Allgemeine Strafrechtslehre [Reprint 2019 ed.] 9783111524528, 9783111156132


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German Pages 276 Year 1949

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Table of contents :
Vorwort
Inhaltsübersicht
Abkürzungen
1. Abschnitt. Das Strafrecht als Ganzes
2. Abschnitt. Verbrechen und Verbrecher im allgemeinen
3. Abschnitt. Das Verbrechen als Unrecht
4. Abschnitt. Das Verbrechen als Schuld
5. Abschnitt. Mehrheit von Verbrechern und von Verbrechen
6. Abschnitt. Behandlung des Verbrechens und des Verbrechers
Anhang I. Kriminologische Tragweite
Anhang II. Leitsätze für die Anfertigung von Uebungsarbeiten und Urteilen
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Allgemeine Strafrechtslehre [Reprint 2019 ed.]
 9783111524528, 9783111156132

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Allgemeine Strafrechtslehre Zweite, völlig

neue A u f l a g e

der

Grundlagen des Strafrechts

Mit Leitsätzen zur A n f e r t i g u n g von Übungsarbeiten und Urteilen

Von

Wilhelm

Sauer

Professor a n d e r Universität

Münster

Berlin 1949 Walter

de

Gruyter

&

Co.

vomals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung — J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung Georg Reimer — Karl J. Trübner — Veit & Comp.

Archiv Nr. 232749 10111. Druck: A. W. Hayn's Erben, Berlin SO 36.

Nr. VIII/99, 0. 06. 0513, 570.

III

Vorwort Es gibt zwar eine Allgemeine Staatslehre, und es gibt eine Allgemeine Volkswirtschaftslehre. Aber es gibt noch keine Allgemeine Strafrechtslehre, die mehr ist als' ein Allgemeiner Teil des positiven StTafrechts und die ich hier erstmalig Vorlegern darf. Sie ist beinahe „zufällig" entstanden, jedenfalls nicht „adäquat" aus innerem Zwang, sondern unter dem Druck der Umwelt. Auf meine „Grundlagen des Strafrechts" (1921) sollte schon längst eine Neuauflage folgen; deren wesentlichsten Züge sind inzwischen in der Juristischen Methodenlehre (1940) und in der Juristischen Elementarlehre (1944) angedeutet. Jetzt sollte ein ausgeführtes „System des Strafrechts", des Allgemeinen und des Besonderen Teils, veröffentlicht werden,. und außerdem als Weiterführung der „Kriminalsoziologie" (1933) eine „Kriminologie" als dritter Teil meines Strafrechtssystems. Beide Werke liegen druckfertigvor; die Ungunst der Zeit hindert die Veröffentlichung so umfangreicher Bücher mit Dogmeigeschichte, Rechtsvergleichung und Literaturauseinandersetzumg, wie sie in der gewissenhaften deutschen Forschung üblich war 1 ). Dieselbe Ungunst der Zeit macht aber zur Pflicht, für die Fortführung unserer Wissenschaft zu sorgen, die berufen ist, bessere Zeiten zu ermöglichen und vorzubereiten. So entschloß ich mich zur Mitteilung der Ergebnisse und Tendenzen in Gestalt einer Allgemeinen oder Reinen Strafrechtslehre, die einen vollständigen Allgemeinen Teil mit Einarbeitung vieler Strecken des Besonderen Teils und der Kriminologie enthält und die (gewissermaßen eine Einführung in jenes dreibändige System darstellt. Völlig neu ist die Verwertung der kriminologischen Tatsachenforschung in der Strafrechtsdogmatik; sie geschah in doppelter Richtung." Die Tatsachenforschung war auf die Probleme des - Strafrechtssystems zugeschnitten und ist jetzt in diesem verwertet. Umgekehrt mußte zugleich das System konkret (prozessual) gestaltet und funktional auf die Tätsachen und Bedürfnisse des Rechtslebens angelegt werden, um in „Rechtskraft" überzugehen. Bei dieser zweifachen konkretein Verfahrensweise, bei der die eine die andere fortlaufend kontrolliert, konnten fast jedean Kapitel des altehrwürdigen Baues der Strafrechtsdogmatik neue Seiten abgewonnen, überall neue Lösungsmöglichkeiten für uralte Streitfragen aufgezeigt werden. 1) Dank dem Entgegenkommen des Verlags wird eine Kriminologie im Umfange von etwa 25 Bogen sofort zur Ergänzung folgen.

IV

Vorwort

In den letzten J a h r e n hat das A n s e h e n des deutschen Strafrechts, der Gesetzgebung, der Rechtsprechung und der Theorie, in den Augen der Welt erheblich gelitten; aber bei vorurteilsfreiem Blick wird man auch wertvolle A n s ä t z e für den N e u b a u erkennen. Eine „reine" Strafrechtslehre darf daher im Doppelsinn v e r s t a n d e n werden. Sie soll zur Bereinigung unserer unrein gewordenen Praxis und Lehre beitragen, überflüssigen Ballast abstreifen und a b g e s t o r b e n e Zweige beseitigen, um neuen, reineren G e d a n k e n Raum zu gewähren. Zweitens möge sie, und zwar gerade zu jenem Zweck, die reinen G e d a n k e n und die bleibenden Werte, unabhängig vom W a n d e l v o r ü b e r g e h e n d e r Anschauungen und kurzlebiger Gesetze, zielbewußter und deutlicher als bisher h e r v o r t r e t e n lassen. Alsdann vermag auch die Rechtswissenschaft, gleich der e x a k t e n Forschung der historischen und philosophischen Wissenschaften, „monumental" zu werden. Das soll b e d e u t e n : die Forschung geht auf die denkwürdigen Quellen zurück, nämlich auf jene Tatsachen, auf denen sich die allgemeingültigen Werte, Gerechtigkeit und Gemeinwohl, aufbauen, die wahren Denkmäler aller Wissenschaft, aller Kultur, allen Menschenglücks. Möge in diesem Sinn das kleine, in sechsmal sechs Kapiteln, kurzgefaßte Buch sich als nützlich erweisen für ein e r n s t h a f t e s Studium und für die Praxis, vor allem die Neugestaltung des ja stets reformbedürftigen Strafgesetzbuchs.

V

Inhaltsübersicht Seite

1. Abschnitt Das Strafrechi als Ganzes 1. Strafrecht, Kriminologie, Soziale thak 2. Methodische Struktur des Systems. I. Die drei Seiten (Dimensionen) 1. Soziologische und sozialethische 3. Konkrete .Betrachtung; Fallrecht (S. 6). 6. Regulative Methode (S.

1. Uebersicht und Neubau

des Strafrechts. — II. Folgerungen (S. 3). Betrachtungsweise. 2. Funktionale Methode. (S. 4). 4. Analyse. 5. Normative Methode 6).

3. Aufgaben, Richtungen und Literatur

I. .Strafrechtstheorien. 1. Gerechtigkeit*- oder absolute Theorien.. Vergeltung- und Sühnestrafe. 2. Schutz-, Prävention«- oder' relative Theorien (S. 7). a) Generalprävention, Abschreckung, b) Spezialprävention: Besserung, Sicherung (S..8). c) Genugtuung. — II. Schulen (S. 8). 1. Klassik. 2. Einstige moderne Schule. 3. Mittlere Schule (S. 9). — III. Sog. Hilfswissenschaften (S. 9). 1. Kriminalbiologie. 2. Kriminalsoziologie. 3. Kriminologie. — IV. Die Zeit der großen Reformbestrebungen (S. 10). — V. Literatur (S. 10).

4. Strafgesetze, Geschichte und Entwürfe

2

6

11

I. 1—3. Epoche bis zun* Beginn der Neuzeit. — II. 1—5. Die Neuzeit bis zum neuen Reichsrecht (S. 12). — III. Reform (S. 14). — IV. Ausland. -

5. Internationales Recht.

Geltungsgebiet

'.

I. Bedeutungen. — II. Anwendungsgebiet bei Kollisionen (S. 15). Prinzipien. — III. Regelung nach RStGB. (S. 15).

14 Mögliche

6. Zeitliche Geltung Rückwirkende Kraft.

16 Regeln und Ausnahmen.

2. Abschnitt Verbrechen und Verbrecher im allgemeinen 7. StrafWürdigkeit, Strafvoraussetzungen Uebersicht und Neubau

und;

Strafbemessung.

I.. Strafwürdigkeit und Strafbarkeit. — II. Strafwürdigkeit und Strafvoraussetzungen als Grundbegriffe. Strafbemessungsgründe als Kriterien (S. 19).

18

8. Das Verbrechen (Delikt)

21

9., Arten und Typein des Verbrechens

26

I. Verbrechensmerkmale; drei Gegensatzpaare; 1. objektiv—subjektiv. 2. Tatsächlich—normativ. 3. Formal—material (S. 22). — II. Verbrechensbegriff (S. 25). I. AenOere Einteilung nach Strafbar&eit, — II. Sachliche Einteilungen nach Strafwürdigkeit (S. 27). 1. Tatbestände als Verbrechenstypen. Erfolgs-,

VI

Inhaltsübersicht Willens-, Gefährdungsstrafrecht. 2, Ausführungshandlunng als systematischer Leitgedanke (S. 28). 3. Bedeutung kriminologischer Typen für dogmatische Streitfragen: Versuch, Teilnahme, Strafzwecke (S. 29).

§ 10, Der Verbrecher

Seite

30

I. Kreationstheorie. Symptomatische Verbrechensauffassung. — 11. Täterstrafrecht (S. 31). 1. Täterbegriff. 2. Tätertyp. — III. Täterdefinition (S. 33).

§ 11. Verbrechens- und Verbrechertypen

33

I. Erheblichkeit kriminologischer Typen für die Dogmatik. II. Tafeln. A, Tatbestandstypen, Tat- und Tätertypen (S, 34). Kriminelle Laster. Sozialethische Tugenden als Behandlungsziele. — B. Aetiologische Typen. Akute und chronische Kriminalität (S. 35). — C. Reine Wesens- und Sondertypen (S. 37). Uebergänge, Mischtypen, Kreuzungen.

§ 12. Entwicklung des Verbrechensfalls: Wollen und Wirken. Kausalität und Freiheit (Verantwortung). Uebeirsicht und Neubau

I. Streit um die Willensfreiheit. — II. Erkenntnisse und Ergebnisse (S. 41). 1. Schuld nur bei Willensfreiheit. ' Juristische (adäquate) und natürliche Kausalität. 2. Persönlichkeit, Charakter, Gesinnung (S. 42). — III. Entwicklung des normalen Verbrechensfalls (S. 44). Tafel (S. 44): vom Wollen über das Wirken (Handeln)"bis zu den Wirkungen (Rechtsfolgen). — IV. Erläuterungen der Tafel (S. 45). Begriff des Willens (S. 46).

37

3. Abschnitt

Das Verbrechen als Unrecht § 13. Das Wesen des Unrechts

47

I. Aufbau. 1. Gegenstand und Maßstab. 2. Reihenfolge für die Prüfung der Merkmale. 3. Das materiale Unrecht; das Juristische Grundgesetz (S. 48): Gerechtigkeit, Gemeinwohl, Rechtssicherheit. Ihre Ermittlung durch konkrete Gestaltungsnormen. Deren Generalisierungsfähigkeit. 4. Formales Unrecht (S. 51). «) Tatbestände. Analogie. Wahlfeststellung, b)' Rechtfertigungsgrfinde (S: 52). — II: Funktion des Rechtswidrigkeitsbegriffs (S. 53). Widersprüche zwischen den Prinzipien. — III. Ausbau und Verbindung (S". 55),

§ 14. Tatbestandsmäßigkeit

56

I. Wesen. Zwei Tatbestandsbegriffe. — II. 1—9. Bedeutung der Tatbestände und Arten (S. 57). — III. Elemente des Tatbestandes (S. 60). Vier Kreise. 1. Tatbestandshandlung und Erfolg. 2. a) Begleitumstände und Wirkungen, b) Persönliche Gefährlichkeit. ' c) Subjektive Unrechtselemente (S. 61). 3. a) Typiaierung des Subjekts, b) Normative Tatbestandsmerkmale. 4. Aeußere Strafbarkeitsvoraussetzungen (S. 63). Tabellarische Uebersicht über die Arten des Besonderen Teils (S. 68). Wesen und Wirkungen (S. 63). System und Arten 1—3 (S. 64). — IV. Qualifikationstatbestände und Sonderdelikte (S. 69).

§ 15. Das Wirken (Handeln und Kausalität) I. Uebersicht. Kausalität als Wollens- und Wirkungszusanunenhang. Kausalität. als objektive Verantwortung und Haftbarkeit des Täters in bestimmter Umweltlage. Die adäquate Kausalität als juristisch erhebliche Kausalität. Die natürliche Kausalität als Vorfrage. Stand der Ansichten. iS. 72. — II. Ausbau des abstrakten Gefährdungsprinzips im konkreten Wirkenszusammenhang als Grundlage für die objektive Verantwortung. Kausalität ist formal Hinwirken des Willens auf den Erfolg, material Gefährdung eines Lebenswertes (S. 74). Streitige Fälle (S. 75). Unterschiede vön der Bedingungstheorie. — III. Actio libeca in causa (S. 77). — IV. Zeit und Ort der Tat (Distanzdelikte). S. 77.

70

Inhaltsübersicht

VII Seite

§ 16. Rechtswidrige Unterlassungen

78

I . Stand der Ansichten. Anwendungsgebiet. Unechte und echte Unterlassungsdelikte. — II. Kausalität der Unterlassung (S. 79). — III. Rechtswidrigkeit der Unterlassung (S. 80). Rechtspflichten zum Handeln und ihre Gründe. Moralische, soziale und sonstige Pflichten. Möglichkeit zum Andershandeln. F ä l l e (S, 82). — IV. Grundsätze über die Voraussetzungen strafwürdiger Unterlassungen. Uebersicht (S. 84).

§ 17. Versuch

85

I. Wesen und Strafwürdigkeit. Versuch als objektive Gefährdung von Lebens-werten. Subjektive Ergänzung: gefährliche Pflichtverletzung. Versuch als Mangel in der Kausalität (nicht am Tatbestand) S . 86. — II. Versuch und straflose Vorbereitung (S. 88). Zeitliche Grenzen. Verschiedene 'Bedeutung in den drei Hauptdeliktsgruppen (S. 91). — III. Inhaltlich-normative Begrenzung des Versuchs. Rechtswidrigkeit. Abstrakt-untauglicher Versuch und versuchsähnlicher strafwürdiger Mangel am Tatbestand (S. 94). 1. Bedeutung der Untauglichkeit. 2. Generelle Gefährdungstheorie. Irrtum. Putativdelikt; Grenzen seiner •Strafwürdigkeit gegenüber dem Wahnverbrechen (S. 95). — 3. Verschiedene Bedeutung in den drei Hauptdeliktsgruppen (S. 98). 4. Rechtswidrigkeit (S. 100). — IV. Schuld (S. 100). 1. Vorsatz. 2. Freiwilliger Rücktritt; tätige Reue als Schuldaufhebungsgrund (S. 101). — V. Strafbarkeit (S. 103).

§ '16. Die einzelnen Rechtfertigungsgründe

103

A . Selbstschutz durch Abwehr von Gefahr und Hilfe in Not. I . , Notwehr (S." 104). — II—VI. Notstand. Bedeutung. Differenzierungs- und Vereinigungstheorie (S. 108). — II. Zivilrechtlicher Notstand (S. 109). — III. Echter strafrechtlicher Notstand (S. 110). — IV. Nötigungsnotstand (S. 111). — V. Uebergesetzlicher Notstand ( S . 112). — VI. Staatsnotetand und Staatsnotwehr. Hilfe in Not (S. 114). — B . Ausübung formaler R e c h t e und Befugnisse (S. 116). I. Zwangs- und Gewaltrechte von Privatpersonen. — II. 1. Oeffentlichrechtliche Zwangs- und Gewaltrechte (S. 117). 2. Der rechtswidrige verbindliche Befehl des Vorgesetzten (S. 117). — III. Erziehungs- und Züchtigungsrechte der Lehrberechtigten (S. 119). — IV. Einwilligung des Verletzten (S. 119). — V . Verwandte Figuren: mutmaßliche Einwilligung, Geschäftsführung ohne Auftrag (S. 120). — V I . Wahrheitsgemäße Parlamentsberichterstattung ( S . . 1 2 0 ) . — . C.VFSrderung von Lebensinteressen in Richtung auf das Gemeinwohl (S. 120). I. Allgemeine sozialnützliche Einrichtungen (S. 120). — II. Wohl der Mitmenschen bei Hilfe in Not (S. 1 2 1 ) . — III. Förderung der Gesundheit. Milderung von Leiden, Heileingriff (S. 122). — IV. Wahrung berechtigter Interessen (S. 123). — V. Zurechtweisung Jugendlicher bei grober Ungehörigkeit, sog. Züchtigungsrecht Dritter (S. 124).

4.

Abschnitt

Das Verbrechen als Schuld § 19. Das Wesen der Eihzeltatschuld I. Aufbau der Schuld. Kriminalistische Kreationstheorie. 1. Gegenstand der Schuld: Wollen und Wirken (S. 126). 2. Maßstab der Schuld; der Kriminalitätserreger (S. 128). 3. Formale und materiale Schulddefinitionen (S. 130). — 4. Die gesetzlichen Schuldmerkmale (S. 130). a) Schuldelemente: Vorsatz und Fahrlässigkeit, b) Reine Schuldtypen: Schuldvoraussetzungen, Schuldschärfungs-, Schuldmilderungs-, Schuldausschließungs-, Schuldaufhebungsgrfinde (S. 130). c) Gemischte Schuldtypen (S. 131). — 5. Stand der Ansichten (S. 131). — II. Funktionen und Ausbau (S. 132). — III. Schuldträger nur Einzelpersonen (S. 133).

126

vm

Inhaltsübersicht Seite

§ 20. Chronische Tendenzschuld

133

I. Aufbau der Tendenz-, Neigunga- oder Lebenseinstellungsschuld (S. 133), 1. Entwicklung und Gestalt. 2. Mafistab und Bewertung. 3. Definition (S. 135). 4. Die chronische Tendenzschuld als sekundäre Form einer Vielheit von Einzeltatschuld (S. 135). — II. Intensitätstypen der chronischen Tendenzschuld (S. 135). 1. Vorstufe: einfache gleichartige Tendenzschuld, a) Einfacher Rückfall, b) Artverwandter Rückfall. 2. Habituelle Tendenzschuld (S. 136).. a) Gesteigerte Gewöhnungs- und Hangschuld, b) Gesteigerte Energiennd Zielstrebigkeitsschuld (S. 137). — III. Funktionen und Ausbau der chronischen Schuldgrade (S. 138). 1. Schuldgrade bei Strafbemessung und ¡Strafvollzug. 2. Sog. Persönlichkeitsadäquanz. 3. Steigerung oder Minderung der Schuld durch Umwelt, Aslage und Willensentschluß? (S. 138). 4. Chronische Schuld ist generell, aber nicht immer im konkreten Fall schwerer als Einzeltatschnld' (S. 139). 5. Merkmale des Chronischen und Akuten (S. 139). 6. Schädliche Neigungen (JugGG.). — IV. Gesetzliche Ausgestaltung der chronischen Schuld. Rückfall. Der gefährliche Gewohnheitsverbrecher 8 20a (S. 140). — V. Möglichkeit von Kollektivschuld? (S. 142). Verbrecherische Organisationen.

§ 21. Vorsatz.

Irrtum

143

I. Wesen des Vorsatzes. 1. Formale, 2. materiale Definition (S. 144). 3. Vorstellung«-, nicht Willenstheorie für Vorsatz (anders für Schuld) (S. 144). — II. Gegenstand des Vorsatzes. 1. Kenntnis der wesentlichen Tatsachen, die auf Tatbestandsmäßigkeit schlieBen lassen (S. 145). 2. Kenntnis der für die rechtliche Würdigung wesentlichen Tatsachen (S. 147). 3. Kenntnis der sozialschädlichen Tendenz, Rechtsirrtum (S. 148). — III. Irrtum (S. 149). 1. Arten des beachtlichen und des unbeachtlichen Irrtums (S. 149), Uebersicht. 2. Stand der Ansichten (S. 151). — IV. Die Kenntnis. Arten des Vorsatzes (S. 152). Fünf Stufen. Eventualvorsatz als Wahrscheinlichkeitskenntnis (S. 153). — Gesetcesvorschlag (S. 154).

154

§ 22. Fahrlässigkeit I. Wesen und Arten: Tat- und Rechts-, unbewußte und bewußte Fahrlässigkeit. 1. Formale, 2. materiale Definition, Stufen a—n (S. 155). 3. Stand der Ansichten (S. 156). — II. Gegenstand der Fahrlässigkeit. 1. Wahrscheinlichkeitskenntnis (S. 157). 2. Stufen und Grade (S. 157). 3. Irrtum (S. 158).— III. Maßstäbe und Forderungen. 1. Problem (S. 158). 2. Pflichten zum Besserwissen und Besserhandeln (9. 458), 3. Gesamtwürdigung von Tat und Täter (S. 160). — Gesetzesvorschlag (S. 161).

§ 23. Schuldfähigkeit (Zurechnungsfähigkeit

und Deiliktsfähigkeit). .

161

1. Gemeinsame normative Schuldvoraussetzungen. 1. Zurechnungsfähigkeit. 2.—3. Nähere Bestimmung. 4. Verminderte Zurechnungsfähigkeit (S. 163). — II. Pathologische Voraussetzungen: Bewußtseinsstörung, krankhafte Störung der Geistestätigkeit, Geistesschwäche (S. 164). — III. Deliktsfähigkeit. Altersstufen. Jugendliche (S. 166).

§ 24. Sonstige Schuldmerkmale (Entschuldigungs-, Schuldmilderungs-, Schuldschärfungs-, Schuldaufhebungsgründe) I. Schuldelemente. — II. Schuldfähigkeit. — III. Echte Schuldtypen (S. 168). 1. Schuldbegründende Merkmale. 2. Schuldschärfungsgründe. 3. Schuldmilderungsgründe. 4. Schuldausschließungsgründe. 5. Schuldaufhebung (S. 169). — IV. Gemischte Schuldtypen (S. 169). 1. Typen der Schuldentwicklung. a) Absicht, b) Motiv. 2. Typen subjektiver Gefährlichkeit. 3. Persönliche Eigenschaften und Verhältnisse (S. 171). — V. Irrtum fiber Tatsachen, die den Schuldtypen zugrunde liegen (S. 171).

167

Inhaltsübersicht

IX Seite

5. Abschnitt Mehrheit von Verbrechern und von Verbrechen 25, Täter und "Teilnehmer.

Uebersicht und Neubau

172

I. Allgemeines. 1. Der natürliche Täter- und der. natürliche Teilnehmerbegriff. 2. Mängel der herrschenden Lehre über Teilnahme an strafbarer oder rechtswidriger Handlung: Akzessorietät und limitierte Akzessorietät (S, 173). Ansatz zum Neubau. — II. Systematische Uebersicht über die Arten der Täterschaft und Teilnahme (S. 176). — III. Sprachgebrauch (S. 176).

26. Täter und Teilnehmer im einzelnen

177

I. Wesen und .Strafwürdigkeit. — II. Objektive und subjektive Bestimmung des Täter- und Teilnehmerbegriffs (S. 178). 1. Beides ist erforderlich. Mängel der subjektiven Theorffe. 2. Verschiedene Bedeutung der objektiven und subjektiven Theorie in den einzelnen Deliktsgruppen (S. 180). — III. Der natürliche Täterbegriff und der selbständige, erweiterte Teilnehmerbegriff (Mitwirker). Mittelbarer Täter (S. 182). 1. Leitsatz. 2. Bisherige Fälle mittelbarer Täterschaft (S. 183), 3. Erweiterung des Teilnehmerbegriffs (S. 185). — IV. Mehrtäterschaft. 1. Mittäter (S. 187). 2. Nebentäter (S. 188). — V. Teilnahmeformen. 1. Anstiftung (S. 188). 2. Beihilfe (S. 191). 3. Erweiterte Teilnahme, Vorbereitung und Versuch ohne Akzessorietät (S. 192). 4. Mittelbare Teilnahme (S. 193). 5. Konkurrenz. 6. Nachhilfe. — VI. Haftung nur für eigene Schuld. Volle. Haftung für Schuld (S. 194).

i 27. Konkurrenzlehre.

Uebersicht und Neubau

198

Hauptthema: Einheit und Mehrheit von Gesetzen, von Handlungen und von Verbrechen. — I. Handlungseinheit bei Mehrheit von Einzelaktcn. 1. Natürliche Handlungseinheit (S. 199). 2. Juristische (normative) Handlungseinheit (S, 199). a) Positivrechtliche Tatbestandseinheit. b) Verbrechenseinheit gemäß Gesetzesauslegung nach dem Grad von Unrecht und Schuld, aa) Kollektivdelikt, bb) Fortgesetztes Delikt (S. 199). — II. Gesetzeseinheit und Gesetzesmehrheit (S. 200). A. Gesetzeseinheit (abstrakte Gesetzeskonkurrenz). 1. Spezialität (S. 200). 2. Subsidiarität (S. 201). 3. Alternativität (S. 201). — B . Konkrete (echte) Konkurrenz (S. 201). 1. Konsumtion (typische Gesetzeskonkurrenz), aj Begleittat (S. 201). b) Vor- und Nachtat (S. 202). 2. Reine konkrete Gesetzeskonkurrenz (S. 202). a) Tatund Erfolgseinheit: Idealkonkurrenz. b) Tat- und Erfolgsmehrheit: Realkonkurrenz. c) Tateinheit bei Erfolgsmehrheit (S. 202): verdeckte Realkonkurrenz (sog. ungleichartige unechte und gleichartige Idealkonkurrenz).

i 28. Fortgesetztes und sonstiges Gesamtdelikt

203

I. Fortgesetztes Delikt. 1. Funktion. 2. Voraussetzungen (S. 204). 3. Wirkung (S. 206). — II. Eigentliches Gesamt- oder Kollektivdelikt (S. 206).

i 29. Konsumtion

207

I. Wesen. — II. Alten. 1. Begleit- oder Nebentat (S. 208), 2. Vortat (S. 209). a) Straflose Nebentat. b) Strafwürdige Vortat. 3. Nachtat (S. 209). a) Straflose Nebentat. b) Strafwürdige Nachtat. — III. Rechtsfolge (S. 210).

i 30. Ideal- und Realkcmkurrenz I. Idealkonkurrenz. 1, Gegensatz zur Konsumtion. 2. „Gegensatz zur Realkonkurrenz. 3. Einheit der Ausführungshandlung (S. 211). 4. Einheit des Erfolgs. 5. Fälle (S. Z12). 6. Behandlung. — II. Realkonkurrenz (S. 213).

210

X

Inhaltsübersicht Seite

6. Abschnitt

Behandlung des Verbrechens und des Verbrechers 31. Strafe und verwandte Maßregel im allgemeinen

214

I. Aufgabe der modernen Strafe. Dualistisches Prinzip. Bedeutung. Stand der Ansichten. — II. Ergebnisse (S. 215). Tendenzen der Gesetzgebung (S. 216). SchluQforderung (S. 217): konkret-funktionale Einbeziehung der Sicherupg und Besserung in den extensiven Strafbegriff bei abstrakter Gegensätzlichkeit (S. 217). ,

32. Konkrete (richterliche) Strafbemessung

217

Bedeutung: Einbeziehung sämtlicher Hauptthemen des Straf rechts. I. Grundsitze. 1. Strafvoraussetzungen. Die Zumessungsgrfinde als konkretisierte Unrechts- und Schuldtypen (S. 219). a) Grade des Unrechts, b) Grade der Schuld. 2. Strafzwecke" als WertungsmaBstäbe (S. 222). a) Gerechte Vergeltung von Unrecht und §ühne von Schuld, b) Sicherung, Besserung, Abschreckung (S. 222). 3. Objekt der Bewertung (S. 223). a) Tat-Entwicklung. Grad der Freiheit; Einflußstärken von Anlage und Umwelt, b) Vorleben. Fragebogen. Vorstrafenli'sten (S. 224). c) Verhalten nach der T a t . d) Grundsatz der persönlichen Notwendigkeit und Tragbarkeit innerhalb der rechtlichen, staatlichen, sozialen und sozialethischen Notwendigkeit (S. 225). e) Einfluß des Verschuldens des Verletzten (S, 225). — II. Ausgestaltung und Anwendung. 1. Gesetze und Entwürfe (S. 226). 2. Wissenschaftliche Lage (S. 226). a) Bildung konkreter Gestaltungsnormen. b) Abwägen und Vergleichen auf Grund von Erfahrung. Generalisieruqgsfähigkeit (S. 227). c) Gerechtigkeitsidee. d) Konstitutive Bedeutung des Strafurteils (S1. 228). e) Zulässigkeit unbestimmter Strafurteile (S. 228).

33. Gesetzliche Strafb«messung

229

I. Sachlich gibt es nur Schuldtypen. — II. Generelle Typen (S. 230). 1. Mildernde Umstände. 2. 'Minder schwere Fälle. 3. Besonders schwere Fälle (S. 230). '

34. Verjährung und Begnadigung

231

I. Verjährung. — II. Begnadigung Amnestie. Rehabilitation (S. 232).

(S.

232).

Bedingte

Strafaussetzung.

35. Die Strafen, Arten umd Vollzug

233

I. Hauptstrafen. 1. Sog. Todesstrafe. 2. Freiheitsstrafen (S. 233). Arten a—d. Vollzug (S. 234). Vordringen des Sicherungsgedankens. Hauptfragen des Strafvollzugs (S. 23$): Aufnahme; Einzel- oder Gemeinschaftshaft, Entlassung und Entlassenenfürsorge; sonstige Fragen. 3. Geldstrafe (S. 236). — II. Nebenstrafen (S. 236). 1. Ehrenstrafen. 2. Einziehung von Sachen. 3. Verfallerklärung. — III. Nebenfolgen (S. 237). 1. Unterschiedslose Einziehung. 2. Unbrauchbarmachung. 3. Eidesunfähigkeit. 4. Polizeiaufsicht. 5. Urteilsbekänntmachung. — Zu I—III: Tendenzen: Einengung der Strafen zu? gunsten der sonstigen ' Maßregeln (S. 237) —. IV. Nicht-kriminelle Strafen (S. 238).

36. Strafergänzende Maßregeln.

Jugendrecht

I. Persönliche Sicherungs- und Besserungsmaßregeln. 1, Maßregeln mit Freiheitsentziehung, a) Sicherungsverwahrung. - b) Arbeitshaus, c) Trinkerheilansialt. d) Heil- und Pflegeanstalt. Zu a—d: Gemeinsames — 2. Maßregeln ohne Freiheitsentziehung (S. 240). a) Früher: Entmannung, b) Berufsverbot. c) Früher: Reichsverweisung. Zu 1—2: Gemeinsames. — 3. Weitere V o r s c h l ä g e . ' — II. Verwaltungs- und- zivilrechtliche Maßregeln (S, 241). 1. Buße. 2. Entschädigung. 3. Mithaftung: — III. Erziehungs- und Straf-

238

XI

Inhaltsübersicht

Seite maßregeln (S. 242). (S. 243).

gegen Jugendliche (S. 241). 1. Jugendgefängnis. 3. Erziehungsmaßregeln. 4. Sicherungsmaßregel.

2. Zuchtmittel Gemeinsames

Anhang I. Kriminologische Tragweite

244

A. Voraussetzungen, Ziele und Wirkungen der Strafen und Maßregeln. — B. Statistische Uebersicht (S. 245). — C. Praktischer Erfolg (S. 245). I. Vier Grade der Wirksamkeit der Strafe (S. 246). II. Die Sicherungs- und Besserungsmaßregeln. Ihre vier Anwendungsgebiete (S. 247).

Anhang II. Leitsätze für die Anfertigung von Uebungsarbeiten und Urteilen

248

1. Anlage der Arbeit und des A r b e i t e r s . 1. .Forschung und Darstellung. 2. Einzelnes für die Darstellung bei Aiifängerarbeiten. 3. Zeitpunkt. — II. Reihenfolge der Prüfung bei strafrechtlichen Arbeiten (S. 251^. — III. Reihenfolge der Prüfung bei prozeßrechtlichen Arbeiten (S. 252). — IV. Methodik der Reihenfolge in wissenschaftlichen und praktischen Arbeiten (S. 253).

Register

264

XII

Abkürzungen Abh.

s. S t r a f r . A b h .

A l l f e l d s. Binding DJ. oder Dt,

Meyer-Allfeld.

Hdb.:

Strafr.

oder

Graf

zu

E.:

Entwurf.

GS.

Handbuch

R.

oder

GoltdA.:

Das

GerS.:

1885.

Dohna

für

f ü r R.

das

Strafrecht.

Aufbau

Deutsche

Frank

der

Verbrechenslehre

Reich,

18. A .

2. A .

1941.

1931.

1930.

Gerichtssaal.

Großer

Gürtner:

zu

StGB,

Goltdammers

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Festgabe

Strafrechts

Zeitschrift Deutsches

Aufbau:

Frank

Festg.:

des

Justiz.

DtStrR.:

Dohna

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DtJ.: Deutsche

Archiv.

Senat

Gürtner

des

Das

Reichsgerichts

kommende

in

deutsche

Strafsachen. Strafrecht,

Bericht

über

die

Arbeiten

der

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l i e h e n S t r a f r e c h t s k o m m i s s i o n , 2. A . 1 1935, II 1936. H.

M.: H e r r s c h e n d e

v.

Hippel

I, II:

v. Hippel HRR.:

Meinung.

v.

Lehrb. •

Hippel v.

Höchstrichterliche

JurMethL.:

Juristische

JW.:

Juristische

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Kammergericht.

LK,

oder

v.

Rechtsprechung.

Leipziger

Kohlrausch

Liszt-Schmidt:

v.

und

1933/4

Lange,

Sonst,:

25. A .

Meyer-Allfeld Mezger

Strafrecht,

Grdr.:

Mezger

Deutsches

RG.:

Kommentar

Entscheidungen

Rspr.:

des

Rechtsprechung

Sauer

Grdlg.:

Sauer

JurElL.:

Sauer

JurMethL,'

Sauer

KrimSoz.:

1930.

1932. zur

DJ.

Sauer

38,

(Nagler

u.

a.,

1.

Lief.);

4,

A,

Allg,

Teil,

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(Lobe).

A.

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1944. deutschen

deutschen

Lehrbuch

2. A .

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Strafrechts,

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26.

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Teil,

9.

A.

193'

1933.

Grundriß 1942 f f .

3.

A,

1944.

(Niethammer).

Strafsachen.

Strafrechts

1921.

Elementarlehre

1944.

Juristische

Met hodenlehre

Kriminalsoziologie

Das StGB,

1944

Teil

Reichsgerichts).

Juristische

Sauer

Schönke

zum

ein

Reichsgerichts

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A,

Lehrbuch

Lehrbuch

Grundlägen

Sauer

Sauer

SchÖnke:

1926, II

1927.

Lehrb.:

Olshausen

6. Allg.

StGB,,

Liszt-Schmidt,

Mezger Mezger

I

Strafrechts

Ergänzungsblatt

Kommentar

5 A.

Meyer-Allfeld:

Olsh.:

des

Wochenschrift.

LpzK.:

1932.

Strafrecht

Lehrbuch

Methodenlehre.

(Ebermayer-Lobe); Kohlrausch:

Deutsches

Hippel

für das

1940.

1933.

Deutsche

Reich

mit

Kommentar.

2. A ,

1944,

S c h w a r z : S c h w a r z S t G B , ( K u r z k o m m e n t a r ) , 12. A . 1944. Strafr. Abh. oder Abh.: Strafrechtliche Abhandlungen, berausgeg. von Schoetensack früher Eieling. VD.A.. Vergleichende Darstellung des Deutschen und ausländischen Strafrechts, Allg T e i l , 1908 VE.:

Vorentwurf.

VO.:

Verordnung.

v . W e b e r G r d r . : v. W e b e r G r u n d r i ß d e s D e u t s c h e n S t r a f r e c h t s 1946. Welzel: W e l z e l D e r A l l g e m e i n e T e i l d e s d e u t s c h e n S t r a f r e c h t s in 3. A . 1944. ZStrW.:

Zeitschrift

für

die

gesamte

Straf r e c h t s Wissenschaft.

seinen

Grundzügeri

i. Abschnitt

Das Strafrecht als Ganzes 5 1. Strafrecht, Kriminologie und Sozialethik I . D a s S t r a f r e c h t h a t die A u f g a b e , die G r u n d s ä t z e und Regeln zu schaffen, nach denen das Verbrechen im Sinne der staatlichen, kulturellen, sozialen und ethischen Notwendigkeiten zu behandeln ist. Das Verbrechen ist eine nie völlig a u s z u r o t t e n d e Erscheinung des sozialen Lebens aller Völker und aller Z e i t e n ; es bedarf der Behandlung und Bek ä m p f u n g gemäß bestimmten Richtlinien, über deren wesentlichen Inhalt sich die modernen K u l t u r s t a a t e n t r o t z Abweichungen in der n ä h e r e n Ausgestaltung einig sind Die Behandlung geschah f r ü h e i allein durch B e s t r a f u n g ; heute sind zur S t r a f e noch zahlreiche a n d e r e Mittel der Behandlung getreten, V e r h ü t u n g und Sicherung, Besserung und Erziehung, Ausgleich und G e n u g tuung Schon deswegen ist das Wort S t r a f r e c h t nicht mehr zutreffend. A u ß e r d e m drückt es nur die Folgen, nur eine Folge aus, w ä h r e n d einen ungleich größeren Raum die V o r a u s s e t z u n g e i n n i m m t : das Verbrechen. Zutreffender ist die ältere Bezeichnung: Kriminalredit Man nennt das Privatrecht (Vertrag und Delikt) doch nicht Schadensersatzrecht; und die ärztliche Wissenschaft beschäftigt sich vor allem mit der K r a n k h e i t , während Arznei und sonstige Behandlungsmittel erst in zweiter Linie stehen. II. Das Strafrecht ist seinem Wesens- und Sinngehalt nach die rechtlichsozialethische Behandlung des Verbrechens. Die Strafrechtswissenschaft stellt einen Kreis dar, der sich mit zwei a n d e r e n Wissenschaftskreisen schneidet: der K'iminologie und der Sozialethik. 1 Die Kriminologie h a t das Verbrechen als soziale Erscheinung unseres kulturellen Lebens lediglich um seiner selbst willen, lediglich als geschichtliche Tatsache, o h n e Rücksicht auf die staatlichen G e s e t z e und Einrichtungen S a u e r , Strafrecht

1

2

I. Da» Strafrecht

Gm«

zu erforschen, die sidi vielmehr aus jener Tatsachenforschung in ihrer Notwendigkeit erst ergeben sollen; sie ist ein Zweig der Soziologie und der Psychologie (in eiiiem weiteren, hier nicht interessierenden Sinne auch der Biologie und der Psychiatrie). Wenn das Verbrechen gerecht bestraft und erfolgreich bekämpft werden soll, muß man vor allem zuverlässige Kenntnisse davon besitzen, was das Verbrechen überhaupt wirklich ist. Die kriminologische Forschung ist eine unerschöpfliche Fundgrube für die Erkenntnis des Verbrechens und des Verbrechers. Die Gesetze sind durch neue kriminelle Mittel und Schleichwege dauernd überholt. 2. Die Sozialethik weist die obersten Richtlinien auf, die auch für das staatliche Recht verbindlich sind oder verbindlich sein sollten, will es selbst wirksam und von Bestand sein Sie ist ein Zweig der allgemeinen Ethik sowohl wie der Rechts- und Sozialphilosophie und ermöglicht überhaupi erst, über die wechselnden Erscheinungen der positiven Gesetze hinaus die allgemeinen Lehren des Strafrechts aufzustellen, die auch einer Gesetzgebung als Anhalt dienen. Die Gesetze sind auch in dieser Hinsicht dauernd überholt — nicht durch politische Ereignisse, aus denen sich alsbald ein neues Recht ergibt, sondern durch den Wandel der sozialethischen Anschauungen im einzelnen, mag auch der Grundstock konstant bleiben; der Wandel ist allerdings soziologisch, politisch wie kulturgeschichtlich bedingt. 'Die besten Gesetze sind allezeit reformbedürftig; die Rechtsprechung hat sie aber modern zu erhalten und wird so zum Schöpfer des „lebenden Rechts". So zieht das Strafrecht Lebenskraft und Wertgehalt aus der Soziologie und der Sozialethik.

S 2. Methodische Struktur des Systems Übersicht

und

Neubau

I. Die bisherige Strafrechtslehre hat zwar zum großen Teil die Kriminologie und die Sozialethik als wissenschaftliche Disziplinen anerkannt (keineswegs immer, wie zB. Binding und seine Anhänger) und sich von ihnen anregen lassen, hat sie jedoch als andersgeartete, als fremde, bestenfalls als Hilfswissenschaften (so ausdrücklich Beling) angesehen und ihre eigene formal« „Dogmatik" streng gewahrt. Die hier vorgelegte Ganzheitslehre verarbeitet ihre Ergebnisse und übernimmt zum Teil auch ihre Denkweisen, soweit die eigenen juristischen Aufgaben es gestatten und erfordern. Die alte Dogmatik des Strafrechts erhofft von dieser „Überkreuzung" wissenschaftlicher Grundgesetze und Methoden eine Verjüngung und Bereicherung. Eine Verwertung kriminologischer Erkenntnisse f ü r den Besonderen Teil des Strafrechts liegt näher und wurde bereits von des Verfassers früherem Werk Kriminaltoziologie 1933 angebahnt. Hier wird erstmalig auch der Allgemeine Teil kriminologisch und sozialethisch durchdrungen, selbstverständlich unter Wahrung der formal-dogmatischen Denkweise. Das Strafrecht wird hiermit dreidimensional angelegt, wie es die Juristische Methodenlehre desselben Autors 1940 forderte

$ 2. Methodisdie Struktur des Systems

3

I I 1 ) . Es seien in Kürze einige methodische Konsequenzen zusammengestellt; die Erläuterung folgt später in den eifrzelnen Kapiteln. Betont wird, d a ß diese ganzheitlichen Lehren in Wahrheit nicht so neuartig sind, wie es auf den ersten Blick scheinen könnte. Namentlich praktisch eingeitellte Juristen sind auf gleichen Wegen gegangen, vielleicht ohne es zu wissen. Hier werden die Dinge nur bei ihrem eigenen Namen genannt; es wird ausgesprochen, was andere empfunden haben mögen. Jedenfalls heben wir manches stärker hervor, als es bisher geschah, vermeiden die üblichen Einseitigkeiten, bewahren vor dogmatischer Erstarrung. 1. Soziologische und sazialethisdie Betrachtung. Hierauf beruht der jetzt im wesentlichen a n e i k a n n t e Begriff der materialen Rechtswidrigkeit 2 ) Gegensatz: f o r m a l e , rein positivgesetzliche Rechtswidrigkeit. Material müssen aber auch (was neuartig ist) andere Begriffe verstanden werden: die Schuld, die Handlung (Ausführungshandlung), die Unterlassung, der Versuch, die Teilnahme, ja selbst die Kausalität. — Die sozialethische Einstellung sieht Maßstab u n d Ziel in Gerechtigkeit, die soziologische in Zweckmäßigkeit, die dogmatische in Rechtssicherheit3) Diese drei Prinzipien können im Einzelfall, zB. bei der Strafzumessung, zu widersprechenden Ergebnissen f ü h r e n ; die Ganzheitslehre vereinigt sie in Harmonie und schützt vor Konflikt ebenso wie vor Einseitigkeit. — Die Sozialethik lehrt den Indeterminismus: das Verbrechen ist das Werk des Täters („kriminalistische Kreationstheorie"); aber die Kriminologie zeigt als Aetiologie die Bedeutung der Anlage und besonders der Umwelteinflüsse auf; die Ganzheitslehre f ü h r t zum Ausgleich jener Kausalitäten mit der Willensfreiheit.' — Die Kriminologie weist auf die durchgehende Verschiedenheit von akuter und chronischer Kriminalität hin; dieser folgenreichen Erkenntnis kann sich auch die Dogmatik nicht verschließen: Zweiteilung des Schuldbegriffs, Bedeutung f ü r Strafbemessung und Strafvollzug, Sonderbewertung des Gewohnheitsverbrechers (§ 20a). — D a s Zurücktreten des Gesetzes f ü h r t z u r Möglichkeit von Analogie, zur Erweiterung des freien richterlichen Ermessens. So entsteht eine „reine" (übergesetzliche) allgemeine Strafreditslehre. Die wichtigen kriminologischen (ätiologischen) und die sozialethischen (tatbestandlichen) Tat- und Tätertypen (§ 11) gelten auch f ü r das Strafrecht. 2. Funktionale Methode: die Begriffe haben bestimmte Funktionen zu erfüllen; nur insoweit sind sie berechtigt 4 ). Gegensatz: formale, deduktive, logisch-begriffliche Behandlung. Zentralfragen sind die Strafbemessung und der Strafvollzug; ihre praktisch überragende Bedeutung m u ß sich a u d i in der Theorie äußern. Die dogmatischen Begriffe sind auf diese wichtigsten ') Für Anfänger dürfte «ich empfehlen, die folgenden methodischen Ausführungen des $ 2 erst im SdiluS oder vor dem letzten Abschnitt des Budies cn lesen, wie min Beethovens 3. Leonoren-Ontertüre erst im SthluB oder Tor der letzten Sien« des Oper zu spielen pflegt. ') So seit Crdlg. { 12 (273) wiederholt, wo der Begriff «Ii der messitnisdi« bezeichnet wurde. '1 Näher zuletzt JurMethL. {$ 31—33; kürzer JurElL. 63—««. 1 JurMethL. $§ 41, 45 II 3, 48 I 2| kürzer JnrEl. 18, 73. I«

4

I. Das Strafrecht als Ganze«

A u f g a b e n der S t r a f j u s t i z zuzuschneiden, w ä h r e n d bisher die letzteren von der T h e o r i e stark vernachlässigt und als Anhängsel des Systems betrachtet wurden. I n diesen Z u s a m m e n h ä n g e n stellt sich die juristische Denkweise in scharfen Gegensatz z u r soziologischen, also auch zur kriminologischen. Dort ist der G r u n d s a t z : bloße E r k e n n t n i s der Tatsachen, ihre Erklärung und Deutung. D e m g e g e n ü b e r ist das Juristische Grundgesetz auf - Würdigung, Beurteilung, W e r t u n g der Tatsachen gerichtet; hierin stimmt es wiederum mit der Sozialethik überein, auf die das Strafrecht hinzulenken ist. Z u den wichtigsten G r u n d b e g r i f f e n des Strafrechts gehört . d a h e r der bisher völlig vernachlässigte Begriff der Strafwürdigkeit; er steht an der Spitze der gesamten Verbrechenslehre (§ 7). D i e - m e i s t e n strafrechtlichen GrunaDegriffe h a b e n die F u n k t i o n , die Bestimmung der Strafwürdigkeit zu erleichtern; hiernach richtet sich ihr eigener Wert. Die Strafwürdigkeit gehört der reinen Straf rechtslehre a n ; erst hiervon abgeleitet ist die S t r a f b a r k e i t , die lediglich positivgesetzlich bedingt ist. 3. Konkrete Betrachtung, Fallrecht. G e g e n s a t z : abstrakte, generelle Betrachtung"). Viele S t r e i t f r a g e n sind nur dadurch entstanden, daß m a n verschiedene A r t e n von Fällen im Auge hatte. Theorien und Gesetze sind nicht um ihrer selbst willen g e s c h a f f e n ; sie haben nur die Funktion, Fälle zu entscheiden, das Verbrechen gerecht und zweckmäßig zu behandeln, wonach sich wiederum ihre eigene Berechtigung und Tragweite bestimmt. Nicht nur der von der jeweiligen Interessenlage abhängige Notstand läßt sich allein „von Fall zu F a l l " feststellen, sondern auch die generell so streng geregelte N o t w e h r ; die zahlreichen „ungeschriebenen" und „übergesetzlichen' 1 Rcchtfertigungsgründe und, w a s schwieriger ist, ihre Exzesse f o r d e r n zur FallJurisprudenz g e r a d e z u heraus. D a s gleiche gilt f ü r die G r e n z e n von Vorsatz, Fahrlässigkeit und Schuldlosigkeit. Die schwierigen Probleme um die Konsumtion, die im Sinne der hM. gar keine F o r m abstrakter Gesetzesk o n k u r r e n z (wie die Spezialität) ist, weswegen man ihr Wesen gründlich verkannte, verlangen nach Fallentscheidung, ebenso das Kollektiv- und fortgesetzte Delikt sowie die G r e n z e n der Recl\tskraftwirkung. Die Schwierigkeit, P r o b l e m e der Versuchs- und der Teilnahmelehre in den „ G r e n z f ä l l e n " zu lösen, zeigt die Unmöglichkeit genereller und a b s t r a k t e r Lösungen, mit denen man bereits auf falschen methodischen Wegen schritt: die objektive wie die subjektive Theorie sind beide berechtigt, jedoch nur im Hinblick auf eine gewisse Art von Fällen, um deren Eigenart man sich h ä t t e b e k ü m m e r n sollen, statt sich um abstrakte Dogmen (Willensstrafrecht!) zu streiten. So b e w ä h r t sich die subjektive Theorie nur bei Nutzdelikten, die ihre Verfechter wohl allein im Auge haben. Hier zeigt sich eben die Wichtigkeit der kriminologischen und sozialethischen T y p e n . — A u ß e r d e m o f f e n b a r t sich die Notwendigkeit, den Allgemeinen Teil auf den Besonderen zu beziehen, was wohl jene im Auge h a t t e n , die den Besonderen dem Allgemeinen Teil vorangestellt 9 ) oder in ihn eingearbeitet haben wollten ') Grdlg. § 2 II; J u r M e t h L . (bes. $ 46) nnd J o r E l L . s. Reg. ') Prß. Denksdir. 1933; Entw. d. StPO 1445.

5

§ 2. M e t h o d i s c h e S t r u k t u r dfes S y s t e m s

— übrigens w i e d e r u m eine B e t o n u n g des K o n k r e t e n . A n d e r s e i t s b e d a r f das K o n k r e t e der E r g ä n z u n g u n d V e r e i n f a c h u n g durch T y p e n ; das Typologische ist ebenfalls eine u n e n t b e h r l i c h e D e n k w e i s e . Endlich zeigt sich eine meist u n b e a c h t e t e V e r b i n d u n g : j e d e k o n k r e t e E n t s c h e i d u n g von Fällen und L ö s u n g von S t r e i t f r a g e n m u ß der G e n e r a l i s i e r u n g f ä h i g sein 7 ), soll sie von B e s t a n d sein. Hier sehen wir wieder die Ganzheitstendenz der konkreten reinen Strafreditslehre. 4. Analyse aller B e g r i f f e , auch k o n k r e t e r E r s c h e i n u n g e n , in f e i n s t e m M a ß e und n a c h f o l g e n d e Synthese." Durch die Analyse- sind die wesentlichen M e r k m a l e h e r a u s z u h e b e n , die nebensächlichen und zufälligen a u s z u s c h e i d e n ; n u r Wesentliches und W e r t v o l l e s ( „ W e r t - M o n a d e n " ) eignet sich f ü r g a n z heitliche Gebilde 8 ). So v e r f ä h r t j e d e r e x a k t e wissenschaftliche Forscher, jeder g e w i s s e n h a f t e kulturelle, d. h. K u f t u r w e r t e s c h a f f e n d e Mensch. Die Wissenschaft v e r m a g n u r mit g e r e i n i g t e n , klar e r k a n n t e n Begriffen zu arbeiten und nur aus ihnen ein h a r m o n i s c h e s System z u s a m m e n z u f ü g e n ; sonst e n t s t e h e n überall W i d e r s p r ü c h e und K o n f l i k t e , wie im L e b e n . Erk e n n t n i s heißt systematische Einsicht in den Z u s a m m e n h a n g der Elemente. G e b o t e n ist nicht e t w a eine pedantisch äußerlich systematische D a r s t e l l u n g , s o n d e r n eine innere Systematik, wie sie auch einem guten K o m m e n t a r innewohnt D a s ist reine Strafreditslehre. E i n e r d e r a r t i g e n A n a l y s e zu ihrer E r k e n n t n i s b e d ü r f e n g e r a d e solche wichtige, u m s t r i t t e n e G r u n d b e g r i f f e , die vermeintlich schon d a s E i n f a c h s t e d a r s t e l l e n , in W a h r h e i t a b e r ' höchst zus a m m e n g e s e t z t e r N a t u r sind, w i e : Wollen, H a n d e l n , U n t e r l a s s e n , K a u s a l i t ä t , Schuld, V o r s a t z , T ä t e r usw. Die zahlreichen S t r e i t f r a g e n , an die" sich g a n z e T h e o r i e n anschließen, lösen sich einfach so, d a ß m a n ihre E l e m e n t e n u r g e g e n e i n a n d e r a b z u w ä g e n b r a u c h t und die hierbei als wesentlich e r k a n n t e n f u n k t i o n a l in das Rechtsg a n z e einläßt. Die Entscheidung erfolgt hierbei g e m ä ß einei „Ühergewichtstheorie"; sie gilt nicht nur beim Notrecht, wo sie sogar einen gesetzlichen Ausdruck f a n d , s o n d e r n allgemein bei der Rechtswidrigkeit und folglich bei der K a u s a l i t ä t (als v o r h e r r s c h e n d e T e n d e n z gegenüber bloßen Bedingungen), bei der Schuld (als überwiegend f r e i e r , verwerflicher S e l b s t b e s t i m m u n g g e g e n ü b e r Anlage- und U m w e l t e i n f l ü s s e n ) , bei der S t r a f e (als ü b e r w i e g e n d e i Sühne und Vergeltung gegenüber Sicherungs-, B e s s e r u n g s und Abschreckungszielenl beim V o r s a t z (als Uberwiegender V o r s t e l l u n g g e g e n ü b e r Willensund G e f ü h l s e l e m e n t e n ) , bei der V e r j ä h r u n g (als ü b e i w i e g e n d e m Prozeßh i n d e r n i s g e g e n ü b e r S t r a f a u f h e b u n g ) usw. V e r w e r t e n l ä ß t sich hierbei die f ü r den kriminologischen A u f b a u v e r w e n d e t e T h e o r i e d e r Schichten- und Ringbildung: um einen G r u n d s t o c k des Ziel- und W e r t s t r e b e n s legen sich im L a u f e des historisch-sozialen L e b e n s m e h r und m e h r Ringe (§ 12).

') Das ist d e r b e k a n n t e M a ß s t a b in K a n t i k a t e g o r i s c h e m 233, 241 355, 38.1, 399. ') Z u l e t z t 53, 91, 99.

eingehender

JurMethL.

91—107,

429,

455;

I m p e r a t l T . Vgl.

kürzer

JurElL.

JurMcthL. 66—70,

51

I. Das S t r a f r c d i t als Ganzes

6

5. Normative Methode; G e g e n s a t z : naturalistische 9 ). Dieses f r ü h e r viel behandelte T h e m a wird noch immer o f t mißverstanden. Die Kriminologie als Tatsachenforschung u n t e r s t e h t nicht etwa nur der naturalistischen, d. h. naturwissenschaftlichen, sondern auch der soziologischen M e t h o d e ; auch sie ist auf Werte, auf N o r m e n bezogen, indem sie solche O b j e k t e erklärt und deutet, die hernach vom Strafrecht an N o r m e n gemessen werden. Der Fehler ist, dem Strafrecht O b j e k t e zu geben, die von den Naturwissenschaften bearbeitet werden, etwa das Wollen, H a n d e l n und Verursachen im naturwissenschaftlichen (logischen) Sinne. Nur bei normaler (normbezogener) M e t h o d e - l a s s e n sich strafrechtliche Probleme meistern wie die Unterlassung, die Fahrlässigkeit, das. f o r t g e s e t z t e Delikt, der untaugliche Versuch, die mittelbare Täterschaft. Die naturalistische Denkweise, wie sie noch unter v. Liszt vorherrschte, steht diesen Fragen hilflos gegenüber und wird zu K o n s t r u k t i o n e n gedrängt, die trotz des „ N a t u r a l i s m u s " durchaus unnatürlich sind. Die juristische Kausalität (wenn man das W o r t beibehalten will), ist zu verstehen nur soziologisch (teleologisch. ..ätiologisch" im kriminologischen Sinne), d. i. zugleich juristisch und sozialethisch im Sinne der A d ä q u a n z theorie, ebenso wie die Willensfreiheit nur im ethischen Sinne. Jeder Einbruch naturwissenschaftlicher Denkweisen trübt die methodische Reinheit, f ü h r t zu schweren methodischen Verwirrungen und stellt die rechtliche und »ozialethische Würdigung vor unmögliche Aufgaben. 6. Regulative Methode: G e g e n s a t z : logische Subsumtion 1 0 ). Dem Strafrecht liegt es nicht ob, Tatsachen unter Rechtssätze, Fälle unter N o r m e n logisch f e h l e r f r e i (..revisionssicher") zu subsumieren, vielmehr Lebensinteressen mittels der N o r m e n der Rechtssätze gemäß der Gerechtigkeit und dem Gemeinwohl zu ordnen Die oberste Richtschnur f ü r den Richter ist nicht ein positives Gesetz, sondern die reine, regulative Rechtsidee. Die Sozialethik stellt oberste Tupendziele, die auch f ü r das Strafrecht verbindlich sind (§ I I I . Auch die Institute Begnadigung und V e r j ä h r u n g sollte man sozialethisch begreifen und behandeln. W - i t e r e methodische Besonderheiten als Folgen obiger G r u n d a u f f a s s u n g werden sich im L a u f e der Darstellung wiederholt zeigen.

§ 3.

A u f g a b e n , Richtungen und Literatur

I. Die moderne, kritisch und systematisch gerichtete Strafrechtswissenschaft beginnt mit Anselm v. Feuerbach. Von K a n t s kritischer Philosophie als reiner Wissenschaft durchdrungen, war ei in einer Person Forscher, Gesetzgeber und Richter. In seinem Lehrbuch (1801) schuf er eine durch begriffliche Klarheit und Ordnung ausgezeichnete Systematik; das von ihm v e r f a ß t e Bayrische StGB. (1813) wurde vorbildlich durch begriffliche Schärfe, präzise Fassung, systematischen Auf•) Grdlg. § 2 I, S. 35, 207, 450, 492, 515, 556, 624, 660. ") JurMethL. § 9, be». J 41 g e g e n ü b e r $ 40.

§ 3. Aufgaben, Richtungen und Literatur

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b a u , durch die A u s d e h n u n g d e r V e r g e l t u n g s s t r a f e auf kriminalpolitische, v o m Sicherungs- u n d A b s c h r e c k u n g s g e d a n k e n g e t r a g e n e A u f g a b e n und durch d i e E r w e i t e r u n g des richterlichen E r m e s s e n s bei W a h r u n g b e s t i m m t e r , nach d e r S c h w e r e a b g e s t u f t e r S t r a f r a h m e n ; endlich w i r k t e er durch S a m m l u n g l e h r r e i c h e r s t r a f r e c h t l i c h e r F ä l l e a u s der Praxis auch b e r e i t s in m o d e r n k r i m i n o l o g i s c h e i Weise. U b e r die Aufgaben und Ziele des Strafrechts b e g a n n m a n s c h ä r f e r als b i s h e r n a c h z u d e n k e n , w a s alsbald zu e i n e m Streit der Strafrechtstheorien"1') f ü h r t e , d e r noch in der f o l g e n d e n P e r i o d e w e i t e r w i r k t e u n d bis auf den h e u t i g e n Tag h e r v o r t r i t t . Die geschichtliche E n t w i c k l u n g und G r u p p i e r u n g w u r d e im g a n z e n , m i t einigen V e r s c h i e b u n g e n , f ü r die s p ä t e r e n Schulen und j e t z t noch b e s t e h e n d e n R i c h t u n g e n m a ß g e b e n d . 1. Die s o g e n a n n t e n a b s o l u t e n T h e o r i e n , besser g e n a n n t T h e o r i e n d e r Gerechtigkeitsstrafe, f u ß e n auf der P h i l o s o p h i e des deutschen I d e a l i s m u s , b e s o n d e r s K a n t s u n d H e g e l s : die S t r a f e f i n d e t i h r e n G r u n d allein in d e m A n k n ü p f e n an d a s V e r b r e c h e n ; nach d e s s e n Schwere richtet sich i h r e e i g e n e H ö h e , w o m i t sich die R e c h t s o r d n u n g und die G e r e c h t i g k e i t b e w ä h r e n . Wie d i e g u t e T a t L o b und A n e r k e n n u n g v e r d i e n e n , so e r f o r d e r t die b ö s e T a t M i ß b i l l i g u n g u n d V e r g e l t u n g . In s p ä t e r e r f e i n e r e r A u s g e s t a l t u n g k n ü p f t die Vergeltung m e h r an die o b j e k t i v e , sozialschädliche Seite des V e r b r e c h e n s , die u n r e c h t m ä ß i g e T a t a n , d a g e g e n die Sühne m e h r an die s u b j e k t i v e n , sozialethisch v e r w e r f l i c h e n E l e m e n t e des V e r b r e c h e n s , den s c h u l d h a f t e n W i l l e n des T ä t e r s . D i e s e A u f f a s s u n g liegt f a s t allen neuzeitlichen G e s e t z e n u n d E n t w ü r f e n sowie mit einigen A b w a n d l u n g e n der ü b e r w i e g e n d e n Praxis d e r Gerichte, z u g r u n d e . G e g e n sie ist n u r ein B e d e n k e n , allerdings ein sehr gewichtiges, zu e r h e b e n . Wie die E r f a h r u n g lehrt u n d die Statistik belegt, h a t die K r i m i n a l i t ä t t r o t z b e s t ä n d i g e r V e r m e h r u n g und V e r b e s s e r u n g der S t r a f g e s e t z e in bedrohlicher Weise z u g e n o m m e n , und z w a r b e s o n d e r s die S c h w e r k r i m i n a l i t ä t , in n e u e r e r Zeit a u f f a l l e n d die chronische K r i m i n a l i t ä t , d. h. die R ü c k f ä l l i g e n , die G e w e r b s - und G e w o h n h e i t s m ä ß i g e n . Die nackten T a t s a c h e n legen die F r a g e vor. ob die S t r a f e ihren Beruf e r f ü l l t h a t , ob ihr Beruf nicht ein a n d e r e r h ä t t e sein sollen, als b l o ß e Gerechtigkeit. 2. Die s o g e n a n n t e n relativen T h e o r i e n , besser g e n a n n t Zweck-, Schutzo d e r Präventivthtorien, f r a g e n nicht wie jene zu 1 nach der V e r g a n g e n h e i t , s o n d e r n nach d e r Z u k u n f t . N i c h t : p u n i t u r , q u i a p e c c a t u m est, s o n d e r n : punitur, ne peccetur. a) Generalprävention: A b s c h r e c k u n g aller R e c h t s g e n o s s e n durch die S t r a f d r o h u n g o d e r auch durch die e i n z e l n e B e s t r a f u n g . Diese Ansicht wird seit Feuerbach viel v e r t r e t e n , b e s o n d e r s in politisch o d e r sozial g e f ä h r d e t e n Z e i t e n ; so w u r d e sie in D e u t s c h l a n d seit 1933 h ä u f i g a n g e w e n d e t . Gegen sie spricht, d a ß sie vom G e s e t z g e b e r und vom Richter sehr h o h e S t r a f e n f o r d e r t , die d a s M a ß d e r Schuld o f t weit ü b e r s c h r e i t e n , d a ß die S t r a f d r o h u n g a b e r selbst d a n n gegen S c h w e r v e r b r e c h e r u n w i r k s a m bleibt, je m e h r ") Außer den Lehr- und Handbüchern Grdlg. §§ 4—9.

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I. Dag S t r a f r e c h t als G a n z e s

sie i h r e r N i c h t e n t d e c k u n g g e w i ß sind. Der sozialethische Mangel T h e o r i e n ist, d a ß j e m a n d u n g e r e c h t d u r c h h o h e S t r a f e l e i d e t , n u r diese a u l a n d e r e wirkt.

dieser damit

b) Spezialprävention: V e r h ü t u n g v o n V e r b r e c h e n d u r c h E i n w i r k u n g auf den T ä t e r selbst Auf d i e s e r A u f f a s s u n g b e r u h t die m o d e r n e K r i m i n a l p o l i t i k . Sie b e w ä h r t sich h ö c h s t e n s b e i m S t r a f v o l l z u g , b e s o n d e r s bei F r e i h e i t s s t r a f e n . H i e r i n b e s t e h t ihre B e g r e n z u n g , m i t h i n i h r e E i n s e i t i g k e i t u n d ihr M a n g e l Sie b i e t e t d a m R i c h t e r bei der S t r a f b e m e s s u n g k e i n e n A n h a l t f ü r d a s M a ß der S t r a f e o d e r v e r l e i t e t ihn zu nicht p a s s e n d e n M a ß s t ä b e n . a a ) Besserung, d. i. V e r h ü t u n g d e s R ü c k f a l l s , möglichst Erziehung oder w e n i g s t e n s R ü c k g e w i n n u n g für die s t a a t l i c h e G e m e i n s c h a f t (sog. R e s o z i a l i sierung). Diese „ h u m a n e n " M i t t e l w e r d e n im a n g l o a m e r i k a n i s c h e n S t r a f vollzug viel a n g e w e n d e t ; in D e u t s c h l a n d w ä h r e n d d e r l i b e r a l - d e m o k r a t i s c h e n P e r i o d e 1919—33 b e v o r z u g t , in d e r n a t i o n a l s o z i a l i s t i s c h e n Z e i t als „ K n o c h e n e r w e i c h u n g d e s S t r a f r e c h t s " v e r s p o t t e t u n d als G r u n d f ü r d i e Z u n a h m e d e r K r i m i n a l i t ä t a n g e s e h e n . W o E r z i e h u n g zu M o r a l u n d S t a a t s g e s i n n u n g m ö g lich ist. sollte j e d e G e l e g e n h e i t d a z u b e n u t z t w e r d e n , u n d z w a r g a n z bes o n d e r s b e i m V o l l z u g l ä n g e r e r F r e i h e i t s s t r a f e n . N a m e n t l i c h bei J u g e n d l i c h e n u n d j ü n g e r e n P e r s o n e n ( e t w a bis z u m 25. J a h r ) ist E r z i e h u n g a m P l a t z e . J e d o c h . E r z i e h u n g u n d ü b e r h a u p t B e s s e r u n g sind o f t nicht möglich (so bei c h r o n i s c h e r K r i m i n a l i t ä t ) , o f t nicht n ö t i g ( s o bei e i n m a l i g e n D e l i k t e n ) . V o r allem ist . . E r z i e h u n g s s t r a f e " ein W i d e r s p r u c h in sich; d e n n E r z i e h u n g ist S e g e n und W o h l t a t . S t r a f e ist Leid u n d Ü b e l bb) Sicherung d e r s t a a t l i c h e n G e m e i n s c h a f t , Schutz (i e S.) u n d V e r h ü t u n g , vor a l l e m Unschädlichmachung den Unverbesserlichen. Dieser Gesichtspunkt gilt s u b s i d i ä r g e g e n ü b e r d e m o b i g e n zu a ; w o E r z i e h u n g v e r s a g t , t r i t t S i c h e r u n g ein, u n d sie b e w ä h r t sich als e r s t e s und d r i n g e n d s t e s k r i m i n a l politisches B e k ä m p f u n g s m i t t e l (v. L i s z t ) . wird d a h e r bei allen R e f o r m a r b e i t e n als L e i t z i e l a n g e s e h e n . A b e r auch d i e „ S i c h e r u n g s s t r a f e " ist nicht die eigentliche S t r a f e Bei rein a k u t e r K r i m i n a l i t ä t , e i n m a l i g e n T a t e n , F a h r l ä s s i g k e i t s d e l i k t e n b e d a r f es k e i n e r S i c h e r u n g , u n d d e r c h r o n i s c h e Sch j v e r v e r b r e c h e t k ä m e a u s der A n s t a l t ü b e r h a u p t nicht m e h r h e r a u s , ein a n d e r e r m ü ß t e vorzeitig e n t l a s s e n w e r d e n , w e n n e i n e W i e d e r h o l u n g s g e f a h r w e g e n v e r ä n d e r t e r Umwelt oder wegen körperlicher Untauglichkeit entfällt. c) A b s e i t s s t e h t d i e Genugtuung; sie ist e n t w e d e r e i n e p r i v a t e B e f r i e d i g u n g , a l s o k e i n e ö f f e n t l i c h e S t r a f e , o d e r e i n e G e n u g t u u n g f ü r die G e m e i n schaft und läuft a l s d a n n - a u f S ü h n e und Vergeltung hinaus. I I . Ein Schulenstreit, h e f t i g u n d nicht i m m e r in w i s s e n s c h a f t l i c h w ü r d i g e t W e i s e g e f ü h r t , b e g a n n mit der A u s b i l d u n g d e r K r i m i n a l p o l i t i k , i n s b e s o n d e r e durch F r a n z v. L i s z t , u n d mit d e r h i e r m i t z u s a m m e n h ä n g e n d e n E i n b e z i e h u n g der s o g e n a n n t e n H i l f s w i s s e n s c h a f t e n , der K r i m i n o l o g i e . 1. D i e K l a s s i k v e r t r i t t d i e V e r g e l t u n g s - o n d S i i h n e t h e o r i e e n t w e d e r «Heil o d e r in V e r b i n d u n g m i t d e r A b n c h r e c k u n g s l h e n r i e . So d i e höih> t r i c h t e r l i A e R e d i t s p r e c h u n g bis e t w a 1933. H a u p t d e r L e i p z i g e r Schule: K a r l H i n d i n * ( W e r k : Dil N o r m e n o n d i h r e Ü b e r t r e t u n g 1 8 7 2 - 1920), a u d i W i c h n,nd K : c h . S c h m i d t . An h ä n g e r : O e t k e r , F i n g e r , N a g l e r ( H a n p t v e r f . d. L r i p r . K o m m . 6. A. 1944), B e l i n g

$ 3. A u f g a b e n , R i c h t u n g e n n n d L i t e r a t u r

9

n a b e s t e h e n d A l l f e l d . In B e r l i n K a h l nnd K ö h l e r . I n M ü n c h e n B i r k m e y e r . S p ä t e r w u r d e n u r z u r E r g ä n z u n g der S i c h e r u n g s z w e c k , z u l e t z t und u n t e r s t a r k e r Zurückhaltung der Besserungszweck einbezogen. 2. D i e sog. m o d e r o e S c h u l e ( „ E i n s t - M o d e r n e ' 4 ) v e r t r i t t vor allem die Spezialprävention, in e r s t e r L i n i e d i e Sieb e r u n g s s t r ä t e , «iehl später auch die Generalprävention hinzu. B e g r ü n d e r : v. L i s z t ; A n h ä n g e r und N a c h f o l g e r : R ö h l « r a u s c h , M E . M a y e r , R a d b r u c h . G r a f zu D o h n a , E x n e r , E b e r h S c h m i d t . O r g a n : I n t e r n a t i o n a l e K r i m i n a l i s t i s c h e V e r e i n i g u n g , mit dem P r o g r a m m : Z i e l b e w u ß t e B e k ä m p f u n g des V e r b r e c h e r t u m s , i n s b e s o n d e r e U a s c h ä d l i r h m a r h n n g d e r U n v e r b e s s e r l i c h e n « im übrigen Erziehung. Insofern sprach man auch von «soziologischer Schule 4 * ( m i ß v e r s t ä n d l i c h und o h n e e i g e n e K l a r h e i t , vgl. s o f o r t zu I I I 2 ) D a »ich d i e e r f o l g r e i c h e B e h a n d l u n g a b e r e r s t im S t r a f v o l l z u g h e r a u s s t e l l t , w u r d e das a n b e s t i m m t * S t r a f u r t e i l g e f o r d e r t ( v g l . u n t e n $ 3 2 a. E . ) . Im L a u f des S t r e i t e s w u r d e f o r m u l i e r t : N i c h t d i e T a t , s o n d e r n d e r T ä t e r ist zu b e s t r a f e n . — G e g e n g r ü n d u n g durch d i e K l a s s i k u n t e r O e t k e r war die D e u t s c h e S t r a f r e c h t l i c h e G e s e l l s c h a f t , d i e a u f d i e » p ä t e r e u E n t w ü r f e ( s e i t 1 9 2 7 ) E i n f l u ß g e w a n n , sonst a b e r w e n i g e r h e r v o r t r a t . 3. E i n e meiden

m i t t l e r e

nnd

ihre

Schule

berechtigten

suchte die

Ziele

zu

Extreme

vereinigen.

m e n t a r ) , v. H i p p e l ( S t r a f r e c h t 1 9 2 6 / 3 0 ) , n a h e s t e h e n d

der

beiden

Vertreter: wohl

anderen

R . v. F r a n k

auch Mezger

1 9 3 3 ) . H i e r z u b e k a n n t e n sich auch d e s V e r f a s s e r s G r u n d l a g e n

zu

ver-

(Kom-

(Strafrecht)

des S t r a f r e c h t s

(1921).

I I I . Die sogenannten Hilfswissenschaften liefen zuerst lange Zeit unabhängig neben der Dogmatik her und drangen erst durch die Moderne (oben 112) ein, hiermit die „gesamte Strafrechtswissenschaft" begründend. I Die n a t u r w i s s e n s c h a f t l i c h e K r ' m i n a l b i o l o g i e , -psycho« l o g i e . » P s y c h i a t r i e und K o n s t i t u t i o n s l e h r e . B e g r ü n d e r : C. L o m b r o s o . G e p f l e g t w e r d e n d i e s e R i c h t u n g e n v o r z u g s w e i s e von M e d i z i n e r n , E . K r e t s c h m e r , v . N e u r e i t e r , J o h . L a n g e , G r u h l e , T ö b b e n u. a. 2. D i e K r i m i n i l i o i i o l o g i e (in dem w e i t e r e n S i n n e des g l e i c h n a m i g e n W e r k e t d e s V e r f a s s e r a von 1 9 3 3 ) sucht d i e f ü r d i e K r i m i n a l i t ä t e r h e b l i c h e n T a t sachen s o z i o l o g i s c h TU e r f o r s c h e n und u n m i t t e l b a r f ü r d i e j u r i s t i s c h e Würdigung b e r e i t z u s t e l l e n . — In e i n e m e n g e r e n S i n n e v e r s t a n d e n , v e r m i t t e l t d i e K r i m i n a l S o z i o l o g i e im G e g e n s a t z zu den n a t ü r l i c h e n E r s c h e i n u n g e n ( o b e n zu 1) n u r d i e s o z i a l e n , i n s b e s o n d e r e d i e w i r t s c h a f t l i c h e n T a t s a c h e n : d i e S o z i o l o g i e wird d a n n a l s o im S i n n e d e r m a t e r i a l i s t i s c h e n G e s c h i c h t s a u f f a s s u n g v e r s t a n d e n " ) . S o die e r s t e n Anr e g u n g e n von E n r i c o F e r r i und v L i s z t ( A u f s ä t z e 1 9 0 5 ) . E x n e r s K r i m i n a l b i o l o g i e 1 9 3 9 ist k e i n e n a t u r w i s s e n s c h a f t l i c h e , s o n d e r n e i n e s o z i o l o g i s c h e K r i m i n o l o g i e u n t e r B e s c h r ä n k u n g a u f d i e ä t i o l o g i s c h e F r a g e s t e l l u n g , a b e r mit d a n k e n s w e r t e r selbständiger Tatsachen forschung. — Ein Haupterkenntnismittel der Kriminalität ist dife K r i m i n a l s t a t i s t i k ( A m t l i c h e A u s g a b e des R e i r h s j u « t i z m i n i s t e r i u r a s und d e s S t a t i stischen A m t e s s e i t 1 8 8 2 ) . H i e r z u das u m f a s s e n d e W e r k : G . v. M a y r M o r a h t a t i s t i k 1 9 1 7 . E i n e d e r e r s t e n und a n r e g e n d s t e n s o z i o l o g i s c h e n U n t e r s u r h u n g e n f ü r da* R c i c h a u f s t a t i s t i s c h e r G r u n d l a g e b i e t e t das noch j e t z t a u f s c h l u ß r e i c h e W e r k e i n e s P s y c h i a t e r s : G . A s c h a f f e n b u r g D a s V e r b r e c h e n und s e i n e B e k ä m p f u n g 1 9 2 3 . 3. Die „ K r i m i n o I o g i e " 1 ' ) stellt eine Verbindung der beiden obigen Zweig« an 1 und 2 d a r , e r f o r s c h t also d i e K r i m i n a l i t ä t mit n a t u r w i s s e n s c h a f t l i c h e n s o w i e •or a l l e m m i t s o z i o l o g i s c h - s t a t i s t i s c h e n M i t t e l n nach rein t a t s ä c h l i c h e r Richtung. O r g a n : K r i m i n a l b i o l o g i s c h e 1 1 ) G e s e l l s c h a f t , b e s t e h e n d ans J u r i s t e n nnd M e d i z i n e r n . " ) So v e r s t e h t M e z g e r ( K r i m i n a l p o l i t i k 1 9 3 4 ) d i e S o z i o l o g i e , b e h a n d e l t auch m e i n e K r i m i o a l s o z i o l o g i e 1 9 3 3 in d i e s e m S i n n e durchaus i r r e f ü h r e n d . M e z g e r s B u c h ist ü b e r h a u p t k e i n e K r i m i n a l p o l i t i k , .hat a l s o e i n e n i r r e f ü h r e n d e n T i t e l , i s t auch k e i n e s e l b s t ä n d i g e T a t s a d i e n f o r s c h u n g , s o n d e r n n i c h t s w e i t e r als e i n e ( v e r d i e n s t v o l l e ) Dogm*ngeschichte k r i m i n o l o g i s c h e r S t r ö m u n g e n . ') Über 1 9 3 9 fl. 7

das

Verhältnis

" ) Die ans der Zeit f ü h r e n d , weil d i e s e r a n s

von

Strafrecht

nnd

Kriminologie

näher

Sauer

Dt.

Strafr.

des N a t i o n a l s o z i a l i s m u s h e r r ü h r e n d e n N a m e n sind o f t i r r e Prestigegründen die B i o l o g i e wegen s e i n e r . R a s s e l e h r e bevor-

IQ

I. D a s S t r a f r e c h t als G a n z e s

Die

Zeit

Schwächung

IV.

des

Gesetze; beim

der

großen

Streites

dagegen

treten

Reformen

der ' Richtungen in

der

Rechtspiechung,

S t r a f v o l l z u g , w i e in d e r W i s s e n s c h a f t

über die erneut

Methoden

bei d e n

hervor oder wirken

beruhen

letzthin

Prinzipien

des

nützlichkeit)

darauf,

Rechts,

und

die

verschiedensten latent

daß

man

zwischen

Recht

brachte

auf

bei d e r

dem

dei

Strafbemessung

und

gegensätzlichen heutigen

den

drei

Zweckmäßigkeit

(Rechtssicherheit),

eine Ab

Gebiet

und wichtigsten

bis auf den

Gerechtigkeit,

formalem

und Entwürfe wenigstens

Tag

Auffassungen

Anlässen Die

vermeintlich (Gemeinwohl, keinen

immer

Gegensätze obersten Staats-

Ausgleich

sah.

D i e E n t w ü r f e und Novellen entschieden eich m e i s t für das d u a l i s t i s c h e P r i n z i p , die sog. Z w e i s p u r i g k e i t : sie s t e l l t e n nach d e m V o r g a n g des S c h w e i z e r Vorentwurfs v. 1 8 9 3 (C. S t o o ß ) und schon des Prss. ALR. I I 2 0 $ 5 v. 1794 (E F Klein) Strafen und Siehe r u n g s m a ß regeln nebeneinander. 6o a u c h d a s Gew o h n h e i t$v e r b r e « h e r G v. 1 9 3 3 in S t G B . 4 2 a ff. Hiera**« folgt aber n u r , daß d i e S t r a f e in e r s t e r L i n i e n i c h t Sicherung, sondern Vergoltung ist, jedoch kann • sie s e h r wohl a u ß e r d e m Sicherung«und B e s s e r u n g s a u f g a b e n ü b e r n e h m e n (so nach den neueren Vollzi-gsgesetzen). zumal da die wenigen gesetzlichen Maßregeln k e i n e s w e g s j e o e A u f g a b e n e r s c h ö p f e n . Es k o m m t also i m m e r ' d a r a u f an, wie weit Sicheruag und Besserung neben Vergeltung nnd S ü h n e beachtliche and berechtigte Z i e l e « i n d : a u f d i e N a m e n i s t k e i n G e w i c h t zu l e g e n Alle diese Fragen können / nur gesamt systematisch erledigt werden. Vg] unten $$ 3 ] 6 . V.

Literatur.

1 K «m m u t a r e : O l s b a a s e n ( O b e r r e i c h s a n w a l t ) , da« S t a n d a r d w e r k d e r R e c h t s p r e c h u n g : 12. völlig neue Aufl von Reich.sgerichtsrat N i e t h a m m e r (Allg. T e i l ) , Freiesleben. Hörchner und Kirchner 1942 — E b e r m a y e r (Oberreichsanwalt), L o b - . (Senatspräsident). R o s e o b e r g (Reichsgerichtsrai). „Leipziger K o m m e n t a r " , V e r a r b e i t u n g des reichen M a t e r i a l s der Rspr. und Forschung 4 A 1929. 5. A 1 9 3 3 / 4 (nur Allg Teil, von L o b e ) ; 6 A (nur 1 L i e f L u $ 152) 1944 völlig neu, von N a g l e r ( P r o f . i n B r e s l a u , B i n d i n g S c h ü l e r ) fagisch

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26

il V e r b r e c h e n u n d V e r b r e c h e r im a l l g e m e i n e n E n t w ü r f e n e i n e gewisse A n e r k e n n u n g zuerst I92S u n d 192? ( I r r t u m über die U n r e c h t m ä l J i g k e i t ist beachtlich) d a n n h e s u n d e i , seit 19.13 < Volkse,upHiiilen alt M a ß s t a b . Z u l a s s u n g von A n a l o g i e ) sowie in d e , R . p r d RG s j i t Rd fil 'ITA. b e i m 1015 ' i b e r g e s e t z l i c h e n N o t s t a n d Im f a s c h i s t i s c h e n I t a l i e n w i n d e d i e R c c h l - w i d r i g . k e i ' vrif in A l t r o m f n rinal als b t a a t s w i d r i g k e i t a u s g e g e b e n im n a t i o n a l s o z i a l i s t i s c h e n Deutsihlarid material als V o l k s s t h ä d l i c h k e i t ; in S o w i e t r u ß l a n d • !« G e s e l l s c h a f t s widrigkeit oder Snzialgefährlirhkeit. Die h M. d e r d e u t s c h e n S t r a f r e c h t s d o g m a t i k l e h n t e d e n m a t e r i a l e n Begriff t o t Zeit d e r V o r h e r r s c h a f t des P o s i t i v i s r n n s g r u n d s ä t z l i c h ah, s i l l e u t e sich wohl a u A vor d e r leichen A n s i e h t w i e bei d e n S o w j e t » . G l e i c h w o h l brach e i n e m a t e r i a l » A u f f a s s u n g auch bei g r u n d s ä t z l i c h e r F o r i n a l i s t i k w i e d e i h o l t d u r c h " , a l l e r d i n g s o h n « w e i t e r e F o l g e r u n g e n f ü r da» S y s t e m , i n s b e s o n d e r e f ü r d i e U n r e c h t s - u n d Schtfldi e h r e , zu z i e h e n o d e r a n z u r e g e n .

§ 9.

Arten und T y p e n des Verbrechens

L Äußere Einteilung nach der Strafbarkeit. StGB § 1 unterscheidet gleich dem Code pénal, dem früheren Bay., ö s t . und Prß. StGB drei Arten von Verbrechen (i. w. S.) gemäß der Schwere der vom Gesetz angedrohten (also nicht im Einzelfall verwirkten) Strafe: a) Verbrechen (i e. S.) ist eine mit Zuchthaus, mit dem Tode oder mit Festung über 5 Jahre bedrohte Handlung; b) Vergehen, bedroht mit Gefängnis, mit Fesiung bis 5 J a h r e oder mit Geldstrafe von mehr als 15'' M oder mit Geldstrafe schlechthin; c) Übertretung, bedroht mit Haft oder Geldstrafe bis zu 150 M (seit G v 6.2.24). 1 Die Entwürfe wollen, was das Beste wäre, diese formale Dteiteilung aufgeben oder wenigstens die Übertretungen ganz ausscheiden und in ein besonderes Polizeigesetzbuch bringen Ein sachlicher Unterschied besteht nur graduell hinsichtlich der Sozialgefährlichkeit und sozialethischen Verwerflichkeit Ein gesetzestechnischer Unterschied tritt mehrfach hervor: f ü r Verjährungsfristen §§ 67, 74: Versuch 5 43 und Beihilfe § 49 sind bei Übertretungen straflos; nur auf Verbrechen i. e. S beziehen sich die Vorbereitungshandlungen des § 49a, die Nichtanzeige des § 1 39, ferner vgl §§ 6, 20a, 27, 40, 42c, 126. IS| .241,257 Auch die Zuständigkeit nach StPO bestimmt sich verschieden, nach ZuständigkeitsVO v 21 2 40 nur beschränkt. 2 Bei gesetzlichen Strafschärfungen (zB § 243) und Strafmilderungen (zB § 248a) bestimmt sich die Deliktsnatur nach diesen Tatbeständen, nicht nach dem Gruruldelikt (§ 242); der schwere Diebstahl des § 243 ist also ein Verbrechen und er bleibt es. wenn auch ..mildernde Umstände" voi gesehen sind Diese berühren nicht die Deliktsnalur. — Letzteres gilt auch für die bei Versuch. Beihilfe und verminderter Zurechnungsfähigkeit vorgesehene Milderung (§§ 44, 49, 51 Abs 2). — Die allgemeinen Strafrahmen bleiben " ) So bei R i n d i n g H a n d b I8U5. 762. 7 9 2 : B e l i n g Grdz.. § 10 II (beim N o l r e c b t ; F r a n k vor $ I a K ; A l l f e l d 201 ; N a g l e r . d e r den BegrifT b i s h e r s d i a r f a b l e h n t e , billig-,. ihn in I.K 6 A W H 8. 4, 8 9. 363. da d u r c h die e i n h e i t l i c h e F ü h r u n g des NalTonaNo7i3li--mu- a:ich d i e A n s i c h t e n des V o l k e s iilii-r Schädlichkeit und N ü t z l i c h k e i t e i n h e i t l i c h g e w o r d e n s e i e n , «o dal! d a m a l s e r s t d e r B o d e n l ü r e i n e t n a t e r i a l c A u f f a s s u n g g e i i J i a f f e n rci! 1'ud wie nach 1911?

§ 9- A r l e n u n d Typen des V e r b r e c h e n s

27

auch für das J u g e n d s t r a f r e c h t m a ß g e b e n d , o b w o h l d o r t die s t r e n g e n S t r a f r a h m e n (zB Z u c h t h a u s ) nicht g e l t e n . D a h e r k a n n der J u g e n d l i c h e zB. wegen Versuchs o d e r Beihilfe s t r a f b a r sein, auch w e n n die f ü i ihn vorges e h e n e S t r a f e n u r eine Ü b e r t r e t u n g b e g r ü n d e n w ü r d e , nach d e m S t G B , a b e r ein V c r j e h e n b e g r ü n d e t . — Die im S t G B , v o r g e s e h e n e n b e s o n d e r s s c h w e r e n oder leichten Fälle (zB §§ 218, 223t>, 263, 266) b e s t i m m e n sich, w a s im e i n / e i n e n streitig ist, nach i h r e m G r u n d t a t b e s t a n d 1 4 ) ; streitig auch f ü r § 2()a. Die s o n s t im S t r a f r e c h t a n g e s t r e b t e konkrete, individualisierende' Betrachtung w ü r d e sich auf d i e s e m G e b i e t e w e g e n P r e i s g a b e der Rechtssicherheit und im Hinblick auf die n u r g e s e t z e s t e c h n i s c h e B e d e u t u n g der Dreiteilung nicht e m p f e h l e n ; m a n w ü r d e s o n s t e r s t bei d e r S t r a f b e m e s s u n g erf a h r e n , welcher D e l i k t s n a t u r eine T a t a n g e h ö r t .

II. Sachliche Einteilungen nach der Strafwflrdigkeit 1 Die S t r a f g e s e t z b ü c h e r sämtlicher K u l t u r s t a a t e n stellen Tatbestände a u f , an die sie die S t r a f b a r k e i t k n ü p f e n . D i e s e T a t b e s t ä n d e g e w i n n e n die B e d e u t u n g von Verbrechenstypen: sie p r ä g e n in t y p i s c h e r , durch e i n z e l n e M e r k m a l e ( „ T a t b e s t a n d s m e r k m a l e " ) leicht e r k e n n b a r e r W e i s e die als s t r a f w ü r d i g b e f u n d e n e n U n w e r t e des k r i m i n e l l e n L e b e n s aus, und z w a i sind sie T y p e n s o w o h l des o b j e k t i v e n U n r e c h t s wie d e r s u b j e k t i v e n Schuld, d i e s e r beiden Verbrechensmerkmale. a) Die m e i s t e n T a t b e s t a n d s m e r k m a l e sind a l l e r d i n g s o b j e k t i v e r N a t u r , u n d d a h e r h a t e i n e bisherige L e h r e die T a t b e s t ä n d e als U n r e c h t s t y p e n , als v e r t y p t e R e c h t s w i d r i g k e i t a u f g e f a ß t ( S a u e r , Eb. Schmidt, M e z g e r , s p ä t e r auch N a g l e r ) , w e s w e g e n d i e a l l g e m e i n e T a t b e s t a n d s l e h r e i h r e n P l a t z auch- in d e m H a u p t a b s c h n i t t ü b e r die r e c h t s w i d r i g e T a t , ü b e r d a s o b j e k t i v e U n r e c h t zu finden pflegt. Die R e c h t s o r d n u n g b e m i ß t die S c h w e r e des V e r b r e c h e n s in e r s t e r L i n ' e noch nach d e r Sozialschädlichkeit und S o z i a l g e f ä h r l i c h k e i t der T a t , also nach der S c h w e r e des E r f o l g e s ; d a s zeigt sich auch d a r a n , d a ß die G e s e t z e die T a t b e s t ä n d e nach d e m R e c h t s g u t g r u p p i e r e n und nach d e r ihm b e i g e m e s s e n e n B e d e u t u n g a b s t u f e n . D a s S t r a f r c c h t ist i n s o f e r n noch j e t z t wesentlich ein sog. Erfolgsstrafrecht. b) Dieser S t a n d p u n k t ist a b e r einseitig u n d in m a n c h e r B e z i e h u n g ü b e r holt. Die als f e i n e M a g n e t n a d e l f u n k t i o n i e r e n d e S t r a f b e m e s s u n g zeigt eine z u n e h m e n d e W ü r d i g u n g d e r Schwere des V e r b r e c h e n s nach der Schuld, u n d auch die n e u e r e n G e s e t z e o f f e n b a r e n eine deutliche N e i g u n g z u m sog. Willensslrafrecht, u n t e r dessen Zeichen auch die letzten R e f o r m e n s t e h e n . D a h e r sollten auch die T a t b e s t ä n d e zugleich als T y p e n f ü r die Schuld vers t a n d e n und in Z w e i f e l s f ä l l e n in d o p p e l t e r Richtung a u s g e l e g t w e r d e n . N u r d a n n zieht der g e s a m t e s t r a f w ü r d i g e materiaLe U n w e r t g e h a l t ein auch in d i e T a t b e s t ä n d e und von i h n e n in das k o n k r e t e B e u r t e i l u n g s o b j e k t , den L e b e n s t a t b c s t a n d des Einzelfalls. Die S t r a f w ü r d i g k e i t b e m i ß t sich e b e n nicht allein nach der Sozialschädlichkeit des E r f o l g s , s o n d e r n auch nach der V e r werflichkeit des T ä t e r w i l l e n s . ") h

M.. auch

RG.

Vgl. d i e K o m m , zu § 1.

28

I I . V e r b r e c h e n u n d V e r b r e c h e r im a l l g e m e i n e n

c) V o r e i n e r U b e r s p a n n u n g d e s W i l l e n s s t r a f r e c h t s ist j e d o c h e b e n f a l l s z u w a r n e n ; e i n e solche t r a t n a m e n t l i c h in d e n R e f o r m e n seit 1933 h e r v o r u n d ä u ß e r t e sich in Ü b e r t r e i b u n g e n d e r „ s u b j e k t i v e n " A u f f a s s u n g v o n V e r s u c h u n d V o r b e r e i t u n g , v o n T ä t e r s c h a f t u n d T e i l n a h m e , s o w i e in d e r u n v e r s t ä n d lichen, „ a n t i l i b e r a l i s t i s c h e n " A b l e h n u n g d e s R e c h t s g u t s b e g r i f f s , d e r f ü r d e n A u f b a u d e s B e s o n d e r e n T e i l s u n e r l ä ß l i c h ist 1 6 ). D a s R i c h t i g e liegt in d e r M i t t e u n d b e s t e h t in e i n e r g e s u n d e n V e r b i n d u n g d e s E r f o l g s - u n d d e s W i l l e n s s t r a f r e c h t s ; wir n e n n e n es Gefährdungsstrafrecht, d a s in e i n e r a n d e r e n F o r m u m 1933 a u f t a u c h t e u n d in d e r f o l g e n d e n R e f o r m a b g e l e h n t w u r d e , weil es zu ä h n l i c h d e n r u s s i s c h e n P r i n z i p i e n s e i n s o l l e " ) . Die G e f ä h r d u n g v o n L e b e n s w e r t e n s t e h t im M i t t e l p u n k t d e s S t r a f r e c h t s ; d e r G e s e t z g e b e r n i m m t sie z u m A n l a ß f ü r s e i n e S t r a f d r o h u n g e n . I n z a h l r e i c h e n F ä l l e n w i r d ein S c h a d e n s e i n t r i t t nicht e r s t a b g e w a r t e t , v i e l m e h r w i r d schon v o r h e r z w e c k s V o r b e u g u n g e i n g e s c h r i t t e n , wie b e i m V e r s u c h u n d b e i d e n A b s i c h t s d e l i k t e n ; auf d e m G e f ä h r d u n g s g e d a n k e n b e r u h e n d a s U n t e r l a s s u n g s d e l i k t . die F a h r l ä s s i g k e i t , d i e Ä u ß e r u n g s d e l i k t e , a b e r a u c h d i e s t r a f wie zivilrechtliche K a u s a l i t ä t u n d S c h u l d h a f t u n g ( u n t e n § 12), f e r n e r d e r s t r a f b a r e untaugliche Versuch und die T ä t e r s c h a f t gegenüber der T e i l n a h m e . V o r a l l e m sollte b e a c h t e t w e r d e n , d a ß d e r G e s e t z g e b e r g e r e c h t e r w e i s e n i c h t den Erfolg und den Schaden verbieten und bestrafen k a n n , s o n d e r n n u r e i n e m e n s c h l i c h e H a n d l u n g o d e r U n t e r l a s s u n g , d i e g e e i g n e t s i n d (die T e n d e n z h a b e n ) , e i n e n s o z i a l s c h ä d l i c h e n E r f o l g h e r b e i z u f ü h r e n . D a s V e r b r e c h e n ist d a h e r in d e r H a u p t s a c h e S o z i a l g e f ä h r l i c h k e i t , g e n a u e r : sozialschädlichei Wirken S e l b s t v e r s t ä n d l i c h e r f o r d e r t d a s m o d e r n e S c h u l d p r i n z i p auch e i n e n s o z i a l e t h i s c h v e r w e r f l i c h e n W i l l e n ; a b e r d i e s e r m u ß sich, e n t s p r e c h e n d geä u ß e r t , d u r c h ä u ß e r e s V e r h a l t e n , w i e es e b e n der g e f ä h r d e n d e A k t d a r stellt o f f e n b a r t ( „ m a n i f e s t i e r t " , „ d o k u m e n t i e r t " ) h a b e n . E i n r e i n e s G e s i n I n u n g s s t r a f r e c h t ist e i n e j u r i s t i s c h e U n m ö g l i c h k e i t , ein u n z u l ä s s i g e s E i n d r i n g e n d e s R e c h t s u n d d e s G e s e t z g e b e r s in d i e E t h i k , die durch ä u ß e r e S t r a f m i t t e l ¡entweiht w ü r d e . Ein r e i n e s E r f o l g s s t r a f r e c h t d a g e g e n , n o c h l o s g e l ö s t v o n ¡aller M o r a l , der g e g e n t e i l i g e F e h l e r , g e h ö r t e i n e r ü b e r w u n d e n e n K u l t u r s t u f e ¡an- wir b e s i t z e n noch e i n i g e R e s t e in d e n e r f o l g s q u a l i f i z i e r t e n D e l i k t e n (§§ 224, 266, 178 usw.) 2 Die T a t b e s t ä n d e des B e s o n d e r e n T e i l s s i n d d a h e r als V e r b r e c h e n s typen a u f z u f a s s e n , auszulegen und weiter a u s z u h a u e n ; der materiale VerSein b r e c h e n s b e g r i f f ist d a s Dach, u n t e r d e m sie alle v e r e i n i g t w e r d e n G e i s t , d h U n g e i s t . U n w e r t g e h a l t , d i e S o z i a l s c h ä d l i c h k e i t , h a t sie zu d u r c h dringen Eine Auslegung einzelner Tatbestandsmerkmale als isolierter Bemängelt w u r d e der Recht9gutsbegriff wegen seines angeblich individualistischen, persönlichkeitsdurchtränLten (!?) Charakters von Schaffstein DStrR 35. *i7, Daboa T ä t e r t y p 1940. 31. B o l d t Z S t r W 56, 208. s e l b s t von R G . 70, 26 (1938) bei N e u f a s s u n g des f o r t g e s e t z t e n D e l i k t s Der Begriff ist a u d i u n a b h ä n g i g von d e m S c h u t z s t r a f r e c h t F a u e r b a c h s . ». L i s z t s . H i p p e l s u. a. "> LK 6 K. S 18 g g e n ü b e r d e r P r ß . D k s c h r . , wo zu U n r e c h t ein s t a r k p o l i z e i licher C h a r a k t e r m i t d e r B e f ü r c h t u n g e i n e s Ü b e r g a n g s zum b o l s c h e w i s t i s c h e n S t r a f r e c h t b e m e r k t wird.

§ 9. A r t e n und T y p e n des V e r b r e c h e n s Greißen

ist

schweren msses also

vom

Übel;

Diebstahls

innerhalb auch

bringen

derselben

gefährlichen

haben

dem Ansehen

faßt

Eisenbahn):

Gefährdung

das

der

Willens-

Wortinterpretation

der von

und

das

3: E i n s t e i g e n ,

der

die

der

gestohlen



223a),

Irrwege,

die

Rechtspflege.

der

(§ der

des

Behält

(§ 259

Ansich-

Körperverletzung

Transportgefährdung Rechtsleben

Der Leitgedanke

Schutzwerten:

Merkmale

30} V e r ä n d e r u n g ,

Hehlerei

wurde),

dem

der

Aufbrechen

Sachbeschädigung

Sachsubstanz),

Sache,

Werkzeugs

der

verwerfliche

einstige

des H a u s e s usw.),

Definition wie

die

(§§ 243 Z. 2 u n d

Verbesserung

nui

mittels

so

29

das

ebenso ist:



315,

geschadet sozialethisch

Gefährdungsstrafrecht

um-

Erfolgsstrafrecht.

V o n W i c h t i g k e i t sind d a h e r nicht n u r das A n g r i f f s o b j e k t (das Rechts- a n d S c h u t z g u t ) o n d nicht n u r d e r A n g r i f f s w i l l e (die Absicht u n d d e r Zweck), « o n d e r n v o r a l l e m auch das A n g r i f f « m i t t e l , d i e B e g e h u n g s w e i s e , d i e A u s • f ü h r u n g s b a n d l a o g ( j e n e r in d e r s c h w i e r i g e n V e r s u c h s u n d T e i l n a h r o e l c h r e so u m s t r i t t e n e u n d doch so e r g i e b i g e B e g r i f f ) . B e i m B e t r u g ist d i e T ä u s c h u n g f ü r d i e S t r a f w ü r d i g k e i t w i c h t i g e r als d i e V e r m ö g e n s s c h ä d i g u n g u n d «elbst d i e Ber e i c h e r u n g s a b s i c h t . D i e F ä l s c h u n g gibt d e n U r k u n d e n d e l i k t e n das k r i m i n e l l e G e p r ä g e « die Lüge dem Meineid; diesen B e g e h u n g s m i t t e l n g e g e n ü b e r t r i t t das A n g r i f f s o b j e k t g a n z z u r ü c k . F ü r die f r ü h e r e D o g m a t i k w a r b e z e i c h n e n d das w e i t a u s h o l e n d e a n d m i t g r o ß e m A u f g e b o t an A r b e i t a u s g e f ü h r t e B e m ü h e n , i B . 'bei d e n g e m e i n g e f ä h r l i c h e n V e r b r e c h e n nach d e m R e c h t s g u t zn s u c h e n , w ä h r e n d doch g e r a d e h i e r d i e B e d e u t u n g des A n g r i f f s m i t t e l s auf d e r H a n d liegt D i e V e r f e c h t e r des n e u e r d i n g s v e r p ö n t e n R e c h t s g u t s b c g r i f f s t a t e n z w a r g u t d a r a n , i h r e n B e g r i f f zn v e r t e i d i g e n ; a b e r s i e w a r e n n i d i t glücklich, w e n n sie zu s e i n e r R e t t u n g g e l t e n d m a c h t e n , d a ß s t A nach ihm d i e S c h w e r e d e r e i n z e l n e n D e l i k t e , i h r e R a n g o r d n u n g , die S y s t e m a t i k de9 B e s o n d e r e n T e i l s s o w i e d i e B e g r e n z u n g der A n a l o g i e r i c h t e . H i e r f ü r sind zwar auch d i e S c h u t z g ü t e r , a u A d i e A n g r i f f s o b j e k t e v o n B e d e u t u n g ; w i c h t i g e r ßind a b e r d i e B e g e b u n g s w e i s e n und A n g r i f f s m i t t e l . So ist d i e E h r e als R e c h t s g u t w i c h t i g e r als das V e r m ö g e n ; g l e i c h w o M wiegt d e r B e t r u g s c h w e r e r als d i e B e l e i d i g u n g . N u r d i e V e r l e u m d u n g e r r e i c h t e i n e n h ö h e r e n G r a d , g e r a d e w e i l sie ein b e s o n d e r s s t r a f w ü r d i g e s M i t t e l e n t h ä l t , die B e h a u p t u n g b e w u ß t n n w a h r e r T a t s a c h e n . Auch die G e s u n d h e i t n n d d i e F r e i h e i t «sind h ö h e r e R e r h t s g ü t e r als G e l d u n d G u t ; g l e i c h w o h l ist d e r D i e b s t a h l s t r a f w ü r d i g e r als d i e e i n f a c h e K ö r p e r v e r l e t z u n g u n d die B e d r o h u n g , w ä h r e n d auch h i e r d i e . . g e f ä h r l i c h * " K ö r p e r verletzung wegen des strafwürdigen Mittels eine h ö h e r e Bewertung e r f ä h r t Anders e i t s iät d i e E r h a l t u n g von S a c h w e r t e n b e s o n d e r s zu s c h ü t z e n : e l e i c h w o h l ist d i e H e h l e r e i s t r a f w ü r d i g e r als die S a c h b e s c h ä d i g u n g u n d S a c h z e r s t ö r o n g . M a n e r s i e h t a u s a l l e d e m , d a ß d e r Erfolg nicht der maßgebende Gesichtspunkt mehr ist, j e d e n f a l l s nicht allein und sicher n i c h t in e r s t e r L i n i e . Strafwürdiger ist die Willensrichtung und noch strafwürdiger ist die tatsächliche Gefährdung, und zwar vor allem die Begehungsund Ausführungsart. E . 36 s a c h t e b e i d e r S y s t e m a t i s i e r a n g d e s B e s o n d e r e n T e i l ? b e a d i t l i c h d i e V e r m o g e n s d e l i k t e n i c h t zn ü b e r s c h r e i b e n : S c h u t z d e s V e r m ö g e n s (was d e n a n d e r e n Ü b e r s c h r i f t e n e n t s p r o c h e n a n d d i e S y m m e t r i e g e w a h r t h ä t t e : Schutz d e r P e r s o n , des L e b e n s , d e r E h r e asvr.), s o n d e r n d i e Ü b e r s c h r i f t h e i ß t : S t r a f b a r e r E i g e n n u t z . D e r G r u n d g e d a n k e ist r i c h t i g , a b e r E. 36 e r k a n n t e i h n nicht a n d f ü h r t e ihn nicht d u r c h , da in d i e s e m A b s d i n i t t ü b e r E i g e n n u t z d i e g a r nicht h i e r h e r p a s s e n d e S a c h b e s c h ä d i g u n g e r s c h i e n : ein Z e i c h e n f ü r d i e B r ü c h i g k e i t d e s S y s t e m s a n d f ü r d e n M a n e e l an k l a r e n T a t b e s t ä n d e n . 3. F ü r lassen

Verbrschenstypen

sich,

da

dieser wichtigen

die

und

Gesetzgebung

anschließend und

Verbrechertypen

die herrschende

Dogmatik

F r a g e völlig im Stich lassen, die E r g e b n i s s e der

(unten



11)

zur

Zeit

in

kriminologi-

30

I I . V e r b r e c h e n und V e r b r e c h e r im a l l g e m e i n e n

sehen Tatsachenforschung verwerten. Sie sind auch für den Ausbau umstrittener dogmatischer Abschnitte des Allgemeinen Teils von unmittelbarer Bedeutung a) So ist der S t r e i t zwischen o b j e k t i v e r u n d s u b j e k t i v e r Theorie, der m e r k w ü r d i g e r w e i s e für zwei weit von e i n a n d e r e n t f e r n t liegende Lehren in genau gleicher W e i s e erheblich wird für V e r s u c h und für T e i l n a h m e , dahin zu e n t s c h e i d e n , daß die s u b j e k t i v e T h e o r i e des R G . für eine G r u p p e von T a t b e s t a n d s t y p e n b e f r i e d i g t , f ü r e i n e tfndere jedoch v e r s a g t . S i e paßt n a t u r g e m ä ß f ü r solche D e l i k t s t y p e n , die m e h r a u f ein W i l l e n s s t r a f r e c h t zugeschnitten sind (NutzdeSikte, z B . B e t r u g ) , nicht a b e r für solche, die nach dem G e s e t z s t ä r k e r auf ein E r folgss t r a f recht angelegt sind ( A n g r i f f s * nnd T r i e b d e l i k t e . z B . SachHe Schädigung, Notzucht). Die o b e r e E i n h e i t kann auch hier nur da9 in der M i t t e l i e g e n d e G e f ä h r d u n g s s t r a f r e c h t l i e f e r n . Vgl. unten §§ 12 f f . b) D e r S t r e i t um die S t r a f z w e c k e e r l e d i g t sieb e b e n f a l l s für die einzelnen Tat« wie T ä t e r t y p e n verschieden. So paßt d e r E r z i e b u n g s z w e c k vor allem f ü r die N u t z d e l i k t e ( D i e b s t a h l ) , für das W i l l e n s s t r a f r e c h t und für die chronische K r i m i n a l i t ä t ; im a l l g e m e i n e n a b e r taugt er wenig ( a b g e s e h e n v o n ' J u g e n d l i c h e n ) für das G e b i e t des E r f o l g s s t r a f r e c h t s und für die a k u t e K r i m i n a l i t ä t ( a u ß e r der s u b a k u t e n ) . U m g e k e h r t v e r h ä l t es sich mit d e r b l o ß e u S i c h e r u n g . A b s c h r e c k u n g und H e i I ji n g. Dagegen passen V e r g e l t u n g und S ü h n e grundsätzlich f ü r a l l e T y p e n sowie f ü r das G e f ah rdungss t r a f recht. c) Auch d e r S t r e i t nm die A k z e s s o r i e t ä t d e r T e i l n a h m e und den m i t t e l b a r e n T ä t e r sowie um die G r e n z e n i h r e r B e r e c h t i g u n g ist f ü r e i n z e l n e T y p e n von v e r s c h i e d e n e r B e d e u t u n g ; vgl. n n t e n § § 25^6. D i e s e wenigen B e i s p i e l e mögen z e i g e n , daß dogmatische S t r e i t f r a g e n o h n e B e ziehung auf V e r b r e c h e n s - und V e r b r e c h e r t v p e n nicht f r u c h t b a r zn b e h a n d e l n sind. E i n j e d e r h i e l t s e i n e T h e o r i e f ü r die richtige, weil er eine G r u p p e von T a t e n nnd T ä t e r n im S i n n e h a t t e , für die «ie gut f u n k t i o n i e r t , während dort die gegnerischen v e r s a g e n . Aber er dachte nicht an a n d e r e G r u p p e n , für die s e i n e Gegner das Richtige trafen. 4. E i n e Ü b e r s i c h t ü b e r die dogmatisch e r h e b l i c h werdenden k r i m i n o l o g i a c h e n T y p e n wird u n t e n nach E r l e d i g u n g des V e r b r e c h e r t y p s gegeben (§ 1 1 ) ; es k ö n n e n alsdann V e r b r e c h e n s - und V e r b r e c h e r t y p e n gleichzeitig b e h a n d e l t werden.

§ 10. Der Verbrecher I. Als das Interesse für biologische, psychologische, psychiatrische und soziologische Untersuchungen auch die Strafrechtswissenschaft ergriff, wurde das Verbrechen stärker als bisher als Ausfluß der Persönlichkeit, als Werk und Schöpfung des Verbrechers betrachtet: das ist die neue kriminalistische Kreations4heorie. Da er persönlich unter der Strafe zu leiden hat, erscheint es als ein Gebot der Gerechtigkeit sowohl wie als eine wirksame Bekämpfungsmethode, die Strafe und ihren Vollzug der Täterpersönlichkeit anzupassen Im Programm, aber weniger wohl in der praktischen Ausführung, glaubte man auf die T a t verzichten zu können und in ihr nur einen symptomatischen Anlaß zur strafrechtlichen Behandlung zu erblicken. In d e r durch v. Liszt h e r v o r g e r u f e n e n s t r a f r e c h t l i c h k r i m i n a l pol > tischen R e f o r m bewegung um die J a h r h u n d e r t w e n d e wurde d e r leicht mißzu v e r s t e h e n d e S a t z zum p r o g r a m m a t i s c h e n K a m p f r u f : „,N i c h t d i e T a t , s o n d e r n d e r T ä t e r wird b e s t r a f t . * * W i e der weitschaiiende Arzt die d r o b e o d e K r a n k h e i t nicht erst ausbrechen l ä ß t , sondern rechtzeitig P r ä v e n t i v m a ß r e g e l n e r g r e i f t , so s o l l t e auch dia S t r a f j u s t i z daa V e r b r e c h e n nicht e r s t a b w a r t e n , s o n d e r n den T ä t e r b e i z e i t e n , ein«

31

§ 10. D e r V e r b r e c h e r

k e r k e r n , d a m i t die O p f e r im sozialen L e b e o e r s p a r t bleiben. Von T e s a r . K o l l m a n n 0. a.li) w u r d e die s y m p t o m a t i s c h e V e r b r e c h e n s a u f f a s s u n g verk ü n d e t u n d a u s g e a r b e i t e t . T h e o r e t i s c h im Wege stand der prozessuale R e e h l f k r a f t g e d a n k e : d e r R ü c k f ä l l i g e d ü r f e n i c h t n o c h e i n m a l b e s t r a f t w e r d e n , da e r schiin a u s Anlali d e r V o r t a t als T ä t e r b e s t r a f t sei. P r a k t i s c h f e h l t e es seit d e m V e r s a g e n d e r Erkennungsmethode der Lombroso-Schule und auch der neueren Kriminologie schlechterdings an der Möglichkeit, die B e g e h u n g eines Verbrechens (und welches?) im Wege einer sicheren P r o g n o s e vorauszubestimm^D. Der Arzt vermag die habituelle P r ä d e s t i n a t i o n z u r T u b e r k u l o s e zu e r k e n n e n , d i e k r i m i n o l o g i s c h e n M i t t e l v e r s a g e n u n d täuschen selbst bei R ü c k f ä l l i g e n .

II. So schien das „ T a t s t r a f r e c h t " a l s S e l b s t v e r s t ä n d l i c h k e i t auch gegenü b e r den N a c h b a r w i s s e n s c h a f t e n gesichert. D i e 1933 e i n s e t z e n d e R e f o r m b e w e g u n g s t a n d a b e r t r o t z ausdrücklicher A b l e h n u n g der T e n d e n z e n v Liszts u n t e r d e m p r o g r a m m a t i s c h e n Zeichen e i n e s „ T ä t e r s t r a f r e c h t s " . Es h e r r s c h t bei den vielen, die das W o r t noch j e t z t v e r w e n d e n und mit ihm i m m e r wied e r eine n e u e F o r d e r u n g e r h e b e n wollen, m a n c h e U n k l a r h e i t , w a s es bed e u t e n soll und k a n n . 1. D e r Täterbegriff, bedeuten.

angeblich

bisher

vernachlässigt, kann

verschiedenes

a) Täter ist Schöpfer der Tat, und z w a r der H a u p t t a t im Gegensatz zur Teilnahme ( A n s t i f t u n g und Beihilfe §§ 48, 49). D i e s e r Begriff w u r d e auch f r ü h e r nicht v e r n a c h l ä s s i g t , s o n d e r n in d e r T e i l n a h r d e l e h r e e i n g e h e n d ausgeb i l d e t : erst d i r t an s p ä t e r Stelle läßt er sich nützlich b e h a n d e l n , da er die ganze Schuldlehre voraussetzt Es war ein Mißgriff der R e f o r m , die ges a m t e schwierige T e i l n a h m e l e h r e nur d e m T ä t e r b e g r i f f zuliebe an den A n f a n g zu stellen (so E. 36). Dieser T ä t e r b e g r i f f d e r D o g m a t i k h a t eine v e r h ä l t n i s m ä ß i g u n t e r g e o r d n e t e B e d e u t u n g . A u s ihm lassen sich keinerlei E r k e n n t n i s s e f ü r d a s Wesen des V e r b r e c h e r s o d e r f ü r T ä t e r t y p e n im Sinne d e r R e f o r m b e s t r e b u n g e n g e w i n n e n . L e t z t e r e Ansicht macht sich s o g a r einer V e r w e c h s l u n g von Täter und Verbrecher verdächtig. D e r T ä t e r im Sinne d e r d o g m a t i s c h e n T e i l n a h m e l e h r e ist d e r e n g e r e Begriff Der V e r b r e c h e r u m f a ß t auch d i e T e i l n e h m e r ; auch diese b e g e h e n eine r e c h t s w i d r i g e schuldh a f t e H a n d l u n g . Der T ä t e r ist Schöpfer d e r H a u p t t a t : er n i m m t die „ A u s f ü h r u n g s h a n d l u n g " (§ 43) vor, er ist A u s f ü h r e r der T a t b) Täter ist Gegenstand der Schuldbewertung, der Bestrafung und des Strafvollzugs; in d i e s e m S i n n e ist der T ä t e r g l e i c h b e d e u t e n d mit d e m Verbrecher Die G e s a m t p e r s ö n l i c h k e i t des V e r b r e c h e r s w u r d e f r ü h e r in W i s s e n s c h a f t und P r a x i s in der T a t vernachlässigt. Die m o d e r n e K r i m i n o l o g i e ist b e r u f e n , auch der s t r a f r e c h t l i c h e n D o g m a t i k wichtige Einsichten zu ü b e r m i t t e l n , die sie z u r A u f s t e l l u n g von V e r b r e c h e r t y p e n v e r w e r t e n k a n n (vgl. die Ubersichten s o f o r t u n i e n in § I I ) . In der P r a x i s wird mit E r f o l g ein v o m RJM. durch V. v. 30. II 1937 e i n g e f ü h r t e r k r i m i n a l b i o l o g i s c h e r F r a g e b o g e n 1 8 ) vetwe'ndet, der den B e h ö r d e n n o t w e n d i g e U n t e r l a g e n für die Verf o l g u n g die S t r a f b e m e s s u n g und den Vollzug v e r s c h a f f t Allerdings bietet

de«

" ) Vgl. T. L i s z t in f r ü h e r e n verbrecherischen Verhaltens ")

Gericht

seines

Organisators

A u f l . § 5 II 2 ; T e s a r 1907; K o l l m a n n Z S l r W r.

Neureiter

io

Die 28

MonSchr.

symptomatische 149 f. K r i m B i o l .

29,

Bedeutung 25.

II. V e r b r e c h e n u n d V e r b r e c h e r im a l l g e m e i n e n

32 er

einesteils 'zu

laufs zwar sind,

viel,

für

die

andernteils

fehlen

doch

die für die

weitere

Täter-

weil

die

gesamten

Erbbiologie, wieder

ZJ

Bestrafung

oder

nicht

wenig,

für

weil

die

von

Elemente

Das

der

des

Lebens-

Strafjustiz von

wichtige

sind19)

wesentlich

Verbrecherbegriff

»teilt die S c h u l d l e h r e

biologischen

aber

Interesse

soziologische Gebiet,

Dogmatik

Fragen

in d e m

zu

dieser

behandeln

ist,

dar.

c) Auf deo T ä t e r , nicht m e h r auf die Tat sollten einmal die g e s e t z l i c h e n Ta t b e s t ä n J e gestellt w e r d e n , so daß d i e s e k ü n f t i g l ä t e r t v p e n . nicht m e h r Tattypen sind. St» schon ' e t z t § 211. E 36 faßt d i e T a t b e s t ä n d e d e m g e m ä ß so: als Dieb, als Betrüger., als H e h l e r wird b e s t r a f t , wer . , . Geset/.estpchnisch s t e h t schon d e r f e i n f ü h l i g e Sprachgebrauch e n t g e g e n , d e r f ü r die meisten T a t b e s t ä n d e Tceinen Pei lonalhegriff gphildet hat ( K ö r p e r v e r l e t z u n g , Sachbeschädigung. Beleidigung, H a u s f r i e d e n s b r u c h . Nötigung. W i d e r s t a n d ) . Es eiht eben audi sachlich n i c h t ü b e r a l l T ä t e r t v p e o ( h i e r ü b e r u n t e n 2c und $ I I I Bezeichnend ist schon das W o r t : T a t b e s t a n d . J e n e R e f o r r n b e s t r e b u n g des sog. T ä t e r s t r a f r e r h t s .ist technisch eine U n m ö g l i c h k e i t f ü r GeRetz wie U r t ^ i l s f o i mel. sarblldi aber ein F e h l e r 2. D e r falls

Tätertyp

(im

verschieden

a)

Als

liche

straf-,

richtig

waltverbrecher stellen

der

typen

kennt

mungen

das

302d)

sich

mit

bietet

diesen ihre

an

(vgl. u n t e n

ist

die b)

schon 244.

Merkmal ferner

(bis

1919 (nach

von 264

zu

jeher 261

vom

Symptomen

vorläufigen

v

in

den

u s w ),

haltbarer Es

(§§ 175a 7

chronischer der

Ge-

Ansicht nicht TäterBestim-

4 2 6 0 . 2K5. 2 9 2 . 3 0 2 d ) .

Krinrnalität

Platz

Sitt-

Gewohnheitsmäßigkeit

großen

Dogmatik

gefähr-

braucht

strafschärfende

strafschärfenden

über

im

der

gefährliche

und

Tatbestandsmerkmale;

dogmatische

eben-

5. 9 . 1 9 3 9 , d e r

dar).

werden;

Gesetz

Ergebnisse

§ 11 B ) . D e r

V

der

a n d e r e r , nicht

Tätertatbestände

gebraucht

kann

erscheinen 1945)

nach

GewerbsmäßUkeit einige

TäterbegrifT)

werden.

die

seit

zur

für diese

ganzen

in

Kriminologie langem

befaßt

Systematisierung echten

Tätertypen

Schuldlehre. Auch

stellen

12

herausgegriffene

als

straf-,

Begriffe Gewohnheitsvom

20a,

echte

(§§

und nur

zutreffender Typik und

5

Gesetz

sicher

bloßen

Volksschädling

Ausdruck

Rückfall

292.

sind

§

Vorschriften

über

260.

Das

V. v

personale

vom

verwendet

schnld.tchärlendes

§ 42k, d e r

nach

diese

immer

hat

und

Gewohnheitsverbrecher

lichkeitsverbrecher

(§§

Unterschied

verstanden

konstitutive

Zuhälter



richtig und

•¡chuldbegründende

Gewerbsmäßigkeit

Tätertypen

Merkmale (§§

180, 2 8 5 .

für

die

Tatbestände

181a), w o w i e d e r u m

der

personale Ausdruck

dar.

erscheinen 102e Das

die

usw )

und

gleiche

gilt

gewählt werden

konnte c) Ein sog. n o r m a t i v e r T ä t e r l y p soll nach n e u e r e n VorBdilägen g r u n d sätzlich z u j e d e m T a t b e s t a n d h i n z u t r e t e n , und zwar zur „Verdichtung* 4 , „ B e s t ä t i g u n g " o d e r „ E i n s c h r ä n k u n g " : er soll audi das Vorbild f ü i den Gesetzg e b e r " bei A u f s t e l l u n g d e r T a t b e s t ä n d e gewesen sein, weil er im Volkshe-wußtseiu lebe, das e i n e ganz b e s t i m m t e V o r s t e l l u n g von den B e g r i f f e n ^ Dieb, R e t r i i c e r . M ö r d e r usw. h a b e ; d a h e r habe ihn aud] d e r Richter zu berücksichtigen um eine v o l k s t ü m l i c h e R e c h t s p r e c h u n g zu e r z i e l e n , weil dem Gesetz die A u s p r ä g u n g d e r T a t b e s t a n d s m e r k m a l e nidit in e i n e r f ü r alle F ä l l e passenden W e i s e g e U n g e n sei "I Vgl mein G u t a c h t e n f ü r den Römischen K o n g r e ß t r ä g e n zur R e d U s e r o e u e r u n g 1939 H. 8 S. 325 / 6.

f ü r K r i m i n o l o g i e in den

Bei-

33

§ 11. V e r b r e c h e n s - a n d V e r b r e c h e r t y p e n

D i e s e sc&on j e i t v. Liszts R u f nach e i n e m T ä t e r s t r a f r e c h t (oben I) h e r v o r g e t r e t e n e , s e i t 1933 mit Aufmachung v e r k ü n d e t e A n s i & t 1 1 ) f s u d ü b e r w i e g e n d e A b l e h n u n g a a s v e r s c h i e d e n e n , nicht immer stichhaltigen G r ü n d e n . V i e l e n T a t b e s t ä n d e n liegen n a r T a t t y p e n , nicht auch T ä t e r t y p e n zugrunde (oben l e und unte.i § 11 A ) ; und wo es T ä l e i t y p e n g i b t , da hat nicht das V o l k s b e w u ß t s e i n zu e n t s c h e i d e n , d f s nur e i n e u n k l a r e V o r s t e l l u n g hiervon haben k ö n n t e , sondern die wisnen?dhaftlichc F o r s c h u n g und richterliche E r f a h r u n g J e n e r Ausidit liegt allerdings eiu richtiger K e r n zug r u n d e ; Die Ausprägung in gesetzliche T a t b e s t a n d s t y p e n genügt nicht j e d e r k o n k r e t e n Sachlage. Alsdann steht dem R i c h t e r jedoch zur E r r e i c h u n g eines b e f r i e d i genden E r g e b n i s s e s ein anderes nnd b e s s e r e s K o r r e k t i v als jener T ä t e r t y p zur V e r f ü g u n g : die Anwendung der m a t e r i a l e n B e g r i f f t Unrecht und Schuld suwie die O r i e n t i e r u n g auf die Ideen G e r e c h t i g k e i t und G e m e i n w o h l . Ihnen g e g e n ü b e r k a n n ein „ T ä t e r s t r a f r e c h t " nichts sachlich Nepes b r i n g e n ; es erweist sich als e i u « methodisch wie sachlich v e r f e h l t e , ü b e r f l ü s s i g e und verwirrende K o n s t r u k t i o n .

I I I . Der T ä t e r auch im dogmatischen Sinne läßt sich im Anschluß an k r i m i n o l o g i s c h e F o r s c h u n g s e r g e b n i s s e b e s t i m m e n als die sozial erhebliche,

schöpferische,

personale

Einheil

der

Taten,

genauer

der

Tendenzen

und

Potenzen innerhalb eines Menschen21). E s b e d a r f also der F e s t s t e l l u n g : welche E l e m e n t e sind im wesentlichen seine S c h ö p f u n g , seine L e i s t u n g , sein W e r k ? und welche sind vorwiegend a u f a n d e r e U r s a c h e n , U m w e l t und E r b a n l a g e z u r ü c k z u f ü h r e n ? — Uber die E n t s t e h u n g und Entwicklung vgl. § 12.

8 11.

Verbrechens- und Verbrechertypen

H i e r wird nach M a ß g a b e der v o r h e r g e h e n d e n A u s f ü h r u n g e n n u r eine Ü b e r s i c h t ü b e r die bisherigen kriminologischen, für die D o g m a t i k erheblich werdenden F o r s c h u n g s e r g e b n i s s e zur L e h r e von den sog. T a t - und T ä t e r iypen, richtiger V e r b r e c h e n s - und V e r b r e c h e r t y p e n gegeben. 1. 1. D i e E r h e b l i c h k e i t b e t r i f f t die U n r e c h t s - und T a t b e s t a n d s l e h r e , v o r allem a b e r die Schuldlehre, die S t r a f b e m e s s u n g , den S t r a f v o l l z u g , die S t r a f r e c h t s r e f o r m , a l s o die wichtigsten K a p i t e l der D o g m a t i k . 2. Die K r i m i n o l o g i e m u ß dabei die überlieferten Tatbestände und B e g r i f f e der S t r a f r e c h t s d o g m a t i k , die sich z u n ä c h s t einmal historisch entwickelt "und im g a n z e n b e w ä h r t h a b e n , zu A n s a t z p u n k t e n n e h m e n . E s geht nicht an, nach Art der N a t u r w i s s e n s c h a f t die K r i m i n a l i t ä t als solche u n a b h ä n g i g von j e n e n historischen Ü b e r l i e f e r u n g e n a u f T y p e n hin untersuchen zu w o l l e n ; derartige T y p e n würden im rechtsleeren und rechtsfremden R a u m s t e h e n . D e r V e r b r e c h e r ist k e i n e g e b o r e n e P e r s ö n l i c h k e i t , wie nach der L o m b r o s o Schule, sondern das V e r b r e c h e n ist eine geschichtlich ge-wordene, s o z i a l e E r scheinung, und das a u s z u w e r t e n d e M a t e r i a l , die K r i m i n a l s t a t i s t i k und die " ) Dabm T ä t e r t y p 1 9 4 0 ; M e z g e r Z S t r W . 6 0 353 (anders später D t J . 1944, 215); S c h i f f s t e i n D t S t r R . 3 5 , 9 7 ; S u A A b h . H. 3 7 3 ; F r e i s t e r D J Z . 3 5 , 9 0 5 für V o l k s v e r r a t ; R G . Dt.R. 1939, 365 für Landstreicher; vil aber R G 73, 1 8 1 für Z u h ä l t e r . Dazo kritisch vgl. B o c k e l m a n n S t a d i e n zum T ä t e r s t r a f r e c h t 1 9 3 9 / 4 0 ; K o h l r a u s c h - L a n g e «« i 2 0 a ; O l s h a a s e n N i e t h a m m e r e b d a . L K . 6. A. 9 , 14, 2 8 ; Welzel Z S t r W . 6 0 , 4 2 8 ; v. Gernmingen ebda. 6 2 , 2 8 ; auch K e m p e r m a n n e b d a . 5 6 , 1 ; S c h i n n e r e r Schuta von S t a a t nnd V o l k im englischen R e c h t 1 9 3 5 , 7 4 a. ö. 1 1 D i e s e r . von Kriminalpädagogik Verantwortlichkeit

Sauer,

mir aufgestellten Definition stehen 1940 S. 18, 20 and Richard Bäsch der V e r b i n d * 1933 S . 10/1.

Strafrecht

b e s o n d e r s n a h e n . a. Klu| Grundfragen der strafrechtl.

3

34

II. V e r b r e c h e n u n d V e r b r e c h e r im allgemeinen

Spruchpraxis, ist eingestellt .nur auf gesetzliche Tatbestände und tatbestandliche Begriffe. Schon deswegen ist die Kriminologie in der Hauptsache Soziologie, allerdings umgeben einerseits von Psychologie, Psychiatrie und Biologie, andererseits von Sozialethik. Eine rfein medizinische Forschung, die an sich natürlich sehr zu begrüßen ist, vermag der Strafrechtsdogmatik nur nach dem Durchgang durch die Soziologie Beachtliches zu bieten. A. Tatbestandstrpen (Tat- und Tätertypen)*>) I. reine Angriffs(Schädigung*-) delikte (selten Täter* typen)

a) Gewalt« n d Roheit« delikte

b) AuBerungsdelikte

«) Verratadelikte Vertrauen«, brucb Störung der Rèchtsaicherheit

Körperverletzung s. T . T ö t u n g Sachbeschädignng Brandstiftung gemeingefährliehe D e l i k t e

Beleidigung iihlr Nachrede Unzucht vor (!) anderen Religionsdelikte Zweikampf

II. reine Nntz- und Notdelikte (fast stets Tätertypen)

Diebstahl Einbruch a. T . Raub Wilderei

III. reine Trieb- u n d Schwäche* delikte (häufig Tätertypen)

Kriminelles

Sozialethische

Last» (besonders zu II)

Tugend (besonders zu II)

Betteldelikte Landstreicherei Zügellosigkeit Zurückhaltung z. T. Diebstahl (im Schwäche- Herrschsucht Enthaltsamkeil Roheit Selbsttyp) Neid, MiSgunst beherrschung «. T. Prostitution Rauschgiftmißbraudb

Betrug Urkunden- und Fahrlässigkeit«- Unredlichkeit Geldfälschung Lüge delikte Verleumdung Entstellung Falsche Leichtsinn Anschuldigung GleichEidesdelikte gültigkeit falsche Aussage Doppelehe

Unterschlagung Untreue Widerstand Arrestbruch GeheimnisKonkursdelikte verjetzung Politische DeBestechung l i k t e : Hoch- u. •onstige TreueLandesverrat verletzungen Begünstigung Lohnabtreibung

Abtreibung Kindestötung Aussetzung Ehebruch

Verrat Zuverlässigkeit VertrauensVerschlagenheit Treubruch würdigkeit Treue Tapferkeit

Sinneslnst d) AusbeuNötigung Hehlerei Habgier u n t e r Bedrohung tungsdelikte i.T. E r p r e s s u n g Unzucht Aasnutzung HausfriedensZuhälterei mit (!) anderen Ausbeutung f r e m d e r Not bruch Kuppelei fremder Prostitution Einschlich* s. T. Raub Schwäche nnd Wucherdelikte terung z T. Erpressung Glüdcsspiel Laster " ) N ü h . r e i in K r i m S o i . Tail III (Anh. T a f a l I).

Aufrichtigkeit Wahrhaftigkeit Redlichkeit Sorgfalt Wohlwollea

Triebreinheit reine Hingabe Opferwilligkeit Hilfsbereitschaft

, 11. Verbredlens- und Verbrechertypen

35

B. Aetlologlscbe Typen 3 «) (Anlaßtypen) I. Einmalige Straffälllgkelt Akute Kriminalität Augenblicksdelikte, Gelegenheitsdelikte i. w. S. a) Stärkere Umweltselnfliisse

b) Stärkere Persönlichkeitseinfl üsse (Anlage-, Charaktermäßigkeit)

a) Geringerer Einfluß des freien Willensentschlusses (selten Tätertypen)

(1) Zufallsdelikte (Fahrlässigkeit)

(3) Leidenschaftsdelikte (Totschlag)

b) Stärkerer Einfluß des freien Willensentschlusses (Tätertypen möglich)

(2) Gelegenheitsdelikte 1. e. S. (Gelegenheitsdiebstahl, Beleidigung)

(4) Planmäßige Delikt« Vorbedachts- oder Absichtsdelikte (Unterschlagung, Urkundenfälschung, Erpressung, Meineid)

n . Nelgungskriinlnalliät Chronische Kriminalität Zustanc sdelikte, Gewohnheitsdelik e i. w. S. a) Stärkere Umweltseinfl iisse

b) Stärkere Persönlichkeitselnflüsse (Anlage-, C h a r a k t e r mäßigkeit)

•) Etwas geringerer Einfluß des f r e i e n Willensentschlusses (Tätertypen häufig)

(5) Gleichartiger einfacher Rückfall (Diebstahl § 244, Betrug § 264)

(7) Gewohnheitsdelikte L e. S. (Diebstahl aus Hang)

b) Stärkerer Einfluß des freien Willensentschlusses (fast stets Tätertypen)

(6) Artverwandter, gemischter Rückfall (Betrug, U r k u n d e n fälschung u n d (!) Hehlerei)

(8) Gewerbsmäßigkeit (Zuhälter, Wucher, Hehlerei, Betrug) (9) speziell Berufsmäßigkeit (Betrug Einbruch, Hehlerei, Glücksspiel)

" ) Näherei K r i m S o i . Buch II, be». • 7 (3. 93); Kriminologie «

4, 15.

36

II. Verbrechen und Verbrecher im allgemeinen II. Zu den Tnfeln A nnd B ist in bemerken: Zu A: 1. Die Tafel A « i g t , daß aar einem Teil der Tattypen auch T ä t e r t y p e n entsprechen. AUerding« liegt der «Utistische und loziülethisch kulturelle Schwerpunkt der Kriminalität auf der Gruppe II, in zweiter Linie steht die Gruppe Iii, so daß die Delikte mit Tätertypen erheblich uberwiegen. Die schwerere chronische Kriminalität ruht ebenfalls bei Gruppe II, im weiten Abstand erst bei III. Die reinen Angriffsdelikte (Gruppe I) treten häufig subakut auf, d. b. wenn sie »id> stark häufen nnd rasch wiederholen, ist der Grnnd meist ein äußerer Anlaß, gleiche Ucnweitlaiie, Besuch von Gaststätten, Streit mit Nachbarn. Gelegenheit zum Alkoholgenuß usw. — In früheren Zeiten spielte diese Gruppe eine größere Rollet die reinen Angriffsdelikte sind ausgesprochene Delikte der,Frühkultur, treten auch in den jüngeren Altersklassen häufiger auf In deD Gesetzbüchern t nd den Kommentaren nehmen sie dagegen einen nngleich größeren Raum ein nnd verfüge n über weit mehr §§, weswegen sich der Anfänger aber die Verteiluog der Bedeutung leicht täuscht; der Laie, das Volk sehen ja meist nur den äußeren Schaden (den Tod, den Brand, das Blutvergießen, die staatsfeindliche Aktion), nicht den inneren Unwert und nicht die wahre Gefährlichkeit. In Gruppe I befinden sidi die meisten und verschiedensten Rechtsgüter nnd folglich auch die mannigfaltigsten Angriffsmittel vereinigt; das trägt l)ei zu der größeren Zahl und de' reicheren Kasuistik der Tatbestände, wie hier euch jede Reform neue Tatbestände entdeckt, da sich eben die kriminellen Verhältnisse schnell ändern Die ungleich stärkere Konstanz und Zähigkeit Hegt auch in dieser Hinsicht bei den chronisch veranlagten Delikten der Hauptgruppe II, sodann bei III. Alle diese Gründe mögen dazu beitragen, daß sich in der Gruppe I Tätertypen nicht recht bilden wollen. Vor allem ist die s o z i a l e t h i s c h e W'u r z e 1 u n d T e n d e n z (vgl. die letzten beiden vertikalen Spalten) der Gruppe II eigentümlich, weswegen hier andh der größere moralische Unwert liegt; die soziaJethische Eigenschaft ist auch erkennbar noch bei Gruppe III, während am lockersten (wenn auch immerhin noch vorhanden) die Beziehung zur Sozialethik bei Gruppe I ist. 2. Die Parallelen zwis.-(iien A k t e , f ) S p e z i e l l : A u a f ü h r u n g s w i l l e , g ) W i l l e n s e n t s c f c l u ß : ao i m B e g r i f f d e r W i l l e n s f r e i h e i t h) W i l l e als g e l ä u t e r t e r W i l l e u n t e r Einschluß der V o r s t e l l u n g ; G e g e n s a t z : T r i e b I n s t i n k t " ) , i) W i l l e n s r i A t u n g als Diaposition; G e g e n s a t z : e i n z e l n e r W i l l e n s a k t . \ ) W i l l e als G e s i n n u n g o d e r C h a r a k t e r ; G e g e n s a t z : V e r a t a n d . S o b e i der Strafbemeasnng. " ) S o auch In S c h o p e n h a u e r s " ) So H)

Hauptwerk.

L K 6 . A. S 3 7 8

S o i n d e r Psycbi-V>gie t e l

Vundt a

t.

§ 13. D a s W e s e n d e s U n r e c h t !

47

3. Abschnitt

Das Verbrechen als Unrecht

S 13. Das Wesen des Unrechts D a s V e r b r e c h e n ist r e c h t s w i d r i g e s s c h u l d h a f t e s V e r h a l t e n ( o b e n § 8). I m f o l g e n d e n w i r d die o b j e k t i v e S e i t e b e t r a c h t e t : d a s r e c h t s w i d r i g e W i r k e n o d e r das „Unrecht".

I. Aufbau. 1. Gegenstand d e s U n r e c h t s ist d a s W i r k e n , d. i. d a s H a n d e l n o d e r U n t e r l a s s e n . — Maßstab ist die R e c h t s w i d r i g k e i t . D i e s e b e d e u t e t f o r m a l : G e s e t z w i d r i g k e i t , m a t e r i a l : W i d e r s p r u c h m i t der s o z i a l e n G e r e c h t i g k e i t s o w i e mit d e m ( s t a a t l i c h e n ) G e m e i n w o h l , d. i. S o z i a l s c h ä d l i c h k e i t o d e r m i n d e s t e n s Sozialgefährlichkeit. 2. Reihenfolge: Prozessual und logisch ist d e r G e g e n s t a n d d a s F r ü h e r e v o r d e m M a ß s t a b , d. h., z u e r s t ist d a s tatsächliche W i r k e n d e s V e r b r e c h e n f e s t z u s t e l l e n , a l s d a n n ist es auf s e i n e R e c h t s w i d u g k e i t u n d S o z i a l g e f ä h r l i c h k e i t hin z u b e u r t e i l e n . — Erkenntnistheoretisch d a g e g e n ist die u m g e k e h r t e R e i h e n f o l g e die r i c h t i g e 1 ) : z u e r s t ist d e r M a ß s t a b , die I d e e , die o b e r s t e G e s e t z m ä ß i g k e i t zu e r k e n n e n u n d zu b e s t i m m e n , e h e m a n a u s d e m s o z i a l e n L e b e n ein f ü r d e n M a ß s t a b g e e i g n e t e s O b j e k t h e r a u s g r e i f e n k a n n . N u r so v e r m a g m a n zB d a s U n t e r l a s s e n s t r a f r e c h t l i c h zu b e h a n d e l n ; f ü r die N a t u r f o r s c h u n g ist es ein Nichts, f ü r die S o z i a l w i s s e n s c h a f t ist es ein p o s i t i v e r Gegenstand Auch die K a u s a l i t ä t , d e r ursächliche Z u s a m m e n h a n g zwischen H a n d l u n g u n d E r f o l g , k a n n auf die juristische E r h e b l i c h k e i t n u r u n t e r d e m ! ) D a s w i r d m e i s t v e r k a n n t , so v o n Engiscfa L o g i s c h e S t u d i e n s n r G e s e t z e s a n w e n d u n g 1 9 4 3 s o w i e M o n S c h r . 41, 3 4 4 ; »gl. J u r E I L . 11. Meist wird das P r o b l e m nicht e i n m a l gesehen; d a n n steht man bei der Unterlassung und der Fahrlässigkeit vor einem Rätsel

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III. D a s V e r b r e & e n als U n r e d i t

G e s i c h t s p u n k t des R e c h t s und des U n r e c h t s e r k a n n t u n d b e s t i m m t w e r d e n , o b w o h l für die n a t ü r l i c h e B e t r a c h t u n g die V e r b i n d u n g von Ursache und E r f o l g u n a b h ä n g i g von rechtlichei W e r t u n g ist. Die Wissenschaft h a t d a h e r für i h r e F o r s c h u n g f o l g e n d e Reihenfolge zu b e o b a c h t e n : U n r e c h t n e b s t T a t b e s t a n d s m ä ß i g k e i t — W i r k e n ( H a n d e l n und U n t e r l a s s e n ) n e b s t K a u s a l i t ä t des E r f o l g e s . Der Richter h a t im ProielJ den u m g e k e h r t e n Weg zu n e h m e n . Außerdem des Unrechts suchen. F ü r z w a r in den ' J n r e c h t nur

h a t die Wissenschaft s e l b s t v e r s t ä n d l i c h d e n materialen Gehalt vor seiner f o r m a l e n G e s t a l t u n g durch d a s G e s e t z zu unterden Richter k o m m t z u n ä c h s t n u r d a s G e s e t z in Betracht, und sog g l a t t e n Fällen n u r d a s G e s e t z , w ä h r e n d ihn das m a t e r i a l e in Z w e i f e l s f ä l l e n b e s c h ä f t i g t

3. D a s materiale Unrecht ist die N e g a t i o n der R e c h t s i d e e ; d e r e n Wesen eu b e s t i m n i e n , ist die A u f g a b e der R e c h t s p h i l o s o p h i e , reicht also über die Z u s t ä n d i g k e i t einer S o n d e r d i s z i p l i n des Rechts weit h i n a u s Für den A u f bau der s t r a f r e c h t l i c h erheblich w e r d e n d e n R e c h t s w i d r i g k e i t b e s c h r ä n k e n wir 2 u n s auf f o l g e n d e L e i t s ä t z e ) . Ein A u s b a u im Hinblick auf S o n d e r p r i n z i p i e n f o l g t alsbald u n t e n zu II. a) J e d e G e m e i n s c h a f t , zu der sich die Menschen in g e m e i n s a m e m Wirken und W e r t s t r e b e n z u s a m m e n s c h l i e ß e n , b e s t i m m t den W e r t des Menschen und seines W i r k e n s nach d e m Maße, in d e m er den A u f g a b e n und Zielen diese» G e m e i n s c h a f t s g a n z e n g e n ü g t . D a s gleiche gilt von der staatlichen G e m e i n schaft. Der o b e r s t e M a ß s t a b wird durch d a s staatliche Gemeinwohl gekennzeichnet und durch die k u l t u r e l l e n A u f g a b e n und Z i e l e des S t a a t e s im einzelnen näher bestimmt Gerecht ist die B e u r t e i l u n g und B e h a n d l u n g eines Menschen und seines W i r k e n s nach d e m M a ß e , in d e m sie dem G e meinwohl entsprechen Z u r K e n n z e i c h n u n g dieser staatlich sozialen A u f g a b e n und Ziele w e r d e n N o r m e n und Gesetze e r l a s s e n , die sich je nach d e m W a n d e l der sozialen V e r h ä l t n i s s e zu e r n e u e r n und zu e r g ä n z e n h a b e n ; ihre A n w e n d u n g und Befolgung d i e n e n der Rechtssicherheit, der Gleichb e h a n d l u n g von G l e i c h e m , der leichteren E r k e n n b a r k e i t des Rechts und d e r Voraussicht und B e s t i m m b a r k e i t d e r F o l g e n . b) Die drei sog. Prinzipien des Rechts sind d a h e r nur drei Seiten desselben G r u n d g e d a n k e n s , der Rechtsidee s e l b s t : Gemeinwohl ist die psychojoziologische. Gerechtigkeit die normativ-sozialethische, Rechtssicherheit die formal-juristische Seite der Rechtsidee. Möglich und d u r c h a u s nicht selten ist ein W i d e r s p r u c h zwischen d e r m a t e r i a l e n S e k e , die. eine Z u s a m m e n f a s s u n g der b e i d e n e r s t e n b e d e u t e t , u n d der f o r m a l e n , den staatlichen Normen D a n n besitzt den V o r r a n g f ü r G e s e t z g e b u n g u n d W i s s e n s c h a f t natürlich die e r s t e r e , d e r m a t e r i a l e W e r t g e h a l t , d e m die u n v o l l k o m m e n e n N o r m e n a n z u g l e i c h e n sind. D e r Richter und der S t a a t s b ü r g e r sind aus G r ü n d e n der Rechtssicherheit dagegen den Normen unterworfen. Die ') N ä h e r e » in J u r . M e t h . L . l O ' l , 5 8 u n d schon GrdlR. 1921 $ 12 . o w i e die k l e i n « S c h r i f t : Das J u r i s t i s c h e G r u n d g e s e t z 1923. Ü b e r a n d e r e A n s i d i t e n s. o b e n $ 8 ; ü b e r R G . N a g l e r G e r S . 111, 43.

$ 13. Das Wesen des Unredits

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m o d e r n e n R i c h t e r sind a b e r , s o w e i t d i e G e s e t z e nicht z w i n g e n d e n C h a r a k t e r t r a g e n (z. B. hinsichtlich d e r T a t b e s t a n d s m e r k m a l e , d e r S t r a f a r t e n u n d d e s S t r a f r a h m e n s ) w i e d e r u m f r e i e r g e s t e l l t : sie b i l d e n d a s u n v o l l k o m m e n e f o r m a l e R e c h t im S i n n e der R e c h t s i d e e gleich e i n e m G e s e t z g e b e r w e i t e r u n d leisten d i e s e m h i e r m i t V o r a r b e i t . D e r R i c h t e r h a t sich ü b e r h a u p t stets, a u c h bei a n s c h e i n e n d g l a t t e r A n w e n d u n g des G e s e t z e s auf den E i n z e l f a l l , in die A u f g a b e des G e s e t z g e b e r s h i n e i n z u v e r s e t z e n : er f ä l l t sein U r t e i l d e r a r t , d a ß es sich auch für Fälle gleicher Art eignen w ü r d e ; n u r d a n n w i r d es v o n Rechtssicherheit g e t r a g e n . R e c h t ist konkrete und zugleich generelle Gerechtigkeit. Jedes U r t e i l m u ß generalisierungsfähig s e i n ; es soll zugleich V o r b i l d f ü r k ü n f t i g e E n t s c h e i d u n g e n sein. D a s gilt nicht n u r f ü r Höchst-, s o n d e r n e b e n s o f ü r U n t e r g e r i c h t e , nicht n u r f ü r die zu v e r ö f f e n t l i c h e n d e n , s o n d e r n f ü r a l l e E n t s c h e i d u n g e n . E i n e i n z e l n e r F a l l m a g vielleicht e i n m a l e i n e b e s o n d e r s h a r t e B e s t r a f u n g zur Abschreckung oder eine besonders milde Behandlung aus h u m a n e n u n d e r z i e h e r i s c h e n G r ü n d e n v e r t r a g e n ; d a s U r t e i l ist g e r e c h t n u r d a n n , w e n n es i m G e m e i n s c h a f t s l e b e n auch k ü n f t i g bei g l e i c h a r t i g e n F ä l l e n tragfähig wäre. D e s w e g e n d ü r f e n zB. F a h r l ä s s i g k e i t s d e l i k t e , k l e i n e D i e b s t ä h l e u n d Ü b e r t r e t u n g e n , die s t a r k z u r W i e d e r h o l u n g u n d H ä u f u n g n e i g e n , nicht zu m i l d e a n g e f a ß t w e r d e n , wie u m g e k e h r t G e w a l t - u n d R o h e i t s d e l i k t e t r o t z g e g e n w ä r t i g s c h w e r e m S c h a d e n nicht i m m e r z u s t r e n g , e t w a a u s p e r sönlichen u n d politischen G r ü n d e n zu w e r t e n sind. J e d e k o n k r e t e E n t s c h e i d u n g m u ß , in d e n E r f a h r u n g s s c h a t z d e s R r d i t e r s eingestellt, sich i m Vergleich m i t i h r e n A b s t u f u n g e n z u s c h w e r e r e n u n d leichteren F ä l l e n als gerecht e r w e i s e n ; n u r d a n n ist sie g e e i g n e t , a u f w e i t e r e Sicht d e m G e m e i n w o h l zu e n t s p r e c h e n , a l s o von B e s t a n d z u sein u n d d e r R e c h t s s i c h e r h e i t zu g e n ü g e n . Der weniger erfahrene Richter oder gar der A n f ä n g e r m ö g e n sich e r d a c h t e F ä l l e zu P r o b e e n t s c h e i d u n g e n als Vergleich v o r l e g e n : W ü r d e f ü r den g e g e n w ä r t i g e n F a l l , w e n n m a n ihn sich e t w a s verä n d e r t v o r s t e l l t , die b e a b s i c h t i g t e E n t s c h e i d u n g e n t s p r e c h e n d g e m i l d e r t o d e r • e r s c h ä r f t i m R a h m e n der R e c h t s o r d n u n g tragbar und gerecht sein? G e g e n d i e s e s E r f o r d e r n i s d e r Generalisierungsfühigkeit des U r t e i l s 3 ) w i r d s i e h t n u r v o n A n f ä n g e r n gern ü b e r a u s leicht u n d o f t g e f e h l t . A u f i h r b e r u h t ü b r i g e n s a u c h K a n t s K a t e g o r i s c h e r I m p e r a t i v ; w e n n eine n u r v e r e i n z e l t a u f i ' e t e n d e N a c h s i c h t o d e r eine e b e n s o l c h e H ä r t e selbst in d e r M o r a l g e g e n t i n v e r e i n z e l t e s W o l l e n nicht zulässig sind, so gilt E n t s p r e c h e n d e s n o c h w e i t mehr vom Recht wegen seines generellen und äußeren Charakters. Diese Einsicht s p r i c h t gegen ein ausschließliches, n e u e r d i n g s e m p f o h l e n e s Willensstrafrecht u n d w a r n t vor kritikloser V e r w e n d u n g von Laienrichtern, die o h n e E r f a h r u n g n u r i m m e r d e n G e g e n w a r t s f a l l s e h e n . Als O b j e k t d e r Beurteilung e r s c h e i n t h i e r n a c h nicht ein e i n z e l n e s W i r k e n , s o n d e r n d i e generelle Tendenz e i n e s W i r k e n s . N u r diese k ö n n e n n a t u r g e m ä ß auch G e s e t z g e b u n g a n d W i s s e n s c h a f t b e r ü c k s i c h t i g e n : e i n e wichtige Einsicht f ü r die K a u s a l i t ä t s auffassung. ') Näheres J u r M e t h . L . § 30a II, «. Reg.

S a u e r , Strafrecht

4

50

III. D a s Verbrechen als Unrecht

d) Gleichwohl verbleibt es bei der besonders dem sog. Fallrecht und Präjudizienwesen eigenen Erkenntnis, daß sich jede generelle Rechtsnorm nur auf konkrete Fälle zu beziehen hat. Der Gesetzgeber übernimmt die Normen nicht lediglich aus der Geschichte oder Rechtsvergleichung, um sie weiterzubilden und zu modernisieren; er legt sich vielmehr eine Reihe verwandter, verschiedener und entgegengesetzter Fälle vor und sucht f ü r sie die passenden abgestuften Rechtsnormen, die f ü r die gegenwärtigen Verhältnisse die der Gerechtigkeit und dem Gemeinwohl dienende Entscheidung gewährleisten. Er denkt so konkret und individualisierend wie möglich, um dem Richter seine Arbeit zu erleichtern, nicht etwa abzunehmen. Dem Richter erwächst nämlich die in der Theorie bisher selten erkannte Aufgabe weiterer Konkretisierung und Individualisierung der Gesetzesnormen 4 ); er hat sie so weit spezieller zu gestalten, bis sie auf den vorliegenden Fall reibungslos anzuwenden sind. Die T a t b e s t ä n d e des Gesetzes und die einzelnen Tatbestandsmerkmale sind so allgemein und systematisch gehalten, daß sie oft Fälle verschiedenster Art u m s p a n n e n ; das Gesetz vermag nur den ungefähren Durchschnitt zu erfassen, während die konkreten Feinheiten, die allein der Richter feststellen kann, dem Einzelfall ein abweichendes Gepräge geben können. Bei den Grenzfällen sowie bei Fällen, an die der Gesetzgeber wegen der Neuheit der Lebenserscheinung noch gar nicht denken konnte, ist es o f t zweifelhaft, ob sie nicht unter eine benachbarte oder eine noch weiter abseits liegende Rechtsnorm fallen, die schon wieder eine völlig andere Entscheidung nötig macht. Mitunter fehlt es überhaupt an einer passenden Norm. In allen diesen Fällen ist es A u f g a b e des Richters, die „passende", d. h. die ein gerechtes und gemeinnütziges Ergebnis verbürgende N o r m unter Verwertung der eigenen E r f a h r u n g , der Präjudizien und der wissenschaftlichen Einsichten zu gestalten; diese konkrete Gestaltungsnorm m u ß geeignet und berufen sein, selbst sofort zum Präjudiz f ü r künftige Urteile zu werden. — Konstruktive Hilfsmittel sind für den Richter hierbei Auslegung und analoge Anwendung; in m a n d i e n Fällen, selbst in dem strenger normbedingten und dem Gewohnheitsrecht wenig zugänglichen Strafrecht, bleibt.dem Richter nichts weiter übrig als Neuschöpfung. e) Dem o f t erhobenen Einwand, Gerechtigkeit und Gemeinwohl seien zu abstrakte Begriffe und umstrittene Größen, als d a ß sie sich zu Maßstäben f ü r richterliche Entscheidungen eigneten, Ist schon oben, § 8 1 3c, begegnet: sie sind hierzu sehr wohl geeignet, sobald sie sich „in F u n k t i o n " befinden, wenn also der Richter wiederum im Z u s a m m e n h a l t und Vergleich mit anderen Fällen prüft, ob sich das eine Gesetz als passender erweist als ein anderes, ob also die eine mögliche Entscheidung als gerechter erscheint als eine andere. Die komparative Methode kann überhaupt in dreifacher Richtung zu einer konkreten Entscheidung als der verhältnismäßig besten h i n f ü h r e n ; sie kann anleiten zur Vergleichung 1) von Fällen, 2) von gesetz') Ü b e r d i e sog. k o n k r e t e G e s t a l t u n g s n o r m e i n g e h e n d J u r . M e t h . L . u n d J u r . E I L (». R e g . ) ; z u s t i m m e n d N i e t h a m m e r D t . J . 1941 S. 234 u n d K l e e Z. d. A k . f. D t . R 1941 S. 160, auch D t . S t r a f r . 1 9 4 1 H . 1 1 ' 2 .

$ 13. Das Wesen des Unredits

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liehen Tatbeständen, 3) von Bewertungen daraufhin, ob eine Entscheidung m e h r als e i n e a n d e r e der Gerechtigkeit und d e m G e m e i n w o h l genügt. Zu d e m s o e b e n g e n a n n t e n d r i t t e n P u n k t sei auf e i n e w e n i g b e a c h t e t e E r s c h e i n u n g h i n g e w i e s e n . G e w i ß soll d e r R i c h t e r in g r ö ß t m ö g l i c h e r W e i s e d i e G e r e c h t i g k e i t u n d d a s G e m e i n w o h l v e r w i r k l i c h e n ; d a s ist o f t n u r in u n v o l l k o m m e n e m M a ß e m ö g l i c h , u n d z w a r g e r a d e in d e n p r o b l e m a t i s c h e n Fällen der Pfli.hten- und Güterkollisionen. H i e r k a n n d a s Ziel n u r sein, das größere Übel zu vermeiden und den verhältnismäßig größten N u t z e n , d ü n relativ höchsten Grad von Gerechtigkeit und Gemeinwohl zu wählen. In N o t s t a n d s - und notstandsähnlichen Fällen verdient das wertvollere Gut, d i e h ö h e r e Pflicht, d e r größere ideelle (kulturelle) Nutzen, der bessere Dienst am Staats- und Volksganzen den Vorzug. Dieser soziologische Gesichtsp u n k t ist a u c h j u r i s t i s c h zu v e r w e r t e n , w i e f o l g t : f) Z u s a m m e n g e f a ß t läßt sich die Rechtsidee als Juristisches Grundgesetz, j e n e s G e s e t z der G e s e t z e , von dem die e i n z e l n e n R e c h t s n o r m e n und g e s e t z lichen T a t b e s t ä n d e typische A u s p r ä g u n g e n darstellen, f o l g e n d e r m a ß e n ausdrücken: rechtmäßig (in materialem Sinne) ist ein Wirken (Verhalten, Handeln, U n t e r l a s s e n ) , das in seiner allgemeinen Tendenz generalisiert der staatlichen Gemeinschaft (der im Staate g e e i n t e n V o l k s g e m e i n s c h a f t ) mehr (ideellen, kulturellen) Nutzen als Schaden gewährt. U m g e k e h r t ergibt sich der vielgesuchte Begriff der materialen Rechtswidrigkeit als ein Wirken, d a s in seiner allgemeinen Tendenz generalisiert der staatlichen Gemeinschaft mehr (ideell-kulturellen) Schaden als Nutzen gewährt, ihr. mehr kulturelle U n w e r t e als W e r t e zuführt"). 4. D a s formale Unrecht prägt das materiale in T y p e n aus. D e r e n gibt es z w e i H a u p t a r t e n ; in beiden m u ß der U n w e r t g e h a l t des materialen U n rechts l e b e n d i g u n d erkennbar sein; sie sind d e s s e n S y m p t o m e und Indizien. a) D i e gesetzlichen Tatbestände. U b e r die Tatbestandsmäßigkeit ist unten § 14 n ä h e r z u sprechen. — D i e s e A u s b i l d u n g der T a t b e s t ä n d e k a n n niemals voll g e l i n g e n , w e s w e g e n eine b e s o n n e n e , m a ß v o l l e Analogie nur eine F o r d e r u n g der Gerechtigkeit ist und auch o h n e den a n g e f e i n d e t e n § 2 n. F. von 1935 a n g e w e n d e t werden darf und muß. D i e s e r war in der F a s sung w e n i g e r glücklich, die zur B e k ä m p f u n g in der T a t h e r a u s f o r d e r t , trifft aber sachlich d a s Richtige; er enthält k e i n e Durchbrechung des die „ m a g n a Charta des Verbrechers" b i l d e n d e n S a t z e s nulla poena sine lege, sondern erweitert d a s G e s e t z v o n seiner W o r t f a s s u n g zu s e i n e m G r u n d g e d a n k e n . V o n den beiden V o r a u s s e t z u n g e n drückte das „ g e s u n d e V o l k s e m p f i n d e n " die F o r d e rung der G e r e c h t i g k e i t aus, während der G r u n d g e d a n k e des G e s e t z e s der Forderung der Rechtssicherheit genügt. Die A b s c h a f f u n g d e s § 2 (1935) d u r c h K o n t r o l l r a t s G . v. 30. 1. 1946 N r . 1 brachte daher keine neue Rechtslage. D i e b i s h e r i g e P r a x i s h a t t e mit R e c h t A n a l o g i e n u r in e n g e n G r e n z e n z u g e l a s s e n u n d ist ü b e r d i e b i s h e r i g e •) So schon ZStr.W. 171 sowie o b e n § 8 II.

33 (1912), 794; näher Grdlg

{

12 S. 286.

Lit. in ZStrW.

4*

51,

52

I I I . Das Verbrechen als Unrecht

Rechtsprechung nur unwesentlich hinausgegangen 4 ). S o wurde bei Ferniprechautomatenbetrug durch Ginwurf falscher Münzen auch bei S e i b i t Wähler, also auch ohne Täuschung, analog der Betrugsparagraph angewendet, bei Hehlerei an der Ersatzsache oder a m Erlös analog der Hehlereiparagraph, bei Diebstahl unter Anwendung von Betäubungsmitteln analog der R a u b p a r a g r a p h 7 ) . Unzulässig wäre selbstverständlich eine Ausdehnung des § 175 auf Unzucht zwischen Frauen, ebenso eine Abweichung vom Lebensalter (§§ 176 N. 3, 182) oder Verwandtschaftsgrad (§ 173). $ 2b ließ Alternativ- oder W a h l f e a t s t e l l u n g e n i u , wenn feststeht, daß der T ä t e r gegen ein S t r a f g e s e t i verstoßen hat, ungewiß a b e r bleibt, gegen welches ( j B . ob er die Sache gestohlen oder als Hehler erlangt h a t ) ; früher mußte bei soldier Ungewißheit Freispruch erfolgen (was wohl richtiger war, da bei Ungewißh e i t andi noch weitere Möglichkeiten o f f e n s t e h e n , zB. ein drittes D e l i k t oder ein w e i t e r e r Mitbeteiligter). Das Gericht kann sich im Alternativfall auch von der Strafwürdigkeit keine genügende Vorstellung machen, so daß selbst die von $ 2 b vorgeschriebene B e s t r a f u n g aus dem milderen Gesetz leicht zu ungerechten Urteilen f ü h r t . Endlich sollte Wahlfeststellung nur zulässig sein, wenn die beiden D e l i k t e Im Grundgedanken mindestens verwandt sind; unzulässig wäre also eine Ver* a r t e i l u n g wegen B e t r u g e s ' o d e r Abtreibungsversuchs, wegen Verleumdung oder Blutschande'). Die Aufhebung durch K o n t r o l l r a t s G . d. 30. I . 4 6 Nr. 1 war ebenso unbedenklich wie bei verständiger Auslegung unnötig.

b) Unrechtsausschlußoder Rechtfertigungsgründe. D i e typische Prägung des materialen Unrechts in T a t b e s t ä n d e n (zB. Körperverletzung) genügt noch nicht zur formalen Rechtswidrigkeit und schießt vielfach über das Ziel hinaus, so daß es einer Einschränkung bedarf (zB. bei N o t w e h r oder Züchtigungsrecht). D a s G e s e t z stellt diese den meisten T a t b e s t ä n d e n zugänglichen Rechtfertigungsgründe in den Allgemeinen T e i l (§ 53); andere verbleiben bei den ihnen eigentümlichen T a t b e s t ä n d e n (§§ 193, 2 2 6 a ) ; noch andere finden »ich in Gesetzen außerhalb des S t G B . (zB. B G B . §§ 226 ff.) oder werden der Wissenschaft überlassen, die hiermit vor ein besonderes Problem gestellt wird, das sie nur aus dem Begriff des materialen Unrechts als der Wurzel auch der Rechtfertigungsgründe zu meistern vermag (vgl. sofort zu I I I und 5 18). M a n hat aber zu weitgehend in sämtlichen Rechtfertigungsgründen ein besonderes Problem gesehen; dieses konnte nur entstehen, wenn man zu eng und einseitig die Rechtswidrigkeit rein f o r m a l als T a t b e s t a n d s m ä ß i g k e i t verstand; D i e ganze Gruppe erklärt sich ganz einfach gesetzestechnisch; statt bei jedem T a t b e s t a n d der Angriffsdelikte, zB. Körperverletzung, Tötung, Bedrohung, die Ausnahme zu machen: „sofern der T ä t e r nicht in N o t w e h r handelt", zieht das G e s e t z die gemeinsamen Gründe v o r die K l a m m e r , die ihre letzte Erklärung ebenfalls wie die T a t b e s t ä n d e im W e s e n des materiellen Unrechts finden. ') Hierüber eingehend J u r M e t h L . $ 3 9 ; e. f e r n e r die K o m m . ') R G . 72, 351. S. auch 7 5 , 45. ') Gegen den $ 2b Uberhaupt sprachen nicht unbedenklich L K . 6. A. 115.

sich viele

aus;

vgl. J u r M e t h L .

{

44b

und

{ 13. D u W e s e n d e s Unrecht«

58

D l « f r ü h e r e E r k l ä r u n g mit n e g a t i v e n T a t b e s t a n d s m ' e r k m a l e n ( F r a n k ) ' ) weicht m e h r im A a s d r u c k nnd in d e r K o n s t r u k t i o n (die nicht glücklich i s t , d a i n « I n f a d i e n ö f f e n t l i c h - o d e r zivilrechtlichen B e f u g n i s s e n k e i n „ T a t b e s t a n d ' * au erblidcen ist) als in d e r Sache ab. D i e a n d e r e E r k l ä r u n g mit s u b j e k t i v e n R e c h t e n ( N a g l e r n. a.) 1 1 ) t r i f f t nicht a l l e R e c h t f e r t i g u n g s g r ü n d e ( z B . E i n w i l l i g u n g ) und ist einseitig privatrechtlich o r i e n t i e r t . Unrichtig ist die A n s i c h t , in d e n „ R e c h t f e r t i g u n g s g r ü n d e n " ( A u s d r u c k g e l ä u f i g schon seit B e r n e r ) einen G e g e n s a t z zu den U n r e c h t s a u s s c h l i e f i u n g s g r ü n d e n au s e h e n 1 1 ) : e r s t e r « sollen ein G e g e n r e c h t g e w ä h r e n , l e t z t e r e m ö g l i c h e r w e i s e n u r e i n e n r e c h t s f r e i e n R a u m l a s s e n , so daß sich d e r T ä t e r nicht anf ein Recht b e r u f e n k ö n n t e , was natürlich v o n w e i t t r a g e n d e n F o l g e n w ä r e ( f a l l s kein Recht, so Veru r t e i l u o g ) . In W a h r h e i t g i b t es n u r z w e i , nicht d r e i M ö g l i c h k e i t e n : wenn ein H a n d e l n nicht rechtswidrig i s t , so ist es rechtmäßig, d. h. rechtlich e r l a u b t . E i n e rechtliche I n d i f f e r e n z w ä r e eine j u r i s t i s c h e U n m ö g l i c h k e i t nnd eine s o z i a l e U n t r a g b a r k e i t : m a n w ü r d e n i e w i s s e n , ob m a n a u f d i e s e m G e b i e t e eine H a n d l u n g vorn e h m e n d a r f o d e r nicht.

c) Hiernach ist zu bestimmen die formale Rechtswidrigkeit als Gesetzwidrigkeit, d. h. als Tatbestandsverwirklichung beim Fehlen von RechtfertiSungsgründen. Formal rechtswidrig ist ein tatbestandsmäßiges Verhalten, «ein nicht besondere Rechtfertigungsgründe zur Seite stehen. — Einen yeziellen Begriff der „Strafrechtswidrigkeit" 1 2 ) gibt es nur insofern, als die »oeben gegebene Definition nicht auch für andere Rechtsmaterien paßt, die «veder auf strenge Tatbestände noch auf Rechtfertigungsgründe Gewicht legen; der Unrechtsgehalt im Strafrecht ist jedoch auch für die anderen Materien verbindlich, wie umgekehrt. D a s Strafrecht hat keine eigene Unrechtsauffassung; insofern ist ein besonderer Begriff der Strafrechtswidrigkeit irreführend.

II. Funktion. 1. Der Richter hat zuerst sämtliche Tatbestandsmerkmale, sodann die subjektiven Merkmale, Vorsatz oder Fahrlässigkeit, festzustellen. Alsdann ist das Vorliegen von Rech{fertigungsgründen zu prüfen, soweit der Sachverhalt (!) hierzu herausfordert; einen diesbezüglichen Einwand oder auch nur Hinweis des Angeklagten, zB. in Notwehr gehandelt zu haben, abwarten zu wollen, wozu die negative F a s s u n g (Unrechtsausschließungsgrund) oder die A u f f a s s u n g eines Gegenrechts (Rechtfertigungsgrund) verleiten könnte, wäre ein schwerer prozessualer Fehler. D a s Gericht hat von sich aus diese Feststellung zu treffen. Bei unzureichendem Beweisergebnis (wenn also zweifelhaft ist, ob Notwehr vorliegt oder nicht), hat Freisprechung, ') A u f b a u des S c h u l d b e g r i f f s 15 ff. und schon M e r k e l Lehrb. 1889, 82; später t . H i p p e l V D . A 3, 549 und noch v. W e b e r Z u m A u f h a n 17. F r a n k v o r { 1, v o i f 51 I I I , und v. H i p p e l II 189 h a b e n i h r e Ansicht s p ä t e r f a l l e n l a s s e n . Welzel G r d z . 65 spricht von A u s n a h m e t a t b e s t ä n d e n . " ) S t a n d d e r L e h r e von d e r R e c h t s w i d r i g k e i t 1 9 1 1 , 1 0 und F e s t g . f . F r a n k 1 1 9 3 0 , 341. " ) L K . 6. A . 33, 3 6 1 u. 5 . ; vgl. anch R G . 6 1 , 254. " S o seit F e u e r b a c h o f t nnd o f f e n b a r in v e r s c h i e d e n e m S i n n e , u. a. H o l d v. , F e r n e d R e c h t s w i d r i g k e i t I 333, II 50 H e g l e r Z S t r W . 3 6 , 29 und F e s t g . f . F r a n k I 272, M e z g e i L e h r b . 184 ff., B r u n s B e f r e i u n g des S t r a f r e c h t s v o m civilistischen D e n k e n 1938, 259 ff., H . M a y e r S t r a f r . 1 9 3 5 , 225, S c h a f f n e r n Z S t r W . 5 5 , 2 « . .

M

III. Das Verbrechen all Unrecht

nicht etwa V e r u r t e i l u n g 1 ' ) , zu erfolgen. Es ist sachlich gleich, ob man da» Vorliegen von N o t w e h r als Unrechtsausschließungsgrund o d e r das Nichtvorliegen von N o t w e h r als Unrechtsvoraussetzungsgrund (d. i. Unrechtsmerkmal) bestimmt. Aus sprachlichen G r ü n d e n vermeidet m a n die zweite, an d a s Negative a n k n ü p f e n d e Fassung 2. Mit der Feststellung des T a t b e s t a n d e s und des NichtVorliegens von R e c h t f e r t i g u n g s g r ü n d e n ist die Rechtswidrigkeit der T a t , also das objektive Unrecht, festgestellt. Und hiermit ist zugleich die Sozialgefährlichkeit des Wirkens erwiesen, also das materiale Unrecht, das ja in den Elementen de» f o r m a l e n U n r e c h t s (oben 1) seine typische A u s p r ä g u n g erhalten hat. Die Frage, ob wirklich ein V e r s t o ß gegen Gerechtigkeit und G e m e i n w o h l vorliegt, h a t den Richter (methodisch) schon bei der P r ü f u n g der T a t b e s t a n d s m ä ß i g keit u n d der Rechtfertigungsgründe beschäftigt. Sollte er hierbei Zweifel gehabt, insbesondere die Tat für sozial nützlich und sachlich geboten gehalten haben, so h ä t t e er, falls nicht schon einige T a t b e s t a n d s m e r k m a l e zu vermissen sind, nach einem Rechtfertigungsgrund suchen müssen. Praktisch taucht das materiale Unrecht regelmäßig erst im Rahmen der Rechtfertigungsgründe auf. D o r t zeigen sich das materiale Unrecht, das Juristische G r u n d gesetz des G e m e i n w o h l s und der Gerechtigkeit erst „in F u n k t i o n " , „in . Betrieb". D a h e r gilt es, diese Prinzipien in und zu einem System der Rechtf e r t i g u n g s g r ü n d e a u s z u b a u e n ; hierüber unten § 18. 3. Mit Feststellung der Rechtswidrigkeit sind die Voraussetzungen geschaffen: a) f ü r das Schuldurteil: V o r s a t z ist in K ü r z e zu definieren als K e n n t n i s des Unrechts, Fahrlässigkeit als Nichtkenntnis des Unrechts bei K e n n e n m ü s s e n ; b) f ü r die reinen Unrechtsfolgen, die nicht Schuld, sondern bloße Gefährlichkeit (d. i. eben den U n w e r t g e h a l t des Unrechts) e r f o r d e r n : Sicherungsmaßregeln (§§ 41,42a ff.); Schadensersatz usw.; f e r n e r c) N o t w e h r b e f u g n i s (§ 53: rechtswidriger Angriff); D r o h d e l i k t e (§§ 113, 117, 126, 176/7, 240, 249, 253; auch 49a, 139, 190. 199, 233); A n s c h l u ß t a t b e s t ä n d e (§§ 257, 259); limitiert akzessorische . T e i l n a h m e (§ 50). 4. Bei Überschreitung (Exzeß) der G r e n z e n der Rechtmäßigkeit ist die T a t rechtswidrig, der T ä t e r möglicherweise schuldfrei mangels Vorsatzes (es f e h l t das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit). Dies gilt nicht nur f ü r N o t w e h r ( N o t w e h r e x z e ß § 53 Abs. 3), sondern f ü r sämtliche Rechtfertigungsgründe., also auch f ü r S t a a t s n o t h i l f e 1 4 ) , soweit diese ü b e r h a u p t rechtfertigen k a n n , f ü r W a h r n e h m u n g berechtigter Interessen 1 6 ), f ü r d a s Züchtigungsrecht (auch evtl. Dritter), f ü r die mißlingende ärztliche O p e r a t i o n , f ü r den rechtswidrigen verbindlichen D i e n s t b e f e h l ; die beiden letzten Fälle sind b e s o n d e r s umstritt e n und praktisch wichtig. Die g a n z e F r a g e u n d ihre Behandlung sind l> ) V e r u r t e i l u n g verlangt unbegreiflich LK. 6. A., 44 gemäß d e r irrigen Auffassung d e r Strafausschlußgründe (oben I 4b); bei non liquet sei contra reum zu entscheiden. Die T a t b e s t ä n d e sind keine „ V e r m u t u n g " f ü r da9 Unrecht, die im P r o z e ß e n t k r ä f t e t werden m ü ß t e ; sie bildet n u r e i n e n E r k e n n t n i s g e h a l t f ü r die Rechtswidrigkeit. " ) H i e r f ü r soll nach Boldt Z S t r W . 56, 183 eine Ausnahme gelten, I r r t u m also nicht •Dtschuldigen, o f f e n b a r ans politischen G r ü n d e n . " ) So wenigstem f r ü h e r deutlich RG. (schon 6. 408; 25. 357).

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4 13. Das Wesen des Unred&t«

erheblich, weil gegen die N o t w e h r zulässig ist.

rechtswidrige, sei es auch

schuldfreie Handlung

5. Widersprüche zwischen den Prinzipien. Widersprüche sind nicht möglich zwischen Gerechtigkeit und Gemeinwohl, insoweit gerechte Behandlung (und nur sie) dem richtig v e r s t a n d e n e n Gemeinwohl entspricht; Gerechtigkeit und Gemeinwohl gehören beide z u m materiaten Recht u n d sind Elem e n t e des Juristischen Grundgesetzes. Widersprüche sind jedoch möglich zwischen diesen beiden Prinzipien einerseits u n d dem formalen Recht, dem Gesetz andererseits. Hier geht f ü r den Richter aus G r ü n d e n der Rechtssicherheit das letztere vor. Jedoch kann m.- E. in seltenen Ausnahmefällen fcei offenbarer und sozialethisch u n t r a g b a r e r Ungerechtigkeit ein Zurückt r e t e n der Rechtssicherheit notwendig werden, vgl. unten I I I 4.

III. Ausbau des Juristischen Grundgesetzes der Gerechtigkeit, des Gemeinwohls und der Rechtssicherheit. Die Rechtfertigungsgründe sind von den Gesetzen nur bruchstückweise geregelt (Notwehr, N o t s t a n d , Interessenwahrnehmung usw.) und im übrigen von der Rechtsprechung und der Wissenschaft höchst kasuistisch ausgebildet; ihre systematische Behandlung (nicht n u r äußere Gruppierung) wollte nicht gelingen. Auch die Prinzipien, die meist zur Erklärung der materialen Rechtswidrigkeit aufgestellt wurden, scheinen imftier nur für einen Teil der Fälle zu passen und sich selbst gegenseitig zu überschneiden, so daß der V o r r a n g nicht ersichtlich ist. So ist die f o r m a l e Maxime „rechtes Mittel zum rechten Zweck" 1 9 ) zwar f ü r den Heileingriff und das Züchtigen geeignet, versagt aber in anderen Fällen, und die Pflichten- und Güterabwägung 1 7 ) ist auf den N o t s t a n d und notstandsähnliche Fälle gemünzt, taugt aber nicht f ü r die anderen Gruppen. Oben wurden f ü r das materiale Unrecht drei Prinzipien als leitend erkannt, die sich unmittelbar aus der Rechtsidee ergeben und nach denen das Juristische Grundgesetz aufgestellt wurde. Hiernach können drei G r u p p e n von Rechtfertigungsgründen gebildet werden, u n d zwar je nach dem sie im wesentlichen beherrschenden Prinzip. Überall machen sich jedoch auch die beiden anderen Prinzipien in zweiter oder dritter Linie bemerkbar, da sie alle ja zusammengehören und nur Ausstrahlungen der gleichen Rechtsidee darstellen, um im Juristischen Grundgesetz zu gemeinsamem Ausdrudk zu kommen. — So ergibt sich folgendes System: 1, Ausübung formaler, typisch ausgeprägter Rechte und Befugnisse: a) Zwangs- und Gewaltrechte (BGB.), Erziehungsrecht der Eltern und Lehrer; b) Befehle des Vorgesetzten; c) Einwilligung des Verletzten. Hier waltet vor allem das Prinzip der Rechtssicherheit. Das formale Recht entfällt aber bei Mißbrauch, bei Schikane, bei Verstoß gegen die guten Sitten; ") Erstmala Stammler.

eingebend

Graf

in

Dohna

Reditewidrigkeit

1905 im

Anschluß

an

R.

" ) So seit H a e l s d i n e t (1858) u n d B e r n e r (1861) viele, *B. Binding H d b . 760 F r a n k i n } 193 I I I 2; Wachinger in F r a n k - F e s t g . I 475; RG. 15, 16; 61, 242; 62, 46; 64. 104.

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I I I . Das Verbrech i n als Ulirecht

h i e r b e i zeigt sich das m a t e r i a l e Prinzip der Gerechtigkeit, auch des Gemeinwohls. 2. Förderung von Lebensinteressen in Richtung auf das Gemeinwohl: a) allgemeine Nützlicfikeitseinrichtungen t r o t z G e f a h r e n (Bergwerke, Verkehrsmittel, militärische Ü b u n g e n , T u r n e n usw.); b) W o h l des Nächsten, Heilbehandlung, W e r t e r h a l t u n g im Interesse des G e s c h ä f t s h e r r n ; c) W a h r n e h m u n g berechtigter I n t e r e s s e n (§ 193), Zurechtweisung (Züchtigung f r e m der K i n d e r ) . Hier erscheint als Sonderprinzip die G ü t e r a b w ä g u n g ; den Ausschlag gibt aber nicht allein das h ö h e r e Privatinteresse, sondern das „ ö f f e n t l i c h e Wohl", die Gerechtigkeit. Ein e n t g e g e n s t e h e n d e r Wille des V e r l e t z t e n ist zum Teil beachtlich, so bei der ärztlichen O p e r a t i o n ; hier macht sich w i e d e r u m das Prinzip der Rechtssicherheit bemerkbar. 3. Schutz von Lebensinteressen, insbesondere durch Abwehr von Gefahr und Hilfe bei Not: N o t w e h r , N o t s t a n d s r e c h t e (auch § 193). Hier b e w ä h r t sich vor allem die Gerechtigkeit; i n s o f e r n p a ß t hier die M a x i m e : rechtes Mittel zum rechten Zweck. Z u m Teil gilt aber auch das Prinzip des Gemeinwohls, auch wiederum der G ü t e r a b w ä g u n g (Notrecht); es ist weniger geeignet jedoch f ü r N o t w e h r . F ü r die letztere wie f ü r alle Zwangsrechte ist weitgehend die Rechtssicherheit entscheidend; sie sollte auch bei der Züchtigung durch D r i t t e beachtlich sein. 4. Uberall ist eine Verbindung der Prinzipien zu einer einheitlichen E n t scheidung g e b o t e n ; die Entscheidung nach allein einem einzigen Prinzip reicht nicht aus. F r ü h e r u n t e r der V o r h e r r s c h a f t der Rechtssicherheit bes t a n d die G e f a h r einer E r s t a r r u n g im einseitigen F o r m a l i s m u s . In politisch b e w e g t e n Zeiten d r o h t die g r ö ß e r e G e f a h r des M i ß b r a u c h s der beiden m a t e r i a l e n Prinzipien, b e s o n d e r s des G e m e i n w o h l s 'zu einseitigen politischen Zwecken, was zu einer ungerechten Gleichsetzung des N u t z e n s f ü r eine politische Partei mit dem wirklichen Staatswohl f ü h r e n k ö n n t e . Von d e r ü b e r a u s gefährlichen, 1933 a u f g e k o m m e n e n W e n d u n g „Recht ist, was d e m Volk n ü t z t " , ist der Schritt nicht weit zur Abgleitung in eine aller Gerechtigkeit h o h n s p r e c h e n d e P a r t e i j u s t i z : Recht ist, w a s der P a r t e i n ü t z t . Auf d a s G e m e i n w o h l k ö n n t e sich b e r u f e n , wer mißliebige P e r s o n e n im P a r t e i i n t e r e s s e t ö t e t . Auch die nach 1918 v o r g e k o m m e n e n F e m e m o r d e u n d die bei allen politischen T i e f s t ä n d e n und Wirren d r o h e n d e n A t t e n t a t e auf leitende S t a a t s m ä n n e r sind rechtswidrig; die B e r u f u n g auf das S t a a t s w o h l allein reicht eben nicht aus, und ein Fall zulässiger S t a a t s n o t h i l f e k a n n n u r in höchst seltenen A u s n a h m e l a g e n in F r a g e k o m m e n .

I Wesen

®

Tatbestandsmäßigkeit

T a t b e s t a n d s m ä ß i g k e i t ist vertypte Rechtswidrigkeit. Tatbestandsmäßigkeit • ,\d Rechtswidrigkeit sind nicht einander n e b e n g e o r d n e t , wie Beling 1 8 ) ann a h m , der Mitschöpfer d e r m o d e r n e n T a t b e s t a n d s l e h r e . Vielmehr ist d e r ") Lehre vom Verbrechen 1906 (unter W e i t e r f ü h r u n g von Bindings N o r m e n t h e o r i e ) . So noch die meisten; Tgl. Brnos K r i t i k d e r L e h r e vom T a t b e s t a n d 1932, Clafi G r e n z e n des Tatbestands 1933, Scbönke vor $ 1 II u n d LK. 6. A. Vorbem. 20.

{ 14. T a t b e s t a n d s m ä ß i g k e i t

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Tatbestand nur eine Erscheinungsform des Unrechts, und zwar eine seiner beiden typischen Ausprägungen 1 9 ), nämlich die positive, während die andere, negative, die Rechtfertigungsgründe bildet. Der Tatbestand stellt umgekehrt, vom Rechtsleben aus gesehen, eine typische Zusammenfassung der rechtserheblichen sozialschädlichen Unwertelemente dar; als abstrakter (gesetzlicher) Tatbestand generalisiert er den konkreten Tatbestand, Lebenstatbestand oder Sachverhalt. Der Tatbestand schlechthin steht also in der Mitte zwischen dem allgemeinen Unrechtsbegriff und dem Verbrechensfall: an ihm erkennt man, ob ein Wollen und Wirken unrechtmäßig ist. Der Tatbestand ist ein Symptom für die objektive Kriminalität, für die Sozialschädlichkeit oder Sozialgefährlichkeit eines Wirkens. Die Kunst des Gesetzgebers ist es, die „richtige" Mitte zu halten. Steht der Tatbestand zu nahe dem abstrakten Unrecht, so verliert er an leichter Anwendbarkeit (da er die verschiedensten Fälle umfaßt), an Praktikabilität, an Anschaulichkeit und Erkennbarkeit. Steht er zu nahe dem Leben, so deckt er wieder nicht genügend die konkrete Kriminalität und führt zu Lücken in der Rechtsordnung, die erst durch Analogie, durch „entsprechende" Anwendung verwandter, aber eben doch verschiedener Tatbestände ausgefüllt werden müssen. Allemal muß der Richter zur reibungslosen, glatten Anwendung aus dem abstrakten Tatbestand erst eine konkrete Norm gestalten, die im Sinne des allgemeinen Unrechtsbegriffes wirklich auf den Lebenstatbestand paßt, gleichsam auf ihn zugeschnitten ist. — Das Strafrecht arbeitet mit zwei Begriffen des Tatbestands: 1. Der Tatbestand i. e. S. ist eine Vertypung des unrechtmäßigen Wollens und Wirkens. Das sind die Tatbestandsmerkmale („Tatumstände" des § 59), auf die sich die Schuld bezieht. Dieser engere oder eigentliche Tatbestand enthält den Unrechtskern oder Grundstock, um den sich die anderen Merkmale legen, die ihrerseits Beziehungen zur Schuld aufweisen. Gegensatz: äußere Strafbarkeitsvoraussetzungen, die jenseits der Schuld liegen. Der Tatbestand wurde früher systematisch behandelt meist erst im Zusammenhang mit den Schuldmerkmalen des § 59, also als Objekt des Vorsatzes oder gar negativ des Irrtums. 2. Der Tatbestand i. w. S. umfaßt auch die Strafvoraussetzungen, die vom Willen und Handeln des Täters unabhängig sind. Er gibt ein vollständiges Bild der Sozialgefährlichkeit der Tat wieder und läßt erkennen, wieweit sie im Sinne des Gesetzes strafwürdig ist. Gegensatz: die Prozeßmerkmale, insbesondere Prozeßvoraussetzungen. II. Bedeutung des Tatbestandsbegriffs (i. w. S.). 1. Er dient der leichteren Erkennbarkeit des Unrechts f ü r die Recht»anwendung und gewährleistet ihre Stetigkeit, Gleichmäßigkeit, Unparteilichkeit und Gerechtigkeit. ") So schon Saner Grdlg. § 13, Eb. Schmidt bei v. Liszt § 32 A II, Mesger § 22, Wegner Krim. Unrecht 38, 54, Graf zu D o l n a Recht und I r r t u m 1925 S. 4, Welzel $ 1 1 u . a . ; M. E. Mayer 10 sprach ähnlich von Indiz, des Unrechts.

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III. Das Verbrechen all Unrecht

2. Er bildet daher auch die Voraussetzung f ü r Rechtssicherheit und ermöglicht eine gewisse Voraussehbarkeit der Entscheidungen; die Rechtsunterworfenen erhalten ein lebendiges, anschauliches Bild von dem, was sie tun und lassen sollen und wie sie selbst im Fall einer Zuwiderhandlung behandelt werden. 3. Die Funktion des Tatbestands ist daher Bestimmung des Wollens und Handelns. Nur dieses kann der Gesetzgeber durch Ge- und Verbote beeinflussen, und nur an dieses kann er sein Unwerturteil anknüpfen. Rechtswidrig kann nur ein Wollen und Wirken, ein Handeln und Unterlassen sein, aber nicht unmittelbar ein Erfolg und ein Schaden. Das Strafgesetz kann daher nicht mit der natürlichen, sondern nur mit der typischen, adäquaten Kausalität arbeiten. Es kann verbieten nur ein Handeln oder Unterlassen, das voraussichtlich einen schädlichen Erfolg bewirkt; aber es kann gerechterweise nicht den Erfolg, den Schaden als solchen verbieten und rückschließend dafür jedes menschliche Verhalten verantwortlich machen, das irgendeine Bedingung für den Erfolg gewesen ist oder äußere Beziehung zu ihm gehabt hat. Innerhalb des Tatbestandes steht die Tatbestandshandlung unter dem Zeichen der typischen oder adäquaten Kausalität; der Tatbestand schließt das anomale Geschehen aus. Nur das typische schädliche oder gefährliche Wirken kann ein Gesetz verbieten. Aber an dieser typischen Regelung nimmt auch der gesamte Unrechtstatbestand teil; jedes Tatbestandsmerkmal untersteht dieser typischen Betrachtung. 4. Auch beim Schweigen des Gesetzes oder bei gänzlichem Fehlen des Besonderen Teils kann das Strafrecht nur mit Typen arbeiten und in Typen denken. Wenn im Sowjetrussischen StGB, von 1926 § 6 nur allgemein sozialgefährliches Handeln verboten wird, so werden hierfür Typen mindestens als Beispiele und zur Anleitung im Besonderen Teil aufgestellt. Zum mindesten gilt Gewohnheits- und Präjudizienrecht, wenn der Besondere Teil weniger ausgebildet ist, zB. in England und Nordamerika. 5. Die Tatbestände des Besonderen Teils bilden eine Weststaffel, an der auch der Grad der Schwere des Unrechts zu erkennen ist. Aus der Gruppierung der Tatbestände läßt sich auch der Grundgedanke eines einzelnen Gesetzes entnehmen (wichtig f ü r die Grenzen der Zulässigkeit analoger Anwendung). Uber den Grundtyp hinaus darf eine Analogie nicht ausgedehnt werden (vgl. JurMethL. § 39); Analogie ist Anwendung nur eines rechts verwandten Tatbestandes 2 0 ). 6. Die Tatbestände sind nicht etwa sog. wertfreie Handlungs- oder gar Ordnungstypen 2 1 ), sondern besitzen normative Bedeutung f ü r eine Reihe strafH ) U n h a l t b a r u n d widersinnig ist eine n e u e r e , im AnsdbluB an § 2 a. F. bis 1945 gebildete Ansicht: T a t b e s t a n d sei n i & t n u r gesetzlicher T a t b e s t a n d , sondern auch analog gebildeter außergesetzlidier T a t b e s t a n d . Einen d e r a r t i g e n m a t e r i a l e n , außeroder übergesetzlichen Tatbestand gibt es nicht. Dieser würde sidi selbst a u f g e b e n nnd eu einer Erscheinung des materialen U n r e d i t s w e r d e n . Wohl a b e r gibt es T a t b e s t ä n d e des Gewohnheits- und P r ä j u d i z i e n r e d i t s . " ) Anders Beling L e h r e vom T a t b e s t a n d 1930 ( w e r t f r e i e r O r d n u n g s b e g r i f f , Leitbild). Nadb LK 27 sind n u r Handlungstypen w e r t f r e i .

§ 14. Tatbestandsmäßigkeit

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r e c h t l i c h e r P r o b l e m e , a) D i e T a t b e s t a n d s h a n d l u n g ist e r h e b l i c h z u r Bestimm u n g d e s Versuchs g e g e n ü b e r d e r V o r b e r e i t u n g , d e r Täterschaft gegenüber der T e i l n a h m e , d e r Einheit und Mehrheit von Verbrechen, des Übergangs vom m a t e r i e l l e n z u m P r o z e ß r e c h t . — b) D e r e n g e r e T a t b e s t a n d s b e g r i f l k e n n z e i c h n e t d i e G r e n z e zwischen U n r e c h t u n d Schuld. — c) D i e A u s b i l d u n g d e r T a t b e s t ä n d e f ü h r t die Rechtfertigungsgründe auf ein e r t r ä g liches M a ß z u r ü c k : d e r V o l l z u g s b e a m t e b e g e h t nicht e t w a eine F r e i h e i t s b e r a u b u n g , d e r ein R e c h t f e r t i g u n g s g r u n d z u r S e i t e s t ü n d e . V i e l m e h r liegt eine F r e i h e i t s b e r a u b u n g nicht vor, d a d e r T a t b e s t a n d n u r als ein U n r e c h t s typ a u f z u f a s s e n ist u n d die F r e i h e i t s e n t z i e h u n g zu d e n R e c h t e n u n d Pflichten d e s V o l l z u g s b e a m t e n g e h ö r t . N a c h d e r w e r t f r e i e n T a t b e s t a n d s a u f f a s s u n g wäre jeder Strafvollzug vorsätzliche Tatbestandsverwirklichung der Freih e i t s b e r a u b u n g , d e r B e a m t e sei n u r w e g e n V o r l i e g e n s e i n e s R e c h t f e r t i g u n g s grundes straflos! 6. a) I n m a n c h e n T a t b e s t ä n d e n h a t die U n t e r l a s s u n g e i n e t a t b e s t a n d liche A u s p r ä g u n g e r f a h r e n : echte Unterlassungsdelikte; so U n t e r l a s s u n g d e r V e r b r e c h e n s a n z e i g e § 139, d e r g e h ö r i g e n A u f s i c h t J u g e n d l i c h e r § 139b, d e r N o t h i l f e § 330c, der B e l e u c h t u n g § 322 o d e r u m g e k e h r t d e r V e r d u n k e l u n g usw., §§ 116, 121, 123, 315, 316, 357, 367 N . 13 usw. b) D i e T a t b e s t ä n d e k ö n n e n die Verletzung u n d Gefährdung e i n e s Rechtsg u t s e n t h a l t e n . D e n konkreten G e f ä h r d u n g s d e l i k t e n (§§ 221, 313 ff.) s t e h e n d i e abstrakten (§§ 306, 366 N . 2) g e g e n ü b e r , durch d i e e i n e G e f a h r n u r r e g e l m ä ß i g e i n z u t r e t e n pflegt. c) I n d e n m e i s t e n T a t b e s t ä n d e n w i r d d e r E r f o l g als M e r k m a l e r w ä h n t : Erfolgsdelikte; n u r h i e r wird d i e K a u s a l f r a g e erheblich. G e g e n s a t z : reine Tätigkeitsdelikte, zB. M e i n e i d ( a n d e r s B e l e i d i g u n g , die d a s V e r n e h m e n d u r c h e i n e n a n d e r e n e r f o r d e r t ) , N i c h t s t r e u e n von S a n d bei G l a t t e i s , G e h e n ü b e r f r e m d e Äcker usw. M a t e r i a l , d. h. v o m S t a n d p u n k t des U n r e c h t s a u s ges e h e n , s t e h t h i n t e r diesen T y p e n n a t ü r l i c h e b e n f a l l s ein E r f o l g ( G e f ä h r d u n g d e r R e c h t s p f l e g e , des E i g e n t u m s ) . 7. Beim „ M a n g e l a m T a t b e s t a n d " , d. h. w e n n ein gesetzliches T a t b e s t a n d s m e r k m a l im E i n z e l f a l l nicht v o r l i e g t , e n t f ä l l t auch d a s U n r e c h t , d a s d e n T a t b e s t a n d k e n n z e i c h n e n ( v e r t y p e n ) sollte, u n d d a h e r auch die S t r a f b a r k e i t ; die S t r a f w ü r d i g k e i t k a n n b e s t e h e n . D i e h. M will in solchen F ä l len g r u n d s ä t z l i c h V e r s u c h a n n e h m e n , w a s n u r d a n n z u t r i f f t , w e n n d i e T a t b e s t a n d s h a n d l u n g bei d e n E r f o l g s d e l i k t e n nicht z u m E r f o l g g e f ü h r t h a t . Vgl. u n t e n § 17 I I I . 8. E i n e H a u p t f u n k t i o n des T a t b e s t a n d s ist die B i l d u n g v o n Tatbestandstypen u n d Tatbestandsgruppen; i h r e B e d e u t u n g z e i g t sich in d e r g r u n d l e g e n d e n A u f s t e l l u n g v o n Verbrechensu n d von Verbrechertypen, wichtig f ü r die G r u p p i e r u n g u n d die i n n e r e S y s t e m a t i k des B e s o n d e r e n Teils sowie f ü r d e n Beginn e i n e r T y p e n l e h r e in d e r K r i m i n o l o g i e . G e r a d e an d i e s e n bed e u t u n g s v o l l e n Stellen d e r S t r a f r e c h t s w i s s e n s c h a f t t r i t t d i e s o e b e n b e h a n d e l t e A b l e i t u n g d e r T a t b e s t ä n d e v o n d e r s o z i a l e n G e f ä h r l i c h k e i t u n d Schädlichkeit in F u n k t i o n ; die lediglich f o r m a l e g e s e t z e s t e c h n i s c h e B i l d u n g v o n T a t -

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III. Da» Verbredben als Unrecht

beständen und ihre Rechtfertigung durch die Strafrechts- und Gesetzesgeschichte, Dogmengeschichte und Rechtsvergleichung könnte eine solche weitgehende Aufgabe sachlicher, materialer Natur nicht leisten. Hierzu bedarf es der Einsicht in ihren Unwertgehalt. Übrigens zeigt auch ein Überblick ü b e r die g e s c h i c h t l i c h e Entwickl n a g d e r Gesetzgebung, daß das S t r a f r e c h t sich in f r ü h e r e n Zeiten n u r aus den gesetzlichen T a t b e s t ä n d e n nnd den entsprechenden S t r a f d r o h u n g e n zusammensetzte und an ihnen weiterentwickelte (vis, f n r t u m usw.); an einzelnen wichtigen T a t b e s t ä n d e n bildeten sidb erst allmählich G r u n d s ä t z e des Allgemeinen Teils h e r a n . D e r Gesetzgeber- ging h i e r b e i ebenso wie s p ä t e r die Wissenschaft m i n d e s t e n s unbewußt von einem b e s t i m m t e n Unwertgehalt d e r einzelnen T a t b e s t ä n d e ans; die Wissenschaft schuf erst s p ä t e r den f o r m a l e n , noch weit später den m a t e r i a l e n Unrechtsbegriff. 9. Über die s a c h l i c h e B e d e u t u n g n n d G r u p p i e r u n g d e r T a t b e s t ä n d e vgl. § 11 A. Im Hinblick auf sie (zwedts s t e t e r F ü h l u n g mit dem sadilidien Unwertgehalt) geschieht auch die f o l g e n d e Darstellung.

III. Elemente des Tatbestands. Den innersten Kern bildet das Wirken, die Ausführungshandlung, die in der Tat.bestandshandlung ihre typische Ausprägung erfährt. Um diesen Kern legen sich die einzelnen Schichten, die sich je nach ihrer N ä h e und Beziehung zur Tatbestandshandlung und in ihrer Abhängigkeit von ihr ver»chieden abstufen. Hierauf beruht die Unterscheidung zweier Tatbestandsbegriffe i. e. S. und i. w. S. (oben I). 1. Der engste Kreis umfaßt folgende Elemente: a) die Tatbestatidshandlung; sie ist nicht zu verwechseln mit der Ausführungshandlung, die sich unmittelbar aus dem Wirken als allgemeinem Verbrechensmerkmal herleitet und ein Element des materialen Unrechts ist. Beide können sich natürlich decken. Die Tatbestandshandlung ist oft enger; oft gibt es deren mehrere, die bald im alternativen Verhältnis stehen (§ 267: Fälschliches Anfertigen oder Verfälschen einer Urkunde, nach n. F. v. 1943 auch Gebrauchmachen), bald kumulativ nebengeordnet sind (§ 267 a. F.: und von der Urkunde Gebrauch machen; § 303), bald in der Form von Mittel und Zweck auftreten (§ 263: durch Täuschung schädigen; §§ 240, 249, 243, 177). Eine besondere Bedeutung f ü r die Strafwürdigkeit besitzt das Angriffsmittel, die Begehungsweise, u. z. bei den Angriffs-wie bei den Nutzdelikten, an deren Spitze die Fälschung und die Ausbeutung stehen. b) Ein Erfolg wird meist erfordert (§§ 211,223,242,303); vgl. oben II 6c über Verletzungs-, Gefährdungs- und einige Tätigkeitsdelikte. Die Tatbestände enthalten oft eine typische Ausprägung des Angriffsobjekts ( §§ 303 ff., 306 ff., 243, 265), mitunter auch zu mehreren Objekten (alternativ oder sukzessiv, § 226). Dem Objekt entspricht oft eine Eigenart des Subjekts (§§ 173, 174). 2. Ein enger Kreis (gegenüber dem ersten schon etwas weiter entfernt vom Wirken) umfaßt folgende Elemente: a) Die Begleitumstände und unmittelbarsten Wirkungen der Tat, die codi nähere Beziehung zur Tatbestandshandlung aufweisen. Erschwerend

61

{ 14. Tatbestandsmäßigkeit

wirken: die Öffentlichkeit der Begehung (§§ 124, 130 ff., 134, 200); die Nachtzeit (§ 243 N. 7, 293 Abs. 2); die Friedensgefährdung (§ 130); die Zusammenrottung (§§ 122, 124 ff.), die Ärgerniserregung (§ 183). b) Die persönliche Gefährlichkeit ist ausgeprägt zu den zugleich für die Schuld erheblichen Typen der chronischen Kriminalität: strafschärfender Rückfall (§§ 244, 250 Z. 5,261, 264); Gewohnheitsmäßigkeit (§§ 150, 180, 181, 260, 302d); Geschäftsmäßigkeit (§ 144); Gewerbsmäßigkeit (§§ 175a Z. 4 , 2 1 8 Abs. 4 a.F. 260, 285, 293 Abs.'3, 302d). c) Einzelne merkmale.

subjektive

Merkmale,

das

sind zugleich

vertypte

Schuld-

In diesen sog. s u b j e k t i v e n U n r e c h t s e l e m e n t e n glaubte die n e u e r e S t r a f r e c h t s l e h r e " ) eine Entdeckung gemacht zu haben und sah in der Selbstverständlichkeit, mit der man z B . im Diebstahlstatbestand das M e r k m a l der Zueignungsabsicht verwendete, ein besonderes P r o b l e m , das die bisherige Scheidung von Unrecht und Schuld, von o b j e k t i v e n ' und s u b j e k t i v e n Merkmalen erschüttert haben sollte. Zu einfach und natürlich erschien die gesetzestechnische E r k l ä r u n g , daß zum Diebstahl nicht die wirkliche Zueignung e r f o r d e r t wird, sondern die Wegnahme in Zueignungsabsicht genügt und daher die Vollendung schon früher e i n t r i t t . Die Zueignungsabsicht gehört daher hinsichtlich der Zueignung zum Tatbestand als vertyptem o b j e k t i v e m Unrecht; sie gehört aber auch zur Schuld insofern, als nicht einfacher Vorsatz der Wegnahme genügt, sondern eine über den Vorsatz hinausgehende und auf Verwertung gerichtete Absicht e r f o r d e r t wird. J e n e grundsätzliche Unterscheidung von o b j e k t i v und subjektiv bleibt auch durch diese Rechtslage unb e r ü h r t ; man muß sie nur richtig v e r t e i l e n : Unrecht und Schuld unterscheiden sich zwar im Maßstab (objektives Unwerturteil über die Sozialschädlichkeit und Gesetzwidrigkeit der Tat gegenüber dem subjektiven Schuldvorwurf ü b e r die sozialethisch verwerfliche Gesinnung des T ä t e r s ) ; aber Unrecht und Schuld unterscheiden sich nicht im Gegenstand, denn Wollen und W i r k e n (Handeln) gehen ineinander ü b e r . So erklärt sich, daß das Unrechtsurteil sich auch auf s u b j e k t i v e E l e m e n t e , wie Absicht, Zweck, Motiv, beziehen k a n n ; und daher stecken in der o b j e k t i v e n T a t bestandsmäßigkeit auch s u b j e k t i v e E l e m e n t e , die noch einmal im Schuldurteil wiederkehren. Dem P r o b l e m der subjektiven Unrechtselemente, ohne praktische Tragweite, wurde vielfach ü b e r t r i e b e n e Bedeutung beigemessen.

Im StGB, anzutreffen:

sind insbesondere

folgende subjektive

Tatbestandsmerkmale

aa) Absicht: 1) sog. kupierte Erfolgsdelikte (§§ 131, 242, 253, 257, 263, 288); 2) verminderter (verkümmerte) zweiaktige Delikte (§§ 146, 275 Z. 2, 3, ähnlich 124, 202, 235 Abs. 3, 239a, 307 Z. 2 , 3 ) ; bb) Zweck: 1) nächster Zweck (§§ 147, 177; „um zu": §§ 131, 146, 181 Z. 1, 234, 253, 257, 279); 2) außertatbestandliche Ziele (§§ 235 Abs. 3, 236 ff., 252, 307 Z. 3, 370 Z. 5); cc) Motiv aus Not (§§ 248a, 264a); Eigennutz (§§ 180, 181a, 257/9); gefühllose Gesinnung, Roheit (§ 223b, TierschutzG. v. 1933 § 9 S. 2); von den Schuldsymptomen (vgl. unteen § 24) sind hier zu nennen: Habgier, Gewinnsucht, Arglist, mutwillig, böswillig, leichtfertig; dd) Planmäßigkeit: wissentlich (§§ 164, 187), mit Überlegung (§ 211 a.F.). 3. Mittlere Kreise; sie sind noch zum engeren Tatbestand gehörig, wenn auch vom Wirken und von der Tatbestandshandlung weiter entfernt: " ) Hegler Z S t r W . 36, 61 und in Festg. f . F r a n k I 2 5 1 ; Mezger G e r S . 89, 233, 2 5 9 , bes. Lehrb. § 2 0 ; Sieverts B e i t r ä g e zur L e h r e von den s u b j e k t i v e n Unrechtselementen 1934.

I I I . Das Verbrechen a h Unrecht

62 a) zum ten

Typisierung Objekt,

und

typen

§§

des

Subjekts:

173/4,

Verhältnisse

(vgl. u n t e n

vgl. im

§ 24

nicht h i e r h e r

oben

Sinne

a.E.

zu

1 b, w o h l des

§50),

§

50

gehören

aber

die

Abs. 2;

das bloße

Gegenstück

persönlichen

Eigenschaf-

das

zB. Beamte,

sind

generelle

Schuld-

Soldaten, Kaufleute,

Lehrer,

Verwandte. b) oder

Normative

Tatbestandsmerkmale;

rein beschreibende

aa)

Die

sog.

Rechtswidrigkeit: freiheit

ein

Rechtsidee,

ausfüllungsbedürftigen der

und auf

durch

schnell

faktische,

Wertformeln

Gesetzgeber

verweist das

diesen Tatbeständen gebers

Gegensatz:

deskriptive

Merkmale:

ihn

auf

Juristische

räumt den

dem

materialen

Grundgesetz.

gehören

Richter Der

an

größere

Unrechtsbegriff, Anlaß

ist

oft,

der tatsächliche Unrechtsgehalt nach Ansicht des wechselnde

Wertanschauungen

bedingt

sich

zur

Ermessensauf

die

daß

bei

Gesetz-

ist.

I m T a t b e s t a n d e r s c h e i n e n d a h e r gern die W e n d u n g e n : u n b e f u g t o d e r selbst rechtswidrig (widerrechtlich), auch ü b e r m ä ß i g , u n v e r h ä l t n i s m ä ß i g (§ 3 0 2 a ) , ungebührlich, nach gesundem V o l k s e m p f i n d e n (§§ 2 5 3 a . F . , 3 3 0 c, 2 und 3 A b s . 2 a. F . bis 1 9 4 5 ) , gegen die guten S i t t e n (§ 2 2 6 a ) . H i e r h e r g e h ö r e n auch n e u e r e Allgemeinb e g r i f f e wie V o l k s s c h ä d l i n g , G e w a l t v e r b r e c h e r . J e s p e z i e l l e r sie 6ind, d e s t o schwierig e r ist die A b g r e n z u n g von den b e s c h r e i b e n d e n o d e r f a k t i s c h e n T a t b e s t a n d s m e r k malen. Unerheblich i s t diese U n t e r s c h e i d u n g f ü r den I n h a l t d e r zum V o r s a t a e r f o r d e r l i c h e n K e n n t n i s 60wie f ü r die Z u l ä s s i g k e i t d e r R e v i s i o n " ) ; die F e s t s t e l l u n g auch d e r f a k t i s c h e n M e r k m a l e im U r t e i l ist von den j e w e i l i g e n W e r t a n s c h a u u n g e n abhängig. D i e schwierige Hauptfrage ist, wieweit der Gesetzgeber dem Richter bei gewissen T a t b e s t ä n d e n E r m e s s e n s f r e i h e i t e i n r ä u m e n und w i e w e i t e r ihn durch s p e z i e l l e r g e h a l t e n e , s t r e n g e N o r m e n b i n d e n soll. D i e K u n s t des G e s e t z g e b e r s ist auch h i e r , die r i c h t i g e M i t t e c u w ä h l e n . S t G B , v e r w e n d e t das M e r k m a l r e c h t s w i d r i g , w o r a u f o f t h i n g e w i e s e n wurde, m e i s t recht w i l l k ü r l i c h : es s t e h t in $ 3 0 3 , f e h l t in $ 2 2 3 . M i t u n t e r würde a b e r d e r T a t b e s t a n d o h n e d e n Z u s a t z rechtswidrig ( u n b e f u g t usw.) k e i n s t r a f r e c h t l i c h v e r s t ä n d l i c h e s V e r b o t e n t h a l t e n , weil eben die V e r t y p u n g des U n r e c h t s zum Ans* druck k o m m e n m u ß ; z B . , , w e r u n b e f u g t f i s c h t , wird m i t . . . . bestraft14. Daa M e r k m a l ist wohl auch in dem. U b e r t r e t u n g s t a t b e s t a n d w e n i g e r e n t b e h r l i c h : „ w e r u n b e f u g t ü b e r f r e m d e A e c k e r und W i e s e n g e h t " , wenn man nicht v i e l e h a r m l o s e S p a z i e r g ä n g e r b e s t r a f e n will. E n t b e h r l i c h ist es a b e r , wenn a n d e r e M e r k m a l e etwas r e i c h h a l t i g e r und a u s f ü h r l i c h e r a u f t r e t e n , wie in § § 2 4 2 , 2 6 3 . W i e m a n s i e h t , ist die G r e n z e schwer zu z i e h e n . Sachlich, f ü r den I n h a l t des T a t b e s t a n d e s , ist ei n a t ü r l i c h gleichgültig, o b ein T a t b e s t a n d das M e r k m a l e n t h ä l t o d e r nicht, da es so den a l l g e m e i n e n V e r b r e c h e n s m e r k m a l e n g e h ö r t ' 4 ) . A l l e r d i n g s k a n n es zuweilen ein« b e s o n d e r e B e d e u t u n g a n n e h m e n , wie im E r p r e s s u n g s t a t b e s t a n d 2 1 ) , b b ) Spezielle normative Merkmale sind ü b e r a u s h ä u f i g ; sie k ö n n e n j e d e m faktischen (deskriptiven) M e r k m a l zugefügt und allen R e c h t s m a t e r i e n und sonstigen Kulturgebieten entnommen werden, zB. fremde Sache, fremdes Vermögen, zuständiger Beamter (§ 1 5 4 ) , z u m B e w e i s e v o n R e c h t e n oder Rechtsverhältnissen bestimmte P r i v a t u r k u n d e (§ 2 6 7 a . F . bis 1 9 4 3 ) , unwahre Tatsache, zur Beförderung von Personen oder Gütern bestimmt usw. Die verschiedensten Beispiele bieten die Delikte gegen Staat, Volk, Gesellschaft und Kultur. " ) R G . 6 1 , 1 5 3 . V g l . S i e v e r t s B e i t r ä g e 1 2 5 ; v. G e m m i n g e n D S t r R . 3 6 , 1 0 5 . N) Vgl. die S c h r i f t von G f . zu D o h n a m i t d e m b e z e i c h n e n d e n T i t e l : Die ReciiU Widrigkeit als a l l g e m e i n g ü l t i g e s M e r k m a l i m T a t b e s t a n d s t r a f b a r e r H a n d l u n g e n 1 9 0 5 . ,s) Vgl. i n s b e s . F r a n k zu § 2 5 3 I V .

$ 14. Tatbestandsmäßigkeit 4. Weitere Kreise. Mit ihnen wird lung noch stärker gelockert oder bereits des engeren Tatbestands und mit ihm es tritt der weitere Tatbestandsbegriff

63

die Beziehung zur Tatbestandshandaufgehoben; hiermit wird das Gebiet zugleich der Schuldbereich verlassen; ein.

Ä u ß e r e Strafbarkeitsvoraussetzungen — eines der umstrittensten und schwierigsten Kapitel der Tatbestands- und der angrenzenden materialen Prozeßrechtslehre 2 0 ), unbedeutend in den Anlässen, bedeutend in den Prinzipien und der Tragweite. Diese Gruppe, deren Erkenntnis und Ausbau erst der n e u e r e n Wissenschaft zu verdanken ist, steht in der Mitte zwischen den S t r a f v o r a u s s e t z u n g e n des engeren Tatbestands und den ProzeLivoraussetzungen, zu denen sie überleitet. Unterschied der äußeren Strafbarkeitsvoraussetzungen von den Merkmalen des engeren Tatbestands: auf sie bezieht sich nicht die zum Vorsatz erforderliche Kenntnis; die Grenze wird vom Gesetz in den einzelnen Fällen nach „äußeren" Gesichtspunkten gezogen. Vielfach sind sie aber auch dem Schuldbereich überhaupt nicht zugänglich, weil sie „außerhalb" des Wollens und zT. sogar des Wirkens stehen, nämlich zu ihnen keine Beziehungen aufweisen (daher: der „weitere" Tatbestand). Allemal besteht die prozessuale Erleichterung: es erfolgt keine Feststellung, daß der Täter die ihnen zugrunde liegenden Tatsachen kannte oder kennen mußte. Unterschied der äußeren Strafbarkeitsvoraussetzungen (insoweit genannt kurz: Sachvoraussetzungen) von den Prozeßvoraussetzungen. Letztere bedingen nur die Zulässigkeit eines Prozesses, eines ordnungsmäßigen Strafverfahrens (Hauptfälle: Strafantrag des Verletzten, Nicht-Verjährung); die Strafverfolgung darf nur eingeleitet werden, wenn sie vorliegen; stellt sich ihr Fehlen erst in der Hauptverhandlung heraus, so erfolgt keine Freisprechung, sondern Einstellung des Verfahrens mit der Möglichkeit der Wiedereröffnung, falls die Voraussetzungen inzwischen eingetreten sind (zB. der Strafantrag in noch zulässiger Weise nachgeholt ist). Daher ist ihr Vorliegen, von den Justizbehörden stets vor den Sachvoraussetzungen zu prüfen; denn ohne ihre Feststellung darf in eine Prüfung der Sache selbst nicht eingetreten werden. Stellt sich also in der Hauptverhandlung heraus, daß der Angeklagte noch nicht strafmündig ist, so ist er nicht freizusprechen (obwohl auch eine Sachvoraussetzung, die Schuldfähigkeit, fehlt),'sondern ist das Verfahren einzustellen (mangels Verhandlungsfähigkeit). Endlich gelten für die den Prozeßvoraussetzungen zugrunde liegenden Tatsachen nicht die förmlichen Beweisregeln, der Richter ist nicht auf die wenigen, von StPO. zugelassenen Beweismittel beschränkt. 11 U m d i e K l ä r u n g h a b e n sich b e s o n d e r s v e r d i e n t g e m a d l t z u e r s t O s k a r B ü l o w (1868), s p ä t e r v. K r i e s , W . R o s e n b e r g ( z u l e t z t in L ö w e K o m m . z. S t P O . ) sowie N i e t h a m m e i e b d a , , B e l i n g u n d J . G o l d s c h m i d t . V g l . m . G r d l g . d. P i o z e ß r . , G r d l g . d. S t r a f r . u n d J u r M e t h L . (s. R e g . ) ; f e r n e r H . U . K a n t o r o w i c z T a t u n d S c h u l d , Zürich 1933, S. 229 m i t e i n g e h e n d e r , w e n n auch n i c h t l ü c k e n l o s e r d o g m e n g c s c h i c h t l . Ü b e r s i c h t . B e a c h i n d i P o m p e H a n d b o k v a n h e t N e d e r l a n d s c h e S t r a f r e c h t 1938 u n d S a r a n o f f G r u n d l a g e n cici S t f a f p r o z e ß r e d h t s v r i s s e n B c h a f t 1930 ( b u l g a r i s c h , m i t d e u t s c h e r Z u s a m m e n f a s s u n g ) .

64

i 14. Tatbestandsmäßigkeit

Ganz anders die Sachvoraussetzungen. Sie gehören dem materiellen Strafrecht an, obwohl sie hart an der Grenze stehen und es o f t streitig ist, ob ein gesetzliches Merkmal strafrechtlicher oder prozessualer Natur ist. Das Kennzeichen ist, ob es im Sinne des Gesetzgebers noch als vertyptes Unrecht aufzufassen ist, so daß er die Tat erst dann als voll strafwürdig ansieht, wenn dieses Merkmal vorliegt. Maßstab ist also auch hier die Strafwürdigkeit (§ 7), und zwar zunächst das materiale Unrecht (§ 13). Normalerweise ist allerdings nach modernem Schuldstrafrecht erforderlich, daß das Merkmal noch dem Bereich des Wollens und Wirkens angehört und von der Schuld umfaßt werden kann. Wie erwähnt, sieht der Gesetzgeber mitunter hiervon aus „äußeren" Gründen ab, ohne daß er deswegen an dem Charakter der Sachvoraussetzung (Strafbarkeits-, StrafwUrdigk-eitsvoraussetzung) etwas ändert. Nur wenn prozessuale Gründe überwiegen (also nicht schon: mitsprechen), liegt eine. Prozeßvoraussetzung vor. Solche Gründe sind bei den einzelnen Merkmalen verschiedener Art; in Betracht kommen soziologische (KO. § 239), kriminalpolitische (§ 226), rechtspolitische (§ 113), staats- und völkerrechtliche *(§§ 102/3), sozialethische (§ 172 möglichst Aufrechterhaltung der Ehe, § 186 Vermutung der Ehrenhaftigkeit), ja selbst prozeßpolitische (§ 186 Beweisgrund). Allemal soll im Sinne des Gesetzgebers (ob er stets glücklich vorging, ist eine andere Frage) ein schuldhaftes Wollen erst dann, wenn noch ein weiteres, äußeres Merkmal vorliegt, für den Staat ein so schweres Unrecht darstellen, daß er daran Strafe knüpft. Die Folgen ergeben sich aus dem soeben für die Prozeßvoraussetzungen Gesagten: Prüfung erst nach den Prozeßvoraussetzungen; stellt sich in der Hauptverhahdlung ihr Fehlen heraus, so erfolgt Freispruch; sie unterliegt den förmlichen Beweisregeln der StPO. U n t e r Berücksichtigung aller dieser weitverzweigten F a k t o r e n ist eine Ubersicht über eine systematische E i n o r d n u n g der einzelnen Merkmale zu geben. Die Beg r ü n d u n g k a n n n u r f ü r jedes Delikt einzeln erfolgen und ist dem Besonderen Teil vorzubehalten. Im wesentlichen halte ich an d e r G r u p p i e r u n g meiner Grdlg. d. Strafrechts f e s t ; den Ausbau u n t e r n a h m Erich Land System d e r ä u ß e r e n S t r a f b a r k e i t s bedingungen 1927 (Diss. Königsberg) Ab.h. H. 229"). D e r A u f b a u ist i. g. auch legislatorisch berechtigt (vgl. die Tafel). N u r die negative K e h r s e i t e der äußeren S t r a f b a r k e i t s v o r a u s s e t z u n g e n sind die objektiven S t r a f a u s s c h l i e ß u n g s g r ü n d e (zB.: die Erweislichkeit nach § 186). E i n e Besonderheit wird hiermit nicht e i n g e f ü h r t , namentlich nicht eine U m k e h r u n g d e r Beweislast oder die Pflicht i u Freisprechung bei non l i q u e t " ) ; n u r § 186 macht nach seiner Fassung Ausnahmen .

a) Äußere Strafvoraussetzungen ersten (leichtesten)2") Grades: sie sind vom Gesetz schuldfrei gestellt, obwohl sifc noch zur Schuld Beziehung haben könnten. Zwei Untergruppen kommen in Betracht: eine faktische und eine normative. " ) Später H a r r y Jensen Die ä u ß e r e n S t r a f b a r k e i t s b e d i n g u n g e n , D i u . Münster 1946 (ungedrudet). Nichtige, verständnislose Polemik von Rittler Festg. f. F r a n k II 16 und LK. 6. A. 41. Vgl. dagegen wiederum Heinitz ArchRWPh. 22, 327 sowie Kantorowicz a. a. 0 . " ) A. M. LK. 6. A. 44; dagegen die h . M. " ) Die u m g e k e h r t e R e i h e n f o l g e wählen Land und mein System d. Strafrechts, weil d o r t andere systematische Gesichtspunkte al» im T e x t interessieren. So e r k l ä r t sich eine aT. a n d e r e G r u p p i e r u n g .

§ 14. T a t b e s t a n d s m ä ß i g k e i t

aa)

Schuldfrei

gestellte

jaktische

Merkmale:

65 1)

Bei

möglicher

Schuld-

b e z i e h u n g : Erfolgsqualifizierte Delikte, sog. objektive Bedingungen e r h ö h t e r S t r a f b a r k e i t . D a s sind die jetzt k a u m noch g e r e c h t f e r t i g t e n Reste eines überw u n d e n e n E r f o l g s s t r a f r e c h t s , zB. die T o d e s f o l g e nach §§ 226. 176, 239, 307 N. 1, die schwere Folge §§ 118, 221 Abs. 3, 224, 229 Abs. 2, 251, 321 Abs. 2, 324, 326. Die E n t w ü r f e e r f o r d e r n mit Recht F a h r l ä s s i g k e i t ; die Rspr. v e r l a n g t hier, u m die reine Z u f a l l s h a f t u n g auszuschließen, a d ä q u a t e K a u s a l i t ä t u n t e r g e r e c h t f e r t i g t e m Bruch mit i h r e r Bedingungstheorie. D i e G r u p p e rechtfertigt sich a b e r e i n i g e r m a ß e n aus soziologischen u n d i n s b e s o n d e r e kriminalpolitischen G r ü n d e n ; das Gesetz will die e r h ö h t e G e f ä h r l i c h k e i t von T a t u n d T ä t e r treffen. — 2) Spätere Ereignisse o h n e Möglichkeit der S c h u l d b e z i e h u n g : A u l l ö s u n g der E h e wegen (!) E h e b e t r u g s oder Ehebruchs, §§ 170, 17 2 3 0 ). V e r b r e c h e n s b e g e h u n g wegen N i c h t a n z e i g e § 139 u n d wegen Nichtbeaufsichtigung Jug»ndlicher § I39b; K r i e g s a u s b r u c h bei landesverräterischer K o n s p i r a tion im Fall des f r ü h e r e n § 87 Abs. I 3 1 ) ; S e l b s t m o r d o d e r Versuch d a z u im Fall d e r Verleitung, E. 27 § 248 3 '). bb) Schuldfrei gestellte n o r m a t i v e M e r k m a l e : rechtmäßige A m t s a u s ü b u n g § 113, z u s t ä n d i g e r B e a m t e r §§ 110, 116, 154 u. a. Nichterweislichk'eit r u f g e f ä h r d e n d e r T a t s a c h e n § 186. H i e r k ö n n t e V o r s a t z o d e r F a h r l ä s s i g k e i t erf o r d e r t w e r d e n ; die Rspr. 3 3 ) sieht aber mit Recht d a v o n aus s t a a t s a u t o r i t ä r e n oder sozialpolitischen G r ü n d e n ab, vor allem, um einen w i r k s a m e n Schutz des B e a m t e n u n d der E h r e zu ermöglichen, auch, u m Beweisschwierigkeiten zu v e r m e i d e n , die leicht zu ungerechtfertigten F r e i s p r e c h u n g e n f ü h r e n k ö n n t e n . In dem außergewöhnlichen T a t b e s t a n d des § 186 d r e h t sich f e r n e r die Beweislast u m : mißlingt der W a h r h e i t s b e w e i s , so V e r u r t e i l u n g ; d a h e r gilt eine V e r m u t u n g , d a ß ein jeder so lange E h r e besitzt, bis der V e r l u s t der E h r e nachgewiesen wird. So e r k l ä r t sich, d a ß ein M e r k m a l mit p r o z e s s u a l e m Einschlag, die Nichterweislichkeit d e r b e h a u p t e t e n , e h r e n r ü h r i g e n T a t s a c h e , T a t b e s t a n d s m e r k m a l u. z. ä u ß e r e S t r a f v o r a u s s e t z u n g g e w o r d e n ist. Bezeichnend f ü r den C h a r a k t e r dieser G r u p p e ist, d a ß eine allerdings nicht z u t r e f f e n d e Ansicht i m m e r h i n e r n s t h a f t v e r t r e t e n wurde, die f ü r die beiden e r s t g e n a n n t e n Fälle V o r s a t z , f ü r den dritten Fahrlässigkeit f o r d e r t e 3 4 ) . (Hier zeigt sich so recht die Ähnlichkeit mit der obigen G r u p p e zu aa). M ) E b e n s o v. Liszt-Sdhmidt, G e r l a n d , M e z g e r , J e n s e n . D a g e g e n n a d i h . M. ( R G . 22, 137) P r o z e ß v o r a u s s e t z u n g ; h i e r z u p a ß t a b e r n i & t , d a ß S t G B . K a u s a l i t ä t e r f o r d e r t . V g l . J o h . T i e t z , A u f l ö s u n g d e r E h e als o b j e k t i v e S t r a f b a r k e i t s b e d i n g u n g , Diss. Königsb e r g 1926.

" ) S. F r a n k sowie L a n d 58. " ) L a n d 69. " ) Vgl. d i e K o m m . F ü r 5 113 R G . 72, 301, L K . 37, S d b c n k e 269, S d i w a r z § 113, 4. A.M. F r a n k § 113 V I I , v. Liszt, A l l f e l d , v. H i p p e l , B e l i n g , J e n s e n . — F ü r § 110 R G . 64, 76, L K . 37. A.M. B i n d i n g , F r a n k u. a. — F ü r § 186 ist die R e c h t s l a g e noch i m m e r s e h r u m s t r i t t e n , vgl. schon S a u e r D i e E h r e u s w . 1916; die h . M. n i m m t ¿ i n e n o b j e k t i v e n S t r a f a u s s c h l i e ß u n g s g r u n d an, s t e h t also d e m T e x t n a h e . " ) So v e r e i n z e l t B i n d i n g L e b r b . I 158. Sauer,

Strafrecht

5

66

I I I . D a s V e r b r e c h e n als U n r e d i t

An dieser Stelle ist ein neuer R e c h t s g e d a n k e zu n e n n e n : die Bedeutung oder Erheblichkeit von Begriffs- und T a t b e s t a n d s m e r k m a l e n braucht nicht vom V o r s a t z u m f a ß t zu werden, zB. die Rechtserheblichkeit und Beweisb e s t i m m t h e i t der U r k u n d e § 267, die Beweiserheblichkeit der P r i v a t u r k u n d e § 267 a F., die Erheblichkeit gefälschter Beweismittel E. 30 §§ 193/4, die Bedeutung nicht befolgter D i e n s t v o r s c h r i f t e n durch Polizeibeamten f ü r die vorliegende Untersuchung E. 27 § 39. b) Außere Strafvoraussetzungen zweiten (mittleren) Grades: sie sind vom G e s e t z kausalfrei gestellt, obwohl sie noch an der K a u s a l f o l g e h ä t t e n teiln e h m e n k ö n n e n ; K a u s a l i t ä t wurde auch von einer Ansicht e r f o r d e r t , von einer a n d e r e n wenigstens vermutet. Diese G r u p p e e n t f e r n t sich also gegenüber der ersten (a) vom engeren T a t b e s t a n d und vom reinen Schuldstrafrechl um einen weiteren Schritt: d o r t bestehen noch C h a r a k t e r wie Möglichkeil eines Schuld-, hier noch die eines rein objektiven K a u s a l z u s a m m e n h a n g e s , beidemal also noch die S t r u k t u r eines strafrechtlichen T a t b e s t a n d s ; in der dritten G r u p p e (c) geht selbst diese verloren. — Auch hier gibt es, wie in der ersten G r u p p e , zwei innerlich b e g r ü n d e t e U n t e r g r u p p e n : eine faktische und eine n o r m a t i v e Alle diese Parallelen w u r d e n noch nie e r k a n n t . aa) Kausalfrei gestellte faktische Merkmale: Erfolgskonstitutive Delikte, objektive strafbegründende M e r k m a l e als Parallele zu den objektiven s t r a f schärfenden M e r k m a l e n oben a zu aa. H i e r h e r gehören der T o d e s e r f o l g und die schwere K ö r p e r v e r l e t z u n g beim R a u f h a n d e l § 227 Abs. I 3 5 ) sowie die Austragung des Z w e i k a m p f e s nach § 2103®); f e r n e r die Begehung einer S t r a f t a t durch den B e t r u n k e n e n nach § 330a 3 7 ). H i n z u t r e t e n die erfolgsqualifiziert en Delikte: V e r u r t e i l u n g auf Meineid § 154 a.F. bb) Kausalfrei gestellte normative Merkmale: Zahlungseinstellung und K o n k u r s e r ö f f n u n g bei b e t r ü g e r i s c h e m B a n k r o t t usw. nach KO. §§ 239 ff.38); desgleichen bei schwerer D e p o t u n t e r s c h l a g u n g nach D e p o t G . v. 4. 2. 1937 §§ 38, 39 Abs. 2; dazu n o d i Vereitelung eines A u s s o n d e r u n g s a n s p r u c h s des Berechtigten oder E r s c h w e r u n g seiner D u r c h f ü h r u n g nach demselben G. §§ 37. 39 Abs 3. In allen diesen Fällen zu b) h ä t t e das G e s e t z K a u s a l i t ä t f o r d e r n k ö n n e n , wie es offenbar dem Sinne des G e s e t z e s entsprach; denn so erschienen ihm die H a n d l u n g e n als b e s o n d e r s gefährlich und s t r a f w ü r d i g . Es sah aber, z . T . zur V e r m e i d u n g schwieriger oder unmöglicher Beweise, von dem E r f o r d e r n i s ab und begnügte sich mit dem objektiven M e r k m a l . So bleibt dann nur eine gewisse I d e n t i t ä t s b e z i e h u n g zwischen H a n d l u n g s - und Bedingungsobjekt (nach E. L a n d 3 0 ) . " ) H. M.. R G . 8, 3 6 9 ; 33, 32. D a g e g e n H M., L K . 6. A. 4 1 ; a . M . B i n d i n g eintreten.

». H i p p e l :

erfolgsqualifiziertes

F r a n k , L K . 5. A . , d i e

für

Delikt.

Kausalitätsvermutung

" ) H M., R G . 69, 1 8 9 ; 70, 4 3 ; 73, 13, 180. " ) J e t z t h . M . , auch R G . 45, 8 8 ; 55, 30. D a g e g e n F r a n k : K a u s a l i t ä t s v e r m u t u n g . " ) Es ist a b e r u n n a t ü r l i c h , d a ß L a n d d i e b e i d e n d u r c h a u s v e r w a n d t e n F ä l l e §§ 227 und 210 in v e r s c h i e d e n e G r u p p e n w e i s t .

der

§ 14.

67

Tatbestandsmäßigkeit

c) Außere Strafvoraussetzungen dritten (strengsten) Grades; reine objektive S t r a f v o r a u s s e t z u n g e n ; hier i e h l t jegliche Möglichkeit einer Schuld- und K a u s a l b e z i e h u n g , sie sind völlig frei und losgelöst vom engeren Tatbestand. Es sprechen vielmehr rein ä u ß e r e , rechts- u n d staatspolitische E r w ä g u n g e n mit, die nur u n t e r b e s t i m m t e n V o r a u s s e t z u n g e n ein an sich s t r a f w ü r d i g e s s c h u l d h a f t e s H a n d e l n f ü r d e r a r t staats- und sozialwidrig erscheinen lassen, d a ß sich die S t r a f d r o h u n g rechtfertigt. Solange jene V o r a u s s e t z u n g e n nicht vorliegen, möchte der G e s e t z g e b e r eben aus rechts- und staatspolitischen G r ü n d e n aut die S t r a f d r o h u n g lieber verzichten. Es besteht nur eine ä u ß e r e B e z i e h u n g zwischen dem S t a a t s i n t e r e s s e und dem engeren T a t b e s t a n d ; dagegen h a b e n sich viele A u t o r e n verleiten lassen, gerade in diesen Fällen P r o z e ß v o r a u s s e t z u n g e n a n z u n e h m e n , obwohl p r o z e s s u a l e G r ü n d e den Gesetzgeber sicher nicht zur Aufstellung dieser M e r k m a l e bewogen h a b e n . Auch hier sind faktische und n o r m a t i v e M e r k m a l e e r k e n n b a r . W i e d e r u m nicht erkannte Parallelen! aa) Tatbestandsfrei40) gestellte faktische Merkmale. Hier findet m. E. die E h e n i c h t i g k e i t s e r k l ä r u n g bei d e m S c h u l d a u f h e b u n g s g r u n d der V e r h e i r a t u n g im Falle der E n t f ü h r u n g § 238 ihren P l a t z ; f e r n e r Ort und Zeit der Begehung, wichtig f ü r d a s räumliche G e l t u n g s g e b i e t §§ 3 ff. (In- u n d Ausland) 4 1 ), Kriegszeit E. 27 §§ 118 II, 113 II. A m wenigsten deutlich ist allerdings die Ansicht des G e s e t z e s bei § 238; hier h a t die A n n a h m e einer bloßen Prozeßv o r a u s s e t z u n g in der Tat manches f ü r sich. bb) Tatbestandsfrei40) gestellte normative Merkmale. H i e r h e r g e h ö r t die V e r b ü r g u n g der Gegenseitigkeit nach § 102/3 (bis 1945) 4 2 ); die Vorschrift b e r u h t auf völkerrechtlichen E r w ä g u n g e n . V e r w a n d t ist die S t r a f d r o h u n g nach ausländischem Recht §§ 3 II, 4 II.

Folgerungen handlung

zu a—c: Für Vollendung,

als der Grundstock

maßgebend.

Zeit

und

Die

Ort ist die T a t b e s t a n d s Strafbarkeitsvcraussetzung

m u ß s p ä t e s t e n s zur Zeit des Urteils gegeben sein. Ob sie schon zur Zeit der T a t vorliegen muß, hängt von der Bedeutung des weiteren T a t b e s t a n d e s ab. So verlangen die normativen rend für die faktischen genügt.

M e r k m a l e ( a u ß e r 186) die Zeit der T a t , wäh-

E r f o l g s m e r k m a l e das Vorliegen zur Zeit des Urteils

Die G r u p p i e r u n g

besitzt also erhebliche praktische T r a g w e i t e (für

Versuch und Beihilfe gegenüber Begünstigung usw.).

N u r der a u ß e r g e w ö h n -

liche § 186 s t e h t auch hier abseits aller Regel.

") ,,Tatbestand'*

ist

hier natürlich

i. e. S. zu

verstehen.

" ) H . M. F ü r e n g e r e s T a t b e s t a n d s m e r k m a l O l s h a u s e n S c h m i d t , a. M. R G . 41, 55. S. d a g e g e n J e n s e n . " ) So h . M. R G . 41, 155. D a g e g e n

11. A . § 4 N . 1 3 I I , y. L i s z t

Prozeßvoraassetzung

nacb B e l i n g u n d

Mezger. 5*

g8

III. D a s V e r b r e c h e n als U n r e c h t

Struktur der äußeren Strafbarkeitsvoraussetzungen Faktischer

Art

Normativer

Art

1. L e i c h t e s t e r G r a d d e r „ O b j e k t i v i t ä t " (äußere S t r a f b a r keitsvoraus», dritter Ordnung): S c h u l d f r e i b e : t bei möglichem Schuldzusammenhang. möglicher

a) B e g r i f f s * o d e r Tatbea) K a u s a l i t ä t b e i m ö g l i c h S c h u l d u r t e i l (nach E n t w ü r f e n : s t a n d s m e r k m a l e b e i an sich Fahrlässigkeit): E r f o l g s q u a l i - m ö g l i c h e m S c h u l d u r t e i l : Rechtf i z i e r t e D e l i k t e : 1 7 8 , 2 2 6 , 239, m ä ß i g k e i t d e r A m t s a u s ü b u n g 3 0 7 , 110, 2 2 1 H I , 224, 229 II, 1 1 3 , Z u s t ä n d i g k e i t d e s B e a m ten 110, 116, 1 5 4 ; Rechts251, 3 2 4 , 326. erheblhhkeit und Beweisbes t i m m t h e i t d e r U r k u n d e 267, Beweiserheblichkeit der Priv a t u r k u n d e 267 a. F . Kein Mißbrauch E . 3 5 § 290.

b ) o h n e gesetzliche Schuldbeziehung

b) T a t b e s t a n d s m e r k m a l e o h n e b) K a u s a l i t ä t o h n e Schuld Schuld wegen z u k ü n f t i g e r T a t wegen z u k ü n f t i g e r T a t s a c h e n E h e a u f l ö s u n g w e g e n (!) E h e sachen- Nichterweislichkeit r u f » b e t r u g s o d e r E h e b r u c h s 170. g e f ä h r d e n d e r T a t s a c h e n $ 1 8 6 ; 1 7 2 ; V e r b r e c h e n s b e g e h u n g we- E r h e b l i c h k e i t g e f ä l s c h t e r B e gen (!) N i c h t a n z e i g e 1 3 9 , we- w e i s m i t t e l E . 30 §§ 1 9 3 / 4 ; E r gen Nichtaufsicht 1 3 9 b ; S e l b s t - heblichkeit nicht befolgter m o r d a u f V e r l e i t u n g , E . 27 D i e n s t v o r s c h r i f t e n E . 27 § 139. $ 248; Kriegsausbruch bei landesverraterißcher Konspiration § 87 A b s . 1 a. F . ( N i d i t b e g i n n d e s V e r b r e c h e n s E 35 $ 3 5 2 ; M i l S t G B . $$ 60, 77, 104)

2. M i t t l e r e r G r a d d e r „ O b j e k t i v i t ä t " (äußere S t r a f b a r k e i t e v o r a u s s e t z u n g z w e i t e r Ordn u n g ) : K a u s a l f r c i h e i t bei möglischem K a u s a l z u s a m m e n h a n g .

a) E r f o l g s k o n s t i t u t i v e D e l i k t e : B e t e i l i g u n g am Rauf-handel 2 2 7 ; Z w e i k a m p f nach Herausforderung, 210; Straftat im V o l l r a u s c h 3 3 0 a .

&) b e i an eich Schuldbeziehang

b) E r f o l g s q u a l i f i z i e r t e D e l i k t e : V e r u r t e i l u n g a u f Meineid 154 a. F .

3. S t r e n g s t e r G r a d d e r „ O b j e k t i v i t ä t " (äußere S t r a f b a r keitsvorauss. erster Ordnung): E . 3 5 § 435, b e i V e r f ü h r u n g T a t b e s t a n d s f r e i h e i t (i. e. S.) ohne Schuld- und K a u s a l z u s a m m e n h a n g . Ü b e r g a n g zum Prozeßrecht.

Ort und Zeit d e r B e g e h u n g (Ausland, Kriegszeit) §§ 3 ff-, E . 27 $$ 118 I I , 119 11 E h e n i c h t i g k e i t bei H e i r a t der E n t f ü h r t e n 238 E . 27 § 276. E . 27 § 2 8 8 , E . 3 5 F 209 bei N ö t i g u n g zum Beischlaf und K i n d e s r a u b E 27 §§ 289, 313. F ü r K u p p e l e i E . 35 § 226.

Zahlungseinstellung odei K o n k u r s e r ö f f n u n g b e i betrügerischem B a n k r o t t , K O . 23S ff.; V e r e i t e l u n g eines Ausson< derungsanßprrdis oder Er Bchwerqng seiner Durchfüh r u n g , D e p o t G. $ 37

Verbürgung der Gegenseitig k e i t b e i feindlichen H a n d l u n gen gegen b e f r e u n d e t e S t a i ten 102, 103 a. F . S t r a f d r o hung nach a u s l ä n d i s c h e m Rcch §§ 3 II, 4 II ( M i l S t G B . § fl

§ 14.

Tatbestandsmäßigkeit

69

IV. Qualifikationstatbestände und Sonderdelikte. D i e G r e n z e zwischen beiden Tatbestandserscheinungen ist im Einzelfall schwer zu ziehen. U m s t r i t t e n e Fälle sind zB. K i n d e s t ö t u n g (§ 217), N o t e n t w e n d u n g (§ 248a), M u n d r a u b (§ 370 N. 5), A u f f o r d e r u n g zum Verbrechen (.§ 49a) 4 3 ). Der Unterschied ist von erheblicher Bedeutung in den Folgen. 1. D e r Qualifikationstatbestand, sei es Schärfung oder Milderung, folgt seinem G r u n d t a t b e s t a n d , zB. die K i n d e s t ö l u n g d e r ' l ötung, in dessen materiellwie prozeßrechtlicher B e d e u t u n g (sofern nicht besondere A u s n a h m e v o r schriften bestehen, zB. über die Zuständigkeit), teilt im wesentlichen dessen kriminologischen wie juristischen C h a r a k t e r u n d ist daher von dessen sonstiger Ausgestaltung abhängig. F ü r ihn gelten auch die sonstigen Qualifikationen, zB. f ü r § 217 auch § 213 a.F., f ü r N o t b e t r u g auch die Rückfallsschärfung. In der K o n k u r r e n z l e h r e erscheint er in der G e s t a l t der „Spezialität"; über die K o n k u r r e n z m e h r e r e r Qualifikationen gelten bestimmte G r u n d s ä t z e 4 4 ) . In der T e i l n a h m e l e h r e gilt f ü r ihn der § 50, der n u r schärf e n d e u n d mildernde, nicht auch b e g r ü n d e n d e U m s t ä n d e nicht-akzessorisch behandelt. Auch der Versuch tritt ähnlich dem Grunddelikt in die Erscheinung. 2. D a s Sonderdelikt zeigt nicht diese Abhängigkeiten, obwohl eine gewisse V e r w a n d t s c h a f t von j e n e m Deliktstyp, dem gegenüber es eben als ein „ b e s o n d e r e s " besteht, nicht verleugnet werden k a n n ; es h a t sich selbständig gemacht, wie die Kolonie vom M u t t e r l a n d , und gibt sich seine eigenen Ges e t z e ; ein delictum sui generis. Bei der A n e r k e n n u n g eines T a t b e s t a n d e s als Sonderdeliktstatbestand sollte größte Zurückhaltung geübt w e r d e n ; diese Tatbestandserscheinung ist bei Neubildung jedenfalls die A u s n a h m e . D a unsere vorgerückte Gesetzestechnik bereits eine b e d e u t e n d e Reihe von Grunddelikten ausgebildet und ihren Kreis vielleicht schon a n n ä h e r n d geschlossen hat, gehört die Aufstellung von Sonderdelikten zu seltenen E n t d e c k u n g e n ; aber mit dem steten Wandel und der leider zu beobachtenden Verschärfung des kriminellen Lebens mag das B e d ü r f n i s nach neuen D e l i k t s t a t b e s t ä n d e n hervortreten, wie einst beim Z u h ä l t e r p a r a g r a p h u n d in der Wuchergesetzgebung. von Sonderdelikten k o m m e n zwei alternative Er— F ü r die Anerkennung fordernisse in Betracht: a) ein neuer Typ mit selbständigem m a t e r i a l e m Unrechts- oder auch nur Schuldgehalt; alsdann erscheint er einem e t w a schon b e s t e h e n d e n G r u n d delikt gegenüber als eine selbständige Abart. Hierbei läßt man sich von dem Wunsche leiten, gewisse unerwünschte Abhängigkeiten von dem G r u n d d e l i k t und dieren Folgen (zB. das A n t r a g s e r f o r d e r n i s ) f ü r das n e u e Delikt zu vermeiden, s o f e r n sie f ü r dieses als nicht geeignet erscheinen; von den Wirkungen u n d dem G r a d der S t r a f w ü r d i g k e i t aus konstruiert m a n also rückschließend den C h a r a k t e r des Delikts 4 5 ). " ) I n n e r h a l b des L K . 6. A . w i r d d i e s e r T a t b e s t a n d v o n N a g l e r als S o n i l e r d c l i k t a u f g e f a ß t (S. 73), v o n M e z g e r d a g e g e n als V e r s u c h s - u n d T e i l n a h m e q u a l i f i k a t i o n (S. 345). " ) L A . 72. " ) Auf d i e s e M e t h o d e m a c h t e a u f m e r k s a m m e i n e J u r i s t . E l e m e n t a r l e h r e 1944 S. 112.

I I I . Das V e r b r e c h e n als U n r e c h t

70

G e g e n ü b e r dem D i e b s t a h l erscheinen hiernach als S o n d e r d e l i k t e die leichtercD E n t w e n d u n g e n , die auch in d e r V o l k s a n s c h a u u n g nicht als g e m e i n e r D i e b s t a h l g e l t e n : die F e l d - und F o r s t f r e v e l , d e r M u n d r a u b (§ 3 7 0 N. 5 ) , die b e s o n d e r e n Z u e i g n n n g s d e l i k t e nach §§ 2 9 1 , 3 7 0 N . ? und 6 , a l l e n f a l l s n o c h die N o t e n t w e n d u n g n a c h § 2 4 8 a . S i e s o l l t e n a b e r als p r i v i l e g i e r t e r D i e b s t a h l angesehen werden, sobald § 2 5 2 ( r ä u b e r i s c h e r D i e b s t a h l ) in F r a g e s t e h t , w ä h r e n d die R ü c k f a l l s schärfung des 2 4 4 wohl nicht a n w e n d b a r ist. D a g e g e n sollte aus k r i m i n a l p o l i t i schen G r ü n d e n d e r N o t b e t r u g (§ 2 6 4 a ) als p r i v i l e g i e r t e r B e t r u g a u f g e f a ß t w e r d e n , da ü b e r dessen E x i s t e n z b e r e c h t i g u n g schon k r i m i n o l o g i s c h e und noch m e h r sozialethische Z w e i f e l b e s t e h e n ; d e r N o t b e t r u g , e i n e typische E r s c h e i n u n g chronischer K r i m i n a l i t ä t , m u ß an der R ü c k f a l l s c h ä r f u n g u n b e d i n g t t e i l n e h m e n . D i e K i n d e s t ö t u n g (§ 2 1 7 ) gilt nach h. M . als S o n d e r d e l i k t ; a b e r um sie an der w e i t e r g e h e n d e n Zubilligung m i l d e r n d e r U m s t ä n d e nach dem a l t e n § 2 1 3 t e i l n e h m e n zu l a s s e n , was f ü r den G r a d d e r S t r a f w ü r d i g k e i t e r h e b l i c h i s t , m u ß man sie als p r i v i l e g i e r t e n T o t s c h l a g a u f f a s s e n . Nur so wird auch § 5 0 a n w e n d b a r ( R G . 7 2 , 3 7 3 ; 7 4 , 8 4 ) . Als S c h ä r f u n g s g r ü n d e galten § § 2 , 4 d e r V o l k s s c h ä d l i n g s V O . v. 5. 9 . 1 9 3 9 ; um d i e o f t s e h r s t r a f w ü r d i g e n F ä l l e von dem A n t r a g s e r f o r d e r n i s zu b e f r e i e n , m ü ß t e m a n sie i n s o f e r n zu den S o n d e r d e l i k t e n z ä h l e n (so R G . 7 5 , 2 1 0 G r . S e n . ) . D e r m a ß g e b e n d e Gesichtspunkt ist überall der G r a d d e r S t r a f w ü r d i g k e i t (oben § 7 ) " ) .

b) A u f Gebieten des Allgemeinen Teils werden aus gesetzestechnischen Gründen gewisse T a t b e s t ä n d e als selbständige Erscheinungen herausgehoben und einer Sonderregelung unterworfen, für die sich im Reciitsleben ein besonderes Bedürfnis g i z e i g t h a t : so im Bereich des Versuchs, der Teilnahme, der Unterlassung. M a ß g e b e n d sind G r ü n d e h ö h e r e r (oder auch, wie bei § 330c, geringerer) Gefährlichkeit der Tat, besondere Wichtigkeit des R e c h t s gutes oder Verwerflichkeit des Begehungsmittels (§ 49a, a. F.), auch zT. die stärkere Wiederholungstendenz (§ 2 4 5 a ) . In dieser G r u p p e tritt die rückschließende M e t h o d e (oben zu a) noch stärker h e r v o r ; der Schwerpunkt der Entscheidung wird dabei mit R e c h t auf den Grad der Strafwürdigkeit (§ 7) gelegt. S o n d e r d e l i k t e e n t h a l t e n g e g e n ü b e r d e r U n t e r l a s s u n g der n e u e § 3 0 3 c s o w i e d i e ü b r i g e n , o b e n I I 6 a g e n a n n t e n e c h t e n U n t e r l a s s u n g s d e l i k t e ( § 1 3 9 usw.); aus den G e b i e t e n des V e r s u c h s und d e r T e i l n a h m e : $ $ 2 0 3 , 2 1 0 , 2 7 5 N. 2 n. 3 , 3 5 7 . S p e z i e l l aus dem G e b i e t e der V o r b e r e i t u n g s h a n d l u n g e n : $ $ 1 5 1 ( R G . 4 2 , 2 7 0 ; 6 5 , 2 0 5 ) , 2 4 5 a , 2 9 6 ; a u ß e r d e m wohl ( b e s t r . ) §§ 4 9 a (a. F . ) , 4 9 a (n. F . ) Abs. 2 F a l l 2 und 3 , 4 9 b , 1 5 9 . Ü b e r die e i g e n a r t i g e Z w i t t e r s t e l l u n g des § 4 9 a vgl. u n t e n § 2 6 V 3, 7 , d o r t zugleidi ü b e r $ 4 9 b .

I. Übersicht.

§ 15. Wirken (Handeln und Kausalität)

1. Das Verbrechen ist objektiv Hinstreben auf einen sozialschädlichen u n d Entwicklung beschrieben. Die einzelnen E l e m e n t e wurden in der T a f e l " § 1 2 1 1 1 ( z u C I I ) dargestellt. In jenem Z u s a m m e n h a n g findet auch die F ü l l e Erfolg. Dieses „ W i r k e n " wurde oben zergliedert und in seiner E n t s t e h u n g d e r Streitfragen um die K a u s a l i t ä t ihre Erledigung. Der Kausalitätsbegriff ist hiernach für unsere Str-afrechtslehre entbehrlich; wir sagen statt dessen Wollens- und Wirkenszusammenhang. E r ist ferner unzureichend; denn außer der üblichen kausalen Verknüpfung von zwei bereits zusammengesetzten " ) Auf die K o m p l i k a t i o n e n die Nachweise in I K . 7 3 , 7 4 .

wies G r a f D o h n a

M o n S c h r . K r i m B i o l . 3 4 , 138 h i n .

Vgl.

$ 15. Wirken (Handeln, Kausalität)

71

Größen Handlung und Erfolg bedarf es zunächst ihrer Zergliederung in Elemente und sodann der Hinzufügung vieler anderer-Elemente, die big auf den innersten Kern der Kriminalität zurückgehen und ihre Einlassung in die größeren Zusammenhänge der Täterpersönlichkeit und der Umwelt voraussetzen. Erst in diesem großen Zusammenhang ist die Frage zu beantworten, ob ein rechtlich unerwünschter Erfolg für das Strafrecht erheblich ist, ob nämlich ein menschliches Verhalten für den Erfolg kausal, d.h. objektiv verantwortlich und haftbar ist. Die Frage ist dann zu bejahen, wenn es in allen seinen Gliedern innerhalb von Täterpersönlichkeit und Umwelt nach objektiver Prognose auf den sozialschädlichen Erfolg hinwirkt. 2. a) Wenn wir die beiden von der herrschenden Strafrechtslehre ausgebildeten Kausalbegriffe im folgenden beibehalten, um uns mit den aktuellen Streitfragen auseinandersetzen zu können, so ist die spezifisch juristische, normativ-typische oder adäquate Kausalität zu bestimmen, wie oben §12111, als das Hinstreben oder Hinwirken auf einen gewissen Erfolg, als ein Verhalten, das an sich (generell) geeignet ist, einen Erfolg dieser Art herbeizuführen, als ein Verhalten, das nach allgemeinem Wahrscheinlichkeitsurteil, nach objektiver Prognose einen solchen Erfolg erwarten läßt. Wenn eine Persönlichkeit mit einer freien Willensbetätigung in den Strom des sozialen Geschehens eingreift und diesen entscheidend in einer für das Gemeinwohl schädlichen Weise beeinflußt, so ist der Täter für die soziale Gefahr objektiv verantwortlich. Das ist die fast banal erscheinende Erkenntnis des strafrechtlichen Kausalitätsurteils. Hiermit ist die tatsächliche Grundlage für die subjektive Verantwortung, für das strafrechtliche Schuldurteil geschaffen. Wenn der Täter dieses von seinem Willen begleitete sozial ungünstige Wirken kennt oder kennen muß, so handelt oder unterläßt er schuldhaft. Dies ist die einfache und klare Einsicht in das Verhältnis von Kausalität und Schuld, zugleich in das Unterlassungsproblem. b) Hinzukommen muß aber außerdem die natürliche, reine, logische und teleologisch-soziologisdie Kausalität. Diese ist ein Bedingungszusammenhang zwischen sämtlichen Gliedern des Wollens und des Wirkens sowie den sie beeinflussenden Faktoren der Persönlichkeit und der Umwelt. Jede Bedingung ist hiernach Ursache. Während dieser Kausalbegriff in weitem Umfang für die Kriminologie als reine kausale und teleologische Wissenschaft von Bedeutung wird (Ätiologie des Verbrechens, ätiologische Typen), ist er im Strafrecht nur von zweiter Wichtigkeit: aa) für die Schwere der Schuld, die Stärke des freien Willens, also für die Strafbemessung; bb) für die Unterscheidung von Tätern und Teilnehmern; die letzteren setzen nur eine Bedingung, keine strafrechtliche Ursache zum sozialschädlichen .Erfolg, sie unterstützen und fördern nur die Haupttat, ohne sie entscheidend zu beeinflussen. c) Dagegen erweist sich, wie gegen die herrschende Praxis gar nicht stark genug betont werden kann, die „natürliche" Kausalität als unnatürlich für das Rechtsleben, wenn man die Ursache für einen rechtlich unerwünschten Erfolg, die objektive Haftung und Verantwortung für ihn erforschen will. Unnatürlich, d.h. unjuristisch ist die Ansicht von der Gleichwertigkeit aller Bedin-

III. Das V e r b r e c h e n a l s . U n r e c h t

72

g u n g e n f ü r d e n E r f o l g ( „ Ä q u i v a l e n z t h e o r i e " ) ; d i e s e s t u f e n sich v i e l m e h r in i h r e r B e d e u t u n g f ü r d a s rechtliche U n w e r t u r t e i l und d e n G r a d d e r S t r a f w ü r d i g k e i t ( u n d d a r a u f k o m m t es doch d e m J u r i s t e n in e r s t e r Linie an) h ö c h s t v e r s c h i e d e n ab. W e n n d e r R a d f a h r e r A d e m B f a h r l ä s s i g eine g e r i n g e W u n d e b e i b r i n g t uncl B in der U n f a l l s t a t i o n i n f o l g e eines B r a n d e s o d e r wegen leichtsinniger B e h a n d l u n g a n einer B l u t v e r g i f t u n g stirbt, so h a b e n alle d i e s e Bed i n g u n g e n e i n e völlig v e r s c h i e d e n e s t r a f r e c h t l i c h e B e d e u t u n g , und z w a r b e r e i t s f ü r die o b j e k t i v e V e r a n t w o r t u n g , a l s o f ü r die V e r u r s a c h u n g , und es ist verf e h l t , schon d e n A o b j e k t i v f ü r d e n T o d h a f t e n zu l a s s e n . D i e d a u e r n d geh ö r t e E r k l ä r u n g , eine K o r r e k t u r bei der S c h u l d f r a g e e i n t r e t e n zu l a s s e n , w o durch eine b e f r i e d i g e n d e L ö s u n g ermöglicht w e r d e , v e r m a g der E i g e n a r t des F a l l s in k e i n e r W e i s e zu e n t s p r e c h e n ; ein solcher KausalbegrifT g e n ü g t nicht s e i n e r F u n k t i o n , die o b j e k t i v e H a f t u n g in gerechtem M a ß e zu u m g r e n z e n , u n d v e r s a g t b e r e i t s im Zivilrecht, w e n n Verschulden nicht e r f o r d e r t wird, wie bei d e r T i e r h a l t e r h a f t u n g , sowie im S t r a f r e c h t bei den e r f o l g s q u a l i f i z i e r t e n D e l i k t e n . Ein d e r a r t i g w e i t e r K a u s a l b e g r i f f ist eben juristisch w e r t l o s . D i e einzig m ö g l i c h e B e h a n d l u n g d e s o b i g e n F a l l e s i s t : A h a t nicht d e n T o d , sond e r n n u r d i e K ö r p e r v e r l e t z u n g v e r u r s a c h t ; die rechtserhebliche U r s a c h e seines T o d e s w a r e n d e r B r a n d o d e r d e r Leichtsinn des C. 3. D e r übliche E i n w a n d d e r V e r t r e t e r der B e d i n g u n g s t h e o r i e , d a ß d i e Adäquanztheorie w e g e n d e r U n s i c h e r h e i t des W a h r s c h e i n l i c h k e i t s m a ß s t a b e s k e i n e b e s t i m m t e n L ö s u n g e n e r g e b e , schlägt schon nach j e n e n A u t o r e n nicht durch, weil sie selbst ( w e n i g s t e n s a u s h i l f s w e i s e ) sich d e s A d ä q u a n z g e d a n k e n s b e d i e n e n ; u n d z w a r ist d i e A d ä q u a n z t h e o r i e auch bei i h r e n G e g n e r n in f o l g e n d e n F ä l l e n g e s i c h e r t : a) bei d e n . e r f o l g s q u a l i f i z i e r t e n D e l i k t e n , b) f ü r die L e s t i m m u n g d e s G e f a h r e n s b e g r i f f s (wichtig f ü r die g e m e i n g e f ä h r l i c h e n V e r b r e c h e n , d e n u n t a u g l i c h e n V e r s u c h , den N o t s t a n d ) c) f ü r die B e s t i m m u n g des „ G e g e n s t a n d ^ " v o n V o r s a t z u n d F a h r l ä s s i g k e i t , d) f ü r die U m g r e n z u n g d e r F a h r l ä s s i g k e i t s d e l i k t e e) f ü r d i e U n t e r l a s s u n g s d e l i k t e , f) f ü r d i e o b j e k t i v e A b g r e n z u n g von T ä t e r s c h a f t und Beihilfe, g) f ü r die A b g r e n z u n g des V e r suchs von den straflosen Vorbereitungshandlungen, 4. Stand

der

Ansichten.

a) R S . v e r t r i t t in s t ä n d i g e r R s p r . i n S t r a f s a c h e n u n t e r A n s c h l u ß an v." Buri 4 1 ) d i e B e d i n g u n g s t h e o r i e , in Z i v i l s a c h e n " ) d i e A d ä q u a n z t h e o r i e — — ein g e w i ß höchst u n e r f r e u l i c h e r R e d i t s e u s t a n d , e r k l ä r b a r ( a b e r nicht e n t s c h u l d i g t ) n u r d a d u r c h , d a ß die B e d i o g u n g s t h e o r i e wegen i h r e r e i n f a l l e n A n w e n d b a r k e i t b e v o r z u g t w i r d , w ä h r e n d in Zivilsachen d i e U n m ö g l i c h k e i t , e i n e K o r r e k t u r b e i m V e r s c h u l d e n v o r z u n e h m e n , 6chon z u r E i n s c h r ä n k u n g im o b j e k t i v e n B e r e i c h z w i n g t . .Jedoch macht R G . auch in S t r a f s a c h e n K o n z e s s i o n e n an d i e A d ä q u a n z t h e o r i e " ) , abg e s e h e n v o n d e n F ä l l e n o b e n 3. In d e r T h e o r i e h e r r s c h t im S t r a f r e c h t noch die B e d i n g u n g s t h e o r i e v o r ( O l s b a u s e n , L K . 5. A . , F i n g e r , B e l i n g , v. L i s z t u.a.), v e r l i e r t a b e r i m m e r m e h r an B o d e n ( K ö h l e r , F r a n k , L K . 6. A., s. u. zu b) u n d s t e h t seit l ä n g e r e r Zeit in e i n e r K r i s e . D i e A d ä q u a n z . " ) G o i l d . A r c h . 1 1 — 1 3 , 1863/5; R G . 1, 3 7 3 ; 44, 244; 63, 2 1 3 ; 70, 2 5 7 ; 76, 86. J e d o c h 73, 3 7 2 f ü r d e n A d ä q u a n z g e d a n k e n , u n d z a h l r e i c h e A n k l ä n g e in a n d e r e s E n t s c h . u . a. 6, 146; 34, 9 1 ; 56, 3 5 0 ; 63, 214; 70, 259. " ) R G . Ziv. 50, 222; 158, 38 u. ö. " ) R G . 58, 133; 64, 143.

§ 15. W i r k e n ( H a n d e l n , K a u s a l i t ä t )

73

t h c o r i e v e r t r e t e n a u ß e r i h r e n B e g r ü n d e r n v. K r i e s ( 1 8 8 6 ) J 0 ) u n d s p ä t e r R ü m e l i n , d i e b e z e i c h n e n d g e n u g b e i d e nicht d e m S t r a f r e d b t a n g e b o r e n , v . Bar« M e r k e l , A l l f e l d , B a u m g a r t e n , H a f t e r , Hieb. S c h m i d t , L i e p m a n n , L a m m a s c h , R i t t l e r , T r a e g e r , v. H i p p e l , y. R o h l a n d , K o h l o r , K r i e g s m a n n , K ö h l e r , S i e g e r t , W. K i s c h , L i t t e n , T e s a r " ) , S p o h r " ) , K r ü c k m a n o j S ) , v. G e m r a i n g e n " ) , E . L a n d " ) , H . Ganske66), Mähnz57). L. M ü l l e r " ) , Bürgi 5 *), T o i p " ) , T - i r n o w s k i " ) , K i s s i n " ) . D a z u d i e m e i s t e n V e r t r e t e r e i n e s m a t e r i a l e n U n r e c h t s b e g r i f f s ( o b e n § 13). b) Es i s t n u r e i n e k o n s t r u k t i v e , d e n s y s t e m a t i s c h e n A u f b a u u n n ö t i g e r s c h w e r e n d e V e r s c h i e d e n h e i t , w e n n m a n , w i r M e z g e r , E n g i s c h 6 3 ) u. a., d i e K a u s a l i t ä t i m S i n n e d e r B e d i n g u n g s t h e o r i e und a u ß e r d e m noch e i n e b e s o n d e r e j u r i s t i s c h e „R e I e • y a n z 4 ' i m S i n n e d e r A d ä q u a n z t h e o r i e e r f o r d e r t ; roan h ä t t e a l s c z w i s c h e n K a u s a l i t ä t und Rechtswidrigkeit eine n e u e Figur aU S t r a f v o r a u s s e t z u n g N a h e der Adäquanz* t h c o r i e steht g e w i s s e r m a ß e n als V o r l ä u f e r i n die Theorie B i r k m e y e r s von der w i r k s a m s t e n B e d i n g u n g , die allein Ursache sei, s o w i e ihr verwandt die Ü b e r g e w i c h t s t h e o r i e B i n d i n g s ; a u f g l e i c h e m B o d e n b e w e g t sich N a g l e r itn L K - " ) , d e r s o m i t d e r A d ä q u a n z t h e o r i e ganz n a h e 6teht, o b w o h l er sie als abstrakt« g e n e r a l i s i e r e n d . b e k ä m p f t . A u c h m e i n e in G r d l g , § 1 6 e i n g e h e n d d a r g e l e g t e A n s i c h t ü b e r das W i r k e n b e k e n n t sich i n h a l t l i c h z u m A d ä q u a n z * e d a n k e n , m ö c h t e aller« d i n g s d e n A u s d r u c k l i e b e r v e r m e i d e n ; s i e i s t n u r e i n e Folgen s y s t e m a t i s c h e r E r k e n n t n i s s e d e r Rechts* u n d S o - z i a l p h i l o s o p h i e , d i e i n d e m K r a f t « a n d Wertstreben ( = Handeln r n d Unterlassen) den Gegenstand aller juristischen W e r t u n g und den Grundtyp der Soziologie erblickt. c) N e u e r d i n g s t r i t t d e r S t r e i t u m d i e K a u s a l i t ä t s t h e o r i c n in d e n H i n t e r g r u n d , d« man unter Auswertung der praktischen Erfahrung und der kriminologischen Forschung erkannt hat, daß das U r s a c h e n p r o b l e m nur bei w e n i g e n D e l i k t e n i n v e r h ä l t n i s m ä ß i g wenigen Fällen auftritt (Tötung, Körperverletzung, Brandstiftung, Sachbeschädigung, a l s o d u r c h w e g b e i A n g r i f f s d e l i k t e n , a b e r auch b e i B e t r u g u n d a l l e n f a l l s n o c h Er« pressung), und daß die sidi b e f e h d e n d e n T h e o r i e n meist zu g l e i c h e n Ergebnissen führen. Indessen sind die Fälle verschiedener E n t s c h e i d u n g e n nicht so selten (vgl. s o f o r t z u II) u n d i s t d i e d o g m a t i s c h e T r a g w e i t e b e d e u t e n d g e n u g ( v g l . o b e n 2b, 3); e i n e F o l g e der B e d i n g u n g s t h e o r i e ist d i e e b e n f a l l s v o m R G . k o n s e q u e n t v e r t r e t e n e s u b j e k t i v e T h e o r i e b e i m Versuch und hei d e r T e i l n a h m e (densy s o f e r n alle B e d i n g u n g e n des E r f o l g e s e i n a o d e r gleichwertig sind, ist e i n e o b j e k t i v e Unter« acheidung von Versuch und V o r b e r e i t u n g , v o n Täterschaft nnd B e i h i l f e schlechterd i n g s n i c h t m ö g l i c h , w ä h r e n d e i n e s o l c h e , d i e d o c h g e w i ß e r s t r e b e n s w e r t i s t , n u r mit H i l f e d e s A d ä q u a n z g e d a n k e n s g e t r o f f e n w e r d e n k a n n ) . V o r a l l e m iat d e r s y s t e m a t i sche A u f b a u des g e s a m t e n S t r a f r e c h t s in h o h e m M a ß e a b h ä n g i g v o n d e r Kausalitäts« a u f f a s s u n g , d i e »ich auch in d e r S c h u l d l e h r e w i e d e r h o l t b e m e r k b a r m a c h t . M

) ) ") ")

11

ZStrW. 9, 528. Ü b e r w i n d u n g des Naturrechta 1928, ZStrW. 25, 383. ZStrW. 37, 353.

188.

>4

) Rechtswidrigkeit des Versuchs 1932. " ) S y s t . d. ä u ß e r e n S t r a f h a r k e i t s b e d i n g j n g e n 1 9 2 7 , 3 7 f f ( A b b . H . 2 2 9 ) M ) P r o z e ß b e t r u g und Adäqui-nz 1931, 15 f f (Abb H. 280), sehr beachtlich, bisher nirgends beachtet. " ) B e g r i f f d. a d ä q . V e r u r s . 1 9 1 1 ( D i s s . G ö t t i n g e n ) . D ; e B e d e u t u n g des Kausalzus. i m Straf- u. Schadensersatzrecht 1912. " ) D i e L e h r e v o n d e r a d ä q . V e r u r s . n. i h r e B e d e u t u n g i n d e r s c h w e i z e r i s c h e n R s p r . 1 9 2 7 . ") ZStrW. 23, 84 (für das nord. R e d i t ) . *M D i e s y s t e m . B e d e u t u n g d. a d ä q . K a u s a l i t ä t s t h e o r i e f ü r d e n A u f b a u d e s V e r b r e c h e n s » begriff* 1927. ") Die

Rechtspflicht

/um

Handeln

bei

den

Unterlassungsdeliktcn

H. 317). ,3

) Die Kausalität

" ) - L K . 6. A . 4 9 .

als M e r k m a l

der

strafrechtl.

Tatbestände

1931.

1933,

30

(Abh.

74

I I I . Daß V e r b r e d i e n als U n r c c b t d) E i n a n d e r e r S t r e i t b e t r a f das l o g i s & e W e s e n d e r K a u s a l i t ä t . W ä h r e n d eine f r ü h e r e m e t a p h y s i s c h o r i e n t i e r t e A u f f a s s u n g die Kausalität als e i n e d e n D i n g e n i n n e w o h n e n d e K r a f t b e t r a c h t e t e , w e s w e g e n sie d i e K a u s a l i t ä t d e r U n t e r l a s s u n g l e u g n e t e (v. L i s z t : aus N i c h t s k a n n nichts w e r d e n ) , f t ß t e m a n i m A n s d i l u ß an ICant das P r o b l e m l e d i g l i d i l o g i s c h als K a u s a l u r t e i l , als K a t e g o r i e u n s e r e s E r k e n n e n s , als E l e m e n t u n s e r e s B e w u ß t s e i n s , als logische V e i k n ü p f u n g von Verh a l t e n u n d E r f o l g auf u n d r e t t e t e h i e r m i t d i e K a u s a l i t ä t d e r U n t e r l a s s u n g , da das U r t e i l auch an ein N i c h t t u n a n g e l e g t w e r d e n k a n n . L e t z t e r t A u f f a s s u n g ist jedoch einseitig und unzureichend; denn nidit jede zeitliche A u f e i n a n d e r f o l g e zweier A k t e o d e r E r e i g n i s s e , d i e logisdi z u e i n a n d e r in B e z i e h u n g g e s e t z t w e r d e n , ist b e r e i t s e i n e K a u s a l b e z i e h u n g (z.B. T a g u n d N a c h t , E s s e n u n d S p a z i e r e n g e h e n ) . H i n z u k o m m e n m u ß n o d i ein m e n s d i l i c h e s V e r h a l t e n o d e r N a t u r e r e i g n i s , das i n d e m S t r o m des G e s d i e h e n s als K r a f t s t r e b e n a u f g e f a ß t w i r d u n d d e m S t r o m e i n e R i d b t u n g g i b t , d i e e r o h n e j e n e s K r a f t s t r e b e n n i A t h ä t t e : d. i d e r r i c h t i g e K e r n d e r B e d i n g u n g s t h e o r i e .

II. Ausbau des abstrakten Gefährdungsprinzips im konkreten WirkungsEusammenhang als Grundlage für die objektive Verantwortlichkeit. 1. D a s G e f ä h r d u n g s p r i n z i p schaltet die Zufalls- und bloße E r f o l g s h a f t u n g aus; es ist die objektive Seite subjektiver Schrildhaftung, deren leicht erfaßbare Grundlage und leicht zu e r k e n n e n d e u n m i t t e l b a r e Voraussetzung. Es steht in der Mitte zwischen dem reinen Erfolgs- und dem reinen Willensprinzip und birgt in sich die jenen beiden i n n e w o h n e n d e n strafrechtlich erheblichen Prinzipien: der Wille soll nur dann b e s t r a f t werden, wenn er sich in einer entsprechenden Richtung auf den unerwünschten Erfolg ä u ß e r t ; er muß aus der Persönlichkeit h e r a u s g e t r e t e n sein und seine g e f ä h r d e n d e Wirkung in der A u ß e n w e l t e n t f a l t e t haben. Diese Gefährdung ist der B r e n n p u n k t des W i r k u n g s z u s a m m e n h a n g s innerhalb der Persönlichkeit und ihrer U m w e l t ; sie macht das materiale Wesen der Kausalität a u s : die K a u s a l i t ä t ist formal Hinwirken des Willens auf den Erfolg, material Gefährdung eines Lebenswertes unter Einbeziehung weiterer noch zu erwartender Schäden. 2. U n t e r diesem Gesichtspunkt v e r f ä h r t der Gesetzgeber. E r k a n n nicht ex p o s t soziale Schäden verbieten, die auf menschliche H a n d l u n g e n zurückz u f ü h r e n und womöglich durch sog. zufällige Außenereignisse bedingt sind; alsdann wäre die objektive H a f t u n g u f e r l o s ausgedehnt, und es w ü r d e k a u m noch ein Mensch zu h a n d e l n wagen, weil er befürchten müßte, irgendwie einmal die Bedingung zu einem Schaden zu setzen. Namentlich a b e r bei Unterlassungs- und Fahrlässigkeitsdelikten wäre die Haftungsmöglichkeit eine unbegrenzte, und eine unerträgliche Rechtsunsicherheit wäre die Folge. Verbieten kann der Gesetzgeber nur ex ante Handlungen und Unterlassungen, die objektiv geeignet sind, soziale Schäden herbeizuführen, also n u r typisch gefährdende Verhaltungsweisen. Ein solches V e r b o t steht nicht nur in Einklang mit der Rechtssicherheit, sondern ist ein Gebot der Rechtssicherheit und f ö r d e r t sie. Typische G e f ä h r d u n g e n sind ihrem Wesen nach allgemein erkennbar; sie sind der K e r n des m a t e r i a l e n Unrechts. 3. D a s materiale Unrecht enthält die a b s t r a k t e G e f ä h r d u n g von Rechtsgütern im k o n k r e t e n Fall mit allen F e r n w i r k u n g e n und mithin die materiale, typische Kausalität. Die V e r b o t s n o r m e n zeigen sich in den gesetzlichen T a t beständen, und diese sind T y p e n des Unrechts. In ihnen steckt daher auch die typische K a u s a l i t ä t , die a b s t r a k t e G e f ä h r d u n g s t e n d e r z . So sicher Unrecht

§ 15. W i r k e n ( H a n d e l n , K a u s a l i t ä t )

75

u n d K a u s a l i t ä t logisch v e r s c h i e d e n e Begriffe sind, so gewiß bilden sie ihrem W e s e n s g e h a l t nach eine E i n h e i t . D i e K a u s a l b e z i e h u n g zwischen H a n d l u n g u n d E r f o l g ist ein W e s e n s e l e m e n t des m a t e r i a l e n U n r e c h t s ; die K a u s a l i t ä t ist im U n r e c h t e n t h a l t e n , nicht (wie eine n e u e r e Ansicht 0 0 ) l e h r t ) in der T a t bestandsmäßigkeit. 4. W i e die typische K a u s a l i t ä t , die o b j e k t i v e G e f ä h r d u n g s t e n d e n z f ü r j e d e n n o r m a l e n R e c h t s g e n o s s e n e r k e n n b a r ist, so ist die typische K a u s a l i t ä t f ü r d e n R i c h t e r auch praktisch v e r w e n d b a r . D e r Richter fällt das Urteil, wie z u e r s t von R ü m e l i n f o r m u l i e r t w u r d e , als der e r f a h r e n s t e , weiseste Richter 110 ) ex ante gemäß objektiver, nachträglicher Prognose. „ N a c h t r ä g l i c h " ist sie, weil nicht d a s Urteil des T ä t e r s , wie noch v. K r i e s a n n a h m , s o n d e r n das des R i c h t e r s m a ß g e b e n d ist, d e r d e n K a u s a l v e r l a u f i n n e r h a l b d e r U m w e l t e r e i g nisse, d e n g e s a m t e n W i r k u n g s z u s a m m e n h a n g ü b e r s c h a u t A b e r er stellt seine P r o g n o s e u n d urteilt „ex a n t e " , weil er sich auf d e n S t a n d p u n k t des T ä t e r s v e r s e t z t d e n k e n m u ß , um die g e f ä h r d e n d e T e n d e n z zu e r k e n n e n . D a g e g e n m u ß er nach der B e d i n g u n g s t h e o r i e ex post u r t e i l e n , i n d e m er v o n d e m eing e t r e t e n e n E r f o l g a u s rückschließend die B e z i e h u n g zu einer b e d i n g e n d e n H a n d l u n g des T ä t e r s zu e r m i t t e l n sucht; h i e r m i t w ä r e k e i n e P r o g n o s e , sond e r n eine D i a g n o s e ü b e r d e n v o r l i e g e n d e n S a c h v e r h a l t u n d über die abgeschlossene E n t w i c k l u n g zu t r e f f e n . 5. Die zu b e u r t e i l e n d e Sachlage ist also möglichst konkret zu g e s t a l t e n , möglichst zu individualisieren, d a m i t ein allseitig gerechtes Urteil ermöglicht wird. D a g e g e n ist d e r Maßstab ein genereller, abstrakter, w e n n er auch zu s e i n e r A n w e n d u n g i m E i n z e l f a l l zu k o n k r e t i s i e r e n und spezialisieren, d. h. auf d e n k o n k r e t e n F a l l z u z u s c h n e i d e n ist. E s k o m m t a b e r auf die objektive Eignung des Wirkens an, auf seine generelle T e n d e n z ; n u r diese k a n n u n d will d e r G e s e t z g e b e r e r f a s s e n . Unrichtig w ä r e es, auch in dieser Hinsicht zu i n d i v i d u a l i s i e r e n , wie es eine beachtliche n e u e r e A n s i c h t 0 7 ) a u s f ü h r t . A l s d a n n k ö n n t e m a n d e n F ä l l e n nicht gerecht w e r d e n , in d e n e n ein b a l d nach d e r T a t e i n t r e t e n d e s E r e i g n i s o d e r auch die T a t eines a n d e r e n d e m K a u s a l v e r l a u f eine a n d e r e W e n d u n g gibt: a l s o kein sog. Abbruch der Kausalität; er ist f ü r die typische B e t r a c h t u n g ex a n t e unmöglich. W e n n A d e n B tödlich v e r l e t z t , B a b e r an d e n F e l g e n d e r s p ä t e r e r f o l g t e n , a b e r schneller w i r k e n d e n V e r l e t z u n g deB C 6 t i r b t , 6o h a b e n nach d e r a b s t r a k t e n G e f ä h r dungs- u n d d e r A d ä q u a n z t h e o r i e A u n d C d e n T o d v e r u r s a c h t , nach d e r i n d i v i d u a l i s i e r e n d e n w i e nach d e r B e d i n g u n g s t h e o r i e d a g e g e n n u r C (A w ü r d e auch nicht e i n m a l Versuch begangen h a b e n , soweit m a n der o b j e k t i v e n o d e r G e f ä h r d u n g s t h e o r i e folgt). W e n n A und B d e m C e i n e W u n d e b e i b i i n g e n , C a b e r n u r a n d e r S u m m e d e r V e r l e t z u n g e n s t i r b t , 60 h a b e n nach d e r I n d i v i d u a l i s i e r u n g s - wie nach d e r B e d i n g u n g s t h e o r i e b e i d e d e n T o d v e r u r s a c h t , nach d e r a b s t r a k t e n G e f ä h r d u n g s - u n d A d ä q u a n z " ) Engisch a.a.O. u n d N a g l e r i m L K . 6. A. 45. " ) Diese W e n d u n g ist a b e r n u r als M a ß s t a b zu v e r s t e h e n , nicht etwa ist ein w i r k liches o d e r auch n u r i d e a l e s S u b j e k t g e m e i n t . Es ist e i n e f a ß b a r e , p r a k t i k a b l e F o r m e l f ü r das k r i t i s c h e , o b j e k t i v b e r e c h t i g t e U r t e i l . In g l e i c h e m S i n n e e r f o r d e r n a n d e r e d e n e i n s i c h t i g s t e n M e n s c h e n m i t ü b e r d u r c h s c h n i t t l i c h e m W i s s e n (so T r a e g e r , v. H i p p e l ) , noch a n d e r e den v e r k e h r s e r f a h r e n e n M e n s c h e n (so Ä l l f e l d , K ö h l e r ) . " ) LK. 5. A . 80 u n d 6. A. 53; ä h n l i c h schon B i n d i n g , K o h l e r , W a c h e n f e l d , H . M a y e r , Traeger.

I I I . Da9 V e r b r e c h e n als U n r e c h t

76

t h e o r i e j e d o c h u u r insoweit« sich b e t r a c h t e t , tödlich war. 6.

Der

mein

vorsätzliche

oder

voraussehbar

der

Garderobe

aufhebt ten

und

wird

dungsprinzip

sein,

liegen.

abgegebenen

hierdurch

aber

meist bietet

den

So

der

leicht

eine

jede

kann

(!)

Wirkungs-

und

Revolver

aus

geladene

kann,

auslöst68).

Der

Wahrscheinlichkeit

zuverlässigsten

des B ,

Dritten

des

herausfallen

Schuß

aller

A oder

eines

innerhalb

wenn

tödlichen

den

des

Eintritt

also

Mantel

außerhalbhier

die Verletzung

fahrlässige

gewesen

dungbzusammenhanges

als

ein

allge-

Gefährdem

Dritter

Eintritt

liegen.

für

des

Das

in ihn

Drit-

Gefähr-

Maßstab.

D i e B e d i n g u n g s t h e o r i e k e n n t h i e r n u r ein E n t w e d e r - O d e r . S o sprach m a n f r ü h e r TOQ e i n e r U n t e r b r e c h u n g des K a u s a l z u s a m m e n h a n g s ( n i c h t an v e r w e c h s e l n m i t d e s s e n A b b r u c h , o b e n 5 ) ; e r s o l l t e e r f o l g e n durch d i e f r e i e a n d v o r s ä t z l i c h e ^ a t e i n e s a n d e r e n . D i e n e u e r e A n s i c h t l e h n t e die U n t e r b r e c h u n g m i t R e c h t a b , da d e r K a u s a l z u s a m m e n h a n g n u r e n t w e d e r b e s t e h e n k ö n n e o d e r n i A t " ) . B e i der Beteiligung m e h r e r e r wollte die Ex-post-Betrachtung rückschließend in der . B e d i n g u n g s f o l g e •»o weit z u r ü c k g e h e n , bis sie a u f d i e f r e i e u n d v o r s ä t z l i c h e T a t eines M e n s i e n * t ö ß t , dieser sei allein T ä t e r , während die f r ü h e r e n T ä t e r wegen d e r U n t e r b r e c h u n g des K a u s a l z u s a m m e n h a n g e s nicht in B e t r a c h t k i r n e n . F ä l l t d i e g e l a d e n e P i s t o l e aus d e m im G a s t z i m m e r auf g e h ä n g t e n M a n t ; l d e s A h e r a u s , l e g t B nie a u f e i n F e n s t e r b r e t t , e r g r e i f t C sie und g i b t s i e w e i t e r an den s i n n l o s b e trunkenen D, dem w i e d e r u m d e r E e n t w e n d e t , z i e l t endlich E zum S c h e r z a u f s e i n e B r a u t und t r i f f t e r s i e t ö d l i c h , so h a t n a & j e n e r V a r i a n t e d e r B e d i n g u n g s t h e o r i e n u r C d e n T o d v e r u r s a c h t , s o f e r n man i h m V o r s a t z n a c h w e i s e n k a n n 7 0 ) . Nach d e r A d ä q u a n z t h e o r i e h a b e n s ä m t l i c h e P e r s o n e n A — E den T o d v e r u r s a c h t , da s i e a l l e in d e m o b j e k t i v e n W i r k u n g s - und G e f ä h r d u n g s z u s a m m e n h a n g s t e h e n , e i n E r g e b n i s , das audb d e m u r s p r ü n g l i c h e n S i n n d e r B e d i n g u n g s t h e o r i e entsprechen w ü r d e ; n u r d i e Schuld ist b e i den P e r s o n e n v e r s c h i e d e n ( v g l . s o f o r t zu 7 ) . 7. die

Bei

Beteiligung

Stärke

des

mehrerer Wirkens

kommt

der

läßt A b s t u f u n g e n

nicht z u (vgl. s o e b e n

graduell

wirklichen

an

bestimmt diesem fall

punkt muß

sich

die

und

6

schaffen;

der

E, während

etwa eine

liegt bei

C

und

moderne sonst

oder

Strafwürdigkeit

Prinzip beruhen

oben

bei B

dem

die T ä t e r -

Hauptanteil sodann sie

nicht

nach

dem

Personen 6).

Gefährdungsprinzip

an;

die

D i e Anteile

erstrebten

der

Schaden

(unter Hinzunahme der

Gefährdung

wohl

bei

sich a n d e r s E

liegt.

Einflußstärke

sind hiernach

der Schuldhöhen). In

dem

natürlich verteilt

Für

und

Verschuldenslehre

ihre

Funktion.

auf

Bedingungstheorie

abzuwägen;

und Teilnehmerarten.

die Schuldschwere

Kausalitäts-

erfüllt

es

einzelnen

bei und

derartige die

Auf

GaststättenA,

sodann

der SchwerErwägungen

nötige

Unterlage

W e n n A d e m B e i n e k ö r p e r l i c h e V e r l e t z u n g z u f ü g t und B d e m K u r p f u s c h e r C i n die H ä a d e f ä l l t " ) , so k a n n d e s s e n B e h a n d l u n g sidi v e r s c h i e d e n a u f d e n G e s a m t schaden a u s w i r k e n , so d a ß sich danach auch d e r H a f t u n g s a n t e i l d e s A an d e m G e s a m t s c h a d e n v e r s c h i e d e n b e m i ß t . D i e T a t des C k a n n : a) d a s L e i d e n verschlimmern, b) den K r a n k h e i t s v e r l a u f beschleunigen, oder c) ihn v e r l a n g s a m e n , o h n e i h n g ü n s t i g zu b e i n f l u s s e n , o d e r d) i h n in k e i n e r H i n s i c h t b e e i n f l u s s e n , so d a ß G an d e m K ö r p e r s c h a d e n ü b e r h a u p t k e i n e n A n t e i l h a t , s o n d e r n n u r einen B e t r u g b e g e h t . Zu b e a c h t e n i s t , d a ß A nach d e r A d ä q u a n z t h e o r i e ü b e r h a u p t t i n a b h ä n g i g v o n d e m E i n t r i t t d e s C i n s o f e r n b e u r t e i l t w i r d , als n u r d i e T e n d e n z , d i e M

) RG. 34,91.

")

RG. 64, 318, 370.

")

V g l . den F a l l b e i F r a n k $ 1 I I I 2 a ( S . 1 4 ) .

T1

) RG. Rspr. 10, 208.

§ 15. W i r k e n (Handeln, Kausalität) E i g n u n g d e r T a t d e s .A, d i e durch s i e v e r a n l a ß t e G e f ä h r d u n g d e r A b u r t e i l u n g zu m a c h e n i s t ; u m d i e s e F e s t s t e l l u n g t r e f f e n d e r R i c h t e r an d e n w i r k l i c h e i n g e t r e t e n e n S c h a d e n a n k n ü p f e n Grade abziehen, was durch die M i t w i r k u n g des C e n t s t a n d e n ist. A n s i c h t , d a ß ein j e d e r b e i M i t v e r u r s a c h u n g f ü r den G e s a m t e r f o l g

77 zum Gegenstand zu k ö n n e n , m u ß u n d von s e i n e m U n r i c h t i g ist d i e haftet72).

8. Für die Feststellung der Schwere der G e f a h r ist unerheblich das Mitverschulden eines Dritten oder des Verletzten selbst (beachte etwa den Kurpfuscherfall oben 7). Diese Mitverschuldung kann aber die Schwere des Unrechts beeinflussen, wenn der Verletzte oder der mitschuldige Dritle sich überängstlich verhalten und ihre eigene Lage verschlechtern; insoweit kann (und muß gerechterweise) sich der Grad des materialen Unrechts und des sozialen Schadens entsprechend verringern. III. Unter dem Gesichtspunkt des einheitlichen Wollens- und Wirkenszusammenhangs findet auch das umstrittene Problem der actio libera in causa seine Erklärung: der T ä t e r versetzt sich in den Zustand der Zurechnungsunfähigkeit (Rausch), um in ihm ein Delikt zu begehen. Zurechnungsfähig war er nicht mehr zur Zeit der T a t , worauf es ankommt, sondern nur zur Zeit des Willensentschlusses; aber Wollen u n d Wirken bilden ein Zusammenhanges Ganzes, so daß der Vorsatz auch noch bis zur Tatbegehung wirkt; der Täter teilt sein Wollen und Wirken nur äußerlich in zwei Akte, um sich der Verantwortung zu entziehen; er ist zugleich zurechnungsfähiger mittelbarer Täter und zurechnungsunfähiges Werkzeug 7 3 ). Ebenso wenn er sich in den Rauschzustand versetzt, obwohl er die Deliktsausführung voraussehen konnte (ein Autofahrer betrinkt sich) 7 4 ). — Nach § 330a ist schon das Sichbetrinken strafbar, wenn er im Rausch ein Delikt begeht. Als Gefährdungsund Vorbereitungsdelikt wird es durch die Rauschtat konsumiert; enthält diese aber neue strafwürdige Elemente, so'liegt Idealkonkurrenz vor (Exzeß).

IV. Zeit und Ort der Tat. Wenn Handlung und Erfolg nach Zeit und Ort auseinanderfallen („Distanzdelikts"), entsteht die Frage, ob Handlung oder Erfolg zB. für das Anwendungsgebiet der Strafgesetze maßgebend sind, wann und wo das Delikt im Sinne des Strafgesetzes begangen ist. Grundsätzlich entscheidet die Handlung, das Wirken, da hier ja der Schwerpunkt des Unrechts ruht und der Erfolgseintritt oft durch zufällige Ereignisse bedingt ist; zB. A schreibt den beleidigenden Brief in Berlin an den ebenda wohnenden B, dieser befindet sich auf einer Auslandsreise und erhält ihn dort erst nach Wochen. S t G B . § 3 ( N F . V. 6.5. 1 9 4 0 ) l ä ß t w a h l w e i s " als B e g e h u n g s o r t den Ort des E r f o l g s e i n t r i t t s zu. B e i U n t e r l a s s u n g e n i s t m a ß g e b e n d d e r O r t der e r w a r t e t e n T ä t i g k e i t o d e r — e b e n s o b e i m V e r s u c h — des e r w a r t e t e n E r f o l g e s . B e i T e i l n a h m e k o m m t auch ( ! ) d e r O r t d e r H a u p t t a t in B e t r a c h t " ) .

" ) R G . 53, 79. " ) Ähnlich R G . 7 3 , 1 8 3 . " ) Vgl. R G . 60, 30. " ) RG. 74. 60.

78

I I I . D a s V e r b r e c h e n als U n r e c h t

§ 16. Hechtswidrige Unterlassungen 7 0 ) I. T h e o r e t i s c h b e s a ß da9 T h e m a d e r U n t e r l a s s u n g s d e l i k t e v o n j e h e r z e n t r a l e B e d e u t u n g 7 7 ) , d a sich h i e r d i e s c h w i e r i g e n P r o b l e m e d e r a l l g e m e i n e n V e r b r e c h e n s merkmale durchkreuzen, insbesondere die (materiale) Rechtswidrigkeit und die K a u s a l i t ä t . A b e r a u c h p r a k t i s c h i s t s e i n e B e d e u t u n g in l e t z t e r Z e i t a u s n e h m e n d gestiegen, j e mehr der soziale G e d a n k e alle L e b e n s g e b i e t e durchdrang und die F o r d e r u n g u m ßich g r i f f , d a ß e i n e r f ü r d e n a n d e r e n a u c h o h n e R e c h t s v o r s c h r i f t zu s o r g e n und e i n z u s t e h e n h a b e . 1. D a s A n w e n d u n g s g e b i e t b e t r i f f t v o r allem die A n g r i f f s d e l i k t e , speziell die G e w a l t d e l i k t e T ö t u n g , K ö r p e r v e r l e t z u n g , S a c h b e s c h ä d i g u n g , B r a n d s t i f t u n g und a n d e r e g e m e i n g e f ä h r l i c h e D e l i k t e ; a b e r auch Ä u ß e r u n g s d e l i k t e , w i e B e l e i d i g u n g , d i e 60g. S t a a t s b e l e i d i g u n g , Mißachtung von S t ä a t s t r ä g e r n und Hoheitszeichen durch U n t e r l a s s u n g von E h r e n b e z e i g u n g e n , sowie die Unzucht vor (!) a n d e r e n durch U n t e r * lassung des üblichen B e n e h m e n s . V o n den N u t z d e l i k t e n w e r d e n die geheimen, raffinierten und verschlagenen Grunddelikte ergriffen: Betrug, Unterschlagung, (Untreue) und Hehlerei. Von den T r i e b d e l i k t e n k o m m e n nur die Fahrlässigkeitsi a t e n in B e t r a c h t , d i e s e a l l e r d i n g s a n e r s t e r S t e l l e . 2 . V o n a l t e r s h e r , a b e r zu U n r e c h t , u n t e r s c h e i d e t m a n z w e i G r u p p e n , d i e a n s hier nur interessierenden „unechten"' B e g e h u n g s d e l i k t e d u r c h U n t e r l a s s u n g und die „ e c h t e n U n t e r l a s s u n g s d e l i k te", in denen die Unterlassung Tatbestandsmerkmal ist wie in § § 1 3 9 , 3 3 0 c mit nur subsidiärer G e l t u n g . V g l . d i e F ä l l e o b e n § 1 4 I I 6 a . E s g i b t n ä m l i c h a u c h T a t b e s t ä n d e , in d e n e n die U n t e r l a s s u n g zwar nicht wörtlich, a b e r in a n d e r e n W e n d u n g e n A u s d i u c k g e f u n d e n h a t : V e r s c h w e i g e n , U n t e r d r ü c k e n , V e r h e i m l i c h e n , V e r b e r g e n , so b e i den Täuschungs» delikten, der U r k u n d e n u n t e r d r ü c k u n g , der H e h l e r e i ; die Unterschlagung und U n t r e u e werden bekanntlich sehr häufig durch Unterlassung der M i t t e i l u n g oder der Herausgabe oder einfach durch Schweigen begangen. Alle diese F ä l l e rechnet man zu den unechten Unterlassungsdelikten. D e r Gesetzgeber kann den Unterlassungsgedanken i n d e n T a t b e s t ä n d e n in v e r s c h i e d e n s t e r W e i s e t y p i s c h a u s p r ä g e n . I n s a c h l i c h e r H i n sicht s t e h e n diese F ä l l e juristisch e i n a n d e r sowie den sog. H a n d l u n g s d e l i k t e n gleich; überall tauchen die gleichen P r o b l e m e auf. 3.

Die

vielgesuchte

Rechtswidrigkeit, es

kann

bei

sich

Prinzipien Fehler sind

vor.

jene

Hier

noch

gewinnen,

so

nahe

der

bedarf

man

kann

es

zum

vergeblich

nur

anders,

feinster

die

so

oder läge

Analyse

anzulegen stehen.

in

Wesen

so

materiellen wurzeln;

Umschreibung

schwerer

von

systematischer

Individualisierung;

konkrete

Nach

der

d e r Kausalität

nähere

ein

und

und

Fallentscheidungen

Gegenteil

im

außerdem

Ausgestaltung

es

Maßstäbe

weswegen Grenze

um

Wäre

allgemeinen

zu

wird

nur

handeln.

Problemlösung

den Erfolgsdelikten

sodann

Gestaltungsnormen

verschieden abstrakten

ausfallen

und

Zauberformeln

suchen.

N i c h t s s a g e n d i s t d e r L ö s u n g s v e r s u c h d e s E . 3 6 : w e g e n U n t e r l a s s u n g ist s t r a f b a r , wer „nach gesundem Volksempfinden als T ä t e r e r s c h e i n t " . U n d n u r e i n e Ums c h r e i b u n g ist d e r M a ß s t a b d e r „ G a r a n t e n h a f t u n g " 7 8 ) o d e r d i e A b s t e l l u n g a u f den T ä t e r t y p ' ® ) ; e s f r a g t sich g e r a d e , w e r s t r a f r e c h t l i c h h a f t e t , u n d z w a r als T ä t e r . 7i) V e r w e i s e n m u ß ich h i e r auf m e i n e e i n g e h e n d e B e a r b e i t u n g d e r U n t e r l a s s u n g im G e r S . 1 1 4 , 1 9 4 0 , 2 7 9 m i t a u s f ü h r l i c h e m L i t . - V e r z e i c h n i s ( e r s c h i e n e n auch in R i v i s t a p e n a l c 1941 mit V o r w o r t von B a t t a g l i n i ) sowie auf m e i n e f r ü h e r e Abh. in der F r a n k - F e s t g . 1 9 3 0 I 2 0 2 . Vgl. besonders Kissin A b h . H. 317 ( 1 9 3 3 ) , W o l t e r A r c h R S o z P h . 2 8 . 498 ( 1 9 3 3 ) , H. R o e d e r Dt. S t r a f r . 1941, 105, 152.

")

Hierzu meine J u r E l e m e n t L .

")

LK. 62

")

M e z g e r Z S t r W . 5 7 , 6 8 4 ; D a h m ebda. 59, 1 3 8 ; Schaffst.Mii in F e s t s c h r i f t f. G l e i s p a d i 7 0 .

und Nagler

1944,125.

schon i m

G e r S . 1 1 1 , 1 , ü b e r n o m m e n von Welzel 123.

§ 16. R e c h t s w i d r i g e

79

Unterlassungen

I m m e r h i n l a s s e n sich e i n i g e a l l g e m e i n e E r k e n n t n i s s e u n d G r u n d s ä t z e gewinnen. Auf diesem Gebiet kann man nur mit k o n k r e t e n Gestallnngsnurmcn arbeiten, und e i n e L ö s u n g von Fall zu Fall nach a l l g e m e i n e n M a ß s t a b e n suchen. A n d e r e v e r l e g e n das U n t e r l a s s u n g s p r o b l e m nicht in die R . c l i t s w i d r i g k e i t oder die Kausalität,

.ondern

seltsamerweise

in d i e

Tatbestandsmäßigkeit"").

4. Hinsichtlich d e r a l l g e m e i n e n V e r b r e c h e n s m e r k i n a l e unterscheiden sich die B e g e h u n g s d e l i k t e durch U n t e r l a s s u n g in k e i n e r Weise von den Beg e h u n g s d e l i k t e n durch Handlung; d i e Straf Voraussetzungen sind die gleichen, w e n n der T ä t e r einen T a t b e s t a n d durch T u n und durch N i c h t t u n verwirklicht. U n d völlig v e r f e h l t ist es, die K a u s a l i t ä t d e r U n t e r l a s s u n g zu leugnen u n d s t a t t dessen die R e c h t s w i d r i g k e i t , die R e c h t s p f l i c h t v e r l e t z u n g , die widerrechtliche N i c h t h i n d e r u n g des E r f o l g e s zu e r f o r d e r n (v. Liszt) 8 1 ), wodurch die g e s a m t e V e r b r e c h e n s s y s t e m a t i k ins W a n k e n gebracht, der Verbrechensbegriff ü b e r h a u p t negiert wird. D i e S t r a f v o r a u s s e t z u n g e n m ü s s e n b e i d e m a l dieselben s e i n ; n u r die Strafwürdigkeit m a g bei der U n t e r l a s s u n g in vielen Fällen wegen schwächerer E n e r g i e e n t f a l t u n g g e r i n g e r e r s c h e i n e n : sie ist g r u n d v e r s c h i e d e n , w e n n j e m a n d einen a n d e r e n ins W a s s e r s t ö ß t und wenn er einen E r t r i n k e n den nicht rettet. Hinsichtlich der S t r a f v o r a u s s e t z u n g e n ist a b e r einerlei, ob d e r B e t r ü g e r oder der M e i n e i d i g e e t w a s U n w a h r e s sagt o d e r d a s W a h r e nicht sagt, ob die K r a n k e n s c h w e s t e r eine falsche Pflege a n w e n d e t o d e r die richtige Pflege zur e r f o r d e r l i c h e n Z e i t v e r s ä u m t , ob der B a h n b e a m t e ein unrichtiges oder gar kein Signal stellt. B e i d e m a l liegt ein V e r b r e c h e n desw e g e n vor, weil der u n e r w ü n s c h t e , d e r sozialschädliche E r f o l g rechtswidrig v o m T ä t e r verursacht wird.

II. Kausalität der Unterlassung. 1. W e r sie mit d e m n a t u r w i s s e n s c h a f t l i c h wie logisch u n a n f e c h t b a r e n S a t z l e u g n e t , das aus Nichts nichts w e r d e n k ö n n e , f ü h r t in unzulässiger, n a t u r a l i stischer M e t h o d e einen juristisch u n b e a c h t l i c h e n K a u s a l b e g r i f f ein, i n d e m K a u s a l i t ä t als w i r k e n d e physische K r a f t a u f g e f a ß t wird. W e r a n d e r s e i t s die K a u s a l i t ä t lediglich als Urteil,- als logische F o r m u n s e r e s E r k e n n e n s bezeichn e t , nach der auch n u r g e d a c h t e G r ö ß e n , wie die U n t e r l a s s u n g , logisch m i t e i n a n d e r v e r k n ü p f t w e r d e n , stellt sich einseitig e r k e n n t n i s t h e o r e t i s c h ein u n d ü b e r s i e h t das tatsächliche sozial erhebliche W i r k e n des T ä t e r s . Vgl. o b e n § 15 I 4d. 2. D e n Schlüssel b i e t e t die obige (§ 15, § 12) T h e o r i e des Wollens- u n d Wirkenszusammenhangs. In d e n S t r o m des n a t ü r l i c h e n und sozialen G e schehens g r e i f t der T ä t e r auf zweierlei W e i s e e i n : er lenkt ihn e n t w e d e r durch ein wirkliches, p o s i t i v e s T u n in d e r R i c h t u n g auf den sozialschädlichen E r f o l g ab, o d e r er läßt sich u n t ä t i g von d e m S t r o m in der Richtung auf diesen sozialschädlichen E r f o l g t r e i b e n , w ä h r e n d er ihn a b l e n k e n k ö n n t e u n d sollte. Kausal ist die Unterlassung, wenn die (soziologisch) erwartete Handlung den Erfolg voraussichtlich abgewendet hätte, m a. W.: wenn die Unterlassung dieser Handlung sozial gefährdend ist. die Handlung dagegen die Gefahr beseitigt hätte. " ) So N a g l e r .")

und

Welzel.

Nicht durchsichtig

und

einwandfrei a u i

R G . 71, 189; 7 3 , 5 5 ;

75,164.

80

III. Das Verbrechen als U n r e d i t

Die Kausalität ist auch bei der Unterlassung, ebenso wie beim Handlungsdelikt, das Hinstreben, Hinwirken, Hinlenken der Ereignisse auf den Erfolg. In der Kausalkette gibt es eine Fülle physischer und psychischer Glieder, positiver und negativer Elemente, die mehr oder weniger unentbehrlich für die soziale Gefahr sind. Die Unterlassung ist ein solches unentbehrliches Element in dem sozialgefährlichen Wirkungszusammenhang. Der Täter bedient sich des gefährlichen Stroms, wo nach sozialer Erwartung gerade er ihm eine andere Richtung hätte geben sollen. Dabei kommt es bloß auf die sozial erwartete Handlung an, nicht auf die rechtlich gebotene Handlung (das ist bereits eine Frage der Rechtswidrigkeit, nicht mehr bloß eine solche der Kausalität). Der Versuch bezieht sich auf denjenigen Zeitpunkt, in dem die Handlung zu erwarten war. 3. Die obige Fragestellung entspricht der Adäquanztheorie 82 ), zu der man sich aber nominell nicht zu bekennen braucht. Ex ante ist zu fragen: Ist die Unterlassung der erwarteten Handlung objektiv geeignet, einen sozialschädlichen Erfolg dieser Art herbeizuführen? Hat sie hierzu die generelle Tendenz nach objektiver Prognose? Demgegenüber fragt- die Bedingungstheorie ex post von dem vorliegenden konkreten Erfolg aus: Wäre dieser bestimmte Erfolg nicht eingetreten, wenn der Täter nicht untätig geblieben wäre, sondern gehandelt hätte? wobei nicht ersichtlich ist, ob hier nicht schon das rechtliche Gebot einzuschieben ist, also: wenn der Täter die vom Recht geforderte Handlung vorgenommen hätte? D e r Gegensatz beider Betrachtungsweisen ist auch bei d e r Unterlassung praktisdi erheblidi. U n t e r l ä ß t ein Heilkundiger, auf stark b e l e b t e r Straße, einem Verletzten zu h e l f e n , so f e h l t nach d e r juristischen Betrachtungsweise (Adäquanztheorie) schon die „ K a u s a l i t ä t " z u r Verschlechterung seines Zustaudes, die o b j e k t i v e G e f ä h r d u n g ; denn es ist damit zu r e d i n e n , daß ihn noch viele a n d e r e Passanten und puch die Verkehrspolizei b e m e r k e n (die alsdann nach der gegenteiligen Ansicht der Bedingungstheorie bei Untätigkeit sämtlich ebenfalls die K ö r p e r v e r l e t z u n g oder Tötung verursacht haben m ü ß t e n ) ; anders wenn der Unfall in einsamem Walde oder in s p ä t e r Nacht erfolgt. Dagegen würde nach d e r naturalistischen Bedingungstheorie allemal Kausalität vorliegen, wenn u n d soweit durch die unterlassene Heilhandlung dem K r a n k e n geholfen wird. A u d i bei „ Z u f a l l " würde nach l e t z t e r e r Ansicht Kausalität gegeben sein. Wird d e r K r a n k e d u r d i ein Auto tödlich ü b e r f a h r e n oder durch FäuKer ü b e r f a l l e n , so hat hierzu d e r Heilkundige, der ihn hilflos liegen ließ, eine Bedingung gesetzt; nadh d e r Bedingungstheorie liegt Kausalität vor, nach der Adäquanztheorie nidit.

III. Rechtswidrigkeit der Unterlassung. Hier liegt die Hauptschwierigkeit. 1. Die Rechtspflicht zum Handeln ergibt sich zunächst aus dem Gesetz, aus Gewohnheitsrecht, aus Vertrag, aus stillschweigender 'vertragsähnlicher Übernahme, vor allem aus der Begründung und Erhöhung von Gefahr. Nur " ) Ganz n a h e s t e h e n d hier f ü r Unterlas? nngsdelikte RG. 75, 45, 372 (1942), wo also die Bedingungstheorie vom RG. verlassen u n d die Adäquanztheorie befolgt wird; jedoch verflüchtigt sich die Kausalität zur materiellen Rechtswidrigkeit» was methodisch zu beanstanden, im sachlichen Ergebnis zu begrüßen ist (materiale Kausalität, vgl. oben

§ 16. R e d i t s w i d r i g e

81

Unterlassungen

i n n e r h a l b dieser G r e n z e n t r i f f t es zu, in d e m „ v o r a u s g e g a n g e n e n T u n " 8 3 ) einen Rechtsgrund z u m A b w e n d e n des schädlichen E r f o l g e s zu erblicken. Der Arzt, der eine o p e r a t i v e B e h a n d l u n g ü b e r n i m m t , d a r f nicht vor ihrem A b s c h l u ß mit ihr z u m S c h a d e n des P a t i e n t e n a u f h ö r e n . A b e r u n r i c h t i g w ä r e es, aus d e r f r e i w i l l i g e n Ü b e r n a h m e e i n e r H i l f e l e i s t u n g , z B . d e r B e g l e i t u n g e i n e s auf der S t r a ß e a n g e t r o f f e n e n Gebrechlichen, eine Pflicht zur F o r t s e t z u n g ins U n b e g r e n z t e zu folgern. Man darf n u r nicht den Hilflosen im Z u s t a n d e einer G e f a h r verlassen, di^ m a u selbst h e r v o r g e r u f e n o d e r verschärft hat: alsdann hat man die K a u s a 1 i • t a t zu e i n e m s o z i a l s c h ä d l i c h e n £ r f o l g i n Lauf gesetzt, h a n d e l t also m a t e r i a l recht « w i d r i g u n d i s t v e r p f l i c h t e t , d e n s e l b s t g e s c h a f f e n e n 6(iiädl i d i e n Z u s t a n d zu b e s e i t i g e n . Nicht a b e r f o l g t e i n e R e c h t s p f l i c h t aus f r e i w i l l i g ü b e r n o m m e n e r Hilfe* die n u r als e i n e z e i t w e i l i g e g e d a c h t w a r . S o n s t v ü r d e a u s d e r G u t m ü t i g k e i t and Nächstenliebe ein u n b e g r e n z t e s E i n s t e h e n f ü r K ö r p e r v e r l e t z u n g und Tötung folgen,

2. Z u weit geht es d a h e r f e r n e r , die Rechtspflichten in das Gebiet der moralischen und sozialen Pflichten a u s z u d e h n e n 3 4 ) . Z u Hilfe in K r a n k h e i t und N o t ist (abgesehen von dem Sonderdelikt des § 330c) nicht j e d e r m a n n verpflichtet; freiwillige A u f p a s s e r und W o h l t ä t e r werden nicht nur o f t als lästig und zudringlich e m p f u n d e n , sie passen auch nicht in c : " e soziale Ordn u n g hinein, in der sich nicht ein jeder auf die U n t e r s t ü t z u n g a n d e r e r verlassen darf. Wohin w ü r d e es f ü h r e n , wenn jeder f ü r jeden zu sorgen h ä t t e ! Vor allem lautet, was noch immer nicht genügend beachtet wird, die entscheidende F r a g e nicht: Wie weit reicht die Rechtspflicht zum H a n d e l n schlechthin?, vielmehr: Wie weit reicht die Rechtspflicht zum Handeln mit der Folge strafrechtlicher Haftung bei ihrer Verletzung? Die seit einigen J a h r e n b e s t e h e n d e T e n d e n z zur A u s d e h n u n g der Rechtspflicht ist d a h e r nur mit s t a r k e m V o r b e h a l t zu billigen. 3. Erhöhte Pflichten werden a) durch Beruf und b e s o n d e r e Sachkunde b e g r ü n d e t . E s w ü r d e a b e r zu weit g e h e n , den Arzt und den Heilgehilfen allgemein zu B e h a n d l u n g zu verpflichten; meist wird es sich F r e m d e n gegenüber n u r u m die ersten N o t h i l f s m a ß n a h m e n beim Fehlen a n d e r e r F ü r s o r g e h a n d e l n , und zwar n u r im Falle b e s o n d e r e r G e f a h r , nicht bei alltäglichen oder chronischen Leiden. b) E r h ö h t e Pflichten werden f e r n e r durch schwierige soziale, wirtschaftliche und hygienische Verhältnisse g e s c h a f f e n ; in Zeiten der allgemeinen Not, wie in den letzten J a h r z e h n t e n , werden die Menschen enger sozial v e r b u n d e n u n d verpflichtet. I n s o f e r n ist eine E r w e i t e r u n g der strafrechtlichen H a f t u n g bei U n t e r l a s s u n g durchaus gerechtfertigt. D a s Z u s a m m e n d r ä n g e n der Menschen auf engem R a u m in Luftschutzkellern und V e r k e h r s m i t t e l n , in überfüllten G a s t s t ä t t e n u n d A u f e n t h a l t s r ä u m e n h a t n e u e soziale O r d n u n g e n mit der W i r k u n g v e r m e h r t e r strafrechtlicher H a f t u n g h e r v o r g e r u f e n . c) Z u weit geht es u n d ist anderseits zu eng, die Gemeinschaft zum Rechtsgrund zu e r h e b e n , wie es n e u e r d i n g s versucht wurde. M

als solche

) R G . 46, 3 4 3 ; 58, 130; 73, 57.

" ) J e t z t auch R G . 71, 77, 189, 1 9 4 ; viel w e i t e r d a g e g e n w i e d e r U n b e d e n k l i c h R G . 73, 389 u n d 74, 309 ( f ü r den H a u s h a l t s v o r s t a n d ) . S a u e r ,

Strafrecht

R G . 7 4 , 1 8 9 ; ~76, 1 6 4 .

6

I I I . D a s V e r b r e c h e n als U n r e c h t

82

S o b e s t e h t z w a r e i n e ? !i < S o r g e p f l i c h t f ü r L e i b u n d L e b e n unter V e r w a n d t e n 8 * ) , in d e r H a u s g e m e i n s c h a f t 8 ® ) , b e i m S e e - u n d B e r g s p o r t 8 7 ) , in J u n g k a m e r a d s c h a f t e n 3 9 ) . E s b e s t e h t j e d e ch p i c h t i n g l e i c h e r W e i s e e i n e H a f t p f l i c h t f ü r S * c h w e r \ e . S o s i c h e r nicht in d e m v o n N i e t h a m m e r * 9 ) m i t g e t e i l t e n F a l l e n t g e g e n s e i n e r e i g e n e n A n s i c h t : in e i n e r von 2 0 M a n n b e l e g t e n S t u b e h a t der e i n e s e i n g e w a s c h e n e s H e m d an e i n e m o f f e n e n H e r d f e u e r -zum T r o c k n e n a u f g e h ä n g t . W ä h r e n d d i e a n d e r e n L e u t e zum D i e n s t g e h e n , b l e i b t ein M a n n z u r ü c k , u m s e i n e K l e i d u n g zu p u t z e n , und b e m e r k t , daß das H e m d n a h e d a r a n i s t , F e u e r zu f a n g e n . S o l l t e man h i e r w i r k l i c h s t r a f - u n d z i v i l r e c h t l i c h e H a f t p f l i c h t a n n e h m e n ? d) Nicht z u t r e f f e n d w i r d f e r n e r e i n e H a f t u n g d e r P e r s o n a n g e n o m m e n , die a l l e i n ü b e r den R a u m " ) v e r f ü g e n k a n n , in dem e i n e G e f a h r e n t s t e h t . So in d e m o b i g e n F a l l o d e r in d e m b e k a n n t e n S c h i f f s a r z t - F a l l b e i F r a n k . S o l l t e e i n H a u s b e s i t z e r v e r p f l i c h t e t s e i n , e i n e m E i n d r i n g l i n g zu h e l f e n , d e r a u f d e r T r e p p e v e r unglückt?*1)

4. Der entscheidende Gesichtspunkt ist und bleibt, die sozialen Beziehungen vzwischen den Beteiligten, insbesondere dem Unterlassenden und dem Verletzten, auf die Verteilung der Pflichten sowie von Vorteil und Schaden hin zu untersuchen, worauf es ja zur Bestimmung der hier in F r a g e stehenden materialen Rechtswidrigkeit immer ankommt. a) Die Gefahr muß für den Bedrohten erheblich wartende Nachteil darf auch für den Unterlassenden oder noch größer sein.

sein; nicht

aber der zu erebenso erheblich

D a h e r b e s t e h t k e i n e R e c h t s p f l i c h t , d e n E r t r i n k e n d e n zu r e t t e n , w e n n d i e * n u r bei e i g e n e r L e b e n s g e f a h r oder bei B e f ü r c h t u n g schwerer gesundheitlicher Schäden möglich ist. Anders bei b e s o n d e r e r b e r u f l i c h e r Verpflichtung, eigene Schaden auf sich zu n e h m e n ( B a d e p e r s o n a l , F e u e r w e h r , P o l i z e i , S o l d a t ) .

b) Von erster Bedeutung ist immer, ob und wieweit die Gefahr von dem Unterlassungstäter verursacht ist. Seine Pflicht erhöht sich, wenn die Gefahr auch von ihm verschuldet ist. Sie verringert sich, wenn sie auch vom Gefähr-

deten

verursacht

oder gar verschuldet

ist.

E i n e erhöhte Haftpflicht besteht bei fahrlässiger oder gar vorsätzlicher Gef a h r d u n g , z B . A n f a h r e n auf d e r S t r a ß e . A n d e r s e i t s v e r r i n g e r t sich die R e c h t s p f l i c h t s t u f e n w e i s e g e g e n ü b e r der von dem G e f ä h r d e t e n v e r s c h u l d e t e n K r a n k h e i t , d e r v e r s c h u l d e t e n T r u n k e n h e i t , d e m H a a s f r i e d e n s b r u c h , dem E i n b r u d i s d i e b s t a h l . W i r d d e r E i n d r i n g l i n g v o n dem W o h n u n g s i n h a b e r in N o t w e h r a n g e s c h o s s e n , so b r a u c h t i h m d i e s e r nicht zu h e l f e n , auch n i c h t e i n e n A r z t zu h o l e n , auch w o h l n i c h t d i e U n f a l l s * p o l i z e i zu b e n a c h r i c h t i g e n , w e n i g s t e n s nicht m i t d e r F o l g e s t r a f r e c h t l i c h e r H a f t u n g b e i U n t e r l a s s u n g . D i e P f l i c h t e n e r r e i c h e n i h r e n T i e f s t a n d g e g e n ü b e r dem S c h w e r v e r b r e c h e r , und sie s t e i g e n n m so m e h r a n , i e w e n i g e r d i e G e f a h r v e r s c h u l d e t ist a n d j e m e h r s i e in „ u n g l ü c k l i c h e V e r k e t t u n g ' 1 d e r U r s a c h e n ü b e r g e h t . D i e H a f t p f l i c h t ist g e r i n g e r b e i e i n e r schon l a n g e b e s t e h e n d e n o d e r e i n e r a l l g e m e i n v e r b r e i t e t e n K r a n k h e i t als b e i e i n e r u n e r w a r t e t e n V e r l e t z u n g , e t w a i n f o l g e R a u b überfalls. Hier spielt wieder d e r Adäquanzgedanke hinein.

R G . 64, 316; 66, 7 1 ; 67, 3 1 4 ; 72, ¿9. ")

R G . 69, 321.

9 '1

RG.

M)

B e i a h t , z. T . v o n D a h m , M e z g e r u. a.

7 3 , 55. 3 9 0 .

" ) Z S t r W . 57, 431. " ) R G . 7 3 , 5 6 ; v. H i p p e l I I 1 6 4 g e g e n T r a e g e r U n t e r l a s ' u n g s d e l i k t e 1 9 1 5 , 1 0 8 . ,1)

G r e n z f ä l l e J u r E l . L . 1 9 4 4 , 126/7 s o w i e n n t e n 4 b .

§ 16. R e c h t s w i d r i g e

Unterlassungen

83

c) Für die praktisch besonders wichtigen Fälle des Betruges durch Ver schweigen sind die konkreten Geschäftsbeziehungen, evtl. die generellen Geschäftsgebräuche mit zu berücksichtigen 92 ). Im konkreten Fall ist möglichst genau zu bestimmen, wann e i n e Pflicht s n : R e d e , sor Aufklärung oder Berichtigung besteht (wichtig für d e n Versuch, den A n f a n g d-ir Ausfiihruugshaodlung!). Sie ist natürlich o h n e weiteres bei irriger d o p p e l t e r Begleichung einer und derselben Schuld anzuerkennen. Aber sie kann v e r s c h i e d e n sein, je nach der b e r u f l i c h e n and sozialen Stellung des Pflichtigen, nach s e i n e r Aufgabe und Fähigkeit. Sie kann einen verschiedenen Inhalt besitzen bei eiuein D i e n s t b o t e n , Handlungsreisenden, Geschäftsführer, U u t e r b e a m t e n und Personen in l e i t e n d e r Stclnng; die Pflicht kann auch verschieden sein bei dauernden odor kürzeren Beziehungen oder e i n e m Einzelauftrag normaler oder außergewöhnlicher Art. Die Beantwortung wird wichtig für das Vorliegen einer Unterschlagung. Gibt man e i n e m B o t e n 10 M mit der Weisung, eine Ware zu k a u f e n , d i e tatsächlich nur d i e H ä l f t e kostet, und liefert der B o t e nur die Ware (ui*d 1 M) ab, so war er Ter pflichtet, den Kaufpreis dem Geschäftsherrn mitsnteilen. Da Unterschlagung nicht durch bloße Fassung des AneignungswiÜens, f o n d e r n erst durch e i n e n tatsächliehen Aneignungsakt begangen werden kann, jedoch auch durch Unterlassung, i o bedarf es der Feststellung, wann eine R e d e p f l i d i t besteht, um den Zeitpunkt der V o l l e n d u n g zu bestimmen (wichtig für d i e Konkurrenz mit B e t r a g ) . d) Bei d i o r r o d g e f i h r l i e h e n k u l t u r e l l e n E i n r i e h t a n g e n , B e t r i e b e n , Anlagen, Bauten, Verkehrsverhältnissen, Schutzvorrichtungen gegen Ein* brecher (Fußangeln, Selbstschüssen, Falltüren) ist es o f t z w e i f e l h a f t , ob und wieweit die A k t e nicht selbst schon rechtswidrig sind (vgl. $ 18 B 1). Soweit durch Warnung«, s e i c h e n , Schutt- und Aufklärungsmaßnahmen die Gefährlichkeit auf ein erträgliches Maß verringert and mithin die Rechtswidrigkeit ausgeschlossen wird, ist die Unterlassung dieser Vorsichtsakte wiederum rechtswidrig. e) A u s den z a h l r e i c h e n B e t r i e b s - a n d V e r k e h r s v o r s c h r i f t e n , «B. d e r R G e w e r b e O . und d e r S t r a ß e n v e r k e h r s O . v. 13. 11. 1937, e r g e b e n sich d i e vers c h i e d e n s t e n V e r p f l i c h t u n g e n zur V e r h ü t u n g von V e r l e t z u n g e n . A b e r auch o h n e d e r a r t i g e R e g e l u n g e n , die i m m e r n u r e i n i g e A u s s c h n i t t e u n d t y p i s c h e F ä l l e h e r a u s g r e i f e n k ö n n e n , b e s t e h t eine a l l g e m e i n e F ü r s o r g e p f l i c h t z u r V e r h ü t u n g v o n SchädcD f ü r d e n a u f s i c h t s p f l i c h t i g e n B e t r i e b s f ü h r e r , den I n h a b e r i n d u s t r i e l l e r A n l a g e n , den m i l i t a r i s e i e n V o r g e s e t z t e n , den T u r n - , S p o r t - , S c h w i m m l e h r e r . D e m H a u s b e s i t z e r liegt d i e P f l i c h t ob znr T r e p p e n b e l e u c h t u n g , z n r S ä u b e r u n g d e r Z u g ä n g e , zum S t r e u e n bei Glatteis. Die P f l i c h t e n sind o f t nach ö r t l i c h e m G e w o h n h e i t s r e c h t auf Bürgermreg o n d S t r a ß e e r w e i t e r t und auf d i e M i e t e r a u s g e d e h n t , d i e sie auf einen g e m e i n s a m e n V e r w a l t e r ü b e r t r a g e n k ö n n e n , d e r a l s d a n n d e n Schaden zn t r a g e n hat wenn e i n gebrechlicher S t r a ß e n p a s s a n t vor d e m H a u s e b e i T a u w e t t e r o d e r auf Obstr e s t e n a u s g l e i t e t und wegen K n o c h e n b r a c h s e r w e r b s u n f ä h i g w i r d . f ) Ü b e r die G r e n z e n d e r Anfsichts- u n d F ü r s o r g c p f l i A t b e s t e h e n auch sonst im k o n k r e t e n Fall m a n c h e r l e i Z w e i f e l . D e r im Augenblick v e r f ü g u n g s b e r e c h t i g t e I n • h a b e t - v o n W o h n u n g e n , Aufenthaltsräumen, anderen Räumen und Verkehrsm i t t e l n k a n n je nach e i n e r G e f a h r e n l a g e die v e r s c h i e d e n s t e n O b h u t s - n n d W a r n u n g s p f l i c h t e n b e s i t z e n . So b e g e h t K u p p e l e i , w e r die U n z u c h t d e r nicht n u r z u r Hausg e m e i n s c h a f t g e h ö r i g e n (auch v o l l j ä h r i g e n ) K i n d e r u n d H a u s a n g e s t e l l t e n , s o n d e r n auch der- U n t e r m i e t e r nicht v e r h i n d e r t " ) . D e r G a s t w i r t h a t d e n A b s a t z v o n B i c b e s got in s e i n e n R ä u m e n zu v e r h ü t e n " ) . D e r S c h i f f s o f f i z i e r m u ß d e m Schmuggel der M a n n s c h a f t e n t g e g e n t r e t e n " ) . D e r s a c h k u n d i g e F a h r g a s t ist v e r p f l i c h t e t , d e n Autof a h r e r vor ü b e r m ä ß i g e r schneller F a h r t zu w a r n e n . ") RG. schwcigen) n ) RG. 72, 19. ") RG. l3 ) RG.

6 6 , 56; 67, 292; 70, 45, 151, 225 Vgl. H . R o e d e r a a O . ( B e t r u g d u r c h Veru n d dazu G e r S . 114, 296 A n m . 28. 6 7 , 3 1 4 ; G o l d t d A . 54. 164; des E h e m a n n s g e g e n ü b e r d e r E h e f r a u : 5 8 , 9 8 , 2 6 6 ; 5 8 , 299. 7 1 , 176. 6*

III, Das Verbrechen als Unrecht

84

g) Anderseits sollte die A u f s i c h t s p f l i c h t nicht überspannt werden; sontt würde neben dem Täter oft noch ein Dritter, wohl als Teilnehmer verantwortlich sein, wenn er die Warnung, Ermahnung, Erziehung (zB. Jugendlicher) u n t e r l ä ß t . Es ist aber auch der U n t e i l a s s u n g s g e d a n k e nicht zu überspannen; neben der (vorsätzlichen oder fahrlässigen) Grandstiftung ist nicht noch einmal die Unterlassung des Löschens zu bestrafen, neben der Körperverletzung nicht die Unterlassung der Hilfe. Wenn der Handlungstäter den Eintritt des ErfoIgen nicht hindert, so 6etzt er innerhalb desselben Wollens» und Wirkenszusammeahanges eines Delikts die bisherige Tätigkeit fort, begeht aber kein neue«-"). 5. D i e R e c h t s p f l i c h t z u m H a n d e l n , z u r „ E r f o l g s a b w e n d u n g " , k a n n a l s o , w i e im E r g e b n i s f e s t z u s t e l l e n ist, die v e r s c h i e d e n s t e n n ä h e r e n Aufgaben annehmen; Abwehr, Verhütung oder Verminderung von Gefahr, Interessenförderung, N o t h i l f e , Fürsorge, Aufklärung, Berichtigung, Warnung, Ermahnung, Belehrung. Weitere Pflichten ergeben 6ich aus der Natu: der jeweiligen Tatbestände, aus Gewohnheitsrecht, ja aus Gewohnheit, Sitte und Anstand. So kann ein« Beleidigung durch Unterlassung von allgemeinen Höflichkeitsforwen begangen werden, Abnehmen der Kopfbedeckung. Erheben von den Sitzen (zB. in einer öffentlichen Versammlung bei der allgemein üblichen Ehrung eines Staatshoheitsträgers). Auch Staatsbeleidigungen zB. durch Nichtachtung von Staatshoheitszeichen, Fahnen usw. sind in entsprechender Weise möglich. 6. D i e P f l i c h t z u m H a n d e l n b e s t e h t n u r b e i der Möglichkeit des Handelns. S i e e n t f ä l l t a l s o bei e i g e n e r U n f ä h i g k e i t , zB. K r a n k h e i t o d e r u n v e r s c h u l d e t e r A b w e s e n h e i t d e s V e r p f l i c h t e t e n o d e r bei g l e i c h z e i t i g e r D o p p e l v e r p f l i c h t u n g . So 19t ein vielbeschäftigter Arzt nicht zur Hilfeleistung verpflichtet, wenn er bei eigenen Patienten dringend benötigt wird. Der Badewärter kann nicht den Er« trinkenden retten, wenn er ohne Vertretung bereits au anderer Stella Lebensgefahr abwendet. In allen diesen Fällen gelten N o t s t i n d s g r ' i r h t s p n n k t e , die ja ebenfalls nur eine Teilerscheinung des materiaien Unrechtsbegriffs sind. Wie bei allen P f l i c h t e n k o l l i s i o n e n verdien» der höhere Wert den Vorzug. Bei Gleichwertigkeit wird der Täter die ihm n a h e l e g e n d e Pflicht erfüllen; so wenn ihm gleichzeitig swei widersprechende Dienstanweisungen erteilt werden. Anf den mitunter verwendeten, wenig befriedigenden Maßstab der „ U n z u m i . t b a r k e i t " braucht man hier so wenig zurückzugreifen wie bei den Entschuldigungsgründen 9 '). Die Abgrenzung liegt übrigens im Bereich der Rechtswidrigkeit, nicht de~ Selbstangreifer. Ander» wenn er durch N c c k e n , F o p p e n , H ä n s e l n n u r e i n e ( u n t e r g e o r d n e t e ) Bedingung11"), also nicht d i e eutsdieidende, w i r k s a m s t e Ursache, die allgemeine T e n d e n z gesetzt hat; alsdann w ä r e e r n o t w e h r b e r e c h t i g t , m ü ß t e sich a l l e r d i n g s in d e r W a h l d e r M i t t e l u m s o g r ö ß e r e S c h o u u n g u n d Z u r ü c k h a l t u n g a u f e r l e g e n (vgl. s o f o r t zu 2), D i e E r k l ä r u n g m i t „ M i t v e r u r s a c h e n ' 4 im S i n n e der B e d i n g u n g s t h e o r i e v e r f e h l t also die wichtige G r e n z e a n d versagt auch h i e r . — Bei e i n e r a l l g e m e i n e n R a u f e r e i k a n n sich g r u n d s ä t z l i c h n i e m a n d a u f N o t w e h r b e r u f e n ; d i e U n t e r g e r i d i t e b e m ü h e n sich h i e r , s o w e i t b e k a n n t , m e i s t a u c h n i c h t , d e n K n ä u e l d a h i n zu e n t w i r r e n , w e r A n r e i z e r , A n g r e i f e r u n d e c h t e r N o t w e h r e r ist- N u r z w e i e r l e i b e d a r f A u s n a h m e b e h a n d l u n g u n d gerichtliche F e s t s t e l l u n g : wo liegt ein E x z e ß g e g e n ü b e r d e m D u r c h s c h n i t t v o r ? u n d wo ein B e m ü h e n , sidi h e r a u s z u z i e h e n u n d zu m e i d e n ? 2. gute, mehr

D i e Verteidigung besagenden

Rechtsmißbrauch gegenüber StGB

§

setzung gemäß

muß

erforderlich

erfahrene Rechtsprechung wird usw.)

und

Abs.

1.

Zu

Abwägung Prinzipien

der Reform

diesem (nach

auszukommen

,,erforderlich":

53

den

Zusätze

zur Abwehr mit

nach

ist

mitwirkenden

Gerechtigkeit

Besser

wäre

geboten; die

sein.

die die

hierauf

nicht

des

und

Eine viel ohne

Milderung weist

Gesamtsituation

Kräfte and

ohne

gesundem Volksempfinden,

wissen.. Sachlage

berücksichtigen aller

der

der

des Angriffs

Maßstab

unter beteiligten

schon EinWerte

Gemeinwohls.

Z u b e a c h t e n i s t , d a ß d e r g e s e t z l i c h e M a ß s t a b d e r , , E r i o r d e r l I c h k e i t 4 i e n sich irgendeine P r o p o r t i o n a l i t ä t zwischen Angriffs- und Schutzwerten n i c h t v o r a u s s e t z t . A l s b e i d e n R e f o r m e n w i e d e r h o l t d e r v.)n.i B G B . § 2 2 8 v e r w e n d e t e M a ß stab d e r I n t e r e s s e n - u n d G ü t e r a b w ä g u n g auch f ü r die N o t w e h r vorgeschlagen w u r d e , iät m i t R e c h t v o n b e a e h t l i c h c r S e i t e ( B u m k e ) m i t N a c h d r u c k s c h o n b e i B e r a t u n g d e s E- 25 d a r a u f h i n g e w i e s e n , d a ß h e i N o t w e h r n i c h t W e r t g e g e n W e r t , s o n d e r n R e c h t gegeu Unrecht steht; der E i g e n t ü m e r d ü r f e d a h e r den E i n b r u d u d i r h niederschießen, w e n n e r sich n i c h t a n d e r s v e r t e i d i g e n k a n n 1 " ) , u n d e s s e i d e m i n s e i n e m S d i l a f "*) Ä h n l i c h R G . 5 5 , 8 2 ; nidit ausreichend. l " ) F r a n k § 53 I. lu

)

RG. 60, 262.

"') RG. 73, 341.

jedorh

ist b l o ß e I n t e n s i v i e r u n g o d e r

Sicherung

der

Verletzung

100

I I I . D a s V e r b r e c h e n als U n r c c l i t z i i n m e r ü b e r r a s c h l e n k r ä n k l i c h e n M a n n e nicht z u z u m u t e n , ä n g s t l i c h a b z u w ä g e n , c b das L e b e n des j u n g e n E i n b r e c h e r s in a n g e m e s s e n e m V e i h ä l l n i s zu dem D i e i j ü u h i s o b j e k t steht. Jedoch ist Notwehr nur eiue m a t e r i e l l r e c h t m ä ß i g e A b w e h r von U n r c c h t ; die e i n s e i t i g e A u s ü b u n g e i n e s f o r m a l e n R e c h t s n u r um des R e c h t s willen k a n n ein Keehtsuiiwüruuch 6ein, w e n u nicht d i e G c s a i n t l a g c b e r i i e k s i d i t i g t und m ö g l i c h s t a l l e in U e i r a d i t k o m m e u ü e n K r ä f t e und W e r t e in e i n e r ger e c h t e n W e i s e a b g e w o g e n w e r u e n . ho e r g i b t sich auch ohne I v e l o i m oioa R e i h e von M o d i f i k a t i o n e n von l ' a l l 2U F a l l , da auch d i e s t a r r e L e g a l d e l i n i u o n f u n k t i o n e l l e i n e k o n k r e t e G e s t a l t u n g s n o r u i g e m ä ß d e r R e c h t s i d e e , dem j u r i s t i s c h e n G r u n d g e s e t z d e r G e r e c h t i g k e i t und des G e m e i n w o h l s e r f o r d e r t . F o l g e n d e G e s i c h t s p u n k t e sind zu b e a c h t e n , und z w a r g e m ä ß d e m S t a n d p u n k t e x a n t e , diso des Z e i t p u n k t e s d e r T a t : *) Auf Seiten des A n g r i f f s : aa) d e s s e n B e g ' e h u n g s w e i s e , seine S t ä r k e , H e i l i g k e i t , N a c h h a m g k e i t , Vorbereitung mit eigenen Schutzvorkehrungen, j e h o h e r d e r G r a d , d e s t o w e i t e r g e h e n d die E r l a u b n i s a l l e r e r d e n k l i c h e n A b w e h r m a i i n a h m e u . B e i ganz h a r m l o s e n A n g r i f f e n s i n d n u r I c i c h t e s t e N o t w e h r m i t t e l zu v e r t r e t e n . Zu weit g e h t es a b e r , b e i B a g a t e l l d e l i k t e n , w i e O b s t - und F e l d d i e b * s t ä h l e n d u r c h K i n d e r usw., N o t w e h r ganz a u s z u s c h l i e ß e n u n d e i n e b e s o n d e r e Unfug* a b w e h r ' " J e i n i u ü r e u zu w o l l e n ; e i n e solche k ö n n t e n u r d i e s o e b e n g e n a n n t e icicn' t e r e Art der Notwehr unter „ e n t s p r e c h e n d e r " Milderung des Mittels sein. — b b ) D i e S c h w e r e d e s E r f o l g e s , also des d r o h e n d e n , d e s v o r a u s s e h b a r e n , des n o r m a l e r w e i s e zu e r w a r t e n d e n S c h a d e n s . In d i e s e m R a h m e a ist auch d e r W e r t des a n g e g r i f f e n e n G u t e s zu b e r ü c k s i c h t i g e n ; d i e A b w e h r m u ß i n d e r T a t v e r s c h i e d e n s e i n , j e n a c h d e m d e r A n g r e i t e r n a t i e z u w e r t l o s e , s o f o r t u n d l e i c h t zu ersetzende Sachgüter oder k o s t b a r s t e , u n w i e d e r h c r s t e l l b a r e L e b e n s w e r t e bedroht« — c c ) Auch die P e r s o n des A n g r e i f e r s bedarf der Berücksichtigung, wenn auch e r s t in z w e i t e r L i n i e . A n g r i f f e von K i n d e r n n i m m t m a n l e i c h t e r h i n , u n d A n g r i f f e n durch G e i s t e s g e s t ö r t e und T r u n k e n b o l d e g e h t m a n r i c h t i g e r aus d e m W e g e , als s o f o r t z u r S c h u ß w a f f e zu g r e i f e n . — dd) (Jn e r h e b lieh f ü r d i e A r t d e r V e r t e i d i g u n g i s t d a g e g e n , o b d e r A n g r e i f e r v o r s ä t z l i c h , f a h r l ä s s i g o d e r schuldlos h a n d e l t 1 " ) ; d e n n d i e V e r t e i d i g u n g i s t u n a b h ä n g i g von S c h u l d b e w e r t u n g u n d V e r g e l t u n g , r i c h t e t 6ich v i e l m e h r n u r nach Z w e c k m ä ß i g k e i l s g e s i c h t s p u n k t e n . b) A u f S e i t e n d e r A b w e h r : aa) Z u n ä c h s t ist e r h e b l i c h , o b und in welchem G r a d e d e r A n g e g r i f f e n e sich o d e r a n d e r e ü b e r h a u p t s c h ü t z e n w i l l . W e n n e r s e l b s t v e r l e t z e n „wollte ( o b e n 1 d) und n u r n e b e n b e i e i n e n ihm o d e r a n d e r e n g e l t e n d e n A n g r i f f a b s c h l ä g t ' " ) , so r e c h t f e r t i g t d i e s s e i n e e i g e n e V e r l e t z u n g nicht o d e r doch n u r ( b e i M ö g l i c h k e i t e i n e r V e r t e i l u n g d e r e i u z c l n e u A k t e ) in e n t s p r e c h e n d e m M a ß e ; d e r l e t z t e F a l l wird nicht g e n ü g e n d b e a c h t c t . — b b ) Zu b e r ü c k s i c h t i g e n ist d i e S c h w e r e des A b w e h r m i t t e l s und d e s durch d i e s e s zu erwartenden S c h a d e n s , also auch d e r W e r t des zu v e r l e t z e u d e u G u t e s . B e i m e h r e r e n Schutzm ö g l i c h k c i t c n ist d i e n ä c h s t l i e g e n d e , g e w i s s e r m a ß e n n o r m a l e o d e r a d ä q u a t e , also die g e r e c h t e r s c h e i n e n d e A r t zu w ä h l e n : A b w e h r e i n e s S c h l a g e s durch v e r s t ä r k t e n Schlag und n o t f a l l s durch W a f f e , - e i n e r B e l e i d i g u n g durch W o r t e o d e r n o t f a l l s durch T ä t l i c h k e i t e n , e i n e s e i n f a c h e n H a u s d i e b ä t a h l s durch E i n s c h l i e ß e n o d e r F e s t n a h m e u n t e r B e n a c h r i c h t i g u n g a n d e r e r , ^ b e s o n d e r e d e r P o l i z e i . E s ist aiso nicht s o f o r t z u r S c h u ß w a f f e m i t m e i s t s c h w e r e r o d e r t ö d l i c h e r V e r l e t z u n g zu greifen; vorangehen sollten Warnung, D r o h u n g , leichte Gewalt, evtl. Blindschuß. L i e g e n m e h r e r e S d i u t z i n Ö g l i c h k e i t c n gleich n a h e ( o d e r gleich f e r u ) , so ist die z w e c k m ä ß i g s t e , n o t f a l l s m i l d e s t e , s c h o n e n d s t e , l e i c h t e s t e A r t zu b e v o r 2 U g i n . — cc) Die P e r s o n des N o t w e h r e r s verdient ebenfalls Berücksichtigung. W e r , , o h u e S c h i m p f sich d e m A n g r i f f durdh d i e F l u c h t e n t z i e h e n " ( H G . ) , d. h. i h m ' - ' ) V g l . auch R G . 5 5 , 8 2 .

) So O e t k e r 6. A. 4 3 1 . U1

in F e s t g . f . F r a n k I 3 6 0 ,

zustimmend

Ui

) W e l z e l 6 9 will h i e r A b s t u f u n g e n e i n t r e t e n l a s s e n .

Ki

) RG. 54, 199.

Frank 139,

Mayer Strafr. 256, LK

§ 18. Die einzelnen

Rechtfertigungsgründe

107

«jawei ) Ergreifend dargestellt in der Novelle Th. Stonns: Ein Bekenntnis (ein Arzt töte? seine eigene Frau und e r f ä h r t bald darauf ein Heilmittel). "') Das beliebte Thema wurde o f t monographisch behandelt. Vgl. die f-.it. in den Komm. u. Lehrb., außerdem C. Peicher Die SterbchUfe im S r a f r e c h t 1929 (Diss. Königsh.) and E- Botel Die Rechtmäßigkeit der Euthanasie 1934 (Diss. Erlangen). '") Erwogen anf der Tagung der I K V . (Mitt. 1933).

124

III. Das V e r b r e i t e n als Uurecbt

Forme!: rechtes Mittel zum rechten Zweck (oben § 13), bedarf dahei wie jene des w e i t e r e n Ausbaues. Mit Recht wurde von jeher der „notstandsähnliche Gesichtspunkt" (Frank), der dem juristischen G r u n d g e s e t z e n t s t a m m t , v o n der Rechtsprechung verwendet, so daß das zu wahrende Interesse wertvoller sein muß, als das verletzte Schutzinieresse an Währung de: Ehre. Daher- steht unter dem Schutz des § 193 auch das öffentliche Interesse m d gerade dieses, -während die Rspr. früher unbegreiflicherweise nur das eigene des Beleidigers und das ihn n a h e a n g e h e n d e Interesse Dritter für beachtlich hielt. Unter gleichem Schutz k ö n n e n Ä u ß e r u n g e n im engsten Familienkreis und w o h l auch Freundeskreis straflos s e i n 1 0 2 ) . 2. D i e s e l b e Vorschrift paßt auch für andere Tatbestände, w e n i g s t e n s reine A n g r i f f s d e l i k t e und vor allem Äußerungsdelikte. Die E n t w ü r f e stellen sie auch für Geheimnisverletzung auf. G e r e g e l t später in der RArzleO. v. 13.12. 35 § 13 und in R A p o t h e k e r O . v. 18. 4. 37: D i e Mitteilung eines B e r u f s g e h e i m n i s s e s ist rechtmäßig, w e n n sie zur Erfüllung einer rechtlichen oder sittlichen Pflicht oder zu berechtigtem Zweck erfolgt und das bedrohte Rechtsgut (!) überwiegt. D i e Vorschrift befriedigt nicht v ganz. Hier finden sich vermischt mit der F a s s u n g des § 193 die beiden" Sonderprinzipien des berechtigten Zwecks und der G ü t e r a b w ä g u n g ; es fehlt die Berechtigung des Mittels. Ferner sind konkrete Interessen oder Werte, nicht (abstrakte) Rechtsgiiter a b z u w ä g e n . R e c h t m ä ß i g i s t 7,B. d i e M i t t e i l u n g d e s A r z t e s an d i e E l t e r n e i n e s j u n g e n M ä d c h e n s , d a ß er dessen B r ä u t i g a m an s c h w e r e r v e n e r i s c h e r K r a n k h e i t b e h a n d l e , u m die Aufl ö s u n g d e r V e r l o b u n g zu e r w i r k e n ; R G . n a h m Iiier r e c h t s w i d r i g e G e h e i m n i s v e r l c t z u n g a n ' " ) . A u d i o h n e die zit. R ä r z t e O . war h i e r ein R e r h t f e r l i m i n g s g r u n d gesehen; w o l l t e m a n nicht d e n d a m a l s noch w e n i g b e k a n n t e n m a t e r i n l e n I T n r e c h t s b e p r : f f ocev d a s P r i n z i p de9 ü b e r g e s e t z l i c h e n N o t s t a n d s z u g r u n d e l e a e r . so h ä t t e m a n 5 a n a l o g a n w e n d e n s o l l e n . D i e S t r e i t f r a g e b e s t e h t noch j e t z t f ü r R e c h t s a n w ä l t e . Teilt ein V e r t e i d i g e r m i t , d a ß ihm ein f r e i g e s p r o c h e n e r A n g e k l a g t e r ein Ge:;trindn:ß a b g e l e g t h a t , d a e r n u r so v e r h ü t e t , d a ß w c s e n d e r s e l b e n T a t e i n Unschuldiger b e s t r a f t w i r d (weil d i e T a t n u r von e i n e m d i e s e r b e i d e n b e g a n g e n w e r d e n k o n n t e ) , so i s t d i e G e b e i r a n i s v e r l e t z u n g z u r W a h r u n g b e r e c h t i g t e r I n t e r e s s e n e r f o l g t , d a da« • s t a a t l i c h e I n t e r e s s e an N i e h t b e s t r a f u n g des lTrischii!digen n a t ü r l i c h ü b e r w i e g t .

3. Hierher gehören auch die meisten Fälle des sog. übergesetzVichen stands (oben A V).

Not-

V. Zurechtweisung Jugendlicher zur Ordnung bei grober tJngehörigkeit. D i e s e r Fall ist e i n e Sonderart von I V , e b e n s o wie III von II. 1. D a s v i e l e r ö r t e r t e P r o b l e m s o l l t e i n d i e s e r F a s s u o g f o r m u l i e r t w e r d e n , s t a t t in d e r ü b l i c h e n F o r m : Z ü c h t i g u n g f r e m d e r K i n d e r . A n e r k a n n t w i r d e i n R e c h t h i e r z u v e n e i n e r M e h r h e i t d e r O L G . u n d d e r L i t . 1 " ) , a b e r «u(& v o n z a h l reichen Untergerichtcn, soweit ersichtlich, mit sehr wechselnden B e g r ü n d u n g e n , wobei fast alle P r i n z i p i e n z u r A n w e n d u n g g e l a n g e n : allgemeines W o h l , ö f f e n t l i c h e s Int-eresse, berechtigter Zweck, G ü t e r a b w ä g u n g , übergesetzlicher N o t s t a n d , Hilfsdienst f ü r die V o l k s g e m e i n s c h a f t ; alle d i e s e bis j e t z t g e n a n n t e n G r ü n d e sind n u r S o n d e r g r u n d s ä t z * ' " ) Zu d e m g r o ß e o T h e m a d e s 5 1 9 3 vgl. n. a. auch m . A b b . i e t z u n g 1915 sowie d i e K o m m . " ' i E b e n s o F i n g e r G e h e i m n i s v e r l e t z c n g , V I X B . 8. 3 6 3 . " ' ) A u d i v o n rn. G r d l g . 3 9 7 Ii; v g l . d i e Ü b e r s i c h t 539 ff. g e g e n ü b e r 374.

bei

Die

LK. 369/70

Ehre

und

und

ihre

Voitz Z S u W

Ver

5«.

§ 10. Die einzelnen Rechtfertigungsgriinde

123

des Juristischen Grundgesetzes des G e m e i n w o h l s im R a h m e n der Gerechtigkeit A b s e i t s liegt die Ansicht, daß der Tatbestand der K ö r p e r v e r l e t z u n g f e h l e n soll 165 ), f r ü h e r war beliebt die b e q u e m e B e r u f u n g auf Geschäftsführung ohne A u f t r a g oder auf mutmaßliche Einwilligung de9 E r z i e h u r g s b c r e c h t i g i e n . L e t z t e r e B e g r ü n d u n g d ü r f t e selten den Tatsachen entsprechen; welche Eltern sollten wün.ichi-n, daß he. Hebige, unbekannte D r i t t e ihre Kinder bei Unart züchtigen? Eigenartig i=1, nach einigen 166 ) ein e n t g e g e n s t e h e n d e r Wille für den D r i t t e n nicht beachtlich sein soll, während er für den ungleich h o h e r b e r u f e n e n Arzt in der weit w i d i t i g c i c u und nur von ihm sachgemäß zu eni ichcidenden Frage der Zuliissigkeit einer Operation beachtlich sein soll. Das R G . und einige Schriftsteller'") haben mit leichterer Begründung ein Recht D r i t t e r abgelehnt.

2. E i n Z ü c h t i g u n g s r e c h t a l l g e m e i n ist n u r in e n g s t e n G r e n z e n a n z u e r k e n n e n , d a d a s k ö r p e r l i c h e Z ü c h t i g e n , d. h. ein P r ü g e l n u n d S c h l a g e n , k e i n t a u g l i c h e s E r z i e h u n g s m i t t e l d a r s t e l l t u n d als A b s c h r e c k u n g s m i t t e l nicht in g e h o b e n e K u l t u r s t u f e n u n d in d e n Z u s t a n d sittlicher R e i f e h i n e i n p a ß t . D a h e r s o l l t e schon d a s d e n L e h r e r n u n d selbst d a s d e n E l t e r n z u s t e h e n d e Z ü c h t i gungsrecht nur mit größter Vorsicht u r d Z u r ü c k h a l t u n g ausgeübt w e r d e n , da ein l e i c h t e s Z ü c h t i g e n nicht e r n s t g e n o m m e n w i r d , ein s c h w e r e s d a g e g e n o f t m a l s n a c h t e i l i g e F o l g e n f ü r die G e s u n d h e i t z e i t i g e n k a n n . F ü r D r i t t e sollte es d a h e r a n noch e n g e r e V o r a u s s e t z u n g e n g e k n ü p f t w e r d e n : a) I n e r s t e r L i n i e gibt es n u r e i n e Befugnis zur Zurechtweisung in Form eines Ordnungsrufs oder einer Ermahnung; b) e r s t w e n n d i e s e M i t t e l v e r s a g e n o d e r von vornherein wirkungslos erscheinen, darf eine maßvolle körperliche Züchtigung e r f o l g e n u n t e r f o l g e n d e n B e d i n g u n g e n : aa) gesundheitliche Schäden müssen außer dem Bereich der Möglichkeit l i e g e n ; b b ) sie m u ß sofort g e b o t e n sein als geeignetes M'.itel zur Erhaltung oder Wiederherstellung von Ordnung. Ruhe, Sicherheit, v o n n o r m a l e n V e r h ä l t n i s s e n im V e r k e h r , sei es in d e r Ö f f e n t l i c h k e i t , sei es im H a u s o d e r u n t e r N a c h b a r n o d e r z u r V e r h ü t u n g d e r Beschädigung von Personen oder der Beschädigung von Sachwerten kultureller o d e r n a t ü r l i c h e r A r t ( V e r k e h r s m i t t e l , P a r k a n l a g e n , B ä u m e n , T i e r e n usw.). cc) Als M a ß s t a b m u ß g e l t e n die Schwere der Ungehörigkeit u n d d e r Grad der Wiederholungsgefahr, dd) D a g e g e n ist m. E. k e i n G r u n d d a s V e r l a n g e n v o n P r i v a t p e r s o n e n o d e r auch w e i t e r e r K r e i s e , d e r sog Ö f f e n t l i c h k e i t , n a c h s o f o r t i g e r V e r g e l t u n g d e r U n g e h ö r i g k e i t ; d i e L y n c h j u s t i z ist k e i n R e c h t u n d begründet keine Rechte. Dahin Verbrechen und Tatbestand 40. "") V. Hippel II 255. Welze! Grdz. «2 (gegenüber 52, 81). '") Vgl. etwa RG rtl 191 sowie die Lebrb. von v. Liszt-Sihmidt. G e r U n d , feld, Köhler, Mezger; ferner Sieverts S u b j e k t i v e U n r e c h t s e l e m e n t e 1934. 205.

Wachen,

126

IV. Das Verbrechen als Schuld

4.

Abschnitt

Das Verbrechen als Schuld § 19. Das Wesen der Einzeltatschuld Das Verbrechen ist schuldhaftes Unrecht. Im folgenden ist die subjektive Seite zu betrachten, die das Strafrecht von allen anderen Gebieten des Rechts unterscheidet und seine enge Verwandtschaft mit der Ethik aufzeigt. Die Schuld ist es, die den Staaten erst Recht und Pflicht zu den denkbar schwersten Eingriffen in die Lebenskreise der Einzelmenschen gibt. Schuld ist ein sozialethischer Mangel und enthält den Vorwurf schwerer sozialerheblicher Pflichtverletzung. Es gibt zwei grundverschiedene Arten von Schuld: eine Erkenntnis, die den Forschungsergebnissen der neueren Kriminologie zu. verdanken ist und die sich auch in der Dogroatik und s Ibst schon in der Gesetzgebung (§ 20a) auszuwirken beginnt. Die Schuld bei der akuten Kriminalität stellt das eigentliche Wesen der Schuld dar; sie bezieht sich auf das einzelne Wollen und Wirken, die Einzeltat. Die Schuld bei der chronischen Kriminalität bezieht sich zwar nicht auf einen anderen, von jenem einzelnen Wollen und Wirken wesens verschiedenen Gegenstand, wohl aber auf eine Vielheit jener Einzeltaten, die' in ihrer Ver a bindung und Häufung doch eitien anders gearteten und sich anders entwickelnden Gegenstand bedeuten: sie ist chronische Willensrichtungs- und Tendenzschuld, chronische Lebenseinstellungsschuld, nicht unbedenklich genannt: Gesinnungs- und Charakterschuld. Ueber diese bisher wenig geklärte zweite Art ist gesondert in § 20 zu sprechen. Bisher behandelte man dieses wichtige, die Schwerkriminalität betreffende Thema unter den Gesichtspunkten der Strafbemessung und Strafschärfung; es ist aber die Strafvoraussetzung bei den Verbrechensmerkmalen aufzudecken, und diese kann nur bei der Schuld liegen. Es ist' die gleiche Problemlage wie bei Notwehr und Notstand; man begnügt sich nicht mehr mit der einstigen Erklärung durch Strafausschließungsgründe, sondern geht auf die eigentlichen Verbrechensmerkmale Unrecht und Schuld zurück. I. Aulbau der Schuld. Kriminalistische Kreationstheorie, d. h.; der ätiologische Schwerpunkt liegt im Schöpfungsakt des eigenen Willens des Täters, nicht in der Anlage und nicht in der Umwelt (oben § 12).

§ 19.

Das Wesen der Einzeltatschuld

127

1. Gegenstand der Schuld ist das Kraft- und Wertstreben eines Menschen, speziell sein Wollen; es setzt sich in dem Wirken (Handeln und Unterlassen) fort. Die einzelnen Entwicklungsstadien wurden oben § 12 III C aufgeführt: a) Der erste Anreiz in der Täterpersönlichkeit besteht bei einer bestimmten Umweltlage in einem Unlustgefühl, einem Geffihl des Mangels mit dem vielleicht noch unbestimmten Wunsch, es zu befriedigen und ein „Wertgefühl" zu erzeugen; Triebe und Instinkte herrschen vor. Hier liegt der Keim des Kriminalitätserregers. Seine drei Urformen lassen sich entsprechend den drei sich aus ihnen entwickelnden Grundtypen der Verbrechen kennzeichnen als Angriffs- und Schädigungswille (Zorn), Nutzungswille (Eigennutz zur Hebung der Not) und Genußwille (Leichtsinn, Gleichgültigkeit). b) Es erhebt sich nun ein Kampf der Motive und Gegenmotive. Motiv ist die „treibende" Kraft, die Triebkraft, der „Motor" im Kraft- und Wertstreben. Empfindungen und Vorstellungen treten mehr hervor; das Ergebnis des Für und Wider ist die Motivation: die drei Grundtypen (oben a) klären sich zur dritten Stufe. c) Beweggrund oder Leitmotiv ist die richtunggebende psychische Grundlage für die weiteren Stadien; der Täter rechtfertigt die geplante Tat vor sich selbst. Auch mehrere Beweggründe können auftreten und sich ergänzen. Soweit sich die Willensrichtung' auf einen Tatbestandserfolg hin klärt, tritt eine bestimmte Absicht auf (Zueigmings-, Bereicherungs-, Zerstörungs-, Schädigungsabsicht). Bei den reinen Triebdelikten bleibt es beim instinktiven Genießen. d) Entschluß zu einer Tat oder Vortat bei geeigneten Umwelt- -und Anlagebedingungen. Der freie, selbständige Wille „wählt", widersteht der Versuchung, folgt den hemmenden Vorstellungen, entscheidet sich, setzt sich durch, rafft sich auf, läßt sich nicht gehen, nimmt sich zusammen. Diese „Willensfreiheit" wird somit zugleich zum Verantwortlichkeitsbewußtsein; hier wird die Grundlage für Lob und Tadel, Lohn und Strafe "vom Täter geschaffen. e) Betätigungswille (Antrieb, Impuls) und Betätigungseignung bei entsprechender Sachlage lösen endlich die Tat aus; es gilt noch Hindernisse zu überwinden und passende Gelegenheiten zu suchen oder abzuwarten. Mit der Tat hat sich der Kriminalitätserreger durchgesetzt. Diese Etappe zu e wird in Theorie und Praxis meist übersehen. f) Von jetzt ab begleitet das sich noch beständig weiter entwickelnde Wollen die ausgelöste Tat (einschl. Unterlassung) in den einzelnen Stadien ihres Wirkens, bei der Vorbereitungs- und Ausführungshändlung, bei den Tatbestandshandlungen bis zum Erfolg. Die äußeren Umstände, die zum Handeln hinzutreten, werden bald mehr, bald weniger vom Wissen des Täters.uinfaßt. Hier setzt der Vorsatz ein; bei .seinem Fehlen kommt Fahrlässigkeit in Betracht. Das intellektuelle Moment tritt naturgemäß erst wäh-

IV,

128

D a s V e r b r e c h e n als

Schuld

rend der T a t stärker hervor, während mit ihr der Trieb in der der F ä l l e zurücktritt, ohne zu schwinden.

Mehrzahl

Zu a)—f): Dies der G r u n d t y p des planmäßigen, V o r b e d a c h t s - oder A b s i c h t s d e l i k t s . E s ist jenes Planen, wie es auch im gesunden sozialen L e b e n als das Normale und speziell als der Grundtyp des wirtschaftlichen Planens und S c h a f f e n s erscheint; es ist auch der normale Verlauf des Wollens und Wirkens im kriminellen L e b e n . Von diesem regelmäßigen Verlauf gibt es zahlreiche A b w e i c h u n g e n , bald w e i t e r e Verzweigungen und Verteilungen in Unterabschnitte und Z w i s c h e n a k t e , bald Zusammenlegung, Vereinigung, Ueberspringung einzelner Stadien. Vgl. im einzelnen oben § 15 IV: der e r s t e Anreiz enthält oft noch nicht d a s Ziel; dieses bildet und klärt sich erst allmählich, Nebenerfolge geben mitunter den Anstoß für ein M o t i v und für das Hauptmotiv; Stimmungen schlagen vielfach in ihr Gegenteil um und l a s s e n alsdann den Plan entstehen. In der Regel sind T r i e b e und G e f ü h l e bei d e r akuten Kriminalität das Primäre, Vorstellungen das S e k u n d ä r e . L e t z t e r e b l e i b e n vielfach aus oder verkümmern, wie bei den S c h w ä c h e - , T r i e b - , Notdelikten, bei den Zufallsdelikten (Fahrlässigkeit, Unterlassung), den G e w a l t t a t e n im A f f e k t und bei ausgesprochenen Gelegenheiistaten. aa) Bei A f f e k t e n fehlen die Motive und G e g e n m o t i v e , der Beweggrund, das Heranreifen des E n t s c h l u s s e s ; sie sind pathologisch, wenn sie durch Gegenvorstellungen nicht m e h r ' a b w e n d b a r sind, z. B . als S e e l e n s t ü r m e und Gemütsaufwallungen im Zorn oder in Rauschzuständen auftreten, S i e liegen oft schon an der Grenze zwischen Kriminalität und G e i s t e s s t ö r u n g ; entscheidend für e r s t e r e ist die S e l b s t bestimmung durch vernünftige Erwägungen (RG. 63, 48; 67, 149). Kein Kriterium allein ist die Willensfreiheit; denn die Selbstbestimmung kann erfolgen durch krankh a f t e Empfindungen, Vorstellungen und G e f ü h l e oder im k r a n k h a f t e n M o t i v a t i o n s w e g e . An der Grenze der Zurechnungsfähigkeit stehen oft hysterische A f f e k t e , p e r v e r s e Unzuchtsdelikte, bb) Auch bei s t a r k e n Umwelteinflüssen, wie bei Z u f a l l s und reinen G e l e g e n h e i t s d e l i k l e n , i.n starker Not oder unter zwingender Wirts c h a f t s l a g e , fehlt oft der Motivationsprozeß, das Heranreifen des E n t s c h l u s s e s , die Entwicklung des Betätigungswillens, und gleitet der T ä t e r alsbald zur Ausführungshandlung hin. S o schwächt sich mitunter der normale Lauf akuter Kriminalität nach mehrfachen Richtungen bedeutend ab. Die s t ä r k s t e Variante besteht allerdings bei der chronischen Kriminalität, so daß dort eine heue S c h u l d w e s e n s a r t erscheint. Hierüber unten § 20. U e b e r das Wesen der Willensfreiheit vgl. Bedeutung des W o r t e s Willen vgl. § 12 IV 3.

oben

§

12 I;

über

die

verschiedene

2. Maßstab der S c h u l d ist der gleiche wie auf der objektiven Seite des Verbrechens: formal die Mißbilligung durch d a s Recht, material die Sozialgefährlichkeit und Sozialschädlichkeit, speziell für das Wollen d i e sozialethische Verwerflichkeit („Unerträglichkeit"), worin der rechtliche und moralische Schuldvorwurf besteht. Der modernen soziologischen und kriminologischen Forschung haben wir die Einsicht zu verdanken, daß den objektiven Unrechtstypen, u n d zwar d e n Grundtatbeständen, auch besondere sozialethische Schuldtypen entsprechen; der materiale Schuldbegriff begnügt sich nicht mit d e r Formel eines Schuldvorwurfs oder Schuldurteils, worin sich die bisherigen Schulddefinitionen zu erschöpfen pflegten, sondern forscht unentwegt nach den Gründen, Motiven, Untugenden, um bis zum Kern des Kriminalitätserregers vorzustoßen.

§ 19.

Das Wesen der Einzeltatschuld

129

1

a) Der Kriminalitätserreger ) ist seinem psychologischen Wesen nach ein Trieb, aus dem sich jenes Kraft- und Wertstreben entwickelt, das auf Befriedigung des Triebs, nämlich auf Behebung des Unilustgefühls und Erzeugung eines entsprechenden Wertgefühls gerichtet ist: auf erhöhte Kraft, gesteigertes Wohlleben, Unterdrückung gegnerischer Werte, Schädigung oder Gefährdung des Gemeinwohls auf Kosten unberechtigter eigener Interessen. Er trägt in sich die sozialpathologische Tendenz zur Schädigung des Volkskörpers, wie der Krankheitsbazillus die individualpathologische Tendenz zur Schädigung des natürlichen Organismus. Insofern besitzt der Kriminalitätserreger nicht nur psycho-, sondern auch soziologischen und sozialethisch-strafrechtlichen Charakter. b) Jener Trieb ist seiner Natur nach chronisch-grassierend (sich beständig aus sich selbst erneuernd) angelegt, wie seine große Antipode ewig ist: die regulative Idee der Sittlichkeit, der Humanität, der Kultur. Der Kulturschöpfer ist d a s Sinnbild der ewigen Aufgabe zum Guten und Vollkommenen, die nie voll und ganz gelöst werden kann; der "Kriminalitätserreger ist das Sinnbild der Tendenz zum Bösen und zum sozialen Niedergang. Wie die Ideen der Sittlichkeit und der Kultur gegenüber allen besonderen ethischen und sittlichen Normen gedacht werden müssen, so ist auch der Kriminalitätserreger eine für die Kriminologie und die reine Strafrechtslehre unentbehrliche wissenschaftliche Größe, wenn überhaupt Verbrechen und Strafe exaktwissenschaftlich behandelt werden sollen. Denn dieser Begriff enthüllt die in der Persönlichkeit wurzelnde, nicht ausschließlich durch Anlage oder Umwelt bedingte Ursache des ,,freien" Willensentschlusses und löst den Gegensatz von Kausalität und Willensfreiheit auf. c). Der Kriminalitätserreger enthält die Keime zu den chronisch wirkenden, über sich selbst hinauswachsenden drei psychischen Tendenzen zu den Hauptdeliktsgruppen: Schädigungsund Angriffswille, Nutzungswille, Genußwille; als Motive: Zorn im Affekt, Eigennutz zur Behebung von Mangel und Not, Leichtsinn oder Gleichgültigkeit gegenüber fremden Werten. Diese drei Willensstrebungen entfalten sich zu drei verschiedenen Gruppen von kriminellen Untugenden, den Antipoden von ethischen Tugendpflichten, wie sie bei näherem Zusehen den gesetzlichen Tatbeständen zugrunde liegen, also dem Gesetzgeber vorgeschwebt haben müssen 2 ). Eine 'Uebereicht über die gegenwärtigen kriminologischen Forschungsergebnisse wurde oben in der Tafel der Verbrechens- und Verbrechertypen § 11 gegeben. Die materiale Schuldidee fordert aber zu immer weiteren, tiefer eindringenden Forschungen heraus. Wie die Menschenseele überhaupt, ist auch die Verbrecherseele unergründlich: stets neue Aufgaben. Vgl. über den chronischen Zug § 201. 1) Erstmalig von mir aufgestellt in KrimSoz. § 68; außerdem dargelegt in meinen Gutachten für den Römischen Kongreß für Kriminologie 1937 (Strafrechtserneuerung H. 8 1938). 2) Wertvolles Tatsachenmaterial hierzu hat gesammelt Bernhard Heimann Der Betrug der Vorbestraften, Diss. Münster 1942. Daselbst auch Untersuchungen über die Früh kriminellen und die Rückfallsgeschwindigkeit. Sauer,

Strafrecht

9

130

IV. Das Verbrechen als Schuld

3. Schuld ist demnach formal das die unrechtmäßige Handlung oder Unterlassung erzeugende und begleitende, sozialethisch verwerfliche fi\eie Wollen trotz Kenntnis oder Kennensollens des Unrechts; material die freie Willensbetätigung der den Tatbeistandstypen zugrunde liegenden kriminellen Untugenden (der sozialethischen Pflichtwidrigkeiten) trotz Kenntnis oder Kennensollens de$ Unrechts. In diesen Definitionen sind die der Schuld wesentlichen gesetzlichen Merkmale enthalten: Zurechnungsfähigkeit (Willensfreiheit), Vorsatz (Kenntnis des Unrechts), Fahrlässigkeit (Nicht kenntnis bei Kennensollen), 4. Die gesetzlichen Schuldmerkmale gruppieren sich wie folgt, und haben eine verschiedene Beideutung für das Wesen der Schuld, was leicht übersehen wird; a) Schuld-Elemente oder psychische Begleitumstände der Schuld: Voratz und Fahrlässigkeit. Diese tragen also nicht selbst in sich den Schuldcharakter. Es ist daher mißverständlich, Vorsatz und Fahrlässigkeit als Schuldformen oder gar als Schuldarten zu bezeichnen; sie sind nur wesentliche Bestandteile der Schuld. Nicht Vorsatz ist Schuld, nicht Kenntnis des Unrechts ist Schuld; Schuld ist vielmehr sozialethisch verwerfliches (usw.) Wollen trotz Kenntnis des Unrechts. Einwandfrei sagen kann man auch, wenn man durchaus den Schuld- (und Willens-) Charakter des Vorsatzes vertreten möchte, was allerdings leicht mißzuverstehen und daher besser zu vermeiden ist: Vorsätzliches Handeln (!) oder vorsätzliches Wollen und Wirken ist eine Art der Schuld. 1— Aus dieser Auffassung des Vorsatzes als Kenntnis des Unrechts folgt, daß der Irrtum die negative Kehrseite des Vorsatzes ist. Irrtum ist kein Schuldausschließungsgrund, wie die bisher h. M, sagt, sondern nur ein Ausschluß des Vorsatzes; alsdann kann entweder Fahrlässigkeit in Betracht kommen oder die Tat schuldfrei bleiben. b) Reine Schtildtypen. Hierüber unten §§ 23/4. In dieser Gruppe der gesetzlichen Merkmale kommt im Gegensatz zur vorigen der Schuldgedanke selbst irgendwie zum Ausdruck 3 ), sei es auch nur in eineim Ausschnitt, Diese Merkmale sind daher nicht bloße Elemente (Bestandteile) des Schuldbegriffs, sondern dessen Vertypungen, wie die Tatbestände und Rechtfertigungsgründe typische Gestaltunigen des Unrechts sind. Während es nur diese zwei Arten von Unrechtstypen gibt, weist die Schuld deren fünf auf: aa) Schuldvoramietzungen, z. B. Zurechnungsfähigkeit; bb) Schuldschärfungsgründe, z. B. bei den uneigentlichen Amtsdelikten; cc) Schuldmilderungsgründe, z. B. Verwandtschaft § 217; dd) Schuldausschließungsgründe, z. B. Notwehrexzeß, strafrechtlicher Notstand; ee) endlich eine umstrittene Gruppe: Schuldaufhebungsgründe, z, B. Rücktritt vom Versuch, tätige Reue._ Diese Gruppierung besitzt Erkenntniswiart; so werden die drei mittleren Arten (bb, oc, dd) erheblich für § 50. Eine Schuldaufhebung, die für die Strafzumessung und für die Kriminalpolitik von besonderer Bedeutung 3) Insofern haben die Neueren (Gf. Dohna, Welzel, v. Weber) richtig gesehen, wenn sie die Zurechnungsfähigkeit, nicht aber den Vorsatz zur Schuld rechnen.

131

§ 19, D a s Wesen der Einzeltatschuld

wird, ist für das Wesen der Schuld, die einen großen Willens- und Wirkungszusammenhang bildet, ungemein aufschlußreich, c) Gemischte Schuldtypen; diese stellen zugleich typische Ausprägungen des Unrechts dar, sie üSerhöhen sowohl die objektive wie die subjektive Seite des Verbrechens. Das sind die umstrittenen sog. subjektiven Unrechtsund die objektiven Schuldelemente. Hierüber unten § 24 a. E. Drei Unterarten kommen in Betracht: aa) Typische Ausprägungen von Merkmalen der Schuldentwicklung: Absichten, Motive; bb) Typen für die subjektive Gefährlichkeit (chronische Schuldtypen): Rückfall, Gewohnheits- und Gewerbsmäßigkeit; cc) Persönliche Eigenschaften und Verhältnisse (§ 50), z, B. Beamte und Soldaten. 5,

Stand

der

Ansicbtcn4),

Der Schuldbegriff hat sich erst spät von dem Kausalitätsbegriff völlig gelöst. Eine primitive Ansichtä) sah in der Schuld nichts weiter als den Oberbegriff von Vorsatz und Fahrlässigkeit, wie sie noch jetzt im Privatrecht u. z. d o r t unbedenklich vertreten wird. Als die Schuld in ihrer Sonderbedeutung als Gegensatz zur Handlung und Kausalität einerseits, zur Rechtswidrigkeit anderseits e r k a n n t wurde, faßte man sie zuerst rein psychologisch als subjektive Beziehung des T ä t e r s zur Handlung (Wissen und Wollen), so noch v. Lisztß), später ebenso einseitig rein normativ als Schuldurteil, als Vorwurf, so F r a n k , der aber zuerst (in G i e ß e n e r F e s t schrift 1907) betonte, daß der Schuldbegriff auch die Zurechnungsfähigkeit sowie das Fehlen von- Entschuldigungsgründen umfassen müsse. W i e bei d e r Kausalität haben sich auch hier als einseitig und unzureichend herausgestellt die psychologischnatürliche sowie die logisch-normative Betrachtung; die Schuld muß b e i d e n Aufgaben genügen. Diesem Erfordernis genügt zwar die Motivationstheorie (M. E . Mayer)'): Schuld sei fehlerhafte Motivation; sie bleibt aber rein formal, paßt a u c h weder für die Fahrlässigkeit noch für die chronische Kriminalität, vgl. § 21 II 3. Dem LisztKreis ist jedoch zu verdanken, daß man neben dem umfassenderen f o r m a l e n Begriff nach einem materialen forschte; während man diese bisher aber nur als Parallele zur materialen Rechtswidrigkeit aufstellen zu dürfen glaubte (so n o c h m. Grdlg. § 20), führte erst die neuere Kriminologie auf den Weg zur S o z i a l e t h i k (wohl zuerst m. KrimSoz. § 68)8) und auf die Suche nach einem spezifischen Kriminalitätserreger. Einen dritten Gegensatz b r a c h t e die Auffassung der Schuld n i c h t (oder nicht nur) als Tatschuld, sondern (auch) als Charakterschuld: sie wurde b e s t i m m t als antisoziale oder asoziale Gesinnung. S e i t T e s a r und Kollmann»] wurde das Verbrechen nur also Symptom einer solchen Gesinnung angesehen, womit sich d a s EinzeltatStrafrecht verflüchtigt und die T a t b e s t ä n d e des Besonderen Teils nur n o c h als Beispiele aufgefaßt zu werden brauchen. In ähnlichen Bahnen bewegen sich neuere Ansichten: die Schuld als Gesinnungsverfall (E. Wolf Strafrechtl. S c h u l d l e h r e I 1928), als Lebensführungsschuld (Mezger Grdr. 3. A . 84)10), als Lebensentscheidungsschuld (Bockelmann Studien zum T ä t e r s t r a f r e c h t 1939/40). Demgegenüber halten andere noch streng an der formalen Tatschuld fest (LK. 6. A . : Schuld als Handlungswille, Welzel etwas weiter material: als unrichtige sinnvolle Wertentscheidung). Endlich lassen die zahlreichen Bestrebungen, zu einem neuen „ W i l l e n s s t r a f r e c h t " o d e r „ T ä t e r s t r a f r e c h t " zu gelangen, ihrem Sinne nach auf die Suche nach e i n e m materialen 4) Aeltere gute Uebersicht von O. B e r g Abh. H. 220 (1927). 5) Binding Grdr. 115, Allfeld § 31, v. Hippel II 275. 6) Bis zur 24. Aufl. ?) Lehrb. 241, 249/50. 8) Aehnlich Anossow MonSchr. 22, 1931, 537. 9) Vgl. Grdlg. 568. •11) und ZS'trW. 57, 688. 9*

132

IV. Das Verbrechen als Schuld Schuldbegriff schließen. Abseits stehen diejenigen, die das Gebiet der Schuld ( = antwortung) durch Ausscheiden des Vorsatzes stark beschränken!!).

Ver-

II, Funktion und Ausbau. 1. Der Schuldbegriff dient vor allem der Vertiefung und Verinnerlichung .des Strafrechts und speziell der Strafvoraussetzungen. Unter dem Ruf „Abkehr vom Erfolgsstrafrecht und Hinwendung zum reinen Willensstrafrecht" stand die allerdings z. T. über das Ziel hinausschießende letzte Reform (1933), während wir ein gemäßigteres, aber vom Schuldgedanken getragenes „Gefährdungsstrafrecht" empfehlen (oben § 7). Erforderlich ist alsdann vor allem eine Ausgestaltung des materialen Schuldbegriffs. "Er führt zu einer schon früher von der deutschen Klassik und aus anderen Gründen erstrebten „Ethisierung des Strafrechts"; so hat auch der Kriminalitätserreger sozialethische Funktion (oben I 2 c), 2, Der formale wie der materiale Schuldbegriff sollen beherrschen die richterliche Strafbeme>ssung, auch den Strafvollzug insofern, als die Einwirkung auf die Psyche des Gefangenen eine verfeinerte Kenntnis der Schuld voraussetzt. Die Schuld ist die Voraussetzung der Sühnefunktion der Strafe; an sie hat auch jede Erziehung anzuknüpfen, d. i. die Ausmerzung des Kriminalitätserregers (I 2 a). 3, Bei der Ermittlung der Strafvoraussetzungen bat jedoch der Richter die Schuld als solche ebensowenig ausdrücklich festzustellen, wie die (materiale) Rechtswidrigkeit. Es genügt vielmehr und ist anderseits erforderlich die Feststellung der gesetzlichen Schuldmerkmale, insbesondere Vorsatz und Fahrlässigkeit, während die Zurechnungsfähigkeit nur insoweit geprüft und urteilsmäßig festgestellt werden muß, als bisher Zweifel über ihr tatsächliches Vorliegen auftauchten. Das Gleiche gilt von den anderen Schuldtypen, insbesondere den Entschuldigungsgründen; die prozeßuale Rechtslage ist dieselbe wie bei den Rechtfertigungsgründen. Im Zweifel hat also Freisprechung zu erfolgen 12 ). 4. Die erhöhte Betonung des Schuldprinzips führte vielfach zu subjektivistischen Lösungen mancher dogmatischer Streitfragen, so zur (teilweise sogar gesetzlichen) Anerkennung der bisher bestrittenen subjektiven Theorie in der Versuchs- und Teilnahmelehre Hier ist Vorsicht geboten, da die Wissenschaft in erster Linie nach objektiven, leichter erfaßbaren und sicherer festzustellenden Merkmalen ausgehen muß. Auch das viel verlangte Täterstratrecht folgt nicht notwendig aus dem stärkeren Betonen des Schuldprinzips; dieses kann sich voll wirksam (allein oder vorwiegend) im Einzeltat-Strafrecht geltend machen. l ! J S, oben zu 4b bei N. 3. So bleibt nach v. W e b e r für die Schuld nur die Zurechnungsfähigkeit nebst dem Fehlen der Entschuldigungsgründe (Rechtsirrtum, Notstand usw.). Maurach (1948) will sogar Schuld und Verantwortung unterscheiden, womit das System immer komplizierter wird. 12) Unbegreiflicherweise völlig verkannt von LK. 6. A. (vgl. oben bei den Rechtfertigungsgründen S . 53, 54 bei Anm. 13).

§ 20.

Chronische Tendenzschuld

133

5. Sehr wichtig ist die durch das Schuldprinzip ermöglichte, noch längst nicht abgeschlossene Gewinnung von Täter-, Verbrechertypen (s. oben § 11) sowie der Erkenntnis der chronischen Kriminalität (s. sofort § 20), Nur einige Erscheinungsformen,, die der Erweiterung bedürfen, sind die §§ 20a, 42e, bis 1946 42k. Für die Kriminologie und die Kriminalpolitik ist der Schuldbegriff von weitesttragender Bedeutung. 6, Der materiale Schuldbegriff ermöglicht die Aufstellung von Schuldgraden und Abstufungen nach der verschiedensten Richtung. Die Typen oben I 4 c bedürfen der Erweiterung. Fraglich ist aber, ob es gelingen wird, durch sie die Tatbestände über die Verfeinerung und Verinnerlichung hinaus, die schon jetzt erfolgt sind, auch zu ersetzen oder auch nur zurückzudrängen. Die objektiven Merkmale erfüllen besser ihre Funktion, als so unbestimmte Begriffe wie Arglist, Böswilligkeit, Mutwillen usw.13). Für die richterliche Feststellung der Strafvoraussetzungen ist auch wichtiger, was in der Außenwelt geschieht, als was im Innenleben des Täters sich beim Kampf der Motive abspielt. Die Ethisierung darf nicht zu einem Motivenstrafrecht führen, Wohl aber geben die Motive die Grade der moralischen Verwerflichkeit an, wie sie (allerdings nicht sie allein) für die Strafbemessung erheblich sind. So ist im Gegensatz zu der populären Anschauung regelmäßig (!) der vorwiegend 'auf Not beruhende Diebstahl leichter zu bewerten als Betrug und Urkundenfälschung (Täuschung, Lüge, Verkehrsunsicherheit !), leichter als Unterschlagung (Verrat, Vertrauensbruch!), ungleich leichter als Hehlerei und die anderen Ausbeutungsdelikte. Leichter als die Nutzdelikte wiegen m, E. regelmäßig (!) ihrem Grundtyp nach die Trieb- und Notdelikte, vor allem die weitaus meisten Angriffsdelikte. III. J e d e Schuld ist nach dem Willensstrafrecht S c h u l d der Einzelperson; es gibt keine Verbrechen von Verbandspersonen. Vgl. unten § 20 V . Eine beschränkte Ausnähme führte die B r i t . Mil. Reg. 1945 VO Nr. 1 ein. Nach A r t 4 sind Gesamtgeldstrafen zulässig' gegen Gemeindevertreter bei Feststellung von Gesamtverantwortlichkeit (einer erheblichen Zahl der Einwohner). Hier dürfte es sich in Wahrheit nicht um echte Strafe, sondern um eine strafähnliche Maßnahme (Geldbuße) handeln.

§ 20.

Chronische Tendenzschuld

Ueber diese zweite Art von Schuld vgl. ob|en § 19 Vorbem. vor I, Gesetzliche Gestalt unzulänglicher, aber im ganzen annehmbarer Art bat sie in den §§ 20a, 42e, (bis 1946) 42 k gefunden. Ihnen gilt es eine kriminologische Grundlage und sinnvolle Auslegung zu geben, soll die Regelung nicht allzu willkürlich und äußerlich erscheinen. Aber auch ohne diese Bestimmungen bedarf das Thema der dogmatischen Behandlung, da die kriminellen Tatsachen des modernen Lebens es erfordern. 13) Ihre Definition kann auch nur im Zusammenhang mit dem jeweiligen Tatbestand, in dem sie erscheinen, erfolgen. Sie aus ihrer eigenen Natur erklären zu wollen, ist müßig und würde über Umschreibungen nicht hinausführen. Vgl. unten § 24.

134

IV.

Das Verbrechen als Schuld

L Aufbau der chronischen Schuld, Tendenz- oder Neigungs- oder Willensrichtungs- oder Lebenseinstellungsschuld (oder allenfalls Lebensgewöhnungsschuld) — alles geeignete Ausdrücke, während leicht mißverständlich ist, von Charakter- oder Gesinnungsschuld zu sprechen: die Potenzen allein reichen nicht aus; zu ihnen müssen noch die (aktiven) Tendenzen treten. 1. Entwicklung und Gestalt sind die gleichen wie bei der Einzeltatschuld. Die Tendenzschuld ist kein Gegensatz zu ihr, sondern eine Abart, eine Sondererscheinung. Sie ist zunächst wie jene entstanden. Wenn der Täter aber gleiche oder ähnliche Taten in größerer Zahl begangon hat, so braucht er später nicht mehr die einzelnen Stadien zu durchlaufen, sondern knüpft gleich einem erfahrenen Kaufmann, Arzt oder Richter an seine eigene Lebenserfahrung, Gewöhnung und Routine an. Entweder wiederholt er den Entwicklungsprozeß in abgekürzter und beschleunigter Weise unter Ueberspringung der einzelnen Zwischenstufen, oder er benutzt den ihm vertrauten Gang als Schema, Typ und Richtschnur, von dem er nur insoweit abweicht, als neue Umweltlagen es erfordern. Nur selten kommt es noch zum Kampf der Motive; Gegenmotive bleiben aus, und das alte Leitmotiv wirkt weiter. Ein besonderer Betätigungswille (Impuls, Antrieb) erübrigt sich, da die Gelegenheit meist schon abgewartet oder aufgesucht wurde, so daß Widerstände und Hemmungen nicht entstehen. Der Kriminalitätserreger von einst ist wieder am Werke und ersetzt jene ausgefallenen Stationen, stellt sich bei jeder günstigen Gelegenheit ein und löst sofort den Tatentschluß und die Tat aus. Die allmählichen Entwicklungsprozesse von einst sind zu festen Bindungen und Potenzen, gleichsam zu Strängen im Charakter geworden, die wie ein krankhaftes Zellengewebe zu dauernden Tendenzen und Richtungen erstarken, das Gesunde überwuchern und schließlich den gesamten Organismus beherrschen. Von dem Grundmotiv des Kriminalitätserregers bis zür Tat verkürzen sich die Schritte immer mehr, so daß schließlich unmittelbar auf den Anreiz die Tat folgt. Eine schwere Lungentuberkulose mag sich auf Grund einer akuten Lungenentzündung erst allmählich entwickelt haben; in den späteren Stadien bedarf es nur eines geringfügigen äußeren Anlasses, um sofort das Fieber wieder zu entfachln, das schließlich überhaupt nicht mehr weicht, und der Arzt sieht nur noch den Krankheitsherd, der sich beständig erweitert. Aehnlich ist der Jurist geneigt, eine beharrliche Gesinnungsart oder Charaktereigenschaft als unmittelbare Ursache der Tat zu erkennen; in Wahrheit liegen ihr zahlreiche gleichartige Kraft- und Wertstrebungen zugrunde, die sich infolge der Zähigkeit des Kriminalitätserregers zu einer konstanten psychischen Größe verdichtet haben. Aber auch diese ist in beständigem Wechsel, nimmt neue Tendenzen auf und stößt alte von sich ab. 2, Auch der Maßstab akuten Einzeltatschuld.

und die Bewertung Für eine exakte,

sind die gleichen wie bei der gewissenhafte Würdigung des

§ 20.

Chronische

Tendenzschuld.

135

vermeintlichen Charakterzustandes ist erforderlich, daß die einzelnen, sicher erkennbaren Strebungen, unter denen sich zumeist solche von verschiedenem objektivem Werte befinden, einzeln gewürdigt werden, so daß zu einem bestimmten Zeitpunkt die Schlußabrechnung stattfinden kann. Alsdann erscheint allerdings ein neues Objekt gleich dem Saldovortrag: die Gesamttendenz. Sie ist aber nicht ein unmittelbarer Lebensvorgang, sondern ein konstruktives Erzeugnis: die Diagonale im Parallelogramm der Kräfte. 3. So ergibt sich ein wesenhafter Grundstock der chronischen Potenzund Tendenzschuld: eine konstantere, sich in zahlreichen Wiederholungen äußernde Willensrichtung (Eignung und Neigung), in der der Kriminalitätserreger wirkt und immer mehr erstarkt. Die bloß zahlenmäßige Wiederholung ist äußerlich: §§ 244, 264 sprechen vom dritten Rückfall; von der Kriminalistik wird gruppiert nach den einfach, mehrmals, mehr als viermal Vorbestraften. Aber auch vielmalige Begehung kann nur auf akuter Kriminalität beruhen, wie die sog. bunten Vorstrafenlisten zeigen (z. B . zwei Diebstähle, Unzucht, Sachbeschädigung, Fahrlässigkeit, Bedrohung, üble Nachrede). Auch die subakute Kriminalität gehört nicht zur chronischen, z. B. die auf gleicher Umweltlage (z. B. Gastwirtsbesuch, Nachbaretreit) oder auf gleichen anlagebedingten Affekten (Alkoholgenuß) beruhende Häufung etwa von Roheitsdelikten. Typisch für die chronische Natur ist ein konstant, einheitlich zielstrebig, von innen heraus (endogen) sich entwickelnder Willensund Wirkungszusammenhang: hochkriminelle Neigung und Eignung, entsprechende Haltung, Lebenseinstellung und Betätigung. 4. Die chronische Tendenzschuld ist eine sekundäre Form teiner Mehrheit von Einzeltatschuld: der Täter hat Eigenschaften (Potenzen und Tendenzen) erworben, die er teils bei nötiger und möglicher Widerstandskraft nicht anzunehmen brauchte, teils (wenn er zu dieser Abwehr nicht imstande war) von sich später abstoßen konnte; überall lag hier materiale Schuld vor, die sich zur subjektiven Gefährlichkeit verdichtete und erhärtete. Eine spätere neue Tat von ähnlicher deliktischer Art ist daher eine sekundäre Erscheinung früherer akuter' Schuldfälle und ein jetziger Ausfluß chronischer Tendenzschuld. Hiermit erledigt sich das umstrittene Problem, ob und wieso es möglich ist, den Schuldvorwurf in der Gefährlichkeit zu erblicken, also auf Zukünftiges zu beziehen 14 ). Die ohjektive Gefährlichkeit gehört natürlich nicht zur Schuld. II. Intensitätstypen der chronischen

Tendenzschuld 13 ).

Während bei der akuten Einzeltatschuld ein Normaltyp, das planmäßige Delikt (Absichtsdelikt) mit graduellen Abschwächungen je nach dem ! " ) Vgl. Lit. z. § 20a, bes. Olshausen-Niethammer § 20a N. B 7c, Bockelmann Stud. z. Täterstrafr. 44 ff., Gallas ZStrW. 60, 378, Lange ebda. 62, 203, 205, 199 (der Kern der Schuld bestehe in der Unterlassung, nicht das aus sich gemacht zu haben, was möglich gewesen wäre). Aehnlich dem T e x t Rietzsch Dringende Fragen der Sicherungsverwahrung 1938, 50. 15) Vgl. des Näheren: Kriminologie § 15.

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IV. Das Verbrechen als Schuld

Grad der Anlage- und Umwelteinflüsse zu erkennen war (einfache Gelegenheits-, Affekt-, bloße Zufallsdelikte), ergibt sich für die chronische Tendenzschuld umgekehrt von dem soeben beschriebenen Grundstock aus eine Reihe gradueller Steigerungen: auf gleicher oder verwandter Bahn erstarkt der Kriminalitätserreger immer mehr und zieht um sich gleich den Jahresringen des Baumes immer weitere Ringe in der kriminellen Psyche, 1. Vorstufe; Einfache gleichartige Tendenzschuld, chronische Willensrichtungsund Lebenseinstellungsschuld, Tendenzschuld ersten Grades. Dieses Stadium, entsprechend dem Grundstock der chronischen Kriminalität, ähnelt noch am meisten der akuten und subakuten Häufungskriminalität. Kennzeichnend ist eine moralische Kristenhöhet (im Gegensatz zum moralischen Verfall der folgenden Stadien zu 2); von hier ist bei günstiger Umwelt noch ein Einhalt im kriminellen Lauf, im endogenen Prozeß möglich. >a) Leichteste Form ist der bloße Rückfall des gleichen Delikts oder nahe beieinander liegender Tatbestände, Diebstahl, Raub, Betrug, Hehlerei usw. Die gesetzlichen Tatbestände dieser sog. einfachen, zahlenmäßigen Rückfallschärfungen, §§ 244, 250, 260, 264 usw., enthalten eine nicht immer glückliche Zusammenstellung und zahlenmäßige Beschränkung. Das Entscheidende ist: Der Täter hat sich an einen Deliktstyp gewöhnt und wiederholt ein hierher gehöriges Delikt. b) Artverwandter Rückfall: der Täter bleibt innerhalb der gleichen Gruppe der Tatbestandstypen oder wechselt einmal in Nachbargruppen (vgl. Tafel A oben § 11) hinüber. Beispiele: Diebstahl, Wilderei, Betteln, Raub, Erpressung, Hehlerei. Oder: Körperverletzung, Bedrohung, Beleidigung, Widerstand, Hausfriedensbruch, vielleicht a-uch mit Notzucht oder Einbruchsdiebstahl oder Brandstiftung oder Sachbeschädigung. Wesentlich ist ein Zusammenhalt der Delikte durch gleichartige, auf gleicher oder verwandter krimineller Untugend beruhende Willensrichtung, Tendenz, Lebenseinstellung. Hier ist der Kriminalitätserreger wieder stärker am Werk und zieht weitere Ringe; die Umwelteinflüsse wie die bloße Gewöhnung treten an Bedeutung zurück. 2. Habituelle Tendenzschuld: dauernde Willensrichtungs- und Willenshaltungsschuld, Kriminalität aus Hang. Hier hat der Kriminalitätserreger mit allen seinen drei Wurzeln weite Kreise der Persönlichkeit ergriffen; bezeichnend ist ein zunehmender moralischer Verfall. Die Kurven verlaufen ziemlich flach und gleichmäßig ohne die für die akuten Stadien bezeichnenden plötzlichen Wechsel und Spitzen. Die Rückfallsintervalle verkürzen sich. Dafür nimmt der Kreis der Delikte größeren Umfang und stärkere Verschiedenheit an. Der Täter wechselt oft in fremdartige Gruppen hinüber; er zeigt seine Routine auch auf neuen Gebieten. a) Gesteigerte Gewöhnungs- und Hangschuld, Trieb- und Schwächeischuld; das sind die Gewohnheitsverbrecher i. e. S.: keine Gewöhnung an bestimmte Delikte oder Deiiktsgruppen, sondern Hang zur Kriminalität überhaupt. Der Kriminalitätserreger verästelt sich nach iallen Richtungen, Aber die Krimi-

§ 20.

Chronische

Tendenzschuld

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nalität entwickelt sich langsam und schleichend, „streng chronisch". Der Verbrecher reift allmählich heran, noch etwas stärker von Umwelteinflüssen abhängig, und wird erst verhältnismäßig spät fertig (im Gegensatz zu den häufigen Fällen der Frühreife zu unten b), erhält sich dafür aber gern umso zäher bis ins höhere Alter. Hierher gehören vor allem die Not- und Schwächedelikte: Diebstahl, Betteln, Landstreichen, Unzucht, auch Betrug, Unterschlagung, Hehlerei, Zuhälterei, Glücksspiel, Geld- und Urkundenfälschung. Die gesetzlichen Fälle der Gewohnheitsmäßigkeit (vgl. oben § 14 III 2b) sind nur einige willkürliche Beispiele. b) Gesteigerte Energie- und Zielstrebigkeitsschuld; das sind die gewerbsmäßigen und speziell weiter gesteigert die berufsmäßigen Verbrecher: stärkere Intensität und Zweckbewußtheit; Absichts-, Vorbedachts-, planmäßige Delikte, streng chronisch auftretend. Die Kurven steigen schnell und steil an, oft rapide und galoppierend, und halten sich auf ansehnlicher Höhe. Umwelt- und selbst Anlageeinflüsse treten stark zurück; der freie Wille waltet selbstherrlich und sucht nicht nur, sondern schafft und erzeugt Gelegenheiten. Der Kriminalitätserreger beherrscht d a s gesamte Erwerbsleben des Täters und seinen Beruf. Hier ist ein bedenkliches Zeichen der Beginn in jungen Jahren mit schweren Delikten wie Betrug, Urkundenfälschung, Unterschlagung. Die gesetzlichen Fälle der Gewerbsmäßigkeit (oben § 14) sind willkürlich herausgegriffen, Hauptfall ist der Betrug; hier wird Gewerbsmäßigkeit erst seit 1933 unter den Schuldschärfungen berücksichtigt. Sodann Diebstahl und Hehlerei; ein vom Hehler organisierter und überwiegend von ihm ausgewerteter Einbruch, etwa ein Bankdiebstahl, sichert seine Lebensstellung oft auf viele Jahre. Weitere Fälle liegen ebenfalls bei d e r Hehlereigruppe; Glücksspiel, Wucher, Zuhälterei; sodann bei der Unterschlagung, Untreue, Geld- und Urkundenfälschung, in kleinerem Ausmaß bei der Wilderei und d e r Abtreibung. In den beiden letzten, schwersten Schuldgraden (2a und b) ist ein echter „krimineller Habitus" zu erkennen, der aber nur zu verstehen ist als eine Fülle krimineller Strebungen innerhalb einer Persönlichkeit, grundverschieden von dem geborenen Verbrecher im Sinne der Lombroso-Schule und von dem dispositionellen Verbrechertyp neuerer Deterministen. Der Mensch mag eine kriminelle Disposition oder Veranlagung in dem Sinne zeigen, daß er gewisse, für die Entstehung der Kriminalität günstige Charaktereigenschaften aufweist: geringe psychische Widerstandskraft, leichte Beeinflußbarkeit, schwankende Haltung in Entschlüssen, ausgesprochener Erwerbssinn bei asozialer Gesinnung, Neigung zu Roheit und Brutalität, zu Herzlosigkeit gegenüber fremdem Leid, zu Gleichgültigkeit und Leichtsinn. Und außerdem mag eine ungünstige Umweltlage hinzukommen: wirtschaftliche Not, mangelnde Erziehung, Arbeits- und Berufslosigkeit. Ueberall ein für Gedeihen und Entfaltung des Kriminalitätserregers geeigneter Boden. Gleichwohl vermag der normale Mensch den kriminellen Keim zu unterdrücken, Gegenmotive durchzusetzen, Entschlüsse in sozialethischer Richtung zu fassen und zu betätigen. Der kriminelle Habitus des Schwerverbrechers kann nur durch eigene Schuld, durch schöpferisch kriminelles

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IV. Das Verbrechen als Schuld

Wollen und Wirken erwo>rbeh werden. Das ist der "Sinn der kriminalistischen Kreationstheorie (im Gegensatz zur rein biologischen Anlagetheorie und zur rein soziologischen Umwelttheorie). III. Funktion und Ausbau der chronischen Schuldgrade. 1. Es gilt das Gleiche, wie für die Schuld überhaupt, oben § 19 II. Die chronischen Schuldgrade sind nur Steigerungen der allgemeinen Schuld, nicht ihr gegenüber etwas wesentlich anderes, etwa reine Täter-, Gesinnungsoder Chiarakterschuld, wie von deterministischer Seite behauptet wird. Die Bedeutung der einzelnen Schuldgrade zeigt sich insbesondere bei der Strafzumessung und sodann beim Strafvollzug. Es ist daran festzuhalten, daß nur einzelne, genau festzustellende Elemente des Wollens und Wirkens nach rechtlichen, rechtssoziologischen und sozialethischen Maßstäben bewertet werden können und müssen. 2. Demgegenüber will eine andere, keineswegs (wie sie glaubt) neue, vorwiegend von Deterministen vertretene Schuldlehre die Persönlichkeit des Täters selbst als Maßstab aufstellen: ein Kennzeichen für die Schuldschwere soll die „Persönlichkeitsadäquanz" der unrechtmäßigen Tat sein 16 ); die Schuld soll umso schwerer wieigen, je mehr die Tat dem Charakter entspricht, je persönlichkeitseigener sie ist, während nach der hier aufgestellten Kreationstheorie nur entscheidend ist, ob und inwieweit «die kriminelle Tat die Schöpfung des Täters ist oder auch durch persönlichkeitsfremde Mächte (Umwelt, Erbanlage) bedingt wurde. Die Persönlichkeitsadäquanz kann nur bei chronischer Kriminalität erheblich werden; denn bei der akuten entspricht die einmalige Tat gerade nicht dem Wesen der Persönlichkeit, stellt vielmehr nur eine „Entgleisung" dar und könnte daher nur als' entlastend in Frage kommen. Bei der chronischen Kriminalität dagegen belastet sie den Täter insofern, als sein Schuldkonto in der bereits bekannten Richtung weiter erhöht wird. Anderseits wird der Täter auch durch eine persönlichkeitsfremde Tat belastet, da er seine Wendigkeit, Umstellungsfähigkeit oder die Erweiterung seines Wirkungsfeldes kundgibt; es ist dies ein Fall akuter Kriminalität neben oder innerhalb der chronischen. Jener Maßstab ist also kein geeigneter Schuldgrad. Wenn der chronische Verbrecher ein weiteres gleichartiges Delikt begeht, sich also selbst treu bleibt, müßte er mangels neuen freien Willensentschlusses wegen seiner Persönlichkeitsadäquanz nicht weiter (im Sinne der Einzeltatschuld) belastet werden; er "entfaltet ebensowenig kriminelle Energie wie der Geisteskranke. Daher ist neben der Einzeltatschuld noch ein weiterer Begriff der chronisch gleichartigen Schuld erforderlich 3. Je nach dem ätiologischen Typ können Umwelt, Anlage und freier Willensentschluß die Schuld steigern oder mindern. Daß man diese Relativität, diese verschiedene Bedeutung des Typs, ja der Schuld selbst nicht 16) Wach Die kriminalistischen Schulen 1902, 21; Mezger Lehrb. 275.

§ 20.

Chronische

Tendenzschuld

139

beachtet hat, gab Anlaß zu den widersprechendsten, paradox klingenden Sätzen, di-e 'sogar zu ,, Straf zumessungsregeln" erhoben wurden. So heißt es bei Mezger*?): Umwelt entlastet, Charakter beiastet. — Kohlrauschlß): Charakter entlastet, Motiv belastet. — Umgekehrt M, E. MayerlS): Charakter belastet, Motiv entlastet. Geht man von der E i n z e l t a t ' s c h u l d , also von der eigentlichen Schuld aus, so muß man natürlich sagen: Umwelt entlastet, Anlage (also der anlagebedingte Charakter) entlastet, Willensentschluß (also Motiv und insofern Persönlichkeit) belastet. Diese Verteilung ist innerhalb der akuten Kriminalität grundsätzlich richtig. Für die spezifisch umweltbedingten Delikte (Gelegenheits- und Zufallsdelikte) kann aber starke Umweltbedingtheit belasten, weil der Täter sich leicht beeinflussen läßt und von Leichtsinn und Gleichgültigkeit geleitet wird. Ebenso kann für die spezifisch anlagebedingten Delikte (Affekt- und Absichtsdelikte) starke Anlagebedingtheit belasten, insoweit der Täter nicht genügend Widerstandskraft entgegensetzt und seinem Trieb folgt. — Im Bereich der c h r o n i s c h e n K r i m i n a l i t ä t belastet der Charakter, also der die chronische Schuld weiterführende, sie steigernd« Willensentschluß; belasten kann aber der Umwelt- und selbst der Anlageeinfluß und insofern das Motiv, wenn sie dem Chronischen noch etwas Neues hinzufügen und die bisherige Kriminalitätssphäre erweitern: zunächst vielleicht nur akut, aber vielleicht schon mit, der Tendenz zu einem neuen chronischen Feld.

4. Die chronische Schuld ist zwar generell, aber nicht in jedem Einzelfall schwerer als die akute. Wie eine Lungentuberkulose auf einen individuell erträglichen Stand gebracht werden kann und ein Leben während viefer Jahre mit Pflichterfüllung ermöglicht, während eine akute Lungenentzündung das Leben bedroht, so kann eine chronische Gewohnheits- oder selbst Gewerbsmäßigkeitskriminalitäi trotz Unverbesserlichkeit und beständiger Rückfalls- und Steigerungsgefahr sozial erträglicher sein als vereinzelte akute schwere Gewalt- und Triebdelikte. Es wäre daher verfehlt, die Schuld allgemein in der chronischen Schuld als ihrer schwersten Erscheinung ganz aufgehen zu lassen. Abzulehnen ist die neuerdings aufgetretene und begreiflich unter Kriminologen viel Anklang findende Auffassung der Schuld als Charakterschuld mit dem Maßstab der Persönlichkeitsadäquanz. Hiergegen spricht, daß die S c h u l d a l s chronische weiterbesteht, auch wenn es für den Täter unmöglich wird, sich in gleicher oder gleichartiger Weise kriminell zu betätigen, sofern der Kriminalitätserreger ein neues Gebiet infiziert; die Unmöglichkeit kann zum Umschwung führen etwa wegen Krankheit oder Gebrechlichkeit des Täters (der Berufseinbrecher geht zum Betrug oder zur Hehlerei über), wegen Alters (von der Unzucht zur Kuppelei oder Zuhälterei), wegen Wandlung der Umwelt (vom Glücksspiel zum Betrug), wegen Wohnungswechsels (von der Wilderei zu städtischen Delikten) oder wegen Berufsaufgabe (Schlosser, Metzger, Bücherrevisor, Kellner, Heilgehilfe). Es ist ähnlich, wie wenn sich die Tuberkulose nach Verkapselung des Herdes in der Lunge auf ein anderes jetzt stark angestrengtes Organ wirft.

5. Hauptkennzeichen für das Chronische ist nicht das Verbleiben in derselben Deliktsgruppe (daher ist unzulänglich die seit v. Liszt und Exner eingebürgerte Auffassung als „Zustanidskriminialität"), vielmehr die folge17) Lehrb, 275 N. 13, 18) Sollen und Können 14, 31. 19) Lehrb. 497, Dazu ironisch v, Liszt: eine geeignete StrafzumessungsregelI (Mayer war- als einer der ersten unermüdlichen Vorkämpfer für einen eingehenden Ausbau der Strafzumessungslehre bekanntgeworden.)

140

IV.

Das Verbrechen als Schuld

richtige, zielstrebige Entwicklung des Kriminalitätserregers. In der Kriminologie werden typische Entwicklungsreihen 20 ) festgestellt. So d i e folgende: in der Jugend Roheitsdelikte, Brandstiftung, Diebstahl und Unzucht; in der Reife Betrug, Urkundenfälschung, Untreue und Unterschlagung; später Hehlerei und wiederum Betrug; zuletzt noch Beleidigung, Schwächediebstahl und das Altersdelikt der Kinderunzucht. Folgende einzelne Symptome für die chronische Kriminalität lassen sich hiernach feststellen. Sie betrifft vor allem die Entwicklung, weniger die Entstehung, weniger auch die Stärke und Intensität, Chronisch heißt: allmählich heranreifend und langsam erstarkend, daher meist schleichend, anfangs verborgen und nicht leicht erkennbar, und auch später hohe latente Kriminalität; hier ist schon der Betrug am Werke. Akut dagegen: schnell sich entwickelnd, emporschnellend und meist auch schnell abflauend und vergehend; daher regelmäßig eine vorübergehende, einmalige Erscheinung. Gemeint ist aber immer nur die regelmäßige, typische Erscheinung; es gibt auch Ausnahmen: wie die Lungentuberkulose auch einmal akut mit starkem Fieber und sofortigem Blutsturz auftreten kann, so erscheint zuweilen die chronische Kriminalität in jungen Jahren plötzlich mit Betrug und Urkundenfälschung. Der Höhepunkt wird bei akuten Fällen meist früh, bald nach der Entstehung erreicht (Tötung), um alsdann ebenso schnell zu weichen; das Chronische steigt langsam und stetig, erhält sich zähe und hartnäckig auf der Höhe, läßt nur langsam oder gar nicht nach, steigt nach manchen Stillständen in ,,Schüben" weiter heran. Ein akuter Verlauf zeigt heftige, scheinbar regelwidrige ,,Sprünge" mit unerwarteten Spitzen; der chronische Prozeß erscheint mit leicht welligen, flachen Kurven planmäßig angelegt mit innerer Gesetzmäßigkeit, weil der Kriminalitätserreger sich entfaltet und ausbreitet. Die H a u p t k r i s e n z e i t pflegt um das 25. Lebensjahr zu bestehen, wenig erheblich ist entgegen einer verbreiteten Meinung das 21, oder gar das 18. Lebensjahr, noch weniger die f r ü h e r e Jugend, Wichtig sind aber stets Zeitpunkt und Charakter der Erstkriminalität, die auch daraufhin zu prüfen ist, ob ihr nicht eine latente Kriminalität voraufgegangen sein mag, die sich in den chronischen Fällen oft erst spät ergibt. Ein wichtiges Symptom ist dabei die Kürze der Rückfallsintervalle. 6. Der Gegensatz von Einzeltatschuld und , . s c h ä d l i c h e n Neigungen", d. i. chronischer Tendenzschuld, fand Ausdruck in RJugGerG. v, 6. 11. 1943 § 411.

IV. Gesetzliche Ausgestaltungen der chronischen Schuld sind in Anbetracht der Neuheit des Gebietes, dessen Erforschung noch in d e n Anfängen steht, selten und dürftig. 1. Gleichartiger Rückfall, vgl, oben § 14 III 2b, 2. Gewohnheits- und Gewerbsmäßigkeit, strafschärfend begründend, vgl. oben § 14 Geschäftsniäßigkeit § 144.

oder

schuld-

3. Gefährlicher Gewohnheitsverbrecher §§ 20a, 42e und gefährlicher Sittlichkeitsverbrecher2I) § 42k (bis 1946) seit dem sog. GewohnheitsverbrecherG. v. 24. 11. 1933. Die Vorschriften enthalten nicht etwa Sonderdeliktstatbestände 20) Vgl. KrimSoz. § 68; Kriminologie § 12. 21) Der Typ des Sittlichkeitsverbrechers behält seine Bedeutung, auch nachdem die vorgesehene Entmannung seit Streichung des § 42 k durch KontrollratsG. Nr. 11 Art. 1 nicht mehr zulässig ist; er fällt unter § 42e.

§ 20.

Chronische

Tendenzschuld

141

eines sog. Täterstraf rechts 2 2 ), sondern im Interesse der Rechtssicherheit höchst kasuistisch gefaßte Voraussetzungen für Schuldschärfungen 23 ) sowie für Sicherheitsmaßregeln (Sicherungsverwahrung, früher auch Entmannung); für jene ist die Zeit der Tat, für diese die Zeit des Urteils maßgebend. Sie knüpfen also an andjere Tatbestände an. — § 20a erfaßt erst die dritte Tat unter bestimmten Voraussetzungen und erfordert, daß der Täter nach der „Gesamtwürdigung der Taten ein gefährlicher Gewohnheitsverbrecher ist". a) „Gewohnheitsverbrecher" bedeutet hier, daß mehrere (nach § 20a mindestens drei) Straftaten aus einer in der Persönlichkeit verwurzelten Willensrichtung' (Tendenz), Neigung und Bereitschaft hervorgehen und daß sie weitere Straftaten in nicht größeren zeitlichen Abständen erwarten lassen. Der Typ ist zu verstehen in streng chronischem Sinn, umfaßt also nicht den artverwandten, sich innerhalb einer Deliktsgruppe haltenden Rückfall, sondern nur den Gewohnheitsverbrecher i. e. S., den gewerbs- und den berufsmäßigen Verbrecher, also die Typen 7, 8 und 9 der Tafel B in" § 11. Das ist der „eingewurzelte Hang" 2 4 ) (seit RG. 68, 155), die Erstarkung des Kriminalitätserregers, gesteigert durch stetige Entwicklung und weitere Entfaltung: die Täterpersönlichkeit entwickelt sich in bestimmter Richtung, die ihr Wollen und Wirken in gewissen Lebenslagen immer wieder zum Verbrechen führt. Im Willens- und Wirkungszusammenhang herrschen aber Tendenzen zu bestimmten Delikten vor, die einer und derselben Wurzel entspringen und auf gleichen oder doch nahe verwandten sozialethischen Untugenden beruhen (vgl. die genannte Tafel). Keim und Richtung sind immer dieselben; das ist eben der chronische Charakter. Es ist also eine typische Gesamtentwicklung erkennbar; der psychologische Prozeß und die sozialethische Bewertung ergeben jene typischen Formen, nach denen wir die Hauptdeliktsgruppen bildeten: zu Beginn erscheint der Kriminalitätserreger noch in Trieb- und Gewaltdelikten, früh auch im Diebstahl, später reift er in der Betrugsgruppe heran und erstarkt in ihr sowie in den anschließenden Verräter- und Ausbeutergruppen. Später bilden sich Misch-, Spezial- und zuletzt Schwäche-, echte Gewohnheitstypen. Das ist ein häufiger, keineswegs der einzige Entwicklungsprozeß. Groß ist die Zahl der Willensschwachen und Haltlosen 2 5 ). Die Umwelt-, und selbst die Anlageeinflüsse treten späterhin an Bedeutung um einiges zurück; umso selbstherrlicher entfaltet sich der Täterwille und wird 22) So Olshausen-Niethammer, dagegen nimmt RG. 68, 364 (ähnlich Schönke) Strafschärfungsgründe an. 23) Insoweit müssen die den einzelnen Merkmalen zugrunde liegenden Tatsachen vom Vorsatz umfaßt werden. 21) Das Wort „Hang" paßt insofern nicht, als es überwiegend gefühlsbetont ist und die schwersten Formen der gewerbs- und berufsmäßigen Verbrecher nicht betrifft, die zielbewußt und planmäßig immer neue Gelegenheiten schaffen und gerade nicht im alten Gleise fortschreiten. Insofern sind die üblichen Auslegungen des § 20a, ja dieser selbst zu eng. Anderseits stehen dem Begriff starke -Einflüsse der Notlage und günstige Gelegenheiten nicht entgegen; R G . 72, 295; 73, 46. 25) Vgl. die Zusammenstellung in LK. 6. A. 194.

142

I V . . Das Verbrechen als Schuld

das Verbrechen zum ureigentlichen „Werk des Täters". Jedoch können sehr wohl durch neue Umwelteinflüsse oder neue akute Delikte in Augenblicksstimmungen oder Affektstürmen neue Pläne gefaßt und neue chronische Tendenzen eingeschlagen werden. Den Schwerpunkt aller Tendenzen stellen aber immer Spezialtypen im Bereich der Nutzdelikte, während die gefährliche Gewalt- und Roheits- sowie .die widerwärtige sog. kleine Kriminalität ausscheiden; nur die kleinen Betrügereien bilden einen Ausschnitt der großen Betrugskriminalität 26 ), § 42k (aufgehoben durch KofttrollratsG. v. 30. 1. 46) erforderte entsprechend einen (gewohnheitsmäßigen) Sittlichkeitsverbrecher; hierzu sollten entgegen dem § nur die Typen der Unzucht m i t anderen gehören, nicht auch der Unzucht v o r anderen § 183.

b) §§ 20a, 42e und k setzen außerdem (objektive) Gefährlichkeit voraus, die also nicht notwendig aus dem Chronischen zu folgen braucht, sondern auch auf akuter Kriminalität, Gewalt-, Affektdelikten oder auf ungünstiger Umweltlage beruhen kann. Auch eine Verschlechterung der wirtschaftlichen, der Wohnungsverhältnisse, der sozialen Umgebung („entwurzelte Deklassierte ohne soziale Anschlüsse") kann Gefährlichkeit begründen 2 '). Ob diese Einführung eines der materialen Rechtswidrigkeit angehörigen Erfordernisses notwendig war, kann dahingestellt bleiben; reine chronische Kriminalität kann jedoch in der Tat ungefährlicher Natur sein, wie eine leichtere, stationär gewordene Tuberkulose. Gefährlichkeit bedeutet daher wohl eine graduelle Steigerung der bereits dem Gewohnheitsverbrecher wesentlichen Merkmale. Die Begehungsweise kann besonders gefährlich, das Angriffsobjekt besonders wertvoll, die Neigung besonders hartnäckig, die Grassierungsgefahr besonders drohend, der zeitliche Abstand zwischen den Akten besonders kurz sein 28 ). c) Endlich müssen gerade die erforderlichen Straftaten eine Gemmtwürdigung ergeben, daß der Täter die Eigenschaften zu a und b besitzt. Daß der Schluß sich aus nur einer Straftat und aus anderen, früher begangenen ergibt, soll also nicht genügen. Vielleicht ist diese der Rechtssicherheit dienende Bestimmung doch zu eng ausgefallen. Bei wachsender kriminalistischer Erkenntnis dürfte Ermessensfreiheit walten, die dem Richter zur Zeit noch nicht anvertraut werden sollte. Der jetzige § 20a ist ein bezeichnender Ausdruck für mangelnde kriminologische Reife. V.29). Die vielerörterte K o l i e k t i v s c h u l d von Gemeinschaften, „verb r e c h e r i s c h e n O r g a n i s a t i o n e n " im Sinne des Urteils des Internationalen Militärgerichts in Nürnberg v. 1. 10. 194630), setzt voraus, daß die herrschenden Zweckstrebungen der Mitglieder auch (also nicht: ausschließlich, auch nicht: überwiegend) kriminelle Tendenzen enthalten: das Verhalten der bestimmenden Per26) So im wesentlichen übereinstimmend RG. 68, 98 (kleiner Betrug), DJ. 38, 1597, J W . 39, 87 (kleiner Diebstahl), Schönke 51. Andj M. z. T. Olshausen 98 und LK. 6. A. 196. 27) Auch unverschuldetes Leiden RG. 69, 135; Altersschwäche RG. 73, 277. 28) Einige Fälle werden hervorgehoben von RG. 72, 260, 296, 357. 29) Das Folgende veröffentlichte ich in QRZ. 1947 S. 48. Vgl. auch m: Abh. in Zentraljustizblatt in der Brit. Zone, Beilage Spruchgerichte 1947 S. 6 ff. 30) Rob. H. Jackson (Anklagevertreter der Ver. Staaten) SüddJZ. 56, 84 (vorwiegend über das Material und das Verfahren, aber auch über das materielle Strafrecht anderer Staaten: wertvolle Quellen und Präzedenzfälle!).

§ 21,

Vorsatz.

Irrtum

143

sonen (also nicht notwendig: der bestellten Führer und Leiter) muß auf objektiv sozialgefährliche Erfolge gerichtet sein, und sie müssen sich dieser schädlichen Tendenz bewußt sein. W e r nicht schuldbewußt ist, nimmt an der Kollektivschuld der Gemeinschaft nicht teil, desgleichen insoweit auch nicht an der Gemeinschaft überv haupt trotz seiner äußeren Zugehörigkeit. Wie sich die objektiven Handlungen, die Zwecke und Mittel der Einzelpersonen zu einem Kollektivunrecht, einer Kollektivgefährlichkeit vereinigen, so daß die Gemeinschaft als solche sozialschädlich und rechtlich verboten ist, so fügen sich auch subjektiv die einzelnen schuldbewußten Willensstrebungen zur Kollektivschuld der Gemeinschaft zusammen; diese kann somit eine Art der c h r o n i s c h e n Tend e n z s c h u l d sein. J e enger und inniger eine Gemeinschaft ist, -umso leichter und reiner ist Kollektivschuld möglich, z. B. bei der Familie, dem Kollegium einer Behörde, der Schulklasse, bei kleinen Vereinen und enger begrenzten Organisationen. J e größer, lockerer und weiter der Kreis wird, umso mehr schwindet die Möglichkeit einer Kollektivschuld; in kleineren Volkskreisen ist sie noch möglich, nifcht aber bei einem großen Volk als ganzem. Das sog. Völkerstrafrecht befaßt sich überwiegend mit Sanktionen, während echte Strafen nur die Vertreter der Staaten erleiden könnenSl). Die große, lose verbundene Gesellschaft steht jenseits der Schuldgrenze, wie sie auch keine Ehre besitzen kann. Unrichtig ist die Annahme einer widerlegbaren Schuldvermutung der Gemeinschaftsmitglieder. Ein noch nicht erkanntes Problem besteht in der Abweichung der Kollektivschuld von den verschiedenen hohen Schuldgraden der Einzelpersonen; die Höhe der Kollektivschuld bemißt sich nach dem Durchschnitt der Einzelschuldgrade, entsprechend dem Parallelogramm der objektiven Kräfte. Die Gemeinschafter können schuldhaft handeln als Mittäter, mittelbare Täter, Anstifter, Gehilfen. Versuch und Fahrlässigkeit reichen aus.

§ 21, Vorsatz.

Irrtum

I. Wesen des Vorsatzes. Seine Bedeutung kann nicht hoch genug veranschlagt werden; er steht im Zentralpunkt der gesamten Strafrechtslehre, und es gibt keinen Strafrechtsfall, in dem nicht das Vorliegen von Vorsatz geprüft werden müßte. Der Vorsatz rekapituliert die gesamten, bisher behandelten objektiven Strafvoraussetzungen und außerdem die weitaus meisten, dem Besonderen Teil zu entlehnenden objektiven Tatbestandsmerkmale; denn er projiziert sie ins Subjektive, worin sein Wesen besteht. Er bildet die Grundlage für die Zurechnungsfähigkeit sowie den positiven Kern der praktisch so wichtigen Irrtumslehre; gehört es doch zu den beliebtesten Entschuldigungen eines objektiv der Tat überführten Angeklagten, er habe nicht gewußt, Unrecht zu tun. In diesem Falle muß ihm Vorsatz nachgewiesen werden; sonst kommen nur Fahrlässigkeit oder Freispruch in Frage. 1. Das Wesen des Vorsatzes wurde oben § 19 I 3, 4 im Schuldbegriff verankert. Hiernach ist Vorsatz gleich Kenntnis des Unrechts; soweit es hieran fehlt, liegt Irrtum vor. Irrtum ist also nichts weiter als die negative Seite des Vorsatzes. Will man in der Vorsatzdefinition auch das Unrecht näher kennzeichnen, so wäre zu sagen: Vorsatz ist die Kenntnis des (material) Unrechtmäßigen, d, h. der Sozialschädlichkeit eines konkretein Wollens und Wirkens. Und will man auch die Kenntnis näher bezeichnen, so wäre (im Anschluß an den Irrtums-§, 59) zu sagen: Kenntnis oder Vorst) Hierzu m. Schrift Völkerrecht und Weltfrieden 1948 S. 237 ff.

144

IV. Das Verbrechen als Schuld

Stellung der Tatumstände, die auf das maijerial Unrechtmäßige schließen lassen, und zwar mindestens Wahrscheinlichkeitskenntnis, Vorstellung zum mindesten von der Wahrscheinlichkeit jener Tatumstände. Will man den Zusammenhang mit dem Schuldbegriff, von dem der Vorsatz jia nur ein Element darstellt, zum Ausdruck bringen, so müßte es heißeil: Vorsätzliehe Tat ist ein unrechtmäßiges Wollen und Wirken trotz dessen Kenntnis, oder kürzer: ein bewußt unrechtmäßiges Wollen und Wirken, Im Anschluß an •die früheren Entwürfe ließe sich auch kurz, wenn auch einseitig und mißverständlich, der Vorsatz als Wissen und Wollen des unrechtmäßigen Erfolges bestimmen. 2. Neben dieser formalen, für die Feststellung des Vorsatzes im Gerichtsurteil 32 ) ausreichenden Definition sucht die neuere Forschung noch eine materiale zu bieten, die sich bei der Strafbemessung, im Strafvollzug und bei der Bekämpfung bewähren müßte: eine solche muß naturgemäß den materialen Schuldbegriff einbeziehen; Vorsatz im materialen Sinne ist die sozialethisch verwerfliche Rücksichtslosigkeit (gegenüber fremden Lebenswerten oder dem Gemeinwohl) bei bewußt sozialschädlichem Wirken. Viel zu eng ist die von anderen versuchte materiale Vorsatzdefinition als Geringwertung des angegriffenen Rechtsgutes durch den Täter; denn dieser braucht sich keine Vorstellung von der Rechtsgutsverletzung zu machen, nicht einmal bei den Angriffsdelikten, für die jene Definition höchstens in Frage käme. — Ganz abweichend kennt das englische Recht nur eine materiale, keine auf einen Tatbestand bezogene Schuld- und Vorsatzauffassung.

Zur näheren Bestimmung der in der obigen Definition nur sehr allgemein gehaltenen Merkmale sind die einzelnen kriminellen Untugenden gemäß der Tafel A 'in § 11 einzusetzen. Hier erscheinen also in der Reihenfolge, in der sich die Vorsatzdelikte nach ihrer Strafwürdigkeit aufbauen, die folgenden Pflichtwidrigkeiten: a) Roheit (Gewaltdelikte); Raub, Betteldelikte).

Neid und Mißgunst

(Diebstahl, Wilderei,

b) Lüge und Entstellung (Betrug, Fälschungsdelikte, Verleumdung); Gleichgültigkeit und Leichtsinn (Beleidigung, üble Nachrede, Unzucht vor anderen). c) Verschlagenheit, Vertrauensbruch (Untreue, Unterschlagung, politische Delikte, Hochverrat usw., Ehebruch, Abtreibung) ; Störung der Rechtssicherheit (Geheimnisverletzung, Hausfriedensbruch, Delikte igegen die öffentliche Ordnung, Begünstigung). d) Habgier unter Ausbeutung fremder Schwächen, Not und Laster (Hehlerei, Erpressung, Wucher, Glücksspiel, Zuhälterei, Kuppelei); Wollust unter Ausbeutung fremder Schwäche (Unzucht mit anderen). 3. Mit diesen Begriffsbestimmungen ist bereits zu einem großen reichen Streitfragen um den wichtigen Begriff Stellung genommen.

Teil der zahlDies gilt vor

82) Schon im Hinblick auf diese praktische Anwendung bedarf es einer einheitlichen geschlossenen Darstellung der Vorsatzlehre aus einem Guß entgegen neueren Zersplitterungsversuchen. So stellen Gf. Dohna und Welzel die zum Vorsatz (nach bisheriger Lehre) gehörigen Probleme an zwei, v, W e b e r sogar an drei verschiedenen Stellen ihres Systems dar.

§ 21.

Vorsatz.

Irrtum

145

allem von dem überspitzten, unfruchtbaren Streit zwischen W i l l e n s - u n d V o r s t e 1 1 u n g s t h e o r i e33), Wir bekennen uns zu der letzteren, weil wir den Vorsatz nicht als Schuldtyp, sondern als Schuldelement, also als Begleiterscheinung des schuldhaften Woilens, nacht als dieses Wollen selbst auffassen, vgl. oben § 19 I 3, 4. Der Schuldvorwurf selbst richtet sich natürlich nur gegen das Wollen, nicht gegen das Wissen. Aber wir zeigten soeben zu 1 die nahe Verbindung auf und haben auch gegen die Einbeziehung des Willens nichts weiter geltend zu machen, als das Folgende: Gedient ist mit dieser Erweiterung der Praxis keineswegs; denn der Richter pflegt und vermag nur das Wissen, nicht den Willen festzustellen. Beim Diebstahl z, B . wird nur die Feststellung getroffen, daß der T ä t e r die Wegnahme einer fremden Sache gekannt, nicht daß er sie gewollt hat. Daß die Sache in fremdem Eigentum steht, kann der T ä t e r nur wissen, nicht wollen. Die Willenstheorie versagt bei der Fahrlässigkeit und beim Eventualvorsatz; sie legt die Verwechslung von Vorsatz und Absicht (d. i. eben Wille) nahe. Sie führt zu gewaltsamen, lebensfremden Konstruktionen, nur um den Schuldgedanken zu retten, den sie selbst beim allgemeinen Schuldbegriff mangelhaft bestimmt hat und nunmehr beim Vorsatz ^irgendwie unterbringen muß34); eine unrichtige Schuldauffassung rächt sich am Vorsatzbegriff!

IL Gegenstand des Vorsatzes, d. h. der zum Vorsatz erforderlichen Kenntnis des Täters, ist das materiale Unrecht seines Handelns (Wollens und Wirkens). Erfordert wird also Kenntnis der Sozialgefährlichkeit seiner Tat, des Widerspruchs mit den sozialethischen Anschauungen der Rechtsgemeinschaft und (als deren Vertypung) der Tatbestandsmäßigkeit, genauer aller „Tatumstände" i. S. des § 59, also aller wesentlichen Tatsachen, die auf die Tatbestandsmäßigkeit als Unrechtstyp schließen lassen. Im einzelnen ist daher folgendes vorauszusetzen: 1. Kenntnis aller wesentlichen Tatsachen, die objektiv, d. h. nach richterlichem Urteil, auf die Tatbestandsmäßigkeit schließen lassen. Jedoch ist nicht erforderlich Kenntnis des Täters von den Tatbestandsmerkmalen selbst, auch nicht Kenntnis, daß die Tatsachen dem gesetzlichen Tatbestand oder gar den einzelnen Tatbestandsmerkmalen unterfallen (Subsumtionskenntnis); diese beiden letzteren Arten der Kenntnis kann nur der Jurist besitzen, während vom Täter nur die Kenntnis der Tatsachen selbst und des Widerspruchs seines Verhaltens mit den sozialethischen Anschauungen aller Rechtsgenossen zu erwarten ist. a) In dieser Hinsicht muß der Täter also wissen, daß die Tatsachen vorliegen, die auf den gesetzlichen Tatbestand schließen lassen, z. B. beim Diebstahl, daß die Sache eine fremde ist, daß sie in fremdem Gewahrsam stand, daß er durch die Tat den fremden Gewahrsam bricht und eigenen 33) Die h. M. vertritt die Willenstheorie, bestimmt jedoch unzulänglich den Schuldbegriff, in dessen Bereich der Wille seine Stätte hat. Immerhin hat auch die Vorstellungstheorie seit Franks grundlegendem Aufsatz ZStrW. 10, 169 eine Reihe von Vertretern gefunden, außer Frank und m. Grdlg. 609 ff.: v. Liszt, Gerland, Kohler, Klee, Lucas, Wachenfeld, Exner, vgl. Engisch Untersuchungen über Vorsatz und Fahrlässigkeit 1930; nahestehend RG. 51, 311; 53, 85; 58, 249 trotz Ablehnung insofern, als sich der Vorsatz in Voraussicht des Erfolges (Bewußtsein der Kausalität) erschöpfen soll. 34) Bezeichnend LK. 378; das Wollen im Rechtssinn umfasse alle vorgestellten (!) Tatumstände und Tatbestandsmerkmale, auch die „rechtlich getönten", wie fremde Sache, mit den vorgestellten Folgen der T a t . Sauer,

Strafrecht

10

146

IV.

Das Verbrechen als Schuld

begründet. Bei den Erfolgsdelikten muß der Täter wissen, daß sein Verhalten. kausal zu dem Erfolg ist, daß es diesen bewirkt; insofern definierte man früher vielfach 3 5 ) zutreffend, wenn auch höchst einseitig, «den Vorsatz als Bewußtsein der Kausalität oder Voraussicht des Erfolges (mit guter Parallele zu Fahrlässigkeit, d. i. Nichtvoraussicht trotz Voraussehbarkeit des Erfolges). K e i n V o r s a t z liegt also v o r , wenn der T ä t e r eine f r e m d e S a c h e in der irrigen A n n a h m e e n t w e n d e t , s i e sei h e r r e n l o s , w ä h r e n d der E i g e n t ü m e r sie nur v e r l o r e n h a t ; ebenso begeht keine vorsätzliche Tötung, wer eine nach seiner Ansicht harmlose Ohrf e i g e gibt, die e i n e t ö d l i c h e G e h i r n e n t z ü n d u n g v e r u r s a c h t . W e n n man d i e K a u s a l i t ä t im S i n n e der B e d i n g u n g s t h e o r i e des R G . v e r s t e h t , muß m a n h i e r in der V o r s a t z l e h r e den A d a q u a n z g e d a n k e n e i n a r b e i t e n . W e n n A den B mit T ö t u n g s v o r s a t z v e r l e t z t und ihm nur e i n e Wiunde zufügt, B a b e r im K r a n k e n h a u s durch einen B r a n d o d e r infolge I n f e k t i o n ums L e b e n k o m m t , so ist der T o d nicht durch A im S i n n e der A d ä q u a n z t h e o r i e , , b e w i r k t " , w e i l die V e r l e t z u n g n i c h t t ö d l i c h w a r ; n a c h der B e d i n g u n g s t h e o r i e liegt z w a r K a u s a l i t ä t v o r , sie wird a b e r n i c h t vom V o r s a t z umfaßt, o b w o h l d i e s e r auf T ö t u n g g e r i c h t e t w a r , w e i l d e r T ä t e r mit einem a d ä q u a t e n V e r l a u f r e c h n e t e und s i c h h i e r b e i i r r t e . H i e r k a n n nur v o r s ä t z l i c h e r T ö tungsversuch angenommen werden. D i e h. M . v e r f a n g t , daß der K a u s a l v e r l a u f vom T ä t e r in s e i n e n w e s e n t l i c h e n Zügen v o r a u s g e s e h e n wurde und n i c h t a u ß e r h a l b der t ä g l i c h e n E r f a h r u n g lagS6), W i e w e i t a b e r n o r m a l e r V e r l a u f anzunehmen ist, mag z w e i f e l h a f t s e i n . S o soll v o l l e n d e t e v o r s ä t z l i c h e T ö t u n g v o r l i e g e n , w e n n z w a r die A x t s c h l ä g e n i c h t t ö d l i c h w a r e n , d e r T o d a b e r durch I n f e k t i o n (anders, w e n n infolge V e r s e h e n s im K r a n k e n h a u s ) e i n t r i t t , w e i l e i n e s o l c h e infterhalb t ä g l i c h e r E r f a h r u n g liegt ( w o r ü b e r man doch a n d e r s u r t e i l e n k a n n ) . In W a h r h e i t liegt h i e r nur V e r such v o r , w e i l die S c h l ä g e n i c h t t ö d l i c h w a r e n ; mit I n f e k t i o n k o n n t e der T ä t e r e b e n s o w e n i g r e c h n e n , w i e s i e dem n o r m a l e n E r f a h r u n g s u r t e i l e n t s p r e c h e n d ü r f t e . Man s i e h t , daß a l l e d i e s e S t r e i t f r a g e n n i c h t in der V o r s a t z - , s o n d e r n in der K a u s a l i t ä t s l e h r e a u s z u t r a g e n sind, w a s b i s h e r die h. M . nicht e i n g e s e h e n h a t .

b) Der Täter muß ferner wissen, daß nicht einen Rechtfertigungoder Entschuldigungsgrund31)

Tatsachen vorliegen, schaffen würden.

die

V e r l e t z t d e r T ä t e r also einen a n d e r e n in d e r irrigen A n n a h m e , daß d i e s e r ihn a n g r e i f e n will, w ä h r e n d der a n d e r e nur den A r m zum H i t l e r g r a ß 1933 a u s s t r e c k t , so f e h l t es dem T ä t e r am V o r s a t z ; es liegt P u t a t i v n o t w e h r v o r . A n d e r s w e n n der G e g n e r n a c h Vollendung d e s D i e b s t a h l s mit der B e u t e f l i e h t und der T ä t e r irrig glaubt, er dürfe ihn noch n a c h A b s c h l u ß des Angriffs v e r l e t z e n ; das w ä r e ( u n e r h e b licher) I r r t u m nicht ü b e r T a t s a c h e n , sondern ü b e r den Inhalt e i n e s G e s e t z e s . Kein V o r s a t z liegt v o r b e i Irrtum ü b e r B e s i t z und U m f a n g e i n e s Z ü c h t i g u n g s r e c h t s oder b e i irriger A n n a h m e einer Einwilligung des V e r l e t z t e n , eines ü b e r g e s e t z l i c h e n Nots t a n d s r e c h t s , eines N o t s t a n d e s , e i n e r S t a a t s n o t h i l f e , der V o r a u s s e t z u n g e n für § 193: a l l e s u m s t r i t t e n e F ä l l e 3 8 ) , V g l . unten III 1 g.

c) Eine Ausnahme machen nur die den äußeren S traf bar keitsvor ausSetzungen zugrunde liegenden Tatsachen; diese brauchen, dem Wesen jener Gruppe gemäß, nicht vom Vorsatz umfaßt zu werden. Vgl, oben § 14 III 4. Der im F a l l im F a l l

T ä t e r b r a u c h t also im F a l l der § § 226, 227 den T o d n i c h t v o r a u s z u s e h e n , d e r b i s h e r i g e n § § 102/3 die V e r b ü r g u n g d e r G e g e n s e i t i g k e i t nicht zu k e n n e n ; des § 186 mag er von der W a h r h e i t der T a t s a c h e ü b e r z e u g t sein; und beim

35) Z. B . R G . v. L i s z t ii. a. Sß| Vgl. R G . 70, 258. 37) I n s o f e r n ist die an die S p i t z e g e s t e l l t e und ungenau. 38) W i d e r s p r u c h s v o l l R G . 73, 259.

Definition

(Kenntnis

des

Unrechts)

zu

eng

§ W i d e r s t a n d n a c h § 113 mag satz liegt g l e i c h w o h l ü b e r a l l

21,

Vorsatz.

147

Irrtum

e r die Amtsausübung nicht für r e c h t m ä ß i g v o r , der Irrtum ist u n e r h e b l i c h .

halten,

Vor-

2. D e r T ä t e r braucht nur die für die rechtliche Würdigung wesentlichen Tatsachen -zu kennen. W e n n eeine Annahme in nur unwesentlichen Punkten von d e r Wirklichkeit abweicht, die Tatsachen also einander gleichwertig sind, so wird durch einen solchen unwesentlichen Irrtum der V o r s a t z nicht ausgeschlossen. U n w e s e n t l i c h ist der „ I r r t u m i m M o t i v " , s o f e r n d i e s e s n i c h t ausnahmsw e i s e T a t b e s t a n d s m e r k m a l ist ( G e w i n n s u c h t , H a b g i e r , W o l l u s t usw.), w ä h r e n d die T a t s a c h e n s e l b s t die g l e i c h e n b l e i b e n . U n w e s e n t l i c h ist d e r I r r t u m bei P e r s o n e n oder O b j e k t s v e r w e c h s l u n g unter der Voraussetzung der Gleichwertigkeit. S o wenn d e r T ä t e r irrtümlich e i n e n a n d e r e n v e r l e t z t , e t w a w e g e n falscher telefonischer Verbindung beleidigt, sofern dieser nicht besonderen strafr e c h t l i c h e n S c h u t z , e t w a als h o h e r S t a a t s t r ä g e r , g e n i e ß t . U n w e s e n t l i c h ist ein Irrtum, w e n n der D i e b G e l d und (!) zum a l s b a l d i g e n V e r b r a u c h g e r i n g w e r t i g e G e n u ß m i t t e l s t e h l e n w i l l , in d e m e n t w e n d e t e n K a s t e n zu Haus a b e r J u w e l e n o d e r M a n u s k r i p t e vorfindet. A n d e r s w e n n er nur g e r i n g w e r t i g e G e n u ß m i t t e l vorfindet und d i e s e alsbald v e r b r a u c h t ( M u n d r a u b in T a t e i n h e i t mit v e r s u c h t e m D i e b s t a h l ) . A n d e r s in dem s c h w i e r i g e n u m g e k e h r t e n F a l l , w e n n er nur M u n d r a u b b e g e h e n will, t a t s ä c h l i c h a b e r (nur) G e l d v o r f i n d e t ; v e r s u c h t e r Mundraub ist s t r a f l o s , f a h r l ä s s i g e r D i e b s t a h l kann v o r l i e g e n , ist a b e r e b e n f a l l s s t r a f l o s ; in F r a g e k o m m t a b e r U n t e r s c h l a g u n g , wenn er das G e l d n i c h t a l s b a l d z u r ü c k g i b t , wozu er sich k a u m e n t s c h l i e ß e n w i r d . Eine Gew a l t l ö s u n g w ä r e : v o l l e n d e t e r M u n d r a u b , da d e r S a c h b e g r i f f auch d i e L e b e n s m i t t e l u m f a ß t ; j e d o c h die T a t s a c h e n sind v e r g e w a l t i g t , d e r R i c h t e r trifft e i n e u n r i c h t i g e t a t sächliche Feststellung. W i e will man a b e r den g e w i ß s t r a f b e d ü r f t i g e n F a l l sonst e n t s c h e i d e n , w e n n er das G e l d s o f o r t , n a c h d e m e r es b e m e r k t , w e g w i r f t ? Sachbeschädigung w ü r d e n i c h t den s t r a f w ü r d i g e n K e r n d e s F a l l s t r e f f e n ^ ) . — H ä l t der T ä t e r die g e s t o h l e n e S a c h e für u n b e s e s s e n , so k o m m t U n t e r s c h l a g u n g in B e t r a c h t , w e n n er sich die S a c h e nach der W e g n a h m e w i r k l i c h a n e i g n e t ^ ) . D i e s e I r r t u m s f ä l l e (Haupttyp: A s t i f t e t den B an, den C zu t ö t e n , B t ö t e t irrig den D) wurden einst im A n s c h l u ß an den b e r ü h m t e n S t r a f r e c h t s f a l l R o s e - R o s a h l 4 1 ) v i e l b e h a n d e l t , d e r a b e r m e i s t unrichtig e n t s c h i e d e n w u r d e . Der Holzhändler Rosahl b e i H a l l e a. d. S a a l e b e s t i m m t den A r b e i t e r R o s e , den H a n d e l s m a n n S c h l i e b e , der s o e b e n G e l d e i n k a s s i e r t h a t t e , zu e r s c h l a g e n . R o s e trifft in d e r D u n k e l h e i t a b e r den Gymnasiasten Harnisch, der nach längeren Qualen stirbt. D e r I r r t u m ist für den T ä t e r w i e für den A n s t i f t e r j u r i s t i s c h u n w e s e n t l i c h . A n d e r s w e n n d e r eine e t w a als S t a a t s t r ä g e r o d e r (nach § 215 a. F . ) als A s z e n d e n t b e s o n d e r s g e s c h ü t z t i s t ; alsdann ist a n z u n e h m e n v e r s u c h t e v o r s ä t z l i c h e T ö t u n g des C in I d e a l k o n k u r r e n z ( T a t einheit) mit v o l l e n d e t e r f a h r l ä s s i g e r T ö t u n g des D . D i e s e l e t z t e A r t der Lösung w o l l t e man auch b e i G l e i c h w e r t i g k e i t der G e g e n s t ä n d e a n w e n d e n (so im F a l l R o s e - R o s a h l ) ' , w a s j e d o c h eine unnötige E r s c h w e r u n g b e deuten w ü r d e und n i c h t b e f r i e d i g t , wenn V e r s u c h o d e r F a h r l ä s s i g k e i t (wie oben) s t r a f l o s sind. Nur muß man sich d a b e i v o r u n r i c h t i g e n , u n w a h r e n U r t e i l s f o r m u l i e r u n g e n hüten S o dürfte das U r t e i l in o b i g e m F a l l n i c h t l a u t e n : B wird w e g e n v o r s ä t z l i c h e r Tötung de.s D v e r u r t e i l t , A w e g e n Anstiftung d e s B h i e r z u . D i e s e s U r t e i l w ü r d e die 39) H i e r hilit nur e i n e k l a r e R e c h t s m e t h o d i k . D e r R i c h t e r s t e l l t die T a t s a c h e n w a h r heitsgemäß fest, also versuchten Mundraub. Dann b i l d e t e r an Hand des m a t e r i a l e n U n r e c h t s b e g r i f f s eine k o n k r e t e G e s t a l t u n g s n o r m und b e s t r a f t , , u n t e r e n t s p r e c h e n d e r A n w e n dung des § 370 N. 5 ( M u n d r a u b ) " mit G e l d s t r a f e o d e r H a f t . U e b e r die k o n k r e t e G e staltungsnorm vgl. den f o l g e n d e n T e x t zu 3. 40)

LK.

484.

4.1) P r e u ß . O b e r t r i b u n a l G o l t d . A r c h . 7, 332; R G . 70, 295, v, H i p p e l , der den F a l l b e handelt, begeht ebenfalls eine n a h e l i e g e n d e Personenverwechslung (Rose mit Rosahl). A n d e r e b e g e h e n s c h l i m m e r e j u r i s t i s c h e oder gar l o g i s c h e I r r t ü m e r !

148

IV.

Das Verbrechen als Schuld

Tatsachen fälschen; denn B hat den D nicht mit Vorsatz getötet, und noch weniger •hat A (Rosahl) ihn gerade zur Tötung des ihm vielleicht befreundeten D (Harnisch, dessen Tod noch dazu besonders qualvoll war) angestiftet. Vielmehr darf man nur abstrakt formulieren: wegen vorsätzlicher Tötung eines anderen (!) und wegen Anstiftung dazu. Allerdings sollen Urteile möglichst konkret und lebensnahe lauten, und sie müssen es in der Begründung! Hier ist unbedingt klare Methodik geboten. Von diesen Irrtumsfällen der 0 b j e k t s v e r t a u s c h u n g (errof in objecto, in persona) suchte man früher zu unterscheiden das Verfehlen des Angriffz i e l s (aberratio ictus) durch Naturereignisse: A will den B töten, trifft aber infolge eines Windstoßes oder wegen Abprallens des Geschosses den C oder das Pferd des B . Auch diese Fälle beruhen auf einem Irrtum u. z. über den Kausalverlauf. Die Behandlung ist die gleiche wie bei der Objektsverwechslung: es besteht kein sachlicher Unterschied^), b) Unter g e n e r e l l e m V o r s a t z kann man zunächst die häufigen Fälle verstehen, in denen sich ein anfangs nur in allgemeinen Umrissen gefaßter Vorsatz erst während der Tatausführung auf bestimmte Objekte oder nach bestimmter Richtung hin spezialisiert, je nachdem der Verlauf oder die Gelegenheit oder die Planung es zulassen!'!). Da das Verbrechen ein sich oft auf einen längeren Zeitraum erstreckender Willens- und Wirkenszusammenhang ist, so ist auch diese allmähliche Entwicklung des Vorsatzes möglich. — In anderem Sinne bedeutet der sog. Webersche dolus generalis, ähnlich der aberratio ictus, die irrige Annahme des Täters, die Tat vollendet zu haben, während der Erfolg erst durch eine spätere Tat eintritt, durch die der T ä t e r die Beute sichern, die Spur verwischen will; der T ä t e r hält das nur verletzte Opfer für tot und wirft es nach Beraubung in den Strom, um die Tat zu verbergen. Wegen Gleichartigkeit beider Begehungsmittel sollte hier nur eine einzige, sich allmählich entwickelnde Handlung mit entsprechendem Vorsatz angenommen werden: vollendete vorsätzliche Tötung. Nach herrschender Meinung: versuchte vorsätzliche Tötung in Realkonkurrenz (Tatmehrheit) mit vollendeter fahrlässiger T ö t u n g « ) . Allerdings ist Verschiedenwertigkeit der Strafwürdigkeit und der Schuld möglich; so wenn der Tod erst nach längerem, qualvollem Siechtum erfolgt, .was der T ä t e r ablehnte. Alsdann trifft die zweite Lösung zu.

3. Diese Tatsachen fügen sich zu einem Sachverhalt zusammen, dessen sozialschädliche Tendenz dem Täter bekannt sein muß. Während die Kenntnis .der Gesetze, der einzelnen Tatbestandsmerkmale sowie der Einordnung der Tatsachen unter diese (Subsumtionskenntnis) beim Täter nicht erwartet werden kann, darf die Kenntnis des konkreten materialen Unrechts, d. i. der konkreten Gestaltungsnorm, erfordert werden, da; die konkreten sozialethischen Vorstellungen bei allen zurechnungsfähigen Menschen die gleichen sind. Auf >der konkreten Gestaltungsnorm beruht jede Rechtsanwendung, jede Rechtsprechung, jede „tatsächliche Feststellung" des Strafurteils. Diese konkrete, unmittelbar im sozialen Leben wirkende, die Rechtsordnung tragende, sich an die Rechtsgenossen wendende, dem Durchschnittsmenschen faßliche und sie berührende Norm 43 ) kann und muß der Täter kennen; nicht zu kennen braucht er die abstrakte Norm, den Rechtssatz, den gesetzlichen Tatbestand, aber auch nicht eine (abstrakte) ethische 42) S . jedoch Frank § 59 III 2 a. E . 43) R G . 61, 261: Der flüchtige Dieb hält sich durch einen Schuß mehrere Verfolger fern. 44) Vgl. R G . 70, 258, LK. 383; ähnlich dem T e x t v. Liszt-Schmidt 268, Gf. Dohna !S Welze! Grdz. 61 und schon W e b e r 1825; vgl. auch R G . 67, 258 (Bedingungstheorie!). 45) JurMethL. § 44 S . 370, 387. Zustimmend Niethammer D J . 1941 S. 233/4 und Klee Z. d. Akad. f. Dt. Recht 1941 IS. 160.

§ 21,

Vorsatz.

Irrtum

149

Norm, eine im Volke lebende moralische Anschauung, ein sozialethisches Unwerturteil. Hätte man sich über diese methodische und rechtstheoretische Grundfrage zur Klarheit durchgerungen, insbesondere die doch wahrlich einleuchtende Unterscheidung von abstrakter und konkreter Rechtsauffassunig beachtet, so wäre mancher Streit über die Behandlung des Rechtsirrtums vermieden oder in die richtigen Bahnen gelenkt. a) U m . dem Richter den oft schwer zu erbringenden Nachweis dieses Erfordernisses zu ersparen, kann man zwei Wege nehmen. Entweder wird nur Zurechnungsfähigkeit verlangt, die ja ein vertypter Vorsatz ist und die gleichen Bestandteile wie dieser schon in der Formulierung aufweist. Oder es wird insoweit zum Vorsatz nur Kennenmüssen erfordert 4 6 ), wonach im Vorsatz also teilweise nur ein Fahrlässigkeitsmaßstab enthalten ist. Beidemal Surrogate, die in den weitaus überwiegenden Normalfällen für die Praxis ausreichen mögen. bf Dann sollte aber in praktischen Ausnahmefällen die theoretische Regel zum Durchbruch kommen, also die Unkenntnis des materiellen Unrechts den Vorsatz ausschließen (ähnlich wie objektiv der gleiche praktische Umweg über die Negation gewählt wird, wonach das Vorliegen der materialen Rechtsmäßigkeit die Rechtswidrigkeit ausschließt). Es sind jene gar nicht so seltenen Grenzfälle, in denen schon der überdurchschnittliche Mensch Recht von Unrecht nicht unterscheiden kann, wo auch unsere sozialethischen Wertanschauunigen in beständigem Wandel begriffen und wo besonders in Nebengesetzen Verbote enthalten sind, die selbst von J u risten leicht übersehen werden. H i e r h e r gehören die S t r a f g e s e t z e über G l ü c k s s p i e l , W u c h e r , Kuppelei (also die Ausbeutungsverbote), selbst über H e h l e r e i (in den NebengesetzenJ, über Begünstigung, über die der Urkundenfälschung angehängten D e l i k t e , über G e w e r b e - , S t e u e r und Zoll-, ü b e r politische D e l i k t e . Frauen und J u g e n d l i c h e von sonst höherem kulturellen und m o r a l i s c h e n Niveau urteilen namentlich auf den G e b i e t e n der H e h l e r e i und der Urkundenfälschung oft unbegreiflicherweise sorglos.

III. Irrtum. 1. Dieses heftig umstrittene, praktisch höchst bedeutsame Thema wurde von der oben vorgetragenen Vorsatzlehre bereits erschöpfend erledigt; jeder Irrtum über wesentliche Tatsachen und über die materiale Unrechtmäßigkeit des Wirkens schließt den Vorsatz 'aus. Zusammenfassend möge ein konstruktiver Aufbau die Ergebnisse veranschaulichen. 1. Tatsachen (Sachverhalt) 2. Tatbestandsmerkmale 3. gesetzliche Tatbestände und Ausschlußgründe 4. materiale Unrechtmäßigkeit

aaa

aaa

aaa

aaa

b

b

b

b

c

o d

So schon seit den Anregungen F r a n k s zu § 59 III und v. Hippels II 300, 337, 346.

150

IV,

Das Verbrechen als Schuld

a) Den Vorsatz schließt aus: aa) die Nichtkenntnis der erheblichen Tatsachen (1), das sind die „Tatumstände" des § 59; ferner bb) die Nichtkenntnis, daß die Zusammenfassung dieser Tatsachen zum Sachverhalt (1) unter die materiale Uinrechtmäßigkeit (4) fällt (Subsumtionsirrtum, erster Fall). b) Dagegen ist der Vorsatz durch sämtliche andere Arten des Irrtums nicht ausgeschlossen. Unerheblich ist daher der Irrtum aa) über die Tatbestandsmerkmale (2) sowie bb) über die gesetzlichen Tatbestände und Rechtfertigungsgründe (3), ferner auch cc) der Irrtum darüber, daß a unter b, b unter c, c unter d fällt (weitere Fälle des Subsumtionsirrtums). c) Bei wesentlichem Irrtum fehlt zwar der Vorsatz, tritt aber natürlich nicht stets Straflosigkeit ein. War der Irrtum nicht entschuldbar (Nichtkenntnis bei Kennensollen!), so kommt Fahrlässigkeit in Betracht. Soweit vom Gesetz eine Fahrlässigkeitsstrafe nicht vorgesehen ist, sollte für den IJall des unentschuldbaren Irrtums über die Einordnung unter das materiale Unrecht (4) allemal die Rechtsfahrlässigkeit strafbar sein; hierfür will E. 36 einen besonderen Tatbestand schaffen 47 ). d) Der Irrtum bewirkt auch dann natürlich keine Straflosigkeit, wenn der Täter irrig Tatsachen annahm, die nach einem anderen Gesetz Strafbarkeit begründen. Irrt sich der Dieb über die Gewahrsamsverhältnisse, so kann noch Unterschlagungsvorsatz bestehen bleiben. Wie weit Versach anzunehmen und untauglicher Versuch strafbar ist, auch soweit der Irrtum sich nicht auf den für den Versuch typischen Kausalverlauf bezieht, ist umstritten. Vgl. oben § 161. e) Mitunter fassen die Gesetze zu Rechtsbegriffen tatsächliche und rechtliche Merkmale zusammen (Glücksspiel, Unzucht, Beamte) 4 8 ); alsdann kommen für unsere Frage nur die Tatsachen in Betracht. f) Beachtlich ist der Irrtum nur bei den Tatsachen, die den objektiven Tatbestandsmerkmalen zugrunde liegen. Erheblich ist er bei den positiven Schuldtypen, z. B. Arglist, mutwillig, böswillig, Beamteneigenschaft, Verwandtschaft usw., soweit die ihnen zugrunde liegenden Tatsachen in Betracht kommen, also nicht die Rechtsbegriffe selbst. Ein Irrtum über die Zurechnungsfähigkeit ist aber unbeachtlich, da sie SchuldDorausseirun« ist. Unerheblich ist er bei Gleichartigkeit objektiver Tatsachen; ferner bei den äußeren Strafbarkeitsvoraussetzungen. g) Wie die Tatbestände sind, was sich von selbst verstehen sollte, die Rechtfertigungsgründe zu behandeln; Putativnotwehr schließt ebenso den Vorsatz aus, wie die irrige Annahme der Einwilligung oder eines Berufs-, Operations-, Züchtigungs-, Befehls-, Interessenwahrnehmungsrechts (§ 193), immer nur soweit es sich um die zugrunde liegenden Tatsachen oder um das allgemeine materiale Verbotensein, nicht auch um die rechtlichen Be«) 48)

KBer. I 63, 69. R G ^ 19, 259; 40, 326.

21.

Vorsatz,

Irrtum

151

griffsmerkmale handelt. Wie die Rechtfertigungsgrünide sind aber auch die Entschuldigungsgründe zu behandeln, wie E. 27 erfreulich klarstellt; W a s für Putativnotwehr gilt, muß auch für Putativnotstand gelten. Ebenso zu behandeln sind endlich die Schuldschärfungsund Schuldmilderungsgründe (unten § 24; beachte die dortige Ergänzung zu V). Nimmt A ¡irrig an, daß der M i t b e w o h n e r B ihn b e s t o h l e n h a t , w ä h r e n d C der D i e b i s t , und hält A dem B seinen V e r d a c h t s a c h l i c h v o r , so ist d i e s e B e l e i d i g u n g z w a r r e c h t s w i d r i g , a b e r die R e c h t s w i d r i g k e i t wird n i c h t vom V o r s a t z umfaßt; d a h e r ist § 193 n i c h t u n m i t t e l b a r a n w e n d b a r , w o z u die G e r i c h t e n e i g e n , s o n d e r n nur mit Hilfe des § 59: N o t w e h r w ä r e also zulässig. Beleidigt A bei dieser Gelegenheit aber zugleich u n t e r v e r l e t z e n d e r F o r m oder ö f f e n t l i c h den B , wozu e r s i c h für b e r e c h tigt h ä l t , da ihm d i e s e E i n s c h r ä n k u n g am S c h l u ß des § 193 n a t ü r l i c h u n b e k a n n t ist, so ist er w e g e n F o r m b e l e i d i g u n g s t r a f b a r ; d i e s e r I r r t u m ist u n b e a c h t l i c h . 2.

S t a n d

der

A n s i c h t e n .

a) U n h a l t b a r ist die immer von neuem v o r g e t r a g e n e und w i d e r l e g t e V e r t e i l u n g (!) des R G . (dem auch V E . 09 in E r m a n g e l u n g e i n e r b e s s e r e n L ö s u n g f o l g t e ) , daß der T a t s a c h e n und der a u ß e r s t r a f r e c h t l i c h e R e c h t s i r r t u m , nicht aber der I r r t u m über das S t r a f g e s e t z49) den V o r s a t z a u s s c h l i e ß t , o b w o h l d i e s e S ä t z e s e l b s t im e i n z e l n e n w e i t g e h e n d z u t r e f f e n , w ä h r e n d im E i n z e l f a l l die G r e n z e n k a u m zu z i e h e n sind. U n e r h e b l i c h ist a b e r , o b e i n e R e c h t s n o r m dem S t r a f r e c h t a n g e h ö r t oder n i c h t ; die N o t r e c h t s f ä l l e des B G B . , die z a h l r e i c h e n , weitvers t r e u t e n und u n g e s c h r i e b e n e n Rechtfertigungsgründe sind s c h w e r in dem Schema u n t e r z u b r i n g e n ; der Irrtum ü b e r die das B l a n k e t t g e s e t z a u s f ü l l e n d e Norm soll a u ß e r s t r a f r e c h t l i c h e r Irrtum seinöO). G e g e n das R G . auch R A b g O . v. 16. 10. 34 § 395, D e v G . v. 12. 12. 38 § 71 und schon „ R e c h t s i r r t u m s V O . " des B u n d e s r a t s v. 18. 1. 17. b) In S c h w i e r i g k e i t e n g e r ä t die W i 1 1 e n s t h ;e o r i c (oben I 3), für die der Irrtum n a t u r g e m ä ß n i c h t die b l o ß e K e h r s e i t e des V o r s a t z e s sein k a n n , sondern ein n e u e s P r o b l e m g e g e n ü b e r dem V o r s a t z sein muß. E r wird r e g e l m ä ß i g als A u s s c h l u ß der Schuld aufgefaßt und in p r i v a t r e c h t l i c h e r Denkweise dem Zwang (Notstand) untergeordnet. Dann muß n a c h neuen G e s i c h t s p u n k t e n gesucht w e r d e n , da j a auch die Schuld als W i l l e aufgefaßt "wird. S o e r k l ä r t s i c h die i n n e r l i c h durchaus u n b e g r ü n d e t e U n t e r s c h e i d u n g zu a. M a n c h e f a s s e n j e d e n e r h e b l i c h e n I r r t u m als S u b sumtionsirrtum a u f 5 1 ) , müssen alsdann a b e r Subsumtion logisch n e u a r t i g und s e h r w e i t v e r s t e h e n , w ä h r e n d sie doch g e g e n ü b e r dem B e s t a n d von T a t s a c h e und R e c h t s norm e t w a s D r i t t e s , n ä m l i c h d e r e n V e r b i n d u n g , den S c h l u ß , die Einordnung der T a t s a c h e u n t e r die Norm b e d e u t e t . Nach a n d e r e r e s ) i s t u m g e k e h r t der S u b s u m t i o n s irrtum g e r a d e u n e r h e b l i c h , da die Subsumtion nur dem J u r i s t e n o b l i e g t . Nach e i n e r das R G . b e k ä m p f e n d e n f r ü h e r e n Meinung53) ist n i c h t nur d e r T a t s a c h e n - , sondern j e d e r R e c h t s i r r t u m e r h e b l i c h ; das mag der G e r e c h t i g k e i t g e g e n ü b e r dem T ä t e r im Einzelfall e n t s p r e c h e n , u n t e r l i e g t a b e r dem b e l i e b t e n E i n w a n d , daß diese Ansicht p r a k t i s c h u n a n n e h m b a r sei und die R e c h t s p f l e g e l a h m l e g e n w ü r d e . Von noch a n d e r e n A u t o r e n ö J ) und von E . 27 § 20 ( g e g e n ü b e r § 17; a n d e r s n o c h § 25) wird z w i s c h e n T a t b e s t a n d s - und V e r b o t s i r r t u m u n t e r s c h i e d e n ; j e n e r soll den V o r s a t z ausschließen, d i e s e r die Schuld m i l d e r n ! A e h n U c h S c h w e i z A r t . 20,

das

49) H i e r ü b e r e i n g e h e n d alle K o m m . ; vgl. R G . 8, 147; R G . A . W e g n e r in F e s t s c h r . f. R a a p e 1948, 401. 50)

23, 374;

57,

235.

Neuerdings

für

R G . 57, 15; 76, 41.

51' R G . 14, 226: F i n g e r 246; L K . 483. 32) v. L i s z t u. a. 53) S o früher die B i n d i n g k r e i s e im G e g e n s a t z zur L i s z t s c h u l e . S p ä t e r auch R V e r w G . im D t R , 1943, 1011. 54) Vgl v. Hippel 2, 349; G f . Dohna 41; W e l z e l 114; v. W e b e r a, a. O.; a u c h R G . 72, 122; 73, 5, 264.

152

IV. IV. Die Kenntnis,

Das Verbrechen als Schuld

Arten des Vorsatzes.

J e nach den Graden der Kenntnis stuft sich der Vorsatz, der ja Kenntnis ist, in Arten ab. Die Willenstheorie (oben I 3) steht auch hier vor neuen Schwierigkeiten und äieht sich zu Folgewidrigkeiten genötigt; denn man kann nur wollen oder nicht wollen. 1. Gewißheitskenntnis, d, i. direkter oder bestimmter Vorsatz: der Täter weiß, daß sein Verhalten unrechtmäßig ist. Eine Steigerung ist die Absicht: der Täter will, daß sein Verhalten zu einem bestimmten Ziel führt, daß ein bestimmter Erfolg eintritt; erforderlich nur nach wenigen Tatbeständen, den sog. Absichtsdelikten (§§ 242, 263 usw.), vgl. unten § 24. 2. Wahrscheinlichkeitskenntnis, a) Gewißheitskenntnis ist in Wahrheit nur selten möglich; gerade der Gewissenhafte wird meist nur mit Wahrscheinlichkeiten rechnen. Während man diese Typen gern als Uebergang und Grenzfall von Vorsatz und Fahrlässigkeit ansieht, liegt hier gerade das eigentliche Wesen des Vorsatzes, Wie objektiv das rechtswidrige Handeln, das Bewirken des Erfolges, die (adäquate) Kausalität nur als Wahrecheinlichkeitstendenz auf den tatbestaindlichen Erfolg, nur als Eignung der Handlung zur Herbeiführung dieses Erfolges zu bestimmen ist, so ist mit logischer Folgerichtigkeit der Vorsatz nur als Kenntnis dieses objektiv wahrscheinlichen Vorgangs oder Merkmals aufzufassen, insbesondere als Bewußtsein der adäquaten Kausalität, als Bewußtsein des normalen Verlaufs der Geschehnisse und des wahrscheinlichen Vorliegens der objektiven Merkmale. Der Wahrscheinlichkeitsvorsatz ist der Grundtyp des Vorsatzes; der direkte Vorsatz zu 1 erscheint von hier aus nur als eine erste Steigerung. Hiernach ergibt sich ein klarer, folgerichtiger Stufenaufbau der Hauptarten von Vorsatz und Fahrlässigkeit: (1) Absicht;

der Täter sagt sich: der schädliche Erfolg soll

(2) Direkter Vorsatz; der Täter sagt: der Erfolg wird anderes Merkmal sicher vorliegen,

eintreten.

sicher

eintreten, ein

(3) Wahrscheinlichkeits-, insbesondere bedingter oder Eventaalvorsatz; der Täter sagt: der Erfolg wird voraussichtlich (mit aller Wahrscheinlichkeit, nach normalem Verlauf) eintreten, das Merkmal nach aller Wahrscheinlichkeit vorliegen, wenn auch ein anderer Verlauf, ein anderer Erfolg, ein anderes Merkmal möglich sind, (4) Bewußte Fahrlässigkeit; der Täter sagt: der Erfolg wird voraussichtlich (wahrscheinlich) nicht eintreten, das Merkmal wahrscheinlich nicht vorliegen, wenn es auch entfernt möglich ist. (5) Unbewußte Fahrlässigkeit; der Täter denkt überhaupt nicht an den (objektiv voraussehbaren) Erfolg; oder er sagt: der Erfolg wird sicher nicht eintreten, das Merkmal sicher nicht vorliegen. b) Hauptfälle: aa) Alternativer Vorsatz: der Täter hält den Schlag für tödlich oder für nur verletzend, die gefundene Sache für in fremdem oder in keinem Gewahrsam stehend. — bb) Kumulativer Vorsatz: der Täter sagt

§ 21.

Voirsatz.

Irrtum

153

sich, daß der Bombenwurf den A töten wird, wahrscheinlich aber auch die in der Nähe befindlichen B und C. — cc) Eventueller oder bedingter Vorsatz. Diese am häufigsten behandelten, nicht glücklich benannten Fälle sind dahin zu verstehen, daß der Täter Zweifel über die Rechtmäßigkeit seines Handelns hat, daß er «ich aber auch „iür den Fall" eider naheliegenden oder einer wahrscheinlichen Widerrechtlichkeit („eventuell", „bedingt") zum Handeln entschließt. So w e n n d e r T ä t e r b e i W a h r s c h e i n l i c h k e i t s k e n n t n i s Z w e i f e l h a t , ob d e r Schuß das W i l d o d e r den T r e i b e r t r i f f t , ob die im N e b e l n i c h t d e u t l i c h zu e r k e n n e n d e n T i e r e W i l d o d e r K ü h e sind, ob die a n g e n o m m e n e n S a c h e n D i e b s - und H e h l g u t sind (RG. 55, 205), ob d e r S c h l ü s s e l b e i m D i e b s t a h l f a l s c h ist (RG. 52, 85), ü b e r das A l t e r des m i ß b r a u c h t e n J u g e n d l i c h e n n a c h § 176 Z, 3 (RG. 22, 423), ü b e r die W i d e r r e c h t l i c h k e i t des H a u s f r i e d e n s b r u c h s (RG. 47, 249), ü b e r B e s t a n d und I n h a l t von R e c h t s v o r s c h r i f t e n (RG. 70, 142)'.

c) Das Unterscheidungsmerkmal sollte überall die Wahrscheinlichkeit oder zum mindesten die an Wahrscheinlichkeit grenzende nahe Möglichkeit55) sein, während die Fälle entfernter Möglichkeit nur für d i e Fahrlässigkeit in Betracht kommen. Dagegen möchte die Willenstheorie auch die letzteren zum Vorsatz ziehen, sofern der Täter den Erfolg und auch die ihm unerwünschten Umstände in seinen Willen aufgenommen hat; der Wille kann sich nur auf den Erfolg, nicht auf andere Tatbestandsmerkmale oder auf die Widerrechtlichkeit beziehen. W i e dieses W i l l e n s e l e m e n t n ä h e r zu v e r s t e h e n ist, d a r ü b e r b e s t e h e n b e i den V e r t r e t e r n e r h e b l i c h e M e i n u n g s v e r s c h i e d e n h e i t e n ; es sind h i e r s t u f e n w e i s e s t r e n g e r e und g e m ä ß i g t e A n s i c h t e n mit i m m e r s t ä r k e r e r A n n ä h e r u n g an die W a h r s c h e i n lichkeitstheorie zu erkennen. Während früher ein G u t h e i ß e n o d e r Billigen56) e r f o r d e r t w u r d e , w o n a c h alle d e m T ä t e r w e n i g e r e r w ü n s c h t e n B e g l e i t u m s t ä n d e a u s f a l l e n müßten, d r a n g s p ä t e r e i n e sog. E i n w i l l i g u n g s t h e o r i e durchs?). Sodann w u r d e d a s W i l l e n s m o m e n t n o c h m e h r a b g e s c h w ä c h t , zugleich a b e r e i n e w e i t e r e A n n ä h e r u n g an die F a h r l ä s s i g k e i t v o l l z o g e n d u r c h die Wendungen: in d e n Kauf nehmen58) (so E . 36), auf d i e e r k a n n t e G e f a h r hin handeln59), o d e r : d e r T ä t e r m u ß t e m i t d e m n a h e m ö g l i c h e n E i n t r i t t rechnen60), D i e s e l e t z t e n d r e i o d e r zum m i n d e s t e n z w e i F a s s u n g e n sind ein d e u t l i c h e r A u s d r u c k d e r W a h r s c h e i n l i c h k e i t s t h e o r i e . Das G l e i c h e gilt v o n d e n n a h e s t e h e n d e n F r a n k s c h e n F o r m e l n : V o r s a t z liegt v o r , w e n n d e r T ä t e r auch b e i b e s t i m m t e r K e n n t n i s , d a ß er den E r f o l g h e r b e i f ü h r e n w ü r d e , g e h a n d e l t h ä t t e ß l ) : o d e r w e n n d e r T ä t e r s i c h - s a g t : mag es so o d e r a n d e r s sein o d e r w e r d e n , auf j e d e n F a l l h a n d l e ich62) r W e n n ihn die b e s t i m m t e K e n n t n i s v o m H a n d e l n a b g e h a l t e n h ä t t e , liegt nur F a h r l ä s s i g k e i t v o r . D e r v o r s ä t z l i c h e T ä t e r h a n d e l t dann e b e n im H i n b l i c k auf d e n w a h r s c h e i n l i c h e n E i n t r i t t des E r f o l g e s . 55) F ü r die W a h r s c h e i n l i c h k e i t s t h e o r i e s p r a c h e n sich aus a u ß e r m . G r d l g . § 21 u. a. L u c a s (VE. 09), K ö h l e r , T r a e g e r , E x n e r , G r ü n h u t , A . W e g n e r , L. M ü l l e r , L o b e Allg. T . 1933 S. 111 (unter Bezug auf S a u e r Z S t r W . 51, 181), H. M a y e r , G r o ß m a n n ( H a m b u r g e r S e h r . H. 6, 1924), R u n c k Dol. e v e n t . (Diss. W ü r z b u r g 1929), G o t t w a l d G r e n z e z w . V o r s . u. F a h r l . (Diss. M a r b . 1929); vgl. Engisch U n t e r s u c h u n g e n 1930 S. 106 f f . 56) So f r ü h e r o f t R G . , auch n o c h 65, 69; 72, 43. 57) Dies die h. M . ; vgl. v. H i p p e l V D A 3 , 373; R G . 31, 217 (einwilligen); 67, 426 (einv e r s t a n d e n sein). 58) R G . 60, 3; 72 , 43 ; 73, 168. 5») R G . 60, 167; 70. 142. 60) R G . 62, 69. 61) RG. 33, 4; 46, 231. 62) A e h n l i c h R G . 67, 425; 75, 32; DtR. 41, * 1202.

154

IV. Das Verbrechen als Schuld W e n n d e r T ä t e r den E r f o l g f ü r w a h r s c h e i n l i c h hält und dann h a n d e l t , nimmt er den E r f o l g s e l b s t v e r s t ä n d l i c h in Kauf; die E i n w i l l i g u n g s t h e o r i e h a t i n s o w e i t d a s s e l b e E r g e b n i s w i e die W a h r s c h e i n l i c h k e i t s t h e o r i e . A b e r sie sieht das K e n n z e i c h e n des V o r s a t z e s in d i e s e r ä u ß e r e n N e b e n f o l g e , d e r G e f ü h l s b e t o n u n g , s t a t t auf d e n G r u n d , die W a h r s c h e i n l i c h k e i t s v o r s t e l l u n g , zurückzugehen. D i e s e G e f ü h l s b e t o n u n g , ein zu e r w a r t e n d e s L u s t g e f ü h l , a b e r auch dann zum V o r s a t z m e r k m a l .zu e r h e b e n , w e n n d e r T ä t e r mit nur ganz e n t f e r n t e n M ö g l i c h k e i t e n r e c h n e t , geht z w e i f e l l o s zu w e i t , Bei s o l c h e n nur ganz u n g e f ä h r e n V o r s t e l l u n g e n k a n n nur F a h r l ä s s i g k e i t in F r a g e k o m m e n . In d e r a r t i g e n F ä l l e n V o r s a t z nur d e s w e g e n zu b e g r ü n d e n , weil d e m T ä t e r auch solch e n t f e r n t e r E r f o l g a n g e n e h m w ä r e , hieße ein h ö c h s t u n s i c h e r e s , s t a r k e n S c h w a n k u n gen u n t e r w o r f e n e s K r i t e r i u m e i n f ü h r e n , das im R e c h t s l e b e n s c h o n w e g e n seiner s c h w i e r i g e n F e s t s t e l l b a r k e i t h ö c h s t u n w i l l k o m m e n w ä r e und das sicher dem W e s e n s k e r n des V o r s a t z e s nicht e n t s p r i c h t . S c h u l u n g s f a l l 03j; Der W a l d e i g e n t ü m e r W , hat mit s e i n e m F ö r s t e r F. einen h e f t i g e n S t r e i t , d e r zu d e s s e n s o f o r t i g e r E n t l a s s u n g f ü h r t . B e i d e t r e n n e n sich im W a l d und z ü n d e n sich zu i h r e r B e r u h i g u n g eine Z i g a r r e an. Ein F u n k e n v e r u r s a c h t einen W a l d b r a n d von g r ö ß t e m A u s m a ß . Nach d e r E i n w i l l i g u n g s t h e o r i e ist j e t z t zu u n t e r s c h e i d e n . R ü h r t d e r F u n k e n aus d e r Z i g a r r e des W . h e r , so b e w u ß t e F a h r l ä s s i g k e i t ! k o m m t er aus der Z i g a r r e des F . , so E v e n t u a l v o r s a t z . B e i d e m a l grundv e r s c h i e d e n e B e s t r a f u n g und B e h a n d l u n g . Nach der Wahrscheinlichkeitstheorie beidemal V o r s a t z , w e n n sie mit der n a h e n M ö g l i c h k e i t eines B r a n d e s r e c h n e t e n (etwa in t r o c k e n e m K i e f e r n w a l d ) , sonst F a h r l ä s s i g k e i t .

Gesetzesvorschlagu)

:

V o r s ä t z l i c h h a n d e l t , w e r w e i ß o d e r mit d e r n a h e n M ö g l i c h k e i t r e c h n e t , d a ß die T a t den T a t b e s t a n d eines S t r a f g e s e t z e s v e r w i r k l i c h t und d a ß sie n i c h t g e r e c h t f e r t i g t oder entschuldigt wird.

§ 22. Fahrlässigkeit I. Wesen, Fahrlässigkeit ist ein Fall des Irrtums, also des Ausschlusses des Vorsatzes, und zwar der unentschuldbare Irrtum. Die Ta/fahrlässigkeit wird nur in den vom Gesetz genannten Fällen bestraft, bei Uebertretungen jedoch allgemein, soweit die Tat überhaupt fahrlässig begangen werden kann (seit Frank h, M) 65 ). Die ifocÄ/sfahrlässigkeit sollte, wie schon die letzten Entwürfe (E. 36) anstrebten, überall bestraft werden, damit der (nach jetzt h. M.) den Vorsatz ausschließende Rechtsirrtum nicht ganz straflos -ausgeht, sondern in den nicht entschuldbaren Fällen die verdiente, sei es auch mildere Strafe erhalten kann. Die jetzige, gesetzliche Regelung, nicht ohne Willkür, ist also stark reformbedüftig und bereits reformreif. Auch die Auswahl der Tatbestände bedarf der Nachprüfung von Fall zu Fall; so besteht jetzt eiij Bedürfnis, auch bei Sachbeschädigung und Beleidigung die fahrlässige Begehung zu bestrafen. Kriminologisch kommen in Betracht vor allem Tötung, Körperverletzung, gemeingefährliche Delikte, Falscheid, Delikte im Kraftwagen- und .sonstigen Verkehr, Feilhalten verdorbener Lebensmittel. 1. Die Fahrlässigkeit ist Nichtkenntnis des Unrechts bei Kennensollen. Sie ist wie der Vorsatz keine Art (Form, Typ) der Schuld; in den Schuldig) A u s Jur, E l e m e n t a r l e h r e 1944 S. 122 mit n ä h e r e r E r l ä u t e r u n g . 04) G e m ä ß S a u e r Z S t r W . 51 (1931), 183. Dagegen ist ein § ü b e r I r r t u m und A b s i c h t (wie in E . 27) vom S t a n d p u n k t d e r V o r s t e l l u n g s - und W a h r s c h e i n l i c h k e i t s t h e o r i e aus entbehrlich 65) RG. 12, 246.

§ 22.

Fahrlässigkeit

155

begriff wurde sie oben verankert (§ 19 I 4). Sie enthält niaht selbst einen Schul'dvorwurf, womit sich endlose Streitfragen erledigen; schuldhaft ist das unrechtmäßige Wollen und Wirken (Handeln) bei Nichtkenntnis und Kennensollen des Unrechts. In diesem Sollen steckt allerdings ein Vorwurf (der sog. zweite), der aber kein Schuldvorwurf ist, weil er nicht an den Willen, sondern an den Verstand gerichtet wird. Dieser Vorwurf bringt gegenüber 'dem Vorsatzbegriff etwas wesentlich Neues und kompliziert das Problem erheblich während im übrigen die Glieder des Vorsatzbegriffs (Kenntnis, Unrecht, Entschuldigungs-, Schuldschärfungs- und Schuldmilderuttgsgründe, z. B. fahrlässige Ueberschreitung des Notstands!) wiederkehren und ebenso wie d o r t zu deuten sind. Insbesondere ist die Kenntnis wie dort nur eine Wahrscheinlichkeitskenntnis. So ergeben sich ohne weiteres die beiden Arten: unbewußte Fahrlässigkeit ist völlige Unkenntnis des Unrechts; bewußte Fahrlässigkeit ist Unkenntnis der Wahrscheinlichkeit, d. i. Kenntnis der entfernten Möglichkeit. Ueber die Abstufung und die Abgrenzung gegenüber dem Vorsatz vgl. oben ist ein objektiv und subjektiv vermeidbarer § 21 IV 2a. Fahrlässigkeit Mangel an Kenntnis des unrechtmäßigen (sozialschädlichen) Wollens und Wirkens bei pflichtmäßigem Kennensollen oder Besserkennensollen. 2. Die Fahrlässigkeit gehört wie die Unterlassung zu den in allen Farben schillernden Begriffen. Schwierigkeiten bereitet die materiale Definition, da hiermit die Verbindung zu dem so umstrittenen Schuldvorwifrf aufzunehmen ist, womit auch das Verständnis für den eigenartigen Verstandesvorwurf vorbereitet wird. Der unbewußten Fahrlässigkeit liegt als kriminelle Untugend die Gleichgültigkeit gegenüber anderen (übrigens auch eigenen) Lebenswerten zugrunde, der bewußten die Leichtfertigkeit, in den schwereren Fällen der Leichtsinn (sog. sträflicher Leichtsinn) wiederum gegenüber fremden Werten sowohl wie eigenen Werten und Pflichten, Wie bei den Graden d e r Kenntnis, des Wissens und d e r Vorstellungen gibt es auch .bei den Untugenden nicht scharfe Einschnitte und Abgrenzungen, sondern zahlreiche und allmähliche Uebergänge. — In ansteigender Reihenfolge kommen etwa diese Untugenden in Betracht: a) Zufälligkeit: starkes Ueberwiegen von Umwelteinflüssen, triebhaftes Handeln, b) Unbedachtheit, Unaufmerksamkeit, Unüberlegtheit, Uebereilung, Unbesonnenheit, Gedankenlosigkeit: überwiegend intellektuelle Mängel, c) Unbekümmertheit, Unbedenklichkeit: intellektuelle und gefühlsmäßige Mängel, d) Unbesorgtheit: höherer Grad d e r Vorstufe, e) Sorglosigkeit: noch höherer Grad der Vorstufen besonders in sozialen Pflichtenkreisen, f) Mangel an Sorgfalt im Durchschnitt gewisser Lebenskreise: Beginn der privatrechtlichen Fahrlässigkeit (ordentlicher Hausvater, Kaufmann, Reeder, Frachtführer, Rechtsgenosse, Verkehrsbeteiligter): die im recht-

156

IV. Das Verbrechen als Schuld

liehen, sozialen, wirtschaftlichen, technischen, äußeren Verkehr geltende Durchschnittsnorm wird nicht erreicht; Aufstieg von d e r culpa levissima bis zur culpa lata, g) Nachlässigkeit, Unsorgfältigkeit: Steigerung d e r Vorstufe, h) Unvorsichtigkeit: weitere Steigerung der Vorstufen in besonderer Rücksicht auf andere Personen und auf deren (und die eigene) Gefährdung, i) Gleichgültigkeit: weitere Steigerung d e r Vorstufen namentlich in sozialer und sozialethischer Hinsicht, Passivität, asoziales Beharrungsvermögen, mangelnder Sinn für fremde Interessen und für eigene Pflichten im Hinblick auf eigene Interessen, Ruhe und Bequemlichkeit, Hier setzt die strafrechtliche Fahrlässigkeit ein. k) Leichtfertigkeit: weitere Steigerung der Vorstufen: asoziales Sichgehenlassen mit stärkerer Betonung der intellektuellen und sozialethischen Mängel. Hier beginnt die bewußte Fahrlässigkeit. 1) Leichtsinn: weitere Steigerung d e r Vorstufen, stärkere Beteiligung moralischer (individualistischer) Mängel. Dies sind Fälle d e r sog. groben Fahrlässigkeit. m) Gewissenlosigkeit, Skrupellosigkeit: noch vidual- und sozialethischer Mängel,

stärkere

Betonung

indi-

n) Rücksichtslosigkeit: noch stärkere Betonung d e r sozialen und strafrechtlichen Pflichten und deren Verletzung unter Gefährdung und Bedrohung anderer Personen. Hier setzt der strafrechtliche Vorsatz ein lind beginnen die eigentlichen strafrechtlichen Motive (§ 11 Tafel A ) : Arglist, Mutwilligkeit, Böswilligkeit, Roheit, Eigennutz, Gewinnsucht, Habgier (§ 24 IV). Hiernach läßt sich die Fahrlässigkeit im materialen Sinne bestimmen als sozialethisch verwerflicher Sorgfaltsmangel (Gleichgültigkeit, Leichtfertigkeit, Leichtsinn) gegenüber anderen Lebenswerten bei nicht (oder nicht voll) bewußt sozialschädlichem (Wollen und) Wirken. Stand der A n s i c h t e n . Am Problem der Fahrlässigkeit scheiterten 3 einst Binding und s p ä t e r m a n c h e r k l e i n e r e K r i m i n a l i s t , d e r v o n e i n e m f e r t i g e n S c h u l d begriff o d e r einem „ W i l l e n s s t r a f r e c h t " ausging. Man b e m ü h t e sich, eine P a r a l l e l d e f i n i t i o n zum V o r s a t z a u f z u s t e l l e n und s a h die U n m ö g l i c h k e i t , von d e r W i l l e n s t h e o r i e aus die F a h r l ä s s i g k e i t zu e r k l ä r e n und vor allem als Schuld zu b e g r ü n d e n , d a d o r t ja d e r W i l l e f e h l t , zumal b e i d e r U n t e r l a s s u n g , w o auch ein o b j e k t i v e s Nichts vorliegt. Uebrig b l i e b nur die u n v o r s i c h t i g e P f l i c h t w i d r i g k e i t (RG. 30, 26), die f o r mal n i c h t n ä h e r e r k l ä r t w e r d e n k o n n t e und d e r e n m a t e r i a l e r A u s b a u nicht u n t e r n o m m e n w u r d e o d e r zu den v e r s c h i e d e n s t e n L ö s u n g e n f ü h r t e . Nach F e u e r b a c h ist F a h r l ä s s i g k e i t p f l i c h t w i d r i g e U n a u f m e r k s a m k e i t ; n a c h L a m m a s c h und E x n e r r ü c k s i c h t s lose G e r i n g w e r t u n g f r e m d e r R e c h t s g ü t e r (worin a n d e r e das m a t e r i a l e W e s e n des V o r s a t z e s sehen); n a c h K ö h l e r b e w u ß t e A b l e h n u n g d e r A u f m e r k s a m k e i t ; n a c h K o h l e r und F i n g e r G l e i c h g ü l t i g k e i t g e g e n ü b e r d e r R e c h t s o r d n u n g ; n a c h Engisch m a n g e l n d e s I n t e r e s s e hinsichtlich d e r U n r e c h t s v e r m e i d u n g . F o r m a l ist F a h r l ä s s i g k e i t n a c h v. Liszt u n b e f r i e d i g e n d V e r s t a n d e s s c h u l d , n a c h Binding g e k ü n s t e l t W i l l e n s s c h u l d , n a c h N a g l e r (LK.) u n v e r z e i h l i c h e U n b e d a c h t s a m k e i t , V e r h a l t e n s w i l l e , d e r die R e c h t s w i d r i g k e i t v e r k e n n t ; n a c h W e l z e l z w e c k t ä t i g e v e r m e i d b a r e E r f o l g s v e r u r s a c h u n g , als C h a r a k t e r s c h u l d eine auf W i l l e n s m ä n g e l n b e r u h e n d e F e h l e i n s t e l l u n g (obwohl g e r a d e u m g e k e h r t die u n b e w u ß t e F a h r l ä s s i g k e i t meist einmalige A u g e n b l i c k s t a t ist).

§ 22.

157

Fahrlässigkeit

Beliebt namentlich in der Rspr. und den Entwürfen ist der Anschluß an die privatrechtliche Einstellung auf die Außerachtlassung der erforderlichen Sorgfalt. Während die Entwürfe vor 1933 eine nach dem damaligen Stand der Wissenschaft fein ausgearbeitete Legaldefinition bringen, läßt E . 36 die bewußte Fahrlässigkeit ganz unerwähnt, vermeintlich weil sie praktisch bedeutungslos* ist (s. u. II 1). RG, schließt sich gern der subtilen Bestimmung durch K E . 13 an (67, 18 u. ö): Außerachtlassung der Sorgfalt, zu der der T ä t e r nach den Umständen und den persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten- verpflichtet und imstande war, und deswegen Mangel an Voraussicht des Erfolges, es sei denn, daß ein anderes Verhalten ihm nicht zuzumuten war. Im ganzen zustimmend L K . vor § 51 a. E .

II. Gegenstand der Fahrlässigkeit ist der Mangel an Kenntnis des Unrechts wie beim Vorsatz (§ 21 II). 1. Es braucht nur an der Wahrscheinlichkeitskenntnis zu fehlen; rechnet der Täter mit der entfernten Möglichkeit, so liegt bewußte Fahrlässigkeit vor (der Ausflügler wirft einen brennenden Ziigarrenrest in den Wald): eine Anschauung, die dem Privatrecht .durchaus ungeläufig und auch im Strafrecht nicht beliebt ist. Der Einwand, daß Fälle bewußter Fahrlässigkeit praktisch höchst selten sind, erklärt sich daher, daß der Begriff nicht geläufig, ungewohnt, unbeliebt, unbekannt war und daß man die Möglichkeitskenntnis meist zum Eventualvorsatz zog, so daß vom Standpunkt der Willenstheorie in der Tat nur wenig Fälle übrigbleiben, in denen der T ä t e r ,,im Vertrauen handelt, der Erfolg werde nicht eintreten" (Franksche zweite Formel sowie RG. wiederholt) 1 » 1 '). Gegenüber dem Vorsatz fehlt hier also die Billigung nach RG.67); oder: Merkmal ist die leichtsiflnige (!) Unterlassung pflichtmäßiger Prüfung68), Dagegen soll die bloße Hoffnung auf die Vermeidung des Erfolges zur bewußten Fahrlässigkeit noch nicht genügen69). Die wichtige Grenze zum Vorsatz ist hiernach also ein höchst unsicheres gefühlsmäßiges Merkmal. In Wahrheit ist der Gefühlsgehalt bei der Fahrlässigkeit weit geringer als beim Vorsatz, in den noch eher emotionale Regungen hineinspielen. Vgl. oben § 21 a. E .

2. Der Wissensmaingel kann verschiedene Erscheinungsformen aufweisen; es ergeben sich verschiedene Stufen und Grade von verschiedener Strafwürdigkeit, die sich mit den Stufen 'des materialen Gehalts (oben I 2) kreuzen können, was selten beachtet wird 70 ). a) Der Täter denkt an das Merkmal überhaupt nicht; so z. B. bei den Unterlassungsdelikten. b) Er denkt daran (gewissenhaft) und sagt sich: aa) es lieigt nicht vor, oder bb) es liegt jetzt z. Z. des Willensantriebs und des Ausführung willens nicht vor oder noch nicht vor oder nicht mehr vor. c) Er sagt sich (ebenfalls gewissenhaft oder noch gewissenhafter): aa) es liegt ein ähnliches anderes Merkmal vor, oder bb) es liegt nicht ein solches vor, auf das es bei der Unrechtsbewertung gerade ankommt. d) Er kennt einsichtig genug das erhebliche Unrechtsmerkmal, aber: aa) er denkt zufällig gerade nicht an dem rechtserheblichen Zeitpunkt 06) ' R G . 56, 349; 58, 134; 67, 18. 6?! RG. 6, 250; 29, 218; 30, 27; 67, 18. OS) R G . 73, 168. 69) R G . 66, 262. 70) Einige psychologische Bemerkungen bei lässigkeit 1934 (Abh. H. 346).

Sigrid

Fischer:

Das

Vergessen

als

Fahr-

158

IV,

Das Verbrechen als Schuld

(unten 3) daran, oder bb) er vergißt es, oder cc) er ist zerstreut, oder dd) er wird durch äußere Ereignisse abgehalten oder abgelenkt, e) Der Wissensmangel ist überwiegend bedingt: aaj durch Umwelteinflüsse, bb) durch Anlage, Bildungsstand oder Charakter des Täters (Phlegma, Affekt, Optimismus), cc) durch den vorliegenden Verlauf des Wollens und Wirkens. 3 Der Irrtum kann sich auf jede rechtserhebliche Tatsache und auf die Qualifizierung dieses Sachverhalts als unrechtmäßig beziehen wie beim Vorsatz. Irrt sich der Täter über mehrere Merkmale, so liegt doch nur eine einzige Fahrlässigkeitsschuld 71 ) vor. Der Rechtsirrtum kann nur das materiale Unrecht, nicht einzelne gesetzliche Tatbestände oder Tatbestandsmerkmale betreffen; der Tatirrtum alle Tatumstände des Tatbestands sowie der Rechtfertigungsgründe 72 ) samt den Entschuldigungsgründen. Vorliegen muß der Irrtum zur Zeit des Willensantriebs, des Ausführungswillens und der Ausführungshandlung; früher oder später kann er vorliegen oder fehlen; er kann sich auch wandeln, entschuldbar werden oder in Eventualvorsatz übergehen. Daß man die Tat nicht als einen großen Willensund Wirkenszusammenhamg mit feinsten Nuancierungen der Glieder begriff, rächt sich an dieser gefährlichen und gefürchteten Stelle, „Gewollt" ist (was oft verkannt wird) die Ausführungshandlung stets, ebenso wie beim Vorsatz; der Kenntnismangel ist ein Begleitumstand des Wollens und Wirkens. III. Mafistäbe und Forderungen: das Kennensollen oder Besserkennensollen; die erforderliche Sorgfalt, die Gleichgültigkeit, die Leichtfertigkeit, der Leichtsinn, 1. Die Hauptfragen sind: hätte der Täter sich anders verhalten können und sollen? hätte er also den Schaden, die Gefahr als drohend („wahrscheinlich") erkennen können und sollen? und hätte er sie vermeiden können und sollen? Ein ähnlicher Maßstab wie bei dem -verwandten Unterlassungsdelikt. Dort hieß es: hätte er (statt des Unterlassens) anders wollen und handeln können und sollen? Hier heißt es: hätte er (statt des mangelhaften Wissens) besser wissen und danach wollen und handeln können? A u ß e r h a l b d i e s e r F r a g e Hegt a b e r eine s o l c h e , w i e sie die W i l l e n s t h e o r i e f o l g e r i c h t i g s t e l l e n muß: H ä t t e der T ä t e r , w e n n er a n d e r s "und b e s s e r gewußt h ä t t e , auch in W i r k l i c h k e i t d a n a c h g e h a n d e l t (also n i c h t nur: h ä t t e er d a n a c h handeln k ö n n e n ? ) oder h ä t t e ihn das b e s s e r e W i s s e n n i c h t daran g e h i n d e r t , u n r e c h t m ä ß i g zu h a n d e l n ? Nur b e i B e j a h u n g d e r z w e i t e n F r a g e h ä t t e man f a h r l ä s s i g e W i l l e n s s c h u l d a n n e h m e n dürfen. Im e r s t e n F a l l müßte das V e r h a l t e n s t r a f l o s s e i n ,

2. Zwei Pflichten ergeben sich hiernach: zum Besserwissen und zum Besserhandeln (Wollen und Wirken). Für sie bieten die beiden oben (II 2, I 2) aufgestellten Reihen einen Anhalt zur näheren Bestimmung der Fahrlässigkeit, die, auch darin der Unterlassung eng verwandt, ganz be7t) 72)

R G . 76, 7. Z. B . des Z ü c h t i g u n g s r e c h t s ,

RG.

76,

3.

§ 22,

Fahrlässigkeit

159

sonders auf die individuelle Eigenart des konkreten Fallest d), oder der W i l l e mag s i c h nicht von der an s i c h v o r h a n d e n e n E i n s i c h t b e s t i m m e n l a s s e n , s o n d e r n von N ü t z l i c h k e i t s erwägungen. Z u r e c h n u n g s f ä h i g k e i t k a n n auch v o r l i e g e n , wenn d e r T ä t e r das volle V e r s t ä n d n i s für den S a c h v e r h a l t w i e für sein U n r e c h t b e s i t z t 8 ^ ) , 3. V o m rein d e t e r m i n i s t i s c h e n S t a n d p u n k t ist e i n e b e f r i e d i g e n d e B e s t i m m u n g der Zurechnungsfähigkeit nicht möglich. D i e s gilt von den b e k a n n t e n V e r s u c h e n , die Zur e c h n u n g s f ä h i g k e i t zu r e t t e n als F ä h i g k e i t zu c h a r a k t e r m ä ß i g e m V e r h a l t e n o d e r als n o r m a l e B e s t i m m b a r k e i t durch M o t i v e o d e r durch die S t r a f d r o h u n g o d e r durch die S t r a f w i r k u n g o d e r gar durch den S t r a f v o l l z u g . Zurechnungsfähigkeit wäre Eindrucksf ä h i g k e i t der S t r a f a n d r o h u n g o d e r E m p f ä n g l i c h k e i t f ü r " s i e . D a n a c h w ä r e n nur der D u r c h s c h n i t t s - , d e r N o r m a l m e n s c h , d e r e r s t - und e i n m a l i g e T ä t e r zurechnungsfähig, nicht a b e r der c h r o n i s c h e T ä t e r , d e r G e w o h n h e i t s v e r b r e c h e r , d e r U n v e r b e s s e r l i c h e , a b e r auch nicht der -Ueberzeugungstäter. Zwischen chronischer Schwerkriminalität und G e i s t e s k r a n k h e i t b e s t ü n d e k e i n U n t e r s c h i e d , w i e s c h o n gegen v. L i s z t s e i t den von B i r k m e y e r und Nagler h e r a u s g e g e b e n e n S t r e i t s c h r i f t e n i m m e r w i e d e r e i n g e w e n d e t wurde. M a ß g e b e n d m ü ß t e dann auch ein f a l s c h e r Z e i t p u n k t s e i n , das U r t e i l o d e r d e r Vollzug, w ä h r e n d die Zeit der T a t o f f e n b a r e n t s c h e i d e t . E n d l i c h sind j ö n e A n s i c h t e n e i n s e i t i g auf F r e i h e i t s s t r a f e n e i n g e s t e l l t , w ä h r e n d sie g e g e n ü b e r d e r G e l d s t r a f e und der Todesstrafe versagen. Jenen Ansichten liegt eine andere Schuldauffassung zugrunde (vgl. § § 19, 20), auch e i n e a n d e r e S t r a f r e c h t s t h e o r i e ( S i c h e r u n g , E r z i e h u n g , Abschreckung).

4, Verminderte Schuldfäkigkeit (Zurecknungsfähigkeif)f § 51 Abs, 2, liegt vor, wenn die krankhaften Geisteszustände die Fähigkeit, das Unerlaubte der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, zur Zeit der Tat erheblich vermindern; hier kann der Richter die Strafe nach den 8') 8i) 69)

Hervorgehoben wiederholt V g l . R G . 73,' 122. H R R . 39, 532.

vom

RG.,

vgl. 57, 76; 63,

46.

164

IV. Das Verbrechen als Schuld

Vorschriften über die Versuchsbestrafung mildern. Er kann sie auch verschärfen, z. B, bei chronischer Trieb- und Schwächekriminialität. Von dieser einst heftig umstrittenem Vorschrift werden nicht etwa jene unvermeidlichen Grenzfälle zwischen Zurechnungsfähigkeit und Zurechnungsunfähigkeit erfaßt, sondern die Fälle verminderter Schuld 90 ), also nur Fälle echter Schuld. Die Vorschrift enthält eine Strafbemessungsregel nach dem Maßstab vergeltender Gerechtigkeit und im Einklang mit dem Schuldprinzip 91 ). Die Frage, ob die Tat dem Täter zuzurechnen, sein Wille für sie verantwortlich zu machen ist, kann jedoch nur entweder bejaht oder verneint werden; im Fall der sog. verminderten Zurechnungsfähigkeit wird sie bejaht und wird nur ein geringerer Schuldgrad festgestellt. Diese Verminderung muß erheblich und zur Tat kausal sein, mit ihr im Motivations- und Wirkungszusammenhang stehen; außer Betracht würden z. B . ein Betrug oder ein Diebstahl durch einen in sexueller Hinsicht pervers Veranlagten bleiben. Die „Verminderung" bezieht sich also auf die rechtliche Seite, auf die Schuld, nicht auf die pathologischen Zustände, die an sich bereits viele graduell verschiedene Erscheinungsformen aufweisen: psychopathische Minderwertigkeit, Schwachsinn, Hysterie, Fanatismus, .Stimmungslabilität, sexuelle Triebanomalie und Spätreife. In Betracht kommen hiernach vor allem Trieb- und Schwächedelikte haltloser, willensschwacher Personen.

IL Pathologische Voraussetzungen. 1. Die rechtlichen Ausschlußgründe (oben I) müssen auf den pathologischen Voraussetzungen beruhen: also Kausal- und Wirkungszusammenhang; nicht ausreichend ist, daß beide Gründe nebeneinander bestehen. Die Bedeutung der pathologischen Einflüsse wird von medizinischer Seite meist überschätzt; der Jurist kann unmöglich bei allen Abweichungen vom Gesundheitszustand, in denen der Arzt bereits Krankhaftes feststellt, auch die Schuldfähigkeit verneinen. Der Jurist zieht die Grenzen daher oft anders als der Arzt; ihm liegt ob, staatliche und sozialethische Notwendigkeiten zu wahren, zur Erziehung und Selbsterziehung anzuhalten, die Ueberwindung leichterer psychopathischer Zustände und leichterer erblicher Belastung zur Pflicht zu machen, die Freiheit des Willens und die Pflicht zur Freiheit einzuschärfen. Das wertvolle Ergebnis moderner naturwissenschaftlicher Forschungen darf nicht mißbraucht werden und sich sozialpädagogisch ungünstig auswirken. In gewissem Sinne muß hier gelten: in dubio contra. 2. Außerhalb der Schuld- wie überhaupt der Willenssphäre liegen und sind daher nicht als Schuldausschließungsgründe aufzufassen Schlaf und Schlaftrunkenheit, Wohl aber gehören die reinen Triebakte in diesen B e r e i c h ^ ) . Sog. fixe Ideen, zumal hochwertiger Art, berühren nur selten die Zurechnungsfähigkeit, ebensowenig Angstund Furchtzustände. Dagegen können Wahnvorstellungen einen solchen Grad annehmen, daß sie die Zurechnungsfähigkeit ausschließen, z. B . Größen-, Verfolgungs-, Eifersuchts-, Querulantenwahn; fraglich, ob nur auf einem engeren Gebiete. Partielle Zurechnungsunfähigkeit wurde früher als möglich anerkannt, später abgelehnt, dann SO) R G . 72, 259; 73, 121. 91) Nach Mezger, Dahm und Bockelmann soll dagegen die Vorschrift umgekehrt vom Schuldprinzip der Einzeltatschuld abfallen und ein neues Schuldprinzip (Lebensführungsschuld) einführen; vgl. oben § 20. Die von uns eingeführte chronische Tendenzschuld ist jedoch nur eine Abart der echten Einzeltatschuld. Abweichende Erklärungen auch bei Welzel und v, W e b e r . 92] A. M. LK. 397; richtig Hoche.

§ 23. Schuldfähigkeit (Zurechnungsfähigkeit und Deliktsfähigkeit)

165

mit Zurückhaltung wieder anerkannt93), Umgekehrt gibt es aber eine partielle Zurechnungsfähigkeit bei Geisteskranken. Die umstrittene Möglichkeit moralischen Irreseins bei sonstiger geistiger Normalität ist zu verneinen; die gegenteilige F e s t stellung wird regelmäßig auch sonstige Defekte erkennen, die ätiologisch auf psychopathologischer Organisation beruhen, auch eine Folgeerscheinung von Gehirngrippe sind94), Dagegen sind die oft als Entschuldigung angesehenen Monomanien meist ein Ausdruck hochgradiger chronischer Kriminalität, können aber auf allgemeiner, vielleicht erst beginnender Erkrankung beruhen. Im Anfangsstadium einer Psychose kann Zurechnungsfähigkeit noch vorhanden sein. Reine Triebhandlungen, namentlich sexueller Art, können mit solcher S t ä r k e auftreten, daß sie die Zurechnungsfähigkeit ausschließen, 3. Die drei gesetzlichen, als erschöpfend (also nicht nur als Beispiele) gedachten Typen sollten daher mit aller Strenge und Zurückhaltung im Einzelfall festgestellt werden. a) B e w u ß t s e i n s s t ö r u n g ; z. B . F i e b e r , Ohnmacht, Narkose. Hauptfall: Rauschzustände, Pathologisch sind nicht die Periodentrinker oder diplomatischen Berauschungen (zur Anregung und Befreiung aus Depressionen; oft fehlt auch Kausalität]; Zurechnungsfähigkeit kann aber aufhören, wenn die Selbstbeherrschung und Selbstbestimmung - durch vernünftige Erwägungen fehlt95), also die freie, selbständige Willensentschließung unterbleibt. Affekte, Zorn und andere exzessive Gemütsaufwallungen können pathologisch sein, wenn ihr Verlauf durch Gegenmotive nicht mehr aufzuhalten ist; oft verbunden mit Gedächtnisverlust. Hypnosen gehören hierher, wenn wirklich (worin ja das Wesen der Hypnose beruht) durch Einschläferung gewisse Regungen im Gefühlsleben unwirksam gemacht und andere durch Eingebungen um so willfähriger gestaltet werden. b) K r a n k h a f t e Störung der Geistestätigkeit. Hier ist im Gegensatz zu a freie Selbstbestimmung oft vorhanden, selbst bei Kenntnis des Unrechts; aber sie erfolgt in pathologischen Willens- und Wirkenszusammenhängen, motiviert durch krankhafte Vorstellungen, Gefühle und T r i e b e , so daß das Ergebnis eben krankhafte Entschlüsse und Willensantriebe sind. Hauptfälle: aa) Psychosen und Neurosen als echte Geisteskrankheiten; bb) psychopathische Minderwertigkeit auf Grund von Schizophrenie (auch Kopfgrippe), Ergebnis: , , A b a r t i g k e i t " , Ueberspanntheit, Verschrobenheit; hier bleibt Zurechnungsfähigkeit oft bestehen oder vermindert sich; cc) pathologische Einzelreaktionen infolge außergewöhnlicher Ereignisse und seelischer Erschütterungen, Unfälle mit Schockwirkung, Haftpsychosen (Zuchthausknall), Bombenterror. c) G e i s t e s s c h w ä c h e . Ein unzureichender Begriff! Hier fehlt meist die freie Willensbestimmung, oft auch die Unrechtskenntnis. Ursachen sind minderwertige Anlagen, Entwicklungsstörungen, Altersrückbildung, weniger aber außergewöhnliche Ereignisse. Drei Hauptfälle der Schwere nach lassen sich so kennzeichnen: Idiotie, Imbezillität, Debilität. 4. In allen diesen Fallen bedarf es, wie oben gesagt, außerdem der n o r m a t i v e n V o r a u s s e t z u n g e n , insbesondere des Ausschlusses der freien Willensbestimmung, des mangelhaften Verständnisses für die allgemein gültigen Rechtsnormen und sozialethischen Erfordernisse, für deren Tragweite und das Vorliegen im Einzelfall: es muß das Konkrete im Rahmen deir Rechtsordnung erkannt werden, d. i. die Erkenntnis der ,,Bedeutung" der Rechtsnorm96), 03) J . Lange, Ziehen u. a.; vgl, Mezger Grdr. 93. 94) 0 . 95)

Bumke,

Hoche,

K.

Jaspers;

vgl. LK.

403.

R G . 63, 48; 67, 149 u. ö.

96) And. M. z. T . LK. 405 betr. die Verbindlichkeit der Norm für das vorliegende Delikt.

166

IV. Das Verbrechen als Schuld

III. Deliktsfähigkeit.

Altersstufen 97 ).

1. Strafunmündig (delikts-, schuldunfähig) ist das Kind bis zum vollendeten 14. Lebensjahr, RJugGG, v. 6, 11. 1,943 § 3 Abs. 2. Nach früherem Recht war die Grenze das- 12. Lebensjahr; JugGG. v. 1923 setzte sie mit Recht auf das 14. Jahr hinauf. RJugGG. v. 1943 macht für die Frühreifen eine (nach Grenze wie Maßstab) kaum zu billigende Ausnahme: Ist der Täter zur Zeit der Tat wenigstens 12 Jahre alt, so wird er (mit Zustimmung des RJM.) wie ein Jugendlicher zur Verantwortung gezogen, wenn der Schutz des Volkes es wegen der Schwere der Verfehlung fordert. Hier also Sicherungss/rafe gegen Kinder aus äußeren, sozial-präventiven Gründen! 2. Beschränkt strafmündig ist der Jugendliche vom 14. bis zum 18. Lebensjahr, wenn er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen (Primat!) und geistigen Entwicklung „reif genug" ist 08 ), das Unrecht (sachlich ebenso § 51: das Unerlaubte) der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Also dieselbe Voraussetzung wie oben I. Alsdann ist er jugendgemäß zur Verantwortung zu ziehen: Jugendgefängnis (bis 10 J.) oder Zuchtmittel (Jugendarrest, Auferlegung besonderer Pflichten, y erwarnung); hiervon ist abzusehen, wenn Erziehungsmaßregeln oder Unterbringung in Heil- oder Pflegeanstalt ausreichen, § 2. — Dageigen ist das allgemeine Strafrecht anzuwenden auf jugendliche Schwerverbrecher. Für diese sind zwei Fälle vorgesehen, von denen besonders der zweite bedenklich ist (§ 20 Abs. 1 und 2): a) War der Jugendliche zur Zeit der Tat sittlich und geistig so entwickelt, daß er einem über 18 Jahre alten Täter gleichgestellt werden kann (lies besser: muß), so ist das 'allgemeine Strafrecht anzuwenden, wenn es das gesunde Volksempfinden (lies: die Gerechtigkeit, die Rechtsidee) wegen der besonders verwerflichen Gesinnung des Täters und wegen der Schwere der Tat fordert. Getroffen werden also kriminell Frühreife wegen subjektiver Verwerflichkeit und objektiver Gefährlichkeit; chronische Kriminalität braucht nicht vorzuliegen, auch nicht zu drohen. Diese Schärfung entspricht dem Sühnegedanken und der Vergeltungsidee: dem Gerechtigkeitsprinzip; es fragt sich aber, ob die regelmäßigen Rechtsfolgen des Jugenddelikts nicht schon ausreichen. b) Dasselbe soll gelten für den Jugendlichen mit stehengebliebener Entwicklung¡'"J, wenn die Gesamtwürdi^ung seiner Persönlichkeit und seiner Tat ergibt, daß er ein „abartiger Schwerverbrecher" ist und der Schütz des Volkes diese Behandlung fordert. In diesem Fall ist also offenbar nicht volle 9?) Vgl. etwa Peters RJugGG. 1944 u. ö. m. w. Lit., für die frühere Zeit A. Wegner Jugendrecht 1929 (Neuaufl. vorbereitet), v. Liszt-Schmidt § 38 m. Lit., besonders die Schriften von R. Sieverts (ZAkQR. 44 S. 5). 98) D. i. Reife in der Entwicklung der Persönlichkeit. Die bloße Tatbeziehung reicht also nicht mehr aus ( J G G . v. 23 sprach nur von „ F ä h i g k e i t " , S t G B . § 55 nur vom Einsichtsvermögen). . 89) Die Entstehung dieser Vorschrift soll angeregt vgl. Peters zu § 20, 1 S . 83.

sein

durch Exner

Z S t r W . 60,

335;

§ 24. Sonstige Schuldmerkmale

167

Schuldfähigkeit100) erreicht; getroffen sollen werden abartige, d. h, psychopathische (!) Frühkriminelle, die wegen ihrer Abartigkeit nie (!) die Reife erlangen, aber vermeintlich angehende chronische Verbrecher (?) sind, Ob hier Strafe gerechtfertigt ist, erscheint höchst bedenklich; man denkt an Sicherungsmaßregeln in der erwarteten „Jugendbewahrungsanstalt" 101 ). In Betracht kommen bei diesen sog, Abartigen (vgl, oben II 3 c) vor allem Trieb- und Schwächedelikte. 3. U n b e s c h r ä n k t straffähig (deliktsfähig) sind Personen über 18 Jahre, abgesehen von den in der geistigen Entwicklung zurückgebliebenen T a u b s t u m m e n , die den Jugendlichen gleichstehen (§ 58, oben zu I). Einer besonderen Behandlung hätten noch bedurft die Halbwüchsigen (von 18 bis 21 Jahren) und die J u n g m a n n e n (von 21 bis 25 Jahren). .Gerade diese Altersstufen sind als Krisenzeiten für das Heranreifen der chronischen Kriminalität besonders bedeutsam. Ein für die Entwicklung wichtiger Einschnitt ist auch das 16. Lebensjahr; die S p ä t - J u g e n d l i c h e n (von 16 bis 18 Jahren) erfordern ebenfalls eine besondere Behandlungl02), Die langjährigen kriminologischen Erfahrungen hätten hier besser verwertet werden sollen.

§ 24.

Sonstige Schuldmerkmale (Entschuldigungs-, Schuldmilderungs-, Schuldschärfungs-, Schuldaufhebungsgründe).

Ebenso wie das objektive Unrecht in den Tatbeständen, findet die Schuld ihren typischen Ausdruck in einer Reihe von gesetzlichen Merkmalen. Dort ist der Wieg der Vertypung eindeutig, und nur die Mittel, die Tatbestände, treten in reicher Fülle und Mannigfaltigkeit auf. Hier bei der Schuld werden viele, nicht immer deutlich zu erkennende Wege eingeschlagien und scheint der Gesetzgeber selbst mit der Gestaltung zu ringen, wie ja schon das verinnerlichte Wesen der Schuld- selbst schwer zu erfassen ist. Mit der jetzt beliebt gewordenen bequemen Wendung „innerer Tatbestand", zu dem man so verschiedenartige Merkmale, wie Vorsatz, Zurechnungsfähigkeit, Rechtsirrtum, Zueignungsabsicht, aus Eigennutz, weist, wird man diesem Schlußthema, der Schuld nicht gerecht. — Folgende Erscheinungsformen der Schuld sind denkbar 103 ): I. Schuldelemente: Vorsatz und Fahrlässigkeit sind Begleitumstände, nicht Typen der Schuld, oben §§ 21/2. II. Schuldfähigkeit als allgemeine Schuldvoraussetzung, aber innerhalb, nicht außerhalb der Schuld gelegen, umfaßt Zurechnungs- und Deliktsfähigkeit, oben § 23. 100) Nach Peters 87 kann die Abartigkeit verminderte Schuld bedeuten, aber erhöhte Gefährlichkeit. Dann wäre doch nur eine Sicherungsmaßregel geboten! 101) Vgl. Bockelmann ZStrW. 60, 351. 102) Die KriegsVO. v. 4. 9. 1939 (RGBl. I 2000) ließ gegen jugendliche Schwerverbrecher unter gewissen Voraussetzungen sogar 'die Bestrafung und Sicherung wie gegen Erwachsene zu, also selbst Todesstrafe. 103) Schon in Grdlg. § 22 suchte ich zu einem System vorzudringen. Das große Thema fand wenig Beachtung und Interesse, Statt dessen suchte man nach subjektiven Tatbestandsmerkmalen (böswillig, mutwillig usw.)!

168

IV. Das Verbrechen als Schuld

III. Echte (reine) Schuldtypen. Diese dienen unmittelbar uiftl meist (!) ausschließlich der typischen Ausprägung der Schuld. Sie stehen im Gegensatz zu der Gruppe I, die nicht den Schuldgedanken, den Schuldvorwurf selbst zum Ausdruck bringt, sondern nur dessen intellektuelles Element (an das sich ja der Vorwurf nicht selbst knüpfen kann). Wohl aber erscheint hier bei III die Gruppe II noch einmal. Der Sinn dieser Gruppie ist, durch Feststellung äußerer Merkmale (Rückfall, Verwandtschaft, Amtseigenschaft) dem Richter den schwierigen Nachweis der zur Schuld gehörigen seelischen Beschaffenheit des Täters zu ersparen; insofern lassen sie sich mit aller Vorsicht als Schuldvermutungen bezeichnen. Mitunter konnte oder wollte der Gesetzgeber eine volle Vertypung der Schuld zu äußeren Merkmalen nicht bieten; dann erscheint ein spezielles subjektives Merkmal (Bestürzung, Arglist), womit der Schuldcharakter nur um so reiner ausgesprochen wird, wenn auch der Rechtsprechung nicht anders wie der Theorie manche Zweifelsfrage aufgegeben wird. Diese Typen sind bald positiv, bald negativ gefaßt, was an sich unerheblich ist (es ist gleich, ob man die Zurechnungsfähigkeit als Schuldvoraussetzung oder die Zurechnungsunfähigkeit gleich dem § 51 als Schuldausschließungsgrund formuliert) 104 ). Sie sind iferner bald belastend (begründend und schärfend), bald entlastend (ausschließend und mildernd). Sie sind endlich bald auf Entstehung oder Nichtentstehung des Schuldvorwurfs gerichtet, bald auf dessen nachträgliche Beseitigung (sog. Schuldaufhletbungsgiründe)105), Also viele sich kreuzende Gesichtspunkte! Diese Schuldmerkmale entsprechen auf der objektiven Seite den Tatbeständen oder den Rechtfertigungsgründen; das Gesetz kennt aber nur diese beiden Arten von Unrechtstypen, dagegen weit mehr Arten von Schuldtypen, wie folgende Uebersicht zeigt: 1. Schuldbegründende Merkmale: a) Allgemeine Schuldfähigkeit; ZuDeliktsfähigkeit oder Strafmündigkeit; rechnungsund (genereller) b) speziell: aa) konstitutive Gewohnheits- und Gewerbsmäßigkeit, bb) persönliche Eigenschaften und Verhältnisse (§ 50): Beamte, Soldaten, Kiaufleute und sonstige Berufe (§ 300), Verwandte (§ 173). 2. Schuldschärfungsgründe: a) schuldschärfenide (qualifizierende) Gewohnheit«- und Gewerbsmäßigkeit; Gewinnsucht § 27 a; b) persönliche Eigenschaften und Verhältnisse: Beamte und Soldaten in den uneiigentlicnen Amts- und Militärdelikten, Verwandte (§ 215 a. F.), 3. Schuldmilderungsgründe, (beschränkte Entschuldigung): Bestürzung usw. beim Notwehrexzeß (nach den Entwürfen auch mit nur schuldmildernder Funktion), Erregung und Verwandtschaft (§ 217). 4. Schuldausschließungsgründe (volle Entschuldigung). Sie entsprechen d!en Rechtfertiigungsgründen und wurden im Zusammenhang mit ihnen 104) 105)

V o n L K . durchaus v e r k a n n t , vgl. oben § 13 A n m . 13. E r s t m a l i g a u f g e s t e l l t in Grdlg. d. P r o z e ß r e c h t s 1919 (1929) § 16 III.

§ 24. Sonstige Schuldmerkmale

169

behandelt: a) strafrechtlicher Notstand und Nötigungsnotstand §§ 54, 52 (oben § 18); b) psychische Bindung: Notwehr- und Notstandsexzeß § 53 Abs. 3, rechtswidriger verbindlicher Befehl des Vorgesetzten, Abgeordnetenprivileg § 11; c) sich hinreißen lassen auf Provokation § 213, Erregung als Voraussetzung der Retorsion bei Beleidigung und Körperverletzung §§ 199, 233. 5. Schuldaufhebung fnachträgliche Entschuldigung) bei Rücktritt vom Versuch und tätiger Reue. Ein Fall gesetzlicher Schuldausgleichung! Da die Schuld nicht, wie oft angenommen wird, ein nur die Tatausführunig begleitender kurzer Willensakt, sondern eine das gesamte Wirken begleitende Kette von Willensregungen bedeutet (Wollens- und: Wirkenszuisammenhiang oben § 19 I 1), so kann der Schulduo/wiirf noch während des Wirkens, noch vor Abschluß der Ausführungshandlung i. w. S., wegen besserer Willensentschließung des Täters wieder zurückgenommen und die Schuld selbst wieder rückgängig gemacht werden, §§ 46, 49 b, 163, 204, 310; i. g. glücklich ausgedehnt in den Entw.: E. 27 §§ 88, 196/8, 144, 188, 237, 250/1, 175/6, 271. Ein geringerer Grad ist die Schuldermäßigung § 150; E. 27 §§ 190, 237 1 0 6 ), — Im weiteren Sinne gehört hierher auch die gute Führung des Täters als Voraussetzung der Begnadigung; sein Wohlverhalten wirkt schuldbefreiend oder schuldermäßigend: E. 27 §§ 40/1, E, 25 §§ 37/8 1 0 '), IV. Gemischte Schuldtypen sind solche, die zugleich oder mitunter sogar in erster Linie als Tatbestands-, also als Unrechtstypen auftreten. Das Gesetz verwendet sie also in doppelter Funktion; bald überwiegt die eine, bald die andere, wonach man unterscheiden kann: subjektive Unrechts* und objektive Schuldelemente (oben § 14 III 2 c). In dieser Gruppe zu IV erscheinen daher auch solche, 'die schon zu III genannt wurden. 1. Typen der Schuldentwicklung: a) Absicht, d. i. unmittelbare, ausschließliche Bezweckung des Tatbestandserfolges (Handeln ,,in der Absicht" oder „um zu") §§ 225, 133 Abs. 3, 242, 243 N, 7, 263/5, — Vertypt wird das Handeln mitunter auch .zu weiteren Zwecken, z. B. §§ 80ff. a. F. b)! Motiv (s. oben § 19 I l b ) ; der Ausbau eines auf Motive zugeschnittenen Besonderen Teils wird vielfach empfohlen, kann aber ein objektives Tatbestandsstrafrecht nie ersetzen: aa) Vorwiegend Angriffsmotive: Roheit: besonders schädigende Mittel bei niederer, brutaler, rücksichtsloser, mitleidloser Gesinnung § 223 b, TierschutzG. v. 1933 § 9 S. 2. i— Grausam ist Steigerung von roh: besonders gefühllos und unbarmherzig, auf besonders schwere, langdauernde und wiederholte Leiden gerichtet, auch bei abgestumpftem Gefühlsleben, § 211 n. F., seit G. v, 19. 6. 12 in § 223 a, seit G. v 26. 5. 33 in § 223 b a. F . 1 0 8 ) . — 106) Grdlg, 6 3 7 / 4 1 . M a x Wittenberg, Die Schuldaufhebungsgriinde 1928 S . 87, A n h a n g s t a f e l n (Diss. K ö n i g s b e r g ) . 107) W i t t e n b e r g a . a. O . 108) R G . 76, 299; 49, 389; 62, 160.

und

Schuldermäßigungs-

IV. Das Verbrechen als Schuld

170

Unmenschlich i. S. des KontrollratsG. v. 1946 Nr. 10 Art. II 1 ist gleichbedeutend. mit grausam 109 ). Arglist: geplante Durchführung unter Schädigungsabsicht bei gesteigerter Niedertracht §§ 170, 263 Abs. 4, 266 Abs. 2. — Heimtückisch ist falsch und verschlagen, meist auch feige, § 211 n. F, — Mutwillig: Ausschaltung naheliegender Hemmungen mit gesteigertem Tatendrang § 363 N. 3 .a. F., früher MStrGB. § 132, — Böswillig: besondere moralisch verwerfliche Gesinnung mit Neigung zu niederträchtiger, kränkender Schädigung §§ 103 a, 134, 134 a, b, 135, 223 b 110 ). Früher HeimtückeG, v. 20. 12. 34 § 2 Abs, 2. bb)1 Vorwiegend Nutzungsmotive. Eigennutz: Bestimmung des Handelns allein durch die Rücksicht auf den persönlichen Vorteil, nicht notwendig geldlicher Art, aber unter Rückstellung aller anderen Motive und ohne jede Rücksicht auf andere Menschen und auf die Gemeinschaft; Steigerung zu „grobem Eigennutz" oder „gewissenslos aus grobem Eigennutz" §§ 180, 181a, 257/9; § 170a; v. 1. 12. 36 (Wirtschaftssabotage). — Gewinnsucht: Antrieb allein durch Streben nach geldlichen Vorteilen, auch wenn solche bereits in Ueberfluß vorhanden sind, mit innerer Tendenz zur Unersättlichkeit, §§ 133, 169, 235, 301/2. — Habgierr unersättlicher Trieb nach Vermehrung des eigenen (nicht notwendig nur wirtschaftlichen) Besitzes, § 211 n. F. — cc) Genuß- und Schwächemotiue: Leichtfertigkeit, gesteigert: Leichtsinn, d. i, asoziales Sichgehenlassen ohne Rücksicht auf Pflichten und Werte, Steigerung der Unvorsichtigkeit unter Ausschluß der unbewußten Fahrlässigkeit, aber nicht notwendig gleichbedeutend mit der bewußten Fahrlässigkeit (oben § 22 I 2 k, 1) § 164 Abs. 5. — Gleichgültigst: asoziales triebhaftes Verhalten unbekümmert um Pflichten und Werte, sei es um andere, um das Ganze oder um sich selbst (oben § 22 I 2 i)!. — Wollust: triebhaftes, vorwiegend sexuell bestimmtes Verhalten. — dd)' Planmäßiges Vierhalten: U-eberlegung: Abwägung der Mittel und Ziele, Entschluß nach geordneter Erwägung und Abwägung des Dafür und Dawider 111 ) § 211 a. F. — Wissentlichkeit: wider besseres Wissen unter Ausschluß des dolus eventualis §§ 164, 187. 2. Typen subjektiver Gefährlichkeit, sie sind im Gegensatz zu der vorigen Gruppe normativer Art (s, o. § 14 III 2 b): a) einfacher Rückfall, b) Gewohnheitsmäßigkeit, c) Gewerbsmäßigkeit, d) Geschäftsmäßiges)

Im Z e n t r a l j u s t i z b l . d. B r i t . Z o n e 1947 S p r u c h g e r i c h t e H. 1 s u c h t e ich d a r z u l e g e n , daß

die D e f i n i t i o n e n a l l e r d i e s e r s u b j e k t i v e n T a t b e s t a n d s m e r k m a l e

oft ü b e r b l o ß e

mit M o r a l b e g r i f f e n

erst wieder

definiert

ist,

(stets

müßten,

kaum

liegenden)

oder sonstigen

hinauskommen,

Einzelfällen

des

Wendungen,

daß

sich

der

Rechtsidee

mit

lebendigem

als

Präjudizien

für

künftige

es

stets Inhalt

ähnliche

Aufgabe

die i h r e r s e i t s des

wandelnden

Richters

Rechtslebens

auszustatten (und

doch

und wieder

mit

in die

den

Begriffe

konkreten

verschieden

HO)

RG.

(Gr. S t r . S e n . ) 75,

RG.

62,

196.

Ueber

liegende)

250.

die f r ü h e r e

Streitfrage

vgl.

Frank

zu §

an

werden

verschieden der

Hand

Gestaltungsnormen

arbeiten. III)

Umschreibungen

211.

Fälle

zu

§ 24, Sonstige Schuldmerkmale

171

keit. Diese Merkmale sind speziell die Typen der chronischen vgl. oben § 20 IV. 3. Typen für persönliche Eigenschaften und Verhältnisse § 50: Beamte, Soldaten, bestimmte Berufe, Verwandte. § 14 III 3a und § 26 a. E.

Schuld,

im Sinn? des Vgl. hierüber

V. Der I r r t u m über Tatsachen, die den Schuldtypen zu III und IV zugrunde liegen (z. B. Not, Amtseigenschaft), ist grundsätzlich ebenso zu behandeln wie der Irrtum über Tatbestandsmerkmale; er schließt den Vorsatz aus (oben § 21). Jedoch machen Ausnahmen sinngemäß die erst später, erst nach der Tatbestandshandlung entstehenden Tatsachen, die für die Schuld auf hebung erheblich werden, ferner die rein subjektiven Merkmale, wie Gewinnsucht, Erregung, krankhafter Seelenzustand. Der Täter ist also strafbar, auch wenn er nicht weiß, daß er in Gewinnsucht oder in normalem Seelenzustand handelt. Die milderen Fälle des Notdiebstahls liegen aber auch dann vor, wenn der Täter Not irrig annimmt.

172

V.

Mehrheit von Verbrechern und von Verbrechen

5.

Abschnitt

Mehrheit von Verbrechern und von Verbrechen § 25.

Täter und Teilnehmer.

Uebersicht und Neubau.

I. Der Täterbegriff kommt hier nur in seiner dogmatischen, nicht in seiner kriminologischen Bedeutung (über diese oben §§ 10, 11) in Betracht, und außerdem nur insofern, als er ein« Einschränkung durch den gesetzlichen Begriff der Teilnahme (Anstiftung uind Beihilfe) erfährt, der allerdings noch auf seine innere Berechtigung zu prüfen ist. 1. Der Täter ist die personale Seite der „Tat", die einen Ausschnitt aus dem „Wirken" (oben § 15) darstellt; dieser Ausschnitt ist die Ausführungshandlung i, w. S., und diese wiederum umfaßt dreierlei: den für den Versuch erheblichen „Anfang der Ausführung", sodann die Ausführungshandlung i. e. S., d. i. die Tatbestandshandlung, und endlich deren Abschluß. Aus diesem natürlichen Vorgang ergibt sich ohne weiteres a) der natürliche Täterbegriff: Täter ist, ußer die Tai ausführt (also auch nur versucht, was künftig nicht mehr hervorgehoben zu werden braucht, sofern man die Ausführung i. w. S. versteht), Täter ist, wer der Tat die innere Richtung auf den recht'serheblichen Erfolg gibt; er ist der bewußte oder fahrlässige Begründer der Gefahr („Kreationstheorie"). Hieraus ergibt sich bereits in seinen Umrissen b) der natürliche Teilnehmerbegriff: Teilnehmer ist, wer an der Ausführung der Tat eines anderen nur zu einem „Teil", d. h. nur unterstützend mitwirkt, siez es durch Rat oder Tat, wobei zu dem Rat auch die entscheidende (bestimmende, „anstiftende") Beeinflussung des Wirkens und seiner Voraussetzung, des Wollens, gehört. Aber es fehlt eben die schöpferische Begründung der Gefahr, das Setzen der allgemeinen Tendenz auf den schädlichen Erfolg, die rechtserhebliche (adäquate) Kausalität 1 ). 1) Auf d i e s e n a t ü r l i c h e n B e g r i f f e e r n e u t den B l i c k g e l e n k t zu h a b e n , w a r ein u n b e w u ß t e s V e r d i e n s t des E , 35, d e r s y s t e m a t i s c h und g e s e t z g e b e r i s c h unrichtig T ä t e r und T e i l n e h m e r am A n f a n g (vor V o r s a t z und R e c h t s w i d r i g k e i t ) b e h a n d e l t e .

§ 25.

Täter und Teilnehmer.

Uebersicht und Neubau

173

Diese „natürlichen Begriffe" sind dem Auf- und Ausbau der Lehre von der Beteiligung mehrerer an einem Verbrechen zugrunde* zu legen, soll die Lehre selbst natürlich, einfach und ungekünstelt bleiben. Sie wurde leider durch juristische Konstruktionen derart kompliziert, diaß sie zugleich mit der (durch den Ausführungsbegriff ihr verwandten) Versuchslehre zu den schwierigsten Kapiteln der gesamten Strafrechtsdogmatik geworden ist, außerdem (im Gegensatz zum Versuch) einen ungebührlich weiten Umfang angenommen hat. Ein Fehler war schon der Ausgang, den man( ¡nicht von der natürlichen Tat, sondern von dem juristisch bereits gewerteten Verbrechen, also von der rechtswidrigen und schuldhaf'cen Tat nahm; so fragte man: was bedeutet Mitwirkung an einem „Verbrechen"? Richtiger ist zu fragen: was bedeutet Mitwirken an fremder „Tat"? und wann ist Mitwirken an fremder Tat strafwürdig und in welchem Grade? Fragen, die wie in der Versuchslehre voranstehen. Im folgenden sind wir daher zu einer Parallelbehandlung genötigt: der überlieferten herrschenden Auffassung und der eigenen, legislatorisch zu erwägenden Ansicht. 2. Die herrschende Meinung lehrt: Teilnahme an einem Verbreohen, d. h. im Sprachgebrauch des StGB, an einer strafbaren Handlung, ist nur möglich, wenn die fremde Tat auch im konkreten Fall strafbar ist. Teilnahme an einer Straftat ist nur möglich, soweit eine Straftat überhaupt vorliegt. So stellte man als unangreifbares Dogma den Grundsatz der akzessorischen (unselbständigen) Natur der Teilnahme auf, und hielt an ihm trotz Abwandlungen fest, weil man ihn als begriffsw;esentlich für die „Teilnahme an einem Verbrechen" ansah. Es klingt auch als durchaus schlüssig und logisch zwingend: man kann einen anderen zu einem Mord nur angestiftet haben, wenn ein Mord wirklich vorliegt; fehlt es dagegen der Haupttat an einem Tatbestandsmerkmal oder einem allgemeinen- Verbrechensmerkmal, so entfällt auch die Teilnahme am Verbrechen. Wie sollte A wegen Anstiftung des B zum Diebstahl verurteilt werden, wenn B eine ganz andere oder überhaupt keine Straftat begangen hat? — Dieser Grundsatz der Akzessorietät2), der unten § 26 III, V näher zu behandeln ist, hat »in seinen Wandlungen auf die Bestimmung des Täterbegriffs selbst eingewirkt, worauf hier näher einzugehen ist. a) Wenn A den B zu einem Diebstahl bestimmt, B aber mangels Schuld etwa wegen Geistesgestörtheit oder Irrtums nicht bestraft werden kann, so hielt man es mit Recht für unbillig, den A nur aus Gründen der Akzessorietät straflos ausgehen zu lassen: A ist zwar nicht Anstifter, aber selbst Täter, und zwar mittelbarer Täter, während der straflose B sein Werkzeug ist. Diese Figur der mittelbaren Täterschaft führte zu einer Ausdehnung des Täterbegriffs in ein Gebiet, das an sich der 2) G e g e n die Akzessorietät wandten sich Kohler Studien I 1890, 106; Höpfner ZStrW. 26, 579; 27, 465; Hoegel ebenda 37, 657; M. E . Mayer 391; Frank § 48 II g. E.; v. Hippel II 448; Bauer Die akzess. Natur der Teilnahme 1904; aufgerührt wurde das Problem erneut von Binding Abh. 1, 131, 253. Sehr beachtlich Georg Heukamp, Die limitierte Akzessorietät der Teilnahme, gedruckte Diss. Münster 1948.

174

V.

Mehrheit

von Verbrechern und von

Verbrechen

Teilnahme angehört. Wenn bei dem vermeintlichen Haupttäter B irgendein Strafbarkeitsmerkmal nicht vorliegt, so daß dieser nicht verantwortlich oder nicht voll verantwortlich gemacht werden kann, während bei dem vermeintlichen Anstifter A diese Merkmale vorliegen, so kann der letztere wegen der Akzessorietät nicht straflos oder minder strafbar bleiben, da die Strafjustiz jedes strafwürdige Element einzusetzen hat; A wird insoweit mittelbarer Täter, B wird (strafloses oder minder strafbares) Werkzeug. Bei der Beihilfe versagt allerdings diese Konstruktion; strafwürdige Beihilfe an der Tat eines Schuldlosen bleibt straflos! Der ursprüngliche Täterbegriff erweitert sich daher so; Täter ist, wer die Tat (oder normativ: die strafbare Handlung) ausführt oder sie durch einen anderen ausführen läßt, der deswegen nicht (oder nicht voll) verantwortlich ist3). Im ersten Fall ist er unmittelbarer, im zweiten mittelbarer Täter, Diese Ausdehnung (erste ,,Expansion") des Täterbegriffs und die „Figur" des mittelbaren Täters sind keine natürlichen, sondern künstliche Erscheinungen; sie beruhen auf normativen Erwägungen, die als solche selbstverständlich berechtigt und notwendig sind, aber nicht zu lebensfremden Konstruktionen führen dürfen. Der methodische, für die ganze Teilnahmelehre verhängnisvolle Fehler ist, daß das Normative an den Anfang, statt an den Schluß (bei der Würdigung der natürlichen Tatsachen), gestellt wird. Nach der natürlichen Auffassung ist auch der mittelbare Täter nur Anstifter; beidg sind nicht die Ausführer. Sie unterscheiden sich nur in ihrer normativen Bedeutung im Hinblick auf den Ausführer; dieser erscheint nur gegenüber dem Anstifter als voll strafbarer „Haupttäter", gegenüber dem mittelbaren Täter nur als strafloses oder nicht voll strafbares „Werkzeug". b) Diesen stets empfundenen Mängeln suchte man dadurch abzuhelfen, daß man den bis dahin vorherrschenden Grundsatz strenger Akzessorietät zu einem solchen der sog. limitierten (besser: eingeschränkten) abzuwandeln suchte. Danach sollte Voraussetzung der Teilnahme nicht, wie bisher, eine strafbare, d. h. eine rechtswidrige und schuldhafte Handlung sein, sondern nur noch eine rechtswidrige T a t , Es wurde also auf das Merkmal der Schuld verzichtet und zwar in zwei Entwicklungsstufen. Die erste Einschränkung brachte das J G G . von 1923 hinsichtlich der Jugendlichkeit; die seitdem unerfreuliche, zersplitterte Rechtslage kann man sich leicht vorstellen: wenn A zu gemeinsamem Diebstahl den 17jährigen B und seinen 19jährigen Bruder C bestimmte, denen beiden der Vorsatz oder die Absicht fehlt, so w i r A bzgl. des B Anstifter, bzgl. des C mittelbarer Täter, Teilnahme war möglich an Taten schuldloser Jugendlicher, aber nicht an Taten von Geisteskranken. Eine zweite Einschränkung durch die StrafrAnglVO. v. 29, 5. 1943 im Anschluß an E. 36 glaubte jene Mängel radikal zu beseitigen, indem für strafbare Teilnahme spätere

Dies w a r d e r T ä t e r b e g r i t f m e i n e r Grdlg, 470, L i t . vgl. die g r ö ß e r e n K o m m . u. L e h r b .

478,

dort

weitere

Nachw.

Ueber

die

§ 25.

Täter

und Teilnehmer.

Uebersicht und Neubau

175

nicht mehr eine schuldhafte, sondern nur eine rechtswidrige Tatbestandsverwirklichung erfordert wurde; in letzterer Hinsicht hielt man also an der Akzessorietät als begrifflicher Erscheinung der Teilnahme überhaupt fest 4 ). Täter im Sinne des geltenden Rechts, also bei limitierter Akzessorietät, ist hiernach, ufer die: rechtswidrige Tat entweder selbst (schuldhaft) ausführt oder sie durch einen anderen (schuldhaft) ausführen läßt, der für sie (mangels Schuld) nicht oder nicht voll verantwortlich ist. D e n W a n d e l von d e r s i r e n g e n zur l i m i t i e r t e n A k z e s s o r i e t ä t bringen § § 48, 49 i. V . mit § 50 I n. F . (seit 1943) dadurch zum n i c h t g e r a d e l e i c h t v e r s t ä n d l i c h e n Ausdruck, daß s i e die T e i l n a h m e nicht mehr an e i n e r „strafbaren Handlung", sondern an e i n e r ,,mit S t r a f e b e d r o h t e n H a n d l u n g " e r f o r d e r n ; es w i r d a l s o n i c h t m e h r an die k o n k r e t e , s o n d e r n an die a b s t r a k t e S t r a f t a t a n g e k n ü p f t . Daß die l e t z t e r e a b e r nur die o b j e k t i v r e c h t s w i d r i g e T a t , nicht auch die s c h u l d h a f t e T a t bedeuten soll, o b w o h l zur a b s t r a k t e n Strafbarkeit auch Schuld gehört, ist ein M a n g e l der Neufassung, der die wenig g e k l ä r t e T e i l n a h m e l e h r e nur n o c h weiter v e r d u n k e l t ; das D u n k e l s u c h t e § 50 I zu h e b e n . V o r allepi wird durch diese B e grenzung der A k z e s s o r i e t ä t die F i g u r der m i t t e l b a r e n T ä t e r s c h a f t , w i e man w o h l gehofft h a t t e , k e i n e s w e g s e n t b e h r l i c h , da n i c h t nur die S c h u l d , sondern auch die Rechtswidrigkeit beim vermeintlichen Teilnehmer vorliegen, beim vermeintlichen H a u p t t ä t e r f e h l e n k a n n , so daß j e n e r ein m i t t e l b a r e r T ä t e r , d i e s e r d e s s e n W e r k z e u g wird; und a u ß e r d e m ist bei der B e h a n d l u n g der S o n d e r d e l i k t e die m i t t e l b a r e T ä t e r schaft unentbehrlich (der B e a m t e b e s t i m m t den N i c h t b e a m t e n zum r e i n e n Amtsd e l i k t ) , vgl. N ä h e r e s unten § 26 V I . Eine au! halbem W e g e stehengebliebene Vereinfachung k o m p l i z i e r t die L a g e nur n o c h m e h r ; das b i s h e r i g e G e b i e t der m i t t e l b a r e n T ä t e r s c h a f t b l e i b t es zum T e i l und wird zum T e i l zur T e i l n a h m e g e s c h l a g e n , o b w o h l sonst e i n e E x p a n s i o n des T ä t e r b e g r i f f s angestrebt wird.

c) Richtiger wäre, noch einen Schritt weiterzugehen und nicht nur auf die Schuld, sondern auch auf die Rechtswidrigkeit der Haupttat als Voraussetzung für die Teilnahme zu verzichten. Alsdann wäre ein einfacher und natürlicher Teilnehmerbegriff gewonnen: Teilnehmer ist, wer unterstützend an der Tat (!) >eines anderen mitwirkt, gleich ob die letztere rechtswidrig oder schuldhaft begangen wird. Nur die eine Voraussetzung verbleibt: die Tat eines anderen, d, h. die Ausführung i. w. S., Handlung oder Unterlassung, Vollendung oder Versuch. Nur insofern kann man noch von Akzessorietät als Begriffsmerkmal für die Teilnahme sprechen; man kann das Wort aber auch ganz meiden. Vorausgesetzt ist nur die Teilnahme an der Tat eines anderen, an einer Ausführungshandlung mit Einschluß des Ausfülirungsbeginns, an einem mindestens als Ausführung gedachten freien, willkürlichen Verhalten eines anderen im Sinne der Versuchslehre, Wenn der Teilnehmer die Tat für strafwürdig hält, so handelt er selbst rechtswidrig und schuldhaft; die Parallele zum untauglichen Versuch liegt auf der Hand. In der Entfernung von der Akzessorietät noch weiterzugehen und auch auf die Tat, auf die Ausführungshandlung im -Tatbild des Teilnehmers zu verzichten, ist da4) nicht z. B .

Die gesetzliche mehr zwischen den V o r s a t z in

Einführung der l i m i t i e r t e n A k z e s s o r i e t ä t gibt d e n e n u n r e c h t , die objektiven und s u b j e k t i v e n Verbrechensmerkmalen unterscheiden, den Hanc'lungsbegriif h i n e i n v e r l e g e n .

176

V. Mehrheit von Verbrechern und von Verbrechen

gegen nicht angängig; bloße Beratung oder Anstiftung schlechthin ohne Beziehung auf eine konkrete Tat, sei es auch nur eine vorgestellte, ist nicht strafwürdig, da mindestens eine konkrete Gefährdung gegeben sein müßte und ein unbestimmter Wille noch nicht für eine Strafwürdigkeit ausreicht. Nur in besonders schweren Fällen könnte einmal ein Sonderdeliktstatbestand geschaffen werden (vgl. unten § 26 V 3, 7}. Im Verlauf der Reform wurde der Akzessorietätsgrundsatz immer mehr „gelockert", die mittelbare Täterschaft verlor immer mehr Land VE, 09 hielt sie noch für unentbehrlich, E. 25 schon für entbehrlich. Aber jeder Entwurf glaubte, die Entwicklung folgerichtig weiter zu führen und den richtigen Standpunkt zu erreichen. II. Ueber die Arten der Täterschah und Teilnahme sei nunmehr eine systematische Uebersicht vorausgeschickt. A. Täter überhaupt, normativ betrachtet: '1. unmittelbare Täter, 2. mittelbare Täter. Vgl. § 26 II, III, VI. B. Mitwirkende i. w. S.: 1. bei voller Verantwortung: Teilnehmer i, w. S.: vgl. auch § 26 VI: a) volle Mitwirkung: „Ausführung": Mehrtäter; Gegensatz: Alleintäter: aa) Mittäter (§ 47), vgl. § 26 IV 1. bb) Nebentäter, vgl. § 26 IV 2. cc) Komplott (§ 49a Fall 4 und 5; § 49b), vgl. § 26 V 3, 7. b) teilweise Mitwirkung (Unterstützung ohne Ausführung): Mitwirkende i. e. S., eigentliche Teilnahme: aa) psychische Teilnahme (innere Mitwirkung): aaa) Anstiftung (§ 48), legislatorisch nebst mittelbarer Täterschaft, vgl. § 26 V 1. bbb) Ratbeihilfe (§ 49), vgl. § 26 V 2. ccc) Aufforderung usw. (§ 49a), vgl. § 26 V 3a. bb) physische Teilnahme (äußere Mitwirkung): aaa) Tatbeihilfe (§ 49), vgl. § 26 V 2. bbb) Nachhilfe (Begünstigung), vgl. § 26 V 8. 2. nicht verantwortlich oder nicht voll verantwortlich bei Täterabhängigkeit: Werkzeug, vgl. § 26 III, VI. III. Sprachgebrauch. Statt limitierter Akzessorietät sollte man sagen: Unrechtsgebundenheit; und statt voller Akzessorietät: U n r e c h t s und Schuldgebundenheit. Entsprechend sollte man die Teilnahme näher bezeichnen als unrechtsgebundene Teilnahme usw. Die Ausdrücke unselbständige oder abhängige Teilnahme sind zu allgemein und vieldeutig. Zu erwägen ist, ob man die Ausdrücke M i t w i r k u n g und M i t w i r k e r einführen sollte. Statt Handlung und Haupttat sollte man deutlicher A u s f ü h r u n g sagen. Im folgenden behalten wir die überlieferten Ausdrücke noch vorläufig bei, um die Verständigung zu erleichtern.

177

§ 26. Täter und Teilnehmer im einzelnen § 26.

Täter und Teilnehmer im einzelnen.

I. Wesen und Strafwürdigkeit. 1. Der engere Täterbegriff legt auf die Ausführungshandlung Gewicht und bezieht höchstens im Sinne der h. M. die mittelbare Täterschaft ein. Im Gegensatz zu diesem sog. restriktiven Täterbegriff wollte eine frühere Ansicht 5 ) im vermeintlichen Anschluß an ausländische Vorbilder 6 ) einen sog. extensiven Täterbegriff aufstellen, der auch alle Teilnahmeformen umfaßt; diese radikale Lösung wäre die einfachste und würde alle Schwierigkeiten einer Abgrenzung der Arten beseitigen. Dieser Einheitsbegriff sei auch sachlich berechtigt; denn nach der herrschenden Kausaiitätsitheorie setzen der Anstifter und der Gehilfe ebenso wie der engere Täter (Ausführer) eine Bedingung zum Erfolg und seien grundsätzlich auch in gleicher Weise strafwürdig, während Abweichungen im Einzelfall der richterlichen Strafbemessung überlassen werden könnten. Dagegen wird mit Recht an der bisherigen Unterscheidung in Arten festgehalten: es ist sowohl in der Sache als auch für die Strafwürdigke't etwas durchaus anderes, ob jemand die Ausführungshandlung vornimmt, sei es auch mit Hilfe eines Werkzeugs, oder ob er eine nur unterstützende Mitwirkung als Teilnehmer leistet; es ist etwas ganz anderes, ob er die allgemeine Tendenz (im Sinne der Adäquanztheorie) oder nur eine sonstige einfache Bedingung für den Erfolg durch bloße Unterstützung setzt. Der erstere ist als Täter grundsätzlich strafwürdiger als der letztere. Außerdem ist die Strafwürdigkeit, insbesondere die Gefährlichkeit höher, wenn jemand objektive als wenn er bloß subjektive Bedingungen setzt, wie ja der taugliche Versuch strafwürdiger ist als der untaugliche. Daher ist grundsätzlich die Täterschaft strafwürdiger als die Anstiftung, die Tatbeihilfe strafwürdiger als die Ratbeihilfe. So ergibt sich die folgende typische Staffel der Strafwürdigkeit: unmittelbare Täterschaft (Ausführung) — Anstiftung (nebst mittelbarer Täterschaft) — Tatbeihilfe — Ratbeihilfe. 2. a) Allerdings b e l a s t e t die psychische Mitwirkung s t ä r k e r wegen ihrer höhergradigen moralischen Verwerflichkeit: hier liegt die geistige Urheberschaft, die Wurzel des kriminellen W i l l e n s , der K r i m i n a l i t ä t s e r r e g e r : die Planmäßigkeit, Verschlagenheit, Feigheit, Ansteckung anderer, deren Vorschieben und Hineinlegen. Das alles stellt die Anstiftung gleich der Ausführung oder gar noch höher. Aber im ganzen gesehen, liegt die größere G e f ä h r l i c h k e i t bei der Ausführung. Der A n s t i f t e r ist nicht selten j e n e r Mundheld, der vor der T a t selbst z u r ü c k s c h r e c k e n würde, der nicht die E n e r g i e zur Ueberwindung der» W i d e r s t ä n d e besitzt und durchs e t z t , der auch innere Hemmungen angesichts des Opfers nicht zu unterdrücken vermag oder der gar Mitleid und edlere M o t i v e aufbringt oder der endlich aus V o r sicht und B e q u e m l i c h k e i t die T a t nie ausführen würde. Dagegen besitzt der Ausführer zunächst die nötige Empfänglichkeit für j e n e Anstiftung, Beratung, Unterstützung und für Einflüsterungen jeglicher A r t , vor allem 5] E b . Schmidt in F r a n k - F e s t g . 1930 und M e z g e r L e h r b . 1933 (anders in L K . 6. A . 1944); ferner S c h ö n k e vor § 47 I, R i t t l e r O e s t . S t r R . 1 197, H. R o e d e r Z S t r W . 62 (1944), 303 ff. 6) B e s o n d e r s Italien; dagegen differenzieren j e t z t auch Norwegen und die S c h w e i z , auf die man sich zu U n r e c h t b e r i e f . S a u e r ,

Strafrecht

12

178

V.

Mehrheit von Verbrechern und von Verbrechen

aber die kriminelle Energie, die eben die Ausführung erfordert: Entschlußkraft, Wagemut, Gewandtheit, Anpassungsfähigkeit j e nach dem Verlauf der Geschehnisse, Ueber* windung innerer, ernst gemeinter Widerstände, Gleichgültigkeit gegenüber fremdem und dem eigenen Schicksal, Bereitschaft zum Kampf mit der Umwelt, Fähigkeit zur Irreleitung der Behörde oder Glaube daran, Vertrauen auf den eigenen Stern. Der Ausführer wählt Mittel und Wege im einzelnen aus, während der Anstifter den Verlauf nie übersehen kann und daher sich nur in Allgemeinheiten und Phantasien bewegt. Der Ausführer ist eben der Schöpfer des konkreten Erfolgs und der Lenker der Ereignisse. Aus allen diesen Gründen folgt, daß im ganzen strafwürdiger ist der T ä t e r als der Anstifter (entgegen der Regelung des S t G B , § 48), strafwürdiger der unmittelbare T ä t e r als der mittelbare (entgegen der h. M.), der Tatgehilfe als der Ratgehilfe und bloße Berater. Die fakultative Strafmilderung bei der Beihilfe in VO. 43 ist daher berechtigt und notwendig; sie wäre auch für die Anstiftung erwägenswert. b) Vorstehendes betrifft nur die Typen von Personen und Verhältnissen. Im, Einzelfall können bei gewissen Delikten, für die jedoch wieder eine typische G r u p p e n b i l d u n g (wie beim Versuch) zu beobachten ist, Anstiftung und selbst Beihilfe gleich der Täterschaft strafwürdig sein, j a sogar strenger. Bei den N u t z t y p e n wirkt naturgemäß der Wille des Anstifters und schon des Beihilfe-Beraters starker auf die Willensbildung der Haupttat ein, in deren Tatbestand ja der Wille eine erste Bedeutung besitzt (Bereicherungs-, Zueignungsabsicht, Eigennutz, Vorteil usw.). B e i den T r i e b d e l i k t e n tritt der Wille dagegen stark in den Hintergrund gegenüber dem Trieb; hier kann die Tatbeihilfe für den Erfolg wichtiger und daher strafwürdiger sein. Das gleiche gilt für die- leichteren A n g r i f f s d e l i k t e , während die schwereren wiederum melir mit Nutzungsmotiven durchsetzt sind und die Strafwürdigkeit stärker von der Willensbildung abhängig machen. Ueber den Gegensatz dieser Deliktsgruppen vgl. des weiteren sofort unten II 2 b. c) Unbefriedigende Folgen für den e x t e n s i v e n T ä t e r b e g r i f f sind außerdem diese. Teilnehmer an »einem Sonderdelikt kann auch sein, wer es nicht selbst als T ä t e r begehen kann; sehr wohl strafwürdig ist jedoch die Teilnahme an Blutschande, an Fahnenflucht, am retnen Amtsdelikt. Würde man die Teilnahme als Täterschaft auffassen und den Anstifter etwa als mittelbaren T ä t e r konstruieren, so müßten jene Fälle straflos bleiben; eine befriedigende Lösung wäre mir auf Umwegen und durch Sondertatbestände möglich. — Die Teilnahme läßt im Gegensatz zur Täterschaft A b s t u f u n g e n zu, womit einem praktischen Bedürfnis entsprochen wird; es geht nicht an, die geringste Beratung, einen bloßen Wink und Hinweis gemäß dem extensiven Täterbegriff bereits als Täterschaft aufzufassen. Nicht zu billigen ist daher E. 36 § 4, der als T ä t e r jeden ansieht, der die Tat dadurch, ausführt, daß er einen anderen für sich handeln läßt: eine unannehmbare Erweiterung der (mittelbaren) Täterschaft auf Kosten der Anstiftung.

IL Objektive und subjektive Bestimmung des Täter- und Teilnehmerbegriifs1, Beide Voraussetzungen sind erforderlich: jede Tat setzt subjektiv ein Wollen, objektiv ein Wirken, insbesondere ein Ausführen voraus; insofern ist der hier ebenso heftig wie in der Versuchslehre geführte Streit zwischen objektiver und subjektiver Theorie müßig. Früher vertrat die Wissenschaft7) die objektive, die Rechtsprechung die subjektive Theorie. Verfehlt ist beidemal nur die Einseitigkeit. a) R G . nimmt, wie neuerdings immer mehr betont und auch von Frank u. a. anerkannt wird, einen mehr vermittelnden Standpunkt ein; aber es muß zugegeben werden, daß es in den zweifelhaften Fällen auch hier, wie in der Versuchslehre, ?) Vgl. Olshausen, Ebermayer-Lobe in LK. 5. Allfeld, v. Hippel, Gerland, Mezger früher, u. a.

A.,

Frank,

Binding,

v.

Liszt-Schmidt,

§ 26. T ä t e r und Teilnehmer im einzelnen

179

wenn auch weniger radikal als dort, . von einer s u b j e k t i v e n E i n s t e l l u n g a u s g e h t (2, 162; 3, 182 und s t ä n d i g w e i t e r , s c h a r f n o c h 77, 118), U n v e r k e n n b a r sind d i e Z u s a m m e n h ä n g e m i t d e r B e d i n g u n g s t h e o r i e und d e m A k z e s s o r i e t ä t s d o g m a ; man b e t o n t i m m e r w i e d e r : T ä t e r und T e i l n e h m e r s e t z e n in g l e i c h e r W e i s e B e d i n g u n g e n zum Erfolg; sie unterscheiden sich dadurch, daß der T ä t e r das V e r b r e c h e n als eigenes, d e r T e i l n e h m e r nur a l s f r e m d e s w i l l . Auf die T a t b e s t a n d s h a n d l u n g k o m m e es w e n i g e r an; denn d i e s e k ö n n e auch von einem G e h i l f e n und von einem W e r k z e u g vorgenommen w e r d e n , die eben nicht T ä t e r sind, und sie w e r d e a n d e r s e i t s vom mittelb a r e n T ä t e r nicht v o r g e n o m m e n , der doch Täter sei. Die normative Ausgangss t e l l u n g v o m V e r b r e c h e n und d i e A b s t e l l u n g auf d i e T a t b e s t a n d s h a n d l u n g w u r d e n s c h o n o b e n § 25 I 2 a l s v e r h ä n g n i s v o l l b e z e i c h n e t ; e s d r e h t s i c h in W a h r h e i t d a g e g e n nur um d i e F r a g e , w e r b e i d e r T a t ihr T ä t e r i s t u n d w e r n u r u n t e r s t ü t z e n d m i t w i r k t . Daß die T a t eine A u s f ü h r u n g s h a n d l u n g , ein W i r k e n d e s T ä t e r s als ihres S c h ö p f e r s auf d e n E r f o l g hin, ein T e n d e n z s e t z e n u n d H i n s t r e b e n auf d a s Z i e l b e d e u t e t , d a s ist e i n e n a t ü r l i c h e s o w o h l w i e s o z i o l o g i s c h e A n s c h a u u n g , d i e z w a r in d e r R s p r . des R G . a u c h b e g e g n e t , a b e r nicht z u m K e r n d e r E n t s c h e i d u n g u n d n o c h w e n i g e r d e r T h e o r i e e r h o b e n w i r d , in d e r B e f ü r c h t u n g , d a ß s i e s i c h z u s e h r d e r A d ä q u a n z t h e o r i e und d e r m a t e r i a l e n R e c h t s w i d r i g k e i t n ä h e r n k ö n n t e . N i c h t l e i c h t zu e r k e n n e n i s t a b e r , w i e m a n v e r s t e h e n s o l l , d a ß d e r T ä t e r d i e Tat ,,a 1 s e i g e n e will*'. Unerheblich ist sein materielles, insbesondere f i n a n z i e l l e s I n t e r e s s e a m E r f o l g ( A . M . R G . 74, 85); d a g e g e n s p r i c h t s c h o n o f t d e r T a t b e s t a n d (§§ 263, 253 u. a . : s i c h o d e r e i n e m a n d e r e n l ) ; u n d d i e B e u t e s o l l o f t einem Dritten, dem A u f t r a g g e b e r , dem Anstifter, dem Hehler zufallen. Unerheblich ist a u c h d e r , . T ä t e r v o r s a t z " (animus auctoris oder domini im Sinne der älteren Entscheidungen); denn auch die f a h r l ä s s i g e T a t und die U n t e r l a s s u n g haben ihre T ä t e r , u n d d e r V o r s a t z b e z i e h t s i c h n i c h t auf d i e W ü r d i g u n g , o b e i n V o r g a n g u n t e r einen Grundbegriff des allgemeinen Teils des Strafrechts (Tat, Verbrechen) fällt. D i e s e W ü r d i g u n g ist d i e A u f g a b e d e s R i c h t e r s ; u n d d i e o b j e k t i v e P r ü f u n g ist e b e n die hier e n t s c h e i d e n d e F r a g e . U n e r h e b l i c h ist s o d a n n d e r , , T ä t e r w i I l e " 8 ) ; m a n f r a g e nur e i n e n R i c h t e r , o b e r w i r k l i c h im E i n z e l f a l l v o r V e r u r t e i l u n g e i n e s T ä t e r s w e g e n Diebstahls oder fahrlässiger Tötung dessen „ T ä t e r w i l l e n " feststellt. Das Subjektive wird lediglich bei Feststellung der Schuld und ihrer E r s c h e i n u n g s f o r m e n berücks i c h t i g t , zu d e n e n a b e r d e r T ä t e r w i l l e v o n k e i n e r d e r b i s h e r i g e n S c h u l d a u f f a s s u n g e n g e r e c h n e t w i r d ; e s i s t nur ein P r i v i l e g d e r T e i l n a h m e l e h r e . Und wie, wenn alle Mittäter, die besten Freunde, nur a l t r u i s t i s c h h a n d e l n , k e i n e r f ü r s i c h d i e Tat a l s e i g e n e , im e i g e n e n I n t e r e s s e w i l l ? E s k o m m t n i c h t d a r a u f a n , w a s d e r A n g e k l a g t e s e i n w i l l , n i c h t d a r a u f , o b er sfcin V e r h a l t e n a l s T a t o d e r a l s T e i l n a h m e a n s i e h t ; d a s M a ß g e b l i c h e ist n a t ü r l i c h , w i e d e r R i c h t e r e s w ü r d i g t , und d i e s e r s t e l l t o b j e k t i v f e s t , o b in d e r e r m i t t e l t e n S a c h l a g e d i e e r f o r d e r l i c h e n o b j e k t i v e n w i e s u b j e k t i v e n M e r k m a l e v o n T a t und T ä t e r g e g e b e n sind o d e r o b nur e i n e F o r m d e r T e i l n a h m e v o r l i e g t . Das Unterscheidende i s t , o b ein ( s u b j e k t i v e s ) W o l l e n und ( o b j e k t i v e s ) W i r k e n in d e r R i c h t u n g auf d e n Tatbestandserfolg o d e r o b nur ein l e d i g l i c h u n t e r s t ü t z e n d e s (ebenfalls subjektives wie objektives) W o l l e n und M i t w i r k e n zu e r k e n n e n sind: dort die entscheidend w i r k e n d e U r s a c h e (die a l l g e m e i n e T e n d e n z ) , h i e r d i e b l o ß u n t e r s t ü t z e n d e B e d i n g u n g . D a s u n t e r s c h e i d e n d e M e r k m a l l i e g t a l s o z u n ä c h s t und v o r a l l e m im R e i c h d e r T a t s a c h e n , ist o b j e k t i v e r N a t u r .

b) A u c h hier trifft die objektive Theorie d a s Richtige, wie beim Versuch:' liegt vor im Einzelfall eine A u s f ü h r u n g s h a n d l u n g oder nur eine untergeordnete B e d i n g u n g ? Die letztere besteht bei d e r Teilnahme im 8) L K . 6. A . ( M e z g e r ) v o r § 47 N , 5: T ä t e r i s t , „ w e r mit T ä t e r w i l l e n ( ? F a h r lässigkeit?) in t a t b e s t a n d s m ä ß i g e r Form (? Würdigung!) den entscheidenden Erfolg der T a t v e r u r s a c h t " ( ? d. h. e i n e B e d i n g u n g f ü r d e n E r f o l g i m S i n n e d e r K a u s a l i t ä t s l e h r e d e s R G . s e t z t , w a s a u c h auf d e n T e i l n e h m e r z u t r i f f t !). Also eine durchaus mißglückte Definition. B e s s e r t r i t t d i e 5. A . ( L o b e ) f ü r d i e o b j e k t i v e T h e o r i e ein. 12'

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V.

Mehrheit von Verbrechern

und von

Verbrechen

unterstützenden Mitwirken, beim Versuch im unterstützenden Vorbereite!!. Täter ist, wer bei objektiver Beurteilung (nicht nach seinem Tatbild und Willen) als Schöpfer gilt, als auctor und dominus; wie in dier Kunst und überhaupt in der Kultur, so ist es auch in der Kriminalität, Der Täter trägt die Verantwortung für das Werk, er erntet Anerkennung wie Tadel, Lob wie Vorwurf, und nimmt die Hauptfolgen auf sich. Der „Teilnehmer" nimmt daran nur teil; er übernimmt nur einen Teil, der bald größer bald geringer ist und wirklich auch einmal dem Hauptteil des Täters nahekommen kann. Im allgemeinen bedeutet aber Teilnahme ein Minus gegenüber der Haupttait; u. z. eine Abschwächung schon im Sprachbegriff, vor allem auch in sachlich-inhaltlicher Hinsicht und im Strafmaß — genau in (demselben Verhältnis, wie sich Versuch zu Vollendung verhält. 2. Auch hier ist, wie in der Versuchslehre, im konkreten Fall eine verschiedene Ausgestaltung bei den einzelnen Deliktsgruppen zu beobachten. Und ferner ist bei der Tat (Haupttat) und der Tatbeihilfe naturgemäß das äußere, bei der Anstiftung und der Ratbeihilfe das Willenselement stärker zu berücksichtigen. So ergeben sich einige neue interessante Erkenntnisse gegenüber der ¡herrschenden Meinung. a) Die Ausführung steht im Vordergrund bei der Tat und der Tatbeihilfe. Um die Ausführung aber im Einzelfall richtig zu verstehen und zu umgrenzen, muß man (wiederum ebenso wie beim Versuch und besonders beim untauglichen) den Täterwillen berücksichtigen und objektiv auslegen. Es gibt Fälle, in denen 'der Täter die Ausführung vornehmen will und mit ihr bereits beginnt, sie aber aus tatsächlichen Gründen nicht vornehmen kann, weil ein Mitwirker (Mittäter oder Tatgehilfe) sie vornimmt und weil im konkreten Fall nur eine einzige Person sie vornehmen kann. Will A eine kleine Kassette oder eine Taschenuhr entwenden und öffnet er zu diesem Zweck den fremden Schrank, während B als Mittäter oder Gehilfe den W e r t gegenstand wegnimmt, so kommt es natürlich nicht darauf an, ob A selbst zugreift oder nicht, was im vorliegenden Fall gar nicht möglich wäre; vielmehr ist A T ä t e r . Die Rechtslage ist jedoch bereits eine andere, wenn A nur eine Vorbereitungshandlung vornimmt, z. B . vor dem Haus Wache steht oder die Leiter an das Fenster ansetzt; hier wird er nicht deswegen T ä t e r , weil er . die Tat ausführen will, sie aber nicht ausführen kann, sei es weil der Wagemut fehlt oder weil ihn Ungewandtheit am Einsteigen hindert, selbstverständlich ohne Rücksicht darauf, ob allein er die Tat veranlaßt hat oder aus ihr den Gewinn zieht. Immerhin ist im Bereich der N u t z d e l i k t e der Wille weitgehend zur Auslegung der T a t , der Ausführungshandlung, in Betracht zu ziehen, schon weil das subjektive Element des Wirkens in den meisten Tatbeständen dieser Deliktsgruppe als Tatbestandsmerkmal (Zueignungs-, Bereicherungsabsicht, aus Eigennutz, seines Vorteils wegen) Ausdruck findet. B e i den T r i e b d e l i k t e n liegt der Schwerpunkt beim Erfolg und tritt der Wille hinter dem reinen Trieb völlig zurück; so können bei Unzucht, Abtreibung und Fahrlässigkeitstaten nur die objektiven Verhältnisse entscheiden, während ein etwa 'entgegenstehender T ä t e r - oder Teilnehmerwille nichts ändern würde. Das gleiche gilt aber auch für die reinen A n g r i f f s d e l i k t e , bei denen es vor allem auf die Begehungsweise und die Schädigung ankommt, so daß hieran ein entgegenstehender T ä t e r - oder Teilnehmerwille keine von den T a t sachen abweichende Beurteilung hervorrufen würde. Wenn A den C verprügelt und B ihn festhält, damit er nicht entläuft, so leistet B nur Beihilfe, selbst wenn er die Körperverletzung als eigene Tat wünscht. Die subjektive Theorie nimmt hier Mit-

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täterschaft mit lediglich verteilten Rollen an. Man setze aber ein schweres Delikt ein, etwa Körperverletzung mit todlichem Ausgang oder Tötung; Mörder ist nach all" gemeinem Sprachgebrauch und Rechtsempfinden nur, wer den tödlichen Stoß ausführt, nicht auch wer eine begünstigende Bedingung setzt, sei es Festnahme oder Wachestehen. Der letztere würde vielleicht Gewissensbedenken nicht unterdrücken, sollte er selbst dem unglücklichen Opfer den Todesstoß versetzen oder ihm Qualen bereiten, selbst wenn er mit dem Erfolg einverstanden ist.

b) Der Wille ist selbstverständlich von Bedeutung auch für die Haupttat und die Tatbeihilfe; aber er gibt naturgemäß den Ausschlag bei der Anstiftung und der Ratbeihilfe. Nur diese Teilnahmeformen können bed Teilnahmehandlungen und entsprechendem Teilnehmerwillen vorliegen; niemals können sie zur Haupttat allein wegen des Täterwillens werden, wenn objektiv nur Teilnahmehandlungen ohne Ausführung begangen sind. Es gehört zu den größten Verirrungen" unserer Rspr., leider vor allem des RG., auch hier der subjektiven und der Aequivalenztheorie folgend bei bloß unterstützender Tätigkeit (Anstiftung oder Beratung) schlechthin die Haupttat anzunehmen, sofern jemand bei ganz schwacher Tätigkeit, gleichsam vom grünen Tisch aus, mit Täterwillen handelt, die Tat als eigene im eigenen Interesse will. Der Fehler ist klar und ohne Zweifel bei den A n g r i f f s d e l i k t e n : Mörder des Erzherzogs Franz Ferdinand von Oesterreich war der Serbe Princip, nicht aber die großserbische Gruppe, die ihn dazu bestimmt hat; Morder der Kaiserin Elisabeth war der Italiener Luccheni, nicht der anarchistische Ausschuß, der ihn gedungen hat; und Mörder jener mißliebigen Minister nach 1918 war immer nur der Einzelne, der von der nationalen Bewegung ausersehen wurde, nicht seine Auftraggeber oder gar nur B e r a t e r . Die historischen Darstellungen und die Anschauungen des Volkes werden dem Sachverhalt gerecht, weil sie unbewußt der objektiven Theorie folgen. Immerhin ist selbst in dieser Frage die subjektive Theorie erwägenswert, sofern es sich um N u t z und selbst um T r i e b d e l i k t e handelt. Bei letzteren ist der Wille des Haupttäters nur schwach, so daß um so stärker der des Anstifters und selbst der des Ratgehilfen wirkt und es dem Maße der Strafwürdigkeit nur entsprechen würde, sie auch als T ä t e r anzusehen; zu beachten ist jedoch, daß zahlreiche Triebdelikte (Unzucht) nur in eigener Person begangen werden Icönnen, B e i den N u t z d e l i k t e n ist dagegen der Wille stark ausgebildet und oft im Tatbestand vertypt; wenn er nunmehr von einem noch stärkeren Teilnehmerwillen wirksam beeinflußt wird, so ist eine innere Verwandtschaft zwischen beiden Teilen hergestellt und liegt die Auffassung einer Mittäterschaft im Bereich naher Möglichkeit. Auch als Alleintäter könnte der vermeintliche Anstifter in Frage kommen, während der andere sein Tatgehilfe oder gar nur sein (evtl. nicht voll verantwortliches) Werkzeug wäre. Diese Umkehrung oder Vertauschung der Rollen wäre um so berechtigter, als im Bereich der Nutztypen die Rechtsgüter , , v e r t r e t b a r " , ,,auswechselbar" sind — dies im beachtlichen Gegensatz zu den Angriffs- und z. gr. T . zu den Triebdelikten, denen meist „höchstpersönliche" Rechtsgüter als Objekte zugrunde liegen (Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre, Sittlichkeit), so daß hier als T ä t e r regelmäßig nur erscheint, wer die Tat ausgeführt, den Angriff begangen, den Schaden zugefügt hat. Bei den Nutzdelikten ist auch die Begehungsweise typisch, alltäglich, beinahe normal, so daß der Anstifter und Ratgehilfe sich auf allgemeine Winke beschränken können; bei den Angriffsdelikten muß der Weg meist selbständig gesucht, das Mittel individuell gewählt, oft ein Plan für den Einzelfall erst ersonnen werden, und der Ratgeber kann nicht alles übersehen,' noch weniger alles im voraus billigen, was der T ä t e r ausführt. Bezeichnend für die Verschiedenheit beider Hauptgruppen ist, daß ein Fortsetzungszusammenhang weit eher bei den Nutzdelikten als bei den Angriffs- und Triebdelikten möglich ist: zehn Diebstähle,

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V.

Mehrheit von V e r b r e c h e r n und von

Verbrechen

aber nicht zehn Tötungen oder Beleidigungen oder Sittlichkeitsdelikte. Alles dies berechtigt zu dem Leitsatz: grundsätzlich gilt die objektive Theorie; bei den Nutztypen sind auch Einschläge der subjektiven Theorie möglich. Gleichwohl ist Vorsicht gegenüber der subjektiven Theorie auch bei Nutzdelikten geboten. Unbegreiflich geht das sonst bedeutende Urt. d. I. StSen. RG. 77, 118 (1943) sogar so weit, statt Hehlerei die Vortat Diebstahl anzunehmen, falls der Täter die Vortat als eigene gewollt hat {was bei dem Ausbeutungswillen des Hehlers meist der Fall ist!). Allerdings verlangt RG. auch eine entsprechende Vortathandlung; die Gewahrsamsbegründung ist bei Hehlerei leichter nachweisbar als der zum Diebstahl außerdem erforderliche Gewahrsamsbruch. In Wahrheit ist der Unterschied beider Delikte n u r die Art der Ausführungshandlung. — Schwer begreiflich ist auch RG. 71, 364: ein fremder Beischlaf könne als eigene Tat gewollt sein (Widerspruch mit dem Wesen des eigenhändigen Delikts). c) U n h a l t b a r e Folgerungen aus der rein subjektiven T h e o r i e werden sich noch später zeigen. Hervorgehoben sei: Wer den zurechnungsunfähigen Mitwirkenden irrig für zurechnungsfähig hält, ist Mittäter (während der andere nicht als Mittäter verantwortlich ist!); wer aber die Zurechnungsunfähigkeit des anderen kennt, ist mittelbarer Täter durch den anderen als Werkzeugs). Daß allein der Irrtum die objektive Täterbeurteilung so nachhaltig beeinflußt und zu einem so unlogischen Ergebnis führt, ist doppelt unbefriedigend. — Die subjektive Theorie widerspricht sich selbst: der Berater, der ein (ohne Schuld handelndes) Werkzeug bestimmt, soll mittelbarer Täter seinio), obwohl er die Tat „als fremde will". — Hält ein Anstifter einen Zurechnungsfähigen irrig für zurechnungsunfähig und wollte er ihn als Werkzeug benutzen, so soll der Anstiftungsvorsatz fehlen, aber durch den weitergehenden Tätervorsatz ersetzt w e r d e n d ) : also Anstiftung, obwohl er die Tat als eigene will! — Werkzeug kann nur sein, w e r die Tat auch als eigene, als Täter begehen könnte (eigenhändiges Delikt, z. B. Blutschande)^); hier versagt die subjektive Bestimmung des Täterbegriffs. — Höchst eigenartig ist die in der Tat gezogene Konsequenz, daß nach der limitierten Akzessorietät an Stelle der bisher angenommenen mittelbaren Täterschaft Anstiftung oder Beihilfe vorliegt, g l e i c h z e i t i g aber mittelbare Täterschaft anzunehmen ist, wenn der Teilnehmer die Tat gemäß der subjektiven Theorie als eigene wilUS). — Mittäter, die selbstlos nur zu Gunsten der anderen handeln, können nicht Täter sein, da sie die Tat nicht als eigene wollen, sie alle sind nur Gehilfen! — Will der den Dieb bestimmende Hehler den Diebstahl als eigene Tat, der Dieb ihn nur als fremde, so ist letzterer das Werkzeug des Hehlers, der als mittelbarer Täter den Diebstahl begeht!

III, Der natürliche Täterbegriff und der selbständige (freie), erweiterte Teilnehmerbegriii (Mitwirker), Mittelbarer Täter, 1. Als Leitsatz f ü r den oben (§ 25 I) dargelegten und zum Ausgang für die gesamte Lehre genommenen natürlichen Täter- und Teilnehmerbegriff hat zu gelten: der A stiftet den H zur Handlung an, nicht zum Delikt; zwischen A und H besteht nur ein natürliches, kein normatives Band. Die Würdigung trifft d e r Richter, und zwar für jede Person einzeln, unabhängig voneinander. F ü r die Strafbarkeit des Teilnehmers ist es unerheblich, ob der Haupttäter s t r a f b a r ist, ob seiner Handlung die Rechtswidrigkeit oder d i e Schuld, ein Tatbestands- oder ein sonstiges S t r a f b a r ») 10) 11) 12) 13)

LK. 6, A. 325. LK. 6. A. 326 (gegen die 5. A.). LK. 6. A. 335 (§ 48, 3d). h. M. Rietzsch DJ. 1943, 311; Kohlrausch 38. A. S. 170.

§ 26. Täter und Teilnehmer im einzelnen

183

keitsmerkmal fehlt; Voraussetzung für die strafbare Teilnahme und für die Teilnahme überhaupt ist lediglich eine Ausfährungshandlang dvs Täters. Vgl. oben § 25 I. 2. Die gegenteilige, überlieferte Lehre, die nicht vom natürlichen Täterbegriff, sondern von der strafbaren Handlung ausgeht, macht die Teilnahme und ihre Strafbarkeit abhängig von der Strafbarkeit der Haupttat, seit VO. v. 29. 5. 43 wenigstens von ihrer Rechtswidrigkeit: strenge, später limitierte Akzessorietät. Um die alsdann straflos bleibenden, aber strafwürdigen Fälle strafrechtlich zu erfassen, ersann die Lehne die künstliche Figur des mittelbaren Täters mit dem Parallelbegriff des Werkzeugs; die Beihilfe (mindestens durch die Tat) wurde dabei allerdings nicht erfaßt. Diese Möglichkeiten sind im folgenden vom Standpunkt der herrschenden Meinung zusammenzustellen. Die natürliche Auffassung schlägt sie sämtlich zuir (selbständigen) Teilnahme; der mittelbare Täter steht in seinem Wesen und seiner Strafwürdigkeit diem Anstifter und selbst dem Ratgehilien ungleich näher als dem unmittelbaren, die Ausführungshälndlung selbst vornehmenden Täter 1 4 ). — Bisheriges Fälle mittelbarer Täterschaft: a) Das Werkzeug handelt nicht schuldhaft oder nicht voll schuldhaft: aa) bis J G G . v. 1923: Kinder und Jugendliche; bb) bis VO. v. 29. 5. 43: Zurechnungsunfähigkeit oder Schuldminderung, §§ 51, 58; oc) ebenfalls bis 43: Entschuldigungsgründe, z. B. Notstand §§ 54, 52 (Nötigung einer Schwangeren zur Abtreibung 15 ); hierher würde der rechtswidrige, verbindliche Befehl des Vorgesetzten gehören, MilStGB. § 47, Z. 2, wenn es nicht richtiger wäre, den Vorgesetzten als Anstifter, den Untergebenen als Täter schon gemäß dem natürlichen Täterbegriff aufzufassen 16 ); dd) ebenfalls bis 43: das Werkzeug handelt in entschuldbarem Irrtum, der Bestimmende vorsätzlich 17 ). Nach der subjektiven Theorie gehört hierher auch der Fall, wo das Werkzeug vorsätzlich, aber nicht mit Täter-, sondern nur mit Gehilfenvorsatz handelt 18 ); nach der - objektiven Theorie ist der Irrtum unerheblich: der Bestimmende ist Anstifter im Einklang mit der natürlichen Täterauffassung.; ee) die umstrittenste Gruppe bildete das Fehlen höherer Schuldgrade: A bestimmt den B zu einem vorsätzlichen Tatbestand (Körperverletzung), den dieser nur fahrlässig verwirklicht 1 ?), 14) Höchst unbefriedigend die herrschende Praxis, gemäß der subjektiven Theorie den Unterschied zwischen mittelbarem Täter und Anstifter mit L K . § 47, 9a S . 326, Schönke vor S . 47 III 2 u. a. nach der Frage zu bestimmen, ob T ä t e r - oder Anstifter w ii 1 1 e vorliegt; danach müßte auch die Annahme entscheiden, der andere sei Werkzeug oder Haupttäter; das könnte in Wahrheit ein Fall des Rechtsirrtums sein, der die Entscheidung zu treffen hätte! 15) R G . 31, 395. 1 (ij Irrig ist es, diesen Fall mit einer häufigen Meinung (v. Hippel, Welzel Grdz. 3- A. 85) wegen Fehlens der Rechtswidrigkeit auf Seiten des Untergebenen der Gruppe b des folgenden T e x t e s zuzuweisen. 17) R G . 47, 147. 18) R G . 44, 69. 19) R G . 39, 300.

184

V. Mehrheit von Verbrechern und von Verbrechen

oder zu einem Absichtsdelikt (Diebstahl), das dieser nur vorsätzlich ausführt, während seine Absicht nur auf Schädigung gerichtet ist. Hier muß A . selbstverständlich wegen der schwereren Schuldform verantwortlich gemacht werden, während B nur fahrlässig handelt oder wegen nur einfachen Vorsatzes straflos ausgeht. Es wäre aber richtiger und natürlicher, A als Anstifter zu bestrafen. Wollte man ihn als mittelbaren Täter auffassen, so würde jedenfalls kein Gegenigrund oder Hindernis sein, daß das Werkzeug fahrlässig oder gar vorsätzlich handelt. Man wollte jedoch diesen letzteren Fall des sog. a b s i c h t s l o s e n d o l o s e n W e r k z e u g s noch weiter verstehen: wenn sich jemand derart in den Dienst eines anderen stellt, daß er nur dessen Wünsche und Weisungen ausführt, so hielt eine verbreitete Meinung20) mittelbare Täterschaft für möglich. Dieses Ergebnis ist bedenklich und schon in tatsächlicher Hinsicht schwer verständlich; die Fälle können sehr verschieden liegen: das Werkzeug handelt etwa im Auftrag eines Vorgesetzten* der Presse, einer Partei oder eines Parteiführers. Ist das vermeintliche Werkzeug wirklich zurechnungsfähig, also noch im Besitz seines freien Willens, so ist es Haupttäter, der Auftraggeber ist Anstifter. Ueber den ganz anderen Fall des sog. qualifikationslosen dolosen Werkzeugs s. unten zu c. Die subjektive Theorie geht sogar so weit, mittelbare Täterschaft bei Tätervorsatz anzunehmen, wenn die Mittelsperson auch ihrerseits dein Tatbestand vorsätzlich verwirklicht. Handelt auch sie mit Tätervorsatz, so liegt Mittäterschaft vor, sonst nur Beihilfe21), — In allen diesen Fällen ist die Annahme einer Anstiftung sachlich richtiger als die Hilfe mit mittelbarer Täterschaft.

b) Das Werkzeug handelt nicht rechtswidrig; der mittelbare Täter nutzt die Not- und Zwangslage eines änderten aus, während sie bei ihm fehlt. Der Fuchs bestimmt den Bär, bei den Bauern Honig zu stehlen; er erwartet, daß die Bauern ihn tüchtig verprügeln, was auch geschieht. Mit der naheliegenden Anstiftung zum Diebstahl wäre das Strafwürdige dieses Goethe-Falles nicht erschöpft; der Fuchs begeht als mittelbarer Täter eine rechtswidrige Körperverletzung, ' sein Werkzeug sind die Bauern, die in Notwehr nicht rechtswidrig handelni Letztere Konstruktion führt zum befriedigenden Ergebnis, erscheint aber reichlich gekünstelt. Auch sind hiernach Abstufungen in der Strafwürdigkeit nicht möglich. Naturgemäß und sachlich richtiger ist es, den Fuchs wegen Anstiftung oder je nach Lage des Falles nur wegen Ratsbeihilfe zu bestrafen. Uebrigens leuchtet in keiner Weise ein, daß Notwehr so verschieden von Notstand (oben a cc) zu behandeln ist: ein Zeichen, wie willkürlich die ,,Limitierung" vom Gesetz gezogen istl — Der rechtswidrige verbindliche Befehl des Vorgesetzten gehört in die obige Gruppe a, weil auch der Untergebene nach jetzt h. M. (oben § 18 B II 2) rechtswidrig handelt. — Gibt der Arzt dem Pfleger eine falsche Anweisung zur Behandlung, so können beide 20) RG. 62, 390; 63, 313; 64, 425 u. ö., HRR. 37, 131 und schon Binding Abh. I 270, ferner Schönke vor § 47 III 2 b, Mezger Grdr. 132 (anders Lehrb. 428) und LK. 6. A. 328. Dagegen Frank 18. A. 108, v. Liszt-Schmidt § 50, Beling u. a., bes. Flegenheimer, Das Problem des dolosen Werkzeugs 1913. 21) RG. 74, 84: Die B ertränkte auf Veranlassung ihrer Schwester A deren uneheliches Kind. Die Vorinstanz nahm Mittäterschaft an; RG. verlangte noch Feststellung des Tätervorsatzes der B, sonst sei sie nur Gehilfin. Hier werden die Tatsachen geradezu auf den Kopf gestellt. In Wahrheit begeht B die Haupttat auf die Anstiftung der A. Anders auch Kohlrausch vor § 47 I B 3 e (der mittelbare Täterschaft der A annimmt); unzutreffend auch zu h (fahrlässige Bestimmung zu vorsätzlichem oder fahrlässigem Tun sei mittelbare Täterschaft). Nach Schönke a. a. O. ist mittelbare Täterschaft nur möglich, wenn das Werkzeug nicht mit Täterwillen handelt; danach käme Mittäterschaft nicht in Frage. Unter den Subjektivisten bestehen also manche Widersprüche.

185

§ 26. Täter und Teilnehmer im einzelnen

bei Verletzung von Kunstregeln rechtswidrig, aber schuldlos handeln; beide sind selbständig zu beurteilen und unabhängig zu bestrafen: der Arzt kann mittelbarer Täter sein; richtiger wäre auch hier, ihn als Anstifter oder je nach der Sachlage auch nur wegen Ratsbeihilfe zu bestrafen, gleich ob der Pfleger strafbar ist oder nicht. — Das Werkzeug kann auch unter dem Schutz des § 193 stehen (RG. 64, 23, 134)22). Wenn A zur Beseitigung eines künstlerischen oder wissenschaftlichen Gegners den Berufskritiker B zu einer vernichtenden Kritik bestimmt oder ihm Material nachweist, so ist die Beleidigung durch B nicht rechtswidrig (nach neuerer Rspr. schuldfrei) und ist A nach h. M, mittelbarer Täter, m. E. Anstifter oder Tatgehilfe.

c) Das Werkzeug kann nicht

alle

Tatbestandsmerkmale

erfüllen:

aa) Es wirkt an strafloser Selbstbeschädigung mit (RG. 70, 315); Entw. bilden selbständige Tatbestände. — bb) Sog. q u a l i f i k a t i o n s l o s e s doloses Werkzeug: der Beamte bestimmt den Nichtbeamten fPostaushelfer, Privatangestellten) zum Amtsdelikt (Annahme von Bestechungsgeld, Falschbeurkundung): RG. 28, 109; 41, 61; 44, 69; 63, 313. — cc) Ausnahmen galten für die e i g e n h ä n d i g e n D e l i k t e : Werkzeug kann nur sein, wer ein Delikt an sich auch als T ä t e r begehen kann ( B l u t s c h a n d e ) . Das bestätigt nur, was die Regel sein sollte: ein jeder ist unabhängig von dem andern zu beurteilen, gleich ob wegen Schuld, Rechtswidrigkeit oder einzelner Tatbestandsmerkmale.

3. Erweiterung Täterschaft.

des Teilnehmerbegriffs.

Weitere

Kritik

der

mittelbaren

a) Nicht der Täterbegriff ist zu erweitern, wie man bisher anstrebte, sondern der Teilnehmierbegriff. Der erstere läßt keine graduellen Abstufungen hinsichtlich der Strafwürdigkeit zu, worauf es doch bei der strafrechtlichen Begriffsbildung zu allererst ankommt. Die wenigen zuletzt noch übrig gebliebenen Fälle dier mittelbaren Täterschaft haben fast nur normative, konstruktive Bedeutung, Daher soll man „extensiv" gestalten nicht den Täter-, sondern den ungleich ergiebigeren Teilnehmerbegriff, in dem der mittelbare Täter ganz aufgehen sollte. Der Begriff des Mitwirkers gestattet, wie gezeigt, zahlreiche Formen und Gradunterschiede nach Stärke und Inhalt seines Einflusses auf die anderen Beteiligten. Dabei ist wieder zu beachten: der Täter (Haupttäter) setzt durch die Ausführungshandlung die allgemeine Tendenz auf den Tatbestandserfolg, die entscheidende Ursache; die anderen Mitwirker entfalten nur geringere Einflüsse, setzen „bloße Bedingungen". In den obigen Fällen zu 2b kann d^r Fuchs, kann der Arzt sehr gewichtige bindende Anweisungen als Anstifter erteilen; sie können sich aber auf eine ganz allgemein gehaltene Ratserteilung oder nur auf einige nebensächliche Winke und Fingerzeige beschränken, die immerhin für die Ausführung der Haupttat von Bedeutung sein mögen, sie aber nicht zum mittelbaren Täter, also Haupttäter machen können. Nach akzessorischer Beihilfe wären sie straflos. Die Figur des mittelbaren Täters ist ein lebensfremdes Konstruktionserzeugnis; das bezeichnende Wort „Figur" wird in der Rechtssprache mit Vorliebe gerade hier verwendet. Der mittelbare Täter hat sogar schon dogmengeschichtlichen Schaden angerichtet: er verleitete zu dem unfruchtbaren extensiven Täterbegriff, der jeder wissenschaftlichen und praktisch wertenden Differenzierung unzugänglich ist (oben I 1), auf die es doch der Forschung letzthin ankommt. 22) Nach LK. 5. A. 130 ist der Recbtfertigungsgrund zu prüfen; vgl. auch RG. 24. 305; 25, 359.

für den

einzelnen

Beteiligten

186

V.

Mehrheit von Verbrechern und von Verbrechen

b) Der selbständige und erweiterte Teilnehmerbegriff erweist sich als leistungsfähiger gegenüber dem Akzessorietatsgrundsiatz und dem auf ihm beruhenden Begriff der mittelbaren Täterschaft. aa) W e n n A den B zum R a u b a n s t i f t e t , B a b e r nur D i e b s t a h l , M u n d r a u b o d e r S a c h b e s c h ä d i g u n g b e g e h t , w ü r d e g e m ä ß d e r A k z e s s o r i e t ä t A u n g e r e c h t milde nur w e g e n A n s t i f t u n g zum D i e b s t a h l usw. b e s t r a f t w e r d e n . Der selbständige Teilnehmerbegriff e r f a ß t auch die t a t b e s t a n d l i c h e Q u a l i f i k a t i o n , die nur b e i m T e i l n e h m e r , nicht beim H a u p t t ä t e r v o r l i e g t ; § 50 hilft h i e r n i c h t , w e i l er nur d i e p e r s ö n l i c h e n E i g e n s c h a f t e n und V e r h ä l t n i s s e b e t r i f f t . V g l . u. V 1 a, V I 2. bb) M i t t e l b a r e r T ä t e r k a n n b e i m S o n d e r d e l i k t nur s e i n , w e r das D e l i k t auch a l s u n m i t t e l b a r e r T ä t e r b e g e h e n k ö n n t e ( R G . 44, 69; 63, 313; 74, 24)23); sonst w ä r e er eben nicht Volltäter. T e i l n e h m e r k a n n a b e r auch sein, w e r das D e l i k t n i c h t s e l b s t b e g e h e n k a n n { R G . 63, 31, 318). D a h e r w e r d e n a u c h die s e h r wohl s t r a f w ü r d i g e n umstrittenen Fälle der Teilnahme am Sonderdelikt durch den Außenseiter voll e r f a ß t : A n s t i f t u n g zur B l u t s c h a n d e durch den N i c h t v e r w a n d t e n , zum A m t s d e l i k t durch den N i c h t b e a m t e n , zum M i l i t ä r d e l i k t durch e i n e Z i v i l p e r s o n , E s ist durchaus k e i n e H ä r t e , w i e m a n g e m e i n t hat24), die A n s t i f t e r aus e i n e m s c h ä r f e r e n G e s e t z zu b e s t r a f e n , das auf sie als T ä t e r n i c h t a n w e n d b a r w ä r e ; und es l i e g t w e d e r Grund n o c h B e r e c h t i g u n g v o r , die S t r a f e n a c h A n a l o g i e d e r B e i h i l f e zu mildern25), w i e a l l e r d i n g s E . 36 w o l l t e (vgl. unten V I 1 d). Nur die m i l i t ä r i s c h e n S t r a f e n sind in die allgemeinen umzuwandelnde); wegen der Unanwendbarkeit jener auf Zivilp e r s o n e n die A n s t i f t u n g zum M i l i t ä r d e l i k t , e t w a zur F a h n e n f l u c h t , s t r a f l o s zu l a s s e n , w i e v i e l f a c h a n g e n o m m e n wird27), genügt n i c h t der G e r e c h t i g k e i t und dem R e c h t s bedürfnis. cc) V e r s u c h t e Teilnahme ist möglich und strafwürdig; hier steht die A k z e s s o r i e t ä t im W e g e . Nur zum' T e i l hilft § 49 a n. F . (vgh unten V 3). Bleibt die H a u p t t a t nur v e r s u c h t , so ist die T e i l n a h m e auch n a c h dem A k z e s s o r i e t ä t s g r u n d satz strafbar. W i l l a b e r der T e i l n e h m e r von A n f a n g an nur den V e r s u c h d e r H a u p t tat (Lockspitzel, agent provocateur)28), So soll er nach h. M. straflos sein, v e r d i e n t a b e r s e h r w o h l S t r a f e , auch w e n n d e r V e r s u c h der H a u p t t a t ausbleibt. S o l l t e ein so g e f ä h r l i c h e s V e r h a l t e n s t r a f l o s a u s g e h e n , w i e die A n s t i f t u n g eines l e i c h t s i n n i g e n M e n s c h e n durch e i n e n G e w o h n h e i t s d i e b , zu p r o b i e r e n , o b s i c h e i n e f r e m d e Haustür durch einen f a l s c h e n S c h l ü s s e l öffnen l ä ß t ? E s ist j e d o c h n o c h w e i t e r zu u n t e r s c h e i d e n . W i l l d e r A n s t i f t e r n i c h t einmal den V e r s u c h , will e r v i e l m e h r den a n d e r e n nur h e r e i n l e g e n in der E r w a r t u n g , daß e r ü b e r r a s c h t und b e s t r a f t w i r d , so ist auch d i e s e r F a l l durchaus s t r a f w ü r d i g und s t r a f b a r (wie im o b i g e n F a l l zu 2b die A n s t i f t u n g des B ä r e n durch den F u c h s ) , Anders jedoch, wenn der Anstifter einen b e r e i t s V e r d ä c h t i g e n lediglich s t e l l e n und ü b e r f ü h r e n will; so w e n n d e r K a s s i e r e r a b g e z ä h l t e s G e l d offen liegen läßt, um einen A u s h e l f e r ü b e r f ü h r e n zu k ö n n e n , d e r im V e r d a c h t f r ü h e r e r D i e b s t ä h l e s t e h t . H i e r ist die an s i c h v o r l i e g e n d e und w i r k s a m e Anstiftung (oder Beihilfe) wegen des berechtigten Zweckes nicht rechtswidrig. S t r a f b a r ist d e r T e i l n e h m e r auch dann, w e n n er die U n t a u g l i c h k e i t des V e r s u c h s k e n n t , s o f e r n er nur will, daß der a n d e r e d i e Ausführung zum m i n d e s t e n b e g i n n e n wird; denn der n a t ü r l i c h e " T e i l n a h m e b e g r i f f b e z i e h t s i c h auf die T a t (Ausführung und d e r e n B e g i n n ) , n i c h t auf den E r f o l g und n i c h t auf das D e l i k t , w e s w e g e n die h. M . 23) D a g e g e n nimmt L K . 6. A . § 47, 9a m i t t e l b a r e T ä t e r s c h a f t auch an den u n e i g e n t l i c h e n , e r f o l g s g e b u n d e n e n S o n d e r d e l i k t e n ( B l u t s c h a n d e ) an, lehnt sie a b e r an den e c h t e n , t ä t e r g e b u n d e n e n S o n d e r d e l i k t e n ( A m t s d e l i k t e n ) mit R e c h t a b . 24) Abh. I 25) 26) 27)

L K . § 48, 5, 9 ( M e z g e r , auch G r d r . 138) 363. N a g l e r S o n d e r v e r b r e c h e n 148, M e z g e r a. a. O . R G . 27, 157; 70, 276. L i t . in L K . § 48, 5,

2S) H e i l b o r n , L e h r b . u. K o m m .

Der

Agent

provocateur

1901;

nach

Singewald

dem

Abh.

H.

Vorgang

83,

von

1908;

Binding

ferner

die

§ 26. Täter und Teilnehmer im einzelnen

187

mit ganz u n b e f r i e d i g e n d e m E r g e b n i s , von ihrem A u s g a n g s p u n k t a b e r nur f o l g e r i c h t i g , T e i l n a h m e a b l e h n t , w e n n nur der V e r s u c h g e w o l l t wird29), W i l l d e r A n s t i f t e r die A u s f ü h r u n g s e l b s t h i n d e r n , so fehlt, der Vorsatz30); e n t s c h l i e ß t er s i c h s p ä t e r zur N i c h t hinderung, so k a n n B e i h i l f e V o r l i e g e n s ! ) . dd) S c h u l d f o r m . Die h. M . v e r l a n g t V o r s a t z des T e i l n e h m e r s (so S t G B . § § 48, 49) w i e d e s Haupttäters32). B e i d e m a l ist F a h r l ä s s i g k e i t möglich und strafwürdig. So w e n n der A u t o b e s i t z e r mit . dem Wagenführer leichtfertig eine U n t e r r e d u n g h a t , die diesen b e s t i m m t o d e r b e s t ä r k t , b e s o n d e r s s c h n e l l zu f a h r e n , w o b e i ein D r i t t e r v e r l e t z t w i r d . H i e r s o l l t e m a n A n s t i f t u n g o d e r B e i h i l f e zum f a h r lässigen (oder j e n a c h L a g e des F a l l s sogar auch zum v o r s ä t z l i c h e n ) D e l i k t a n nehmen. D i e h. M . k a n n h i e r m i t t e l b a r e T ä t e r s c h a f t k o n s t r u i e r e n , w a s n a m e n t l i c h dann n i c h t e i n l e u c h t e t , wenn der A u s f ü h r e r v o r s ä t z l i c h h a n d e l t und der B e s i t z e r s i c h auf e i n e n R a t b e s c h r ä n k t .

IV.

Mehrtäterschait.

1. Mittäterschaft ist bewußtes und gewolltes Zusammenwirken mehrerer am Tatbestandserfolg, derart, daß jeder die Tat unter der Mitwirkung des anderen ausführen will; kürzer: die bewußt gemeinsame Ausführung (§47). Es besteht eine kriminelle „Gemeinschaft" mit gleichem Ziel und verwandten Mitteln 3 3 ). a) Bei mehraktigen Tatbeständen kann sich die Ausführung auf die einzelnen Tatbestandshandlungen verteilen, so bei § 267 a. F. auf das Verfälschen und das Gebrauchen der Urkunde, auch beim Betrug auf die Vorspiegelung falscher Tatsachen und den schädigenden Akt, Aber auch eine einzige Tatbestandshandlung kann gemäß Arbeitsteilung in mehrere Abschnitte zerlegt werden, so beim Diebstahl die Wegnahme in das Oeffnen des Kastens und die Entwendung des Ringes. Ueber die hier schwierige Abgrenzung von der Beihilfe vgl. oben II 2. Schließlich genügt auch ein gesamter Willens- und Wirkenszusammenhang, in dem die Handlung des Einzelnen, auch ohne an sich Ausführungshandlung zu sein (z, B. Wachestehen), ein notwendiges Glied für die Herbeiführung dbs Tatbestandserfolges ist; alsdann ist >auch der Einzelne nach dem Gesamtplan der Mitsohöpfer des Erfolges (Kreationstheorie), Gerade bei großen Kollektivverbrechen handeln die Mittäter mit verteilten Rollen nach strenger Arbeitsteilung. b) Das Zusammenwirken selbst muß bewußt, d. h. vorsätzlich geschehen, d. i. der Unterschied vom Nebentäter, Das Delikt selbst kann kein fahrlässiges sein, z. B. gemeinsame Transportgefährdung, Körperverletzung, Brandstiftung (A und B verlassen leichtsinnig ein noch nicht vollständig gelöschtes Herdfeuer im Wald, so daß dieser in Brand gerät); 29) R G . 15, 315! 17, 377; 38, 248. 30) R G . 16, 25; R s p r . 9, 139. 31) L K . 6. A . 332 nimmt h i e r T ä t e r s c h a f t a n ! 32) R G . 22, 427; 49, 68; 60, 1 u. ö . , F r a n k , v. L i s z t u. a . ; a b w . B i n d i n g , O l s h a u s e n , L K . 6. A . 331, 327 (fahrlässige V e r u r s a c h u n g e i n e r v o r s ä t z l i c h e n T a t als fahrlässige m i t t e l b a r e T ä t e r s c h a f t , vgl, auch R G . .64, 316, 378). 33) H i e r m i t wird a l s o dem s o z i o l o g i s c h e n G e m e i n s c h a f t s b e g r i f f genügt; vgl, m. R e c h t s und S t a a t s p h i l o s o p h i e 1936 § 34 ff. m. L i t .

188

V.

Mehrheit von Verbrechern und von Verbrechen

es fehlt dann das deutung 34 ).

bewußte

Zusammenwirken

in seiner

rechtlichen

Be-

c) Mittäterschaft ist auch möglich bei U n t e r l a s s u n g (RG. 66, 74). — Sodann bei V e r s c h i e d e n h e i t der T a t b e s t ä n d e , aber nur" innerhalb des gleichen oder nahe verwandten. Grundtyps, so bei Diebstahl und Mundraub (RG.- 12, 18), auch bei Diebstahl und Raub (A wendet Gewalt an, B nicht); bei Körperverletzung und Tötung (RG. 44, 321); aber nicht bei Diebstahl und Unterschlagung, nicht bei Unterschlagung und Betrug (die Angestellten A und B schädigen bewußt gemeinsam den Geschäftsherrn durch Abrechnung bei Kassenübergabe, A durch Veruntreuung, B durch Täuschung), auch nicht bei Abtreibung durch die Schwangere und den Lohnabtreiber (RG. 74, 21)35). — Mittäterschaft besteht natürlich nur insoweit, als sich Ausführung nebst Erfolg bei den Tätern decken; für den E x z e ß ist jeder als Alleintäter verantwortlich, so für den Raub gegenüber dem gemeinsamen Diebstahl, für die Tötung gegenüber der gemeinsamen Verletzung, J e d e r Exzeß schafft Alleintäterschaft jenseits der Uebereinstimmung. d) J e d e r Mittäter steht nur für seine eigene V e r s c h u l d u n g ein. Der tritt vom Versuch wirkt nur persönlich; der Grund ist Schuldaufhebung36).

Rück-

e) Mittäter kann nur sein, wer die Tat auch als Alleintäter ausführen kann; es scheiden daher die sog. e i g e n h ä n d i g e n D e l i k t e&7) aus, z. B . Meineid, Unzucht durch Vorgesetzte (§ 174 Z. 1). Deren Kreis ist noch immer umstritten; es ist aber schwer begreiflich, daß bei Blutschande mittelbare Täterschaft und Mittäterschaft angenommen wird38). — Ueber die subjektive Theorie und ihre unhaltbaren Folgen vgl. oben II 2 c. 2. N e b e n t ä t e r s c h a f t39) ist das nicht bewußte Zusammenwirken mehrerer am Tfctbestandserfolg, A und B schießen unabhängig voneinander auf einen Flieger, vgl. oben 1 b. Dieser Typ ist regelmäßig geringer strafwürdig als die Mittäterschaft. Besondere Rechtsfolgen bestehen sonst nicht. Man kann auch ohne diesen Typ auskommen.

V. Teilnahmeformen. 1. Anstiftung ist Bestimmung eines anderen zur Ausführung einer Tat, d. h. Erzeugung des Entschlusses zur Tat in ihm. W a r er bereits entschlossen 40 ) und wird er darin nur bestärkt, so kann nur Ratsbeihilfe (§ 49) in Frage kommen. a) Anstiftung ist also eine Art von Mitwirkung am dem Tatbestandserfolg, und zwar setzt sie die entscheidende psychische Bedingung zur Entschließung und Ausführung durch den Täter, also zu dessen Wirken. Der Anstifter ist der geistige Urheber der Tat. Daher sollte nach natürlicher Auffassung auch der mittelbare Täter zur Anstiftung gerechnet werden, der er weit mehr gleicht als dem unmittelbaren Täter; man kann 34) Beachtlich Exner in Festg, f. Frank I 572. 35) Abw. LK. 6. A. § 47, 3. 36) Die umgekehrte Folge zieht seltsamerweise sogar als schlüssig ansieht. 37)

Engelsing

Abh.

H.

212,

1926.

Binding

Grdr.

138, was

LK.

§ 47, 7

38) LK. 6. A. § 47, l a , b (für eigenhändige, erfolgsgebundene Sonderdelikte); vgl. auch 9a, 39) So zuerst v. Liszt, dann Frank, v. Hippel, Mezger, auch RG. 68, 256. 40) Einen Gewohnheitsverbrecher kann man kaum noch anstiften, ihm nur noch Beihilfe leisten. Bei Gewerbs- und Berufsmäßigkeit versagt auch diese meist. Daher sollte auch der Versuch strafbar sein. S, den folgenden T e x t zu c.

§ 26. Täter und Teilnehmer im einzelnen

189

beide, Anstifter und mittelbaren Täter, zu einem besonderen Begriff des geistigen „Urhebers" (Binding) zusammenfassen oder, was das Beste ist, den mittelbaren Täter einfach auch Anstifter nennen. Unerheblich ist, ob jemand die Tat als fremde oder eigene will, worin die rein subjektive Theorie den Unterschied konstruieren will; hierüber oben I, II 2. Auch der Anstifter will die Tat oft „als eigene", im eigenen Interesse, ebenso wie der Hehler den Diebstahl; er ist oft die Seele des ganzen Verbrechens, die Triebfeder und der Ausbeuter, gleich dem Hehler. b) Die Anstiftung ist nach natürlicher Auffassung Anstiftung' zur Tat, zur Haupttat, zur Ausführung, aber nicht zum Verbrechen, und daher von •ülessen Strafbärkeit nicht abhängig. Anders die h. M. gemäß dem Akzessorietätsgrundsatz (oben besonders III). StGB. § 48 a. F. sagte: Bestimmung zur „strafbaren Handlung", seit VO. v. 29, 5. 43 heißt es nicht glücklich und jedenfalls nicht deutlich: Bestimmung zu der „mit Strafe bedrohten Handlung", d. h. zur rechtswidrigen, nicht notwendig mehr schuldhaften Tat; es wird also nur abstrakte, nicht konkrete Strafbarkeit der Haupttat erfordert. c) Die Anstiftung ist vollendet mit Erzeugung des Entschlusses im Täter; ist der Entschluß nicht frei, so kommt Nötigung § 52 in Frage. Die h, M. verlangt (nicht genau selbst von ihrem subjektiven Standpunkt und Akzessorietätsgrundsatz aus) einen Doppelerfolg: Kausalität zwischen Anstiftung und Ausführung, und sodann die Ausführung gemäß dieser Bestimmung. Die „Vollendung" der Anstiftung tritt jedenfalls vor der Ausführung ein. Strafbar ist die Anstiftung, auch wenn die Haupttat nur versucht ist (h. M.}, aber (entgegen der h. M.) auch wenn dler Anstifter nur den Versuch will; auch die nur versuchte Anstiftung ist strafwürdig; hierüber oben III 3b cc. Versuchte Anstiftung ist jetzt nur nach § 49a strafbar (V 3a). d) Schuld. StGB. § 48 erfordert Vorsatz des Anstifters, die h. M. auch Vorsatz der Haupttat. Beidemal sollte Fahrlässigkeit genügen, wenn wirklich die strafwürdigen Fälle erfaßt werden sollen; hierüber oben III 3b dd, •— Beim Vorsatz muß der Anstifter wissen, d a ß die erforderlichen objektiven und subjektiven Merkmale beim Haupttäter vorliegen, also auch z. B. Absicht und Eigennutz; der Anstifter selbst braucht sie nicht zu besitzen 41 ), sie auch nicht im Täter zu erzeugen (er erzeugt nur den Entschluß zur Tat). Eventualvorsatz reicht aus (so h, M.); dann ist d e r Schritt zur Fahrlässigkeit nicht mehr weit. •—• Das Bewußtsein, angestiftet zu sein, ist für den Vorsatz des Täters nicht erforderlich, — Ein Widerruf der Anstiftung könnte als Rücktritt vom Versuch oder als tätige Reue in Frage kommen und müßte strafbefreieilde Beteutung (Schuldaufhebung) besitzen: hat der Widerruf Erfolg, unterbleibt also die Haupttat, so war die 41) R G . 4, 252; 56, 171 u. a. A n d e r s e i t s r e i c h t f ü r die H a u p t t a t n i c h t aus, d a ß d e r A n s t i f t e r sie b e s i t z t , w ä h r e n d sie b e i m T ä t e r f e h l e n ; d a n n w ü r d e l e t z t e r e r nur B e i h i l f e l e i s t e n , d e r v e r m e i n t l i c h e A n s t i f t e r T ä t e r sein.

190

V.

Mehrheit von Verbrechern und von Verbrechen

Anstiftung nur eine Vorbereitungshandlunig und bleibt straflos 4 2 ); hat der Widerruf dagegen keinen Erfolg, gelingt also dem Anstifter nicht, den Schaden zu verhüten, so liegt kein Grund vor, von Bestrafung abzusehen 43 ), weil die Reue zu spät kam und ein wirksamer Rücktritt durch die Tatsachen überholt war. Letzteres Ergebnis ist nicht etwa ungerecht; denn man muß mit den Folgen seiner vorliegenden, vollendeten Anstiftung rechnen. e) Der Anstifter hat für seine Schuld voll einzustehen, aber auch nur für sie. Gegen diesen für eine gerechte Strafjustiz selbstverständlichen Grundsatz wird vielfach gefehlt. Begeht der Angestiftete eine geringere Straftat (Diebstahl), während die Anstiftung einen qualifizierten Fall (Einbruch, Raub) zum Inhalt hatte, so würde ein strafwürdiges Element des Falls unberücksichtigt bleiben, wenn das Urteil nur Anstiftung zum einfachen Diebstahl aussprechen würde; es würde nicht nur der Gerechtigkeit, sondern auch der Wahrheit widerstreben und die Tatsachen entstellen. Der Akzessorietätsgrundsatz versagt hier völlig (oben III 3 b a a ) . Umgekehrt haftet der Anstifter nicht für einen Exzeß des Haupttäters Begeht dieser eine andere Straftat, als sie dem Vorsatz des Anstifters entsprach, so haftet dieser innnerhalb des Rahmens der normativen Gleichwertigkeit; es bleiben daher außer Betracht Abweichungen, die an der strafrechtlichen Beurteilung nichts ändern würden, z. B. über den Gegenstand der Verletzung, über Zeit, Ort und Mittel der Begehungsweise 44 ). U n e r h e b l i c h ist also e i n e V e r w e c h s l u n g der P e r s o n e n ( F a l l R o s e - R o s a h l ) « ) , s o f e r n n i c h t eine P e r s o n , e t w a als s t a a t l i c h e r H o h e i t s t r ä g e r , b e s o n d e r s g e s c h ü t z t i s t ; e n t s p r e c h e n d e s gilt von d e r V e r t a u s c h u n g von G ü t e r n (wichtig a l s o § § 304, 306 ff-, u m g e k e h r t § 370 Z. 5). V o n W i c h t i g k e i t ist n i c h t , o b d e r A n s t i f t e r die A b w e i c h u n g gebilligt h ä t t e , s o n d e r n nur, o b n a c h d e r R e c h t s o r d n u n g das T a t b i l d des A n s t i f t e r s die g l e i c h e B e u r t e i l u n g h ä t t e w i e die w i r k l i c h e Ausführung. S o k a n n der zum M e i n e i d A n g e s t i f t e t e eine d e r W a h r h e i t z u w i d e r l a u f e n d e , a b e r völlig a n d e r e A u s s a g e m a c h e n , als sie ihm der A n s t i f t e r e i n f l ü s t e r t e , w a s für die B e u r t e i l u n g u n e r h e b l i c h bleibt^ö). V o r a u s g e s e t z t ist a b e r i m m e r , daß der i ä t e r durch den A n s t i f t e r zu dem E n t s c h l u ß b e s t i m m t w u r d e , eine k o n k r e t e T a t mit einem g e w i s s e n r e c h t s e r h e b l i c h e n Inhalt auszuführen, und daß er auch d i e s e n E n t s c h l u ß auszuführen glaubte (sei es auch mit Irrtum ü b e r das O b j e k t o d e r die B e g e h u n g s w e i s e ) , daß e r n i c h t etwa d i e s e n E n t s c h l u ß fallen ließ und s i c h zu e i n e r a n d e r e n T a t neu e n t s c h l o ß . Insofern muß er also doch im S i n n e des A n s t i f t e r s g e h a n d e l t h a b e n . Dabei kann natürlich der A n s t i f t e r , w i e es oft g e s c h i e h t , die T a t nur in ganz a l l g e m e i n g e h a l t e n e n Umr i s s e n a n r e g e n und die B e s t i m m u n g der B e g e h u n g s a r t und s e l b s t der zu v e r l e t z e n d e n P e r s o n dem T ä t e r ü b e r l a s s e n . E n t g e g e n der h. M.47] h a f t e t der A n s t i f t e r b e i den e r f o l g s q u a l i f i z i e r t e n D e l i k t e n (§§ 224, 226, 178 usw.) n i c h t für den s c h w e r e r e n E r f o l g , für den der H a u p t t ä t e r (und doch nur er!) auch unabhängig von sf-iner Schuld e i n z u s t e h e n h a t ; als H a u p t t ä t e r muß e r e b e n diese F o l g e n g e m ä ß dem o b j e k t i v e n Gefährdungsprinzip t r a g e n , w a s e i n e m g e r e c h t e n S c h u l d - und e i n e m W i l l e n s s t r a f r e c h t nicht e n t s p r e c h e n mag, a b e r gewiß 42) R G . 59, 412. 43) R G . 56, 210; 70, 295. 44) S o die j e t z t h. M . ; vgl. 45) V g l . o b e n § 21 III. S. 46) Nicht u n b e d e n k l i c h L K , 47) V g l . R G . 59, 156; L K .

F r a n k 123, O l s h a u s e n 15, L K . 355 m. L i t . im L K . k. a. O . 332 und auch die dortigen E n t s c h . 335.

Lit.

§ 26. Täter und Teilnehmer im einzelnen

191

n i c h t unnötig w e i t ausgedehnt w e r d e n s o l l t e . D i e s e U n g e r e c h t i g k e i t nur aus G r ü n d e n d e r A k z e s s o r i e t ä t auch auf den A n s t i f t e r a u s z u d e h n e n , ist a b z u l e h n e n ; denn der A n s t i f t e r hat unabhängig von der Ausführung und d e r e n F o l g e n nur für s e i n e e i g e n e S c h u l d e i n z u s t e h e n , und man k a n n ihm n i c h t d i e F o l g e n anhängen, die das G e s e t z nur an die Ausführung k n ü p f e n w o l l t e . M a n e r w ä g e die e i g e n a r t i g e , R e c h t s l a g e : A s t i f t e t zur e i n f a c h e n K ö r p e r v e r l e t z u n g § 223 an, B b e g e h t die g e f ä h r l i c h e n a c h § 223a; h i e r f ü r h a f t e t A n i c h t . W o h l a b e r soll e r für die n o c h s c h w e r e r e n F ä l l e d e r § § 224, 226 h a f t e n ? f) U e b e r I r r t u m des A n s t i f t e r s b e t r . die Z u r e c h n u n g s f ä h i g k e i t s. o. L i e b e r die B e d e u t u n g d e s S o n d e r d e l i k t s s. o. III 3b b b , u. V I . g) Nach § 48 gilt S t r a f w ü r d i g k e i t

der S t r a f r a h m e n s. o. I 1.

der

Haupttat.

Ueber

die

II

2c.



geringere

2, Beihilfe ist Hilfeleistung zu fremder Tat durch Rat und Tat (§ 49)l, d. h. Mitwirkung bei der Haüpttat durch bloße Untenstützung, durch Setzung einer einfachen Bedingung ohne entscheidende Bestimmung. Nach dieser Maßgabe gelten die Sätze über Anstiftung (oben 1) in entsprechender Weise. a) Ueber die wichtige Abgrenzung der Ttatbeihilfe von der Täterschaft (Mittäter und mittelbarem Täter s. o. II, bes. 2a, der Ratbeihilfe von der Anstiftung II, bes. 2b), Maßgebend ist nicht, wer der Täter (Gehilfe) sein will, sondern wials sein Wollen und Wirken nach der Würdigung durch die Rechtsordnung ist; nicht sein Wille 4 8 ), sondern der Wille des Rechts entscheidet. Die Beihilfe ist hinsichtlich des Inhalts und der Strafwürdiigkeit ein Minus; die Tatbeiihilife gegenüber der Ausführung, die Ratbeihilfe gegenüber der Anstiftung und der mittelbaren Täterschaft. Der praktisch bedeutsamste Gegensatz ist der erstere objektive; beim Diebstahl ist das Oeffnen der Tür schon Ausführungshandlung, das Wachestehen an der Straßenecke nur Hilfeleistung. b) Mit Recht wird von der jetzt h. M. 49 ) betont, daß zur Beihilfe Kausalität nicht gehöre; hiermit wird allerdings ihre sonst so zähe festgehaltene Bedingungstheorie verlassen. Wesentlich für die Beihilfe ist die Bestärkung des Täterwillens und die Förderung des Täterwirkens, der Ausfühirungshandlung, Zu viel würde verlangt mit Förderung des Erfolgs 50 ) ; dieser braucht nicht notwendig näher gerückt oder wahrscheinlicher gemacht zu werden, vielmehr genügt schon jede Erleichterung der Tatbestandshandlung, jede Unterstützung bei der Tatausführung. Sie fehlt jedoch bei Beschaffung untauglicher Mittel, z. B, zur Abtreibung 51 ). c) Die T a t b e i h ' l f e kann auch durch U n t e r l a s s u n g geschehen; diese Fälle häufen s i c h um so m e h r , als die P r a x i s mit d e r A n e r k e n n u n g der m a t e r i a l e n R e c h t s w i d r i g k e i t das G e b i e t der R e c h t s p f l i c h t zum H a n d e l n s t a r k e r w e i t e r t ^ ) . Die G r e n z e A n d e r s R G . 74, 84. U n b e d e n k l i c h auch n i c h t L K . § 49, 1 w e g e n s t a r k e r B e t o n u n g subjektiven Theorie (,,Gehilfenwillen"). « ) S o w i e d e r h o l t das R G . , vgl. e t w a 67, 191; 71, 178; 75, 113 und s c h o n F r a n k mit s t a r k e r A n n ä h e r u n g an die A d ä q u a n z t h e o r i e . 50) S,o R G . 56, 170; 60, 24 und s c h o n 10, 9. 51) i ! G . 60, 24. 5-') R G . 70, 82; 71, 176; 72, 20, 373; 73, 54; 74, 283; 75, 271 und n o c h o f t . der

192

V.

Mehrheit

von Verbrechern

und von

Verbrechen

für den B e g i n n der R e c h t s w i d r i g k e i t zu z i e h e n , ist b e i der B e i h i l f e b e s o n d e r s s c h w e r : d e r A u t o b e s i t z e r w a r n t den F a h r e r n i c h t vor zu s c h n e l l e r F a h r t ; eine P f l i c h t k a n n j e n a c h der k o n k r e t e n L a g e b e j a h t o d e r v e r n e i n t w e r d e n . Eine Warnungspflicht besteht wohl n i c h t für den F a h r g a s t , s e l b s t wenn e r zuerst zur E i l e gedrängt h a t . Keine r e c h t s w i d r i g e B e i h i l f e zum Zeugenmeineid l e i s t e t wohl die P r o z e ß p a r t e i , auch wohl nicht d e r e n A n w a l t , s e l b s t wenn der Zeuge von ihnen für eine b e s t i m m t e T a t s a c h e benannt oder gestellt w ü r d e t ) . d) D e r V o r s a t z e r f o r d e r t n i c h t n o t w e n d i g den W i l l e n , den E r f o l g o d e r auch nur die Ausführungshandlung zu fördern54), w i e schon o b i g e r (c) F a l l der Nichtwarnung nahelegt. E s genügt, daß der G e h i l f e die F ö r d e r u n g der Ausführung k e n n t . Außerdem muß er n a t ü r l i c h die für den T a t b e s t a n d e r h e b l i c h e n T a t u m s t ä n d e der H a u p t t a t s o w i e die R e c h t s w i d r i g k e i t , also auch die V e r l e t z u n g der R e c h t s p f l i c h t b e i d e r U n t e r l a s s u n g , kennen. F a h r l ä s s i g k e i t ist auf S e i t e n des G e h i l f e n w i e des T ä t e r s 5 5 ) möglich und s t r a f w ü r d i g , s. o. III 3 b dd. e) S e i n e Haftung b e s t e h t nur i n s o w e i t , als die T a t o d e r d e r T ä t e r w i l l e r e i c h t , die er u n t e r s t ü t z e n o d e r e r l e i c h t e r n w o l l t e . F ü r einen E x z e ß des Haupttäters s t e h t er nicht ein. A n d e r s e i t s ist er für s e i n e Hilfeleistung in v o l l e m U m f a n g e v e r a n t w o r t l i c h , auch wenn der H a u p t t ä t e r w e n i g e r tut; § 49 s t e h t l e i d e r e n t g e g e n , und § 49a A b s . 3 hilft nur für V e r b r e c h e n . W e r über den E i n b r u c h R a t e r t e i l t o d e r W e r k z e u g e dazu b e s c h a f f t , ist n a c h r i c h t i g e r A n s i c h t w e g e n B e i h i l f e zum E i n b r u c h s d i c b s t a h l v e r a n t w o r t l i c h , auch w e n n der H a u p t t ä t e r nur w e g e n e i n f a c h e n D i e b s t a h l s o d e r gar nur w e g e n S a c h b e s c h ä d i g u n g s t r a f b a r i s t ; b e g e h t e r einen Mundraub, so ist d e r G e h i l f e , der mit s c h w e r e m D i e b s t a h l o d e r R a u b r e c h n e t e , n a c h h e r r s c h e n d e r Auffassung s o g a r s t r a f l o s ! — U e b e r den V e r s u c h s. o. III 3 b c c ; ü b e r W i d e r r u f V 1 d; ü b e r I r r t u m b e t r . die Z u r e c h n u n g s f ä h i g k e i t II 2 c ; über S o n d e r d e l i k t e III 3 b b b . f) S t r a f b a r ist die B e i h i l f e ( u n g e r e c h t f e r t i g t ) nur b e i V e r b r e c h e n und V e r gehen, straflos bei Uebertretungen. D e r S t r a f r a h m e n ist j e t z t (seit 1943) grundsätzlich w i e b e i der Haupt tat (über die grundsätzlich g e r i n g e r e S t r a f w ü r d i g k e i t d e r B e i h i l f e s. o. I 1). Milderung ist a b e r nur zulässig w i e beim V e r s u c h , § 49 II. W e n n die Haupttat nur v e r s u c h t w a r , ist d o p p e l t e M i l d e r u n g m ö g l i c h . — E i n e w i c h t i g e Ergänzung e n t h ä l t § 49 a n. F . A b s . 3 ü b e r die v e r s u c h t e B e i h i l f e z u V e r b r e c h e n , s. u. 3 b. 3. ohne

E r w e i t e r t e T e i l n a h m e , A k z e s s o r i e t ä t , § 49 a.

V o r b e r e i t u n g

und

V e r s u c h

D e r f r ü h e r e § 49 a (sog. D u c h e s n e - § ) , eingefügt durch G . v. 26. 2. 1876, h a t t e zum A n l a ß , daß der B e l g i e r D u c h e s n e sich in A u s w i r k u n g des . . K u l t u r k a m p f e s " dem E r z b i s c h o f von P a r i s und dem J e s u i t e n p r o v i n z i a l von B e l g i e n gegen G e l d e r b o t , den F ü r s t e n B i s m a r c k zu e r m o r d e n , und e n t h i e l t v i e r T a t b e s t ä n d e : A u f f o r d e r n zu einem V e r b r e c h e n , dessen A n n a h m e , S i c h e r b i e t e n und d e s s e n A n n a h m e . — § 49 a n. F . , seit G . v. 29. 5. 1943, ü b e r n i m m t in A b s . 1 und 2 d i e s e T a t b e s t ä n d e in F o r m von drei T a t b e s t ä n d e n und fügt z w e i w e i t e r e hinzu; in A b s . 3 wird die nicht a k z e s s o r i s c h e B e i h i l f e zu e i n e m V e r b r e c h e n hinzugefügt. S o e n t h ä l t § 49 a n. F . s e c h s T a t b e s t ä n d e , eine e c h t e G e l e g e n h e i t s g e s e t z g e b u n g ohne den M u t , die A k z e s s o r i e t ä t ganz abzuschütteln. F r ü h e r w a r streitig, ob § 49 a n i c h t S o n d e r d e l i k t e e n t h ä l t , die in den B e s o n d e r e n T e i l g e h ö r e n ; h e u t e neigt m a n dazu, in § 49 a n. F . b e s o n d e r s g e f ä h r l i c h e V o r b e r e i t u n g s und V e r s u c h s h a n d l u n g e n zu s e h e n , die eine E r w e i t e r u n g der a k z e s s o r i s c h e n T e i l n a h m e enthalten"»'»). Vergehen und U e b e r t r e t u n g e n w e r d e n nicht e i f a ß t . 53) R G . 70. 284; 72, 20; 74. 283; 75, 221. B e d e n k e n (gegen R G . ) b e i L K . § 49. 6 b, und K o h l r a u s c h § 49, 6. 54) S o L K . § 49, 5a m. E n t s c h . , die j e d o c h nicht immer deutlich die U n t e r s c h e i d u n g e n des T e x t e s e r k e n n e n l a s s e n . 55) A b w . R G . 58, 163; 65. 411. 50) A e h n l i c h schon früher F r a n k , j e t z t S c h ö n k e und M e z g e r in L K . 6. A . Ein S o n d e r delikt gegen die S t a a t s g e w a l t wurde f r ü h e r v i e l f a c h (Binding, v. L i s z t , O l s h a u s e n , L o b e in I . K . ) , j e t z t v e r e i n z e l t (Nagler in L K . ) a n g e n o m m e n ; vgl. Helmut E n d e m a n n Die H e t z e 1924.

193

§ 26. Täter und Teilnehmer im einzelnen

a) , , W i e e i n A n s t i f t e r " w i r d n a c h A b s . 1 b e s t r a f t , (1.) w e r z u e i n e m V e r b r e c h e n a u f f o r d e r t , auch wenn dieses nicht oder unabhängig von der Aufforderung ausgeführt wird. „ A u f f o r d e r u n g " ist w e n i g e r als A n s t i f t u n g , muß aber ernstlich gemeint sein. E b e n s o ist n a c h A b s . 2 s t r a f b a r : (2.) w e r s i c h zu e i n e m V e r b r e c h e n e r b i e t e t , (3.) d a s E r b i e t e n a n n i m m t ( g e n a n n t w i r d a l s o n i c h t d i e A n n a h m e d e r A u f f o r d e r u n g w i e in § 49 a a . F . ) , (4.) w e r d i e B e g e h u n g e i n e s V e r brechens v e r a b r e d e t , (5.) in e i n e e r n s t h a f t e V e r h a n d l u n g d a r ü b e r e i n t r i t t . ,,V e r a b r e d u n g " i s t d i e e n d g ü l t i g e , e r n s t h a f t e V e r s t ä n d i g u n g z w i s c h e n m i n d e s t e n s zwei Menschen über die Verbrechensausführung (auch unter Vermittlung Drittel). D i e b e i d e n l e t z t e n , n e u e n F ä l l e e n t h a l t e n d a s ,,K o m p l o t t " des gemeinen R e c h t s u n d w u r d e n h i e r h e r a u s § 49 b a . F . ü b e r n o m m e n ; § 49 b n . F . e n t h ä l t d a f ü r einen neuen T a t b e s t a n d des Tötungskomplotts. Diese drei Tatbestände erscheinen m e h r als , . S o n d e r d e l i k t e " , die ihren Platz im B e s o n d e r e n Teil h ä t t e n finden s o l l e n . — In d i e s e n fünf F ä l l e n d e r A b s . 1 u n d 2 i s t S t r a f m i l d e r u n g z u l ä s s i g . b) D i e B e i h i l f e z u m V e r b r e c h e n (!) w i r d n a c h A b s . 3 b e s t r a f t , a u c h w e n n d i e s e s nicht oder unabhängig von der Beihilfe ausgeführt wird. Hier verläßt das Gesetz erstmalig für eine echte Teilnahmeform den Akzessorietätsgrundsatz. Zulässig ist hier Strafmilderung und sogar A b s e h e n von Strafe. Die Milde des Gesetzgebers von 1943 i s t h i e r a u f f a l l e n d , e b e n s o d i e B e s c h r ä n k u n g auf V e r b r e c h e n . c) R ü c k t r i t t Abs. 4 stellt diesen

vom Versuch und tätige Reue w i r k e n auch e r w e i t e r t e n Schuldaufhebungsgrund auf.

hier

straf b e f r e i e n d t

d) E r w ä g e n s w e r t i s t e i n e n e u e R e c h t s f i g u r : d i e P l a n u n g v o n V e r b r e c h e n , im A n s c h l u ß a n K o n t r o l l r a t s G . N r . 10 A r t . II Z. l a u n d 2d, g e e i g n e t f ü r d i e V e r s u c h s wie für die Teilnahmelehre. Sie ist eine q u a l i f i z i e r t e V o r b e r e i t u n g s h a n d l u n g mit genauer Festlegung von Mittel und Ziel der T a t und festem Ausführungsentschluß bei gebotener Gelegenheit. Nicht a u s r e i c h e n d ist also das g e d a n k l i c h e E n t w e r f e n des P l a n e s ; h i n z u k o m m e n m u ß d i e A u s f ü h r u n g s t e n d e n z d u r c h ein ä u ß e r e s vorbereitendes V e r h a l t e n , n a c h Z . 2d a u ß e r d e m n o c h d e r Z u s a m m e n h a n g m i t a n d e r e n , d . i. d i e T e i l nahme oder Verabredung. U n t e r s c h i e d von d e r V e r a b r e d u n g : die Initiative liegt b e i m Planenden. D i e P l a n u n g ist g e g e n ü b e r d e r V e r a b r e d u n g u n d d e r R a t b e i h i l f e das Spezialdelikt; daher Gesetzeskonkurrenz57a). 4. M i t t e l b a r e T e i l n a h m e a n d e r H a u p t t a t ist T e i l n a h m e a n d e r T e i l nahme. M ö g l i c h s i n d s ä m t l i c h e v i e r V e r b i n d u n g e n : A n s t i f t u n g z u r A n s t i f t u n g ist m i t t e l b a r e A n s t i f t u n g z u r H a u p t t a t ; B e i h i l f e z u r B e i h i l f e ist m i t t e l b a r e B e i h i l f e zur Haupttat (mit nur einmaliger Milderungsmöglichkeit), und d a s g l e i c h e gilt v o n Anstiftung zur Beihilfe und von Beihilfe zur Anstiftung58), 5. K o n k u r r e n z . W e n n j e m a n d in v e r s c h i e d e n e r M i t w i r k u n g s f o r m a n d e r selben Tat mitwirkt, so k o n s u m i e r t d i e schwerere Art die leichtere: die Tat konsumiert die Beihilfe59), die Anstiftung die BeihilfeöO). Eine Anstiftung zu m e h r e r e n T a t e n ist n u r eine einzige Anstiftungßi) ( A b k e h r von d e r A k z e s s o r i e t ä t ) . 6. N o t w e n d i g e T e i l n a h m e . A n g e w i s s e n S t r a f t a t e n sind i h r e r N a t u r nach m e h r e r e Personen beteiligt. I s t d e r G e t e i l i g t e A n g r i f f s o b j e k t , so k a n n e r n i c h t in e i n e r d e r g e s e t z l i c h e n A r t e n m i t w i r k e n : a l s o k e i n e A n s t i f t u n g o d e r B e i h i l f e d e s O p f e r s z u r U n z u c h t d e r § § 174,662). S o n s t ist d i e ü b e r d e n g e s e t z l i c h e n T a t b e s t a n d h i n a u s g e h e n d e T e i l n a h m e s t r a f b a r , so d i e A n s t i f t u n g d u r c h , d e n G e f a n g e n e n , i h n zu 07) 57a) 1947 S. Rechts 58) 59). 6°) ei) 02)

R G . 58, 393. N ä h e r m e i n A u f s a t z im Z e n t r a l j u s t i z b l . d . B r i t . Z o n e , B e i l a g e D i e S p r u c h g e r i c h t e 57. D e m g e g e n ü b e r d ü r f t e d e r u m s t r i t t e n e Begriff d e r c o n s p i r a t i o n des englischen entbehrlich sein, R G . 14, 318: 59, 396. R G . 59, 423. R G . 62, 74; m i t E i n s c h r ä n k u n g e n R G . 70, 138, 296. R G . 70, 31. R G . 18, 181.

S a u e r ,

Strafrecht

13

194

V.

Mehrheit von Verbrechern und von Verbrechen

befreien, während seine Beihilfe straflos bleibt63), Der Begriff wird vielfach beanstandet oder als entbehrlich bezeichnet, von der Rspr, aber verwendetö 4 }. Als weitere, verschieden zu behandelnde Fälle wurden genannt: §§ 115, 122, 124/5, 184, 205, 227, 301; auch 123 Abs. 3 und 223 a, sowie KO. §§ 241, 243. 7. Das K o m p l o t t , § 49 b n. F . , durch VO. v. 29. 5. 43 übernommen aus E . 27 ( „ F e m e " ) und dem RepublikschutzG. v. 25. 3. 1930 (durch VO. v. 19. 12. 32 zunächst nach S t G B . § 42 b), ist ein Sonderdelikt65), das im Besonderen Teil hätte aufgenommen werden sollen. Das gleiche gilt von dem 4, und 5, Tatbestand des § 49 a n. F . Abs. 2; vgl. oben 3 a. 8. Die N a c h h i l f e , Unterstützung nach Vollendung der Haupttat, ist inhaltlich noch echte Beihilfe, da die Ausführung i. w. S . noch nicht beendet zu sein braucht. Sie ist als selbständiger Tatbestand in §§ 257/8 (,,B e g ü n s t i g u n g " und ,.Personenhehlerei") geregelt. Eine ältere Ansicht stellte sogar die echte H e h l e r e i (Sachhehlerei) im Anschluß an gemeinrechtliche und preußische Vorbilder in die Teilnahmelehre ein66); die moderne Kriminologie lehrt, daß ein echter Hehler oft Anstifter, jedenfalls die wahre Triebfeder und S e e l e des Diebstahls ist, also zugleich Beihilfe durch Rat und Tat leistet, während die Hehlerei selbst erst das Schlußstück bildet und die Haupttat ausbeutet. Hier bei der Hehlerei liegt ein kriminologisches Hauptkapitel der gesamten Teilnahmelehre (vgl. m. KrimSoz, § 42).

VI.

Haftung nur für eigene Schuld.

Volle Haftung für

Schuld.

Der Grundgedanke des § 50 ist ein selbstverständlicher Satz der Schuld lehre; die Vorschrift im einzelnen ist auch in ihrer Fassung v. 29, 5. 1943 (im Anschluß an E. 35 über „Einstehen für eigene Schuld") höchst anfechtbar. Eine ähnliche Bestimmung möchte man immerhin nicht entbehren 67 ), wenn sie auch für die Teilnahme- oder gar für die Schuldlehre nicht von grundlegender Bedeutung ist, wie man meinte 68 ), und man auch ohne sie zu gleichen Ergebnissen kommen muß. So kompliziert § 50 die komplizierte Teilnahmelehre noch an ihrem Schluß. 1, Nach § 50 Abs. 1 haftet bei Beteiligung mehrerer an einer Tat jeder für seine eigene Schuld ohne Rücksicht auf die Schuld des anderen; das ist für mehrere Täter selbstverständlich und sollte für mehrere Teilnehmer ebenfalls selbstverständlich sein, stellt jedenfalls für Teilnehmer diä Abkehr von der strengen Akzessorietät und die Anerkennung der limitierten (oben § 25 I 2b, § 26 III 2a) außer Zweifel. 2. Abs. 2 führt diesen Gedanken der rein persönlichen Schuldhaftung für drei, sachlich zur Schuldlehre gehörige Gruppen von Vorschriften weiter (a—c), schweigt aber über die vierte Gruppe (d). 63) RG. 61, 31: 70, 234 (bestr.). 64) Frank vor § 47 V 1; LK. § 50, 8; Lange Die notwendige Teilnahme 1940 m. w. Lit. 65) RG. 69, 168. 66) Vgl. das einst ausgezeichnete Lehrbuch von Hugo Meyer, später bearbeitet von Allfeld. 67) Ueber die Bedeutung des § 50 schon R G . 25, 269; vgl. auch Krug Abh. H. 24 (1899), Redslob Abh. H. 97 (1909), v. der Lühe Probleme um § 50, 1940 (Qiss. Hamburg), Haiis Herrn, Meyer Die Zurechnung der bes. Tatumstände nach § 50 S t G B . 1940 (Diss. Würzburg), 68) So für die Teilnahme Schönke § 50 I.

§ 26. Täter und Teilnehmer im einzelnen

195

a) Strafschärfungsgründe: der Nichtbeamte A bestimmt den Beamten B zum uneigentlichen Amtsdelikt (Unterschlagung); dann ist strafbar B wegen Amtsunterschlagung, A wegen Anstiftung zu einfacher Unterschlagung. b) Strafmilderungsgründe: A bestimmt die uneheliche Mutter B zur Tötung des Kindes; B ist strafbar nach dem milderen- § 217, A wegen Anstiftung zur Tötung nach §§ 211/2. c) Strafausschließungsgründe: A bestimmt die B, ihren Ehegatten zu bestehlen; B ist straflos, A ist strafbar wegen Anstiftung zum Diebstahl, Diese Gruppe war in § 50 a. F. noch nicht genannt; die Entscheidung war aber die gleiche, da § 247 einen nur persönlichen Straf ausschließungs-, d. h. Schuldausschließungsgrund enthält, so daß die Durchbrechung des Akzessorietätsgrundsatzes selbstverständlich war. In diesen Kreis gehören auch die Schuldaufhebungsgründe (tätige Reue usw., oben § 24). In den umgekehrten Fällen zu a bis c (der Beamte B bestimmt einen Nichtbeamten A zur Unterschlagung usw.) treten genau ebenso die Schärfung, die Milderung und der Ausschluß nur bei der Person (B)' ein, bei der dieser Grund vorliegt. Alle diese zur persönlichen Schuld gehörenden Merkmale schaden und nützen nur dem, in dessen Person sie begründet sind. Das ist ein notwendiger Ausfluß des Schuldprinzips selbst. d) Strafbegründende persönliche Merkmale sind in § 50 a. F . wie n. F. nicht genannt: der Nichtbeamte A bestimmt den Beamten B zum reinen Amtsdelikt (Falschbeurkundung, passiver Bestechung) sowie umgekehrt. Erst hiermit schließt - sich der Kreis der persönlichen Strafbarkeitsmerkmale zu den erschöpfenden acht Fällen. Die Gruppe d bildet insbesondere eine unentbehrliche Ergänzung zur Gruppe a und außerdem den notwendigen Gegensatz zu c, ebenso wie a und b Gegensätze sind. Erst mit dieser vierten Gruppe ist das Bild vollständig; sonst wäre die Gruppierung lückenhaft. Man sollte auch hier die Durchführung d)er Einzelhattung gemäß dem Schuldprinzip erwarten. Die Nichterwähnung im Gesetz kann aber jetzt, nachdem die VO. v. 43 die bisher vermißten Ausschließungsumstände aufgenommen hat, nicht mehr dahin verstanden werden, daß das Prinzip auch auf die vierte Gruppe ausgedehnt werden solle; das Gesetz wollte jedenfalls nunmehr eine abschließende Regelung treffen. Diese letzte Gruppe verdient in der Tat eine andere Behandlung, schon weil mit ihr das Gebiet der Sonderdelikte betreten wird; es entspricht nicht der Gerechtigkeit und dem kriminialpolitischen Bedürfnis, den Nichtbeamten, der den Beamten zum Amtsdelikt bestimmt, straffrei zu lassen. Die h. M., die in § 50 eine Ausnahme von der Akzessorietät erblickt, läßt daher in dieser nicht erwähnten Gruppe ihren Grundsatz wieder voll zur Geltung kommen; nach einer anderen Ansicht und E. 35 § 5 Abs. 3 soll allerdings für A Strafmilderung gemäß den Vorschriften übeT Beihilfe eintreten; d. i. kein Gebot dier Gerechtigkeit, da auf ihn als den 13*

196

V. Mehrheit von Verbrechern und von Verbrechen

geistigen Urheber der strengere Strafrahmen anwendbar sein sollte; vgl, o. III 3b bb. In dem umgekehrten Fall nimmt die h. M. an: der Beamte B ist mittelbarer Täter, der Nichtbeamte A ist sein Werkzeug. — Diese völlig ungleichmäßige, von keinem einheitlichen Grundgedanken getragene Behandlung des ersten Falls und des Umkehrfalls der Gruppe d und ferner so nahe verwandter Fälle, wie der eigentlichen und der uneigentlichen Amtsdelikte (a und d) zeigt bereits, wie brüchig die bisherige Lehre ist; auch i i f diesem Umkehrfall sollte wie in den Umkehrfällen zu a)—c Anstiftung vorliegen und B als Anstifter gemäß den Vorschriften über Amtsdelikte bestraft werden, während A straflos bleibt. Der Akzess'orietätsgrundsatz bewährt sich auch hier nicht; die Anstiftung ist eben nicht auf eine konkret strafbare Handlung zu beziehen, sondern auf eine natürliche Tat, die im konkreten Fall wegen Fehlens eines Tatbestandsmef-kmals straflos bleiben kann. 3. Abs. 2 führt diese Regelung zu 2 keineswegs für alle Schuldmomente und alle subjektiven, zur Schuld gehörigen Tatbestandsmerkmale durch, wie man erwarten sollte, sondern nimmt eine weitere Einschränkung vor und begeht hiermit einen zweiten Fehler, an den natürlich der Richter bei der Anwendung ebenfalls gebunden ist. Die persönliche Haftung soll naeh § 50 a. F. wie n. F. nur bei „besonderen persönlichen Eigenschaften oder Verhältnissen" bestehen, die die Strafe schärfen, mildern oder ausschließen. Hierher rechnet die h. M. nur zuständliche und dauerhafte Umstände (z. B. Amtseigenschaft, Verwandtschaft, Rückfall), aber nicht vorübergehende seelische Vorgänge (wie Absicht und Eigennutz); für die letztere soll daher Akzessorietät bleiben. Es besteht aber Streit, wo die Grenze verläuft, ob die uneheliohe Mutter z. B. in obigem Fall 2b in diesie oder jene Gruppe gehört, vor allem wie zwischen Sonderdelikten und Qualifikationsmerkmalen (Schärfungs- und Milderungsgründien) zu scheiden ist. Daher wollen einige Autoren den § 50 analog auch auf andere persönliche Merkmale anwenden, von der Akzessorietät also in weiterem Umfange absehen69); das mag sachlich zutreffen, dürfte aber angesichts der letzten Reform, die sich bei jenem schon bestehenden Streit für die alte Fassung entschied, nicht dem Willen des Gesetzes entsprechen. — Eine systematische Orientierung möge zür Klärung beitragen. Zu unterscheiden sind: a) Objektive Unrechtselemente nebst Tatbestandsmerkmalen. Diese unterfallen nach dem Gesetz seit 1943 der limitierten Akzessorietät, obwohl es richtiger wäre, auch sie von ihr zu befreien. b) Subjektive Schuldelemente, auch wenn in den gesetzlichen Tatbeständen enthalten. Für-diese sollte nach dem Grundgedanken des Gesetzes persönliche Schuldbaftung und keine Akzessorietät gelten. Jedoch unterscheidet das Gesetz weiter: 89) Die h. M. hält an der strengen Auslegung fest. SchSnke II 1, L K . N. 1, 3. Für Analogie Welzel 96.

Vgl. Frank § 50, Olshausen N. 5,

§ 26. Täter und Teilnehmer im einzelnen

197

aa) konkrete persönliche Schuldmerkmale. Hierher gehören die Absichten und Gesinnungen, .Ueberlegung (§ 211 a. F.), Habgier (§ 211 n. F.), Eigennutz, Gewinnsucht, roh, böswillig usw. Diese sind zwar nicht nach § 50 Abs. 2, auch nicht unter analoger Anwendung, aber nach dem jetzt durch §§ 48, 49, 50 Abs. 1 anerkannten Prinzip der limitierten Akzessorietät nur demjenigen zuzurechnen, bei dem sie vorliegen. bb) generelle (abstrakte) subjektive Schuldtypen1''); das sind die „persönlichen Eigenschaften und Verhältnisse" des § 50, Entscheidend ist nicht die Zuständlichkeit oder die längere Dauer im rein faktischen oder zeitlichen Sinne der h. M., vielmehr die normative Schuldtypizität: die Merkmale sind Indizien für die (gesteigerte oder verminderte) Schuld. Hauptfälle: aaa) Typen der Zurechnungsfähigkeit: jugendliches Alter, verminderte Zurechnungsfähigkeit; bbb) Typen besonderer Gefährlichkeit: Rückfall, Gewohnheits- und Gewerbsmäßigkeit' 1 ), der gefährliche Gewohnheitsverbrecher (§ 20a) 7 2 ), der Volksschädling und Gewaltverbrecher (VO. v. 1939) 73 ); ccc) Typen erhöhten Vertratlembruchs wegen besonderer beruflicher Stellung oder verwandtschaftlicher Beziehung: Amts- und Militärdelikte 74 ), Unzucht mit abhängigen Personen durch den Vormund, Lehrer usw. (§§ 174, 175a), Kuppelei (§ 181 N, 2), Aszendententotschlag (§ 215 a. F.); ddd) umgekehrt Typen verringerter Schuld wegen naher Familienbeziehungen: Kindestötung (§ 217) 75 ), ferner Ehegatten- undi Verwandtendiebstahl (§ 247). c) Dagegen fallen in den Kreis der Sachtypen, nicht der persönlichen Schuldtypen, einige objektive Tatbestandsmerkmale, die daher der Gruppe zu a zuzuweisen sind, obwohl sie auch die Schuld wie in den obigen Fällen (soeben zu bbb, ccc) steigern: gefährliches Werkzeug (§ 223a) 76 ), Diebswerkzeug (§ 245a) 77 ), Anvertrauung der Sache (§ 246) 78 ), amtlicher Gewahrsam von Sachen, Urkunden usw. 79 ). Nur der letztgenannte Fall könnte Zweifeln unterliegen, da er sich den Amtsdelikten nähert. Ein kriminologisch wichtiger Fall: der gewerbsmäßige Hehler, der einer harmlosen Frau einen Rat bei deren Hehlerei erteilt, ist wegen Beihilfe aus dem schwerem § 260 zu bestrafen. Hier wäre Annahme von Akzessorietät absurd. Da die Grenze zwischen strafändernden und strafbegründenden Umständen (Sonderdelikten) schwer zu ziehen istso], besteht jetzt vielfach die methodisch wie sachlich 70) Diesen systematischen Zusammenhang zeigten schon m. Grdlg. d. Strafr. § 22 auf. 71) R G . 25, 266 (Plen.); 26, 3: 61, 268; 72, 225. 72) RG. 68, 385. 73) LK. N. 2. 74) H. M.; abw. LK. N. 3. 7 5 ) R G . 72, 373. 70) bestr. 77) bestr. 78) Abw. R G . 72, 326, wo § 50 angewendet wird; hiergegen L K . N. 3. 79) Abw. R G . 75, 289. 80) So rechnet innerhalb des LK. 6. A. den § 49 a Nagler S, 73 zu den Sonderdelikten, Mezger S. 345 nicht.

198

V. Mehrheit von Verbrechern und von Verbrechen bedenkliche, aber im Ergebnis befriedigende Neigung, das Gebiet der ersteren auf Kosten der letzteren zu erweitern81), um sich die von § 50 gewährte freiere Anwendung gegenüber dem Akzessorietätsgrundsatz zu sichern. Daß hierbei ganz andere Erwägungen methodisch entscheiden, suchte ich an anderer .Stelle n a c h z u w e i s e n 8 2 ) . — Ueber Sonderdelikte vgl. oben, § 14 a. E.

§ 27. Konkurrenzlehre. Uebersicht und Neubau Das Hauptthema ist: Einheit und Mehrheit von Gesetzen, von Handlungen und Verbrechen. Also drei grundverschiedene Dinge! — Das praktisch eminent wichtige Gebiet gehört zu den unklarsten und unsichersten •des gesamten Strafrechts trotz reichlicher Durchforschung 63 ). Hier prallen die Gegensätze der Meinungen und der methodischen Standpunkte, die aus den früherein Kapiteln bekannt waren, zusammen: eine unerfreuliche ,,Konkurrenz" im anderen Sinne. Angesichts der methodischen, sachlichen und systematischen Mängel und der sprachlichen wie inhaltlichen Verwirrung ist ein völliger Neubau anzustreben. Hierbei ist aber strengste Oekonomie geboten; die unentbehrlichen der überlieferten Konkurrenztypen sind beizubehalten und in ihrem systematisch berechtigten Sinngehalt klarzulegen. Vermeidbare Ueberlieferungen wie Neubildungen bleiben außer Betracht. — Das Thema ist ein positivrechtliches und tritt für die Kriminalpolitik und Sozialethik an Bedeutung zurück. Ganz unzureichend und logisch fehlerhaft ist die schon bei v. Liszt und Frank auffallende, von LK. 6. A. übernommene Nebenordnung von Spezialität und Konsumtion innerhalb einer Hauptgruppe, die unter Hinzufügung der Subsidiarität meist als Gesetzeskonkurrenz bezeichnet wirdSl). Nach v. Liszt und M. E. Mayer ist auch die Idealkonkurrenz eine Gesetzeskonkurrenz. Nicht ausgedacht ist die übliche Einteilung der Idealkonkurrenz in ungleichartige und gleichartige. Völlig unzureichend sind die oft anzutreffenden Typen: unechte und scheinbare Konkurrenz; es fehlt die Bezeichnung ihres wahren, also ihres „ e c h t e n " Sachgehaltes, mit dem sich doch nur arbeiten läßt. Als unechte Realkonkurrenz bezeichnet Frank das fortgesetzte Delikt, M. E Mayer die Subsidiarität. Nur wirklich unentbehrliche Typen sollten beibehalten werden; zu ihnen gehört nicht die Alternativität, die von LK. u. a. verwendet wird. Mit Recht ist von den Entwürfen die komplizierte Behandlung der Ideal- und besonders der Realkonkurrenz durch das bisherige Recht nach drei Prinzipien gestrichen; die begrüßenswerte Vereinfachung berechtigt natürlich nicht, die verschiedenen Voraussetzungen (!) von Real- und Idealkonkurrenz ebenfalls zii verwischen. Auch die S t r a f w ü r d i g k e i t ist beidemal verschieden; diese Frage wurde in der positivistischen Materie sehr zu ihrem Nachteil ganz vernachlässigt. Zu den vielen Rätseln, die der von der Rspr. geschaffene Typ des fortgesetzten Delikts aufgibt, ist endlich, auffallend spät, die doch gewiß entscheidende Frage getreten, ob seine Strafwürdigkeit wirklich, wie man bisher annahm, verringert oder ob sie erhöht wird. Zu den verworrensten Abschnitten gehört die Denkform „Konsumtion", ihr Verhältnis zur Spezialität wie zur Idealkonkurrenz. Kritiklos wird das Schlagwort „straflose Nachtat" verwendet, die oft sehr strafwürdig ist. Die drei Grundbegriffe Gesetz, Handlung (Tat) und Verbrechen werdenn nicht scharf geschieden. Auch an methodischer Klarheit fehlt es oft. In der Wissenschaft und Praxis geht es der Konkurrenzlehre wie der gefährlichen und versteckten Hehlerei: glücklich 'die Haupt81) So LK. 357/8 für § 218 IV S. 1 u. 2 a. F. und für § 175a N. 4 Fall 1 u. 2 gegenüber 3. 82) Jur. Elementarlehre 1944 Anhang S. 112. 83) Auch Binding und Beling haben versagt, letzterer trotz mehrerer Anläufe, 84) Nebengeordnet erscheinen bei Schönke Subsidiarität, Spezialität, Straflose Nachtat, Konsumtion und Alternativität. Kohlrausch nennt alle diese Fälle Konsumtion im Gegensatz zur Konkurrenz, Ueber Welzel vgl, § 29 I 4.

§ 27.

Konkurrenzlehre,

t a t e r l e d i g t zu h a b e n , schwierigkeit liegt.

unterschätzt

man

Uebersicht und Neubau die

,,Anhängsel",

bei

denen

199 die

Haupt-

I. Handlungseinheit bei Mehrheit von Einzelakien. Sie kamn sein: 1. Natürliche Handlungseinheit. Den Schlüssel für ihre Erkenntnis bietet die Analyse des Wirkens (oben §§ 12, 15); dieses besteht aus einer Mehrheit von Einzelakten, die selbst untereinander einen Wirkungszusammenhanig vom Willensantrieb bis zum Handlungsziel bilden. So liagt z. B, bei einer Tötung, einer Brandstiftung, einem Diebstahl oder Betrug eine natürliche Mehrheit einzelner Akte vor, die durch die Tatsache ihres Zusammenhangs zur natürlichen Einheit verbunden sind 85 ). 2. Juristische (normative) Handlungseinheit; diese ist VerbrechenseinHier begegnet leider dauernd, heit bei Mehrheit natürlicher Handlungen. wie in der Teilnahmelehre, die folgenschwere Verwechslung von Handlung (i. S. von natürlicher Handlung, von Tat) und Verbrechen 86 ). a) Positivrechtliche Tatbestandseinheit: aa) mehraktige Verbrechen (§ 221); bb) zusammengesetzte Verbrechen (§§ 251, 314); cc) Dauerverbrechen (§§ 123, 239, 245a, 296, §§ 49b, 128, 129, KontrollratsG, Nr. 10, 1946, Art. II 1 betr. verbrecherische Organisationen); im Gegensatz zum Zustandsverbrechen (Doppelehe § 171, Aneignung §§ 242, 246), Der Unterschied ist wichtig für den Vorsatz, der zur Zeit der Tat vorliegen muß, für die Teilnahme und den Beginn der Verjährung. dd) konstitutives Gesamtdelikt, Kollektivdelikt Gewerbs- und gewohnheitsmäßiges Verbrechen §§ 180, 181a, 302d, e, 144, 150). b) Verbrechenseinheit gemäß Gesetzesauslegung nach dem Grad von Unrecht und Schuld:

oder Sammelstraftat: (vgl. die Schuldtypen auf Grund der

Rechtsidee

aa) das schuldschärfende Gesamt- oder Kollektivdelikt (Sammelstraftat) ist grundsätzlich Verbrechenseinheit, kann (!) aber als Schuldschärfung bei Gewerbs- und Gewohnheitsmäßigkeit (§§ 218 IV a. F., 260, 285, 292 III, 175a Z. 4) neuerdings nach RG. als Verbrechensmehrheit erscheinen; Maßstab hierfür ist: neues schweres Unrecht und neue strafrechtliche Schuld. bb) Das fortgesetzte Delikt untersteht demselben Prinzip; grundsätzlich sind es mehrere natürliche Handlungen, aber es gibt zwei Modifikationen, Diese Akte können (!) zunächst bei Einheit der Schuld und 'des Unrechts (!) als Verbrechenseiniheit erscheinen. Sodann kann (!) es wie im obigen Fall zu aa von einem gewissen Zeitpunkt an wieder als neues Delikt auf85) R G . 70, 28, 245 ( G r . Sen\). 86) D i e h. M , w o l l t e e i n e „ n a t ü r l i c h e H a n d l u n g s e i n h e i t " erkennen — unnatürlich genug! M e t h o d i s c h w i e d e r T e x t v e r f ä h r t Honig S t u d i e n zur j u r i s t i s c h e n und n a t ü r l i c h e n H a n d l u n g s e i n h e i t 1925 S . 11 f f . , s p ä t e r ä h n l i c h v. L i s z t - S c h m i d t und M e z g e r ( G r d r . 147).

200

V. Mehrheit von Verbrechern und von Verbrechen

treten. Da® fortgesetzte Delikt wirkt regelmäßig und jedenfalls nach dem Willen der einstigen Schöpfer, der Gerichte, zugunsten des Täters; aber die von der Praxis geforderte Einheit des Entschlusses auf weite Sicht für eine unbestimmte Zahl von Taten kann auch erheblich belasten, auch objektiv die Rechtsunsicherheit steigern. Den letzten Aussohlag gibt in der Gruppe 2b also immer das Maß der Straf Würdigkeit. II. Gesetzeseinheit und Gesetzesmehrheit. A. Gesetzeseinheit (oder sog. abstrakte Gesetzeskonkurrenz) im Bereich des gleichen gesetzlichen Tatbestands oder verwandter Gesetzesstellen: ausnahmsloser Ausschluß einer Gesetzesanwend-ung gegenüber einer anderen auf Grund genereller, abstrakter Betrachtung allein der Gesetzesstellen ohne Rücksicht auf den konkrleten Fall und dessen Entscheidung. Die Stellen liegen regelmäßig so dicht nebeneinander oder sind in ihrer Fassung so klar aneinander angepaßt, daß das Ergebnis fast immer selbstverständlich ist; dias Problem ist ein gesetzestechnisches, das in erster Linie den Gesetzgeber angeht, und gehört in die Lehre vom Tatbestand, wo es seine grundsätzliche Behandlung und Erledigung findet (§ 14), und zugleich in den Besonderen Teil, dessen konstruktives Mittel es bedeutet. Daher besteht Gesetzeseinheit; nur der äußere Anlaß ist eine Konkurrenz8'), Diese leicht mißverständlich Bezeichnung sollte besser vermieden oder nur bei völliger Klarheit über den Unterschied von Gruppe B angewendet werden. 1. Spezialität: das besondere Gesetz gilt gegenüber dem allgiemeinen. a) Erschwerte (qualifizierte) und gemilderte (privilegierte) Delikte, §§ 243, 248a gegen 242, 246; 250/1 gegen 249: 175a gegen 175; 307/8 gegen 308; 213/6 a. F. gegen 211/2. — b) Zusammengesetzte Delikte: § 249 gegen §§ 242, 240. — c) Amts- und Militärdelikte gegenüber den Grundtatbeständen. — d) Eigenhändige Delikte: Mundraub, Kindestötung. — e) Tatbestandsausschnitte § 111 gegen § 110; § 206 gegen § 211 ff. Jedoch kommt Idealkonkurrenz in Frage in den Fällen § 306 gegen 303; Steuerhinterziehung gegen Betrug38). Grundfalsch nimmt die Rspr. für Spezialität an: das allgemeine Gesetz soll nach den Grundsätzen über Idealkockurrenz (unten B 2) dann seina Geltung behalten, wenn bei Tateinheit neben den unter das speziellere Gesetz fallenden Tatelementen auch solche auftreten, die nicht dem speziellen Gesetz, sondern dem allgemeinen eigen sind. Das kann in Wahrheit nicht mehr Spezialität, sondern nur Idealkonkurrenz sein. Beide Formen können nicht gleichzeitig vorliegen. Jene unrichtige Annahme begegnet in der Rspr. oft; §§ 113 und 114 (RG. 20, 35); §§ 239 und 240 (RG. 25, 147 und 31, 101): §§ 185 und 186 (RG. 41, 286); §§ 249 und 255 (RG. 55, 239).

Folgie: Unwirksamkeit des allgemeinen Gesetzes, z, B. für Rückfall bei Mundraub; alber möglich ist Anwendung des allgemeinen Gesetzes, wenn 87) Daher wird mitunter diese Gruppe in der Lehre vom Strafgesetz behandelt, womit zwar scharfer und sauberer Systematik gedient, aber die Zusammengehörigkeit verwandter Probleme (Grenzfallel) gestört wird. So von Beling Grdz. 11. A. 75 und Lobei Allg. Teil 64. Vgl. dagegen M. E. Mayer 502. 88) Jedoch RG. 50, 167.

§ 27.

Konkurrenzlehre,

Uebersicht und Neubau

das besondere Gesetz z. B. wegen Prozeßhindernisse Verjährung) nicht anwendbar ist 89 ).

201

(Strafantragsmangel,

2. Subsidiarität oder (besser:) Eventualität: neben der prinzipiellen Vorschrift besteht eine Eventualnorm, eine Aushilfsbestimmung, eine Notlösung; ein Gesetz gilt nur insoweit, als nicht ein anderes (schärferes, .allgemeineres usw.) besteht. Die Regelung kann erfolgen ausdrücklich (,.sofern n i c h t . . . . " ) oder stillschweigend. Fälle: § 49a a. F.; konkrete Gefährdung gegenüber konkreter Verletzung (dagegen kommt bei abstrakter Gefährdung, inisbesondere bei den gemeingefährlichen Delikten, Idealkonkurrenz in Frage); Versuch gegenüber Vollendung; selbständige Vorbereitung gegenüber Hauptdelikt und Versuch (§ 49a); Teilnahme i. e, S. gegenüber Haupttat; echte Unterlassung §§ 139, 330c gegenüber Tötung, Brandstiftung usw. 3. A l t e r n a t i v i t ä t ist entbehrlich und ist entweder Konsumtion oder Idealkonkurrenz. Hier sollen nach neuerer A n s i c h t ^ ) zwei Bestimmungen wahlweise zur Verfügung stehen: der Richter hat die strengere zu bevorzugen. Steckt jemand ein Haus und ein Warenlager in Brand, so soll § 306 vor § 265 gelten, aber § 265 vor § 308. Richtig ist zu entscheiden: Versicherungsbetrug konsumiert die Brandstiftung (ebenso wie die Sachbeschädigung); aber a u c h Brandstiftung nach § 306 ist zu bestrafen, wenn sie im Einzelfall besonders strafwürdig ist (alsdann also Idealkonkurrenz).

B. Konkrete, Gesetzeskonkurrenz. Die folgendien Gruppen bilden die Typen echter Konkurrenz, in denen auf den konkreten Fall mehrere Gesetze zutreffen, jedoch nur unter der Voraussetzung einer materialen Rechtswidrigkeit oder einer materialen Verschuldung. Echte Konkurrenz ist also nur möglich bei mehrmaliger Verletzung oder Gefährdung von Lebensinteressen oder bei mehrmaliger Verletzung sozialethischer Pflichten, nicht aber bei mehrmaliger Verletzung lediglich formaler Normen. In dieser Gruppe echter Konkurrenz bedarf es im Gegensatz zur Gruppe A jedesmal der Untersuchung, ob im Einzelfall das eine Gesetz das andere voll in sich schließt (Konsumtion) oder ob beide nebeneinander anzuwenden sind (Ideal- und Realkonkurrenz). 1. Konsumtion ist typiseke (generelle) Gesetzeskonkurrenz: das eine Gesetz schließt ein anderes in typischer Weise, also in den meisten Fällen, völlig in sich ein; die eine Tat zehrt die andere auf, wie der Einbruchsdiebstahl die Sachbeschädigung oder den Hausfriedensbruch, Konsumiert wird nicht ein Gesetz, sondern ein Delikt. Es gibt aber auch Fälle, wo das andere wieder auflebt und selbständig neben dem ersten bestehen bleibt: in den atypischen Fällen ist möglich: a) bei Tateinheit beider Akte (Begleitoder Nebentat) ein Uebergang zur Idealkonkurrenz, Handlungsund Verbrechenseinheit; z. B. zwischen Einbruchsdiebstahl und Sachbeschädigung oder Hausfriedeinsbruch; 89) Vgl. R G . 68, 207 ff. 90) LK. 6. A. 549 50, anderer Sprachgebrauch in 5. A, 64 im Anschluß an Binding. Ueber die grundverschiedenen Ansichten vgl. Frank § 73 VII 3, v. Hippel II 526, Lange Südd. J Z . 1948, 191.

202

V. Mehrheit von Verbrechern und von Verbrechen

b) bei Vor- und Nachtat ein Uebergang zur Realkonkurrenz: Handlungs- und Verbrechensmehrheit: aa) Beispiel für Vortat: durch Sachbeschädigung wird die zu stehlende Sache eret zum geeigneten Diebstahlsobjekt gemacht, z. B, Diebstahl an Blütenzweigen eines Baumes, an einer eingemauerten Maschine, — bb) Beispiel f ü r Nachtat: Betrug bei Weiterverkauf der gestohlenen Sache. Ob Verbrechenseinheit oder -mehrheit anzunehmen ist, hängt nicht von begrifflichen Konstruktionen (wie bei Spezialität A 1), sondern von dem Grad der Strafwürdigkeit ab, also von der Höhe des Unrechts und vor allem der Schuld. Innnerhalb der obigen Gruppe A sind derartige Fragen unerheblich, ja unzulässig, weil dort allein die abstrakt logische Gesetzesbetrachtung entscheidet. Dagegen besitzt die Konsumtion zwar ebenfalls noch einen gewissen abstrakten Zug, sie betrifft aber nur typische Fälle, die von Ausnahmen durchbrochen werden. Kein neues strafwürdiges Element ist regelmäßig vorhanden, wenn der Diebstahl ohne Hausfriedensbruch oder Sachbeschädigung nicht möglich ist (in den Gruppen a und b: der Gleichzeitigkeit wie der Vortat); in diesem Fall des Unrechts verbleibt es bei der Regel der Konsumtion. Dieselben Sachverhalte können aber einen neuen schuldhaften Willensantrieb und vermehrten Unrechtsgehalt (schwere Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch mit Waffen) enthalten und hiermit eine erhöhte Strafwürdigkeit aufweisen; alsdann wechseln die typischen Konsumtionsfälle zur Ideal- oder Realkonkurrenz über. Anderseits bringt die sog. straflose Nachtat, wie sie von der h. M. unter falscher Generalisierung genannt wird, zwar in den typischen Fällen kein neues Strafwürdigungselement, z. B, wenn der Dieb die entwendete Sache sich wirklich zueignet; anders wenn auf den Diebstahl Sachbeschädigung oder Betrug folgen, 2. Reine konkrete Gesetzeskonkurrenz. Hier wird alles Abstrakte, alles Generelle und Typische durch reine Fallbetrachtung überwunden. Hier besteht Mehrheit von Gesetzesverletzungen, also Verbrechensmehrheit mit folgenden Unterarten: a) Tateinheit einschließlich Erfolgseinheit: das allein ist echte Idealkonkurrenz, sog. ungleichartige Idealkonkurrenz, geregelt in § 73, Schulfall: Notzucht an der eigenen Tochter. Durch einen Akt und einen Erfolg werden zwei verschiedene Tatbestände erfüllt, Notzucht und Blutschande; keiner der beiden erschöpft den Fall vollständig. Das Bild zweier sich schneidender Kreise! b) Tatmehrheit mit Erfolgsmehrheit: Realkonkurrenz, geregelt in §§ 74,9. Mehrere selbständige Verbrechen, etwa Diebstähle oder Roheitsdelikte, werden durch eine gemeinsame Entscheidung abgeurteilt. c) Tateinheit mit Erfolgsmehrheit. Zwei Möglichkeiten; beidemal nimmt die h. M. höchstbedenklich „unechte Idealkonkurrenz" an:

§ 28, Fortgesetztes und sonstiges Gesamtdelikt

203

aa) sog, ungleichartige unechte Idealkonkurrenz: ein Schuß, einie Bombe tötet den A, verletzt den B, beschädigt Sachen des C, beschränkt die Freiheit des D usw. bb) sog. gleichartige Idealkonkurrienz (die nur eine unechte sein kann): eine Bombe tötet zehn Personen; oder eine Schrift beleidigt zahlreiche Personen. Die beiden Fälle zu c sind Pseudo-Idealkonkurrenz; man wird ihnen nur gerecht, wenn man beide als verdeckte Realkonkurrenz auffaßt. Nur die Beigehungsweise ist vereinfacht, technisch abgekürzt: es ist allerdings nur ein natürlicher Akt vorhanden, ¡aiber er setzt mehrere Kausalverläufe, mehrere Wirkungsreihen um und erzielt mehrere Erfolge. Er enthält eine „komprimierte Verbrechensenergie" mit gesteigerter Schuld und vermehrtem Schaden. Daher stehen die Fälle zu c der Realkonkurrenz zu b weit näher als der Idealkonkurrenz zu a. Auch hier gibt die Strafwürdigkeit den Ausschlag. Es wiegt gleich, ob der Täter drei leichte Stöße versetzt oder nur einmal kräftig zum Stoß ausholt, um jenen dreifachen Erfolg zu erzielen. Aber auch hier, bei der Ideal- wie bei der Realkonkurrenz, kommt es letztlich auf die konkrete Strafwürdigkeit, auf das Maß von Unrecht und Schuld an. Auch die offene Realkonkurrenz (zu b) kann leichter wiegen, wenn der Täter eine Arbeitsteilung zur leichteren Durchführung und schwereren Entdeckung vornimmt. Wie das fortgesetzte Delikt nicht verschieden von dem einaktigen behandelt wird, so sollte auch in der grundsätzlichen Behandlung (!) kein so starker Unterschied zwischen Idealund Realkonkurrenz gemacht werden, wie vom bisherigen Recht. Die Nivellierung durch die Entwürfe ist daher zu begrüßein. Um so mehr ist darauf zu halten, daß miain sich über die verschiedenen Voraussetzungen (!) restlose Klarheit verschafft, um die konkrete Strafwürdigkeit sorgfältig ermitteln und überprüfen zu können. Nach dieser systematischen Uebersicht bedürfen im folgenden nur noch die drei praktisch wichtigsten Typen einer gesonderten Betrachtung: 1) das fortgesetzte und das sonstige Gesamtdelikt, 2) die Konsumtion, 3) die Ideal- und Realkonkurrenz. § 28. Fortgesetztes und sonstiges Gesamtdelikt D i e G e s a m t d e l i k t e k o m m e n w e i t a u s ü b e r w i e g e n d im B e r e i c h d e r N u t z d e l i k t e vor, zum T e i l a u c h d e r T r i e b - und S c h w ä c h e d c l i k t e ( B e t t e l n , L a n d s t r e i c h e n , N o t d i e b s t a h l ) . S p e z i e l l das f o r t g e s e t z t e D e l i k t e r s c h e i n t m i t u n t e r , w e n n auch s e l t e n e r , u n t e r den persönlicher gerichteten Angriffsdelikten. U e b e r die s y s t e m a t i s c h e E i n g l i e d e r u n g vgl. o b e n § 27 I 2.

I. Das fortgesetzte Delikt ist Mehrheit gleichartiger natürlicher Handlungen, verbunden zur Verbrechenseinheit durch Einheit von Schuld und Unrecht. B e i s p i e l e : m o n a t e l a n g e E n t n a h m e von L e u c h t g a s aus d e r N a c h b a r w o h n u n g j m ä h l i c h e r W ä s c h e d i e b s t a h l von H o t e l p e r s o n a l ; b e t r ü g e r i s c h e Zusicherungen von s c h ä f t s r e i s e n d e n t ä g l i c h an m e h r e r e K u n d e n ,

allGe-

204

V. Mehrheit von Verbrechern und von Verbrechen

1. Die Funktion des Begriffs war von jeher eine doppelte: a) einmalige Bestrafung zahlreicher kleinerer Delikte von gleichartigem rechtlichem Charakter; b) Ersparung des Nachweises sämtlicher Einzelfälle bei großer Fülle, wenn die Strafwürdigkeit der Gesamtkriminalität die gleiche bleibt. Abgegolten werden daher auch die in die gleiche Zeit fallenden, nicht bekannt gewordenen Fälle. Hiermit sind zugleich Gefahren und Grenzen des Begriffs aufgezeigt: die Strafwürdigkeit konnte sich bei Bekanntwerden weiterer Fälle namentlich bei Uebergang zu schwereren Formen chronischer Kriminalität bedeutend erhöhen. Damit nicht die Rechtskraft der Entscheidung die Aburteilung derartiger später bekannt gewordener Fälle abschneidet, ist durch StPO, § 359 n, F. die Wiederaufnahme des Verfahrens zugelassen. Immerhin ist es geboten, in Erkenntnis des Wesens der chronischen Schuld eine möglichst energische und umfassende Ermittlung zu betreiben, um nicht durch kleine Abschlagsvergeltungen eine latente Schwerkriminalität großzuziehen. Deswegen sollte auch der Begriff in der Praxis nur mit großer Zurückhaltung und strengerer Oekonomie verwendet werden91); für schwerere chronische Kriminalität eignet er sich überhaupt nicht, mögen die Einzelakte auch ebenso unbedeutend wie häufig sein. Ein gerissener Täter verteilt eine große Gesamttat oft auf eine Fülle kleiner Akte, um die Entdeckung und Ueberführung zu erschweren (Bankuaterschlagungen!). Um so mehr ist es auch die Pflicht der Wissenschaft, die Voraussetzungen eng und streng zu umgrenzen, 2,

Voraussetzungen.

a) Hauptvoraussetzung ist Einheit und Gleichwertigkeit der Schuld*1): ein Willenszusammenhang ungefähr gleichwertiger Schuldsymptome. Da die Schuld sich nämlich nicht notwendig auf einen einzigen Akt bezieht, sondern den Gesamtverlauf des Wollens und Wirkens begleitet (§ 19), so vermag sie aiuch eine Reihe einzelner natürlicher Handlungen zu einer Verbrechenseinheit zusammenzufassen, sofern der wesentliche Gehalt dieser Einzeltaten ungefähr gleichwertig ist. Bei starken Abweichungen, z, B. wenn harmlose Taten mit sehr schweren wechseln, müßte man die Einzeltaten besonders würdigen und wäre insofern für die Annahme eines fortgesetzten Delikts kein Ramm. Ob ein solches vorliegt oder nicht, unterliegt daher der normativen Beurteilung des Richters, bestimmt sich aber nicht, wie die h. M. annimmt, nach dem Plan, dem Wollen oder Vorsatz des Täters; diese subjektiven Merkmale können vielmehr nur als Symptome jenes GesamtverschuLdens in 'Betracht kommen, sind allerdings von größter Bedeutung, sei es auch in anderem Sinne als nach der h. M. Grundsätzlich gilt normative Einwertigkeit (Gleichwertigkeit besonders psychischer Art), nicht tatsächliche psychische Einheit. 91) So mit Recht R G . wiederholt (73, 164) gegenüber den 92) So zuerst m. Grdlg. 492/3; psychische Einwertigkeit.

Untergerichten.

§ 28. Fortgesetztes und sonstiges Gesamtdelikt

205

RG. f o r d e r t e früher Einheit, des Entschlusses oder des Planes des Täters, später Einheit des Vorsatzes, der von vornherein auf die Gesamttat oder den Gesamterfolg gerichtet sein m ü s s e t ) . Beides ist zu eng; wenn der Täter bei späteren A k t e n einen neuen Vorsatz gewinnt, so soll der Fortsetzungszusammenhang entfallen! ebenso wenn er nur den Entschluß faßt, bei passender Gelegenheit dieselbe Tat zu begehen oder auch nur allgemein zu delinquieren94). Jedoch wiegen gerade Fälle der letzteren A r t milder und sind meist akute Gelegenheitsdelikte, die beim Vorliegen der anderen Erfordernisse weit eher die mildere Beurteilung als ein Gesamtdelikt verdienen, während der von vornherein auf einen Gesamterfolg gerichtete Vorsatz, der auf weite Sicht gefaßte Entschluß, d e r ins einzelne ausgearbeitete Plan mit Verteilung d e r einzelnen 'Akte auf verschiedene Zeiten schwerer wiegen und auf chronische Kriminalität schließen lassen, die eine strengere Einzelwürdigung erfordert. Die akute ,,Wiederholung" einmalig gedachter kleiner A k t e ist milder zu bewerten als die chronisch Tauf Dauer) angelegte eigentliche „Fortsetzung" eines großen. — Möglich ist m. E. auch ein fortgesetztes fahrlässiges Deliktes), z. B. Feilhalten verdorbener Lebensmittel, Aufstellen unrichtiger Steuererklärungen^).

b) Objektiv ist erforderlich ein sich (einigermaßen) stetig entwickelnder Wirkungszusammenkang (ungefähr) gleichwertiger Tatbestandsverwirklichungen, vor allem gleichartiger Ausführungshandlungen bei Ausnutzung ähnlicher Gelegenheiten. Hierzu ist zu bemerken: aa) G l e i c h a r t i g e T a t b e s t ä n d e : also nicht bei Wechsel von Unterschlagung und Betrug oder von Betrug und Urkundenfälschung. Entgegen der h. M.®7) sollten auch Schärfungs- und Milderungstatbestände nicht einbezogen werden, sondern als selbständige Delikte eine Einzelbeturteilung erfahren. Wenn unter zehn Diebstählen sich nur ein schwerer befindet (der T ä t e r findet die Schranktür nur einmal verschlossen), so läßt sich nicht ein fortgesetzter schwerer Diebstahl begründen, während die Annahme eines fortgesetzten einfachen Diebstahls nicht den Fall erschöpft; vielmehr ist festzustellen ein fortgesetzter einfacher Diebstahl in Realkonkurrenz mit einem schweren. Und wenn fünf Diebstähle und fünf Mundraubfälle in bunter Reihe wechseln, so sollten zwei fortgesetzte Delikte angenommen werden, während ein vereinzelter Mundraub wohl als konsumiert durch die Diebstahlsreihe angesehen werden kann. Dies alles ist für die Strafwfirdigkeit von erheblicher Bedeutung. Gleichartige Tatbestände sind selbstverständlich Formbeleidigung und üble Nachrede, aber nicht diese und Verleumdung98) (vgl. die obige Tafel § 11 A). bb) Der Z u s a m m e n h a n g muß. ein k o n t i n u i e r l i c h sachlicher und ein z e i t l i c h e r sein99); also fallen in ihn nicht mehr solche A k t e , die e r s t nach größeren Zeitspannen stattfinden, während die übrigen schnell aufeinanderfolgen. Jedoch kann sich bei schwereren Taten und schwieriger Begehung der Zeitraum verlängern; dann muß aber eine innere Kontinuität bestehenioo), cc) A u s n u t z u n g ä h n l i c h e r G e 1 e g e n h e i tioi): also kein fortgesetztes Delikt, wenn Kohlen bald vom Güterbahnwagen, bald aus einem Privatkeller, bald von einem Fabrikgelände, und zwar bald vom T ä t e r persönlich, bald in seinem Auftrag von seinen dort beschäftigten Angehörigen gestohlen werden. »3) RG. 66, 239;. 70, 51; 72, 213. »4) Vgl. schon RG. 45, 71; 55, 135; auch RG. 60, 242 (Erstreben eines außertatbestandlichen Endziels). »5) Anders die h. M., vgl. RG. 59, 53; 76, 70; LK. 545 (mit älteren Entsch., die sich für Fahrlässigkeit aussprachen). 8°) RG. 76, 284 (doch kann hier die Kontinuierlichkeit fehlen, vgl. den folgenden Text b, bb). 97) RG. 57, 81; 67, 188; 70, 360; 71, 287. 08) RG. 55, 134; HRR. 1938, 186. 99) RG. 57, 120; 73, 165. 100) Aehnlich LK. 543. 401) Betont von Frank; ähnlich Schönke vor § 73 III 1 b; b e s t r . (vgl. RG. 75, 209; D t J . 39, 307).

206

V.

Mehrheit von Verbrechern

und von

Verbrechen

dd) N i c h t e r f o r d e r l i c h ist a b e r I d e n t i t ä t des V e r l e t z t e n ; daher f o r t g e s e t z t e s D e l i k t a u c h b e i m D i e b s t a h l v o n M ä n t e l n aus e i n e r G a r d e r o b e , v o n W ä s c h e aus e i n e r W a s c h a n s t a l t , sowie b e i m B e t r u g gegen v e r s c h i e d e n e G e s c h ä f t s k u n d e n . U n e r h e b l i c h ist, ob es sich d a b e i um A n g r i f f e gegen p e r s ö n l i c h e R e c h t s g ü t e r , gegen d e n S t a a t und die A l l g e m e i n h e i t h a n d e l t ( b e l e i d i g e n d e Z u s c h r i f t e n an R e g i e r u n g s mitglieder), ee) Möglich auch gegen h ö c h s t p e r s ö n l i c h e R e c h t s g ü t e rl02), a l s o an sich auch b e i T ö t u n g , K ö r p e r v e r l e t z u n g , F r e i h e i t s v e r l e t z u n g , Beleidigung, U n z u c h t . J e d o c h w i r d h i e r oft eine a n d e r e V o r a u s s e t z u n g f e h l e n , so die A u s n u t z u n g g l e i c h e r G e l e g e n h e i t , d e r z e i t l i c h e Z u s a m m e n h a n g , die s t e t i g e E n t w i c k l u n g („Kontinuität"}, b e s o n d e r s die E i n h e i t und G l e i c h w e r t i g k e i t d e r S c h u l d . So e r k l ä r t sich l e i c h t ein S c h w a n k e n in d e r R s p r . , die b e i T ö t u n g , U n z u c h t u s w . m e h r e r e s e l b s t ä n d i g e D e l i k t e annimmtl03). A u s s c h l a g g e b e n d d ü r f t e h i e r d e r H a u p t g e s i c h t s p u n k t (oben 1, 2 a) sein: das M a ß d e r S t r a f w ü r d i g k e i t n a c h d e r S c h w e r e d e r S c h u l d ; o b j e k t i v e M e r k m a l e b i e t e n h i e r e b e n s o w e n i g ein K r i t e r i u m w i e d e r G e s a m t v o r s a t z . •

3. Rechtswirkung. Das fortgesetzte Delikt ist im Urteil nach Zahl und A r t der Einzelakte möglichst genau festzustellen 1 0 4 ). Es gilt als eine Tat, •deren Beginn die erste Ausführungshandlung und deren Abschluß die Vollendung der letzten tatbestandlichen Handlung ist: wichtig für den Ort d e r Begehung (§ 3), d i e Strafantragsfrist, die Verjährung, die Konkurrenz mit anderen Straftaten, d i e Begnadigung, den Rückfall 1 0 5 ), Dagegen reichen f ü r d i e Gewohnheitsmäßigkeit nach § 20a schon drei Teilakte aus. Die Selbständigkeit d e r A k t e tritt ferner hervor bei Teilnahme, Begünstigung und Hehlerei 106 ), bei d e r Zeit d e r Tat und beim Lebensalter des Täters 1 0 7 ). Teilnahme an nur einem A k t kann aber Teilnahme an d e r Gesamttat sein, wenn sie nach dem Unrechts- und Schuldgehalt als Beitrag zu dem Ganzen zu werten ist; allein auf den Vorsatz kommt es nicht an 108 ). Die Rechtskraft des Urteils erstreckt sich nicht auf spätere oder später bekannt gewordene Einzelakte, die eine erneute Schuld oder Schuldschärfung enthalten (s, u. II). II. Das eigentliche Gesamt- oder Kollektivdelikt, die Sammelstraftat, d. s. die gesetzlichen Fälle d e r Gewohnheits-, Gewerbs- und Geschäftsmäßigkeit. Grundsätzlich besteht hier, schon wegen der Gesetzeseinheit, eine Verbrechenseinheitlm). RG. will abweichend hiervon Verbrechensmehrheit annehmen, um auch nach Rechtskraft der Entscheidung die erst später bekannt gewordenen Fälle zu erfassen 1 1 0 ). Hier hilft schon StPO. § 359; im übrigen, ist wie beim fortgesetzten Delikt ( I I , vgl. auch schon oben § 27 I 2 b) an dem Leitgedanken festzuhalten, d a ß gegenüber jenen Tati n g So im G e g e n s a t z zu f r ü h e r e n U n t e r s c h e i d u n g e n ; R G . 70, 145, 243 (Gr. Sen.); 73, 166. 103) R G . 70, 244, 283; 73, 164. 104) R G . 72, 168 (Gr. Sen.). 105) R G . 47, 309; 50, 244. 106) R G . 57, 82; 62, 248; H R R . 40 N. 573, vgl. R G . 70, 349. 10') Vgl. LK. 546. 108) Vgl. R G . 17, 229; 48, 206; 56, 328: 70, 26, 296, 335, 349, 390; 74, 59. 109) So n o c h R G . 70, 244. 110) R G . 72, 164 (Gr. Sen.) f ü r § 218 IV a . F . ; 72, 257 f ü r § 175 a Z. 4; 72, 285 f ü r § 260; 72,, 401 f ü r 292 III; 73, 216 f ü r § 302 d. Z u s t i m m e n d O l s h a u s e n , S c h ö n k e , K o h l r a u s c h , Mezger. Z u r ü c k h a l t e n d LK. 538.

207

§ 29. Konsumtion

beständen, die ja Schuldtypen enthalten, eine (erneut auftretende, bisher noch nicht abgegoltene schwere Schuld ein neues Verbrechen darstellt, das erneut abgerurteilt werden kann und muß. § 29.

Konsumtion

Ueber die systematische Eingliederung vgl, oben § 27 II B

1,

I. Konsumtion ist typischer Ausschluß einer konkreten Gesetzesanwendung durch einen wesensfremden Gesetzestatbestand: also regelmäßig, nicht 'ausnahmslos wird ein Gesetz (richtiger: ein Deliktstatbestand) durch ein anderes, das einem entfernteren Gebiet angehört, „verbraucht", „aufgezehrt", voll eingeschlossen, in seinem strafrechtlichen Gehalt, seiner Strafwürdigkeit ausgeschöpft. Es gibt aber auch Fälle, in denen diese typische Figur nicht zutrifft, vielmehr das regelmäßig aufgezehrte Gesetz einen neuen strafrechtlichen Gehalt aufweist; alsdann müssen beide Gesetze angewendet werden, soll der Fall strafrechtlich voll gewürdigt werden, alsdann kommen Ideal- oder Realkonkurrenz in Frage. 1. Die Konsumtion teilt also mit der abstrakten Gesetzeskonkurrenz (Spezialität) lediglich das regelmäßige Ergebnis: den Ausschluß eines Gesetzes durch ein anderes. Der bedeutende Unterschied ist, daß bei der Gesetzeskonkurrenz (Spezialität) logisch-abstrakt, d, h. ohne Rücksicht auf den Einzelfall, ein Gesetz das andere ohne jede Ausnahme in sich schließt, während bei der Konsumtion ein Gesetz (Deliktstatbestand) nur im konkreten Fall der Gesetzesanwendung (!) regelmäßig (nicht ausnahmslos) durch ein anderes ausgeschlossen, nämlich überflüssig gemacht wird, weil das letztere den Sachverhalt vollständig strafrechtlich würdigt. Man kann aber gewiß nicht Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung als Spezialfälle des schweren Diebstahls bezeichnen und umgekehrt. 2. Anderseits hat die Konsumtion weitgehende Aehnlichkeiit mit der Ideal- und der Realkonkurrenz hinsichtlich der Voraussetzung und der Betrachtungsweise; nur das Ergebnis ist verschieden (also umgekehrt wie bei der Spezialität, die nur in der Folge der Konsumtion gleicht). Beidemal treffen im Einzelfall mehrere Gesetze zusammen („Konkurrenz"); beidemal ist die Fragestellung dieselbe: würdigt das eine Gesetz das andere erschöpfend? Wenn ja, so Konsumtion, wenn nein, so Idealkonkurretiz, Das Bild der Idealkonkurrenz ist: zwei sich schneidende Kreise; das typische Bild der Konsumtion: ein Kreis als der weite umschließt gianz den anderen (wie hei der Spezialität). 3. So erklärt sich die Eigenart der Gesetzesinihalte. Bei der abstrakten Gesetzeskonkurrenz liegen die Gesetzesstellen dicht nebeneinander oder gehören jedenfalls demselben Gebiet an (Diebstahl, Einbruch, Mundraub). Bei der Konsumtion und der Idealkonkurrenz liegen die Stellen meist (vgl. jedoch unten II 2, 3) weiter getrennt und unterstehen verschiedenen Grundnormen (Einbruch, Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch; oder: Nötigung, Unzucht).

208

V. Mehrheit von Verbrechern und von Verbrechen

4. Aus alledem ergibt sich, daß die Konsumtion deir Idealkonkurrenz weit näher steht als der Spezialität, mit der sie nach der h. M. in derselben Gruppe erscheint 111 ); .die Gruppen sollten nach der Wesensverwandtschaft aufgestellt werden. 5. Als Leitgedanken zeigen sich wieder die folgenden: Hauptautgabe ist, die Strafwürdigkeit eines Falls und nur sie zu erfassen. Kernfrage: ist: Wird durch ein Gesetz (eine Gesetzesanwendung) der materiale Unrechts- und Schuld ¿ehalt eines Sachverhalts voll erschöpft? Anderseits gilt der ökonomische Grundsatz, daß keine überflüssige Feststellung getroffen werden darf, also daß nicht zugleich wegen Sachbeschädigung zu verurteilen ist, wenn hierdurch gegenüber dem schweren Diebstahl kein neues strafwürdiges Element eingeführt wird. IL Arten, Es gibt deren drei je nach dem Gegenstand, der konsumiert wird: die Begleittat, die Vortat, die Nachtat. 1. Die Begleittat aJs Nebentat. Das ist ein Fall von Tateinheit. Unzulässig und irreführend ist es schon .deswegen, mit einer weitgehenden Praxis die Idealkonkurrenz einfach mit Tateinheit zu übersetzen. — Diese Konsumtionsfälle können je nach der Sachlage in Idealkonkurrenz übergehen. K ö r p e r v e r l e t z u n g und T ö t u n g k o n s u m i e r e n r e g e l m ä ß i g die Nötigung, a b e r n i c h t , w e n n eigens zu d i e s e m Z w e c k e das O p f e r f e s t g e h a l t e n w i r d ; d a g e g e n wird von j e n e n Delikten nicht konsumiert die Sachbeschädigung (seiner Kleidung). Brandstiftung (§ 306) k o n s u m i e r t d i e S a c h b e s c h ä d i g u n g , a b e r n i c h t s o w e i t ein P r i v a t g e b ä u d e a n g e s t e c k t w i r d , das auch dann gegen B r a n d s t i f t u n g g e s c h ü t z t ist, w e n n es im E i g e n t u m des T ä t e r s s t e h t ; in d i e s e m l e t z t e r e n F a l l e n t h ä l t die S a c h b e s c h ä d i g u n g ein M e r k m a l , das n o c h n i c h t von der B r a n d s t i f t u n g s v o r s c h r i f t e r f a ß t w i r d (Vernichtung f r e m d e n E i g e n t u m s ) , daher besteht Idealkonkurrenz. F a l s c h e Anschuldigung (§ 164) k o n s u m i e r t z w a r r e g e l mäßig die B e l e i d i g u n g und V e r l e u m d u n g (§§ 185, 187); a b e r F o r m - und U r t e i l s b e l e i d i g u n g s o w i e K r e d i t g e f ä h r d u n g mögen e i n m a l n e b e n j e n e m s c h w e r e n , gegen die R e c h t s p f l e g e gerichteten Delikt Strafe verdienen. B e l e i d i g u n g wird auch von U n z u c h t k o n s u m i e r t , z. B . r ä c h § 176 Z. 3 ( R G . 45, 344 nimmt h i e r u n r i c h t i g S p e z i a l i t ä t an). Bedrohung (§ 241) wird von W i d e r s t a n d und F o r s t w i d e r s t a n d (§§ 113, 117), von Nötigung und E r p r e s s u n g (§§ 240, 253) k o n s u m i e r t ( R G . 41, 276; 54, 289)112); K ö r p e r v e r l e t z u n g von A b t r e i b u n g (§ 218 A b s . 3, R G . 52, 209); S a c h b e s c h ä d i g u n g (§ 303) von D i e b s t a h l m i t t e l s E r b r e c h e n s von B e h ä l t n i s s e n (§ 243 Z. 2); H a u s f r i e d e n s b r u c h (§ 123, a b e r n i c h t s c h w e r e r n a c h § 124) von D i e b s t a h l m i t t e l s E i n s t e i g e n s u s w . (§ 243 Z. 2); g r o b e r Unfug und r u h e s t ö r e n d e r L ä r m (§ 360 N. 11) von L a n d f r i e d e n s b r u c h u s w . ( § § 125 ff.). V e r s i c h e r u n g s b e t r u g k a n n die ( l e i c h t e r e ) B r a n d s t i f t u n g k o n s u m i e r e n (vgl. o b e n § 27 II A . 3).

Bei allen diesen Rechtslagen matg die „Nebentat", .die ja nicht wie bei der Spezialität generell ausgeschlossen wird, im einzelnen, atypischen Fall 111) B e z e i c h n e n d w e r d e n von W e l z e l 152 u n t e r der U e b e r s c h r i f t „Zusammentreffen m e h r e r e r V e r b r e c h e n s t a t b e s t ä n d e in e i n e r Handlung ( I d e a l k o n k u r r e n z ) " zu II als Fälle „scheinbaren Zusammentreffens mehrerer Tatbestände (sog. Gesetzeskonkurrenz)" die folgenden in d i e s e r R e i h e n f o l g e g e n a n n t : 1. S p e z i a l i t ä t , 2. K o n s u m t i o n (als B e i s p i e l ; R a u b g e g e n ü b e r D i e b s t a h l und Nötigung, d. i. n a c h r i c h t i g e r Meinung S p e z i a l i t ä t ! ) , 3. S u b s i d i a r i t ä t , 4. S t r a f l o s e N a c h t a t (d. i. K o n s u m t i o n ) , 5. S t r a f l o s e V o r t a t ( e b e n f a l l s K o n s u m t i o n ) . 112)

Nach

Schönke

§

241

VI

ist

dies

Gesetzeskonkurrenz.

§ 29.

Konsumtion

209

nicht als ganz nebensächlich, sondern wegen Schwere des Unrechts (Wert des Schutzgutes und Größe von Schaden und Gefahr im konkreten Fall) und wegen besonderer Verwerflichkeit der Gesinnung (chronische Kriminalität gerade auf diesem Nebengebiet, weniger hinsichtlich des Hauptdelikts) als besonders strafwürdig erscheinen. Alsdann geht die Konsumtion in Idealkonkurrenz über. 2. Vortat, besser genannt Vorbereitungstat: ein Mittel zur Haupttat. Erster Konsumtionsfall von Tatmehrheit regelmäßig bei Verbrechenseinheit, solange die Vortat unbedeutende Nebentat bleibt. Je nach dem Maß ihrer Strafwürdigkeit kann die Vortat auch selbständig sein und Verbrechensmehrheit vorliegen; alsdann geht die Konsumtion in Realkonkurrenz über. a) S t r a f l o s e N e b e n t a t : V o r b e r e i t u n g , U n t e r n e h m e n u n d V e r s u c h (oben § 17) z w e c k s Begehung o d e r E r l e i c h t e r u n g d e r H a u p t t a t ; V o r b e r e i t u n g z u m M ü n z d e l i k t {§ 151) im V e r h ä l t n i s zu d i e s e m (§ 146, RG, 48, 161); H e r a u s f o r d e r u n g zum Z w e i k a m p f , ( § 201) im V e r h ä l t n i s zu d i e s e m (§ 205); v o l l e n d e t e Beleidigung u s w . , w e n n d e r A u t o r das b e l e i d i g e n d e ( s t a a t s g e f ä h r l i c h e ) M a n u s k r i p t d e m V e r l a g z u s e n d e t , d e r es s p ä t e r v e r t r e i b e n läßt (RG. 24, 269). Die V o r t a t k a n n a u c h f a h r l ä s s i g sein; f a h r lässige K ö r p e r v e r l e t z u n g mit d e r F o l g e d e r T ö t u n g (RG. 17, 20). b) S t r a f w ü r d i g e V o r t a t ; R a u b b a u d u r c h F ä l l e n w e r t v o l l e r B ä u m e und Z e r s t ö r e n w i c h t i g e r A n l a g e n , um B r e n n h o l z zu g e w i n n e n l l 3 ) ; ähnlich w e n n d e r T ä t e r b l ü h e n d e Zweige a b s c h n e i d e t , um sie zu v e r k a u f e n : k e i n e K o n s u m t i o n d e r S a c h b e s c h ä d i g u n g durch d e n n a c h f o l g e n d e n D i e b s t a h l , s o n d e r n R e a l - o d e r g a r I d e a l k o n k u r r e n z ( V e r u n s t a l t u n g d e r Bäume). S t r a f w ü r d i g ist auch die A u s s e t z u n g (§ 221) z w e c k s K i n d e s t ö t u n g (§ 217) w e g e n des langen q u a l v o l l e n G e f a h r e n z u s t a n d e s und d e r G e s i n n u n g s r o h e i t ; a n d e r s R G . 71, 208, vgl. a u c h 68, 409.

3. Nachtat, besser genannt Vierwertungstat, weitere (außertatbestandliche) Ausführung, Nutzbarmachung; zweiter Konsumtionsfall von Tatmehrheit regelmäßig bei Verbrechenseinheit, solange die Nachtat kein neues strafwürdiges Element bringt und als bloße Ausführung der bereits durch die Haupttat voll abgegoltenen (mitbestraften) strafrechtlichen Schuld erscheint. Die Konsumtion wechselt jedoch in Verbrechensmehrheit und somit zur Realkonkurrenz über, soweit sich Unrecht und Schuld erweitern und sich die Strafwürdigkeit erhöht. Letzteres ist besonders häufig bei ohnehin bestehender chronischer Kriminalität, z. B. wenn auf einen Diebstahl jene besonders strafwürdigen Merkmale der Betrugs- und Hehlereigruppe oder wenn auf einen Betrug Symptome der Unterschlagungs- oder Hehlereigruppe auftreten. a) S t r a f l o s e Nebentat. D e r Dieb eignet sich die S a c h e t a t s ä c h l i c h d u r c h V e r w e r t u n g zu: K o n s u m t i o n d e r U n t e r s c h l a g u n g (RG. 62, 61; 67, 76), n i c h t d e r A m t s u n t e r s c h l a g u n g ; s. j e d o c h s o f o r t b . Im G e g e n s a t z zur h. M . ist a b e r S a c h b e s c h ä d i g u n g am g e s t o h l e n e n Gut k e i n e A u s f ü h r u n g d e r Z u e i g n u n g s a b s i c h t , sondern d e r e n G e g e n t e i l und s e l b s t ä n d i g s t r a f b a r , d a Zueignung n a c h d e r j e t z t h. M . V e r wertungswillen enthält. b) S t r a f w ü r d i g e N a c h t a t , in Lit. u. R s p r . oft v e r k a n n t ; R G . 50, 252 verlangt neue Geschädigte. D i e b s t a h l und U n t e r s c h l a g u n g n a c h U r k u n d e n f ä l s c h u n g H3) H ä u f i g e F ä l l e in d e n J a h r e n 1945/46, auf d e r e n r e c h t l i c h e Diss. 1908 ü b e r D i e b s t a h l u n d S a c h b e s c h ä d i g u n g a u f m e r k s a m m a c h t e . S a u e r ,

Strafrecht

Natur

schon

14

meine

210

V.

Mehrheit von Verbrechern und von Verbrechen

( R G . 51, 4), a b e r auch n a c h B e t r u g (neu und g e s o n d e r t strafwürdig sind die G e w a h r samsbegründung und Aneignung als V e r t r a u e n s b r u c h , w i c h t i g auch für R ü c k f a l l und Teilnahme!, bestr.]. Keine Konsumtion bei Betrug nach Diebstahl oder Unterschlagung (neu: T ä u s c h u n g ) ; d e s g l e i c h e n b e i U r k u n d e n f ä l s c h u n g n a c h einem N u t z d e l i k t , Selbst eine auf Diebstahl folgende Unterschlagung, die grundsätzlich konsumiert wird (oben a), k a n n ein n e u e s S t r a f w ü r d i g k e i t s m e r k m a l e i n f ü h r e n , w e n n d e r T ä t e r n o c h a n d e r e M i t w i s s e r h i n e i n z i e h t . S o e r k l ä r t s i c h auch f o l g e n d e r , m e i s t u n r i c h t g ents c h i e d e n e r F a l l (vgl. R G . 67, 76): W e n n d e r D i e b die S a c h e an einen K o m p l i z e n v e r k a u f t , d e r z w a r n i c h t w e i ß , daß die S a c h e g e s t o h l e n ist (also k e i n e H e h l e r e i ) , w|ohl a b e r w e i ß (was w i e d e r u m dem D i e b b e k a n n t ist), daß d e r V e r k ä u f e r n i c h t dazu b e r e c h t i g t , i n s b e s o n d e r e n i c h t E i g e n t ü m e r i s t , ' so b e g e h t der K ä u f e r B e i h i l f e zur U n t e r s c h l a g u n g , die in d i e s e m F a l l e n i c h t k o n s u m i e r t w i r d , indem e r die V e r w e r t u n g des D i e b s t a h l s g l e i c h e i n e m H e h l e r f o r d e r t . H i e r zeigt s i c h w i e d e r der U n t e r s c h i e d von d e r S p e z i a l i t ä t . U n r i c h t i g ist die A n n a h m e , daß z w a r die U n t e r s c h l a g u n g auch h i e r k o n s u m i e r t w i r d , T e i l n a h m e an ihr g l e i c h w o h l m ö g l i c h i s t n 4 ) , w a s j e d e n f a l l s dem Grundsatz voller Akzessorietät der Teilnahme zuwiderläuft.

III. Rechtsfolge! Anwendung nur eines Gesetzes (Unterschied von der Idealkonkurrenz). Wird dieses aber infolge eines Entschuldigungsgrundes oder Prozeßhindernisses oder d>gl, nicht anwendbar, so wird das ausgeschlossene Gesetz anwendbar, es wird gleichsam frei (dies der Unterschieid von der Spezialität). .— Das ausgeschlossene Gesetz kann auch stets für die Straf bemessung von Bedeutung sein. § 30. Ideal- und Realkonkurrenz Ueber

die

systematische

Eingliederung

vgl.

oben

§ 27 II B

2.

I. Idealkonkurrenz: in einem Fall natürlicher Tateinheit treffen mehrere Gesetze zusammen, von denen keines den Unrechtsgehalt voll würdigt, so daß mehrere Gesetze angewendet werden müssen: also Verbrechensmehrheit bei natürlicher Tateinheit, insbesondere Identität der Ausführungshandlang. 1. Gegensatz zur Konsumtion: dort würdigt in den typischen Fällen bereits ein Gesetz voll den Sachverhalt; hier treffen mehrere Gesetze im konkreten Fall zusammen (also konkrete Gesetzeskonkurrenz), und kern Gesetz erschöpft den Fall, so daß eben beide Gesetze angewendet werden müssen, wenn man jedes strafwürdige Merkmal erfassen will. Ferner: kein Delikt umfaßt das andere ganz; das eine Delikt ist stets auch ohne das andere möglich: das Bild zweier sich schneidender Kreise. Dies auch der Gegensatz zur abstrakten Gesetzeskonkurrenz, insbesondere zur Spezialität. 2, Gegensatz zur Realkonkurrenz: dort natürliche Tatmehrheit, mehrere selbständige Taten und demgemäß mehrere Tatbestandserfolge (daher der Name: Zusammentreffen mehrerer Taten, mehrere Erfolge); hier dagegen nur eine Tat, nur ein Tatbestandserfolg; was zusammentrifft, sind nicht Reialakte, sondern Gesetze, Normen, Wertungsakte, Beurteilungsakte. In letzterer Hinsicht ist der sonst nicht glückliche, eingebürgerte Ausdruck „Idealkonkurrenz" ganz treffend und kann beibehalten werden; das als Ersatz vorgeschlagene Wort „Gesetzeskonkurrenz" ist zu weit und unbestimmt. Für Urteilsformeln mag sich die Wendung „in Tateinheit mit" empfehlen, womit natürlich allein eine Seite des Begriffs ausgedrückt wird. 114)

Welzel

153.

§ 30. Ideal- und Realkonkurrenz

211

3. Die erforderliche Tateinheit muß sich auf die Ausführungshandlung beziehein. Es genügt, daß bei mehraktigen Tatbeständen ein Akt mit dem eines anderen Tatbestands zeitlich im (ganzen zusammenfällt, z. B. bei Idealkonkurrenz von Betrug und Unterschlagung die Täuschung mit der Betätigung des Aneignunigswillens, wobei jedoch eine allzu strenge Auffassung der Gleichzeitigkeit zu vermeiden ist. Einheit von Ort und Zeit der Taten ist ebensowenig erforderlich oder ausreichend 115 ) wie Gleichzeitigkeit des Willensentschlusses oder gar Einheit des Vorsatzes 116 ): eine arge Verwechslung in Entscheidungen der Untergerichte mit dem vom RG. für das fortgesetzte Delikt aufgestellten Kriterium. 4. Erforderlich ist Einheit des Erfolges; Verbrechen ist ein Willens- und Wirkungszusammenhang mit einem (rechtserheblichen) Tatbestandserfolg. Liegen deren mehrere vor, so sind es mehrere Verbrechen, mehrere Tatbestandserfolge, mehrere Kausalitäten usw, Dagegen nimmt die h, M. 11 ') auch bei Mehrheit und Verschiedenheit, ja Gleichartigkeit der Erfolge, z. B. bei Tötung mehrerer Personen durch einen Schuß, Idealkonkurcenz an, was wedßr aus § 73 noch aus dem Sinngehalt der RechtsfLgur folgt, die sich nur mit der verschiedenartigen Würdigung einer und derselben Tat befaßt. Nach jener Ansicht würde der gute Schütze nur ein Verbrechen begehen, der schlechte, der mehrmals ansetzen muß, mehrere. Mehrheit der Erfolge ist Realkonkurreinz; und wenn sie durch Einheit der Tat vereinfacht wird, etwa durch einen Bombenwurf oder 'durch ein verletzendes Wort in einer Schrift oder öffentlichen Rede, so liegt infolge dieser technischen Vereinfachung und Abkürzung nicht „unechte" oder „gleichartige" Idealkonkurrenz, sondern vereinfachte oder verdeckte Realkonkurrenz vor 118 ). Es werden durch einen einzigen natürlichen Akt mehrere Kausalläufe, mehrere Wirkungsreihen, mehrere kriminelle Tendenzen herbeigeführt und mehrere Erfolge verursacht; die Tat enthält alsdann eine stärkere („komprimierte") Energie, und es macht für die Strafwürdigkeit, die auch hier den Ausschlag gibt, nichts aus, ob statt dessen mehrere schwächere Akte vorgenommen werden, ob der Täter dreimal zum Stoß ausholt oder nur einmal desto stärker zuschlägt 119 ). Auf die Gleichwertigkeit der Akte kommt es an, nicht auf die Zahl. D i e h. M . b e r u h t auf e i n e r V e r w e c h s l u n g von Handlung und V e r b r e c h e n , Ein Sclxuiß, d e r drei P e r s o n e n t ö t e t , ist d r e i f a c h e r M o r d . E i n e A e u ß e r u n g , die drei P e r s o n e n a n s t i f t e t , ist d r e i f a c h e A n s t i f t u n g . A n d . M . R G . 70, 26 (nur e i n e Anstiftung) u n t e r A b w e i c h u n g von f r ü h e r e n A u f f a s s u n g e n ; e n t s p r e c h e n d für B e i h i l f e und M i t t ä t e r s c h a f t R G . 76, 357, — Dann k a n n a b e r a u c h d e r F a l l nicht a n d e r s b e h a n d e l t werden, in dem mehrere verschiedene Tatbestände verletzt werden: ein S c h u ß t ö t e t den A , v e r w u n d e t den B , b e s c h ä d i g t S a c h e n d e s Q, Und e s ist einerlei, ob der erstrebte d r e i f a c h e E r f o l g auf e i n m a l i g e s A n s e t z e n gelingt oder o b der 115) R G . 57, 178. 1 " ) R G . 58, 116. » ' ) V g l . die U e b e r s i c h t b e i F r a n k § 73 III S . 227. 118) S o z u e r s t m. G r d l g . § 18 V 2, S . 498; im E r g e b n i s und M e h r h e i t von V e r b r e c h e n 1879 S . 108. 119) D i e s wird v e r k a n n t von d e r P o l e m i k v, Hippels II

ähnlich

s c h o n v. B u r i

507. 14'

Einheit

212

V.

Mehrheit von Verbrechern und von Verbrechen

T ä t e r dreimal ausholen muß. Unerheblich ist e s auch, ob es sich um höchstpersönliche oder um S a c h g ü t e r handelt (A. M. wenigstens früher R G . ) , um reine Angriffs- oder um Nutzdelikte; die F r a g e liegt ähnlich wie beim fortgesetzten Delikt (§ 28 I 2 b ee). 5. F ä 1 l e . U e b l i c h e s .Schulbeispiel für drei D e l i k t e in Idealkonkurrenz: Notzucht an der verheirateten S t i e f t o c h t e r . — Eine F ü l l e von B e i s p i e l e n liefert die Kommentierung der Tatbestände des Besonderen Teils. Vgl. die B e i s p i e l e oben § 29 II 1, wo die Konsumtion in Idealkonkurrenz übergeht. Idealkonkurrenz zwischen Betrug und Urkundenfälschung liegt vor, wenn der K ä u f e r Zahlung durch einen gefälschten W e c h s e l leistet: Tateinheit von Täuschung und Gebrauchmachen von der gefälschten Urkunde. Möglich ist Idealkonkurrenz zwischen Betrug und schwerer Urkundenfälschung (§ 268 a . F . bis 29. 5. 43); l e t z t e r e umfaßt nicht e t w a den Betrug, der a n d e r s als § 268 vollendete (!) Vermogensbeschädigung u n d (!) Täuschung erfordert. Möglich ist Idealkonkurrenz zwischen B e t r u g und Unterschlagung (Untreue), zwischen Diebstahl und S a c h b e s c h ä d i g u n g , zwischen Sachbeschädigung und Brandstiftung (an eigener S a c h e ) , zwischen Tötung durch Unterlassung und u n t e r l a s s e n e Nothilfe (§ 330 c), Kindermißhandlung (§ 223 b) und K ö r p e r v e r l e t z u n g mit T o d e s f o l g e (§ 226). Das eine Delikt kann allemal auch ohne das andere begangen w e r d e n ; dies das entscheidende M e r k m a l von Ideaikonkurrenz. Daher ist möglich und häufig, w a s oft übersehen wird, Idealkonkurrenz zwischen B e t r u g und Unterschlagung: S o wenn der A n g e s t e l l t e den A u f t r a g zum Einkauf von Waren erhält, dem G e s c h ä f t s h e r r n j e d o c h nicht a l l e vom V e r k ä u f e r erhaltenen Gegens t ä n d e a b l i e f e r t ; in d i e s e m Zeitpunkt d e r Hingabe nur eines T e i l s begeht er die Täuschung und betätigt er den Aneignungswillen. Verbraucht er aber schon vorher einige Waren für sich, s o liegt Realkonkurrenz vor; d. i. keine s t r a f l o s e V o r t a t . E b e n s o wenn er zuerst den B e t r u g begeht, w o b e i er s e l b s t noch Zweifel hat, ob er den R e s t behalten soll, und erst s p ä t e r mangels V e r d a c h t s des G e s c h ä f t s h e r r n sich s o weit gesichert fühlt, daß er nunmehr die Waren für sich ge- oder verbraucht; (alsdann betätigt er jetzt zum erstenmal den Aneignungswillen, während ein Vermögensschaden für den G e s c h ä f t s h e r r n schon vorher eingetreten sein kann. Das ist keine s t r a f l o s e Nachtat,, sondern R e a l k o n k u r r e n z . Häufig übersehen wird auch Idealkonkurrenz zwischen Meineid und Betrug, zwischen unrichtiger S t e u e r e r k l ä r u n g und B e t r u g , zwischen Betrug und Diebstahl (Unterschlagung), letztere R e c h t s l a g e bei folgendem S a c h v e r h a l t . Wenn der Mieter A bei der Räumung von Wohnungen den M ö b e l t r ä g e r B anweist.v auch die dem C gehörigen, auf der Straße stehenden S a c h e n auf seinen (des A) W a g e n aufzuladen, s o begeht A zugleich mit der Täuschung des B einen Diebstahl (als mittelbarer T ä t e r oder Anstifter). — Idealkonkurrenz zwischen Diebstahl (Unterschlagung) und Sachbeschädigung liegt vor in den während der wirtschaftlichen K r i s e n v o r g e kommenen F ä l l e n d e s bestimmungs widrigen Verbrauchs ausdauernder Güter (Verwendung w e r t v o l l e r Einrichtungsgegenstände als Brennmaterial, Einstampfung von Büchern und Manuskripten zur Papiergewinnung); beim bestimmungsmäßigen Verbrauch v e r b r a u c h b a r e r G ü t e r (Genußmittel, Heizkörper) fehlt es bereits an der Sachbeschädigung. Idealkonkurrenz ist auch möglich zwischen verschiedenartigen Schärfungsgründen, z. B . für den schweren Diebstahl. Eine Fülle von Konkurrenzmöglichkeiten bieten die S i t t l i c h k e i t s d e l i k t e und die A n g r i f f e auf die öffentliche Ordnung.

6. Behandlung. Nach § 73 gilt das Absorptiomprinzip: verurteilt wird wegen aller konkurrierender Verbrechen, gestraft wird aber nur nach dem Gesetz, das di-e im vorliegenden Fall schwerste Strafe androht. a) D a b e i sind zu v e r g l e i c h e n nur die Strafandrohungen, nicht e t w a die verwirklichten, d. h. vom Richter erwogenen Einzelstrafen, R G . 76, 60 (anders für Realkonkurrenz § 74); nur die S t r a f e n , nicht die im Einzelfall vielleicht schwerer b e l a s t e n d e n Sicherungsmaßregeln. Sind in dem einen G e s e t z auch Schärfungen oder mildernde U m s t ä n d e vorgesehen, so ist d i e s e b e s o n d e r e Bestimmung zum Vergleich für die F e s t s t e l l u n g des schwersten G e s e t z e s nur dann heranzuziehen, wenn d e r Richter von ihr im vorliegenden F a l l wirklich G e b r a u c h machen könnte, R G . 73, 148 (Gr. Sen.);

§ 30. Ideal- und Realkonkurrenz

213

75, 14; anders noch 71, 104 und 72, 117. — Den Ausschlag gibt zunächst die schwerste Strafart, bei gleicher Strafart das. Höchstmaß, bei gleicher Höhe das höchste Mindestmaß. — Auch das m i l d e r e G e s e t z ist jedoch zu berücksichtigen beim straischärfenden Rückfall sowie für Anwendung von Sicherungsmaßregeln. Ferner wenn das mildere Gesetz eine höhere Mindeststrafe als das strengere vorsieht, so darf die höhere Mindeststrafe nicht (nach dem strengeren Gesetz) unterboten werden. Außerdem sind Geldstrafen, Nebenstrafen und Nebenfolgen auch dann möglich, wenn sie nur in dem milderen Gesetz vorgesehen sind, RG. 73, 148; 75, 190 (gegen die bisherige Rspr.).

b) Von dem Prinzip wird also bereits mehrfach abgewichen. Richtiger wäre eine größere Ermessensfreiheit für das Gericht nach anderen Gesichtspunkten, Die Eigenart von Tat und Täter kann auch sonst die Anwendung des milderen Gesetzes erwünscht sein lssen, so wenn Tat und Täter einer bestimmten Gruppe von akuter oder besonders von chronischer Kriminalität angehören, die zu dem milderen Gesetz (etwa einem Nutzungsdelikt, wie Betrug) nähere Beziehung aufweist als zu dem strengeren (z. B. Raub). Vor allem kann auch die Idealkonkurrenz, die Verletzung mehrerer Strafgesetze, objektiv und subjektiv eine höhere Strafwürdigkeit rechtfertigen, so daß das Absorptionsprinzip entweder nicht ausnahmslos durchzuführen oder ganz aufzugeben wäre und Strafschärfung zulässig sein müßte. IL Realkonkurrenz: mehrere selbständige Verbrechen treffen zusammen in Tatmehrheit und sollen gemeinsam abgeurteilt werden. Geigensatz zum fortgesetzten Verbrechen: dort keine selbständigen Verbrechen; dort Verbrechenseinheit. Gegensatz zur Idealkonkurrenz: dort Tateinheit, Handlung- und Erfolgseinheit. 1. Für die Strafbemessung gilt grundsätzlich das Kumulationsoder Additionsprinzip: die Einzelstrafen sind zusammenzuzählen oder nebeneinanderzusetzen, §§ 74, 78. Nur in dem wichtigen Fall, wo mehrere zeitige Freiheitsstrafen wegen Verbrechen oder Vergehen verwirkt sind, gilt das Asperationsoder Schärfungsprinzip (§ 74): der Richter bildet zunächst für jede Tat die Einzelstrafe; dann wird die verwirkte schwerste Einzelstrafe, die sog, Einsatzstrafe, um Zusatzstrafen erhöht, so daß sich eine Gesamtstrafe ergibt; diese darf aber nicht die Summe aller Einzelstrafen erreichen, weil dies das Kumulationsprinzip bedeuten würde. Der Sinn dieser Bestimmung ist offenbar, den Angeklagten durch Kumulation, die an sich eine gerechte Vergeltung wäre, aber eine beträchtliche Höhe erreichen kann, nicht über das erträgliche Maß hinaus leiden zu lassen; die gemeinsame Aburteilung vieler Taten ist oft je nach dem Zeitpunkt der Entdeckong eine zufällige, und es strengt weniger an, die Einzelstrafen mit Pausen zu verbüßen, als wenn eine Gesamtstrafe ohne Unterbrechung vollzogen wird. Daher darf die Gesamtstrafe auch gewisse, vorgeschriebene Höchstgrenzen nicht übersteigen (15 J . Zuchtll., 10 J . Gef., 3 Mon. Haft; §§ 74 Abs. 3, 75 Abs. 3, 77 Abs. 2). — Die Gesamtstrafe kann, auch noch später gebildet werden, wenn die Tat vor der früheren Verurteilung liegt, also damals hätte mitbestraft werden können, § 79, StPO. §§ 460, 462 Abs. 3. 2. Die E n t w ü r f e wollen diese umständliche Regelung durch gewisse S t r a f e r h ö h u n g s b e f u g n i s s e des Richters nach dessen freiem Ermessen ersetzen. Aehnlich ist für J u g e n d l i c h e eine „ E i n h e i t s s t r a f e " mit Höchstgrenzen vorgesehen (10 J . Gef., 4 W . Arrest; RJGG. §§ 14, 15, 18).

214

VI. Behandlung des Verbrechens und des Verbrechers

6. A b s c h n i t t

Behandlung des Verbrechens und des Verbrechers 1 ) § 31. Strafe und verwandte Maßregeln im allgemeinen I. 1. Aufgabe der modernen Strafe ist, durch Leidzufügung im Wege strenger Pflichtensteigerung in Verbindung mit Rechtsgüterschmälerung schweres Unrecht zu vergelten und Schuld zu sühnen, möglichst auch (!) darüber hinaus die staatliche Gemeinschaft gegen Unrecht zu sichern und bessernd (erzieherisch) auf den Täter und die anderen Rechtsgenossen einzuwirken {„abzuschrecken"). Daneben kennt das neue Recht (§§ 42 a ff.) besondere Maßregeln der Sicherung und Besserung, die in ersiter Linie diese, an sich auch (!) der Strafe angehörende Zwecke verfolgen, dianeben aber auch das der Strafe eigentümliche Leid zufügen können. Für beide Gruppen gibt es also zwei Arten von Aufgaben: spezifische, wesenseigene Aufgaben und weitere, niicbt wesenseigene Aufgaben (Fernziele). Ueberall handelt es sich um die gleichen hohen Ziele, letzthin um die Zurückgewininung der Schuldigen für die Gemeinschaft durch Ausmerzumg des Kriminalitätserregers und Erfüllung mit den entsprechenden Tugendpflichten („Resozialisierung"), Unter den einzelnen Behandlungs weisen gilt nur eine Arbeitsteilung, und der nach dem dualistischen Prinzip, der sog. Zweispurigkeit, streng durchgeführte Unterschied zwischen Strafe und anderen Maßregeln besteht darin, daß im konkreten Fall, auf den es stets ankommt, bald das eine, bald ein anderes Ziel das erste, das eigentümliche, das spezifische ist, während auch andere Zwecke mehr odeir weniger mit verfolgt werden können und, soweit möglich und nötig, natürlich auch mit verfolgt werden sollen. Es bewährt sich wieder methodisch die Ganzheitstheorie und im Bereich der Ganzheit die konkrete Uebergewichtstheorie. 1) Dieser bedeutende Schlußabschnitt, der Rechenschaft ablegen und in die Zukunft weisen soll, fällt hier verhältnismäßig kurz aus, da sein Gehalt wesentlich der Kriminologie angehört. Vgl. KrimSoz., Kriminol. und schon Ger. S. 97, 27 (1928).

§ 31.

Strafe und verwandte Maßregeln im allgemeinen

215

2. Nach diesen Unterscheidungsmerkmalen ist 'die Frage zu beiantworten, ob ein gesetzlicher Typ, eine bestimmte Behandlungsart als Strafe (Nebenstriafe) oder als Sicherungs- und Bessieirungsmaßregel aufzufassen ist, was im einzelnen Fall mitunter streitig ist, z. B, bei der Einziehung. Die Einreihung ist wichtig: nur Strafen knüpfen an Schuld an; für sie gelten die Strafbemessung sneigeln; bei Idealkonkurrenz gilt das strengste Strafgesetz; nur Strafen werden im Gnadenwege erlassen (bei der Verjährung gilt na ch § § 67 Abs . 5 , 70 Abs,, 2, 71 eine gewiss e Erweiterung, s on st betrifft sie nur die Strafen); für Strafen ist maßgebend grundsätzlich der Zeitpunkt der Tat, nicht der Hauptverhandlung; nur Strafen unterliegen dem Grundsatz der Einmaligkeit (ne bis in idem); die Anschlußdelikte Begünstigung und Hehlerei beziehen sich nur auf strafbare Handlungen, desgleichen die akzessorische Teilnahme. 3. D e r g e g e n w ä r t i g e S t a n d d e r A n s i c h t e n l ä ß t n o c h i m m e r d e n G e g e n satz des einstigen Schulenstreits erkennen, der latent weit e r w i r k t . Die Gesetzgebung d e r l e t z t e n Zeit h a t sich zum d u a l i s t i s c h e n Prinzip (Zweispurigkeit) i n s o f e r n b e k a n n t , a l s s i e i n § § 42a ff. (seit 1933) e i n v o n d e r S t r a f e g e t r e n n t e s S y s t e m d e r S i c h e r u n g s u n d B e s s e r u n g s m a ß r e g e l n a u f s t e l l t e , d e m S c h w e i z e r V E . v . 1893 a l s d e m V o r b i l d d e r m e i s t e n s p ä t e r e n E n t w ü r f e folgend (der R u h m g e b ü h r t C. Stooss). Die Gerichte haben von den einzelnen Maßregeln auffallend sparsamen G e b r a u c h gemacht; erfahrene Richter behaupten, mit den Strafen auszukommen. Alsdann legen sie a b e r Sicherung und Besserung, d i e an sich dringendsten A u f g a b e n einer m o d e r n e n S t r a f j u s t i z , in d i e S t r a f e h i n e i n , v e r t r e t e n a l s o f ü r s i c h d a s m o n i s t i s c h e Prinzip (Einspurigkeit), Die Nachfolger der einstigen Klassik befürchten hieraus eine G e f ä h r d u n g der s o z i a l e t h i s c h e n G r u n d l a g e n des S t r a f r e c h t s und s p r e c h e n s c h o n von e i n e r K r i s e d e r S ü h n e s t r a f e (so N a g l e r in L K . a l s F o r t s e t z e r d e r B i n d i n g - S c h u l e im Kampf g e g e n die einst von v. Liszt g e f ü h r t e M o d e r n e ) . Jedenfalls würde und müßte i n n e r h a l b d e r S t r a f e d i e D u a l i s t i k W i e d e r a u f l e b e n ; in d i e E i n s p u r i g k e i t d e r S t r a f e würde die Zweispurtigkeit hineingetragen: Sühne und Sicherung. Beide Maßstäbe s i n d v e r s c h i e d e n u n d f ü h r e n zu v e r s c h i e d e n e n E r g e b n i s s e n im E i n z e l f a l l . Eine solche Regelung der Verbindung aller Maßregeln unter dem Zeichen der Strafe w ä r e sehr w o h l m ö g l i c h u n d w ä r e n i c h t e t w a ein W i d e r s p r u c h in s i c h . Es müßten nur die b e i d e r s e i t i g e n G e s i c h t s p u n k t e in i h r e r V e r s c h i e d e n h e i t e r k a n n t u n d a u f e i n a n d e r abgestimmt werden. Aus einem Streit um wichtigste Prinzipien- und Weltanschauungsf r a g e n b l e i b t als R e s t f a s t n u r n o c h eine g e s e t z e s t e c h n i s c h e E t i k e t t e n f r a g e z u r ü c k .

IL 1, Ergebnisse; a) Bei der Strafbemessung verfolgt der Richter in erster Linie Vergeltungs- und Sühnezwecke, innerhalb dieser Grenzen aber sucht ier möglichst auch Erziehung und Sicherung zu erreichen oder vorzubereiten; diese letztere Aufgabe tritt beim Vollzug an die Spitze2). Daher sollten schon die einzelnen Strafen generell auf möglichst umfassende Zieh angelegt sein; d. h. die Gesetze und Verordnungen sind hiernach auszubauen und auszulegen, Vor allem ist das Endziel alles Strafrechts, eine gerechte Strafbemessung und ein wirksamer Vollzug, energisch zu verfolgen. 2 ) A b w e i c h e n d in m e h r f a c h e r R i c h t u n g E x n e r in: P r o b l e m e d e r S t r a f r e c h t s e r n e u e r u n g 1944 S . 39: d e r S c h u t z s o l l e m a ß g e b e n d s e i n f ü r d a s O b , d i e S ü h n e f ü r d a s W i e ( d e n G r a d ) d e r S t r a f e n ; n u r l e t z t e r e s ist i. g. r i c h t i g . D e r Strafvollzug solle die wichtigste Erkenntnisquelle für die S t r a f e sein; ü b e r s e h e n wird die S t r a f b e m e s s u n g , f e r n e r die notw e n d i g e V e r s c h i e d e n h e i t d e r S t r a f z w e c k e b e i V o l l z u g u n d B e m e s s u n g d e r S t r a f e (S. 24, 26 mit unrichtiger Polemik gegen mich),

216

VI. Behandlung des Verbrechens und des Verbrechers

b) Geboten ist eine abstrakte, d. i. dogmatische und systematische Trennung, aber eine konkrete, praktische Verbindung. Eine wirksame Erziehung ist nur möglich durch gerechte Sühne; eine wirksame Sicherung und Abschreckung nur bei gerechter Vergeltung. Die beiden Prinzipien Gerechtigkeit und Zweckmäßigkeit (Gemeinwohl) sind nur zwei Erscheinungsformen der Rechtsidee und müssen in Einklang gebracht werden. Voraussetzung ist überall sittliche Verantwortung, aus der sich Schuld und Sühnie ergeben; aber der Ausbau muß nach rechtspolitischen, präventionistischen und pädagogischen Gesichtspunkten erfolgen. c) Gegen die Einspurigkeit spricht die Gefahr einer Verwischung von Justiz und Polizei sowie einer Bestimmung der Zweckmäßigkeit nach äußeren, nicht in der Gerechtigkeit liegenden Gesichtspunkten. Ge d e r V i e l v o r b e s t r a f t e n (von d e r 5„ V o r s t r a f e ab) v o n S i c h e r u n g s v e r w a h r u n g e r f a ß t (1940; 1916 P e r s o n e n , 1941: 1 6 5 1 ) .

b) Unterbringung in einem Arbeitshaus oder bei Arbeitsunfähigkeit in einem Asyl, § 42 d, an Stelle der früheren Ueber Weisung lajn die LandesPolizeibehörde (soig. korrektioneile Nachhaft). Von dieser heilsamen Maßregel macht das Gesetz leider nur bei der sog. kleinen, lästigen Kriminalität, bei Bettlern, Landstreichern, Prostituierten Gebrauch; empfehlenswert wäre Arbeitshaus auch bei Arbeitsscheu von Spielern, Zuhältern, gewerbsmäßigen Hehlern und sonstigen Ausbeutern, auch bei §§ 174 ff. (so z. T. schon seit 1900 und 1919; iaiuch nach GE, 10, E, 25 und Schweizer StGB.). Analogie wäre aber nicht zulässig 50 ). Gegen die Maßregel spricht allerdings, daß sie zu spät einsetzt, wenn der kriminelle Hang zu stark eingewurzelt ist. G e s e t z l i c h e V o r a u s s e t z u n g e n : aa) Verurteilung wegen der nannten D e l i k t e zur H a f t ; ! bb) die M a ß r e g e l muß e r f o r d e r l i c h sein, um den T ä t e r A r b e i t und zum g e s e t z m ä ß i g e n und g e o r d n e t e n L e b e n a n z u h a l t e n .

c)

Unterbringung

in einer

Trinkerheil-

oder

Entziehungsanstalt,

gezur

§ 42 c.

V o r a u s s e t z u n g e n : aa) D e r T ä t e r n i m m t g e w o h n h e i t s m ä ß i g im Uebermaß R a u s c h m i t t e l zu s i c h ; bb) V e r u r t e i l u n g wegen eines Verbrechens oder Vergehens, s e i es im R a u s c h ( A l k o h o l d e l i k t ) o d e r im K a u s a l z u s a m m e n h a n g m i t s e i n e r R a u s c h s u c h t (Diebstahl oder B e t r u g ^ z u r Erlangung von Rauschmitteln), oder w e g e n Volltrunkenheit (§ 330 a ) ; c c ) N o t w e n d i g k e i t d e r M a ß r e g e l , um d e n T ä t e r an e i n g e s e t z m ä ß i g e s und g e o r d n e t e s L e b e n zu g e w ö h n e n . 51) U e b e r d i e e r s t e n E r f a h r u n g e n l i e g t e i n z u r ü c k h a l t e n d e r B e r i c h t v o n E x n e r auf d e r e r s t e n (und e i n z i g e n ) T a g u n g d e r G e s e l l s c h a f t f ü r d e u t s c h e s S t r a f r e c h t 1938 v o r (1939, 9 2 ) . V g l . B e i t r ä g e z. R e c h t s e r n e u e r u n g H . 7, 1938; d i e d o r t i g e n A e u ß e r u n g e n v o n Rietzsch, S t o l z e n b u r g und E , S c h m i d t zur S i c h e r u n g s v e r w a h r u n g s i n d r e s i g n i e r t , Die meisten Auslandsstaaten haben eine ähnliche Maßregel. 52) D i e V o r s c h r i f t gehört nicht, Gedankengut, sondern entstammt den die S t r a f e die S i c h e r u n g s f u n k t i o n mit d a s u n b e s t i m m t e S t r a f u r t e i l ( o b e n § 32 53) 54) 55) 56)

S o E x n e r Z S t r W . 53, R G . 70, 129. R G . 72, 356;n73, 305. L K . § 42 d; a . M . z.

wie man 1946 m e i n t e , zum nationalsozialistischen früheren Entwürfen. W i r d sie b e s e i t i g t , so müßte übernehmen; die F o l g e dieser , , E i n s p u r i g k e i t " wäre a. E . ) . U e b e r die w i r k l i c h e L a g e vgl. A n h a n g I A .

631.

T.

Rietzsch.

240

VI.

Behanilung des Verbrechens

und des Verbrechers

d) Unterbringung in einer Heil• und Pflegeanstalt, § 42 b, betrifft Kranke oder (weniger ärztlich zu behandelnde) Pflegebedürftige. V o r a u s s e t z u n g e n : aa) B e g e h u n g e i n e s V e r b r e c h e n s o d e r V e r g e h e n s im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit oder der v e r m i n d e r t e n Zurechnungsfähigkeit (nicht a u s r e i c h e n d a l s o : J u g e n d l i c h k e i t o d e r Irrtum)57); bb) die ö f f e n t l i c h e S i c h e r h e i t m u ß die U n t e r b r i n g u n g e r f o r d e r n , also bei T e n d e n z zur c h r o n i s c h e n Kriminalität'^), d. h. e s m u ß e i n e k o n k r e t e e r n s t l i c h e G e f ä h r d u n g f ü r d i e A l l g e m e i n h e i t b e s t e h e n 5 9 ) (d. i. m e h r als o b e n a bb). N i c h t e r f o r d e r l i c h ist b e i A n t r a g s d e l i k t e n z u r A n o r d n u r g d e r M a ß r e g e l ein A n t r a g s ) . Bei v e r m i n d e r t e r Z u r e c h n u n g s f ä h i g k e i t ist die U n t e r b r i n g u n g also StrafergänzungUl). Z u 1 a—d: D i e D a u e r b e s t i m m t s i c h n a c h d e m Z w e c k d e r M a ß r e g e l , § 42 f, a l s o g r u n d sätzlich ohne Höchstmaß. A u s n a h m e bei Arbeitshaus (soweit erstmalig) und TrinkerN a c h p r ü f u n g s p f l i c h t d e s V o l l s t r e c k u n g s g e r i c h t s § 42 f A b s . 3: b e i heilanstalt: 2 Jahre. Z w e i f e l n k e i n e E n t l a s s u n g , in d u b i o c o n t r a . W i d e r r u f m ö g l i c h : d i e E n t l a s s u n g gilt n u r a l s b e d i n g t e A u s s e t z u n g , § 42 h . V o l l z u g : bei Sicherungsverwahrung und Arbeitshaus besteht Arbeitszwang, § 42 h . N ä h e r e R e g e l u n g in V o l l z u g s O . v . 22. 7. 1940 N r . 211 ff.

2. Maßregeln ohne Freiheitsentziehung. a) Früher Entmannung (Kastration) gefährlicher Sittlichkeitsverbrecher § 42 k, aufgehoben durch KontrollratsG. v. 30. 1. 1946 Nr. 1. Sie beseitigt nicht nur die Fortpflanzungsfähigkeit, wie die Unfruchtbarmachung (Sterilisation, G. v, 14. 7. 1933 zur Verhütung erbkranken Nachwuchses, oben § 18 C III 4),, sondern auch das sexuelle Verlangen. Sie war nicht, wie jene, eine eugenische, sondern eine straf ergänzende Sicherungsmaßregel gegen einen gefährlich abnormen Geschlechtstrieb. Der kriminalpolitische Zweck kann schon durch Verminderung des gefährlichen Triebes erreicht werden. Der Erfolg sowie die nicht ungefährlichen psychischen Einwirkungen lassen sich nach dem gegenwärtigen Stande der W i s s e n s c h a f t k a u m sicher voraussehen, Das bisherige Gesetz stellte daher die Anordnung der Entm a n n u n g in d a s p f l i c h t m ä ß i g e E r m e s s e n d e s S t r a f r i c h t e r s ; s i e s o l l t e n a c h d e r a m t l i c h e n B e g r ü n d u n g ^ ) nur geschehen, wenn die Unsicherheit des Erfolgs und der durch den Eingriff zu b e f ü r c h t e n d e S c h a d e v e r h ä l t n i s m ä ß i g g e r i n g w i e g e n g e g e n ü b e r d e r d u r c h den Sittlichkeitsverbrecher der Allgemeinheit drohenden Gefahr. — Enge V o r a u s s e t z u n g e n ä h n l i c h § 20 a .

b) Untersagung

der Berufsausübung,

§ 421, auf 1—5 Jahre.

V o r a u s s e t z u n g e n : aa) V e r u r t e i l u n g wegen Verbrechen oder Vergehen u n t e r M i ß b r a u c h d e s B e r u f s o d e r G e w e r b e s o d e r g r o b e r P f l i c h t v e r l e t z u n g in ihnen'»-0') zu F r e i h e i t s s t r a f e v o n m i n d e s t e n s 3 M o n a t e n ; b b ) d i e M a ß r e g e l m u ß z u m S c h u t z d e r Allgemeinheit erforderlich sein.

c) Früher: Reichsverweisung nach § 42 m. 23. 3. 1934. Zu Bei sätzlich 57) 58) 59) 60) 61) 62) 63)

I

Aufgehoben durch G. v

1—2:

K o n k u r r e n z mehrerer Maßregeln die b e s t e Eignung für den Schutz der

R G . 71, 221; 72 , 355 ; 73, 315. R G . 69, 151; 73, 303. R G . 73, 303. A . M . R G . 71, 322; 73, 155. R G . 70, 127. V g l . R G . 68, 165, 196; 73, 101 u . R G . 68, 398.

ö.

e n t s c h e i d e t n a c h § 42 n : aa) g r u n d Allgemeinheit; bb) e v t l . d i e g e r i n g s t e

§ 36. Strafergänzende Maßregeln.

Jugendrecht

241

B e s c h w e r f ü r d e n A n g e k l a g t e n ; cc) n o t f a l l s A n o r d n u n g m e h r e r e r M a ß r e g e l n n e b e n - , e v t l . n a c h e i n a n d e r 6 4 ) . — M a ß g e b e n d ist d a s G e s e t z , das z. 2 t . des U r t e i l s gilt, § 2 a A b s . 4. — G r u n d s ä t z l i c h e A u s n a h m e n v o n d e r sonst g e l t e n d e n R e g e l sind: B e g n a d i g u n g möglich b e i F e h l u r t e i l ; V e r j ä h r u n g n a c h §§ 67 A b s . 5, 70 A b s . 2, 71. 3. N i c h t a u f g e n o m m e n sind t r o t z f r ü h e r e r u n d g e g e n w ä r t i g e r h ä u f i g e r Vorschläge folgende Sicherungs- oder Besserungsmaßregeln: a) A u f e n t h a l t s und W i r t s h a u s v e r b o t , n i c h t d u r c h f ü h r b a r , n i c h t zu k o n t r o l l i e r e n , kann l e i c h t u n w ü r d i g und l ä c h e r l i c h w i r k e n ; b) D e p o r t a t i o n o d e r Z w a n g s v e r s c h i c k u n g , scheitert an politischer Unmöglichkeit und stößt auf sozialethische Bedenken; c) H a u s a r r e s t , u n d u r c h f ü h r b a r ; d) sog. P r ü g e l s t r a f e , als L e i b e s s t r a f e n i c h t p a s s e n d zu u n s e r e m K u l t u r s t a n d p u n k t . IL

Verwaltungs- und zivilrechtliche

1,

Der privaten Genugtuung dienen:

a) die B u ß e n a c h §§ aber auch ideellen Zwecken;

188,

231

Mafiregeln: : und

einigen

UrheberrechtsG.,

zu

materiellen,

b) die E n t s c h ä d i g u n g d e s V e r l e t z t e n , die zur E r s p a r n i s eines Z i v i l p r o z e s s e s (nach d e n E n t w ü r f e n ) s c h o n im S t r a f v e r f a h r e n b e i S p r u c h r e i f e g e l t e n d g e m a c h t w e r d e n kann. 2. Eine Art kriminelle oder besser wohl v e r w a l t u n g s r e c h t l i c h e „ B ü r g s c h a f t " ist die M i t - u n d N a c h h a f t u n g für fremde Geldstrafen s e i t e n s d e r E l t e r n , d e s G e w a l t h a b e r s , des G e s c h ä f t s h e r r n , des B e t r i e b s i n h a b e r s n a c h d e m a l t e n F o r s t d i e b s t a h l s G . , d e m F e l d - und F o r s t p o l i z e i G . , d e r R A b g a b e n O . , d e r D e v i s e n O . u. a . D i e R e c h t s n a t u r w a r von j e h e r u m s t r i t t e n ; m a n k a n n a b e r n i c h t eine d e r hergebrachten Rechtstypen anwenden. V i e l m e h r h a n d e l t es sich u m eine s p e z i f i s c h e R e c h t s f i g u r e i g e n e r A r t , auf d e r e n k o n s t r u k t i v e F o r m u l i e r u n g es w e n i g e r ankommt65). J e d e n f a l l s ist d i e M a ß r e g e l k e i n e Strafe66) f da sie auch G e i s t e s k r a n k e u n d K o l l e k t i v p e r s o n e n e r f a ß t , auch n i c h t eine v e r k a p p t e V e r d a c h t s s t r a f e ; es s p r e c h e n a b e r a b s c h r e c k e n d e und e r z i e h l i c h e G e s i c h t s p u n k t e m i t . S i e ist auch w o h l k e i n e sog. G a r a n t e n haftung67) in d e m Sinne, d a ß sie zu s e l b s t ä n d i g e r L e i s t u n g v e r p f l i c h t e t , a u c h w e n n d e r Schuldige eine E r s a t z f r e i h e i t s s t r a f e v e r b ü ß t o d e r b e g n a d i g t w i r d ; v i e l m e h r t r ä g t sie akzessorischen, unselbständigen Charakter. III.

Erziehungs-

und Stralmaßregeln

gegen

Jugendliche.

Sie sind g e k e n n z e i c h n e t d u r c h die V o r h e r r s c h a f t d e s E r z i e h u n g s g e d a n k e n s , selbst b e i s o l c h e n M a ß r e g e l n , die f o r m e l l als S t r a f e e r s c h e i n e n . F ü r eine v e r s t ä n d i g e S t r a f r e c h t s p f l e g e w a r d i e s e s n i c h t g l ü c k l i c h g e n a n n t e , , E r z i e h u n g s s t r a f r e c h t " n i e m a l s ein P r o b l e m , s o n d e r n eine S e l b s t v e r s t ä n d l i c h k e i t w e g e n d e r E i g e n a r t d e r J u g e n d p s y c h e ( h i e r ü b e r o b e n § 23). So e r k l ä r e n sich um 1900 die A u s w i r k u n g e n des F ü r s o r g e e r z i e h u n g s G . u n d die häufige A n w e n d u n g d e r b e d i n g t e n Begnadigung ( S t r a f a u s s e t z u n g ) . Die e r s t e g r ö ß e r e g e s e t z g e b e r i s c h e R e g e l u n g gemäß den F o r d e r u n g e n d e r M o d e r n e b r a c h t e das J G G . v. 16. 2. 1923, eine F o r t b i l d u n g das R J G G . v. 6. 11. 1943, d a z u die a m t l i c h e n R i c h t linien (Dt. J. N. 30). Es g e h ö r t a b e r zu d e n z, T . auf U n k e n n t n i s b e r u h e n d e n U e b e r t r e i b u n g e n , d a ß s r s t in d i e s e m G e s e t z die , . r e c h t e M i t t e z w i s c h e n S t r e n g e und M e n s c h l i c h k e i t " g e s c h a f f e n und tiaß die , , N e u b i l d u n g d e s J u g e n d a r r e s t e s ein w i r k l i c h ganz g r o ß e r W u r f " sei68) : eine e c h t j u g e n d l i c h e , a n m a ß e n d e U e b e r t r e i b u n g ! E b e n s o ist eine r a d i k a l e V e r s t i e g e n h e i t die völlige Loslösung des J u g e n d s t r a f r e c h t s v o m a l l g e m e i n e n S t r a f r e c h t , die A b s c h a f f u n g d e r R a h m e n des S t G B , f ü r J u g e n d g e f ä n g n i s (§ 5), a n d e r e n S t e l l e ein (doch e r s t zu s c h a f f e n d e s ) sog. T ä t e r s t r a f r e c h t t r e t e n soll, und b e s o n d e r s die 64) 65) 66) 67) 68)

R G . 72, 102/3. N a h e d e m T e x t s t e h e n Binding, M e r k e l , N a g l e r , b e s o n d e r s v. Liszt und So n o c h R G . 63, 298; a n d e r s a b e r R G . 71, 5. So O e t k e r . Vgl. LK. 146/7. So u r t e i l t d e r sonst im a l l g e m e i n e n b e s o n n e n e LK. 6. A . 447.

S a u e r ,

Strafrecht

Rosenfeld.

16

242

VI.

Behandlung des Verbrechens und des Verbrechers

Dreigliederung der Maßregeln in Strafe, Zuchtmittel und Erziehungsmaßregeln (§ 2) mit der unklaren mittleren Gruppe, die weder Strafe noch Erziehuög, sondern etwas anderes und Neues sein soll. Zu den überflüssigen und künstlich gesuchten Neuerungen gehört die Erweiterung der Bestrafung zur „Ahndung" (§§ 2, 7); zu den gefährlichen Neuerungen das Ueberschreiten der Altersklasse vom 14. bis 18. Lebensjahr nach oben wie nach unten und die Bestrafung abartiger, nicht schuldhafter Psychopathen (§ 3 Abs. 2 S. 2, § 20 Abs. 2, vgl. oben § 23 II). Gegen die unbestimmte Verurteilung (§ 6, oben § 32 a, E.) ist einzuwenden, daß ein Erziehungserfolg durch Strafe (!) meist ungewiß ist; besser wäre eine bestimmte Strafe und darauf Erziehung ohne Strafe. Vorzuziehen wäre dem unbestimmten Strafurteil die bisherige bedingte Strafaussetzung69). Statt dessen soll der Arrest, eine Art von Festungshaft für Jugendliche, die kurzen Freiheitsstrafen, die Geldstrafen und die bewährte bedingte Strafaussetzung ablösen; ein zweifelhaftes Geschenk des Nationalsozialismus für die umschmeichelte Jugend. — Zu tadeln ist die mangelnde Angliederung der Strafrahmen für Arrest und Gefängnis aneinander: Arrest im Höchstmaß und Gefängnis im Mindestmaß müßten einander berühren. Will der Richter jetzt eine Strafe {oder ein-Zuchtmittel) zwischen 4 Wochen und 3 Monaten verhängen, so stößt er, auf einen leeren Raum im Gesetz. Die einzelnen Arten sind im folgenden sinngemäß so zu verstehen, wie ihr Inhalt vom Gesetz bestimmt ist, nicht wie sie vom Gesetz benannt sind. 1, J u g e n d g e f ä n g n i s § 4 wird verhängt, wenn das Bedürfnis nach Schutz (!) und Sühne wegen der Größe der Schuld oder |l) wegen der schädlichen, in der Tat hervorgetretenen Neigungen (also chronische Tendenz !) eine Strafe fordern. Diese Maßregel ist nach ihren Voraussetzungen zwar echte Strafe; gleichwohl tritt der Strafcharakter zurück, da die Strafbemessung nach § 5 Abs. 2 yor allem eine nachhaltig« Erziehung anstreben soll. Die Strafrahmen der Tatbestände des allgemeinen Strafrechts gelten nicht: eine eigenartige, folgenschwere Vorschrift von fragwürdigem W e r t e ! Dauer: 3 Monate bis 10 J a h r e , überschreitet also weit den Rahmen des StGB, für Gefängnis! — Vollzug nach V. d, RJMin. v. 22. 1. 1937 (DJ. S. 97), v. 16. 7. 1941 (S. 793) und v. 20. 12. 1943 (DJ. S. 584). 2. Z u c h t m i t t e l ; diese fragwürdige Neuschöpfung des Gesetzes weist drei Arten von sehr verschiedener Rechtsnatur und praktischer Bedeutung auf. Allerdings sollen sie. nach § 7 dem Jugendlichen seine Schuld und Verantwortung eindringlich zum Bewußtsein bringen (erstrebt wird eine sog. Schockwirkung), aber nicht (lies: nicht alle, besonders nicht gewisse ferne) Rechts Wirkungen einer Strafe haben. Hier macht sich wieder die Rücksicht auf das persönliche Wohl und die Erziehung geltend. a) J u g e n d a r r e s t § 8 mit drei Unterarten: D a u e r a r r e s t (1—4 Wochen), Freizeitarrest für die wöchentliche Freizeit (1—4 Freizeiten) und Kurza r r e s t (1—6 Tage). Die bei weitem wichtigste Maßregel gegen Jugendliche überhaupt ist der D a u e r a r r e s t : 72 °/o aller Jugendverfehlungen (gegen nur 22 °/o Jugendgefängnis)70). Der Arrest ist sachlich S t r a f e 7 l ) und entspricht der Haft; nur sind ihr ausnahmsweise einige spezielle Fernwirkungen, die dem Wesen der Strafe übrigens auch nicht eigen sind, genommen und tritt das Erziehungsinteresse noch stärker hervor. Die Erziehungsmittel sind aber „drastischer", empfindlicher, strafähnlicher (Schockwirkung!). N a c h . d e n Richtlinien ist der Arrest geeignet bei mittleren und kleineren (wenn auch nicht kleinsten) Verfehlungen gutgearteter oder undurchschaubarer (! ?) Jugendlicher, die durch kurze, harte Einzelhaft noch erzieherisch beeinflußt werden können; Aufgabe ist Zwang zur Selbsterziehung und zur Betreuung durch 69)1 So schon Bumke auf der Tagung der IKV. 1927 bei einem Bericht über esine amerikanische Studienkommission. Vgl. m. KrimSoz. I 141. 70) So wenigstens nach der Mitteilung in LK, 453. 71) Die h, M. hält an der Sondernatur gemäß der formellen Dreiteilung auch sachlich fest (vgl. Peters Kom. § 2 N. 2, § 7 N. 1, Boldt ZStrW. 59, 336; RG. 75, 221, 366). S a c h l i c h gibt es nur die A l t e r n a t i v e : tritt der Straf- oder der Erziehungscharakter mehr hervor? Strafe nehmen• an: LK. 465; Lange Probi, d. Strafrechtserneuerung 1944, 55; Welzel 182. Verbreitet ist aber die angeblich {so nach Ansicht des LK. 447) englische Auffassung, gegen Jugendliche nur Erziehungsmaßregeln gelten zu lassen.

Sachregister Bambergensis 12 Beamter als Tatbestandsmerkmal 62, s. Amtsdelikte Bedingte Strafaussetzung 232 Bedingte Verurteilung 232 Bedingungstheorie (Kausalität) 72 ff. Bedrohung als Tatbestaiidstyp 34 (Tafel) Befehl (Rechtfertig-migsgrunid) 118 Begnadigung 232 Begünstigung als Tatbestandtstyp 34 (Tafel) Beihilfe (Rat und Tat) 191 ff., Tafel über Teilnahme formen 176 Bekämpfung 7 Beleidigung als Tatbestandstyp 34 (Tafel), als ätiologischer Typ 35 (Tafel) Berufsverbot 240. Statistisches Anhang I Berufsverbrechen, berufsmäßige Delikte 35 (Tafel), über Schuld und chronische Kriminalität 137 Besonders leichte Fälle 230 Besonders schwere Fälle 230 Besserung als Strafzweck 7, als Strafb emessungisgrund 222 Besserungsmaßregeln 238 ff. Bestechung als Tatbestandstyp 34 (Tafel), Bestedherlohn, Verfallerklärung als Strafe 236 Betätigungswiile bei Entwicklung des Verbrechens 44 (Tafel) Betrug als Tatbestandstyp 34 (Tafel), als ätiologischer Typ 35 (Tafel), bei Versuch und Vorbereitung 92, bei untauglichem Versuch 99 Betteldelikte als Tatbestandstyp 34 (Tafel) Beweggrund bei Entwicklung des Verbrechens 44 (Tafel) Beweiserheblichkeit als Tatfoestamdsmerkmal 61 Bewußtsein der Rechtswidrigkeit beim Vorsatz 146, ¡148, 150 Bewußtseinsstörung 165 Binding (klassische Schule) 9 Böhmer 13 Böswilligkeit als Tatbestandsmerkmal 61, als Schuldtyp 170

255

Brandstiftung als Tatbestandstyp 34, bei Versuch und Vollendung 93 Bürgschaft, Mit- und Nachhaftung als strafähnliche Maßregel 241 Buße 241 Carolina 12 Carpzow 13 Charakter s. Persönlichkeit Charakterschuld 131, bei chronischer Kriminalität 133 ff. Chronische Kriminalität 35 (Tafel) Chronische Tendenzschuld 133 ff. Dauerverbrechen 199 Delikt s. Verbrechen Deliktsfähigkeit, Altersstufen, 166 Deportation 238 Determinismus 37 ff., 163 Devisendelikte, bei Versuch und Vorbereitung 93, beim untauglichen Versuch 99 Diebstahl als Tatbestandstyp 34 (Tafel), als ätiologischer Typ 35 (Tafel), bei Versuch und Vorbereitung 92, beim untauglichen Versuch 99, bei Teilnahme 180 Distanzdelikte 77 Disziplinarstrafe 238 Doppelehe als Tatbestandstyp 34 (Tafel) Doloses Werkzeug 182 ff. Dolus s. Vorsatz und Absicht Drohung s. Notstand und Nötigungsnotstand Duchesne-Paraigraph 193 Ehebruch als Tatbestandstyp 34 (Tafel), äußere Straf barkeit svoraussetzung 65, 68 Ehrenstrafen 236 Ehrverlust 236, Statistisches Anhang I Eidesdelikte als Tatbestandstyp 34 (Tafel), untauglicher Versuch 99, Versuch und Vorbereitung 93 Eidesunfähigkeit 237 Eigenhändige Delikte 185, 188 Eigennutz als Tatbestandsmerkmal 61, als Schuldtyp 170

244

A n h a n g

I

Kriminologische Tragweite Als S c h l u ß b e r i c h t möge folgende, in Kriminologie I 4. Abschn e r a r b e i t e t e Uebersicht dienen: A. Die Maßregeln (seit 1933) bestimmen sich nach folgenden Voraussetzungen und Zielen in der« Reihenfolge ihrer Wichtigkeit von a bis c: Voraussetzungen a

b

Ziele u n d Wirk ungen c

1. Strafe

Verwerf- subj. Gelichk. fahrlichk.

2. Sicherungsverwahrung

obj. Ge• fährlichk. Verwerflichk. subj. Gefährlichk.

3. Arbeitshaus 4. E n t m a n n u n g 5. Berufsverbot 6. Trinkerheilanstalt

obj. Gefährliche

7. Heil- und Pflege- obj. Gefähranstalt lich^

subj.Gefährlichk.

Verwerflichk.

a

b

c

Sühne u. Vergeltg.

Bess.

Sich.

Bess.

Sich.

Sich.

Vergeltg. (Sühne)

Bess.

Vergeltg.

(Bess.)

Die Parallelen in der Tafel dürften einleuchten, so daß sich eine Begründung erübrigt. W i e d i e V o r a u s s e t z u n g e n , s o w e r d e n die Folgen in d e r h o r i z o n t a l e n wie in d e r vertikalen Reihenfolge immer äußerlicher; Verwerflichkeit und S ü h n e s i n d a m i n n e r l i c h s t e n : eine neue Strafrechtsbegründung an später Stelle. Sie darf bezeichnet werden als k o n k r e t - g a n z heitliche, als k r i m i n o l o g i s c h - s o z i a l e t h i s c h e Strafrechtstheorie. Man vergegenwärtige sich dabei, daß jede Maßregel im Einzelfall, wie jede Verwaltungsmaßregel, eine möglichst umfassende heilsame Wirkung ausüben sollte, daß sie aber auf einen Hauptzweck eingestellt sein muß, der in der Tafel unter a voransteht. Bedenken könnten nur darin bestehen, daß wir auch bei der Sicherungsverwahrung nicht die Sicherung (worauf doch der Name dieser Maßregel hindeutet), sondern die Besserung voranstellen; nach unserer Auffassung ist eine wirkliche S i e h e - , rung nur bei einem gewissen G r a d von Besserung durchführbar, so daß die letztere wenigstens bei der wichtigsten Maßregel, der Sicherungsver-

245

Kriminologische Tragweite

mit allen Kräften angestrebt werden sollte. Eine längere Verwahrung eines völlig Ungebesserten würde geradezu das Anstaltsleben gefährden. Daher ist Besserung, so schwer sie auch im Einzelfall durchführbar ist, bei den eingreifendsten Maßregeln, wie bei der Strafe, wenigstens im Prinzip möglichst früh anzusetzen. B. Die einzelnen Strafmittel und Schutzmaßregeln werden von den Gerichten in einer außerordentlich verschiedenen Weise verwendet, so daß sie praktisch eine höchst v e r s c h i e d e n e Bedeutung besitzen. Hier treten die eigenartigen Gebräuche, die oben § 32 bei der Strafbemessungspraxis beobachtet wurden, deutlich hervor. Die starken Abweichungen möge folgende statistische Uebersicht veranschaulichen; es werden J a h r e gewählt, die zugleich eine Verschiedenheit in politischer, sozialer, wirtschaftlicher und sozialethischer Hinsicht aufweisen. Verurteilt wurden 1 ) wegen Verbrechen und Vergehen gegen das RStGB. zu: Währung,

Todesstrafe Lebenslanges Zuchthaus . . . Zuchthaus, zeitig davon ab 3 J a h r ^ . . . . bis 3 Jahre . . . . Gefängnis davon ab 1 J a h r ab 3 Monate bis 1 Jahr bis 3 Monate . . . Festungshaft Haft Geldstrafe Ehrverlust Polizeiaufsicht Heil- und Pflegeanstalt . . . Trinkerheilanstalt Arbeitshaus Sicherungsverwahrung . . . Entmannung Berufsverbote

1932

1933

1934

1937

1938

45 8 .5938 1493 4445 213486 14198 68401 130887 188 211 218519 6410 819

74 19 9084 2353 6731 192891 18022 64706 110103 37 279 168252 9527 1521

90 15 11646 3273 8373 142814 16277 50715 75822

55 9 10968 3093 7875 168340 18998 63820 85522

68 6 10727 5111 7616 139414 17418 57391 64605 1 1264 181491



450 129459 11391 1164 506 106 1938 3935 672 124



1723 253061

1

? 902 150 1094 765 189 252

T

i

993 160 1023 964 195 269

C. Schließlich fragt man nach dem p r a k t i s c h e n E r f o l g aller dieser Maßregeln und Bemühungen. . M i t der gebotenen Vorsicht lassen sich bis jetzt folgende vorläufige Erkenntnisse gewinnen, die natürlich nur als typische Erscheinungen aufgefaßt werden dürfen. 1) Nach R K r i m S t a t . , e r g ä n z e n d Dt. J . 1937, 867; 1939, 1478. Gewählt wurden J a h r e m ' i T j n a c l 1 d c r R e c i >tsen>eueniiig, a u ß e r d e m d a s l e t z t e V o r k r i e g s j a h r . Im ü b r i g e n w a r d i e Wahl durch d a s v e r ö f f e n t l i c h t e M a t e r i a l b e d i n g t ; es e r g a b e n sich einige) h i e r nicht zu e r k l ä r e n d e V e r s c h i e d e n h e i t e n in den B e r e c h n u n g e n d e r R K r i m S t a t .

246

Kriminologische Tragweite

I. Grade der Wirksamkeit der Strafen. 1. Wirksamkeit e r s t e n G r a d e s : d e r Erfolg liegt noch im Bereich einiger W a h r s c h e i n l i c h k e i t . Voraussetzung: Gelegenheits- oder planmäßige Delikte bei s t ä r k e r e r sozialer (!) Umweltbedingtheit und bei voraussichtlicher Besserung der sozialen Verhältnisse, begangen in jungen oder (noch günstiger) in gereifteren J a h r e n . In B e t r a c h t kommen leichtere reine Angriffs- oder v e r w a n d t e Nutz- und Notdelikte, also Delikte im Angriffs-, Nutz- und Not- oder im Schwächetyp: vor allem Roheitsdelikte sowie Diebstahl, R a u b und Hehlerei (letztere im S c h w ä c h e t y p bei s t a r k e r Abhängigkeit vom Vortäter); möglich auch A b t r e i b u n g und leichtere Unzuchtsdelikte. 2. Wirksamkeit z w e i t e n G r a d e s : d e r Erfolg liegt noch im Bereich e n t f e r n t e r e r M ö g l i c h k e i t . Hierher gehören vor allem jene Fälle, die das Gericht im Wege moralischer Einwirkung bei strengerer Strafe oder bei Anwendung von Sicherungs- oder Besserungsmaßregeln h ä t t e erfolgreicher behandeln können: stark sozial-umweltbedingte Gelegenheits- oder Vorbedachtsdelikte im Angriffs-, Nutz- und Schwächetyp (also bis jetzt wie oben zu 1) sowie die leichteren Anfänge chronischer Kriminalität! also vorwiegend in jüngeren J a h r e n begangen. Es sind vor allem Angriffs- und Nutzdelikte, außer Diebstahl auch Betrug, U n t e r schlagung und Hehlerei sowie d e r e n A b a r t e n : Urkundenfälschung, Meineid, falsche Anschuldigung, Verleumdung, U n t r e u e , Erpressung, Glücksspiel, Wucher, Zuhälterei, sodann schwerere Unzuchtsdelikte, wie Männer- und Kinderunzucht und Notzucht. 3. Wirksamkeit d r i t t e n G r a d e s , d. h. von nur noch ganz entfernter Möglichkeit b i s a n d i e G r e n z e d e r Unwirksamkeit, a) Hier finden ihren Platz zunächst die schweren chronischen, s t a r k willensbedingten Nutzdelikte der Betrugs- und Fälschungs-, der U n t e r schlagungs- und A u s b e u t e r g r u p p e n (wie oben 2), sofern d e r Wille des regelmäßig schon gereifteren T ä t e r s noch erzieherischen Einflüssen zugänglich sein sollte, was in wenigen Fällen zutreffen mag. — b) Eine günstige Prognose können auch noch zwei a n d e r e G r u p p e n erfahren. Einmal Angriffsdelikte, entweder im A f f e k t begangen (Gewaltdelikte), oder in moralischer, religiöser oder politischer Ueberzeugung (Beleidigung u n d gewisse Wohlstands- und Kulturdelikte). Sodann Trieb- und Schwächedelikte, noch unmittelbar vor dem Zustand völliger A b s t u m p f u n g (Diebstahl, Betteln, Unzucht). 4. Als Rest bleibt die beträchtliche Zahl der Fälle v ö l l i g e r Unwirksamkeit. Es sind jene Fälle, in denen der Wille des T ä t e r s überhaupt nicht oder nicht mehr bestimmt w e r d e n k a n n ; die Tat wird vielm e h r beherrscht entweder von der Umwelt, vor allem der natürlichen Umwelt, oder von der Anlage. Zu den T a t e n gehören e x t r e m e Fälle rein a k u t e r oder streng chronischer Kriminalität; dort sind es Zufallsdelikte (z. B. Fahrlässigkeitstaten), hier hochgradige Trieb- und. Schwächedelikte (Unzucht, Betteln, auch wohl noch einige Rückfallsdiebstähle). II. Die Sicherungs- und Besserungsmaßregeln sollen um so mehr A n wendung finden, je unwirksamer sich die Strafe erweist; ihr A n w e n d u n g s gebiet erweitert sich also in der obigen Reihenfolge von I 1 bis 4 immer mehr. Am wirksamsten zeigt sich die Sicherungsverwahrung; b e g r e n z t e Tatbestandsgebiete h a t t e n naturgemäß die Entmannung und die Berufsverbote. Das Arbeitshaus wird weniger günstig beurteilt; seiner N a t u r nach ist es über die wenigen gesetzlichen Fälle hinaus am meisten aus-

247

Kriminologische Tragweite

b a u f ä h i g u n d w o h l am d r i n g e n d s t e n a u s b a u b e d ü r f t i g . In m e d i z i n i s c h e r Hinsicht werden sehr verschieden prognostiziert außer der Entmannung die H e i l - u n d P f l e g e a n s t a l t sowie die T r i n k e r h e i l - u n d E n t z i e h u n g s a n s t a l t . U e b e r die E r f o l g e im e i n z e l n e n m ü s s e n n o c h E r f a h r u n g e n a b g e w a r t e t w e r d e n . U e b e r die A n w e n d u n g s h ä u f i g k e i t b e i d e n e i n z e l n e n T a t b e s t a n d s t y p e n u n t e r r i c h t e n die T a b e l l e n in K r i m S t a t . ; vgl. f ü r 1934/6 K r i m S t a t . 1934/5 S. 18/9, e r g ä n z t d u r c h die Tab., f ü r 1938 S. 100, 254. Bei d e n w i c h t i g e r e n M a ß r e g e l n lassen sich h i e r n a c h Anwendungsg e b i e t e e r s t e n , z w e i t e n u n d d r i t t e n G r a d e s e r k e n n e n je n a c h d e r H ä u f i g k e i t (leider vorläufig nur auf die w e n i g e n J a h r e v o n 1934 bis 38 b e s c h r ä n k t ) ; es e r g i b t sich s o d a n n eine v i e r t e Reihe, in d e r die v e r h ä l t n i s m ä ß i g g e r i n g e o d e r ganz f e h l e n d e A n w e n d u n g e i n e r M a ß r e g e l a u f f ä l l t , w ä h r e n d sie auf g e w i s s e T a t b e s t ä n d e sehr w o h l h ä t t e w i r k s a m a n g e w e n d e t w e r d e n k ö n n e n . Wichtige Anwendungsgebiete der strafergänzenden Maßregeln 1. Grades

2. Grades

3. Grades

( 4 ) Versager

Sicherungsverwahrung

Diebstahl, R a u b , Geldfälschung, H e h l e r e i , U n t e r - Meineid schlagung, U n treue, Betrug, Erpressung, Urkundenfälschg. ; K ö r p e r v e r l . , Töt u n g , gemeingefährl. Verbr. ; Unzucht

Arbeitshaus

B e t t e l n usw. U nterschlagung, Betrug, U n t r e u e ; (§ 361), e i n f a c h . W i d e r s t a n d Beleidigung, BeDiebstahl drohung, Körp.verletzg., Sachbeschädigung.

Raub, Erpressung, Hehlerei, Glücksspiel, Zuhäl terei,gemeingefährl. V e r b r . , Unzucht

Entmannung, Berufsverbot

U n z u c h t , Abtreibung

Diebstahl,Unterschlagung, H e h lerei, Gewerbedelikte

Trinkerheilanstalt

Heil- und Pflegeanstalt

Wilderei, falsche Glücksspiel, W i Anschuldigung d e r s t a n d , Freiheitsverletzung, Sachbeschädig., Verleumdung

Tötung, Betrug, Kuppelei, U n t r e u e , UrWucher k u n d e h f älschg., Wilderei

Körperverletzg., D i e b s t a h l , U n t e r - R a u b , E r p r e s s g . , Sachbeschädig., schlagung, U n - N ö t i g u n g , BeW i d e r s t a n d , ge- t r e u e (?) drohung meingef. V erbr., Beleidigung, Bet r u g (?) Unzucht

Tötung, Körperverletzg., Widerstand,Freiheitsv e r l e t z u n g , gemeingef. Verbr.

D i e b s t a h l , B e t r . , Sachbeschädig. Unterschlag., Urkundenfälschung

248

A n h a n g

II

Leitsätze für die Anfertigung von Übungsarbeiten und von Urteilen I. Anlage der Arbeit und des Arbeitens. 1. Zu unterscheiden sind Forschung und Darstellung. a) F o r s c h u n g , d. i. Vorbereitung für die Ausarbeitung. Es empfiehlt sich, zuerst nur e i n gutes Buch (oder nur einige ganz wenige) zu lesen. Sofort sollte man die eigene Ansicht zu bilden suchen und auf besonderem Blatt in knappen Leitsätzen niederlegen 1 ); So sind zweckmäßig auch größere wissenschaftliche Arbeiten anzulegen und zuerst in kleinem Rahmen zu bestimmten Endergebnissen zu führen, gewissermaßen als Klausurarbeiten zu erledigen, was zugleich in Anfertigung von Arbeiten an Ort und Stelle, in der Bibliothek, am Amtssitz, sowie von Unterlagen für Vorträge, von richterlichen Voten auf Terminzetteln übt. — Erst wenn so der Verf. eine (sei es auch nur ungefähre) Lösung seiner Aufgabe gewonnen hat, ist mehr Literatur nachzulesen und ist um jenen zuerst gewonnenen Kern herumzuarbeiten. Hierbei wird die erste Ansicht ergänzt, näher begründet, vertieft, natürlich mitunter auch berichtigt. Auch im Fall, daß die erste Ansicht später völlig umgestoßen werden sollte, ist jene Arbeit nicht umsonst; sie kann in dem endgültigen Entwurf als eine immerhin mögliche Ansicht behandelt werden, so daß sich der Verf. gleichsam mit sich selbst auseinandersetzt. Selbständigkeit der Ansicht, Selbsterziehung, Selbstkontrolle können nicht eindringlich genug empfohlen und vor allem auch nicht früh genug gepflegt werden 2 ). b) D a r s t e l l u n g . Hier ist strenge Auslese zu halten. Alles Ueberflüssige ist wegzulassen. Auch bei jeder späteren Durchsicht gilt der Grundsatz: jedes sachlich oder sprachlich Ueberflüssige zu streichen, ist ein Gewinn. Mustergültig sind hier oft die Einstellungsbescheide erfahrener Oberstaatsanwälte. Kürzen und immer wieder kürzen! und doch durch knappe Zusätze inhaltsreich-fer gestalten, durch Parallelen vertiefen! — Die Darstellung hat nicht 1) Ein großes Beispiel bot ednst Schelling, der sich bereits im 19. Lebensjahr beim ersten Studium Kants ein fertiges System gebildet und die Ansichten Kants und Fichtes in fördernder Weise schon damals weitergeführt hat (Wendung vom subjektiven zum objektiven Idealismus], &) Der Anfänger muß wie das Revisionsgericht und der Lehrer dauernd nach Fehlern suchen, überall Fehler wittern und rücksichtslos aufdecken; sie nachsichtig zu beurteilen, ist- Pflicht des ,,gefürchteten Examinators", Denn der wahre Forscher kennt seine Fehler; sonst wäre er nicht Forscher. Der Forscher hat eine weitere, größere Pflicht: überall Fehler q u e l l e n zu wittern und rücksichtslos danach zu suchen, um sie vielleicht einmal aufdecken zu können. So schrieb Kant die Antinomien der reinen Vernunft. Die Atomphysik fußt auf widerspruchsvollen Ergebnissen in der Raum—Zeit-Lehre. Röntgen berichtet, er habe seine Entdeckungen dem unermüdlichen Bestreben zu verdanken, überall nach Fehlerquellen zu suchen (Forschungen und Fortschritte 1947 Jahrg. 21/3 S, 51).

Leitsätze

für Uebungsarbeiten und Urteile

249

dem Gang der Forschung zu folgen; sie soll nicht Rechenschaft über alles einmal Durchdachte geben. Vielmehr ist der allein wesentliche Stoff s t r e n g l o g i s c h angeordnet vorzutragen. Forschung und Darstellung sind zwar in methodischer Hinsicht zu trennen, gehen aber tatsächlich oft ineinander über, da sich bei der Darstellung die Notwendigkeit weiterer und tieferer Forschung ergeben kann, Fehlerquellen auftauchen, sich neue Wege anbieten. Da gilt es, Ruhe und klaren Kopf zu bewahren; man stoße nicht zu rasch und zu früh die erste wohl überlegte Ansicht um und setze lieber erst einmal die eingeschlagene Richtung fort. Neue Einfälle halte man aber sofort auf Zetteln fest, die später ausgearbeitet und als Einwände oder Anregungen für künftige Forschung verwertet werden mögen. B e i der Niederschrift drängen sich die folgenden Gedanken, Einwände, Folgerungen, neue Ziele mitunter so schnell und zahlreich auf, daß die Ausarbeitung darunter leiden kann; dann setze man möglichst den Gang in Ruhe fort, sichere sich aber jene neuen Gedanken durch Stichworte auf Zetteln. Das gilt besonders, wenn man mit Diktat und Schreibmaschine arbeitet. Schriftsätzen, Urteilen, Aufsätzen merkt man später stets an, ob sie aus dem Stegreif diktiert sind; selbst für Geübte empfiehlt sich bei größeren, schwer übersehbaren Arbeiten eine Vorbereitung durch handschriftlichen Entwurf von Plan und Aufbau, während des Diktats Zettelarbeit bei Bedenken und neuen Einfällen. Man kann beobachten, daß längere Vorträge, sollen sie gut und ursprünglich sein, weit weniger bieten als die kürzesten unscheinbarsten Zeitschriftenartikel; Vortrag und Aufsatz sind eben grundverschiedene Dinge. 2. E i n z e l n e s

für die D a r s t e l l u n g

bei

Anfängerarbeiten.

a) Aeußerste Klarheit, Knappe und kurze Sätze. Nebensätze sparsam gebrauchen; aber die Hauptsätze sind nicht lose (wie im Militär-, Kaufmanns- und Stefan-George-Stil), sondern in den Sprachformen, die den logischen Denkformen entsprechen, aneinander zu reihen (Verschiedenes bedeuten z. B.: „Daher"; „Weil"; ,,Da"; „Damit"; „So daß"; „Vielmehr"; „Trotzdem"; „Gleichwohl"; „Ebenso"; „Entsprechend"; „Aehnlich"; „Oder"; „Beziehungsweise"). An den logisch-systematisch richtigen Stellen: Absätze. Streng sachlicher, aber gefälliger Stil. Nicht ohne Grund den Konjunktiv anwenden (z. B. ist falsch: „Nunmehr wäre zu untersuchen"). Auch nicht: „Ich will jetzt untersuchen" 3 ), Kinder, kleine Leute und unhöfliche Personen reden in der ersten Person: in Aufsätzen und Vorträgen, in Briefen und Gesprächen. Sie selbst sind ihre Welt. Oder sie haben es nötig. Man sage sachlich und amtlich: „Es ist zu untersuchen" — möglichst mit Angabe des logischen Grundes und des rechtlichen Zusammenhanges. b) A n f a n g der Darstellung: Das Thema ist nicht noch einmal wiederzugeben, auch nicht mit den ieigenen Worten des Verf. zu umschreiben. Aber man soll auch nie mit abstrakten Erörterungen, etwa mit Wiedergabe und Auslegung von Rechtsnormen beginnen. Vielmehr ist das spätere Ergebnis als Problem voranzustellen; z. B . es kommen folgende Straftaten des A in Betracht, und zwar ist 3) Anderer Ansicht scheint 2, B . Eb, Schmidt zu sein (vgl. unten die letzte Fußnote).

S a u e r , Strafrecht

17

250

L e i t s ä t z e für U e b u n g s a r b e i t e n

und U r t e i l e

z w e i f e l h a f t zunächst, w e l c h e gesetzliche T a t b e s t ä n d e erfüllt sind. Also alle R e c h t s n o r m e n w i e ü b e r h a u p t alle A b s t r a k t i o n e n sind sofort unter Beziehung auf den R e c h t s f a l l zu erörtern. Urteile, auch f r e i s p r e c h e n d e , beginnen e n t s p r e c h e n d mit dem S a c h v e r h a l t , und w i s s e n s c h a f t l i c h e A b h a n d l u n g e n sollten von w i r k l i c h e n oder erd a c h t e n F ä l l e n ausgehen, die das P r o b l e m aufrollen 4 ). Oft empfiehlt sich, das S e l b s t v e r s t ä n d l i c h e voranzustellen, um sodann die S t r e i t p u n k t e als das eigentliche T h e m a zu e n t w i c k e l n ; dies Verfahren w i r d oft auch in den B e g r ü n d u n g e n von G e s e t z e s e n t w ü r f e n beobachtet; in Zivilurteilen ist es die R e g e l . Es empfiehlt sich oft auch, d a s eigene Ergebnis am Anfang anzudeuten, um den L e s e r sofort in Klarheit über die e i n z u s c h l a g e n d e Richtung zu setzen; z. B. „Es w i r d sich ergeben, daß Diebstahl und nicht Betrug vorliegt; um dies darzulegen, bedarf es zuerst einer Untersuchung, ob im vorliegenden Fall überhaupt eine Vermogensbeschädigung usw. anzunehmen ist". c) W i e alle R e c h t s n o r m e n , so sind auch die einzelnen R e c h t s begriffe nur im Hinblick auf den v o r l i e g e n d e n F a l l und auf seine Entscheidung zu erörtern. Daher ist es falsch, näher zu erörtern, w a s das Gesetz unter „ b e w e g l i c h e r S a c h e " versteht, wenn dieses M e r k m a l im vorliegenden Fall u n z w e i f e l h a f t g e g e b e n ist (z. B.: d e r Dieb e n t w e n d e t Geld; nicht u n z w e i f e l h a f t und daher zu erörtern ist jenes M e r k m a l aber, wenn er z. B. L e u c h t g a s ableitet oder einen Zweig vom B a u m abschneidet). d) S t r e i t f r a g e n (z. B. über den Begriff d e r Zueignung) sind e b e n falls nur insoweit zu erörtern, als die v e r s c h i e d e n e n Ansichten zu v e r s c h i e d e n e n Ergebnissen im v o r l i e g e n d e n Fall führen würden. Ist dies nicht der Fall, so ist nur kurz der S t r e i t s t a n d anzugeben und zu v e r m e r k e n , daß nach b e i d e n A u f f a s s u n g e n d e r F a l l in gleicher W e i s e , so und nicht a n d e r s zu entscheiden ist. Z u c u n d J : W i r d gegen diese Grundsätze gefehlt, so w i r d der s c h w e r e F e h l e r begangen, daß N e b e n s ä c h l i c h e s oder gar Unerhebliches b r e i t und ausführlich b e h a n d e l t wird. Mögen die Ausführungen des Verf. im einzelnen auch richtig sein, im R a h m e n des Ganzen sind sie falsch; sie enthalten eine A b s c h w e i f u n g vom Thema, vom S t r e i t f a l l , und die w i r k l i c h w e s e n t l i c h e n F r a g e n treten demgegenüber- ü b e r Gebühr zurück oder v e r s c h w i n d e n ganz. Namentlich der A n f ä n g e r hat sich zu befleißigen, H a u p t - u n d N e b e n f r a g e n i n e n t s p r e c h e n d e m V e r h ä l t n i s zu b e h a n d e l n . Die A u s f ü h r lichkeit einer Untersuchung oder e i n e s Teils muß im Verhältnis zu der W i c h t i g k e i t für d a s Thema und für d a s Ganze stehen. In e i n e r A u f g a b e kommt es oft nur auf eine einzige S t r e i t f r a g e , z. B. I d e a l konkurrenz, Notstand, B e w e i s l a s t , an. Dann ist die ganze A u f m e r k s a m k e i t allein hierauf zu richten. W i e ein Gesetz, so hat j e d e Kultureinrichtung, und also auch j e d e A u f g a b e , jeder „Fall", einen bestimmten, nicht immer deutlich e r k e n n b a r e n '„Sinn". Eine A r b e i t ist nie ausreichend, wenn nicht einmal d a s Thema als solches, s e i n Sinn, erfaßt ist. e) E v e n t u a l e n t s c h e i d u n g e n sind n u r zulässig, a b e r a u c h notwendig, w e n n 1. z w e i v e r s c h i e d e n e , für den F a l l erhebliche R e c h t s 4) Das Ziel ist immer eine konkrete Gestaltungsnorm; vgl. J u r Meth L (s. Reg.).

Leitsätze

für Uebungsarbeite>n und Urteile

251

ansichten bestehen (die beiden herrschenden Kausalitätstheorien) oder 2. zwei verschiedene Auffassungen des S a c h v e r h a l t s möglich sind (dann ist z. B. die Tatsache a oder die T a t s a c h e b zu „unterstellen"). Es sind dann oft zwei völlig verschiedene Bearbeitungen nötig. Der Bearbeiter 1 darf also nie sagen, daß die Auffassung a den Fall ohne S c h w i e r i g k e i t e n erledigt und diese Ansicht ihm als die zutreffende erscheint; vielmehr muß er auch die andere mögliche Auffassung zu Ende denken. 3. Z e i t p u n k t . Die Arbeit ist pünktlich fertigzustellen. Es kommt nicht nur auf d i » Güte, sondern auch auf die Schnelligkeit der Arbeitsleistung an. A u c h Gerichtsurteile sind binnen kurzen, gesetzlichen F r i s t e n abzuliefern. Selbst bedeutende Autoren gelangten mit ihren, oft zu umständlich angelegten W e r k e n nicht zum Abschluß (Jhering; die meisten M i t a r b e i t e r der von Binding herausgegebenen „Handbücher"), Die Kunst der Zeiteinteilung, der Arbeitsökonomie, des Aufhörens, des S p a r e n s und Haushaltens mit den vorhandenen Kräften ist überall die Voraussetzung von Kulturleistamgein 5 ): beim Rechtsanwalt, Schwurgerichtsvorsitzenden, Schauspieler. Auch der Forscher muß einmal aufhören. A u c h das Menschenleben. Ii. Reihenfolge der Prüfung bei strafrechtlichen Arbeiten: 1. Zuerst die T a t b e s t ä n d e des Besonderen Teils; und zwar zuerst die objektiven. 2. Alsdann die allgemeinen V e r b r e c h e n s m e r k m a l e ; jedoch nur, soweit sie nicht schon bei den Tatbeständen geprüft sind (z. B, Handlung bei Wegnahme) .und nur soweit die A u f g a b e zur Prüfung herausfordert (z. B. ist oft kein Anlaß zur Prüfung der Zurechnungsfähigkeit oder der Notwehr; stets ist aber Anlaß zur Prüfung des Vorsatzes). Stets sind zu prüfen: die objektiven vor den entsprechenden subjektiven M e r k malen; stets die positiven vor den entsprechenden negativen M e r k m a l e n (z. B. Vorsatz vor Rechtsirrtum, vor Zurechnungsunfähigkeit). 3. Zugrunde zu legen ist im ganzen der in diesem Buch entworfene systematische A u f b a u des Strafrechts, außer unten zu c. — Also: а) Unrecht: aa) Tatbestandsmäßigkeit; bb) äußeres V e r h a l t e n : Handlung") oder Unterlassung nebst Kausalität (und zwar nach de/j beiden herrschenden Theorien, sofern •r>) Die Kunst d e s r e c h t z e i t i g e n A u f h ö r e n s m u ß e b e n f a l l s g e ü b t w e r d e n , d a m i t man w i e d e r gut a n f a n g e n k a n n . L e h r r e i c h ist a u c h h i e r G o e t h e : e r b e k e n n t zu E c k e r m a n n (dem S i n n e n a c h ) : um v i e l zu l e i s t e n , m ü s s e m a n a b e n d s g e r a d e d a n n , w e n n d i e A r b e i t am f l o t t e sten v o n s t a t t e n g e h t u n d d e r S t r o m m ü h e l o s f l i e ß t , a u f h ö r e n und e i n p a c k e n ; dann k ä m e m a n am n ä c h s t e n M o r g e n l e i c h t w i e d e r h e r e i n . G a n z v e r k e h r t s e i e s , a b e n d s dann a u f z u h ö r e n , w e n n m a n d a s G e f ü h l h a b e , nicht m e h r w e i t e r zu k ö n n e n ; dann w ä r e d e r F a d e n am n ä c h s t e n M o r g e n s i c h e r g a n z a b g e r i s s e n , und m a n m ü s s e d i e f r ü h e r e A r b e i t s t u n d e n l a n g nochmals durchdenken, oder die Fortsetzung unterbliebe ganz. — W e r d e n Pausen unverm e i d l i c h , so s c h r e i b e m a n s i c h m i t e i n i g e n S t i c h w o r t e n d e n G e d a n k e n g a n g d e r g e p l a n t e n F o r t s e t z u n g a u f . S o w e n n m a n g l e i c h z e i t i g v e r s c h i e d e n e A r b e i t e n zu l e i s t e n h a t . Größere P a u s e n s i n d m e i s t von U e b e l . Z w i s c h e n d e m 2, und 3. A k t d e s S i e g f r i e d von R i c h a r d W a g n e r lagen J a h r z e h n t e , hier entstanden die s t i l v e r s c h i e d e n e n W e r k e : Tristan und M e i s t e r singer. So litt d i e E i n h e i t l i c h k e i t d e s S i e g f r i e d . б) A u c h d i e „ H a n d l u n g " m u ß in s e l t e n e n F ä l l e n f e s t g e s t e l l t w e r d e n , so b e i T e i l n a h m e in den F ä l l e n d e r § § 128, 129 S t G B , und b e i Z u g e h ö r i g k e i t zu v e r b r e c h e r i s c h e n O r g a n i s a t i o n e n n a c h K o n t r o l l r a t s G , Nr. 10 A r t . II 1 d (1946).

17*

252

L e i t s ä t z e für Uebungsarbeiten

und. Urteile

sie zu verschiedenen Ergebnissen führen, was bei d e r Handlung wie bei der Unterlassung oft der Fall ist); Versuch; cc) Rechtfertigungsgründe, einschließlich der materiellen Rechtswidrigkedt, Wahrnehmung berechtigter Interessen. b) Schuld: aa) Vorsatz, Fahrlässigkeit; hier auch Irrtum (Tat- wie Rechtsirrtum im Gegensatz zu neueren Irrlehren); bb) Entschuldigungsgründe (falsch also: Zurechnungsfähigkeit v o r Vorsatz!); cc) außerhalb des Schuldbereichs: äußere Strafbarkeitsbedingungen. c) Mehrheit von: aa) Taten: Verbrechenseinheit, Konsumtion oder Konkurrenz; bb) T ä t e r n : Teilnahme. Zuerst der tatsächliche Ausführer, auch wenn er sich später nicht als T ä t e r herausstellt. Bei Mittätern zuerst die treibende K r a f t . Beim Werkzeug zuerst dieses, dann der mittelbare Täter, dann noch einmal d a s Werkzeug (weil dieses auch Gehilfe oder dolos,er Täter sein kann). d) Prozeßvoraussetzungen; e) Strafrahmen; wenn Anlaß gegeben ist: Strafbemessung oder strafergänzende Maßregeln (Besserung, Sicherung). Auch in Uebungsarbeiten lege man sich dauernd die F r a g e der S t r a f w ü r d i g k e i t vor. Zuletzt prüfe man, ob die Entscheidung auch vor der Rechtsidee standhält, ob sie dem gesunden. Rechtsempfinden entspricht. Sonst suche m a n andere Lösungen. Hier liegt oft die praktisch allerwichtigste und theoretisch schwierigste Frage. DI. Reihenfolge Urteilen 7 ).

bei

prozefirechtlichen

Arbeiten,

Klagen,

Anklagen,

1. Prozessuale Fragen. a) Wesentliche Merkmale (Klage, Anklage, Urteil); b) Prozeßvoraussetzungen: , aa) des Verfahrens (daher Einstellung, nicht Freisprechung, wenn sich in der Haupt Verhandlung ergibt, daß der Angeklagte nicht strafmündig ist); bb) der Verfolgung (Strafantrag, Nicht-Verjährung); cc) der Sachgestaltung (Schlüssigkeit der Klage, hinreichender Verdacht). 2. Sachvoraussetzungen (auch die sog. Rechtsschutzvoraussetzungen): F ü r Strafrecht, s. oben zu II. Für Zivilrecht: a) Schlüssigkeit der K l a g e (d. i. teilweise schon die F r a g e zu oben 1, b, cc); b) Begründetheit der K l a g e : T)

J u r M e t h L .

§

61;

Grdlg.

d.

Prozeßr.

191»

(1929).

Leitsätze

für Uebungsarbeiten und Urteile

253

aa) Schlüssigkeit des Bestreitens, bb) Schlüssigkeit der Einwendungen u. z. der aaa) rechtshindernden Tatsachen, bbb) rechtsvernichtenden Tatsachen, ccc) Einreden, cc) Verhalten des Klägers zu bb usw., dd) Beweis — Beweiswürdigung — Urteil. IV. Methodik der Reihenfolge in wissenschaftlichen und praktischen Arbeiten 8 ). Zu prüfen sind unter den einzelnen Merkmalen: die objektiven vor den subjektiven, die tatsächlichen vor den normativen, die besonderen vor den allgemeinen, die gesetzlichen vor den übergesetzlichen, die einfachen vor den komplexen (zusammengesetzten und verwickelten), die sachlichen vor den persönlichen und individuellen, die zusammengehörigen, den Problemkern enthaltenden Fragen vor den fernerliegenden, die positiven vor den negativen, die formalen vor den materialen, die präjudiziellen vor den nebensächlichen und vor Folgeerscheinungen, die prozessualen vor den materiellrechtlichen. Nur in Uebungs- und Forschungsarbeiten sind die prozessualen n a c h den mateiniellrechtlichen Merkmalen zu untersuchen.

erst

In Uebungsarbeiten sind nach Feststellung eines Prozeßhindernisses oder eines sonstigen Mangels die später wichtig werdenden Voraussetzungen weiterzubehandeln, während sich beim Strafurteil mit der Feststellung eines Mangels jede weitere - Untersuchung erübrigt. 8) U e b e r , . J u r i s t i s c h e K l i n i k " vgl. J u r M e t h L . § 65 I I — I V . — V e r w i e s e n sei auf die a u s g e z e i c h n e t e Anleitung von E b . S c h m i d t Das S t r a f r e c h t s p r a k t i k u m 1946, mit dem i c h w e i t g e h e n d ü b e r e i n s t i m m e ; m a n spürt n o c h den A u s g a n g vom L i s z t s c h e n S y s t e m , mit dem auch M e y e r - A l l f e l d , F r a n k , M . E , M a y e r , B e l i n g , v, H i p p e l , M e z g e r , E b e r m a y e r - L o b e im L p z K . und im A n s c h l u ß an d i e s e n die g e s a m t e P r a x i s a r b e i t e n . A b e r es h a b e n sich im L a u f e d e r Zeiten doch s t ä r k e r e A b w e i c h u n g e n auch von S c h m i d t e r g e b e n . S o b e i der K a u s a l i t ä t , d e r U n t e r l a s s u n g , dem V e r s u c h , der T e i l n a h m e , der S t e l l u n g der Z u r e c h n u n g s f ä b i g k e i t e r s t n a c h dem V o r s a t z (dies dürfte der g e r i c h t l i c h e n U r t e i l s p r a x i s e n t s p r e c h e n ) , s e l b s t b e i d e r K o n k u r r e n z und nicht zuletzt b e i der S t r a f b e m e s s u n g .

254

Sachregister Abartigkeit (Jugendliche) 167, Bewußtseinsstörung 165 Abbitte 243 Aberkennung der Ehrenrechte 236, Statistisches Anhang I Abolition 232 Abschreckung als Strafzweck 7, als Strafmaß 222/3 Absicht als Tatbestandsmerkmal 61, als Schuldtyp (verstärkter Vorsatz) 169 Absichtsloses doloses Werkzeug 184 Absichtsdelikte, kriminologisch, 35 (Tafel) Absorptionsprinzip 212 Abtreibung als T a t b e s t a n d s t y p 34 (Tafel); untauglicher Versuch 100, Versuch und Vorbereitung 93 Actio libera in causa 77 Adäquanztheorie 72 ff., beim Versuch 94 ff., beim Vorsatz 146, bei d e r T e i l n a h m e 178 ff. Additionsprinzip 213 Aequivalenztheorie 72 ff. Aerztlicher Eingriff 121/2. Aetiologie, methodische Notwendigkeit 3 Aetiologische Tat- und Tätertvpen 35 (Tafel), bei Schuld 135 ff." Aeufiere S t r a f b a r k e i ts Voraussetzungen 63 ff., Tafel 68 AeuBerungsdelikte 35 (Tafel) Alfektdelikte s. Leidenschaftsdelikte Agent provocateur 186 Akute Kriminalität 35 (Tafel) Akzessorietät der Teilnahme 173, 182 ff. Allgemeine Strafrechtslehre, systematische Struktur 3 Alternativfeststellung 52 Alternativität (Gesetzeskonkurrenz) '

201

Altersklassen 166 Amnestie 232 Amtsdelikte, untauglicher Versuch 99, Teilnahme .194/5 Amtsverlust (Nebenstrafe) 236 Analogie 51, 13

Angehörige (Notstand) 112 Angriffsdelikte, reine, 34 (Tafel), Bedeutung für Versuch und Vorbereitung 93, für untauglichen Versuch 100, für Unterlassung 78, für T ä t e r und Teilnehmer 180/1 Anlage, Erbanlage, Einflüsse 35, 44, Schuldtypen 135, 138, Strafmaß 223 Anlaßtypen 35 Anprangerung 237 Anschuldigung, falsche, als Tatb e s t a n d s t y p 34 (Tafel) Anstiftung 188 ff., Uebersichtstafel über Teilnahmeformen 176 Antrag s. Strafantrag Arbeitshaus 239, Statistisches Anhang 1 Arrest als Nehenfolge 237, J u g e n d arrest 242 Arrestbruch als T a t b e s t a n d s t y p 34 (Tafel) Arzt s. ärztlicher Eingriff Aschaffenburg, Gustav, Kriminologe 9 Asperationsprinzip 213 Asyl (Arbeitshaus) 239 Aulerlegung besonderer Pflichten (für Jugendliche) 243 Aulforderung zu V e r b r e c h e n 193 Aufrechnung s. Retorsion Augenblicksdelikte 35 (Tafel) Ausbeutungsdelikte als T a t b e s t a n d s typ 34 (Tafel) Ausführungshandlung: Allgemeines 29, 45 (Tafel), bei Versuch 89 ff., bei T ä t e r und Teilnehmer 176, 179 ff. Ausland: wichtige Strafgesetze 14, Delikte im Ausland 15, als äußere Strafbarkeitsvoraussetzung 68 Auslegung s. Analogie Aussage, falsche, als T a t b e s t a n d s typ 34 (Tafel) Aussetzung, als T a t b e s t a n d s t y p 34 (Tafel) Ausweisung s. Reichsverweisung Autolallengesetz, Versuch und Vorbereitung ,93

Sachregister Bambergensis 12 Beamter als Tatbestandsmerkmal 62, s. Amtsdelikte Bedingte Strafaussetzung 232 Bedingte Verurteilung 232 Bedingungstheorie (Kausalität) 72 ff. Bedrohung als Tatbestaiidstyp 34 (Tafel) Befehl (Rechtfertig-migsgrunid) 118 Begnadigung 232 Begünstigung als Tatbestandtstyp 34 (Tafel) Beihilfe (Rat und Tat) 191 ff., Tafel über Teilnahme formen 176 Bekämpfung 7 Beleidigung als Tatbestandstyp 34 (Tafel), als ätiologischer Typ 35 (Tafel) Berufsverbot 240. Statistisches Anhang I Berufsverbrechen, berufsmäßige Delikte 35 (Tafel), über Schuld und chronische Kriminalität 137 Besonders leichte Fälle 230 Besonders schwere Fälle 230 Besserung als Strafzweck 7, als Strafb emessungisgrund 222 Besserungsmaßregeln 238 ff. Bestechung als Tatbestandstyp 34 (Tafel), Bestedherlohn, Verfallerklärung als Strafe 236 Betätigungswiile bei Entwicklung des Verbrechens 44 (Tafel) Betrug als Tatbestandstyp 34 (Tafel), als ätiologischer Typ 35 (Tafel), bei Versuch und Vorbereitung 92, bei untauglichem Versuch 99 Betteldelikte als Tatbestandstyp 34 (Tafel) Beweggrund bei Entwicklung des Verbrechens 44 (Tafel) Beweiserheblichkeit als Tatfoestamdsmerkmal 61 Bewußtsein der Rechtswidrigkeit beim Vorsatz 146, ¡148, 150 Bewußtseinsstörung 165 Binding (klassische Schule) 9 Böhmer 13 Böswilligkeit als Tatbestandsmerkmal 61, als Schuldtyp 170

255

Brandstiftung als Tatbestandstyp 34, bei Versuch und Vollendung 93 Bürgschaft, Mit- und Nachhaftung als strafähnliche Maßregel 241 Buße 241 Carolina 12 Carpzow 13 Charakter s. Persönlichkeit Charakterschuld 131, bei chronischer Kriminalität 133 ff. Chronische Kriminalität 35 (Tafel) Chronische Tendenzschuld 133 ff. Dauerverbrechen 199 Delikt s. Verbrechen Deliktsfähigkeit, Altersstufen, 166 Deportation 238 Determinismus 37 ff., 163 Devisendelikte, bei Versuch und Vorbereitung 93, beim untauglichen Versuch 99 Diebstahl als Tatbestandstyp 34 (Tafel), als ätiologischer Typ 35 (Tafel), bei Versuch und Vorbereitung 92, beim untauglichen Versuch 99, bei Teilnahme 180 Distanzdelikte 77 Disziplinarstrafe 238 Doppelehe als Tatbestandstyp 34 (Tafel) Doloses Werkzeug 182 ff. Dolus s. Vorsatz und Absicht Drohung s. Notstand und Nötigungsnotstand Duchesne-Paraigraph 193 Ehebruch als Tatbestandstyp 34 (Tafel), äußere Straf barkeit svoraussetzung 65, 68 Ehrenstrafen 236 Ehrverlust 236, Statistisches Anhang I Eidesdelikte als Tatbestandstyp 34 (Tafel), untauglicher Versuch 99, Versuch und Vorbereitung 93 Eidesunfähigkeit 237 Eigenhändige Delikte 185, 188 Eigennutz als Tatbestandsmerkmal 61, als Schuldtyp 170

256

Sachregister

Einbruch als Tatbestandstyp 34 (Tafel), als ätiologischer Typ 35 (Tafel), Bedeutung für Versuch s. Diebstahl Eindrucksfähigkeit der Bestrafung bei Strafbemessung 225 Einheit der Tat 203, des Erfolgs s. Idealkonkurrenz Einwilligung des Verletzten 119 Einziehung von Gegenständen (Nebenstrafe) 236 Entführung 68 Entlassene, Fürsorge, 235 Entmannung 240, Statistisches Anhang I Entschädigung des Verletzten 24)1 Entschluß bei Entwicklung des Verbrechens 44, s. Willensfreiheit Entschuldigungsgründe 168/9, bei Teilnahme 195. Entziehungsanstalt 239 Entwürfe, Strafrechtsreform 14 Erbkranker Nachwuchs, Verhütung 119 Erfolg: Tatbestand 60, Kausalität 71 ff. Erfolgsdelikte 59 Erlolgsqualifizierte Delikte (Tatbestand) 65, 66, 68 Erfolgsstrafrecht, Geschichte 11, Verbrechensbegriff 27, bei Entwicklung des Verbrechens 45 Erpressung als Tatbestandstyp 34 (Tafel), als ätiologischer Typ 35 (Tafel), untauglicher Versuch 99 Erregung 107 Ersatzfreiheitsstrafe 236 Erziehung als Strafzweck 7, als Strafbemessungsgrund 222 Erziehungsmaßregeln gegen Jugendliche 241/2 Erziehungs- und Züchtigungsrecht als Rechtfertiguiigsgrund 119, Züchtigung fremder Kinder 124 Euthanasie 123 Eventualvorsatz s. Vorsatz Exner, Kriminalbiologie 9 Exzeß; bei Rechtfertigungsg-ründen allgemein 54, bei Notwehr 107, bei Notstand I I I

Fahrlässigkeit; Begriff 154. Arten 155. Materiale Auffassung 155/6. Gegenstand und Grade 157. Maßstäbe 158. Gesetzesvorschlag 161. Strafwürdigkeit 157. Stand der Ansichten 156 Fahrlässigkeitsdelikte als T a t b e standstyp 34 (Tafel), als ätiologischer Typ 35 (Tafel) Fallrecht 4 Falsche Anschuldigung als Tatbestandstyp 34 (Tafel) Falsche Aussage (Eidesdelikte) als Tatbestandstyp 34 (Tafel) Festungshaft 234. Statistisches Anhang I Feuerbach 6 Formaldelikt 54 Formale Auffassung s. Verbrechen, Unrecht, Schuld Fortgesetztes Verbrechen 203 ff. Uebersichtstafel (199 Fragebogen, kriminalbiologischer 224 Frank, R. v., als Vertreter der mittleren Richtung 9, 10 Freiheit, als Gegensatz zur Bindung und Kausalität 42 ff,, als Strafbemessungsgrund 223 ff. S. Willensfreiheit Freiheitsdelikte 34 Freiheitsstrafen 233/6; Vollzug 234/6 Fremd, fremde Sache, als Tatbestamdsmerkmal 62 Fürsorgeerziehung (Jugendliche) 241/2 Gefährdungsdelikte 59 Gefährdungsstrafrecht; Grundsätzlich 29, 30; bei Kausalität 74; Unterlassung 80; Versuch 94 (untauglicher) Gefängnis 234. Statistisches Anhang I Geheimnisverletzung als Tatbestandstyp 34 (Tafel) Gehilfe s. Beihilfe Geisteskrankheit, Geistesstörung 165 Geldfälschung als Tatbestandstyp 34 (Tafel) Geldstrafe 236. Statistisches Anhanig I

Sachregister Gelegenheitsdelikte 35 (Tafel) Geltungsgebiet 14 Gemeingefährliche Delikte als Tatbestandstyp 34 (Tafel) Gemeinwohl als Juristisches Grundgesetz (Rechtsidee) 49; Ausbau 55; Behandlung der Widersprüche zwischen Gemeinwohl und Rechtssicherheit 55 Generalisierungsfähigkeit der Entscheidung 5, 49, 227. Generalprävention 7 Genugtuung als Strafzweck 8, als Strafbemessungsgrund 223 Genußtyp als Schuldtyp 170. S. Schwächetyp Gerechtigkeit: als Strafzweck 7, als Juristisches Grundgesetz (Rechtsidee) 49, Behandlung der Widersprüche zwischen Gerechtigkeit und Rechtssicherheit 55, als Strafbemessungsgrund 220 ff., 223 Gesamtdelikt 199, 203 ff. Geschäftsführung ohne Auftrag (Rechtfertigungsgrund) 120 Geschäftsmäßigkeit 61 Geschichte des Strafrechts, F o r t schritt ? 11 Gesetzeseinheit und -mehrheit 200 Gesetzeskonkurrenz 200/1 Gesinnung als Tatbestandsmerkmal mal 61 Geständnis 225 (Strafmaß) Gestaltungsnorm, konkrete, bei der Rechtsfindung 50, |147 (N. 39), 148, 227 Gesundes Volksempfinden 62. S. Unirecht, Juristisches Grundgesetz Gesundheitsförderung, auch durch Nichtärzte (Rechtfertigungsgrund) 121/2 Gewaltund Roheitsdelikte 34 (Tafel) Gewerbsmäßige Delikte 35 (Tafel). Schuld und chronische Kriminalität 136 Gewerbsmäßigkeit als Tatbestandsmerkmal 61 Gewohnheitsdelikt 35 (Tafel); Schuld und chronische Kriminalität 137

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Gewohnheitsmäßigkeit als Tatbestandsmerkmal 61 Gewohnheitsverbrecher, gefährlicher (StGB. § 20a), 140 ff.; Sicherungsverwahrung 239/40 Gewohnheitsverbrechergesetz 238 ff. Gleichgültigkeit als Schuldtyp .170, als materiale Fahrlässigkeit 156 Glücksspiel als Tatbestandstyp 34 (Tafel), als ätiologischer Typ 35 (Tafel) Grausamkeit als Schuldtyp 169 Grundgesetz, Juristisches, 49, 51; Ausbau 55 Gute Führung (Schuldaufhebunig) bei Begnadigung 169 Gute Sitten als Tatbestandsmerkmal 62 Habgier als Tatbestandsmerkmal 61, als Schuldtyp 70 Haft 234. Statistisches Anhang I Haftung nur für eigene Schuld bei Teilnahme 194 Halbwüchsige 167 Handeln, Handlung (Kausalität) 70 ff. Verbrechen als Handlung s. Verbrechen Hauptstraien 233. Statistisches Anhang I Hausfriedensbruch als Tatbestandstyp 34 (Tafel) Hegel, Strafrechtstheorie ^ Hehlerei, Sachhehlerei, als T a t b e standstyp 34 (Tafel), als ätiologis c h e r Typ 35 (Tafel). Untauglicher Versuch 99. Teilnahme 194 Heil- und Pflegeanstalt 240. S t a tistisches Anhang I Heimtückisch als Schuldtyp 169 v, Hippel als V e r t r e t e r der mittleren Richtung 9, 10 Hochverrat als Tatbestandstyp 34 (Tafel) Humanitätsstralrecht, rückwirkende Kraft der Strafgesetze 17 Idealkonkurrenzi Grundsätzliches 203/4; Einzelnes 210/3 Indeterminismus 37 ff., bei Zurechnnngsfähigkeit 163

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Sachregister

Interessenabwägung s. Notstand, Notwehr, Wahrung berechtigter Interessen Internationales Strafrecht 14, .15 Irrtum: Weisen und Aufbau 144/5, 149. Arten 150/1. Notwendig ist einheitliche Behandlung vom Vorsatz und Irrtum 130, 144 (N. 32). Irrtum über Tatsachen 145 ff., im Motiv 147, im Objekt und in der Person 147/8, über das Recht und die sozialschädliche Tendenz 148, über Schuldtypen und die ihnen zugrunde liegenden Tatsachen 171. Stand der Ansichten (151. Gesetzliche Regelung ist nicht geboten 154 (N. 64) Jugendarrest 242 Jugendgefängnis 242 Jugendliche, Deliktsfähigkeit 166. Erziehungs- # und Strafmaßregeln 241/3. Teilnahme » 3 Juristisches Grundgesetz 49, 51. Ausbau 55 Kastration s. Entmannung Kaufleute als T at b e s tands merkm a 1 62 Kausalität: als Bindung im Gegensatz ZUT Freiheit 41 ff. Juristische (teleologische, soziologische, adäquate) Kausalität 42, 70 ff. Adäquanztheorie als Theorie des Wirkens 74 ff. Materiale Schuld als Theorie des Willens- und Wirkenszusammenhangs 42. Bedingungstheorie als Vorfrage 72 ff. Stand der Ansichten 72 ff. Kausalität der Unterlassung 79. Versuch als Mangel der Kausalität, s. Versuch. Teilnahme als Setze» einer bloßen Bedingung im Gegensatz zum Täter, der die (adäquate) Kausalität, die Tendenz zum schädlichen Erfolg setzt, 178 ff. Kindestötung als Tatbestandstyp 34 (Tafel) Klassik, Strafrechtsschfule 8 Körperverletzung als Tatbestandstyp 34 (Tafel) Kollektivdelikt 199, 203 ff.

Kollision der Strafgesetze: räumliche 15, zeitliche 16 Komplott 193, Uebersichtstafel 176 Konkrete Ge-staltungsnorm 50, 147 (N. 39), 148, 227 Konkrete Methode 4, bei Fahrlässigkeit 160, bei Konsumtion 201/2, bei Strafbemessung 217, 227, niefit für Dreiteilung (§ 1) 27 Konkurrenz 198 ff. Konkursdelikte als Tatbestandstyp 34 (Tafel) Konkurseröffnung 66, 68 (äußere Strafbarkeitsbedingunig) Kreationstheorie; Allgemeines 30, 42 ff., 44 (Tafel). Wesen der Schuld 126. Täterschaft gegenüber Teilnahme 172, 179. Strafbemessungsgrurnd 223 Kritninalbiologie 9 Kriminalbiologischer Dienst 224 Kriminalitätserreger: Entstehung des Verbrechens 44 (Tafel). Element der Schuld 127, 129. Als Strafbemessungsgrund 224/5 Kriminalpolitik s. Kriminologie Kriminalsoziologie s. Soziologie und Kriminologie Kriminologie: Stellung zur Strafrechtsdogmatik 1, 3. Im Schulenstreit 9. Verwertung für die Verbrechensibestimmunig 23 Kumulationsprinzip 313 Kuppelei als Tatbestandstyp 34 (Tafel). Verstuch und Vorbereitung 93 Landesverrat als Tatbestandstyp 34 (Tafel); Bedeutung für Versuch und Vorbereitung 93 Landstreicher als Tatbestandstyp 34 (Tafel) Laster, kriminelle, 34 (Tafel) Lehrer als Tatbestandsmerkmal 62 Leichte, besonders leichte Fälle 230 Leichtfertig als Tatbestandsmerkmal 61, als materiale Fahrlässigkeit 156 Leichtsinn als materiale Fahrlässigkeit 156 Leidenschaftsdelikte 35 (Tafel) Leugnen (Strafhöhe) 225

Sachregister v. Liszt als Hauptvertreter der modernen Schule 9, 30 Literatur 10 Lockspitzel s. agent provocateur Lohnabtreibung als Tatbestandstyp 34 (Tafel) Lombroso 9 Mangel am Tatbestand (Versuch) 94 ff. Massenbegnadigung 232 Materiale Auffassung und Bestimmung: S. Rechtswidrigkeit (Unrecht), Schuld, Handlung, Unterlassung, Kausalität, Versuch, Notwehr (104, 106), Notstand (113, 108). Ihre methodische und soziologische Notwendigkeit 3 Mehrtäter 187 ff. Uebersicht 176 Meineid als Tatbestandstyp 34 (Tafel), als ätiologischer Typ 35 (Tafel). Bedeutung für untauglichen Versuch 99, Versuch und Vorbereitung 93 Mildernde Umstände 230 Minder schwere Fälle 230 Mißbrauch von Rechten 117 Mittäter ,187. Uebersicht 176 Mittelbarer T ä t e r 182 ff. Uebersicht 176 Mittlere Strafrechtsschule 9 Moderne Strafrechtsschule 9 Motiv 44 (Tafel), als Tatbestandsmerkmal 61, als Schuldtyp 169 Mutmaßliche Einwilligung ((Rechtfertigungsgrund) 121 Mutwillig als Tatbestandsmerkmal 61, als Schuldtyp 169 Nachhaftunrf (verwaltungsrechtliche Maßregel) 241 Nachtat, straflose, s. Konsumtion Nachhille (Gegensatz: Teilnahme) 194. Uebersichtstafel • 176 Nachlässigkeit als materiale Fahrlässigkeit 170 Nachrede, üble, als Tatbestandstyp 34. S, Nichterweislichkeit Nationalprinzip (räumliche Geltung) 15 Natürliche Betrachtung 6, 172 Nebenfolgen 237

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Nebenstrafen 236 Nebentat s. Konsumtion Nebentäter (Gegensatz: Mittäter) 188. Uebersichtstafel 176 Neigungskriminalität 35 Nichterweislichkeit als Tatbestandsmerkmal, äußere Strafbarkeitsbedingung und Prozeßpräsumtion 65 Nötigung als Tatbestandstyp 34 (Tafel) Nötigungsnotstand als Schuldausschließungsgrund 111 Normative Methode 6 Normativer Tätertyp 32 Normative Tatbestandsmerkmale 62 Not als Tatbestandsmerkmal 61. Notdelikte s. Nutz- und Notdelikte Nothilie als neuer Rechtfertigungsgrund 121 Notstand als Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgrund 108/16. Zivilrechtlicher Notstand (Notrecht) 109. Echter strafrechtlicher Notstand 1;10/1. Uebergesetzlicher Notstand 112. Staatsnotstand 114/6. Exzeß 111. Putativnotstand 111 Notwehr 104/8. Material rechtmäßige A b w e h r von Unrecht 106. Exzeß 1107. Putativnotwehr 107. Staats notwehr 115. Nulla poena sine lege 51, S. zeitliches Geltungsgebiet Nutz- und Notdelikte: Verbrechensund Verbrechertyp 34 (Tafel). Bedeutung für Versuch und Vorbereitung 92, untauglichen Versuch 99, Unterlassung 78, 83, Täter und Teilnehmer ISO'l Nutzungsmotiv als Schuldtyp 170 Objektive Strafbarkeitsbedingungen 65 Objektsverwechslung s. Irrtum Oetker (klassische Schule) 9 Operation, ärztliche, als Rechtfertigungsgrund 121 3 Ordnungsstrafen 238 Ort der Tat 77 Parlamentsberichte (Rechtfertigungs grund) 120

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Sachregister

Persönliche Strafausschlußgründe s. Schuldausschlußgründe Persönliche Verhältnisse (Teilnahme) 196 Persönlichkeit: Kriminologische Einflüsse (Gegensatz: Umwelt) 35. Willensfreiheit 42 ff. Chronische Schuld 126, 133 ff. Strafbemessung nach der Persönlichkeit 223 ff. Personalprinzip (räumliche Geltung) 15, il'6 Pflichtenkollision s. Notstand Planmäßigkeit als Tatbestandsmerkmal 61, als Deliktstyp 35, als Schuldtyp 169 Planung von Verbrechein (Teilnahme) 193 Politische Delikte als Tatbestandstyp 34 (Tafel) Polizeiaufsicht 237. Statistisches Anhang I Polizeiunrecht s. Uebertretung 26 Präjudizien bei Strafbemessung 227 Prävention 7 Privilegierte Delikte 200 Prognose s. Kausalität (Adäquanz); Vorsatz (Voraussicht), Fahrlässigkeit (Voraussehbarkeit), _ S i c h e rungsverwahrung, Anhang 246 Prostitution als Tatbestandstyp 34 (Tafel) Prozeßstrafen 238 Prozeßvoraussetzungen (gegenüber Strafbarkeitsvoraussetzungen) 63ff, Prügelstrafe 238 Psychopathologie 164/5, Putativdelikt 97/8 Putativnotstand 111 Putativnotwehr 107 Qualifikationstatbestände, zierte Delikte 69, 200

qualifi-

Räumliches Geltungsgebiet der Strafgesetze 14, 15 Raub als Tatbestamidstyp 34 (Tafel). Versuch und Vorbereitung 92 Rauschgiftmißbrauch als Tatbestandstyp 34; Bewußtseinsstörung 165 Rauschtat 165 Realkonkurrenz 202/3, 213

Realprinzip (Geltungsgebiet) 15 Recht, Wesen 48. S. Rechtsidee Rechtfertigungsgrund, Wesen 52, Feststellung 53, Systematik 55, Arten (Notwehr usw.) 103 ff. Rechtsgut 36 Rechtsidee 49 ff. Ausbau 55 Rechtsirrtum (Verbotsirrtum) s. Irrtum Rechtssicherheit 49. Widerspruch mit Gerechtigkeit und Gemeinwohl 55 Rechtswidrigkeit! Allgemeines, s Unrecht. B e i Unterlassung 80. B e i (untauglichem) Versuch 94. B e i Notwehr 104 Regulative Methode 6 Rehabilitation 232 Reichsverweisung (Ausweisung) 240 Religionsdelikte als Tatbestandstyp 34 (Tafel) Retorsion 169 Reue: als Strafbemetsungsgrund 225. Als tätige Reue bei Versuch 101 ff. S. Schuldaufhebung Roheit als Tatbestandsmerkmal 61, als Schuldtyp 169 Roheitsdelikte 34 Rückfallsdelikte (Tat- und Tätertypen) 35. S. Schuldaufhebung Rücktritt vom Versuch 101 ff. Rückwirkende Kraft der Strafge setze 16, 17 (Humanitätsstrafrecht) Sachbeschädigung als Tatbestandstyp 34; Bedeutung für Versuch und Vorbereitung 93 Sachsenspiegel 12 Sachvoraussetzung (Gegensatz zu Prozeßvoraussetzung) 63 Sachwehr 109/110 Sammelstraftat 199, 203 ff. Schädigungsdelikte, reine, als T a t bestandstyp 34 (Tafel) Schrifttum 10 Schuld: Allgemeines 126 ff. Begriff und Elemente 130. Bedeutung 132. Chronische Tendenzschuld 126, 133 ff. Verhältnis zu Freiheit und Kausalität 41 ff. Entstehung und Entwicklung 126 ff. Maßstab 128.

Sachregister Kollektiv- (Organisation®-) Schuld 142. Schuld und Verantwortung 130, |132. Schuld als Strafbemessungsgrumd 220 Ii. Stand der Ansichten 131. Elemente der Schuld s. Vorsatz und Fahrlässigkeit Schuldaufhebungsgründe als Kategorie 169; bei Rücktritt vom Versuch und tätiger Reue 101 Schuldausschließungsgründe 168, bei Teilnahme 195 Schuldbegründende Umstände 195 Schuldermäßigung 169 Schuldfähigkeit (Zurechnungsiähigkeit) 161 ff. 167 Schuldgrade s. Strafbemessung Schuldmilderungsgründe 168, bei Teilnahme 195 Schuldschärfungsgründe 168, bei Teilnahme 195 Schuldstralrecht, Geschichte (12, VerbreohensbegTiff 2i7, Strafbegriff 214 ff.

Schuldtypen 167 Schulenstreit 9 Schutzaufsicht 243 Schutzstrafe, vorwiege«! im Strafvollzug 235 Schutzprinzip (Geltungsgebiet) 15. 16

Schwabenspiegel 12 Schwachsinn 164 Schwächemotiv alls Schuldtyp 170 Schwächetyp, Verbrechens- unid Verbrechertyp 34. S. Triebdelikte Schwangerschaftsunterbrechung 123 Schwarzenberg il2 Sicherung als Strafrechtstheorie 8: als Strafbemessuinigsgrund 222 SicherungsmaBregeln 238 ff. Sicherungsverwahrung 239/40. Statistisches Anhang I Sonderdelikte (Tatbestand) 69. Bei Teilnahme 186, 192, 194 Sorgfalfsmangel bei Fahrlässigkeit 155/6 Sorglosigkeit als Fahrlässigkeit 155 Sozialethik, Stellung zum Strafrecht 3. Tugenden 34

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| Sozialgefährlichkeit s. Unrecht, i materiales Sozialnützlichkeit von Einrichtungen als Rechtfertigurngsgrumd 121 Sozialschädlichkeit s. Unrecht, materiales i Soziologie, Stellung zum Strafrecht 3. S. Unrecht, materiales ! Spezialität 200 Spezialprävention 7 Staatswohl (als Juristisches Grundgesetz) s. Gemeinwohl Staatsnotstand 114/6 Staatsnotwehr 115 Sterbehilfe 123 Stooß, Carl 10, 2115 Strafantrag als Prozeß Voraussetzung 63 Strafaufhebungsgründe >s. Schuldauffaebunigsgründe Strafausschließungsgründe s. Rechtfertigungs- und Entschuldigumgsgrüñde. Bei Teilnahme (Haftung für volle Schuld) 195 Strafbarkeit als Grundbegriff 18 ff, : Strafbarkeitsvoraussetzungen, äußere, 63 ff. Objektive Bedingunigen erhöhter Strafbarkeit 65 Strafbegründende Umstände bei Teilnahme" 195 Strafbemessung (Strafzumessung), konkrete (sog. richterliche), als Grundbegriff der strafrechtlichen Doigmatik 18 ff. Ausführung 217 bis 229. Revisibilität 226. — Gesetzliche Strafbemessung 229/30 Strafe! Wesen 214 ff. Arten 233 ff. Vollzug 234/6. Statistisches Anhang I. Wirksamkeit der Strafen Uebersicht Anhang I C Strafergänzende Maßregeln 238 ff. Statistisches Anhang I Straferlaß 232 Strafmilderungsgründe s. Schuldmilderunigsgriin.de Strafrahmen 229/30 Strafregister 232 Strafrechtstheorien (Zweck der Strafe) 7, 215/7. Stand der Ansichten 215 (Zweispurigkeit). Tendenz der Gesetzgebung 216/7

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Sachregister

Strafschärfungsgründe s. Schuldschärfumgsgründe Straftilgung 232 Strafurteil 228/9. Unbestimmtes 229 Strafvollzug 234/6 Strafvoraussetzungen als dogmatischer Grundbegriff 18 ff. Strafwürdigkeit als dogmatischer Grundbegriff 18 ff., 36 Strafzumessung s. Strafbemessung Strafzweck 7, 215/7. Stand der Ansichten 215. Gesetze 216/7. Soziologie 244 ff. Strafbemetsungsgründe 222 Subjektive Unirechtselemente 61 Subsidiarität 201 Sühne als Strafzweck 7, als Strafbemessungstgrund 217 ff., 220 System des Strafre/chts, methodischer Aufbau 2 Täter, Täterstrafrecht 30 ff. Gegensatz zum Teilnehmer 172 ff. Uebersicht 176. Engerer, extensiver T ä t e r 177. Objektive, nicht subjektive Theorie 178 ff. Mittelbarer T ä t e r legislatorisch abzulehnen 182 ff. Tätertyp 32, Tafel 34/5. Entwicklung des Verbrech eins 44 Tätige Reue 101 ff. Tätigkeitsdelikte, reine, formale, schlichte 59 Talion 11 Tat s. Verbrechen Tattypen 34 (Tafel). Tatbestand, Tatbestandsmäßigkeit 51, 56 ff. Tatbestandstypen 34 Tateinheit und Tatmehrheit 201 ff., 210 ff. Tatumstände s. Irrtum Teilnahme 172 ff. Uebersicht 176, Akzessorietät (legislatorisch abzulehnen) 173, 182 ff. Objektive, nicht subjektive Theorie 178 ff. Erweiterter (extensiver) Teilnehmerbeigriff 182 ff., s. Anstiftung uind Beihilfe, Versuchte Teilnahme 186. Notwendige Teilnahme 193. Volle Haftung für eigene Schuld 194

Tendenz s. Kausalität (adäquate) Territorialprinzip 15, 16 Tilgung der Verurteilung 232 Todesstrafe 233. Statistisches 244 ff. Tötung als Tatbestandstyp 34. B e deutung für Versuch und Vorbereitung 93, für untauglichen Versuch 1100 Totschlag als ätiologischer Typ 35 Transportgefährdung. Untauglicher Versuch 100 Trieb- und Schwächedelikte 34. B e deutung für Versuch 93, 100, für Unterlassung 78, für T ä t e r und Teilnehmer 180 Trinkerheilanstalt 239. Statistisches 244 Trunkenheit 165. S. actio libeira in causa Tugenden, sozialethische, 34 (Tafel) Typentheorie s. Tattyp, Tätertyp Tatbeistand Uebergesetzlicher Notstand s. Notstand Uebergewichtstheorie als grundlegend für das Strafrecht 5 Ueberlegung als Tatbestanidsmerkmal 61, als Schuldtyp 170 Uebermäßig als Tatbestandsmerkmai 62 Ueberschreitung der Notwehr, des Notstands s. Exzeß Uebertretung 26 Ueberweisung an die Landespolizeibehörde s. Arbeitshaus Ueberzeugungstäter 234 Umwelteinflüsse, ätiologischer Typ 35 (Tafel). Schulidtyp 138. Strafbemessunigsigrunid 223, 225. Verbrechenisentwicklung 44 (Tafel), 45 Unbefugt als Tatbestajndsmerkmal 62. S. Unrecht Unbrauchbarmachung von Schriften 237 Unbestimmtes Strafurteil 229, J u gendliche 242 Ungebührlich als Tatbestandsmerkmai 62 Universalprinzip (Geltungsgebiet) 15, 16

Sachregister Unrecht; Wesen 47 ff. Formale Rechtiswidrigkeit 53, Materiale Rechtswidrigkeit 51. Subjektive Unrechtselemente 61. Feststellung durch das Gericht 53 ff. Bedeutung für die Schuld 54. Behandlung der Widersprüche zwischen formaler und materialer Rechtswidrigkeit im Einzelfall 55. Systematik der Rechtfertiguogsgründe 53. Einzeline Rechtfertigungsgründe 103 ff. Unrecht als Strafbemessungsgrund 220 ff. Stand der Ansichten 25 Unschädlichmachung (Strafrechtstheorie) 8, als Strafbemessungs,gru-nd 222 Untauglicher Versuch s. Versuch Unterlassung; echte (Unterlassung als Tatbestandsmerkmal) 59. — Unechte Unteirlassungsidelikte 78 ff. Grundsätze 85. Kausalität 79. Rechtswidrigkeit 80 ff. Unternehmen s. Versuch Unterschlagung als Tatbestandstyp 34 (Tafel), als ätiologischer Typ 35 (Tafel) Untreue als Tatbestandstyp 34 (Tafel) Unzucht vor oder mit anderen als Tatbestandstyp 34 (Bedeutung). Bedeutung für untauglichen Versuch 100 Urkundenfälschung als Tatbestandstyp 34 (Tafel), als ätiologischer Typ 35 (Tafel). Untauglicher Versuch 99. Versuch uimd Vorbereitung 92 Ursache s. Kausalität Urteilsbekanntmachungsbefugnis 237 Verabredung zum Verbrechen 193 Verantwortlichkeit: a) objektive 74 (Kausalität), b) subjektive 126 ff. (Schuld) Verbrechen; systematischer Aufbau li8. Wesen 21 ff. Materialer B e griff 23, 24, 25. Geschichte 25. Arten und Typen 26 ff. Tafel 34, 35. Entwicklung des Verbrechensfalls 37 ff.

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Verbrecher; systematischer Aufbau 18. Wesen 30 ff. Verbrechertypen 33 ff. Tafel 34, 35 Verbürgung der Gegenseitigkeit (Strafbarkeitsbedingung) 67, 68 Verlallerklärung des Verräter- und Bestecherlohns 237 Vergehen 26 Vergeltungsstrafe 7. B e i Strafbemessunig 217 ff., 220 Verhütung erbkranken Nachwuchses 123 Verjährung 231/2 Verlangen der Strafverfolgung s. Strafantrag Verletzungsdelikte (Verletzung von Rechtsigütern) 59 Verleumdung als Tatbestandstyp 34 (Tafel) Verminderte Zurechnungsfähigkeit 163 Verratsdelikte als Tatbestandstypen 34 (Tafel) Versuch 85 ff. Grundsätze 86/8. Versuch und Vorbereitung 88/93. Rechtswidrigkeit des Versuchs; Untauglicher Versuch 94—100; Mangel am Tatbestand 94. Vorsatz 100, Rücktritt (tätige Reue) 85, 103. Strafwürdigkeit 85. 103 Verwaitungsstralrecht s. Uebertretung 26 Verwandte als Tatbestandsmerkmal 62; bei Teilnahme 194/5 Verwarnung (Jugendliche) 243 Verwirkungsstrale 237 Volksempfinden, gesundes, s. materiales Unrecht 51 Voraussicht s. Adäquanz, Vorsatz, Fahrlässigkeit Vorbedachtsdelikte als ätiologischer Typ 35 (Tafel) Vorbereitung bei Entwicklung des Verbrechens 94 (Tafel); bei Versuch 88/93; bei Teilnahme (§ 49a) 192 Vorleben als Strafbemessungsgrund 224 Vorsatz 1143 ff. Wesen 143; als Schuldelement 130, 132. Materialer Vorsatz 144. Gesetzesvor-

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Sachregister

schlag 154. Gegenstand des Vorsatzes und Kenntnis der Tatsachen 145/8. Notwendig ist einheitliche Behandlung der Vorsatz- umid Irrtumsiehre 144 (N. 32). Genereller Vorsatz 148. Grade des Vorsatzes 152 (Gewißheit, Wahrscheinlichkeit, Möglichkeit). Direkter, alternativer und eventueller (bedingter) Vorsatz 152. Falsch Willens-, richtig Vorstellungstheorie 144/5. Falsch Einwilligungsund Willens-, richtig Wahrscheinlichkeitstheorie '153. Falsch Hineinverlegunig des Vorsatzes im die Handlung, richtig Parallelbehandlung von Vorsatz und Fahrlässigkeit 130, 132. Grenzen zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit 152 Vorstellungstheorie s. Vorsatz Vorstrafen als Strafbemessungsgrund 224 Vortat, Vordelikt, s. Konsumtion

Willenstheorie s. Vorsatz Wirken bei Entstehung und Entwicklung des Verbrechens 44 (Tafel), S. Ausführung, Ausfüh! rungsharadlung. Als Kausalitäts theorie 70 : Wirtshausverbot 241 i Wissentlichkeit als Schuldtyp 161 Wollen bei Entstehung und Entwicklung des Verbrechens 44 (Tafel) Wucher als Tatbestandstyp 34 (Tafel), als ätiologischer Typ 35 (Tafel)

! Zahlungseinstellung (Konkursdelikte) 66, 68 Zeit der Tat 77 Zeitgesetze il7 Zeitliches Geltungsgebiet 16/7 Zolldelikte, Versuch und Vorbereitung 92, untauglicher Versuch 99 Zuchthaus 233. Statistisches 244 ff. j Zuchtmittel (Jugendliche) 242 Züchtigung durch Erziehungsberechtigte 119, durch Dritte 124 Wahlfeststellung 52 Zufall s. Kausalität (BedingunigsWahnverbrechen 98 theorie) Wahrheitsgetreue ParlamentsbeZufallsdelikte als ätiologischer Typ richte 120 35 Wahrheitsbeweis (Beleidigung) s. Zuhälter als Tatbestandstyp 34 (TaNichterweislichkeit fel), als ätiologischer Typ 35 Wahrscheinlichkeit s. Vorsatz, Adä- i (Tafel) quanz Zurechnungsfähigkeit 161 ff. Wahrung berechtigter Interessen bei 123/4 | Zurechtweisung Jugendlicher grober Ungehörigkeit durch Dritte Weisungen gegen Jugendliche 243 als Rechtfertiguinjgsgrund 124 Weltrechtsprinzip 15/6 Werkzeug (mittelbarer Täter) 182 ff. ; Zuständsdelikte (chronische Kriminalität) 35 Widerstandsdelikte als Tatbestandstyp 34 (Tafel) ; Zusammengesetztes Verbrechern 199 Widerstandsrecht ¡gegen Gewalt- | Zwangsrechte von Privatpersonen 116. Oeffentlichrechtliche Zwangsherrscher 115 j und Gewaltrechte 117 Wilderei als Tatbestandstyp 34 : (Tafel) ; Zweck als Tatbestandsmerkmal 61 Zweckstrafe s. Spezialprävention Wille, Begriff 46 Zweikampf als Tatbestandstyp 34 Willensfreiheit 37 ff., bei Zurech(Tafel) nungsfähigkeit 163 Zweispurigkeit (Strafen und SchutzWillensstrafrecht, Verbrechensbemaßregeln) >10, 215 griff 27 ff.