A. M. von Thümmel’s Sämmtliche Werke: Band 6 [Reprint 2020 ed.] 9783111406305, 9783111042824


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A. M. von Thümmel’s Sämmtliche Werke: Band 6 [Reprint 2020 ed.]
 9783111406305, 9783111042824

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M. A.

VON

THÜMMELS

SÄMMTLICHE WERKE

S 1

L E I P Z I G ,

Ç, H S T F, P.

B t l

G.

J.

B A N

G Ö S C H E N

I'

1 g

1

R in

die

E

I

E

mittäglichen von

VI. T h .

Provinzen

Frankreich.

F ü n f t e r

T h . \V.

S

T h e i l .

Den 1r,. Februar.

I n ein k l e i n e s ,

rulliges,

m i t einer dun-

keln Lampe erleuchtetes Stübchen verwiesen,

sitze i c h

hier in einem ländlichen

Posthause,

zwey Stationen

täubenden

Hauptstadt

konnte



von der bedenn

weiter

ich heute n i c h t kommen —

und

blicke meinem abgelaufenen Tage in einer Gemiithsstimmung n a c h , w i e ich sie mir nur,

bei

dem

letzten

herabrieselnden

Sandkörnchen meines Stundenglases, zum U b e r s c h w u n g in die E w i g k e i t w ü n s c h e i l kann.

I c h habe d i e , selbst in ihrer Ver-

rückung n o c h , unübertreffliche F r a u ges e h e n , g e h ö r t , b e j a m m e r t und angebetet. W ä r e n ihr alle Verstandesberaubte gleich, so würde giöse

ich

die

Verehrung

mahomedanische reliderselben

ohne

ken in meine Glaubensartikel

Beden-

aufnehmen.

4 Doch gemach !

Wir müssen erst,

lieber

Eduard , einen langen sauern Weg zurücklegen , ehe wir in die verschwiegene Halle gelangen, die diese Heilige von der grofsen lärmenden Gesellschaft gemeiner Unsinniger scheidet.

Ich

mich

bei

einen Freund

liefs

des

ihrem Vorsteher

als

Marquis ansagen.

E r empfing mich schon

darum mit vieler Achtung, die schnell in Zutrauen überging, da meine Eigenliebe ihm nicht verschweigen konnte, dafs ich dem grofsen F e s t e ,

von dem ich

eben

zurückkäme, als der einzige Fremde beigewohnt hätte: denn es ist unglaublich, was der kleinste Beweis von Auszeichnung, mit welcher St. Sauveur jemanden beehrt,

in den Augen der Rechtschaffnen

für einen Glanz auf ihn zurückwirft.

Un-

ter diese Zahl gehört Herr Filbert

un-

streitig, ein Name, der zwar von keinem Stammbaume beschattet wird,

den ich

aber in den meinigen vor vielen andern aufnehmen möchte, die,

stiftmäfsig, ihr

5 Leben in S p i e l - , T r u n k - und Theegesellschaften vergeuden. Er habe sich, sagte e r , uin seine nichts weniger als anlokkende Stelle beworben, die seiner Mutter Bruder aber, trotz ihrem geringen Schimmer , zu einem wahren Ehrenposten erhoben hätte. Ich zog den Hut a b , als er inir auf mein Befragen nach dem Namen seines Oheims den edeln Howard nannte. „Wenn ich etwas Gutes in meinem beschwerlichen Amte bewirke, so verdanke ich es dem Stolze, einem solchen Blutsfreunde nachzueifern, den ich ganz jung kennen lernte, als er die hiesigen Gefängnisse und Armenhäuser besuchte. Ich h a b e , w i e e r , nicht die Phantasien der W e l t w e i s e n , sondern der Narren studirt — nicht die Kunst, Paläste anzulegen und zu verzieren, sondern bequeme Kerker zu b a u e n , und mit gesunder Luft zu f ü l l e n , ihm abgelernt, werde der Nachw e l t so w e n i g , als e r , eine verbesserte Taktik — wirksamere Mordgewehre, oder

6 neue Plane zu Lotterien und Auflagen — aber der Menschlichkeit in einer Wissenschaft,

die noch sehr im Filistern liegt,

hellere Augengläser vererben.

Diese An-

strengung meiner wenigen Kräfte glaube ich dein Ruhme meines Oheims schuldig zu seyn."

Es ist g u t , E d u a r d , dafs die

N a t u r durch

das Hirngespinst

körperli-

cher Verwandtschaft manchmal auch noch eine geistige s t i f t e t ,

so wie der

leere

Schall eines N a m e n s , den ein berühmter Vorfahr auf uns gebracht h a t , selbst bey dem Unvermögen,

ihn zu e r h ö h e n ,

uns

doch gewifs abhalten w i r d , ihn verächtlich zu machen.

Ein Namensvetter von

Howard oder Filbert k ö n n t e , d ä c h t e i c h , kein unnützer Weltbürger werden.

Meine

Begriffe sind gewifs von dem Verdienste eines Monarchen nicht klein, Staaten in Ruhe

zu

erhalten

der seine und

das

Glas voll gährender Hefen so geschickt zu tragen v e r s t e h t ,

dafs es weder zer-

bricht noch ü b e r l ä u f t ; wenn aber die Be-

7

hauptung wahr ist, dafs ein Haufe verschobener Köpfe schwerer zu behandeln sei, als eine Armee, die, da sie aus lauter klugen in eine Masse zusammen gezwängt i s t ,

geduldig dem Winke eines

Lappens f o l g t , den ihr Gebieter ihnen zur Hetze auf eine andere Menschenmasse vortragen läfst,

die er — ihren Feind

nennt: — so sollte es beinah scheinen, als ob das Regenten-Verdienst eines Narrenwärters mehr besage, Fürsten.

als das

eines

Nach besserer Überlegung halte

ich jedoch d a f ü r , dafs die Regierungskunst des einen wie des andern auf einerlei Grundpfeilern beruhe, und die einfachen Mittel, die Filbert gebraucht,

um

seine tobende Republik in Gehorsam und Ordnung zu erhalten, dieselben sind, die unser Friedrich, nur nach einem gröfsern Mafsstabe, anwendet.

,,Ich

bändige,"

sagte er, „ d u r c h H u n g e r — belohne durch die Freude der Sättigung, und lasse übrigens in gleichgültigen Dingen jedem tollen

ö Kopfe das Spielwerk seiner Laune. Sie werden mich sogleich deutlicher versteh e n , mein Herr." F,r führte mich nun in die erste der vier Abtheilungen, die in einem weitläufigen Bezirke die verschiedenen Klassen dieser Brüdergemeine von einander sondern. Wenn Apollo einmal einem Dichterchor sichtbar erschiene, schwerlich könnte er von feurigem Augen bewillkommt werden, als hier aus einem Dutzend finstrer Behälter meinein Begleiter entgegenfunkelten. „Nach w a s , " fragte i c h , „streklten diese Rasenden ihre Hände so weit aus ihren G i t t e r n ? " „Nach Federn, Tinte und P a p i e r , " w a r seine A n t w o r t , „sie würden aber bald die ganze milde Kasse gesprengt haben, wenn ich ihnen hierin immer zu Willen stände. Diesen Hof, mein Herr, habe ich nur den Genies der Gesellschaft eingeräumt, die meiner Aufsicht um defswillen am nächsten sind, weil sie ihrer am meisten bedürfen. Sie

9 taugen durchaus in keine andere Abtheil u n g , denn sie würden jeden N a r r e n , der n i c h t m i t ihnen a u f derselben Höhe steht, n u r n o c h närrischer machen. das E x c e n t r i s c h e

Hier h ä l t

des E i n e n den Unsinn

des Andern im Gleichgewicht. welt

ist z w a r

pferd,

das

Die Nach-

allgemeine

das sie r e i t e n ,

und

die

SteckenMinder-

j ä h r i g k e i t des Zeitalters ihre ewige K l a g e . " „Da

sie a b e r , "

wendete

„ e i n a n d e r meistens

i c h ihm

ein,

in die F e n s t e r sehen

k ö n n e n , w i e ich b e m e r k e ,

so dächte ich,

miifste b e i gleichen F o r d e r u n g e n ein una u f h ö r l i c h e r Z w i s t u n t e r ihnen herrschen, dessen A u s b r u c h nur die stärksten Ketten „Dafür

hindern k ö n n e n . " sorgt , "

evwiederte

giebt der W e g e

h a b e ich ge-

der Aufseher.

zur

Unsterblichkeit

„Es so

v i e l e ! und indem i c h hier dem TragödienS c h r e i b e r einen S y s t e m a t i k e r — dort dem medicinischen F r e i g e i s t —

einen S t e r n s e h e r

w e i t e r unten dem G o l d k o c h einen Hel-

densänger,

und

ain E n d e des Hofs dem

10

W e l t v e r b e s s e r e r einen L i e d e r d i c h t e r gegen ü b e r gesetzt h a b e , lachen die einen ü b e r die a n d e r n ,

u n d treffen sich nie in einem

Gleise z u s a m m e n .

Jeder verführt ruhig

seine W a a r c der E w i g k e i t z u , u m die L a d u n g des

o h n e sich

Gegenüberstehenden

zu b e k ü m m e r n .

In i h r e r Kost sind sie

sehr g e n ü g s a m ;

desto gieriger a b e r n a c h

gelehrten Z e i t u n g e n , mal aus

u n d ich k a n n alle-

der rasselnden K e t t e des einen,

o d e r der s c h ä u m e n d e n W u t h des a n d e r n abnehmen,

wenn

einer

ihrer

dem n e u s t e n Blatte gelobt ist.

Zunft

in

Defshalb

lasse, ich seit einiger Zeit n u r ein gewisses J o u r n a l , seiner h e r a b w ü r d i g e n d e n U r t h e i l e w e g e n , u n t e r diesen H e r r e n c i r k u l i r e n , u n d k a n n d e m Herausgeber n i c h t g e n u g d a f ü r danken:

d e n n es s c h e i n t n u r f ü r N a r r e n

geschrieben

zu s e y n ,

u n d b e r u h i g t die

mehligen

aufserordentlich.

intervalla

darf i c h n i c h t

rechnen,

Auf

liicida

eher bei i h n e n

als b i s ein L i c h t in der gelehr-

t e n W e l t verlischt.

E s i s t , als ob sie nach

einer solchen Anzeige mehr L u f t bekämen : denn jeder berühmte Mann scheint ihnen

den Raum

zu verengen.

Konnte

sie ein Schlagflufs alle auf einmal tödten, ich glaube, diese

den Tag nachher bekämen

gelbsüchtigen Thoren

gesunde F a r b e . "

alle wieder

„ D ü r f t e ich w o h l , "

fragte i c h , und winkte Bastianen,

„die-

sen Herren einen Theil meines mitgebrachten Geschenkes

anbieten?"

„ O a n t -

wortete mein F ü h r e r , „ S i e können es nirgends zweckmäfsiger anwenden — nur erwarten Sie keinen Dank dafür — denn so weit reinigt

die stärkste Niesewurz ihr

Gehirn n i e . " —

Indem rief mir der Tra-

gikus mit ironischem

Ingrimm und mit

einem

nein,

Blick

zu



der F u r i e , die ein

Lucan

hat

Nest Schlangen zer-

drückt, während der Sohn des Poinpejus sie um den Ausgang der

Pharsalischen

Schlacht befragt , keinen erschrecklichem gegeben —

„ S t e h t der junge Herr dort —

rief er — etwa auch in dem W a h n ,

ein

D i c h t e r der ersten Klasse z u seyn ? " ,,Gott bewahre m i c h , " erschrocken,

„vor



rief ich ä u f s e r s t

einem

so ü b e r m ü t h i -

gen E i n f a l l e , " u n d b e s c h w o r H e r r n F i l bert,

mich

aus der N ä h e dieses g r o b e n

N a r r e n zu bringen. -— Die a n s t o i s e n d e A b t h e i l u n g w a r still w i e das G r a b .

,,Sie v e r w a h r t , " sagte F i l b e r t ,

„ e h e m a l s g u t e , n ü t z l i c h e Bürger, die d u r c h äufserc u n g l ü c k l i c h e Z u f ä l l e in h ü l f l o s e n B l ö d s i n n g e r a t h e n , u n d auf i h r e m h a r t e n S t r o h l a g e r einer bessern Z u k u n f t entgegen träumen.

Das Mitleid w i r d zu sehr ge-

s p a n n t , um h i e r z u v e r w e i l e n ; d o c h w e r f e n Sie i m m e r im D u r c h g e h n einen Blick i n die m i t t l e r e Z e l l e ,

w e i l Sie bald die

M u t t e r des j u n g e n M a n n e s , der h i e r eingesperrt

ist,

sehen

Er ahndet nicht,

so n a h e w o h n t , d i e , gen ,

ihn

und hören

werden.

dals er der G r a u s a m e n

durch ihr

u m es k u r z zu saBeispiel v e r d o r b e n ,

durch

ihre Lehren zur

seiner

Jugendkräfte,

Verschwendung

zum

Mifsbrauche

seines guten Verstandes gereizt und in diefs Elend gebracht hat — eine Geschichte von gewöhnlichein Ursprung und entsetzlichem Ausgange. „ S e i n Vater — ein reicher Lanquier sonst höchst behutsam in seinen Unternehmungen , — war es nur nicht in der W a h l seiner Gattin.

E r blickte aus sei-

nem Kointoir in die junge weibliche W e l t , wie in ein Waarenlager, und suchte sich das Mädchen a u s ,

das einstimmig unter

den Kennern für die Reizendste wurde.

erklärt

Stolz führte er sie bald als sein

Eigenthum durch die Reihe ihrer Anbeter — glaubte ein unschätzbares Kleinod erhandelt zu haben,

ohne zu bedenken,

dafs es keins in der Ehe giebt, wenn es sich nicht selbst zu schätzen weifs.

Das

wulste seine junge Frau so w e n i g ,

wie

der Diamant des grofsen Moguls — und E r — wenn er nur seine Geldkasten unter dem Schlüssel hatte, glaubte alles in seinem Hause verschlossen.

Während er

»4 gekrümmt an seinem Schreibetische

safs

— hatte er kein Arges auf die Balle, Redouten und Opern, glänzte.

wo

Edelstein

Eifriger konnte er aber kaum

seine Wechselgeschäfte das ihrige.

sein

treiben,

als sie

Sie hätte sogar den Vortheil

gehabt, es länger fortzusetzen, als e r , da ihn ein schneller Tod von der Seite seiner schönen Hälfte wegnahm,

und nun das

Ganze ihren Liebhabern überlassen blieb, •wenn nur nicht nach und nach neben ihrer Wechselbank andere mit melirerem Kredit entstanden — schlankere Gestalten auf den Maskeraden —

leichtere Tänze-

rinnen auf den Bällen — jüngere Gesichter in den Logen erschienen wären,

die

alle Lorgnetten von der ihrigen abzogen. In dieser Verlassenheit,

die mit den Jah-

ren zunahm — bekam sie Zeit, an die Erziehung ihres Sohns zu denken , der schon ziemlich durch ihr Beispiel gebildet, benzehn J a h r e a l t ,

sie-

und reich und schön

genug war, das Werkzeug ihrer doppelten

Rache an unserm und ihrem eigenen Gcschlechte zu werden. Als er an einem Redoutenabend sie um Rath fragte, was er thun solle, um sich auszuzeichnen, stand sie als Zauberin masquirt vor ihm — hob ihren Stab und entlief's ihn mit folgendem Orakelspruch: Blicke um dich und sieh, w i e jene summenden Bienen die Knospen der Rose belagern, u m , sobald sie sich ^aufthun, den ersten Honig aus ihrem Kelche zu saugen — und du könntest die Flügel hängen und anderin Gewürme ruhig den Vorgenufs einräumen ? Ich hasse mein Geschlecht und ergrimme über das deinige. Schaffe mir Genugthuung von beiden und Seelenruhe durch deine Triumphe! ,,An diesem Abend, erzählt man , gelang ihm seine erste Verführung in einer Schäf e r - M a s k e bei einer Schneiders - Tochter, als Diana gekleidet, und beider Unschuld ging verloren. Durch mütterliche Erfahrung wehrhaft gemacht, w i e gefährlich

16

w a r d nicht dieser verwahrloste Jüngling jeder unbewachten

weiblichen T u g e n d ?

W i e manche herrliche Frühlingsblume h a t nicht dieser gehorsame S o h n , auf Kosten seiner eigenen Jugendblüte zerstört ?

In

seinem vier u n d zwanzigsten J a h r e verfiel sein , durch Wollust entkräfteter Körper in ein schleichendes F i e b e r , die Verstandesschwiiche

dem sich

anschlofs,

die

alle seine Ansprüche auf ein frohes Leben vereitelt

und ihn

cudlich unter

Aufsicht gebracht hat.

ineine

Die W e l t bestrafte

das mütterliche Ungeheuer mit Ekel und Verachtung, und der oberste Richter, nach einer mehrjährigen Folter unbefriedigter L e i d e n s c h a f t , durch W a h n s i n n , auch hier nicht einmal dem

der sie

Mitleiden,

sondern dem Spotte der Neugierigen Preis giebt.

Sobald sie einen von unserm Ge-

schlechte zu Gesichte b e k o m m t , wird sie gesprächig, und entwickelt den Gang ihres häfslichen Lebens mit einer unbeschreiblichen N a i v e t ä t ,

die

jedoch f ü r einen

i7 Psychologen nicht ohne W e r t h ist. An der Spitze einer Schaar sinnloser Weiber scheint sie ruhiger zu seyn, als sie es in der vorigen verschuldeten Einsamkeit ihrer prächtigen Wohnung w a r , und vertreibt sich die Zeit durch idealische Buhlerei mit dein Himmel. Als man sie über diesen Hof in ihren K'afich f ü h r t e , kehrte auf einen schrecklichen Augenblick diu Besinnungskraft des Sohnes zurück. Er erkannte die mütterliche Furie — griff rasend in sein Gitter — verfolgte sie mit brüllenden Flüchen, und stürzte dann ohnmächtig auf sein Lager. Sie aber, nur mit ihrem schamlosen Aufputze beschäft'St' g i n g gefühllos vorbei, ohne, w i e es schien, das Schlachtopfer ihrer widernatürlichen. Laster bemerkt zu haben." „Die Geschichte ist gräfslich, lieber Filb e r t , " s a g t e i c h , „sie zerreilst das Herz und bestätigt die Bemerkung, die ich schon in mehrern Irrhäusern zu machen Gelegenheit gehabt habe, dafs unter allen Th. W .

VI. Th.

-i

10

schauderhaften Geburten

des Wahnsinns

keine unserer Seele so w i d r i g und abstofsend erscheint,

als die aus zügellosen

unkeuschen Begierden e n t s p r a n g . " Mein Auge kam von dem Hinblick,

den

es in die grausende Richtstätte des todtbleichen , hohläugigen , zum Selbstmörder herabgesunkenen unseligen Jünglings that, m i t solchem Entsetzen z u r ü c k , dafs mich Filbert geschwind mit den W o r t e n : „Kommen Sie,

mein

Herr ! "

bei der

Hand

nahm. „Als einen M a n n ,

der die Welt

kennt,

wird Sie die folgende Gallerie wieder aufmuntern.

Sie e n t h ä l t ,

was man halbe

Narren n e n n t , n u r um etwas anmafslicher — lächerlicher und gesprächiger, als uns deren nur zu o f t im gewöhnlichen Leben aufstoi'sen! Sie spielen die Angenehmen, dociren gern —

fragen zur Unzeit —

sind zudringlich und mit unter von der lustigsten Laune. —

Einige haben sich

aus rasender Prosa in die matteste Poesie

»9 geworfen.

Diese Krankheit —

ein son-

derbares, aber gegründetes Phänomen — ist gerade an die Stelle des Kerkerfiebers g e t r e t e n , das ich glücklich genug gewesen bin,

nach der Anleitung meines Oheims

auszurotten.

Ich w ü r d e gern die harmo-

nischen Anfalle dieser armen Prefshaften — w i e den Ubergang eines hitzigen Fiebers in ein kaltes — f ü r ein Zeichen der Besserung h a l t e n ,

wenn der unbegreifli-

che S t o l z , der sie dabei j u c k t , mich nicht wieder über

ihren Zustand irre machte.

Einer der ausgezeichnetsten in dieser Rücksieht sitzt gleich

in der nächsten Zelle.

Ich habe ihn erst kürzlich aus der ersten Klasse in diese — aus der wirklichen in die stille W u t h g e b r a c h t ,

indem ich sei-

nem Hochmuthe ein wenig nachgab.

Der

Wunsch des J u l i u s C ä s a r , lieber an einem kleinen Orte der e r s t e ,

als der z w e i t e in

R o m zu s e y n , w a r ihm in gesunden T a gen ü b e r a l l , w o er h i n k a m , sitäten und

auf D ö r f e r n ,

a u f Uniververunglückt,

20 hatte sich aber in seinem Kopfe so arithmetisch festgesetzt, dafs er auch hier im Tollhause nicht

davon abgehen

wollte.

Eine solche Würdigung seiner selbst verlangte nun freilich einen untergeordneten Zähler, und ich konnte lange für diese Stelle kein taugliches Individuum auftreiben , bis mir ein Kandidat in die Hände gerieth, dem die Epidemie der SchulverbesserungÖ

in das Gehirn C5 getreten

war.

Diesen gesellte ich jenem b e i , so wie die Thierwärter ein Hündchen in den Käfich des Löwen stecken, um ihm durch

das

Gefühl der Grol'smutli für ein schwaches Geschöpf alle Kampflust

gegen

stärkere

aus dem Sinne zu schlagen." Wir

traten

ein.

Schwerlich würde ich

mich in die närrische Gruppe,

die sich

mir darstellte, ohne die voraus erhaltene Erläuterung gefunden haben.

Aufgeblasen

safs der Erste iin Rang, sechs Stufen hoch unter einem Thronhimmel mit Goldpapier überkleistert,

hielt

in

seiner

Hechten

21 einen hölzernen Zepter und lächelte mit verächtlichem Mitleid auf die Null herab, der er doch das süfse Bewufstseyn seiner zehnfachen Vergröfserung hatte. halb

zu verdanken

In gehöriger Entfernung seines

glänzenden

Sitzes

unter-

verfolgte

der tolle, und wie ein hessischer Züchtling aufgestutzte Tädagog, rendem Zivkelschlag seine

in

fortwäh-

überspannten

Ideen und haschte nach W ö r t e r n , die er so lange über einen philosophisch-grammatikalischen Leisten zerrte, bis er einen Schuh fertig brachte, der aber auch freilich darnach war. I c h liege — IMI liegest — wir liegen G l e i c h eingehüllet und w a r m . Der eine geschminktem V e r g n ü g e n , E i n andrer der S c h w e m u i l h i m A r m . I c h ziihle — du zählest — wir zählen Die H o h e m als T h o r e n , und sind I m F o r s c h e n , i m W ü n s c h e n und Wahlen Gleich unheratlicn und Mit id.

I c h harre — du harrest — w i r D e s Possenspieles

harren

Vergang.

D o c h dauert lustigen Narren D i e Hora selten zu lang.

D u w ü r d e s t mir gewifs das L a c h e n vergeben h a b e n ,

lieber E d u a r d ,

das

mich

beim Anblicke dieses albernen Wortkrämers befiel.

Von Ihro Magnificenz zog

es mir aber einen tüchtigen Verweis zu. — 0 , rief er und winkte mit seinem Zepter darein: O , Ihr K r i t o n s ! * ) L a f s t den kranken Füllentreiber

unverlacht,

D e r z u m K r e i s l a u f der G e d a n k e n A u s der W i l d b a l m

ohne Schranken

E i n e Keilbahn macht ! * ) K r i t o n erwarb sich den bittersten Undank v o n seinem B r u d e r T h r a s y l l u s , Wahnsinn,

dafs

da er ihn v o n dem siifsen

alle Schiffe im Hafen sein waren,

h e i l t e , u n d z u der traurigen Gewifsheit zurückbrachte ,

dafs es nicht w a h r sei.

manchmal e i n ,

wenn

Antikritiken lese.

M i r faÜL das Beispiel

ich auf liccensionen

gewisse

23 Gönnt dem T h o r e n sein Entzücken ! Stört nicht seines Stolzes Ruh ! D r e h t mit abgewandten Blicken E r denn nicht sogar den Rücken Meinem Purpur z u ?

Meinst Du nicht auch, Eduard, ein Kreisel,

dafs 60

der sich eine Viertelstunde

vor unsern Augen herumdreht, wohl uns am Ende selbst wirblich zu machen im Stande s e i ?

Ieh möchte es beinahe aus

der einfältigen Empfindlichkeit schliefsen, mit der

ich

die Zurechtweisung

eines

solchen Hochmuthsnarien , als dieser Zepterträger

war,

aufnahm.

wirklich,

dafs ich in

Ich

einem

vergafs

Tollhause

w a r , schlug ihm ein Schnippchen zu und k a m , indem ich hastiger, als nöthig war, sein Auditorium

verliefs,

darüber

mit

dem Daumen zwischen Thür und Angel; doch,

sobald ich an die freie Luft kam,

verlor sich eine und die andere unangenehme Empfindung.



24 „ U n d wer ist d e n n , " wendete ich mich gegen meineil Begleiter, „ d e r ältliche Mann, der hier so

frei herumgeht und so be-

h u t s a m einhertritt,

als ob

er auf Eier

träte und ein Geheiinnifs unter dem Mantel t r ü g e ? "

,,Er i s t , "

berichtete mich

F i l b e r t , „ m e i n Unteraufseher in diesem Hofe und nur um etwas k l ü g e r , er bewacht.

als die

E s gab eine Z e i t , w o dieser

Schlcicher als der sicherste Führer durch das L a b y r i n t h der Metaphysik angestaunt wurde,

und Schüler z o g ,

leicht hier

d i e . i h n viel-

noch einholen.

Es

mochte

w o h l damals nicht ganz richtig mit ihm bestellt seyn.

Seine letzte Arbeit

verrieth ihn vollends.

aber

Nach vielen Ver-

suchen über die Anomalien anderer kam e r ' e n d l i c h auf seine eigenen, er,

glaube

ich,

hätte

mit denen

anfangen

sollen,

und auf den unglücklichen Einfall, Selbstbekenntnisse zu schreiben, wie Rousseau. Von dieser E p o c h e

an zählt sich seine

Verirrung."

ist a u c h , "

„Das

fiel ich

ihm ins W o r t , ,,der geradeste W e g , entweder

ein Heuchler

werden. —

oder ein Karr zu

Könnten Sie mir wohl sa-

gen , ob er sie in Form eines Tagebuchs s c h r i e b ? " ,,Ist mir nicht b e k a n n t , " antwortete Herr Filbert.

,,Die Handschrift

wurde auf königlichen Befehl verbrannt." — „ V e r b r a n n t ? " w i e d e r h o l t e i c h , ,,wie kommt es aber, dafs man einen so gefährlichen Schriftsteller bei dem Zuspruche der vielen

Neugierigen in so leidli-

cher Verwahrung h ä l t , und ihm obschon die Feder nicht — läfst?"

doch die Zunge frei

,,Weil e r , "

gab mir der Ober-

aufseher zur Antwort, „keiner Seele etwas zu leid t h u t , immer am liebsten von sich spricht, wie sein Original, in der freien Luft am ruhigsten als

jener,

ein

Metaphysikus

in

die

ist — Sonne in

eben so gern, blickt,

einem

und

Tollhause

keine Autorität mehr bei seinen Zuhörern hat.

Sein verlorner Wirkungskreis schien

ihn anfangs

sehr zu schmerzen — diefs

26

bewog mich,

ihm als eine kleine

Ent-

schädigung die Polizei dieses Hofs anzuvertrauen. dabei — Gitter zu

Er

benimmt

schleicht — Gitter —

sich

recht

gut

w i e Sie s e h e n ,

von

horcht,

beobachtet

und verfehlt n i e , es mir sogleich z u melden , w e n n einer seiner Untergebenen den K o p f durch

das L u f t l o c h g e z w ä n g t oder

sonst einen U n f u g gestiftet h a t —

doch

Sie werden gleich selbst urtheilen können, wie

es mit

hier" —

ihm

war

steht."

„Ich

bekleide

seine A n t w o r t auf meine

hingeworfene Frage,

„ein Amt,

das ich

lange durch grofse entfernte U m w e g e z u g e w i n n e n gesucht habe, ehe ich auf einem g a n z einfachen

dahin

gelangte."

„Wie

s o ? " suchte ich ihn in seine S c h w ä r m e rei z u v e r l o c k e n , und ich traf es so gut, dafs

er die

Hülfe n a h m , sein

hier um

mir

Selbstbekenntnifs

t u n g einzufiöl'sen, tete :

grassirende

Poesie

vermuthlich desto mehr

zu für

Ach-

das u n g e f ä h r so lau-

Der Wahrheit dunkeln Pfad zn finden, Der unterm Monde sich verlor, Durchglüht' ich mich und hielt den Blinden Die Leuchte meiner Schriften vor. Mit Rauch umgehen und versunken So gut als sie auf Gottes H e e r d , Schätzt' ich mich doch als einen Funken Des Feuers , das die Geister n ä h r t , A l s einen T h e i l , der für das Ganze Nothwendig wie die Sonne s e i , Und wähnte , z u m gemeinen Glänze Misch' icli auch meinen Firnifs bei. Da hört' ich eine Stimm* erwachan Die W e l t braucht dein erhabnes Licht . Braucht, u m ihr Feuer anzufachen , Den Brennstoff deiner Schriften nicht ? Lais dem Erhalter seine S o r g e n ; Genug dem S t e r b l i n g , der i m Schweifs Des Angcsichls den nächsten Morgen Mit Heute zu berechnen weifs.

JÖ Steig; an d i r Kelle der I d e e n Nicht bis z u m E n g e ! — steig

herab,

Der stolze W e g , der d i r zu g e h e n Vergönnt w i r d , ist der W e g ins G r a b . Der W u r m soll kriechen , sich v e r s l e c k e n , Den S t a u b v e r m e h r e n , der i h n schuf — Das U n s i c h t b a r e zu entdecken Ist keines S t e r b l i c h e n Beruf ! W a s dein Gehirn in U m l a u f

bringet,

B e f ö r d e r t keines S t e i n e s L a u f , S c h r e i b oder n i c h t , die S o n n e

schwinget

S i c h doch a m Horizont h e r a u f . Kann w o h l «ein D o k t o r , ein V e r f e c h t e r Der W a h r h e i t seines innern S i n n s M e h r nützen als ciu N a r r c n w ä c h t c r ? Der w o l l t ' ich eben seyn — u n d b i n ' s !

W o h l Schade,

dachte i c h ,

dafs du dein

Stammbuch nicht bei dir hast, denn das w ä r e gerade der M a n n , den du ohne Bedrnken um ein Memoriae

gratia

bitten

¿9 könntest.

Ich w ü r d e auch gern

seiner

Beichte — ob ich gleich hier u n d da den S i n n erst h i n e i n l e g e n m u f s t e , noch

eine

mein

W e i l e geliehen h a b e n ,

n i c h t das seine d u r c h

ein

Ohr wäre

G e r ä u s c h am

E n d e des Hofs s t u t z i g g e w o r d e n — d e n n n u n w a r er n i c h t a u f z u h a l t e n . Sie ihn n u r g e h e n s a g t e

„Lassen

Herr Filbert,

„ S i e sollen n i c h t s d a b e i einbiifsen.

Tre-

ten Sie n u r an das G i t t e r N u m m e r f ü n f , w e n n Sie einen K a r r e n v o n Magister hören w o l l e n ,

den das N a c h g r ü b e l n

über

die s c h w i e r i g e , a b e r n i c h t ganz v e r w e r f liche

Physiognomik

Seine U r t h e i l e sind

irre

gemacht

hat.

o f t sehr t r e f f e n d —

Sehen Sie n u r w i e seine W ä n d e m i t Schatt e n r i s s e n ü b e r k l e b t sind. kann

ich I h n e n

voraus

In einer S t u n d e sagen,

ist I h r e

S i l h o u e t t e a u c h d a r u n t e r , und" g e w i l s so g l e i c h , als w e n n Sie i h m ten. " — ich,

„ D a ist es

„wirklich

gesessen h ä t -

docherwiederte

ewig Schade,

dafs sein

T a l e n t l i i e r , so ganz u n n ü t z f ü r die W e l t ,

3o vergraben ist. sen ? " —

Spricht er auch in Ver-

,, Das können Sie denken

sagte mein Führer Thür. leid,

und klopfte an die

Der arme Narr! Es that mir wohl dafs er meinetwegen

von seinem

Arbeitstische aufstehen mufste.

Er schien

es mit Verdrufs zu t h u n , und das kann wohl nicht anders als dem zum Tiachtheil gereichen, nimmt. fafste,

den er unter

seine Scheere

Sobald er mich in das Licht studierte er meine Gesichtszüge

mit so tief forschenden Elicken, dafs es mir eiskalt über die Haut lief.

Es währte

lange — und das ist begreiflich — ehe er sein Urtheil abgab.

Ich reichte ihm

inzwischen eine Prise Tabak,

um mich

bei ihin in Gunst zu setzen.

Er nahm

sie auch mit sichtlichem

Vergnügen —

nies'te und erklärte sich: W o h l dem , der so wie D u bedächtig Nur die gerade Strasse g e h t , Stets seiner schwachen Sinne mächtig

S i c h nie aus seinem Gleise

dreht!

Defs ü b e n v i c h t i g e s G e h i r n e Nie in den S t ü r m e n l i n t e l s a n k . W o h l seiner f l a c h e n S t i r n e , D e n n i h r gebührt der Dank. T r i t t a u c h in D e i n e m T r a u e r s p i e l e K e i n Konig L e a r aufs B i e t — w o h l Dir ! D e m Rasenden z u n ä c h s t , a m Z i e l e Der N a r r h e i t , stand sejn S h a k e s p e a r . K l u g m e i d e t d r u m der Dichter Haufen D i e , seit i h m , unbetretne B a h n . W i e b a l d ist nicht i m L a u f e n E i n S c h r i t t zu viel gelh«m! E i n S c h l u c k zu viel heim Nektar - Schmaus^ A p o l l e n s — eine llosc m e h r Der Rosen in d e m vollen Straufse D e r L i e b e , s c h l e u d e r t Dich hiehcr ; D i e T l i o r h e i t lockt m i t

AinoreUcn

Die B e r n a r d s in i h r V o r g e m a c h , U n d zieht m i t Ordcnskctlen Den L ö w e n - Ritter *) *)

Don-Quif.iir

nach.

32

Während der gute Magister sich so bescheiden über meine Physiognomie l^erausliel's, beschäftigte ich mich indefs mit der, die er mir darlegte, und fand in seiner gewölbten Stirn, gebogenen Nase, und spitzen Kinnlade

eine Ähnlichkeit

von einem — aber Gott weifs — welchem meiner Bekannten.

Ich liefs mir

von Bastian eine ganze Deute Rappee geben, die ich ihm verehrte, und w i r schieden als gute Freunde aus einander.

Fil-

bert sah nach der Uhr. „ N o c h haben wir Zeit,

einen Blick in

den Hof zu thun, der das weibliche Geschlecht einschliefst.

Gleich am Eingange

wird Sie die sapphische Furie fest halten, von der ich Ihnen erzählt h a b e . "

,,So

wollen wir l i e b e r , " versetzte ich,

„da-

von bleiben!

denn es ist mir schon so

übernächtig ums Herz, als wenn ich ein Dutzend Musenalmanachs gelesen hätte." — „ N i c h t doch, mein H e r r , " redete mir der Aufseher zu. —

Schon des Kontrast*

wegen mit der vortrefflichen D a m e , Sie. bald sehen w e r d e n , zuvor

diesem

die

rathe ich Ihnen

Gegenstücke einen kurzen

Besuch zu inachen." Kaum hatte er die Thür des Hofs geöffnet, so b ä u m t e sich mir auch schon in dem nächsten liehälter ein so widriges Megär e n - G e s i c h t entgegen, als mich seit langer Zeit keins erschreckt h a t — für die Anatomie

der Seele aber ein noch un-

gleich schrecklicheres K a d a v e r ; die Grundzüge sucht,

des N e i d e s ,

der Heuchelei

denn alle der Gefall-

und der Wollust,

die das schlimmste Weib —

so lange es

bei sich ist — in e t w a s doch zu verbergen w e i l s ,

traten hier durch den Hohl-

spiegel der Tollheit so vergröfsert hervor, dafs es keine

andere E m p f i n d u n g ,

Schauder erregen konnte. von ihrer Toilette

als

Sie schien eben

zu kommen und sich

nicht w e n i g auf ihren K o p f p u t z und den vortheilhaften Faltenschlug ihres Halstuches einzubilden. Th. w .

v i . Th.

A u f der einen Seite lag

34 ein Gebetbuch mit vergoldetem Schnitte von Madain Guyon *), wie mir Fulbert sagte, neben einer Muschel mit Schminke — auf der andern eine W u l s t von schwarzem Sammet, die ihrem hoch aufgestreiften Arme zur Unterlage diente. gezwungenen

In dieser

Stellung lächelte sie mich

zuerst grinzenhaft a n , ehe sie eine andere versuchte,

die vor fünfzig Jahren nicht

ohne W i r k u n g gewesen seyn mag.

,^Vo-

m i t , " fragte ich b o s h a f t , „vertreiben Sie Sich hier die Z e i t ? " „ M i t der Vergangenheit,"

fafste sie sich

Worten, kunft ; "

in

drei

„ d e r Gegenwart

stolzen

und der Zu-

spielte bei dem ersten mit dem

* ) Dais .-o ein Gebetbuch meinen Gedanken einen grofsen Spielraum e i n r ä u m t , aus

beweisen :

dans Je

une c/tatnbre denia.ude

voyais.

mag folgende Stelle dar-

Transportée

pour

qui

En. viiilu. un

vous,

mou épouse.

rvec

vous.

sur

où je fus reçue e.toient.

pour Je

mit

vous ai

une

mont apie

par

Jesus

les deux mère choiiie

Irls que

i r l'autre pour

et

Christ. j'y pour être

ici

Schnürband — warf sich bei dein zweiten in die Brust und blickte bei dem dritten mit gräfslich andächtigen Augen gen Himmel. — ausführte.

N u n h ö r e , w i e sie diesen Text „ M i r , " fing sie mit dem Aus-

drucke süfser Erinnerung a n , gern ein

w e n i g verschämt

und hätte

dazu ausge-

sehen : „Mir

hatte die N a t u r , als K i n d s c h o n ,

manches

Wunder, Das Mannerherzen r ü h r t , in Uinrifs angelegt; G e f ü l l t e r selbst u n d i a n d e r . A l s sie sonst p f l e g t . Still war ich fortgcdieli'n zu i m m e r hüheru Reizen, An W u c h s der Hebe gleich — Dianen an G e s t a l t , D e r S o m m e r k a u m erst dreizehn Bis vierzehn alt. Da setzte m i r die Zeit des Pfaudspiels u n d der Küsse Aus O h r ein PJiuberheer , das i m m e r lauter rief ; W e l c h M ä d c h e n ! G o t t , wie siifse U nd wie naiv !

Da heftete sich m i r das Brillenglas der Greise , Des Jünglings G e i e r - B l i c k , m i t der BeLhcurung a n : 1 Ich übertraf' an Weifse Cytherens

Schwan!

Doch diese S c h w a n e n b r u s t verbarg den T r i e b der Tauben, Ein Herz voll freundlicher u n d girrender N a t u r , U n d nebenbei den G l a u b e n A n Männer S c h w u r .

So

schnell

tönt

Zephyr

nicht

in

eine

Xols-

Harfe , Als jedes falsche W o r t m i r d u r c h die A d e r n

lief,

Das m i c h /.u d e m Bedarfs D e r Liebe rief.

D e n Morgen weckten m i c h P'Uraichs.



Mein

die zärtlichen

Tagewerk

sclilols

A bendlied . Und W a c h ' »ui m e i n e m Bellt Hirlr

iu O u d .

Sonnett« Sappho's

5? „ D e m Röschen folgt n u r S p o t t ,

das zu d e m Fest

der W e i h e „ B e r u f e n , " sang ihr M u n d ,

„von keinem W u n s c h

erreicht, „ V e r a c h t e t , in die Reihe „ D e r Dornen schleicht/

A c l i ! dieser I l e h e l w a r ' s , d u r c h den eni Sohn der Musen A u s i h r e m Gleichgewicht einst meine T u g e n d hob, U n d mir den Streif a m Busen Zuerst verschob ;

U n d ist das Lenkseil j e t z t , das meinen Prachlruinei» Mit Ü b e r m u t h vorbei die Neuvcrlockien f ü h r t . Die n u n den L o h n verdienen . Der mir gebührt:

M i r , die ich eingeweiht in alle Heimlichkeiten Der reizenden Natur l a n g s t , Oberpriesterin F ü r alle Tageszeiten Der L i e b e , bin.

38 W o h i n Verflog der E i d , ilen manches Ungeheuer An m e i n e m Busen s c h w o r , w e n n in Vestalen-T|-acht I c h sein gesunknes Feuer Neu a n f g e f a c h t ! W e n n ich i h m Leda w a r , liald Phübe , bald Latone, E r •— h i e r als D o n n e r e r m i r in die F e d e r n drang, D o r t aus der Göttin K r o n e E i n Blatt errang. W o r t b r ü c h i g e s Geschlecht! Mit j e d e m Stufen jähre F i e l ein G e s c h w o m e r ab und traL ein F r e u n d z u r ü c k , Und meinem

blonden Haare

W i r d jetzt kein Blick ! W i e w i l l ich D i r , der m i c h

in meinen J u g e n d -

trümmern Unkundigen

des W e g s z u m M e r k p f a h l aufgestellt,

Die Spötterei v e r k ü m m e r n I n jener W e l t ! Vergebens strecke sich von meiner Brust geschieden Nach i h r e m hüliern Reiz die stolze M ä n n e r h a n d , Die f ü h l l o s sich hienieden Von mir

gewandt!

39 Ja , heuchelte s o g a r , vergafft in meine Strahlen , Ein Männerseraph m i r dort seine Liebcspein — "Wie sollten seine Qualen Mein Labsal seyn ! Gleich Motten sollt' er sich u m die verklärten Hügel I n immer nuherm

Kreis

bis an

den

Brennpunkt

drehn j D a n n m i t versengtem F l ü g e l "Vor m i r v e r g e h n ! Kur

Ihn,

zu d e m

ich bald

verherrlicht w i e d e r -

kehre , Der m i c h , eh' ich noch w a r , z u m seligsten Beruf U n d z u m Geflifs der E h r e Mein H e r z e r s c h u f ,

D e n Schöpfer soll allein —

dafs ich n u r

Einesu

schaue, Der ewig T r e u e h a l l — m e i n W o l k e n b e l t e m p f a h l Milchweifs u n d h i m m e l b l a u e Krepinen

dran. —

Ich bin des H e r r e n Magd und m i r — — — "

•j „ U m aller Heiligen w i l l e n , lieber F i l b e r t , " f a h r ich jetzt z u s a m m e n , dafs ich aus

„ m a c h e n jSie,

der A t m o s p h ä r e

dieses ab-

scheulich verrücktcn W e i b e s komme.

Ich

h a b e d o c h i n meinem L e b e n m a n c h e verschmitzte mancher

Koquette durch

e n t l a r v t gesehen

Buhlerei



verunstalteten

Seele a u f g e l a u e r t , u m h i n t e r i h r e Schliche z u k o m m e n : aber sie s c h r ä n k t e n d o c h immer — a u c h i h r e u n e r k l ä v b a r s t e n Ansprüche — blols auf das Zeitliche ein.

Diese

N ä r r i n hingegen lebt sogar der H o f f n u n g , dereinst mit G o t t dem Vater eine I n t r i g u e a n z u s p i n n e n . So e t w a s ist mir n o c h n i c h t vorgekommen!"

Ich d r ä n g t e meinen F ü h -

rer vor mir h e r — rief Bastianen u n d den M a l e r , d e r , an das G i t t e r seines versöhnten Feindes gelehnt,

m i t i h m in ein Ge-

s p r ä c h , v e r m u t h l i c h von der ewigen K u n s t , verwickelt w a r ,

u n d n u n begleitete u n s

F i l b e r t , s c h w e i g e n d u n d n a c h d e n k e n d , bis an den k l e i n e n a b g e s o n d e r t e n — jene t r a u rige W o h n u n g u m s c h l i e f s e n d e n Z w i n g e r ,

die sich die reichste Erbin im L a n d e zu ihrem W i t t - v e n s i t z e g e w ä h l t hatte.

Er

empfahl mir den inncrn T h ü r r i c g e l vorzuschieben , um Herr über meinen Ausgang zu s e y n , schwer

im Fall mir das Herz z u

werden

lächelte i c h ,

sollte.

„ Defswegen? "

„ o Sie halten mich

doch

auch f ü r einen gar zu grofsen W e i c h l i n g , lieber M a n n ! "

W i r setzten uns, nach sei-

ner A n w e i s u n g , so geräuschlos als mögl i c h , auf einen Vorsprung der M a u e r der G i t t e r t h ü r e der u n g l ü c k l i c h e n Dame gerade über. Passerino zog in der Zwischeno zeit sein P e r g a m e n t hervor und nahm das Lokal ziemlich richtig auf.

Auf meinen

beifälligen W i n k zischelte er inir ins Ohr — heute w o l l e er m i r zeigen, dafs er seine Kunst verstehe.

Das konnte ich Dir nicht

versprechen, Eduard;

denn ob ich gleich

auch an die Schilderei d a c h t e , heutige

die der

Morgen auf den Abend meinem

Tagebuche a b w e r f e n w ü r d e , so w a r ich doch dabei von allem artistischen Stolze

42

w e i t entfernt.

Ach G o t t ! w o h a t t e ihn

mein beklommenes Herz beherberge^ soll e n , das von dein ersten Glockenschlage der furchtbaren Stunde an , in zunehmender E r s c h ü t t e r u n g , fortklopfte, drückte, Aus einer

bis zu dem

der es vollends

letzten

zusammen-

wie einen blutigen Schwamm. Innern Seitenthüre

des Ker-

kers — an dem Arme der Freundin, der sie, unter so vielen, den Vorzug gegönnt hatte, ihrem Elende zu folgen — schwankte die Tiefgebeugte, wie ein abgeschiedener Geist auf einen Engel g e s t ü t z t , ter zu.

dem Git-

Mit jedem langsamen Schritte,

durch den sie sich mir n ä h e r t e , h o b sich allmählich immer mehr der Schimmer ihrer Schönheit aus dem dunkeln Grunde des Gefängnisses h e r a u s , bis mir — und ich glaubte u n t e r der Last nie gefühlter W e h m u t h zu versinken —

die schlanke

ätherisch - bleiche— wunderschöne Trauergestalt deutlich vor den Augen stand.

In

weifsen Musselin gekleidet, drückte sie

43 mit der einen kraftlosen Hand ein Krucifix von Elfenbein an ihre bebende Brust — noch kraftloser flofs die linke über den schwarzen Leibgürtel herab.

Nach eini-

gen fürchterlich stillen Sekunden senkteil sich ihre g l ü h e n d e n , an den blauen Himmel

gehefteten A u g e n , und

dem Thränenstrome

begegneten

der meinigen.

Sie

starrte mich an — erhob langsam ihre linke H a n d , als ob sie n a c h s ä n n e ,

und

bald nachher ergriff der Tenor ihrer Klagstimme mein todtbanges Herz.

O ! dafs

ich jetzt vermöchte , Dir das Seelengewitter in seiner ganzen schrecklichen W a h r heit zu schildern, unter welchem sich die Leidende stufemyeise bis zum letzten zermalmenden Ausbruche ihres

Wahnsinns

erhob.

geübtesten

Eitler W u n s c h !

die

W o r t f ü h r e r der N a t u r w ü r d e n daran verzweifeln. nachlallen.

So h ö r e wenigstens mich ihr A c h ! über welches abgelau-

fene Zeitalter schwebte ihr Geist — auf welcher Staffel der Vergangenheit mufste

44 sie mich stehen scheu,

als ihre

ausge-

streckte Hand mir das Bild des sterbenden Heilandes m i t der herzzerreißenden Frage vorhielt: S a h s t d u des J o r d a n s U f e r , Bethranter P i l g e r ?

Sprich —

U n d hortest du den R u f e r A m K r e u z — E s diirstet m i c h ! U n d "willst der b i l t e r n Z ä h r e n , D i e dein G e f ü h l v e r g i e i s t , Kur Eine m i r g e w a h r e n , O d a n n sei m i r g e g r i i f s t ! Dr>ch "wähnsl d u m i c h zu trösten S o w e n d e dein Gericht

y

Denn s i e h , das B i l d der gröfsten G e d u l d v e r m a g es n i c h t ! U m mich Zerknirschte sammeln S i c h v i e l B e d r ä n g t e her * Doch a l l e r Z u n g e n

stammeln

A c h — diese leidet m e h r *

I h r raubte das Enlselzen Sogar des Säuglings U n d keine T h r a n e n

Glück:

netzen

D e n Brand in ihrem .Blick. Nur ihre Lippen

beben

D e i n nach , den sie verlor ! U n d ihre Hände

heben

Slcli nur nach i h m

empor!

N e i n , E d u a r d ! B e w e g l i c h e r als ihre Stimme kannst

Du

Dir

keinen

Ton

in

der

N a t u r v o r s t e l l e n , und d o c h war mir die Pause

noch

rührender,

schöne S i n n l o s e ,

in w e i c h e r

die

einige peinliche Minu-

t e n , verloren d a s t a n d , ehe s i e , die Augen gen Himmel g e w e n d e t ,

ihre i n n e r n

Em-

p f i n d u n g e n , z ä r t l i c h wie die L i e b e selbst, hervorgirrte: Als E r sieh m i r , von allen ihn Wünschenden,

ergab,

Mit w c l c h e m W o h l g e f a l l e n S.th Gull a u f uns herab?

46 A l s 111 d e m Abendschauer D e r feiernden N a t u r S e i n grofses Herz die D a u e r V o n meinem G l ü c k b e s c h w u r :

Mein A u g e m m vQn süfsen Gefühlen

überging-,

U n d ich m i t Erstlingsküssen A n seinen "Wangen

hing;

A l s von der trauten L a u b e , D i e seine L i e b e z o g , E r nun die erste T r a u b e N a c h meineu L i p p e n bog ;

U n d ich in seinen Blichen Mein B i l d gezeichnet iVaui — Natur!

w.u diefs Entzücken

Nur Blendwerk

AVeli

dir

Flötenton über



ging

— in

den

deiner H a n d ?

l l u n

gedämpfter

feierlichsten

Ernst

47 Weh dir,

o T a g der W e i h e ,

Der B l u t s c h u l d Milgenofs , Die g r a u e n h a f t die Reihe Glüclvvollcr S u t i i d e n schlols-'

Und w i e ein in der W i l d n i f s i n e n d e s Kind, das um Hülfe j a m m e r t — f u h r sie f o r t : Du meines K u m m e r s Zeuge

;

Den m e i n e Seele r u f t , Verlorner!

ach enlsleige

D e m D u n k e l deiner G r u f t !

Und w i e , w e n n jenes h i n h o r c h t und seine vergeblichen

lütten

in Bergklüften

ver-

schallen h ö r t — schlug auch sie hoffnungslos ihre a u f g e h o b e n e n Hände zusammen — suchte Trost in der Qual der Erinner u n g — sah nur und hörte ihren F r e u n d und liefs die edeln Handlungen seines Lebens,

w i e in einem S p i e g e l ,

den sie dem

ungerechten Schicksale v o r h i e l t , gehen:

vorüber

48 W e n n i m G e d d i n g der S o r g e n Er k e i n e r

unterlag,

U n d , F r e u n d i n , r i e f , nach M o r g e n G l ä n z t uns ein E r n t e t a g ! W o W e r t h u n d L o h n des Fleifses D e m in der S c h a l e l i e g t , Der jeden T r o p f e n S c h w e i fses G l e i c h einer K r o n e w i e g t . W e n n der bescheidne T r ö s t e r Gefallnen Schutz verlieh. U n d sprach : Bin ich erlöster U u d würdiger als s i e ?

Und Er dem Tag

entwunden,

Nach mancher f r o m m e n Thal , Z u m L o h n der A b e n d s t u n d e n S i c h m e i n e n K u i s erbat

-

E r f o r s c h e r u u s r e r Herzen , Furchlbarei ! Wogest

du

S c h o n da d e r Z u k u n f t S c h m e r z e n M i r s c h w c r Getauschten zu t

49 Der Athem stockte mir bei ihrem fragenden Starrblick, der aber bald sanfter gebrochen sich nach der blassen Lichtscheibe richtete, die hinter einem Wölkchen hervortrat.

„ M o n d , " rief sie in melan-

cholischer Schwärmerei —

„ M o n d , der du noch .••o traulich In seiner letzten Nacht Die Schönheit m i r

beschaulich

Des Schlummernden g e m a c h t !

Als mein Gebet i m Schweben A u f deinem Hoffnungsstrahl Dem Ewigen sein Leben U n d meine Ruh' empfahl.

Vertrauter stiller Schatten ! W o weilt dein Todteulicht, Verbirg das Grab des Gatten Der Sattgelcbten nicht! Th. W .

VI. Th.

äo Dort wandele des Schlummers Willkominner

Genius,

Die Folter meines K u m m e r s In Freiheit und Genufs ! War dann dem R u f der T a u b e , Die ihrem Liebling- g i r r t , Vielleicht auf unserm Staube Der Mörder nachgeirrt — Dann fasse das Gewissen U n d peinige die Iland , Die Herzen durchgerissen , Die Gott zusammen b a n d . "

Diese Losungsworte

flogen der Minute

voraus, die den letzten Vorhang des erschütternden Trauerspiels aufzog.

Hatte

ich vorher diese S c h r e c k e n s s c e n e als den einzigen Ausweg zur Beruhigung der Hochgemarterten, selbst bei der Gewifsheit,

dafs er über einen tobenden Ab-

grund führe, seufzend herbeigewünscht; so wäre ich i h r

jetzt noch lieber ent-

öl floh«,

aber

sie fafste mein sträubendes

Haar mit unwiderstehlicher Gewalt und lähmte meine Glieder. teten

Meine Augen hef-

sich nur desto stärker an die Er-

scheinung dieses peinlichen W u n d e r s , je mehr es, als die bis jetzt noch schwankende Flamme des Wahnsinns n u n in voller Glut der Verzweiflung über das fürchterlich schöne Weib zusammenschlug, mein armes Herz zu zerreiben drohte.

Jeder

Pulsschlag setzte ihre W a n g e n in eine immer höhere Rothe — die Brust hob sich bis zum Zerspringen — ihr langes blondes Haar

entschlüpfte

seinen

und flatterte strahlend,

Schleifen

wie ein Komet,

durch die Nacht des Kerkers. die rührenden Bitten ihrer

Ohne auf

heldenmüthi-

gen Freundin — ohne auf das kleine anpochende Herz zu a c h t e n , das unter dem ihrigen schlug, t o b t e sie u n d streckte ihre entblöfsten , durch W u t h gestärkten Arme gegen den Himinel.

Die Allmacht

des

Jammers hatte mich unwissend zu Boden

52 geworfeil —

kniend flehte ich zu G o t t

um Linderung —

0

du,

der alles ver-

mag , schaffe L i n d e r u n g diesem terten Herzen!

Ach

zersplit-

w o w a r sie hinge-

k o m m e n , die edle D u l d e r i n ? Ich sah an ihrer Stelle nur

einen Engel der Rache,

der über ein Leichenfeld h i n s c h w e b t , und auf den

Blutspuren

der erwürgten Un-

schuld seine Beute verfolgt.

Drohungen

der E w i g k e i t blitzten aus ihren zürnenden Augen — flössen über ihre schäumenden Lippen.

Mit Entsetzen sammelt

meine

Feder einige der gifthauchenden Worte, die ihrem zerrütteten Gehirn e n t q u o l l e n : —

aber den erschütternden

Wohlklang

derselben, welche Harmonie der Sprache, welches tönende E r z vermag ihn zu erreichen !

Kannst du auch luiche segnen? S o niimii, G o t t , meinen Sclimcri U n d grab ihn dem verwegnen Mordschnldisen ins Herz.

Das B l u t ,

das er vergossen,

D r o h ' i h m i m Morgenroth ! U n d n u r m i t Blut d u r c h f l ö s s e n Wink* i h m sein A b e n d b r o t ! Die S ü ß i g k e i t der

Ehe,

Die Liebe müss' ihn fliehn , Seibat seinen Kufs -verschmähe Die feilste B u h l e n n I Es fasse jede K a m m e r , W o seine S c h w e r m u l h Den ganzen

weint,

Menschenjammer,

D e n dieses Haus vereint l

Des Übellhäters

Werke

L o h n ' A n g s t g e f ü h l u n d Spott .' I n seinem T o d e stärke I h n kein Gedank* an G ö l l ,

D u r c h Blutgefilde treibe H i n ü b e r ihn m e i n F l u c h , U n d Satans F i n g e r schreibe I h n in sein Hüllpiibuch !

Dort möge des Verbrechers Gewinn gegraben stelin, U n d ewig nicht des Rächers Erbarmung sicli e r f l e h n !

Kaum waren diese schrecklichen Verwünschungen über ihre Z u n g e , so schien es, als ob sich ihre eigene Seele davor entsetze.

Sie zitterte, schwankte und sank

ohnmächtig in die Arme ihrer Busenfreundin , die selbst von Thränep erschöpft, mit

zärtlicher Behutsamkeit

Nebenzimmer trug.

sie in das

Jetzt drang weiter

kein L a u t aus der Kerkerwohnung

der

edeln Kranken; und mir w a r , als hätte mich ein Orkan auf einen einsamen Felsen geworfen.

Meine zerbeizten Augen

starrten vor sich hin und die Stille r die nach einem solchen Aufruhr mein Gehör überfiel, erleichterte mein blutendes Herz nur,

um es desto heftigem Nach wehen

Preis zu geben. sich nicht eher,

Diese Betäubung verlor als

bis meine beiden

Begleiter sich in so weit von ihrer eige-

55 neu erholt h a t t e n , dafs sie mir ihre zitternden Hände bieten konnten — und so schwankte ich endlich aus dieser Behausung des Schreckens mit zu G o t t erhobener sprachloser Empfindung. W i e sauer ward mir dieser Gang!

Setze

den F a l l , E d u a r d , dafs Dein bewundernder Blick von Rubens jüngstem Gerichte auf einmal zu dem Jahrmarkte eines Teniers herabsänke — Du würdest Dir doch n u r einigermaisen den widrigen Eindruck vorstellen k ö n n e n , den jener Haufe gemeiner Narren

auf mich m a c h t e ,

an deren

Behältern vorbei ich jetzt meinen Rückweg

nehmen

mufste.

Ich hatte

keine

Augen, kein Mitleiden f ü r sie m e h r ,

so

voll war mir das Herz von den Seelenleiden

des

herrlichen Weibes

u n d der

schrecklichen W a h r h e i t der W o r t e : U m m i c h Zerknirschte s a m m e l n Sich viel Bedrängte her : Doch A l l e r Z u n g e n s t a m m e l n „ A c h , diese leidet m e h r ! "

56 Ich t r a f , als ich in Filberts Zimmer trat, den Arzt a n , dem St. Sauveur die Besorgung seiner unglücklichen Freundin auf die Seele gebunden, und der seit einer Viertelstunde auf meine Zurückkunft und die Nachrichten gewartet h a t t e , die ich ihm von dem Zustande der Kranken mitbringen würde. Meine Bemerkungen konnten nichts neues für ihn enthalten. Ich brach sie kurz ab und bat dafür i h n mit nassen Augen, mir, der ich auf dem Punkt stände, Marseille zu verlassen, den Balsam mit über die Gränze zu geben, dessen mein verwundetes Herz so sehr bedürfe — die Gewifsheit der Wiederherstellung dieses weiblichen Engels. „Sie verlangen zu viel von der mifslichen Kunst, der ich diene, wenn ich I h n e n , " antwortete er, „mehr als die grofse Wahrscheinlichkeit ihrer Genesung zusichern soll, da sie auf Bedingungen b e r u h t , über die Gott allein Macht hat — dafs nämlich die periodische Heftigkeit ihres Wahnsinns nicht tödtlich

57 für das Unterpfand ihrer ehelichen Zärtlichkeit seyn werde,

und die

Geburts-

stunde mit jener Geistes - Erschütterung nicht zusammen treffe.

In dieser Voraus-

setzung dürfen wir den glücklichsten Erfolg — von dem Erstaunen erwarten, mit welchem ihre erste E n t b i n d u n g — die Erscheinungo der Frucht ihrer Liebe und das neue süfse Gefühl ihr mütterliches Herz erfüllen wird.

Die Vereinigung aller die-

ser Umstände, durch die 6ich die Natur im Fortgänge erhält, Mafse

schmerzstillend

Menschen,

auf den

äui'sern

als sie den innern zu hohen,

moralischen, weckt.

wirkt in gleichem

edeln Entschliefsungen

er-

J a , mein werther Herr, auf die

Gott gebe! glückliche Stunde ihrer Niederkunft, die vielleicht zu Anfange künftiger Woche eintritt, setze ich mein gröfstes Vertrauen —

und bin beinahe über-

zeugt, dafs die heilsame Gegenerschütterung in dem Augenblicke, wo die Verlassene Mutter wird, ihren zerrütteten Ver-

58 stand wieder ins Gleichgewicht

bringt.

Die kleinen Hände des neugebornen Kindes werden die beiden Enden des zerrissenen Bandes ihrer knüpfen.

Liebe

wieder

zusammen-

Mit himmlischer Neugier w i r d

sie in seinem Gesichtchen die edeln holden Züge des Vaters aufsucheil — entdekk e n , und die Freude des Wiedersehens in einem hohen Grade geniefsen.

Sie w i r d

sich nicht mehr f ü r verlassen in einer öden Welt a c h t e n , und ihre lange verhaltenen Thränen

werden

an

der

Wiege

ihres

schlummernden Säuglings einen woblthä^ tigen Ausflufs gewinnen. — Die Sorge f ü r den kleinen Hülfsbedürftigen wird ihr die N o t w e n d i g k e i t ihrer eigenen E r h a l t u n g sanft an das Herz legen, und so, denke und prophezeie ich, wird sie der Allmächt i g e , unter dem Vorgefühl besserer Tage, zum Bewufstseyn ihrer selbst — zu ihr e m , jetzt so getrübten glänzenden Eigenthuin und in die Nähe ihres und unser» edeln Freundes z u r ü c k f ü h r e n .

59 „ I n dieser schönen Erwartung besuche ich täglich die holde Kranke.

Während

ihres Schlafs, der nach der galligen Entledigung ihres unnatürlich gereizten , sanften, grol'smüthigen Herzens — zum Glücke für ihre Erholung bis gegen Mittag anhält, kann ich ihr allein mit meiner Hülfe beikommen, die sie wachend ausschlägt, und Verabredung mit ihrer freiwillig Mitgefangenen nehmen, deren Beistand der armen Verirrten wichtiger ist, als der meinige ,

und die

sich gewifs schon

eine

ängstliche Weile nach mir umsieht. Sie

sind

Möge

innigst

der

gerührt,

Eindruck

mein

dieses



Herr!

erhabenen

Trauerspiels Sie nicht nur aus unserer grofsen

sittenlosen

iUm Ausgange

Stadt,

sondern

Ihres Lebens

bis

begleiten,

und Sie für die kummervolle Stunde entschädigen , die für so viele Leichtsinnige, die sie schon sahen, verloren war.

Reisen

Sie glücklich, und leben Sie w o h l ! — 4 4 Ein Händedruck — denn der Sprache

6o w a r ich nicht fähig — dankte dem ehrlichen Manne für seinen Trost und seine guten Wünsche. kern

Ich u m a r m t e den w a k -

Filhert,

unaussprechlich

bewegt,

und setzte mich z w a r h ö c h s t t r a u r i g , aber doch mit einein Herzen, das sich f ü h l t e , und m i t sich zufrieden w a r , in die S ä n f t e , die Bastian herbeigeholt h a t t e .

Ich b r a u -

che E r h o l u n g , erklärte ich ihm beiin Aussteigen,

und kann

unter z w e i

Stunden

noch nicht abreisen — r i c h t e dich darnach ! Doch eben da ich iin Betriff w a r , D * mein Zimmer zu verschliefsen , um ungestört meiner S c h w e r m u t h n a c h z u h ä n g e n , t r a t mir der Maler m i t seiner Zeichnung in den W e g — ,,Das, meinen S i e — " f u h r ich ihn nach dem ersten U b e r b l i c k an, „ s t e l l e den leidenden Engel v o r , von dem w i r herkommen? verantworten,

Können Sie es bei Gott

so eine Sudelei f ü r Nach-

b i l d u n g seines herrlichsten Geschöpfes a u s z ut> g e b e n ? " Doch — um den armseligen W i c h t n i c h t g a n z nieder zu drücken,

6t f u h r ich g e m ä f s i g t e r f o r t :

„ A b e r , es.ist

b e g r e i f l i c h — so ü b e r w ä l t i g t von schmerzhaften Empfindungen, alle w a r e n , einem

würde

Leonard

g e l u n g e n seyn. rino,

als Sie u n d

es einem R o t a r i —

da Vinci eben so w e n i g G e h e n S i e , lieber Passe-

einstweilen

zur

habe höchst nöthig,

Wirthstafel. die w e n i g e n

den vor m e i n e r Abreise allein z u W i e k a n n ich mich d o c h — n u n m i t mir selbst —

Ich Stun-

seyn."

zankte

ü b e r nichts

w i d e r n i c h t s so e r e i f e r n ? wohl

wir

ich und

Ich h ä t t e d o c h

aus dem B e w u f s t s e y n m e i n e r eig-

n e n e r w o r b e n e n F ä h i g k e i t e n auf die K r ä f t e meines L e h r e r s schliefsen k ö n n e n .

War-

u m lieis ich m i c h von i h m zu einer Arbeit war?

begleiten,

der er n i c h t

Bei s o l c h e m Bedarf

gewachsen

eines h e l f e n -

den Genies k o m m t u n s f r e i l i c h die Mittelmäfsigkeit als ein L a s t e r v o r , ist unbillig.

a b e r es

F ü r meine E r i n n e r u n g k a n n

ich ü b r i g e n s jedes Bild von i h r e n t b e h r e n . Weder Worte ^ noch Farben

k ö n n t e n Ja, wenn das so zusammenhängt, mein guter Passerino , " wobei ich mich hinter den Ohren kratzte, ,,so weifs ich k a u m , w i e der Sache zu helfen s t e h t . " — „Welcher Sache?" fragte er neugierig. „Nun — ich kann Ihnen wohl wieder sagen, was ich von einem meiner Korrespondenten als gewifs gehört habe — Ihre liebe Tante ist seit J a h r und Tag sehr verträglich geworden. Sie verinuthet, dafs es Ihnen hier eben nicht nach Wunsch geht." — „Das hat sie errathen, " seufzte er, „ d e n n Ihnen kann ich es wohl gestehen, dafs ich manchmal nicht w e i f s , wovon ich den andern Tag leben soll. — Und Sie werden wohl selbst bemerkt haben , dafs ich noch immer das Kleid t r a g e , in welchem ich Ihnen Stunden g a b , und dafs es nun nicht länger mehr halten w i l l . . . " „Und

71 diese will I h n e n , " fuhr ich f o r t ,

(ohne

ihn merken zu lassen, wie nahe mir sein Elend g i n g ) — ..ihr schönes Freigut zu Triesdorf sammt den Einkünften einräumen, wenn Sie der ewigen K u n s t . . . " „ E n t s a g e n ? Nicht w a h r ? " fiel er mir ins Wort —

„Nun

und nimmermehr"



„ u n d zwar gerichtlich, eidlich und feierlich entsagen." —

Dadurch erschreckte

ich ihn s o , dafs er zitterte. —

, , 0 ! da

inufs s i e , " hub er a n ,

„ganz

verrückt

geworden

„Das

seyn!" —

nun eben

n i c h t , " erwiederte ich; „aber diese Grille hat sie sich nun einmal so in den Kopf gesetzt, dafs sie es sogar in ihrem letzten Willen zur Bedingung gemacht hat und darüber — gestorben i s t . " —

Er

überblickte mich bei dieser Anzeige mit zweifelhaftem, unbeschreiblichem Erstaunen,

und ward bald karminroth,

bald

leichenblafs, je nachdem ihm das schöne Vermächtnifs oder gung zu Kopfe trat.

die hälsliche

Bedin-

Ich reichte ihm nun

das Blatt. —

„ Da lesen

aber überlegen Sie —

Sie selbst —

hauptsächlich

dabei

dafs hier nicht zu zaudern i s t ,

das Testament nur noch einige

und

wenige

Wochen zu Ihrem Vortheile g i l t . "

Er

schlich, wie das böse Gewissen, mit seinem Vorbeschied

in die Ecke des Fen-

sters, las, und schüttelte bei jeder Zeile den Kopf.

Seine unglaubliche

Anhäng-

lichkeit an ein stümperhaftes Talent erregte mein

innigstes Mitleiden.

grofser G o t t ,

Aber,

was für eine Schaar von

Brüdern hat er nicht in dieser Rücksicht umherlaufen.

W i e viele opfern nicht ein

glückliches sorgenloses Leben dem Vorurtheile des Standes, —

ihre Ruhe

einer

falschen E h r e , ihre gegenwärtige Zufriedenheit dem Hirngespinste der Nachwelt a u f ; verhören das K o n c e r t , giebt,

das sie um-

und horchen nur nach der Trom-

pete h i n ,

die einst, wie sie sich einbil-

den , über ihr Grab schmettern wird. —• Wer kann die Märtyrer der Religion zäh-

len, die oft so irrig — abgeschmackt und toll i s t , als nimmermehr die fixe Idee des armen Sperling! W e r mufs, bei gesundem Verstände, nicht die Unsterblichkeit der Miltone, Buttler und Kepler bemitleiden , die sich bei lebendigem Leibe ihre Lebenskraft abzapften — die besten Gelegenheiten versäumten, das Herz eines fröhlichen Freundes, den Busen einer schönen Zeitgenossin zu erobern — nur an ihrcu eigenen Fingern und Federn nagten — und die magersten Bissen verschluckten, um nach ihrem Tode, w o sie nicht mitessen konnten, unbekannten Buchtrödlcrn desto fettere aufzutischen. Ich mochte den W e g , auf den mich Sperling gebracht h a t t e , nicht weiter verfolg e n , aus F u r c h t , auf ineinen eigenen Haushalt zu stofsen — schob einstweilen mein Selbstgespräch a u f , und hielt es für dringender, mich in das seine zu mischen, das nicht aufhören wollte. So oft ich bei seinem Erker vor überschritt.

warf ich eine Bemerkung h i n e i n , die er nutzen sollte. —

»Die ewige Kunst, kön-

nen Sie m i r , als einem alten F r e u n d e , g l a u b e n , verliert nichts dabei, wenn Sie Sich fügen. —

Das Vergnügen, Talente

unterstützen zu k ö n n e n " — indem

ich

meinen Oberrock anzog — >>ist vielleicht mehr w e r t h , als die o f t betrügliche Überz e u g u n g , ein eignes zu h a b e n . " —

Er

liols sich durch alles das nicht stören. „Ich stelle mir eine w a h r e Freude v o r , " (redete ich so f ü r mich) „ w e n n ich einmal meinen alten Lehrer auf seinem Landsitze besuchen k a n n , und w i r bei einer guten Mahlzeit über die Gröfse des armen Correggio plaudern, — und uns der vergangenen Zeiten erinnern w e r d e n . " Auch das f o c h t ihn nicht an — immer vor sich h i n ,

E r starrte noch das

Wochenblatt

seinem dürren Knie über gebogen,

und

hing den Kopf, ohne einen Laut zu geben. Bastian m e l d e t e ,

dafs die Pferde gleich

da seyn w ü r d e n ,

aber sein Seelenkampf

dauerte f o r t ,

und mir ward dabei ganz

schwül um das Herz. — So o f t i c h , lieber E d u a r d , den Donquixote gelesen und bis zum Ende des herrlichen Buchs über seine Thorheiten gelacht h a b e , so grübelte es mich doch bei dem letzten Kapitel, w o er wieder klug wird, immer in der Nase.

Ich d ä c h t e , es w ä r e

f ü r uns alle nichts erbaulicheres und rührenderes geschrieben. W i e der arme Mann, so stillschweigend in sich gekehrt, nachs i n n t , die Schatten des vergangenen Lebens — jene Heldenthaten — seine heifse platonische Liebe zu Dulcineen, Sanclio's gutmüthige F r e u n d s c h a f t und die treuen Dienste des dürren Rosinante —

seiner

erstaunten Seele vorübergaukeln

wie

er alles, wras sonst in seiner E i n b i l d u n g von so hohem Werthe w a r — jetzt

in

einem ganz verschiedenen Lichte betrachtet — nicht b e g r e i f t , wie ihm doch sein gesunder Menschenverstand abhanden gek o m m e n , u n d G o t t demuthsvoll um Ver-

76 g e b u n g b i t t e t , dafs er so lange ein Narr gewesen.

Ein solcher Büfsender — welche

Mitgefühle mufs er nicht bei jedem rege machen,

der ihn a n b l i c k t !

bänglichen auch

mein

Lage guter

befand

In gleicher sich

alter

dermalen

Zeichenmeister,

und erhielt sich so lange w a r m

darin,

bis ihn das Horn meines Postillions von seinem Sitze a u f j a g t e .

E r ergriff in gro-

fser Bewegung meine Hand —

„Theuer-

ster F r e u n d und Göuner — " holte er tief Athem : — Angst,

„ Z i e h e n Sie mich aus meiner

und sagen Sie mir

aufrichtig:

Kann ich w o h l den bedungenen E i d mit gutem Gewissen a b l e g e n ? " —

,,Ja, F r e u n d "

klopfte ich ihn auf die Achsel,

dem besten von der Welt — licher M a n n !

„mit

S i e wunder-

W a s machen S i e für Um-

s t ä n d e , und w i e mögen S i e S i c h nur einen Augenblick b e s i n n e n ?

Bei zwei

ten — und

Gottes

s o n s t auf

Talen-

Erdboden

nichts — könnte man, dächt' ich, ja w o h l eins a b s c h w ö r e n , wenn der U m s t a n d dar-

77 auf b e r u h t , ein Freigut zu g e w i n n e n . " Das schien ihm einzuleuchten.

,,Sie wer-

den im Anspachischen und ü b e r a l l , " f u h r ich f o r t , „menschliche Gebrechen genug f i n d e n , deren Sie so viele in Wachs pousiren k ö n n e n , als Sie wollen.

Das ver-

bietet Ihnen ja die Tante nicht, und giebt Ihrer Thätigkeit allen möglichen

Spiel-

r a u m . " — ,,Da haben Sie R e c h t , " erheiterte sich auf einmal sein trübseliges Gesicht.

Spornstreichs laufe ich nun nach

Hause, um Anstalten zu meiner Abreise zu machen — will meine Madonnen und Seestücke recht behutsam einkästeln , und "

„Ist das nicht wieder ein Ein-

fall! W a s um Gotteswillen, gedenken Sie init so vielen unbefleckten J u n g f r a u e n in den Preufsischen Staaten anzufangen, w o man an keine einzige glaubt ':"' „Aber, fragte er sehr n a i v , die von letzthin darf ich doch — A'oire Dame tignac?"

de Graces von Co-

„ A u c h diese N o t h h e l f e r i n " —

erbofste ich mich über seine Thorheit —

78 , , h a t d o r t keinen R u f . I n u n s e r e r R e l i g i o n u n d b e i u n s e r n Gensdarmes— da

solcher

rinnen ?

was brauchts

aufserordentliclien

Vermittle-

U n d nun v o l l e n d s I h r e M a r i n e n !

— D o r t — überlegen

Sie selbst —

auf

dem festen — j a , w i e einige b e h a u p t e n — auf dem festesten L a n d e — nahe bei Nürnberg — wie können Sie wohl hoffen, dafs Sie damit Eindruck und Aufsehen machen werden?

Als V o r b i l d e r t a u g e n «ihre S t ü r -

m e — Kriegsschiffe —

Kaper und Bran-

der n i c h t e i n m a l s o v i e l , a l s I h r e M a d o n nen. —

Als

erreichen s i e

Anleitung nicht

zur

Seeräuberei

die s c h l e c h t e s t e

duktion , und für das

De-

natürliche Strand-

recht w ü r d e n Ihre B e w e i s e m i t dem Finger a u f d e m g e m a l t e n O c e a n denen w e i t

t>

D

nachstehen,

die ein

Kainmerrath

oder D i r e k t o r l ä n g s t s c h o n

gegen

die

dort

Gränznachbarn

Folgen Sie mir,

abgegangener geführt

verkaufen Sie,

schweren Transport

zu

ersparen,

hat.

u m den Ihren

g a n z e n a r t i s t i s c h e n N a c h l a f s einem hiesi-

lange zu

handeln.

Kann er P r o f i t daran m a c h e n ,

gen

Trödler,

ohne

so gön-

nen Sie es ihm ja . . .

Doch noch Eins,

alter F r e u n d , ehe w i r uns trennen ! ben Sie auch R e i s e g e l d ? " —

Ha-

E r schüt-

telte kleinmüthig den Kopf. —

„ N u n so

borge ich I h n e n , was ich gestern nicht gethan h ä t t e , nehmen Sie

vierzig Louisd'or — hier —

damit können Sie

P o s t - — und die Einnahme von

das Ihren

Gemälden dazu gerechnet, — auch das Schmiergeld bezahlen ! —

Und

nun —

leben S i e " — ich streichelte ihm das Kinn — „ r e c h t w o h l , armer gerupfter Sperling, und zaudern Sic n i c h t , um bald in die Federn zu kommen."

Er begleitete mich

bis an den Wagen, weinte — küfste mir dankbar die H a n d , und so schiedcn wir beide sehr gerührt von einander. Es erweckt doch ganz eigene Empfindungen , wenn man nach so vielen Erfahrungen , als ich in der Fremde gemacht habe,

endlich

seine Wagendeichsel dem

öo Vaterlande zugekehrt sieht.

Aber hätte

mich nicht meine Unbesonnenheit mit der Schreibtafel gezwungen , den Weg fortzusetzen, glaube m i r , das Gesetz der moralischen S c h w e r e , das dem

Schweizer,

wie dein L a p p l ä n d e r , aufserhalb seinem Weste keine R u h e v e r g ö n n t , w ü r d e sogar in diesem Augenblicke von seiner Kraft an mir verloren haben müthiger St. Sauveur! den S t u n d e n ,

Edler •grofsDie überraschen-

in denen du meinem er-

schlafften Herzen so viele schöne Beispiele männlicher Tugend zuspieltest — der Zauber jugendlicher Schönheit und Unschuld, durch den die holde Gefährtin deines Lebens einige Tage des meinigen verklärte, sind Bande, die mein Wesen an das eure bis zur Auflösung des Grabes fesseln. — Und

d u , der reinen schönen unverdor-

benen Natur herrlichster Zögling — du meiner W ü n s c h e erhabenes Ziel! —

Wie

viel lange Morgen n o c h , o Agathe, werden meine T r ä u m e bis zu dem Zeitenwurf

öl ü b e r dir s c h w e b e n , d e r , w e n n G o t t mein Gebet e r h ö r t , alle folgende T r i t t e deines Gangs m i t Kosen b e s t r e u e n soll.

Durch

ineine V e r e i n i g u n g m i t dir w i r d m e i n Daseyn erst sein w a h r e s Kolorit — u n d jeder W i n k e l der E r d e ,

an den d u es an-

k e t t e s t , den Reiz meines V a t e r l a n d e s gc Winnen.

Aber I h r ,

zu denen diese E m -

p f i n d u n g e n in der F e r n e , die u n s scheidet, h i n s t r ö m e n — d u heilig v e r b u n d e n e s D r e i ! vergieb m i r , genden

w e n n ich i n dieser h i n f l i e -

reichhaltigen M i n u t e ,

und deinen

Himmel

eine M a c h t

erkenne,

f e n d e r als d u ,

mein

ü b e r dich

voll Seligkeit n o c h die s e l b s t ,

ergrei-

b e b e n d e s Herz an-

m a h n t ! Ja , E d u a r d , in diesem G e d r ä n g e so lieblich s c h w ä r m e r i s c h e r G e d a n k e n w a r sie e s , die h o l d e I r r e n d e , die g e b i e t e n d e r als alle a n d e r e L o c k u n g e n v o r m e i n e Seele trat.

J e n e s heilige G e f ü h l , u n t e r i h r e n

A u g e n g e w o n n e n , das sich v o n dem w e l t lichen

Geschäfte,

dessen ich m i c h eben

entledigt h a b e , w i e die A n d a c h t v o n dem Th. W. VI. Tli.

6

02

Wucher,

zurückzog,

heftete sich jetzt

n u r desto stärker an meine empfängliche Seele und

verbreitete

sich über sie in

vielfach dunkelm Geflechte.

Sie schien

meinem vorbeirollenden Wagen aus ihrem Kerker n a c h z u r u f e n :

Kehre u m ,

sinniger Mensch! —

E r w a r t e das grol'se

leicht-

Schauspiel meiner Genesung, um an meinem Altar dein Herz an der heiligen Flamme zu e r w ä r m e n ,

die mein

grausendes

Schicksal umnebeln, aber nicht verlöschen konnte.

Kehre um und s i e h ,

wie sich

aus der Verklärung meines Freundes ein Funken herabsenket, stirn zur Rückkehr leuchten —

der meinem Irrgein seine Bahn

vor-

an meiner Brust lodern —

das Ebenbild seines Vaters

zurückstrah-

len , u n d mein vertrocknendes Auge mit lindernden Thränen befeuchten w i r d ! So sprechend stand die hohe Dulderin

vor

meiner Seele; als ich aber aus dem Kreise des magischcn Spiegels h e r a u s t r a t ,

und

mich nach mir selbst wieder umsah —

05 ergriff

und schleuderte

mich mein Be-

wul'stseyn in einen desto düsterem Abgrund. Freund,

ich

habe Dir nie

verleugnet,

was in meiner Tiefe vorging —

warum

sollte ich Dir jetzt die beschämenden Gefühle verhehlen,

d i e , wie der Z u g w i n d

auf offene W u n d e n , auf die schmerzhaften Stellen meines

Herzens

eindrangen.

O ! das ist eine viel zu schonende Vergleichung. —

Es w a r der reine Lichtstrom

aus Agathens unbefangenem — aus Klarens belohntem u n d aus dem bangenden Herzen der heiligen Märtyrin zusammengeflossen

der die Kruste eines stehenden

Sumpfs bespülte und die Quellen seines schädlichen

Aushauchs sichtbar machte.

Der Anblick empörte

meinen Stolz. —

Ich wollte Trost — erwartete Schutz — forderte Beruhigung von ihm — mich — u n d ,

erhob

w o h e r , fragt' ich über-

m ü t h i g , kommt dir so unverlangt die Beleuchtung deines U n w e r t h s ? — von einer

64 Wahnsinnigen

W i e ? welcher Dä-

m o n gab mir diefs verunstaltende

Wort

ein ? O du schuldloses Opfer des grausamsten Verhängnisses. — der nicht

das Kleinod

W e h e dem Lästerer, deines Wesens

f ü r unschätzbar

weil es getrübt i s t !

erklären

darum wollte,

E r lasse den Nebel

des Augenblickes v e r d ü n s t e n , ein angehauchter D i a m a n t ,

und

wie

wird es in

seinen angebornen Glanz — in seine flekkenlose N a t u r übertreten. —

Selbst in

der Gluth der Vernichtung wird es, gleich i h m , in Äther zerflicl'sen und keine Spur irdischen Ursprungs zurücklass£n. — Ich habe mir längst abgemerkt,

Eduard,

dafs jede liebevolle E m p f i n d u n g mir w e i t wärmer in den Kopf t r i t t , wenn ich fahre oder r e i t e , als auf meinem

Lehnstuhle.

Überfällt mich ein solcher Enthusiasmus in einer Postchaise, so verliere ich mich •selbst — wie h i e r , zu Pferde gemeiniglich meinen Hut.

W u n d e r e Dich

also

nicht über die kostbaren Ausdrücke meines Selbstgesprächs, und lafs mich ruhig fortschwärmen, bis ich die Station erreicht habe. O Liebe, Liebe, rief ich gen Himmel blickend, du in der Sprache der Engel erhabenstes W o r t — in dem Sternenkranze des Ewigen mildester Strahl — herrlichstes aller Gefühle, nur dem Menschengewürme unbegreiflich, das über den ächten Sinn deines Namens weg — zu Sprachverwirrern hillkriecht, die ihn mit Schlangcnzungen mifsdeuten. Ach! kein Pulsschlag verklingt in dem Reiche der N a t u r , der nicht Millionen Verlästerer deiner Gottheit erweckte. Als Sinnbild von dir setzen sie das raubgierigste Ungeheuer auf deinen Altar — wähnen bei der Enthüllung ihres befleckten Götzen deinen heiligen Schleier zu heben, und schmücken die Opfer, die sie ihm würgen , mit dem Afterscheine deines unsterblichen Kranzes ! O ihr Betrüger euer selbst , ihr lieblosen Verfolger der weib-

8ö liehen W ü r d e ! Haben sich w o h l je eure Irrgänge dein stillen Pfade g e n ä h e r t , auf welchem die Liebe einherwandelt ? schuld t r i t t ihr v o r a n ,

Un-

reulose Freuden

folgen i h r , und ihr Ausgang verläuft, sich in

die seligste Ewigkeit.

Werfet

nun

einen Blick auf das Blendwerk eures Anführers, und zittert!

Selbstsucht ist sein

Schild, T r u g seine R ü s t u n g , und

seine

Waffengefährten sind in der Hölle geworben.

Nur niederträchtige Künste — sinn-

liche Verlockung —

Meineid und

l e u m d u n g folgen seiner Blutfahne. seine s t r a f b a r e n A n h ä n g e r , einem

entsetzlichen

nicht

die

O ihr,

aus was f ü r

Haufen

Mitgehülfen

Ver-

inüfst

ihr

eurer

Unthaten

an ein Ziel zu

gelangen,

wählen,

um

w o nur

Seelenpeiniger in

Larven euer warten. —

scheufslichen Euer

ehrloser

Rückzug geht über Felsenspitzen und Dornen , u n d aus

euerm schändlichen Sieg

werdet ihr nichts von der mühsam errungenen Beute nach Hause t r a g e n ,

als.ein

87 verletztes Gewissen. —

Und nun dieselbe

Hand aufs Herz, die diefs ernste Gemälde entwarf!

Konnte sie denn nirgends ihren

Pinsel r e i n i g e n , als in einem T o l l h a u s e ? Buhlerisches Avignon — dort w a r e s , w o ich —

w a s will ichs läugnen ? —

die

sittlichste Kunst zum Dienste des Unsittlichen erniedrigte — d o r t , w o mein Entbranntes Gehirn jene schlüpfrigen Bilder entwickelte,

zu

denen i c h ,

wo

nicht

selbst sai's, doch andern Mifsgestalten zu sitzen erlaubte. sie mir a u f

Könnte der Z u f a l l ,

der

dem Krankenbette wegstahl

und zum Feuer v e r d a m m t e ,

den Maler

b e r u h i g e n , der sie a u f s t e l l t e , w i e froh wollte ich über ihren S t a u b h ü g e l hinwegsehen! . . . Das könnte ich wollen ? Nein, E d u a r d ; ich w ü r d e vielmehr mit F r e u d e jene E r f a h r u n g meines Lebens —

wenn

ich die Palingenesie verstände, — ihrer Asche h e r v o r r u f e n ; —

sie

aus

sollten

vor meinen und anderer Augen leuchten, so lange der S c h m u t z , aus dem sie ent-

ÖO standen, noch Farbe hielte.

Dem Unei-

fuhrnen , der meine Bilder anstaunte, dem Lüsternen, der ihnen zulächelte, und dem Kenner, der die Treue der Kopie aus seinem eigenen

Originale abzöge — ihnen

allen sollte mein Kabinet und —

stehen,

wenn die Herren über dem Ein-

gang die Aufschrift: jecore

offen

Plusque

ex

alieno

sapio quam ex meo — gelesen und

ihre Ferngläser hell

gerieben hätten,



sollte es mir lieb seyn, s i e ,

von einer

Nudität zur andern verlockt,

endlich an

der Warnungstafel anprallen

zu sehen,

die ich mit beträchtlichen Kosten an dem Ausgange meines Saals aufgerichtet habe. Hier möge dann jeder sich besinnen



den Spaziergang durch meine Gallerie mit dem vergleichen , den er durch die Welt nahm — möge sich — nachdem es kommt —

entweder freuen,

dafs er,

Gott sei

D a n k , auf allen seinen Reisen zu Wasser und zu Lande nie an solche Klippen gestofsen —

möge,

wenn er kann, sich

89 etwas darauf zu gute thun,

dafs sein

P a t z - und sein Schlafzimmer— von Scipio's Enthaltsamkeit an bis zu der keuschen Lucretia,

nur mit Tugendspiegeln

getäfelt sei — oder er fasse auch den kurzen Entschlufs, sich nie von seinem Ernste und seiner Studierstube zu entfernen, uin sich keinen solchen Gefahren auszusetzen, als mich leider! betroffen haben,

und,

wenn sie ihm ja aufstiefsen, mein abschreckendes Beispiel zu benutzen, ihnen klügei

1

auszuweichen,

Wenigkeit gelang. recht seyn.

und

als meiner

Auch das soll

mir

Müfste er sich aber als ein

ehrlicher Mann gestehen, dafs seine Sittlichkeit, hier und da, wohl noch schimpflichere Niederlagen erlitten habe, als die meine, so weifs ich ihn mit keinem bessern und brüderlichem Rath zu entlassen, als -r- er schlage den Weg ein, auf den mein hölzerner Arm hinweist — den Weg der Reue, wo er auch mich mit meinem Wanderstabe finden wird

go

„Das-sind faule F i s c h e " — w a r das erste W o r t , das ich hörte, als ich mit meinem Selbstgespräche vor dem Posthause abtrat. Ich stutzte — bis ich sähe, dafs es nur einer Hökerin g a l t , die der Hausknecht, trotz der Versicherung, dafs die Sardellen frisch wären — abwies. W e n n es nun aber ein Philosoph gewesen wäre, befragte ich m i c h , der dir mit diesem entscheidenden Urtheile in den Korb geguckt h ä t t e ? was würdest du ihm haben antworten können ? Ein Glück für ihn, dafs ich wieder auf eigenen Füfsen stand und alles Hochtrabende in der Chaise zurückgelassen hatte: — denn nun w a r d mir die Sache erst selbst klärer. — „Nicht ganz g e t r o f f e n ! " erwiederte ich ihm. „Faule Fische, sagen S i e ? Nein, mein Herr, es sind gar keine — sind nichts, als gute ehrliche Frösche, die ich zum Zeitvertreib mit der Angelruthe in dem nächsten Tümpel gewonnen habe, um Versuche, die zu sehr wichtigen Resul-

91

taten leiten können — über die Reizbarkeit der Nerven anzustellen.

Ich mache

mir z u w e i l e n den Spafs, während Euer Ehrwürden

den Ungeheuern des Oceans

Wurfspiefse entgegen schleudern,

ohne,

dafs ich w ü f s t e , eins noch getroffen oder getodtet. zu haben.

Meine Frösche kön-

nen wenigstens nicht mehr q u a k e n , w e n n ihnen die Haut ist.

über die Ohren gezogen

Ihre gute A b s i c h t ,

mein H e r r ,

jedoch gewifs nicht zu verkennen, verdient den Dank aller E d e l n . "

ist und

So ka-

men w i r als gute Freunde aus einander, und gingen, glaube i c h , jeder r u h i g und mit sich zufrieden ins Bette.

D e n 26. F e b r u a r .

A l s ich mich gestern A b e n d der S e k t i o n der Frosche nahm,

gegen

hätte

ich

d e n P h i l o s o p h e n annicht

geglaubt,

dafs

ich Dich h e u t e u m dieselbe Zeit m i t einem Mitbruder

meiner

chen w ü r d e ,

Studien bekannt

der

die

ma-

Sache i n s G i o f s e

t r e i b t , u n d den ich selbst erst z w i s c h e n Nimes u n d M o n t p e l l i e r k e n n e n lernte. traf

sich s o n d e r b a r

heute

m i t dem

genug.

Ich

Es

brach

f r ü h e s t e n auf u n d stieg

so s c h l a f t r u n k e n

in

den

Wagen,

dafs

Bastian

ein p a a r elastische Küssen u n t e r

meinen

Kopf legte u n d

mich der R u h e

ü b e r g a b , die ich v o r l e t z t e Wacht der U n t e r h a l t u n g des D o m i n i k a n e r s so gern a u f geopfert

und

in

der v e r g a n g e n e n

n i c h t h i n l ä n g l i c h ersetzt h a t t e . also

eine

Station

sanft zurück , Bette geschähe.

n a c h der

noch

Ich legte andern

als w e n n es auf

so

meinem

W i r w a r e n d u r c h Nimes

gefahren und schon eine gute Strecke bei Caverac vorbei, als ineine Chaise still stand und das Fluchen des Postknechts mich ermunterte. Vier Wagen vor dem meinigen sperrten den W e g , w e i l an ihrer Spitze ein fünfter das Rad gebrochen h a t t e , und sie mochten schon lange da gehalten haben, ehe ich ankam. Bastian w a r ausgestiegen, uin zu sehen, was vorging. Ich hörte ihn von weitem mit einem Bekannten sprechen, und verlicis nun auch meine Polster. Der erste Wag e n , dein ich neugierig vorbeischlich, falste drei Frauenzimmer, immer eins reizender als das andere. Ich inachte ihnen meine tiefe Verbeugung, die ich mit Erstaunen über eine so ungewöhnliche Erscheinung an dem zweiten , dritten und vierten Wagen wiederholen mul'ste. W a s in aller W e l t ist das für ein Transport? dachte ich. — Entweder ist hier herum eine Pensionsanstalt für junge Fräulein, oder ein Bassa von drei llol'sscbweifen

94 schickt,

Gott weifs w a r u m ?

nach Montpellier.

sein Serail

Indem ich so da stand

und mich der lachenden Gegenstände freute, die den Steinweg belagerten, klopfte mich Jemand auf die Schulter. —

Ich drehte

mich um — erinnerte mich sogleich des ehrlichen Gesichts und , . .

„ J e — lie-

ber Onkel! " rief ich ganz v e r s t ö r t — „ w i e kommen wir denn,

so weit von Cavail-

lon — hier zusammen? — Sind Sie denn nicht mehr W i r t h in dem Propheten ? " „ N e i n , mein H e r r , "

antwortete er mit

sichtbarem Frohsinn. —

„ I c h habe die

lästige Wirthschaft aufgegeben —

diene

seit kurzem als Mundkoch bei Lord Baltim o r e , der dort sich mit den Leuten zu thun macht, die seinem Wagen aufhalfen — und reise jetzt mit ihm nach Spanien." — „Unddiese vier W a g e n ? " fragte ich — „Gehören zu seinem G e f o l g e . " —

„Und

diefs Dutzend allerliebster K i n d e l ? "



„Sind Kammerjungfern seiner Gemalin. — Wenn Sie w o l l e n ,

will ich Sie unserer

95 jungen Gebieterin vorstellen, der auf jener Rasenbank ohnehin Zeit und Weile lang •wird —

so ist Ihnen beiden

geholfen."

„ W o h l , " s a g t e i c h , „wenn Sie glauben" —

und so näherten wir uns der vorneh-

men Frau.

Schon in einiger Entfernung

konnte ich schliefsen,

dafs es keine ge-

meine Schönheit sei. —

Ihr Reisekleid

von grauein Taflet lag ihr von obenher knapp a n , und umflatterte ein paar vorgestreckte

niedliche

Füfschen. —

Ein

schwarzer Sommerhut beschattete ein helles Gesichtchen — die eine Hand spielte mit einem Spazierstock, die andere ruhte auf einem englischen

Windspiele

i h r , das uns anmeldete. ein freundliches Bild. — dy,"

neben

Das Ganze gab „Hier,

Myla-

rief mein Introducteur, „habe ich

die E h r e , Ihnen einen meiner Bekannten vorzustellen,

dem die Equipagen

Gnaden den Weg verstopfen."

Euer

Die herr-

lich schlanke Figur erhob sich ein wenig von ihrem Sitze.

Ich verneigte mich auf

yö das ehrerbietigste — stotterte einige Entschuldigung über meine Freiheit — richtete mich in die Höhe — begegnete ihren Augen und . . . „ M y l a d y "

— und —

zugleich — » u m Gotteswillen ! " rief ich — „Sie sind es — Klärchen — S i e ? " — Wenn Du denkst,

dafs sie von

uns

beiden es w a r , die am meisten erschrak, so kennst du sie schlecht. —

Mit der

stolzesten Ruhe mafs sie mich mit den Augen,

und sagte mit W ü r d e : —

»Ich

heifse jetzt Baltimore, Geinalin des Herrn, der eben auf uns zukommt. — es Ihnen zeither gegangen ? " verblüffter vor i h r ,

als jemals —

eine Silbe zu a n t w o r t e n . ist mir in sen. —

W i e ist Ich stand ohne

Unheimlicher

meinem Leben nicht

Überlege selbst, E d u a r d ,

gewewas

hier alles zusammentraf, um mich aufser Fassung zu bringen. — Die hohe fremde Miene der Dame — gegen einen Bekannten , wie mich —

ihr gegenüber — die

Schreibtafel des Barons mit ihrem Migna-

97 turgeinälde und meinem Epigramm in der Tasche —

scheu,

wie ich immer gegen

alle und jede b i n ,

die Thorheiten

von

mir wissen, so dafs ich lieber von ihrem Tode h ö r e , in

als ihnen begegne —

und

demselben Augenblicke zugleich

der Gefahr umschwebt — Klärchens Geinal — zu bezeigen . . . .

von

dem Lord



meine Hochachtung Nein, Eduard — um

init solchen Verlegenheiten

zu kämpfen,

mul's man eine unverschämtere Stirn haben , als ich. —

Mein Entschlufs war kurz.

Ich fafste den P r o p h e t e n - W i r t h bei

dem Ärmel — drehte mich uin, und eilte nach meiner Chaise. —

Als wir so weit

w a r e n , dafs uns Niemand hören konnte, blieb ich stehen. —Mundkoch" — „jetzt, Neugier,

„ N u n , lieber Herr

schöpfte ich Athem



bitte i c h , befriedigen Sie meine die

unglaublich i s t ! —

Wir

kennen ja beide ihre liebe Nichte von dem Bette a n , wo ihr der Teufel zum ersten Male erschien, bis zu dem Sopha, wo ich Th. W .

VI. Tb.

7

98 ihr das Strumpfband der Maria verhandelte — durch welches W u n d e r ist ihr die Hand eines reichen vornehmen Engländers zu Theil geworden ? " —

„ D u r c h kluge

E r f a h r u n g , " antwortete e r , ,,die bei den Weibern

meistens den Abgang der Un-

schuld ersetzt — u n d durch die Blindheit, mit der Gott uns Männer gestraft hat.

So

erkläre ich mir wenigstens die Sache, w e n n mir das und jenes von der Donna einfällt, und ich über ihr Glück erstaune. — Aber j e t z t , glauben Sie m i r , verdient sie e s . — Sie ist ganz wieder auf dem Wege der Tugend,

eine

zweite

Magdalena

— liebt

ihren Mann und macht ihn glücklich." — „Seit wie l a n g e ? " fragte ich.

„Seitheute

vor acht Tagen," erwiederte e r ; „sie verlangte — und der Lord freute sich kindisch darüber — in der Franziskaneikirche — gerade über dem Grabe der tugendhaften

Laura g e t r a u t zu werden. —

Herr

Ducliquet h a t sie eingesegnet — der getaufte Jude hat bei der Ceremonie aufge-

¿>9 wartet — und in d e r P r o p s t e i " fiel ich ihm ins W o r t , wesen?"

,Ist,

die Hochzeit ge-

„ J a , " sagte er, „und auch das

Beilager." Ich schlag bei dieser Nachricht die Hände gefalten

über den Kopf.



„Barmhoizigei G o t t , " rief ich aus, ,,welch ein

Greuel von Menschenverbindung an

deinem Altare!

Gute Laura, was für anti-

petrarchische Gedanken mögen an diesem Tage über deiner Asche geschwebt haben!"



„ l l u h i g , mein H e r r ! "

nerte mich der P r o p h e t e n - W i r t h , Nichte bemerkt Sie —

erin„meine

Lassen Sie uns

alles vergessen und vergeben

seyn, was

vorbei i s t , und gedenken Sie künftig der Lady Baltimore im Besten. —

Doch ehe

wir uns trennen, mein Herr, — denn ich sehe, dafs meine Herrschaft einsteigt, mufs ich Ihnen geschwind einen Irrthuin benehmen ,

in welchen ich Sie in

Ansehung

Ihres Landsmanns gesetzt habe. — Es war eine boshafte Nachrede seiner fortgejagten liederlichen Bedienten , — denen ich kei-

lOO

nen Glauben hätte beimessen sollen.

Der

brave Mann hat sich mit Klärchen nicht einmal so viel vorzuwerfen — wenn ich so frei seyn darf, es zu sagen — als Sie. Ein Liebhaber der Kunst kann ja wohl in allen Ehren ein schönes Mädchen als Modell benutzen!

Mehr hat er nicht gethan.

Ich habe seitdem Herrn le Sauve kennen lernen, den Maler, der für ihn gearbeitet , und dem Klärchen in mancherlei Stellungen gesessen hat — von dein weils ich alle Umstände.

Gnade Gott dem Herrn,

der auch die unschuldigste Sache bei verschlossenen Thüren vornimmt! —

Mehr

braucht es bei solchen Schurken nicht, um ihn in den schlimmsten Ruf zu bringen — so dafs er zuletzt keine Tasse Hühnerbrühe mehr nehmen erwecken . . . .

darf,

ohne Verdacht zu

Doch ich mufs fort —

leben Sie wohl — wir bleiben nur diese Nacht in Montpellier. " —

Die vier vor-

dersten Wagen waren schon in vollem Galopp — er hatte seinen Platz in dem

J01 fünften — dem nächsten vor dem meinigen.

Mein P o s t i l l i o n , voll Ungeduld über

den Aufenthalt,

blieb nicht zurück,

so

dafs ich die Ehre hatte, im Gefolge von Lady Klärchen langen,

wo

an dem Posthause anzu-

die Quartiere für die engli-

sche Herrschaft schon durch einen KouTier bestellt waren. Den ganzen Weg Neugier um

über hatte sich meine

eine Frage

herumgedreht,

deren Auflösung von meinem geschwinden Aussteigen aus dem Wagen abhing, ehe mir der

Mundkoch

entwischte.



Ich kam ihm glücklich entgegen. — >»Nur noch ein W o r t statt tausend ihn bei dein Kragen. — Welt

führt

Ihre Frau

hielt ich

„ W a r u m in aller Nichte

Gnaden

wenigstens ein Dutzend Kammer)ungfern mehr mit s i c h ,

als eine Königin

chen w ü r d e ? " —

„Das mufs

braufreilich

Wunder n e h m e n , " antwortete e r , „wenn man den weifs. —

wahren

Zusammenhang

Mylord —

nicht

so hat mir sein

102 Kammerdiener v e r t r a u t , stematisches W e r k der W e i b e r .



s c h r e i b t ein sy-

ü b e r die

Eigenheiten

Englische Schriftsteller

w ä h l e n ja immer ein auffallendes T h e m a . —

Diese

wohl

artigen

im Dienste

Kinder

sind

n i c h t so-

b e i seiner G e m a l i n

als in dem seinigen —

seine philosophischen Spekulationen ahnden es selbst



6ind S t u d i e n f ü r

nicht.

Sie

und

verrathen

ihre kleinen S c h w a c h h e i t e n — F e h l e r und Tugenden

unbefangen,

tagtäglich

neue

Texte.

und

liefern i h m

Bemerkungen z u seinem

E s ist der vollständigste Apparat

z u dergleichen p h y s i o l o g i s c h e n Experimenten,

den man

aus

den leichtsinnigsten

thigsten — —

und

6ich n u r denken kann

sprödesten —





schwermü-

unschuldigsten

erfahrensten G e s c h ö p f e n

zusam-

deren S e e l e n ,

(denn

mengesetzt



mit

w i r k l i c h ist es nur darauf a b gDe s e h e n )' er hunderterlei Versuche anstellt, lich ein neues R e s u l t a t

u m end-

herauszubringen.

G o t t g e b e , dafs es i h m g e l i n g t —

denn

io3 es wäre gewifs ein sehr nützliches Buch !" — „Und

dieser S a c h v e r s t ä n d i g e , " f u h r

mir h e r a u s , „ h a t Ihre Nichte heirathen können ? " — ,,Stille

fiel mir mein ver-

unglückter Oncle ins W o r t — ,,hier ist nicht der O r t , darüber zu schwatzen. — Ich mufs in meine Küche — leben Sie w o h l , mein Herr,

leben Sie w o h l ! " —

Das Buch möchte ich sehen — setzte ich n u n meine V e r w u n d e r u n g mit mir allein f o r t — indem ich mich von einem Lohnbedienten

in die Stadt f ü h r e n liefs, in

die man, wie du w o h l wissen wirst, nicht a n d e r s , als zu Fulse oder in Sänften kommen kann. —

Armer A u t o r !

Gott geBe

dir Glück zu deinen S t u d i e n , denen freilich die meinigen nicht das Wasser reichen! Uber deine junge F r a u ' k ö n n t e ich dir zwar w o h l wichtige Beiträge liefern — aber, ob sie es gleich nicht um mich verdient h a t , w ü r d e ich mich doch schämen, weniger edel zu h a n d e l n , als Herr Ducliquetj der P r o b s t u n d der getaufte Jude.

104 Montpellier ist bei allen seinen unläugbaren Vorzügen doch eine sonderbar ängstliche S t a d t , lieber Eduard. — die so schmal sind, der gegenüber

Gassen,

dafs die Inwohner

stehenden hohen

Häuser

einander die Hände reichen k ö n n e n , und ein Liebhaber, der so gute Gelegenheit h a t , seiner Schönen den Tag über in die Fenster zu sehen, Bret braucht, gen.

nichts weiter als ein

um des Abends einzustei-

Wenn die Hitze z u n i m m t ,

spannt

m a n , aus Furcht vor dem Sonnenstich, Tücher über sie her.

Dann sieht jede

ohnehin w i e ein Himmelbette

aus,

kann füglich dazu benutzt werden.

und Die

Schilder der Wirthshäuser

sind alle aus

der Botanik genommen. —

Da hört man

von keinem Römischen Kaiser oder Kurfürsten ,

w i e in Frankfurt

deutschen

Städten,

aus dem Linneus. besten.

und

andern

sondern nur Namen Ich fragte nach dem

Mein Lohnlaquai nannte mir die

Rhabarber-Pflanze und die Chinawurzel. —

105

Ich wählte das letztere und liätte es nicht besser treffen können; denn an der Hausthüre lehnte ein Bedienter, dessen mir nur allzubekannte Livree mich sogleich verständigte, dafs er dem Herrn angehöre , den ich suchte. Er bestätigte es, und w a r so flink in seinem Dienste, dafs er dem Baron die Ankunft der Schreibtafel schon gemeldet h a t t e , als ich noch auf der Treppe w a r . Kaum hatte ich meinen Staubmantel abgeworfen, so trat dieser auch schon in mein Zimmer — eine Figur von dem edelsten Anstände, ein offenes — liebreiches — verständiges Gesicht — so einnehmend und munter in seiner U n t e r h a l t u n g , w i e es nur ein Deutscher seyn k a n n , den gute Gesellschaften und Reisen gebildet haben. Ich w u f s t e nicht gleich, nach was ich zuerst greifen sollte, um ihm eine bessere Meinung von mir beizubringen, als ich selbst hatte — machte Entschuldigungen 'iber den A u f z u g , in dem er mich träfe —

hätte zwei Nächte nicht geschlafen — und k ä m e — das w a r es eigentlich, wodurch ich mir ein Ansehen bei ihm erbetteln wollte — von der Bastide meines vertrautesten Freundes, des Marquis von St. Sauveur, dessen Vermählung ich als der einzige Gast beigewohnt hätte. In der That traf ich es hier wieder so gut d a m i t , w i e bei Herrn Filbert. Er kannte den Brigadier — wünschte mir Glück zu seiner Freundschaft— und hörte mit innigem Antheil mein enthusiastisches Lob über seine Gemaliii. „Es ist wohl S c h a d e , " sagte e r , „dafs Sie ihm nicht auf sein Stainmgut haben folgen können. Dort würden Sie ihn als einen kleinen Fürsten bewundert haben, der alles das leistet, was man oft umsonst von dem gröfsten erwartet." Ich ging nun nicht ohne Herzklopfen zu dem Hauptgeschäft ü b e r , das ich mit ihm abzuthun hatte. — Er machte es mir sehr leicht — nahm alles, w a s ich über meine hitzige Krank-

107

heit — nachherige Erschlaffung —

und

verordnete Zerstreuung zu meiner Rechtfertigung herausstotterte — f ü r gültig an, und f o r d e r t e ,

ehe ich ihm noch seinen

Verlust einhändigte — Feder und Tinte, uin durch ein Billet an den Kriininal-Gerichts-Pväsidenten, den armen Puppenspielern noch vor Nacht ihre Freiheit zu verschaffen.

„ E s ist nicht meine Schuld,"

sagte e r , ,,dafs die guten Leute in Ketten liegen.

Sie w u r d e n z w a r auf meine An-

zeige in den Zeitungen — nach der Livree, die sie trugen — eingezogen;

doch ihre

eigene Aussage in dein V e r h ö r , dafs man m i t jedem besonders

anstellte,

sie hauptsächlich verdächtig. ten ganz den Kopf

machte

Sie mufs-

verloren haben. —

Dafs sich der eine P r o l o g u s , der andere Epilogus n a n n t e , lern h i n g e h e n ;

liefs man Puppenspieals sie aber den Herrn,

der sie gekleidet, ben s o l l t e n ,

angeben u n d beschrei-

standen beide mit einander

in geradem Widerspruch. —

Der eine

ioö n a n n t e Sie so,

der andere s o ,

k o n n t e nur versichern,

und ich

dafs kein Edel-

mann in ganz Deutschland einen so kauderwelschen Namen führe.

Der älteste

Bruder sagte a u s , Sie wären in Avignon eines Kirchenraubes wegen arretirt worden — der j ü n g s t e , Sie hätten die heilige Dreifaltigkeit in einem Kamin

entdeckt.'

— Man fragte nach ihrem Abschiede, sie hatten

keinen

aufzuweisen.

Ihr

Herr

w ä r e durch ein W u n d e r aus Avignon entkommen —

zu Lambesk h ä t t e n sie die

Schreibtafel in einer verborgenen Tasche gefunden — und dem Herrn sogleich in Verwahrung gegeben — der es vermuthlich vergessen, sie dem E i g e n t h ü m e r auszuliefern , und bei ihrem Abgang in Begriff gestanden h ä t t e , zu gehen.

in sein Vaterland

Diese widersprechenden Aus-

sagen , die alle Stunden einen neueu tollen Zusatz erhielten , erbot sich doch jeder Bruder zu b e s c h w ö r e n — dabei sahen sie sich vor Gerichte so scheu u m , wie das

böse Gewissen. lich i s t ,

Die F r a u , wenn es mög-

bezeigte sich noch verwirrter.

Sie deklamirte in leeren nichts sagenden Phrasen ihre Vertheidigung, und rief unaufhörlich in dem Gefängnisse und vor dem T r i b u n a l :

„ Ach mein Theseus ! —

w o bist du h i n , Doch w a r sie es,

mein Theseus ? "

die den Brief an den

deutschen Baron in dem heiligen schrieb,



Geist

ohne Hoffnung zwar ihn anzu-

treffen, u n d den ich sogleich durch eine Stafette abschickte.

Mir fing selbst an

bange f ü r den Ausgang zu werden.

Ich

hielt sie zwar sehr richtig f ü r Narren — verschob jcdoch mein Urtlieil über den Verdacht,

dem sie blofs standen.

T r i b u n a l hingegen hielt sie

Das

hinlänglich

f ü r überwiesen, und ohne meine Gegenvorstellung hätten die Question erlitten. Schelmen

sie

ordinaire

vielleicht et

schon

extraordinaire

Es t h u t mir leid, dafs den armen ihre

Ehrlichkeit so übel be-

lohnt worden ist.

Dafs mich ihre Un-

110 s c h u l d jetzt mehr f r e u t , als Schreibtafel, Venus

und B r i e f ,

die ich

eins w i e das

andere f ü r verloren h i e l t , können Sie nur w o h l zutrauen.

Ich bin g l ü c k l i c h , dafs

meiner über die

Zeit

reise n u n

mehr

nichts

verschobenen A b im

Denn vielleicht wissen Sie

Wege

steht.

schon ,

mein

H e r r , dafs mich in D e u t s c h l a n d eine lieb e n s w ü r d i g e B r a u t mit S e h n s u c h t erwartet,

uin

so viel

ter Brief i h r bestimmt , auf

ein

und

Gut

w e i t entgegen lichkeit,

mit

gen sehen wenig."

Tag

letz-

Ankunft

hat ,

inir

Tante

sechs

Meilen

z u kommen.

Die

Ängst-

der sie mir sonach entgebeklemmt

Brauche

Eduard,

wohl

zählung

anzustreichen,

Stich

da mein meiner

sie gebeten

ihrer

mul's,



mehr,

den

mich

ich

die Stellen

Dir,

nicht lieber

in dieser Er-

die

mir

einen

nach dem andern ins Herz gaben.

I c h erduldete sie ohne M u r r e n , gerechte

Züchtigung

w o r t l i c h e n Leichtsinns.

meines

als eine unverant-

Kleinmüthig zog

111

ich das anvertraute G u t aus der Tasche, aber wie ich es dem Eigenthümer einhändigte , brachten mich die Vorklagen, die ich beifügen wollte, in eine neue Verlegenheit.

Auch diese schlug er s o f o r t

als ein Mann von W e l t nieder.

E r öff-

nete die Schreibtafel, besah mit wahren Kenneraugen Klärchens Bild und überlas lächelnd mein Epigramm auf der Hinterseite.

Die Gelegenheit w a r zu g u t ,

um

ihm nicht die Veränderung bekannt zu m a c h e n , die seitdem

mit dem

Original

vorgegangen sei, und durch welches Ungefähr

ich

hätte.

,,Nur h e u t e ?

heute

ihr

Gefolg

verstärkt

das ist g l ü c k l i c h ! "

sagte er ein wenig ironisch, (vermuthlich hat der P r o - und Epilogus eins u n d das andere zu Protokoll gegeben, was er Anstand n a h m , mir gerade in das Gesicht zu sagen.)

„Also an Lord Baltimore verhei-

rathet?

Nun da ist sie in den rechten

Händen,"

schlug er ein lautes

Lachen

auf — ,,ich kenne den alten Schwärmer

112

u n d seine abgeschmackten Versuche f ü r einen T e x t , über den unser kluges und erfahrnes Klärchen ihn in einer Stunde mehr lehren w ü r d e als alle die abgesetzten Lady's, die ihren T r i u m p h w a g e n begleiten.

Wer w e i f s ,

ob sie ihn

nicht

wieder zum Glauben an weibliche

Tu-

gend bekehrt, u n d seine E r f a h r u n g s - und Seelenkunde mit einem P h ä n o m e n

berei-

c h e r t , dem er bis jetzt umsonst nachgeforscht hat.

W i e w i r d sie die Unbefan-

gene spielen — ihn schon von weitem kommen sehen,

w ä h r e n d er seine Expe-

rimente f ü r die ersten h ä l t , blofs steht.

denen sie

Die Reise nach Spanien ist

gewils ihr Werk. —

Dort,

wo

keine

Seele sie k e n n t , wird sie ihm noch lange, ehe sie in den hintersten Wagen versetzt w i r d , f ü r den Stein der Weisen gelten, den

er

sucht." —

Mundkochs. —

Ich

erwähnte

des

,,Den allein , " sagte er,

w ü n s c h t e ich von der säubern Gesellschaft zu sprechen.

Der Ehreninanu hatte mich

n3 vor einiger Zeit, wie mir mein Kammerdiener vertraut h a t ,

in einein schimpfli-

chen V e r d a c h t ,

und seine liebe Nichte,

der

alles Böse an den

er damals

Hals

wünschte, in einem noch schimpflichem." — „Diese U n g e r e c h t i g k e i t , " fiel ich dem Baron ins W o r t ,

,,bereut er jetzt gegen

beide von Herzen, seitdem er einen unverwerflichen Zeugen Ihrer blofs artistischen Verhältnisse mit seiner Nichte — den Herrn Le Sauve gesprochen h a t , der die Schöne so oft unter Ihren Augen u n d in der Lage gemalt h a t , die Sie dem Modell gaben." — Der Baron verfiel in ein kleines Nachdenken , das ihn glücklicherweise verhinderte, die brennende Schamrötlie zu s e h e n , die mir in das Gesicht trat —

denn siehe n u r , ehe ich mich

dessen v e r s a h ,

fiel

Stimmhammer,

bei

•scheiterte,

mir dem

der

verfluchte

meine

Kunst

u n d die geweihte F a r b e ein,

die ich verschüttete. —

, , 0 hätte ich,"

erwachte der Baron wie aus einem T r a u m , Th. w. VI. Th.

8

n4 „das schöne Geschöpf noch so unmündig an Kenntnissen und Jahren gefunden, als da

Herr

inachte,

Ducliquet

ihre

Bekanntschaft

keine Seele w ü r d e jetzt gegen

die W a h l einwenden

des Lords etwas können.

So

gegründetes

aber w a r sie

schon ganz verloren, als ich sie kennen lernte — n u r f ü r die Kunst des

Malers

nicht. Ihre trügerische Aufsenseite konnte schon keinen mehr betrügen, dem es nicht ganz an sittlichem Gefühl und gesunden Augen f e h l t e , wenn er nicht wie Baltim o r e , f ü r sein freigeistiges System mit Blindheit gestraft w a r — am wenigsten ein Herz wie das meinige, das einein fast eben so reizenden — zugleich aber auch dem reinsten und tugendhaftesten w e i b lichen Wesen angehört.

O , meine Karo-

line, mit welchem Wohlbehagen

unver-

letzter Treue w e r d e i c h dir nun bald unter die Augen t r e t e n ! Herr,

ist

Wie belohnend, mein

dieses Bewufstseyn am

Ende

einer Reise, sie m a s einen Weltthcil orl«

das Leben umfassen! " — Lieber Eduard, wenn Du mir die glühenden Zangen der Beschämung, die mich bei jedem dieser Worte zwickten, nachfühlen müfstest — ich würde Dich herzlich bedauern. Da mochte ich mich doch auf die eine oder die andere Seite des Prangers stellen, den der Baron Kliirchens Liebhabern anwies, so hatte ich keine Ehre davon. Ich bekam eine recht kleine Idee von m i r , die noch nicht vergehen will. Besonders that es meiner Eigenliebe w e h , dafs hier zwei Deutsche in so verschiedenem Lichte einander gegenüber safsen. Ich konnte mir nicht verbergen, dafs diesem jungen, blühenden , artigen Manne das Reisen viel besser zugeschlagen s e i , als mir. Mich, glaube i c h , hat er auf den ersten Blick weg gehabt. Sagte er nicht oben, ich wisse vielleicht schon, dafs er eine Braut habe — und würde er wohl mit der Huldigung seiner Karoline so laut gewesen seyn, wenn er mir nicht schon angesehen

116 h ä t t e , dafs mir der

Inhalt des Briefs in

der Schreibtafel so b e k a n n t w ä r e , als ihm selbst ? W a s könnt' ich in dieser Ü b e r z e u g u n g klügeres t h u n , als den V o r w ü r f e n , denen ich nicht a u s z u w e i c h e n vermochte, offen

entgegen z u

Herr B a r o n , "

gehen?

stoppelte

,,Ich merke,

i c h meine ver-

schämten W o r t e zusammen, „ d a f s Sie voraussetzen ,

ich

habe

mich von dem Ge-

heimnisse Ihres Herzens auf eine A r t unt e r r i c h t e t , die grofse E n t s c h u l d i g u n g bedarf.

W a s mir eigentlich n ö t h i g w a r um

den E i g e n t h ü m e r des G e f u n d e n e n aufzusuchen ,

konnte

sagen —

das seh* ich j e t z t r e c h t g u t ein



inir schon

und dennoch . . . "

meines Freundes " — —

die Adresse

„ W e n n der Brief unterbrach er mich

„ I h n e n die Z e i t v e r k ü r z t h a t , so h a t

er seine A b s i c h t doppelt erfüllt, und es ist mir l i e b ,

dafs Sie ihn l a s e n " —

auch a b g e s c h r i e b e n ? " fragte ich. —

,>Und „Ja,

auch d a s ! " a n t w o r t e t e er lächelnd. „ H ä t t e er ihn im E r n s t g e s c h r i e b e n ,

so viel er

ii7 übrigens auch W a h r e s e n t h ä l t , so dürfte ich w o h l hoffen, i h n bald genug zu überführen , w i e Unrecht er m i r und dem guten Geschmack gethan — und w i e voreil i g er die Aufschrift über dem P o r t a l e meines

Landhauses

kritisirt h a t . " —

Ich

könnte nun mit g u t e m Gewissen und an keinem s c h i c k l i c h e m

Orte als h i e r den

Brief über oder gegen den guten Geschmack, w o v o n ich Dir bereits in meinein verbrannten Tagebuche hatte,

den

Anfang

ganz einschieben.

mitgetheilt

Er w ü r d e Dir

zum bessern Verständnifs der S a c h e , auf die sich die W i d e r l e g u n g des Barons bezieht — mir aber als eine A n l e i t u n g dienen,

die Verdienste meines L a n d s m a n n s

in ein noch schöneres L i c h t zu ^etzen — aber

ich w ü r d e n u r dadurch den Faden

meiner E r z ä h l u n g , die doch auch bedacht seyn w i l l , verlieren.

G e n u g , Du sollst

nicht darum k o m m e n , u n d sollte ich Dir ihn in einem besonderen F u t t e r a l mitbringen. — » I c h schmeichele m i r , " f u h r der

Baron mit sichtbarer innerer Zufriedenheit f o r t , dafs ich die Zeit meiner Abwesenheit in fremden Ländern nicht so gar übel f ü r meinen künftigen A u f e n t h a l t im Vaterlande und f ü r das Glück meiner Erwählten angelegt habe.

Die Kenntnifs der

grofsen Welt mufs vorausgehen, um durch Vergleichung sein häusliches Glück desto schmackhafter zu machen — so wie man nach einigem Genufs sehr feiner Gerichte gern wieder zu einer kräftigen Hausmannskost zurückkehrt. —

Auch mein Kunst-

gefühl soll mir hoffentlich so viele Freude gewähren, als meinen Nachharn ihre ruhige Ignoranz.

Die Leuchter — die Vaseri

von griechischer F o r m , denke i c h , sollen mir so wenig im Wege stehen als ehemals den Griechen — eine Venus von Titian w i r d meinem Auge immer einen so angenehmen R u h e p u n k t verschaffen,

als das

freundlichste Gesicht einer Dorfnymjihe, und

Lady

Baltimore

in ihrer

schönen

Nacktheit, w o mich jeder rinselstricli an

das Original erinnert, besser als noch jene G ö t t i n , der man aufser ihrem Reiz auch nicht viel Gutes nachsagen kann.

Da Sie

Kl'ärchen, wie ich gehört h a b e ,

persön-

lich k e n n e n , müssen Sie nicht eingesteh e n , mein H e r r , dafs ihr Anblick minder noch wollüstige Begierden erweckt,

als

edle und erhabne Gedanken, die n u r durch die Ungestalt der Seele zurückgestofsen w e r d e n , die den herrlichen Bau, wie die Kröte einen T e m p e l , bewohnt.

Haben

Sie wohl je Nevisans Gedichte und die dreiisig Bedingungen gelesen,

die er zu

einer vollkommenen Schönheit f o r d e r t ? " — „Ja, " antwortete ich, ,,ich habe diese Stelle

erst

kürzlich

für

Freunde abgeschrieben." —

einen

meiner

„Und ich,"

erwiederte der Baron , „ h a b e noch mehr gethan — habe sie, das Buch in der Hand, durch Klärchens Vermittelung mit der Nat u r selbst — jedes rohe W o r t des Dichters mit dem feinen Reiz verglichen, den es anzeigt — sie alle an dem schönen

120

Mädchen beisammen, aber durch das lebendige Kolorit — durch die A b s t u f u n g des Schattens und Lichts — durch die Schlangenlinien,

die sie vereinigen,

ungleich

anziehender, und hier den Ausdruck der N a t u r unendlich poetischer g e f u n d e n , als den Dichter.

Hauchen Sie n u n einer so

sinnlich vollkoinmnen Gestalt Selbstschätzung und Tugend e i n ,

und Sie haben

das anbetungswürdigste Ideal weiblicher Schönheit und Würde.

Ich will Ihnen

aus meinem Portefeuille ein Blatt holen, worauf ich die Physiognomie dieses Mädchens nach verschiedenen Ansichten, Nonne — Heilige —

Betende —

als Ent-

zückte u n d als einen Engel geätzt habe. W ä r e die Zeichnung —

wie sie es frei-

lich nicht ist — von einer Meisterhand — von der Hand eines Raphael oder Battoni, Sie w ü r d e n nicht läugnen dieses zur Venus

können,

so geschickte

dafs

Modell

unter allen Gestalten denselben Eindruck machen würde.

W a s kann uns aber einen

121

h o h e m Begriff von der Allgewalt der Unschuld und Tugend auf das menschliche Herz geben, als dafs es selbst in seiner Verdorbenheit durch nichts so stark als durch eine Bildung angezogen w i r d ,

in

welcher die Anlagen dazu gezeichnet sind, und selbst die gröfste V e r f ü h r e r i n , w e n n sie am unwiderstehlichsten

zu verlocken

t r a c h t e t , wider Willen zu dieser Maske ihre Z u f l u c h t nehmen m u f s . " W ä h r e n d der Baron in seinem Zimmer die edeln Gesichtszüge der jetzigen Lady Baltimore a u f s u c h t e , kam sein Bursche mit der Nachricht z u r ü c k ,

dafs meine ehe-

maligen Bedienten . . .

Nein — f u h r es

mir so w ü t h e n d durch den Kopf, ich vom Stuhle a u f s p r a n g ,

auf ihn zu hören — der P r o l o g u s , ihr als Teufel erschien —

dafs

ohne weiter der

der Epilogus,

in dessen Bette sie flüchtete — die beiden Grenadiere,

die sie

mir

boshafter

Weise in Avignon vor die T h ü r stellte — die armen Unglücklichen,

die in Ketten

I Ü2.

l a g e n , während der Propst sie in

integrum

restituirte — Duclicjuet sie einsegnete — diese Unschuldigen sind es, die in d e r s e l b e n Wacht erfroren aus einem feuchten

Kerker

kriechen,

in

der,

wenig

Schritte von i h n e n , jener Sünderin alle Freuden der N a t u r zu Befehl s t e h e n , u n d ein Lord in schwärmender Andacht

den

unheiligen Busen k ü f s t , an den von Ewigkeit her das böse Schicksal zweier gutmüthiger Puppenspieler

gebunden

war!

Diese Betrachtungen jagten mich die Stube auf und a b , und ich konnte mich nicht eher wieder fassen, bis der Baron hereintrat und nun — der Bediente seinem Herrn viele Grüfse von dem Kriminal-Gerichts Präsidenten ausrichtete und die f r o h e Nachricht wiederholte,

dafs die beiden

Brüder und ihre Gesellschafterin des Gefängnisses entlassen wären. W i r wünschten gegenseitig zum Ausgange dieses verw o r r e n e n Handels einander Glück,

setz-

ten uns zusammen an einen T i s c h ,

und

123

fingen nun an nach allen Regeln Lavaters gemeinschaftlich unschuldigen

die

schönen,

offenen,

und rührenden Liniamente

zu entwickeln, hinter welche die Mutter N a t u r ein so häfsliches — heuchlerisches — frechcs —

und veihuhltes

Herz ver-

borgen h a t t e , als H e r r D u c l i q u e t zu seiner Bearbeitung nur

eins verlangen

konnte.

Ich lege Dir zwei von den radirten Exemplaren b e i ,

die mir der Verfertiger zum

Vertheilen unter meine F r e u n d e verehrt hat.

E w i g S c h a d e , dafs meine geheimen

Nachrichten von ihr in der Asche l i e g e n ! — W i e würden

sie

nicht den

Kupfer-

stich unterstützt haben ! Indefs ist es doch g u t , dafs ich allen d e n e n ,

die etwa von

meinen Thorheiten hören sollten — (denn w a s verschwatzt sich n i c h t ! ) diese betrügende P h y s i o g n o m i e vorhalten k a n n , mit der B i t t e , sich zum vollständigeren Beweis meiner R e c h t f e r t i g u n g vel

quasi,

noch

die jugendlichste F a r b e — die rührendste Karnation — die sonorischste Stimme und

jenen lebhaften F r o h s i n n

hinzuzudenken,

der dem Original eigen ist.

W e r alsdann

noch anstehen k a n n , mich loszusprechen, mufs entweder die Enthaltsamkeit eines Patriarchen — eine Braut zu Hause — oder ein versteintes Herz haben. Eine Bekanntschaft, wie die ineine mit dein Baron w a r — und von so kurzer Zeit h e r , dafs inzwischen die Sonne weder einmal a u f - noch untergegangen ist — sollte man denken, müsse sich eben so kurz abbrechen lassen; eine

aber w i r beide machten

seltene Ausnahme

wöhnlichen Falle,

von diesem ge-

iir sah es mir an, wie

sein Händedruck zum Abschiede mir an das Herz t r a t , und E r — „ W a r t e t e unterw e g e s , " sagte er, „ n i c h t e i n e Geliebte auf m i c h , so wollte ich auf Sie w a r t e n , um Ihnen zu beweisen, dafs jedes Land gleichen W e r t h f ü r mich h a t ,

das mir die

Aussicht g i e b t , einen Freund mehr zu gewinnen.

Ich reise als ein Liebhaber, Tag

und Nacht, dem Gegenstande meiner Wiin-

sehe entgegen. — Sie — als ein Neugieriger, der in seinem Vaterlande nichts zu versäumen h a t , dem kein Umweg etwas kostet, Ihnen darf ich bei solchen Verhältnissen ja wohl, über der französischen Glänze, noch einen vorschlagen, der vielleicht so viel vverth i s t , als jeder andere, den Sie gemacht haben. Sie sind Zeuge von der gegenseitigen Überraschung zweier Liebender gewesen, denen für einander bange w a r , und die w i r nun in diesem Reiche unstreitig für die glücklichsten halten können. W ä r e es aber nicht, schon der Vergleichung w e g e n , Ihrer Mühe w e r t b , nun auch ein paar gute deutsche Herzen aufzusuchen und zu beobachten, die längst mit einander einig, sich doch trennten, nur um durch eine von Posttag zu Posttagte immer höher steigende Erwaro t u n g , der Magie der Liebe einen Reiz mehr zu geben.

Ich w i l l das System un-

sers gemeinschaftlichen

Freundes nicht

tadeln; aber ich halte mich an das mei-

125

nige.

Die Seligkeit ist gleich — obschon

die verschiedenen W e g e d a h i n ihre eigenen Vorzüge haben.

Ich nahm seine Einla-

dung m i t Vergnügen an.

Er nannte mü-

den zu seiner Verbindung mit bestimmten Tag. meinein

Karolinen

W ä h r e n d ich ihn

Musenalmanach

seufzend überlegte,

anstrich,

w e n n doch

in und

einmal

mein Glücksstern ein solches Kalenderzeichen erhalten w ü r d e , ron

h a t t e sich der Ba-

fortgeschlichen.

Um ihn heute nicht w e i t e r zu stören — da es schon über M i t t e r n a c h t ist — übert r u g ich B a s t i a n e n , i h n morgen f r ü h bei seiner Abreise nochmals meiner Hochacht u n g — Dankbarkeit und besten W ü n s c h e z u versichern.

Gott sei Dank f ü r die. Ge-

w i f s h e i t , m i t der ich nun zu Bette gehe, dafs keine menschliche w e g e n leidet.

Kreatur meinet-

So darf ich auch wieder

e i n m a l a u f eine vollkommen r u h i g e Nacht r e c h n e n — u n d a c h , auf noch mehrere; denn seit einigen Tagen hat sich doch

iü7 vieles,

w a s m i c h insgeheim d r ü c k t e , ge-

hoben!

Mein a r m e r L e h r m e i s t e r , f ü r d e n

ich n o c h i m m e r hatte,

ist,

wider

die alte A n h ä n g l i c h k e i t alles E r w a r t e n ,

u n d reich g e w o r d e n .

klug

Klärchen —

fast

n o c h u n b e g r e i f l i c h e r — ist u n t e r die Haub e g e b r a c h t . Die P u p p e n s p i e l e r sind i h r e r t o l l e n W i r t h s c h a f t w i e d e r g e g e b e n , u n d die fatale Sucht,

eine Heilige z u entdecken,

h a t seit A g a t h e n s B e k a n n t s c h a f t sich glücklich bei mir verloren — ist m i r sogar z u m Ekel g e w o r d e n ,

da

ich aus B a l t i m o r e s

Beispiel g e w a h r g e w o r d e n b i n , w a s solche S t u d i e n ain E n d e a b w e r f e n .

Welch

ein behagliches G e f ü h l g e w ä h r t d o c h ein erleichtertes H e r z !

Bei der R ü c k k e h r ins

V a t e r l a n d k a n n m a n g e w i f s k e i n e n angen e h m e m Begleiter h a b e n .

M o n t p e l l i e r den 27. F e b r u a r .

I c h e r w a c h t e w i e eine U n k e , der e i n S o n nenstral in den R ü c k e n fällt. Elektra

Die beiden

Puppenspieler

und

meinem B e t t e ,

und benetzten meine her-

knieten

vor

unterhängende Hand mit heil'sen T h r ä n e n . Warum

w a r mir

doch ihre D a n k b a r k e i t

so ü b e l l ä s t i g ? w e i l ich — mochte ich mir k a u m gestehen — hatte. —

sie so w e n i g

verdient

, , G e h t , g e h t , Ihr guten K i n d e r ! "

suchte ich sie v o n mir a b z u w e h r e n



„ E u e r gerührtes Herz w i r f t mir aufs bitterste meinen

Leichtsinn v o r ,

der E u c h

in Ketten und Banden gebracht hat. Schmerzengeld Euren

und

Entschädigung

Jahrmarktsverlust

will

ich

Uber für mich

sogleich mit E u c h berechnen —

und dafs

mir die Prozefskosten z u f a l l e n ,

versteht

sich o h n e h i n . " erwiederte

„ D i e s e , mein lieber Herr,"

der E p i l o g u s ,

Baron bereits

„ h a t der Herr

an einen Banijuier gevvie-

seil,

der d a f ü r h a f t e t .

W o l l e n S i e den-

n o c h ein Ü b r i g e s t h u n , s o g e w ä h r e n S i e u n s die B i t t e ,

dafs wir heute das Theater

m i t der Vorstellung unsers tragischen Zufalls eröffnen und dafs w i r " — f r a g t e ich — „ u n t e r tung

in

einer

„Nun? "

dreifacher Beleuch-

glänzenden Apotheose

S i e , t h c u e r s t e r H e r r , als den deus ex

china



ma-

v o r s t e l l e n — in I h r e m g e w ö h n l i c h e n

Kostüme—

w i e wir's kennen " —

Ihr t o l l , lieben K i n d e r ? " Höhe — einige

„Seid

f u h r i c h in die

„ D o c h " — nachdem ich mich

Augenblicke

„meinetwegen —

besonnen

hatte



W e n n Ihr g l a u b t , dafs

es z u E u r e m V o r t h e i l s e y n k a n n , s o stellt m i c h a u s , a u f w e l c h e A r t es E u c h b e l i e b t . Die L e u t e ,

m i t denen i c h h i e r e t w a Be-

kanntschaft mache, kommen doch schwerl i c h in E u r e B o u t i q u e . "

Sie sahen,

dafs

mir angst und b a n g e im Bette w a r d ,

und

trollten sich fort.

G l e i c h d a r a u f k a m Ba-

s t i a n h e r e i n , d e m d i e G e s e l l s c h a f t a u f der Treppe begegnet w a r , Th. w .

v i . Th.

und freundschaft9

lieh ein Freibillet verehrte — Erlaubniis,

dieser

beizuwohnen, ertheilte.

E r b a t uin

Comedie

larmoyante

die ich ihm herzlich gern

D i e N a c h r i c h t , die er mir v o n

der Abreise des Barons b r a c h t e , ungleich

interessanter.

Sein

w a r mir Bedienter,

der mit dem K o f f e r v o r a u s w a r , hatte das Portefeuille vergessen,

das seit

gestern

Abends auf meinem S t u h l e liegen geblieben w a r . nach,

Bastian fand und t r u g es ihm noch

schlummerte.

erzählte er mir —

in dem Post-

während

A l s er —

ich

h o f ankam , w a r eben der L o r d im Begriff, m i t seinen f ü n f E q u i p a g e n aufzubrechen. E r erkannte den Baron als einen alten guten

Bekannten,

und glaubte i h m etwas

recht neues in seiner j u n g e n F r a u v o r z u stellen.

Die L a d y s t u t z t e ,

Baron,

als

sie den

und hinter i h m einen Bedienten

lfiit dem

w o h l b e k a n n t e n P o r t e f e u i l l e uud

der S c h r e i b t a f e l , so nahe b e i ihrem Gemal sah —

doch

der

artige Deutsche freute

sich so u n g e z w u n g e n über die Ehre ihrer

i3i B e k a n n t s c h a f t , u n d liels vor ihren Augen Portefeuille und Schreibtafel in die W a gentasche stecken,

dafs ihr M a t h bald

wieder zurückkam; indefs beging er doch in ihrer

die kleine Bosheit, den Lord zu f r a g e n ,

Gegenwart

ob er endlich das

•Resultat seiner vieljährigen Studien gefunden h ä t t e ? —

J a , a n t w o r t e t e der Phi-

losoph mit grofser Selbstzufriedenheit und so strahlenden A u g e n , Gemalin

dafs seine junge

die ihrigen äufserst

verschämt

niederschlug, und r o t h ward bis über die Ohren.

Der Lord w a r viel zu scharf-

sichtig, als dafs ihm das Hinunelszeichen h ä t t e entgehen sollen,

das j u n g e n , erst

kürzlich verheiratheten Weibern so gut steht.

Jlc

bien,

klopfte er dem Baron

auf die Achsel, qu'en dites-vousl die Dame

trippelte

Triuinphirend

hob

nach er sie

schwang sich ihr nach.

dem

Aber Wagen.

hinein,

und

Lieber Gott, ver-

gieb mir die F r a g e ! —

aber was soll

man zu deinen Anstalten sagen,

wenn

*52

man sieht,

dafs sogar die Angst des bö-

sen Gewissens eine F r a u in den Augen i h r e s betrogenen Ehemanns noch verschön e r t ? Der Baron nahm jetzt den Propheten - W i r t h so lange auf die S e i t e , bis Her letzte W a g e n v o r f u h r , ernstlich mit ihm. stieg,

und sprach sehr

Ehe er in den seinigen

legte er Bastianen in den Mund,

w a s er mir von diesem komischen A u f t r i t t erzählen sollte.

Seine geheimen Gedan-

ken dabei w o l l t e er mir aufheben , bis ich zu ihm käme.

Alles recht schön , w e n n

n u r der g u t e Mann es seit einer S t u n d e nicht ein w e n i g bei mir verschüttet h ä t t e ! Seine Grolsmuth gegen die Puppenspieler ist nicht viel besser als eine Beleidigung f ü r mich.

Prozelskosten soll ihm doch

seine Schreibtafel nicht

zuziehen,

und

w e n n ich sein Hochzeitgast seyn soll, haben w i r uns erst darüber zu verständigen. Mufst Du mir nicht hierin Recht geben, Eduard ? Ob ich gleich keiner Braut nachzurennen

h a b e , w e r d e ich es doch nicht lange hier aushalten.

Die M e r k w ü r d i g k e i t e n in den

Ringmauern

der Stadt haben nicht sehr

viel anziehendes f ü r m i c h , ob ich ihnen gleich ihr grofses Verdienst nicht abläugnen

will.

Sie sind gerade s o , w i e sie

sich f ü r den berühmtesten Stapelort der Du findest verschie-

Medicin schicken.

dene Theater hier —

aber n u r anatomi-

sche und c h i r u r g i s c h e — und die herumliegenden

Gärten sind w e d e r franzö-

sische noch englische — sondern botanische. — sich

Die engen Gassen verschlingen

in einander

wie

einem menschlichen Thülen

die Gedärme

Körper.

in

Aus allen

und Fenstern tritt Dir ein Apo-

t h e k e r - G e r u c h entgegen — und auf dem Markte liegen

Skelete,

die man bleicht.

Diese auf das höchste irdische Gut — auf Gesundheit

und Leben — berechne-

ten Anstalten machten — ich w i l l nicht sageu meine Hypochondrie — aber doch eine gewisse Besorgnifs f ü r meinen kör

perlichen Wohlstand rege, der ich mit allem (1cm Ernst nachging, den die Sache verdient.

Ich habe die Regel, die mich

in jüngern Jahren auf mehrere Universitäten geleitet hat — von jeder etwas mitzunehmen, wodurch sie sich vor andern auszeichnet,

eben so p r o b a t auf ineinen

Reisen gefunden.

In Strafsburg kaufte

ich eine kaltePastete und S t r o h w e i n — in Nancy eingemachte Johannisbeeren ohne Körner — zu Auxerre ein Taschenmesser — in Niines seidne Strümpfe — und ich könnte Montpellier verlassen , ohne mich mit dem Rathe eines der grofsen Arzte zu versorgen, die hier von ihrem T h r o n aus ihren Zepter über den halben Erdkreis erstrecken?

W ü r d e ich nicht diese

Yersäumnil's zu spät bereuen , wenn mich einmal eine von den ein und dreifsig tausend Krankheiten, die, wie ich gelesen h a b e , dein menschlichen L e b e n , wie die furchtbarste Armee, gegenüber stehen, zu Boden schlüge? da sie vielleicht heute

noch

Hand

eines

Ä s k u l a p im Keim zu ersticken w ä r e .

durch

die

geschickte

We-

nigstens w i l l ich m i r d o c h

endlich Ge-

wil'sheit ü b e r den Stein in der L e b e r verschaffen , mit dem mich vor z w e i J a h r e n D. Kämpf so g e w a l t i g erschreckt h a t . Gesunden

mag

es f r e i l i c h a u f f a l l e n ,

dafs hier keine W a a r e

verfertigt

wird,

die n i c h t Bezug auf die V e r f e i n e r u n g der W a f f e n h a t , ü b e r die M o l i e r e , dem A u g e n b l i c k e ,

als i h n ,

s t e l l u n g des Malade nendes

Beispiel!

n a h m — seinen gegossen — — f i n d e n ist — Bader —

imaginairc, der

selbst in

bei der Vorein w a r -

Tod beim

Worte

freieeistigen S p o t t ausdafs h i e r

wo

kein H a u s zu

nicht Droguisten

Professoren

und

Schüler

— der

H e i l k u n d e w o h n e n — dafs m a n selbst i n Gasthöfen

nur

Kräutersuppen

bekommt,

und

sogar

zu

essen

das hiesige Meer,

n a c h meiner B e m e r k u n g von h e u t e Mittag, keine A u s t e r n

darbringt,

die n i c h t m i t

kleinen Seespinnen w i e m i t S c h r ö p f k ö p f e n

i3 6 b e s e t z t und mit S e d a t i v - S a l z gert w ä r e n .

geschwän-

Aber einem Kranken erschei-

nen diese U m s t ä n d e u n t e r einer ganz andern Gestalt.

E r f a f s t Z u t r a u e n zu einein

solchen so r e i c h a u s g e s t a t t e t e n O r t e , u n d hofft auf den b a l s a m i s c h e n D ü n s t e n , er a u s s t r ö m t ,

noch

einige J a h r e

die

weiter

zu s c h w i m m e n . Nach

diesem

mich

gegen

Selbstgespräche d r e h t e i c h den L o h n l a q u a i

nach dem b e r ü h m t e s t e n

und

fragte,

hiesigen

Arzte.

„ D a s i s t , " a n t w o r t e t e der M e n s c h ,

„un-

streitig D o k t o r Mellin, der auf dem M a r k t e wohnt,

u m seine

Bleiche in A u g e n zu

haben.

Kein K r a n k e r k o m m t

hier

an,

d e r sich n i c h t seines R a t h s b e d i e n t , u n d kein neugieriger F r e m d e r reist d u r c h M o n t pellier, den

der n i c h t

er in

den

Tempel

seinem Hause der

s c h a f t errichtet h a t . "

besucht, Freund-

E i n sentimenta-

l i s c h e r Z u g p u t z t d o c h jedes

Menschen-

gesicht schon

Ich fafste

von weitem.

schon das b e s t e V o r u r t h e i l f ü r den M a n n ,

»37

che ich ihn sah , und liefs mich von dem S c h w e i f s , der mir über das Gesicht lief, nicht a b h a l t e n ,

i h m zu g e f a l l e n ,

zwei

schon einmal durchkeuchte Strafseil wieder zurück nach seinem Hause zu keuchen. Es ging mir aber nicht nach

Wunsch,

denn auf mein Anklopfeil rief mir j e m a n d aus dem Fenster z u :

„ d e r Herr Doktor

sei mit ein paar Damen auf den P e y r o u gegangen." —

„ W a s ist das f ü r eine

G e l e g e n h e i t ? " f r a g t e ich ganz schachmatt meinen Begleiter. —

»»Ein L u s t p l a t z , "

w a r seine hochtrabende A n t w o r t ,

„auf

dem man vier Königreiche übersehen kann — das sagt" a l l e s . "

„ G u t ! so f ü h r t mich

den nächsten W e g d a h i n . " ich a n l a n g t e , Leben,

das

w o ich

Es w a r , als

erstemal in

meiner

meinem

Müdigkeit

gut

w a r d , u n d meine E r w a r t u n g übertroffen fand.

In der U n g e w i ß h e i t , w o sich mein

Auge zuerst h i n w e n d e n sollte, machte ich den A n f a n g m i t

dem Mittelpunkte

schönen P l a t z e s , auf welchem

des

das Kit-

i38 t e r b i l d L u d e w i g s des V i e r z e h n t e n hervorragte. —

Die S t ä n d e v o n L a n g u e d o c —

las ich im Schweifse meines A n g e s i c h t s an

dein

Fufsgestelle —

gelobten

diefs

Denkmal L u d e w i g dem G r o f s e n bei seinem Leben u n d Tode. —

errichteten

es n a c h

seinem

U n d i c h , ergriff m i c h der bit-

tere G e d a n k e an die arme eiserne Maske, gelobe seinem v e r k a n n t e n B r u d e r , dieser E h r e n p l a t z

mit

mehrerin

dein Rechte

g e b ü h r t — E i n s h u n d e r t J a h r e n a c h seinem

Tode —

und

wendete mich,

um

meine äufsere u n d i n n e r e Hitze zu vers c h n a u f e n , von

diesem n a c h

einem an-

dern , meines Beifalls u n g l e i c h w ü r d i g e r n Monumente — der

nach

dem W a s s e r t e m p e l ,

dem H a u p t e i n g a n g e

sechzehn

marmornen

Kuppel tragen,

gegenüber,

Säulen,

die

mit seine

u m g e b e n , einen grofsen

Behälter bedeckt,

in dem sich die Masse

W a s s e r s s a m m e l t , das i h m auf t h u r m h o hen Arkaden

durch

einen

drei S t u n d e n

langen K a n a l z u g e b r a c h t w i r d .

Malerisch

>3? rauscht es auf den drei freien Seiten des Doms, gleich der Quelle, die ein Monarch von dem ihm zugeflossenen Reichthum wohlthätig unter sein Volk verlaufen läfst — in ein noch gröfseres Becken herab, von da es durch verborgene Röhren in die Stadt geleitet wird. Ich safs so stolz in dieser Rotunde w i e ein Flufsgott unter seinen Nymphen, hörte ihr Plätschern — nahm freundlich die Kühle a u f , die sie mir zufächelten , und würde meine Augen an dem erstaunlich prächtigen Anblick der Wasserleitung, die vor mir l a g , auf das entzückendste geweidet haben, wenn diefs herrliche W e r k , nach einem geraden Lauf von einer Viertelstunde, nicht den Fortgang des überhingleitenden Blicks durch eine schiefe Wendung unterbräche. W i e empörte sich aber erst mein Herz, als mir mein Führer erzählte, dafs diese Krümme durch die schiefe Denkungsart eines der landschaftlichen Deputirten entstanden s e i , denen dieser kostbare Bau

t^! w a r übertragen w o r d e n . dem W e g e ,

Er besafs auf

den der Bogengang

schneiden sollte,

durch-

einen O l - und W e i n -

g a r t e n , an dem seine

niedrige Seele so

fest hi»ig, dafs er die Rechte des Eigenthums auf das u n v e r a n t w o r t l i c h s t e mil'sbrauchte,

und es durch seinen Einflufs

in den B e r a t s c h l a g u n g e n dahin zu leiten w u f s t e , diefs Denkmal einer grofsen Nat i o n , deren u n w ü r d i g e s Mitglied er ist, auf immer zu verunstalten. genug ausgelüftet h a t t e , durch

die

schrecken,

brennende

Als ich mich liefs ich mich

Sonne

nicht

ab-

über die hohen Arkaden —

zwischen den reizendsten Aussichten auf beiden Seiten — bis an den Garten dieses Elenden hinzuschw : eben.

An der

Ecke,

w o der Bogengang sich zu wenden gezwungen

wurde,

war

ein P i l a s t e r —

eine w a h r e Schands'aule f ü r den Ol - und Weinkrämer,

errichtet.

wenigstens dazu,

Ich inachte sie

und schrieb mit Blei-

stift meinen Fluch d a r a n :

1,1 S t i m m s t d u , sein n i e d r i g H e r z zu k r a n k e n , .Natur ! m i t m e i n e n "Wünschen ein ; S o w i i s t tili nie m i t j ä h r l i c h e n S e i n tu^endloses A u g '

W a s seiner u n d a n k b a r e n Ermangelt,

Geschenken

erfreun. Seele

H e i l i g k e i t und

Geist und Geschmack —

Kraft,

das fehl' auch s e i n e m OICj

D a s fehl' auch seinein R e b e n s a f t !

Der Zufall

begünstigte

mich

so

sehr,

dafs ich bei der Z u r ü c k k u n f t von meinem hängenden Spaziergange auf den berühmten Arzt stofsen mul'ste , suchte.

den ich

Der L o h n l a q u a i zeigte mir ihn

schon von weitem.

E r safs in dein Nym-

phentempel zwischen zwei artigen Frauenz i m m e r n , denen e r , G o t t w e i l s , welchen Trost

zusprach. —

Ich liefs inir

eine

Audienz von ihm erbitten, die er mir ungefähr

wie ein grofser Herr bewilligte,

der durch wichtigere Geschäfte zerstreut ist.

Denn während ich ihm meine Ange-

legenheit

vortrug,

schicite er

inehrmal

142

nach dem Sitze, von dem ich ihn aufger u f e n hatte.

E r hörte mir kaum einige

Minuten zu — sah mir in die Augen — befühlte ineinen P u l s , mein Bedenken Leber

und als ich ihm

über den Stein in

vorgelegt hatte —

gerade ins Gesicht.

der

lachte er mir

„ A b e r , lieber Herr

D o k t o r , " bettelte ich ihm vor, „ w o glauben Sie d e n n , dafs es mir f e h l t ?

Ver-

sagen Sie mir nicht Ihren guten R a t h . " „ N e i n , " antwortete e r , „ d e n sollen Sie haben." bestand?

Weifst D u , E d u a r d ,

w o r i n er

In einigen Versen aus einem

französischen L i e d c h e n ,

die er mir vor-

trällerte , und die übersetzt vielleicht so lauten w ü r d e n .

S t a t t ä n g s t l i c h deine U h r z u richten u n d z u putzen, Z u spähn , ob j e d e s Rad leicht 111 das a n d r e greift, Und

frei u m seine S p i n d e l l ä u f t ,

E r i n u n t i e deinen G e i s t , den A u g e n b l i c k zu nutzen, D e r Z e i t , die d i r vorüber s e h w e i f t , D i e schnellen F i t t i g e zu stutzen.

Ich erinnere mich i r g e n d w o gelesen

zu

h a b e n , dafs ein gewisser P a l i s i u s zu R o m einem M a l e r , Namens P r o t o g e n e s ,

auf-

t r u g , die Treue seines Hundes auf einer Votivtafel zu verewigen.

Das arme Thier

w a r der Spur seines Herrn nachgelaufen-— w i e der Mensch seinen Leidenschaften — bis zur völligen E n t k r ä f t u n g , von der er nur

mit M ü h e

geheilt werden

konnte.

Der Künstler stellte alles der Natur gemäl's dar — die starren Augen blutenden Tatzen Zunge.

Nur



die

— die herabhängende

der Schauin

des heifsen

Rachens w o l l t e ihm nicht g e l i n g e n ,

so

dal's er zuletzt aus Ungeduld den S c h w a m m , init dem er seinen Pinsel r e i n i g t e , gegen das Bild w a r f .

W a s g e s c h a h ? Der W u r f

glückte so g u t ,

dafs der Maler auf ein-

mal den S c h a u m n a t ü r l i c h an der Schnauze des Hunds hängen und die S c h w i e r i g k e i t ü b e r w u n d e n sah. Diels Geschichtchen, lieber E d u a r d , viel ähnliches m i t der meinigen.

hat

Ich daif

144

mich auch wohl r ü h m e n , die physischen und moralischen Ü b e l ,

von denen mich

Sabathier und andre g u t e Menschen heilten,

eben so treu nach der N a t u r auf

meinem Dir gelobten Votiv - Gemälde geschildert zu h a b e n , als nimmermehr Frotogenes die kläglichen U m s t ä n d e des Hundes auf dein seinigen , bis auf den Stein, den i c h , w o

nicht in der L e b e r ,

in der E i n b i l d u n g mit

mir

doch

herumtrug.

Mit dein, sagte ich immer zu m i r , wird es wohl nicht bis zum Malen kommen — und wenn der unter deinen abgeschüttelten Gebrechen f e h l t , ist dein ganzes

voto

nichts Werth.

Es

war

die

Ex

letzte

und Hauptschwierigkeit, aber auch sie ist nun , Gott sei Dank, durch den S c h w a m m gänzlich g e h o b e n , den mir der ungeduldige D o k t o r an den Kopf warf —

denn

was konnte jetzt meinem Bilde noch zum endlichen A u f h ä n g e n in Deinem abgehen?

Tempel

S o sonderbar auch d;ts Betra-

gen des Mannes gegen den Eniot abstach,

den ich an unsern Ärzten g e w o h n t gestehe ich d o c h ,

bin,

dal» mir die scharfsin-

nigste E n t w i c k e l u n g meiner verworrenen Organe nicht halb so viel F r e u d e gemacht h ä t t e , als es sein S p o t t that. nun

mit

entzückender

Ich konnte

Beruhigung

auf

D. Kämpf als einen Ignoranten herabsehen.

Von

welchem

festen

Stoff

inufs

nicht meine L e b e n s k r a f t s e y n , da so ein Mann

nicht einmal

ihr machen

will!

einen Versuch Meine

Ernst

mit

schien

mehr R a u m bekommen zu haben.

Ich

w u f s t e nicht m e h r ,

lag,

w o die Leber

und griff in der freigebigsten Stimmung nach meiner Börse.

„ L a s s e n Sie es damit

gut seyn ! "

wehrte sich der Franzos ge-

gen meine

deutsche Sitte.

„Damit

Sie

aber sehen, mein Herr, wohin Sie mein guter llath leiten soll — so lade ich Sie diesen Abend auf ein Souper e i n , an dem auch ein Engländer in Ihren Umständen für f ü n f L o u i s d o ' r Theil nehmen wird. Wollen Sie mir die E h r e erzeigen, so dürTh. w .

v i . Th.

ic

i4 bessern,

die ich

schon h a l b i m

Kopfe

h a t t e , in d e n m e i n ' s Huts — nahm ihn unter

den

Zimmer;

Arm

und

taumelte

in

mein

denn von a l l e n S c h w ä t z e r n , lie-

ber Eduard,

ist

m i r k e i n e r so z u w i d e r ,

a l s der m i r G e l e h r s a m k e i t a u s k r a m t , w ä h rend

ich

eine T i ü f f e l s c h ä l e — an d e m

Bein

eines

wie

hier

Haselhuhns der

Fall

W e i n schlürfe.

klaube,

war,

oder —

vortrefflichen

Das w ä r e eher ein M a n n

für unseru Freund G * * ,

als i ü r m i c h . —

W i e w ü r d e i h n so ein G e s e l l s c h a f t e r a u f muntern



behagen. —

i h m so

Alb

seine Kinder

und

kaum

die \ erloschenen

A O l l i er.su n

(atnsul

Cliiisli

Wie

könnt'

Wenn

ihm

Kieu/.iguni;er

Wohl

mit

i h r e J u g e i u l w achtel

der

Gewilsheit

|H'aLuriscIicn

an,

D e s ahgelclt.en R u i n s , \ oi'

Mamuiilliaria

Er —

I>er seine s c h o n e F r a u Und

eine

kennt,

Geschlechter

Iii-, z u d e m l e t z t e n F e c h t e r u n d 11111 ein

sich aus

Monument

dein A t h e n i

d e m bettelnden

das S p r ü c h e l c h e n :

Steh,

rennt:

Laterne, W a n d r c i ,

s t i l l u n d AV e i n e ,

190 Ins

Auge

leuchtet —

widersteh»,

Und

einein Sarkophag- u n d e i n e m

Aus

Nero's Zeit Vorübergehn ?

Lcichensteint-

Für

m i c h m a g , w a s sie w i l l , d i e g r a u e

Im

heuchlerischen

V o r w e l i

lügen! Hang,

die

N a c h w e l t

zu

betrügen, War

sie n i c h t e h r l i c h e r , a l s i h r e

Ich weiche

beiden

In Hoffnung ,

von

Kinder

ans a u f m e i n e n dem

Kampf mit

nun.

RiLlerzügen. menschlichem

Vergnügen Auch

ohn1

ein

Marmorgrab

gemächlich

auszuiuhu,

U n d hab' itzt g n u g m i t m i r , u n d u n t e r allen K r ü g e n Mit

einem Aschenkrug

am

wenigsten

?.u

thun.

S t i e g i c h s c h o n die T r e p p e u n t e r s o l c h e n b e l e b e n d e n G e d a n k e n h i n a u f , so r i e b mir

eist

vor

ausgelassenem

ich

Muthwillen

d i e H ä n d e , als i c h m i c h m i t m e i n e r ben

liouteille

leerte

sie

nach

einer

ungestört

vollends frischen.

aus, Je

allein und

hal-

sah



klingelte

leichtcr

auch

diese w a r d , d e s t o b e g e i s t e r t e r f ü h l t e i c h

m i c h , diesen herrlichen W e i n gen. —

F.in

Lächeln

innerer

ein sanfter T r i e b

zu

besin-

Zufriedenheit

allgemeinen

Wohl-

wollens, besonders gegen das gute freundliche Geschlecht, das mir immer im S i n n e liegt, der

durchwärmte

sül'sesten

mein

Schwärmerei

das erste Trinklied a n , die

Zunge

indem

ich

Licht

hielt:

O

gekommen mein

stimmte

ist.

volles

U n d i m m e r d a r so r e i n

und

Dein G o l d ,

Lünell,

hell

meinen B e c h e r tropfe !

P e r l t n i c h t in d e i n e m Gleich

einem

Wundersat'l,

Salbuugsole,

Ein

0 [ ) i u m der

Eiu

Elixier —

Leidenschaft, der

riin L a h e t r a n k der

Lebenskraft. Seele''

in ich

über

O , rief ich,

Glas

\erstopfe,

o geistiger

und

das mir j e

ilafx m i r B a c c h u s nie eleu Q u e l l

Von diesem W e i n

In

Llut,

gegen

das

I

9

2

W e r deine Süfse s c h m e c k t , w i r d nie An Tyrannei erkranken. B e i m T r a u m e der P h i l o s o p h i e S c h w ö r ' i c h , dafs D o h m * ) u n d Beccarie ** ) Von d i e s e m W e i n e t r a n k e n . O , h ä l t ' einst u n s e r n F r e d e r i c Ein solcher Geist erheitert, Wiir

unter s e i n e m A d l e r b l i c k

W o l i l nicht m e i n ankerloses G l u c k Tm S t u r m des K r i e g s gescheitert. ***) D e n n M i t l e i d schleicht bei d e m sich ein, Den deine T r a u b e n t r a n k e n ; Iis s c h ä u m t der W u n s c h in d e i n e m W e i n . F r e u n d seiner u n d der W e l t zu se\n, l i n d k e i n Geschöpf zu k r a n k e n . D o l i m , der sich der J u d e n i n einer k r ä f t i g e n Schrift angenommen. * ' ) Ii c c c a T i a , der d u r c h >ein bekanntes W e r k : Uber Verbrcclien u n d S t r a f e n , der :\lcn>chlii;hkeit u n e n d l i c h e Dienste geleistet hat. ***) Als 1745 die P r e u f s ^ c h e Armee in Kur^ichsen e i n d r a n g , w a r d das I'aimlii nfrut des A u t o r * , Schönfeld bei .Leipzig, g e p l ü n d e r t , die llofgebaude niederg e s c h o b e n , das Vieh erstochen u . s . w

»93 Euch,

d i e m i t m i r l'jiu T u n k t

Nach Einem Z w e c k e Ihr G r a z i e n der Euch

neiget,

Glas

geweiht,

entsteiget.

RIein l i e b e s k ü n f t i g e s

Geschlecht,

D e m n u r in d i e s e m W e i n Ich froh tmlgegen S t ö f s an —

bezecht

gehe,

G o t t f ü l l e m i r so a c h t

Einst den Pokal

der

Ehe.

Indem f l o g die T h ü r a u f , mir

in

die Arme.

wünscht,

Ich

und

Margot

hätte w o h l

ge-

dafs sie ein,e Strophe eher ge-

kommen w ä r e . fest

Zeit

Weiblichkeit,

sei der süfse D u f t

Der meinem

der

Sprachlos h i e l t sie mich

umschlungen,

und

ich,

eben

so

sprachlos sie u m s c h l i n g e n d , bedeckte das rührende Gesicht zärtlichsten

mit

Gehalt.

Küssen von Wir

dem

vergafsen uns

in dieser Scene des Wiedersehens so sehr, dafs keins den guten J o h a n n ,

der w e n i -

ger g e s c h w i n d z u g e f l o g e n k a m , als seine leichtfiifsige l ? r a u , eher b e m e r k t e , bis er Th.

w . vi. Th.

13

194 mich thränend b a t ,

dafs ich a u c h ihm

eine Hand reichen m ö c h t e . zur

Sprache

welche



nun

N u n kam sie

e r z ä h l t e sie

unverhoffte Freude ihr

mir,

Bastians

Besuch — n o c h m e h r aber die N a c h r i c h t von

meinem

Marktstadt

Hieiseyn gemacht,

in i h r e r n ä c h s t e n und

w i e sie

mit

eigenen Händen geholfen h ä t t e , die Esel z u satteln , d a m i t w i r n u r r e c h t bald zu u n s e r m so gar g u t e n Herrn kämen. Gott!

u n t e r b r a c h n u n eins

wie unaussprechlich uns gemacht!

warm

ums

Gelächter

Acli

andere,

glücklich h a b e n Sie

E b e n n o c h so u n b e f a n g e n

in i h r e n T ä n d e l e i e n , Wochen,

das

als h e u t e vor a c h t

m a c h t e sie m i r Herz.

wieder

ganz

M i t w e l c h e m hellen

e r i n n e r t e sie sich n i c h t unse-

r e r W i r t s c h a f t zu

Caverac,

und

gern

h ä t t e sie m i c h n o c h einmal — w ä r e i c h ihr

nicht

ü b e r den

auf

dem D a c h e

Strauchdieb

berge a b g e h ö r t .

gewesen



auf dein F i c h t e n -

Doch k o n n t e ich ihren

beiden lieben H ä n d c h e n n i c h t schnell ge-

n u g w e h r e n , dafs sie uiir n i c h t ein paar R u n z e l n von der S t i r n g l ä t t e t e , u m nachz u s e h e n , ob m i r n i c h t eine N a r b e geblieben wäre.

„ J o h a n n , " rief sie, „ s i e h n u r

her, w a s mein Kräuterumschlag f ü r W u n der g e t h a n h a t !

Da ist a u c h n i c h t die ge-

r i n g s t e S p u r m e h r v o n dem K o p f s t o f s e zu finden." Ein

fröhliches Abendessen,

das

d u r c h drei F l a s c h e n des b e l o b t e n

sich

Weins

bis w e i t ü b e r die M i t t e r n a c h t a u s d e h n t e , vermehrte

unsere Zufriedenheit.

Keine

l'iedoute k a n n eine S t a d t d a i n e so m u n t e r erhalten,

als es die kleine M a r g o t w ä h -

rend unsers lieblichen Bankets w a r .

Erst

bei der d r i t t e n

die i c h

und

J o h a n n allein ü b e r n a h m e n , w u r d e n

ihre

Eouteille,

naiven E i n f ä l l e einzelner — abgebrochener,

u n d die z w a n g l o s e N a t u r

w i e g t e sie endlich n e b e n u n s winkte

ihrem

ihre W o r t e ein.

Ich

M a n n , u n d half i h m sein

müdes W e i b c h e n in das H i m m e l b e t t traf e n , das dem S c h l a f s t u h l e , der m i r nun-

ipö ü b r i g b l i e b , u n g e f ä h r so nahe s t a n d , w i e zu

Caverac ihr

Mein

Strohlager

alter K a m m e r d i e n e r

o h n e ihre

Bescheidenheit

dein meinen. konnte

nun,

zu beleidigen,

so viel zum L o b e seiner L e b e n s g e f ä h r t i n vorbringen,

als

ihm

Ich m o c h t e w o h l

sein

Herz

eingab.

n o c h eine h a l b e S t u n -

de T h e i l an seinen E m p f i n d u n g e n genomm e n h a b e n , als a u c h mir die Augen zuf i e l e n , u n d J o h a n n so leise als möglich, u m m i c h n i c h t zu

stören,

die

angebro-

chene Bouteille u n t e r d e n A r m n a h m , u n d zum

Zimmer

nachschlich. wirkte

hinaus

seiner

Lagerstätte

Das O p i u m des öligen W e i n s

so s t a r k ,

dafs der helle Morgen

s c h o n lange ü b e r u n s e r n H ä u p t e r n s c h w e b e n m o c h t e , ehe n u r eins v o n u n s d r e i e n e r w a c h t e , u n d das w a r ich. ich D i c h

f ü r einen

Nun

Augenblick,

E d u a r d , u m ein f r e u n d l i c h e s G e h ö r ! mir,

bitte lieber Sage

w a s w ü r d e s t D u von einem Maler

halten,

der a u s F u r c h t , mehr zu sehen,

•als sein P i n s e l w i e d e r zu geben vermag,

sein Gesicht von einer paradiesischen gend

in

dem

Augenblicke

Ge-

wegwenden

w o l l t e , w o die Nebel fallen — die S o n n e h e r v o r t r i t t — Berg u n d T h a l

überschim-

i n e r t , u n d sich i h m die s c h ö n s t e Perspektive der N a t u r e r ö f f n e t ?

Deine

Antwort

m a g a u s f a l l e n , w i e sie w i l l , g e n u g , ich genofs lange — auf G e f a h r , g e b l e n d e t z u werden kritische



diese eben

Lage

auf

so glückliche als

meinem

Lehnstuhl.

E n d l i c h w ü n s c h t e ich m i r die S c h ö n h e i t e n der F e r n e u m

einige

Schritte

näher

— e r h o b mich leise von m e i n e m Sitz, u n d w o l l t e eben meine süfsen

Betrachtungen

f o r t s e t z e n — als ein Blick auf die W a n d u h r , die a n s c h l u g , m i c h , w i e v o m Donner g e r ü h r t , neben M a r g o t s Bette niederstürzte. — J e t z t , d a c h t e ich — u n d T h r i llen l ö s c h t e n schnell die F l a m m e n meiner Augen — j e t z t t r i t t jene t u g e n d h a f t e Dulderin vor i h r G i t t e r — blickt w e h m ü t h i g gen

Himmel —

die W o h l t h a t

u n d f l e h e t zu G o t t u m

einer Zähre.

Segen

über

i9Ö den

Mann,

Stimme gab!

der

zuerst

der

Zeit

eine

Mit B e t r ü b n i f s ü b e r b l i c k t e

i c h mein zagendes Herz — m i t E r r ö t h u n g die in aller U n s c h u l d S c h l u m m e r n d e e r h o b m i c h v o n m e i n e n Knieen —



deckte

m i t dem E r n s t e eines v ä t e r l i c h e n F r e u n des,

w a s z u decken w a r ,

w e c k t e ich sie.

u n d n u n erst,

Sie f l o g mir m i t liebko-

sendem Frohsinn entgegen, und auch ich f r e u t e m i c h , dafs ich n i c h t ganz u n w e r t h war,

ihren

Morgenkufs

zu

erwiedern.

„ W i l l s t d u n i c h t deinen M a n n a u f s u c h e n , Margot, und unser Frühstück bestellen?" Voll

jugendlicher

Heiterkeit

h ü p f t e sie

m i r sogleich a u s dem G e s i c h t e , u n d

ehe

i c h n o c h ganz die meinige w i e d e r e r l a n g t h a t t e , kam sie m i t dem glücklichen Sterbl i c h e n z u r ü c k , der i h r e L i e b e besafs. — Er t r u g eine Schaule m i t Milch h e r b e i — sie ein K ö r b c h e n

mit

Obst. —

ren a u c h P f u s c h e n von

Es wa-

den besten Sor-

ten — j e d o c h m e i n e r jetzigen

gesundem

Einbildungskraft ohne Gefahr,

darunter.

199

Bald n a c h h e r traf a u c h Bastian ein. zog i h n aus A c h t u n g

Ich

f ü r die S c h w e s t e r

m i t an u n s e r e r u n d e Tafel.

M a r g o t blieb

f r e i l i c h die Perle

Gesellschaft.

Doch gehörten auch

nicht

steine. Natur

von

der

die b e i d e n a n d e r n G ä s t e

unter

die

schlechten

J e d e r h a t seinen W e r t h , gleich k e i n e n

wie jene,

so

ob die

begünstigt

die der P o l i t u r

u m i n den

Feldhat,

nicht bedarf,

S c h m u c k einer Königin a u f -

g e n o m m e n zu w e r d e n .

Ich w o l l t e indefs

doch n i c h t , dafs Du es in Berlin h e r u m bilichtest,

w i e gemein ich m i c h w i e d e r

e i n m a l gemacht h a b e .

Ich t r u g n o c h der

Kleinen viele F r e u n d s c h a f t s v e r s i c h e r u n g e n an m e i n e g u t e n W i r t h s l e u t e z u Caverac auf. — G o t t lasse es i h n e n w o h l g e h e n ! J o h a n n e r b o t sich , m i r v o n Zeit zu Zeit Lieferungen

von dem hiesigen vortreffli-

chen M u s k a t e n w e i n n a c h Berlin zu besorgen —

„ U n d ehe der S o m m e r v e r l ä u f t , "

fiel i h m seine

Frau

in die R e d e ,

„er-

f ü l l e n w i r das Versprechen , Sie selbst in

£0ü I h r e r grofsen Stadt zu b e s u c h e n . "

,,Eins

w i e das a n d e r e " — e r k l ä r t e ich i h n e n dag e g e n , „ b i t t e ich e u c h , a n s t e h e n zu lass e n , bis i h r N a c h r i c h t v o n m i r e r h a l t e t —

denn wahrscheinlich

komme ich

in

k u r z e m w i e d e r in diese G e g e n d , u n d lasse m i c h vielleicht macht hat — der.

gar,

w i e es J o h a n n ge-

häuslich hier

herum

nie-

Sie m a c h t e n g r o f s e f r a g e n d e A u g e n

— ich h ü t e t e m i c h aber, so s c h w a t z h a f t e L e u t c h e n t i e f e r in jenes G e h e i m n i f s sehen dem Altar

des

J a n u s t e m p e l s in den Schoofs meines

zu lassen,

das ich

vor

St.

S a u v e u r nieder gelegt h a b e . sen beide in T h r ä n e n ,

Sie zerflos-

als ich A b s c h i e d

n a h m , u n d ich u n d Bastian stiegen a u c h n i c h t mit t r o c k e n e n A u g e n in den W a g e n . Ich kam

glücklich

Montpellier, u n d ,

in den

Posthof

vor

w a s m i r eben so lieb

w a r , zeitig genug a n ,

u m diese medici-

n i s c h e M ö r d e r g r u b e h e u t e n o c h verlassen zu k ö n n e n , u n d w e n i g s t e n s ein paar Stationen

auf m e i n e m W e g e w e i t e r f o r t z u -

201 rücken.

W a s sollte ich n o c h einmal zu

F u f s in die C h i n a w u r z e l wandern ? b e d u r f t e keines Gasthofs — stück

hatte

mich

Ich

mein F r ü h -

hinlänglich

gestärkt.

Ich schickte also meinen Bastian a b , um mit —

dem W i r t h e und

R i c h t i g k e i t z u inachen

setzte mich so lange

schattigen U b e r h a n g

unter

den

meiner Chaise,

bis

er von seinem G e s c h ä f t e zurückkam.

Ein

heimisch angenehmer Schauer des Eigenthums

f l o g mir über die Haut.

S t a d t lag mir im G e s i c h t e





Die

ich h a t t e

den R ü c k e n f r e i , u n d dachte an mein Vaterland.

W e n n ich

erreicht h a b e ,

es nur

erst w i e d e r

so v e r s c h w ö r e ich . . . .

D o c h nein, unterbrach ich mich erschrokken —

den Meineid gegen A g a t h e n ohne-

hin bei Seile g e s e t z t ,

w ä r e es n o c h im-

mer ein h ö c h s t v e i w e g e n e s G e l ü b d e . Denn

ob

mir gleich

j e t z t der Stein des

D o k t o r Kämpf n i c h t mehr auf

dem Her-

zen l i e g t ,

w e r kann f ü r die Z u k u n f t

wer

d a f ü r stehen,

kann



dafs du



nicht

¿ü2 a u c h einst als ein v e r a l t e t e r K a m m e i h e r r d e » elektrischen F u n k e n n a c h t a p p e n um Ist, die h i e r dein s c h ö n e n Geschlecht, w i e bei uns

den K a t z e n ,

entspriihen.



Und

w e n n dich n u n A g a t h e , w o v o r G o t t sei, nicht möchte,

und

dich n u n nach

nach bei z u n e h m e n d e n

Jahren

und

die g u t e

Gesellschaft zu Berlin von i h r e n m u n t e r n Soupers

als ein u n b r a u c h b a r e s

ausschlösse — deiner

Mitglied

w a s bliebe D i r w o h l zu

Erheiterung

übrig,

als dich

an

eine zu h a l t e n , die mit i h r e r H a u t d a f ü r steht,

und

die m a n ,

so viel ich weifs,

a n keinem O r t e in der W e l t a n t r i f f t , als hier.

Ich maclitc a l s o ,

dein

Monte

wegen

puellarum

meines

indem

ich

von

Abschied

nahm,

Wiederkommens

einige

k l u g e B e d i n g u n g e n , u n d bei der letzten Zeile

des A k k o r d s ,

Erinnerung

i n die

den

w a r Bastian w i e d e r d a , bespannt.

ich zu m e i n e r

Schreibtufel

eintrug,

u n d der W a g e n

203 W e n n m i d i einst H u s t e n , Stein u n d G i c h t Ans jugendlichen Reihen jagen , An m e i n e m hageren G e s i c h t , Melancholie u n d Schwindsucht nagen, In jenen u n w i l l k o m m n c n Wo

man

Tagen,

das O r d e n s b a n d ,

das unsre Brust

um-

rauscht, Den Sack voll G o l d , auf den der E r b e l a u s c h t , G e r n u m ein Pflaster f ü r den Magen U n d einen Kvnuterthec vertauscht, N u r Arzte noch nach u n s e r m Pulse f r a g e n , Kein K u f s siel» m e h r an unsre gelbe H a u t , Kein kluges Mädchen m e h r an unser Bette t r a u t , U n d uns nur S c h m e r z u n d Mifsbehagen Von einem Stuhl z u m andern lragen — Wenn

mich

des

Landes

Fett nun

lange

gnug

genährt , Mein

Fürst,

den ich e r z o g ,

so sehr mein

Alter

ehrt, Und

ihm

Erholung

gönnt,

dafs er

mit

süfsen

Mienen ? Doch

mit

dem

Vorbehalt,

wenn

begehrt,

c.-.

die

Noth

Sich

meines

treuen

Raths

noch

ferner

zu

dienen, M i c h in d e m Spicgulsaal z u m V e t e r a n e r k l ä r t j W e n n sein Heiduck, n u n j e n e r F u r c h e l ä c h e l t , D i e m e i n e weise S t i r n c z i e h t , U n d die P r i n z e f s sich s t a r k e r J e n a h e r sie m i c h k o m m e n

fächelt, sieht,

Belebter n u n der H o f m i t neuen S i c h o h n e m i c h u m seine A x e

Müfsigctaiigcni dreht,

U m m i c h h e r u m die S c h a t t e n sich v e r l ä n g e r n , U n d m e i n G e s t i r n , das j e t z t i m M i t t a g s t e h t , D e n Kreis verläfst u n d u n t e r g e h t



W e n n W i e l a n d s ausgespielte F J ü l c N u n a u c h n i c h t m e h r d i e schlaffc Seele r i i h r t , U n d m i c h nicht m e h r die

Abendrothe

N a c h A m a t h u n i in u u s e r s G ü t h e Geheime Mvrlhenwaldchen

führt —

U n d w e n n a u c h D i r , d e r m i r u m eine S t u f ' ; Des Lebens d e m vertrauten

Rufe

Des Todesengels naher stellt, Mancii L ü f t c h e n schon aus Piatons Die Weitgesiinge Diri g

ut

seyn

voll — —

Nur geschwind frische W ä s c h e und einen andern R o c k !

D u r c h r ä u c h e r e die ausge-

zogenen, und mache um des Himmels W i l len , dafs w i r f o r t k o m m e n !

Ich habe



286 G o t t , wie zittere i c h ! — I h n , dem ich mich heute zu deiner grofsen Argernifs mehr als einmal übergab — j a , Bastian, ich habe den leibhaften Teufel gesehn. " „Ach lieber Herr! " trat mir Bastian näh e r , „ w i e könnten Sie? — — Sie waren ja in

der

Wohnung

eines

Prälaten!"

„ T h u t nichts , " antwortete ich mit heisrer S t i m m e , „den ganzen Morgen, kannst du mir glauben, bin ich in seiner Gewalt gewesen! "

„ N u n so erbarme sich G o t t ! "

jammerte der arme Schelm, und schmiegte sich mit klappernden Zähnen so fest an m i c h , als ob der böse Geist hinter ihm, und er vor dein Bilde seines Schutzpatrons stände.

Genug, E d u a r d , ich so wenig,

als mein abergläubischer wurden

Kammerdiener,

unsere Uiickenschauer eher los,

als da wir, von unserer fortrollenden Berline aus, die Thurmspitzen von Narbonne erblickten. Hier e r f u h r ich beim Umspannen, dafs seit vier und zwanzig Stunden keine Post

2

ß7

w e d e r h i n - noch h e r w ä r t s , u n d auch eben so l a n g e ,

gab mein F ü h r e r sein

Wort

diizu, kein Pferd in Beziers aus dem Stalin gekommen w ä r e . flüssiger und

Ein n e u e r , aber über-

Beweis von der W a h r h e i t s l i e b e

Redlichkeit

des

Ortolan - Wirthff;

denn s e i n e , für nicht genossene Gerichte, für

nicht getrunkene

W e i n e mir

zuge-

schnellte R e c h n u n g , die ich noch w a r m in meiner T a s c h e , so w i e er mein Geld d a f ü r in der seinigen h a t t e , sprach ohnehin l a u t genug.

Aus w a h r e m Vate'rlands-

g e f ü h l w a r n e ich meine M i t b ü r g e r , e t w a nach mir sich j a ,

diese

Gegend

die

bereisen,

weder durch unsere deutschen

W e g w e i s e r — durch das anlockende S c h i l d der Herberge — durch Fideikommisse und ehrliche Gesichter,

noch durch die bi-

schöfliche Terrasse zu einem längern A u f enthalt in diesem gotteslästerlichen Städtchen verführen zu l a s s e n , Postwechsel ders

die

nöthig m a c h t ;

Bespannung

ihres

als e t w a der und

beson-

Fuhrwerks

Ü88 selber zu bestellen, der,

damit 6ie geschwin-

als ich armer Betrogener,

in das

Kastell des Wohllebens gelangen, dessen Vorzüge

vor allen andern

des Reichs i c h ,

mit Deiner

Kosthäusern Erlaubnil's,

¡Stillschweigend und in meinem Tagebuche zum erstenmal, gleich einer zarten

Em-

p f i n d u n g , die sich nur fühlen, aber nicht beschreiben l'dfst, übergehe.

Der Ehren-

m a n n , in der weitesten Bedeutung des W o r t s , der in der Kürze eines halben Tages

der

herrlichsten

und

wohlfeilsten

Bewirthung das Dankgefühl meines Daseyns höher hinaufgetrieben hat, als alle die Summen, die ich von Jugend an darauf pränumerirt h a b e , wie freundschaftlich greift er mir n i c h t , selbst bei unserer T r e n n u n g , unter die A r m e , wie verschieden von jenem Sudelkoch,

dem die

unverschämteste Lüge glatt über die Zunge g i n g , um mich noch einen Tag länger rupfen zu können.

liier trat der Fall

wirklich

jener

ein,

den

nur

vorgab;

Bastian

liatte sich

diefsmal mit

eignen

Augen ü b e r z e u g t , dafs der Poststall leer stände. Da trat aber mein heutiger W i r t h a u f das edelste dazwischen, um die Schwierigkeit zu beseitigen , und seine Verinittelung verhalf mir nebenbei zu der unverhofften Bekanntschaft eines f ü r mich sehr inerkwüidigen Orts. „ W e n n S i e , " sagte e r , „ e i n e n geringen Umwege

und

das

Nachtlager auf einein

D o r f e nicht zu sehr s c h e u e n , ich Ihnen —

biete

meine eigenen vier tüchtigen

Wallachen an — ner,

so

denn es sind Normän-

die Sie auf einein viel beque-

m e m Wege, als die Poststralse über Carcassone i s t , morgen bei g u t e r Zeit nach T o u l o u s e bringen sollen. " „In

Ihrem H a u s e ,

wortete ich, „wollte

lieber M a n n , "

ant-

w i e es mir ums Herz w a r ,

ich ganz geduldig selbst

noch

einige T a g e auf die Z u r ü c k k u n f t der Postpferde w a r t e n ; aber auf der andern Seite möchte ich doch nicht gern darüber auf Th. W .

VI. Th.

19

290

bessern W e g und vier N o n n ä n n e r zicht thun.

W o meinten S i e ,

übernachten s o l l ? "

Ver-

dafs ich

„ I n einem z w a r un-

ansehnlichen kleinen Dörfchen, das a b e r , " erklärte er m i r , „ d a s Stainmgut eines zu seiner Zeit berühmten S c h r i f t s t e l l e r s w a r , u n d auch seinen Namen f ü h r t , Montesquieu. " — Wort,

Das w a r doch einmal

Eduard,

das

sich hören

ein liefs.

Kaum w a r es ihm über die L i p p e n ,

so

dachte ich w e i t e r nicht an mein körperliches

Wohlbehagen,

und

nahm

seinen

Vorschlag mit herzlicher Freude an.

Er

verliefs

zu

mich,

um sogleich Anstalt

i n a c h e n , indefs ich meine L a n d k a r t e aus einander s c h l u g ,

und

meine Augen

der Gegend nach dem anziehenden herumschickte.

in

Orte

Ich fand e i n i g e , als Zoll-

s t ä t t e , m i t einer F a h n e , —

a n d e r e , als

b i s c h ö f l i c h e Residenzen, mit einem Sternchen , u n d einen mit z w e i sich kreuzenden S e h w e i t e n zum Merkmal bezeichnet, dafs in seiner Nähe eine Schlacht vorgefallen

sei;

dem O r t a b e r , w o der grolse Mann

geboren

war,

lebte

und

schrieb,

hatte

m e i n geographischer H a n d l a n g e r n i c h t einmal seinen lassen ,

Platz auf dem E r d b o d e n ge-

geschweige

ihn

chens g e w ü r d i g e t .

eines

h e r r liels mir n i c h t Z e i t , lange zu ä r g e r n . t r a t er e i n ,

Ehrenzei-

Der jovialische Hausmich

darüber

„ H i e r b r i n g e ich I h n e n , "

,,zuin

Flasche des g u t e n

Abschied Weins ,

n o c h eine

der auf den

Bergen zu M o n t e s q u i e u r e i f t ; s o n s t k a u f ten ihn die E n g l ä n d e r aufs t h e u e r s t e u n s vor dem M u n d e weg, aber seit dem T o d e des gelehrten P r ä s i d e n t e n f r a g e n sie n i c h t m e h r d a r n a c h ; jetzt s t e h t er u m die H ä l f t e im P r e i s ,

ob er s c h o n n o c h i m m e r von

derselben Giite i s t . "

„ D a s tliut m i r leid

u m die E n g l ä n d e r , " sagte ich, u n d n a h m ihm

das volle

Glas ab.

,,Sie

sollen,"

t r a n k ich i h m die G e s u n d h e i t z u , Vergnügen leben,

Herr

aller R e i s e n d e n , Wirth

Sie wissen n i c h t ,

von

„zum

n o c h lange

Castelnaudari!

w i e elend es m i r d r e i

292 T a g e nach einander gegangen i s t , ehe icli h i e r ankam. einzigen

Sie h a b e n m i c h m i t einem

Frühstück

vollkommen

wieder

hergestellt , u n d w ä r e n Sie n i c h t k l ü g e r , als meine L a n d k a r t e , andere,

auf

der

so h ä t t e i c h ,

ordinairen

wie

Poststrafse

f o r t r u m p e l n m ü s s e n , o h n e n u r zu a h n d e n , dais der G e b u r t s o r t des Mannes, den i c h v o r allen a n d e r n schätze u n d l i e b e , auf

dem

Wenn

Seiteuwege

in

der N ä h e

m a n von gottesvergessenen

schen so m ü r b e g e m a c h t w i r d , in

Beziers,

wie

als

e m p f ä n g l i c h ist

mir lag. Menich dann

n i c h t u n s e r Herz f ü r alles G u t e , das uns b e s s e r e zufliefsen lassen ! " Ich

schüttete

Wolilthäter

alle

gegen

meinen

heutigen

m ö g l i c h e Floskeln

des

Danks u m so v e r s c h w e n d e r i s c h e r aus, als er m i r es in w e n i g

Stunden von mehr

als einer Seite h e r g e w o r d e n

war,

und

bestieg d a n n meine Jierliue mit einer gew i s s e n stolzen S e l b s t z u f r i e d e n h e i t , da ich sie

zum

erstenmal

mit

vier

prächtigen

¿93 N o r m a n n e n ) , die keinem k ö n i g l i c h e n E i n züge Schande m a c h e n w ü r d e n , sah.

bespannt

Dergleichen e r b o r g t e E m p f i n d u n g e n

h a l t e n indefs bei einem verständigen J ü n g linge n i c h t lange an, der die v e r g a n g e n e N a c h t ü b e r g u t e n oder schlechten Versen v e r w a c h t e , einen F e l d w e g , w i e von g r ü n e m Sainint b e z o g e n , vor sich, k ü h l e n d e Z e p h y r s iin G e s i c h t , ein weiches Küssen unter

seinem

Kopf liegen h a t ,

S t a h l f e d e r n sitzt.

u n d auf

A u c h w a r meine h e u -

tige Reise ganz dem süfsen T a u m e l ä h n lich,

m i t dem vormals

das

Wiegenlied

einer lieben Amme meine K i n d h e i t beseligte, und da

der n i c h t

eher v e r g i n g ,

als

der Kutscher Abends sieben U h r init

dem Z u r u f : quieu!

Herr,

w i r sind in

Montes-

vor einem S c h i n d e l h ä u s c h c n still

hielt. W i e lieblich schlägt solch ein Klang jedes g u t e menschliche O h r ! wie

eine K i r c h e n g l o c k e ,

Andacht —

an

Er erweckt,

G e d a n k e n der

e r i n n e r t an die

Veredlung

294

u n s e r s Geschlechts —

an den

wohlth'äti-

gen Geist der Gesetze — an öffentliches u n d häusliches Glück. Das w o h l !

aber w e n n m a n , w i e hier der

Fall w a r , n u r ein verödetes, elendes Dörfchen m i t solch einem N a m e n beprägt sieht, m ö c h t e m a n i h m d a n n n i c h t lieber einen aus W e s t p h a l e n g e n o m m e n e n beilegen, der w e n i g e r stolz klänge u n d sich besser z u seinein S c h m u t z pal'hte? so w i e m a n n u r z u o f t in v o r n e h m e n v e r d o i b e n e n Sprossen

Gesellschaften

den

eines edeln Stam-

mes, w o nicht vernichten, — doch umtaufen möchte.

Nie h ä t t e m i r

ahnden

k ö n n e n , in dem S t a n n n g u t e des Philosophen

dieses N a m e n s einen solchen Man-

gel an O r d n u n g , Reinlichkeit cei,

und

u n t e r dem Bettler h ä u f e n , der

Poliihn

b e w o h n t , a n z u t r e f f e n , als i c h leider m i t Augen mir

sah.

Zur

Entschuldigung

z w a r der alte B a u e r ,

Wirth macht,

sagte

der hier den

dal's dieser einst w o h l h a -

bende O r t im letzten Religionskriege so

295 h e r u n t e r gekommen w ä r e . und aber

so

lange mit

E r sei vorher

fleil'sigen,

freilich kalvinistischen

redlichen,

Einwohnern

6ehr reich besetzt g e w e s e n , b i s die Verb i e i t e r der reinen L e h r e alles ketzerische U n k r a u t a u s g e r o t t e t , Kirchen u n d Schulen v e r b r a n n t u n d keine H ü t t e

verschont

h ä t t e n , aufs er der s e i n i g e n , der E i n k e h r u n d des W e i n s c h a n k s wegen.

Der nach-

h e r i g e gelehrte Herr des D o r f s h a b e sich z w a r d u r c h lVath u n d T h a t b e m ü h t , seiner verfallenen Besitzung

wieder a u f z u -

h e l f e n , aber zu solch einem U n t e r n e h m e n r e i c h e e i n Menschenalter n i c h t h i n , u n d man

könne doch a u c h

nicht

verlangen,

dal's der Nachfolger w i e der V o r f a h r denken u n d seinen U n t e r t h a n e n F r o h n e n u n d Zehenden

erlassen s o l l e , ob es gleich das

einzige Mittel w ä r e , dem Übel ihrer d r ü k k e n d e n A r m u t h zu s t e u e r n . Gott d a n k e n , "

,,So w i l l ich

fiel ich i h m in die Rede,

,,dal's ich in s e i n e m , w i e ich s e h e , dreieckigen G a s t z i m m e r , lieber M a n n , wenig-

•2()6

stens vor Religionsverbreitern sicher übernachten k a n n , w e n n es auch vor nicht seyn sollte.

Ratten

Schlafe er w o h l ,

und

lasse er es ja meinen schönen Miethpferden an nichts a b g e h e n ,

ich

bedarf nur

„ U b e r h a u p t , " setzte ich nun die

Ruhe."

Unterredung mit m i r

allein f o r t ,

„darf

ich, ohne mich eben mit der erstiegenen Höhe

unserer

K u l t u r breit

zu

machen,

doch mit frohem Heizen z u den w e i t niedern auf

Stufen

derselben

welchen noch

herunterblicken,

vor

hundert

die Vorlebenden standen.

Jahren

W i e viele g u t e

Köpfe haben n i c h t e r s t , e n t w e d e r w e g e n ihres

zu

schwachen,

Glaubens über gen

müssen,

mit

oder

zu

starken

das Henkerschwert sprinehe

Sicherheit

ich in dein meinigen

eine

freie

Denkungsart

herumtragen konnte.

Selbst

Montesquieu,

sainmt

deiner

Maske,

es n i c h t besser ergangen

würde

s e y n , als deinem durch

den

E r b e , wenn

Tempel

von

dir,

guter

persischen du

Guidos

nicht einen

£97 leichtern

W e g zu der steilen Sorbonne

und in deinen aufgefangenen Briefen aus dem

Serail

ein

so

bewährtes

chungsinittel jener religiösen zen entdeckt h ä t t e s t ,

Erwei-

Felsenher-

dafs j e d e r ,

dessen

Hand nur geschickt genug i s t , es aufzulegen ,

der

weitläufigen

dogmatischen

1'rozesse mit dem Scheiterhaufen überhoben

und gewifs seyn k a n n ,

gläubig

erkannt

f ü r recht-

zu w e r d e n :

denn ein

Maler, der die Entzückungen der Liebe mit so feinen , und nur desto kräftigem Farben zu schildern versteht, als du, hat alle Bischöfe auf seiner Seite." Es w a r ,

als ich kaum einige

Stunden

der Ruhe gepflogen hatte, zwar nur mein Kamin - Schlot, der diese Nacht durch ein Bündel dürrer W e i n r e b e n , die so wenig wissen k o n n t e n , als i c h , dafs er seit vielen Jahren nicht gefegt w a r , gerieth.

in Brand

Diefs hinderte aber n i c h t , dafs

ich den gröfsten Theil

meines

schönen

Schlafs darüber verlor — der Lärm im

Hause mir die Hand l ä h m t e , da ich eben den Vorhang eines persischen

Serails

zu

l ü f t e n v e r s u c h t e , u n d m i c h zugleich

im

selben Augenblick eine N a j a d e , die, leichter bedeckt, als es selbst das erste S c h i e k keu e r l a u b t ,

mit ihrem L ö s c h g e r ä t h e i n

mein Z i m m e r c h e n og e s t ü r z t k a m ,' w e i t e r von G n i d o s e n t f e r n t e , als es einem t r ä u m e n d e n J ü n g l i n g e lieb ist.

G ü t i g e r Him-

m e l ! in w a s f ü r eine w i l d e W i r t h s c h a f t k a n n m a n n i c h t g e r a t h e n , w e n n man der S p u r eines b e r ü h m t e n Mannes n a c h g e h t ! Sollte d e n n der g e l e h r t e

Präsident ,

der

so grofse Sorge f ü r M o n a r c h i e n t r u g , sein Dorf

nicht

einmal mit einer

nung beschenkt haben ? liche A n s t a l t e n !

Welche erbärm-

S t a t t einer

spritze f ü h r t e m a n

FeuerordSchlangen-

in P r o z e s s i o n einen

j u n g e n M ö n c h a u f , der die Flamme, w i e sie es n a n n t e n , b e s p r a c h ,

die a u c h n u r

n o c h einige M i n u t e n knisterte, sich d a n n s e n k t e u n d verlosch. W ä h r e n d dieser geistlichen Gaukelei t r i e b

z

99

das

Sturinglöckchen



nyfstönend

wie

eine blecherne Klingel, des gaffenden nackten

Gesindels

eine gröfsere

Menge

mir

unter die A u g e n , als sie zu ertragen vermochten ; aber schon mächtig genug, j a g t e der stinkende beifsende R a u c h , Hütte durchzog,

mich

und

der die

ineine

nor-

mannischen W a l l a c h e n aus unseren B a c h tel).

Sie seilten sich von selbst vor den

Reisewagen, mein

so instinktmäl'sig,

matter

Körper

ab

sich

hineinwarf,

und

schnauften, w i e ich, nach reinerem Äther. Blitzschnell

drängte

sich

nun

der

ver-

störte S c h e n k w i r t h herbei, forderte nicht, sondern bettelte — erst uin sechs für

unsere Beherbergung



Livres

dann

um

drei zur Vergütung der U n r u h , die mein allzufrostiges hätte,

Temperament

und noch

den geistlichen

um

veranlafst

eben so viel

für

Beschwörer.

Mittlerweile ich diesem Bettler die Geldstücke zuin Schlage heraus seiner vorgehaltenen

rufsigen

Nachtmütze

zuschleu-

300 derte,

stand j e n e r

in

einem

so

dichten

w e i b l i c h e n K r e i s , als w ä r e n h u n d e r t und junge Busen und dankte für in

mit

an e i n a n d e r funkelnden

die s i c h t l i c h die

alle,

das

Gott

Bewegungen,

eben g e s c h e h e n e W u n d e r

besonders

hatte.

geschnürt,

Augen

frommen

Ernster,

die

jüngern ,

näher

alte

und

sie

versetzt

andächtiger,

als er diese b e s p r a c h , sah' i c h es i h n s e l b s t v o r der b r e n n e n d e n E s s e n i c h t t h u n ,

und

es f r e u t e m i c h g a r s e h r , z u f ä l l i g w i e d e r e i n m a l a u f einen K l o s t e r b r u d e r z u s t o f s e n , der

es m i t d e r h e r a n w a c h s e n d e n

g u t meint.

Jugend

D e r f a l s c h e S c h e i n der M o r -

g e n r ö t h e , die h i n t e r

einem dunkeln

w ö l k e hervordämmerte und , nach cherung

des

Durchbruch

Kutschers, eines

den

dahinter

Versi-

baldigen

versteckten

desto r o s i g e m Tages versprach, über

Ge-

jene

nächtliche

Gruppe

magischen

Schimmer,

w i e ihn

breitete einen

so

Schalken

seinem h e r r l i c h e n G e m ä l d e der k l u g e n u n d thörichten Jungfrauen

zu geben

gewufst

h a t , und

lenkte meinen Seherblick auf

einen Gegenstand , der mir zu einer ganz neuen Vergleichung veihalf.

Die Spiele

der N a t u r , atn Himmel und auf der Erde, sind bei

ihrer M a n n i g f a l t i g k e i t so ver-

schieden v o n e i n a n d e r , dafs jeder Dichter bemüht seyn s o l l t e , auch den entferntesten B e r ü h r u n g s p u n k t unter ihnen aufzufassen.

Eins der blassen Mädchengesich-

ter, die den W u n d e r t l i ä t e r umgaben, hatte sich aus zu dringender Andacht seinem langen b r a u n e n

B a i t e so sehr genähert,

dafs ich diese Zierde seines Standes eine ganze W e i l e f ü r den Schleier des Gesichtchens nahm, das durchschien, bis ich den optischen Betrug entdeckte. „Siehe, B a s t i a n , " riet ich dann w i e inspir i r t , „ d o r t ist auch ein rosiger Tag hinter dunkeln W o l k e n im Durchbrechen ! " Aber sein prosaisches Gehirn verstand das Treffende meines A u s r u f e s nicht.

Ich traue

meinen Lesern höhere Gaben z u ,

denn

w e r keine Ähnlichkeit zwischen den Ob-

3"2 j e k t e n , die ich h i e r e i n a n d e r gegen über stellte, finden k ö n n t e , m ü f s t e sich schlecht auf Gleichnisse verstehen , k e i n e n W a h r sagergeist u n d so w e n i g poetischen

Sinn

haben,

Beim

als

Abfahren

mein

w a r f ich

Kanunerdiener.

n o c h einen l a u n i g e n

Seitenblick auf den G e b u r t s o r t des gepriesenen Geists der G e s e t z e , an dessen Stelle n u r zu

s i c h t b a r einer der s c h m u t z i g s t e n

P o l t e r g e i s t e r getreten ist. E h r l i c h e r M o n t e s q u i e u ! redete ich seinen Schatten a n , wie wenig —

ach —

wie

so gar nicht haben die Balsamstauden deines

eingezogenen L e b e n s ,

die, wunder-

b a r genug, auf diesem M i s t b e e t e z u r Reife kamen , ihren eigenen G r u n d u n d Boden veredelt u n d b e s a m t !

Wahr!

aber

hat

d e n n i h r Blumenkelch sich b e f r u c h t e n d e r ü b e r die W i r t h s c h a f t e n ergossen , die v o n u n s e r E i n e m Respekt f o r d e r n ?

Wo?



ich sehe m i c h so w e i t um , als mich die Augen t r a g e n — sind d e n n Absenker dieser E d e l g e w ä c h s e besser gediehen ? Schiin-



3 habe."

„ W e l c h e w a r diese ? "

besserung zens."

meines

Verstandes

„ D i e Verund

Hei-

„ D a § ist w o h l n u r S c h e r z , m e i n

H e r r , v o r G e r i c h t j e d o c h sehr z u r Unzeit angebracht."

Ich b ü c k t e m i c h f ü r seinen

s c h m e i c h e l h a f t e n Verweis eben so bescheiden , als er v o r h i n bei m e i n e m L o b e auf die französische N a t i o n .

„ S i n d Sie n i c h t

a u c h vor k u r z e m in dein Kloster zu C011tignac

gewesen ? "

Hier scliofs m i r das

B l a t t , d o c h w a r ich n i c h t einfältig g e n u g , es zu l'augnen. dahin

„ W a s h a t Sie z u r

veranlalst?"

„Indigestion."

Reise Der

E x a m i n a t o r blickte mir ernst ins Gesicht. „ U n d , " setzte ich n o c h h i n z u , „ d i e unges t ü m e n b i t t e n meines ehemaligen Zeichennieisters, der die u n e r r e i c h b a r e de graces

zu k o p i r e n v e r s u c h e n

NotreDamc wollte."

„ W i e lange v e r w e i l t e n Sie iin Kloster ? " „Von

einigen

F r ü h s t u n d e n an bis

nach

dem M i t t a g ,

als der S t ü m p e r

seiner A b z e i c h n u n g f e r t i g w a r . "

kurz mit

So w e c h -

selten u n s c h u l d i g e u n d v e r f ä n g l i c h e F r a n o

33(5 g e n , anderthalb Bogen d u r c h , mit einander a b , bis mein Tauschhandel init dem Pater André klar ain T a g e lag.

Die De-

p u t a t e n waren von meiner kalten liüche, der Berauschung

meiner G ä s t e ,

unserer

unklostei liehen Lustigkeit, kurz von allein bis auf die Zahl der Flaschen unterricht e t , die wir geleert, und der v o l l e n , die ich aufserdem noch dem ehrlichen l'ater auf den G a s t w i r t h zu Marseille angewiesen hatte.

Die folgende F r a g e :

,,Ob ich

nicht wichtige Urkunden dagegen bekommen ? "

zog

inir beinahe die Kehle zu,

doch erholte ich mich nach einem kleinen Hüsteln.

,,Das ich

nicht wiilste.

Der

Mönch z w a r , — — der mit einem Heiligen verwandt seyn w i l l , inachte mir, seiner

Einbildung

nach,

ein

bedeutendes

Geschenk mit dessen gedruckter Legende, und gab mir noch eine Rolle ganz unleserlicher Belege darein.

E s ist die Frage,

ob sie mein Bedienter nur mit eingepackt hat."

„Und

zwar

die

entscheidendste

33? von a l l e n , "

entgegnete

der V o r s i t z e n d e

m i t einein e r n s t e n , r e c h t häfslicheii Blick, ,,rlenn

aulserdem

rnüfste

sein

Herr sich

gefallen l a s s e n , so lange h i e r u n t e r strenger A u f s i c h t zu b l e i b e n ,

bis

sie beige-

schafft wären. " J e t z t w u r d e Bastian g e r u f e n ; dem b e f a h len s i e , Koffer u n d Kasten zu ö f f n e n , u n d d a s , was sie e n t h i e l t e n , i h n e n vor A u g e n

z u legen.

stückweis

Der Kerl

sich so aufser F a s s u n g d a b e i ,

benahm

als w e n n

der T e u f e l von Beziers h i n t e r i h m stände. Ich sah mich g e n ö t h i g t , den H a n d l a n g e r z w i s c h e n i h m u n d den D e p u t i r t e n zu mac h e n , d a m i t sie n u r n i c h t sein v e r s t ö r t e s G e s i c h t , dem ich selbst in diesem A u g e n blick

die

schwersten

Verbrechen

hätte

zutrauen können, bemerken möchten. S o b a l d die Rolle m i t d e n h e i l i g e n D o k u menten zum Vorschein

kam,

rekognos-

cirte u n d ü b e r r e i c h t e ich sie den Bevollmächtigten.

U n g e f o r d e r t legte ich i h n e n

a u c h meine R e c h n u n g e n u n d a n d e r n T h . VV. VI. Tll.

Pa2 2

338 p i e r e vor^ um m i c h r e c h t w e i f s z u b r e n nen.

Dank meiner g e l e h r t e n H a n d !

Bei

dem f l ü c h t i g e n B l i c k , den einer der Beisitzer darauf w a r f , ü b e r s a h er s o g a r m e i nen K o n t r a k t mit dem Glaser der Bastille, der mir d o c h ein s i c h t b a r e s

Herzklopfen

v e r u r s a c h t e , als ich seiner a n s i c h t i g w a r d . Sie hielten sich ganz allein a u die Rolle des l ' a t e r A n d r é , gaben i h r , o h n e sie z u entwickeln,

einen n e u e n U m s c h l a g , den

sie m i t i h r e n drei P e t s c h a f t e n versiegelten u n d m i c h a n w i e s e n , als Z e i c h e n , dal's ich den k ö n i g l i c h e n Gewissen

Willen

nach Ehre und

befolgt h a b e ,

m e i n e n offenen

Ritterhelm darneben zu Ich

drücken.

sah die Sache n u n f ü r g e e n d i g t an.

Schon

hatten

die

Komniissaire

Bastian

e r l a u b t , m e i n e Habseligkeiten w i e d e r a n i h r e n O r t zu b r i n g e n , u n d ich w o l l t e ihm m i t den glücklich

abgefertigten Papieren

m e h r e r e r S i c h e r h e i t w e g e n eben mein Tagebuch

noch zureichen,

Deputirte —

denke

Dir,

als der j ü n g s t e w i e mir

zu

M a t h e wSicL —

es u n t e r weges

Erklärung anhielt:

mit

der

E r h a b e sich lange i n

W i e n a u f g e h a l t e n u n d w o l l e d o c h sehen, ob er D e u t s c h n o c h so f e r t i g lesen k ö n n e , als ehemals.

Glück ü b e r G l ü c k , dafs er

n i c h t lange s u c h t e , u n d e t w a die niedlichen B r u c h s t ü c k e

aus -dem B r i e f w e c h s e l

der Königin A n n a m i t i h r e m aufstörte.

Was

Liebhaber

w ü i d e n die H e r r e n v o n

meinein Ixitterhelm g e d a c h t h a b e n , sie

jene

Abschriften

gefunden

wenn hätten!

G o t t sei g e l o b t , dafs er sich n u r m i t d e m letzten Heft b e s c h ä f t i g t e , n i c h t e t w a w e i l es f ü r mich w e n i g e r g e f ä h r l i c h — ach im Gegentheil!

sondern

w e i l der p o e t i s c h e

F l a c h auf i h n u n d seines G l e i c h e n , d e n er vor

den A u g e n

hatte,

kein

Wiener

Deutsch war. E r s t a r r t e das Blatt einige M i n u t e n

au

u n d legte es m i t einem „ N i c h t w a h r ein W ä s c h z e t t e l ? " zu den ü b r i g e n . f r o h e r als i c h !

Wer war

H i n t e r m i r h ö r t e ich ein

Koiferschlofs n a c h d e m a n d e r n .zuschnap-

p e i l , und der Vorsitzende entliefs meinen Kammerdiener mit einem

gebieterischen

W i n k nach der T h ü r e , den er sich nicht zweimal geben liefs. noch nicht so gut.

Mir aber ging es

Ich m u f s t e noch zur

Schlufsformel meines Verhörs die T o r t u r seiner

Beredtsamlseit

aushalten.

H e r r , " wendete er sich mir,

,,Ihro

„Mein

mit W ü r d e zu

allerchristlicliste

Majestät

erlauben zwar gvofsinüthigst jedem Fiemden,

Ihre

Staaten

zu b e r e i s e n ,

ihm gerne die L u f t —

gönnen

den gesellschaft-

lichen U m g a n g und die fröhlichste Theilnahme an den physischen und moralischen Vorzügen Ihres aber hoffentlich

Reichs. — selbst

Sie

werden

begreifen,

mein

H e r r , dafs diese Vergünstigung sich nicht bis auf die A u s f u h r und E n t w e n d u n g alter Urkunden und Iii iefscliaften erstrecket und erstrecken kann.

Das Unvorsätzliche —

das U n g e f ä h r , wie ich glauben w i l l , wodurch sie Ihnen in die Hände geriethen — indem Ihre ad protocolhnn

gegebene Erlau-

t e r u n g dieser verwickelten Sache mit der 1 u n s m i t eOe t h e i l t e n Aussage o des P a t e r A n d n zur Genüge übereinstimmt — kommt

I h n e n in so w e i t zu S t a t t e n , mein Herr, dafs I h r s o n d e r b a r e r T a u s c h h a n d e l mit i h m , den W i r von G e r i c h t s w e g e n , u n t e r Vorb e h a l t Ihres Regresses an jenen T r u n k e n bold , f ü r n u l l u n d n i c h t i g e r k l ä r e n ,

we-

niger

und

auffallt.

Die

Willfährigkeit

g u t e A r t , die Sie bei der Z u r ü c k g a b e

der

z u m L e b e n des heiligen F i a c r e g e h ö r i g e n Belege b e w i e s e n

haben,

wird

Zweifels

ohne den h o h e n S e n a t vermögen, S i c , als eine keinem w e i t e r e n V e r d a c h t e u n t e r w o r fene P e r s o n , f r e i zu lassen. "

Hier w a r d

der Redner d u r c h den E i n t r i t t dreier w e i b licher E n g e l u n t e r b r o c h e n , die jedem der Herren,

w ahrscheinlich z u r S t ä r k u n g in

i h r e m B e r u f s g e s c h ä f t , eine Tasse Chokolate

überreichten.

Während

sie

solche

e i n s c h l ü r f t e n , d u r f t e ich ja w o h l diesen unerwarteten gnügen

Zwischenakt

benutzen ,

zu dem

einer Hebe u m

Verdie

undere auf das tiefste in die A u g e n zu sehen. Als sie a b t r a t e n , blitzten ihnen die ineinigen noch

so f u n k e l n d n a c h , dafs der

Herr Vorsitzende seine Stimme

erheben

m u f s t e , um meine A u f m e r k s a m k e i t w i e der auf sich zu lenken.

„Zwar,"

diese

S y l b e schob er vorerst e i n , als er den abgerissenen Faden seines Vortrags auffafste, „zwar

frei zu l a s s e n ;

jedoch w i r d zu-

gleich einstimmig von Uns v e r l a n g t , dafs S i e , mein H e r r , je e h e r , je l i e b e r , und sobald

ich Ihnen

den Pafs

zuschicken

w e r d e , Ihre Abreise von h i e r beschleunigen" — ich.

W a r u m denn eben d a s ?

dachte

O Herr P r ä s i d e n t , seyn Sie r u h i g !

Ihre schönen Madchen hätten mich ohneh i n nicht a u f g e h a l t e n — übrigens insgesammt, " Rede,

„ z u der

wir

endigte er seine

„ I h n e n von Herzen alles erforder-

liche Glück w ü n s c h e n . "

Ich w ü r d e gern

zu der F e i e r l i c h k e i t gelacht h a b e n ,

mit

der er die S i t z u n g a u f h o b , h ä t t e sie mich

5i3 nicht um alles g e b r a c h t , was mir

noch

einigerinafsen meinen Ausflug über

die

Glänze zu einer nützlicheil merkwürdigen Reise stempeln konnte.

Jetzt bringe

ich meinen Landsleuten doch in der Gottcswelt nichts m i t , das der Mühe lohnte. Welcher Leser w i r d an meine historische wichtige Entdeckung glauben , da ich sie mit keinem Original - Dokument zu belegen vermag.

Mein W o r t ?

Das

meiner eigenen A b s c h r i f t e n ?

Ja!

Viäimus damit

darf man einem deutschen Gelehrten wohl kommen! —

Indefs w a r ' ich doch heil-

f r o h gewesen, als ich den Blutrichtern des armen Calas nun über die Gasse nachsah — hätte ihre Bekanntschaft meiner Einbildungskraft nicht Schattenbilder

zurück-

gelassen, die beinahe noch fürchterlicher waren, als sie selbst.

Was kann noch aus

dir w e r d e n , fing ich schauerlich zu berechnen a n , wenn die Mehrheit der Stimmen dir dein Absolutorium verweigerte — wenn die altern Kapitouls, klüger als die

344 abgegangenen

jungern,

auf den

natürli-

c h e n E i n f a l l g e r i e t h e n , d e i n e Aussage m i t deinem T a g e b u c h e zu vergleichen , w e n n sie es einem T r a n s l a t o r , der O d e n n i c h t für Wäschzettel n i m m t , in

deinem J a m m e r ,'

französischer brecht

wäre,

und nachher,

so

Sprache als Gott

ihr

übergäben, l a n jDe eben

du

bis es i n so

Homer,

geradewarten,

e r b a r m e sich !

alle

die Stellen v e r a n t w o r t e n m ü f s t e s t , deren sie n u r zu v i e l e , als k r i m i n e l l , oder als unverständlich, mit rother Tinte anstreichen w ü r d e n .

V e r w ü n s c h t sei der P r i o r

zu

m i t seinen K o n v e n t u a l e n !

Contignac

d e n n n u r s i e , die n i c h t m i t t r a n k e n ,

nur

i h r N e i d ü b e r ein G e s c h e n k , an dem sie k e i n e n T h e i l h a t t e n , k ö n n e n allein diese Verrätlierei an dir u n d dem lustigen l ' a t e r A n d r é begangen haben. Mönche! —

0 die heillosen

M i t t e n in diesem

Selbstge-

s p r ä c h v e r m e h r t e ein G e r i c h t s b o t e , der daz w i s c h e n t r a t , m e i n H e r z k l o p f e n , ehe ich sah,

d a f s es der liebe e r w a r t e t e E r l a u b -

345 »il'sschein z u m e i n e r Abreise war., er mir

den

einhändigte.

Der grofse T h a l e r ,

den ich i h m f ü r sei-

nen G a n g in die Hand d r ü c k t e , g i n g u n gleich leichter v o n m i r ,

als j e n e r ,

den

t e u f l i s c h e n Kastellan 7-11 Beziers

ich dem opferte.

Meine F r e u d e

augenblicklich.

w a r aber

nur

U n t e r allen B e w e g u n g e n

der Seele ist k e i n e ,

die der

Phantasie

m e h r z u schaffen m a c h t — einem m ä n n lichen

Geiste

W o r t e keine,

überlästiger,

mit

die d e m ü t h i g e n d e r ,

einem alber-

ner u n d p e i n i g e n d e r i s t , als die F u r c h t . Mir k a m e n die s c h a u d e r h a f t e s t e n Beispiele aus einer Menge

K r i m i n a l a k t e n w i e zu-

geflogen,

a u die ich

sonst

in

Unschuld

gar n i c h t zu denken

meiner gewohnt

b i n , u n d die ich m e i n e m Z u s t a n d e d o c h j e t z t so a n p a s s e n d bildeter Kranker

fand,

als ein einge-

jede grasse Sektionsge-

s c h i c h t e dein seinigen. Ich ü b e r l a s mal mit

m e i n e n F r e i p a f s w o h l zehn-

äufserstem

Mifstrauen,

Jedci

Punkt

Strich , -den ein U n b e f a n g e n e r

gar n i c h t b e m e r k t , k a n n j a ,

d a c h t e ich,

ein abgcredtes Zeichen m i t P o l i z e i d i e n e r n seyn,

an die m a n in v o r a u s w e i f s ,

d u gerathen

mul'st.

Spielen

dafs

nicht

oft

b o s h a f t e J u n g e n m i t einem armen Vogel, tun i h n sicher zu m a c h e n ? ter fliegen,

K a n n er w e i -

als der F a d e n l a n g i s t ,

den

sie i h m h e i m t ü c k i s c h u m den F u f s schlangen , u n d d u , , nicht

kann

ein so g u t e r K e r l ,

schon

wie

tagelang auf der Dili-

gence in engem V e r h a f t s i t z e n ,

u n d im-

mer in dem süfsen W a h n stehen , er reise n a c h seinein V a t e r l a n d e , laurer

für gut

benehmen? diesen

finden, ihm

Kaum

hatte

schreckhaften

abgefertiget,

bis seine A u f -

Möglichkeiten

als gleich

i h r e Stelle t r a t . t r o t z i g zu t h u n .

solchen

ich von

eine

eine a n d e r e an

Einmal versuchte Possen,

zu

allen

ich

s a g t e i c h , die

O r i g i n a l s c h r i f t e n sind ja den königlichen Bevollmächtigten überliefert.

Wer kann

mir b e w e i s e n , dul's ich sie gelesen h a b e ,

aufser —

stockte ich

ganz auf

einm,al

niedergeschlagen — dein unseliges Tagebuch.

Nun — f u h r ich schnell besonnen

f o r t , was h i n d e r t dich d e n n ,

es zu ver-

n i c h t e n , ehe es wider dich zeugt?

Die

eine Hälfte liegt schon in der Asche — lege die andere dazu!

J a , w e n n nicht

die väterliche Liebe zu dein Nestling gewesen w ä r e , die sich geradezu gegen den grausen Gedanken sträubte. ich —

was

Endlich kam

gewinnt man nicht durch

Nachdenken! — auf einen E i n f a l l , der mir in meiner ängstlichen

Lage als der

beste Nothhelfer so genialisch

erschien,

dai's ich ihn sogleich auf das herzhafteste ausführte.

Ich unterwarf

nämlich

mein Buch der Operation des Origenes. Die ausgeschnittenen gefährlichen Blätter theilte ich wieder in zahllose Dreiecke, die ich an einem gewissen staubigen Orte verbarg , dem sich nicht so leicht ein schwarz ogekleideter Kominissair nähern wird. Ich will den Inquisitor l o b e n , der ihn a h

348 verdächtig anspricht, p i e r * Schnitzel

ohne

o d e r a u c h die

Pa-

m e i n e H ü l f e in ein

lesbares Ganze zusammensetzt. N a c h solchen g e n o m m e n e n h i n g e n M a f s r e g e l n , sollte w o h l jeder Vernünftige glauben ,

müsse

wachsen

mir

seyn.

das

verzagte

Nichts

lleiz

weniger.

geDer

S c h r e c k e n w a r m i r e i n m a l ins B l u t getreten u n d s t i e g m i r i m m e r h ö h e r z u K o p f e . Wird

es

denn

die T r a g e a u f , halten,

der K ö n i g ,

w o h l fiir

warf

ich

wahrscheinlich

d a i s j e m a n d seine A h n e n - P r o b e

vierzehn T a g e in der T a s c h e h a b e n k a n n , ohne sie zu u n t e r s u c h e n ?

u n d ist n i c h t

der k ö n i g l i c h e ( H a u b e an die M ö g l i c h k e i t allein s c h o n h i n l ä n g l i c h , ihn par

d'Rtat

in

das

raison

erste b e s t e G e f ä n g n i f s s o

g u t mit einem M a u l k ö r b e zu s t o l s e n ,

als

m i t einer eisernen M a s k e ? Heiliger l ' i a c r e ! schütze mich, willen auf der

du

d a f s ich n i c h t u m deinet-

die Iirescauische

glücklicher

du verdientest,

Austerbank,

entgangen

bist,

zu liegen k o m m e !

als Hier

349 u n t e r b r a c h mich Bastian m i t der Nachr i c h t , die W a s s e l k u t s c h e sei samint dem D a r a u f g e l d e f ü r den guten P l a t z w ä h r e n d meines Verhörs ab und davon gefahren. „ O desto b e s s e r , " rief i c h ,

„ d i e Gesell-

s c h a f t , die man auf einem Toulouser PostschifT e r w a r t e n d a r f , w ü r d e sich ohnediefs sehr schlecht mit meiner g e g e n w ä r tigen S t i m m u n g , und die l a n g w e i l i g e F a h r t noch schlechter mit einem geschwinden F o r t k o m m e n vertragen , an dem m i r mehr noch gelegen seyn m u f s , als den Herren K a p i t o u l s , die hier frühstücken.

Auf der

Landseite entkommen w i r ja diesem Drachenneste um vieles geschwinder. ich doch meinen F r e i p a f s , wir?

was

Mache dich auf die B e i n e ,

Habe warten Bastian,

und schaffe mir ohne Verzug vier tüchtige Pferde vor den W a g e n , sechse.

Hörst d u ? "

oder lieber

Das w a r i h m eben

recht. Es verging keine V i e r t e l s t u n d e , so stand alles zu meiner F l u c h t in Bereitschaft. Die

35



glücklichsten Umstände trafen zusammen, sie zu befördern. Ich sah meine Berline mit sechs Pferden b e s p a n n t , , die vor Ungeduld s t a m p f t e n , wie ich.

E i n s zog w i e das a n d e r e , denn

ihre Führer w a r e n , trauten,

w i e sie mir bald ver-

Zwillingsbrüder,

Glaubens ,

und

meinten

kalvinischen es

überhaupt

ehrlich. Sie drückten mir nicht nur auf das herzlichste die

Hand

für

mein

freigebiges

Trinkgeld am E n d e der S t a t i o n , nein sie zeigten es allen ihren Kamineraden, sie a u f z u m u n t e r n , dienen.

um

ein gleiches zu ver-

Die Wege waren vortrefflich, der

Abend r u h i g ,

wie ein gutes Gewissen,

und die Nacht h e l l , wie bei uns ein Frühlingstag.

Nie hat mir der Klang der Post-

hörner mehr F r e u d e gemacht.

Nach der

E i l e , mit der ich an den berühmten Garküchen des Perigords vorbei rollte, hätte kein

Mensch ei r a t h e n ,

welchen

ich auf ihre kalten Pasteten setze.

Werth Ich

liefs m i c h

d u r c h keine a u f h a l t e n ,

denn

ich kam mir selbst w i e eine W a l d s c h n e p f e vor,

die alle i h r e F e d e r n a n s t r e n g t , u m

dein U n g l ü c k , in einer n a c h Holland oder Deutschland

verschickt

zu

werden,

zu

entfliehen. So e r r e i c h t e ich z w a r d u r c h G o t t e s H ü l f e und

o h n e den

m i n d e s t e n A n s t o i s schon

den siebenten M ä r z , einige S t u n d e n n a c h M i t t a g , das schöne w e i n r e i c h e B o u r d e a u x — a b e r die l a n g e Strecke W e g s , die i c h noch bis in mein V a t e r l a n d vor m i r sah, erlaubte

mir

nicht,

durch

i r g e n d einen

Genul's Zeit zu verlieren. W i e h ä t t e ich L u i t h a b e n k ö n n e n , nem Köiper g ü t l i c h zu t h u n ,

mei-

den ich bei

weitein n o c h n i c h t aui'ser G e f a h r g l a u b t e , u n d der s i c h , w i e D u n o c h h ö r e n w i r s t , bei a l l e m ,

w a s i h m a u f s t i e l s , r e c h t lin-

kisch b e n a h m . J e t z t , n a c h einer r u h i g e n f r ö h l i c h e n S t u n de , u n d n a c h d e m ich glücklich ü b e r die Strickleiter w e g b i n ,

die sie m i r erste!-

.552

gen h a l f ,

stellt es freilich g a n z anders um

Deinen F r e u n d , lieber E d u a r d . Ich werde nicht z u m letztenmal über die w i l d e n Blicke l a c h e n , die ich umher w a r f , als ich nicht w e i t von La Trompete,

der

hiesigen F e s t u n g , a u s dem W a g e n stieg. Alle A u g e n , alle K a n o n e n , g l a u b t e ich, w ä r e n auf mich gerichtet.

Ich sah i n

jedem Vorbeigehenden — ärger als Rousseau auf seinen S p a z i e r g ä n g e n — nur einen Spion,

der meine A n k u n f t der

anzeigen

werde.

ich zitterte nach,

die

Polizei

Ich g i n g n i c h t ,

von w e i t e m ich Bastian

meiner allein

nein, Chaise

überliel's

auf die Tost zu bringen und bespannen zu lassen — aber die Gasse dahin w o l l t e k e i n Ende nehmen.

Indem stürzte

ein

T r u p p M a t r o s e n , denen man es deutlich a n s a h , dals sie sich so w e n i g um mich, als

um

die ganze W e l t

bekümmerten,

m i r a u s einer Taberne in den W e g .

Sie

s c h w e n k t e n ihre r u n d e n Hüte und jauchzeten einmal über das andere mit stam-

353 melnder Z u n g e :

Es lebe Katharina

Der Name

Zweite!

die

dieser grofse» F r a u

fiel mir k a u m in die O h r e n ,

so

vergafs

ich Kammerdiener und W a g e n , und überliefs

mich

blindlings

dem Z u g e

meines

dunkelu aber mächtigen Zutrauens. schlols mich dicht au

Ich

die lustige L a n d e

a n , und so o f t ich mich bemerkt glaubte , s c h w e n k t e auch i c h meinen Hut und mischte h e r z h a f t mein V i v a t in das ihrige. So taumelte ich in ihrer Gesellschaft z w e i Stralsen durch bis v o r

die Stadt an den

H a f e n , w o sie a u f einmal Halt machten. Eine schöne gebietende Gestalt stand v o r i h n e n , dämpfte mit einem W i n k ihr

to-

bendes

das

Geschrei

und

wies

sie auf

S c h i f f , von w e l c h e m der N a m e ihrer Monarchin in goldenen Buchstaben mir über die W e l l e n entgegenglänzte , und dem sie sogleich auf einein B o o t e zuruderten. Wie

sich

das Gedränge

der

grünen

Jacken um mich her verloren h a t t e , stand ich

nun

Th. W .

einzeln, VI. Th.

aber ziemlich

aufser S.7)

Fassung,

vor dem K a p i t a i n , d e r , w a h r -

scheinlich ein w e n i g v e r w u n d e r t , reinlichen Überrock

unter seiner

einen Mann-

schaft zu s e h e n , mich von Kopf bis z u Fufs mit ernsten A u g e n betrachtete.

Da

ich nicht von der Stelle w i c h und bei dem

geringsten

Geräusch

scheu

hinter

mich b l i c k t e , f r a g t e er mich e n d l i c h : ob etwas

f ü r mich hier zu thun s e i ?

Ich

t r a t n ä h e r , nannte mit leiser Stimme meinen Nainen, der zum Glück f ü r mich ihm nicht ganz fremd w a r , und bat aus g e w i s sen U r s a c h e n ,

die ich ihm schon noch

entdecken w o l l e ,

vor der Hand nur um

S c h u t z — — „Aber gegen w e n denn ? " f r a g t e er ungeduldig —

„Gegen die w o l -

lüstigen und grausamen Kapitouls zu Toul o u s e , " zischelte ich ihm z u , „ u n d ihre hiesigen S p i o n e . "

Nach einem kurzen

liesinnen gab mir der brave Mann einen Wink,

ilun

auf das kleine Fahrzeug zu

f o l g e n , das bereit w a r , i h n überzusetzen. O w i e gern gcliorchte

ich !

Hütte

353 Bastian nicht besser Acht auf mich geh a b t , als ich auf i h n , so wären w i r vielleicht

so bald nicht wieder

zusammen

gekommen. Er schrie vom Ufer uns nach, bat und erhielt die E r l a u b n i f s , mit einzusteigen. meine

Wie geschwind verzog sich

bisherige Brustbeklemmung.

In

welche Freude ging sie nicht ü b e r , als ich bald nachher mich in der Kajüte meines Beschützers, zwar nur auf Bretern, die aber mit dem Gebiet einer mächtigen Monarchin zusammen h i n g e n , allen u n d jeden Kachstellungen entrissen sah.

des festen Landes

Dieses schöne Gefühl ent-

wickelte zuerst die heroische Frage in mir, ob es nicht möglich und mir am besten gerathen w ä r e ,

unter Russisch - Kaiserli-

cher Flagge allen gesetzlichen Ungeheuern des französischen Labyrinths zu schen.

entwi-

Ich legte diesen W u n s c h am Ende

meiner Geschichtserzählung Kapitain ans Herz.

dem

lieben

Er hörte meinen Vor-

trag mit gütiger Aufmerksamkeit an -—

35ilogircnden Kinde m i t t r a u r i g e m N a c h d e n k e n

in

das niedliche G e s i c h t ; J e r o m m u f s t e m i c h m e h r als einmal

an das F o r t g e h e n erin-

n e r n , u n d d o c h zögerte ich, bis das Glöckchen - G e l ä u t e

der

letzten

abgehenden

T r e c k s c h u t e m i r d u r c h alle Glieder f u h r , u n d als ich n u n in ü b e r s t r ö m e n d e r Z ä r t l i c h k e i t dem guten M ä d c h e n noch einmal ineine Hand b o t , zu Mutlic,

w a r d m i r so w e i n e r l i c h

als ob ich von i h r e m ganzen

lieblichen G e s c h l e c h t ,

sainmt den

Musen e w i g e n Abschied n ä h m e .

neun

So lange

i c h auf der R ü c k f a h r t das s c h m u c k e T e m pelchen n o c h in der Abendsonne, b l i n k e n sah,

w a r es mir n i c h t m ö g l i c h ,

meine

A u g e n nach einer a n d e r n S e i t e , —

ineine

F a n t a s i e auf einen g e r i n g e m G e g e n s t a n d , als auf die N y m p h e zu r i c h t e n , wohnte.

die es be-

I c h s c h r i e b i h r e r J u g e n d , Schön-

h e i t , U n s c h u l d u n d i h r e m poetischen Talente so viele F e s t t a g e zu G u t e ,

dafs ich

4