190 53 60MB
German Pages 559 [566] Year 1811
M. A.
von
THÜMMELS
SÄMMTLICHE WERKE
I . E I Í Z I G ,
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G Ö S C H E N
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P r o v i n z e n
F r a n k r e i c h ,
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III. Th.
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T h e i l .
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s.
Den ersten Januar. F r e u n d ! dafs ein frisches Gesicht,
im Schatten
wild fliegenden Haares, Dem keine F e d e r ,
kein Schmuck
den Bali der
Locken verbog; Ein Busen, welcher, bei G o t t ! mit a l l e m , was er auch .Rares Entdeckt' und verbarg, zwo Mirabellen kaum w o g ; Eiu
kleines
närrisches D i n g ,
das gaukelnd
—
sonder ein klares Bewufstsevn seines
Berufs,
mit dem Geschwätze
des Stahres Den Baum der Erkenntnifs des Guten und Bösen umflog — Dafs eine Fee dieser Art jüngst auf ein eben so wahres
4 Als
seltnes
Weihnachtsgeschenk mich
an
ihre
Tafel
zog,
U n d , als ich hungrig erschien,
m i c h , wie wir
wissen, betrog'— Für einen Schüler Berlins war das zum Schlüsse des Jahres Ein ärgerlicher Doch
dafs,
zu
Epilog! meinem
Ruhm,
es Welt
und
Kachwelt wisse! Ich stahl bei dem Geräusch mir nicht bestimmter Küsse Vom Schauplatz mich hinweg, und wie ein Held, •verwiej Ich mir sogar den Blick, den hinter die Kulisse Die Lüsternheit mich werfen hiefs; Der letzte Rest vx>n Amors Sorgen Schwand mit d e m T r a u m der letzten Nacht.
~
Aus solchem S t u r m der Leidenschaft geborgen, Ist wohl nie muthiger am ersten Feiermorgen Des Jahrs ein Philosoph erwacht! — So bang u m den Ersatz, so ernst, wie ein Verschwender Das G o l d , das er verlor, im Geist zusammen reiht.
ö Durchzählt'
auch
ich
den
Werth
der
mir
entflohnen .Zeit, U n d wehte m i r ein Jahr i m künftigen Kalender A u s Festen der Eiuhaltsnmkoil. O W e i s h e i t ! r i e f ich a u s , o du , die in der Milte D e r Freuden «¡Ixt, die keine Heu vergällt
—
Entziehe mich der Schmach , die jede niedre Bitte U m eines W e i h e s G u n s t enthalt! V e r l e i h , das^ich, selbst uiierschüUci'l I m Brennpunkt einer Griechin s t e l l , U n d , "wenn auch schon an i h r e m Ncgligee Das Band sich b l ä h t , der A t l a s k n i t t e r t , D o c h nicht in G u h r u n g Gieb ,.
dals
ein
übergeh!
liüh'rer
Zweck
Zügel
der
Neugier
lenke ,
A l s der au Ruhebetten l a u s c h t , U n d auch
dein G l ü c k l i c h s t e n ,
dem
dort die Z e i t
verrauscht, D o c h nur armselige Gcschenke A u f Kosten seiner selbst vertauscht!
—
Ist's m ö g l i c h , dafs ein Geist, der Sonnen z u erklettern V e r m a g , und ihre Strahlen t h e i l t ,
»
da er mir
auch schien, als die gute Margot mir ihr warmes Halstuch Hätte
um
den
Kopf
band.
ich diesen Gedanken behutsamer
verfolgt als ich t h a t , ich glaube, es wäre nichts aus meiner Visite geworden.
So
aber kam ich von Margots Halstuch auf das Halstuch der Heiligen, von dem Hundertsten in das Tausendste, und — mein guter Gedanke entwischte mir unter den Händen. Indefs war es doch drollig, dal's ich noch immer wie angeheftet auf meinem Lehnstuhle verweilte,
ohne mich ganz von
dem Mifstrauen in meine Einsichten trenTh. W .
III. Th.
in
i46 nen zu k ö n n e n ,
das Du
von jeher an
mir g e w o h n t b i s t , u n d das mir
immer
noch a n k l e b t , w i e eine Nervenschwäche. Mein Vorsatz w a r zwar gefafst; aber um ihn a u s z u f ü h r e n ,
fehlte mir n u r
noch
die A u f m u n t e r u n g eines Freundes, der mir f ü r den glücklichen Erfolg und f ü r allen Schaden h a f t e t e , der daraus erwachsen k ö n n t e ; u n d auc{t diese G e w ä h r wui'ste ich mir endlich z u verschaffen. J a , lieber E d u f f r d , alles mein voriges Hinu n d Her - Uberlegen h ä t t e ich mir recht gut ersparen k ö n n e n , w e n n ich eher an D e n gedacht h ä t t e , der m i r in Aviguon alles in allem w a r — an den Vorbereiter der J u g e n d , an das Orakel der S t a d t , an den ehrlichen Kirchner.
Ich brauchte ihn
n u r noch einmal in Gedanken abzuhören, u m zu w i s s e n , w o r a n ich mit Klärchen war.
Sein dunkles Gespräch
schwebte
mir v o r , als ob er mir gegenüber säfse, und
entwickelte
sich
jetzt
zu
meiner
ungleich gröfsern Zufriedenheit, als da
i4 7 ich ihn selbst hörte. Meine Wünsche bekamen ihre einzige wahre Richtung. Mit dein Übertritte zu Klärchens Religion, fühlte ich, habe es heute wohl nicht viel zu bedeuten, und ich steckte, um nicht wieder darauf zu treten, den Pfropf in die Tasche. Sein dunkles Gespräch? Mein Gott! durfte er es denn wohl weniger behutsam anlegen, wenn er seiner neuen Freundschaft für mich ein Geschick geben wollte, ohne geradezu seiner altern für den Propst zu schaden? Wie war es möglich, dafs ich so blind seyn konnte? Ich erstaunte, als ich die feinen Winke erwog, die er mir, wie von ungefähr zuwarf, als ich die schlauen Bemerkungen analysirte, die er fallen liels, und die Lokal - Farben, die er zum Gemälde seines Vorgesetzten brauchte, mit den psychplogischen Nachrichten verglich, die er mir von Kl'archen mittheilte — ich erstaunte, sage ich, über die Deutlichkeit, die in allem dem herrschte. Der
»40 sonderbare Accent, den er, wie es mir schien, ohne Noth auf dieses oder jenes Wort legte, bekam nun Bedeutung und Sinn. Sein Aufruf an mich zu Gunsten des Propstes erklärte sich m i r , wie das Einlafsbillet einer Komödie; und obgleich seine Räthsel so theologisch verflochten w a r e n , als man sie nur von einem getauften Juden erwarten kann, so w a r mir doch weiter nicht bange, diese feinen Fäden glücklich aus einander zu wirren. Den Dünsten gleich, die von den Auen ßeim Überschein der Sonne fliehn , Sah mein geschärfter Blick des schlauen Orakels »Dunkel sich verziehn . ich forschte mit der Kraft, die Bacchus mir verliehn, Dem schweren Räthsel nach, bis mit geheimem Grauen Sein Knoten mir entgegen schien. N e u , jung und m o d u l i r t , als keiner dach Berlin Zu Markte k o m m t , und doch nicht von der rauhen, Antiken Festigkeit, u m ihn,
i49 Anstatt zu lösen, durchzuhauen — Lag er im Schutz der heiligsten der Frauen, Schon darum werth um vor ihm hinzuknien. Und wie der erste T r i e b , sein Felsennest zu bauen, Den jungen Adler hebt nuf eine Höh', wohin Kein Aug' es wagt, ¡lim nachzuschauen, So überflügelte mein miiuiiliches Vertrauen Das Heiliglhmn der Sängerin. Ich forderte von i h r , die mir den Schlaf verwehret, So lang' Ersatz für den verlornen S c h l a f , Bis ich den ganzen Schwärm der Freuden aufgestöret, Die der Verlauf
der
Zeit
vielleicht dem Propst
bescheret, Wenn die E r m ü d e t e , als ein verirrtes Schaf, Zu seiner Herde wiederkehret, Und sah erstaunt wie das, was jedem Theil gehöre;, In Einem Funkt zusammen t r a f .
Hast Du selbst je von einem Plane gehört, lieber Eduard, der einfacher in seiner Anlage, geschmeidiger für die Ausführung , und für den Endzweck, den er
ißo
beabsichtigt, so harmonisch in allen seinen einzelnen Theilen w ä r e ? Wie geübt, dachte ich mit schuldiger Bewunderung, mufs die Hand des Meisters seyn, der ihii entw a r f ! wie grofs seine Erfahrung der Welt, wie sicher seine Kenntnifs des Lokals und seine Bekanntschaft mit den Sitten der Andächtigen! Ich hatte nur einige Schritte über den Vorsaal
zu
thun,
die
bei dem hellen
Scheine, den der Mond über ihn breitete, keine Schwierigkeit machten.
Ehe ich
aufbrach, bedachte ich noch, wie wenig man oft bei solchen Besuchen Herr seiner Zurückkunft i s t , und setzte aus Vorsicht mein Licht in den Kamin.
Im Vorbei-
gehn beim Spiegel würdigte ich auch noch meinen äufsern Menschen einer flüchtigen Untersuchung, und wie vortheilhaft fiel sie diefsmal nicht a u s !
Wäre der
schlafende Amor in die Höhe gesprungen mich zu umarmen, wahrlich, ich hätte es in diesem Augenblicke für kein Wun-
i5i der gehalten. So einen Schlummer möchte ich mir wünschen, sagte ich, indem meine freundlichen
Augen
den
Ausdruck der
glücklichsten Ruhe verfolgten, den ihm der Künstler zu geben gewufst hatte. — Ich gelobte, wenn ich so ausdrucksvoll von Klärchen zurück käme, ihm das Restchen Staub abzuwischen, bei dem sich ihre zitternde Hund, mitten in der Arbeit, so artig zurückzog.
Ob wohl allen Hei-
ligen dieses Gefühl der Sensitiven eigen seyn m a g ? und ob sie wohl solches auch noch bis nach Untergang der Sonne behalten ?
Ich s a h , als ich in dem Spiegel
wieder nach mir aufblickte, dafs mich dieses Problein, und die Hoffnung es aufzulösen, roth gemacht hatten bis über die Ohren; und wie auserwählt schien nicht diese Farbe zu meinen grofsen viel versprechenden Augen,
und wie schön
nüancirte sie nicht mit dem Inkarnat meiner Lippen! — Ach, meine Lippen! Auf keinen andern habe ich je diesen Anreiz
152
und
dieses
Hinstreben
entdeckt.
Ich
möchte wohl, sagte ich höhnisch, das Mädchen sehn, das solche Figuren vor ihrer Thür abzuweisen das Herz hätte! Und so trat ich mit der Zuversicht eines guten
Gesellschafters
endlich . über
die
Schwelle, und gelangte glücklich an den Verschlag,
der, wie
Allerheiligsten,
der Vorhof zum
Klärchens
Zimmer be-
gränzte. Bei der Stille,
die in diesem frommen
Hause herrschte, war nicht viel Geräusch nöthig, um ihr Ohr aufmerksam auf meine Annäherung zu inachen. kaum
Auch rief ich
ein paarmal- ihren harmonischen
Namen mit gedämpfter Stimme, so hörte ich auch schon ihre Kammer sich öffnen. Nun trippelte sie nach der Thüre des Verschlags j
nun hob sie —
das Vergnügen vor, terte —
den
stelle Dir
das mich durchzit-
Riegel auf;
stand nun — Klärchen
und lebhaft
zwar nicht
—
aber ihre abgemergelte, zahnlose Tante,
»53
iu ein weifses katuuenes Nachtkleid gehüllt, vor mir.In dein ersten Anfalle meines Schreckens dachte ich nichts gewisser, als die gute Frau habe wohl Lust sich selbst meinen späten Besuch zuzueignen, und könne so von Gott verlassen seyn, sich einzubilden, dafs,ich, ohne Scheu für ihr ehrwürdiges Alter - - - Aber sie liefs mich diesen heillosen Gedanken nicht endigen. Sie fuhr mir nur zu bald mit einem: „Was beliebt Ihnen mein Herr?" auf den Hals, und zeigte dabei eine so schnakische Befremdung in ihrem Gesichte, als hätte sie in dem langen Laufe ihres Lebens noch nie eine männliche Gestalt im Mondscheine erblickt. Ich hingegen auf meiner Seite, und gewifs betroffener noch als sie — wahrlich' ich mufste mir ihre einfache Frage noch einmal wiederholen lassen , ehe ich meiner Stimme. so mächtig ward, ein paar verunglückte Worte darauf zu antworten. Ich starrte das
»54 alte Weib vorher noch sprachlos und mit aufgerissenen Augen
an — ein Anblick,
der, wenn er auch sonst nichts
Gutes
h a t , einem Menschen in meiner Lage doch einiger Mafsen dadurch wohlthätig werden kann, dafs er ihn aus einem hitzigen Fieber in ein kaltes versetzt.
Mag man
indefs solche Veränderungen noch so sehr unter die guten Symptome rechnen,
so
möchte ich sie doch selbst meinen Feinden nicht wünschen.
Ich weifs nun aus
eigner Erfahrung, wie viel es dem armen Kranken kostet,
die erhabenen Phanta-
sien, die seine Seele beschäftigen, unter Zähnklappen verschwinden zu sehen. „ D i e langen Abende — meine angenehme Nachbarschaft —
die E i n s a m k e i t , "
stotterte ich endlich in
—
abgebrochenen
Sätzen heraus, zu denen es mir je länger, je schwerer w a r d , eine Verbindung zu finden.
.Meine Verlegenheit
jeder Sekunde z u ,
nahm
mit
glaubte sich L u f t ztt
schaffen, und verfiel darüber in die unbe-
i5r> sonnenste Erklärung,
die sich nur aus-
findig machen lieis.
„Liebe Madam,"
sagte ich, „die anziehenden Reize Ihres guten Klärehens werden mich schon hinlänglich bei Ihnen entschuldigen, und die Freiheit, die Sie dein Propst erlauben, hoffe i c h , werden Sie doch wohl nicht Ihrem Miethmanne versagen ? " — hatte
ich
vortrefflich gemacht —
Das Du
hättest nur sehen sollen, was die alte Katze bei diesen Worten für Feuer fing. — „Klärchen? Klärchen," beantwortete sie meine wohlgesetzte Rede,
,, nimmt
keine nächtlichen Besuche — ja sie nimmt gar keine, und zu keiner Zeit an.
Gehen
Sie, mein guter Herr," setzte sie höhnisch hinzu, „suchen Sie anderwärts Ihre Unterhaltung , und lassen Sie Ihre Nachbarn in R u h e ! " Schwerlich hat noch jemand einen unfreundlichem Bescheid aus einem häfsliehern Munde gehört.
Da es aber noch
einen empörendem Anblick in der Natur
»59 noch keine so t r a u l i c h , beredt und r ü h rend die Scene ihrer Weihe der Mutter entwickelt h a t . Mein Puls kam nicht eher zur R u h e , bis kein W ö r t c h e n , kein Komma, kein Pünktchen fehlte.
mehr Die
au dem
kindlichen
Bericht
kleine Malerin bildete
ihr
Original so sprechend n a c h , dafs sie mich sogar mit mehr als einer Kopie des warinen Kusses beschenkte, den ihr die entschiedene Erbprinzessin zum Abschied auf die Lippen gedrückt hatte.
E r zitterte
so herzlich auf den meinigen w i e d e r , als ob es der lieben Geberin a h n d e t e , dafs es trotz unsers gegenseitigen
Versprechens,
der letzte Tauschhandel unserer freundschaftlichen Gefühle seyn würde.
Wun-
mehr leiste ich auch völlig Verzicht dara u f , denn da — um es im Vorbeigehen zu erwähnen,
seit jener Epoche die damals
so anspruchslose, schüchterne Prinzessin schon zehnmal Mutter geworden i s t , u n d auf i h r e n Lorbeern ausruhen könnte, läge
ihr nicht eine häusliche Sorge auf dem Herzen,
die täglich
gröfser wird j
sie
sieht ihren Liebling, den ersten Spröfsling jener mystischen Nacht t r a u r i g sein schönes Haupt h ä n g e n , ohne dafs es ihr gelungen
ist,
Kapelle w i r d
es aufzurichten
—
seit verschiedenen
nicht mehr besucht — w i e gern
die
Jahren wür-
den die liebenden Altern dem Sohn den goldnen Schlüssel überlassen, bände ihnen der Stiftungsbrief nicht die Hände; denn bis
jetzt
haben
sie sich
noch
immer
vergebens an den Höfen nach einer F ü r steutochter umgesehen,
die eben so un-
b e f a n g e n , so wenig erfahren und unterrichtet wäre., als es die Mutter vor ihrem E i n t r i t t in die Kapelle w a r — so h a t , sage i c h , die Zeit in ihrem U m s c h w u n g , nebst so manchem andern meiner Wünsche, a u c h die Sehnsucht nach jener liebenswürdigen Gesandtin verzettelt — u n d ich w ü r d e t ü c h t i g erschrecken, w e n n sie mir auf meiner Retourreise von Klärchen irgend
in einem Gasthof begegnete. ben ihr in dem Wagen safs,
Als ich neder durch
ihren F e h l t r i t t mir so lieb geworden -war, die Fenster
aufgezogen u n d die Stores
herabgelassen h a t t e , konnte ich freilich nicht g l a u b e n ,
dal's ich zwanzig J a h r e
nachher mich ihrer in Avignon so gleichgültig erinnern würde. zum Ende
Vom Anfang bis
ihrer Erzählung
waren alle
nieinö Sinne zugleich auf ihre mitspielenden innern Empfindungen
gerichtet,
die sich mir bald durch ihre funkelnden A u g e n , bald durch einen nachbarlichen Händedruck,
bald durch das Verstecken
ihres verschämten Gesichtchens hinter den Schlagschatten
des meinigen
verriethen,
u n d das Kolorit ihrer geschichtlichen Darstellung um vieles erhöhten. „ I c h w e r d e , " begann sie,• „ i n meinem Leben nicht vergessen, wie verändert seit gestern die junge Dame mir v o r k a m , als ich in ihrem Boudoir meine Abfertigung holte.
Leuchtend wie ein C h e r u b i n , in
51a ihrer Morgentracht, sprang sie vom Sopha auf, als ich eintrat und Nantchen! liebes Nantchen! ! — schlang sie ihre beiden Händchen um meinen Hals —
seit Du
mir gestern mit allen den Närrinnen, die mir den Kopf warm machten, aus den Augen kamst, was für unerhörte Dinge habe ich nicht erlebt.
Du kannst sie
nicht eher als bis Du selber einmal Braut seyn wirst — aber auch meine Mutter wird sie kaum g l a u b e n u n d nun warf die gute Kleine in der Freude ihres Herzens — wie sie es immer mit ihren Kleidungsstücken zu machen pflegte, — alles, was sie mir vertraute,
so bunt
unter
einander, dafs es Noth thät, sie in ihrem eigenen Roman zurecht zu weisen, und alles das, was sie bald aus Übereilung zur Hälfte vorausgeschickt hatte und wieder zurückholen, bald das wieder hervorstören mui'ste, was sie beinahe vergessen hatte — in Ordnung zu bringen. ,, Das will ich übernehmen, mein gutes
5» 3 Nantchen," erwiederte ich; „ich will hinterher schon aufräumen — fahren Sie nur fort." „Doch Dir zu-Gefallen, Eduard, mufs ich hier den Strom ihrer Rede durch Einschaltung eines Prologs unterbrechen, der zur Verständnil's unsers Dramas nöthiger i s t , als es nur einer vor den Schauspielen der Alten seyn kann." — Der graubärtige Ahnherr trete in seiner Maske auf und entwickele die guten Absichten seines Plans noch näher, als sie hier und da aus einigen Stellen seiner Vorrede durchgeschimmert haben, damit Du aus dem eigenen Munde seiner erlauchten Urenkelin desto gründlicher zu beurtheilen vermagst,
in
wie weit er sie
erreicht hat. Vertausche
ich
auch manchmal unser»
feiner gestimmten Ohre» zu Liebe ein allzuderbes W o r t , das ihm in seiner verjährten Sptache über die Zunge sprudelt, mit einem glimpflichem Ausdruck, so will Th. W .
I I I . Th.
33
ich doch sorgen, dafs .es dem Sinne keinen Abbruch t h u e , u n d die heroischen Hülfsmittel nicht vertusche, durch die er der moralischen u n d physischen Erschlaffung vorzubeugen gedenkt, die, w i e er glaubt, seiner Nachkommenschaft droht. Sie kann
nicht
ausbleiben, .dachte er,
w e n n die Herren Erbverbrüderten so fortfahren wie sie anfangen — wenn sie als einen Damm ihrer ziemlich ausgeschöpften H o h e i t , P r u n k u n d Statüen um sich herum stellen, die ihnen jede freie Aussicht in die N a t u r versperren, u n d wenn sie immer
so hoch
auf
den Stelzen
ihres
Standes einher t r e t e n , dafs kein Blick der F r e u n d s c h a f t — kein Ausdruck der Vertraulichkeit ihre Augen und Ohren erreichen k a n n , sie flössen ihnen denn von andern Stelzentretern in gerader Richtung z u ; u n d da weifs man schon wie w a h r und rührend sie ausfallen.
Sie müssen —
es ist nicht anders
—
fremd w e r d e n ,
endlich unter
und
in
ihrer
Welt den
5i5 Possen ihres Austands erliegen.
\Vas soll,
dachte er f e r n e r , anders als Zwecklosigkeit und lange Weile aus ihren ehelichen Verbindungen entstehen,
da sie immer
n u r ein zehnfach verwandtes Blut in dem kleinen Zirkel herum t r e i b e n , auf den sie der genealogische Kalender
einschränkt,
u n d wodurch ihre Körper und ihre Seelen einander am Ende alle so ähnlich werd e n , dafs es ein Elend i s t ? Grolser G o t t ! was soll da Kluges heraus k o m m e n , wenn sie aus einer Idylle eine politische Rechnung
—
aus einem Schäferspiele eiue
Haupt - und Staatsaktion m a c h e n ?
Der
gute Mann blickte dabei mit seinen gesunden Augen in die offene F l u r ,
sah,
wie der Baum kränkelt, der n u r mit seinen eigenen Ablegern gepfropft wird — sah,
dafs der Acker n u r
kümmerliche
E r n t e n t r e i b t , der mit dem Korne, das er jährlich e i n b r i n g t , immer wieder besäet wird , — sah in der W i r t h s c h a f t des Thierreiches, w i e tief am Ende die vollkom-
5'ö raensten Racen herabsinken, wenn man sie zwingt sich unter einander zu vervielfältigen. Verwies ich nicht schon— fragte er in seinen Ingrimm — manchen Gaul dieser Art in den Bauhof, dessen Ahnherr, nach dem Stallregister, den Kaiser bei seiner Krönung trug — manchen in die Post, der in gerader Linie von der Haquenee, oder gar von dem Bucephalus abstammte? Da entschlofs sich der biedere Fürst — in väterlicher Rücksicht auf die gemeinschaftliche Wohlfahrt seines Landes und seiner Erben entschlofs er sich, " keinen Schwächling in seiner Familie aufkommen zu lassen. Nach langem Hin - und Hersinnen glaubte er es am besten zu treffen, weuu er eine Macht, deren grofsen Einflufs er nur zu oft an sich wahrnahm — wenn er die wohlthätige Macht der Phantasie in den, für das Land gefährlichsten Augenblicken, gegen den kraftlosen Hofton zu Hülfe rief, und seine Lieblinge — die Erbprinzen , wenigstens
5 »7 in der media
nocte ihres Beilagers, durch Con-
einen natürlichen E i n f a l l aus der
tenance
brächte.
Mufs ich auch zugeben,
da ich es nicht ändern kann — wendete er ein —
dnfs die guten L e u t c h e n ,
die
ich im A u g e h a b e , noch vorher auf dem 'Burgplatze alle die raren Künste entwikkelten,
f ü r die ihres
Gleichen
bezahlt
w e r d e n , w i e sie es verdienen, —
kann
ich auch der tyrannischen Etiquette nicht so scharf in die Leine g r e i f e n , dafs die nicht erst das arme angekuppelte P a a r in Ceremonien müde t r e i b t , ehe sie es bis an
den Standpunkt
seiner
Vereinigung
b r i n g e t ; so w ä r e es mir doch a u f s e r S p a f s , wenn ich im Geiste diese
Staatspuppen,
sammt ihrer K ä l t e , ihrer E r s c h l a f f u n g und ihrem fürstlichen A n s t ä n d e , das Paradebett besteigen sähe.
N e i n ! s a g t e r , das
lasse ich nicht zu.
Ich will der
erzogenen lenke —
steifen Prinzessin zuvor ihrem niedlichen
wohl Ge-
Gesichtchen
erst Ausdruck — ihrem in etwas zurück-
5iß gebliebenen Busen mehr Schnellkraft, und will dem uralten Geblüte,
das in ihren
Adern schleicht, Leben und Wärme geben. Sie
mag
ihrer
Oberhofmeisterin
Ehre
machen w o sie nur will — aber in dem wichtigen
Augenblicke,
wo
sie
nicht
nöthig hat vornehm zu t h u n , behalte ich m i r , als Stammherr, ihre Zurechtweisung allein v o r , und h o f f e , so Gott w i l l , sie v o r ihrem Ubergange zu einem zweckmäfsigen, feurigen , natürlichen Mädchen umzugestalten, das, wie Freund Lavater von einer sagt * ) — denn sein prophetischer Geist sah alle Fragmente der Welt voraus —
Kraft hat zu geben und zu
empfangen. Mein Prinz — fährt er fort und streicht sich den Knebelbart —
soll vor seiner
Umarmung erst in einen muntern — fälligen — *) S. 122,
ge-
verliebten Jungen verwandelt
S. Fhysiognomische Fragmente z w e i t e n Versuch, -wo man auch das PortTät der Dame
k a n n , an der diese K r a f t gerühmt w i r d .
sehen
5*9 w e r d e n , w j e sie in der Welt herum lauf e n , oder — ich will nicht Hans heifsen! Das Fünkchen Liebe, das er aus der Hofkapelle mitbringt , andern
von
soll
in
einer
ganz
meiner E r f i n d u n g erst
zu
Flammen a u f l o d e r n , — seine Pflichten sollen i h m , wie trägen K i n d e r n ,
durch
Bilder verständlich gemacht, — und seine natürliche Rolle, ehe er sie spielen darf, soll ihm erst so lieb w e r d e n ,
dafs er
seine angelernte darüber vergifst. Er habe das O p f e r , das er zii den Füfsen seiner Verlobten f ü r sich und sein Land erbettelt,
nur den Verlockungen der Sinne,
dem Tumulte des Bluts — habe alles was er w ü n s c h t und erhält — n u r dem Zauberstabe der gereizten Einbildungskraft — nichts davon dem Stabe des Hofmarschalls zu danken! Und der brave Stammvater hin u n d fertigte
setzte sich
sein ewiges Kanzelei -
Schreiben an alle die Glücklichen
aus,
die durch ihn und seinen E r b p r i n z e n , f ü r
520 dessen Stammhaftigkeit er selbst patriotisch gesorgt hatte, in der Folge der Zeit zu der Ehre gelangen würden ihr Vaterland zu beherrschen.
Wenn sie aucft,
murmelte er vor sich, alle meine andern löblichen Anstalten im Laude mustern, meistern und umstofsen, s o , denke ich, sollen sie doch nichts wider meine Einrichtung ihrer ersten Nächte haben, da ihnen ja, wenn sie nur das geringste Nachdenken besitzen, ihr eigenes Daseyn verbürgen m u f s , dafs ich den Rummel verstand.
Und so stiftete er jene Kapelle
mit ihrem Sopha — ihrem Stammbuche und ihrem Ornate. Nimm einstweilen mit diesem kurzen Auszuge aus seinem Stiftungsbriefe vorlieb. Könnte ich ftur mit eben so leichter Feder Jettchens Geständnisse
aus
stücken zusammen setzen, ihrer Vertrauten erhielt.
den Bruchdie ich von
Jene ihres Wegs
£0 unkundige Pilgerin gleicht in der Erzählung ihrer empfindsamen Reise einem
5-i S c h i f f e r , der auf dem unabsehbareil Meere vom Sturm e r g r i f f e n , sich endlich glücklieh an ein lachendes Eiland sieht.
getrieben
E r überläfst sich zuerst dem ent-
zückenden Gefühle
seiner
Rettung,
er
gedenkt nicht mehr der W e l l e n , die ihn dahin schaukelten,
und möchte sich lie-
ber schämen , wenn er auf die überstandenen Minuten seines Zagens zurückblickt. Eben so wenig kann i c h , ohne unbillig zu seyn, einem träumenden KindshÖpfchen z u q i u t h e n , dai's es die grausen Phantasien, die ihm bis zum Erwachen
vorschweb-
t e n , im Zusammenhange entwickele.
Ich
hingegen, der ich ein Nachtstück zu malen h a b e , das nicht sowohl zur Zierde meiner Bildergallerie, als vorzüglich zur Beantw o r t u n g jener in diesen Blättern schon mehrmal angedeuteten Streitfrage der Gelehrten und Naturphilosophen diene, ob es bei Behandlung eines zarten weiblichen Herzens zweckmäfsiger sei, ihm auf der Reisecharte der Liebe die Stationen
522
seiner Bestimmung mit rother Dinte zu unterstreichen,
oder« es ohne Vorbereit u n g allen Schrecken des Hinscheidens jungfräulicher Unschuld in der Hoffnung Preis zu geben, den süfsen L o h n ,
der
dahinter liegt, durch Ü b e r r a s c h u n g . n o c h zu erhöhen.
Ich d a r f , wenn ich unpar-
theiisch handeln und nicht ein Gemälde ohne Perspektive und clair obscur,
gleich
einem Chinesischen aufstellen w i l l ,
un-
sere kleine Unerfahrne auch nicht
eine
Stufe ihrer kindischen Angst überhüpfeu lassen, um mit i h r , eher als es Zeit ist, in die Region des Trostes überzuschweben.
Beides mufs gegen einander genau
erwogen w e r d e n , uin mit Grund entscheiden zu können, ob der altmodische Ahnh e r r , der seine Urenkelinnen nicht unbefangen genug h a b h a f t werden k a n n , oder ob die Erzieherin der jungen Prinzessin Recht behalten w i r d , die erst abwarten w o l l t e , bis der Hofmaler den Kopf des Amors unter ihrer Bleifeder nicht mehr
5« f ü r èin Fratzengesicht erklärte und defshalb Anstand n ä h m e , ihr zum Nachzeichnen die ganze Figur des
Götterknaben
vorzulegen, bis sie erst mit ihrem Klaviermeister eine vierhändige Sonate ohne Anstois abspielen, u n d der junge fcapellan ihr an den Augen ansehen k ö n n t e , dafs sie seiner Auslegung des sechsten Gebots, die er bis jetzt weislich überschlug, die gehörige Aufmerksamkeit schenken werde; — denn so lange die Fähigkeiten der jungen Dame nicht bis zu diesem Grade ausgebildet w ä r e n ,
fanden es die F r a u
Oberhofmeisteriu zu bedenklich, sie dem Zügel der Erziehung zu entlassen.
Das
Unglück — w e n n es eins seyn sollte — ist geschehen.
Es wird siéh bald zeigen,
gnädige F r a u ,
ob es so grofs w a r ,
als
Sie Sich einbildeten. Meine Pinsel sind rein — und an .meinem Farbenkasten, der wie der Seideliiiannische von der* Gallenblase des Zitteraals , bis zu der brennenden
Purpur-
524 muschel fortsteigt, liegt es n i c h t , wenn meine pittoreske Darstellung nicht so ernsthaft ausfallen sollte, als die seinige. W i r haben gestern, lieber Eduard, die durch Urtheil und Recht losgesprochene und zu* den grofsen Pflichten einer Landesmutter für tüchtig erklärte Dame zwischen Thür und Angel stehen
gelassen.
Noch z i t t e r t , noch weilt sie und kann es nicht über sich gewinnen , den letzten Schritt in die Dämmerung zu t h u n , die das Geheimnifs ihres Berufs verbirgt —• aber da stürmt die Klingelschnur der Zauberin aufs
neue
und verbreitet
seinen
Metallklang durch die Hallen der Burg bis zum rotheu Thurm hin. — Die Kleine fährt wie bei einem Erdbeben zusammen,
und eilt nun vom
Schrecke
getrieben, wie ein verscheuchtes Mäuschen, in das spärlich erleuchtete Brautgemach. Stelle Dir nun v o r , wie einem so zärtlich gebauten Körper nach solchen Anstrengungen — wie einer wohlorganisirten
•525 Seele, die alle Martern des Ceremoniels bis auf den- letzten Grad erhalten — mit einem W o r t e , wie der kleinen Prinzessin zu ÜVhithe seyn mufs, wenn sie nun statt der trostlichen Aussicht der Iluhe, ein mit Franzen und Federn überladenes Staatsbett schimmern sieht, von dem sie schon dem äuisern Anseheil nach eben so wenig etwas Kluges erwarten kann, als sie heute erlebt hat. W i e eine Drathpuppe, die von der Rolle nichts weiis, die sie spielt — die es von obenher erwartet,
welches
Gelenk sich
zuerst heben — welches Glied sich bewegen soll, steht das -gute Kind da, und blickt mit unbelebten Augen — und nur mit dem hölzernen Gefühl der Abhängigkeit nach ihrem Gebieter.
Dieser tritt
nun, zwar strahlend wie Phöbus — doch ernst und langsam wie ein Bote herein, der von weitem her eine üble Nachricht zu bringen hat. — „Beklagen Sie mich, meine Auserwählte," redet er sie mit kal-
5^6 tem Austand und kostbaren Worten an : ,, In dem Augenblicke, nach welchem ich einen ganzen beschwerlichen Tag gerungen habe,
erhalte ich noch ein Kanzlei -
Schreiben von meinem Ur - Ur - Urältervater j das i c h , grofser G o t t ! vorher noch beantworten soll, ehe ich die Erlaubnifs habe Sie die meinig
zu nennen.
Es soll
an dieses Zimmer eine Kapelle
stofsen,
zu der der Höchstselige mir den Schlüssel s c h i c k t — Dort sollen w i r , beste Prinzessin , auf dem Altare unsere Namen in ein Buch schreiben —
dort sollen w i r eine
heilige Handlung verrichten, auf der, wie sein Brief s a g t , Landes ruhe.
das Glück des ganzen
Was mufs der gute alte
Mann gedacht haben? Ich bitte S i e , liebe Prinzessin, wo soll ich an Ihrer Seite — a c h ! würde er mir es zugemuthet haben, wenn er Sie gekannt h ä t t e ? — nur einen Funken
von Andacht
hernehmen ?
Zu
einer ungelegneren Z e i t , dächt* i c h , wär.e wohl
keine menschliche Seele
noch
in
527 eine Kapelle geschickt worden." — gute Prinzessin Herzens dasselbe.
denkt
im Grund
Die ihres
Sic macht keine klei-
nen Augen, da sie wieder von Ceremonien h ö r t , vor denen sie wenigstens in der Mitternachtsstunde gehofft hatte sicher zu seyn — Aber sie nimmt sich zusammen.— „ W e n n die Landeswohlfahrt darauf ber u h t , " sagt sie so manierlich als ob ihre Oberhofmeisterin
zwei
Schritte
davon
stände, , , s o bin
ich in Wahrheit noch
nicht so schläfrig, dals ich nicht meinen Namen noch
schreiben
und
ein
Vater
Unser beten k ö n n t e . " Sie suchen nun beide die verborgene Thür der Kapelle, und finden sie glücklich dem Brautbttt gegenüber, hinter den Tapeten. Der goldne Schlüssel wird versucht
—
er schliefst, und sie stehen, als die Thür hinter ihnen zufällt,
zwischen ihr und
dem Vorhänge des Allerheiligsten.
Mit
einem Schritt über die Schwelle treten sie in das Innere, der gestirnte Himmel zieht
mit seinem sanften Abglanz ihren ersten Aufblick an sich, ein heiliges Grauen umringt sie —
Eins sucht in dem feierlichen
Halbdunkel — und drückt stillschweigend die Hand des andern.
Stille Seufzer, die
alles, ja mehr enthalten, als was W o r t e zur Verherrlichung Gottes auszusprechen vermögen , steigen als ein gemeinschaftliches Gebet aus ihren gleichgestimmte« Herzeil empor und beseligen sie;
aber nach we-
nigen der Andacht gewidmeten , Minuten steigt auch in ihnen der Wunsch a u f , dafs sie einander sehen — an die Brust schlietsen und die h o h e n , Gröfse möchten.
drückenden
selbst durch ihre Gefühle
mittheilen
Keine andere Leidenschaft be-
herrscht s i e , als zu danken und anzubeten , und mit dieser Seelenruhe, bei welcher die W e l t , ihre Herrlichkeit und ihre Freuden ihren Augen entschwanden
—
war dein Prinzen der Gang zu seiner Bestimmung' beinahe gleichgültig geworden, und Sie — indem beide 6ich anschickten,
529 die Kapelle zu verlassen, ergab sich schon weniger scheu dem Willen der Vorsehung. Aber in diesem Augenblicke • treten an allen Ecken kristallene und in Rosenöl brennende Lampen hervor, und verbreiten ihr Licht auf jene Meisterstücke der Kunst, die so lebhaft, als -waren sie erst diesen Abend fertig geworden, und in solcher Harmonie von der Wand strahlen, dafs sie alle zugleich nur auf Einen Funkt wirken. Stelle Dir nun die grofsen, beleidigten , unschuldigen Augen vor, die so etwas nie gesehn — nie geahndet hatten ! Sie prallen ab, wie sie hinfallen. Die auf das höchste Erschrockene staunt ihren Führer an, der selbst mit den schnellsten Gedanken seiner Überraschung nicht nachkommen kann, und so verlegen vor seiner Braut da steht, als wenn er die Unartigkeitcn aller seiner Ahnherren zu verantworten hätte. Aber wie ganz anders erscheint ihm zugleich seine Geliebte! — So hatte er sie nicht gekannt, so Th. W .
III. Th.
34
53« bättc er sie schwerlich in seinem Leben kennen gelernt.
Ihre geprefste Brust hebt
sich, und* fängt ein paar köstliche Thränen a u f , die dein U n m u t h der verwundeten Unschuld entwischen.
Sie w a g t
es nicht noch einmal zwischen die Lichter hinzublicken, und weifs doch auch nicht wo sie mit ihren grofsen blauen Augen bleiben soll. Erklärung, Herz h a t ,
Sie ringt nach einer
die sie nicht zu fordern das und,
tausendmal schöner
der Angst ihrer J u g e n d ,
in
als sie es je in
dem Zirkel des Hofs w a r , entwickelt sie in dem
kurzen Zeitraum
einer
Minute
mehr Physiognomie der Seele, als selten ein Fürst zu sehen b e k o m m t , mit jenen feinen Ubergängen u n d sanften Schattir u n g e n , die uns ein Mädchen erst lieb m a c h e n , u n d die, glaube ichr, in allen Paradebetten verloren
gehen.
Das Ge-
dränge nie gefühlter Empfindungen nimmt auf das schnellste zu — die Füfse wanken ihr wie einem gemeinen
Mädchen,
53i sie sieht nichts, woran sie sich halten kann, als den einzigen Sopha — der immer der beste Zufluchtsort auch für eine müde Prinzessin ist. Hier — dem Altare gegen über, auf dem die Annalen des fürstlichen Hauses ausgebreitet da lagän — hier war es, wo der weise Stifter dieses Heiligthuins sie erwartete, und hier kniete nun auch der entzückteste seiner Nachkommen, wie er es selbst sagt und ihm niemand abstreiten w i r d , vor seine Auserkorne nieder — wagt es erst kaum, ihre widerstrebenden Hände in die seinigen zu fassen — nennt ihren Unwillen gerecht — sucht ihren empörten Stolz zu besänftigen, und schiebt alles, wie er es mit Recht thun kann, auf seinen Stammvater. — Er würde aufsei' sich seyn, sagt er mit bebender Stimme, wenn das alte sonderbare Herkommen ihn um die Achtung seiner geliebtesten Prinzessin, und in demselben Augenblicke bringen sollte, wo er sie erst ganz zu verdienen
53* gehofft hätte. —
Kein Mensch, weder
aus dieser noch jener W e l t ,
würde ihn
haben bewegen können, den zärtlichen Augen seiner einzig Geliebten so weh zu thun, wenn ihm nur im geringsten geahndet hätte, welch ein«Kabinet die Haupturkunde seines Hauses verwahre. —
Er
müsse sich, fährt er fort, in Erstaunen verlieren, wenn er, die lange Reihe seiner Ahnen herunter — an alle die, bekannter Maiseu so reizenden — unschuldigen — erhabenen und höchst vortrefflichen Fürstinnen dächte, die doch eine nach der andern sich dieser Frohe der Angst hätten unterwerfen, und ihren Namen als Landsmutter in dieser Kapelle verdienen müssen. — wahrscheinlich
dabei
Nichts hätte sie aufrecht
erhalten
und trösten können, als der Gedanke an das allgemeine - Beste, dessen Erhaltung allein dieser Tempel geweiht sei. —• Freilich , setzt er hinzu, wäre es auch wohl das erste Gesetz jedes gutdenkenden Für-
533 stenkindes, ob inan es gleich nur zu oft in Winkeln suchen
müfste, wo man es
nicht denken sollte. Indem er alles dieses mit einer zärtlich stammelnden Stimme vorbringt, kann er sich zugleich an ihren scheuen Augen — an ihrer holden Erröthung — an der immer
höher
steigenden
Empörung
ihres
blendenden Busens, und an der schönen Unordnung nicht satt sehen,
die durch
so manche heftige Bewegung der beunruhigten Sittsamkeit unter ihren Spitzen und Bändern entstanden ist.
- E r leidet
treulich mit i h r , und forscht, nach jedem Kusse, den er ihren zitternden
Händen
aufdrückt, in ihren Blicken, um wie viel Grade ihr Schrecken gesunken, wie
viel
sie
und um
schon gefafster sei einen
neuen zu ertragen.
Aber noch vergehen
einige bange Minuten, ehe sich das ftute dieser Anstalt und der grofse Sinn zeigt, den der Stifter darein gelegt hat.
Kaum
aber haben die eben so wahren als zärt-
534 liehen Vorstellungen ihrem belasteten Herzen die erste unmerkliche Erschütterung mitgetheilt — so rollt die ganze schwere Masse, wie ein Schiff, das vom Stapel gelassen w i r d , nur desto geschwinder — reifst alles mit sich f o r t , was es auf seinem Wege antrifft — und schwebt nun stolz zwischen Himmel und Erden.
Sie
sieht mit dem fröhlichsten Erstaunen — was sie nie
erwarten
konnte — sieht
ihren Liebhaber in ihrem Gebieter. Drathpuppe ist verschwunden"— wegt jetzt s e l b s t
Die
Sie be-
was sie bewegt —
Sie findet Geschmack an ihrer Rolle, und spielt sie vortrefflich.
Kein Blick ihr^r
besänftigten Augen fällt auf den innigst gerührten, schmachtenden J ü n g l i n g , der ihr nicht eine sülse Empfindung —
kei-
ner fällt verstohlen an die W a n d ,
der
nicht eine kleine Belehrung mitbrächte. Ohne es zu wissen, ahmt sie die eigene Miene der furchtsam nachgebenden Psyche nach, die aus dem herrlichen Altar-
535 blatte auf sie herüberbfickt — und mit welchem Feuer kehrt nicht sein Auge auf die ihrigen einer halben
zurück,
wenn
es die Zeit
Sekunde gewann, auf ein
Gemälde aus Titians Jugend zu gleiten, das ihm gerade vor den Augen über dem Sopha, seiner furchtsamen Prinzessin aber im Rücken h i n g , wie i h m Psyche's Apotheose!
Ach wie weiden
dem hohen Gefühls,
sich beide an
und wahren Ausdrucke des
das jedes in dem Herzen des
andern zu erregen sich einbildet,
ohne
zu ahnden, wie viel sie davon dem Wiederscheine der K u n s t , die hier so schwesterlich der Natur die Hand reicht, zu verdanken haben! Gott segne ihren glücklichen I r r t h u m !
Trunken von der Selig-
keit ihres Daseins — den Zauber Göttern
erschüttert durch
dieser heiligen Stätte — zu
verklärt
durch
Einbildungskraft —
das Feuer der
sinken sie staunend
einander in die Arme —
sinken in die
Vergessenheit ihrer selbst. —
Der Segen
53