scholastischen Untersuchung eingeführt: Das abwägende Argumentieren und sorgfältige Abarbeiten aller Pro- und Contra-Argumente wird verbunden mit der Suche nach einem sachlichen Kompromiss. Der darin liegende Rationalitätsgewinn sachlicher Lösungen ist in seinen wissenschaftsgeschichtlichen, besonders aber auch seinen kulturellen Auswirkungen kaum zu unterschätzen (und in Kulturkreisen, die nicht von der Scholastik herkommen, nur schwer vermittelbar). Die Kunst liegt darin, auch die Gegenargumente möglichst stark zu machen und dann in den eigenen Lösungsvorschlag zu integrieren. Aufbau einer quaestio (Untersuchung/Frage) Formulierung des Problems in Frageform (utrum ... /ob ...) Videtur quod ... (Es scheint, dass ...): Bibelzitate, Traditionszitate, Sentenzen, die für eine Lösung im Sinne der Frage sprechen Sed contra ... (Aber dagegen ...): Bibelzitate, Traditionszitate, Sentenzen, die gegen diese Lösung sprechen Respondeo (Ich antworte): Thesenartiger Vorschlag einer Lösung (die oft begrifflich differenziert und beide Argumentenreihen zu berücksichtigen sucht) solutiones (Auflösungen) der Einzelargumente pro et contra, einzeln durchgezählt: ad 1, ad 2 etc. 802

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b) Die Summa Halensis ist stark an der Bibel orientiert, der die höchste Autorität zukommt (die Philosophie ist in die Theologie integriert). Sie systematisiert den Inhalt der aus der Bibel abgeleiteten Glaubensaussagen nach einem heilsgeschichtlichen Grundaufbau, der sich an die Sentenzen des Lombarden anlehnt: Nach Gottes- und Trinitätslehre folgen Schöpfungslehre, Erlösungslehre (incl. Christologie, Ekklesiologie und Sakramentenlehre), Eschatologie. Dies wurde für viele andere Summen ebenso stilbildend wie für die großen Werke der Orthodoxie des 17. Jh.s und viele systematischtheologische Entwürfe bis in die Gegenwart hinein.

Bezug zur Bibel

heilsgeschicht­ licher Aufbau

12.3 Bonaventura Schriftstudium und Sentenzenkommentierung, Christusfrömmigkeit und rationale Durchdringung der Theologie gingen bei Bonaventura eine herausragende Verbindung ein. Augustin und Dionysius Areopagita nahm er in seiner Vorstellung des Aufstiegs der Seele auf, die er in verschiedenen Schriften durchaus unterschiedlich beschreiben konnte. Dabei betonte er insbesondere die Gnadenhaftigkeit eines solchen Aufstiegs, der als Rückkehr des menschlichen Geistes als imago dei (Ebenbild Gottes) zu seinem Ursprung zu beschreiben ist und durch Christus ermöglicht wurde. Der Mensch muss dabei zunächst zu sich selbst kommen und in der Selbstreflexion die Spuren Gottes finden (insbesondere in memoria, intellectus, amor/Erinnerung, Einsicht und Liebe, womit Bonaventura die von Anselm rezipierte Trinitätslehre Augustins aufgriff). Dies ermöglicht die höchste Erkenntnisstufe, die Betrachtung der göttlichen Dreiheit als höchstes Gut. Die noch darüber liegende oberste Stufe, die dem Sein der Seraphen entspricht, ist die mystische Entrückung des Geistes in den Frieden Gottes. 12.3.1 Leben und Werk. Als doctor seraphicus (seraphischer Lehrer) erhielt Bonaventura in der gesamten Kirche höchste Geltung (auch von Luther und der Reformation sehr geschätzt), 1482 als Heiliger, 1588 als Lehrer der Kirche kanonisiert. Der aus Viterbo/ Toskana stammende Johannes Fidanza (wohl ca. 1217/1218 – oder 1221? – geb.), der den Beinamen Bonaventura (»Glücksfall«) beim Eintritt in den Franziskanerorden 1243 aufgrund der Krankenheilung durch Franz von Assisi in der frühen Kindheit erhielt, studierte in Paris u.a. bei Alexander von Hales. Er lehrte dort an der Universität bis 1257, bevor er Generalminister seines Ordens wurde. Eine Ernennung zum Erzbischof von York 1265 konnte er zwar rückgängig machen, aber die Erhebung zum Kardinalbischof von Albano 1273 akzeptierte er. An der Vorbereitung und Durchführung des Konzils von Lyon 1274 (vgl. § 8; 9.4.2) maßgeblich beteiligt, starb er ebendort nach dessen Beendigung. Obwohl er keine Summe geschrieben hat, wurde er durch seine Sentenzenkommentierung (1248-1255 verfasst) zu einer wichtigen Bezugsgröße im scholastischen Lehrbetrieb. Bekannt wurde er insbesondere durch eine Reihe von kurzen Traktaten, so etwa das Breviloquium (Kurzes Gespräch) oder sein wohl bekanntes Werk Itinerarium mentis in Deum (Wegbeschreibung zu Gott für den Geist; 1259).

Aufstieg

Paris

Itinerarium mentis in Deum

12.3.2 Christologische Synthese. Eine umfassende Verbindung von Metaphysik, Erkenntnislehre und Christusmystik entwickelt Bonaventura in seiner Schrift De scientia 12. Die Franziskaner Alexander Halesius und Bonaventura

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Schöpfer

Exemplarismus

Seele Christi

excessus

Christi (Vom Wissen Christi). Er geht dabei von der ontologischen Verhältnisbestimmung zwischen Schöpfer und Geschöpf aus: Alle Geschöpfe gehen auf Gott als Ursache zurück, der die Existenz und die Erkennbarkeit des Seienden durch das Denken der ewigen Ideen begründet. Das geschöpfliche Sein hat somit einerseits an den ewigen Ideen Gottes im Sinne einer similitudo (Ähnlichkeit) teil, andererseits bildet sich gleichsam Gottes ewiges Denken als umfassende Prägung (durch die formae exemplares/prägenden Ideen) in den Dingen aus (eine Art »Teilhabe nach unten«), was ihre Erkennbarkeit garantiert (sog. Exemplarismus). Dementsprechend richtet sich die Erkenntnis nicht einfach nur auf die Erfassung der ewigen Ideen (denn diese allein wären ja ungeschaffen und insofern vom Geschaffenen nicht erfassbar), sondern auf das, was in den Dingen von Gott als Prägung eingestiftet ist (denn das gehört zum Bereich der Schöpfung). Für Christus als den Inkarnierten ergibt sich daraus die Frage, wie das ungeschaffene Wissen des göttlichen Logos sich zu dem beschränkten Wissen der menschlichen Seele verhält. Die menschliche Seele Christi wird dabei zum Paradigma für die menschliche Seele, die nach dem entsprechenden Aufstieg in vollkommener Einheit mit Gott steht. Auch eine solche Seele bleibt in ihrem Erkenntnisvermögen begrenzt, weil sie als endliche nicht das Unendliche erkennen kann. Sie kann lediglich im Bewusstsein ihrer Grenzen die eigene Geschöpflichkeit (und den darin liegenden Bezug zum Schöpfer und seinem Logos) erkennen und so in einem excessus (Aus-Sich-Heraustreten) über sich hinausgetragen werden (so, wie die menschliche Seele in Jesus vom göttlichen Logos über sich hinausgetragen wird).

12.4 Die Gnadenlehre in der Summa Halensis und bei Bonaventura

lebenslange Gnaden­ einwirkung habitus

Drei Einflüsse konvergierten in der Gnadenlehre der von der Summa Halensis geprägten theologischen Tradition: a) das augustinische Grundkonzept, das von der lebenslangen Gnadeneinwirkung ausging und diese anthropologisch vertieft darstellte, b) aristotelische Denkformen, denen zufolge das menschliche Wesen sich von seinem Handeln und der einzuübenden Haltung (habitus) aus bestimmt, c) die franziskanische Frömmigkeit, die die immer intensivere Einigung mit Christus anstrebte. Dies führte zu einer spezifischen Form von Gnadenlehre, die an der Entwicklung des Menschen besonderes Interesse hatte und die Gnadenhaftigkeit der Erlösung ebenso betonte wie die (durch die Gnade ausgelöste) menschliche Aktivität. Besondere Akzente sind daher a) die Betonung der Gnade auch für den Urstand (Schon vor dem Fall trat zur menschlichen Natur die Gnade als Hinordnung auf Gott hinzu und konstituierte seine ursprüngliche Gerechtigkeit. Dieser Zustand ist durch den Sündenfall jedoch gestört worden), b) die Betonung der Christologie (Christus überwindet das durch den Sündenfall geschaffene Hindernis und wirkt dauerhaft im Menschen, durch die Verleihung des Heiligen Geistes und die Sakramente), c) das Ineinander von Gnade und menschlichem Wollen in einem dauerhaften Veränderungsprozess, der dazu führt, dass Gott im von ihm erlösten Menschen Verdienste vorfindet, die er angemessen belohnt. Die so konzipierte Gnadenlehre war für Askese und Mystik, Alltagsfrömmigkeit und theologische Differenzierung vielfältig anschlussfähig und entsprechend wirkmächtig. 804

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12.4.1 Die Urstandslehre. Schon die Naturausstattung des Menschen (z.B. seine Fähigkeit zu Erkenntnis und zu gutem Handeln) ist Gnade, doch gilt dies in besonderer Weise für die schon im Urstand hinzutretende Gnade, die ein donum superadditum (eine noch zusätzlich hinzukommende Gabe) ist. Beides zusammen macht die iustitia originalis (den ursprünglichen Zustand der Gerechtigkeit) bei Adam aus. Durch den Sündenfall verliert der Mensch diesen harmonischen Urstand. In seiner geschädigten Seele (deformata anima) findet sich insbesondere die concupiscentia (allgemein das [scil. eigensüchtige] Begehren, die Triebe, insbesondere auch die sexuelle Lust), die als jederzeit leicht entzündlicher fomes (Zunder) auch nach der Taufe erhalten bleibt und sich in tatsächlichen Sünden (peccata actualia) niederschlägt. Dieser Zustand pflanzt sich seit Adam im Menschengeschlecht fort und bedeutet wirkliche Schuld (culpa). Trotzdem bleibt auch in diesem Zustand eine partielle Möglichkeit der menschlichen Natur zur Erkenntnis des Guten erhalten, insbesondere in seinem Gewissen (synderesis neben conscientia als lateinisches Fremdwort für συντήρησις/syntērēsis/Gewissen, neben dem biblischen συνείδησις/syneidēsis), mit dem der Mensch basale Grundelemente des göttlichen Willens (die lex naturalis/das Naturgesetz) erkennen kann.

fomes

synderesis

12.4.2 Das Versöhnungswerk Christi. Durch sein satisfaktorisches Opfer bewirkt Chris­tus die Tilgung des originale peccatum (Urstandssünde) im Hinblick auf Schuld (Besänftigung von Gottes Zorn) und Strafe (Befreiung von Verdammnis und Tod). Dies ist die reconciliatio (Versöhnung) mit Gott. Diese wird dem Menschen konkret zugänglich in den Sakramenten und der durch Gott geschenkten Veränderung. Dass einerseits Chris­ tus der eigentlich Handelnde in der Erlösung und den Sakramenten ist, die Erlösung aber durch die Verleihung der Liebe durch den Heiligen Geist im Leben des Einzelnen wirklich wird, lässt sich durch die Unterscheidung von gratia capitis (die Gnade, die mit Christus als dem Haupt zusammenhängt) und gratia unionis (die Gnade der Einheit, scil. der Liebe) ausdrücken. Letztere ist die gemäß Röm 5,5 in den Menschen einströmende Gnade (gratia infusa), die als göttliches Element (gratia increata) im Menschen wirksam ist. 12.4.3 Gnade und Verdienst. Die Summa Halensis betont die Gnadenhaftigkeit aller Gnade, die gratia gratis data (die umsonst gegebene Gnade), und differenziert dann näherhin die gratia large dicta (die im weiteren Sinne ausgesagte Gnade, d.h. die Schöpfungsausstattung) und die gratia proprie dicta (die im engeren Sinne ausgesagte Gnade, d.h. die Verleihung der Liebe). In der Erlösung ergreift Gott die Initiative (durch die gratia praeveniens/vorauseilende Gnade bzw. die gratia operans/die tätige Liebe). Durch die so hergestellte Willensbewegung des Menschen erreicht der Mensch ein meritum de congruo (ein Verdienst, das aufgrund der Übereinstimmung berücksichtigt wird) und knüpft an das an, was trotz Sündenfall noch ansatzweise gut ist (faciens quod in se est/er tut, was in ihm liegt). Damit hat der Mensch kein Verdienst in dem Sinne erreicht, dass er dadurch das ewige Leben erlangen könnte, aber er bewegt sich – durch die Gnade beeinflusst – in die richtige Richtung, und dies wird von Gott wohlwollend wahrgenommen. Das so sich verstärkende Erbarmen Gottes führt zu weiterer Zuneigung und Liebe, d.h. weiterer Gnade. Durch das meritum de congruo erreicht der Mensch so die dispositio (Anordnung bzw. Voraussetzung) für eine dauerhaft den Menschen verändernde Gnade (die gratia subsequens/nachfolgende Gnade bzw. gratia cooperans/die gemeinsam mit dem menschlichen Wollen handelnde Gnade bzw. gratia iustificans/die Gnade, die einen gerecht macht). Diese Gnade verändert den Menschen von seinem Verhalten (habitus) her und ist daher eine gratia habitualis (auf den Zustand/das Verhalten bezogene Gnade), die dem Menschen dauerhaft zugeeignet wird. Das durch diese Gnade ausge12. Die Franziskaner Alexander Halesius und Bonaventura

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gratia gratis data

meritum de congruo faciens quod in se est

dispositio

habitus

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meritum de condigno

löste Verhalten des Menschen führt nun zu Gott wohlgefälligen Werken, die Gott auch von ihrem Wert her anerkennt, zu merita de condigno (Verdiensten, die aufgrund ihrer Würde anerkannt werden). Auch diese Verdienste führen nicht zur Erlösung, sondern sind immer nur Bruchstücke dessen, was das ewige Leben erwerben würde. Sie sind aber würdige Bruchstücke, die von Gott anerkannt und zugleich bei der Verleihung des ewigen Lebens gnadenhaft überboten werden. 12.5 Literatur Lektüretipp: M. Schlosser: Bonaventura. »Der Weg zur Weisheit ist die Liebe zum Gekreuzigten«, in: U. Köpf (Hg.): Theologen des Mittelalters, 2002, 113-128. Quellen: A. Speer (Hg.): Bonaventura, Quaestiones disputatae de scientia Christi, 1992 [zweisprachig]. – J. Kaup (Hg.): Bonaventura, Itinerarium mentis in Deum. De reductione artium ad theologiam, 1961 [zweisprachig]. Literatur: E. Gössmann: Metaphysik und Heilsgeschichte. Eine theologische Untersuchung der Summa Halensis, 1964. – H.P. Weber: Sünde und Gnade bei Alexander von Hales. Ein Beitrag zur Entwicklung der theologischen Anthropologie im Mittelalter, 2003. – J.M. Hammond: A Companion to Bonaventure, 2014. – A. Gerken: Theologie des Wortes. Das Verhältnis von Schöpfung und Inkarnation bei Bonaventura, 1963. – M. Schlosser: Cognitio et amor. Zum kognitiven und voluntativen Grund der Gotteserfahrung nach Bonaventura, 1990. – F. Ciampanelli: »Hominem reducere ad Deum«. La funzione mediatrice del verbo incarnato nella teologia di San Bonaventura, 2010. – K.-H. Hoefs: Erfahrung Gottes bei Bonaventura. Untersuchungen zum Begriff »Erfahrung« in seinem Bezug zum Göttlichen, 1989. – J. Ratzinger: Offenbarungsverständnis und Geschichtstheologie Bonaventuras, 1955 (auch in: Benedikt XVI.: Gesammelte Schriften 2, 2009). – W. Hülsbusch: Elemente einer Kreuzestheologie in den Spätschriften Bonaventuras, 1968. – J.-G. Bougerol: Introduction à Saint Bonaventure, 1988. – U.G. Leinsle: Res et Signum. Das Verständnis zeichenhafter Wirklichkeit in der Theologie Bonaventuras, 1976. – R. Almagno/F.P. Papini/J.-G. Bougerol (Hg.): San Bonaventura 1274-1974, 5 Bde., 1972-1974.

13. Thomas von Aquin Den Höhepunkt der Scholastik bildet das umfangreiche Werk des Thomas von Aquin (Aquino) (1225-1274). Für seine Zeitgenossen galt er als ein berühmter Lehrer unter anderen (wie Albertus Magnus oder Bonaventura), doch ab dem 14. Jh. wurde er zunehmend zur Autorität, seit dem 16. Jh. zur Leitgestalt einer an Trient orientierten thomistischen Theologie.

13.1 Leben, Werk und Wirkung 2 Summen

Thomas hat eine umfassende Weltdeutung entfaltet und in zwei großen Summen niedergelegt (der Summa contra gentiles/Summe gegen die Heiden und der Summa theologiae/Summe der Theologie). Beeinflusst von Albertus Magnus hat er die Aristotelesrezeption konsequent auf alle theologischen Probleme angewandt, dabei aber Kritik am radikalen Aristotelismus (den sog. lateinischen Averroisten) geübt. Neben Aristoteles steht sein Gedankenreichtum auf der Grundlage eines neuplatonisch gefärbten Augustinismus. 806

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Außer den Summen und einem wichtigen Sentenzenkommentar hat er auch Kommentare zu biblischen Büchern sowie zu Schriften des Aristoteles, Boethius und des Ps.-Dionysius Areopagita verfasst und Einzelschriften zu Fragen der Philosophie und Theologie, Predigten und Schriften zum Mönchsleben geschrieben. 13.1.1 Leben: Stationen in Paris und Italien. Wohl 1225 als Sohn des Grafen von Aquino (bei Neapel) geboren, kam Thomas früh als puer oblatus (dargebrachter Junge) in das Kloster von Monte Cassino (vgl. § 6; 8.6.3). Nach seinem Eintritt in den Dominikanerorden (ca. 1244) studierte er 12481252 bei Albertus Magnus in Köln und las dann 1252-1255 als Baccalaureus im Ordensstudium in Paris über die Sentenzen und die Bibel. In dieser Zeit verfasste er auch erste Schriften (z.B. De ente et essentia/Über das Seiende und das Wesen; Text/Übers.: R. Allers, 1965; einen Jesajakommentar) und begann mit seinem Sentenzenkommentar. 1256 wurde er Magister an der Ordensschule, 1257 an der Universität Paris. 1259-1268 wirkte er als Ordenslehrer in Italien. Er vollendete ca. 1264 die in Paris begonnene Summa contra gentiles (Abk.: ScG), eine apologetische Darstellung der philosophischen Theologie im Gegenüber zu Juden, Muslimen, Heiden und Häretikern, die den Dominikanern bei der Häretikerbekämpfung hilfreich sein sollte. Danach begann er mit der Arbeit an der Summa theologiae (Abk. STh; vgl. § 10; 13.3.1). In diese Zeit fallen auch intensive Kontakte mit dem Papsttum im Zusammenhang der Unionsverhandlungen mit Byzanz, die sich u.a. in der Schrift Contra errores Graecorum (Gegen die Irrtümer der Griechen; ca. 1261-1264) niederschlug. Ein erneuter Parisaufenthalt 1269-1272 war durch die Auseinandersetzungen mit dem Averroismus geprägt (greifbar u.a. in De anima/Über die Seele). Ab 1272 baute er das Generalstudium der Dominikaner in Neapel auf und starb auf der Reise als päpstlicher Sachverständiger zum Konzil in Lyon 1274. Die Nachricht über eine grundsätzliche Resignation kurz vor dieser Reise (wonach er alles, was er geschrieben habe, für »Stroh« gehalten habe) ist in ihrer Deutung umstritten (Die Deutungen reichen von einer grundlegenden Einsicht in die Vergeblichkeit allen menschlichen Erkennens über eine mystische Erfahrung bis zur Annahme eines leichten Schlaganfalls). 13.1.2 Thomaskritik. Die Kritik an Thomas’ Lehren begann mit der 2. Pariser Lehrtätigkeit und setzte sich auch nach dessen Tod fort. In Paris und Oxford kritisierte besonders Johannes Peckham (ca. 1230-1292) Thomas und verurteilte als Erzbischof von Canterbury 1284/1286 den Thomismus förmlich. Eine literarische Fehde löste der Franziskaner Wilhelm de la Mare (gest. 1298?) mit seinem Correctorium fratris Thomae (Verbesserung des Bruders Thomas) aus. Einige Sätze des Thomas wurden ohne Namensnennung 1277 bei der Verurteilung des Averroismus (vgl. § 10; 11.2.5) mitverurteilt. Neben Kritikern aus dem Franziskanerorden wie Richard von Mediavilla (ca. 1249-1302/1308), Roger von Marston (ca. 1245-ca. 1303) und Matthäus von Acquasparta (ca. 1237-1302) gab es auch innerhalb des Dominikanerordens heftige Auseinandersetzungen (weswegen man 13. Thomas von Aquin

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Kommentare

Paris

Johannes Peckham

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Ordensdoktrin der Dominikaner

Cajetan

die Kontroverse nicht auf einen Gegensatz zwischen Franziskanern und Dominikanern reduzieren kann): Nach Robert Kilwardby (gest. 1279) und Dietrich von Freiberg (s. § 10; 15.2) löste Durandus von Porciano (gest. 1334) heftige Diskussionen innerhalb des Ordens aus, doch wurden Thomas’ Lehren 1309 und 1311 vom Generalkapitel der Dominikaner als Ordensdoktrin bekräftigt. Der Pariser Weltkleriker Heinrich von Gent (ca. 1217-1293) hat den Augustinismus als philosophische Position gegen den Thomismus profiliert und so Duns Scotus vorgearbeitet (s. § 10; 14.1). 13.1.3 Der Thomismus. Der Thomaskritik stand besonders im Dominikanerorden eine Position gegenüber, die Thomas zunehmend als geschlossene Konzeption der eigenen Theologie zugrundelegte, in Paris taten dies Johannes Quidort (gest. 1306) und Herveus Natalis (gest. 1323), in Neapel Johannes von Neapel (gest. nach 1336). Damit entstand der Thomismus, der im 14. Jh. in Paris von Johannes Capreolus (s. § 10; 17.1.3) ausgebaut wurde. Allerdings konnte der Thomismus sich in dieser Zeit nicht allgemein etablieren. Erst seit dem 16. Jh. dominierte er zusehends, was u.a. auf das Wirken der Spanier Juan de Torquemada, Domingo de Soto (1494-1560) und Melchior Cano (1509-1560) sowie auf den überragenden Einfluss des Italieners Thomas de Vio Cajetan (1469-1534) zurückging. Eine Gesamtausgabe von Thomas’ Werken erschien im Zusammenhang der nachtridentinischen Reformen 1569/1570 auf Weisung von Papst Pius V. (Editio Piana/ Pius-Edition, 18 Bde.), in kritischer Form seit 1882 auf Anordnung von Leo XIII. (Editio Leonina/Leo-Ausgabe, bisher 31 Bde.; Grundlage des Ende des 19. Jh.s im römischkatholischen Bereich prägenden Neuthomismus). Dem folgten im 20. Jh. zweisprachige Ausgaben (Summa theologiae seit 1933 in der Deutschen Thomas-Ausgabe, angelegt auf 37 Bde.; Summa contra gentiles ab 1982, hg. von K. Albert, 4 Bde.).

13.2 Gott und Welt

Natur und Gnade

Charakteristisch für Thomas’ Theologie ist die grundlegend ontologische Verhältnisbestimmung von Gott und Welt. Gott ist das höchste und schlechthinnig einfache Sein, bei dem alle Eigenschaften in höchster Vollendung zusammenfallen und sein Wesen ausmachen. Davon sind alle anderen Seienden zu unterscheiden, bei denen Sein und Wesen nicht automatisch zusammenfallen. Diese anderen Seienden sind von Gott als der ersten Ursache verursacht: Alles Seiende weist daher einen essentiellen Bezug auf Gott als Schöpfer auf. Zu diesem grundlegenden Bezug alles Seienden kommt jedoch das permanente Einwirken Gottes auf die Welt hinzu, mit dem Gott seine Schöpfung zu dem intendierten Ziel der Vollendung führt. Somit greifen Natur und Gnade ineinander. Auf der einen Seite entstehen Erkenntnis, Glaube und Tugend nur so, dass die menschliche Natur mit ihren Möglichkeiten genutzt wird. Auf der anderen Seite reicht das nicht, die menschliche Natur ist nicht nur aufgrund ihres Verursachtseins von Gott abhängig, sondern wird permanent von Gott gnadenhaft vollendet und ist darauf angewiesen. Diese ontologische Grundlegung führt zu einer Harmonie zwischen Vernunft und Glaube, Philosophie und Theologie. 13.2.1 Drei Arten von Sein. Thomas hatte schon in seiner Schrift De ente et essentia (Über das Seiende und das Wesen) drei Arten von Wesen unterschieden: a) Gottes 808

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Wesen, das mit seinem Sein zusammenfällt. Gott ist unzusammengesetzt, also simplex (einfach, schlechthinnig). Man kann daher bei ihm nicht zwischen Form und Materie, Potentialität und Aktualität unterscheiden, b) den körperlosen Substanzen, bei denen Sein und Wesen nicht zusammenfallen. Sie sind begrenzt durch ihre Natur (getreu dem Grundsatz: finitum non est capax infiniti/das Endliche kann das Unendliche nicht aufnehmen), haben jedoch keine Materie. Da die Materie das Prinzip der Individuation ist (durch welche sich verschiedene Exemplare einer Gattung unterscheiden), kann man diese Substanzen nicht unter Gattungen subsumieren, sondern muss annehmen, dass sie jeweils eine eigene Art bilden. Dies ist bei den Engeln auch tatsächlich der Fall. Bei der menschlichen Seele hingegen ändert sich das durch die Verbindung mit dem Körper. Durch diese Verbindung erhält der Körper (als Materie) seine Form. Diese Verbindung ist jedoch so eng, dass es eine Rückwirkung auf die Seele gibt: Sie behält nämlich die Individuation auch bei, wenn sie vom Körper gelöst wird. Dadurch ergibt sich für die menschliche Seele eine besondere Problemlage, weil sie einerseits durch die Verbindung mit dem Körper Individuation erlebt und entsprechend in ihren Erkenntnisbedingungen eingeschränkt ist, andererseits aber nicht selbst aus Form und Materie zusammengesetzt ist, sondern ontologisch mit den körperlosen Substanzen vergleichbar ist. c) Die dritte Art des Wesens ist durch den Gegensatz von Form und Materie bestimmt und trifft für alle Seienden zu, die keine menschliche Seele haben. 13.2.2 Thomas’ Position im Universalienstreit. Seine ontologische Position führte Thomas zu einer differenzierten Haltung im Universalienstreit. Nur Gott kann aufgrund seiner Natur Erkenntnis haben, alle anderen Seienden erreichen die Erkenntnis in Entsprechung zu ihrem Verursachtsein. Bei den körperlosen Substanzen sind dabei die intelligiblen Formen eingeprägt. Der Mensch hingegen ist durch seine Verbindung mit dem Körper nicht in der Lage, unmittelbar die intelligiblen Formen und die Ideen zu erkennen, sondern ist auf die sinnliche Wahrnehmung und die daraus abgeleiteten Vorstellungen (phantasmata) angewiesen. Erst in Abstraktion von diesen kann er zur Erkenntnis von rationalen Wahrheiten gelangen. Insofern bestehen die Allgemeinbegriffe zwar von Gott aus gesehen ante rem (vor dem Ding), durch das Inhärieren der Formen in den materiellen Einzeldingen sind sie in rebus (in den Dingen), vom menschlichen Intellekt aus aber sind sie post rem (den Dingen nachgeordnet). Menschliche Erkenntnis ist für Thomas daher nur möglich als Analyse der Einzeldinge und die entsprechend darauf aufbauende Abstraktion. Von diesem Ansatz aus konnte er auf die empirisch-induktive Herangehensweise des Aristoteles besonders umfassend zurückgreifen. 13.2.3 Vernunft und Glauben bei Thomas. Das Verhältnis von Vernunft und Glauben behandelte Thomas differenziert (grundsätzlich in ScG I,1-9). Die ratio (Vernunft) ist ein natürliches Vermögen, die fides (der Glaube) dagegen basiert auf einem göttlichen Gnadenakt. Erstere bildet ein auf den natürlichen Seinsbereich bezogenes Wissen (und kann damit sogar zur Gotteserkenntnis gelangen), der Glaube hingegen erfasst die über der Vernunft stehenden Wahrheiten des übernatürlichen Bereichs, setzt dabei aber natürliche Erkenntnis voraus (insofern liefert die Vernunft die praeambula fidei/die Vorrede des Glaubens). Beide können, wenn die Vernunft richtig arbeitet, nicht in Widerspruch geraten, weil beide von Gott stammen. Die Begrenztheit der menschlichen Vernunft basiert nicht auf dem Sündenfall, sondern ist ontologisch begründet: Sie ist für den Bereich der Natur zuständig. Als lumen naturale (natürliches Licht bzw. Erkenntnisvermögen) empfängt sie jedoch durch den Glauben als lumen gratiae (durch die Gnade entstehendes Licht bzw. Erkenntnisvermögen) eine größere Kraft (STh I,12-13). 13. Thomas von Aquin

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Gottes Wesen

Engel Menschen

Unbeseeltes

Empirie

lumen naturale – lumen gratiae

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13.3 Gott als Schöpfer und Vollender Die ontologische Grundbestimmung des Verhältnisses von Gott und Welt beschreibt Gott zugleich als prima causa efficiens (erste Wirkursache) und als Ziel aller Vollendung. Die Welt ist in ihrer Ursächlichkeit wie in ihrer teleologischen Ausrichtung von Gott bestimmt. Dies schlägt sich im Aufbau der Summa theologiae paradigmatisch nieder, weil hier von der Gotteslehre aus eine Schöpfungslehre und die Lehre von der Vollendung entworfen werden. Es ist zugleich die Grundlage der Beschreibung des Menschen als erkennenden, glaubenden und handelnden Individuums, das von Gott zur Vollendung geführt wird (durch das Christusereignis und die Sakramente).

Supplementum

13.3.1 Aufbau der Summa theologiae. Die Summa theologiae wurde ursprünglich als Einleitungsschrift für das Studium konzipiert, veränderte aber durch die Überarbeitung ab 1269 ihren Charakter und wurde zu einem umfassenden Grundlagenwerk. Teil I (prima pars = Ia/erster Teil) und Teil II (in zwei Teilen: prima secundae = Ia-IIae/erster Teil des zweiten Teils und secunda secundae = IIa-IIae/zweiter Teil des zweiten Teils) konnte Thomas fertigstellen, Teil III blieb unvollendet und wurde nach seinem Tod von Schülern durch ausführliche Auszüge aus dem Sentenzenkommentar ergänzt (sog. Supplementum/Ergänzung). Jeder Teil ist in quaes­ tiones (Untersuchungen/Fragestellungen) gegliedert, die sich wiederum in unterschiedlich viele articuli (Artikel) gliedern. So entstehen Angaben wie STh Ia-IIae q. 112, a. 5 (= Summa Theologiae, erster Teil des zweiten Teils, quaestio 112 De causa gratiae/Über die Ursache der Gnade, articulus 5: utrum homo possit scire se habere gratiam/Ob der Mensch wissen kann, dass er die Gnade hat). Prima pars: De Deo a) Gotteslehre (Ia, q. 2-26), b) Trinitätslehre (Ia, q. 27-43), c) Schöpfungslehre (Ia, q. 44-119): Engel, Körper, Mensch Prima pars secundae partis: De motu rationalis creaturae in Deum (Über die Bewegung der vernunftbegabten Schöpfung auf Gott zu): a) Über das menschliche Handeln und Wollen: Affekte (passiones) b) Über die Ursachen menschlichen Handelns: Tugend allgemein (virtus), Sünde (peccatum/vitium), Gesetz (lex), Gnade (gratia)

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Secunda pars secundae partis: De actibus humanis in particulari (Über das menschliche Handeln im besonderen) a) Drei theologische Tugenden: fides, spes, caritas (Glaube, Hoffnung, Liebe) b) Vier Kardinaltugenden: prudentia, iustitia, fortitudo, temperantia (Klugheit, Gerechtigkeit, Mut, Mäßigung) c) Über die Gnadengaben (Prophetie, kontemplatives Leben, Vervollkommnung) Tertia pars: De Christo qui secundum quod homo via est nobis tendendi in Deum (Über Christus, der, insofern er Mensch ist, für uns der Weg ist, zu Gott zu streben) a) Christologie (Einheit von Gottheit und Menschheit, Wissen und Macht Christi) b) Das Heilswerk Christi (Empfängnis, Beschneidung, Taufe, Leiden, Erhöhung) c) Sakramentenlehre: Taufe, Firmung, Eucharistie Supplementum ergänzt: Buße, Letzte Ölung, Priesterweihe, Ehe, d) Ewiges Leben Dieser komplexe Aufbau zeigt die für Thomas typische Verschränkung von Natur und Gnade, wobei die Gnade die Natur einholt und überbietet: Auf der einen Seite wird die Schöpfungslehre nicht nur mit einer umfassenden Anthropologie abgeschlossen, sondern zugleich um das Heilswirken Gottes in Gesetz und Gnade und deren habituelle Realisation als Tugendlehre ergänzt. Auf der anderen Seite greift die Erlösungslehre auf die Einheit der menschlichen Natur mit der göttlichen Natur in Christus zurück und entwickelt von da aus eine Deutung besonders des Leidens Christi und eine als Sakramentenlehre gefasste Ekklesiologie. Auffällig ist in der Tat, dass die Christologie erst im dritten Teil ausführlich Gegenstand der Darstellung wird, sie ist jedoch auch im zweiten Teil inhaltlich tragend. Das soteriologische Interesse des Thomas kommt in der Konzentration auf den Weg des Menschen besonders zum Ausdruck, dessen Ausgang und Verursachtsein von Gott (II. Teil) durch die Zurückführung zu Gott (III. Teil) überboten wird. Es entspricht dem Verhältnis von Natur und Gnade, dass Thomas nicht bei einer Tugendlehre stehen bleiben kann, sondern auf eine umfassende Sakramentenlehre abzielt. Das christliche Leben wird so als von Gott ermöglichtes und stetig geleitetes Glaubensleben (Tugenden und Sakramente) gedeutet.

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Christologie

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Plausibilität

13.3.2 Die fünf Wege. Im Zusammenhang der Gotteslehre in der Summa Theologiae entwickelt Thomas fünf Argumente, die die Vernunft zu der Einsicht in die Existenz Gottes führen (STh I,2,3; eine etwas andere Form zuvor in ScG I,13; Text/Übers.: Die Gottesbeweise, hg. von H. Seidl, 2. A. 1986). Diese Argumente werden von Thomas als quinque viae (fünf Wege) bezeichnet. Es sind keine strikten Gottesbeweise, sondern Argumente für die Plausibilität, denen sich die abstrahierende Vernunft nur schwerlich entziehen kann. Damit unterschied sich Thomas etwa von Anselm und dessen ontologischem Argument. Grundlegend ist für Thomas, dass die Vernunft die Verursachung des Seins und seine natürliche Zielgerichtetheit nur auf ein letztes begründendes Sein zurückführen kann, das alle Gott nennen. 1. Gott als primum movens (erstes Bewegendes): Alle Dinge, die in der Welt bewegt werden, werden von etwas bewegt, was endlich auf ein erstes Bewegendes führt. 2. Gott als causa efficiens prima (erste Wirkursache): Alle wirkenden Ursachen hängen selbst von einer Wirkursache ab. Da ein regressus ad infinitum nicht möglich ist, muss es eine erste Wirkursache geben. 3. Gott als causa necessitatis (Ursache von Notwendigkeit): Alles Seiende ist entweder kontingent (und durch Notwendiges verursacht) oder notwendig. Das führt darauf, dass am Ende dieser Kette eine erste Ursache von Notwendigkeit bestehen muss. 4. Gott als optimum et maxime ens (als bestes und in höchstem Maße Seiendes): Die Stufen der Vollkommenheit in den Dingen führen zu einem Besten, das Ursache allen Seins und Gutseins und aller Vollkommenheit ist. 5. Gott als Finalursache: Die planmäßige, zielgerichtete Anordnung der Natur (gubernatio rerum/Lenkung der Dinge), wonach alle denkenden Wesen die bestmögliche Verwirklichung anstreben, verweist auf einen Geist, von dem alles auf dieses Ziel hin geordnet wird. 13.3.3 Die analogia entis. Das Denken des Thomas mit dem Begriff der analogia entis (Entsprechung im Sein) zu kennzeichnen, ist erst ab dem 16. Jh. (seit Cajetans Kommentierung) üblich geworden. Obwohl diese Denkfigur für Thomas keine so zentrale Rolle spielte, bezeichnet sie zutreffend, dass es für Thomas einen grundlegenden ontologischen Zusammenhang zwischen Gott und Welt gibt, der bei allen Brechungen (über die sinnlichen Wahrnehmungen bzw. die Begrenztheit der endlichen und besonders der 812

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menschlichen Natur, darüber hinaus durch die Sünde) erhalten bleibt und dazu führt, dass menschliche Aussagen einen ontologischen Wahrheitsgrund haben.

13.4 Gnadenlehre bei Thomas Auf der Grundlage seiner Ontologie (s. § 10; 13.2) hat Thomas eine umfassende Gnadenlehre entwickelt, die insbesondere die Wirksamkeit Gottes in ihrem Verhältnis zur menschlichen Natur thematisiert. Eine differenzierte Sicht auf das Innere des Menschen, seine Erkenntnis, sein Wollen und seine Gefühle sowie auf das menschliche Verhalten, besonders in der Tugendlehre, verband Thomas mit der Betonung der Gnadenhaftigkeit der göttlichen Zuwendung. Gnade ist für Thomas nicht nur die einmalige Bekehrung zum Glauben, sondern auch die dauerhafte Einwirkung Gottes auf den zu erlösenden Menschen. Dieses Interesse an der Dauerhaftigkeit der Gnade im menschlichen Leben führte Thomas zu wirkmächtigen Formulierungen über den Glauben, der in der Liebe tätig ist (Gal 5,6) und als dauerhafte Haltung (habitus) zu christlicher Tugend führt. 13.4.1 Gnade als Bewegung des Willens und als Gabe. Der Kern der Gnadenlehre betrachtet die gratia gratum faciens (die Gnade, die einen Gott wohlgefällig macht). Davon unterschied Thomas die gratia gratis data (die umsonst gegebene Gnade), die er – anders als die Summa Halensis – darauf bezog, dass Menschen von Gott eingesetzt werden, um andere zur Gnade zu führen. Die gratia gratum faciens, die eigentliche Begnadung des Menschen, die mit Gott verbindet, besteht aus zweierlei: a) aus einer Bewegung des freien Willens (motus liberi arbitrii): Gott dreht die Seele um und lenkt sie mit ihrem Wollen zu sich selbst. Dies geschieht, ohne dass der Mensch selbst dafür etwas leisten oder sich vorbereiten kann. Es ist ein Handeln Gottes im freien Willen des Menschen und insofern auch keine qualitas (Qualität bzw. Eigenschaft), b) aus der Verleihung eines donum habituale (einer Gabe, die mit einer Haltung bzw. einem Zustand verbunden ist): Der Mensch, dessen Inneres durch die Gnade bewegt wird, gerät durch göttliche Unterstützung in einen dauerhaften Zustand zunehmender Gottesliebe und entsprechender Tugendhaftigkeit. Für diese Dauerhaftigkeit ist das Bewegtwerden des Willens eine Vorbereitung, als dauerhafter habitus (Haltung, Zustand) ist es eine qualitas quaedam (in gewisser Weise eine Eigenschaft – in gewisser Weise, weil dieser habitus nicht auf die menschliche Natur zurückgeht, sondern das kontinuierliche Gnadenhandeln Gottes voraussetzt). 13.4.2 Natur und Gnade. Das Gnadenhandeln Gottes erschöpft sich nicht in einer Wiederherstellung der Natur, sondern bietet mehr. Insofern überbietet der Zustand des Erlösten den Zustand auch der natura integra (der intakten Natur, d.h. Adams vor dem Fall). Ja, Adam hat schon vor dem Fall Gnade bekommen, um so die iustitia originalis (die im Urzustand vorhandene Gerechtigkeit) zu haben. Die natura corrupta (verdorbene Natur) nach dem Fall braucht die Gnade Gottes in noch größerem Maße, weil sie zusätzlich zu dem, was sie aufgrund der Begrenztheit der Natur an Gnade braucht, noch Gnade als Heilung von den Sünden benötigt. Dieses komplexe Verhältnis drückte Thomas mit der Unterscheidung von lumen naturale (von der Natur gegebenes Licht bzw. Vermögen) und lumen gratiae (dem von der Gnade verliehenen Licht bzw. Vermögen) aus. Auf das erste beziehen sich die virtutes acquisitae (die erworbenen Tugenden), die 13. Thomas von Aquin

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gratia gratum faciens

donum habituale

virtutes acquisitae – infusae

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der Mensch aufgrund seiner Vernunft und des Naturgesetzes erreichen kann. Auf den Gnadenzustand beziehen sich die virtutes infusae (eingegossenen Tugenden), die a) von Gott auf göttliche Weise geschenkt sind und b) zu Gott führen. Diese durch die Begnadung geschenkten Tugenden (die nicht mit der Gnade identisch, sondern Wirkungen der Gnade sind), beschränken sich nicht auf das, was die menschliche Natur von sich aus leisten kann, sondern bringen mehr, aber doch so, dass die menschliche Natur dabei nicht zerstört, sondern gleichsam übernatürlich überformt wird. Thomas benutzt hin und wieder das Adjektiv supernaturalis (übernatürlich), ohne dass es zum eigentlichen Schlüsselbegriff wird (wie im Neuthomismus des 19. Jh.s). Bei ihm meint es den Aspekt der Gnade, der die menschliche Natur überformt und ihr mehr schenkt, als sie von sich aus vermag.

5 Gnaden­ wirkungen

iustificatio

fides caritate formata

13.4.3 Wirkungen der Gnade. Gnade ist einerseits zu verstehen als Handeln Gottes (als gratia operans/tätige Gnade), andererseits als Handeln Gottes im Menschen, in dem der Mensch nicht nur Objekt ist, sondern als Subjekt im Glauben, Wollen, Lieben und ethischen Verhalten aktiv ist (als gratia cooperans/mit dem Menschen wirkende Gnade). Thomas benennt eine Abfolge von fünf Gnadenwirkungen: 1. Heilung der Seele, 2. Wollen des Guten, 3. Tun des Guten, 4. Beharren im Guten und 5. Eingang in die Herrlichkeit. Jede Gnadenwirkung geht der folgenden voraus (als gratia praeveniens/ vorauskommende Gnade) und folgt ihrerseits einer anderen Gnadenwirkung (als gratia subsequens/nachfolgende Gnade; mit Ausnahme der ersten, die im Menschen wirkt, ohne dass er dies vorbereiten konnte). So entsteht eine das ganze Leben umfassende Beschreibung der Gnadeneinwirkung des Menschen, die sich auch in Thomas’ Verständnis von iustificatio (Gerechtmachung) niederschlägt. Thomas versteht unter der iustificatio impii (der Gerechtmachung des Gottlosen) das Miteinander von vier Elementen: 1. Verleihung der Gnade, 2. Bewegtwerden des freien Willens auf Gott zu, 3. Ablehnung der Sünde und 4. Vergebung der Schuld. Diese Vorstellung ist eng mit der Tauflehre und somit mit der Sakramentenlehre verknüpft, denn in der Taufe geschehen genau diese vier Dinge. Die Eingießung der Gnade bewirkt als Bewegung des menschlichen Willens den Glauben, für den Thomas einerseits die bewusste Zustimmung (assensio) zum Inhalt des Glaubens betont, andererseits betont, dass sich der Glaube nur dann als dauerhaft erweist, wenn aus dem bloßen Für-Richtig-Halten eine Haltung wird. Dies geschieht insbesondere durch die Liebe. Thomas kann daher formulieren, dass aus der fides informis (dem Glauben, der noch nicht seine Form gefunden hat) eine fides caritate formata (ein Glaube, der durch die Liebe seine Form gefunden hat) wird. Die Liebe (gemäß Gal 5,6) erweist sich somit als die besonders herauszuhebende Tugendwirkung der Gnade. Rechtfertigung und Glaube werden stark auf das von Gott ermöglichte richtige Verhalten bezogen. 13.5 Literatur Lektüretipp: V. Leppin: Thomas von Aquin, 2009. Literatur: V. Leppin (Hg.): Thomas Handbuch, 2016. – B. Davies (Hg.): The Oxford Handbook of Aquinas, 2012. – N. Kretzmann/E. Stump (Hg.): The Cambridge Companion to Aquinas, 15. A. 2009. – D. Berger: Thomas von Aquins »Summa theologiae«, 2004. – R. Heinzmann: Thomas von Aquin. Eine Einführung in sein Denken, 1994. – S.J. Loughlin: Aquinas’ Summa Theologiae, 2010. – O.H. Pesch: Thomas von Aquin. Grenze und Größe mittelalterlicher Theologie. Eine Einführung, 3. A. 1995. – G. Mensching: Thomas von Aquin, 1995. – J. Pieper: Thomas von Aquin. Leben und Werk, 2014. – J.A. Aertsen: Nature and Creature, 1988. – W. Mostert: Menschwerdung. Eine historische und dogmatische Untersuchung über das Motiv der Inkarnation des Gottessohnes bei Thomas von Aquin, 1978. – 814

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§ 10 Theologie und Frömmigkeit im Mittelalter

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M. Scheuer: Weiter-Gabe. Heilsvermittlung durch Gnadengaben in den Schriftkommentaren des Thomas von Aquin, 2001. – K. Bernath (Hg.): Thomas von Aquin, 2 Bde., 1978.1981. – J.A. Weisheipl: Thomas von Aquin. Sein Leben und seine Theologie, 1980. – S.-M. Barbellion: Les »preuves« de l’existence de Dieu. Pour une relecture des cinq voies de saint Thomas d’Aquin, 1999. – L.J. Elders: Die Metaphysik des Thomas von Aquin in historischer Perspektive, 2 Bde., 1985.1987. – W. Kluxen: Philosophische Ethik bei Thomas von Aquin, 3. A. 1998. – A. Zimmermann (Hg.): Thomas von Aquin. Werk und Wirkung im Licht neuerer Forschungen, 1988. – J.-H. Tück: Gabe der Gegenwart. Theologie und Dichtung der Eucharistie bei Thomas von Aquin, 3. A. 2014. – F.C. Bauerschmidt: Thomas Aquinas. Faith, Rea­ son, and Following Christ, 2013. – P.D. Hellmeier: Anima et intellectus. Albertus Magnus und Thomas von Aquin über Seele und Intellekt des Menschen, 2011.

14. Die Betonung des göttlichen Wollens bei Johannes Duns Scotus Bereits eine Generation nach Thomas und Bonaventura gewann die Scholastik eine neue Gestalt, weil Aristoteles nun deutlich kritischer rezipiert wurde. Zwar wurden die aus ihm gewonnenen logischen Hilfsmittel zunehmend verfeinert, doch wurden Philosophie und Theologie grundlegend unterschieden. Der Scotismus entfaltete durch seine Konzeption von Theologie ebenso Wirkung wie durch eine Reihe besonderer Lehren.

14.1 Gotteslehre, Metaphysik und Offenbarungslehre Duns Scotus unterschied die Theologie von der Philosophie. Letztere geht von der empirischen Wahrnehmung aus und folgert daraus Grundsätze im Hinblick auf Gott und Welt. Sie ist zugleich grundlegend dadurch belastet, dass sie hierbei vom Sichtbaren auf das Unsichtbare übergehen muss – ohne diesen Übergang logisch unmittelbar herleiten zu können. Also kann sie zwar Aussagen über ein unendliches Sein treffen, damit jedoch letztlich Gott nicht ergründen. Demgegenüber konzentriert sich die Theologie auf Gottes heilsgeschichtliches Handeln. Gott ist dabei das Ziel des Menschen. Theologie wird deshalb als scientia practica (auf das Handeln ausgerichtete Wissenschaft) konzipiert. 14.1.1 Leben und Werk von Johannes Duns Scotus. Der Schotte Johannes aus dem Ort Duns trat früh dem Franziskanerorden bei, lehrte als Sentenzen-Baccalaureus in Cambridge, Oxford (um 1300) und in Paris (1302); er hielt im Streit zwischen Philipp von Frankreich und Bonifatius VIII. (s. § 9; 12.1) zum Papst, kehrte 1305 nach Paris zurück, bevor er 1308 – als Gegengewicht zur Ordensschule der Dominikaner – als Lektor an den Franziskanerkonvent in Köln geholt wurde. Der Tradition galt er als doctor subtilis (scharfsinniger Lehrer). Wegen des frühen Todes ist – neben Aristoteleskommentaren – seine Theologie vor allem aus dem Sentenzenkommentar zu erheben, der in mehreren Fassungen erhalten ist: Die lectura (die Vorlesung [scil. aus Oxford]) hat er als Ordinatio (Ordnung) überarbeitet (doch ist die Überarbeitung nicht abgeschlossen; beides zusammen bildet das sog. Opus Oxoniense/Werk aus der Oxforder Zeit). Dies wird durch Vorlesungsmitschriften aus der Pariser Zeit ergänzt, die sog. Reportationes 14. Die Betonung des göttlichen Wollens bei Johannes Duns Scotus

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scientia practica

Paris und Köln

Opus Oxoniense

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(Berichte). Hinzu kommt eine Sammlung von Disputationen (das Quodlibetum/Was gefällt; die Quodlibet-Disputationen waren thematisch nicht gebundene Untersuchungen im Universitätsbetrieb).

distinctio formalis

haecceitas

Wille Gottes

potentia absoluta – ordinata

14.1.2 Die Universalienbegriffe. Für die Universalienlehre hat Duns Scotus eine Lösung entwickelt, die einen Mittelweg zwischen Realismus und Nominalismus sucht. Im Zusammenhang der Gotteslehre fragt Duns Scotus danach, ob Weisheit und Güte in Gott bereits real unterschieden sind, bevor beides dem Intellekt bekannt wird. Dies ist insofern der Fall, als beide als wirkliche Entitäten bei der einen Natur Gottes bestehen, obwohl sie miteinander nicht ohne weiteres identisch sind. Diese Unterschiedenheit ist daher keine naturhafte, materiale, sondern eine formale, auf die einzelnen Aspekte bezogene Unterschiedenheit, eine distinctio formalis (auf die Form bezogene Unterschiedenheit). Der Unterschied zwischen Weisheit und Güte entsteht also nicht erst durch das menschliche Denken, ist aber auch nicht einfach als materialer Unterschied zweier Realitäten (bei Gott) anzusetzen. Dies gilt für alles, was als Allgemeines existiert: Das Allgemeine hat seine Realität in den Einzeldingen, ohne dass es aufhört, selbst als Entität der Natur zu bestehen. Das individuelle Sein ist weder bereits durch die materia (Materie, hier analog zu Natur) begründet, noch durch die Anwendung einer forma (Form), sondern gewinnt in dem Miteinander von Allgemeinem und Besonderem seinen eigenen Charakter, die haecceitas (die »Dies-heit«).

14.1.3 Die potentia absoluta Gottes. Wenn Gott in augustinischer Tradition als memoria – intellectus – voluntas (Gedächtnis – Erkenntnisvermögen – Wille) zu verstehen ist, so handelt es sich dabei nicht um drei material verschiedene Entitäten, sondern um Unterschiede, die unlösbar auf die eine Natur bezogen bleiben (im Sinne einer distinctio formalis, vgl. § 10; 14.1.2). Entsprechend lässt sich sagen, dass Gott mit seinem intellectus alle Möglichkeiten des Seins gedacht hat, dann aber mit seiner voluntas das reale Sein geschaffen hat. Gott entscheidet sich für die eine Möglichkeit, die als Schöpfung Realität geworden ist. Mit dieser Festlegung entscheidet sich Gott zugleich dafür, die Glaubenden zu erlösen und ihnen durch Gnade und die Heilsmittel der Kirche den Glauben zu schenken. Die in Schöpfung und Erlösung zum Ausdruck kommende Macht Gottes ist dessen potentia ordinata (mit der Ordnung verbundene Macht). Gott kann sie an sich durchbrechen und von seiner potentia absoluta (der [scil. von der Ordnung] losgelösten Macht) Gebrauch machen, doch müsste man auch dann annehmen, dass selbst dieser Gebrauch der potentia absoluta nicht inordinate (ohne Ordnung) geschieht, da Gott diese Durchbrechungen durchdacht hat und mit heilsgeschichtlicher Abzweckung vornimmt. Vorstufen dieser Unterscheidung hatten bereits die Summa Halensis und Wilhelm von Ware entwickelt, Scotus’ Lehre wurde von Ockham aufgegriffen und modifiziert.

14.2 Anthropologie und Christologie Die Sündenlehre des Duns Scotus ist personalistisch geprägt, Person und Natur sind beim Menschen nicht unterschieden (sehr wohl aber bei Chris­ 816

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§ 10 Theologie und Frömmigkeit im Mittelalter

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tus, in dem zwei Naturen zu einer Person zusammentreten). Das peccatum originale (die Erbsünde, d.h. die vom Ursprung her stammende Sündhaftigkeit) ist nicht ein vererbbarer Zustand, sondern die schuldhaft gestörte Gottesbeziehung der ganzen Menschheit. Da der Wille die Individualität ausmacht, ist die verkehrte Ausrichtung des Willens für die Identität des Menschen entscheidend. Der Mensch ist zwar dank seiner Willensfreiheit grundsätzlich in der Lage, die Gebote zu erfüllen, weil Gott nichts Unmögliches verlangt, ohne Gnade jedoch kann er aufgrund der gestörten Gottesbeziehung die Sünde nur vermeiden, erst die von Gott geschenkte Liebe ermöglicht das Tun des Guten. Voraussetzung hierfür ist das Heilswerk Gottes.

Erbsünde

14.2.1 Die Erwählung Jesu Christi. Mit der Betonung der Prädestination, die Ausdruck der Souveränität wie der Selbstbindung Gottes ist, nahm Duns Scotus eine seit Augustin umstrittene Lehre auf. Die Menschwerdung Jesu Christi ist als Ausdruck der Liebe Gottes von Gott vorgesehen und wäre auch geschehen, wenn Adam nicht gefallen, ja selbst dann, wenn er nicht geschaffen wäre. Sie ist Ausdruck der Liebe Gottes und dient der Herrlichkeit Gottes. Dass sie erlösend wirkt, ist eine hinzukommende heilsame Wirkung, nicht jedoch ihr eigentlicher Sinn. Damit bestritt Duns Scotus die weit verbreitete Auffassung, der Grund der Inkarnation liege in der Befreiung von der Erbsünde. 14.2.2 Mariologie. Gegenüber der weit verbreiteten Auffassung, Maria sei von sündigen Eltern geboren, erörterte Duns Scotus die Möglichkeit, dass Gott sie im Hinblick auf die Vollkommenheit und das Erlösungswerk Christi vom Makel der Erbsünde befreit habe. Ohne eine stringente Lehre zu entfalten, hat er damit eine Tradition angestoßen, die seit 1320 zu einem Konfliktpunkt zwischen Dominikanern und Franziskanern wurde. Letztere lehrten oft die immaculata conceptio (die unbefleckte, d.h. von der Erbsünde freie Empfängnis) Mariens. 1387 verurteilte die Pariser Universität die dominikanische Kritik. Das Konzil von Basel 1438 bekräftigte diese Lehre und bestätigte den 8. Dezember als Fest der Empfängnis Mariens. Die liturgische Praxis gab der Vorstellung Auftrieb, wie sich 1483 an der Verurteilung der dominikanischen Kritik durch Papst Sixtus IV. zeigte (Text/Übers. z.T.: DH 1425f.). Erst mit der Dogmatisierung von 1854 wurde die Frage abschließend lehramtlich entschieden.

unbefleckte Empfängnis

14.3 Gnade als Akzeptation Aufgrund seines personalistischen Ansatzes kam Duns Scotus zu einer von Thomas und der bisherigen Scholastik abweichenden Gnadenlehre. Da er die Sündigkeit als gestörte Gottesbeziehung und Gottes Wesen als Liebe und Allmacht verstand, sah er Neuwerdung und Heil in der göttlichen acceptatio (Annahme) begründet. Diese Akzeptationstheorie betonte weniger die dauerhafte Wirkung der Gnade (z.B. in der Tugendlehre, wie bei Thomas) als vielmehr die grundlegende Zuwendung des gnädigen Gottes, dessen Freiheit und Barmherzigkeit betont werden. An das augustinische Erbe anknüpfend verband Duns Scotus dies mit einer Prädestinationslehre, die die Freiheit und Unabhängigkeit Gottes betonte. Die Prädestination begründet die grundlegende Annahme bzw. Akzeptanz des Menschen, die sich dann 14. Die Betonung des göttlichen Wollens bei Johannes Duns Scotus

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Prädestinationslehre

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Reue

in einer Vorbereitung des Menschen, in der Disposition für die heiligende und gerechtmachende Gnade niederschlägt (die dann zu einem entsprechenden habitus/einer Haltung bzw. einem Zustand führt). Vermittelt wird die grundlegende Annahme durch Christi Versöhnungswerk, welches als Ausdruck der göttlichen Liebe den Menschen zur Erwiderung der Liebe anregt, und durch die kirchlichen Sakramente zugänglich ist, welche als von Gott eingesetzte Instrumente die gratia infusa (eingegossene Gnade) verleihen. Für das ewige Heil sind jedoch nicht die daraus folgenden Liebeswerke entscheidend, denen durchaus ein gewisser Verdienstcharakter zukommt, sondern allein Gottes souveräne Annahme des einzelnen Menschen. Damit findet sich das Verhältnis von potentia ordinata (im Versöhnungswerk und den Sakramenten »geordnet«) und potentia absoluta (in der freien Gnadenwahl) (vgl. § 10; 14.1.3) in der Gnadenlehre wieder. Die Betonung der göttlichen Akzeptation schwächte die Bedeutung der Heiligung und der tätigen Liebe ab: Gott kann einem Menschen die ewige Seligkeit schenken, wenn dieser nicht den Gnadenhabitus aufweist. Dementsprechend ist in der Buße nicht die echte Herzensreue (contritio cordis) notwendig für die Sündenvergebung, sondern es reicht bereits die Reue aus Furcht vor Strafe (die attritio), der die wirkmächtige Lossprechung durch den Priester gegenübersteht. Für die Volksfrömmigkeit wirkte diese Annahme, die auf die Betonung der gnädigen Zuwendung Gottes zielte, als Relativierung der aufrichtigen Bußhaltung und stärkte einen sakramentalen Formalismus. 14.4 Literatur Lektüretipp: L. Honnefelder: Johannes Duns Scotus, 2005. Literatur: M. Dreyer/M.B. Ingham: Johannes Duns Scotus zur Einführung, 2003. – M.B. Ingham: Johannes Duns Scotus, 2006. – R. Cross: Duns Scotus on God, 2005. – T. Williams (Hg.): The Cambridge Companion to Duns Scotus, 2003. – O. Boulnois: Duns Scotus. Die Logik der Liebe, 2014. – Proceedings of »The Quadruple Congress« on John Duns Scotus, 4 Bde., 2010-2013. – M. Burger: Personalität im Horizont absoluter Prädestination, 1994. – W. Dettloff: Die Lehre von der acceptatio divina bei Johannes Duns Scotus mit besonderer Berücksichtigung der Rechtfertigungslehre, 1954. – L. Honnefelder: Ens inquantum ens. Der Begriff des Seienden als solchen als Gegenstand der Metaphysik nach der Lehre des Johannes Duns Scotus, 1979. – Ders./R. Wood/M. Dreyer (Hg.): John Duns Scotus. Metaphysics and Ethics, 1996. – H. Möhle: Ethik als scientia practica nach Johannes Duns Scotus, 1995. – W. Pannenberg: Die Prädestinationslehre des Duns Skotus im Zusammenhang der scholastischen Lehrentwicklung, 1954. – R. Seeberg: Die Theologie des Johannes Duns Scotus, 1900; ND 1971. – J. Söder: Kontingenz und Wissen, 1999.

15. Spekulative Theologie Im 13. Jh. entwickelten sich – oft in Verbundenheit mit der Scholastik – verschiedene Ansätze einer Theologie, die in unterschiedlicher Weise eine Gesamtschau des Menschen oder der Welt versuchten und dazu gerade auch auf mystische Traditionen zurückgriffen. 818

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15.1 Einheit von Theologie und Philosophie bei Meister Eckhart Eckhart (ca. 1260-1328) wirkte im Dominikanerorden und entwickelte eine umfassende theologisch-philosophische Spekulation mit mystischen Elementen. Eine Trennung zwischen dem Scholastiker und dem Mystiker Eckhart ist unbegründet. Die mystischen Elemente gehen aus der theologischphilosophischen Spekulation hervor. Grundlage ist der Gottesbegriff, der dynamisch als Akt des Denkens verstanden wird (intellegere est Deus). Wird damit in den um 1302/1303 entstandenen Quaestiones Parisienses (Untersuchungen aus Paris) die Transzendenz Gottes betont (Alles Sein erhält erst durch das Denken Gottes Sein, Gott selbst ist jenseits des Seins), so betont Eckhart in späteren Schriften (u.a. im Opus tripartitum/Werk mit drei Teilen) die Einheit des Seins in Gott, so dass alles, was außerhalb von Gott ist, nur insoweit Sein hat, als es in Gott ist – abgesehen davon ist es eigentlich nicht. Damit verbindet Eckhart eine Kosmologie und Anthropologie, die er auch in volkssprachlichen Predigten in kräftiger Bildsprache entwickelte. Die Welt hat als Schöpfung ihr Sein nur in Gott, bleibt also dauerhaft von ihm abhängig (die creatio ex nihilo/Schöpfung aus dem Nichts als creatio continua/fortgesetzte Schöpfungsaktivität). Das gilt auch für den Menschen. Das in Gott liegende Sein des Menschen ist der Grund der Seele, den Eckhart auch als Lichtfünklein beschreiben kann. Diesen Kern menschlichen Seins wiederzuerlangen, ist nur möglich, wenn sich der Mensch von allem Endlichen und Vergänglichen abwendet, es sein lässt (Gelassenheit). Diese »Abgeschiedenheit« bezieht sich sogar auf die positiven menschlichen Bemühungen (etwa dem Streben nach Tugenden). Nur eine völlige Passivität lässt den Grund als solchen hervortreten bzw. das Fünklein aufstrahlen: Damit wird das Wort im Grund der Seele geboren, immer wieder neu und doch immer identisch mit der ewigen Geburt des Sohnes aus Gottes Sein. Im Hinblick auf diese tiefe ontologische Identität des Seinsgrundes mit Gottes Sein im Sohn kann Eckhart auch die Identität des Sohnes mit dem im Seelengrund geborenen Gotteswort beschreiben. Das hat ihn bei Zeitgenossen verdächtig gemacht und zur Verurteilung einer Reihe von zentralen Sätzen aus seinen Werken geführt. 15.1.1 Eckharts Leben und Werk. Aus dem niederen Adel Thüringens stammend, um 1260 bei Gotha geboren, ca. 1275 Dominikaner in Erfurt, studierte Eckhart in Paris und Köln (noch bei Albertus Magnus?) und lehrte in Paris 1293/1294 als Sentenzen-Baccalaureus und 1302/1303 sowie 1311-1313 als Magister auf dem Dominikanerlehrstuhl. Seit 1311 arbeitete er an seinem Hauptwerk, dem Opus tripartitum (Werk mit drei Teilen). Es besteht aus 1. dem Opus propositionum (Werk bestehend aus Thesen), 2. dem Opus quaestionum (Werk, bestehend aus [scil. 14] Untersuchungen) und 3. dem Opus expositionum (Werk bestehend aus Auslegungen, d.h. Predigten und Kommentaren). Nur Teile der Materialsammlung und die programmatische Einleitung sind erhalten. Als Ordensprovinzial in Erfurt 1303-1311 und als Vikar des Ordensgenerals in Straßburg (1314-1322; Hauptaufgabe: Seelsorge und Predigt in oberrheinischen Dominikanerin15. Spekulative Theologie

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Scholastik und Mystik

Sein in Gott

Seelengrund

Geburt des Wortes

Opus tripartitum

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nenklöstern) entfaltete er seine Theologie in zahlreichen volkssprachlichen Predigten und Traktaten (u.a. Daz buoch der götlîchen trœstunge, eine Umsetzung der Einheitsspekulation in mystische Leidensspiritualität). Seit ca. 1323 wirkte er als Lehrer am Generalstudium der Dominikaner in Köln.

deutsche Schriften

15.1.2 Häresieprozess. Dass gegen einen bedeutenden Dominikanerlehrer durch die Inquisition ein Ketzerprozess geführt wurde, erregte weithin Aufsehen. Den Anstoß gab 1326 der Kölner Erzbischof. Eckhart verteidigte sich schriftlich (die sog. Rechtfertigungsschrift; Übers.: O. Karrer/H. Piesch, 1927) und appellierte an die Kurie in Avignon, wo er Anfang 1328 während des Prozesses verstarb. Aufgrund eines prophylaktischen Widerrufs verurteilte Papst Johannes XXII. 1329 nur 28 Sätze aus seinen Schriften und Predigten (Text/Übers.: DH 950-980), nicht sein gesamtes Werk oder seine Person. Trotzdem führte der Prozess dazu, dass Eckharts Werk nur abseits von Schultheologie und Kirche rezipiert wurde. Insbesondere seine deutschen Schriften fanden (ausgehend von den Dominikanerinnen) große Verbreitung (Text: Die deutschen Werke, hg. von J. Quint, bisher 4 Bde., 1936-1976, zahlreiche Teilausgaben, z.B. hg. von D. Mieth, 3. A. 1991). Seine lateinischen Schriften rezipierten nur Einzelgänger wie Nikolaus von Kues. Sie blieben bis ins späte 19. Jh. vergessen und erhielten erst aufgrund der kritischen Edition (Text: Die lateinischen Werke, hg. von J. Koch, 5 Bde., 1936-1978) im 20. Jh. neue Aufmerksamkeit.

15.2 Dietrich von Freiberg Neuplatonische Metaphysik, Naturforschung und Erfahrungstheologie verband der Albertusschüler Dietrich (ca. 1240-ca. 1318/1320) zu einer profilierten Konzeption. Er war um 1271 lector (Lesemeister) im Dominikanerkloster Freiberg/Sachsen, seit 1272 aber v.a. in Paris und Trier tätig. Als deutscher Ordensprovinzial seit 1293 genoss er allgemeines Ansehen und hat auch Eckhart beeinflusst. Er kritisierte die Ontologie des Thomas in seiner Schrift De intellectu et intelligibili (Über die Vernunft und ihren Erkenntnisinhalt, hg. von B. Mojsisch, 1980). Nicht die Abstraktion von empirischer Erkenntnis, sondern die Introversion und das Selbstbewusstsein ermöglichen wissenschaftliche und religiöse Erkenntnis, denn im individuellen Intellekt findet der Mensch eine Beziehung zu Gott als dem Einen (vgl. seine Schrift De visione beatifica/Über die seligmachende Schau, hg. von K. Flasch, 4 Bde., 1977-1985). Ob Nachrichten über die Mystik Dietrichs sich auf diese Einheitsspekulation beziehen oder auf die nicht überlieferten Predigten, ist unklar.

15.3 Raimundus Lullus

Mathematik

In einer eigenständigen Verbindung von Scholastik und Mystik entwickelte Ramon Llull/Raimundus Lullus (ca. 1232/1233-ca. 1316) eine umfassende Spekulation, die eine allen Menschen zugängliche Gotteserkenntnis und Daseinsbeschreibung liefern wollte und hierfür u.a. auf die Mathematik als universaler Wissenschaft zurückgriff. Dies ermöglichte ihm eine umfassende Auseinandersetzung mit dem Islam und dem Judentum. 15.3.1 Leben und Werk. Der im Dienst des Königs von Aragon auf Mallorca wirkende Politiker Llull erlebte ca. 1263 eine Christusvision und wurde fortan zum kirchlich interessierten Universalgelehrten. Er unternahm zahlreiche Reisen (u.a. nach Nordafrika) und setzte sich intensiv mit arabischer Philosophie auseinander. Als Lehrer wurde er in 820

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Palma de Mallorca, Montpellier und Paris tätig. Sein Hauptwerk, die Ars generalis (Universale Wissenschaft; ca. 1274-1308), entwarf eine umfassende Wissenschaftstheorie. Hinzu kommt ein reiches literarisches Werk (ca. 290 lateinische und katalanische Schriften, Opera Latina: CChr.CM 32-39.75-80.111-113; ab 1966). Seine mystische Konzeption ist beispielhaft in der Schrift Medicina de pecat (Medizin gegen die Sünde) zu finden, einer in Versen gestalteten Anweisung zur Versenkung und zu ständigem Gebet, das auf der höchsten Stufe zur pneumatischen Erhebung in den Himmel führt. Die dominikanische Inquisition und die Pariser Universität attackierten ihn als Häretiker, postum wurde er 1376 von Papst Gregor verurteilt, doch 1419 von Martin V. rehabilitiert. Seine Gedanken entfalteten bis ins 17. Jh. ihre Wirkung u.a. bei Nikolaus von Kues, Faber Stapulensis, Giordano Bruno, Leibniz und Lessing.

Wissenschaftstheorie

15.3.2 Mathematisch entfaltete Universalwissenschaft. Llull verstand Wirklichkeit als aus Gott, dem Einen, hervorgehende Seinsbewegung. Dementsprechend hängen die Grundstrukturen der Welt mit Gott zusammen, wie sich insbesondere in der mathematischen Beschreibbarkeit der Welt entdecken lässt. Die Grundbegriffe von Metaphysik und Logik sind als dignitates divinae (göttliche Rangstufen, d.h. Namen) oberste Seins- und Erkenntnisprinzipien. Die Beziehungen zwischen den Begriffen lassen sich mit Mitteln der Algebra und der Geometrie (z.B. mit Hilfe von Drei- und Vierecken) allgemeingültig ausdrücken. Diese Philosophie des Christentums, die sich gegen die Trennung von Glauben und Wissen im Averroismus wandte, sollte universal einsichtig sein – also auch geeignet, um die Sarazenen vom christlichen Glauben argumentativ zu überzeugen.

15.4 Theologie als Dichtkunst: Dante Als einflussreicher Außenseiter wirkte der Florentiner Dante Alighieri (12651321) durch sein großes volkssprachliches Lehrgedicht Commedia (in den Drucken als Divina Commedia/Göttliche Komödie bezeichnet; Text/Übers.: hg. von H. Gmelin, 3 Bde., 1949-1951). Der Dichter als Theologe schilderte in poetischer Form einen Aufstieg durch Hölle und Fegefeuer ins Paradies. Die umfassende Darstellung der jenseitigen Welt, der Bestrafung im Inferno (der Hölle), im Purgatorio (im Fegefeuer) und der Belohnung im Paradiso (im Paradies) wurde zur Folie einer umfassenden Gesellschaftskritik (incl. Papst- und Kleruskritik), einer Lehre von Affekten und menschlichem Verhalten und einer spekulativen Metaphysik und Mystik. Insbesondere die Schilderung des Aufstieges im Paradies knüpfte an mystische Traditionen an. Dantes in Bildern gefasste Theologie prägte die Vorstellungen vom Jenseits nachhaltig und spielte auch für die Entwicklung des Italienischen eine wichtige Rolle.

Divina Commedia

Jenseits­ vorstellungen

15.5 Literatur Lektüretipp: D. Mieth: Meister Eckhart, 2014. Quellen: D. Mieth (Hg.): Meister Eckhart. Einheit mit Gott. Die bedeutendsten Schriften zur Mystik, 2014. Literatur: C. Dietl/D. Mieth (Hg.): Sprachbilder und Bildersprache bei Meister Eckhart und in seiner Zeit, 2015. – F. Löser/D. Mieth (Hg.): Meister Eckhart im Original, 2014. 15. Spekulative Theologie

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– D. Gottschall/D. Mieth (Hg.): Meister Eckharts Erfurter »Reden« in ihrem Kontext, 2012. – J. Hackett (Hg.): A Companion to Meister Eckhart, 2013. – K. Flasch: Meister Eckhart. Die Geburt der »Deutschen Mystik« aus dem Geist der arabischen Philosophie, 3. A. 2013. – Ders. (Hg.): Von Meister Dietrich zu Meister Eckhart, 1984. – K.H. Witte: Meister Eckhart. Leben aus dem Grunde des Lebens. Eine Einführung, 2013. – N. Winkler: Meister Eckhart zur Einführung, 2. A. 2011. – E.A. Panzig: Gelâzenheit und abegescheidenheit. Eine Einführung in das theologische Denken des Meister Eckhart, 2005. – A.M. Haas: Meister Eckhart als normative Gestalt des geistlichen Lebens, 2. A. 1995. – U. Kern (Hg.): Freiheit und Gelassenheit, 1980. – R. Manstetten: Esse est Deus. Meister Eckharts christologische Versöhnung von Philosophie und Religion, 1993. – B. Mojsisch: Die Theorie des Intellekts bei Dietrich von Freiberg, 1977. – K. Flasch: Dietrich von Freiberg. Philosophie, Theologie, Naturforschung um 1300, 2007. – K.-H. Kandler (Hg.): Die Gedankenwelt Dietrichs von Freiberg im Kontext seiner Zeitgenossen, 2013. – Ders.: Dietrich von Freiberg. Philosoph, Theologe, Naturforscher, 2. A. 2010. – J. Biard (Hg.): Recherches sur Dietrich de Freiberg, 2009. – E.-W. Platzeck: Raimund Lull, 2 Bde., 1962.1964. – F. Domínguez Reboiras (Hg.): Gottes Schau und Weltbetrachtung. Interpretationen zum »Liber contemplationis« des Raimundus Lullus, 2011. – K. Ruh: Meister Eckhart. Theologe, Prediger, Mystiker, 2. A. 1989. – Ders.: Geschichte der abendländischen Mystik, Bd. 3, 1996, 214-353. – H. Felten: Wissen und Poesie, 1972. – C.E. Honess/M. Treherne (Hg.): Reviewing Dante’s Theology, 2 Bde., 2013. – V. Montemaggi/M. Treherne (Hg.): Dante’s Commedia. Theology as Poetry, 2010.

 § 9; 10.

16. Kritischer Neuansatz bei Wilhelm von Ockham Die bedeutendste spätscholastische Konzeption legte der englische Franziskaner Wilhelm von Ockham (ca. 1280/1290-1348/1349) vor. Besonders seine erkenntnistheoretisch fundierte Kritik am Thomismus wies über die Scholastik hinaus und ließ eine neue Verhältnisbestimmung von Wissen und Glauben erahnen. In der Gotteslehre verband er die Selbstbindung Gottes mit der Heilsgeschichte und betonte zugleich die absolute Freiheit Gottes. In der Erkenntnislehre bevorzugte er die Empirie und bestritt die vom Menschen losgelöste Existenz von allgemeinen Begriffen, nahm jedoch an, dass die logischen Strukturen notwendig, d.h. von Ewigkeit her feststehen, so dass sie auch von Gott nicht geändert werden können. Eine förmliche Schule hat er nicht begründet, doch der Einfluss seiner Position machte sich – oft in radikaler Form – im Ockhamismus des 14./15. Jh.s bemerkbar. Der Nominalismus des 14./15. Jh.s knüpfte vielfältig an ihn an, darf aber nicht mit dem Ockhamismus oder gar Ockham selbst identifiziert werden.

16.1 Vom Theologen zum Politiker Ockhams Kritik am Thomismus und seine Betonung der wissenschaftstheoretischen Selbständigkeit der Theologie, die zugleich der Philosophie ein hohes Maß an Unabhängigkeit einräumte, riefen Kritik hervor, die dazu führte, dass 1323/1324 gegen ihn ein Ketzerverfahren in Avignon eröffnet wurde. Ockham wurde die weitere akademische Aktivität in Paris verwehrt. Die Verurteilung der franziskanischen Armutstheorie durch Papst Johan822

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nes XXII. (s. § 6; 13.4) führte ihn 1328 zur umfassenden Papstkritik. Dies konvergierte mit den politischen Interessen des Königs Ludwig des Bayern (s. § 9; 12.2.2), an dessen Hof in München Ockham fortan politisch und publizis­tisch tätig wurde. 16.1.1 Ockham als Theologielehrer in Oxford. Zwischen 1280 und 1290 (ca. 1288?) in Ockham bei London geboren, wurde William früh Franziskaner und war nach dem Studium in Oxford dort als Baccalaureus tätig. Hier verfasste er 1317-1319 seinen Sentenzenkommentar, dessen Prolog die wissenschaftstheoretische Stellung der Theologie intensiv erörterte (Der Kommentar zum 1. Buch der Sentenzen des Petrus Lombardus ist in ausgearbeiteter Fassung erhalten: Ordinatio/Ordentliche Erläuterung; der zu den Büchern 2-4 nur in Mitschriften, der sog. Reportatio/Wiedergabe; Text: Opera theologica, ab 1940). Die Stellung der Bettelorden an der Universität war Anfang des 14. Jh.s neu in die Diskussion gekommen, so wurden Privilegien der Bettelorden abgeschafft (wonach man ohne Magister Artium als Bettelmönch das theologische Fachstudium aufnehmen konnte und wonach man im theologischen Lehrbetrieb die Bibel kommentieren durfte, bevor man die – philosophisch anspruchsvolleren – Sentenzenvorlesungen gehalten hatte). Inwiefern diese Konflikte Ockham zum Weggang aus Oxford veranlassten, ist nicht ganz klar. Nach 1321 lehrte er jedenfalls in London (im Ordensstudium der Franziskaner?) und verfasste philosophische Schriften (besonders die Summa logicae/Summe der Logik; Text: Opera philosophica, 7 Bde., 1974-1988). 16.1.2 Häresieverfahren und Politiktheoretiker in München. Der Gegner aus Oxforder Zeiten, John Lutterell, ein Thomist, der bis 1322 Universitätskanzler in Oxford war, zog 1323 nach Avignon und verklagte Ockham bei Papst Johannes XXII. wegen seines Sentenzenkommentars, weswegen Ockham 1324 an die Kurie zitiert wurde. Doch die Untersuchungskommission aus Dominikanern und Augustinereremiten kam zu keinem Ergebnis. Zusammen mit dem Generalminister seines Ordens, Michael von Cesena, und anderen Franziskanern, floh er unter Protest 1328 nach Pisa und unterstellte sich dem Schutz Ludwigs des Bayern. Seit 1330 lebte er im Münchener Franziskanerkloster, wo er zahlreiche politische Schriften zum großen Konflikt zwischen Kaiser und Papst verfasste (Text: Opera politica/Politische Werke, ab 1940) und wohl an der großen Pest starb. In dieser Zeit bestritt Ockham dem Papst nicht nur, rechtgläubig zu sein, sondern hinterfragte auf grundsätzliche Art und Weise die Irrtumslosigkeit von Papst und Konzilien. Diese sei nicht als solche gegeben, sondern bleibe an den Konsens der Christenheit gebunden. Zugleich rechnete Ockham aber mit der Möglichkeit, dass die wahre Kirche nur in einer Minderheit von wenigen weiter bestand. Beides setzte die Bedeutung der institutionell verfassten Kirche herab. Die entsprechenden Theorien führte er v.a. in seinem großen, unvollendeten Werk Dialogus (Gespräch) seit ca. 1333 aus (teilw. Übers.: hg. von J. Miethke, 1992).

Papstkritik

Franziskaner Oxford

London

John Lutterell

München

Dialogus

16.2 Omnipotenz Gottes und Kontingenz der Schöpfung Die Unterscheidung des Duns Scotus zwischen potentia absoluta (losgelöster Macht) und potentia ordinata (geordnete Macht; vgl. § 10; 14.1.3) griff Ockham auf, formulierte sie aber um. Die potentia ordinata wird jetzt nicht mehr in der Schöpfung und der Kirche, also in einem geschöpflichen Sein verankert, das über das Wollen Gottes mit dem Sein Gottes zusammenhängt (wie 16. Kritischer Neuansatz bei Wilhelm von Ockham

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potentia absoluta – ordinata

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Satz vom Widerspruch

bei Duns Scotus), sondern allein im Willen Gottes. Ein Rückgriff auf das Sein Gottes, aus dem (etwa als Analogie wie bei Thomas) sein Wirken abgeleitet werden könnte, ist demnach nicht mehr möglich. Die potentia absoluta ist dann der Verweis auf die absolute Freiheit Gottes, der sich auch anders hätte entscheiden können, und sichert die Betonung des Willens Gottes ab. Auch diese Freiheit ist jedoch für Ockham nicht grenzenlos, denn auch für Gott gilt der Satz vom Widerspruch, er ist also an die Regeln der Logik gebunden. Der Verweis auf die potentia absoluta zeigt, dass die Welt auch anders hätte sein können, wenn Gott es gewollt hätte. Insofern wird die Schöpfung als ingesamt kontingente Ordnung erkennbar. Das macht einen logisch zwingenden Schluss auf Gott im Sinne der Gottesbeweise unmöglich, nur als causa efficiens (bewirkende Ursache) ist Gott begrifflich demonstrierbar.

16.3 Erkenntnistheorie

Empirie

Abstraktion

Rasiermesser Ockhams

Logik

Theologie

Dem kontingenten Charakter der Schöpfung und ihrer Bindung an die Logik entsprach Ockhams Erkenntnistheorie. Grundsätzlich ist die notitia experimentalis (die auf der Erfahrung beruhende Erkenntnis) der Ausgangspunkt menschlichen Wissens. Sie ist demnach in der Betrachtung der Einzeldinge begründet als cognitio intuitiva (auf der Schau beruhende Erkenntnis), die der cognitio abstractiva (der auf Abstraktion beruhenden Erkenntnis) vorausgeht. Diese Abstraktion darf dabei nicht einfach eine Verdopplung der Einzeldinge anstreben, sondern muss so einfach wie möglich vorgehen (später wurde dieses methodologische Prinzip, das nicht von Ockham erfunden wurde, die novacula Occami/das Rasiermesser Ockhams genannt: Überflüssige Annahmen und Herleitungen sind in der Wissenschaft abzuschneiden). Allgemeinbegriffe bestehen für Ockham nicht für sich (weswegen er oft zum Nominalismus gerechnet wird), doch nimmt Ockham an, dass die Logik Strukturen der Wirklichkeit aufgreift und – jedenfalls, wenn sie richtig vorgeht – zu Aussagen kommt, die der Wirklichkeit auch entsprechen (besonders sind verbale Prozessbeschreibungen nominalen Begriffen vorzuziehen, so wird z.B. jemand Vater, weil er ein Kind gezeugt hat, nicht weil er an der Idee der Vaterschaft teilhat). Insofern inhärieren der Wirklichkeit Strukturen, die der Vernunft zugänglich sind. Wissenschaft bezieht sich auf die erfahrungsbasierte Evidenz und diese inhärierenden Strukturen. Der Logik kommt damit neben der Erkenntnis grundlegende Bedeutung zu. Die menschliche Vernunft hat weitreichende Möglichkeiten, die wissenschaftliche Beschäftigung mit der kontingenten Schöpfung führt zwar nicht zu einer Ideenwelt oder den Gedanken Gottes, aber doch zu einem wissenschaftlich begründeten Verstehen der Wirklichkeit (insofern ist Ockham durchaus ein Konzeptualist, der den Wirklichkeitsbezug der conceptūs/Begriffe betont). Die Theologie kann weder den Glauben demonstrieren noch Gottes heilsgeschichtliche Planung begrifflich herleiten. Sie beruht insofern – im Ge824

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gensatz zu den anderen Wissenschaften – nicht auf Evidenz. Zugleich aber ist sie insofern eine Wissenschaft, als sie logisch vorgeht (insbesondere über Syllogismen). Diese Zwitterstellung der Theologie macht ihre Eigenständigkeit aus.

16.4 Der angebliche Pelagianismus Ockhams Die Betonung der menschlichen Vernunft und ihrer Möglichkeiten führte Ockham in seiner Ethik fort. Auch hier ging Ockham davon aus, dass bestimmte Anlagen der menschlichen Natur auch nach dem Sündenfall erhalten blieben. Zwar bleibt der Mensch grundsätzlich angewiesen auf die acceptatio (Annahme) durch Gott, Gnade ist insofern für den Menschen notwendig und wird als Zuwendung Gottes und Verleihung der Liebe gedeutet. Doch nahm Ockham an, dass der Mensch die Rechtmäßigkeit dessen, was Gott als Heilsgeschichte gesetzt hat (in seiner potentia ordinata), erkennen kann. Dies führt ihn zu einem Gehorsam, der den eigenen Willen an den Willen Gottes anpasst. Verliehene Gnade und vom Menschen erreichte Erkenntnis konvergieren also. Schon Ockhams Zeitgenossen haben dies als pelagianisch gebrandmarkt, weil es die Erbsündenlehre vernachlässige und die Notwendigkeit der Gnade in Frage stelle. Dies war jedoch nicht Ockhams Intention. 16.5 Literatur Lektüretipp: J.P. Beckmann: Wilhelm von Ockham, 2. A. 2010 [besonders 36-47.86-134]. Literatur: V. Leppin: Wilhelm von Ockham. Gelehrter, Streiter, Bettelmönch, 2. A. 2012. – Ders.: Geglaubte Wahrheit. Das Theologieverständnis Wilhelms von Ockham, 1995. – P.V. Spade (Hg.): The Cambridge Companion to Ockham, 1999. – M. McCord Adams: William Ockham, 2 Bde., 1987. – J.E. Pelletier: William Ockham on Metaphysics. The Science of Being and God, 2013. – P. Schulthess: Sein, Signifikation und Erkenntnis bei Wilhelm von Ockham, 1992. – K. Bannach: Die Lehre von der doppelten Macht Gottes bei Wilhelm von Ockham, 1975. – G. Leff: William of Ockham. The Metamorphosis of Scholastic Discourse, 1975. – W. Dettloff: Die Entwicklung der Akzeptations- und Verdienstlehre von Duns Scotus bis Luther mit besonderer Berücksichtigung der Franziskanertheologen, 1963. – B. Hamm: Promissio, pactum, ordinatio. Freiheit und Selbstbindung Gottes in der scholas­ tischen Gnadenlehre, 1977. – E. Iserloh: Gnade und Eucharistie in der philosophischen Theologie des Wilhelm von Ockham, 1956. – H. Junghans: Ockham im Lichte der neueren Forschung, 1968. – W. Kölmel: Wilhelm von Ockham und seine kirchenpolitischen Schriften, 1962. – J. Miethke: Ockhams Weg zur Sozialphilosophie, 1969.

 § 8; 11.-12.

17. Spätscholastik im 14./15. Jh. Die in den Universitäten entwickelten Methoden und Probleme bestimmten die geistige Entwicklung im 14./15. Jh. nachhaltig, doch wurden zugleich neue Wege beschritten. Durch die Renaissance und den Humanismus wurde die Scholastik abgelöst (s. § 10; 19.). Ihre Entwicklung im 14./15. Jh. kann man als Spätscholastik bezeichnen, wenn damit kein innerer Verfall gemeint ist. Die durch das Nebeneinander von Spätscholastik und Humanismus, Frömmigkeitssteigerung in der Devotio moderna und in der Mystik und 17. Spätscholastik im 14./15. Jh.

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dem Kampf um den Konziliarismus geprägte Zeit des 15. Jh.s bildet eine wesentliche Voraussetzung für die Umwälzungen des 15. Jh.s und besonders die Reformation.

17.1 Der Wege-Streit zwischen Nominalismus und Realismus

antiqui – moderni

Paris

Prag, Köln

Seit ca. 1380/1400 wurde der Universalienstreit (vgl. § 10; 1.2) eine Grundlagenkrise des scholastischen Lehrbetriebs. Im späten 14. Jh. (oder erst Anfang des 15. Jh.s) bürgerte sich für Vertreter der ockhamistischen Methodik der Begriff moderni (die Neuerer) ein, während die Thomisten und Scotisten als antiqui (die Altertümlichen) galten. Erstere, oft als nominales (die, die sich um die nomina/Bezeichnungen bemühen) oder terministae (die, die sich um die termini/Begriffe kümmern) bezeichnet, vertraten die via nova bzw. via moderna (den neuen Weg) und betonten dabei die Bedeutung der Logik sowie der empirischen Erkenntnis. Einem Rückschluss auf eine geis­ tige Wirklichkeit oder Gott standen sie skeptisch gegenüber und betonten dementsprechend die Bedeutung der Offenbarung und eine Trennung von Theologie und Philosophie. Dem standen die Realisten (reales/die, die sich um die Wirklichkeit bemühen) gegenüber, die in der via antiqua (dem altertümlichen Weg) Albertus Magnus, Thomas und Duns Scotus folgten (Letzterer konnte auch von Vertretern der via moderna herangezogen werden). Sie trauten einer differenzierten Diskussion der Begriffe zu, tatsächlich zur Wahrheit zu führen. Dementsprechend plädierten sie für eine enge Verbindung von Theologie und Philosophie. Die Universität Paris entwickelte sich zum ausstrahlungskräftigen Zentrum eines gemäßigten Nominalismus, der von dort u.a. die Universitäten Wien und Erfurt erfaßte, während Prag und Köln Hochburgen des Realismus blieben. Viele Universitäten ließen allerdings beide Wege zu. Studientechnisch wirkte sich das insbesondere im philosophischen Grundlagenstudium aus. In der Theologie gingen die verschiedenen Strömungen oft eine Synthese mit dem neu erstarkenden Augustinismus ein. 17.1.1 Der Ockhamismus. Ockhams Lehren wurden im 14. Jh. vielfältig benutzt, so in Oxford bei den Franziskanern Adam Wodeham (gest. 1358) und Walter Chatton (gest. 1344) sowie dem Dominikaner Robert Holcot (gest. 1349). Ockham selbst war dabei oft nicht direkt genannt oder unmittelbar im Blick. Das erklärt, dass sich in Paris trotz der Verurteilung von Ockhams Logik 1339/1340 der Einfluss »ockhamistischer Lehren« verbreitete (erst seit Gabriel Biel wurde der Nominalismus umfassend mit Ockham verbunden). Verurteilt wurden dort 1346/1347 die extremen Ockhamisten Johannes von Mirecourt (gest. ca. 1349) und Nikolaus von Autrecourt (gest. nach 1350). Seitdem herrschte in Paris eine gemäßigte via moderna. Dass dies nicht unumstritten war, zeigte die Verurteilung der via moderna 1474. 17.1.2 Ockhamismus und Augustinismus bei Gregor von Rimini. Der gelehrte Augus­ tinereremit Gregor von Rimini (ca. 1300-1358), der seit 1341 in Paris lehrte, verband in seinem Hauptwerk, dem umfangreichen Sentenzenkommentar (Text: Lectura/Vorle826

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sung, 7 Bde., hg. von A.D. Trapp u.a., 1979-1987), einen gemäßigten Ockhamismus mit dem Denken Augustins. Er bestimmte Sünde und Gnade nicht als Seinsbestimmungen oder als habitus (Haltung, Zustand), sondern als je einzelne Akte. Gnade ist daher nicht die Verleihung von Liebe als dauerhaft dem Menschen inhärierender Ausrichtung, sondern die je neue Wirkweise Gottes. Der Mensch ist also permanent auf die aktuelle Hilfe Gottes angewiesen, die dieser in seiner Prädestination unverrückbar und in vollkommener Souveränität festgelegt hat. 17.1.3 Realismus und Augustinismus bei Aegidius Romanus und Thomas Bradwardine. Einen eigenständigen Augustinismus, verbunden mit einem modifizierten Thomismus, vertrat in Paris die durch Aegidius Romanus (ca. 1243-1316) begründete Augustinerschule, d.h. die Ordensschule der Augustinereremiten, die im 14./15. Jh. neben Dominikanern und Franziskanern eine Rolle spielten. Aegidius betonte die souveräne Willensentscheidung Gottes für die Gnade und betonte die Bedeutung der menschlichen Neuorientierung als Person (zu seinen kirchenpolitischen Schriften s. § 9; 11.3.2). Neben Jakob von Viterbo (gest. 1307/1308) ragte v.a. Augustinus Triumphus (gest. 1328) heraus, neben Thomas von Straßburg (gest. 1357), Hugolinus von Orvieto (gest. 1373) und Augustinus Favaroni (gest. 1443). Gegen die modernen »Pelagianer« (so insbesondere Petrus Aureoli [um 1280-1322], der die Universalität des göttlichen Heilswillens betonte und daher die Prädestination als grundlegende Festlegung der Erlösung der Glaubenden ansah) wandte sich Thomas (von) Bradwardine (ca. 1290-1349), der zunächst als Logiker und Mathematiker, dann als Theologe in Oxford tätig war, bevor er kurz vor seinem Tod 1349 Erzbischof von Canterbury wurde. Sein umfangreiches Hauptwerk De causa dei contra Pelagium (Über Gottes Rechtsstreit gegen Pelagius; hg. von H. Savilius 1618; ND 1964) wollte Augustins Philosophie und Theologie erneut zur Geltung bringen. Unter Heranziehung scotistischer und aristotelischer Begrifflichkeit betonte er die Prädestination Gottes. Gott als universale Ursache legt in seinem Willen alles fest, so dass auch der menschliche Wille völlig von ihm bewegt wird. Allerdings interpretierte er dies – anders als die Ockhamisten – als Verleihung einer dauerhaft wirkenden Gnade, wozu er die Unterscheidung von gratia increata (der ungeschaffenen Gnade, d.h. Gottes ständig wirkendem Willen) und der gratia creata (der geschaffenen Gnade, d.h. dem Gnadenhabitus des Gerechtgemachten) unterschied (vgl. § 10; 10.1). Eine klassisch thomistische Position entwickelte Johannes Capreolus (gest. 1444).

gegen »Pelagianismus«

17.2 Naturphilosophie und Reformtheologie Anfang des 15. Jh.s war die Pariser Universität eines der führenden geistigen Zentren Europas. Die durch die via moderna begründete, zunehmende Selbständigkeit der auf Empirie begründeten Wissenschaften führte zu einer Blüte der Naturphilosophie. In der Theologie ragte Johannes Gerson (13631429) heraus, ein gemäßigter Nominalist, der die Scholastik durch die Mystik ergänzen und im Sinne eines stärkeren Praxisbezugs reformieren wollte. Er behauptete die Höherrangigkeit der Theologie gegenüber der Philosophie und trat für eine Versöhnung der Parteien im Papstschisma und den Konziliarismus (vgl. dazu § 8; 14.) ein. 17.2.1 Naturphilosophie. Der gemäßigte Ockhamist Johannes Buridanus (gest. nach 1358) entwickelte in Paris eine Stoß-Theorie, die in der Naturwissenschaft im 15./16. 17. Spätscholastik im 14./15. Jh.

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Johannes Buridanus

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Jh. wirksam wurde. Der impetus (Stoß) verleiht dem Bewegten eine inhärierende, richtungsweisende Bewegung. Dies übertrug Buridanus auf die Gestirne und Gott als ersten Impulsgeber. Welt wird so zu einem mechanisch ablaufenden, von Gott in Gang gesetzten System. Buridanus’ Schüler Nikolaus von Oresme (ca. 1320-1382) übertrug das auf die Erdumdrehung und problematisierte das ptolemäische Weltbild. Daran knüpften Nikolaus von Kues und Kopernikus an. Buridanus-Schüler gewannen prägenden Einfluss an deutschen Universitäten, so Albert von Sachsen (gest. 1390, seit 1366 Bischof von Halberstadt), der erste Wiener Rektor, der sich mit Mechanik befasste, Marsilius von Inghen (ca. 1330-1396), erster Rektor in Heidelberg, und Heinrich von Langenstein (1325-1397). Naturphilosophisch tätig wurde auch Pierre d’Ailly (Petrus von Alliaco; 1352-1420), einflussreicher Kanzler der Universität Paris, Bischof von Cambrai und Kardinal, der kirchenpolitisch für den Konziliarismus wichtig wurde. Er hat zahlreiche Schriften u.a. zur Logik und Physik, Askese und Mystik sowie Bibelkommentare und einen Sentenzenkommentar verfasst.

Kanzler in Paris

17.2.2 Johannes Gerson: Leben und Werk. Johannes Gerson (Jean Charlier aus Gerson in der Diözese Reims), seit 1393/1395 Stiftsdekan in Brügge und Universitätskanzler in Paris, übertraf seinen Lehrer Pierre d’Ailly durch sein theologisches Profil (daher als doctor christianissimus/allerchristlichster Lehrer gerühmt). Er setzte sich in Schriften zur Ekklesiologie, Kirchenpolitik und Mystik für eine Erneuerung der Frömmigkeit als Grundlage einer allgemeinen Kirchenreform ein (Text: Œuvres complètes, hg. von P. Glorieux, 10 Bde., 1960-1973). Die kontemplative Theologie einer areopagitischen Stufenmystik verband er mit einer nominalistischen Erkenntnistheorie: Die kategoriale Differenz zwischen Mensch und Gott kann nicht direkt durch die Erkenntnis der Allgemeinbegriffe, sondern nur durch eine mystische Theologie auf dem Wege der Negation und Abstraktion überbrückt werden (so in seinen Considerationes de mystica theologia et practica/Überlegungen zur mystischen Theologie und ihrer Praxis; 1402/1403).

17.3 Scholastische Bibelwissenschaft Die Exegese als wichtiger Bestandteil des universitären Lehrbetriebs erfuhr im 14. und 15. Jh. eine besondere Aufmerksamkeit. Fast alle großen Scholastiker verfassten Bibelkommentare. Grundlegend war dabei die Theorie vom mehrfachen, insbesondere vom vierfachen Schriftsinn, wobei die moralische und allegorische Auslegung dominierten. Daneben trat eine das historisch-wörtliche Verständnis betonende Form der Exegese, so besonders bei Nikolaus von Lyra (ca. 1270-1349). Die von ihm begründete Postilla war aufgrund ihres Detailreichtums eine Fundgrube für Jahrhunderte (auch von Luther benutzt). 17.3.1 Der vierfache Schriftsinn. Die Unterscheidung von einem mehrfachen Schriftsinn, die die christliche Exegese seit ihrer Begründung durch Origenes kannte, wurde oft als Unterscheidung von zwei oder drei Sinn­ ebenen (geistlich – leiblich oder geistlich – seelisch – leiblich) vorgenommen (so in Anknüpfung an Hieronymus, Gregor d. Gr. und Isidor von Sevilla). Zu einer oft benutzten Methodik wurde der vierfache Schriftsinn, der auf Johannes Cassian (s. § 6; 6.4.3) zurückgeführt wurde. Dies fasste man seit 828

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dem Dominikaner Augustinus von Dacia/Dänemark (gest. 1285) in dem Merkvers zusammen: Littera gesta docet, quid credas allegoria, moralis, quid agas, quid speres, anagogia.

Der Buchstabe lehrt das Geschehene, was du glaubst, die Allegorie, die ethische Auslegung, was du tust, was du erhoffst, die Anagogie.

Historie Glaubensinhalte Ethik Eschatologie

17.3.2 Die Postilla des Nikolaus von Lyra. Der Begriff Postilla geht vermutlich auf die Anfangsworte (post illa verba textus/nach jenen Worten des Textes) des Bibelkommentars des in Paris lehrenden Hugo von St. Cher (gest. 1263) zurück, der als einer der ersten umfassende Arbeitsinstrumente entwickelt hat (Konkordanzen, textkritische Bemerkungen). Daran anknüpfend hat der Franziskaner Nikolaus von Lyra (Lyre in der Normandie, seit 1308/1310 in Paris lehrend) seine Vorlesungen als Postilla litteraris super totam bibliam (Buchstabengetreue Postilla über die ganze Bibel), ergänzt durch die Postilla moralis (Ethische Postille), festgehalten und verbreitet (erster Druck 1471/1472; Text: Postilla; 4 Bde., 1402; ND 1971). Er stützte sich dabei auch auf die Bibelkommentare des französischen Rabbis Salomo ben Isaak, gen. Raschi (ca. 1040-1105). Seine Hebräischkenntnisse waren damals etwas Besonderes (vgl. § 10; 11.3.3 zu Roger Bacon). In den Drucken wurden der Postille die Additiones (Ergänzungen) des Erzbischofs Paulus von Burgos (ca. 1353-1435), eines konvertierten spanischen Juden, beigefügt, ca. 1100 Ergänzungen aus der Väterexegese. Breiten Einfluss übten außerdem die praktisch orientierten Kommentare des flämischen Mystikers Dionysius des Kartäusers (1402/14031471, in Roermond; auch durch an Thomas orientierte scholastische Werke hervorgetreten). Sie zielten insbesondere auf eine Vertiefung der individuellen Frömmigkeit (Text: Dionysii Cartusiani Opera omnia, 44 Bde., 1896-1913).

Hebräisch­ kenntnisse Paulus von Burgos Dionysius der Kartäuser

17.4 Schrifttheologie als Grundlage der Kirchenkritik bei John Wyclif Der Oxforder Scholastiker John Wyclif (s. § 8; 13.1) entwickelte auf der Grundlage eines Realismus und eines strikten Augustinismus sein kirchenkritisches Schriftprinzip. Grundlage hierfür war die Annahme, dass Gott nicht willkürlich in freier Souveränität irgendetwas festsetzt, sondern selbst als höchstes Gut die Ordnung darstellt, die nicht überboten werden kann. Für ihn bestanden die Allgemeinbegriffe als Ideen in Gott und waren durch Gottes Handeln in der Ordnung der Welt präsent. Dies übertrug Wyclif, der u.a. 1372-1378 eine Postilla zur gesamten Bibel schrieb, auf die Schrift. Die Bibel als Teil des göttlichen Handelns ist für ihn in jedem Wort irrtumsfrei und enthält die ewige Wahrheit, d.h. die ewige Ordnung, die mit Christus als Logos identisch ist. Dadurch, dass Wyclif dies auch auf die Vorbildlichkeit des Lebens Jesu und die Nachfolge als Leben in Armut, Demut und geduldigem Leiden bezog, wurde das Schriftprinzip zur Grundlage der umfassenden Kritik an der Institution der Papstkirche und äußerlichen Formen der Frömmigkeit.

Schriftprinzip

17.5 Gabriel Biel Als herausragender Repräsentant des Nominalismus gilt Gabriel Biel (vor 1410-1495), Lehrer der Brüder vom gemeinsamen Leben und Professor an der 1477 gegründeten Universität Tübingen. Neben seinem Sentenzenkommentar (Collectorium/Sammlung, 17. Spätscholastik im 14./15. Jh.

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Tübingen

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Devotio moderna

facere quod in se est

nur zu Buch I-III fertiggestellt; Text hg. von W. Werbeck/U. Hofmann, 6 Bde., 19731992) verfasste er eine umfassende Expositio canonis missae (Auslegung des Messkanons; Text: hg. von H.A. Oberman u.a., 5 Bde., 1963-1976), in der er in 89 Quästionen den kompletten Text des römischen Messkanons erläuterte. Dies wurde ein viel benutztes Standardwerk, weil neben den liturgischen auch die theologischen und pastoralen Probleme eingehend erläutert wurden. Gabriel Biel verband den Nominalismus mit dem Augustinismus und der Frömmigkeit der Devotio moderna (vgl. § 6; 16.). In der Gnadenlehre vertrat er mit Ockham die Unterscheidung zwischen potentia absoluta (absoluter Macht) und potentia ordinata (geordneter Macht, vgl. § 10; 16.2). Er betonte die Akzeptation bzw. personale Annahme des Sünders durch Gott als entscheidende Voraussetzung für die Gerechtmachung, doch hielt er auch daran fest, dass der Mensch, angeregt durch die ersten Wirkungen der Gnade, an das anknüpft, was in ihm ist (facere quod in se est) und so sich auf den Empfang weiterer und dauerhafter Gnadenwirkungen vorbereitet (vgl. § 10; 12.4.3).

17.6 Spätmittelalterliche Blüte der Predigt Bettelorden – Weltklerus

De temporibus De sanctis

sermo modernus

Die Blüte der Städte ab dem 14. Jh. und die Konkurrenz zwischen den Predigern der Bettelorden und dem Weltklerus führten zu einer Belebung der Predigt im Spätmittelalter. Hatten im 14. Jh. noch die Prediger aus den Bettelorden dominiert, verschob sich das Gewicht im 15. Jh. zunehmend zugunsten des Weltklerus. Den Bettelorden war das 1281 von Papst Martin V. verliehene generelle freie Predigtrecht zwar 1311 wieder genommen worden, dennoch führte die Verbindung von Predigt und Seelsorge sowie die oftmals gute Ausbildung in den Ordensschulen oder Universitäten zu besonderem Ansehen der Mönchspredigten. Im gottesdienstlichen Leben kam den Predigtgottesdiensten (ohne Messe) zunehmend Bedeutung zu. Inhaltlich dominierten die Predigten De temporibus (Über die Zeit, d.h. den jeweiligen Tag im Kirchenjahr) und De sanctis (Über die Heiligen, scil. des Tages), doch nahmen Predigten auch bei Prozessionen (besonders Fronleichnam), Patronatsfeiern und politischen Ereignissen eine wichtige Funktion ein. Neben den Pfarrkirchen und Kathedralen, den Bettelordenskirchen und anderen Klöstern waren auch öffentliche Plätze der Ort des Geschehens. Das Spektrum der Prediger reichte von berühmten Wanderpredigern wie Bernhard von Siena (1380-1444) bis zu Gelehrten wie dem Universitätskanzler Jean Gerson. Ab ca. 1280 war der sermo modernus (der moderne Redestil) zunehmend verbreitet, in dem das Thema der Bibelstelle durch divisiones (Unterscheidungen) und distinctiones (Einteilungen) entfaltet wurde, in der Regel in der Volkssprache aufgrund lateinischer Präparationen. Die Anforderungen an die Prediger stiegen im späten Mittelalter beträchtlich: Die großen und hohen gotischen Räume machten Stimme, Gestik und Mimik zu wichtigen Bestandteilen von Predigten, deren Lebendigkeit sich durch Scheindialoge, Lautmalereien und die Nachbildung von Geräuschen noch verstärken ließ. Predigtsammlungen wie die Artes praedicandi (Kunst zu predigen) von Pierre d’Ailly oder glossierte Bibelausgaben und Postillen wurden für die Vorbereitungen benutzt. In den städtischen Kontexten ent830

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deckten die gebildeten Schichten zunehmend die anspruchsvolle Predigt für sich, weswegen die Dotation von Predigerstellen in den Städten (besonders den Reichsstädten) speziell auf gute Prediger ausgerichtet wurde, die dann auch im Sozialgefüge der Stadt eine wichtige Rolle einnahmen. 17.7 Literatur Lektüretipp: N.W. Gilbert: Ockham, Wyclif, and the »Via moderna«, in: A. Zimmermann (Hg.): Antiqui und moderni. Traditionsbewußtsein und Fortschrittsbewußtsein im späten Mittelalter, 1974, 85-125. Literatur: E. Gössmann: Antiqui und Moderni im Mittelalter, 1974. – W.J. Courtenay: Ockham and Ockhamism. Studies in the Dissemination and Impact of His Thought, 2008. – Ders.: Schools and Scholars in Fourteenth Century England, 1987. – A. Hudson (Hg.): From Ockham to Wyclif, 1987. – H. de Lubac: Exégèse médiévale. Les quatre sens de l’écriture, 4 Bde., 1959-1964. – B. Michael: Johannes Buridan, 2 Bde., 1985. – G.A. Benrath: Wyclifs Bibelkommentar, 1966. – A. Kenny: Wyclif, 1985. – Ders.: Wyclif in His Times, 1986. – G. Leff: Bradwardine and the Pelagians, 1957. – F.J. Burkard: Philosophische Lehrgehalte in Gabriel Biels Sentenzenkommentar, 1974. – C. Burger: Aedificatio, Fructus, Utilitas. Johannes Gerson als Professor der Theologie und Kanzler der Universität Paris, 1986. – M.S.J. Burrows: Jean Gerson and De consolatione theologiae (1418), 1991. – S. Grosse: Heilsungewissheit und Scrupulositas im späten Mittelalter, 1994 [zu Gerson]. – B.P. McGuire (Hg.): A Companion to Jean Gerson, 2006. – H.A. Oberman (Hg.): Gregor von Rimini. Werk und Wirkung bis zur Reformation, 1981. – Ders.: Spätscholastik und Reformation, Bd. 1, 1965. – Ders.: Archbishop Thomas Bradwardine, 1958. – Ders. (Hg.): Via Augustini. Augustine in the Later Middle Ages, Renaissance and Reformation, 1981. – P.D.W. Krey (Hg.): Nicholas of Lyra. The Senses of Scripture, 2000. – W. Bunte: Rabbinische Traditionen bei Nikolaus von Lyra, 1994. – H. Mertens/H.-J. Schiewer (Hg.): Die deutsche Predigt im Mittelalter, 1992. – M. Figel: Der reformatorische Predigtgottesdienst, 2013 [ebd. 15-184 zum spätmittelalterlichen Predigtgottesdienst].

18. Vertiefung der Frömmigkeit im Spätmittelalter Für die Frömmigkeit im Spätmittelalter kann man eine quantitative von einer qualitativen Intensivierung unterscheiden. Neben vielfach wirksamen Tendenzen, Frömmigkeit schlichtweg durch ein Mehr an Reliquien, Messen, Ablässen, Bußwerken, Almosen oder anderen guten Werken zu intensivieren (vgl. dazu § 10; 9.2-9.4), finden sich eindrückliche und breitenwirksame Bemühungen um eine tiefere und innere Kontemplation. Sie sind insbesondere im Mönchtum zu finden, aber auch in der Devotio moderna (vgl. § 6; 16.) und finden ihren Niederschlag in mystischen Schriften, Andachtsbildern und einer Verbreitung von Bibeln und Erbauungsschriften.

quantitative – qualitative Intensivierung

18.1 Die sog. deutsche Mystik Der äußerliche Umstand, die Abfassung mystischer Schriften in der Volkssprache, charakterisiert die sog. deutsche Mystik. Es war eine Bewegung, die eine beträchtliche Verbreitung bei frommen Laien fand. Die beiden bedeutendsten Vertreter im 14. Jh., Johannes Tauler und Heinrich Seuse, waren 18. Vertiefung der Frömmigkeit im Spätmittelalter

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Dominikaner

Leerwerden der Seele

Elisabeth Stagel

Leiden Christi

Dominikaner und knüpften in eigenständiger Weise an Eckhart an. Neben den Dominikanerinnen waren auch viele Beginenhäuser von mystischer Religiosität geprägt. Querverbindungen ergaben sich mit der Devotio moderna, besonders in den Niederlanden und Nordwestdeutschland. 18.1.1 Johannes Tauler. Johannes Tauler (ca. 1300-1361) war in den Dominikanerinnenklöstern von Straßburg als Seelsorger, zeitweise auch in Köln und 1338/1339-1346/1347 in Basel tätig. In seinen breit überlieferten deutschen Predigten (hg. von G. Hofmann, 1961) übernahm er von Eckhart zahlreiche Gedanken (wie die Gegenwart Gottes im Seelengrund, s. § 10; 15.1). Die ontologische Verbindung des Menschen mit Gott verband er mit dem areopagitischen Schema von Ausgang und Rückkehr. Wie viele andere Mystiker setzte Tauler voraus, dass nur ein völliges Leerwerden der Seele in der Abkehr von allem, was an die Welt bindet, die Vereinigung mit Gott im tiefsten Abgrund ermöglicht. Eine solche Erfahrung bestimmt die ganze Existenz als Gelassenheit, als völlige innere Freiheit, die den Dienst in der Welt ermöglicht. Tauler hat auch die populäre Erbauungsliteratur des 14./15. Jh.s nachhaltig beeinflusst. 18.1.2 Heinrich Seuse. Der aus einer Ritterfamilie stammende Heinrich Seuse, genannt Suso (ca. 1293/1295-1366, ab 1348 in Ulm) setzte sein Bemühen um Christusnähe zunächst in Selbstquälung um: Jahrelang lebte er mit einem Nagelkreuz auf dem Rücken und einem Nagelhemd (unter permanenten Schmerzen durch Verletzungen und Entzündungen), intensives Dürsten und Hungern trugen dazu bei, Visionen und Auditionen zu erleben. So berichtet es zumindest stilisierend die von der Nonne Elisabeth Stagel aufgeschriebene Vita (Lebensbeschreibung; Text: Deutsche Schriften, hg. von K. Bihlmeyer, 1907; ND 1961). Nach dem Studium in Köln verdeutlichte er ab 1322 den Bezug auf das Leiden als Mystik: Das Leiden wird als Schatz Christi, als Bereicherung der Existenz verstanden. Seine Lehre stellte er zunächst in dem schwer verständlichen Büchlein der Wahrheit (ca. 1326?), dann ca. 1327-1334 in dem außerordentlich stark verbreiteten Büchlein der ewigen Weisheit (mit lateinischer Fassung Horologium Sapientiae/Stundenbuch der Weisheit; Text: hg. von P. Künzle, 1977) dar. Es ging ihm darum, die Christusnachfolge als Passionsmystik zu erleben und so zu einer intensiveren Christusliebe zu kommen. 18.1.3 Die Theologia deutsch. Wegen ihrer besonderen Wirkungsgeschichte ist die um 1400 verfasste sog. Theologia deutsch (anderer Titel: Der Franckforter) bemerkenswert. Der Autor war ein von Tauler beeinflusster, namentlich nicht bekannter Deutschordenspriester aus Sachsenhausen. Martin Luther hat sie im Zusammenhang seiner Beschäftigung mit Tauler 1516 teilweise, 1518/1520 erweitert im Druck veröffentlicht, und seitdem spielte sie in der evangelischen Frömmigkeitsgeschichte eine Rolle (Übers.: hg. von J. Bernhart, 1920; ND 1946). Es war eine – v.a. gegen die Brüder vom Freien 832

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Geist gerichtete und auf die Gottesfreunde zielende (vgl. § 10; 18.1.4) – seelsorgerliche Anweisung, wie man durch Demut und Selbstverleugnung den Weg der Christusnachfolge praktizieren kann. 18.1.4 Andere. Einflussreich besonders im Nordwesten des Reichs war der in Flandern lebende Einsiedler und Augustinerchorherr Jan van Ruusbroec (Johannes Ruysbroek) (1293-1381). Seine spekulative Mystagogie der Erleuchtung knüpfte an Eckhart, Dionysius Areopagita und viktorinische Traditionen an. Sein Hauptwerk Die geestelike brulocht (Die geistliche Hochzeit, ca. 1330; Werke: 4 Bde., 2. A. 1944-1948; Übers.: Die Zierde der geistlichen Hochzeit, hg. von M. Schaad-Visser, 1987) zeigt seine trinitarisch begründete Mystik: Die Seele ist als Bild Gottes auf den Schöpfer, Erlöser und Geist bezogen, sie kann das realisieren durch die Erleuchtung im Seelengrund, die die Vereinigung mit dem Bräutigam und so die Rückkehr zum göttlichen Urgrund im Vater ermöglicht. Die im 13. Jh. entstandenen sog. »Brüder und Schwestern vom Freien Geist« (vgl. 2.Kor 3,17) fielen in verschiedenen Gegenden Westeuropas auf und wurden weniger wegen ihrer Mystik, als vielmehr wegen ihrer Relativierung der kirchlichen Hierarchie, des sakramentalen Lebens und der gesellschaftlichen Ordnung der Häresie verdächtigt. Hiervon grenzten sich die v.a. in Süddeutschland verbreiteten Gottesfreunde (vgl. Joh 15,14) ab, bei denen mystische Traditionen neben anderen eine Rolle spielten. Es war keine fest organisierte Gemeinschaft, sondern eher ein Netzwerk von frommen Laien, die untereinander in persönlichem und brieflichem Kontakt standen. Wichtig waren sie als Multiplikatoren, so z.B. Heinrich von Nördlingen (gest. nach 1379), als Priester der geistliche Berater vieler Mystikerinnen (darunter Margarethe Ebner, ca. 1291-1351, und Christine Ebner, 1277-1356). Hierzu gehört auch der zu einem mystisch-asketischen Leben bekehrte Kaufmann Rulman Merswin (1307-1382) aus Straßburg, der durch 22 Erbauungstraktate (unter dem fiktiven Namen »Gottesfreund vom Oberland«) wirkte.

Jan van Ruusbroec

»Brüder und Schwestern vom Freien Geist«

Gottesfreunde

18.2 Passionsfrömmigkeit und Andachtsbilder Die Kunst der Gotik (die bis zum beginnenden 16. Jh. vielfach noch stilprägend war, vgl. zur Renaissance § 10; 19.1) brachte eine vertiefte Darstellung des Leidens Christi hervor, die sich mit der Eucharistiefrömmigkeit verband. An den Triumphkreuzen der hohen gotischen Kirchen wurde Christus nicht mehr als Herrscher und Sieger über den Tod, sondern als Leidender dargestellt. Darstellerische Mittel wie Kreuzung der Füße (und dadurch bedingte Beugung des Körpers), Betonung der Dornenkrone, des Lanzeneinstichs oder der Verletzungen von der Verspottung unterstrichen dies. Im 15. Jh. verstärkte sich diese Tendenz und wurde auch in der Malerei übernommen (mit dem Höhepunkt im Isenheimer Altar von Matthias Grünewald). Der sog. Schmerzensmann wird in vielfältigen Variationen dargestellt, die Leidensgeschichte auch als inszeniertes Passionsspiel an vielen Orten aufgeführt. Sogar in Bildern der Trinität hält Christus als Gekreuzigter Einzug (im Motiv des sog. Gnadenthrons, Gott Vater auf dem Thron hält den lebensgroßen Crucifixus/ den ans Kreuz Gehefteten vor sich, begleitet von dem Heiligen Geist als Taube). Kleinformatige Bilder und Kleinplastiken werden für den privaten Gebrauch hergestellt und fördern die private Andacht, das individuelle häusliche Gebet und die Versenkung in die Heilsgeschichte. Besondere Beliebtheit er18. Vertiefung der Frömmigkeit im Spätmittelalter

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Triumphkreuze

Schmerzensmann Passionsspiele Gnadenthron

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Anna Selbdritt Pietà

Schutzmadonna

Rosenkranz

reichen die Darstellung von Anna Selbdritt (Marias Mutter Anna, Maria und das Jesuskind) und (besonders am Ende des 15. Jh.s) die Pietà (Maria mit dem Leichnam Jesu). Neben Christusdarstellungen findet sich ein großes Spektrum an Heiligenbildern, unter denen besonders Maria heraussticht (so als Schutzmadonna mit weitem Mantel, unter dem Stifter und Gläubige Zuflucht finden). Im Kirchenjahr traten die Marienfeste als zweiter großer Zyklus neben die Christusfeste. Die Marienverehrung wurde durch die häufig besonders aufwendige Ausstattung von Marienaltären in den Kirchen ebenso gefördert wie durch das Angelus-Läuten (das ursprünglich dazu anleiten sollte, drei Ave Maria zu beten). Das Ave Maria ist ein kurzer Gebetsruf, der um unterschiedliche Betrachtungssätze ergänzt werden konnte (erst ab dem 16. Jh. setzte sich hier die Bitte um Sündenvergebung in der Stunde des Todes durch; Luther kannte das Ave Maria noch als aus der Bibel abgeleiteten Text, vgl. WA 10/2,408). Der individuellen Gebetsfrömmigkeit dienten Rosenkränze, eine Kette mit Perlen, die das Beten von 150 Ave Maria und Vater unser abzählbar machte. Hier greifen qualitative Vertiefung und quantitative Intensivierung ineinander. Übersicht über die sieben Marienfeste 8.12. 2.2. 25.3. 2.7. 15.8. 8.9. 21.11.

Empfängnis Reinigung Annuntiatio (Verkündigung) Visitatio (Besuch scil. bei Elisabeth) Himmelfahrt Mariens Geburt Darstellung im Tempel

Ave Maria (Der »englische« Gruß [= Gruß des Engels Gabriel]) Ave Maria, gratia plena, Dominus tecum (vgl. Lk 1,28). Benedicta tu in mulieribus et benedictus fructus ventris tui Iesus (vgl. Lk 1,42). Sancta Maria, mater Dei, ora pro nobis peccatoribus nunc et in hora mortis nostrae. Amen. 834

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Gegrüßet seist Du, Maria, voll der Gnade: Der Herr sei mit Dir. Du bist gebenedeit unter den Frauen, und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes, Jesus. (Zusatz des 16. Jh.s:) Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder jetzt und in der Stunde unseres Todes. Amen. § 10 Theologie und Frömmigkeit im Mittelalter

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Besonders geschätzt waren außerdem die Gregormesse (nach der Legende, der zufolge Papst Gregor I. bei der Eucharistie der leidende Christus erschienen ist, dessen Blut in den Kelch fließt) und die Versuchung des heiligen Antonius (im Kampf gegen die Dämonen, wie es in der Vita Antonii/Lebensbeschreibung des Antonius des Athanasius dargestellt wird). Der so entstehende Kunstmarkt ist ein deutliches Zeichen für ein vielfältiges Bemühen um eine innerliche, den Alltag gestaltende Frömmigkeit.

Gregormesse

Antonius

18.3 Die Entwicklung des Buchdrucks und deutsche Bibeln Eine bedeutende technische Innovation war der Buchdruck mit beweglichen Lettern (sowohl die Druckerpresse an sich als auch preiswertes Papier waren seit dem 13. Jh. bekannt), wie ihn u.a. Johannes Gutenberg (1397/13991468) in Mainz entwickelte. Die 1456 herausgegebene B42 (eine 42-zeilige Bibel) war noch so teuer, dass sie Gutenberg finanziell ruinierte, doch die neue Technik verbreitete sich rasch und ermöglichte den preiswerten Druck hoher Auflagen (von mehreren tausend Exemplaren). Die Buchdrucke vor 1500 werden als Inkunabeln bezeichnet (vor 1500 sind fast 40.000 Titel bekannt). Unter ihnen ragen neben Andachtsbüchern Bibeldrucke und humanistische Werke heraus. Für die individuelle Bibellektüre waren volkssprachliche Bibeln erforderlich. In Deutschland entstanden daher schon im 15. Jh. erste deutsche Bibeldrucke, so die Mentelinbibel, die auf eine schwer verständliche ältere Übersetzung aus dem bayerischen Bereich zurückgriff (1466 in Straßburg erschienen) oder die Zainer-Bibel (von Günther Zainer aus Reutlingen, 1475/1476 herausgegeben). Buchdrucke wurden auch früh bereits durch Holzschnitte als Illustrationen ergänzt (so etwa die 1478 in Köln erschienene Holzschnittbibel). Erbauungsbücher, etwa aus dem Bereich der Devotio moderna oder der Mystik, kamen hinzu. Damit entstand ein neuer Markt, der eine individuelle und vertiefte Ausübung der Frömmigkeit förderte.

Gutenberg

Inkunabeln

volkssprachliche Bibeln

Buchmarkt

18.4 Literatur Lektüretipp: K. Ruh: Geschichte der abendländischen Mystik, Bd. 3, 1996, 417-515. Literatur: A.M. Haas: Kunst rechter Gelassenheit. Themen und Schwerpunkte von Heinrich Seuses Mystik, 2. A. 1996. – P. Ulrich: Imitatio et configuratio. Die Philosophia spiritualis Heinrich Seuses als Theologie der Nachfolge des Christus passus, 1995. – S. Zekorn: Gelassenheit und Einkehr. Zu Grundlage und Gestalt geistlichen Lebens bei Johannes Tauler, 1993. – L. Gnädinger: Johannes Tauler. Lebenswelt und mystische Lehre, 1993. – R.N. Swanson: Religion and Devotion in Europe (c.1215 – c.1515), 1995. – B. Hamm/T. Lentes (Hg.): Spätmittelalterliche Frömmigkeit zwischen Ideal und Praxis, 2001. – W. Haug/B. Wachinger (Hg.): Die Passion Christi in Literatur und Kunst des Spätmittelalters, 1993. – N. Ohler: Sterben und Tod im Mittelalter, 1990. – K. Schreiner (Hg.): Laienfrömmigkeit im späten Mittelalter. Formen, Funktionen, politisch-soziale Zusammenhänge, 1992. – Ders.: Maria. Jungfrau, Mutter, Herrscherin, 1994. – A. Gormans/T. Lentes (Hg.): Das Bild der Erscheinung. Die Gregorsmesse im Mittelalter, 2007. – R. Slenczka: Lehrhafte Bildtafeln in spätmittelalterlichen Kirchen, 1998. – B. Hamm: Religiosität im späten Mittelalter, 2011. 18. Vertiefung der Frömmigkeit im Spätmittelalter

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19. Neue Wege: Der Humanismus

Platon

studia humanitatis

rursus ad fontes

Philologie

Der Humanismus ist ein gesamteuropäisches Phänomen, das – ausgehend von den bedeutenden kulturellen Zentren Norditaliens – in enger Verbindung mit der Renaissance drei inhaltliche Gesichtspunkte verband: a) eine auf der Wiederentdeckung Platons basierende Verbindung von Ästhetik und Ethik: Die Ideen des Guten und des Schönen wurden in ihrem inneren Zusammenhang neu bedacht. Dies wirkte sich in der Hochschätzung künstlerischer Formen (Dichtung, bildliche wie plastische Kunst, Architektur, Musik) aus. b) eine neue Perspektive auf die Möglichkeiten des Menschen: Neben die studia divinitatis (die Erforschung des Göttlichen) traten die studia humanitatis (die Erforschung des Menschlichen). Der Mensch wurde von seinem Potential, sich zum Schönen und Guten zu erheben, her bedacht und so in neuartiger Weise in den Mittelpunkt des Denkens gestellt. c) eine kritische Hinterfragung bestehender Autoritäten, insbesondere durch die philologisch-historische Kritik. Rursus ad fontes (Zurück zu den Quellen!) war hier der methodische Schlachtruf, der den bisherigen Bildungsbetrieb (insbesondere auch den scholastischen) vielfach aus den Angeln hob. Durch den Rückgriff auf die klassische Antike, aber auch auf die Kirchenväter wurden bestehende Begründungsmuster durchbrochen. Die Neuentdeckung des Griechischen führte zur Kenntnis nicht nur zahlreicher bisher unbekannter Literatur, sondern auch zu einer philologisch begründeten neuen Form der Bibelexegese. Die besondere Wertschätzung der Philologie löste einen regelrechten Boom an kritischen Neuausgaben aus. Die Wurzeln des Humanismus reichen bis in das 14. Jh. zurück (Francesco Petrarca), die Blüte erreichte er jedoch erst in der zweiten Hälfte des 15. Jh.s, mit zahlreichen Ausstrahlungen nach Frankreich, England und Deutschland im frühen 16. Jh. (s. dazu Band 2).

19.1 Die Renaissance als Neuaufbruch in Kunst, Architektur und Literatur

Florenz der Medici

Der Humanismus ist nicht ohne die kulturelle Blüte zu verstehen, die im 15. Jh. besonders in den norditalienischen Zentren entstand und als Renaissance (ital. rinascimento, Wiedergeburt scil. der klassischen Antike) bezeichnet wird. Hier ragte besonders Florenz unter Cosimo de’ Medici und Lorenzo de’ Medici heraus. Der Rückgriff auf die Antike führte zu einer fruchtbaren Neuausrichtung in Kunst und Kultur. An die Stelle der Gotik traten in der Baukunst schlichtere, an griechischen und römischen Vorbildern orientierte Formen. In der Literatur und der Kunst wurden die griechische und römische Mythologie und die klassischen Dichtungen neu entdeckt. Dies bedeutete keine inhaltliche Rückkehr zum Heidentum, aber eine gegenüber christlichen Motiven und Sujets selbständige Thematisierung menschlicher 836

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Grundfragen (Unsterblichkeit der Seele, Wert der Tugenden, Affektenlehre), die ihrerseits auf die Behandlung christlicher Themen zurückwirkte und diese neu durchdrang. 19.1.1 Kultur der Renaissance. Der Begriff Renaissance wurde von Jules Michelet 1855 in seiner Histoire de France eingeführt (daher der französische Begriff) und besonders von Jacob Burckhardt (1818-1897) in seinem Werk Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch (1860) zugespitzt. Die Deutungskategorie steht also mit der Perspektive des 19. Jh.s in Zusammenhang, die das Mittelalter als Zeit des Verfalls zwischen Antike und Neuzeit betrachtete. Es handelt sich nicht um eine Rückkehr, sondern um einen produktiven Rückgriff auf größtenteils bereits bekannte Traditionen. Die Renaissance entstand nicht ausbruchsartig, sondern wurde – ermöglicht durch die wirtschaftliche Blüte der norditalienischen Städte ab dem 14. Jh. und die damit verbundene Verbreitung von Bildung – langfristig vorbereitet. Als ein Wegbereiter gilt insbesondere Francesco Petrarca (1304-1374), dessen Brief über die Besteigung des Mont Ventoux von der auf dem Gipfel als Buchordal aufgeschlagenen Stelle aus Augustins Confessiones (Bekenntnissen) 10,15 berichtet (wohl 1336 entstanden). Dies führte Petrarca zu einer grundlegenden Betrachtung des Menschen im Angesicht der Schöpfung und zeigte die unhintergehbare Subjektivität allen menschlichen Bemühens (so auch in der Schrift De secreto conflictu curarum mearum/Über den verborgenen Konflikt meiner Sorgen, kurz oft als Secretum/ Geheimnis bezeichnet; 1347-1353 entstanden, einem fiktiven Dialog mit Augustin). Damit zeigte sich – vergleichbar dem Bemühen etwa Ockhams um die Möglichkeiten und Grenzen menschlichen Erkenntnisbemühens – eine Neuorientierung des Denkens, die allmählich, in einem Prozess von gut 100 Jahren, zu einer kulturellen Neuorientierung wurde. 19.1.2 Bedeutende Künstler. Im Florenz der Medici arbeiteten bedeutende Künstler, so der Maler Fra Angelico (vor 1400-1455), der durch seinen großen Bilderzyklus über Franziskus im Kloster San Marco die räumliche Tiefe und menschliche Bewegtheit in neuer Weise darstellte, oder der Bildhauer Donatello (1386-1466) sowie der Maler Filippo Lippi (1406-1469), die beide besonders durch die lebendige Darstellung des menschlichen Körpers neue Wege einschlugen. Filippo Lippis Schüler Sandro Botticelli (14451510) setzte durch seine allegorischen Darstellungen von Figuren aus der griechischen bzw. römischen Mythologie grundlegende Sachverhalte des Florentiner Neuplatonismus (s. § 10; 19.3) bildlich in Szene (so besonders in den beiden berühmtesten Bildern: La primavera/Der Frühling und La nascità della Venere/Die Geburt der Venus, von denen das erste auf den göttlich begleiteten Aufstieg der tugendhaften Seele, das zweite auf die Göttlichkeit der Liebe hinweist). In Florenz wurde auch Leonardo da Vinci (1452-1519) als Maler ausgebildet, der später als Universalgelehrter, Ingenieur und Naturforscher in Mailand bahnbrechende Forschungen betrieb (berühmteste Gemälde sind La Cena/Das Abendmahl und das Porträt der Mona Lisa). Nach dem Zusammenbruch der MediciHerrschaft in Florenz 1492 wurden die Renaissance-Päpste zu den führenden Kunstmäzenen Italiens (s. Band 2).

Petrarca

Fra Angelico

Botticelli

Leonardo da Vinci

19.2 Lorenzo Valla Nach dem Studium der Philosophie wurde Lorenzo (aus Valla, 1405/14071457) zunächst Rhetorikprofessor in Pavia, bevor er an den Hof von Neapel ging. Ab 1450 war er in Rom tätig, u.a. auch als apostolischer Sekretär am 19. Neue Wege: Der Humanismus

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Lateinlehrbuch

Annotationes

päpstlichen Hof. Er ist der bedeutendste Philologe und Geschichtswissenschaftler des frühen italienischen Humanismus. Das von ihm entworfene Lateinlehrbuch Elegantiae linguae latinae (Elegante Ausdrucksweise der lateinischen Sprache; 1435-1444) wurde für Generationen stilprägend. Für die Exegese arbeitete er an einem umfassenden Vergleich der lateinischen Fassung des Neuen Testaments mit dem griechischen Original (Collatio/ Vergleich, 1442-1449, eine zweite Bearbeitung wurde 1505 unter dem Titel Annotationes in Novum Testamentum/Anmerkungen zum Neuen Testament von Erasmus herausgegeben). Was Lorenzo Valla als notwendige und sachgemäße Annäherung an Christus betrachtete, wurde von Zeitgenossen wie Poggio Bracciolini als Kritik an der Bibel aufgefasst. Lorenzo Vallas Verteidigung gegen diese Kritik (besonders in der Schrift Antidoti in Poggio/ Erwiderung auf Poggio) machte auf den Charakter des biblischen Textes als Text aufmerksam und verstand die Vulgata als eine (mehr oder weniger gelungene) Übersetzung. Nur die philologisch sorgfältige Beschäftigung mit dem Bibeltext kann jedoch zum Inhalt und somit zu Christus führen. In dieser Hinsicht legte Lorenzo Valla die Grundlage für das Novum Testamentum Graece (Das Neue Testament auf Griechisch) des Erasmus (1516). Kirchenrechtlich war seine wichtigste Tat der Nachweis, dass die sog. konstantinische Schenkung (vgl. § 8; 5.2.2) eine Fälschung war (so in der Schrift De falsa credita et ementita Constantini donatione declamatio/Rede über die fälschlicherweise geglaubte und erlogene Schenkung Konstantins, 1440).

19.3 Die platonische Akademie in Florenz

Platonismus

Cosimo de’ Medici gründete in einer Villa bei Florenz eine Stätte der Forschung und des Nachdenkens unter der Leitung von Marsilio Ficino, die wegen ihrer Orientierung an Platon und dem Neuplatonismus als »Akademie« bezeichnet wird. Hier wirkten neben Ficino bedeutende Gelehrte wie Pico della Mirandola und Lorenzo Valla. Ihre Philosophie war stark von einer neuen Lektüre der Platondialoge, aber auch von neuplatonischen Traditionen und einer starken Augustinrezeption geprägt. Die Unsterblichkeit der Seele und der große Wert des einzelnen Menschen waren für sie zentral. Im Rückgriff auf Platon sahen sie eine große, modernere Alternative zu der an Aristoteles orientierten Scholastik, ohne eigentlich ein auf die Kirche bezogenes theologisches System zu bilden. 19.3.1 Marsilius Ficino. Das unbestrittene Haupt der Florentiner »Akademie« war der von Cosimo de’ Medici massiv geförderte Philosoph und Priester Marsilio Ficino (14331499). Als Cosimo de’ Medici ihm 1462 bei Careggi (direkt bei Florenz) eine Villa zur Verfügung stellte und den Lebensunterhalt sicherte, war dies der Grundstein der Akademie, in der Cosimos Sohn, Lorenzo (später genannt Il Magnifico/Der Großartige), mitwirkte. Das platonische Ideal einer Verbindung von gelingender politischer Regierung und Philosophie wurde hier leitend. Seine eigentümliche Verbindung von Neuplatonismus und Augustinismus entwickelte er insbesondere in seinem Hauptwerk, der Theolo838

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gia platonica (Platonische Theologie, 1482). Seine Schrift De christiana religione (Über die christliche Religion; 1474) war die erste einer ganzen Reihe von frühneuzeitlichen Schriften, die den Wahrheitsanspruch der christlichen Religion gegenüber Judentum, Heidentum und Islam mit rationalen Gründen verteidigte. 19.3.2 Pico della Mirandola. Der aus einem Grafengeschlecht stammende Pico (14631494) entwickelte bereits als Student vielfältige Interessen und verband dabei griechische Philosophie mit Naturwissenschaften, kabbalistischem und hermetischem Wissen und lernte Hebräisch sowie Arabisch. Die von ihm entworfenen 900 Conclusiones (Schlussfolgerungen), die er 1486 für eine umfassende Disputation ausgearbeitet hatte, wurden der Häresie verdächtigt und trotz der rasch angefügten Apologia (Verteidigungsschrift) 1487 von Papst Innozenz VIII. als häretisch verurteilt. Der Flucht nach Frankreich und der Verhaftung folgte die von Lorenzo de’ Medici erreichte Freilassung in Florenz, 1493 wurden die päpstlichen Urteile gegen Pico aufgehoben. Daher kam die als Einleitung für die Conclusiones gedachte Rede De dignitate hominis (Über die Würde des Menschen) erst 1496 im Druck heraus. Diese kurze Schrift entwickelt das für den Humanismus zentrale Thema der Stellung des Menschen. Laut Pico steht der Mensch zwischen Gott und Tier, er kann die Gottebenbildlichkeit durch Erkenntnis und Ethik umsetzen und so sich Gott annähern, oder er kann zum Tier pervertieren. Die darin angelegte hohe Verantwortung des Menschen verbindet sich im Denken Picos mit der Unsterblichkeit der Seele und dem Ziel, zu ihrem Ursprung (Gott) zurückzukehren. Anders als Marsilio Ficino nahm Pico 1492 die Gedanken des Dominikaners Giovanni Savonarola (1452-1498) auf, der nach dem Sturz der Medici-Dynastie ein religiös legitimiertes, sittenstrenges und sozial gerechteres Gemeinwesen etablieren wollte, dies mit stark von der Apokalyptik geprägten Predigten untermauerte und 1498 als Ketzer hingerichtet wurde.

De christiana religione

Häresieprozess

De dignitate hominis

Giovanni Savonarola

19.4 Die neue Bedeutung des Griechischen Seit dem frühen 15. Jh. kamen über byzantinische Gelehrte zunehmend griechische Handschriften nach Italien, so besonders im Zusammenhang des Unionskonzils von Ferrara-Florenz 1439 (s. § 9; 10.3.3). Vor der Eroberung Konstantinopels 1453 wurden umfangreiche Handschriftenbestände nach Italien in Sicherheit gebracht. Bedeutende Sammler wie Kardinal Bessarion (1403-1472) sorgten für die Erschließung griechischer Handschriften, 1463 wirkte Bessarion auf die Einrichtung eines Lehrstuhls für Griechisch an der Universität von Padua hin. Cosimo de’ Medici regte aufgrund von Kontakten zu dem Gelehrten und Berater des byzantinischen Kaisers Georgios Gemistos, genannt Plethon (um 1355-1452), die Beschäftigung mit dem Griechischen an. Dies führte zu einer neuen Auseinandersetzung mit griechischer Literatur und zahlreichen neuen Übersetzungen. So übersetzte Marsilio Ficino nicht nur Platondialoge und die Enneaden Plotins, sondern auch das Corpus Hermeticum (Werke, die mit Hermes Trismegistus zusammenhängen) und Werke des Pseudo-Dionysius Areopagita.

Bessarion

19.5 Nikolaus von Kues Als theologischer Außenseiter entwickelte Nikolaus Krebs (1401-1464) aus Kues/Mosel (latinisiert Cusanus) eine vom Platonismus und von Augustin her inspirierte Konzeption. Zunächst Teilnehmer des Konzils in Basel (14321437), schloss er sich im Ausblick auf die Kirchenunion 1438 dem päpstlichen Konzil in Ferrara-Florenz an und diente, ab 1448 als Kardinal und ab 19. Neue Wege: Der Humanismus

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päpstlicher Legat

Konstantinische Schenkung Koran

coincidentia oppositorum

Schöpfungslehre

possest

Paradox

docta ignorantia

1450/1451 als Bischof von Brixen, als päpstlicher Legat. Er war ein Universalgelehrter, der, an Raimundus Lullus anknüpfend, eine Synthese von Theologie, Philosophie, Naturforschung und Mathematik anstrebte. Humanistisch muten seine historischen Arbeiten an, so erwies er (unabhängig von Lorenzo Valla; s. § 10; 19.2) die konstantinische Schenkung ebenso als Fälschung wie die pseudo-isidorischen Dekretalen (vgl. § 8; 6.2.3). Im Koran sah er verborgene Hinweise auf das Christentum (so in der Schrift Cribratio Alcorani/ Sichtung des Korans). Philosophisch wie theologisch beschritt er Neuland, indem er den augustinischen Gedanken, dass die Eigenschaftslehre nicht auf Gott übertragbar ist (Gott hat nicht Gerechtigkeit und ist daher gerecht, sondern er ist die Gerechtigkeit selbst), grundsätzlich und unter Anwendung des Unendlichkeitsgedankens ausweitete. In Gott fallen unbegreiflicherweise auch die Gegensätze in einer Einheit zusammen. Das, was in der Welt als Vielfalt auseinandergefaltet ist, ist ursprünglich in Gott eingefaltet, in einer unbegreiflichen Einheit miteinander verbunden. Mit diesem Konzept von complicatio (Einfaltung) und explicatio (Ausfaltung) knüpft Cusanus an die areopagitische Mystik ebenso an wie an die Schule von Chartres (s. § 10; 3.3.1). Dementsprechend kann Cusanus die Welt auch als deus visibilis bezeichnen (sichtbaren Gott), doch meint dies keinen Pantheismus (Gott ist alles oder in allem), sondern nur, dass die Vielfalt, die sichtbar ist, in Gott in einer grundlegenden Einheit verbunden ist. Dies gilt sogar für die Unterscheidung von potentia (Möglichkeit) und actus (Handlung), die in Gott als possest (»Können-Sein«) zusammenfallen. Für den Menschen bedeutet dies, dass er die grundsätzliche Gebundenheit menschlicher Erkenntnis an die begrenzte Vielheit nicht abschütteln kann, zugleich aber auch zu der unendlichen Einheit gehört, die in Gott begründet liegt (daher kann der Mensch als humanatus deus/Menschgewordener Gott bezeichnet werden). Dem Menschen kann Gott daher nur paradoxal offenbar werden, so besonders im Inkarnierten (so in De quaerendo Deum/Über die Suche nach Gott von 1445; Übers.: Drei Schriften vom verborgenen Gott, hg. von E. Bohnenstädt, 1967) und dem liebevoll auf den Menschen gerichteten Blick Gottes (so in De visione dei/Über das Schauen Gottes von 1453). Mit seinem Konzept der coincidentia oppositorum (dem Zusammenfallen der Gegensätze) ist einer scholastischen Auffächerung einer Eigenschaftslehre der Boden entzogen. Dem Theologen und Philosophen verbleibt nur die docta ignorantia (die gelehrte Unwissenheit, so auch der Titel des Hautpwerkes: De docta ignorantia, Text/Übers.: hg. von P. Wilpert/H.G. Senger, 1977-1993). 19.6 Literatur Lektüretipp: C. Augustijn: Humanismus, 2003. Literatur: E. Rudolph (Hg.): Die Renaissance als erste Aufklärung, 3 Bde., 1998. – A. Rabil jr. (Hg.): Renaissance Humanism. Foundations, Forms, and Legacy, 3 Bde., 1988. – P. Burke: Die europäische Renaissance. Zentren und Peripherien, 2. A. 2012. – A. Edelheit: Ficino, Pico and Savonarola. The Evolution of Humanist Theology 1461/2-1498, 2008. – P.O. 840

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§ 10 Theologie und Frömmigkeit im Mittelalter

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Kristeller: Humanismus und Renaissance, 2 Bde., 1974-1976. – Ders.: Die Philosophie des Marsilio Ficino, 1972. – J. Lauster: Die Erlösungslehre Marsilio Ficinos. Theologiegeschichtliche Aspekte des Renaissanceplatonismus, 1998. – L. Nauta: In Defense of Common Sense. Lorenzo Valla’s Humanist Critique of Scholastic Philosophy, 2009. – J. Helmrath (Hg.): Diffusion des Humanismus. Studien zur nationalen Geschichtsschreibung europäischer Humanisten, 2002. – W.A. Euler: »Pia philosophia« et »docta religio«. Theologie und Religion bei Marsilio Ficino und Giovanni Pico della Mirandola, 1998. – A. Schumacher (Hg.): Botticelli. Bildnis – Mythos – Andacht, 2009. – I. Walter: Der Prächtige. Lorenzo de’ Medici und seine Zeit, 2003. – J.R. Hale: Die Kultur der Renaissance in Europa, 1994. – K. Flasch: Nikolaus von Kues. Geschichte einer Entwicklung, 3. A. 2008. – T. Leinkauf: Nicolaus Cusanus. Eine Einführung, 2006. – H. Gestrich/K. Kremer (Hg.): 600 Jahre Nikolaus von Kues. 14012001, 2003. – J. Stallmach: Ineinsfall der Gegensätze und Weisheit des Nichtwissens, 1989.

19. Neue Wege: Der Humanismus

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Chronologische Reihenfolge – Übersicht 1. Abschnitt: Das Christentum bis zum Anfang des 4. Jh.s a) Die Anfänge des Christentums § 1; 1. → § 2; 1. b) Imperium Romanum und erste Verfolgungen § 3; 1.-5. c) Ausbreitung und Verteidigung, Ablösung vom Judentum § 2; 2.-3. → § 3; 6.-7. → § 1; 3. d) Laboratorium der Theologiegeschichte im 2. Jh. § 1; 2. → § 2; 4.-8. e) Reflexion über Christus und Entstehung der Theologie § 1; 4.-9. → § 2; 9.-10. → § 4; 1. f) Amt, Taufe und Buße § 2; 11.-13. g) Die reichsweiten Verfolgungen 249-311 und ihre Folgen (Streit um die lapsi, Donatistischer Streit) § 3; 8. → § 2; 16.-16.2 → § 3; 9.-11. → § 2; 16.3 h) Ausbildung gottesdienstlicher Praxis § 2; 14.-15. 2. Abschnitt: Das Christentum im 4.-6. Jh. a) Der Trinitarische Streit bis 343 § 1; 10.-13. → § 4; 2. → § 3; 12. b) Entstehung des Mönchtums § 6; 1.-3. c) Der Trinitarische Streit 343-381 § 1; 14.-16. → § 6; 4. → § 3; 13. → § 1; 17. → § 4; 3.-4. d) Die lateinische Theologie des späten 4. und frühen 5. Jh.s (Ambrosius, Hieronymus, Augustin incl. Pelagianischer Streit) § 5; 1.-3. → § 1; 18.-18.3 → § 6; 6. → § 5; 4.-9. → § 1; 18.4-18.5 e) Das griechische Mönchtum § 6; 5. f) Die Entstehung des Papsttums § 8; 1.-2. g) Die Auseinandersetzung um Augustins Gnadenlehre im 5./6. Jh. § 5; 10. h) Der Christologische Streit § 4; 5.-10.

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Chronologische Reihenfolge – Übersicht

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i) Entstehung gentiler Reiche § 7; 1.-3.2 → § 5; 11. k) Kaiserliche Religionspolitik im Osten § 4; 11. → § 3; 14. → § 8; 3. →§ 4; 12. l) Gregor d. Gr. und die abendländischen Klosterregeln (Augustinregel, Benediktregel) § 5; 12. → § 8; 4. → § 6; 7. 3. Abschnitt: Das Christentum im Frühmittelalter (7.-9. Jh.) a) Irisches und angelsächsisches Christentum § 7; 3.3-4. b) Die Entstehung des Islam § 7; 5. c) Das Zerbrechen der Kircheneinheit im Osten § 4; 13.-15. d) Neuformation von Herrschaft und Kirche im Frankenreich der Karolinger § 9; 1.-2. → § 7; 6. → § 8; 5. → § 7; 7. → § 9; 3. → § 6; 8. → § 5; 13.-14. → § 7; 8. → § 8; 6.-6.2 4. Abschnitt: Das Christentum im Hochmittelalter (10.-13. Jh.) a) Herrschaft und Kirche unter den Ottonen § 9; 4.-5. → § 6; 9. → § 7; 9.-11. → § 8; 6.3-6.3.4 b) Neuer Leitungsanspruch des Papstes, Sakralität des Kaisertums und Konflikt um die Investitur § 8; 6.3.5 → § 8; 8.1 → § 8; 7. → § 9; 6. c) Entstehung von Orden (Zisterzienser, Prämonstratenser) im frühen 12. Jh. § 6; 10. d) Kreuzzugsbewegung § 9; 8.-9. → § 7; 12. e) Aufbrüche in der Theologie im 11./12. Jh. § 10; 1.-8.2 f) Der Konflikt zwischen Papst und Staufern (Friedrich Barbarossa, Innozenz III., Friedrich II.) § 9; 7. → § 8; 9. g) Armutsbewegung zwischen Ausgrenzung und Integration, Entstehung neuer Orden § 6; 11.-14. → § 8; 10. → § 6; 15.-15.2

Chronologische Reihenfolge – Übersicht

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h) Scholastische Theologie und Entstehung der Universitäten § 10; 8.3-15. i) Spätphase und Untergang von Byzanz § 9; 10. → § 8; 8.2 5. Abschnitt: Spätmittelalter (14. und 15. Jh.) a) Neuaufbruch im Denken: Ockham § 10; 16. b) Papsttum in Frankreich, großes Schisma und Erstarken der Territorien § 8; 11.-12. → § 9; 12. c) Ausgrenzung der Juden im Mittelalter § 9; 11. d) Papst- und Kirchenkritik bei Wyclif und Hus § 8; 13. e) Konziliarismus § 8; 14. f) Vertiefung der Frömmigkeit § 6; 15.3-16. → § 10; 17.-18. g) Renaissance und früher Humanismus § 10; 19.

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Chronologische Reihenfolge – Übersicht

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Anhang (erstellt von Sabine Lehmann und Volker Drecoll unter Mitarbeit von Anneliese Bieber, Annette Gutsuz und Frank Wiggermann)

Abkürzungsverzeichnis 1. Bibliographische Abkürzungen ACO

Acta conciliorum oecumenicorum, hg. v. E. Schwartz, Bd. I/1-IV/3, Berlin 1914-1984. AHC Annarium Historiae Conciliorum, [Amsterdam/] Paderborn 1, 1969ff. AL Augustinus-Lexikon, hg. v. C. Mayer u.a., Basel 1986ff. ANRW Aufstieg und Niedergang der römischen Welt, 3 Teile in vielen Einzelbänden, hg. v. H. Temporini/W. Haase, Berlin 1972ff. ALG Sankt Augustinus - Der Lehrer der Gnade. Gesamtausgabe seiner antipelagianischen Schriften, hg. v. S. Kopp u.a., Würzburg 1971ff. AQDGMA Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters (Freiherr-vom-Stein-Gedächtnisausgabe), begr. v. R. Buchner, hg. v. F.-J. Schmale, Darmstadt 1955ff. Atlas z.KG Atlas zur Kirchengeschichte, hg. v. H. Jedin u.a., 3.A. Freiburg/Br. 1988. BAW Die Bibliothek der alten Welt (versch. Reihen), begr. v. K. Hoenn, Zürich u.a. 1948ff. BBKL Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, hg. v. F.W. Bautz/W. Bautz, Hamm/Herzberg 1976. BGL Bibliothek der griechischen Literatur, hg. v. P. Wirth/W. Gessel, Stuttgart 1971ff BKV Bibliothek der Kirchenväter (Reihen 1 u. 2), hg. v. O. Bardenhewer u.a., Kempten u.a. 1911-1938. BSGR Bibliothek der Symbole und Glaubensregeln der alten Kirche, hg. v. L. Hahn, 3. A., Breslau 1897. CChr.CM Corpus Christianorum. Continuatio mediaevalis, Turnhout 1966ff. CChr.SL Corpus Christianorum. Series Latina, Turnhout 1954ff. COD Conciliorum oecumenicorum decreta, hg. v. J. Alberigo u.a., Freiburg/Br. u.a. 1962; 3. A. 1973. COD/DÖK Conciliorum Oecumenicorum Decrete/Dekrete der Ökumenischen Konzilien, hg. v. J. Wohlmuth, Paderborn 1998ff. CSEL Corpus scriptorum ecclesiasticorum latinorum, Wien 1866ff. DH Enchiridion symbolorum, definitionum et declarationum de rebus fidei et morum, hg. v. H. Denzinger/P. Hünermann, 37. A., Freiburg/ Br. u.a. 1991. Abkürzungsverzeichnis

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DSp EDG FChr FZPhTh GCh GCS GGB GKG GÖK HDG HDThG HEG HKG HZ JAC JECS JLH JThS KGE KGMG KIG KlProt KlTh KTGQ LACL LMA LThK 846

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Dictionnaire de spiritualité ascétique et mystique, hg. v. M. Viller u.a., 17 Bde., Paris 1937-1995. Enzyklopädie deutscher Geschichte, hg. v. L. Gall, München 1988ff. Fontes Christiani, hg. v. N. Brox u.a., Freiburg/Br. u.a., Bd. 1 1990ff. Freiburger Zeitschrift für Philosophie und Theologie, Fribourg 1954ff. Die Geschichte des Christentums, hg. v. J.-M. Mayeur u.a.; dt. Ausg. hg. v. N. Brox u.a., Freiburg/Br. u.a. 1991ff. Die griechischen christlichen Schriftsteller der ersten drei Jahrhunderte, Leipzig u.a. 1897ff. Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, hg. v. O. Brunner u.a., 7 Bde., Stuttgart 1972-1992. Gestalten der Kirchengeschichte, hg. v. M. Greschat, 12 Bde., Stuttgart u.a. 1981-1986. Geschichte der ökumenischen Konzilien, hg. v. G. Dumeige/H. Bacht, Mainz 1963/64-1988. Handbuch der Dogmengeschichte, hg. v. M. Schmaus u.a., Freiburg/ Br. u.a. 1951ff. Handbuch der Dogmen- und Theologiegeschichte, hg. v. C. Andresen, 3 Bde., Göttingen 1980-1984; 2. A. 1999. Handbuch der europäischen Geschichte, hg. v. Th. Schieder, 7 Bde., Stuttgart 1968-1987. Handbuch der Kirchengeschichte, hg. v. H. Jedin, 7 Bde., Freiburg/Br. u.a. 1962-1979. Historische Zeitschrift, München u.a. 1859ff. Jahrbuch für Antike und Christentum, Münster 1958ff. Journal of Early Christian Studies, Baltimore 1993ff. Jahrbuch für Liturgik und Hymnologie, Kassel 1955ff. Journal of theological studies, Oxford 1899ff.; N.S. 1950ff. Kirchengeschichte in Einzeldarstellungen, hg. v. G. Haendler u.a., Berlin u.a. 1978ff. Kirchengeschichte als Missionsgeschichte, hg. v. H. Frohnes u.a., München 1974ff. Die Kirche in ihrer Geschichte, begr. v. K.D. Schmidt/E. Wolf, hg. v. B. Moeller, Göttingen 1961ff. Klassiker des Protestantismus, hg. v. Ch.M. Schröder, 8 Bde., Bremen 1962-1967. Klassiker der Theologie, hg. v. H. Fries/G. Kretschmar, 2 Bde., München 1981-1983. Kirchen- und Theologiegeschichte in Quellen, hg. v. H.A. Oberman u.a., 4 Bde., Neukirchen-Vluyn 1977-1981; Neubearb. 1997ff. Lexikon der antiken christlichen Literatur, hg. v. S. Döpp/W. Geerlings, Freiburg/Br. u.a. 1998 Lexikon des Mittelalters, hg. v. R. Auty u.a., München/Zürich, Bd.1 1977ff. Lexikon für Theologie und Kirche, begr. v. M. Buchberger, 2. A. hg. v. Abkürzungsverzeichnis

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MG MGH ML MySal NDG OGG PTS PuP PW QGPRK RAC RE RGG

RM RQ SC Sec Cen StPatr StTh ThPh ThQ ThR ThZ TRE Vig Chr ZAC ZKG

J. Höfer/K. Rahner, 11 Bde., Freiburg/Br. 1957-1965/1966-1968. 3. A., hg. v. W. Kasper u.a., Freiburg/Br. u.a. 1993ff. Patrologiae cursus completus, hg. v. J.-P. Migne, Series Graeca, Paris 1857-1966; 1928-1936. Monumenta Germaniae historica inde ab a. C. 500 usque ad a. 1500, Hannover u.a. 1826ff. Patrologiae cursus completus, hg. v. J.-P. Migne, Series Latina, Paris 1841-1849/1850-1855/1862-1864. Mysterium salutis. Grundriß heilsgeschichtlicher Dogmatik, hg. v. J. Feiner/M. Löhrer, 5 Bde., Einsiedeln u.a. 1965-1981. Neue deutsche Geschichte, hg. v. P. Moraw u.a., München 1984ff. Oldenbourg Grundriß der Geschichte, hg. v. J. Bleicken u.a., München 1979ff. Patristische Texte und Studien, hg. v. K. Aland/W. Schneemelcher, Berlin 1963ff. Päpste und Papsttum, hg. v. G. Denzler, Stuttgart 1971ff. Paulys Real-Encyclopädie der classischen Altertumswissenschaft, neu bearb. v. G. Wissowa/W. Kroll, fortgeführt v. K. Ziegler, Stuttgart 1894ff. Quellen zur Geschichte des Papsttums und des römischen Katholizismus, hg. v. C. Mirbt, 5. A., Tübingen 1934; 6. A. hg. v. K. Aland, Bd. 1, Tübingen 1967 Reallexikon für Antike und Christentum, hg. v. Th. Klauser u.a., Stuttgart 1950ff. Realencyklopädie für protestantische Theologie und Kirche, begr. v. J.J. Herzog, hg. v. A. Hauck, 3. A., Leipzig 1896-1913. Die Religion in Geschichte und Gegenwart, hg. v. F.M. Schiele/L. Zscharnack, Tübingen 1909-1913; 2. A., hg. v. H. Gunkel/L. Zscharnack, 5 Bde., 1927-1932; 3. A., hg. v. K. Galling, 6 Bde., 1957-1965; 4. A., hg. v. H.D. Betz u.a., 1998ff. Die Religionen der Menschheit, begr. v. Ch.M. Schröder, hg. v. P. Antes u.a., Stuttgart u.a. 1961ff. Römische Quartalschrift für christliche Altertumskunde und für Kirchengeschichte, Freiburg/Br. 1887ff. Sources chrétiennes, hg. v. H. de Lubac u.a., Paris 1943ff. The Second Century, Abilene/Texas, 1981ff. Studia patristica, Berlin [Leuven] 1957ff. Studia theologica, Lund 1947ff. Theologie und Philosophie, Freiburg/Br. 1966ff. Theologische Quartalschrift, Tübingen u.a. 1819ff. Theologische Rundschau, Tübingen 1897ff. Theologische Zeitschrift, Basel 1945ff. Theologische Realenzyklopädie, hg. v. G. Krause/G. Müller, Berlin/ New York 1976ff. Vigiliae Christianae, Amsterdam [Leiden] 1947ff. Zeitschrift für Antike und Christentum, Berlin u.a. 1997ff. Zeitschrift für Kirchengeschichte, Stuttgart u.a. 1877ff.

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ZKTh ZNW ZThK

Zeitschrift für katholische Theologie, Wien u.a. 1877ff. Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft und die Kunde der älteren Kirche, Berlin u.a. 1900ff. Zeitschrift für Theologie und Kirche, Tübingen u.a. 1891ff.

2. Allgemeine Abkürzungen A. Auflage AT/atl. Altes Testament/alttes­ta­ ment­lich(e/er/es) Bd./Bde. Band/Bände betr. betreffend bzw. beziehungsweise ca. circa d.Ä./J. der/die Ältere/Jüngere d.Gr. der/die Große d.h. das heißt d.M. der Mittlere ders./dies. der-/dieselbe DG Dogmengeschichte) dt. deutsch(e/er/es) etc. et cetera Ed./ed. Edition/ediert FS Festschrift geb. geboren gen. genannt(e/er/es) gest. gestorben gg. gegen ggf. gegebenenfalls griech. griechisch(e/er/es) Hg. Herausgeber hg. v. herausgegeben von hl. heilig(e/er/es) Jh./Jh.s Jahrhundert/Jahrhunderts

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KG/kg.

Kirchengeschichte/ kirchen­geschichtlich(e/er/ es) Komm. Kommentar lat. lateinisch(e/er/es) Lit. Literaturangaben (reichhal­­­tig z. betr. Person/Werk/ Thema) MA Mittelalter ND Nachdruck NT/ntl. Neues Testament/neutes­ ta­mentlich(e/er/es) o.ä. oder ähnliche(s) röm. römisch(e/er/es) s. siehe s.a. siehe auch sog. sogenannte teilw. teilweise u.a. unter anderem/und andere u.ö. und öfter Übers. Übersetzung v.a. vor allem versch. verschiedenen vgl. vergleiche vollst. vollständige(r/s) z.B. zum Beispiel z.T. zum Teil

Abkürzungsverzeichnis

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Abbildungsverzeichnis § 1 Christliche Gotteslehre als Trinitätslehre Abb. 1 (S. 47): Abb. 2 (S. 74):

Zentren der Theologie und Wissenschaft im 2./3. Jahrhundert Orte zum Trinitarischen Streit im 4. Jahrhundert

§ 2 Christliche Gemeinschaft als Institution Kirche Abb. 3 (S. 119):

Verbreitung des Christentums um 180

§ 3 Frühe Christenheit und Römisches Reich Abb. 4 (S. 216): Abb. 5a (S. 248): Abb. 5b (S. 249): Abb. 6a (S. 250): Abb. 6b (S. 251):

Verbreitung des Christentums um 325 Provinzen des Imperium Romanum um 180 (westlicher Teil) Provinzen des Imperium Romanum um 180 (östlicher Teil) Provinzen des Imperium Romanum um 320 (westlicher Teil) Provinzen des Imperium Romanum um 320 (östlicher Teil)

§ 4 Christologie Abb. 7 (S. 295): Abb. 8 (S. 328): Abb. 9 (S. 350):

Orte zum Christologischen Streit Konstantinopel im 5.-7. Jahrhundert Verbreitung der Miaphysiten

§ 5 Augustin und die Entwicklung der lateinischen Theologie bis zum 9. Jh. Abb. 10 (S. 368): Wichtigste Orte des Zeitalters Augustins Abb. 11 (S. 423): Zentren der westlichen Theologie im 7.-9. Jahrhundert

§ 6 Mönchtum als wahres Christentum Abb. 12 (S. 443): Monastische Zentren im 4.-9. Jahrhundert Abb. 13a (S. 459): Mönchtum in Ägypten (4./5.Jh.) Abb. 13b (S. 459): Mönchtum in Syropalästina (4.-6. Jh.) Abb. 14 (S. 487): Monastische Zentren im 10./11. Jahrhundert Abb. 15 (S. 500): Wichtige Klöster im 12. Jahrhundert Abb. 16 (S. 511): Bettelorden

§ 7 Die Christianisierung Europas Abb. 17 (S. 536): Abb. 18 (S. 557): Abb. 19 (S. 567): Abb. 20 (S. 585):

Die Ausdehnung des Frankenreiches um 530 Expansion des Islam und Oströmisches Reich Ausdehnung des Frankenreiches im Osten (7.-9. Jh.) Ausbreitung des Christentums im Baltikum, in Skandinavien und in Böhmen (10.-13. Jh.)

Abbildungsverzeichnis

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§ 8 Papsttum im Mittelalter Abb. 21a (S. 598): Patrimonium Petri im 8. Jahrhundert Abb. 21b (S. 598): Patrimonium Petri im 13. Jahrhundert Abb. 22 (S. 616): Stadtplan von Rom um 1000

§ 9 Geistliche und weltliche Gewalt im Mittelalter Abb. 23 (S. 673): Abb. 24 (S. 694): Abb. 25 (S. 710): Abb. 26 (S. 724): Abb. 27 (S. 736):

Das Frankenreich im 8./9. Jahrhundert Bistümer in Deutschland im 12. Jahrhundert Das Reich und seine Nachbarn um 1200 Die Kreuzfahrerherrschaften in Syrien-Palästina Sog. Lateinisches Kaiserreich um 1214

§ 10 Theologie und Frömmigkeit im Mittelalter Abb. 28 (S. 758): Kloster- und Domschulen/Universitäten im 11.-14. Jahrhundert

© für alle Karten: Peter Palm, Berlin

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Abbildungsverzeichnis

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Kaiser- und Papstlisten 1. Kaiserlisten 1.1 Römische Kaiser (Ausgelassen sind die Kaiser, die nur wenige Monate im Amt waren bzw. sich nicht dauerhaft durchsetzen konnten, vor allem in den Jahren 69.193.238.251.253.260268.270.276.282/283.474-476.) Augustus 27 v.Chr.-14 n.Chr. Tiberius 14-37 Caligula 37-41 Claudius 41-54 Nero 54-68 Galba 68-69 Vespasian 69-79 Titus 79-81 Domitian 81-96 Nerva 96-98 Trajan 98-117 Hadrian 117-138 Antoninus Pius 138-161 Mark Aurel 161-180 Commodus 180-192

Septimius Severus Caracalla Macrinus Elagabal Severus Alexander Maximinus Thrax Gordianus III. Philippus Arabs Decius Trebonianus Gallus Valerianus GaIlienus Claudius Gothicus Aurelianus Probus

193-211 211-217 217-218 218-222 222-235 235-238 238-244 244-249 249-251 251-253 253-260 263-268 268-270 270-275 276-282

Diokletian Galerius Maxentius

284-305 305-311 306-312

Licinius

308-324

Maximianus Konstantius I. (Chlorus) Konstantin I. Severus Maximinus Daja

286-305 305-306 306-337 306/07 309-313

Konstantin II. Konstans Konstantius II. (ab 351 Alleinherrscher)

337-340 337-350 337-361

lulian Apostata 361-363 Jovian 363-364

Kaiser- und Papstlisten

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Westen Valentinian I. Gratian Valentinian II. Honorius Johannes Valentinian III. Avitus Maiorianus Glycerius/Nepos Romulus Augustulus (Fortsetzung s. Liste 1.3)

Osten 364-375 367-383 375-392 393-423 423-425 425-455 455/6 457-461 473-475 475/6

Valens Theodosius I. Arcadius Theodosius II. Marcian Leon I. Basiliskus Zeno Anastasius Iustin I. Iustinian (Fortsetzung s. Liste 1.2)

364-378 379-395 383-408 408-450 450-457 457-474 475/6 476-491 491-518 518-527 527-565

1.2 Byzantinische Kaiser (565-1453) Justin II. 565-578 Tiberius 578-582 Maurikius 582-602 Phokas I. 602-610 Heraklius 610-641 Konstantin III. 641 Konstans II. 642-668 Konstantin IV. 668-685 lustinian II. 685-695.705-711 Leon II. 695-698 Tiberius II. 698-705 Bardanes Philippikus 711-713 Anastasius II. 713-715 Theodosius III. 715-717 Isaurierdynastie Leon III. Konstantin V. Leon IV. Konstantin VI. (Irene Regentin Kaiserin Irene Nikephorus I. Michael I. Leon V. 852

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(717-802) 717-741 741-775 775-780 780-797 780-790) 792/7-802 802-811 811-813 813-820

Amorerdynastie Michael II. Theophilus Michael III.

(820-867) 820-829 829-842 842-867

Makedonierdynastie Basilius I. Leon VI. Konstantin VII. Romanus I. Romanus II.

(867-1056) 867-886 886-912 912/944-959 920-944 959-963

Nikephorus II. Phokas Johannes I. Tzimiskes Basilius II. Konstantin VII. Romanus III. Michael IV. Michael V. Konstantin IX. Kaiserin Theodora Michael VI. Isaak I. Dukasdynastie Konstantin X.

963 -969 969-976 976-1025 1025-1028 1028-1034 1034-1041 1041-1042 1042-1055 1055-1056 1056-1057 1057-1059 (1059-1078) 1059-1067

Kaiser- und Papstlisten

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Kaiserin Eudokia und Romanus IV. Michael VII. Nikephorus III.

1067-1071 1071-1078 1078-1081

Komnenendynastie (1081-1185) Alexius I. 1081-1118 Johannes II. 1119-1143 Manuel I. 1143-1180 Alexius II. 1180-1183 Andronikus I. 1183-1185 Isaak II. 1185-1195.1203-1204 Alexius III. 1095-1203 Alexius IV. 1203/04 Theodorus I. 1204-1222

Johannes III. Dukas Vatatzes Theodorus II.

1222-1254 1254-1258

Paläologendynastie (1259-1453) Michael VIII. 1259-1282 Andronikus II. 1282-1328 Andronikus III. 1328-1341 * Johannes V. 1341-1391 * Johannes VI. Kantakuzenos 1347-1354 * Matthäus 1353-1357 * Andronikus IV. 1376-1379 Manuel II. 1373/91-1425 Johannes VIII. 1425-1448 Konstantin XI. 1448-1453

1.3 Könige/Kaiser des Römischen Reiches (Franken/Deutsche) (* = Doppelwahl/Gegenkönigtum) Aufstieg der Karolinger (Hausmeier/Könige) Pippin II. der Mittlere Karl Martell Karlmann Pippin III. der Jüngere (ab 751 König) Karl I. der Große (ab 800 Kaiser) Karolinger Karl I. der Große Ludwig I. der Fromme Lothar I. Ludwig II. Karl II. der Kahle Karl III. * Guido v. Spoleto * Lambert v. Spoleto * Arnulf Ludwig III. das Kind * Konrad I. * Berengar I. v. Friaul Kaiser- und Papstlisten

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679-714 714-741 741 -751 741-768 768-814

800-814 814-840 840-855 843-876 875-877 881-887 891-894 892-898 896-899 900-911 911-918 915-924

Sachsen/Liudolfinger Heinrich I. 0tto I. der Große 0tto II. 0tto III. Heinrich II.

919-936 936-973 973-983 983-1002 1002-1024

Salier Konrad II. Heinrich III. Heinrich IV. Heinrich V.

1024-1039 1039-1056 1056-1106 1106-1125

Lothar III. v. Supplingenburg

1125-1137

Staufer Konrad III. Friedrich I. Barbarossa Heinrich VI. * Philipp v. Schwaben * Otto IV. v. Braunschweig * Friedrich II. v. Sizilien * Heinrich Raspe

1138-1152 1152-1190 1190-1197 1198-1208 1198-1215 1215-1250 1246-1247 853

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* Wilhelm v. Holland * Konrad IV.

1248-1256 1250-1254

(sog. Interregnum 1256-1273) * Richard v. Cornwall 1252/57-72 * Alfons X. v. Kastilien 1257-1274 Rudolf I. v. Habsburg 1273-1291 Adolf v. Nassau 1292-1298 Albrecht I. v. Österreich 1298-1308 Heinrich VII. v. Luxemburg 1308-1313 * Friedrich v. Österreich 1314-1330 * Ludwig IV. der Bayer 1314-1347

Luxemburger Karl IV. v. Böhmen * Wenzel v. Böhmen Ruprecht von der Pfalz Sigmund v. Ungarn

1346-1378 1378-1400 1400-1410 1410-1437

Habsburger Albrecht II. Friedrich III. Maximilian I.

1438-1439 1440-1493 1493-1519

2. Liste der römischen Bischöfe/Päpste (* = Amtschisma/Doppelwahl bzw. Gegenpapst) Anicetus Soter Eleutherus Viktor I. Zephyrinus * Kallist/Calixt I. * Hippolyt * Urban I. * Pontianus Anterus Fabianus * Cornelius * Novatian * Lucius I. * Stephan I. * Sixtus II. Dionysius Felix I. Eutychianus Cajus Marcellinus Marcellus Eusebius Miltiades Silvester I. 854

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?154-165 ?166-174 ?174-189 ?189-198 198-217 217-222 217-235 222-230 230-235 235-236 236-250 251-253 251-258 253-254 254-257 257-258 ca. 259-268 ca. 269-274  ca. 275-283 ca. 283-296 ca. 296-304  ca. 307-309 ca. 310 311-314 314-335

Markus Julius I. * Liberius * Felix II. * Damasus I. * Ursinus Siricius Anastasius I. Innozenz I. Zosimus * Bonifatius I. * Eulalius Cölestin I. Sixtus III. Leo I. Hilarius Simplicius Felix III. (II.) Gelasius I. Anastasius II. * Symmachus * Laurentius Hormisdas Johannes I. Felix IV. (III.) * Bonifatius II. * Dioskur Johannes II.

336 337-352 352-366 355-365 366-384 366-367 384-399 399-401 402-417 417-418 418-422 418-419 422-432 432-440 440-461 461-468 468-483 483-492 492-496 496-498 498-514 498-505 514-523 523-526 526-530 530-532 530 533-535 Kaiser- und Papstlisten

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Agapet I. 535-536 Silverius 536-537 Vigilius 537-555 Pelagius I. 556-561 Johannes III. 561-574 Benedikt I. 575-579 Pelagius II. 579-590 Gregor I. 590-604 Sabinianus 604-606 Bonifatius III. 607 Bonifatius IV. 608-615 Deusdedit = Adeodatus I. 615-618 Bonifatius V. 619-625  Honorius I. 625-638 Severinus 640 Johannes IV. 640-642  Theodor I. 642-649 Martin I. 649-653 Eugen I. 654-657 Vitalian 657-672 Adeodatus II. 672-676 Donus 676-678 Agatho 678-681 Leo II. 682-683 Benedikt II. 684-685 Johannes V. 685-686 * Konon 686-687 * Theodor 687 * Paschalis 687 Sergius I. 687-701 Johannes VI. 701-705 Johannes VII. 705-707 Sisinnius 708 Konstantin I. 708-715 Gregor II. 715-731 Gregor III. 731-741 Zacharias 741-752 * Stephan (II.) 752 * Stephan II. (III.) 752-757 * Paul I. 757-767 * Konstantin II. 767-769 * Philipp 768 * Stephan III. (IV.) 768-772 Hadrian I. 772-795 Leo III. 795-816 Stephan IV. (V.) 816-817 Kaiser- und Papstlisten

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Paschalis I. 817-824 Eugen II. 824-827 Valentin 827 * Gregor IV. 827-844 * Johannes 844 Sergius II. 844-847 Leo IV. 847-855 * Benedikt III. 855-858 * Anastasius BibI. 855 Nikolaus I. 858-867 Hadrian II. 867-872 Johannnes VIII. 872-882 Marinus I. 882-884 Hadrian III. 884-872 Stephan V. (VI.) 885-891 Formosus 891-896 Bonifatius VI. 896 Stephan VI. (VII.) 896-897 Romanus 897 Theodor II. 897 Johannes IX. 898-900 Benedikt IV. 900-903 * Leo V. 903 * Christophorus 903-904 Sergius III. 904-911 Anastasius III. 911-913 Lando 913-914 Johannes X. 914-928 Leo VI. 928 Stephan VII. (VIII.) 929-931 Johannes XI. 931-935 Leo VII. 936-939 Stephan VIII.(IX.) 939-942 Marinus II. 942-946 Agapet II. 946-955 * Johannes XII. 955-963/4 * Leo VIII. 963-965 * Benedikt V. 964·966 Johannes XIII. 965-972 * Benedikt VI. 973-974 * Bonifatius VII. 974 Benedikt VII. 974-983 Johannes XIV. 983-984 Bonifatius VII. 984-985 Johannes XV. 985-996 * Gregor V. 996-999 855

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* Johannes XVI. Silvester II. Johannes XVII. Johannes XVIII. Sergius IV. * Benedikt VIII. * Gregor (VI.) Johannes XIX. Benedikt IX. * Silvester III. Gregor VI. Clemens II. Benedikt IX. Damasus II. Leo IX. Viktor II. * Stephan IX. (X.) * Benedikt X. Nikolaus II. * Alexander II. * Honorius (II.) * Gregor VII. * Clemens III. Viktor III. Urban II. * Paschalis II. * Theoderich * Albert * Silvester IV. * Gelasius II. * Gregor VIII. Calixt II. * Honorius II. * Cölestin (II.) * Innozenz II. * Anaklet II. * Viktor IV. Cölestin II. Lucius II. Eugen III. Anastasius IV. Hadrian IV. * Alexander III. * Viktor IV. * Paschalis III. * Calixt III. 856

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997-998 999-1003 1003 1004-1009 1009-1012 1012-1024 1012 1024-1032 1032-1045 1045-1046 1045-1046 1046-1047 1047-1048 1048 1049-1054 1055-1057 1057-1058 1058-1059 1059-1061 1061-1073 1061-1072 1073-1085 1080-1100 1086-1087 1088-1099 1099-1118 1100-1102 1102 1105-1111 1118-1119 1118-1121 1119-1124 1124-1130 1124 1130-1143 1130-1138 1138 1143-1144 1144-1145 1145-1153 1153-1154 1154-1159 1159-1181 1159-1164 1164-1168 1168-1178

* Innozenz II. (III.) Lucius III. Urban III. Gregor VIII. Clemens III. Cölestin III. Innozenz III. Honorius III. Gregor IX. Cölestin IV. Innozenz IV. Alexander IV. Urban IV. Clemens IV. Gregor X. Innozenz V. Hadrian V. Johannes XXI. Nikolaus III. Martin IV. Honorius IV. Nikolaus IV. Cölestin V. Bonifatius VIII. Benedikt XI. Clemens V. * Johannes XXII. * Nikolaus V. Benedikt XII. Clemens VI. Innozenz VI. Urban V. Gregor XI. Großes Schisma * Urban VI. (Rom) * Clemens VII. [Avignon] * Bonifatius IX. (Rom) * Benedikt XIII. [Avignon] * Innozenz VII. (Rom) * Gregor XII. (Rom) * Alexander V. * Johannes XXIII.

1179-1180 1181-1185 1185-1187 1187 1187-1191 1191-1198 1198-1216 1216-1227 1227-1241 1241 1243-1254 1254-1261 1261-1264 1265-1268 1271-1276 1276 1276 1276-1277 1277-1280 1281-1285 1285-1287 1288-1292 1294 1294-1303 1303-1304 1305-1314 1316-1334 1328-1330 1334-1342 1342-1352 1352-1362 1362-1370 1370-1378 1378-1389 1378-1394 1389-1404 1394-1417 1404-1406 1406-1415 1409-1410 1410-1415

Kaiser- und Papstlisten

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Martin V. (* Clemens VIII.) (* Benedikt XIV.) * Eugen IV. * Felix V. * Nikolaus V. Calixt III. Pius II.

Kaiser- und Papstlisten

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1417-1431 1424-1429 1424 1431-1447 1439-1449 1447-1455 1455-1458 1458-1464

Paul II. Sixtus IV. Innozenz VIII. Alexander VI. Pius III. Julius II. Leo X.

1464-1471 1471-1484 1484-1492 1492-1503 1503 1503-1513 1513-1521

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Register Zahl und Punkt wie z.B. § 2. oder § 7; 1. weisen auf den ganzen Paragraphen bzw. das gesamte Kapitel einschließlich der Unterkapitel hin; Ziffer .0 (z.B. 11.0) bezeichnet den Einleitungsabschnitt eines Kapitels. Pseudepigraphen werden unter dem Pseudonym mit aufgeführt, also z.B. Pseudo-Gregor von Nyssa bei Gregor von Nyssa. Fett gedruckte Stellenangaben weisen auf besonders wichtige Stellen hin.

Namenregister (Personen und Orte) A.

Abt/Äbtissin

Eb.

Erzbischof

Kd.

Kardinal

Ä.

(der/die) Ältere

F.

Fürst/in

Kg.

König/in

Ap.

Apostel

Gf.

Graf/Gräfin

Konst.

Konstantinopel

Alex.

Alexandria

Gr.

(der/die) Große

Ks.

Kaiser/in

Ant.

Antiochia

Hz.

Herzog/in

P.

Papst

B.

Bischof

J.

(der/die) Jüngere Pt.

Cäs.

Cäsarea

Jer.

Jerusalem

Cant.

Canterbury

Karth.

Karthago

Aachen § 5; 13.2; 13.2.2; 13.3.2; 13.3.3 – § 6; 8.5.2; 8.7 – § 7; 7.3 – § 9; 3.4; 5.1.4 – § 10; 9.4.2 – Abb. 23 Aarhus § 7; 10.1.2 – Abb. 20 Abaelard, Petrus, A. § 6; 11.1.1 – § 10; 1.2.1-2; 3.4; 4.; 5.1; 5.1.2; 6.0; 6.3; 7.0-1; 7.1.2; 9.1.2; 9.3.1; 10.1.1 Abbasiden § 7; 5.4.1 Abd ar-Rahman § 7; 5.4.1 Abel § 2; 5.4.2 – § 5; 7.2; 9.1.2 Åbo § 7; 11.4 – Abb. 20 Abodriten § 7; 10.1-1.1; 10.2.2; 10.4; 12.1.1-2 Abthungi Abb. 10 Acacius v. Cäs./Palästina, B. § 1; 14.0; 15.3 – § 5; 1.3; 3.2 Acacius v. Konst., Pt. § 4; 11.2; 11.2.1-3; 12.1.2 – § 8; 3.1 Acacius von Melitene § 4; 9.1.1 Achaia § 2; 2.1 – § 3; 1.3 – § 9; 10.2.2 – Abb. 5b.6b.27 Actium § 3; 1.3 858

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Patriarch

Adalbert II. v. Calw, Gf. § 6; 9.2.4 Adalbert v. Hamburg-Bremen, Eb. § 7; 11.2; 12.1-1.1 – § 9; 6.3.1 Adalbert v. Magdeburg, Eb. § 7; 9.1.3; 10.2.1 Adalbert v. Metz, B. § 6; 9.3.2 Adalbert v. Prag, B. § 7; 10.3.3; 10.4.1-2; 12.2.2 Adaldag v. Hamburg-Bremen, Eb. § 7; 10.1.2; 11.2 Adelheid, Ks. § 9; 4.2-2.1; 4.2.4 Adam § 1; 4.0-1.2 – § 2; 5.4.2; 12.5 – § 4; 4.2.1 – § 5; 4.1; 6.4-4.2; 7.2-3.1; 7.4.1; 7.4.4; 7.5.1 – § 10; 12.4.1; 13.4.2; 14.2.1 Adam v. Marsh § 6; 13.2.3 Adam v. St.Viktor § 10; 6.3 Adam Wodeham § 10; 17.1.1 Adane § 2; 2.5 Adeodatus § 5; 5.1.1; 5.2.2; 5.3; 8.1 Adrianopel § 1; 17.1 – § 3; 10.4.2; 13.1.2 – § 7; 2.1.3 – § 9; 10.3.2 Namenregister

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Aeclanum § 4; 6.1.3 – § 5; 7.4.5 – Abb. 10 Aedesius § 2; 2.5 Aegidius § 7; 3.1.1 Aegidius Albornoz, Kd. § 8; 11.3.1 Aegidius Romanus, Eb. § 9; 12.3.1 – § 10; 17.1.3 Aegina Abb. 3 Ägypten § 1; 7.2.1; 11.0; 13.3.1; 15.4; 17.2 – § 2; 2.2; 2.3; 2.5; 5.0; 5.1; 5.5; 11.6; 15.3.3; 16.2 – § 3; 1.3; 2.4; 8.2.1; 9.4; 11.5.2; 12.1; 13.2.3; 14.0 – § 4; 5.2; 5.3.4; 6.1.3; 6.2.3; 7.1.2; 8.2; 11.0; 11.1; 11.1.2; 11.2.2; 11.3; 12.2-2.2; 13.0; 13.1; 13.1.2; 13.1.2; 15.3.1-2; 15.4; 15.4.1; 15.4.3 – § 5; 7.5.2 – § 6; 1.0; 2.0; 2.1.1; 2.2; 2.2.1-2; 3.0; 3.1.1; 3.2.4; 5.0; 5.1.1; 5.2.1; 5.3.1; 5.4.1; 6.3.1-2; 6.4; 6.4.3; 13.1.3 – § 7; 5.0; 5.2; 5.3 – § 9; 8.2.4; 8.3.1; 8.4-4.1; 8.4.3-4 – Abb. 13a.18.26 Aegyptus (Herculia/lovia) Abb. 5b.6b Aelred v. Rievaulx, A. § 6; 10.2.3 – § 10; 5.1 Aemilia s. Liguria Aethelbert v. Kent, Kg. § 7; 4.1 Aetheria s. Egeria Äthiopien § 2; 2.5 – § 4; 15.4.3 Aëtius (Heterousianer) § 1; 10.2.3; 14.0; 14.2 Aëtius (Heermeister) § 3; 14.5 – § 7; 3.1.1 Afrahat § 2; 2.5 – § 6; 1.1 Africa (Africa/-proconsularis) § 2; 16.3.12 – § 5; 5.4; 7.4.3 – § 7; 2.4.2 Afrika (s. a. Nordafrika) § 2; 2.3 – § 3; 12.1 – § 4; 13.2 – § 5; 7.4.4 – § 6; 14.2.3 – § 7; 2.4.2 Agapetus I., P. § 4; 12.2.3 – § 8; 3.3 Agapetus II., P. § 7; 10.2.1 – § 9; 4.2.2 Agilofinger § 7; 3.3.2 Agnes (von Rom, Märtyrerin) § 2; 11.8 Agnes (Mutter Heinrichs IV.) § 9; 6.3.1; 6.4.2 Agnes v. Prag § 6; 13.3.2 Agnetenberg § 6; 16.3.1-2 Agnoëten § 4; 15.4.1 Namenregister

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Agobard v. Lyon, B. § 5; 14.2 Agrippus v. Karth., B. § 2; 13.4 Aidan, B. § 7; 4.3.1 Aistulf, Kg. § 8; 5.1.2 – § 9; 2.2.3 Akephalen § 4; 15.4.1 Akkon § 9; 8.0; 8.4-4.3; 8.5; 9.2; 9.2.2; 9.3.1 – Abb. 26 Akoimeten § 4; 11.2.2-3; 12.1.1 – § 6; 5.2.1; 5.3.1-2 – Abb. 8 Aksum s. Äthiopien Alanus ab insulis § 10; 3.3.1 Alarich I., Kg. § 5; 9.1 – § 7; 2.2-2.2 Alarich II., Kg. § 3; 14.3 – § 7; 2.2.2 Albanenser § 8; 10.2.2 Albano § 8; 7.1.5 – § 10; 12.3.1 Alberich § 6; 10.2.1 Alberich I. v. Spoleto, Hz. § 8; 6.3.1 Alberich II. v. Spoleto, F. v. Rom § 8; 6.3.1 – § 9; 4.2.2 Albert v. Buxhoeveden, B. § 7; 12.2.1 Albert v. Sachsen, B. § 10; 17.2.1 Albertus Magnus, B. § 6; 14.3 – § 10; 11.2.5; 11.3-3.3; 13.0-1; 13.1.1; 15.1.1; 15.2; 17.1 Albrecht d. Bär, Mkgf. § 7; 12.1.2; 12.1.4 Albrecht II. v. Habsburg, Kg. § 9; 12.2.4 Albi § 8; 10.2.1 Albigenser § 6; 11.2-3; 12.2.1; 14.114.1.2 – § 8; 10.2.1-2; 10.3; 10.3.3 – § 9; 8.4.3 Aldwin v. Salzburg, B. § 7; 8.1.2 Alemannen § 7; 1.4; 3.1-1.2; 3.2.2 – § 9; 4.1 Alemannien/Allamannien § 7; 10.1.3 – Abb. 17.23 Aleppo § 6; 5.2.2 – § 9; 8.3.1 – Abb. 26 Alexander II., P. § 8; 7.1.4; 7.4; 7.4.2-3; 7.5.1 – § 9; 6.3.2 Alexander III., P. § 7; 11.4 – § 8; 9.1; 9.1.3 – § 9; 7.1.3 – § 10; 7.2 Alexander IV., P. § 6; 15.1; 15.1.2 Alexander V., P. § 8; 11.3.3; 13.2.4 Alexander (Asket) § 6; 5.3.1 Alexander (Augustus 306) § 3; 10.2 Alexander v. Alex., B. § 1; 11.0-1; 11.3; 11.4.2; 12.0; 12.3 – § 2; 16.2 – § 4; 2.1.1 859

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Alexander v. Hales § 6; 13.2.3 – § 10; 7.1.1;9.1.3; 10.2; 11.3.1; 12.0-1; 12.1.1; 12.2; 12.3.1; 12.4 Alexander von Hierapolis, B. § 4; 9.1.1 Alexander Newskij, F. § 7; 9.2.3 Alexandria (s. auch Athanasius/Clemens/ Dionysius/Dioskur/Kyrill/Petrus/ Philo v. Alex.) § 1; 8.0; 9.1; 10.2.2; 10.2.4; 11.0-11.1; 12.0; 12.2-3; 15.02; 16.1.3; 17.2 – § 2; 2.2-5; 5.4.3; 10.3; 10.5.1; 11.3; 11.6; 14.1.2; 16.2 – § 3; 1.3; 6.2; 11.5.2; 13.1.1; 13.2.3; 14.0; 14.2 – § 4; 2.1.4; 2.3.2; 3.1; 4.0; 4.3; 4.3.2; 5.0-2; 6.1-1.1; 6.1.3; 8.0-1; 9.0; 9.1.2; 9.3; 10.1.1; 11.1.2; 11.2; 11.2.23; 12.2.2; 12.3.1; 13.1.2; 14.4; 15.44.1; 15.4.3 – § 5; 2.2 – § 6; 1.1.2; 1.4; 2.1.3; 2.2; 2.2.2 – § 8; 1.0; 3.1; 5.2.2 – Abb. 1.2.3.7.9.12.13a.18 Alexius I., Ks. § 8; 8.1.3; 10.1.1 – § 9; 8.1.4; 8.2.4; 10.1.2 Alexius IV., Ks. § 9; 10.2.1 Alfons I., F. § 7; 5.4.2 Alfons II., F. § 7; 5.4.2 Alfons VI., Kg. § 7; 5.4.2 Alfons VIII. v. Kastilien, Kg. § 10; 11.1.4 Alfons X. v. Kastilien, Kg. § 9; 12.2.1 Alfred d. Gr., Kg. § 7; 11.1.2 Algerien § 5; 5.1.1 Alkuin, A. § 5; 3.3; 13.2-2.2; 13.3.1-2; 14.1-2 – § 7; 7.1; 7.3.2 – § 9; 3.1.2 Alpes (Cottiae, Maritimae, Poeniae et Graiae) Abb. 5a.6a Altenberg Abb. 15 Altnizäner s. Nizäner Alypius v. Thagaste, B. § 5; 5.2.3; 5.3-4; 7.4.3 Amadeus v. Savoyen, Hz. s. Felix V., P. Amalar v. Metz, B. § 5; 14.2 Amaler § 5; 11.3 Amalfi § 8; 8.1.1 – Abb. 21b Amalrich v. Bena § 10; 11.2.4 Amalrikaner § 10; 11.2.4 Amastris Abb. 3 Amandus § 7; 3.3.1; 6.1.1 Ambrosiaster § 5; 1.3 860

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Ambrosius (Mäzen) § 2; 10.5.2 Ambrosius v. Mailand, B. § 1; 7.2.3; 17.4;18.0; 18.2-2.2; 18.4.1 – § 2; 11.6; 14.1.3; 15.4 – § 3; 13.1.2; 13.2.2-4 – § 5; 1.1; 1.3-4; 2.; 3.0; 5.2; 5.2.2-3; 7.5.2; 12.0 – § 6; 6.1.1; 6.1.3 Amiens § 6; 9.4 – § 9; 8.2.2 Amisus Abb. 3 Ammergau § 6; 10.3.1 Ammonius Sakkas § 1; 7.0; 7.2.1 – § 2; 10.5.1 Ammun § 6; 2.2.2 Amöneburg § 7; 6.1.2 – Abb. 19 Amorbach § 6; 8.4.1 – § 7; 7.1.4 – § 9; 5.1.5 – Abb. 12 Amselfeld § 9; 10.3.2 Anagni § 9; 12.1.1 Anaklet II., P. § 8; 9.1.1 Anamur/Anemorium Abb. 26 Anastasius I., Ks. § 3; 14.6 – § 4; 5.3.3; 11.1.1; 11.2; 11.2.2-3; 11.3.4; 12.1.12 – § 8; 3.1 Anchialus Abb. 3 Ancona § 8; 9.2.3 – § 9; 7.3.3; 12.3.1 – Abb. 21a.21b.25 Andalusien – Abb. 18 Andreas, Ap. § 2; 8.1 Andreas v. Samosata § 4; 9.1.1 Andreas v. Ungarn, Kg. § 6; 12.4.2 – § 9; 9.3.2 Andreas v. St. Viktor, A. § 10; 6.3 Andreaskloster/Rom § 5; 12.1 – § 8; 4.0-2 Andronikus III., Ks. § 9; 10.3.2 Angeln § 7; 4.1; 4.3.1 – Abb. 17 Angelos § 9; 10.2.3 Angelsachsen § 5; 13.1.2; 13.3.3 – § 6; 8.0; 8.3 – § 7; 4.0; 4.3; 6.0; 6.1-1.1; 6.2.1-2; 6.3.2; 7.2.4; 11.1.2; 11.2 – § 8; 4.2 Angers § 10; 11.1.4 – Abb. 28 Anhomöer (s. Heterousianer) § 1; 10.2.3; 14.0; 14.2 Aniane § 6; 8.4.1; 8.5-5.2; 9.3.1-2 – Abb.12 Anicet v. Rom, B. § 8; 1.1 Namenregister

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Anjou § 8; 9.4 – § 9; 7.3.3; 10.2.2; 10.3.1; 12.1 – Abb. 25 Ankyra § 1; 11.4; 12.0-1; 12.3; 14.0-1; 14.3 – § 3; 11.5.2 – § 6; 5.4.1 – § 8; 1.3 – Abb. 2.3.12 Annegray § 7; 3.3.1 – Abb. 19 Annisi – Abb. 12 Anno v. Köln, Eb. § 6; 9.2.1 – § 9; 6.3.1 Ansbach § 6; 8.4.1 Anselm v. Besate § 10; 1.1.1 Anselm v. Cant., Eb. § 9; 6.6.1 – § 10; 1.22.2; 2.; 3.4; 4.3.1; 8.2.2; 12.3; 13.3.2 Anselm v. Havelberg, B. § 6; 10.3.3 – § 7; 10.1.2; 12.1.2 – § 8; 8.1.3 Anselm v. Laon § 10; 3.1; 4.11 Ansgar v. Hamburg-Bremen, Eb. § 7; 7.4; 11.4 Anthimus v. Konst., Pt. § 4; 12.2.2 Antinoe Abb. 9 Antiochia (s. auch Eustathius/Ignatius/Johannes/Severus/Theophilus v. Ant.) § 1; 9.0; 9.2-3; 10.2.4; 11.1; 11.2.1; 12.0; 12.3-3.1; 14.2; 14.4; 15.0-3; 16.1.3; 17.1-3 – § 2; 1.0; 2.1; 2.4-5; 10.5.1; 11.1.2; 11.3-4; 11.6; 14.1.2; 15.2 – § 3; 1.3; 11.1.1; 11.4; 12.3.3; 13.1.1 – § 4; 2.1.4; 2.2; 2.2.2; 2.3.2; 3.0-2; 3.3.1; 4.0-1; 4.2.1; 4.3-3.2; 5.0-2; 5.3.3; 6.0-1.1; 6.2.2-3; 7.01; 7.2-2.1; 8.1; 8.3.4; 9.0-1.3; 9.2.2; 9.3.2; 9.4; 10.3.2-3; 11.1.3; 11.2.1-2; 11.3.1-4; 12.3-3.2; 13.1; 14.4; 15.01.2; 15.3-3.2 – § 5; 3.1; 7.4.5 – § 6; 5.2.2 – § 8; 1.0; 5.2.2; 8.2 – § 9; 8.2.4; 8.3-3.1; 8.4.1-2; 10.1 – Abb. 1.2.3.7.9.12.13b.18.26 Antiochia/Pisidien Abb. 3 Antiorigenisten § 5; 3.2 Antipolis s. Cannes Antium Abb. 3 Antonij s. Antonius Antoninus Caracalla, Ks. § 3; 4.4.2; 8.1 Antoninus Pius, Ks. § 3; 4.4.1; 7.1.1 Antoniter § 6; 15.2.1 Antonius § 6; 2.1-1.3; 2.2.2; 6.1; 6.1.2; 7.4.1; 15.2.1 – § 10; 18.2 Namenregister

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Antonius s. Marcus Antonius Antonius/Antonij § 7; 9.2.2 Antonius v. Padua § 6; 13.2.3 Antwerpen § 6; 10.3.2 – Abb. 15 Aosta § 10; 2.1.1 Apamea Abb. 13b Apelles § 2; 6.1; 10.2 Apoll § 3; 10.3.2 Apollinaris v. Hierapolis § 3; 7.1.1 Apollinaris v. Laodicea, B. § 1; 15.1 – § 4; 2.0; 2.2; 2.2.2; 3.; 4.0-1; 7.2.2; 8.3; 8.3.2; 9.2.1; 11.3.1 – § 5; 1.3 Apollinaristen § 1; 15.1; 17.4 – § 4; 2.2.2; 2.3.2; 3.1; 4.2; 7.2.2; 8.3.1-2; 9.2.2 Apollonia Abb. 3 Apologeten § 1; 2.0; 3. – § 2; 10.2 – § 3; 6.0; 7. Apostolische Väter § 1; 2.0 – § 3; 7.1 Apuleius § 1; 7.1 – § 3; 2.4 Apulia et Calabria Abb. 5a.6a Apulien § 5; 7.4.5 – § 8; 7.4.3 – § 9; 4.2.3; 10.1.2 Aquarier § 2; 14.3.2 Aquila § 2; 10.5.2 Aquileja/Aquileia § 1; 17.0; 17.4; 18.22.2 – § 3; 9.1.2; 13.1.2 – § 5; 3.1-2; 13.2.1; 13.3.3 – § 6; 6.1.3; 6.3.1 – § 8; 3.3 – § 9; 6.2.2 – Abb. 2.10.12.17 Aquino § 10; 13.0; 13.1.1 Aquitania (prima/secunda) § 3; 1.3 – Abb. 5a.6a Aquitanien § 5; 7.5.2 10.1 – § 6; 6.2.1; 8.4.1; 8.5.1; 9.1.1 – § 7; 3.3.2; 5.4.1 – § 9; 2.1.1; 3.3.2 – Abb. 17.23.25 Araber § 3; 14.0 – § 4; 5.3.4; 13.0-1; 13.1.2; 13.4; 14.2.1; 14.3; 15.0-1; 15.1.2; 15.2.1; 15.2.3; 15.3.1; 15.3.25; 15.4-4.3 – § 5; 13.3.2 – § 7; 2.2; 2.2.4; 5.1-3; 5.4.1 – § 8; 7.4 – § 9; 6.1.2; 8.5; 10.1-1.1 – § 10; 11.2-2.2; 11.3.1; 11.3.3; 15.3.1; 19.3.2 Arabia/Arabien § 2; 2.5; 3.4; 10.5.1 – § 4; 15.3.1; 15.3.2 – § 7; 5.1 – Abb. 5a.5b.6b.18 Aragόn § 8; 11.3.2; 14.2.1 – § 9; 6.1.2; 7.2.3 – § 10; 15.3.1 – Abb. 25 861

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Arausio/Orange § 5; 10.3; 14.4 – Abb. 10 Arbela Abb. 9 Arbogast v. Straßburg, B. § 3; 13.2.5 Arcadius, Ks. § 3; 13.2.5 – § 4; 4.3.2 Archipelagos § 9; 10.2.2 – Abb. 27 Arelate s. Arles (s.a. Burgund) Areopagita s. Dionysius Areopagita Arezzo Fonte Avellana § 6; 9.4 Argenteuil § 10; 4.1.2 Arianer § 1; 10.2.2-3; 10.3; 11.2.1; 13.0; 13.2; 13.2.2; 14.0; 14.2-3; 17.4; 18.2.2 – § 4; 2.1; 2.2.1; 2.3.1; 3.1; 6.1.1 – § 6; 2.1.3 – § 8; 10.2.1 Ariminum s. Rimini Aripert, Kg. § 7; 2.5 Aristides § 3; 7.1-1.1; 7.2 Aristoteles § 1; 7.1 – § 3; 1.4 – § 4; 15.3.2; 15.4.1 – § 5; 11.2 – § 6; 14.3 – § 9; 12.3; 12.3.2 – § 10; 3.3-3.2; 10.3-3.1; 11.0; 11.1.1; 11.2-3.2; 12.0-1.2; 13.1; 13.2.2; 14.0; 14.1.1; 19.3 Arius § 1; 10.2.1; 11.0-11.2.2; 11.3-4.2; 12.0; 13.0; 13.2; 14.2; 17.3; 18.2.2; 18.3 – § 2; 9.2.2 – § 3; 11.5.2 – § 4; 2.0; 2.1-1.1; 2.2 – § 5; 1.1 Arkona § 7; 12.1.3 Arles/Arelate § 2; 16.3.1 – § 3; 11.5.1 – § 5; 10.2-3; 11.1; 12.3.1 – § 6; 6.4; 6.4.2; 7.1; 7.1.3 – § 7; 3.2.1 – § 8; 1.0; 2.2-3; 4.1; 11.1.3 – § 9; 4.2.1 – Abb. 2.3.10.11.12.17.23.25 Armagh § 7; 4.2 – Abb. 11 Armenia/Armenien § 1; 15.1 – § 2; 2.3; 2.5; 10.1; 14.1.2 – § 3; 1.3; 11.4 – § 4; 4.3.2; 5.2; 9.1.1; 12.2.1; 13.1.1-2; 15.0; 15.2-2.3; 15.3.2 – § 6; 4.1-2; 5.1.1 – § 7; 9.1.1; 9.2.2 – § 8; 8.0; 8.2.3; 10.1.1 – § 9; 8.1.4; 8.4.4 – § 10; 9.1.3 – Abb. 6b.18.26 Arminianer § 5; 7.5 Armleder § 9; 11.3.2 Arno Abb. 21a Arnobius d. Ä. § 3; 7.1; 7.1.2 Arnold v. Brescia § 6; 11.1.1 – § 8; 9.1.2 – § 10; 4.1.4 Arnoldisten § 6; 11.1.1; 11.3.2 862

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Arnsberg § 9; 5.2.2 Arnulf v. Metz, B. § 9; 2.1.1 Arras § 8; 10.1.2 Arsinoë § 3; 8.2.1 – § 6; 3.1.3 – Abb. 12.13a Arzon Abb. 3 Aschaffenburg § 9; 5.2.2 Asella § 6; 6.1.1 Asia/Kleinasien § 1; 11.1; 13.3.1; 15.4; 17.2; 18.1 – § 2; 2.1; 2.3; 4.1; 6.1; 7.0; 7.2-3; 10.1; 11.1; 11.2; 15.3.1 – § 3; 1.3; 2.4; 4.4.1 – § 4; 1.2.1; 13.0; 14.2.1; 15.3.1 – § 6; 1.1.2; 3.0; 4.0; 4.2; 5.0; 5.2.1 – § 8; 10.1.1 – § 9; 8.1.4; 8.2.2; 8.2.4; 8.4-4.1; 10.1; 10.1.2; 10.2; 10.2.2-3 – Abb. 5b.6b Asien § 6; 14.2.3 – § 7; 7.2; 8.2 – § 9; 10.3.2 Askalon § 9; 8.2.4; 8.4.1 – Abb. 26 Askanier § 7; 12.1.2; 12.1.4 Assisi § 6; 12.3.2; 13.0; 13.1.2-3; 13.2; 13.33.1 – § 10; 12.3.1 – Abb. 16.21a.21b Assuan Abb. 18 Asterius § 1; 13.2-2.2 – § 4; 2.1 Asterius Sophista § 5; 1.3 Asturien/ León § 7; 5.4; 5.4.2 – Abb. 18 Athanarich, Kg. § 7; 2.1.2 Athanasius v. Alex., B. § 1; 9.1; 10.2.24; 11.2.1; 11.3; 12.0; 12.2-3; 12.4; 13.; 14.0; 15.0-4; 16.0-1; 16.1.3; 17.1; 18.2.2; 18.5 – § 2; 2.5; 8.2; 8.2.3; 9.2; 16.2 – § 3; 7.1; 11.5.2; 12.1; 13.1.1; 13.2.1 – § 4; 2.0-1.1; 2.3-3.2; 3.0-1; 3.3; 4.0; 6.1.1; 7.2.2; 8.0-2; 8.3.1-2 – § 6; 2.1-1.3; 3.1.1; 6.1; 6.1.2; 6.3.2; 7.4.1 – § 7; 2.4.2 – § 8; 1.3 – § 10; 18.2 Athanasius Athonites § 6; 5.3.3 Athen § 1; 7.2.3 – § 3; 7.1.1 – § 4; 11.4 – § 9; 10.2.2 – Abb. 1.3.18.27 Athene § 3; 2.2 Athenagoras § 1; 3.3 – § 3; 7.1-1.1 – § 6; 1.4 Athos § 6; 5.0; 5.3; 5.3.2-3; 5.4.4-5 – § 7; 9.2.2 – Abb. 27 Atripe § 4; 15.4.1 – § 6; 3.2; 3.2.4 – Abb. 13a Attalia Abb. 3.27 Namenregister

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Atticus v. Konst., B. § 4; 6.1.1 Attigny § 7; 7.1.3 – Abb. 23 Attika § 9; 10.2.2 Attila, Kg. § 8; 2.2 Atto v. Mailand, Eb. § 9; 6.3.2 Audium Abb. 3 Audomar § 7; 3.3.1 Augsburg § 7; 3.3.1; 10.1.3 – § 9; 12.2.5 – Abb. 19.24 Augustiner-Chorherren § 6; 10.3-3.1; 12.1.1; 15.0; 15.1.2; 16.2.; 16.3.1-2 – § 7; 12.1.2; 12.2.1 – § 10; 1.1.2; 6.1; 18.1.4 Augustiner-Eremiten § 6; 15.0-1.; 15.1.2; 15.2.1; 15.3.2 – § 10; 16.1.2; 17.1.2-3 Augustinus v. Canterbury, B. § 6; 7.2.4 – § 7; 4.1 – § 8; 4.2 Augustinus v. Dacia § 10; 17.3.1 Augustinus Favaroni § 10; 17.1.3 Augustinus v. Hippo-Regius, B. § 1; 7.2.3; 18.0; 18.3; 18.4-4.2; 18.5 – § 2; 5.5.3; 11.6; 12.3.4; 12.5; 12.6.2; 13.0; 14.2; 14.3; 14.3.2; 16.0; 16.3.2-4 – § 3; 7.1; 7.1.2; 7.2 – § 4; 9.3.1 – § 5; 1.0-3; 2.01; 2.3; 3.0; 3.3; 4.0-10.3; 11.0-1; 12.0; 12.2; 12.3.1; 13.2.2-3; 13.3.3; 14.4-4.1 – § 6; 6.4; 6.5; 7.1-1.1; 7.1.3; 7.2.2; 15.1.2 – § 7; 2.4.1-2 – § 10; 2.1; 2.2-2.1; 5.1.2; 6.1; 7.1; 7.1.2; 10.1-1.1; 11.3.3; 12.1-1.2; 12.3; 12.4; 14.1.3; 14.2.1; 14.3; 17.1.2-3; 19.1.1; 19.3; 19.5 Augustinus Triumphus v. Ancona § 9; 12.3.1 – § 10; 17.1.3 Augustus, Octavian, Ks. § 3; 1.; 11.4 Aurelia Ammonous § 3; 8.2.1 Aurelianus, Ks. § 3; 8.4 Aurelius v. Karth., B. § 2; 16.3.4 – § 5; 5.0; 5.4; 7.4.3 Austrasien/Austrien § 6; 8.5.2 – § 7; 3.2.1; 3.3-3.1; 6.3; 6.3.2 – § 9; 2.1-1.2 Auxentius v. Mailand, B. § 1; 15.0; 18.2; 18.2.2 – § 3; 13.1.2 – § 5; 2.1.1 Auxerre § 6; 7.4.2; 10.2.3 – § 10; 11.3.1 Averroës § 10; 11.2.2-3 Aversa § 8; 7.4.3 – § 10; 8.1; 8.1.2 – Abb. 28 Namenregister

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Avicebron § 10; 11.2.3 Avicenna § 10; 11.2.2 Avignon § 6; 10.3.1; 12.4.4 – § 8; 9.4; 9.4.4; 11.0-1; 11.1.3; 11.2; 11.2.2; 11.3-3.3; 12.1.1; 13.1; 13.1.2; 14.1; 14.2 – § 9; 12.1; 12.2.2 – § 10; 15.1.2; 16.1; 16.1.2 – Abb. 15.25 Avila § 6; 6.2.1; 15.3.2 Awaren § 4; 13.0; 13.2 – § 7; 7.0; 7.2; 8.1.1; 8.2 – § 9; 3.1 – Abb. 17.18 Azelin v. Compiègne, Kd. § 8; 7.1.1 Azotus Abb. 3 Baal (von Emesa) § 3; 4.4.2 Babylon § 2; 3.0; 16.3.3 – § 3; 7.2 – § 5; 9.2 – § 8; 11.0; 13.3.3 Baetica Abb. 5a.6a Bagdad § 7; 5.3 – § 9; 3.2.3; 8.1.4 – Abb. 18 Bagnolenser § 8; 10.2.2 Bajuwaren § 7; 3.3.2 – Abb. 17 Balduin v. Boulogne, Kg. § 9; 8.2; 8.2.4 Balduin v. Trier, Eb. § 9; 12.2.3 Balduin v. Flandern, Ks. § 9; 10.2.2 Balkan § 2; 2.5 – § 3; 1.3; 10.4.2; 11.4 – § 7; 7.2; 8.0; 8.1.2; 8.3 – § 8; 5.1.1; 6.2.2; 8.0 – § 9; 8.1.1; 8.2.2; 10.0-1; 10.1.2; 10.2 Baltikum § 6; 14.2.3 – § 7; 9.0; 10.0; 12.2 – § 9; 8.4.3; 9.3 – Abb. 20 Bamberg § 7; 10.3; 12.1; 12.1.3 – § 8; 6.3.5; 7.5.3 – Abb.24 Bangor § 6; 7.3.1; 7.3.3 – § 7; 4.2 – Abb. 11.12 Barbarossa s. Friedrich I., Ks. Barbelognostiker § 2; 5.4.2 Barcelona § 7; 5.4.1 – Abb. 23.25 Barhebraeus § 4; 15.3.2 Bar Kochba § 2; 3.2 Barlaam (Mönch) § 4; 14.3 Barlaam v. Kalabrien, B. § 6; 5.4.5 – § 9; 10.3.2 Barnabas § 2; 2.1; 3.3 Barnabas(brief) § 1; 2.0-1 – § 2; 3.3; 8.01 – § 4; 1.1.1 Bar Sauma/Barsumas v. Nisibis, B. § 4; 15.1.1 863

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Basel § 6; 12.2.1; 14.2.3 – § 7; 3.3.1 – § 8; 8.2.3; 13.3.2; 14.0; 14.1.2; 14.3-3.2 – § 9; 12.2.4 – § 10; 14.2.2; 18.1.1; 19.5 – Abb. 16.19.23.24.25 Basilides/Basilidianer § 2; 5.4; 5.4.3 – § 4; 1.2.2 Basilides v. Astorga, B. § 2; 13.5.3 Basiliscus, Ks. § 4; 11.2.1 Basilius I., Ks. § 7; 8.3.2 – § 8; 6.2.2 – § 9; 10.1.1 Basilius II., Ks. § 7; 9.2-2.1 – § 9; 10.1.1 Basilius s. Wladimir Basilius (Bogomile) § 8; 10.1.1 Basilius v. Ankyra, B. § 1; 14.0; 14.3 Basilius v. Cäs./Kappadokien, B. § 1; 7.0; 10.2.4; 15.1; 15.3-4; 16.0-1.3; 16.2; 16.3; 17.0; 17.3; 18.2.2 – § 2; 10.5; 11.6; 13.3; 15.1 – § 3; 13.1.1-2 – § 4; 3.1; 14.3.2 – § 5; 1.4 – § 6; 4.; 5.1.1; 5.3.2; 5.4.1; 6.3.1; 6.5; 7.2.2; 7.3.1; 9.4 Basilius v. Seleukia, B. § 4; 10.1.3; 10.3.3 Bayern (s. auch Ludwig IV. d. Bayer) § 6; 10.3.1 – § 7; 3.2.2; 3.3; 3.3.2; 6.2; 6.2.3; 7.2; 8.0-1.2; 10.1.3; 10.3; 10.3.2 – § 8; 13.2.3 – § 9; 3.1.1; 3.3.2; 4.1; 5.1 – § 10; 18,3 – Abb. 23.25 Bec § 7; 11.1.1 – § 10; 1.1.1; 2.1.1; 8.1 – Abb. 28 Beda Venerabilis § 5; 13.1; 13.1.2 Begarden § 6; 12.2 – § 8; 13.0 Beginen § 6; 12.0; 12.2-3.1; 13.2.2; 15.2 – § 8; 11.1.2; 13.0 – § 10; 18.1 Beirut § 9; 8.4.2 – Abb. 26 Belbuck Abb. 20 Belgica § 3; 1.3 – Abb. 5a.6a Belgier § 7; 3.3.1 Belisar § 3; 14.6.2; 14.6.4 – § 7; 2.4.2 Benedict Biscop, A. § 5; 13.1.1 – § 6; 7.2.4 Benedikt V., P. § 9; 4.2.3 Benedikt VIII., P. § 5; 13.3.3 – § 8; 6.3.4 Benedikt IX., P. § 8; 6.3.5 Benedikt X., P. § 8; 7.1.4 Benedikt XI., P. § 6; 14.2.3 – § 8; 11.1.1 Benedikt XIII., P. § 8; 11.3.3; 14.2-2.1 Benedikt v. Aniane, A. § 6; 8.4.1; 8.5-5.2; 9.3.1-2 864

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Benedikt v. Nursia (Benediktregel) § 5; 12.2 – § 6; 7.0; 7.1.2; 7.2-2.4; 7.3.3; 8.0; 8.5-5.2; 8.6-6.1; 8.6.3-4; 8.7; 9.0; 9.1.1; 9.2; 9.2.2; 9.3; 9.3.2; 10.0; 10.1.2; 10.2-2.1; 10.2.4; 12.1.1; 13.2.1; 15.3.1 – § 7; 6.3.1 Benediktiner (s. a. Benedikt von Nursia) § 6; 8.2; 8.5; 8.6.4; 8.7; 9.1.3; 9.33.1; 10.2; 10.2.3-4; 10.3.1; 13.3.1; 15.0; 15.3.1 – § 9; 9.1.1; 9.2.1 – § 10; 1.1.2 Benevent § 8; 5.2.1; 9.2.3 – § 9; 3.1.1; 7.1.1 – Abb. 21a.21b.23 Benjamin v. Alex., Pt; § 4; 15.4.1 Berber § 2; 16.3.2 – § 7; 5.3; 5.4.1 Berceto Abb. 21a Berengar II. v. Italien, Kg. § 9; 4.2.1-2 Berengar v. Tours § 8; 7.1.2 – § 10; 1.11.1; 8.1-1.2; 8.3.2 Bergamo § 6; 11.3.2 – Abb. 16 Berge (Kloster) § 9; 5.1.5 Bergen § 7; 11.3.1 – Abb. 20 Bernadone s. Franziskus v. Assisi Bernard Prim § 6; 11.3.2 Bernard Saisset, B. § 9; 12.1.1 Bernhard v. Chartres § 10; 3.3.1 Bernhard v. Clairvaux, B. § 6; 9.1.2; 10.2; 10.2.3; 11.1.1; 16.1.1 – § 7; 12.1 – § 8; 9.1-1.2 – § 9; 8.3; 8.3.2; 9.1-1.1 – § 10; 3.3.1; 4.1; 4.1.4; 5.; 6.0 Bernhard v. Fontaines s. Bernhard v. Clairvaux Bernhard von Quintavalle, § 6; 13.1.2 Bernhard von Siena § 10; 17.6 Bernold v. Konstanz § 10; 3.2.1-2 Beröa (Syrien) Abb. 3 Beröa Abb. 3 Berta, Kg. § 7; 4.1 Berthold v. Kalabrien § 6; 15.1.1 Berthold v. Moosburg § 10; 11.3.2 Beryll v. Bostra, B. § 1; 5.2; 9.3 Berytus § 4; 9.2.2 Abb. 1.13b Besançon § 9; 7.1.1 – Abb. 23.24 Bessarion, Kd. § 8; 8.2.3 – § 10; 19.4 Bet Lapat § 4; 15.1.2 Bethlehem § 2; 15.3.3; 15.4.2 – § 3; 11.1.1 Namenregister

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– § 5; 3.1-3 – § 6; 6.3; 6.3.2 – § 9; 8.4.3 – Abb. 13b Bethlehemskapelle/Prag § 8; 13.2.2 Béziers § 8; 10.3.3 – § 9; 11.3.1 – Abb. 16 Biel, Gabriel § 6; 16.1.3 – § 10; 17.1.1; 17.5 Billunger Mark § 7; 10.1.1-2 Bingen § 6; 12.3.1; 12.4; 12.4.1 – § 9; 5.2.2 Birgitta v. Schweden § 6; 12.4.3-4 – § 8; 11.3.1 Birgitten § 6; 12.1.1; 12.4.3 – § 7; 11.4 Birka § 7; 7.4; 11.4 – Abb. 20 Bithynien/Bithynia § 3; 1.3; 4.2; 4.2.2; 4.3 – Abb. 5b.6b Björn, Kg. § 7; 7.4 Blaesilla § 6; 6.1.1 Bleicken, Jochen § 3; 10.1 Blekinge § 7; 11.4 – Abb. 20 Bobbio § 6; 7.4.1; 8.4.2 – § 7; 3.3.1 – Abb. 12 Bodensee § 7; 3.3.1; 6.2.4 Böhmen § 6; 13.2.2 – § 7; 7.4; 8.1.1; 10.0; 10.1.3; 10.3-3.3; 10.4-4.1; 12.1.5 – § 8; 13.0; 13.2-2.1; 13.2.3-4; 13.2.6; 13.3-3.3; 14.2 – § 9; 12.2.3 – § 10; 11.1.5 – Abb. 20.23.25 Böhmische Brüder § 8; 13.3; 13.3.3 Boëthius § 1; 18.3 – § 5; 11.0; 11.2 – § 7; 2.3.2 – § 10; 1.2.1; 2.1.3; 11.2.1; 13.1 Boëtius v. Dacien § 10; 11.2.5 Börglum § 7; 11.2 Bogomil § 8; 10.1.1 Bogomilen § 8; 10.1-1.2; 10.2; 10.2.2 Boleslaw I. Chobry, Hz. § 7; 10.3.2; 10.4.1 Bologna § 6; 13.2.3; 14.0; 14.2.1-2; 14.3 – § 8; 9.2.1; 11.3.2 – § 9; 7.1.1 – § 10; 3.2; 3.2.2; 11.1; 11.1.3; 11.1.6 – Abb. 16.21a.21b.28 Bonaventura, Kd. § 6; 5.4.2; 13.1.1; 13.2.3 – § 10; 9.1.1; 10.2-3; 10.3.2; 12.0; 12.1-1.2; 12.2; 12.3-3.2; 12.4; 13.0; 14.0 Bonifatius II., P. § 5; 10.3 Bonifatius VIII., P. § 8; 9.4; 9.4.4; 11.1; Namenregister

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12.2; 12.3.1 – § 9; 12.1-1.1 – § 10; 14.1.1 Bonifatius/Winfried, Eb. § 6; 7.2.4; 8.4; 8.5.2 – § 7; 6.0-1; 6.1.2; 6.2-3.2 Bonosus § 6; 6.1.3 Bordeaux § 2; 2.4; 15.4.2 – § 8; 11.1.1 – Abb. 23 Boris, Khan § 7; 8.2 Boris § 7; 9.2.2 Boso § 10; 2.3 Boso v. Merseburg, B. § 7; 10.2.2 Bosnien § 8; 10.1.1 Bosporus § 2; 2.4 – § 4; 14.2.3 – Abb. 8 Bostra § 1; 5.2; 9.3 – § 4; 15.3.1 – Abb. 1.7.9.13b Botticelli § 10; 19.1.2 Bourges § 9; 12.1.3 – Abb. 23 Bouvines § 9; 7.2.2 Brabant § 6; 12.2; 12.3.1 – § 10; 11.2.5 Bracciolini, Poggio § 10; 19.2 Bradwardine s. Thomas Bradwardine Braga/Bracara § 7; 2.2.3 – Abb. 11.12.17 Brandenburg § 6; 10.3.3 – § 7; 10.1.12; 10.2; 12.0-1; 12.1.2; 12.1.4 – § 9; 12.2.3 – Abb. 15.20.24.25 Bregenz Abb. 19 Bremen (s.a. Hamburg-Bremen) § 7; 7.1.4-5; 7.4 – § 8; 7.5.3 – § 9; 9.3.1 – Abb. 19.20.23.24 Brendan § 6; 7.3.1 Brescia § 6; 11.1.1 – § 8; 9.1.2; 10.2.2 – § 10; 4.1.4 – Abb. 16 Breslau § 7; 10.4.1; 12.1.5 – Abb. 20.24 Bretagne § 10; 4.1.1-3 – Abb. 23.25 Bretonische Mark Abb. 23 Brindisi § 9; 8.4.3 Britannia (prima/secunda) Abb. 5a.6a Britannien § 2; 2.3 – § 3; 1.1; 1.3; 10.2; 12.1 – § 5; 7.1; 11.0 – § 6; 6.2.2 – § 7; 2.0; 4.2-3 Briten Abb. 17 Brixen § 9; 6.5.2 – § 10; 19.5 – Abb. 19.24 Brogne § 6; 9.3-3.2 – Abb. 14 Brüder/Schwestern des freien Geistes § 8; 13.0 – § 10; 18.1.3-4 Brügge § 8; 13.1.1 – § 10; 17.2.2 865

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Brun v. Köln, Eb. § 9; 5.2.1 Brun v. Querfurt, B. § 7; 9.1.1; 12.2.2 Bruno v. Kärnten s. Gregor V., P. Bruno d. Kartäuser 10.1-1.2 Bruttium s. Lucania Büraburg § 7; 6.3.1 – Abb. 19 Bulgaren/ien § 7; 2.1.2; 8.0-1; 8.1.2; 8.2; 8.3.2; 9.1.1; 9.1.3 – § 8; 6.2.2; 8.1.1; 10.1-1.1 – § 9; 10.0-1; 10.1.2; 10.2.3; 10.3.2 – Abb. 18.27 Burchard v. Worms, B. § 10; 3.2.1 Burckhardt, Jacob § 3; 10.1 – § 10; 19.1.1 Burgos § 6; 14.1.1 – § 10; 17.3.2 Burgund/er § 6; 9.0; 9.2; 10.2 – § 7; 2.0; 2.3; 3.1-2.1; 3.3.2 – § 8; 9.2.3; 10.1.2; 11.1.3 – § 9; 2.1-1.1; 3.4.1; 4.2-2.1; 4.3.3; 4.4.2; 6.3; 6.4-4.1; 6.5.3; 6.6; 6.6.3; 12.2 – Abb. 17.23.25 Burzenland s. Siebenbürgen Busch, Johannes § 6; 16.2 Bußschwestern s. Magdalenenorden Butzbach § 6; 16.1.3 Byzacena – Abb. 6a Byzanz (vgI. auch Konst.) § 1; 5.2; 10.3 – § 2; 2.4-5; 14.1.2-3; 15.0-1 – § 3; 11.4; 14.0; 14.6.1 – § 4; 5.2; 5.3.4; 8.2; 11.2.3; 11.3.4; 12.3.1; 13.0; 13.2; 14.0; 14.2.1-2; 15.0; 15.2; 15.2.2; 15.4-4.2 – § 5; 11.0; 11.3; 12.1; 13.33.1 – § 6; 5.3-3.1; 5.3.3; 5.4.4-5; 9.4 – § 7; 1.0; 2.3.2; 2.4-4.2; 5.0; 5.2; 7.2; 8.0-3; 8.3.2; 9.0-1; 9.1.2-3; 9.2-2.3; 10.2; 10.4.2 – § 8; 3.0; 3.2; 4.0-1; 5.02.2; 6.2; 6.2.2; 7.1.2; 7.4; 7.4.3; 8.01.1; 8.2; 8.2.2-3; 10.1.1; 14.3 – § 9; 3.1.2; 3.2-2.3; 4.2; 4.2.3-4; 6.1.1; 8.11.2; 8.1.4; 8.2-2.2; 8.3.1; 8.4-4.2; 8.5; 9.2.1; 10.0 – § 10; 13.1.1; 19.4 – Abb. 3.8.17.18.27 Caecilianer/-isten § 2; 16.0; 16.3.1; 16.3.3-4 – § 3; 11.5.1 – § 5; 5.1.1-2; 5.4; 8.2; 8.2.3 Caecilianus v. Karth., B. § 2; 16.3.1; 16.3.4 Cälestinus v. Rom s. Coelestin 866

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Caelestius § 4; 6.2.1 – § 5; 7.3; 7.4.1-5; 10.1.2 Caesar, Julius § 3; 1.2-3 Caesaraugusta s. Saragossa Cäsarea/Kappadokien § 1; 7.0; 10.2.4; 15.1; 15.3-4; 16.0-1 – § 2; 11.6; 12.6.2; 15.1 – § 3; 13.1.1 – § 4; 3.1; 12.3.2; 14.3.2 – § 6; 4.0; 4.2.1-2; 5.3.2; 9.4 – Abb. 1.2.3.7.9.12 Cäsarea/Palästina § 1; 7.0-1; 11.1; 11.4; 12.0-1; 14.0; 15.3 – § 2; 3.3; 8.2.3; 9.2.2; 10.5.1; 11.6 – § 3; 7.1-1.1; 7.2; 11.0; 11.5.2 – § 4; 2.1.3; 2.1.5; 12.3.1; 14.1 – § 5; 3.2 – Abb. 1.2.3.7.13b Cäsarius v. Arles, Eb. § 5; 10.3; 11.1; 12.3.1 – § 6; 6.4.2; 7.1; 7.1.3 Cäsarius v. Heisterbach § 6; 10.2.3 – § 10; 9.2 Cajetan, Thomas de Vio, Kd. § 10; 13.1.3; 13.3.3 Calabria s. Apulia Calaris Abb. 2 Caleruega § 6; 14.1.1 – Abb. 16 Calixt I. s. Kallist Calixt II., P. § 9; 6.6; 6.6.2-3; 8.3.1; 8.4 – § 10; 4.1.3 Calixt III., P. § 9; 7.1.3 Calvin, Jean Johannes § 5; 4.2 Camaldoli § 6; 9.4 – Abb. 14 Cambrai § 10; 17.2.1 – Abb. 23 Cambridge § 10; 11.1.2; 14.1.1 – Abb. 28 Campania/Campagna Abb. 5a.6a.21b Cannes/Antipolis § 6; 6.4.2 – Abb. 12 Canossa § 9; 6.0; 6.4; 6.4.2; 6.5 Canterbury § 5; 13.1-1.1 – § 6; 7.2.4 – § 7; 4.1; 4.3; 4.3.2 – § 8; 4.2; 13.1.2 – § 9; 6.6.1 – § 10; 1.2-2.2; 2.0; 2.1.1; 13.1.2; 17.1.3 – Abb. 11.12.28 Cappadocia s. Kappadokien Cappenberg/Westf. § 6; 10.3.2 – Abb. 15 Capua § 6; 15.3.2 – § 8; 7.4.3 – § 9; 3.1.1 – Abb. 21a.21b.23 Caracalla, Ks. § 3; 4.4.2; 8.1 Carcassonne § 8; 10.3.3 – Abb. 16 Careggi § 10; 19.3.1 Caria Abb. 6b Namenregister

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Carisiacus s. Quierzy Carpas Abb. 26 Cartagena – Abb. 17 Carthaginensis Abb. 6a Cartusia s. Chartreuse Casae Nigrae Abb. 10 Cassian s. Johannes Cassianus Cassiciacum § 5; 5.3; 8.1 – § 6; 6.5 – Abb. 10 Cassiodor § 3; 14.4 – § 5; 11.0; 11.3 – § 6; 8.3 – § 7; 2.3.2 Cassius Dio § 3; 8.2.1 Celsus § 1; 2.1; 7.1; 8.3 – § 2; 10.5 – § 3; 6.0; 6.2; 12.3.2 – § 4; 1.2 – Abb. 3 Ceprano Abb. 21a.21b Cerinia/Cyrenia (Zypern) Abb. 26 Cesena § 8; 11.3.2; 12.1.2 – § 10; 16.1.2 Circumcellionen § 2; 16.3.2 Chalkedon (s. Synode von Chalkedon; Chalcedonense) § 2; 11.3 – § 4; 4.3.2; 10.0; 10.1.2-3; 11.2.2 – § 8; 2.2 – § 9; 10.2.1 – Abb. 7.8 Chalkedonier § 4; 8.0; 11.2.1; 11.3.1-4; 11.4; 12.1.1; 12.2.2; 15.3.3 Chalkidike § 6; 5.3.3 Chalkis Abb. 13b Champagne § 9; 2.2.3 Chariton, A. § 6; 5.1.1 Chartres § 9; 6.6.3 – § 10; 1.1.1; 3.2.1; 3.3-3.2; 19.5 – Abb. 28 La Chartreuse/Cartusia § 6; 10.1-1.2 – Abb. 15 Chasaren § 7; 8.1.2; 9.1.1; 9.1.3 – Abb. 18 Chelčický, Peter § 8; 13.3.3 Chenoboskion – Abb. 13a Cherson § 7; 9.2.2 Cheval-Benoît § 6; 15.3.1 Chiara s. Klara v. Assisi Chiemsee Abb. 24 Childerich, Kg. § 7; 3.1.1 Childerich III ., Kg. § 9; 2.2.1 China § 4; 15.1.3 Chios Abb. 27 Chlodwig/Chlodovech, Kg. § 6; 6.4.1; 8.2 – § 7; 3.0-2.1 – § 9; 2.0; 2.1.1 Chlothar II., Kg. § 7; 3.3 – § 9; 2.1.1 Namenregister

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Chosroes I., Kg § 3; 14.6.2 Christian v. Preußen, B. § 7; 12.2.2 Chrodechilde, Kg. § 7; 3.1.2 Chrodegang v. Metz, B. § 5; 14.2 – § 6; 8.7; 9.3.2 – § 7; 6.3 – § 9; 2.2.2 Chrysaphius § 4; 9.1.3; 9.2.2; 9.4; 10.1.1 Chrysopolis § 3; 10.4.2 Chrysostomus s. Johannes Chrysostomus Chur – Abb. 19.23.24 Ciarán § 6; 7.3.1 Cicero § 3; 1.4 – § 5; 1.3; 2.1.2; 3.1; 5.1.1; 5.2.1; 11.1-2 Cilicia (s.a.Kilikien) – Abb. 5b.6b Cirta § 2; 16.3.4 – Abb. 3.10 Cîteaux/Cistercium § 6; 10.2-2.1; 10.2.3 – Abb. 15 Civitate § 8; 7.4.3 Clairvaux/Claravallis (Kloster) § 6; 10.22.1; 10.2.3 – Abb. 15.28 Claudius, Ks. § 2; 2.1 – § 3; 3.1 Clemens II., P. § 8; 6.3.5 Clemens III., P. § 8; 7.5 – § 9; 6.5; 6.5.2 Clemens V., P. § 6; 12.2.2 – § 8; 11.1-1.2 – § 9; 9.1.2 Clemens VI., P. § 8; 11.1.3; 12.3.2 – § 9; 12.2.3 Clemens VII., P. § 8; 11.3; 11.3.2-3 Clemens (Methodiusschüler) § 7; 8.2 Clemens v. Alex. § 1; 3.3; 7.0; 8.0 – § 2; 5.4.3; 10.1; 10.3; 10.5.1; 12.3.2 – § 3; 7.1.2 – § 4; 1.2.2 – § 6; 1.3.1-2 Clemens v. Rom § 8; 1.4 Clemens(brief, 1.) § 1; 2.0 – § 2; 8.1; 10.2; 11.1.1-2; 13.2 – § 3; 3.3; 7.2 – § 6; 1.2.2 – § 8; 1.1 Clemens(brief, 2.) § 1; 2.0-2 – § 2; 13.2 Clermont § 9; 8.2-2.1 – Abb. 12 Clonard § 6; 7.3.1 – § 7; 4.2 Clonfert § 6; 7.3.1 Clonmacnois § 6; 7.3.1 – § 7; 4.2 – Abb. 11.12 Cluny § 6; 9.0; 9.1-2.2; 9.3; 10.1.2; 10.2 – § 8; 7.0; 7.1.1 – 9; 8.2.1 – § 10; 4.1.4 – Abb. 14 Coelestin I. v. Rom, B. § 4; 6.1.2-3; 6.2.1 – § 5; 7.4.5 – § 8; 2.1 867

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Coelestin V., P. § 8; 9.4.3 Coelesyria Abb. 6b Cognica Abb. 5a Coimbra § 7; 5.4.2 Cola di Rienzo § 8; 11.3.1 Colman v. Lindisfarne, B. § 7; 4.3.1 Colonna(familie) § 8; 9.4.4; 14.2.1 – § 9; 12.1.1 Columba, A. § 6; 7.3.1 Columbanus/Columba d. J., A. § 6; 7.2.4; 7.3; 7.3.3; 7.4.1; 8.2; 8.3 – § 7; 3.3-3.2 Columcille s. Columba Comgall, A. § 6; 7.3.1 Commodus, Ks. § 3; 4.4.2; 7.1.1 Concorrezzenser § 8; 10.2.2 Connecte, Thomas § 6; 15.3.2 Commodus, Ks. § 3; 4.4.2; 7.1.1 Compiègne (s.a. Roscelin v. Compiègne, Azelin v. Compiègne) § 5; 13.2.1 – Abb. 11.28 Corbie § 5; 13.2; 13.2.3; 14.3-3.2; 14.4.1; 14.4.3 – § 7; 7.4 – Abb. 11.12 Cordoba (s.a. Ossius v. Cordoba) § 7; 5.4-4.2 – § 10; 11.2.2-3 – Abb. 12.17. 18.28 Cornelimünster s. Inden Cornelius v. Rom, B. § 2; 13.5.2-3; 16.1 Cornwall (s.a. Richard v. Cornwall) § 7; 4.1 – Abb. 25 Cortenuova § 9; 7.3.3 Corvey § 5; 14.3.1 – § 7; 7.1.4; 7.4 – § 9; 5.1.5 – Abb. 11.12.19.28 Crescentier § 8; 6.3.2-3; 6.3.5 Crispus § 3; 7.1.2; 10.2 Cumae Abb. 3 Cunincpert, Kg. § 7; 2.5 Cynegius § 3; 13.2.3 Cyprian v. Karth., B. § 2; 3.3; 11.4; 12.5; 12.6.1-2; 13.5-5.3; 14.3.2; 15.1-2; 15.3.2; 16.2; 16.3.1 – § 3; 7.1; 7.1.2; 8.2.1-3; 8.3 – § 5; 7.5.2; 12.3.1 – § 6; 1.1.3 – § 8; 1.2 Cyprus (s.a. Zypern) Abb. 6b Cyrene (Stadt) Abb. 1.2.3 Cyrene s. Kreta Cyrenia s. Cerinia 868

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Cyrill, Missionar § 7; 8.1; 8.1.2 Cyrill v. Jer., B. § 2; 9.2; 12.4; 14.1.2 Cyrill v. Skythopolis § 6; 5.1.1 Cyrus s. Kyros Cyrus v. Alex., Pt. § 4; 13.1.2 Dacia § 7; 8.0 – § 10; 17.3.1 – Abb. 5b.6b Dänemark/Dänen § 6; 12.4.3 – § 7; 7.4; 10.1.1; 11.0-1.2; 11.2-2.3; 11.3.1; 11.4; 12.2-2.1 – § 9; 4.2.1; 7.1.3 – § 10; 11.2.5; 17.3.1 – Abb. 23.25 Dagobert I., Kg. § 7; 3.3-3.2 – § 9; 2.1.1 Dagon/Dagobert s. Mieszko Dalmatien § 2; 2.3 – § 3; 9.1.1 – § 5; 3.1 – § 7; 8.3.1 – § 9; 6.1.2; 10.1.2; 10.2.1-2 – Abb. 5b.6a.25 Dalmatioskloster § 6; 5.3.1 Daluk s. Tulupe Damaskus § 4; 14.3; 14.3.2 – § 7; 5.2 – § 9; 8.3.1-2; 8.4.1; 10.1 – § 10; 7.1.2 – Abb. 3.7.9.13b.18.26 Damasus I. v. Rom, B. § 1; 16.1.3; 17.1; 17.2; 18.0; 18.2-2.1 – § 2; 8.2.3 – § 3; 13.2.1 – § 4; 3.1; 3.3.1 – § 5; 3.1; 3.3 – § 8; 1.4 Damiani s. Petrus Damiani Damianus v. Alex., Pt. § 4; 15.4.1 Damiette § 9; 8.4; 8.4.3 – Abb. 26 Danelaw § 7; 11.1.2 Daniel (Stylit) § 6; 5.2.2 Dante Alighieri § 9; 12.3.2 – § 10; 15.4 Danzig Abb. 20 Dara Abb. 9 Dardanellen § 9; 10.3.2 Dardania Abb. 6b Darum Abb. 26 David v. Dinant § 10; 11.2.4 Debeltum Abb. 3 Decius, Ks. § 2; 16.1 – § 3; 5.0; 8.0-1; 8.22.3; 8.3; 9.0; 9.3.2 Decumates agri Abb. 5a Delphi § 3; 13.2.3 Demeter § 3; 2.4 Demetrias § 5; 7.1.1 Demetrius v. Alex., B. § 2; 10.5.1 Demophilus v. Beröa, B. § 1; 17.2; 17.4 Namenregister

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Derbe Abb. 3 Derry § 6; 7.3.1 (Vertipper im Text: »Durry«) – Abb. 11.12 Deutschherren/Deutscher Orden § 6; 12.4.2; 15.2-2.1 – § 7; 9.2.3; 12.2; 12.2.2; 12.3 – § 9; 8.4.3; 9.0; 9.3 – § 10; 15.2; 18.1.3 Deutschland/Deutsche § 6; 9.1.2-3; 9.2-2.2; 9.3; 9.3.2; 10.2-2.1; 10.3.3; 10.3.4-5; 11.2; 12.1-1.2; 12.3.1; 12.4.1-3; 13.0; 13.2; 13.2.2; 13.3.2; 13.4.2; 14.2.2-3; 14.3; 15.1.1-2; 15.2.1-2; 15.3.1; 16.1; 16.1.3; 16.2 – § 7; 6.2.4; 7.4; 9.0; 9.2.1; 10.0; 10.1.23; 10.2; 10.3; 10.3.2; 11.2; 11.3.2; 12.0-1.1; 12.1.3; 12.1.5; 12.2-3 – § 8; 6.3.3; 7.1.1; 7.1.4; 7.2; 7.4; 7.5; 7.5.3; 9.2.3; 10.1; 10.2.1; 10.3.2-3; 11.1; 11.3; 11.3.2-3; 12.2; 13.2-2.1; 13.2.3; 13.2.6; 14.1.2; 14.2.1 – § 9; 3.0; 3.2.2; 3.3.2; 3.4-4.2; 4.0-2; .2.4; 4.3.1-3; 4.4.1; 5.0; 5.1.1; 5.1.3; 5.1.5; 6.0; 6.3; 6.4; 6.4.2; 6.5; 6.5.2-3; 6.6; 6.6.23; 7.0-1; 7.1.3; 7.2.1-2; 7.3.1; 7.3.3; 8.3; 8.3.2; 8.4.3; 9.2.2; 9.3.1; 12.0; 12.2; 12.2.4-5 – § 10; 9.4.2; 11.1.5-6; 11.3.2; 15.1.2; 15.2; 17.2.1; 18.1-1.4; 18.2; 19.0 – Abb. 24 Deventer § 6; 16.1; 16.1.2 Didacus v. Osma s. Diego Didymus v. Alex. § 5; 1.3; 3.2 Diedenhofen Abb. 23 Diego v. Osma, B. § 6; 14.1-1.1 Dießen Abb. 15 Dietrich v. Freiberg § 10; 11.3.2; 13.1.2; 15.2 Dietrich v. Niem § 8; 14.1.2 Dijon § 6; 9.2-2.1 – Abb. 14.17 Diodor v. Tarsus, B. § 4; 2.2.2; 3.1; 4.0-1; 4.2.1; 4.3.1; 9.1.1; 12.3.4; 15.1.2 – § 5; 1.3 Diognet(brief) § 1; 2.0 – § 3; 7.1-1.1 Diokletian, Ks. § 2; 16.0; 16.2; 16.3.1; 16.3.3 – § 3; 9.; 10.0; 10.2; 10.3; 11.2; 14.3 Dion v. Prusa § 6; 1.3.2 Namenregister

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Dionysius v. Alex., B. § 1; 9.1 – § 3; 8.2.1 Dionysius v. Paris, B. § 10; 9.4 Dionysius v. Rom, B. § 1; 9.1 Dionysius Areopagita § 4; 11.4; 13.1.2; 13.3 – § 5; 14.5; 14.5.2 – § 6; 5.4; 5.4.2 – § 10; 6.1; 6.3; 12.1; 12.3; 13.1; 18.1.4; 19.4 Dionysius Exiguus § 5; 11.5; 13.1.2 – § 7; 7.3.3 Dionysius Gothofredus § 3; 14.6.3 Dionysius d. Kartäuser § 6; 16.3.2 – § 10; 17.3.2 Dioskur v. Alex., Pt. § 4; 5.2; 7.2.1; 9.0; 9.1.2; 9.2-2.2; 9.4; 10.1.2-3; 11.1.2 Diospolis (s.a. Lydda) § 7.4; 7.4.2-3 – Abb. 13a Dirc v. Herxen § 6; 16.1.3 Dithmarschen Abb. 25 Dnjepr § 7; 9.0; 9.2.2 Doberan Abb. 15 Dobriner § 9; 9.3.2 Dobrudscha § 4; 12.1.1 Dörries, Hermann § 3; 10.1 Dokkum § 7; 6.3.2 – Abb. 15 Domingo de Soto § 10; 13.1.3 Domingo v. Guzmán s. Dominikus Dominicus Gundissalinus § 10; 11.2.1 Dominikaner/innen § 6; 11.0; 12.1-1.1; 12.2.2; 12.3.1; 12.4.4; 13.0; 13.2.2-3; 14.; 15.0-1; 15.1.2; 15.3.2 – § 7; 11.4; 12.2.2 – § 8; 10.3.2; 12.1.2; 12.3.2 – § 9; 12.3.1 – § 10; 11.1.1; 11.1.5; 11.3; 11.3.2; 12.1.1; 13.1.1-3; 14.1.1; 14.2.2; 15.1-1.2; 15.2; 15.3.1; 16.1.2; 17.1.1; 17.1.3; 17.3.1; 18.1-1.1; 19.3.2 Dominikus § 6; 14.0-14.1.2; 14.2.1-3; 14.3 Domitian, Ks. § 3; 3.3 Domnus v. Ant., B. § 4; 9.1.2; 9.4 Donatello § 10; 19.1.2 Donatisten § 2; 12.3.4; 16.0-1; 16.3-3.4 – § 3; 11.5.1 – § 5; 5.4; 7.3; 8.2.1-3; 8.3; 9.1.2 – § 6; 11.3.2 – § 7; 5.3 Donatus (Rhetor) § 5; 3.1; 11.1.1 Donatus v. Karth., B. § 2; 16.3.1 – § 3; 7.1.2 Donau § 2; 2.5 – § 3; 1.3; 8.1; 11.4; 869

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12.1 – § 7; 2.1.1-1.3; 3.3.2; 7.2 – § 9; 10.3.2 – Abb. 1.5a.5b.7.9.11.14.15.1 6.23.25.27 Dornbusch-/Marienkloster (Katharinenklosler) § 6; 5.1.2 Dorpat Abb. 20 Doryläum § 4; 6.1.2; 9.2.2; 9.4; 10.1.3 – § 9; 8.3.2 – Abb. 7 Douro s. Duero Dubrovnik § 7; 8.3.1 Düren Abb. 23 Duero § 7; 5.4; 5.4.2 – Abb. 11 Duns Scotus, Johannes § 6; 13.2.3 – § 10; 8.3.2; 9.1.1; 9.3.2; 10.3; 13.1.2; 14.; 16.2; 17.1 Dura-Europos § 2; 15.2 – § 4; 14.1 – Abb. 3 Durandus v. Huesca § 6; 11.3.2; 14.1.1 Durandus v. Porciano § 10; 13.1.2 Durrow § 6; 7.3.1 – Abb. 11.12 Dwin § 4; 15.2.2 – Abb. 7.9 Eadmer § 10; 2.1.1 Ebioniten/Ebionäer § 1; 2.5 – § 2; 3.4 Ebner, Christine § 10; 18.1.4 Ebner, Margarethe § 10; 18.1.4 Ebo v. Reims, B. § 7; 7.4 Ebro § 7; 2.2 – Abb. 11.16.23.25 Echternach § 6; 9.3.2 – § 7; 6.1.1 – § 9; 5.1.5 – § 10; 9.4.1 – Abb. 11.12.14.19 Eckhart, Meister § 6; 5.4.2; 12.3.1; 14.3 – § 10; 11.3.2; 15.1-2; 18.1-1.1; 18.1.4 Edda § 7; 11.3.2 Edessa § 1; 9.3 – § 2; 2.5; 14.3.1 – § 3; 1.3; 8.3 – § 4; 2.1.5; 9.1.1; 9.1.3; 9.2.2; 9.4; 10.1.3; 12.3; 12.3.4; 15.1-1.1; 15.3.12 – § 9; 8.2.4; 8.3.1-2; 10.1 – Abb. 1.3.7.9.12.26 Edirne § 2; 10.4.2 – § 9; 10.3.2 Edschmiazin Abb. 9 Edward I. v. England, Kg. § 9; 8.4; 8.4.3; 11.3.1; 12.1.4 Edward III. v. England, Kg. § 8; 13.1.1 – § 9; 12.1.2 Edwin, Kg. § 7; 4.1 Egbert, B. § 7; 6.1.1 Eger § 9; 7.2.2 – Abb. 20 870

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Egeria § 2; 2.4; 15.4.2 – § 6; 5.1.1; 6.3.1 Eichstätt § 7; 6.2.2; 6.3.1 – § 9; 6.3.1 – Abb. 15.19.24 Einhard § 5; 13.2.1 – § 7; 7.3.1 – § 9; 3.2.2 Eisleben § 6; 12.3.1 Ekbert v. Schönau, A. § 6; 12.3.2 Elagabal, Ks. § 3; 4.4.2 EI-Arisch Abb. 26 Elbe § 7; 6.1.2; 7.1.1; 10.0; 10.1-1.2; 10.2; 10.2.2; 12.0 – Abb. 14.15 Eldena – Abb. 15.20 Eleusius v. Kyzikus, B. § 1; 17.4 Eleutheropolis § 6; 5.1.1 – Abb. 13b Elias v. Cortona § 6; 13.2.1 Elipandus v. Toledo, Eb. § 5; 13.3.2 Elisabeth v. Schönau § 6; 12.3.2 Elisabeth v. Thüringen § 6; 12.4; 12.4.2 – § 9; 9.3.1 Elisabeth Stagel § 10; 18.1.2 Ellwangen § 9; 5.1.5 Elsass § 7; 6.2.4 – § 8; 7.1.1 – § 9; 5.1.5; 11.3.1 – § 10; 1.1.2 Emesa § 3; 4.4.2 – § 4; 2.1.5 – § 5; 3.2 – Abb. 9.12.13b Emicho v. Flonheim, Gf. § 9; 8.2.3 Emilia Abb. 21a Emmeram, B. § 7; 3.3.2 Ems § 7; 7.1.1 Engern § 7; 7.1.1-3 – § 9; 5.2.2 England (s.a. Britannien, Großbritannien) § 3; 1.3; 9.1.2; 9.4 – § 5; 12.0; 13.1-1.2 – § 6; 7.2.4; 9.1.3; 10.2; 10.2.3; 10.3.3; 12.4.3; 15.1.1 – § 7; 4.0-1; 4.3-3.2; 11.1; 11.1.2; 11.2-3.1; 11.4; 12.1.1 – § 8; 4.0; 4.2; 10.3.3; 11.3; 11.3.3; 13.0-1.3; 13.2.2; 13.3.3; 14.2.1 – § 9; 6.1.2; 6.6.1; 7.0; 7.2.23; 8.1.2; 8.4-4.1; 8.4.3; 11.3.1; 12.0; 12.1.2-4 – § 10; 2.1.1; 3.3.2; 6.3; 7.2; 11.1.6; 12.1.1; 12.2; 16.0; 19.0 – Abb. 25 Enea Silvio Piccolomini s. Pius II. Enrico Dandolo § 9; 10.2.1 Ephesus § 2; 11.1.2; 11.3; 15.3.1 – § 4; 5.3.1; 6.0; 6.2-2.1; 6.2.3; 7.2.1; 9.0; 9.2.2; 9.4; 10.0; 10.1.1-2; 10.3.3; Namenregister

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11.1.2; 11.2.2 – § 5; 7.4.4-5 – § 6; 5.2.1 – § 8; 2.1; 8.2.3 – Abb. 1.3.7 Ephraem d. Syrer § 2; 14.3.1 Epigonus v. Rom § 1; 5.3.1 Epiktet § 3; 6.1 – § 4; 2.3.1 – § 6; 1.3.2 Epiphanius v. Salamis, B. § 1; 14.3 – § 2; 3.4; 5.5; 5.5.2; 7.1; 10.5 – § 4; 3.3.1; 14.1 – § 5; 3.2; 11.3 – § 6; 5.1.1 Epiphanius Scholastikus § 3; 14.4 Epirus (Nova/Vetus/Byz. Despotat) § 9; 8.1.4; 10.2.3 – Abb. 5b.6b.27 Eresburg § 7; 7.1.2 – Abb. 23 Erfurt § 5; 4.0 – § 6; 14.2.3; 15.1.2 – § 7; 6.3.1 – § 10; 11.1.5; 15.1.1; 17.1 – Abb. 15.19.28 Erik IX. d. Heilige, Kg. § 7; 11.4 Eriugena, Johannes Scotus § 1; 18.3 – § 5; 14.0; 14.4.3; 14.5-5.2 Erlembald § 6; 11.1.1 – § 8; 7.4.2 – § 9; 6.3.2 Erminek s. Germanicopolis Ermland § 7; 12.2.2 – Abb. 20 Esau § 5; 6.3-3.2; 6.4.2 Eskil v. Lund, Eb. § 7; 11.4 Esne/Latopolis – Abb. 13a Essen § 9; 5.1.5 Essex § 7; 4.3.1 – Abb. 23.25 Esten/Estland § 7; 12.2.1 Esztergom § 7; 10.4.2 Etruria Abb. 5a Euagrius Ponticus § 4; 12.4.1; 13.3 – § 6; 2.2.2; 5.1.1; 5.4-4.1; 6.4.3 Eucherius v. Lyon, B. § 6; 6.4.2 Euchiten s. Messalianer Eudokia (Tochter Valentinians III.) § 7; 2.4.1 Eudoxia (Frau des Arcadius) § 4; 4.3.2 Eudoxia (Frau von Theodosius II.) § 4; 6.1.1 Eudoxius v. Konst., B. § 1; 14.0; 15.0 – § 3; 11.4 – § 4; 2.1.4 Eugen III., P. § 6; 12.4.1 – § 7; 12.1 – § 8; 9.1.2 – § 9; 8.3; 8.3.2 Eugen IV., P. § 8; 8.2.3; 14.3-3.2 Eugenius § 3; 13.2.5 – § 7; 2.2.1 Eugippius, A. § 6; 7.4.1 Namenregister

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Eumenea Abb. 3 Eunomianer (vgl. Heterousianer) § 1; 17.4 – § 3; 14.4 Eunomius v. Kyzikus, B. § 1; 10.2.3; 14.0; 14.2; 16.0-1; 16.3; 17.4 – § 4; 2.1.4; 3.1 – § 5; 1.3 Euphrat § 3; 13.2.3 – § 4; 11.3.2; 14.1 – Abb. 1.3.5b.7.9 Euphratensis s. Syria Euphratensis Eurich, Kg. § 7; 2.2.2 Europa (Provinz) Abb. 6b Eusebianer § 1; 10.3; 12.0-1; 12.3; 15.0; 15.3-4; 16.1; 16.1.2 – § 3; 12.1 – § 4; 2.1; 2.2; 3.1 – § 7; 2.1.1 Eusebius v. Cäs., B. § 1; 5.1-2; 5.3.3; 7.01; 7.2.1; 9.3; 11.1; 11.4-4.1; 12.0-1; 13.2.1 – § 2; 3.3; 7.1; 7.3; 8.2.3; 9.2.2; 10.5.1 – § 3; 3.3; 4.4.1-2; 5.2.2; 7.11.1; 7.2; 8.2.1; 9.3; 10.3.2; 10.4.1; 10.5; 11.0; 11.1.1; 11.2.2; 11.3; 11.5.2-3; 14.4 – § 4; 2.1.3; 2.1.5; 2.2; 14.1 – § 5; 3.2 – § 6; 1.4 – § 8; 1.1 Eusebius von Doryläum, B. § 4; 6.1.2; 9.2.2; 9.4; 10.1.3 Eusebius v. Emesa, B. § 4; 2.1.5 – § 5; 1.3; 3.2 Eusebius v. Nikomedia, B. § 1; 11.1; 11.4; 12.0; 12.2 – § 3; 10.1; 11.4; 11.5.2 – § 7; 2.1.1 Eusebius v. Samosata, B. § 1; 15.3 Eusebius v. Vercellae, B. § 1; 15.2 – § 6; 6.1.3 Eustasius, A. § 7; 3.3.2 Eustathius v. Ant., B. § 1; 12.0; 15.1 – § 3; 11.5.2 – § 4; 2.0-1; 2.1.2; 2.2-2.2 Eustathius v. Sebaste, B. § 1; 15.4; 16.1.3 – § 6; 4.1; 4.2.1; 6.1.2 Eustochium § 6; 6.1.1; 6.3.2 Euthymius, Eb. § 6; 5.1.1 Eutyches § 4; 5.1; 5.3.1; 7.2.1; 9.; 10.1.2 Eutychianer § 4; 5.1; 12.1.2; 12.3.1 Eutychianus § 6; 1.4 Eutychios v. Konst., Pt. § 5; 12.1 Euzoius v. Ant., B. § 1; 15.0-1 – § 4; 3.3.1 Evodius § 5; 5.3-4; 7.4.3 Exeter Abb. 12 871

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Facundus v. Hermiane, B. § 4; 12.3.2 Famagusta Abb. 26 Fanjeaux Abb. 16 AI-Farabi § 10; 11.2.2 Farama Abb. 26 Fatimiden § 9; 8.1-1.1; 8.1.4; 8.2.4; 8.3.1 – Abb. 26 Faustus (Manichäer) § 2; 5.5.3 – § 5; 4.1; 5.2.1; 5.5 Faustus v. Reji/Riez, B. § 5; 10.2-3 – § 6; 6.4.2 Favarone § 6; 13.3.1 Felicitas § 2; 15.2.3 – § 3; 5.2.2 Felix (Manichäer) § 2; 5.5.3 Felix III., P. § 4; 11.2; 11.2.3 – § 8; 3.0-1 Felix V., P. § 8; 14.3-3.1 Felix v. Abthungi, B. § 2; 16.3.1; 16.3.4 Felix v. Urgel, B. § 5; 13.3.2 Ferdinand III. v. Leon-Kastilien, Kg. § 10; 11.1.4 Fermo § 9; 6.3.2-3 Ferrant Martínez § 9; 11.3.1 Ferrara § 8; 8.2.3; 9.2.3; 14.3 – § 9; 10.3.3 – § 10; 19.4-5 – Abb. 21a.21b.25 Ferrières § 6; 8.4.2 La Ferté § 6; 10.2.1 – Abb. 15 Ficino, Marsilius § 10; 19.3-3.1 Finnian, A. § 6; 7.3.1 Finnland § 7; 11.4 Fiore/Kalabrien § 6; 10.2.4 – § 8; 9.4.3; 12.1.2 Firmicus Maternus § 3; 12.2 Firmilian v. Cäs., B. § 2; 12.6.2 Firmus § 2; 16.3.2 Fischhausen Abb. 20 Flaminia et Picenum Abb. 6a Flandern § 6; 9.1.3; 9.3-3.1; 11.1; 12.2; 15.1.1 – § 7; 12.1.2 – § 8; 10.1.2 – § 9; 8.2.4; 10.2.2 – § 10; 18.1.4 – Abb. 23.25 Flavia-Caesariensia Abb. 6a Flavia Domitilla § 3; 3.3.1 Flavian v. Ant., B. § 1; 17.2 – § 4; 4.0; 4.3.2 Flavian v. Konst., B. § 4; 5.1; 9.0-4; 10.0; 10.1.2-3; 10.2; 10.3.2-3; 11.1.2; 12.1.2 – § 8; 2.3 872

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Flavius Clemens § 3; 3.3 Florens Radewijns s. Radewijns Florenz § 8; 7.1.3-4; 8.0; 8.2; 8.2.3; 11.3.1; 14.3 – § 9; 10.3.3 – § 10; 19.1; 19.1.2; 19.3-5 – Abb. 16.21a.21b.25.28 Florus v. Lyon § 5; 14.2; 14.4.3 Fontaine/Fontanae § 6; 7.3.3 – § 7; 3.3.1 – Abb. 19 Fonte Avellana § 6; 9.4 Fontevrault § 6; 9.4 – Abb. 14 Forchheim Abb. 23 Fortunatus, B. § 2; 13.5.2 Fortunatus (Manichäer) § 2; 5.5.2 – § 5; 5.5 Forum Romanum § 3; 10.2 Fra Angelico § 10; 19.1.2 Francia § 5; 14.2 – § 7; 3.2.2 – Abb. 23 Frangipani § 8; 9.1.1 Franken § 3; 13.2.5 – § 5; 13.3.1 – § 6; 8.0-2 – § 7; 1.4; 2.0; 2.2; 2.2.4; 3.0-1.1; 3.3.1-2; 5.4-4.1; 6.1.2; 7.1.2; 7.1.5; 8.2 – § 9; 2.1-1.1; 3.1.1; 3.2; 3.2.2; 4.1 Franken (Herzogtum) § 9; 5.2.2; 11.3.2 »Franken« § 9; 8.3 Frankenreich § 4; 14.2.2 – § 5; 13.0-1; 13.1.2; 13.3.1-3; 14.1; 14.4; 14.4.23 – § 6; 6.4.1; 7.2.4; 7.3.3; 7.4.2; 8.; 9.0 – § 7; 2.2; 3.; 4.0-1; 5.4-4.1; 6.01.2; 6.2-2.1; 6.2.3; 6.3-3.2; 7.0-1.1; 7.1.3-4; 7.3; 7.3.2-3; 7.4; 8.0-1.2; 8.2; 8.3.1; 10.3.1; 11.1.1 – § 8; 4.1-2; 5.0; 5.1; 5.1.2; 5.2.1-2; 6.2.1; 6.3 – § 9; 1.0; 1.2; 2.; 3.0; 3.1.1-2; 3.2.1-2; 3.3; 3.4.12; 4.0-1; 4.2-2.1; 8.4.1; 8.4.3 – Abb. 17.18.19.23 Frankfurt § 5; 13.3.1-2 – § 8; 8.0 – § 9; 3.2; 11.1 – Abb. 11 Frankreich § 6; 9.1.2-3; 9.2.1; 9.3.1; 10.1.2; 10.3.3; 11.1; 11.3-3.2; 12.1.1; 13.3.2; 14.1-1.1; 15.1.1; 15.2.1; 15.3.1-2; 16.2; 16.3.2 – § 7; 2.2; 2.4.1; 3.0; 3.1.2; 9.2.2: 11.1 – § 8; 6.3.3; 7.4; 7.5; 7.5.3; 9.1.1; 9.4; 9.4.4; 10.1; 10.1.2; 10.2-2.2; 10.3; 10.3.2-3; 11.01.1; 11.1.3; 11.2.1; 11.3; 11.3.2-3; 12.2; 13.1; 13.1.2; 14.2.1 – § 9; 1.3.1; Namenregister

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3.4-4.2; 4.0; 5.1.3; 6.5.2; 6.6.1; 6.6.3; 7.0; 7.2.2; 7.3.1; 7.3.3; 8.1.2-3; 8.22.1; 8.2.4; 8.3; 8.3.2; 8.4-4.1; 8.4.3; 8.5; 9.1-1.2; 10.2; 10.2.2; 10.3.1; 11.1; 11.3.1; 11.3.3; 12.0-1.4 – § 10; 7.1.1; 11.1.4; 11.1.6; 14.1.1; 17.3.2; 19.0; 19.1.1; 19.3.2 – Abb. 25 Franz I. v. Frankreich, Kg. § 9; 12.1.3 Franziskaner/innen § 6; 11.0; 12.1-1.1; 12.2.2; 12.4.2; 13.; 14.0; 14.2.3; 14.3; 15.0; 15.3; 15.3.2 – § 7; 11.4; 12.2.2 – § 8; 9.4.1; 10.3.2; 11.1.2; 11.3.3; 12.1; 12.1.2; 13.1.2 – § 9; 12.2.2; 12.3.2 – § 10; 10.3; 10.3.2; 11.1.1; 11.3.3; 12.0; 12.1.1-2; 12.2; 12.3.1; 12.4; 13.1.2; 14.1.1; 14.2.2; 16.0-1.2; 17.1.1; 17.1.3; 17.3.2 Franziskus v. Assisi § 6; 12.3.2; 13.0; 13.1-2.1; 13.3-3.1; 13.4.1 – § 10; 19.1.2 Freiberg § 10; 11.3.2; 13.1.2; 15.2 – Abb. 28 Freiburg § 6; 9.2.1 Freising § 6; 10.2.3 – § 7; 3.3.2; 6.2.3 – § 10; 4.1.4 – Abb. 19.24 Friaul Abb. 23 Friedrich I. Barbarossa, Ks. § 6; 12.4.1 – § 7; 12.1.2 – § 8; 9.1; 9.1.3; 10.3.1 – § 9; 7.0; 7.1-1.3; 7.2.1; 8.4-4.2; 10.1.2; 11.2 – § 10; 9.4.2 Friedrich II., Ks. § 6; 12.4.2 – § 7; 12.2.2 – § 8; 9.0; 9.4-4.1; 10.3; 10.3.2; 12.2 – § 9; 7.0; 7.2; 7.2.1-3; 7.3-3.3; 8.4; 8.4.3; 9.3-3.1; 11.2; 11.3.2 – § 10; 11.1.4 Friedrich III. d. Schöne v. Österreich, Ks. § 8; 14.3.1 – § 9; 12.2.2; 12.2.4 Friedrich v. Island, B. § 7; 11.3.2 Friedrich v. Lothringen s. Stephan IX., P. § 8; 8.1.1 Friesen/Friesland § 7; 6.1-1.2; 6.3; 6.3.2; 7.0; 7.1.4-5; 11.1.1; 12.1.2 – § 9; 3.4.1 – Abb. 17.23 Fritigern § 7; 2.1.2-3 Fritzlar § 6; 8.4.1 – § 7; 6.1.2; 6.2.1; 6.3.1 – Abb. 19 Fronto § 3; 6.1 Namenregister

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Frumentius § 2; 2.5 Fruttuaria § 6; 9.2-2.1 – Abb. 14 Fünfkirchen Abb. 20 Fulbert v. Chartres, B. § 10; 1.1.1; 3.3 Fulbert (Kanoniker) § 10; 4.1.2 Fulda § 5; 14.1; 14.4.1 – § 6; 8.4.2; 9.3.2 – § 7; 6.1.2; 6.2.2; 6.3.2; 7.1.4 – § 9; 5.1.5; 11.3.2 – Abb.11.12.14.19.23.28 Fulrad v. St. Denis, A. § 7; 6.3 – § 9; 2.2.4 Fulgentius v. Ruspe, B. § 1; 18.5 – § 5; 10.3; 11.1 – § 7; 2.4.2 Gabriel Biel s. Biel, Gabriel Galatia/Galatien § 2; 1.4.2; 2.1 – § 3; 1.3 – Abb. 5b.6a.6b GaIerius, Ks. § 3; 9.1; 9.1.2; 9.3-5; 10.23; 10.4 Galicien/Gallaecia Abb. 6a Galiläa § 2; 1.1 – § 9; 8.4.1 Gallaecia s. Galicien Gallien § 1; 14.0; 18.1; 18.5 – § 2; 2.2; 2.3; 5.0; 6.1; 7.0; 9.2.3; 11.6; 12.7; 16.3.1 – § 3; 1.3; 4.4.1; 9.1.2; 9.4; 10.2; 10.3.2; 11.5; 12.1; 12.3.1 – § 5; 1.0; 1.4; 2.1.1; 3.3; 4.0; 7.4.4-5; 7.5.2; 11.0; 12.1; 13.1.1 – § 6; 6.2.2; 6.4-4.2; 7.1.1; 7.1.3; 7.3.3; 7.4-4.2; 8.0; 8.1 – § 7; 2.2.2; 2.4.1; 3.1-1.1; 3.2-2.1; 3.3.1; 5; 5.4.1 – § 8; 1.0; 3.3; 4.3 – § 9; 1.0; 1.2; 2.1.1 Gallienus, Ks. § 3; 8.3-4 Gallofranken § 7; 3.3 Gallus § 7; 3.3.1 Gandersheim § 6; 8.4.2 – § 7; 7.1.4 – § 9; 5.1.5 – Abb. 19 Gangra § 6; 4.1 – Abb. 2.12 Gansfort. WesseI § 6; 16.3.2 Garonne § 6 – Abb. 11 Gascogne § 8; 10.2.1 – Abb. 23.25 Gaunilo § 10; 2.2.3 Gauzbert, A. § 7; 7.4 Gaza § 6; 5.1.1 – § 9; 8.3 – Abb. 12.13b.26 Gebhard v. Eichstätt s. Viktor II. Geiserich, Kg. § 7; 2.4-4.2 – § 8; 2.2 Gelasius I., P. § 2; 10.2 – § 4; 11.2.3 – § 8; 3.1 – § 9; 6.1 873

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Gelasius von Cyzikus § 3; 14.4 Gelimer § 3; 14.6.2 – § 7; 2.4.2 Genf § 6; 6.4.2; 11.3 – Abb. 17.23 Gengenbach § 9; 5.1.5 Gennadius § 5; 1.3 Gentess. Sachregister Gentile Reiche Genua § 9; 8.2.4; 8.4; 8.4.3; 8.5 – Abb. 12.25 Georg v. Laodicea, B. § 1; 14.0; 14.3 Georg v. Podiebrad, Kg. § 8; 13.3.2 Georgien § 2; 2.5 – § 4; 15.2.3 Georgios Gemistos, Ks., § 10; 19.4 Gepiden Abb. 17 Gérard v. Brogne. A. § 6; 9.3-3.2 Gerbert v. Aurillac v. Ravenna. s. Silves­ ter II. Gerhard Zerbolt van Zutphen § 6; 16.1.3; 16.3.2 Gerhoch v. Reichersberg § 6; 10.3.1 Germanen/ien § 2; 2.2; 2.5 – § 3; 1.1; 1.3; 9.1.2; 13.2; 14.0; 14.5 – § 7; 1.0; 1.35; 6.2 Germania (inferior/superior; prima/secunda) § 3; 1.3 – Abb. 5a.6a Germanicopolis (Erminek) Abb. 26 Germanos v. Konst,. Pt. § 4; 14.2.1 Germinius v. Sirmium,B. § 1; 14.1 Gero, Mkgf. § 7; 10.1.1 Gerson, Jean § 6; 16.3.2 – § 8; 13.2.6; 14.1.2; 14.2.2 – § 10; 17.2; 17.2.1; 17.6 Gertrud v. Helfta § 6; 12.3.2 Géza. F. § 7; 10.4.2 Ghibellinen s. Staufer Gilbert Porreta v. Poitiers, B. § 10; 3.3.03.1; 6.3 Gildas § 7; 4.1 Gildo § 2; 16.3.1 Giordano Bruno § 10; 15.3.1 Gleb § 7; 9.2.2 Glycerius § 3; 14.5 Gnesen § 7; 10.4.0-4.1 – Abb. 20.24 Gnostiker § 1; 2.5; 6.0; 6.3; 7.2.2; 8.3; 11.2.2 – § 2; 2.2; 5.0; 5.2-3; 10.2-3; 10.5; 10.5.1-2 – § 3; 11.5 – § 6; 5.4.1; 6.2.1 Götaland/Götar § 7; 11.4 – Abb. 20 874

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Gortyna Abb. 3 Gorze § 6; 8.7; 9.0; 9.2.2; 9.3; 9.3.2 – Abb. 14 Goslar § 8; 7.3.1 Goten § 1; 17.1 – § 2; 2.5 – § 3; 8.1; 8.2.2; 14.0; 14.3; 14.6.2 – § 4; 11.2; 12.1.1 – § 5; 5.0; 9.1; 11.2-4 – § 7; 1.0; 2.0-2.3; 2.4.0-4.1; 3.1.1; 3.2; 5.0; 5.4.0-4.1 – § 8; 3.2; 4.1 – § 9; 2.2.1 Gotha § 7; 6.2.1 – § 10; 15.1.1 Gothia § 7; 2.1.1; 5.4.1 Gothofredus, Dionysius § 3; 14.6.3 Gottesfreunde § 10; 18.1.3-1.4 Gottfried v. Auxerre/v. Clairvaux. A. § 6; 10.2.3 Gottfried v. Bouillon, Kg. § 9; 8.2; 8.2.4; 8.4 Gottfried v. Lothringen, Hz. § 9; 6.1.1 Gottfried v. Mailand, Eb. § 9; 6.3.2 Gottfried v. Villehardouin § 9; 10.2.2 Gottschalck § 5; 14.0; 14.4-4.3; 14.5.1 Gottschalck, F. § 7; 12.1.1 Grabeskirche in Jerusalem § 9; 8.1.1 Gran § 7; 10.4; 10.4.2 – Abb. 20 Granada § 7; 5.4.2 Gratian, Ks. § 1; 17.1; 18.0; 18.2.2 – § 3; 13.1.2; 13.2.2; 13.2.4 – § 6; 6.2.2 – § 8; 1.4 Gratian § 10; 3.2; 3.2.2 Greccio § 6; 13.1.4 Gregor I. d. Gr., P. § 2; 14.3; 14.3.2 – § 5; 12.; 13.2.2 – § 6; 6.4.3; 7.0; 7.2-2.1; 7.2.4 – § 7; 4.1 – § 8; 4.; 7.5.1 – § 10; 10.2; 17.3.1: 18.2 Gregor II., P. § 7; 6.1; 6.1.2 – § 8; 5.1.1 Gregor III., P. § 4; 14.2.2 – § 7; 6.2 – § 8; 5.1.2 Gregor IV., P. § 9; 3.3.2 Gregor V., P. § 8; 6.3.3 – § 9; 4.3.1 Gregor VI., P. § 8; 6.3.5; 7.1.1; 7.5.1 Gregor VII., P. § 7; 8.3.2 – § 8; 7.0-1.1; 7.1.4; 7.4.3; 7.5-5.3; 9.0 – § 9; 6.0; 6.1-1.2; 6.2.2; 6.3; 6.3.2-3.3; 6.4-4.2; 6.5.0; 6.5.1-2; 8.1.2; 8.2.1 – § 10; 8.1.2 Gregor VIII., P. § 9; 6.6.2; 8.4.1 Gregor IX., P. § 6; 12.2.1; 12.4.2; 13.1.1; Namenregister

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13.1.3; 13.2; 13.4.1 – § 7; 12.2.2 – § 8; 9.4.1; 10.3; 10.3.2 – § 9; 7.3; 7.3.3; 8.4.3 Gregor X., P. § 8; 8.2; 9.4.2 – § 9; 10.3.1 Gregor XI., P. § 6; 12.4.4; § 8; 11.3; 11.3.2; 13.1.1 – § 10; 15.3.1 Gregor XII., P. § 8; 11.3.3; 14.2-2.1 Gregor Illuminator § 2; 2.3 – § 4; 15.2.1 Gregor v. Karth. § 4; 13.2 Gregor v. Nazianz, B. § 1; 16.0; 16.1.2; 16.2; 17.2 – § 2; 10.5; 11.6 – § 4; 3.1; 3.3; 3.3.2 – § 6; 5.4.3 Gregor v. Nyssa, B. § 1; 16.0; 16.1.1-1.2; 16.3; 17.3 – § 2; 14.4; 15.4.2 – § 3; 13.2.1; § 4; 2.1.2; 3.1; 3.3; 3.3.3 – § 6; 4.2.1; 5.2.1; 5.4-4.1 Gregor Palamas § 6; 5.4; 5.4.2; 5.4.5 Gregor v. Rimini § 10; 17.1.2 Gregor Rokycana § 8; 13.4 Gregor Sinaites § 6; 5.4.4-5 Gregor Thaumaturgos § 2; 2.3 Gregor v. Tours, B. § 6; 7.4.1 – § 7; 3.1.2 Grenoble § 6; 10.1.1 Greutungen § 7; 2.1.3 Griechen/-land § 3; 1.3; 2.4; 6.2; 7.1.1; 12.1 – § 4; 5.2; 13.0; 15.4.1 – § 5; 13.3.1 – § 6; 5.3.1 – § 7; 5.0; 9.1; 9.1.2; 9.2.2 – § 8; 5.1.1; 8.1.2; 9.4.2; 14.3 – § 9; 8.2.4; 10.2; 10.2.2; 10.3.1-2; 11.2; 13.1.1 Grifo, Kg. § 9; 2.2.1 Grobe Abb. 15.20 Grönland § 7; 11.1; 11.3.1 Groote, Gert § 6; 16.1-1.2; 16.2; 16.3.1 Großbritannien (s.a. England, Britannien) § 3; 1.1; 1.3; 10.2 – § 5; 7.1 Grosseteste s. Robert Grosseteste Grottaferrata § 6; 9.4.1 Grünewald, Matthias § 10; 18.2 Guadalete § 7; 5.4.1 Guadalquivir § 7; 5.4.2 – Abb. 11 Gubbio Abb. 21a.21b Guelfen s. Welfen Guerricus v. Igny, A. § 6; 10.2.3 – § 10; 5.1 Guido v. Assisi, B. § 6; 11.1.1; 13.1.3 Namenregister

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Guido v. Vienne, Eb. s. Calixt II., P. Guigo v. Chartreuse § 6; 10.1.2 Guillaume des Nogaret s. Wilhelm v. N. Guitmund v. Aversa, B. § 10; 8.1; 8.1.2 Gunhild, Kg. § 7; 11.2 Gunther v. Köln, Eb. § 8; 6.2.1 Gurk Abb. 24 Gutenberg, Johannes § 10; 18.3 Habsburger § 9; 12.1.3; 12.2.1; 12.2.4 Hades § 3; 2.4 Hadewijch § 6; 12.3.1 Hadrian, Ks. § 3; 4.4-4.1; 7.1.1 Hadrian I., P. § 4; 14.4 – § 5; 13.3.1-2 – § 7; 7.3.3 Hadrian II., P. § 7; 8.1; 8.1.2 – § 8; 6.2.2 Hadrian IV., P. § 8; 9.1.3 – § 9; 7.1.1 Hadrumetum § 5; 7.5.1 – Abb. 10.12 Haemimontus Abb. 6b Hagia Eirene § 3; 11.4 – Abb. 8 Hagia Sophia § 3; 11.4; 14.6-6.1 – § 7; 9.2.1 – § 8; 8.1; 8.1.2 – Abb. 8 Haithabu § 7; 7.4 Hakon I. d. Gute, Kg. § 7; 11.3.1 Halberstadt § 6; 9.3.2 – § 7; 7.1.4; 10.2.1 – § 10; 17.2.1 – Abb. 14.15.19.24 Hales § 10; 12.2 Halicarnassus Abb. 7 Halinard v. Lyon, Eb. § 8; 7.1.1 Halland § 7; 11.4 – Abb. 20 Halys Abb.1.3.7.9 Hamar § 7; 11.3.1 – Abb. 20 Hamburg § 7; 7.4; 10.2; 10.2.2; 11.1.1 – § 9; 4.2.3 – Abb. 19.20.23.24 Hamburg-Bremen § 7; 10.1-1.2; 10.2; 11.2; 11.3; 12.2.1 – § 9; 5.1.3; 6.3.1 – Abb. 24 Hameln § 6; 8.4.1 Hapsal s. Ösel-Wieck Harald Blauzahn, Kg. § 7; 11.2 Harald Gorrnsson s. Harald Blauzahn Harald Klak, Kg. § 7; 7.4 Harit v. Ghassan § 4; 15.3.1 Harran § 7; 5.3 – Abb. 18 Harun al-Raschid, Kalif § 9; 3.2.3; 8.1.1 Hattin § 9; 8.4.1 875

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Havel § 7; 12.1.1 Havelberg § 6; 10.3.3 – § 7; 10.1.2; 10.2; 12.1.2; 12.1.5 – § 8; 8.1.3 – Abb. 15.20.24 Haymo v. Faversham § 6; 13.2.3 Hebriden § 7; 11.3.1 Hebron Abb. 13b Hedwig, Kg. § 7; 12.3 Hedwig v. Schlesien, Hz. § 6; 12.4.2 Heidelberg § 10; 11.1.5; 17.2.1 – Abb. 28 Heidenchristen § 2; 1.4.2 – § 3; 3.1 Heidenheim § 7; 6.2.2 – Abb. 19 Heilsberg Abb. 20 Heinrich I., Kg. § 7; 10.1.1; 10.1.3 – § 9; 4.1 Heinrich II., Ks. § 5; 13.3.3 – § 6; 9.3.2 – § 7; 10.3 – § 8; 6.3; 6.3.4 – § 9; 4.3.23.3 Heinrich III., Ks. § 6; 9.4.3 – § 7; 11.2 – § 8; 6.3; 6.3.5; 7.1.-1.1; 7.5.1 – § 9; 4.3.3; 5.1.2; 6.2; 6.3; 6.5.3 Heinrich IV., Ks. § 6; 9.1.2 – § 7; 12.1.1 – § 8; 7.5-5.3; 9.0; 13.1.3 – § 9; 6.0; 6.2.1-2; 6.3-4.2; 6.5-5.3; 8.1.2 Heinrich V., Ks. § 8; 13.1.3 – § 9; 6.5.1; 6.5.3; 6.6-6.3 Gregor IX. s. Hugo v. Payens Heinrich VI., Ks. § 9; 7.1.3; 7.2-2.2; 8.4; 8.4.2 Heinrich (VII.), Kg. § 9; 7.3.1 Heinrich VII., Ks. § 9; 12.2.1 Heinrich I. v. England, Kg. § 9; 6.6.1 Heinrich Eger v. Kalkar § 6; 16.1.1 Heinrich d. Löwe, Hz. § 7; 12.1.2 – § 9; 7.1; 7.1.3; 7.2.1 Heinrich Raspe, Kg. § 9; 7.3.3 Heinrich Seuse § 6; 14.3; 16.1.1 – § 10; 18.1; 18.1.2 Heinrich Steinbach § 6; 16.1.3 Heinrich v. Ahaus § 6; 16.1.3 Heinrich v. Aquileia § 9; 6.2.2 Heinrich v. Flandern, Ks. § 9; 10.2.2 Heinrich v. Friemar § 6; 15.1.2 Heinrich v. Gent § 10; 13.1.2 Heinrich v. Langenstein § 10; 17.2.1 Heinrich („v. Lausanne“) § 8; 10.1.2 876

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Heinrich v. Nördlingen § 10; 18.1.4 Heinrich v. Sayn § 8; 10.3.2 Heinricianer § 8; 10.1.2 Heisterbach Abb.15 Helena, Ks. § 3; 10.2; 11.1.1 – § 4; 13.1.1 Helenopontus Abb. 6b Helfta § 6; 12.3.1 Helga s. Olga Helge s. Oleg Hellenisten § 2; 1.4.1; 4.0 Hellespontus Abb. 6b Helmstedt § 7; 7.1.4 – Abb. 19 Heloise, A. § 10; 4.1-4.1.4 Helvidius § 6; 6.3.2 Henrik v. Uppsala, B. § 7; 11.4 Hera § 3; 2.2 Heraklas v. Alex., B. § 2; 10.5.1 Herakleopolis § 6; 2.1.1 – Abb. 13a Heraklius, Ks. § 4; 5.3.4; 13.1-1.2; 13.3; 15.3.3 – § 9; 10.1.1 Herculius § 3; 9.1.3 Hereford § 7; 4.3.2 Herford § 6; 16.1.3 – § 7; 7.1.4 – § 9; 5.1.5 – Abb. 19 Herkules § 3; 9.1.3 Hermann v. Bamberg, B. § 8; 7.5.3 Hermann Billung, Gr. § 7; 10.1.1 Hermann v. Salm, Kg. § 9; 6.5.1 Hermann v. Salza § 7; 12.2.2 – § 9; 8.4.3; 9.3-3.2 Hermas § 1; 2.0; 2.2; 2.3 – § 2; 8.0; 8.1; 8.2.2; 12.3.1; 13.2 Heros von Arles § 5; 7.4.2 Hersfeld § 6; 8.4.1; 9.3.2 – § 7; 6.2.2 – § 9; 5.1.5 – Abb.14.19.28 Herveus Natalis § 10; 13.1.3 Hessen § 6; 9.2.1; 10.3.2 – § 7; 6.1; 6.1.2; 6.2-2.1; 6.3 – § 9; 5.2.2; 9.3.1 – Abb. 23 Heterousianer § 1; 10.2.3; 14.0; 14.2-3; 15.0; 15.3; 17.4 – § 4; 2.1.4; 4.2 Heveller § 7; 10.1.1; 10.4; 12.1.1-1.2 Hexham § 7; 4.3.2 Hierapolis § 4; 11.3.2 – Abb. 1.3 Hiereia § 4; 14.2; 14.2.3 – Abb. 7.8 Hieronymus § 1; 18.2.1 – § 2; 3.3; 10.5; Namenregister

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10.5.2; 15.4.1-4.2 – § 5; 1.; 3.; 5.1; 7.0; 7.4-4.2; 7.4.5; 12.0; 13.2.2 – § 6; 3.1.2; 6.1.1; 6.1.3; 6.3; 6.3.2-3; 6.4; 7.4.1 – § 10; 17.3.1 Hieronymus v. Prag § 8; 13.2.6 Hilarion v. Byzanz, Pt. § 7; 9.2.2 Hilarion v. Gaza § 6; 5.1.1; 6.3.2 Hilarius § 6; 6.4.2 Hilarius (Absender von Augusti, ep. 226) § 5; 7.5.2 Hilarius v. Arles, Eb. § 8; 2.3 Hilarius v. Poitiers § 1; 18.0; 18.1 – § 3; 12.1 – § 5; 1.1; 1.3-4 Hildebrand s. Gregor VII., P. Hildegard v. Bingen § 6; 12.3.1; 12.4-4.1 Hilderich § 3; 14.6.2 – § 7; 2.4.2 Hildesheim § 6; 8.7; 16.1.3 – § 7; 7.1.4 – Abb. 19.24 Himyriten § 2; 2.5 Hinkmar v. Reims, Eb. § 5; 14.0; 14.4; 14.4.2-3 – § 8; 6.2.1 – § 9; 3.4.2 Hiob § 5; 7.2; 12.2 Hiobkloster § 4; 9.2.1 – Abb. 8 Hippo Regius § 2; 2.3 – § 5; 1.0; 4.0; 5.0; 5.4 – § 6; 6.5.1 – Abb. 10.12 Hippolyt v. Rom, B. § 1; 3.3; 5.0; 5.1; 5.2; 5.3.1; 5.4 – § 2; 3.4; 5.1; 5.4.1; 5.4.3; 9.2.1; 10.1; 10.4; 16.1 – § 3; 7.2 – § 4; 1.2.2 – § 5; 1.3 Hirsau § 6; 9.1.4; 9.2; 9.2.2; 9.4 – Abb. 14 Hispalis s. Sevilla Hispanoromanen § 7; 2.2.4; 5.4 Holstein § 7; 10.2.2; 12.1-1.2 – Abb. 25 Homöer § 1; 10.2.3-4; 14.0; 14.3; 14.4; 15.0-1; 15.3; 16.1.3; 17.0-1; 17.4; 18.1; 18.2; 18.2.2 – § 3; 13.1.2 – § 4; 2.1; 2.1.4; 2.3.2; 3.1; 3.3.1 – § 5; 7.0 – § 7; 1.3; 2.1; 2.2; 2.3; 2.3.2; 2.4.2; 2.5 Homöusianer § 1; 14.0; 14.3-4; 15.0; 15.3; 15.4; 18.1 – § 4; 2.1; 3.1 Honoratus v. Arles, B. § 6; 6.4.2 Honorius, Ks. § 2; 16.3.4 – § 3; 13.2.5 – § 5; 7.4.4 – § 7; 2.2.2 Honorius I., P. § 4; 13.1.2; 13.4 Honorius II., P. § 6; 10.3.2 – § 8; 7.1.4 Namenregister

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Honorius III., P. § 6; 12.2.1; 13.2-2.1; 13.3-3.1; 14.1; 14.1.2; 15.1.1 – § 8; 9.4.1 – § 9; 8.4.3 Horaz § 3; 1.4 Horiese § 6; 3.1.1 Hormisdas, P. § 4; 12.1.2 – § 8; 3.3 Hornbach § 7; 6.2.4 – Abb. 19 Horus § 1; 7.2.1 – § 3; 2.4 Hosius s. Ossius Hospitaliter/-innen § 6; 15.2-2.2 – § 9; 9.2.1 Hrabanus Maurus, Eb. § 5; 14.0; 14.1; 14.3.2; 14.4.1-3 – § 6; 8.4.2 Hrodbert s. Rupert Hrotsvita § 6; 8.4.2 Hugo Candidus, Kd. § 8; 7.1.1 Hugo v. Cluny, A. § 6; 9.1.2 Hugo v. Fosses, A. § 6; 10.3.2 Hugo v. Grenoble, B. § 6; 10.1.1 Hugo v. Payens § 9; 9.1.1 Hugo v. St. Cher § 8; 12.3.2 – § 10; 9.1.3; 17.3.2 Hugo v. St. Viktor § 10; 6.; 7.0-1; 8.2.1; 9.1.1; 9.1.3; 9.3.1; 10.2 Hugo v. Segni s. Gregor IX. Hugolino von Ostia § 6; 13.2.1; 13.3-3.1; 13.4.1 Hugolinus v. Orvieto § 10; 17.1.3 Humbert v. Silva Candida, Kd. § 8; 7.11.2; 7.1.4; 7.3.2; 7.4.1; 7.4.3; 8.1-1.2 – § 9; 6.2.1 – § 10; 8.1.2 Humiliaten § 6; 11.1.2; 11.3 – § 8; 10.33.1 Hunerich, Kg. § 7; 2.4.1 Hunnen § 3; 8.1 – § 4; 10.1.1 – § 7; 1.4 – § 8; 2.2 Hus, Jan § 8; 13.0; 13.1.2; 13.2; 13.2.2-6; 13.3-3.2; 14.2 Hussiten § 6; 11.3; 11.3.2 – § 8; 13.3-3.1 Huzmann v. Speyer § 9; 6.2.2 Hypatia § 3, 14.2 Hypatius § 3; 14.6.4 Ibas v. Edessa, B. § 4; 9.1.1; 9.1.3; 9.2.2; 9.4; 10.1.3; 12.3.2; 15.1.1 Iberia § 2; 2.5 – § 4; 15.2.3 877

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Ibn Rusd s. Averroes Ibn Sina s. Avicenna Ida v. Nivelles § 6; 12.3.1 Ignatius v. Ant., B. § 1; 2.1; 2.4 – § 2; 4.1; 8.1; 11.2-2.1; 14.2.2 – § 4; 1.1.0-1.1.2; 1.2.1 – § 8; 1.1 Ignatius v. Konst., Pt. § 8; 6.2.2 Ignatius v. Loyola § 6; 16.3.2 Ikonium § 9; 10.2; 10.3.2 – Abb. 3.12.27 Ilbenstadt/Oberhessen § 6; 10.3.2 – Abb. 15 Illyrien/Illyricum § 3; 1.3; 10.2; 12.1; 13.2.4 – § 4; 6.1.3; 12.1; 14.2.2 – § 7; 2.2; 2.3.1; 8.1.2 – § 8; 1.4; 8.1.2 Imperium Romanum § 1; 10.1; 11.4; 17.2 – § 2; 2.0; 2.2; 2.5; 3.4; 5.0; 5.5; 11.1.2; 11.6; 14.1.3; 15.0; 15.2 – § 3; 1.-2.; 3.0; 3.2; 4.0; 4.2.1; 4.3; 6.0; 7.2; 8.2; 8.2.2; 8.3; 9.0; 9.3.2; 10.0-1; 10.5; 11.0; 11.45.1; 11.5.3; 12.3; 13.0; 14.0; 14.4; 14.6 – § 4; 5.2; 13.0 – § 5; 2.1.1; 5.0; 7.1.2; 11.0 – § 6; 6.4; 6.4.2; 8.0-1 – § 7; 1.0; 1.2-5; 2.1-1.3; 2.4.1; 2.5; 3.0; 3.3.2; 4.12; 8.0 – § 8; 2.2 – § 9; 1.0-1; 3.2.2; 6.5.3 – Abb. 5a.5b.6a.6b Inden/Cornelimünster Abb. 12.19 Indien § 2; 2.5 – § 4; 15.1.3 Ingelheim § 7; 10.1.2 – § 9; 4.2.1 – Abb. 23 Innozenz I. v. Rom, B. § 5; 7.4.3-4 – § 8; 1.4; 2.0 Innozenz II., P. § 8; 9.1.1 – § 9; 9.1 – § 10; 4.1 Innozenz III., P. § 6; 11.1.2; 13.1.3; 13.2; 13.3.1 – § 8; 8.2; 8.2.1; 9.0; 9.2-2.2; 9.3.1; 9.4-4.1; 10.3-3.1; 10.3.3 – § 9; 7.2-2.3; 7.3.3; 8.4; 8.4.3; 10.2.1 – § 10; 8.3.1 Innozenz IV., P. § 6; 13.3; 15.1.1 – § 7; 12.2.2 – § 8; 9.4.1; 10.3.2 – § 9; 7.3; 7.3.3 Innozenz V., P. § 6; 14.2.3 Innozenz VIII., P. § 10; 19.3.2 Iona § 5; 13.1.1 – § 6; 7.3.1 – § 7; 4.2; 4.3.1; 11.1.2 – Abb. 11.12 Iappe Abb. 3 878

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Iran § 9; 8.1.4 Iren § 7; 4.1 – Abb. 17 Irene, Ks. § 4; 14.4 – § 9; 3.2.3 Irenäus v. Lyon, B. § 1; 2.2; 2.5; 3.3; 4.; 6.0 – § 2; 3.4; 4.3; 5.1; 5.4-4.3; 6.2; 6.3; 7.2; 8.0; 8.2-2.1; 9.0; 9.1; 10.1; 10.2; 11.4; 14.2.2; 15.3.1 – § 3; 7.2 – § 4; 1.1.1-2; 1.2.2 – § 8; 1.1 Irenaion Abb. 8 Iris § 6; 4.2.1 Irland § 5; 14.5 – § 6; 7.3.1 – § 7; 2.0; 4.0; 4.2 – Abb. 25 Irminsul § 7; 7.1.2 Iroschotten § 6; 8.2; 8.3 – § 7; 3.3-3.1; 4.3.1; 6.1 Isaak II., Ks. § 9; 10.2.1 Isaak v. Stella § 10; 5.1 Isabella, Ks. § 9; 8.4.3 Isauria Abb. 6b Isidor Mercator § 8; 6.3 Isidor (Sohn des Basilides) § 2; 5.4.3 Isidor v. Sevilla, B. § 5; 11.0; 11.4; 13.1.2; 13.2.2; 14.4.1 – § 7; 2.2.4 – § 9; 2.2.2 – § 10; 17.3.1 Isis § 3; 2.4; 4.4.2 Island § 7; 11.0; 11.1; 11.3.1-2 Israel § 1; 1.2; 4.4.1 – § 2; 1.1; 1.3; 2.3; 4.3 – § 3; 3.1 – § 5; 1.2; 2.1; 7.2 Istanbul s. Konstantinopel Istrien § 8; 5.2.1 Italien (s.a. Oberitalien; Mittelitalien; Süd­ italien) § 1; 18.2 – § 2 11.6 – § 3; 1.4; 4.4.2; 9.4; 10.2; 12.1; 14.0; 14.6.2 – § 4; 5.2; 11.2; 12.1.2; 12.2.2; 13.0; 14.2.2 – § 5; 3.3; 7.4.5; 11.0; 12.1-2 – § 6; 6.1; 6.1.1; 6.2.2; 7.1.1; 9.0; 9.1.2-3; 11.33.1; 12.4.3; 13.1.3-4; 13.3.2; 13.4.2; 15.2.1; 15.3.1-2 – § 7; 2.1.3; 2.2-2.1; 2.3-3.1; 2.4.1; 2.5; 3.0; 8.3 – § 8; 1.0; 2.2; 3.0; 3.2; 3.3; 4.1; 4.3; 5.0-2.2; 6.0; 6.3; 7.4; 8.2.3; 9.2; 9.2.3; 10.2.1-2; 11.0; 11.2.1; 11.3.2-3; 12.1; 14.2.1 – § 9; 2.2; 2.2.3; 3.0-1.1; 3.2; 3.3.1; 3.4.1; 4.0; 4.23.2; 5.1.2; 5.2.1; 6.1.1; 6.3; 6.4; 6.5-5.1; 6.6; 6.6.2-3; 7.0; 7.1.1-2; 7.2.1; 8.2.4; 8.5; 9.2.1; 10.1; 12.2-2.2 – § 10; 1.1.1; Namenregister

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11.1.6; 12.3.1; 13.1.1; 15.4; 19.1.2; 19.2; 19.4 – Abb. 21a.21b.23.25 Iuno § 3; 2.2 Iuppiter § 3; 2.2; 9.1.3; 11.2.2; 11.3 Iviron § 6; 5.3.3 Ivo v. Chanres, B. § 9; 6.6.3 – § 10; 3.2.13.3 Ivrea § 6; 9.2.1 Iwan IV. , Zar § 9; 10.3.3 Jacobus (Pelagiusschüler) § 5; 7.4.1 Jadwiga s. Hedwig Jaffa Abb. 26 Jagiello, F. § 7; 12.3 Jakob § 2; 10.4 – § 5; 6.3-3.2 – § 10; 9.2.4 Jakob Baradai(os), Pt. § 4; 15.3-3.1; 15.4.1 Jakob v. Edessa § 4; 15.3.2 Jakob v. Mies § 8; 13.3.2 Jakob v. Nisibis § 6; 1.4 Jakob v. Viterbo, Eb. § 9; 12.3.1 – § 10; 17.1.3 Jakob v. Vitry, Kd. § 6; 12.2.1 Jakobiten § 4; 15.2.2; 15.3; 15.3.2-3; 15.4.3 – § 8; 8.2.3 – § 10; 11.2.2 Jakobskloster/Paris § 6; 14.3 Jakobus (Herrenbruder) § 2; 1.4.1-2; 3.2 Jan/Johannes Hus/Husinee s. Hus, Jan Jan Milić v. Kremsier § 8; 13.2.1-2 Jan Mombaer s. Mombaer Jan v. Ruusbroek § 6; 16.1.1 – § 10; 18.1.4 Jan Zizka § 8; 13.3.2 Jansenisten § 5; 7.3.2; 7.5 Jaroslaw d. Weise, F. § 7; 9.2.2 Jarrow § 5; 13.1.2-3 – Abb. 11.12 Jathrib § 7; 5.1 Jean Gerson s. Gerson Jean Quidort § 9; 12.3.1 – § 10; 13.1.3 Jeanne d’Arc § 9; 12.1.2 Jehuda ha-Chassid § 9; 11.1 Jericho Abb. 13b Jerichow § 6; 10.3.3 – Abb. 15 Jerusalem § 1; 17.2 – § 2; 1.0-1; 1.44.2; 2.4; 3.0; 3.2; 7.2; 9.2; 11.1; 11.6; 14.1.2; 15.4.2; 16.3.3 – § 3; 11.1.1 – § 4; 8.1; 9.1.2; 10.1.4; 11.3.4; 12.4.1; Namenregister

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13.1-1.1; 14.3; 14.4 – § 5; 1.2; 3.2; 9.1.2; 9.2-3 – § 6; 1.4; 4.3.1; 5.1-1.1; 6.0; 6.3-3.1; 6.4.3; 15.2.1 – § 8; 1.0; 5.2.2; 8.2 – § 9; 4.4.2; 7.3.5; 8.1-1.2; 8.1.4; 8.2-2.1; 8.2.4; 8.3-3.1; 8.44.3; 9.1-1.1; 9.2-2.1; 9.3.1 – Abb. 1.2.3.7.12.13b.18.26 Jesus Christus s. Christologie Joachim v. Fiore, A. § 6; 10.2.4 – § 8; 9.4.3; 12.1.2 Jogaila s. Jagiello Johann v. Gent, Hz. § 8; 13.1.1 Johann Ohneland v. England, Kg. § 9; 7.2.2-3 Johanna, »Päpstin« § 8; 9.4.3 Johanna v. Orleans s. Jeanne d’Arc Johannes I. Tzimiskes, Ks. § 9; 4.2.4 Johannes II., Ks. § 9; 10.1.2 Johannes III. Dukas Vatatzes, Ks. § 9; 10.2.3 Johannes V., Ks. § 9; 10.3.2 Johannes VI. Kantakuzenos, Ks. § 9; 10.3.2 Johannes VIII., Ks. § 9; 10.3.3 Johannes VIII., P. § 8; 6.1; 6.2.2 Johannes X., P. § 8; 6.3.1 Johannes XI, P. § 6; 9.1.1 – § 8; 6.3.1 Johannes XII., P. § 7; 10.2.1 – § 8; 6.3.1-2 – § 9; 4.2; 4.2.2-3 Johannes XIII., P. § 9; 4.2.3 Johannes XV., P. § 8; 6.3.3 Johannes XVI., P. § 8; 6.3.3 Johannes XIX., P. § 8; 6.3.4 Johannes XXII., P. § 6; 13.4.2 – § 8; 11.1; 11.3.3; 12.1; 12.1.2; 12.2 – § 9; 12.2.2; 12.3.2 – § 10; 13.1; 15.1.2; 16.1; 16.1.2 Johannes XXIII., P. § 8; 11.1.3; 13.2.4; 13.2.6; 14.2-2.2 Johannes (Evangelist) § 6; 5.4.3 Johannes (Bruder des Pachomius) § 6; 3.1.1 Johannes, Kd. s. Benedikt X., P. Johannes v. Ant., B. § 4; 4.0; 6.0; 6.2-2.3; 7.1; 9.1.1-2 Johannes Anglicus s. Johanna, »Päpstin« Johannes XI Bekkos, Pt § 8; 8.2 879

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Johannes Buridanus § 10; 17.2.1 Johannes Busch § 6; 16.2 Johannes Capreolus § 10; 13.1.3; 17.1.3 Johannes Cassianus, A. § 4; 6.1.3 – § 5; 1.4; 7.5.2; 10.1-1.1 – § 6; 2.2; 3.1.3; 5.4.1; 6.4; 6.4.3; 7.1.3; 7.2.2; 7.3.1 – § 10; 6.1; 17.3.1 Johannes Chrysostomus, Pt. § 2; 14.1; 14.3.1; 14.4 – § 4; 4.0; 4.3-3.2 – § 5; 1.3 – § 6; 5.2.1 Johannes Climacus, A. § 6; 5.1.2 Johannes Damascenus § 2; 14.4 – § 4; 14.0; 14.3-3.2 – § 10; 7.1.2 Johannes Duns Scotus s. Duns Scotus Johannes Eriugena s. Eriugena Johannes Fidanza s. Bonaventura Johannes Grammaticus v. Cäs./Palästina § 4; 12.3.1 Johannes Gualbertus, A. § 6; 9.4 Johannes Gutenberg § 10; 18.2 Johannes Kodonatos § 4; 11.2.1 Johannes Talaia § 4; 11.2.2 Johannes Tauler § 6; 14.3 – § 10; 18.1-1.1 Johannes v. Jandun, B. § 9; 12.3.2 – § 10; 11.2.5 Johannes v. Jer., B. § 2; 12.4 – § 5; 3.2; 7.4.2 Johannes v. Jer., Kg. § 9; 8.4.3 Johannes v. Konst., Pt. § 4; 12.1.1 Johannes vom Kreuz § 6; 15.3.2 Johannes Malalas § 3; 14.6.4 Johannes Maxentius § 4; 12.1.1 – § 5; 10.3 Johannes Mauburnus s. Mombaer Johannes v. Mirecourt § 10; 17.1.1 Johannes v. Neapel § 10; 13.1.3 Johannes v. Nepomuk § 8; 13.2.1 Johannes v. Paris s. Jean Quidort Johannes v. Parma § 6; 13.2.3 Johannes Peckham s. Peckham, Johannes Johannes Philoponus § 4; 15.4.1 Johannes v. Ravenna, Eb. § 8; 6.2.1 Johannes v. Ronco § 6; 11.3.2 Johannes v. Rupella § 6; 13.2.3 – § 10; 12.2 Johannes v. Salisbury, B. § 10; 3.3; 3.3.2 Johannes v. Skythopolis, B § 4; 12.3.1 880

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Johannes Teutonicus v. Wildeshausen § 6; 14.2.3 Johanniter § 6; 15.2-2.1 – § 9; 9.0; 9.22.2; 9.3-3.1 Jonas v. Bobbio, A. § 6; 7.4.1 Jordan § 1; 5.0; 5.2; 18.4.1 – § 2; 12.3 – § 5; 13.3.2 – § 6; 5.1.1 – Abb. 13b.26 Jordan v. Posen, B. § 7; 10.4.1 Jordan v. Sachsen § 6; 14.2.3; 15.1.2 Jordan v. Sachsen/Quedlinburg § 6; 15.1.2 Jovian, Ks. § 1; 10.2.4; 15.0; 15.2 – § 3; 12.3.3 – § 4; 3.1; 3.2; 8.3.2 Jovinian § 6; 6.3.2 Juan de Torquemada s. Torquemada Judäa § 2; 1.1 – § 3; 3.1 – § 6; 5.1.1 Juden § 1; 3.3.1 – § 2; 1.1; 1.3; 1.4-4.2; 3.0; 3.2-3 – § 3; 2.4; 3.1; 5.2.2; 6.2; 7.1.1; 11.3; 14.2 – § 4; 8.1 – § 7; 5.3; 5.4.1 – § 8; 9.3; 10.3.2 – § 9; 8.2; 8.2.3; 11. – § 10; 2.3; 4.2.1; 13.1.1; 17.3.2 Judenchristen § 2; 1.4.1-2; 3.0; 3.4 – § 3; 3.1 – § 6; 1.2.3 – § 7; 5.1 Jüten/Jütland § 7; 4.1; 10.1 – Abb. 17 Julia Domna § 3; 4.4.2 Julia Mamäa § 2; 10.5.1 – § 3; 4.4.2 Julian (Apostata), Ks. § 1; 10.2.4; 14.0; 15.0-2 – § 2; 15.3.3; 16.3.2 – § 3; 12.3-3.2; 13.2.2 – § 4; 8.1 Julian v. Aeclanum, B. § 4; 6.1.3 – § 5; 7.4.5 Julian v. Halicarnassus, B. § 4; 12.2.1 Juliana v. Cornillon § 6; 12.3.1 Julianisten § 4; 15.4.1 Julius I. v. Rom, B. § 1; 12.0; 12.3; 12.3.2 – § 4; 3.1; 8.3.2 – § 8; 1.3 Julius Caesar § 3; 1.2 Justin, Apologet § 1; 3.3; 3.3.1-3; 8.0 – § 2; 3.2; 3.3; 7.2; 8.2; 10.0; 12.2; 12.3.2; 14.1.1; 14.2.2 – § 3; 4.4.1; 5.2.1; 7.1-1.1; 7.2 – § 4; 1.1.1 – § 6; 1.2.2 Justin, Ks. § 3; 14.6 – § 4; 5.3.3; 11.3.2; 12.0-1.1; 12.2; 15.3 – § 5; 11.2 – § 7; 2.4 – § 8; 3.0; 3.3 Justinian, Ks. § 3; 11.4; 12.0; 14.0; 14.6Namenregister

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6.2; 14.6.4 – § 4; 5.2; 5.3.3; 11.3.3; 12.0-2; 12.2.2; 12.3; 12.3.2; 12.4-4.1; 13.0-1; 15.3 – § 6; 5.0; 5.1.2 – § 7; 2.2.4; 2.3 – § 8; 3.0; 3.3 – § 9; 10.1.1 Juvenal v. Jer., Pt. § 4; 6.2.1; 9.1.2; 9.4; 10.1.3; 11.1.1 Kärnten § 7; 7.2 – Abb. 23.25 Kairawan § 7; 5.3 – Abb. 18 Kairo § 2; 8.2.3 – § 9; 8.1.1; 8.1.4 – § 10; 11.2.3 Kairuan s. Kairawan Kaisarion § 3; 1.3 Kal‘at Schim‘an § 6; 5.2.2 – Abb. 13b Kalabrien § 4; 14.2.2 – § 6; 10.1.1; 10.2.4 – § 8; 7.4.3 – § 9; 4.2.3 – Abb. 6a Kallinikon § 3; 13.2.3-4 Kallist/Calixt I. v. Rom, B. § 1; 5.1; 5.4; 18.0 – § 2; 10.4 Kalocsa § 7; 10.4.2 – Abb. 20 Kamistra Abb. 26 Kammin § 7; 12.1.3 – Abb. 20.24 Kampanien § 6; 6.1.1 Kapernaum Abb. 3 Kapitol § 3; 2.2; 10.3.3 Kappadokien § 1; 16.1 – § 2; 2.2-3; 2.5 – § 3; 1.3 – § 4; 15.2.1 – § 6; 4.2; 4.2.2 – Abb. 5b.6b Kappadokier, Drei § 1; 16.0 – § 6; 5.4.5 Kapuziner § 6; 13.0 Karantanen s. Slowenen Karelien § 7; 11.4 Karl I. d. Gr., Ks. § 3; 11.0 – § 5; 3.3 13.0; 13.2.1-3; 13.3.1; 13.3.3 – § 6; 8.4-4.1; 8.5; 8.5.2 – § 7; 2.5; 5.4.1; 6.1; 6.3; 7.01; 7.1.2-3; 7.1.5; 7.2; 7.3.2-3; 7.4 – § 8; 5.1; 5.2-2.1; 6.0 – § 9; 2.0; 2.2.3; 3.03.1; 4.0-1; 5.1.4; 7.1.2; 8.1.1 – § 10; 9.4 Karl II. d. Kahle, Ks. § 5; 14.3.1-2; 14.4.3; 14.5 – § 8; 6.1 – § 9; 3.3.2; 3.4-4.2 Karl III. d. Dicke, Ks. § 7; 11.1.1 – § 8; 6.1 Karl III. d. Einfältige, Kg. § 7; 11.1.2 Karl IV. v. Böhmen, Ks. § 8; 11.3.1; 14.2.1 – § 9; 12.1.2; 12.2.3-4 – § 10; 11.1.5 Karl V. v. Habsburg, Ks. § 9; 9.2.2 Karl VII. v. Frankreich, Kg. § 9; 12.1.2-3 Namenregister

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Karl v. Burgund § 9; 3.4.1 Karl v. Anjou, Kg. § 9; 7.3.3; 10.3.1; 12.1 Karl Martell § 7; 5.0; 5.4-4.1; 6.1.1; 6.22.1; 6.3 – § 8; 5.1.2 – § 9; 2.1-1.2; 2.2.1; 2.2.4; 3.0 Karl Sverkersson, Kg. § 7; 11.4 Karlmann. Kg. § 7; 6.2.2; 6.3-3.2 – § 9; 2.2.1; 2.2.3; 3.1.1 Karlsburg Abb. 20 Karmelgebirge § 6; 15.1 Karmeliter/innen § 6; 15.0-1.1 Karolinger § 5; 13.0; 14.0 – § 6; 8.0; 8.3 – § 7; 2.5; 7.0; 7.2 – § 8; 7.3.1 – § 9; 1.3; 2.0; 2.1-1.2; 2.2.2; 3.4-4.1; 4.1-2; 5.0 – § 10; 9.4 Karpaten § 7; 10.1.3 Kartäuser § 6; 10.0-1; 12.1; 14.2.1; 16.1.1; 16.3.2 Karthago § 2; 2.2-4; 5.0; 5.4.3; 7.1; 10.2; 11.1.2; 11.3; 11.6; 11.8; 12.6; 12.6.2; 13.4; 13.5; 13.5.1-3; 15.3.2; 16.3.1-2; 16.3.4 – § 3; 1.3-4; 5.2.2; 8.2.2; 11.5.1 – § 4; 13.1.1; 13.2 – § 5; 1.0; 1.4; 5.0; 5.1.1; 5.4; 7.3; 7.4.2-4; 7.5.1; 10.0 – § 6; 6.5 – § 7; 2.4.1-2; 5.0; 5.3 – § 8; 1.0; 2.2 – Abb. 1.2.3.10.12.17.18 Kastilien § 7; 5.4.2 – § 8; 11.3.2; 14.2.1 – Abb. 25 Katharer § 6; 11.0; 11.1.1; 11.2; 11.3-3.2; 12.2.1; 12.2.3; 14.1-1.1 – § 8; 9.2; 9.3.2; 10.0; 10.2-2.3; 10.3-3.1; 10.3.3 Katharina v. Siena § 6; 12.4.3-4; 14.2.2 – § 8; 11.3.1 Kellia § 6; 2.2; 2.2.2; 5.1.1 – Abb. 12.13a Kelsos s. Celsus Kelten § 7; 1.3; 4.1 Kempen § 6; 16.3.1 Kempten § 6; 8.4.1 – § 9; 5.1.5 Kent § 7; 4.1; 4.3.2 – § 8; 4.2 – Abb. 23.25 Kephallenia Abb. 27 Kerinth § 1; 2.5 – § 4; 1.2.2 Kerullarios s. Michael Kerullarios Kiew § 7; 9.0-1.3; 9.2.2-3; 10.2-2.1 – Abb. 20 Kilian, B. § 7; 3.3.1 Kilikien § 2; 2.1 – § 4; 15.2.1 – § 5; 13.1.1 – § 9; 8.4.4 881

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Al-Kindi § 10; 11.2.2 Kitzingen § 7; 6.2.2 – Abb. 19 Klara v. Assisi § 6; 13.0; 13.3-3.1 Klarissen § 6; 12.1.1; 13.0; 13.2.2; 13.3.2 Klausenburg Abb. 20 Kleinarmenien/Armenia minor (röm. Provinz) § 2; 2.5 – § 3; 1.3; 3.8 – § 4; 15.2 – Abb. 6b Klein-Armenien § 9; 8.4.4 Kleinasien § 1; 11.1; 13.3.1; 15.4; 18.1 – § 2; 2.3; 4.1; 6.1; 7.0; 7.2-3; 10.1; 11.1; 11.2 – § 3; 1.3; 2.4 – § 4; 1.2.1; 13.0; 15.3.1 – § 6; 1.1.2; 3.0; 4.0-2; 5.0; 5.2.1 – § 8; 10.1.1 – § 9; 8.1.4; 8.2.2; 8.2.4; 8.4-4.1; 10.1; 10.1.2; 10.2; 10.2.2-3 Kleingoten § 7; 2.1.1 Kleopatra § 3; 1.3 Klosterrath § 6; 10.3.1 – Abb. 15 Knossus Abb. 3 Knut d. Gr., Kg. § 7; 11.2 Köln § 2; 5.5-5.1 – § 3; 1.3 – § 6; 7.4.2; 8.7; 9.2; 9.3.2; 10.1.1; 12.2.1; 14.2.3; 14.3; 16.1.3 – § 7; 3.1.1; 3.3.1; 6.3.2 – § 8; 10.2.1 – § 9; 5.1.3-4; 5.2.3; 6.3.1; 8.2.3; 12.0; 12.2.3 – § 10; 9.4.2; 11.1.5; 11.3.2; 13.1.1; 14.1.1; 15.1.1-2; 17.1; 18.1.1-2; 18.2 – Abb. 14.17.18.19.23.24.25.28 Königsberg § 7; 12.2.2 – Abb. 20 Kolbatz Abb. 20 Kolberg § 7; 10.4.1; 12.1.3 Kolossae Abb. 3 Kolzim (= Mons Antonii) § 6; 2.1.1 – Abb. 13a Komnenen § 9; 10.1.2 Konrad II., Ks. § 9; 1.3.2; 4.2.1; 4.3.3; 4.4.2 Konrad III., Kg. § 9; 6.5.1; 8.3; 8.3.2; 8.4 Konrad IV., Kg. § 9; 7.3.3 Konrad v. Marburg § 6; 12.4.2 – § 8; 10.3.2 Konrad v. Masowien, Hz. § 7; 12.2.2 – § 9; 9.3.2 Konrad v. Vechta, Eb. § 8; 13.3.2 Konradin § 9; 7.3.3 Konstans I., Ks. § 1; 12.0; 12.3; 12.4 – § 2; 16.3.2 – § 3; 10.2; 12.1 882

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Konstans II., Ks. § 4; 13.2 Konstantin I. d.Gr., Ks. § 1; 10.1; 10.2.2; 11.1; 11.4; 12.0; 12.3; 12.4 – § 2; 2.0; 2.4; 11.3; 11.6; 15.3.3; 16.3.1-2 – § 3; 7.1.2; 7.2; 9.4-5; 10.-11.; 12.0-1; 12.3.1; 12.3.3; 14.3-4 – § 4; 13.1.1 – § 5; 9.1.1; 9.3 – § 6; 2.1.2 – § 7; 1.0; 2.3.2; 3.1.2 – § 8; 1.3; 3.2; 5.2.2 – § 10; 19.2 Konstantin II., Ks. § 1; 12.0 – § 3; 10.2; 12.1 Konstantin IV., Ks. § 4; 13.4 Konstantin V., Ks.§ 4; 14.2; 14.2.3; 14.4.4.1 Konstantin VII., Ks. § 7; 9.1.3 Konstantin, Missionar s. Cyrill Konstantinopel (s.a. Byzanz) § 1; 10.2.4; 10.3; 14.0; 14.4; 15.0; 15.4; 16.0; 16.1.2; 16.2; 17.0-2; 17.4; 18.2.1 – § 2; 2.4-5; 10.5; 11.3; 11.6; 15.2; 15.3.3 – § 3; 1.3; 10.4.2; 11.4; 11.5.2; 12.3.3; 13.2-2.1; 14.4; 14.6.1; 14.6.4 – § 4; 2.1.4; 3.1; 4.3; 4.3.2; 5.0; 5.2; 5.3.2-4; 6.0-1.1; 6.1.3; 8.1; 9.0; 9.1.1-2; 9.22.2; 9.4; 10.0; 10.1.2-4; 10.2; 11.1; 11.1.2; 11.2-2.3; 11.3.3-4; 12.1-1.2; 12.2.2; 12.3.2; 12.4-4.1; 13.2; 13.4; 14.2.1-2; 15.3.1 – § 5; 3.1; 12.1-2 – § 6; 5.0; 5.2.2; 5.3-3.1; 5.4.3 – § 7; 2.1.1; 5.2; 8.3.1; 9.1.2-3; 9.2.1-2 – § 8; 1.0; 1.4; 2.3; 3.1; 3.3; 4.0; 5.0; 5.1.1; 6.2; 6.2.2; 8.1-1.1; 8.1.3; 8.2.1; 8.2.3; 10.1.1 – § 9; 8.1.1; 8.2.43; 10.0; 10.22.3; 10.3.3 – § 10; 9.4.1; 19.4 – Abb. 2.7.8.9.12.18.27 Konstantius I. (Chlorus), Ks. § 3; 9.1.2; 10.2-2.1 Konstantius II., Ks. § 1; 10.2.3-4; 12.0; 12.3; 12.4; 14.0-1; 14.3; 14.4; 15.0-2; 18.1-2 – § 2; 2.5 – § 3; 10.2; 12.0-3.1; 13.1; 13.2.2 – § 6; 2.1.3 Konstanz § 6; 16.3.2 – § 7; 3.3.1 – § 8; 11.0; 13.1.2; 13.2; 13.2.6; 14.0; 14.1.2; 14.2-2.1; 14.3 – § 9; 7.1.3 – Abb. 19.24.25 Konstanze, Ks. § 9; 7.1.3; 7.2.1; 7.2.3 Korbinian, B. § 7; 3.3.2 Korfu Abb. 27 Namenregister

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Korinth § 2; 11.1.1-2 – Abb. 3 Korsika § 7; 2.4 – § 8; 5.2.1 – § 9; 6.1.1 – Abb. 5a.6a.10.25 Kraft, Heinrich § 3; 10.1 Krakau/Krakow § 7; 10.4.1 Kreta § 8; 11.3.3 – § 9; 8.4; 10.1.1; 10.2.2 – Abb. 5b.6b.27 Krim § 4; 13.2 – § 7; 8.1.2; 9.0; 9.1.1; 9.2.2 Kroaten/ien § 7; 8.3-3.2 – § 9; 6.1.2; 10.1.2 – Abb. 25 Kues (s.a. Nikolaus v. Kues) § 10; 19.5 Kulm/Kulmer Land § 7; 12.2.2 – § 9; 9.3.2 – Abb. 20 Kumanen § 7; 9.1.1 – § 9; 10.1 Kunwald § 8; 13.3.3 Kuren/Kurland § 7; 12.2.1 – Abb. 20 Kybele § 2; 7.2 – § 3; 2.4 Kyniker § 3; 5.1 – § 6; 1.3 Kyrill v. Alex., Pt. § 3; 12.3.2 – § 4; 3.0; 4.0; 5.1-2; 5.3.1; 5.3.3; 6.; 7.1.1; 7.22.2; 8.; 9.0-1.3; 9.2.1-2; 9.4; 10.0; 10.1.3; 10.2; 10.3.2-3; 11.1.2; 11.2; 11.2.2; 11.3-3.1; 11.3.3; 12.1.1; 12.33.1; 12.4.2; 14.3.1 – § 5; 1.3; 7.4.2; 7.4.5; 13.3.2 Kyros (s.a. Theodoret v. Cyrus) § 4; 7.2.1 – Abb. 7.13b Lactantius § 3; 7.1; 7.1.2; 9.3; 9.5; 10.3.12; 10.4.1 Ladislaus I., Kg. § 7; 10.4.2 Lafant Abb. 24 Lampron Abb. 26 Lampsakus § 1; 15.3 – Abb. 2 Lancaster § 8; 13.1.1-4 – § 9; 12.1.2 – Abb. 25 Lanfrank v. Bec/Canterbury, Eb. § 10; 1.1.1; 2.1.1; 3.2.1; 8.1 Langobarden § 4; 14.2.2 – § 5; 12.1; 13.2.1 – § 6; 7.2 – § 7; 2.0; 2.5; 3.3.1 – § 8; 4.1; 5.0-1; 5.1.2; 5.2-2.2; 7.4.5 – § 9; 2.2.3; 3.1-1.1; 3.2.2; 4.2; 12.2.2 – Abb. 17.18 Langres § 6; 10.2.1 Languedoc § 6; 14.1 – § 8; 10.1.2; 10.2.1; 10.3.3 – Abb. 25 Namenregister

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Laodicea § 4; 3.0-1 – Abb. 2.7.13b.26 Laodicea (Phrygien) Abb. 3 Laon § 5; 13.2.1; 14.5 – § 6; 10.3.2 – § 10; 3.1; 4.1-1.1 – Abb. 11.15.28 Laranda Abb. 26 Larissa Abb. 3 Lasika § 4; 15.2.3 Lateran(basilika) § 2; 2.4; 16.3.1 – § 6; 13.1.3 – § 8; 7.1.5; 9.3.1 – Abb. 22 Lateranpalast § 2; 16.3.1 – § 3; 11.1.1 – § 8; 5.2.2 Latopolis s. Esne Lauingen § 10; 11.3.2 Laura, Große/Mar Saba § 4; 12.4.1 – § 6; 5.1.1; 5.3.3 – Abb. 13b Laura, Neue § 6; 5.1.1 – Abb. 13b Laurentius § 3; 8.3 Laurentius v. Rom, B. § 8; 3.2 Lausanne § 8; 14.3-3.1 – Abb. 19 Lausitz § 7; 10.1.1; 10.4.1; 12.0 – Abb. 25 Lavant Abb. 24 Lazariten § 6; 15.2.1 Lazarus v. Aix, B. § 5; 7.4.2 Leander v. Sevilla, B. § 7; 2.2.4 Lebus § 7; 12.1.4 – Abb. 20.24 Lechfeld § 7; 10.1; 10.1.3 Legnano § 9; 7.1.3 Leicestershire § 8; 13.1.1 Leipzig § 6; 14.2.3 – § 8; 13.2.3 Leitomischi Abb. 24 Leitzkau § 6; 10.3.3 – Abb. 15 Lekno § 7; 12.2.2 – Abb. 20 Lenster Abb. 23 Leo I., P. § 4; 9.0; 9.1.2; 9.3-3.2; 9.4 – § 5; 10.1 – § 6; 6.2.2 – § 8; 2. Leo III., P. § 5; 13.3.3 – § 9; 3.1; 3.1.2; 3.2-2.1; 3.2.2 Leo VIII., P. § 9; 4.2; 4.2.3 Leo IX., P. § 6; 9.2.2 – § 8; 7.0-1.1; 7.2; 7.3; 7.4; 7.4.3; 7.4.5; 7.5.1; 8.1-1.1 – § 9; 6.2; 8.1.3 Leo X., P. § 6; 13.4.2 – § 9; 12.1.3 Leo XIII., P. § 6; 13.4.2 – § 10; 13.1.3 León § 7; 5.4; 5.4.2 – § 9; 6.1.2 – Abb. 18 Leon I., Ks. § 3; 14.5 – § 4; 11.1; 11.1.2; 11.2.1 883

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Leon III., Ks. § 4; 14.2-2.2; 14.4.1 – § 8; 5.1.1 Leon V., Ks. § 4; 14.4.1 Leon v. Achrida/Ochrid, Eb. § 8; 8.1.1 Leonardo da Vinci § 10; 19.1.2 Leontius § 4; 11.2.2; 12.1.1; 12.3.1 Leontius v. Byzanz § 4; 12.3.1 Leontius v. Jer. § 4; 12.3.1 Leovigild, Kg. § 7; 2.2.4 Lerinum/Lerins § 6; 6.4; 6.4.2 – § 7; 3.2.1 – Abb. 10.12 Lesbos Abb. 27 Letten § 7; 12.2.1 Libanensis Abb. 6b Libanon § 4; 15.3.3 Liberius v. Rom, B. § 1; 15.0; 15.3; 15.4; 18.2 Libya (inferior/superior) Abb. 6b Libyen § 1; 9.1; 11.2.1; 11.4 – Abb. 18 Licentius § 5; 5.3 Licinius, Ks. § 3; 10.2-3; 10.4-4.2; 11.2.1 Liegnitz § 7; 12.1.5 – Abb. 20 Liemar v. Bremen, Eb. § 8; 7.5.3 Ligugé § 6; 6.4.1 – Abb. 12 Liguria-Aemilia § 5; 2.1.1 – Abb. 5a.6a Lilie § 10; 3.3.1 Limassol Abb. 26 Lincoln (Ort) § 10; 11.1.2 Lindisfame § 5; 13.1.1 – § 7; 4.3.1; 11.1.2 – Abb. 11.12 Linköping § 6; 12.4.3 – § 7; 11.4 – Abb. 20 Lioba, A. § 7; 6.2.2 Lippe § 7; 7.1.1 Lippi, Filippo § 10; 19.1.2 Lissabon § 7; 5.4.2 Litauen/Litauer § 7; 12.2; 12.3 – § 8; 11.3.2 Liudger, B. § 7; 7.1.4 Liutizen § 7; 10.1-1.1; 10.4; 12.1-1.2 Liutprand, B. § 7; 4.1 Liutprand, Kg. § 7; 2.5 – § 8; 5.1.2 Liven/Livland § 7; 12.2.1-2.2 – § 9; 9.3.2 Livius § 3; 1.4 Loccum Abb. 15 Loire § 7; 3.1; 3.2.2 – Abb. 11.14.15.23.25 884

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Lollarden § 8; 13.1; 13.1.3 Lombardei/Lombarden § 6; 11.3-3.2 – § 8; 7.5.3 – § 9; 7.1.3 – Abb. 23 Lombardus s. Petrus Lombardus London § 7; 4.3.2 – § 8; 13.1-1-2 – § 9; 11.3.1 – § 10; 16.1.1 – Abb. 25 Longtier Abb. 23 Lorenzo Valla s. Valla Lorsch § 6; 8.4.1; 9.3.2 – § 9; 5.1.5 – Abb. 14 Lothar I., Ks. § 8; 6.1 – § 9; 3.3.1-2; 3.44.1 Lothar II., Kg. § 8; 6.2.1 – § 9; 3.4.1; 4.2.1 Lothar III. v. Supplingenburg, Ks. § 7; 12.1; 12.1.2 – § 8; 8.1.3 Lothar v. Segni s. Innozenz III. Lotharingien § 8; 6.2.1 Lothringen § 6; 9.0; 9.2.1; 9.3 – § 7; 10.1.3 – § 8; 7.1; 7.1.1 – § 9; 3.4.1; 4.1; 4.3.2; 5.2.1 – Abb. 25 Lucania et Bruttium Abb. 5a.6a Lucca Abb. 21a.21b Lucius Verus, Ks. § 3; 4.4.1 Lucius III., P. § 8; 10.3.1 Lucius § 3; 4.4.1 Lucius v. Alex., B. § 3; 13.1.1 – § 4; 2.1.4; 2.3.2 Ludmilla, Fs. § 7; 10.3.1 Ludwig I. d. Fromme, Kg. § 5; 14.1-2 – § 6; 8.4; 8.4.2; 8.5-5.2 – § 7; 7.4; 8.2 – § 8; 6.1 – § 9; 3.0; 3.3-3.2; 3.4 Ludwig II. d. Deutsche, Ks. § 7; 7.4; 8.2 – § 8; 6.1; 6.2.1 – § 9; 3.3.2; 3.4-4.2; 4.1 Ludwig IV. d. Bayer, Ks. § 8; 12.1.2; 12.2 – § 9; 12.2; 12.2.2-3; 12.3.2 – § 10; 16.1; 16.1.2 Ludwig VII. v. Frankreich, Kg. § 9; 8.3; 8.3.2 Ludwig IX. v. Frankreich, Kg. § 8; 10.3.3 – § 9; 8.4; 8.4.3; 10.3.1; 12.1-1.1 Lübeck § 6; 12.4.3; 14.2.3; 15.2.2 – § 7; 12.1.2 – § 9; 9.3.1 – Abb. 20.24 Lüttich § 6; 10.3.1; 12.2-2.1; 12.3.1 – § 7; 7.1.4 – § 8; 7.1.1; 10.2.1 – § 9; 5.2.1-2 – Abb. 19.23.24 Lugdunensis (prima/secunda) Abb. 5a.6a Lugdunum s. Lyon Namenregister

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Lukas § 2; 6.; 8. Lukas v. Prag § 8; 13.3.3 Lukian v. Ant. § 1; 9.3; 11.2.1; 12.3.1 Lukian v. Samosata § 3; 6.1 Lul(lus) v. Mainz, Eb. § 7; 6.2.2; 6.3.1 Lullus. Raimundus s. Raimundus Lullus Lund § 7; 11.2; 11.4; 12.2.1 – Abb. 20 Luni Abb. 21a Lupus v. Ferrieres, B. § 6; 8.4.2 Lupus v. Troyes, B. § 6; 6.4.2 Lusitania § 6; 6.2.1 – Abb. 5a.6a Luther, Martin § 1; 18.5 – § 5; 3.3; 4.2 – § 6; 15.3.2 – § 10; 5.0; 12.3.1; 17.3; 18.1.3; 18.2 Lutterell, John § 10; 16.1.2 Lutterworth § 8; 13.1.1-3 Luxemburger § 9; 12.2.1 Luxeuil § 6; 7.3.3 – § 7; 3.3.1 – Abb. 12.19 Luxovium s. Luxeuil Lycia et Pamphylia Abb. 5b.6b Lydia Abb. 6b Lydda § 9; 8.4.3 – Abb. 3.13b Lyon/Lugdunum § 2; 2.2; 10.1; 15.3.1 – § 3; 4.4.1; 5.2.2 – § 5; 1.0; 10.2; 13.2; 14.2; 14.4.3 – § 6; 6.4.2; 11.33.1; 14.3 – § 8; 8.0; 8.2; 8.2.2; 9.4.14.2; 10.3.3; 11.1.1 – § 9; 7.3; 7.3.3; 10.3.1 – § 10; 12.3.1; 13.1.1 – Abb. 1.3.10.11.12.16.28 Lyonenser/Ultramontane § 6; 11.3.2 Lyre § 10; 17.3.2 Lystra Abb. 3 Maas § 7; 6.1.1; 11.1.1 – § 9; 2.1.1 Maastricht § 7; 3.3.1 – Abb. 19 Mabbug § 4; 11.3.2 – Abb. 7 Macedonia Abb. 5b.6b Madaura Abb. 3.10 Madjaren § 7; 10.1.3; 10.4.2 Madrid § 6; 14.2.2; 14.3 – Abb. 16 Mähren/r § 7; 7.4; 8.1-1.2; 10.1.3; 10.3; 10.3.1-3.2; 10.4.1-4.2 – § 8; 13.2.1; 13.3.3 – Abb. 23.25 Mälarsee § 7; 7.4 Magdalenen(orden) § 6; 12.1.2 Magdeburg § 6; 9.3.2; 10.3.2-3.4; 12.3.1; Namenregister

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14.2.3 – § 7; 10.1-1.1; 10.2-2.2; 10.3; 10.4.1; 12.1.4 – § 9; 5.1.3; 5.1.5; 5.2.2 – Abb. 14.15.20.23.24 Magnentius, Ks. § 1; 14.0 – § 3; 12.1 Magnesia Abb. 3 Magyaren s. Madjaren Mahone Abb. 21a Mailänder Kreis § 5; 1.4; 5.2.2 Mailand/Mediolanum § 1; 15.0; 17.0; 18.0; 18.2; 18.2.2 – § 2; 2.4; 15.2; 16.3.1 – § 3; 9.1.2; 10.3.1; 10.4-4.1; 13.1.2; 13.2.4 – § 5; 1.4; 2.0; 2.1.1.2; 5.0; 5.1.2; 5.2.2; 6.1 – § 6; 6.1.3; 11.1.1-2 – § 7; 2.5 – § 8; 1.0; 3.3; 7.1.3; 7.4; 7.4.2; 11.3.1 – § 9; 6.2.2; 6.3; 6.3.2; 7.1.3; 12.2.2 – § 10; 9.4.2; 19.1.2 – Abb. 2.3.10.12.17.18.23 Maimonides § 10; 11.2.3 Main § 7; 3.3.1; 6.1.2 – § 9; 5.2.2 Mainz § 3; 1.3 – § 5; 14.0; 14.4.2 § 6; 9.3.2; 12.2.1 – § 7; 3.3.1; 6.2.2; 6.3-3.2; 10.1; 10.2.1; 10.3; 10.3.2 – § 8; 10.1.2 – § 9; 4.4.1; 5.1.3; 5.2.2-2.3; 6.4.1; 8.2.3; 11.1; 12.0; 12.2.3-2.4 – § 10; 18.3 – Abb. 11.14.19.23.24.25 Majolus, A. § 6; 9.1.2 Makarius d.Gr. § 6; 2.2.2 Makarius/Symeon v. Mesopotamien § 6; 5.2.1 Makedonia/en § 1; 15.4 – § 3; 1.3 – § 9; 10.1.1; 10.2.1-3; 10.3.1-2 Makedonius v. Konst., B./ Makedonianer § 1; 15.4 – § 4; 11.3.4 Makrina § 6; 4.2.1 Malaga § 10; 11.2.3 – Abb. 17 Malchus § 6; 6.3.2 Mallorca § 10; 15.3.1 Mallus Abb. 26 Malmeshury Abb. 11 Malta § 9; 9.2; 9.2.2 Malteser s. Johanniter Mamluken § 4; 15.4.2 – § 9; 8.4.3-4 Mamre § 3; 11.1.1 Manaskert § 4; 15.2.2 – Abb. 9 Manasse v. Reims, Eb. § 8; 7.5.3 Mandäer § 2; 5.1 885

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Manegold v. Lauterbach, M. § 10; 1.1.2 Manfred, Kg. § 9; 7.3.3 Mani § 2; 5.5 Manichäer § 3; 9.2; 11.5 – § 5; 1.1; 5.1.2; 5.2-2.1; 5.3-6; 7.4.5; 8.1 – § 8; 10.11.1; 10.2.1 Mansurah Abb. 26 Mantua § 6; 15.3.2 – Abb. 16.21a.21b Mantzikert § 9; 8.1.4 Manuel I., Ks. § 8; 8.1.3 – § 9; 10.1.2 Manuel II., Ks. § 9; 10.3.3 Marburg § 6; 12.4.2 – § 8; 10.3.2 – § 9; 9.3.1 Marcella § 6; 6.1.1 Marcellina § 6; 6.1.1 Marcellinus § 2; 16.3.4 – § 3; 11.5.1 – § 5; 7.3.1-2 Marcia § 3; 4.4.2 Marcus Antonius § 3; 1.2-3 Mari § 4; 12.3.2 Maria § 1; 2.4.; 9.2; 13.2.2 – § 2; 9.2.3 – § 3; 2.4 – § 4; 1.1.2; 1.3.2; 2.3; 2.3.1; 4.1; 4.2.2; 6.0-1.1; 6.2.3; 7.1.1; 8.3.3; 10.3.1 – § 5; 12.1 – § 6; 6.3.2; 15.1.1 – § 8; 12.3.2 – § 9; 9.3.1 – § 10; 14.2.2; 18.2 Maria (Schwester Pachoms) § 6; 3.1.1 Maria v. Oignies § 6; 12.2.1; 12.3.1 Marienburg § 7; 12.2.2 – Abb. 20 Marienwerder Abb. 20 Marius Victorinus § 1; 7.2.3; 18.0; 18.3; 18.4.1 – § 5; 1.1; 1.3-4; 1.4.1; 11.1 Mark Aurel, Ks. § 3; 4.4-4.1; 7.1.1 Markell v. Ank., B. § 1; 12.0-1; 12.3-4; 14.0; 14.3 – § 2; 9.2.3 – § 3; 11.5.2 – § 4; 2.1.3 – § 8; 1.3 Markellianer § 1; 14.1; 15.3; 17.4 Markian, Ks. § 3; 14.2 – § 4; 10.0-1.1; 11.1-1.2; 11.2.1 Markion § 1; 2.4 – § 2; 6.; 8.0; 14.2.1 – § 3; 2.4; 7.1; 11.5.4 – § 4; 1.1; 1.1.1-2; 1.2.2 Markioniten § 1; 6.3 – § 2; 2.2; 3.4.1; 6.1; 10.1.2; 12.6.1 – § 3; 11.5.3 – § 4; 1.1.1 – § 6; 1.4 Markus Eugenikos v. Ephesus, Eb. § 8; 8.2.3 886

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Marmarameer § 9; 10.2.2 – Abb. 8 Marmoutier § 6; 6.4.1 – § 10; 2.2.3 – Abb. 12 Marokko § 6; 13.1.3 Maron, A./Maroniten § 4; 15.3.3 – § 8; 8.2.3 Marozia § 8; 6.3.1 Marrakesch § 10; 11.2.2 Mars § 3; 11.2.2 Marseille/Massilia § 5; 10.1 – § 6; 6.4; 6.4.3 – § 9; 8.4; 8.4.1-3 – Abb. 3.10.11.12 Marsilius v. Inghen § 10; 17.2 Marsilius v. Padua § 8; 14.1.2 – § 9; 12.3; 12.3.2 – § 10; 11.2.5 Martianus Capella § 5; 11.1; 14.5.1 Martin I., P. § 4; 13.2 – § 8; 5.1.1 Martin IV., P. § 8; 8.2 – § 9; 10.3.1 Martin V., P. § 8; 14.2-2.1; 14.3 – § 10; 15.3.1 Martin v. Dumio/Braga, Eb. § 7; 2.2.3 Martin v. Tours, B. § 6; 6.1.3; 6.4-4.1; 7.4; 8.3 – § 9; 2.2.4 – § 10; 9.4 Marutha.v. Maiperqat, B. § 2; 2.5 Massilia s. Marseille Matthäus v. Acquasparta, Kd. § 8; 9.4.4 – § 10; 12.1.2; 13.1.2 Mathilde v. Tuscien, Gf. § 9; 6.1.1; 6.3.3; 6.4.2 Matthias v. Janow § 8; 13.2.1 Matthias v. Waldhausen § 8; 13.2.1 Mattium § 7; 6.1.2 Mauburnus s. Mombaer Maulbronn Abb. 15 Mauren (s. Berber) § 2; 16.3.2 – § 7; 5.3; 5.4.1 – § 9; 8.3 Mauretania (Caesariensis/Sitifensis/Tingitana) Abb. 5a.6a Mauretanien § 2; 16.3.2 – § 3; 1.3 – § 7; 5.3 – Abb. 18 Mursmünster § 9; 5.1.5 Maxentius, Ks. § 2; 16.3.1 – § 3; 9.4; 10.2-3.3; 10.4 Maxima Caesariensis Abb. 6a Maximian, Ks. § 3; 9.1.2-3; 9.4; 10.2 Maximian v. Konst., B. § 4; 6.2.2; 9.1.1 Namenregister

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Maximilla § 2; 7.0; 7.3 Maximinus Daia, Ks. § 3; 9.4; 10.2-3; 10.4-4.2 Maximinus v. Trier, B. § 1; 18.1.4 Maximus (Usurpator) § 3; 13.2.2; 13.2.45 – § 6; 6.2.2 Maximus Confessor § 4; 11.4; 13.2; 13.3 – § 6; 5.4; 5.4.2 Maximus v. Riez, B. § 6; 6.4.2 Mechthild v. Hackeborn § 6; 12.3.1 Mechthild v. Magdeburg § 6; 12.3.1 Mecklenburg § 7; 12.0-1.2 Medici Cosimo de’ Medici § 10; 19.1; 19.3-3.1; 19.4 Lorenzo de’ Medici § 10; 19.1; 19.3.1-3.2 Medina § 7; 5.1 – Abb. 18 Medina Sidonia Abb. 18 Mediolanum s. Mailand Meinhard v. Üxküll, B. § 7; 12.2.1 Meißen § 7; 10.1.1; 10.2; 10.2.2; 12.1.4 – Abb. 15.20.24.25 Mekka § 7; 5.1 – Abb. 18 Melanchthon, Philipp § 5; 4.2 Melania d.Ä. § 6; 6.1.1; 6.3.1 Melania d.J. § 6; 6.1.1-2; 6.3.1 Meletius v. Ant., B. § 1; 15.0-1; 15.3; 16.1.3; 17.1; 17.2 Melchior Cano § 10; 13.1.3 Melfi § 8; 7.4.3 Melitene Abb. 3.9 Melitianer § 1; 11.1; 11.2.1; 12.2 – § 2; 16.0; 16.2 – § 6; 3.1.3 Melitius v. Lykopolis, B. § 2; 16.2 Melito(n) v. Sardes, B. § 1; 2.4 – § 2; 3.3 – § 3; 7.1.1; 7.2 – § 4; 1.1.1-2 – § 6; 1.4 Melk § 6; 15.3.1 Melkiten § 4; 11.1; 12.2.3; 15.3.1-3; 15.4-4.2 Memnon v. Ephesus,B. § 4; 6.2-2.2 Memphis Abb.13a Menas v. Konst., Pt. § 4; 12.3.2 Mendikanten § 6; 12.1.1; 13.2; 14.0; 14.3; 15.1 – § 8; 12.1 Mercia § 7; 4.3.1 – Abb. 23 Meribanes, Kg. § 2; 2.5 Merida § 7; 5.4.1 – Abb. 12.18 Namenregister

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Merkur § 3; 11.2.2 Merowinger § 6; 8.0 – § 7; 3.1 – § 9; 2.1; 2.2-2.1; 2.2.3-4 – § 10; 9.4 Merseburg § 7; 10.2; 10.2.2 – Abb. 24 Merswin, Rulman § 10; 18.1.4 Merw § 4; 15.1.2-3 Meschede § 9; 5.1.5 Mesopotamien § 2; 2.3; 2.5.1; 3.0; 3.4; 5.3.1; 6.1 – § 4; 15.1; 15.3.3 – § 6; 4.1; 5.0; 5.2-2.1 – § 7; 5.2 – § 9; 8.3.2 – Abb. 6b.7.9 Mesrop § 4; 15.2.1 Messalianer § 6; 4.1; 5.2.1 Methodius, Missionar § 7; 8.1; 8.1.3-4; 8.3; 10.3.1 Methodiusschüler § 7; 8.2; 8.3 Metz § 5; 13.2 – § 6; 8.7 9.3 – § 9; 5.2.1; 8.2.3 – Abb. 11.12.14.19.24 Miaphysiten § 4; 3.0; 5.1; 10.3.2; 11.; 12.; 13.1-4; 15.1.1; 15.3.1; 15.4 Michael III., Ks. § 7; 8.1.1; 8.2; 8.2.4 – § 8; 6.1.4 Michael VIII., Ks. § 8; 8.2; 8.2.2 – § 9; 10.2.3; 10.3.1 Michael s. Boris, Khan Michael v. Cesena § 8; 12.1.2 – § 10; 16.1.2 Michael Kerullarios § 8; 8.1-1.1 Michelet, Jules § 10; 19.1.1 Mieszko, Hz. § 7; 10.4-4.1 Milet Abb. 3 Mileve Abb. 10 Miltiades (Apologet) § 3; 7.1.1 Miltiades v. Rom, B. § 3; 7.1.1; 11.5.1 Milvische Brücke § 3; 10.3-3.2 Mimigernaford s. Münster Minden § 7; 7.1.4 – Abb. 19.24 Minerva § 3; 2.2 Minucius Felix § 3; 6.1; 7.1; 7.1-2 Minucius Fundanus § 3; 4.4.1 Mistra § 9; 10.2.2 – Abb. 27 Mithras § 3; 2.4 Mittelitalien § 8; 9.2.3 – § 9; 2.2.3; 3.4.1; 4.2.2; 6.1.1 Mittelmeer § 9; 7.2.1; 7.3; 9.2; 10.0; 12.0 Mittelplatoniker § 3; 7.1.1 887

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Modalisten (s. Modalismus) Modena Abb. 21a.21b Moesia (inferior/superior) § 3; 1.3; 10.4.2 – § 7; 2.1.2; 8.2 – Abb. 5b.6b Mohrmann, Christine § 5; 1.4 Mohammed § 7; 5.1 Molesmes § 6; 10.1.1; 10.2.1 – Abb. 15 Mombaer, Jan/Johannes Mauburnus § 6; 16.3.2 Monarchianer § 1; 5.; 6.0-1; 9.1-1.1 Mond § 2; 5.5.3 – § 3; 11.2.2 Mongolen § 4; 15.2.3 – § 7; 9.0; 9.2.3 – § 9; 10.1; 10.3.3 Monnica § 5; 5.1.1; 5.2.2; 5.3 Monophysiten § 4; 5.1; 11.3 Monselice Abb. 21a Montanist/en § 1; 2.4 – § 2; 7.2-3; 13.0; 16.1 – § 3; 11.5; 11.5.3 Montanus § 2; 7. Monte Alverno § 6; 13.1.4 Monte Cassino § 5; 13.2.1 – § 6; 7.2-2.1 – § 7; 6.2.2 – § 10; 13.1.1 – Abb. 12.28 Montelimar Abb. 16 Montfort § 9; 9.3.1 Montpellier § 6; 15.2.1 – § 10; 11.1.4; 15.3.1 – Abb. 16.28 Mont St. Genevieve § 10; 4.1.1; 4.1.4 Mopsuestia Abb. 7.13b Morea § 9; 10.2.2; 10.3.3; 10.2 Morimond § 6; 10.2.1; 10.2.3 – Abb. 15 Mosel § 9; 2.1.1; 3.4.1 – § 10; 19.5 Moskau § 7; 9.0; 9.2.3 – § 9; 10.0; 10.3.3 Mossul § 9; 8.1.4; 8.3; 8.3.1 Moyenmoutier/Toul § 8; 7.1.2 München § 9; 12.3.2 – § 10; 16.1; 16.1.2 – Abb. 28 Münster § 6; 8.4.1; 16.1.3 – § 7; 7.1.4-5 – Abb. 19.24 Muhammad s. Mohammed Mulde § 7; 12.1.6 Murbach § 7; 6.2.4 – § 9; 5.1.5 – Abb. 19 Muslime (s.a. Araber) § 7; 5.1; 5.2; 5.3; 5.4.1-2; 9.1.1 – § 8; 10.3.2 – § 9; 7.3.2; 8.2.4; 8.4.3-5; 9.2-2.1 Musonius § 6; 1.3.2 Myra Abb. 3 888

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Naassener/Ophiten § 2; 5.4.2 Nag Hamadi Abb. 13a Naissus/Dacia § 7; 8.0 Namur § 6; 9.3 Nantes § 7; 3.0 – Abb. 23 Narbo/Narbonne § 6; 11.3.1 – § 7; 5.4.1 – Abb. 11.17.18.23 Narbonensis (prima/secunda) Abb. 5a.6a Narcissus v. Ier., B. § 6; 1.4 Narni Abb. 21a Narses § 3; 14.6.2 Narses v. Edessa § 4; 15.1.1 Natrontal § 6; 2.2.2 Naucratis Abb. 3 Naumburg Abb. 24 Navarra § 7; 5.4.1 – § 8; 11.3.2; 14.2.1 – Abb. 25 Navigius § 5; 5.3 Nazareth § 9; 8.4.3 Nazianz Abb. 2 Nazoräer s. Ebioniten Neapel/Neapolis § 3; 14.5 – § 8; 11.3.2 – § 9; 7.3.2; 8.5; 11.2.2 – § 10; 11.1; 11.1.4; 11.2.1; 13.1-1.3 – Abb. 3.18.21a.21b.25.28 Neapolis (Zypern) Abb. 7 Nebridius § 5; 5.3 Nektarius v. Konst., B. § 1; 17.2 Neoarianer s. Anhomöer Neocäsarea Abb. 1.2 Neonizäner/Neunizäner § 1; 15.; 16.1.1; 17.0-1; 17.2.0 – § 4; 3.0 Nephalius § 4; 12.1.1 Nepos § 3; 14.5 Nero, Ks. § 3; 3.0; 3.2-2.3; 3.3; 4.3 Nerses v. Armenien, B. § 2; 2.5 Nestorianer § 4; 12.3.2; 12.3.4; 15.0-1 – Abb. 9 Nestorius v. Konst., B. – § 4; 4.0; 4.1; 5.2.0; 5.3.1; 6.; 7.0-1.2; 8.1; 8.1.3; 8.2; 8.3; 9.1 – § 5; 7.4.5; 10.1.2 Neuburg Abb. 19 Neuplatoniker § 1; 7.2.1-3; 8.3 – § 4; 11.4 – § 5; 1.1; 1.4; 5.2; 5.2.2-2.3 Neuß § 9; 8.2.3 Neustrien § 7; 3.2.1 – § 9; 2.1-1.1 Namenregister

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Nicäa § 1; 10.2.1; 11.1; 11. – § 3; 11.0; 11.5.2 – § 8; 1.4; 2.3 – § 9; 8.2.4; 10.2.3 – Abb.2.7.18.27 Nicephorus v. Konst., Pt. § 4; 14.4.2 Nicephorus Gregoras § 6; 5.4.5 Nicholas v. Hereford § 8; 13.1.3 Nidaros s. Trondheim Niederdeutschland § 6; 16.1-2 Niederlande § 6; 16.0; 16.1 – § 10; 18.1 Niederlausitz § 7; 12.1.6 Niederlothringen § 9; 8.2.4 Niederrhein § 6; 16.3.1 Nike § 1; 14.4. – Abb. 2 Niketas, B. § 8; 10.2.2 Nikolaus I., P. § 7; 7.4; 8.2.0 – § 8; 6.0; 6.2-1; 7.4.2 Nikolaus II., P. § 8; 7.1; 7.1.4; 7.4; 7.4.2-3; 7.5-5.1 Nikolaus V., P. § 9; 12.2.2 Nikolaus v. Autrecourt § 10; 17.1.1 Nikolaus v. Kues, Kd. § 8; 5.2.2; 14.1.2 – § 10; 15.1.2; 15.3.1; 15.4.1; 17.2.1; 19.5 Nikolaus v. Lyra § 10; 17.3; 17.3.2 Nikolaus v. Oresme, B. § 10; 17.2.1 Nikomedia/ Nikomedien § 1; 11.1 – § 3; 4.2; 9.1.2; 9.3.1; 9.5; 10.4.1; 11.1.1 – Abb. 2.3 Nikopolis § 9; 10.3.2 – Abb. 3 Nikosia § 9; 8.4.4 – Abb. 26 Nil § 2; 2.5 – § 6; 2.2.2 – § 9; 8.4.3 – Abb. 1.3.5b.7.9.13a Nil Sorskij § 6; 5.4.5 Nilus v. Rossano, A. § 6; 9.4 Nimwegen Abb. 23 Nirac § 7; 5.4.1 Nisibis § 2; 2.5; 14.3.1 – § 4; 15.1-1.2 – Abb. 3.7.9.12 Nitria § 6; 2.2-2.1 – Abb. 12.13a Nizäner § 1; 10.2.2; 10.2.4; 10.3; 11.4.2; 12.0; 12.4; 13.0; 14.0; 14.2; 15.0-2; 15.3; 16.1-1.3; 17.1; 17.2; 18.2 – § 3; 12.1.2 – § 4; 2.3; 2.3.2; 3.0-1 Noetus/Noët § 1; 5.0-1; 5.3.1 Nogent-sur-Seine § 10; 4.1.3 Nola Abb. 10 Namenregister

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Norbert v. Xanten, Eb. § 6; 10.3; 10.3.2-3 – § 7; 12.1.4 – § 8; 9.1.1 Nordafrika § 2; 2.2; 2.3.; 5.5; 6.1;7.0; 12.2; 12.6.1-2; 16.0-3; 16.3.1-4 – § 3; 1.3; 5.2.1; 8.3; 9.2; 9.4; 10.1; 10.2; 11.5.1; 14.0; 14.6.2 – § 4; 12.3.2; 13.2; 14.2.1 – § 5; 1.0; 5.0; 5.1.2; 5.4-6; 7.0; 7.3.1; 7.4.1; 7.4.3-4; 7.5; 10.3; 11.0 – § 6; 6.1.1; 6.5 – § 7; 2.4-4.1; 5.0; 5.3 – § 8; 1.0; 1.5.2; 3.3.; 4.1; 4.3; 5.2.2 – § 10; 15.3.1 Nordelbien § 7; 7.1.3 Norditalien s. Oberitalien Nordmark § 7; 10.1.1-2; 12.1.2 Nordsee § 7; 7.1.5 – § 9; 3.4.1 Norfolk Abb. 25 Noricum Abb. 5a.6a Normandie § 7; 11.1; 11.1.1; 11.3 – § 10; 17.3.2 – Abb. 25 Normannen § 6; 9.0 – § 7; 7.4; 9.0; 11.01.2 – § 8; 7.4; 7.4.3; 7.5; 8.1-1.1 – § 9; 6.1.1-2; 6.5; 7.1-1.1; 7.1.3; 8.1.2; 8.1.4; 8.5; 10.1.2 – § 10; 11.1.6 Northumbria § 7; 4.1; 4.3-3.1 – Abb. 23.25 Norwegen § 6; 12.4.3 – § 7;11.2; 11.3-3.1 Notker Labeo § 6; 8.4.2 Notre Dame § 10; 4.1.2; 7.1.1; 11.1.1 Nousiainen § 7; 11.4.3 Novara § 10; 7.1.1 Novatian v. Rom, B. § 1; 6.3 – § 2; 13.5.2 – § 6; 1.4 Novatianer § 2; 12.6.1; 13.0; 13.5.2; 16.0 – § 3; 11.5; 11.5.3; 14.4 – § 4; 6.1.1 Novem Populi Abb. 6a Nowgorod § 7; 9.0-1; 9.1.2-3; 9.2.3 – Abb. 20 Noyon § 9; 2.2.3 Nubien § 2; 2.5 Nürnberg § 9; 4.4.2; 12.2.5 Numidia/Souk Aras § 5; 5.1.1 Numidien § 2; 16.3-3.2 – § 3; 1.3 – § 5; 5.0; 5.1.1; 5.4; 7.4.3 – § 7; 5.3 – Abb. 5a.6a.18 Nur ad-Din/Nur al-Din, Sultan § 9; 8.4.1 Nursia/Norcia § 6; 7.2.1 – Abb. 12.21a.21b Nursling § 7; 6.2.1 – Abb. 11 Nyssa Abb. 2.12 889

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Ober(/Nord-)italien § 3; 1.3; 10.2; 10.3.1 – § 6; 9.2.1; 9.4; 11.0-1; 11.1.2; 11.2; 11.3; 11.3.2; 13.3 – § 7; 2.5-5.1 – § 8; 4.1; 4.3; 6.3.3; 7.4-5; 9.2.3; 10.1.2; 10.2.1-2; 11.3.1 – § 9; 1.3; 3.1.1; 4.22.2; 6.2.1; 6.4; 6.5.2; 7.0; 7.3; 12.1; 12.2.0-2 – § 10; 19.0 Oberlausitz § 7; 12.1.4 Obodriten s. Abodriten Ochsenfurt § 7; 6.2.2 – Abb. 19 Ockham, Wilhelm v. § 8; 12.1-2; 14.1.2 – § 9; 12.3; 12.3.2 – § 10; 8.3.2; 14.1.3; 16.; 17.0-1.1; 17.1.2; 17.2.1; 17.5 Ockhamisten § 10; 16.3; 17.1.1; 17.1.3; 17.2.1; 17.5 Octavian s. Augustus Octavian s. Johannes XII. Oddo Colonna, Kd. s. Martin V., P. Odense § 7; 11.2 – Abb. 20 Oder § 7; 12.1.4-5 Odilo v. Bayern, Hz. § 7; 6.2.3 Odilo v. Cluny, A. § 6; 9.1.2 – § 8; 7.1.1 Odo v. Cluny, A. § 6; 9.1.1 Odoaker, Kg. § 3; 14.5 – § 7; 2.3 Ölberg § 3; 11.1.1 – § 6; 5.1.1; 6.3.1 Ösel-Wiek Abb. 20 Österreich § 6; 15.3.1 – § 9; 12.2.2; 12.2.4 – Abb. 25 Ohrdruf § 7; 6.2.1 – Abb. 19 Oktavian, Kd. s. Viktor IV. Olaf l. Tryggvasson, Kg. § 7; 11.3-3.2; 11.4 Olaf II. Haraldsson, Kg. § 7; 11.3; 11.3.2 Oldcastle, John § 8; 13.1.3 Oldenburg (Holstein) § 7; 10.2.2; 12.1.12 – Abb. 20 Oleg, F. § 7; 9.1.2 Olga v. Kiew, F. § 7; 9.1; 9.1.3; 10.2.1 Oliva Abb. 20 Olmütz § 7; 10.3.2 – Abb. 20.24 Olympius § 4; 13.2 Omajjaden § 7; 5.2; 5.4.1 Ophiten § 2; 5.4.2 Optatus v. Mileve, B. § 2; 16.3.2 – § 5; 8.2.1-2 Orange s. Arausio 890

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Orbais § 5; 14.4.1 – Abb. 11 Orebiten § 8; 13.3.1 Orestes § 3; 14.5 Oriens § 3; 13.2.1; 13.2.3 Origenes § 1; 2.1; 3.3; 7.0; 8.; 9.; 10.0-1; 11.2.2; 13.1; 13.2.2 – § 2; 3.3; 4.1; 5.4; 8.2.3; 10.; 11.6; 12.3.3; 12.5; 14.1-1.2 – § 3; 6.2; 8.2.2 – § 4; 1.0; 1.2; 1.3-3.2; 1.3.2; 2.0; 2.1.1; 2.3.1; 12.4.1 – § 5; 1.3-4; 2.2; 3.2-3; 7.4.2 – § 6; 1.3-3.1; 1.4; 5.4.1; 6.3.1 – § 10;17.3.1 Origenisten § 1; 10.3; 12.0; 15.2 Orkneys § 7; 11.3.1 Orleans § 7; 3.2.1 – § 8; 10.1.2 – Abb. 11.28 Orontes Abb. 13b.26 Orosius § 3; 7.1; 7.1.2; 7.2; 7.4.2 – § 5; 7.4.2 Orvieto § 8; 5.2.1 – Abb. 21a.21b.28 Osiris § 3; 2.4 Oslo Abb. 20 Osma § 6; 14.1.1 – Abb. 16 Osman § 9; 10.3.2 Osmanen § 9; 8.4.5; 10.3; 10.3.2-3 Osmanisches Reich § 9; 10.3 Osnabrück § 7; 7.1.4 – Abb. 19.24 Osrhoene § 2; 2.1-3 – Abb. 6b Ossius v. Corduba/Cordoba, B. § 1; 11.1; 11.4.1 – § 3; 11.5; 11.5.2 Ostanglia Abb. 23 Ostfalen § 7; 7.1.1; 7.1.3 Ostgoten § 3; 14.0 – § 4; 11.2 – § 7; 2.0; 2.1.3; 2.2.4; 2.3 – § 8; 3.2 – Abb. 17 Ostia § 5; 5.3 – § 8; 7.1.5 – Abb. 3.10 Ostmark § 7; 10.1.1 – Abb. 23 Ostpreußen § 7; 12.0; 12.2.2 Ostreich/-rom s. Byzanz u. Konstantinopel Ostsee § 7; 9.0; 9.1.2; 11.1; 11.2.2; 12.1.1 Oswald, Kg. § 7; 4.3.1 Oswiu, Kg. § 7; 4.3-3.1 Otloh v. St.Emmeram § 10; 1.1.2 Otrus Abb. 3 Otto I. d.Gr., Ks. § 6; 9.3.2 – § 7; 5.4.1; 9.1.3; 10.0-1.1; 10.1.3; 10.2-2.2; 10.3; 10.3.2; 10.4; 11.2; 12.1 – § 8; 6.3; 6.3.2 Namenregister

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– § 9; 4.0-1; 4.2-2.4; 4.3.1; 4.4.2; 5.01.2; 5.2.1; 7.0 Otto II., Ks. § 9; 4.2.4; 5.2.3 Otto III., Ks. § 6; 9.3.2 – § 7; 10.3.3; 10.4.1-2 – § 8; 5.2.2; 6.3.3 – § 9; 4.3.1; 5.1.4 – § 10; 9.4 Otto IV. v. Braunschweig, Ks. § 9; 7.2.1-2 Otto v. Bamberg, B. § 7; 10.3; 12.1.3 Otto v. Freising, B. § 6; 10.2.3 – § 10; 4.1.4 Ottobeuren § 9; 5.1.5 Ottokar v. Böhmen, Kg. § 6; 13.3.2 Ottonen § 7; 10.0; 10.3; 10.3.2-3; 12.0 – § 9; 4.3.2; 5.1.4-5; 6.6 Ovid § 3, 1.4; 2.2 Oxford § 6; 13.2.3; 14.3 – § 8; 13.1-1.1; 13.1.3; 13.2.2 – § 10; 11.1; 11.1.2; 11.2.1; 11.3-3.1; 11.3.3; 12.1.1; 13.1.2; 14.1.1; 16.1.1-2; 17.1-1.1; 17.1.3; 17.4 – Abb. 28 Oxyrhynchus Abb. 9 Pachomius § 6; 3. Paderbom § 7; 7.1.2; 7.1.4 – § 9; 3.2.1; 5.2.2 – Abb. 19.23.24 Padua § 10; 11.1.3; 19.4 – Abb. 28 Palästina § 1; 1.1; 11.1 – § 2; 1.0; 1.4.2; 2.3; 3.0; 3.4; 6.1; 10.5.1; 11.1; 11.6; 15.3.1 – § 3; 1.3; 2.4; 3.0-1; 9.4; 11.1.1 – § 4; 5.2; 11.0-1; 12.3.1-2; 13.0-1; 15.3.1 – § 5; 7.4-4.2; 13.3.3 – § 6; 1.01; 5.0; 5.1-1.1; 6.1.1; 6.3; 6.4.3; 15.0-1 – § 7; 5.0 – § 9; 8.0-1; 8.1.4; 8.2; 8.33.2; 8.4-4.1; 8.4.3; 9.0-1; 9.1.2; 9.2.1; 9.3; 10.1.1 – Abb. 6b.26 Palaiologen § 9; 10.2.3 Palencia § 10; 11.1.4 – Abb. 16.28 Palermo Abb. 25 Palestrina (Bistum) § 8; 7.1.5 Palladius v. Ratiaria, B. § 1; 17.4 Palladius v. Helenopolis, B. § 6; 2.2.1 Palma de Mallorca § 10; 15.3.1 – Abb. 28 Pamphylia/en § 2; 2.1 – Abb. 5b.6b Pamplona Abb. 18 Pannonia (inferior/superior) Abb. 5a.6a Pannonien § 2; 2.3 – § 7; 2.1.3; 7.2; 8.0; 8.1; 10.1.3 Namenregister

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Paphlagonien § 6; 4.1 – Abb. 6b Paphos Abb. 3.26 Papias v. Hierapolis; B. § 2; 7.2 Le Paraclet § 10; 4.1.3-4 – Abb. 28 Paris § 6; 10.3.1; 11.1.1; 12.1.1; 12.3.1; 13.2.3; 14.0; 14.2.1; 14.3; 15.1.2; 15.2.2 – § 7; 11.1.1 – § 8; 9.2.1; 11.3.3; 14.1.2 – § 9; 2.2.3; 12.3.1-2 – § 10; 1.2.2; 3.3.1; 4.1.1-2; 4.1.4; 6.0; 7.1.1; 9.4; 10.3.2; 11.0-1.2; 11.1.5-6; 11.2.2; 11.2.4-5; 11.3-3.3; 12.2; 12.3.1; 13.11.3; 14.1.1; 14.2.2; 15.1.1; 15.2-3.1; 16.1; 17.1-1.3; 17.2-3; 17.3; 17.3.2 – Abb. 11.15.16.17.18.23.25.28 Parium Abb. 3 Parma Abb. 21a.21b Parmenian v. Karth. § 2; 16.3.2 Parther § 3; 1.3 Paschalis I., P. § 8; 6.1 Paschalis II., P. § 9; 6.6 Paschalis III., P. § 9; 7.1.3 Paschasius Radbertus s. Radbertus v. Corbie Passau § 7; 6.2.3; 8.1 – Abb. 19.24 Pataria § 6; 11.1.1 – § 8; 7.4.2; 7.5.3 – § 9; 6.3.2 Patmus Abb. 3 Patrae Abb. 3 Patricius s. Patrick Patricius § 5; 5.1.1 Patrick, B. § 7; 4.2 Paula § 6; 6.1.1; 6.3.2 Paulicianer § 8; 10.1.1 Paulinianus § 5; 3.2 Paulinus (Diakon) Paulinus v. Ant., B. § 1; 15.0-3; 17.2 Paulinus v. Aquileja, B. § 5; 13.3.3 Paulinus v. Nola, B. § 6; 6.1.1 Paulus, Ap. § 1; 1.1-2 – § 2; 1.4.2; 2.0; 2.1; 3.3; 5.0; 5.3; 5.4.3; 5.5.1; 6.0; 6.3; 8.1; 10.5.2; 12.1; 15.3.2; 15.4.2 – § 3; 3.12; 7.0 – § 5; 1.2-3; 5.2.3; 5.4-5; 6.0; 6.2-3.2; 7.1.1 – § 6; 1.1.2; 1.2; 1.2.2; 6.2.1; 6.3.2 – § 8; 1.0; 1.1; 10.1.1 – § 10; 9.4.2 Paulus d. Einsiedler § 6; 6.3.2 891

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Paulus v. Burgos, Eb. § 10; 17.3.2 Paulus Diaconus § 5; 13.2-2.1 – § 7; 7.3 Paulus v. Konst. (4.Jh.), B. § 1; 12.0 – § 3; 11.5.2 Paulus v. Konst. (7.Jh.), Pt. § 4; 13.2 Paulus v. Samosata, B. § 1; 5.1; 5.2; 9.0-3; 15.3 – § 3; 11.5.3 – § 4; 6.1.2 Pavia § 7; 2.5 – § 8; 6.3.4; 7.1; 7.3.1; 14.3 – § 9; 3.1.1; 4.2.1; 7.1.3 – § 10; 11.1.3; 19.2 – Abb. 16.18.23.28 Payne, Peter § 8; 13.3.3 P’bow/Pabau § 6; 3.1.1 – Abb. 13a Peckham, Iohannes, Eb. § 6; 13.2.3 – § 10 12.1.2; 13.1.2 Pelagianer § 2; 12.3.4 – § 4; 6.1.3 – § 5; 5.4, 6.0; 6.4; 7.3; 7.4.1-4; 7.4.5; 7.5 – § 10; 17.1.3 Pelagius § 5; 1.2-3; 5.6; 7.0-5; 10.1.2 – § 6; 6.1.1 Pelagius I., P.§ 4; 12.4.1 – § 8; 3.3 Pella Abb. 3 Peloponnes § 9; 10.2; 10.2.2; 10.3.3 Pelusium Abb. 9.13a Pentapolis § 8; 5.2.1-2; 9.2.3 – § 9; 4.2.2 – Abb. 21a.21b.25 Pepuza § 2; 7.2-3 Peregrinus Proteus § 3; 6.1 – § 6; 1.3.2 Pergamon – Abb. 1.3 Perge Abb. 3 Perpetua § 2; 11.8; 15.3.2 – § 3; 5.2.2 Persephone § 3; 2.4 Perser/Persien § 2; 2.5; 5.5-5.1 – § 3; 1.1; 1.3; 2.4; 4.4.1; 8.1; 8.4; 9.1.2; 9.2; 11.4; 12.3.3; 14.0; 14.6.2 – § 4; 13.1-1.1; 15.0; 15.2.1-2.2; 15.3.2; 15.4.2 – § 5; 15.4.1 – § 7; 1.0; 5.2 Perugia § 6; 13.1.1 – § 8; 11.1.1 – Abb. 21b Pesaro Abb. 21a.21b Peter II. v. Aragon, Kg. § 9; 7.2.3 Peter v. Amiens § 6; 9.4 – § 9; 8.2.2 Peter v. Morrone s. Coelestin V. Petersbasilika/Petersdom § 8; 1.1 – Abb. 22 Petesuchos § 3; 8.2.1 Petrarca, Francesco § 8; 11.3.1 – § 10; 19.0; 19.1.1 892

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Petronius § 6; 3.1.1 Petrus, Ap. § 2; 1.4.1-4.2 – § 6; 10.2.4 – § 7; 4.3.1 – § 8; 1.0-1.4; 2.1-2.3; 4.1-4.2; 7.5; 9.4.4 – § 9; 6.1; 8.1.2 Petrus Abaelard s. Abaelard Petrus v. Alex. (4.Jh.), B. § 1; 16.1.3; 17.1 – § 2; 16.2 – § 3; 13.2.1 Petrus v. Alex. (6.Jh.), Pt. § 4; 15.4.1 Petrus v. Alliaco s. Pierre d’ Ailly Petrus v. Amalfi, Eb. § 8; 8.1.1 Petrus v. Bruis § 8; 10.1.2 Petrus Catanii § 6; 13.1.3 Petrus v. Corvaro s. Nikolaus V. Petrus Crassus § 9; 6.5.3 Petrus Damiani, Kd. § 6; 9.4 – § 8; 7.11.1; 7.1.3-4; 7.3.1-2; 7.4.1-2; 7.5.2-3 – § 9; 6.1 – § 10; 1.0; 1.1.2 Petrus Fullo, Pt. § 4; 11.1.3; 11.2.1-2; 11.3.4; 11.4; 15.3.1 Petrus Lombardus, B. § 10; 6.3; 7.; 8.2.12; 9.1.2; 9.1.4; 10.1; 10.1.2; 10.2; 16.1.1 Petrus Mongus, Pt. § 4; 11.1.2; 11.2.2 Petrus (Johannes) Olivi § 8; 12.1.2 Petrus de Palude, Pt. § 9; 12.3.1 Petrus v. Pisa § 5; 13.2.1 Petrus Venerabilis, A. § 6; 9.1.2; 10.2.3 – § 10; 4.1.4 Petschenegen § 7; 9.1.1 – § 9; 8.1.4; 10.1 Pgol § 6; 3.2.4 Pharan § 6; 5.1.2 – Abb. 7 Philadelphia Abb. 3 Philipp I. v. Frankreich, Kg. § 9; 6.6.1 Philipp II. August v. Frankreich, Kg. § 9; 7.2.2; 8.4.1 Philipp IV. v. Frankreich, Kg. § 8; 9.4.4; 12.2 – § 9; 9.1.2; 12.1-1.3 Philipp d. Kanzler § 10; 11.3.1 Philipp v. Schwaben, Kg. § 9; 7.2.1 Philippi Abb. 3 Philippopolis § 1; 12.4 – Abb. 2 Philippus § 2; 1.4.1 Philippus Arabs, Ks. § 3; 4.4 Philo v. Alex. § 1; 3.1-2 – § 2; 10.3 – § 5; 1.4; 2.2 Philomelium Abb. 3 Namenregister

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Philostorgius § 3; 14.4 Philoxenus v. Mabbug, B. § 4; 11.3.2; 15.3 Phoenice Abb. 6b Phokas § 4; 13.1.1 Photinianer § 1; 17.4 Photius v. Konst., Pt. § 7; 8.2; 9.1.2 – § 8; 6.2; 6.2.2; 8.0 Phrygia (prima/secunda) Abb. 6b Phrygien § 2; 2.2; 7.0-3 Piacenza § 9; 7.1.1; 8.2.1 – Abb. 16 Piasten § 7; 10.4.1 Picenum Abb. 5a Pico della Mirandola § 10; 19.3; 19.3.2 Piemont § 6; 9.2; 11.3 Piere Flotte § 9; 12.1.1-2 Pierleoni § 8; 9.1.1 Pierre Abelard s. Petrus Abaelardus Pierre d‘AiIly, Kd. § 8; 13.2.6 – § 10; 17.2.1 Pikten § 7; 4.1 Pilgrim v. Passau, B. § 7; 10.4.2 Pilten (Kurland) Abb. 20 Pinianus § 6; 6.1.1; 6.3.1 Pippin I. d.Ä. § 9; 2.1.1 Pippin II. d.M. § 7; 2.5; 6.1 Pippin III. d.J., Kg. § 7; 6.3; 6.3.2 – § 8; 5.1; 5.1.2; 5.2-2.1 – § 9; 2.0-1.1; 2.22.4; 3.0; 3.1.1; 5.1.4 Pippin v. Aquitanien, Kg. § 9; 3.3.2 Pirmasens § 7; 6.2.4 Pirmin § 7; 6.2.4 Pisa § 8; 11.0; 11.3; 11.3.3; 13.2.3; 14.0; 14.2 – § 9; 8.2.4; 8.5 – § 10; 16.1.2 – Abb.11.16.21a.21b.25.28 Pisidia/en Abb. 6b Pius II., P. § 8; 14.3.2 Pius V., P. § 10; 13.1; 13.1.3 Platon § 1; 3.1; 3.3.1 – § 3; 7.1.1 – § 2; 2.1 – § 10; 3.3-3.1; 12.1.2; 19.3-4 Platoniker § 1; 7.1 – § 2; 5.4.1; 10.5.1 – § 3; 7.1.1-1.2 – § 4; 1.2 – § 5; 5.2.2; 5.5; 9.1.1 Plethon § 10; 19.4 Plinius d.J. § 1; 2.1 – § 3; 4.2 Plotin § 1; 7.0; 7.2.1; 7.2.2; 18.3 – § 5; 1.4; 5.2.2 – § 6; 1.3.1 – § 10; 19.4 Namenregister

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Pneumatomachen § 1; 13.3.1; 15.0; 15.2; 15.4; 16.1; 16.1.2; 16.2; 17.1-4 Po-Ebene § 3; 10.3.1 – Abb. 21a Poimen § 6; 2.2.2 Poitiers § 6; 6.4.1 – § 10; 3.3.1 – Abb. 11.12.18.28 Polen § 7; 9.2.2; 10.3; 10.3.2-3; 10.4-4.2; 12.1.3-5; 12.1.5; 12.2; 12.2.2-3 – § 8; 11.3.2-3; 13.2.3 – § 9; 4.3.1; 6.1.2; 7.1.3 – Abb. 25 Polykarp v. Smyrna, B. § 3; 5.2-2.2 Polykrates v. Ephesus, B. § 2; 15.3.1 Pomesanien § 7; 12.2.2 – Abb. 20 Pommerellen § 7; 12.2.2 Pommern § 7; 12.0-1; 12.1.3 – Abb. 25 Pomoranen § 7; 10.4.1; 12.1.3 Pompeius § 3; 1.3 Pompeji Abb. 3 Ponthion § 9; 2.2.3; 3.1.1 – Abb. 23 Pontician § 5; 5.2.2 Pontigny § 6; 10.2.1 – Abb. 15 Pontius Pilatus § 3; 1.3; 3.0; 4.3 Pontus § 1; 17.2 – § 2; 2.2; 2.3; 2.5; 6.1; 15.3.1 – § 3; 1.3; 4.2 – § 6; 4.1-2; 4.2.1 Pontus et Bithynia Abb. 5b Pontus Polemoniacus Abb. 6b Populonia Abb. 21b Porphyrius § 1; 7.0; 7.2.1-2.2; 7.2.3; 18.3 – § 2; 5.4.2; 15.2.2 – § 3; 6.2; 12.3.2 – § 5; 1.4; 9.1.1; 11.2 – § 6; 1.3.1 – § 10; 11.2.1 Porto § 8; 7.1.5 Portus Abb. 3 Posen/Poznan § 7; 10.4.1-2 – Abb. 20.24 Possidius § 5; 4.0; 7.4.3 Prämonstratenser/-innen § 6; 10.0; 10.3; 10.3.2-3; 12.1.1; 13.2.2; 14.1 – § 7; 12.0; 12.1.2-3 Praemonstratum s. Prémontré Praevalitana Abb. 6b Prag § 7; 10.3; 10.3.2 – § 8; 13.2-2.4; 13.3.0-3 – § 9; 4.4.2; 8.2.3 – § 10; 11.1.5; 17.1 – Abb. 20.23.24.25.28 Praxeas § 1; 5.1; 5.3.2; 6.0 – § 4; 1.3.1 Prémontré § 6; 10.3; 10.3.2-3 – Abb. 15 Preßburg Abb. 20 893

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Preußen § 7; 10.3.3; 12.0; 12.2-2.2 – § 9; 9.2.2; 9.3; 9.3.2 Pribislaw, F. § 7; 12.1.2 Prisca § 3; 9.3.1 Priscillianus/Priscillianer § 5; 7.4.2 – § 6; 6.2-2.2 Priskilla § 2; 7.0 Proba § 6; 6.1.1 Proclus v. Konst., B. § 4; 9.1.2 Proclus (Neuplatoniker) § 1; 7.2.3 Prokop d. Kleine § 8; 13.3.2 Prosper Tiro v. Aquitanien § 5; 7.5.2; 10.1-1.1 Proterius v. Ägypten, B. § 4; 11.1.2 Prouille § 6; 14.1.1; 14.2.2 – Abb. 16 Provence § 6; 6.4.2 – § 7; 2.2.4; 5.4 – § 8; 10.1.2; 11.1.3 – § 9; 8.2.1 – Abb. 18.25 Prüm § 6; 9.3.2 – § 9; 5.1.5 – Abb. 11.14 Prusa § 6; 1.4 Prußen s. Preußen Przemysliden § 7; 10.3-3.1; 10.3.3 Ptolemäus (Schüler Valentins) § 2; 5.3; 5.4.3 – § 3; 7.1.1 Ptolemais Abb. 1 Ptolemais (Ägypten) Abb. 9 Ptolemais (Palästina) Abb. 3 Pulcheria § 4; 6.1.1; 10.0-1.1 Purvey, lohn § 8; 13.1.3 Puteoli Abb. 3 Pyrenäen § 5; 13.3.2 – § 7; 2.2; 5.4-4.1 Quadratus § 1; 2.0 – § 3; 7.1.1 Quartadezimaner § 2; 15.3; 15.3.1 Quedlinburg § 7; 10.3.2 Quierzy § 5; 14.2; 14.4.3 – § 9; 2.2.3 – Abb. 11.23 Quintilian § 5; 11.1 Raab Abb. 20 Rabbula, B. § 4; 9.1.1 Radbod, Kg. § 7; 6.1.1 Radbertus (Paschasius R.) v. Corbie, A. § 5; 14.0; 14.3-3.2 Radewijns, Florens § 6; 16.1; 16.1.3-16.2 Radicofani § 8; 9.2.3 – Abb. 21b Radulf § 10; 3.1 894

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Raetia Abb. 5a.6a Ragusa § 7; 8.3.1 – Abb. 18 Raimund/Raymond VI. v. Toulouse, Gf. § 8; 10.3.3 Raimund VII. v. Toulouse, Gf. § 8; 10.3.3 Raimundus Lullus § 10; 15.3; 19.5 Rainald v. Dassei, Eb. v. Köln § 9; 7.1.1 Raithu § 6; 5.1.2 Raschi = Rabbi Salomo b. Isaak § 10; 6.3; 17.3.2 Raska § 7; 8.3.2 Ratislaw, Fs. § 7; 8.1.1-1.2 Ratramnus § 5; 14.0; 14.3-3.2; 14.4.3 – § 10; 8.1.1-2 Ratzeburg § 6; 10.3.3 – § 7; 12.1.1-1.2 – Abb. 15.20.24 Ravenna § 4; 13.1.1; 13.2; 14.2.2 – § 6; 9.4.2 – § 7; 2.2.1; 2.3.1-2; 2.5; 10.2.1 – § 8; 1.0; 5.2-2.2; 6.2.1; 6.3.3; 7.1.3 – § 9; 4.2.2 – Abb. 10.17.18.21a.2lb.23 Raymond du Puy § 9; 9.2.1 Raymundus von Capua § 6; 15.3.2 Recklinghausen § 9; 5.2.2 Redarier § 7; 10.1.1 Regensburg § 6; 9.3; 9.3.2; 14.2.3 – § 7; 3.3.2; 6.2.3; 8.1; 10.2.2; 10.3-3.1; 10.4.2 – § 9; 5.1.5; 8.2.3; 8.4.1 – § 10; 1.1.2; 11.3.2 – Abb. 12.14. 15.17.19.23.24.25.28 Reggio Abb. 21a.21b Reichenau § 5; 13.3.2 – § 6; 8.4.2; 8.6.4; 9.3.2 – § 7; 6.2.4 – § 9; 5.1.5 – § 10; 3.1 – Abb. 11.12.19.28 Reichersberg Abb. 15 Reims § 5; 13.2; 13.2.3; 14.0 – § 6; 10.1.1 – § 7; 3.1.2; 7.4 – § 8; 6.1; 6.1.5; 6.2.1; 6.3; 7.4; 7.5.37.4.3 – § 9; 3.3.1; 8.1.3 – § 10; 7.1.1; 17.2.1 – Abb. 11.17.24.28 Reformatoren § 5; 3.3; 4.2; 6.0 Rekkared, Kg. § 7; 2.2; 2.2.4 Remigius v. Reims, Eb. § 7; 3.1.2 Remiremont § 8; 7.1.1 Rethra § 7; 12.1.3 Reutlingen § 10; 18.3 Reval § 7; 12.2.1 – Abb. 20 Reji s. Riez Namenregister

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Rhea § 3; 11.4 Rhein § 3; 1.3 – § 7; 1.3-1.4; 3.1.1; 3.2.2; 6.1.2; 7.1.5; 11.1.1 – § 9; 1.2; 2.1.1 – Abb. 5a.10.11.14.15.16.23.25 Rheinfranken § 7; 3.1.1 Rheingau § 9; 5.2.2 Rheinland § 6; 9.2.1; 12.2; 13.2 – § 9; 8.2; 8.4.3 Rhens § 9; 12.2.3 Rhodope Abb. 6b Rhodos § 9; 8.4; 9.2; 9.2.2 – Abb. 27 Rhône § 6; 6.4.2 – Abb. 1.10.11.14.15.16 Richard I. Löwenherz, Kg. § 9; 8.4.1 Richard v. Aversa-Capua, F. § 8; 7.4.3 Richard v. Cornwall, Kg. § 9; 8.4.3; 12.2.1 Richard v. Mediavilla § 10; 12.1.2; 13.1.2 Richard v. St. Viktor § 10; 6.3 Ricuera v. Clastre § 6; 10.3.3 Rieti Abb. 21a.21b Riez/Reji § 6; 6.4.2 – Abb. 10.12 Riga § 6; 10.3.3 – § 7; 12.2.1-2 – Abb. 20 Rikimer § 3; 14.5 – § 7; 1.5; 2.4.1 Rimini § 1; 14.0; 14.4 – Abb. 2.21a.21b Rindfleisch § 9; 11.3.2 Ripen § 7; 7.4; 10.1.2 – Abb. 20 Ripon § 7; 4.3.1 – Abb. 11.12 Robert v. Arbissel § 6; 9.4 Robert Grosseteste, B. § 6; 13.2.3 – § 10; 11.1.2; 11.3.1; 12.1.1 Robert Guiscard, Hz. § 8; 7.4.3 Robert Holcot § 10; 17.1.1 Robert Kilwardby Eb. § 10; 13.1.2 Robert v. Melun, B. § 10; 4.1.4; 7.2 Robert v. Molesme, A. § 6; 10.2.1 Robert v. Salisbury § 10; 4.1.4 Robert v. Sorbon § 10; 11.1.1 Rochester § 7; 4.1 Roermond § 6; 16.3.2 – § 10; 17.3.2 Roger Bacon § 10; 11.3; 11.3.3; 17.3.2 Roger v. Marston § 10; 13.1.2 Roland Bandinelli s. Alexander III. Rollo § 7; 11.1.1 Rom § 1; 2.1; 3.3.1; 5.1-4;6.3; 7.2.2; 8.0; 9.1; 11.4; 12.0-4; 12.3.2;15.0; 15.2; 15.4; 17.1; 17.2; 18.3 – § 2; 2.0; 2.1; 2.4; 3.3; 5.4.2; 5.5; 6.0-1; 8.1; 8.2.2; Namenregister

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9.2; 10.2; 11.1-1.1; 11.3; 11.4; 11.67; 12.6-6.1; 12.6.2; 13.5.0-3; 14.1.1; 15.2; 15.3-3.2; 15.4.2; 16.1; 16.3.1 – § 3; 1.1; 1.3-4; 2.0-4; 3.0-1; 3.2; 3.3; 4.2.1; 4.4.2; 7.1-1.1; 7.2; 8.2; 8.2.3; 10.2-3.3; 11.1.1; 11.3; 11.4; 12.2; 13.2.1-3; 13.2.4; 14.0 – § 4; 3.3.1; 5.2; 5.3.2-3; 6.0-1; 6.1.3-6.2; 9.1.2; 9.3; 10.1.4; 11.2; 12.0-1; 12.1.2; 13.1.2; 13.4; 14.2.2; 15.2.1; 15.3.3 – § 5; 1.0; 1.3; 3.1; 5.0; 5.1.2; 5.2.1; 5.3; 5.5; 7.01; 7.4.1-4; 9.1; 9.3; 11.3; 11.5; 12.1; 13.1.1; 13.2.2; 13.3-3.3 – § 6; 6.0-1.2; 6.3.2; 7.1.2; 7.2.1; 7.5.2; 10.1.1; 11.3; 12.4.3-4; 13.1.3; 14.0; 14.1.2; 14.2.12; 15.1.2 – § 7; 2.2-2.4; 2.4; 2.4.1; 2.5; 4.0; 4.2; 4.3; 4.3.2; 5.0; 6.0-1.2; 6.2.1; 7.3.3; 8.0-1; 8.1.2; 8.2-3; 10.2.1; 10.3.3; 10.4-4.1; 11.2 – § 8; 1.; 2.2; 2.3; 3.0-1; 3.2; 3.3; 4.0-3; 5.0-1.2; 5.2-2.2; 6.2-2.2; 6.3-3.5; 7.0-1; 7.1.2; 7.1.4-5; 7.4-4.2; 7.5-5.1; 7.5.3; 8.2; 8.2.2; 9.11.2; 9.2.2; 9.4.4; 11.0-1; 11.1.3; 11.33.3; 12.1.1; 14.2-2.1; 14.3-3.1 – § 9; 3.1.1; 3.2-2.2; 3.4; 4.0; 4.2.1-2; 4.3.1; 6.4; 6.5; 6.6.2; 7.1.1-3; 7.2.1; 7.3.3; 8.4.4; 10.0-1; 10.2-2.1; 10.3; 10.3.23; 12.1.4; 12.2-2.2 – § 10; 8.1.2; 9.4.2; 19.2 – Abb. 1.2.3.10.12.16.17.18.21a. 21b.22.23.25.28 Romagna § 8; 9.2.3 – Abb. 21b.23.25 Romanen s. Hispanoromanen Romania § 9; 10.2.2 Romanianus § 5; 5.1.1; 5.5 Romuald v. Ravenna § 6; 9.4 Romulus Augustus, Ks. § 3; 14.5 – § 7; 2.3.0-1 Ronkalische Felder § 9; 7.1.1 Roscelin v. Compiegne § 10; 1.2; 1.2.1; 2.1.3; 4.1.1; 4.2.1 Roskilde § 7; 11.2 – Abb. 20 Rothad v. Soissons, B. § 8; 6.2.1 Rottenbuch § 6; 10.3.1 – Abb. 15 Rouen § 7; 6.3.2; 11.1.1-2 – § 9; 8.2.3 Rudolf I. v. Habsburg, Kg. § 9; 12.2.1 Rudolf v. Hildesheim § 6; 12.1.2 895

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Rudolf v. Schwaben/Rudolf v. Rheinfelden, Kg. § 9; 6.5-5.1 Rügen § 7; 12.1.3 Rufin v. Aquileja § 2; 9.2.3 – § 5; 1.4; 3.12 – § 6; 6.1.3; 6.3.1 Rupert v. Worms, B. § 7; 3.3.2 Rupertsberg § 6; 12.4.1 Rurik § 7; 9.2.3 Ruspe Abb. 10.12 Russen/Rus‘ § 7; 8.0; 8.2; 9.0-1.2; 9.2; 9.2.2-2.3; 11.4; 12.2 – § 9; 6.1.2 Rußland § 6; 5.3.2; 14.2.3 – § 7; 8.0; 9.0; 9.2; 9.2.2-3; 10.4.1; 11.1; 12.2-3 – § 9; 10.0 Ruusbroec/Ruysbroek, Jan/Johannes § 6; 16.1.1 – § 10; 18.1; 18.1.4 Saale § 7; 7.1.1; 10.2; 10.2.2 Sabäer § 2; 2.5 Sabas § 6; 5.1.1 Sabas-Kloster § 4; 14.3 Sabellianer s. Sabellianismus Sabellius § 1; 5.1; 5.3 Sabina § 8; 5.2.1; 7.1.5 – Abb. 21a.21b Sabinus § 3; 14.4 Sabiona/Säben s. Brixen Sachsen § 6; 8.3; 13.2 – § 7; 1.0; 4.1; 6.0; 6.2.1; 7.0-1.2; 7.1.4-5; 7.2; 10.1.1; 10.1.3; 10.2.1; 11.1.2; 12.1.2; 12.1.4 – § 8; 13.2.3 – § 9; 4.1; 6.3.1-2; 12.2.3 – Abb. 17.23.25 Sachsenhausen § 10; 18.1.3 Sahak § 4; 15.2.1 Saladin, Sultan § 9; 8.4-4.2 Salamanca § 10; 11.1; 11.1.4 – Abb. 28 Salamis Abb. 2.3.7.12 Salem Abb. 15 Saleph § 9; 8.4.1 Salerno § 9; 3.1.1 – § 10; 11.1.4; 11.2.1 – Abb. 21b.28 Salier § 9; 4.3; 4.3.3; 6.6 Salomo ben Isaak s. Raschi Salomo Ibn Gabirol s. Avicebron Salona Abb. 3.10 Salonius v. Genf, B. § 6; 6.4.2 Salvianus v. Massilis/Salvianus v. Marseille § 5; 7.1.2 896

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Salz Abb. 23 Salzburg § 7; 3.3.2; 6.2.3; 7.2; 8.1.1-2; 10.3 – § 9; 3.1.1; 5.1.3 – Abb. 19.24 Samaria Abb. 3 Same Abb. 3 Samland § 7; 12.2.2 – § 9; 9.3.2 – Abb. 20 Samnium Abb. 5a.6a Samosata § 1; 5.1; 9.0; 9.2-3 – § 3; 11.5.3 – Abb. 1.3.7.12 San Damiano § 6; 13.3.1 San Francesco § 6; 13.1.3 St. Bénigne § 6; 9.2 – Abb. 14 St. Bernhard § 6; 10.3.1 – Abb. 15 St. Blasien § 6; 9.2; 9.2.1 – Abb. 14 St. Denis § 5; 13.2 – § 6; 7.5.2; 8.4.2; 8.7 – § 9; 2.2.3 – § 10; 4.1.2; 4.1.3; 9.4 – Abb. 11.12.23 St. Emmeram § 6; 9.3.2 – § 9; 5.1.5 – Abb. 14 St. Eucharius § 6; 7.4.2 St. Felix-de-Caraman § 8; 10.2.2 St. Gallen § 6; 8.4.2; 8.6.4 – § 7; 3.3.1 – § 9; 5.1.5 – Abb.11.12.19.28 St. Genevieve § 10; 4.1.1; 4.1.4; 11.1.1 St. Gereon § 6; 7.4.2 St. Germain § 6; 7.4.2 St. Gildas § 10; 4.1.3 St. Maria Maggiore Abb. 22 St. Martin § 6; 7.4.2; 8.7 St. Mauritius § 9; 5.1.5 St. Maximin § 6; 9.3.2 – § 9; 5.1.5 – Abb. 14 St. Medard § 6; 7.4.2 St. Moritz § 6; 9.3.2 – Abb. 14 St. Pölten § 6; 8.4.1 St. Romanus § 6; 14.1.2 St. Rufus § 6; 10.3.1 – Abb. 15 St. Severin § 6; 7.4.2 St. Viktor (Kloster) § 5; 10.1 – § 6; 10.3.1 – § 10; 1.2.2; 6.0; 6.1 Santiago de Compostela § 7; 5.4.2 – § 10; 9.4.2 – Abb. 18 Saragossa § 6; 6.2.2 – § 7; 5.4.1-2 – Abb. 11.17.18 Sarazenen § 6; 9.0 – § 7; 5.3 – § 8; 6.0; 6.2.2; 6.3.1; 7.4.3; 8.1.1 – § 9; 7.3.2 – § 10; 15.3.2 Namenregister

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Sardes Abb. 1.3 Sardinia/en § 2; 10.4 – § 5; 10.3 – § 7; 2.4 – § 8; 4.1 – § 9; 6.1.1 – Abb. 5a.6a.10.25 Sasima § 1; 16.2 Sassaniden § 4; 15.1 Saturn § 3; 11.2.2 Sava, B. § 7; 8.3.2 Savensis Abb. 6a Savonarola, Giovanni § 10; 19.3.2 Savoyen Abb. 25 Saxa rubra § 3; 10.3.1 Saxonia § 6; 14.2.3 Scheide § 7; 11.1.1 Schenute v. Atripe, A. § 4; 15.4.1 – § 6; 3.2; 3.2.4 Schlesien § 7; 12.0-1; 12.1.5 – Abb. 25 Schleswig § 7; 7.4; 10.1.2 – Abb. 20.24 Schönau § 6; 12.3.2 Schonen § 7; 11.4 – Abb. 20 Schottland § 3; 1.3 – § 6; 7.3-3.1 – § 7; 4.0; 11.1 – § 8; 11.3; 11.3.2 – Abb. 25 Schwaben § 9; 4.1; 6.3.1; 6.5; 7.1 – Abb. 25 Schwartz, Eduard § 3; 10.1 Schwarzes Meer § 6; 4.1 – § 7; 9.0; 10.4.2 – § 9; 10.1; 10.2.3 – Abb. 8.27 Schwarzwald § 6; 9.2 Schweden § 6; 12.4.3 – § 7; 7.4; 9.2.2-3; 10.1.1; 11.2; 11.4; 11.4.3 – § 8; 11.3.1 Schweiz § 9; 4.2.1 Schwerin § 7; 12.1.2 – Abb. 20.24 Schwertbrüder § 7; 12.2.1-2 – § 9; 9.3.2 Scilitaner § 3; 5.2.1 Scotti s. Iren/Iroschotten Scotus s. Duns Scotus (und Eriugena) Scotisten § 10; 14.2; 14.3; 17.1 Sebaste § 1; 15.4 – § 6; 4.1; 4.2.1 – Abb. 2.3.9.12 Sebaste/Palästina Abb. 3 Seckau Abb. 24 Segovia § 6; 14.3 – § 10; 11.2.1 – Abb. 16 Seldschuken § 9; 8.0-1; 8.1.2; 8.1.4; 8.2.2; 8.2.4; 8.3; 8.3.1; 8.4.4; 10.1; 10.1.2; 10.2 Seleukia § 1; 14.0; 14.4 – Abb. 2.3.9.26 Seleukia-Ktesiphon § 2; 2.5 – § 4; 15.1; 15.1.2 – Abb. 7.9 Namenregister

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Semipelagianer/Semipelagianismus § 5; 7.5 Seneca § 3; 1.4 Septimanien § 6; 8.5.1 – § 7; 5.4.1 – Abb. 18 Septimius Severus, Ks. § 3; 4.4; 4.4.2 Sequania Abb. 6a Serapeion § 3; 13.2.3 Serapion v. Thmuis, B. § 6; 2.1.3 Serapis § 3; 13.2.3 Serbien § 7; 8.3; 8.3.2 – § 8; 10.1.1 – § 9; 6.1.2 – Abb. 25.27 Serdika § 1; 10.2.2-3; 12.0; 12.3.1; 12.4; 14.4; 18.0 – § 2; 11.6; 16.3.2 – § 8; 8.0 – Abb. 2.7.27 Sergius III., P. § 8; 6.3.1 Sergius v. Konst., Pt. § 4; 13.1.2; 13.4 Seth § 2; 5.4.2 – § 3, 2.4 – § 4; 1.2.2 Sethianer/sethianische Gnosis § 2; 5.3.2; 5.4 Seuse, Heinrich § 6; 14.3; 16.1.1 – § 10; 18.1-1.2 Severian v. Gabala § 5; 1.3 Severian v. Skythopolis, B./Severianer § 4; 11.1.1; 12.2.1; 15.4.1 Severin § 6; 8.3 Severus, Ks. § 3; 9.4; 10.2 Severer § 3; 4.4; 8.1 Severus Alexander, Ks. § 3; 4.4.2 Severus v. Ant., Pt. § 4; 11.3.2; 11.3.2-4; 12.1.1; 12.2.1-2; 15.3 Sevilla § 5; 11.4 – § 7; 2.2.4; 5.4.1-2; 5.4.6 – Abb. 11.12.18 Shetlands § 7; 11.3.1 Sicilia Abb. 5a.6a Sidon § 9; 8.4.2 – Abb. 3.26 Sidonia Abb. 18 Siebenbürgen § 9; 9.3.2 Siegburg § 6; 9.2-2.1 – Abb. 14 Siegfried v. Mainz, Eb. § 9; 6.4.1 Siena § 6; 12.4.4 – § 8; 14.3 – § 10; 11.1.4 – Abb. 16.21a.21b.28 Siger v. Brabant § 10; 11.2.5 Sigfrid, B. § 7; 11.4 Sigismund v. Ungarn, Ks. § 8; 13.2.6; 13.3-3.2; 14.2-2.1; 14.3.1 – § 9; 10.3.2; 12.2.4 897

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Sigtuna § 7; 11.4 – Abb. 20 Sigurd v. Norwegen, Kg. § 9; 8.3.1 Silva Candida § 8; 7.1.2; 7.1.5 Silvester I. v. Rom, B. § 3; 10.1 – § 8; 3.2; 5.2.2 Silvester II., P. § 7; 10.4.1-2 – § 8; 6.3.3 – § 9; 4.3.1 Silvester III., P. § 8; 6.3.5 Simon Magus § 2; 5.4.1 Simon de Montfort 10.3.3 Simonianer s. Simonie Simplicianus § 1; 18.2.2 § 5; 4.1; 5.2.2; 6.0; 6.2.2; 6.3.2; 7.3.2; 7.5.2 Sinai § 6; 5.1.1-2 Sinope § 2; 6.1 – Abb. 1.3 Siricius v. Rom, B. § 8; 1.4 Sirmium § 1; 14.0-1; 14.4; 18.2 – § 3; 9.1.2; 13.1.2 – § 5; 2.1.1 – § 7; 8.1 – Abb. 2 Sitifis Abb. 3.10 Sixtus § 5; 7.5.1 Sixtus II. v. Rom, B. § 3; 8.3 Sixtus III. v. Rom, B. § 5; 7.5.1 Sixtus IV., P. § 8; 12.3.3 – § 10; 14.2.2 Sizilien § 4; 14.2.2 – § 5; 7.1.2; 12.1 – § 6; 6.1.1; 15.1.1 – § 7; 2.4; 5.3; 11.0-1 – § 8; 4.1; 4.3; 5.1.1; 7.4.3; 9.2.3; 9.4 – § 9; 3.1.1; 7.2.1-2; 7.3.2-3; 8.1.4; 8.4; 8.4.3; 8.5; 10.1.2; 10.3.1; 12.1 – Abb. 10.25 Skalden § 7; 11.3.2 Skandinavien § 6; 14.2.3 – § 7; 7.4; 9.0; 9.1.3; 11.0; 11.3.2-3 – Abb. 20 Sketis § 6; 2.2.2 Skythen § 6; 5.3.1; 6.4.3 – § 7; 1.3 Skythopolis Abb. 7.13b Slawen § 4; 13.0; 13.2 – § 6; 5.4.4; 9.0 – § 7; 1.1; 3.3.2; 6.1.1; 7.0; 7.2; 8.0-1; 8.1.2; 8.2; 8.3; 9.0 10.0; 10.1.1-2; 10.2; 10.2.2; 10.4-4.2; 10.4.3; 11.2; 12.01.1; 12.1.4 – § 9; 4.2-2.1; 4.3.2; 8.0; 8.1.4; 10.1-1.1 Slowakei § 7; 10.4.1 Slowenen § 7; 7.2 Smolensk Abb. 20 Smyrna § 1; 5.3.1 – § 3; 5.2.2 – Abb. 1.3 898

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Sofia s. Serdika Sohag § 6; 3.2.4 – Abb. 13a Soissons § 6; 7.4.2; 10.3.2 – § 7; 3.1.1 – § 10; 1.2.1 – Abb. 11 Sokrates Scholasticus § 2; 16.1 – § 3; 14.4 Solnhofen § 7; 6.2.2 – Abb. 19 Somme § 7; 3.1 Sonne/Sol Invictus § 2; 15.3.3 – § 3; 4.4.2; 8.4; 10.1-2; 10.3.2-3; 11.2.1-2; 11.3; 12.3.1 Sophronius v. Jer., Pt. § 4; 13.1.2 Sorben/-land § 7; 10.2; 10.2.2; 12.0; 12.1.4 – Abb. 23 Sorbonne § 10; 11.1.1 Sorrento Abb. 21b Soter v. Rom, B. § 8; 1.1 Souk Aras § 5; 5.1.1 Sozomenus § 3; 11.1.1; 11.2.1; 14.4 – § 5; 11.3 Spalato s. Split Spanien § 1; 11.1; 17.1 – § 2; 2.3; 2.5; 13.5.3 – § 3; 1.1; 1.3; 9.4; 10.2; 12.1; 13.1.2 – § 5; 7.4.2; 11.0; 13.0; 13.3.2 – § 6; 6.2; 6.2.2; 9.1.3; 10.3.3; 13.3.2 – § 7; 2.2-2.4; 2.4.1; 3.0; 5.0; 5.3-4; 5.4.1-4.2 – § 8; 7.4; 10.1.2; 10.3.2; 11.3.0; 11.3.3; 14.2.1 – § 9; 6.1.2; 7.0; 7.3.3; 8.1.2; 8.3; 8.3.1; 8.4.3; 8.5; 9.0; 11.3.1 – § 10; 11.1.4; 11.2.3; 17.3.2 Spanische Mark § 5; 13.3.2 – § 7; 5.4.1 – Abb. 23 Sparta § 9; 10.2.2 – Abb. 3 Speyer § 7; 3.3.1 – § 9; 8.2.3 – Abb. 19.24 Split § 7; 8.3.1 Spoleto § 8; 5.2.1; 9.2.3 – § 9; 3.1.1; 6.3.23.3; 7.3.3 – Abb. 16.21a.21b.23.25 Stade Abb. 15 Stagel, Elsbeth § 10; 18.1.2 Starkenberg § 9; 9.3.1 Staufer § 9; 7.0-1; 7.2; 7.2.1; 7.3; 7.3.3; 8.5; 12.1; 12.2-2.1 Stavanger § 7; 11.3.1 – Abb. 20 Steiermark Abb. 25 Steinbach, Heinrich § 6; 16.1.3 Steinbach, Wendelin § 6; 16.1.3 Namenregister

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Stephan I. v. Rom, B. § 2; 12.6; 12.6.2; 13.5.3 – § 8; 1.2 Stephan II., P. § 8; 5.1; 5.1.2; 5.2 – § 9; 2.2; 2.2.3 Stephan IV., P. § 9; 3.3.1 Stephan IX., P. § 8; 7.1-1.1; 7.1.4 Stephan, Kg. § 7; 10.4.2 Stephan Harding, A. § 6; 10.2; 10.2.2 Stephanus, Ap. § 2; 1.4.1 Stephanus bar Sudaili § 4; 12.4.1 Stilicho § 7; 1.5; 2.1.3; 2.2.1; 2.4.1 Stoiker § 1; 3.1 – § 3; 1.4; 5.1; 6.1; 7.1.2 – § 6; 1.3.2 Strängnäs § 7; 11.4 – Abb. 20 Straßburg § 6; 12.2.1; 14.2.3 – § 7; 3.3.1 – § 9; 3.4.1; 5.2.3 – § 10; 15.1.1; 18.11.1; 18.1.4 – Abb. 16.19.23.24.28 Streaneshalch (s.a. Whitby) § 7; 4.3.1 Stridon § 5; 3.1 – Abb. 10 Studios § 6; 5.3.2 Sturmi, A. § 7; 6.2.2 Stutz, Ulrich § 9; 1.1 Subiaco § 6; 7.2.1 – Abb. 12 Sueben Abb. 17 Süditalien § 4; 13.0; 14.2.2 – § 6; 7.1.2; 9.4; 11.3.2; 13.1.3 – § 7; 2.5; 5.3; 11.1 § 8; 4.1; 5.1.1; 6.3.4; 7.4; 7.4.3; 8.0-1; 8.1.2-3 – § 9; 3.1.1; 4.2.3; 6.1.1; 6.5; 7.0; 8.1.2; 8.1.4; 8.2.4; 8.4.3; 10.0-1; 10.1.2 Suetonius § 3; 3.1 Suevi s. Sweben Suffolk Abb. 25 Suidger v. Bamberg, B. s. Clemens II., P. Suleiman Ibn-Kutulmisch, Sultan § 9; 8.1.4 Sulla § 3; 1.2 Sulpicius Severus § 6; 6.4.1; 7.4.1 Süntel § 7; 7.1.2 Sussex Abb. 23 Susteren § 7; 6.1.1 – Abb. 19 Sutri § 8; 6.2 – Abb. 21a.21b Svealand/Svear § 7; 11.4 – Abb. 20 Sven Estridsen, Kg. § 7; 11.2 Sven Gabelbart, Kg. § 7; 11.2 Sverker, Kg. § 7; 11.4 Namenregister

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Swatopluk § 7; 8.1.2 Sweben/Sueben § 7; 2.0; 2.2.3; 2.4.1 Swjatoslav/Swjatoslaw, F. § 7; 9.1.3 Syagrius § 7; 3.1.1 Symeon d.Gr., Zar § 7; 8.2 Symeon v. Mesopotamien s. Makarius Symeon d. Neue Theologe. A. § 6; 5.4; 5.4.3 Symeon Stylites d.Ä. § 6; 5.2; 5.2.2 Symeon Stylites d.J. § 6; 5.2.2 Symmachus § 2; 10.5.2 – § 3; 13.2.2 – § 5; 5.1.2 Symmachus, P. § 8; 3.2 Syrakus Abb. 3.10 Syrer § 2; 2.3; 2.5; 14.1.2; 14.3.1 – § 4; 4.2.1; 5.1.2-3; 5.2.2; 7.1.2; 11.3.2; 13.1; 13.1.2; 15.0; 15.1-1.3; 15.2.1; 15.4.1; 15.4.3 – § 6; 1.1.3; 4.3.1; 5.3.1 – § 7; 5.2 – § 8; 5.1.1; 8.0; 8.2.3 – § 10; 11.2.1 Syria/Syria Palaestina Abb. 5b Syria Euphratensis Abb. 6b Syrien § 1; 9.3; § 2; 1.0; 2.5; 3.4; 5.5; 6.1; 7.0; 11.1; 11.2.1; 13.3; 14.1.2; 14.3.1; 15.4.2 – § 3; 1.3; 4.4.2; 7.1.1; 13.2.3; 14.0 – § 4; 4.2.1; 5.2; 7.1.2; 11.0-1; 11.1.3; 11.2.2; 11.3-4; 12.2; 12.4.1; 13.0-1; 15.0; 15.1.1-3; 15.2.3; 15.3.13.3; 15.4.3 – § 6; 1.0-1; 1.1.2-3; 2.0; 3.0; 4.3.1; 5.0; 5.2-2.1 – § 7; 5.0; 5.2; 5.3 – § 8; 10.1.1 – § 9; 8.1.4; 8.3.2; 8.4; 8.4.1; 8.4.3; 10.1.2; 10.2 – Abb. 26 Syropalästina § 2; 2.3 – § 3; 1.3 – § 6; 1.1 – § 7; 5.0 – § 9; 9.1.2; 9.2.1; 9.3.2 – Abb. 13b Tabennisi § 6; 3.1.1 – Abb. 13a Taboriten § 8; 13.3-3.3 Tacitus § 3; 1.4; 3.2 Tajo Abb. 11 Tanchelm § 8; 10.1.2 Tanger Abb. 18 Tannenberg § 7; 12.2.2 Tarifa Abb. 18 Tarik § 7; 5.4.1 Tarnovo Abb. 27 899

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Tarraconensis Abb. 5a.6a Tarsus § 4; 2.2.2; 4.1 – Abb. 3.7.26 Tassilo III., Hz. § 7; 7.2 – § 9; 3.1.1 Tataren s. Mongolen Tatian § 1; 3.3; 3.3.3 – § 2; 2.5 – § 3; 7.11.1 – § 6; 1.1.2 Tauberbischofsheim § 7; 6.2.2 – Abb. 19 Tauler, Johannes § 6; 14.3 – § 10; 15.3; 18.1-1.3 Tedald v. Mailand, Eb. § 9, 6.3.2 Tegernsee § 6; 9.3.2 – § 9; 5.1.5 – Abb. 14 Templer § 8; 11.1-1.2 – § 9; 9.0-1.2; 9.2.1-2; 9.3-3.1 Teresa v. Avila § 6; 15.3.2 Terracina Abb. 21a.21b Tertiarier/Terziaren/Tertiarinnen § 6; 12.2; 13.0; 13.2; 13.2.2; 14.2.2; 15.1.1 Tertullian § 1; 2.4; 3.3; 5.0-1; 5.3.2; 6.; 18.0-1 – § 2; 3.3; 4.3; 6.1; 6.3; 7.0-1; 9.0; 9.1; 10.1; 10.2; 12.2; 12.6; 13.3-4; 14.2.1 – § 3; 3.2; 5.2.2; 6.0; 7.1; 7.1.2; 7.2 – § 4; 1.2.2; 1.3; 1.3.1 – § 5; 1.2 Terwingen § 7; 2.1.3 Teutonia § 6; 14.2.3 Thagaste § 5; 5.1.1; 5.3-4 – Abb. 10.12 Thamugadi Abb. 10 Thapsus Abb. 10 Thebais § 2; 2.3.2 – § 6; 2.1.1; 2.2; 3.1.1; 3.2.4 – Abb. 6b.13a Theiß § 7; 8.2; 10.1.3 Thekla § 7; 6.2.2 Theoderich d.Gr., Kg. § 5; 11.2 – § 7; 2.3; 2.3.1; 2.3.2; 3.1 – § 8; 3.0; 3.2 Theoderich v. Chartres s. Thierry v. Ch. Theodor I. Laskaris, Ks. § 9; 10.2.3 Theodor I., P. § 4; 13.2 Theodor, A. § 6; 3.1.1 Theodor Askidas v. Cäs./ Kappadokien, B. § 4; 12.3.2 Theodor Lector/Anagnostes § 3; 14.4 Theodor v. Bostra, B. § 4; 15.3.1 Theodor v. Cant., Eb. § 5; 13.1.1 – § 7; 4.3; 4.3.2 Theodor v. Heraklea § 5; 1.3 Theodor v. Mopsuestia, B. § 2; 12.3.3; 14.3.2 – § 4; 4.0; 4.2-4.3; 5.1; 7.0; 900

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7.1.1; 7.2.2; 9.1.1; 12.3; 12.3.2; 15.1.2 – § 5; 1.3; 7.4.5 Theodor v. Pharan, B. § 4; 13.1.2 Theodor Studites, A. § 4; 14.4.2 – § 6; 5.3; 5.3.2 Theodora, Ks. (6.Jh.) § 4; 12.2; 12.2.2 Theodora, Ks. (9.Jh.) § 4; 14.4.2 – § 8; 6.2.2 Theodoret v. Cyrus, B. § 2; 14.3.2 – § 3; 14.4 – § 4; 7.0; 7.2-2.2; 8.3.2; 9.1.1; 9.1.3; 9.4; 10.1.3; 12.3; 12.3.2 – § 5; 1.3; 11.3 Theodosius I., Ks. § 1; 10.2.4; 16.1.2; 17.0-2; 17.4 – § 3; 11.4; 13. – § 7; 2.1.2; 2.1.3; 2.2.1 Theodosius II., Ks. § 3; 14.2-3; 14.6.1 – § 4; 6.0; 6.1.1; 6.2; 6.2.2-3; 7.2.1; 8.1; 9.1.2; 9.2; 9.2.2; 9.3; 10.0-1.1 Theodosius, Pt. § 4; 12.2.2 Theodosius v. Jer., Pt. § 4; 11.1.1 Theodosius Koinobiarches § 6; 5.1.1 Theodot d. Geldwechsler § 1; 5.1; 5.2 Theodot d. Schuhmacher § 1; 5.0; 5.1; 5.2 Theodulf v. Orleans, B. § 5; 13.2-2.1; 13.3.1; 13.3.3 Theofried v. Echternach § 10; 9.4.1 Theognis v. Nicäa, B. § 1; 11.4 Theophanu, Ks. § 9; 4.2; 4.2.4 Theophilus v. Alex., B. § 4; 3.3.3; 4.3; 4.3.2; 5.2; 8.1 Theophilus v. Ant., B. § 1; 3.3; 3.3.3; 4.2 – § 3; 7.1-7.1.1 Theophilus d. Inder § 2; 2.5 Theophilus v. Nicäa, B. § 7; 2.1.1 Theophylakt v. Kiew, Eb. § 7; 9.2.2 Theophylaktus, Hz. § 8; 6.3.1 Thessalien § 9; 10.2.2 – Abb. 6b Thessalonike § 3; 9.1.2; 13.2.4 – § 7; 8.1.2 – § 8; 1.4; 5.1.1 – § 9; 10.2.2-3 – Abb. 1.3.7.12.18.27 Theutberga § 8; 6.2.1 Thierry v. Chartres § 10; 3.3.1 Thietgaud v. Trier, Eb. § 8; 6.2.1 Thietmar v. Prag, B. § 7; 10.3.2 Thmuis Abb. 2.13a Namenregister

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Thomas v. Aquin(o) § 6; 14.3 – § 8; 12.3.2 – § 9; 12.3-3.1 – § 10; 8.3.2; 9.1.1; 9.3.2; 10.2-10.3; 11.2.5-11.3; 11.3.1; 13.; 14.0; 14.3; 15.2; 16.2; 17.1; 17.3.2 Thomas (v.) Bradwardine, Eb. § 10; 17.1.3 Thomas v. Celano § 6; 13.1.1 Thomas (Hemerken) v. Kempen § 6; 16.3-3.1 Thomas Morosini, Pt. § 8; 8.2.1 Thomas v. Straßburg § 10; 17.1.3 Thomas de Vio s. Cajetan Thorgeir § 7; 11.3.2 Thorn § 7; 12.2.2 – Abb. 20 Thorvald § 7; 11.3.2 Thrakien/Thracia § 1; 17.2 – § 2; 2.2 – § 3; 1.3; 10.4.2 – § 4; 13.0; 13.2.2 – § 7; 2.1.3; 8.2-2.1 – § 8; 10.1.1 – § 9; 8.1.4; 10.2.23 – Abb. 5b.6b Thüringen/r § 6; 9.2.1; 12.4.2 – § 7; 3.2; 3.2.2; 3.3.1; 6.1; 6.1.2-6.2.1; 6.3; 10.3 – § 9; 4.1; 9.3.1 – § 10; 15.1.1 – Abb. 17.23.25 Thyatira Abb. 3 Tiber § 3; 10.3.1 – Abb. 21a.22 Tiberias Abb. 26 Tiberius, Ks. § 3; 1.1-2 Tigris Abb. 5b.7.9 Timasius § 5; 7.4.1 Timotheus (Apollinarist) § 4; 3.3.1 Timotheus (Paulusbegleiter) § 2; 2.1 Timotheus Aelurus v. Alex., Pt. § 4; 11.1.2; 11.2.1 Timotheus Salophaciolus v. Alex., Pt. § 4; 11.1.2; 11.2.2 Timotheus v. Konst., Pt. § 4; 11.3.4 Timur Lenk § 9; 10.3.3 Tirol Abb. 25 Todi Abb. 21a Toledo/Toletum § 7; 2.2; 2.2.4; 5.4.1.; 5.4.2 – § 10; 11.2.1 – Abb. 11.12.17.18 Toletanisches Reich § 7; 2.2 Tolosa s. Toulouse Tolosanisches Reich § 7; 2.2; 5.4.1 Torquemada, Juan de, Kd. § 10; 13.1.3 Tortosa Abb. 26 Toskana (s.a. Mathilde von Tuscien) § 6; Namenregister

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12.4.4; 15.1.2 – § 8; 7.5.1 – § 9; 6.1.1; 7.3.3 – Abb. 21a.23 Totes Meer § 6; 5.1.1 Toul § 5; 14.4.3 – § 8; 7.1.1-2 – Abb. 11.19.24 Toulouse/Tolosa § 6; 14.1.; 14.1.2 – § 7; 2.2; 2.2.2; 2.2.4 – § 8; 10.2.1-2; 10.3.23 – § 9; 8.2.1 – § 10; 11.1; 11.1.4 – Abb. 11.12.16.17.18.25.28 Tournay § 7; 3.1.1 Tours § 5; 13.2 – § 6; 6.4.1; 8.7 – § 7; 5.45.4.1 – § 10; 1.1.1; 1.2.1; 8.1.2 – Abb. 11.12.18.23.28 Trajan, Ks. § 3; 1.3; 4.2; 4.3; 4.4.1 Tralles Abb. 3 Trapezunt § 9; 10.2.3 Trdat/Tiridates, Kg. § 2; 2.3 Trebonianus Gallus § 3; 8.3 Tribonian § 3; 14.6.3 Tribur § 9; 6.4 Trier § 1; 12.2; 12.3.1; 13.1 – § 3; 7.1.2; 9.1.2; 11.1 – § 5; 2.1.1 – § 6; 6.2.2; 7.4.2; 12.4.1 – § 7; 9.1.3 – § 9; 5.1.3; 12.0; 12.2.3 – § 10; 9.4.2; 15.2 – Abb. 12.14.19.24.25.28 Trinitarier § 6; 15.2.1 Tripolis § 9; 8.3.1; 8.4.1-2 – Abb. 3.18.26 Tripolitana Abb. 6a Troas Abb. 3 Troja § 3; 1.4 Trondheim § 7; 11.3-3.1 – Abb. 20 Troyes § 9; 9.1.1 Trygetius § 5; 5.3 Tschechen (vgl. Böhmen) § 7; 10.3 – § 8; 13.2; 13.2.2-3; 13.2.6 Tübingen § 10; 17.5 Türken (s.a. Osmanen) § 9; 8.0; 8.3; 8.3.2; 8.4.3-4; 9.2; 9.2.2; 10.0-1; 10.3.2 Tulupe (Daluk) Abb. 26 Tunis Abb. 18 Turin § 3; 10.3.1 Turkmenen/-völker § 9; 8.1.4 Tuscia et Umbria Abb. 6a Tuscien s. Toskana Tusculum § 8; 7.1.5 Tuskulaner § 8; 6.2.2-3 901

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Tuzey § 5; 14.4.3 Tyana § 1; 12.3.1 – Abb. 2.9 Tyche § 3; 11.4.2 Tyconius § 2; 16.3.2-3 – § 5; 8.2.1; 9.1.2; 11.1 Typhon § 3; 2.4 Tyros/Tyrus § 1; 12.2 – § 3; 11.5.2 – § 9; 8.3.1; 8.4.1; 8.5 – Abb. 2.3.13b.26 Udo v. Toul, Kd. § 8; 7.1.1 Üxküll § 7; 12.2.1 Ukraine § 7; 9.1.2 Ulfila s. Wulfila Ulm § 10; 18.1.2 Ulrich v. Straßburg § 10; 11.3.2 – Abb. 23 Ulster Abb. 23 Ultramontane s. Lyonenser Umbrien § 6; 7.2.1 Ungarn § 6; 9.0; 10.3.3; 12.4.2; 14.2.3 – § 7; 9.2.2; 10.1; 10.1.3; 10.3.3; 10.4; 10.4.2; 12.1.5; 12.2.2 – § 8; 11.3.2-3 – § 9; 4.2; 4.3.1; 4.4.2; 6.1.2; 8.1.1; 8.2.2; 8.2.4; 10.1.2; 10.2.1 – Abb. 20.25 Umbria § 6; 7.2.1; 13.1 – Abb. 5a Unni v. Hamburg-Bremen, Eb. § 7; 10.1.1 Unstrut § 7; 10.1.3 Unteritalien s. Süditalien Unwan v. Bremen, Eb. § 7; 11.2 Uppsala § 7; 11.4 – Abb. 20 Urach § 6; 16.1.3 Urban II., P. § 6; 10.1.1 – § 9; 6.5.2; 8.22.1 – § 10; 2.1.1 Urban IV., P. § 10; 9.2 Urban V., P. § 8; 11.3.1-2 Urban VI., P. § 6; 12.4.4 – § 8; 11.3; 11.3.2 Urbino Abb. 21a.21b Urgellum Abb. 11 Ursacius v. Singidunum, B. § 1; 12.4;14.1; 14.4 Utraquisten § 8; 13.3-3.2 Utrecht § 7; 6.1-1.1; 7.1.4-5 – Abb. 12.19.23.24 Väclav s. Wenzel Vadstena § 6; 12.4.3 Västeras § 7; 11.4 – Abb. 20 902

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Vajk s. Stephan, Kg. Valdesius s. Waldes Valence § 5; 14.4.3; 14.5.1 – Abb. 11 Valencia Abb. 12 Valens, Ks. § 1; 10.2.4; 15.0; 15.3; 16.1.3; 17.0-1 – § 3; 13.0-1.2 – § 7; 2.1.2-3 Valens v. Mursa, B. § 1; 12.4; 14.1; 14.4 Valentin/Valentinianer § 1; 2.5; 4.1 – § 2; 5.4-4.1; 5.4.3; 6.2; 10.0; 10.2;10.5.2 – § 3; 11.5.3 – § 4; 1.1 – § 5; 7.2 Valentinian I., Ks. § 1; 10.2.4; 15.0 – § 3; 13.0-1 Valentinian II., Ks. § 1; 17.1; 18.2.2 – § 3; 13.1.2; 13.2.2; 13.2.5 Valentinian III., Ks. § 3; 14.3 – § 4; 10.1.1 – § 7; 2.4.1 – § 8; 2.3 Valeria § 3; 9.3.1 – Abb. 6a Valerian, Ks. (s.a. Christenverfolgung, Valerianische) § 2; 13.5.3 – § 3; 5.0; 8.0-1; 8.3; 9.0; 9.3; 9.3.2 Valerius v. Hippo Regius, B. § 5; 5.4; 6.5 Valla § 10; 19.2 Valla, Lorenzo § 8; 5.2.2 Vallombrosa § 6; 9.2.2; 9.4 – Abb. 14 Vandalen § 1; 18.4.1 – § 3; 14.0; 14.6.2 – § 5; 5.0; 10.3 – § 7; 2.0; 2.2.3; 2.4-2.4.2 – § 8; 2.2 – Abb. 17 Varro § 5; 11.1 Vatikan § 3; 11.1.1 – § 8; 1.1 Vatopedi § 6; 5.3.3 Venaissin § 8; 11.1.3 Vendsyssel § 7; 11.2 Venedig § 6; 15.3.1 – § 7; 8.3 – § 8; 8.2.1 – § 9; 7.1.3; 8.2.4; 8.4.2; 8.4.4; 8.5; 10.2-2.2 – Abb. 16.18.23.25.27 Venetia et Histria Abb. 5a.6a Venetien § 8; 5.2.1 Venezianer § 9; 10.2 Venus § 3; 11.2.2 – § 10; 19.1.2 Vercellae Abb. 10.12 Verecundus § 5; 5.3 Verden § 7; 7.1; 7.1.2; 7.1.4 – Abb. 19.23.24 Verdun § 9; 3.0; 3.4-4.1 – Abb. 24 Vergil § 3; 1.4; 2.2 Verona § 3; 10.3.1 – § 6; 11.1.1-2; 11.3.1 Namenregister

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– § 8; 10.3.1 – § 9; 7.1.3 – Abb. 10.12.16.17.25 Veronika, St. § 10; 9.4.2 Vesta § 3; 13.2.2-3 Veszprem Abb. 20 Viborg § 7; 11.2 Vicelin v. Oldenburg, B. § 7; 12.1.2 Victor von Vita § 7; 2.4.2 Victoria(altar) § 3; 13.2.2; 13.2.4 Victorinus von Pettau § 5; 1.3 Victorinus s. Marius Victorinus Vienna/Vienne § 3; 4.4.1; 5.2.2 – § 5; 10.3 – § 6; 12.2.2 – § 7; 3.1.2 – § 8; 11.1; 11.1.2 – § 9; 6.6.2; 9.1.2 – Abb. 3.10.15.23 Viennensis Abb. 6a Vigilius, P. § 4; 12.3.2 – § 6; 6.4.2 – § 8; 3.3 Viktor I. v. Rom, B. § 1; 5.2 – § 2; 15.3.1 – § 8; 1.2 Viktor II., P. § 9; 6.3.1 Viktor IV., P. § 8; 9.1.3 – § 9; 7.1.3 Viktoriner s.a. St. Viktor § 6; 16.1.1 – § 10; 5.1; 6.3 Vinci s. Leonardo Vinzenz v. Lerinum § 1; 18.5 – § 5; 10.1.2; 11.1 Virgil v. Salzburg. B. § 7; 7.2 Virgilius v. Arles, Eb. § 8; 4.1 Visigothi s.a. Westgoten § 3; 14.3 – § 7; 2.2.2 Vitalian, P. § 4; 12.1.1-2 Vitalis v. Ant., B. § 1; 15.1 – § 4; 3.3.1 Viterbo § 8; 5.2.1 – § 9; 12.3.1 – § 10; 12.3.1; 17.1.3 – Abb. 16.21a.21b.28 Vivarium § 5; 11.0; 11.3 – § 6; 8.3 – Abb. 10.12 Vogesen § 6; 7.3 »Waiblinger« s. Staufer Walahfried Strabo, A. § 10; 3.1 Walarich § 7; 3.3.1 Waldenser § 6; 11.1.1; 11.2-11.3.2; 14.114.1.1 – § 8; 9.2; 9.3.2; 10.0; 10.3-3.1; 10.3.3; 13.3.3 Waldes § 6; 11.3-3.1 Namenregister

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Waldrada § 8; 6.2.1 Wales § 7; 4.1 – Abb. 23.25 Walter Chatton § 10; 17.1.1 Walter Map § 6; 11.3.1 Walter v. St.Viktor § 10; 6.3 Wandalen s. Vandalen Waräger § 7; 9.1.2; 9.2.3 Warna Abb. 27 Wearmouth § 5; 13.1.1-2 – Abb. 11.12 Weichsel § 7; 12.1.3 Weißenburg § 9; 5.1.5 Welf v.Bayern, Hz. § 6; 10.3.1 Welfen § 9; 7.2-2.1; 7.3.1;12.2.1 Weltenburg § 7; 3.3.2 Wenden § 7; 10.0-1; 12.0-12.1.2 – § 9; 8.3 Wenzel, Kg. § 8; 13.2.1-4; 13.2.6; 13.3-3.1 Wenzel I., F. § 7; 10.3.1-2 Werden § 6; 8.4.1 – § 7; 7.1.4 – § 9; 5.1.5 – Abb. 12.19 Wesel § 6; 16.1.3 Weser § 7; 7.1.4-5 – Abb. 11.14.15 Wessei Gansfort s. Gansfort Wessex § 7; 6.1.2; 6.2.2; 11.1.2 – Abb. 23 Westfalen § 6; 9.2.1; 10.3.2 – § 7; 7.1.1; 7.1.3-4; 12.1.2 – § 9; 5.2.2 Westgoten § 3; 14.3 – § 5; 5.0; 9.1; 11.4 – § 7; 2.1.3; 2.2-2.2.3; 2.3-3.1; 2.4.1; 3.1.1; 3.2; 5.0; 5.4-4.1 – § 8; 4.1 – § 9; 2.2.2 – Abb. 17 Whitby § 7; 4.3.1 Wibert v. Ravenna, Eb. s. Clemens III., P. Wichmann v. Magdeburg, Eb. § 7; 12.1.4 Widukind § 7; 7.1-1.3 Wien § 6; 14.2.3 – § 9; 4.4.2; 12.2.4 – § 10; 11.1.5; 17.1; 17.2.1 – Abb. 28 Wikinger § 7; 7.4; 11.0; 11.1.1 Wildeshausen § 6; 14.2.3 Wilfrith v. York, B. § 6; 7.2.4 – § 7; 4.3.1-2 Wilhelm I. d. Eroberer, Kg. § 7; 11.1.2 – § 9; 6.1.2; 7.1.1; 8.1.2 Wilhelm II. d. Normanne, Kg. § 9; 7.1.3 – § 10; 2.1.1 Wilhelm v. Aquitanien, Hz. § 6; 9.1.1 Wilhelm v. Auvergne, B. § 10; 11.3.1; 12.1.1 Wilhelm v. Auxerre § 10; 11.3.1 903

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Wilhelm v. Champeaux, B. § 10; 1.2.2; 3.1; 4.1.1; 4.2.1; 6.1 Wilhelm v. Hirsau, A. § 6; 9.2.2 Wilhelm v. Holland, Kg. § 9; 7.3.3 Wilhelm v. Mainz, Eb. § 7; 10.2.1 Wilhelm de la Mare § 10; 13.1.2 Wilhelm v. Melitona § 10; 12.2 Wilhelm v. Nogaret § 9; 12.1.1 Wilhelm v. Ockham s. Ockham Wilhelm I. v. Sizilien, Kg. § 9; 7.1.3 Wilhelm v. St. Thierry, A. § 6; 10.2.3 – § 10; 4.1.4; 5.1 Wilhelm v. Volpiano, A. § 6; 9.2.1 Wilhelm v. Ware § 10; 14.1.3 Willehad § 7; 7.1.4 William Courtenay, Eb. § 8; 13.1.1-2 Willibald v. Eichstätt, B. § 7; 6.2.1 Willibrord, B. § 7; 6.1-1.2; 7.4 Willigis v. Mainz, Eb. § 9; 4.2.4 Wilna § 7; 12.4 – Abb. 20 Wilzen Abb. 23 Winchester § 7; 4.3.2 Windesheim § 6; 15.3.2; 16.0; 16.2 Winfried/frith s. Bonifatius Wladimir, F. § 7; 9.0; 9.1.3-9.2.2 Wolfgang v. Regensburg, B. § 7; 10.4.2 Wolga § 7; 9.1.1 Wolgabulgaren § 7; 9.1.1 Wolgast § 7; 12.1.3 Worcester § 7; 4.3.2 Worms § 6; 12.1.2 – § 7; 3.3.1; 3.3.2 – § 9; 6.0; 6.3.3; 6.6; 6.6.3; 7.0; 7.2.2; 8.2.3; 12.2.4 – § 10; 3.2.1 – Abb. 19.24 Württemberg § 6; 16.1.3 Würzburg § 6; 8.7; 14.2.3 – § 7; 3.3.1;

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6.1.2; 6.2.2; 6.3.1; 7.1.4 – § 9; 5.2.2; 6.6.3 – Abb. 19.24 Wulfila, B. § 7; 2.1-1.1 Wyclif, John § 8; 13.0-2; 13.2.2; 13.2.4-6; 13.3.3 – § 10; 17.4 Wyclifiten § 8; 13.2.2-3; 13.2.6; 13.3.3 Xanten (s.a. Norbert v. Xanten) § 6; 10.3.2 York § 3; 9.1.2; 10.2 – § 5; 13.1; 13.2.2 – § 7; 4.1; 4.3.1-2 – § 8; 4.2 – § 9; 12.1.2 – § 10; 12.3.1 – Abb. 11.25 Zacharias, P. § 9; 2.2.1 Zainer, Günther § 10; 18.3 Zara § 9; 10.2.1 Zbynek v. Hasenburg, Eb. § 8; 13.2.2 Zeitz § 7; 10.2; 10.2.2 Zengi § 9; 8.3.2; 8.4.1 Zenon, Ks. § 3; 14.2 – § 4; 5.3.2; 11.1.311.2.2; 12.1.2 – § 7; 2.3.1 – § 8; 3.1 Zerbolt s. Gerhard Zerbolt Zeta § 7; 8.3.2 Zeus § 3; 2.2; 9.1.3 Zisterzienser/-innen § 6; 9.1.3; 10.0; 10.2-2.4; 10.3.2-10.3.3; 12.1-1.1; 14.1.1; 14.2.1; 15.0; 15.3.1 – § 7; 11.4; 12.0; 12.1.2-3; 12.3 – § 8; 9.1.2; 10.3.3 – § 9; 8.3.2; 9.1.1 Zosimus v. Rom, B. § 5; 7.4.4-5 – § 8; 1.4 Zostrianus § 1; 18.3 – § 2; 5.4.2 – § 5; 1.4 Zwolle § 6; 16.1.3; 16.2; 16.3.1 – § 7; 16.3.2 Zypern § 4; 15.3.3 – § 9; 8.4-4.2; 8.4.4; 9.2.2; 10.2 – Abb. 26

Namenregister

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Sachregister Abendmahl/Eucharistie § 2; 11.5; 12.2; 14.; 15.0-1 – § 5; 2.3; 8.3; 12.3.1; 14.0; 14.2; 14.3 – § 6; 7.2; 7.2.3; 8.6.1 – § 8; 8.2.2; 9.2.1; 9.3; 9.3.2; 10.1.2; 13.1.2; 13.2.1-2; 13.2.6; 13.3.1 – § 10; 1.1; 8.; 9.0; 9.2 Messopferlehre § 2; 14.3 – § 5; 12.3.1 – § 8; 13.1.2 – § 10; 8.2-2.4; 8.3; 8.3.2-3; 9.2 Realpräsenz (s.a. Realismus, Symbo­ lismus) § 2; 14.0-1; 14.2 – § 8; 9.2.1 – § 10; 8.2 Ablass/praxis § 8; 7.4; 9.3.2; 11.2.2; 12.33.3; 13.1.2; 13.2.4-5; 14.3.1 – § 9; 8.11.1; 8.2; 8.2.2; 8.3.2; 9.0; 9.2.1; 9.3.1 Absolution (s.a. Buße) § 8; 12.2; 12.3.1; 13.1.2 – § 9; 6.4; 8.1.2 – § 10; 9.3; 9.3.2 Abt/Äbte § 6; 2.2.2; 3.2.1; 7.2; 7.2.3; 7.3; 9.1.1; 9.1.3; 9.3.1; 10.2.1 – § 9; 5.0; 5.2 Acacianisches Schisma (484-519) s. Schisma Adel/skirche § 6; 8.0; 8.2; 8.6; 9.0 – § 8; 6.2; 6.2.1; 9.1-1.1; 11.1; 11.2-2.1; 13.1-1.1; 13.1.3; 13.2.1; 13.3.2 – § 9; 1.1-3; 2.1-1.1; 2.2; 3.4.2; 5.0-1; 5.1.45; 5.2-2.3; 6.1.2; 6.3.1-4; 6.5.1; 8.1; 8.1.3; 804.2; 9.0; 9.2 Adelskloster § 6; 8.0; 9.0 Adoptianismus s. Christologie Akzeptationstheorie § 10; 14.3 Alexandrinische Theologie § 1; 8.0; 13.03 – § 4; 3.0; 4.0; 6.1.1; 6.2.3; 8.2-3; 9.1.1; 9.3; 10.2; 11.1.2 Allegorie § 2; 10.5.2 – § 4; 4.0 – § 5; 2.2; 5.1.2; 5.5; 5.6; 14.2 – § 6; 6.4 – § 10; 6.1; 17.3-3.1; 19.1.2 Allod/ien § 9; 1.3; 2.1.1 Amt § 2; 4.3; 11. – § 8; 7.2; 9.2.2; 10.1.1; 14.3.2 – § 10; 10.2 Ämterkauf s. Simonie Anachorese/ Anachoretentum s. Eremitentum Sachregister

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Anakephalaiosis § 1; 4.0; 4.1.2 Anathematismen, Zwölf § 4; 6.1.3; 6.2.1; 7.2.1; 8.1; 9.1; 9.5; 10.2; 11.2.2 Annaten § 8; 12.1.1; 14.3.2 Antichrist § 8; 13.1.2; 13.3.3 – § 9; 7.3.3 – § 9; 13.1.2 Antijudaismus § 2; 3.0; 3.1; 3.3-3.4; 6.2 – § 9; 8.2.3 Antiochenische Theologie § 4; 2.2; 3.1-2; 3.3.2; 4.; 5.1-2; 6.2.2-3; 7.; 9.0; 9.2.2; 9.3; 10.2; 10.3.3; 12.3; 12.2-3; 15.1 Antiochenische Schule § 1; 9.2-3 Aphthartodoket § 3; 14.6.1 – § 5; 12.1 Apokalyptik § 2; 1.0; 5.1; 7.0; 7.2; 10.1 – § 3; 5.1.1; 7.2 – § 6; 10.2.4 – § 8; 9.4.3; 12.1.2; 13.3.1 – § 9; 8.2; 8.4.3 Apokatastasis § 1; 8.2 – § 2; 10.5 – § 4; 12.4.1 Apologetik/Apologien § 1; 3.0; 3.3 – § 3; 7. – § 4; 7.2 – § 5; 9.1 Apophthegmata Patrum § 6; 2.1.1; 2.2 Apostasie/Apostaten § 2; 13.4-5; 16.0-2 – § 3; 3.3.2; 4.2.2; 4.3; 8.2.3; 12.3 – § 7; 7.1 Apostatenstreit s. Bußstreit Apostelkonzil § 2; 1.4.2 Apostolikum § 2; 9.0-1; 9.2.3 Apostolizität/Apostolische Sukzession § 2; 4.3; 8.2-2.1; 10.1; 11.2; 11.4; 11.6 – § 8; 1.1-2; 1.4 Appellation, nach Rom § 8; 1.3-4; 6.2.1; 9.2.2; 14.3.2 – § 9; 7.2.2; 12.1.3 Approbationsrecht § 6; 13.1 Arianischer Streit § 1; 9.; 10.2.1; 11. – § 2; 9.2.2 – § 3; 11.5; 11.5.2-3 Arianismus § 1; 8.0; 9.3; 10.2.1; 10.2.3; 11.0; 12.1.2; 13.0; 18.0 »Arianismus«, german. § 7; 1.4; 2.1.0-1.1 Aristotelismus § 1; 7.1 – § 10; 1.2.1; 10.3.1; 11.0; 11.2-11.3; 12.1.2; 13.1; 13.2.1-2; 17.2.1 Arkandisziplin § 3; 2.4 Armenfürsorge § 2; 11.1; 11.7-8 – § 3; 905

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11.1.0-1.1 – § 6; 4.3; 5.3; 8.6.2; 12.2; 12.4; 15.2 – § 8; 4.3 – § 9; 1.2; 3.1.2; 8.1.3; 9.0 Armut (s.a. Gelübde) § 6; 11.0-1; 11.33.1 – § 8; 12.1.2; 13.2.1; 13.2.5; 13.3.1 – § 9; 8.1; 8.2; 8.2.2 Armutsbewegung/-ideal (s.a. Bogomilen, Humiliaten, Katharer, Waldenser) § 6; 11.0; 12.0; 13.0; 13.2 – § 8; 7.3.2; 10.1-10.2; 10.2.3; 10.3; 12.1.; 12.1.2; 13.2.5; 13.3.1 – § 9; 8.43 – § 10; 16.1 Armutsstreit § 8; 11.1.2; 12.1; 12.1.2 – § 9; 12.2.2 Artes liberales § 5; 11.0-1; 13.2.2; 14.5.1 – § 10; 1.1.2; 3.3; 11.1 Askese/Asketismus/Asketentum § 2; 6.2; 7.2 – § 4; 13.3 – § 5; 2.1.2; 3.1; 5.1.4; 5.2; 5.4.1; 7.1-2; 7.5 – § 6; 1.0-2; 1.4; 2.1.1; 4.1.3; 4.2.1; 4.3; 5.2; 6.0; 6.1; 6.2-2.1; 6.3; 6.5; 7.3; 9.4; 10.1; 11.1.2; 16.1.2 – § 8; 10.2; 10.2.3 – § 10; 5.1; 18.1-1.4 Athanasianum § 1; 18.5 auctoritas – ratio § 5; 8.1-1.1 – § 10; 1.0; 2.0-1; 13.2; 13.2.3 Augustinismus § 5; 4.2; 10.1; 10.3; 14.4 – § 10; 7.1; 10.1; 11.3.1; 12.0-1.2; 13.1; 17.1; 17.1.2-3; 17.4; 17.5 Ausbreitung des Christentums § 2; 2.; 11.1.2; 13.6 – § 3; 1.4; 4.2.2, 7.2 – § 7; 1.0-3.; 2.0-2.1.2; 7.3; 7.4; 10.2 Averroismus § 10; 11.2.2; 11.2.5 Bann § 8; 8.1; 8.1.2; 9.1.2; 12.2; 13.2.4 – § 9; 6.3.2; 6.4-4.1; 7.1.3; 7.3.3; 7.3.5; 8.4.3; 12.1.1 Basilikakloster § 6; 7.4; 7.4.2 Beichte § 2; 13.5 – § 6; 4.3; 4.3.3 – § 7; 7.3.1 – § 8; 9.3; 9.3.2; 12.2.2 Bekenntnis § 1; 11.1; 11.4-4.2; 12.3.2; 14.0; 14.4 – § 2; 9. – § 4; 6.2; 6.2. 3; 10.1.3; 12.3.3 – § 5; 2.3 – § 8; 8.2.2 – § 10; 8.3 Bergpredigt § 6; 11.1.2; 11.3 Bettelmönchtum § 6; 11.0; 11.1.5; 12.0906

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2; 13.0-1.2; 13.2; 13.2.2; 13.4; 14.0; 14.2.1; 15.0; 15.1; 16.1.1 – § 8; 10.3; 12.1.2; 13.1.2 – Abb. 16 Bibel § 1; 2.0; 3.2 – § 2; 3.1; 4.0; 4.3; 6.2-3; 8.0-2.3; 10.5.2 – § 4; 4.3 – § 5; 1.1; 3.3 – § 6; 8.4.2 – § 7; 8.1.2 – § 8; 13.2.5; 13.3.3 – § 10; 17.3-4 Bibelübersetzung § 2; 2.3; 3.4.1 – § 5; 1.1; 2.5 – § 7; 2.1; 8.1.2 – § 8; 13. 1.3 Bibliotheken § 5; 4.0; 11.0; 11.3; 13.1.1 – § 6; 5.3.2; 8.3; 8.3.2; 8.6.1 Bilderstreit § 4; 5.3.5; 14. – § 5; 13.3-3.1 – § 6; 5.3.2-3 – § 8; 5.0-1.1 Bildung, Bildungswesen § 5; 9.0; 11.; 13.1-2; 14.0-1 – § 6; 3.3.2; 4.3; 5.3; 6.1.1; 8.3; 8.4.2; 8.6; 12.3; 12.4-4.1; 14.2.2-2.3; 14.3 – § 7; 7.0; 7.3; 7.3.2 – § 10; 2.1.1; 6.0; 11.1-1.4; 19.0 binitarisch § 1; 3.3.3; 6.1; 8.3.2; 12.1; 14.3 Bischof/Bischofsamt § 2; 4.3; 7.3; 8.2.1; 11.0; 11.2-3; 11.6 – § 6; 7.1.2; 7.3; 14.1.2 – § 8; 1.0; 1.1-2; 7.1.4-5 – § 9; 1.2; 5.0 Bischofseinsetzung/-investitur § 8; 9.3.2 – § 9; 1.3.2; 4.3.3; 6.0-2.2 Bischofsliste § 8; 1.1 Bischofswahl § 2; 11.3; 11.6 – § 8; 7.3; 7.5.3; 9.2.2; 9.3.1-2; 12.1.1 – § 9; 5.1.4; 6.2.0-2; 6.6.0-3 Land-/Chorbischof § 7; 7.3.2 Bistum/Bistümer § 7; 3.2; 3.3.0-1; 4.3; 4.3.2; 6.0; 6.2; 6.3.1; 7.1; 7.1.4; 7.4; 9.2.2; 10.1; 10.1.2; 10.2.1-2; 10.3; 10.3.4; 11.2; 11.3.1-2; 12.1; 12.1.4; 12.2.2 – § 8; 9.2.2; 10.2.2 – § 9; 2.1.2; 5.0; 5.1.3-4; 5.2 Bruderschaften § 6; 11.3.2; 13.1.2; 13.2; 13.2.3 – § 8; 13.3.1 Brüder/Schwestern vom gemeinsamen Leben s. Devotio moderna Budapester Pauluskommentar § 5; 1.3 Bulle von Eger 1213 § 9; 7.2.2 Goldene Bulle 1356 § 9; 12.2; 12.2.3 Kreuzzugsbulle § 9; 8.3.2-3 Sachregister

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Unam sanctam 1302 § 8; 9.4; 9.4.4 – § 9; 12.1; 12.1.1 Unigenitus Dei Filius § 8; 12.3.2 Buße § 2; 12.2; 12.3.4; 13.; 16.0-1 – § 3; 13.2.4 – § 5; 12.3.2 – § 6; 5.4.4; 7.33.2; 9.1; 9.4; 13.0; 16.0 – § 7; 7.3-3.1 – § 8; 7.2; 12.2; 12.3-3.1 – § 9; 6.4; 6.4.2 – § 10; 5.2; 9.3.0-3.2; 14.3 Bußbücher § 6; 7.3.0; 7.3.2 – § 7; 7.3; 7.3.3 – § 8; 7.3.1 Bußpredigt § 6; 9.4; 11.3.2; 13.1 Bußstreit § 2; 13.5; 13.5.2-3 – § 3; 8.2.3 »Cäsaropapismus« § 3; 14.6.1 Canon Muratori § 2; 8.2; 8.2.2 Chalcedonense § 4; 5.1; 5.3-3.1; 10. (bes. 10.3); 11.0; 11.2.1-2; 11.3; 12.1-1.1; 12.3-3.1; 13.1.2; 15.0; 15.4 Chiliasmus s. Apokalyptik Chorherren s. Kanoniker Christenfeinde/feindschaft § 3; 3.; 4.0; 4.2-4; 6.; 7.0; 7.2; 12.3.2 Christengesetze § 3; 3.2; 4.1-2; 4.3-4.4.2; 8.2.1; 8.3; 9.2-4; 10.4.1; 10.5; 11.1-1.3 Christenverfolgung § 3; 3.-9. – § 7; 2.1; 2.4.2 Decische § 2; 16.1 – § 3; 8.0 8.2-2.3 Diokletianische § 2; 16.2-3.1 – § 3; 9. Valerianische § 3; 8.0; 8.3 Christianisierung s. Mission Christlicher Orient § 2; 2.5 – § 4; 15. Christologie § 1; 1.; 2.; 11.2-2.2; 13.1-3 – § 5; 2.1.1; 7.3.1 – § 6; 5.3.1; 11.1.1 – § 10; 2.3; 5.2; 12.3.2; 12.4.2; 13.3; 14.2-2.1 Adam-Christus-Typologie § 1; 4.01.2; § 5; 6.4.2; 7.3-3.1 Adoptianismus/Dynamismus § 1; 2.0; 2.5; 5.0; 5.2; 9.2-3 – § 5; 13.3.2 Doketismus § 1; 2.0; 2.5 – § 2; 10.2 – § 4; 1.0; 1.1-1.2; 1.2-2.2; 4.2 Dyophysitismus § 4; 4.0; 4.2; 5.1; 5.3.1; 7.1; 7.2.2; 9.1: 10.0; 12.3.12; 12.4.2; 15.1.2 Dyotheletismus § 4; 13.2; 13.4 Engelchristologie § 1; 2.3 – § 8; 10.2.3 Sachregister

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Geistchristologie § 1; 2.2 Inkarnation § 1; 2.0; 5.2; 13.1 – § 4; 1.1; 1.1.2; 1.3; 2.3-3.2; 4.0; 8.2-3; 14.3.1-2 – § 10; 2.3; 9.1; 14.2.1 Logos-Anthropos-Schema § 4; 2.2; 4.1-2; 5.1 Logos-Sarx-Schema § 4; 2.1; 2.3; 3.0; 5.1; 8.3 Logoslehre § 1; 2.0; 3.; 4.2; 5.1-5.3.1; 5.4; 9.2; 11.2; 11.4 – § 2; 10.5; 14.2.1-2 Modalismus § 1; 2.4; 5.0; 5.3.1-2; 9.1 Monenergismus/Monotheletismus § 4; 5.3.4; 13.0-1; 13.1.2 – § 8; 5.0; 5.1.1 »Monophysitismus« § 4; 5.1; 11.3 Miaphysitismus § 4; 3.0; 4.0; 5.1-3.3; 8.0-8.3.4; 9.2-2.2: 9.4; 10.3.23; 11.0-1.3; 11.3; 12.2-3; 12.4.2; 15.2; 15.2.2; 15.3.1; 15.4-4.3 – Abb. 9 Satisfaktionstheorie § 10; 2.3 Zwei-Naturen-Lehre § 4; 1.3; 4.1-2; 5.1; 6.1; 9.3-3.1; 9.4; 10.3.1; 15.4.1 – § 5; 3.1-3.2 Christologischer Streit § 4; 5.-13. – § 6; 5.3.1 – § 8; 2.3 – Abb. 7 Christusfrömmigkeit (s.a. Jesusliebe) § 10; 5.1; 5.2; 12.3 Christusvikariat § 8; 2.1; 9.0; 9.1.2; 9.22.2; 9.4.4; 12.3.2; 13.1-2 – § 9; 7.2; 7.2.3; 12.1.1 Circumcellionen § 2; 16.3.2 Clerus maior/minor § 2; 11.6-7 Cluniazensische Bewegung § 6; 9.1-2.2 codex encyclius § 4; 11.1.2 Codex Iustinianus § 3; 13.2.1; 14.6.3 Codex Theodosianus § 3; 14.3 Cönobitentum § 6; 3.; 4.0-4.3; 5.0; 5.1.1; 5.3.3; 6.3.2; 6.4-4.1; 6.5; 6.5; 7.0-1; 9.4; 10.0; 10.2 Constitutio in favorem principum § 9; 7.3.1 Corpus Iuris Civilis § 3; 14.6.3 Credo s. Bekenntnis

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Dämonologie § 1; 3.3.1 – § 2; 5.5.3; 12.2; 12.3.1 – § 4; 12.4.1 – § 5; 9.1; 12.3.3 – § 6; 2.1.2-3; 5.2.1; 6.1.2 – § 8; 10.2.3 – § 10; 18.2 Decretum Gelasianum § 8; 3.1 Decretum Gratiani § 8; 9.4.1; 14.1.2 Dekret/alen § 8; 1.4; 6.2.1; 7.1.4; 7.4.12; 8.2.3; 9.1.3; 9.3.1-2; 9.4.2; 11.2.12; 13.2.3; 14.2; 14.3-3.2 – § 9; 7.2.1; 12.1.1 Deutscher Orden § 6; 15.2 – § 9; 8.4.3; 9.0; 9.3-3.2 Devotio moderna § 6; 16. – § 10; 17.5; 18.1 Diakone/Diakonissen § 2; 11.0; 11.2.1; 11.6-8 – § 9; 1.3 Dialektik § 10; 1.0-1.1.2; 2.1.2; 4.1; 4.2 Dictatus Papae § 8; 7.5; 7.5.2 – § 9; 6.4.1 Digesten § 3; 14.6.3 Dispens, päpstlicher § 8; 9.2.2; 11.2.2 Disposition § 10; 10.2; 10.3; 12.4.3; 14.3 Dom-/Stiftskapitel § 6; 8.7 – § 9; 5.1.4; 5.2.2-3 Donatismus/Donatistischer Streit § 2; 16.3-3.3 – § 3; 11.5-5.1 – § 5; 1.2 – § 6; 11.3.2 – § 8; 1.3 Doppelkloster § 6; 6.3.1; 10.3.3; 12.4.3 Doxologie § 2; 14.1.1; 15.1 Dreikapitelstreit § 4; 12.3; 12.3.2; 12.4; 12.4.2 – § 8; 3.3 Drei-Prinzipien-Lehre § 1; 7.0-7.1 Dualismus § 2; 5.2-3; 5.5; 6.2 – § 6; 1.4; 6.2; 11.2 – § 8; 10.1-1.2; 10.2-2.3 Dynamismus s. Christologie Dyophysitismus s. Christologie Dyotheletismus s. Christologie Ebioniten § 2; 3.4 Edikt einzelne Edikte: Cunctos populos § 3; 13.2.1 Edictum Theoderici § 7; 2.3.1 Ketzeredikt 1232 § 8; 10.3.2 Manichäeredikt § 3; 9.2 Rhetorenedikt/Schulgesetz § 3; 12.3.2 Ehe § 8; 7.3-3.1; 10.1.2 – § 10; 9.1-1.1; 9.1.3 908

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Eherecht, kirchliches § 8; 6.2.1; 9.1.3; 9.3 Ehelosigkeit s. Gelübde und Zölibat Eid § 6; 11.3.2 – § 8; 13.3.3 Eigenkirchenrecht/-wesen § 6; 9.1.1; 9.1.3-4; 9.3 – § 7; 1. 3; 7.3.3 – § 8; 7.3; 7.3.2; 9.1.3 – § 9; 1.1-2; 5.0; 6.2.1 Eigenkloster § 6; 8.0; 8.2; 8.4-4.1; 9.0; 9.1.4; 9.3.1 – § 9; 1.1 Eigenpriester § 9; 1.1 Ekklesiologie § 2; 1.3; 7.0; 10.1; 11.3; 12.6.1-2; 16.3.3 – § 5; 1.2; 5.4; 8.2 – § 6; 11.3.2 – § 8; 1.2; 7.4.1; 9.2.1; 9.4.4; 13.1; 13.2.5 – § 10; 7.1; 8.3.1; 10.2; 17.4 Eleusinische Mysterien § 3, 2.4 Empfängnis Mariä § 10; 14.2.2 Energienlehre § 6; 5.4; 5.4.5 Enhypostasie § 4; 8.3; 8.3.4; 12.3.1; 12.4.2; 14.3.1 Enthusiasmus § 2; 7.0; 7.2 – § 6; 5.2-2.1 Epiphanias § 2; 15.3; 15.3.3 Erbauungsschriften § 6; 16.3.1-2 – § 10; 18.1.1-2 Erbsünde s. Sünde Eremitentum § 6; 1.4; 2.0; 2.1.1; 2.2.2; 5.0-1; 5.3.3; 6.1-1.1; 6.3.2; 6.4; 7.01; 7.3; 9.0; 9.4; 10.0-1.1; 10.2-2.1; 13.4.2; 15.1; 15.1.2 – § 7; 9.2.2 Erkenntnislehre § 1; 7.0-1; 16.3 – § 5; 5.3; 6.3; 8.1; 11.2; 14.5.2 – § 10; 2.1; 3.3.2; 4.2-2.1; 6.1; 12.1-1.2; 12.3.; 14.1.3; 15.3; 16.3; 17.4; 19.2; 19.5 Erzbistümer/Erzbischöfe § 7; 7.4; 8.2.4; 8.3.1; 9.2; 10.2-2.1; 10.4-4.2; 11.2; 11.4; 12.2.1 – § 8; 7.4; 7.4.2; 9.2; 9.2.2 – § 9; 5.1.3 Erzkanzler § 9; 5.1.3 Eschatologie § 2; 7.0; 7.2 – § 5; 6.1; 6.4.2; 9.1; 9.2 – § 6; 1.2 – § 10; 7.1 Ethik § 2; 12.4 – § 10; 4.3; 4.3.2; 12.1.2; 13.4.1; 13.4.3; 16.4 Ethnizität § 7; 1.3-4; 3.2.2; 7.2; 10.4.2 Eucharistie s. Abendmahl Eutychianismus § 4; 5.1.1; 5.3.1; 9. Evangelisches Leben/vita evangelica § 6; 11.0; 13.1 Sachregister

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Exegese s. Schriftauslegung Exemtion § 6; 9.1-1.3; 10.0; 10.2.1 – § 7; 10.3 – § 8; 7.4 – § 9; 9.0 Exkommunikation § 2; 13.3 – § 8; 8.1; 8.1.2; 8.2; 9.1.4; 9.4.1; 12.2; 13.2.4; 14.3.2 – § 9; 6.4; 21.1.1; 12.2.2 Exorzismus/Exorzisten § 2; 11.7; 12.2 Fasten (s.a. Gelübde) § 2; 7.2-3; 10.2; 15.3.1 – § 8; 8.1.1; 10.1.1; 10.2.3; 12.3-3.1 Fegefeuer § 5; 12.3.1 – § 8; 8.2.3; 12.3.1 Fehdewesen § 9; 8.1.3 Feste, christl. s. Epiphanias, Fronleichnamsfest, Ostern, Pfingsten, Weihnachten Feudalität s. Lehnswesen Filialklöster § 6; 9.1; 9.1.3; 10.2-2.1; 10.3 Filioque § 5; 13.1; 13.3.3 – § 8; 6.2.2; 8.1.2-3; 8.2; 8.2.2-3 Finanzsystem, päpstliches § 8; 11.0-2.2; 11.3; 12.0-1.1; 12.3-3.1; 13.1; 14.3 Firmung § 2; 12.2; 12.7 – § 10; 9.1.3 Form-Materie-Schema § 10; 9.1.3; 10.33.1 »Franziskanerschule« § 10; 12.0 Fraterherren s. Devotio moderna Frau, Rolle/Bedeutung der § 2; 7.0; 11.8 – § 3; 5.2 – § 5; 5.1.1 – § 6; 1.3.2-1.4; 4.2; 6.1-1.1; 10.3; 11.1.2; 11.3; 12.; 13.3; 14.2.2; 16.1 – § 7; 4.1.1 – § 8; 7.3.1; 9.4.3; 10.2.3 – § 10; 18.1.2 Frauenbewegung, religiöse § 6; 4.2.1; 10.2; 12.; 16.1 Frauenklöster/-stifte § 6; 6.1.1; 6.3.1-2; 7.1.1; 8.6; 9.2.1; 10.1.2; 10.2; 10.3.3; 12.0-1.2; 13.3-3.2; 14.2.2; 15.0; 16.1.2 – § 7; 6.2.2 – § 10; 18.1 Friedelehe § 8; 6.2.1; 7.3-3.1 Fronleichnamsfest § 6; 12.3.1 – § 10; 9.2 Fürbitte § 3; 7.2; 9.5 Gallikanismus/Gallikanische Freiheiten § 9; 12.1.3 Gebetsverbrüderung § 9; 5.1.4 Gefolgschaft, german. § 9; 1.3-3.1 Sachregister

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Gehorsam s. Gelübde Geistliche Fürstentümer § 9; 4.0; 5.0-1; 5.2; 6.0; 6.6; 7.3.1 Gelübde § 6; 1.4; 4.3.2; 6.3.2; 6.5; 9.1.4; 10.2.3; 13.2.1; 15.2 – § 9; 9.0; 9.2 Gemeinde § 2; 1.1-4; 2.0-4; 11.1-7. Vgl. Pfarrei Gemeinde-/Familienaskese s. Askese Gentile Reiche § 1; 17.0 – § 2; 12.7; 14.1.3; 15.0 – § 4; 5.2 – § 5; 11.0 – § 7; 1.0; 1.4-5; 2.; 3.0; 3.1.1 – § 8; 2.2; 3.2 – § 9; 1.1; 1.3.1 Gentilreligion § 7; 1.3 Gerichtsbarkeit, kirchliche § 3; 11.1-1.1 – § 8; 7.5.3; 9.0; 9.2.2-3; 9.3.2; 10.3.12; 11.1.2; 11.2; 11.2.2; 12.2 – § 9; 1.2; 5.1.5-5.2.2; 7.3.1; 12.1.3; 12.2.4 Gerichtsbarkeit, staatliche § 8; 13.1.3 – § 9; 1.1; 12.1.2-4 Germanische Religion § 7; 1.3 Geschichtstheologie § 5; 6.4.2; 7.1.2; 8.2; 9.; 11.5 – § 6; 10.2.4; 12.4.1 – § 10; 4.1 Gesetz (theologisch) § 5; 6.2.1-2; 6.4.1; 7.2 – § 10; 6.2; 13.3.1; 13.4-4.3; 17.4 Gesetzgebung, christliche § 3; 11.2; 11.5.3; 13.2-2.3; 14.2-3 Glaubensbekenntnis § 1; 10.4 – § 2; 9.0; 9.2-2.3 12.4; 15.1 3 altkirchliche § 2; 9.2.3 antiochenische Formeln § 1; 12.3.1 s. Athanasianum s. Apostolikum des Eunomius § 4; 2.1.4 Gottschalcks § 5; 14.4.4 s. Nicaeno-Constantinopolitanum s. Nizänum s. Regula fidei s. Reichsdogma s. Romanum sirmische Formeln § 1; 14.1; 14.4 Glaubenskriege s. Kreuzzüge Glaubensnorm s. regula fidei Glaubensunterweisung s. Katechumenen­ unterricht Gnadenlehre §5; 1.1-3; 6.; 7.2; 7.3.2; 7.4; 7.4.2-4; 7.5-5.1; 10.0; 10.1-3 – § 10; 909

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9.0-1.3; 10.; 12.4.3; 13.4; 14.3; 16.4; 17.1.2-3; 17.5 Gnosis § 2; 4.2; 5.0-4.2; 6.2; 8.2.1 – § 8; 10.2.3 Götterkult (s.a. Heidentum) § 3; 2.0-2; 6.1; 9.1.3; 11.0; 11.4 – § 7; 1.3; 7.1.1-3 Götter, hellenistisch-römische: Apollo § 3; 2.1; 10.2 Baal (von Emesa) § 3; 4.4.2 Herkules § 3; 9.1.3 Isis § 3; 2.4; 4.4.2 luno § 3; 2.2 Iuppiter § 3; 2.2; 9.1.3; 11.2.2; 11.3 Mars § 3; 11.2.2 Merkur § 3; 11.2.2 Minerva § 3; 2.2 Mithras § 3; 2.4 Rhea § 3; 11.4 Serapis § 3; 13.2.3 Sol § 3; 10.1; 11.3 Tyche § 3; 11.4 Vesta § 3; 13.2.2-3 Gottesbeweise § 10; 2.2-2.2.3; 13.3.2; 14.1.3 Gottesdienst § 2; 11.5-7; 14.1-1.3; 15.01 – § 6; 3.2.2; 6.4.3; 7.2.3; 8.6.1 – § 7; 8.1.2 – § 8; 12.2; 14.3.2 Gottesfrieden § 9; 8.1; 8.1.3 Gottesgnadentum § 9; 2.2-2.3; 3.1; 3.1.2; 4.1 Gottlosigkeit § 3; 4.0-1; 4.2.1; 6.1; 7.1.1; 7.2 Gravamina nationis gerrnanicae § 8; 9.3.1; 11.1.2 – § 9; 12.2.4 Griechische Sprache u. Kultur § 5; 1.1; 1.4; 11.2; 13.1.1 – § 3; 1.4 – § 7; 8.1.2 – § 10; 11.2.1; 11.3.3; 19.0; 19.2; 19.4 Habitus § 10; 10.1.2; 10.3; 10.3.2; 12.1.1; 12.4; 12.4.3; 13.4-4.1; 14.3; 17.1.2-1.2 Häresie/Ketzerei § 1; 4.1; 5.1; 14.3; 17.4 – § 2; 3.2; 3.4; 4.1-2; 5.4.1; 5.5; 6.2; 7.23; 10.2; 10.5; 12.6.1; 13.0; 16.1; 16.3.2 – § 3; 11.5; 11.5.3; 13.2-2.1; 14.1 – § 4; 1.2; 6.1.2; 7.2.1; 8.1; 11.1.2; 11.3; 14.3 – § 5; 3.2; 7.3; 7.4.4; 8.2.2-2.3; 910

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13.3.3 – § 6; 11.3.2; 12.0; 12.2; 13.1.2; 13.2.3; 13.4.2; 14.0 – § 8; 6.2.2; 7.3.2; 8.1-1.2; 9.3.2; 10.0; 10.3-3.2; 11.3.3; 12.1.2; 13.1.2-1.3; 14.1.1-1.2; 14.3.2 – § 9; 7.3.3; 8.0; § 10; 13.1.1; 15.1.2; 16.1.2; 18.1.4; 19.3.2 Häretiker/-gesetze s.a. Ketzerbekämpfung § 3; 11.5; 11.5.3; 13.2-21 – § 8; 10.3.2 Hagiographie/Mönchsviten § 3; 5.22.2 – § 6; 2.1.3; 3.1.1; 7.2.1; 7.4-4.1; 13.1.1 Handarbeit § 6; 6.1.1; 8.6-6.1; 9.1.4; 10.1; 10.3.3; 12.2; 13.2.1; 15.1; 16.1.2 Handauflegung § 2; 11.2.2; 12.2; 12.3.4; 12.6-6.2; 12.7; 13.3 – § 8; 10.2.3 Handschrift § 1; 2.0; 5.1; 5.5.2; 8.2; 8.2.2; 10.5.2; 11.8 – § 5; 3.3; 4.0; 11.3; 13.0; 13.2.3 – § 6; 5.1.2; 5.3.3; 8.4.2; 16.3.1 – § 8; 1.2 – § 10; 19.4 Hedschra s. Hidjra Heidenbekämpfung s.a. Heidengesetze § 3; 12.2; 13.0; 13.1.1; 13.2.3; 14.2 – § 9; 9.0; 9.3; 9.3.2 Heidengesetze § 3; 12.2; 13.2.3; 14.2 Heidenkreuzzüge s. Kreuzzüge Heidenmission s. Mission Heidentum § 1; 3.3.1; 10.1 – § 2; 1.4.2; 2.0; 2.4; 3.1; 10.5.1; 12.4; 13.5.3; 15.3.3 – § 3; 7.0-7.2; 10.1; 10.3.3; 11.3; 12.2; 12.3.3; 13.0; 13.1.1; 13.2.2-2.3; 14.2 – § 5; 9.1-1.1 – § 7; 1.3; 3.3.2; 5.3; 6.2.1; 7.1.3; 9.1.1; 10.1; 11.2; 11.3.2; 11.4; 12.0-1.3; 12.3; 12.2.4 – § 9; 9.0; 9.3; 9.3.2 – § 10; 4.2.1; 13.1-1.1; 19.1; 19.3.1 Heiligenverehrung § 5; 12.2; 12.3.3 – § 6; 5.0; 6.4.1; 7.4-7.4.1; 11.3.2; 12.4-4.3 – § 7; 4.2; 6.2.4; 8.3.2; 9.2.1-2.2; 10.3.1; 10.3.3; 10.4.2; 11.3.1; 11.4 – § 8; 10.1; 13.1.2; 13.2.5 – § 10; 9.4-4.2; 18.2 Heiliges römisches Reich (dt. Nation) § 9; 12.2 Heiligsprechung § 6; 12.4.2; 13.1.3; 13.2 – § 9; 4.3.2; 13.2.1 – § 10; 5.1.1 Heilsgeschichte § 1; 3.0; 3.3.3-3.3; 4.0Sachregister

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4.1; 6.0-6.2; 7.1; 8.2; 12.1; 14.2; 15.2; 16.1; 16.1.2; 16.3; 18.2 – § 2; 4.3; 6.0; 10.1; 12.3.3 – § 3; 7.2 – § 4; 2.1.3; 4.2; 7.2.2 – § 5; 5.5; 6.1; 7.2; 14.2; 14.5 – § 6; 10.2.4 – § 7; 3.1.2 – § 8; 10.2.3 – § 10; 3.1; 6.2; 7.0; 7.1.2; 7.2; 12.2; 14.1; 14.1.3; 16.0 Henotikon § 4; 5.3.2; 11.2-2.3; 12.1 – § 8; 3.0-3.1; 15.2.2-2.3 Herrschaftsideologie. kaiserliche § 1; 10.2.3; 11.1; 11.4; 14.0-14.1 – § 3; 1.2; 2.3; 7.2; 10.1; 10.3; 11.0; 12.0-12.1; 13.2; 13.2.4; 14.1; 14.6-6.1 – § 4; 10.1.1; 11.2.3; 12.1.1; 13.1.1 – § 5; 9.3 – § 6; 5.2.2 – § 7; 3.1; 10.0; 10.2 – § 9; 1.0-1.3; 2.1-2.2; 3.03.2.3; 4.1-4.2; 4.3; 4.4.1; 7.0; 7.1.2; 7.3.3; 12.2; 12.3.2 Herrschaftsideologie. päpstliche (s.a. PapaIismus) § 6; 14.2; 14.2.3 – § 8; 4.0; 5.2-2.2; 8.2.2; 9.0; 9.2; 9.4; 13.0; 13.1.11.2; 14.3.1 – § 9; 6.1-1.2; 6.2.1; 6.3.3; 6.4.1; 6.6; 7.2-2.3; 8.4; 12.0-12.1 Herrschaftssymbolik. christliche § 9; 4.44.2; 6.2 Herrscherakklamation § 9; 4.4.1 Hesychasmus/-streit § 6; 5.4.4-4.5 – § 9; 10.3.2 Hidjra Mohammeds § 7; 5.1 (Hoch-)Stifte § 9; 5.0 Hofkapelle § 9; 2.2.4; 5.1.3-4; 5.2; 5.2.3 Hofschule in Aachen § 5; 13.2-2.2 – § 7; 7.3 Hoftage s. Reichstage Hohelied § 5; 2.2 – § 10; 5.0; 5.2 Homiliar § 5; 13.2.1 – § 7; 7.3 homoios kat‘ ousian/ὅμοιος κατ᾽ οὐσίαν/ ὁμοιούσιος § 1; 14.0-1; 14.3; 15.3 homoiosis/ὁμοίωσις § 1; 4.0; 4.1.1; 7.0 homousios/ὁμοούσιος bzw. Homousie § 1; 8.3.1; 9.0-9.2; 10.2.3; 11.4-4.2; 13.0; 14.0-14.1; 14.4; 15.0; 15.3; 16.1.2; 16.2; 17.3; 18.0-18.1 – § 4; 3.0-3.1; 6.2.3; 9.2.1; 10.3 Homotimie § 1; 16.1.2; 17.3 Hospitäler s. Krankenpflege Hospitalbruderschaft § 9; 9.3 Sachregister

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Hospitalorden § 6; 15.0-15.1 – § 9; 9.0; 9.2-2.1 Hostie § 10; 9.2 Hostienfrevel § 9; 11.3.2 Humanismus § 10; 17.0; 18.3; 19. Hundertjähriger Krieg § 9; 12.1.2 Hylemorphismus s. Form-Materie-Schema Hypostase/ὑπόστασις § 1; 7.0; 7.2.2; 8.; 9.1; 11.2.2; 11.4.1-4.2; 12.1-12.2; 12.3.112.4; 13.2.1; 14.3-14.4; 15.0; 15.2; 15.3; 16.0; 16.1.1; 16.2; 17.0; 17.2; 18.1; 18.4 – § 4; 2.2.2; 3.2; 4.2.2; 5.1; 7.1.2; 7.2.2; 8.3; 8.3.3-3.4; 9.2.2; 10.3.1-10.3.3; 11.2.2; 11.3.2; 12.1.1; 12.3.1; 12.4.2; 13.3 Hypostatische Union § 6; 7.2.2; 8.3; 8.3.3-3.4; 10.3.3; 12.3.1; 12.4.2; 13.1.2 Identifikationstheologie (Monarchianismus) § 1; 5.; 6.0; 6.3; 9.2 Idiorhythmie § 6; 5.3.2 Ikonodulismus/Ikonoklasmus s. Bilderstreit Immunität s. Kleriker Imperium Romanum § 1; 10.1; 17.2 – § 2; 2.0; 2.2-2.3; 2.5; 11.6; 15.0 – § 3; 1.11.3; 2.0-2.4; 3.0; 4.0-4.1; 6.0; 7.2; 8.2.2; 8.3; 9.0-9.1; 9.5; 10.0-10.1; 10.4.1; 10.5; 11.0; 11.5.3; 13.2; 14.0; 14.4 – § 4; 5.2; 11.0; 11.2; 13.0; 13.1 – § 5; 9.1.1; 9.3; 11.0 – § 6; 6.4; 6.4.2 – § 7; 1.0; 1.2; 1.4-1.5; 2.1-3.2; 2.2-2.1; 3.3.2; 4.1; 8.0 – § 8; 1.1; 2.2 – § 9; 1.0; 3.2.2; 6.5.3 – Abb. 5a-6b Inkarnation s. Christologie Inklusen/Reklusen § 6; 2.1.1; 12.1 Inquisition § 6; 11.3; 12.2.2; 12.4.2; 14.0; 14.2.3 – § 8; 10.0; 10.3-3.2; 12.1.2 Insignien, königliche § 9; 4.4-4.4.2 Institutum Neronianum § 3; 3.2 Interdikt § 8; 12.2; 13.2.4; 14.3.2 Interregnum § 9; 12.2.1 Inthronisation s. Salbung, königliche Investitur (s.a. Laieninvestitur) § 8; 7.1.2; 7.3-3.2; 7.5; 7.5.2 – § 9; 1.1; 1.3.2; 4.3.3; 5.1; 6.0; 6.2-2.2; 6.3.2-3.3; 6.5; 6.5.2; 6.6-6.6.3 911

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Investiturverbot § 9; 6.2.1-2; 6.5; 6.5.2; 6.6.1 mit Ring und Stab § 9; 4.3.3; 6.2-2.1; 6.6-6.1; 6.6.3 Investiturstreit § 8; 7.2; 7.3.2; 7.5.1; 7.5.3 – § 9; 1.1; 6.; 8.1.2 englischer § 9; 6.6.1 – § 10; 2.1.1 französischer § 9; 6.6.1 Islam § 4; 14.3; 15.0 – § 7; 5. – § 9; 8.0-1; 8.1.4; 8.2; 8.5 – Abb. 18 Jesusliebe/-frömmigkeit (s.a. Christusfrömmigkeit) § 6; 10.2.3; 16.0; 16.3 Judentum § 1; 1.1-2; 2.3; 3.1; 3.3.1; 4.2 – § 2; 1.1; 1.4.1; 3.; 5.1; 5.3; 11.2.2 – § 3; 2.4; 3.0-1; 4.4.2; 5.1; 7.1.1; 11.3; 14.2 – § 7; 9.1.1 – § 9; 8.2.3; 11. – § 10; 11.2.3 Judenschläger (s.a. Armleder) § 9; 11.3.2 Judenverfolgung/-gesetze §3; 3.1; 11.3; 13.2.3; 14.2 – § 8; 9.3; 10.3.2 – § 9; 8.2; 8.2.3; 11. Jungfrauen/Asketinnen § 2; 11.8 – § 6; 1.4; 3.1.1; 5.1; 6.1.1; 6.3.2; 6.5; 11.1.2; 12.2 Jungfräulichkeit s. Gelübde Jurisdiktionsgewalt/-primat, päpstliches § 2; 11.3-4 – § 4; 11.2.3 – § 5; 7.4.4 – § 8; 1.0-4; 2.0-1; 2.3; 3.3; 5.1-1.1; 6.1; 6.2.1-3; 6.3.3; 7.4-4.1; 7.5; 7.5.2; 8.0; 8.1.3; 8.2; 8.2.2-3; 9.0-1; 9.1.2; 9.2-2.2; 9.3; 9.4.1; 11.0; 11.2.2; 11.3; 12.0-1; 14.1.1 Kaiserideologie s. Herrschaftsideologie, kaiserliche Kaiserkrönung § 4; 11.1 – § 8; 5.2.2; 6.01 – § 9; 3.2-2.3; 3.3-3.1; 4.2.2; 4.4-4.2; 5.1.3; 6.6.2; 7.2.1; 12.2 Kaiserkult § 3; 2.3-4; 3.0; 4.0; 4.2-2.1; 4.3; 9.1.3; 11.3; Kaisertum, byzantinisches § 9; 3.2; 3.2.2-3 Kaisertum, lateinisches § 8; 8.0; 8.2 – § 9; 8.4.2; 10.2-2.3 Kalifat § 7; 5.1 912

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Kanon § 2; 4.0; 6.0; 6.3; 8.; 9.0; 10.0 – § 5; 11.1 – § 8; 8.2.3 Kanoniker/Kanonissen § 6; 8.0; 8.4.2; 8.7; 10.0; 10.3-3.2; 12.1.1 – § 8; 7.3.1 – § 9; 5.1.4 Kanonikerregel § 6; 7.1.1; 8.7 Kanonistik s. Kirchenrecht Kapitolinische Trias § 3; 2.2; 2.4; 4.2.1; 8.2; 9.3; 10.3.3 Kapläne § 8; 11.2.2 – § 9; 1.3 Kardinalskollegium § 8; 7.1-1.1; 7.1.45; 9.1.1; 9.4.2; 11.1.1; 11.2-2.1; 11.3; 11.3.2-3; 14.2; 14.3.2 Karolingische correctio („karol. Renaissance“) § 5; 13.0; 13.2 – § 7; 7.3-3.3 Katechumenat/Katechumenenunterricht § 2; 2.4; 9.0; 9.2; 10.5.1; 12.1; 12.4; 15.3.1 – § 5; 2.3 Katholizität/Katholizismus § 2; 1.5; 4.3; 11.2.1 – § 3; 11.5; 13.2.1 – § 5; 10.1.2 – § 6; 16.0 – § 7; 8.3 – § 8; 7.5.2; 9.3.2 – § 9; 3.1.2 Kelchverzicht § 10; 8.2.2 Ketzerbekämpfung/-gesetze § 1; 17.4 – § 2; 16.3.3-4 – § 3; 11.5-5.3; 13.1.2; 14.1 – § 4; 12.2; 12.2.2; 13.2; 14.2 – § 5; 7.4.4 – § 6; 14.0-1.1 – § 8; 9.1.3; 9.3; 9.3.2; 10.2.1; 10.3-3.3; 13.1.1; 13.1.3; 13.2.4; 13.2.6 – § 9; 7.3.3; 8.01; 12.2.2 Ketzertaufe/-taufstreit § 2; 12.6-6.2; 13.5.3 Ketzerverfolgung (s.a. Ketzerkreuzzug) § 6; 11.0; 11.3; 12.2.2; 12.4.2; 14.1 – § 8; 10.0-1.1; 10.3-3.2; 13.2.4; 13.2.6; 13.3.1; 14.2 – § 9; 7.3.3 Kirche/n (s.a. Ekklesiologie) einzelne: äthiopische § 2; 2.3; 2.5 – § 4; 15.4.3 angelsächsische § 7; 4.3 – § 8; 4.2 armenische § 4; 15.2-2.2 – § 9; 8.4.4 – Abb. 9.17 bulgarische § 7; 8.2 koptische § 2; 2.3 – § 4; 15.4-4.3 – Abb. 9 Sachregister

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russische § 6; 4.0 – § 7; 9.0; 9.22.3 – § 9; 10.0; 10.3.3 ostsyrische (»nestorianische«) § 4; 5.2; 10.0; 15.1-1.3 – Abb. 9 westsyrische (jakobitische) § 4; 5.2; 11.1.3; 15.1-1.1; 15.3-3.3; 15.4.1 Einheit § 1; 10.1; 10.2.2-3; 11.1; 14.01; 15.2 – § 2; 1.2; 4.2-3; 11.4 – § 3; 11.5-5.3; 12.0 – § 4; 5.0-1; 10.0; 13.1 – § 8; 8.2.1; 11.3; 14.2 Kirchenbau § 2; 15.0; 15.2 – § 3; 11.1; 11.1.1; 11.4 – § 4; 14.0-1 – § 6; 9.1; 10.2 – § 8; 7.2 – § 9; 1.1; 8.3.1 Kirchengut § 7; 6.0; 6.3.2 – § 8; 4.3; 7.33.2; 13.1; 13.2.3 – § 9; 1.2; 3.4.2; 5.2; 8.1.3; 12.1; 12.1.2; 12.2.5 Kirchenhoheit des Königs § 7; 3.2-2.1 – § 9; 3.4.2; 12.1; 12.1.3 Kirchenkritik § 6; 6.2; 11.0; 11.1.2; 11.23; 11.3.2; 12.4.3-4; 13.4.1; 16.0 – § 8; 10.1; 10.1.2; 10.2; 11.3; 12.2; 13.; 14.2 – § 10; 16.1; 16.1.2; 17.4 Kirchenprovinzen s. Erzbistümer Kirchenrecht/Kanonistik § 2; 11.6; 13.3; 16.3.2 – § 3; 14.6.1 – § 5; 1.0; 11.5 – § 7; 3.2.1; 7.3.1-3 – § 8; 1.0; 1.4; 6.1; 6.2.3; 7.0-1; 7.2; 7.3.1; 7.4.1; 7.5; 7.5.2; 8.2.1; 9.0-1.4; 9.2; 9.2.2; 9.3-3.1; 9.4.1; 10.2.1; 10.3.1-2; 11.2.2; 12.0-1 – § 9; 5.1.3-4; 6.2.1; 6.6.3; 11.2; 11.3.1; 12.1.3; 12.2.5 – § 10; 3.0; 3.2-2.2; 3.3; 4.2.2; 7.0; 11.1.3 Kirchenreform s. Erneuerung der Kirche § 1; 16.1 – § 4; 4.3 – § 5; 12.1 – § 6; 11.1; 12.4.4; 16.0 – § 8; 6.3.3; 7.0-1; 9.3; 9.3.2; 11.1.2; 13.0-1; 13.1.3; 13.22.1; 13.3.1 14.0; 14.1.2; 14.2; 14.3 – § 9; 12.1.3; 12.2.4 – § 10; 3.2 in England § 7; 4.3; 11.1.2 im Frankenreich § 5; 13.0 – § 7; 6.33.1; 7.0; 7.3 – § 9; 3.3 gregorianische § 6; 9.1.3; 9.2.2 – § 7; 11.4 – § 8; 7.0; 9.1.1 – § 9; 6.6.2; 8.1.2 – § 10; 3.2-2.1 Kirchenstaat § 8; 4.3; 5.2, s. Patrimonium Petri Sachregister

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Kirchensteuer § 8; 11.0; 11.2; 12.0-1.1; 12.2 – § 9; 11.1.3 Kirchenverwaltung § 8; 4.3; 7.0-1; 9.2; 9.2.3; 11.1.2; 11.2.2; 11.3.3 Kirchenzucht § 2; 7.2-3; 10.4; 16.1; 16.3.3-4 Klerikertum, reguliertes s. Kanoniker Klerus/Kleriker (s.a. Mönchsklerus) § 2; 7.3.; 11.0; 11.7; 16.3.1; 16.3.3 – § 8; 13.2.1; 13.2.5 – § 9; 1.3; 2.2.4 – § 10; 17.6 Immunität § 7; 7.1.3 Klerikergemeinschaft (vgl. Kanoniker) § 5; 5.4 – § 6; 6.1.3; 6.5; 8.7; 9.3.2; 10.3.1 Privilegien § 3; 11.1.3 – § 9; 5.1.5-5.2 Klerusreform § 5; 12.1-3 – § 8; 6.3.4; 7.2; 7.3.0-2; 7.4.2; 9.1.1; 9.3.2; 14.3.2 – § 9; 11.1.3-4 Klerikerverfolgung § 3; 8.2.2-3; 9.3.2 – § 7; 2.4.2 – § 8; 13.3.0-1 Kloster § 5; 13.1-13.1.1 – § 6; 2.2.2; 3.; 4.3-3.3; 5.1-1.2; 5.3-3.3; 6.1; 6.3.1; 6.4-4.3; 6.5; 8.1-2; 8.6; 9.0-4; 10.0-1; 12.1 – § 9; 1.1; 5.0; 5.1.5 – § 10; 5.1 als Missionszentrum § 6; 8.3 – § 7; 3.2; 3.3.1; 4.2; 6.1-2; 6.2.2; 7.1.4 als Bildungszentrum § 5; 11.0; 11.3; 13.1-1.1; 13.2; 13.2.4 – § 6; 4.3; 8.3; 8.4.2 als Kulturzentrum § 7; 4.3.1; 6.2; 6.2.2; Klosterreform/Erneuerung § 6; 7.0; 8.0; 8.4-4.1; 8.5.2; 9.0; 9.2; 9.3-3.2; 10.2.1; 10.2.3; 15.3; 16.2 – § 7; 6.3.1 – § 8; 7.0; 7.1.1 – § 9; 4.3.2-3 Klosterverband § 6; 3.1.1; 3.2; 5.0; 9.11.3; 9.2-2.2; 15.3 Königsdienst § 9; 5.1; 5.2 Königsgüter § 9; 3.4.2; 6.3.1; 7.1 Königskanonikat § 9; 5.1.4 Königskloster § 6; 8.4.1; 9.3.2 Königsrechte § 9; 7.2.2; 7.3.1 Königswahl § 9; 5.1.3; 6.5.1; 7.2.2; 7.3.1; 11.2; 11.2.2-3 Könobitentum § 6; 2.2.2; 3.0; 3.1.3; 3.2; 913

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4.0; 4.2; 5.0; 5.1.1; 5.3.3; 6.3.2; 6.4; 6.5; 7.1; 9.0; 9.4; 10.0; 10.2 Kolonisation § 6; 8.4.1; 10.2 – § 7; 3.3.12; 9.0; 10.0; 12. Kommendation § 9; 1.3.2 Kommentar § 2; 10.4; 10.5.2 – § 4; 3.1; 4.1; 4.2.1; 7.2.1 – § 5; 1.3; 2.2; 3.2; 6.2.2; 7.1.1; 7.3.2; 11.1-2; 13.1.2; 13.2.2; 14.1; 14.5.1 – § 6; 5.4.1-2 – § 8; 9.4.1 – § 10; 3.1; 4.2.2; 4.3.1; 6.1; 7.1.1; 7.2; 11.2.3; 11.3.2; 12.1.1; 12.2-3.1; 13.11.1; 13.3.1; 13.3.3; 14.1.1; 16.1.1-1.2; 17.1.2; 17.2.1; 17.3-3.2; 17.5 Kommunion (vgl. Abendmahl; Kelchverzicht; Laienkelch) § 6; 16.3.1 – § 8; 9.3; 13.2.1; 13.2.6 – § 10; 8.2.2; 18.2 Konfession § 2; 12.6.2 – § 5; 4.2; 11.0 – § 7; 2.1; 2.4.2; 5.1; 9.0 – § 8; 13.3 Konfessoren (Bekenner) § 2; 13.4.0-2 – § 3; 5.2.2; 8.2.2-3 Kongregationen § 6; 9.4; 10.3.1; 15.3.1-2 Konkomitanzlehre § 10; 8.2.2 Konkordanzmethode § 10; 3.2-2.2; 4.2.2; 17.3 Konkordat Benevent 1156 § 9; 7.1.1 Wiener 1448 § 9; 11.2.4 Wormser 1122 § 9; 6.0; 6.6; 6.6.3; 7.0; 7.2.2 1516 § 9; 11.1.3 Konkordienformel § 5; 7.5 Konkubinat, priesterliches § 8; 7.1.4; 7.3-3.1; 7.4; 14.3.2 Konstantinische Schenkung/Constitutum Constantini § 8; 3.2; 5.2; 5.2.2; 6.3; 7.5.2 – § 9; 4.2.2 – § 10; 19.2 Konstantinische Wende § 2; 2.4; 15.2 – § 3; 7.2; 10. Konsubstantiation § 10; 8.2.1; 8.3.2 Kontemplation/ konternplatives Leben § 5; 5.2 – § 6; 5.4; 5.4.3-5; 6.1.1; 6.4.3-4; 10.1; 10.1.2; 10.2.3; 13.0; 13.3; 14.2; 16.2; 16.3.2 – § 10; 5.1; 5.2; 17.2.1; 18.0 Konventuale s. Franziskaner Konversen s. Laienbrüder/-schwestern 914

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Konzeptualismus § 10; 4.2; 16.3 Konzillien s. Synoden Konziliarismus § 8; 8.2.3; 11.3; 11.3.3; 14. – § 9; 11.1.3 11.2.2; 11.2.4 – § 10; 17.0; 17.2-2.1 Verurteilung § 8; 14.3.2 Koran § 7; 5.1 – § 10; 19.5 Kosmologie § 1; 2.1; 3.1-3; 3.3.1; 7.1 – § 2; 5.5.1 – § 6; 6.2-2.1; 12.4.1 – § 10; 2.2.1 Krankenpflege § 2; 11.8 – § 6; 3.2.1; 4.2.2; 5.3; 12.2; 12.4-4.2; 15.2-2.2 – § 9; 8.1.1; 9.0; 9.2-2.1; 9.3-3.1 Kreuzfahrerherrschaften § 8; 8.1.3; 8.2; 9.3.1 – § 9; 8.3.1; 8.4.0-4; 8.5; 9.1; 9.2 – Abb. 26 Kreuzzüge/ Kreuzzugsbewegung § 6; 9.4; 15.0-1 – § 7; 11.4; 12.0-1; 12.1.2; 12.2.1-3 – § 8; 8.0-1; 9.3; 9.3.2; 9.4; 9.4.2; 10.0; 10.3; 12.3-3.1 – § 9; 6.5.2; 7.1; 7.3.3; 8.; 9.0-1; 9.2.1; 9.3; 10.0; 10.2-2.2; 10.3.2; 11.2.2 (sog. 1.) § 9; 8.2-2.4 (sog. 2). § 9; 8.3; 8.3.2 (sog. 3.) § 9; 8.4 (sog. 4.) § 9; 8.4; 8.4.2; 10.0; 10.2-2.1 (sog. 5.) § 9; 8.4; 8.4.3 (sog. 6.) § 9; 8.4; 8.4.3 Albigenserkreuzzüge § 6; 11.2-3; 14.1; 14.1.2 – § 8; 10.3; 10.3.3 – § 9; 8.4.3 Baltikumskreuzzüge § 7; 12.2-12.2.2 – § 9; 8.4.3; 9.3 Bauernkreuzzug § 9; 8.2.2 Ketzerkreuzzug § 8; 10.0; 10.3; 10.3.3; 13.2.4; 13.3-3.2 – § 9; 11.2.2 Kinderkreuzzug § 9; 8.4.3 Reconquista § 7; 5.4.2 – § 9; 6.1.2; 8.3; 8.4.3 Wendenkreuzzug § 7; 12.1; 12.1.2 – § 9; 8.3 Kreuzzugsablass s. Ablass Kreuzzugsgelübde § 9; 7.3.3; 8.4.3 Kreuzzugsidee § 8; 9.4.1 – § 9; 8.0; 8.1.2-3; 8.3.1; 9.3.2 Kreuzzugskritik § 9; 8.3 Sachregister

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Kreuzzugspredigt/-propaganda § 6; 12.4.4 – § 7; 12.2.4 – § 9; 7.3.5; 8.2; 8.2.2; 8.3.2; 8.4; 9.1-1.1; 10.2.1 – § 10; 5.0 Krieg, heiliger/gerechter § 5; 4.1 – § 7; 5.1 – § 9; 8.1; 8.1.2 Kriegsdienst, christlicher vgl. Ritterorden/tum Krönung, königliche § 9; 4.4-4.2; 5.1.3; 7.2.3 Krönung, kaiserliche § 8; 5.2.2; 6.1 – § 9; 3.2-2.3; 3.3.1; 4.4.2; 11.2; 11.2.2 Krönungsordines § 9; 4.4.1; 6.2 Kult/Religion, röm. § 2.4??? – § 3; 2.; 4.0; 4.4; 6.0-1; 7.1.1; 8.0; 8.2-2.1; 8.4; 9.1.3; 12.3-3.1; 13.2.2-3 Kurfürsten/-tümer § 9; 11.2; 11.2.3-4 Kurie § 8; 7.0; 9.0-1; 11.1.3; 11.2-2.2; 11.3-3.2; 12.1-1.1; 14.0-1 – § 9; 11.2.4 Kurverein von Rhens 1338 § 9; 11.2.3 Kynismus § 3; 5.1 – § 6; 1.3.2 Laienbewegung § 6; 11.3; 12.0 – § 8; 13.1 – § 9; 9.1 – § 10; 18.1.4 Laienbruderschaft § 6; 13.2.2 – § 9; 9.3.1 Laienbrüder/-schwestern § 6; 9.4; 13.2.2; 14.0; 14.2.1 Laienfrömmigkeit s. Volksfrömmigkeit Laiengenossenschaft § 6; 11.1.2 Laieninvestitur (s.a. Investitur) § 8; 7.3; 7.3.2; 7.5 – § 9; 6.0; 6.2.0-2; 6.4.1; 6.5; 6.6.2 Verbot § 9; 6.2.1-2; 6.5 Laienkelch § 8; 13.2.1; 13.2.6; 13.3-3.2 – § 10; 8.2.2 Laienpredigt § 6; 11.0; 11.3.1-2 Landfriedensbewegung § 9; 8.1.3 lapsi § 2; 12.6.2; 13.4-4.3; 16.1-2 – § 3; 8.2.3 Lateinische Sprache § 1; 6.0; 12.5 – § 2; 9.2.3; 10.2 – § 3; 1.4 – § 4; 13.1.1 – § 5; 1.0; 3.0-3; 5.1.1; 11.1.1; 13.2.3 – § 6; 8.4.2 – § 7; 2.3.1 – § 10; 11.1; 19.2 Lateinisches Kaiserreich/Lat. Herrschaften § 8; 8.1; 8.2-2.3; 9.3.1 – § 9; 8.4.2; 10.0; 10.2-2.2 – Abb. 27 Laura/en § 4; 12.4.1 – § 6; 5.1.1; 5.3.3 Sachregister

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Legaten § 8; 7.4; 7.5.2 Lehnseid § 8; 7.4.3 – § 9; 6.1-1.1 Lehnswesen/-hoheit § 8; 7.4.3; 9.1.3; 9.2.1 – § 9; 1.3-3.2; 6.1-1.2; 6.6-6.1; 6.6.3; 7.2.3; 8.3.1; 11.1.2 – § 10; 2.3 Lektoren § 2; 11.0; 11.7 libertas ecclesiae § 8; 7.0; 7.2 libertas gallicana § 9; 11.1; 11.1.3 Liturgie (vgl. Gottesdienst) § 2; 9.1-2.1; 12.2; 14.1; 14.1.2-3; 15.1 – § 5; 14.2 – § 6; 9.1; 9.1.4 – § 8; 7.5.2; 8.1.3 Liturgiekritik § 6; 10.1.2; 10.2.1 – § 8; 10.1.1 Mozarabische § 7; 2.2.4 Liturgiereform § 7; 7.3; 7.3.3 Logik § 1; 7.1 – § 10; 1.0; 2.1; 3.3.1-2; 11.2; 12.1.2; 15.3.2; 16.2-3; 17.1 Logoslehre s. Christologie Mailänder Edikt/ Vereinbarung § 3; 10.44.1 Mandäer § 2; 5.1 Manichäismus § 2; 5.5; 5.5.2-3 – § 3; 9.2; 11.5 – § 5; 1.1; 5.1.2-2.1; 5.4-5 – § 6; 1.2.1; 1.4; 6.2 – § 8; 10.1-1.1 Marienfrömmigkeit/-verehrung/Mariologie (s.a. Theotokos) § 4; 2.3.1; 5.3.1; 6.0-1.1; 6.2.3; 7.1-1.1; 8.3.3; 10.3.1 – § 6; 9.1.4; 15.1-1.1 – § 8; 12.3.2 – § 10; 14.2.2; 18.2 Markioni(ti)smus § 2; 2.2; 4.2-3; 6.; 8.0 – § 4; 1.1.1 – § 6; 1.4 Martyrium/Märtyrer § 2; 7.2-3; 11.8; 12.1; 15.3.2; 16.3.1 – § 3; 3.2; 4.4; 5.; 8.2.2; 9.3.1; 10.5 – § 5; 12.2.3 – § 6; 6.2.2 Märtyrerakten u. -berichte § 3; 4.3; 5.22.2; 7.1.2 Martyriumstheologie § 3; 5.1 Märtyrertitel § 3; 5.0-1.2 Märtyrerverehrung § 2; 15.3.2; 15.4 – § 3; 4.4; 5.0; 6.1 – § 4; 14.1 Mathildische Güter § 8; 9.2.3 – § 9; 6.1.1; 6.6.2; 7.1.1; 7.2.2 – Abb. 21b Meditation § 6; 1.3.1; 16.1.2; 16.3; 16.3.2 – § 10; 6.1 915

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Mendikantenturn s. Bettelorden Messe s. Gottesdienst Metropolit (vgl. Erzbischof) § 2; 11.3; 11.6 – § 7; 9.2 – § 8; 1.4; 7.4; 7.5.4 – § 9; 5.1.4; 6.2 Miaphysitismus s. Christologie militia Christi § 9; 9.0 Minoriten/Minderbrüder s. Bettelorden Mission/Ausbreitung des Christentums § 2; 1.4.2; 2.0-3; 2.5 – § 3; 6.2 – § 6; 7.3; 8.0; 8.2; 8.3-4.1; 11.3; 13.1.3; 14.0; 14.2.3 – § 7 – § 9; 4.3.2; 4.4.2; 5.1.3 in Aksum/Äthiopien § 2; 2.5 – § 4; 15.4.3 unter Alemannen § 7; 3.1; 3.2.2 unter Angelsachsen § 5; 13.1.2 – § 7; 4.1; 4.3 – § 8; 4.2 Arabiens § 4; 15.3.2 Armeniens § 2; 2.5 – § 4; 15.2.1 unter Awaren § 7; 7.2 Bayerns § 7; 3.2.2; 3.3; 3.3.2 unter Böhmen § 7; 10.3-3.3 – Abb.19 unter Bulgaren § 7; 8.2-2.1 unter Burgundern § 7; 3.1 im Burgenland/Siebenbürgen § 9; 9.3.2 byzantinische § 9; 10.1 Chinas § 4; 15.1.3 unter Dänen § 7; 7.4; 10.1.1; 11.2 Englands § 5; 12.0 – § 7; 4.0-1; 4.3.0-1 unter Esten u. Letten § 7; 12.2.1 unter eurasischen Steppenvölkern § 7; 9.1.1 unter Franken § 7; 3.0-1; 3.1.2; 3.2.2; 3.3; 4.0; 6.1; 7.3 – Abb. 19 unter Friesen § 7; 6.1-1.2; 6.3.2; 7.1.5 in Georgien § 2; 2.5 unter Goten § 2; 2.5 – § 7; 1.0; 2.1-1.1 Hessens § 7; 6.1; 6.1.2; 6.2.1 im Himyritenreich § 2; 2.5 Indiens § 4; 15.1.3 Irlands § 7; 4.0; 4.2 Islands § 7; 11.3.2 unter Kroaten § 7; 8.3-3.1 unter Langobarden § 7; 2.5; 3.3.1 unter Litauern § 7; 12.2; 12.3 Mährens § 7; 8.1 916

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unter Normannen § 7; 11.1 Norwegens § 7; 11.3-3.1 in Nubien § 2; 2.5 – § 4; 15.4.3 im Perserreich § 2; 2.5 – § 4; 15.1.3 Polens § 7; 10.4-10.4.1 Pommerns § 7; 12.1.3 in Preußen/ Baltikum § 7; 10.0; 12.22.2 – § 9; 9.3; 9.3.2 – Abb. 20 Russlands § 7; 9.0; 9.1.2-3; 9.2-2.2 Sachsens § 7; 7.0-1.4 Schlesiens § 7; 12.1.5 Schottlands § 6; 7.3.1 – § 7; 4.0 Schwedens § 7; 7.4; 10.1.1; 11.4 unter Serben § 7; 8.3; 8.3.2 Skandinaviens § 7; 7.4; 11. – Abb. 20 unter Slawen § 7; 1.2; 3.3.2; 7.2; 9.; 10.0-2; 10.4; 12.0; 12.1.4 – § 9; 4.2; 4.3.2 unter Sweben § 7; 2.2.3 unter Thüringern § 7; 3.2.2; 6.1; 6.1.2; 6.2.1 Ungarns § 7; 10.1.3; 10.4; 10.4.2 urchristliche § 2; 1.4.3; 2. Wenden § 7; 12.1-1.2 Missionsbistümer § 7; 3.3.1; 7.1.4; 10.1.2; 10.2; 10.2.2 – § 9; 4.2.1 Missionskriege s. Kreuzzüge Missionspolitik § 9; 4.2.1; 4.2.3 Missionstätigkeit der Angelsachsen § 6; 8.3 – § 7; 6.0-1 – § 8; 4.2 der Byzantiner § 7; 8.1.1; 8.2; 9. der Deutschen § 7; 10.; 12. – § 9; 4.3.2 der Franken § 7; 3.3; 7.4; 8.2 der Iroschotten § 6; 7.3; 8.3 – § 7; 3.3; 4.2-3.1; 6.1 der Muslime § 7; 5.2-4 Mittelplatonismus § 1; 3.1; 6.1; 7.0-1; 13.2.1 – § 3; 6.2; 7.1.1 Modalismus s. Christologie Mönch, Begriff § 6; 1.1 Mönchsgelübde s. Gelübde Mönchsmystik s. Mystik Mönchsregeln Augustin (RA) § 6; 6.5; 7.0-1.1; 7.2.2; Sachregister

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8.0; 10.3-3.3; 14.1; 14.1.2; 14.2.1; 15.1; 15.2.1; 16.2 – § 9; 9.2.1 Basilius § 6; 4.0; 4.3-3.3; 7.2.2 Benedikt von Nursia (RB) § 6; 7.0; 7.2; 7.2.2-4; 7.3.3; 8.0; 8.5-5.2; 8.6-6.1; 8.6.3-4; 8.7; 9.0; 9.1.1; 9.2; 9.2.2; 9.3-3.2; 10.0; 10.1.2; 10.2-2.1; 12.2.1; 15.3.1 – § 7; 6.3.1 Cäsarius von Arles § 6; 7.1; 7.1.3 Cassianus § 6; 6.4.3 Columban § 6; 7.2.4; 7.3; 7.3.3; 8.2 des Deutschen Ordens § 9; 9.3-3.1 Eustathius § 6; 4.1 Franziskanerorden § 6; 13.0-1; 13.1.3; 13.2-2.1; 13.4.1-2 Johanniterregel § 9; 9.2.1; 9.3.1 Kartäuserorden § 6; 10.1; 10.1.2 Klarissen § 6; 13.0; 13.3-3.2 Magisterregel (RM) § 6; 7.0-1; 7.1.2; 7.2; 7.2.2-3 Mischregeln § 6; 7.0; 7.2.4; 7.3.3; 8.2; 8.5.1-2 Pachomius § 6; 3.0; 3.1.2; 3.2.4; 6.3.2 Ritterorden § 9; 9.0 Templerregel § 9; 9.1.1; 9.2.1; 9.3.1 Typikon des Studiosklosters § 6; 5.3.2 Zisterzienserorden (Charta caritatis) § 6; 10.2; 10.2.2 Mönchsviten s. Hagiographie Mönchtum § 2; 2.4; 2.5; 13.5 – § 4; 6.2.1; 11.1 – § 6 – § 8; 13.1.1-2; 13.2.5 – § 9; 9.0 – Abb. 12-16 Monarchianismus (s.a. Identifikationstheologie) § 1; 5.0 Monastische Theologie § 1; 17.3 – § 6; 4.2; 10.2.3 – § 10; 1.1.3; 5.1 Monastisches Gemeinschaftsleben/Könobitentum § 6; 2.2.2; 3.0; 3.1.1-3; 3.2; 4.2; 5.0; 5.1.1; 5.3.3; 6.3-4; 6.5; 7.1; 7.2; 7.2.3; 8.4.1; 10.2; 10.3; 12.2; 15.2 Monenergismus/Monotheletismus s. Chris­tologie Monepiskopat § 2; 4.0; 4.3; 7.3; 11.0; 11.2; 11.3-4 Monophysitismus s. Christologie Sachregister

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Monotheismus § 1; 10.1; 11.2 – § 3; 10.1; 10.3.3; 12.3.1 Montanismus § 1; 2.4 – § 2; 2.2; 4.2-3; 7.; 8.2.1; 10.0; 10.2; 11.3; 13.0 Mozzarabisches Christentum § 7; 5.4 Münzrecht § 9; 5.2; 7.3.1 Mysterienkulte § 2; 12.3.2 – § 3; 2.0; 2.4 Mystik § 4; 11.4; 13.3 – § 5; 2.2; 12.1; 14.5.2 – § 6; 5.4-4.3; 10.2.3; 12.0; 12.3-3.2; 14.2.2; 15.1.2; 16.1.1-2; 16.3 – § 10; 5.0-2; 6.0-1; 6.3; 12.3; 15.; 17.2.1-2; 18.0-1.4 Nachfolge Christi § 2; 1.1 – § 5; 13.3.1 – § 6; 1.1; 4.2; 9.3.2; 11.3; 13.0; 13.1; 13.1.3; 16.0; 16.3 – § 9; 8.2.1 – § 10; 5.1.2; 5.2; 17.4; 18.1.2-3 Naherwartung (Parusieverzögerung) § 2; 1.2; 1.4; 7.0 Naturrecht (lex naturalis) § 9; 11.3.2 – § 10; 12.4.1 Negative Theologie § 2; 5.4.2 – § 4; 11.4 – § 6; 5.4.2 Neuarianismus (s.a. Heterousianer, Anhomöer) § 1; 14.2 Neochalkedonismus § 4; 5.3.3 neunizänisch (s.a. Neunizäner) § 1; 16.0; 16.1.1; 16.2; 17.0; 18.0; 18.2.2 – § 3; 13.1.2 Neuthomismus § 10; 13.1.3; 13.4.2 Nepotismus § 8; 9.4.4; 11.1.1; 11.2 Nestorianismus (s. a. Dyophysitismus) § 4; 4.2.1; 5.1; 5.2; 5.3.1; 6.0; 9.0; 9.1.1; 9.1.3; 10.0; 12.1.2; 12.3.2; 14.2.3; 15.1-1.1; 15.1.3 – § 5; 13.3.2 Neuplatonismus § 1; 7.0; 7.2-7.2.3; 18.0; 18.4.1 – § 4; 11.4 – § 5; 1.1; 1.4; 5.2; 5.2.2; 5.5; 11.2; 14.5; 14.5.2 – § 6; 1.3.1 – § 10; 11.2-3; 12.0-1; 13.1; 19.3 Nicaeno-Constantinopolitanum § 1; 17.0; 17.3; 18.4 – § 13.3.3 Niederkirchenwesen s. Eigenkirchenwesen Nika-Aufstand § 3; 14.6.1; 14.6.4 – § 4; 12.2.2 Nikolaitismus § 8; 7.3-3.1 917

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Nizänertum § 1; 10.3; 18.0; 18.2; 18.2.2 – § 7; 2.2; 2.2.4; 2.5; 3.0-1 Nizänerverfolgungen § 7; 2.4; 2.4.2 Nizänum § 1; 10.2.4; 11.4-4.1; 12.5; 13.0; 14.0; 15.0; 15.2-4; 16.0-1.2; 17.0; 17.2-3; 18.0-2 – § 2; 9.2.2 – § 3; 11.5.2; 12.1; 13.1.1-2 – § 4; 3.0; 10.0; 10.2 – § 7; 2.2.4 Nominalismus § 8; 13.2.2 – § 9; 11.3.2 – § 10; 1.2-2.1; 14.1.2; 16.3; 17.1-1.1; 17.2.2; 17.5 Novellen § 3; 14.6.3 Noviziat § 6; 4.3.2; 7.2.3; 13.2.1 Oblateninstitut § 6; 8.6.3 Obödienzen/Pisaner/Avignoneser § 8; 11.0; 11.3; 11.3.3; 13.2.3; 14.2 Observanzbewegung § 6; 13.0; 13.3.2; 13.4.2; 15.3-3.2; 16.0; 16.2 Ockhamismus (s.a. Ockhamisten) § 10; 16.0; 17.1-1.3 Olympische Spiele § 3; 13.2.2 Ontologie § 1; 7.0; 7.2.1-2; 8.3-3.1; 10.1; 10.2.3; 13.2.1; 14.0-1; 14.3-4; 15.2-3; 16.0-1; 18.3-4 – § 2; 5.3 – § 4; 3.2; 11.3.2; 11.4; 12.1.1; 14.2.3; 14.3.2 – § 5; 5.2.2; 5.5; 6.1; 11.1; 14.5.1-2 – § 10; 1.0; 1.2.1; 2.2; 2.2.2-3; 12.3.2; 13.22.2; 13.3.2-3; 13.4; 5.1; 15.1.6; 18.1; 18.1.2; 18.1.4; 18.2; 15.0; 15.2; 18.1.1 Opfer, Opferkult, Messopfer § 2; 1.4.2; 11.5; 13.5.2; 14.1.3; 14.3-3.2; 15.4; 16.3.3 – § 3; 4.2.1; 4.4.1; 5.1; 5.2.2; 7.1.1; 8.0; 8.2-8.3; 9.1.3; 9.3-3.2; 10.3.3; 11.2.2; 11.3; 12.2; 13.2.3; 14.2 – § 5; 12.3.1; 14.2; 14.3.1 – § 6; 8.6.3 – § 8; 13.1.2 – § 10; 8.3-3.2; 9.2; 12.4.2 Orden § 6; 10.; 13.2 – § 8; 11.3; 12.1.1; 13.1.2 (einzelne Orden s. Namensregister) Verbot d. Neugründungen § 6; 13.1.3; 14.1; 15.1.1 Orden der Deutschen Brüder s. Deutscher Orden Ordensherrschaft, preuß.-livländ. § 7; 12.2-2.2 – § 9; 9.3.2 918

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Ordenstracht § 6; 10.0; 10.1.2; 10.2.1; 13.3.2 – § 9; 9.0; 9.2.1; 9.3.1 Ordination/Priesterweihe § 2; 11.2; 11.2.2; 11.6 – § 6; 8.6.1 – § 8; 7.3.2 – § 9; 1.1 – § 10; 9.1-1.1; 9.1.3 ordo monasticus § 6; 8.6 Origenismus/-isten § 1; 9.1; 10.2.2-3; 10.3; 11.0-1; 12.0-1; 13.0; 13.2.1; 13.3.1; 14.0; 14.3; 15.0; 15.2; 15.4; 16.1 – § 5; 7.4.2 – § 7; 2.1.1 Origenistischer Streit § 2; 10.5 – § 4; 4.3.2; 12.4.1 – § 5; 3.2 Ost-West-Gegensatz § 1; 10.2.2; 12.; 14.4; 16.1.3 – § 9; 8.2; 10.0; 10.2 Ost-West-Schisma s. Schisma Ostern/Ostertermin § 2; 11.3; 12.2; 14.2; 15.3-3.1 – § 5; 11.5 – § 6; 5.; § 7; 4.33.1 – § 8; 1.2; 9.3.2 Ostkirche § 4; 5.3 – § 5; 13.3.3 – § 7; 8.; 9.0 – § 8; 1.0; 6.2.2; 8.; 9.3 – § 9; 8.1; 8.2-2.1 Ottonianum, Pactum § 8; 6.3.2 – § 9; 4.2.2 Palamismus § 6; 5.4.5 Palliumsverleihung § 7; 6.2.1 – § 8; 7.4; 7.4.2; 8.2.1; 9.2.2 Papalismus/Papatologie (s. Herrschaftsanspruch des Papstes) § 8; 9.0-1; 9.1.2; 9.2.1; 9.4.4; 11.0; 14.0-1 – § 9; 7.1.1 Papst/tum § 5; 12. – § 6; 13.0 – § 7; 2.3; 6.0; § 8 Papsttumskritik § 8; 7.5.3; 9.1.2; 9.4.3; 11.0-1; 11.3; 12.0-1; 13.01.2; 13.2.5; 14.1.1 – § 9; 7.3; 11.11.1; 11.2; 11.2.2; 11.2.4; 11.3; 11.3.2 – § 10; 16.1 Jurisdiktionsprimat § 2; 11.3 – § 4; 6.2.1; 11.2 – § 5; 7.4.4; § 8; 6.2.1; 6.3; 6.3.3; 7.5; 7.5.2; 9.2 Lehrprimat § 5; 7.4.4 – § 8; 2.1; 7.4.1 Namensänderung d. Päpste § 8; 6.3.1 Papstliste § 2; 11.4 – § 7; 3.2 – § 8; 6.0 Papstreisen § 8; 3.3; 7.4 Reform § 8; 9.4.3; 11.1.2; 12.0; 13.2.5 Papstschisma s. Schisma, päpstliches Sachregister

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Titel § 8; 1.4; 4.0; 9.2 Papstkirche § 6; 13.4.1 – § 8; 9.; 10.0; 10.3; 12.0-1; 13.0; 13.1.2; 14.1.1 – § 9; 6.4.2 – § 10; 17.4 Papstwahl § 8; 6.3.5; 7.1; 7.1.4-5; 7.5.2; 9.1.4; 9.4; 11.2.1; 11.3; 11.3.2; 14.3.2 – § 9; 4.2; 4.2.2 Papstwahldekret 1059 § 8; 7.1; 7.1.45; 7.5.1 – § 9; 6.3.3 Papstwahldekret 1179 § 8; 9.1.4; 11.2.1 Papstwahldekret 1274 § 8: 11.2.1 Parteien (im trin. Streit) § 1; 10.3 Passa s. Ostern Passionsfrömmigkeit § 6; 16.0; 16.3 – § 10; 18.2 Patriarchate § 1; 17.2 – § 3; 14.1; 14.6.1 – § 4; 4.0; 4.3; 4.3.2; 5.2; 6.0; 8.1; 9.0; 9.1.2; 11.1-1.3; 11.2-2.3; 15.3.1; 15.44.1 – § 7; 8.2-3 – § 8; 1.0; 1.4; 3.3; 4.0; 5.2.2; 6.2.2; 8.2-2.3 – § 9; 10.3.3 patricius Romanorum § 9; 2.2.3 Patrimonium Petri § 7; 2.5 – § 8; 4.0; 4.3; 5.0; 5.2-2.2; 6.3.2; 7.5.1; 9.2.3; 11.0; 11.1.3; 11.3-3.2; 12.1-1.1 – § 9; 2.2.; 4.2; 7.2; 7.2.2; 7.3; 7.3.3 – Abb. 21a.21b.23.25 Patronat § 8; 9.1.3 – § 9; 1.1; 11.2.5 Paulusrenaissance § 5; 1.3 Pelagianischer Streit § 5; 1.2-3; 6.0; 6.4; 7. Pelagianismus § 2; 13.0 – § 4; 6.2.1 – § 5; 1.1; 5.4; 7.; 10.2 – § 10; 16.4 Peregrinatio propter Christum s. Wander­ predigt Perichorese § 4; 14.3.1-2 persona § 1; 6.0; 6.2; 18.0-1; 18.2.1; 18.3; 18.4-4.1 – § 4; 1.3-3.1 – § 5; 11.2 Pest, Große/»Schwarzer Tod« § 3; 4.4.1; 14.6.4 – § 6; 15.0 – § 8; 12.3.2; 13.0 – § 10; 16.1.2 Petrusnachfolge § 8; 1.; 2.1; 2.3; 4.2; 5.2.2; 6.0; 7.5; 7.5.3; 9.4.4 – § 9; 6.1; 7.2; 8.1.2 Pfarrei/Pfarrer § 6; 8.4.1 – § 7; 6.2; 7.1; 7.3.2 – § 8; 7.3.1; 12.0 – § 9; 1.1; 1.3 Pfründen § 8; 7.3; 7.3.2; 11.1.1; 11.2.1; Sachregister

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12.1-1.1; 13.1.1; 14.3.1 – § 9; 1.1; 5.1.4; 11.1.1; 11.1.4; 11.2.5 – § 10; 11.1.6 Philosophisches Leben § 5; 5.3 – § 6; 1.3 Pilgerablaß s. Ablass Pilgerbetreuung/-schutz § 6; 8.6.2 – § 9; 9.0-1.1; 9.2-2.1 Pilgerwesen § 2; 2.4; 15.4-4.2 – § 3; 10.3.2 – § 5; 8.2; 9.2 – § 6; 5.1-1.1; 5.2.2; 5.3; 6.0; 6.3-3.1; 7.4; 8.6.2; 15.0 – § 7; 5.2 – § 9; 8.0-1.1; 8.1.4; 8.3.1; 8.4.1 Pippinsche Schenkung § 8; 5.2-2.1 – § 9; 4.2.2 – Abb. 21a Plenarablass s. Ablass plenitudo potestatis § 8; 2.1; 9.2.2; 14.1 Pneumatikertum s. Enthusiasmus Pneumatologie § 1; 8.4-8.4.2; 13.0; 13.33.1; 15.2; 15.4; 16.1-1.2; 17.0; 17.3; 18.0 – § 2; 7.0-3; 9.1; 10.0; 11.2.1-2; 12.2-4; 12.6.2; 12.7; 13.0; 13.4; 16.3 – § 4; 13.3 – § 5; 7.3.2; 8.2.; 10.3; 13.3.3 – § 6; 5.4 – § 8; 10.2.3 – § 10; 4.1.3 Pontifex Maximus § 3; 1.2; 11.3; 13.0; 13.2.2 Pontijicale Romano-Germanicum § 9; 4.4.1 Postille § 10; 17.3; 17.6 potentia absoluta/ordinata § 10; 14.1.3; 14.3; 16.4; 17.5 Prädestination/slehre § 5; 6.; 7.5.2; 10.13; 14.0; 14.4-4.3; 14.5.1 – § 10; 14.2.1; 14.3; 17.1.2-3 Präexistenz § 1; 2.0-1; 5.0 – § 2; 10.5 – § 3; 1.2.1; 1.3; 2.0 Prager Artikel 1420 § 8; 13.3-3.1 Prager Fenstersturz § 8; 13.3.1 Prager Kompaktaten § 8; 13.3.2 Pragmatische Sanktion von Bourges 1438 § 9; 11.1.3 Predigt § 2; 11.6; 15.1 – § 4; 4.3 – § 5; 11.1 – § 6; 5.0; 11.0; 11.3; 13.; 14.02.2; 15.1 – § 7; 7.3 – § 8; 10.3; 13.1.1; 13.3.1 – § 10; 15.1-1.1; 17.6; 18.1.1 Presbyter/amt § 2; 7.3; 11.0-1; 11.2.1; 11.5; 12.7 919

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Priester § 2; 11.5 – § 3; 14.3 – § 10; 8.3.12; 9.1 Ehe § 8; 7.0; 7.3; 7.4; 7.5 Priesterweihe § 2; 11.0; 11.2.2 – § 9; 1.1 – § 10; 9.1-1.1; 9.1.3 Primat. päpstlicher § 2; 11.4 – § 4; 11.2.3 – § 8; 1.1-2; 1.4; 2.0-1; 2.3; 3.1; 6.2.13; 7.4-4.1; 7.5; 7.5.2; 8.0; 8.1.3; 8.2; 8.2.2-3; 9.2; 14.1.1 – § 9; 10.0; 10.1.2; 10.3; 11.3 Prinzipat § 3; 1.2; 2.3 Prior/in/Vorsteher § 6; 4.3.2; 7.1; 7.2.3; 9.1-1.1; 9.1.3; 10.1.2; 10.3.3; 14.2.1 Privilegien. päpstliche § 9; 6.6.3; 9.0; 9.1.1; 9.3.1; 11.2.4 – § 10; 4.1.3; 11.1.1; 11.1.4; 11.1.6 Pröpste § 6; 10.3.3 Prophetie/Prophetentum § 2; 7.; 11.1; 11.3; 11.7 – § 6; 12.3-3.1; 12.4.1 prosopon/πρόσωπον § 1; 5.3; 6.0; 12.1; 18.3 – § 4; 3.2; 4.2.2; 6.2.3; 7.1.2; 10.3.1 Psalmen § 2; 5.5.2; 10.4; 15.1 – § 4; 7.2.1 – § 5; 2.1; 3.2-3; 11.1 – § 6; 3.2.2; 5.3.1; 6.1.1; 6.4.3; 7.1.2; 7.2.3; 8.6.1 – § 10; 7.1.1 Pseudoisidorische Fälschungen/ Dekretalen § 8; 6.2.3 Quaestio § 10; 7.1.2; 7.2; 12.2; 13.3.1 Realismus (vs. Nominalismus) § 8; 13.2.2 – § 10; 1.2; 1.2.2; 2.1.3; 14.1.2; 17.1; 17.1.3; 17.4 Realismus (vs. Symbolismus) § 5; 8.3; 14.3.2 – § 10; 8.1.1 Reconquista § 7; 5.4; 5.4.2 – § 9; 8.1.2; 8.4.3 Reformatio Sigismundi § 9; 11.2.4 Reformklöster/-orden s. Orden und Abb. 15 Reformpapsttum § 8; 7.0 Regalien § 9; 1.1; 5.0-1; 5.1.5; 5.2; 6.2; 6.3.1; 6.6-6.3; 7.1.1; 7.2.2 Regula fidei § 1; 6.0 – § 2; 4.3; 9.1; 9.2.2; 10.0-1 Regularkanoniker s. Kanoniker 920

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Reichsabteien/Reichsäbte § 9; 5.1.5; 6.6; 7.2.2 Reichsdogma 359/360 § 1; 14.; 15.0; 15.3 – § 3; 12.1; 13.1 – § 7; 2.1.1 Reichskirche § 3; 12.0; 15.0 – § 6; 5.0 – § 7; 9.0; 12.1 – § 9; 4.3.2; 5. ottonisch-salische § 9; 5.1.1 Reichskloster s. Eigenkloster Reichskrise § 3; 8.1 Reichskrone § 9; 4.4; 4.4.2 Reichsprälaten § 9; 5.0-1; 5.2; 5.2.3; 7.2.2 Reichssynode/Reichskonzil § 1; 11.1; 11.4; 12.5; 14.0 – § 4; 6.1.3; 6.2; 9.0; 9.2; 9.2.2; 9.3; 9.4; 10.0; 10.1.1; 10.1.3; 12.4; 13.4; 14.2; 14.2.3 – § 5; 13.3.1; 14.4.2 – § 7; 3.2.1; 10.1.2 – § 8; 6.2.1 – § 9; 4.2.1; 5.1; 5.1.2; 6.3.3; 7.1.3 Reichstage/-versammlungen § 9; 5.1.2 Aachen 802 § 6; 8.5.2 Aachen 818/19 § 6; 8.5.2 Besançon 1157 § 9; 7.1.1 Paderborn 777 § 7; 7.1.2 Quedlinburg 973 § 7; 10.3.2 Quierzy 754 § 9; 2.2.3 Ronkalische Felder 1158 § 9; 7.1.1 Tribur 1076 § 9; 6.4 Worms 1076 § 9; 6.3.3 Worms 1495 § 9; 11.2.4 Würzburg 1121 § 9; 6.6.3 religio licita § 3; 2.4 Religion, Reichs- und Provinzial- § 3; 2.2 Religionskriege s. Kreuzzüge Religionspolitik § 1; 10.2.2; 12.5; 14.0; 15.0 – § 2; 2.0 – § 3; 7.1; 9.4; 10.0; 10.3; 10.3.3; 10.5; 11.0-1; 11.3-5; 12.0-1; 13.0; 13.1.1-2; 13.2.3; 14.1; 14.4 – § 4; 5.2; 5.3.3; 6.2.3; 9.1.3; 10.1.1; 11.0; 11.2.1-3; 11.3.3; 12.2.2; 15.4.2 – § 7; 1.0 Reliquien/-kult § 2; 15.4-4.1 – § 3; 3.2; 5.1 – § 5; 12.2.3; 13.3.1 – § 6; 16.3.1 – § 7; 7.3 – § 8; 13.1.2 – § 9; 1.1; 1.3.2; 2.2.4; 4.4; 4.4.2; 10.2.1 – § 10; 9.0; 9.4-4.2; 18.0 Renaissance § 10; 19.0-1.1 Reservation § 8; 9.2.2; 12.1.1 Sachregister

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Rigorismus, ethischer § 2; 6.2; 7.0-3; 10.2; 16. – § 6; 6.2 – § 7; 4.2 Ritterorden § 6; 15.0; 15.2 – § 7; 12.0 – § 9; 8.3; 9. Rittertum § 9; 8.1; 8.1.2-3; 8.2-2.1; 8.2.4; 8.3-3.2; 9.0; 9.1.1; 10.3.2; 11.2.4 Ritualmord § 9; 11.3.2 Romanum (Credo) § 1; 12.4.2 – § 2; 9.22.1; 9.2.3 Romidee/-ideologie § 3; 13.2.2 – § 5; 9.3 – § 8; 1.0; 2.0; 2.2; 7.4.1; 11.0; 11.3.1 Rota Romana § 8; 11.2.2 Sabellianismus § 1; 15.2; 18.3 Sachsenhäuser Appellation 1324 § 9; 11.2.2 Sakrament/Sakramentenlehre § 2; 12.3.4; 12.7; 16.0; 16.3.1-4 – § 5; 1.1; 2.3; 7.2; 8.2; 8.3; 14.3.2; 14.4.2 – § 6; 5.2.1; 11.3.2 – § 8; 6.1; 7.2; 7.3.2; 8.2.2-3; 9.1.2; 9.3.2; 10.1-1.2; 10.2.3; 10.3.1; 12.2; 12.3-3.1; 13.3.3 – § 10; 4.2.2; 6.2; 7.1.2; 8.1.1; 8.2.1-2; 8.3.1; 9.; 10.2; 12.4.2; 13.3.1; 14.3 Salbung § 2; 12.2; 12.3.4; 12.7 – § 10; 9.1; 9.1.2 königliche § 8; 6.1 – § 9; 2.2; 2.2.2-3; 3.3.1 satisfactio (s.a. Buße) § 10; 9.1.3; 9.3.2 Satisfaktionstheorie s. Christologie Schatz der Kirche/thesaurus ecclesiae § 8; 12.3.2 Schisma § 2; 16. – § 5; 8.2.2 – § 9; 6.5 Acacianisches § 4; 5.3.2; 11.2; 11.2.3; 12.1; 12.1.2 – § 7; 2.3.2 – § 8; 3. antiochenisches § 1; 15.1; 16.1.3; 17.2 donatistisches § 2; 16.0; 16.3. – § 3; 11.5.1 – § 8; 1.3 melitianisches § 1; 11.1 – § 2; 16.2 novatianisches § 2; 16.0-1 photianische § 8; 6.2; 6.2.2 Ost-West § 5; 13.3.3 – § 7; 2.3.2 – § 8; 3.; 6.2; 8.0; 8.1 päpstliches bzw. in Rom § 2; 10.4; 13.5.2; 16.1 – § 6; 12.4.4 – § 7; 11.4 – § 8; 3.3; 6.3.5; 7.1; 7.1.4; 7.5; 9.1Sachregister

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1.1; 9.1.3-4; 11.; 13.1; 13.2.3; 14.01; 14.2-2.1 – § 9; 4.2.3; 7.1; 7.1.3; 11.1.4; 11.2.2 – § 10; 11.1.5; 17.2 Schlüsselgewalt, päpstliche § 8; 1.4; 2.1; 13.2.5 Schöpfungslehre § 1; 3.0-2; 4.0-2; 8.1-2; 8.3.1; 11.2.2 – § 2; 5.0; 5.5.3; 6.0; 6.2 – § 3; 7.1.1-2 – § 5; 5.5 – § 10; 12.2; 13.3-3.1; 15.1; 16.2 Scholastik § 5; 4.2; 10.0; 14.5 – § 6; 13.2.3; 14.0; 14.3; 15.1.2 – § 8; 11.1.2 – § 10. bes.: 2.0; 3.0; 3.4; 4.0; 5.1; 6.0; 7.0; 8.2; 10.0-1; 10.3; 11.2; 11.3; 12.0; 12.2; 12.3; 13.0; 14.0; 15.0; 15.3; 17.0-1; 17.3 Schrift (s. a. Bibel) Schriftauslegung/Exegese § 1; 6.2; 8.0; 9.3; 13.2.2; 18.3 – § 2; 3.3; 5.4.3; 6.01; 10.0; 10.5.2 – § 4; 4.0; 4.3.1 – § 5; 1.3; 2.2; 3.1-2; 5.2.2 – § 8; 2.1 – § 10; 3.0-1; 5.1.2; 6.1; 17.3-3.1; 19.0 Schriftsinn, mehrfacher § 2; 10.5.2 – § 6; 6.4.3 – § 10; 6.1; 17.3-3.1 Schulen § 1; 9.3 – § 2; 10.0; 10.3; 10.5.1 – § 3; 12.3; 12.3.2 – § 4; 15.1.1-2 – § 5; 11.0; 11.3 – § 10; 1.1.1; 11.1 Aachener Hofschule § 5; 13.2-2.2; 13.3.1 – § 7; 7.3.1 Domschulen/Kathedralschulen § 5; 13.1; 13.2; 14.2 – § 6; 8.7 – § 9; 5.2.3 – § 10; 3.1; 3.3-3.1; 5.1; 7.02 – Abb. 28 Klosterschulen § 5; 13.2; 14.1 – § 6; 3.2.2; 6.3.2; 8.3; 8.4.2; 8.6-6.1; 8.6.3; 14.2.1 – § 9; 5.2.3 – § 10; 2.1.1; 3.4; 7.2 – Abb. 28 Schwertbrüderorden § 7; 12.2.1-2 – § 9; 9.3.2 Schwertmission (s. a. Kreuzzug) § 7; 1.0; 12.0 Scotismus (s. a. Scotisten) § 10; 14.0; 17.1; 17.1.3 Seele, Seelenlehre § 1; 7.0; 7.2.2; 8.1-8.2; 18.4; 18.4.2 – § 2; 5.4.3; 10.2; 10.5 – § 4; 1.2.2, 1.3; 1.3.2; 2.0-1.4; 2.2.1-2; 2.3.1-2; 3.0; 3.2; 3.3.2; 4.1; 6.2.3; 8.33.1; 10.3; 12.4.1; 14.3.2 – § 5; 1.2; 2.2; 921

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5.2.2-3; 5.3; 6.1, 6.4.2; 9.1.1; 12.3.1; 14.5.2 – § 6; 1.3-3.1; 5.4.4; 6.2-2.1; 12.3.1 – § 8; 12.3-3.1; 12.3.3 – § 10; 5.2; 9.1.3; 10.3.2; 11.2; 11.2.4-5; 11.3.2; 12.1-1.1; 12.3; 12.3.2; 13.2.1; 15.1; 18.1.1; 18.1.4; 19.1; 19.1.2; 19.3.2 Seelsorge § 2; 13.0 – § 5; 12.1-12.2 – § 6; 4.3; 4.3.2-3; 5.3; 7.3; 8.4.1; 10.3-3.1; 10.3.3; 12.1.1; 13.2; 14.1.1; 14.2.1-2; 15.1 – § 8; 10.3 »Semipelagianismus« § 5; 7.5 Senat/Senatorenamt § 3; 1.4; 8.3; 14.6.4 – § 5; 12.1 – § 6; 6.4.2 – § 7; 2.3.2 – § 9; 1.1 Sentenzen/-kommentar § 4; 14.3 – § 5; 11.4 – § 10; 7.0-1; 7.1.2; 7.2; 12.2; 12.3; 13.1-1.1; 16.1.1; 17.5 Septuaginta § 1; 3.2 – § 2; 3.0-1; 3.3; 8.02; 10.5.2 – § 5; 3.3 Servitien § 8; 12.1.1 Simonie § 6; 9.4 – § 8; 4.1; 6.3.5; 7.0; 7.3; 7.3.2; 7.4; 7.5; 7.5.3; 13.2.5 – § 9; 6.0; 6.2; 6.5.1 Skriptorien § 6; 8.4.2; 8.6.1 Slawische Kirchensprache § 7; 8.1; 8.1.2; 8.2; 8.3-3.1; 9.2; 9.2.2 Sonntag § 2; 15.0-1; 15.3-3.1 – § 3; 10.1; 11.2; 11.2.2; 11.3 – § 6; 3.2.2 – § 9; 8.1.3 Soteriologie § 1; 1.3; 3.2; 4.1; 13.0-1; 16.1; 18.4 – § 4; 1.2; 2.1.1; 3.0; 3.2; 3.3.1; 11.3.2; 13.3; 14.3.2 – § 5; 1.1 – § 6; 16.3.1 – § 10; 7.1; 13.3.1 spiritualia § 9; 6.6.3 Spolien § 8; 12.1.1 – § 9; 1.1; 7.2.2; 7.3.1 Sprengelorganisation § 9; 5.1.3 Staat/Staatslehre § 3; 1.1; 8.1; 10.0 – § 5; 9.3 – § 9; 6.6.3; 9.2.2; 13.2.1; 14.2.1 Staatskirche § 3; 13.0 Staatskult/götter, röm. (s. a. Kult, röm.) § 1; 14.0 – § 3; 4.2 stabilitas loci § 6; 7.2; 8.4.1; 9.1.1; 13.2.1 Stadt § 6; 5.3; 6.0; 8.1; 8.7; 12.2; 13.2; 14.2; 15.0-1; 15.2.2 – § 9; 1.0; 1.2; 11.2.5 – § 10; 11.0; 17.6 922

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Starzentum § 6; 5.4.5 Stellvertreter Christi s. Christusvikariat Steuern § 3; 8.1; 9.1.1; 11.1-1.1 – § 7; 1.5; 5.2; 5.4.1 – § 8; 5.1.1; 11.0; 11.2.2; 12.2 – § 9; 11.1.3-4 Stigmatisation § 6; 12.3.2; 13.1.4 Stoa § 1; 3.1; 3.3.3; 6.1 – § 2; 10.2 – § 3; 1.4; 5.1; 7.1.2 – § 5; 2.1.2 – § 6; 1.3; 1.3.2 Stolgebühren § 8; 12.2 – § 9; 1.1 Straßburger Eide § 9; 3.4.1 Stratordienst § 9; 2.2.3; 7.1.1 Stundengebet § 2; 15.1 – § 6; 3.2; 4.3.3; 6.4.3; 7.1.2; 7.2; 8.5.2; 8.6.1; 8.7; 9.1.4; 10.1.2; 10.2.2 Stylitenturn § 6; 5.2; 5.2.2 Subdiakone § 2; 11.0; 11.7 Subordinatianismus § 1; 2.0; 3.3; 3.3.2; 5.0; 6.2; 8.3; 11.2.2; 12.5; 13.0; 13.2; 16.1 – § 7; 2.2.1 substantia § 1; 6.0-1; 11.4.2; 12.3-3.1; 12.5; 18.0-1; 18.2.2; 18.3; 18.4-4.1 – § 3; 12.1 Sünde/Sündenlehre § 2; 6.3; 12.3-3.4; 12.4-5; 12.6.1; 13.0-4; 14.2.2; 16.3.1; 16.3.3 – § 5; 1.2; 5.5; 6.; 7.2; 7.3-3.2; 7.4.4-5; 8.2-2.2; 10.1.1-2; 12.2.1 – § 6; 7.3.2 – § 7; 7.3.1 – § 8; 12.3-3.1 – § 10; 4.3.1; 7.1.2; 12.4.1; 13.4.2; 14.2; 16.4; 17.1.2 Todsünde § 2; 13.2-4 – § 3; 8.2.3 – § 6; 6.4.3 – § 8; 13.3.1 Sündenvergebung (vgI. Buße) § 2; 11.2.2; 12.1; 12.3-4; 12.6.1; 13.2; 13.4 – § 4; 4.2.1 – § 5; 7.4.4; 12.2.1-2 – § 8; 12.3-3.1 – § 9; 8.1 – § 10; 9.1.3; 9.3.1-2; 14.3 Sündlosigkeit § 2; 13.0-2; 16.3 – § 4, 1.3; 1.3.2 – § 5; 1.2; 7.3.1; 7.4.4; 8.2-2.1 Summa § 10; 7.2; 11.3; 12.2; 12.4; 13.1; 13.3-3.2; 13.4.1 Symbolik, bischöfliche § 9; 6.2 Symbolismus § 5; 8.3; 14.3.1 – § 10; 8.1.1-2 Symbolum Quicumque s. Athanasianum Symmachianische Fälschungen § 8; 3.2 Sachregister

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Synderesis-Lehre § 10; 12.4.1 Syneisaktentum s. Jungfrauen Synergismus § 1; 8.4.2 – § 2; 12.3.3 – § 5; 7.5.1; 14.4.2-3 – § 6; 6.3.2 Synkretismus § 2; 5.1; 5.5; 6.0; 15.3.3 Synoden § 1; 10.1; 11.4 – § 2; 4.0; 4.3; 7.3; 9.2; 9.2.2; 11.3; 11.6; 15.3.1 – § 3; 4.4; 14.6.1 – § 8; 7.1.5; 7.3.1; 7.4; 7.5.2; 9.3.2; 14.3.2 – § 9; 5.1.2; 11.1.3 einzelne Synoden: Aachen 799 § 5; 13.3.2 Aachen 809 § 5; 13.3.3 Aachen 816 § 6; 8.5.2; 8.7 Aachen 817/18 § 6; 8.5.2 Alexandria 319 § 1; 11.1 Alexandria 362 § 1; 10.2.4; 15.0; 15.2 – § 4; 2.3.2 Alexandria 430 § 4; 6.1.3 Alexandria 616 § 4; 15.4.1 Ankyra 358 § 1; 14.3 Antiochia 264 und 268 § 1; 9.2 Antiochia 324/25 § 1; 11.1 Antiochia 341 § 1; 12.4-4.1 Antiochia 363 § 1; 15.2 Antiochia 379 § 1; 17.1; 17.3 Aquileia 381 § 1; 17.0; 17.4; 18.2-2.2 – § 3; 13.1.2 Aquileia 796 § 5; 13.3.3 Arausio/Orange 529 § 5; 10.3; 14.4 Ariminum 359 s. Seleukia-Rimini Arles 314 § 2; 16.3.1 – § 3; 11.5.1 Arles und Lyon 470/1 § 5; 10.2 Basel-Ferrara-Florenz 1431-49 (17. ökum. Konzil) § 8; 8.2.; 8.2.3; 13.3.2; 14.0; 14.1.2; 14.3-3.2 – § 9; 10.3.3; 11.2.4 – § 10; 14.2.2; 19.4-5 Bayern (Regensburg?) 870 § 7; 8.1.2 Bergamo 1218 § 6; 11.3.2 Berytus 449 § 1; 9.2.2 Bostra 238/44 § 1; 9.3 Bourges 1438 § 9; 11.1.3 Brixen 1080 § 9; 6.5.2 Chalkedon (Eichensynode) 403 § 4; 4.3.2 Chalkedon 451 (4. ökum. Konzil) (s. a. Chalkedonense) § 1; 17.0; 17.3 – Sachregister

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§ 2; 9.2 – § 4; 5.1; 5.3-3.2; 7.2.1; 8.0; 9.2.2; 10.; 11.0; 11.2.2; 15.2.2 – § 6; 4.2 – § 8; 2.2-3 Clermont 1095 § 9; 8.2-2.1 Concilium Germanicum s. Reformsynode 742/743 Diospolis/Lydda 415 § 5; 7.4; 7.4.2-3 Dwin 552 § 4; 15.2.2 Dwin 645/9 § 4; 15.2.2 Ephesus 431 (3. ökum. Konzil) § 4; 5.3.1; 6.0; 6.2-2.3; 11.1.2; 11.2.2; 15.2.2 – § 5; 7.4.5 – § 6; 5.2.1 – § 8; 2.1 Ephesus (Räubersynode) 449 § 4; 7.2.1; 9.0; 9.2; 9.2.2; 9.4; 10.0; 10.1.1-2; 10.3.3 Ferrara und Florenz s. Basel-Ferrara-Florenz Frankfurt 794 § 5; 13.3.1-2 – § 8; 3.2 Gangra/Paphlagonien ca. 340 § 6; 4.1 Goslar 1019 § 8; 7.3.1 Hiereia 754 § 4; 14.2; 14.2.3 Hippo-Regius 393 § 2; 8.2; 8.2.3 Ingelheim 948 § 7; 10.1.2 – § 9; 4.2.1 Karthago 251 § 2; 13.4.2 Karthago 252 § 2; 13.4.2 Karthago 253 § 2; 13.4.3 Karthago 255 § 2; 12.6.1; 13.4.3 Karthago 256 § 2; 2.3; 12.6 Karthago 336 (Donatistisch) § 2; 16.3.1 Karthago 397 und 401 § 2; 16.3.4 Karthago 411 § 2; 16.4.3 – § 5; 7.3 Karthago 416 § 5; 7.4.3 Karthago 418 § 5; 7.4.4; 10.0 Karthago 419 § 2; 11.6 Karthago 484 § 7; 2.4.2 Konstantinopel 359/60 § 1; 14.0; 14.4 Konstantinopel 381 (11. ökum. Konzil) § 1; 10.2.4; 16.0; 16.1.2; 17.; 18.2.1 – § 3; 13.2 – § 4; 3.1; 10.1.3; 10.2; 11.1.2 – § 8; 1.4 Konstantinopel 382 § 1; 17.2 Konstantinopel 448 § 4; 9.2; 9.2.2; 9.4; 10.0 Konstantinopel 536 § 4; 12.2.2 923

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Konstantinopel 553 (5. ökum. Konzil) § 1; 10.5 – § 4; 5.3.3; 12.4-4.2 – § 6; 5.4.1 – § 8; 3.3 Konstantinopel 680/1 (6. ökum. Konzil/Trullanum I) § 4: 5.3.4; 13.4 Konstantinopel 692 (Trullanum II) § 4; 13.4; 14.1 Konstantinopel 867 § 8; 6.2.2 Konstantinopel 869/70 (8. ökum. Konzil) § 8; 6.2.2 Konstantinopel 879/80 § 8; 6.2.2 Konstantinopel 1054 § 8; 8.1.2 Konstantinopel 1347 und 1351 § 6; 5.4.5 Konstanz 1414-18 § 6; 16.3.2 – § 8; 11.0; 13.1.2; 13.2; 13.2.6; 14.0; 14.1.2; 14.2-2.2; 14.3 Lampsakus 364 § 1; 15.3 Lateranense I-V s.u. Rom Lydda s. Diospolis Lyon 1245 (1. Konzil von Lyon/Lugdunense I; 13. ökum. Konzil) § 8; 9.4.1 – § 9; 7.3; 7.3.3 Lyon 1274 (2. Konzil von Lyon/Lugdunense 11; 14. ökum. Konzil) § 8; 8.0; 8.2; 8.2.2; 9.4.2 – § 9; 10.3.1-2 – § 10; 12.3.1; 13.1.1 Mainz 848 § 5; 14.4.2 Manaskert 726 § 4; 15.2.2 Mantua 1064 § 8; 7.1.4 Melfi 1059 § 8; 7.4.3 Mileve 416 § 5; 7.4.3 Nicäa 325 (1. ökum. Konzil) § 1; 10.2.1-3; 11.4; 12.0 – § 2; 9.2.2; 15.3.1 – § 3; 11.0; 11.5.2 – § 4; 11.1.2 – § 7; 2.1.1 – § 8; 1.4 Nicäa 787 (7. ökum. Konzil) § 4; 5.3.5; 14.0; 14.2.3; 14.4 – § 5; 13.0; 13.3-3.1; 13.3.3 Quierzy 838 § 5; 14.2 Quierzy 849 § 5; 14.4.3 Quierzy 853 § 5; 14.4.3 Paris 1147 § 10; 3.3.1 Paris 1210 und 1215 § 10; 11.2.4 Pavia 1022 § 8; 6.3.4; 7.3.1 Pavia 1160 § 9; 7.1.3 924

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Pavia 1423/4 § 8; 14.3 Piacenza 1095 § 9; 8.2.1 Pisa 1409 § 8; 11.0; 11.3; 11.3.3; 13.2.3; 14.0; 14.2 Ravenna 967/8 § 7; 10.2.1 Ravenna 1014 § 8; 6.3.4 Reformsynode (sog. Concilium Germanicum) 742/743 § 6; 8.5.2 – § 7; 6.3-3.1 Regensburg 792 § 5; 13.3.2 Reims 1049 § 8; 7.4 – § 9; 8.1.3 Reims 1148 § 10; 3.3.1 Rimini s. Seleukia-Rimini Rom 195 § 2; 15.3.1 Rom 313 § 3; 11.5.1 Rom 377/8 § 4; 3.1; 3.3.1 Rom 382 § 1; 18.2.1 – § 2; 8.2.3 Rom 417 § 5; 7.4.4 Rom 430 § 4; 6.1.3 Rom 484 § 8; 3.1 Rom 502 § 8; 3.2 Rom 649 3 4; 13.2 Rom 731 § 4; 14.2.2 Rom 800 § 9; 3.2.1 Rom 863 § 5; 13.3.1 – § 8; 6.2.2 Rom 963 § 9; 4.2 Rom 1046 § 8; 6.3.5 Rom 1050 § 10; 8.1.2 Rom 1059 § 8; 7.1.4 – § 9; 6.2.1 – § 10; 8.1; 8.1.2 Rom 1060 § 8; 7.3.2 Rom 1063 § 8; 7.3.2 Rom 1075 § 9; 6.2.2 Rom 1076 § 9; 6.4-4.1 Rom 1078 § 9; 6.2.2 Rom 1079 § 10; 8.1; 8.1.3 Rom 1123 (1. Laterankonzil; 9. ökum. Konzil) § 9; 8.3.1 Rom 1139 (2. Laterankonzil; 10. ökum. Konzil) § 6; 11.1.1 – § 8; 9.1.1; 10.1.2 Rom 1179 (3. Laterankonzil; 11. ökum. Konzil) § 6; 11.3.1 – § 8; 9.1.4 – § 9; 7.1.3 Rom 1215 (4. Laterankonzil; 12. ökum. Konzil) § 6; 13.1.3; 14.1; Sachregister

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14.1.2; 14.2.1 – § 8; 8.2-2.1; 9.33.2; 10.3.1-2; 14.0 – § 9; 8.4 – § 10; 8.0; 8.3-3.2; 9.2; 9.4.1; 11.2.4 Rom 1412/13 § 8; 14.2.1 St. Felix-de-Caraman um 1170 (1174/6?) § 8; 10.2.2 Saragossa/Caesaraugusta um 380 § 6; 6.2.2 Seleukia-Rimini 359 § 1; 14.0; 14.4 Seleukia/Ktesiphon 410 § 2; 2.5 – § 4; 15.1.2 Seleukia/Ktesiphon 424 § 4; 15.1.2 Seleukia/Ktesiphon 486 § 4; 15.1.2 Sens 1140 § 6; 11.1.1 – § 10; 4.1; 4.1.4 Serdika 342 § 1; 10.2.2-3; 12.0; 12.4.1; 12.5; 14.4; 15.0; 18.0 – § 2; 11.6; 16.3.2 – § 3; 12.1 – § 8; 8.0 Siena 1424 § 8; 14.3 Sirmium 351 § 1; 14.0-1 Sirmium 358 § 1; 14.4 Soissons 744 § 7; 6.3.1 Soissons 864 § 8; 6.2.1 Soissons 1092 § 10; 1.2.1 Soissons 1121 § 10; 4.1 Split/Spalato 928 § 7; 8.3.1 Streaneshalch s. Whitby Sutri 1046 § 8; 6.3; 6.3.5 – § 9; 6.5.2 Toledo 589 § 7; 2.2.4 – § 8; 4.1 Tours 105112 und 1054 § 10; 8.1.2 Trient 1545-47/51-52/62-63 § 2; 8.2; 12.7 – § 5; 3.3 – § 10; 8.0; 13.0 Troyes 1128/9? § 9; 9.1.1 Tuzey 860 § 5; 14.4.3 Tyrus 335 § 1; 12.2 Tyrus 449 § 4; 9.2.2 Valence 855 § 5; 14.4.3; 14.5.1 Vercelli 1050 § 10; 8.1.2 Verona 1184 § 6; 11.1.1-2; 11.3.1 – § 8; 10.3.1 – § 9; 7.1.3 Vienne 1112 § 9; 6.6.2 Vienne 1311/12 (XV. ökum. Konzil) § 6; 12.2.2 – § 8; 11.1; 11.1.2 – § 9; 9.1.2 Whitby 664 § 7; 4.3-3.1 Worms 1076 § 9; 6.3.3 Szepter § 9; 4.4.1; 6.6.3 Sachregister

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Taufe § 1; 4.2; 16.1 – § 2; 2.0; 3.1; 7.1; 9.02; 10.3; 11.2.1; 11.6; 11.8; 12.; 13.01.2; 14.2; 16.0 – § 3; 5.1 – § 4; 4.2.1 – § 5; 2.3; 7.2; 7.3-3.1; 7.4.4; 8.3 – § 6; 1.1.2; 4.2.1; 6.3.2 – § 7; 1.1; 7.3.2 – § 8; 10.1-1.2; 11.1.2; 12.2 – § 9; 8.2.3 – § 10; 9.1-1.3; 10.2; 12.4.1; 13.4.3 Massentaufe § 7; 3.1.2; 7.0-1; 7.1.2; 7.2; 9.2; 11.3.1; 12.2.2 Taufe Christi § 1; 2.5; 5.0; 5.2; 9.2; 18.4.1 – § 2; 15.3.3 – § 5; 13.3.2 Wiedertaufe § 2; 16.3.3 – § 5; 8.2.3 – § 8; 8.2.1 Templerorden § 9; 9.0-1.2; 9.2.1-2; 9.33.1 Templerprozess § 8; 11.1; 11.1.2 – § 9; 9.1; 9.1.2 temporalia § 9; 6.6.3 Theokratie § 3; 9.1.3 – § 9; 3.0-1; 3.2.2; 4.3.3 Theologia deutsch § 10; 18.1.3 Theopaschitismus § 4; 11.3.3; 12.1-1.1 – § 5; 10.3 Theotokos-Prädikat § 4; 2.3.1; 5.3.1; 6.01.1; 6.2; 6.2.2-2.3; 7.1; 8.3.3; 10.3.1 Thomismus § 10; 12.1.2; 13.0; 13.1.2-3; 13.4.2; 14.1.1; 16.0-1; 17.1; 17.1.3 Todesstrafe für Häretiker § 8; 10.3.1-2; 13.1.3; 13.2; 13.2.6 Toleranz/Duldung gg. Christen § 3; 8.4; 9.4-5; 10.0; 10.3; 10.4-4.1 – § 7; 5.2 gg. Häretiker § 3; 13.1 gg. Heiden § 3; 11.0; 11.3 gg. Juden § 3; 2.4; 3.1; 11.3 gg. Moslems § 9; 7.3.2 d.röm. Staates § 3; 2.0; 2.4; 10.0; 11.0 Toleranzedikte § 3; 9.5; 10.3; 10.4.1 Tonsur § 6; 13.1.3 Totengedächtnis § 6; 9.1.4 Traditoren § 2; 16.3.1 translatio imperii § 8; 7.5.2 Translationstheorie § 8; 9.1.2; 9.2.1 – § 9; 7.1.2; 7.2.1; 7.2.3; 11.1.1 Transsubstantiation § 8; 8.2.2; 9.2.1; 9.3.2; 13.1.2; 13.1.4 – § 10; 8.; 9.2 925

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Treueeid § 8; 7.5.2 – § 9; 1.3.2; 3.2.2; 3.3.1; 4.2.2; 6.4.1; 6.6.1; 7.4-4.1 Trinitätslehre § 1 – § 2; 9.1 – § 3; 7.1.1; 12.1 – § 4; 3.1-2 – § 5; 13.3.2 – § 8; 9.3.2 – § 10; 1.2.1; 4.1.3; 6.3; 7.1.2 Trinitarischer Streit § 1; 10.-17. – § 2; 9.0; 15.3.3 – § 3; 12.1; 12.3.3; 13.0 – § 4; 2.0; 3.1 – Abb. 2 Trishagion § 4; 11.3.4 Tritheismus § 4; 15.4.1 – § 10; 1.2.1 Trullanum I und 11 s. Synode v. Konst. 680/81 und 692 Unam Sanctam s. Bulle Unfehlbarkeit § 4; 13.4 – § 8; 7.5 Union/Unionsbemühungen zw. Rom und Armenien § 8; 8.2.3 zw. Rom und Byzanz § 8; 8.0; 8.1.3; 8.2-2.3; 9.4.2; 14.2; 14.3 – § 9; 8.2.1; 10.0-1; 10.2-2.1; 10.3-3.3 – § 10; 13.1.1; 19.4-5 zw. Rom und Klein-Armenien § 9; 8.4.4 zw. Rom und Kopten/Syrien § 8; 8.2.3 Universalanspruch byzantinischer § 9; 10.0 päpstlicher § 8; 6.0; 6.2; 6.2.3; 7.0; 7.4.1; 7.5; 7.5.2; 8.2; 9.0; 9.2-2.2; 9.4; 12.3.2 – § 9; 6.0; 6.1.2; 6.5.3; 7.; 8.4; 11.0; 11.1.1 kaiserlicher § 9; 2.0; 3.; 4.; 6.0; 6.5.3; 7.; 8.4.3; 8.5; 11.2.1 Universalienproblem § 10; 1.2-2.2; 2.1.3; 3.3.2; 4.2-2.1; 13.2.2; 14.1.2; 17.1 Universitäten § 5; 11.1 – § 6; 13.2.3; 14.0; 14.3; 16.1.3 – § 8; 11.1.3; 11.3.3; 13.2.2-3; 13.3.1; 14.1.2; 14.3.1 – § 9; 7.3.2 – § 10; 3.1; 3.4; 7.2; 11.0-1.6; 11.2.4; 11.3.1; 17.0-2; 17.2.1-2; 17.6 – Abb.28 Urgemeinde/-christentum § 1; 16.1 – § 2; 1.; 11.1 usia/οὐσία § 1; 11.4.1-2; 12.2; 13.2.1; 14.0-4; 15.2-3; 16.0; 16.1.1; 16.2; 17.2; 18.3-4

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Vasallität § 9; 1.3-3.2; 2.1.2; 6.1.2; 7.1.1; 10.2; 10.2.2 Verwaltung/Verfassung, staatliche § 3; 8.1; 11.2; 12.3.2 – § 9; 2.2; 2.2.4; 3.0; 5.1.3; 5.2; 5.2.3; 7.3.2; 11.1.2; 11.2.5 – § 10; 11.1.4 Verweltlichung d. Kleriker/ Kirche § 2; 1.2 – § 4; 4.3 – § 6; 6.2; 10.2.3; 11.1.1; 13.1; 15.0; 16.0 – § 7; 3.3; 6.0 – § 8; 7.3; 9.1.2; 9.4.3; 10.1.2; 12.; 13.1.1-2 – § 9; 8.5; 11.2.4 vesani § 3; 13.2.1 via antiqua/moderna § 10; 17.1-1.1; 17.2 Victoriaaltar § 3; 13.2.2 Vision § 5; 12.1.1 – § 6; 5.1.4; 5.4; 5.4.3; 12.3-3.2; 12.4.1; 12.4.3-4; 13.1.4 – § 10; 15.3.1; 18.1.2 vita canonica § 6; 8.7 Vögte/Vogteien § 9; 4.1; 5.1.5; 5.2; 5.2.2; 7.3.1; 8.2.4; 11.2.5 Völkerwanderung § 7; 1.4 Volksfrömmigkeit § 10; 14.3 Volkssprache § 7; 2.0; 7.3.2; 8.1; 8.1.2 – § 10; 17.6 Vulgata § 5; 1.1; 3.0; 3.3; 13.2.2 – § 7; 7.3.3 – § 10; 19.2 Waffendienst.christlicher s. Rittertum Wahlkönigtum s. Königswahl § 9; 4.1; 7.3.1; 11.2 Wallfahrten (s.a. Pilgerwesen) § 6; 6.3; 12.4.2; 13.1.3; 16.3.1 – § 7; 5.1 – § 8; 12.3-3.1 – § 9; 4.4.2; 8.1-1.1; 8.2.1; 8.3-3.1; 9.1; 9.2.1 – § 10; 9.2; 9.4.2 Wanderasketentum/-mönchtum § 4; 10.1.4 – § 6; 1.1-1.1.1; 4.2.2; 5.2-2.1; 5.3.1; 7.0; 7.2; 13.0 Wanderprediger/-predigt § 2; 11.1 – § 6; 1.1; 6.4.1; 7.3; 9.4; 10.3.2; 11.0; 11.3; 13.0; 13.1.2-3; 13.2; 13.3; 13.4.2; 14.1-1.1; 14.2.1; 16.1.1 – § 7; 6.2.3 – § 8; 10.1; 10.1.2 – § 10; 17.6 Weihnachten § 2; 14.2; 15.3.3 Weltentsagung § 6; 2.1; 3.1; 4.2; 4.3.2; 5.2.1; 5.4.3-4; 6.4.3; 10.; 12.4.3

Sachregister

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Willensfreiheit/liberum arbitrium § 1; 8.1 – § 5; 1.2; 6.1; 6.2.1-2; 6.4.1; 7.2; 7.3.1-2; 7.4.4-5; 7.5.1; 10.1.1-2; 10.23; 14.5.1 – § 10; 2.1.1; 14.2 Windesheimer Kongregation § 6; 15.3.2; 16.0; 16.2 wissenschaftliche Methodik § 10; 4.2.2; 6.0 Witwenamt § 2; 11.8

Sachregister

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Zehntabgaben § 7; 7.1.3; 7.3.2 – § 8; 12.1.1 – § 9; 1.1; 5.2; 9.0; 9.1.1; 11.1.1 Zeitrechnung, christliche § 5, 11.5 Zölibat § 4; 13.4 – § 6; 8.7 – § 7; 6.3.1 – § 8; 6.2.2; 6.3.4; 7.0; 7.1.3-4; 7.3-3.1 Zollrecht § 9; 1.1; 5.2; 7.3.1 Zwei-Gewalten-Lehre § 8; 3.1 – § 9; 6.1 Zwei-Naturen-Lehre s. Christologie Zwei-Schwerter-Lehre § 4; 11.2.3 – § 9; 6.1; 6.1.2; 7.1.2; 11.1.1

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