Allgemeine Strafrechtslehre: Eine lehrbuchmässige Darstellung [Reprint 2014 ed.] 9783111700953, 9783111312385


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German Pages 305 [308] Year 1955

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Table of contents :
1. Abschnitt. Das Strafrecht als Ganzes
§ 1. Strafrecht, Kriminologie, Sozialethik
§ 2. Methodische Struktur des Systems. Übersicht und Neubau
I. Die drei Seiten (Dimensionen) des Strafrechts
II. Folgerungen
§ 3. Aufgaben, Richtungen und Literatur
I. Strafrechtstheorien
II. Schulen
III. Sog. Hilfswissenschaften
IV. Die Zeit der großen Reformbestrebungen
V. Literatur
§ 4. Strafgesetze, Geschichte und Entwürfe
I. 1–3. Epoche bis zum Beginn der Neuzeit
II 1–5. Die Neuzeit bis zum neuen Reichsrecht
III. Reform
IV. Ausland. Rechtsvergleichung, zwei Funktionen
§ 5. Internationales Recht. Geltungsgebiet
I. Bedeutungen
II. Anwendungsgebiet bei Kollisionen
III. Regelung nach RStGB
§ 6. Zeitliche Geltung
2. Abschnitt. Verbrechen und Verbrecher im allgemeinen
§ 7. Strafwürdigkeit, Strafvoraussetzungen und Strafbemessung. Übersicht und Neubau
I. Strafwürdigkeit und Strafbarkeit
II. Strafwürdigkeit und Strafvoraussetzung als Grundbegriffe. Strafbemessungsgründe als Kriterien
§ 8. Das Verbrechen (Delikt)
I. Verbrechensmerkmale; drei Gegensatzpaare
II. Verbrechensbegriff
§ 9. Arten und Typen des Verbrechens
I. Äußere Einteilung nach Strafbarkeit
II. Sachliche Einteilungen nach Strafwürdigkeit
§ 10. Der Verbrecher
I. Kreationstheorie. Symptomatische Verbrechensauffassung
II. Täterstrafrecht
III. Täterdefinition
§ 11. Verbrechens- und Verbrechertypen
I. Erheblichkeit kriminologischer Typen für die Dogmatik
II. Tafeln
§ 12. Entwicklung des Verbrechensfalls; Wollen und Wirken. Kausalität und Freiheit (Verantwortung). Übersicht und Neubau
I. Streit um die Willensfreiheit
II. Erkenntnisse und Ergebnisse
III. Entwicklung des normalen Verbrechensfalls
IV. Erläuterungen der Tafel
3. Abschnitt Das Verbrechen als Unrecht
§ 13. Das Wesen des Unrechts
I. Aufbau
II. Funktion des Rechtswidrigkeitsbegriffs
III. Ausbau und Verbindung
§ 14. Tatbestandsmäßigkeit
I. Wesen. Zwei Tatbestandsbegriffe. Stand der Ansichten
II. 1–9. Bedeutung der Tatbestände und Arten
III. Elemente des Tatbestandes
IV. Qualifikationstatbestände und Sonderdelikte
§ 15. Das Wirken (Handeln und Kausalität)
I. Übersicht
II. Ausbau des abstrakten Gefährdungsprinzips im konkreten Wirkenszusammenhang als Grundlage für die objektive Verantwortung
III. Actio libera in causa
IV. Zeit und Ort der Tat (Distanzdelikte)
§ 16. Rechtswidrige Unterlassungen
I. Stand der Ansichten. Anwendungsgebiet. Unechte und echte Unterlassungsdelikte
II. Kausalität der Unterlassung
III. Rechtswidrigkeit der Unterlassung
IV. Grundsätze über die Voraussetzungen strafwürdiger Unterlassungen. Übersicht
§ 17. Versuch
I. Wesen und Strafwürdigkeit
II. Versuch und straflose Vorbereitung. Zeitliche Grenzen
III. Inhaltlich-normative Begrenzung des Versuchs. Rechtswidrigkeit. Abstrakt-untauglicher Versuch und versuchsähnlicher strafwürdiger Mangel am Tatbestand
IV. Schuld
V. Strafbarkeit
§ 18. Die einzelnen Rechtfertigungsgründe
A. Selbstschutz durch Abwehr von Gefahr und Hilfe in Not. I. Notwehr
B. Ausübung formaler Rechte und Befugnisse
C. Förderung von Lebensinteressen in Richtung auf das Gemeinwohl
4. Abschnitt Das Verbrechen als Schuld
§ 19. Das Wesen der Einzeltatschuld
I. Aufbau der Schuld. Kriminalistische Kreationstheorie
II. Funktionen und Ausbau
III. Schuldträger nur Einzelpersonen
§ 20. Chronische Tendenzschuld
I. Aufbau der Tendenz-, Neigungs- oder Lebenseinstellungsschuld
II. Intensitätstypen der chronischen Tendenzschuld
III. Funktionen und Ausbau der chronischen Schuldgrade
IV. Gesetzliche Ausgestaltung der chronischen Schuld. Rückfall. Der gefährliche Gewohnheitsverbrecher § 20 a
V. Möglichkeit von Kollektivschuld?
§ 21. Vorsatz. Irrtum
I. Wesen des Vorsatzes
II. Gegenstand des Vorsatzes
III. Irrtum als Kehrseite des Vorsatzes
IV. Die Kenntnis. Arten des Vorsatzes
§ 22. Fahrlässigkeit
I. Wesen und Arten: Tat- und Rechts-, unbewußte und bewußte Fahrlässigkeit
II. Gegenstand der Fahrlässigkeit
III. Maßstäbe und Forderungen
§ 23. Schuldfähigkeit (Zurechnungsfähigkeit und Deliktsfähigkeit)
I. Gemeinsame normative Schuldvoraussetzungen
II. Pathologische Voraussetzungen: Bewußtseinsstörung, krankhafte Störung der Geistestätigkeit, Geistesschwäche
III. Deliktsfähigkeit. Altersstufen. Jugendliche, Heranwachsende, Halbwüchsige
§ 24. Sonstige Schuldmerkmale (Entschuldigungs-, Schuldmilderungs-, Schuldschärfungs-, Schuldaufhebungsgründe)
I. Schuldelemente
II. Schuldfähigkeit
III. Echte Schuldtypen
IV. Gemischte Schuldtypen
V. Irrtum über Tatsachen, die den Schuldtypen zugrunde liegen
5. Abschnitt. Mehrheit von Verbrechern und von Verbrechen
§ 25. Täter und Teilnehmer. Übersicht und Neubau
I. Allgemeines
II. Systematische Übersicht über die Arten der Täterschaft und Teilnahme
III. Sprachgebrauch
§ 26. Täter und Teilnehmer im einzelnen
I. Wesen und Strafwürdigkeit
II. Objektive und subjektive Bestimmung des Täter- und Teilnehmerbegriffs
III. Der natürliche Täterbegriff und der selbständige, erweiterte Teilnehmerbegriff (Mitwirker). Mittelbarer Täter
IV. Mehrtäterschaft
V. Teilnahmeformen
VI. Haftung nur für eigene Schuld. Volle Haftung für Schuld
§ 27. Konkurrenzlehre. Übersicht und Neubau
Hauptthema: Einheit und Mehrheit von Gesetzen, von Handlungen und von Verbrechen
I. Handlungseinheit bei Mehrheit von Einzelakten
II. Gesetzeseinheit und Gesetzesmehrheit
§ 28. Fortgesetztes und sonstiges Gesamtdelikt
I. Fortgesetztes Delikt
II. Eigentliches Gesamt- oder Kollektivdelikt
§ 29. Konsumtion
I. Wesen
II. Arten
III. Rechtsfolge
§ 30. Ideal- und Realkonkurrenz
I. Idealkonkurrenz
II. Realkonkurrenz
6. Abschnitt. Behandlung des Verbrechens und des Verbrechers
§ 31. Strafe und verwandte Maßregel im allgemeinen
I. Aufgabe der modernen Strafe. Dualistisches Prinzip. Bedeutung. Stand der Ansichten
II. Ergebnisse
§ 32. Konkrete (richterliche) Strafbemessung
Bedeutung: Einbeziehung sämtlicher Hauptthemen des Strafrechts
I. Grundsätze
II. Ausgestaltung und Anwendung
§ 33. Gesetzliche Strafbemessung
I. Sachlich gibt es nur Schuldtypen
II. Generelle Typen
§ 34. Verjährung, Begnadigung, Strafaussetzung
I. Verjährung
II. Begnadigung
§ 35. Arten der Strafen
§ 36. Strafergänzende Maßregeln der Sicherung und Besserung
Anhang. Leitsätze für Forschung, Urteilsentwürfe und Übungsarbeiten
Gesetzesregister
Sachregister
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Allgemeine Strafrechtslehre: Eine lehrbuchmässige Darstellung [Reprint 2014 ed.]
 9783111700953, 9783111312385

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Allgemeine Strafrechtslehre Eine lehrbuchmäßige Darstellung

Von

Wilhelm Sauer Professor an der Universität Münster

3., völlig neue Auflage der Grundlagen des Straf rechts"

Berlin 1955

W a l t e r de G r u y t e r & Co. vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung — J, Gutteijtag, Verlagsbuchhandlung Georg Reimer — Karl J. Trübner — Veit & Comp.

Archiv Nr. 23 27 55 Satz: Walter de Gruyter & Co. Druck: Berliner Buchdruckerei u n i o n GmbH., Berlin SW 29 Alle Rechte, einschließlich des Rechtes der Herstellung von Photokopien und Mikrofilmen, vorbehalten

Vorwort Seit der Vorauflage 1949 haben Rechtsprechung wie Schrifttum, vor allem Gesetz und Reform so viel Bedeutendes gefördert, daß selbst eine auf größtmögliche Einfachheit, Kürze und Präzision bedachte „Allgemeine Strafrechtslehre" hierzu Stellung nehmen muß. Ihrer Konzeption nach stellt sie sich doch unabhängig von staatlichen Gesetzen. Als „übergesetzlich", als erhaben über Tagesstreitfragen schärft sie den Blick für die Notwendigkeiten des Rechtslebens, für Gerechtigkeit und Gemeinwohl durch Hinweise auf die tieferen Gründe für jene Meinungsverschiedenheiten, die auch nach Erlaß eines neuen Gesetzes latent fortwirken werden. Auch an dem besten Gesetz gibt es immer zu reformieren. Die Allgemeine Verbrechenslehre, in der die schwierigsten, unserer Wissenschaft überhaupt gestellten Probleme von einer Tragweite sondergleichen zu bezwingen sind, ist jetzt durch überfeinerte Begriffsspekulationen so kompliziert geworden, daß ein Prüfungspräsident äußerte, er bedauere die Jungjuristen, wenn sie sich bei der gebotenen Benutzung mehrerer, aber von Grund auf notwendig einander widersprechender Bücher innerlich zurechtfinden müßten. Gerade der Jungjurist sollte zu einer widerspruchsfreien, ausgeglichenen, harmonischen Persönlichkeit, die „sich selbst treu sein" soll und kann, herangebildet werden. Jene Streitfragen verschärfen bei der Unnachgiebigkeit und Leidenschaft, mit der sie erörtert werden, die Verständigung über praktisch wichtigere Aufgaben. Mehr denn je sollte es Pflicht der Wissenschaft sein, der Gesetzgebung, der Rechtsprechung und dem Rechtsunterricht ein System zu bieten, das so einfach und schlicht, so klar und durchsichtig wie irgend möglich aufgebaut ist, frei von allen vermeidbaren Spaltungen und überflüssigen Gruppierungen, verständlich auch für den vor ähnlichen Fragen stehenden Zivilrechtler, zugänglich auch für Laienrichter, Fürsorger und Rechtspfleger. Auch innerhalb eines Gesamtsystems der Wissenschaften sollten sich die vorgetragenen Lehren bestätigen können; sind an ihnen doch interessiert die verschiedensten Kreise: Soziologie, Psychologie, Psychiatrie, Pädagogik, Ethik, Erkenntnistheorie, Kultur- und Wertphilosophie, Theologie, Wirtschafts- und Naturwissenschaften. Eine Allgemeine Strafrechtslehre ist allerdings von anderer Art wie die Allgemeine Staatslehre, auch wie die Allgemeine Prozeßrechtslehre und die Allgemeine Völkerrechtslehre, die den Juristen mangels gesamtsystematischer Haltung noch meist ferner zu stehen scheinen. Zur Allgemeinen Strafrechtslehre gehören als Tatsachenwissenschaft die Kriminologie, als Wertwissenschaft die Sozialethik in ihren wesentlichsten Grundzügen; ohne sie lassen sich

IV die Grundfragen des Allgemeinen Teils des Strafrechts überhaupt nicht meistern. Gerade hier wird der Gesetzespositivismus stets ein Versager bleiben. Hier müssen auch der reine Historismus und das ( n i c h t streng methodisch bleibende) Naturrecht notgedrungen versagen 1 ). Abstrakte, vermeintlich aus den „Quellen" gewonnene Rechtsnormen, die unseren Rechtsjüngern so lebensfremd anmuten, sollen aus der kriminellen Wirklichkeit heraus erklärt und anderseits auf die Bedürfnisse des Rechtslebens eingelenkt werden. Dann werden sie den Wunderbau des Allgemeinen Teils des Strafrechts auch liebgewinnen, der an systematischer Einheitlichkeit und an kulturellem Reichtum unter den juristischen Disziplinen wohl einzigartig dasteht; er übt auch auf alle Juristen in der Forschung wie im Unterricht, in der Rechtspflege wie in der Gesetzgebungskunst von jeher eine unvergleichliche Anziehungskraft aus. Keine andere juristische Vorlesung vermag in diesem Maße zu fesseln und von Kapitel zu Kapitel mehr zu spannen, und keine andere führt wie sie in das wirkliche Leben mit seinen Abgründen wie seinen Sternenblicken 2 ). Da nach der Auflage von 1949 drei weitere, das Strafrecht behandelnde Werke des Verfassers erschienen sind (Kriminologie, Berlin 1950, 640 S.; System des Strafrechts Besonderer Teil, Köln 1954, 623 S.; Einführung in die Rechtsphilosophie für Unterricht und Praxis, Berlin-Licht erfelde 1954, 132 S.), so konnte insofern die Neuauflage der Allgemeinen Strafrechtslehre an Material entlastet werden, um dafür die Dogmatik, wo nötig, gründlicher zu behandeln und an der lebendigen Diskussion teilnehmen zu lassen. Durch weitere Streichungen unter Verweisung auf die Vorauflage sowie durch äußerste KonzenIn seiner beachtlichen Freiburger Antrittsrede (1954) will Jescheck, der hier anknüpft, eine Allgemeine Strafrechtslehre mit Hilfe der Rechtsvergleichung aufbauen; in meiner Erwiderung (demnächst in ZStrW.) suche ich zu zeigen, daß dieser an sich zu begrüßende Plan nur mit gleichzeitiger Orientierung auf die Kriminologie und die Sozialethik aussichtsreich sein kann. Wenn Schönke seit der 6. Aufl. seines Kommentars dankenswerte Hinweise auf die Kriminalsoziologie, die Strafzumessungsregeln und die Auslandsgesetze gab, so schreibt er die günstige Aufnahme dieser Auflage im Vorwort der 6. mit Recht gerade jenen Hinweisen zu. Und ähnlich glaube ich die freundliche Aufnahme meiner Allgemeinen Strafrechtslehre dem Einbau der Kriminologie sowie der Wertethik zu verdanken. 2 ) Dabei werden rein juristisch schwierigste Aufgaben gestellt. Den scheinbar einfachen Alltagsfall S. 168 bei Anm. 39 (der schon in der Vorauflage standi) stellte ich wiederholt im Examen; auch angesehenste Praktiker und Gelehrte kamen über Notlösungen nicht hinaus und verfehlten den springenden Punkt. Dem jetzigen § 50 sind die wenigsten gewachsen; und doch sollen sich hier grundlegende! Systemfragen bewähren. An dem Thema Konsumtion (das mich schon in meiner Erstlingsschrift vor fast einem halben Jahrhundert quälte) versagen wohl noch jetzt die meisten Strafrechtler. Es lassen sich noch viele Beispiele für grun&riß- und kommentarmäßige Verlegenheitslösungen geben, die sich innerhalb eines Systems (auch eines und desselben Autors!) widersprechen. Als herrschende Meinung werden sie wiederholt. Das Addieren von Unrichtigkeiten hat noch nie ein Richtiges ergeben.

ν trierung der Darstellung wurde der äußere Umfang des Buches trotz erheblicher Vermehrung des Inhalts nur unwesentlich erhöht, wie es dem Plan des Verlags und des Autors entsprach. Eine spanische Übersetzung der Allgemeinen Strafrechtslehre in dieser neuen Gestalt besorgte Herr Professor Dr. Juan del Rosal, Prorektor und Dekan an der Universität in Valladolid, Verfasser größerer strafrechtlicher Werke, die sich auch mit der deutschen Literatur fortlaufend beschäftigen. Und eine japanische Übersetzung der wesentlich an strafrechtlichen Problemen orientierten, oben genannten Einführung in die Rechtsphilosophie besorgte der in der Rechtsphilosophie bestens bekannte Professor Dr. Teruo Minemura an der Universität in Tokio. Um die Herstellung dieses Buches machte sich Herr Referendar Franz Mertens in Münster verdient.

Münster, 19. April 1955 Wilhelm

Sauer

Inhaltsübersicht 1. Abschnitt Das Strafrecht als Ganzes § 1. Strafrecht, Kriminologie, Sozialethik § 2. Methodische Struktur des Systems. Übersicht und Neubau . . . . I. Die drei Seiten (Dimensionen) des Strafrechts. — II. Folgerungen (S. 2). 1. Soziologische und sozialethische Betrachtungsweise. 2. Funktionale Methode. 3. Konkrete Betrachtung; Fallrecht (S. 4). 4. Analyse. 5. Normative Methode (S. 6). 6. Regulative Methode (S. 6). § 3. Aufgaben, Richtungen und Literatur 1. Strafrechtstheorien. 1. Gerechtigkeits- oder absolute Theorien. Vergeltungs- und Sühnestrafe. 2. Schutz-, Präventions- oder relative Theorien (S. 7). a) Generalprävention, Abschreckung, b) Spezialprävention: Besserung, Sicherung (S. 8). c) Genugtuung. — II. Schulen (S. 9). 1. Klassik. 2. Einstige moderne Schule. 3. Mittlere Schule (S. 9). - III. Sog. Hilfswissenschaften (S. 9). 1. Kriminalbiologie. 2. Kiiminalsoziologie. 3. Kriminologie. — IV. Die Zeit der großen Reformbestrebungen (S. 10). — V. Literatur (S. 11). § 4. Strafgesetze, Geschichte und Entwürfe I. 1—3. Epoche bis zum Beginn der Neuzeit. — II. 1—5. Die Neuzeit bis zum neuen Reichsrecht (S. 13). — III. Reform (S. 14). — IV. Ausland. Rechtsvergleichung, zwei Funktionen. § 5. Internationales Recht. Geltungsgebiet I. Bedeutungen. — II. Anwendungsgebiet bei Kollisionen (S. 16). Mögliche Prinzipien. - III. Regelung nach RStGB. (S. 17). § 6. Zeitliche Geltung Rückwirkende Kraft. Regeln und Ausnahmen. 2. Abschnitt Verbrechen und Verbrecher im allgemeinen § 7. Stralwürdigkeit, Strafvoraussetzungen und Strafbemessung. Übersicht und Neubau I. Strafwürdigkeit und Strafbarkeit. — II. Strafwürdigkeit und Strafvoraussetzung als Grundbegriffe. Strafbemessungsgründe ä s Kriterien (S. 21). § 8. Das Verbrechen (Delikt) 1. Verbrechensmerkmale; drei Gegensatzpaare: 1. objektiv—subjektiv. 2. Tatsächlich—normativ. 3. Formal—material (S. 26). — II. Verbrechensbegriff (S. 28).

Inhaltsübersicht

VII Seite

§ 9. Arten und Typen des Verbrechens 29 I. Äußere Einteilung nach Strafbarkeit. — II. Sachliche Einteilungen nach Strafwürdigkeit (S. 31). 1. Tatbestände als Verbrechenstypen. Erfolgs-, Willens-, Gefährdungsstrafrecht. 2. Ausführungshandlung als systematischer Leitgedanke (S. 33). 3. Bedeutung kriminologischer Typen für dogmatische Streitfragen: Versuch, Teilnahme, Strafzwecke (S. 33). § 10. Der Verbrecher 34 I. Kreationstheorie. Symptomatische Verbrechensauffassung. — II. Täterstrafrecht (S. 34). 1. Täterbegriff. 2. Tätertypen. — III. Täterdefinition (S. 37). § 11. Verbrechens- und Verbrechertypen I. Erheblichkeit kriminologischer Typen für die Dogmatik. II. Tafeln. A. Tatbestandstypen, Tat- und Tätertypen (S. 39). Kriminelle Laster. Sozialethische Tugenden als Behandlungsziele. — B. Ätiologische Typen. Akute und chronische Kriminalität (S. 40.) — C. Reine Wesens- und Sondertypen (S. 41). Übergänge, Mischtypen, Kreuzungen. § 12. Entwicklung des Verbrechensfalls; Wollen und Wirken. Kausalität und Freiheit (Verantwortung). Übersicht und Neubau I. Streit um die Willensfreiheit. — II. Erkenntnisse und Ergebnisse (S. 46). 1. Schuld nur bei Willensfreiheit. Juristische (adäquate) und natürliche Kausalität. 2. Persönlichkeit, Charakter, Gesinnung (S. 47). — III. Entwicklung des normalen Verbrechensfalls (S. 49). Tafel (S. 49): vom Wollen über das Wirken (Handeln) bis zu den Wirkungen (Rechtsfolgen). — IV. Erläuterungen der Tafel (S. 50). Begriff des Willens (S. 51).

37

42

3. Abschnitt

Das Verbrechen als Unrecht § 13. Das Wesen des Unrechts I. Aufbau. 1. Gegenstand und Maßstab. 2. Reihenfolge für die Prüfung der Merkmale. 3. Das materiale Unrecht; das Juristische Grundgesetz (S. 53): Gerechtigkeit, Gemeinwohl, Rechtssicherheit. Ihre Ermittlung durch konkrete Gestaltungsnormen. Deren Generalisierungsfähigkeit. 4. Formales Unrecht (S. 66). a) Tatbestände. Analogie. Wahlfeststellung, b) Rechtfertigungsgründe (S. 67). Stand der Ansichten S. 26—29. — II. Funktion des Rechtswidrigkeitsbegriffs (S. 59). Widersprüche zwischen den Prinzipien. — III. Ausbau und Verbindung (S. 60).

52

§ 14. Tatbestandsmäßigkeit I. Wesen. Zwei Tatbestandsbegriffe. Stand der Ansichten 6 3 - 6 7 (19-21). - II. 1 - 9 . Bedeutung der Tatbestände und Arten (S. 64/66). - III. Elemente des Tatbestandes (S. 67). Vier Kreise. 1. Tatbestandshandlung und Erfolg. 2. a) Begleitumstände und Wirkungen, b) Persönliche Gefährlichkeit. c) Subjektive Unrechtselemente (S. 68). 3. a) Typisierung des Subjekts. b) Normative Tatbestandsmerkmale. 4. Äußere Strafbarkeits-

63

VIII

Inhaltsübersicht Seit«

Voraussetzungen (S. 70). Tabellarische Übersicht über die Arten des Besonderen Teils (S. 73). Wesen und Wirkungen (S. 71). System und Arten a—c (S. 72). — IV. Qualifikationstatbestände und Sonderdelikte (S. 77). § 15. Das Wirken (Handeln und Kausalität) 78 I. Übersicht. Kausalität als Wollens- und Wirkungszusammenhang. Kausalität als objektive Verantwortung und Haftbarkeit des Täters in bestimmter Umweltlage. Die adäquate Kausalität als juristisch erhebliche Kausalität. Die natürliche Kausalität als Vorfrage. Stand der Ansichten. S. 81. — II. Ausbau des abstrakten Gefährdungsprinzips im konkreten Wirkenszusammenhang als Grundlage für die objektive Verantwortung. Kausalität ist formal Hinwirken des Willens auf den Erfolg, material Gefährdung eines Lebenswertes (S. 84). Streitige Fälle (S. 85). Unterschiede von der Bedingungstheorie. — III. Actio libera in causa (S. 87). — IV. Zeit und Ort der Tat (Distanzdelikte). S. 88. § 16. Rechtswidrige Unterlassungen 88 I. Stand der Ansichten. Anwendungsgebiet. Unechte und echte Unterlassungsdelikte. — II. Kausalität der Unterlassung (S. 90). — III. Rechtswidrigkeit der Unterlassung (S. 91). Rechtspflichten zum Handeln und ihre Gründe. Moralische, soziale und sonstige Pflichten. Möglichkeit zum Andershandeln. Fälle (S. 94). — IV. Grundsätze über die Voraussetzungen strafwürdiger Unterlassungen. Übersicht (S. 96). § 17. Versuch 97 1. Wesen und Strafwürdigkeit. 1. Versuch als objektive Gefährdung von Lebenswerten. Subjektive Ergänzung: gefährliche Pflichtverletzung. 2. Versuch als Mangel in der Kausalität (nicht am Tatbestand) S. 98. 3. Strafwürdigkeit und Grade (S. 99). 4. Entwicklung und Stand der Ansichten (S. 100). — II. Versuch und straflose Vorbereitung (S. 100). Zeitliche Grenzen. Verschiedene Bedeutung in den drei Hauptdeliktsgruppen (S. 104). — III. Inhaltlich-normative Begrenzung des Versuchs. Rechtswidrigkeit. Abstrakt-untauglicher Versuch und versuchsähnlicher strafwürdiger Mangel am Tatbestand (S. 107). 1. Bedeutung der Untauglichkeit. 2. Generelle Gefährdungstheorie. Irrtum. Putativdelikt; Grenzen seiner Strafwürdigkeit gegenüber dem Wahnverbrechen (S. 108). — 3. Verschiedene Bedeutung in den drei Hauptdeliktsgruppen (S. 112). 4. Rechtswidrigkeit (S. 114). - IV. Schuld (S. 114). 1. Vorsatz. 2. Freiwilliger Rücktritt; tätige Reue als Schuldaufhebungsgrund (S. 115). — V. Strafbarkeit (S. 117). § 18. Die einzelnen Rechtfertigungsgründe 118 A. Selbstschutz durch Abwehr von Gefahr und Hilfe in Not. I. Notwehr (S. 118). — II—VI. Notstand. Bedeutung. Differenzierungs- und Vereinigungstheorie (S. 123). — II. Zivilrechtlicher Notstand (S.126). - III. Echter strafrechtlicher Notstand (S. 126). — IV. Nötigungsnotstand (S. 127). — V. Übergesetzlicher Notstand (S.128). — VI. Staatsnotstand und Staatsnotwehr. Hilfe in Not (S. 131). — B. Ausübung formaler Rechte und Befugnisse (S. 133). I. Zwangs- und Gewaltrechte von Privatpersonen. — II. 1. öffentlichrechtliche Zwangs- und Gewaltrechte (S. 133). 2. Der

^Inhaltsübersicht

IX Seite

rechtswidrige verbindliche Befehl des Vorgesetzten (S. 134). — III. Erziehungs- und Ziichtigungsrechte der Lehrberechtigten (S. 135). — IV. Einwilligung des Verletzten (S. 135). — V. Verwandte Figuren: mutmaßliche Einwilligung, Geschäftsführung ohne Auftrag (S. 137). — VI. Wahrheitsgemäße Parlamentsberichterstattung (S. 137). — C. Förderung von Lebensinteressen in Richtung auf das Gemeinwohl (S. 137). I. Allgemeine sozialnützliche Einrichtungen (S. 138). — II. Wohl der Mitmenschen bei Hilfe in Not (S. 138). — III. Förderung der Gesundheit. Milderung von Leiden, Heileingriff (S. 138). — IV. Wahrung berechtigter Interessen (S. 141). — V. Zurechtweisung Jugendlicher bei grober Ungehörigkeit, sog. Züchtigungsrecht Dritter (S. 142). 4. Abschnitt

Das Verbrechen als Schuld § 19. Das Wesen der Einzeltatschuld 144 I. Aufbau der Schuld. Kriminalistische Kreationstheorie. 1. Gegenstand der Schuld: Wollen und Wirken (S. 144). 2. Maßstab der Schuld; der Kriminalitätserreger (S. 146). 3. Formale und materiale Schulddefinitionen (S. 148). — 4. Die gesetzlichen Schuldmerkmale (S. 148). a) Schuldelemente: Vorsatz und Fahrlässigkeit, b) Reine Schuldtypen: Schuldvoraussetzungen, Schuldschärfungs-, Schuldmilderungs-, Schuldausschließungs-, Schuldaufhebungsgründe (S. 148). c) Gemischte Schuldtypen (S. 148). — 5. Stand der Ansichten (S. 149). — II. Funktionen und Ausbau (S. 150). — III. Schuldträger nur Einzelpersonen (S. 152). § 20. Chronische Tendenzschuld 152 I. Aufbau der Tendenz-, Neigungs- oder Lebenseinstellungsschuld (S. 153). 1. Entwicklung und Gestalt. 2. Maßstab und Bewertung. 3. Definition (S. 154). 4. Die chronische Tendenzschuld als sekundäre Form einer Vielheit von Einzeltatschuld (S. 154). — II. Intensitätstypen der chronischen Tendenzschuld (S. 155). 1. Vorstufe: einfache gleichartige Tendenzschuld. a) Einfacher Rückfall. b) Artverwandter Rückfall. 2. Habituelle Tendenzschuld (S. 156). a) Gesteigerte Gewöhnungs- und Hangschuld, b) Gesteigerte Energie- und Zielstrebigkeitsschuld (S. 156). — III. Funktionen und Ausbau der chronischen Schuldgrade (S. 157). 1. Schuldgrade bei Strafbemessung und Strafvollzug. 2. Sog. Persönlichkeitsadäquanz. 3. Steigerung oder Minderung der Schuld durch Umwelt, Anlage und Willensentschluß ? (S. 158). 4. Chronische Schuld ist generell, aber nicht immer im konkreten Fall schwerer als Einzeltatschuld (S. 158). 5. Merkmale des Chronischen und Akuten (S. 159). 6. Schädliche Neigungen (JugGG.). — IV. Gesetzliche Ausgestaltung der chronischen Schuld. Rückfall. Der gefährliche Gewohnheitsverbrecher § 20 a (S. 160). — V. Möglichkeit von Kollektivschuld ? (S. 162). Verbrecherische Organisationen. § 21. Vorsatz. Irrtum 163 I. Wesen des Vorsatzes. 1. Formale, 2. materiale Definition (S. 164). 3. Vorstellungs-, nicht Willenstheorie für Vorsatz (anders für Schuld)

χ

Inhaltsübersicht Seile

(S. 165). — II. Gegenstand des Vorsatzes. 1. Kenntnis der wesentlichen Tatsachen, die auf Tatbestandsmäßigkeit schließen lassen (S. 166). 2. Kenntnis der für die rechtliche Würdigung wesentlichen Tatsachen (S. 167). 3. Kenntnis der sozialschädlichen Tendenz, Rechtsirrtum (S. 169). 4. Stand der Ansichten (S. 171). — III. Irrtum als Kehrseite des Vorsatzes (S. 172). 1. Arten des beachtlichen und des unbeachtlichen Irrtums (S. 173), Übersicht. 2. Stand der Ansichten (S. 174). — IV. Die Kenntnis. Arten des Vorsatzes (S. 176). Fünf Stufen. Grenze zur Fahrlässigkeit. Eventualvorsatz als Wahrscheinlichkeitskenntnis (S. 177). — Gesetzesvorschlag (S. 179). § 22. Fahrlässigkeit 179 I. Wesen und Arten: Tat- und Rechts-, unbewußte und bewußte Fahrlässigkeit. 1. Formale, 2. materiale Definition, Stufen a—η (S. 181). 3. Stand der Ansichten (S. 182). — II. Gegenstand der Fahrlässigkeit. 1. Wahrscheinlichkeitskenntnis (S. 183). 2. Stufen und Grade (S. 183). 3. Irrtum (S. 184). - III. Maßstäbe und Forderungen. 1. Problem (S. 184). 2. Pflichten zum Besserwissen und Besserhandeln (S. 186). 3. Gesamtwürdigung von Tat und Täter (S. 187). — Gesetzesvorschlag (S. 188). § 23. Schuldfähigkeit (Zurechnungsfälligkeit und Deliktsfähigkeit). . . 188 I. Gemeinsame normative Schuldvoraussetzungen. 1. Zurechnungsfähigkeit. 2 . - 3 . Nähere Bestimmung. 4. Verminderte Zurechnungsfähigkeit (S. 191). — II. Pathologische Voraussetzungen: Bewußtseinsstörung, krankhafte Störung der Geistestätigkeit, Geistesschwäche (S. 192). — III. Deliktsfähigkeit. Altersstufen. Jugendliche, Heranwachsende, Halbwüchsige (S. 194). § 24. Sonstige Schuldmerkmale (Entschuldigungs-, Schuldmilderungs-, Schuldschärfungs-, Schuldaufhebungsgründe) 195 I. Schuldelemente. — II. Schuldfähigkeit. — III. Echte Schuldtypen (S. 195). 1. Schuldbegründende Merkmale. 2. Schuldschärfungsgründe. 3. Schuldmilderungsgründe. 4. Schuldausschließungsgründe. 5. Schuldaufhebung (S. 196). - IV. Gemischte Schuldtypen (S. 197). 1. Typen der Schuldentwicklung, a) Absicht, b) Motiv. 2. Typen subjektiver Gefährlichkeit. 3. Persönliche Eigenschaften und Verhältnisse (S. 198). — V. Irrtum über Tatsachen, die den Schuldtypen zugrunde liegen (S. 199). 5. Abschnitt

Mehrheit von Verbrechern und von Verbrechen § 25. Täter und Teilnehmer. Übersicht und Neubau 200 I. Allgemeines. 1. Der natürliche Täter- und der natürliche Teilnehmerbegriff. 2. Mängel der herrschenden Lehre über Teilnahme an strafbarer oder rechtswidriger Handlung: Akzessorietät und limitierte Akzessorietät (S. 201). Ansatz zum Neubau. — II. Systematische Übersicht über die Arten der Täterschaft und Teilnahme (S. 204). — III. Sprachgebrauch (S. 205).

Inhaltsübersicht

XI Seite

§ 26. Täter und Teilnehmer im einzelnen 205 1. Wesen und Strafwürdigkeit. — II. Objektive und subjektive Bestimmung des Täter- und Teilnehmerbegriffs (S. 207). 1. Beides ist erforderlich. Mängel der subjektiven Theorie. 2. Verschiedene Bedeutung der objektiven und subjektiven Theorie in den einzelnen Deliktsgruppen (S. 209). — III. Der natürliche Täterbegriff und der selbständige, erweiterte Teilnehmerbegriff (Mitwirker). Mittelbarer Täter (S. 213). 1. Leitsatz. 2. Bisherige Fälle mittelbarer Täterschaft (S. 213). 3. Erweiterung des Teilnehmerbegriffs (S. 216). - IV. Mehrtäterschaft. 1. Mittäter (S. 218). 2. Nebentäter (S. 219). - V. Teilnahmeformen. 1. Anstiftung (S. 220). 2. Beihilfe (S. 222). 3. Erweiterte Teilnahme, Vorbereitung und Versuch ohne Akzessorietät (S. 224). 4. Mittelbare Teilnahme (Anstiftung zur Anstiftung, Anstiftung zur Beihilfe usw.). 5. Konkurrenz. 6. Notwendige Teilnahme. 7. Komplott. 8. Nachhilfe (Begünstigung?). — VI. Haftung n u r für eigene Schuld. Volle Haftung für Schuld (S. 225). § 27. Konkurrenzlehre. Übersicht und Neubau 229 Hauptthema: Einheit und Mehrheit von Gesetzen, von Handlungen und von Verbrechen. — I. Handlungseinheit bei Mehrheit von Einzelakten. I. Natürliche Handlungseinheit (S. 230). 2. Juristische (normative) Handlungseinheit (S. 230). a) Positivrechtliche Tatbestandseinheit, b) Verbrechenseinheit gemäß Gesetzesauslegung nach dem Grad von Unrecht und Schuld, aa) Kollektivdelikt, bb) Fortgesetztes Delikt (S. 231). II. Gesetzeseinheit und Gesetzesmehrheit (S. 231). A. Gesetzeseinheit (abstrakte Gesetzeskonkurrenz). 1. Spezialität (S. 231). 2. Subsidiarität (S. 232). 3. Alternativität (S. 232). - B. Konkrete (echte) Konkurrenz (S. 232). 1. Konsumtion (typische Gesetzeskonkurrenz), a) Begleittat (S.233). b) Vor-und Nachtat (S. 233). 2. Reine konkrete Gesetzeskonkurrenz (S. 233). a) Tat- und Erfolgseinheit: Idealkonkurrenz, b) Tat- und Erfolgsmehrheit: Realkonkurrenz. c) Tateinheit bei Erfolgsmehrheit (S.233): verdeckte Realkonkurrenz (sog. ungleichartige unechte und gleichartige Idealkonkurrenz). § 28. Fortgesetztes und sonstiges Gesamtdelikt 235 I. Fortgesetztes Delikt. 1. Funktion. 2. Voraussetzungen (S. 235). 3. Wirkung (S. 238). - II. Eigentliches Gesamt- oder Kollektivdelikt (S. 238). § 29. Konsumtion 239 I. Wesen. - II. Arten. 1. Begleit- oder Nebentat (S. 240). 2. Vortat (S. 241). a) Straflose Nebentat. b) Strafwürdige Vortat. 3. Nachtat (S. 241). a) Straflose Nebentat., b) Strafwürdige Nachtat. — III. Rechtsfolge (S. 242). § 30. Ideal- und Realkonkurrenz 243 I. Idealkonkurrenz. 1. Gegensatz zur Konsumtion. 2. Gegensatz zur Realkonkurrenz. 3. Einheit der Ausführungshandlung (S. 243). 4. Einheit des Erfolgs. 5. Fälle (S. 244). 6. Behandlung. - II. Realkonkurrenz (S. 246).

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6. Abschnitt

Behandlung des Verbrechens und des Verbrechers § 31. Strafe und verwandte Maßregel im allgemeinen 248 I. Aufgabe der modernen Strafe. Dualistisches Prinzip. Bedeutung. Stand der Ansichten. — II. Ergebnisse (S. 249). Tendenzen der Gesetzgebung (S. 251). Schlußforderung (S. 252): konkret-funktionale Einbeziehung der Sicherung und Besserung in den extensiven Strafbegriff bei abstrakter Gegensätzlichkeit. § 32. Konkrete (richterliche) Strafbemessung 252 Bedeutung: Einbeziehung sämtlicher Hauptthemen des Strafrechts. I. Grundsätze. 1. Strafvoraussetzungen. Die Zumessungsgründe als konkretisierte Unrechts- und Schuldtypen (S. 254). a) Grade des Unrechts, b) Grade der Schuld. 2. Strafzwecke als Wertungsmaßstäbe (S. 258). a) Gerechte Vergeltung von Unrecht und Sühne von Schuld, b) Sicherung, Besserung, Abschreckung. 3. Objekt der Bewertung (S. 259). a) Tat-Entwicklung. Grad der Freiheit; Einflußstärken von Anlage und Umwelt, b) Vorleben. Fragebogen. Vorstrafenlisten (S. 261). c) Verhalten nach der Tat. d) Grundsatz der persönlichen Notwendigkeit und Tragbarkeit innerhalb der rechtlichen, staatlichen, sozialen und sozialethischen Notwendigkeit (S. 262). e) Einfluß des Verschuldens des Verletzten (S. 262). f) Einfluß der Zeit seit Begehung (S. 262). — II. Ausgestaltung und Anwendung. 1. Gesetze und Entwürfe (S. 263). 2. Wissenschaftliche Lage (S. 263). a) Bildung konkreter Gestaltungsnormen. b) Abwägen und Vergleichen auf Grund von Erfahrung. Generalisierungsfähigkeit (S. 264). c) Gerechtigkeitsidee (S. 265). d) Konstitutive Bedeutung des Strafurteils (S. 266). e) Zulässigkeit unbestimmter Strafurteile (S. 266). § 33. Gesetzliche Strafbemessung 26G I. Sachlich gibt es nur Schuldtypen. — II. Generelle Typen (S. 267). 1. Mildernde Umstände. 2. Besonders milde Fälle. 3. Besonders schwere Fälle (S. 267). § 34. Verjährung, Begnadigung, Strafaussetzung 267 I. Verjährung (S. 268). - II. Begnadigung (S. 268). 1. Bedingte Strafaussetzung. 2. Bedingte Verurteilung: sursis, probation (S. 268). Rehabilitation (S. 269). § 35. Arten der Strafen

269

§ 36. Strafergänzende Maßregeln der Sicherung und Besserung

269

Anhang.

Leitsätze für Forschung, Urteilsentwürfe und Übungsarbeiten 270

Gesetzesregister Sachregister

272 274

Abkürzungen Α: Auflage. Abh.: Strafrechtliche Abhandlungen, herausgeg. von Schoetensack. a. F.: alte Fassung. Allfeld: (Meyer-)Allfeld Lehrbuch des deutschen Strafrechts, 9. Aufl. Allg. Teil 1934. Anm.: Anmerkung, Fußnote. APL oder AProzRL: Sauer Allgemeine Prozeßrechtslehre 1951. ArchRWPh., ArchRSPh.: Archiv für Rechts- und Wirtschaftsphilosophie, seit 1933: Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie, begründet von Kohler. ArchVR: Archiv des Völkerrechts. BayObLG: Entscheidungen des Bayrischen Obersten Landesgerichts in Strafsachen. Neue Folge 1950 ff. Beling: Beling Grundzüge des Strafrechts 9. Aufl. 1930. Beling Verbr.: Beling Die Lehre vom Verbrechen 1906. BGBl.: Bundesgesetzblatt. BG oder BGH: Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen. BGHZ: Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen. Bes. Teil: Sauer System des Strafrechts, Besonderer Teil 1954. Binding Hdb.: Binding Handbuch des Strafrechts 1885. Binding Normen: Binding Die Normen und ihre Übertretung I 3. Aufl. 1916; II 2. Aufl. 1914/6; III 1918; IV 1919. DJ oder D t J : Zeitschrift Deutsche Justiz (Forts, des Prß. Justizministerialblatts). DJZ: Deutsche Juristenzeitung. DRZ: Deutsche Rechtszeitschrift (später vereinigt mit der Süddeutschen Juristenzeitung zur Juristenzeitung). DtR oder DR: Deutsches Recht (vereinigt mit der früheren Juristischen Wochenschrift). DRichterZ: Deutsche Richterzeitung. DStrR: Zeitschrift Deutsches Strafrecht. Gf. zu Dohna Aufbau: Graf zu Dohna Aufbau der Verbrechenslehre 2. Aufl. 1941. E : Entwurf. Ε 35 oder 36: nicht veröffentlichter Entwurf des Reichsjustizministeriums (Gürtner). Inhalt zu ersehen aus dem Kommissionsbericht (Gürtner Das kommende deutsche Strafrecht 1935/6). Einf. RPh.: Sauer Einführung in die Rechtsphilosophie 1954. G: Gesetz. Gerland: Gerland Reichsstrafrecht 2. Aufl. 1932. GerS: Gerichtssaal. GoltdA: Goltdammers Archiv. Grdlg. P R : Sauer Grundlagen des Prozeßrechts 2. Aufl. 1929.

XIV Grdlg. StrR: Sauer Grandlagen des Strafrechts 1921. GrStrK: Große Strafrechtskommission 1954 (erstmalig veröffentl. im Bundesanzeiger). HE oder HESt.: Höchstrichterliche Entscheidungen, Sammlung von Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Strafsachen, v. Hippel: R. v. Hippel Lehrbuch des Strafrechts 1932. v. Hippel I, II: R. v. Hippel Deutsches Strafrecht 11925, II 1930. Η RR: Höchstrichterliche Rechtsprechung in Strafsachen. HWKrim.: Handwörterbuch für Kriminologie 1933,1936. HWRWiss.: Handwörterbuch der Rechtswissenschaft. IKV: Internationale Kriminalistische Vereinigung. JE1L: Sauer Juristische Elementarlehre 1944. JMB1.: Justizministerialblatt. JMethL: Sauer Juristische Methodenlehre 1940. J R : Juristische Rundschau. J W oder JurWoch: Juristische Wochenschrift. J Z : Juristenzeitung. KBer.: Kommissionsbericht, s. E. 35. K E : Kommissionsentwurf (1913, 1919). KG: Kammergericht. Kohlrausch-Lange: StGB mit Erläuterungen von Kohlrausch und Lange, 40. Aufl. 1950, Nachtrag 1952. KRG: Kontrollratsgesetz. KrimAbh.: Kriminalistische Abhandlungen, herausgeg. von Exner. Kriminol.: Sauer Kriminologie 1950. KrimSoz.: Sauer Kriminalsoziologie 1932/3. Lange, s. Kohlrausch-Lange. v. Liszt-Schmidt: v. Liszt-Eb. Schmidt Lehrbuch des deutschen Strafrechts, Allg. Teil, 26. Aufl. 1932. Lobe: Lobe Einführung in den Allg. Teil des Strafrechts 1933. LK oder LpzK: (Leipziger) Kommentar des StGB, 4. Aufl. v. Ebermayer-LobeRosenberg 1929; 6. Aufl. (bis § 152) v. Nagler u. a. 1944; 7. Aufl. (bis § 153) v. Nagler, Jagusch, Mezger u. a. 1954; 6. und 7. Auf), (ab § 153) v. Nagler u. a. 1951/4. Mat.: Materialien zur Strafrechtsreform 1954. Maurach Grdr.: Maurach Grundriß des Strafrechts 1948. I, II. Maurach: Maurach Deutsches Strafrecht, ein Lehrbuch. I (Allg. Teil) 1954. II (Besond. Teil) 1952. MDR oder MonDR: Monatsschrift für deutsches Recht. Mayer, Μ. Ε.: Μ. E. Mayer Der Allg. Teil des deutschen Strafrechts 1915 (2. Aufl. 1923). Mayer, Η.: H. Mayer Strafrecht Allg. Teil 1953. Meyer-Allfeld s. Allfeld. Mezger: Mezger Strafrecht, ein Lehrbuch (Allg. Teil), 2. Aufl. 1933. 3. Aufl. 1949.

XV Mezger Krim.: Mezger Kriminologie, ein Studienbuch 1951. Mezger Stud.: Mezger, ein Studienbuch, Allg. Teil 5. Aufl. 1954. MonDR: Monatsschrift für deutsches Recht. MonSchr.KrimPsych.: Monatsschrift für Kriminalpsychologie und Strafrechtsreform; später: für Kriminalbiologie; dann: für Kriminologie und Strafrechtsreform, n. F.: neue Fassung. N J W : Neue Juristische Wochenschrift. OGH oder OGH BritZ: Entscheidungen des Obeisten Gerichtshofs der Britischen Zone in Strafsachen. OLG: Oberlandesgericht. Olshausen: Olshausen Kommentar zum StGB, 12. Aufl. v. Niethammer, Freiesleben u. a. 1942 ff. RG: Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen. RGBl.: Reichsgesetzblatt. RGRspr.: Rechtsprechung des Reichsgerichts in Strafsachen. RGZ: Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen. Samml.: Sammlung außerdeutscher Strafgesetzbücher in deutscher Übersetzung (bei de Gruyter & Co.). Sauer: Siehe Einf.RPh., GrdlgStrR, GrdlgPR, JEIL, JMethL, Kriminol., KrimSoz., Syst.RSPh., Syst.StrR Bes. Teil, Syst.VöR. Schönke: Schönke StGB Kommentar 6. Aufl. 1952. - Schönke-Schröder 7. Aufl. 1954 (nur noch bei der Korrektur berücksichtigt). Schwarz: Schwarz StGB, Kurzkommentar, 16. Aufl. 1953. SJZ: Süddeutsche Juristenzeitung. Spruchgerichte: Die Spruchgerichte, Beilage zum Zentraljustizblatt für die Britische Zone. StÄG: Strafrechtsänderungsgesetz. Strafr.Abh.: siehe Abh. Syst.RSPh.: Sauer System der Rechts- und Sozialphilosophie 1949. Syst. Strafr. Bes. Teil oder Syst. Bes. Teil: Sauer System des Strafrechts Besonderer Teil 1954. Syst.VöR: Sauer System des Völkerrechts 1952. VDA: Vergleichende Darstellung des deutschen und ausländischen Strafrechts. Allgemeiner Teil 1908ff. B: Besonderer Teil 1906ff. VE: Vorentwurf 1909. VO: Verordnung. v. Weber: v. Weber Grundriß des Deutschen Strafrechts (Allg. Toil) 2. Aufl. 1948. Wegner: Wegner Strafrecht Allgemeiner Teil 1951. Welzel: Welzel Das deutsche Strafrecht 3. Aufl. 1954. ZAkDR: Zeitschrift der Akademie für deutsches Recht. ZStrW: Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft. ZVglRwiss.: Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft.

1. A b s c h n i t t

Das Strafrecht als Ganzes § 1. Straf recht, Kriminologie und Sozialethik I . Das Strafrecht h a t die Aufgabe, die Grundsätze u n d Regeln zu schaffen, nach denen das Verbrechen im Sinne der staatlichen, kulturellen, sozialen u n d ethischen Notwendigkeiten zu behandeln ist. Das Verbrechen ist eine nie völlig auszurottende Erscheinung des sozialen Lebens aller Völker und aller Zeiten; es bedarf der Behandlung und Bekämpf u n g gemäß bestimmten Richtlinien, über deren wesentlichen Inhalt sich die modernen K u l t u r s t a a t e n trotz Abweichungen in der näheren Ausgestaltung einig sind. Die Behandlung geschah früher allein durch B e s t r a f u n g ; heute sind zur Strafe noch zahlreiche andere Mittel der Behandlung getreten, Verhütung u n d Sicherung, Besserung u n d Erziehung, Ausgleich und Genugtuung. Schon deswegen ist das Wort Strafrecht nicht mehr zutreffend. Außerdem drückt es n u r die Folgen, nur eine Folge aus, während einen ungleich größeren Raum die Voraussetzung e i n n i m m t : das Verbrechen. Zutreffender ist die ältere Bezeichn u n g : Kriminalrecht. Man n e n n t das Privatreclit (Vertrag und Delikt) doch nicht Schadensersatzrecht; und die ärztliche Wissenschaft beschäftigt sich vor allem mit der Krankheit, während Arznei und sonstige Behandlungsmittel erst in zweiter Linie stehen. II. Das Strafrecht ist seinem Wesens- und Sinngehalt nach die rechllichsozialethische Behandlung des Verbrechens. Die Strafrechtswissenschaft stellt einen Kreis dar, der sich mit zwei anderen Wissenschaftskreisen schneidet: der Kriminologie und der Sozialcthik. 1. Die Kriminologie hat das Verbrechen als soziale Erscheinung unseres kulturellen Lebens lediglich um seiner selbst willen, lediglich als geschichtliche Tatsache, ohne Rücksicht auf die staatlichen Gesetze und Einrichtungen zu erforschen, die sich vielmehr aus jener Tatsachenforschung in ihrer Notwendigkeit erst ergeben sollen; sie ist ein Zweig der Soziologie und der Psychologie (in einem weiteren, hier nicht interessierenden Sinne auch der Biologie u n d der Psychiatrie). Wenn das Verbrechen gerecht b e s t r a f t und erfolgreich b e k ä m p f t werden soll, m u ß man vor allem zuverlässige Kenntnisse davon besitzen, was das Verbrechen ü b e r h a u p t wirklich ist. Die kriminologische Forschung ist eine unerschöpfliche F u n d g r u b e f ü r die Erkenntnis des Verbrechens u n d des Verbrechers. Die Gesetze sind durch neue kriminelle Mittel und Schleichwege dauernd überholt. Sauer, S t r s f r e r h t , 3. Aufl.

1

2

Das Strafrecht als Ganzes

§ 1, § 2 I

2. Die Sozialethik weist die obersten Richtlinien auf, die auch für das staatliche R e c h t verbindlich sind oder verbindlich sein sollten, will es selbst wirksam und von Bestand sein. Sie ist ein Zweig der allgemeinen E t h i k sowohl wie der Rechts- und Sozialphilosophie und ermöglicht überhaupt erst, über die wechselnden Erscheinungen der positiven Gesetze hinaus die allgemeinen Lehren des Strafrechts aufzustellen, die auch einer Gesetzgebung als Anhalt dienen. Die Gesetze sind auch in dieser Hinsicht dauernd überholt — nicht durch politische Ereignisse, aus denen sich alsbald ein neues R e c h t ergibt, sondern durch den Wandel der sozialethischen Anschauungen im einzelnen, mag auch der Grundstock konstant bleiben; der Wandel ist allerdings soziologisch, politisch wie kulturgeschichtlich bedingt. Die besten Gesetze sind allezeit reformbedürftig; die Rechtsprechung hat sie aber modern zu erhalten und wird so zum Schöpfer des „lebenden R e c h t s " . So zieht das Strafrecht Lebenskraft und Wertgehalt aus der Soziologie und der Sozialethik.

§ 2. Methodische Struktur des Systems Übersicht und

Neubau

I . Die bisherige Strafrechtslehre hat zwar zum großen Teil die Kriminologie und die Sozialethik (Sozialpädagogik) als wichtige Ergänzungen und Anregungsmittel anerkannt; nur klein ist noch der Kreis derer, die sie (mit Binding) als wissenschaftliche Disziplinen ablehnt oder (mit Beling) bestenfalls als Hilfswissenschaft duldet. Inzwischen hat der Verfasser ganzheitlich (dreidimensional) gemäß der Juristischen Methodenlehre (1940), deren es allerdings zur exaktwissenschaftlichen Untergründung der „gesamten Strafrechtswissenschaft" (Liszt) bedurfte, sowohl die Kriminologie (1950) wie den Besonderen Teil (1954) bearbeitet. Diese „ V o r a r b e i t " möge nunmehr auch dem Allgemeinen Teil zugute kommen, der j a von dort seine Lebenskraft bezieht. Als Forderung sei aufgestellt: das System sei so einfach und durchsichtig wie nur irgend möglich. II 1 ). Es seien in Kürze einige methodische Konsequenzen zusammengestellt; die Erläuterung folgt später in den einzelnen Kapiteln. Betont wird, daß diese gänzheitlichen Lehren in Wahrheit nicht so neuartig sind, wie es auf den ersten Blick sche.inen *) In den tiefer angelegten Systemen begegnet erfreulich das Bestreben nach einer rechtsphilosophischen Orientierung. Dabei darf man jedoch nicht von einer zur Zeit beliebten Modeströmung ausgehen (deren Richtigkeit und Universalität sich noch erweisen soll) und von hier aus das Strafrecht bearbeiten. Vielmehr ist auch das Strafrecht nur in seiner eigengesetzlichen Problematik im Hinblick auf die Bedürfnisse der Rechtspflege unter Verwendung allgemeiner Rechtsprinzipien zu meistern; alsdann ergibt sich von hier der Ausbau zur Rechtsphilosophie wie der Einbau in eine Allgemeine Philosophie. So hat sich auch meine Rechtsphilosophie

§ 2 Π

3

Methodische Struktur des Systems

könnte. Namentlich praktisch eingestellte Juristen sind auf gleichen Wegen gegangen, vielleicht ohne es zu wissen. Hier werden die Dinge nur bei ihrem eigenen Namen genannt; es wird ausgesprochen, was andere empfunden haben mögen. Jedenfalls heben wir manches stärker hervor, als es bisher geschah, vermeiden die üblichen Einseitigkeiten, bewahren vor dogmatischer Erstarrung. 1. Soziologische und sozialethische Betrachtung. Hierauf beruht der jetzt im wesentlichen anerkannte Begriff der materialen Rechtswidrigkeit 2 ); Gegensatz: formale, rein positivgesetzliche Rechtswidrigkeit. Material müssen aber auch (was neuartig ist) andere Begriffe verstanden werden: die Schuld, die Handlung (Ausführungshandlung), die Unterlassung, der Versuch, die Teilnahme, ja selbst die Kausalität. — Die sozialethische Einstellung sieht Maßstab und Ziel in Gerechtigkeit, die soziologische in Zweckmäßigkeit, die dogmatische in Rechtssicherheit3). Diese drei Prinzipien können im Einzelfall, z.B. bei der Strafzumessung, zu widersprechenden Ergebnissen führen; die Ganzheitslehre vereinigt sie in Harmonie und schützt vor Konflikt ebenso wie vor Einseitigkeit. — Die Sozialethik lehrt den Indeterminismus: das Verbrechen ist das Werk des Täters (,,kriminalistische Kreationstheorie"); aber die Kriminologie zeigt als Ätiologie die Bedeutung der Anlage und besonders der Umwelteinflüsse auf; die Ganzheitslehre führt zum Ausgleich jener Kausalitäten mit der Willensfreiheit. — Die Kriminologie weist auf die durchgehende Verschiedenheit von akuter und chronischer Kriminalität hin; dieser folgenreichen Erkenntnis kann sich auch die Dogmatik nicht verschließen: Zweiteilung des Schuldbegriffs, Bedeutung für Strafbemessung und Strafvollzug, Sonderbewertung des Gewohnheitsverbrechers (§ 20a). — Das Zurücktreten des Gesetzes führt zur Möglichkeit von Analogie, zur Erweiterung des freien richterlichen Ermessens. So entsteht eine „reineu (übergesetzliche) allgemeine Strafrechtslehre. Die wichtigen kriminologischen (ätiologischen) und die sozialethischen (tatbestandlichen) Tat- und Tätertypen (§ 11) gelten auch für das Strafrecht. 2. Funktionale Methode: die Begriffe haben bestimmte Funktionen zu erfüllen; nur insoweit sind sie berechtigt 4 ). Gegensatz: formale, deduktive, logisch-begriffliche Behandlung. Zentralfragen sind die Strafbemessung und der Strafvollzug: ihre praktisch überragende Bedeutung muß sich auch in der Theorie äußern. Die dogmatischen Begriffe sind auf diese wichtigsten Aufgaben der Strafjustiz zuzuschneiden, während zu einem System der Kultur- und Wertphilosophie erweitert, das sich für andere Disziplinen, für die Soziologie, die Staatslehre, das Völkerrecht und die Metaphysik, wie schon früher für das Prozeßrecht, als fruchtbar erwiesen hat. Bei jüngeren Autoren besteht die Neigung, von einer fertigen Ontologie (Nie. Hartmann), einer werdenden Existenzphilosophie (Heidegger, Jaspers), einer werdenden Anthropologie (vgl. Würtenberger JZ 1955, 1) oder einem lange gesuchten Naturrecht auszugehen. Man wird noch lange warten müssen, bis sie zu einem universal geeigneten System gelangen. — Über meinen eigenen Systementwurf berichtet in Kürze m. Einf. RPh. 1954. 2 ) So seit Grdlg. § 12 (273) wiederholt, wo der Begriff als der messianische bezeichnet wurde. 3 ) Näher m. JMethL §§ 31/3; kürzer JE1L 63/6; Syst. RSPh. § 21; Einf. RPh. § 14. 4 ) JMethL §§ 41, 45 II 3, 48 I 2; kürzer JE1L 18, 73. Auch Syst. RSPh. S. 256; Einf. RPh. § 14. ι

4

Das S t r a f r e c h t als Ganzes

§ 2 II

bisher die letzteren von der Theorie stark vernachlässigt und als Anhängsel des Systems b e t r a c h t e t wurden. In diesen Zusammenhängen stellt sich die juristische Denkweise in scharfen Gegensatz zur soziologischen, also auch zur kriminologischen. D o r t ist der G r u n d s a t z : bloße E r k e n n t n i s der Tatsachen, ihre E r k l ä r u n g und Deutung. Demgegenüber ist das Juristische Grundgesetz auf Würdigung, Beurteilung, W e r t u n g der Tatsachen gerichtet; hierin s t i m m t es wiederum m i t der Sozialethik überein, auf die das Strafrecht hinzulenken ist. Zu den wichtigsten Grundbegriffen des Strafrechts gehört daher der bisher völlig vernachlässigte Begriff der Strafioürdigkeü; er steht a n der Spitze der gesamten Verbrechenslehre (§ 7). Die meisten strafrechtlichen G r u n d begriffe h a b e n die F u n k t i o n , die Bestimmung der Strafwürdigkeit zu erleichtern; hiernach richtet sich ihr eigener Wert. Die Strafwürdigkeit gehört der reinen Strafrechtslehre a n ; erst hiervon abgeleitet ist die Strafbarkeit, die lediglich positivgesetzlich bedingt ist. 3. Konkrete Betrachtung, Fallrecht. Gegensatz: a b s t r a k t e , generelle Betrachtung 5 ). Viele Streitfragen sind n u r dadurch entstanden, daß m a n verschiedene Arten v o n Fällen im Auge h a t t e . Theorien und Gesetze sind nicht um ihrer selbst willen geschaffen; sie h a b e n n u r die F u n k t i o n , Fälle zu entscheiden, das Verbrechen gerecht u n d zweckmäßig zu behandeln, wonach sich wiederum ihre eigene Berechtigung u n d Tragweite b e s t i m m t . Nicht n u r der von der jeweiligen Interessenlage abhängige N o t s t a n d l ä ß t sich allein „von Fall zu F a l l " feststellen, sondern auch die generell so streng geregelte N o t w e h r ; die zahlreichen „ungeschriebenen" und „übergesetzlichen" Rechtfertigungsgründe und, was schwieriger ist, ihre Exzesse fordern zur Falljurisprudenz geradezu heraus. Das gleiche gilt f ü r die Grenzen von Vorsatz, Fahrlässigkeit u n d Schuldlosigkeit. Die in letzter Zeit so weitläufigen u n d subtilen Streitigkeiten über den „finalen Handlungsbegriff", über die Stellung des Vorsatzes in ihm oder im T a t b e s t a n d s t a t t in der Schuld, über die Spaltung der Irrtuinslehre (Tatbestands- u n d Verbotsirrtum) wären unterblieben, wenn sich die Theoretiker „ p r a k t i s c h " , d. h. k o n k r e t auf den Fall, eingestellt h ä t t e n (unten § 8 Anm. 7, § 21 I I I 2g). Ein einfaches, natürliches System wäre gewonnen, das Zusammengehöriges zusammenbehandelt, so H a n d l u n g u n d Unterlassung, Vorsatz und Fahrlässigkeit, Vorsatz u n d I r r t u m , s t a t t es, wie die „ F i n a listen" anstreben, auseinander zu reißen; und das System h ä t t e u n t e r E i n s p a r u n g von Zeit u n d A r b e i t s k r a f t sowohl der Rechtsprechung \vie dem Studium, vor allem auch der Wissenschaft besser gedient (oben Anm. 1). — Die schwierigen Probleme um die Konsumtion, die im Sinne der hJJ. gar keine Form a b s t r a k t e r Gesetzeskonkurrenz (wie die Spezialität) ist, weswegen m a n ihr Wesen gründlich v e r k a n n t e , verlangen nach Fallentscheidung, ebenso das Kollektiv- und fortgesetzte Delikt so\vie die Grenzen der R e c h t s k r a f t w i r k u n g . Die Schwierigkeit, Probleme der Versuchs- u n d der Teilnahmelehre in den „Grenzfällen" zu lösen, zeigt die Unmöglichkeit genereller und a b s t r a k t e r Lösungen, m i t denen m a n bereits auf falschen methodischen Wegen s c h r i t t : die objektive wie die subjektive Theorie sind beide berechtigt, jedoch n u r im Hinblick auf eine gewisse Art von Fällen, u m deren Eigenart m a n sich h ä t t e b e k ü m m e r n sollen, s t a t t sich um ab5 ) Grdla·. § 2 I I ; J.VIethL (bes. § 46) u n d J E I L s. Reg. Ferner Svst. R S P h . § 23; Einf. RPhT §§ 3 I I , 11; Bes. Teil 'S. VI, S. lOff. Umfassend Engisch, Die Ideo der Konkretisierung in Recht u n d Rechtswissenschaft unserer Zeit 1953.

Methodische S t r u k t u r des Systems s t r a k t e Dogmen (Willensstrafrecht!) zu streiten. So b e w ä h r t sich die subjektive Theorie n u r bei Xutzdelikten, die ihre Verfechter wohl allein im Auge haben. Hier zeigt sich eben die Wichtigkeit der kriminologischen u n d sozialethischen Typen. — Außerdem offenbart sich die Notwendigkeit, den Allgemeinen Teil auf den Besonderen zu beziehen, was wohl jene im Auge h a t t e n , die den Besonderen dem Allgemeinen Teil vorangestellt oder in ihn eingearbeitet haben wollten 6 ) — übrigens wiederum eine Betonung des Konkreten. Anderseits bedarf das Konkrete der E r g ä n z u n g und Vereinfachung durch T y p e n ; das Typologische ist ebenfalls eine unentbehrliche Denkweise. Endlich zeigt sich eine meist unbeachtete Verbindung: jede konkrete Entscheid u n g von Fällen u n d Lösung von Streitfragen m u ß der Generalisierung fällig sein 7 ), soll sie von Bestand sein. Hier sehen wir wieder die Ganzheitstendenz der konkreten reinen Strafrechtslehre. 4. Analyse aller Begriffe, auch konkreter Erscheinungen, in feinstem Maße und nachfolgende Synthese. Durch die Analyse sind die wesentlichen Merkmale herauszuheben, die nebensächlichen u n d zufälligen auszuscheiden; n u r Wesentliches und Wertvolles („Wert-Monaden") eignet sich f ü r ganzheitliche Gebilde 8 ). So v e r f ä h r t jeder exakte wissenschaftliche Forscher, jeder gewissenhafte kulturelle, d. h. K u l t u r werte schaffende Mensch. Die Wissenschaft vermag nur m i t gereinigten, klar e r k a n n t e n Begriffen zu arbeiten u n d n u r aus ihnen ein harmonisches System z u s a m m e n z u f ü g e n ; sonst entstehen überall Widersprüche u n d Konflikte, wie im Leben. E r k e n n t n i s heißt systematische Einsicht in den Zusammenhang der Elemente. Geboten ist nicht etwa eine pedantisch-äußerlich systematische Darstellung, sondern eine innere Systematik, wie sie auch einem guten K o m m e n t a r innewohnt. Das ist reine Strafrechtslehre. Eine r derartigen Analyse zu ihrer E r k e n n t n i s bedürfen gerade solche wichtige, u m s t r i t t e n e Grundbegriffe, die vermeintlich schon das Einfachste darstellen, in Wahrheit aber höchst zusammengesetzter N a t u r sind, wie: Wollen, Handeln, Unterlassen, Kausalität, Schuld, Vorsatz, Täter usw. Die zahlreichen Streifragen, an die sich ganze Theorien anschließen, lösen sich einfach so, daß m a n ihre Elemente n u r gegeneinander abzuwägen braucht und die hierbei als wesentlich erkannten funktional in das Rechtsganze cinläßt. Die Entscheidung erfolgt hierbei gemäß einer „Üiergewiehtstheoric"; sie gilt nicht nur beim Notrecht, wo sie sogar einen gesetzlichen Ausdruck fand, sondern allgemein bei der Reehtswidrigkeit u n d folglich bei der K a u s a l i t ä t (als vorherrschende Tendenz gegenüber bloßen Bedingungen), bei der Schuld (als überwiegend freier, verwerflicher Selbstb e s t i m m u n g gegenüber Anlage- u n d Umwelteinflüsse'.!), bei der Strafe (als überwiegender Sühne und Vergeltung gegenüber Sicherungs-, Besserungs- und Abschreckungszielen); beim Vorsatz (als überwiegender Vorstellung gegenüber Willens- und Gefüblselementen), bei der Verjährung (als überwiegendem Prozyßhiniierms gegenüber Strafaufhebung) usw. Verwerten läßt sich hierbei die für den kriminologischen A u f b a u vere

) Beliebt im Prozeß-, Handels- u n d Völkerrecht. Vgl. Syst. VöR Teil I gegenüber Teil I I I ; Syst. S t r a f r . Bes. Teil Vorwort S. V i / 7 ) Das ist der b e k a n n t e Maßstab in K a n t s kategorischem I m p e r a t i v . V) OLG Hamm JZ 50,152. ) Hierüber eingehend alle Komm.; vgl. RG 8,147; 23, 374; 57, 235. Neuerdings für das RG Wegner in Festschr. f. Raape 1948, 401 sowie Lehrb. 1951, ölff. 60 ) RG 57,15; 76, 41. 61 ) RG 14, 226: Finger 246; LK 6. K, 483. 49

§21 m 2

Vorsatz. Irrtum

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sache unter die Norm bedeutet. Nach anderen 52 ) ist umgekehrt der Subsumtionsirrtum gerade unerheblich, da die Subsumtion nur dem Juristen obliegt. Nach unserer Lehre sind nur zwei Arten von Subsumtionsirrtum erheblich (oben III 1 a). d) Nach einer das RG bekämpfenden früheren Meinung53) ist nicht nur der Tatsachen·, sondern j e d e r R e c h t s i r r t u m erheblich; das mag der Gerechtigkeit gegenüber dem Täter im Einzelfall entsprechen, unterliegt aber dem beliebten Einwand, daß diese Ansicht praktisch unannehmbar sei und die Rechtspflege lahmlegen würde. e) Von noch anderen Autoren 54 ) wird zwischen T a t b e s t a n d s - u n d V e r b o t s i r r t u m unterschieden; jener soll den Vorsatz ausschließen, dieser die Schuld mildern! Ähnlich Schweiz Art. 20. Auch nach WirtschaftsstrafG v. 25. 3. 52 § 26a (früher § 31) und OrdnungswidrigkeitsG v. 25. 3. 52 § 12 schließt der unvermeidbare Verbotsirrtum den Vorsatz (oder die Schuld, vgl. sofort zu f) aus, während der vermeidbare Verbotsirrtum die Schuld mildern kann (!). Letztere fakultative Vorschrift wird selten Anwendung finden, da bei gerechter Strafzumessung Fälle erhöhter Gleichgültigkeit gegenüber der Rechts- und Sittenordnung entsprechend strafwürdig sind, also im Gegenteil höhere Strafe verdienen. Wir empfehlen die Bezeichnungen Sachverhaltsirrtum und Bewertungsirrtum (oben I I I 1 a). f) Im Anschluß an diese immer neu umstrittenen Fragen entstand ein Streit zwischen sog. Vorsatztheorie und sog. Schuldtheorie. Sahließt der unvermeidbare Verbotsirrtum den Vorsatz aus (so Ε 25 und 35) oder nicht den Vorsatz, sondern unmittelbar die Schuld (E 27 und 30)? In letzterem Fall würde der Vorsatz sich auf den Tatbestandsvorsatz beschränken, neben dem als weitere Strafvoraussetzung das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit zu erfordern wäre. Der Streit ist ohne praktische Folgen. Die erste Ansicht ist konstruktiv einfacher und durchsichtiger; die zweite kompliziert das System, erschwert die Anwendung und sieht sich wieder vor dem alten Streit über die Grenzen zwischen Tat- und Rechtsirrtum; wohin gehören die Rechtfertigungsgründe? Gleichwohl entschieden sich höchstrichterliche Entscheidungen mehrmals für die Schuldtheorie54»). 52

) v. Liszt u. a. ) So früher die Bindingschüler im Gegensatz zur Lisztschule. Später auch RVerwG im DtR 1943, 1011. " ) Der seit v. Hippel I I 349 und Gf. Dohna 41, auch von RG 72,122; 73, 5, 264 und von neueren Entscheidungen oft gebrauchte Gegensatz, von Engisch als Fortschritt bezeichnet (JZ 64, 457, ZStrW 66, 372) ist vieldeutig, ebenso wie die Begriffe Tatbestand (so Engisch selbst, der in der Mezger-Festschr. 1954 fünf Tatbestandsbegriffe nennt) und Verbot (materiales oder formales Unrecht ? speziell Strafrecht?). Außerdem ist die Grenze nicht zu ziehen, da der Tatbestand als vertyptes Unrecht normativen Charakter besitzt und ein gesetzliches Verbot enthält. 64a ) OLG Oldenburg SJZ 50, 834 (mit Bespr. v. Eb. Schmidt), vor allem BGH Gr. Sen. 2,194 (die Tragweite wurde anfangs überschätzt, die Bedeutung für die Rechtfertigungsgründe blieb unentschieden). Welzel behandelt den Irrtum über Rechtfertigungsgründe, da er ihn nicht gut als Tatirrtum ansehen kann, allgemein als Verbotsirrtum, was sicher nicht zutrifft. Nahestehend eine Minderheit (vgl. Engisch ZStrW 66, 379, Maurach I § 40). Unrichtig Schwarz 16. A S. 157, der bei non liquet über den Verbotsirrtum bestrafen will; das Gericht muß vielmehr hier 53

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Das Verbrechen als Schuld

§ 2 1 IV

g) Als ein Hauptmangel aller dieser Ansichten muß es bezeichnet werden, daß nicht, wie es hier unternommen wurde, konkret die einzelnen tatsächlichen Möglichkeiten von Irrtum methodisch geprüft und im Hinblick auf befriedigende Ergebnisse behandelt wurden (vgl. die Tafel oben III gemäß den Ergebnissen zu II), sondern daß man generell verschiedene Arten von Irrtum womöglich unter systematischer Verankerung feststellte, die man als „beachtlicher" oder „nicht beachtlicher" Irrtum bezeichnete, wobei es dann oft zweifelhaft wurde, in welche Gruppe die einzelnen Fälle einzugliedern sind; daher mußten die aufgestellten Gruppen näher erläutert und ihnen manchmal ein neuer Sinn entgegen der ursprünglichen Intention beigelegt werden. So war es einst mit der Unterscheidung von Tat- und Rechtsirrtum, von straf- und außerstrafrechtlichem Rechtsirrtum, dann von Tatbestands- und Verbotsirrtum. Mangels Klärung der Grundbegriffe kam man zu jenen uferlosen systematischen Streitigkeiten: Ist Verbotsirrtum auf die formelle oder auf die materielle Rechtswidrigkeit (Sozialschädlichkeit) zu beziehen641*)? Ganz unklar bleibt oft, was der jeweilige Schriftsteller, der mit dem Tatbestandsirrtum operiert, schon unter Tatbestand versteht, wie er sein Verhältnis zur Rechtswidrigkeit bestimmt64®); die Bedeutung des Tatbestandsbegriffs ist (seit Beling) stark gewachsen, da zu ihm auch die Kausalität (Engisch), die Handlung, die Unterlassung, ja der Vorsatz selbst (Maurach) gerechnet wird. Ist da der Begriff „Tatbestandsirrtum", der den Vorsatz ausschließt, empfehlenswert gegenüber dem „Verbotsirrtum", der allein die „Schuld" ausschließt ? IY. Die Kenntnis. Arten des Vorsatzes Je nach den Graden der Kenntnis stuft sich der Vorsatz, der ja Kenntnis ist, in Arten ab. Die Willenstheorie (oben 1 3 ) steht auch hier vor neuen Schwierigkeiten und sieht sich zu Folgewidrigkeiten genötigt; denn man kann nur wollen oder nicht wollen. 1. Gewißheitskenntnis, d.i. direkter oder bestimmter Vorsatz: der Täter weiß, daß sein Verhalten unrechtmäßig ist. Eine Steigerung ist die Absicht: der Täter will, daß sein Verhalten zu einem bestimmten Ziel führt, daß ein bestimmter Erfolg eintritt; erforderlich nur nach wenigen Tatbeständen, den sog. Absichtsdelikten (§§ 242, 263 usw.), vgl. unten § 24 I I a . wie sonst die Schuld feststellen. Von der Praxis wird wiederholt für den Vorsatz Bewußtsein der Pflichtwidrigkeit erfordert (vgl. Bindokat JZ 52, 71). Ebenso dogmengeschichtlich Oehler J R 61, 65. Die Bedenken gegen die Vorsatztheorie, sie könne die Rechtsfahrlässigkeit nicht erklären, erledigen sich durch den Hinweis auf die befriedigende Regelung in Ε 25. Übrigens gelten die Regeln über Eventualvorsatz in gleicher Weise für die rechtlichen wie für die tatsächlichen Elemente; auch hier versagt die gegnerische Ansicht. Gegen die „Schuldtheorie" des BGH eingehend Schönke-Schröder (1954) § 59 IX 3. 64b ) In letzterem Sinn beantwortet von A. Kaufmann JZ 54, 654. 64 C) A. Kaufmann a. a. 0., der sonst zur Klarstellung viel beigetragen hat, stellt (kaum befriedigend!) Tatbestand als Unrechtstyp der Rechtswidrigkeit gegenüber; letztere ist Gesetzwidrigkeit, zu der auch die Rechtfertigungsgründe gehören.

§ 2 1 IV

Vorsatz. Irrtum

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2. Wahrscheinlichkeitskenntnis, a) Gewißheitskenntnis ist in Wahrheit nur selten möglich; gerade der Gewissenhafte wird meist nur mit Wahrscheinlichkeiten rechnen. Während man diese Typen gern als Übergang und Grenzfall von Vorsatz und Fahrlässigkeit ansieht, liegt hier gerade das eigentliche Wesen des Vorsatzes. Wie objektiv das rechtswidrige Handeln, das Bewirken des Erfolges, die (adäquate) Kausalität nur als Wahrscheinlichkeitstendenz auf den tatbestandlichen Erfolg, nur als Eignung der Handlung zur Herbeiführung dieses Erfolges zu bestimmen ist, so ist mit logischer Folgerichtigkeit der Vorsatz nur als Kenntnis dieses objektiv wahrscheinlichen Vorgangs oder Merkmals aufzufassen, insbesondere als Bewußtsein der adäquaten Kausalität, als Bewußtsein des normalen Verlaufs der Geschehnisse und des wahrscheinlichen Vorliegens der objektiven Merkmale. Der Wahrscheinlichkeitsvorsatz ist der Grundtyp des Vorsatzes; der direkte Vorsatz zu 1 erscheint von hier aus nur als eine erste Steigerung. Hiernach ergibt sich ein klarer, folgerichtiger Stufenaufbau der Hauptarten von Vorsatz und Fahrlässigkeit: (1) Absicht; der Täter sagt sich: der schädliche Erfolg soll eintreten. (2) Direkter Vorsatz; der Täter sagt: der Erfolg wird sicher eintreten, ein anderes Merkmal sicher vorliegen. (3) Wahrscheirüichkeits-, insbesondere bedingter oder Eventualvorsatz; der Täter sagt: der Erfolg wird voraussichtlich (mit aller Wahrscheinlichkeit, nach normalem Verlauf) eintreten, das Merkmal nach aller Wahrscheinlichkeit vorliegen, wenn auch ein anderer Verlauf, ein anderer Erfolg, ein anderes Merkmal möglich sind. (4) Bewußte Fahrlässigkeit; der Täter sagt: der Erfolg wird voraussichtlich (wahrscheinlich) nicht eintreten, das Merkmal wahrscheinlich nicht vorliegen, wenn es auch entfernt möglich ist. (5) Uribewußte Fahrlässigkeit; der Täter denkt überhaupt nicht an den (objektiv voraussehbaren) Erfolg; oder er sagt: der Erfolg wird sicher nicht eintreten, das Merkmal sicher nicht vorliegen. b) Hauptfälle: aa) Alternativer Vorsatz: der Täter hält den Schlag für tödlich oder für nur verletzend, die gefundene Sache für in fremdem oder in keinem Gewahrsam stehend. — bb) Kumulativer Vorsatz: der Täter sagt sich, daß der Bombenwurf den Α töten wird, wahrscheinlich aber auch die in der Nähe befindlichen Β und C. — cc) Eventueller oder bedingter Vorsatz. Diese am häufigsten behandelten, nicht glücklich benannten Fälle sind dahin zu verstehen, daß der Täter Zweifel über die Rechtmäßigkeit seines Handelns hat, daß er sich aber auch „für den Fall" einer naheliegenden oder einer wahrscheinlichen Widerrechtlichkeit („eventuell", „bedingt") zum Handeln entschließt. Sauer, Strafrecht, 3. Aufl.

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So wenn der Täter bei Wahrscheinlichkeitskenntnis Zweifel hat, ob der Schuß das Wild oder den Treiber trifft, ob die im Nebel nicht deutlich zu erkennenden Tiere Wild oder Kühe sind, ob die angenommenen Sachen Diebs- oder Hehlgut sind (RG 55, 205), ob der Schlüssel beim Diebstahl falsch ist (RG 62, 85), über das Alter des mißbrauchten Jugendlichen nach § 176 Z. 3 (RG 22, 423), über die Widerrechtlichkeit des Hausfriedensbruchs (RG 47, 249), über Bestand und Inhalt von Rechtsvorschriften (RG 70,142). c) Das Unterscheidungsmerkmal sollte überall die Wahrscheinlichkeit oder z u m mindesten die an Wahrscheinlichkeit grenzende nahe Möglichkeit56) sein, w ä h r e n d die Fälle entfernter Möglichkeit nur f ü r die Fahrlässigkeit in B e t r a c h t k o m m e n . Dagegen möchte die Wülenstheorie auch die letzteren zum Vorsatz ziehen, sofern der T ä t e r den Erfolg u n d auch die ihm unerwünschten U m s t ä n d e in seinen Willen aufgenommen h a t ; der Wille k a n n sich nur auf den Erfolg, nicht auf andere T a t b e s t a n d s m e r k m a l e oder auf die Widerrechtlichkeit beziehen. Wie dieses Willenselement näher zu verstehen ist, darüber bestehen bei den Vertretern erhebliche Meinungsverschiedenheiten; es sind hier stufenweise strengere und gemäßigte Ansichten mit immer stärkerer Annäherung an die Wahrscheinlichkeitstheorie zu erkennen. Während früher ein Gutheißen oder Billigen54) erfordert wurde, wonach alle dem Täter weniger erwünschten Begleitumstände ausfallen müßten, drang später eine sog. Einwilligungstheorie durch 57 ). Sodann wurde das Willensmoment noch mehr abgeschwächt, zugleich aber eine weitere Annäherung an die Fahrlässigkeit vollzogen durch die Wendungen: in den Kauf nehmen 68 ) (so Ε 36), auf die erkannte Gefahr hin handeln 59 ), oder: der Täter mußte mit dem nahe möglichen Eintritt rechnen 60 ). Diese letzten drei oder zum mindesten zwei Fassungen sind ein deutlicher Ausdruck der Wahrscheinlichkeitstheorie. Das gleiche gilt von den nahestehenden Frankschen Formeln: Vorsatz liegt vor, wenn der Täter auch bei bestimmter Kenntnis, daß er den Erfolg herbeiführen würde, gehandelt hätte 61 ); oder wenn der Täter sich sagt: mag es so oder anders sein oder werden, auf jeden Fall handle ich62). Wenn ihn die bestimmte Kenntnis vom Handeln abgehalten hätte, 6E ) Für die Wahrscheinlichkeitstheorie sprachen sich aus außer m. Grdlg. § 21 u. a. Lucas (VE 09), Köhler, Traeger, Exner, Grünhut, A. Wegner (anders später Lehrb. 148), L. Müller, Lobe Allg. T. 1933 S. 111 (unter Bezug auf Sauer ZStrW 51,181), H. Mayer, Großmann (HamburgerSchr. H. 6,1924), Runck Dol. event. (Diss. Würzburg 1929), Gottwald Grenze zw. Vors. u. Fahrl. (Diss. Marb. 1929); Hall in Festschr. f. Mezger 1954, 236. Vgl. auch Engisch Untersuchungen üb. Vors. u. Fahrl. 1930 und Schröder in Festschr. f. Sauer 1949, 243 (wo auf die Art der bewußten Fahrl. ganz verzichtet wird). 66 ) So früher oft RG, auch noch 65, 69; 72, 43; 76,115; BGH MonDR 52,16. " ) Dies die h. M.; vgl. v. Hippel VDA 3, 373; RG 31, 217 (einwilligen); 67, 426 (einverstanden sein). 68 ) RG 60,3; 72,43; 73,168. 5 ») RG 60,167; 70,142. 60 ) RG 62, 69. " ) RG 33,4; 46, 231. 2 « ) Ähnlich RG 61, 425; 75, 32; DtR 41,1202.

§22 1

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Fahrlässigkeit

liegt nur Fahrlässigkeit vor. Der vorsätzliche Täter handelt dann eben im Hinblick auf den wahrscheinlichen Eintritt des Erfolges. Wenn der Täter den Erfolg für wahrscheinlich hält und dann handelt, nimmt er den Erfolg selbstverständlich in Kauf; die Einwilligungstheorie hat insoweit dasselbe Ergebnis wie die Wahrscheinlichkeitstheorie. Aber sie sieht das Kennzeichen des Vorsatzes in dieser äußeren Nebenfolge, der Gefühlsbetonung, statt auf den Grund, die Wahrscheinlichkeitsvorstellung, zurückzugehen. Diese Gefühlsbetonung, ein zu erwartendes Lustgefühl, aber auch dann zum Vorsatzmerkmal zu erheben, wenn der Täter mit nur ganz entfernten Möglichkeiten rechnet, geht zweifellos zu weit. Bei solchen nur ganz ungefähren Vorstellungen kann nur Fahrlässigkeit in Frage kommen. In derartigen Fällen Vorsatz nur deswegen zu begründen, weil dem Täter auch solch entfernter Erfolg angenehm wäre, hieße ein höchst unsicheres, starken Schwankungen unterworfenes Kriterium einführen, das im Rechtsleben schon wegen seiner schwierigen Feststellbarkeit höchst unwillkommen wäre und das sicher dem Wesenskern des Vorsatzes nicht entspricht. Schulungsfall63): Der Waldeigentümer W. hat mit seinem Förster F. einen heftigen Streit, der zu dessen sofortiger Entlassung führt. Beide trennen sich im Wald und zünden sich zu ihrer Beruhigung eine Zigarre an. Ein Funken verursacht einen Waldbrand von größtem Ausmaß. Nach der Einwilligungstheorie ist jetzt zu unterscheiden. Rührt der Funken aus der Zigarre des W. her, so bewußte Fahrlässigkeit; kommt er aus der Zigarre des F., so Eventualvorsatz. Beidemal grundverschiedene Bestrafung und Behandlung. Nach der Wahrscheinlichkeitstheorie beidemal Vorsatz, wenn sie mit der nahen Möglichkeit eines Brandes rechneten (etwa in trockenem Kiefernwald), sonst Fahrlässigkeit. GesetzesvorsehlagM): Vorsätzlich handelt, wer weiß oder mit der nahen Möglichkeit rechnet, daß die Tat den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht und daß sie nicht gerechtfertigt oder entschuldigt wird.

§ 22. Fahrlässigkeit I . Wesen. Fahrlässigkeit ist ein Fall des Irrtums, also des Ausschlusses des Vorsatzes, und zwar der unentschuldbare Irrtum. Die Taifahrlässigkeit wird nur in den vom Gesetz genannten Fällen bestraft, bei Übertretungen jedoch allgemein, soweit die Tat überhaupt fahrlässig begangen werden kann (seit Frank h. M) 65 ). Die ÄecÄ/sfahrlässigkeit sollte, wie schon die letzten Entwürfe ( E 36) anstrebten, überall bestraft werden, damit der (nach jetzt h. M.) den Vorsatz ausschließende Rechtsirrtum nicht ganz straflos ausgeht, sondern in w)

Aus J E I L 1944 S. 122 mit näherer Erläuterung. Gemäß Sauer ZStrW 51 (1931), 183. Dagegen ist ein § über Irrtum und Absicht (wie in Ε 27) vom Standpunkt der Vorstellungs- und Wahrscheinlichkeitstheorie aus entbehrlich. M ) RG 72, 246. M)

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§22 I

den nicht entschuldbaren Fällen die verdiente, sei es auch mildere Strafe erhalten kann. Die jetzige gesetzliche Regelung, nicht ohne Willkür, ist also stark reformbedürftig und bereits reformreif. Auch die Auswahl der Tatbestände bedarf der Nachprüfung von Fall zu Fall; so besteht jetzt ein Bedürfnis, auch bei Sachbeschädigung und Beleidigung die fahrlässige Begehung zu bestrafen. Kriminologisch kommen in Betracht vor allem Tötung, Körperverletzung, gemeingefährliche Delikte, Falscheid, Delikte im Kraftwagen- und sonstigen Verkehr, Feilhalten verdorbener Lebensmittel. 1. Die Fahrlässigkeit ist Nichtkenntnis des Unrechts bei Kennensollen. Sie ist wie der Vorsatz keine Art (Form, Typ) der Schuld; in den Schuldbegriff wurde sie oben verankert (§ 19 14). Sie enthält nicht selbst einen Schuldvorwurf, womit sich endlose Streitfragen erledigen; schuldhaft ist das unrechtmäßige Wollen und Wirken (Handeln) bei Nichtkenntnis und Kennensollen des Unrechts. In diesem Sollen steckt allerdings ein Vorwurf (der sog. zweite), der aber kein Schuldvorwurf ist, weil er nicht an den Willen, sondern an den Verstand gerichtet wird. Dieser Vorwurf bringt gegenüber dem Vorsatzbegriff etwas wesentlich Neues und kompliziert das Problem erheblich, während im übrigen die Glieder des Vorsatzbegriffs (Kenntnis, Unrecht, Entschuldigungs-, Schuldschärfungs- und Schuldmilderungsgründe, ζ. B. fahrlässige Überschreitung des Notstands!) wiederkehren und ebenso wie dort zu deuten sind. Insbesondere ist die Kenntnis wie dort nur eine Wahrscheinlichkeitskenntnis. So ergeben sich ohne weiteres die beiden Arten: unbewußte Fahrlässigkeit ist völlige Unkenntnis des Unrechts; bewußte Fahrlässigkeit ist Unkenntnis der Wahrscheinlichkeit, u. z. Kenntnis der entfernten Möglichkeit. Über die Abstufung und die Abgrenzung gegenüber dem Vorsatz vgl. oben § 21IV 2 a. Fahrlässigkeit ist ein objektiv und subjektiv vermeidbarer Mangel an Kenntnis des unrechtmäßigen (sozialschädlichen) Wollens und Wirkens bei pflichtmäßigem Kennensollen oder Besserkennensollen. 2. Die Fahrlässigkeit gehört wie die Unterlassung zu den in allen Farben schillernden Begriffen. Schwierigkeiten bereitet die materiale Definition, da hiermit die Verbindung zu dem so umstrittenen Schuldvorwurf aufzunehmen ist, womit auch das Verständnis für den eigenartigen Verstandesvorwurf vorbereitet wird. Der unbewußten Fahrlässigkeit liegt als kriminelle Untugend die Gleichgültigkeit gegenüber anderen (übrigens auch eigenen) Lebenswerten zugrunde, der bewußten die Leichtfertigkeit, in den schwereren Fällen der Leichtsinn (sog. sträflicher Leichtsinn) wiederum gegenüber fremden Werten sowohl wie eigenen Werten und Pflichten. Wie bei den Graden der Kenntnis, des Wissens und der Vorstellungen gibt es auch bei den Untugenden nicht Bcharfe Einschnitte und Abgrenzungen, sondern zahlreiche und allmähliche Übergänge. — In ansteigender Reihenfolge kommen etwa diese Untugenden in Betracht:

Fahrlässigkeit

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a) Zufälligkeit: starkes Überwiegen von Umwelteinflüssen, triebhaftes Handeln, b) Unbedachtheit, Unaufmerksamkeit, Unüberlegtheit, Übereilung, Unbesonnenheit, Gedankenlosigkeit: überwiegend intellektuelle Mängel, c) Unbekümmertheit, Unbedenklichkeit: intellektuelle und gefühlsmäßige Mängel, d) Unbesorgtheit: höherer Grad der Vorstufe, e) Sorglosigkeit: noch höherer Grad der Vorstufen besonders in sozialen Pflichtenkreisen, f) Mangel an Sorgfalt im Durchschnitt gewisser Lebenskreise: Beginn der privatrechtlichen Fahrlässigkeit (ordentlicher Hausvater, Kaufmann, Reeder, Frachtführer, Rechtsgenosse, Verkehrsbeteiligter): die im rechtlichen, sozialen, wirtschaftlichen, technischen, äußeren Verkehr geltende Durchschnittsnorm wird nicht erreicht; Aufstieg von der culpa levissima bis zur culpa lata, g) Nachlässigkeit, Unsorgfältigkeit: Steigerung der Vorstufe, h) Unvorsichtigkeit: weitere Steigerung der Vorstufen in besonderer Rücksicht auf Personen und auf deren (und die eigene) Gefährdung, i) Gleichgültigkeit: weitere Steigerung der Vorstufen namentlich in sozialer und sozialethischer Hinsicht, Passivität, asoziales Beharrungsvermögen, mangelnder Sinn für fremde Interessen und für eigene Pflichten im Hinblick auf eigene Interessen, Ruhe und Bequemlichkeit. Hier setzt die strafrechtliche Fahrlässigkeit ein. k) Leichtfertigkeit: weitere Steigerung der Vorstufen: asoziales Sichgehenlassen mit stärkerer Betonung der intellektuellen und sozialethischen Mängel. Hier beginnt die bewußte Fahrlässigkeit. 1) Leichtsinn: weitere Steigerung der Vorstufen, stärkere Beteiligung moralischer (individualistischer) Mängel. Dies sind Fälle der sog. groben Fahrlässigkeit. m) Gewissenlosigkeit, Skrupellosigkeit: noch stärkere Betonung individualund sozialethischer Mängel, n) Rücksichtslosigkeit: noch stärkere Betonung der sozialen und strafrechtlichen Pflichten und deren Verletzung unter Gefährdung und Bedrohung anderer Personen. Hier setzt der strafrechtliche Vorsatz ein und beginnen die eigentlichen strafrechtlichen Motive (§ 11 Tafel A): Arglist, Mutwilligkeit, Böswilligkeit, Roheit, Eigennutz, Gewinnsucht, Habgier (§ 24 IV). Hiernach läßt sich die Fahrlässigkeit im materialen Sinne bestimmen als sozialethisch verwerflicher Sorgfaltsmangel (Gleichgültigkeit, Leichtfertigkeit, Leichtsinn) gegenüber anderen Lebenswerten bei nicht (oder nicht voll) bewußt sozialschädlichem (Wollen und) Wirken.

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Das Verbrechen als Schuld

§ 21 I 3, Π

3. Stand der Ansichten. Am Problem der Fahrlässigkeit scheiterten einst Binding und später mancher kleinere Kriminalist, der von einem fertigen Schuldbegriff oder einem „Willensstrafrecht" ausging. Man bemühte sich, eine Paralleldefinition zum Vorsatz aufzustellen und sah die Unmöglichkeit, von der Willenstheorie aus die Fahrlässigkeit zu erklären und vor allem als Schuld zu begründen, da dort ja der Wille fehlt, zumal bei der Unterlassung, wo auch ein objektives Nichts vorliegt. Übrig blieb nur die unvorsichtige Pflichtwidrigkeit (RG 30, 26), die formal nicht näher erklärt werden konnte und deren materialer Ausbau nicht unternommen wurde oder zu den verschiedensten Lösungen führte. Nach Feuerbach ist Fahrlässigkeit pflichtwidrige Unaufmerksamkeit; nach Lammasch und Exner rücksichtslose Geringwertung fremder Rechtsgüter (worin andere das materiale Wesen des Vorsatzes sehen); nach Köhler bewußte Ablehnung der Aufmerksamkeit; nach Kohler und Finger Gleichgültigkeit gegenüber der Rechtsordnung; nach Engisch mangelndes Interesse hinsichtlich der Unrechtsvermeidung. Formal ist Fahrlässigkeit nach v. Liszt unbefriedigend Verstandesschuld, nach Binding gekünstelt Willensschuld, nach Nagler (LK) unverzeihliche Unbedachtsamkeit, Verhaltenswille, der die Rechtswidrigkeit verkennt. Kohlrausch und Gf. Dohna, auch Baumgarten wollten einst mit der Fahrlässigkeitstrafe einen Denkzettel geben, den gefährlichen Erfolg bestrafen; gegen ein solches reines Erfolgsstrafrecht Wegner 176/7. Über die weitere ältere Literatur m. Grdlg. 682/6. Die Finalisten betrachten die Fahrlässigkeit nicht mehr als Parallele zum Vorsatz; ihnen ist sie etwas ganz anderes, etwas Eigenständiges. Bezeichnend bezieht Maurach § 44 I A, um seine finale Handlungslehre als grundlegend zu retten, die Finalität bei der Fahrlässigkeit auf einen „außertatbestandlichen Erfolg". Dagegen Mezger LK § 59 III 23/4 (S. 494). Bezeichnend ist auch das sonstige Bestreben, ein objektives Unrechtselement in der Fahrlässigkeit zu „entdecken", obwohl man gerade sie allein zur Schuld, den Vorsatz dagegen ins Objektive (Handlung, Rechtswidrigkeit, Tatbestand) verlegt. Dies Widerspruchsvolle zeigt, wie unnatürlich diese Umstülpung ist. Beliebt namentlich in der Rspr. und den Entwürfen ist der Anschluß an die privatrechtliche Einstellung auf die Außerachtlassung der erforderlichen Sorgfalt. Während die Entwürfe vor 1933 eine nach dem damaligen Stand der Wissenschaft fein ausgearbeitete Legaldefinition bringen, läßt Ε 36 die bewußte Fahrlässigkeit ganz unerwähnt, vermeintlich weil sie praktisch bedeutungslos ist (s. u. II 1). RG schließt sieh gern der subtilen Bestimmung durch KE 13 an (67,18 u. ö.): Außerachtlassung der Sorgfalt, zu der der Täter nach den Umständen und den persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten verpflichtet und imstande war, und deswegen Mangel an Voraussicht des Erfolges, es sei denn, daß ein anderes Verhalten ihm nicht zuzumuten war. Im ganzen zustimmend die damalige Lit. — Weitere Schuldformen außer Vorsatz und Fahrlässigkeit suchte man mehrmals aufzustellen: Wissentlichkeit (Löffler, Miricka, dazu v. Hippel II 322); Rechtsfändschaft (Mezger Stud. 3. Α. 146); Leichtjertigkeit nahe dem Vorsatz (Hall in Mezger-Festschr. 1954, 229, 242/4, 248). Für derartige Abstufungen dürfte die Strafzumessung der rechte Platz sein (über Hall oben § 7 Anm. 5a).

II. Gegenstand der Fahrlässigkeit ist der Mangel an Kenntnis des Unrechts wie beim Vorsatz (§ 21 II).

§ 22 Π 1, 2

Fahrlässigkeit

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1. Es braucht nur an der Wahrscheinlichlceitskenntnis zu fehlen; rechnet der Täter mit der entfernten Möglichkeit, so liegt lewußte Fahrlässigkeit vor (der Ausflügler wirft einen brennenden Zigarrenrest in den Wald): eine Anschauung, die dem Privatrecht durchaus ungeläufig und auch im Strafrecht nicht beliebt ist 65 »). Der Einwand, daß Fälle bewußter Fahrlässigkeit praktisch höchst selten sind, erklärt sich daher, daß der Begriff nicht geläufig, ungewohnt, unbeliebt, unbekannt war und daß man die Möglichkeitskenntnis meist zum Eventualvorsatz zog, so daß vom Standpunkt der Willenstheorie in der Tat nur wenig Fälle übrigbleiben, in denen der Täter „im Vertrauen handelt, der Erfolg werde nicht eintreten" (Franksche zweite Formel sowie RG wiederholt)66). Gegenüber dem Vorsatz fehlt hier also die Billigung nach RG 67 ); oder: Merkmai ist die leichtsinnige (!) Unterlassung pflichtmäßiger Prüfung 68 ). Dagegen soll die bloße Hoffnung auf die Vermeidung des Erfolges zur bewußten Fahrlässigkeit noch nicht genügen69). Die wichtige Grenze zum Vorsatz ist hiernach also ein höchst unsicheres gefühlsmäßiges Merkmal. In Wahrheit ist der Gefühlsgehalt bei der Fahrlässigkeit weit geringer als beim Vorsatz, in den noch eher emotionale Regungen hineinspielen. Vgl. oben § 21 a. E. 2. Der Wissensmangel kann verschiedene Erscheinungsformen aufweisen; es ergeben sich verschiedene Stufen und Grade von verschiedener Straf Würdigkeit, die sich mit den Stufen des materialen Gehalts (oben I 2) kreuzen können, was selten beachtet wird 70 ). a) Der Täter denkt an das Merkmal überhaupt nicht; so z.B. bei den Unterlassungsdelikten. b) Er denkt daran (gewissenhaft) und sagt sich: aa) es liegt nicht vor, oder bb) es liegt jetzt ζ. Z. des Willensantriebs und des Ausführungswillens nicht vor, oder noch nicht vor, oder nicht mehr vor. c) Er sagt sich (ebenfalls gewissenhaft oder noch gewissenhafter): aa) es liegt ein ähnliches anderes Merkmal vor, oder bb) es liegt nicht ein solches vor, auf das es bei der Unrechtsbewertung gerade ankommt. d) Er kennt einsichtig genug das erhebliche Unrechtsmerkmal, aber: aa) er denkt zufällig gerade nicht an dem rechtserheblichen Zeitpunkt (unten 3) daran, oder bb) er vergißt es, oder cc) er ist zerstreut, oder dd) er wird durch äußere Ereignisse abgehalten oder abgelenkt. 65a

) Daher verzichten auch Kriminalisten mitunter ganz auf den Begriff der bewußten Fahrlässigkeit zugunsten des Eventualvorsatzes. So Schröder (oben Anm. 55); vgl. die Polemik bei Wegner Lehrb. 176/7. — S. jedoch die wichtige Grenze oben 12 k. 6e ) RG 56,349; 58,134; 67,18. • 7 ) RG 6, 250; 29, 218; 30, 27; 67,18. 6e ) RG 73,168. «») RG 66, 262. 70 ) Einige psychologische Bemerkungen bei Sigrid Fischer: Das Vergessen als Fahrlässigkeit 1934 (Abh. H. 346).

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§ 22 Π 3, ΠΙ

e) Der Wissensmangel ist überwiegend bedingt: aa) durch Umwelteinflüsse, bb) durch Anlage, Bildungsstand oder Charakter des Täters (Phlegma, Affekt, Optimismus), cc) durch den vorliegenden Verlauf des Wollens und Wirkens. 3. Der Irrtum kann sich auf jede rechtserhehliche Tatsache und auf die Qualifizierung dieses Sachverhalts als unrechtmäßig beziehen wie beim Vorsatz. Irrt sich der Täter über mehrere Merkmale, so liegt doch nur eine einzige Fahrlässigkeitsschuld 7 1 ) vor. Der Rechtsirrtum kann nur das materiale Unrecht, nicht einzelne gesetzliche Tatbestände oder Tatbestandsmerkmale betreffen; der Tatirrtum alle Tatumstände des Tatbestands sowie der Rechtfertigungsgründe 7 2 ) samt den Entschuldigungsgründen. Vorliegen muß der Irrtum zur Zeit des Willensantriebs, des Ausführungswillens und der Ausführungshandlung; früher oder später kann er vorliegen oder fehlen; er kann sich auch wandeln, entschuldbar werden oder in Eventualvorsatz übergehen. D a ß man die Tat nicht als einen großen Willens- und Wirkenszusammenhang mit feinsten Nuancierungen der Glieder begriff, rächt sich an dieser gefährlichen und gefürchteten Stelle. „Gewollt" ist (was oft verkannt wird) die Ausführungshandlung stets, ebenso wie beim Vorsatz; der Kenntnismangel ist ein Begleitumstand des Wollens und Wirkens. I I I . S f a ß s t ä b e u n d F o r d e r u n g e n : das Kennensollen oder Besserkennensollen; die erforderliche Sorgfalt, die Gleichgültigkeit, die Leichtfertigkeit, der Leichtsinn. 1. Die Hauptfragen sind: hätte der Täter sich anders verhalten können und sollen? hätte er also den Schaden, die Gefahr als drohend („wahrscheinlich") erkennen können und sollen? und hätte er sie vermeiden können und sollen? Ein ähnlicher Maßstab wie bei dem verwandten Unterlassungsdelikt. Dort hieß es: hätte er (statt des Unterlassens) anders wollen und handeln können und sollen ? Hier heißt es: hätte er (statt des mangelhaften Wissens) besser wissen und danach wollen und handeln können? Außerhalb dieser Frage liegt aber eine solche, wie sie die Willenstheorie folgerichtig stellen muß: Hätte der Täter, wenn er anders und besser gewußt hätte, auch in Wirklichkeit danach gehandelt (also nicht nur: hätte er danach handeln können)? oder hätte ihn das bessere Wissen nicht daran gehindert, unrechtmäßig zu handeln ? Nur bei Bejahung der zweiten Frage hätte man fahrlässige Willensschuld annehmen dürfen. Im ersten Fall müßte das Verhalten straflos sein. 2. Zwei Pflichten ergeben sich hiernach: zum Besserwissen und zum Besserhandeln (Wollen und Wirken). Für sie bieten die beiden oben (II 2, I 2) aufgestellten Reihen einen Anhalt zur näheren Bestimmung der Fahrlässigkeit, 71

) KG 76, 7. ) Z.B. des Züchtigungsrechts, RG 76,3.

72

§ 22 ΙΠ 1, 2

Fahrlässigkeit

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die, auch darin der Unterlassung eng verwandt, ganz besonders auf die individuelle Eigenart des konkreten Falles, des Täters we der Umweltverhältnisse eingestellt sein muß. Auch in dieser Hinsicht haben die beiden obigen Stufenfolgen nützliche Vorarbeit geleistet. Sie sind bei allen abstrakten Sätzen, die ja nur ganz allgemein gehalten sein können, fortlaufend heranzuziehen. Hier liegt ein bedeutsamer Unterschied vom Privatrecht, das weitgehend objektive Maßstäbe anwenden und auf den Durchschnitt der Verkehrsverhältnisse bedacht sein muß. a) Die Leistungsfähigkeit des Täters in seiner gegenwärtigen konkreten Lebenslage ist in erster Linie zu berücksichtigen 73 ): seine körperliche wie geistige Anlage und augenblickliche Disposition, sein Bildungsstand, Beruf und Wissen. Schwere Fälle der Fahrlässigkeit bis zum gröbsten Leichtsinn können vorliegen, wenn der Täter eine Aufgabe übernimmt oder sich gar um sie bemüht und in sie hineindrängt, der er nicht gewachsen ist. Schwere Fälle bewußter Fahrlässigkeit sind hier nicht selten; diesen Begriff hätte man gerade hier anwenden und klar herausarbeiten sollen, statt ihn zu unterdrücken: man wird beinahe mitschuldig am Wachsen der Kriminalität. Kurpfuscherei nicht nur auf ärztlichem, sondern auf jedem Gebiet des kulturellen, politischen, wirtschaftlichen Lebens gehört bekanntlich zu den übelsten Betrugsspezialitäten und schwersten Fällen chronischer Kriminalität. Entsprechend können die höchsten Grade der Fahrlässigkeit erreicht werden, wenn ein Heilkundiger ohne genügende Vorbildung und ohne die konkret erforderlichen Hilfsmittel die Behandlung einer als ernst erkennbaren Krankheit übernimmt 74 ); auch wenn sich ein Arzt nicht mit den Fortschritten seiner Wissenschaft vertraut macht 76 ). Ein Gleiches gilt von allen anderen verantwortungsvollen Berufen, Lebensstellungen und augenblicklichen Lebenslagen. Zu erwägen ist, ob der Gesetzgeber nicht ein fahrlässiges Betrugsdelikt aufstellen sollte, bei dem wenigstens für die Vermögensbeschädigung bewußte Fahrlässigkeit genügte; es könnten dann auch die politischen und wirtschaftlichen Kurpfuscher und Hochstapler besser erfaßt werden. Der Grad der Fahrlässigkeit richtet sich nach der Schwere der erkennbaren Gefahr, nach dem Grad des Leistungs- sowie des Wissensmangels, nach dem Grad der anti- oder asozialen Gesinnung, auch nach dem Maße, in dem der Täter Kenntnisse zwar gehabt hatte, aber nicht zur rechten Zeit besaß oder wegen äußerer Einflüsse besitzen konnte (vgl. die Staffel II 2).

b) Die unzureichende Betätigung der zureichenden Fähigkeiten bei naher Möglichkeit der Betätigung trotz Gefahrdrohung gehört mit zu den schwersten Fällen der Gleichgültigkeit sowie der Leichtfertigkeit, ja des Leichtsinns. Hier rückt der Grad der anti- oder asozialen Gesinnung noch weit mehr in den Vordergrund. Außerdem kommen für die Bemessung der Fahrlässigkeit in 78

) RG 58,30; 60,351; 67, 20. « ) RG 59,355; 74,60. 75 ) RG 67, 23.

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Das Verbrechen als Schuld

§ 2 2 ΙΠ 2

Betracht die Schwere und Nähe der Gefahr, die soziale Wichtigkeit der Pflicht, das Maß der Erkennbarkeit für den Täter sowie der Abhängigkeit von äußeren Einflüssen, die Möglichkeit und Bereitschaft anderer Hilfen und Abwehrmittel, das Vorhandensein von Zweifeln und Bedenken sowie die Art ihrer Beseitigung (Staffel oben II 2). Oft treten hinzu noch besondere Pflichten, so zur Vorprüfung, zur Vorbereitung, zur Sammlung und Anspannung des Willens, zur Zuziehung von Sachverständigen oder Spezialisten, zur Aufklärung, zur Erkundigung und Befragung des Opfers oder Dritter, zur Annahme oder Auswahl von Hilfen und Hilfspersonen, zur Überwachung und Nachprüfung, zur Belehrung Unkundiger (Kranker, Angestellter)'8). Auch die Umwelt, Zeit und Örtlichkeit bedürfen eingehender Berücksichtigung. Die Anforderungen sind entsprechend geringer, wenn bei Gefahr im Verzuge eine gefährliche Operation notwendig wird auf dem Land, bei einem Neubau, in einer Baracke, bei ungünstigen Temperaturen, ohne geschultes Pflegepersonal, bei Mangel an Medikamenten und an notwendigem Material, wie bei Kriegen und in anderen Zeiten der Not. — Über Besonderheiten der Berufsfahrlässigkeiten vgl §§ 222, 230. In Betracht kommen kriminologisch vor allem Verkehrseinrichtungen, Heilkunde, Baufach, Verkauf gesundheitsschädlicher Waren. Vgl. Bes. Teil über Tötung S. 262/4, über Körperverletzung S. 286/7. c) Die Voraussehbarheit des Schadens, der Wahrscheinlichkeit des Erfolgseintritts, hatte man oft und namentlich früher als Hauptkennzeichen der Fahrlässigkeit überhaupt bezeichnet 77 ); sie macht das Wesen der (adäquaten) Kausalität aus und gehört objektiv zur Kechtswidrigkeit, subjektiv zur bewußten wie zur unbewußten Fahrlässigkeit. Für den Grad der Kenntnisse ist wiederum die Staffel II 2 zu beachten. Mit dem Wandel der Verkehrsverhältnisse und der Bereicherung an Verkehrsmitteln haben auch die Anschauungen der Bevölkerung und das Verhalten der aktiv Beteiligten wesentliche Änderungen erfahren. So mußte der Kraftwagenführer, der Motorradfahrer früher mit der Unvorsichtigkeit und Sorglosigkeit der Straßenbenutzer rechnen und beständig auf Regelwidrigkeiten gefaßt sein, so daß er selbst zu erhöhter Aufmerksamkeit und Bereitschaft verpflichtet war; heute tritt mit der Verfeinerung der Verkehrsvorschriften und der Erziehung aller Bevölkerungsschichten selbst auf dem Lande und in verkehrsärmeren Gegenden eine erhebliche Entlastung der Fahrer ein78). Anderseits sind deren Pflichten, 7β ) Zahlreiche Anwendungen bei Binding Normen IV, Engisch Untersuchungen, Nagler LK 391 ff.; vgl. RG 19, 342; 20, 311; 22, 297; 25,122; 39, 317; 57,151; 58,133; 59, 286; 67, 24; 71,124. Nach BGH NJW 52,1102 muß der Arzt die Röntgenschwester überwachen; nach BGH 3,175 der Fahrgast den angeheiterten Chauffeur an der Fahrt hindern, nach BGH 4, 20 der Gastwirt den im Lokal befindlichen angetrunkenen Kraftfahrer nicht abfahren lassen. Weitere Fälle in m. Syst. Bes. Teil S. 262, 286. " ) v. Liszt faßte Fahrlässigkeit als NichtVoraussicht des voraussehbaren Erfolges. Vgl. RG 76,1. 78 ) RG 71, 80, 85 gegenüber RG 65,140. Lehrreich die Fälle des RG bei Exner in Frank-Festg. 1930 I 579/80.

§ 22 ΠΙ 2, 3

Fahrlässigkeit

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mit der Zunahme der Verkehrsmittel (Krieg, Besatzungsmächte) und der Einsparung von Verkehrslenkern an gefährdeten Kreuzungspunkten wiederum bedeutend verschärft. Auch die Fahrgäste werden zur Mitverantwortung und notfalls zum tätigen Eingriff um so mehr herangezogen, je weiter die technische Erfahrung und Übung des interessierten Publikums um sich greift. Die Pflichten wandeln sich über die Straßenverkehrs VO v. 37, 52, 53 hinaus beständig und können nie in erschöpfender Weise abstrakt-normativ niedergelegt werden. Der Verkehr reguliert sich, wie überhaupt weite Gebiete des sozialen Lebens, in zunehmendem Maße von selbst, so daß zunehmend mit der Normalität des Verkehrsablaufs gerechnet und ein triftiger Anlaß für die Annahme eines atypischen Geschehens abgewartet werden muß 79 ). Hiernach sind auch die Maßstäbe und Grade strafwürdiger Unsorgfältigkeit, Gleichgültigkeit und Leichtfertigkeit in dauerndem Wandel begriffen. — Für Medizinalpersonen und alle an der Gesundheitspflege Beteiligten erleichtert die Zunahme von Erkenntnis und Erfahrung, Schulung und Fortbildung eine sachgemäße Prognose, Diagnose, Behandlung, Nothilfe und Vorbeugung, verschärft deswegen aber auch die Sorgfaltspflicht und die Haftung für Fahrlässigkeit auch in deren unteren, der Straflosigkeit angegrenzten Bereichen. Vgl. Bes. Teil über Soziologie und Tatbestand der fahrl. Tötung S. 249/50, 262/4, der Körperverletzung S. 275/6, 286. 3. Gesamtwürdigung. Die vorstehenden Einzelheiten mögen zeigen, wie auf diesem konkret und daher auch normativ unerschöpflichen Gebiet die beiden Staffeln I 2 und II 2, die Maßstäbe und Grade der Fahrlässigkeit zu verstehen und weiter auszubauen sind. Der „buntschillernde" Begriff der Fahrlässigkeit ist abhängig von den nur konkret voll erfaßbaren, alle Normen und Typen durchbrechenden beiden Objekten der Gesamtbeurteilung, der Eigenart der Täterpersönlichkeit und der individuellen Sachlage 80 ). Hier sind überall „konkrete Gestaltungsnormen" aufzustellen und immer neu zu bilden. Im Gegensatz zum Privatrecht kann nicht eine Durchschnittspersönlichkeit, bezogen auf einzelne Interessengebiete, in Frage kommen, sondern es muß Über- wie Unterdurchschnittliches auch mit eigenen Maßstäben bemessen werden. So handelt ein Spezialist, der sonst nur hochwertige Leistungen bietet, zweifellos fahrlässig, gleichgültig bis leichtfertig, wenn er im Einzelfall gegen besseres Können dem Opfer Schaden zufügt, aber eine Durchschnittsleistung bietet; man denke etwa an gefährliche Kehlkopfoperationen, an technische Gutachten über Hoch- und Tiefbau, an Elektrizitätsanlagen usw. Auf der anderen Seite mag ein anderer, der unter größten Anstrengungen und Entbehrungen hinter dem Durchschnitt zurückbleibt, durch Kriegsschäden, wirtschaftliche Not und eigene Krankheit entschuldigt sein81). Nach allen Richtungen und in den verschiedensten Abstufungen sind im Strafrecht Abweichungen und Ausnahmen von der Durchschnittsnorm möglich und '·) RG 70, 74; 72, 55; 73, 206, 241. 80 ) Viele Einzelentscheidungen sind zusammengetragen von Exner a. a. 0. 569 und Nagler in LK 6. A. 388f. 81 ) RG 58, 29.

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Das Verbrechen als Schuld

§ 22 m 3, § 23 I

geboten82), was von Ε 27 durch die Einschränkung der „Nichtzumutbarkeit" mangelhaft angedeutet wird83). Gesetzesvorschlag84): Fahrlässig handelt, wer bei einer Tat wegen mangelnder Sorgfalt, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet u n d fähig ist, entweder nicht weiß oder mit der nur entfernten Möglichkeit rechnet, daß die Tat den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht und daß sie nicht gerechtfertigt oder entschuldigt wird.

§ 23. Schuldfähigkeit (Zurechnungsfähigkeit und Deliktsfähigkeit) Die Gesetze bestimmen in negativ typischer Weise, welche Personen nicht oder nur beschränkt fähig sind, schuldhaft zu handeln. Diese Schuldvoraussetzung steht innerhalb, nicht außerhalb 8 5 ) der Schuld selbst; die Fälle sind echte Schuldtypen. Zwei Gruppen kommen in Betracht: Zurechnungs- und Deliktsfähigkeit (abgesehen von besonderen Schuldvoraussetzungen, vgl. § 24 I I I 1). In den einfach vertypten Fällen wird bestimmt, welche Gründe im Einzelfall die Schuld ausschließen; das sind die psychopathologischen Gründe mangelnder Zurechnungsfähigkeit i. e. S. in § 51 (Bewußtseinsstörung) und in § 55 (Taubstummheit). In den doppelt vertypten Fällen bestimmt das Gesetz, welche Personen generell nicht als schuldfähig gelten, mag bei ihnen im Einzelfall auch volle Schuld vorliegen; das sind die durch das Lebensalter begründeten Fälle mangelnder Deliktsfähigkeit oder Strafmündigkeit nach JugGG. In der zweiten Gruppe könnte ein Deliktsunfähiger im Einzelfall voll schuldhaft handeln (Brandstiftung oder Diebstahl durch einen Elfjährigen). In beiden Gruppen begnügt sich die Rechtsordnung (seit G v. 24.11. 33) nicht mit den genannten naturalistischen (biologischen) Voraussetzungen, sondern stellt noch juristische (normative), typische Merkmale f ü r die Schuld auf, die also aus dem Wesen der Schuld selbst entnommen werden; es befolgt eine sog. verbindende oder gemischte Methode. I . G e m e i n s a m e n o r m a t i v e S c h u l d v o r a u s s e t z u n g e n f ü r §§ 51, 55 und f ü r J u g G G v. 4. 8. 1953 Das „Einfallstor" zu allen Strafrechts- und Straftheorien von den naturalistischen Außenbezirken her, insbesondere der Psychiatrie! Demgegenüber wollen neuere, namentlich im Ausland aufgekommene Bestrebungen ältere, vermeintlich allein exaktwissenschaftliche, naturwissenschaftlich gerichtete Gedanken (Lombroso, Perri) erneuern. Sie möchten die Grenze zum normativen Strafrecht verwischen und 82

) RG 69, 341; 60, 86. ) RG 30, 25 (Benutzung verkehrsunsicherer Pferde: Leinenfängerfall); 36, 78; 74,195 (der Straßenbahnschaffner hält sich an eine mangelhafte Dienstanweisung). 84 ) ZStrW 51 (1931), 183. 85 ) Ν agier in LK, Kohlrausch u. a.; richtig Frank. 83

§ 28 1

Schuldfähigkeit (Zurechnungsfähigkeit und Deliktsfähigkeit)

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die an sich begrüßenswerte Zusammenarbeit von Richtern und Ärzten erweitern, ja den Begriff Zurechnungsfähigkeit ganz ausschalten; hiermit wäre die Unterscheidung von Strafen und Sicherungsmitteln („Zweispurigkeit", unten § 31) gemäß anderen modernen („antimetaphysischen") Tendenzen überwunden 854 ). 1. Zurechnungsjähigkeit ist hiernach die Fähigkeit, das Unrecht der Tat einzusehen und86) nach dieser Einsicht zu handeln; d. i. vertypter, generalisierter Vorsatz, der ja dieselbe Formel aufweist. Die systematisch richtige Reihenfolge, die selten befolgt wird (wohl aber vom Gerichtsurteil!), ist daher: Vorsatz — Zurechnungsfähigkeit — Deliktsfähigkeit. Unrecht ist material zu verstehen; um dies klarzustellen, sagten die neueren Entwürfe nicht mehr wie früher „Rechtswidrigkeit" oder „das Ungesetzliche" (JugGG v. 23) oder gar „Strafbarkeit" (StGB bis 23), sondern „das Unrechtmäßige" (E 27) oder „das Unerlaubte" (E 25; so noch die neuere Fassung der §§ 51, 58 seit G v. 24.11. 33); JugGG 53 § 3 sagt „Unrecht". Sachlich ist überall das gleiche, das materiale Unrecht, also die Sozialgefährlichkeit oder Sozialschädlichkeit gemeint; das Unerlaubte betont vielleicht etwas stärker die sozialethische Seite (die aber noch zur Rechtsidee, zum Juristischen Grundgesetz gehört). Während StGB früher nur die intellektuale Seite nannte und als Maßstab für die Zurechnungsfähigkeit im Anschluß an das französische Recht die zur Erkenntnis der Strafbarkeit erforderliche Einsicht verlangte, ist seit JugGG v. 23 mit Recht der emotionale Gehalt an die Seite gestellt. Wenn vorsätzliches Handeln ein Handeln trotz Kenntnis des Unrechts bedeutet, so besteht die Zurechnungs-, Schuld-, insbesondere Vorsatzfähigkeit in der Fähigkeit, das Unrecht zu erkennen und sich demgemäß zu einem Handeln zu entschließen, d. h. zum rechtmäßigen Handeln, also der Versuchung zum 85s ) So in Schärfe die nordischen Staaten (nach dem Bericht Simsons ZStrW 64,1952,353ff.). Dagegen das überwiegende Ausland, vgl. Mat. II A 345. ββ ) § 51 η. F. verleitet durch seine negativ alternative Fassung zur unlogischen Übertragung ins Positive. Logisch unrichtig heißt es ζ. B. selbst im ausgezeichneten LK 6. A S. 397 (Z. 12 v. u.): Schuldfähigkeit ist nach § 51 die „Fähigkeit, das Unerlaubte der Tat einzusehen oder (lies: und) nach dieser Einsicht zu handeln, ebenso RG 69, 213; 73,121". In der Fassung des Gesetzes liegt sodann eine unfreiwillige Komik: Zurechnungsfähig ist, wer zu jeder Schandtat fähig ist! Hier rächt sich die negative Fassung; das Gesetz sollte richtiger das Gegenteil sagen: unfähig, das Unerlaubte der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht (d. h. des Unrechts!) nicht zu handeln, oder: anders als geschehen zu handeln, oder: nicht nach dieser Einsicht, d. h. des Unrechts, sondern nach einer besseren Einsicht zu handeln. Die Komik erhöht sich, wenn sich die Juristen darauf berufen, die Vorschrift wäre in dieser Fassung von den Medizinern gebilligt, denen die Gesetzgebungskommission die Formulierung zur Begutachtung vorgelegt habe. Sie hätten daraufhin auch Vertreter der Logik angehen sollen. — Uber Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte des §51 Seelig in Mezger-Festschr. 1954, 213; daselbst Probleme der Fassung: psychologische Bestimmung der Fähigkeit, gemäß der Einsicht zu handeln, während Mezger nur eine normative Bestimmung für möglich hält (224/5).

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Das Verbrechen als Schuld

§23 I

Unrecht zu widerstehen. Der Zurechnungsfähige betätigt typisch ein bewußt unerlaubtes Wollen und "Wirken. Die Bestandteile der Zurechnungsfähigkeit schließen sich daher eng an den Aufbau des Wollens und Wirkens an (oben §§ 15, 19); sie fassen dessen Elemente generalisierend zusammen. Zurechnungsfähigkeit enthält insbesondere, wie der frühere § 51 einseitig und miß verständlich hervorhob 86 a), die „Fähigkeit zur freien Willensbestimmung", d. h. zur Selbstbestimmung beim Entschluß und Willensantrieb mit der Möglichkeit, sich anders zu entschließen und anders zu handeln. Hierin liegt die selbständige schöpferische Verbindung aller zum schädlichen Erfolg hinstrebenden und sie durchkreuzenden Vorstellungen und Gefühle zu einem einheitlichen, klar bestimmten Willensakt mit dem Leitmotiv zu den folgenden Willensantrieben und Einzelakten bis zum erstrebten Erfolg, dazu das Vermögen, die Willensantriebe und Willenshemmungen gegeneinander abzuwägen 87 ) und in diesem Kampf der Motive und Gegenmotive sich selbständig zu bestimmen, alles begleitet von der Kenntnis des Unrechts. 2. In diesem Willens- und Wirkenszusammenhang ist auch enthalten die von Deterministen einseitig und mißverständlich bezeichnete „normale Bestimmbarkeit durch Motive", wobei „normal" aber nicht als durchschnittlich, sondern als frei und selbständig zu verstehen ist: nicht der Durchschnittsmensch, sondern der sittliche Mensch bildet die Norm. Wichtig ist, daß das intellektuale und das emotionale Element im Zusammenhang stehen: das Wollen und Handeln müssen bewußt normgemäß geschehen. Es dürfen also Einsicht und Wille nicht unabhängig nebeneinander herlaufen; so kann die Einsicht vorhanden sein, ihr aber kein Wollen entsprechen, wie bei Trieb-, Sexual-, Altersdelikten88), oder der Wille mag sich nicht von der an sich vorhandenen Einsicht bestimmen lassen, sondern von Nützlichkeitserwägungen. Zurechnungsfähigkeit kann auch vorliegen, wenn der Täter das volle Verständnis für den Sachverhalt wie für sein Unrecht besitzt89). 3. Vom rein deterministischen Standpunkt ist eine befriedigende Bestimmung der Zurechnungsfähigkeit nicht möglich. Dies gilt von den bekannten Versuchen, die Zurechnungsfähigkeit zu retten als Fähigkeit zu charaktermäßigem Verhalten oder als normale Bestimmbarkeit durch Motive oder durch die Strafdrohung oder durch die Strafwirkung oder gar durch den Strafvollzug. Zurechnungsfähigkeit wäre Eindrucksfähigkeit der Strafandrohung oder Empfänglichkeit für sie. Danach wären nur der Durchschnitts-, der Normalmensch, der erst- und einmalige Täter zurechnungsfähig, nicht aber der chronische Täter, der Gewohnheitsverbrecher, der Unverbesserliche, aber auch nicht der Uberzeugungstäter. Zwischen chronischer Schwerkriminalität und Geisteskrankheit bestünde kein Unterschied, wie schon gegen v. Liszt seit den von Birkmeyer und Nagler herausgegebenen Streitschriften immer wieder eingewendet 8ia ) Die neue Fassung will gegenüber der alten jedoch sachlich nichts Neues erfordern, worauf Mezger Stud. §63 (S. 141) zutreffend hinweist (eingehend §§58ff.). 87 ) Hervorgehoben wiederholt vom RG, vgl. 57, 76; 63, 46. 88 ) Vgl. RG 73,122. 8e ) HRR 39, 632.

§ 23 I

Schuldfähigkeit (Zurechnungsfähigkeit und Deliktsfähigkeit)

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wurde. Maßgebend müßte dann auch ein falscher Zeitpunkt sein, das Urteil oder der Vollzug, während die Zeit der Tat offenbar entscheidet. Endlich sind jene Ansichten einseitig auf Freiheitsstrafen eingestellt, während sie gegenüber der Geldstrafe und anderen Strafen versagen. Jenen Ansichten liegt eine andere Schuldauffassung zugrunde (vgl. §§ 19, 20), auch eine andere Strafrechtstheorie (Sicherung, Erziehung, Abschreckung). 4. Verminderte Schuldfähigkeit (Zurechnungsfähigkeit), § 51 Abs. 2, liegt vor, wenn die krankhaften Geisteszustände die Fähigkeit, das Unerlaubte der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, zur Zeit der Tat erheblich vermindern; hier kann der Richter die Strafe nach den Vorschriften über die Versuchsbestrafung mildern. Er kann sie auch verschärfen, ζ. B. bei chronischer Trieb- und Schwächekriminalität. Von dieser einst heftig umstrittenen Vorschrift werden nicht etwa jene unvermeidlichen Grenzfälle zwischen Zurechnungsfähigkeit und Zurechnungsunfähigkeit erfaßt, sondern die Fälle verminderter Schuld 90 ), also nur Fälle echter Schuld. Die Vorschrift enthält eine Strafbemessungsregel nach dem Maßstab vergeltender Gerechtigkeit und im Einklang mit dem Schuldprinzip 91 ). Die Frage, ob die Tat dem Täter zuzurechnen, sein Wille für sie verantwortlich zu machen ist, kann jedoch nur entweder bejaht oder verneint werden; im Fall der sog. verminderten Zurechnungsfähigkeit wird sie bejaht und wird nur ein geringerer Schuldgrad festgestellt. Diese Verminderung muß erheblich und zur Tat kausal sein, mit ihr im Motivations- und Wirkungszusammenhang stehen; außer Betracht würden z.B. ein Betrug oder ein Diebstahl durch einen in sexueller Hinsicht pervers Veranlagten bleiben. Die „Verminderung" bezieht sich also auf die rechtliche Seite, auf die Schuld, nicht auf die pathologischen Zustände, die an sich bereits viele graduell verschiedene Erscheinungsformen aufweisen: psychopathische Minderwertigkeit, Schwachsinn, Hysterie, Fanatismus, Stimmungslabilität, sexuelle Triebanomalie und Spätreife. In Betracht kommen hiernach vor allem Trieb- und Schwächedelikte haltloser, willensschwacher Personen. — Vermindert zurechnungsfähig können auch asoziale, selbst antisoziale Personen sein, ja „gefährliche Gewohnheitsverbrecher" nach § 20a 91a ), obwohl bei ihnen regelmäßig die Schuld nicht vermindert, sondern im Gegenteil gesteigert sein wird; die Minderung kann aber die Fähigkeit betreffen, nach ihrer besseren Einsicht zu handeln. Hier wird entsprechende Sicherung einzutreten haben; auch kann das Gericht von Strafmilderung absehen. Von Psychiatern und noch mehr von Juristen wurde wiederholt vor zu weitgehender Anwendung der 90

) RG 72, 259; 73,121. ) Nach Dahm und Bockelmann soll dagegen die Vorschrift umgekehrt vom Schuldprinzip der Einzeltatschuld abfallen und ein neues Schuldprinzip (Lebensführungsschuld) einführen; vgl. oben §20. Die von uns eingeführte chronische Tendenzschuld ist jedoch nur eine Abart der echten Einzeltatschuld. Abweichende Erklärungen auch bei Welzel und v. Weber. Wie der Text jetzt Mezger Stud. § 64 und LK 347. »*) RG 73, 47; 74, 218; BGH MonDR 51, 403; 52, 16. M

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Das Verbrechen als Schuld

§28 Π

Milderungsbefugnis gewarnt 91b ); vielmehr ist der minderwertig veranlagte Mensch dahin zu erziehen, notfalls im Wege der Strafe, durch erhöhte Anstrengungen den rechtlich-sozialen Pflichten zu genügen91"). II. Pathologische Voraussetzungen 1. Die rechtlichen Ausschlußgründe (oben I) müssen auf den pathologischen Voraussetzungen b e r u h e n : also Kausal- u n d W i r k u n g s z u s a m m e n h a n g ; nicht ausreichend ist, daß beide Gründe nebeneinander bestehen. Die B e d e u t u n g der pathologischen Einflüsse wird von medizinischer Seite meist überschätzt; der Jurist k a n n unmöglich bei allen Abweichungen v o m Gesundheitszustand, in denen der Arzt bereits K r a n k h a f t e s feststellt, auch die Schuldfähigkeit verneinen. Der Jurist zieht die Grenzen daher oft anders als der A r z t ; i h m liegt ob, staatliche u n d sozialethische Notwendigkeiten zu wahren, zur Erziehung u n d Selbsterziehung anzuhalten, die Überwindung leichterer psychopathischer Zustände u n d leichterer erblicher Belastung zur Pflicht zu machen, die Freiheit des Willens u n d die Pflicht zur Freiheit einzuschärfen. Das wertvolle Ergebnis moderner naturwissenschaftlicher Forschungen darf nicht m i ß b r a u c h t werden u n d sich sozialpädagogisch ungünstig auswirken. In gewissem Sinne m u ß hier gelten: in dubio contra. 2. Außerhalb der Schuld- wie überhaupt der Willenssphäre liegen und sind daher nicht als Schuldausschließungsgründe aufzufassen Schlaf und Schlaftrunkenheit. Wohl aber gehören die reinen Triebakte in diesen Bereich92). Sog. fixe Ideen, zumal hochwertiger Art, berühren nur selten die Zurechnungsfähigkeit, ebensowenig Angstund Furchtzustände. Dagegen können Wahnvorstellungen einen solchen Grad annehmen, daß sie die Zurechnungsfähigkeit ausschließen, z.B. Größen-, Verfolgungs-, Eifersuchts-, Querulantenwahn; fraglich, ob nur auf einem engeren Gebiete. Partielle Zurechnungsfähigkeit wurde früher als möglich anerkannt, später abgelehnt, dann mit Zurückhaltung wieder anerkannt 93 ). Umgekehrt gibt es aber eine partielle Zurechnungsfähigkeit bei Geisteskranken. Die umstrittene Möglichkeit moralischen Irreseins bei sonstiger geistiger Normalität ist zu verneinen; die gegenteilige Feststellung wird regelmäßig auch sonstige Defekte erkennen, die ätiologisch auf psychopathologischer Organisation beruhen, oft eine Folgeerscheinung von Gehirngrippe sind 94 ). Dagegen sind die oft als Entschuldigung angesehenen Monomanien meist ein Ausdruck hochgradiger chronischer Kriminalität, können aber auf allgemeiner, vielleicht erst beginnender Erkrankung beruhen. Im Anfangsstadium einer Psychose 91b

) Allerdings neigen viele Ärzte zu sehr weiter Annahme verminderter Zurechnungsfähigkeit; vgl. Schönke § 51 III, Aschaffenburg in RGFestg. 1929 V 242, Gruhle in Ponsolds Lehrb. d. gerichtl. Med. 1950, 95, Nagler in LpzK 6. Α zu § 51 S. 406 ff. el