Actio de dolo: Arglistklage im römischen Recht 9783428159116, 9783428559114, 342815911X

Die römische Arglistklage, entfernter Vorläufer des heutigen Schadensersatzanspruchs aus 826 BGB, kennzeichnet ein Missv

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German Pages 126 [127] Year 2020

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Inhaltsverzeichnis
Erster Teil: Das Edikt und seine Auslegung
§ 1 Das Edikt wider den dolus
I. Die Klageverheißung
II. Die Veränderung der Klagefrist
III. Die proponierte Klageformel
§ 2 Subsidiarität und Infamie
I. Der Nachrang der Arglistklage
II. Die ignominia des verurteilten Täters
III. Der Zusammenhang
§ 3 Der Haftungstatbestand
I. Zwei Definitionen?
II. Dolus bonus und dolus praesens
III. Subsidiarität im weiteren Sinne
Zweiter Teil: Anwendungsfälle
§ 4 Täuschung im Rechtsverkehr
I. Abschluss von Schuldverträgen
II. Aufhebung von Verpflichtungen
III. Täuschung bei Erbfolge und Freilassung
§ 5 Andere Vermögensschäden
I. Kollusion
II. Urkundenunterdrückung
III. Umgehung adjektizischer Verpflichtung und Amtsträgerhaftung
§ 6 Eigentumsverletzung
I. Nachbildung der aquilischen Haftung
II. Ergänzung der Diebstahlshaftung
III. Eigentumsstörung
§ 7 Beeinträchtigung obligatorischer Rechte
I. Strengrechtliche Verpflichtung und bona fides
II. Perpetuatio obligationis als Vorbild
III. Noxalverpflichtung und Rechtsmängelhaftung
§ 8 Unvollkommene Verbindlichkeiten
I. Innominatrealkontrakte
II. Unerfüllte Schenkungen und unwirksame Aufträge
III. Vertragsähnliche Verhältnisse
Fazit
Literaturverzeichnis
Quellenverzeichnis
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Actio de dolo: Arglistklage im römischen Recht
 9783428159116, 9783428559114, 342815911X

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Schriften zur Rechtsgeschichte Band 190

Actio de dolo Arglistklage im römischen Recht

Von

Jan Dirk Harke

Duncker & Humblot · Berlin

JAN DIRK HARKE

Actio de dolo

Schriften zur Rechtsgeschichte Band 190

Actio de dolo Arglistklage im römischen Recht

Von

Jan Dirk Harke

Duncker & Humblot · Berlin

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2020 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0720-7379 ISBN 978-3-428-15911-6 (Print) ISBN 978-3-428-55911-4 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Inhaltsverzeichnis Erster Teil Das Edikt und seine Auslegung

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§ 1 Das Edikt wider den dolus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Klageverheißung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Veränderung der Klagefrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die proponierte Klageformel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7 7 9 10

§ 2 Subsidiarität und Infamie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der Nachrang der Arglistklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die ignominia des verurteilten Täters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Der Zusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 3 Der Haftungstatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zwei Definitionen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Dolus bonus und dolus praesens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Subsidiarität im weiteren Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31 31 34 36

Zweiter Teil Anwendungsfälle

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§ 4 Täuschung im Rechtsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Abschluss von Schuldverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Aufhebung von Verpflichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Täuschung bei Erbfolge und Freilassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 5 Andere Vermögensschäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Kollusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Urkundenunterdrückung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Umgehung adjektizischer Verpflichtung und Amtsträgerhaftung . . . . . . . . .

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§ 6 Eigentumsverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Nachbildung der aquilischen Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ergänzung der Diebstahlshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Eigentumsstörung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis

§ 7 Beeinträchtigung obligatorischer Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Strengrechtliche Verpflichtung und bona fides . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Perpetuatio obligationis als Vorbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Noxalverpflichtung und Rechtsmängelhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 8 Unvollkommene Verbindlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Innominatrealkontrakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Unerfüllte Schenkungen und unwirksame Aufträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Vertragsähnliche Verhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122

Erster Teil

Das Edikt und seine Auslegung § 1 Das Edikt wider den dolus I. Die Klageverheißung Durch Cicero ist die actio de dolo mit dem Namen von Aquilius Gallus verknüpft: Cic off 3.14.60 Nondum enim C. Aquilius, collega et familiaris meus, protulerat de dolo malo formulas; in quibus ipsis, cum ex eo quaereretur, quid esset dolus malus, respondebat, cum esset aliud simulatum, aliud actum. Aquilius Gallus, mein Kollege und Freund, hatte nämlich noch nicht die Formeln wegen Arglist geschaffen; auf die Frage, was Arglist hierin bedeutete, antwortete er, dass etwas vorgetäuscht und etwas anderes getan wird. Cic nat deor 3.30.74 . . . inde everriculum malitiarum omnium, iudicium de dolo malo, quod C. Aquillius familiaris noster protulit; quem dolum idem Aquillius tum teneri putat, cum aliud sit simulatum, aliud actum. . . . daher hat unser Freund Aquilius Gallus als Kehrbesen für alle Boshaftigkeit die Klage wegen Arglist geschaffen; eine solche Arglist sei, wie er glaubte, anzunehmen, wenn etwas vorgetäuscht und etwas anderes getan wird.

Auch wenn offen ist, ob dieser Jurist die Klage während seiner Prätur 66 v. Chr. regelrecht eingeführt oder schon vorher als Jurist vorgeschlagen hat,1 können wir sie doch zuverlässig auf die erste Hälfte des letzten Jahrhunderts vor der Zeitenwende und damit besser als fast alle anderen Klagerechte datieren. Den Text der einschlägigen Klageverheißung gibt Ulpian in seinem Ediktskommentar wieder: D 4.3.1.1 Ulp 11 ed Verba autem edicti talia sunt: ,quae dolo malo facta esse dicentur, si de his rebus alia actio non erit et iusta causa esse videbitur, iudicium dabo.‘ Der Wortlaut des Edikts aber ist folgender: „Wird vorgetragen, dass etwas arglistig geschehen ist, werde ich, falls in dieser Sache keine andere Klage gegeben ist und ein berechtigter Grund vorliegt, eine Klage erteilen.“ 1 von Lübtow, Ursprungsgeschichte, S. 190, Carcaterra, S. 59. Dass Aquilius Gallus sie schon vor Antritt seines Prätorenamts als Gelehrter konzipiert hat, nehmen d’Ippolito, Labeo 41 (1995) 247, 250 und Lambrini, Dolo generale, S. 70 deshalb an, weil ihrer Erwähnung in Ciceros de natura deorum die Prätur Aquilius Gallus’ vorangeht.

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1. Teil: Das Edikt und seine Auslegung

Einer Kürzung durch die Kompilatoren zum Opfer gefallen ist vermutlich der Hinweis auf die Befristung der Klage. Nach klassischem Recht ist sie innerhalb eines Jahres ab dem Moment zu erheben, in dem der Geschädigte erstmals die Möglichkeit zur Rechtsverfolgung hat.2 Angedeutet finden wir diese Verjährung mit subjektivem Fristbeginn in den Digesten nur an versteckter Stelle. Im einen Fall bildet er den Ausgangspunkt für einen Schluss auf die Klage wegen Erschöpfung des Sonderguts: D 15.1.30.6 Ulp 29 ed In dolo obiciendo temporis ratio habetur: fortassis enim post tempus de dolo actionis non patietur dolum malum obici praetor, quoniam nec de dolo actio post statutum tempus datur. Wird Arglist eingewandt, kommt es auf den Zeitablauf an; vielleicht lässt der Prätor nämlich nach der Frist für die Arglistklage den Einwand der Arglist nicht zu, weil auch die Arglistklage nach dem festgesetzten Zeitraum nicht mehr gewährt wird.

Im anderen erklärt Paulus die mangelnde Befristung der exceptio doli damit, dass der Geschädigte es hier anders als bei der actio de dolo nicht in der Hand habe, wann der Rechtsstreit eingeleitet wird: D 44.4.5.6 Paul 71 ed Non sicut de dolo actio certo tempore finitur, ita etiam exceptio eodem tempore danda est: nam haec perpetuo competit, cum quidem in sua potestate habeat, quando utatur suo iure, is autem cum quo agitur non habeat potestatem, quando conveniatur. Ist die Arglistklage nach einer bestimmten Frist ausgeschlossen, ist die Einrede nicht ebenfalls nur innerhalb derselben Frist zu gewähren; denn sie steht ohne zeitliche Beschränkung zu, weil jemand es zwar in der Hand hat, ob er von seinem Klagerecht Gebrauch machen will, der Beklagte aber nicht, wann er belangt wird.

Dass die Jahresfrist zur Klageerhebung subjektiv angeknüpft ist und nur läuft, wenn der Geschädigte zu ihr faktisch in der Lage ist, bezeugt zudem eine Entscheidung der kaiserlichen Reskriptenkanzlei unter Gordian: CJ 2.20.3 (a 240) Imp. Gordianus A. Aquilino. Non possunt obesse tibi tempora, quae in actione de dolo solent computari, quibus rei publicae causa, ut adlegas, occuparis: sed exinde tibi incipiet tempus cedere, ex quo muneribus liberatus facultatem agendi intra praestituta tempora coeperis obtinere. Kaiser Gordian an Aquilino. Dir kann der für die Arglistklage maßgebliche Zeitraum nicht schaden, wenn du, wie du behauptest, mit Staatsgeschäften betraut warst; die Zeit läuft für dich vielmehr ab dem Moment, in dem du nach Befreiung von deiner Last die Möglichkeit hattest, innerhalb der festgelegten Zeit zu klagen.

2 Lenel, EP, S. 114 rechnet für die Klageverheißung mit der Formulierung: ,intra annum, cum primum experiundi potestas fuerit‘.

§ 1 Das Edikt wider den dolus

9

II. Die Veränderung der Klagefrist Der Bescheid Gordians hat wohl nur versehentlich Eingang in die justinianische Kodifikation gefunden. Er ist bei deren Entstehung nämlich durch eine Reform Konstantins überholt, die auch der Grund dafür ist, dass die Kompilatoren die Jahresfrist aus dem bei Ulpian überlieferten Ediktswortlaut herausgestrichen haben. In Justinians Codex bildet Konstantins Gesetz den Abschluss des Titels über die actio de dolo:3 CJ 2.20.8 (a 319) Imp. Constantinus A. ad Symmachum vic. Optimum duximus non ex eo die, quo se quisque admissum dolum didicisse memoraverit, neque intra anni utilis tempus, sed potius ex eo die, quo adseritur commissus dolus, intra continuum biennium de dolo actionem moveri, sive afuerit sive praesto est is, qui dolum se passum esse conqueratur. omnes igitur sciant neque incipiendae post biennium neque ante completum biennium coeptae, post biennium finiendae doli actionis concessam licentiam. Kaiser Konstantin an den Vikar Symmachus. Uns erscheint richtig, dass die Arglistklage nicht innerhalb der Frist eines Jahres ab dem Tag, ab dem jemand bemerkt hat, dass Arglist angewandt worden ist, sondern innerhalb einer durchgängig laufenden Frist von zwei Jahren ab dem Tag, für den die Begehung der Arglist behauptet wird, angestellt werden kann, sei es, dass derjenige, der vorbringt, Arglist erlitten zu haben, abwesend oder anwesend ist. Alle sollen daher wissen, dass es weder gestattet ist, die Arglistklage nach Ablauf von zwei Jahren zu erheben, noch erlaubt ist, ein vorher aufgenommenes Verfahren nach dem Ablauf von zwei Jahren zu Ende zu führen.

Die Umstellung auf einen objektiven Fristbeginn mit Tatbegehung ist erkennbar dazu gedacht, die Rechtssicherheit zu stärken. Diese leidet nicht unempfindlich, wenn ein Rechtsakt noch nach vielen Jahren mit der Behauptung angegriffen werden kann, er beruhe auf einer bislang noch unerkannt gebliebenen oder aus anderen Gründen nicht zu verfolgenden Arglist des Schädigers. Beginnt die Frist mit dem Zeitpunkt der behaupteten Tat zu laufen, kann der Rechtsverkehr nach ihrem Verstreichen auf den Bestand des betroffenen Rechtsaktes vertrauen.

3 Ausführlicher ist die Entscheidung in CTh 2.15 überliefert: Imp. Constantinus A. ad Symmachum v. Optimum duximus, non ex eo die, quo se quisque admissum dolum didicisse memoraverit, neque intra anni utilis tempus, sed potius ex eo die, quo asseritur commissus dolus, intra continuum tempus anni, eis, quibus esse decertandi ius invenitur, eiusmodi actionem causa cognita deferri; ita ut, si forte is, contra quem res agitur, longius ullo genere discesserit, nec denuntiandi necessitate petitor oneretur, nec eius, qui aberit, praesentia postuletur. nec tamen assistere, si velit, quisquam prohibeatur examini, contra quem decernenda intentio huiusmodi fuerit expetita: ita ut, impetrata doli actione, lis ad suum iudicem translata intra biennii spatium decidatur, ratione temporis custodita, quum legitime fuerit apud suum iudicem coepta, exemplo litium ceterarum. perpetuo vero silentio conquiescat, nisi ex die, quo impetrata fuerit actio, intra continuum biennium, quod sequitur, omnis lis fuerit decisa. omnes igitur sciant, neque incipiendae post biennium, neque ante completum biennium coeptae, post biennium finiendae doli actionis concessam licentiam.

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1. Teil: Das Edikt und seine Auslegung

Mit der zugleich angeordneten Verlängerung der Frist von einem auf zwei Jahre schafft Konstantin einen pauschalen Ausgleich für die nunmehr fehlende Rücksicht auf den individuellen Kenntnisstand des Geschädigten und seine Möglichkeiten zur Rechtsverfolgung. Im Unterschied zu anderen Delikten erheischt gerade das Wissen von der Tat bei der actio de dolo besondere Beachtung, weil das verübte Unrecht, wenn es in einer Täuschung besteht, gerade darauf gerichtet ist, die Schädigung des Opfers zu verbergen.4 Nicht eindeutig, aber doch wahrscheinlich ist, ob Konstantins Reform auch die Bereicherungsklage erfasst, die im klassischen Recht auch nach Ablauf der einjährigen Klagefrist gegen den Täter gewährt wird, damit diesem aus seiner Tat kein Vorteil verbleibt. Erwähnt finden wir die Klage in einem Auszug aus Gaius’ Kommentar zum Provinzialedikt, den die justinianischen Gesetzesredaktoren vielleicht wiederum aus Versehen in die Kompilation aufgenommen haben: D 4.3.28 Gai 4 ed prov . . . cui conveniens est, ut et in ipso, qui dolo commiserit, in id quod locupletior esset perpetuo danda sit in factum actio. . . . Dem entspricht es, dass auch gegen denjenigen, der sich arglistig verhalten hat, ohne zeitliche Befristung eine Tatsachenklage auf die noch vorhandene Bereicherung zu gewähren ist.

III. Die proponierte Klageformel Anhaltspunkte für die Rekonstruktion der im Edikt proponierten Formel der actio de dolo bieten zwei Texte aus den Ediktskommentaren Ulpians und Paulus’, die im Digestentitel 4.3 unmittelbar aufeinander folgen: D 4.3.15.3 Ulp 11 ed In hanc actione designari oportet, cuius dolo factum sit, quamvis in metu non sit necesse. Bei dieser Klage muss angegeben werden, durch wessen Arglist es geschehen ist, auch wenn dies bei der Klage wegen Furchterregung nicht notwendig ist. D 4.3.16 Paul 11 ed Item exigit praetor, ut comprehendatur, quid dolo malo factum sit: scire enim debet actor, in qua re circumscriptus sit, nec in tanto crimine vagari. Auch fordert der Prätor, dass dargetan wird, was durch Arglist geschehen ist; der Kläger muss nämlich wissen, wie er übervorteilt worden ist, und darf bei dem Vorwurf dieser Tat nicht vage bleiben. 4 Bemerkenswert ist, dass Konstantin von der herkömmlichen Bezeichnung der Klage als actio de dolo abweicht und sie actio doli nennt. Dieser Begriff erscheint in den Schriften der klassischen Juristen nur zweimal, namentlich in D 46.3.95.1 Pap 28 quaest (s. u. S. 91 f.) und D 44.7.35 Paul 1 ed praet (s. u. S. 25 f.). Er wird später in einer Entscheidung Theodosius’ zur Fortgeltung von Rechtsakten unter der Herrschaft des Usurpators Eugenius erneut verwendet; vgl. CTh 15.14.9 (a 395): . . . doli ac vis et metus inchoata actio in tempus legitimum perseveret . . .

§ 1 Das Edikt wider den dolus

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Dass bei der Erhebung der Arglistklage der Täter bezeichnet werden muss, folgt daraus, dass diese anders als die actio quod metus causa keineswegs in rem konzipiert ist.5 Sie richtet sich nicht gegen einen unrechtmäßigen Zustand und jeden, der hiervon profitiert, sondern allein gegen den Täter, dem der Kläger den Vorwurf arglistigen Verhaltens macht. Folglich müssen das schadensauslösende Ereignis und der Urheber des dolus auch in der Formel genannt sein, die der Prätor im Einzelfall zu entwerfen hat. Dass der Tathergang weiter konkretisiert werden muss, ist unwahrscheinlich. Nach der Wortwahl des Paulusfragments spricht mehr dafür, dass das Delikt abstrakt mit: ,si paret dolo malo Numerii Negidii factum esse, ut . . .‘, benannt wird.6 Näher bezeichnet muss dagegen der Umstand sein, aus dem sich der Schaden ergibt, dessen arglistige Bewirkung der Kläger dem Beklagten vorhält. Die proponierte Formel führt ihn wohl beispielhaft in Gestalt eines Rechtsaktes auf, durch den sich der Kläger einer Sache begeben hat.7 Für den Einzelfall konzipiert, kann die Formel aber natürlich durchaus auch gerade das Ausbleiben eines Rechtserwerbs oder eine sonstige arglistig herbeigeführte Tatsache nennen, die dem Kläger zum Schaden gereicht. Weiterer Bestandteil der Formel ist außer dem Verweis auf die Jahresfrist noch eine Arbiträrklausel. Mit ihr steht die Verurteilung des Beklagten zu ,quanti ea res erit‘ unter dem Vorbehalt, dass er nicht dem Zwischenbescheid des Richters nachkommt und den früheren Zustand von selbst wiederherstellt: D 4.3.18pr Paul 11 ed Arbitrio iudicis in hac quoque actione restitutio comprehenditur: et nisi fiat restitutio, sequitur condemnatio quanti ea res est. ideo autem et hic et in metus causa actione certa quantitas non adicitur, ut possit per contumaciam suam tanti reus condemnari, quanti actor in litem iuraverit: sed officio iudicis debet in utraque actione taxatione iusiurandum refrenari. Auch bei dieser Klage ist eine Rückgewähr aufgrund richterlicher Anordnung zugelassen; und wenn die Rückgewähr ausbleibt, erfolgt die Verurteilung in den Wert der Sache. Und deshalb wird weder hier noch bei der Klage wegen Furcht ein bestimmter Betrag angegeben, damit der Beklagte bei Missachtung des Gerichts in den Betrag verurteilt werden kann, den der Kläger im Verfahren beschwört; aber bei beiden Klagen muss der Eid vom Richter im Rahmen seiner Amtsgewalt durch eine Schätzung begrenzt werden.

Der Restitutionsbefehl, dessen Missachtung den Kläger zu einer eidlichen Bestimmung des Verurteilungsbetrags in den Grenzen einer richterlichen Schätzung berechtigt,8 soll unterbleiben und auch gar nicht in der Formel vorgesehen sein, 5

Vgl. Kupisch, In integrum restitutio, S. 146 ff. Lenel, EP, S. 115. 7 Lenel, EP, S. 115. 8 Hierzu Harke, Der Eid im klassischen römischen Privat- und Zivilprozessrecht, Berlin 2013, S. 159 f. 6

12

1. Teil: Das Edikt und seine Auslegung

wenn eine Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustands in Natur ausgeschlossen ist: D 4.3.18.1 Paul 11 ed Non tamen semper in hoc iudicio arbitri[o] iudicis dandum est: quid enim si manifestum sit restitui non posse (veluti si servus dolo malo traditus defunctus sit) ideoque protinus condemnari debeat in id quod intersit actoris? Bei dieser Klage muss aber nicht immer eine Anordnung des Richters stattfinden; was soll nämlich gelten, wenn offenkundig ist, dass nicht zurückgewährt werden kann (wie zum Beispiel, wenn ein infolge von Arglist übergebener Sklave gestorben ist) und deshalb unmittelbar in das Interesse des Klägers zu verurteilen ist?

Ungewiss, aber doch wahrscheinlich ist, dass der Beklagte auch unter diesen Umständen die Möglichkeit hat, der Verurteilung noch durch eine freiwillige Leistung zu entgehen. Statt den rechtmäßigen Zustand in Natur herzustellen, muss er hierfür den Betrag zahlen, den der Kläger zum Gegenstand seines Schwures macht oder machen will.9 Völlig offen ist dagegen, ob und in welcher Gestalt das Edikt die Bereicherungsklagen erwähnt hat, die sich nach Ablauf der Jahresfrist gegen den Täter10 und nach dessen Tod gegen dessen Erben11 richten.12

§ 2 Subsidiarität und Infamie I. Der Nachrang der Arglistklage Der Erteilung der Klageformel vorgeschaltet sind nach dem Wortlaut des Edikts außer der causae cognitio, die dem Prätor einen Ermessensspielraum bei der Entscheidung über die Gewährung der Klage verschafft, die Prüfung, ob keine andere Klage gegeben ist (,si de his rebus alia actio non erit‘).13 Durch diese Anordnung ihrer Subsidiarität erlangt die Arglistklage den Charakter eines Auffangtatbestandes. Ulpian sagt dies eigens anlässlich der Vorstellung des Straftatbestands des Stellionats. In ihm erkennt er das kriminalrechtliche Pendant zur actio de dolo, weil es ebenfalls nur dann gegeben ist, wenn kein anderer Tatbestand eingreift: 9

Hierfür ist Kaser, SZ 94 (1977) 147 f. s. o. S. 10. 11 s. u. S. 25 ff. 12 Lenel, EP, S. 115 Fn. 7 nimmt an, die Klage gegen die Erben sei nicht im Edikt aufgeführt worden, weil die Dauer ihrer Zuständigkeit Gegenstand der Diskussion unter den Juristen gewesen sei. 13 Beide Aspekte sind auch in dem überlieferten Leitsatz einer Entscheidung wiederholt, die die kaiserliche Kanzlei unter Caracalla getroffen hat; vgl. CJ 2.20.2 (a 211): Imp. Antoninus A. Agrippae. De dolo actio, cum alia nulla competit, causa cognita permittitur. („Kaiser Antoninus an Agrippa. Die Arglistklage wird nach Untersuchung des Einzelfalls gewährt, wenn keine andere Klage zusteht.“) 10

§ 2 Subsidiarität und Infamie

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D 47.20.3.1 Ulp 8 off procons Stellionatum autem obici posse his, qui dolo quid fecerunt, sciendum est, scilicet si aliud crimen non sit quod obiciatur: quod enim in privatis iudiciis est de dolo actio, hoc in criminibus stellionatus persecutio. ubicumque igitur titulus criminis deficit, illic stellionatus obiciemus. . . . Man muss wissen, dass der Stellionat denjenigen vorgeworfen werden kann, die etwas arglistig getan haben, und zwar, wenn es kein anderes Verbrechen gibt, das ihnen vorgeworfen werden kann; was nämlich unter den Privatklagen die Arglistklage ist, ist unter den Verbrechen die Anklage wegen Stellionats. Immer wenn es keinen anderen Verbrechenstatbestand gibt, werfen wir einen Stellionat vor. . . .

Beschränkt sich die Beschreibung des Tatbestands der actio de dolo auf die arglistige Schadensverursachung, versteht sich ihr subsidiärer Charakter aus heutiger Sicht fast von selbst. Wäre die Klage vorbehaltlos zu gewähren, hätte der Prätor mit ihr einen Rechtsbehelf geschaffen, der in allen Fällen, in denen dem Beklagten eine vorsätzliche Missachtung der Interessen des Klägers vorgeworfen werden kann, mit der jeweils einschlägigen Delikts- oder Vertragsklage konkurrieren könnte. Um deren Regime nicht zu stören, bedürfte es im Einzelfall komplexer Erwägungen über Reichweite und Wirkungsweise der Arglistklage, die sich am einfachsten vermeiden lassen, wenn man sie durchgängig für subsidiär erklärt.14 Die Asymmetrie zwischen dem Potential des Anspruchstatbestands und seinem durch den Subsidiaritätsgrundsatz eingeschränkten Anwendungsbereich erklärt auch, warum dem Verhältnis zu anderen Rechtsbehelfen weitaus größeres Interesse gilt als der Frage, unter welchen Umständen ein dolus im Sinne der Klage vorliegt. Es gibt keine einzige Entscheidung, bei der die Juristen auf die Frage eingehen, ob denn der Tatbestand der actio de dolo erfüllt ist. Vielmehr wird dies im Regelfall stillschweigend vorausgesetzt und, wenn überhaupt, dann apodiktisch festgestellt. Dagegen fehlt es nicht an ausführlichen Erwägungen zu dem Problem, ob die Klage wegen ihrer Subsidiarität ausscheidet. Diese Frage dominiert nicht nur die Behandlung von Einzelfällen, sondern ist auch Gegenstand von generellen Aussagen, die über die Beurteilung bestimmter Sachverhalte hinausreichen. Bei der Handhabung des Subsidiaritätsprinzips zeigen sich die Juristen keineswegs großzügig gegenüber dem Geschädigten. So versagen sie ihm die actio de dolo, wenn er über ein anderes Klagerecht verfügte, das aber durch Zeitablauf erloschen ist. Obwohl sich hier durchaus behaupten lässt, der Geschädigte habe, wenn er den Schädiger nun belangen will, keinen anderen Anspruch, gilt doch seit Labeo, dass das verlorene Klagerecht die actio de dolo ausschließt, es sei

14 Anders verhält es sich, wenn man mit Kaser, SZ 94 (1977) 146 annimmt, die Subsidiaritätsklausel sei ursprünglich mit Blick auf eine konkurrierende Strafverfolgung geschaffen worden.

14

1. Teil: Das Edikt und seine Auslegung

denn, dass gerade der Fristablauf durch die Arglist des Schädigers bewirkt worden ist:15 D 4.3.1.6 Ulp 11 ed Idem Pomponius refert Labeonem existimare, etiam si quis in integrum restitui possit, non debere ei hanc actionem competere: et si alia actio tempore finita sit, hanc competere non debere, sibi imputaturo eo qui agere supersedit: nisi in hoc quoque dolus malus admissus sit ut tempus exiret. Pomponius schreibt ferner, Labeo habe angenommen, die Klage dürfe auch dann nicht zustehen, wenn jemand Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erlangen könne; und auch wenn eine andere Klage durch Zeitablauf ausgeschlossen sei, dürfe sie nicht zustehen, da derjenige, der zu klagen versäumt habe, sich dies selbst zuschreiben müsse, falls nicht Arglist angewandt worden ist, damit die Frist ablief.

Dass der Geschädigte hier trotz mangelnden anderweitigen Rechtsschutzes nicht zur actio de dolo zugelassen ist, ist für Labeo das Ergebnis einer Interessenbewertung: Der Geschädigte habe es sich selbst zuzurechnen, dass er das vorrangige Klagerecht infolge seines Zuwartens eingebüßt habe; folglich verdiene er nicht, dass er an seiner Stelle die Arglistklage erheben könne. Dieselbe Erwägung trägt auch die Entscheidung gegen die Gewährung der actio de dolo in dem Fall, dass der Geschädigte auf das konkurrierende Klagerecht verzichtet hat, insbesondere indem er es zum Gegenstand einer stipulatio Aquiliana und eines förmlichen Erlasses durch acceptilatio hat werden lassen. Ulpian führt diesen Fall unmittelbar im Anschluss an das von Pomponius übernommene Labeo-Zitat an. Und er versieht die Falllösung wiederum mit dem Vorbehalt, dass es nicht gerade dem dolus des Schädigers geschuldet ist, dass der konkurrierende Anspruch verlorenging: D 4.3.1.7 Ulp 11 ed Si quis cum actionem civilem haberet vel honorariam, in stipulatum deductam acceptilatione vel alio modo sustulerit, de dolo experiri non poterit, quoniam habuit aliam actionem: nisi in amittenda actione dolum malum passus est. Hat jemand ein zivil- oder amtsrechtliches Klagerecht in eine Stipulation überführt und hierauf durch förmlichen Erlass oder auf andere Weise verzichtet, kann er die Arglistklage nicht erheben, weil er eine andere Klage hatte, es sei denn, er sei Opfer von Arglist geworden.

Ein weites Verständnis der Subsidiaritätsklausel beweisen die Juristen ferner dadurch, dass sie keine Rücksicht auf den Zweck der konkurrierenden Klage nehmen. Obwohl eine Strafklage ansonsten durchaus mit einem sachverfolgenden Anspruch einhergehen kann, soll sie doch zum Ausschluss der actio de dolo füh-

15 MacCormack, SDHI 52 (1986) 242 glaubt, dieser dolus müsse nicht unbedingt in einer Täuschung bestehen. Wenn der Schädiger den Geschädigten dazu bringt, die Klagefrist zu versäumen, ist dies aber kaum anders als in der Weise denkbar, dass er falsche Tatsachen vorspiegelt oder eine gebotene Aufklärung unterlässt.

§ 2 Subsidiarität und Infamie

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ren, wenn die mit ihr erstrittene Buße hinreicht, um das Interesse des Geschädigten am Ausgleich des erlittenen Nachteils zu befriedigen:16 D 4.3.7.1 Ulp 11 ed Secundum quae et si poenali actione indemnitati eius consuli possit, dicendum erit cessare de dolo actionem. Danach ist zu sagen, dass die Arglistklage auch dann ausscheidet, wenn durch eine Strafklage für seine Schadloshaltung gesorgt werden kann.

Ausgeblendet wird hierbei, dass die Buße überhaupt nicht dazu gedacht ist, für eine Kompensation des Schadens zu sorgen. Bei der Entscheidung über die Gewährung der actio de dolo zählt allein das Ergebnis, zu dem der Vergleich der Vermögenssituation des Geschädigten vor der Tat und ihres Zustands nach Bußzahlung führt. Diese rein tatsächliche Betrachtung wird keiner wertenden Korrektur unterzogen. Dasselbe gilt im Fall einer Popularklage. Auch sie soll den Rekurs auf die actio de dolo ausschließen, ohne dass es darauf ankommt, dass Klagebefugnis und Empfangszuständigkeit des Klägers gerade nicht der Befriedigung seines individuellen materiellen Interesses, sondern dem öffentlichen Zweck effektiver Rechtsverfolgung dienen: D 4.3.7.2 Ulpianus 11 ad ed. Pomponius autem, etiam si popularis actio sit, cessare de dolo ait actionem. Pomponius schreibt aber auch, dass die Arglistklage sogar dann ausscheidet, wenn eine Popularklage gegeben ist.

Noch weiter gehen die Juristen, wenn sie als vorrangige ,alia actio‘ nicht nur eine solche gegen denselben Schädiger, sondern auch ein Klagerecht gegen einen Dritten gelten lassen, den der Geschädigte aufgrund desselben Lebenssachverhalts belangen kann. Dass der Anspruch gegen den Dritten die actio de dolo ausschließt, ist Thema einer Katene, die die Kompilatoren unter Verwendung von Auszügen aus den Ediktskommentaren Ulpians und Paulus’ gefertigt haben: D 4.3.1.8 Ulp 11 ed Non solum autem si adversus eum sit alia actio, adversus quem de dolo quaeritur, Nicht nur dann, wenn gegen denjenigen eine andere Klage gegeben ist, gegenüber dem der Vorwurf der Arglist erhoben wird, D 4.3.2 Paul 11 ed vel ab eo res servari poterit, oder wenn man ihm gegenüber auf andere Weise geschützt ist, D 4.3.3 Ulp 11 ed non habet hoc edictum locum, verum etiam si adversus alium 16 Dass diese Aussage verfälscht ist und Ulpian hier ursprünglich einen außerordentlichen Rechtsbehelf zur Bewältigung des im principium vorgestellten Falles behandelte, glaubt, Albanese, S. 204 ff., 297.

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1. Teil: Das Edikt und seine Auslegung greift dieses Edikt nicht Platz, sondern auch, wenn gegen einen anderen D 4.3.4 Paul 11 ed sit actio vel si ab alio res mihi servari potest. entweder eine Klage gegeben ist oder ich diesem gegenüber auf andere Weise geschützt bin.

Diese Lösung ist keinesfalls selbstverständlich. Die Arglistklage ist nämlich, wie die Juristen eigens hervorheben,17 im Gegensatz zur actio quod metus causa eben nicht auf die Sanktion eines rechtswidrigen Zustands gerichtet, der sich im Verhältnis zu verschiedenen Personen feststellen lässt. Stattdessen knüpft sie an die Tat des Schädigers an, die einer rechtlichen Bewältigung ganz unabhängig davon harrt, ob sich der Geschädigte noch bei weiteren Personen erholen kann. Es ist daher auch alles andere als Privileg des Geschädigten, wenn der Vorrang des Klagerechts gegen den Dritten unter dem Vorbehalt steht, dass dieser auch hinreichend solvent ist: D 4.3.6 Gai 4 ed prov Nam is nullam videtur actionem habere, cui propter inopiam adversarii inanis actio est. Denn derjenige, für den die Klage wegen mangelnder Leistungsfähigkeit des Gegners wertlos ist, wird so angesehen, als habe er keine Klage.

Lässt man die actio de dolo schon an einem Anspruch scheitern, der sich gegen eine andere Person richtet, kommt man schlechterdings nicht umhin, eine Ausnahme für den Fall zu machen, dass der Dritte nicht zahlungsfähig ist. Andernfalls bliebe nicht nur der Täter unbehelligt, sondern müsste auch sein Opfer ohne jegliche Kompensation auskommen.18 Dies kann offensichtlich nicht der Sinn der Subsidiaritätsklausel sein. Keine Auflockerung der Subsidiarität bedeutet es ferner, wenn man die Klage spätestens seit Labeo auch in dem Fall erteilt, dass ein anderes Klagerecht zwar in Betracht kommt, aber Zweifel an seiner Zuständigkeit bestehen: D 4.3.7.3 Ulp 11 ed Non solum autem si alia actio non sit, sed et si dubitetur an alia sit, putat Labeo de dolo dandam actionem . . .

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s. o. S. 10 f. Daher lässt sich die Rücksicht auf die fehlende Zahlungsfähigkeit entgegen Elsener, S. 50 f. auch nicht mit dem Regime der actio furti vergleichen. Hängt die Aktivlegitimation zu dieser Klage im Fall einer custodia-Haftung davon ab, ob der hieraus Verpflichtete dem Eigentümer auch wirklich Ersatz leisten kann (Gai 3. 205), steht dies ganz im Einklang mit der Verknüpfung der Klagebefugnis an das ,interesse rem salvam esse‘; denn es gewährleistet, dass die Klage demjenigen zusteht, der sich ihrer auch am ehesten bedienen und den Täter belangen wird. Bei der actio de dolo soll dagegen eine sehr weitgehende Handhabung der Subsidiaritätsklausel wieder so korrigiert werden, dass es nicht zu offensichtlich ungerechten Ergebnissen kommt. 18

§ 2 Subsidiarität und Infamie

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Labeo glaubt, die Arglistklage sei nicht nur dann zu gewähren, wenn keine andere Klage gegeben ist, sondern auch dann, wenn zweifelhaft sei, ob eine andere Klage gegeben ist . . .

Das einschränkende Verständnis von ,si alia actio non sit‘ ist in diesem Fall schlicht der Eigenart des Formularprozesses geschuldet19 und ebenso wie die Rücksicht auf die Insolvenz eines anderen Schuldners unumgänglich: Fällt die Entscheidung über die relevante Klage nicht erst apud iudicem, wenn der Sachverhalt schon feststeht und die einschlägigen Rechtsfragen geklärt sind, muss man der zuvor bestehenden Unsicherheit auch bei der Handhabung des Subsidiaritätsprinzips Rechnung tragen. Andernfalls setzte man den Geschädigten wiederum dem handgreiflichen Risiko aus, überhaupt keinen Rechtsschutz zu erfahren. Eine von der Subsidiaritätsklausel nicht erzwungene Einschränkung des Anwendungsbereichs der actio de dolo liegt demgegenüber in ihrer Verweigerung im Fall einer Schädigung durch ein unwirksames Versprechen: D 4.3.1.5 Ulp 11 ed Idem Pomponius ait et si actionem in nos dari non oporteat, veluti si stipulatio tam turpis dolo malo facta sit, ut nemo daturus sit ex ea actionem, non debere laborare, ut habeam de dolo malo actionem, cum nemo sit adversus me daturus actionem. Pomponius schreibt ferner, dass auch dann, wenn eine Klage gegen uns nicht gewährt werden dürfe, zum Beispiel wenn ein schändliches Stipulationsversprechen derart durch Arglist zustande gekommen ist, dass niemand deshalb eine Klage gewähren würde, ich mich nicht bemühen dürfe, die Arglistklage zu erhalten, da niemand gegen mich eine Klage gewähren würde.

Auch wenn der Geschädigte aus einer stipulatio turpis nicht in Anspruch genommen werden kann, fehlt es in diesem Fall doch eindeutig an einem konkurrierenden Klagerecht, mit dem er sich gegen den Anschein seiner wirksamen Verpflichtung zur Wehr setzen könnte. Die Subsidiaritätsklausel kommt hier nicht selbst zur Anwendung, sondern bildet die Basis für einen Analogieschluss: Dient sie dazu, die Arglistklage auszuschließen, wenn das Interesse des Klägers am Schadensausgleich durch ein anderes Klagerecht geschützt ist, entnehmen die Juristen dieser ediktalen Anordnung den weitergehenden Rechtsgedanken, dass die actio de dolo auch dann zu versagen sei, wenn der Kläger der Realisierung des Schadens auf irgendeine andere Weise, hier durch den Einwand der Sittenwidrigkeit, entgehen kann. Konsequent, aber eben auch erst das Ergebnis einer Analogie ist die Verweigerung der Arglistklage in dem Fall, dass der Geschädigte den ihm zugefügten Nachteil durch eine Einrede, insbesondere die exceptio doli, abwenden kann. Ulpian bemüht hierfür und die leichter nachvollziehbare Verdrängung der actio de

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Insoweit richtig Albanese, S. 276, 301 f.

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1. Teil: Das Edikt und seine Auslegung

dolo durch ein Interdikt abermals Pomponius und den vielleicht auch schon von diesem zitierten Pedius: D 4.3.1.4 Ulp 11 ed . . . usque adeo, ut et Pedius libro octavo scribit, etiam si interdictum sit quo quis experiri, vel exceptio qua se tueri possit, cessare hoc edictum. idem et Pomponius libro vicensimo octavo idem: et adicit, et si stipulatione tutus sit quis, eum actionem de dolo habere non posse, ut puta si de dolo stipulatum sit. . . . dies geht, wie auch Pedius im achten Buch schreibt, so weit, dass dieses Edikt auch dann nicht zur Anwendung kommt, wenn jemand sich eines Interdikts bedienen oder sich durch eine Einrede schützen kann. Und dies schreibt auch Pomponius im 28. Buch; und er fügt hinzu, dass jemand, wenn er durch eine Stipulation geschützt ist, die Arglistklage nicht haben könnte, wie zum Beispiel, wenn versprochen worden ist, dass keine Arglist im Spiel sei.

Eigentlich lässt sich auch hier keineswegs behaupten, der Geschädigte könne sich einer ,alia actio‘ bedienen. Ebenso wie bei der unwirksamen Verpflichtung des Geschädigten muss man den Vorbehalt zugunsten eines anderen Klagerechts als Regel über den Vorrang sämtlicher denkbaren Rechtsbehelfe verstehen, um die actio de dolo auszuschließen. Ausdrücklich formuliert hat diesen Rechtsgedanken, auf den sich Paulus im Fall der Rechtsschutzmöglichkeit gegenüber einem Dritten beruft,20 wiederum Pomponius: D 4.3.7pr Ulp 11 ed Et eleganter Pomponius haec verba ,si alia actio non sit‘ sic excipit, quasi res alio modo ei ad quem ea res pertinet salva esse non poterit. . . . Und Pomponius deutet die Formel: „wenn keine andere Klage gegeben ist“, treffend so, dass die Rechtsposition des Betroffenen nicht auf andere Weise gewahrt werden kann. . . .

Obwohl Ulpian im weiteren Fortgang dieses Textes einen Fall der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand behandelt,21 bedarf es der von Pomponius aufgestellten Regel bei der in integrum restitutio eigentlich nicht. Von selbst versteht sich die Subsidiarität der actio de dolo ohnehin bei der judizialen Restitution, die sich ja gerade aufgrund der Erteilung einer ,alia actio‘ vollzieht. Eine solche wird aber auch im Fall der prätorischen Restitution gewährt, bei der schon der Gerichtsmagistrat tätig wird, indem er ein schon verlorenes Klagerecht wiederherstellt. Nur diese Art der in integrum restitutio kann gemeint sein, wenn Ulpian ihr in D 4.3.1.6 den Vorrang vor der Arglistklage einräumt und diese zugleich im Fall der Verfristung eines konkurrierenden Klagerechts versagt.22

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D 4.3.2,4 Paul 11 ed; s. o. S. 15 f. s. u. S. 55 f. 22 Ebenso wohl Kupisch, In integrum restitutio, S. 247. Entgegen Wacke, SZ 88 (1971) 108 f. ergibt sich aus dem Text freilich nicht einmal indirekt, dass es keine prätorische Restitution wegen dolus gibt. 21

§ 2 Subsidiarität und Infamie

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Als Wiedereinsetzungsgründe, die zur restitutio eines untergegangenen Klagerechts führen und die actio de dolo ausschließen, kommen die im vierten Buch der Digesten versammelten Fälle, insbesondere die Minderjährigkeit oder entschuldigte Abwesenheit des Klägers in Betracht. Ob auch eine prätorische Wiedereinsetzung wegen Arglist erfolgen kann und die judizielle Restitution durch actio de dolo verdrängt, lässt sich den Quellen nicht mit Gewissheit entnehmen. Wenn sie von einer in integrum restitutio sprechen, ohne den Wiedereinsetzungsgrund zu nennen, könnte stets ein anderes als das Arglistedikt gemeint sein.23 Dies gilt insbesondere für die folgende Aussage Marcells, die durchaus der Wiedereinsetzung in einen Rechtsstreit wegen Abwesenheit oder aufgrund des Auffangtatbestands der iusta causa24 gelten könnte:25 D 4.1.7.1 Marcell 3 dig Nec intra has solum species consistet huius generis auxilium: etenim deceptis sine culpa sua, maxime si fraus ab adversario intervenerit, succurri oportebit, cum etiam de dolo malo actio competere soleat, et boni praetoris est potius restituere litem, ut et ratio et aequitas postulabit, quam actionem famosam constituere, ad quam tunc demum descendendum est, cum remedio locus esse non potest. Der Beistand beschränkt sich aber nicht auf Fälle dieser Art; es muss nämlich auch denen geholfen werden, die ohne eigene Schuld getäuscht worden sind, vor allem wenn eine Täuschung durch den Gegner vorgekommen ist, da auch die Arglistklage zusteht; und einem guten Prätor steht es besser an, wie auch die Vernunft und Gerechtigkeit fordern, einen Rechtsstreit wiedereinzusetzen, als eine ehrlos machende Klage zu gewähren, auf die erst dann zurückzugreifen ist, wenn kein anderes Mittel Platz greift.

Eine Ausnahme bildet lediglich eine Entscheidung der Kanzlei Diokletians. Sie wendet sich an einen Verkäufer, der sich als Opfer von Arglist wähnt und, vielleicht angeregt durch die Drittwirkung der metus-Klage,26 gegen denjenigen vorgehen möchte, an den der Käufer die Kaufsache weitergegeben hat:27 CJ 4.44.10 (a 293–294) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Aemilio Severo. Dolus emptoris qualitate facti, non quantitate pretii aestimatur. quem si fuerit intercessisse probatum, non adversus eum, in quem emptor dominium transtulit, rei vindicatio venditori, sed contra illum cum quo contraxerat in integrum restitutio competit. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Aemilius Severus. Die Arglist des Käufers wird durch seine Vorgehensweise, nicht nach der Höhe des Kaufpreises 23

Dass dies stets so ist, glaubt Kaser, SZ 94 (1977) 144. D 4.6.26.9 Ulp 12 ed. 25 Dies nehmen Wacke, SZ 88 (1971) 126 und Brutti, Bd. 2, S. 335 an. Für offen hält den Restitutionsgrund auch Kupisch, Actio famosa, S. 1193. Von einer Wiedereinsetzung wegen dolus geht dagegen Lambrini, Azione di dolo, S. 113 ff. aus. 26 Vgl. Kupisch, In integrum restitutio, S. 248. 27 Entgegen Wacke, SZ 88 (1971) 132 lässt sich der Entscheidung keineswegs entnehmen, dass es um eine lediglich übergebene res mancipi geht und die Restitution gerade wegen Weitergabe dieser Sache begehrt wird. 24

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1. Teil: Das Edikt und seine Auslegung beurteilt. Wird bewiesen, dass sie vorgekommen ist, steht dem Verkäufer nicht die Vindikation gegen denjenigen, auf den der Käufer das Eigentum übertragen hat, sondern die Wiedereinsetzung gegen denjenigen zu, mit dem er den Vertrag geschlossen hat.

Versagt die Kanzlei den Durchgriff durch wiederhergestellte Vindikation und verweist den Kläger auf die ,in integrum restitutio‘ gegen den Käufer, kann sie in der Tat nur eine Wiedereinsetzung wegen des vom Verkäufer behaupteten dolus meinen.28 Da die Entscheidung das Kognitionsverfahren betrifft, ist sie für den hier bereits geschwundenen Unterschied zwischen prätorischer und judizieller Restitution allerdings unergiebig und allein auf die Arglistklage zu beziehen.29 Keinen Aussagewert hat es ferner, wenn die klassischen Juristen die Wiedereinsetzung wegen Minderjährigkeit der actio de dolo gegenüberstellen:30 D 4.4.27.4 Gai. 4 ed prov Adversus eos quoque restitutio praestanda est, quorum de dolo agere non permittitur, nisi quaedam personae speciali lege exceptae sint. Auch gegen diejenigen ist die Wiedereinsetzung zu gewähren, gegen die nicht mit der Arglistklage geklagt werden darf, falls sie nicht durch ein besonderes Gesetz ausgenommen sind.

Soll die restitutio eines Minderjährigen auch im Verhältnis zu einer Person möglich sein, die wegen der vom Geschädigten geschuldeten Ehrerbietung nicht mit der Arglistklage belangt werden kann,31 lässt dies keineswegs die Folgerung zu, der Prätor habe das mit dieser Klage verfolgte Ziel nicht auch unter diesen oder anderen Umständen selbst anstreben dürfen.32 Kein Hindernis für die Annahme einer prätorischen in integrum restitutio bedeutet es schließlich, dass das Edikt eine solche sicherlich nicht eigens vorsieht.33 Für die Wiederherstellung eines untergangenen Klagerechts wegen dolus kann sich der Prätor ohne Weiteres auf die allgemeine Klageverheißung stützen. Denkbar ist ein solches Vorgehen freilich nur in dem Ausnahmefall, dass das arglistige Verhalten des Beklagten nicht umstritten und dementsprechend auch keiner Beweisaufnahme bedürftig ist. In dieser Situation, in der allein um die Existenz des infolge der Arglist verlorengegangenen Klagerechts gestritten wird, erscheint eine Wiedereinsetzung durch den Prätor durchaus denkbar und auch 28

Vgl. auch Kaser, SZ 94 (1977) 154 f. Ebenso Kupisch, In integrum restitutio, S. 249. 30 Der Bezug der Aussage auf die Restitution wegen Minderjährigkeit ergibt sich sowohl aus ihrer Stellung in der Kompilation als auch aus dem palingenetischen Kontext; vgl. Pal. 105 (mit einer auf CJ 2.41.2 gestützten Interpolationsvermutung für den nisiSatz). 31 s. u. S. 22 f. 32 So aber Wacke, SZ 88 (1971) 114. 33 Dies nehmen zu Recht Lenel, EP, S. 116 ff., Wacke, SZ 88 (1971) 105 ff. und Kupisch, In integrum restitutio, S. 243 ff. an. 29

§ 2 Subsidiarität und Infamie

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geboten; denn mit ihr wird ja gerade die Gewährung der actio de dolo vermieden, die nach dem weiten Verständnis der Subsidiaritätsklausel stets ausscheiden soll, wenn es einen anderen Weg gibt, die Folgen der Arglist des Beklagten ungeschehen zu machen. Wird die Subsidiaritätsklausel überaus weit gehandhabt, scheinen die Juristen sie doch in einem einzigen Fall einzuschränken. Es ist das Zusammentreffen mit der actio quod metus causa. Dass sich jemand, der Opfer von Zwang und Arglist zugleich geworden ist, frei zwischen den beiden deshalb begründeten Rechtsbehelfen entscheiden kann, ergeben nicht nur die zu Diokletians Zeit entstandenen Paulussentenzen: PS 1.8.2 Qui dolum aut metum adhibuit, ut res ad alium transiret, uterque de vi et dolo actione tenebitur. Wer Täuschung und Zwang angewandt hat, damit eine Sache auf einen anderen übergeht, haftet sowohl mit der Klage wegen Furchterregung als auch mit der Arglistklage.

Auch Ulpian eröffnet in seiner Kommentierung des metus-Edikts dem Geschädigten ausdrücklich die Wahl zwischen beiden Klagen. Und dies soll nicht nur gelten, wenn der Täter sich durch verschiedene Handlungen des Betrugs und der Bedrohung schuldig gemacht hat, sondern auch dann, wenn der dolus gerade in der Erpressung des Geschädigten besteht:34 D 4.2.14.13 Ulp 11 ad ed Eum qui metum fecit et de dolo teneri certum est, et ita Pomponius, et consumi alteram actionem per alteram exceptione in factum opposita. Es steht fest, dass derjenige, der Furcht erregt hat, auch mit der Arglistklage haftet, und dies schreibt auch Pomponius, und dass eine Klage durch die andere im Wege einer Tatsacheneinrede verbraucht wird.

Der Grund, aus dem die Subsidiaritätsregel unter diesen Umständen vernachlässigt wird, liegt auf der Hand: Auch wenn man wie noch der Schöpfer der Paulussentenzen35 Arglist mit Betrug gleich- und so der Erpressung entgegensetzt,36 sind metus und dolus doch verwandte Tatbestände der Herbeiführung eines Vermögensschadens und insbesondere durch die Konstellation eines unrechtmäßig bewirkten Vertragsschlusses verbunden: Wird jemand durch Erpressung oder Täuschung dazu veranlasst, sich auf einen Vertrag einzulassen, ist seine Entscheidung hierzu, wenn auch nicht regelrecht unfreiwillig, so doch mit einem Mangel behaftet, der die Beseitigung der Vertragsbindung rechtfertigt. Treffen beide Formen unzulässiger Beeinflussung des Willens des Geschädigten in einem Fall zusammen, wiegen sie gleich schwer, so dass die Arglistklage nicht hinter der actio 34 35 36

Für das Ergebnis einer Textverfälschung erklärt dies Albanese, S. 291 ff. PS 1.8.1; s. u. S. 32. Hierauf verweist MacCormack, BIDR 96/97 (1993/94) 91.

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1. Teil: Das Edikt und seine Auslegung

quod metus causa zurücktreten muss. Dies gilt erst recht, wenn man die Erpressung selbst unter einen erweiterten Begriff des dolus subsumiert, der jede vorsätzliche Vermögensbeschädigung abdeckt.37 II. Die ignominia des verurteilten Täters Liegt es auch nahe, dem Opfer von Zwang und Arglist die Wahl zwischen der actio quod metus causa und der actio de dolo zu überlassen, widerspricht dies nichtsdestoweniger dem Zweck der Subsidiaritätsregel, wie ihn die hoch- und spätklassischen Juristen bestimmen. Für sie dient der Nachrang der Arglistklage dazu, die Infamiefolge zu vermeiden, die den Täter bei einer Verurteilung wegen dolus, nicht aber trifft, wenn er wegen Erpressung belangt wird. Dass die Subsidiarität der actio de dolo mit der an sie geknüpften Infamie zusammenhängt, deutet nicht nur Marcell in D 4.3.7.1 an; Ulpian führt den Nachrang der actio de dolo sogar geradewegs auf diese Rechtsfolge zurück: D 4.3.1.4 Ulp 11 ed Ait praetor: ,si de his rebus alia actio non erit‘. merito praetor ita demum hanc actionem pollicetur, si alia non sit, quoniam famosa actio non temere debuit a praetore decerni, si sit civilis vel honoraria, qua possit experiri . . . Der Prätor bestimmt: „falls in dieser Sache keine andere Klage gegeben ist“. Zu Recht verheißt der Prätor die Klage nur in dem Fall, dass keine andere Klage gegeben ist, weil eine ehrlos machende Klage vom Prätor nicht leichthändig erteilt werden darf, falls eine zivilrechtliche oder amtsrechtliche Klage gegeben ist, die erhoben werden kann . . .

Die Infamie des verurteilten Täters ist nach der Subsidiarität das am häufigsten behandelte Thema in den Quellen zur actio de dolo. Um die Ehrlosigkeit des Schädigers zu vermeiden, soll der Prätor die Erteilung der Klage sogar verweigern, wenn der Kläger, indem er die Verurteilung des Beklagten anstrebt, gegen seine Pflicht zur Ehrerbietung verstößt. Dies gilt außer zwischen Ehegatten38 insbesondere im Verhältnis zu den eigenen Eltern und Freilassern. Julian hält hier nicht nur eine direkte Klage für ausgeschlossen; er verwehrt Kindern oder Freigelassenen auch ein Vorgehen gegen einen Prozessvertreter der Eltern oder Freilasser, weil diese, wenn auch nicht eigens mit der Rechtsfolge der Infamie belegt, so doch der rufschädigenden Verwicklung in das Arglistverfahren ausgesetzt sind:39 D 37.15.2 Iul 14 dig Honori parentium ac patronorum tribuendum est, ut, quamvis per procuratorem iudicium accipiant, nec actio de dolo aut iniuriarum in eos detur: licet enim verbis edicti 37 38 39

s. u. S. 59. CJ 5.12.1; s. u. S. 48 f. Hierzu Harke, Argumenta Iuventiana – argumenta Salviana, Berlin 2012, S. 327.

§ 2 Subsidiarität und Infamie

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non habeantur infames ita condemnati, re tamen ipsa et opinione hominum non effugiunt infamiae notam. Der Ehrfurcht vor Eltern und Freilassern ist es geschuldet, dass, obwohl sie sich durch einen Vertreter auf einen Rechtsstreit eingelassen haben, weder die Arglistnoch die Injurienklage gegen sie gewährt wird; werden sie im Fall ihrer Verurteilung nach dem Wortlaut des Edikts auch nicht ehrlos, entkommen sie doch dem in der Sache selbst und in der öffentlichen Meinung liegenden Vorwurf der Ehrlosigkeit nicht.

Ulpian ergänzt die Verbundenheit der Parteien durch Familie oder Freilassung um den Fall eines sozialen Rangunterschieds.40 Anstelle der ausgeschlossenen actio de dolo soll der Prätor nach seiner Auffassung aber hier und in den anderen Fällen, in denen der Kläger dem Beklagten Ehrerbietung schuldet, eine Tatsachenklage gewährt werden, bei der die Verurteilung an die Verletzung des Gebots der bona fides anknüpft: D 4.3.11.1 Ulp 11 ed Et quibusdam personis non dabitur, ut puta liberis vel libertis adversus parentes patronosve, cum sit famosa. sed nec humili adversus eum qui dignitate excellet debet dari: puta plebeio adversus consularem receptae auctoritatis, vel luxurioso atque prodigo aut alias vili adversus hominem vitae emendatioris. et ita labeo. quid ergo est? in horum persona dicendum est in factum verbis temperandam actionem dandam, ut bonae fidei mentio fiat, Sie darf auch bestimmten Personen nicht gewährt werden, wie zum Beispiel Kindern oder Freigelassenen gegen ihre Eltern oder Freilasser, weil sie ehrlos macht. Und sie darf auch nicht einer Person niederen Ranges gegen eine Person höheren Ranges gewährt werden, wie zum Beispiel einer Person aus dem Volk gegen einen Konsul von anerkanntem Ansehen oder einem Verschwender gegen eine Person von fehlerfreiem Lebenswandel. Und dies schreibt auch Labeo. Was gilt also? Man muss sagen, dass gegen diese Personen eine Tatsachenklage zu gewähren ist, deren Wortlaut dahingehend abzumildern ist, dass das Gebot der guten Treue erwähnt wird, D 4.3.12 Paul 11 ed Ne ex dolo suo lucrentur. damit diese Personen durch ihre Arglist nicht bereichert werden. 40 Den Fall, dass die Klage im Verhältnis zwischen Freigelassenem und Freilasser erhoben werden soll, erwähnt er auch beiläufig in D 44.4.4.16 Ulp 76 ed: . . . si autem cum herede liberti patronus agat, puto excipere debere de dolo patroni heredem liberti. libertum autem de dolo patroni, etsi ab herede eius conveniatur, minime exceptionem obiecturum: namque convenit tam vivo quam mortuo patrono a liberto honorem exhiberi. in stipulatione plane doli clausula non erit detrahenda, quia ex doli clausula non de dolo actio intenditur, sed ex stipulatu. („. . . Klagt der Freilasser aber gegen den Erben des Freigelassenen, darf dieser, wie ich glaube, dem Freilasser die Arglisteinrede entgegensetzen. Der Freigelassene kann aber wegen einer Arglist des Freilassers auch dann, wenn er von dessen Erben belangt wird, niemals die Arglisteinrede entgegensetzen; denn es gilt, dass dem Freilasser zu Lebzeiten und nach seinem Tod vom Freigelassenen Ehre erwiesen werden muss. Bei einer Stipulation muss freilich die Arglistklausel nicht weggelassen werden, weil auf ihrer Grundlage nicht die Arglist-, sondern die Stipulationsklage erhoben wird.“)

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1. Teil: Das Edikt und seine Auslegung

Die Auswechslung des dolus gegen das Gebot der guten Treue stellt sicher, dass die Klage nicht als Arglistklage missverstanden wird und dann doch die Infamie des Beklagten nach sich zieht. Eine solche Fehlinterpretation ist deshalb leicht denkbar, weil die Arglistklage ebenfalls insoweit in factum konzipiert ist, als sie außer dem dolus des Beklagten noch den Akt nennt, durch den der vom Kläger behauptete Schaden eingetreten ist.41 Wird die Arglist durch die bona fides ersetzt, ist eine Verwechslung dagegen ausgeschlossen.42 Obwohl sie nach Überwindung des Formularprozesses nicht mehr droht, überlebt die Differenzierung zwischen dolus- und Tatsachenklage noch in einer Entscheidung der diokletianischen Kanzlei: CJ 2.20.5 (a 293) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Aphrodisiae. Si superstite patre per emancipationem tui iuris effecta matri successisti rebusque tuis per legitimum tutorem patrem eundemque manumissorem administratis postea transegisti cum eo bona fide, perspicis, quod, si pactum tantum factum sit, petitio tua per exceptionem submovetur, si vero novatio legitimo modo intercessit et acceptilatio subsecuta est, nullam tibi iam superesse actionem. (1) Sane si laesa es immodice liberatione sollemniter per novationem atque acceptilationem tributa, non de dolo propter paternam verecundiam, sed in factum actio tibi tribuenda est. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Aphrodisia. Bist du zu Lebzeiten deines Vaters rechtlich selbständig geworden und hast die Rechtsnachfolge nach deiner Mutter angetreten und dich, nachdem dein Vermögen durch deinen Vater und Freilasser als gesetzlicher Vormund verwaltet worden ist, mit ihm rechtmäßig verglichen, siehst du ein, dass, wenn nur ein Pakt abgeschlossen worden ist, deine Forderung durch eine Einrede ausgeschlossen wird und dass, wenn ordnungsgemäß eine Novation vorgenommen und ein förmlicher Erlass gefolgt ist, dir kein Klagerecht mehr verbleibt. (1) Bist du freilich durch förmliche Befreiung im Wege von Novation und Erlass übermäßig geschädigt worden, ist dir, wenn auch nicht die Arglistklage wegen der Achtung vor dem Vater, so doch eine Tatsachenklage zu gewähren.

Auf den Inhalt der Verurteilung hat der Wechsel in der Benennung des Haftungsgrunds aber keinen Einfluss. Wenn Paulus in dem von den Kompilatoren an den Ulpiantext angehängten Halbsatz von D 4.3.12 auf die drohende Bereicherung des Schädigers verweist, will er so erkennbar bloß die Existenz der besonderen actio in factum rechtfertigen und beschreibt damit nicht etwa deren Klageziel. Eine Beschränkung der Haftung auf die beim Beklagten noch vorhandene Bereicherung ließe sich mit dem Gebot der bona fides ebenso wenig wie bei den übrigen Klagen entnehmen, die sich an diesem Maßstab orientieren.43

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s. o. S. 11. Es handelt sich also, wie Mantovani, L’editto come codice e da altri punti di vista, in: La codificazione del diritto, Neapel 1998, S. 129, 172 f. zu Recht geltend macht, nicht um ein bloßes Wortspiel. 43 Lambrini, Dolo generale, S. 109 sieht im Verbot des dolus und dem Gebot der bona fides zwei Prinzipien, die gleichermaßen auf die aequitas gegründet sind. 42

§ 2 Subsidiarität und Infamie

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Anders verhält es sich, wenn es auf Seiten des Schädigers oder des Geschädigten zu einer Rechtsnachfolge kommt. Hier begegnet die Gewährung einer Klage, bei der die Verurteilung an den dolus des Täters anknüpft, keinem Hindernis: D 4.3.13pr Ulp 11 ed Heredibus tamen harum personarum, item adversus heredes de dolo actio erit danda. Den Erben und gegen die Erben dieser Personen muss jedoch die Arglistklage gewährt werden.

Der Grund ist in beiden Fällen der Rechtsnachfolge verschieden: Stirbt der Geschädigte, fällt der ihn höchstpersönlich treffende Zwang zur Ehrerbietung fort, der ihm die Erhebung einer Klage mit infamierender Wirkung verbietet. Stirbt hingegen der Schädiger, ist es die Infamiefolge selbst, die in Wegfall gerät; denn der Erbe des Täters ist von vornherein nicht zum Ersatz des aus der Tat entstandenen Schadens, sondern allein dazu verpflichtet, die aus diesem Grund erlangte Bereicherung auszukehren. Dies bezeugen zwei Auszüge aus der Bearbeitung des dolus-Edikts durch Gaius und Paulus sowie eine Bemerkung aus dem ersten Buch von Paulus’ Ediktskommentar44: D 4.3.26 Gai 4 ed prov In heredem eatenus daturum se eam actionem proconsul pollicetur, quatenus ad eum pervenerit, id est quatenus ex ea re locupletior ad eum hereditas venerit. Gegen den Erben gewährt der Prokonsul diese Klage nur insofern, als etwas an ihn gelangt ist, also die Erbschaft aus diesem Grund vermehrt worden ist, D 4.3.27 Paulus 11 ad ed Dolove malo eius factum est, quo minus pervenerit. oder er arglistig bewirkt hat, dass es nicht an ihn gelangt ist. D 44.7.35 Paul 1 ed praet In honorariis actionibus sic esse definiendum Cassius ait, ut quae rei persecutionem habeant, hae etiam post annum darentur, ceterae intra annum. honorariae autem, quae post annum non dantur, nec in heredem dandae sunt, ut tamen lucrum ei extorqueatur, sicut fit in actione doli mali et interdicto unde vi et similibus. . . . Cassius schreibt, bei amtsrechtlichen Klagen gelte, dass sie, wenn sie der Sachverfolgung dienen, auch nach einem Jahr gewährt werden, die anderen nur innerhalb eines Jahres. Die amtsrechtlichen Klagen, die nach einem Jahr nicht mehr gewährt werden, werden auch nicht gegen einen Erben gewährt, so dass ihm nur ein Gewinn abgenommen wird, wie es geschieht bei der Arglistklage, dem Interdikt „von wo mit Gewalt“ und vergleichbaren Klagen. . . .

Ist der Erbe nur zur Herausgabe des Vorteils verpflichtet, der ihm durch die Tat des Erblassers zugekommen ist, kann er ebenso wie ein Schädiger, der nach Ablauf der Jahresfrist noch den aus der Tat erlangten Vorteil herauszugeben hat, unbefristet in Anspruch genommen werden: 44 Lenel, Pal., Bd. 1, Sp. 966 Fn. 10 ordnet sie dem ersten Abschnitt des Edikts: ,si quis ius dicenti non obtemperaverit‘, zu.

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1. Teil: Das Edikt und seine Auslegung D 4.3.28 Gai 4 ed prov Itaque si accepto lata sit tibi pecunia, omnimodo cum herede tuo agetur. at si res tibi tradita sit, si quidem mortuo te ea res extitit, agetur cum herede tuo, si minus, non agetur. sed utique in heredem perpetuo dabitur, quia non debet lucrari ex alieno damno. cui conveniens est, ut et in ipso, qui dolo commiserit, in id quod locupletior esset perpetuo danda sit in factum actio. Daher kann, wenn dir eine Geldschuld förmlich erlassen worden ist, unbedingt gegen deinen Erben geklagt werden. Ist dir aber eine Sache übergeben worden, kann gegen deinen Erben geklagt werden, wenn sie bei deinem Tod noch vorhanden ist, ansonsten nicht. Aber die Klage wird gegen den Erben ohne Befristung erteilt, weil er nicht zum Nachteil eines anderen bereichert sein soll. Dem entspricht es, dass auch gegen denjenigen, der sich arglistig verhalten hat, ohne zeitliche Befristung eine Tatsachenklage auf die noch vorhandene Bereicherung zu gewähren ist.

Und es bedarf im Fall der Erbenhaftung auch keiner causae cognitio durch den Prätor: D 4.3.30 Ulp 11 ed Neque causae cognitio in heredis persona erit necessaria. Und auch eine Prüfung des Sachverhalts durch den Prätor ist im Fall einer Klage gegen den Erben nicht erforderlich.

Sämtliche mit dem Wechsel des Klageziels verbundenen Besonderheiten ergeben sich aus dem Mangel der Infamiefolge: Wer lediglich die bei ihm angefallene Bereicherung herausgeben muss, wird nicht für das auslösende Delikt verantwortlich gemacht. Er entgeht so zwar dem Stigma der Infamie, muss sich aber im Gegenzug auch gefallen lassen, dass ihm die hierfür errichteten Hürden ebenfalls nicht zugutekommen. Für die Jahresfrist hat dies schon Sabinus befunden: D 4.3.29 Paul 11 ed Sabinus putat calculi ratione potius quam maleficii heredem conveniri, denique famosum non fieri: ideoque in perpetuum teneri oportere. Sabinus glaubt, der Erbe werde eher wegen seines Gewinnes als wegen des Delikts belangt, daher werde er nicht ehrlos; und deshalb hafte er ohne Befristung.

Die Infamie ist auch der Grund, warum der Prätor im Rahmen seiner causae cognitio darauf achten soll, dass es nicht ohne Weiteres zur Verurteilung eines Kindes kommt, falls es nicht bloß als Erbe des Täters und wegen der bei ihm vorhandenen Bereicherung belangt wird. Ulpian behandelt diese Frage im Anschluss an die Fälle, in denen sich die Gewährung der actio de dolo wegen der Achtung verbietet, die der Kläger dem Beklagten schuldig ist. Anders als Labeo nimmt Ulpian selbst freilich an, das Mündel könne ausnahmsweise durchaus für seine Arglist einstehen müssen, namentlich wenn es annähernd mündig oder durch seine Tat bereichert ist: D 4.3.13.1 Ulp 11 ed Item in causae cognitione versari Labeo ait, ne in pupillum de dolo detur actio, nisi forte nomine hereditario conveniatur. ego arbitror et ex suo dolo conveniendum, si proximus pubertati est, maxime si locupletior ex hoc factus est.

§ 2 Subsidiarität und Infamie

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Labeo schreibt, bei der Untersuchung des Falles durch den Prätor sei auch darauf zu achten, dass die Klage nicht gegen ein Mündel gewährt wird, falls es nicht als Erbe belangt wird. Ich glaube, dass es auch wegen seiner eigenen Arglist belangt werden muss, wenn es fast mündig ist, insbesondere wenn es bereichert ist.

Der von den Kompilatoren zur Begründung angefügte Auszug aus dem Ediktskommentar von Paulus ist, weil seines Kontextes beraubt, nicht leicht zu verstehen: D 4.3.14 Paulus 11 ad ed Quid enim, si impetraverit a procuratore petitoris, ut ab eo absolveretur, vel si de tutore mentitus pecuniam accepit, vel alia similia admisit, quae non magnam machinationem exigunt? Was gilt nämlich, wenn es vom Prozessvertreter des Klägers erreicht hat, dass es freigesprochen wird, oder Geld angenommen hat, indem es über die Zustimmung des Vormunds gelogen hat, oder sonst etwas Ähnliches verübt hat, das keine besondere Machenschaft erfordert?

Dass das Mündel zu Taten in der Lage ist, die keine ,magna machinatio‘ erfordern, kann sowohl als Grund dafür gelten, dass es grundsätzlich nicht für seinen dolus haftbar ist, als auch so zu verstehen sein, dass es deshalb ausnahmsweise doch für seine Arglist einstehen muss. Im zuerst genannten Fall ist unterstellt, dass die actio de dolo stets nur bei einer erheblichen Machenschaft in Betracht kommt; im zweiten zielt die Aussage darauf, die Sanktionswürdigkeit des schädigenden Verhaltens nach den individuellen Fähigkeiten des Täters zu beurteilen: Wer mangels hinreichenden Alters oder aus anderen Gründen fehlender intellektueller Kapazität nicht zu einer raffinierten Tat in der Lage ist, muss sich dennoch den Vorwurf des dolus gefallen lassen, wenn er sich, an seinen Maßstäben gemessen, doch schändlich verhalten hat. Die angefügten Beispiele eines durch Täuschung des gegnerischen Prozessvertreters erwirkten Freispruchs oder des Empfangs einer Zahlung ohne die Zustimmung des Vormunds sprechen dafür, dass Paulus’ Aussage in letzterem Sinne zu deuten und folglich eine Begründung für Ulpians Ansicht ist, ein Minderjähriger könne nicht schlechthin von der Haftung für seine Arglist und damit auch von der Infamie ausgenommen sein. Dagegen trifft ein Mündel wegen des dolus seines Vormunds lediglich die keineswegs ehrenrührige Verpflichtung zur Herausgabe der Bereicherung, wie sie auch einem Erben obliegt: D 4.3.15pr Ulp 11 ed Sed et ex dolo tutoris, si factus est locupletior, puto in eum dandam actionem, sicut exceptio datur. Ich glaube, dass gegen ein Mündel auch aufgrund der Arglist seines Vormunds die Klage zu gewähren ist, wenn es bereichert ist, und zwar ebenso, wie eine Einrede gewährt wird.

Dasselbe gilt für einen sonstigen Vertreter, der durch die eigene Arglist einen Vorteil für den Geschäftsherrn erwirkt hat. Während der Vertreter selbst für sei-

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1. Teil: Das Edikt und seine Auslegung

nen dolus einzustehen hat, wird der Geschäftsherr daneben zur Herausgabe des erlangten Vorteils gezwungen: D 4.3.15.2 Ulp 11 ed Item si quid ex dolo procuratoris ad dominum pervenit, datur in dominum de dolo actio in quantum ad eum pervenit: nam procurator ex dolo suo procul dubio tenetur. Auch wenn etwas infolge der Arglist eines Vertreters an einen Geschäftsherrn gelangt ist, wird gegen diesen die Arglistklage insoweit gewährt, als er bereichert ist; denn der Vertreter haftet zweifellos aufgrund seiner eigenen Arglist.

Demselben Muster unterliegt die Haftung in dem Fall, dass Vertreter einer Gemeinde, insbesondere die Dekurionen, durch ihr arglistiges Verhalten einen Vorteil für die Körperschaft geschaffen haben: D 4.3.15.1 Ulp 11 ed Sed an in municipes de dolo detur actio, dubitatur. et puto ex suo quidem dolo non posse dari: quid enim municipes dolo facere possunt? sed si quid ad eos pervenit ex dolo eorum, qui res eorum administrant, puto dandam. de dolo autem decurionum in ipsos decuriones dabitur de dolo actio. Es ist aber zweifelhaft, ob gegen eine Gemeinde die Arglistklage gewährt werden soll. Und ich glaube, dass sie freilich nicht aufgrund ihrer eigenen Arglist gewährt werden kann; wie nämlich sollen Gemeinden arglistig handeln? Aber ich glaube, dass sie zu gewähren ist, wenn an sie etwas infolge der Arglist ihrer Geschäftsführer gelangt. Wegen der Arglist der Gemeinderatsmitglieder ist gegen diese selbst die Arglistklage zu gewähren.

Bemerkenswert ist, dass das Zusammentreffen der actio de dolo gegen den Vertreter mit dem Bereicherungsanspruch gegen den Vertretenen offenbar nicht der Subsidiaritätsregel unterliegt. Als bloße Ergänzung der Arglistklage gilt der Bereicherungsanspruch nicht als eigenständiges Klagerecht, das eine Inanspruchnahme des Täters ausschließen könnte.

III. Der Zusammenhang Entscheidet die Infamiefolge durchaus über die Haftung von Personen, die besondere Achtung erheischen oder sich nicht selbst den Vorwurf eigenen arglistigen Verhaltens gefallen lassen müssen, bleibt doch fraglich, ob sie auch dem Subsidiaritätsprinzip selbst eine Grundlage zu geben vermag. Dass Ulpian es auf die ignominia des verurteilten Täters zurückführt, bedeutet noch nicht, dass sich auch der oder die Schöpfer der actio de dolo von diesem Gesichtspunkt haben leiten lassen. Dagegen spricht die Asymmetrie in der Sanktion ehrenrührigen Verhaltens und des dolus, zu der es durch das Zusammenspiel von Infamiefolge und Subsidiarität kommt: Wäre die Arglisthaftung gerade wegen der den Täter treffenden Ehrlosigkeit subsidiär, dürfte nichts anderes für die übrigen Klagen gelten, von denen dieselbe

§ 2 Subsidiarität und Infamie

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Wirkung ausgeht.45 Dies gilt insbesondere für die Vertragsklagen aus depositum, fiducia, mandatum und societas; denn sie knüpfen an einen bloßen Vertrauensbruch und damit an einen Tatbestand an, der nicht zwangsläufig denselben Unwertgehalt aufweist wie das Verhalten, das eine Haftung mit der Arglist- und den übrigen infamierend wirkenden Deliktsklagen auslöst. Es gibt keinen plausiblen Grund, den Ehrverlust gerade bei den Vertragsklagen unbedingt eintreten zu lassen und ihn exklusiv bei der actio de dolo unter den Vorbehalt des Mangels eines anderweitigen Rechtsschutzes zu stellen. Was die Sanktion des dolus betrifft, gerät die Infamie in Konflikt mit der sachverfolgenden Funktion der Arglistklage. Die Ehrlosigkeit bedeutet gleichsam eine Strafe für den verurteilten Täter. Während diese bei den ebenfalls infamierend wirkenden Deliktsklagen aus Diebstahl, Raub und iniuria zu einer ebenfalls als solchen gedachten Bußleistung hinzutritt, trifft sie im Fall der actio de dolo mit einer reinen Ersatzleistung zusammen. Der Widerspruch zeigt sich vor allem, wenn der Beklagte auf den Restitutionsbefehl des Richters hin den Schaden ausgleicht.46 Obwohl er so das Verhalten, an das die Infamie anknüpft, nicht mehr ungeschehen machen kann, bleibt ihm diese Rechtsfolge, da es nicht zu einer Verurteilung kommt, doch erspart. Hätte er nicht so lange gewartet, sondern sich vorher mit dem Kläger verglichen, wäre er dagegen der ignominia ausgesetzt: IJ 4.16.2 Ex quibusdam iudiciis damnati ignominiosi fiunt, veluti furti, vi bonorum raptorum, iniuriarum, de dolo, item tutelae, mandati, depositi, directis non contrariis actionibus, item pro socio, quae ab utraque parte directa est et ob id quilibet ex sociis eo iudicio damnatus ignominia notatur. sed furti quidem aut vi bonorum raptorum aut iniuriarum aut de dolo non solum damnati notantur ignominia, sed etiam pacti, et recte: plurimum enim interest, utrum ex delicto aliquis an ex contractu debitor sit. Aus einigen Klagen werden die Verurteilten ehrlos, wie aus der Diebstahls-, der Raub-, der Injurien-, der Arglistklage, ferner aus der Vormundschafts-, Auftragsund Verwahrungsklage, aber nur aus der direkten, nicht aus der Konträrklage, ferner aus der Gesellschafterklage, die für beide eine direkte Klage ist und derentwegen jeder Gesellschafter, wenn er aufgrund dieser Klage verurteilt, mit Ehrlosigkeit belegt wird. Bei der Diebstahls-, Raub-, Injurien- und Arglistklage werden aber nicht nur die Verurteilten mit Ehrlosigkeit belegt, sondern auch diejenigen, die sich verglichen haben; und dies zu Recht; es ist nämlich ein großer Unterschied, ob jemand durch ein Delikt oder einen Vertrag zum Schuldner geworden ist.

Noch krasser ist der Widerspruch im Fall einer Tätermehrheit: Hier wirkt die Leistung eines Schädigers auch zugunsten der übrigen, und dies sowohl vor als auch nach der Verurteilung, wenn die Täter schon ehrlos geworden sind:

45

Richtig Albanese, S. 304 und Lambrini, Dolo generale, S. 75. Lambrini, Azione di dolo, S. 135 attestiert der actio de dolo aus diesem Grund zu Recht einen besonderen Strafcharakter. 46

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1. Teil: Das Edikt und seine Auslegung D 4.3.17pr Ulp 11 ed Si plures dolo fecerint et unus restituerit, omnes liberantur: quod si unus quanti ea res est praestiterit, puto adhuc ceteros liberari. Haben sich mehrere arglistig verhalten und hat einer Ersatz geleistet, werden alle befreit; auch glaube ich, dass wenn einer die Verurteilungssumme geleistet hat, die übrigen befreit werden.

Der fehlende Gleichlauf von Infamie und Haftung unterscheidet die actio de dolo grundlegend von den drei anderen Deliktsklagen: Gibt es mehrere Täter, trifft die Verpflichtung zur Bußleistung ebenso wie die Ehrlosigkeit jeden einzelnen, so dass auch die Leistung eines Schädigers keine Gesamtwirkung haben kann und die Haftung der übrigen unberührt lässt. Diese Widersprüche lassen nur den Schluss zu, dass Subsidiaritätsregel und Infamiefolge keinem einheitlichen Konzept folgen und auch nicht zugleich geschaffen worden sind. Der Nachrang der Arglistklage ist das ältere Phänomen und zugleich mit ihrer Einführung angeordnet. Er korrespondiert mit dem Potential ihres Tatbestands und soll die Störung bestehender Haftungsstrukturen vermeiden.47 Die actio de dolo ist so zunächst als rein sachverfolgende Klage und Auffanginstrument für die ansonsten unbewältigten Fälle arglistiger Schädigung konzipiert worden. Erst später kommt die Rechtsfolge der Infamie hinzu, die in klassischer Zeit eine ediktale Form ohnehin nur in Gestalt des Verbots der Prozessvertretung erlangt48 und bloß unter Justinian zu einer selbständigen Edikts47 Richtig Albanese, S. 311 ff. und Lambrini, Dolo generale, S. 75. Ähnlich Elsener, S. 62, die aber glaubt, auch andere infamierende Klagen könnten trotz Fehlens einer besonderen Anordnung als subsidiär gelten. Umgekehrt Watson, SZ 78 (1961) 401, der Infamie und Subsidiarität in der Weise in eine genetische Verbindung setzen will, dass er annimmt, die actio de dolo sei nicht als Auffangklage, sondern als ein spezifisches Instrument zur Haftung unter Vertragsparteien geschaffen worden, die nicht dem Gebot der bona fides unterliegen; diese Vermutung hat ebenso wenig für sich. 48 Vgl. Gai 4.182, wo übrigens die actio de dolo auch noch keine Erwähnung findet: Quibusdam iudiciis damnati ignominiosi fiunt, uelut furti, ui bonorum raptorum, iniuriarum, item pro socio, fiduciae, tutelae, mandati, depositi. sed furti aut ui bonorum raptorum aut iniuriarum non solum damnati notantur ignominia, sed etiam pacti, ut in edicto praetoris scriptum est; et recte. plurimum enim interest, utrum ex delicto aliquis an ex contractu debitor sit. nec tamen ulla parte edicti id ipsum nominatim exprimitur, ut aliquis ignominiosus sit, sed qui prohibetur et pro alio postulare et cognitorem dare procuratoremue habere, item procuratorio aut cognitorio nomine iudicio interuenire, ignominiosus esse dicitur. („Aufgrund mancher Klagen, wie etwa der Diebstahls-, Raub-, Injurien-, ferner der Gesellschafts-, Treuhand, Vormundschafts-, Auftrags- oder Verwahrungsklage, werden die Verurteilten ehrlos. Aber diejenigen, die mit der Diebstahls-, Raub- oder Injurienklage belangt sind, werden nicht nur im Fall ihrer Verurteilung, sondern auch durch einen Vergleich mit Ehrlosigkeit belegt, wie es im Edikt des Prätors bestimmt ist; und dies zu Recht. Es macht nämlich einen großen Unterschied, ob jemand durch ein Delikt oder einen Vertrag zum Schuldner geworden ist. Und es wird im Edikt an keiner Stelle ausdrücklich bestimmt, dass jemand ehrlos ist, sondern jemand gilt als ehrlos, wenn ihm verboten ist, als Prozessvertreter für einen anderen aufzutreten oder einen Prozessvertreter zu bestellen oder einen Prozess im Namen eines Prozessvertreters zu übernehmen.“)

§ 3 Der Haftungstatbestand

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vorschrift verklärt werden soll49.50 Die actio de dolo wird für diese Sanktion ausgewählt, weil sie ebenso wie die Diebstahls-, Raub- und Injurienklage und anders als etwa die actio legis Aquiliae stets an ein vorsätzliches Fehlverhalten des Täters anknüpft. Bei dieser Entscheidung wird entweder nicht beachtet oder zumindest in Kauf genommen, dass die mit der Ehrlosigkeit erstrebte Sanktion des dolus infolge der Subsidiarität der Klage inkonsequent ausfällt. Außerdem erzwingt die Infamie gewisse persönliche Ausnahmen von der Arglisthaftung, die unnötig waren, als die Klage noch rein sachverfolgend war. Da diese Ausnahmen schon seit Labeo bezeugt und zur Wirkungszeit Marcells und Ulpians fest etabliert sind, ist es keineswegs verwunderlich, dass die Juristen der Hoch- und Spätklassik sie mit der Subsidiarität der Klage in Verbindung bringen. So entsteht der Eindruck, als hingen diese und die Infamiefolge genetisch miteinander zusammen. In Wahrheit sind sie das Produkt zeitlich getrennter und sachlich widersprechender Regelungsansätze.51

§ 3 Der Haftungstatbestand I. Zwei Definitionen? Einem Wandel unterliegt auch das Verständnis des Begriffs dolus malus. Nach dem Bericht Ulpians ist er zum Gegenstand divergierender Interpretationsversuche durch Servius und Labeo geworden:52 D 4.3.1.2 Ulp 11 ed Dolum malum Servius quidem ita definiit machinationem quandam alterius decipiendi causa, cum aliud simulatur et aliud agitur. Labeo autem posse et sine simulatione id agi, ut quis circumveniatur: posse et sine dolo malo aliud agi, aliud simulari, sicuti faciunt, qui per eiusmodi dissimulationem deserviant et tuentur vel sua vel aliena: itaque ipse sic definiit dolum malum esse omnem calliditatem fallaciam machinationem ad circumveniendum fallendum decipiendum alterum adhibitam. Labeonis definitio vera est. Zwar hat Servius Arglist als Machenschaft mit dem Ziel definiert, andere zu betrügen, indem etwas vorgetäuscht und etwas anderes getan wird. Aber Labeo sagt, es 49 Offenkundig interpoliert ist D 3.2.1 Iul 1 ed: Praetoris verba dicunt: ,infamia notatur . . . qui furti, vi bonorum raptorum, iniuriarum, de dolo malo et fraude suo nomine damnatus pactusve erit: . . .‘ (Der Wortlaut des prätorischen Edikts ist: „Mit Ehrlosigkeit wird belegt . . . wer wegen Diebstahls, Raubs, einer Beleidigung, Arglist und Betrug im eigenen Namen verurteilt worden ist oder sich deshalb verglichen hat . . .“) 50 Vgl. Kaser, Infamia und ignominia in den römischen Rechtsquellen, SZ 73 (1965) 221, 245 ff. und Wolf, Das Stigma ignominia, SZ 126 (2009) 55, 65 ff., 84 ff. 51 Die gegenläufigen Tendenzen, die Wacke, RIDA 27 (1980) 386 in den Entscheidungen der klassischen Juristen ausmacht, sind also schon im prätorischen Edikt angelegt. 52 Gegen ältere Zweifel an der Authentizität des Textes wendet sich zu Recht Carcaterra, S. 10 ff.

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1. Teil: Das Edikt und seine Auslegung könne einerseits auch ohne Täuschung bewirkt werden, dass jemand übervorteilt wird; und man könne andererseits auch ohne Arglist das eine tun, das andere vortäuschen, wie die, die sich verstellen und dadurch eigenes oder fremdes Gut schützen. Er selbst definiert daher Arglist als jede Hinterlist, Betrügerei oder Machenschaft zu dem Zweck, einen anderen zu übervorteilen oder zu täuschen. Die Definition Labeos ist richtig.

Servius’ Definition des dolus geht offenbar auf seinen Lehrer Aquilius Gallus, den Schöpfer der Arglistklage, zurück. Ihn benennt Cicero als Urheber der Formel von ,aliud simulatum – aliud actum‘.53 Obwohl Ulpian sich eigens für den abweichenden Ansatz von Labeo ausspricht, erweist sich die ältere Definition als langlebig. Sie findet sich noch in den zu Diokletians Zeit entstandenen Paulussentenzen: PS 1.8.1 Dolus est, cum aliud agitur, aliud simulatur. Arglist besteht darin, dass das eine vorgetäuscht, das andere getan wird.

Und sogar die westgotische Interpretatio zu Konstantins Verfügung über die Klagefrist54 geht noch von der aus der Republik stammenden Interpretation aus, indem sie den Begriff des dolus mit Hilfe des Beispiels einer schriftlichen Täuschung erläutert: Dolus malus est, quoties per aliquam scripturam vel fraudem ea, quae definita sunt, per scripturae argumenta mutantur. vel si quis per chartarum suppositionem aut per surreptionem aliquam id, quod contra se futurum sit, ut consentire videatur, inducitur, vel quum his similia discutiente iudice probantur admissa. . . . Arglist liegt immer dann vor, wenn etwas, was feststeht, durch irgendeine Urkunde oder Machenschaft verändert wird. Oder wenn durch die Vorlage oder Entwendung eines Schriftstücks bewirkt wird, dass jemand zu dem zustimmt, was seinen Interessen zuwiderläuft, oder wenn bei der Untersuchung durch den Richter die Begehung einer ähnlichen Tat nachgewiesen wird. . . .

Auch Ulpian selbst bedient sich, wenn er die Anordnung des Prätors zu den vom dolus betroffenen pacta kommentiert, noch der alten Formel, als deren Urheber er in diesem Zusammenhang Pedius benennt: D 2.14.7.10 Ulp 4 ed Dolo malo ait praetor pactum se non servaturum. dolus malus fit calliditate et fallacia: et ut ait Pedius, dolo malo pactum fit, quotiens circumscribendi alterius causa aliud agitur et aliud agi simulatur. Der Prätor bestimmt, dass er einen arglistig eingegangenen Pakt nicht anerkennt; Arglist geschieht durch Hinterlist und Betrügerei; und arglistig eingegangen ist ein Pakt, wie Pedius schreibt, immer dann, wenn jemand zur Übervorteilung eines anderen etwas tut und etwas anderes vorgibt zu tun.

53 54

s. o. S. 7. s. o. S. 9.

§ 3 Der Haftungstatbestand

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Der Grund für die Fortgeltung der alten Definition ist handgreiflich: Sie findet in der neuen Begriffsbestimmung durch Labeo kein Äquivalent, das sich in vergleichbarer Weise handhaben ließe. Die Aufzählung der Substantive calliditas, fallacia und machinatio ist ebenso nichtssagend wie die Reihung der Verben circumvenire, fallere, decipere. Auch wenn es auf den ersten Blick verführerisch erscheint, lassen sich hieraus keine Zweiergruppen bilden, die verschiedene Arten der Täuschung beschreiben.55 Die beiden Asyndeta sind nicht dazu gedacht, ihre Elemente gegeneinander abzugrenzen.56 Indem er sich ihrer bedient, will Labeo vielmehr lediglich zum Ausdruck bringen, dass sich der Tatbestand des dolus nicht in den Fällen erschöpft, auf die sich die ältere Definition von Aquilius Gallus und Servius beschränkt. Obwohl Labeos Vorhaben keineswegs ambitioniert erscheint, ist es ihm durchaus nicht gelungen. Denn auch in seiner Formel konzentriert sich der Tatbestand des dolus auf die Täuschung.57 Auf sie deuten ganz eindeutig jeweils zwei Glieder der Reihungen, bei den Substantiven namentlich calliditas und fallacia und unter den Verben fallere und decipere, die allesamt ein heimliches Vorgehen des Täters anzeigen. Einen weiterreichenden Bedeutungsgehalt haben allein die Ausdrücke machinatio und circumvenire. Als ,Machenschaft‘ lässt sich, wenn man den Begriff nicht auf den der ,Inszenierung‘ verengen will,58 auch ein Verhalten ansehen, dessen wahrer Gehalt dem Opfer nicht verborgen bleiben soll; und der Bedeutungsschwerpunkt von ,übervorteilen‘ liegt weniger auf der Vorgehensweise des Täters als vielmehr auf dem schädlichen Ergebnis, weshalb das Verb circumvenire auch in der Kommentierung zur Wiedereinsetzung wegen Minderjährigkeit Verwendung findet.59 Am besten kommt dieser Aspekt in dem bekannten Satz des Pomponius zum Ausdruck, beim Kaufvertrag sei es selbstverständlich zulässig, wenn die Parteien danach trachteten, sich gegenseitig zu übervorteilen: D 4.4.16.4 Ulp 11 ed Idem Pomponius ait in pretio emptionis et venditionis naturaliter licere contrahentibus se circumvenire. Auch Pomponius schreibt, bei Kaufverträgen sei es den Kontrahenten selbstverständlich erlaubt, einander zu übervorteilen.

55 So aber Carcaterra, S. 30 ff., der in der ,calliditas ad circumveniendum‘ die Täuschung durch Unterlassen, in der ,fallacia ad fallendum‘ die einfache Täuschung ohne Hilfsmittel und in der ,machinatio ad decipiendum‘ schließlich die Täuschung unter Einsatz von Hilfsmitteln erkennt. 56 Richtig Wacke, RIDA 27 (1980) 351 ff. und MacCormack, SDHI 52 (1986) 237. 57 Richtig MacCormack, Ricerche Gallo, S. 545 f. 58 So Carcaterra, S. 53. 59 D 4.4.3.6, 4.4.7.3, 4.4.16.4 Ulp 11 ed, D 4.4.17 Herm 1 iur epit, D 4.4.41 Jul 45 dig, D 4.4.44 Ulp 5 op.

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1. Teil: Das Edikt und seine Auslegung

Er findet sich auch bei Paulus wiederholt, der sich bei seiner Formulierung aber für das Verb circumscribere entscheidet: D 19.2.22.3 Paul 34 ed Quemadmodum in emendo et vendendo naturaliter concessum est quod pluris sit minoris emere, quod minoris sit pluris vendere et ita invicem se circumscribere, ita in locationibus quoque et conductionibus iuris est . . . Wie es beim Kaufvertrag selbstverständlich erlaubt ist, billiger zu kaufen und teurer zu verkaufen und sich gegenseitig zu übervorteilen, so gilt dies auch bei der Verdingung . . .

Zumindest im Fall der machinatio wird die leichte Akzentverschiebung, die Labeos Deutung bewirkt, jedoch schon vollständig dadurch wettgemacht, dass dieser Begriff auch schon in der Definition erscheint, die Ulpian dem Servius zuschreibt und die den Tatbestand des dolus gerade auf die Täuschung festlegt. Auf diese ist außerdem auch die Ediktslaudation des Spätklassikers gerichtet. Indem er hier calliditas und simplicitas gegenüberstellt, macht er die Kombination aus heimlichem Täterverhalten und Leichtgläubigkeit des Opfers zum Kern des Arglistvorwurfs: D 4.3.1pr Ulp 11 ed Hoc edicto praetor adversus varios et dolosos, qui aliis offuerunt calliditate quadam, subvenit, ne vel illis malitia sua sit lucrosa vel istis simplicitas damnosa. Mit diesem Edikt leistet der Prätor Beistand gegen hinterhältige und arglistige Personen, die andere durch Hinterlist geschadet haben, damit ihnen nicht ihre Bosheit zum Vorteil und jenen ihre Arglosigkeit zum Schaden gereicht.

Die Neubestimmung des dolus-Begriffs durch Labeo muss daher als gescheitert gelten. Da sie terminologisch dem alten Konzept verhaftet bleibt, taugt sie nicht zu seinem Ersatz. Im Gegensatz zu diesem stellt sie gar keine Definition, sondern nur den hilflosen Versuch dar, die Defizite der früheren Deutung zum Ausdruck zu bringen. II. Dolus bonus und dolus praesens Ist die unglücklich geratene Formel Labeos gar keine neue Begriffsbestimmung, die geeignet wäre, die ältere von Aquilius Gallus und Servius zu ersetzen, ist für das Verständnis von Labeos Ansatz die an dieser geübte Kritik umso wichtiger. Denn sie lässt zwei Konstellationen erkennen, die Labeo von der überkommenen Begriffsbestimmung nicht richtig bewältigt sieht. Die eine ist die Täuschung in guter Absicht, die namentlich zu dem Ziel erfolgt, das eigene oder das Vermögen eines anderen zu schützen. Bezöge man die alte Definition wirklich auf den ,dolus malus‘, wäre es in der Tat ein Fehler, dass sie auch die gleichsam in Notwehr verübte Täuschung erfasst.60 Anders verhält es sich, wenn man die 60

So versteht Labeo denn auch Carcaterra, S. 113 ff.

§ 3 Der Haftungstatbestand

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von Aquilius Gallus und Servius beschriebene Täuschung allein als Definition des dolus ansieht; dann scheiden die Fälle, in denen jemand nur zum Selbst- oder Drittschutz täuscht, bei der Prüfung aus, ob das Verhalten auch das Prädikat ,malus‘ verdient oder nicht vielleicht doch in einem ,dolus bonus‘ besteht.61 So ordnet jedenfalls Ulpian das Problem in dem Abschnitt seines Ediktskommentars ein, der sich an die Behandlung der Definitionsfrage anschließt: D 4.3.1.3 Ulp 11 ed Non fuit autem contentus praetor dolum dicere, sed adiecit malum, quoniam veteres dolum etiam bonum dicebant et pro sollertia hoc nomen accipiebant, maxime si adversus hostem latronemve quis machinetur. Der Prätor hat sich nicht damit begnügt, von List zu sprechen, sondern hat es zu Arglist ergänzt, weil die alten Juristen sagten, es gebe auch eine gute List, und mit diesem Begriff die Gewandtheit meinten, insbesondere wenn sich jemand gegenüber einem Feind oder Räuber einer Machenschaft bedient.

Lässt sich die in Verteidigungsabsicht verübte Täuschung als dolus bonus begrifflich ohne Weiteres vom ediktalen Tatbestand der Klage sondern, ist der Kritik Labeos in diesem Punkt jede Berechtigung genommen.62 Etwas anderes gilt für die zweite Konstellation, die Labeo falsch behandelt sieht und die weitaus wichtiger als der in den Quellen ansonsten nirgends behandelte Fall des dolus bonus ist: Es ist die Schädigung ,sine simulatione‘, die Labeo in der alten Definition vermisst. Damit erhebt Labeo nicht etwa den kleinteiligen Vorwurf, die alte Definition schließe den Fall der Täuschung durch Unterlassen aus, die als dissimulatio nicht unter den Begriff der ,simulatio‘ falle.63 Seine Kritik geht weiter und richtet sich gegen die Anknüpfung an das Täuschungserfordernis schlechthin. Sieht man hiervon ab, mutiert der Begriff des dolus von der Beschreibung eines konkreten Täterverhaltens zum bloßen Vorsatzerfordernis. Das objektive Datum, an das die Haftung anknüpft, benennt Labeo hier mit dem Verb circumvenire. Es ist sicherlich kein Zufall, dass er sich an dieser Stelle gerade des Elements der folgenden Verbreihung bedient, das sich durch seine Bedeutungsoffenheit klar von den auf die Täuschung festgelegten Ausdrücken fallere und decipere abhebt. Circumvenire erfasst auch andere, ja jegliche Formen der Schädigung, die, um eine Haftung mit der actio de dolo auszulösen, nur vorsätzlich begangen sein müssen und sich deshalb als ,Machenschaft‘ erweisen. 61 Hierzu auch Carcaterra, S. 118 ff., 194 ff. Vgl. auch Lambrini, Azione di dolo, S. 18 ff. 62 Grundlage für Ulpians Rekonstruktion des vergangenen Sprachgebrauchs könnte Festus’ De verborum significatione sein; vgl. Lindsay, S. 60: Doli vocabulum nunc tantum in malis utimur, apud antiquos autem etiam in bonis rebus utebatur. Unde adhuc dicimus sine dolo malo, nimirum quia solebat dici et bonus. („Der Begriff der ,List‘ wird heute nur im negativen Sinne verwendet; früher wurde er auch im positiven Sinne verwendet. Daher spricht man heute auch noch davon, dass etwas ,ohne Arglist‘ geschehen sei, weil man auch von einer guten List sprach.“) 63 So aber Carcaterra, S. 103 ff.

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1. Teil: Das Edikt und seine Auslegung

III. Subsidiarität im weiteren Sinne Ist der Tatbestand der Klage damit seit Labeo denkbar weit,64 nimmt nicht wunder, dass weder die ältere Definition von Aquilius Gallus und Servius noch der neue Ansatz von Labeo jemals zur Lösung eines konkreten Falles herangezogen werden.65 Während die frühere Begriffsbestimmung fortan überholt ist, erweist sich die neue Deutung als zu unpräzise, um die Grundlage für einen Subsumtionsschluss zu bilden. Über den Anwendungsbereich der actio de dolo entscheidet jetzt allein die Subsidiaritätsregel. Sie kommt nicht nur direkt zur Geltung, indem sie die Arglisthaftung im Fall einer konkurrierenden Rechtsschutzmöglichkeit ausschließt; vielmehr steuert sie den Einsatz der Klage auch mittelbar, indem sie zu maßvollem Umgang mit diesem Instrument anhält. Dass die actio de dolo auch dann, wenn keine andere Klage einschlägig ist, nicht ohne Weiteres gewährt wird, bewirkt schon die im Edikt ausdrücklich vorgesehene causae cognitio. Sie gestattet es dem Prätor, die Klage zu verweigern, wenn der arglistig angerichtete Schaden nur geringfügig ist und seine Sanktion außer Verhältnis zu der mit Verurteilung eintretenden Infamiefolge stünde: D 4.3.9.5 Ulp 11 ed Merito causae cognitionem praetor inseruit: neque enim passim haec actio indulgenda est. nam ecce in primis, si modica summa sit, Zu Recht macht der Prätor den Vorbehalt einer eigenen Prüfung; denn diese Klage darf nicht stets gewährt werden. Und vor allem dann, wenn es um eine geringe Summe geht, D 4.3.10 Paul 11 ed Id est usque ad duos aureos, also bis zu zwei Goldstücken, D 4.3.11pr Ulp 11 ed Non debet dari. darf sie nicht gewährt werden.

Ob Paulus, dessen Aussage die Kompilatoren hier in Ulpians Satz eingefügt haben, wirklich an eine feste Wertgrenze denkt oder nicht eher einen bestimmten Betrag für zu geringwertig erklärt hat, lässt der knappe Einschub nicht mehr erkennen. Zumindest ist er ein Beleg dafür, dass sich beide Spätklassiker für eine restriktive Handhabung der Klage und die Annahme einer Geringfügigkeitsschwelle aussprechen, die überschritten sein muss, damit das Verhalten des Schädigers mit der actio de dolo sanktioniert wird. Von einem praktischen Fall, in dem ein Prätor von der causae cognitio Gebrauch gemacht hat, um die Anwendung der Klage in anderer Hinsicht zu begrenzen, berichtet Pomponius: 64 65

Lambrini, Dolo generale, S. 54, 79 nimmt dies schon für Cicero an. Dies stellt Wacke, RIDA 27 (1980) 358 zu Recht heraus.

§ 3 Der Haftungstatbestand

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D 4.3.7.10 Ulp 11 ed Idem Pomponius refert Caecidianum praetorem non dedisse de dolo actionem adversus eum, qui adfirmaverat idoneum esse eum, cui mutua pecunia dabatur, quod verum est: nam nisi ex magna et evidenti calliditate non debet de dolo actio dari. Pomponius berichtet auch, der Prätor Caecidianus habe die Arglistklage gegen jemanden nicht gewährt, der behauptet hatte, ein Darlehensnehmer sei zahlungsfähig, was richtig ist; denn die Arglistklage darf nur wegen erheblicher und offensichtlicher Hinterlist gewährt werden.

Ulpian, der sich Pomponius’ Ediktskommentar hier wie auch anderen Stellen als Vorlage bedient, stimmt zu, dass die bloße Behauptung eines Dritten, ein Darlehensnehmer sei solvent, den Darlehensgeber noch nicht zur actio de dolo legitimiert, falls sich die Angabe als unrichtig erweist. Ulpian vermisst in diesem Fall eine ,magna et evidens calliditas‘, in der er eine Voraussetzung der Arglisthaftung erkennt.66 Damit könnte gemeint sein, dass die bloße Unrichtigkeit der Behauptung noch keinen Schluss auf den Vorsatz des Dritten zulässt, der sich, um für seinen dolus einstehen zu müssen, ihrer auch nachweislich bewusst gewesen sein muss.67 Die Entscheidung böte so das Vorbild für zwei Bescheide der diokletianischen Kanzlei, die die bloße Behauptung einer Täuschung nicht genügen lassen will und die Verurteilung vom Nachweis hinterlistigen Verhaltens abhängig macht:68 CJ 2.4.22 (a 293) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Alexandro. Si maior transegisti, ad rescindendam transactionem de dolo contestatio non sufficit. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Alexander. Hast du als Erwachsener einen Vergleich geschlossen, genügt zur Anfechtung des Vergleichs nicht die Behauptung von Arglist. CJ 2.20.6 (a 293) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Hymnodae. Dolum ex insidiis perspicuis probari convenit. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Hymnoda. Arglist wird anerkanntermaßen durch offensichtliche Hinterlist nachgewiesen.

Ließe sich eine solche Deutung auch damit vereinbaren, dass Ulpian das Fehlverhalten in dem vom Prätor Caecidianus entschiedenen Fall nicht für evident hält, weist seine Forderung nach einer ,magna calliditas‘ doch eher in eine an66 Albanese, S. 243 ff. nimmt dagegen eine Textverfälschung an und glaubt, es sei im Originaltext um die Frage gegangen, ob die actio de dolo durch die actio furti verdrängt werde. In den von Albanese zum Vergleich herangezogenen Entscheidungen aus D 47.2.52.21 Ulp 37 ed und D 47.2.67.4 Paul 7 Plaut geht es aber nicht um eine Fehlvorstellung über die Bonität eines Schuldners, sondern vielmehr um eine Identitätstäuschung, mit deren Hilfe ein anderer als der ausgewählte Darlehensnehmer die Darlehensvaluta an sich bringt. 67 So Cursi, L’eredità, S. 69 ff. 68 Hierzu Harke, Diokletian, S. 37.

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1. Teil: Das Edikt und seine Auslegung

dere Richtung: Selbst wenn der Dritte wusste oder zumindest damit rechnete, dass seine Behauptung falsch und der Darlehensnehmer in Wahrheit insolvent ist, liegt hierin doch keine hinreichende Täuschung: Denn ein gewissenhafter Darlehensgeber darf sich bei seiner Entscheidung zur Kreditvergabe nicht auf Angaben von dritter Seite zur Zahlungsfähigkeit des Darlehensnehmers verlassen; und wenn er es doch tun will, soll er sich den Informanten durch eine Bürgschaft oder zumindest ein Kreditmandat verbindlich machen.69 Hat er hiervon abgesehen, kann er die Behauptung, der er nicht vertrauen durfte, nicht zum Ansatzpunkt für eine Arglistklage machen, auch wenn er tatsächlich getäuscht worden ist. Eine noch weitere Einschränkung des Anwendungsbereichs der actio de dolo gebietet das Potential, das Labeos Konzept eröffnet. Denn die Erweiterung des Tatbestands der Klage auf jegliche vorsätzliche Schädigung verleitet zu einem Zirkelschluss: Da sie nicht nur bei einem Eingriff in vorhandenes Vermögen vorliegt, sondern auch, wenn dessen Mehrung verhindert wird, lässt sich die Haftung auf sämtliche Fälle ausdehnen, die man bei der exceptio doli als Erscheinungsformen des dolus praesens bezeichnen würde.70 Mit der actio de dolo könnte dann nicht mehr bloß belangt werden, wer einem anderen vorsätzlich eine Einbuße zugefügt hat; haftbar wäre auch jeder, der einen anderen dadurch schädigt, dass er ihm eine Leistung vorenthält.71 Entscheidet man sich in diesem zweiten Fall für die Gewährung der Arglistklage, setzt man stillschweigend voraus, dass dem Kläger die ausgebliebene Leistung auch gebührt.72 Lässt sich der übrigen Rechtsordnung ein Anspruch auf sie entnehmen, kommt die actio de dolo wegen ihrer Subsidiarität aber gar nicht erst zum Zuge. Fehlt es hingegen an einem anderweitigen Anspruch, ist es erst die Arglistklage selbst, die das Recht schafft. Ihre Gewährung selbst trägt das Urteil in sich, der Geschädigte könne von dem Schädiger die Leistung verlangen, die dieser ihm verwehrt. Soll auf diese Weise nicht die gesamte Privatrechtsordnung ausgehebelt werden, müssen deren Vorgaben über die Anwendung der actio de dolo entscheiden und deren Einsatz im Sinne des Subsidiaritätsgrundsatzes steuern: Die Arglist69 So richtig Wacke, RIDA 27 (1980) 385. Man kann dies mit MacCormack, BIDR 96/97 (1993/94) 90 untechnisch durchaus als den Vorwurf von Mitverschulden bezeichnen. 70 Grundlegend Mitteis, Römisches Privatrecht bis auf die Zeit Diokletians, Leipzig 1908, S. 318 ff. Ebenso Kaser, Das römische Privatrecht, Bd. 1, 2. Aufl., München 1971, S. 628 und Lambrini, Dolo generale, S. 114 f., 126, Azione di dolo, S. 132 f., die sich dabei auch auf die wenig aussagekräftige Bemerkung Ulpians in D 44.4.2 Ulp 76 ed stützen will: Palam est autem hanc exceptionem ex eadem causa propositam, ex qua causa proposita est de dolo malo actio. („Die Einrede ist aber offensichtlich aus demselben Grund vorgesehen worden, aus dem die Arglistklage vorgesehen worden ist.“). 71 Dass sich dieser Fall mit Labeos Konzept unter die actio de dolo fassen lässt, bestreitet Wacke, RIDA 27 (1980) 383 f.; ähnlich MacCormack, Ricerche Gallo, S. 558. 72 Zu weitgehend daher noch Harke, Si error aliquis intervenit, Berlin 2005, S. 253.

§ 3 Der Haftungstatbestand

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klage darf jenseits ihres durch Aquilius’ Definition festgelegten Ausgangsfalles des Betrugs nur gewährt werden, wenn dies der Wertung des im jeweiligen Fall naheliegenden Klagerechts entspricht. Sie darf nicht mit dem Ziel erteilt werden, neue Ansprüche zu schaffen, die dem übrigen Klagesystem widersprechen. Folgt man dem Subsidiaritätsprinzip in dieser Ausprägung, wird die actio de dolo zum Vehikel für einen Analogieschluss im Bereich der vertraglichen und außervertraglichen Haftung. Sie begründet einen Anspruch nach dem Vorbild schon anerkannter Klagerechte, um den ihnen zugrunde liegenden Rechtsgedanken in einen verwandten Fall zu transportieren. So ist vorprogrammiert, dass die actio de dolo in Konkurrenz zu einem funktionsäquivalenten Institut tritt, nämlich einer zweckdienlichen Klage in Gestalt einer actio in factum. Sie ist ebenfalls dazu gedacht, einen von einem überkommenen Klagerecht nicht erfassten Fall kraft eines Analogieschlusses zu bewältigen. Das Verhältnis beider Ansprüche ist zunächst noch keineswegs ausgemacht. Denn als ad hoc geschaffenes Klagerecht kann die Tatsachenklage nicht ohne Weiteres als ,alia actio‘ gelten, die die Arglisthaftung verdrängt.73 Ihr Vorteil ist aber, dass sie wegen ihrer stärkeren Anbindung an die zum Vorbild gemachte Klage den Analogiecharakter der Entscheidung stärker zum Ausdruck bringt. Außerdem nähert sich die actio in factum, nachdem sich ihre Gewährung in einem bestimmten Fall etabliert hat, dem nachgeahmten Klagerecht derart an, dass sie den diesem zukommenden Vorrang beanspruchen kann. Und schließlich muss die actio in factum spätestens, seitdem die Subsidiaritätsregel in den Dienst der Vermeidung einer Infamiefolge gestellt ist, vollends den Vorzug genießen und die actio de dolo, selbst wenn sie in einem Fall schon einmal gewährt worden sein sollte, nachträglich verdrängen. Der Anwendungsbereich der Arglistklage muss sich also im Anschluss an seine Ausdehnung durch Labeo nachträglich wieder verkleinern.74 Dies gilt freilich nur, soweit sich eine Tatsachenklage überhaupt bilden lässt. Weicht der zu entscheidende Fall zu sehr vom Tatbestand der ediktalen Klage ab, ist noch Raum für die Arglistklage, die aber, insgesamt gesehen, zu einer Randerscheinung wird.75

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Dies macht Watson, SZ 78 (1961) 395 geltend. Dies nehmen zu Recht Cursi, L’eredità, S. 121 an. 75 Dass die Klage mit der Überwindung des Formularprozesses ihre Bedeutung einbüßt, lässt sich entgegen Cursi, L’eredità, S. 129 freilich weder der konservativen Überlieferungspraxis der justinianischen Kompilatoren noch dem Mangel an Entscheidungen aus der Zeit nach Konstantin entnehmen. Beide Merkmale hat die actio de dolo mit vielen anderen Instituten des klassischen Rechts gemein; und sie werden dadurch entwertet, dass sich die diokletianische Kanzlei, obwohl sie bereits von Kognitionsverfahren ausgeht, sehr wohl noch mit der Arglistklage befasst und auch nicht erkennen lässt, dass sie ihr eine geringere Rolle als die klassische Jurisprudenz zuweist. 74

Zweiter Teil

Anwendungsfälle § 4 Täuschung im Rechtsverkehr Die auf Labeo zurückgehende Öffnung des Haftungstatbestands für jegliche Form der vorsätzlichen Schädigung hat im Quellenbestand deutliche Spuren hinterlassen. Zwar fehlt es hier nicht an Entscheidungen von Fällen, die auch schon von der alten Definition des dolus als Täuschung im Rechtsverkehr erfasst sind. Sie machen jedoch keineswegs die Mehrheit der Entscheidungen zur actio de dolo aus; und sie sparen zumeist gerade die Konstellationen aus, in denen man bei unbefangener Betrachtung am ehesten mit einer Haftung aus dieser Klage rechnen würde. Es sind die Fälle der Täuschung beim Vertragsschluss, die ganz überwiegend mit der Vertragshaftung und der exceptio doli bewältigt werden und kaum Raum für eine selbständige Arglisthaftung lassen. Größer wird deren Anwendungsbereich erst jenseits des Vertragsrechts und bei Rechtsakten, die statt zur Begründung zur Aufhebung einer Verpflichtung führen. Außerdem dient die actio de dolo dazu, durch Täuschung erschlichene Akte mit erbrechtlicher Relevanz sowie Entscheidungen über die Freiheit eines Menschen zu bewältigen. I. Abschluss von Schuldverträgen Sind die Parteien durch einen Konsensual- oder Realvertrag mit bonae fidei iudicium verbunden, ergibt sich die Haftung für eine vorvertragliche Fehlinformation schon aus der vertraglichen Verpflichtung der Parteien auf das Gebot der guten Treue. Es verbietet nicht nur die Schädigung des anderen Teils nach Begründung der Vertragsbindung, sondern sanktioniert auch seine Übervorteilung durch den Vertragsschluss selbst.76 Dies ist derart selbstverständlich, dass die Ju76 Nur einem Missverständnis der Kompilatoren geschuldet ist der Bezug auf die Arglistklage daher sehr wahrscheinlich in dem folgenden Text: D 4.3.37 Ulp 44 Sab: Quod venditor ut commendet dicit, sic habendum, quasi neque dictum neque promissum est. si vero decipiendi emptoris causa dictum est, aeque sic habendum est, ut non nascatur adversus dictum promissumve actio, sed de dolo actio. („Was ein Verkäufer sagt, um die Kaufsache anzupreisen, ist nicht so zu behandeln, als sei es zugesichert oder versprochen worden. Ist aber etwas gesagt worden, um den Käufer zu täuschen, ist es zwar gleichfalls nicht so zu behandeln, dass hieraus eine Klage wegen Zusicherung oder aus Versprechen entspringt, aber wohl wegen Arglist.“) Dass ein Verkäufer grundsätzlich nicht für bloße Anpreisungen der Kaufsache einzustehen hat, sagt Ulpian auch in D 21.1.19pr Ulp 1 ed aed. Es schließt keineswegs aus, ihn in dem Fall, in dem er dabei

§ 4 Täuschung im Rechtsverkehr

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risten es gar nicht erst für den Standardfall aussprechen, dass jemand die von ihm zu erbringende Leistung besser erscheinen lässt, als sie in Wahrheit ist. Erwähnt finden wir die selbständige Arglisthaftung nur im eher atypischen Gegenfall, dass jemand die an ihn zu erbringende Leistung schlechtredet, um sie günstig zu erlangen. Wie Ulpian anlässlich der Entscheidung über einen Erbschaftskauf befindet, gilt aber auch hier natürlich, dass die Vertragsklage, die kraft des Gebots der guten Treue jegliches unredliche Verhalten beider Seiten sanktioniert, die actio de dolo verdrängt:77 D 4.3.9pr Ulp 11 ed Si quis adfirmavit minimam esse hereditatem et ita eam ab herede emit, non est de dolo actio, cum ex vendito sufficiat. Hat jemand versichert, eine Erbschaft sei von sehr geringem Wert und sie vom Erben gekauft, greift die Arglistklage nicht ein, weil die Verkäuferklage ausreicht.

Am Vorrang der Vertragsklage scheitert auch die Arglisthaftung eines Dritten, der durch seine Täuschung einen Vorteil für eine der Vertragsparteien geschaffen hat. Selbst wenn sich der begünstigte Teil das Verhalten des Dritten nicht regelrecht zurechnen lassen muss, steht einer Ausnutzung der unredlich begründeten Position doch wieder das Gebot der bona fides entgegen; und dem geschädigten Kontrahenten, der schon durch das Vertragsregime vor den Folgen des dolus bewahrt wird, ist der Rückgriff auf den Schädiger verwehrt. Behandelt wird der Fall einer Dritttäuschung bei einem Vertrag mit bonae fidei iudicium denn auch nur in einer Entscheidung von Trebaz. Sie betrifft aber, genau besehen, gar nicht den Abschluss, sondern nur die Durchführung des Vertrags und wird von Paulus mit nicht unerheblichen Einschränkungen versehen: D 4.3.18.3 Paul 11 ed De eo qui sciens commodasset pondera, ut venditor emptori merces adpenderet, Trebatius de dolo dabat actionem. atquin si maiora pondera commodavit, id quod amplius mercis datum est repeti condictione potest, si minora, ut reliqua merx detur ex empto agi potest: nisi si ea condictione merx venit, ut illis ponderibus traderetur, cum ille decipiendi causa adfirmasset se aequa pondera habere. Trebaz gewährte die Arglistklage gegen denjenigen, der wissentlich falsche Gewichte verliehen hat, damit der Verkäufer einem Käufer Waren abwog. Hat er zu vorsätzlich die Unwahrheit sagt, wegen seines dolus haftbar zu machen. Anspruchsgrundlage kann für Ulpian aber nicht die actio de dolo sein. Vielmehr kommt als solche die dolus-Klausel nach dem ädilizischen Edikt in Betracht, das Ulpian im 44. Buch seines Sabinuskommentars behandelt (Pal., Bd. 2, Sp. 1177 – Ulp 2912); vgl. Kaser, Unlautere Warenanpreisungen beim römischen Kauf, in: Frotz/Ogris (Hg.), Festschrift Demelius, Wien 1973, 127, 136 f. Selbst wenn sich hieraus im Einzelfall keine Haftung ergeben sollte, bliebe noch die allgemeine Einstandspflicht für dolus aufgrund der bona fides-Klausel der actio empti. Auch sie verdrängt die actio de dolo, auf die der Text erst durch seine Aufnahme in den Digestentitel 4.3 gemünzt worden sein kann. 77 Da es eben um einen atypischen Fall geht, verbietet es sich, den Text mit Albanese, S. 245 ff. als zu banal anzusehen und aus diesem Grund einem Interpolationsverdacht zu unterziehen.

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2. Teil: Anwendungsfälle schwere Gewichte verliehen, kann, was zu viel an Waren übergeben worden ist, mit der Kondiktion zurückgefordert werden; hat er zu leichte Gewichte verliehen, kann auf Übergabe der ausstehenden Waren aus dem Kaufvertrag geklagt werden, es sei denn, die Waren seien mit der Maßgabe zum Verkauf gekommen, dass sie so übergeben werden, wie sie mit diesen Gewichten abgewogen sind, nachdem jener in Täuschungsabsicht versichert hatte, dass sie das richtige Gewicht haben.

Stellt jemand falsche Gewichte für die Bemessung der Kaufsache zur Verfügung, ist der so entstandene Fehler zumindest nach Paulus’ Ansicht zuvörderst unter den Parteien des Kaufvertrags zu korrigieren: Waren die Gewichte zu leicht und hat der Verkäufer dem Käufer deshalb eine zu große Warenmenge überlassen, kann er den überschießenden Teil mit der condictio zurückfordern;78 waren die Gewichte dagegen zu schwer, kann der hierdurch benachteiligte Käufer mit der actio empti die Lieferung der noch ausstehenden Menge fordern. Die Verwendung des falschen Gewichts ändert hier wie dort nichts an der Bestimmung der vertraglich geschuldeten Menge durch den Kaufvertrag. Ein irreversibler Nachteil entsteht erst dann, wenn die Parteien die Gewichte als verbindlich anerkennen,79 weil dann jede Seite im Verhältnis zum Vertragspartner eigens das Risiko einer Abweichung zu ihren Ungunsten übernimmt. Eine solche Vereinbarung kann bei oder nach Abschluss des Vertrags getroffen werden, kommt aber nur zustande, wenn beide Parteien dem Dritten vertrauen, weil dieser die Richtigkeit der Gewichte versichert. Seine Erklärung hat in diesem Fall gleichsam Garantiefunktion und setzt ihn einer eigenständigen Haftung mit der actio de dolo aus.80 Im Übrigen scheitert sie am Vorrang der Vertragsklage.81 Nichts anderes als beim bonae fidei iudicium gilt regelmäßig, wenn das Opfer der Täuschung Schuldner einer strengrechtlichen Verpflichtung ist. Ist er in diesem Fall auch nicht durch das Gebot der guten Treue geschützt, kann er sich seiner Inanspruchnahme doch mit der exceptio doli erwehren. Wird er der Täuschung erst nach erbrachter Leistung gewahr, kann er diese mit der condictio zurückfordern, weil er auf eine einredebehaftete Forderung geleistet hat. Für die selbständige Arglisthaftung ist wiederum kein Platz.82 78 Außerdem macht sich der Käufer eines furtum strafbar, wenn er weiß, dass die Gewichte falsch sind; vgl. D 47.2.52.22 Ulp 37 ed. 79 Entgegen Cursi, L’eredità, S. 35 ist damit nicht zwangsläufig gemeint, dass schon die Vertragsbindung selbst unter der Bedingung der Verwendung der Gewichte steht. 80 Dass Trebaz im Gegensatz zu Mela (D 47.2.52.22 Ulp 37 ed) kein furtum auf Seiten des Gewichtverleihers erwägt, dürfte daran liegen, dass er eine contrectatio in dessen Person verneint. 81 Es ist nicht völlig eindeutig, ob Trebaz dies übersehen hat oder, wie Cursi, L’eredità, S. 34 annimmt, von einer Subsidiarität der Klage nur dann ausgeht, wenn sich auch die begünstigte Vertragspartei den Vorwurf eines dolus gefallen lassen muss. Da dies im überlieferten Text nicht angedeutet wird, spricht mehr dafür, dass Paulus dem älteren Juristen eine Fehleinschätzung bei der Entscheidung über die Klagenkonkurrenz vorhält. 82 Dies betont Lambrini, Azione di dolo, S. 134.

§ 4 Täuschung im Rechtsverkehr

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Etwas anderes gilt dagegen, wenn der Getäuschte die Leistung gar nicht in der Annahme seiner Verpflichtung, sondern freiwillig erbracht hat, um die Vertragsbindung zu begründen. Der Fall ist dies bei einer durch Betrug erwirkten Auszahlung eines Darlehens: Hat der Darlehensnehmer den Darlehensgeber durch falsche Angaben zur Kreditvergabe verleitet, steht diesem außer der auf Rückgewähr der Darlehensvaluta gerichteten condictio keine Klage zu Gebote. Hat er einen darüberhinausgehenden Schaden erlitten, kann er diesen nur mit der actio de dolo geltend machen. Ulpian erwähnt sie eher beiläufig anlässlich der Behandlung des Problems, ob jemand, der sich durch Vorgabe einer falschen Identität die Aus- oder Rückzahlung eines Darlehens erschleicht, ein furtum begeht: D 47.2.43.3 Ulp 41 Sab Si quis nihil in persona sua mentitus est, sed verbis fraudem adhibuit, fallax est magis quam furtum facit: ut puta si dixit se locupletem, si in mercem se collocaturum quod accepit, si fideiussores idoneos daturum vel pecuniam confestim se soluturum: nam ex his omnibus magis decepit quam furtum fecit, et ideo furti non tenetur. sed quia dolo fecit, nisi sit alia adversus eum actio, de dolo dabitur. Hat jemand nicht über seine Identität getäuscht, sondern durch seine Aussagen betrogen, ist er eher ein Betrüger, als dass er einen Diebstahl begangen hat, wie zum Beispiel, wenn er gesagt hat, er sei vermögend, er werde das Empfangene in Waren anlegen, solvente Bürgen stellen oder einen Geldbetrag sofort zurückzahlen; denn durch alle diese Behauptungen hat er eher getäuscht als einen Diebstahl begangen; und daher haftet er nicht mit der Diebstahlsklage. Aber weil er arglistig gehandelt hat, ist, wenn keine andere Klage gegen ihn besteht, die Arglistklage zu gewähren.

Die aufgeführten Falschbehauptungen über die eigene Solvenz, die Stellung zahlungsfähiger Bürgen, den Verwendungszweck oder Rückzahlungszeitpunkt eines Geldbetrags sind Beispiele für eine Täuschung durch einen Darlehensnehmer, der sich mit ihnen die Auszahlung des Kredits erschleicht. Haftbar ist er deshalb mit der actio de dolo, die lediglich, was die Darlehensvaluta anbelangt, dem Anspruch auf Rückzahlung des Kredits weichen muss. Dass Ulpian den Fall trotz seiner Lebensnähe nur am Rande erwähnt, kann bloß daran liegen, dass sich ein Kreditgeber zumeist mit dem Rückzahlungsanspruch begnügt und nur selten hinreichend Anlass oder Beweismittel hat, um einen weitergehenden Schaden geltend zu machen. Ergeben kann sich ein solcher lediglich aus einer anderen Verwendungsmöglichkeit der Darlehensvaluta, die ihm einen höheren Gewinn eingebracht oder einen Nachteil erspart hätte. Auf diese Konstellationen könnte sich eine wiederum nur nebenbei erfolgte Erwähnung der actio de dolo im Zusammenhang mit der Erläuterung des Stellionats beziehen: D 13.7.36.1 Ulp 11 ed Sed et si quis rem alienam mihi pignori dederit sciens prudensque vel si quis alii obligatam mihi obligavit nec me de hoc certioraverit, eodem crimine plectetur. plane si ea res ampla est et ad modicum aeris fuerit pignerata, dici debebit cessare non

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2. Teil: Anwendungsfälle solum stellionatus crimen, sed etiam pigneraticiam et de dolo actionem, quasi in nullo captus sit, qui pignori secundo loco accepit. Aber auch wenn jemand mir wissentlich und absichtlich eine fremde Sache als Pfand überlassen hat oder mir eine schon verpfändete Sache erneut verpfändet hat und mich nicht darüber in Kenntnis gesetzt hat, wird er wegen desselben Verbrechens bestraft. Ist die Sache freilich von hohem Wert und nur wegen einer geringen Schuld verpfändet, ist zu sagen, dass nicht nur das Verbrechen des Stellionats ausscheidet, sondern auch die Pfand- und die Arglistklage, weil derjenige, der die Sache als zweitrangiger Pfandgläubiger erhält, keinen Nachteil erleidet.

Deckt der Wert einer Sache außer der Schuld, für die ein älteres Pfandrecht bestellt ist, auch die Forderung eines weiteren Gläubigers, macht sich der Verpfänder selbst dann nicht strafbar, wenn er bei der Bestellung des zweiten Pfandrechts die frühere Belastung verschweigt. Denn dem nachrangigen Gläubiger ist, da sein Anspruch ausreichend besichert ist, kein Schaden entstanden. Folglich scheidet auch eine privatrechtliche Haftung aus, als deren Grundlage Ulpian außer der Arglistklage noch die actio pigneraticia contraria aufführt. Diese Klage lässt, wenn sie auch kein bonae fidei iudicium im eigentlichen Sinne zu sein scheint, genügend Raum für eine Rücksicht auf das Gebot der guten Treue,83 so dass sie eine Haftung wegen vorvertraglicher Täuschung abdeckt. Für die actio de dolo bleibt dann, wenn überhaupt, nur noch Raum, wenn der Pfandgläubiger infolge der Verheimlichung des vorrangigen Pfandrechts schon zur Vergabe des Kredits veranlasst worden ist. Durch die Versäumung anderer Verwendungsmöglichkeiten für sein Kapital kann er so einen Schaden erlitten haben, der nicht durch die pfandvertragliche Haftung wegen mangelhafter Werthaltigkeit der Sicherheit abgedeckt ist.84 Mehr Raum für die Arglistklage ist in dem Fall, dass die Entscheidung zur Kreditgewährung von einem Dritten beeinflusst worden ist. Hier begründet die actio de dolo einen Anspruch gegen einen zusätzlichen Schuldner. Zwar ist auch dieser grundsätzlich subsidiär zu der Klage auf Rückgewähr des Darlehens. Diese scheitert jedoch in den Fällen, in denen es zu einer Täuschung gekommen ist, typischerweise an der Insolvenz des Kreditnehmers.85 Bietet die bloße Behauptung seiner Zahlungsfähigkeit noch keinen Grund für die Annahme einer arglistigen Schädigung, weil sich der Darlehensgeber auf einen Dritten grundsätzlich nur dann verlassen darf, wenn dieser eine Bürgschaft übernimmt oder zumindest einen Kreditauftrag erteilt,86 kann die Grenze zum dolus doch ausnahmsweise überschritten sein. Dies gilt etwa, wenn der Dritte den in Zahlungs83

Vgl. auch CJ 4.24.6 (a 225); hierzu Harke, Diokletian, S. 110 f. Dass die Erwähnung der actio de dolo das Ergebnis einer Interpolation ist und es im ursprünglichen Text um die Konkurrenz zur actio furti ging, glaubt dagegen Albanese, S. 267 f. 85 Vgl. auch Albanese, S. 211 ff. 86 D 4.3.7.10 Ulp 11 ed S. 37. 84

§ 4 Täuschung im Rechtsverkehr

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not geratenen Darlehensnehmer gerade deshalb angepriesen hat, weil er selbst von der Kreditgewährung profitieren wollte, insbesondere indem er die Rückzahlung eines selbst gegebenen Darlehens anstrebt: D 4.3.8 Gai 4 ed prov Quod si cum scires eum facultatibus labi, tui lucri gratia adfirmasti mihi idoneum esse, merito adversus te, cum mei decipiendi gratia alium falso laudasti, de dolo iudicium dandum est. Hast du aber in dem Wissen, dass er in Vermögensverfall geraten ist, mir zum Zwecke deiner eigenen Bereicherung versichert, er sei zahlungsfähig, ist mir gegen dich die Arglistklage zu gewähren, weil du, um mich zu täuschen, einen anderen wahrheitswidrig angepriesen hast.

Der vorsichtige Umgang mit der Arglistklage, zu dem deren Subsidiarität und die Infamiefolge anhalten, ist unter diesen Umständen nicht mehr angebracht. Denn der Schädiger hat sich des Darlehensnehmers gewissermaßen nur als Mittelsmann bedient, um die erstrebte Zuwendung des Geschädigten an sich zu bringen. Ein weiterer Fall, in dem ein Dritter für ein misslungenes Kreditengagement mit der Arglistklage zur Verantwortung gezogen werden kann, ist der einer besonderen Vertrauensbeziehung zum Darlehensgeber. Zwar kann jemand, der einen schlechten Rat gibt, nicht mit der actio mandati belangt werden, weil es sich um ein unwirksames mandatum tua gratia handelte.87 Hat der Ratgeber aber arglistig gehandelt, trifft ihn die Haftung aus der actio de dolo: D 50.17.47pr Ulp 30 ed Consilii non fraudulenti nulla obligatio est: ceterum si dolus et calliditas intercessit, de dolo actio competit. Ein Rat, der ohne Arglist erteilt worden ist, begründet keine Verpflichtung; dagegen steht die Arglistklage zu, wenn Arglist und Betrug vorgekommen sind.

Einen praktischen Fall schildert Ulpian an anderer Stelle: D 17.1.10.7 Ulp 31 ed Si quis ea, quae procurator suus et servi gerebant, ita demum rata esse mandavit, si interventu Sempronii gesta essent, et male pecunia credita sit, Sempronium, qui nihil dolo fecit, non teneri. et est verum eum, qui non animo procuratoris intervenit, sed affectionem amicalem promisit in monendis procuratoribus et actoribus et in regendis consilio, mandati non teneri, sed si quid dolo fecerit, non mandati, sed magis de dolo teneri. Hat sich jemand ausbedungen, dass Geschäfte seines Vertreters und seiner Sklaven nur bei Mitwirkung von Sempronius wirksam sein sollen, und ist ein Geldbetrag ungünstig als Darlehen gewährt worden, hafte Sempronius nicht, wenn er sich nicht arglistig verhalten hat. Und es ist richtig, dass derjenige, der ohne Vertretungsabsicht einen Freundschaftsdienst in Gestalt der Ermahnung von Vertretern und Geschäfts-

87

Gai 3.156, D 17.1.2.6 Gai 2 cott.

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2. Teil: Anwendungsfälle führern und ihre Beratung zugesagt hat, nicht mit der Auftragsklage haftet, er aber, wenn er sich arglistig verhalten hat, nicht mit der Auftrags-, sondern eher mit der Arglistklage haftet.

Ulpian erläutert eine Entscheidung Papinians, den er im vorangegangenen Passus seines Ediktskommentars namentlich erwähnt. Dieser verneint im Grundsatz eine Haftung aus mandatum, wenn sich jemand lediglich dazu bereiterklärt hat, dem Vermögensverwalter und den Sklaven eines anderen bei geschäftlichen Entscheidungen durch Ratschläge zur Seite zu stehen. Er kann hierfür nicht als Kreditauftraggeber zur Verantwortung gezogen werden; und er ist, solange er nicht als Geschäftsführer tätig werden will, auch nicht umgekehrt als Auftragnehmer zu belangen. Ist aber auf seinen Rat hin ein Darlehen unter ungünstigen Umständen, insbesondere an einen nicht zahlungsfähigen Darlehensnehmer gewährt worden, haftet er aber mit der actio de dolo, wenn er sich den Vorwurf der Arglist gefallen lassen muss. Begründet kann er nur deshalb sein, weil der Ratgeber die Agenten des Geschäftsherrn ausdrücklich oder zumindest konkludent über das misslungene Kreditengagement, insbesondere über die Bonität des Darlehensnehmers getäuscht hat. Zu einer Haftung des Dritten kommt es ferner, wenn er als Makler tätig geworden ist. Zwar liegt in der Vermittlung eines Darlehensvertrags noch keineswegs ein Kreditauftrag, der den Makler mit der actio mandati haftbar machte; und die Annahme eines Lohns führt auch nicht dazu, dass ein Werkvertrag vorläge, der den Makler auf die erfolgreiche Durchführung des Hauptvertrags verpflichtete. Hat er den Darlehensnehmer wider besseren Wissens als zahlungsfähig dargestellt, trifft ihn aber die Haftung mit der actio de dolo, weil er als Makler das Vertrauen des Darlehensgebers in Anspruch nimmt und daher nicht die Rücksicht genießt, die gewöhnlich verdient, wer die Solvenz eines Kreditnehmers behauptet: D 50.14.2 Ulp 31 ed Si proxeneta intervenerit faciendi nominis, ut multi solent, videamus an possit quasi mandator teneri. et non puto teneri, quia hic monstrat magis nomen quam mandat, tametsi laudet nomen. idem dico, et si aliquid philanthropi nomine acceperit: nec ex locato conducto erit actio. plane si dolo et calliditate creditor[u]m circumvenerit, de dolo actione tenebitur. Ist ein Makler, wie es oft geschieht, zur Aufnahme eines Darlehens eingeschaltet worden, müssen wir zusehen, ob er wie ein Kreditauftraggeber haftet. Und ich glaube nicht, dass er haftet, weil er mehr eine Gelegenheit für einen Kredit aufzeigt als dessen Vergabe beauftragt, auch wenn er den Kredit anpreist. Und dasselbe behaupte ich für den Fall, dass er eine Belohnung angenommen hat; denn es besteht keine Klage aus Verdingung. Hat er freilich den Gläubiger durch Arglist und Betrug übervorteilt, haftet er mit der Arglistklage.

Eine Konkurrenz mit der Vertragshaftung ist von vornherein ausgeschlossen, wenn die Täuschung anlässlich einer Vereinbarung erfolgt, die zwar den Rechtsgrund für Zuwendung oder Stipulation liefern kann, aber selbst keinen Anspruch

§ 4 Täuschung im Rechtsverkehr

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hervorbringt. Dies ist die Wirkungsweise von Schenkung und Mitgiftbestellung. Sie bieten dem Empfänger der Leistung insbesondere dann keinen Schutz, wenn er eine fremde Sache erhalten hat, die ihm später vom wahren Eigentümer abgenommen wird. Im Fall einer donatio entscheidet sich hier schon Labeo für die Gewährung der actio de dolo, falls der Schenker den Rechtsmangel kannte und dem Beschenkten nicht offenbart hat:88 D 39.5.18.3 Ulp 71 ed Labeo ait, si quis mihi rem alienam donaverit inque eam sumptus magnos fecero et sic mihi evincatur, nullam mihi actionem contra donatorem competere: plane de dolo posse me adversus eum habere actionem, si dolo fecit. Labeo schreibt, dass mir, wenn jemand mir eine fremde Sache geschenkt hat und ich auf sie große Aufwendungen gemacht habe und sie mir so entwehrt worden sind, keine Klage gegen den Schenker zustehe; freilich könne mir die Arglistklage gegen ihn zustehen, wenn er arglistig gehandelt hat.

Anders als bei der Eviktionshaftung aufgrund eines Kaufvertrags ist Ziel der Haftung des Schenkers allerdings nicht der Ausgleich des Interesses, das der Empfänger der Sache an deren Verbleib in seinem Vermögen hat. Auch die actio de dolo kann nämlich nicht darüber hinweghelfen, dass der Beschenkte keinen Anspruch auf die Leistung des Schenkers hat. Ersatzfähig ist nur das negative Interesse daran, nicht auf den Bestand der Zuwendung vertraut zu haben. Es materialisiert sich in Aufwendungen, die der Beschenkte auf die Sache gemacht hat und die infolge ihrer Entwehrung nutzlos geworden sind. Ungenannt bleibt der Gegenstand der actio de dolo in einer Entscheidung Papinians zur Bestellung einer dos: D 23.3.69.7 Pap 4 resp Cum res in dotem aestimatas soluto matrimonio reddi placuit, summa declaratur, non venditio contrahitur: ideoque rebus evictis, si mulier bona fide eas dederit, nulla est actio viro: alioquin de dolo tenetur. Ist vereinbart worden, dass Sachen, die zum Schätzwert als Mitgift überlassen worden sind, bei Auflösung der Ehe zurückgegeben werden, ist nur ein Betrag festgesetzt, kein Kaufvertrag geschlossen; und daher steht dem Mann bei einer Entwehrung der Sachen keine Klage zu, wenn die Frau sie gutgläubig überlassen hat; andernfalls haftet sie mit der Arglistklage.

Ist eine Mitgift als dos aestimata übernommen, kommt dies einem Kaufvertrag gleich, aus dem der Ehemann, der bei Auflösung der Ehe unbedingt den Wert der überlassenen Sachen leisten muss, im Gegenzug auch einen Anspruch wegen ihnen anhaftender Rechtsmängel hat.89 Sollen die zur Mitgift gehörenden Sachen dagegen selbst zurückgegeben werden, dient die Bestimmung eines Schätzwertes

88 89

Hierzu Harke, Freigiebigkeit und Haftung, Würzburg 2006, S. 11 ff. D 23.3.16 Ulp 34 Sab.

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2. Teil: Anwendungsfälle

nur der Erleichterung der Abwicklung des Rechtsverhältnisses und begründet keine kaufrechtlichen Ansprüche. Die Vereinbarung über die Bestellung der Mitgift löst, wenn sie nicht von einer Stipulation begleitet ist, für sich genommen auch keine Rechte des Ehemannes aus. Ist ihm eine zur Mitgift gehörende Sache entwehrt worden, kann er sich bei der Frau lediglich erholen, falls diese den Rechtsmangel kannte und ihren Mann hierüber nicht unterrichtet hat. Die einschlägige Klage ist in dem überlieferten Auszug aus Papinians Responsen zwar kurzerhand als actio de dolo bezeichnet. Wahrscheinlich ist aber, dass Papinian ursprünglich von einer actio in factum gesprochen hat, die mit Rücksicht auf die Achtung gewährt wird, die Ehegatten einander schuldig sind und die keine infamierend wirkende Verurteilung zur Folge hat.90 Diese Klage wird auch in einem Reskript der kaiserlichen Kanzlei genannt, das aus der Wirkungszeit Papinians stammt und die Vorlage für den Responsentext geliefert haben könnte: CJ 5.12.1 (a 201) Impp. Severus et Antoninus AA. Nicephoro. Evicta re, quae fuerat in dotem data, si pollicitatio vel promissio fuerit interposita, gener contra socerum vel mulierem seu heredes eorum condictione vel ex stipulatione agere potest. (1) Sin autem nulla pollicitatio vel promissio intercesserit, post evictionem eius, si quidem res aestimata fuerit, ex empto competit actio. (2) Sin vero hoc non factum est, si quidem bona fide eadem res in dotem data est, nulla marito competit actio: dolo autem dantis interposito de dolo actio adversus eum locum habebit, nisi a muliere dolus interpositus sit: tunc enim, ne famosa actio adversus eam detur, in factum actio competit. Kaiser Severus und Antoninus an Nicephorus. Ist eine als Mitgift überlassene Sache entwehrt worden, kann der Schwiegersohn, wenn ein Versprechen oder eine Stipulation vorgenommen worden ist, gegen seinen Schwiegervater oder seine Ehefrau oder deren Erben mit der Kondiktion oder aus der Stipulation klagen. (1) Ist weder ein Versprechen noch eine Stipulation vorgenommen worden, steht ihm nach der Entwehrung der Sache, wenn sie zu ihrem Schätzwert überlassen worden ist, die Kaufklage zu. (2) Ist dies nicht geschehen, steht dem Ehemann, wenn die Sache guten Glaubens als Mitgift überlassen worden ist, keine Klage zu; hat der überlassende Teil arglistig gehandelt, greift aber die Arglistklage gegen ihn Platz, falls es nicht die Ehefrau selbst war, die arglistig gehandelt hat; dann nämlich steht, damit gegen sie keine ehrlos machende Klage gewährt wird, eine Tatsachenklage zu.

II. Aufhebung von Verpflichtungen Auch bei vertraglichen Verpflichtungen besteht Raum für die actio de dolo, falls die Täuschung erfolgt, um die Befreiung von der Verbindlichkeit zu erreichen. Wird sie durch schlichtes pactum erlassen, lässt sich die Forderung freilich schon einfach dadurch wiederherstellen, dass dem Gläubiger die replicatio doli gewährt wird. Anders verhält es sich, wenn die Verpflichtung durch aquilianische Stipulation und förmlichen Erlass endgültig beseitigt ist. Hat der Schuldner einen 90

s. o. S. 22.

§ 4 Täuschung im Rechtsverkehr

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solchen Verzicht erschlichen, indem er eine Schuldübernahme durch constitutum debiti91 vorgespiegelt hat, ist er hierfür mit der actio de dolo haftbar: D 4.3.38 Ulp 5 op Quidam debitor epistulam quasi a Titio mitti creditori suo effecit, ut ipse liberetur: hac epistula creditor deceptus Aquiliana stipulatione et acceptilatione liberavit debitorem: postea epistula falsa vel inani reperta creditor maior quidem annis viginti quinque de dolo habebit actionem, minor autem in integrum restituetur. Ein Schuldner hat bewirkt, dass seinem Gläubiger ein scheinbar von Titius stammender Brief mit der Bitte geschickt wurde, den Schuldner zu befreien; durch diesen Brief getäuscht, hat der Gläubiger den Schuldner durch aquilianische Stipulation und förmlichen Erlass befreit; stellt sich danach heraus, dass der Brief gefälscht oder ohne Wirkung war, hat der Gläubiger, wenn er über 25 Jahre alt ist, die Arglistklage; ist er jünger, wird er in den vorigen Stand eingesetzt.

Ein Schuldner hat die Aufhebung seiner Verpflichtung durch stipulatio Aquiliana und förmlichen Erlass erreicht, indem er dafür gesorgt hat, dass der Gläubiger einen Brief erhält, der den Eindruck der Zusage einer Schuldübernahme durch einen Dritten erweckt. Stellt sich der Brief als gefälscht heraus oder erweist er sich als wertlos, weil er sich gar nicht im Sinne eines constitutum debiti verstehen lässt, ist der Schuldner, sofern der Gläubiger nicht als Minderjähriger seine Wiedereinsetzung erlangen kann,92 für die von ihm vorsätzlich veranlasste Täuschung des Gläubigers mit der actio de dolo haftbar.93 Nicht weiter konkretisiert, aber auch auf eine stipulatio Aquiliana bezogen ist die mit der Arglistklage sanktionierte Täuschung in einer schon betrachteten Entscheidung Diokletians94 und einem zur Regierungszeit von Severus Alexander ergangenen Reskript: CJ 2.4.4 (a 226) Impp. Alexander A. Numidio. Actione administratae curae ab eo, qui legitimae aetatis annos complevit, in Aquilianam stipulationem deducta et per acceptilationem extincta nullam aliam superesse nisi de dolo intra concessa tempora non ambigitur, nisi specialiter etiam de dolo transactum est. Kaiser Alexander an Numidius. Ist die Klage wegen Pflegschaft von jemandem, der das gesetzliche Alter erreicht hat, zum Gegenstand einer aquilianischen Stipulation gemacht und durch förmlichen Erlass zum Erlöschen gebracht worden, ist unumstrit91

Vgl. Wacke, SZ 88 (1971) 110 und dens., RIDA 27 (1980) 370. Wacke, SZ 88 (1971) 110 f. sieht hierin zu Unrecht ein Indiz dafür, dass es eine in integrum restitutio wegen dolus nicht gegeben hat. 93 Vgl. Cursi, L’eredità, S. 95 f. Anders Wacke, RIDA 27 (1980) 370 f. und MacCormack, Ricerche Gallo, S. 553, die glauben, der Schuldner handele zumindest im Fall der epistula inanis in gutem Glauben. Zwar ist zuzugeben, dass die Bezeichnung des Gläubigers als ,deceptus‘ noch nicht den Schluss zulässt, er sei von dem Schuldner absichtlich getäuscht worden. Für beide Varianten gilt jedoch, dass der Brief lediglich ,quasi‘ eine Schuldübernahme des Dritten zum Ausdruck bringt; und der Schuldner hat dies „bewirkt“ (,efficit‘). 94 CJ 2.20.5 (a 293); s. o. S. 24. 92

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2. Teil: Anwendungsfälle ten, dass keine Klage übrigbleibt, es sei denn wegen Arglist innerhalb der hierfür bestimmten Frist, sofern man sich nicht ausdrücklich auch wegen Arglist verglichen hat.

Einem bestandskräftigen Vergleich ähnlich ist die Aufhebung einer Verpflichtung durch einen vom Gläubiger angetragenen Eid des Schuldners, mit dem dieser beschwört, dass die umstrittene Verbindlichkeit nicht besteht. Während Labeo auch hier die actio de dolo gewähren will, falls der Schuldner vorsätzlich falsch geschworen hat, halten die Juristen der Hoch- und Spätklassik den durch Eid herbeigeführten Anspruchsausschluss für unumstößlich und widersetzen sich auch einer Korrektur im Wege der Arglistklage:95 D 4.3.21 Ulp 11 ed Quod si deferente me iuraveris et absolutus sis, postea periurium fuerit adprobatum, Labeo ait de dolo actionem in eum dandam: Pomponius autem per iusiurandum transactum videri, quam sententiam et Marcellus libro octavo digestorum probat: stari enim religioni debet. Hast du aber auf meinen Antrag geschworen und bist freigesprochen und ist später erwiesen worden, dass es ein Meineid war, ist, wie Labeo schreibt, die Arglistklage gegen ihn zu gewähren. Pomponius meint dagegen, durch den Eid scheine ein Vergleich abgeschlossen, eine Ansicht, die auch Marcell im achten Buch seiner Digesten vertritt. Die Ehrfurcht muss nämlich gewahrt bleiben. D 4.3.22 Paul 11 ed Nam sufficit periurii poena. Denn es genügt die Strafe wegen des Meineides.

Selbst wenn man Labeos Ansicht teilt, bedarf es der von ihm befürworteten Haftung mit der Arglistklage freilich nur, wenn sich die Wirkung des Eides nicht schon durch eine replicatio doli neutralisieren lässt. Der Eid darf also nicht lediglich zu einer exceptio iurisiurandi oder einer gerichtlichen Entscheidung geführt haben, die eine bloße exceptio rei iudicatae auslöst; er muss ein klageabweisendes Urteil zur Folge gehabt haben, das einen weiteren Prozess des Gläubigers ipso iure ausschließt. Den Grund, aus dem sich die hoch- und spätklassischen Juristen gegen die Ansicht Labeos wenden,96 ergibt der Blick auf den Vorbehalt, den die kaiserliche Kanzlei in ihrer Entscheidung zur aquilianischen Stipulation macht: Auch bei ihr soll die actio de dolo ausscheiden, wenn der Forderungsverzicht Teil eines Vergleichs ist, der sogar eine mögliche Arglisthaftung einschließt. Eben dies ist bei einem antragsgemäß geleisteten Schwur von selbst der Fall: Als eine Art Pro95 Entgegen Brutti, Bd. 1, S. 291 und Cursi/Fiori, BIDR 105 (2011) 167 glaube ich nicht, dass Labeo hier einen neuen Anwendungsbereich für die actio de dolo erschließt; denn es liegt, wie auch MacCormack, SDHI 52 (1986) 238 erkennt, ein gewöhnlicher Fall der Täuschung vor. Eine Neuerung bringt erst die Lösung der späteren Juristen, die sich gegen die Gewährung dieser Klage entscheiden. 96 Vgl. hierzu auch Harke (Fn. 8), S. 95 ff.

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zessvertrag ist er zugleich einem Urteil und einem Vergleich ähnlich.97 Und im Gegensatz zu einer gewöhnlichen transactio deckt er zwangsläufig auch einen dolus ab; denn der Schuldner, dessen Unaufrichtigkeit der Gläubiger unterstellt oder zumindest ins Kalkül zieht, beschwört die göttliche Rache ja gerade für den Fall eines von ihm erwarteten Meineids.98 Dies erklärt, warum der Eid nach der Vorstellung der hoch- und spätklassischen Jurisprudenz in seiner Wirkung über die eines Urteils hinausgeht: D 12.2.2 Paul 18 ed Iusiurandum speciem transactionis continet maioremque habet auctoritatem quam res iudicata. Der Eid schließt eine Art von Vergleich ein und hat stärkere Wirkung als ein Urteil.

Im Gegensatz zu einem antragsgemäß geschworenen Eid kann ein falsches Urteil nämlich sehr wohl Anknüpfungspunkt der Haftung mit der actio de dolo sein: Hat der Beklagte den Kläger durch unrichtige Angaben im Prozess dazu gebracht, ein klageabweisendes Urteil zu akzeptieren, ist er ihm mit der Arglistklage haftbar:99 D 4.3.20.1 Paul 11 ed Si persuaseris mihi nullam societatem tibi fuisse cum eo, cui heres sum, et ob id iudicio absolvi te passus sim: dandam mihi de dolo actionem Iulianus scribit. Hast du mich überzeugt, dass zwischen dir und demjenigen, dessen Erbe ich bin, keine Gesellschaft bestand, und habe ich deshalb hingenommen, dass du im Verfahren freigesprochen wirst, ist mir, wie Julian schreibt, die Arglistklage zu gewähren.

Dies gilt aber nur, wenn die Entscheidung eine spätere Klage völlig ausschließt. Begründet sie lediglich die exceptio rei iudicatae, kann der Kläger diese, wenn er erneut klagt,100 mit der replicatio doli überwinden, und bedarf folglich nicht der actio de dolo:101

97

Harke (Fn. 8), S. 92 ff. Daher lässt sich entgegen Brutti, Bd. 1, S. 283 ff. und Cursi, L’eredità, S. 42 zwischen Labeo und den späteren Juristen auch kein Unterschied ausmachen, was die laizisierende Tendenz anbelangt. 99 Als typischen Anwendungsfall der Arglistklage machen dies Watson, SZ 78 (1961) 400 f. und Cursi, L’eredità, S. 122 aus. 100 Die im folgenden Text verwendete Formulierung: ,ex integro agere‘, zeigt entgegen Brutti, Bd. 2, S. 447 ff., 616 ff., Lambrini, Azione di dolo, S. 113, 119 und Cursi, L’eredità, S. 93 keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand an, sondern will lediglich besagen, dass der Kläger seinen Anspruch abermals erheben kann; vgl. Wacke, SZ 88 (1971) 118 f. und Kaser, SZ 94 (1977) 149. 101 So erklärt die Divergenz beider Entscheidungen, die aus demselben Werk des Paulus stammen, zu Recht Wacke, SZ 88 (1971) 117. Kupisch, Actio famosa, S. 1197 ff. nimmt hingegen an, Julian und Paulus hätten die actio de dolo im Fall der Gesellschaftsklage zugelassen, weil diese gleichfalls infamierend wirkt. Dagegen spricht jedoch, dass auch die actio mandati und die actio tutelae ungeachtet ihrer Infamiefolge die actio de dolo verdrängen; vgl. D 17.1.8.1 und D 4.3.5 Ulp (s. u. S. 63). – Für 98

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2. Teil: Anwendungsfälle D 4.3.25 Paul 11 ed Cum a te pecuniam peterem eoque nomine iudicium acceptum est, falso mihi persuasisti, tamquam eam pecuniam servo meo aut procuratori solvisses, eoque modo consecutus es, ut consentiente me absolveris: quaerentibus nobis, an in te doli iudicium dari debeat, placuit de dolo actionem non dari, quia alio modo mihi succurri potest: nam ex integro agere possum et si obiciatur exceptio rei iudicatae, replicatione iure uti potero. Als ich von dir einen Geldbetrag forderte und deshalb ein Verfahren aufgenommen wurde, hast du mich zu Unrecht davon überzeugt, dass du den Geldbetrag meinem Sklaven oder Vertreter gezahlt habest, und so erreicht, dass du mit meiner Zustimmung freigesprochen worden bist; auf unsere Frage, ob gegen dich die Arglistklage gewährt werden muss, ist entschieden worden, sie nicht zu gewähren, weil mir auf andere Weise geholfen werden kann; ich kann nämlich erneut klagen und mich, wenn die Einrede der Rechtskraft erhoben wird, zu Recht einer Replik bedienen.

Auch wenn das Urteil, gegen das sich der Kläger mit dem Vorwurf eines Prozessbetrugs wendet, durch den Richter gesprochen wird, erscheint aus Sicht der Juristen doch keineswegs dessen Irreführung maßgeblich. Relevant ist für sie vielmehr, dass sich auch der Kläger täuschen lässt und daher die Abweisung der Klage hinnimmt. Die Tat entspricht in ihrer Struktur daher ganz der Täuschung bei Forderungsverzicht und Vergleich. In ihrer Begehungsweise verschieden, im Ergebnis wiederum gleich ist die Tat in dem folgenden Fall: D 4.3.18.4 Paul 11 Dolo cuius effectum est, ut lis temporibus legitimis transactis pereat: Trebatius ait de dolo dandum iudicium, non ut arbitrio iudicis res restituatur, sed ut tantum actor consequatur, quanti eius interfuerit id non esse factum, ne aliter observantibus lex circumscribatur. Durch die Arglist eines Beteiligten ist bewirkt worden, dass ein Verfahren wegen Ablaufs der gesetzlich bestimmten Frist verlorengegangen ist; Trebaz schreibt, dass die Arglistklage zu gewähren sei, nicht damit auf Anordnung des Richters der Prozess wiedereingesetzt wird, sondern allein zu dem Ziel, dass der Kläger erlangt, was sein Interesse daran ausmacht, dass keine Arglist vorgekommen wäre, damit nicht, wenn man anders verführe, das Gesetz umgangen wird.

Es geht um die mors litis nach der lex Iulia iudiciaria: Ist ein zwischen römischen Bürgern und in Rom aufgenommenes iudicium legitimum nach 18 Monaten nicht erledigt, darf das Verfahren nicht mehr fortgeführt werden. Da der geltend gemachte Anspruch verfällt und nicht mehr zum Gegenstand eines weiteren Prozesses taugt, kommt zur Sanktion eines Fehlverhaltens, mit dem der Beklagte den Untergang des Prozesses erreicht hat, nicht die replicatio doli, sondern allein

Lambrini, Azione di dolo, S. 112, 115 ergibt sich der Unterschied daraus, dass in Julians Fall eine in integrum restitutio, wie sie Paulus befürwortet, ausnahmsweise nicht möglich ist. Hierfür gibt es im überlieferten Text aber keinen Anhaltspunkt.

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die actio de dolo in Betracht.102 Als Tathandlung ist lediglich eine Täuschung denkbar, mit der der Beklagte die Verschiebung der Verhandlung bis zu dem Moment erreicht hat, in dem der Anspruch des Klägers erloschen ist. III. Täuschung bei Erbfolge und Freilassung Den Bereich der Vertragsverhältnisse verlassen die Entscheidungen zu einer Täuschung anlässlich einer Rechtsnachfolge. Diokletians Kanzlei befasst sich mit einem Fall, in dem ein Erbe arglistig zur Ausschlagung einer Erbschaft veranlasst worden sein könnte. Der Vorwurf richtet sich gegen die Ersatzerbin, die dem vorrangig berufenen Erben insbesondere vorgespiegelt haben könnte, dass die Erbschaft überschuldet ist:103 CJ 2.20.7 (a 294) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Sebastiano. Si maior quinque et viginti annis hereditatem fratris tui repudiasti, nulla tibi facultas eius adeundae relinquitur. sane si eius uxoris tibi substitutae dolo factum est, actionem de dolo contra eam exercere potes. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Sebastian. Hast du im Alter von mehr als 25 Jahren die Erbschaft deines Bruders ausgeschlagen, hast du keine Befugnis mehr, sie anzutreten. Hat freilich seine als Ersatzerbin eingesetzte Frau arglistig gehandelt, kannst du gegen sie die Arglistklage anstellen.

Einen solchen Fall der Täuschung behandelt auch Ulpian eigens in seinem Ediktskommentar:104 D 4.3.9.1 Ulp 11 ed Si autem mihi persuaseris, ut repudiem hereditatem, quasi minus solvendo sit, vel ut optem servum, quasi melior eo in familia non sit: dico de dolo dandam, si callide hoc feceris. Hast du mich aber überredet, eine Erbschaft auszuschlagen, weil sie überschuldet sei, oder einen Sklaven auszuwählen, weil kein besserer im Haushalt vorhanden sei, ist, wie ich meine, die Arglistklage zu gewähren, wenn du dies mit Hinterlist getan hast.

Da sich sowohl die Ausschlagung der Erbschaft als auch ihre Annahme durch einen Ersatzerben wegen ihrer Drittwirkung nicht mehr ungeschehen machen oder im Wege einer exceptio doli entkräften lassen, bleibt unter diesen Umständen nur der Rückgriff auf die Arglistklage. Dasselbe gilt in dem zweiten von Ulpian behandelten Fall, in dem der Erbe einen Vermächtnisnehmer, dem einer von mehreren Sklaven überlassen ist, die Auswahl beeinflusst, indem er den be-

102 Wacke, SZ 88 (1971) 120. Vgl. zu dem Text auch Brutti, Bd. 1, S. 150 ff., der sich vor allem gegen Interpolationsannahmen in der älteren Literatur wendet. 103 Vgl. hierzu auch Harke, Diokletian, S. 38 f. 104 Für interpoliert hält diesen Text Albanese, S. 248.

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2. Teil: Anwendungsfälle

troffenen Sklaven zu Unrecht als besten der gesamten Erbschaft ausgibt. Unabhängig davon, ob es sich um ein Vindikations- oder ein Damnationslegat handelt, ist mit der Herausgabe oder Übereignung des ausgewählten Sklaven die Verpflichtung des Erben erledigt, so dass als Grundlage seiner Haftung nur die actio de dolo in Betracht kommt. Ebenso verhält es sich in dem umgekehrten, von Gaius entschiedenen Fall, in dem ein Vermächtnisnehmer den Erben täuscht.105 Sein Ziel ist es dabei, die volle Leistung auf sein Legat zu erlangen, obwohl der Erbe sie nach Maßgabe der lex Falcidia hätte kürzen können:106 D 4.3.23 Gai 4 ad ed prov Si legatarius, cui supra modum legis Falcidiae legatum est, heredi adhuc ignoranti substantiam hereditatis ultro iurando vel quadam alia fallacia persuaserit, tamquam satis abundeque ad solida legata solvenda sufficiat hereditas, atque eo modo solida legata fuerit consecutus: datur de dolo actio. Hat ein Vermächtnisnehmer, dem über das von dem falzidischen Gesetz erlaubten Maß hinaus vermacht worden ist, den Erben, der den Umfang des Nachlasses nicht kannte, durch einen von sich aus geleisteten Eid oder irgendeine andere Täuschung davon überzeugt, dass der Nachlass voll und ganz zur ungekürzten Erfüllung der Vermächtnisse ausreicht, und so die ungekürzten Vermächtnisse erlangt, wird die Arglistklage gewährt.

Hat der Erbe, soweit er die falzidische Quart nicht einbehalten hat, auch eine Leistung auf eine Nichtschuld erbracht, wird die actio de dolo in diesem Fall doch nicht durch die condictio verdrängt; denn die Leistung auf eine vermeintliche Legatsschuld unterliegt einem Verbot der Rückforderung.107 Einen Drittbezug hat die Täuschung in dem von Furius Anthianus behandelten Fall, dass ein Nachlassgläubiger einen Erben zur Annahme einer überschuldeten Erbschaft bringt, indem er falsche Angaben über deren Zusammensetzung macht. Ist er deren einziger Gläubiger, ist der Erbe hinreichend dadurch geschützt, dass er sich seiner Inanspruchnahme wegen der Nachlassschuld mit der exceptio doli erwehren kann; gibt es dagegen weitere Gläubiger, kann er den Schaden, der ihm aus den Verpflichtungen gegenüber diesen erwächst, nur mit der Arglistklage von dem Gläubiger ersetzt verlangen, der ihn betrogen hat: D 4.3.40 Fur Anth 1 ed Is, qui decepit aliquem, ut hereditatem non idoneam adiret, de dolo tenebitur, nisi fortasse ipse creditor erat et solus erat: tunc enim sufficit contra eum doli mali exceptio.

105

Zum dabei verwendeten Eid Harke (Fn. 8), S. 48 Fn. 17. MacCormack, BIDR 96/97 (1993/94) 93 bleibt eine Erklärung für seine Ansicht schuldig, dass sich diese Konstellation nicht ohne Weiteres mit der älteren Definition des dolus erfassen lasse. 107 Gai 2.283; vgl. auch Lambrini, Azione di dolo, S. 107. 106

§ 4 Täuschung im Rechtsverkehr

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Wer einen anderen getäuscht hat, damit dieser eine überschuldete Erbschaft antritt, haftet wegen Arglist, falls er nicht selbst der einzige Gläubiger ist; dann nämlich genügt ihm gegenüber die Arglisteinrede.

In einem Dreiecksverhältnis stehen die Beteiligten auch im Fall einer erschlichenen Freilassung. Sie ist Gegenstand einer Entscheidung Julians, die Ulpian in Beziehung zu der von Pomponius aufgestellten Regel setzt, die Arglistklage scheide stets aus, wenn den Interessen des Geschädigten auf andere Weise genügt werden kann:108 D 4.3.7pr Ulp 11 ed Et eleganter Pomponius haec verba ,si alia actio non sit‘ sic excipit, quasi res alio modo ei ad quem ea res pertinet salva esse non poterit. nec videtur huic sententiae adversari, quod Iulianus libro quarto scribit, si minor annis viginti quinque consilio servi circumscriptus eum vendidit cum peculio emptorque eum manumisit, dandam in manumissum de dolo actionem (hoc enim sic accipimus carere dolo emptorem, ut ex empto teneri non possit) aut nullam esse venditionem, si in hoc ipso ut venderet circumscriptus est. et quod minor proponitur, non inducit in integrum restitutionem: nam adversus manumissum nulla in integrum restitutio potest locum habere. Und Pomponius deutet die Formel: „wenn keine andere Klage gegeben ist“, treffend so, dass die Rechtsposition des Betroffenen nicht auf andere Weise gewahrt werden kann. Und dieser Ansicht läuft ersichtlich nicht zuwider, was Julian im vierten Buch schreibt, nämlich dass, wenn jemand im Alter von unter 25 Jahren dadurch übervorteilt worden ist, dass er auf den Rat seines Sklaven diesen mit seinem Sondergut verkauft und der Käufer ihn freigelassen hat, entweder gegen den Freigelassenen die Arglistklage zu gewähren sei (wir sehen dies nämlich so, dass der Käufer ohne Arglist handelt, so dass er nicht aus dem Kaufvertrag haften kann) oder der Verkauf unwirksam sei, wenn er gerade durch den Verkauf übervorteilt wurde. Dass es um einen Minderjährigen geht, führt noch nicht zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand; denn gegen einen Freigelassenen kann keine Wiedereinsetzung stattfinden.

Julian behandelt die Wiedereinsetzung wegen Minderjährigkeit.109 Schließt sie die actio de dolo aus, wenn der noch nicht 25 Jahre alte Eigentümer eines Sklaven von diesem überredet worden ist, ihn mit seinem Sondergut zu verkaufen, damit der Käufer ihn freilässt? Die Antwort hängt davon ab, ob der Minderjährige schon durch den Kaufvertrag selbst, insbesondere durch die fehlende Äquivalenz von Leistung und Preis,110 übervorteilt worden ist oder sich sein Schaden bloß daraus ergibt, dass er des Sklaven entbehren muss und daher nicht in den Genuss der Vorteile kommt, die ihm der Fortbestand des Gewaltverhältnisses eingetragen hätte. Im zuerst genannten Fall kann der Minderjährige die in integrum

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s. o. S. 18. Wacke, SZ 88 (1971) 112 f. wertet dies zu Unrecht als Indiz gegen die Existenz einer restitutio wegen dolus (s. o.). 110 Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass sich die circumscriptio, wie Cursi, L’eredità, S. 79 meint, allein auf das peculium bezieht. 109

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2. Teil: Anwendungsfälle

restitutio im Verhältnis zum Käufer begehren.111 Deren Ergebnis ist, dass der Kaufvertrag als unwirksam behandelt wird112 und der Minderjährige Wertersatz für den verlorenen Sklaven und dessen Sondergut abzüglich des von ihm vereinnahmten Kaufpreises fordern kann.113 Muss sich der Käufer dagegen nicht den Vorwurf gefallen lassen, den Minderjährigen übervorteilt zu haben, kommt als dessen Schuldner nur der Sklave selbst in Frage, der seit seiner Freilassung auch rechtsfähig ist. Im Verhältnis zu ihm kommt freilich keine Wiedereinsetzung in Betracht, weil die Freilassung unwiderruflich ist.114 Hierauf weist Ulpian auch eigens in seinem Kommentar zum Edikt über die in integrum restitutio eines Minderjährigen hin. Die Kompilatoren haben die entsprechende Aussage mit einem Auszug aus dem Kommentar des Paulus verflochten, in dem ein Vorbehalt für eine Einzelfallentscheidung des Kaisers gemacht wird: D 4.4.9.6 Ulp 11 ed Adversus libertatem quoque minori a praetore subveniri impossibile est, Gegen eine Freilassung kann der Prätor sogar einem Minderjährigen unmöglich zu Hilfe kommen, D 4.4.10 Paul 11 ed Nisi ex magna causa hoc a principe fuerit consecutus. falls er es nicht aus einem ganz besonderen Grund durch den Kaiser erreicht. D 4.4.11pr Ulp 11 ed Verum vel de dolo vel utilis actio erit in id quod minoris interfuit non manumitti: proinde quidquid hic haberet, si non manumississet, id ei nunc praestabitur. sed et nomine earum rerum, quas dominicas servus manumissus supprimebat, competunt adversus eum actiones ad exhibendum et furti et condictio, videlicet quoniam et manumissus eas contrectabat. ceterum ex delicto in servitutem facto domino adversus eum post libertatem actio non competit: et hoc rescripto divi Severi continetur. Es besteht aber entweder die Arglist- oder eine zweckdienliche Klage auf das Interesse, das der Minderjährige daran hat, dass der Sklave nicht freigelassen worden wäre. Daher ist ihm auch zu leisten, was ihm ohne die Freilassung zukommen würde. Aber selbst wegen der Sachen, die dem Eigentümer gehören und die der Freigelassene unterschlagen hat, stehen gegen ihn die Klagen auf Vorlegung und wegen Diebstahls und die Kondiktion zu, und zwar deshalb, weil er sie auch als Freigelassener entwendet hat. Im Übrigen steht dem Eigentümer aus einem während der Sklaverei begangenen Delikt keine Klage zu; und dies ergibt auch ein Bescheid des göttlichen Severus.

111

Dies stellt Albanese, S. 197 ff. in Abrede. Die Formulierung: ,nullam esse venditionem‘ bringt dies nicht glücklich zum Ausdruck, stellt aber entgegen d’Ors, SDHI 46 (1980) 31, 34 f. noch kein Interpolationsindiz dar. 113 Anders Cursi, L’eredità, S. 80 ff., die in der Nichtigkeit des Kaufvertrags gerade eine Alternative zur in integrum restitutio erkennt. 114 Dies hält Albanese, S. 189 ff. für zu banal, als dass Ulpian es ausgesprochen haben könnte. 112

§ 4 Täuschung im Rechtsverkehr

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Ungeachtet der Bestandskraft der Freilassung spricht sich Ulpian auch an dieser Stelle für die Gewährung einer actio de dolo gegen den ehemaligen Sklaven aus. Eben diese Klage ist wohl auch in einer Entscheidung Gordians gemeint, in der zugleich die Gültigkeit des Statuswechsels betont wird:115 CJ 2.30.2 (a 241) Imp. Gordianus A. Solanae. Etsi minor annis, ut adlegas, constituta servum tuum ab eo circumscripta in consilio manumisisti, tamen vindictae impositio, qua libertas iusta munitur, nec obtentu quidem aetatis rescindi potest. indemnitati vero tuae, a manumisso scilicet sarciendae, ab eo cuius iurisdictio est, quatenus iuris ratio permittit, consuli debet. Kaiser Gordian an Solana. Auch wenn du, wie du behauptest, als Minderjährige von deinem Sklaven übervorteilt worden bist und ihn vor der Versammlung freigelassen hast, kann die Stabfreilassung, durch die die Freiheit rechtmäßig erteilt wird, auch nicht unter Berufung auf dein Alter angefochten werden. Von demjenigen, dem die Rechtsprechung obliegt, ist dir aber, soweit es das Recht erlaubt, zum Schadensersatz zu verhelfen, der von dem Freigelassenen zu leisten ist.

Die Arglistklage richtet sich nicht gegen dessen Freiheit als solche,116 sondern soll dem früheren Eigentümer einen Ausgleich für die Vorteile verschaffen, die er ohne die Freilassung erlangt hätte.117 Dass der Freigelassene für seinen dolus einzustehen hat, erscheint Ulpian deshalb bemerkenswert, weil es dem auch durch kaiserliches Reskript bestätigten Grundsatz zuwiderzulaufen scheint, dass jemand nicht für Delikte belangt werden kann, die er als Sklave gegenüber seinem Eigentümer begangen hat.118 Im Parallelfall einer Sachentwendung bleibt dieses Prinzip freilich deshalb unangetastet, weil der Sklave auch nach seiner Freilassung durch die Vorenthaltung der Sache ein furtum in Gestalt einer Unterschlagung begeht. Dieser Gedanke lässt sich auch für die actio de dolo fruchtbar machen: Zwar ist die entscheidende Handlung des Sklaven das zu seiner Freilassung führende consilium, das, um überhaupt haftungsbegründend wirken zu können, zwangsläufig in einer Täuschung bestanden haben muss.119 Der hierdurch herbeigeführte Nachteil entsteht dem Eigentümer aber erst nach der Freilassung, 115

Dies bestreitet Albanese, S. 193. Anders Kupisch, In integrum restitutio, S. 252, der offenbar, im Falle des dolus sei anders als bei bloßer Minderjährigkeit auch die Freiheit selbst einer Revision zugänglich. 117 Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass sich der dolus, wie d’Ors, SDHI 46 (1980) 31, 33 f. meint, allein auf das Sondergut bezieht, das für den Minderjährigen schon mit dem Vollzug des Kaufvertrags verloren ist. 118 Wegen dieses Grundsatzes erklärt Albanese, S. 191 f. die Gewährung der actio de dolo denn auch für das Ergebnis einer Interpolation. Indem Ulpian die Regel im Schlusssatz von D 4.4.11pr mit ,ceterum‘ einleitet, gibt er klar zu erkennen, dass er sich des Widerstreits bewusst ist; für eine Interpolationsannahme ist daher kein Raum; vgl. auch Cursi, L’eredità, S. 75 ff. – Dass die Durchbrechung des Prinzips gerade eine Neuerung Julians ist, nimmt dagegen d’Ors, SDHI 46 (1980) 31, 42 an. 119 Dies meint wohl auch MacCormack, BIDR 96/97 (1993/94) 88. 116

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2. Teil: Anwendungsfälle

wenn ihm ein Vorteil entgeht, der ihm ohne diese zugekommen wäre. Das Delikt überdauert damit den Statuswechsel und wird erst in einem Moment vollendet, in dem der ehemalige Sklave schon rechtsfähig und für sein Verhalten selbst haftbar ist. Die Zweifel, ob der Grundsatz der Straffreiheit von Delikten zwischen Sklaven und ihren Eigentümern mit dieser Überlegung wirklich überwunden ist, mögen den Ausschlag dafür gegeben haben, dass Ulpian in seiner Kommentierung des Minderjährigenedikts als Alternative zur actio de dolo eine zweckdienliche Klage erwägt.120 Denkbar ist auch, dass er so zum Ausdruck bringen will, dass die Klage keine Arbiträrklausel enthalten kann, weil eine Restitution der entgangenen Vorteile in Natur eine Wiederherstellung des Gewaltverhältnisses voraussetzte, die sich aber gerade verbietet.121 Die Unumkehrbarkeit einer Entscheidung über den Status eines Menschen erzwingt die Gewährung einer actio de dolo auch in dem Fall, dass die Freiheit das Ergebnis einer vindicatio in libertatem ist: D 4.3.24 Ulp 11 ed Si dolo acciderit eius, qui verba faciebat pro eo, qui de libertate contendebat, quo minus praesente adversario secundum libertatem pronuntietur, puto statim de dolo dandam in eum actionem, quia semel pro libertate dictam sententiam retractari non oportet. Ist es infolge der Arglist desjenigen, der die Freiheit einer Person behauptete, die um ihre Freiheit stritt, geschehen, dass in Abwesenheit des Gegners die Freiheit festgestellt wurde, ist, wie ich glaube, ohne Weiteres die Arglistklage gegen ihn zu gewähren, weil ein Urteil zugunsten der Freiheit nicht aufgehoben werden darf.

Der Vorwurf des dolus richtet sich in diesem Fall nicht gegen den als Sklaven gehaltenen Menschen, dessen Freiheit durch das Verfahren festgestellt wurde; er trifft stattdessen den adsertor in libertatem, der dafür gesorgt hat, dass diese Entscheidung in Abwesenheit des Beklagten ergangen ist. Soll er für den Ausgang des Verfahrens einstehen, bedeutet dies, dass das Urteil falsch und durch eine Art von Täuschung, sei es gegenüber dem Beklagten, sei es gegenüber dem Richter, erschlichen worden ist. Unter diesen Umständen kommt als Haftungssubjekt freilich auch der freigesprochene Sklave in Betracht. Er könnte aber ebenfalls nur mit der actio de dolo belangt werden. Da diese eine separate Arglistklage gegen adsertor in libertatem nicht verdrängt, ist sie ,statim‘ zu gewähren122.123 120

Für interpoliert hält dies dagegen Albanese, S. 196 f. So Kupisch, In integrum restitutio, S. 253 f. und Harke, Actio utilis, S. 71. Anders Kaser, SZ 94 (1977) 144 f. Fn. 158, der aber annimmt, es gehe um das Geldinteresse an der unterbliebenen Freilassung; ähnlich wohl Watson, SZ 78 (1961) 396. 122 Ebenso Cursi, L’eredità, S. 109. 123 Eine Täuschung durch Prozessverhalten, die aber wohl nicht mit der actio de dolo sanktioniert ist, behandelt auch D 4.3.39 Gai 27 ed prov: Si te Titio optuleris de ea re quam non possidebas in hoc ut alius usucapiat, et iudicatum solvi satisdederis: quamvis 121

§ 5 Andere Vermögensschäden

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§ 5 Andere Vermögensschäden Deckt die alte Definition des dolus alle Arten von Schäden ab, die der Täter durch Täuschung herbeiführt, erschließt Labeos Vorstoß Raum für die Sanktion anderer Formen der Vermögensbeschädigung, bei denen der Täter vorsätzlich vorgeht. Erscheint der Anwendungsbereich der Klage damit auf den ersten Blick auch erheblich vergrößert, ist der Kreis der so erfassten Delikte, die sich gegen das Vermögen als solches richten, doch kleiner, als man erwarten sollte; und die dazugehörenden Taten weisen fast zwangsläufig eine gewisse Nähe zur arglistigen Täuschung auf:124 Wer einen anderen schädigen will, ohne dessen Eigentum oder andere Rechtsgüter zu verletzen, bedarf nämlich einer Möglichkeit zur Einwirkung auf das fremde Vermögen; und damit er sie erlangt und nutzen kann, ohne dass der Geschädigte oder Dritte ihn daran hindern, muss er entweder Zwang ausüben oder heimlich vorgehen. Reine Vermögensschäden, die mit der actio de dolo sanktioniert werden und nicht auf eine Täuschung im eigentlichen Sinne zurückgehen, müssen daher außer im Fall einer Erpressung125 das Ergebnis einer täuschungsähnlichen Manipulation zulasten des Geschädigten sein. In den Quellen tritt sie im Wesentlichen nur in drei Erscheinungsformen auf: Im Vordergrund steht die Kollusion mit einem Vertreter des Geschädigten; daneben wird die actio de dolo zur Bekämpfung einer Urkundenunterdrückung und zur Sanktion von Machenschaften zur Vermeidung der adjektizischen Haftung sowie schließlich dazu eingesetzt, einen Amtsträger haftbar zu machen. I. Kollusion Die Fälle kollusiven Zusammenwirkens mit einem Vertreter des Geschädigten betreffen vor allem einen erschlichenen Prozesserfolg und ähneln den Konstellaabsolutus sis, de dolo malo tamen teneberis: et ita Sabino placet. („Hast du dich mit Titius wegen einer Sache, die du nicht besaßt, auf einen Prozess eingelassen, damit ein anderer sie ersitzt, und hast du Sicherheit für die Erfüllung der Urteilsschuld geleistet, haftest du, obwohl du freigesprochen worden bist, wegen deiner Arglist; und so hat auch Sabinus befunden.“) Die von Sabinus und Gaius bejahte Haftung des Beklagten, der sich als vermeintlicher Besitzer auf den Vindikationsprozess eingelassen hat, um dem wahren Besitzer die Ersitzung zu ermöglichen, kann sich nur aus der cautio iudicatum solvi ergeben, die eine clausula doli enthält; vgl. D 46.7.6 Ulp 78 ed. Zwar sind Zweifel an deren Eignung als Haftungsgrundlage durchaus angebracht, weil der Fall eines dolus zugunsten eines Dritten nicht der typische Fall ist, für den die clausula doli entworfen wurde. Dennoch kann man entgegen Albanese, Rei vindicationi se offerre e actio de dolo, AUPA 33 (1972) 336, 355 ff. und Cursi, L’eredità, S. 63 ff. nicht annehmen, die Juristen hätten sich deshalb für die actio de dolo entschieden; denn die cautio iudicatum solvi wird in der Sachverhaltsbeschreibung eigens erwähnt und muss daher auch der Anknüpfungspunkt der befürworteten Haftung des Beklagten sein. Erst die Kompilatoren haben die Entscheidung durch Zuordnung zum Digestentitel 4.3 auf die actio de dolo bezogen. 124 Dies deutet auch MacCormack, SDHI 52 (1986) 239 an. 125 D 4.2.14.13 Ulp 11 ed; s. o. S. 21 f.

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2. Teil: Anwendungsfälle

tionen, in denen der Schädiger diesen allein durch sein betrügerisches Verhalten erwirkt: Ist für die Juristen dort nicht die Täuschung des Richters, sondern die Irreführung der anderen Partei entscheidend,126 kommt hier der Einflussnahme auf deren Vertreter die maßgebliche Rolle zu. Da sie verborgen bleibt, entsteht für die geschädigte Partei der Eindruck, dass sie den Prozess zu Recht und nicht etwa infolge der Arglist der anderen Seite verloren hat. Der Grund, aus dem die actio de dolo hier versagt werden kann, ist ebenso wie im Fall des Prozessbetrugs allein die Konkurrenz mit einem anderen Klagerecht. Sie ergibt sich bei der Kollusion vor allem daraus, dass dem Geschädigten mit dem unredlichen Vertreter ein weiterer Schuldner zur Verfügung steht, dessen Verpflichtung im Fall seiner Zahlungsfähigkeit die Arglisthaftung des Prozessgegners ausschließt. Für die actio mandati, mit der sich ein Gläubiger wegen der unberechtigten Abweisung der Klage erholen kann, stellt Ulpian dies in seiner Kommentierung des Edikts zu den Ansprüchen aus Auftrag fest:127 D 17.1.8.1 Ulp 31 ed Sed et si per collusionem procuratoris absolutus sit adversarius, mandati eum teneri: sed si solvendo non sit, tunc de dolo actionem adversus reum, qui per collusionem absolutus sit, dandam ait. Aber auch wenn mein Gegner durch das unredliche Zusammenwirken mit meinem Prozessvertreter freigesprochen worden ist, haftet der Vertreter mit der Auftragsklage; ist er aber nicht zahlungsfähig, dann ist die Arglistklage gegen denjenigen zu gewähren, der durch das unredliche Zusammenwirken freigesprochen worden ist.

In seiner Kommentierung des dolus-Edikts weist Ulpian darauf hin, dass zudem eine durch exceptio oder replicatio doli bewirkte Wiederholung des ursprünglichen Verfahrens die Arglistklage verdrängen kann: D 4.3.7.9 Ulp 11 ed Si dolo malo procurator passus sit vincere adversarium meum, ut absolveretur, an de dolo mihi actio adversus eum qui vicit competat, potest quaeri. et puto non competere, si paratus sit reus transferre iudicium sub exceptione hac ,si collusum est‘: alioquin de dolo actio erit danda, scilicet si cum procuratore agi non possit, quia non esset solvendo. Hat mein Prozessvertreter arglistig zugelassen, dass der Gegner in der Weise obsiegt, dass er freigesprochen wird, kann man die Frage stellen, ob mir die Arglistklage gegen denjenigen zusteht, der obsiegt hat. Und ich glaube, dass sie nicht zustehe, wenn der Beklagte bereit ist, das Verfahren mit der Einrede: „wenn unredlich zusam126

s. o. S. 52. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Prozessvertreter, wie Elsener, S. 43 meint, im Originaltext als cognitor bezeichnet war; denn ein Vermögensschaden infolge des Prozessverlustes kann auch dann eintreten, wenn der Prozessvertreter bloßer procurator ist. Zwar wirkt das gegenüber ihm ergangene Urteil nicht im Verhältnis zum Vertretenen; dieser sieht jedoch im Regelfall von einer weiteren Klage ab, die den Prozessvertreter einer Haftung aus der von ihm geleisteten Kaution aussetzen würde. – Gegen die Annahme einer Interpolation des Textes wendet sich auch Lambrini, Azione di dolo, S. 98 ff. 127

§ 5 Andere Vermögensschäden

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mengewirkt worden ist“, aufzunehmen; andernfalls ist die Arglistklage zu gewähren, freilich nur, wenn nicht gegen den Prozessvertreter geklagt werden kann, weil er zahlungsunfähig ist.

Ungeachtet der Assoziationen, die der Begriff translatio iudicii und die Erwähnung einer auf die Kollusion bezogenen exceptio wecken, kann mit beidem nur die Überwindung des Einwands der Rechtskraft gemeint sein.128 Eine erneute Klage des Vertretenen kann durch das von dem Prozessvertreter geführte Verfahren überhaupt nur dann ausgeschlossen sein, wenn es sich hierbei entgegen dem überlieferten Wortlaut nicht um einen procurator, sondern um einen cognitor handelt.129 Ansonsten gilt die Entscheidung nur im Verhältnis zum Vertreter, der sich, wenn er zur Wiedergutmachung seines Fehlverhaltens erneut Klage erheben wollte, der exceptio rei iudicatae mit einer Replik erwehren müsste. Dass er selbst an dem Delikt der anderen Partei teilgenommen hat, könnte der Grund dafür sein, dass Ulpian eine erneute Klage von deren Einverständnis abhängig macht und ein speziell auf die Kollusion bezogenes Verteidigungsmittel vorschlägt; denn so ist die Gefahr gebannt, dass eine replicatio doli an einer Duplik der mitwirkenden Arglist des Vertreters scheitert.130 Widersetzt sich der Beklagte der Wiederaufnahme des ursprünglichen Prozesses, muss er hinnehmen, von dem Vertretenen mit der Arglistklage belangt zu werden, falls sich der Vertreter als insolvent erweist. Im Fall der Kollusion im Rahmen eines Schiedsverfahrens kommt als vorrangiger Rechtsbehelf noch eine Klage aus der Strafstipulation hinzu, mit der die Einhaltung der Schiedsvereinbarung abgesichert wird. Voraussetzung ist freilich, dass die Vereinbarung, wie jedenfalls zu Ulpians Zeiten üblich, auch eine clausula doli einschließt. Fehlt sie, kann sich die unterlegene Partei außer der exceptio doli auch der Arglistklage bedienen: D 4.8.31 Ulp 13 ed . . . sed si quidem compromisso adiciatur ,ut si quid dolo in ea re factum sit‘, ex stipulatu conveniri qui dolo fecit potest: et ideo si arbitrum quis corrupit vel pecunia vel ambitione, vel advocatum diversae partis, vel aliquem ex his, quibus causam suam commiserat, ex doli clausula poterit conveniri, vel si adversarium callide circumvenit, et omnino si in hac lite dolose versatus est, locum habebit ex stipulatu actio: et ideo si velit de dolo actionem exercere adversarius, non debebit, cum habeat ex stipulatu actionem. quod si huiusmodi clausula in compromisso adscripta non est, tunc de dolo actio vel exceptio locum habebit. hoc autem compromissum plenum est, quod et doli clausulae habet mentionem. 128

Kupisch, Actio famosa, S. 1199 ff. Hier hat die entsprechende Interpolationsvermutung von Elsener, S. 39 f. also durchaus mehr Berechtigung als im Fall von D 17.1.8.1. Zwingend ist sie freilich auch in diesem Fall nicht. 130 Dagegen gibt es keine zureichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Text, wie Brutti, Bd. 2, S. 480 f. und Lambrini, Azione di dolo, S. 101 f. meinen, ursprünglich von einer in integrum restitutio handelte. 129

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2. Teil: Anwendungsfälle . . . Ist aber der Schiedsvereinbarung beigefügt: „wenn etwas arglistig in dieser Sache bewirkt worden ist“, kann derjenige, der sich arglistig verhalten hat, aus der Stipulation belangt werden; und wenn jemand den Schiedsrichter oder den Anwalt der Gegenseite oder einen anderen, der mit der Sache betraut war, mit Geld oder einer anderen Begünstigung bestochen oder den Gegner durch Hinterlist übervorteilt hat und wenn überhaupt in diesem Rechtsstreit etwas arglistig geschehen ist, greift daher die Klage aus der Stipulation Platz; und wenn der Gegner die Arglistklage erheben will, darf er dies daher nicht, weil er ja über die Klage aus der Stipulation verfügt. Ist diese Klausel aber der Schiedsvereinbarung nicht beigefügt, dann greifen die Arglistklage und -einrede Platz. Eine Schiedsvereinbarung ist aber nur dann vollständig, wenn sie auch eine Klausel über Arglist enthält.

Dies gilt insbesondere, wenn der Geschädigte den Schiedsspruch freiwillig befolgt und eine Leistung an die andere Partei erbracht hat. Zwar hätte er einer Klage aus der Stipulation die exceptio doli entgegenhalten und nach Erfüllung des Versprechens die condictio erheben können. Die in Befolgung des Schiedsspruchs selbst erfolgte Leistung ist jedoch kondiktionsfest, weil sie zur Vermeidung des Verfalls der Stipulation und damit nicht auf eine einredebehaftete Forderung erfolgt ist. Nur indirekt erwähnt wird die Subsidiarität dagegen in dem Fall, dass der Mitinhaber einer Dienstbarkeit diese geltend macht und dabei dem beklagten Eigentümer des dienenden Grundstücks infolge seines unredlichen Zusammenwirkens mit diesem unterlegen ist: D 8.5.19 Marcian 5 reg Si de communi servitute quis bene quidem deberi intendit, sed aliquo modo litem perdidit culpa sua, non est aequum hoc ceteris damno esse: sed si per collusionem cessit lite adversario, ceteris dandam esse actionem de dolo Celsus scripsit, idque ait Sabino placuisse. Hat jemand wegen einer gemeinschaftlichen Dienstbarkeit zu Recht Klage erhoben, den Rechtsstreit aber auf irgendeine Weise durch sein Verschulden verloren, ist es nicht gerecht, wenn dies den anderen zum Schaden gereicht; ist er dem Gegner aber infolge seines unredlichen Zusammenwirkens mit diesem unterlegen, ist den anderen, wie Celsus schreibt, die Arglistklage zu gewähren; und er schreibt auch, dass dies die Ansicht Sabinus’ sei.

Der Wortlaut des Textes lässt offen, ob sich die actio de dolo, für deren Gewährung sich nach Marcians Bericht Sabinus und Celsus aussprechen, allein gegen den Kläger oder zumindest auch gegen den Beklagten richtet. Die Gegenüberstellung mit dem Fall, dass der Prozess aus bloßer Nachlässigkeit des Klägers verlorengeht, spricht eher dafür, dass in erster Linie der Beklagte gemeint ist: Soll das Urteil bei fahrlässigem Verhalten des Klägers nicht gegenüber den übrigen Mitinhabern der Dienstbarkeit wirken, gilt etwas anderes, wenn der Kläger die Abweisung des erhobenen Anspruchs absichtlich herbeigeführt hat. Hat er sich seiner damit gleichsam als Vertreter der Gemeinschaft des Rechts begeben, erscheint den Juristen anders als im Fall bloßer Fahrlässigkeit eine erneute

§ 5 Andere Vermögensschäden

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Klage der Mitinhaber ausgeschlossen, so dass sie den Rückgriff auf die actio de dolo gestatten. Von einem kollusiven Zusammenwirken außerhalb eines Prozesses handelt der folgende Auszug aus Ulpians Ediktskommentar: D 4.3.5 Ulp 11 ed Ideoque si quis pupillus a Ttitio, tutore auctore colludente, circumscriptus sit, non debere eum de dolo actionem adversus Titium habere, cum habeat tutelae actionem, per quam consequatur quod sua intersit. plane si tutor solvendo non sit, dicendum erit de dolo actionem dari ei. Daher ist einem Mündel, wenn es von Titius durch unredliches Zusammenwirken mit seinem Vormund, der seine Zustimmung erteilt hat, übervorteilt worden ist, die Arglistklage gegen Titius zu versagen, weil es die Vormundschaftsklage hat, mit der es Ersatz seines Interesses erlangen kann. Ist der Vormund aber nicht zahlungsfähig, muss ihm die Arglistklage erteilt werden.

Jemand stiftet einen Vormund dazu an, seine Befugnis zur Einwirkung auf das Vermögen seines Mündels zu missbrauchen, indem er seine Zustimmung zu einem Geschäft erteilt, das dem Mündel zum Nachteil gereicht. Der unredliche Vertragspartner ist dem Mündel mit der actio de dolo haftbar, falls sich der vorrangig verpflichtete Vormund als nicht zahlungsfähig erweist.131 Wie die gegen den Prozessvertreter gerichtete actio mandati schließt auch die Vormundschaftsklage, wenn sie mit Erfolg angestellt werden kann, die Arglisthaftung des Dritten aus. Zwar führt sie ebenfalls zur Infamie des verurteilten Beklagten; im Gegensatz zur actio de dolo unterliegt sie jedoch keinem Subsidiaritätsvorbehalt, so dass sie auch nicht mit der Arglistklage auf eine Stufe gestellt werden kann. II. Urkundenunterdrückung Einen Prozessbezug hat außer der Kollusion mit einem Vertreter des Geschädigten häufig auch die Verheimlichung von Existenz oder Aufbewahrungsort einer Urkunde. Bringt eine Partei des Verfahrens die andere auf diese Weise um ein entscheidendes Beweismittel und erzwingt die Beendigung des Prozesses im Vergleichswege, setzt sie sich dem Vorwurf des dolus aus. Ob sie deshalb mit der Arglistklage belangt werden kann, hängt, wie Diokletians Kanzlei eigens darlegt, wiederum davon ab, ob sich das Verfahren noch einmal aufnehmen lässt. Ist es infolge der Urkundenunterdrückung zu einem Vergleich in Gestalt eines pactum gekommen, wird die hieraus entspringende Einrede durch die replicatio doli entkräftet. Haben die Parteien dagegen einen förmlichen Erlass vorgenommen, der das Klagerecht endgültig beseitigt, steht dem Geschädigten die Arglistklage zu:132 131 Dass es Ulpian eigentlich um eine in integrum restitutio ging, meint hingegen Brutti, Bd. 2, S. 477 f. 132 Hierzu Harke, Diokletian, S. 223.

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2. Teil: Anwendungsfälle CJ 2.4.19 (a 293) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Irenaeo. Sub praetextu instrumenti post reperti transactionem bona fide finitam rescindi iura non patiuntur. sane si eam per se vel per alium subtractis, quibus veritas argui potuit, decisionem litis extorsisse probetur, si quidem actio superest, replicationis auxilio doli mali pacti exceptio removetur, si vero iam perempta est, infra constitutum tempus tantum actionem de dolo potes exercere. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Irenaeus. Unter dem Vorwand, dass später eine Urkunde aufgefunden worden sei, darf ein rechtmäßig abgeschlossener Vergleich nicht angefochten werden. Wird aber nachgewiesen, dass jemand die Beendigung des Rechtsstreits dadurch erzwungen hat, dass er selbst oder andere Urkunden, mit denen die Wahrheit dargetan werden kann, unterschlagen hat, wird, wenn noch eine Klage offensteht, die Einrede aus dem Pakt durch die Replik der Arglist überwunden; ist die Klage dagegen ausgeschlossen, kannst du nur innerhalb der festgesetzten Zeit die Arglistklage erheben.

Schon auf die Verhinderung eines Prozesses zielt die Urkundenunterdrückung in einem Fall, von dem Ulpian berichtet: D 4.3.9.2 Ulp 11 ed Item si tabulae testamenti, ne de inofficioso diceretur, diu suppressae sint, mox mortuo filio prolatae, heredes filii adversus eos qui suppresserunt et lege Cornelia et de dolo posse experiri. Auch dann, wenn ein Testament lang unterdrückt worden ist, damit nicht behauptet wird, es sei pflichtwidrig, und bald nach dem Tod des Sohnes vorgelegt wird, können die Erben des Sohnes gegen diejenigen, die das Testament unterdrückt haben, sowohl aufgrund des cornelianischen Gesetzes als auch wegen Arglist Klage erheben.

Das Testament wird hier nicht etwa zurückgehalten, um die Rechtsnachfolge des eingesetzten Erben zu verhindern. Stattdessen erfolgt die Unterdrückung in seinem Interesse, um eine querella inofficiosi testamenti durch den im Testament übergangenen Sohn des Erblassers zu verhindern. Erst nachdem diese Klagemöglichkeit infolge seines Todes weggefallen ist, wird die Urkunde vorgelegt, um die nun nicht mehr angreifbare testamentarische Erbfolge zur Geltung zu bringen.133 Können sich die Erben des Sohnes auch nicht mehr gegen diese wenden, sind sie dennoch nicht gehindert, denjenigen, der das Testament unterdrückt hat, mit der actio de dolo zu belangen. So können sie Ersatz des Schadens begehren, der dem im Testament vernachlässigten Sohn und ihnen dadurch entstanden ist, dass es mangels Beschwerde gegen die letztwillige Verfügung nicht zur gesetzlichen Erbfolge gekommen ist.134 Daneben steht ihnen die kriminalrechtliche Verfol133 Anders wohl Cursi, L’eredità, S. 100, die annimmt, es komme zur gesetzlichen Erbfolge. 134 Albanese, S. 250 ff. schreibt diese in indirekter Rede wiedergegebene Entscheidung vielleicht nicht zu Unrecht Labeo zu, nimmt aber ohne zureichenden Grund an, der Frühklassiker habe sich mit der Frage der Subsidiarität der actio de dolo gegenüber der actio furti befasst. Dagegen wendet sich zu Recht Cursi, L’eredità, S. 101.

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gung der Tat durch Anklage aufgrund der lex Cornelia de falsis offen, die außer der Fälschung einer Urkunde auch deren Unterdrückung erfasst135. In beiden Fällen, in denen die Juristen eine Arglisthaftung wegen Urkundenunterdrückung in Betracht ziehen, kommt es zu einer Täuschung des Geschädigten, die sich auf das Verhalten des Schädigers zurückführen lässt: Der auf die unterdrückte Urkunde angewiesene Kläger schätzt infolge ihrer Vorenthaltung seine Beweisposition falsch ein; und der durch ein Testament sittenwidrig übergangene gesetzliche Erbe verkennt, dass er überhaupt beeinträchtigt ist. Hier wie dort liegt allerdings keine aktive Täuschungshandlung, sondern allenfalls eine Irreführung durch den unterlassenen Hinweis auf Existenz und Aufbewahrungsort der Urkunde vor. Pflichtwidrig könnte das Schweigen des Täters aber wiederum nur wegen der Zurückhaltung selbst erscheinen, so dass sich das schädigende Verhalten schwerlich unter den Tatbestand einer Täuschung subsumieren lässt. III. Umgehung adjektizischer Verpflichtung und Amtsträgerhaftung Ein weiterer Anwendungsfall der actio de dolo, der in den Quellen gleich doppelt belegt ist, besteht im missbräuchlichen Verhalten eines Gewalthabers, der die adjektizische Haftung zu umgehen versucht. In der einen Konstellation bedient er sich seines eigenen Sklaven, um sich wegen einer internen Forderung gegen diesen zum Nachteil eines Darlehensgebers zu befriedigen: D 4.3.20pr Paul 11 ed Servus tuus cum tibi deberet nec solvendo esset, hortatu tuo pecuniam mutuam a me accepit et tibi solvit: Labeo ait de dolo malo actionem in te dandam, quia nec de peculio utilis sit, cum in peculio nihil sit, nec in rem domini versum videatur, cum ob debitum dominus acceperit. Dein Sklave hat, als er dir schuldete und nicht zahlungsfähig war, auf dein Drängen ein Darlehen von mir aufgenommen und an dich geleistet; Labeo schreibt, gegen dich sei die Arglistklage zu gewähren, weil die Sondergutsklage, da kein Sondergut vorhanden sei, nicht zweckdienlich und ersichtlich auch nichts in das Vermögen des Eigentümers gelangt sei, da dieser die Leistung wegen einer Schuld erhalten habe.

Hat der Sklave das Darlehen, zu dessen Aufnahme ihn sein Eigentümer bestimmt hat, dafür verwendet, die Naturalobligation gegenüber diesem zu tilgen, versagt die adjektizische Haftung sowohl in der Variante der actio de peculio als auch in Gestalt der actio de in rem verso: Da der Eigentümer nur einen Ausgleich für seinen natürlichen Anspruch gegen den Sklaven erlangt hat, erscheint er durch die aus dem Darlehen bewirkte Leistung nicht bereichert; und das Sondergut war durch die Belastung mit der Naturalobligation schon bei Aufnahme des Darlehens in seinem Wert gemindert. Es ist daher weder das Sondergut erschöpft; 135

Vgl. D 48.10.7 Marcian 2 inst.

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noch muss sich der Eigentümer vorhalten lassen, es arglistig verringert zu haben.136 Da der Eigentümer den Sklaven auch nicht nach außen erkennbar zur Darlehensaufnahme ermächtigt, sondern lediglich im Innenverhältnis dazu veranlasst hat, ist es mindestens zweifelhaft, ob sich der Darlehensgeber, der den Kredit nicht im Vertrauen auf die Haftung des Eigentümers gewährt hat, der actio quod iussu bedienen kann.137 Gleichwohl darf das Verhalten des Eigentümers nicht sanktionslos bleiben. Denn er hätte seinen Sklaven nicht zur Aufnahme eines Darlehens bestimmen dürfen, von dem er wusste, dass der Sklave es nicht würde zurückzahlen können. Zwar mag man in der Aufnahme des Darlehens noch keine Erklärung über die eigene Zahlungsfähigkeit sehen. Der Darlehensgeber hat jedoch auf diese vertraut und hätte bei Unterrichtung über den Zustand des peculium hiervon abgesehen. Dass eine solche Unterrichtung unterblieben ist, könnte dem Sklaven oder seinem Eigentümer aber wiederum nur dann zum Vorwurf einer Täuschung gereichen, wenn man der schlichten Aufnahme des Darlehens die Erklärung über die eigene Zahlungsfähigkeit entnimmt. Obwohl der Darlehensgeber irregeführt wird, lässt sich der Fall also nicht ohne Weiteres mit dem Begriff der Täuschung erfassen.138 Er ist ihm jedoch so ähnlich, dass die actio de dolo ohne Bedenken zu gewähren ist.139 Nicht auf den Abschluss eines Vertrags, sondern auf die Vermeidung einer eigentlich schon begründeten Versionshaftung zielt das Verhalten des Schädigers in dem zweiten Fall: D 15.3.10.6 Ulp 29 ed Versum autem sic accipimus, ut duret versum: et ita demum de in rem verso competit actio, si non sit a domino servo solutum vel filio. si tamen in necem creditoris, id est perdituro servo vel filio solutum sit, quamvis solutum sit, desinit quidem versum, aequissimum autem est de dolo malo adversus patrem vel dominum competere actionem: nam et peculiaris debitor, si fraudulenter servo solverit quod ei debebat, non liberatur. Die Bereicherung verstehen wir aber so, dass sie andauern muss; und daher steht die Versionsklage nur zu, wenn sie nicht vom Gewalthaber an den Sklaven oder Sohn ausgekehrt worden ist. Ist die Bereicherung dagegen zum Schaden des Gläubigers, insbesondere einem verschwenderischen Sklaven oder Sohn ausgekehrt worden, ist 136 Horak, Rationes decidendi, Innsbruck 1969, S. 140 nimmt stattdessen eine nur vorübergehende Beeinträchtigung der adjektizischen Haftung an. Albanese, S. 280 glaubt dagegen, es sei im ursprünglichen Text um die Frage gegangen, inwieweit die Insolvenz des Sonderguts durch die adjektizischen Klagen bewältigt wird. 137 Dass gerade in der Verwendung des Verbs ,hortari‘ der Unterschied zum haftungsauslösenden iussum zum Ausdruck kommt, nehmen zu Recht Brutti, Bd. 1, S. 262 f. und Cursi, L’eredità, S. 52 an. 138 Richtig MacCormack, SDHI 52 (1986) 241. 139 Cursi, L’eredità, S. 54 und Cursi/Fiori, BIDR 105 (2011) 177 wollen weiter danach differenzieren, dass es weniger um den Mangel eines typischen Klagerechts als um die fehlende Möglichkeit eines anderweitigen Schadensausgleichs geht. Beides lässt sich jedenfalls in dieser Konstellation kaum voneinander trennen.

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es überaus gerecht, dass, obwohl sie ausgekehrt worden ist, die Arglistklage gegen den Vater oder Eigentümer zusteht; denn auch ein Schuldner des Sonderguts wird nicht befreit, wenn er in Hintergehungsabsicht dem Sklaven die geschuldete Leistung erbringt.

Hat sich ein Gewalthaber der ihm aus dem Geschäft seines Gewaltunterworfenen zugeflossenen Bereicherung wieder begeben, scheidet die actio de in rem verso aus. Der Gewalthaber muss sich jedoch den Vorwurf des dolus gefallen lassen, wenn der Abfluss der Bereicherung nicht im gewöhnlichen Geschäftsgang, sondern zu dem Zweck erfolgt ist, die adjektizische Haftung zu vermeiden. Dies lässt sich insbesondere dann annehmen, wenn der Gewalthaber die Mittel, die er infolge des haftungsbegründenden Geschäfts erlangt hat, einem anderen Sklaven oder Sohn in der Erwartung überlassen hat, dass er sie vergeuden werde. In dieser Konstellation, die dem in der Klageformel genannten Fall einer arglistigen Beseitigung des peculium ähnlich ist, lässt sich zwar nicht behaupten, dass der Gläubiger regelrecht getäuscht worden sei. Gleichwohl entsteht durch das Verhalten des Schädigers der falsche Eindruck, die haftungsbegründende Bereicherung sei auf regulärem Wege und mit ihr der Tatbestand der actio de in rem verso weggefallen. Von ähnlicher Struktur wie die beiden im Zusammenhang mit der adjektizischen Haftung verübten Taten ist das Delikt, mit dem sich Ulpian im Zusammenhang mit der Darstellung der Eviktionshaftung beschäftigt: D 21.2.50pr Ulp 25 ed Si pignora veneant per apparitores praetoris extra ordinem sententias sequentes, nemo umquam dixit dandam in eos actionem re evicta: sed si dolo rem viliori pretio proiecerunt, tunc de dolo actio datur adversus eos domino rei. Für den Fall, dass Pfandsachen durch Gerichtsdiener des Prätors im Wege einer außerordentlichen Vollstreckung verkauft werden, hat niemand je behauptet, es sei gegen sie bei Entwehrung einer Sache eine Klage zu gewähren; haben sie sie aber arglistig zu einem zu geringen Preis verschleudert, ist dem Eigentümer gegen sie die Arglistklage zu gewähren.

Es versteht sich von selbst, dass die Veräußerung von Sachen im Wege der außerordentlichen Vollstreckung ohne Übernahme einer Eviktionsgarantie erfolgt. Die hiermit betrauten Gerichtsdiener des Prätors können daher gewöhnlich auch nur einen Preis erzielen, der deutlich unter demjenigen liegt, der bei einem Privatverkauf mit Eviktionsgarantie zu erreichen gewesen wäre. Haben die Gerichtsdiener diese Situation jedoch dazu ausgenutzt, die Sachen des Gläubigers regelrecht zu verschleudern, können sie sich nicht mehr auf die besonderen Umstände der Veräußerung berufen und müssen für den Schaden einstehen, der dem Eigentümer aus der Veräußerung unter Wert entstanden ist. Obwohl diese Haftung wiederum nicht an eine Täuschung im eigentlichen Sinne anknüpft, ist die Tat doch mit einer Irreführung des Sacheigentümers verbunden: Für ihn und einen anderen Betrachter entsteht der Eindruck, als sei die

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Veräußerung ordnungsgemäß geschehen, obwohl sie in Wahrheit mutwillig unter Inkaufnahme eines Verlustes für den Eigentümer erfolgte.

§ 6 Eigentumsverletzung Ist die Herbeiführung eines reinen Vermögensschadens, wenn nicht durch eine Täuschung im eigentlichen Sinne bewirkt, so doch nahezu zwangsläufig mit einer Irreführung des Geschädigten verbunden, fallen mit Überwindung der alten Definition des dolus auch Eigentumsdelikte in den potentiellen Anwendungsbereich der Arglistklage. Kommt die actio de dolo hier im Ergebnis doch nicht zum Zuge, liegt dies allein daran, dass sie durch die einschlägigen Klagen verdrängt wird. Im Fall der Sachbeschädigung ist es die actio legis Aquiliae, bei Sachentziehung die actio furti und bei sonstigen Eigentumsstörungen der jeweils zuständige Rechtsbehelf des Nachbarrechts. Wo diese versagen oder zu keinem befriedigenden Ergebnis führen, weil sie nicht dem eigentlich Geschädigten zur Verfügung stehen, kann die Arglisthaftung eingreifen. Da sie sich an dem Vorbild der etablierten Haftungstatbestände orientiert, tritt sie hier aber in besonderem Maße in Konkurrenz zu zweckdienlichen Klagen, insbesondere actiones in factum, die ebenfalls dazu dienen, die hierfür vorgesehene Sanktion im Wege der Analogie zur Geltung zu bringen. I. Nachbildung der aquilischen Haftung Ein im klassischen Recht bereits überwundener Anwendungsfall der actio de dolo ist die Beschädigung einer Sache zum Nachteil eines Nießbrauchers. Sie wird hier mit einer nach dem Vorbild der lex Aquilia gestalteten actio utilis sanktioniert, die sich auch gegen den Eigentümer richten kann.140 Dies ist zur Wirkungszeit Ulpians nicht mehr umstritten,141 hat sich aber vielleicht erst nach Julian durchgesetzt, der sich noch die Frage vorlegt, ob die actio legis Aquiliae in diesem Fall direkt zur Anwendung gelangen soll.142 Dass man sich vorher allgemein oder zumindest in einem bestimmten Fall der actio de dolo bediente, legen zwei Äußerungen Ulpians und Paulus’ nahe, in denen die Gewährung dieser Klage eigens infolge ihrer Subsidiarität verneint wird:143 140

Hierzu Harke, Actio utilis, S. 85 ff. D 7.1.17.3 Ulp 18 Sab: Si quis servum occiderit, utilem actionem exemplo Aquiliae fructuario dandam numquam dubitavi. („Ich habe nie bezweifelt, dass bei der Tötung eines Sklaven eine zweckdienliche Klage nach dem Vorbild des aquilischen Gesetzes dem Nießbraucher zu gewähren sei.“) 142 D 9.2.11.10 Ulp 18 ed: An fructuarius vel usuarius legis Aquiliae actionem haberet, Iulianus tractat: et ego puto melius utile iudicium ex hac causa dandum. („Julian behandelt die Frage, ob dem Nießbraucher oder Inhaber eines Gebrauchsrechts die Klage nach dem aquilischen Gesetz zu gewähren ist; und ich glaube, dass es besser ist, aus diesem Grund eine zweckdienliche Klage zu gewähren.“) 143 Einem Interpolationsverdacht begegnen diese Texte bei Albanese, S. 239 f., 277 f. 141

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D 4.3.7.4 Ulp 11 ed Si servum usurarium proprietarius occidit, legis Aquiliae actioni et ad exhibendum accedit, si possidens proprietarius occidit, ideoque cessat de dolo actio. Hat ein Eigentümer einen Sklaven getötet, an dem ein Nießbrauch besteht, kommt zur Klage aus dem aquilischen Gesetz noch die Klage auf Vorlegung hinzu, wenn der Eigentümer ihn getötet hat, als er ihn besaß; und daher fällt die Arglistklage weg. D 4.3.18.2 Paul 11 ed Si dominus proprietatis insulam, cuius usus fructus legatus erat, incenderit, non est de dolo actio, quoniam aliae ex hoc oriuntur actiones. Hat der Eigentümer eines Wohnblocks, an dem der Nießbrauch vermacht worden ist, diesen in Brand gesteckt, findet die Arglistklage nicht statt, weil hieraus andere Klagen entstehen.

Während Ulpian die im Fall der Sklaventötung einschlägige Klage klar als aquilisch bezeichnet, spricht Paulus vage von ,aliae actiones‘. Dies könnte daran liegen, dass er sowohl den Fall eines Vindikationsvermächtnisses als auch die Konstellation bedenkt, dass der Nießbrauch nur schuldrechtlich zugewandt ist.144 Zumindest im zuerst genannten Fall ist es die nach dem Vorbild des aquilischen Gesetzes geschaffene Klage, mit deren Hilfe der Nießbraucher Ersatz für die Zerstörung des ihm hinterlassenen Gebäudes verlangen kann. Die Besonderheit der von Ulpian und Paulus behandelten Konstellationen liegt darin, dass der Täter jeweils Eigentümer der beschädigten Sache ist. Dass er selbst zur aquilischen Klage aktivlegitimiert ist, mögen die älteren Juristen als Hindernis dafür angesehen haben, diesen Anspruch im Wege der Analogie gegen ihn zu wenden. Dieser Schritt ist jedoch konsequent und verdient den Vorzug vor einer Sanktion des Schadens mit der actio de dolo: Erkennt man im Nießbrauch eine eigentumsähnliche Position, die der des Eigentümers in vielfacher Hinsicht vorgeht, muss sie ihm auch im Hinblick auf das Recht zum Schadensersatz übergeordnet und mit derselben Klage geschützt sein. Deren Einsatz im Wege der actio utilis erspart zudem eine Diskussion über die Frage, ob der Nießbraucher den Eigentümer nur wegen einer vorsätzlichen Tat, sondern auch dann belangen kann, wenn die Sache lediglich durch die Nachlässigkeit des Eigentümers zu Schaden gekommen ist.145 Verdient die zweckdienliche Klage daher auch den Vorzug vor der actio de dolo, eint beide doch, dass sie sich an dem Leitbild der Klage aus dem aquilischen Gesetz orientieren; es verleiht nicht nur dem mit Hilfe einer actio utilis umgesetzten Analogieschluss eine Grundlage, sondern gibt auch der Arglisthaftung Halt, indem es gewährleistet, dass der mit der actio de dolo bewältigte Fall nicht zu sehr aus dem Rahmen der bestehenden Haftungsordnung fällt. 144 145

Nur an diesen Fall denkt Wacke, RIDA 27 (1980) 361. Hierauf verweist zu Recht Watson, SZ 78 (1961) 397 f.

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Wirksam ist diese Vorbildfunktion der lex Aquilia auch in den Fällen, in denen keine zweckdienliche Klage in Betracht kommt, weil der Geschädigte im Tatzeitpunkt weder über das Eigentum noch auch nur über ein beschränktes dingliches Recht verfügt, das dem Eigentum ähnelt. Mit dieser Konstellation beschäftigt sich Ulpian unmittelbar im Anschluss an die Entscheidung des Falles, in dem der Eigentümer einen Nießbrauchsklaven tötet. Nun ist es ein Erbe, der noch vor Antritt der Erbschaft den Tod eines vermachten Sklaven verursacht: D 4.3.7.5 Ulp 11 ed Item si servum legatum heres ante aditam hereditatem occiderit, quoniam priusquam factus sit legatarii, interemptus est, cessat legis Aquiliae actio: [de dolo autem actio, quocumque tempore eum occiderit, cessat, quia ex testamento actio competit.] Ebenso scheidet die Klage nach dem aquilischen Gesetz aus, wenn der Erbe einen vermachten Sklaven noch vor dem Erbschaftsantritt tötet, weil der Sklave noch, bevor er zum Eigentum des Vermächtnisnehmers wurde, getötet wurde. [Die Arglistklage scheidet aber unabhängig davon aus, zu welcher Zeit er getötet wurde, weil dem Vermächtnisnehmer die Klage aus dem Testament zusteht.]

Der Text ist offenbar unrichtig überliefert.146 Die im zweiten Satz als vorrangig dargestellte actio ex testamento ist nur bei einem Damnationslegat einschlägig. Hier stellt sich die zuvor aufgeworfene Frage nach einer aquilischen Haftung aber gar nicht, weil der Vermächtnisnehmer vor Übereignung der vermachten Sache lediglich über einen schuldrechtlichen Anspruch auf diese verfügt. Sinnvoll ist die Erwägung der actio legis Aquiliae nur im Fall eines Vindikationsvermächtnisses, das dem Vermächtnisnehmer mit dem dies cedens automatisch zum Nießbraucher macht. Dass auch hier die actio ex testamento zum Zuge kommt, gilt erst im byzantinischen Recht, nachdem Justinian beide Arten von Vermächtnissen miteinander verschmolzen hat147. Anstelle des aus diesem Grund interpolierten Schlusssatzes kann man durchaus mit einer Entscheidung Ulpians zugunsten der actio de dolo rechnen.148 Auf sie muss auch der Spätklassiker noch zurückgreifen, weil der mit einem Vindikationsvermächtnis bedachte Vermächtnisnehmer weder über einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den Erben verfügt noch jemals eine dingliche Rechtsposition erlangt hat, die die Gewährung der aquilischen Klage in direkter oder analoger Anwendung trägt. Sie käme erst dann zum Zuge, wenn sich die Tat des Erben nach Antritt der Rechtsnachfolge ereignet hätte und das Vermächtnis wirksam geworden wäre. Damit die zufällige Reihenfolge von schädigender Handlung und Erbschaftsantritt nicht darüber entscheidet, ob es zu einer Schadensersatzpflicht kommt, erstreckt Ulpian den Rechtsgedanken der aquilischen Haftung im Wege der actio de dolo auf einen Fall, in dem der Geschädigte gar nicht über ein dingliches Recht verfügt. 146

Harke, CRRS, S. 17 f. (Text Nr. 23); vgl. auch Kaser, RP, Bd. 1, S. 754 Fn. 4. CJ 6.43.1.1 (a 531). 148 Dass er eine actio utilis nach dem Vorbild der lex Aquilia gewährt hat, glaubt dagegen Albanese, S. 241. 147

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Um für die Schädigung des Vermächtnisnehmers haftbar zu sein, muss der Erbe die diesen begünstigende Verfügung allerdings bei der Tötung des Sklaven gekannt haben. Nur unter diesen Umständen erscheint eine Differenzierung nach dem Zeitpunkt des Erbschaftsantritts nämlich als willkürlich. Hätte jede Beschädigung einer hinterlassenen Sache, die sich zum Nachteil eines potentiellen künftigen Berechtigten auswirken könnte, eine Haftung mit der actio de dolo zur Folge, wäre diese uferlos und nicht mehr mit dem Regime der lex Aquilia vereinbar. Dagegen muss die Tötung des Sklaven selbst keineswegs eine Vorsatztat sein; denn auch die aquilische Haftung setzt eine solche Begehungsweise nicht voraus. Der dolus des Täters ergibt sich bei einer bloß fahrlässigen Tötung spätestens daraus, dass er sich weigert, den Schaden des Vermächtnisnehmers freiwillig auszugleichen. Offensichtlich ist die Kenntnis des Täters von den Wirkungen, die von der Beschädigung einer dem Geschädigten nicht gehörenden Sache ausgehen, in dem folgenden Fall: D 4.3.35 Ulp 30 ed Si quis tabulas testamenti apud se depositas post mortem testatoris delevit vel alio modo corruperit, heres scriptus habebit adversus eum actionem de dolo. sed et his, quibus legata data sunt, danda erit de dolo actio. Hat jemand eine bei ihm hinterlegte Testamentsurkunde nach dem Tod des Erblassers gelöscht oder auf andere Weise unbrauchbar gemacht, hat der eingesetzte Erbe gegen ihn die Arglistklage. Aber auch den Vermächtnisnehmern ist die Arglistklage zu gewähren.

Wenn sich Ulpian für die Arglisthaftung eines Verwahrers wegen Verunstaltung der bei ihm hinterlegten Testamentsurkunde ausspricht, steht dies auf den ersten Blick nicht nur im Gegensatz zu einer Entscheidung Julians, der außer der Verwahrungs- noch die Vorlegungsklage und die actio legis Aquiliae gewährt: D 9.2.42 Iul 48 dig Qui tabulas testamenti depositas aut alicuius rei instrumentum ita delevit, ut legi non possit, depositi actione et ad exhibendum tenetur, quia corruptam rem restituerit aut exhibuerit. legis quoque Aquiliae actio ex eadem causa competit: corrupisse enim tabulas recte dicitur et qui eas interleverit. Wer eine hinterlegte Testamentsurkunde oder eine Urkunde über irgendein Geschäft so zerstört hat, dass man sie nicht mehr lesen kann, haftet mit der Verwahrungsklage und auf Vorlegung, weil er eine beschädigte Sache zurückgegeben oder vorgelegt hat. Aus demselben Grund steht auch die Klage aus dem aquilischen Gesetz zu; auch wer eine Urkunde unleserlich gemacht hat, gilt nämlich als jemand, der sie beschädigt hat.

Auch für Ulpian selbst ist die Ansicht überliefert, dass der vom Besitzer einer Urkunde vorgenommene Eingriff in deren Text die Haftung mit der Vorlegungsklage auslöst, wodurch die actio de dolo verdrängt wird: D 47.2.28 Paul 9 Sab Sed si subripuit, priusquam deleat, tanto tenetur, quanti domini interfuit non subripi: delendo enim nihil ad poenam adicit.

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2. Teil: Anwendungsfälle Hat er sie (Urkunden) aber entwendet, bevor er sie gelöscht hat, haftet er auf das Interesse, das der Eigentümer daran hat, dass sie nicht entwendet worden wären; durch das Löschen wird die Strafe nicht erhöht. D 47.2.29 Ulp 41 Sab Hoc amplius et ad exhibendum agi potest: et interdicto quorum bonorum agi poterit, Außerdem kann noch auf Vorlegung geklagt werden; und es kann mit dem Interdikt „wessen Nachlass“ geklagt werden, D 47.2.30 Ulp 9 Sab Si hereditariae tabulae deletae sint. wenn eine Testamentsurkunde gelöscht worden ist.

Der Widerspruch schwindet, wenn man von der in D 4.3.35 überlieferten Aussage zum zweiten der behandelten Fälle ausgeht:149 Gewährt Ulpian hier auch einem Vermächtnisnehmer die actio de dolo, kann dies, da einem Legatar keinesfalls das Eigentum an der Testamentsurkunde zusteht, nur daran liegen, dass die Verunstaltung der Urkunde schon die Verwirklichung der letztwilligen Verfügung vereitelt hat. Es liegt nahe, dass dies auch im ersten Fall gilt, in dem die Arglistklage dem eingesetzten Erben erteilt werden soll. Kann er die Rechtsnachfolge gar nicht erst antreten, weil der Text des Testaments nicht mehr zu lesen ist, wird er auch nie Eigentümer der Urkunde und Partei des Verwahrungsvertrags.150 Folglich ist er auch weder zur aquilischen Klage oder actio ad exhibendum noch zur actio depositi aktivlegitimiert,151 und das einzige Klagerecht, mit dem er Ausgleich des ihm entstandenen Schadens verlangen kann, ist die actio de dolo. Die Arglistklage knüpft hier an einen Sachverhalt an, der im Hinblick auf die Tatbegehung völlig dem der aquilischen Haftung entspricht. Dass diese nicht eingreift, ist bloß dem Umstand geschuldet, dass der Geschädigte im Moment der Tat nicht Eigentümer der Urkunde war. Da es aber gerade das vom Schädiger begangene Delikt ist, das die Rechtsnachfolge verhindert hat, darf die Tat nicht sanktionslos bleiben, zumal der Schädiger ja die Konsequenzen seiner Handlung für den Geschädigten kannte. Die Gewährung der actio de dolo für den Erben folgt also dem Vorbild der aquilischen Klage, ohne Gefahr zu laufen, die hierdurch gezogenen Grenzen der Deliktshaftung übermäßig auszudehnen. Dies gilt nicht nur, wenn sie dem in der zerstörten Urkunde eingesetzten Erben erteilt wird, sondern auch in dem Fall, dass die Arglistklage einem Vermächtnisnehmer zukommt, der wegen der Verunstaltung des Testaments um die ihm gemachte Zuwendung gebracht wird. Obwohl er weder Eigentümer der Urkunde ist noch auch nur werden sollte, trifft ihn mit dem Ausfall der gewillkürten Rechtsnachfolge doch ebenfalls der aus Sachbeschädigung resultierende Schaden; und 149

Für die Annahme einer Interpolation dagegen Albanese, S. 284. Ähnlich wohl Cursi, L’eredità, S. 100. 151 Entgegen Watson, SZ 78 (1961) 396 vermag ich hier keine Alternativität von actio de dolo und actio in factum zu erkennen. 150

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dies ist dem Schädiger, der den Charakter der von ihm unleserlich gemachten Schrift kennt, wohl bewusst. Die Verunstaltung der Urkunde selbst kann dagegen durchaus auf Nachlässigkeit beruhen, ohne dass dies dem Vorbild der aquilischen Haftung zuwiderliefe. Einen vergleichbaren Fall der Schadensverlagerung behandelt Paulus in D 4.3.18.5 Paul 11 ed: Si servum, quem tu mihi promiseras, alius occiderit, de dolo malo actionem in eum dandam plerique recte putant, quia tu a me liberatus sis: ideoque legis Aquiliae actio tibi denegabitur. Hat ein Dritter einen Sklaven getötet, den du mir versprochen hast, ist mir, wie die meisten glauben, die Klage wegen Arglist zu gewähren, weil du mir gegenüber befreit worden seiest. Und daher wird dir die Klage nach dem aquilischen Gesetz verweigert.

Jemand tötet einen Sklaven, dessen Übereignung sein Eigentümer einem anderen versprochen hat. Statt dem Eigentümer mit der actio legis Aquiliae einzustehen, soll der Täter dem Versprechensempfänger mit der actio de dolo haftbar sein; denn ihn und nicht den Eigentümer trifft der Schaden, der sich aus der Tat ergibt. Dies ergibt sich entgegen einem verbreiteten Missverständnis nicht schon daraus, dass der Eigentümer infolge der Verpflichtung zur Übereignung des Sklaven keinen Schaden erlitte, der die Gewährung der aquilischen Klage rechtfertigte.152 Zwar müsste er des Sklaven ohnehin entbehren. Hierin liegt jedoch noch kein Grund, die actio legis Aquiliae von vornherein zu versagen. Dies zeigt der Blick auf den Parallelfall, in dem der Gläubiger selbst ein ihm geschuldetes Lebewesen tötet: D 9.2.54 Pap 37 quaest Legis Aquiliae debitori competit actio, cum reus stipulandi ante moram promissum animal vulneravit: idem est et si occiderit animal. quod si post moram promissoris qui stipulatus fuerat occidit, debitor quidem liberatur, lege autem Aquilia hoc casu non recte experietur: nam creditor ipse sibi potius quam alii iniuriam fecisse videtur. Die Klage aus dem aquilischen Gesetz steht einem Schuldner zu, wenn der Gläubiger das versprochene Tier vor Eintritt des Verzugs verletzt; dasselbe gilt, wenn er das Tier tötet. Hat er es aber nach dem Eintritt des Schuldnerverzugs getötet, wird der Schuldner zwar befreit, er kann aber nicht zu Recht aufgrund des aquilischen Gesetzes klagen; denn der Gläubiger hat offensichtlich eher sich selbst als einem anderen Unrecht zugefügt.

Nach Papinians Ansicht ist die actio legis Aquiliae lediglich dann ausgeschlossen, wenn der Eigentümer vor der Tat schon in Verzug geraten ist, und dies auch 152 So insbesondere Wacke, RIDA 27 (1980) 361 f., Elsener, S. 145 und wohl auch Cursi, L’eredità, S. 85 f. Knütel, S. 248 f. meint, die actio legis Aquiliae sei nicht schlechthin ausgeschlossen, sondern noch insoweit eröffnet, als mit ihr eine Verurteilung über den Betrag hinaus erreicht werden kann, zu dessen Forderung der Versprechensempfänger im Wege der actio de dolo berechtigt ist.

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keineswegs wegen eines fehlenden Schadens des Eigentümers, sondern weil die Handlung des Gläubigers unter diesen Umständen nicht widerrechtlich ist: Steht ihm das versprochene Tier ab dem Moment des Verzugseintritts zu, greift er mit seiner Verletzung oder Tötung auch weniger in die Rechtssphäre des Eigentümers ein als vielmehr in seine eigene.153 Hieraus folgt im Umkehrschluss, dass die aquilische Haftung unberührt bleibt, wenn der Gläubiger das Delikt vor dem Verzugsbeginn begeht. Dann kann aber grundsätzlich nichts anderes gelten, wenn die Tat von einem Dritten begangen wird. Dementsprechend ist das einleitende ,ideo‘, mit Paulus in D 4.3.18.5 den zweiten Satz beginnt, nicht auf den unmittelbar vorangehenden Nebensatz zu beziehen, in dem die Befreiung des Eigentümers von seiner Verpflichtung zur Übereignung des getöteten Sklaven ausgesprochen wird. Stattdessen knüpft Paulus an die Aussage des Hauptsatzes an, wonach dem Gläubiger der untergegangenen Forderung die actio de dolo gegen den Schädiger zusteht. Der Wegfall der aquilischen Klage ist damit nicht Ursache, sondern gerade Folge der Erteilung der actio de dolo.154 Scheidet die aquilische Haftung nicht von vornherein, sondern wegen der Entscheidung für die Arglistklage aus, ist diese nichtsdestoweniger eine Reaktion auf eine Schadensverlagerung: Sie ergibt sich, wie Reichard erkannt hat, auch bei Zuständigkeit der aquilischen Klage daraus, dass der Gläubiger keinen Anspruch gegen den Eigentümer auf Abtretung dieses Klagerechts hat.155 Als Inhaber einer Stipulationsforderung kann er nur die förmlich zugesagte Leistung und keineswegs deren Surrogat verlangen, so dass er, wenn ihm nicht mit der Arglistklage geholfen würde, endgültig den Nachteil aus dem gegenüber dem Eigentümer verübten Delikt zu tragen hätte. Durch Erteilung der actio de dolo vermeidet Paulus dieses Ergebnis,156 ohne sich aber zu weit vom etablierten Haftungssystem zu lösen: Die Tat, an die die Arglistklage anknüpft, erfüllt in jeder Hinsicht die Voraussetzungen der aquilischen Klage und wird nur insoweit anders sanktioniert,

153

Richtig Reichard, S. 123 ff. So zu Recht Reichard, S. 113. Anders will Slapnicar, S. 245 ff. die Aussagen des Paulus- und des Papiniantextes versöhnen: Er nimmt an, Paulus habe sich mit einem Fall befasst, in dem der Eigentümer vor der Tötung des Sklaven schon mit der Erfüllung seiner Verpflichtung zu dessen Übereignung in Verzug geraten ist. Gegen diese Deutung wendet Reichard, S. 110 f. allerdings treffend ein, Paulus habe dann nicht davon sprechen können, dass der Eigentümer durch den Tod des Sklaven befreit werde (,quia tu a me liberatus sis‘). Im Übrigen stellte sich bei Annahme eines Schuldnerverzugs das Problem des Nachrangs der actio de dolo, das Slapnicar ebenfalls nicht überzeugend bewältigen kann, indem er Paulus ein spezielles Konzept der Subsidiarität unterstellt. 155 Reichard, S. 115 f. 156 Und entgegen Lambrini, Dolo generale, S. 101 nicht etwa zur Vermeidung einer ungerechtfertigten Bereicherung. 154

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als an die Stelle des gewöhnlich ersatzberechtigten Eigentümers derjenige tritt, zu dessen Lasten sich das Delikt auswirkt. Anders als in dem Fall, dass jemand einen hinterlassenen Sklaven tötet und so das Recht eines hiermit bedachten Vermächtnisnehmers vereitelt, ist bei der Tötung eines Sklaven, den sein Eigentümer einem Dritten schuldet, keineswegs ausgemacht, dass der Täter, um der actio de dolo ausgesetzt zu sein, den speziellen Drittbezug seiner Tat kennen muss.157 Denn er weiß bei ihrer Begehung ja sowohl, dass er nicht nur das Recht eines anderen verletzt, als auch, dass er so einen Schaden zufügt. Zwar muss er nicht mit der Beteiligung des Dritten, sondern damit rechnen, dass sein Verhalten zulasten des Eigentümers wirkt. Dies bedeutet aber keine wesentliche Abweichung von dem wirklichen Schadensverlauf. Wie im Fall der zulasten eines Vermächtnisnehmers oder Erben verübten Delikte ist darüber hinaus anzunehmen, dass Paulus die Arglistklage auch dann bejaht, wenn der Täter den Tod des Sklaven lediglich nachlässig herbeigeführt hat.158 Schon hier greift nämlich unter gewöhnlichen Umständen die actio legis Aquiliae ein, die das Vorbild für die Arglistklage bietet. Als dolos muss dann, wenn nicht schon die Tatbegehung, so doch zumindest die Weigerung des Täters gelten, den Schaden auszugleichen. Der umgekehrte Fall, in dem ein Dritter nicht auf der Seite des Opfers einer Eigentumsverletzung, sondern an der Tatbegehung beteiligt ist, kommt in Gestalt einer mittelbaren Schädigung vor. Bewältigt wird er üblicherweise mit actiones in factum nach dem Vorbild der lex Aquilia, die zuweilen auch „zweckdienlich“ genannt werden.159 Dies gilt selbst dann, wenn das Medium, dessen sich der Täter bei der Schädigung bedient, ein Tier ist, das einem Dritten gehört. Fügt es eine Verletzung zu, weil es hierzu gereizt worden ist, bleibt seinem Eigentümer die Haftung mit der actio de pauperie erspart. Denn sie greift nur dann ein, wenn sich die in seiner Unberechenbarkeit liegende Tiergefahr realisiert. Stattdessen richtet sich die aquilische Haftung in Gestalt einer Tatsachenklage gegen denjenigen, der das Tier aufgestachelt hat: D 9.1.1.7 Ulp 18 ed Et generaliter haec actio locum habet, quotiens contra naturam fera mota pauperiem dedit: ideoque si equus dolore concitatus calce petierit, cessare istam actionem, sed eum, qui equum percusserit aut vulneraverit, in factum magis quam lege Aquilia

157 Richtig MacCormack, Ricerche Gallo, S. 555 f. und Lambrini, Dolo generale, S. 113, dies., Azione di dolo, S. 130 f. Anders zu Unrecht Slapnicar, S. 241. 158 Ebenso Lambrini, Dolo generale, S. 101, 124 f., dies., Azione di dolo, S. 131. Zweifelnd dagegen Reichard, S. 116 f., der allerdings zugesteht, dass das von Paulus anerkannte Bedürfnis nach Gewährung der actio de dolo auch im Fall einer bloß fahrlässigen Tötung besteht. Für offen hält die Frage Wacke, RIDA 27 (1980) 363 f. 159 Harke, Actio utilis, S. 121 ff.

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2. Teil: Anwendungsfälle teneri, utique ideo, quia non ipse suo corpore damnum dedit. at si, cum equum permulsisset quis vel palpatus esset, calce eum percusserit, erit actioni locus. Und schlechthin greift diese Klage immer dann Platz, wenn das Tier entgegen seiner Natur wild geworden und einen Schaden angerichtet hat; hat daher ein Pferd aufgrund ihm zugefügten Schmerzes jemanden mit dem Huf getroffen, versage diese Klage; vielmehr hafte derjenige, der das Pferd geschlagen oder verletzt hat, und zwar eher mit einer Tatsachenklage als aufgrund des aquilischen Gesetzes, und dies deshalb, weil er den Schaden nicht durch Körperkontakt herbeigeführt hat. Hat aber ein Pferd mit dem Huf ausgeschlagen, während jemand es streichelte oder tätschelte, greift diese Klage Platz.

Warum diese Klage nicht auch in dem folgenden Fall gewährt wird, ist schwer zu erklären:160 D 4.3.7.6 Ulp 11 ed Si quadrupes tua dolo alterius damnum mihi dederit, quaeritur, an de dolo habeam adversus eum actionem. et placuit mihi, quod Labeo scribit, si dominus quadrupedis non sit solvendo, dari debere de dolo, quamvis, si noxae deditio sit secuta, non puto dandam nec in id quod excedit. Hat dein vierfüßiges Tier mir infolge der Arglist eines Dritten einen Schaden zugefügt, stellt sich die Frage, ob mir die Arglistklage gegen ihn zusteht. Und ich stimme dem zu, was Labeo schreibt, nämlich dass die Arglistklage zu gewähren sei, wenn der Eigentümer des vierfüßigen Tiers nicht zahlungsfähig sei, während ich glaube, dass, wenn die Auslieferung des Tieres stattgefunden hat, die Klage noch nicht einmal wegen des Betrags zu gewähren ist, der den Wert des Tieres übersteigt.

Nicht völlig auszuschließen ist, dass die von Labeo befürwortete actio de dolo den älteren Mechanismus darstellt, mit dem die Juristen dem Phänomen der mittelbaren Schädigung gerecht werden wollen, bevor sie auf die actio in factum umschwenken. Dagegen spricht aber, dass noch Ulpian die Auffassung Labeos teilt und schon dieser in Fällen, in denen ein anderes Tatmittel eingesetzt wird, die Tatsachenklage gewährt161. Eher anzunehmen ist daher, dass Labeos Entscheidung einem Fall gilt, in dem der Tatbeitrag des Dritten noch nicht einmal als mittelbare Eigentumsverletzung gelten kann, sei es, dass der Täter nur die Situation geschaffen hat, in der die Verletzung durch das Tier möglich wurde,162 sei es, dass er schlicht nicht eingegriffen hat, obwohl er die Schädigung hätte vermeiden können163. Im einen wie im anderen Fall lehnt sich die actio de dolo, die nur subsidiär zur Tierhalterhaftung eingreift, gleichwohl an die aquilische Haftung an, deren Anwendungsbereich in Gestalt der actio in factum eröffnet ist, 160 Deshalb verfällt Albanese, S. 217 f. auf eine Interpolationsvermutung und glaubt, im ursprünglichen Text sei es Ulpian darum gegangen, ob Zweifel an der Zuständigkeit der actio in factum genügen, um die Gewährung der Arglistklage zu rechtfertigen. 161 D 9.2.9pr Ulp 18 ed; hierzu Harke, Actio utilis, S. 125 ff. 162 So Cursi, L’eredità, S. 47 f., Cursi/Fiori, BIDR 105 (2011) 172. 163 Hierfür ist Elsener, S. 36.

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sobald sich der Tatbeitrag des Schädigers in einer auf die Herbeiführung des Tierschadens gerichteten Handlung verfestigt.164 II. Ergänzung der Diebstahlshaftung Weniger Lücken als die Haftung für Sachbeschädigung lässt die actio furti. Das Problem einer Schadensverlagerung kann sich hier von vornherein nicht stellen, weil die Aktivlegitimation zur Diebstahlsklage nicht an das Eigentum, sondern an das Interesse am Unterbleiben der Tat anknüpft. Und auch eine Drittbeteiligung an der Tatbegehung wirft keine Zweifelsfragen auf, weil die actio furti jede Form der Drittzueignung abdeckt. Als ein mit der actio in factum zu bewältigender Fall bleibt daher nur die Konstellation übrig, dass der Täter zwar einen Sachverlust herbeiführt, dabei aber ohne die Absicht handelt, sich oder einen Dritten zu bereichern. Als Beispiel nennt Gaius den Fall, dass jemand bloß zum Spaß Vieh vertreibt, das dann in die Hände von Dieben fällt: Gai 3.202 Interdum furti tenetur, qui ipse furtum non fecerit, qualis est, cuius ope consilio furtum factum est. in quo numero est, qui nummos tibi excussit, ut eos alius surriperet, vel opstitit tibi, ut alius surriperet, aut oves aut boves tuas fugavit, ut alius eas exciperet. et hoc veteres scripserunt de eo, qui panno rubro fugavit armentum; sed si quid per lasciviam et non data opera, ut furtum committeretur, factum sit, videbimus, an utilis actio dari debeat, cum per legem Aquiliam, quae de damno lata est, etiam culpa puniatur. Zuweilen haftet wegen Diebstahls, wer selbst keinen Diebstahl begangen hat, insbesondere derjenige, mit dessen Hilfe oder auf dessen Anstiftung hin ein Diebstahl begangen worden ist. Hierzu zählt derjenige, der dir Münzen aus der Hand schlägt, damit ein anderer sie wegnimmt, oder dir den Weg versperrt, damit ein anderer dich bestiehlt, oder deine Schafe oder Rinder gescheucht hat, damit ein anderer sie einfängt. Und dies schrieben die alten Juristen auch von demjenigen, der Großvieh mit einem roten Tuch aufgescheucht hat; ist aber etwas aus Übermut und ohne Diebstahlsabsicht begangen worden, müssen wir zusehen, ob eine zweckdienliche Klage gewährt werden muss, da durch das aquilische Gesetz, das zur Sanktion einer Schädigung erlassen worden ist, auch Fahrlässigkeit bestraft wird.

Die Antwort auf die in Gaius’ Institutionen aufgeworfene Frage nach einer actio utilis gibt Labeo in einem Zitat bei Ulpian, in dem er sich für die Gewährung einer Tatsachenklage ausspricht:165 D 47.2.50.4 Ulp 37 ed Cum eo, qui pannum rubrum ostendit fugavitque pecus, ut in fures incideret, si quidem dolo malo fecit, furti actio est: sed et si non furti faciendi causa hoc fecit, non 164 Wie Watson, SZ 78 (1961) 393 und MacCormack, SDHI 52 (1986) 241 herausstellen, liegt jedenfalls keine Konstellation vor, die sich mit der älteren Definition des dolus erfassen ließe. 165 Hierzu Harke, Actio utilis, S. 123 f.

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2. Teil: Anwendungsfälle debet impunitus esse lusus tam perniciosus: idcirco Labeo scribit in factum dandam actionem. Gegen denjenigen, der ein rotes Tuch geschwenkt und Vieh vertrieben hat, so dass es Dieben in die Hände gefallen ist, ist die Diebstahlsklage jedenfalls gegeben, wenn er mit Vorsatz gehandelt hat; hat er es aber nicht zur Begehung des Diebstahls getan, darf dieses verderbliche Spiel nicht unbestraft bleiben; daher schreibt Labeo, es sei eine auf den Sachverhalt zugeschnittene Klage zu gewähren.

Vor diesem Hintergrund verblüfft zunächst, dass derselbe Jurist in einem nicht unähnlichen Fall die Gewährung der actio de dolo erwägt: D 4.3.7.7 Ulp 11 ed Idem Labeo quaerit, si compeditum servum meum ut fugeret solveris, an de dolo actio danda sit? et ait Quintus apud eum notans: si non misericordia ductus fecisti, furti teneris: si misericordia, in factum actionem dari debere. Labeo stellt auch die Frage, ob die Klage wegen Arglist zu gewähren sei, wenn du meinen gefesselten Sklaven befreit hast, damit er fliehen konnte. Und Quintus merkt zu Labeo an: Hast du es nicht aus Mitleid getan, haftest du mit der Diebstahlsklage; hast du es aus Mitleid getan, ist eine auf den Sachverhalt zugeschnittene Klage zu gewähren.

Wie kann sich Labeo bei einem ,lusus perniciosus‘ mit fremdem Vieh für die Erteilung einer actio in factum aussprechen, bei der Befreiung eines gefesselten Sklaven aber die Gewährung der Arglistklage in Betracht ziehen? Die Antwort ergibt sich aus der Differenzierung, die der von Ulpian als Quintus bezeichnete Jurist166 vornimmt. Er will danach unterscheiden, ob der Täter die Fesseln des Sklaven aus Mitleid oder in böser Absicht gelöst hat. Nur im zuerst genannten Fall will er eine Tatsachenklage gewähren, gegen einen böswilligen Täter dagegen die actio furti. Eine Haftung mit dieser Klage, die nicht nur die Verurteilung in das Doppelte des Interesses, sondern auch Infamie nach sich zieht, ist in diesem zweiten Fall deshalb angebracht, weil der Täter, indem er dem Sklaven zur Flucht verhilft, diesem gleichsam die Freiheit schenkt und sich damit eine Befugnis anmaßt, die nur dem Eigentümer zusteht. Es lässt sich also sehr wohl vertreten, dass er in Zueignungsabsicht handelte. Zur Erteilung einer an der actio furti orientierten actio in factum167 kann es daher nur dann kommen, wenn der Täter aus Mitleid und ohne den Willen handelt, sich als Eigentümer aufzuspielen. Quintus’ Unterscheidung lässt den Schluss zu, dass Labeo noch nicht in gleicher Weise differenziert hat. Er muss sich in beiden Fällen für dieselbe Klage ausgesprochen haben; und dies kann, wenn man seine Entscheidung im Fall des Verscheuchens von Vieh in Betracht zieht, nur die actio in factum gewesen sein. Auch Labeo hat also nicht die Gewährung der Arglistklage befürwortet, sondern 166 Nach Ansicht von Cursi, L’eredità, S. 49 Fn. 30 und Cursi/Fiori, BIDR 105 (2011) 173 Fn. 106 ist dies eher Saturninus als Scaevola. 167 Dass sie der actio legis Aquiliae nachgebildet ist, glauben dagegen Albanese, S. 242 f. und v. Lübtow, S. 211 f.

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sie nur als Sanktionsmöglichkeit in den Raum gestellt. Entschieden hat er sich dagegen für eine Tatsachenklage als durchgängige Rechtsfolge eines Sachverlustes, den der Täter herbeiführt, ohne zugleich für eigenen oder fremden Besitzerwerb zu sorgen.168 Zieht Labeo die actio de dolo immerhin als Alternative zu einer Tatsachenklage in Betracht, hält er sich dabei ebenso wie der spätere Jurist an das Vorbild der actio furti. Die Arglistklage soll, wenn überhaupt, kein völlig neues Feld der Haftung erschließen, sondern nur das Regime der Diebstahlsklage ergänzen und in einem Fall zur Anwendung kommen, in dem das Opfer denselben Schaden erleidet wie bei einem furtum, es aber an der besonderen Absicht fehlt, die zur Verwirklichung des überkommenen Deliktstatbestands erforderlich ist.169 Der Mangel dieser Absicht stellt noch nicht den dolus des Täters in Frage,170 für den der einfache Vorsatz genügt.171 Daher lässt sich die Arglistklage auch nur wegen

168 Also ist es entgegen Cursi, L’eredità, S. 51, Cursi/Fiori, BIDR 105 (2011) 174 nicht nur die misericordia, die den Tatbestand des furtum ausschließt; er wäre auch nicht gegeben, wenn jemand ein ,lusus perniciosus‘ spielt, ohne sich zugleich die Eigentümerrolle anzumaßen. 169 Daher lässt sich der Fall von D 4.3.7.7 entgegen Cursi, L’eredità, S. 48 ff., Cursi/ Fiori, BIDR 105 (2011) 174 auch nicht mit dem im vorangehenden § 6 vergleichen, in dem es um eine mittelbare Schädigung geht: Die Diebstahlssanktion scheitert nicht am Kausalverlauf, sondern an einem Element des subjektiven Tatbestands. 170 Unlösbare Rätsel gibt daher der folgende Text auf, der sich in seiner überlieferten Fassung einer gültigen Deutung entzieht: D 19.5.14pr Ulp 41 Sab: Qui servandarum mercium suarum causa alienas merces in mare proiecit, nulla tenetur actione: sed si sine causa id fecisset, in factum, si dolo, de dolo tenetur. („Wer zur Rettung seiner eigenen Waren die Waren eines anderen ins Meer geworfen hat, haftet mit keiner Klage; hat er es aber grundlos getan, haftet er mit einer Tatsachenklage, hat er arglistig gehandelt, mit der Arglistklage.“) Zwar erscheint nicht abwegig, dass Ulpian den Seewurf fremder Sachen, wenn er nicht zur Rettung eigener Ware erfolgt, mit einer der actio furti nachgebildeten actio in factum sanktionieren will. Da diese jedoch an eine Vorsatztat anknüpft, ist nicht einzusehen, wie es daneben noch einen Fall des dolus geben kann, der eine selbständige Arglisthaftung auslösen soll. Es liegt nahe, dass der überkommene Wortlaut das Ergebnis der drastischen Verkürzung einer Diskussion ist, wie sie von D 4.3.7.7 überliefert wird. 171 Richtig Manfredini, RIDA 39 (1992) 203, 205 und Carcaterra, S. 174 ff.; anders Wacke, RIDA 27 (1980) 385, der glaubt, die misericordia schließe den dolus aus, und MacCormack, SDHI 52 (1986) 245 f., der in dem vorgeworfenen Verhalten nur grobe Fahrlässigkeit erkennen will. Hierfür geben aber auch die weiteren Quellen nichts aus. Zwar spricht Ulpian an einer anderen Stelle davon, dass die Freilassung eines Sklaven aus Mitleid dem dolus „nahestehe“; vgl. D 16.3.7pr Ulp 30 ed: Si hominem apud se depositum ut quaestio de eo haberetur, ac propterea vinctum vel ad malam mansionem extensum sequester solverit misericordia ductus, dolo proximum esse quod factum est arbitror, quia cum sciret, cui rei pararetur, intempestive misericordiam exercuit, cum posset non suscipere talem causam quam decipere. („Hat ein Sequester einen Sklaven, der bei ihm zum Zwecke einer Untersuchung in Verwahrung gegeben worden ist und später gefesselt oder gestreckt wurde, aus Mitleid befreit, ist, wie ich glaube, sein Verhalten der Arglist ähnlich, da er wusste, zu welchem Zweck ihm der Sklave überlassen worden war, und er zur Unzeit Mitleid bewiesen hat, zumal er die Sache eher nicht auf

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2. Teil: Anwendungsfälle

ihrer Subsidiarität gegenüber der actio furti und einer direkt an sie anknüpfenden actio in factum verneinen.172 Nur angedeutet findet sich die Möglichkeit, die Diebstahlsklage um die Arglisthaftung zu ergänzen, in dem folgenden Text: D 10.4.16 Paul 10 Sab Cum servus tenet aliquid, dominus ad exhibendum suo nomine tenetur: si autem servus citra scientiam domini dolo fecit quo minus habeat, vel furti actio vel de dolo malo noxalis servi nomine danda est, ad exhibendum autem utilis nulla constituenda est. Hat ein Sklave etwas inne, haftet sein Eigentümer im eigenen Namen auf Vorlegung; hat aber der Sklave ohne Wissen seines Eigentümers arglistig bewirkt, dass er es nicht mehr hat, ist wegen des Sklaven eine Noxalklage entweder wegen Diebstahls oder wegen Arglist zu gewähren; eine zweckdienliche Klage ist nicht zuzugestehen.

Paulus geht es in erster Linie um die Verneinung einer actio ad exhibendum: Da sie sich als rein sachverfolgende Klage nicht unter dem Vorbehalt einer noxae deditio gewähren lässt, hätte ihre Erteilung in dem Fall, dass sich ein Sklave des Besitzes an einer vorzulegenden Sache begeben hat, eine unbedingte Haftung seines Eigentümers zur Folge.173 Der Eigentümer kann daher weder mit der Vorlegungsklage noch im Wege einer nach ihrem Vorbild gestalteten actio utilis belangt werden; er haftet allein mit einer Noxalklage, die an das vom Sklaven begangene Delikt anknüpft. Als solches kommt zunächst einmal das schon durch Unterschlagung verwirklichte furtum in Betracht. Die subsidiäre actio de dolo erwähnt Paulus vielleicht mit Blick auf den schon von Labeo erörterten Fall, dass es an der Absicht zur Zueignung der aufgegebenen Sache fehlt.174 sich hat nehmen können statt zu enttäuschen.“) Auf diese Weise wird jedoch die dolusHaftung des Verwahrers begründet, dem zumindest die Entscheidung zur Eingehung des Verwahrungsvertrags zum Vorwurf gereicht; vgl. auch Manfredini, RIDA 39 (1992) 203, 225 ff. Und in einer Entscheidung zur actio de servo corrupto ist es nicht etwa die misericordia, die den zur Tatbegehung erforderlichen dolus ausschließt, sondern der Umstand, dass jemand einen Sklaven aus Mitleid aufnimmt, um ihn für den Eigentümer in Verwahrung zu nehmen; vgl. D 11.3.5pr Ulp 23 ed: Doli verbum etiam ad eum qui recepit referendum est, ut non alius teneatur, nisi qui dolo malo recepit: ceterum si quis, ut domino custodiret, recepit vel humanitate vel misericordia ductus vel alia probata atque iusta ratione, non tenebitur. („Das Wort ,Arglist‘ ist auch auf denjenigen zu beziehen, der einen Sklaven aufnimmt, so dass er nur dann haftet, wenn er ihn arglistig aufgenommen hat. Hat ihn jemand dagegen, um ihn für den Eigentümer aufzubewahren, aus Menschlichkeit, Mitleid oder aus einem anderen anerkannten und gerechten Grund aufgenommen, haftet er nicht.“) Dass die misericordia den dolus des Täters ausschließt, könnte, wie v. Lübtow, S. 213 f. richtig annimmt, allenfalls die spätere Sicht eines christlichen Betrachters und insbesondere der Kompilatoren sein. 172 Richtig v. Lübtow, S. 211 f. und Manfredini, RIDA 39 (1992) 203, 214 f. Anders Cursi, L’eredità, S. 51 Fn. 39, Cursi/Fiori, BIDR 105 (2011) 174 Fn. 111 und Watson, SZ 78 (1961) 393 f., der glaubt, der mit Quintus gemeinte Scaevola hänge der alten Definition des dolus an und verlange für die Arglistklage eine Täuschung. 173 Harke, Actio utilis, S. 153. 174 Für den von Albanese, S. 295 f. geäußerten Interpolationsverdacht besteht kein Anlass.

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Nicht mehr in den Anwendungsbereich der actio furti kann dagegen ein Delikt fallen, mit dem sich Proculus in seinen Episteln beschäftigt: D 4.3.31 Proc 2 epist Cum quis persuaserit familiae meae, ut de possessione decedat, possessio quidem non amittitur, sed de dolo malo iudicium in eum competit, si quid damni mihi accesserit. Hat jemand meine Sklaven überredet, meine Besitzungen zu verlassen, verliere ich zwar nicht den Besitz; mir steht gegen ihn aber die Arglistklage zu, wenn mir irgendein Schaden entstanden ist.

Tatobjekt ist in diesem Fall ein Grundstück. Zwar kann an ihm kein furtum begangen werden; die vom Schädiger verübte Tat führt jedoch zu ähnlichen Konsequenzen: Ebenso wie das Opfer eines Diebstahls die Herrschaft über die entwendete Sache einbüßt, kann der Eigentümer eines Grundstücks, dessen Sklaven jemand zu seiner Räumung veranlasst, fortan nicht mehr auf die Sache zugreifen. Und auch die Tatbegehung ist nicht unähnlich: Indem der Täter die Sklaven überredet, das Grundstück zu verlassen,175 entwindet er dem Eigentümer vorsätzlich den Zugriff auf die Sache und eignet sich diese zu.176 Die Gewährung der actio de dolo ist also auch hier durchaus vom Vorbild der Diebstahlssanktion gedeckt. Woran sie scheitern kann, ist allein die Subsidiarität gegenüber anderen sachverfolgenden Ansprüchen, namentlich der rei vindicatio und restitutorischen Interdikten. Diese sind aber nach Ansicht von Proculus nicht einschlägig, weil die Aufgabe der Sachherrschaft durch die Gewaltunterworfenen nicht bewirkt, dass deren Eigentümer den Besitz verliert.177 Auch wenn Papinian dies später anders sieht,178 findet Proculus doch die Gefolgschaft von Paulus, der dem Eigentümer attestiert, den Besitz trotz Aufgabe der Sachherrschaft durch seine Gewaltunterworfenen kraft seines eigenen Willens zu behalten (,animo retinere‘)179. Scheiden andere sachverfolgende Ansprüche damit aus, ist der Weg frei für die actio de dolo. Ebenfalls diebstahlsähnlich, aber noch weiter vom Anwendungsbereich der actio furti entfernt ist der Fall, dass sich der Täter den geistigen Wert einer Urkunde zueignet, indem er sich eine Abschrift verschafft:

175 Wie MacCormack, Ricerche Gallo, S. 547 f. zu Recht bemerkt, muss dies keineswegs mit einer Täuschung einhergehen. 176 Anders MacCormack, SDHI 52 (1986) 244 f., der glaubt, es könne auch ein Fall grober Fahrlässigkeit vorliegen. Selbst wenn sich der Täter im Recht glauben sollte, ändert dies aber nichts daran, dass er sich der Verdrängung des Eigentümers bewusst ist und sich das Grundstück zueignen will. 177 Mit hiergegen gerichteten Interpolationsvermutungen aus dem alten Schrifttum plagt sich noch Krampe, Proculi epistulae, Karlsruhe 1969, S. 78 ff. ab. 178 D 41.2.44.2 Pap 23 quaest. 179 D 41.2.3.8 Paul 54 ed.

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2. Teil: Anwendungsfälle D 47.2.52.23–24 Ulp 37 ed Si quis servo meo persuaserit, ut nomen suum ex instrumento puta emptionis tolleret, et Mela scripsit et ego puto furti agendum. (24) Sed si servo persuasum sit, ut tabulas meas describeret, puto, si quidem servo persuasum sit, servi corrupti agendum, si ipse fecit, de dolo actionem dandam. Hat jemand meinen Sklaven überredet, seinen Namen aus einer Urkunde, etwa über einen Kaufvertrag, zu löschen, ist, wie Mela schreibt und auch ich glaube, mit der Diebstahlsklage zu klagen. (24) Ist ein Sklave überredet worden, meine Urkunden abzuschreiben, so ist, wie ich glaube, wenn der Sklave wirklich überredet worden ist, wegen Sklavenverführung zu klagen und, wenn er es selbst getan hat, die Arglistklage zu gewähren.

Veranlasst der Täter einen fremden Sklaven dazu, eine Urkunde seines Gewalthabers so zu verändern, dass sie ihm scheinbar nicht mehr zusteht, begeht er ein furtum. Bleibt die Urkunde dagegen unangetastet, fehlt es an einer Zueignung ihrer Sachsubstanz. Nichtsdestoweniger kann dem Eigentümer ein vergleichbarer Schaden dadurch entstehen, dass der Täter mit Hilfe einer Abschrift die Verfügungsmacht über ihren Inhalt erlangt. Einer Haftung aus der actio de dolo kann nicht die actio furti, sondern nur die Konkurrenz mit einem anderen Klagerecht entgegenstehen. Als solches kommt hier die actio de servo corrupto in Betracht. Sie ist aber bloß dann einschlägig, wenn der Täter den Sklaven zu der Abschrift veranlasst hat und sich deshalb den Vorwurf eines negativen Einflusses auf dessen Charakter gefallen lassen muss. Verschafft sich der Täter hingegen eine Abschrift, die der Sklave aus eigenem Antrieb gefertigt hat, reduziert sich die Tat auf die Aneignung des Urkundeninhalts, die eine selbständige Arglisthaftung nach dem Vorbild der actio furti auslöst. III. Eigentumsstörung In zwei Entscheidungen wird die actio de dolo in Ergänzung der actio aquae pluviae arcendae gewährt, die der Abwehr von Störungen unter Grundstücksnachbarn dient. Die eine stammt von Ulpian, der die Ansicht des von ihm zitierten Marcell korrigiert: D 39.3.1.11–12 Ulp 53 ed Idem aiunt aquam pluviam in suo retinere vel superficientem ex vicini in suum derivare, dum opus in alieno non fiat, omnibus ius esse (prodesse enim sibi unusquisque, dum alii non nocet, non prohibetur) nec quemquam hoc nomine teneri. (12) Denique Marcellus scribit cum eo, qui in suo fodiens vicini fontem avertit, nihil posse agi, nec de dolo actionem: et sane non debet habere, si non animo vicino nocendi, sed suum agrum meliorem faciendi id fecit. Sabinus und Cassius schreiben auch, es sei jedermanns Recht, das Regenwasser auf seinem Grundstück zurückzuhalten oder den Überfluss des Nachbarn auf das eigene Grundstück zu leiten, wenn kein Werk auf einem fremden Grundstück errichtet werde (es sei nämlich niemandem verboten, sich selbst zu nützen, solange er einem anderen nicht schadet); und deshalb hafte man nicht. (12) Marcell schreibt auch,

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dass gegen denjenigen, der durch Grabungen auf seinem Grundstück eine Quelle des Nachbarn zum Versiegen gebracht hat, nicht geklagt werden könnte, und auch die Arglistklage nicht gegeben sei; und sicherlich darf sie nicht zustehen, wenn er dies nicht mit dem Ziel getan hat, dem Nachbarn zu schaden, sondern um sein Grundstück zu verbessern.

Der Text ist Quelle der pandektistischen Diskussion über die Haftung für Rechtsmissbrauch.180 Ob man für die Ausübung eines eigenen Rechts einstandspflichtig sein kann, ist aber, genau besehen, gar nicht Ulpians Thema. Marcell erklärt die Verwendung von Regen- oder Abflusswasser zum Recht eines Grundstückseigentümers und verweist darauf, dass jedermann zum eigenen Nutzen tätig werden dürfe. Er schränkt dies aber umgehend durch einen Vorbehalt für den Fall ein, dass sich das eigene Verhalten zum Schaden eines anderen auswirkt. Damit ist offensichtlich nur die Wirkungsweise der Klage zur Abwehr von Regenwasser beschrieben: Sie sanktioniert die unerwünschte Zufuhr von Wasser auf das Nachbargrundstück und setzt so dem Recht des Grundstückseigentümers Grenzen. Da sie aber nur dazu gedacht ist, den Zufluss zu verhindern und nicht etwa zu gewährleisten, verstößt dessen Beschränkung gegen kein Verbot. Dies muss insbesondere gelten, wenn jemand durch Grabungen auf seinem Grundstück, insbesondere zur Erschließung eines Brunnens, die Wasserversorgung auf dem Nachbargrundstück beeinträchtigt. Auch dieser Fall ist dem Tatbestand der actio aquae pluviae arcendae wiederum entgegengesetzt und bietet daher grundsätzlich auch keinen Anknüpfungspunkt für die actio de dolo, die Marcell an dieser Stelle erstmals in Spiel bringt. Ulpian schränkt diese Entscheidung auf den Fall ein, dass die Grabung nur dazu gedacht war, einen Vorteil für das eigene Grundstück zu schaffen. Nach seiner Ansicht kann die actio de dolo also gewährt werden, wenn die Grabung lediglich dazu dienen soll, dem Nachbarn zu schaden. Hier wiegt die böse Absicht so schwer, dass das Vorbild der Klage auf Abwehr von Regenwasser ausnahmsweise auch in einer Konstellation Geltung erheischt, die sich konträr zu ihrem Tatbestand verhält. Eine vergleichbare Entscheidung trifft Paulus, wenn er sich in einem Fall, in dem die Voraussetzungen der actio aquae pluviae arcendae ebenfalls nicht gegeben sind, für die Erteilung einer zweckdienlichen Klage ausspricht:181 D 39.3.2.5 Paul 49 ed Item Varus ait: aggerem, qui in fundo vicini erat, vis aquae deiecit, per quod effectum est, ut aqua pluvia mihi noceret. Varus ait, si naturalis agger fuit, non posse me vicinum cogere aquae pluviae arcendae actione, ut eum reponat vel reponi sinat, idemque putat et si manu factus fuit neque memoria eius exstat: quod si exstet, putat aquae pluviae arcendae actione eum teneri. Labeo autem, si manu factus sit agger, etiamsi memoria eius non exstat, agi posse ut reponatur: nam hac actione neminem cogi posse, ut vicino prosit, sed ne noceat aut interpellet facientem, quod iure facere 180 181

In diesem Sinn wird sie auch noch von Elsener, S. 89 f. gedeutet. Hierzu Harke, Actio utilis, S. 111 ff.

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2. Teil: Anwendungsfälle possit. quamquam tamen deficiat aquae pluviae arcendae actio, attamen opinor utilem actionem vel interdictum mihi competere adversus vicinum, si velim aggerem restituere in agro eius, qui factus mihi quidem prodesse potest, ipsi vero nihil nociturus est: haec aequitas suggerit, etsi iure deficiamur. Varus schreibt ferner: Ein Damm, der sich auf dem Grundstück eines Nachbarn befand, wurde durch Wasserkraft eingerissen, weshalb mir das Regenwasser schadete. Varus schreibt, dass ich, wenn der Damm natürlichen Ursprungs sei, den Nachbarn nicht mit der Klage auf Abwehr von Regenwasser zwingen könne, dass er ihn wiederherstellt oder seine Wiederherstellung duldet; und er glaubt, dies gelte auch, wenn er durch Menschenhand errichtet worden sei, ohne dass man sich daran erinnern könne; sei die Errichtung dagegen erinnerlich, hafte er mit der Klage auf Abwehr von Regenwasser. Labeo meint dagegen, dass, wenn der Damm von Menschenhand errichtet worden ist, auch dann, wenn man sich daran nicht mehr erinnern kann, auf seine Wiederherstellung geklagt werden könne; denn mit dieser Klage werde niemand gezwungen, seinem Nachbarn einen Vorteil zu verschaffen, sondern dazu, ihm keinen Schaden zuzufügen oder ihn nicht dabei zu stören, was er rechtmäßig tue. Aber ich glaube, dass, obwohl die Klage auf Abwehr von Regenwasser versagt, mir eine zweckdienliche Klage oder ein Interdikt gegen den Nachbarn zusteht, wenn ich den Damm auf seinem Grundstück wiederherstellen will, dessen Errichtung mir nützen kann und ihm nicht schadet; dies gebietet die Gerechtigkeit, auch wenn das Recht versagt.

Ist der Zufluss von Regenwasser auf das Nachbarstück nicht Menschenwerk, sondern durch Naturgewalt bewirkt, kann der Eigentümer des Grundstücks, von dem der Wasserfluss ausgeht, zwar nicht auf dessen Verhinderung in Anspruch genommen werden; er kann aber mit der actio utilis dazu gezwungen werden, eine Maßnahme des betroffenen Nachbarn zu dulden, wenn sie für ihn keinen Nachteil bringt. Paulus rechtfertigt seine Lösung unter Verweis auf das Gebot der aequitas und räumt ein, dass sie dem ius, also dem hergebrachten Regime der actio aquae pluviae arcendae, widerspricht. Setzen sich die beiden Spätklassiker, wie Paulus ausdrücklich betont, auch über das Konzept der Regenwasserklage hinweg, folgen sie deren Rechtsgedanken gleichwohl in einem weiteren Sinne: Die Klage ist Ausdruck des Gebots der Rücksichtnahme unter Nachbarn: So wie dieses eine nicht ohnedies stattfindende Zuführung von Wasser verbietet, gebietet es die Hinnahme von Maßnahmen, die für den Betroffenen nicht nachteilig sind, und untersagt umgekehrt ein Verhalten, das dem Täter keinen Vorteil verspricht. Auf demselben Gedanken könnte schon eine Entscheidung beruhen, die Paulus dem nur hier zitierten Juristen Antaeus zuschreibt: D 39.3.14pr Paul 49 ed Antaeus ait, si is qui opus fecerit potentiori vendiderit praedium, quatenus desierit dominus esse, agendum cum eo quod vi aut clam: quod si annus praeterierit, de dolo iudicium dandum. Antaeus schreibt, dass, wenn derjenige, der das Werk errichtet hat, sein Grundstück einer einflussreichen Person verkauft hat, gegen ihn, da er nicht mehr Eigentümer

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sei, mit dem Interdikt „was mit Gewalt oder heimlich“ zu klagen sei; sei aber die Jahresfrist abgelaufen, sei die Arglistklage zu gewähren.

Die Passivlegitimation zur actio aquae pluviae arcendae geht mit Veräußerung des Grundstücks auf den neuen Eigentümer über. Daher kann jemand, der ein Werk mit wasserzuführender Wirkung auf das Nachbargrundstück errichtet hat, nicht mehr auf Abhaltung von Regenwasser in Anspruch genommen werden, wenn er das Grundstück veräußert hat. Im Regelfall belastet dies den Nachbarn nicht, da ihm ja der neue Eigentümer haftbar ist. Kann er diesen aber nicht belangen, weil es ein potentior ist, stellt sich die Frage, ob er noch auf den früheren Eigentümer zugreifen kann, der das schadensträchtige Werk geschaffen hat. Innerhalb eines Jahres seit dessen Errichtung kann er noch mit dem Interdikt quod vi aut clam vorgehen. Fällt es durch Zeitablauf weg, bleibt noch die actio de dolo. Zwar unterliegt sie ebenfalls einer einjährigen Ausschlussfrist; diese beginnt aber nicht mit der Errichtung des Werks, sondern erst in dem Moment zu laufen, in dem der Nachbar durch die Veräußerung des Grundstücks seines durchsetzbaren Anspruchs beraubt ist.182 Steht es einem Eigentümer auch grundsätzlich frei, sein Grundstück an einen anderen und sogar an einen potentior zu veräußern, unterliegt er doch dem in der Regenwasserklage manifestierten Gebot der Rücksichtnahme auf den Nachbarn, das nicht zulässt, diesem so den Klageschutz zu nehmen.

§ 7 Beeinträchtigung obligatorischer Rechte Die auf Labeo zurückgehende Erweiterung des Anwendungsbereichs der actio de dolo bleibt nicht auf die Deliktshaftung beschränkt. Sie erschließt der Arglistklage auch Fälle, in denen jemand einen Schaden zum Nachteil eines nur obligatorisch oder auf ähnliche Weise Berechtigten herbeiführt. Die Subsidiarität der Klage lässt für sie freilich nur dort Raum, wo zu seinem Schutz nicht schon die Mechanismen der Vertrags- und Erbenhaftung eingreifen.183 Hierzu gehört zunächst einmal die Verpflichtung eines Schuldners auf die Einhaltung des Gebots der bona fides. Wo dieses nicht selbst eingreift, bietet es das Vorbild für eine Haftung mit der actio de dolo, mit der sich der Gläubiger einer strengrechtlichen 182 Wie MacCormack, Ricerche Gallo, S. 545 bemerkt, geht dies nicht mit einer Täuschungshandlung einher. Anders wohl Elsener, S. 91, die von einem Scheinkauf ausgeht. 183 Nicht von der actio de dolo handelt Ulpian entgegen dem ersten Anschein in dem folgenden Text: D 21.2.21pr Ulp. 29 ad Sab: Si servus venditus decesserit antequam evincatur, stipulatio non committitur, quia nemo eum evincat, sed factum humanae sortis: de dolo tamen poterit agi, si dolus intercesserit. („Ist ein verkaufter Sklave vor seiner Entwehrung gestorben, verfällt die Stipulation nicht, weil ihn niemand entwehrt hat, sondern er eines natürlichen Todes gestorben ist; es kann freilich wegen Arglist geklagt werden, wenn Arglist im Spiel gewesen ist.“) Statt der selbständigen Arglisthaftung kommt hier allein die Haftung des Verkäufers mit der actio empti oder aufgrund einer vom Käufer durch Stipulation übernommenen Garantie in Betracht.

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Verbindlichkeit gegen die Beeinträchtigung seiner Interessen wehren kann.184 Einen weiteren Anknüpfungspunkt für die Arglistklage bietet die perpetuatio obligationis, deren Regime so jenseits ihres eigentlichen Anwendungsbereichs zur Geltung gebracht wird. Schließlich folgt die Arglistklage in einem Fall auch dem Muster der kaufrechtlichen Rechtsmängelhaftung. I. Strengrechtliche Verpflichtung und bona fides Ein wichtiges Zeugnis für die Entwicklung der Arglisthaftung in diesem Bereich gibt D 4.3.7.3 Ulp 11 ed: Non solum autem si alia actio non sit, sed et si dubitetur an alia sit, putat Labeo de dolo dandam actionem et adfert talem speciem. qui servum mihi debebat vel ex venditione vel ex stipulatu, venenum ei dedit et sic eum tradidit: vel fundum, et dum tradit, imposuit ei servitutem vel aedificia diruit, arbores excidit vel extirpavit: ait Labeo, sive cavit de dolo sive non, dandam in eum de dolo actionem, quoniam si cavit, dubium est, an competat ex stipulatu actio. sed est verius, si quidem de dolo cautum est, cessare actionem de dolo, quoniam est ex stipulatu actio: si non est cautum, in ex empto quidem actione cessat de dolo actio, quoniam est ex empto, in ex stipulatu de dolo actio necessaria est. Labeo glaubt, die Arglistklage sei nicht nur dann zu gewähren, wenn keine andere Klage gegeben ist, sondern auch dann, wenn zweifelhaft ist, ob eine andere Klage gegeben ist, und er führt folgenden Fall an. Wer mir aus Kauf oder Stipulation einen Sklaven schuldete, gab ihm Gift und hat ihn so übergeben; oder er schuldete ein Grundstück und hat dieses vor der Übergabe mit einer Dienstbarkeit belastet oder ein Gebäude abgerissen oder Bäume gefällt oder entwurzelt. Labeo sagt, es sei unabhängig davon, ob er für seine Arglist Sicherheit geleistet habe, gegen ihn die Arglistklage zu gewähren, da, wenn er Sicherheit geleistet hat, zweifelhaft ist, ob die Klage aus dem Versprechen gegeben ist. Aber es ist besser, wenn die Klage wegen Arglist ausscheidet, falls wegen Arglist Sicherheit geleistet ist, weil die Klage aus dem Versprechen gegeben ist. Ist keine Sicherheit geleistet worden, kommt neben der Klage 184 Einen Beleg hierfür bietet nur scheinbar die Entscheidung der kaiserlichen Kanzlei in CJ 2.20.1 (a 203): Impp. Severus et Antoninus AA. Clementinae. Si fideiussor a creditore pignora emit, oblata quantitate sortis et usurarum tibi dominium cum fructibus, quos bona fide percepit, consultius restituet, ne fidei ruptae gratia de dolo possit actio exerceri. („Kaiser Severus und Antoninus an Clementine. Hat ein Bürge von deinem Gläubiger Pfänder gekauft, ist er gut beraten, dir auf das Angebot des Kapitals und der Zinsen das Eigentum nebst den Früchten, die er rechtmäßig gezogen hat, herauszugeben, damit nicht wegen einer Treuepflichtverletzung gegen ihn die Arglistklage angestellt werden kann.“) Zwar begegnet es keinen Bedenken, dass ein Bürge haftbar ist, wenn er sich in den Besitz der Pfandsachen gebracht hat und diese auf das Angebot seiner Befriedigung durch den Hauptschuldner nicht herausgeben will. Es ist jedoch schlechterdings nicht einzusehen, warum dieser Verstoß gegen das Gebot der bona fides nicht mit der actio mandati oder der actio negotiorum gestorum sanktioniert wird, die in ihrer Formel beide eigens auf das Gebot der guten Treue verweisen und der actio de dolo vorgehen. Es liegt daher nahe, dass deren Erwähnung das Ergebnis einer Verfremdung des ursprünglichen Wortlauts ist, in der nur vom dolus des Bürgen die Rede war.

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aus dem Kaufvertrag die Arglistklage nicht zum Zuge, weil ja die Klage aus dem Kauf gegeben ist, während bei einem Versprechen die Arglistklage erforderlich ist.

Hat jemand eine Sache, zu deren Übereignung er sich verpflichtet hat, vor Erfüllung dieser Verpflichtung verschlechtert, entscheidet sich die Zuständigkeit der actio de dolo für Ulpian an der Eigenart des Schuldvertrags:185 Ist der Sklave, den der Schuldner vergiftet hat, oder das Grundstück, das er mit einer Dienstbarkeit belastet oder seines Gebäude- oder Baumbestandes beraubt hat, Gegenstand eines Kaufvertrags gewesen, kann der Käufer von seinem Vertragspartner Ersatz mit der actio empti verlangen. Denn unabhängig von der Frage, inwieweit der Verkäufer für einen bestimmten Zustand der Kaufsache einzustehen hat, bedeutet deren vorsätzliche Verschlechterung jedenfalls einen Verstoß gegen das Gebot der bona fides, durch den sich der Verkäufer der vertraglichen Haftung aussetzt. Dasselbe gilt, wenn er die Übereignung der Sache aufgrund einer Stipulation schuldet, mit der er dem Gläubiger zugleich die Abwesenheit von dolus versprochen hat. Fehlt eine solche clausula doli, ist der Gläubiger hingegen auf die Arglistklage verwiesen, weil die strengrechtliche Verpflichtung aus der Stipulation keinen Raum für eine Haftung des Schuldners nach Maßgabe des Gebots der bona fides lässt. Anders stellt sich die Situation noch für Labeo dar: Ulpian teilt zwar nicht eigens mit, wie er im Fall des Kaufvertrags entscheidet; es gibt aber keinen Anlass anzunehmen, dass er hier nicht ebenso wie Ulpian befindet186. Im Fall der Stipulation will Labeo die actio de dolo aber im Gegensatz zu Ulpian stets und ohne Rücksicht darauf gewähren, ob das Versprechen eine clausula doli enthält. Ihm erscheint es nämlich zweifelhaft, ob diese auch eine Verschlechterung der versprochenen Sache abdeckt. Der Grund für seine Unsicherheit liegt auf der Hand: Ist der dolus bis zu seiner Neubestimmung durch Labeo als Betrug definiert, kann er auch nur den Fall erfassen, dass der Schuldner bei seinem Versprechen einen schon vorhandenen Mangel der zugesagten Sache verschweigt. Nicht abgedeckt ist dagegen aber deren nachträgliche Verschlechterung,187 weil es hier statt zu einer Täuschung des Gläubigers zur offenen Beeinträchtigung seiner Interessen kommt.188 Muss Labeo also damit rechnen, dass ein vertraglicher An185 Weitreichende Interpolationsvermutungen stellen Albanese, S. 232 ff. und sogar noch Elsener, S. 24 ff. Fn. 55 ff. an. Für die Echtheit des Textes tritt eigens Lambrini, Dolo generale, S. 58 ff. ein. 186 Anders Lambrini, Dolo generale, S. 65 f. und Cursi/Fiori, BIDR 105 (2011) 179 f. 187 Horak (Fn. 136), S. 173, Lambrini, Dolo generale, S. 59 f., Cursi/Fiori, BIDR 105 (2011) 179 f. sowie Coing, Die clausula doli im klassischen Recht, in: Festschrift für Schulz, Weimar 1951, Bd. 1, S. 95, 116, der allerdings die präsentische Fassung der clausula doli für entscheidend hält. 188 Lambrini, Dolo generale, S. 66. Anders zu Unrecht MacCormack, SDHI 52 (1986) 240, der mit seiner Deutung zumindest den Fall des abgerissenen Gebäudes verfehlt.

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spruch wegen dolus auf der Basis seiner alten Definition noch verwehrt wird,189 bleibt ihm gar nichts anderes übrig, als sich für die Erteilung der Arglistklage auszusprechen.190 Nachdem sich sein Begriff des dolus durchgesetzt hat, erweist sich der Rückgriff auf sie als überflüssig. Und zu Ulpians Zeit ist sie eigentlich auch schon in dem Fall entbehrlich, dass die Stipulation keine clausula doli enthält. Denn schon Julian hat das einfache Versprechen der Übereignung einer Sache genügen lassen, um den Schuldner für deren Verschlechterung haftbar zu machen.191 Trennt die Fortentwicklung des dolus-Begriffs die Lösungen Ulpians und Labeos, folgen der Früh- und der Spätklassiker bei ihrer Entscheidung für die Arglistklage dennoch demselben Vorbild: Es ist das Regime des bonae fidei iudicium, das beim Kaufvertrag automatisch eingreift und bei der Stipulation durch die clausula doli vertraglich nachgeahmt wird. Fehlt es sowohl an dem einen als auch an dem anderen Haftungsgrund, kann es nur kraft der subsidiären actio de dolo Geltung erheischen.192 Die Tat, an die sie anknüpft, ist damit weniger Delikt als einem vertraglichen Fehlverhalten vergleichbar.193 Sie ist aber keine Erscheinungsform des dolus praesens, weil sie nicht erst durch die Verweigerung der Ersatzleistung verübt wird, sondern in der Vergangenheit liegt.194 Dem Parallelfall einer strengrechtlichen Verbindlichkeit aus Vermächtnis gilt die folgende Entscheidung Julians, die sein Schüler Afrikan kommentiert: D 30.110 Afr 8 quaest Si heres generaliter servum quem ipse voluerit dare iussus sciens furem dederit isque furtum legatario fecerit, de dolo malo agi posse ait. sed quoniam illud verum est heredem in hoc teneri, ut non pessimum det, ad hoc tenetur, ut et alium hominem praestet et hunc pro noxae dedito relinquat. Ist einem Erben aufgegeben, schlechthin einen Sklaven nach seiner Wahl zu leisten, und hat er wissentlich einen Dieb übereignet und dieser einen Diebstahl zum Nachteil des Vermächtnisnehmers verübt, kann, wie er sagt, mit der Arglistklage geklagt werden. Da aber zutrifft, dass der Erbe dafür haftet, nicht den schlechtesten Sklaven zu geben, haftet er, indem er einen anderen Sklaven leistet und jenen zum Ausgleich für die Tat zurücklässt.

Hat ein Erbe, dem durch Damnationslegat die Übereignung eines beliebigen Sklaven aufgegeben ist, einen fur ausgewählt, ist er seiner Verpflichtung nicht 189

Vgl. auch Cursi/Fiori, BIDR 105 (2011) 179 f. Dagegen nimmt Elsener, S. 29 an, die Zweifel beträfen die medizinische Frage der Vergiftung und ihrer Wirkungen. Abgesehen davon, dass die Vergiftung als Fakt geschildert wird, hielte der Fall dann keinerlei Vergleich mit der Grundstücksübereignung aus, die in allen ihren Varianten keinen Raum für Zweifel im Tatsächlichen bietet. 191 D 46.3.33.1 Iul 52 dig. Dies übersieht auch Lambrini, Dolo generale, S. 63. 192 Eine Unterscheidung zwischen dem Maßstab der bona fides und dem Verbot des dolus streben dagegen Cursi/Fiori, BIDR 105 (2011) 181 an. 193 Vgl. auch Lambrini, Dolo generale, S. 66 f. 194 Anders Lambrini, Azione di dolo, S. 126 f. 190

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gerecht geworden. Auch wenn diese nicht auf einen bestimmten Sklaven festgelegt ist, zwingt sie den Erben doch zur Übereignung eines Sklaven von durchschnittlichem Charakter. Dies ist zumindest die Ansicht Afrikans. Ob sie auch von dem im ersten Satz zitierten Julian geteilt wird, ist offen; denn das den zweiten Satz einleitende ,sed‘ ist zwar adversativ, kann aber sowohl eine Korrektur als auch eine Ergänzung der Entscheidung Julians für die actio de dolo anzeigen. Auch wenn man die Gewährung einer actio ex testamento für möglich hält, erfasst sie jedenfalls nicht den Schaden, der dem Vermächtnisnehmer dadurch entstanden ist, dass der Sklave seiner kriminellen Neigung auch bei diesem gefolgt ist und eine Sache des Legatars entwendet hat. Eine Haftung wegen Diebstahls kommt hier ebenfalls nicht in Betracht, weil der Sklave ja seinen eigenen Gewalthaber bestohlen und damit kein furtum begangen hat. Es bleibt nur die von Julian befürwortete actio de dolo. Ihr Anknüpfungspunkt ist die fehlende Rücksicht des Erben auf die Interessen des Vermächtnisnehmers bei Erfüllung der Vermächtnisschuld, die im Fall eines bonae fidei iudicium mit einer Haftung wegen Verstoßes gegen das Gebot der guten Treue geahndet würde.195 Zwar muss sich ein Erbe nicht eigens des Charakters des von ihm ausgewählten Sklaven vergewissern; hat er jedoch von einer schädlichen Neigung eines Sklaven Kenntnis, darf er sich bei seiner Auswahl nicht für diesen entscheiden.196 Unklar ist, wie sich Afrikans Idee einer noxae deditio zu dieser Lösung verhält. Da der Sklave kein Delikt begangen hat, für das der Erbe haftbar gemacht werden könnte, kann Afrikan den Begriff hier nur im übertragenen Sinne gebrauchen. Er könnte damit lediglich zum Ausdruck bringen wollen, dass der Vermächtnisnehmer, wenn er den Erben auf erneute Übereignung eines Sklaven in Anspruch nimmt, die schon empfangene Leistung nicht zurückzugeben braucht. Vielleicht sieht Afrikan durch den Verbleib des Sklaven aber auch die Haftung aus der actio de dolo als erledigt an. Dies könnte freilich zumindest dann nicht befriedigen, wenn der Wert der entwendeten Sache über dem des Sklaven liegt, für den wegen seiner kriminellen Neigung sicherlich kein besonders hoher Preis zu erzielen ist. In diesem Fall profitierte der Erbe von dem Noxalprivileg, ohne dass sich dessen Rechtsgedanke übertragen ließe: Die Befugnis zur Entlastung durch Auslieferung soll einem Eigentümer wegen der Unwägbarkeiten der Sklavenhaltung und nur dann zugutekommen, falls er selbst nicht zu dem von seinem Gewaltunterworfenen begangenen Delikt beigetragen hat.197 Hier ist der Erbe aber weder Eigentümer des Sklaven im Zeitpunkt der Tat noch an dieser gänzlich unbeteiligt, da er den Sklaven ja in Kenntnis seines Charakterfehlers ausgewählt 195 Es liegt kein Fall einer Täuschung vor; vgl. MacCormack, BIDR 96/97 (1993/94) 87, ders., Ricerche Gallo, S. 549. 196 Entgegen MacCormack, Ricerche Gallo, S. 550 ist dies gerade kein Fall der culpa lata, sondern einer vorsätzlichen Schädigung. 197 Harke, Sklavenhalterhaftung in Rom, in: Seelmann/Gless (Hg.), Intelligente Agenten und das Recht, Baden-Baden 2016, S. 97, 108 ff.

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2. Teil: Anwendungsfälle

hat. Es spricht daher deutlich mehr dafür, dass auch Afrikan die Erteilung einer actio de dolo befürwortet. Ein Unterschied zu Julians Ansicht ist daher entweder gar nicht vorhanden oder darauf beschränkt, dass die Arglistklage nach Julians Meinung auch den Schaden abdeckt, der sich aus dem charakterlichen Mangel des Sklaven selbst ergibt, während Afrikan insoweit die actio ex testamento für vorrangig hält. II. Perpetuatio obligationis als Vorbild Umstritten ist die Entscheidung für die actio de dolo dagegen in dem folgenden Fall: D 4.3.19 Pap 37 quaest Si fideiussor promissum animal ante moram occiderit, de dolo actionem reddi adversus eum oportere Neratius Priscus et Iulianus responderunt, quoniam debitore liberato per consequentias ipse quoque dimittitur. Hat ein Bürge ein versprochenes Tier vor Eintritt des Verzugs getötet, ist, wie Neraz und Julian befunden haben, gegen ihn die Arglistklage zu gewähren, weil er infolge der Befreiung des Schuldners selbst aus der Haftung entlassen ist.

Nach Papinians Bericht aus dem 37. Buch seiner Quästionen wollen Neraz und Julian die Arglistklage gegen einen Bürgen gewähren, der ein vom Hauptschuldner versprochenes Tier vor Eintritt des Verzugs getötet hat. Der Grund ist, dass so die Verpflichtung des Hauptschuldners weggefallen ist, weil er die Unmöglichkeit seiner Leistung weder aktiv herbeigeführt noch für sie wegen seines vorangehenden Verzugs einzustehen hat.198 Bleibt man dem Akzessorietätsprinzip treu, erlischt mit dem Untergang der Hauptschuld auch automatisch die Verpflichtung aus der Bürgschaft. Zwar ist der Bürge dem Hauptschuldner als Eigentümer des Tiers für dessen Tötung haftbar; wie in dem Fall, dass ein beliebiger Dritter den Leistungsgegenstand vernichtet hat,199 fehlt es jedoch auch hier wie an einer Verpflichtung des Schuldners, den Ersatzanspruch auf den Gläubiger zu übertragen. Um ihm den Durchgriff auf den Schädiger zu eröffnen, bleibt, wenn man dem Akzessorietätsprinzip treu ist, daher nur die actio de dolo. Die Lösung der beiden Hochklassiker findet bei den späteren Juristen keine Gefolgschaft mehr. Paulus lässt den Bürgen trotz Befreiung des Hauptschuldners aufgrund seines eigenen Leistungsversprechens einstehen: D 45.1.88 Paul 6 Plaut . . . sed si fideiussor hominem occiderit, reus liberatur, fideiussor autem ex stipulatione conveniri potest. . . . Hat aber der Bürge den Sklaven getötet, wird der Hauptschuldner befreit, der Bürge kann aber aus der Stipulation belangt werden.

198 199

Vgl. MacCormack, BIDR 96/97 (1993/94) 84. s. o. S. 73 ff.

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Und er führt seine Ansicht an anderer Stelle auf Pomponius zurück: D 45.1.91.4 Paul 17 Plaut Nunc videamus, in quibus personis haec constitutio locum habeat. quae inspectio duplex est, ut primo quaeramus, quae personae efficiant perpetuam obligationem, deinde quibus eam producant. utique autem principalis debitor perpetuat obligationem: accessiones an perpetuent, dubium est. Pomponio perpetuare placet: quare enim facto suo fideiussor suam obligationem tollat? cuius sententia vera est: itaque perpetuatur obligatio tam ipsorum quam successorum eorum. accessionibus quoque suis, id est fideiussoribus, perpetuant obligationem, quia in totam causam spoponderunt. Nun sehen wir zu, auf welche Personen diese Regel Anwendung findet; und diese Untersuchung ist insofern zweigeteilt, als wir zunächst fragen, welche Personen eine Verewigung des Schuldverhältnisses bewirken, und dann, zu wessen Lasten sie diese Rechtsfolge herbeiführen. Unter allen Umständen verewigt der Hauptschuldner das Schuldverhältnis; ob auch Nebenschuldner dies tun, ist zweifelhaft. Pomponius nimmt an, sie verewigten es; wie sollte nämlich ein Bürge durch seine Handlung seine Verpflichtung beseitigen? Seine Ansicht ist richtig; und daher wird das Schuldverhältnis sowohl zu seinen Lasten als auch zulasten seiner Erben verewigt. Auch zulasten ihrer eigenen Nebenpersonen, nämlich ihrer Bürgen, verewigen sie das Schuldverhältnis, weil sich diese umfassend verpflichtet haben.

Sogar Papinian, der Neraz und Julian in D 4.3.19 zitiert, bekundet anlässlich der Entscheidung eines anderen Falles im 28. Buch seiner Quästionen beiläufig, dass er selbst von einer Haftung aus der Bürgschaftsstipulation ausgeht: D 46.3.95.1 Pap 28 quaest Quod si promissoris fuerit electio, defuncto altero qui superest aeque peti poterit. enimvero si facto debitoris alter sit mortuus, cum debitoris esset electio, quamvis interim non alius peti possit, quam qui solvi etiam potest, neque defuncti offerri aestimatio potest, si forte longe fuit vilior, quoniam id pro petitore in poenam promissoris constitutum est, tamen, si et alter servus postea sine culpa debitoris moriatur, nullo modo ex stipulatu agi poterit, cum illo in tempore, quo moriebatur, non commiserit stipulationem. sane quoniam impunita non debent esse admissa, doli actio non immerito desiderabitur: aliter quam in persona fideiussoris, qui promissum hominem interfecit, quia tenetur ex stipulatu actione fideiussor, quemadmodum tenebatur, si debitor sine herede decessisset. Hat aber der Schuldner die Wahl, kann nach dem Tod eines Sklaven der andere zu Recht gefordert werden. Ist dagegen der eine infolge einer Tat des Schuldners gestorben, während diesem die Wahl zustand, kann, obwohl mittlerweile kein anderer als derjenige gefordert werden kann, der auch geleistet werden kann, und auch nicht der Wert des gestorbenen angeboten werden kann, wenn er etwa weit weniger wert war, weil dies zugunsten des Klägers und zur Strafe für den Schuldner festgesetzt ist, doch, wenn später auch der andere Sklave ohne Schuld des Schuldners stirbt, nicht aus der Stipulation geklagt werden, da durch ihn im Zeitpunkt des Todes noch nicht der Verfall der Stipulation herbeigeführt worden ist. Da dies freilich nicht ungestraft bleiben darf, wird nicht zu Unrecht die Erteilung der Arglistklage gefordert; und zwar anders als im Fall eines Bürgen, der einen versprochenen Sklaven getötet hat, weil der Bürge aus der Stipulation ebenso haftet, wie er haften würde, wenn der Schuldner ohne Erben gestorben wäre.

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Es liegt nahe, dass Papinian seine Auffassung auch in der ursprünglichen Fassung des Abschnitts aus dem 37. Buch der Quästionen bekundet hat. Während die Kompilatoren sie dort gestrichen haben, um der älteren Ansicht von Neraz und Julian den Vorzug zu geben, ist sie hier, wo Papinian seine Meinung nur zur Abwehr einer ratio dubitandi erwähnt, versehentlich erhalten geblieben.200 Und sie ist auch mit einer Begründung versehen, die den Unterschied zu der Auffassung der älteren Juristen offenlegt: Papinian vergleicht den Fall, in dem der Bürge den Leistungsgegenstand vernichtet, mit der Konstellation, dass der Hauptschuldner ohne Rechtsnachfolger stirbt. Hier ist evident, dass der Bürge verpflichtet bleibt, obwohl die Hauptschuld wegfällt, weil die Bürgschaft den Gläubiger gerade gegen diese Gefahr absichert. Ist der Akzessorietätsgedanke nicht ausnahmslos und schematisch zu handhaben, muss er auch dann außer Betracht bleiben, wenn der Untergang der Hauptschuld nicht zufällig eingetreten, sondern das Werk des Bürgen ist; denn auch dies ist ein Risiko, das der Bürge dem Gläubiger bei verständiger Deutung seines Versprechens abnimmt. Erübrigt sich mit der Auflockerung der Akzessorietät auch der Rückgriff auf die actio de dolo, folgen die älteren Juristen, wenn sie sie gewähren, doch wiederum dem Vorbild der vertraglichen Haftung. Wie der von Paulus zitierte Pomponius eigens darstellt, ist es die perpetuatio obligationis, die einem Schuldner die Befugnis nimmt, sich auf die Unmöglichkeit der Erfüllung seiner Verpflichtung zu berufen. Hierzu kommt es, wenn der Untergang des Leistungsgegenstands facto debitoris eingetreten ist.201 Will man diese Regel nicht mit Pomponius und den späteren Juristen unmittelbar auf einen Bürgen anwenden, kann man sie immerhin zum Maßstab für die Gewährung der actio de dolo machen. Dies bedeutet dann zwangsläufig, dass die Klage ebenso wie in dem Fall, dass ein Dritter den Leistungsgegenstand zerstört, nicht auf ein vorsätzliches Handeln des Täters beschränkt ist; sie muss vielmehr schon dann zum Zuge kommen, wenn die Unmöglichkeit der Erfüllung nur Folge eines factum des Bürgen ist.202 Als arglistig erscheint so spätestens die Weigerung zur Kompensation des angerichteten Schadens. Dasselbe gilt für den Fall, dem sich Papinian in dem Abschnitt aus dem 28. Buch der Quästionen zuerst widmet. Hier hat ein Schuldner, der sich durch Stipulation zur Übereignung eines von zwei bestimmten Sklaven nach seiner Wahl verbindlich gemacht hatte, zunächst einen der Sklaven getötet, bevor der andere dann ohne sein Zutun stirbt. Papinian sieht hier keinen Ansatzpunkt für eine perpetuatio obligationis. Denn der Schuldner befindet sich beim Tod des 200 Anders Impallomeni, SDHI 25 (1959) 55, 85, der glaubt, in D 46.3.95.1 sei ein Verzug des Schuldners unterstellt. 201 Hierzu eingehend Harke (Fn. 72), S. 169 ff. 202 Richtig Wacke, RIDA 27 (1980) 364 und Elsener, S. 147 f. Fn. 289. Dass zumindest grobe Fahrlässigkeit des Bürgen erforderlich ist, glaubt MacCormack, SDHI 52 (1986) 244 f.; vgl. auch ders., Ricerche Gallo, S. 546.

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zweiten Sklaven nicht in Verzug und hat durch die Tötung des ersten Sklaven noch keine Unmöglichkeit der Leistung herbeigeführt; vielmehr hat er nur das Wahlrecht beschränkt, das ihm ohnehin zustand und das er von vornherein so hätte ausüben können, dass er sich für den anderen Sklaven entschied.203 Dennoch ist ihm ein Fehlverhalten vorzuwerfen: Er hat das Interesse des Gläubigers dadurch beeinträchtigt, dass er den Kreis der Leistungsgegenstände verkleinert und so das Risiko einer zufälligen Unmöglichkeit der Leistung vergrößert hat.204 Zwar darf er sich für den einen oder anderen Sklaven entscheiden, dies aber erst mit der Leistung, so dass er, wenn der eine stirbt, noch den anderen leisten muss. Daher kann der Gläubiger auch erwarten, dass der Schuldner die Wahl nicht vorzeitig durch Vernichtung des Leistungsgegenstands beschränkt. Kommt es auch nicht zu einer regelrechten Verewigung des Schuldverhältnisses, liegt doch ein sehr ähnlicher Fall vor. Orientiert sich Papinian bei der Gewährung der actio de dolo205 im Fall der Wahlschuld an der perpetuatio obligationis, verfährt er ebenso wie Neraz und Julian bei der Bürgenhaftung. Gerade dies mag für ihn der Anlass gewesen sein, die Entscheidung der älteren Juristen aufzugreifen. Wie sie lässt auch Papinian das factum debitoris genügen, um die selbständige Arglisthaftung auszulösen;206 es bedarf im Moment der Tat also keines Vorsatzes, der sich erst aus der Weigerung zur Schadloshaltung des Gläubigers ergibt. Über den Bereich des Obligationenrechts hinaus wirkt das Vorbild der perpetuatio obligationis bei der Beeinträchtigung eines Nießbrauchs. Die Kompilatoren widmen diesem Fall eine Katene mit Auszügen aus den Werken Julians, Pomponius’ und Ulpians: D 7.4.5.3 Ulp. 17 ad Sab Si areae sit usus fructus legatus et in ea aedificium sit positum, rem mutari et usum fructum extingui constat. plane si proprietarius hoc fecit, ex testamento vel de dolo tenebitur, Ist der Nießbrauch an einer unbebauten Fläche vermacht und wird auf dieser ein Gebäude errichtet, ist die Sache verändert und der Nießbrauch anerkanntermaßen erloschen. Hat der Eigentümer dies gemacht, haftet er freilich mit der Testamentsoder der Arglistklage . . . 203 Wenn Wacke, RIDA 27 (1980) 367 f. meint, es dürfe keinen Unterschied machen, ob der Sklave vor oder nach dem zufälligen Tod des anderen getötet wird, ist dies nur vordergründig evident; denn das Wahlrecht sorgt schon dafür, dass es einen Unterschied gibt. 204 Vgl. MacCormack, Ricerche Gallo, S. 554, der zugleich darauf verweist, dass es nicht zu einer Täuschung des Gläubigers kommt und der Schuldner auch ohne Bereicherungsabsicht handelt. 205 Diese Entscheidung hält trotz einiger Interpolationsannahmen auch Impallomeni, SDHI 25 (1959) 55, 83, 87 ff. für echt. 206 Richtig Wacke, RIDA 27 (1980) 367 f. Anders Impallomeni, SDHI 25 (1959) 55, 86, 89.

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2. Teil: Anwendungsfälle D 7.4.6 Pomp 5 Sab (sed et interdictum quod vi aut clam usufructuario competit) (aber es steht dem Nießbraucher auch das Interdikt „was gewaltsam oder heimlich“ zu) D 7.4.7 Iul 35 dig Nisi sublato aedificio usum fructum areae mihi cesserit, tempore scilicet quo usus fructus perit transacto. sofern er mir nicht den Nießbrauch wieder einräumt, wenn er vorher durch Zeitablauf erloschen ist.

Eindeutig lässt sich die Entscheidung für die actio de dolo nur Ulpian zuordnen. Pomponius bringt hingegen mit dem Interdikt quod vi aut clam einen konkurrierenden Rechtsbehelf ins Spiel und meldet so vielleicht Bedenken gegen die Gewährung der Arglistklage wegen deren Subsidiarität an. Und Julian macht einen Vorbehalt, der sich auf die eine wie die andere Lösung beziehen könnte. Dass er sich aber ebenfalls für die Erteilung der actio de dolo ausspricht, lässt sich einem weiteren Zitat des Hochklassikers bei Paulus entnehmen: D 8.5.9pr Paul 21 ed Si eo loco, per quem mihi iter debetur, tu aedificaveris . . . sed si quidem nondum aedificavit, sive usum fructum sive viam habet, ius sibi esse ire agere vel frui intendere potest: quod si iam aedificavit dominus, is qui iter et actum habet adhuc potest intendere ius sibi esse, fructuarius autem non potest, quia amisit usum fructum: et ideo de dolo actionem dandam hoc casu Iulianus ait. . . . Hast du an der Stelle gebaut, an der mir ein Wegerecht zusteht . . . Hat er freilich noch nicht gebaut, kann jemand, wenn er den Nießbrauch oder ein Fahrrecht hat, sein Wege- oder Viehtriftrecht oder das Fruchtziehungsrecht geltend machen; hat der Eigentümer aber schon gebaut, kann derjenige, der ein Wege- oder Viehtriftrecht hat, sein Recht geltend machen, ein Nießbraucher dagegen nicht, weil er seinen Nießbrauch verloren hat; und daher ist in diesem Fall, wie Julian schreibt, die Arglistklage zu gewähren . . .

Der Spätklassiker stellt den Fall des Nießbrauchs der Beeinträchtigung einer Grunddienstbarkeit gegenüber: Beginnt der Eigentümer des belasteten Grundstücks mit der Errichtung eines Gebäudes, das die Nutzung des Geländes durch den Servitutsberechtigten oder Nießbraucher behindert, können sich beide der zum Schutz ihres Rechts dienenden vindicatio bedienen. Der Inhaber der Grunddienstbarkeit kann dies auch dann noch, wenn das Gebäude schon errichtet ist. Der Nießbrauch geht dagegen mit der grundlegenden Veränderung der Sache, die sich von einer Acker- oder Freifläche zu einem Hausgrundstück wandelt, verloren. Mit dem Erlöschen seines Rechts entbehrt der Nießbraucher auch einer hierauf gestützten Klagebefugnis. Sieht man vom Interdikt quod vi aut clam ab, kann er sich gegen den Eigentümer nur noch mit der actio de dolo wenden. Wie Julian in dem zum Schlusssatz der Katene gemachten Passus dartut, besteht hier allerdings noch die Möglichkeit, die Haftung dadurch abzuwenden, dass der Eigentümer den Nießbrauch in Befolgung des Restitutionsbefehls des Richters wieder

§ 7 Beeinträchtigung obligatorischer Rechte

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einräumt.207 Dies erfordert in rechtlicher Hinsicht seine erneute Bestellung, in tatsächlicher Hinsicht die Beseitigung des Gebäudes, das die Nutzung des Grundstücks durch den Nießbraucher praktisch behindert. Aus moderner Sicht scheint die Arglistklage in diesem Fall dem Vorbild der deliktischen Haftung zu folgen; denn der Nießbraucher kann dem Eigentümer die Verletzung seines dinglichen Rechts an dem Grundstück vorwerfen. Die actio legis Aquiliae, aus der die heutige Haftung für Rechtsgutsverletzung hervorgegangen ist, sanktioniert in Rom aber eben nicht den Rechtsverlust, sondern eine Sachbeschädigung, die sich zulasten des Inhabers eines dinglichen Rechts auswirkt. Für Julian und die späteren Juristen scheidet sie daher als Vorgabe für die selbständige Arglisthaftung aus. Stattdessen folgt sie dem Muster der Haftung für Unmöglichkeit der Leistung bei strengrechtlichen Verbindlichkeiten.208 Dies zeigt sich in Ulpians alternativer Entscheidungsformel, mit der die von den Kompilatoren hergestellte Katene beginnt:209 Der Spätklassiker will dem mit einem Nießbrauch bedachten Vermächtnisnehmer entweder die actio ex testamento oder die actio de dolo gewähren. Die Testamentsklage ist für den Fall gedacht, dass der Grundstückseigentümer, wenn er als Erbe zur Erfüllung eines Damnationslegats verpflichtet ist, dem Vermächtnisnehmer den Nießbrauch noch nicht verschafft hat, als er das Gebäude errichtet. Hier führt er aktiv die Unmöglichkeit der Erfüllung seiner Verbindlichkeit herbei und bleibt wegen deren Verewigung weiterhin so verpflichtet, als sei sie noch erfüllbar. Die actio de dolo ist dagegen einschlägig, wenn der Nießbrauch im Wege eines Vindikationslegats vermacht oder das Damnationslegat schon durch Bestellung des Nießbrauchs erfüllt worden ist. In beiden Fällen verfügt der Vermächtnisnehmer über keinen schuldrechtlichen Anspruch, mit dem er die Beeinträchtigung seines Rechts geltend machen könnte. Es darf aber für die Haftung des Erben keinen Unterschied machen, durch welche Art von Legat er belastet ist und ob er den Nießbrauch schon vor seiner Bestellung vereitelt oder dieses Recht nachträglich beseitigt hat. Hier wie dort muss er jeweils für den Rechtsverlust verantwortlich sein. Indem Julian und die Spätklassiker die actio de dolo gewähren, erkennen sie gleichsam ein Schuldverhältnis an, das den Eigentümer eines Grundstücks mit einem Nießbraucher auch nach Etablierung des dinglichen Rechts verbindet und dieses gewissermaßen begleitet. Es begründet eine Haftung, wie sie im Fall einer strengrechtlichen Verpflichtung kraft der perpetuatio obligationis einträte, also in dem Fall, dass Nießbrauch durch ein factum des Eigentümers zum Erlöschen gebracht wird.210

207

Vgl. Lambrini, Dolo generale, S. 106 f. Für die Anknüpfung an die vindicatio usus fructus ist dagegen Albanese, S. 286. 209 So richtig Wacke, RIDA 27 (1980) 369, Elsener, S. 93 ff., Cursi, L’eredità, S. 111. Vgl. auch Lambrini, Dolo generale, S. 107. 210 Richtig Wacke, RIDA 27 (1980) 369. Dass es zumindest einer groben Fahrlässigkeit des Eigentümers bedarf, nimmt dagegen MacCormack, Ricerche Gallo, S. 549 an. 208

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2. Teil: Anwendungsfälle

Der für die actio de dolo erforderliche Vorsatz ist insofern sicherlich schon bei der Tatbegehung gegeben, als die Errichtung eines Gebäudes nur als absichtliche Handlung denkbar ist. Ob der Eigentümer auch das Recht des zum Nießbrauch Berechtigten kennen muss, ist dagegen offen. Hierfür spricht allerdings zum einen, dass auch die Beschädigung einer eigenen Sache zum Nachteil eines anderen nur dann eine Arglisthaftung nach dem Muster der lex Aquilia auslöst, wenn der Täter das fremde Interesse kennt.211 Zum anderen legt dies auch schon das in diesem Fall wirksame Vorbild der perpetuatio obligationis nahe, die zwar nur ein factum und damit keine vorsätzliche Vernichtung des Leistungsgegenstands voraussetzt, aber nur zulasten eines Schuldners wirkt, der die so beeinträchtigte Verpflichtung kennt. III. Noxalverpflichtung und Rechtsmängelhaftung Von der mangelnden Rücksicht auf die Interessen des Gläubigers einer Noxalverpflichtung handelt D 4.3.9.4 Ulp 11 ed: Et si servum pigneratum noxae mihi dederis per iudicem et sis absolutus: de dolo teneris, si apparuerit esse eum pigneri datum. Und auch wenn du mir auf richterlichen Befehl einen verpfändeten Sklaven wegen eines Delikts ausgeliefert hast und freigesprochen worden bist, haftest du, wenn sich ergibt, dass er verpfändet war.

Der wegen eines Delikts seines Sklaven belangte Eigentümer hat den Täter, nachdem ein Richter dessen Verantwortlichkeit festgestellt hatte, ausgeliefert und so seine Verurteilung zum Ersatz des von dem Sklaven angerichteten Schadens vermieden. Stellt sich heraus, dass der Sklave verpfändet ist, soll der Geschädigte gegen seinen Eigentümer mit der actio de dolo vorgehen können. In dem Fall, dass der Eigentümer den Sklaven selbst verpfändet hat, liegt zweifellos eine Täuschung durch Unterlassen vor: Wäre die Belastung des Sklaven offenbart worden, hätte der Kläger gar nicht erst zugelassen, dass der Richter die Verurteilung des Eigentümers unter den Vorbehalt der Auslieferung stellt. Ulpians Entscheidung gilt aber auch für den Fall, dass es nicht der wegen des Delikts belangte Eigentümer, sondern dessen Rechtsvorgänger war, der den Sklaven verpfändet hat. Die actio de dolo knüpft also nicht an die Täuschung, sondern an die Unzulänglichkeit der noxae deditio an: Zwar hat sie, einmal vollzogen, die Noxalhaftung des Sklaveneigentümers beseitigt. Sie ist jedoch mangelhaft und wäre, wenn man den Sklaven als Gegenstand eines Kaufvertrags und den Untergang der Noxalforderung als Kaufpreiszahlung ansähe, mit einer Haftung für

Da sie keine Täuschung voraussetzt, betrachtet er die Arglistklage hier als reines Billigkeitsinstrument; vgl. MacCormack, BIDR 96/97 (1993/94) 85. 211 s. o. S. 71.

§ 8 Unvollkommene Verbindlichkeiten

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Rechtsmängel sanktioniert. Da diese nicht direkt eingreift, gewährt Ulpian in Anknüpfung an sie die actio de dolo.212

§ 8 Unvollkommene Verbindlichkeiten In den Fällen der Beeinträchtigung eines Nießbrauchs und der mangelhaften noxae deditio zeigt sich, dass die actio de dolo nicht nur zur Ergänzung eines vorhandenen Schuldverhältnisses eingesetzt wird, sondern dieses zuweilen erst schafft. Dementsprechend fehlt es auch nicht an Entscheidungen, in denen die Arglistklage dazu dient, eine für sich genommen unwirksame Vereinbarung zu sanktionieren. Abstrakt lässt sich dies schon einer Bemerkung Ulpians zur Verantwortlichkeit eines Sklavenhalters entnehmen. Er soll, wenn seinem Gewaltunterworfenen der Vorwurf des dolus gemacht werden kann, entweder mit der actio de peculio oder mit der Noxalklage belangt werden können. Die Entscheidung kann nur davon abhängen, ob sein Verhalten eher einem Verstoß gegen eine vertraglich begründete Pflicht gleichkommt oder ein außervertragliches Fehlverhalten darstellt:213 D 4.3.9.4a Ulp 11 ed Haec de dolo actio noxalis erit: ideo Labeo quoque libro trigensimo praetoris peregrini scribit de dolo actionem servi nomine interdum de peculio, interdum noxalem dari. nam si ea res est, in quam dolus commissus est, ex qua de peculio daretur actio, et nunc in peculio dandam: sin vero ea sit, ex qua noxalis, hoc quoque noxale futurum. Diese Arglistklage kann als Noxalklage gewährt werden; deshalb schreibt Labeo auch im 30. Buch zum Edikt des Fremdenprätors, wegen eines Sklaven sei die Arglistklage zuweilen als Sondergutsklage, zuweilen als Noxalklage zu gewähren. Denn wenn die Angelegenheit, in der die Arglist verübt worden ist, so beschaffen ist, dass eine Sondergutsklage gewährt würde, ist sie auf das Sondergut zu gewähren; ist die Sache so beschaffen, dass eine Noxalklage gewährt würde, ist auch sie eine Noxalklage.

Taugt die actio de dolo auch ohne Weiteres zur Bewältigung von Vertragsverhältnissen, indem man als dolos die Vorenthaltung einer Leistung ansieht, lässt die Konkurrenz mit den vertraglichen Rechtsbehelfen aber nicht viel Platz für eine selbständige Arglisthaftung. Wo sie versagen, verbietet sich häufig auch die Gewährung der actio de dolo; und wo sie eingreifen, verdrängen sie diese Klage. Dies gilt nicht nur für die Ansprüche, die sich aus den anerkannten Vertragsarten ergeben. Auch wenn es darum geht, einen außerhalb des überkommenen Vertragsschemas liegenden Leistungsaustausch abzusichern, muss die Arglistklage der actio praescriptis verbis weichen, sofern es nicht um den Ausgangsfall des 212 Zu unspezifisch ist der Deutungsversuch von Elsener, S. 149, die hier wiederum nur eine Erscheinungsform der Sanktion von Rechtsmissbrauch ausmacht. 213 Vgl. Wacke, RIDA 27 (1980) 381, Lambrini, Dolo generale, S. 111, dies., Azione di dolo, S. 134 ff. und Cursi, L’eredità, S. 28.

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2. Teil: Anwendungsfälle

Betrugs geht. Ein größerer Anwendungsbereich bleibt ihr bei Schenkungsversprechen sowie bei auftragsähnlichen Vereinbarungen, die jenseits der forma mandati liegen. Hier kann die Arglistklage freilich nicht dazu eingesetzt werden, dem ungültigen Geschäft zur Durchführung zu verhelfen; vielmehr dient sie nur dazu, dem Kontrahenten, der hierauf vertraut hat, einen Ausgleich für das Interesse zu schaffen, sich gar nicht auf die Abmachung eingelassen zu haben. Im Fall eines unwirksamen Auftrags fällt dieses Interesse freilich anders als bei der Schenkung mit dem am Vollzug des Geschäfts zusammen. Dasselbe gilt in den Fällen, in denen es völlig an einer Vereinbarung fehlt, die den Anknüpfungspunkt eines vertraglichen Anspruchs bilden könnte, aber nichtsdestoweniger eine vergleichbare Verhaltenserwartung gerechtfertigt ist. I. Innominatrealkontrakte Die Rolle, die der actio de dolo bei der Bewältigung eines unbenannten Austauschvertrags zukommt, beleuchtet Ulpian in seinen Ausführungen zum Fall der entlohnten Denunziation entflohener Sklaven: D 19.5.15 Ulp 42 Sab Solent, qui noverunt servos fugitivos alicubi celari, indicare eos dominis ubi celentur: quae res non facit eos fures. solent etiam mercedem huius rei accipere et sic indicare, nec videtur illicitum esse hoc quod datur. quare qui accepit, quia ob causam accepit nec improbam causam, non timet condictionem. quod si solutum quidem nihil est, sed pactio intercessit ob indicium, hoc est ut, si indicasset adprehensusque esset fugitivus, certum aliquid daretur, videamus, an possit agere. et quidem conventio ista non est nuda, ut quis dicat ex pacto actionem non oriri, sed habet in se negotium aliquod: ergo civilis actio oriri potest, id est praescriptis verbis. nisi si quis et in hac specie de dolo actionem competere dicat, ubi dolus aliquis arguatur. Üblicherweise zeigen diejenigen, die wissen, dass sich irgendwo entflohene Sklaven verbergen, den Eigentümern an, wo sie sich verbergen; dies macht sie nicht zu Dieben. Üblicherweise erhalten sie deshalb einen Lohn und zeigen es dann an; und diese Belohnung erscheint nicht unrechtmäßig. Daher braucht der Empfänger, weil er etwas aus einem Rechtsgrund erhalten hat und dieser Grund nicht zu beanstanden ist, die Kondiktion nicht zu fürchten. Ist aber nichts gezahlt worden, sondern nur ein Pakt über die Anzeige getroffen worden, und zwar so, dass etwas Bestimmtes geleistet werde, wenn die Anzeige erfolgt und der entflohene Sklave ergriffen wird, müssen wir zusehen, ob eine Klage erhoben werden kann. Und dieses Übereinkommen ist nicht derart schlicht, dass man sagen müsste, aus einem Pakt entstehe keine Klage, sondern es stellt ein gewisses Geschäft dar; daher kann eine zivilrechtliche Klage entstehen, namentlich die Klage mit vorgeschriebener Formel. Es sei denn, jemand behauptet, dass in diesem Fall die Arglistklage zustehe, falls der Vorwurf der Arglist erhoben werde.

Sagt jemand zu, gegen ein Entgelt den Aufenthaltsort eines geflohenen Sklaven zu verraten, sprengt diese Vereinbarung die Grenzen der locatio conductio. Ulpian will sie aber auch nicht als schlichtes pactum gelten lassen, das keinerlei Klageschutz genießt, und dem Vertragspartner, der seine Leistung schon erbracht

§ 8 Unvollkommene Verbindlichkeiten

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hat, die actio praescriptis verbis zugestehen. Zugleich macht er einen Vorbehalt für den Fall des dolus. Hier soll die Arglistklage eingreifen, und dies offenbar, ohne von der Klage mit vorgeschriebener Formel verdrängt zu werden. Da die Vorenthaltung der Leistung, die den Grund für die actio praescriptis verbis liefert, stets vorsätzlich erfolgt, muss der Begriff dolus hier eine spezifische Bedeutung haben. Es liegt nahe, dass er entsprechend seiner ursprünglichen Definition die Täuschung beim Abschluss der Vereinbarung meint. Hier wird die actio de dolo nicht durch die Klage mit vorgeschriebener Formel verdrängt, die nur die Verweigerung der Gegenleistung, nicht aber den Fall sanktioniert, dass eine Seite die andere schon bei Eingehung des pactum irregeführt hat, sei es, dass sie die ihr obliegende Leistung nicht erbringen wollte, sei es, dass sie sie gar nicht erbringen konnte, etwa weil sie entgegen ihrer Behauptung gar keine Kenntnis vom Aufenthaltsort des betroffenen Sklaven hatte. Auf dieselbe Differenzierung stoßen wir in einer Entscheidung Julians, von der Paulus in seinem bekannten Traktat über unbenannte Vereinbarungen berichtet:214 D 19.5.5.2–3 Paul 5 quaest At cum do ut facias, si tale sit factum, quod locari solet, puta ut tabulam pingas, pecunia data locatio erit, sicut superiore casu emptio: si rem do, non erit locatio, sed nascetur vel civilis actio in hoc quod mea interest vel ad repetendum condictio. quod si tale est factum, quod locari non possit, puta ut servum manumittas, sive certum tempus adiectum est, intra quod manumittatur idque, cum potuisset manumitti, vivo servo transierit, sive finitum non fuit et tantum temporis consumptum sit, ut potuerit debueritque manumitti, condici ei potest vel praescriptis verbis agi: quod his quae diximus convenit. sed si dedi tibi servum, ut servum tuum manumitteres, et manumissisti et is quem dedi evictus est, si sciens dedi, de dolo in me dandam actionem Iulianus scribit, si ignorans, in factum civilem. (3) [Quod si faciam ut des et posteaquam feci, cessas dare, nulla erit civilis actio, et ideo de dolo dabitur.] Gebe ich aber etwas, damit du etwas tust, und ist dies von der Art, dass es zum Gegenstand einer Verdingung taugt, wie beispielsweise wenn du ein Bild malen sollst, liegt im Fall der Zahlung von Geld eine Verdingung vor, und zwar ebenso wie im oben erwähnten Fall ein Kaufvertrag; gebe ich aber eine Sache, liegt keine Verdingung vor, sondern es entsteht entweder eine zivilrechtliche Klage auf mein Interesse oder eine Kondiktion zur Rückgewähr meiner Leistung. Ist die Handlung von der Art, dass sie nicht zum Gegenstand einer Verdingung gemacht werden kann, wie zum Beispiel die Freilassung eines Sklaven, kann entsprechend dem schon Dargestellten kondiziert oder mit einer Klage mit vorgeschriebener Formel geklagt werden, sei es, dass eine bestimmte Frist für die Freilassung bestimmt ist und diese, obwohl die Freilassung erfolgen konnte, zu Lebzeiten des Sklaven abgelaufen ist, sei es, dass keine Frist bestimmt worden, aber so viel Zeit verstrichen ist, dass der Sklave hätte freigelassen werden können und müssen. Habe ich dir aber einen Skla-

214 Dass eine Verbindung zur Ansicht Julians besteht, glaubt auch Lambrini, Dolo generale, S. 91.

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2. Teil: Anwendungsfälle

ven gegeben, damit du deinen Sklaven freilässt, und hast du freigelassen und ist der Sklave, den ich gegeben habe, entwehrt worden, ist, wie Julian schreibt, wenn ich ihn wissentlich gegeben habe, die Arglistklage gegen mich zu gewähren, wenn ich ihn unwissentlich gegeben habe, eine zivilrechtliche Tatsachenklage. (3) [Soll ich aber etwas tun, damit du mir etwas gibst, tue ich es später und versäumst du, mir zu geben, besteht keine zivilrechtliche Klage, und daher ist die Arglistklage zu gewähren.]

Erklärt sich jemand bereit, einen Sklaven im Austausch gegen einen anderen freizulassen, liegt dies wiederum jenseits des Regimes der locatio conductio, bietet aber die Basis für eine actio praescriptis verbis. Wird der als Ersatz dienende Sklave geleistet, ohne dass die Freilassung des anderen erfolgt, kann dessen Eigentümer sowohl mit der condictio causa data causa non secuta auf Rückgewähr des geleisteten Sklaven als auch im Wege der Klage mit vorgeschriebener Formel auf das Interesse belangt werden, das der andere an der Freilassung hat. Beide Rechtsbehelfe sorgen für eine abschließende Sanktion von Geschäften der Art: ,do ut facias‘, und verdrängen die Arglistklage. Etwas anderes soll nach dem folgenden § 3 aber im umgekehrten Fall eines Geschäfts: ,facio ut des‘, gelten. Hierzu würde auch die Vereinbarung über die Sklavenfreilassung gehören, wenn diese vorangeht und die Leistung des als Ersatz gedachten Sklaven ausbleibt. Den Grund für die unterschiedliche Behandlung der beiden Fälle verschweigt der überlieferte Text. Er kann nur darin liegen, dass sein Autor als Voraussetzung der actio praescriptis verbis eine datio fordert und eine Vorleistung in Gestalt eines factum nicht genügen lässt. Dies widerspricht aber nicht nur dem Fortgang des Traktats in § 4, wo Paulus auch im Fall von ,facio ut facias‘ eine Klage mit vorgeschriebener Formel gewähren will: D 19.5.5.4 Paul 5 quaest Sed si facio ut facias, haec species tractatus plures recipit. . . . sed tutius erit et in insulis fabricandis et in debitoribus exigendis praescriptis verbis dari actionem, quae actio similis erit mandati actioni, quemadmodum in superioribus casibus locationi et emptioni. Tue ich aber etwas, damit du etwas tust, sind in diesem Fall mehrere Überlegungen anzustellen . . . Aber es ist sicherer, sowohl im Fall der Errichtung von Gebäuden als auch bei der Einziehung von Forderungen die Klage mit vorgeschriebener Formel zu gewähren, die der Auftragsklage ebenso ähnlich ist wie in den vorangehenden Fällen der Verdingung und dem Kaufvertrag.

Es läuft offensichtlich auch der in § 2 mitgeteilten Entscheidung Julians zuwider. Sie betrifft den Fall, dass die Übereignung des Ersatzsklaven zwar zuerst erfolgt, sich dann aber, nachdem die Freilassung erfolgt ist, als unwirksam herausstellt, weil der Sklave einem Dritten gehört und von diesem entwehrt wird. In diesem Fall liegt gerade eine Konstellation von ,facio ut des‘ vor, weil die erste Leistung, die Bestand hat, nicht die Leistung des Ersatzsklaven, sondern die Freilassung ist. Gleichwohl gewährt Julian die actio de dolo hier keineswegs vorbehaltlos, sondern nur unter der Bedingung, dass der andere Teil den fremden Skla-

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ven in Kenntnis des Rechtsmangels übereignet hat; ansonsten soll eine actio in factum civilis eingreifen. Mit dieser Klage kann jedenfalls Paulus nur die actio praescriptis verbis meinen. Allerdings lässt eine Parallelüberlieferung von Julians Entscheidung bei Ulpian vermuten, dass zur Wirkungszeit des Hochklassikers die actio in factum noch nicht mit der actio praescriptis verbis gleichgesetzt wurde. Diese erscheint nämlich als eine von einem gewissen Maurician bevorzugte Alternative zu der von Julian vorgeschlagenen Tatsachenklage: D 2.14.7.2 Ulp 4 ed Sed et si in alium contractum res non transeat, subsit tamen causa, eleganter Aristo Celso respondit esse obligationem. ut puta dedi tibi rem ut mihi aliam dares, dedi ut aliquid facias: hoc sunÜllagma esse et hinc nasci civilem obligationem. et ideo puto recte Iulianum a Mauriciano reprehensum in hoc: dedi tibi Stichum, ut Pamphilum manumittas: manumissisti: evictus est Stichus. Iulianus scribit in factum actionem a praetore dandam: ille ait civilem incerti actionem, id est praescriptis verbis sufficere: esse enim contractum, quod Aristo sunÜllagma dicit, unde haec nascitur actio. Aber auch wenn ein Geschäft nicht unter eine der anerkannten Vertragsarten fällt, aber als Rechtsgrund vorhanden ist, entsteht, wie Aristo dem Celsus elegant erwidert hat, eine Verpflichtung, wie zum Beispiel, wenn ich dir eine Sache gebe, damit du mir eine andere gibst oder irgendetwas tust. Dies sei ein gegenseitiger Vertrag, und hieraus entstehe eine zivilrechtliche Verpflichtung. Und daher glaube ich, dass Julians Ansicht von Maurician im folgenden Fall zu Recht verworfen worden ist: Ich habe dir Stichus gegeben, damit du Pamphilus freilässt; du hast ihn freigelassen; Stichus wird entwehrt. Julian schreibt, es sei vom Prätor eine Tatsachenklage zu gewähren; jener sagt, es genüge eine zivilrechtliche Klage mit unbestimmtem Gegenstand, namentlich die Klage mit vorgeschriebener Formel; es liege nämlich ein Vertrag vor, den Aristo als gegenseitig bezeichnet, so dass diese Klage entstehe.

Zumindest aus Paulus’ Sicht hat sich die Unterscheidung jedoch erledigt: Paulus bezeichnet Julians actio in factum als civilis und setzt sie so der actio praescriptis verbis gleich, deren Formel ja auch die jeweils getroffene Austauschvereinbarung und die erfolgte Vorleistung des Klägers als Tatsachen benennen muss.215 Da die differenzierte Lösung in D 19.5.5.2 eigens als Zitat des Hochklassikers gekennzeichnet ist und von Paulus offenbar auch gutgeheißen wird, verdient sie mehr Vertrauen als die in § 3 vorgestellte Lösung, die sich auch nicht mit dem Folgenden verträgt. Diese muss daher eine nachträgliche Zutat sein. Als solche 215 Dagegen will Lambrini, Dolo generale, S. 90 die Meinungsverschiedenheit zwischen Julian und Maurician darauf zurückführen, dass dieser nicht erkennt, dass sich im Fall einer Eviktion der Tatbestand des ,do ut facias‘ in eine Erscheinungsform von ,factio ut des‘ umkehrt. Für eine Interpolation des Paulusreferats dagegen noch Santoro, Actio civilis, actio praescriptis verbis e praescriptio, in: Scritti Minores, Turin 2009, Bd. 1, S. 257, 280 ff. und Schmidt-Ott, Pauli Quaestiones, Berlin 1993, S. 225.

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2. Teil: Anwendungsfälle

könnte sie entweder auf eine in den Haupttext geratene Glosse zurückgehen, in der Julians Entscheidung verkürzt wiedergegeben ist,216 oder die entstellte Version einer Äußerung sein, in der Paulus auf die actio de dolo verweist, falls der Freilasser statt des Interesses an der Gegenleistung Ausgleich für den durch Freilassung eingetretenen Verlust geltend macht.217 Unter diesen Umständen lässt ihn zumindest die diokletianische Kanzlei auch ohne den Vorwurf einer Täuschung zur Arglistklage zu:218 CJ 2.20.4 (a 294) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Menandrae. Cum proponas inter te et eum, quem in contubernio ancillam tuam sibi coniunxisse memorasti, placuisse, ut tibi pro eadem daret mancipium, intellegis, quod, si manumisisti vel ei tradidisti et ille manumisit, revocandae libertatis potestatem non habes, sed solum, si necdum statutum tempus excessit et fidem placiti rumpat, desiderare debes de dolo tibi decerni actionem. quod si penes te dominium eius remansit, adito praeside provinciae cum natis hanc potes recuperare, si nulla moveatur status quaestio. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Menander. Da du vorträgst, zwischen dir und demjenigen, der sich nach deiner Behauptung mit deiner Sklavin unehelich verbunden hat, sei ein Pakt geschlossen worden, wonach er dir für diese einen Sklaven gibt, verstehst du, dass, wenn du sie freigelassen oder ihm übergeben hast und er sie freigelassen hat, du kein Recht zum Widerruf ihrer Freilassung hast, sondern du, wenn die festgelegte Zeit nicht abgelaufen ist und er sich nicht an die Vereinbarung hält, verlangen musst, dass dir die Arglistklage gewährt wird. Ist das Eigentum dagegen bei dir geblieben, kannst du sie mit ihren Kindern durch Anrufung des Provinzstatthalters zurückerlangen, wenn kein Statusprozess eingeleitet wird.

Wie der Hinweis auf die Unwiderruflichkeit der Freilassung und die Rechtslage bei fortbestehendem Eigentum des Anfragenden nahelegt, geht es diesem um den Zugriff auf die freigelassene Sklavin oder zumindest einen Ausgleich für den hierdurch eingetretenen Verlust.219 Hierfür ist gewöhnlich die condictio zuständig, die bei unbenannten Vereinbarungen, wie Paulus in D 19.5.5.2 eigens feststellt, neben der actio praescriptis verbis zum Zuge kommt. Ob sie auch dazu taugt, den durch die Freilassung eingetretenen Nachteil auszugleichen, ist allerdings zweifelhaft. Denn die als solche nicht rückgängig zu machende Freilassung stellt, auch wenn vom anderen Teil gewünscht, doch keine regelrechte Zuwendung an ihn dar. Zur Kompensation dieses Nachteils steht also nur die actio de dolo zur Verfügung, die in diesem Fall an das Vorbild der condictio anknüpft.220 216

So im Ergebnis auch Schmidt-Ott, S. 226 f. Vgl. Harke, Diokletian, S. 225 Fn. 536. Anders Lambrini, Dolo generale, S. 85 f., 103, die meint, im Fall eines factum als Vorleistung sei die Zuständigkeit der actio praescriptis verbis zumindest zweifelhaft gewesen. Ähnlich Elsener, S. 157. 218 s. u. S. 113. 219 Harke, Diokletian, S. 224 f. 220 Dagegen glaubt Lambrini, Dolo generale, S. 92, dass noch zu Diokletians Zeit Unsicherheit bei der Einordnung einer Vereinbarung vom Typ ,factio ut des‘ besteht. 217

§ 8 Unvollkommene Verbindlichkeiten

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Die vorangehende Unterscheidung, die Julian unter Zustimmung von Paulus trifft, stimmt jedenfalls völlig mit der von Ulpian angedeuteten Differenzierung im Fall des vereinbarten Verrats eines Sklavenverstecks überein: Zwar verdrängt die actio praescriptis verbis die Arglistklage, wenn es um die schlichte Nichteinhaltung der Vereinbarung geht. Ist dagegen eine Täuschung im Spiel, geht die actio de dolo vor, die diesen Fall schon nach der ursprünglichen Definition des dolus erfasst und insoweit nicht mit der an das Ausbleiben der Gegenleistung anknüpfenden Klage mit vorgeschriebener Formel konkurriert.221 II. Unerfüllte Schenkungen und unwirksame Aufträge Vom Anwendungsbereich der actio praescriptis verbis völlig ausgenommen sind unvollkommene Schenkungen. Da eine donatio, wenn sie nicht von einem Stipulationsversprechen begleitet ist, keine Verpflichtung hervorbringt, lässt sich diese Wirkung auch nicht auf dem Umweg über eine Klage mit vorgeschriebener Formel herstellen. Aus demselben Grund kann die actio de dolo nicht dazu eingesetzt werden, dem Begünstigten einen Anspruch auf sein Interesse an der erwarteten Zuwendung zu verschaffen. Denkbar ist ihre Gewährung aber durchaus zu dem Zweck, einem Vertragspartner zu der Rechtsstellung zu verhelfen, die er ohne den Abschluss der unwirksamen Vereinbarung innehätte. Sie kann insbesondere für den Ersatz von Aufwendungen sorgen, die der Beschenkte in Erwartung der ausgebliebenen Zuwendung gemacht hat. Dass in einem solchen Fall die actio praescriptis verbis versagt und stattdessen die actio de dolo erteilt werden muss, erfahren wir von Pomponius, dem eine Entscheidung Aristos zur Vorlage dient: D 19.5.16 Pomp 22 Sab Permisisti mihi cretam eximere de agro tuo ita, ut eum locum, unde exemissem, replerem: exemi nec repleo: quaesitum est, quam habeas actionem. sed certum est civilem actionem incerti competere: si autem vendidisti cretam, ex vendito ages. . . . (1) Permisisti mihi, ut sererem in fundo tuo et fructus tollerem: sevi nec pateris me fructus tollere. nullam iuris civilis actionem esse Aristo ait: an in factum dari debeat, deliberari posse: sed erit de dolo. Du hast mir erlaubt, auf deinem Grundstück Kreide mit der Maßgabe abzubauen, dass ich den Raum, aus dem ich abgebaut habe, wieder auffülle; ich habe abgebaut, aber nicht aufgefüllt; es ist gefragt worden, welche Klage du hast. Aber es steht fest, dass eine zivilrechtliche Klage mit unbestimmtem Ziel zusteht; hast du die Kreide aber verkauft, kannst du aus dem Verkauf klagen. . . . (1) Du hast mir erlaubt, dass ich auf deinem Grundstück säe und die Früchte ernte; ich habe gesät, und du hast verhindert, dass ich die Früchte ziehe. Aristo schreibt, es gebe keine zivilrechtliche 221 Dass die alte Formel hier eingreift, glaubt auch MacCormack, BIDR 96/97 (1993/94) 86. Anders Lambrini, Dolo generale, S. 103, die den dolus gerade in der Nichterfüllung der Vereinbarung erblickt. Dass der Vorrang zwischen actio de dolo und actio praescriptis verbis ungeklärt geblieben ist, meint dagegen Cursi, L’eredità, S. 90.

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2. Teil: Anwendungsfälle

Klage, es sei aber zu überlegen, ob eine Tatsachenklage zu gewähren sei; aber es ist die Arglistklage zu gewähren.

In dem zunächst behandelten Fall, in dem beide Seiten eine Verpflichtung übernehmen, können sowohl die actio praescriptis verbis als auch Klagen aus einem Kaufvertrag zum Zuge kommen: Hat der Grundstückseigentümer den Abbau von Kreide außer von der Wiederauffüllung des Grundstücks auch von der Zahlung eines Preises abhängig gemacht, liegt ein Kaufvertrag vor. Auf seiner Grundlage können nicht nur die Überlassung der Kaufsache oder die Zahlung des Kaufpreises, sondern auch die zugesagte Wiederauffüllung verlangt werden. Ist diese die einzige Leistung, die der Abbauberechtigte erbringen soll, liegt statt eines Kaufvertrags eine unbenannte Vereinbarung vor, die dem Grundstückseigentümer, wenn er den Abbau gestattet, die Möglichkeit eröffnet, die Wiederauffüllung mit der actio praescriptis verbis zu fordern.222 Anders verhält es sich, wenn der Nutzung des Grundstücks keine Leistungszusage gegenübersteht: Stellt der Eigentümer es schlicht zur Verfügung, damit der andere Teil darauf sät und später erntet, sind mangels beiderseitiger Leistungszusage weder die Kauf- noch die Klage mit vorgeschriebener Formel zuständig.223 Während Aristo daher eine actio in factum erwägt, will Pomponius die actio de dolo gewähren, falls der Eigentümer zwar die Aussaat, aber nicht die Ernte duldet. Diese Klage kann nicht dazu dienen, das Interesse an der Ernte geltend zu machen; denn dies liefe auf die Anerkennung eines schlichten Schenkungsversprechens als Verpflichtungsgrund hinaus. Belangt werden kann der Grundstückseigentümer allein wegen des Nachteils, der dem anderen Teil durch die nutzlose Aussaat entstanden ist. Deutlicher zum Ausdruck kommen die Rechtsnatur der Vereinbarung und das Ziel der actio de dolo in einem Passus aus Ulpians Sabinuskommentar, von dem die Kompilatoren den einen Teil in den Digestentitel 4.3, den anderen in den Abschnitt über die Schenkung aufgenommen haben:224 D 4.3.34 Ulp 42 Sab Si cum mihi permisisses saxum ex fundo tuo eicere vel cretam vel harenam fodere, et sumptum in hanc rem fecerim, et non patiaris me tollere: nulla alia quam de dolo malo actio locum habebit. Hast du mir gestattet, Steine oder Kreide aus deinem Grundstück zu brechen und habe ich deshalb Aufwendungen auf deine Sache gemacht und gestattest du mir den Abbau nicht, so kann keine andere Klage als die Arglistklage Platz greifen.

222 Zu dem Fall, in dem sich umgekehrt der Grundstückseigentümer nicht an die Vereinbarung hält, Harke, Actio ad exhibendum (Berlin 2019), S. 19 f. Vgl. hierzu auch Cursi, L’eredità, S. 112 f. 223 Elsener, S. 154, Lambrini, Dolo generale, S. 81 f., 104 f. 224 In Lenels Palingenesie sind beide Fragmente zu Ulp 2894 zusammengefügt; vgl. Pal., Bd. 2, Sp. 1172.

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D 39.5.6 Ulp 42 Sab Qui saxum mihi eximere de suo permisit donationis causa, statim cum lapis exemptus est meus fit, neque prohibendo me evehere efficit, ut meus esse desinat, quia quodammodo traditione meus factus est . . . Wer mir schenkungshalber gestattet hat, Steine zu brechen, kann, da die Steine mit ihrem Bruch meine werden, auch durch die Verhinderung ihres Abtransports nicht mehr bewirken, dass sie mir nicht mehr gehören, weil sie gleichsam durch Übergabe zu meinem Eigentum geworden sind . . .

Ulpian ordnet die Vereinbarung über den Abbau eindeutig als Schenkung ein und stellt auch klar, was das Interesse ist, das derjenige, dem der Eigentümer die Nutzung des Grundstücks zugesagt hat, mit der actio de dolo geltend machen kann. Es ist nicht der Ertrag der Nutzung, sondern besteht in den Aufwendungen, die er in Erwartung der Perfektion der Schenkung gemacht hat und die infolge der Weigerung des Grundstückseigentümers frustriert werden. Zwar kann dieser nicht zum Vollzug der Schenkung gezwungen werden; er hat aber dafür einzustehen, dass er das Vertrauen des Beschenkten in die Zuwendung geweckt und dann enttäuscht hat. Grund der Haftung ist nicht etwa, dass der Schenker den anderen schon bei der Vereinbarung irregeführt hat. Weder Ulpians noch Pomponius’ Darstellung geben einen Hinweis darauf, dass der Schenker seine Absicht zur Zuwendung nur vorgespiegelt hat.225 Indem Pomponius den Fall einer Leistungsstörung beim Kauf oder Innominatvertrag gegenüberstellt, gibt er sogar eigens zu erkennen, dass auch die actio de dolo nur an den Bruch der Vereinbarung anknüpft.226 Obwohl diese nicht wirksam ist, kann der Beschenkte doch erwarten, dass er einen Ausgleich für sein enttäuschtes Vertrauen227 erlangt und der Schenker ihn für die Nachteile entschädigt, zu denen er so den Anlass gegeben hat. Nicht nur auf den Ersatz des Vertrauensschadens, sondern auf die Einhaltung der Vereinbarung gerichtet kann die actio de dolo dagegen in den Fällen sein, in denen ein unvollkommener Auftrag erteilt worden ist. Lässt sich seine Durchführung auch nicht mit der actio mandati erzwingen, kann an deren Stelle doch zuweilen die actio de dolo treten, wenn die Untätigkeit des Auftragnehmers nicht zu tolerieren ist. Anders als im Fall der Schenkung widerspricht seine Haftung auf das Interesse an der Durchführung der Vereinbarung keineswegs dem Zweck der Regel, an der die Wirksamkeit des Vertrags jeweils scheitert. Denn beim ungültigen Auftrag lässt sich im Gegensatz zur nicht vollzogenen donatio unterstellen, dass der Empfänger der Leistung deren Erbringung auf andere Weise sichergestellt hätte, wenn er nicht auf den Auftragnehmer vertraut hätte. Kann er diesen auf das Interesse an dieser belangen, folgt dies also ganz dem auch bei der 225 226 227

Richtig MacCormack, BIDR 96/97 (1993/94) 92, ders., Ricerche Gallo, S. 551 f. Richtig Wacke, RIDA 27 (1980) 382 f. Lambrini, Dolo generale, S. 83, 105.

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2. Teil: Anwendungsfälle

Schenkung wirksamen Gedanken, dass der enttäuschte Vertragspartner Ersatz für den Schaden begehren kann, der ihm in Erwartung der vom anderen Teil zugesagten Leistung entstanden ist. Damit es hierzu kommt, muss der durch den Leistungsausfall eingetretene Nachteil freilich schwerwiegend und nicht mehr durch eine anderweitige Beschaffung der Leistung wettzumachen sein. Dies ist besonders handgreiflich, wenn der Auftraggeber verstorben ist, nachdem er einen anderen mit der sittlich besonders bedeutsamen228 Aufgabe seiner eigenen Beerdigung betraut hat: D 11.7.14.2 Ulp 25 ed Si cui funeris sui curam testator mandaverit et ille accepta pecunia funus non duxerit, de dolo actionem in eum dandam Mela scripsit: credo tamen et extra ordinem eum a praetore compellendum funus ducere. Hat der Erblasser jemanden mit seiner Bestattung beauftragt und hat dieser Geld angenommen, aber die Bestattung nicht durchgeführt, ist gegen ihn, wie Mela schreibt, die Arglistklage zu gewähren; ich glaube aber, dass er auch außerordentlich vom Prätor zur Vornahme der Bestattung zu zwingen ist.

Soll jemand für die Beerdigung eines anderen sorgen, unterfiele diese Vereinbarung ohne Weiteres der forma mandati, wenn das Geschäft nicht erst nach dem Tod des Auftraggebers zu führen wäre. Da das mandatum nur zu Lebzeiten des Auftraggebers gilt, ist der Rahmen dieses Vertrags gesprengt. Setzt sich der Beauftragte deshalb über die Vereinbarung hinweg und lässt den Auftraggeber unbeerdigt, kann er hierzu gleichwohl nicht nur im öffentlichen Interesse durch eine außerordentliche Anordnung des Prätors gezwungen werden. Auch die Erben des Auftraggebers können den Auftragnehmer belangen. Zuständiger Rechtsbehelf ist die actio de dolo, die hier dem Vorbild der actio mandati folgen und für den Ersatz des Interesses an der zugesagten Leistung sorgen kann,229 ohne so in Widerspruch zur Regel von der Unwirksamkeit des Auftrags zu treten. Dasselbe gilt im Fall eines säumigen agrimensor, der dem Auftraggeber durch seine Untätigkeit um einen unwiederbringlichen Vorteil gebracht hat: D 11.6.5pr Ulp 24 ed Si mensor non falsum modum renuntiaverit, sed traxerit renuntiationem et ob hoc evenerit ut venditor liberetur, qui adsignaturum se modum intra certum diem promisit, haec actio locum non habet: sed nec dari utilem debere Pomponius ait. erit ergo ad actionem de dolo decurrendum. Hat der Vermesser kein falsches Maß angegeben, sondern die Bekanntgabe verzögert und ist es deshalb dazu gekommen, dass ein Verkäufer befreit wird, der Gewähr für das Maß innerhalb einer bestimmten Frist versprochen hat, greift diese Klage nicht ein; und Pomponius schreibt, es sei auch keine zweckdienliche Klage zu gewähren. Also ist auf die Arglistklage zurückzugreifen.

228 229

Hierauf weist zu Recht Wacke, RIDA 27 (1980) 374 f. hin. Lambrini, Dolo generale, S. 84.

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Die Leistung des Landvermessers gilt auch dann, wenn er ein Honorar erhält, als ein unentgeltlicher Dienst an der Gemeinschaft, der nicht der locatio conductio unterfällt.230 Sieht das prätorische Edikt deshalb eine besondere Klage vor, die den Vermesser für die vorsätzliche Angabe eines falschen Maßes haftbar macht, muss diese doch versagen, wenn er einen Schaden nicht durch eine unrichtige, sondern die verspätete Angabe des Flächenmaßes herbeiführt. Denkbar ist dies, wenn ein Grundstücksverkäufer nur befristet für ein Mindermaß des verkauften Grundstücks Gewähr übernimmt und der Vermesser dessen wahre Größe erst nach Fristablauf bekanntgibt. Pomponius erwägt die Gewährung einer zweckdienlichen Klage in Analogie zu dem ediktalen Rechtsbehelf, entscheidet sich aber dagegen. Beruht die Haftung wegen Angabe eines falschen Maßes gerade auf dem Gedanken, dass der Vermesser seine Leistung nicht im Rahmen eines Vertrags erbringt, bietet sie kein Vorbild für einen Anspruch, der gerade an den Ausfall dieser Leistung anknüpft. Als solches bietet sich nur die actio mandati an.231 Mit ihr kann der Käufer das Interesse daran geltend machen, nicht auf den säumigen agrimensor vertraut und für eine anderweitige Vermessung des Grundstücks und die Haftung des Verkäufers gesorgt zu haben. III. Vertragsähnliche Verhältnisse An das Vorbild der Auftragsklage knüpft die actio de dolo auch in dem folgenden Fall an, in dem es gar nicht zu einer Verständigung der Parteien gekommen ist: D 4.3.9.3 Ulp 11 ed Labeo libro trigensimo septimo posteriorum scribit, si oleum tuum quasi suum defendat Titius, et tu hoc oleum deposueris apud Seium, ut is hoc venderet et pretium servaret, donec inter vos deiudicetur cuius oleum esset, neque Titius velit iudicium accipere: quoniam neque mandati neque sequestraria Seium convenire potes nondum impleta condicione depositionis, de dolo adversus Titium agendum. sed Pomponius libro vicensimo septimo posse cum sequestre praescriptis verbis actione agi, vel si is solvendo non sit, cum Titio de dolo. quae distinctio vera esse videtur. Labeo schreibt im 37. Buch seiner nachgelassenen Schriften: Hat Titius Öl, das dir gehört, als ihm gehörig beansprucht und hast du dieses Öl bei Seius hinterlegt, damit er es verkauft und den Preis aufbewahrt, bis zwischen euch entschieden ist, wem das Öl gehört, und will Titius den Rechtsstreit nicht aufnehmen, sei die Arglistklage gegen Titius zu erheben, weil du ohne Eintritt der bei der Verwahrung gemachten Bedingung Seius weder mit der Auftrags- noch mit der Sequesterklage belangen könntest. Aber Pomponius schreibt, man könne mit einer Klage mit vorgeschriebener Formel gegen den Sequester klagen oder, wenn er nicht zahlungsfähig ist, gegen Titius mit der Arglistklage. Diese Unterscheidung erscheint richtig. 230

D 11.6.1pr Ulp 24 ed. Richtig Wacke, RIDA 27 (1980) 378. Zu unspezifisch dagegen Elsener, S. 151, die ein missbräuchliches Verhalten des agrimensor erkennt. 231

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2. Teil: Anwendungsfälle

Wer den Auftrag zum Verkauf von Sachen und Verwahrung des Kaufpreises gibt, bis ein Rechtsstreit zwischen ihm und einem anderen Eigentumsprätendenten entschieden ist, kann mit den einschlägigen Vertragsklagen keine Auszahlung verlangen, wenn der Prozess ausbleibt. Der Verwahrer braucht sich nämlich weder den für die Verwahrungsklage erforderlichen dolus noch auch nur den für die actio mandati nötigen Verstoß gegen das Gebot der bona fides vorhalten lassen.232 Wenn er den Preis ohne gerichtliche Entscheidung herausgäbe, liefe er Gefahr, später von dem anderen Teil belangt zu werden. Dieser verfügt, wenn er nicht an der Hinterlegung beteiligt war, zwar nicht über einen vertraglichen Anspruch, kann aber aufgrund der Behauptung seines Eigentums zumindest die actio ad exhibendum erheben. Pomponius setzt sich hierüber hinweg, indem er gegen den Verwahrer die actio praescriptis verbis erteilen will. Sie wird hier nicht dazu eingesetzt, eine Vereinbarung zu sanktionieren, die außerhalb des Schemas der anerkannten Vertragsarten liegt,233 denn der Vertrag lässt sich ja als atypische Verwahrung oder zumindest als mandatum erfassen. Stattdessen dient die Klage mit vorgeschriebener Formel gleichsam dazu, eine Vertragsänderung zu erzwingen: Weil mit der Weigerung des anderen Prätendenten zur Einlassung auf den Rechtsstreit gewissermaßen die Geschäftsgrundlage für die Verwahrung entfallen ist, soll sie entgegen der ursprünglichen Vereinbarung sofort beendet werden können. Diese Lösung, die Ulpians Zustimmung findet, ist deshalb heikel, weil sie allein dem Interesse des Hinterlegers gerecht wird und die prekäre Situation des Verwahrers unberücksichtigt lässt. Sie stellt daher nicht unbedingt einen Fortschritt gegenüber der Ansicht von Labeo dar. Dieser hält ein Vorgehen gegen den Verwahrer für ausgeschlossen und gesteht dem Hinterleger im Verhältnis zum anderen Eigentumsprätendenten die actio de dolo zu, die bei Pomponius’ Lösung nur subsidiär im Fall der Insolvenz des Verwahrers zum Zuge kommt. Der nicht zu verkennende Nachteil der Ansicht von Labeo ist freilich, dass der Verweis auf die Arglistklage das Problem ungelöst lässt, wie die Verwahrung beendet und der vom Verwahrer eingenommene Kaufpreis herausgegeben werden soll.234 Der Grund der Arglistklage liegt hier weder in einer Täuschung noch im Verstoß gegen ein pactum. Es ist weder ersichtlich, dass der andere Teil die Absicht zur Prozessführung nur vorgegeben hat,235 noch erkennbar, dass er an der Vereinbarung mit dem Verwahrer beteiligt gewesen ist236 oder sich mit ihr einver232

Richtig Horak (Fn. 136), S. 141 und Cursi/Fiori, BIDR 105 (2011) 163 ff. Insoweit richtig Albanese, S. 256, der den Text jedoch verdächtigt und glaubt, es sei ursprünglich um die Frage gegangen, ob die actio de dolo auch bei Zweifeln an der Zuständigkeit einer Vertragsklage erhoben werden. 234 Dies bemerkt zu Recht Wacke, RIDA 27 (1980) 376. 235 Dies glaubt aber MacCormack, SDHI 52 (1986) 238, BIDR 96/97 (1993/94) 89. Richtig dagegen Wacke, RIDA 27 (1980) 376. 236 Richtig Cursi/Fiori, BIDR 105 (2011) 162. 233

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standen erklärt hat. Was dem anderen Prätendenten zur Last fällt, ist allein, dass er den Hinterleger durch die Behauptung seines Rechts zu der Verwahrung veranlasst hat. Diese kommt, wenn der Rechtsstreit ausbleibt oder der Verwahrer insolvent ist, einem endgültigen Verlust des Sachwerts gleich, den der andere Teil provoziert und dann nicht abgewendet hat. Liegt auch kein Auftrag vor, ist die zwischen den Parteien bestehende Beziehung einem mandatum doch so ähnlich, dass sie eine nachgebildete Haftung mit der actio de dolo rechtfertigt. Der Prätendent, der mit seinem Verhalten den Ausschlag für die Hinterlegung gegeben hat, kann so gleichsam als Auftraggeber belangt werden. Der Schadensersatz, den er dem Kläger zu leisten hat, entspricht sowohl einer Entschädigung für die auftragsgemäß erlittenen Nachteile, wie sie bei einem wirksamen mandatum zu erfolgen hätte, als auch seinem Interesse daran, sich gar nicht in der Erwartung des dinglichen Rechtsstreits auf die Hinterlegung eingelassen zu haben.237 Für eine am mandatum orientierte Haftung mit der actio de dolo spricht sich auch Scaevola in einem Fall aus, in dem das auftragsähnliche Verhältnis auf die Anweisung eines Erblassers zurückgeht: D 4.3.32 Scaev 2 dig Filius legatum sibi servum per praeceptionem rogatus manumittere post certum tempus, posteaquam rationes ipsi et coheredibus fratribus reddidisset, ante diem et ante redditas rationes ad libertatem vindicta manumittendo perduxerat: quaesitum est, an ex fideicommisso fratribus tenetur, ut rationes eorum pro portionibus redderet. respondi, cum liberum fecisset, ex causa quidem fideicommissi non teneri: verum si ideo properasset manumittere, ne rationes fratribus redderet, posse de dolo actionem in eum exercere. Ein Sohn ist durch Fideikommiss ersucht worden, einen ihm im Voraus vermachten Sklaven nach Ablauf einer gewissen Zeit und, nachdem er ihm und seinen Brüdern als Miterben Rechnung gelegt hat, freizulassen, und er hat ihm vor Fristablauf und Rechnungslegung die Freiheit geschenkt, indem er ihn förmlich durch einen Stab freiließ; es ist gefragt worden, ob er seinen Brüdern aus dem Fideikommiss dafür 237 Einen ähnlichen Fall, der sich aber ungeachtet der Stellung des Textes in der Kompilation nicht eindeutig dem Thema actio de dolo zuordnen lässt, behandelt D 4.3.33 Ulp 4 opin: Rei, quam venalem possessor habebat, litem proprietatis adversarius movere coepit et posteaquam oportunitatem emptoris, cui venundari potuit, peremit, destitit: placuit possessori hoc nomine actionem in factum cum sua indemnitate competere. („Wegen einer Sache, die der Besitzer zum Verkauf stehen hatte, hat sein Gegner einen Rechtsstreit über das Eigentum begonnen und dann, nachdem er die Gelegenheit zum Verkauf an einen Käufer genommen hat, dem die Sache hätte verkauft werden können, die Klage fallengelassen; es gilt, dass dem Besitzer deshalb eine Tatsachenklage zur Schadloshaltung zustehe.“) In seiner Palingenesie bezieht Lenel diese Äußerung auf die Haftung für Prozessschikane; vgl. Pal., Bd. 2 Sp. 1009 (Nr. 2332) und auch ders., EP, S. 108. Zwar haben zumindest die Kompilatoren eine Verbindung zur Arglistklage gesehen; die Bezeichnung des Rechtsbehelfs als actio in factum ist jedoch zu vage, als dass man hierin mit Cursi, L’eredità, S. 104 ff. die actio de dolo sehen könnte.

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2. Teil: Anwendungsfälle

haftet, dass er ihnen im Verhältnis ihrer Erbteile Rechnung lege. Ich habe geantwortet, dass er aus dem Grund, dass er ihn freigelassen hat, nicht aus dem Fideikommiss haftet; hat er ihn aber deshalb freigelassen, damit er den Brüdern keine Rechnung lege, könne gegen ihn die Arglistklage angestellt werden.

Einem als Erbe eingesetzten Haussohn ist durch Fideikommiss aufgegeben, einen Sklaven, der ihm durch Vorausvermächtnis hinterlassen ist, nach Ablauf einer bestimmten Frist zur Rechnungslegung gegenüber sämtlichen Erben freizulassen. Da er weder den Fristablauf abwartet noch auf die Rechnungslegung besteht und den Sklaven ohne Weiteres freilässt, wollen die Miterben wissen, ob sie den Sohn aufgrund des Fideikommisses in Anspruch nehmen können. Scaevola verneint dies und orientiert sich dabei an der Frage, wer Adressat der letztwilligen Verfügung ist: Das Fideikommiss soll allein den freizulassenden Sklaven begünstigen. Ist die ihm hinterlassene Freiheit befristet und unter eine Bedingung gestellt, kann der mit dem Fideikommiss belastete Erbe von diesen Erfordernissen absehen, ohne dem Zweck der Verfügung zuwiderzuhandeln. Ihm ist vom Erblasser jedoch gleichsam der Auftrag erteilt worden, für eine Rechnungslegung gegenüber den Miterben zu sorgen, indem er auf die Einhaltung der Bedingung für die Freilassung achtet. Dieser Auftrag ist natürlich unverbindlich, und zwar nicht erst wegen der Unwirkamkeit eines nach dem Tod des Auftraggebers durchzuführenden Auftrags, sondern weil er hier gar nicht im Einverständnis mit dem Auftragnehmer erteilt worden ist. Setzt sich der Erbe darüber hinweg, hat er hierfür nichtsdestoweniger einzustehen, weil er das Vermächtnis angenommen und bei seinen Miterben so das Vertrauen geweckt hat, die Freilassung nur unter den im Testament bestimmten Voraussetzungen durchzuführen. Das hieran bestehende Interesse, das die Miterben durch Zurückbehaltung des vermachten Sklaven durchgesetzt hätten, können sie nun im Wege der actio de dolo geltend machen. Eine enttäusche Verhaltenserwartung unter Miterben betrifft auch die folgende Entscheidung: D 37.5.8.2 Ulp 40 ed Si adierit hereditatem is cui virilis conservatur, libertates competent ex necessitate per aditionem: verumtamen videndum est, an de dolo actione teneatur qui adit. et magis est, ut, si denuntiante eo, qui praeteritus accepit contra tabulas bonorum possessionem, hic adiit hereditatem pollicente eo portionem virilem, sit quod ei imputetur et de dolo actione teneatur: damno enim adficit hereditatem, dum competunt libertates. Hat jemand, dem sein Anteil erhalten bleibt, die Erbschaft angetreten, sind die Freilassungen zwangsläufig infolge des Antritts wirksam; es ist aber zu prüfen, ob derjenige, der die Erbschaft angetreten hat, mit der Arglistklage haftet. Und es spricht mehr dafür, dass, wenn er nach Anzeige durch denjenigen, der übergangen worden ist und den Nachlassbesitz entgegen dem Testament erhalten hat, die Erbschaft angetreten hat, obwohl dieser ihm seinen Anteil versprochen hat, es ihm zuzuschreiben ist und er mit der Arglistklage haftet; er hat der Erbschaft nämlich Schaden zugefügt, indem die Freilassungen wirksam geworden sind.

§ 8 Unvollkommene Verbindlichkeiten

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Ein im Testament übergangener Abkömmling, der zum Nachlassbesitz contra tabulas berechtigt ist, verspricht dem eingesetzten Erben, ihm seinen Anteil zukommen zu lassen, falls er die Erbschaft nicht antritt. Setzt sich der Erbe über diesen Wunsch hinweg und nimmt die Erbschaft an, werden die im Testament angeordneten Freilassungen wirksam und sind auch dann nicht mehr ungeschehen zu machen, wenn der übergangene Abkömmling in den Nachlassbesitz eingewiesen wird. Zwar hat sich der eingesetzte Erbe weder regelrecht dazu verpflichtet, den Erbschaftsantritt zu unterlassen, noch gibt es Anhaltspunkte dafür, dass er dies auch nur zugesagt hätte. Nichtsdestoweniger durfte der zur prätorischen Erbfolge berufene Abkömmling darauf vertrauen, dass der Erbe von einer Annahme der Erbschaft absieht, weil ihm dies keinen Vorteil, vielmehr nur den alle Rechtsnachfolger treffenden Nachteil einbringt, dass die freigelassenen Sklaven für die Erbschaft verloren sind.238 Obwohl das einseitige Versprechen des Abkömmlings nur diesen band, bietet es doch die Grundlage für eine berechtigte Verhaltenserwartung, deren Enttäuschung den Erben der Haftung mit der actio de dolo aussetzt. Zu einer Verständigung der Parteien kommt es hingegen bei der Vereinbarung, die ein Sklave zur Erreichung seiner Freilassung trifft. Der Entstehung einer Verpflichtung steht hier aber seine mangelnde Rechtsfähigkeit entgegen, über die nur die Arglistklage hinweghelfen kann: D 4.3.7.8 Ulp 11 ed: Servus pactionis pro libertate reum domino dedit ea condicione, ut post libertatem transferatur in eum obligatio: manumissus non patitur in se obligationem transferri. Pomponius scribit locum habere de dolo actionem. sed si per patronum stabit, quo minus obligatio transferatur, dicendum ait patronum exceptione a reo summovendum. ego moveor: quemadmodum de dolo actio dabitur, cum sit alia actio? nisi forte quis dicat, quoniam exceptione patronus summoveri potest, si agat cum reo, debere dici, quasi nulla actio sit quae exceptione repellitur, de dolo decernendam: atquin patronus tunc summovetur, si nolit expromissorem ipsum manumissum accipere. expromissori plane adversus manumissum dari debebit de dolo: aut si non sit solvendo expromissor, domino dabitur. Ein Sklave hat bei der Vereinbarung seiner Freilassung seinem Eigentümer einen Schuldner mit der Maßgabe gestellt, dass dessen Verpflichtung nach der Freilassung auf ihn übertragen wird; nach seiner Freilassung hat er nicht hingenommen, dass die Verpflichtung auf ihn übertragen wird. Pomponius schreibt, es greife die Arglistklage Platz. Liegt es aber am Freilasser, dass die Verpflichtung nicht übertragen worden ist, müsse der Freilasser, wie er sagt, mit einer Einrede ausgeschlossen sein. Ich stelle mir die Frage: Wie kann die Arglistklage gewährt werden, wenn eine andere Klage gegeben ist? Es sei denn, man wollte behaupten, dass, weil der Freilasser bei seiner Klage gegen den Schuldner mit der Einrede ausgeschlossen ist, entschieden werden müsse, dass ihm die Arglistklage zu erteilen sei, weil eine Klage, die durch 238 Wie MacCormack, Ricerche Gallo, S. 551 bemerkt, bleibt der denkbare Wunsch des Erben nach Vollzug der Freilassungsanordnungen offenbar außer Betracht.

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2. Teil: Anwendungsfälle

eine Einrede ausgeschlossen sei, als nicht gegeben gälte; der Freilasser ist aber bloß dann ausgeschlossen, wenn er selbst den Freigelassenen nicht als Schuldübernehmer akzeptieren will. Dem Schuldner ist freilich gegen den Freigelassenen die Arglistklage zu gewähren, und wenn der Schuldner nicht zahlungsfähig ist, dem Eigentümer.

Damit sich ein Sklave im Austausch gegen seine Freilassung zu einer Leistung an seinen Eigentümer verpflichtet, bedienen sich die Parteien eines Mittelsmanns: Er übernimmt zunächst die eigentlich für den Sklaven gedachte Verpflichtung und versichert den Eigentümer so gegen das Risiko, die Freilassung vorzunehmen, ohne einen Anspruch auf eine Gegenleistung zu erhalten. Nachdem der Sklave die Freiheit erlangt hat, soll er an die Stelle des Schuldners treten und dessen Verpflichtung übernehmen. Verweigert er dies, will Pomponius gegen ihn die Arglistklage gewähren. Ulpians Bericht und vielleicht auch schon Pomponius’ Entscheidung lassen offen, wem diese Klage zustehen soll. Klarer ist die Entscheidung einer Fallabwandlung: Pomponius will wider den Eigentümer, wenn dieser selbst die Übertragung der Verpflichtung auf den ehemaligen Sklaven verhindert hat, die exceptio doli gewähren. Richten kann sich diese nur gegen den Anspruch, der dem Eigentümer aus dem Schuldversprechen des Mittelsmannes zusteht und den der Eigentümer abredewidrig behalten will, statt ihn durch die Verpflichtung des Freigelassenen zu ersetzen. Indem er den Mittelsmann belangt, ohne zuvor den Versuch einer Schuldübernahme durch den ehemaligen Sklaven unternommen zu haben, verstößt der Eigentümer gegen das pactum, das dem Versprechen des Mittelsmannes zugrunde lag. Da er sich hierüber hinwegsetzt, muss er sich den Vorwurf eines dolus praesens gefallen lassen. Bei seiner Kritik an Pomponius vermengt Ulpian die beiden Fallvarianten: Dem Spätklassiker erscheint nicht einsichtig, warum die actio de dolo zum Zuge kommen soll, wenn doch mit dem Anspruch gegen den Schuldner eine andere Klagemöglichkeit besteht. Er geht also davon aus, dass die von Pomponius im Grundfall gewährte actio de dolo dem Eigentümer gegen den Freigelassenen zustehen soll. Hier ist die Klage aber offensichtlich subsidiär zur Verpflichtung des Schuldners, die nur wegen der in der zweiten Fallvariante gewährten exceptio doli ausgeschlossen sein könnte. Dies setzte aber voraus, dass der Eigentümer die Überleitung der Verpflichtung verhindert hat, weshalb er auch den ehemaligen Sklaven nicht wegen dessen dolus in Anspruch nehmen könnte. Haben beide, sowohl der Freigelassene als auch der Eigentümer dazu beigetragen, dass die Verpflichtung nicht übergleitet wird, hebt sich die gegenseitig begangene Arglist automatisch auf. Dies bekundet Marcian eigens in einem Auszug aus seinen regulae: D 4.3.36 Marcian 2 reg Si duo dolo malo fecerint, invicem de dolo non agent. Haben sich zwei Personen (wechselseitig) arglistig verhalten, können sie nicht gegeneinander wegen Arglist klagen.

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Und unter Diokletian wird die Kompensation beiderseitigen dolus zum Gegenstand eines Bescheids der kaiserlichen Kanzlei: CJ 2.4.30 (a 294) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Antonino. Transactione finita, cum ex partibus tuis magis dolum intercessisse quam eorum, contra quos preces fundis, confitearis, instaurare grave nec non criminosum tibi est. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Antonius. Es ist schwierig und für dich geradezu verfänglich, die durch Vergleich beendete Sache wiederaufzunehmen, da du zugibst, dass Arglist eher auf deiner als auf der Seite derjenigen vorgekommen ist, gegen die du deine Eingabe richtest.

Sind die Erwägungen Ulpians, für sich genommen, auch nicht falsch, unterstellen sie Pomponius doch die Beschäftigung mit einem Fall, den dieser wahrscheinlich überhaupt nicht behandelt hat. Und sie verdecken, dass Ulpian im Ergebnis gar nicht von der Ansicht des Hochklassikers abweicht:239 Auch er will die actio de dolo gegen den Freigelassenen gewähren, freilich zuvörderst nicht dem Eigentümer, sondern dem Mittelsmann. Da dieser zweifellos über keinen anderen Anspruch verfügt, der die Arglistklage verdrängen könnte, ist er wohl auch derjenige, den Pomponius zunächst einmal für aktivlegitimiert hält. Anders verhält es sich, wenn der Schuldner insolvent ist: Da der Eigentümer hier über kein praktisch durchsetzbares Klagerecht aus dem Schuldversprechen verfügt, kann er die actio de dolo gegen den ehemaligen Sklaven anstellen. Auch dies hat Pomponius sicher nicht anders gesehen als Ulpian. Das Fehlverhalten, das dem Freigelassenen zum Vorwurf gereicht, ist sowohl bei seiner Inanspruchnahme durch den Schuldner als auch bei Erhebung der Klage durch seinen früheren Eigentümer dasselbe: Der Sklave hält sich nicht an die vor seiner Freilassung getroffene Vereinbarung. Sie ist zwar unwirksam, weil im Zustand mangelnder Rechtsfähigkeit eingegangen. Gleichwohl kann der Sklave belangt werden, weil das pactum nur dazu diente, eben diese fehlende Rechtsfähigkeit zu überwinden und das Ergebnis zu erreichen, zu dem eine direkte Leistungszusage des Sklaven geführt hätte, falls sie denn wirksam gewesen wäre. Der Freigelassene ist hieran gebunden, weil er die Gegenleistung in Gestalt seiner Freiheit schon erlangt hat. Zwar ist nicht auszuschließen, dass er sich von vornherein nicht an die Abmachung halten wollte und seinen Eigentümer und den Schuldner über diese Absicht getäuscht hat. Für die Gewährung der actio de dolo ist dies aber weder Voraussetzung noch Grund.240 Maßgeblich ist allein der 239 Wegen dieser Ungereimtheiten will Elsener, S. 46 f. Ulpians Ausführungen bis auf den Schlusssatz den Kompilatoren zuschreiben. Zugrunde liegt die unzulässige Unterstellung, ein klassischer Jurist könne sich nicht in seinen eigenen Gedankengängen verfangen haben. Ebenso unbegründet ist natürlich auch der Interpolationsverdacht von Albanese, S. 227 ff., der seinerseits gerade den Schlusssatz für ein Werk der byzantinischen Gesetzesredaktoren hält. 240 Anders zu Unrecht MacCormack, BIDR 96/97 (1993/94) 91.

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2. Teil: Anwendungsfälle

Bruch der Vereinbarung.241 Ist diese auch nicht durchsetzbar, darf sie doch nicht nur einseitig durchgeführt werden, weshalb die actio de dolo nach dem Vorbild eines vertraglichen Anspruchs gewährt wird. Der so geltend zu machende Schaden entspricht der Summe, zu deren sich der Mittelsmann verpflichtet hat und die bei einer Schuldübernahme von dem ehemaligen Sklaven zu zahlen gewesen wäre. Sie macht nicht nur das positive Interesse des Mittelsmannes und des Eigentümers an der Durchführung der unwirksamen Vereinbarung aus. Vielmehr entspricht sie auch dem Vertrauensschaden des Mittelsmannes und gibt zudem an, was dem Eigentümer es wert gewesen wäre, den Sklaven zu behalten; denn mit ihr hat er den Preis für die Freiheit beziffert. Zu einem anderen Ergebnis kommt die diokletianische Kanzlei im Fall einer Vereinbarung, die am Verbot sittenwidriger Verträge scheitert:242 CJ 2.4.34 (a 294) Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Ptolemaidi. Cum donationis seu transactionis causa administratae tutelae debiti scientes vos obligationem fratri vestro remisisse proponatis nec umquam volenti dolus inferatur, frustra de dolo querimini, nec ad implendum promissum hereditatis propriae pollicitatione quisquam adstringitur. Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Ptolemais. Da ihr vortragt, ihr hättet schenkungshalber oder zum Zwecke eines Vergleichs in Kenntnis einer Schuld aus der Verwaltung einer Vormundschaft eurem Bruder eine Verpflichtung erlassen, und da demjenigen, der freiwillig handelt, keine Arglist zugefügt wird, beschwert ihr euch vergeblich über Arglist; und niemand wird zur Erfüllung eines Versprechens gezwungen, wenn er seine eigene Erbschaft versprochen hat.

Wie sich dem abschließenden Hinweis auf die Undurchsetzbarkeit eines Versprechens der Erbeinsetzung entnehmen lässt, ist der Adressat des Reskripts einen unwirksamen Erbvertrag eingegangen: Er hat auf eine Forderung gegen seinen Bruder im Austausch gegen dessen Zusage verzichtet, ihn zum Erben einzusetzen. Diese Vereinbarung scheitert nicht nur für sich genommen am Verbot sittenwidriger Verträge, das die Gewährung einer actio praescriptis verbis ausschließt; sie darf auch weder auf dem Umweg über die actio de dolo durchgeführt werden, noch rechtfertigt sie einen Anspruch auf Rückgewähr der vom Anfragenden erbrachten Leistung. Er hat sich aus freien Stücken auf die sittenwidrige Vereinbarung eingelassen und ist daher sowohl von der condictio als auch von der actio de dolo ausgeschlossen: Selbst wenn sein Bruder schon bei der Übereinkunft die verborgene Absicht gehabt haben sollte, sich nicht an die Abmachung zu halten, wäre ein Vertrauen auf deren Durchführung nicht schutzwürdig.

241

Wacke, RIDA 27 (1980) 372. Hierzu und zu der verwandten Entscheidung in dem aus demselben Jahr stammenden Reskript CJ 2.4.25 Harke, Diokletian, S. 218 f. 242

Fazit Die beiden Merkmale der actio de dolo, denen die römischen Juristen zuvörderst ihre Aufmerksamkeit schenken, sind nicht miteinander genetisch verbunden, sondern erst nachträglich von den hoch- und spätklassischen Juristen in einen Zusammenhang gebracht worden. Die Subsidiarität der Arglistklage entspringt ihrer ursprünglichen Konzeption als rein sachverfolgendes Klagerecht, das zur Vermeidung von Störungen des vorhandenen Anspruchssystems unter dem Vorbehalt steht, dass der Geschädigte über keinen anderweitigen Rechtsschutz verfügt. Weil sie ebenso wie die Klagen wegen Diebstahls, Raubs und iniuria an den Vorsatz des Täters anknüpft, wird die actio de dolo später ausgewählt, um die Infamie des verurteilten Täters zu zeitigen. Die nachträgliche Aufladung mit diesem Strafelement führt zu unbedachten oder in Kauf genommenen Widersprüchen: Wegen der Subsidiarität der Klage bleibt der dolus anders als bei den übrigen infamierend wirkenden Ansprüchen im Fall der Konkurrenz mit einem anderen Klagerecht ungesühnt. Und da die Klage nicht auf eine Bußleistung, sondern sachverfolgend ist, muss die Ehrenstrafe ausbleiben, wenn der Täter freiwillig für die Kompensation seiner Tat sorgt. Die Subsidiarität, die sich aus Sicht der hoch- und spätklassischen Jurisprudenz als Mittel zur Vermeidung der Infamiefolge ausnimmt, erlangt eine weitergehende Bedeutung mit der Neubestimmung des dolus-Begriffs durch Labeo. Statt die alte Definition des dolus als Täuschung im Rechtsverkehr durch eine neue zu ersetzen, beseitigt er sie lediglich und dehnt das Potential der Arglistklage damit grenzenlos aus. Da sie nur noch den Nachteil des Geschädigten und den Vorsatz des Schädigers voraussetzt, ist sie jetzt nicht nur bei allen Arten des Eingriffs in vorhandenes Vermögen, sondern theoretisch auch in jedem Fall zuständig, in dem der Kläger dem Beklagten das Ausbleiben einer Leistung vorwirft. So gerät der Rechtsanwender aber in die Gefahr eines Zirkelschlusses. Denn die Arglistklage schafft, soweit sie nicht schon an der Konkurrenz mit einem anderen Klagerecht scheitert, erst den Anspruch auf die Leistung, durch deren Vorenthaltung der Kläger sich beschwert fühlt. Um nicht das vorhandene Klagensystem zu sprengen, darf sie jenseits des ursprünglichen Betrugstatbestandes daher dort zum Zuge kommen, wo es schon einen Anspruch gibt, der als Vorbild für die Haftung des Beklagten taugt. So wird die actio de dolo zum Vehikel für einen Analogieschluss und tritt in Konkurrenz zu den funktionsäquivalenten actiones utiles, insbesondere in Gestalt von actiones in factum. Die Öffnung des Tatbestands der actio de dolo durch Labeo bewirkt, dass der von der älteren Definition des dolus erfasste Tatbestand des Betrugs nicht mehr

116

Fazit

den Schwerpunkt im Anwendungsfeld der Arglistklage bildet. Infolge ihrer Subsidiarität spart er ohnehin die meisten Fälle einer Täuschung beim Vertragsschluss aus, weil diese bereits mit Hilfe von bonae fidei iudicia oder durch die exceptio doli bewältigt werden. Für die actio de dolo ist im Wesentlichen nur dort Raum, wo ein Darlehensgeber durch Täuschung zur Kreditvergabe verleitet wird und hierdurch entweder einen Nachteil erleidet, der nicht durch den Anspruch auf Rückzahlung der Darlehensvaluta abgedeckt ist, oder ein Klagerecht gegen einen Dritten als Ersatz für den wertlosen Anspruch gegen den insolventen Schuldner erlangt. Mit der actio de dolo sanktioniert ist eine Täuschung ferner, wenn sie zu einem nicht mehr mit der replicatio doli wettzumachenden Ausschluss eines Anspruchs geführt hat, sei es im Wege einer stipulatio Aquiliana, sei es durch die Hinnahme eines klageabweisenden Urteils. Zwischen beiden Fällen steht der streitentscheidende Meineid des Schuldners, den Labeo noch zum Anlass für die Gewährung der actio de dolo nimmt. Dagegen glauben die späteren Juristen, dass der Gegner durch Zuschiebung des Eides gerade auch das Risiko eines falschen Schwures auf sich genommen hat. Zumeist keiner Konkurrenz unterliegt die Arglistklage schließlich bei einem durch Täuschung erschlichenen Rechtsgeschäft von erbrechtlicher Relevanz sowie bei einer Freilassung und einem die Freiheit feststellenden Urteil. Sind beide Entscheidungen auch irreversibel und Sklaven nicht für ein gegenüber dem eigenen Gewalthaber verübtes Delikt haftbar, lassen die Juristen sie dennoch mit der actio de dolo einstehen, weil die Tat erst mit Erlangung der Freiheit vollendet ist. Seit der Ausdehnung des Anwendungsbereichs auf jegliche mit Vorsatz begangene Schädigung erfasst die actio de dolo über den Betrug hinaus auch alle anderen Fälle, in denen dem Opfer ein reiner Vermögensschaden entsteht. Der Kreis der dazugehörigen Fälle ist jedoch überschaubar und beschränkt sich auf die Kollusion mit einem Vertreter des Geschädigten, die Urkundenunterdrückung, Manipulationen zur Umgehung der adjektizischen Haftung und das Fehlverhalten eines Amtsträgers. Diese mit der Arglistklage sanktionierten Taten weisen durchgängig und zwangsläufig eine gewisse Ähnlichkeit zum Ausgangsfall des Betrugs auf. Denn der Täter muss, um den angestrebten Nachteil zu bewirken, heimlich vorgehen und den Anschein erwecken, als sei dieser von selbst und ohne sein Zutun entstanden. Da so nur die Tat selbst verdeckt wird, liegt zwar kein regelrechter Betrug vor; das Opfer wird jedoch in vergleichbarer Weise irregeführt. Nicht mehr mit einem Betrug vergleichbar ist hingegen die Eigentumsverletzung, insbesondere in der Form der Sachbeschädigung. Auch sie fällt in das von Labeo etablierte Konzept des dolus, löst aber nur selten eine Haftung mit der Arglistklage aus. Zumindest im hoch- und spätklassischen Recht werden die mittelbare und die Sachbeschädigung zum Nachteil eines Nießbrauchers durchgängig mit zweckdienlichen Klagen in Gestalt von actiones in factum bewältigt. So bleiben für die actio de dolo nur die Fälle übrig, in denen das Opfer der Tat über

Fazit

117

kein dingliches Recht an der beschädigten Sache verfügt. Hierzu kann es kommen, wenn eine zum Nachlass gehörende Sache vor Erbschaftsantritt zerstört und so entweder schon die Rechtsnachfolge oder zumindest der Erwerb des Eigentums an der Sache vereitelt wird. Die Gewährung der Arglistklage folgt hier dem Vorbild der lex Aquilia. Sie wird daher auch bei einer bloß fahrlässigen Sachbeschädigung, aber nur dann gewährt, wenn sich der Täter auch bewusst ist, dass er in einen fremden Rechtskreis eingreift, und sich die Reihenfolge von Schädigung und dinglichem Rechtserwerb daher als zufällig erweist. Von selbst versteht sich dies im Fall einer Schadensverlagerung, die eintritt, wenn die beschädigte Sache Gegenstand einer strengrechtlichen Verbindlichkeit des Eigentümers ist. Zwar ist er als solcher zur aquilischen Klage aktivlegitimiert, wegen der Beschränkung seiner Schuld auf die beschädigte Sache aber nicht zur Übertragung dieses Schadensersatzanspruchs verpflichtet. Damit dieser wiederum zufällige Umstand die aquilische Haftung nicht vereitelt, wird sie in der Weise nachgebildet, dass der durch die Tat betroffene Gläubiger mit der actio de dolo auf den Schädiger zugreifen kann. Weniger Raum für Analogieschlüsse lässt von vornherein die actio furti, die im Gegensatz zur actio legis Aquiliae nicht an das Eigentum, sondern das wirtschaftliche Interesse an der Vermeidung des Diebstahls anknüpft. Die actio de dolo kommt hier nur in dem Ausnahmefall zum Zuge, in dem der Täter ohne Zueignungsabsicht handelt, sowie dann, wenn es an einem tauglichen Tatobjekt für das furtum fehlt, sei es, dass sich der Täter eines Grundstücks bemächtigt, sei es, dass er sich den geistigen Inhalt einer Urkunde aneignet, indem er sich eine Abschrift verschafft. Im Nachbarrecht findet die actio de dolo schließlich Anwendung, um den Rechtsgedanken der actio aquae pluviae arcendae zur Geltung zu bringen: Als Ausdruck des Prinzips, dass Nachbarn untereinander zur Rücksichtnahme verpflichtet sind, löst er eine Arglisthaftung in den Fällen aus, in denen der Täter seinem Nachbarn durch ein an sich erlaubtes Verhalten einen Nachteil zufügt, der gewöhnlich Gegenstand der Klage auf Abwehr von Regenwasser ist. Auch obligatorische Rechte geraten mit der Erweiterung des dolus-Begriffs in den Schutzbereich der actio de dolo: Bis sich eine großzügige Handhabung strengrechtlicher Verpflichtungen durchsetzt, sorgt sie hier dafür, dass ein Verhalten sanktioniert wird, das beim bonae fidei iudicium als Verstoß gegen das Gebot der guten Treue haftbar machen würde. Im Fall der Vernichtung eines Leistungsgegenstands durch einen Bürgen bewirkt sie bis zur Ableitung von dessen Haftung aus seinem eigenen Leistungsversprechen, dass sich auch gegen ihn der Rechtsgedanke der perpetuatio obligationis kehrt. Dasselbe gilt bei der vorwerfbar herbeigeführten Beschränkung einer Wahlschuld sowie in dem Fall, dass ein Nießbrauch, der durch Vindikationsvermächtnis hinterlassen oder aufgrund eines Damnationsvermächtnisses bestellt ist, nachträglich durch Veränderung der belasteten Sachen zum Erlöschen gebracht wird. Der Eigentümer des Grundstücks, den eigentlich keine Verbindlichkeit gegenüber dem Nießbraucher trifft,

118

Fazit

haftet hier so wie in dem Fall, dass er seine noch unerfüllte Verpflichtung zur Bestellung eines Nießbrauchs untergraben hätte. Die actio de dolo stellt in diesem Fall gleichsam ein Schuldverhältnis zwischen den eigentlich nur auf dinglicher Ebene verbundenen Beteiligten her. Ähnlich verhält es sich bei der mangelhaften noxae deditio, die für den Geschädigten infolge der vorangehenden Verpfändung des ausgelieferten Sklaven ohne Wert ist: Obwohl die Noxalhaftung eigentlich schon erloschen ist, wird der Eigentümer des Sklaven nach dem Vorbild der Rechtsmängelhaftung zur Verantwortung gezogen. Eignet sich die actio de dolo auch dazu, ein anderweit nicht begründetes Schuldverhältnis zu schaffen, bedienen sich die Juristen ihrer in dieser Funktion doch nur sehr zurückhaltend. Sie setzen sie nicht etwa dazu ein, für die Durchführung einer unwirksamen Vereinbarung zu sorgen, sondern gewähren nur dem Teil, der im Vertrauen auf ihren Vollzug einen ansonsten vermiedenen Nachteil erlitten hat, einen korrespondierenden Ausgleich. So tritt die Arglistklage nicht etwa in Konkurrenz zur actio praescriptis verbis, mit der das Interesse am Vollzug eines Innominatvertrags geltend gemacht wird. Stattdessen ist sie hier auf ihren Ausgangsfall einer Täuschung beim Vertragsschluss sowie auf das mit der condictio ausnahmsweise nicht zu befriedigende Interesse an der Rückgewähr einer schon erbrachten Leistung beschränkt. Bei einer nicht vollzogenen Schenkung dient die actio de dolo allein dazu, dem Schenker zum Ersatz der Aufwendungen zu verhelfen, die er im Vertrauen auf die ausgebliebene Zuwendung gemacht hat. Und bei einem unwirksamen Auftrag fällt das Interesse, sich nicht auf den Vollzog des Geschäfts eingelassen zu haben, mit dem an seiner Durchführung zusammen, weil sich unterstellen lässt, dass der enttäuschte Teil das gewünschte Ergebnis auf andere Weise herbeigeführt hätte. Dasselbe gilt auch in den Fällen, in denen die Juristen die actio de dolo gewähren, ohne dass es überhaupt zu einer regelrechten Vereinbarung gekommen ist. Die Arglistklage schützt hier eine auf andere Weise begründete Verhaltenserwartung, wie sie sich aus der Ankündigung eines dinglichen Rechtsstreits, der Annahme eines in Erwartung der Einhaltung einer Freilassungsbedingung ausgesetzten Vermächtnisses sowie aus der Ankündigung ergibt, einem durch Testament eingesetzten Erben werde sein Erbteil auch im Fall der Einweisung in den Nachlassbesitz contra tabulas erhalten bleiben. Besonders deutlich tritt die Identität des Interesses, nicht auf den anderen Teil vertraut zu haben, mit dem Vollzugsinteresse in dem Fall zutage, dass ein Sklave vor seiner Freilassung die Übernahme der Verpflichtung eines Mittelsmannes verspricht, der sich dem Eigentümer einstweilen verbindlich gemacht hat. Weigert sich der ehemalige Sklave zur Einhaltung dieser Abmachung, die ihn mangels Rechtsfähigkeit nicht bindet, wird er im Wege zur actio de dolo zur Zahlung der vom Mittelsmann versprochenen Summe gezwungen. Diese entspricht sowohl dessen Interesse an der Vermeidung seiner Verpflichtung als auch dem Betrag, mit dem der Eigentümer den Verbleib des Sklaven in seiner Gewalt bewertet.

Fazit

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Der behutsame Einsatz der Arglistklage im Fall unwirksamer Vereinbarungen und vergleichbarer Verhaltenserwartungen ist ein Beleg für die Zurückhaltung, mit der die Juristen von dem großen Potential Gebrauch machen, das Labeos Neubestimmung des dolus-Begriffs eröffnet. Zwar entscheiden sie sich zuweilen für die Gewährung eines Anspruchs, der sich nicht schon dem Vertragsrecht entnehmen lässt. Sie setzen sich damit aber nicht über den Grund hinweg, aus dem die vertragliche Bindung scheitert; und sie lassen die actio de dolo auch nicht in Konkurrenz zur actio praescriptis verbis treten, der sie ebenso den Vorrang gewähren wie den etablierten actiones in factum, mit denen die Deliktshaftung erweitert wird. Nur wo diese Klagen versagen, setzen die Juristen die actio de dolo zur vorsichtigen Rechtsfortbildung ein, die sich stets am Vorbild eines bestehenden Haftungsinstituts orientiert. Am Weitesten gehen sie dabei in den Fällen, in denen sie ein schon vorhandenes oder untergegangenes Schuldverhältnis um Elemente einer anders gelagerten Verbindlichkeit anreichern, indem sie insbesondere die Haftung für einen Verstoß gegen das Gebot der bona fides oder eine perpetuatio obligationis nachahmen. Auch dieser Schritt ist aber keineswegs spektakulär und bleibt damit im Rahmen des Subsidiaritätsgedankens, mit dem die actio de dolo von vornherein verbunden ist und der seit der Ausweitung ihres Anwendungsbereichs durch Labeo besondere Bedeutung erlangt hat.

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21 Fn. 35, 32 21

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Corpus Iuris Civilis Institutiones 4.16.2

29

Digesta 2.14.7.2 2.14.7.10 3.2.1 4.1.7.1 4.2.14.13 4.3.1pr 4.3.1.1 4.3.1.2 4.3.1.3 4.3.1.4 4.3.1.5 4.3.1.6 4.3.1.7 4.3.1.8

101 32 f. 31 Fn. 49 19 21 f., 59 Fn. 125 34 7 f. 31 ff. 35 18, 22 17 14 14 f. 15 f.

Quellenverzeichnis 4.3.2 4.3.3 4.3.4 4.3.5 4.3.6 4.3.7pr 4.3.7.1 4.3.7.2 4.3.7.3 4.3.7.4 4.3.7.5 4.3.7.6 4.3.7.7 4.3.7.8 4.3.7.9 4.3.7.10 4.3.8 4.3.9pr 4.3.9.1 4.3.9.2 4.3.9.3 4.3.9.4 4.3.9.4a 4.3.9.5 4.3.10 4.3.11pr 4.3.11.1 4.3.12 4.3.13pr 4.3.13.1 4.3.14 4.3.15pr 4.3.15.1 4.3.15.2 4.3.15.3 4.3.16 4.3.17pr 4.3.18pr 4.3.18.1 4.3.18.2 4.3.18.3 4.3.18.4

15 f., 18 Fn. 20 15 f. 16, 18 Fn. 20 51 Fn. 101, 63 16 15 Fn. 16, 18, 55 f. 15 15 16 f., 86 ff. 69 70 76 f. 78 ff. 111 ff. 60 f. 37, 44 45 41 53 f. 64 f. 107 f. 96 f. 97 f. 36 36 36 23 f. 23 f. 25 26 f. 27 27 f. 28 28 10 f. 10 f. 30 11 f. 12 69 41 f. 52 f.

123

124 4.3.18.5 4.3.19 4.3.20pr 4.3.20.1 4.3.21 4.3.22 4.3.23 4.3.24 4.3.25 4.3.26 4.3.27 4.3.28 4.3.29 4.3.30 4.3.31 4.3.32 4.3.33 4.3.34 4.3.35 4.3.36 4.3.37 4.3.38 4.3.39 4.3.40 4.4.3.6 4.4.7.3 4.4.9.6 4.4.10 4.4.11pr 4.4.16.4 4.4.17 4.4.27.4 4.4.41 4.4.44 4.6.26.9 4.8.31 7.1.17.3 7.4.5.3 7.4.6 7.4.7 8.5.9pr 8.5.19

Quellenverzeichnis 73 ff. 90 ff. 65 f. 51 50 50 54 58 52 25 25 10, 26 26 26 81 109 f. 109 Fn. 237 104 ff. 71 112 f. 40 Fn. 76 49 58 f. Fn. 123 54 f. 33 Fn. 59 33 Fn. 59 56 f. 56 f. 56 f. 33 f. 33 Fn. 59 20 33 Fn. 59 33 Fn. 59 19 Fn. 24 61 f. 68 Fn. 141 93 ff. 94 ff. 94 ff. 94 ff. 62 f.

Quellenverzeichnis 9.1.1.7 9.2.9pr 9.2.11.10 9.2.42 9.2.54 10.4.16 11.3.5pr 11.6.1pr 11.6.5pr 11.7.14.2 12.2.2 13.7.36.1 15.1.30.6 15.3.10.6 16.3.7pr 17.1.2.6 17.1.8.1 19.2.22.3 19.5.5.2 19.5.5.3 19.5.5.4 19.5.14pr 19.5.15 19.5.16 21.1.19pr 21.2.21pr 21.2.50pr 23.3.16 23.3.69.7 30.110 37.5.8.2 37.15.2 39.3.1.11 39.3.1.12 39.3.2.5 39.3.14pr. 39.5.6 39.5.18.3 41.2.3.8 41.2.44.2 44.4.2 44.4.4.16

75 f. 76 Fn. 161 68 Fn. 142 71 73 f. 80 80 Fn. 171 107 Fn. 230 106 f. 106 51 43 f. 8 66 f. 79 f. Fn. 171 45 Fn. 87 51 Fn. 101, 60 34 99 ff. 99 ff. 100 f. 79 Fn. 170 98 f. 103 f. 40 Fn. 76 85 Fn. 183 67 47 Fn. 47 f. 88 ff. 110 f. 22 f. 82 f. 82 f. 83 f. 84 f. 104 ff. 47 81 Fn. 179 81 Fn. 178 38 Fn. 70 23 Fn. 40

125

126 44.4.5.6 44.7.35 45.1.88 45.1.91.4 46.3.33.1 46.3.95.1 46.7.6 47.2.28 47.2.29 47.2.30 47.2.43.3 47.2.50.4 47.2.52.21 47.2.52.22 47.2.52.23 47.2.52.24 47.2.67.4 47.20.3.1 48.10.7 50.14.2 50.17.47pr

Quellenverzeichnis 8 10 Fn. 4, 25 f. 90 f. 91 f. 88 Fn. 191 10 Fn. 4, 91 f. 59 Fn. 123 71 f. 72 72 43 77 f. 37 Fn. 66 42 Fn. 78, 80 82 82 37 Fn. 66 13 65 Fn. 135 46 f. 45

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49 f. 64 37 114 Fn. 242 113 114 86 Fn. 184 12 Fn. 13 8 f. 102 24, 49 Fn. 94 37 53 9 f., 3 57 83 19 f. 22 Fn. 38., 48 f. 70 Fn. 147