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German Pages [583] Year 2013
© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525510025 — ISBN E-Book: 9783647510026
Papyrologische Kommentare zum Neuen Testament Herausgegeben von Peter Arzt-Grabner (Salzburg), John S. Kloppenborg (Toronto) und Mauro Pesce (Bologna)
Band 4
Vandenhoeck & Ruprecht
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Peter Arzt-Grabner
2. Korinther Unter Mitarbeit von Ruth E. Kritzer
Vandenhoeck & Ruprecht
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Die diesem Band zugrundeliegenden Forschungsleistungen wurden vom Austrian Science Fund (FWF) gefördert: Projektnummer: P15001-G03
Veröffentlicht mit freundlicher Unterstützung der Stiftungs- und Förderungsgesellschaft der Paris-Lodron-Universität Salzburg
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-525-51002-5 ISBN 978-3-647-51002-6 (E-Book) © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen/ Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Bristol, CT, U. S. A. www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. – Printed in Germany. Gesamtherstellung: Hubert & Co, Göttingen Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.
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In dankbarer Erinnerung an meinen Vater Alois Arzt (1927–2013)
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Vorwort Mit der Publikation des vorliegenden PKNT-Bandes kommt eine Forschungsarbeit zum Abschluss, die mich über zehn Jahre lang begleitet hat. Zwischendurch war aus gesundheitlichen Gründen die Fertigstellung dieses 2Kor-Kommentars sogar fraglich. Der teils sperrige Charakter des Paulus war mir damals schon durch das Lesen seiner Briefe auf dem Hintergrund der Papyri des griechisch-römischen Alltags näher gerückt und praktisch erfahrbar geworden, in den Zeiten der Krise aber wurde mir die Person jenes Charismatikers, der seinen „Stachel im Fleisch“ oft genug einfach nur loswerden wollte, noch vertrauter. Nach dem Erscheinen des dritten PKNT-Bandes zum „2. Thessaloniker“ (bearbeitet von Christina M. Kreinecker) ist Amphilochios Papathomas aus dem Herausgeberkreis ausgeschieden. Seine jahrelange Mitarbeit war eine sehr wesentliche, hat doch gerade er durch seine reichen papyrologischen Fachkenntnisse und durch die ihm eigene Sorgfalt und Genauigkeit im Arbeiten dafür Sorge getragen, dass sich die PKNT seit Beginn jenen Methoden und formalen Richtlinien verpflichtet fühlen, die für eine seriöse papyrologische Arbeit unabdingbar sind. Dafür gebührt ihm unser bleibender Dank. Der vorliegende Band ist der erste, der von John S. Kloppenborg als neuem Mitherausgeber mit betreut wurde. Ihn „im Boot“ zu haben, ist ein großer Gewinn. Ruth E. Kritzer hat im Rahmen eines Forschungsprojektes (gefördert vom Österreichischen Wissenschaftsfonds – FWF) die Übersetzung des 2Kor-Textes in einer ersten Fassung erstellt und den papyrologischen Befund zahlreicher Begriffe erhoben (darauf wird in entsprechenden Fußnoten verwiesen). Da diese Beiträge bereits vor einigen Jahren abgeschlossen waren, habe ich sie – soweit möglich oder nötig – durch neuere Papyrusbelege und papyrologische und exegetische Kommentare ergänzt und die Übersetzung entsprechend den Ergebnissen überarbeitet. Die vorliegende Fassung dieses Kommentars – einschließlich etwaiger Fehler – wird zur Gänze von mir verantwortet. Wie für diese Reihe bereits üblich, liegt aufgrund der papyrologischen Ausrichtung auch hinsichtlich der verwendeten Sekundärliteratur das Hauptaugenmerk auf papyrologischen Werken und – innerhalb der ntl. Literatur – auf solchen Arbeiten, die bereits mehr oder weniger fachkundig und mehr oder weniger ausführlich papyrologisches Quellenmaterial rezipiert haben. Die ausschließlich ntl. Fachliteratur wurde eingesehen, sie wird aber eher eklektisch ausgewertet. Zu den theologischen Themen und Diskussionen sowie zu den Fragestellungen und Lösungsansätzen der traditionellen Exegese sei auf die umfangreiche und bis 2007 reichende Bibliographie zu 2Kor von Reimund Bieringer, Emmanuel Nathan und Dominika Kurek-Chomycz verwiesen.
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Vorwort
Herzlich zu danken habe ich den vielen Kolleginnen und Kollegen innerhalb der Papyrologie, der Alten Geschichte und Klassischen Philologie, der Antiken Rechtsgeschichte und der Ntl. Bibelwissenschaft, die mir bei verschiedenen Gelegenheiten ihr Interesse und ihre Zeit für Gespräche, Austausch und Kritik geschenkt haben. Stellvertretend für die vielen möchte ich hier Troels Engberg-Pedersen hervorheben, dem ich zahlreiche Anregungen und Korrekturvorschläge verdanke, die er mir bei persönlichen Begegnungen, in Form vieler E-Mails und schließlich nach dem Lesen des gesamten Manuskripts zukommen ließ. Besonderer Dank gilt auch jenen Kolleginnen und Kollegen der Papyrologie, die mit nahezu endlosem Engagement, das sie in die Bereitstellung und den Ausbau elektronischer papyrologischer Hilfsmittel investieren, unser einem die Arbeit erleichtern oder oft überhaupt erst möglich machen. Im Besonderen danke ich an dieser Stelle Dieter Hagedorn, der jede papyrologische Detailfrage per E-Mail umgehend beantwortet, dabei kleinere und größere Horizonte eröffnet und daneben noch dafür die Verantwortung trägt, dass das „Heidelberger Gesamtverzeichnis“ und die „Wörterlisten“ nach wie vor zu den aktuellsten und zuverlässigsten Datenbanken der gesamten Altertumswissenschaften zählen. Die Mitglieder der Forschungsabteilung Papyrologie am Fachbereich Bibelwissenschaft und Kirchengeschichte der Paris-Lodron-Universität Salzburg waren für mich jener Kreis, in dem die noch unausgegorenen Ergebnisse zum ersten Mal wertschätzend diskutiert wurden und wo ich Anregungen für neue oder weiterführende Fragestellungen erhielt. Für die in diesem Kreis gelebte „Amicitia Papyrologorum“ danke ich Christina M. Kreinecker, Verena Bull, Christian J. Gruber, Josef Schiendorfer, Christian Gstöttner und Michael Ernst. Elisabeth Humer und Waltraud Winkler danke ich herzlich für die Besorgung umfangreicher Fachliteratur sowie für die Zeit, die sie – auch außerhalb ihrer üblichen Dienstzeit – in Formatierungs- und Korrekturarbeiten gesteckt haben. Der Verlag Vandenhoeck&Ruprecht bietet den PKNT jene Heimat, in der das Arbeiten und Verweilen Freude macht und wo Engagement und Kreativität gefördert werden. Dafür und für die viele Geduld, die mir über die vielen Jahre während meiner Arbeit am 2Kor-Band entgegengebracht wurde, danke ich stellvertretend Jörg Persch und Christoph Spill. Dieser Band ist dem Andenken an meinen Vater Alois Arzt (1927–2013) gewidmet. Er war ein einfacher gelernter Handwerker (Wagner), fand seine Berufung aber als Operationsgehilfe und Gipser im Dienst an kranken Menschen. Seit früher Jugend und bis ins Alter von über 80 Jahren hat er bei Gottesdiensten ministriert und die Lesung gelesen. Besonders geliebt hat er dabei die Paulusbriefe, „weil sie soviel Praxisbezug haben.“ Salzburg, am Fest der Apostel Petrus und Paulus 2013 Peter Arzt-Grabner
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Inhalt Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Textausgaben und Hilfsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kommentare zum 2. Korintherbrief . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Monografien und Aufsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Internet-Adressen zur Papyruskunde (in Auswahl) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zu den Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13 13 16 18 43 45
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Papyrusbriefe und 2Kor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Zur Typologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Zur Brieflänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Verständlichkeit des Briefinhalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Zum Sprach- und Bildungsniveau von Absenderinnen und Absendern . 67 Papyrologisches zur Frage der Einheitlichkeit des 2Kor . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Der Rahmen des zeitgenössischen Briefverkehrs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Separate Papyrusbriefe mit klar unterscheidbaren Briefsituationen . . 75 Einheitliche Papyrusbriefe mit unterschiedlichen Beschreibungen derselben Briefsituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 Separate Papyrusbriefe mit kaum unterscheidbaren Briefsituationen . 91 Teilungs- und Einheitlichkeitshypothesen aus papyrologischer Sicht . . . 95 2Kor 1–9 und 10–13: Stimmungswechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 2Kor 1–9 und 10–13: Inhaltliche und sprachliche Unterschiede . . . . . 112 2Kor 2,14–7,4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 2Kor 6,14–7,1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 2Kor 8 und 9 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 Zusammenfassende Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 Der Kompilationsprozess aus papyrologischer Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 Eine Entscheidung aus methodischen Gründen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 Zur Ausgangssituation von 2Kor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 Der „Zwischenbesuch“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 Der „Tadelbrief“ (nicht „Tränenbrief“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154
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Inhalt
Der aufgeschobene Besuch und die diesbezügliche Funktion des 2Kor . 158 Die aktuelle Situation des Paulus in Makedonien und die Abfassung des 2Kor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 Die Verwendung von Sekretären durch Paulus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 Die Überbringer des 2Kor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 Die Gliederung des 2Kor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 Briefanfang: 2Kor 1,1–2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 Eingangsgruß (2Kor 1,1–2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 Briefcorpus: 2Kor 1,3–13,11 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 Einleitungsteil des Briefcorpus (2Kor 1,3–2,13) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 2Kor 1,3–14 Allgemeiner Bericht über die aktuelle Situation des Paulus (eingeleitet durch eine Eulogie) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 2Kor 1,15–2,4 Begründung des aufgeschobenen Besuches und Grund für den Brief . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 2Kor 2,5–11 Rückblick auf den Eklat beim vorhergehenden Besuch . 239 2Kor 2,12–13 Bericht über den Aufenthalt in Troas und die Reise nach Makedonien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 2Kor 2,14–7,4 Dank für die Berufung zum Diener eines neuen Testaments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 2Kor 7,5–16 Bericht über die Ankunft in Makedonien und Freude über gute Nachrichten aus Korinth . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 2Kor 8,1–9,15 Über die Kollekte für die Heiligen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 2Kor 10,1–18 Bitte, Paulus so zu sehen, wie er offensichtlich ist (Abwehr von Verleumdungen und Vorwürfen) . . . . . . . . . . . . . . . . . 444 2Kor 11,1–12,13 Weitere Zurückweisung von Vorwürfen und Werben um die Gemeinde in Auseinandersetzung mit Gegnern (sog. „Narrenrede“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465 Abschließender Teil des Briefcorpus (2Kor 12,14–13,11) . . . . . . . . . . . . . . 518 2Kor 12,14–13,10 Besuchsankündigung und Vorbereitung des Besuchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 519 2Kor 13,11 Abschließende Aufforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 536 Briefschluss: 2Kor 13,12–13 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 538 Übermittlung von Grüßen (2Kor 13,12) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 539 Schlussgruß (2Kor 13,13) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 540
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Inhalt
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Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 541 Verzeichnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 541 Papyri, Ostraka, Pergamente und Täfelchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 541 Papyri . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 541 Ostraka und Täfelchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 564 Corpora . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 566 Berichtigungen zu edierten Papyri . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 567 Kommentierte griechische Begriffe und Personennamen . . . . . . . . . . . . . . 567 Moderne Autorinnen und Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 574 Verzeichnis der Exkurse Die möglichen Hintergründe von 2Kor 1,8–10: Untersuchungshaft und Gerichtsprozess, Depression oder illegale Inhaftierung . . . . . . . . . . . . . . . 207 Düfte und Gerüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 Empfehlungsbriefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 Die Peristasenkataloge 2Kor 4,7–15; 6,3–10; 11,21–30 und 12,1–10 . . . . . . . 301 Vereinssatzungen als Hintergrund für 2Kor 7,9–11 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376
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Literatur Textausgaben und Hilfsmittel Bauer, Walter: Griechisch-deutsches Wörterbuch zu den Schriften des Neuen Testaments und der frühchristlichen Literatur, Berlin 61988 (neu bearbeitet im Institut für neutestamentliche Textforschung/Münster unter besonderer Mitwirkung von Viktor Reichmann, hg. v. Kurt Aland/Barbara Aland). BDR = Blass, Friedrich/Debrunner, Albert: Grammatik des neutestamentlichen Griechisch, bearbeitet von Friedrich Rehkopf, Göttingen 182001. Betz, Hans Dieter (Hg.): The Greek Magical Papyri in Translation Including the Demotic Spells, Chicago/London 21992 (Paperback edition 1996). Bibliographie zur antiken Sklaverei, im Auftrag der Kommission für Geschichte des Altertums der Akademie der Wissenschaften und Literatur (Mainz) hg. v. Heinz Bellen/Heinz Heinen, neu bearbeitet v. Dorothea Schäfer/Johannes Deissler, 2 Teile, FASk Beiheft 4, Stuttgart 2003. Bieringer, Reimund/Nathan, Emmanuel/Kurek-Chomycz, Dominika: 2 Corinthians. A Bibliography, Biblical Tools and Studies 5, Leuven/Paris/Dudley, MA 2008. BL = Berichtigungsliste der Griechischen Papyrusurkunden aus Ägypten. Bd. 1, hg. v. Friedrich Preisigke, Berlin/Leipzig 1922; Bd. 2, in zwei Teilen hg. v. Friedrich Bilabel, Heidelberg 1929/1933; Bd. 3, hg. v. Martin David/Bernard A. van Groningen/ Emil Kiessling, Leiden 1958; Bd. 4, hg. v. Martin David/Bernard A. van Groningen/Emil Kiessling, Leiden 1964; Bd. 5, hg. v. Ernst Boswinkel/Martin David u. a., Leiden 1969; Bd. 6, hg. v. Ernst Boswinkel/Pieter W. Pestman/Hans-Albert Rupprecht, Leiden 1976; Bd. 7, hg. v. Ernst Boswinkel/Willy Clarysse u. a., Leiden 1986; Bd. 8, hg. v. Pieter W. Pestman/Hans-Albert Rupprecht, Leiden/New York/Köln 1992; Bd. 9, hg. v. Pieter W. Pestman/Hans-Albert Rupprecht, Leiden/ New York/Köln 1995; Bd. 10, hg. v. Pieter W. Pestman/Hans-Albert Rupprecht, Leiden/Boston/Köln 1998; Bd. 11, hg. v. Pieter W. Pestman/Hans-Albert Rupprecht, Leiden/Boston 2002; Bd. 12, hg. v. Hans-Albert Rupprecht/Klaas A. Worp, Leiden/Boston 2009. BL Konkordanz = Berichtigungsliste der Griechischen Papyrusurkunden aus Ägypten. Konkordanz und Supplement zu Band I–VII (B. L. Konkordanz), zusammengestellt von Willy Clarysse, Robert W. Daniel u. a., Leuven 1989. Calderini, Diz.geogr. = Dizionario dei nomi geografici e topografici dell’Egitto greco-romano, I/1, hg. v. Aristide Calderini, I/1, Cairo 1935 (Nachdruck Milano 1972); I/2, hg. v. Aristide Calderini, Madrid 1966; II/1–4, hg. v. Sergio Daris, Milano 1973–1977; III/1–4, hg. v. Dems., Milano 1978–1983; IV/1–4, hg. v. Dems., Milano 1983–1986; V, hg. v. Dems., Milano 1987; Supplemento 1 (1935–1986), hg. v. Dems., Milano 1988; Supplemento 2 (1987–1993), hg. v. Dems., Bonn 1996. Chapa, Juan: Letters of Condolence in Greek Papyri, Papyrologica Florentina 29, Firenze 1998.
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Literatur
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© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525510025 — ISBN E-Book: 9783647510026
Textausgaben und Hilfsmittel
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Internet-Adressen zur Papyruskunde (in Auswahl) Alle Adressen wurden zuletzt überprüft am 1. März 2013. American Society of Papyrologists: APIS – Advanced Papyrological Information System: AIP – Association Internationale de Papyrologues – International Association of Papyrologists: BerlPap – Berliner Papyrusdatenbank (Informationen und Fotos von Papyri der Berliner Papyrussammlung): Bryn Mawr Classical Review (Rezensionen von Publikationen der Altertumswissenschaften): < http://bmcr.brynmawr.edu> BASPap – Bulletin of the American Society of Papyrologists (zahlreiche Artikel können online angesehen werden): BIFAO Online – Bulletin de l’Institut français d’archéologie orientale: CEDOPAL – Centre de Documentation de Papyrologie Littéraire (verschiedene Datenbanken zur literarischen Papyrologie, einschließlich jüdischer und christlicher Papyri und Papyri zur antiken Medizin): Collections (Datenbank mit Informationen zu sämtlichen Papyrussammlungen):
CPP – Catalogue of Paraliterary Papyri: CSAD – Centre for the Study of Ancient Documents (u. a. links zu „Vindolanda Tablets Online“ und „Oxyrhynchus Papyri“: Checklist of Editions of Greek, Latin, Demotic, and Coptic Papyri, Ostraca and Tablets (maßgebliches Verzeichnis der Editionen in aktueller Fassung): DDBDP – The Duke Data Bank of Documentary Papyri (Informationen zur umfangreichsten Datenbank mit den Texten edierter Papyri; Links zu Suchfunktionen):
Diccionario Griego-Español (DGE) Online: Fonti papiracee (Università degli Studi di Bologna; umfangreiche Links-Sammlung):
Gnomon Online (Epigraphische Datenbank Eichstätt): Griechische Papyri der Heidelberger Papyrussammlung (Bilddatenbank): HGV – Heidelberger Gesamtverzeichnis der griechischen Papyrusurkunden Ägyptens
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Literatur
einschließlich der Ostraka usw., der lateinischen Texte sowie der entsprechenden Urkunden aus benachbarten Regionen (Datenbank mit den wesentlichen Informationen zu den bisher edierten Papyri): IFAO – Institut français d’archéologie orientale du Caire: KIRKE – Epigraphik, Papyrologie, Textkritik, Paläographie (Links-Sammlung):
LDAB – Leuven Database of Ancient Books (Datenbank mit den wesentlichen Informationen zu edierten literarischen Papyri und Pergamenten): Österreichische Nationalbibliothek, Katalog der Papyrussammlung (Datenbank der Wiener Papyrussammlung mit Abbildungen zu zahlreichen Papyri): PapPal (umfangreiche paläographische Datenbank mit Fotos zu datierten dokumentarischen Papyri): Papyri from the Rise of Christianity in Egypt – PCE (Aufbau einer Datenbank der Macquarie University mit allen christlichen Papyri, Ostraka, Pergamenten und Täfelchen, die den Aufstieg des Christentums in Ägypten vom Beginn bis 324 n. Chr. dokumentieren): Papyrus Archives in Graeco-Roman Egypt: papyri.info – Papyrological Tools and Resources: Papyrologische Kommentare zum Neuen Testament: Papyrology Homepage (Links-Sammlung): Papyrus Portal Deutschland (elektronische Datenbank aller digitalisierten und elektronisch katalogisierten Papyrussammlungen Deutschlands; bisher Bonn, Erlangen, Giessen, Halle, Heidelberg, Jena, Köln, Leipzig, Trier, Würzburg): Perseus Digital Library (u. a. umfangreichste Datenbank zur griechischen und lateinischen antiken Literatur): ; Perseus Collection Greek and Roman Materials: POxy – Oxyrhynchus Online (u. a. mit Verzeichnis der bisher edierten P.Oxy. mit fortlaufend erweiterter Datenbank digitaler Abbildungen der Papyri): Trismegistos (Portal mit den Datenbanken LDAB, Collections, Papyrus Archives in Graeco-Roman Egypt, Aramaic Texts from Egypt, u. a.): Vindolanda Tablets Online: ZPE – Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik (mit Downloadmöglichkeit einzelner ZPE-Artikel):
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Zu den Abkürzungen
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Zu den Abkürzungen a. Biblische Bücher und außerkanonische Schriften werden nach RGG4 abgekürzt (siehe: Abkürzungen Theologie und Religionswissenschaften nach RGG4, hg. v. der Redaktion der RGG4, UTB 2868, Tübingen 2007, 1–10 bzw. 153–162). b. Papyri, Pergamente, Ostraka und Täfelchen werden abgekürzt nach der „Checklist of Editions of Greek, Latin, Demotic, and Coptic Papyri, Ostraca and Tablets“, hg. v. Joshua D. Sosin, Roger S. Bagnall u. a. im Auftrag der American Society of Papyrologists. Die letzte gedruckte Fassung erschien in fünfter Auflage im Jahr 2001 als Bd. 9 der Reihe „Bulletin of the American Society of Papyrologists. Supplements“ (hg. v. John F. Oates/ Roger S. Bagnall u. a., Oakville/Oxford). Die regelmäßig aktualisierte Fassung ist abrufbar im Internet unter (1. März 2013). Verwendete Abkürzungen, die in der „Checklist“ zum angegebenen Datum noch nicht aufgeführt waren, sind: P.Dime III = Lippert, Sandra L./Schentuleit, Maren: Urkunden, mit Beiträgen von Fabian Reiter, Demotische Dokumente aus Dime 3, Wiesbaden 2010. P.Eirene III = Eirene. Studia Graeca et Latina 46, 2010: Papyrologica III, Pistiros, Prag 2010. P.Herakl.Bank = Maresch, Klaus: Ptolemäische Bankpapyri aus dem Herakleopolites (P.Herakl.Bank). Papyri der Sammlungen in Heidelberg, Köln und Wien, Papyrologica Coloniensia 35, Paderborn u. a. 2012. P.Köln XII = Armoni, Charikleia/Gronewald, Michael, u. a.: Kölner Papyri (P. Köln), Bd. 12, Papyrologica Coloniensia 7/12, Paderborn u. a. 2010. P.Mich. XX = Sijpesteijn, Pieter J./Worp, Klaas A.: A Transportation Archive from Fourth-Century Oxyrhynchus, American Studies in Papyrology 49, Durham 2011. P.Oxy. LXXVI = Colomo, Daniela/Chapa, Juan: The Oxyrhynchus Papyri, Bd. 76, Egypt Exploration Society. Graeco-Roman Memoirs 97, London 2011. P.Oxy. LXXVII = Benaissa, Amin: The Oxyrhynchus Papyri, Bd. 77, Egypt Exploration Society. Graeco-Roman Memoirs 98, London 2011. P.Oxy. LXXVIII = Chang, Ruey-Lin/Henry, W. Benjamin u. a.: The Oxyrhynchus Papyri, Bd. 78, Egypt Exploration Society. Graeco-Roman Memoirs 99, London 2012. P.Pintaudi = Minutoli, Diletta (Hg.): Inediti offerti a Rosario Pintaudi per il suo 65° compleanno (P.Pintaudi), Firenze 2012. P.Philammon = Poethke, Günter/Prignitz, Sebastian/Vaelske, Veit: Aktenbuch des Aurelios Philammon. Prozessberichte, Annona militaris und Magie in BGU IV 1024–1027, APF. Beiheft 34, Berlin/Boston 2012 (in „Wörterlisten“ als „P.Aktenbuch“ bezeichnet). P.Prag. III = Pintaudi, Rosario/Rathbone, Dominic: Papyri Graecae Wessely Pragenses (PPrag. III), con i contributi di Lucio Del Corso, Vlastimil Drbal, Thomas J. Kraus, Raffaele Luiselli, Diletta Minutoli, Fritz Mitthof, Amphilochios Papathomas, Henela Sekavová, John Whitehorne, Papyrologica Florentina 41, Firenze 2011. P.Scholl = Popko, Lutz/Quenouille, Nadine/Rücker, Michaela (Hg.): Von
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Literatur
Sklaven, Pächtern und Politikern. Beiträge zum Alltag in Ägypten, Griechenland und Rom. Δουλικὰ ἔργα zu Ehren von Reinhold Scholl, APF. Beiheft 33, Berlin/Boston 2012. PSI Com. I = Bastianini, Guido/Funghi, M. Serena/Messeri, Gabriella: Papiri della Società Italiana alla Scuola Normale Superiore di Pisa. Seminario 2003/ 2004, Comunicazioni dell’Istituto Papirologico „G. Vitelli“ 6, Firenze 2005. PSI Com. II = Bastianini, Guido: Dai Papiri della Società Italiana, Comunicazioni dell’Istituto Papirologico „G. Vitelli“ 9, Firenze 2011. P.Sorb. III = Cadell, Hélène/Clarysse, Willy/Robic, Kennokka: Papyrus de la Sorbonne (P. Sorb. III nos 70–144), Papyrologica Parisina 1, Paris 2011. P.Vet.Aelii = Sänger, Patrick: Veteranen unter den Severern und frühen Soldatenkaisern. Die Dokumentensammlungen der Veteranen Aelius Sarapammon und Aelius Syrion, Heidelberger Althistorische Beiträge und Epigraphische Studien 48, Stuttgart 2011. O.Did. = Cuvigny, Hélène (Hg.): Didymoi. Une garnison romaine dans le désert Oriental d’Égypte, Bd. 2: Les Textes, avec des contributions de Françoise Briquel-Chatonnet et de Traianos Gagos et la collaboration de Florence André et de Khaled Zaza, Praesidia du désert de Bérénice 4, Le Caire 2012. O.Narm. II = Menchetti, Angiolo/PintaudiRosario: Ostraka greci e bilingui da Narmuthis, Chronique d’Égypte 82, 2007, 227–280; dies.: Ostraka greci e bilingui da Narmuthis (II), Chronique d’Égypte 84, 2009, 201–238. O.Petr.Mus. = Funghi, M. Serena/Messeri, Gabriella/Römer, Cornelia E.: Ostraca greci e bilingui del Petrie Museum of Egyptian Archaeology (O.Petr. Mus.), Teil 1 (1–111); Teil 2 (112–527); Teil 3 (528–796), Papyrologica Florentina 42, Firenze 2012. O.Trim. I = Bagnall, Roger S./Ruffini, Giovanni R.: Amheida I: Ostraka from Trimithis, Bd. 1: Texts from the 2004–2007 Seasons, with contributions by Raffaella Cribiore and Günter Vittmann, 2011, Online-Publikation unter
T.Vindol. IV = Bowman, Alan K./Thomas, J. David/Tomlin, R. S. O.: The Vindolanda Writing Tablets, Tabulae Vindolandenses 4.2, Britannia 42, 2011, 113– 144. Ein Verzeichnis der zitierten Papyri, Ostraka, Pergamente und Täfelchen folgt auf S. 541–567. Zu Neu- und Nachdrucken der zitierten Dokumente beachte den Hinweis auf S. 50. c. Inschriften werden abgekürzt nach der maßgeblichen Bibliografie „Guide de l’épigraphiste. Bibliographie choisie des épigrahies antiques et médiévales“ von François Bérard, Denis Feissel u. a., Guides et inventaires bibliographiques 7, Paris 42010, bzw. nach dem entsprechenden Verzeichnis von: DNP 3, 1997, XII–XXXVI. d. Antike Autoren und Werktitel werden abgekürzt nach dem entsprechenden Verzeichnis von: DNP 3, 1997, XXXVI–XLIV. e. Die in den Literaturangaben verwendeten Abkürzungen richten sich nach RGG4 (siehe: Abkürzungen Theologie und Religionswissenschaften nach RGG4, hg. v. der Redaktion der RGG4, UTB 2868, Tübingen 2007, 26–142 bzw. 178–292).
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Einleitung Vorbemerkungen Unter den Kommentaren, die im 20. Jh. zum 2Kor erschienen sind, hebt sich – was die Rezeption dokumentarischer Texte der griechisch-römischen Antike betrifft – einer von allen anderen ab: der Kommentar von Hans Windisch, der 1924 als KEK-Band publiziert wurde.1 Windisch rezipiert nicht nur die damals noch jungen Publikationen von A. Deissmann, J. H. Moulton und G. Milligan,2 indem er auf dort angeführte papyrologische und epigraphische Vergleichsbeispiele zu paulinischen Begriffen oder Wendungen verweist, sondern er führt auch selbst Papyrusbelege (manchmal samt Wiedergabe der entscheidenden Textstellen auf Griechisch) an und versteht sie – neben der LXX und Werken der griechischen und lateinischen Literatur – als wichtige Zeugnisse für die Koine, die auch Paulus in seinen Briefen verwendet. Seither hat sich viel verändert: Die Anzahl der mittlerweile edierten dokumentarischen Papyri, Ostraka, Holz- und Wachstäfelchen ist auf das mehr als Zehnfache angestiegen, während die Kombination von einschlägiger neutestamentlich-exegetischer und klassisch-philologischer Ausbildung, die zu Zeiten Windischs noch üblich war, in den Jahrzehnten danach selten geworden ist. In den 1970er Jahren lag schließlich ein Feld brach, das von Gelehrten wie J. L. White, G. H. R. Horsley oder H. D. Betz für die ntl. Exegese de facto neu entdeckt wurde.3 Erst seit einiger Zeit also wird die Papyrologie wieder als ergiebiges Feld wahrgenommen, auf dessen Hintergrund heute – im Vergleich zu Deissmann, Moulton und Milligan oder Windisch – so manches deutlicher und ausführlicher belegt werden kann, manches zu widerlegen ist und anderes verändert oder überhaupt erst gesagt werden kann. Der Aufgabe, dieses Quellenmaterial in kompetenter und gleichzeitig nachvollziehbarer Form der traditionellen Exegese zur Verfügung zu stellen, um es gewinnbringend für eine Interpretation des 2Kor mit zu berücksichtigen, sieht sich auch der vorliegende Kommentar verpflichtet. Papyri, Ostraka und Täfelchen sind die bestmöglichen Vergleichstexte für einen Zugang zu dem, was Paulus mit einem bestimmten Wortlaut, Ausdruck 1
Windisch, 2Kor. Siehe die entsprechenden Werke im Literaturverzeichnis. Deissmanns „Licht vom Osten“ z. B. war erst ein Jahr zuvor in der maßgeblichen 4. Auflage erschienen, auf die von Windisch bereits Bezug genommen wird. 3 Siehe auch hier die entsprechenden Werke im Literaturverzeichnis sowie die von G. H. R. Horsley begründeten und anfangs auch von ihm hg. New Docs. 2
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Einleitung
oder Text gemeint haben könnte und die Mitglieder der christlichen Gemeinde von Korinth darunter verstanden haben könnten. Es handelt sich um zeitgenössische Texte aus derselben Kultur und Gesellschaft, Sprach- und Gedankenwelt. Der Vergleich mit diesen Texten macht sowohl Übereinstimmungen als auch Abweichungen deutlich. Wie bereits in früheren Bänden dieser Reihe betont wurde, bieten die PKNT keine Alternative zu traditionellen Kommentaren, sondern eine Ergänzung im oben angegebenen Sinn. Die PKNT können und wollen nicht eine neue und umfassende Interpretation ntl. Texte bieten, sondern eine ergänzende Kommentierung an die Hand geben, die einzig und allein auf dokumentarischen Papyri, Ostraka und Täfelchen beruht. So sehr es sinnvoll sein mag, diese Sparte mit dem zu verbinden, was sich auf Grundlage der griechischrömischen Literatur, der Archäologie und Epigraphie zu ntl. Texten sagen ließe: die PKNT leisten dies bewusst nicht, sondern klammern derartige Ansätze und die entsprechenden Quellen aufgrund der erwähnten grundsätzlichen Ausrichtung aus. Freilich bin ich umgekehrt davon überzeugt, dass die Untersuchung des papyrologischen Materials wichtige Ergebnisse und Ergänzungen liefert, die bisher in der Exegese zu wenig berücksichtigt wurden oder mangels vorliegender Untersuchungen unbekannt waren. Offenbar nicht oft genug kann darauf hingewiesen werden, dass vor allem die auch stetig anwachsende Zahl außerägyptischer Papyri, Ostraka und Täfelchen dazu beigetragen hat, dass die Idee von einem „Sonderfall“ Ägypten inzwischen nicht mehr aufrecht zu halten ist. Die sozialen, administrativen und weitgehend auch rechtlichen Verhältnisse, die die zahlreichen Dokumente aus dem griechisch-römischen Ägypten widerspiegeln, sind – dies zeigen die Forschungsergebnisse immer deutlicher – auch für die anderen Provinzen zumindest des östlichen Mittelmeerraumes vorauszusetzen.4 So manches Vergleichbare ist mittlerweile sogar für entferntere Gebiete wie Dakien oder für Italien selbst zu belegen.5 Die ältesten griechischen Papyri stammen vom Ende des 4. Jh. v. Chr., also aus der ptolemäischen Zeit. Für die PKNT ist eine zeitliche Abgrenzung nach unten mit dem Ende des 3./Anfang des 4. Jh. n. Chr. sinnvoll, da ab dann die entsprechenden Dokumente bereits maßgeblich christlich geprägt sind. Bis dahin ist der Einfluss des Christentums in den dokumentarischen Texten nur sehr begrenzt wahrnehmbar. Die beiden ältesten sicher christlichen Papyrustexte aus Ägypten lassen sich frühestens in die erste Hälfte des 3. Jh. n. Chr. datieren (P.Alex. 29 mit BL XII 36 und P.Bas. 16 mit BL I 433, II.2 13, VI 9, XI 4 Entsprechend hat z. B. Nasrallah, Grief 115–121, die Sterblichkeitsrate, die Bagnall/ Frier, Demography, aufgrund von Zensusdeklarationen für Ägypten erhoben haben, mit der gebotenen Vorsicht auf Korinth übertragen. 5 Siehe dazu ausführlich Kreinecker, 2. Thessaloniker 19–31 (mit Literaturhinweisen); ferner Schubert, Les papyrus en Égypte 113. Speziell zu Sklavenkaufverträgen aus den verschiedenen römischen Provinzen siehe auch Arzt-Grabner, Truant. 6 Dieser Brief wird nunmehr dem Dossier eines gewissen Sotas zugeschrieben, der zuerst Pres-
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Vorbemerkungen
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15 und XII 8–9),7 erst ab dem 4. Jh. n. Chr. kann man von einer weiter verbreiteten christlichen Prägung der Alltagstexte sprechen, die natürlich auch kulturell mit der Konstantinischen Wende zusammenfällt.8 Am Übergang vom 3. zum 4. Jh. lassen sich in den Papyri außerdem ein deutlicher Wandel in der römischen Verwaltung aufgrund der Reformen unter Diokletian feststellen, ein eklatanter Anstieg in der Verwendung lateinischer Fachausdrücke und eine deutlich andere Schrift.9 All dies rechtfertigt die Entscheidung, die dokumentarischen Papyri und Ostraka, die die Umwelt und den kuturellen Hintergrund der ntl. Texte erhellen, aber selbst noch nicht christlich geprägt sind, zeitlich mit dem Ende des 3. Jh. n. Chr. zu begrenzen. Die dokumentarischen Papyri, Ostraka und Täfelchen werden fortlaufend in der „Duke Data Bank of Documentary Papyri“ (DDBDP) elektronisch erfasst, die 1982 von W. H. Willis und J. F. Oates begründet wurde und zur Zeit von J. D. Sosin und J. M. S. Cowey betreut wird.10 Über den „Papyrological Navigator“11 kann diese Datenbank im Internet in der jeweils aktuellen Fassung eingesehen und durchsucht werden; er bietet so auch der Leserin und dem Leser die Möglichkeit der Überprüfung des vorgelegten papyrologischen Materials.12 Die bis einschließlich 2011 erschienenen Editionen wurden eingesehen und ausgewertet, die 2012 und 2013 erschienenen, soweit sie bereits zugänglich waren. Durch die elektronischen Suchmöglichkeiten haben sich Verweise auf die einschlägigen Lexika weitgehend erübrigt. Sie erfolgen aber dort, wo auf Belege für Bedeutungsunterschiede oder -nuancen ein und desselben Begriffes oder auf bestimmte Wendungen hingewiesen werden soll, die in den Lexika byter und dann Bischof von Oxyrhynchos war; zu diesem Dossier gehören ferner P.Oxy. XII 1492, XXXVI 2785 (mit BL VII 153, X 150 und XI 164–165), PSI III 208 und IX 1041 (alle Mitte bis 2. Hälfte 3. Jh. n. Chr.). Siehe dazu Luijendijk, Greetings 81–124; Blumell, Christians 113– 117.142. 7 Siehe dazu Arzt-Grabner, Ricezione 59–63; Judge/Pickering, Papyrus Documentation; Choat, Belief; Parsons, City 193–210; Luijendijk, Greetings 25–78. Die umfangreichste Sammlung der frühesten christlichen Privatbriefe bietet nach wie vor Naldini, Cristianesimo, auch wenn manche Datierungen mittlerweile zu korrigieren sind. 8 Vgl. Schubert, Les papyrus en Égypte 119–120. 9 Vgl. Schubert, Les papyrus en Égypte 119. 10 Siehe (1. März 2013). 11 Der „Papyrological Navigator“ (PN) geht zurück auf eine Initiative der Columbia University mit dem Ziel, verschiedene papyrologische Datenbanken auf einer Seite zu vernetzen. In der derzeit vorliegenden Fassung werden die Inhalte von APIS („Advanced Papyrological Information System“), DDBDP („Duke Databank of Documentary Papyri“) und HGV („Heidelberger Gesamtverzeichnis der griechischen Papyrusurkunden Ägyptens einschließlich der Ostraka usw., der lateinischen Texte, sowie der entsprechenden Urkunden aus benachbarten Regionen“) miteinander verbunden. Zur Nutzung und für weitere Information zum Papyrological Navigator siehe (1. März 2013). 12 Ein Verweis auf den Navigator bei den einzelnen Begriffen und Wendungen erübrigt sich, da er überall angeführt werden könnte.
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Einleitung
differenziert behandelt werden.13 Dasselbe gilt auch für Lexika wie das 1996 mit erweitertem Supplement erschienene LSJ oder das von F. R. Adrados hg. DGE sowie für weitere Hilfsmittel wie die „Grammatik der griechischen Papyri aus der Ptolemäerzeit“ von E. Mayser, „A Grammar of the Greek Papyri of the Roman and Byzantine Periods“ von F.Th. Gignac oder „The Verb in the Greek Non-Literary Papyri“ von B. G. Mandilaras.14 Auf Artikel aus dem „Theologischen Wörterbuch zum Neuen Testament“15 sowie aus dem „Exegetischen Wörterbuch zum Neuen Testament“16 wird nur in Ausnahmefällen verwiesen. Dass diese für ein Verständnis ntl. Begriffe nach wie vor mit Gewinn zu rezipieren sind, versteht sich von selbst. Zu zahlreichen Papyri und Ostraka sind mittlerweile eine ganze Reihe von Neu- oder Nachdrucken erschienen. Die von der Papyrologie her wichtigen und über die BL eruierbaren wurden in den ersten beiden Bänden der PKNT im „Verzeichnis der zitierten Papyri, Ostraka, Pergamente und Täfelchen“ angegeben. Davon wurde bereits im 3. Bd. der PKNT aus folgenden Gründen Abstand genommen: – Echte Neueditionen haben häufig die älteren Publikationen ersetzt; die entsprechenden Dokumente werden in einem solchen Fall gemäß den Neueditionen zitiert. Die maßgebliche Grundlage für die Entscheidung, nach welcher Ausgabe zu zitieren ist, bildet das „Heidelberger Gesamtverzeichnis der griechischen Papyrusurkunden Ägyptens einschließlich der Ostraka usw., der lateinischen Texte, sowie der entsprechenden Urkunden aus benachbarten Regionen“ (, 1. März 2013).17 – Die in der Papyrologie vielfach noch immer aufrechte Tradition, bestimmte Nachdrucke (besonders jene aus Chrest.Wilck., Chrest.Mitt., Sel. Pap., Jur.Pap., C.Pap.Jud.) generell und bei jeder einzelnen Erwähnung eines bestimmten Dokumentes anzugeben, beruht auf der Tatsache, dass in diesen (meist frühen) Nachdrucken oft Korrekturen oder wichtige Kommentare enthalten sind, von denen nicht alle in den bisherigen Bänden der BL erfasst wurden (vgl. BL Konkordanz VIII Anm. 2). Ein Verweis auf diese Nachdrucke
13 Kiessling, Wörterbuch Supplement 1, und Rupprecht/Jördens, Wörterbuch Supplement 2 und Supplement 3, werden weniger oft angeführt, da dort an sich keine Unterscheidung nach Bedeutungen erfolgt. Die dort aufgenommenen Belege sind in die DDBDP ebenso aufgenommen wie jene von Preisigke, Wörterbuch, und Kiessling, Wörterbuch. 14 Die papyrologischen Standardhilfsmittel werden auch in der „Checklist of Editions of Greek, Latin, Demotic, and Coptic Papyri, Ostraca and Tablets“ unter „IV. Instrumenta“ angeführt (siehe im Internet unter: , 1. März 2013). 15 In zehn Bänden hg. v. Gerhard Kittel/Gerhard Friedrich, Stuttgart u. a. 1933–1979 (als Studienausgabe nachgedruckt 1990). 16 In drei Bänden hg. v. Horst Balz/Gerhard Schneider, Stuttgart 1980–1983 (21992). 17 Bei Unterschieden zwischen beiden Hilfsmitteln wird normalerweise die Zitierweise der BL bevorzugt; dies ist z. B. in einigen Dokumenten aus C.Ord.Ptol. der Fall (das „Heidelberger Gesamtverzeichnis“ zitiert hier nach den älteren Editionen).
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Papyrusbriefe und 2Kor
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selbst (statt auf die BL) ist deshalb nur dort wirklich relevant, wo in der BL nicht erfasste neue oder zusätzliche Informationen geboten werden. Auf derartige Informationen wird selbstverständlich auch weiterhin eingegangen, und zwar direkt dort, wo der entsprechende Papyrustext zitiert oder kommentiert wird. Auf eine generelle Anführung der Neu- oder Nachdrucke kann somit verzichtet werden. Die Datierungen der Papyri, Ostraka und Täfelchen richten sich nach dem „Heidelberger Gesamtverzeichnis der griechischen Papyrusurkunden Ägyptens einschließlich der Ostraka usw., der lateinischen Texte, sowie der entsprechenden Urkunden aus benachbarten Regionen“ (, 1. März 2013). Die neue deutsche Rechtschreibung wird auch bei Zitaten durchgeführt, nicht aber bei Namen und Publikationstiteln, wo die in den Publikationen vorfindliche Schreibweise beibehalten wird.
Papyrusbriefe und 2Kor Zur Typologie Klassisch ist A. Deissmanns Unterscheidung zwischen Brief und Epistel.18 Den Brief charakterisiert er als „etwas Unliterarisches: er dient dem Verkehr der Getrennten. Seinem innersten Wesen nach intim und persönlich, ist er nur für den Adressaten oder die Adressaten, nicht aber für die Öffentlicheit oder eine Öffentlichkeit bestimmt.“19 Im Unterschied dazu ist die Epistel nach Deissmann „eine literarische Kunstform, eine Gattung der Literatur […] Sie teilt mit dem Briefe nur die briefliche Form, hat aber im Übrigen so wenig mit dem Briefe gemein, dass man den paradoxen Satz wagen könnte, die Epistel sei das Gegenteil des wirklichen Briefes. Der Inhalt der Epistel ist auf die Öffentlichkeit berechnet, will das ‚Publikum‘ interessieren. Ist der Brief ein Geheimnis, so ist die Epistel Marktware; jeder soll und darf sie lesen: je mehr Leser sie findet, um so besser erfüllt sie ihren Zweck. […] Die meisten Briefe sind uns so lange nicht ganz verständlich, als wir die Empfänger und die Situation des Absenders nicht kennen. Die meisten Episteln sind uns verständlich, auch ohne dass wir den angeblichen Adressaten und den Autor kennen. […] Die Epistel unterscheidet sich von dem Brief […] wie die Kunst von der Natur. Der Brief ist ein Stück Leben, die Epistel ist ein Erzeugnis literarischer Kunst.“20 18 19 20
Siehe dazu und zum Folgenden auch Arzt-Grabner, Papyrologie 14–23. Deissmann, Licht 194. Deissmann, Licht 195.
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Einleitung
Auch wenn diese plakative Unterscheidung zwischen „Epistel“ und „Brief“ in dieser Form nicht mehr aufrecht zu halten ist,21 hat Deissmanns Beschreibung des privaten Briefes (oder Briefes persönlichen Charakters)22 noch weitgehend Gültigkeit. Ein Klassifikationsproblem23 ergibt sich aber allein schon aus der Fülle von Textsorten und Dokumenttypen, die in griechisch-römischer Zeit in Briefform verfasst wurden: neben persönlichen, geschäftlichen und amtlichen Briefen findet man Quittungen, Schuldscheine und andere rechtliche Erklärungen24; mehr oder weniger alles, was man in der Antike einander zu schreiben oder miteinander schriftlich festzuhalten hatte, konnte in die Form eines Briefes gekleidet werden.25 Zu Briefen berühmter Persönlichkeiten der 21
Siehe u. a. Murphy-O’Connor, Paul 42–45. Zu Aufbau und Formular der griechischen Privatbriefe siehe bes.: Koskenniemi, Studien; White, Light 187–220; ders., Formulas; ders., Letter Tradition; ders./Kensinger, Categories; Scholl/Homann, Briefkultur 57–63; Thraede, Grundzüge; Buzón, Briefe; Malherbe, Theorists; Stowers, Letter Writing; Klauck, Briefliteratur 29–54.71–79 (mit Lit. S. 16–17; = Letters 9– 42.67–77 [mit Lit. S. xxi-xxiii]); Probst, Paulus 56–60; Kumitz, Brief 36–39; Metzger, Letters 3– 6; Bauer, Paulus 12–57; Poster, Conversation 37–41; beachte auch die Literaturangaben von Abram, Bibliography 276–283. Zu aramäisch oder griechisch verfassten jüdischen dokumentarischen Briefen siehe bes. Doering, Letters 28–95; Taatz, Briefe 91–101. Zur Beschreibung und Interpretation antiker (einschließlich ntl.) Briefe auf dem Hintergrund antiker Rhetorik siehe bes. Reed, Epistle; Long, Rhetoric (bes. 117–241); Wünsch, Brief; Sullivan, Classical Epistolary Theory; Witherington, Conflict; beachte auch Bauer, Paulus 101–105. – Zur Form der neutestamentlichen Briefe (im Vergleich mit Papyrusbriefen) siehe bes. Deissmann, Licht; Roller, Formular; Doty, Classification; ders., Letters; Richards, Paul; Berger, Apostelbrief; Bünker, Briefformular 19–47; White, Literature; ders., Letters; ders., Saint Paul; Berger, Gattungen 1326–1363; Malherbe, Seneca; Schnider/Stenger, Studien; Stowers, Typification; Strecker, Literaturgeschichte 56–121; Dormeyer, Testament 192–198; Klauck, Briefliteratur 227–326 (= Letters 299–435); Salles, L’épistolographie; Reiser, Sprache 116–125; Lieu, Letters (bes. 445– 447); Stegman, Theory 200–201; Bauer, Paulus 71–90; Doering, Letters 377–428; Burnet, Épîtres (bes. 57–61); ders., Textes; bes. auf dem Hintergrund antiker Rhetorik Porter, Paul (auf S. 553 speziell zu 2Kor); Dormeyer, Letter-Formula 64–84 (zu 2Kor S. 75–77). – Zum Versuch von Stirewalt, Paul 66–77, die Paulusbriefe in erster Linie mit den amtlichen Briefen („official letters“ oder „royal letters“) ptolemäischer Könige und römischer Kaiser zu vergleichen (speziell zu 2Kor siehe S. 77–81), siehe bereits P. Arzt-Grabner in ders./Kritzer u. a., 1. Korinther 31; gegen einen solchen Ansatz auch Dormeyer, Letter-Formula 71. Die Problematik gilt auch für den inschriftlich erhaltenen Brief Ptolemaios’ II Philadelphos an die Stadt Milet (publiziert u. a. von Welles, Correspondence nr. 14; siehe dazu auch White, Letters 93–95), den Vegge, 2 Corinthians 66–67, als Analogie zu 2Kor heranzieht. Sammlungen von Episteln und Edikten hellenistischer und römischer Machthaber bieten Welles, Correspondence, und Oliver, Constitutions. Eine kurze Einführung zum „official letter“ gibt z. B. auch Stirewalt, Studies 6–10. 23 Siehe dazu und zu einer kritischen Wertung Deissmanns in diesem Punkt bes. Doty, Classification; Gamble, Books 13–41; beachte z. B. auch Moulton/Turner, Grammar IV 83; Bauer, Paulus 91–98.396–404; Dormeyer, Letter-Formula 61.68–69; Burnet, Épîtres 21–30; Bosenius, Abwesenheit 1–2. 24 Auch der im privaten Recht am weitesten verbreitete Urkundentyp des Cheirographons ist offensichtlich vom privaten Briefstil herzuleiten und hat sich davon in der zweiten Hälfte des 2. Jh. v. Chr. gelöst (vgl. Wolff, Recht II 106–114; Rupprecht, Einführung 137). 25 Doty, Classification 196–197, hat zwischen vier Gruppen von „more private letters“ und vier Gruppen von „less private letters“ unterschieden, wobei die vier Gruppen der zweiten Kate22
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Papyrusbriefe und 2Kor
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Antike ist weiters hervorzuheben, dass diese nicht von vornherein und generell als literarische Briefe zu bezeichnen und von Briefen persönlichen Charakters zu unterscheiden sind, denn zur Literatur wurde ein Brief „nicht durch seinen Inhalt, sondern durch seine Publikation, die des Inhalts oder des Verf[assers] wegen erfolgen konnte“26. Deissmanns Unterscheidung zwischen Brief und Epistel greift insbesondere dort nicht, wo es Übergänge gibt:27 z. B. in der Art, dass das betreffende Schreiben sehr persönliche und ohne Kenntnis der Situation weitgehend unverständliche Teile enthält, aber auch solche, die über die aktuelle Briefsituation hinaus zeitloses und allgemein verständliches Gedankengut bieten. Dies gilt für die Paulusbriefe genau so wie für zahlreiche Briefe persönlichen Charakters von Schriftstellern oder Philosophen der griechischrömischen Antike.28 Für die Publikation wurden derartige Briefe gerne redaktionell überarbeitet,29 doch offenbar nicht in dem Ausmaß, dass der Brief dadurch die vorher enthaltenen persönlichen Eigenheiten verloren hätte. Auch von da her ist es also nicht angebracht, sämtliche veröffentlichten und somit einer breiteren Öffentlichkeit zugänglichen Briefe explizit als „Episteln“ einzustufen und von „privaten Briefen“ zu unterscheiden.30 Umgekehrt ist auch nicht unproblematisch, die veröffentlichten Briefe persönlichen Charakters, die von großen Persönlichkeiten der Antike stammen, als rein private Briefe zu bezeichnen:31 auch wenn es sich bei diesen Briefen zunächst um Gebrauchsbriefe oder Gelegenheitsschreiben handelt, die nur für die genannten Adressatinnen oder Adressaten bestimmt waren, so wurde doch mit deren Publikation die Grenze zu einer breiteren Öffentlichkeit und zur Nachwelt überschritten. Ursprünglich Privates konnte so in die Öffentlichkeit gehoben werden, ohne aber den gorie jeweils in mehrere Typen untergliedert werden; ich führe hier nur die acht Gruppen an: more private letters: 1. writer to individual person, 2. writer to discrete group, 3. writers to addressees; less private letters: 4. official (administrative military or non-military, administrative, Christian, commercial, foreign affairs, legal documents), 5. public („open“ letters, school exercises), 6. „nonreal“ (pseudonymous, imaginary, letters from heaven or the gods, epistolary novel), 7. discursive (magical, scientific, religious, literary-critical, historical, knowledge-in-general, paraenetic, didactic), 8. other special types (amorous, erotic, poetic, inserted [stylized to fit content], consolation, dedication, introduction, congratulation). Einige der in Gruppe 8. angeführten Typen (Liebesbriefe, Beileidschreiben, Empfehlungsbriefe, Glückwunschschreiben) könnten ebenso gut unter 1. angeführt werden. – Zur Problematik der Klassifikation siehe ferner Stowers, Typification; White/Kensinger, Categories; Reed, Epistle 172–178; weitere Lit. bei Klauck, Letters 67. 26 Zelzer, Epistel 1164. 27 Vgl. Klauck, Briefliteratur 73 (= Letters 70–71). 28 In diesem Sinne sind z. B. die Briefe Ciceros oder Senecas zwar als literarische Briefe zu bezeichnen, keineswegs aber als „Kunstbriefe“ (gegen Gerber, Paulus 19, u. a.). 29 Siehe dazu bes. Trobisch, Entstehung; ders., Paulusbriefe; ders., Endredaktion 90.93–94. 30 Vgl. z. B. auch Burnet, Textes. 31 Z. B. Deissmann, Licht 198: „Die Paulusbriefe sind nicht literarisch; sie sind wirkliche Briefe, keine Episteln; sie sind von Paulus nicht für die Öffentlichkeit und die Nachwelt geschrieben, sondern die Adressaten. Fast alle Missgriffe der Paulusforschung überhaupt erklären sich aus der Nichtbeachtung des unliterarisch-brieflichen Charakters der von Paulus stammenden Texte.“
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persönlichen Charakter zu verlieren. In diesem Sinne bieten sowohl die privaten Papyrusbriefe als auch die sog. literarischen Briefe ein wertvolles Vergleichsmaterial für die Deutung der Paulusbriefe.32 Aufgrund der speziellen Ausrichtung der „Papyrologischen Kommentare zum Neuen Testament“ werden im vorliegenden Band die zumeist auf Papyrus oder Ostraka erhaltenen privaten Briefe33 aus hellenistisch-römischer Zeit (zwischen dem 3. Jh. v. Chr. und dem 3. Jh. n. Chr.)34 ausgewertet (ferner alle relevanten dokumentarischen Texte). Der folgende Vergleich mit einigen Papyrusbriefen wird exemplarisch zeigen, dass sogar die Länge eines Briefes oder seine gehobene Sprache kein Erkennungsmerkmal für einen „literarischen“ Brief sind, wie umgekehrt die Unverständlichkeit kürzerer oder längerer Passagen nicht auf den nicht veröffentlichten Privatbrief beschränkt ist.
Zur Brieflänge Wie die meisten antiken Briefe wurden alle Paulusbriefe ursprünglich wohl in Kolumnen auf Papyrusrollen geschrieben. Allein der kürzeste erhaltene Paulusbrief, der Brief an Philemon, könnte in einer Kolumne Platz gefunden haben.35 E.-M. Beckers Erklärungsansatz, die Briefe des Paulus seien ursprünglich auf Polyptycha von mehreren Wachs- oder Holztafeln oder mehreren Papyrusblättern geschrieben und auch in dieser Form übersandt worden,36 scheitert einerseits am Fehlen vergleichbarer Beispiele, andererseits an einer falschen Grundannahme. Wir haben bisher keine erhaltenen Beispiele dafür, dass für die Endfassung längerer Briefe Wachstafeln verwendet wurden.37 Weniger als 20% der bisher edierten Wachs- und Holztafeln enthalten Briefe,38 wobei fast alle davon aus den umfangreichen Funden von mit Tinte 32
Vgl. u. a. Klauck, Briefliteratur 95 (= Letters 103); Metzger, Letters 3. Einen sehr guten Überblick über Briefe griechischer und lateinischer Autoren bietet Klauck, Briefliteratur 95–120 (= Letters 103–148 (mit Quellenverweisen und Literaturangaben); für einen kurzen Überblick siehe z. B. Lieu, Letters 447–448. 33 Auf Pergament bisher nur P.Dura 46 mit BL X 65 (frühes 3. Jh. n. Chr.); PSI IX 1041 (Ende 3./Anfang 4. Jh. n. Chr.); P.Iand. II 12 mit BL I 197, II.2 76 und III 85 (3.–4. Jh. n. Chr.); PSI III 208 (4. Jh. n. Chr.); SB III 7269 mit BL VIII 327 (4.–5. Jh. n. Chr.). 34 Zu den Kriterien der Abgrenzung siehe bes. Arzt-Grabner, Philemon 44–56; ferner Arzt/ Ernst, Neues Testament 13–14; Arzt, Analyse (1994) 106–110; Arzt, Analyse (1997). 35 Vgl. bereits Milligan, St Paul’s Epistles 123. 36 Vgl. Becker, Schreiben 64–69. 37 Die Annahme, dass antike Schriftsteller bei der Komposition ihrer Werke Wachstäfelchen verwendeten und dass dies auch für die Endredaktoren der ntl. Evangelien gegolten haben wird, ist hingegen durchaus plausibel (siehe dazu Poirier, Roll 18–24). 38 Während sich unter den mehr als 113 erhaltenen Wachs- oder Holztafeln aus Ägypten (nach HGV, Stand 19. 9.2007) oder den 25 Wachstafeln aus Dacia Superior kein einziger Brief findet, lassen sich aus anderen Provinzen immerhin etwa 270 Briefe ausmachen (beachte die Indices in C.Epist.Lat. I S. 9–19 und III S. 9–13; ferner sind zu nennen T.Vindol. III 611–671; die von mir
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beschriebenen Holztafeln aus Vindolanda am Hadrianswall (T.Vindol. I–IV) und Vindonissa in der Schweiz (T.Vindon.) stammen.39 Es handelt sich dabei meist um kurze Mitteilungen, die auf ein oder zwei Holztäfelchen Platz fanden. Wachstafeln sind aus verschiedenen Provinzen des Imperium Romanum erhalten, vor allem in Form von Triptycha, die aus drei Tafeln bestanden, von denen die erste und letzte nur an den Innenseiten mit Wachs überzogen und somit beschreibbar waren; zusammen mit der beidseits beschichteten inneren Tafel standen damit insgesamt vier Tafelseiten für den Text zur Verfügung. Zur Berechnung der durchschnittlichen Textlänge einer Seite kann eine Wachstafel aus Ravenna herangezogen werden – SB III 6304 (ca. 151 n. Chr.):40 die ersten elf Zeilen dieses lateinischen Sklavenkaufvertrages sind mit griechischen Buchstaben geschrieben, eine Zeile enthält durchschnittlich 35 Buchstaben; die gesamte Tafelseite in der durchschnittlichen Größe von 15,5 x 12,5 cm fasst 17 Zeilen, was als Berechnungsgrundlage ein durchschnittliches Maß von 595 Buchstaben pro Tafelseite ergibt. Auf die Paulusbriefe umgelegt, bedeutet dies: der Philemonbrief als mit Abstand kürzester Paulusbrief hätte auf einem Diptychon (also zwei Wachstafeln) kaum, auf einem Triptychon sicher leicht Platz gefunden. Für den Text des Galaterbriefes wären aber bereits 19 Tafelseiten, also ein Polyptychon von elf Tafeln nötig gewesen. Bisher ist nur ein einziges ähnlich umfangreiches Polyptychon entdeckt worden:41 T.Varie 51–70 (= LDAB 6340) besteht aus zehn Wachstafeln und stammt vom Ende des 6. oder Anfang des 7. Jh.; es handelt sich dabei um ein „Schulheft“ mit mathematischen Aufgaben, Alphabetübungen und Gebetstexten.42 Aus paulinischer Zeit sind bisher Triptycha, die Verträge enthalten, oder kleinere Formate (Diptycha43 oder Einzeltafeln) bekannt. Polyptycha mit fünf oder mehr Tafeln sind erst ab dem 3. Jh. n. Chr. bezeugt.44 Was vielleicht noch wichtiger ist: bei diesen Polyptycha handelt es sich durchwegs um Schul- oder Lehrbücher des antiken Unterrichts. Auf einer falschen Grundannahme basiert hingegen Beckers alternative Erklärung, Paulus hätte einen längeren Brief auf mehrere Papyrusblätter geschrie-
errechnete Gesamtzahl von 1433 verteilt sich auf: T.Alb.: 34; T.Dacia: 25; T.Jucundus: 153; T.Sulpicii: 126; T.Varie: 81; T.Vindol. I–III: 853 [davon sind allerdings einige aufgrund von Neueditionen innerhalb der Reihe doppelt gezählt; T.Vindol. IV lag mir zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Statistik noch nicht vor]; T.Vindon.: 90; weitere aus Ägypten [nach HGV, Stand: 19. 9.2007]: 71). 39 Alle Briefe aus T.Vindol. I–II und T.Vindon. sind in C.Epist.Lat. nachgedruckt. 40 Siehe dazu auch Eger, Wachstafel. 41 Der folgende Befund basiert auf Suchergebnissen aus der „Leuven Database of Ancient Books (LDAB)“ (die Internetadresse ist im entsprechenden Abschnitt des Literaturverzeichnisses zu finden) sowie auf den Daten von Worp, Survey. 42 Siehe dazu auch Cribiore, Writing Nr. 408; Worp, Survey Nr. 294. 43 Die LDAB listet nur einen Wachstafel-Codex aus dem 1. Jh. n. Chr. auf, von dem zwei Tafeln erhalten sind, allerdings in äußerst schlechtem Zustand (LDAB 3850; vgl. Cribiore, Writing Nr. 381); alle anderen Beispiele aus dieser Zeit sind Einzeltafeln. 44 Z. B. LDAB 2746 (= Cribiore, Writing Nr. 396; Ende 3./4. Jh. n. Chr.).
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ben.45 Zwar wurden in der Papyrusproduktion zunächst einzelne Blätter hergestellt, diese wurden aber dann zu einer Rolle zusammengeklebt, und erst diese Rolle war das im Laden käuflich erwerbbare Format.46 Erst aus so einer Rolle wurden dann wieder größere oder kleinere Blätter herausgeschnitten, je nach Bedarf. Mir ist darüber hinaus kein Fall aus ptolemäischer und römischer Zeit (also auch paulinischer Zeit) bekannt, wo ein Brief oder ein Dokument auf mehrere lose Blätter geschrieben worden wäre. Hingegen weisen zahlreiche Briefe und andere Dokumente Klebungen auf, d. h. das für das Schriftstück verwendete Stück Papyrus wurde an einer Stelle von der Rolle abgeschnitten, wo bei der Herstellung zwei Papyrusblätter zusammengeklebt worden waren.47 Längere Briefe wurden auf eine Papyrusrolle in Kolumnen geschrieben, wie z. B. P.Ammon I 3 mit BL XII 4 (26. Mai – 24. Juni 348? n. Chr.), der bisher längste Privatbrief aus griechisch-römischer Zeit. Wie bereits in den papyrologischen Kommentaren zu Phlm und 1Kor erwähnt wurde,48 entspricht seine 45 Dieses verbreitete Missverständnis begegnet auch bei Stewart-Sykes, Editors 56. Das von ihm vorgebrachte Argument: „In the papyri where letter writing is mentioned reference is made to single sheets“, gilt nicht grundsätzlich für das Schreiben von Briefen, sondern ist so zu verstehen, dass man für einen Brief üblicher Länge ja nur ein einzelnes Blatt benötigte. Genau dies ist auch durch die von Stewart-Sykes, Editors 56 Anm. 11, als Belege angeführten Papyrusbriefe zu bestätigen: in P.Flor. III 367,7 (3. Jh. n. Chr.; bei Stewart-Sykes falscher Verweis auf P.Oxy. VI 895) geht es darum, dass sich ein gewisser Theoninos bei Didymos darüber beklagt, dass dieser ihm nicht schreibe, obwohl er ihm „Briefbogen“ (χάρτας ἐπιστολικο[ύς]) geschickt habe, damit er bequem schreiben könnte; in BGU III 822,28 (nach 5. Mai 105 n. Chr.?) bittet eine Thermuthas ihren Bruder Apollinarios, ihr ein „unbeschriebenes Blatt“ (ἄγραφον χάρτην) zu schicken, damit sie einen Brief schreiben könne; und in P.Abinn. 21,3 (Mitte 4. Jh. n. Chr.; Stewart-Sykes gibt die ed.pr. P.Gen. I 52 Verso an) schreibt ein Alypios, dass er kein „reines (d. h. unbenütztes) Blatt“ (χαρτίον καθαρόν) finden konnte und deshalb den aktuellen Brief auf die Rückseite eines anderen Briefes (nämlich von P.Abinn. 41) geschrieben habe. Die Beispiele sagen somit nichts über das generelle Format für das Schreiben von Briefen aus, sondern belegen einerseits, dass man für das Schreiben eines Briefes durchschnittlichen Umfangs nur ein Papyrusblatt benötigte, andererseits weisen sie auf die gelegentliche Papyrusknappheit hin, bei der Briefschreiberinnen und -schreiber schon froh waren, wenn sie wenigstens ein Blatt zur Verfügung hatten, und sei es ein bereits einseitig beschriebenes. Die gänzlich unterschiedlichen Größen der erhaltenen Papyrusbriefe sind ein weiterer und eindeutiger Hinweis darauf, dass es sich um Blätter handelt, die von einem größeren Ganzen (eben einer Rolle) herausgeschnitten wurden oder oft auch als schmale Reste übriggeblieben waren; es gab keine generellen Standardgrößen für die Briefe selbst, sondern höchstens zeitlich unterschiedliche Gepflogenheiten. Außerdem ist das genannte Argument von Stewart-Sykes sowohl durch briefliche Beispiele (z. B. P.Oxy. LXXV 5063,19–20 [spätes 3. Jh. n. Chr.]: der Absender dieses Briefes fordert „Papyrusrollen von zwanzig Blatt“ an – χαρτάρια κολλημάτω(ν) | εἴκοσι) als auch materialiter widerlegt (längere Briefe wurden in mehreren Kolumnen auf den entsprechend großen Teil einer Rolle geschrieben, z. B. BGU II 531 und III 884 [beide ca. 75–85 n. Chr.] oder P.Ammon I 3 [siehe anschließend]). 46 Vgl. z. B. Rupprecht, Einführung 3–6 (mit Literaturhinweisen). 47 So z. B. P.Rain.Cent. 49 (27. Juni 212 v. Chr.); 50; 51 (beide 1. Hälfte 1. Jh. v. Chr.); 57 mit BL VIII 286 (4. März 49 n. Chr.); CPR VI 72 mit BL IX 66 (1. Jh. n. Chr.); 2 mit BL VIII 103 (25. Juni – 24. Juli 144 n. Chr.); 3 mit BL VIII 103 und XII 58 (27. Januar 159 n. Chr.); SB XXII 15603 (spätes 3. Jh. n. Chr.; beachte dazu Sijpesteijn, Korr. Tyche 129). 48 Siehe Arzt-Grabner, Philemon 58 (dort noch als ed.pr. P.Congr.XV 22); P. Arzt-Grabner in ders./Kritzer u. a., 1. Korinther 29–30; vgl. auch Arzt-Grabner, Papyrologie 17–20.
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Papyrusbriefe und 2Kor
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Länge immerhin ziemlich genau der Länge des Gal; der 2Kor ist etwa doppelt so lang.49 Auch wenn P.Ammon I 3 mit BL XII 4 erst aus dem 4. Jh. stammt, ist dieser Brief aus mehreren Gründen in diesem Zusammenhang erwähnenswert und aufschlussreich. Absender ist Aurelius Ammon Scholasticus, Sohn des Petearbeschinis, eines Priesters in Panopolis in der Thebais. Von Ammons Familienarchiv sind mehrere hundert fragmentarische Papyri erhalten geblieben50, aus denen hervorgeht, dass er und seine Brüder – wohl in ihrem Heimatort Panopolis – eine höhere Bildung genossen haben. Mehrere Familienmitglieder waren innerhalb der traditionellen ägyptischen Religion als Priester tätig, neben Ammons Vater ist hier sein Halbbruder Horion zu nennen, der als Archiprophetes den höchsten Priesterrang im Tempel inne hatte. Es ist also davon auszugehen, dass die gesamte Familie noch nicht dem Christentum anhing. Ammon selbst war als Anwalt tätig.51 P.Ammon I 3 (mit BL XII 4) ist an Ammons Mutter Senpetechensis alias Nike, die zweite Frau seines Vaters, gerichtet. Der Papyrus misst 24,5 cm in der Höhe und 75 cm in der Breite, wobei die erste von insgesamt mindestens sechs Kolumnen fast zur Gänze fehlt.52 Der 2Kor hätte also auf einer etwa 1,5 m langen Papyrusrolle Platz gefunden.53 Eine Standardrolle mit 20 aneinander geklebten Blättern und einer Gesamtlänge von mindestens 2,2 m wäre dafür also ausreichend gewesen.54 Betrachtet man den Inhalt von Ammons Brief, so fällt im Vergleich mit anderen Privatbriefen auf, dass der Absender die sonst kurzen Nachrichten oder Anfragen mit nahezu philosophischen Gedanken beleuchtet. In Kol. II etwa nimmt er auf die offensichtlich unglücklichen Umstände Bezug, denen die Familie ausgesetzt ist, und versucht, seine Mutter zu trösten. Dem (am Beginn der Kolumne noch fragmentarisch) erhaltenen Text ist zu entnehmen, dass er dabei auf das Schicksal (τύχη) Bezug nimmt, das alles beherrscht und für alle Menschen alles bestimmt; nach ein paar kleinen Lücken ist Ammons Gedanke zu lesen, dass die Zyklen der Götter („derjenigen, die über uns sind“) gegenüber den Menschen manchmal gut sind, manchmal aber auch ungünstig – Kol. II 8–20:
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Zur Länge der einzelnen Paulusbriefe siehe die Tabelle bei O’Neill, Paul 171 (Gal umfasst demnach 11.080 Zeichen, der 2Kor genau 22.257). 50 Bisher wurden zwei Bände publiziert: P.Ammon I und II. 51 Siehe zum Ganzen W. H. Willis und K. Maresch in P.Ammon I S. 1–6. 52 Vermutlich wurde sie – wie der vollständig erhaltene Text des Dokuments auf der Rückseite nahe legt – von Ammon selbst abgetrennt (vgl. W. H. Willis und K. Maresch in P.Ammon I S. 20). 53 Keineswegs ist also von zwei Rollen für die Textmenge des 2Kor auszugehen, wie Blass, Textkritisches 59, annimmt. 54 Zum Standardmaß von 20 Blatt und einer Gesamtlänge von 2,2 bis 4,8 m für eine Rolle siehe Rupprecht, Einführung 5. Eine Standardrolle von 20 Blatt ist auch durch P.Oxy. LXXV 5063,19– 20 (spätes 3. Jh. n. Chr.) belegt: der Absender dieses Briefes fordert „Papyrusrollen von zwanzig Blatt“ an – χαρτάρια κολλημάτω(ν) | εἴκοσι.
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Einleitung
[δ]ύ̣ ν̣ αται τ̣ι[̣ - - - ]ν ἄνω τὴν τ̣[ύχην πάντων] κ̣ ρ̣ ατοῦσαν καὶ ̣ πᾶσιν πάντα ὁριζο̣ [μένη]ν δεσ[ . ] . . [ . .]ρ̣ [ - - - κύκλους] 10 τούτων τῶν ἐ[π]άνω ἡμῶν τοὺς π[αρὰ ἀ]νθρώποις ποτὲ μ[ὲν ἀγα]θούς, ποτὲ δὲ καὶ δυσκόλους· ὥ̣ σ̣ περ ν̣ [ῦν ἡ]μῖν ὁ κύκλος οὗτος δύ̣ [σκολος] μετ᾽ ὀλίγον δὲ ἡ[μ]ῖν εἰσέρχεται ὁ βελ[τίω]ν· ἦ σὺ κατὰ σεαυτὴ[ν γινώ]σκεις, ὦ μῆτερ, ὅ̣ τι καὶ ἀπὸ πρώτου μ[ηνὸς] ἀφ᾽ οὗ ἐξῆλθον τῆς πα̣ [τρίδος] ἤθελον αὖθις ἐπανελθεῖν πρὸς ὑμῖ[ν, ἀλλ᾽] οὐχ οὕτως ἔδοξεν τῆι ̣ [τύχηι] 15 ἀλλ᾽ ἔκρινεν πρὸ̣ [ς] χρόνον με ἀποστῆ[ναι τῆς] πατρίδος· λογίζου ὅ[τι] σὺ τὴν τῆς τύχης ἀνάγκην καὶ ̣ [ ca. 6 ] ἀθυμοῦσα καὶ φέρε τ[ - - - ·] λογίζου ὅτι οὐδὲν ἐφ᾽ ἡμῖν· καὶ ἐπιμε̣[λοῦ μὲ]ν σεαυτῆς, ἐπιμελ[ήσομαι δὲ] τῶν πραγμάτων· ⟦γινώσκουσα⟧ `καὶ μάθε´ ὅτι τ[ύχη ἔ]μ̣ παλιν πάντα τἄλλ[α] [ἡμῖν ἀνα]λύει· εὐθυμ̣ [εῖ]ν̣ οὖν σε χρὴ λ[ο]γιζο̣ μ̣ [ένην ὅτι οὐ]κ ἀνεκτός, ὦ μῆ[τερ, ὁ κύ]20 κ̣ λ̣ ο̣ ς. ὅμως̣ [ἡσ]υ̣ χ̣ ά̣ ζωμεν· οὐκ ἐν̣ δε̣[ - - - ]ω̣ ι ̣ ἐσ̣ μεν οὐδὲ πε̣[ - - - ] „… das Schicksal, das alles beherrscht und für alles bestimmt … Wie jetzt dieser Zyklus für uns ungünstig ist, wird nach kurzer Zeit ein besserer auf uns zukommen.55 Sicher merkst du bei dir selbst, o Mutter, dass ich auch vom ersten Monat an, seit ich die Heimat verlassen hatte, wieder zu euch zurückkehren wollte,56 aber es schien dem Schicksal so nicht recht zu sein, sondern es entschied, dass ich für einige Zeit von der Heimat weg bleibe. Bedenke, dass du die Notwendigkeit des Schicksals, (ohne?) mutlos zu werden, (ertragen hast), und ertrage (die gegenwärtige Lage?)! Bedenke, dass nichts in unserer Hand liegt! Und sorg dich um dich, ich aber werde mich um die Angelegenheiten sorgen. Und verstehe, dass das Schicksal alles andere für uns wieder löst! Du musst also guten Mutes sein, auch wenn du meinst, dass der Zyklus, o Mutter, nicht auszuhalten ist. Wir wollen dennoch Ruhe bewahren! …“
Nachdem sich Ammon in Kol. III und IV insbesondere den Unternehmungen und Anweisungen seines Bruders Harpokration ausführlich gewidmet hat, kommt er in Kol. V auf Probleme in Panopolis zurück, über die ihm seine Mutter geschrieben hatte. Sein Bruder Sarapodoros habe offensichtlich einen großen Teil des Familienvermögens ausgegeben oder verloren. Auch das ist für Ammon erneut Anlass für weiter ausholende Gedanken über das Schicksal und das Leben im Allgemeinen – Kol. V 5–18: 5 ἔ̣γ̣ρ̣ α̣ ψας δ̣ έ [μοι, ὦ μ]ῆ̣ τερ, ἐν ταῖς αὐτ̣[αῖς . . . .] ἐ̣π̣ [ιστολ]α̣ ῖς ὅτι ̣ Σα̣ [ραπόδωρός τινα] ἀ̣ ν̣ ήλωσ̣ [ε] τ̣[ῶν] πατρῴων· ε[ ca. 9 ] . .[ ca. 7 ]ε̣λ̣ ει τῶν ἀ̣ .[ - - - ] ο̣ ὐ̣ [δ]ὲν γὰρ ἴ[διον ἄ]νθρωπ̣ ος̣ ἔχει ̣ [ ca. 6 ]α̣ [ ca. 6 ]η[ .]· καὶ αὐτὴ [ ca. 10 ] ὅ̣ τε βούλετα̣ [ι . . . . .] καὶ ἀφαιρεῖται ̣ [πάλ]ιν̣ ̣ · ἐάν̣ τ[ις εὐλα]β̣ ηθῇ τὰ πατρ[ῷα - - - , οὐ] πάντως ε̣ὐ̣ [τυχεῖ] εἰς ὅλον τὸν βί[̣ ον· οὐ]δὲ ὁ μὴ σ[ῴζω]ν̣ ταῦτα πάν[τως ἄπο]ρ̣ ο̣ [ς] 55
Die hochgestellten Punkte sind auf dem Papyrus erhalten und stammen also vom Schreiber selbst; sie werden in der Übersetzung mit Punkt oder Rufzeichen wiedergegeben. 56 Zu diesem Topos im Zusammenhang mit 2Kor siehe ausführlicher unten (S. 159–166).
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Papyrusbriefe und 2Kor
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10 γίνεται εἰς τ̣[ὸν βί]ο̣ ν̣ σ̣ ύμπ̣ αντ[α] ἀ̣ λλὰ καὶ πολλ[οὶ μ]ηδὲν ἐκ τῶν̣ π[ατρ]ῴ̣ ω̣ ν̣ παρ[α]λαβόντες η[ὐτύ]χησαν καὶ εὐπορώ̣ τατοι ἐν τῶι ̣ [βίω]ι γεγόνασιν· ὥ[στ]ε οὐ πάν[τως] λυποῦμαι διό̣ [τι] ἀπώλεσά τινα [τῶ]ν πατρῴων̣ · [ο]ὐ̣ δ̣ ᾽ ἐὰν εἴπῃς ὅτι σ̣ οι ἀποδώσω ταῦτα παρηγορ[εῖς] με ἐν τούτωι· ἀλ̣ λ̣ ὰ μόνον μοι γίν̣ οιτο ἰδεῖν σέ γ̣[ε] καὶ πάντα ἔχω· γένοιτ[ο σε] ἐ̣ν τῆι οἰκίαι τῆι ἐμῆι ̣ εὑρεθῆναι ἔτι κ[α]ὶ οὐδὲν ἀπώλεσα̣ · εὐτυχῶ 15 πάντα καὶ ηὐ[δαιμόν]ησα ἐὰν εὐρωστοῦσάν σε εὕρω̣ [· το]ῦτο γὰρ ἀεὶ εὔχ[ο]μαι, ὦ μ̣ ῆ̣ [τ]ερ· `μαρτυροῦσιν̣ [οἱ θε]ο̣ ὶ οἱ τὰ πάντα ὁ[ρ]ῶντες· αὕτη´ μοι μόνη ἡ [ . . . .]τη ἐλπίς· τοῦ[τό] μοι μέγιστον [εὐτύ]χημα ἐὰν ὑγι[αίν]ουσαν τ̣ὴ̣ ν̣ μητέρα εὕρω̣ [ἐπι]δ̣ ημήσας τῆ[ι πα]τ̣ρίδι· διὰ σὲ π̣ [αρ]ὰ̣ τ̣ῆς πατρίδος ἀ̣ π̣ [εδ]ήμησα· διὰ σὲ καὶ ⟦εἰς⟧ τὴν οἰ[κία]ν̣ μου πάνυ.κα[τελθ]εῖν´ ἐζ[ήτη]σα καὶ ζητῷ [· ] κτλ.
„Du hast mir, o Mutter, in denselben … Briefen geschrieben, dass Sarapodoros einen Teil des väterlichen Vermögens verlor. … Denn ein Mensch hat nichts zu eigen … Und sie [gemeint ist wohl τύχη] [teilt zu], wenn sie will, und nimmt wieder weg. Wenn einer darauf bedacht ist, das väterliche Vermögen [nicht zu verlieren], ist er nicht zur Gänze glücklich für sein ganzes Leben. Und der, der das nicht bewahrt [gemeint ist das väterliche Vermögen], wird nicht für sein gesamtes Leben zur Gänze mittellos, sondern auch viele, die aus dem väterlichen Vermögen nichts erhalten hatten, lebten glücklich und sind im Leben sehr wohlhabend geworden. Daher bin ich nicht zur Gänze bekümmert, weil ich einen Teil des väterlichen Vermögens verloren habe. Und wenn du sagst: ‚Ich werde dir das zurückgeben‘, wirst du mich darin nicht trösten. Aber es möge mir nur zuteil werden, dich wenigstens zu sehen, und ich habe alles. Möge es geschehen, dass du noch in meinem Haus zu finden bist, und ich habe nichts verloren. Ich bin in allem glücklich und selig, wenn ich dich bei guter Gesundheit finde. Denn darum bete ich immer, o Mutter. Die Götter bezeugen es, die alles sehen. Das allein ist für mich die [größte] Hoffnung. Das ist für mich das größte Glück, wenn ich die Mutter gesund finde, wenn ich in meine Heimat zurückkehre. Deinetwegen bin ich von der Heimat weggegangen; deinetwegen bemühte und bemühe ich mich ganz und gar, auch in mein Haus zurückzukehren. …“
Speziell in diesen ausführlicheren Gedankengängen liegt der Hauptunterschied zwischen diesem Brief und den anderen, üblicherweise eher kurz gefassten Privatbriefen. In diesem in die – auch gedankliche – Breite gehenden Stil liegt aber auch eine deutliche Parallele zu den Paulusbriefen. Beachtet man nur, wie oft und ausführlich Ammon mit unterschiedlichen Worten z. B. seiner Mutter gegenüber versichert, wie sehr er sich danach sehnt, sie wieder zu sehen, so drängt sich ein Vergleich mit der Ausführlichkeit, mit der Paulus gegenüber der christlichen Gemeinde in Korinth beteuert, sie noch einmal besuchen zu wollen (vgl. 2Kor 12,14–13,2 und auch 1,15–23 als Hintergrund dazu), geradezu auf. Im Großen und Ganzen geht es darum, dass Ammon wie auch Paulus ihre Nachrichten, Anfragen und Anliegen mit grundsätzlichen, oft abstrak-
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Einleitung
ten Gedankengängen verbinden, ausgehend von Stichworten kleine Exkurse bringen und anderes mehr. Nichtsdestoweniger sind diese Briefe der Gruppe der Briefe persönlichen Charakters zuzuzählen. Auch sie sind – wie die anderen, vergleichsweise kurzen Briefe dieser Gattung – durch ein oder mehrere konkrete Anliegen des alltäglichen Lebens veranlasst (im Fall der Paulusbriefe gewöhnlich durch Probleme im Leben der Gemeinde oder in der Beziehung zwischen Paulus und den Gemeindemitgliedern), sie dienen der Kommunikation, die anders zur Zeit nicht möglich ist, enthalten Ratschläge und Bitten und übermitteln schließlich Grüße aus dem Verwandten- oder Bekanntenkreis. Die Ausführlichkeit, mit der all das geschieht, legt es freilich nahe, die Paulusbriefe und solche wie den Brief des Ammon an seine Mutter am einen Ende der Skala einzuordnen,57 während kurze, auf das Nötigste beschränkte Nachrichten am anderen Ende anzusiedeln sind. Zu denken ist dabei an Briefe wie O.Claud. I 151 (ca. 100–120 n. Chr.): Σαβ[ῖ]νος Ζοσίμο το̃ φιλτάτο̣ πλεῖστα χαίρειν. ἐρωτηθεὶς ἐπίσχες τοῖς παιδαρίοις {ζ}μου, μή τις 5 αὐτοῖς ὕβρις γένηται.
vac. ἐρρῶσθεί σε εὔχω`μαι´ γλυκύτατε. 1 l. Ζοσίμῳ; l. τῷ 2 l. φιλτάτῳ
„Sabinus dem liebsten Zosimos, ganz viele Grüße. Auf meine Bitte hin hab ein Auge auf meine Sklaven, damit ihnen nichts Böses geschieht58 (oder: damit sie nicht übermütig werden). Ich bete, dass du wohlauf bist, Liebster.“
Noch knapper ist der Text eines Briefes, der auf einem Ostrakon aus Trimithis erhalten geblieben ist und außer Eingangs- und Schlussgruß nur einen Gruß an eine dritte Person enthält – O.Trim. I 317 (ca. 275–350 n. Chr.): Π̣ ετενεφώτης κύριε μου Περπέριος χαί(ρειν). ἀσ̣ πάζομαι Ἄ̣ μμων. ἐρρῶσθέ σ̣ ε̣ εὔχομαι 5 ὑιγένειν πολλοῖς χρόνοις. 1 l. Πετενεφώτῃ 1–2 l. κυρίῳ 3 l. Ἄμμωνα 4 l. ἐρρῶσθαί 5 l. ὑγιαίνειν
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Vgl. auch Richards, Paul 122–140. In diesem Sinne der Hg.: „so that no harm comes to them“ (A. Bülow-Jacobsen in O.Claud. I S. 138). 58
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Papyrusbriefe und 2Kor
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„An Petenephotes, meinen Herrn, Perperios, Gruß. Ich grüße Ammon. Ich bete, dass du wohlauf und gesund bist für viele Jahre.“59
Ein letzter Aspekt im Zusammenhang mit der Brieflänge ist hier noch kurz zu erwähnen: vor dem Hintergrund derart umfangreicher Privatbriefe wie P.Ammon I 3 (mit BL XII 4) ist der Umfang von 2Kor allein noch kein Argument, das zu Teilungshypothesen nötigt.60 Der Brief Ammons zeigt auch keinerlei Anzeichen dafür, dass der Brief in mehreren Etappen geschrieben worden wäre; weder sind entsprechende verbale Hinweise im Brief enthalten, noch lassen Merkmale des Schriftzuges oder der Tinte darauf schließen.
Verständlichkeit des Briefinhalts Schon A. Deissmann hat vor dem Hintergrund der vielen privaten Papyrusbriefe im Hinblick auf 2Kor die Frage gestellt: „Weshalb ist eigentlich der zweite Korintherbrief vielen so überaus schwer verständlich?“ Seine nach wie vor gültige Antwort lautete: „Weil er durch und durch brieflich ist, voll von Anspielungen, die wir zum großen Teil nicht mehr ganz verstehen. Mit seiner ganzen Persönlichkeit hat Paulus diesen Brief geschaffen, die mannigfach sich ablösenden und durchkreuzenden Stimmungen seiner weiten Seele in ihn hineinlegend, tiefe Ergriffenheit und Dankbarkeit gegen Gott, Reformatorenzorn, Ironie und strafende Offenheit gegen die Lästerer.“61 Die Länge eines Briefes steht keineswegs in einem direkten Zusammenhang mit einer klaren und ausführlichen Darlegung des Inhalts. Die vielen Unklarheiten, die so viele Briefe persönlichen Charakters für moderne Bearbeiterinnen und Bearbeiter dieser Texte enthalten, gehören ganz einfach zur Textsorte dazu. Sie sind kennzeichnend für den Kommunikationsprozess, von dem nur die eine Seite erhalten geblieben ist oder nur ein Text, der auf andere, nicht mehr erhaltene Briefe Bezug nimmt. Wie für überaus zahlreiche Papyrusbriefe gilt dies auch für die Paulusbriefe. Der 2Kor ist hier ein besonders gutes Beispiel, da Paulus darin auf einen anderen, nicht erhaltenen Brief (den sog. „Tadelbrief“, vgl. 2Kor 7,8)62 Bezug nimmt und auch Nachrichten aus der christlichen Gemeinde von Korinth nicht erhalten sind. Man kann davon ausgehen, dass den damaligen Briefpartnern (Paulus auf der einen und der Gemeinde in Korinth auf der anderen Seite) alle Inhalte, die im 2Kor angesprochen werden, bekannt und klar waren. Wir hingegen wissen überhaupt nichts Konkretes über die Vorkommnisse, die Paulus in 2Kor 2,5 (und 7,8–12) nur 59
Auf der konkaven Seite findet sich noch die Adresse: [Πε]τ̣ε̣ν̣ ε̣φώτῃ | κύριέ (l. κυρίῳ) μου
Περ|πέριος („an Petenephotes, meinen Herrn, Perperios“). 60 61 62
Zur Frage der Einheitlichkeit von 2Kor siehe ausführlich S. 71–148. Deissmann, Licht 201. Siehe dazu S. 154–158.
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Einleitung
andeutet. Irgendjemand hat ihm (und der Gemeinde) Leid zugefügt, offenbar in einem nicht unbeträchtlichen Ausmaß. In welcher Form dies geschah, worin das Vergehen bestand, darüber sind keine Angaben zu finden. Zum Vergleich sei hier auf BGU IV 1141 (mit Olsson, Papyrusbriefe Nr. 9) verwiesen. Der Papyrus enthält einen vergleichsweise langen Brief bzw. den Entwurf für einen Brief, worauf die vielen Korrekturen hinweisen, die aber aufgrund der vielen Details gleichzeitig nahe legen, dass der Brief selbst danach in ziemlich genau dieser Form abgefasst worden sein dürfte. Vermutlich schreibt hier ein Freigelassener an seinen Patron namens Erotes. Abgefasst wurde das Schriftstück höchstwahrscheinlich im Jahr 14–13 v. Chr. in Alexandria. Der Schreiber nimmt darin Bezug auf einen früheren Brief, der wohl viele Informationen enthielt, die uns zum klareren Verständnis des erhaltenen Stückes fehlen. Ich gebe den Brief im Folgenden mit Ausnahme der letzten, kaum mehr lesbaren Zeilen zur Gänze wieder:63 Ἐ̣ ρ̣ ω̣ τ̣ῆ̣ τ̣ι ̣ πλεῖστα χαί(ρειν). ἔλαβον παρὰ Φ̣ [ι]λ̣ ο̣ ξ̣ [ένου] τ̣ὴ̣ ν̣ [σ]ὴ̣ ν̣ ἐπιστολ(ὴν) μόνην ̣ καὶ [μετὰ] η̣ . . . . . . δ̣ ιε̣ ̣σ̣ τ̣ά̣ μ̣ ε̣θ̣ α̣ ἀφ᾽ ὡς̣ ἀπα̣ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .ω̣ ν. διὸ π̣ ο̣ λ̣ λ̣ ῆ̣ ς̣ [χ]αρᾶς κατέσχον αὐτο̣ ύ̣ [ς . . . . . . . . . . . . . . .] . . . . δ̣ ὲ̣ τούτους ⟦κ̣ . .⟧ ̣ ̣ο̣ ν̣ τ̣α̣ π̣ ρ̣ ά̣ γ̣⟦ἀλλὰ⟧ καὶ τὰ `δ̣ έ̣ο̣ ν̣ τ̣α̣ . . . . . . . . . . . . . . vac . . . . . . . . . .ο̣ υ̣ ποιεῖν´ ⟦ἐ̣π̣ ε̣ίγ μ̣ α̣ τ̣α̣ [ . . . . . .] . . . . .[ . . .] . . ἀ̣ ν̣ α̣ γ̣ρ̣ α̣ φ̣ ο̣ μέναις⟧ 5 κατανθ̣ ρωπίζε̣τ̣[αι]. ἔπεμψας ο̣ ὖ̣ ν [τ]όν τε Φ[ιλόξε]νο(ν) καὶ Ἵλαρον, ἵνα ἐπιγνῶσιν πρὸς ἃ ἔγραψά σοι ἠ ἔστιν ἢ οὐ. κ̣ ε̣κ̣ ε̣τ̣ρ̣ [ίσθ]αι δ̣ ο̣ κ̣ ε̣ῖς̣ ̣, ὅτι μω̣ ρά̣ ντι σοὶ γράψα̣ ι ̣ ἀναγκάζομαι, μηκέτι σοὶ μηθὲν γ̣ρ̣ ά̣ ψ̣ α̣ ι,̣ [ἵνα] νοήσῃς, ὅτι δὲ `ἐν τῇ´ πρώτῃ μου ̣ ̣ ὶ ̣ ἐνφ⟧ ἔργον ἐπιτελῶ{ι} ἐνἐπιστολῇ οὐθὲν ἁμάρτημα ἔνει, ο̣ ὐ̣ δ̣ ὲ̣ [γ]ὰρ ⟦ε̣ἰμ φανιστοῦ, οὐδὲ σὲ γὰρ δοκῶ{ι} εἰς ἐνφα[ν]ιστοῦ τόπον με ἔχειν. ἐρωτῶ 10 σε οὖν καὶ παρακαλῶ{ι} καὶ τὴν Καίσαρος τύ[χη]ν σε ἐξορκίζω{ι} κ̣ α̣ ὶ ̣ [οὕ]τως σὲ ἰδε̣ῖν̣ ̣ ἐλεύθερον ὡς ἐπὶ θυμῶι παρ̣ ενένκας τὴν ἐπιστολ(ήν). ἐρώτα οὓς ἀπέσταλκας καθ᾽ ἕκαστον εἶδος καὶ δέδωκα ἀποδείξεις ἀληθινάς. γελοῖος εἶ δὲ γράφων, ὅτι ἐάν σοι Ἔρως τὸ ἱκανὸν ποήσῃ γράψον μοι καὶ γράψας αὐτῶι ὑβρίσαι με πρὸς γέλωτά μοι τοῦτο ἔγραψας. ἐγὼ μὲν οὐ 15 δοκῶ{ι} ἄξιος εἶναι ὑβρίζεσθαι ⟦ὡς καὶ μαρτυρηθήσεταί σοι ὑπὸ τῶν φίλων⟧ οὐδὲ γὰρ ἡμάρτηκά τι εἰς σέ, οὐδὲ τοῖς σοῖς φίλοις `φανή(σεται) ὑβρίζεσθαί με´ ⟦τὸ ἱκανόν μοι ποιε̣ῖν̣ ̣ ⟧ `⟦φανήσεται⟧ τὸ ἱκανόν σοι ποιοῦντα.´ ⟦τ̣ο̣ ύ̣ τ̣ω̣ ι ὑβρίζεσθαί με⟧. πέποιθα γὰρ ἐματῶι, ⟦ὅτι οὐ κατέλειψα [τό]πον⟧
63 Was Einzelheiten des Textes und die Deutung besonderer Wendungen und Ausdrücke betrifft, verweise ich grundsätzlich auf Olsson, Papyrusbriefe 44–53. Zum Text beachte auch BL III 17 und XI 25 sowie Olsson, Papyrusbriefe Nr. 9, und Papathomas, Bemerkungen 188; die Übersetzung folgt dem korrigierten Text.
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Papyrusbriefe und 2Kor
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⟦ἐ̣μ̣ ὸ̣ ν̣ ⟧ ἀφ᾽ ὡς σοὶ ἐφιλίασα, οὐ κατέλιψα τόπον. ἓν οὔ μοι ἐνκαλέσεις, ε̣ἰ ̣ σὺ μέν μοι καὶ τιμὴν περιτιθεῖς καὶ θέλεις με εἶναι ἀνθρωπ . . . 20 καὶ συνέστησας καὶ συνδούλοις καὶ συνεξελευθέροις, ὅπερ ἐμο̣ ὶ ̣ ̣ ̣ ις̣ παρὰ τὸν χρήματά ἐστιν παρὰ σοὶ κα̣ ὶ ̣ ο̣ ὐ̣ ὑ̣ β̣ ρ̣ ίζ̣ ω{ι} το[ῖ]ς γεγονόσι πλουσίο σύνδουλόν σου καὶ συνεξελεύθερον. ⟦παρ᾽ ἕκαστα δὲ ὁ Ἔρως ὁ̣ σ̣ ὸ̣ ς̣ . . . . .⟧ ⟦ἐνοιδίζει με λέγων⟧ οὐδὲ γὰρ ἐφιλίασά σοι εἰς τὸ ἀφαρπάσαι τι, ἀλλὰ ἡ σὴ ψυχὴ ἐπίσταται, ὅτι ὡς δοῦλος ἐπ᾽ ἐλευθερίᾳ θέλει ἀρέσαι ο̣ ὕ̣ τω 25 κἀγὼ τη⟦ς⟧`ν´ φιλίαν σου ⟦θέλω{ι}⟧ `θέλων´ ἄμεμπτ[ον] ἐματὸν ἐτήρησα ⟦ο̣ ὕ̣ τ̣ω̣ ς̣⟧ ̣ ̣ ν̣ ⟧ γὰρ ὕβριν μοι πεποηκεν ἐν τῷ κήπῳ ⟦ἀ̣ λ̣ λ̣ ὰ̣ μ̣ ε̣τ̣ὰ̣ δούλο̣ υ̣ ἐ̣ρ⟧. `οἵαν´ ⟦ο̣ ἵα κ̣ α̣ ὶ ̣ ἐ̣ν̣
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τῇ οἰκίᾳ Τερεντίου παρόντος καὶ Πριάμου καὶ Φιλοξένου καὶ Ἱλάρου ἠ ἦν δάκρυα σοὶ γράφειν γεγραφήκειν ἂν ἀπ̣ ὸ̣ τῶν δακρύων καὶ ⟦ἐν τῇ Πλατείᾳ⟧ ἀπ̣ ε̣κ̣ ά̣ ρ̣ π̣ ι-̣ σ̣ α̣ ν̣ τὸν ἡμῶν ἐκ τοῦ κήπου δρ̣ ό̣ μ̣ (ον). περὶ ⟦μ̣ ὲ̣ν̣ ⟧ τ̣ο̣ ύ̣ τ̣ω̣ ν̣ διασαφήσουσιν οὓς ἀπέσταλ̣ ̣ ρ̣ α̣ τ̣ιω ̣ ̣ (ν)⟧. κες, ἐάνπερ μὴ θ̣ ελήσωσιν προσχαρίσασθαι συνδούλωι ⟦δ̣ .ε̣ιφ περὶ δὲ Ξύστου μοι γράφεις, ὅτι ἔξω{ι} καχεκτεύεται. ἠ τι μ`ὲν´ ὁ σύνδ̣ ουλος αὐτὸν δυνήσεται συστῆσαι ἐγὼ οὐκ ἐπίσ̣ τ̣α̣ μαι, οὐδὲ γὰρ καθεύδω{ι} ̣ ̣ κ̣ ω̣ {ι}̣ αὐτὸν καθήμενο(ν) ἔσω{ι} ἵνα εἰδῶ{ι}. ἡμέρας δὲ, ἐν αἷς ἀναβαίνω{ι}, εὑρίσ καὶ πειπ̣ ε̣ιζ̣ όμενον κρόκην, καθ᾽ ἡμέραν δὲ τὸν θυλωρὸν ἐξερωτῶ{ι} ̣ ̣ ία ̣ ̣ ς̣ οὐδεπώποτέ μοι ⟦μοι . . .⟧ `ἐσ̣ η̣ ´ . .ν̣ ο̣ ν̣ μή τις ἔξω ὕ̣ πνωκε, καὶ ὁ̣ τ̣ῆ̣ ς̣ ο̣ ἰκ οὐδὲ ἔ̣ξω δεδειπνηκέναι. Ξύστον δὲ ἐπιγνοὺς δεδειπνηκέναι ἔσω ἐν τῇ οἰκίᾳ παρὰ Ἔρωτα δὶς προσελαβόμην αὐτὸν εἰς οἶκον παρ᾽ ἐμὲ καὶ ἐδίδουν αὐτῷ διαστολὰς μηδὲν αὐτῶι καὶ ἐκείνωι εἶναι, εὐλαβῶς ̣ ̣ ίω ̣ ̣ ν̣ ⟦γεγονέναι⟧ ὧν ἔχων `διὰ τὸ´ προε̣γ̣νωκ⟦ως⟧`έναι με´ περὶ τῶν δα̣ κ̣ τ̣υ̣ λ̣ ιδ ἐποησε ὁ Ἔρως, μή τι παραναπείσῃ αὐτὸν εἰς τὸ δηλῶσαί τι ἐν τῶι χειρισμῶι. περὶ δὲ τῆς σκιᾶς φανερόν μοι ἐγενήθη ἐκζητήσαντι `μετὰ τοῦ Φιλοξέ(νου) καὶ Ἱλάρου´ ἠλλάχθαι μὲν τὴν πορφυρᾶν ὑ̣ π̣ ὸ̣ τοῦ Διοδώρου καὶ μὴ δεδωκέναι σοί, πρὸς ὃ ἔδειξέ σοι ̣ ̣ ⟧ τὴν σκιὰν γέροντα ἐρωὑπόδειγμα `διὰ τὸ τὸν´ ⟦τὸν δὲ⟧ κ̣ ρ̣ ύ̣ π̣ τ̣οντα ⟦. . . . ε̣ια τ⟦ασθαι⟧`ηθέντα´ ὑπ᾽ ἐμοῦ `εἰρηκέ(ναι) ἠλλάχθαι αὐτὴ(ν) [κ]α̣ ί ̣ με δὶ[ς] εἰρη(κέναι) αὐτῷ´ διὰ τί ἀπ᾽ ἀρχ̣ ῆς ιτ̣ ̣υ̣ ι ̣ οὐκ ἐνεφάνισας ταῦτα, ἵνα καὶ φιλανθρωπηθῇς; ἔλεγε· ὑ̣ φ̣ εστακώς μοι ἦ ὁ Διόδωρος φιλάνθρωπον δοῦναι, ὃς δὲ οὔτε τοὺς μ[ι]σθούς μοι ἀπέδωκε οὔτε τὸ φιλάνθρωπ(ον)· διὸ ἀνάγκη με ἔσχηκε ἐνφανίσαι. ⟦ἐγὼ{ι} οὖν ἠ̣ ρώτ̣α̣ σ̣ α̣ ⟧`ἐγβασανίσας οὖν´ {οὖν τὸν} ⟦γέροντα μή τε πιστὸς . . . . τ̣η̣ π̣ ρ̣ ο̣ έ̣κ̣ ρ̣ α̣ ζ̣ ε̣ν̣ α̣ ὐ̣ τ̣ῷ̣ εὑρίσκη̣ ι⟧ `ἠρώτων κατ̣᾽ ἰδίαν λάθρᾳ τοῦ Ξύστου θέλων ἐπιγνῶναι, ἠ καὶ ὁ Ξύστος´ συνιστορεῖ. εἶπεν ὁ γέ̣ρ̣ ω̣ ν̣ μ[ὴ] εἰδέναι αὐτὸν τὸ καθόλον περὶ τούτων μηδέν. εἶπα δὲ αὐτῶι· κ̣ α̣ ὶ ̣ χειρογραφῆσαί σε δεῖ περὶ τοῦ μὴ συνειδέναι τούτοις τὸν Ξύστον, ὃς δὲ π̣ ρ̣ ῶ[τον ⟦μὲ]ν̣ α̣ χ̣ συνιστορεῖν ὃς ἂν̣ εί-⟧`[ . . . . . .] α̣ ὐ̣ τ̣ὸ̣ ν̣ τῶι π̣ ή̣ χει χειρογραφῆσαι´ ̣ ̣ α̣ ι ̣ τὸν Δ̣ ιό ̣ ̣ δωρον δ̣ ιὰ ̣ ̣ τ̣ὸ̣ ⟧ `⟦ἐπὶ τῆς παρα . ⟦π̣ η̣ ι ̣ . .ει. . . . . .ν π̣ α̣ ρ̣ α̣ . . . . [ . . . . .] . . .μ̣ ε̣ισ . . . . . . . . . . .⟧´
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Einleitung
Von Z. 53–60 sind nur noch Bruchstücke erhalten.64 6 l. εἰ; μω̣ ρα̣ ντι ed.pr. und Olsson (für lat. moranti) 8 l. ἔνι 21 οὗ oder οὐ ed.pr., οὐ Olsson 18 ἓν δέ μοι ed.pr., ἓν οὔ μοι Olsson65 23 l. ὀνειδίζει 27 l. εἰ 28 γεγραφήκειν ed.pr., γεγραφήκ̣ ̣ α̣ ν̣ Olsson 31 l. εἰ 34 l. πιπιζόμενον, auch πεινιζόμεειν Olsson; ἀπ̣ ε̣κ̣ ά̣ ρ̣ π̣ . .ν̣ ed.pr., ἀπ̣ ε̣κ̣ ά̣ ρ̣ π̣ ισ νον ist möglich (ed.pr.); l. θυρωρόν 48 l. εἰ
„An Erotes, ganz viele Grüße. Ich erhielt von Philoxenos deinen Brief als einzigen … wir vereinbarten(?), seit dem … Deswegen hielt ich sie auch mit großer Freude zurück(?) … und das Nötige … zu tun … wird menschenfreundlich behandelt. Du hast also Philoxenos und Hilaron geschickt, damit sie zu dem, was ich dir geschrieben habe, in Erfahrung bringen, ob es sich so verhält oder nicht. Du scheinst aufgestachelt worden zu sein, dass ich gezwungen bin, dir als einem Dummen zu schreiben, nicht mehr, dir nicht zu schreiben, damit du erkennst, dass in meinem ersten Brief keine Verfehlung steckt, und ich führe nämlich nicht das Werk eines Angebers aus und ich glaube nicht, dass du mich an der Stelle eines Angebers hast. Ich ersuche dich also und bitte dich und beschwöre dich bei der Tyche Caesars, dass du auch so unbefangen siehst, dass du den Brief im Affekt übermittelt hast. Frage die, die du geschickt hast, auf jede Art und Weise, und ich habe dir wahre Beweise gegeben.66 Du bist aber lächerlich, wenn du schreibst: ‚Wenn Eros dir Genüge tut, schreib mir!‘, und nachdem du ihm geschrieben hattest, mich schmählich zu behandeln, schriebst du mir das67 zum Hohn. Ich glaube nicht, dass ich es verdiene, schmählich behandelt zu werden. Denn ich habe keine einzige Verfehlung gegen dich begangen, und deinen Freunden wird es nicht richtig erscheinen, dass ich schmählich behandelt werde, der ich dir Genüge tue. Denn ich bin mir bewusst, seitdem ich dir ein Freund geworden bin, habe ich meinen Platz nicht verlassen. Du wirst mir nichts vorwerfen, wenn du mir auch Ehre zuteil werden lässt und willst, dass ich ein Mensch(?) bin. Und du hast sowohl (meinen) Mitsklaven als auch (meinen) Mitfreigelassenen beigestanden, was für mich Geld68 von deiner Seite ist, und ich verhalte mich nicht ungebührlich gegenüber denen, die reich geworden sind, mit Ausnahme deines Mitsklaven und Mitfreigelassenen69. Ich bin dir ja nicht Freund geworden, um dir etwas zu rauben, sondern deine Seele versteht, dass, wie ein Sklave in der Hoffnung auf Freilassung70 gefallen will, auch ich, weil ich deine Freundschaft wollte, mich tadellos verhielt. Denn welche Beschimpfung er mir angetan hat im Garten und Haus des Terentius in Gegenwart sowohl von Priamos als auch Philoxenos und Hilaros, würde ich, wenn es möglich wäre, dir Tränen zu schreiben, mit Tränen schreiben, und sie haben uns des Weges aus dem Garten beraubt(?). Darüber werden dich die, die du geschickt hast, aufklären, wenn sie nicht einem Mitsklaven zu Gefallen sein wollen. Über Xystos aber schreibst du mir, dass er draußen krank ist. Ob ihm der Mit64
Siehe W. Schubart in BGU IV S. 259. Die Lesung ἓν οὔ (statt ἓν δέ, so in der ed.pr.) hat mir auch G. Poethke nach Überprüfung am Original bestätigt. 66 Wohl im Sinne von „und du wirst erkennen, dass das, was ich dir geschildert habe, wahr ist.“ 67 Gemeint ist wohl der zitierte Satz „Wenn Eros dir Genüge tut, schreib mir!“. 68 Im Sinne von Bezahlung oder Lohn. 69 Gemeint ist der Mitsklave und Mitfreigelassene des Briefsenders; dieser war natürlich – so wie der Briefsender – ein Sklave und Freigelassener des Adressaten. 70 Vgl. Preisigke, Wörterbuch s. v. ἐλευθερία. 65
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sklave irgendwie wird beistehen können, weiß ich nicht, denn ich schlafe nicht drinnen, dass ich es weiß71. Aber die Tage, an denen ich hinaufgehe, finde ich ihn sitzend und den Faden benetzend(?)72, und täglich frage ich den Türhüter aus, ob etwa jemand draußen geschlafen hat, und der … des Hauses … niemals mir … und nicht draußen gegessen zu haben. Aber als ich erkannte, dass Xystos drinnen im Haus bei Eros zwei Mal gegessen hatte, nahm ich ihn ins Haus zu mir beiseite und gab ihm Befehle, nichts mit jenem zu schaffen zu haben – wobei ich mich vorsichtig verhielt, weil ich vorher über die Ringe, die Eros gemacht hatte, erfahren hatte, – damit er ihn nicht dazu verleitet, etwas über die Angelegenheit73 zu sagen. Bezüglich des Gewandbesatzes74 aber wurde mir bei meinen Nachforschungen gemeinsam mit Philoxenos und Hilaros klar, dass der Purpur von Diodoros vertauscht worden war und er dir nicht entsprechend dem Muster, das er dir gezeigt hatte, geliefert hatte, weil der Alte, der den Gewandbesatz versteckt hatte und von mir gefragt wurde, sagte, dass er vertauscht worden sei, und ich zweimal(?) sagte: ‚Weshalb hast du das nicht von Anfang an … angegeben, damit du auch eine Gratifikation bekommst75?‘ Er sagte: ‚Diodoros hatte mir versprochen, eine Gratifikation zu geben, aber er gab mir weder den Lohn noch die Gratifikation; deswegen war ich gezwungen, es anzugeben.‘ Ich verhörte ihn also und fragte ihn alleine, heimlich vor Xystos, weil ich wissen wollte, ob auch Xystos Mitwisser ist. Der Alte sagte, dass er76 überhaupt nichts darüber wüsste. Ich sagte ihm aber: ‚Es ist auch notwendig, dass du eine schriftliche Erklärung abgibst darüber, dass Xystos von diesen Dingen nichts wusste77, der zuerst …‘“78.
Der Text ist über weite Strecken hin in vorwurfsvollem Ton verfasst. Der Schreiber ist offensichtlich bei seinem Adressaten verleumdet worden und versucht nun, sich dagegen zu verwehren. Über den genaueren Inhalt und die eigentlichen Zusammenhänge kann allerdings nur Rudimentäres ausgesagt werden:79 Der namentlich nicht genannte Absender beklagt sich zunächst sehr ausführlich über Misstrauen und schlechte Behandlung (worin diese bestanden hat, ist unklar); sein Patron hat einen Philoxenos und einen Hilaros geschickt, um Angaben aus dem früheren Schreiben des Absenders zu überprüfen (um welche Vorfälle oder Angaben es geht, ist wieder unklar). Im Rahmen seiner Klage äußert der Briefsender auch grundsätzliche Gedanken über das Verhalten eines Sklaven gegenüber seinem Herrn. Danach berichtet er über eine Beschimpfung, die ihm im Garten und Haus eines gewissen Terentius von
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Gemeint ist: dass ich es wissen könnte. Beachte Olsson, Papyrusbriefe 51: „Vermutlich handelt es sich um Weben oder Spinnen.“ 73 Mit χειρισμός wird üblicherweise eine „Verwaltung“ oder „Leitung“ bezeichnet. Hier ist vermutlich die Aufgabe des Briefsenders betreffend den Sklaven Xystos gemeint, mit der er von seinem Patron betraut wurde. 74 Zu dieser Bedeutung von σκιά beachte BL VIII 42. 75 Zu dieser Bedeutung von φιλανθρωπέω und zum folgenden φιλάνθρωπον beachte Olsson, Papyrusbriefe 52–53. 76 Gemeint ist Xystos. 77 Wörtlich: „dass Xystos mit diesen Dingen nicht Mitwisser war“. 78 Wo die direkte Rede genau endet, ist unklar. 79 Siehe dazu bes. Schubart, Urkunden 131. 72
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einem Mitsklaven und Mitfreigelassenen widerfuhr, und zwar in Anwesenheit von Priamos, Philoxenos und Hilaros (worin diese Beschimpfung oder Beleidigung bestand, ist erneut unklar). Beachtenswert ist das mit 2Kor 2,4 vergleichbare Motiv, unter Tränen zu schreiben. Weiters berichtet der Briefsender über seine Beaufsichtigung eines Sklaven und schließlich über den Besatz eines Gewandes, der offenbar vertauscht worden war. W. Schubart bemerkt zum ganzen Schreiben abschließend: „Der Gesamteindruck des Briefes ist der einer großen Klatscherei und Angeberei in den Kreisen des Briefschreibers.“80 Abgesehen von ganzen Briefen, deren Hintergründe und Zusammenhänge für uns heute oft im Dunkeln bleiben, können natürlich auch einzelne Briefabschnitte so knapp formuliert sein, dass wir heute nicht mehr verstehen, worum es dabei überhaupt geht, während die antiken Briefpartner mit dem Inhalt offenbar keinerlei Problem hatten. Ein ausgewähltes Beispiel findet sich in einem Geschäftsbrief aus dem 3. Jh. n. Chr.: Konkret handelt es sich bei P.Oxy. VI 936 um den Begleitbrief zu einer Warenlieferung eines gewissen Pausanias an seinen Vater Iulius Alexandros. Nachdem der Schreiber die verschiedenen Waren aufgezählt hat, die er durch drei verschiedene Boten (einer von ihnen ist der Briefüberbringer) liefern lässt, erwähnt er unvermittelt – Z. 17–20: ὁ ἠπητὴς λέγει ὅτι οὐ δίδω οὔτε τὸν χαλκὸν | οὔτε τὸ φαινόλιν ἄτερ Ἰούστου, λέγει γὰρ | ὅτι οὔπω λελύτρωται τὸ φαινόλιν οὐδὲ | Φιλόξενον ὅλ᾽ ἐξ ὅλων οὐχ̣ εὗρον („der Schneider sagt: ‚Ich gebe weder das Geld noch den Kapuzenmantel ohne Iustus‘, denn er sagt: ‚Der Kapuzenmantel ist noch nicht ausgelöst, und Philoxenos habe ich überhaupt nicht gefunden‘“).81 Kein einziges Detail dieses Abschnitts ist für heutige Leserinnen und Leser unmittelbar verständlich, und der Kontext hilft in keiner Weise weiter, da auch dort nichts über die genannten Personen, das Geld oder den Kapuzenmantel ausgesagt wird. Wir wissen nicht, in welchem Verhältnis der namentlich nicht genannte Schneider zum Briefsender oder dessen Vater steht, um wen es sich bei Iustus und Philoxenos handelt, wofür das Geld gegeben werden soll, wer den Kapuzenmantel auszulösen und wer ihn zu erhalten hätte, welche Funktion Iustus genau hat und was Philoxenos mit der ganzen Sache zu tun hat, falls er überhaupt in die Angelegenheit involviert ist.
Wenn uns – als den späteren Leserinnen und Lesern der Paulusbriefe – also immer wieder einzelne Informationen, Abschnitte oder Details unklar bleiben, so ist das keineswegs als Mangel des entsprechenden paulinischen Briefes zu sehen, sondern als natürliches Merkmal des Briefes an sich.
80
Schubart, Urkunden 131. Den Hinweis auf diesen Papyrus sowie die Übersetzung des Abschnitts verdanke ich Ch. M. Kreinecker (Salzburg). 81
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Papyrusbriefe und 2Kor
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Zum Sprach- und Bildungsniveau von Absenderinnen und Absendern Was das Sprachniveau einer Briefschreiberin oder eines Briefschreibers betrifft, sind enorme Unterschiede feststellbar. Als Beispiel für die relativ einfache Sprache eines Jungen soll hier P.Oxy. I 119 (mit BL I 316, II.2 93, III 129 und IV 58) wiedergegeben werden, „der freche Wisch des Knaben Theon“82, der im 2. oder 3. Jh. n. Chr. in Oxyrhynchos geschrieben wurde: Θέων Θέωνι τῷ πατρὶ χαίρειν. καλῶς ἐποίησες οὐκ ἀπένηχές με μετ᾽ ἐσοῦ εἰς πόλιν. ἠ οὐ θέλις ἀπενεκκεῖν μετ᾽ ἐσοῦ εἰς Ἀλεξάνδριαν οὐ μὴ γράψω σε ἐ5 πιστολὴν οὔτε λαλῶ σε οὔτε υἱγένω σε, εἶτα ἂν δὲ ἔλθῃς εἰς Ἀλεξάνδριαν οὐ μὴ λάβω χεῖραν παρὰ [σ]οῦ οὔτε πάλι χαίρω σε λυπόν. ἂμ μὴ θέλῃς ἀπενέκαι μ[ε] ταῦτα γε[ί]νετε. καὶ ἡ μήτηρ μου εἶπε Ἀρ̣ 10 χελάῳ ὅτι ἀναστατοῖ με· ἆρρον αὐτόν. καλῶς δὲ ἐποίησες δῶρά μοι ἔπεμψε[ς] μεγάλα, ἀράκια. πεπλάνηκαν ἡμῶς ἐκε[ίνῃ] τῇ ἡμέρᾳ ιβ ὅτι ἔπλευσες. λυπὸν πέμψον εἴ[ς] με παρακαλῶ σε. ἂμ μὴ πέμψῃς οὐ μὴ φά15 γω, οὐ μὴ πείνω· ταῦτα. ἐρῶσθέ σε εὔχ(ομαι). Τῦβι ιη.
Verso ἀπόδος Θέωνι [ἀ]π̣ ὸ Θεωνᾶτος υἱῶ. 2 l. ἐποίησας; l. ἀπένεγκάς 3 l. εἰ; l. θέλεις; l. ἀπενεγκεῖν 4 l. σοι 5 l. σοι; l. ὑγιαίνω 7 l. χεῖρα; l. πάλιν 8 l. λοιπόν; l. ἄν; l. ἀπενέγκαι 9 l. γίνεται 10 l. ἆρον 11 l. ἐποίησας; l. ἔπεμψα[ς] 12 l. ἡμᾶς 13 ὅτι l. vielleicht ὅτε; l. ἔπλευσας; l. λοιπόν 14 l. ἄν 15 l. πίνω 16 l. ἐρρῶσθαί 18 l. υἱοῦ
In der folgenden Übersetzung versuche ich, die sprachlichen Eigenheiten des griechischen Textes auch auf Deutsch sowohl morphologisch als auch syntaktisch wiederzugeben: „Theon an Theon, den Vater, Grüße. Schön hast das gmacht; nicht mitgnomen hast mich mit dir in die Stadt. Wänn du mich nicht mit dir nach Alexandria nemen wiellst, dann schreibe ich dich sicher nicht83 einen Brief und ich rede nicht mit dich und wünschne dich nicht Gesundheit. Wenn du nach Alexandria gehst, nehme ich keinen Hand von dir und grüße dich ni wider. Wenn du mich nicht mitnemen willst, dann pah82
So Deissmann, Licht 195. Die emphatische Verneinung mit οὐ μή und Konjunktiv (besonders häufig Konjunktiv Aorist wie hier in Z. 4 οὐ μὴ γράψω und Z. 14–15 οὐ μὴ φάγω) ist schon im Klassischen Griechisch bekannt, besonders häufig aber in den dokumentarischen Papyri der Koine bezeugt (vgl. Moulton/Turner, Grammar III 96, mit einigen weiteren Belegen). 83
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Einleitung
sirt das. Und meine Mutter hat zu Archelaos gesagt: ‚Er macht mich noch wahnsinnig; nimm ihn forrt!‘ Schön hast das gmacht. Geschenke hast mir gschickt, große – Erbslein. In die Irre geführt haben sie unz an jenem Tag, am 12., als du abgreist bist. Jätzt schick doch nach mir, ich bitte dich. Wenn du nicht nach mir schickst, esse ich nicht und trienke ich nicht. So ist das. Ich bete, dass es dir gut geet. 18. Tybi.“ Verso: „Überbringe dem Theon von Theonchen, dem Sohn.“
Unbedingt zu beachten ist, dass sich die Situation und die Zusammenhänge recht genau rekonstruieren lassen.84 Der Brief bedarf hier eigentlich keines weiteren Kommentars. Im Unterschied dazu ist in dem oben zur Gänze wiedergegebenen Brief BGU IV 1141 eine deutliche Neigung des Schreibers zu komplexen Konstruktionen (z. B. Z. 40–46) und seltenen Ausdrücken zu erkennen. Einige davon sind bisher nur hier bezeugt: κατανθρωπίζω („menschenfreundlich behandeln“, Z. 5), παραναπείθω (wohl gleichbedeutend mit παραπείθω in der Bedeutung „verführen“, Z. 40). Manche Begriffe, die häufig vorkommen, tragen hier eine seltene Bedeutung, z. B. σκιά („Schatten“, hier aber „Gewandbesatz, Saum“), φιλανθρωπέω („menschenfreundlich behandeln“, hier aber „Gratifikation geben“, φιλανθρωπέομαι also im Sinn von „eine Gratifikation bekommen“, Z. 45)85 und substantiviertes φιλάνθρωπον („freundliche Behandlung“, in den Papyri „als Bezeichnung einer Steuer für den Dorfschreiber … und auch eine Einnahme der Priester“86, hier aber als „Gratifikation“). Dies lässt sich nur dadurch erklären, dass das Bildungs- und Sprachniveau des Schreibers überdurchschnittlich hoch waren. Dass er vielleicht – wie W. Schubart und B. Olsson angenommen haben – „mehr lateinisch als griechisch denkt“87, ist dazu keineswegs ein Widerspruch. Einen eigentümlichen gehobenen Stil weisen auch die Briefe eines gewissen Heliodoros auf, der zu einer wohlhabenden Familie mit großen Landbesitzungen im Hermopolites gehörte. Insgesamt sind von ihm zwölf Briefe erhalten, die einem nach seinem Bruder Eutychides benannten Archiv angehören,88 aber alle mehr oder weniger große Lücken aufweisen. Als Beispiele sollen hier die Reste von zwei Briefen des Heliodoros wiedergegeben werden, die zwischen 90 und 133 n. Chr. verfasst wurden. Tatsächlich erhalten sind die Abschriften dieser Briefe, die vermutlich vom Verfasser selbst stammen. Beachtenswert ist, dass Heliodoros in beiden Schriftstücken seine Ausdrucksweise ganz persön84 Ein ähnliches Beispiel mit verständlichem Inhalt, aber vielen Verschreibungen ist SB XIV 11585 mit BL IX 274 (7. Juli 59 n. Chr.), der geschäftliche Brief einer gewissen Thermuthis an einen Nemesion. 85 Vgl. Olsson, Papyrusbriefe 52–53. 86 Olsson, Papyrusbriefe 52. 87 W. Schubart in BGU IV S. 257 und im Anschluss daran Olsson, Papyrusbriefe 49. 88 Eutychides war der letzte Besitzer des Archivs, ediert als P.Sarap.; von dessen Hg. wurde es fälschlicherweise nach dem Vater Sarapion benannt. Zu diesem Archiv siehe ferner Kehoe, Management 67–72.
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Papyrusbriefe und 2Kor
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lich gestaltet, aber dennoch variiert, obwohl es eigentlich um dieselbe Mitteilung geht: zu versichern, dass ihm der briefliche Kontakt mit den Familienangehörigen sehr am Herzen liegt. In P.Sarap. 85 schreibt Heliodoros an seinen Vater. Der Papyrus ist unterhalb von Z. 12 abgebrochen (von einer zweiten Kolumne sind jeweils nur ein oder zwei Buchstaben am Beginn der Zeilen erhalten, die hier nicht wiedergegeben werden).89 Beachtenswert ist die gewählte Ausdrucksweise des Heliodoros, um dem Vater gegenüber zu versichern, wie sehr ihm der regelmäßige Kontakt am Herzen liegt. Von der Beteuerung, auch dann gerne dem Vater zu schreiben, wenn es gar keine Neuigkeiten zu erzählen gibt, leitet der Verfasser gekonnt zu der Bemerkung über, dass es über ihre (wohl geschäftlichen) Angelegenheiten auch tatsächlich nichts Neues zu berichten gibt. Ἡλι[όδωρος] Σαρα[πί]ω̣ ν̣ ι τῶι πατρὶ χαίρειν. μόλις ποτὲ λαβών σου τὴν ἐπιστολὴν ἥσθην ὅτι ἔρρ[ω]σαι κατὰ τὰς εὐχὰς ἡμῶν. 5 ἐγὼ δὲ αἰεὶ δι᾽ ὧν ἄν εὑρῶ ἀναπλεόντων χαίρων σε ἀσπάζομαι καὶ ὅταν μηδὲν ἐνῆν καινότερόν σοι δηλῶσαι. περὶ μὲν οὖν τοῦ πράγματος οὔπω μοι οὐδὲν καινότερον γινώσκεται, περὶ δὲ τῶν ἄλ10 λων ταῦτα λαλεῖται ὅ̣ τι ἐὰν ἱκανὴ ἀνά̣ βασις γένηται στρα̣ [ . . . .] μεθίστα̣ [ν]ται καὶ βασιλικοὶ .[ . . . . . . . .].α.ιωνος ἐπε-
„Heliodoros dem Vater Sarapion, Gruß. Kaum einmal, dass ich deinen Brief erhielt, freute ich mich, dass du wohlauf bist gemäß unseren Gebeten. Und ich freue mich immer, wenn ich Leute finde, die stromaufwärts segeln, durch die ich dich grüßen lasse, auch wenn es nichts Neues gibt, um es dir zu berichten. Über die Angelegenheit (vielleicht im Sinne von: unsere Geschäfte) also ist mir noch nichts Neues bekannt geworden, über die übrigen Dinge wird das erzählt, dass, wenn ein erfolgreicher Vorstoß90 geschieht …“.
P.Sarap. 89 ist ein Brief an den Bruder Phibas.91 Vollständig erhalten sind die ersten zwölf Zeilen, nach weiteren vier sehr lückenhaft erhaltenen Zeilen bricht der Papyrus92 ab. Der Stil spricht wieder für sich. 89 Vgl. P.Bad. II 36; Foto im Internet: (1. März 2013). 90 Zur Übersetzung vgl. Preisigke, Wörterbuch s. v. ἀνάβασις 5). Die Ergänzung στρα[τιᾶς] von F. Bilabel in P.Bad. II 36 für Z. 11 wird von J. Schwartz abgelehnt (vgl. P.Sarap. S. 232). Von da her ist auch unsicher, inwiefern der Text mit der Bewegung römischer Truppen zur Niederschlagung der jüdischen Revolte in Ägypten in den Jahren 115–117 n. Chr. zu tun hat (siehe dazu – allerdings basierend auf der Textrekonstruktion von F. Bilabel – V. A. Tcherikover und A. Fuks in C.Pap.Jud. II S. 240–242). 91 Es handelt sich um die dritte Kolumne auf einem Papyrusblatt, auf dem außerdem die Abschriften von zwei weiteren Briefen des Heliodoros erhalten sind, nämlich P.Sarap. 87 (in der
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15 ̣
Ἡλιόδωρος Φιβᾷ τῶι ἀδελφῶι χαίρειν. πλεῖον ὑμῶν ἥ̣ δομαι λαμβανόντων ἅ[ς] ἂν ἀποστείλω ἐπιστολὰς γράφων ἀσπασ̣ [ό]μ̣ ε̣ν̣ ο̣ [ς] ὑμᾶς. διὸ ἐφεδρεύω̣ ν τοῖς ἀναπλεύουσι ἑκάσ̣ τ̣ωι ἐπιβαρῶ διακ[ο]μίσαι ὑ̣ μ̣ [ῖν] π̣ [ί]στιν τοῦ μὴ ἐπ̣ [ι]λ̣ α̣ ν̣ θάνεσ̣ θ̣ α̣ ι ̣ [ὧν πρ]οσ̣ ῆκεν [ . . . . . . . .] ἀλλὰ θεοὶ σ̣ ώζοιεν̣ ἡ̣ [μ]ᾶς ἀπροσκόπ̣ ο[υ]ς ε.ο[ . .].σ.ινδ[ . .]ι[ .] ν.υξα. . . . .νου[ - - - ]
[ - - - ].[ - - - ]
„Heliodoros dem Bruder Phibas, Gruß. Mehr als ihr, wenn ihr die Briefe, die ich sende, empfangt, freue ich mich darüber, sie zu schreiben und euch dabei zu grüßen. Deshalb bin ich auf diejenigen bedacht, die flussaufwärts segeln,93 und belästige jeden damit, euch eine Garantie dafür zu übermitteln, dass ich nicht vergesse, was sich gehört … Aber die Götter mögen uns unversehrt94 bewahren …“
Als Schlussfolgerung kann festgestellt werden: Die untersuchten Merkmale (Brieflänge, Verständlichkeit des Inhalts, Sprach- und Bildungsniveau) sind in ihrer besonderen Ausprägung nicht an einen bestimmten Brieftyp oder gar an eine ganze Kategorie von Briefen (Brief persönlichen Charakters vs. literarischen Brief) gebunden. Sie kommen da wie dort vor und sprechen somit gegen eine scharfe Abgrenzung zwischen „privaten“ und „literarischen“ Briefen. Demgegenüber erscheint es sinnvoller, generell von „Briefen“ zu sprechen, die im Einzelnen die verschiedenen Merkmale und Aspekte in unterschiedlich ausgeprägter Form aufweisen. Allen gemeinsam ist, dass es sich um ursprünglich echte Gebrauchsschriften oder Gelegenheitsschreiben handelt, die für die angegebenen Adressatinnen und Adressaten bestimmt waren. Wie der Vergleich mit Papyrusbriefen zeigt, nimmt Paulus auch bezüglich seines Sprach- und Bildungsniveaus keine einzigartige Position ein. Dass er sich aufgrund der gehobenen Sprache und der Länge der meisten seiner Briefe ersten Kolumne) und 88 (in der zweiten Kolumne). A. Deissmann hat dafür den Ausdruck „Kopialbuch“ geprägt (siehe Deissmann, Licht 200). 92 Der Brief ist gemeinsam mit P.Sarap. 87 und 88 auf einem Papyrus erhalten (als Kolumne III); Foto im Internet: (1. März 2013). 93 Also offensichtlich dorthin, wo Phibas wohnt. 94 Gemeint sein könnte auch „nicht verletzend, unanstößig“; weitere Belege für beide Bedeutungen bietet R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 379.
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Papyrologisches zur Frage der Einheitlichkeit des 2Kor
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vom Gros der privaten Briefschreiberinnen und Briefschreiber abhebt, ist unbestritten. Dies gilt aber z. B. auch für den Anwalt Ammon aus Panopolis (vgl. die oben zitierten Passagen aus P.Ammon I 3), für Heliodoros, den Sohn Sarapions, für den Schreiber von BGU IV 1141 oder für einen gewissen Ammonios, den Absender von P.Oxy. XLII 3057 (1./2. Jh. n. Chr.)95. Auch auf P.Oxy. LXXIII 4959 (2. Jh. n. Chr.; zu diesem Brief siehe ausführlicher unten S. 352)96 und P.Pintaudi 55 (spätes 3./1. Hälfte 4. Jh. n. Chr.) ist zu verweisen.97
Papyrologisches zur Frage der Einheitlichkeit des 2Kor Die Frage der Einheitlichkeit des 2Kor gehört zu den meist diskutierten und umstrittensten im Zusammenhang mit dieser ntl. Schrift, und der 2Kor gilt nach wie vor als Musterbeispiel für Teilungshypothesen.98 In der handschriftlichen Textüberlieferung hat sich kein einziger Hinweis darauf niedergeschlagen, der 2Kor sei in der vorliegenden Form womöglich erst sekundär aus meh95 Der vollständige Brief ist u. a. wiedergegeben bei Arzt-Grabner, Philemon 61–63; dort auch (in Anm. 18) Literatur zur umfangreichen Diskussion, ob es sich hierbei um den ältesten christlichen Brief handelt; siehe dazu ferner Winter, Christentum 60–69; Naldini, Contributi 1022–1023; Wipszycka, Papyrus 1310–1312; Blumell, Is P.Oxy. XLII 3057 the Earliest Christian Letter?; Luijendijk, Greetings 29 (mit Literatur in Anm. 17); Minehart, P.Oxy. XLII 3057: Letter. 96 Dass es sich bei dem Absender von P.Oxy. XLII 3057 um denselben wie von LXXIII 4959 handeln könnte, erwägt Minehart, P.Oxy. XLII 3057: Letter 546–547 97 P.Oxy. LXXIII 4959 wird auch von Arzt-Grabner, Papyrologie 20–23, zur Gänze wiedergegeben. Die genannten Beispiele füllen auch ein Desiderat, das Bauer, Paulus 99, erhoben hat: „Um Aussagen über den ‚gewöhnlichen‘ Briefstil von Mitgliedern der gebildeten höheren Schichten treffen zu können, bedarf es einer breiteren Basis; dazu wäre es nötig, die erhaltenen Papyrusbriefe dahingehend zu untersuchen, ob sich unter ihnen mit einiger Sicherheit solche Briefe identifizieren lassen, die von gebildeten Verfassern stammen“. Außerdem zeigen derlei Beispiele, dass das, was Dormeyer, Letter-Formula 71, über christliche Briefschreiber (gemeint sind offenbar neutestamentliche) gesagt hat („Thus it is […] typical Christian style to lay out a literary letter according to the rules of literary Koine and artistic prose, and combine it with the stereotypical parts of a private letter, which would be laid out according to the rule of oral Koine. […] An original type was now created by the Christian writers: the Christian literary letter“), grundsätzlich für gebildete griechisch-römische Briefschreiber gilt und nicht als typisch christlich und als von christlichen Schreibern geschaffen angesehen werden kann. 98 Vgl. z. B. Keener, Cor 146: „… if such approaches work anywhere in the Pauline corpus, it would be in 2 Corinthians“; ähnlich Schmeller, 2Kor 20: „Während die Exegese des vorigen Jahrhunderts literarkritisch sehr produktiv war und eine unglaubliche Fülle raffinierter Teilungstheorien hervorgebracht hat, wird heute bei den meisten Paulusbriefen eher mit Einheitlichkeit gerechnet. Eine Ausnahme ist der 2Kor. Hier tendiert der exegetische Mainstream nach wie vor zur Annahme einer Briefkompilation.“ Für eine Übersicht siehe vor allem Bieringer, Teilungshypothesen; Betz, 2. Korinther 25–77; Thrall, 2Cor 3–49; Mitchell, Letters 317–335; Vegge, 2 Corinthians 12–22; einen guten systematisierenden Überblick bietet Schmeller, 2Kor 21–36 (mit eigener Auswertung S. 36–38).
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Einleitung
reren ursprünglich separaten Paulusbriefen zusammengestellt worden. Die bekanntesten Beispiele für die textkritische Evidenz einer späteren Komposition oder Redaktion sind der kanonische Mk-Schluss (Mk 16,9–20) und die Perikope von der Ehebrecherin in Joh 7,53–8,11.99 Dass eine derartige Evidenz für 2Kor nicht vorliegt, bedeutet, dass eine eventuelle Komposition aus mehreren Briefen in einem sehr frühen Stadium des Sammelns und Publizierens der Paulusbriefe stattgefunden haben müsste, womöglich an dessen Beginn. Im Verlauf literarkritischer Forschungen am 2Kor meinte man, in der kanonischen Fassung bis zu sieben separate Paulusbriefe100 identifizieren zu können. Für derartige Ansätze wurden und werden folgende Beobachtungen ins Treffen geführt: ein abrupter Wechsel im Ton zwischen Kap. 1–9 und 10–13, die Unterbrechung des Reiseberichts von 2,12–13 (dieser wird erst mit 7,5–16 fortgesetzt), eine plötzliche Unterbrechung des Gedankengangs in 6,14–7,1 (außerdem finden sich in diesem Abschnitt gehäuft Begriffe und Gedanken, die innerhalb der Paulusbriefe nur hier vorkommen), die Verdoppelung der Aussagen zur Kollekte in Kap. 8 und 9 sowie widersprüchliche Aussagen des Paulus über sein Vertrauen in die Gemeinde (7,16 gegenüber 11,19–21 und 12,20–21). In der neueren Paulusforschung scheint sich zunehmend die These durchzusetzen, „dass 2Kor 1–9 als kohärente briefliche Einheit mit dem Ziel der Aussöhnung zwischen Apostel und Gemeinde zu würdigen ist, von der sich 2Kor 10–13 aufgrund des deutlich verschärften Tones und der Polemik abhebt und so auf eine andere situative Verortung hinweist“101. Relativ breiten Zuspruch findet auch eine Fünf-Briefe-Hypothese, die sich – basierend auf den Arbeiten von M. Mitchell102 und aufgrund chronologischer Argumente – folgendermaßen darstellt: – 2Kor 8 sei kurz nach 1Kor geschrieben worden, um die Kollekte zu einem Abschluss zu bringen. – Zweifel an seinen Kompetenzen hätten Paulus dazu veranlasst, den apologetischen Brief 2Kor 2,14–7,4 zu schreiben (ohne 6,14–7,1 – dieser Abschnitt wird für eine spätere Interpolation gehalten). – Nach dem Eklat beim sog. „Zwischenbesuch“ habe sich Paulus nach Ephesos zurückgezogen und von dort 2Kor 10,1–13,10 geschrieben, um seinen
99 Auch im Falle der Cicero-Briefe sind z. T. Unterschiede in der handschriftlichen Überlieferung feststellbar, obwohl diese im Vergleich zu den Paulusbriefen nicht allzu umfangreich ist; vgl. Schmeller, Cicerobriefe 197 Anm. 58: „Es gibt jedenfalls, bes. in den Atticusbriefen, eine Reihe von Fällen, in denen eine Gruppe von Handschriften denselben Text als einen Brief hat, den eine andere Gruppe als zwei oder drei Briefe bietet. An manchen Stellen scheinen Handschriften frühere Kompilationen rückgängig gemacht zu haben (so z. B. Ad Att. 9,11; 10,9; 10,17)“. 100 So Schmithals, Briefe 19–85; in beiden kanonischen Korintherbriefen sind nach Schmithals die Reste von insgesamt 13 separaten Briefen enthalten. 101 Gielen, Paulus 84 Anm. 23 (mit Literaturhinweisen und kurzer Diskussion des Forschungsstandes). 102 Mitchell, Correspondence 20–23; dies., Letters 321–335. Siehe auch Roetzel, 2Cor 30– 33.
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Papyrologisches zur Frage der Einheitlichkeit des 2Kor
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Anspruch als Apostel zu rechtfertigen und die „Superapostel“ sowie deren Gefolgsleute direkt anzugreifen. Den Brief habe Titus überbracht, mit dem Paulus nach dessen erfolgreicher Mission in Makedonien zusammengetroffen sei. – Von Makedonien aus habe Paulus dann den „Versöhnungsbrief“ geschrieben, der in 2Kor 1,1–2,13; 7,5–16; 13,11–13 erhalten sei. – Danach habe Paulus noch 2Kor 9 an alle Gemeinden in Achaia geschrieben, um das Kollektenprojekt zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen.103 Versuche, eine bereits ursprüngliche Einheitlichkeit des 2Kor zu begründen,104 gehen meist in die Richtung, die textlichen Spannungen, Unterbrechungen und Einschübe mit dem Kontext zu harmonisieren, also in den jeweils anderen Abschnitten des Briefes ähnliches Gedankengut oder – wenigstens ansatzweise – einen vergleichbaren Tonfall des Autors festzumachen. H.-J. Klauck und Th. Schmeller haben die Diskussion insofern auf eine neue Ebene gehoben, als sie die umfangreiche Sammlung der Cicerobriefe zu einem Vergleich mit den Paulusbriefen herangezogen und somit erstmals versucht haben, Kompilationsprozesse an dieser zeitlich vergleichbaren Briefsammlung zu studieren105 und Rückschlüsse für die Kompilationstheorien, die für einige Paulusbriefe – insbesondere den 2Kor – erwogen werden, zu ziehen.106 In diesem Zusammenhang hat H.-J. Klauck die Vermutung geäußert, dass ein Grund dafür, dass derartige Vergleichsstudien bisher vernachlässigt wurden, in der „difficulty of identifying material suitable for comparisons“107 liegen mag. Und er fährt fort: „It is obvious that we cannot use single letters for this task. The papyrus letters, to which New Testament exegesis since Deissmann’s days has rightly paid so much attention, will not assist us here.“108 103 Darüber hinaus gibt es Sonderformen wie die von D. Trobisch postulierte Autorenrezension, wonach Paulus selbst den 2Kor aus ursprünglich vier separaten Briefen in chronologischer Reihenfolge zusammengestellt habe (so Trobisch, Entstehung 123–128; ders., Paulusbriefe 116– 124); siehe dazu unten S. 138. 104 Derartige Versuche haben in den letzten Jahren wieder deutlich zugenommen (siehe z. B. Bieringer, Plädoyer; Matera, 2Cor 29 mit Anm. 24; Harris, 2Cor 42; Vegge, 2 Corinthians); verstärkt werden dafür rhetorische Erklärungen vorgebracht, z. B. Amador, Revisiting 2 Corinthians. 105 Unter den 864 Cicerobriefen konnte Klauck etwa 50 bis 60 Briefe ausmachen (zur Liste siehe Klauck, Compilation 137–139; vgl. Schmeller, Cicerobriefe 189–190), in denen neuzeitliche Texteditoren mit mehr oder weniger stichhaltigen Argumenten Kompilationsprozesse entdeckt haben. 106 Siehe Klauck, Compilation; Schmeller, Cicerobriefe (vgl. ders., 2Kor 34–36). Zuvor wurde eher selten auf die Ignatiusbriefe oder den Polykarpbrief verwiesen (siehe die Literaturangaben bei Schmeller, Cicerobriefe 182 Anm. 5), gegen deren Vergleichbarkeit sich aber Becker, Schreiben 73–75, ausgesprochen hat. Ähnliches gilt für außerchristliche Briefe (siehe die Angaben bei Schmeller, Cicerobriefe 183 Anm. 6). Aus verschiedenen Gründen bleibt aber nach Schmeller, Cicerobriefe 183, „eigentlich nur Cicero zum Vergleich mit Paulus übrig“. 107 Klauck, Compilation 132. 108 Klauck, Compilation 132.
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Diese Feststellung ist insofern richtig, als die zahlreichen Papyrusbriefe keine direkten Belege für Kompilationsprozesse bieten und aus papyrologischer Sicht, der ich mich entsprechend der Anlage dieses Kommentars verpflichtet fühle, nicht zu erwarten ist, dass ich damit eine eindeutige Entscheidung für oder gegen die Einheitlichkeit des 2Kor fällen könnte. Insbesondere zu Argumenten, die auf rekonstruierten Abläufen innerhalb der Paulus-Chronologie basieren, kann von papyrologischer Seite kaum etwas beigetragen werden. Aus zwei Gründen bietet die Papyrologie aber die Möglichkeit, einen Rahmen abzustecken, innerhalb dessen gegenwärtige und zukünftige Erklärungsmodelle auf ihren Wahrscheinlichkeitsgrad hin hinterfragt oder in eine bestimmte Richtung weiterentwickelt werden können: 1) Der Vergleich mit Papyrusbriefen aus römischer Zeit nimmt seinen Ausgangspunkt nicht in der Ideenwelt der Moderne, sondern dort, wo im Großen und Ganzen auch die Paulusbriefe anzusiedeln sind: in derselben Zeit, Kultur, Gesellschaft, Sprach- und Gedankenwelt (dies gilt analog auch für den Vergleich mit den Cicerobriefen). Der zu suchende Rahmen wird somit unmittelbar für die Zeit und Welt des Paulus erhoben und bietet die Möglichkeit, den Wahrscheinlichkeitsgrad moderner Hypothesen für oder gegen die Einheitlichkeit des 2Kor angesichts des griechisch-römischen Briefverkehrs zu erheben. 2) Auf Papyrus oder in Form von Ostraka erhaltene Briefe sind – mit wenigen, zumeist deutlich erkennbaren Ausnahmen109 – in authentischer, also ursprünglicher Form erhalten und wurden keinem sekundären Redaktionsprozess unterzogen.110 Sie bieten deshalb die Möglichkeit, Originale zu studieren und dabei zu erheben, ob und bis zu welchem Ausmaß einheitliche Briefe, die in zeitlicher Nähe zu den Paulusbriefen verfasst wurden, inhaltliche Spannungen, Unterbrechungen, Einschübe oder Wechsel im Tonfall enthalten haben. Unser Augenmerk liegt also auf der Frage: Finden sich in einheitlichen Briefen der griechisch-römischen Zeit Spannungen, Unterbrechungen und Einschübe, die in ihrem Ausmaß in etwa mit jenen im 2Kor vergleichbar sind? Ist dies der Fall, dann würde das bedeuten, dass die Einheitlichkeit des 2Kor aus papyrologischer Sicht plausibel vertreten werden kann. Sollten sich in den Papyrusbriefen aber keinerlei größere Spannungen, Unterbrechungen usw. finden oder sollte sich zeigen, dass die Brüche, Spannungen, Unterbrechungen oder Widersprüche der kanonischen Fassung des 2Kor deutlich die Intensität jener in einheitlich erhaltenen Papyrusbriefen übersteigen, dann würde dies vom papyrologischen Standpunkt her für eine Kompilation des 2Kor sprechen. Es geht mir hier darum, wie die Frage der Einheitlichkeit des 2Kor vor dem Hintergrund der griechisch-römischen Papyrusbriefe einzuschätzen ist, also inwieweit dessen Spannungen auf – für antike Briefgewohnheiten mehr
109
Einige sind als Entwürfe erhalten geblieben; siehe die ausgewählten Beispiele S. 128–131. Für die literarischen Briefe der Antike gilt dies nicht, weshalb sie für die Erhebung des Rahmens nicht in Frage kommen. 110
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Papyrologisches zur Frage der Einheitlichkeit des 2Kor
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oder weniger übliche – Stimmungswechsel, Exkurse oder aufeinander folgende Teile ein und desselben Briefes zurückgeführt werden könnten oder bereits als Indizien für eine Komposition des 2Kor aus mehreren ursprünglich separaten Briefen gedeutet werden sollten. Im Folgenden will ich zunächst diesen Rahmen abstecken, der noch keine unmittelbaren Argumente für oder gegen die Einheitlichkeit des 2Kor liefert, sondern aufzeigen soll, welche Bandbreite an Spannungen, an unterschiedlichen Beschreibungen oder Unterbrechungen ein und derselben Briefsituation in Papyrusbriefen nachweisbar ist und welche Indizien eindeutig für separate Briefe sprechen. Erst in der Auswertung des gebotenen Textmaterials geht es konkret darum, den 2Kor und dessen Spannungen in diesem Rahmen einzuordnen, also festzustellen, inwieweit der 2Kor als bereits ursprünglich einheitliches Schreiben oder als Kompilation mehrerer ursprünglich separater Briefe erklärt werden kann oder womöglich sogar muss. Dabei werden sowohl die vertretenen Einheitlichkeits- als auch die Teilungshypothesen einer Überprüfung aus papyrologischer Sicht unterzogen. In einem weiteren Abschnitt gehe ich der Frage nach, wie ein plausibler Kompilationsprozess am ehesten ausgesehen haben kann.
Der Rahmen des zeitgenössischen Briefverkehrs Der folgende Rahmen, den ich aus zeitgenössischen Papyrusbriefen erhebe, soll eine Art Skala bieten, an deren einem Ende Aspekte angeführt werden, die eindeutig für unterschiedliche Briefsituationen und somit für voneinander zu unterscheidende Briefe sprechen, und an deren anderem Ende die Bandbreite dessen steht, was an unterschiedlichem Ton und scheinbar divergierender Beschreibung der Briefsituation in einem einzigen Brief Platz finden kann. Auch für ursprünglich separate Briefe, die relativ einfach zu einem längeren Brief zusammengestellt werden könnten, biete ich einige Beispiele.
Separate Papyrusbriefe mit klar unterscheidbaren Briefsituationen Die Beispiele dieser Gruppe sind separate Briefe, die auf verschiedene und klar unterscheidbare Briefsituationen anspielen. Eine Kompilation solcher Briefe wäre somit leicht erkennbar111 oder nur durch gravierende redaktionelle Änderungen zu verschleiern. Nur die Briefe von gleich bleibenden Briefsenderinnen und -sendern bzw. Briefempfängerinnen und -empfängern sind hier wirklich aussagekräftig. In Betracht kommen somit sog. Papyrusarchive, also 111 Zu entsprechend deutlichen Beispielen von Kompilationen in den Cicerobriefen siehe Klauck, Compilation 146–147; Schmeller, Cicerobriefe 191.
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Einleitung
Korrespondenzen, die mehrere Schriftstücke umfassen und eindeutig einander zuzuordnen sind.112 Das sog. Archiv des Athenodoros (publiziert in BGU XVI) stammt aus der Zeit des Augustus und ist deshalb auch zeitlich besonders aussagekräftig für einen Vergleich mit Paulusbriefen. Den Brief BGU XVI 2611 (17. Dezember 10 v. Chr.) hat ein gewisser Herakleides an seinen „Bruder“ Athenodoros geschrieben: Ἡρακλείδης Ἀθηνοδώρωι τῶι ἀδελφῶι πλεῖστα χαίρειν καὶ διὰ παντὸς ὑγ{ε}ιαίνειν ὡς εχομαι. ἀνέγνων ἃ γεγράφεις. οὔτε ποταπῶι μέτρωι ἐνβάλομαι οὐ γράφεις εἰς πόλ{ε}ιν. καὶ εἰ ἐκ τῶν 5 πρώτων πυρῶν ἐνβάλῃ εἰς Ἀλεξανδρέᾳ, σήμην(ον). εποπορος δέ μοι προσῆθε ἐν τῇ Βουσίρει χάρ{ε}ιν (πυροῦ ἀρταβῶν) φ ἐκ δραχμῶν διακοσίων. ἐπὶ τόπου ἴποι σοι. σήμηνον μοι αὔριον εἰς Βουσῖρ{ε}ιν ὡς τὸ μέτρον ἐκεῖ ἐστ{ε}ιν. ἐγὼ{ι} γὰρ αὔριον εἰς Τιλῶθ{ε}ιν 10 πορεύομαι δο .[ . .] . .[ . . . .]ματα τοῖς ἐμπόροις ειποι Tintenspuren [ - - - ] . ἡμ̣ ῖν̣ ἵνα ἐὰν ἄλλ̣ οι ἔλθωσιν πωλῶι. καὶ μὴ καθάπαξ ⟦απ⟧ κατέχωμεν τοὺς ἐμπόρου(ς). τὰ δ᾽ ἄλα σεατοῦ ἐπιμέλου ἵν᾽ ὑγ{ε}ιαίνησ{ς̣}. ἔρρωσο. (ἔτους) κα Καίσαρος Χοιὰκ κ.
15 πάντως σήμηνόν μοι αὔριον περὶ τοῦ μέτρου καὶ περὶ τοῦ ἐμπόρου καὶ εἰς Τ{ε}ιλῶθειν μοι ἀποστεῖλον. πέμψον σάκκους. αἰτούμεθα φόρετον τῶν ἑκατὸν ἀρταβῶν (δραχμὰς) δ. Verso: Tintenspuren 4 l. ἐμβάλωμαι 5 l. ἐμβάλῃ; l. Ἀλεξάνδρειαν; l. σήμαν(ον) 6 l. ὁ ἔμπορος? 8 l. ἐν Βουσίρει 10 l. δοῦ̣ [να]ι ̣ γ̣[ράμ]ματα? 16 l. ἐν Τιλώθει
„Herakleides dem Bruder Athenodoros, ganz viele Grüße und allzeit Gesundheit, wie ich bete. Ich habe gelesen, was du geschrieben hast. In welchem Ausmaß meine Lieferung in die Stadt sein soll, schreibst du nicht. Und ob du vom ersten Weizen etwas nach Alexandria lieferst, gib (mir) Bescheid! Der Großkaufmann(?) aber kam zu mir in Busiris wegen 500 Artaben Weizen zu zweihundert Drachmen. An (deinem) Ort dürfte er dir (davon) berichten. Gib mir morgen in Busiris Bescheid, wie es dort mit dem Maß ist! Ich reise nämlich morgen nach Tilothis, um den Großkaufleuten Briefe zu bringen(?) …, damit ich, wenn andere kommen, verkaufe. Und auf keinen Fall wollen wir die Großkaufleute aufhalten. Im Übrigen aber sorg dich um dich, damit du gesund bleibst! Leb wohl! Im 21. Jahr Caesars, am 20. Choiak. Gib mir morgen genau Bescheid über das Maß und über den Großkaufmann und sende 112
Eine aktuelle Übersicht bietet die Datenbank „Papyrus Archives in Graeco-Roman Egypt“ von W. Clarysse und K. Vandorpe (Universität Leuven): (1. März 2013).
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mir (Nachricht) nach Tilothis! Schicke Säcke! Man verlangt von uns eine Transportgebühr von 4 Drachmen für einhundert Artaben.“
Der Großteil dieses Briefes könnte mehr oder weniger bruchlos in einen anderen Brief des Herakleides an Athenodoros eingefügt werden. Allein die Notiz, dass der Briefsender am nächsten Tag nach Tilothis reisen werde, macht es unmöglich, ihn mit BGU XVI 2608 (10–1 v. Chr.) redaktionell zu verbinden, da Herakleides dort in Z. 10 schreibt, dass er bereits nach Tilothis gekommen ist. Dass es sich dabei um jenen Aufenthalt handelt, den er im vorhin angeführten Brief angekündigt hat, ist unwahrscheinlich, da die genannten Gründe für den dort angekündigten und den hier stattfindenden Aufenthalt unterschiedliche sind. Hier ist keine Rede von den Großkaufleuten, die nicht aufgehalten werden sollen, sondern von Bierbrauern, die noch keine Gerste gemahlen haben. Der gesamte Text lautet: Ἡρακλείδης Ἀθηνοδώρωι τῶι ἀδελφῶ[ι πλεῖστα] χαίρειν καὶ διὰ παντὸς ὑγιαίνειν ὡς εὔ[χομαι.] ἐπορεύθην εἰς Τ{ε}ιλῶθ{ε}ιν. οἱ ζυτοποιοὶ ο̣ ὐκ ἤ̣ λ̣ ησαν τ{ε}ὴν κρ{ε}ιθὴν ἐὰν μὴ ἔκδυσ̣ κ̣ . . .τ̣στε̣ τοὺς̣ 5 τοῦ στατῆρος εἰς τὸν Παῦν{ε}ι. διὸ ἐὰν φαίνηταί σοι σήμηνον. {ε}ἴσθι δὲ πεπονεκώς τὴν κρ{ε}ιθὴν θυμικῶς. ἐὰν γὰρ λάθῃς, τὸ ὅλον ἀπορεῖται. διὸ γράφω σοι ἵν᾽ εἰδῇς. σήμηνον οὖν περὶ ὧν θέλει(ς) καὶ σεατοῦ ἐπιμέλου ἵν᾽ ὑγ{ε}ιαίνῃς. ἔρρωσο. 10 (ἔτους) κ . Καίσαρος Φαμενὼ(θ) ιη.
Verso Ἀθηνοδώρωι [τ]ῶι διοικητ`ῇ´. 6 l. σήμανον; l. πεπονηκώς 8 l. σήμανον
„Herakleides dem Bruder Athenodoros, ganz viele Grüße und allzeit Gesundheit, wie ich bete. Ich kam nach Tilothis. Die Bierbrauer haben die Gerste nicht gemahlen, wenn nicht … für einen Stater im Payni. Deshalb gib (mir), wenn es dir recht ist, Bescheid! Sei aber leidenschaftlich bemüht um die Gerste! Denn wenn du (darauf) vergisst, geht alles verloren. Deshalb schreibe ich dir, damit du (es) weißt. Gib (mir) also Bescheid, was du möchtest, und sorg dich um dich, damit du gesund bleibst! Leb wohl! Im 2-. Jahr Caesars, am 18. Phamenoth.“ Verso: „An Athenodoros, den Dioiketes.“
Der Stil des Briefsenders ist deutlich individualisiert, was bereits beim relativ ausführlichen Eingangsgruß auffällt, der in beiden Briefen (und außerdem noch in BGU XVI 2610) identisch ist, ferner beim ausgeprägten Gesundheitswunsch, der regelmäßig einem einfachen ἔρρωσο als Schlussgruß vorausgeht.113 Für eine – in diesem Fall rein fiktive – Kompositionstheorie bleibt 113 Zu weiteren Einzelheiten des Stils der Briefe des Herakleides siehe G. Schwab in Kreinecker, 2. Thessaloniker 49–50.55–59.
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Einleitung
festzuhalten, dass das, was Herakleides mit den beiden Berichten seinem Adressaten mitzuteilen hat, durchaus in einem einzigen Brief vorkommen könnte. Einzig und allein die Tatsache, dass es sich um denselben Ort handelt, an den der Briefsender das eine Mal zu reisen beabsichtigt, an dem er sich im anderen Fall aber bereits aufhält, schließt dies eindeutig aus. Von einem gewissen Eurylochos sind fünf Briefe erhalten, die er an Athenodoros geschrieben hat (BGU XVI 2626-2630). Die Briefsituationen von zwei fast vollständig erhaltenen114 sind vor allem hinsichtlich der unterschiedlichen Reiseabsichten des Briefsenders deutlich voneinander zu unterscheiden: In BGU XVI 2629 (6. Juni 4 v. Chr.) berichtet Eurylochos von einem Brief über irgendwelche Messer, der noch nicht abgeschickt werden konnte, weil nicht näher genannte Personen die endgültige Abfassung des Briefes bisher verhindert haben; ferner informiert er Athenodoros über korrupte Schafhirten und deren betrügerischen Schreiber sowie über eine Gewalttat, die vermutlich im Zusammenhang damit an einem Soterichos verübt wurde. Überhaupt ist Eurylochos mit diversen Aufgaben voll beschäftigt. Am nächsten Tag muss er – wie er an Athenodoros in Z. 18–19 schreibt – zu einem gewissen Soterichos reisen: εἰς αὔριον δὲ ἔχομεν πρὸς Σωτήρι|χ[ον] ἔλθειν ἐπεὶ ἐπιβάλλεταί τινα ἐπ᾽ αὐ̣ τόν („Morgen aber haben wir zu Soterichos zu gehen, weil ihn jemand attackiert“).115 Auch in BGU XVI 2627 (25. Juli – 21. August 2 v. Chr.) ist von Reiseabsichten des Eurylochos die Rede, diesmal aber schreibt er, dass er Athenodoros selbst besuchen werde. Im lückenhaften Text zu Beginn des Briefcorpus geht es vermutlich darum, dass der Adressat aufgefordert wird, etwas, worum er gebeten wurde, nicht jetzt per Schiff zu schicken, da der Briefsender ja in Kürze mit einem gemieteten Schiff selbst zu ihm kommen werde. Εὐρύλοχος Ἀθηνοδώρωι τῶι φιλτ̣ά̣ τ̣ω̣ ι ̣ χαίρειν καὶ ἐρρωμένωι [διευτυ]χεῖν. ἐὰν δύνῃ βοηθε̣ῖ[̣ ν] [ . . . . . .]ωρα πλοίῳ παρακλη5 θ[εὶς] μῂ ἀποστείλῃ. ἐγὼ δὲ τῆι κθ ἐξαντλήσας ἔρχομαι πρός σε. ἐὰν δὲ ἡμ[ᾶς] δυνῃ εὐεργετῆσαι ἢ ἁλισίδιον ἢ νεώτερον [ - - - π]έμψασ10 θαί μοι· σοὶ δώσ`ω´ εἰ ναυλο̃ μαι εἰς Μέμφιν. μ[ὴ] καταστήσει λίαν ἐπειγόμενον. ἐπι-
114 BGU XVI 2628 (ca. 21 v. Chr. – 5 n. Chr.), 2630 (22. Dezember 10 v. Chr.) und 2626 (nach 5–4 v. Chr.) weisen größere Lücken auf, weshalb es unmöglich ist, den gesamten Inhalt und eine klare Briefsituation zu rekonstruieren. 115 Der gesamte Brief wird S. 118–120 wiedergegeben.
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μέ`λ´(ου) δὲ σε`α´(υτοῦ) ἵν᾽ ὑγι(αίνῃς). ἔρ`ω´(σο). (ἔτους) κη̣ Καίσαρος {ς} 15 Μεσ[ορῂ] ..
Verso Ἀθη[νοδώρ]ω̣ ι τῶι φιλτά(τωι). 3–4 βοηθε̣ῖ[̣ ν| . . . . . .]ωρα ed.pr., vielleicht βοηθε̣ῖ|̣ [ν αὐτῆ τῇ] ὥρᾳ 4–5 oder παρακλη|[θέν] 8 l. ἁλυσίδιον 10 l. ναυλῶμαι 11–12 l. οὐ μὴ καταστήσει oder μὴ καταστήσῃς 13 σε`α´ Pap., σε`α´ (τοῦ) ed.pr.
„Eurylochos dem besten Freund Athenodoros, Gruß und Wohlergehen und Glück. Wenn du helfen116 kannst, schick nicht … (vielleicht: zum jetzigen Zeitpunkt)117 mit einem Schiff, worum du gebeten wurdest!118 Ich komme ja am 29., wenn ich mit dem Ableiten (des Wassers) fertig bin, zu dir. Wenn du uns aber eine Wohltat erweisen kannst, schick mir entweder eine Kette oder eine(n) neueren …! Ich werde sie dir geben, wenn ich ein Schiff nach Memphis miete. Du musst dich aber nicht besonders beeilen. Sorg dich aber um dich119, damit du gesund bleibst! Leb wohl! Im 18. Jahr Caesars, am x. Mesore120.“ Verso: „An Athenodoros, den besten Freund.“
Die unterschiedlichen und sich für dieselbe Zeit ausschließenden Reiseabsichten sind es, die die beiden Briefe von der Ausgangssituation her klar unterscheidbar machen. Noch andere Beispiele belegen, dass – wenn die Originalexemplare einer Korrespondenz nicht mehr erhalten sind und eine Komposition aus mehreren Briefen somit grundsätzlich diskutierbar ist – am ehesten die brieflich genannten äußeren Umstände, Absichten und Ereignisse eindeutige Hinweise auf ursprünglich separate Briefe liefern, sofern klare Widersprüche vorliegen. 116
Die Rekonstruktion βοηθε̣ῖ[̣ ν] durch den Hg. am Ende von Z. 3 bedeutet in diesem Fall, dass vom ν keine Tintenspur mehr zu sehen ist, denn der Rand dürfte hier lt. Foto auf dem Microfiche der Edition vollständig erhalten sein. Zu erwägen ist deshalb auch, ob das ν am Beginn der nächsten Zeile gestanden hat (vgl. Apparat). 117 W. M. Brashear erwägt für die Lücke am Beginn von Z. 4 [σκιόπρ]ῳα („Sonnensegel“, siehe BGU XVI S. 121), die Buchstabenfolge ωρα ist aber gesichert und macht die Ergänzung schwierig. Zu anderen Möglichkeiten siehe im Apparat. 118 Möglich wäre auch παρακλη|[θέν] („schick nicht das Erbetene“). 119 Die abgekürzte Form σε`α´ für σε`α´(υτοῦ) ist auch durch P.Oxy. VII 1061,26 (25. Juni – 24. Juli 22 v. Chr.) bezeugt. 120 Der Hg. hat am Ende von Z. 15 noch eine Tintenspur erkannt (vgl. W. M. Brashear in BGU XVI S. 121); ob diese von einer Ziffer zwischen α und ι oder von einem κ stammt (dies würde ein Datum 1.–10. Mesore oder 20. Mesore, also 25. Juli – 3. August oder 13. August ergeben), ist allerdings insofern unsicher, als die erste Ziffer einer zweiziffrigen Zahl noch in der Lücke vor der Tintenspur gestanden haben könnte (die Überlegung verdanke ich Dieter Hagedorn, Heidelberg). Dass der 29., für den Eurylochos seinen Besuch ankündigt (vgl. Z. 6), der 29. desselben Monats Mesore ist, ist äußerst wahrscheinlich, was somit für die angegebene Datierung des Briefes zwischen dem 25. Juli und dem 21. August 2 v. Chr. spricht.
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Einleitung
Divergierende Reisepläne sind nur in zeitlicher Abfolge, nicht aber gleichzeitig für die unmittelbare Zukunft zu koordinieren. Um unterschiedliche Etappen derselben Reise geht es in zwei Briefen des Soldaten Apollinarios an seine Mutter – P.Mich. VIII 490 und 491 (beide 2. Jh. n. Chr.). Die Zusammengehörigkeit beider Briefe ist durch die Fundumstände erwiesen; die Papyri wurden in einem großen Haus in Karanis, also wohl im Haus der Adressatin gefunden.121 Beide Briefe hat der Soldat offenbar einem Schreiber diktiert. Im ersten Brief erwähnt Apollinarios, dass er von Portus (Ostia) schreibt, weil er noch nicht in Rom angekommen ist – P.Mich. VIII 490,9–10: καὶ νῦν ἀπὸ | Πόρτου σοι δηλῶ, οὔπω γὰρ ἀνέβην ἰς Ῥώμην. In einem Postskriptum fügt er eigenhändig hinzu – Z. 22–23: γείνωσκε ὅτι ἰς Μεισηνοὺς διετάγην, ὕστερον γὰρ ἐπέ|γνων („du sollst wissen, dass ich nach Misenum abkommandiert wurde, später erfuhr ich es nämlich“). Das Corpus des zweiten Briefes, abermals einem Schreiber diktiert, beginnt mit der Nachricht – P.Mich. VIII 491,4–6: γεινώσκειν σε | θέλω, μήτηρ, ὅτι ἐρρωμένος ἐγενόμην εἰς Ῥώμην | Παχὼν μηνὶ κε καὶ ἐκληρώθην εἰς Μισηνούς. | οὔπω δὲ τὴν κετυρίαν μου ἔγνων· οὐ γὰρ ἀπε|ληλύτειν (l. ἀπεληλύθειν) εἰς Μισηνοὺς ὅτε σοι τὴν ἐπιστολὴν ταύτην | ἔγραφον („ich möchte, dass du weißt, Mutter, dass ich wohlbehalten nach Rom gekommen bin am 25. des Monats Pachon und nach Misenum zugeteilt wurde. Ich habe aber meine Centurie noch nicht kennengelernt; denn ich bin noch nicht nach Misenum gekommen, während ich dir diesen Brief schreibe122“). Von den äußeren Umständen her sind beide Briefe also klar zu unterscheiden: Als Apollinarios den ersten Brief abschickt, ist er noch immer in Ostia, hat aber soeben noch erfahren, dass er einer Einheit in Misenum zugeteilt wird. Zur Zeit der Abfassung des zweiten Briefes ist er in Rom, die Ankunft bei seiner Einheit in Misenum steht aber noch bevor. Ein weiteres Beispiel für relativ klar unterscheidbare Briefsituationen vom Briefinhalt her bieten zwei Briefe des Terentianus an seinen Vater Tiberianus aus dem frühen 2. Jh. n. Chr.:123 Während der Sohn in P.Mich. VIII 477,36 seinem Vater im zweiten Teil124 mitteilt, dass er krank (διὰ τὸ νωθρε[ύεσ]θαί με) und seine momentane Ermattung gar nicht zum Lachen ist (Z. 37–38 ὁ γὰρ 121
Siehe Boak/Petersen, Karanis 9–20. Entsprechend den antiken epistolaren Gepflogenheiten diktiert Apollinarios aus der Sicht der Mutter, also wörtlich: „Denn ich war noch nicht nach Misenum gekommen, als ich dir diesen Brief schrieb.“ 123 Das Archiv des Tiberianus besteht aus 16 Briefen (P.Mich. VIII 467–481 und 510 mit BL XII 123), die unter der Treppe von Haus C/B167 in Karanis gefunden wurden; ferner wird Ch. L. A. V 299 zu diesem Archiv gerechnet; die Zugehörigkeit von SB VI 9636 ist umstritten. Zu den familiären und sozialen Verhältnissen der Familie auf dem Hintergrund des archäologischen Kontextes siehe Stephan/Verhoogt, Text (bes. 199–201); die Texte wurden von Strassi, L’archivio, neu ediert und kommentiert. 124 Ab Z. 32 wurde der Brief erst nach einer Pause fortgesetzt, wie Terentianus deutlich macht. 122
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| κάμ̣ [ατο]ς ἄρτι ἀ[γέλοι]ός ἐστιν), fügt er am Beginn von P.Mich. VIII 478 an den Gesundheitswunsch an den Vater die Nachricht hinzu, dass auch er selbst gesund ist (Z. 4 ὑ[γι]α̣ ί[̣ νω δὲ καὶ αὐ]τός), und nimmt nach einer προσκύνημα-Formel ausdrücklich auf seine überstandene Krankheit Bezug – Z. 6– 18: γειν[ώσκειν] | σε θέλω [ὅτι] ἐξέρχ[εσθαι τεταγμένο]ς̣ ἀπ̣ [όντ]ος σο[υ] | κατελθε̣[ῖν] εἰς Νέ[αν Πόλιν πάντως] οὐκ ἠ̣ [δυ]νήθην̣ . [τό]|τε γὰρ τόσ̣ [ο]ν ἐπηρ̣ [εασμὸν τῆς νό]σου μα̣ [ .] .τ[ .]ς παρ[ .] | .[ . . . . .] ἀ̣ κ[ό]σ̣ μω̣ ς̣, κ̣ [αὶ ἠδυνήθην] ἡμέρ[ας πέ]ντε μη|δέ̣ν̣ σοι [γ]ρ̣ ά̣ φ̣ ε̣[ιν, μήτιγε ἀν]αβῆν[α]ί [σο]ι,̣ οὐδὲ | τὴν πύλ[ην] τῆς π[αρεμβολῆς] ἐξελθ[εῖν] ἔσ̣ χ̣ [η]κ̣ έ̣ | τις ἡμῶν. [ε]ὐχαρισ[τῶ τῷ θεῷ ὅτι] μ̣ ε̣τὰ τ̣[ὰς] πέ[ντ]ε, | ἡμῶν ἡ[μ]έρας ἄλ[λας . . . . θόρυ]βον το[σο]ῦτον, ἀ|φ᾽ ο̣ [ὗ] σ̣ ίν̣ ̣ [η] ἔσχα, κ .[ ca. 11 ] . .[ . . . . . .] ἀνεῦρε | τ[οὺς] τ[ῶν] νόμ[ων παραβάτας . . . . . . . . σ]έ̣σωμε (l. σέσωμαι) | γινομ[έν]η̣ ς μᾶλλ[ον χάριτός σοι κατα]βεβη|κό̣ τ̣ι („ich möchte, dass du weißt, dass ich – obwohl mir aufgetragen war, in deiner Abwesenheit hinauszugehen – überhaupt nicht nach Neapolis(?) hinab reisen konnte. Denn damals eine so große Unannehmlichkeit der Krankheit …, und ich konnte dir fünf Tage lang nichts schreiben, geschweige denn zu dir hinauf reisen, und niemand von uns konnte durch das Tor des Lagers hinausgehen. Ich danke dem Gott, dass ich nach fünf Tagen … so großen Aufruhr, von dem ich eine Verwundung davontrug, … er fand die Gesetzesübertreter … ich bin gesund geworden, wobei noch größerer Dank dir gilt, da du herabgekommen bist“).125 Auch bei diesem Beispiel sind es die unterschiedlichen äußeren Umstände (in diesem Fall Krankheit gegenüber Gesundheit), die der Briefsender als seine aktuelle Situation beschreibt, die die beiden Briefe eindeutig unterscheidbar machen und somit zwingen, sie unterschiedlichen und unvereinbaren Briefsituationen zuzuordnen. Ebenfalls nicht kompilierbar sind Briefe mit landwirtschaftlichen Angaben, die zeitlich unvereinbar sind. So bittet ein gewisser Ammonios in einem Brief vom 22. Juli 40 n. Chr. (P.Ryl. II S. 381) seinen besten Freund Aphrodisios, nach Bubastos zur Traubenpresse zu kommen (Z. 7–8.11). In einem anderen Brief (P.Ryl. II 231) ersucht er Aphrodisios zu veranlassen, dass die Oliven eingelegt werden. Dies wäre – aufgrund des späteren Zeitpunktes der Olivenernte – im Juli noch nicht möglich gewesen, und tatsächlich stammt dieser Brief vom 18. Oktober desselben Jahres. Auch divergierende Angaben zur Lieferung bestimmter Waren können für klar unterscheidbare Briefsituationen sprechen. So ist die Bestellung einer bestimmten Ware nicht kombinierbar mit der Bestätigung, vom Adressaten bereits die Nachricht erhalten zu haben, dass sie abgeholt werden könne. Ersteres ist der Fall beim eben erwähnten Brief P.Ryl. II 231 (18. Oktober 40 n. Chr.), wo Ammonios gleich zu Beginn schreibt – Z. 3–4: τ[οὺ]ς ἄρτους
125
Es folgen noch 30 Zeilen, die aber zu fragmentarisch sind, um deren Inhalt zu rekonstruie-
ren.
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Einleitung
καλ̣ ῶ̣ ς ποιήσεις εἰπὼ(ν) | γενέσθαι („sei so gut126 und ordne an, dass die
Brote hergestellt werden“), während ein Brief vom 2. November desselben Jahres mit der Bestätigung beginnt – P.Ryl. II 230,3–4: ἐκομισάμην ἐπιστολὴ(ν) περὶ τοῦ | πέμψαι με ἐπὶ τοὺς ἄρτους τῇ ε („ich habe am 5. einen Brief erhalten,127 dass ich um die Brote schicken soll“). Der erwähnte Brief stammte wohl vom Adressaten Aphrodisios, dem Ammonios – entsprechend der Datierung seines Antwortschreibens – tags darauf zurückschreibt und verspricht, zwei Tage später die Ware zu schicken (Z. 5–6). Tatsächlich liegen die beiden erhaltenen Briefe so weit auseinander, dass es sich nicht einmal um dieselbe Bestellung gehandelt haben wird. Zusammenfassend kann zu dieser Gruppe von Briefen gesagt werden, dass eindeutige innertextliche Hinweise für klar unterscheidbare Briefsituationen aus unvereinbaren Angaben zu äußeren Umständen oder Ereignissen zu erheben sind. Diesbezüglich wird also für 2Kor zu fragen sein, ob dieses Schreiben derartige Angaben enthält (siehe dazu S. 95).
Einheitliche Papyrusbriefe mit unterschiedlichen Beschreibungen derselben Briefsituation Die folgenden Beispiele von Papyrusbriefen weisen in ihrem Verlauf so deutliche Spannungen auf, dass diese auch auf unterschiedliche Briefsituationen hin gedeutet werden könnten, wenn nicht der originale Erhaltungszustand dazu nötigte, auch die scheinbar divergierenden Aussagen auf ein und dieselbe Briefsituation hin zu interpretieren. Die folgenden Beispiele veranschaulichen die Bandbreite dessen, was an unterschiedlichen Äußerungen und Beschreibungen innerhalb eines einheitlichen Briefes der damaligen Zeit und Kultur Platz finden konnte.
126 Die Formel καλῶς ποιήσεις (mit folgendem Partizip oder Infinitiv) ist die in Papyrusbriefen am häufigsten verwendete zur Einleitung des eigentlichen Anliegens eines Briefes. Sie wird meist mit dem Futur gebildet (καλῶς ποιήσεις – wörtlich „du wirst gut daran tun“), seltener mit einem Optativus obliquus (καλῶς ἄν ποιήσαις – wörtlich „du würdest wohl gut daran tun“). Faktisch entspricht sie im Deutschen einer Bitte und wird hier deshalb mit „sei so gut und“ (mit weiterem Imperativ) bzw. „du mögest so gut sein und“ (mit folgendem Infinitiv) wiedergegeben. Anstelle von καλῶς kann auch εὖ verwendet werden. 127 In der ed.pr. und von Olsson, Papyrusbriefe Nr. 26, wird der Text so verstanden, dass Ammonios aufgefordert wurde, am 5. des Monats nach den Broten zu schicken. Damit hätte er dies aber bereits einen Tag früher tun sollen, als er selbst den vorliegenden Brief schrieb. Die Fortsetzung des Textes mit οὖν (Z. 5–6: πέμψω οὖν τοὺς ὄνους τῆι η | πρὸς σὲ π[ά]ν̣ τως – „ich werde dir also am 8. sicher die Esel schicken“) deutet an, dass alles in Ordnung ist und kein Grund zu übertriebener Eile besteht. Vielleicht stand im vorhergehenden Brief des Aphrodisios sogar, dass Ammonios genau am 8. nach den Broten schicken soll.
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Aus der Zeit des Augustus stammt der Brief BGU XVI 2618, den eine gewisse Tryphas am 10. Mai 7 v. Chr. an ihren „Sohn“ Athenodoros und ihre „Tochter“ Artemis geschrieben hat.128 Sogleich nach dem Eingangsgruß wechselt Tryphas aber in den Singular, so dass der Inhalt des Schreibens eigentlich nur Athenodoros betrifft. Der gesamte Text lautet129:
5
10
15
20
25
Τρυφᾶς Ἀθηνοδώρωι τῷ υἱῷ καὶ Ἀρτέμιτι τῇ θυγατρὶ πλεῖστα χαίρειν καὶ διὰ παντὸς ἐρρῶσ̣ θ̣ α̣ ι.̣ γ{ε}ίνωσκε τὸν σεῖτον ὃν ἀπέστε̣ι-̣ λές μοι μὴ εἰληφέναι με αὐτ̣ή̣ ν̣ . τέλαβον γὰρ ὅτ̣[ι] ο̣ ὐ συνφέρει με λα[β-] εῖν αὐτόν. τὸ λοιπὸν οὖν κέλευ᾽ α[ὐ-] τὸν ἀρθῆναι. οὐδ᾽ ἔθοας οὐδ᾽ οὐθεὶς̣ εὐτονεῖ τὰ σώματ᾽ ἐκπαε̣ιν̣ ̣ . ἑκάστης δὲ ἡμέρας ἐνοχλοῦμαι ὑπὸ δύω στατόρων Σω̣ κ̣ [ρά-] του τε καὶ Ἐλήμμονος [ . . . . .] εὑρο{υ}μένη καὶ ἐνεχυρασαμ̣ έ̣νη. πολλάκι σοι δὲ γεγράφη̣ [κ]α̣ · σοὶ μελήσῃ ὑπὲρ τῶν σωμάτων· ἀποθανοῦνται ἐν τῇ φυλακι. καλῶς δὲ ποήσεις ἀκούσας μου καὶ τὸν σεῖτόν σου συνκλείσας καὶ μηθενὶ μηθὲν διδών. τῇ γὰρ πεντακαιδεκάτῃ ἀνέβη (τριωβόλου) καὶ φοβοῦνται μὴ τιμιώτερος γένηται. ἀσπάζεταί σε Νάρδος καὶ Νεικᾶς καὶ οἱ ἐν οἴκωι πάντες. ἐπιμέλου δὲ σατοῦ ἵνα ὑγιαί(νῃς). ἔρρωσο. (ἔτους) κγ Καίσαρος Παχ`ὼ´(ν) ιε.
Verso ἀπό`δ´(ος) Ἀθηνοδώρωι τῶι υἱῶι. 4 l. σῖτον 11 l. δυοῖν 16–17 l. φυλακῇ 18 l. σῖτον
„Tryphas an den Sohn Athenodoros und die Tochter Artemis, ganz viele Grüße und allzeit Wohlergehen. Wisse, dass ich selbst das Getreide, das du mir geschickt hast, 128 Die Familienverhältnisse sind allerdings nicht eindeutig zu klären, Tryphas könnte die leibliche Mutter des Athenodoros sein (beachte auch BGU XVI 2617,1 [7 v. Chr.]; die femininen Formen in Z. 4 sowie in 2618,13 [und – mit Papathomas, Bemerkungen 199 – in Z. 5] weisen Tryphas als Frau aus, die Frage, ob Tryphas die Mutter oder der Vater des Athenodoros sei [BGU XVI S. 105], ist somit klar zu entscheiden), andererseits wird Athenodoros auch von Menelaos und Herakleia als „Sohn“ bezeichnet (BGU XVI 2615,2 [ca. 21 v. Chr. – 5 n. Chr.]). W. M. Brashear hält letztere für die leiblichen Eltern des Athenodoros (vgl. BGU XVI S. 81). 129 Mit einigen Berichtigungen von Papathomas, Bemerkungen 198–199 (anstelle von „Z. 45“ auf S. 198 gehört „Z. 4–5“).
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Einleitung
nicht bekommen habe. Ich verstehe ja, dass es nicht angemessen war, dass ich es bekomme. Befiehl nun schließlich, dass es versandt wird. Du hast die Bußgelder nicht bezahlt, und niemand kann die Sklaven frei bekommen. Jeden Tag werde ich von den beiden Gerichtsvollziehern Sokrates und Elemmon belästigt, weil ich … (vielleicht: als Schuldnerin) befunden werde und gepfändet werden soll. Und oft habe ich dir geschrieben:130 Kümmere dich um die Sklaven! Sie werden im Gefängnis sterben. Sei so gut und höre auf mich und schließe dein Getreide ein und gib gar niemandem etwas! Denn am fünfzehnten stieg (der Preis) um drei Obolen, und man befürchtet, es wird teurer. Es grüßt dich Nardos und Nikas und alle im Haus. Sorg dich um dich, damit du gesund bleibst. Leb wohl! Im 13. Jahr Caesars, am 15. Pachon.“ Verso: „Übergib dem Sohn Athenodoros.“
Während Tryphas zu Beginn des Briefes beteuert, dass die Getreidelieferung, die ihr von Athenodoros vermutlich in einem vorhergehenden Brief angekündigt wurde, noch immer nicht eingetroffen ist, und sie ihn auffordert, das Getreide endlich zu schicken, schreibt sie ab Z. 17, Athenodoros solle auf sie hören, das Getreide gut verwahren und niemandem davon geben. Mit gutem Grund könnte man hier also annehmen, es handle sich um gänzlich verschiedene, ja unvereinbare Briefsituationen, denn Tryphas könne doch nicht gut eine Getreidelieferung erwarten, ja sogar urgieren, und gleichzeitig dem potenziellen Lieferanten von jeglicher Lieferung dringend abraten. Obendrein wird die Aufforderung in Z. 17 mit der Formel καλῶς δὲ ποήσεις eingeleitet, die die am häufigsten verwendete Formel darstellt, um am Beginn eines Briefcorpus das zentrale Anliegen des Briefes einzuleiten. Wäre die Einheitlichkeit des Briefes nicht durch das erhaltene Original eindeutig bestätigt, dann wären die genannte Formel und die scheinbar widersprüchlichen Aussagen in den beiden Teilen überaus starke Argumente für eine Komposition aus zwei ursprünglich separaten Briefen mit unterschiedlichen Briefsituationen. Die erwiesene Einheitlichkeit zwingt aber dazu, die scheinbaren Widersprüche auf ein und derselben Ebene in Einklang miteinander zu bringen: die versprochene und längst fällige Lieferung ist vor dem Hintergrund gleichsam familiärer Verhältnisse eben anders zu sehen als das grundsätzlich angeratene Horten des Getreides, dessen Preis gerade im Steigen ist. Gegenüber der „Mutter“ Tryphas geht es offenbar um einen Dienst im Familien- oder engsten Bekanntenkreis, gegenüber allen anderen aber um einen Verkauf des Getreides, bei dem durch Zuwarten möglicherweise ein bedeutend höherer Gewinn zu erzielen ist. Oder – und diese Deutung ist aufgrund der Anspielung auf eine allgemeine Furcht (Z. 21 φοβοῦνται) vielleicht sogar wahrscheinlicher – die steigenden Getreidepreise kündigen schwere Zeiten an, so dass es ratsam erscheint, für die 130 Papathomas, Bemerkungen 199, erwägt die Transkription πολλάκις οἵδε γεγραφή̣ [κ]α̣ [σι] („diese [gemeint wären damit die in Z. 11 erwähnten statores] haben oft geschrieben“), bemerkt aber dazu: „Gegen diese Interpretation spricht jedoch die in Z. 10 angegebene Information, dass die beiden statores Tryphas täglich stören. Bei einer derartigen täglichen Störung würde man eher daran denken, dass die statores wirklich vor Ort anwesend waren und Druck ausübten, als dass sie aus der Ferne brieflich lästig waren.“
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Papyrologisches zur Frage der Einheitlichkeit des 2Kor
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Zukunft vorzusorgen und einen Vorrat anzulegen, von dem freilich die eigenen Leute nicht auszuschließen sind. O.Berenike II 129 (ca. 50–75 n. Chr.) ist der private Papyrusbrief einer gewissen Hikane an ihren Sohn Isidoros, der in zwei Fragmenten erhalten ist, die zahlreiche Lücken aufweisen.131 Dennoch ist der äußerst vorwurfsvolle Ton gleich zu Beginn des Schreibens deutlich erkennbar, der gegen Ende des Briefes wieder versöhnlicher wird.
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[Ἱκάνη] Ἰσιδώ[ρῳ τῷ υἱῷ χαίρειν· πρὸ μὲν πάντω]ν̣ ἀ̣ ν̣ [αγκαῖ]ον ἡγη̣ σάμην ἐφολκίου ἀναγομένου γρά[ψαι ca. 14 ] ἐ̣μέ. [ἐ]ν̣ [Βε]ρ̣ νίκῃ εἰμί. ἐγὸ μέν ̣ ̣ τ̣ο̣ λ̣ ήν. δι[̣ ὰ τ]οῦτο σὲ ἐβάστασο̣ ι ἐπισ̣ τολὴν γεγράφηκα [ . .] . .[ .] .[ . . . . .] ἐπισ ζον δέ̣κ̣ α μῆνες καὶ τρία ἔτη σὲ ἐθήλαζον εἵν̣ ̣ α μὴ εἰ[δ]ῇς μου μνημονεῦσ̣ αι δι᾽ ἐπιστολῆς; καὶ ταταυ δι᾽ Αὐασ̣ ε̣ιτῶν [ .]των ἀφ̣ ῇς μέ, μηδὲ ἐ̣γὸ σὲ. ἀλὰ ἀφῆκα σοῦ τοὺς ἀδελφοὺς ἕνα .[ .] Ἀραβία [ . . . .] . .σαει . . η̣ α̣ . Αἴγυπτον εἰδῶ σοῦ τὸ πρόσοπον καὶ ο̣ υ . . ζώτ[ . τ]ὸ πνεῦμα, μόνον ἐρτο̃ σε καὶ παρακαλῶ καὶ ἐξορ̣ κίζω̣ σε τ̣ού[ . .]ου ουσ̣ ε . .ην . κες καὶ τὴν μνήαν σου τὸ γενήσαντος [ἐ]ὰν ὑγια̣ [ίνῃς] ἐκπλέσι. ἐγὸ α̣ σ̣ ετο μ̣ ετ᾽ ἀτῆς Ἀμάραντον π̣ ο̣ λὰ κα[ὶ] π̣ αρὰ β̣ ο̣ [ . . .]ς̣ τὴν Ἀρβίαν καὶ τ̣ὴ̣ ν̣ ἀ̣ δ̣ ελφήν σου τὴν ἥ̣ κο̣ [υ]σ̣ αν ε .νη .[ . . . . .]η . . .δ . . . .νης σοῦ [ἡ] θία ἔ̣σωσα [ἑ]αυτὴν ἐ .θον[ .]ινο . . ἡ . . . ἀδ[ελ]φή σο̣ υ̣ ἡ μιζοτέρα ἀπογέγονε κ̣ αὶ ἡ μικρὰ καταγ̣ένηται μη . .τ̣[ . .] Ἀρβ̣ [ία]ν̣ ὥ̣ στε ἐρωτ̣ῶ̣ σε κ̣ α̣ ὶ πα̣ ρακαλῶ εἰς τὸ ε .[ .]ιν καὶ . . . . ε[ . .]ν .[ . . .] σῶσον σοῦ τὸ ἀδ̣ ελφ[ό]ν. οὐδ̣ ένα γὰρ ἔχομ̣ ε̣ν̣ .κ̣ [ .]σαυ[ . .] Tintenspuren κα̣ [ . . .]ν . . .των. τὸν γὰρ ἀδε̣λ̣ φ̣ [ὸν] . . . .θη[ . .] . .[ . . .] .τ̣ο̣ ῖς̣ πρότοις ἀνέμοις, ὁ δὲ εὕ̣ ρηκ̣ έ̣ τινο̣ ς ἀ̣ ρίστ .α[ .] . . . . . ̣ ην. ἀσ̣ π̣ [ά]ζε̣τ̣α̣ ι ̣ .[ . .]θ̣ ω̣ κ̣ αὶ Ἀ̣ μάρα̣ ντος̣. καὶ ἧκε μ̣ [ο]ι εἰς Βερνίκ πολλὰ ἀσπάζον̣ [ταί σε] Ἐπαφρᾶ̣ ς .ζ[ . . . . . . . .]του[ . . .] . .[ . .] . . καὶ τοὺς ἀγαπ[ῶντας ἡμᾶς ca. 12 ] .[ . . . . . .] κδ.
Verso
131 Die Transkription wird zusätzlich dadurch erschwert, dass beide Fragmente stark verzogen und manche Teile nur lose miteinander verbunden sind. Eine sorgfältige Konservierung könnte möglicherweise noch einige Stellen lesbar machen, die bisher nicht entziffert werden konnten. Im Folgenden biete ich den gesamten Text mit einigen kleinen Verbesserungen gegenüber der editio princeps, auf die im Apparat bzw. in den Anmerkungen zur Übersetzung hingewiesen wird. Dabei war u. a. die Berücksichtigung der deutlich erkennbaren Faltungen des Papyrusbriefes hilfreich, die für die Ermittlung des Abstandes zwischen den beiden Fragmenten in der jeweiligen Zeile ausschlaggebend sind (beachte meine Berichtigungen zu Z. 3.6.7.8). Zusätzlich zu den in der editio princeps angegebenen Faltungen, deren Maße zum Teil zu korrigieren sind, sind zwei weitere zu nennen; folgende Faltungen konnte ich insgesamt erkennen (Abstände vom linken Rand aus gemessen in cm): 1,3; 3,1; 5,1; 7,3; 10; 12,5; 14; 16; 18,2; 21,3; 23,5; 25,3; 26,5. Das Blatt war also sowohl vom linken als auch vom rechten Rand her zunächst fünfmal gefaltet, dann (bei cm 12,5 bzw. 16) je ein Mal nach hinten gefaltet und schließlich noch ein Mal in der Mitte (bei cm 14) nach vorne gefaltet, was auch durch die Lage der Adresse auf dem Verso (zwischen cm 18,2 und 21,3 vom Rekto aus betrachtet) bestätigt wird.
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Einleitung
ἀπόδ(ος) Ε̣ ἱκάνη Ἰσιδώρῳ τ̣ῷ̣ υἱῷ ὡρμίτῳ 1 Ἰσιδώ[ρῳ τῷ υἱῷ χαίρειν· πρὸ μὲν πάντων ἀναγκαῖ]ον ed.pr. 2 l. ἐγώ 3 διὰ [τ]οῦτο ed.pr. 4 l. μῆνας 5 l. ταῦτα?; l. ἐγώ 6 ἕνα .[ .] (= ἵνα ?) ed.pr.; vielleicht ἕναν̣ (= ἕνα); Ἀραβία [ ] . .σαει . . . . . ed.pr. 7 εἰδω: corr. ex ειδοτ, καὶ συ[ . .] .ζω τὸ πνεῦμα ed.pr. 8 l. ἐρωτῶ; τού[τ]ου ed.pr. 9 l. μνείαν; l. τοῦ γεννήσαντος; l. ἐκπλεῦσαι; l. ἐγώ 10 κα[ . .]σι αραβ̣ ο̣ [ . . .] . ed.pr. 12 l. θεία; ἡ ἀδ[ελ]φή ed.pr. 12–13 l. μειζοτέρα 15 ἔχο (= ἔχω) . . [ .] . .κ ed.pr. 17 l. πρώτοις 18 α . .[ .] . . .[ . .] . . .αι . .ντω̣ ν̣ ed.pr. 19 του[. .] ed.pr. 22 l. ὁρμίτῳ = ὁρμίτῃ(?)
„Hikane an den Sohn Isidoros, Gruß. Vor allem hielt ich es für notwendig,132 da das Frachtschiff ausfährt, zu schreiben … mich. Ich bin in Berenike. Ich habe dir einen Brief geschrieben … Brief.133 Habe ich dich deshalb zehn Monate getragen und drei Jahre gestillt, damit du nicht weißt, durch einen Brief zu zeigen, ob du an mich denkst? Und ebenso(?) hast du mich durch Leute aus der Oase134 vernachlässigt, und nicht ich dich. Aber ich habe deine Geschwister135 zurückgelassen … Arabia … Ägypten ich dein Antlitz sehe136 und … den Atem(?), ich ersuche dich nur und bitte und beschwöre dich … und bei der Erinnerung an den, der dich gezeugt hat, abzusegeln, wenn du gesund bist. Ich … Amarantos sehr und von … Arabia, und deine Schwester, die gekommen ist … deine Tante. Ich habe mich selbst in Sicherheit gebracht … deine größere Schwester ist abgereist, und die kleine ist da … Arabia, so dass ich dich ersuche und bitte, … Rette deinen Bruder! Denn wir haben niemanden … Den Bruder nämlich … mit den ersten Winden, der aber fand … und kam zu mir nach Berenike. Es grüßt … und Amarantos. Es grüßen dich und die, die uns lieben, sehr Epaphras … am 24.“ Verso: „Überbringe! Hikane an den Sohn Isidoros, den (?)137.“
Der bruchstückhaft erhaltene Text lässt vermuten, dass sich Hikane in einer schwierigen, vielleicht sogar gefährlichen Situation befindet. Immerhin ist mehrmals von „Rettung“ die Rede, und der Adressat wird dringend ersucht, rettend einzugreifen, weil sonst niemand da sei, von dem dies erhofft werden könnte. Die Zeilen der Mutter sind wohl in erster Linie als Ausdruck großer Sorge zu sehen. Während sie mit ihren Töchtern und Söhnen in großer Bedrängnis ist, hält es derjenige Sohn, der ihr jetzt als einziger helfen könnte (beachte die beschwörenden Worte in Z. 8–9.14–15), bisher nicht einmal für wert, sich zu melden bzw. auf ihren Brief zu antworten. So deutet sie jedenfalls die Tatsache, 132 Ist die Rekonstruktion von Z. 1 in der editio princeps richtig, so müssten die Buchstabenreste am rechten oberen Ende des größeren Fragments am ehesten für das Schluss-Ny von πάντων und die ersten beiden Buchstaben von ἀναγκαῖον stehen. 133 Sehr wahrscheinlich stand in der Lücke, dass Hikane von ihrem Sohn keinen Brief erhalten hatte. 134 Um welche Oase es sich dabei handelt, ist unklar. In Frage kommen sowohl Bahariya als auch Kharga bzw. Dakhla, aber auch eine Oase außerhalb Ägyptens (vgl. R. S. Bagnall, Ch. Helms und A. M. F. W. Verhoogt in O.Berenike II S. 42). 135 In den folgenden Zeilen ist von zwei Schwestern und mindestens einem Bruder des Isidoros die Rede, weshalb ich die hier erwähnten ἀδελφοί mit „Geschwister“ übersetze. 136 Der Sinn ist vermutlich, dass Hikane ihre anderen Kinder (die Geschwister des Isidoros) in Arabia zurückgelassen hat, um nach Ägypten zu kommen und ihren Sohn Isidoros zu sehen. 137 Der Ausdruck ὡρμίτῳ ist kaum zu deuten. Er könnte von einem Ort (Myos Hormos?) abgeleitet sein oder von einem Beruf (Hafenarbeiter?; siehe dazu R. S. Bagnall, Ch. Helms und A. M. F. W. Verhoogt in O.Berenike II S. 43).
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dass sie noch immer keinen Brief erhalten hat. Offenbar geht es hier nicht einfach darum, dass Hikane ihrem Ärger Luft macht, sondern vielmehr darum, ihre verzweifelte Lage zum Ausdruck zu bringen. Dies schließt dann auch mit ein, nicht mit Vorwürfen zu sparen, wenn es darum geht, ihre Enttäuschung über das teilnahmslose Verhalten eines Familienmitglieds zu zeigen. Wäre die Einheitlichkeit dieses Briefes nicht erwiesen, so könnte der Text durchaus auch als Zusammenstellung der Reste von zwei separaten Schreiben mit zeitlichem Abstand gedeutet werden: Die Z. 1–7 könnten dann als Rest eines vorwurfsvollen Briefes gesehen werden, geschrieben von einer Mutter, die sich – von allen Kindern verlassen – bei einem ihrer Söhne bitter beklagt, dass er sie völlig im Stich lässt. In der Wendung μόνον ἐρτο̃ σε καὶ παρακαλῶ καὶ ἐξορ̣ κίζω̣ σε in Z. 7–8 könnte demgegenüber der Beginn des Briefcorpus eines späteren Briefes gesehen werden, mit dem die Mutter, bei der mittlerweile zwei Töchter zugegen sind, den Adressaten beschwört, sich als Retter seines Bruders zu erweisen. Das in mehrfacher Hinsicht aufschlussreichste Beispiel dieser Art ist der relativ lange Privatbrief P.Oxy. VII 1070, der sich ins 3. Jh. n. Chr. datieren lässt. Eine überdurchschnittlich große Brieflänge und der gehobene Stil sind nur zwei Aspekte, die bei diesem Schreiben hervorzuheben sind. Verfasser des Papyrusbriefes ist ein gewisser Aurelius Demareus, der hier an seine Schwester und Ehefrau schreibt. Einige äußere Besonderheiten sind nicht unwesentlich: so hat der Schreiber, nachdem die Vorderseite des Papyrus an sich vollgeschrieben war, am linken Rand des Blattes weitergeschrieben. Dorthin schrieb er zunächst auch einen Schlussgruß, an den er aber in derselben Zeile den Beginn eines weiteren Briefabschnitts anhängte, der – mitten im Satz – auf der Rückseite fortgesetzt wurde. Normalerweise war die Rückseite eines Briefes der Adresse vorbehalten, die der Schreiber in diesem Fall jedoch an den Brieftext noch angefügt hat. Αὐρήλιος Δημαρε[ὺ]ς Αὐρηλίᾳ Ἀρσιν[ό]ῃ τ[ῇ] ἀδελφῇ χαίρειν. ἡ προάγουσα παρ᾿ ἐμοῦ παρὰ πᾶσι θεοῖς εὐχὴ ἡ περί τε σωτηρίας σου καὶ τοῦ τέκνου ἡμῶν καὶ τοῦ ἀδελ5 φοῦ σου καὶ τοῦ πατρό[ς σο]υ καὶ τῆς μητρός σου καὶ τῶ[ν] ἡμῶ[ν] πάντων καὶ πολὺ ἔτι μεῖζον [ν]ῦ̣ ν̣ ἐν τῷ μεγάλῳ Σαραπείῳ πρ̣ ο̣ σ̣ κ̣ υ̣ ν̣ ε̣ῖ,̣ τὸν μέγαν θεὸν Σάραπιν παρακαλῶ περί τε τῆς ζωῆς ὑμῶν καὶ τῶν 10 ἡμῶν πάν[τ]ων καὶ τῶν χρηστῶν ἐλπίδων τῶν ἐν ἀνθρώποισι νε⟦σ⟧νομισμένων. τὸ μὲν οὖν γράφειν σοι περὶ τῶν πραγμάτων ἡμῶν ἢ καὶ τῶν ἔργων ὅπερ καὶ φθάνω πολλάκις σοι γράψας 15 διὰ ἐπιστολῶν πολλῶν `οὐχ ἧττον δὲ´ καὶ κατ᾽ ὄψιν
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Einleitung
⟦δε⟧ σοι ἐνετειλάμην περιττὸν νῦν ἡγησάμην, καὶ γὰρ σὺ αὐτὴ μήτ̣η̣ [ρ] τυγχάνουσα τοῦ τέκνου ἡμῶν μᾶ[λ]λον ἐμοῦ θελήσεις τὴν τούτων πρόν[ο]ι20 {νοι}αν καὶ ἐπανώ[ρθ]ωσιν γ[ε]νέσθαι μετὰ τῆς ἀνυπε̣[ρ]β̣ λήτου κ[η]δεμονίας.
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περὶ δὲ τῆς σεαυτῆς ἐπιμελείας καὶ φροντίδος ἀντὶ παντὸς προνόησον, ὅπερ καὶ περὶ τούτου πολλάκ[ι]ς σοι ἔγραψα, μηδενὸς ὧν ἔχομεν αὐτῶν φειδομένη. ἔπεμψά σοι διὰ Διονυσίου τοῦ . . . [.] . . ν̣ τος ἢ ἐν [.] . νομῳ ἢ ἐν τῇ σε[.]α τοῦ γείτονος τῆς οἰκίας το̣ [ῦ Ἀπολλ]ω̣ νίου ἐλαίου Σειρητικοῦ [κοτύλα]ς ἓξ ἐν ἀνγείῳ ἡμιχόῳ καὶ τραγη[μ]άτων σφυρίδαν μεστὴν μίαν. βιβλίδια δύο ἐκ Ξειν̣ οφᾶ δοθέντα [ἀπ]ό̣ τε Ἀπολλωνίου τοῦ υἱοῦ τοῦ Σκόπα καὶ τοῦ γαμ⟦. .⟧βροῦ αὐτοῦ Στεφάνου τοῦ κατὰ βόλιν κατὰ τοῦ πατρός σου καὶ τῆς μητρός σου καὶ τούτω(ν) τὰ ἀντίγραφά σοι διεπεμψάμη(ν) ἐν τῷ ἀποδ̣ έ̣σ̣ μῳ τῶν ἐπιστολῶν· ἐὰν οὖν [συ]ντύχητε καὶ δόξῃ
Am linken Rand (im rechten Winkel dazu) τι ὑμεῖν περὶ αὐτῶν, ταχέως μοι δηλώσατε, ὅ τι ἐὰ̣ [ν] ἐπιδημῶ̣ ν̣ τοῖς ἐνθάδε ο̣ ἷ[̣ ο]ς ᾤμην ποιεῖν περὶ τούτου μὴ ἀμελησώ. περὶ δὲ τοῦ καθ᾿ ἡμᾶς πράγματος μ̣ έ̣[χ]ρ̣ ι ̣ τούτου ο{δ}ὐδὲν ἐγένετο. ἐρρῶσθαί σε εὔχομαι . . [. . .] . . . [.] . . . . [.] . α̣ ρ̣ ιο . . . ς δια[. . . . . . . . . . . . . .]
Verso 45 μηδέν μοι ἐν τῷ παρόντι ⟦δι⟧ ἐπιμηνιδίων διαπέμψησθαι ἔστ᾽ ἂν ὑμεῖν περὶ τούτου δηλώσω ἢ καὶ γράψω. τοὺς ἡμῶν πάντας κατ᾽ ὄνομα προσαγόρευε καὶ ἄσπασε. πάνυ δ᾽ ὑμεῖν εὐχαριστῶ ὅτι πολλάκις ἐμοῦ γράψαντος ὑμεῖν ὑμεῖς οὐδὲ ὅλως ἐγράψατε οὐδὲ ἐμνήσθητέ μου περὶ τῆς ἀσφαλείας τῆς οἰκίας ἡμῶν, ὡς καὶ πολλάκις διὰ γραμμάτων καὶ ἐπιστο50 λῶν καὶ κατ᾽ ὄψιν παρὼν ἐνετιλάμην. μὴ ἀμελήσῃς μὴ ἄρα ποτὲ θέλῃς μ̣ [ε]τὰ σ̣ [ο]ῦ [Ἡρ]αε̣ίδ̣ ι ̣ τὴν τήρησιν τῆς ὅλης οἰκίας παραδιδόναι ἀχρήστου̣ οὔσης αὐτῆς καί, ὃ μὴ εἴη, ἀλ ἐξ ἄλλων̣ γένηται. τοῦ παιδαρίου Πτ[ο]λεμαίου τοῦ ἀδελφοῦ Ἑρμογένους ἐξερχομένου εἰς τὴν Ἀλεξάνδρειαν πολλάκις ἐλθόντος πρὸς ἐ̣μ̣ [ὲ οὐ τεθελήκατε α]ὐτῷ διδόναι ἐπιστο55 λὰς οὐδ᾽ ὅλως α̣ [ὐτὸν] προσήκατε, ἀλλὰ καὶ Εὐδ[αίμων] αὐτῷ ἀπετάξατο [λ]έγων ὅτι ἐν τῷ παρόντι οὐ σχολάζομεν ἑτέροις ἐξερχόμενοι. ἀπόδ(ος) Ἀρσινόῃ ἀδελφῇ π(αρὰ) Δημάρεως.
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10 τ in των korrigiert aus χ 15 über α von δια ist ein ε, vielleicht beabsichtigte der Schreiber δι᾽ ἐπιστολῶν 20 l. ἐπανό[ρθ]ωσιν 27 η aus ε korrigiert 36 l. πόλιν 45 l. διαπέμψησθε 47 l. ἄσπασαι
„Aurelius Demareus an die Schwester Aurelia Arsinoe, Gruß. Das von mir bei allen Göttern aufsteigende Gebet für dein Wohlergehen und das unseres Kindes und deines Bruders und deines Vaters und deiner Mutter und all der Unseren fleht nun auch noch viel mehr im großen Serapeum; den großen Gott Serapis bitte ich sowohl um euer Leben als auch das all der Unseren und um die nützlichen Hoffnungen, die unter den Menschen gehegt werden. Dir nun über unsere Geschäfte zu schreiben oder auch über die Arbeiten, was ich dir ja auch früher oft durch viele Briefe geschrieben und nicht minder aber auch persönlich dir aufgetragen habe, hielt ich jetzt für überflüssig, denn auch du selbst, die du doch die Mutter unseres Kindes bist, wirst mehr als ich wollen, dass die Fürsorge und Förderung dieser Dinge mit unübertroffener Hingabe geschieht. Und auf die Pflege und Sorge für dich selbst sei vor allem bedacht – wie ich dir ja auch darüber oft geschrieben habe –, ohne an dem, was wir haben, zu sparen. Ich schicke dir durch Dionysios, den …, oder in … des Nachbarn des Hauses des Apollonios sechs Kotylen Seiretischen Öls in einem Halbmaßkrug138 und einen Korb voll Süßigkeiten. Zwei Eingaben, die durch Xenophas vonseiten des Apollonios, des Sohnes des Skopas, und seines Schwiegersohnes Stephanos, der in der Stadt ist, eingereicht wurden, davon schicke ich dir die Abschriften in dem Briefbündel. Wenn ihr nun zusammenkommt und es scheint139 euch etwas darüber richtig zu sein140, benachrichtigt mich sogleich; was auch immer ich bei meinem hiesigen Aufenthalt in dieser Angelegenheit tun zu können glaube, werde ich nicht vernachlässigen. In unserer Sache ist aber bisher nichts geschehen. Ich bete, dass es dir wohl ergeht …141 mir gegenwärtig keine Monatsrate zu schicken, bis ich euch darüber informiere oder auch schreibe. All den Unsrigen richte namentlich Grüße aus. Und ich danke euch sehr, dass ihr, während ich euch oft geschrieben habe, überhaupt nicht geschrieben und nicht meiner gedacht habt, was die Sicherheit unseres Hauses betrifft, wie ich auch oft durch schriftliche Nachrichten und Briefe und persönlich anwesend aufgetragen habe. Sei diesbezüglich nicht nachlässig, es sei denn, du hast vor, das Hüten des gesamten Hauses mit dir gemeinsam an Heraïs zu übertragen, die ja unnütz ist, und – was nicht sein möge – es entsteht ein völliges Durcheinander.142 Obwohl der Sklave des Ptolemaios, des Bruders des Hermogenes, nach Alexandria reist und oft zu mir kommt, habt ihr nicht die Absicht gehabt, ihm Briefe zu geben, und habt ihn überhaupt nicht vorgelassen, sondern Eudaimon hat ihn sogar abgefertigt und gesagt: ‚Gegenwärtig haben wir keine Zeit für andere, weil wir abreisen.‘ Überbringe der Schwester Arsinoe, von Demareus.“ 138 Wörtlich: sechs Kotylen in einem Krug, der ein halbes Chus fasst. Der Krug war also voll und fasste ca. 1,64 Liter. Der Name des Öls bezieht sich vermutlich auf den Produktionsort. 139 An dieser Stelle wird der Text am linken Rand fortgesetzt. 140 Gemeint ist wohl: wenn sie zusammenkommen und nach dem Studium der Eingabeabschriften zu einem Entschluss kommen, wie sie weiter vorgehen wollen. 141 Nach dem Schlussgruß wird der Brief noch in derselben Zeile fortgesetzt, vom Rest der Randbemerkung ist aber aufgrund der Bruchstückhaftigkeit kein Inhalt mehr zu rekonstruieren. Klar ist aber, dass an dieser Stelle noch jener Textabschnitt begann, der auf der Rückseite mitten im Satz fortgesetzt wird. 142 Wörtlich: „aus dem einen entsteht das eine, aus dem anderen das andere“, womit wohl gemeint ist: am Ende ist nichts mehr so, wie es sein soll. Beachte dazu auch BL VIII 241.
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Einleitung
Mitten in Z. 47 ändert sich plötzlich und völlig unerwartet der Ton. Nach einer in einzigartiger Weise betonten Bitte, alle zu Hause zu grüßen (bisher ist nur für diesen Brief die Doppelung προσαγόρευε καὶ ἄσπασε bezeugt), wechselt der Briefsender plötzlich zu einem scharfen Tadel, den er mit einer Formulierung des vermeintlichen Dankes einleitet, die erst vom Kontext her als überaus ironisch erkennbar wird. Bis zum Schluss bleibt dieser Ton unversöhnlich. Würde das Original des Briefes nicht dazu zwingen, das ganze Schreiben einer einheitlichen Briefsituation zuzuordnen, wäre es durchaus nahe liegend, von mindestens zwei ursprünglichen Schreiben auszugehen, die mitten in Z. 47 erst nachträglich miteinander verbunden worden wären. Tatsächlich aber findet der Brief ausgerechnet dort, wo er längst sein erwartetes Ende gefunden hätte (mit der Übermittlung von Grüßen im Postskriptum), noch eine Fortsetzung, und das ausgerechnet, aber offenbar ganz bewusst und unbedingt mit dem praktisch bis zuletzt zurückgehaltenen Tadel. Mit diesem Stimmungswechsel Hand in Hand geht eine völlig andere Beschreibung der aktuellen Situation. Während der erste Teil das Bild einer intakten, ja liebevoll miteinander verbundenen Großfamilie zeichnet, der drei Generationen angehören, die bei rechtlichen Angriffen von außen fest zusammenhält und der es wirtschaftlich offenbar an nichts fehlt (man beachte, wie der Briefsender in Z. 24–26 seine Gattin ermuntert, es sich gut gehen zu lassen; zu sparen sei jedenfalls nicht angebracht), vermittelt der mitten in Z. 47 beginnende Teil den Eindruck eines Haushalts, in dem nahezu alles im Argen liegt: die Korrespondenz scheint einseitig zu laufen und nur vom Briefsender auszugehen, so dass er sich vernächlässigt fühlt, und die wirtschaftliche Situation des Hauses wird als überaus ernste beschrieben: wenn nicht gleich etwas geschehe, würde wegen der Unfähigkeit der Ehefrau und einer ohnehin unnützen Haussklavin bald alles auseinanderbrechen. Aufgrund der erwiesenen Einheitlichkeit des Briefes (es liegen auch kein Schreiberwechsel vor und keinerlei Anzeichen in Schrift und Tinte, die als Hinweis auf eine Unterbrechung des Schreibflusses an der relevanten Stelle gewertet werden könnten) ist – entsprechend dem Gesamtzusammenhang – davon auszugehen, dass (auch) dieser Schlussteil dem dringenden Anliegen dient, die Adressatin und die Ihrigen zu einem regelmäßigeren Briefverkehr zu bewegen und dazu, die Sorge um den Haushalt sehr ernst zu nehmen. Auch das Angebot in Z. 41–42, sich weiterhin mit allen Mitteln für die Anliegen seiner Gattin und ihrer Verwandten zu verwenden, nimmt Aurelius Demareus mit diesem tadelnden Nachtrag in keiner Weise zurück. Der Wunsch, der sich als gemeinsamer Nenner aller Briefteile erweist, ist die Aufrechterhaltung und (vor allem im Sinne einer beiderseitigen Beteiligung) Intensivierung des Kontaktes und der persönlichen Beziehung sowie die andauernde wirtschaftliche Prosperität des Familienunternehmens.
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Papyrologisches zur Frage der Einheitlichkeit des 2Kor
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Von dieser Art von Papyrusbriefen her ist für 2Kor zu fragen, ob auch die dortigen Spannungen in einer vergleichbaren Bandbreite liegen, die es noch erlaubte, das Schreiben als ursprünglich einheitliches zu erklären.
Separate Papyrusbriefe mit kaum unterscheidbaren Briefsituationen Analog zur vorhergehenden Gruppe kommen auch für diese nur die Briefe von gleich bleibenden Briefsenderinnen und -sendern bzw. Briefempfängerinnen und -empfängern in Frage. Auch für diese Gruppe habe ich also Papyrusarchive als Grundlage herangezogen. Kompilationen könnten ohne größeren Aufwand vor allem mit Briefen durchgeführt werden, die von identischen Personen am selben Tag an dieselbe Adressatin oder denselben Adressaten geschrieben wurden (siehe dazu zahlreiche Beispiele unten S. 100–104). In so einem Fall liegen von vornherein keine gravierenden äußeren Unterschiede hinsichtlich des Ortes und der Zeit der Abfassung vor, die als Widersprüche erkennbar wären. Derartige Briefe könnten im Normalfall durch einfaches Weglassen von Briefschluss des einen und Briefanfang des anderen Briefes aneinandergestellt werden. Damit wären die Ergebnisse derartiger Kompilationen kaum von jenen bereits ursprünglich einheitlichen Briefen unterscheidbar, in denen die verschiedenen Anliegen mehr oder weniger übergangslos aneinandergereiht werden (vgl. z. B. P.Fay. 110 mit BL I 131, VI 37 und XII 68 [11. September 94 n. Chr.]143; 112 [mit BL I 131, IV 29 und V 28; 21. Mai 99 n. Chr.; siehe S. 92–93]). Weitere Beispiele für diese Briefgruppe zu finden, wo also eine Kompilation von zeitlich weiter auseinander liegenden Briefen relativ einfach möglich wäre, erwies sich als überraschend schwierig in Anbetracht dessen, dass man doch erwarten könnte, dass die relativ kurzen und oft eintönigen Papyrusbriefe ohne großen Aufwand zu längeren Briefen zusammengestellt werden könnten. Dem ist aber nicht so. Im Folgenden präsentiere ich zwei Beispiele: Von den Briefen des bereits genannten Herakleides an Athenodoros wurden oben BGU XVI 2611 und 2608 als Beispiel für klar unterscheidbare Briefsituationen erwähnt (siehe S. 76–78). Ein weiterer Brief des Herakleides könnte hingegen ohne weiteres mit jedem der beiden kombiniert werden – BGU XVI 2610 (13. November 9 v. Chr.?): Ἡρακλείδης Ἀθηνοδώρωι τῶι ἀδελφῶι πλεῖστα χαίρειν καὶ διὰ παντὸς ὑγ{ε}ιαίνειν ὡς εὔχομαι. πλεονάκ{ε}ις σοι ἔγραψα καὶ διὰ λόγων ἐρώτα γράψαι 5 τοῖς ἐπὶ λόγοις τῆς Κόμα ἵν̣ ̣ α̣ τὸ σιτάριον παραλάβωσιν κ᾽ οὐκ ἐποησας· πάλ̣ α̣ ι ἐμοὶ ̣ ̣ [ν] ἐπιρείψῃς, οἶδά σε μὴ ὄντὴν αἰτε̣ία 143
Siehe dazu auch Arzt-Grabner, Alltag 121–122.
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Einleitung
τα ἀμελήν. ἐὰν γὰρ λάθῃς, [ἐμ]πέσῃ εἰς τὸν ἐπὶ τ{ε}ιμῆς. ὁ γὰρ πυ[ρὸ]ς χρηστὸς 10 ἐστ{ε}ίν. τὰ δ᾽ ἄλλ{λ}α σεατοῦ ἐπ{ε}ιμέλου ἵν᾽ ὑγ{ε}ιαίνῃς. ἔρρωσ(ο). ⟦κβ⟧ (ἔτους) κβ Καίσαρος Ἁθὺ(ρ) ιζ̣ ̣ .
Verso Ἀθηνοδώρωι τῶι ἀδελφῶι. 4 l. ἠρώτα 7 l. αἰτίαν; ἐπιρρίψεις
„Herakleides dem Bruder Athenodoros, ganz viele Grüße und allzeit Gesundheit, wie ich bete. Des Öfteren habe ich dir geschrieben und mündlich dich gebeten, den Leuten, die in Koma für die Finanzen zuständig sind, zu schreiben, damit sie das bisschen Getreide mit sich nehmen, und du hast es nicht getan. Einst wirst du mir einen Vorwurf machen(?)144, ich weiß, dass du nicht nachlässig bist. Wenn du nämlich (darauf) vergisst, wirst du es mit jenem zu tun haben, der für den Preis zuständig ist. Denn der Weizen ist brauchbar145. Im Übrigen aber sorg dich um dich, damit du gesund bleibst! Leb wohl! Im 22. Jahr Caesars, am 17. Hathyr.“ Verso: „An Athenodoros, den Bruder.“
Allen drei Briefen ist gemeinsam, dass der Adressat in den Augen des Herakleides als nachlässig erscheint, was das Aufrechterhalten des brieflichen Kontaktes und die Ausführung dringender Geschäfte betrifft. Man müsste nur Eingangsgruß, Gesundheitswunsch und Schlussgruß z. T. weglassen, dann könnte man den hier angeführten Brief entweder mit BGU XVI 2608 oder mit 2611 zu einem einzigen Brief zusammenstellen, der in sich durchaus als Einheit verstanden werden könnte, wenn nicht der erhaltene Originalzustand eindeutig gegen die Einheitlichkeit spräche. Nur 2608 und 2611 wären aus den oben genannten Gründen (siehe S. 76–78) nicht so ohne weiteres kombinierbar. Ein zweites Beispiel lässt sich aus der Korrespondenz des Veteranen und Großgrundbesitzers L. Bellenos Gemellos mit seinem Sklaven Epagathos beibringen,146 den er zum Verwalter einiger seiner Landgüter eingesetzt hatte. P.Fay. 112 (mit BL I 131, IV 29 und V 28) stammt vom 21. Mai 99 n. Chr. und enthält eine Reihe von Anweisungen: Λούκιος Βελλῆνος Γέμελλος Ἐπαγαθῶι τῶι ἰδίωι χα(ίρειν). εὖ πυήσις διῶξαι τοὺς σκαφήτρους τῶν ἐλαιώνον καὶ τοὺς ὑποσχ[ει]σμοὺς καὶ διβολήτρους τῶν ἐλαιώνον, καὶ [τὰ] ἀνα5 παύματα ὑπόσχεισον καὶ διβόλησον, [ἐ]π̣ ιτί144 Nach Papathomas, Bemerkungen 198, ist hier ἐπιρείψῃς zu lesen und als ἐπιρρίψεις, also als Futurform, aufzufassen. Im Anschluss an πάλαι am Beginn des Satzes wäre eher eine Aoristoder Imperfektform zu erwarten. 145 D. h. von bester Qualität. 146 Zu L. Bellenos Gemellos und seinem Sklaven Epagathos siehe ausführlich Westermann, Farmer; Hohlwein, Vétéran; Ast/Azzarello, Veteran.
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Papyrologisches zur Frage der Einheitlichkeit des 2Kor
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νας τὸν ζευγηλάτην εἵνα ἑκάσ[της] ἡμέρας τὼ ἔργον ἀποδῦ, καὶ μὴ τῦς κα̣ ύ̣ [μ]α̣ σ̣ ι ̣ ἀριθμὸν ταυρικο̃ ν κόλλα. τὼν ὤγμ[ον] τῆς Ἀπιάδος ἕως σήμερον οὐ ἐθέρ[ι]σας ἀλ̣ λ̣ ᾽ ἠμέληκας αὐτοῦ καὶ μέχρι τούτου τὼ ἥμυσυ αὐτοῦ ἐθέρισας, ἐπέχον τῷ δακτυλιστῇ Ζωίλωι καὶ εἵνα αὐτὸν μὴ δυσωπήσῃς· ἀθέρισ{σ}τον ἕως σήμερον ἀφῖ̣ νοκας· διὼ μένφομαί σαι μεγάλως. ἐπ̣ ίγ θι εἰ ἐσκάφη ὡ τῆς Διονυσιάδος ἐλαιών· εἰ μὴ δίωξον αὐτοῦ τὼν σκάφητρων ̣ κον ἐν δυσὶ ἡμέρας. συνφέρι γὰρ εν .ικ αὐτὸν [σ]καφῆναι. μὴ σπουδασέτωσαν ἁλωᾶν τ᾽ ἅλομ Μινᾶ καὶ τὴν̣ Σένθεως ἕως γράψω. τὰς ἅλως αὖ πάσας θλάσον ἐπὶ τοῦ παρόντος. μὴ οὖν ἄλλως πυήσῃς. ἔρρωσο. ἀσπάζου Ἥρωνα καὶ Ὀρσενοῦφιν καὶ τοὺς ἐν ὔκῳ πάντες. (ἔτους) β Αὐτοκράτορος Καίσαρος Νερούα Τραιανοῦ Σεβαστοῦ Γερμανικοῦ, Παχὸν κϛ.
2 l. ποιήσεις 3 l. ἐλαιώνων 4 l. διβολήτους; l. ἐλαιώνων 5–6 l. ἐπ̣ ιτείνας 6 korrigiert aus ζυυγηλάτην; l. ἵνα 7 l. τό; l. ἀποδοῖ; l. τοῖς 8 l. ταυρικῶν; l. τὸν ὄγμον 10–11 l. τὸ ἥμισυ 12 l. ἵνα 13–14 l. ̣ νωθι 15 l. ὁ 16 l. τὸν σκάφητρον 17 l. συμφέρει; ἀφεῖκας 14 l. διὸ μέμφομαί σε 14–15 l. ἐπ̣ ίγ ̣ κον ed.pr., ἐν μ̣ ικ ̣ κόν (l. μικρόν) Olsson, Papyrusbriefe Nr. 54 19 l. ἅλων Μηνᾶ 21 l. ποιήεν .ικ σῃς 23 l. οἴκῳ πάντας
„Lukios Bellenos Gemellos seinem Epagathos, Gruß. Sei so gut und betreibe eifrig das Graben der Olivenhaine und das Pflügen und Hacken der Olivenhaine und pflüge und hacke das Brachland! Treibe den Kutscher an, dass er jeden Tag die Arbeit ausführt, und schließ nicht eine Anzahl Stiere in der Hitze zusammen.147 Den Acker in Apias hast du bis heute nicht abgeerntet, sondern du hast ihn vernachlässigt und bis zu diesem Zeitpunkt (nur) die Hälfte von ihm abgeerntet. Kümmere dich um den Landvermesser Zoilos; und dass du nicht mit Bitten auf ihn eindringst! Unabgeerntet hast du ihn bis heute gelassen; daher tadle ich dich sehr. Stell fest, ob der Olivenhain in Dionysias gegraben wurde! Wenn nicht, betreibe sein Umgraben innerhalb von zwei Tagen! Es ist nämlich vorteilhaft, dass er in kurzer Zeit(?) umgegraben wird. Sie sollen sich nicht bemühen, die Tenne des Menas zu dreschen und das Landgut des Sentheus148, bis ich schreibe! Alle Tennen aber nimm jetzt in Benutzung! Handle also nicht anders! Leb wohl! Grüße Heron und Orsenuphis und alle im Haus! Im 2. Jahr des Imperators Caesar Nerva Traianus Augustus Germanicus, am 26. Pachon.“
Vor der Mahnung in Z. 21, nicht anders zu handeln (μὴ οὖν ἄλλως ποιήσῃς), ließe sich ohne weiteres der erhaltene Rest eines anderen Briefes einfügen, der
147
Zu den Transkriptionsvorschlägen für diese Stelle siehe R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/ Kritzer u. a., 1. Korinther 238 Anm. 200. 148 Siehe dazu BL VIII 123.
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Einleitung
mehr als zwei Jahre später geschrieben wurde, nämlich am 21. August 101 n. Chr. – P.Fay. 115; wieviele Zeilen am Anfang fehlen, ist unklar: [ ca. 9 ]θ̣ α̣ ι ̣ .τ̣ο̣ εα[ . δα]π̣ άνη̣ ς̣ [κ]αὶ [ . . . . .] . .λ̣ υς̣ φ̣ ύλακα. ἀγόρασον ἡμῖν δύωι συγενῆ χυρίδια
5 εἰς τροφὴν εἰς ὖκον [ἐ]πὶ μέλλομον ἃ ἔ̣χ̣ ο̣ μον χυρίδια θύειν εἰς τὰ γενέσια Σαβίνου. μὴ οὖν ἄλλως πυήσας. 10 ἔρρωσο. ἀσπάζου Ὀρσενοῦφιν καὶ Ἥρωνα καὶ τοὺς ἐν ὔκῳ πάντε(ς). (ἔτους) δ Τραιανοῦ τοῦ κυρίου, μηνὸς Καισαρίου κη. 15 πέμσις μυ ω̣ ειρι τῶι ταυρικῶι εἰς Ἀφροδίτην πόλιν στερὴν καὶ πλατύ, ἐπὶ κέκοπται ὣ ἔχι ουρι καὶ κολάζεται ὡ ζευγη20 λάτης, ἐξαυτῆς.
Verso X ἀπ[ό]δος Ἐπαγαθ(ῷ) ἀπὸ [Λ]ουκίου Βελλήνου Γεμέλλου. 4 l. δύο συγγενῆ χοιρίδια 5 l. οἶκον 6 l. [ἐ]πεὶ μέλλομεν 6–7 α . χ̣ ο̣ . μον ed.pr., ἃ ἔ̣χ̣ ο̣ μον (l. ἔχομεν) Olsson, Papyrusbriefe Nr. 57 7 l. χοιρίδια 9 l. ποιήσῃς 12 l. οἴκῳ πάντα(ς) 15 l. πέμψεις μοι 17 l. στερεόν 18 l. ἐπεὶ κέκοπται ὃ ἔχει 19 l. ὁ
„… kaufe uns zwei Ferkel von guter Rasse zur Aufzucht zu Hause, denn wir beabsichtigen, die Ferkel, die wir haben, zu Sabinus’ Geburtstag zu opfern! Handle also nicht anders! Leb wohl! Grüße Orsenuphis und Heron und alle im Haus! Im 4. Jahr des Traianus, des Herrn, am 28. des Monats Caesarius. Sende mir einen Jochriemen149 für die Ochsen nach Aphroditopolis, einen starken und breiten, da der Jochriemen, den der Kutscher hat, schadhaft geworden ist und er einen benötigt, sogleich!“ Verso: „Übergib dem Epagathos von Lukios Bellenos Gemellos.“
Ein wesentlicher Punkt dieser Kombinierbarkeit150 läge möglicherweise darin, dass P.Fay. 115 nur unvollständig erhalten ist. Wir wissen nicht, ob Angaben 149 Bei ω̣ ειρι handelt es sich offenbar um denselben Begriff, der in Z. 18 mit ουρι wiedergegeben wird; vermutlich ist dasselbe gemeint wie in P.Fay. 121,5 (ca. 100 n. Chr.) mit ζυγόδεσμον (beachte den ähnlichen Kontext dort; vgl. B. P. Grenfell und A. S. Hunt in P.Fay. S. 270). 150 P.Fay. 115 könnte auch gut mit P.Fay. 110 (mit BL I 131, VI 37 und XII 68; siehe auch BL II.2 56) kompiliert werden (der Brief wird in Arzt-Grabner, Philemon 232–234, zur Gänze wiedergegeben; beachte aber die Neuedition mit – gegenüber der ed.pr. anhand des Fotos – korrigier-
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Papyrologisches zur Frage der Einheitlichkeit des 2Kor
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im ersten, nicht erhaltenen Teil des Briefes eine Kompilation ausschließen würden. Auf diesen Punkt werde ich unten noch zurückkommen (siehe S. 142–146).
Teilungs- und Einheitlichkeitshypothesen aus papyrologischer Sicht Wie ich festgestellt habe, sind Beispiele, wo – rein fiktiv – zwei oder mehr Papyrusbriefe ohne größeren Aufwand zu einem einzigen zusammengestellt werden könnten, nicht besonders zahlreich. Daraus kann gefolgert werden, dass sich eine eventuelle Kompilation des 2Kor aus mehreren separaten Briefen keineswegs von vornherein angeboten hat und auch nicht ganz einfach durchzuführen gewesen sein dürfte. Mit anderen Worten: eine Komposition oder Kompilation bedurfte wohl generell eines besonderen Grundes und der Bereitschaft, einen vermutlich nicht geringen Aufwand auf sich zu nehmen. Eine weitere Konsequenz kann aus dem Vergleich des 2Kor mit der zuletzt behandelten Gruppe (also separaten Papyrusbriefen mit kaum unterscheidbaren Briefsituationen) gezogen werden: Die überlieferte Fassung des paulinischen Schreibens ist nicht so harmonisch und spannungsfrei wie die Ergebnisse meiner fiktiven Kompilationen. Zugleich zeigt aber gerade diese letzte Gruppe, dass das vorrangige Kriterium, um eindeutig die Einheitlichkeit oder den Kompilationscharakter eines Briefes nachzuweisen, dessen originaler Erhaltungszustand ist. So gesehen kann bei jedem Brief, der erwiesenermaßen nur als Kopie innerhalb einer Sammlung erhalten ist, dessen ursprüngliche Einheitlichkeit hinterfragt werden. Wenn das Original nicht erhalten ist und der Brief – so wie 2Kor – nur als Kopie innerhalb einer Briefsammlung vorliegt, bieten Aussagen über äußere Umstände wie divergierende, unvereinbare Reisepläne, objektiv nachweisbare widersprüchliche Angaben zu bevorstehenden oder bereits erfolgten Ereignissen u. Ä. klare Argumente, um zwischen Briefsituationen eindeutig unterscheiden zu können. Dies haben die oben behandelten Papyrusbriefe mit klar unterscheidbaren Briefsituationen gezeigt (siehe S. 75–82). Derartige eindeutige Widersprüche liegen in 2Kor allerdings nicht vor. Die Reisepläne des Paulus sprechen einhellig von einem bevorstehenden dritten Besuch (vgl. 2Kor 12,14 und 13,1–2 sowie 1,15 als Hintergrund dazu),151 und auch was den Gesundheitszustand des Paulus, seinen aktuellen Aufenthaltsort oder eine bestimmte Jahreszeit betrifft, sind keine objektiven Widersprüche festzustellen. Wäre dies tatsächlich der Fall, dann wären sämtliche Versuche, die Einheitlichkeit des
ter Zeilenzählung und Berücksichtigung der neuesten Berichtigungen in Arzt-Grabner, Alltag 121–122; vgl. BL XII 68). 151 Siehe dazu ausführlich im nächsten Kapitel über die Ausgangssituation.
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Einleitung
2Kor zu vertreten, obsolet und die Komposition oder Kompilation nicht mehr eine Hypothese, sondern erwiesenes Faktum. Da uns keine Originale der Paulusbriefe vorliegen (und sich auch in der Textüberlieferung keine Spuren einer eventuellen Kompilation erhalten haben), lässt sich für 2Kor nicht (mehr) eindeutig entscheiden, ob eventuelle sachliche Ungereimtheiten dennoch ein und derselben Briefsituation zuzuordnen sind oder nicht. Die Beantwortung der Frage nach möglichen Kompilationen wird somit grundsätzlich offen bleiben müssen.152 Auch aus papyrologischer Sicht können nur die Möglichkeiten für eine Kompilation bzw. für eine bereits ursprüngliche Einheitlichkeit aufgezeigt und diskutiert werden. Vor dem Hintergrund von einheitlichen Papyrusbriefen mit unterschiedlichen Beschreibungen derselben Briefsituation (siehe oben S. 82–90) ist nunmehr zu fragen, ob der 2Kor im Rahmen derartiger Beispiele bleibt und ob die emotionalen Schwankungen des Paulus und seine Beschreibungen der Briefsituation nicht weiter voneinander abweichen als in manchen der oben präsentierten Papyrusbriefe. Oder anders gefragt: Können die konkreten Spannungen innerhalb des 2Kor sinnvoll auf eine einheitliche Briefsituation bezogen werden und in einem einheitlichen Brief Platz gefunden haben oder sind sie so groß, dass sie diesen Rahmen sprengen? Bevor ich die wichtigsten Spannungen, die heute in der exegetischen Forschung genannt werden, aufliste und im Einzelnen nach beiden Richtungen hin zu deuten versuche (also sowohl in Richtung Kompilation als auch in Richtung ursprüngliche Einheitlichkeit), ist es mir wichtig zu betonen, dass es hier nicht um subjektive Vorstellungen darüber geht, was noch miteinander vereinbar sein könnte und was nicht mehr. Es geht einzig und allein darum, ob innerhalb des Rahmens, der sich von den Papyrusbriefen her erheben lässt, die Spannungen in die eine oder in die andere oder sogar in beide Richtungen sinnvoll erklärbar sind. Im Folgenden führe ich jeweils das entsprechende Indiz an, das Ausgangspunkt für die eine oder andere Teilungshypothese ist, und bringe anschließend Erklärungen pro und contra Teilung des 2Kor an der entsprechenden Textstelle.153 Diese Erklärungen beruhen vorrangig auf Untersuchungen von Papyrusbriefen und können somit aufzeigen, welche Möglichkeit (Teilung oder Einheitlichkeit) auf dem Hintergrund des griechisch-römischen Briefverkehrs größere Plausibilität für sich beanspruchen kann.
152 Vgl. z. B. Grässer, 2Kor I 33 (in Anlehnung an Vielhauer, Geschichte 151): „Nun ist die Verteidigung der Teilungshypothesen nicht besser dran als die der Einheitlichkeit: beide können keinen stringenten Beweis führen, sondern müssen sich mit einem ‚Wahrscheinlichkeitsbeweis‘ begnügen“. 153 Die entsprechenden literarkritischen Diskussionen hat Thrall, 2Cor 2–49, mustergültig und detailliert dargestellt. Einen guten, aber weniger ausführlichen Überblick über die Argumente liefern auch Harris, 2Cor 8–51; Bieringer, Teilungshypothesen; ders., 2. Korintherbrief (beachte auch die Übersichtstabelle S. 128). Beachte auch die bei Bieringer u. a., 2 Corinthians 94–100.193–194, angegebene Literatur.
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Papyrologisches zur Frage der Einheitlichkeit des 2Kor
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2Kor 1–9 und 10–13: Stimmungswechsel Im Unterschied zum versöhnlichen Ton, den Paulus in 2Kor 1–9 anschlägt, sind die Kap. 10–13 von einem kritischen, z. T. vorwurfsvollen Ton geprägt. Diesen Wechsel im Ton oder in der Stimmung des Paulus zu erklären, bemühen sich sowohl unterschiedliche Teilungshypothesen als auch unterschiedliche Einheitlichkeitshypothesen. Erklärung für eine Teilung 1: Mit dem Wechsel im Ton wird auch eine andere Briefsituation verbunden. Die Annahme, bei Kap. 10–13 handle es sich im Wesentlichen um die Reste des in 2Kor 7,8.12 erwähnten Briefes, geht zurück auf A. Hausrath und wird deshalb auch als Hausrath-Hypothese bezeichnet.154 Die Vertreterinnen und Vertreter dieser Erklärung gehen also davon aus, hinter 2Kor 10–13 sei ein eigenständiger und zeitlich vor 2Kor 1–9 abgefasster und verschickter Brief zu sehen. Damit wird versucht, einen Brief zu identifizieren, den es jedenfalls gegeben hat, da er in 2Kor 7,8.12 ausdrücklich erwähnt wird. Die gegenüber der kanonischen Fassung umgekehrte zeitliche Reihenfolge (also zuerst Abfassung und Versendung von 2Kor 10–13 und erst danach von 1–9) lässt sich insofern plausibel machen, als dies dann bedeuten würde, dass Paulus nach dem „Zwischenbesuch“ (siehe dazu S. 149–154) brieflich einen dritten Besuch ankündigte, bei dem er nach 13,1–2 keine Schonung kennen würde. Damit würde dann gut korrespondieren, dass Paulus in einem späteren Brief (eben 2Kor 1–9) den noch nicht stattgefundenen Besuch damit rechtfertigt, dass er die Gemeinde (noch) schonen wollte (1,23). Die im Zusammenhang mit dieser These vertretene Vermutung, dass der Briefanfang des ursprünglichen „Tadelbriefes“ (nicht „Tränenbriefes“155) einfach weggelassen und dieser Brief erst ab dem Hauptteil des Briefcorpus an den „Versöhnungsbrief“ in zeitlich umgekehrter Reihenfolge angefügt wurde, ist papayrologisch weder zu be- noch zu widerlegen. Aus papyrologischer Sicht ist allerdings die Authentizität der Formulierung αὐτὸς δὲ ἐγὼ Παῦλος παρακαλῶ ὑμᾶς in 10,1 als Beginn eines ursprünglichen Briefcorpus äußerst fraglich, da zwar mit παρακαλῶ sehr wohl und überaus häufig das zentrale Anliegen eines Briefes eingeleitet werden kann,156 aber keinerlei Belege für die Verbindung von παρακαλῶ und der ausdrücklichen Nennung des Namens
154
Vgl. Hausrath, Vier-Capitel-Brief; ferner z. B. Klauck, 2Kor 9, und Grässer, 2Kor I 34 (zu weiteren Vertreterinnen und Vertretern siehe Bieringer, Teilungshypothesen 73–80.97; Harris, 2Cor 34; ferner Baumert, Rücken 170–171). 155 Als „Tränenbrief“ (die Bezeichnung beruht auf der Charakterisierung von 2Kor 2,3–4) identifiziere ich den 2Kor selbst (je nach Hypothese den gesamten oder Kap. 1–8 [und 9]); siehe dazu ausführlich S. 154–158). 156 Beispiele aus privaten Papyrusbriefen bei Arzt-Grabner, Philemon 193–194; Stowers, Letter Writing 24; Bjerkelund, Parakalô 34–58.
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Einleitung
der Absenderin oder des Absenders vorliegen. Dies ist insofern durchaus verständlich, als diese ohnehin kurz zuvor – im Eingangsgruß am Briefanfang – namentlich genannt wurden. Der paulinische Befund stimmt damit überein: auch Paulus hält es offenbar nicht für nötig, ein Anliegen, das er am Beginn des Hauptteils eines Briefcorpus mit παρακαλῶ einleitet, durch Nennung seines Namens als sein persönliches und ausdrückliches Anliegen zu charakterisieren.157 Überhaupt ist 2Kor 10,1 die einzige Stelle, an der παρακαλῶ mit der ausdrücklichen Nennung des Paulusnamens verbunden wird.158 Wenn Paulus seinen Namen im Verlauf eines Briefes nach dem Eingangsgruß nochmals im Zusammenhang mit dem Vorbringen eines Anliegens oder einer Bestätigung ausdrücklich nennt, dann geschieht dies tief im Inneren des Briefcorpus (vgl. Gal 5,2: ἴδε ἐγὼ Παῦλος λέγω ὑμῖν; Phlm 19: ἐγὼ Παῦλος ἔγραψα τῇ ἐμῇ χειρί)159. Vor diesem – sowohl paulinischen als auch papyrologischen – Hintergrund ist im Rahmen dieser Teilungshypothese für 2Kor 10,1 Folgendes anzunehmen: Die Einleitung der Bitte am Beginn des Briefcorpus160 des ursprünglichen „Tadelbriefes“ dürfte nur παρακαλῶ ὑμᾶς gelautet haben; erst als dieser Text im Zuge der vermuteten späteren Briefkomposition im Inneren von 2Kor zu liegen kam, dürfte sekundär – aus Gründen der Betonung der Authentizität oder aus welchen Gründen auch immer – die παρακαλῶFormel mit der ausdrücklichen Nennung des Namens Παῦλος verbunden worden sein.161 Vom Textzusammenhang und der zeitlichen Rekonstruktion der Ereignisse her sind gegen diese Teilungshypothese einige Beobachtungen kritisch anzumerken: Auf den Eklat, der während des sog. „Zwischenbesuchs“ von einem einzelnen Mitglied der Gemeinde ausgelöst wurde und auf den hin Paulus den „Tadelbrief“ verfasste, wird in 2Kor 10–13 nirgends ausdrücklich Bezug genommen, was aber von 7,8.12 her und unter der Annahme, dass mit Kap. 10–13 die Reste des „Tadelsbriefes“ vorliegen, unbedingt zu erwarten wäre. 157 Vgl. 1Kor 1,10 und Phlm 10. Auch Phlm 9 ist kein Gegenbeispiel, da hier – abgesehen von der besonderen Einleitung des Anliegens in V. 8 – nicht einfach die Identität des Paulus (nochmals) erwähnt wird, sondern mit dem Hinweis auf sein Alter (in Verbindung mit seiner Gefangenschaft) eine zusätzliche Information eingebracht wird; außerdem wird das eigentliche Anliegen erst in Verbindung mit παρακαλῶ σε in V. 10 vorgetragen. 158 Ohne Nennung des Namens hingegen Röm 12,1; 15,30; 16,17; 1Kor 4,16 [als Wiederaufnahme von 1,10]; 16,15; 2Kor 2,8; 6,1; Phil 4,2; 1Thess 4,1.10; 5,14. 159 Entfernt zu verweisen ist auch auf 1Thess 2,18. Darüber hinaus nennt er seinen Namen nur noch im Zusammenhang mit den Parteiungen in Korinth (1Kor 1,12–13 und 3,4–5.22) bzw. mit dem Schlussgruß in 1Kor 16,21. 160 Genauso gut konnte freilich auch jede Bitte im Inneren des Briefcorpus einfach nur mit παρακαλῶ σε oder ὑμᾶς eingeleitet werden (so paulinisch z. B. Röm 12,1; 15,30; 16,17; 1Kor 4,16 [als Wiederaufnahme von 1,10]; 16,15; 2Kor 2,8; 6,1; Phil 4,2; 1Thess 4,1.10; 5,14). 161 In der Exegese wird die Formulierung auch dahingehend erklärt, dass Paulus den Text ab 10,1 mit eigener Hand geschrieben habe und Kap. 1–9 maßgeblich auf einen Sekretär oder auf Timotheos zurückzuführen seien (so z. B. Bahr, Subscriptions 37–38 [mit Literaturverweisen S. 37 Anm. 52]; siehe auch Deissmann, Licht 133 Anm. 6)
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Außerdem müsste in diesem Fall 2Kor 12,18 auf einen Besuch des Titus in der Gemeinde vor dem „Zwischenbesuch“ des Paulus bezogen werden, wofür es aber keinerlei Hinweise gibt. Die Angaben in 2Kor sprechen hingegen dafür, dass Titus anlässlich der Überbringung des „Tadelbriefes“ zum ersten Mal die Gemeinde besucht hat (beachte vor allem 7,14; 8,6). Zumindest fragwürdig ist auch, ob 2Kor 10,10–11 als Bestandteil des „Tadelbriefes“ sinnvoll erklärbar ist, denn dies würde bedeuten, dass unter den „gewichtigen und starken Briefen“ nur der in 1Kor 5,9 erwähnte Brief und der 1Kor gemeint sein könnten, der „Tadelbrief“ selbst aber, auf den diese Charakterisierung wohl am allermeisten zutreffen würde, noch nicht mit eingeschlossen sein könnte. Mit der Kritik einiger Gemeindemitglieder, sein persönliches Auftreten sei schwach und seine Rede nichtig, müsste Paulus in diesem Fall bereits während des Zwischenbesuches direkt konfrontiert worden sein. Erklärung für eine Teilung 2: Der unterschiedliche Charakter von 2Kor 1–9 gegenüber Kap. 10–13 wird dahingehend erklärt, dass beide Abschnitte als separate Briefe kurz nacheinander von Paulus geschrieben wurden, bevor er von Makedonien zum dritten Besuch nach Korinth aufbrach, und zwar zuerst der „Versöhnungsbrief“ (2Kor 1–9) und kurze Zeit später der sog. „Vierkapitelbrief“ (2Kor 10–13).162 Beide Briefe wurden also dieser Erklärung zufolge vor dem in 12,14 und 13,1 angekündigten dritten Besuch geschrieben und abgeschickt.163 Der Ausgangspunkt für diese Teilungshypothese ist zwar ein ähnlicher wie bei der ersten Erklärung, nämlich dass mit 2Kor 10–13 die Reste eines ursprünglich separaten Briefes vorliegen, dieser wird aber nicht mit dem zeitlich vor Kap. 1–9 liegenden „Tadelbrief“ identifiziert, sondern als sog. „Vierkapitelbrief“ nach jenem eingeordnet. Damit ergibt sich die gegenüber der ersten Erklärung sinnvolle Alternative, dass Titus nach der Überbringung des „Tadelbriefes“ die Einschätzung einiger Gemeindemitglieder, das persönliche Auftreten des Paulus sei schwach und seine Rede nichtig (vgl. 2Kor 10,10), als Reaktionen der Gemeinde insbesondere auf den „Zwischenbesuch“ und den „Tadelbrief“ erhoben und nunmehr beim Zusammentreffen mit Paulus in Makedonien diesem berichten konnte. Wie schon zur ersten Erklärung ist auch hier aus papyrologischer Sicht festzuhalten, dass das Auslassen des Briefendes des einen und des Briefanfangs des anderen Briefes weder zu be- noch zu widerlegen ist. Auch speziell zur παρακαλῶ-Formel in 2Kor 10,1 gilt das bereits oben Festgestellte, nämlich dass im Rahmen dieser Teilungshypothese angenommen werden müsste, dass die 162 Diese Hypothese ist auch als sog. Semler-Hypothese bekannt geworden, da sie erstmals von Semler, Paraphrasis, vertreten wurde, der allerdings Kap. 9 als unabhängig von Kap. 1–8 betrachtet hat; zu weiteren Vertreterinnen und Vertretern siehe Bieringer, Teilungshypothesen 80–85.97; Harris, 2Cor 34; ferner z. B. Gielen, Paulus 84–85 Anm. 23. 163 So z. B. Furnish, 2Cor 35–38; Gnilka, Paulus 117–118; Kleine, Furcht 48–49; Wünsch, Brief 113–119; Gielen, Paulus 84–85 Anm. 23.
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Einleitung
Nennung des Paulusnamens erst im Zuge der Kompilation hinzugefügt wurde. Erklärung für eine Teilung 3: Von C. S. Keener wird die Deutung erwogen, Paulus hätte 2Kor 1–9 und 10–13 als separate Briefe verfasst und versiegelt und sodann durch Titus auf derselben Misson der Gemeinde in Korinth überbringen lassen, wo sie als Einheit gelesen worden wären.164 Diese Hypothese geht also davon aus, dass der gesamte 2Kor bereits als Einheit verschickt, zugestellt und verlesen wurde und nur deshalb nicht auch bereits als einheitlicher Brief geschrieben worden sei, weil der erste Brief (nämlich 2Kor 1–9) bereits versiegelt gewesen und das Siegel – so Keener – wie üblich nicht mehr geöffnet worden wäre. Aus papyrologischer Sicht gilt für diese Hypothese zunächst Ähnliches wie für die oben behandelten Teilungshypothesen: sie rechnet damit, dass der Schluss des ersten Briefes und der Anfang des zweiten Briefes sekundär weggelassen wurden. Die Annahme, dass der erste Brief bereits versiegelt war, hat notwendigerweise davon auszugehen, dass er auch in sich abgeschlossen war und somit einen eigenen Briefschluss aufwies. Für den vermeintlich zweiten Brief muss aus papyrologischer Sicht angenommen werden, dass auch dieser ursprünglich einen eigenen Briefanfang und einen Briefschluss enthielt. Vergleichbare Beispiele – vor allem aus dem Zenon-Archiv – belegen dies deutlich. In diesem umfangreichsten erhaltenen Papyrusarchiv der Antike165 stößt man immer wieder auf mehrere Briefe, die am selben Tag vom selben Absender an denselben Adressaten verschickt wurden. Bei keinem einzigen dieser Briefe fehlt ein Briefanfang und – mit einer Ausnahme (P.Cair.Zen. I 59039) – auch kein Briefschluss: Da Zenon der persönliche Vertraute des ptolemäischen Finanzministers (διοικήτης) Apollonios war, stammen verständlicherweise besonders viele Briefe des Archivs von diesem. Am 27. Dezember 256 v. Chr. schrieb Apollonios gleich vier Briefe an Zenon, die wohl auch alle gemeinsam bei Zenon einlangten, und zwar am 16. Januar 255 v. Chr. (zumindest für P.Cair.Zen. II 59156 und 59157 ist dies durch die Eingangsvermerke auf dem Verso belegt; die beiden anderen am selben Tag geschriebenen Briefe sind P.Cair.Zen. II 59155 und 59158). Die Briefe waren also drei Wochen unterwegs. Über den regen Briefverkehr zwischen Apollonios und Zenon gibt auch folgendes Beispiel Auskunft: Am 20. Mai 254 v. Chr. schrieb Apollonios nur einen Brief an Zenon (P.Cair.Zen. II 59200), tags darauf, am 21. Mai, schrieb er ebenfalls nur einen Brief (P.Col. III 34), der am 22. Mai bei Zenon einlangte; an diesem 22. Mai schrieb Apollonios bereits einen weiteren Brief (P.Cair.Zen. II 59201 mit BL IX 51), und danach, also am 23. Mai, sogar drei Briefe (P.Cair.Zen. II 59202 mit BL IX 51, 59203
164
Vgl. Keener, Cor 150. Vgl. dazu zusammenfassend White, Light 27, und umfassender C. C. Edgar in P.Mich. I S. 1–60; Pap.Lugd.Bat. XXI; Clarysse/Vandorpe, Zénon; C.Zen.Palestine. 165
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Papyrologisches zur Frage der Einheitlichkeit des 2Kor
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mit Pap.Lugd.Bat. XXI S. 105 sowie 59204), die alle laut Eingangsvermerk tags darauf, also am 24. Mai 254 v. Chr., bei Zenon einlangten.166 Auch für andere Briefpartner Zenons können Beispiele angeführt werden: Ein gewisser Nikon schrieb am 1. April 257 v. Chr. gleich drei Briefe an Zenon (P.Cair. Zen. I 59049 sowie P.Lond. VII 1936 und 1937 mit BL XI 123), die laut Eingangsvermerk gemeinsam am 14. April bei Zenon eintrafen; möglicherweise gehört auch P.Zen.Pestm. 37 noch dazu (erhalten ist derselbe Eingangsvermerk, Tag und Monat des Schreibdatums sind aber unsicher). Am 29. Februar 257 v. Chr. langten bei Zenon laut Eingangsvermerk drei Briefe des Amyntas ein (P.Cair.Zen. I 59038, 59039 und PSI V 483) und einige Zeit später, nämlich am 26. März desselben Jahres, gleichzeitig zwei Briefe desselben Absenders (P.Cair.Zen. I 59044 mit BL XI 54 und 59045). Am 8. März 257 v. Chr. erhielt Zenon von einem gewissen Addaios drei Briefe (PSI V 486, den leider nicht mehr vollständig erhaltenen Brief PSI V 487 mit Pap.Lugd.Bat. XXI S. 146 und PSI VII 854 mit BL II.2 143, IX 318, X 244 und XI 247167).168
Offenbar wurde es für grundsätzlich wichtig, vielleicht sogar für sebstverständlich erachtet, einen Brief in formal vollständiger Form zu verfassen, gleichgültig ob er einzeln oder gemeinsam mit anderen verschickt wurde. Damit wurden auch von vornherein Missverständnisse hinsichtlich der Herkunft eines Briefes vermieden, die dadurch entstehen konnten, dass der Adressat an ein und demselben Tag von mehreren Personen jeweils mehrere Briefe erhalten konnte. Vermutlich war diese Möglichkeit und somit die Notwendigkeit, jeden einzelnen Brief klar identifizierbar zu halten, den Absenderinnen und Absendern bewusst. Zwei ausgewählte Beispiele machen dies deutlich: Am 5. Mai 257 v. Chr. erhielt Zenon laut Eingangsvermerk nicht nur zwei Briefe von Hierokles (P.Cair.Zen. I 59061 und P.Lond. VII 1941), sondern auch einen Brief von Amyntas (P.Lond. VII 1942). 166 Weitere derartige Beispiele aus der Korrespondenz des Apollonios mit Zenon lassen sich anführen: P.Cair.Zen. II 59179 mit Pap.Lugd.Bat. XXI S. 104 und 59180 wurden von Apollonios am 24. Juli 255 v. Chr. an Zenon geschrieben (für den zweiten Brief ist der Eingangsvermerk für den 31. Juli 255 v. Chr. erhalten); für P.Cair.Zen. II 59184 mit BL VIII 78 und 59185 sind die Datierungen durch Apollonios nicht mehr vollständig erhalten, wohl aber Zenons Eingangsvermerke (bei beiden Briefen für den 8. Oktober 255 v. Chr.). 167 Die Transkriptionen dieses Papyrus (z. B. auch im Nachdruck C.Ptol.Sklav. 202) geben keinen Schlussgruß wieder, davon sind aber möglicherweise noch Tintenspuren vorhanden (beachte die Abb. in Messeri Savorelli/Pintaudi [Hg.], Papiri tav. XXVI). 168 Siehe ferner PSI V 500 und 501 mit BL XI 248 (zu PSI VIII S. XV): Maron an Zenon (6. Juli 257 v. Chr.); P.Zen.Pestm. 39 und PSI VI 572: Pataikion an Zenon (23. Januar 250 v. Chr.); P.Cair. Zen. III 59299 und 59300 mit Pap.Lugd.Bat. XXI S. 108: Euempolos an Zenon (23. Juni 250 v. Chr.); P.Cair.Zen. III 59315 und 59316 mit Pap.Lugd.Bat. XXI S. 108: Pekysis an Zenon (13. November 250 v. Chr.); P.Cair.Zen. III 59330 und 59331: Pemnas an Zenon (30. Juni 248 v. Chr.); ähnlich P.Cair.Zen. I 59075 mit Pap.Lugd.Bat. XXI S. 101 und 59076 mit Pap.Lugd.Bat. XXI S. 101 und BL VIII 77: Tubias an Apollonios (13. Mai 257 v. Chr.; beide wurden am 17. Juni 257 v. Chr. mit einem Eingangsvermerk versehen); P.Cair.Zen. V 59815 und PSI V 498 mit Pap.Lugd. Bat. XXI S. 147 und BL X 240: Zoilos an Panakestor (beide am 5. Dezember 257 v. Chr. geschrieben und tags darauf eingelangt).
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Einleitung
Am 21. Juli desselben Jahres nahm Zenon, wie abermals die Eingangsvermerke bestätigen, nicht nur zwei Briefe von Menes entgegen (P.Cair.Zen. V 59812 und P.Zen.Pestm. 36), sondern auch einen Brief von Iollas (P.Cair.Zen. I 59080 mit Pap.Lugd.Bat. XXI S. 101), einen von Moschos (P.Cair.Zen. I 59081), einen von Philokrates (P.Cair.Zen. I 59082), einen von Peisikles (P.Cair.Zen. I 59083 mit Pap.Lugd.Bat. XXI S. 101), einen von Philon (P.Cair.Zen. I 59084), einen von Hierokles (P.Cair.Zen. V 59811) und einen von Artemidoros (PSI IV 326 mit Pap.Lugd. Bat. XXI S. 139).
Aufgrund derartiger Situationen war es einfach nahe liegend, dafür Sorge zu tragen, dass jeder Brief eindeutig identifizierbar blieb. Die Zuordnung des einzelnen Briefes zu einem einzelnen geschäftlichen Ereignis – und innerhalb des Zenon-Archivs geht es in erster Linie um geschäftliche Angelegenheiten – war offensichtlich kein Kriterium, denn obwohl dieser Zusammenhang für die Mehrzahl der erwähnten Briefe gegeben ist, lassen sich auch Beispiele dafür finden, dass in einem Brief mehrere Angelegenheiten abgehandelt wurden.169 Auch der umgekehrte Fall, nämlich dass sich zwei Briefe desselben Tages auf dasselbe Geschehen beziehen, lässt sich belegen.170 Bezeichnend für diese Briefe ist auch, dass ganz offensichtlich keinerlei Interesse daran bestand, auf bereits verfasste Briefe desselben Tages ausdrücklich Bezug zu nehmen. Dies lässt sich vielmehr dort beobachten, wo die Briefe, auf die verwiesen wird, bereits früher geschrieben und auch verschickt wurden. Drei Briefe des Menes an Zenon machen dies besonders deutlich. Wie bereits erwähnt, hat Zenon am 21. Juli 257 v. Chr. zwei Briefe von Menes erhalten, nämlich P.Cair.Zen. V 59812 und P.Zen.Pestm. 36. Beide wurden vermutlich durch denselben Briefboten zugestellt. P.Zen.Pestm. 36 beginnt nun – nach einer Lücke – mit dem Hinweis – Z. 1–2: [ - - - γ]ραφεῖσαν ἐπιστολήν, | μικρῶι ὕστερον συνέλαβον Στάχ[υν] („… den früher geschriebenen Brief, ergriffen sie wenig später den Stachys“). Der Zusammenhang ergibt sich aus einem Brief, den Zenon tags zuvor von Menes erhalten hatte, worin Menes über das Aufgreifen von drei entflohenen Sklaven berichtete (P.Lond. VII 1951)171. Jener Brief war bereits abgeschickt worden, als noch der vierte flüchtige Sklave, nämlich Stachys, aufgegriffen wurde. Darauf nimmt Menes in einem der beiden Briefe des folgenden Tages Bezug. Mit C. C. Edgar kann somit die Lücke in P.Zen.Pestm. 36,1 sinnvoll ergänzt werden zu [μετὰ τὸ ἀποστεῖλαι τὴν πρότερον γ]ραφεῖσαν ἐπιστολήν („nachdem ich den früher geschriebenen
169 Unter den oben angeführten Briefen gilt dies für P.Cair.Zen. I 59038 (29. Februar 257 v. Chr.); PSI VII 854 mit BL II.2 143, IX 318, X 244 und XI 247 (8. März 257 v. Chr.); P.Cair.Zen. I 59049 (1. April 257 v. Chr.); III 59315 (13. November 250 v. Chr.). 170 Z. B. mit P.Cair.Zen. III 59330 und 59331 (beide Briefe hat ein gewisser Pemnas am 30. Juni 248 v. Chr. an Zenon geschrieben). 171 Dieser Brief wurde am 20. Juli 257 v. Chr. geschrieben und traf noch am selben Tag laut Eingangsvermerk auf dem Verso bei Zenon ein.
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Papyrologisches zur Frage der Einheitlichkeit des 2Kor
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Brief abgeschickt hatte“).172 Der Hinweis bezieht sich also auf den Brief des Vortages, nicht auf den anderen Brief desselben Tages (P.Cair.Zen. V 59812), worin Menes über den Kauf von Honig berichtet. Dazu einen Bezug herzustellen, wäre gänzlich unnötig, wenn nicht sogar unsinnig gewesen, da die beiden Angelegenheiten (Aufgreifen des Sklaven, Kauf von Honig) nichts miteinander zu tun haben und der zeitliche Zusammenhang (beide Briefe wurden am selben Tag zugestellt) ohnehin im gemeinsamen Überbringen durch den Briefboten deutlich wurde.
Dass sich so zahlreiche Beispiele nur im Zenon-Archiv finden lassen und später nur selten auszumachen sind, hängt mit dem enormen Umfang dieses Archivs zusammen. Dass es die Absenderinnen und Absender aber auch in späterer Zeit sehr genau damit genommen haben, ihre Briefe identifizierbar und abgrenzbar zu halten, zeigen Briefe, die am selben Tag von verschiedenen Personen an denselben Adressaten gerichtet und auf ein gemeinsames Blatt Papyrus geschrieben wurden: Ein gutes Beispiel liegt mit PSI IV 317 vor. Auf diesem Papyrusblatt sind zwei Briefe erhalten, die beide am 12. November 95 n. Chr. an einen gewissen Ptollis geschrieben wurden; der erste (Z. 1–13) wurde von einem Kastor verfasst, der zweite (Z. 14– 27) von einem Asklepiades. Beide sind klar voneinander abgegrenzt, sogar das genaue Tagesdatum enthält jeder der beiden Briefe in separater Schreibung. Dass Kastor und Asklepiades nicht einen gemeinsamen Brief geschrieben haben, erklärt sich leicht aus den unterschiedlichen geschäftlichen Angelegenheiten, um die es in den Briefen geht und die offenbar jeweils nur einen der beiden betreffen. Dass sie aber jeden Brief auf dem gemeinsamen Blatt auch separat datiert haben, bestätigt deutlich, dass ihnen die klare Unterscheidbarkeit und Abgeschlossenheit der Briefe sehr wichtig oder gleichsam selbstverständlich war. Von besorgtem Ton geprägt sind die drei Briefe, die in der Zeit zwischen 113 und 120 n. Chr. auf einem einzigen Papyrusblatt an Apollonios, den Strategen von Heptakomia, geschrieben wurden (P.Brem. 61). Allen drei ist die Sorge um die Gesundheit des Adressaten gemeinsam, aber trotz einiger typischer Briefformeln (z. B. einem Gebetsbericht in Z. 47–49) ist jeder Brief sehr individuell und persönlich gestaltet. Die ersten beiden Briefe wurden offenbar diktiert (Z. 1–23 mit dem Postskriptum in Z. 25–32 und Z. 33–43). Von der Absenderin des ersten Briefes ist der Name nicht mehr erhalten,173 wohl aber ihr eigenhändiger Schlussgruß und das eigenhändig geschriebene Tagesdatum (Z. 23–24; das Jahr wurde leider nicht angegeben). Auch der zweite Absender, ein gewisser Chairas, hat an das Ende seines Briefes, der die erste Hälfte der zweiten Kolumne einnimmt (Z. 33–44 der fortlaufenden Zeilenzählung), eigenhändig einen Schlussgruß gesetzt, bevor der dritte Absender, ein gewisser Diskas, seinen Brief offenbar zur Gänze eigenhändig zu Papyrus gebracht hat.174 Es wäre nichts Auffälliges zu erkennen gewesen, hätten alle drei
172 Vgl. C. C. Edgar in P.Mich. I S. 79 (zu P.Mich. I 18). Siehe dazu auch R. Scholl in C.Ptol.Sklav. I S. 248–251. 173 Vielleicht handelt es sich um die Schwester des Adressaten. 174 Laut Hg. des Papyrusblattes stammt die Anschrift auf dem Verso von einer 5. Hand (vgl. U. Wilcken in P.Brem. S. 137–138; Bagnall/Cribiore, Women’s Letters 142).
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einen einzigen gemeinsamen Brief an Apollonios geschrieben. Ihr Bedürfnis war in diesem Fall offenbar ein anderes.175 Den umgekehrten Fall, dass ein Absender drei Briefe an verschiedene Personen auf ein einziges Ostrakon geschrieben hat, belegt O.Claud. II 259 (Mitte 2. Jh. n. Chr.). Der erste Brief, den der Absender Titianus an Serapammon und Ammonianus richtet, und auch der dritte (adressiert an Alexas, Orsenuphis und Marinus) bestehen aus nicht mehr als jeweils dem Eingangsgruß und einer Proskynema-Formel; der mittlere Brief an einen gewissen Maximus enthält nach dem Eingangsgruß nur die wenig konkrete Aufforderung, der Adressat möge sich um das kümmern, was ihm der Absender offenbar schon früher aufgetragen habe – Z. 6–8: μελησά|τω σοι περὶ ὧν σοι ἐντειλά|μην. An den linken Rand ließ Titianus noch einen Gruß an einen Asklepiades anfügen; offenbar wurde der Text bis hierher diktiert, erst den Schlussgruß ἐρρῶσθαι ὑμᾶς | εὔχομαι, der für alle drei Briefe gilt und den bis dahin allein noch frei gebliebenen Platz am oberen (!) Rand füllt, hat Titianus eigenhändig geschrieben. Aus dem 1. Jh. n. Chr. stammt SB XX 14132 mit BL XI 227–228. Das Papyrusblatt enthält untereinander zwei Briefe einer gewissen Ptolema, die über ihre missliche Lage in Alexandria(?) klagt; der erste Brief ist an ihre Mutter, der zweite an ihre Schwester gerichtet.176 Ein besonderes Beispiel ist P.Hamb. IV 259 (3. Jh. n. Chr.): rein formal liegen hier zwei aufeinanderfolgende Briefe vor; der erste ist von Aurelius Eudaimon an die Aurelier Kasios und Hieron gerichtet, ab Z. 17 folgt in zweiter Hand ein weiterer Brief, der mit dem Eingangsgruß χαῖρε, ἄδελφε („sei gegrüßt, Bruder“) beginnt und mit dem Schlussgruß ἔρρωσθ(ε) in Z. 23 endet; Namen werden im zweiten Brief keine genannt. Der Hg. des Papyrus vermutet, dass Aurelius Eudaimon für beide Briefe als Absender fungiert, aber im zweiten Brief „schreibt er selbst, während er anfangs einen Sekretär hat schreiben lassen. Er wendet sich direkt an den ihm besser bekannten der beiden Empfänger Kasios und Hieron.“177 Der Absender hätte an Stelle des zweiten Briefes ohne weiteres ein einfaches Postskriptum anfügen können. Offensichtlich lag ihm aber daran, einen eigenen Brief zu schreiben, der als solcher durch Eingangs- und Schlussgruß deutlich abgegrenzt ist.
175 Beachte Bagnall/Cribiore, Women’s Letters 143: „The most personal is the woman’s letter: She probably took the initiative of writing to the strategos, while the two men may have simply taken advantage of the courier.“ Ein ähnliches Beispiel (zwei Briefe an eine gewisse Teubais) ist auf P.Giss. I 81 (ca. 113–120 n. Chr.) erhalten (siehe dazu M. Kortus in P.Giss.Apoll. S. 186–190). – Für unseren Zusammenhang vergleichsweise wenig ergiebig sind die drei Ostraka O.Bu Njem 76, 77 und 79 aus Golas in der libyschen Wüste, die der Soldat Aemilius Aemilianus am selben Tag, nämlich am 21. Januar 259 n. Chr., an seinen Decurio Octavius Festus geschickt hat. Dass es sich dabei um drei separate Schriftstücke, und nicht um einen einzigen Brief handelt, erklärt sich schlicht aus dem Umstand, dass die Ostraka drei verschiedenen Kameltreibern mitgegeben wurden, die die darauf verzeichneten Weizenmengen in die Garnison bringen sollten. Dort wurden die Ostraka mit einem Eingangsvermerk versehen und archiviert. Zu den näheren Umständen und bes. zur sprachlichen Form der Ostraka vgl. Kramer, Alltagsdokumente 75–86. 176 Zum Inhalt siehe Gonis, Ptolema’s Distress; Bagnall/Cribiore, Women’s Letters 405 (Foto S. 406). – Ähnliche Beispiele sind P.Oxy. I 120 mit BL I 316 und VI 95; P.Tebt. II 416 mit BL II.2 170 (beide 3. Jh. n. Chr.); P.Oxy. XXXI 2599 mit BL X 149 (3.–4. Jh. n. Chr.). 177 D. Hagedorn in P.Hamb. IV S. 121.
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Die grundsätzliche Überlegung, Paulus hätte Titus vielleicht am selben Tag mit zwei Briefen nach Korinth geschickt, ist nicht nur im Vergleich mit Cicero-Briefen178, sondern auch von Papyrusbriefen her begründbar. Insbesondere aus dem Zenon-Archiv ist zu belegen, dass dies häufig vorgekommen ist. Allerdings ist anzumerken, dass die Briefsender weitere Briefe eines Tages rein formal nicht einfach als eine Art Zusatz zu einem ersten Brief verfasst, sondern jeden Brief für sich als separates und in sich abgeschlossenes Schreiben gestaltet haben (dies gilt ebenso für die angeführten Beispiele, die mehrere Briefe auf einem einzigen Papyrusblatt enthalten). Vom Briefempfänger wurden derartige Briefe auch insofern separat wahrgenommen, als er sie einzeln mit Eingangsvermerken versah. Keinerlei Rückhalt aus den Papyri erhält Keeners Überlegung, Paulus hätte einen ersten Brief bereits versiegelt gehabt und deshalb einen zweiten separaten Brief geschrieben. Wir haben keinen einzigen Hinweis darauf, dass der 2Kor oder Teile davon versiegelt waren. Papyrologisch belegt ist sogar der Fall, dass zwei Briefe, die am selben Tag geschrieben und abgeschickt wurden, im offenen Zustand einfach übereinander gelegt wurden: Einem derartigen Umstand ist es zu verdanken, dass sich das Schriftbild von P.Cair. Zen. I 59061 seitenverkehrt in die Rückseite von P.Lond. VII 1941 eingedrückt hat.179 Dies bedeutet zwar noch nicht, dass beide Briefe in geöffnetem Zustand dem Boten übergeben und so zugestellt wurden, auf alle Fälle aber war der erste Brief noch nicht gefaltet (geschweige denn versiegelt) und die Tinte noch nicht getrocknet, als der Schreiber ein anderes Papyrusblatt darüberlegte, um darauf einen separaten Brief an denselben Adressaten zu schreiben. Beide Briefe sind laut Eingangsvermerk am 5. Mai 257 v. Chr. bei Zenon eingelangt.
Aus all diesen Beobachtungen ergibt sich für die von Keener vorgebrachte Hypothese, dass auch sie aus papyrologischer Sicht von zwei separaten und als solche klar unterscheidbaren Briefen auszugehen hat, deren Einheitlichkeit nicht bereits beim Verlesen in der Gemeinde empfunden worden wäre, sondern erst in Folge eines Kompilationsprozesses. Am selben Tag wären der Gemeinde durch denselben Boten (nämlich Titus) zwei klar unterscheidbare Briefe überbracht worden. Dies ist zwar ein Unterschied gegenüber den anderen Teilungshypothesen, die mit einem größeren zeitlichen Abstand zwischen den beiden Briefen rechnen, er ist aber hinsichtlich einer Kompilation unerheblich. Auch hier muss in gleicher Weise erklärt werden, warum vom einen Brief der Briefschluss und vom anderen der Briefanfang weggelassen worden sein soll, um daraus eine sekundäre briefliche Einheit zu schaffen. Erklärung für die Einheitlichkeit 1: Als Reaktion auf die ersten beiden Teilungshypothesen wurde die Hypothese aufgestellt, der 2Kor sei als in Teilen 178 179
Keener, Cor 150, verweist auf Cic. Att. 8,6 (ferner auf Fronto, Ad Caesarem 3,4). Vgl. Th. C. Skeat in P.Lond. VII S. 28 (im Kommentar zu Z. 13–15).
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Einleitung
verfasster, aber einheitlich versandter Brief zu interpretieren. Damit wird versucht, den Bruch zwischen Kapitel 1–9 und 10–13 dahingehend ernst zu nehmen, dass zwar der gesamte 2Kor als ursprüngliche Einheit gesehen, für das Verfassen der beiden Teile aber mit einem zeitlichen Abstand gerechnet wird, der groß genug war, dass etwas Entscheidendes passieren konnte. Klassisch ist H. Lietzmanns „Annahme einer schlaflos durchwachten Nacht zwischen c. 9 und c. 10“180. Ausgangspunkt einer alternativen Hypothese sind die Nachrichten über Titus und seine Begleiter, aufgrund deren vor allem von U. Schnelle versucht wird, die Ereignisse in folgender Weise zu rekonstruieren:181 Paulus habe Titus und die beiden Brüder nach Korinth gesandt und erst danach mit dem Diktat des Briefes begonnen. Die Aoriste ἐξῆλθεν, συνεπέμψαμεν und ἔπεμψα in 8,17.18.22 und 9,3 seien also nicht als Aoriste des Briefstils182 zu deuten, sondern als echte Aoriste und somit als Belege dafür zu sehen, dass Paulus die Gesandtschaft bereits losgeschickt hatte und erst danach einen Brief mit den empfehlenden Passagen nachsenden wollte. Während des Schreibens seien neue, und zwar negative Nachrichten aus Korinth eingelangt, überbracht von der Titus-Gruppe, für deren erneute Anwesenheit bei Paulus in 2Kor 12,17–18 ein Indiz zu sehen sei, wo Paulus auf den in 2Kor 8,16–23 und 9,3.5 angekündigten Besuch der Gruppe zurückblicke. „Auf einen anderen Besuch“, so schreibt U. Schnelle, „können diese Verse nicht bezogen werden, denn Titus war vor der Überbringung des ‚Tränenbriefes‘183 noch nicht in Korinth (vgl. 2Kor 7,14).“184 Erst nach Erhalt dieser negativen Nachrichten habe Paulus den Brief weiter diktiert; dieser Abschnitt entspreche dann den Kap. 10– 13.185 Aus papyrologischer Sicht ist die Annahme der Abfassung eines Briefes in mehreren Teilen mit zeitlichem Abstand dazwischen zunächst durchaus erwägenswert und durch Beispiele belegbar.
180 So Lietzmann, Kor 139. Eine Diktatpause zwischen Kap. 9 und 10 wird z. B. von Stange, Diktierpausen 113–114, angenommen; ähnlich Michaelis, Einleitung 180. 181 Siehe z. B. Schnelle, Paulus 261–262; Wolff, 2Kor 2–5. 182 So aber auch meine Interpretation, siehe dazu S. 172. 183 D. h. des in 7,8.12 erwähnten Briefes; nach meiner Deutung ist dieser als ‚Tadelbrief‘ zu bezeichnen; siehe dazu S. 154–158. 184 Schnelle, Paulus 261. 185 Schmeller, Cicerobriefe 205, rechnet (im Anschluss an Klauck, Compilation 153–154) damit, dass „Paulus wie Cicero manche Briefe im Verlauf mehrerer Tage verfasste“; oder es wäre möglich, 2Kor 10–13 „als (bei Cicero gut bezeugtes) Postskript anzusehen, das nach dem Eintreffen neuer Nachrichten nötig wurde“ (ähnlich z. B. auch Richards, Secretary 180–181; dagegen allerdings Klauck, Compilation 154: „To be sure, 2Cor 10–13 is much too long for an authorial postscript“). Gegen Letzteres spricht vor allem, dass ein Postskriptum als solches gekennzeichnet ist, sei es durch seine Position im Anschluss an den bereits niedergeschriebenen Schlussgruß, sei es durch andere formale Hinweise. Dies gilt für Papyrusbriefe ebenso wie für die Cicerobriefe, was Schmeller, Cicerobriefe 206, auch tatsächlich als echtes Problem für die Postskript-Theorie sieht.
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Papyrologisches zur Frage der Einheitlichkeit des 2Kor
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So schreibt z. B. der Soldat Terentianus an seinen Vater Tiberianus in einem seiner Briefe (alle stammen aus dem frühen 2. Jh. n. Chr.) nach 31 Zeilen ausdrücklich – P.Mich. VIII 477,32–39: [γ]εινώσκειν (l. γινώσκειν) σε θέλω | μ[ετὰ] τὸ ἄν̣ [ω ἤδ]η̣ [σ]ο̣ [ι] γ̣ε̣[γ]ρ̣ αμ̣ [μ]έ̣[ν]ον ἐνηνεγμένον μοι | θ .[ . . . ὑ]πὸ τοῦ π̣ [α]τ̣ρ̣ [ὸ]ς Ἀνου[βί]ωνος τὸ καλάθιον, καὶ τὸ | τέ[λο]ς̣ νοῖν (l. νῦν) π̣ ά̣ [ρεσ]τ̣ιν̣ ἐ̣[μο]ί.̣ ἐ̣π̣ [ει]δ̣ ὴ οὐχ̣ εὕ̣ ρ̣ ηκα ἐγὼ πέμψαι | διὰ τὸ νωθρε[ύεσ]θαί με, καλῶς οὖν [π]οιήσεις τὰ σὰ με|τέ[ωρ]α ἐκπλέ[ξαι τ]αχέω[ς] κα[ὶ] καταπλε[ῦ]σαι πρὸς ἐμέ. ὁ γὰρ | κάμ̣ [ατο]ς ἄρτι ἀ[γέλοι]ός ἐστιν κἂν δ̣ [έ]ο̣ [ν] ε̣[ἵνα] (l. ἵνα) τ̣ρ̣ αφῶ ὑπὸ ἄλ|λο̣ [υ, ὡς] ἀκού`σ´εις π̣ [αραγ]εινόμεν[ος] ἐπ[ὶ τῆς πόλεως] („ich möchte, dass du weißt, dass mir – nachdem dir das Obige bereits geschrieben worden war – vom Vater Anubions der Korb gebracht wurde …, und nun ist er schlussendlich bei mir. Weil ich keine Gelegenheit fand, jemanden zu schicken, weil ich krank bin, sei also so gut und bringe rasch deine unerledigten Angelegenheiten in Ordnung und segle zu mir herab! Denn die jetzige Ermattung ist gar nicht zum Lachen, und es ist sogar notwendig, dass ich von jemand anderem gefüttert werde, wie du hören wirst, wenn du in die Stadt kommst.“ – Es folgen die Übermittlung von Grüßen und der Schlussgruß). Möglicherweise war die Erkrankung die Ursache, dass Terentianus den Brief nicht in einem Zug abfassen konnte. Mittlerweile ist eine bestimmte Lieferung eingetroffen, worüber er seinen Vater informiert, und er bittet ihn nun dringend um einen Besuch. In P.Mich. VIII 476,20–21 schreibt derselbe Terentianus: νυκτ[ό]ς σοι ἔγραψα [τ]ὴν ἐπιστολὴν ταύτην εὑρὼν εὐκαιρίαν, | οὐ δὲ δεδυνημένος σοι πέμψαι („des Nachts schrieb ich dir diesen Brief, als ich geeignete Zeit dafür fand, aber ich war nicht in der Lage, ihn dir zu schicken“). An diese Notiz schließt er die Bitte an, der Vater möge ihm zurückschreiben und einige Bekannte grüßen, und einige weitere Anliegen (insgesamt elf Zeilen lang). Es ist zwar nicht eindeutig, dass der Schreiber den Brief an der genannten Stelle zunächst unterbrochen hat (und auch die Schrift auf dem Papyrus verrät darüber nichts), aber dies ist durchaus wahrscheinlich. Gesichert ist die Unterbrechung für P.Mich. VIII 490 (2. Jh. n. Chr.): der Soldat Apollinarios hat den Brief einem Schreiber dikiert, vor dem Abschicken am selben Tag aber noch eine Nachricht erhalten, die er als Postskriptum in Z. 22–23 eigenhändig hinzufügt (siehe dazu ausführlicher oben S. 80). Im längsten bisher (allerdings nicht vollständig) erhaltenen Privatbrief P.Ammon I 3 mit BL XII 4 (26. Mai – 24. Juni 348? n. Chr.) sind andererseits keinerlei Anzeichen für eine Unterbrechung des Schreibvorgangs zu erkennen.
Auffällig ist bei diesen Beispielen, dass die Briefsender relativ deutliche Hinweise geben, wenn während der Abfassung des Briefes etwas vorgefallen ist, das zu einer Unterbrechung oder zu einem späteren Nachtrag geführt hat. In 2Kor fehlt aber jeglicher Hinweis dieser Art. Auch gibt Paulus nirgends ausdrücklich an, dass die Titusgruppe zurückgekehrt sei, wohingegen er das Zusammentreffen mit Titus in Makedonien zuvor ausdrücklich erwähnt hat (vgl. 7,6–7).186 Darüber hinaus wird m. E. übersehen, dass sich 2Kor 12,17–18 tatsächlich auf die Überbringung des in 2Kor 7,8.12 erwähnten Briefes beziehen kann. 186 Beachte auch 1Thess 3,6, wo Paulus ausdrücklich erwähnt, dass Timotheos soeben bei ihm eingetroffen ist.
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Einleitung
Auch die unterschiedliche Größe der Gruppe (drei Personen in 2Kor 8,16–23 gegenüber zwei Personen in 12,17–18) spricht für zwei verschiedene Unternehmungen.187 Ein entscheidendes Argument gegen die These, Paulus habe die Dreiergruppe ohne Brief vorausgeschickt und wollte den 2Kor mit den Empfehlungen erst nachsenden, bietet ein weiterer papyrologischer Befund, der sich insbesondere aus den zahlreich erhaltenen Empfehlungsbriefen erheben lässt.188 Der Sinn und die Funktion sowohl selbstständiger Empfehlungsbriefe als auch empfehlender Passagen in anderen privaten oder geschäftlichen Briefen liegt gerade darin, diese Briefe den Personen, die empfohlen werden, tatsächlich mitzugeben. Darauf verweist deutlich die stereotype Wendung ὁ δεῖνος ὁ ἀποδιδούς σοι τὴν ἐπιστολήν ἐστιν κτλ. („der Betreffende, der dir den Brief überbringt, ist …“; so z. B. P.Oxy. II 292,3–4 [ca. 25 n. Chr.]), mit der die eigentliche Empfehlung eingeleitet wird.189
Nur in diesem Falle – und für antike Briefsenderinnen und -sender kann diese Einsicht aufgrund des einschlägigen Befundes als Selbstverständlichkeit angenommen werden – kann die Empfehlung ihre Wirkung tun, während es im Falle eines beabsichtigten Nachsendens der Empfehlung zumeist sogar unklar gewesen wäre, wie bald nach Fertigstellung des Briefes ein anderer Briefbote zur Verfügung gestanden hätte. Für die Überbringung eines Empfehlungsschreibens bot sich auch deshalb von vornherein kein geeigneterer Briefbote an als der Empfohlene selbst. Die These, die Titusgruppe sei ohne Brief vorausgeschickt worden, ist daher als äußerst unwahrscheinlich anzusehen, was in Folge auch für das daraus abgeleitete Erklärungsmodell für 2Kor 1–9 gegenüber 10–13 gilt.190
187
Siehe dazu auch S. 158. – Eine andere Möglichkeit bestünde darin, 12,18 auf 8,6 und 22 zu beziehen, aber an beiden Stellen die Entsendung der Titusgruppe zur Vorbereitung der Kollekte als unmittelbar bevorstehend zu betrachten, also die Formen παρεκάλησα und συναπέστειλα in 12,18 als Aoriste des Briefstils aufzufassen (ἀπέσταλκα und ἐπλεονέκτησα in 12,17 würden sich als Perfektform bzw. als echter Aorist auf zurückliegende Aufenthalte von Paulus bzw. Titus in Korinth beziehen). Der in 8,18–19 genannte Bruder würde dann in 12,18 nicht mehr genannt werden (diese Deutungsmöglichkeit und deren Mitteilung verdanke ich Troels Engberg-Pedersen; seine Publikation diesbezüglich ist in Vorbereitung). – Die Diskrepanz zwischen zwei Brüdern in 8,18.22 und einem Bruder in 12,18 versucht McKay, Observations 156–157, damit zu erklären, dass Paulus zunächst nur Titus und einen Bruder losgeschickt und erst danach den Brief geschrieben und mit einem zweiten Bruder nachgeschickt habe (siehe dazu auch unten Anm. 190). 188 Siehe ausführlicher zu diesem Brieftyp den Exkurs S. 270–276. 189 Zwei weitere Beispiele aus der ersten Hälfte des 1. Jh. n. Chr. sind P.Col. VIII 211,3 (16. Februar 6 n. Chr.) und P.Oxy. IV 746,3–4 (30. September 16 n. Chr.). 190 Dies ist auch gegen die abgewandelte These von McKay, Observations 157, anzumerken, „that Titus did not stay long after reporting to Paul in Macedonia, but was eager to return to Corinth to follow up his recent contract and to do something about the collection […], so Paul sent one brother with him […]. Then, probably after only a brief interval, Paul decided to write
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Erklärung für die Einheitlichkeit 2: Der gesamte 2Kor wird als bereits ursprünglich einheitliches Schreiben aufgefasst, das auf eine einheitliche Situation Bezug nimmt, diese aber sehr unterschiedlich – sowohl inhaltlich als auch emotional – beschreibt. Unter dieser Annahme wird versucht, einen aggressiven Tonfall auch in Kap. 1–9 wie umgekehrt einen vertrauensvollen auch in Kap. 10–13 nachzuweisen. Vertreter dieser Hypothese weisen z. B. darauf hin, dass bereits in 2Kor 5,20; 6,1; 6,12–13; 7,2 ein schärferer Ton und Hinweise auf gravierende Probleme zu erkennen sind.191 Ein ausreichendes Maß an Plausibilität für die Annahme einer bereits ursprünglichen Einheitlichkeit von 2Kor ist aber m. E. nicht durch den Versuch zu erreichen, die Unterschiede im Tonfall zu verharmlosen und Anzeichen dafür auch im jeweils anderen Teil von 2Kor auszumachen. In ihrer Grundsätzlichkeit bleiben diese Unterschiede dennoch bestehen. Wesentliche Grundlage und entscheidender Vergleichspunkt für einen Erklärungsversuch der Einheitlichkeit sind Papyrusbriefe, die im Original erhalten sind und einen scharfen Wechsel im Ton aufweisen, der – würde der originale Erhaltungszustand nicht eindeutig dagegen sprechen – ohne weiteres auf eine divergierende Briefsituation bezogen werden könnte (siehe die Beispiele oben S. 82–90). Zu fragen ist dabei, inwieweit es wahrscheinlich ist, dass Paulus seinen Ärger so lange (neun Kapitel lang entsprechend der heutigen Einteilung) zurückhält, bevor er ihm freien Lauf lässt. Der Fall von P.Oxy. VII 1070 (siehe oben S. 87– 89) z. B. scheint so zu liegen, dass der Briefsender von Anfang an den Ärger im Hintergrund hatte, den er erst ab Z. 47 kundtut. Ist es vorstellbar, dass für Paulus im Falle des 2Kor Ähnliches gilt?192 M. E. versuchen beide Briefsender – Paulus ähnlich wie der Briefsender von P.Oxy. VII 1070 – in aufrichtiger Weise, ihren Ärger zurück- und einen höflichen Ton durchzuhalten, was aber eben doch nicht gelingt, so dass schließlich der Ärger durchbricht. In beiden Fällen ist das relativ spät. Ein weiteres Beispiel aus den Papyrusbriefen zeigt, wie ein Absender seine Enttäuschung über eine bestimmte Person schließlich doch nicht für sich behalten will, sondern ganz am Schluss noch deutlich macht: P.Oxy. LIX 3992 ist der Brief eines gewissen Aelius Theon an seinen zukünftigen Schwiegervater Herminos, der im 2. Jh. n. Chr. geschrieben wurde. Der eigentliche Brief an den Schwiegervater ist durchwegs höflich und überaus freundlich: Aelius Theon entschuldigt sich dafür, dass er bestimmte Delikatessen noch nicht an seine Verlobte schicken konnte, weil die frischen noch nicht eingetroffen seien. Er werde dies sobald wie möglich nachholen und auch alles andere, was er könne, schicken. Der Brief endet nach einigen ausführlichen Höflichkeitsformeln zunächst mit dem this letter (gemeint ist der 2Kor, P.A-G.) and sent another worthy brother to join them […], taking the letter with him. If this is the case ἐξῆλθεν and συνεπέμψαμεν in [8,]18 have historic reference, and συνεπέμψαμεν in 22 is epistolary.“ 191 Vgl. z. B. Barnett, 2Cor 19–21; Keener, Cor 150; Harris, 2Cor 42–51. 192 Diese Fragestellung verdanke ich D.-A. Koch, Münster.
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Einleitung
einfachen Schlussgruß ἔρρω(σο) und der Datierung (in Z. 21). Daran schließt Aelius Theon ein erstes Postskriptum an mit der Information, dass sein Diogas für bestimmte, aber nicht näher genannte Unternehmungen flussaufwärts gesegelt sei. Erst in einem weiteren, neuen Absatz, also in einem zweiten Postskriptum, macht der Briefsender seinen Kummer deutlich, den ihm ein gewisser Sarapiodoros schon des Öfteren bereitet hat. Inwieweit dieser, den Aelius Theon wohl ironisch als „Freund“ (φίλος – Z. 29) bezeichnet, der Familie des Adressaten überhaupt näher bekannt ist, bleibt ebenso unklar wie die konkreten Auseinandersetzungen in der Vergangenheit, auf die Aelius Theon verweist. Es gehe ihm, so schreibt er, nur darum, dies grundsätzlich mitzuteilen. Das ganze Postskriptum, mit dem der Brief endgültig schließt, lautet – Z. 29–33: Σαραπιόδωρος ὁ φίλος ὁ ἔμπορος | πολλάκις με λυπήσας καὶ νῦν ἐν τοῖς | περὶ Διογᾶτος ἀντιδικεῖ μοι. τοῦτο | ὑμᾶς μαρτύρο̣ ήσασθαι („Sarapiodoros, der ‚Freund‘, der μαι μόνον. οὐ γὰρ | ὑπομένω αὐτὸν̣ μ̣ ιμ Kaufmann, hat mir oft Kummer bereitet und jetzt stellt er sich in den Angelegenheiten um Diogas gegen mich. Das bezeuge ich euch nur. Denn ich ertrage es nicht, ihn nachzuahmen“; der letzte Satz bleibt unklar). – Aus dem Gesamtzusammenhang wird deutlich, dass dieses zweite Postskriptum keine andere Funktion erfüllt, als dass sich der Briefsender zum Schluss doch noch etwas von der Seele schreibt. Mit dem eigentlichen Brief davor steht dieser Absatz in keinerlei inhaltlichem Zusammenhang. Sofern er nicht im Vergleich mit dessen herzlichem Ton sogar als störend empfunden wurde, konnte er bestenfalls dazu geeignet sein, das Mitgefühl des Adressaten zu wecken. Durch den Hinweis des Absenders, er wolle ihm dies einfach „nur bezeugen“, ist nicht einmal das sicher.
In allen Beispielen geht es auch beim schärfsten Tadel letzten Endes darum, Schlimmeres zu verhindern oder sogar die Dinge zum Besseren zu wenden. Die Adressatinnen und Adressaten sollen bewogen werden, jene Entscheidungen zu treffen bzw. Verhaltensweisen an den Tag zu legen, durch die sie aktiv und deutlich zeigen, dass ihnen die Absenderinnen bzw. Absender (doch) sehr am Herzen liegen. Der Tadel und frei geäußerte Ärger zielt also nicht auf einen endgültigen Bruch der Beziehung ab, sondern ist neben versöhnenden Worten nur ein anderer (manchmal auch ein weiterer) Versuch, dasselbe Ziel zu erreichen. Was ich bereits oben zur παρακαλῶ-Formel in 2Kor 10,1 papyrologisch festgestellt habe, bedeutet unter der Annahme einer ursprünglichen Einheitlichkeit von 2Kor: Die Wendung αὐτὸς δὲ ἐγὼ Παῦλος παρακαλῶ ὑμᾶς hat an der vorliegenden Stelle als authentische und ursprüngliche Form nicht den Hauptteil des Briefcorpus eines Paulusbriefes eingeleitet, sondern ein weiteres (oder wiederholtes) Anliegen im Inneren des Briefcorpus. Fazit: Die Schwachpunkte, die bei einer Identifizierung des „Tadelbriefes“ mit 2Kor 10–13 erklärungsbedürftig sind, wurden bereits oben (bei „Erklärung für eine Teilung 1“) angeführt. Die andere Teilungshypothese, die davon ausgeht, dass Paulus nach der Rückkehr des Titus aus Korinth und vor seinem dritten Besuch kurz nacheinander den „Versöhnungsbrief“ 2Kor 1–9 und den „Vierkapitelbrief“ 2Kor 10–13 geschrieben habe (siehe oben „Erklärung für eine
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Teilung 2“), mutet Paulus – bewusst oder unbewusst – einen echten Argumentationsnotstand zu: Schon für 2Kor 1–9 sieht er sich offenbar gezwungen, einleuchtend zu erklären, warum er nicht persönlich die Gemeinde besucht, sondern „nur“ einen Brief schreibt. Für einen davon zu unterscheidenden und später verfassten „Vierkapitelbrief“ wäre die Situation noch verschärft: wenn sich Paulus schon im Falle von 2Kor 1–9 schwer tut, den aufgeschobenen Besuch zu rechtfertigen, und einen Anlass sieht, sich gegen den Vorwurf der Unzuverlässigkeit zu verteidigen, gälte dies erst recht für einen weiteren separaten Brief, der als neuerliche Entschuldigung für den noch immer aufgeschobenen Besuch hätte herhalten müssen. Ein relativ gewichtiges Argument gegen diese Teilungshypothese liefert der Rahmen, der durch das Verb φείδομαι gebildet wird: Wenn Paulus in 2Kor 1,23 schreibt, dass er nicht mehr nach Korinth gekommen sei, um die Gemeinde zu schonen, so erhält diese Begründung nur dann ein besonderes Gewicht, wenn das Pendant dazu noch im selben Brief geäußert wird: „Wenn ich wiederkomme, werde ich nicht schonen“ (13,2). Wird letztere Aussage aber einem anderen, späteren Brief zugeeignet, dann verlieren beide Aussagen genau jene Kraft, die sie im direkten Gegenüber erhalten. Der ersten Aussage in 1,23 fehlt dann der deutliche Hinweis, dass Paulus – anstatt aus Rücksichtnahme den angekündigten Besuch noch aufzuschieben und statt dessen einen Brief zu schreiben – auch gleich hätte kommen können, um die Schonfrist zu beenden. Die alleinige Betonung der Schonung hätte dann als bloße Schwachheit ausgelegt werden können, was Paulus ohnehin von einigen vorgeworfen wurde, wie bereits aus dem ersten Kapitel des 2Kor ersichtlich wird (bes. V. 17–18). Die Drohung (in 13,2), beim nächsten Besuch keine Schonung zu üben, wäre in einem späteren Brief weit weniger ernst zu nehmen gewesen und hätte wohl eher den Eindruck eines verspäteten und verzweifelten Versuchs erweckt, die verlorene Autorität wiederzugewinnen. Mit diesem Problem hätte die oben als dritte Teilungshypothese behandelte Annahme, Paulus könnte Kap. 1–9 und 10–13 am selben Tag als separate Briefe geschrieben und gemeinsam verschickt haben, nicht zu kämpfen, sie bedarf aber – ebenso wie die beiden anderen Teilungshypothesen – einer Erklärung dafür, warum vom ersten Brief der Briefschluss und vom zweiten der Briefbeginn weggelassen worden sein sollen (siehe dazu unten die Überlegungen zu einem möglichen Kompilationsprozess, S. 138–146). Alle drei Teilungshypothesen vermögen somit zwar die Spannungen zwischen Kap. 1–9 und 10–13 zu erklären, bringen aber neue erklärungsbedürftige Spannungen in den Text ein, die mindestens ebenso erklärungsbedürftig sind. Die – zumindest aus papyrologischer Sicht – am wenigsten plausible Erklärung bietet der Versuch, den 2Kor als mit zeitlicher Unterbrechung geschriebenen, aber einheitlich verschickten Brief zu interpretieren. Dass Paulus ausgerechnet zu einer schwierigen Mission seine Mitarbeiter einfach losgeschickt hätte, den sie autorisierenden und empfehlenden Brief aber nachschicken wollte, widerspricht der anhand von Empfehlungsbriefen reichlich belegten
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Praxis und ist deshalb unwahrscheinlich. Auch für die berühmt gewordene „Annahme einer schlaflos durchwachten Nacht zwischen c. 9 und c. 10“193 fehlt ein deutlicher Hinweis, den Papyrusbriefe im Falle von Unterbrechungen durchaus bieten, wie die oben erwähnten Beispiele zeigen. Das Fehlen solcher Hinweise im 2Kor ist freilich ambivalent zu betrachten. Es könnte bedeuten, dass sie deshalb nicht vorhanden waren, weil die ursprünglich separaten Briefe ohnehin auf klar unterscheidbare Briefsituationen bezogen waren, es könnte aber auch bedeuten, dass die Briefsituation eine einheitliche war. Letztere Annahme ist m. E. die einzige unter den Einheitlichkeitshypothesen, der eine relativ hohe Plausibilität zukommt. Sie kann zwar für den Wechsel zwischen Kap. 1–9 und 10–13 keine so einfach nachvollziehbare Erklärung liefern wie die Teilungshypothesen, die damit eine andere Briefsituation verbinden, kommt aber ohne Eingriffe in den Text und in dessen Reihenfolge aus. Das Hauptargument aus papyrologischer Sicht ist die Tatsache, dass gravierende Stimmungswechsel und scheinbar grob divergierende Beschreibungen ein und derselben Situation innerhalb einheitlicher Briefe tatsächlich belegt sind. Die entscheidende Frage dabei ist, ob man Paulus eine ähnlich große Emotionsschwankung (oder positiv ausgedrückt: -breite) zutraut und zuschreibt, wie dies beim Absender von P.Oxy. VII 1070 und vergleichbaren Briefen (siehe oben S. 82–90) eindeutig der Fall ist. Dass 2Kor 1–9 gegenüber 10–13 diesbezüglich innerhalb der Paulusbriefe keine echte Ausnahme bildet, zeigen Spannungen in anderen Briefen (vgl. Röm 8,31–39 gegenüber 9,1–2; 16,17–20 zwischen 16,16 und 16,21; 1Kor 1,4–9 gegenüber 1,10–13; Phil 3,1 gegenüber 3,2)194.
2Kor 1–9 und 10–13: Inhaltliche und sprachliche Unterschiede Außer dem Wechsel im Ton lassen sich in beiden Abschnitten Aussagen finden, die zueinander in Spannung stehen (z. B. 7,4 gegenüber 10,2; 8,7 gegenüber 12,20). Wie schon im vorigen Kapitel geht es auch hier um die Frage, ob 2Kor 1–9 und 10–13 zwei ursprünglich separaten Briefen zuzuordnen sind oder von Anfang an als einheitlicher Brief verfasst wurden. Einige Aussagen oder Hinweise, die mit einer konkreten Briefsituation verbunden sind, kommen nur in einem Teil (Kap. 1–9 oder 10–13) vor, nicht in beiden. Die Argumente für oder gegen eine Teilung sind dabei dieselben, weshalb sie hier gemeinsam kommentiert werden. In der Diskussion werden folgende Indizien zur Sprache gebracht: 193
So Lietzmann, Kor 139. Auf diese Parallelen verweist Harris, Cor 30, der ferner Gal 5,1 gegenüber 5,2 als Beleg anführt. 194
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– Von den Gegnern des Paulus sei explizit erst in Kap. 10–13 die Rede, in 1– 9 sei davon kaum etwas wahrzunehmen. – In Kap. 1–9 rühme sich Paulus der Gemeinde (und umgekehrt), in 10–13 werde das nirgends direkt so gesagt, obwohl das entsprechende Wortfeld weiterhin eine Rolle spiele; dort rühme sich Paulus aber vor allem seiner Schwachheit. – Im Zusammenhang mit der Kollekte (Kap. 8–9) lobe Paulus die Bereitwilligkeit der Gemeinde, hinter 12,16–18 stehe hingegen der Vorwurf von Gemeindemitgliedern, Paulus oder seine Mitarbeiter hätten die Gemeinde übervorteilt. – In Kap. 1–9 werde nicht ausdrücklich ein weiterer Besuch des Paulus in Korinth angekündigt, davon sei erst in 12,14 und 13,1 die Rede. – In Kap. 1–9 verwende Paulus in Selbstaussagen fast ausschließlich die 1. Person des Plurals, in 10–13 hingegen die Singularform. Erklärung für eine Teilung: Die erwähnten Unterschiede werden als so deutlich gesehen (beachte z. B. zum zuletzt angeführten Punkt den pointierten Einsatz mit zwei Singularformen in 10,1: παρακαλῶ und θαρρῶ), dass die Abschnitte 2Kor 1–9 und 10–13 zwei separaten Briefen zugeordnet werden. Bei einigen Punkten wird auch darauf hingewiesen, dass ein derart deutlicher Unterschied in keinem anderen Paulusbrief vorkomme.195 Papyrologisch kann hier zunächst darauf verwiesen werden, dass unzählige Briefe erhalten sind, die sich jeweils nur einem einzigen Thema widmen. Derartige Beispiele finden sich vor allem unter den Briefen, die am selben Tag von ein und derselben Person an einen identischen Adressaten geschickt wurden (siehe zahlreiche Beispiele der auf S. 100–104 aufgelisteten Belege). Allerdings handelt es sich dabei durchwegs um äußerst kurze Briefe, während sich bereits Briefe von durchschnittlicher Länge meist ohne Zusammenhang mehreren Anliegen widmen (siehe dazu gleich anschließend). Echte Vergleichsbeispiele, die diese Teilungshypothese erhärten könnten, sind bisher nicht beizubringen. Erklärung für die Einheitlichkeit: Die ins Treffen geführten Unterschiede werden nicht als so gravierend angesehen, dass daraus eine tatsächlich andere Gemeinde- und Briefsituation abzuleiten wäre. Um dies zu untermauern, wird im jeweils anderen Abschnitt des 2Kor nach Vergleichbarem gesucht. So wird z. B. betont, dass sich Paulus auch innerhalb der Kap. 1–9 selbst verteidigt (vgl. 1,12–18.23; 3,1–2; 4,1–5) und nicht erst ab Kap. 10 oder dass einerseits auch in 1–9 Hinweise über eine Krisensituation zwischen Paulus und der Gemeinde zu finden sind (vgl. 1,13; 5,11–12; 6,12–13; 7,2), während andererseits auch in
195
So bezüglich des Wechsels vom Plural zum Singular z. B. Furnish, 2Cor 32.43–44.47.
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10–13 hin und wieder versöhnliche Töne und eine tiefe Verbundenheit deutlich werden (vgl. 10,1.8; 11,2.6; 12,14–15; 13,7.9–11).196 M. E. drehen sich hier die literarkritischen Diskussionen in gewisser Weise im Kreis. Die Einheitlichkeit eines Briefes ist ja nicht dadurch nachzuweisen, dass alle Themen in der gleichen Weise in allen Teilen vorkommen, wie auch eine Kompilation nicht dadurch nachgewiesen werden kann, dass die verschiedenen Teile eines Briefes sich unterschiedlichen Themen und Ereignissen widmen.197 Dies liegt zunächst so lange in der Natur der Sache und bedarf auch keiner näheren Begründung, als diese Teile ohne echte Widersprüche in einem Ganzen untergebracht werden können. Es gibt keinen Grund dafür, dass Paulus in beiden Teilen unbedingt und direkt gegen seine Gegner Stellung nehmen sollte, wenn er dies in einem Teil ohnehin tut. In diesem Sinne ist auch die Vermutung, bei den Gegnern, die hinter 2,17 und 3,1 stehen, handle es sich um andere als bei jenen, gegen die sich Paulus in 10–13 äußert,198 weder für noch gegen eine Teilung ein stichhaltiges Argument. Vor dem Hintergrund der Papyrusbriefe ist es für die Einheitlichkeit eines Briefes letzten Endes irrelevant, ob darin nur ein einziges Problem oder mehrere verschiedene abgehandelt werden und ob diese überhaupt etwas miteinander zu tun haben. Beides – sowohl Briefe, die sich nur mit einer einzigen Problematik beschäftigen, als auch Briefe mit einer Aneinanderreihung unterschiedlichster Nachrichten und Anliegen – lässt sich reichlich belegen (siehe einige Beispiele S. 92–93.100–104). Im Falle des 2Kor ist auch zu beachten, dass Paulus nicht die Tätigkeit seiner Gegner fokussiert, sondern das Verhalten der Gemeindemitglieder ihm selbst gegenüber, das sich offenbar von ihrem Verhalten gegenüber seinen Gegnern in kritikwürdiger Weise unterscheidet. In beiden Teilen des Briefes ist Paulus deutlich um den Glaubensstand der Gemeinde und um den Erfolg seiner Mission besorgt. In dieser Einschätzung der Gemeindesituation sind keine Widersprüche feststellbar. Dieses – also das Verhalten bzw. die Haltung gegenüber Paulus selbst – ist aber von Anfang an und durchgehend das Thema von 2Kor, das von verschiedenen Seiten her betrachtet wird. Speziell der Unterschied in der vorrangigen Verwendung von Singular oder Plural in den Selbstbeschreibungen ist zwar als Tendenz festzustellen, aber nicht als Indiz für einen klar unterscheidbaren Stil zu werten, der einem anderen Brief zugeordnet werden müsste. Immerhin verwendet Paulus auch im ersten Teil für sich Singularformen (in 1,13.15.17.23; 2,1.2.3.4.5.8.9.10.13; 5,11; 6,13; 7,3.4.8.9.12.14.16; 8,3.8.10; 9,2.3.4.5), während entsprechende Pluralformen auch in den Kap. 10–13 vorkommen (in 10,11.12.13.14; 11,4.21; 12,19;
196 Vgl. z. B. Matera, 2Cor 30–31. Von rhetorischer Seite für die Einheitlichkeit plädiert Chaaya, Contribution. 197 Vgl. z. B. auch Thrall, 2Cor 8: „These lines of argument are less than convincing, however“. 198 Vgl. Thrall, 2Cor 8–9.
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13,4.6.7.9199). Auch hier zeigt ein Blick in – vergleichsweise relativ kurze – Papyrusbriefe, dass ein Wechsel von 1. Person Singular zu Plural und umgekehrt innerhalb eines Briefes letzten Endes an beliebiger Stelle vorkommt und nicht immer inhaltlich schlüssig erklärt werden kann: Zahlreiche Beispiele aus ptolemäischer Zeit bietet E. Mayser.200 Einige ausgewählte Beispiele sind: BGU IV 1097 mit BL I 97 und VIII 40 (41–67 n. Chr.; beachte bes. Z. 1–2.17–19); P.Mich. VIII 474; P.Oslo III 153 mit BL VII 128 (beide frühes 2. Jh. n. Chr.; beachte bes. Z. 16 gegenüber Z. 26)201; P.Mert. II 82 mit BL V 67 (spätes 2. Jh. n. Chr.; beachte bes. Z. 10–13); SB III 6222 mit BL VIII 324 und XI 199 (Ende 3. Jh. n. Chr.).
Die erwiesene Einheitlichkeit dieser Briefe legt nahe, dass es sich dabei nicht um Spannungen oder gar Widersprüche handelt, sondern um einen freien Wechsel. In manchen Beispielen scheint dieser Wechsel zwischen Singular und Plural und die Häufigkeit der Verwendung der einen oder der anderen Form rein willkürlich zu erfolgen.202 Fazit: Nur echte Widersprüche, die sich aus unvereinbaren Angaben zu äußeren Umständen oder Ereignissen ergeben (siehe dazu oben S. 75–82), legen die Zuordnung der widersprüchlichen Abschnitte zu ursprünglich separaten Briefen zwingend nahe. Bei den hier behandelten inhaltlichen und stilistischen Spannungen ist eine unbestreitbare Widersprüchlichkeit nicht gegeben. Dies liegt eventuell auch daran, dass ein vom Paulustext unabhängiger Vergleichspunkt (insbesondere ein von Paulus unabhäniger Text mit Angaben über die konkrete Situation der korinthischen Gemeinde) fehlt. Aus den Papyrusbriefen lässt sich die deutliche Tendenz ablesen, dass mit zunehmender Brieflänge auch die stilistische und inhaltliche Komplexität zunimmt, mit der bisweilen auch Unterschiede und Spannungen zwischen einzelnen Abschnitten Hand in Hand gehen. Die ins Treffen geführten Unterschiede zwischen 2Kor 1–9 und 10–13 zwingen somit nicht zu einer Teilung, womit aber andererseits auch die 199 Vgl. Verhoef, Senders 417–418.421–425. Die Formen in 10,3; 12,18; 13,8 sind möglicherweise nicht auf Paulus allein bezogen. Der Befund spricht übrigens dagegen, die Unterschiede dadurch zu erklären und die Einheitlichkeit mit der Annahme zu verteidigen, dass Paulus die Kap. 1–9 einem Sekretär diktiert und die Kap. 10–13 selbst geschrieben hätte (zu dieser Vermutung, ihren unterschiedlichen Varianten und deren kritischen Hinterfragung siehe Thrall, 2Cor 9; Richards, Secretary 155–157). 200 Siehe Mayser, Grammatik II.1 40–42. 201 Siehe dazu S. Eitrem in P.Oslo III S. 240 (im Kommentar zu Z. 16). 202 Vgl. Mayser, Grammatik II.1 40–42: „Oft findet jedoch ohne ersichtlichen psychologischen Grund in der Alltagssprache ein Wechsel zwischen den Numeri, ja nicht selten anakoluthische Konfundierung beider in einem Ausdruck statt. […] Zahlreicher sind die Fälle, in denen teils mit erkennbarer Absicht, teils (und dies fast gewöhnlich) unabsichtlich und unbewusst zwischen Singular und Plural gewechselt wird. […] Aus den angeführten Beispielen ergibt sich, dass […] im Stil privater Mitteilungen die beiden Numeri ziemlich unterschiedslos gebraucht werden, was auch auf den Amtsstil in vielen Fällen zurückwirkte.“
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Einleitung
Einheitlichkeit keineswegs erwiesen ist. Ohne Zweifel sind diese Unterschiede diskussionswürdig, aus ihnen lässt sich aber kein Argument und schon gar nicht eine Entscheidung für oder gegen die Einheitlichkeit des 2Kor ableiten. Aus papyrologischer Sicht sind diese Unterschiede dafür irrelevant.
2Kor 2,14–7,4 Der Reisebericht des Paulus aus 2,12–13 wird mit 2,14 unterbrochen und erst in 7,5 fortgesetzt. Ist 2Kor 2,14–7,4 einem ursprünglich separaten Brief zuzuordnen? Erklärung für eine Teilung: Da 2,13 und 7,5 genau aufeinander passen203 und der Abschnitt dazwischen weggelassen werden könnte, wird dieser als Rest eines ursprünglich separaten Briefes gesehen.204 Die Partikel γάρ in 7,5 müsste freilich einer späteren Redaktion zugeschrieben werden, um den Vers mit dem vorhergehenden Abschnitt syntaktisch zu verbinden.205 Ein Blick in vergleichbare Reiseberichte in den Papyri lässt vermuten, dass das unmittelbare Hintereinander von ἐξῆλθον εἰς Μακεδονίαν (am Ende von 2,13) und καὶ ἐλθόντων ἡμῶν εἰς Μακεδονίαν (am Beginn von 7,5), also „ich reiste ab nach Makedonien und wir kamen nach Makedonien“, ganz ungewöhnlich erschienen wäre. Abgesehen davon dass „Makedonien“ unnötigerweise doppelt genannt wird, begegnet in Reiseberichten auch keine derartige Verdoppelung von Verben des „Gehens“ oder „Reisens“ unmittelbar hintereinander: Die Berichte erwähnen lediglich, dass jemand irgendwohin oder zu jemandem gegangen oder gekommen ist, gleichgültig ob dafür πορεύομαι oder ἔρχομαι oder ein Kompositum davon verwendet wird (vgl. z. B. BGU XVI 2608,3 (10–1 v. Chr.):
203
Beachte z. B. Weiss, Urchristentum 265: „wie die Bruchstellen eines Ringes“. Zur sog. Weiß-Bultmann- und Schmithals-Bornkamm-Hypothese und deren Vertreterinnen und Vertretern siehe Bieringer, Teilungshypothesen 85–98; Thrall, 2Cor 20–25. Außerdem sieht z. B. Baumert, Rücken 9.47, in diesem Abschnitt einen ursprünglich separaten Brief, der zeitlich noch vor 10–13,10 (nach Baumert der zweite Brief) und 1,1–2,13/7,4–9,15/13,11–13 anzusetzen sei. – Eine andere Lösung erörtert Windisch, 2Kor 225, die er aber selbst zurückweist, u. a. aus papyrologischen Überlegungen heraus: „Das Unmöglichste stellt jedenfalls das Fragment 212 f. dar. Wir könnten uns also zur Not mit der vorliegenden Textfolge zufrieden stellen, wenn wir wenigstens 212 f. ausschneiden könnten. Das Missliche dieser Operation ist nur, dass niemand sagen kann, wie das Fragment an diese Stelle gekommen ist. Zwischen 74 und 5 würde es sich ja nicht übel ausnehmen. Aber bei einem so kleinen Abschn. ist die Platzvertauschung schwieriger zu verstehen als bei einem größeren Stück, das etwa ein Papyrusblatt gefüllt haben kann.“ 205 Welborn, Pieces, sieht allerdings (unter Verweis auf antike Literaturtheoretiker) sowohl καὶ γάρ als auch die Wiederholung, nach Makedonien gekommen zu sein (siehe dazu gleich anschließend), als ursprünglich an und als durchaus vereinbar mit der Annahme, die ursprüngliche Fortsetzung von 2,13 sei 7,5 gewesen. 204
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Papyrologisches zur Frage der Einheitlichkeit des 2Kor
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ἐπορεύθην εἰς Τ{ε}ιλῶθ{ε}ιν – „ich kam nach Tilothis“; den gesamten Brief siehe
oben S. 77). Dass eine gleichsam doppelte Erwähnung, irgendwohin zu reisen, ganz und gar ungewöhnlich wäre, belegt auch PSI IV 281,50 (2. Jh. n. Chr.), wo ein Petent am Ende seiner Eingabe ein zuerst hingeschriebenes προῆλθον („ich ging voraus“) wieder durchgestrichen hat und nur das folgende ἐπορεύθ(ην) πρὸς τὸν ἀρχέφοδ(ον) („ich ging zum Polizisten“) stehen ließ. Aus meiner Sicht wäre die Nachricht „ich ging voraus und ging zum Polizisten“ durchaus verständlich und sinnvoll gewesen. Aus irgendeinem Grund empfand der Schreiber dies anders. Offenbar erkannte er in der Kombination προῆλθον ἐπορεύθ(ην) tatsächlich eine störende, nichts sagende Verdoppelung. Denn hätte er z. B. nur das „Vorausgehen“ als unpassend empfunden (weil er vermutlich nicht einer anderen Person vorausging, sondern allein den Polizisten aufsuchte), dann hätte es genügt, nur das Präfix προ zu streichen anstatt eine andere Form, nämlich ἐπορεύθ(ην) zu schreiben. Dass er die ganze Verbform gestrichen hat, dürfte wohl bedeuten, dass er dies erst tat, als er bereits beide Ausdrücke hintereinander auf den Papyrus geschrieben und beim Durchlesen als unpassend empfunden hatte.
Anschließend an einen kurzen Reisebericht („ich ging/kam zu/nach …“) erfolgt gleich die Nachricht darüber, was am Zielort geschehen ist oder erledigt wurde (siehe z. B. neuerlich BGU XVI 2608, oben S. 77). Im Sinne einer Teilungshypothese sollte die ursprüngliche Aufeinanderfolge von 2Kor 2,13 und 7,5 demnach gelautet haben: ἐξῆλθον εἰς Μακεδονίαν καὶ οὐδεμίαν ἔσχηκεν ἄνεσιν ἡ σὰρξ ἡμῶν κτλ. („ich ging weg nach Makedonien, und unser Fleisch fand keine Ruhe …“). In diesem Fall wäre nicht nur die Partikel γάρ, sondern der gesamte Beginn von 7,5 (καὶ γὰρ ἐλθόντων ἡμῶν εἰς Μακεδονίαν) einer späteren Redaktion zuzuschreiben, um damit den Vers sinnvoll an 7,4 anschließen zu können. Damit wäre zugleich der Wechsel vom Singular ἐξῆλθον („ich ging weg“) in 2,13 zum Plural ἐλθόντων ἡμῶν („wir kamen“) in 7,5, der in direkter Kombination von 2,13 und 7,5 als Beschreibung einer unvermittelt zur Gruppe angewachsenen Reisegesellschaft hätte missverstanden werden können, der späteren Redaktion zugewiesen. Im kanonischen Text entsteht durch ἐλθόντων ἡμῶν in 7,5 eine Harmonisierung mit ἐπὶ πάσῃ τῇ θλίψει ἡμῶν am Ende von 7,4. Erklärung für die Einheitlichkeit: In 2Kor 7,5 wird in einer sinnvollen Anknüpfung an V. 4 die Fortsetzung des Reiseberichts von 2,12–13 gesehen.206 Der Abschnitt 2,14–7,4 wird als bereits ursprünglich vorhandener Exkurs über den grundsätzlichen Charakter des paulinischen Dienstes verstanden, den Paulus auch in der Tatsache, dass er in Troas keine Ruhe fand (2,13), beispielhaft erkannt und – davon ausgehend – von 2,14 bis 7,4 beschrieben habe. Die Wendung ἐλθόντων ἡμῶν εἰς Μακεδονίαν in 7,5 rufe demzufolge den in 2,13 206 Matera, 2Cor 31–32, sieht dahinter eine bewusste Ringkomposition, ein Stilmittel, das Paulus z. B. auch in 1Kor 8–10 verwende.
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Einleitung
zuletzt erwähnten Punkt seines Reiseberichts in Erinnerung (ἐξῆλθον εἰς Μακεδονίαν). Mit καὶ γάρ werde bereits im ursprünglichen Paulustext von der grundsätzlichen θλῖψις in 7,4 zu ihrer konkreten Erscheinungsweise in Makedonien (ἐν παντὶ θλιβόμενοι) in 7,5 übergeleitet. Gleichzeitig greife auch die Gleichsetzung von fehlender ἄνεσις und vorhandener θλῖψις in Makedonien (7,5) die schon in Troas fehlende ἄνεσις (vgl. 2,13) auf und schließe somit den Rahmen um den Exkurs. Für möglich gehalten wird auch, dass Paulus den Exkurs über seinen Dienst vorziehen wollte, um mit den besonders versöhnlichen Gedanken in 7,5–16 seinen Aufruf zur Kollekte in Kap. 8 dadurch in günstiger Weise vorzubereiten, dass er diese Gedanken erst unmittelbar vor dem Spendenaufruf äußerte.207 Auch wenn auf diese Weise gut zu erklären ist, dass Paulus selbst ausgerechnet an der vorliegenden Stelle, also mitten im relativ kurzen Reisebericht, den Exkurs über seinen Dienst eingefügt hat, ist die Frage, inwieweit dies von damaligen Leserinnen und Lesern nicht doch als störend empfunden wurde, berechtigt. Diesbezüglich finden sich nun in den Papyri keine Beispiele mit derart umfangreichen Exkursen wie 2Kor 2,14–7,4, doch lässt sich grundsätzlich gut belegen, dass Briefsenderinnen und -sender wie selbstverständlich ein Stichwort aufgreifen und für andere, vom Haupterzählstrang abweichende Erzählungen oder Anweisungen nützen, bevor sie wieder zum ursprünglichen Anliegen zurückkehren. Im Brief BGU XVI 2629 (6. Juni 4 v. Chr.) berichtet ein gewisser Eurylochos zunächst in einigen Details darüber, dass ein offenbar sehr wichtiger Brief bisher behindert wurde und deshalb erst im Entwurf vorliegt (Z. 2–7). Ohne jegliche syntaktische Verbindung geht Eurylochos danach dazu über, seinen Adressaten über einen Fall von Korruption zu informieren, dessen gerichtliche Untersuchung noch nicht abgeschlossen ist. Erst 20 Zeilen später bringt er – erneut ohne erkennbaren Zusammenhang mit dem Korruptionsfall – seinen Bericht über die eingangs erwähnte Angelegenheit mit dem Brief zu einem Abschluss, indem er nun schreibt, dass er ein Druckmittel in der Hand habe, die längst fällige Übersendung besagten Briefes zu forcieren: er habe irgendeinen nicht näher beschriebenen Brief erhalten (der Adressat wusste vermutlich, worum es sich dabei handelte), werde diesen aber seinerseits so lange zurückhalten, bis der andere Brief … (danach ist der Text leider lückenhaft). Der Text lautet: Εὐρύλοχος Ἀθηνοδώρωι τῶι φιλτάτωι χαίρειν καὶ ἐρρωμένωι διευτυχεῖν. ἀνοικονομ[ή]τως ἀναστραφέντες μέχρι τοῦ νῦν ἐνεπόδισαν τὴν περὶ τῶν μαχαιρῶν ἐπιστολὴν καὶ ὑπὲρ ἐπιτετα5 χότος τοῦ ἡ[γε]μόνος γράψαι πολλαῖς ὁδοῖς χρησά207 So z. B. Thrall, 2Cor 24: „In chaps. 1–7 as a whole, Paul has been defending himself against criticism. […] As he draws this section to a close, he will wish to end on as conciliatory a note as possible, especially if he intends to go on, in chap. 8, to urge the Corinthians to greater effort in respect of the collection.“
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μενοι πλὴν ἐ̣ν τύπωι γέγονε. λοιπόν ἐστι χαραχθῆναι. Ὧρος `ὁ προστάτης τῶν προβάτω(ν)´ τῆι ιβ ὤφθη μοι ἀχθὲν ὑπὸ Τη̣ λ̣ [ .]φωνᾶτος πρός με φάσκων συκοφαντίαν εἶναι τὴν τῶν ἀρνῶν τοῦ κβ (ἔτους) Καίσ̣ α̣ ρ̣ ο̣ ς̣ ἐξ αὐτο̣ ῦ̣ [ . .] . . . . . . .ρ̣ .φέναι μήτε περι ̣ .[ . . .] . . τ̣ὸ̣ ἀργυρικόν. ἀλλ᾽ εἰ καὶ θέλει με πρᾶξαι εἰς̣ ̣ αὐ̣ [τ]ὸν π̣ ρ̣ [ . ἐὰ]ν̣ δ̣ ὲ μὴ ἔλαβόν τι καὶ τοὺς ποκισμοὺς απακτ . . .( ) τῶν καὶ πάντων δὲ ἐξ α(ὐτοῦ) πόκου κολλαμοι μηδ̣ [ε-] νὸς ἄλλου τοῦτο ποιοῦντος κτηνοτρόφου. ὑπ᾽ ἐμ̣ [ο]ῦ̣ οὖν ἐξελεγχθεὶς ὡς ἀδικεῖ μόγις ὁμολογεῖ γραμματέως ἀγνοηθ̣ ῆναι τὸ πρότερον φάσκων μηδ᾽ αὐ̣ τοῦ εἶναι τὸν λόγον· πλήν, ὡς ἔδει, παρρησίασσθαι ἐποίησα. εἰς αὔριον δὲ ἔχομεν πρὸς Σωτήριχ[ον] ἐλθεῖν ἐπεὶ ἐπιβάλλεταί τινα ἐπ᾽ αὐ̣ τόν. ὡς ἂν δ[ὲ] γενόμεθα ἐκεῖ ἀναπέμψω σοι αὐτὸν κτηνοτρόφους̣ ληψόμενον ὀμνύοντας δικαίως κρίνειν π .[ .]α̣ σ̣ α̣ ρ̣ η̣ . ε̣ἰ παχυμερῶς ἐπιθολῶσαι θέλων ὦ διάσεισμα διδούς. ἐγὼ δὲ εἰ μὴ κριθείη εἰδὼς̣ τὴν δικαιον διάθεσιν οὐκ ὑπέχομαι, εἰ μὴ ἐπὶ τ[ῶν] τόπων πρὸς τὸν ὑπό σου προχειρισθέντα παρακριθήσεται. τὴν ἐπιστολὴν ἐγὼ παρακεκόμ[ικα.] οὐκ ἐῶμαι δοῦναι ἕως ἡ περὶ τῶν μαχαιρῶν̣ π̣ .[ . .] τὰς ἔξωθ̣ ε̣ν̣ π̣ ε[μφ]θείσας σοι ἐπιστολὰς ε[ .] φι[̣ .] . διὰ τῆς π[ . . .] Σελεύκου τοῦ Πτολλᾶτος [ . . .] κου υἱοῦ διὰ τ̣[οῦ π]οιητοῦ καὶ ἐμὴν καὶ τῶι στρ̣ [ατη-] γῶι ἃς Λαομέδων δέδωκε. ἐπιμέ(λου) σεα(υτοῦ) ἵν᾽ ὑγι(αίνῃς). ἔρρω(σο). (ἔτους) κς Καίσαρος Παῦνι ιβ.
Verso Ἀθηνοδώρωι τῶι φιλτάτωι.
7 l. ἀχθείς oder ἀχθῆναι 8 vielleicht Τη̣ λ̣ [ε]φωνᾶτος 14 κτηνοτροόφου ed.pr. (ist Tippfehler) 15–16 l. γραμματεύς 19 l. ἐπεὶ ἐπιβάλλεταί τις 20 l. γενώμεθα 22 παχoμερῶς ed.pr. (ist Tippfehler) 24 l. δικαίαν 31 σεα Pap., σεα(τοῦ) ed.pr. „Eurylochos dem besten Freund Athenodoros, Gruß und Wohlergehen und Glück. Sie verhalten sich auf nicht ordnungsgemäße Weise und behindern bis jetzt den Brief über die Messer, und er liegt – weil sie viele Möglichkeiten ausgenützt haben (nämlich: den Brief zu behindern), obwohl der Präfekt208 befohlen hatte, (ihn) zu schreiben, – nur im Entwurf vor. Es ist noch übrig (im Sinne von: es steht noch aus), dass er ins Reine geschrieben wird209. Horos, der Aufseher über die Schafe, erschien am 12. bei mir, vorgeschickt zu mir von Telephonas(?), und sagte, es sei eine Erpressung, von ihm die (Steuer?) auf die Schafe für das 12. Jahr Caesars zu verlangen(?) und nicht … Geldsteuer.210 Aber wenn du auch willst, dass ich die Steuer bei ihm ein208
Wahrscheinlich handelt es sich um Gaius Tyrannius. Das Verb χαράσσω bedeutet „einkratzen, eingraben“ und bezeichnet hier wohl die fixierte Endfassung des Briefes, die eben noch aussteht. 210 Zu erwarten wäre der Begriff φόρος für „Abgabe, Steuer“, der feminine Artikel τήν ver209
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Einleitung
treibe, werde ich es tun.211 Wenn aber nicht, habe ich wenigstens etwas eingenommen und die Schur …;212 kein anderer Hirte macht das. Obwohl der Schreiber213 also von mir überführt wurde, dass er ein Unrecht begeht, gibt er kaum zu, sich im Irrtum zu befinden, sondern sagt aus, dass die Angabe früher nicht von ihm ist; allerdings habe ich, da es notwendig war, ihn dazu gebracht, offen zu reden. Morgen aber haben wir zu Soterichos zu gehen, weil ihn jemand attackiert. Und wenn wir dort sind, werde ich ihn dir schicken, wobei er Hirten mitnehmen soll, die schwören, (die Angelegenheit) gerecht zu beurteilen214 … wenn ich die Absicht habe, gewaltig aufzumischen und eine Benachteiligung zu geben. Ich aber – wenn nicht über ihn entschieden werden sollte, dass er die richtige Sachlage gewusst hat, – übernehme nicht die Verantwortung, wenn er nicht hier bei dem, der von dir (dafür) bestimmt wird, falsch beurteilt werden wird. Den Brief habe ich bekommen. Ich lasse nicht zu, dass er (weiter-)gegeben wird, bevor der (Brief) über die Messer … die Briefe, die dir von auswärts geschickt wurden … Seleukos, Sohn des Ptollas, … durch den Dichter und meinen (Brief?) und jene, die Laomedon dem Strategen gegeben hat. Sorg dich um dich215, damit du gesund bleibst! Leb wohl! Im 16. Jahr Caesars, am 12. Payni.“ Verso: „An Athenodoros, den besten Freund.“ P.Tebt. II 421 (3. Jh. n. Chr.) ist der Brief eines Apion, der einen Didymos in aller Dringlichkeit auffordert, sofort nach Erhalt des Briefes zu kommen, da seine Schwester krank sei. „Und“, fährt er fort, „bring, wenn du kommst, ihre weiße Tunika mit, die bei dir ist; die türkisfarbene aber bring nicht mit“ – Z. 5–8: καὶ τὸ κιτώνιον (l. χιτώνιον) | αὐτῆς τὸ λευκὸν τὸ παρὰ σοὶ ἔνιγ|κο̣ ν̣ (l. ἔνεγκο̣ ν̣ ) ἐρχ[ό]μενος, τὸ δὲ καλλάινον | μ[ὴ] ἐνίγκῃς (l. ἐνέγκῃς). Nun fährt Apion mit der türkisen Tunika fort und schreibt – Z. 8–12: ἀλλὰ θέλις αὐτὸ πωλῆ|σα[ι] πώλησον, θέλις αὐτὸ ἀφεῖναι | τῇ θυγατρί σ[ου] ἄφες. ἀλλὰ μὴ ἀμελή|σῃς̣ αὐτῆς [κ]α̣ ὶ μὴ σκύλῃς τὴν | γ̣[υνα]ῖκά σου ἢ τὰ παιδία („aber willst du sie216 verkaufen, verkaufe sie; willst du sie deiner Tochter überlassen, überlass sie ihr. Aber vernachlässige sie217 nicht und bemühe nicht deine Frau oder die Kinder“). Erst unmittelbar vor dem Schlussgruß kehrt Apion noch einmal zum dringend erwarteten Besuch des langt aber eine entsprechende feminine Form. Vom Zusammenhang her geht es wohl darum, dass Horos beanstandet, dass er die Abgaben bereits entrichtet hat und nun zum zweiten Mal für die Steuer des 22. Jahres veranlagt wird. 211 Beachte W. M. Brashear in BGU XVI S. 124: „π̣ ρ̣ [αξω: Rather long for the lacuna.“ 212 Der genaue Sinn von Z. 12–13 (wieviel von der Schur Eurylochos tatsächlich eingezogen hat) ist unsicher; bei κολλαμοι handelt es sich entweder um ein sonst nicht belegtes Wort oder um eine Verschreibung (vgl. W. M. Brashear in BGU XVI S. 124). 213 Vermutlich handelt es sich um den Schreiber der Schäfer, den Eurylochos einer falschen Buchführung bezichtigt. 214 Eurylochos ist also im Begriff, Soterichos zu besuchen – „probably to question him about the affair. He will send the man to Athenodoros along with a group of shepherds who have sworn to settle the issue correctly. The rest of the missive is obscure“ (W. M. Brashear in BGU XVI S. 123). 215 Die abgekürzte Form σεα für σεα(υτοῦ) ist auch durch P.Oxy. VII 1061,26 (25. Juni – 24. Juli 22 v. Chr.) bezeugt. 216 Gemeint ist die türkisfarbene Tunika. 217 Gemeint ist wohl die Tochter, oder Apion kehrt hier nochmals zur Schwester des Didymos zurück, die dieser nicht vernachlässigen soll.
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Papyrologisches zur Frage der Einheitlichkeit des 2Kor
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Didymos zurück und schreibt – Z. 12–13: ἐρχόμε|ν[ο]ς δὲ ἔρχου ἰς Θεογενίδα (l. Θεογονίδα) („wenn du kommst, gehe zu Theogonis“). P.Fay. 110 (mit BL I 131, VI 37 und XII 68) ist ein Brief, den der Veteran und Großgrundbesitzer L. Bellenos Gemellos am 11. September 94 n. Chr. an seinen Sklaven und Verwalter Epagathos geschickt hat.218 Gleich zu Beginn wird Epagathos beauftragt, sich um die Vorbereitungen für den Bau eines Getreidemagazins zu kümmern und einen tiefen Graben um die Ölpresse ausheben zu lassen (Z. 3–10 mit BL I 131). In den darauf folgenden 19 Zeilen erteilt Gemellos verschiedenste weitere Aufträge (Epagathos soll sich u. a. darum kümmern, dass die Felder verschiedener Landgüter bewässert werden, und diverse Zahlungen erledigen), bevor er erst unmittelbar vor dem Schlussgruß zu den Magazinen und zur Ölpresse zurückkehrt und schreibt – Z. 29–31: τὰς δὲ ὠλένας τοῦ ἐλαιουργίου | δ[ι]πλᾶς ποίησον, τὰς δὲ τῶν κα|ταβολα[ί]ω(ν) ἁ[π]λᾶς („die Binsengeflechte zur Ölpresse lass doppelt machen, aber zu den Magazinen einfach“). Der bisher längste private Papyrusbrief (P.Ammon I 3 mit BL XII 4 [26. Mai – 24. Juni 348? n. Chr.]) dürfte allem Anschein nach mehrmals längere Exkurse aufweisen, die aber aufgrund der nur bruchstückhaft erhaltenen Anfänge und Schlüsse einzelner Kolumnen nicht mehr klar abgrenzbar sind (einige Auszüge dieses Briefes siehe oben S. 56–60).
Die Beispiele belegen hinreichend das unkomplizierte und spontane Unterbrechen eines Hauptthemas, das dann erst später wieder aufgegriffen und fortgesetzt wird. Die inhaltlich recht unterschiedlichen Beispiele (die Exkurse bzw. Einschübe reichen von einfachen, aneinander gereihten Anordnungen über langwierige Rechtsfälle bis hin zu abstrakten, philosophischen Gedankengängen) sprechen dafür, dass es sich dabei um ein immer wieder vorkommendes, generelles Phänomen im Rahmen griechisch-römischer Korrespondenz handelt. Fazit: In Analogie zu zahlreichen Einschüben in Papyrusbriefen lässt sich 2Kor 2,14–7,4 als bereits ursprünglicher, also von Paulus selbst verfasster Einschub in den Reisebericht, der in 2,12 beginnt und mit 7,5 fortgesetzt wird, erklären. Damit ist zwar die Hypothese, dass dieser Abschnitt erst sekundär aus einem anderen Brief hier eingeschoben worden sein könnte, nicht unmöglich und eindeutig widerlegt, doch ist sie – insbesondere aufgrund der diesbezüglich zu postulierenden markanten Eingriffe eines späteren Redaktors in den vermeintlich ursprünglichen Text, die in diesem Ausmaß gar nicht nötig gewesen wären – äußerst unwahrscheinlich. Dies ist auch von H.-J. Klaucks und Th. Schmellers Vergleichsstudien zu den Kompilationen in Cicero-Briefen her nahe liegend: diese sind – wenn überhaupt – durchwegs additiv, also durch einfache Aneinanderreihung der ursprünglichen Briefe entstanden, wohingegen Interpolationen im Rahmen eines redaktionellen Kompilationsprozesses nicht nachweisbar sind.219 218 219
Siehe dazu auch Arzt-Grabner, Alltag 121–122. Vgl. Klauck, Compilation 154; Schmeller, Cicerobriefe 201–202 und bes. 206: „Bei den
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Einleitung
2Kor 6,14–7,1 Dieser Abschnitt unterbricht den Gedankengang und enthält insgesamt neun Ausdrücke, die sonst bei Paulus nicht vorkommen: ἑτεροζυγοῦντες, μετοχή, συμφώνησις, Βελιάρ, συγκατάθεσις, ἐμπεριπατέω, εἰσδέχομαι, παντοκράτωρ und μολυσμός. Auch die Zitateinleitung καθὼς εἶπεν ὁ θεὸς ὅτι findet sich sonst nirgends in den Paulusbriefen. Diesbezüglich stellen sich zwei Fragen: Gehörte 6,14–7,1 ursprünglich einem anderen Brief an? Wenn ja, stammte dieser Brief von Paulus? Erklärung für eine Teilung: Dass es sich bei diesem Abschnitt um einen sekundären Einschub handelt, wird u. a. damit begründet, dass sich an die Aufforderung, weit zu werden (πλατύνθητε καὶ ὑμεῖς), am Ende von 6,13 nahtlos der Beginn von 7,2 anschließt: χωρήσατε ἡμᾶς („gebt uns Raum“). Mit 6,14 hingegen beginne ein Einschub, der abrupt und ohne Zusammenhang mit dem Kontext das Verhältnis zu Ungläubigen thematisiere. In der Aufforderung, sich von Ungläubigen konsequent abzusondern, wird auch ein Widerspruch zu 1Kor 5,9–10 gesehen.220 Dies und die oben erwähnten, sonst bei Paulus nicht belegten, Ausdrücke werden ferner als Indiz für einen unpaulinischen Ursprung dieses Abschnitts gewertet.221 Aus papyrologischer Sicht ist an sich klar, dass unterscheidbare Anliegen in separaten Briefen vermittelt werden können (siehe dazu z. B. auf S. 100–104 die Beispiele für Briefe, die am selben Tag verschickt wurden und sich mit einzelnen Anliegen beschäftigen). Erklärung für die Einheitlichkeit 1: Im Sinne einer ursprünglichen Einheitlichkeit des 2Kor wird der Abschnitt 6,14–7,1 als paulinischer und bereits
Cicerobriefen findet sich m. W. keine Interpolation eines eigenständigen Briefes oder eines von einem anderen Brief abgetrennten Briefteils.“ Vgl. auch Stewart-Sykes, Editors, der aufgrund der äußeren Rahmenbedinungen bei einer Editionstätigkeit in der Antike (Papyrusrollen, Schreiber usw.) zum Schluss kommt, „that simple constructions are more likely to have been made than complex ones, and therefore to be preferred“ (S. 64) (speziell zur Theorie von Stewart-Sykes beachte die Kritik von Mitchell, Letters 323–324 Anm. 62). 220 Deshalb wurde z. B. angenommen, 2Kor 6,14–7,1 stamme aus dem in 1Kor 5,9 erwähnten Brief, der offenbar jenes Missverständnis hervorgerufen hat, gegen das Paulus in 1Kor 5,9–10 Stellung nimmt (siehe dazu und zu anderen Erklärungen des ursprünglichen Ortes dieses Abschnittes Thrall, 2Cor 25–26). 221 Hultgren, 2 Cor 6.14–7.1 and Rev 21.3–8, z. B. schreibt den Abschnitt einer ephesinischen Redaktion zu. Zu den gesammelten Argumenten für einen unpaulinischen Ursprung siehe z. B. Heil, Sprache 717–729 (u. a. mit Verweis auf Lindemann, Ekklesiologie 63–86 [beachte bes. 84–86]); gesammelte Argumente sowie innertextliche und theologische Gegenargumente bieten u. a. Thrall, 2Cor 29–35; Bieringer, 2 Korinther 6,14–7,1 im Kontext des 2. Korintherbriefes; Lambrecht, Fragment. Beachte auch die bei bieringer u. a., 2 Corinthians 94–100, angegebene Literatur, bes. Walker, Interpolations 199–209; Crüsemann, Herz 353–357.
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Papyrologisches zur Frage der Einheitlichkeit des 2Kor
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ursprünglich an dieser Stelle enthaltener Einschub gesehen; in 7,2 werde 6,13 wieder aufgegriffen und fortgesetzt.222 Durch original und einheitlich erhaltene Papyrusbriefe lässt sich gut belegen, dass unterschiedliche Anliegen ohne weiteres mehr oder weniger unvermittelt aneinander gereiht werden konnten (siehe z. B. P.Fay. 110 mit BL I 131, VI 37 und XII 68 [11. September 94 n. Chr.]223; 112 [mit BL I 131, IV 29 und V 28; 21. Mai 99 n. Chr.; siehe oben S. 92–93]). Und auch für das Unterbrechen des Textverlaufs durch Einschübe lassen sich, wie ich bereits oben gezeigt habe, Beispiele beibringen (zu BGU XVI 2629 [6. Juni 4 v. Chr.]224 und zu weiteren Beispielen siehe S. 118–121). Von den neun erwähnten Ausdrücken, die sonst nirgends bei Paulus vorkommen, sind korrekter Weise ἐμπεριπατέω, εἰσδέχομαι und παντοκράτωρ nicht zu zählen, da sie zum LXX-Mischzitat gehören. Was die Anhäufung derartiger seltener Begriffe in einem Abschnitt betrifft, bieten die Papyrusbriefe die Möglichkeit, anhand von Originalen zu überprüfen, ob das Ausmaß von verwendeten seltenen Ausdrücken als Indiz für mangelnde Authentizität gewertet werden kann. Ist die Annahme richtig, dass ein hohes Maß an einmalig vorkommenden Ausdrücken in einem Textabschnitt nahelegt, die einheitliche Autorschaft des Gesamttextes zu hinterfragen, so müsste sich entsprechend in den original erhaltenen Papyrusbriefen das Ausmaß von seltenen Ausdrücken in einem kurzen Abschnitt gering halten. Eine derartige Tendenz lässt sich nun aber nicht bestätigen. Als typisches Beispiel habe ich Briefe des Athenodoros-Archivs (BGU XVI) herangezogen, da es in zeitlicher Nähe zu Paulus entstanden ist und einer abgegrenzten Gruppe zugeordnet werden kann.225 Von mehreren Personen dieser Gruppe sind mehrere Briefe erhalten. Für die Untersuchung habe ich jene Briefe herangezogen, die (ohne die Adresse auf dem Verso) eine Länge von mindestens 20 Zeilen mit insgesamt mindestens 60 Wörtern (exklusive der wenig aussagekräftigen Artikel, Partikel, Präpositionen und Namen) umfassen, also: BGU XVI 2607 (69 Wörter), 2618 (60 Wörter), 2622 (83 Wörter), 2625 (60 Wörter), 2626 (75 Wörter226), 2629 (119 Wörter), 2631 (62 Wörter), 2643 (90 Wörter), 2646 (105 Wörter) und 2661 (74 Wörter). Der Abschnitt 2Kor 6,14–7,1 umfasst 74 derartige Wörter (also wieder exklusive Artikel, Partikel, Präpositionen und Namen) und ist somit vom Umfang her mit den genannten Briefen vergleichbar. Zählt man die LXX-Zitate nicht mit, ergibt sich ein Umfang von 45 Wörtern (inklusive ἐνοι222 Zur Deutung als Ringkomposition siehe wieder Matera, 2Cor 32; zum paulinischen Ursprung ausführlich Zeilinger, Krieg II 41–48. 223 Siehe dazu auch Arzt-Grabner, Alltag 121–122. 224 Dieser Brief wird oben (S. 118–120) zur Gänze wiedergegeben. 225 Siehe dazu W. M. Brashear in BGU XVI S. 80–82. 226 Wobei hier nur der Brief des Eurylochos gerechnet wird, also ohne die Wörter, die möglicherweise ab Z. 6 und jedenfalls bis einschließlich Z. 21 der Kopie eines Briefes eines gewissen Dorion anzurechnen sind. Ab Z. 39 folgt eine Liste, die einen anderen Dokumenttyp aufweist und deshalb ebenfalls nicht mitgezählt wird.
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Einleitung
κήσω in V. 16 und θυγατέρας in V. 18). Die angeführten Briefe des Athenodo-
ros-Archivs belegen, dass jeder einzelne Brief ein relativ hohes Maß an Ausdrücken enthält, die innerhalb des gesamten Archivs nur ein einziges Mal vorkommen. Als Verhältnis der Anzahl dieser Begriffe zur Gesamtzahl der Wörter eines Briefes lassen sich in aufsteigender Reihenfolge folgende Daten angeben: BGU XVI 2622 (ca. 21 v. Chr. – 5 n. Chr.): BGU XVI 2626 (nach 5–4 v.Chr): BGU XVI 2618 (10. Mai 7 v. Chr.): BGU XVI 2631 (2. März 9 v. Chr.): BGU XVI 2629 (6. Juni 4 v. Chr.): BGU XVI 2643 (nach 4. Februar 8 v. Chr.): BGU XVI 2625 (16. Mai 15 v. Chr.): BGU XVI 2646 (12. Mai 3 v. Chr.): BGU XVI 2661 (25. Juni – 24. Juli 12 v. Chr.): BGU XVI 2607 (27. April 15 v. Chr.):
11/83 oder 13,25%,227 10/75 oder 13,33%,228 10/60 oder 16,67%,229 12/62 oder 19,35%,230 25/119 oder 21%,231 19/90 oder 21,11%,232 13/60 oder 21,67%,233 25/105 oder 23,8%,234 18/74 oder 24,32%,235 20/69 oder 28,99%.236
227 Die nur hier innerhalb des Archivs vorkommenden 11 Begriffe sind: Z. 4 ξενίζω, Z. 11–12 ἀνίερος, Z. 13 οὐκέτι und περισπασμός, Z. 14 πάντοτε, Z. 16–17 ἀμν[ήμων], Z. 18 ἐλπίς, Z. 19 μυκτηρίζω, Z. 21 χειμών, Z. 22 πόκιον, Z. 24 εὐχή.
228 Die 10 Begriffe sind (die mit * gekennzeichneten Begriffe waren papyrologisch bisher überhaupt nicht belegt): Z. 2 ἔνατος, Z. 3 προσκαρτερέω, Z. 4 ἀπεξέρχομαι, χώρα, Z. 23 ἐγγυαλίζω, *λιθοκρούστης, Z. 24 χειρίζω, Z. 25 συνεπισχύω, Z. 28 ἀναμιμνήσκω, Z. 31 μαλακός. 229 Die 10 Begriffe sind: Z. 7 κελεύω, Z. 8 αἴρω, θοάω, Z. 9 ἐκπαίω, εὐτονέω, Z. 13–14 ἐγχυράζω, Z. 16 ἀποθνῄσκω, Z. 18–19 συγκλείω, Z. 20 πεντακαιδέκατος, Z. 21–22 τίμιος. 230 Die 12 Begriffe sind: Z. 5 παράστασις, Z. 8 ἐξορμάω, Z. 9 ἐκδέχομαι, Z. 10 συμβουλεύω, Z. 11 ἄτερ, συνήγορος, Z. 12 γνώμη, Z. 14 καταγραφή, Z. 15 ἅλς, Z. 16 ἐπιχρονίζω, σχοινισμός, Z. 18 ὀψαρίδιον. 231 Die 25 Begriffe sind: Z. 2 ἀνοικονομήτως, Z. 3 ἀναστρέφω, Z. 4 μάχαιρα, Z. 6–7 χαράσσω, Z. 8 συκοφαντία, Z. 12 απακτ…(), ποκισμός, Z. 13 *κολλαμοι, Z. 14 κτηνοτρόφος, Z. 15 ἀδικέω, ἐξελέγχω, μόγις, Z. 16 πρότερον, Z. 17–18 παρρησιάζω, Z. 19 βάλλω, Z. 21 δικαίως, κτηνοτρόφος, Z. 22 ἐπιθολόω, παχυμερῶς, Z. 23 διάσεισμα, Z. 24 διάθεσις, Z. 25–26 παρακρίνω, Z. 27 μάχαιρα, Z. 28 ἔξωθεν, Z. 30 ποιητής. 232 Die 19 Begriffe sind: Z. 3 συντελέω, Z. 5 δίς, Z. 7 μέλλω, Z. 8 ὑστερέω, Z. 9 -μαρκης, Z. 14 συνελίσσω, Z. 16 μετεπιγραφή, Z. 18 ἐ . .δοῦναι, Z. 20 εγδοντον, φυτεία, Z. 21 χείρ, Z. 22 φλέγω, Z. 23 *βοθυνισμός, Z. 24 ἀγορασμός, -οτροπίων, Z. 25 σίδηρος, σχοινίον, Z. 26 σκαφεῖον, Z. 27 εὐπορέω. 233 Die 13 Begriffe sind: Z. 4 διαλείπω, μαρτυρέω, Z. 6 ἐνιαυτός, Z. 8 ἡσυχάζω, Z. 10 ἐκφέρω, Z. 10–11 αὐθάδεια, Z. 12 διαπράσσω, Z. 14–15 διαμισθόω, Z. 16 ἀποκαθίστημι, Z. 18 ἀναδίδωμι, εὔλογος, Z. 18–19 ἁλίσκομαι, Z. 21 κοινωνός. 234 Die 25 Begriffe sind: Z. 1 γλυκύς, Z. 2 *μετεωριτός, Z. 3 οἰκονομέω, Z. 12 κακοπαθία, Z. 13 ἀναφορά, Z. 14 ὠνέομαι, Z. 15 ἔπαυλις, οἰκοδομής, Z. 16 συγχωρέω, Z. 20 συντόμως, Z. 22 πλέω?, Z. 24 ἄνειμι, Z. 26 ἀνάμνησις, ἀναφορά, Z. 28–29 ἐμφανίζω, Z. 31–32 παρίημι, Z. 32 μικῶς, Z. 33 μετριάζω, Z. 35 εὔψυχος, Z. 36 ἔξω, οἰκονομέω, Z. 38 ἐκπλῦσαι, ἥκω, Z. 40 εἰσέρχομαι, ἐμβαίνω. 235 Die 18 Begriffe sind: Z. 2 ἐπισείω, Z. 12–13 ἀνδραγαθέω, Z. 15 ὄξος, τρυγία, Z. 16 μετρητής, Z. 17 ἔρεγμα, φάσηλος, Z. 21 τόμιος, Z. 22 σκηνή, στεγάζω, Z. 23 ἰτέινος, Z. 25 ἐλάινος, πέρνημι, Z. 26 ἐλάινος, Z. 27 ἕνδεκα, Z. 28 ὄξος, Z. 29 δίχηλος, Z. 33 παρεδρεύω. 236 Die 20 Begriffe sind: Z. 2–3 ἀποσπάω, Z. 3 ἀπέρχομαι, Z. 5 τύχη, Z. 6 θάμνω, Z. 7
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Papyrologisches zur Frage der Einheitlichkeit des 2Kor
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Im Falle von 2Kor 6,14–7,1 liegt ein Verhältnis von 9/74 vor (d. h. neun nur hier vorkommende Ausdrücke von insgesamt 74 in diesem Abschnitt) oder 12,16%. Lässt man die LXX-Zitate außer Acht, ergibt sich ein Verhältnis von 6/45 oder 13,33%. Dieses Verhältnis liegt im Vergleich mit den längeren Briefen des Athenodoros-Archivs am unteren Ende. Der Vergleich ist freilich nur bedingt aussagekräftig, da selbst unter Berücksichtigung aller Briefe des Athenodoros-Archivs (immerhin 62: BGU XVI 2604–2665) kein derart umfangreiches Textcorpus zur Verfügung steht wie die Paulusbriefe und schon gar nicht ein umfangreicheres Corpus mit Briefen eines identischen Absenders. Es geht hier zunächst um die Feststellung einer Gesamttendenz. Das relativ hohe Maß an nur einmal belegten Ausdrücken in relativ kurzen Abschnitten, die mit dem Umfang von 2Kor 6,14–7,1 durchaus vergleichbar sind, ist trotz aller Begrenztheit des Vergleichs beachtenswert. Diese Gesamttendenz gewinnt nun dadurch eine besondere Aussagekraft, dass sie auch dann bestätigt wird, wenn nur Briefe eines identischen Autors an ein und denselben Adressaten herangezogen werden und das Augenmerk nur solchen Ausdrücken gewidmet wird, die insgesamt (also innerhalb der dokumentarischen Papyri – und manchmal sogar nur dort) selten belegt sind. Von einem gewissen Eurylochos z. B. sind im hier untersuchten Archiv insgesamt fünf Briefe erhalten, die alle an Athenodoros adressiert sind (BGU XVI 2626– 2630). BGU XVI 2629 wurde am 6. Juni 4 v. Chr. verfasst und enthält – wie bereits angeführt – 25 Begriffe, die innerhalb des Archivs nur hier vorkommen. Beachtenswert ist nun, dass neun dieser Ausdrücke auf Z. 12–17 konzentriert sind und weitere sieben auf Z. 21–25 (zum gesamten Text siehe oben S. 118– 120). Tatsächlich könnte – wie oben bereits aufgezeigt (siehe S. 118) – an χαραχθῆναι in Z. 6–7 nahtlos Z. 26 mit τὴν ἐπιστολὴν κτλ. angeschlossen werden. Besonders viele Wörter der seltenen Ausdrücke, die innerhalb des Athenodoros-Archivs nur hier vorkommen, begegnen in dem Einschub dazwischen. Sieben dieser Begriffe kommen auch insgesamt in den dokumentarischen Papyri und Ostraka äußerst selten vor: κολλαμοι in Z. 13 war bisher überhaupt nicht belegt, παχυμερῶς und ἐπιθολόω in Z. 22 sowie παρακρίνω in Z. 25–26 sind innerhalb der dokumentarischen Papyri nur hier belegt, ποκισμός in Z. 12 ist außerdem nur noch in PSI III 233,24 (nach 174–175 n. Chr.) bezeugt, ähnlich διάσεισμα in Z. 23 (sonst nur noch in BGU IV 1138,11.22 [27. November – 26. Dezember 19 v. Chr.]), für παρρησιάζω schließlich begegnet hier in Z. 17–18 der einzige dokumentarische Beleg vor dem 6. Jh. (und in P.Cair.Masp. I 67089,16 [Anfang? 6. Jh.] liegt der einzige weitere Beleg für dieses Verb vor).237 θεωρέω, Z. 10–11 φιλεξυλόσθεται, Z. 12 ἅμαξα, Z. 13 αἶθρος ?, ἐνοίκιος, Z. 14 περσέα, Z. 15 πλάτυμμα, Z. 16 μῆκος, πῆχυς, πλάτος, τάσσω, Z. 17 καμάρα, πῆχυς, Z. 18 αἶθρος ?, Z. 23–24 πληρόω, Z. 25 στραγεύω.
237 Weniger markante Beispiele begegnen freilich immer wieder, z. B. BGU XVI 2643 (nach 4. Februar 8 v. Chr.): die beiden wirklich seltenen Ausdrücke innerhalb des gesamten Briefes, φλέγω
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Einleitung
Von diesen Ergebnissen her lässt sich 2Kor 6,14–7,1 gut als bereits originaler Einschub erklären, mit dem Paulus den fortlaufenden Text unterbricht, um sich einem Thema zu widmen, das er in dieser Form nur hier behandelt. Erklärung für die Einheitlichkeit 2: Th. Schmeller geht davon aus, dass der Abschnitt 6,14–7,1 ursprünglich seine Position zwischen Kap. 9 und 10 hatte und dort „als negatives Gegenstück zur positiven Paränese der Kollektenkapitel hinter 9.15“ stand.238 Dort werde nämlich durch diesen Abschnitt der Übergang von Kap. 9 zu 10 „erleichtert: Die Gemeinschaft zwischen Paulus, der korinthischen Gemeinde und der Jerusalemer Gemeinde, um die Paulus in Kap. 1–9 wirbt, bedingt zugleich die Trennung von allen Ungläubigen (6.14– 7.1 in ursprünglicher Stellung) und von den Gegnern (Kap. 10–13).“239 Weil der bewusst unpaulinische Charakter später als antipaulinisch verstanden worden sei, hätten die frühen Überlieferer der Paulusbriefe den Abschnitt von seiner ursprünglichen Position absichtlich herausgenommen, separat aufbewahrt und tradiert und schließlich an der vorliegenden Stelle wieder eingefügt.240 Von papyrologischer Seite lassen sich für Schmellers Hypothese, dass ein Textabschnitt aus dem Gesamttext ausgeschieden, separat aufbewahrt und zu einem späteren Zeitpunkt an einer anderen Stelle wieder in den Gesamttext eingefügt worden sein soll,241 keine Vergleichsbeispiele beibringen. Praktische Gründe wie das Ende einer Teilrolle, einen Riss in der Rolle oder ein herausgefallenes Blatt eines Codex hält Schmeller selbst für unwahrscheinlich.242 Die Annahme einer absichtlichen Textversetzung aus inhaltlichen Gründen ist rein hypothetisch und könnte daher an jeder Stelle erwogen werden, die sich vom Kontext „abhebt“. Die Annahme relativ komplizierter und mehrmaliger Redaktionsprozesse vermindert die Plausibilität dieser Einheitlichkeitshypothese. Fazit: Die Untersuchung anhand eines ausgewählten zeitgenössischen Papyrusarchivs zeigt, dass das relative Ausmaß der in einem Brief bzw. in einem (Z. 22) und βοθυνισμός (Z. 23), begegnen im eingeschobenen Abschnitt über einen gewissen Skolops (Z. 21–23), der die Anweisungen an den Adressaten unterbricht. Für φλέγω findet sich hier der einzige Papyrusbeleg vor dem 6. Jh. (ein weiterer begegnet in P.Lond. V 1676,16 [566–573 n. Chr.]), und βοθυνισμός ist überhaupt nur hier zu finden. Der Name des Absenders von BGU XVI 2643 ist nicht erhalten, die Schrift ist aber mit jener von 2622 (verfasst von einem gewissen Mnaseas) und 2644 (Name des Absenders ebenfalls nicht erhalten) identisch. Alle drei Briefe sind an Athenodoros adressiert. 238 Schmeller, Kontext 237. Siehe dazu auch ders., 2Kor 378–382. 239 Schmeller, Kontext 237–238. 240 Schmeller, Kontext; ders., 2Kor 378–382. 241 Für 2Kor 6,14–7,1 hat diese Ansicht bereits Blass, Textkritisches 56–57, vertreten, der als ursprünglichen Ort für den Abschnitt allerdings die Position zwischen 10,22 und 23 annimmt (vgl. Schmeller, Kontext 232). Zu weiteren Versetzungstheorien siehe Schmeller, Kontext 232–233 mit Anm. 32 und 34. 242 Vgl. Schmeller, Kontext 234 (gegen Blass, Textkritisches 59).
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bestimmten Abschnitt eines Briefes verwendeten seltenen Wörter nicht mit der Brieflänge zusammenhängt und auch nichts über die Authentizität aussagt. Seltene Ausdrücke kommen – freilich in sehr unterschiedlicher Konzentration – immer wieder vor und sind bedingt durch die Seltenheit oder sogar Einmaligkeit des behandelten Themas bzw. dessen Beschreibung. Ob nun konkret 2Kor 6,14–7,1 als einzigartig, aber dennoch paulinisch zu beurteilen ist oder als unpaulinisch bewertet werden sollte, lässt sich vom vorhandenen Text her nicht endgültig entscheiden. Die Erklärbarkeit im ersteren Sinn und die Unwahrscheinlichkeit einer späteren redaktionellen Interpolation (siehe diesbezüglich bereits oben im Abschnitt zu 2Kor 2,14–7,4) sprechen aber eher für eine bereits originale Unterbrechung des Textes durch Paulus selbst.
2Kor 8 und 9 Die Kap. 8 und 9 des 2Kor enthalten ähnliche Angaben über die Kollekte, wobei die Anfänge beider Kapitel sprachlich als Neuansätze formuliert sind (8,1 γνωρίζομεν δὲ ὑμῖν, ἀδελφοί, und 9,1 περὶ μὲν γὰρ … περισσόν μοί ἐστιν τὸ γράφειν ὑμῖν). Gleichzeitig weisen die Aussagen über die makedonischen Gemeinden am jeweiligen Beginn der beiden Kapitel gewisse Unterschiede auf: während in 8,1–5 die Großzügigkeit der Gemeinden Makedoniens beschrieben wird, betont Paulus in 9,1–2 die Bereitwilligkeit der christlichen Gemeinde Korinths, die er gegenüber den Christinnen und Christen Makedoniens rühme. Dazu kommt noch eine kritische Äußerung über Makedonien in 7,5, wo Paulus seine dortige Ankunft als Zeit der Ängste und Kämpfe beschreibt. Zu fragen ist hier, ob Kap. 8 und 9 die Reste von ursprünglich zwei separaten Briefen enthalten. Wenn nein, ist ferner zu fragen, ob die Kap. 8 und 9 ursprünglich einen separaten Brief gebildet haben oder von Anfang an auf Kap. 1–7 folgten. Erklärung für eine Teilung 1: Aufgrund der genannten Beobachtungen werden bei Befürwortung einer Teilung in Kap. 8 und 9 die Reste von zwei verschiedenen Kollektenbriefen gesehen.243 Kap. 8 sei „wahrscheinlich das Fragment eines eigenen Briefes, den Paulus aus Makedonien an die Korinther schrieb, um sie eindringlich an die schon in 1 Kor 16 erwähnte Kollekte zu erinnern“244, Kap. 9 sei hingegen „das Fragment eines ‚Kollektenbriefes‘, den Paulus aus Makedonien absandte, diesmal an die Gemeinden der Provinz Achaia (2Kor 9,2).“245 243
Zu den literarkritischen Argumenten siehe Bieringer, Teilungshypothesen 98–103. Heil, Die Armen nicht vergessen 94. 245 Heil, Die Armen nicht vergessen 96; vgl. Betz, 2. Korinther 25–77. – Thrall, 2Cor 42, z. B. vermutet die Adressatinnen und Adressaten in Korinth und innerhalb anderer christlicher Gruppen in der Provinz Achaia. 244
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Aus papyrologischer Sicht müsste man in diesem Falle annehmen, dass der sprachliche Anschluss von Kap. 9 an Kap. 8 durch γάρ dem Kompilationsprozess zuzuschreiben ist,246 da die Kombination περὶ μὲν γάρ zwar durchaus ein neues Thema einleiten kann, aber niemals am Beginn eines Dokumentes oder des Hauptteils eines Briefes, sondern stets im Inneren oder erst gegen Ende eines Schreibens:247 Belege dafür sind: P.Rein. I 44,30 (nach 10. Oktober 117 n. Chr.); P.Cair.Zen. I 59021,46–47 (23. Oktober 258 v. Chr.); P.Tor.Choach. 8 A,45–46 und B,45 (beide nach 24. September – 23. Oktober 127 v. Chr.); PSI IV 330,8 (21. April 257 v. Chr.).
In einem ursprünglich separaten Brief sollte die Vorstellung des Themas mit περὶ μὲν τῆς διακονίας begonnen worden sein (also ohne γάρ). Auf Papyrus sind ferner einige Beispiele erhalten, die den Wortlaut und die Übermittlung von jeweils mehreren Briefen vor Augen führen, die in ein und derselben Angelegenheit vom selben Absender an unterschiedliche Personen verschickt wurden, um diese mit der betreffenden Angelegenheit zu befassen. Die Beispiele sind zeitlich weit gestreut, weisen aber bestimmte Konstanten auf, die somit für die Kollektenbriefe des Paulus als Vergleichspunkte herangezogen werden können. Erhalten geblieben sind jeweils die Entwürfe der zusammengehörenden Briefe. Das ausführlichste Beispiel stammt aus dem Zenon-Archiv: Das Verso von P.Cair.Zen. I 59015 enthält die Entwürfe für fünf Briefe, die nach dem 6. September 258 v. Chr. von Zenon verfasst wurden. Anlass ist die Flucht von drei Sklaven, die Zenon zuvor in Idumaea von einem gewissen Zaidelos und dessen Bruder Kollochutos gekauft hat248 und die sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt in deren Haus befinden sollen. Zenon hat nun vor, seinen Angestellten Straton loszuschicken, um die Sklaven zurückzuholen. Der fortlaufende Text mit den fünf Briefentwürfen lautet: Πασικλεῖ. εἰ ἔρρωσαι, καλῶς ἂν ἔχοι· ὑγιαίνομεν δὲ καὶ αὐτοί. ἀνήγγελέν μοι Κρότος γεγραφέναι σε αὐτῶι ὅτι οἱ παῖδες οἱ ἀποδράντες μηνυτρίζοιντο εἶναι παρὰ τῶι Κολλοχ⟦ . .ι⟧`ούτωι καὶ´ τῶι Ζαιδήλ⟦ου⟧`ωι τῶι´ ἀδελφῶι 5 καὶ αἰτοίησαν ⟦μνᾶν⟧, ἐφ᾽ ὧι ἀνάξουσιν, ἀργυρίου (δραχμὰς) ρ. καλῶς ἂν οὖν ποιήσαις τὴμ (l. τὴν) πᾶσαν σπουδὴν ποιησάμενος τοῦ συλληφθῆναι αὐτοὺς ̣ ̣ . .ο̣ ι⟧̣ καὶ παραδ̣ ο̣ ὺς Στράτωνι ⟦ἵνα καὶ ο̣ ια τῶι κομίζοντί σοι τὸ ἐπιστόλιον. τοῦτο γὰρ 10 ποιήσας εὐχαριστήσ[εις ἡμῖν. ⟦ . .] . . .⟧ `ὃ´ δ᾽ ἂν ἀνηλώσηις 246 247
Beachte z. B. auch Thrall, 2Cor 42. Der Befund literarischer Quellen führt zum selben Ergebnis (vgl. Stowers, Peri men gar
341). 248
Beachte diesbezüglich auch P.Cair.Zen. V 59804 mit Pap.Lugd.Bat. XXI S. 121 (6. September 258 v. Chr.) und IV 59537 (nach 6. September 258 v. Chr.); siehe dazu R. Scholl in C.Ptol.Sklav. I 150–158; X. Durand in C.Zen.Palestine S. 216–227.
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[δώσ]ομεν. πεπραμέ[νη δ᾽ ἐστὶν ἀλ]α̣ βαστροθήκη [ . . . . . . . . .]σ̣ αι· εἰ δὲ μὴ [βούλει,] `ἐπίστειλον´ ⟦ [γρ]άψον⟧ [ὁ δὲ πρ]ι[̣ ά]μ̣ ενος ἀποδώσει. [καὶ σὺ δὲ ἐάν τινος] [χ]ρείαν ἔχη[ις] τῶν ἐν τ[ῆι χώραι, γράφε ἡ]μῖν· 15 π̣ οιήσομεν γὰρ φιλικῶ[ς]. ἔρρ[ω]σο. Ἐπικράτει. ἐπιδημήσαντες ἐμ (l. ἐν) Μαρίσηι ἐπρ̣ [ιάμεθα] ἐκ τῶν Ζαιδήλου σώματα, ⟦ὧν ἀποδεδρ̣ ά̣ [κασιν] ⟧ ⟦ἀδελ⟧ ἡμῶν δ᾽ εἰς Αἴγυπτον εἰσπορευομέ̣[νων] ἀπέδρασαν `[α]ὐ̣ τ̣ῶ̣ ν̣ παῖδες γ, τούτων´ ἀ̣ δελφ̣ ο̣ ὶ δύο , ⟦οἳ ὀνομα⟧ ὧν [τὰ ὀνόματα] 20 καὶ τὰς εἰκόνας ὑ̣ π̣ ο̣ γ̣έ̣γραφά σοι. προσή̣ γ̣γ̣[ελται δὲ] ἡ̣ μῖν̣ ε̣ἶν̣ α̣ ι ̣ τ̣[ούτους παρ]ὰ Κολλοχούτωι τ̣ . .[ - - - ] καλ̣ [ῶς ἂν οὖν ποιήσαις τὴν π]ᾶσαν σπουδὴν π[οιησάμενος] [τοῦ συλληφθῆναι αὐτο]ὺς καὶ παραδο⟦θῆν̣ α̣ [ι]⟧`ὺς´ [Στράτωνι] [ὃ δ᾽ ἂν ἀνηλώσηις τοῖς ἀ]ναγαγοῦσιν α . .[ - - - ] ̣ ̣ ι τουτ̣[ - - - ] 25 [ - - - ]υ̣ . .ια Πεσιστράτωι. εἰ ἔρρωσαι, καλῶς ἂν ἔχοι. ὑγιαίνομεν δὲ καὶ αὐτοί. ἀνήγελλεν ἡμῖν Κρότος γεγραφέναι
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Πασικλῆν μηνυτρίζεσθαι τοὺς ἀποδράντας παῖδας ⟦τ̣⟧ ὧν ἐπριάμεθα ⟦παρὰ⟧ ἐμ (l. ἐν) Μαρίζηι τῶν Ζαιδήλου. γεγράφαμεν οὖ ἀξιοῦντες τὴμ (l. τὴν) πᾶσαν ἐπιμέλειαν ποιήσασθαι ὅπως ἂν συλληφθῶσιν καὶ παραδῶι αὐτοὺς Στράτωνι τῶι τ⟦ὴν⟧`ὰς´ ἐπιστολ⟦η⟧ὰς ὑμῖν κομίζοντι. διὸ καὶ σὺ καλῶς ἂν ποιοῖς ὑπομιμνήσκων τε αὐτὸν καὶ συνσπουδάσ ὅπως μὴ διαφύγωσιν ⟦οἱ παῖδες⟧. καὶ σὺ δὲ εὐχαριστήσεις ἡμῖν γράφων, ⟦τίνων .⟧ ἐάν τι βούληι τῶν ἀπὸ τῆς χώρας· φιλικῶς γάρ σοι ποιήσομεν. ἔρρωσο. Ἐ̣ παινέτωι. παῖδές ⟦ἡμῖν⟧ τινες τ[υγχά]ν̣ ουσιν ἀποκεχωρ̣ η̣ κότες ἡμῶν, οἳ προσηγγελ̣ μ̣ έ̣ν̣ ο̣ ι ̣ εἰσὶν ἐν τῆι Ἰδ[ο]υ̣ μαίαι, ἀπεστάλκαμεν δὲ ἐπ᾽ αὐτὸ Στράτωνα. καλῶς ἂν οὖν ποιήσαις σ[υ]ντάξας τῶι υἱ μὴ ἐνοχλεῖν αὐτὸν τὰ κατὰ τὰς λειτουργίας, ὅπως συν̣ λάβηι τοὺς παῖδας. Ἄμμωνι. τὴν αὐτήν. ⟦ὃπως Δωροθέωι καὶ Δημαινέτωι⟧ καλῶς ἂν οὖν ποιήσαις γράψας Δωρ[ο]θέωι καὶ Δημαινέτωι ὃπως μὴ ἐνοχλῆται τὰ κατὰ τὰς λειτουργίας.
„An Pasikles. Wenn du wohlauf bist, verhält es sich wohl gut. Und auch wir selbst sind gesund. Krotos hat mich benachrichtigt, dass du ihm geschrieben hast, dass die entlaufenen Sklaven gegen Belohnung angezeigt worden wären,249 dass sie sich bei Kollochutos und Zaidelos, seinem Bruder, befinden, und dass sie (gemeint sind die Anzeiger) dafür, dass sie die Anzeige machen, 100 Drachmen verlangen. Du mögest also so gut sein und allen Eifer daran setzen, dass sie ergriffen werden, und übergib 249
Siehe dazu U. Wilcken in UPZ I S. 569–570.
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Einleitung
sie Straton, der dir diesen Brief bringt! Denn indem du das tust, wirst du uns einen Gefallen erweisen. Und was immer du aufwendest, werden wir (dir) geben. Das Behältnis für Alabastergefäße ist verkauft … Wenn du aber nicht willst (dass es verkauft wird?), wird es der Käufer zurückgeben. Und wenn du aber an irgendetwas auf dem Land Bedarf hast, schreib uns! Denn wir werden es freundlich erfüllen. Leb wohl! An Epikrates. Als wir uns in Marisa aufhielten, kauften wir Sklaven aus den Beständen des Zaidelos. Während wir aber nach Ägypten hinein reisten, liefen von ihnen drei Sklaven davon, darunter zwei Brüder, deren Namen und Aussehen ich dir unten hingeschrieben habe. Uns wurde aber gemeldet, dass sich diese bei Kollochutos aufhalten … Du mögest also so gut sein und allen Eifer daran setzen, dass sie ergriffen werden, und übergib sie Straton! Und was immer du für jene aufwendest, die (die Sklaven) anzeigen … An Peisistratos. Wenn du wohlauf bist, verhält es sich wohl gut. Und auch wir selbst sind gesund. Krotos hat uns benachrichtigt, dass Pasikles geschrieben hat, dass die entlaufenen Sklaven, die zu denen gehören, die wir in Marisa aus den Beständen des Zaidelos gekauft hatten, gegen Belohnung angezeigt wurden. Wir haben also geschrieben und ersucht, jedwede Sorge aufzuwenden, dass sie ergriffen werden und man sie Straton übergibt, der euch die Briefe bringt. Deshalb mögest auch du so gut sein, sowohl ihn daran zu erinnern als auch mitzuhelfen, damit sie nicht entwischen. Und du wirst uns überdies einen Gefallen erweisen, wenn du schreibst, wenn du irgendetwas von den Dingen vom Land möchtest. Denn wir werden es freundlich erfüllen. Leb wohl! An Epainetos. Es traf sich, dass einige unserer Sklaven davongelaufen sind, die sich laut Meldung in Idumaea aufhalten, und wir haben dazu Straton losgeschickt. Du mögest also so gut sein und (deinem) Sohn auftragen, ihn nicht mit liturgischen Verpflichtungen zu belästigen, damit er die Sklaven ergreift. An Ammon. Denselben (Brief). Du mögest also so gut sein und Dorotheos und Demainetos schreiben, dass er (gemeint ist wieder Straton) nicht mit liturgischen Verpflichten belästigt wird.“ Obwohl sich jeder der fünf Briefe in einigen Details von den anderen unterscheidet, lassen sich zwei Bestandteile ausmachen, die überall ausdrücklich angeführt werden: die an der Rückholung der Sklaven, um die es hier durchwegs geht, beteiligten Personen und deren genaue Aufgaben. Alle fünf Adressaten werden namentlich ersucht, einen gewissen Straton bei der Abholung und Überstellung der entflohenen Sklaven eifrigst zu unterstützen. Diese Bestandteile finden sich auch in weiteren Beispielen: Kol. I von P.Cair.Zen. III 59367 (21. Januar 241 v. Chr.) enthält zwei Briefentwürfe, in denen es um vermeintlich offene Steuerschulden im Zusammenhang mit einem Landgut geht. Der erste Brief (Z. 1–20) ist an Zenons Geschäftspartner Sostratos adressiert, der andere (Z. 21–25) direkt an den lokalen Steuerbeamten Kraton. In beiden Entwürfen werden die mitbeteiligten Personen ausdrücklich genannt, und auch der Sachverhalt ist derselbe. Das Ziel beider Briefe liegt offenbar250 darin, Kraton – im ersten Brief über Sostratos, im zweiten Brief direkt – dazu zu bewegen, noch etwas Geduld zu haben. 250
Der zweite Briefentwurf ist nicht vollständig erhalten.
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Papyrologisches zur Frage der Einheitlichkeit des 2Kor
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Die beiden Briefentwürfe in Kol. II desselben Papyrus betreffen Schwierigkeiten in der Bebauung eines Weinbergs, dessen Besitzer Zenon und ein gewisser Sostratos sind. Die Winzer Samoelis und Alexander werden von den Nachbarn am Zugang zum Weinberg behindert und sind offenbar drauf und dran, ihr Unternehmen aufzugeben. Zenon versucht durch zwei Briefe, sie davon abzubringen, da dies mit einem finanziellen Schaden für ihn und seinen Geschäftspartner Sostratos verbunden wäre. Der erste Brief (Z. 26–40) ist wieder an Sostratos adressiert, der zweite (ab Z. 41) an die betroffenen Winzer selbst.251 Die beiden auf BGU XVI 2634 (ca. 21 v. Chr. – 5 n. Chr.) erhaltenen Briefentwürfe haben gemeinsam, dass ein und dieselbe Person, ein gewisser Hermas, mit den Briefen losgeschickt wird, um das eine Mal an einen Seleukos, das andere Mal an die „Brüder“ Euomenos und Dionysios genau aufgelistete Waren zu liefern. Erwähnenswert sind außerdem die Kopien von zwei Briefen, die auf P.Tebt. II 407 (nach 19. Januar 199 n. Chr.?) erhalten geblieben sind. Marsisuchos, der ehemalige Priester des Hadriantempels des Arsinoites, teilt das eine Mal seiner Tochter, das andere Mal seiner Gattin mit, welche Sklavinnen und Sklaven er namentlich frei lassen wird, und er warnt sie vor Gegenmaßnahmen.252
Die namentliche Hervorhebung der beauftragten Personen und die klare Beschreibung des Unternehmens, an dem sich die Adressatinnen und Adressaten beteiligen sollen, sind offenbar fester Bestandteil derartiger Briefe. Gerade diesbezüglich sind nun aber im Zusammenhang mit 2Kor 8 und 9 Unterschiede festzustellen. In beiden Abschnitten wird zwar im identischen Wortlaut das Anliegen angegeben (διακονία εἰς τοὺς ἁγίους in 8,4 und 9,1), und da wie dort wird erwähnt, dass das anstehende Unternehmen bereits früher begonnen hat (8,6.10 bzw. 9,2). Doch nur in Kap. 8 werden die drei mit der Mission Beauftragten genauer beschrieben, wenngleich auffällt, dass einzig und allein Titus namentlich genannt wird; immerhin fällt die Beschreibung der anderen beiden „Brüder“ aber recht ausführlich aus (8,16–24). In Kap. 9 hingegen ist überhaupt nur ganz abstrakt von „Brüdern“ die Rede, weder wird deren Anzahl genannt noch irgendein Name. Sollte dem 9. Kapitel des 2Kor also ursprünglich ein separater Brief zugrunde gelegen haben, so müsste man annehmen, dass dieser sehr wohl die Namen oder zumindest Anzahl und Beschreibung der an der Mission beteiligten Personen enthalten hatte und dass diese erst während des Kompilationsprozesses verloren gingen. Umgekehrt verhält es sich mit einer möglichst genauen Angabe darüber, worin die eigentliche Mission besteht. In 2Kor 8 ist diesbezüglich nur relativ abstrakt davon die Rede, dass das begonnene Tun vollendet werden soll (V. 11). Bedeutend konkreter heißt es in Kap. 9, dass „die Brüder“ (deutlich rückverweisend auf 8,16–24) entsandt und gebeten wurden, vor dem Eintreffen des
251
Zu allen vier Briefentwürfen siehe auch Kloppenborg, Tenants 421–425. Natürlich finden sich auch Beispiele unter den Verwaltungsbriefen (z. B. P.Col. IV 88 [16. Mai 243 v. Chr.]). Dass diese genaue Angaben und Anweisungen enthalten, versteht sich von selbst. 252
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Einleitung
Paulus die Segensgabe zuzubereiten, damit dann alles bereit sei (V. 3–5). Ferner schreibt Paulus in Kap. 9 konkreter als in Kap. 8, was die Gemeindemitglieder eigentlich tun sollen, nämlich: so geben, wie sie es sich mit dem Herzen vorgenommen haben, nicht aus Kummer oder aus Zwang (vgl. V. 11). Diesbezüglich wäre also zu erwarten, dass ein separater Brief als Grundlage für Kap. 8 ursprünglich genauere Angaben über das konkrete Anliegen des Paulus enthalten hätte. Die Annahme, in 2Kor 8 und 9 lägen ursprünglich separate Briefe vor, die dasselbe Anliegen (nämlich die Durchführung und den Abschluss der Kollekte) an unterschiedliche Zielgruppen übermitteln sollten, muss also mit detaillierten Änderungen der vermuteten ursprünglichen Texte im Laufe des Kompilationsprozesses rechnen. Eine alternative und plausiblere Erklärung für eine Teilung von Kap. 8 und 9 liegt darin, dass beide Abschnitte auf ursprünglich separate Briefe zurückgehen, die aber hintereinander an dieselbe Gruppe (in diesem Falle also an die Gemeinde von Korinth) gesandt wurden, und zwar mit dem Ziel, dass der zweite Brief den ersten verdeutlichen bzw. die Dringlichkeit des Anliegens untermauern sollte. Bei diesem Szenario fällt für den zweiten Brief von vornherein die Notwendigkeit weg, die Leiter der Mission ausdrücklich zu nennen, obgleich an der Sinnhaftigkeit ihrer Nennung nicht zu zweifeln wäre. Der zweite Brief hätte dann die Aufgabe gehabt, genau jene Punkte zu konkretisieren, die im ersten noch nicht deutlich genug benannt worden waren: die konkrete Aufgabe der Gesandten und konkretere Anweisungen an die Gemeindemitglieder. Deren zu erwartende Frage, wie bzw. wieviel sie denn nun spenden sollten, wird in Kap. 8 überhaupt nicht beantwortet, wohl aber in 9,11. Papyrologisch kann zum Vergleich auf P.Fay. 113 (vor 14. Dezember 100 n. Chr.) und 114 (14. Dezember 100 n. Chr.) verwiesen werden: Bei diesen zwei Briefen mit fast identischem Inhalt geht es darum, dass Sabinus, der Sohn des Absenders, der Aufforderung im ersten Brief offenbar nicht schnell genug Folge geleistet hatte, so dass sich der Vater veranlasst sah, noch einen zweiten Brief mit derselben, nun aber noch dringlicher formulierten Aufforderung nachzuschicken. Im ersten Brief, P.Fay. 113, schreibt L. Bellenos Gemellos an seinen Sohn Sabinus nach dem Eingangsgruß – Z. 3–15: πάντη πάντoς (l. πάντως) πέμσις (l. πέμψεις) Πίν|δαρον τὸν πεδιοφύλακα τῆς | Διονυσ[ιά]δος εἲ (l. ἢ) τὸν πατέρα αὐτοῦ, | ἐπὶ Ἑρμο̃ ναξ (l. Ἑρμῶναξ) ἐρώτησέ με εἵνα | ἐφίδῃ τὸν [ἐ]λαιῶνα αὐτοῦ τὸν | ἐν Κερκεσούχυς (l. Κερκεσούχοις) ἐπὶ πυκνός | ἐστιν τῦς (l. τοῖς) φυτῦς (l. φυτοῖς), καὶ ἐξ αὐτο̃ ν (l. αὐτῶν) | ἐκκόψαι θέλι φυτά. εὖ οὖν πυή|σας (l. ποιήσας) ἐξαυτῆς πέμσις (l. πέμψεις) αὐτὸν | ἐξαυτῆς· καὶ τῆι ιη εἲ (l. ἢ) ιθ τῇ | πόλι πέμσις (l. πέμψεις) εἰκθύας (l. ἰχθύας) (δραχμῶν) ιβ | ἐπὶ τὰ τετρα̣ ῦ Γεμέλλης („schick mir ganz sicher Pinκοσ{σ}τὰ τοῦ μικροῦ | [ . . . . . . . . . . . ο]ιε̣ ἱο daros, den Flurwächter von Dionysias, oder seinen Vater, weil mich Hermonax gebeten hat, dass er nach seinem Olivengarten in Kerkesucha sieht, da er von Pflanzen dicht bewachsen ist und er daraus Pflanzen heraushauen will! Sei also sogleich so gut und schick ihn sogleich! Und am 18. oder 19. schick in die Stadt Fische um 12
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Papyrologisches zur Frage der Einheitlichkeit des 2Kor
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Drachmen zum 40-Tage-Fest253 des Kleinen254 … des Sohnes der Gemella!“ – Danach bricht der Papyrus ab). Vermutlich ein paar Tage später schickte Gemellos den zweiten Brief, P.Fay. 114 mit BL IV 29, nach, der vollständig erhalten ist – einschließlich des Datums (umgerechnet: 14. Dezember 100 n. Chr.) – und im vergleichbaren Abschnitt lautet – Z. 3– 20: εὖ οὖν πυή|σας (l. ποιήσας) κομισάμε|νός μου τὴν ἐπιστολὴν | πέμσις (l. πέμψεις) μυ (l. μοι) Πίνδαρον | εἰς τὴν πόλιν τὸν πεδι|οφύλακα τῆς Διονυσιάδο(ς), | ἐπὶ ἐρώτησέ με Ἑρμο̃ ναξ (l. Ἑρμῶναξ) εἵνα αὐτὸν λά|βῃ εἰς Κερκεσοῦχα | καταμαθῖν τὸν | ἐλαιῶνα αὐτοῦ ἐπὶ | πυκνός ἐστιν καὶ | θέλι ἐξ αὐτο̃ ν (l. αὐτῶν) ἐκκό|ψαι φυτά, εἵνα ἐνπί|ρος (l. ἐμπείρως) κοπῇ τὰ μέλλον|τα ἐκκόπτεσθαι· καὶ | τὴν εἰκθυὶν (l. ἰχθὺν) πέμσις (l. πέμψεις) | τῆι κδ εἲ (l. ἢ) κε εἰς τὰ | γενέσια Γεμέλλης („sei so gut und, wenn du meinen Brief bekommen hast, schick mir Pindaros in die Stadt, den Flurwächter von Dionysias, weil mich Hermonax gebeten hat, dass er ihn nach Kerkesucha nimmt, um seinen Olivengarten genau zu besichtigen, da er dicht bewachsen ist und er daraus Pflanzen heraushauen will, damit das, was herausgehauen werden soll, sachkundig gefällt wird! Und den Fisch schick am 24. oder 25. zu Gemellas Geburtstag255!“). Gegenüber dem ersten Brief fällt vor allem auf, dass Gemellos nun keine Alternative mehr anbietet, entweder Pindaros oder dessen Vater zu schicken, und dass er für das, was dieser ausführen soll, das gegenüber ἐφοράω („nach etwas sehen, besuchen“) deutlichere καταμανθάνω („ausforschen, genau besichtigen“) verwendet. Damit soll wohl die mittlerweile verschärfte Dringlichkeit des Anliegens deutlich gemacht werden. Das erbetene Lieferdatum für den Fisch (im ersten Brief war noch von Fischen die Rede) hat sich – sofern beide Briefe im selben Monat geschrieben wurden – um sechs Tage nach hinten verschoben, und auch der Anlass, zu dem der Fisch auf den Tisch kommen soll, ist bereits ein anderer.
So wie sich Gemellos aufgrund der Dringlichkeit der Situation veranlasst sieht, seinem Sohn einen zweiten Brief zu schicken, ist im Sinne einer Teilungshypothese gut vorstellbar, dass Paulus einem ersten Kollektenbrief nach Korinth einen zweiten mit konkreteren Anweisungen nachgeschickt hat, weil er in Sorge war oder sogar Nachrichten erhalten hatte, dass die Kollekte nicht rasch genug und/oder nicht im gewünschten Ausmaß voranging. Dass die mit dieser Mission Betrauten in 2Kor 9 weder von der genauen Anzahl her noch namentlich genannt werden, bleibt ein Schwachpunkt dieser Hypothese.
253
Zur Bedeutung dieses Festes, das 40 Tage nach der Geburt gefeiert wurde, siehe Olsson, Papyrusbriefe 163–164. 254 Vermutlich ist dieser mit dem in der nächsten Zeile genannten Sohn der Gemella identisch. Μικρός ist auch als Eigenname belegt, „but Gemellus does not as a rule use the article with personal names“ (B. P. Grenfell und A. S. Hunt in P.Fay. S. 269). 255 Die Transkription dieser Stelle ist umstritten, beachte BL III 54: καὶ | τὴν εἰκθυὶν (l. ἰχθὺν) πέμσις (l. πέμψεις). | τῆι κδ εἷκε (l. ἧκε) εἰς τὰ | γενέσια Γεμέλλης („und schicke den Fisch! Komme am 24. zu Gemellas Geburtstag!“
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Einleitung
Erklärung für eine Teilung 2: Eine weitere Hypothese sieht 2Kor 8–9 als ursprüngliche Einheit, aber als separaten Brief, der von 2Kor 1–7 und 10–13 zu trennen sei. Die Annahme, dass 2Kor 8 und 9 bereits ursprünglich als Einheit verfasst wurden, ist vor dem Hintergrund der oben zum Vergleich herangezogenen Papyrusbriefe in sich schlüssig, da nur beide Kapitel zusammen sämtliche Bestandteile aufweisen, die für ein derart wichtiges Unternehmen mit immerhin hohen finanziellen Ansprüchen als unabdingbar erscheinen: die namentliche Nennung bzw. möglichst genaue Beschreibung der Gesandten, die für das Unternehmen verantwortlich sein sollen (8,16–24); eine möglichst genaue Beschreibung ihrer Aufgabe (9,3–5); schließlich eine konkrete Angabe darüber, was von den Adressatinnen und Adressaten des Briefes erwartet wird (9,11). Dass diese Bestandteile in Kap. 8–9 tatsächlich nur einmal vorkommen, spricht deutlich für die ursprüngliche Einheitlichkeit beider Kapitel.256 Gegen die ursprüngliche Einheitlichkeit von Kap. 8 und 9 könnte eingewandt werden, dass 9,1 so klingt, als würde Paulus an dieser Stelle erstmals in diesem Brief das Thema der Kollekte anschneiden (περὶ μὲν γὰρ τῆς διακονίας τῆς εἰς τοὺς ἁγίους), was dann tatsächlich nach einem Widerspruch zu Kap. 8 aussieht, insbesondere dann, wenn man – wie oben dargelegt – das verbindende γάρ als sekundäre Interpolation ansieht. Aus Papyrusbriefen lassen sich nun aber einige Belege dafür beibringen, dass die Phrase περισσόν μοί ἐστιν τὸ γράφειν, die in 9,1 begegnet, in einem rhetorischen Sinn verwendet wird und die Funktion hat, in einer gewissen Spannung zur wörtlichen Aussage dieser Phrase auf die Wichtigkeit des Folgenden hinzuweisen. Mit der Formulierung bei Paulus gut vergleichbar ist der Beginn des Briefcorpus von P.Berl.Möller 10, Verso (3. Jh. n. Chr.); beim Absender Herakleides handelt es sich vermutlich um einen Gutsverwalter, der an seinen Herrn Pappos schreibt – Z. 3–16 mit BL II.2 134 (zu SB IV 7347,28–43): τὸ γράφειν σοι εἰδότι μᾶλλο(ν) | ἐμοῦ ἑκάστου ἔργου τὸν και|ρὸν περιττὸν ἡγοῦμαι. πλὴν | ἵνα μὴ δοκοίην ἀμελεῖν, | γράφω σοι, ὅ[τ]ι καιρὸν ἐχό̣ ν|των τῶν κλημάτων καὶ ὀ|φειλόντων ἤδη καὶ κα|τεστάλθαι ἤδη γὰρ καὶ πρὸς | τῷ ἀναλημφθῆναί ̣ ἐστιν | οὐδὲ`ν´ οὔπω τούτων ἐποιή|σαμεν πρὸς τῷ καὶ πλείστας | βοτάνας ἄνωθεν αὐτῶν | πεποιηκότων διὰ τὸ μὴ κα|τεσάλθαι ἀλλὰ καὶ πεπ̣ ν̣ ε̣υ̣ κ̣ έ̣ν̣ α̣ ι(̣ ?) („dir zu schreiben, der du doch mehr als ich den Zeitpunkt für jede Arbeit kennst, halte ich für überflüssig. Aber damit du nicht glaubst, dass ich nachlässig bin, schreibe ich dir, dass, obwohl die Stecklinge den Zeitpunkt erreicht haben und auch schon in Ordnung gebracht sein sollten – denn es liegt schon an, dass die Rebenschösslinge beschnitten werden257 –, wir noch gar nichts davon getan haben. Da noch dazukommt, dass die Weinpflanzungen früher besonders viel Unkraut hervorgebracht haben, weil sie nicht in Ordnung gebracht worden sind, sondern auch …“ – danach bricht der Text ab). Gerade 256
Ähnlich z. B. Matera, 2Cor 32. Zur Deutung von ἀναλημφθῆναι ist hier laut Hg. auf ἀνάλημψις τῶν βλάστων in P.Oxy. XIV 1631,13 und 1692,20 zu verweisen, „wo sich aus dem Zusammenhang die Bedeutung ‚Beschneiden der Rebenschösslinge‘ ergibt“ (S. Möller in P.Berl.Möller S. 74). 257
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Papyrologisches zur Frage der Einheitlichkeit des 2Kor
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das, was der Absender als überflüssig bezeichnet, nämlich seinem Herrn über die rechten Zeitpunkte für bestimmte Arbeiten in den Weingärten zu schreiben, macht er gleich anschließend an die entsprechende Phrase besonders detailliert. Indem Herakleides seinem Adressaten deutlich macht, dass auch er selbst bestens weiß, dass die Zeitpunkte für bestimmte Arbeiten längst gekommen oder sogar schon vorbei sind, versucht er dessen Verständnis dafür zu gewinnen, dass aufgrund von Versäumnissen in der Vergangenheit die jetzt anstehenden Arbeiten noch überhaupt nicht angegangen, geschweige denn durchgeführt werden konnten. Überaus aufschlussreich ist auch ein Brief aus der Korrespondenz des Veteranen und Großgrundbesitzers L. Bellenos Gemellos mit seinem Sklaven und Verwalter Epagathos. In P.Fay. 111,11–19 mit BL VI 37 (95 n. Chr.) verwendet Gemellos zwar nicht das Verb γράφω wie Paulus, das Prinzip ist aber dasselbe: obwohl Gemellos, wie er schreibt, seinen Sklaven schon über die Maßen oft aufgefordert hat, Lotos einzukaufen, so dass es eigentlich völlig überflüssig ist, dies noch einmal zu tun, wiederholt und konkretisiert er den Auftrag mit folgenden Worten: περισ̣ ὸν̣ [ἐν]ε̣τιλάμην σ̣ υ̣ (l. σοι) | εἰς Διο[νυσι]άδα μῖναι δ̣ ύ̣ |ωι (l. δύο) ἡμέρας ἕως ἀγοράσῃς | λωτίνου (ἀρτάβας) κ. λέγουσι εἶ|ναι τὼ (l. τὸ) λώτινον ἐν τῇ Διο|νυσιά[δι] ἐγ (δραχμῶν) ιη. ὡς ἐὰν βλέ|πῃς [τ]ὴν τιμὴν πάν|τος (l. πάντως) ἀγόρασον τὰς τοῦ λοτίνου (l. λωτίνου) | (ἀρτάβας) κ, [ἀ]ναγκαῖν ἥγησα[ι] („über die Maßen [oft] habe ich dir aufgetragen, zwei Tage in Dionysias zu bleiben, bis du 20 Artaben Lotos258 gekauft hast. Man sagt, dass es in Dionysias den Lotos zu 18 Drachmen gibt. Welchen Preis auch immer du findest,259 kaufe zur Gänze die 20 Artaben Lotos; halte es für notwendig!“).260 Auf die Phrase, über die auf einen bereits zur Genüge erteilten Auftrag verwiesen wird (und auf diesem Wege wird dieser ausdrücklich erwähnt), folgt noch einmal deutlich die Angabe des Auftrags mit weiteren Details und schließlich noch der Hinweis, dies als notwendig zu erachten.
Die Phrase περισσόν μοί ἐστιν τὸ γράφειν o. Ä. dient in diesen Beispielen nicht nur dazu, etwas vermeintlich Überflüssiges auf diese Weise (noch einmal) kurz zu thematisieren261, sondern auch – und vor allem – dazu, die große Bedeutung des genannten Anliegens zu betonen und weitere Einzelheiten anzuhängen. Gerade in letzterem Sinn hat 2Kor 9,1 einen wichtigen Platz im Textzusammenhang, und zwar genau an dieser Stelle. Wie der papyrologische 258 Gemeint sind wohl Kleesorten, die Epagathos als Viehfütter zukaufen soll (vgl. J. Hengstl in C.Pap.Hengstl S. 319). 259 J. Hengstl übersetzt: „Daher, falls du diesen Preis wahrnimmst“ (C.Pap.Hengstl S. 318), Olsson, Papyrusbriefe 157, hingegen: „Wie beschaffen du auch den Preis findest“. 260 Siehe ferner P.Brem. 2,4–10 (119 n. Chr.?; siehe zu diesem amtlichen Schreiben den Nachdruck Chrest.Wilck. 238 sowie ausführlich Kruse, Schreiber 289–291); P.Oxy. XLVII 3350,6–8 (12. Januar 330 n. Chr.). 261 So z. B. in CPR VI 80,3–10 (2. Jh. n. Chr.): φθάνω σοι γράψας καὶ διετέ[λεσα περὶ] | τῶν τοῦ μετάλλου φυλάκ[ων π]ερὶ | τῶν̣ χωμάτων ἵν[α] α̣ ὐ̣ τ̣ὰ ἀσ̣ φ̣ [α]λ̣ ίσῃ | καὶ περιττὸν μὲν ποιῶ γράφ[ω]ν. αὐ|τάρκης γὰρ εἶ ἀπὸ σεαυ̣ τοῦ („bereits früher habe ich dir geschrieben und die Angelegenheit der Bewacher des Metalls erledigt; damit, dass ich über die Dämme schreibe, damit du sie sicherst, mache ich ebenfalls etwas Überflüssiges. Denn du bist von dir selbst her selbstständig“); danach folgen andere Anliegen. Ähnlich P.Oxy. VII 1070,12–21 (3. Jh. n. Chr.; zum gesamten Brief siehe oben S. 87–90).
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Einleitung
Vergleich nahe legt, geht es dabei nicht um eine Einleitung zum Hauptthema eines neuen Briefes, sondern um das Aufgreifen eines bereits bekannten Anliegens262 und gleichzeitig um die Einleitung zu weiteren bisher noch nicht genannten Details (in diesem Fall des besonders in 9,3–5.11 Gesagten), die für die konkrete Verwirklichung des Anliegens wichtig sind. Erklärung für die Einheitlichkeit: Im Sinne einer ursprünglichen Einheitlichkeit des gesamten 2Kor wird im Zusammenhang mit Kap. 8 und 9 nicht nur von einer bereits ursprünglichen Zusammengehörigkeit der beiden Kapitel ausgegangen, sondern auch davon, dass dieser Abschnitt über die Kollekte wesentlicher Bestandteil des gesamten Briefes ist. Aus papyrologischer Sicht habe ich bereits oben festgestellt, dass die klare Beschreibung eines Unternehmens und die namentliche Hervorhebung der damit beauftragten Personen offenbar fester Bestandteil vergleichbarer Papyrusbriefe sind. Nur wenn man die Kap. 8 und 9 als bereits ursprünglichen Bestandteil des gesamten 2Kor sieht, werden die Überbringer des Briefes klar identifizierbar, da Titus und die beiden anderen „Brüder“ nur in Kap. 8 als Abgesandte namentlich genannt bzw. als Personen beschrieben und autorisiert werden.263 Innerhalb des gesamten Textverlaufs von 2Kor sind Kap. 8 und 9 sodann als ein Briefabschnitt zu sehen, der ein zentrales Anliegen des Briefes vorbringt und erläutert. Bezüglich der eingangs erwähnten divergierenden Aussagen über die Gemeinden in Makedonien (2Kor 8,1–5 gegenüber 9,1–2 bzw. 7,5) kann Analoges angeführt werden wie für die Spannungen, die ich bereits oben im Zusammenhang mit 2Kor 1–9 gegenüber 10–13 behandelt habe (siehe S. 113– 115): es handelt sich eher um unterschiedliche Aspekte, die beschrieben werden, als um eindeutige Widersprüche. Speziell zu 7,5 ist zu bemerken, dass Paulus dort über seine innere und äußere Situation bei seiner Ankunft in Makedonien schreibt, nicht über die bereits erfolgte und gegenwärtige Beteiligung der dortigen Gemeinden an der Kollekte. Fazit: Die geringste Plausibilität kommt aus papyrologischer Sicht einer Deutung zu, die Kap. 8 und 9 als zwei separate Briefe sieht. Dass beide Kapitel zusammen ursprünglich als ein separater Brief existierten, ist nicht unmöglich; diese Erklärung muss aber davon ausgehen, dass sowohl der Beginn als auch der Schluss dieses Briefes spätestens in einem Kompilationsprozess weggefal-
262 In der Exegese wurde diesbezüglich auch die Ansicht vertreten, die Verwendung des bestimmten Artikels (τὸ γράφειν) würde – im Unterschied zu einfachem γράφειν – auf das bereits Geschriebene zurückverweisen (so z. B. Furnish, 2Cor 426; vgl. Barrett, 2Cor 233; Martin, 2Cor 249; Thrall, 2Cor 40). Vom oben angeführten Papyrustext P.Berl.Möller 10, Verso 3–16 mit BL II.2 134 (zu SB IV 7347,28–43; 3. Jh. n. Chr.) her lässt sich dies allerdings gerade nicht bestätigen. 263 Siehe dazu auch unten S. 172.
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Papyrologisches zur Frage der Einheitlichkeit des 2Kor
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len sind. Eine stichhaltige Begründung, warum 2Kor 8–9 als ursprünglich separater Brief existiert haben soll (oder sogar muss), ist nicht beizubringen. Die Annahme der Einheitlichkeit bedarf aus papyrologischer Sicht hingegen weder einer besonderen Erklärung noch der Annahme, dass in den Text sekundär mehr oder weniger massiv eingegriffen wurde. Aus diesem Grunde kommt dieser Deutung die größte Plausibilität zu.
Zusammenfassende Schlussfolgerung Der papyrologische Befund zu den einzelnen Einheitlichkeits- und Teilungshypothesen bedeutet noch nicht, dass eine ursprüngliche Einheitlichkeit des 2Kor nahe liegender wäre als eine Kompilation aus mehreren ursprünglich separaten Briefen. Wie erwähnt, liegen keine Originale des Textes und in der textlichen Überlieferung auch keine Spuren vor, die eine Kompilation nachweisen. In Kombination mit der Tatsache, dass 2Kor keine eindeutig widersprüchlichen Aussagen über die äußeren Umstände enthält, bedeutet dies, dass eine ursprüngliche Einheitlichkeit des 2Kor ohne Schwierigkeiten erklärbar ist oder dass die eventuell ursprünglich vorhandenen Widersprüche mehrerer separater Briefe im Zuge des Kompilationsprozesses so weit ausgeglichen wurden, dass in der erhaltenen Form des 2Kor davon nichts mehr zu merken ist. Erwiesen ist die Einheitlichkeit der kanonischen Fassung des 2Kor. Was die Frage der ursprünglichen Einheitlichkeit betrifft, ist mangels Nachweisbarkeit – zumindest zunächst – davon auszugehen, dass sowohl die Einheitlichkeit als auch die Teilung argumentierbar sind, dass es sich in beiden Fällen also um Hypothesen handelt. Unter den Teilungshypothesen kommt aus papyrologischer Sicht – wie ausführlich dargestellt – eindeutig jenen höhere Plausibilität zu, die mit einer möglichst einfachen Aneinanderreihung ursprünglich separater Texte rechnen und ohne Annahme detaillierter oder gravierender Textänderungen im Verlauf des Kompilationsprozesses auskommen. Die Interpolationstheorien zu 2Kor 2,14–7,4 und darin noch einmal 6,14–7,1 sind aus meiner Sicht deshalb äußerst unwahrscheinlich. Auch die Zuordnung von Kap. 8 und 9 zu zwei ursprünglich separaten Briefen muss mit gravierender redaktioneller Überarbeitung rechnen und ist somit wenig plausibel. Aus der Kenntnis des antiken Briefverkehrs heraus ist aber auch jene Einheitlichkeitshypothese abzulehnen, die damit rechnet, Paulus hätte die Dreiergruppe mit Titus an der Spitze zunächst ohne Begleitschreiben losgeschickt und beabsichtigt, das Beglaubigungsschreiben erst später nachzuschicken. Als wahrscheinlichste Erklärungen verbleiben zunächst somit eine Einheitlichkeits- und eine Teilungshypothese: – die Annahme, Paulus hätte den gesamten 2Kor bereits ursprünglich als Einheit verfasst und verschickt, freilich in einer Situation starker emotionaler Schwankungen und großer Unsicherheit, verbunden mit dem Versuch, zum
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Einleitung
Teil erst während des Schreibens die rechte Strategie im Kampf um die Gemeinde in Korinth zu finden, oder – die Annahme, 2Kor 1–9 und 10–13 wären zwei ursprünglich separaten Briefen zuzuordnen, die – vermutlich bereits am Beginn der Redaktion der Paulusbriefe – sekundär mit möglichst geringen Änderungen am Text zu einer Einheit kompiliert worden seien.
Der Kompilationsprozess aus papyrologischer Sicht Eine schlüssige Erklärung einer möglichen Kompilation des 2Kor aus mehreren Briefen bedarf auch einer nachvollziehbaren Erläuterung, unter welchen Umständen es zur Kompilation gekommen sein könnte.264 Schließlich muss davon ausgegangen werden, dass eine sekundäre Zusammenstellung aus mehreren ursprünglich separaten Briefen nicht per se notwendig war, sondern der Redaktor bzw. Kompilator darin einen wie auch immer gearteten Gewinn gegenüber der Herausgabe der separaten Briefe im Einzelnen sah oder sich durch besondere Umstände dazu gezwungen fühlte. Mit anderen Worten: Die Plausibilität einer Teilungshypothese ist umso größer, je geringer einerseits die Textänderungen gegenüber den vermuteten originalen Ausgangstexten sind, die diese Hypothese dem Kompilationsprozess zuschreibt, und je größer zugleich der Nutzen des kompilierten Textes ist, den diese Hypothese gegenüber der Tradierung der separaten Ausgangstexte glaubhaft machen kann. Am Beginn des Redaktionsprozesses steht vielleicht Paulus selbst. D. Trobisch geht jedenfalls davon aus, dass Paulus Kopien seiner Briefe bei sich behalten hat und dass diese den Ausgangspunkt der späteren Paulusbriefsammlung bildeten.265 Aus papyrologischer Sicht ist dies durchaus möglich. Eine Briefsenderin oder ein Briefsender konnte nachweislich Kopien der eigenen Briefe für sich zurückbehalten. Die Kopien mehrerer Briefe konnten unmittelbar hinter- bzw. nebeneinander auf einen Papyrus geschrieben wer264 Dieser Aspekt wird in den literarkritischen Abhandlungen eher selten behandelt; die wenigen Beispiele fasst Schmeller, 2Kor 32–33, zusammen. Zu den Gründen, die gegen die Theorie von Becker, Schreiben 64–69, sprechen, Paulus habe seine Briefe auf Holz- oder Wachstafeln oder auf einzelne Papyrusblätter geschrieben, siehe oben S. 54–56. 265 Vgl. Trobisch, Entstehung 119–136 (über laut Trobisch vergleichbare Briefsammlungen siehe S. 100–102); vgl. ders., Endredaktion 93–94; ders., Paulusbriefe 83–136; Richards, Paul 210–223. Zu Vertretern dieser Theorie vor Trobisch siehe Porter, Pauline Canon 116 Anm. 82, und Trobisch, Entstehung 119 Anm. 37. Kritisch zu Trobischs Theorie z. B. Porter, Pauline Canon 113–121, der diese Theorie im Kern für sehr wahrscheinlich hält und am Beginn der Paulusbriefsammlung entweder Paulus selbst oder einen seiner Gefährten (vielleicht Timotheos) sieht (siehe bes. S. 126–127). Dass Paulus zumindest von einigen seiner Briefe Kopien besaß, halten z. B. auch Schmeller, Cicerobriefe 203, und Gamble, Books 100–101, für wahrscheinlich. – Zu anderen Theorien über die Entstehung der Paulusbriefsammlung siehe den Überblick bei Porter, Pauline Canon 98–113 (mit Literaturangaben zu weiteren Untersuchungen S. 98–99 Anm. 9).
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den,266 wie z. B. die Kopien der Briefe eines gewissen Heliodoros zeigen, die zwischen 90 und 133 n. Chr. geschrieben wurden (vermutlich in Alexandria): Auf seine Briefe bin ich generell bereits oben eingegangen, wo ich einen davon, nämlich P.Sarap. 85, zur Gänze wiedergegeben habe (siehe S. 68–69). Besonders eindrücklich sind die Briefkopien P.Sarap. 87, 88 und 89, die alle drei auf einem Papyrusblatt in drei Kolumnen niedergeschrieben wurden. A. Deissmann hat dafür den Ausdruck „Kopialbuch“ geprägt.267
Eine andere Möglichkeit wäre, dass die Gemeinde von Korinth die Originalbriefe, soweit erhalten,268 für eine spätere Sammlung und Publikation zur Verfügung gestellt hat.269 Was den möglichen Kompilationsprozess selbst betrifft, lässt der 2Kor – wie bereits erwähnt – nicht erkennen, dass massive Änderungen an Einzelheiten vorgenommen worden wären. Bewusste Beschönigungen sind mit ziemlicher Sicherheit auszuschließen, da in der kanonischen Form des 2Kor genügend negative Stimmungen und kritische Äußerungen über die Gemeinde enthalten sind; andererseits wird auch immer wieder Positives über die Gemeinde ausgesagt, was eine bewusste Angleichung in negativer Hinsicht als unwahrscheinlich erscheinen lässt. Somit ist anzunehmen, dass im Falle einer Kompilation am ehesten nur einfache Änderungen wie das Weglassen von Briefschluss und Briefanfang vorgenommen wurden. 266 Trobisch, Entstehung 123–128 (vgl. ders., Paulusbriefe 116–124), vertritt die Ansicht, Paulus hätte den 2Kor aus ursprünglich vier separaten Briefen selbst zusammengestellt, „wobei die Texte der ursprünglichen Briefe chronologisch aufeinander folgen, dass lediglich die Anfänge und Enden der einzelnen Briefe gestrichen wurden und sich die redaktionellen Ergänzungen auf die Schnittstellen beschränken“ (S. 123). Aus papyrologischer Sicht kann dies nicht wahrscheinlich gemacht werden. Offenbar waren die damaligen Schreiber auch beim Anfertigen von Kopien bemüht, die Abgeschlossenheit und Identifizierbarkeit der einzelnen Briefe genau zu erhalten. Wenn Trobisch meint, „dass Paulus die Brieftexte nicht nur chronologisch ordnete, sondern dass er auch dem Leser signalisieren wollte, wann welcher verarbeitete Brieftext geschrieben worden war“ (S. 126), dann wäre die Aneinanderreihung der einzelnen Briefe in ihrer ursprünglichen Form die einfachste und zielführendste Möglichkeit gewesen, um dies zu erreichen. Kritisch gegen Trobischs Annahme einer paulinischen Autorenrezension z. B. auch Schmeller, Cicerobriefe 206 Anm. 84. 267 Deissmann, Licht 200; Foto im Internet: (1. März 2013). – P.Sarap. 89 habe ich oben zur Gänze wiedergegeben (siehe S. 70). Die Kopien der Heliodoros-Briefe sprechen gegen die Erklärung von Schmeller, Cicerobriefe 186, was Ciceros Brief an Atticus betrifft: „Kopien der an Atticus verschickten Briefe hat Cicero wegen ihres Charakters als Gelegenheitsschriften wohl nicht aufbewahrt.“ Das auf Papyrus erhaltene Beispiel legt nahe, dass dies durchaus hätte der Fall sein können. 268 Mitchell, Letters 312 u. ö., spricht hier vom Korinthischen Briefarchiv („Corinthian epistolary archive“; vgl. dies., Correspondence 17 u. ö.). 269 Zur Annahme, dass das Eintreffen von 1Klem in Korinth einen derartigen Prozess ausgelöst habe, siehe z. B. Thrall, 2Cor 43–46; demnach sollen sich Klemens’ Gefolgsleute neben 1Kor, auf den in 1Klem 47,1 Bezug genommen wird, auf die Suche nach weiteren Paulusbriefen gemacht und schließlich 2Kor kompiliert haben.
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Einleitung
Einen derartigen Vorgang an sich zu erklären, wäre keine Schwierigkeit. Selbst bei relativ kurzen Papyrusbriefen sind etliche Fälle belegt, wo mehrere Briefe auf einen Papyrus hintereinander geschrieben und gemeinsam verschickt wurden. So wurde z. B. in der amtlichen Korrespondenz oft an einen Brief die Kopie eines anderen Dokumentes angehängt, dessen Kenntnis für den Adressaten in der relevanten Sache wichtig war.270 Im privaten Briefwechsel ist dies seltener belegt: Aus dem bereits mehrfach erwähnten Athenodoros-Archiv stammt BGU XVI 2626 (nach 5–4 v. Chr.), einer der Briefe des Eurylochos an Athenodoros; dieser enthält in Z. 5–21, also mitten im Brief des Eurylochos, die Abschrift eines anderen Briefes. Im Falle von P.Oxy. II 269 (mit BL I 320 und VII 129) folgt der private Brief in Kol. II auf die Abschrift eines Darlehensvertrages in Kol. I, dessen Original laut Angabe am 13. Mai 57 n. Chr. ausgestellt wurde. Bei P.Oxy. XLII 3058 mit BL VII 156 (2. Jh. n. Chr.) ist an einen Brief die Kopie einer Aufstellung von verschiedenen Mengen Weizen angehängt.
Natürlich konnten mit einem Brief auch weitere Briefe in einem Bündel mitgeschickt werden: Im Privatbrief P.Oxy. VII 1070 (3. Jh. n. Chr.) wird dies ausdrücklich erwähnt (beachte Z. 37–39; siehe zu diesem Brief oben S. 87–89). Zusammen mit dem Ostrakon O.Claud. II 250 (Mitte 2. Jh. n. Chr.) sendet ein gewisser Petenephotes271 zwei zusammengebundene Briefe (Z. 4–5 ἐπιστόλια δύο ⟦ . .⟧ δε̣δ̣ [εμέ]|να), die von einem Heraiskos stammen, nach Mons Claudianus zu seinem Bruder Valerius und bittet ihn, diese – sobald er einen Briefboten findet – an einen Hierax im Nildelta zu schicken. Petenephotes erwartet sich offensichtlich, dass es seinem Adressaten leichter und eher als ihm selbst möglich sein wird, einen Boten ausfindig zu machen, der ins Nildelta reist.272 270 P.Congr.XV 5 mit BL VIII 89 (1. März 252 v. Chr.); PSI IV 359 mit BL X 238 (9. Mai 251 v. Chr.); P.Köln XI 448 (ca. 13. April – 12. Mai 211 v. Chr.); SB IV 7377 mit BL VII 193 und VIII 328 sowie XII 188 (Ende 3. Jh. v. Chr.); P.Berl.Zill. 1,56–63 (155 v. Chr.); SB V 8754 mit BL VIII 335 und X 192 (5. Februar 77 v. Chr.); 7530 mit BL VII 196 und VIII 328 (28. September 38 v. Chr. oder 24. September 16 v. Chr.); BGU XVI 2595 (15–14 v. Chr.); P.Lond. II 276 a (S. 148) mit BL VI 61 (30. Juni 15 n. Chr.); BGU XI 2059 (um 63 n. Chr.?); P.Gen. I2 7 (nach 1. Oktober 86 n. Chr.); SB V 7741 mit BL III 193 und IX 248 (ca. 126–133 oder ca. 164–167 n. Chr.); P.Oxy. XLIII 3088 mit BL IX 200 (21. März 128 n. Chr.?); P.Lond. III 1222 (S. 126) mit BL I 281 und VII 90 (14. Mai 138 n. Chr.); P.Oxy. XLII 3027 mit BL XI 166 (166–169 n. Chr.); BGU XI 2060 mit BL VI 20, VII 24 und X 22–23 (19. Oktober 180 n. Chr.); P.Oxy. III 474 (nach 16. Dezember 184 oder 216 n. Chr.); IV 708, Verso mit Chrest.Wilck. 432 (nach 27. Oktober 188 n. Chr.); SB XXIV 16251 (nach 3. Dezember 217 n. Chr.); P.Laur. III 62 mit BL VIII 165 (253–261 n. Chr.); P.Oxy. XII 1409 mit BL II.2 99 und XI 150 (1. April 278 n. Chr.); P.Oxy. IX 1191 (7. November 280 n. Chr.). 271 Zu seiner Person und Korrespondenz (O.Claud. II 243–254) siehe A. Bülow-Jacobsen in O.Claud. II S. 69–70. 272 Ein gewisser Syrion gibt in seinem Brief an Ailuras (P.Brem. 51 [113–120 n. Chr.]) an, dass er „in dem Brief Schuldscheine miteingewickelt hat“ – Z. 3–4: συνήλιξα ἐ[ν] τῇ ἐπιστολῇ | χειρόγραφα (in den foldenden Zeilen werden diese noch einzeln aufgeführt). Weitere Beispiele
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Ein ausführliches Beispiel aus dem amtlichen Briefverkehr bietet P.Ryl. II 78 mit BL I 388 und IX 227 (25. Mai 157 n. Chr.): Der Name des Absenders ist nicht mehr erhalten. Adressat ist der Strategos des Busirites, dem mit diesem Begleitbrief eine Reihe von Briefen übermittelt wird, die in zwei Gruppen zusammengefasst werden (Z. 3–17.27–36). Darüber hinaus werden zwei vorausgehende Sendungen mehrerer Briefe erwähnt, die bereits früher abgeschickt (Z. 36–38) bzw. hinterlegt, aber möglicherweise in der betreffenden Station noch nicht abgeholt worden waren (Z. 17–27). Zu den einzelnen Briefen liefert der Schreiber knappe Inhaltsangaben. Auffällig ist, dass die mitgeschickten Briefe nicht an den Strategos, also den Adressaten des Begleitbriefes, adressiert waren, sondern an verschiedene Beamte unterschiedlicher Gaue und höhere Amtsträger einschließlich des Präfekten. Zumindest drei der genannten Briefe stammten aus dessen Kanzlei (vgl. Z. 19.28.37). Wie der Absender in Z. 17 selbst bemerkt, handelte er hierbei entsprechend einer üblichen Praxis (διεπεμψάμην κατὰ [τ]ὸ ἔθο̣ ς̣), „die darin bestand, administrative Korrespondenz, die zwar in Zusammenhang mit spezifischen Problemen in einem oder mehreren Amtsbezirken stand, welche jedoch von allgemeinem Interesse waren, auch unter den jeweils nicht unmittelbar betroffenen Beamten zwecks Kenntnisnahme zirkulieren zu lassen.“273
Für unseren Zusammenhang noch bedeutender sind Beispiele, wo zwei oder mehr Originalbriefe auf einen Papyrus geschrieben und gemeinsam versandt wurden: Auf PSI IV 317 (12. November 95 n. Chr.), P.Brem. 61 (113–120 n. Chr.) und O.Claud. II 259 (Mitte 2. Jh. n. Chr.) bin ich oben bereits eingegangen (siehe S. 103– 104). Auch P.Oxy. VII 1067 mit BL VIII 240 (3. Jh. n. Chr.) enthält de facto zwei Briefe an einen Petechon, wobei der zweite aber als Postskriptum gestaltet ist (Z. 20–23), durch das sich der Vater der eigentlichen Briefsenderin zu Wort meldet. Da kein Schreiberwechsel nachweisbar ist, wird vermutet, dass der Vater den ganzen Brief geschrieben hat.274
Ausgehend von allen diesen Fällen, für die die Papyrusbriefe Anschauungsmaterial bieten, wäre es zunächst unschwer denkbar, dass bei entsprechender Absicht mehrere gemeinsam übermittelte Paulusbriefe bei einem Kopiervorgang zu einem einzigen längeren Brief zusammengestellt worden sein könnten. Allerdings zeigen die Papyrusbeispiele deutlich, dass die Briefsenderinnen und -sender durchwegs bemüht waren, die einzelnen Briefe durch entsprechende Hinweise klar voneinander zu unterscheiden und unterscheidbar zu halten aus privaten Briefen sind Stud.Pal. XX 24,3–9 (2.–3. Jh. n. Chr.); P.Ryl. IV 604,28–31 (3. Jh. n. Chr.); P.Oxy. XX 2273,32 (spätes 3. Jh. n. Chr.). Siehe auch Winter, Life 49 Anm. 1. 273 kruse, Schreiber 817. Als Absender des Begleitschreibens vermutet Kruse den Strategen eines unbekannten Gaues (S. 816–817), das Dokument selbst sieht er aber als Beleg dafür, „dass der Königliche Schreiber befugt war, direkt, ohne Einschaltung des eigenen Gaustrategen als Zwischeninstanz, mit den Strategen anderer Gaue in den seinen Amtsbereich betreffenden Angelegenheiten zu korrespondieren“ (S. 818). 274 Vgl. Bagnall/Cribiore, Women’s Letters 273.
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Einleitung
(siehe oben S. 100–104). Man kann deshalb nicht ohne weiteres damit rechnen, dass Kompilatoren ohne Bedenken einfach die Anfangs- oder Schlussteile von Briefen weggelassen hätten. Eher wird man davon ausgehen müssen, dass die Vollständigkeit eines Schreibens einen erhaltungswürdigen Wert für sich darstellte, da sie die Unterscheidbarkeit und Identifizierbarkeit eines Briefes gewährleistete. Dass es aus bloßem Versehen oder durch Unachtsamkeit zu einem Kompilationsprozess hätte kommen können, ist vor diesem Hintergrund eher unwahrscheinlich. Vielmehr muss angenommen werden, dass einem solchen Prozess eine bewusste Absicht zugrunde gelegen hätte. Dies führt unmittelbar zur Frage nach dem erwarteten Vorteil einer eventuellen Kompilation. Hier lässt nun das offensichtliche Bemühen der Briefsenderinnen und -sender, gemeinsam übersandte Briefe unterscheidbar zu halten, darauf schließen, dass sogar im privaten Briefverkehr der separaten Gestaltung eher ein Wert beigemessen wurde als einer Vereinheitlichung. In einer Zusammenstellung mehrerer Briefe zu einem einzigen Schreiben bloß um der Vereinheitlichung willen wäre offenbar kein Vorteil gesehen worden. Für die mögliche Kompilation des 2Kor lässt dies m. E. zunächst nur zwei Erklärungen als plausibel erscheinen: Entweder sollte der Inhalt oder die Form einzelner Teile durch die Komposition bewusst verändert oder sogar getilgt werden, oder zumindest einer der separaten Briefe war bereits beschädigt und nur mehr unvollständig erhalten, so dass die Kompilation die einzige Möglichkeit darstellte, eine neue einheitliche und abgeschlossene Form zu schaffen. Die erste Möglichkeit erscheint mir als äußerst unwahrscheinlich, da sich in der kanonischen Fassung des 2Kor – wie bereits erwähnt – positive und negative Beschreibungen der Gemeindeverhältnisse und der Beziehung zwischen Paulus und seiner Gemeinde mehrmals abwechseln und somit weder eine Tendenz zur Beschönigung noch eine zu einer einheitlichen Kritik an der Gemeinde nachgewiesen werden kann. Vor allem aber liegen für derartige Redaktionsprozesse keine Belege vor, im Gegenteil: die Untersuchungen von H.-J. Klauck und Th. Schmeller an den Cicero-Briefen zeigen, dass es keinerlei Bemühungen gegeben hat, die bei der Kompilation eventuell entstandenen innertextlichen Widersprüche zu glätten, sondern dass diese offenbar nicht als übermäßig störend empfunden wurden.275 Die zweite Möglichkeit hingegen, dass mindestens einer der originalen Briefe nicht mehr vollständig erhalten war und deshalb mit einem anderen
275 Vgl. Klauck, Compilation 154; Schmeller, Cicerobriefe 201, stellt fest, „dass die Redaktion [der Cicerobriefe] nirgends versucht hat, den Eindruck von Einheitlichkeit zu erwecken“, und hält es für wahrscheinlich, „dass die Redaktion einfach so weit nicht gehen wollte (vielleicht nicht einmal auf den Gedanken kam), in die Briefe selbst einzugreifen, um Spannungen zu vermeiden. Es handelt sich allem Anschein nach um eine konservative Redaktion, die sich auf serielle Addition beschränkte.“ Es handle sich um „konservative Redaktoren, die sich gegenüber den Briefen wenig Freiheiten herausnehmen“ (Schmeller, Cicerobriefe 202; vgl. auch 207–208).
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kompiliert wurde, ist eine durchaus plausible.276 Zunächst ist festzuhalten, dass die Übersendung privater und geschäftlicher Briefe in der Regel nicht über die staatliche Post erfolgte. Diese war der Administration und dem Militär vorbehalten, wenngleich die dokumentarischen Papyri belegen, dass Angehörige der Administration oder des Militärs die amtlichen Wege bisweilen für ihre privaten Zwecke zu nutzen wussten. Die Beförderung der Privat- oder Geschäftskorrespondenz konnte somit generell mit größeren Schwierigkeiten verbunden sein als der cursus publicus.277 War z. B. kein Bote oder Schiff zur Verfügung oder erwies sich der Briefbote als unzuverlässig, konnte sich die Zeit bis zur erfolgreichen Briefüberbringung drastisch verlängern. Dem widerspricht nicht, dass die Papyri auch zeigen, dass Briefsender im Allgemeinen relativ leicht Boten finden konnten und der private Briefverkehr relativ unkompliziert von statten ging.278 Dabei konnte es auch vorkommen, dass ein Brief – selbst bei großer Dringlichkeit – über mehrere Stationen weitergeleitet werden musste, um seinen Bestimmungsort zu erreichen. Ein anschaulichers Beispiel dafür bietet P.Oxy. LXXVI 5100 (mit Hagedorn, Bemerkungen 200), ein Begleitbrief zu einem Schreiben an den Strategen des Prosopites, der an einem 18. Mai, vermutlich im Jahre 136 n. Chr., verfasst wurde: Ὑμεναῖος Διονυσίωι τῶι τιμιωτάτωι χ(αίρειν). τὸ ἐπιστόλιον `οὖν´ ὃ διεπεμψάμην σοι 5 `ἑσπέρας´ διὰ τοῦ Αἰθίοπός̣ σου ὥστε Θέωνι τῷ στρ(ατηγῷ) τοῦ Προσωπίτου δοῦναι, κα̣ λῶς ποιήσεις 10 δοὺς Κέρδωνι τ̣ῷ παρ̣ ᾽ ἡμῶν, ἐπεὶ ἀναγκαῖόν ἐστι καὶ μέλλει αὐτὸς πεζεύειν. ἐρρῶ276
An die Möglichkeit denkt auch Schmeller, Cicerobriefe 204. Siehe dazu auch S. 171. – Aus Krokodilo sind mehrere Tagebücher einer Poststation erhalten, in denen Eingang und Weiterleitung von Briefen und Warensendungen, Datum, Uhrzeit, Namen der Boten, Herkunft und Bestimmungsort verzeichnet sind (O.Krok. I 1–5; 24–40 [die erhaltenen Tagesdaten beziehen sich auf die Jahre 108 und 109 n. Chr.]); vgl. auch die Angabe über das Eintreffen und Weiterleiten amtlicher Briefe in O.Krok. I 51,20–22 (das Ostrakon enthält mehrere Abschriften amtlicher Briefe aus der Zeit zwischen 27. November und 26. Dezember 109 n. Chr.); ähnlich O.Did. 22 (vor ca. 220–250 n. Chr.?); beachte auch das Postscriptum des amtlichen Rundbriefes O.Did. 28 (18. Mai 176 oder 208 n. Chr.) – Z. 12–14: ἔπεμψα τὰς ἐπιστολάς | διὰ Ἴνδου μονοχου | ὥρ(ᾳ) θ τῆς ν̣ [υκτό]ς̣ („ich schicke/schickte die Briefe durch Indos, den Monomachos, in der 9. Stunde der Nacht“). 278 Siehe dazu Stephen R. Llewelyn in New Docs VII S. 26–47; ders., Letters; Epp, Manuscripts 43–51; Charlesworth, Tradition 40–41. 277
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Einleitung
15 σθαί σε εὔχομαι τ̣ιμιώτ̣α̣ τ̣ε. καὶ εὐθέως αὐτῷ δὸς τὸ ἐπιστόλιον.
vacat? 2. Hand ἔρρω(σο). Παχὼν κγ. „Hymenaios dem ehrenwertesten Dionysios, Gruß. Den Brief nun, den ich dir abends durch deinen Äthiopier schickte, so dass er ihn Theon, dem Strategen des Prosopites gibt, wirst du so gut sein, Kerdon, der bei uns ist, zu geben, weil es dringend ist und er selbst (nämlich Kerdos) im Begriff ist abzureisen. Ich bete, dass du wohlauf bist, Ehrenwertester. Und gib ihm sofort den Brief! (2. Hand) Leb wohl! 23. Pachon.“ Hymenaios hat also einen dringenden Brief, der für den Strategen bestimmt ist, bereits am Vorabend zu Dionysios geschickt. Nun sendet er Kerdon mit dem erhaltenen Brief nach. Dieser Brief nun enthält die Bitte, an Kerdon sogleich nach dessen Eintreffen bei Dionysios den Brief für den Strategen zu übergeben, damit er ihn schnellstmöglich zustellen kann. Warum nicht der Äthiopier den Brief zum Strategen bringen konnte, wie ihm offenbar von Hymenaios aufgetragen worden war, wissen wir nicht. Irgendein Zwischenfall oder die Gefahr einer Verzögerung wird es notwendig gemacht haben, Kerdos mit dem selben Auftrag nachzuschicken.
Dass ein antiker Brief bereits kurz nach der Abfassung bzw. Übersendung schwer beschädigt werden konnte,279 ist gut bezeugt. Einige Belege weisen darüber hinaus darauf hin, dass beschädigte, unleserliche Briefe nicht länger aufbewahrt wurden: Aus P.Col. IV 68 (ca. 253 v. Chr.) geht hervor, dass der Schiffseigner Theon von Zenon mit dem Vorwurf konfrontiert wurde, bestimmte Transportaufträge nicht durchgeführt zu haben. Theon versucht sich nun damit zu rechtfertigen, dass der Brief mit den Anweisungen, der ihm von einem Boten Zenons überbracht worden sei, „wasserdurchtränkt“ und unleserlich gewesen sei (der ganze Brief Theons ist nur bruchstückhaft erhalten; in Z. 25–27 heißt es: [ο]ὐ̣ δὲ γράμμα ἓν ἠδυ̣ |νάμ̣ εθα ἀν̣ [αγνῶναι] ν̣ . . . .[ - - - ]σα .ν̣ ου ε .[ - - - ] . [ἔλε]|γον αὐτῶι ὅτι οὐ κατέχω τ̣[αύτην τὴν βε]βρεγμένην ἐπιστολήν – „wir konnten keinen einzigen Buchstaben lesen … ich sagte ihm, dass ich diesen wasserdurchtränkten Brief nicht habe“ [gemeint ist wohl „nicht mehr aufbewahre“]). Ähnlich schreibt ein gewisser Aristeas an einen Demeas gleich zu Beginn seines Briefes – PSI IV 403,2–7 (Mitte 3. Jh. v. Chr.): τὴμ̣ (l. τὴν) μὲν ἐπιστο|λὴν ἣν ἀπέστειλας οὐ|κ ἠδυνάμην ἀναγνῶι|ναι διὰ τὸ ἐξηλεῖφθαι· | ἐδόκεις δέ μοι περὶ τοῦ | κλήρου γεγραφέναι („den Brief, den du geschickt hast, konnte ich nicht lesen, weil er verwischt ist; du scheinst mir aber über den Kleros280 geschrieben zu haben“). 279 Ein fiktives Beispiel für die Kompilation von mehreren nur teilweise erhaltenen Briefen habe ich oben mit P.Fay. 112 und 115 kurz durchgespielt (siehe S. 92–95). Dabei bin ich allerdings vom aktuell lückenhaften Erhaltungszustand dieser Briefe ausgegangen; das Beispiel konnte aber dennoch die grundsätzliche Kompilationsmöglichkeit als solche veranschaulichen. 280 Gemeint ist das als Lehen bewirtschaftete Stück Land.
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P.Lond. VII 2033 (257–248 v. Chr.) ist der Brief des Epharmostos an seinen Bruder Zenon mit folgendem Anliegen – Z. 2–7: ἣν ἐγράψατε ἐπιστολὴν | Μένωνι περὶ τοῦ `Καλλικῶντος´ κερματίου | οἱ μῦες κατεβεβρώκεισαν. | καλῶς οὖν πο[ιή]σεις | γράψας τὸ τάχ̣ [ος] ὅπως ἂν | μὴ κατέχητα̣ ι ὁ Καλλικῶν („den Brief, den ihr Menon geschrieben habt über Kallikons Geld, haben die Mäuse aufgefressen. Sei also so gut und schreib so bald wie möglich, damit Kallikon nicht aufgehalten wird!“).281 Dass sich an derartigen Gefahren mehr als fünf Jahrhunderte später noch nichts geändert hatte, zeigt das amtliche Schreiben P.Panop.Beatty 1,389–391, durch das der Stratege des Panopolites am 22. September 298 n. Chr. dem im Fort Toëto-Psị ̣ α̣ ς̣ ὑ̣ π̣ ὸ nabla stationierten Horion mitteilt: ἃς παρεκόμισα[ς ἐπιστ]ο̣ λ̣ ὰ̣ ς̣ γ̣ρ̣ α̣ φ̣ ε̣ίσ τοῦ κυρίου μου τοῦ διασημοτάτου ἡγουμένου τῆς Θηβαίδος Ἰου̣ λ̣ ίο[υ] | Ἀθηνοδώρου, μίαν μὲν ἐμοὶ περὶ βυρσῶν εἰς ἐχύρωσιν πυλῶν κα[ὶ πυλίδων], τ̣ὴ̣ ν̣ δ̣ ὲ λοιπὴν Βησᾷ χειριστῇ περὶ τῶν αὐτῶν βυρσῶν, ἐκομισάμην σήμερον βεβρωμέν[ας] | ὑπὸ μυῶν καὶ λελωβημένας. καὶ τὴν μὲν κάτεσχον παρ᾽ ἐμαυτῷ, [τὴν δὲ λοιπὴ]ν̣ δ̣ έ̣δ̣ ω̣ κα τῷ προκειμένῳ Βησᾷ („die Briefe, die du überbracht hast, verfasst von meinem Herrn, dem perfectissimus282 praefectus der Thebais, Iulius Athenodoros, und zwar einen an mich über Felle zur Befestigung von Toren und Nebentüren, den anderen aber an Besas, den Buchhalter283, über dieselben Felle, habe ich heute erhalten, angeknabbert von Mäusen und verstümmelt. Und den einen behielt ich bei mir, den anderen aber übergab ich dem vorhin genannten Besas“). Beide Briefe waren offenbar wenigstens noch leserlich.284
Dafür, dass einer der Paulusbriefe bereits beschädigt angekommen sei, gibt es keinerlei Hinweise. Was nun aber seine Briefe an die Gemeinde in Korinth angeht, so fällt auf, dass nicht alle von den ursprünglich mindestens vier separat vorhandenen Briefen des Paulus auch in separater Form Eingang in die Paulusbriefsammlung gefunden haben. Dies könnte auf eine gezielte Auswahl zurückzuführen sein oder daran liegen, dass die in 1Kor 5,9 bzw. 2Kor 7,8.12 erwähnten Briefe zum Zeitpunkt des Sammelns der Paulusbriefe nicht mehr oder zumindest nicht mehr vollständig erhalten waren. Will man also die Teilung des 2Kor vertreten, so scheint mir die folgende Annahme die einzig plausible Erklärung dafür zu sein: 2Kor 10–13 könnte auf den in 2Kor 7,8.12 erwähnten „Tadelbrief“ zurückgehen, der dann zur Zeit der ersten Redaktion der Paulusbriefe nicht mehr vollständig erhalten gewesen wäre, da der Textanfang (Eingangsgruß und eine eventuelle Überleitung zum 281
Siehe dazu auch Clarysse/Vandorpe, Zénon 97. Zu diesem Rangprädikat siehe Hornickel, Ehren- und Rangprädikate 4–7. 283 Mit χειριστής wird der Gehilfe in verschiedensten Bereichen bezeichnet; der Hg. des Papyrus übersetzt hier mit „accountant“ (Th. C. Skeat in P.Panop.Beatty S. 53). 284 Wie leicht ein Brief oder eine Warensendung verloren gehen konnte, ganz zu schweigen von der Gefahr, dass insbesondere Warenlieferungen bisweilen unterschlagen wurden, belegen die zahlreichen brieflichen Nachfragen, ob dies oder das bei der Empfängerin oder dem Empfänger angekommen ist, bzw. die Bitte, den Empfang zu bestätigen; vgl. z. B. den Brief einer gewissen Tasucharion an ihren Bruder Neilos, BGU III 714 mit BL I 61 (2. Jh. n. Chr.; beachte dazu Bagnall/Cribiore, Women’s Letters 176.179). 282
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Einleitung
Hauptteil)285, der bei einer Rolle am meisten den äußeren Bedingungen ausgesetzt war, unleserlich geworden oder gänzlich verloren gegangen wäre.286 Der verbliebene Bestand wäre deshalb einfach an einen anderen Brief, der in Kap. 1–9 erhalten ist, angehängt worden. Im Zuge dieser Kompilation wäre dann vom noch vollständig erhaltenen Brief, der entgegen der zeitlichen Abfolge an die erste Stelle rückte,287 einfach der Schlussteil weggelassen worden.288
Eine Entscheidung aus methodischen Gründen Der 2Kor ist formal und inhaltlich als Einheit sinnvoll erklärbar, und zwar nicht nur infolge des Versuchs, die vorhandenen Spannungen zu harmonisieren,289 sondern auch und vor allem – und das ist das für mich relevantere Kriterium – unter Anerkennung der Spannungen und Auslotung vergleichbarer emotionaler Schwankungen, Einschübe und Exkurse in original erhaltenen und nachweislich einheitlichen Papyrusbriefen, die in zeitlicher Nähe zu Paulus verfasst wurden. Auch wenn hier natürlich Unterschiede in der Länge feststellbar sind (keiner der vergleichbaren Papyrusbriefe kommt auch nur annähernd an die Länge des 2Kor heran), so sind doch die Prinzipien dieselben. Einem Paulus aber ähnliche emotionale Schwankungen und Unterbrechungen eines klaren Gedankengeganges oder eines geradlinigen Erzählstranges zuzutrauen wie etlichen Autorinnen oder Autoren von Papyrusbriefen des römischen Alltags, verlangt freilich, vom großen Theologen Paulus, von dem man traditionell auch konzeptionelle Klarheit und Stringenz in den Gedankengängen und Argumentationen erwartet, Abstriche zu machen zugunsten eines 285 Mit einer Danksagung wäre wohl nicht zu rechnen, eher mit einem Ausdruck der Verwunderung wie im Gal. 286 Zu Vergleichsbeispielen in Cicerobriefen siehe Schmeller, Cicerobriefe 196. Technische Kompilationen hingegen, bei denen nach Schmeller, Cicerobriefe 197, „die verständliche Tendenz von Abschreibern zur Auswirkung kam, sich nicht mehr Mühe zu machen als nötig“, oder das Motiv einer „Platzersparnis“ eine Rolle gespielt haben soll, halte ich aufgrund des papyrologischen Befundes für unwahrscheinlich; die erhaltenen Kopien von Briefen zeigen ebenso wie die Beispiele, wo mehrere Briefe auf einen Papyrus (siehe S. 103–104) oder mehrere Briefe an ein und denselben Empfänger am selben Tag geschrieben wurden (siehe S. 103–104), dass beim Schreiben auf Genauigkeit und Vollständigkeit offenbar viel Wert gelegt wurde. 287 Für einen derartigen Vorgang bieten die Cicero-Briefe einige Belege, z. B. Ad Att. 8,9 (8,9,3–4 stammt vom 25. Februar 49 v. Chr., der erste Teil des kompilierten Briefes [8,9,1–2] hingegen erst vom 29. oder 30. März desselben Jahres); siehe zu diesem Beispiel ausführlich Klauck, Compilation 149–151; mit weiteren Beispielen Schmeller, Cicerobriefe 192–193, der zu dem Schluss kommt: „Es scheint entweder ein gewisses Desinteresse an der Chronologie oder eine Unfähigkeit, diese zu rekonstruieren, vorzuliegen, wie man sie ja auch bei den selbstständig überlieferten Briefen und ihrer keineswegs immer korrekten Reihenfolge erkennen kann“ (S. 193). 288 Dass der Briefschluss dieses Briefes nicht mehr vorhanden gewesen wäre, ist hingegen unwahrscheinlich, da dieser im Inneren der Rolle bedeutend besser gegen äußere Einflüsse geschützt war als der Briefanfang. 289 Siehe entsprechend Bieringer, 2. Korintherbrief, und bes. ders., Plädoyer 139–179.
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Papyrologisches zur Frage der Einheitlichkeit des 2Kor
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emotionalen, manchmal sogar emotionsgeladenen und zu spontanen Ausbrüchen neigenden Seelsorgers. In aller Deutlichkeit möchte ich in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass die Einheitlichkeit des 2Kor nicht deshalb zu verteidigen ist, weil es sich dabei um „heilige Schrift“ handle. Im Gegenteil: Die Einheitlichkeit ist m. E. nur unter der Voraussetzung plausibel vertretbar, dass man zur kritischen Einsicht bereit ist, dass die Briefe des Paulus als Gelegenheitsschreiben gesehen werden müssen, die auf konkrete Situationen Bezug nehmen. Genau dies bezeugt der papyrologische Vergleich immer wieder. Als Autor hinter dem 2Kor steht m. E. Paulus, und zwar als ein Mensch, der hier um „seine“ Gemeinde mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln und mit seiner ganzen, auch widersprüchlichen Persönlichkeit kämpft. Ausgehend von den papyrologisch relevanten Vergleichsbeispielen ist auch kritisch nachzufragen, ob moderne Teilungshypothesen nicht (auch) darauf beruhen, dass moderne Exegetinnen und Exegeten – vor allem des westlichen Kulturkreises – möglicherweise bereits etwas als widersprüchlich und unvereinbar empfinden, das in einem Briefwechsel antiker orientalischer Prägung, in dem auch Paulus zu beheimaten ist, durchaus neben- und miteinander Platz fand.290 Man kann auch fragen: Wie haben die ersten Leserinnen und Leser der kanonischen Fassung den 2Kor verstanden? Hier zeigt der papyrologische Vergleich, dass es für sie keine objektiv einsichtigen Gründe gegeben haben muss, an der ursprünglichen Einheitlichkeit des 2Kor zu zweifeln. Aus papyrologischer Sicht, d. h. auf dem Hintergrund dessen, was die original erhaltenen Papyrusbriefe aus griechisch-römischer Zeit insgesamt über antike Epistolographie bezeugen, ist sowohl die Abfassung als auch die Übersendung und das Vorlesen des 2Kor als Einheit gut erklärbar. Damit ist zwar nicht ausgeschlossen, dass es sich beim 2Kor um eine sekundäre Kompilation aus ursprünglich zwei separaten Briefen handelt, die dadurch möglich oder sogar nötig geworden wäre, dass einer der beiden Briefe zum Zeitpunkt des Sammelns und der ersten Publikation der Paulusbriefe nicht mehr vollständig erhalten gewesen wäre (weitergehende, also komplexere Teilungshypothesen halte ich – wie oben ausführlich begründet – für unwahrscheinlich291). Dem weiteren Verlauf der Kommentierung des 2Kor wird nun aber die Vermutung seiner Einheitlichkeit zugrunde gelegt, weil es sich dabei aus papyrologischer Sicht um die einfachste aller möglichen Erklärungen handelt. Unter Anerken-
290 Vgl. z. B. auch Matera, 2Cor 29, nach dem manche Teilungshypothesen „achieve their goal by a massive rearrangement of the text that groups together like material, supposing that Paul operated with contemporary patterns of academic logic.“ 291 Dies gilt aber auch für die Einheitlichkeitshypothese von Schmeller, Kontext, bzgl. 2Kor 6,14–7,1, die mit relativ komplizierten und mehrmaligen Redaktionsprozessen rechnet (siehe S. 126).
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nung von „Ockhams Skalpell“292 beruht diese Entscheidung auf dem methodischen Grundsatz: Unter mehreren Hypothesen, die einen bestimmten Sachverhalt zu erklären versuchen, verdient jene den Vorzug, die mit der geringsten Anzahl von unbeweisbaren Annahmen auskommt.293 Dies ist – das ist das Ergebnis des papyrologischen Befundes – ohne Zweifel die Einheitlichkeitshypothese im oben beschriebenen Sinn: Der 2Kor ist mit größter Wahrscheinlichkeit von einem hier sehr emotional und seelsorglich engagiert agierenden Paulus bereits in ursprünglicher Einheitlichkeit verfasst und von der Gemeinde in Korinth auch so empfangen und gelesen worden.
Zur Ausgangssituation von 2Kor Die Ausgangssituation lässt sich aufgrund einiger Angaben in 1Kor und 2Kor zunächst folgendermaßen rekonstruieren:294 Während Paulus in 1Kor 16,5–9 seine Absicht mitgeteilt hatte, über Makedonien nach Korinth reisen zu wollen, um dort für längere Zeit (auch über den Winter) zu bleiben (Plan A), spricht er 2Kor 1,15–16 von einem geänderten Reiseplan, der vorgesehen hätte, von Ephesos direkt – also auf dem Seeweg – nach Korinth zu reisen („zweite Gnade“, also zweiter Aufenthalt in Korinth nach dem Gründungsaufenthalt) und erst von dort zu Lande nach Makedonien, anschließend aber zurück nach Korinth und danach nach Judaea (Plan B). Offenbar hat Paulus auch diesen Plan nicht in die Tat umgesetzt, denn die tatsächliche Reise wird in folgender Weise verlaufen sein: Zwar ist Paulus auf dem Seeweg zum sog. „Zwischenbesuch“ nach Korinth gereist, aber nach einem Eklat zurück nach Ephesos gese292 Auf Wilhelm von Ockham (ca. 1285–1349) wird das Prinzip zurückgeführt, dass „Entitäten nicht über das Notwendige hinaus vermehrt werden dürfen“ (lat. Entia non sunt multiplicanda praeter necessitatem oder sine necessitate). Wie Thorburn, Myth, aber nachgewiesen hat, begegnet dieser Wortlaut nicht bei Ockham, sondern erstmals 1639 bei John Ponce of Cork, obgleich das Prinzip als solches durchaus auch schon vor Ockham und von diesem selbst als solches verwendet wurde (dem angegebenen Wortlaut kommt bei Ockham wohl das folgende Zitat am nächsten: Nunquam ponenda est pluralitas sine necessitate [„eine Mehrheit darf nie ohne Notwendigkeit zugrunde gelegt werden“], Wilhelm von Ockham, Quaestiones et decisiones in quattuor libros Sententiarum Petri Lombardi, Lyons 1495, i., D. 27, Q. 2, K, zitiert nach Thorburn, Myth 352). Laut Thorburn wurde die Bezeichnung „Ockham’s Razor“ (lat. novacula Occami, dt. „Ockhams Skalpell“) erstmals 1852 von Sir William Hamilton auf dieses Prinzip angewendet. Als methodischer Grundsatz wird „Ockham’s Razor“ meist in folgendem Sinn verstanden: Von mehreren Theorien, die die gleichen Sachverhalte erklären, ist die einfachste allen anderen vorzuziehen. Oder: Eine Theorie ist im Aufbau der inneren Zusammenhänge möglichst einfach zu gestalten. Zur Geschichte und Wirkungsgeschichte von „Ockham’s Razor“ siehe auch Brampton, Nominalism; Maurer, Method; ders., Ockham’s Razor and Chatton’s Anti-Razor; ders., Ockham’s Razor and Dialectical Reasoning. 293 Ähnlich Keener, Cor 151. Inhaltlich in diesem Sinne z. B. auch Harris, 2Cor 49–51; Klauck, Compilation 154–155. 294 Vgl. z. B. Klauck, 2Kor 5–7; M. Ernst in Beilner/Ernst, Unter dem Wort 218–219; Gielen, Paulus 66–72 (mit Literaturangaben); Harris, 2Cor 192–195; Schmeller, 2Kor 38–40.
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gelt, von wo er den von mir so genannten „Tadelbrief“ schrieb, mit dem er Titus nach Korinth schickte. Nach 2Kor 2,12–13 ist Paulus nach Troas gereist und von dort – nachdem er Titus nicht antraf – weiter nach Makedonien, wo er schließlich mit seinem Mitarbeiter zusammentraf, der ihm über eine erfolgreiche Mission berichten konnte (vgl. 7,6–7.9–11; beachte auch 2,6). Vor einem sofortigen erneuten Besuch der Gemeinde schreckt Paulus aber noch zurück. Zu tief sitzt wohl die Sorge, dass dieses Unternehmen – ähnlich wie beim sog. „Zwischenbesuch“ – scheitern könnte. In dieser Situation schreibt er den 2Kor (zu Teilungshypothesen siehe S. 71–148), um damit u. a. seinen dritten Besuch vorzubereiten (beachte 12,14; 13,1). Allgemein wird davon ausgegangen, dass diese Ereignisfolge, die dem Gesamttext von 2Kor zugrunde liegt, innerhalb eines Jahres stattgefunden hat.295 Nach M. Gielen ist es sogar wahrscheinlich, dass Paulus noch vor oder unmittelbar nach dem Pfingstfest 55 n. Chr., das damals auf den 25. Mai fiel,296 aus Ephesos zum sog. „Zwischenbesuch“ aufbrach, nach dem Eklat in Korinth bereits ca. zwei Wochen später wieder zurück war, weitere zwei Wochen später Titus mit dem Tadelbrief nach Korinth entsandte und damit rechnete, nach weiteren vier bis sechs Wochen (also Ende Juli/Anfang August) Titus in Makedonien wiederzutreffen.297 „Dann aber führte er seine Reise im vorgesehenen zeitlichen Rahmen durch und verbrachte den Winter 55/56 in Korinth.“298 Die einzelnen Abschnitte können aufgrund der Angaben im 2Kor und in Zusammenschau mit dokumentarischen Papyri und Ostraka in folgender Weise noch genauer erläutert werden.
Der „Zwischenbesuch“ In der Forschung wird allgemein angenommen, dass Paulus – vermutlich veranlasst durch schlechte Nachrichten aus Korinth – zunächst von Ephesos zum sog. „Zwischenbesuch“ in die Stadt am Isthmos aufgebrochen ist, doch wird dieser Besuch offenbar völlig anders verlaufen sein, als er es sich vorgestellt hatte: während weniger Tage muss es zum Eklat gekommen sein, bei dem ein namentlich nicht genanntes Mitglied der Gemeinde gegen Paulus aufgetreten ist und ihn tief gekränkt hat (vgl. 2Kor 2,5; 7,12). Der Apostel muss dabei einen 295 Vgl. z. B. Klauck, 2Kor 7: „Die ganze Ereignisfolge, die sich in 2Kor spiegelt, dürfte absolut gesehen kaum mehr als ein Jahr umfasst haben und etwa in dem Zeitraum 54–56 n. Chr. anzusetzen sein“; siehe dazu z. B. auch Thrall, 2Cor 74–77; Grässer, 2Kor I 29: „während der Wintermonate des Jahres 54/55 oder 55/56“. 296 Vgl. Jewett, Paulus-Chronologie 89; Thrall, 2Cor 75. 297 Vgl. Gielen, Paulus II 66–72. Mit bedeutend größeren Abständen zwischen den Einzelereignissen rechnet z. B. Thrall, 2Cor 74–77 (Juni 55 [Zwischenbesuch] bis August/September 56 n. Chr. [Abfassung von 2Kor 10–13]). 298 Gielen, Paulus II 72.
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deutlichen Eindruck der Schwäche in der Gemeinde hinterlassen haben, der ihm offenbar auch während der Abfassung von 2Kor noch nachhängt (vgl. 10,10). Über die genaueren Umstände des Eklats haben wir keine Hinweise. Immerhin aber weisen die papyrologischen Belege für λυπέω und λύπη299 in die Richtung, dass die Auseinandersetzungen Paulus persönlich schwer getroffen haben müssen. Das Verb λυπέω wird in den Papyri großteils medio-passivisch gebraucht, um auszudrücken, dass „sich“ jemand „betrübt“ bzw. „betrübt/bekümmert ist“. Was diese Betrübnis auslöst, hat dabei meist mit den Ereignissen um eine nahestehende Person zu tun. So können schlechte Nachrichten über den Gesundheitszustand oder ein Todesfall im Bekanntenkreis Betrübnis hervorrufen. Manchmal geht aus dem Brief der betrübten Person nicht hervor, welche Nachricht ihren Kummer ausgelöst hat; diese war dann aber – darin liegt eine Parallele zu Paulus – aufgrund einer vorhergehenden Korrespondenz oder gemeinsamer Erfahrungen beiden Seiten bekannt: So erklärt der Absender von P.Tebt. III.1 760 (215–214 v. Chr.?), die Nachrichten über einen gewissen Ptolemaios hätten ihn sehr bekümmert (Z. 20–23);300 über den Inhalt dieser Nachrichten erfahren wir aus diesem Brief aber nichts. Der Absender von BGU IV 1079 (4. August 41 n. Chr.) bemerkt gegenüber seinem Adressaten, er habe seinen Brief gelesen und sei infolgedessen betrübt worden – Z. 8–9: ἀνέ|γνων καὶ ἐλυπήθην. In den darauf folgenden Zeilen erfährt man, dass sich jener offensichtlich in finanziellen Schwierigkeiten befindet. Eine Mutter schreibt ihrem Sohn auf die Nachricht hin, dass er seinen Lehrer (καθηγητής) verloren hat, über ihre Besorgnis – P.Oxy. VI 930,4 (2.–3. Jh. n. Chr.): ἐλοιπήθην (l. ἐλυπήθην). Sie rät ihm, sich möglichst schnell nach einem neuen Lehrer umzusehen. Eine gewisse Eirene hingegen kondoliert mit P.Oxy. I 115 (2. Jh. n. Chr.) dem Ehepaar Taonophris und Philo und versichert sie ihres Kummers und ihrer Trauer – Z. 3: οὕτως ἐλυπήθην `καὶ´ ἔκλαυσα.301
Bei einer derartigen Betrübnis geht es vor allem um einen Kummer über die Situation oder die Ereignisse als solche, für die aber kaum jemand verantwortlich gemacht werden kann. Wird die Betrübnis durch einen abgesagten Besuch oder mangelnden Briefwechsel ausgelöst, schwingt zumindest ansatzweise eine Enttäuschung mit, die mit der Adressatin oder dem Adressaten mehr oder weniger zu tun hat.
299 Beide Begriffe wurden von R. E. Kritzer bearbeitet. Zum papyrologischen Befund der Wortfamilie siehe auch Welborn, End 43–48. 300 Ähnlich P.Giss. I 86,1–2 (113–120 n. Chr.?); P.Mich. VIII 473,9 (frühes 2. Jh. n. Chr.); SB XVIII 13867,40 (Mitte 2. Jh. n. Chr.; beachte auch Z. 45); BGU XIII 2349,7–8 (2. Jh. n. Chr.); P.Oxy. LXI 4126,7–9 (3.–4. Jh. n. Chr.). 301 Ähnlich SB XIV 11646,6–8 (1.–2. Jh. n. Chr.); P.Lund II 3,5–8 (2.–3. Jh. n. Chr.). Beachte ferner P.Ross.Georg. III 2,3–5 (ca. 270 n. Chr.).
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Gegen Ende des 1. Jh. n. Chr. schreibt ein Askles an den Bruder Serenus, er sei sehr betrübt worden, weil dieser – wohl wegen einer Erkrankung – das Boot „verpasst habe“ – SB III 6265,6–8: ἐλοιπήθημεν (l. ἐλυπήθημεν) λείαν | ἐπὶ τῷ σε ἠμφοδη|κέναι τῷ πλοίῳ. Entsprechend bittet er ihn um Nachricht über seinen Gesundheitszustand und lädt ihn ein, möglichst bald zu kommen. Umgekehrt beklagt eine gewisse Ptolema, dass sie ihre Schwester Heros während eines Aufenthaltes in Alexandria nicht getroffen hat – SB XX 14132,26–29 (1. Jh. n. Chr.): λυποῦμαι, ἀδελ|φή, ὅτι οὐχ ἑώρακά | σε ὑπάγουσα εἰς Ἀλεξάνδρειαν.302 Der Absender von BGU III 845 (2. Jh. n. Chr.) beklagt sich nach einem sehr ausführlichen Gebetsbericht gegenüber seiner Mutter – Z. 7–10: πρῶτον | μὲν [γε]ινώσκιν σαι (l. σε) θέλω, ὅτει λυποῦ|μαι, ὁπό[τ]αν τις παραγένηται καὶ μη | ἐνέγ[κ]ῃ μοι ἐπιστολίδιον („als erstes möchte ich, dass du erfährst, dass ich bekümmert bin, wann immer jemand vorbeikommt und mir nicht ein Brieflein bringt“).303
Die deutlichsten Parallelen zu Paulus finden sich dort, wo das Verhalten einer bestimmten Person für Kummer und Enttäuschung verantwortlich gemacht wird. Ein derartiges Verhalten wird auch deshalb – zumindest von den Betroffenen – als negativ quittiert, weil eben mit λύπη darauf reagiert wird: Die Erwartungen eines gewissen Sempronius, die er in seinen Sohn Gaion gelegt hatte, wurden offenbar enttäuscht; auf die Nachricht hin, dass dieser nicht zur Flotte gegangen ist, hat er – wie er in SB IV 7354,7 (frühes 2. Jh. n. Chr.) schreibt – zwei Tage lang in Kummer verbracht: ἐποίησα δύο ἡμέρας λυπούμενος. Jetzt droht er seinem Sohn sogar, dass er, wenn er es sich nicht anders überlege, nicht mehr sein Sohn sei. Ein gewisser Neilos beginnt seinen Brief an eine Thalia mit dem Hinweis – P.Oxy. LXVII 4626,3–4 (nach 259 n. Chr.): ἀ̣ ν̣ αγνοῦσα τὴν ἐσφραγισμένην | ἐπισ̣ τ̣ο̣ λ̣ ὴ̣ ν γνώσει ὡς ἐλυπούμην („wenn du den versiegelten Brief gelesen hast, wirst du erkennen, wie sehr ich bekümmert wurde“). Die Deutung der folgenden Zeilen, aus denen man sich den entsprechenden Aufschluss erwarten würde, ist allerdings 302
Ähnlich P.Brem. 58,7–8 (113–120 n. Chr.); P.Mich. VIII 487,5–6; 497,15–16 (beide 2. Jh. n. Chr.). Auch unter der Abwesenheit eines Freundes oder Bekannten kann jemand Kummer leiden: Ein junger Soldat beschwert sich in einem längeren Brief an seine Mutter (BGU III 814 mit BL I 69, IV 5 und XII 16 [3. Jh. n. Chr.]) u. a. darüber, dass er nichts von seinen Eltern bekommt wie seine Kameraden; außerdem leide er darunter, dass er nicht in die Nähe seines Bruders gekommen sei, so wie auch dieser darunter leide (Z. 30–31). Beide sind offenbar relativ weit voneinander stationiert (vgl. ferner SB XXII 15560,4–5; P.Oxy. XIV 1680,6–7 [beide Ende 3./Anfang 4. Jh. n. Chr.]). – Umgekehrt begegnet auch der Rat, sich über das Befinden von Verwandten oder Bekannten keine Sorgen zu machen: So heißt es z. B. in P.Mich. VIII 464,8–9 (99 n. Chr.): [καὶ μ]ὴ λυποῦ περὶ τῶν | [τ]έκνων („und sei nicht besorgt wegen der Kinder“), und weiter in Z. 15–16: καὶ μὴ | λυποῦ περὶ ἡμῶν καὶ ἐπιμέλου σαυτοῦ („und sei nicht besorgt wegen uns und sorg dich um dich“). Ähnlich P.Haun. I 10,4–6 (Ende 3. Jh. v. Chr.); P.Grenf. II 36,9–10 (21. Mai 95 v. Chr.); P.Athen. 60,8–9 (ptolemäisch); P.Oxy. XII 1481,4 (frühes 2. Jh. n. Chr.); P.Würzb. 21,11–13; O.Claud. I 147,8–9 (beide 2. Jh. n. Chr.); SB XVI 12808,7 (3. Jh. n. Chr.). Auf mehreren Mumienschildern findet sich der Rat: μὴ λυπῇς/λυποῦ οὐδεὶς ἀθάνατος ἐν τῷ κόσμῳ („bekümmere dich nicht, niemand auf der Welt ist unsterblich“), so SB I 3514,4–6; 3515; 3392,2–3; 5715 (Datierung bei allen unbekannt); X 10483,3–5 (nach 300 n. Chr.). 303 Vgl. P.Haun. II 21,14–15 (3.–4. Jh. n. Chr.).
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schwierig, zumal deren Anfänge stark beschädigt sind. Der Hg. des Briefes gibt den Text in folgender Weise wieder – Z. 5–9: ν̣ [ῦν δ]έ̣, [γ]ρ̣ άψας ὅ τι ἦν πρὸ μηνῶν δύο, | γ̣ράφε̣ις̣ , ἐκομισάμην σου ἕτερα γράμματα | ὅ̣ που [οὐδ]ὲ̣ν̣ γράφεις. ταῦτ᾽ οὖν παρῴχηται. ἐ̣ὰ̣ ν γὰρ ε[ὕ]ρω τινὰ γνήσιον, πεμφθήσεταί | σ̣ ο̣ ι ̣ (Übersetzung des Hg.: „But now, although I wrote what the matter was two months ago, you write ‚I have received other letters from you in which you write nothing.‘ Well, this is all in the past. For if I find someone reliable, it will be sent to you“). Die entsprechenden Markierungen für die Versiegelung auf der Rückseite des Papyrus deuten darauf hin, dass im genannten „versiegelten Brief“ der aktuelle zu sehen ist und auch Z. 8–9 so zu verstehen sind, dass Neilos während des Schreibens noch nicht weiß, wen er als vertrauenswürdigen Briefboten wird schicken können.304 Da kein anderer Abschnitt des Briefes dafür in Frage kommt, der Adressatin zu vermitteln, warum Neilos so betrübt wurde, kann als Ursache dafür am ehesten angenommen werden, dass Neilos sich mit einem Vorwurf konfrontiert sieht, der ihm überhaupt nicht als gerechtfertigt erscheint: obwohl er ja seiner „Herrin Schwester“ (so spricht er sie im Schlussgruß Z. 13–14 an) in einem anderen Brief305 vor etwa zwei Monaten alles Wesentliche mitgeteilt habe, werfe sie ihm nun vor, er hätte nichts Aufschlussreiches geschrieben. Er wolle das aber nun auf sich beruhen lassen, da es ohnehin der Vergangenheit angehöre.306
In diese Gruppe gehören auch Belege für ein personales transitives λυπέω, die ungleich seltener sind, aber ebenso zumeist in Briefen begegnen: Der Offizier Apollinarios wendet sich in P.Mich. VIII 465,29–30 (108 n. Chr.?) mit der inständigen Bitte an seine Mutter: ἐρωτῶ δέ σε πολλὰ | τὴν κυ[ρί]αν μου Ἰουλίαν μ[η]θὲν λυπῖν („ich bitte dich aber, meine Herrin Julia in keiner Weise zu betrüben“). Über den Großhändler Sarapiodoros schreibt ein gewisser Aelius Theon, dass dieser „Freund“307 ihm schon oft Kummer bereitet habe und sich jetzt in bestimmten Angelegenheiten gegen ihn stelle (P.Oxy. LIX 3992,29–31 [2. Jh. n. Chr.]).308 Der Soldat Apollonios und seine Kameraden ersuchen dessen Bruder, in ihrem Namen eine bestimmte Summe Geldes an einen Horos und einen Sisuchos zu zahlen und die beiden nicht aufzuhalten, und sie fügen zum Abschluss ihres Briefes hinzu – P.Tebt. III.1 767,11–13 (2. Jh. v. Chr.): εἰ δ᾽ ἄλλως | ποήσεις (l. ποιήσεις), ἔσῃ πάντας ἡμᾶς | λελυπηκώς („wenn du aber anders handelst, wirst du einer sein, der uns alle betrübt hat“, was wohl im Sinne von „enttäuscht hat“ zu verstehen ist).309 304
Ähnlich z. B. P.Prag. III 248,29–31 (vor 9. August 266 n. Chr.). Der Hg. versteht σου ἕτερα γράμματα offenbar als mehrere Briefe, was natürlich möglich ist. Der Ausdruck könnte sich aber auch auf einen einzigen Brief beziehen. 306 Zu fragmentarisch für eine exakte Deutung ist P.Iand. VI 111,19–20 (1.–2. Jh. n. Chr.?): λυποῦμαι | δὲ κ(αὶ) ἀ̣ [λγ]ῶ ὅτι εἰ ̣ ἤ̣ μ̣ ην παρ᾽ ἡμῖν (l. ὑμῖν), οὐκ ἄν („aber ich bin bekümmert und leide darunter, weil, wenn ich bei euch gewesen wäre, nicht …“; danach sind nur noch Tintenspuren erhalten, so dass unklar bleibt, was im Fall der Anwesenheit des Absenders nicht passiert wäre). 307 Die Bezeichnung ὁ φίλος in Z. 29 dieses Briefes ist wohl ironisch gemeint. 308 Siehe ausführlicher zu diesem Brief S. 109–110. 309 Zwei weitere Beispiele sind UPZ I 113,13–14 (25. Oktober 156 v. Chr.) und BGU II 531,18 (ca. 75–85 n. Chr.; siehe dazu ausführlicher anschließend S. 153). Nicht um Personen, sondern um 305
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Zur Ausgangssituation von 2Kor
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Das Substantiv λύπη begegnet in den Papyri auffallend seltener als das zugehörige Verb und dabei vornehmlich in Briefen. Gründe, warum jemand „Kummer“ oder „Schmerz“ empfindet, sind freilich verschiedenster Natur. Ich führe hier einige Beispiele an, in denen λύπη auf das Verhalten von Personen zurückgeführt wird: Ein Angriff mit tödlicher Absicht vonseiten seines Nebenbuhlers veranlasst den Vater der Zwillinge Thaues und Taus310, wie diese im Entwurf für ihre Eingabe an die Könige schildern, nach Herakleopolis zu fliehen, wo er aus Kummer stirbt – UPZ I 18,12–13 (163 v. Chr.): ἀποθνῄσκει ἐκεῖ ὑπὸ τῆς | λύπης. Einsamkeit bzw. das Gefühl von Verlassenheit ist es auch, was dem Absender von BGU II 531 (ca. 75–85 n. Chr.) [αἰω]ν̣ ίαν λοίπην (l. λύπην) (Kol. II 20 mit BL I 50: „ewigen Kummer“ oder „Schmerz“) bereiten könnte, sollte ihn sein Freund vergessen.311 Ähnlich führt das Entziehen der eigenen Tochter zu einer Erkrankung aufgrund des dadurch ausgelösten Schmerzes (P.Oxy. II 237, Kol. VII 22 [nach 27. Juni 186 n. Chr.]).312
Die papyrologischen Belege lassen also nicht eine vorrangige Ursache für die mit λυπέω bzw. λύπη ausgedrückte Betrübnis erkennen, wohl aber die Eigenart des Schmerzes als Reaktion auf einen Vorfall, ein Ereignis und insbesondere ein verletzendes Verhalten durch eine andere Person: es geht auch um eine Enttäuschung, die, wenn sie unmittelbar durch eine nahestehende Person verursacht wurde, besonders tiefgreifend ist.
diverse Vorkommnisse, die alexandrinische Bürger „betrübt zu haben scheinen“, geht es in P.Oxy. XLII 3020, Fr. I 6–7 (frühes 1. Jh. n. Chr.): [τ]ὰ δοκοῦντα ὑμᾶς λελοιπηκέ|[να]ι.(l. λελυπηκέναι), wie Augustus in seinem Schreiben an die Bürger festhält. – Ein gewisser Heraklammon schreibt hingegen an einen Kallistos – P.Oxy. XXXVIII 2860,13–15 (2. Jh. n. Chr.?): ἐὰν δὲ παραγέ[νῃ] οὐδὲν ἔσται | μέσον ἡμῶν τὸ δυνάμεν[ον] ἐμὲ ἢ σὲ λυ|πῆσαι („wenn du aber kommst, wird es nichts geben zwischen uns, das mich oder dich betrüben kann“; ähnlich P.Ross.Georg. III 3,15–17 [3. Jh. n. Chr.]). Und der Absender von BGU I 246 (2.–3. Jh. n. Chr.) betont in Z. 18–19, dass es ungerecht sei, wenn sich eine Hermione wegen nichts betrübe: οὐ δίκαιον γὰρ αὐτὴν λυπῖσθαι περὶ | οὐδενός. 310 Die Zwillinge Thaues und Taus waren im Serapeum als Priesterinnen tätig; ein gewisser Ptolemaios hatte sie nach dem Tod ihres Vaters und der Verstoßung durch die Mutter bei sich aufgenommen und in ihren Angelegenheiten unterstützt. Später wurden sie in die Priesterschaft des Tempels übernommen (vgl. U. Wilcken in UPZ I S. 46–47 bzw. 107). 311 Unmittelbar davor, in Kol. II 18–19, gibt der Absender seiner Hoffnung Ausdruck, dass ihm der Adressat keinen Kummer bereiten wird (hier begegnet das Verb λυπέω), zumal er selbst wahrgenommen habe, wie sehr ihn dieser liebe: [ο]ὐ μή με λοιπήσῃς (l. λυπήσῃς) | α[ἰ]σθόμενος πῶς με φιλεῖς. 312 Nicht das Verhalten einer Person, sondern die Nachricht über die vermeintliche Krankheit ihrer Tochter stürzt eine Mutter εἰς τοσαύ|την λοίπην (l. λύπην) (P.Brem. 64,6–7 [113–120 n. Chr.]: „in so großen Schmerz“), während der Tod (der Gattin?) bei einem gewissen Sempronius Sorgen um seinen Bruder hervorruft, da er befürchtet, dass „auch er selbst (also der Bruder, Anm. R. E. Kritzer) sich aus Kummer einer anderen Sache zuwenden“ könnte – P.Wisc. II 84,33–34 (spätes 2. Jh. n. Chr.): μὴ ἐκ τῆς λύ̣ π̣ ης | εἰς ἄλλο τι καὐτὸς [ἀπ]ο̣ τ`ρ´α⟦ρ⟧πῇ. Schlechte Nachrichten sind offenbar in BGU III 884, Kol. I 6–7 (ca. 75–85 n. Chr.) mit τὰ διὰ τῶν | ἐπ[ι]σ̣ τολῶν αὐτοῦ („das durch seine Briefe [Übermittelte]“) gemeint, da sie beim Empfänger Kummer (λύπη) und Besorgnis (ἀγωνία) auslösen.
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Einleitung
Eine solche persönliche Enttäuschung wird Paulus veranlasst haben, innerhalb weniger Tage auf dem Seeweg nach Ephesos zurückzukehren, wo er einen nicht mehr erhaltenen Brief schrieb, in dem er unter Bezugnahme auf den Eklat mit der Gemeinde hart ins Gericht ging.
Der „Tadelbrief“ (nicht „Tränenbrief“) Den Brief, auf den Paulus in 2Kor 7,8.12 verweist, bezeichne ich als „Tadelbrief“. In der gegenwärtigen Forschung wird der in 2Kor 2,3–4 erwähnte Brief meist als „Tränenbrief“ bezeichnet und mit diesem „Tadelbrief“ gleichgesetzt.313 Für mich sprechen gewichtige Argumente gegen diese Identifizierung. Dass 7,8.12 auf einen früheren Brief Bezug nimmt, ist durch die ausdrückliche Bezeichnung als „jener Brief“ (7,8 ἡ ἐπιστολὴ ἐκείνη) gesichert.314 Ein gleich lautender Hinweis auf ein früheres Schreiben findet sich in dem Privatbrief P.Oxy. I 113 (2. Jh. n. Chr.) in Z. 5: ἐκείνῃ τῇ ἐπιστολῇ. Ähnlich deutliche Hinweise können durch die Attribute ἄλλος oder ἕτερος ausgedrückt werden: Letzteres begegnet in BGU I 249 (ca. 75–85 n. Chr.) unmittelbar nach dem Eingangsgruß – Z. 3–5 mit BL I 434: καὶ δι᾽ ἑτ[έρας ἐπι]στολῆς ἔγραψά σοι, ἵνα δύο | ἀρτάβαι σει[ταρίου] ἀλισθῶσι (l. ἀλησθῶσι)315 μοι, ἐπεὶ λείαν ἐκο|λάσθημεν [αὐτοῦ] („auch durch einen anderen Brief schrieb ich dir, damit mir zwei Artaben Getreide gemahlt werden, weil wir großen Mangel daran316 haben“).317 Der Brief eines gewissen Sarapion an einen Herakleides beginnt mit dem Hinweis – BGU IV 313 Siehe z. B. Harris, 2Cor 218; Gielen, Paulus 68–69; Barnett, 2Cor 118–119; Schmeller, 2Kor 127–128; BDR § 3342. 314 In 1Kor 5,9 hingegen reicht das einfache ἐν τῇ ἐπιστολῇ noch nicht aus, um den relevanten Brief als früheren zu identifizieren. Wie R. E. Kritzer gezeigt hat, können auch vergleichbare Wendungen in Papyrusbriefen erst vom Zusammenhang her eindeutig auf einen Brief der Vergangenheit bezogen werden (vgl. R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 215– 216). 315 Aufgrund der Verschreibung ist als korrekte Form die hellenistisch bezeugte mit η anzunehmen (vgl. Geoponica 9,19,7) und nicht die nach BL I 434 vorgeschlagene klassische mit ε (ἀλεσθῶσι). 316 Die Ergänzung αὐτοῦ (vgl. BL I 434) bezieht sich auf σει[ταρίου]; Olsson, Papyrusbriefe 125, hingegen ergänzt den Plural αὐτῶν, was sich auf ἀρτάβαι beziehen würde. 317 Vgl. auch P.Oxy. LXVII 4624,17–19 (1. Jh. n. Chr.): ἔγραψα γάρ σοι | καὶ τὴν διαφορὰν δι᾽ ἑτέρας | ἐπιστολῆς („den Vorteil habe ich dir ja durch einen anderen Brief beschrieben“); O.Claud. I 174,3 (frühes 2. Jh. n. Chr.): ἔγραψα ὑμεῖν δι᾽ ἑτέρου ὀστρακίου („ich schrieb euch durch ein anderes Ostrakon“); P.Tebt. II 315,3–7 (2. Jh. n. Chr.): [διεπεμψ]άμην σοι κα[ὶ] ἕτερα ̣ νβ γράμ|[ματα δι᾽] ὧν σου ἐδεόμην περὶ | [τῶν Πύ]ρρου [ἱ]ματίων ς̣ καὶ | [. . . . .]ου [π]αλ̣ [λ]ίω ὅπως μοι | [πέμψῃς] ὅσου [ἐ]ὰν ᾖ („ich habe dir auch einen anderen Brief hingeschickt, durch den ich dich bat um die 6 Kleidungsstücke des Pyrrhos und die 2 Mäntel des …, damit du sie mir schickst, wieviel auch immer es ausmacht“); PSI XV 1556,4–6 (3. Jh. n. Chr.): ἐ̣δήλωσά σοι κα̣ ὶ διὰ τῆς ἑτέ|ρας ἐπ̣ [ιστο]λ̣ ῆ̣ ς, ἣν̣ διεπεμψάμην σοι διὰ | Διοφ[άντο]υ („ich habe dir auch durch den anderen Brief deutlich gemacht, den ich dir durch Diophantos überbringen ließ“).
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Zur Ausgangssituation von 2Kor
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1079,2–6 (4. August 41 n. Chr.): ἔπεμψά σοι | ἄλλας δύο ἐπιστολάς, | διὰ Νηδύμου μίαν, διὰ | Κρονίου μαχαιροφόρου | μίαν („ich habe dir zwei andere Briefe geschrieben, durch Nedymos einen, durch den Schwertträger Kronios einen“).318
Besonders häufig werden für Hinweise auf frühere Briefe Adverbien verwendet: Das Adverb πρότερον begegnet z. B. in P.Tebt. III.1 746,10–11 (243 v. Chr.): καθότι σοι | καὶ ἐν ταῖς πρότερον ἐπιστολαῖς γεγράφαμε[ν] („wie wir dir auch in den früheren Briefen geschrieben haben“).319 In ähnlichem Sinn begegnet ἔμπροσθεν in P.Petr. I 30 (1),2 (3. Jh. v. Chr.). Besonders zahlreich sind Verweise mit der einfachen Wendung καὶ πρότερον σοι ἔγραψα („auch früher habe ich dir geschrieben“, also ohne Zusatz von ἐπιστολή), z. B. BGU I 248,7 (ca. 75–85 n. Chr.); SB XXII 15708,11–12 (ca. 100 n. Chr.).320 Ähnlich oft wird ἄλλοτε („ein anderes Mal“) verwendet, z. B. O.Berenike II 195,5–6 (ca. 50–75 n. Chr.); BGU II 530,8 (1. Jh. n. Chr.).321 Der bereits oben erwähnte Brief P.Oxy. XLII 3065 (3. Jh. n. Chr.)322 beginnt mit dem Hinweis – Z. 4–5: ἤδη πολλὰς ἐπιστο|λὰς ὑμῖν ἔγραψα („schon viele Briefe habe ich euch geschrieben“; ähnlich P.Oxy. XXXVIII 2860,3–4 [2. Jh. n. Chr.?]).
318 Weitere Beispiele mit ἄλλος sind O.Claud. I 158,7–8 (ca. 110 n. Chr.); SB VI 9194,6–7 (Ende 3. Jh. n. Chr.); P.Athen. 67,12–13 (3.–4. Jh. n. Chr.). 319 Der Plural (als Hinweis auf mehrere frühere Briefe) begegnet auch PSI V 514,10 (252/251 v. Chr.); in P.Mil.Vogl. I 27, Kol. II 10–11 (nach 26. Juni 129 n. Chr.) findet sich der Verweis auf einen früheren Brief. In SB XIV 11897,2–3 (1. Jh. n. Chr.) ergänzt die Hg. das Adjektiv πρότερος: καὶ ἐν τῆι | [προτέραι ἐ]πιστολῇ ἔγραφον („und im vorigen Brief schrieb ich“), was ich aufgrund der Vergleichstexte für unwahrscheinlich halte; m. E. ist hier entweder das Adverb πρότερον zu ergänzen oder die Adjektivform ἑτέραι (bzw. ἑτέρᾳ). 320 Besonders zahlreich belegt ist diese Wendung bisher für das 3. Jh. v. Chr.: PSI V 533,10 (258–257 v. Chr.?); 490,6; P.Zen.Pestm. 51,5 (beide 257 v. Chr.); PSI IV 335,1 (vor 2. Mai 256 v. Chr.); V 522,3; SB XIV 11639,3–4 (beide 248 v. Chr.); P.Petr. II 23 (3),3–4 (3. Jh. v. Chr.). – Einige Beispiele aus nachpaulinischer Zeit sind P.Oxy. XXXVIII 2860,9–10 (2. Jh. n. Chr.?); BGU I 333,6–7 (2.–3. Jh. n. Chr.); P.Bingen 114,6 (Anfang 3. Jh. n. Chr.); ergänzbar ist das Adverb in SB XII 10772,21 (2.–3. Jh. n. Chr.). 321 Vgl. ferner P.Oxy. VII 1061,2–3 (22 v. Chr.); II 298,47 (1. Jh. n. Chr.); P.Ryl. II 233,13–14 (118 n. Chr.); O.Claud. I 174,12 (frühes 2. Jh. n. Chr.); P.Princ. III 163,2; PSI I 91,3 (beide 2. Jh. n. Chr.); P.Yale I 84,8–9 (200 oder 229 n. Chr.); P.Oxy. LVI 3855, Verso 12–13 (280/281 n. Chr.); P.Tebt. II 423,2 (frühes 3. Jh. n. Chr.); P.Oxy. XVII 2150,4–5; XXXVI 2783,15–16; LIX 3996,2; SB XXII 15757,13; XIV 12003,3; XVIII 13613,6 (alle 3. Jh. n. Chr.); XII 11009,13–14 (spätes 3./frühes 4. Jh. n. Chr.). – Auch πολλάκις σοι ἔγραψα („ich schrieb dir oft“) begegnet relativ häufig, vgl. SB X 10451,2 (Mitte 3. Jh. v. Chr.?); BGU II 449,5 (2.–3. Jh. n. Chr.); PSI III 206,11–12; VIII 899, Verso 3; SB III 6262, Verso 18 (alle 3. Jh. n. Chr.); CPR VII 57,14–18; P.Oxy. LIX 3997,5; PSI VII 837,5; SB XVIII 13593,15 (alle 3.–4. Jh. n. Chr.); in ähnlicher Bedeutung SB XIV 12003,10–11 (3. Jh. n. Chr.): τοσαυτάκις γὰρ ἔγραψα | πε̣ρὶ τούτου („so oft nämlich habe ich darüber geschrieben“); P.Oxy. LV 3816,13–15 (Ende 3./Anfang 4. Jh. n. Chr.): καὶ | ποσάκις σ̣ ο̣ ι ἔγραψα καὶ οὐκ ἀντέ|γραψάς μο̣ ι ̣ („und wie oft habe ich dir geschrieben, und du hast mir nicht zurückgeschrieben“). – Seltener sind Beispiele mit konkreter Angabe der Anzahl bereits früher versandter Briefe, z. B. P.Petr. III 42 C (12) Fragment,5 (Mitte 3. Jh. v. Chr.): [ἔγρα]ψά [σοι] δίς („ich habe dir zwei Mal geschrieben“; ähnlich P.Vars. 22,5–6 [3. Jh. n. Chr.]). 322 Siehe S. 162–163.
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Auch genaue zeitliche Angaben können eindeutig auf andere Briefe verweisen, z. B. P.Petr. II 4 (2),1 (ca. 256/255 v. Chr.): ἔγραψά σοι τῆι ιζ („ich schrieb dir am 17.“).323 Manchmal gibt eine relative Chronologie im Kontext darüber Auskunft, dass ein Schreiben der Vergangenheit gemeint ist, z. B. P.Princ. III 161,2–4 (17. November 32 n. Chr.): οὐδέν | μοι ἔγραψας περὶ ὧν | σοι ἔγ[ρα]ψα („du hast mir nichts dazu geschrieben, worüber ich dir geschrieben habe“). Ein ausführliches Beispiel diesbezüglich ist P.Oxy. XVII 2151,3–11 (3. Jh. n. Chr.): καὶ διὰ Εὐφρανίου ὑμεῖν ἔγραψα | τὰ κατ᾽ ἐμὲ ὅπως διάκειμαι, | ὑμεῖς δέ μοι οὐδὲ ἅπαξ ἐδηλώ|σατε περὶ τῆς σωτηρίας ὑμῶν, | ὅπερ κἂν νῦν ποιήσατε διὰ τῶν | ἐρχομένων πρὸς ἡμᾶς. καὶ γὰρ καὶ | διὰ γραμμάτων ὑμεῖν ἔγραψα ὅτι | γυμνός εἰμι. διὸ ἀξιῶ σε, κυρία μου | [μῆτερ] („auch durch Euphranios habe ich euch über meine Angelegenheiten geschrieben, in welcher Lage ich bin, ihr aber habt mich nicht ein einziges Mal über euer Wohlbefinden benachrichtigt, was ihr jetzt tun mögt durch jene, die zu uns kommen. Und ich habe euch nämlich auch durch den Brief geschrieben, dass ich nackt bin [wohl im Sinn von: nichts zum Anziehen habe]. Deshalb ersuche ich dich, meine Frau Mutter“; von Z. 11 sind nur Buchstabenreste erhalten, danach bricht der Papyrus ab).
Für den Brief, auf den 2Kor 2,3–4 anspielt, findet sich kein derartiger Hinweis. Das zur Bezeichnung der Abfassung verwendete Verb γράφω begegnet in der Aoristform ἔγραψα, die sich auf einen Brief der Vergangenheit beziehen könnte oder aber – als Aorist des Briefstils – auf den aktuellen, also auf 2Kor selbst. Dass Paulus die Form ἔγραψα mehrmals als Aorist des Briefstils verwendet hat, ist durch Stellen wie Gal 6,11; Phlm 19 und 1Kor 5,11 erwiesen.324 Dass dies im Einklang mit den brieflichen Gepflogenheiten der Zeit steht, belegen zahlreiche Beispiele aus Papyrusbriefen.325 Ein deutliches Beispiel findet sich etwa im Brief einer gewissen Ammonus an ihren Vater – BGU II 615,3–9 (2. Jh. n. Chr.): κομισάμενός (l. κομισαμένη) σου τὸ ἐπιστόλιον | καὶ ἐπιγνοῦσα, ὅτι θεῶν θελόν|των διεσώθης, ἐχάρην πολλά· | καὶ αὐτῆς ὥρας ἀφορμὴν εὑρὼν (l. εὑροῦσα) | ἔγραψά σοι ταῦ{ου}τα τὰ γράμμα|τα σπουδάζουσα προσκυνῆ|σέ σαι („als ich deinen Brief erhielt und erfuhr, dass du entsprechend dem Willen der Götter bewahrt wurdest, freute ich mich sehr; und zur selben Stunde finde ich eine Gelegenheit und schreibe dir diesen Brief und beeile mich, dich zu grüßen“). Anschließend an den Brief der Ammonus folgt – in derselben Hand – ein Brief des Keler an seinen Bruder Antonius. Es sind also wohl beide auf demselben Papyrus erhaltenen Briefe an ein und dieselbe Person gerichtet, an Antonius, den Vater der Ammonus und Bruder des Keler. Nach dem Schlussgruß folgt im Brief des Keler noch ein Nachtrag mit den Worten – Z. 36–37: αὐτῆς ὥρα κ[ο]μισάμενός σου τὸ ἐπι`σ´|τόλειον ἀντέγραψα ἀφορ[μὴ]ν εὑρών („in derselben Stunde, in der ich deinen Brief erhalte, finde ich eine Gelegenheit und schreibe dir zurück“). 323 Nicht auf den Tag genau z. B. P.Oxy. LIX 3992,3 (2. Jh. n. Chr.): πρὸ ἡμερῶν ἔγραψά `σοι´ („vor Tagen schrieb ich dir“). 324 Vgl. BDR § 334; zu 1Kor 5,11 siehe P. Arzt-Grabner in ders./Kritzer u. a., 1. Korinther 218–219; zu Phlm 19 siehe Arzt-Grabner, Philemon 194–195. 325 Siehe dazu auch Koskenniemi, Studien 192–193.
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Gegen Ende von P.Berl.Cohen 14 (2. Hälfte 2. Jh. n. Chr.) heißt es – Z. 18–20: ἔγραψα τὴν ἐπισ|[τολὴ]ν σο̣ ι ̣ ἵνα διὰ Οὐαλερίου Ῥούφου σοι πέμ|[πω] („ich
schreibe dir den Brief, damit ich [ihn] durch Valerius Rufus sende“). Ein gewisser Horion fühlt sich offenbar so schlecht, dass er momentan nicht selbst schreiben kann, sondern den Brief an einen Heron seinem Sohn diktiert, der zu Besuch gekommen ist, wie aus P.Lips. I 108,3–9 (2.–3. Jh. n. Chr.) hervorgeht: ἐπεὶ ὁ υἱός μου Διονύσιος ὢν παρ᾽ ἐμοὶ | ἔγραψέ σοι, ὡς ἐμοῦ μέλλοντος ἐλθεῖν | πρός σε καὶ οὐκ ἠδυνήθην διὰ τὸ ἐμὲ | μετρείως ἔχοντα, ἔπεμψα δέ σοι | τὸν ἀδελφὸν αὐτοῦ Δίδυμον ποιοῦν|τά μου τὸν τόπον ὡς ἐμοῦ ὄντος παρά | σοι („weil mein Sohn Dionysios, der bei mir ist, dir schreibt, dass ich die Absicht hatte zu dir zu kommen und nicht konnte, weil es mir mäßig geht, schicke ich dir aber seinen Bruder Didymos, damit er meinen Platz einnimmt, als ob ich bei dir wäre“). Ein weiteres Beispiel unter den zahlreichen Belegen ist BGU III 814,7–8 (3. Jh. n. Chr.). Aufgrund der besonderen Formulierung erwähnenswert ist auch P.Köln XI 458,3–4 (Mitte 3. – Anfang 4. Jh. n. Chr.): καινὸν οὐδὲν οὔ|πω σοι γράφειν εἶχον („Neues habe ich dir noch nichts zu schreiben“; ähnlich P.Cair.Zen. IV 59571,3–6 [2. Januar 243 v. Chr.]).
Eine Entscheidung über 2Kor 2,3–4 kann erst aufgrund des inhaltlichen Kontextes getroffen werden. Während Paulus über „jenen Brief“ von 7,8.12 bemerkt, dass er mit diesem Schreiben der Gemeinde „weh getan hat“ (7,8 ἐλύπησα; vgl. V. 9–11) und dies auch nicht bereut (ebenfalls V. 8 οὐ μεταμέλομαι), gilt für 2,3–4 das Gegenteil: ausdrücklich betont Paulus in V. 4, dass dieses Schriftstück nicht darauf abzielt, dass die Gemeinde Schmerz oder Kummer erleidet, sondern sie soll die Liebe erkennen, die Paulus in überreichem Maße ihr gegenüber hegt. Die Situation, aus der heraus er schreibt, charakterisiert er als θλῖψις und συνοχή; sein Schreiben geschieht ferner „durch viele Tränen hindurch“. All dies findet in 7,8.12 keine Entsprechung, sehr wohl aber in Kapitel 1, wo Paulus seine gegenwärtige Situation mehrmals als θλῖψις beschreibt (vgl. 1,4.8, ferner in 1,6 mit dem Verb θλίβω). Auch in 4,17 und 7,4 sowie vor allem in 8,1–2 nimmt er erneut auf seine gegenwärtige Bedrängnis-Situation Bezug.326 Daraus ergibt sich, dass klar zwischen zwei Briefen zu unterscheiden ist, die in 2Kor 2,3–4 und 7,8.12 erwähnt werden. In 2,3–4 nimmt Paulus auf den aktuellen Brief, also den 2Kor, Bezug,327 während er in 7,8.12 auf den davor verfassten Brief eingeht. Dies bedeutet, dass der in 7,8.12 erwähnte Brief kein „Tränenbrief“ war und kaum bis gar keine versöhnlichen Züge in sich trug. Er 326
Siehe dazu ausführlicher S. 167–168. So auch A. Lindemann (mündlich und in Vorbereitung seines 2Kor-Kommentars in der Reihe HNT). Vgl. auch Becker, Tränen 364 (vgl. dies., Paulus als weinender Briefschreiber 20– 21: „Der Apostel erklärt, dass er, nachdem er in Korinth Beleidigungen erfahren hat, den Korinthern nun unter Tränen (… διὰ πολλῶν δακρύων) schreibt […]“; und weiters S. 364 Anm. 18 (vgl. Paulus als weinender Briefschreiber 20): „Ich meine, Paulus reflektiert sein gegenwärtiges Briefeschreiben an die Korinther und gibt den Adressaten damit Einblick in den aktuellen Prozess seines Briefeschreibens.“ 327
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kann hingegen als echter „Tadelbrief“ bezeichnet werden, mit dem Paulus der Gemeinde weh getan hat, was er nach wie vor nicht bereut. Als Überbringer des „Tadelbriefes“ sind vermutlich Titus und ein weiterer „Bruder“ anzunehmen. Aufgrund des Gesamtzusammenhanges sehe ich nicht nur in 7,6–7 einen Hinweis darauf, sondern auch und noch deutlicher in 12,18.328 Während ich nämlich die Formen ἔπεμψα in 9,3 und συνεπέμψαμεν in 8,18.22 als Aoristformen des Briefstils329 interpretiere und auf die Entsendung des Titus und seiner beiden Begleiter (also einer Dreiergruppe) zur Überbringung des aktuellen Briefes beziehe,330 verweist 12,18 auf eine davon zu unterscheidende (hier ist insgesamt nur von zwei Gesandten die Rede) und in der Vergangenheit liegende Entsendung.331 Anlass für den davor liegenden Besuch des Titus (und eines weiteren „Bruders“) war aber die Überbringung des „Tadelbriefes“.332 Die beiden Gesandten sollten wohl auch selbst mit Nachdruck versuchen, die Sache des Paulus in Korinth zu vertreten.
Der aufgeschobene Besuch und die diesbezügliche Funktion des 2Kor Aus 2Kor 1,15–16 wird einerseits deutlich, dass Plan B (siehe dazu oben) nicht umgesetzt wurde (es blieb bei der Absicht), andererseits aber erhellt der weitere Kontext, dass der dort angesprochene zweite Besuch („zweite Gnade“) als solcher bereits stattgefunden hat, nämlich als der sog. „Zwischenbesuch“ (siehe oben). Denn in 12,14 und 13,1 kündigt Paulus ausdrücklich den bereits dritten Besuch an. Was also nach 1,15–16 nicht stattgefunden hat, war nicht der zweite Besuch an sich, sondern Plan B in seiner beabsichtigten Gesamtheit. Statt, wie geplant, von Korinth aus nach Makedonien zu reisen und wieder nach Korinth zurückzukehren, ist Paulus wohl von Korinth auf dem Seeweg nach Ephesos zurückgekehrt, von dort aus irgendwann nach Troas aufgebrochen und erst jetzt durch Makedonien unterwegs. Was er von seinem Vorhaben noch nicht in die Tat umgesetzt hat, ist der neuerliche ausführliche Besuch in Korinth nach seiner geplanten Mission in Makedonien (in diesem Punkt stimmen Plan A und Plan B überein). Dass dieser dritte Besuch noch nicht stattgefunden hat bzw. bis jetzt aufgeschoben wurde, hält Paulus einer Erklä328
Vgl. z. B. auch Keener, Cor 147; Harris, 2Cor 40. Siehe dazu Koskenniemi, Studien 192–195 (speziell zu ἔπεμψα S. 193–194). 330 Siehe dazu ausführlicher S. 171–177. 331 Vgl. z. B. Thrall, 2Cor 15; Watson, Letter 328–329.332–333. Zur Möglichkeit, auch 12,18 auf den gegenwärtigen Brief zu beziehen, siehe S. 108 Anm. 187. 332 Schnelle, Paulus 260–261, hingegen sieht in 2Kor 8,18.22 und 9,3 einen Hinweis darauf, dass Titus und seine Begleiter noch vor Abfassung von 2Kor 1–9 vorausgeschickt worden wären, und in 12,18, dass sie von diesem Unternehmen bereits wieder mit schlechten Nachrichten zurückgekehrt seien. Die unterschiedliche Größe der beiden Gesandten-Gruppen spricht gegen diese Deutung. 329
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Zur Ausgangssituation von 2Kor
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rung für würdig oder sogar notwendig. Diese liefert er vor allem in 1,23–2,1.333 Dort hält er fest, dass der vereitelte Besuch nicht womöglich auf eine Unzuverlässigkeit seinerseits zurückzuführen ist, sondern – ganz im Gegenteil – auf seine Rücksicht gegenüber den Gemeindemitgliedern (1,23). Das als ursprünglich deklarierte Vorhaben, die Gemeinde wieder zu besuchen, bleibt dennoch aufrecht und wird ab 12,14 untermauert, auch wenn Paulus – wohl nicht ohne rhetorische Gründe – eingesteht, dass er befürchtet, ein solcher Besuch könnte für beide Seiten enttäuschend verlaufen (beachte 12,20–21). In 13,1–2 schließt er dann in gewisser Weise den Rahmen zu seinen Beteuerungen und Erklärungen in Kapitel 1: er wird ein drittes Mal kommen und dann keine Schonung kennen. Tatsächlich wird dieser dritte Besuch im Winter 55/56 n. Chr. stattgefunden haben.334 Aus diesem Rahmen wird eine wesentliche Absicht des Briefes erkennbar. Er dient als Ersatz für den persönlichen Besuch, wird aber von Paulus gleichzeitig dafür genützt, dies als Akt der Schonung zu deklarieren. Der ganze Brief wird damit aufgewertet. Er ist nicht mehr definiert als bloßer Ersatz für etwas anderes (für die persönliche Anwesenheit des Absenders), sondern erhält einen Wert für sich; er soll etwas leisten, was die persönliche Anwesenheit des Apostels momentan vermutlich nicht leisten könnte: die Gemeinde für sich gewinnen, ohne dass es bereits um alles oder nichts geht. Der Brief eröffnet eine (Schon-)Frist für beide Seiten, deren Ende mit dem anstehenden Besuch erreicht sein wird. Ganz allgemein gehört es zu den typischen Merkmalen eines Briefes, einen Ersatz für einen – aus mehr oder weniger gewichtigen Gründen zur Zeit nicht möglichen – persönlichen Besuch zu bieten.335 Dies bestätigt z. B. auch der Absender von SB XIV 11584 (spätes 2. Jh. n. Chr.) einem gewissen Isidoros gleich zu Beginn seines Briefes in besonders eindrücklicher Weise – Z. 2–6: [εὐθὺς ἐλθὼν εἰς] τὴν Ἀντίνου (l. Ἀντινόου) ἐκομι|[σάμην σου] τὰ γράμματα δι᾽ ὧν ἔδοξά | [σ]ε θεω[ρ]εῖν. διὸ παρακαλῶ τὸ αὐτὸ | ποιεῖν σ[υ]νεχῶς, οὕτως γὰρ αὐξηθή|[σ]εται ἡμῶν ἡ φιλία („sofort, als ich nach Antinoopolis gekommen war, erhielt ich deinen Brief, durch den ich den Eindruck habe, dich zu sehen. Deshalb bitte ich dich, dasselbe fortwährend zu tun, denn so wird unsere Freundschaft vergrößert“).
Neben der häufig formal geprägten Beteuerung, an die Adressatinnen und Adressaten zu denken und für sie zu beten, gehört die Betonung, jede Möglichkeit zur Übersendung eines Briefes zu nützen (siehe z. B. die beiden Briefe des Heliodoros, S. 68–70), ebenso zur Pflege des Kontaktes wie die Versiche333 Weitere Erklärungen für einen aufgeschobenen oder vereitelten Besuch bei Paulus sind 1Thess 2,17–18; 3,6; Phil 2,24 (beachte auch 1,27); 1Kor 4,19 (beachte auch 4,18.21; 16,2); Röm 1,10.13; 15,22–23. 334 Vgl. z. B. Gielen, Paulus 72. 335 Zu den folgenden Papyrusbeispielen siehe auch Arzt-Grabner, „I Was Intending to Visit You, but …“ 224–229.
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Einleitung
rung, die Seinen am liebsten persönlich zu besuchen. Je nach Sachlage kann dabei mehr oder weniger ausführlich begründet werden, warum dies gerade nicht oder noch nicht möglich ist. Beispiele für die Erwähnung bzw. Begründung aufgeschobener oder verhinderter Besuche aus den Papyrusbriefen sind vielfältig.336 Als Ursachen werden häufig Krankheiten oder dienstliche Verpflichtungen angegeben: Letzteres liegt als Hintergrund z. B. für P.Lond. VII 1979 vor, einen Brief aus dem Zenon-Archiv, dessen Eingangsvermerk auf dem Verso sich auf den 2. Januar 252 v. Chr. datieren lässt. In den letzten Zeilen heißt es – Z. 17–19: ἐ̣β̣ ο̣ υ̣ λόμην | μὲν οὖν καὶ αὐτὸς ἀναπλεῦσαι πρός σε, ἀ̣ λ̣ λ̣ ᾽ ο̣ ὐ̣ κ̣ ἐκπεποίηκέ μοι. γράφει γὰρ Ἀντιλέων | πρός̣ σ̣ ε̣ ἐ̣π̣ ιστολὴν ὑπὲρ μοῦ („ich wollte ja selbst zu dir flussaufwärts segeln, aber es war mir nicht möglich. Antileon schreibt nämlich an dich den Brief für mich“). Der Absender, ein gewisser Demetrios, begründet damit, warum er Zenon in bestimmten Geldangelegenheiten nicht persönlich kontaktieren konnte. Die wahrscheinlichste Deutung für die eigenartige Begründung, dass Antileon für ihn den Brief schreibt, ist die, dass Demetrios nicht nur unter Zeitnot stand, sondern zu einer wichtigen Mission von Alexandria, dem Ort seines Amtssitzes, weggerufen wurde und zuvor nur noch Antileon den Auftrag erteilen konnte, den vorliegenden Brief in seinem Namen zu schreiben und an Zenon zu schicken.337 Ein Harpokration beruft sich in seinem Brief an den Bruder Bellenos Sabinos auf unvorhergesehene Unannehmlichkeiten, die ihn davon abhielten, den Adressaten aufzusuchen, um Anstehendes persönlich zu regeln. Gleich zu Beginn seines Briefes betont er, dass er am vorhergehenden Tag bereits eine diesbezügliche Nachricht dem Bruder hat zukommen lassen – P.Fay. 123,3–9 (um 100 oder nach 110 n. Chr.): καὶ ἐκ|θές σοι ἔγραψα διὰ | Μάρδωνος τοῦ σοῦ γ|νῶναί σε θέλων ὅ|τι διὰ τὸ ἐπηρεᾶσθαι | οὐκ ἠδυνήθην κατελ|θεῖν („auch gestern habe ich dir durch deinen Mardon geschrieben, weil ich möchte, dass du weißt, dass ich nicht hinunter kommen konnte, weil mir Unannehmlichkeiten bereitet wurden“).338 Ein gewisser Herakleides hingegen ist aufgrund einer plötzlichen Erkrankung nicht in der Lage, zu Helene zu kommen und – wie offenbar vereinbart – die nötigen Aufgaben des gemeinsamen Betriebes zu erledigen – P.Freib. IV 56,2–9 mit BL IX 90 (1.–2. Jh. n. Chr.): ἐπεὶ τῇ η ἀπὸ σου ἐνω|θρευσάμην καὶ οὐκ ἰσ|χύω{ι} κατελθεῖν, | εὖ ποιήσεις προνοήσα|σα κοπῆναι τὸ καλαμί|δ̣ ιον προχρήσασα τοὺς | μισθοὺς μέχρι οὗ κατέλ|θω{ι} („da ich am 8. wegen einer Krankheit ermattete und nicht die Kraft habe, hinunter zu kommen, sei so gut und sieh vor, dass das Rohr geschnitten wird, und schieß die Löhne vor, bis ich hinunter komme!“).339 336
Auf P.Oxy. XIV 1666,11–17 (3. Jh. n. Chr.) hat bereits Windisch, 2Kor 75, verwiesen. Zu dieser Deutung siehe Th. C. Skeat in P.Lond. VII S. 74. 338 Ähnliche Beispiele sind P.Mich. VIII 478,6–13; 479,15–17 (beide frühes 2. Jh. n. Chr.); P.Oxy. X 1345 (spätes 2.–3. Jh. n. Chr.); P.Flor. II 156,2–10 mit BL I 150 (249–268 n. Chr.; siehe dazu ausführlicher unten S. 176); III 365,6–9; P.Oxy. XLII 3082,8–11 (beide 3. Jh. n. Chr.); PSI VIII 971,3–14 (3.–4. Jh. n. Chr.). 339 Ebenfalls auf seinen schlechten gesundheitlichen Zustand beruft sich der Absender von P.Lips. I 108,4–6 (2.–3. Jh. n. Chr.); zu diesem Text siehe ausführlicher unten S. 176. Der Privatbrief P.Oxy. LXVII 4627 (spätes 3. Jh. n. Chr.) ist ein anschauliches Beispiel dafür, dass ein vorerst ausgebliebener Besuch Anlass zu Verwunderung oder Sorge sein kann; ein gewisser Serenus 337
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Zur Ausgangssituation von 2Kor
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Die Absender von P.Oxy. XLVI 3313 (2. Jh. n. Chr.), Apollonios und Sarapias, bringen sowohl berufliche als auch gesundheitliche Gründe vor, wenn sie betonen, dass sie zwar am liebsten sofort zur Hochzeit des „besten“ Sarapion kommen würden, um sich an einem so sehr ersehnten Tag mit ihm gemeinsam zu freuen (Z. 3–6), aber wegen des Konvents340, und weil sie sich von einer Erkrankung erholen, nicht ̣ μὸν καὶ ὅτι ἀναλαμβάνομεν kommen konnten – Z. 6–8: ἀλλὰ διὰ τὸν | δι[αλο]γ̣ισ ἀπὸ νωθρείας | οὐκ ἠ̣ δυνήθημεν ἐλθεῖν. Mit dem Brief schicken sie eine große Zahl von Blumen (1000 Rosen und 4000 Narzissen)341, die die Adressatin Dionysia bei ihnen angefordert hatte; darüber hinaus weigern sie sich, für die Blumen Geld zu nehmen.
Die bisherigen Beispiele zeigen deutlich mehrere wesentliche Aspekte der Thematik auf: Der Brief ist einerseits nur ein Ersatz für den persönlichen Besuch oder Kontakt, andererseits aber ein adäquates Mittel, um der Wichtigkeit einer Angelegenheit gerecht zu werden. Der Brief erhält damit faktisch die Funktion, das aktuell Nötige und Mögliche zur Klärung einer bestimmten Angelegenheit zu leisten, was nicht einfach und kommentarlos aufgeschoben werden kann. Im Zweifelsfalle kommt es vor, dass Briefsender nach einem verhinderten oder aufgeschobenen Zusammentreffen nachfragen, ob ein solches nach wie vor nötig ist. So schreibt z. B. ein unbekannter Briefsender an Zenon, dass er – wie von Zenon gewünscht – mit ihm zusammentreffen wollte, was aber aus irgendeinem Grund schief gelaufen sei (P.Cair.Zen. IV 59593,6–9 [Mitte 3. Jh. v. Chr.]). „Wenn es also etwas Notwendiges gibt“, fährt er fort, „schreib mir, damit ich komme“ – Z. 9: εἰ οὖν τι ἀναγκαῖόν ἐστιν, γράψομ (l. γράψον) μοι ὅπως παρα[γένωμαι] (vgl. auch Z. 14).342 Ein gewisser Sarapammon schreibt an die Schwester Thaesis am Ende seines Briefes – P.Oxy. XII 1488,20–25 mit BL III 138 (2. Jh. n. Chr.): ἔμελ|λον γὰρ ἀνελθεῖν, καὶ | ὑπερθέμην ἔστ᾽ ἂν | μάθω πότερον ἐρά|ϊσας ἢ οὐ, καὶ εἰ χρεία | ἐστὶ τοῦ με schreibt an seinen Bruder Hierakapollon – Z. 3–11: θαυμάζω `πῶς´ μέχρι σήμερον παρὰ σεαυ|τῷ μεμένηκας̣. οὐκ εἰς ὀλίγην | γάρ με ἀγωνίαν ἐνέβαλας (l. ἐνέβαλες) τοῦτο | ποιήσας. κἂν νῦν τοίνυν ἢ τα|χέως κατάλαβέ με ἢ γράψον | μοι τί ἐστιν τὸ βράδος, πρό γε | δὲ πάντων περὶ τῆς σωτηρί|ας ὑμῶν καὶ περὶ ὧν ἐνταῦ|θα χρῄζεται (l. χρῄζετε) („ich wundere mich, dass du bis heute bei dir zu Hause geblieben bist. Du hast mich nämlich in nicht geringe Sorge versetzt, weil du das getan hast. So sollst du auch jetzt noch entweder eilig mich besuchen oder mir schreiben, woran die Verzögerung liegt, vor allem aber freilich über euer Wohlergehen und darüber, was ihr von den Dingen hier braucht“). 340 Der griechische Ausdruck διαλογισμός entspricht dem lateinischen conventus, worunter die alljährliche Konventsreise des Präfekten zu verstehen ist, die gauweise sowohl einen Gerichtstag als auch die Rechnungsprüfung zum Gegenstand hatte (siehe dazu bes. Foti Talamanca, Ricerche I, II.1 und II.2; Lewis, Conventus; Haensch, Konventsordnung). Wie J. R. Rea annimmt, rechnete Apollonios vermutlich mit einer Vorladung (P.Oxy. XLVI S. 103). 341 Wie aus dem Brief hervorgeht, hatte die Adressatin Dionysia offensichtlich eine große Zahl von Rosen und 2000 Narzissen bestellt; die gewünschte Zahl Rosen war aber nicht verfügbar, so dass die Absender die vorhandenen 1000 und die doppelte Anzahl der bestellten Narzissen schicken. 342 Siehe zu diesem Papyrus auch unten S. 249.
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Einleitung
ἀνελθεῖν („ich wollte ja hinauf kommen und schob es auf, bis ich erfahre, ob du dich
erholt hast oder nicht und ob eine Notwendigkeit besteht, dass ich hinauf komme“).343
Je mehr der Grund für einen nicht stattgefundenen, obwohl an sich als notwendig erachteten Besuch einsichtig zu machen ist, desto eher wird der Brief als gültiger und zufrieden stellender Ersatz anerkannt. Der Briefsender betont, dass ihm der persönliche Besuch tatsächlich unmöglich war, und erwartet dafür, dass der Adressat dies glaubt und die Begründung als ausreichend bzw. als Entschuldigung akzeptiert. Ein unbekannter Absender344 schreibt am 7. Dezember 117 n. Chr. an einen Paulos mit gewählten Worten, dass er seiner Einladung nicht Folge leisten konnte – P.Mil. Vogl. I 24,10–12 mit BL VI 84: ἤθελον μηθὲν πράσσιν ἄλλο εἴ μὴ τὴν | ὄψιν σου πρὸς τὰ ἐδάφη σου προσκυνεῖν, | ἀλλ᾽ οὐ δεδύνημαι οὐδὲ δύναμαι („ich wollte nichts anderes tun als mich vor deinem Angesicht auf den Boden zu werfen, aber ich habe nicht können und kann es nicht“). Er begründet dies ausführlich und zum Teil in poetischer Redeweise damit, dass er erneut von anderen mit deren Sorgen bestürmt und unverschämt behandelt wird (Z. 12–32). In P.Oxy. XIV 1773,8–16 (3. Jh. n. Chr.) werden Transportprobleme verantwortlich gemacht: Die Briefsenderin informiert ihre Mutter, dass sie mit einer größeren Ladung an Gütern festsitze, weil sich die Kameltreiber geweigert hätten, sie in den Oxyrhynchites zu bringen, und der Versuch, ein Boot zu bekommen, bisher ohne Erfolg blieb.345 Besonders drastische Gründe werden in P.Oxy. XLII 3065 (3. Jh. n. Chr.) dafür verantwortlich gemacht, dass der Briefsender, ein gewisser Arius, bisher nicht zu seinen Eltern reisen konnte. Nach dem Eingangsgruß und einem Gebetsbericht schreibt er – Z. 4–9: ἤδη πολλὰς ἐπιστο|λὰς ὑμῖν ἔγραψα δηλῶν ὅτι μ[έλλ]ω̣ πλ{ε}εῖν καὶ σωθῆ|ναι τῆς πόλεω[ς] τ̣άχα δὲ . . . . . . . περὶ τῶν ἐνθάδε | γενομ[έ]ν[ω]ν. ̣ ῦ[τ]α γ̣έ̣γ̣ο̣ ν̣ εν οἷα οὐδέποτε ἐκ τοῦ | αἰῶν[ο]ς̣ γ̣έ̣γ̣ο̣ νεν. νῦν ἀνθ̣ ρ̣ ωποφαγεία το̣ ια ἐστὶν καὶ οὐ πόλε|μος („schon viele Briefe habe ich euch geschrieben, durch die ich deutlich machte, dass ich beabsichtige, zu segeln und aus der Stadt bald wegzukommen, vielleicht aber … über die Vorkommnisse hier. Es ist Derartiges geschehen, was noch nie durch die Zeiten hindurch geschehen ist. Nun ist es Menschenfresserei und nicht Krieg“). Auf welches historische Ereignis Arius anspielt, ist unklar. Vermutlich schreibt er aus Alexandria, wo während des 3. Jh. n. Chr. immer wieder Auseinandersetzungen mit Greueltaten vorkamen.346 In Z. 16–17 betont er abermals: ̣ ̣ οὐκ ἀφῆκέν ἐγὼ γ̣ὰ̣ ρ̣ ἤθ̣ ε̣λον [π]ρ̣ ὸ̣ ς σὲ{ν} ἐλθεῖν, ἡ δὲ τῆς | πόλεως̣ ἀνθρω . . . . ια
343
Siehe ferner P.Oxy. XIV 1678,3–13 (3. Jh. n. Chr.). Sein Name wird tatsächlich auf dem vollständig erhaltenen Papyrus nirgends erwähnt. 345 Auf welche Weise die Überbringer des Briefes reisen, geht aus dem Schreiben nicht hervor. 346 P. J. Parsons zählt auf: „the massacre under Caracalla (215), the contest between Macrinus and Elagabalus, the rising of Macrianus and Quietus, the Palmyrene wars, the revolt of Domitius Domitianus – or the incidental civil wars and pogroms“, und er fügt hinzu: „I see no way of choosing among these, except that the hand suggests the earlier rather than the later third century“ (P. J. Parsons in P.Oxy. XLII S. 156–157). 344
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Zur Ausgangssituation von 2Kor
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με („ich wollte ja zu dir kommen, aber die Menschenfresserei[?]347 in der Stadt ließ
mich nicht“).348
Aus den genannten Aspekten ergibt sich für den Brief zugleich eine Schwierigkeit: hier besteht nicht die Möglichkeit des Dialogs. Wer einen Brief sendet, muss versuchen, mit dieser einen Aktion zu überzeugen. Genau das ist die Situation des Paulus. Er hat rein praktisch nicht die Möglichkeit, etliche Male hin und her zu schreiben, um erst die Sicherheit zu gewinnen, dass die Gemeinde seine Begründung für den ausgebliebenen Besuch anerkennt, bevor er schließlich dazu übergeht, seine weiteren Anliegen vorzubringen. Da ein solcher Brief gerade deshalb geschrieben wird, weil dies eine bestimmte Angelegenheit jetzt verlangt (eigentlich einen persönlichen Besuch verlangen würde), kann auch nur mit diesem einen Brief der Versuch unternommen werden, die Briefempfängerinnen und -empfänger davon zu überzeugen, dass einerseits ein Besuch unmöglich ist, andererseits aber der aktuelle Brief einen wesentlichen Teil zur Erledigung der anstehenden Angelegenheiten beiträgt. Bis zu einem gewissen Grad kann dies freilich durch den Boten, der den Brief überbringt, ausführlicher erläutert und unterstützt werden (siehe dazu unten S. 167–177). Die Ausführlichkeit, mit der manchmal – so auch in 2Kor durch Paulus – die Unmöglichkeit des Besuches oder umgekehrt das große Bestreben, bald persönlich zu kommen, beschrieben werden, ist entweder Ausdruck der intensiven persönlichen Beziehung zwischen beiden Seiten oder Indiz für die Unsicherheit, ob das Ausbleiben des Besuches auch wirklich einsichtig gemacht werden kann. Für beide Aspekte bieten die Papyri gute Beispiele: P.Mich. III 203 (114–116 n. Chr.) ist der Brief des Soldaten Satornilos, der in Pselkis stationiert ist, an seine Mutter Aphrodus in Karanis, der er u. a. schreibt – Z. 7–21 mit BL III 111 und VII 109: θεῶν θελόντων, ἐὰν εὕρω εὐκαιρείαν ἐργασείαν ̣ οὺ τρεῖς διδώ|[ν]αι ἔρχομαι μετ᾽ ἐπιστολῶν πρὸς ὑμᾶς. γεινώσκιν σε θέλω ὅτι | ε̣ἰδ μῆνες (l. μῆνας) ἀφ᾽ ὅτε ἤλα̣ γμαι εἰ[ς] Ψέλκιν καὶ οὔπω εὕρηκα | [ε]ὐκαιρεί[α]ν τοῦ ἐλθεῖν πρὸς ὑμᾶς. ἐφοβήθην ἄρτει ἐλθεῖν ἐπὶ λέγου|[σι]ν ὁ ἡγεμὼν ἐν τῷ πόρῳ ἐστίν, μὴ λάβῃ ἀπ᾽ ἐμοῦ τὰς ἐπιστολὰς | [κ]αὶ ἀπολύσει με πρὸς τὰς σημέας καὶ κενὴν δαπάνην ποιήσω. | [τ]οῦτο δέ σε θέλω γεινώσκιν ὅτι ἐὰν παρέλθῃ ἄλλη{ν} δίμηνος | [κ]αὶ μὴ ἔλθω πρ[ὸ]ς ὑμᾶς ἕως Ἁθὺρ μηνός, ἔχω ἄλλους δέκα ὀκ|[τ]ὼ μῆνες (l. μῆνας) εἰς τ[ὰ] πραισίδια καθήμενος μέχρει εἰς Ψέλκιν εἰσέλ|[θ]ω καὶ ἔλθω [πρ]ὸς ὑμᾶς. μαρ̣ τ̣υρήσουσιν ἡμεῖν (l. ὑμῖν) πάντες οἱ ἐρχό|μενο[ι] π̣ ῶς καθ᾽ ἡμέρα ζητῶ̣ [τ]οῦ ἐλθεῖν. ε̣[ἰ] ὑμεῖς θέλετέ μοι (l. με) | 347
Nach P. J. Parsons stand in Z. 17 wahrscheinlich neuerlich ἀνθρωποφαγία, „though the space is a little short“ (P.Oxy. XLII S. 158). 348 Bachte ferner SB XXIV 16268,3–6 (2. Jh. n. Chr.): σύνοι|[δα ὅτι καθ᾿ ἑ]κάστη̣ ν̣ ὥραν βούλομαι σ̣ ὺ̣ ν | [σοὶ εἶναι ἀ]λλὰ οὔτε θεοὶ ἡμᾶς ἠλέη|[σαν οὔθ᾿ ἡ εἱμ]α̣ ρμένη („ich bin mir bewusst, dass ich zu jeder Zeit mit dir zusammen sein will, aber weder die Götter noch das Schicksal haben sich unser erbarmt“). Der Hg. bemerkt zu diesem Brief: „Unfortunately this letter is only partially preserved, since several expressions used and the handwriting give the impression that we are dealing with a literary letter“ (Sijpesteijn, Letters 165, Abb. Tafel VI Nr. 4).
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Einleitung
̣ εῖν, ἐγὼ μέγα, καὶ εὔχομαι καθ᾽ ἡμέρα τοῖς θεοῖς πῶς | [δώσ]`ου´[μ]ικρὸν ε̣ἰδ [σι] τ̣α̣ [χ]ὺ τὴν εὐοδίαν τοῦ ἐλθεῖν. πάντα εἰς τὴν στρατειὰν (l. στρατιὰν) | [μετ᾽ εὐ]καιρείας [γ]είνεται. ἐὰν σχῶ τὴν εὐκαιρείαν ἔρχομαι πρὸς ὑ|[μᾶς] („wenn ich – nach dem Willen der Götter – eine Gelegenheit finde, mich darum zu bemühen, komme ich mit Briefen zu euch. Ich möchte, dass du weißt, dass es tatsächlich drei Monate sind, seit ich nach Pselkis gekommen bin, und ich habe noch keine Gelegenheit gefunden, um zu euch zu kommen. Ich fürchtete, jetzt zu kommen, weil sie sagen: ‚Der Präfekt ist unterwegs‘, dass er mir die Briefe wegnimmt und mich zur Truppe zurückschickt und ich vergebliche Kosten aufwende. Ich möchte aber, dass du das weißt, dass ich, wenn eine weitere Zeit von zwei Monaten verstreicht und ich nicht bis zum Monat Hathyr zu euch komme, achtzehn weitere Monate habe, um in der Garnison zu sitzen, bis ich nach Pselkis hinein komme und zu euch komme. Alle, die [zu euch] kommen, werden euch bezeugen, wie sehr ich täglich versuche zu kommen. Wenn ihr mich ein wenig sehen wollt, dann ich sehr, und ich bete täglich zu den Göttern, dass sie bald eine glückliche Reise gewähren, um zu kommen. Beim Militär läuft alles nach Gelegenheit. Wenn ich die Gelegenheit habe, komme ich zu euch“). Satornilos hat sich offensichtlich bemüht, als Bote mit Briefen an den Präfekten in Alexandria in Marsch gesetzt zu werden, und dafür einem befugten Vorgesetzten eine für ihn nicht geringe Summe Geld bezahlt. Er hofft nämlich, auf diesem Wege349 einen Abstecher zu den Seinen nach Karanis machen zu können. Der Augenblick für dieses Unterfangen muss aber gut gewählt werden, denn wäre er – wie er nun befürchtet – gerade jetzt in Marsch gesetzt worden, da der Präfekt auf dem Weg von Alexandria nach Pselkis ist, so wären die beiden notgedrungen unterwegs aufeinander getroffen, der Präfekt hätte ihm die an ihn zu übergebenden Briefe abgenommen, die Mission des Satornilos für erledigt erklärt und ihn zur Truppe zurückgeschickt; und damit wäre die erhoffte Gelegenheit, auf diesem Wege in Karanis vorbeizuschauen, vereitelt und seine Ausgaben wären umsonst gewesen. Beim Militär komme es eben immer, wie Satornilos in Z. 19–21 schreibt, auf eine gute Gelegenheit an. Und sobald er eine finde, werde er kommen.350 Die ausführliche Beschreibung seiner Sehnsucht und die wiederholte Betonung seines Bemühens, die Mutter zu besuchen, geht aber weit über eine sachliche Situationsschilderung hinaus. Ein weniger ausführliches Beispiel findet sich in einem Schreiben des Sempronius an seine Mutter Satornila – P.Mich. XV 751 (spätes 2. Jh. n. Chr.).351 Die Familie war im Fayum (vielleicht in Karanis) ansässig, Sempronius selbst bekleidete möglicherweise ein öffentliches Amt mit Sitz in Alexandria, wo er den Brief verfasst haben dürfte. Er schreibt an seine Mutter zu Hause352 und bringt seine Verwunderung (θαυμάζω – Z. 4) darüber zum Ausdruck, dass sie ihm nicht geschrieben hat;353 er habe nämlich weder durch einen Celer noch durch einen Sempronius einen Brief von ihr erhalten (Z. 5). Diese hätten dies allerdings damit begründet, dass er selbst ja
349 Also im Zuge des dem Amtswege vorbehaltenen cursus publicus (siehe dazu Kolb, cursus publicus, und unten S. 171). 350 Zu dieser Deutung des gesamten Briefes siehe Youtie, P.Mich. III 203. 351 Zum kleinen Archiv des Sempronius siehe bes. A. Papathomas in P.Heid. VII S. 117–118. 352 Vgl. dazu Rowlandson, Women 143. 353 Ähnlich in einem weiteren Brief an seine Mutter – SB III 6263,6–11 (spätes 2. Jh. n. Chr.).
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Zur Ausgangssituation von 2Kor
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auf Reisen war (Z. 5–8). Schon diese ersten Zeilen lassen deutlich erkennen, wie sehr Sempronius der Kontakt mit der Mutter und die Nachrichten über ihr Befinden am Herzen liegen. Der Abschnitt des Briefes, in dem Sempronius auf die anstehenden Angelegenheiten zu sprechen kommt, ist nur bruchstückhaft erhalten und deshalb unklar. Dass es sich zweifellos um wichtige Angelegenheiten handelt, geht u. a. aus Z. 26–30 hervor, wo Sempronius schreibt: [γρά]φω π̣ ερὶ τ[ούτων.] καὶ γὰρ ἐβουλόμην πᾶν ποιῆσε (l. ποιῆσαι) | κὲ ἐλθῖ[ν] πρὸς ὑμᾶς πρῶτον μὲν προσκυνῆσε (l. προσκυνῆσαι) σου `τὸ´ ἀγαθὸν | κα̣ ὶ φ[ι]λ̣ ότεκνον ἦθος, δεύτερον κὲ περὶ τούτων. οὐ νῦν | δὲ [ . .]ν εὗρον ἀφορμ[ήν], ἀλλὰ πρὸς ἀποδημίαν̣ ὢν ἔγραψά | σοι π̣ ερ̣ ὶ α̣ ὐ̣ τ̣ῶν τούτων („ich schreibe dir darüber. Und ich wollte nämlich alles tun und zu euch kommen, erstens um deiner gütigen und kinderliebenden Art die Ehre zu erweisen, zweitens auch wegen dieser Angelegenheiten. Jetzt aber fand ich keine … Gelegenheit, sondern, weil ich auf Reisen bin, schreibe ich dir eben darüber“).
Die Gründe, die Paulus in 2Kor für den vereitelten Besuch anführt, sind weder beruflicher noch gesundheitlicher Natur, sondern liegen unmittelbar in seiner aktuellen Beziehung zur Gemeinde (beachte bes. 1,23), die sich offensichtlich noch nicht ausreichend als verlässliche bewährt hat. Dafür lässt sich aus den Papyri zumindest ein anschauliches Vergleichsbeispiel anführen: P.Oxy.Hels. 48 (2.–3. Jh. n. Chr.) ist der Brief eines Ammon an seinen Geschäftspartner Dionysios (beide sind im Färbereigewerbe tätig). Gleich zu Beginn beklagt sich Ammon darüber, dass er selbst sich zwar täglich und unaufhörlich nach dem Wohlbefinden des Adressaten erkundige, dieser aber, wenn er an seine Schwester geschrieben habe, kein einziges Mal an ihn gedacht hätte (Z. 3–7); und Ammon fährt fort – Z. 7–11: ἕτοιμος οὖν ἤμην | ἐλθεῖν πρὸς σὲ ἡνίκα ἤμην ἐν | Βουβάστῳ, ἀλλ᾽ ἐπεί, ὡς πρόειπον, | περὶ ἐμοῦ οὐδὲν ἐπέστειλας, διὰ | τοῦτο ἐπέσχον („ich war nun bereit, zu dir zu kommen, als ich in Bubastos war, aber weil, wie ich schon sagte, du nichts über mich geschrieben hast, deswegen habe ich davon Abstand genommen“). Diese trotzige Reaktion ist aber keineswegs das letzte Wort, denn Ammon fügt unmittelbar anschließend hinzu, dass er kommen würde, wenn sich Dionysios sicher sei, an seinem Ort einen Kreditgeber zu finden, damit sie gemeinsam Wolle kaufen könnten (Z. 11–15).354 Offensichtlich geben aber die geschäftlichen Interessen355 nicht allein den Ausschlag dafür, dass der Briefsender bereit ist, dem Adressaten trotz Enttäuschung entgegen zu kommen. Die Übermittlung von Grüßen in Z. 20–24 weist auf enge private Beziehungen der beiden Familien hin: Ammon soll seinem Geschäftspartner die Grüße von dessen Mutter und Schwester bestellen sowie von einem Amoitas, der wohl im übertragenen Sinn als „Vater“ bezeichnet wird,356 einem Bruder Pathermuthis und einem gewissen Pallas. Ammon selbst lässt den Vater des Dionysios357 grüßen, nicht nur von sich, sondern auch von den bereits Genannten. Zu guter Letzt ist auch die Form des Schlussgrußes auf persönliche Art 354 Die Wendung εἰς συνωνὴν | ἐρίων in Z. 14–15 könnte auch als „Aufkaufen von Wolle“ verstanden werden. Zur Interpretation dieses Abschnitts siehe Inoue, Transfer 94–95. 355 Beachte die weiteren Anweisungen in Z. 15–20. 356 Beachte, dass sich auch Ammon selbst auf dem Verso als „Vater“ bezeichnet, in Z. 1 aber Dionysios – wohl ebenso im übertragenen Sinn – als „Bruder“ anschreibt. 357 Entsprechend dem Verso ist dies ein gewisser Parmenon.
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Einleitung
gegenüber einer üblichen Formel deutlich erweitert – Z. 25–27: ἐρρῶσθαί σε εὐχόμεθα πανο̣ ι|̣ κησίᾳ διὰ βίου πολλὰ πράσ|σοντα („wir beten, dass du – zusammen mit deinem ganzen Haus – wohlauf und ein Leben lang erfolgreich358 bist“).359
Dieses Beispiel weist eine wichtige Parallele zu 2Kor auf: mit dem aufgeschobenen Besuch wird gleichsam Beziehungspolitik betrieben. Dem Brief, der den Aufschub des Besuches kund tut und begründet, wird ein besonderer strategischer Wert zugewiesen; er tritt nicht nur als Ersatz an die Stelle des Besuches, sondern er soll auch etwas leisten, was der Besuch selbst gar nicht leisten könnte, indem er zugunsten der Beziehung etwas bewirken soll, bevor ein persönlicher Besuch stattfindet. Da der Sender ganz bewusst und aus Gründen, die in der Beziehung selbst liegen, den Besuch aufgeschoben hat, leistet ein derartiger Brief zweierlei: einerseits einen Ersatz für den Besuch, indem er etwa zu der Zeit, da der Besuch stattfinden sollte, den Kontakt aufrecht erhält, andererseits setzt er einen Impuls, durch den die andere Seite zu einer Handlung oder Einstellung veranlasst werden soll, die zu einer Besserung der Beziehung beiträgt – jedenfalls nach Ansicht des Briefsenders. Die Besserung, die sich der Absender erhofft und erwartet, bestünde in einem deutlichen Zeichen des Adressaten, dass er an einer guten persönlichen Beziehung in ähnlicher Weise interessiert ist wie der Briefsender selbst und dies auch aktiv unter Beweis stellt. Paulus betont, dass er deshalb (noch) nicht nach Korinth gekommen ist, weil er die Gemeinde schonen möchte. Dies mitzuteilen, ist nur durch den Brief möglich. Der Brief ist zwar weiterhin als Ersatz für den ausgebliebenen persönlichen Besuch zu sehen, indem er den Kontakt aufrecht erhält, gleichzeitig aber wird er zu dem persönlichsten zur Verfügung stehenden Instrument, mit dem Paulus zu erreichen versucht, die Gemeinde (wieder) für sich zu gewinnen, bevor ein persönlicher Besuch die größere Aussicht auf Erfolg hat. Unter diesem Aspekt ist 2Kor jener Brief des Paulus, dem ein unersetzbarer Wert im eigentlichen Sinne zukommt: dieser Brief hätte durch einen persönlichen Besuch nicht ersetzt und von seiner Intention her schon gar nicht besser ersetzt werden können.
358
Zu dieser Deutung von διὰ βίου πολλὰ πράσσοντα vgl. Lewis, Notationes 80–81. Weitere, zum Teil nur bruchstückhaft erhaltene Beispiele für die Erwähnung aufgeschobener oder vereitelter Besuche finden sich in PSI VIII 974, Verso 28–29 (Ende 1./Anfang 2. Jh. n. Chr.); P.Rain.Cent. 70,8–12 (2.–3. Jh. n. Chr.); P.Stras. IV 233,4–5.7–8 (2. Hälfte 3. Jh. n. Chr.); P.Lond. II 479 (S. 255),5–8 (3. Jh. n. Chr.?). 359
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Zur Ausgangssituation von 2Kor
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Die aktuelle Situation des Paulus in Makedonien und die Abfassung des 2Kor Wie bereits oben erwähnt,360 charakterisiert Paulus den in 2Kor 2,3–4 erwähnten Brief anders als jenen „Tadelbrief“, auf den er in 7,8.12 anspielt.361 Ersteren schreibt er in einer Situation der θλῖψις und συνοχή und „durch viele Tränen hindurch“. Besonders die Erwähnung der θλῖψις verweist zurück auf Kapitel 1, wo Paulus seine gegenwärtige Situation mit diesem Ausdruck beschreibt (vgl. 1,4; ferner in 1,6 mit dem Verb θλίβω). Der in 2,3–4 erwähnte Brief ist deshalb meiner Überzeugung nach der 2Kor selbst. Auch in 4,17 und 7,4 sowie in 8,1–2 nimmt Paulus erneut auf seine gegenwärtige Bedrängnis-Situation Bezug. Auf welche Art von aktueller „Drangsal“ er sich dabei bezieht, ist nicht eindeutig zu klären362 und vielleicht am besten als allgemeine Darstellung seiner grundsätzlichen Situation zu verstehen. Davon ist die in 1,8–10 etwas konkreter beschriebene Zeit in der Provinz Asia zu unterscheiden (zu den Deutungsmöglichkeiten siehe S. 207–212), die sich aber – dies deutet der für beide Situationen verwendete Begriff θλῖψις an – Paulus sosehr ins Gedächtnis eingebrannt hat, dass sie noch immer nachwirkt. Für eine deutlichere Erklärung der aktuellen Situation des Paulus in Madekonien kann auch der papyrologische Befund von θλῖψις bzw. θλίβω nichts beitragen: Mit θλῖψις („Bedrückung, Drangsal, Qual“) wird in den Papyri vor allem eine wirtschaftliche Notlage bezeichnet, die unverzügliche Maßnahmen erfordert (vgl. BGU IV 1139,4 mit BL VIII 42 [5 v. Chr.]; P.Erasm. I 6,11–12 [147 oder 136 v. Chr.]).363
Was den Gebrauch des Verbs θλίβω bzw. θλίβομαι364 in den Papyri betrifft, kann man im Wesentlichen zunächst von zwei Arten von Bedrängnis sprechen, einer Bedrängnis von außen und einer von innen. In den frühesten (ptolemäischen) Belegen liest man des Öfteren von Personen, die sich durch schwere oder zu viel Arbeit „unter Druck gesetzt“ fühlen, wie z. B. eine Gruppe von Steinbrucharbeitern in P.Petr. II 4 (7),3 (Mitte 3. Jh. v. Chr.): τ[ῶ]ν ἔργων τεθλιμμένοι ἤμεθα („wir waren von den Arbeiten unter Druck gesetzt“)365. 360
Siehe S. 156–157. Zum „Tadelbrief“ siehe oben S. 154–158. 362 Neben einer Inhaftierung, die aber wohl für den Aufenthalt in der Provinz Asia anzunehmen (vgl. 1,8) und bereits überstanden ist, wurden ein Aufstand oder Schiffbruch erwogen (vgl. Lietzmann, Kor 100–101) oder eine schwere Erkrankung (vgl. Meyer, 2Kor 16, sowie Grässer, 2Kor I 62, der auch eine „Kränkung in Korinth“[?] in Betracht zieht). 363 Siehe dazu ausführlicher R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 293–294. 364 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 365 Der Sprecher erwähnt im Folgenden seine „Bedrängnis“ durch eine in seinen Augen ungerechtfertigte Inhaftierung (vgl. Z. 3–4 mit BL I 350). Vgl. weiters SB XVIII 13881,7 (256 v. Chr.; von derselben Thematik) sowie P.Mich. I 55,29–30 (ca. 240 v. Chr.); im lückenhaften SB XXII 361
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Einleitung
Wirtschaftlich bedrängt sehen sich etwa die Zwillinge Thaues und Taus im Serapeum von Memphis366 aufgrund ausstehender Gehaltszahlungen, wie sie in einer Petition an das Königspaar angeben – UPZ I 42,22 (162 v. Chr.): ἡμῶν δὲ τοῖς δέουσι θλιβομένων („wir sind [durch den Mangel] am Notwendigsten in die Enge getrieben“).367 Erst ab dem 2. Jh. n. Chr. wird auch eine durch subjektive Gefühle bedingte innere Einengung thematisiert: Dies sind z. B. ein (schlechtes) Gewissen (συνείδησις – vgl. P.Mil.Vogl. I 27, Kol. I 14 [nach 26. Juni 129 n. Chr.]; P.Ryl. II 116,9–10 [194 n. Chr.]), Betrübnis über das Fehlverhalten eines Mitmenschen (vgl. P.Mich. VIII 473,26 [frühes 2. Jh. n. Chr.]), oder die Enttäuschung, keinen Brief von jemandem erhalten zu haben (vgl. P.Oxy. I 123,8–9 [3.–4. Jh. n. Chr.]).
Ähnlich unscharf und am ehesten mit den Andeutungen des Paulus vergleichbar erscheint die folgende Notiz in einem (teils lückenhaften) Brief aus dem 3. Jh. n. Chr.: In P.Amst. I 95,9–10 bemerkt der Absender ohne nähere Angaben ganz grundsätzlich: πάν̣ [υ] γὰρ θλίβομαι ἐ̣π̣ [ὶ] | πόλεως („denn ich werde in der Stadt völlig bedrängt“).
Wie besonders auf diesen letzten Beleg trifft auch auf Paulus zu, dass man für ein konkretes Verständnis von θλῖψις bzw. θλίβομαι die jeweilige Situation oder Vorgeschichte kennen muss. Bei Paulus geht es vom Zusammenhang her jedenfalls um eine Art der Bedrängnis, die sich als Konsequenz aus seinem Apostelamt ergeben hat und immer wieder ergibt.368 Die Papyrusbelege für Erwähnungen, etwas „unter vielen Tränen“ (διὰ πολλῶν δακρύων)369 zu schreiben, wie Paulus in 2,4 ferner betont, deuten in eine ähnliche Richtung. Den Beispielen ist gemeinsam, dass der Betroffene in einer äußerst misslichen, bedrängten oder bedrückten Lage steckt, die ihn deutliche Emotionen zeigen lässt.370 In P.Petr. II 1 (3. Jh. v. Chr.), dem Fragment einer Eingabe, gibt der Petent, ein älterer Mann, wie aus Z. 5 hervorgeht, an, er wende sich „unter Tränen“ an seinen 15276,3 (Mitte 3. Jh. v. Chr.) dürfte im Allgemeinen Stress eine Rolle spielen; θλίβω in aktiver Form (vom Quälen von Nutztieren mit Arbeit) in P.Tebt. II 423,8 (frühes 3. Jh. n. Chr.). 366 Näheres zu den Zwillingen Thaues und Taus S. 153 Anm. 310. 367 Vgl. in dem Zusammenhang auch UPZ I 45,14–15 (161 v. Chr.); ähnlich formuliert UPZ I 122,21–22 (nach 28. Dezember 157 v. Chr.) – τοῖς | ἀναγκαίοις θλίβεσθαι. Weitere Belege für ein „Bedrängen“ bzw. „Bedrängtwerden“ in wirtschaftlicher Hinsicht: P.Lips. II 124,30 (137 v. Chr.?); P.Tebt. I 124,17 (ca. 118 v. Chr.); P.Oxy. VI 898,33–34 (123 n. Chr.). 368 Grässer, 2Kor I 59, verweist auf die Passagen, die mit 4,7 bzw. 11,23 eingeleitet werden; damit zu vergleichen aber auch z. B. bereits 1Kor 3,9–13. 369 Der Begriff δάκρυον wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 370 Ähnliches belegen auch entsprechende Stellen in Briefen Ciceros und Plinius’ des Jüngeren (siehe dazu Becker, Tränen 366–373; vgl. dies., Paulus als weinender Briefschreiber 22–25). Beachte auch Beckers Wahrnehmung: „Der Brief ermöglicht wie sonst kein anderes literarisches Medium der Antike die Artikulation von Emotionalität, und d. h. die Offenbarung der Person des Absenders bei seinen Adressaten“ (Becker, Tränen 374; vgl. dies., Paulus als weinender Briefschreiber 24).
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Zur Ausgangssituation von 2Kor
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Adressaten (wohl den Epimeletes)371 – Z. 4 mit BL I 348: [σοὶ προσ]πίπτων μετὰ δακρύων. Aus dem bruchstückhaften Text geht hervor, dass dieser Mann gefangen gehalten wird (Z. 15) und dringend nach Hilfe sucht. Auch der Absender von BGU IV 1141 (14–13 v. Chr.?)372 scheint sich massiv bedrängt zu fühlen, wenn er poetisch seinem Kummer über ihm angetane Bosheiten Ausdruck verleiht, die er bereit wäre, ausführlicher, und zwar „mit Tränen“ (Z. 28: ἀπ̣ ὸ̣ τῶν δακρύων) zu schildern, „wenn“, wie er sagt, „es möglich wäre, dir Tränen zu schreiben“373 – Z. 27–28: ἠ (l. εἰ) ἦν δάκρυα | σοὶ γράφειν. Mitleid für eine nahe stehende Person dürfte in P.Mil.Vogl. I 24,20–21 (7. Dezember 117 n. Chr.) eine Rolle spielen, dessen Absender, wie dieser selbst berichtet, von einem Besucher „weinend unter vielen Tränen“ (κλαίοντα πλείστοις | δάκρυσιν) angetroffen wurde.374 In einem herbeiführenden Liebeszauber (ἀγωγή) wird der unglücklich Verliebte, der nun mit magischen Mitteln die Liebe seiner Angebeten erzwingen will, als einer beschrieben, der „die Reste seiner Nahrung mit Tränen vermischt hat und mit bitteren Seufzern“ – Pap.Graec.Mag. I 4,1405–6 (frühes 4. Jh. n. Chr.): ἐκ τῆς τροφῆς | ἑαυτοῦ καταλείψανα δάκρυσιν ἔμιξεν | καὶ στενάγμασιν πικροῖς.
Im Unterschied zum „Tadelbrief“ will Paulus mit dem aktuellen 2Kor – wie er in 2,3–4 gleich unmissverständlich klar machen möchte – nicht (mehr) verletzend sein, sondern seine übermäßige Liebe der Gemeinde gegenüber erfahrbar machen. Die geläufige Bezeichnung „Versöhnungsbrief“ für 2Kor (zumindest Kap. 1–9) ist zutreffend und von 2,3–4 her auch tatsächlich grundgelegt. Eine weitere Intention des aktuellen Briefes wird in 2,9 genannt, wo die Form ἔγραψα aus dem Zusammenhang heraus in notweniger Analogie zu V. 3–4 ebenfalls als Aorist des Briefstils aufzufassen ist:375 Paulus möchte durch den Brief die Bewährung der Gemeinde erkennen. Mit δοκιμή bringt er wohl neuerlich die Unsicherheit zum Ausdruck, die er in 1,23–2,1 bereits anklingen ließ mit dem Grundsatz, auf keinen Fall mehr „in Schmerz“ (ἐν λύπῃ) kommen zu wollen, womit er bereits angedeutet hat, dass er sich noch nicht sicher ist, wann der richtige Zeitpunkt bzw. die Sicherheit vorhanden sein wird, die Gemeinde besuchen zu können ohne Befürchtung einer neuerlichen λύπη, die sich durch den Eklat beim zweiten Besuch wohl auf beiden Seiten ins Gedächtnis eingebrannt hat (beachte 12,20–21). Was die Abfassungszeit betrifft, ist entsprechend der Chronologie von M. Gielen376 davon auszugehen, dass – unter Annahme einer Kompilation des 2Kor – die einzelnen Briefteile zwischen Juni und August/September 55 n. Chr. verfasst wurden. Die Annahme eines bereits ursprünglich in seiner Gesamtheit 371 372 373 374 375 376
Zu Z. 2 beachte P.Petr. III 36 (c). Der gesamte Brief wird oben S. 62–65 wiedergegeben. Übersetzungen nach Olsson, Papyrusbriefe 48. Zum Sachverhalt siehe genauer A. Vogliano in P.Mil.Vogl. S. 197. Vgl. auch Stegman, Reading, mit weitreichenden Implikationen dieser Interpretation. Siehe Gielen, Paulus II 66–72 (vgl. oben S. 149).
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Einleitung
abgefassten 2Kor würde bedeuten, dass dieser am Ende dieser Zeitspanne (also etwa August/September 55 n. Chr.) abgefasst wurde.377 Von papyrologischer Seite her ist festzuhalten, dass eine Datumsangabe nicht erhalten ist, was für sämtliche ntl. Briefe gilt. Da zahlreiche Papyrusbriefe erhalten sind, die nie mit einer Datumsangabe versehen wurden, ist nicht gänzlich sicher, dass Paulus alle seine Briefe oder wenigstens einige davon ursprünglich datiert hat. Sollte dies der Fall gewesen sein, wären die Datierungen im Zuge der Paulusbriefsammlung aus redaktionellen Gründen weggelassen worden.378
Die Verwendung von Sekretären durch Paulus Dass Paulus bei der Abfassung seiner Briefe zumindest bisweilen einen Sekretär verwendet hat, ist insbesondere durch Röm 16,22 erwiesen.379 In 2Kor findet sich kein ausdrücklicher Hinweis darauf, was aber nicht bedeutet, dass Paulus dafür keinen verwendet hat. Wie zahlreiche Papyrusbriefe belegen, war ein ausdrücklicher Hinweis gar nicht nötig, da man an der geänderten Schrift ohnehin einen solchen Wechsel relativ leicht erkennen konnte (siehe z. B. BGU I 37 [12. September 50 n. Chr.];380 P.Fay. 110 [11. September 94 n. Chr.]381). Die Schrift eines Sekretärs ist meistens bedeutend sorgfältiger gehalten als jene des eigentlichen Briefsenders, der in einem solchen Fall den Brief nur mit dem Schlussgruß (und einer eventuell darunter gesetzten Datierung) unterfertigt. Da von den Paulusbriefen keine Originale erhalten sind, sind uns derartige Hinweise nicht mehr zugänglich.382 377
Becker, 2. Korintherbrief 219, sieht als mögliche Abfassungszeit den Zeitrahmen 55–56/57
n. Chr. 378 So vor allem Deissmann, Licht 138 Anm. 8; Trobisch, Entstehung 96–97. – Beachte aber, dass z. B. zahlreiche Cicero-Briefe einschließlich der Datierungen überliefert wurden, z. B. Cic. Att. 1,12–16. Dass in anderen die Datierungen vom Herausgeber weggelassen wurden, stellt Büchner, Art. M. Tullius Cicero 1209, in Frage. 379 Zur Problematik, die Formel „mit eigener Hand“ (siehe 1Kor 16,21; Gal 6,11; vgl. Kol 4,18) als eindeutigen Hinweis auf einen Schreiberwechsel (von einem Sekretär zu Paulus selbst) zu deuten, siehe kurz P. Arzt-Grabner in ders./Kritzer u. a., 1. Korinther 521. Zur von den Papyrusdokumenten her erwiesenen Tatsache, dass die Formel „mit eigener Hand zu schreiben“ in Phlm 19 nichts mit einem Schreiberwechsel zu tun hat, siehe Arzt-Grabner, Philemon 242–243 (anders zuletzt Bauer, Paulus 165). 380 Siehe die Abb. 26 und 27 bei Deissmann, Licht 137. 381 Siehe dazu die Neuedition von Arzt-Grabner, Alltag 121–122, und die Abb. im Internet: (1. März 2013). 382 Siehe dazu bereits Arzt-Grabner, Philemon 242–243. Zur Verwendung eines Sekretärs bei Paulus siehe Moulton/Turner, Grammar IV 99–100, und ausführlich: Richards, Secretary (beachte dazu aber die Rezension von Arzt); ders., Paul (bes. 59–93; die Rolle eines Sekretärs wird hier m. E. überbewertet); Blumell, Scribes; ders., Christians 23–25.236; Bauer, Paulus 372– 373.
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Zur Ausgangssituation von 2Kor
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Die Überbringer des 2Kor Da die von Augustus im ausgehenden 1. Jh. v. Chr. eingerichtete Kommunikations- und Transporteinrichtung, die später unter der Bezeichnung cursus publicus bekannt wurde, den Interessen des Staates vorbehalten war,383 musste die Zustellung privater Briefe auf persönlichem Wege organisiert werden.384 Häufig wurden die geschäftlichen oder privaten Reisen von Mitgliedern der Familie oder des Bekanntenkreises dazu genutzt, Kontakte in brieflicher Form zu pflegen. Spontane Möglichkeiten dieser Art385 waren zumindest offen für kurze Nachrichten und den Austausch philophronetischer Formeln, während die Übermittlung längerer Briefe entweder vorbereitet oder für sich selbst durchgeführt werden musste. Wer es sich leisten konnte, griff auf spezielle Briefboten zurück. Wem dies nicht möglich war, der musste eine günstige Gelegenheit abwarten, einen – vielleicht längst geschriebenen – Brief auch tatsächlich „abschicken“ zu können. Ein Beispiel unter vielen, das in seiner Kürze sehr komplex ist, stellt das bereits oben (S. 140) erwähnte Ostrakon O.Claud. II 250 (Mitte 2. Jh. n. Chr.) dar. Der Absender, ein gewisser Petenephotes aus Tiberiane (heute Wadi Barud)386, übersendet zusammen mit dem Ostrakon zwei zusammengebundene Briefe an seinen Bruder Valerius nach Mons Claudianus, das in damaliger Zeit zu Fuß in ein paar Stunden erreichbar war. Die beiden Briefe stammen aber nicht von Petenephotes selbst, sondern von einem gewissen Heraiskos. Petenephotes bittet nun seinen Bruder, besagte Briefe an einen Hierax ins Nildelta zu schicken, sobald er dafür einen Briefboten finde. Offenbar erwartet sich Petenephotes, dass es seinem Bruder in Mons Claudianus leichter und eher als ihm selbst möglich sein wird, einen Boten ausfindig zu machen, der ins Nildelta reist.
Für die Paulusbriefe sind grundsätzlich beide Möglichkeiten denkbar: die Übersendung eines Briefes, sobald dafür ein Überbringer zur Verfügung stand, 383 Siehe dazu Kolb, cursus publicus; St. R. Llewelyn in New Docs. VII S. 13–22. Auf diesem Wege auch private Sendungen laufen zu lassen, wurde freilich von jenen manchmal genützt, die für die militärische und amtliche Post zuständig waren und diese missbräuchliche Verwendung des cursus publicus somit am ehesten verschleiern konnten (ein anschauliches Beispiel ist P.Mich. III 203 [114–116 n. Chr.]; siehe dazu oben S. 163–164). 384 Siehe dazu Klauck, Briefliteratur 66–69 (= Letters 60–65; jeweils mit Literaturangaben); St. R. Llewelyn in New Docs. VII S. 26–47, der Beispiele für die unterschiedlichen Möglichkeiten anführt, eine korrekte Zustellung zu gewährleisten (Angaben auf einem separaten Etikett, einem separaten Papyrusblatt oder auf der Rückseite des Briefes). 385 So ausdrücklich gegen Ende von P.Berl.Cohen 14 (2. Hälfte 2. Jh. n. Chr.), wo der unbekannte Absender erwähnt, dass er die spontane Gelegenheit nützt, einem gewissen Valerius Rufus einen Brief an den Adressaten mitzugeben – 18–20: ἔγραψα τὴν ἐπισ|[τολὴ]ν σο̣ ι ̣ ἵνα διὰ Οὐαλερίου Ῥούφου σοι πέμ|[πω] („ich schreibe dir den Brief, damit ich [ihn] durch Valerius Rufus sende“). Offenbar gibt er auch noch einen zweiten Brief mit, den der Adressat weiterleiten soll, ̣ ̣ ι τὴν ἐπ̣ ιστολὴν | [Μάρ]κου τοῦ σημιαφόρου wie aus Z. 17–18 hervorgeht: ἀ[ν]αδώ̣ σ̣ ε̣[ι]ς Ἑρμίω („gib Hermias den Brief des Marcus, des signifer“). 386 Zur Lage des Ortes siehe A. Bülow-Jacobsen in O.Claud. II S. 70.
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Einleitung
oder – vor allem in dringenden Fällen – die Beauftragung eines Boten, sobald der Brief geschrieben war.387 Als Überbringer von 2Kor können aufgrund von 2Kor 8,16–23 drei Mitarbeiter des Paulus angenommen werden, von denen aber nur einer, Titus, namentlich genannt und als der Gemeinde bekannt vorausgesetzt wird. Was ihn betrifft, kann sich Paulus damit begnügen, seinen großen Eifer zu erwähnen, der Titus dazu veranlasste, sich aus freien Stücken als Briefbote zur Verfügung zu stellen. Im Unterschied zu ihm werden die beiden anderen Mitglieder der Gesandtschaft, wie es scheint, zum ersten Mal nach Korinth gesandt. Ihre Charakterisierung erinnert nämlich deutlich an die Beschreibung von Personen, die durch Empfehlungsbriefe388 einem Briefempfänger gegenüber beschrieben und ihm anempfohlen werden. Die Verwendung eines Aorists des Briefstils (V. 17 ἐξῆλθεν, V. 18 und 22 συνεπέμψαμεν, ferner 9,3 ἔπεμψα) im Zusammenhang mit der aktuellen Entsendung eines Briefboten entspricht den Gepflogenheiten (siehe z. B. in den unten zitierten Papyrusbriefen).389 Dass die Überbringer von Briefen nicht namentlich genannt werden mussten, liegt ebenfalls in der Natur der Sache und begegnet in Papyrusbriefen als nichts Außergewöhnliches.390 Die Überbringer von Briefen waren ja als solche den Adressatinnen und Adressaten bereits bekannt, bevor diese die überbrachten Nachrichten lesen konnten; sie standen ja leibhaftig vor ihnen. Dieser banale Umstand gilt auch für 2Kor: als der entsprechende Passus vor der Gemeinde verlesen wurde, waren die drei Überbringer des Schreibens längst als solche bekannt. Wichtiger als deren Namen war die Nennung ihrer Vorzüge und Legitimationen, denn diese waren nicht selbstverständlich, sondern sollten ihnen und damit auch den überbrachten Nachrichten Zuverlässigkeit und Autorität verleihen. Die Charakterisierungen erinnern – wie bereits erwähnt – an Empfehlungsbriefe und die dortigen Beschreibungen der Personen, für die sich der Absender verbürgt,391 doch geht es im Falle von 2Kor 8–9 nicht um 387
Collins, Reflections 45, hat die Länge von 1Kor im Zusammenhang mit den oft großen Problemen in der Antike, private Briefe zu übermitteln, zu erklären versucht, indem eine längere Wartezeit auf einen geeigneten Boten zur Länge und zum vielfältigen Inhalt des Schreibens beigetragen haben könnte. Siehe dazu P. Arzt-Grabner in ders./Kritzer u. a., 1. Korinther 30. 388 Siehe ausführlicher zu diesem Brieftyp den Exkurs S. 270–276. 389 Vgl. Koskenniemi, Studien 193–194. – Eine Perfektform begegnet in derselben Funktion in P.Horak 26,2–6 (8. September 222 oder 17. September 260 v. Chr.): ἀπέσταλκά σοι | Γλαῦκον τὸν καὶ τὴν | ἐπιστολήν σοι κομί|ζοντα, ὅπω̣ ς̣ παρακο|μίσηι ἡμῖν τὸ μάραθον („ich schicke dir Glaukos, der dir auch den Brief überbringt, damit er uns den Fenchel herbeibringt“). Zum Perfekt des Briefstils siehe Koskenniemi, Studien 195–197 (speziell zu ἀπέσταλκα S. 196–197). 390 So wird z. B. in O.Claud. II 239,6–7 (Mitte 2. Jh. n. Chr.) und SB XIV 11580,8–10 (2.–3. Jh. n. Chr.; siehe dazu ausführlich S. 174–175) ausdrücklich auf die Briefboten hingewiesen, ohne aber deren Namen zu nennen; ähnlich P.Oxy. X 1295,14–15 (2./frühes 3. Jh. n. Chr.). 391 Weniger wahrscheinlich ist es, dass Paulus zum Zeitpunkt des Schreibens dieser Zeilen sich erst darüber klar war, genau zwei Brüder mit Titus mitzuschicken, aber noch nicht entschieden hatte, welche beiden. Die Form χειροτονηθείς in 8,19 müsste in diesem Falle in dem Sinn verstanden werden, dass die Wahl der beiden durch die Gemeinde zum Zeitpunkt der Abfassung dieser Zeilen noch bevorstand.
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Zur Ausgangssituation von 2Kor
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eine Empfehlung der genannten Dreiergruppe als vielmehr um deren Beglaubigung, durch die sie als für die Durchführung der beschriebenen Aufgaben Befugte ausgewiesen werden. Wenn Briefboten derart hervorgehoben werden, hat dies aber noch eine andere Bedeutung, die unmittelbar mit der Funktion des überbrachten Briefes zusammenhängt. Der Brief stellt, wie bereits beleuchtet, häufig nur einen Ersatz für die persönliche Anwesenheit der Absenderin oder des Absenders dar. Bisweilen wird versucht, diesen Mangel auch dadurch etwas auszugleichen, dass Boten als Stellvertreter für die Briefsenderin oder den Briefsender fungieren, also am Ort der Adressatinnen und Adressaten deren Aufgaben übernehmen sollen.392 Im Falle des 2Kor trifft dies vielleicht sogar in besonderer Weise zu. Der Grund dafür dürfte dann nicht nur im schwächeren persönlichen Auftreten des Paulus gelegen haben (vgl. 2Kor 10,10), sondern auch in der angespannten Beziehung zwischen dem Apostel und seiner Gemeinde (beachte 12,20–21, aber auch 1,23–2,9), in der ein Brief und der als Stellvertreter des Paulus entsandte Titus393 eher vermittelnd wirken konnte als Paulus selbst.394 Deutliche papyrologische Beispiele für Briefboten, die stellvertretend für die Briefsenderin oder den Briefsender bei den Adressatinnen und Adressaten wirken sollten, sind nicht sehr zahlreich.395 Dies mag damit zusammenhängen, dass die stellvertretende Funktion des Boten als solche nicht ausdrücklich erwähnt werden musste oder auch mündlich klargestellt werden konnte. Einer derartigen mündlichen Erläuterung bedurfte wohl auch das folgende Ostrakon, das zwischen der Mitte und dem Ende des 2. Jh. n. Chr. verfasst worden sein dürfte. Obwohl es vollständig erhalten ist, ist seine Deutung aufgrund des äußerst knappen Stils schwierig.
392 Siehe auch Betz, 2. Korinther 147–148, und Mitchell, Envoys (mit ausführlichen Literaturangaben zur gesamten Thematik), die für ihre Darstellung zahlreiche literarische Quellen und einige dokumentarische Papyri auswertet. Zu den besonderen Funktionen von Briefboten in Papyri aus Oxyrhynchus siehe Head, Named Letter Carriers; zu Briefboten in antiken jüdischen Briefen siehe ders., Letter Carriers. – Auch im juristischen Bereich ist die Stellvertretung eine bekannte Einrichtung, die im Falle der persönlichen Verhinderung in Form einer Petition beantragt werden konnte; siehe z. B. bereits in der Enteuxis P.Tebt. III.1 770 (vor 2. Juli 210 v. Chr.; beachte Z. 8–10) oder in der privaten Vollmachtsurkunde P.Oxy. III 509 mit BL I 325 (spätes 2. Jh. n. Chr.). Siehe dazu grundsätzlich Wenger, Stellvertretung (bes. 186–267; zu P.Oxy. III 509 siehe 188–193). 393 Betz, 2. Korinther 147–148, meint, dass die Bevollmächtigung des Titus durch Paulus vor allem durch das ὑπέρ am Beginn von 8,23 deutlich gemacht wird, „das anscheinend in einem speziellen verwaltungstechnischen und rechtlichen Sinne gebraucht wird“ (147). Dabei wird vor allem auf die sog. Agrammatos-Formel (ὁ δεῖνα ἔγραψα ὑπὲρ τοῦ δεῖνα) verwiesen, die m. E. für den paulinischen Kontext aber nicht relevant ist. Auch bleibt für mich fraglich, inwieweit ὑπέρ an der genannten Stelle überhaupt eine Bevollmächtigung ausdrückt (Betz selbst übersetzt „Betreffend Titus“ [80]). 394 Vgl. Mitchell, Envoys 641–643. 2Kor 7,5–16 belegt dies für die Vorgeschichte des 2Kor. 395 Siehe dazu auch Arzt-Grabner, „I Was Intending to Visit You, but …“ 229–231; Richards, Paul 200–204.
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Einleitung
Der Text von SB XIV 11580 lautet: Θέσιδι Διτύμη (l. Διδύμη) χαίρειν. | ἑτεμάκην (l. ἡτοιμάκειν) αἰματὴν (l. ἐμαυτὴν) ἐρθῖν (l. ἐλθεῖν). | Ἀπολλῶς ἀδὼς (l. αὐτὸς) ἤρηγέ (l. εἴρηκέ) μοι | ἐρθὼν (l. ἐλθὼν) μεθ᾽ ὑγείας ἔρθου (l. ἔλθου) | εἰς{ζ} οἶκόν σου ὡς δέκῃς (l. τέκῃς). | ἠὰν (l. ἐὰν) θέλῃς, γράψον | ἐπὶ μαὶ (l. μὲ) καὶ ἐρχο{ν}|μαι. ὁ τίτων (l. δίδων) σοι | τὸ ὄστρακον δοῦ̣ |το (l. τοῦ̣ το) αὐτός μοι | ἤρηγαι (l. εἴρηκε) μεῖ|νον ἐκεῖ|{ν}. Die Hauptschwierigkeit der Deutung dieses Ostrakons liegt darin, dass die Interpunktionen und insbesondere die Abgrenzungen der direkten Reden unsicher sind. Der Hg. des Briefes, J. Shelton, übersetzte: „Didyme to Thesis,396 greeting. I had got myself ready to come. Apollos himself said to me as he left, ‚with health, come to your house to have your baby‘. If you want, write me and I’ll come. The bearer of this ostracon said ‚stay here‘.“397 Nach Shelton schreibt Didyme hier an ihre Mutter, zu der sie auf den Ratschlag ihres Ehemannes Apollos hin reisen soll, um dort ihr Kind zur Welt zu bringen. Der Überbringer des Ostrakons habe ihr aber davon abgeraten, so dass sie nun die Entscheidung ihrer Mutter überlassen wolle.398 Zu einer ähnlichen Deutung sind mittlerweile R. S. Bagnall und R. Cribiore gekommen, auch wenn sie den Text etwas anders übersetzen und die direkte Rede, die Apollos in den Mund gelegt wird, nach ihrer Interpretation länger ausfällt: „Didyme to Thesis, greeting. I had prepared myself for coming. Apollos himself told me as he was leaving, ‚If you are well go to your home to give birth; if you want, write to me and I will come.‘ The bearer of this ostracon told me, ‚Remain there.‘“399 Beide Übersetzungen und Deutungen bringen nicht zum Ausdruck, dass tatsächlich die Adressatin an erster Stelle genannt wird, was in privaten Briefen nicht sehr häufig vorkommt und in jedem Fall eine Geste der Ehrerbietung darstellt. Dass hinter Thesis die Mutter der Absenderin zu sehen ist, ist daher sehr wahrscheinlich. Ihre Nennung an erster Stelle ist ferner mit größter Wahrscheinlichkeit als Hinweis darauf zu deuten, dass sich Didyme mit einem großen Anliegen an die Adressatin wendet. Das einzige Anliegen, das in diesem Ostrakon – wenigstens andeutungsweise – zum Ausdruck gebracht wird, ist Didymes Absicht, die Mutter zu besuchen. Der Rat des Apollos geht in dieselbe Richtung. Verwunderlich wäre nun, wenn ausgerechnet der Überbringer des Ostrakons zu dieser Absicht im Widerspruch stünde. Ich deute den Text daher folgendermaßen: Didyme möchte zu ihrer Mutter nach Hause reisen, um dort ihr Kind zur Welt zu bringen. Hintergrund dieses Wunsches ist möglicherweise, dass ihr Ehemann Apollos abreisen musste und in dieser Zeit nicht bei seiner Gattin sein kann. Offensichtlich fällt es Didyme schwer, die Mutter einfach und gerade heraus zu bitten, zu ihr kommen zu dürfen. Sie versteckt sich gleichsam hinter den Empfehlungen ihres Mannes und des Boten, der den Brief überbringt. Dieser hatte offensichtlich auch noch persönlich die Möglichkeit oder sogar die Aufgabe, Didymes Bitte vorzutragen und zu erläutern. Mein Übersetzungsvorschlag lautet: „An Thesis von Didyme, Gruß. Ich hatte mich vorbereitet zu kommen. Apollos selbst hat zu mir gesagt, als er ging: ‚Solange du bei Gesundheit bist, geh in dein Haus, damit du gebierst!‘ Wenn du willst, schreib mir, und ich komme! Derjenige, der dir das Ostrakon gibt, hat gesagt: ‚Bleib dort!‘“ Das
396 397 398 399
Die Reihenfolge im griechischen Text ist umgekehrt; siehe dazu unten. Shelton, Private Letters 262. Vgl. Shelton, Private Letters 261–262. Bagnall/Cribiore, Women’s Letters 284.
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Zur Ausgangssituation von 2Kor
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Adverb ἐκεῖ bezeichnet üblicherweise einen vom Subjekt entfernten Ort („dort“)400 und bezieht sich somit nicht auf den gegenwärtigen Aufenthaltsort der Didyme (im Sinne von „hier“), sondern auf denselben Ort, der in Z. 5 mit οἶκόν σου beschrieben wird, also auf den Aufenthaltsort der Adressatin Thesis.
Ist meine Deutung richtig, so liegt hier – trotz aller Einfachheit des Briefleins – eine schöne Parallele zu 2Kor vor: Die Absenderin möchte mit dem Ostrakon ihren Besuch vorbereiten, den sie bereits antreten wollte. Der Briefbote überbringt nicht nur das Schreiben mit dem damit verbundenen Anliegen, er fungiert wohl auch mündlich als Stellvertreter der Absenderin.401 Ein weiteres Beispiel stammt aus zeitlicher Nähe zu Paulus: Gleich am Beginn seines Briefes an einen Sarapion schreibt ein gewisser Zosimos – BGU III 830,3–7 mit BL I 70 (1. Jh. n. Chr.): δ[ιε]πεμψάμην σ[οι τὸ]ν ἐμὸν | ἄνθρωπον, ὅπ[ως] καλῶς | ποιήσις συμβαλὼν χάρ[ακα] | περὶ τοῦ ἐ̣[λαιῶν]ος ἰδίου | αὑτοῦ τοῦ ἐνθάδε („ich schicke dir meinen Mann, damit du bitte einen Zaun um meinen eigenen Olivenhain dort legst“). Die Aoristform διεπεμψάμην ist wohl als Aorist des Briefstils aufzufassen, was bedeutet, dass der genannte ἄνθρωπος zusammen mit diesem Brief losgeschickt wurde. Wie aus den folgenden Zeilen hervorgeht, hat Zosimos zuvor vom Pächter des Olivenhains die Nachricht bekommen, dass er von den Steuereinnehmern wegen dieser Auflage, nämlich den Zaun anzulegen, gemahnt wurde; Zosimos habe daraufhin versprochen, sich um die Sache zu kümmern. Die praktische Durchführung soll also nun der Briefbote (gemeinsam mit dem Adressaten) übernehmen. Der Brief enthält aber noch ein weiteres – zumindest indirektes – Beispiel für die Stellvertreterfunktion eines Briefboten. Wie Zosimos schreibt, ist ihm die Nachricht des Pächters über die Mahnung der Steuereinnehmer durch den Kameltreiber Sokrates zusammen mit der Aufforderung überbracht worden – Z. 12–13: πρόσ|χες (l. πρόσσχες) αὐτῷ, ἄχρις ἄν σοι ἔλθω („nimm dich dessen an, bis ich [also der Pächter selbst] zu dir komme“). Über seine Reaktion schreibt Zosimos – Z. 13–15: καὶ | ἐγὼ ὑπεσχόμην αὐτοῖς τὸ | πρᾶγμα ὡς αὐ[το]ῦ ἐρχομένου („und ich versprach ihnen die Angelegenheit, als ob er selbst gekommen wäre“). Zosimos bestätigt damit, dass er den Boten Sokrates als vollgültigen Vertreter seines Senders wahrgenommen und anerkannt hat.
Die deutlichsten Beispiele finden sich in einem Brief aus dem Zenon-Archiv sowie in privaten Briefen des 2. bzw. 3. Jh. n. Chr.: Im geschäftlichen Brief P.Iand.Zen. 24 (nach 21. Juni – 20. Juli 248 v. Chr.) geht es um ausbleibende Lohnzahlungen, über die ein gewisser Korrhagos einem Proxenos Bericht erstattet. Er meldet, dass er mittlerweile den Sklaven Thrason, der die Löhne in Empfang nehmen sollte, gefesselt habe vorführen lassen, und schreibt – Z. 6–7: περὶ μὲν οὖν τούτων ὁ τὴν ἐπιστολήν σοι ἀποδιδοὺς Διογένης ἐντεύξεται | ὢν οἰκεῖ{υ}ος μου, ἐντεύξεται δέ σοι καὶ Ζήνων („darüber wird sich nun Diogenes, der dir den Brief übergibt, an dich wenden – er ist mein Hausgenosse –, und auch 400
So auch die Übersetzung von Bagnall/Cribiore, Women’s Letters 284 („there“), aber ohne zu erkennen, dass damit beide Ratschläge in dieselbe Richtung gehen. 401 Zu dieser Funktion siehe auch Head, Named Letter Carriers 288–289.
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Einleitung
Zenon wird sich an dich wenden“). Und nach einigen weiteren Details fügt Korrhagos am Schluss, unmittelbar vor dem knappen Schlussgruß ἔρρωσο, noch hinzu – Z. 10: τὰ δὲ ἄλλα ὁ φέρων σοι τὴν ἐπιστολὴν ἐρ`ε´ῖ („das andere wird dir derjenige, der dir den Brief bringt, berichten“). Ein gewisser Horion schreibt im 2. oder 3. Jh. n. Chr. an einen Heron – P.Lips. I 108,3–9: ἐπεὶ ὁ υἱός μου Διονύσιος ὢν παρ᾽ ἐμοὶ | ἔγραψέ σοι, ὡς ἐμοῦ μέλλοντος ἐλθεῖν | πρός σε καὶ οὐκ ἠδυνήθην διὰ τὸ ἐμὲ | μετρείως ἔχοντα, ἔπεμψα δέ σοι | τὸν ἀδελφὸν αὐτοῦ Δίδυμον ποιοῦν|τά μου τὸν τόπον ὡς ἐμοῦ ὄντος παρά | σοι („weil mein Sohn Dionysios, der bei mir ist, dir schreibt, dass ich die Absicht hatte zu dir zu kommen und nicht konnte, weil es mir mäßig geht, schicke ich dir aber seinen Bruder Didymos, damit er meinen Platz einnimmt, als ob ich bei dir wäre“). Deutlicher kann eine stellvertretende Funktion nicht beschrieben werden, obwohl der Absender nicht einmal angibt, welche konkrete Aufgabe Didymos nun für ihn übernehmen soll.402 Horion fühlt sich offenbar so schlecht, dass er nicht selbst schreiben kann, sondern den Brief seinem Sohn diktiert,403 der zu Besuch gekommen ist. Dessen Bruder Didymos fungiert als Briefbote.404 Zum Heroninos-Archiv gehört P.Flor. II 156 (249–268 n. Chr.); der Brief stammt von Alypios und ist an seinen „Herrn“ Heroninos adressiert; er lautet – Z. 2–10 mit BL I 150: ἐβουλόμην μὲν καὶ αὐτὸς ἐλθεῖ(ν) | διὰ σοῦ ἵνα καὶ τὰ κτημάτια τὰ | `ἀμπελικὰ´ ⟦ἐλαϊκὰ⟧ ἐφίδω καὶ τὴν συγκομι|δήν σου καὶ τὴν τοῦ χόρτου πρό|νοιαν γνῶ, ἀλλ᾽ ἐπεὶ ἤπειξέν με | ἀνελθεῖν ἐν τῇ πόλει τινὰ ἀναγ|καῖα ἀπέστειλα ̣ ̣ο̣ μ̣ έ̣[νῳ Φίλιππον ⟦τὸν | βοηθόν μου⟧, ἵνα πάντα ἐπί[δῃ καὶ] | μεταδῷ μοι ἐπε̣ιγ - - - ] („ich wollte zwar auch selbst bei dir vorbeikommen, damit ich auch die Weingüter beaugenscheinige und deine Erntearbeit und die Vorkehrung für das Heu erkenne, aber weil mich bestimmte Notwendigkeiten drängten, in die Stadt zu gehen, sende ich Philippos405, damit er alles beaugenscheinigt und mir, der ich gedrängt bin, mitteilt …“; danach bricht der Papyrus ab). Ein gewisser Heras schickt seinen Sklaven Harpochras mit dem Privatbrief P.Oxy. LI 3644 (3. Jh. n. Chr.) zu seinem Vater Papontos (so ausdrücklich Z. 3–4). Kern des Briefes sind Nachrichten über eine gewisse Syra, die von einer anderen Frau bei einer Auseinandersetzung schwer verletzt wurde und noch im Bett bleiben muss. Unmittelbar vor dem Schlussgruß schreibt Heras – Z. 26–28: ἐρῖ συ (l. σοι) δὲ Ἁρπω|χρᾶς ἃ ἤκουσεν ἐν τῇ πώλει (l. πόλει) ἃ ἔπρα|ξ̣ εν πράγματα („Har-
402
Auf den zitierten Abschnitt folgt nur noch die Übermittlung von Grüßen und der Schluss-
gruß. 403 Die Form ἔγραψε verstehe ich als Aorist des Briefstils und beziehe sie somit auf den aktuellen Brief, den der Sohn für den Vater schreibt. 404 Auch die Form ἔπεμψα ist als Aorist des Briefstils aufzufassen. – Dass der Überbringer des Briefes, Didymos, als Bruder des Schreibers und nicht als Sohn des Absenders bezeichnet wird, muss nicht notwendigerweise bedeuten, dass er der Sohn eines anderen Vaters und somit der Halbbruder des Dionysios war. Der Hinweis mag aus der Warte des Schreibers formuliert worden sein, also des Bruders. – Einen ähnlichen Sachverhalt, was die Entsendung eines Stellvertreters betrifft, belegt auch der private Brief einer Helene an ihren Bruder, der u. a. einem gewissen Petechon ausrichten soll – P.Oxy. VII 1067,20–23 (3. Jh. n. Chr.): εἰ οἶδες ὅτι οὐ μέλλεις | ἐλθεῖν, πέμψον μοι | τὸν ἀδελφόν σου | Κάστορα („wenn du weißt, dass du nicht kommen wirst, sende deinen Bruder Castor!“). 405 Der Zusatz „meinen Helfer“ wurde vom Schreiber getilgt.
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Die Gliederung des 2Kor
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pochras aber wird dir berichten, was er in der Stadt gehört hat, welche Taten sie verübt hat“)406. Der Überbringer von PSI XII 1247, Verso (3. Jh. n. Chr.) ist vermutlich der im Postskriptum erwähnte Diogenes. Absenderin ist eine gewisse Ammonus, die den ausschließlich philophronetisch gehaltenen Brief an ihren Vater und ihren Bruder diktiert, bevor sie ab Z. 13 eigenhändig Grüße ausrichten lässt, den Schlussgruß mit gewählten Worten niederschreibt und ein Postskriptum anfügt. Darin erwähnt sie nur das Faktum, dass sie von einem Soldaten in einer geschäftlichen Sache belästigt wird, und fügt hinzu – Z. 17–18: ἐρῖ | οὖν σοι τὸ πρᾶγμα Διογένης („die Angelegenheit also wird dir Diogenes berichten“).407
Die drei von Paulus entsandten Überbringer des 2Kor werden noch mit einer ganz konkreten Aufgabe betraut, die Paulus ausdrücklich in 9,3–5 beschreibt: sie sollen ihm vorausreisen, um die Kollekte für die Gemeinden Judäas vorzubereiten, damit diese bereit liegt, wenn Paulus mit den Leuten aus Makedonien kommt (siehe dazu auch die Einleitung zu 2Kor 8–9, unten S. 391–410).
Die Gliederung des 2Kor Die Struktur des Briefes lässt sich am besten verstehen, wenn man beachtet, in welchen Punkten Paulus in der gegenwärtigen Briefsituation von Konventionen abweicht, die ihm zwar durchaus zur Verfügung gestanden wären, aber seinen eigentlichen Anliegen offenbar nicht entsprochen hätten. Dies hängt auch ganz unmittelbar mit seiner aktuellen Sicht des Verhältnisses zur Gemeinde von Korinth zusammen. Wie bereits geschildert, besteht seine Situation darin, dass er sich in Makedonien befindet, den Eklat beim vorhergehenden Besuch der Gemeinde noch nicht vollends überwunden hat (dies ist erkennbar an der Befürchtung, es könnte noch einmal zu einer leidvollen Erfahrung kommen),408 aber soeben durch Titus erfreuliche Nachrichten aus Korinth erhalten hat. Als wichtiges Anliegen steht der Abschluss der Kollekte für die Gemeinden in Judäa an. Ein konventioneller Brief könnte in dieser Situation durchaus so aussehen: auf einen Eingangsgruß könnte ein Dank an Gott für die guten Nachrichten folgen,409 der Hauptteil könnte aus den Gedanken über und die Anleitungen 406 Nach dem Schlussgruß und dem Tagesdatum folgt noch ein Postskriptum, das an den linken Rand des Papyrus geschrieben ist. 407 Siehe zu diesem Brief auch Bagnall/Cribiore, Women’s Letters 393–394. 408 Beachte 2Kor 2,1.3. 409 Beachte, dass dafür genau an der korrekten Stelle (nämlich 2Kor 2,14) mit τῷ δὲ θεῷ χάρις ein Ansatz gegeben ist, da ja zeitlich genau anschließend an die Abreise nach Makedonien (erwähnt in 2,13) das Zusammentreffen mit Titus und der Erhalt der erfreulichen Nachrichten erfolgte (siehe 7,5–16). Der Dank in 2,14 wird aber – durchaus überraschenderweise, gleichzeitig aber ganz bewusst (siehe unten) – nicht damit verbunden, sondern mit der eigenen Beauftragung zur διακονία καινῆς διαθήκης.
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Einleitung
zum Abschluss der Kollekte bestehen (einschließlich einer Beglaubigung der Gesandtschaft, die die Durchführung übernehmen soll), danach könnten Mahnungen folgen sowie eine Besuchsankündigung, bevor der Brief mit der Übermittlung von Grüßen und dem Schlussgruß enden könnte. Ein gewichtiger Grund stand aber nun offensichtlich der Abfassung eines solchen Briefes entgegen: der ausstehende, vor allem aber weiterhin willentlich aufgeschobene Besuch. Gleich am Beginn des Briefcorpus für gute Nachrichten und den erfreulichen Zustand der Gemeinde zu danken, dann aber mitzuteilen, den längst angekündigten Besuch noch immer nicht durchführen zu wollen, wäre unglaubwürdig gewesen, als wankelmütig erschienen und wohl auf größtes Unverständnis in der Gemeinde gestoßen. Dass Paulus sich dessen bewusst war, lässt er in 1,17–23 durchblicken. Eine Rechtfertigung für eine weitere Verschiebung des Besuchs und die gleichzeitige Aufwertung des Briefes selbst, der – wie oben beschrieben (siehe S. 158–166) – etwas leisten sollte, was ein Besuch gar nicht hätte leisten können, nämlich die Gemeinde zu schonen (beachte 1,23 gegenüber 13,2), wäre anschließend an eine Danksagung für gute Nachrichten ins Leere gegangen. Vor diesem Hintergrund wird auch die mit einer Eulogie eingeleitete allgemeine Schilderung seiner gegenwärtigen Situation als Zustand der Bedrängnis, aber gleichzeitig des Trostes (1,3–14) verständlich und bedeutsam. Denn dadurch wird der Gemeinde weder der Eindruck eines gestörten Verhältnisses zwischen ihr und dem Briefsender vermittelt410 noch bereits hier die Gewissheit gegeben, dass ohnehin alles in bester Ordnung sei. Durch die Eulogie und die Schilderung der eigenen Situation gibt sich Paulus die Möglichkeit, die durch Titus überbrachten guten Nachrichten über die Gemeinde erst später zu erwähnen und zuvor noch seine, seit dem Eklat beim vorhergehenden Besuch bestehenden Befürchtungen, dass Derartiges noch einmal geschehen könnte, zu artikulieren. Vorerst lässt Paulus die Gemeinde darüber im Zweifel, wie er ihre gegenwärtige konkrete Situation beurteilt; erst ab 7,6 bestätigt und kommentiert er die Nachrichten aus Korinth. Auch die ausführliche Darlegung über seinen „Dienst eines neuen Testaments“, den „Dienst des Geistes und der Gerechtigkeit“ (2,14–7,4) ist vor Erwähnung des nun ohnehin erfreulichen Zustandes der Gemeinde bedeutend wirkungsvoller, als dies in umgekehrter Reihenfolge der Fall wäre. Im Hinblick auf die in 11,1–12,13 erfolgende Auseinandersetzung mit Gegnern (den von Paulus selbst so genannten Superaposteln), die sich in der Gemeinde aufhalten, ist auch hier wichtig, dass die offenbar noch nicht gänzlich im Sinn des Paulus bereinigte Situation in der Gemeinde nicht schon im Vorhinein durch die Bestätigung der erfreulichen Situation womöglich verharmlost wird. 410 Dies ist deutlich am Beginn des Gal der Fall (beachte den mit θαυμάζω eingeleiteten Einleitungsteil des Briefcorpus Gal 1,6–9). Im Unterschied zur Ausgangssituation des 2Kor liegen Paulus zur Zeit der Abfassung des Gal tatsächlich keine guten Nachrichten aus den galatischen Gemeinden vor.
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Die Gliederung des 2Kor
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Insgesamt wird eine relativ klare Struktur des 2Kor erkennbar, die aber die bei Paulus vorhandene Unsicherheit noch deutlich – und wie ich meine bewusst – durchscheinen lässt. Neben dem wichtigen Anliegen, die Kollekte für Judäa zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen, geht es im gesamten Brief um ein – auch immer wieder sehr persönliches – Ringen des Apostels um „seine“ Gemeinde. Die für den vorliegenden Kommentar vorgenommene Gliederung des Briefes beruht auf den geschilderten Beobachtungen und erfolgte unter Berücksichtigung der Formeln und Konventionen, die in griechischen Papyrusbriefen gliedernde Funktion haben. Darüber hinaus wurden klare inhaltliche Einschnitte (wie z. B. die Angabe eines Ortswechsels oder die explizite Nennung eines neuen Themas oder Ereignisses) ernst genommen. In manchen Abschnitten fällt die Strukturierung dennoch weniger differenziert aus als die vieler Kommentatorinnen und Kommentatoren, wobei ein Vergleich zwischen den von diesen vorgeschlagenen Gliederungen unschwer erkennen lässt, dass nur wenig Übereinstimmung herrscht.411 Dieser Umstand macht deutlich, dass insbesondere bei der Identifizierung von Klein- und Kleinstabschnitten keine allgemein nachvollziehbaren Kriterien angewendet wurden und werden. Von ausschließlich inhaltlichen Einschätzungen als Begründung einer Untergliederung nehme ich daher bewusst Abstand. Vor dem Hintergrund des griechisch-römischen Briefformulars lässt sich der 2Kor folgendermaßen strukturieren (zur detaillierten Begründung siehe in den Einleitungen zu den entsprechenden Abschnitten):
1 ,1 – 2
Briefanfang: Eingangsgruß
Briefcorpus Einleitungsteil des Briefcorpus 1,3–14 Allgemeiner Bericht über aktuelle Situation 1,15–2,4 Begründung des aufgeschobenen Besuches und Grund für den Brief 2,5–11 Rückblick auf Eklat beim vorhergehenden Besuch 2,12–13 Bericht über Aufenthalt in Troas und Reise nach Makedonien 2,14–12,13 Mittelteil des Briefcorpus 2,14–7,4 Dank für die Berufung zum Diener eines neuen Testaments412 1,3–13,11 1,3–2,13
411 Man vergleiche nur die Vorschläge von Barrett, 2Cor 51–52; Martin, 2Cor vii-viii; Thrall, 2Cor I xiii-xiv; II ix-x; Grässer, 2Cor I 9–10; II 7–8; Matera, 2Cor vii-viii; Harris, 2Cor ix-xi; Keener, Cor ix-x; Roetzel, 2Cor 8–10. 412 Mit Peristasenkatalogen in 4,7–15 und 6,3–10.
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Einleitung
13,11
Bericht über Ankunft in Makedonien und Freude über gute Nachrichten aus Korinth 8,1–9,15 Über die Kollekte für die Heiligen413 10,1–18 Bitte, Paulus so zu sehen, wie er offensichtlich ist 11,1–12,13 Werben um die Gemeinde in Auseinandersetzung mit Gegnern (die sog. „Narrenrede“)414 12,14–13,11 Abschließender Teil des Briefcorpus 12,14–13,10 Besuchsankündigung und Vorbereitung des Besuchs Abschließende Aufforderungen
13,12–13 13,12 13,13
Briefschluss Übermittlung von Grüßen Schlussgruß
7,5–16
413
Dieser Abschnitt kann unterteilt werden in: 8,1–15 Anliegen und Charakter der Kollekte; 8,16–24 Beglaubigung der Boten; 9,1–15 Anleitungen zur konkreten Durchführung der Kollekte. 414 Mit Peristasenkatalogen in 11,21–30 und 12,1–10.
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Auslegung Briefanfang: 2Kor 1,1–2 Der Briefanfang des 2Kor besteht nur aus einem typisch paulinischen Eingangsgruß. Ein Gebetsbericht oder ein Erinnerungsmotiv1 kommen nicht vor.
Eingangsgruß (2Kor 1,1–2) 1 Paulus, Apostel Christi Jesu durch Gottes Willen, und Timotheos, der Bruder, an die Gemeinde Gottes, die sich in Korinth befindet, mit allen Heiligen, die in ganz Achaia sind. 2 Gnade euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Der Eingangsgruß2 ist ganz ähnlich gestaltet wie jener des 1Kor.3 Gegenüber der am häufigsten verwendeten Form des griechisch-römischen Briefformulars „A an B χαίρειν“ ist nicht nur die Nennung von Absender und Adressatenkreis ausführlicher gestaltet, auch der Gruß selbst weist eine Sonderform auf, die in ihrer letzten Ausprägung auf Paulus selbst zurückzugehen und von ihm ganz bewusst gestaltet worden sein dürfte. Allerdings ist festzustellen, dass χάρις καὶ εἰρήνη als Sonderform zwar einzigartig ist, dass diese Sonderform aber durchaus zur Gruppe zahlreicher anderer Sonderformen brieflicher Eingangsgrüße gezählt werden kann. Paulus sprengt also hier nicht den Gesamt1
Zu diesen formelhaften Bestandteilen des Briefanfangs vieler Papyrusbriefe aus griechischrömischer Zeit und ihrer Ausgestaltung und Verwendung bei Paulus siehe Arzt-Grabner, Philemon 123–135; Tite, How to Begin (zu 2Kor 1,1–2 siehe S. 67–69); Bauer, Paulus 44–47. 2 Da der häufig verwendete Begriff „Präskript“ innerhalb der Papyrologie missverständlich wäre (normalerweise bezeichnet man damit jenen Teil von Verträgen, der dem eigentlichen Vertragstext vorgespannt ist und die amtliche Datierung, die Ortsangabe u. ä. enthält; von „Präskript“ im Sinne des Eingangsgrußes oder Briefkopfes spricht aber z. B. Koskenniemi, Studien 155 u. ö., oder auch Buzón, Briefe 5 u. ö.), verwende ich für diesen ersten Teil antiker Briefe den Ausdruck „Eingangsgruß“ („salutation“, z. B. White, Analysis 28). – Zum Eingangsgruß allgemein siehe Ziemann, Quaestiones 253–302; Koskenniemi, Studien 155–167; Exler, Form 23–68; Scholl/ Homann, Briefkultur 57–59; Evans, Letters 33–70; Roller, Formular 55–63; White, Formulas 289–295; ders., Letter Tradition 92–94; ders., Light 193–196; ders., Mission 148–151; St. R. Llewelyn in New Docs.VIII S. 122–126; Arzt-Grabner, Philemon 109–123. Zum Eingangsgruß von Briefen aus ptolemäischer Zeit siehe vor allem Buzón, Briefe 5–9.49–50.99–102.159–163; speziell zum paulinischen Eingangsgruß siehe (ferner) Parkin, Comments; Lieu, Grace; Schnider/Stenger, Studien 3–41; Doty, Letters 29–31; St. R. Llewelyn in New Docs. VIII S. 127–128 (Beispiele für Papyrusbriefe ohne Eingangsgruß S. 122–126). 3 Vgl. P. Arzt-Grabner in ders./Kritzer u. a., 1. Korinther 35–37.
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Briefanfang: 2Kor 1,1–2
rahmen jener Briefsenderinnen und -sender, die die einfache Form χαίρειν (zum Teil stark) erweitern4 oder durch ein anderes Verb ersetzen5, um auf diese Weise den Eindruck von Individualität und Besonderheit zu vermitteln.6 Im Falle des paulinischen Eingangsgrußes könnte ein Anklingen von χάρις an χαίρειν durchaus im Interesse des Paulus gelegen haben. Jedenfalls ist zu vermuten, dass die Gemeinde von Korinth auf dem Hintergrund typischer und spezieller Formen des brieflichen Eingangsgrußes, die in Papyrusbriefen bezeugt sind, sowohl die entfernte Ähnlichkeit mit dem einfachen χαίρειν als auch die besondere, durch Paulus selbst geschaffene Ausprägung von χάρις καὶ εἰρήνη erkannt hat. Bereits vom Briefanfang an wird ihr bewusst gewesen sein, dass sie mit diesem Schreiben nicht einen ganz alltäglichen Brief in Händen hielt, sondern ein Schriftstück, das dessen Autor individuell gestalten und vom Gewohnten unterscheidbar machen wollte. Da es sich bei 2Kor nicht um den ersten Paulusbrief handelte, den die Gemeinde erhielt, konnte Paulus damit rechnen, dass bereits beim Eingangsgruß ein Wiedererkennungseffekt auftrat: dieser Brief stammt von Paulus aus Tarsus, denn er beginnt genau so wie andere Briefe, die von ihm geschrieben (oder diktiert) wurden. Bezeichnend für Paulus ist die Kombination der Wendung „A an B“ mit dem davon syntaktisch unabhängigen Wunsch von χάρις („Gnade“) und εἰρήνη („Friede“), als deren Urheber nun nicht der Briefsender angegeben wird, sondern Gott, der Vater, und Jesus Christus.7 Paulus ist zwar zweifelsfrei als Absender des Briefes erkennbar, er stellt sich aber gleichzeitig als Mittler zwischen Gott und der Gemeinde vor. Dass Paulus offiziell eine zweite Person, nämlich Timotheos, als Mitabsender des Briefes nennt, ist vor dem Hintergrund zeitgenössischer Papyrusbriefe nichts Außergewöhnliches und insbesondere in familiärer Korrespondenz anzutreffen.8 Hier wie dort ist oft nicht eindeutig zu klären, inwieweit die 4 Besonders ausführlich z. B. BGU XVI 2615,2–4 (ca. 21 v. Chr. – 5 n. Chr.): πλεῖστα χαίρειν καὶ ἐρρωμένῳ διευτυχεῖν αἰεὶ καὶ διὰ παντὸς κ[α]θάπερ | εὐχόμεθα („sich besonders zu freuen
und wohlauf und glücklich zu sein immer und allzeit, wie wir beten“) oder BGU XVI 2632,2–3 (nach 28. August 7 v. Chr.): πλεῖστα χαίρειν καὶ διὰ παντὸς τυγχά|νειν̣ τῶν̣ κατὰ προαίρεσ̣ ιν αὑτῶν („sich besonders zu freuen und in deinen Vorhaben allzeit Glück zu haben“). 5 Z. B. durch εὖ πράσσειν (im Sinn von „es möge dir gut gehen“, z. B. P.Oxy. IV 822 [ca. 1 n. Chr.]); zu den in Papyrusbriefen belegten Sonderformen des Eingangsgrußes siehe ausführlich und mit zahlreichen Beispielen Arzt-Grabner, Philemon 115–122. 6 Vgl. auch Bauer, Paulus 79–83. 7 Auch in Papyrusbriefen kann ein Gruß „vermittelt“ werden, z. B. O.Petr. 266,1–2 (9. Juni 43 n. Chr.): Ἀντίοχος̣ Σατορνείνου διὰ Μ. . .ου | τοῦ Σατορνείνου Π̣ ετεαρπο̣ χ(ράτῃ) | Νικάνωρος χ̣ (αίρειν) („Antiochos, Sohn des Satorninos, [bestellt] durch M., Sohn des Satorninos, dem Peteharpochrates, Sohn des Nikanor, sich zu freuen“). Siehe dazu (mit weiteren Beispielen) ArztGrabner, Philemon 122. Das Besondere bei Paulus liegt darin, dass er nicht den Gruß oder Wunsch einer höhergestellten Persönlichkeit vermittelt, sondern jenen von Gott selbst. 8 Siehe die Beispiele bei Arzt-Grabner, Philemon 112–114; P. Arzt-Grabner in ders./ Kritzer u. a., 1. Korinther 35 Anm. 2.
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Eingangsgruß (2Kor 1,1–2) – Einzelheiten: 2Kor 1,1
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genannten Mitabsenderinnen oder -absender den entsprechenden Brief auch tatsächlich mitverfasst haben.9 Hinsichtlich der Nennung einer größeren Gruppe als Adressaten hat D. H. Liebert versucht, 1Kor als sog. „group letter“ zu charakterisieren, und dafür Vergleichsbeispiele aus den Papyri geboten.10 Auch derartige Briefe gehören vor allem einer familiären Korrespondenz an und zielen darauf ab, „that the people who are addressed can be directed to orient their actions to each other, and not just to the one who wrote the letter.“11 Derartiges gilt in gewisser Weise auch für den 2Kor. 1,11 Παῦλος ἀπόστολος Χριστοῦ Ἰησοῦ διὰ θελήματος θεοῦ – Gegenüber 1Kor 1,1 nennt sich Paulus12 hier nicht κλητὸς ἀπόστολος („berufener Apostel“), sondern einfach ἀπόστολος. Die Betonung liegt aber in beiden Fällen darauf, dass er ein „Gesandter Christi Jesu durch den Willen Gottes“ ist. Die Bedeutung „Gesandter“ für ἀπόστολος ist in den Papyri bisher nicht sicher belegt.13 Das vom Verb χρίω („einreiben, bestreichen, salben“)14 abgeleitete Verbaladjektiv Χριστός wird nur in jüdischem („Messias“) und christlichem Kontext (für Jesus) als Bezeichnung für eine Person verwendet. Papyrusbelege finden sich erst ab dem 4. Jh. n. Chr. und bieten durchwegs den christlichen Sprachgebrauch.15 Die relativ vielen Belege für Ἰησοῦς in den Papyri belegen die weite Verbreitung dieses Personennamens in Palästina und in der jüdischen Diaspora.16 Der Begriff θέλημα ist papyrologisch erst in christlichen Papyri ab dem 4. Jh. n. Chr. bezeugt.17
9 In nur wenigen Beispielen wird durchgehend der Plural als Kennzeichen für eine gemeinsame Verfasserschaft verwendet (z. B. P.Oxy. XIV 1672 mit BL IV 62 und X 143 [37–40 n. Chr.]); häufiger ist ein – bisweilen mehrmaliger – Wechsel zwischen Plural und Singular festzustellen (siehe die Beispiele bei Arzt-Grabner, Philemon 114; ferner z. B. P.Oxy. LXXV 5062 [spätes 3. Jh. n. Chr.]). 10 Siehe Liebert, Form 435–437; beachte dazu (mit weiteren Beispielen) P. Arzt-Grabner in ders./Kritzer u. a., 1. Korinther 36–37. 11 Liebert, Form 437. 12 Zu Vertretern dieses Namens in den dokumentarischen Papyri und Ostraka siehe ArztGrabner, Philemon 64; Kreinecker, 2. Thessaloniker 102–103. Ferner z. B. O.Did. 328,1 (ca. 77– 92 n. Chr.). 13 Vgl. F. Winter in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 38. 14 Papyrusbelege bei Arzt-Grabner, Philemon 142. 15 Siehe Arzt-Grabner, Philemon 142. 16 Siehe die Belege bei Arzt-Grabner, Philemon 142–144; P. Arzt-Grabner in ders./Kritzer u. a., 1. Korinther 39 Anm. 20; Kreinecker, 2. Thessaloniker 105. Aus Mons Claudianus ist mit O.Claud. IV 872 (vor 115 n. Chr.) der Brief eines Jesus erhalten, der für die Produktion von Säulen zuständig war. 17 Siehe F. Winter in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 39.
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Briefanfang: 2Kor 1,1–2
καὶ Τιμόθεος ὁ ἀδελφός – Timotheos wird als Mitabsender mehrerer Paulusbriefe angegeben (neben 2Kor auch von 1Thess, Phil und Phlm). Der Personenname ist papyrologisch bereits ab dem 3. Jh. v. Chr. gut bezeugt.18 Wie in 1Thess 3,2 und Phlm 1 wird der Paulusmitarbeiter hier ausdrücklich als „Bruder“ bezeichnet. Die metaphorische Verwendung von ἀδελφός ist in den dokumentarischen Papyri aus römischer Zeit für verschiedene Bereiche und Gruppen nachzuweisen;19 sie begegnet als Anrede unter langjährigen Beamtenkollegen, Geschäftspartnern und Freunden sowie – häufiger allerdings erst in nachpaulinischer Zeit – unter Vereinsmitgliedern. Für Paulus ist sicher auch der jüdische Hintergrund maßgeblich.20 In all diesen Bereichen bringt die „Bruder“-Anrede familienähnliche Beziehungen zum Ausdruck und bekräftigt diese. Bei Paulus gilt dies nicht nur gegenüber seinen engsten Mitarbeitern (in 2Kor neben Timotheos auch für Titus21 und die beiden anderen „Brüder“, die mit Titus zur Vorbereitung der Kollekte ausgesandt werden22), sondern auch gegenüber der jeweiligen Gemeinde (im 2Kor deutlich ausgedrückt durch den Vokativ ἀδελφοί in 1,8; 8,1; 13,11). Im letzteren Fall ist zu betonen, dass die dokumentarischen Papyri auch eindeutige Beispiele für eine geschlechtsneutrale Verwendung des maskulinen Plurals liefern,23 die somit für die Anrede der Gemeindemitglieder als ἀδελφοί die Bedeutung „Schwestern und Brüder“ nahelegen. τῇ ἐκκλησίᾳ τοῦ θεοῦ τῇ οὔσῃ ἐν Κορίνθῳ – Die Form dieses ersten Teils der
Adressatenangabe ist identisch mit jener des 1Kor. Letzten Endes geht es um nicht mehr als eine schlichte Ortsangabe, die in analoger Form auch papyrologisch bezeugt ist.24
18
Vgl. mit Belegen Arzt-Grabner, Philemon 144; Kreinecker, 2. Thessaloniker 103. Dies beginnt bereits innerhalb des Familienverbandes selbst, wo auch der Ehemann (ohne leibliche Verwandtschaft – siehe dazu bereits Zilliacus, Sprache 31) und sogar der zukünftige Schwiegervater (so P.Oxy. LIX 3992,2 [2. Jh. n. Chr.]; siehe oben S. 109–110) als „Bruder“ angeredet werden konnten. 20 Siehe dazu insgesamt und mit zahlreichen Papyrusbelegen Arzt-Grabner, Philemon 145– 156; ders., Brothers; Harland, Dimensions; ders., Dynamics 81; Kreinecker, 2. Thessaloniker 113; zur Bruderanrede unter Vereinsmitgliedern auch Öhler, Urgemeinde 399–401. Zur Unterscheidung zwischen dem eigentlichen und dem übertragenen Sprachgebrauch siehe vor allem Dickey, Use; zur Verwendung bei Paulus insbesondere Aasgaard, Brothers. 21 Vgl. 2Kor 2,13. 22 Vgl. 2Kor 8,18.22–23; 9,3.5. Beachte ferner 11,9; 12,18. 23 Die Eindeutigkeit liegt dort vor, wo sowohl Brüder als auch Schwestern namentlich genannt und dann im Kontext gemeinsam als ἀδελφοί bezeichnet werden, so z. B. in O.Berenike II 129,6 (ca. 50–75 n. Chr.; siehe dazu oben S. 85–86); BGU XI 2100,11–12 (83 n. Chr.); SB XVI 12391,18– 20 (28. September – 27. Oktober 83 n. Chr.); P.Oxy. IV 713,21–22 (15. März 97 n. Chr.). Siehe dazu ausführlicher und mit weiteren Beispielen P. Arzt-Grabner in ders./Kritzer u. a., 1. Korinther 64–65. 24 Zum papyrologischen Hintergrund der Angaben siehe P. Arzt-Grabner in ders./Kritzer u. a., 1. Korinther 40–41. Zum papyrologischen Befund von ἐκκλησία außerdem ders., Philemon 166–167. Downs, Offering 84, verweist auf Inschriften, in denen ein antiker Verein als ἐκκλησία 19
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Einzelheiten: 2Kor 1,1
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Personen, die aus Korinth stammen (beachte die Anrede Κορίνθιοι in 6,11), begegnen papyrologisch hauptsächlich in Dokumenten aus ptolemäischer Zeit. Generell begegnen Personen mit einem ausdrücklich angeführten griechischen Herkunftsort in den Papyri aus Ägypten nicht allzu häufig. Dass es für Korintherinnen und Korinther doch einige Beispiele gibt, mag zunächst mit militärischen Rekrutierungen zusammenhängen, dann aber auch mit der Tatsache, dass Korinth eine bedeutende Handelsstadt war, die sogar zwei Häfen besaß. In P.Cair.Zen. III 59340,18–19 (247 v. Chr.) fungiert ein gewisser Neon aus Korinth als Zeuge bei einem Vertragsabschluss; ähnlich ein gewisser Alkaios, der Befehlshaber einer Infanterie (χιλ̣ [ίαρχος] – BGU X 1978,3 [246–221 v. Chr.]). Weitere Korinther, die in ägyptischen Papyri genannt werden, sind z. B.: der Empfänger einer Getreidelieferung25 (P.Grad. 5,18 [230 v. Chr.]), der Empfänger eines Darlehens (z. B. BGU VI 1278,20–21 [215–214 v. Chr.]), ein gewisser Stachys (P.Frankf. 4,8 mit BL VI 41 [216–215 v. Chr.] sowie SB III 6303,6 [216–215 v. Chr.]); in P.Mich. III 190,15–16 (172 v. Chr.) trifft man auf einen „Korinther der Epigone“ (Κοριν|θίωι τῆς ἐπιγονῆς), womit ein in Ägypten geborener Nachkomme eines nichtägyptischen Soldaten bezeichnet wird; aus dem Testament BGU VI 1285 (110 v. Chr.) geht hervor, dass der Erblasser, ein gewisser Dion, mit einer Mista aus Korinth verheiratet ist (vgl. Z. 6).26
Für die Mitglieder der christlichen Gemeinde lässt sich daraus freilich nichts Wesentliches ableiten. σὺν τοῖς ἁγίοις πᾶσιν τοῖς οὖσιν ἐν ὅλῃ τῇ Ἀχαΐᾳ – Neben der Gemeinde in Korinth werden auch noch alle Christusgläubigen in der Provinz Achaia als Adressatinnen und Adressaten des Briefes angeführt. Die Eigenart, sie als „Heilige“ zu bezeichnen (ähnlich Röm 1,7; 1Kor 1,2; Phil 1,1; Phlm 5), hat Paulus aus seinem jüdischen Umfeld übernommen, denn im griechischen Schrifttum ist die Verwendung des Adjektivs ἅγιος für Menschen weder literarisch noch dokumentarisch bezeugt.27 Der bisher einzige zeitlich relevante Papyrusbeleg für Achaia findet sich im Privatbrief P.Mich. VIII 501 (2. Jh. n. Chr.), wo der Briefsender seine Reise von Ägypten „durch Syrien, Asien und Achaia bis nach Rom“ erwähnt – Z. 17–18: [ἰτι]νερᾶριν ὃ ἐποίησα | [διὰ Σ]υρίας Ἀσίας Ἀχαίας μέχ[ρι Ῥ]ώμης. bezeichnet wird; anhand literarischer Quellen hat van Kooten, Ἐκκλησία, festgestellt, dass diese Selbstbezeichnung christlicher Gemeinden von Paulus nicht so sehr aus der LXX übernommen wurde (so Trebilco, Christians; ders., Self-Designations 164–207), als vielmehr die griechischrömische politische Bedeutung des Begriffs als zivile Versammlung den entscheidenden Grund für die Übernahme darstellte, um gleichzeitig gegenüber dieser politischen ἐκκλησία eine Alternative zu schaffen; vgl. Ebner, Stadt 86–88. 25 Hierbei handelt es sich um einen Soldaten (siehe dazu G. Plaumann in P.Grad. 33–34); vgl. auch BGU X 1939, Fr. F 2.3 (Mitte 2. Jh. v. Chr.), einen Auszug aus Militärakten. 26 Zu einem Namen verselbstständigt hat sich das Ethnikon in P.Bour. 14,12 mit BL VIII 66 (126 n. Chr.), wo eine Sklavin namens Κορινθία erwähnt wird. 27 Vgl. Arzt-Grabner, Philemon 180–181.
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Briefanfang: 2Kor 1,1–2
1,22 χάρις ὑμῖν καὶ εἰρήνη ἀπὸ θεοῦ πατρὸς ἡμῶν καὶ κυρίου Ἰησοῦ Χριστοῦ ‹ 1,1 – Die Form des Eingangsgrußes selbst ist mit jener in 1Kor 1,3 identisch. Vom papyrologischen Hintergrund her28 sind zu χάρις vor allem ein Gnadenerlass Neros (in P.Fouad I 21,15–16 bzw. SB VIII 9668,10 [63 n. Chr.] als ἡ χάρις τοῦ κυρίου [„der Gnadenerlass des Herrn“] bezeichnet)29 und zu εἰρήνη insbesondere einige Dokumente anzuführen, in denen der römische Kaiser als Grund und Ausgangspunkt eines umfassenden Friedens gesehen wird.30 Im Gegensatz dazu führt Paulus Gnade und Friede direkt und ausschließlich auf Gott zurück und auf Jesus Christus. Und während in seinem paganen Umfeld die Gottes- und Vaterbezeichnung für Serapis sowie für ptolemäische Könige und römische Kaiser begegnet31 und ferner der κύριος-Titel ägyptischen und griechischen Gottheiten sowie römischen Kaisern (bereits ab Augustus) zugestanden wird,32 ruft Paulus gleich zu Beginn des Briefes der Gemeinde Gott als ihren Vater33 und Jesus als Messias und wahren κύριος in Erinnerung.
28 Zum Befund im Einzelnen siehe Arzt-Grabner, Philemon 167–175; P. Arzt-Grabner in ders./Kritzer u. a., 1. Korinther 44; Harrison, Paul’s Language 64–96. 29 Siehe dazu ausführlich Arzt-Grabner, Philemon 167–169; P. Arzt-Grabner in ders./ Kritzer u. a., 1. Korinther 44. 30 Die Belege bietet Arzt-Grabner, Philemon 169–170. – Zu den im Dorfe für den Frieden Zuständigen (οἱ ἐπὶ τῆς εἰρήνης), die ab dem späten 2. Jh. n. Chr. zu belegen sind, siehe Lewis, Services 22; C. A. Nelson in P.Turner S. 172–174 (jeweils mit Belegen; beachte ferner PSI XV 1552,1–2 [2. Hälfte 3. Jh. n. Chr.]). 31 Siehe die Belege bei Arzt-Grabner, Philemon 171–173. 32 Siehe die Belege bei Arzt-Grabner, Philemon 173–175; ders., Der „Herr Jesus Christus“. Für die Dioskuren siehe z. B. ferner O.Did. 458,2–3 (1. Hälfte 3. Jh. n. Chr.), für den Gott Pan O.Did. 381,4–6 (vor ca. 110–115 n. Chr.), für Kaiser Nero z. B. ferner P.Sijp. 38m,5–6 (ca. Dezember 64 n. Chr.). 33 Zum jüdischen Hintergrund dieser Vorstellung siehe Arzt-Grabner, Philemon 171 Anm. 287.
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Briefcorpus: 2Kor 1,3–13,11
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Briefcorpus: 2Kor 1,3–13,11 Das Briefcorpus eines griechischen Privatbriefs lässt sich meist in drei Teile untergliedern: einen Einleitungsteil, in dem die Absenderin oder der Absender das grundlegende Anliegen vorstellt; einen Mittelteil, wo entweder die relevanten Details des zentralen Inhalts und manchmal auch weitere Informationen dargestellt werden; und einen abschließenden Teil, der nochmals den Anlass des Briefes erwähnt und die Basis für die zukünftige Korrespondenz legt.1 Auch der Hauptteil des 2Kor2 lässt sich in diese drei Teile untergliedern: der Einleitungsteil umfasst 2Kor 1,3–2,13 und informiert über das aktuelle Befinden des Paulus und seine Besuchsabsichten, der Mittelteil reicht von 2,14 bis 12,13 und liefert eine ausführliche Abhandlung über den Dienst des Paulus (2,14–7,16), gefolgt von Informationen und Anleitungen, die die Kollekte für die Gemeinden in Judäa betreffen (8,1–9,15), bevor Mahnungen (10,1–18) und die sog. „Narrenrede“ (11,1–12,13) diesen Teil zum Abschluss bringen. Der Schlussteil des Briefcorpus besteht aus einer Besuchsankündigung und abschließenden Bitten (12,14–13,11). Nach J. L. White erfüllt das Briefcorpus vor allem zwei Funktionen: „(1) to disclose or seek information, and (2) to make requests or commands.“3 Zur Verdeutlichung dieser Funktionen stehen den Absenderinnen und Absendern bestimmte Formeln und Konventionen zur Verfügung, die einleitenden, überleitenden4 oder schlussfolgernden Charakter haben.5 Im Unterschied zum Eingangsgruß und Schlussteil, die relativ fest geprägte Formeln enthalten, ist die Verwendung von Formeln und Konventionen innerhalb des Briefcorpus weitestgehend der freien Gestaltung der Absenderin oder des Absenders überlassen. Formeln und Konventionen sind also für das Briefcorpus nicht konstitutiv, sie dienen aber dazu, sowohl die zentralen Anliegen des Briefes als auch bestimmte Details betont hervorzuheben. Näheres zu den von Paulus verwendeten Phrasen und Formeln wird bei den entsprechenden Stellen dargelegt.
1
Vgl. White, Analysis 33–34. Zur Geschichte und zum aktuellen Stand der Forschung über das paulinische Briefcorpus siehe Martin, Letter Body; beachte auch Bauer, Paulus 83–86. 3 White, Literature 1736. 4 Zu den Überleitungen in Paulusbriefen siehe Roberts, Transitions; Sanders, Transition. 5 Siehe dazu ausführlich: White, Form and Function; Steen, Clichés; White, Formulae (Übersicht S. 94–95); ders., Literature 1736–1738; ders., Formulas 299–308; ders., Letter Tradition 95–102; ders., Light 202–213; Stowers, Letter Writing 23–26; Bauer, Paulus 47–50; zu rhetorischen Strukturen siehe auch White, Mission 153–160; zu Briefen der Ptolemäerzeit siehe Buzón, Briefe 19–22.54–69.108–112.166–171. 2
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Einleitungsteil des Briefcorpus (2Kor 1,3–2,13)
Einleitungsteil des Briefcorpus (2Kor 1,3–2,13) Bereits H. Windisch hat diesen Abschnitt einem bestimmten Brieftyp oder -stil aus dem Typenregister des Ps.-Libanios zugeordnet, nämlich der ἐπιστολὴ θεραπευτική,6 die in folgender Weise charakterisiert wird (Abschnitt 19): θεραπευτικὴ δι᾽ ἧς θεραπεύομέν τινα λυπηθέντα πρὸς ἡμᾶς περί τινος. ταύτην δὲ καὶ ἀπολογητικήν τινες καλοῦσιν (Übersetzung von A. J. Malherbe: „The conciliatory style is that in which we conciliate someone who has been caused grief by us for some reason. Some also call this the apologetic style“).7 L. L. Welborn sieht u. a. ein Beispiel für diesen Brieftyp im Papyrusbrief BGU II 531 (ca. 75–85 n. Chr.).8 Die relevante Passage daraus lautet – Kol. II 18–22 mit BL I 50: κ̣ [ . . . .]ω̣ ι ̣ δὲ ὅτι [ο]ὐ μή με λοιπήσῃς (l. λυπήσῃς) | α[ἰ]σθόμενος πῶς με φιλεῖς. ἐὰν δὲ ἀστοχήσῃς | [αἰω]ν̣ ίαν μοι λοίπην (l. λύπην) [π]αρέχιν (l. παρέχειν) μέλλις (l. μέλλεις) πέπεισαι | [γὰρ] μοῦ τῇ γνώμῃ, ὡς οὔτε εἰμὶ ἄδικος οὔτε | ἀ[λ]λοτρίων ἐπιθυμητής („…, dass/weil du mir gewiss keinen Kummer bereiten wirst, da ich wahrnehme, wie du mich liebst. Wenn du mich aber vergisst, wirst du mir ewigen Kummer bereiten; du hast dich ja auf meine Ansicht verlassen,9 dass ich weder ungerecht bin noch begierig nach anderer Eigentum“). Wie der Text zeigt, geht es hier aber darum, dass der Briefsender von seinem Adressaten keinen Kummer zu erleiden hofft, während es bei der ἐπιστολὴ θεραπευτική genau um das Gegenteil geht: der bekümmerte Adressat soll getröstet werden.10 Der genannte Papyrusbrief scheidet als Beispiel dafür also aus, und – streng genommen – finden sich auch keine anderen Beispiele unter den Papyrusbriefen für eine ἐπιστολὴ θεραπευτική gemäß der genannten Definition (vgl. oben die Belege für λύπη/λυπέω S. 150–153). Ob der ganze Abschnitt 1,3–2,13 bei Paulus als entsprechender Brieftyp bezeichnet werden kann,
6
Siehe Windisch, 2Kor 8–9. Griechischer Texte und englische Übersetzung nach Malherbe, Theorists 68–69. 8 Siehe Welborn, Paul’s Appeal 36–37 Anm. 22; ders., End 58; ders., Paul and Pain 554–556. – Windisch, 2Kor 9, und Welborn, Paul’s Appeal 36 (vgl. ders., End 49–50.221), weisen auch den Abschnitt 7,5–16 der ἐπιστολὴ θεραπευτική zu. 9 Die Übersetzung dieses Satzes ist umstritten; Olsson, Papyrusbriefe 130, z. B. übersetzt: „denn Du hast Dich auf meine Ansicht verlassen(?), weil …“; Welborn, End 48, hingegen: „For you can trust in my judgement, as …“. 10 In diesem Sinne aber interpretiert Welborn, End 58, den Brief: „In the letter to his ‚best and dearest‘ Apollonios, Chairemon alludes to the possibility that his friend and business partner has withheld some of the profits from his estates; Chairemon had evidently given voice to this suspicion in a previous letter; now he writes to apologize“ (vgl. auch S. 453 Anm. 450 und S. 466). Aufgrund des zum Teil nur fragmentarisch erhaltenen Briefes ist allerdings kein einziger der von Welborn genannten Aspekte wirklich gesichert (z. B. ist weder aus ἀπολογουμ[ . . . .] in Kol. I 13 noch aus ἵνα σοι [ . . . . .]οι ἀπέ|χεις οὖν τὴν ἀπολογίαν [ . . . . . .] in Kol. I 20–21 ein klarer Zusammenhang zu erschließen; geht es dabei um die „Verteidigung“ [nicht „Entschuldigung“, wie Welborn meint!] des Briefsenders oder um die seines Adressaten?). 7
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Bericht über die Situation des Paulus: 2Kor 1,3–14
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stelle ich in Frage (eigentlich entspricht nur 2,4–7 der Definition, also nur ein vergleichsweise kleiner Teil).11
2Kor 1,3–14 Allgemeiner Bericht über die aktuelle Situation des Paulus (eingeleitet durch eine Eulogie) 3 Gepriesen (ist/sei) der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, der Vater der Erbarmungen und Gott allen Tröstens, 4 der uns Tröstende in all unserer Bedrängnis, auf dass wir in der Lage sind, diejenigen, die sich in jedweder Bedrängnis befinden, durch das Trösten, durch das wir selbst von Gott getröstet werden, zu trösten. 5 Denn wie die Leiden des Christus in überreichem Maße auf uns hin vorhanden sind, so ist auch unser Trösten durch Christus in überreichem Maße vorhanden. 6 Ob wir nun bedrängt werden, wir werden es für euer Trösten und Heil; ob wir getröstet werden, wir werden es für euer Trösten, das in der Geduld derselben Leiden, die auch wir erleiden, am Werk ist. 7 Und unsere Hoffnung ist gesichert für euch, weil wir wissen, dass ihr, wie ihr Teilhaber der Leiden seid, so auch des Tröstens. 8 Denn wir möchten nicht, dass ihr unwissend seid, Schwestern und Brüder, über unsere Bedrängnis, zu der es in Asia gekommen ist, dass wir über die Maßen über (unsere) Kraft hinaus belastet wurden, so dass wir nicht einmal mehr wussten, wie wir weiter leben sollten. 9 Aber wir selbst haben in uns die Entscheidung über den Tod erhalten, damit wir nicht welche sind, die auf sich vertrauen, sondern auf Gott, der die Toten auferweckt; 10 dieser hat uns aus einer so großen Todesnot gerettet und wird uns retten, auf den wir unsere Hoffnung gesetzt haben, dass er auch noch retten wird, 11 wobei auch ihr für uns mitwirkt durch das Gebet, damit von vielen Personen für die uns erwiesene Gnadengabe durch viele gedankt wird an unserer Stelle. 12 Denn unser Rühmen ist dieses, das Zeugnis unseres Gewissens, dass wir uns in Einfachheit und Gottes Rechtschaffenheit, [und] nicht in irdischer Weisheit, sondern in Gottes Gnade, in der Welt verhielten, und in besonderem Maße euch gegenüber. 13 Denn nichts anderes schreiben wir euch als das, was ihr lest und versteht; ich hoffe aber, dass ihr bis zum Ende (ganz) verstehen werdet, 14 wie ihr uns auch schon zum Teil verstanden habt, dass wir euer Ruhm sind wie auch ihr unserer am Tag [unseres] Herrn Jesus. Traditionell wird bei 2Kor 1,3 darauf hingewiesen, dass Paulus hier anstelle einer Danksagung („Eucharistie“) einen Lobpreis („Eulogie“) verwende. Diese Deutung ist insofern nicht richtig, als einer Danksagung an dieser Stelle eines 11 Und im Abschnitt 7,5–16 die V. 8–11. – In 2,1–3 hingegen geht es um die λύπη des Paulus (vergleichbar mit BGU II 531, Kol. II 18–22 mit BL I 50).
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Einleitungsteil des Briefcorpus (2Kor 1,3–2,13)
antiken Briefes, also am Beginn des Einleitungsteils des Briefcorpus, immer der Empfang guter Nachrichten über das Befinden der Adressatin oder des Adressaten zugrunde liegt. Dies gilt auch für alle Danksagungen im Einleitungsteil des Briefcorpus von Paulusbriefen.12 In diesem Teil des 2Kor erwähnt Paulus an keiner Stelle den Erhalt guter Nachrichten (dies erfolgt erst ab 7,6), im Gegenteil: er beschreibt in eher abstrakten Formulierungen seine aktuelle Situation als Bedrängnis (siehe dazu oben S. 167–169 und 177–180)13 und berichtet rückblickend über eine glimpflich überstandene Zeit in Makedonien (1,8–10), die ihn dem Tode nahe brachte (siehe dazu S. 207–212). Die „Eulogie“ stellt hier somit nicht eine alternative Form für eine Danksagung dar,14 sondern richtig ist: das Briefcorpus des 2Kor beginnt direkt mit der Schilderung der aktuellen Situation des Paulus, die mit einem Lobpreis an Gott (1,3–4) eingeleitet wird.15 Bereits in dieser Einleitung (in 1,4) fällt das Stichwort, das diese Situation besonders kennzeichnet: θλῖψις (beachte auch V. 6 sowie anschließend in 2,4). Die Ursprünge für die „Eulogie“ sind im jüdischen Hintergrund des Paulus zu suchen,16 der papyrologische Befund hingegen ist nicht ergiebig (siehe anschließend). 1,33 εὐλογητὸς ὁ θεὸς καὶ πατὴρ ‹ 1,2 τοῦ κυρίου ‹ 1,2 ἡμῶν Ἰησοῦ Χριστοῦ ‹ 1,1 – Das Adjektiv εὐλογητός17 („gelobt“) findet lediglich in einem magischen Papyrus aus dem frühen 4. Jh. n. Chr. Verwendung, und zwar als Charakterisierung eines guten Dämons (Pap.Graec.Mag. I 4,998). ὁ πατὴρ
‹ 1,2
τῶν οἰκτιρμῶν – Das Wort οἰκτιρμός18 („Erbarmen, Mitleid“)
begegnet erst in bereits christlich geprägten Papyri.19 Für die Übersetzung ist zu beachten, dass Paulus hier den Plural verwendet; es geht also um eine Cha-
12 Siehe dazu ausführlich Arzt-Grabner, Philemon 135–142 (beachte dazu die Ergänzungen und Berichtigungen von Kreinecker, 2. Thessaloniker 108–111); ders., Paul’s Letter Thanksgiving (jeweils mit zahlreichen Belegen und Literaturangaben). 13 Vgl. auch Arzt-Grabner, Paul’s Letter Thanksgiving 156. 14 Beachte diesbezüglich z. B. Roberts, Techniques 188–192; Welborn, Paul’s Appeal 58. 15 Als konkrete „transitional techniques to the letter body“, die nach meinem Verständnis bereits den Einleitungsteil des Briefcorpus ausmachen, nennt Roberts, Techniques 195, für 2Kor: „1. Personal statement on suffering and encouragement (1: 6,7)“ und „2. Readers should know (1: 8–11)“. 16 Zur jüdischen Berakah als Hintergrund von 2Kor 1,3 siehe Robinson, Hodajot-Formel 202–203; Dahl, Adresse 250–252; O’Brien, Introductory Thanksgivings 236–247; Thrall, 2Cor 98–99. 17 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 18 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 19 Nämlich Pap.Graec.Mag. II 14 (S. 222), Kol. II 11 (3.–4. Jh. n. Chr.) sowie P.Cair.Masp. I 67007,19 (ca. 567–568 n. Chr.); in P.Lond. VI 1917,19–20 mit BL II.2 88 (ca. 330–340 n. Chr.) wird der christliche Gott (ὁ θεὸς) als οἰκτίρμων („barmherzig“) beschrieben.
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Einzelheiten: 2Kor 1,3–4
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rakterisierung Gottes als Vater, von dem immer wieder Mitleid und Erbarmen ausgehen. καὶ θεὸς πάσης παρακλήσεως – Der Begriff παράκλησις ist in den doku-
mentarischen Papyri und Ostraka breit bezeugt,20 die Bedeutung „Ermutigung“ oder „Trost“ begegnet aber bisher nur auf einem Ostrakon aus Narmuthis, das im 2. oder 3. Jh. n. Chr. beschrieben wurde: Der Absender wendet sich in O.Narm. I 4,4–6 an einen gewissen Plution μετὰ | κολακίας καὶ παρα|κλήσεως („mit Schmeichelei und Ermutigung[?]“21), woran ursprünglich wohl ein privater Brief angeschlossen war.22
1,44 ὁ παρακαλῶν ἡμᾶς ἐπὶ πάσῃ τῇ θλίψει ‹ S. 167–168 ἡμῶν, εἰς τὸ δύνασθαι
ἡμᾶς παρακαλεῖν τοὺς ἐν πάσῃ θλίψει διὰ τῆς παρακλήσεως ‹ 1,3 ἧς παρακαλούμεθα αὐτοὶ ὑπὸ τοῦ θεοῦ – Wie auch in 1,6 und 2,7 (und später noch in 7,6–7.13 und 13,11) begegnet das Verb παρακαλέω hier nicht in der
vorherrschenden Bedeutung „bitten“, sondern im Sinne von „ermuntern, trösten“. Papyrologische Belege sind bisher auf die ptolemäische Zeit beschränkt. Besonders hervorzuheben ist ein Abschnitt aus dem umfangreichen Hypomnema23 eines Dioiketes an einen Untergebenen – P.Tebt. III.1 703,40–49 (ca. 210 v. Chr.): ἅμα δὲ ἐν τῶι ἐφο|δεύειν πειρῶ πε̣[ριερχ]όμενος ἕκαστον | παρακαλεῖν καὶ εὐθα̣ ρ̣ σ̣ εστέρους παρα|σκευάζειν, καὶ τοῦτο μὴ μόνον λόγωι | γίνεσθαι ἀλλὰ καί, ἐάν τινες αὐτῶν | τοῖς κωμογραμματεῦσι ἢ κωμάρχαις | ἐγκαλῶσι περί τινος τῶν εἰς τὴν γεωρ|γίαν ἀνηκόντων, ἐπισκοπεῖν, καὶ ἐφ᾽ ὅ|σον ἂν̣ ἐκπο`ῆ̣ ´ι ̣ εἰς ἐπίστα̣ ̣ ῦ̣ |τα ἀγέσθω („zugleich aber, wenn du auf Inspektion bist, versuche, dass σ⟦ε⟧ιν το̣ ια du – während du herumkommst – jeden ermunterst und sie guten Mutes machst, und dass das nicht nur mit Worten geschieht, sondern dass du auch, wenn sich einige von ihnen über die Dorfschreiber oder Komarchen beschweren in irgendeiner Angelegenheit, die die Landwirtschaft betrifft, es untersuchst, und so weit du es fertigbringst, soll Derartiges zu einem Ende gebracht werden“).24
Der Plural der 1. Person (hier ἡμᾶς, ἡμῶν) wird in Papyrusbriefen verwendet, wenn mehrere Absenderinnen oder Absender den entsprechenden Brief sen20
Siehe (mit den Belegen) Arzt-Grabner, Philemon 196; Kreinecker, 2. Thessaloniker 185–
186. 21 Vgl. R. Pintaudi und P. J. Sijpesteijn in O.Narm. I S. 32: „con μετὰ παρακλήσεως si intende corregere, precisare quanto espresso con μετὰ κολακείας: cio è in modo gentile ma fermo.“ 22 Vgl. R. Pintaudi und P. J. Sijpesteijn in O.Narm. I S. 29. 23 Zu diesem privaten Urkundentyp siehe Wolff, Recht II 114–122. 24 Siehe dazu ausführlicher und mit weiteren Belegen P. Arzt-Grabner in ders./Kritzer u. a., 1. Korinther 182–183; Arzt-Grabner, Formen 301–302; speziell zu P.Tebt. III.1 703 beachte auch Mitchell, PTebt. – Windisch, 2Kor 38, verweist für die „wirkungsvolle Häufung von πᾶς“ auf einige Verträge mit der βεβαίωσις-Klausel (P.Oxy. XIV 1634,16 [19. Februar 222 n. Chr.?]; 1699,18 [240–280 n. Chr.]; 1700,13–14 [spätes 3. Jh. n. Chr.]), die als fest geprägte Formel (siehe dazu S. 224) allerdings keine echte Parallele zur vorliegenden Stelle bietet.
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Einleitungsteil des Briefcorpus (2Kor 1,3–2,13)
den, aber in einzelnen Fällen auch für eine Absenderin oder einen Absender allein.25 1,55 ὅτι καθὼς περισσεύει τὰ παθήματα τοῦ Χριστοῦ
‹ 1,1
εἰς ἡμᾶς, οὕτως ἡμῶν – Die papyrologiδιὰ τοῦ Χριστοῦ περισσεύει καὶ ἡ παράκλησις schen Belege für περισσεύω sind nicht sehr zahlreich; sie stammen durchwegs ‹ 1,3
aus dem wirtschaftlichen Bereich, wo ein „Überschuss“ an landwirtschaftlichen Erträgen oder Geldbeträgen bezeichnet wird.26 An der vorliegenden Stelle spricht Paulus von einem gewissen Ausgleich, indem sowohl die von Christus kommenden Leiden als auch der durch ihn zuteil werdende Trost über das übliche Maß hinausgehen, also als eine Art „Überschuss“, in „überreichem Maß“ vorhanden sind. Das Wort πάθημα27 („Leid, Leiden“) ist in den Papyri nicht belegt. Dies erstaunt, sind doch Verbalsubstantiva auf -μα nach BDR „in der Koine wie im Jonischen überaus beliebt“28; auch Paulus macht in seinen Briefen des Öfteren davon Gebrauch29. Auch zu ἡ πάθη aus derselben Wortfamilie finden sich keine papyrologischen Belege; hingegen ist τὸ πάθος, bei dem nicht das Resultative, sondern die actio des „Leidens“ selbst im Vordergrund steht, für den relevanten Vergleichszeitraum zweimal bezeugt, und zwar beide Male in Zusammenhang mit einer Krankheit30: So ist im Gnomon des Idios Logos (BGU V 1210 [nach 149 n. Chr.]) eine Richtlinie verzeichnet, die den „aufgrund einer Verletzung oder eines unheilbaren Leidens“ (Z. 205: δ̣ [ι]ὰ σίνος [ἢ] π̣ άθ̣ ος ἀθαρ̣ ά̣ π̣ ε̣υ̣ τ̣ον [l. ἀθεράπευτον]) von einer Prozession ausgeschlossenen Priestern die Weiterzahlung ihres Gehalts zusichert. Im lückenhaften (und teilweise ergänzten) Arzneimittelrezept SB XIV 12175 (2. Jh. n. Chr.) ist dagegen speziell von „Mundleiden“ (Z. 7–8: τὰ ἐν τῷ στόμα|[τι πάθη]) die Rede.
1,66 εἴτε δὲ θλιβόμεθα ‹ S. 167–168 ὑπὲρ τῆς ὑμῶν παρακλήσεως ‹ 1,3 καὶ σωτηρίας – Der Begriff σωτηρία31 begegnet innerhalb der dokumentarischen Papyri des Vergleichszeitrahmens fast ausnahmslos in Briefen.32 In ptolemäi25 So z. B. in P.Yale I 33 (5. April 253 v. Chr.; zu Z. 1–5 dieses Textes siehe unten S. 216). Zum „Wir“ im 2Kor siehe z. B. Byrskog, Co-Senders 244–246 (mit einigen Papyrusbelegen S. 233– 236), und den Exkurs von Schmeller, 2Kor 59–63. 26 Ferner geht es um Dinge, die zusätzlich zu bereits genannten Gütern anzuführen sind; zum papyrologischen Gesamtbefund siehe P. Arzt-Grabner in ders./Kritzer u. a., 1. Korinther 335. 27 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 28 Vgl. BDR § 109,2. 29 So etwa in den zwei folgenden Versen sowie in Röm 7,5; 8,18; Gal 5,24. 30 Das πάθος ist in der griechischen Klassik ein strapazierter Begriff und reicht von einer menschlichen Grundempfindung (vgl. dazu insbesondere die Schrift Περὶ πάθων des Stoikers Zenon) bis zum rhetorischen Stilmerkmal; nach LSJ s. v. πάθος 2.c. wurde πάθος auch synonym zu πάθημα verwendet. 31 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 32 Bei SB XX 15132 (222–235 n. Chr.) handelt es sich wahrscheinlich um eine Eidesformel, in
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Einzelheiten: 2Kor 1,4–6
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scher Zeit überwiegen dabei an offizielle Amtsträger gerichtete Petitionen, in denen sich bisweilen alles um die „Rettung“ des jeweiligen Absenders aus einer speziellen, brenzligen Lage dreht: So fomuliert z. B. ein verhafteter Fiskalschuldner in P.Petr. III 36 (a), Verso (ca. 218 v. Chr.) am Ende das eigentliche Ziel seines Schreibens als den Wunsch, Rettung zu erlangen – Z. 33: ἵνα τῆς σ̣ ω̣ τ̣η̣ ρίας τύχω.33
Allgemeiner das „Heil“ oder „Wohlergehen“ des Adressaten haben die Absender von privaten Briefen im Sinn, wenn sie – sei es zu Beginn oder gegen Ende derselben – ihrem Wunsch Ausdruck verleihen, etwas über die σωτηρία ihrer Empfänger zu erfahren.34 Meist lautet dieser Wunsch wie in BGU XVI 2616,5–6 (13 v. Chr.): καὶ γράφε μοι | σὺ πε̣ρ̣ [ὶ τῆ]ς ἡμῶν (l. ὑμῶν) σωτηρίας („und schreib du mir über euer Wohlergehen “), oder zuweilen etwas ausgeschmückter wie in P.Giss. I 81,5–8 (ca. 113–120 n. Chr.): μέμφομαί σε ὅτι `οὐ´ γέγραφάς | μοι περὶ τῆς σ̣ ω̣ τηρία(ς) σου. πέμ|ψον μοι οὖ̣ ν περὶ ̣ τῆς σωτηρία(ς) σου, | ἵνα καὶ ἐγὼ εὐτυχήσω („ich tadle dich, weil du mir nicht über dein Wohlergehen geschrieben hast. Schick mir also [eine Nachricht] über dein Wohlergehen, damit ich zufrieden sein kann!“).35
Noch eine Steigerung findet dies, wenn politisch Verantwortliche um das Wohl all ihrer Untertanen bemüht sind: So beschreibt der Präfekt Tiberius Iulius Alexander in einem seiner Edikte (BGU VII 1563 [2. Jh. n. Chr.]) Kaiser Galba als „auf uns zum Heil des ganzen Menschengeschlechts ausstrahlenden Wohltäter“ – Z. 15–17: ἐπιλάμ̣ [ψαντος ἐπὶ | σωτη]ρίᾳ τοῦ παντὸς ἀνθρώπω[ν γένους εὐεργέ|του] (vgl. weiter auch Z. 17–18).36 der auf das „Heil“ (Z. 4: [σωτηρί]αν) der Kaisermutter Iulia Mammaea geschworen wird (ähnlich die vereinzelt in Briefe des 3. Jh. v. Chr. eingebauten Schwurformeln – P.Cair.Zen. III 59324,2 [249 v. Chr.]; 59482,2–4; PSI IV 416,7–12 [beide Mitte 3. Jh. v. Chr.]; beachte auch P.Worp 50,3 [ergänzt; Ende 1. – Anfang 2. Jh. n. Chr.]; der Hg., A. Bülow-Jacobsen, gibt im Zeilenkommentar in P.Worp S. 314 an, dass die hier ergänzte Formel in O. Ka. La. inv. 789 vollständig erhalten ist). 33 Weitere Beispiele aus Eingaben lassen aufgrund ihrer Lückenhaftigkeit eine vergleichbare Ausdrucksweise leider nur erahnen (darunter etwa P.Cair.Zen. IV 59623,27 [vor 253 v. Chr.]; auf eine vorangegangene Petition könnte sich auch die Aussage τοῦ | θεοῦ θέλοντος ἕ[ξ]ε̣ι τὴν | σωτηρίαν [„wenn der Gott es will, wird er Rettung erlangen“] in P.Tebt. III.1 762,4–6 [spätes 3. Jh. v. Chr.] beziehen). Mit der hinreichenden Versorgung mit lebensnotwendigen Gütern scheint die σωτηρία zusammenzuhängen, von welcher der Absender von PSI IV 392 (240 v. Chr.; darin Z. 5 bzw. 9–10) spricht. 34 Koskenniemi, Studien 71, beschreibt die σωτηρία als „ein Wort, das hier einen sehr weiten Sinnbereich umfasst, nämlich sowohl das körperliche wie das geistige innere und äußere Wohlbefinden“. 35 Diese zweite Aufforderung (πέμψον μοι κτλ.) wiederholt sich in Z. 14–15. – Häufig begegnet auch εὔχομαί σου τὴν σωτηρίαν („ich bete für dein Heil“) o. Ä. (so z. B. in O.Claud. II 299,3 [Mitte 2. Jh. n. Chr.]). Um Ähnliches geht es vielleicht auch in O.Berenike II 190,4 und 197,3 (beide ca. 50–75), die beiden Papyrusbriefe sind aber nur fragmentarisch erhalten. 36 Ähnlich formuliert P.Oxy. LV 3781,3–4 (117 n. Chr.; Rundbrief des Präfekten Rammius Martialis) anlässlich der Inauguration Hadrians.
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Einleitungsteil des Briefcorpus (2Kor 1,3–2,13)
In gleicher Weise hat auch Paulus mit σωτηρία das „Heil“ als übergeordnetes, ganzheitliches Prinzip vor Augen, für das es sich zu leben lohnt.37 Wie in den Papyri ein zuständiger Beamter bzw. ein Prinzeps für das Heil der Menschen einsteht, so sieht Paulus dies in erster Linie durch Christus bzw. Gott mit seinem Erlösungswerk erfüllt. εἴτε παρακαλούμεθα ‹ 1,4, ὑπὲρ τῆς ὑμῶν παρακλήσεως ‹ 1,3 τῆς ἐνεργουμένης ἐν ὑπομονῇ τῶν αὐτῶν παθημάτων ‹ 1,5 – Die Bedeutung des Verbs ἐνεργέω in den Papyri richtet sich danach, ob von einer Person oder einer Sache
die Rede ist. Im ersteren Fall wird damit ein „Tätigsein“ oder das Verrichten einer Arbeit bezeichnet,38 im zweiten Fall ist davon die Rede, dass etwas in Betrieb ist39 oder seiner Bestimmung entsprechend verwendet werden kann40. Für den von Paulus hier beschriebenen Trost trifft in gewisser Weise beides zu: er ist gleichsam personhaft am Werk und gleichzeitig seinem Sinn entsprechend in Funktion. Wie Ch. M. Kreinecker treffend festgestellt hat, wird in den Papyri mit ἐνεργέω „eine Tätigkeit in ihrem Verlauf bezeichnet, nicht das Ergebnis dieser Tätigkeit.“41 Der Begriff ὑπομονή42 begegnet bisher nur in einem einzigen Papyrus (P.Oxy. XII 1418,4 [247 n. Chr.]), wobei aufgrund der Bruchstückhaftigkeit weder dessen Lesung gesichert noch die inhaltliche Einordnung zu erschließen ist. ὧν καὶ ἡμεῖς πάσχομεν – Das Verb πάσχω ist in den dokumentarischen Papyri und Ostraka gut bezeugt und bezeichnet Leiden vielfältigster Art, also nicht nur das Leiden an körperlichen Krankheiten oder Gebrechen, sondern auch das Erleiden von allerlei Bösem und Heftigem, von Schaden, Schmähung oder Gewalt, von Hunger und Strapazen.43 An der vorliegenden Stelle macht Paulus keine Einschränkungen, weshalb die Leiden, um die es hier geht wohl sehr umfassend zu verstehen sind. Der oben bei V. 5 beschriebene papyrologische Befund zu πάθος/πάθημα/πάθη ist zu dürftig (die beiden zuletzt genannten Nomina kommen gar nicht vor), als dass er eine Einschränkung auf körperliche Leiden nahelegen würde. Als paulinischer Hintergrund kann hier also durchaus auf die in 2Kor 6,4–5 und 11,23–29 geschilderte Bandbreite von Leiden, Verfolgungen, Mühen und Entbehrungen verwiesen werden.
37
Vgl. etwa auch 2Kor 7,10; Phil 1,28; 1Thess 5,8–9. Siehe dazu R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 414 (mit den entsprechenden Belegen). 39 Z. B. Schleusen zur Bewässerung der Felder, so in P.Petr. II 37 (1) a,17 (ca. 246–245 v. Chr.). 40 Z. B. ein Festsaal (wie in SB X 10278,10–11 [ca. 114–119 n. Chr.]). 41 Kreinecker, 2. Thessaloniker 169; vgl. R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 414–415. 42 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 43 Siehe dazu ausführlich R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 423– 425 (mit Belegen); ferner P.Worp 24,4 (3.–4. Jh. n. Chr.). 38
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Einzelheiten: 2Kor 1,6–7
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1,77 καὶ ἡ ἐλπὶς ἡμῶν βεβαία ὑπὲρ ὑμῶν – Die zahlreichen Beispiele für ἐλπίς in den dokumentarischen Papyri und Ostraka haben mit Begebenheiten zu tun, für die aus einer persönlichen Betroffenheit oder existentiellen Not heraus ein positiver Ausgang erhofft wird.44 Diese positive Ausrichtung auf die Zukunft kann durch Beifügung von Attributen wie ἀγαθός oder χρηστός im Sinne einer „guten“ oder „nützlichen“ Hoffnung noch verstärkt werden.45 Die Verbindung mit βέβαιος46 („fest, sicher, zuverlässig“) ist in den Papyri bisher allerdings nicht bezeugt, obwohl das Adjektiv selbst häufig vorkommt, insbesondere in byzantinischer Zeit. Wie das zugehörige Verb βεβαιόω begegnet es meist in juristischem Zusammenhang, worauf auch A. Papathomas zu sprechen kommt47. Bei dieser Verwendung fallen vor allem drei Varianten ins Auge, und zwar werden sowohl Objekte, die in diversen Arten von Verträgen z. B. ge- bzw. verkauft, verpachtet oder abgetreten werden, als „gesichert“, d. h. als vor jedem Zugriff geschützt48 bezeichnet als auch die Aktion, d. h. der Kauf bzw. Verkauf, die Verpachtung oder die Abtretung selbst sowie die schriftlichen Urkunden darüber als „unverbrüchlich“49; ist das neutrale Adjektiv (τὸ βέβαιον) verselbstständigt, ist darunter – zumindest in ptolemäischer Zeit – eine „sichere Rechtsgrundlage“50, unter den τὰ βέβαια hingegen eine eigenständige „Sicherungsurkunde“ oder eine „Gewährleistung“51 zu verstehen. In gewisser Weise damit zu vergleichen ist auch P.Lond. VI 1912 vom 10. November 41 n. Chr.:52 Innerhalb dieses bekannten Briefs des Claudius an die Alexandriner bestätigt dieser für alle, die während seiner Amtszeit das Ephebenalter erreichen, „das alexandrinische Bürgerrecht als gesichert“ – Z. 54–55: βαί⟦βον⟧βαιον διαφυλάσσωι (l. βέβαιον διαφυλάσσω) τὴν Ἀλεχανδρέων | πολειτείαν.
Ganz anderer Natur ist hingegen ein Beleg aus dem 1. Jh. v. Chr., worin ein Mensch als βέβαιος charakterisiert wird: 44 Siehe die Belege bei Kiessling, Wörterbuch s. v. ἐλπίς; P. Arzt-Grabner in ders./Kritzer u. a., 1. Korinther 347–348; Kreinecker, 2. Thessaloniker 186–188. 45 Beispiele bei Kreinecker, 2. Thessaloniker 186–188. 46 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 47 Vgl. Papathomas, Begriffe 14–15 Anm. 37. 48 So etwa in P.Ryl. II 159,22–23 (31–32 n. Chr.) und P.NYU II 15,10 (67–68 n. Chr.) von „Aruren“. 49 So z. B. in P.Amh. II 85,21 (78 n. Chr.) von einer μίσθωσις; zu dieser erweiterten Form der sog. Kyria-Klausel siehe ebenfalls Papathomas, Begriffe 15 Anm. 37. 50 Vgl. dazu etwa P.Tor.Choach. 12, Kol. II 9–10 (117 v. Chr.). 51 So etwa in P.Mich. I 45,13 (nach 1. Juni 252 v. Chr.). 52 Zu diesem wichtigen Schreiben und seinen historischen Hintergründen siehe u. a. ArztGrabner, Stellung 140–146 (mit Literaturangaben S. 142 Anm. 29); Gambetti, Riots 220–228. Eine kurze Einführung und englische Übersetzung zu diesem Dokument bieten auch Elliott/ Reasoner (Hg.), Documents 206–211 (allerdings ohne Angabe der Editionsnummer „1912“ und mit irrtümlicher Angabe der Auffindung im Jahre 1912; bekannt ist nur der Ankauf durch das British Museum im Jahre 1921, vgl. H. I. Bell in P.Lond. VI S. 1).
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Einleitungsteil des Briefcorpus (2Kor 1,3–2,13)
Und zwar scheint sich der Absender eines Briefes (BGU VIII 1864, Verso [64–44 v. Chr.] – von dem Text ist nur ein Bruchstück erhalten) von seinem Adressaten zu wünschen, er möge, was ihre gegenseitige Freundschaft betreffe, „beständig sein“ (καὶ βέβαιος ὢν ἐν φιλίαι).53
Die Gewichtigkeit der Zusicherung von „Hoffnung“, d. h. der positiven Erwartung, die Paulus und Timotheos in die korinthische Gemeinde setzen, ist thematisch am ehesten mit der ernstzunehmenden Absicht des Claudius vergleichbar, den alexandrinischen Männern ihr Bürgerrecht zu sichern, aber in weiterem Sinne auch mit der in Verträgen vereinbarten und somit unumstößlichen „Sicherheit“ einer bestimmten Transaktion. εἰδότες ὅτι – Nach J. L. White handelt es sich bei dieser Wendung um eine
typische disclosure formula. „The verb meaning ‚to know‘ appears frequently in stereotyped phrases throughout the body and seems to be employed generally for transitional purposes.“54 Von mindestens vier verschiedenen Ausdrucksmöglichkeiten verwendet Paulus hier jene mit dem Perfektpartizip (ähnlich in 4,14; 5,6). Die anderen Möglichkeiten sind: γινώσκειν σε θέλω ὅτι … („ich möchte, dass du weißt, dass …“), γίνωσκε ὡς … oder γίνωσκε ὅτι … („wisse, dass …“), οἶδες ὅτι … („du weißt, dass …“) oder οἶδα ὅτι … („ich weiß, dass …“; beachte οἴδαμεν ὅτι in 2Kor 5,1). Zu manchen Formeln existieren weitere Varianten wie z. B. die rhetorische Frage οὐκ οἴδατε ὅτι …; („Wisst ihr nicht, dass …?“).55 Zur Variante γίνωσκε ὅτι56 bzw. γινώσκειν σε θέλω ὅτι57 kann auf 13,6 verwiesen werden: die dort von Paulus verwendete Ausdrucksweise ἐλπίζω δὲ ὅτι γνώσεσθε ὅτι κτλ. („ich hoffe aber, dass ihr wisst, dass …“) ist offensichtlich eine Erweiterung der in den Papyrusbriefen verwendeten Formel.
Die inhaltliche Funktion dieser Formeln besteht darin, die Aufmerksamkeit der Adressatinnen und Adressaten in besonderer Weise für das Folgende zu wecken. Während Paulus hier für sich selbst (oder für sich und seinen Mitabsender Timotheos) die Pluralform verwendet, begegnet in den Papyrusbriefen normalerweise die Singularform εἰδὼς ὅτι.58 53 Die Hg. bezeichnen eine briefliche Wendung, wie sie hier begegnet, als „ungewöhnlich“ (W. Schubart und D. Schäfer in BGU VIII S. 142). 54 White, Form and Function 11; vgl. ders., Formulae 93; Olson, Expressions 284–289. 55 Siehe dazu White, Form and Function 11–15 (mit Beispielen). 56 Belege in zeitlicher Nähe zu Paulus sind P.Haun. II 28,5 (31. August 31 n. Chr.); P.Oxy. II 295,2 (ca. 35 n. Chr.); BGU IV 1078,2 (20. Oktober 38); P.Berl.Möller 9,14 (9. Juli 45 n. Chr.); SB XIV 11625,2 (1. Jh. n. Chr.); SB XXIV 16337,2 (98–102 n. Chr.). 57 Belege in zeitlicher Nähe zu Paulus sind SB V 7600,25–26 (12. April 16 n. Chr.); O.Berenike II 199,3–4 (ca. 50–75 n. Chr.); SB XIV 11585,2 (7. Juli 59 n. Chr.); P.Turner 18,7–8 (89–96 n. Chr.); P.Köln I 56,3; SB VI 9120,3 (beide 1. Jh. n. Chr.); P.Pintaudi 53,3 (2. Hälfte 1. Jh. n. Chr.); P.Mich. VIII 464,3–4 (16. März 99 n. Chr.); SB V 8947,2–3; P.Oxy. LXXVI 5099,3 (beide spätes 1. Jh. – frühes 2. Jh. n. Chr.). 58 Siehe die Beispiele bei Arzt-Grabner, Philemon 251. Auf P.Oxy. III 532,5 (2. Jh. n. Chr.) verweist bereits Windisch, 2Kor 43.
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Einzelheiten: 2Kor 1,7–8
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ὡς κοινωνοί ἐστε τῶν παθημάτων ‹ 1,5, οὕτως καὶ τῆς παρακλήσεως ‹ 1,3 – Mit κοινωνός wird in den dokumentarischen Papyri und Ostraka vor allem
der Geschäftspartner oder Teilhaber bezeichnet.59 Hier geht es um eine intensive Partnerschaft, deren Mitglieder miteinander auch die Leiden teilen, genauso wie sie im Trost miteinander verbunden sind. 1,88 οὐ γὰρ θέλομεν ὑμᾶς ἀγνοεῖν, ἀδελφοί ‹ 1,1, ὑπὲρ τῆς θλίψεως ‹ S. 167–168 ἡμῶν τῆς γενομένης ἐν τῇ Ἀσίᾳ – Mit einer weiteren disclosure formula greift Paulus noch einmal das Thema der θλῖψις auf und berichtet konkret über die in der Provinz Asia60 erlittene Bedrängnis. Die konkrete Formel οὐ θέλω/ θέλομεν ἀγνοεῖν ist in dokumentarischen Papyri und Ostraka bisher zwar nicht bezeugt, wohl aber οὐκ οἶμαί σε ἀγνοεῖν ὅτι („ich glaube nicht, dass du darüber unwissend bist, dass“, also im Sinn von „ich glaube, dass du ja weißt, dass“) und οὐκ ἀγνοεῖς ὅτι („du bist nicht unwissend darüber, dass“, also „du weißt ja, dass“)61. ὅτι καθ᾽ ὑπερβολὴν ὑπὲρ δύναμιν ἐβαρήθημεν – Die Wendung καθ᾿ ὑπερβολήν wird in den Papyri vor allem mit einem Verhalten in Zusammenhang
gebracht, mit dem man „über ein Ziel hinausschießt“, oder – wie hier bei Paulus – mit einer Befindlichkeit, die einen „über die Maßen strapaziert“. Zwei Beispiele sind besonders gut mit der Paulusstelle vergleichbar: In der Eingabe P.Dion. 9 (ca. 139 v. Chr.) beklagt sich der Petent, ihm sei „über die Maßen Unrecht getan worden“ – Z. 4: καθ᾽ ὑ̣ περβολ̣ ὴ̣ ν ἠδικημένο[ς]. In P.Lips. II 124,30 (137 v. Chr.?) fühlt sich eine Gruppe von Katöken bezüglich ungerechtfertigter Abgabenforderungen „über die Maßen bedrängt“: θλιβόμ̣ ε̣ν̣ οι καθ᾿ ὑπερβολήν.62
Die Wendung ὑπὲρ δύναμιν begegnet in der Eingabe des Webermeisters Tryphon aus Oxyrhynchos, der sich beim Strategen Alexandros über seine Exfrau beschwert: Gleich am Beginn der Eingabe schreibt er – P.Oxy. II 282,4–14 (26. Januar 29–22. Mai 37 n. Chr.): συνεβίω|[σα] Δημ[η]τροῦτι Ἡρακλε`ί´|δου, κα[ὶ ἐ]γὼ μὲν οὖν ἐ|πεχορήγησα αὐτῇ τὰ ἑ|ξῆς καὶ ὑπὲρ δύναμιν. | ἡ δὲ ἀλλότρια φρονήσα|σα τῆς 59
Siehe dazu ausführlich und mit zahlreichen Belegen Arzt-Grabner, Philemon 226–228. Diese wird bisher in zwei Papyri erwähnt, einmal in einem Erlass des Triumvirn Marcus Antonius an das Gemeinwesen dieser Provinz aus dem Jahre 33/32 v. Chr. (SB I 4224; beachte Z. 3–4; der Papyrus selbst ist ins 2. Jh. n. Chr. zu datieren.), und dann im Privatbrief P.Mich. VIII 501 (2. Jh. n. Chr.), wo der Briefsender seine Reise von Ägypten „durch Syrien, Asien und Achaia bis nach Rom“ erwähnt – Z. 17–18: [ἰτι]νερᾶριν ὃ ἐποίησα | [διὰ Σ]υρίας Ἀσίας Ἀχαίας μέχ[ρι Ῥ]ώμης. 61 Siehe die Belege bei P. Arzt-Grabner in ders./Kritzer u. a., 1. Korinther 362 (mit Anm. 526 und 527). Beachte auch πιστεύω σε μὴ ἀγνοεῖν („ich glaube, dass du nicht unwissend bist“, also „…, dass du genau weißt“) in P.Tebt. II 314,3 (2. Jh. n. Chr.). 62 Siehe dazu und zu weiteren Beispielen für εἰς bzw. καθ᾿ ὑπερβολήν R. E. Kritzer in ArztGrabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 432–433. 60
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Einleitungsteil des Briefcorpus (2Kor 1,3–2,13)
κοινῆς συμβιώ|[σεως] κατὰ πέρ[α]ς ἐξῆ|[λθε] καὶ ἀπηνέκαντο | τ̣ὰ̣ ἡμέτερα ὧν τὸ κα|θ᾽ ἓν ὑπόκειται („ich heiratete63 Demetrus, Tochter des Herakleides, und
ich für meinen Teil versorgte sie mit allem, was dazugehört, und über meine Möglichkeiten hinaus. Sie aber hatte anderes im Kopf als unser Eheleben und ging schließlich weg, und sie schleppten64 unser65 Hab und Gut fort, von dem unten eine Auflistung66 angehängt ist“).67
Die Wendung bezeichnet also ein über die eigenen Möglichkeiten, die eigene Kraft, über das Machbare, das Erträgliche hinausgehendes Maß.68 Der Befund für βαρέω69 vermittelt einen relativ bunten Eindruck von den „Belastungen“, denen Menschen in damaliger Zeit ausgesetzt waren: Eine große Gruppe bilden dabei jene Belege, die aus sog. „Domanialpachtangeboten“ aus den Jahren 117 bzw. 118 n. Chr. stammen; βαρέω steht in dem Zusammenhang für ein „Belastetwerden“ in finanzieller bzw. abgaberechtlicher Hinsicht, und zwar durch einen zu hohen Pachtzins (ἐκφόριον).70 Um eine steuerliche Belastung für die Einwohner der Thebais, die sich nach einer Flurbesichtigung ergeben könnte, aber tunlichst vermieden werden sollte (ὅπως μὴ βαρηθῶ|σιν – „damit sie nicht belastet werden“), geht es hingegen in P.Brem. 2, Kol. II 5–6 (119 n. Chr.?).71 Durch ihr Alter „belastet“ sieht sich hingegen die Petentin von P.Tebt. II 327 (180–191 n. Chr.), wie sie selbst in Z. 25–26 ins Treffen führt: [γ]υνὴ οὖσα ἀβοή|θητος πο̣ [λλο]ῖς ἔτεσι βεβα|ρημένη („da ich eine wehrlose Frau und mit vielen Jahren belastet bin“). Durch eine Fahrt zu Schiff (παράπλους) belastet (βαροῦμαι) fühlt sich der Absender von P.Oxy. III 525 (frühes 2. Jh. n. Chr.; vgl. darin Z. 3).72 Die Ermutigung des Verfassers von P.Oxy. XLI 2983 (2.–3. Jh. n. Chr.) an seinen Adressaten, sich nicht zu „sorgen“ (Z. 15: καὶ μὴ βαροῦ), hat mit der ordnungsgemäßen Abwicklung 63 Die Aoristform συνεβίωσα lässt sich hier als Akt der Eheschließung verstehen, also als jener Zeitpunkt, als das „Zusammenleben“ offiziell besiegelt wurde (B. P. Grenfell und A. S. Hunt übersetzen „I married“ [P.Oxy. II S. 273]). 64 Der Plural ἀπηνέκαντο deutet wohl darauf hin, dass Demetrus dafür einen Komplizen hatte (so B. P. Grenfell und A. S. Hunt in P.Oxy. II S. 273). 65 So wörtlich, gemeint sind wohl vor allem die Dinge, die Tryphon als seinen Besitz ansieht, also im Sinne von „mein Hab und Gut“. 66 Dieser Teil des Papyrus ist nicht mehr erhalten. 67 Weitere Belege stammen bereits aus byzantinischer Zeit. 68 Zur Wendung παρὰ δύναμιν siehe unten bei 8,3 (S. 413). 69 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 70 Vgl. etwa P.Brem. 36,9–10 (117 n. Chr.); durch die Wendung βαροῦμαι (auch βαρούμεθα) τῷ ἐκφορίῳ/τοῖς ἐκφορίοις bzw. δημοσίοις geben Pächter an, dass sie nicht mehr imstande sind, den Pachtzins für das Staatsland zu zahlen, und bitten – unter Bezugnahme auf ein hadrianisches Edikt über Abgabennachlässe – darum, diesen herabzusetzen (siehe dazu genauer U. Wilcken in P.Brem. S. 83–84 bzw. E. Kornemann und P.M. Meyer in P.Giss. I S. 22–28 [zu P.Giss. I 4–7]). 71 In ähnlichem Zusammenhang auch BGU XIX 2762, Verso, Fr. 2 2 (nach 27. Oktober 152 n. Chr.); SB XIV 11876,12–14 mit BL IX 276 (nach 215 n. Chr.); 11875,34–36 (nach 2. Juli 237 n. Chr.); P.Cair.Isid. 1,4 (297 n. Chr.) 72 Auf diesen Beleg verweist bereits Windisch, 2Kor 45 Anm. 4 (weiters auf P.Tebt. I 23,5 [ca. 119 oder 114 v. Chr.] und P.Oxy. VI 939,23 [4. Jh. n. Chr.; „929“ bei Windisch ist ein Tippfehler]).
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Einzelheiten: 2Kor 1,8
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gegenseitiger Belieferungen zu tun73, und in P.Oxy. XIV 1677,8–9 (3. Jh. n. Chr.) wird jemand davor gewarnt, seine Mitmenschen mit dem Auftrag des Briefeschreibens zu belasten: ἵνα μὴ βαρήσεις ἀνθρώποις γράψαι σοι | ἐπιστολί`δι´ον.74
ὥστε ἐξαπορηθῆναι ἡμᾶς καὶ τοῦ ζῆν – Eine vergleichbare Konstruktion mit καὶ τοῦ ζῆν begegnet in BGU I 36,12–13 (98–117 n. Chr.): ἐπαγγελλόμενοι | [κ]αὶ τοῦ ζῆν με[τ]α[σ]τῆσαι („sie drohten, mir sogar das Leben zu nehmen“).75 Das Verb ἐξαπορέω76 („völlig ratlos sein, in großen Schwierigkeiten
sein“) begegnet in nur zwei papyrologischen Zeugnissen. Bei P.Eleph. 2 (284 v. Chr.) handelt es sich um ein Testament, in dem ein Elternpaar für seine drei Söhne vorsorgt, mit denen es in geschäftlicher Verbindung steht; außerdem wird festgelegt, dass, sollten Vater und Mutter zu Lebzeiten in eine dringende Notlage geraten (wörtl: „nicht mehr weiter wissen“) oder in Schulden verstrickt sein, die Söhne gemeinsam für sie aufkommen – Z. 10–11: ἐὰν δέ τι ἐξαπορῶνται ἢ χρέος ὀφείλωσιν Διονύσιος καὶ Καλλίστα ζῶντες | τρεφέτωσαν αὐτοὺς οἱ υἱεῖς πάντες κοινῆι. Auf eine spezifische Situation bezogen ist dagegen BGU XIV 2370,71–72 (nach 84–83 v. Chr.), wo festgehalten ist, dass ein Steuereintreiber deshalb in jeder Hinsicht völlig ratlos war (τοῖς ὅλοις ἐξηπό̣ ρ̣ [ει]), weil er (aufgrund der Zahlungsunfähigkeit der steuerpflichtigen Bevölkerung) nicht in den herakleopolitischen Gau gehen und Steuern eintreiben konnte.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Spanne des „Nicht-mehr-weiterWissens“, das auch durch das einfache ἀπορέω ausgedrückt wird77, von einer kurzfristigen Ratlosigkeit bis zur Existenzbedrohung reichen kann (zur Deutung auf eine Depression siehe unten S. 211). Mit dem Verb ζάω wird hier auf das irdische Leben angespielt wie zumeist in den dokumentarischen Papyri und Ostraka, wobei dort mit dem Verb sowohl das irdische Leben an sich zum Ausdruck gebracht werden kann als auch die Lebensdauer (z. B. in Eheverträgen oder Testamenten, wenn die Vereinbarungen für die Lebenszeit des jeweiligen Partners oder die begünstigten Personen abgeschlossen werden)78.
73
Ähnlich P.Oxy. VIII 1159,2–4 (spätes 3. Jh. n. Chr.). Vgl. weiters SB XXII 15737,10 (2. Jh. n. Chr.); PSI XIII 1333, Verso 7–8; SB XIV 12107, Verso 21–22 (beide 3. Jh. n. Chr.). Wörtlich ein „Belasten“, nämlich ein „Beschweren“ bzw. „Beladen“ mit Gütern, ist in BGU VII 1674,9 (2. Jh. n. Chr.) mit βαρέω gemeint; als „beschwert“ von Alkohol, also als stark betrunken, werden fünf Einbrecher in P.Cair.Isid. 75,9 (316 n. Chr.) beschrieben. 75 So bereits Moulton, Grammar I 219–220 (vgl. Robertson, Grammar 1061). 76 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 77 Vgl. dazu unten bei 4,8 (S. 304). 78 Siehe dazu (mit einigen Beispielen) R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 314–315; Preisigke, Wörterbuch s. v. ζάω; Kiessling, Wörterbuch s. v. ζάω insgesamt und unter c). Ferner z. B. P.Oxy. LXVI 4533,5 (Testament; Ende 1. – Anfang 2. Jh. n. Chr.); P.Sijp. 43,5.6.7.9.14.17 (Testament; 119–120 n. Chr.). 74
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Einleitungsteil des Briefcorpus (2Kor 1,3–2,13)
Eine mit der Paulusstelle entfernt vergleichbare Ratlosigkeit, wie man weiter leben soll, kommt im amtlichen Brief O.Krok. I 14 (22. Januar 109 n. Chr.) zum Ausdruck: Durch einen Defekt an der Mühle des Lagers in Krokodilo ist die gesamte Nahrungsversorgung gefährdet, weshalb der Reiter Krinolaios zum praefectus montis geschickt wurde. An diesen schreibt nun der curator Capito – Z. 8–11: δ̣ ιὸ ἐρωτοῦμέν | σε, κύριε, ἐκπένψαι (l. ἐκπέμψαι) αὐτὸ̣ [ν ἐ]ξαυτῆς· οὐ γ̣ὰρ ὑπάρ|χει ἡμῖν πῶς ζήσωμε̣ν̣ ἠὰν μὴ ὁ μύ̣ λος | γενηθῇ („deswegen bitten wir dich, Herr, ihn uns sogleich zurückzuschicken; denn wir haben keine Möglichkeit, wie wir leben sollen, wenn die Mühle nicht funktioniert“).
1,99 ἀλλὰ αὐτοὶ ἐν ἑαυτοῖς τὸ ἀπόκριμα τοῦ θανάτου ἐσχήκαμεν – Die gängige Übersetzung bzw. Deutung von ἀπόκριμα79 als „Urteil“ trifft nicht genau das, was man in der damaligen Zeit unter diesem Begriff verstand.80 Auch H. Lietzmann übersetzt (in Verbindung mit τοῦ θανάτου) „Todesurteil“, obwohl er richtig bemerkt, dass es sich bei ἀπόκριμα um einen Terminus technicus für einen von offizieller Seite ausgestellten „Bescheid“ handelt.81 Diese Bedeutung wurzelt im dazugehörigen Verb ἀποκρίνομαι, das auch in den Papyri in der Regel für ein „Antworten“ steht, das mündlich oder schriftlich, im privaten oder (häufiger im) öffentlichen Bereich erfolgt. So bezieht sich z. B. das in O.Claud. I 126,3 (ca. 107 n. Chr.) erwähnte ἀπεκρίθη („er antwortete“) auf einen Antwortbrief; in P.Tor.Choach. 11bis,35 (119 v. Chr.) geht es hingegen um ein „Rede-und-Antwort-Stehen“ innerhalb eines Prozesses: (ἀποκ[ριθ]έντος δ᾽ αὐτοῦ κτλ. – „er aber antwortete …“), und in SB V 8247,4 (ca. 63–64 n. Chr.) ist es der Präfekt Tuscus, der auf die Beschwerde einer Gruppe von Legionären hin „antwortet“ (Τοῦσκος ὁ ἡγεμὼ̣ ν̣ ἀπεκρείθη ὑμεῖν).82
Das Substantiv ist papyrologisch dagegen weitaus seltener und ausschließlich für die Zeit ab Hadrian belegt.83 Im beginnenden 2. Jh. n. Chr. bildete sich nämlich ein System heraus, bei dem der Prinzeps (anstelle von speziell dafür 79
Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. Zahlreiche Kommentatoren übersetzen „Todesurteil“, ohne dies näher zu erklären oder kritisch zu kommentieren, so z. B. Kuss, Briefe 197; Bousset, 2Kor 174; Kremer, 2Kor 23; Wendland, Kor 168; Schlatter, Paulus 467; Lang, Kor 252.254; Zeilinger, Krieg I 180. Bei LSJ s. v. ἀπόκριμα 1. ist für die Bedeutung „judicial sentence, condemnation (= κατάκριμα)“ die Paulusstelle als einziger Beleg angeführt. 81 Lietzmann, Kor 100 bzw. 101; ebenso Windisch, 2Kor 46; Bultmann, 2Kor 32 Anm. 9 (mit Verweis auf Deissmann, Neue Bibelstudien 85); Wolff, 2Kor 26; Prümm, Diakonia 18–19; ähnlich schon Meyer, 2Kor 17; Bachmann, 2Kor 43; Hughes, 2Cor 19 Anm. 15; Barnett, 2Cor 85–86 Anm. 27 („official report“); Scott, 2Cor 33. Auch Grässer, 2Kor I 63, bezeichnet die Übersetzung „Bescheid“ unter Berufung auf Büchsel, κρίνω 947, als die dem „Todesurteil“ vorzuziehende, führt dies aber in seiner Übersetzung (S. 61) nicht aus. 82 Für weitere Belege siehe Kiessling, Wörterbuch s. v. ἀποκρίνομαι. 83 Der zeitlich früheste Beleg (P.Tebt. II 286,1 [nach 138 n. Chr.]), auf den auch Windisch, 2Kor 46, verweist (außerdem Welborn, Paul’s Appeal 42 Anm. 43), beginnt mit den Worten: [ἐ]κ μέρους ἀποκρίματος θεοῦ Ἁδριανοῦ („Auszug aus einem Reskript des vergöttlichten Hadrian“). 80
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eingesetzten Juristen) in Form von sog. ἀποκρίματα zu Anfragen von Beamten oder Privatpersonen Stellung bezog. Diese, meist lateinisch rescripta genannten „Antwortschreiben“, wurden des Öfteren zur Grundlage von Prozessentscheidungen und stellen somit eine unerlässliche Quelle des römischen Kaiserrechts dar. Was die Papyri betrifft, ist hier vor allem auf SB VI 9526 (200 n. Chr.) zu verweisen, die „Abschriften von Reskripten“ (ἀντίγραφα ἀποκριμάτων), die von Septimius Severus stammen und in der Stoa des Gymnasiums von Alexandria ausgehängt waren.84 Trägt man diesem Sachverhalt Rechnung, ist, wie oben schon angedeutet, von einer Übersetzung des von Paulus erwähnten ἀπόκριμα mit „Urteil“ abzusehen. Ein (gerichtliches) Urteil trennt zwischen „Falsch“ und „Richtig“, zwischen „Schuldig“ und „Unschuldig“ und setzt in ersterem Fall eine Bestrafung fest. Paulus (und Timotheos?) setzen jedoch – wie oben erwähnte Anfragende in ihrer Hilflosigkeit – auf die höchste Instanz, auf Gott (πεποιθότες … ἐπὶ τῷ θεῷ), der eine „Entscheidung über ihren Tod“ treffen soll, die ja, wie im Folgenden zu lesen ist, zu ihren Gunsten ausfällt. Mit θάνατος ist hier – wie auch am häufigsten in den Papyri – der irdische Tod gemeint.85 Den hier beschriebenen „Vorgang, der bei P[aulus] freilich ein innerer war,“ vergleicht H. Windisch „mit der antiken Sitte […], in schweren Lebenslagen mündlich oder brieflich ein göttliches Orakel zu erbitten,“ und verweist u. a. auf die in zwei Exemplaren erhaltene Orakelanfrage BGU I 229 und 230 (mit BL I 27 und VIII 21), die ins 1. oder 2./3. Jh. n. Chr. datiert wird und worin der Bittende an die großen Götter die Anfrage richtet, ob er von der Krankheit, die in ihm ist, geheilt werden wird: ἠ μὲν σοθήσωι (l. εἰ μὲν σωθήσομαι) ταύτης, ἧς ἐν ἐμοὶ ἀσθενία.86 ἵνα μὴ πεποιθότες ὦμεν ἐφ᾽ ἑαυτοῖς ἀλλ᾽ ἐπὶ τῷ θεῷ τῷ ἐγείροντι τοὺς νεκρούς – Das intransitive Perfekt πεποίθα in der Bedeutung „trauen, vertrauen“
ist auch in Papyrusbriefen zahlreich belegt.87 Von „Selbstvertrauen“ ist im Pri-
84 Literatur dazu bei Rupprecht, Einführung 145. Auf Reskripte des Severus und des Caracalla nimmt SB XIV 11875 (nach 2. Juli 237 n. Chr.) Bezug. 85 Belege dafür und für andere Zusammenhänge wie Todesgefahr oder Todesstrafe bietet F. Winter in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 160. Belege speziell zu Todesstrafe siehe auch unten S. 376 Anm. 632. Zur Sterblichkeitsrate im römischen Korinth, die u. a. aufgrund der Zensusdeklarationen aus Ägypten (siehe Bagnall/Frier, Demography) zu erschließen ist, siehe Nasrallah, Grief 115–121. 86 Windisch, 2Kor 46. Die weiteren Beispiele, auf die Windisch verweist, sind: Chrest.Wilck. 122 mit BL VIII 511 (26. April 6 n. Chr.); P.Oxy. VIII 1148; P.Fay. 137 mit BL VII 48 (beide 1. Jh. n. Chr.); 138 (1.–2. Jh. n. Chr.); P.Oxy. VIII 1149 (2. Jh. n. Chr.); SB XXVI 16506 (mit BL VII 91 zu P.Lond. III 1267 [d],5; 2. Jh. n. Chr.; Windisch gibt noch die ed.pr. P.Lond. III 1267d [S. 70] an); P.Oxy. XII 1477 mit BL VI 102 (spätes 3. oder frühes 4. Jh. n. Chr.). Näheres zu Prinzip und Ablauf der Losorakel sowie zur Struktur der Orakelfragen siehe S. 245–247. 87 Vgl. ausführlich mit Belegen Arzt-Grabner, Philemon 248–250.
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vatbrief BGU IV 1141 (14–13 v. Chr.?)88 die Rede, allerdings nicht in der Wendung mit der Präposition ἐπί, sondern mit einfachem Dativ – Z. 17: πέποιθα γὰρ ἐματῶι.89 Obwohl das Verb ἐγείρω in den dokumentarischen Papyri und Ostraka nicht sehr häufig belegt ist, ist die Bedeutungsbreite dennoch groß und reicht von „aufwecken“ bis zu „aufstacheln“ und „hervorrufen, ausbrechen lassen“ (einer Seuche).90 Die genaue Bedeutung ergibt sich jeweils aus dem Kontext, so wie auch hier bei Paulus: erst durch den Zusatz τοὺς νεκρούς wird deutlich, dass von einer „Auferweckung“ die Rede ist. Mit νεκρός wird in den Papyri fast ausschließlich ein toter Mensch bezeichnet.91 1,110 ὃς ἐκ τηλικούτων θανάτων – Das Pronomen τηλικοῦτος92 („so groß“) begegnet in den Papyri in unterschiedlichen Zusammenhängen. Seine ursprüngliche Funktion als Angabe eines Größenverhältnisses hat es in einem Beleg aus dem 3. Jh. v. Chr. bewahrt, wo von der undurchführbaren Herstellung eines Tabletts „solcher Ausmaße“ die Rede ist (P.Ryl. IV 568,27–31). Zumeist dient τηλικοῦτος aber dazu, abstrakte Begriffe als – sei es in positiver oder negativer Hinsicht – „bedeutsam“ zu charakterisieren. Dabei handelt es sich um von sich aus neutrale93, um ausgesprochen positive94 oder aber um mehr oder weniger negative Begriffe, wobei hier – aufgrund des Vergleichs mit dem Paulustext – lediglich auf letztere Gruppe genauer eingegangen werden soll: Um einen „so großen Schaden“ (βλάβη), der durch abgehende Arbeitskräfte für Zenon entstehen könnte, geht es etwa in P.Cair.Zen. III 59378,11–12 (nach 256 v. Chr.) oder um eine „so große Notwendigkeit“ bzw. einen „Bedarf“ (χρεῖα), in dem Fall an Flachs, in P.Tebt. III.1 769, Verso 72 (237–236 oder 212–211 v. Chr.?)95; in P.Ryl. II 77,20 (192 n. Chr.) wird die ὕβρις einer Person als τηλικαύτη bezeichnet96 und in P.Panop.Beatty 2,106 (5. Februar 300 n. Chr.) die „Vernachlässigung“ (ἐνέδρα) von Geschäften kritisiert. 88
Die Angabe „1147“ bei Welborn, End 85 Anm. 338, ist ein Druckfehler. Zu Papyrusbelegen mit ἐπί siehe Kreinecker, 2. Thessaloniker 195. 90 Siehe die Belege bei R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 233–234. 91 Zahlreiche Belege bei R. E. Kritzer und P. Arzt-Grabner in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 479 Anm. 32. 92 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 93 So etwa in UPZ I 110,35–36 (164 v. Chr.) von „wichtigen Dienstanweisungen“ (δι|αστολαί) oder P.Oxy. XLVI 3286,10–11 (222–223 n. Chr.) von einem „bedeutenden Amt“ (ἀρχή); in PSI Congr.XXI 13, Kol. III 22 (nach 284–285 n. Chr.) ist von einem „so großen Wagnis“ (τολμήμα) die Rede. Darauf, dass das substantivierte τὸ τηλικοῦτο in SB XXII 15350,5–6 (frühes 3. Jh. n. Chr.) in dem Sinn ebenso einem „Wagnis“ gleichzusetzen ist, weist der Zusammenhang hin. 94 So in P.Lips. I 119, Verso, Kol. II 2–3 (17. Oktober 273 n. Chr.) von „so großen und besonderen Wohltaten“ (τοσ̣ α̣ [ῦ]τα καὶ τηλικαῦτα … ἀγαθά). 95 So mehrmals; vgl. weiters z. B. P.Oxy. XIX 2228,30 (283 oder 285 n. Chr.?). 96 In dem Zusammenhang ist auch auf P.Panop.Beatty 2,70 (9. Februar 300 n. Chr.) und 2,220– 89
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Im weitesten Sinne mit Paulus zu vergleichen ist UPZ I 110,126 (164 v. Chr.), wo auf eine „so große Katastrophe“ Bezug genommen wird, von der sich „die Menschen soeben erholt hätten“: τοὺς ἀνθρώπους ἐκ τηλικαύτης καταφθ`ο´ρᾶς ἀρ|τ[ί]ως ἀνακτωμένους.97
Mit θάνατος wird hier nicht der bereits eingetretene irdische Tod bezeichnet, sondern die Todesgefahr, aus der Gott errettet hat (und retten wird). Vergleichbare Papyrusbelege, die von θάνατος als „drohendem Tod“ oder „Todesgefahr“ sprechen, sind selten: Besonders dramatisch ist die Situation des königlichen Pächters Harmaïs, der in der Eingabe UPZ I 122 vom 28. Dezember 157 v. Chr. dem Strategen Poseidonios berichtet, dass er – fern seines Dorfes – im Zuge einer Razzia, die der Stratege in der Gegend von Memphis gegen eine Räuberbande habe durchführen lassen, von jemandem aus dem Gefolge des Strategen am Schenkel schwer verletzt wurde, so dass er bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch lahmt; sein Ansuchen lautet nun – Z. 17–23: διὸ ἀξιῶ, ἐπεὶ σὺν τοῖς θεοῖς | καὶ τῆι σῆι τύχηι ἐκ θανάτου σέσωμαι, | ἐὰν φαίνηται, συντάξαι τοῖς παρά σου | μὴ κωλύειν με, ἐὰν βούλωμαι ἐπανάγειν | εἰς τὴν κώμην διὰ τὸ χωλὸν ὄντα τοῖς | ἀναγκαίοις θλίβεσθαι, ὅπως μὴ ὑπὸ τῆς | λιμοῦ διαλ[υ]θῶ („deshalb stelle ich das Ansuchen, nachdem ich mit den Göttern und deiner Tyche98 aus Todesgefahr erettet bin, wenn es [dir recht] erscheint, deinen Gefolgsleuten aufzutragen, mich nicht zu hindern, wenn ich ins Dorf zurückkehren will, weil ich, da ich lahm bin, von den notwendigsten Bedürfnissen niedergedrückt werde, damit ich nicht an Hunger zugrunde gehe“). Um eine Eingabe handelt es sich auch bei P.Petr. III 36 (a), Rekto (218–217 v. Chr.). Der in Haft sitzende Poseidonios beschreibt darin seine Situation mit den Worten – Z. 4–9: με|γάλη ἡ̣ ἀνάγκη ἐστὶν καὶ | τὸ πενιχρὸν εἶναι καὶ ὁρᾶν | [τ]ὸν θάνατον ὑποκείμενον | [ἐν] τῆι φυλακῆι διὰ τὴν | ἔνδειαν („groß ist die Zwangslage und das Arm-Sein und den Tod vor Augen zu haben im Gefängnis wegen der Bedürftigkeit“). Nun wendet er sich an den Epimeletes Ptolemaios mit der Bitte, ihn aus dieser Zwangslage zu befreien und zu retten.
Lebensgefahr aufgrund von Gewaltakten wird häufig mit der Wendung κινδυνεύω oder κίνδυνος τοῦ/τῷ ζῆν ausgedrückt.99
221 (16. Februar 300 n. Chr.) zu verweisen, wo τὰ τηλικοῦτα für ein „schlechtes Benehmen“ stehen (neutral [„etwas so Großes/Gewichtiges, Derartiges“]); allerdings τὸ τηλικοῦτο in SB XXII 15350,5–6 (frühes 3. Jh. n. Chr.). 97 U. Wilcken mutmaßt in UPZ I S. 477, dass sich die erwähnte Katastrophe, die im Brachliegen königlicher Domänen und der weitgehenden Unfähigkeit der Bevölkerung zu einer erneuten Bebauung bestand, durch einen politisch motivierten Aufstand ergeben hatte. 98 Gemeint ist: mit Hilfe der Götter und der Göttin Tyche. 99 So z. B. in BGU VIII 1855,12 (64–44 v. Chr.; nach BL XII 21: 2. oder 1. Jh. v. Chr.); 1824,22 (60–55 v. Chr.); P.Lond. II 354 (S. 163),13 (7–4 v. Chr.); SB XX 15077,25–26 (5. Juli – 28. August 45 n. Chr.); P.Mich. V 228,23 (24. November 47 n. Chr.); 229,28–29 (5. Januar 48 n. Chr.); 230,23 (5. Februar 48 n. Chr.); SB X 10244,5 (7. November 50 n. Chr.); P.Fouad I 28,14 (nach 27. März 59 n. Chr.); P.Stras. VI 521,15 (1. Jh. n. Chr.). Einige Belege auch bei Moulton/Milligan, Vocabulary s. v. ζάω; Kiessling, Wörterbuch s. v. ζάω d).
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ἐρρύσατο ἡμᾶς καὶ ῥύσεται – Das Verb ῥύομαι100 findet in den dokumentar-
ischen Papyri nur selten Anwendung; knapp die Hälfte der Belege stammt aus bruchstückhaften Texten, so dass der Zusammenhang nicht mehr zu erschließen bzw. die Lesung des Verbs an sich unsicher ist101. In den besser erhaltenen Texten jedoch erfährt man zumeist, wovor jemand „beschützt“ bzw. woraus jemand „gerettet“ wird: So hofft z. B. eine gewisse Dionysia, dass ihr Ehemann Theon, der sich offenbar auf einer militärischen Expedition befindet, wieder gesund zu ihr und den Kindern heimkehren wird, „weil“, wie sie schreibt, „du uns vor Feinden gerettet hast und uns wieder verlassen hast und gegen die Feinde gezogen bist“ – P.Bad. IV 48,3 (28. Oktober 127 v. Chr.): ὅτι καὶ ἐκ πολεμίων ἡμᾶς εἴρυσαι καὶ πάλι εἰς πολεμίους ἡμᾶς ἀφεὶς ἀπελήλυθας.102 Allgemeiner formuliert ist P.Oxy. LI 3645,3–5 (3. Jh. n. Chr.): hier wähnt sich der Absender eines Briefes in Sicherheit, weil einer seiner Freunde gerade ein hohes Amt angetreten habe: δύναν|ται ἐκ ταύτης τῆς προφάσεως ἀμφοτέ|ρους ἡμᾶς καὶ αὐτὸς καὶ ὁ ἀδελφὸς ῥύσα|σθαι παρὰ τῷ φίλῳ αὐτῶν („aus diesem Anlass können sowohl er als auch sein Bruder uns beide beschützen bei ihrem Freund“).103 Die Bitte, „rette mich“ findet sich am Ende einer Petition – SB XXII 15283,9–10 (3. Jh. v. Chr.): ἔρυ|σαί (l. ῥῦσαί) με.104
εἰς ὃν ἠλπίκαμεν [ὅτι] καὶ ἔτι ῥύσεται – Das Verb ἐλπίζω („hoffen, erhoffen,
erwarten“) ist in den dokumentarischen Papyri und Ostraka gut bezeugt.105 Für einen Vergleich mit der vorliegenden Stelle besonders interessant sind jene Beispiele, die den römischen Kaiser oder seine Gaben als Gegenstand der Hoffnung anführen: In P.Oxy. VII 1021,5–7 (54 n. Chr.) wird Nero als ὁ δὲ τῆς οἰκουμένης | καὶ προσδοκηθεὶς καὶ ἐλπισ|`θεὶς´ („der Erwartete und Erhoffte der ganzen Welt“) bezeichnet,106 während SB VI 9528 (Ende 1./Anfang 2. Jh. n. Chr.) den Anfang einer von Vespasian(?) in Alexandria gehaltenen Rede enthält, in der sich der Imperator selbst als „von Anfang an auserwählten Retter“ (Z. 7: [ἐ]ξ ἀρχῆ[ς] ἐ̣ξ̣ αίρετον σῴζων) bezeichnet und die Bevölkerung auffordert, aufgrund der aktuellen Rede „insgesamt das Schönste zu erhoffen“ – Z. 11–12: πάντα ἐλπ[ίζ]ειν ὀφείλ[ετε] | τὰ κάλλιστα.
100
Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. P.Hib. II 247,17 (ca. 250–240 v. Chr.); P.Wisc. II 82, Verso 12 (157 n. Chr.); 48,17 (nach 154–159 n. Chr.?); PSI Congr.XXI 13, Kol. V 14 (nach 284–285 n. Chr.). 102 Siehe zu diesem Brief auch Bagnall/Cribiore, Women’s Letters 107–108. 103 J.R. Rea merkt dazu an (in P.Oxy. LI S. 127): „The meaning might be that the friend was to provide a hiding-place for the two who were in need of protection, or perhaps he (also der ‚Freund‘, Anm. R. E. Kritzer) was simply the person on whom the magistrate’s influence was to be exerted.“ – Vgl. ferner P.Flor. III 373,9 (vor 23. Oktober 257 n. Chr.). 104 Um das „Auf-die-Seite-Legen“ von Geld geht es in BGU XVI 2614,8 (21 v. – 5 n. Chr.). 105 Zahlreiche Beispiele bei Preisigke, Wörterbuch s. v. ἐλπίζω; Kiessling, Wörterbuch s. v. ἐλπίζω; Moulton/Milligan, Vocabulary s. v. ἐλπίζω; Arzt-Grabner, Philemon 258–259; R. E. Kritzer und P. Arzt-Grabner in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 438 Anm. 851. 106 Vgl. Clauss, Kaiser 98–99; Pfeiffer, Kaiser 90–93. 101
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Der Bezug zu Nero ist auch zeitlich besonders interessant und bildet einen deutlichen Kontrast zur paulinischen Auffassung, dass die an Christus Glaubenden ihre Hoffnung auf Rettung auf Gott hin ausrichten.107 1,111 συνυπουργούντων καὶ ὑμῶν – Für das Verb συνυπουργέω108 gibt es bis jetzt keine papyrologischen Belege; da das Präfix συν- aber nur anzeigt, dass die nachfolgende Tätigkeit des „Behilflichseins“ (ὑπουργέω) „gemeinsam“ mit anderen erfolgt, ist ein Blick in die Belege zu diesem äußerst aufschlussreich: So bietet z. B. ein gewisser Theon dem Zenon seine Dienste an, „indem ich“, wie er sagt, „untadelig beim Aufgetragenen zur Hand gehe“ – P.Cair.Zen. V 59852,4–5 (nach 17. September 243 v. Chr.): ὑπουργῶν ἀμέμπτως | τὸ προστασσόμενον, und zwar zum Dank für erwiesene Wohltaten.
Meist handelt es sich bei einer durch ὑπουργέω ausgedrückten Handlung wie in obigem Beleg um eine ungelernte bzw. unprofessionelle Tätigkeit. In P.Cair.Zen. V 59816,10 (257 v. Chr.) ist z. B. von „Umgräbern“ (σκαλιδευταί) die Rede und von denen, die diesen zur Hand gehen sollen (οἱ ὑπουργήσοντες τούτοις), und in P.Cair.Zen. II 59176 (255 v. Chr.), einer detaillierten Kostenaufstellung, wird der einem gewissen Horos behilfliche Arbeiter als ἐργάτης ὁ ὑπουργῶν αὐτῶι bezeichnet (Z. 297–298); weiters liest man von den „Helfern“ von Zimmermännern (ἐργάται ὑπουργοῦντες τέκτοσι – SB XIV 11958,8 [nach 19. November 117 n. Chr.]) oder Maurern (ὑπουργοῦντες τῷ οἰκοδόμωι – z. B. P.Mil.Vogl. VII 304,22 [166 n. Chr.]). In SB XX 15024, Kol. III 4 (2. Jh. n. Chr.) ist von den Söhnen staatlicher Bauern die Rede, die ihren Vätern zur Hand gehen: ὑ̣ π̣ ο̣ [ ]ῦ̣ ν̣ τες (l. ὑ̣ π̣ ο̣ [γεωργο]ῦ̣ ν̣ τες oder ὑ̣ π̣ ο̣ [υργο]ῦ̣ ν̣ τες) τοῖς πατρ̣ ά̣ [σιν]. In Stud.Pal. XXII 60,11–14 (2./ 3. Jh. n. Chr.) sowie in BGU II 362, Fr. 2, pag. VIII 6 (215–216 n. Chr.) wird ὑπουργέω speziell als Tätigkeit von Sklaven (δοῦλος bzw. παιδία) gebraucht.109
Beispiele für professionell Arbeitende sind vergleichsweise selten: In P.Flor. I 74,5–6 (181 n. Chr.) werden Mitglieder einer Musikkapelle (μουσικοὶ καὶ ἄλλοι) in diesem Sinne erwähnt, in P.Erl. 93,12 (2.–3. Jh. n. Chr.) „Eseltreiber“ (ὀνηλάται).
Paulus bezeichnet nun die Gemeindemitglieder als συνυπουργούντες, also als solche, die mit ihm (und Timotheos und überhaupt) durch Gebet an seiner und aller Errettung mitwirken. So sind sie gemeinsam Helfer Gottes. Die Kon-
107 In bereits christlich geprägten Privatbriefen begegnet somit in der Wendung ἐλπίζω εἰς θεόν eine typische christliche Einstellung; die frühesten Beispiele sind P.Iand. II 11,2 (3.–4. Jh.
n. Chr.) und PSI IV 301,9–10 (5. Jh. n. Chr.). 108 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 109 In P.Ryl. II 125,21 (28–29 n. Chr.) spricht ein Petent von seinen „Helfern“ (οἱ ὑπουργοῦντες) und „Hausangestellten“ (οἱ ἐμοί).
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Einleitungsteil des Briefcorpus (2Kor 1,3–2,13)
notation, dass es sich dabei eher um unprofessionelle Helfer handelt, verleiht der gesamten Aussage einen wichtigen Aspekt: auch sie sind nützlich und wichtig. ὑπὲρ ἡμῶν τῇ δεήσει – Erwähnungen von Gebeten finden sich auch in Papyrusbriefen, besonders häufig freilich – falls vorhanden – im Gebetsbericht als Teil des Briefanfangs; meistens wird dafür das Verb εὔχομαι verwendet, seltener das Substantiv εὐχή (oder προσευχή).110 Die pagane Verwendung von δέομαι im Sinne von „beten“ ist nicht gesichert;111 hier ist das Verb vermutlich als Ausdruck einer Bitte oder eines Ansuchens an eine höhergestellte Person besetzt.112 Das entsprechende Substantiv δέησις hingegen wird außer für eine Bitte oder ein Bittgesuch zumindest ein Mal eindeutig im Sinne eines Gebetes verwendet, das an pagane Gottheiten gerichtet ist: Im Amtstagebuch des Strategen Aurelius Leontas, Chrest.Wilck. 41, hält der Schreiber für den 29. August 232 n. Chr. fest, der Stratege habe bei Einbruch der Nacht im Caesareum und im Gymnasium geopfert und dort Libationen und Gebete verrichtet – Kol. II 9–12: [ἔθυ|σ]εν ἔν τε τῷ Καισαρείῳ κα[ὶ ἐν τῷ γυ]|μνασίῳ, ἔνθα σπονδά[ς τε καὶ | δε]ήσεις ποιησάμενος.
ἵνα ἐκ πολλῶν προσώπων τὸ εἰς ἡμᾶς χάρισμα διὰ πολλῶν εὐχαριστηθῇ ὑπὲρ ἡμῶν – Formulierungen des Dankes kommen sowohl in Paulusbriefen
als auch in Papyrusbriefen immer wieder vor und sind auch nicht auf den Einleitungsteil des Briefcorpus beschränkt.113 An der vorliegenden Stelle ist nicht vom Dank des Paulus die Rede, sondern vom Dank anderer. Vergleichbare Beispiele gibt es auch in privaten Papyrusbriefen, die aber nur grundsätzlich das bestätigen, was auch an der vorliegenden Stelle deutlich wird: eine erwiesene Gunst oder eine Gabe verdient Dank. So schreibt z. B. der unbekannte Absender des Ostrakons O.Claud. I 167 (ca. 107 n. Chr.?) über einen Gaios – Z. 7–8: πολλά σοι εὐχαριστῖ, ἄδελφε, | ὅσα αὐτ[ῷ πε]ποίηκες (l. πεποίηκας) („er dankt dir sehr, Bruder, für das, was du für ihn getan hast“). Ähnliche Beispiele finden sich im Postscriptum114 von P.Oxy. II 396 (spätes 1. Jh. n. Chr.), ferner in BGU III 843,9–10 (1.–2. Jh. n. Chr.), P.Giss. I 21,15–17 (ca. 113–115 n. Chr.), P.Iand. VI 95,1–2 und in P.NYU II 20,2–3 (beide 2.–3. Jh. n. Chr.).
Wie bei Paulus begegnen auch in den Papyri zwei verschiedene Bedeutungen für πρόσωπον, nämlich „Gesicht“ (wie in 2Kor 2,10; 3,7.13.18; 4,6; 8,24;
110
Siehe dazu ausführlich und mit Beispielen für die unterschiedlichen Formeln Arzt-Grabner, Philemon 123–129.140–141. 111 Beachte dazu Arzt-Grabner, Philemon 129 Anm. 88. 112 Siehe die Belege bei Preisigke, Wörterbuch s. v. δέομαι; Kiessling, Wörterbuch s. v. δέομαι. 113 Zu den Danksagungen am Beginn des Einleitungsteils eines Briefcorpus siehe Arzt, Thanksgiving; Arzt-Grabner, Philemon 135–139; ders., Paul’s Letter Thanksgiving. 114 Dieses ist aus Platzgründen an den oberen Rand des Papyrus gesetzt.
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Einzelheiten: 2Kor 1,11 – Exkurs: Hintergründe von 2Kor 1,8–10
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10,1.7; 11,20 und davon abgeleitet im Sinne des „äußeren Ansehens“ in 5,12) und „Person“ (wie hier).115 Der Begriff χάρισμα ist papyrologisch erst ab dem 4. Jh. n. Chr. bezeugt. Das älteste Beispiel ist möglicherweise im Privatbrief BGU IV 1044 (4. Jh. n. Chr.) erhalten, wo ein gewisser Apphus seine Adressaten116 auf die Gnadengaben aufmerksam macht, die er ihnen erwiesen hat – Z. 4–6: οἴδα|τε τὰ χαρίσματα ὧν ποιηκὼς | ἡμῖν (l. ἃ πεποίηκα ὑμῖν). Das Beispiel zeigt immerhin, dass in dieser vergleichsweise späten Zeit der Ausdruck in einem profanen Sinn verwendet werden kann; die hier genannten Gnadengaben kommen von einem Menschen, während bei Paulus ein χάρισμα letzten Endes immer von Gott kommt.
Exkurs: Die möglichen Hintergründe von 2Kor 1,8–10: Untersuchungshaft und Gerichtsprozess, Depression oder illegale Inhaftierung Während mit θλῖψις in 2Kor 1,4; 2,4; 4,17; 6,4; 7,4 bzw. θλίβω in 1,6; 4,8; 7,5117 eher allgmein auf bedrängte Situationen Bezug genommen wird, die manchmal auch zeitlich nicht näher einzugrenzen sind, lässt die Schilderung in 1,8–10 an eine konkrete und höchst bedrängte Situation in der Provinz Asia denken, die zur Zeit der Abfassung des 2Kor bereits überstanden ist. Die Beschreibung kann auf eine Untersuchungshaft mit abschließendem Gerichtsprozess und Freispruch hin gedeutet, aber auch als Ausdruck einer tiefen Depression und somit einer inneren Bedrängnis gesehen werden. Als dritte Möglichkeit bietet sich vom Papyrusbefund her auch an, dass Paulus kurzfristig das Opfer eines illegalen Übergriffes örtlicher Behörden gewesen war. Die Annahme einer Untersuchungshaft mit abschließendem Prozess geht von der Erwähnung einer Entscheidung, die zum Tod hätte führen können (τὸ ἀπόκριμα τοῦ θανάτου in 1,9), aus. Hinzu kommt, dass Paulus gerade im 2Kor betont, dass er mehrmals inhaftiert war (vgl. 6,5 und 11,23). Von da her kann angenommen werden, dass er in der Asia relativ kurze Zeit vor Abfassung des 2Kor in Untersuchungshaft war und in deren Verlauf und im Hinblick auf den bevorstehenden Gerichtsprozess damit rechnen musste, schuldig 115 Siehe dazu und mit zahlreichen Papyrusbelegen R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 442–443; für die Bedeutung „Gesicht“ ferner O.Berenike II 129,7 (ca. 50– 75 n. Chr.; siehe dazu oben S. 85–86). 116 Der gesamte Brief weist relativ viele Grammatikfehler, insbesondere Fallfehler auf, die Formen der 1. Person sind aber durchwegs im Singular gehalten, weshalb es mir nahe liegend erscheint, Z. 1–2: το[ῖς κ]υρίοις ἀδελφοῖς Ἄρων | Κορνήλι καὶ Σαραπάμων grammatikalisch korrekt als το[ῖς κ]υρίοις ἀδελφοῖς Ἄρωνι | Κορνηλίῳ καὶ Σαραπάμμωνι zu lesen, also die Brüder Aron, Kornelius und Sarapammon als drei Adressaten und den in Z. 3 genannten Apphus als den alleinigen Absender des Briefes zu sehen. 117 Siehe dazu S. 167–168.
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Einleitungsteil des Briefcorpus (2Kor 1,3–2,13)
gesprochen und zum Tode verurteilt zu werden. Zur Zeit der Abfassung des 2Kor läge diese Bedrohung hinter ihm, da der Prozess offensichtlich mit einem Freispruch geendet hätte. Als Grund für die Inhaftierung wäre vom Vorwurf der Unruhestiftung auszugehen, denn gerade in einem solchen Fall sahen die römischen Organe einen Grund zum Einschreiten,118 insbesondere wenn der Verdacht der Beleidigung einer Amtsperson (im Extremfall des Kaisers selbst) vorlag.119 Die antiken Quellen zeigen, dass die Präfekten, denen in den Provinzen im Rahmen ihrer Coercitionsgewalt das Recht zustand, Unruhestifter inhaftieren zu lassen, bei der Ausübung dieses Rechtes nicht wählerisch waren und zu raschem Einschreiten neigten;120 auch die städtischen Organe waren ermächtigt, (potentielle) Unruhestifter zumindest für eine gewisse Zeit in Haft zu nehmen.121 Die Berichte der Apg bestätigen dies im Zusammenhang mit jedem einzelnen Vorgehen römischer Organe gegen Paulus (beachte Apg 16,20–23; 21,30– 33.38; 22,24; 24,5.12–13.18; ferner 17,5–10). Mitglieder der Oberschicht wurden bis zum Prozess unter Hausarrest gestellt. Eine Inhaftierung war für sie nur nach einem Schuldspruch als Exekutionshaft für die Zeit zwischen der Verurteilung und der Vollstreckung des Urteils gebräuchlich.122 Für Angehörige unterer Schichten war aber die Untersuchungshaft, also die Inhaftierung bis zum Prozess, gebräuchlich, von der auch im Falle des Paulus auszugehen wäre.123 Eine echte Strafhaft gab es an sich nicht, jedenfalls wird sie in den juristischen Werken abgelehnt. Andererseits wurde sie ab der frühen Kaiserzeit von einzelnen Statthaltern, die in der Art und Anwendung von Strafen weitgehend frei waren, bisweilen angewendet.124 118 Siehe dazu vor allem Krause, Gefängnisse 97–103. – Gerade das Delikt der Unruhestiftung wurde – entsprechend den Berichten der Apg – bei jedem einzelnen Vorgehen römischer Organe gegen Paulus geltend gemacht (beachte Apg 16,20–23; 21,30–33.38; 22,24; 24,5.12–13.18; ferner 17,5–10). 119 Im Falle einer Beleidigung zwischen Privatpersonen war an sich nur die Zivilklage möglich. Strengere Maßnahmen, im Einzelfall auch die Untersuchungshaft, drohten ab der frühen Kaiserzeit nur, „wenn der Täter den Unterschichten angehörte und das Opfer ein Senator oder gar ein Amtsträger war“ (Krause, Gefängnisse 103). Im Zusammenhang mit Paulus ist hier wohl auf Apg 17,7 zu verweisen (eine Inhaftierung erfolgt dort aber nicht). Vor Festus verteidigt sich Paulus u. a., er habe sich nicht gegen den Kaiser vergangen (Apg 25,8). 120 Beispiele bietet Krause, Gefängnisse 97–101. Zur Coercitionsgewalt der Statthalter in Judäa siehe Heusler, Kapitalprozesse 203–213. 121 Vgl. Krause, Gefängnisse 259. 122 Siehe dazu Krause, Gefängnisse 80–83. 123 Siehe dazu Krause, Gefängnisse 64–79. Zur Haft im griechisch-römischen Ägypten siehe Taubenschlag, L’emprisonnement; Baldwin, Crime. – Zu Gefängnissen im römischen Imperium als Hintergrund zu den Gefangenschaften des Paulus siehe ferner Wansink, Chained in Christ 27–95. Cassidy, Paul 36–54. 124 Siehe dazu Krause, Gefängnisse 83–91. – Im privaten Bereich gab es außerdem die sog. Schuldner- oder Erzwingungshaft, die zur Zahlung an den Gläubiger bewegen sollte. An den „Vorsteher im Gefängnis des Zeus“ (τῷ τεταγμένῳ πρὸς | τῇ τοῦ Διὸς φυλακῇ) wendet sich ein
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Exkurs: Hintergründe von 2Kor 1,8–10
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Die Dauer der Haft konnte stark schwanken und mehrere Jahre betragen, insbesondere dann, wenn Inhaftierte nicht auf die Unterstützung einflussreicher Bürger hoffen konnten.125 Auch einige Papyri geben darüber Auskunft: Längere Zeiten an Untersuchungshaft sind z. B. im Falle von P.Coll.Youtie I 12 (177 v. Chr.), CPR XV 15 (7–4 v. Chr.)126 und P.Oxy. II 294,19–22 (11. Dezember 22 n. Chr.)127 anzunehmen.
Die Haftbedingungen waren größtenteils höchst dramatisch,128 da die Gefängnisse häufig hoffnungslos überfüllt waren und Schwerstverbrecher neben einfachen Schuldnern oder Ehebrechern einsaßen. Offiziell stand den Insassen eine Gefängniskost zu, die aber keineswegs das Überleben sicherte. Häftlinge waren daher auf direkte Unterstützung von außen, von Verwandten und Bekannten, angewiesen, um in der Haft überleben zu können. Auch die Papyri liefern dafür beredte Zeugnisse, wenn sich Häftlinge an einflussreiche Personen um Hilfe wenden, weil sie sonst Gefahr laufen, im Gefängnis zu verhungern oder an Krankheit oder Unterernährung zu sterben. In zeitlicher Nähe zu Paulus schreibt eine gewisse Tryphas an Athenodors in vorwurfsvollem Ton, er solle sich um seine inhaftierten Sklaven kümmern, sonst würden sie im Gefängnis sterben (BGU XVI 2618,14–17 [10. Mai 7 v. Chr.]).129 Gefängnisvorsteher in P.Oxy. II 259,3–4 (nach 17. Mai 23 n. Chr.) mit einer eidesstattlichen Erklärung; er werde den von ihm „aus dem öffentlichen Gefängnis“ (Z. 8: ἐκ [τ]ῆς πολιτικῆς φυλα[κ]ῆς) freigekauften Sarapion rechtzeitig vorführen. In Z. 19–20 desselben Textes spricht der Absender von den Konsequenzen, die er zu tragen hat, sollte er seiner Verpflichtung nicht nachkommen, darunter die Verhinderung einer offenbar dienstlichen Versetzung in ein anderes Gefängnis: εἰς | ἑ[τ]έραν φυλακ[ή]ν. – Aus ptolemäischer Zeit stammt die Petition P.Coll.Youtie I 12 (177 v. Chr.), in der es um zwei Steuerpächter geht, die gemeinsam mit ihren Bürgen nach dem Ausgleich eines Defizits aus der Haft entlassen wurden – Z. 4: ἀπελ[ύθησ]α̣ ν ἐκ τῆς φυλακῆς. Mit diesen Vorfällen in Verbindung steht der Petent selbst, der es verabsäumt, eine Kaution zu hinterlegen und dafür „ins große Gefängnis in Krokodilopolis“ wandert – Z. 9–10: εἰς ⟦.⟧ τὴ[ν ἐν] Κροκο|[δί]λ̣ ων πόλει μεγάλην φυλακ[ήν]. Nun bittet er um Hilfe, um „im Gefängnis nicht völlig zugrunde zu gehen“ – Z. 19: ἵνα [οὖν μ]ὴ̣ καταφθείρωμαι ἐν τῆι [φυλακῆι]. Um eine vorübergehende Entlassung aus der Vollstreckungshaft (ἐκ φυλακῆς) geht es in P.Lond. II 220 (S. 5), Kol. II 3 (nach 2. Oktober 133 v. Chr.). Die Wendung μετὰ φυλακῆς bezeichnete in der Regel einen „unter Haft“ Stehenden (vgl. dazu und mit Beispielen O. Montevecchi in P.Bingen S. 169). – Private Gefängnisse sowie die private Strafjustiz generell verloren erst in der Spätantike an Bedeutung (vgl. dazu Krause, Gefängnisse 59–63). 125 Vgl. Krause, Gefängnisse 224–234. – Nach Apg 24,27 war Paulus selbst unter den Statthaltern Felix und Festus in Caesarea mehr als zwei Jahre in Untersuchungshaft, nach seiner Überstellung nach Rom weitere zwei Jahre unter Hausarrest. 126 Zu den nur bruchstückhaft zu erschließenden Hintergründen sowie zum Verhältnis von CPR XV 15 und P.Lond. II 354 (S. 163; mit BL I 256–257 und IX 130), einer anderen Fassung derselben Petition, siehe G. Messeri Savorelli in CPR XV S. 41. 127 Siehe dazu B. P. Grenfell und A. S. Hunt in P.Oxy. II S. 294; vgl. Arzt-Grabner, Philemon 75. 128 Siehe dazu ausführlich Krause, Gefängnisse 271–304. 129 Zu einigen Berichtungen des Textes siehe Papathomas, Bemerkungen 198–199. – Zahlreiche Belege finden sich in Bittschriften aus ptolemäischer Zeit, die an einflussreiche Personen gerichtet wurden, von denen sich die Inhaftierten Hilfe erwarteten (siehe die Beispiele bei Arzt-
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Einleitungsteil des Briefcorpus (2Kor 1,3–2,13)
Durch die widrigen Umstände – auch die sanitären Verhältnisse waren besorgniserregend – konnte es geschehen, dass jemand tatsächlich noch vor dem Prozess starb. Darüber handelt offenbar P.Oxy. XLIII 3104 (24. Juni 228 n. Chr.): der Inhaftierte wurde krank und starb nach etwas mehr als acht Wochen seit seiner Einlieferung ins Gefängnis.
Das Beispiel zeigt, dass sich die Situation eines Inhaftierten in relativ kurzer Zeit dramatisch zuspitzen konnte. Entsprechend großzügig wurden deshalb Besuche gestattet, worüber die Gefängniswächter (öffentliche Sklaven oder Soldaten)130 sehr frei entschieden. Verwandte und Freunde konnten auf diese Weise den Inhaftierten das Leben erträglicher machen, sie mit Nahrungsmitteln, Kleidern und Nachrichten versorgen. Die von Paulus zum Ausdruck gebrachte Bedrängnis (θλῖψις) und insbesondere der Hinweis, dass die Bedrückung so groß war, dass er nicht mehr wusste, wie er weiterleben sollte (1,8), könnten andeuten, dass er zeitweise keinerlei Unterstützung von außen erfuhr und völlig auf sich allein gestellt war. Die Untersuchungshaft fand üblicherweise mit dem anschließenden Gerichtsprozess ihr Ende. Dazu konnten die Inhaftierten dem Präfekten in die Provinzhauptstadt überstellt werden.131 Für Paulus wäre in diesem Fall (und somit auch schon für die Untersuchungshaft) an Ephesos zu denken. Eine dortige Inhaftierung wird in der Forschung aufgrund verschiedener Hinweise seit langem vermutet (beachte neben 2Kor 1,8 außerdem 1Kor 15,32 und die in Apg 19 geschilderten Auseinandersetzungen in Ephesos).132 Allerdings kann diese, wie M. Gielen plausibel gemacht hat, nicht sehr lange gedauert haben.133 Der papyrologische Befund bestätigt dies insofern, als eine derart bedrängte Situation, wie sie Paulus in 2Kor 1,8 schildert (eine Belastung in Todesnähe, die nicht mehr zu übertreffen und nicht mehr auszuhalten ist), tatsächlich nicht lange zu überleben gewesen wäre. Im Falle eines Schuldspruchs beim Prozess drohte Zwangsarbeit, Verbannung oder die Todesstrafe.134 Aufgrund von 2Kor 1,9–10 ist anzunehmen, dass Paulus bereits mit Letzterem rechnete, im Prozess aber freigesprochen wurde. Grabner, Philemon 75–76; P. Arzt in P.Eirene I S. 32–34 und 38; J. M. S. Cowey in P.Polit.Jud. S. 40). 130 Siehe dazu Krause, Gefängnisse 305–308. 131 Als Alternative wartete man ab, bis der Präfekt im Zuge seiner Konventsreisen in den entsprechenden Ort kommen würde; vgl. Krause, Gefängnisse 257. 132 Siehe dazu und zur Diskussion Arzt-Grabner, Philemon 72–74; Gielen, Paulus I und II. 133 Siehe Gielen, Paulus I und II, die auf einen realistischen Zeitrahmen von zwei Wochen kommt, während dessen der Gefängnisaufenthalt stattgefunden haben müsste (II 71); in Bezug auf die Hypothese, Phil und Phlm seien während einer Gefangenschaft in Ephesos geschrieben worden, lautet ihr Fazit (II 74): „Es ist also an der Zeit, sich von der Hypothese einer längeren Gefangenschaft des Paulus in Ephesus, in welcher Phil und Phlm verfasst worden sein sollen, endgültig zu verabschieden.“ 134 Hinweise wieder bei Krause, Gefängnisse 97–103; vgl. Heusler, Kapitalprozesse 202–203.
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Exkurs: Hintergründe von 2Kor 1,8–10
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Eine andere Möglichkeit der Deutung von 2Kor 1,8–10 ist die Annahme, der Text beziehe sich nicht auf äußere Umstände, sondern beschreibe eine schwere Depression des Apostels.135 In den Papyri begegnet vereinzelt der Gedanke, durch Kummer womöglich am Leben zu verzweifeln und tatsächlich sterben zu können: Die Zwillinge Thaues und Taus wenden sich im Jahre 163 v. Chr. an den Ptolemäerkönig, um gegen die Ungerechtigkeiten ihrer Mutter zu klagen. In diesem Zusammenhang schreiben sie auch über das Schicksal ihres Vater, der aufgrund eines gegen ihn gerichteten Gewaltaktes die Heimat verlassen musste und schließlich fern seiner Familie an Kummer starb. So schreiben sie in einem ersten Konzept – UPZ I 18, Rekto 12–13 (1. April – 8. Oktober 163 v. Chr.): ἀποθνῄσκει ἐκεῖ ὑπὸ τῆς | λύπης („er stirbt dort an Kummer“). In einem späteren, aber noch im selben Zeitraum verfassten Konzept heißt es genauer – UPZ I 19,14–15: [τ]ῶι δὲ μὴ ἡμᾶς εἶναι σὺν αὐτῶι ὑπὸ τῆς ἀθυμίας μετήλλαχεν | τὸν βίον („weil wir nicht mit ihm waren, starb er aus Mutlosigkeit“). Fast 300 Jahre später schreibt die Sklavin Tays an ihren Herrn, den Strategen Apollonios, sie habe sich viele Sorgen gemacht, als sie hörte, dass es ihm nicht gut gehe, und sie fügt schließlich die Bitte hinzu – P.Giss. I 17,7–10 (113–120 n. Chr.): πα|ρακαλῶ σε, κύριε, ἐάν σοι δόξῃ, καὶ πέμ|ψαι ἐφ᾽ ἡμᾶς, ε[ἰ] δὲ μή, ἀποθνήσκομεν | ὅτι οὐ βλέπομέν σε καθ᾽ ἡμέραν („ich bitte dich, Herr, wenn es dir recht ist, schick zu uns auch eine Nachricht, wenn aber nicht, sterben wir, weil wir dich nicht täglich sehen“).
Während im ersten Fall vom tatsächlichen Tod des Vaters berichtet wird, der in der Fremde vor Kummer gestorben ist, liefert der private Brief ein frühes Beispiel für rhetorische Übertreibung.136 Paulus selbst spricht an der vorliegenden Stelle von einer ausweglosen Situation, die ihn an die Grenze des noch Lebbaren, also an einen ernsthaft lebensgefährdenden Punkt gebracht hat. Direkt auf einen Suizid spielt ein Anwalt an, der eine gewisse Hermione verteidigt, die wegen der Anklage, jemanden vergiftet zu haben, vor Gericht steht; der Anwalt argumentiert damit, dass der Betreffende „durchaus Gründe hatte, sich selbst das Gift zu verabreichen, Gründe, die auch viele andere haben, die den Tod dem Leben vorziehen“ – P.Oxy. III 472,5–7 (vor 10. Oktober 131 n. Chr.): εἶχεν μὲν οὖν αἰτίας τοῦ καὶ | αὐτὸς ἑ[αυ]τῷ προσενενκεῖν φάρμακον ἃς καὶ ἄλλοι πολλοὶ τὸν | θάνατον τοῦ ζῆν προκρείναντες.
Die dritte Deutungsmöglichkeit für 2Kor 1,8–10 geht abermals davon aus, dass die in diesem Abschnitt beschriebene Situation nur von sehr kurzer Dauer gewesen sein kann, vielleicht nur zwei Wochen.137 Dies wäre zwar für die oben beschriebene Möglichkeit einer Untersuchungshaft mit folgendem Gerichts135 So z. B. Gielen, Paulus II 71–72, die die Angaben in 2Kor 1,8–10 ausschließlich als Beschreibung einer „im höchsten Maße depressive[n] Stimmung“ erklärt (II 72). Schmeller, 2Kor 69–70, sieht eine chronische Krankheit als Möglichkeit. 136 Vgl. M. Kortus in P.Giss.Apoll. S. 154; ähnliche Beispiele bei Kapsomenakis, Voruntersuchungen 103–104. 137 Vgl. Gielen, Paulus II 71.
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Einleitungsteil des Briefcorpus (2Kor 1,3–2,13)
prozess nicht unmöglich, aber sicher knapp. Eine alternative Möglichkeit liegt in der Annahme, dass Paulus für kurze Zeit das Opfer einer illegalen Aktion örtlicher Behörden war138 und überaus Schlimmes, ja Lebensgefährdendes über sich ergehen lassen musste. Ein damit vergleichbares Beispiel ist in einer zeitgenössischen Petition aus der Regierungszeit des Claudius (oder – weniger wahrscheinlich – Neros) erhalten geblieben: P.Mich. VI 421 (41–68 n. Chr.) ist die Eingabe eines Eselbesitzers aus Karanis, der über den Diebstahl zweier seiner Tiere im Wert von 280 Drachmen und die anschließende Verfolgung der Täter bis in die Gegend des Dorfes Bacchias berichtet. Dort allerdings wären er und der ihn begleitende Archephodos von Karanis, Pankrates, vom Archephodos von Bacchias, einem gewissen Pasion, und den Zollbeamten am Tor139 an der weiteren Verfolgung gehindert und schließlich sogar für drei Tage in Haft gesetzt worden – Z. 21: ἐν συνοχῆι ἐποίησαν ἐφ᾽ ἡμέρας τρεῖς. Die Polizeibeamten hätten ihnen ferner ihr Hab und Gut abgenommen und den Petenten sogar mit Schlägen misshandelt – Z. 24–25: καδί|κισάν (l. κατῄκισάν) με πληγαῖς. Erst als der Dorfsekretär und die Ältesten für sie vorgesprochen hätten, wären sie wieder freigelassen worden.
Als Hintergrund für 2Kor 1,8–10 ist im Vergleich mit diesem zeitgenössischen Papyrus vorstellbar, dass Paulus in Ephesos aufgrund irgendeiner Anschuldigung von örtlichen Polizisten festgenommen und gefoltert wurde (darauf könnten sich die erwähnte Todesnähe und die „innere Entscheidung über den Tod“ beziehen, aber auch die in 6,5 und 11,23 erwähnten Schläge) und man ihn erst nach Intervention einer höhergestellten Persönlichkeit wieder freiließ. 1,112 ἡ γὰρ καύχησις ἡμῶν αὕτη ἐστίν – Für καύχησις liegen bisher keine papyrologischen Belege vor. Der einzige Beleg für den verwandten Begriff καύχημα stammt aus dem 8. Jh. (SB XX 14188,5). τὸ μαρτύριον τῆς συνειδήσεως ἡμῶν – Dokumentarische Belege für μαρτύριον sind spärlich; der Ausdruck bezeichnet ein gerichtlich relevantes „Zeug-
nis“ oder „Beweisstück“.140 Neben der Grundbedeutung „Mitwissen, Kenntnis“ hat συνείδησις auch in den dokumentarischen Papyri und Ostraka meist die Bedeutung „Gewissen“, wobei damit je nach Kontext ein gutes oder ein schlechtes Gewissen gemeint sein kann.141 Mit der folgenden Beschreibung weißt Paulus darauf hin, dass sein Gewissen ein reines ist. 138
Siehe dazu auch Arzt-Grabner, Neues 149–150. Nach P. J. Sijpesteijn (in P.Customs S. 92 Anm. 10) handelt es sich bei οἱ πρὸς τῇ πύληι um „collectors of the customs duties“: „The collectors of customs duties may not have believed the man who would later write the petition and suspected him of attempting to evade customs duties“ (vgl. BL IX 160). 140 Siehe dazu mit den relevanten Beispielen Papathomas, Begriffe 12–14; Kreinecker, 2. Thessaloniker 148. 141 Siehe dazu ausführlich und mit den Belegen P. Arzt-Grabner in ders./Kritzer u. a., 1. Korinther 334. Einige Papyrusbelege bietet auch Eckstein, Begriff 60–63.303. 139
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Einzelheiten: 2Kor 1,12
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ὅτι ἐν ἁπλότητι καὶ εἰλικρινείᾳ τοῦ θεοῦ – Zum abstrakten ἁπλότης
(„Schlichtheit, Einfachheit“) gibt es bis jetzt keine papyrologischen Belege. Mit εἰλικρίνεια ist hier wohl die Rechtschaffenheit gemeint, die Gott schenkt, nicht Gottes eigene Rechtschaffenheit. In dokumentarischen Papyri ist der Begriff vor dem 4. Jh. n. Chr. bisher nur zweimal bezeugt.142 [καὶ] οὐκ ἐν σοφίᾳ σαρκικῇ ἀλλ᾽ ἐν χάριτι ‹ 1,2 θεοῦ – Wie bereits in 1Kor (mehrmals innerhalb von 1,17–3,19) sieht Paulus auch hier die Weisheit der Welt oder menschliche Weisheit (hier charakterisiert als „fleischlich“) als negative Größe. Die frühesten papyrologischen Belege für σοφία stammen erst aus dem 4. Jh. n. Chr.143 Für das Adjektiv σαρκικός liegen bisher keine papyrologischen Belege vor. Mit dem Substantiv σάρξ wird in den dokumentarischen Paypri vor allem das menschliche Fleisch bezeichnet,144 so dass hier unter der „fleischlichen Weisheit“ ganz einfach die menschliche Weisheit zu verstehen sein wird. Die Ausdrucksweise ist also synonym mit Bezeichnungen wie σοφία τοῦ κόσμου (in 1Kor 1,20; 3,19), σοφία τοῦ αἰώνος τούτου (in 1Kor 2,6) oder σοφία ἀνθρώπων (in 1Kor 2,5) bzw. ἀνθρωπίνη σοφία (in 1Kor 2,13). Den Kontrast dazu bildet hier im 2Kor die Gnade Gottes. ἀνεστράφημεν – Das Verb ἀναστρέφω145 begegnet in den Papyri in mehreren
Bedeutungen; am häufigsten wird es gebraucht, um das „Verhalten“ eines Menschen zu klassifizieren.146 Im 2. Jh. v. Chr. trifft man zum ersten Mal auf die in ptolemäischer Zeit gebräuchliche Wendung ἀπὸ τοῦ βελτίστου ἀναστρέφομαι („sich von seiner besten Seite zeigen, sich bestens benehmen“), und zwar beschwert sich in P.Tebt. III.1 786 (ca. 138 v. Chr.)147 ein Landwirt über „die Erpressungen, die von manchen (Beamten) ausgehen, die sich ausgesprochen unangemessen verhalten“ – Z. 14–15: δὲ τὰς `γινομένας παραλογέας´ ὑπ᾽ ἐνίων τῶν μὴ ἀπὸ | τοῦ βελτίστου ἀναστρεφομένων.148 „Unorganisiert“ (ἀνοικονομ[ή]τως) benehmen sich Leute, die dem Absender von BGU XVI 2629 (4 v. Chr.; vgl. darin Z. 2–3) eine briefliche Benachrichtigung schuldig sind. 142 Zu P.Aberd. 52, Verso 8 (frühes 3. Jh. n. Chr.) und P.Oxy. X 1252, Verso 38 (nach 294–295 n. Chr.) siehe F. Winter in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 215, und Papathomas, Begriffe 216. In P.Poethke 21,9 (2.–3. Jh. n. Chr.) begegnet erstmals das Adverb εἰλικρινῶς in fragmentarischem Kontext, der keine nähere Deutung erlaubt (Belege für das Adjektiv stammen aus byzantinischer Zeit). 143 Vgl. F. Winter in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 79. 144 Siehe dazu ausführlich Arzt-Grabner, Philemon 225; F. Winter und P. Arzt-Grabner in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 104–105. 145 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 146 Für Belege zur Bedeutung „umkehren“ siehe Preisigke, Wörterbuch s. v. ἀναστρέφω 1), bzw. Kiessling, Wörterbuch s. v. ἀναστρέφω 1); P.Zen.Pestm. 43,4–5 (3. Jh. v. Chr.) ist der einzige Beleg für ἀναστρέφω in der Bedeutung „sich aufhalten“. 147 Nach BL XII 282 vielleicht 24. Juni – 23. Juli 140 v. Chr. 148 Vgl. weiters etwa P.Fay. 12,6–7 (nach 104–103 v. Chr.); BGU VIII 1756,12 (58 v. Chr.); 1769,4 (ca. 47 v. Chr.).
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Einleitungsteil des Briefcorpus (2Kor 1,3–2,13)
Im bruchstückhaften SB X 10218 (98–99 n. Chr.) wiederum wird in Z. 21 das Verhalten von Viehdieben, die einen Teil der geraubten Tiere anschließend in einen Fluss warfen, als „kühn“ (αὐθάδως) bezeichnet – eine Kombination, die ebenfalls öfter begegnet.149 Singulär ist dagegen u. a. P.Brem. 53,35–36 (114 n. Chr.), wo der Absender eines Briefes seinen Geschäftsfreund warnt: γίνωσκε, ὅτι οὕτω[ς ἀ]να|στραφεὶς ἐν πᾶσι [τ]οῖς πρὸς ἐμέ, οὐ μ[έ]λλεις | με διαφεύγειν („wisse, dass, wenn du dich in allen Dingen so mir gegenüber verhältst, du mir nicht entkommen wirst!“). In allen weiteren Belegen ist (mit einer Ausnahme150) ἀναστρέφομαι ausschließlich positiv gezeichnet, wie in P.Oxy. II 237, Kol. VII 23 (nach 27. Juni 186 n. Chr.), wo sich jemand „einfühlsam“ (μεθα̣ παθῶς) verhält, oder in P.Sarap. 80,11 (90–133 n. Chr.), wo von einem „sorgsamen“ (ἐπιμελῶς) Verhalten die Rede ist.151
ἐν τῷ κόσμῳ – Die ältesten papyrologischen Belege für κόσμος in der Bedeu-
tung „Welt“ stammen aus dem 2. Jh. n. Chr. und handeln von den römischen Caesaren und ihrer Bedeutung für die Welt.152 περισσοτέρως δὲ πρὸς ὑμᾶς – Das Adjektiv περισσός153 („über die Maßen,
außerordentlich“) und sein Vorkommen in den Papyri wurde bereits im Zusammenhang mit 1Kor 12,23 behandelt154, wobei dort auch schon ein Beleg zum Adverb (wie hier im Komparativ) zur Sprache kam (P.Giss. I 25,12–13 [113–120 n. Chr.]). Als weitere Belege zum adverbiellen Gebrauch lassen sich etwa anführen: P.Oxy. XLVII 3356,17–18 (76 n. Chr.), wo ein junger Mann in einem Brief an seinen Vater seiner Freude über dessen Wohlergehen Ausdruck verleiht, hat dieselbe Form aufzuweisen wie der paulinische Text – περισσο|τέρως ἔρρωμαι („ich bin deutlich gesünder“ [wörtlich „ich bin mehr/in größerem Ausmaß gesund“]) ist die Auswirkung dieser Freude. Nicht die klassische Adverbialendung benützt hingegen die Verfasserin von BGU II 380 (3. Jh. n. Chr.), die darüber betrübt ist, dass ihr Sohn infolge einer Fußverletzung (wohl gegenüber der Pflegeperson) „besonders lästig“ sei – Z. 10–11: ὥς σου περισό|τερον νω̣ χελευομένου (l. ἐνο̣ χλευομένου).155
Für die vorliegende Stelle bei Paulus ist wohl die Übersetzung „in besonderem Maße“ die treffendste.
149 In P.Lond. II 358 (S. 171) ,12 (150–154 n. Chr.) und PSI Congr.XI 10,10–11 (170–171 n. Chr.?). 150 P.Michael. 20, Kol. II 5 (277 n. Chr.), wo es um ein „unzureichendes“ (ἐνδεῶς) Benehmen geht. 151 Vgl. weiters SB X 10557,7–8 (Mitte 3. Jh. n. Chr.) – γοργῶ[ς] („behende“); P.Oxy. VI 907,17 mit BL III 133 (276 n. Chr.) – πρεπόντως („geziemend“). 152 Siehe die Beispiele bei F. Winter in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 91. 153 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 154 Vgl. P. Arzt-Grabner in ders./Kritzer u. a., 1. Korinther 421. 155 Das Adverb im Positiv begegnet außerdem in P.Mich. XV 752,21–22 (spätes 2. Jh. n. Chr.); für περισσῶς in der Bedeutung „überflüssig“ siehe Preisigke, Wörterbuch s. v. περισσός 2).
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Einzelheiten: 2Kor 1,12–13
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1,113 οὐ γὰρ ἄλλα γράφομεν ὑμῖν ἀλλ᾽ ἢ ἃ ἀναγινώσκετε – H. Windisch führt Belege für οὐκ ἄλλος … ἀλλά156 und οὐκ ἄλλος … ἤ an; von Paulus würden hier beide Konstruktionen kombiniert wie oft in der LXX und außerdem in Lk 12,51.157 Papyrologische Belege für das Verb ἀναγινώσκω158 stammen mehrheitlich aus dem amtlich-rechtlichen Bereich; ob nun (im Stillen) „gelesen“ oder (laut) „vorgelesen“ wird, wesentlich ist, dass der Leser bzw. derjenige, dem vorgelesen wird, einen Sachverhalt „zur Kenntnis nimmt“ oder „registriert“:159 So geht es z. B. in P.Oxy. XXII 2349,21 (70 n. Chr.) um eine Petition, die vor den Chrematisten verlesen wurde (ἀναγνωσθείσ τῆς ἐντεύξεως), und in P.Flor. I 61,24–25 (85 n. Chr.) um einen „Schuldschein“ (ἐπίσταλμα). Außerdem findet sich häufig das formelhafte ἀνέγνων, das – meist am Ende von Schriftstücken platziert – ausdrückt, dass der Inhalt derselben „zur Kenntnis genommen“ wurde. Dies ist etwa in P.Oxy. IX 1188,28 (13 n. Chr.) der Fall, wo der Idios Logos seine Zurkenntnisnahme einer Bewerbung durch diese Formel bestätigt.160
Rein privater Natur ist etwa folgender Beleg: In BGU IV 1079 (41 n. Chr.) erfährt man von einem gewissen Sarapion, er sei betrübt gewesen, als er den Brief seines Adressaten gelesen habe (Z. 8–9: ἀνέ|γνων καὶ ἐλυπήθην).161
ἢ καὶ ἐπιγινώσκετε – Wie R. E. Kritzer im Zusammenhang mit 1Kor 13,12 nachgewiesen hat, werden das Simplex γινώσκω („erkennen, verstehen“) und das Kompositum ἐπιγινώσκω in den dokumentarischen Papyri und Ostraka
156 Dafür verweist Windisch, 2Kor 57, u. a. auf P.Tebt. I 104,19 (22. Februar 92 v. Chr.; die Zeilenangabe „119“ bei Windisch ist Tippfehler) 157 Windisch, 2Kor 57. 158 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 159 So schon in ptolemäischer Zeit, z. B. P.Heid. IX 425,1 (ca. 7. Juni 158 v. Chr.); 441,1 (10. Juni 158 v. Chr.); 428,1 (vor[?] 12. Juni 158 v. Chr.). – Zur vergleichbaren Verwendung des Substantivs ἀνάγνωσις siehe bei 3,14. 160 Zu BGU VIII 1795 (47 v. Chr.), wo ἀν̣ έ̣γνω(ν) zu Beginn (Z. 1) einer amtlichen Verfügung auftaucht, bemerken die Herausgeber: „Wenn richtig gelesen, ist ἀνέγνων der Kontrollvermerk des verfügenden Strategen oder seines Bürovorstehers und bestätigt, dass die ausgehende Verfügung mit dem bei den Akten bleibenden Exemplar übereinstimmt“ (W. Schubart und D. Schäfer in BGU VIII S. 77). Seltener ist hingegen die Form ἀνέγνωσται, die z. B. in P.Ryl. II 65,19 (67 v. Chr.) das Verlesen eines Gerichtsurteils bezeugt. – In Verhandlungsprotokollen wird einem Advokaten häufig der Auftrag erteilt, ein Dokument vorzulesen (ἀνάγνωθι), z. B. P.Mil.Vogl. I 25, Kol. III 25 (26. Mai – 24. Juni 127 n. Chr.); P.Bingen 78,1 (Ende 2. Jh. n. Chr.?); P.Giss. I 99,18 (2.–3. Jh. n. Chr.); SB V 7696,6–7.20.29.43.48.67.85.113.157(?) (nach 28. August 249 n. Chr.); PSI XV 1549,1 (249–250 n. Chr.); das Verlesen des Dokumentes selbst wird dann häufig mit ἀνέγνω („er [gemeint ist der Advokat] las vor“) eingeleitet: SB V 7696,20.27.44.48–49.51–52.53.58.74– 75.79; PSI XV 1549,2; siehe ferner P.Amh. II 67,9–11 mit BL III 4 (231–237 n. Chr.). 161 Ferner z. B. BGU II 450,11–12 (2.–3. Jh. n. Chr.); PSI XV 1554,7–8 (3. Jh. n. Chr.; zum Zusammenhang siehe S. 463).
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Einleitungsteil des Briefcorpus (2Kor 1,3–2,13)
synonym verwendet. Es geht vor allem um ein „Erkennen“ oder „Wahrnehmen“ von Dingen oder Sachverhalten.162 ἐλπίζω ‹ 1,7 δὲ ὅτι ἕως τέλους ἐπιγνώσεσθε – Auch in Papyrusbriefen werden wichtige Anliegen hin und wieder mit ἐλπίζω eingeleitet.163 Ein Wechsel vom Plural zum Singular wie hier von γράφομεν zu ἐλπίζω begegnet z. B. auch in P.Yale I 33,1–5 (5. April 253 v. Chr.): ἐγράψ̣ αμέν σοι ̣ ην δεῖν κα̣ ὶ νῦν̣ ἐπ̣ ισ ̣ ̣πρότερον κτλ. ὁρῶντες δέ `σε´ καταραθυμοῦντα ὤ̣ ιμ τ̣ε̣ῖλ̣ αί σ̣ [οι] („wir haben dir schon früher geschrieben … , als wir aber sahen,
dass du nachlässig bist, glaubte ich, dir auch jetzt schreiben zu müssen“).164 Weitere ähnliche Belege165 lassen den Eindruck entstehen, dass ein einzelner Schreiber gerade den Plural von γράφω ohne besonderen Hintergrund für sich verwenden konnte, insbesondere wenn auf einen früheren Brief verwiesen wurde. Hier bei Paulus wird der Plural γράφομεν ganz einfach durch die offizielle Mitautorschaft des Timotheos bedingt sein, während mit ἐλπίζω sein ganz eigener Ausdruck der Hoffnung betont wird.
1,114 καθὼς καὶ ἐπέγνωτε ‹ 1,13 ἡμᾶς ἀπὸ μέρους – Die Wendung ἀπὸ μέρους166 („zum Teil“) begegnet in den Papyri des Öfteren, aber weder in spezifischen Zusammenhängen noch speziellen Dokumenttypen. Den Belegen ist gemeinsam, dass sie bis auf wenige Ausnahmen aus dem praktischen Leben gegriffen sind, wozu etwa folgende Beispiele angeführt werden können: In BGU IV 1201,15–16 (2 n. Chr.) ist die Rede von „zum Teil verbrannten Türen“ (ἀπὸ μέρους τὰς | θύρας κατακεκαυμέν[ας]) und in P.Col. VIII 209,12–15 (3 n. Chr.) von Aruren, die jemand „zum Teil bewässert hat“ (Z. 14–15: ἀπὸ μέρους λιμ|νάσας)167. In P.Ryl. II 133 (33 n. Chr.) beschwert sich ein Mann namens Euander, dass ein gewisser Onnophris eine Schleuse teilweise niedergerissen habe (Z. 17: κατέσπασεν ἀπὸ μέρους) und dadurch die Felder in Gefahr seien, und in PSI VIII 909,2–3 (44 n. Chr.) geht es um ein altes Haus, das „zum Teil eingestürzt“ ist (ἀπὸ μέρο̣ υ̣ ς̣ | [συμπεπτωκυῖαν])168. Von Besitzern von Katökenland, die einen Teil ihrer
162 Siehe dazu ausführlich und mit zahlreichen Belegen R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/ Kritzer u. a., 1. Korinther 443–445. Siehe ferner P.Mich. XVIII 776,5–6 (22. Juni 194 v. Chr.). 163 Vgl. z. B. SB III 6823,15–16 (41–54 n. Chr.); P.Turner 18,15–17 (89–96 n. Chr.); P.Laur. II 39,8 (Anfang 2. Jh. n. Chr.); P.Brem. 5,8 (117–119 n. Chr.); P.Hombert II 41,6 (Mitte – Ende 2. Jh. n. Chr.); P.Mil.Vogl. II 76,8 (2. Jh. n. Chr.); SB XVI 12606,6–7 (spätes 3./frühes 4. Jh. n. Chr.). – Beispiele für die Hoffnung, die Adressatinnen und Adressaten bald besuchen zu können bietet Arzt-Grabner, Philemon 258. 164 Auf dieses Beispiel verweist auch Windisch, 2Kor 59 (unter Angabe der ed.pr. P.Hib. I 44). Der Schreiber verwendet konsequent Iota Adscriptum (z. B. ὤιμην = ᾤμην) 165 Siehe z. B. P.Oxy. VII 1061,2–5 mit BL VII 134 (25. Juni – 24. Juli 22 v. Chr.); P.Mert. II 82 mit BL V 67; SB XVI 12579,18–23 (beide spätes 2. Jh. n. Chr.). 166 Dieser Ausdruck wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 167 Ähnlich P.Mert. I 8,13–14 (3 n. Chr.). 168 Ähnlich P.Mich. X 583,7–8.28–29.35 (78 n. Chr.).
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Einzelheiten: 2Kor 1,14 – Aufgeschobener Besuch: 2Kor 1,15–2,4
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Ländereien ihren Brüdern vermacht haben, ist in P.Mich. V 232,17–18 (36 n. Chr.) die Rede: ἀπὸ μέρους παρακεχωρηκότων τοῖς ἑαυ|τῶν ἀδε̣λφοῖς.169
Abstrakteren Inhalts sind etwa folgende zwei Belege: In SB V 7530 (38 oder 16 v. Chr.) teilt der Verfasser eines Briefes seinem Adressaten augenscheinlich verzweifelt mit – Z. 16–17: καὶ ἐγὼ δὲ ὡς ἐν ἀπόροις | ζητήσω πόρον̣ ἀπὸ μέρους̣ („und ich aber, gleichsam in einer ausweglosen Situation, suche einen teilweisen Ausweg“). P.Oxy. XIV 1681 (3. Jh. n. Chr.) wiederum ist offensichtlich der Brief eines Nicht-Ägypters an seine Freunde; für einen „Barbaren“ oder „unmenschlichen Ägypter“ gehalten zu werden, weist jener abwehrend von sich, schließlich hätten die Freunde ja „zum Teil“ einen Beweis für seine Ansichten erhalten – Z. 9–12: ἀπὸ μέ|ρους πεῖραν λαβόν|τα̣ ς̣ τῆς ἡμετέρας | γνώμης.
ὅτι καύχημα ‹ 1,2 καύχησις ὑμῶν ἐσμεν καθάπερ καὶ ὑμεῖς ἡμῶν ἐν τῇ ἡμέρᾳ τοῦ κυρίου ‹ 1,2 [ἡμῶν] Ἰησοῦ ‹ 1,1 – Mit dem „Tag des Herrn“ ist hier – ent-
sprechend apokalyptischem Sprachgebrauch – der eschatologische Gerichtstag gemeint. Den papyrologischen Hintergrund liefern somit jene Beispiele, in denen mit ἡμέρα der gerichtliche Verhandlungstag bezeichnet wird.170
2Kor 1,15–2,4 Begründung des aufgeschobenen Besuches und Grund für den Brief 15 Und in diesem Vertrauen wollte ich früher zu euch kommen, damit ihr eine zweite Gnade habt, 16 und über euch nach Makedonien reisen und von Makedonien wieder zu euch kommen und von euch nach Judäa geleitet werden. 17 Habe ich also, während ich das wollte, etwa Leichtsinn an den Tag gelegt? Oder beschließe ich, was ich beschließe, dem Fleische nach, dass bei mir das Jaja auch das Neinnein ist? 18 Gott aber (bürgt) zuverlässig, dass unser Wort an euch nicht ein Ja und ein Nein ist. 19 Denn Gottes Sohn, Jesus Christus, der unter euch durch uns verkündet wird, durch mich und Silvanus und Timotheos, wurde nicht ein Ja und ein Nein, sondern das Ja ist in ihm entstanden. 20 Denn wieviele Verheißungen Gottes (es gibt), in ihm ist das Ja; deshalb auch durch ihn das Amen Gott zum Ruhm durch uns. 21 Derjenige aber, der die Sicherheit für uns mit euch zusammen auf Christus hin stellt und uns salbt, ist Gott, 22 der, der uns versiegelt und das Angeld des Geistes in unseren Herzen anlegt. 23 Und ich rufe Gott als Zeugen an für meine Seele, dass ich, um euch zu schonen, nicht mehr nach Korinth gekommen bin. 24 Nicht dass wir Herr eures Glaubens sind, sondern Mitarbeiter sind wir eurer Freude; denn ihr steht durch den Glauben. 169
Um eine teilweise Zahlung geht es in P.Bingen 58,7–8 (22 n. Chr.). Siehe dazu ausführlich und mit den relevanten Beispielen Papathomas, Begriffe 20–22. Vgl. Kreinecker, 2. Thessaloniker 148. 170
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Einleitungsteil des Briefcorpus (2Kor 1,3–2,13)
2 Denn ich beschloss bei mir dieses, nicht wieder in Kummer zu euch zu kommen. 2 Denn wenn ich euch Kummer bereite, wer ist dann der, der mich erfreut, wenn nicht der, dem von mir her Kummer bereitet wurde? 3 Und ich schreibe eben das, damit ich nicht, wenn ich komme, Kummer erfahre von denen, über die ich mich freuen sollte, im Vertrauen auf euch alle, dass meine Freude die von euch allen ist. 4 Aus großer Bedrängnis nämlich und Beengtheit des Herzens schreibe ich euch unter vielen Tränen, nicht, damit ihr bekümmert werdet, sondern damit ihr die Liebe erkennt, die ich in besonderem Maße euch gegenüber hege. Die Beleglage der Papyri und Ostraka über brieflich geäußerte Besuchsabsichten ist überaus aufschlussreich (siehe oben S. 158–166). Vor diesem Hintergrund zeigt sich speziell für den 2Kor von 1,15–2,1 her, dass dieser Brief nicht ein bloßer Ersatz für einen Besuch des Paulus ist, sondern etwas leisten soll, was die persönliche Anwesenheit des Apostels momentan vermutlich nicht leisten könnte: die Gemeinde für sich zu gewinnen und beiden Seiten eine (Schon-)Frist zu gewähren, deren Ende mit dem anstehenden Besuch erreicht sein wird (beachte 13,1–2). 1,115 καὶ ταύτῃ τῇ πεποιθήσει ἐβουλόμην πρότερον πρὸς ὑμᾶς ἐλθεῖν ἵνα δευτέραν χάριν ‹ 1,2 σχῆτε – Mit V. 15 wendet sich Paulus explizit seinen Reiseabsichten und dem aufgeschobenen Besuch zu (siehe dazu S. 158–166). Zu πεποίθησις („Vetrauen, Zuversicht“) gibt es bisher keine papyrologischen Belege, zum papyrologischen Befund von πέποιθα siehe oben bei 1,9. 1,116 καὶ δι᾽ ὑμῶν διελθεῖν εἰς Μακεδονίαν – Wie in 1Kor 16,5 spricht Paulus hier von Makedonien171 als einer Reisestation, allerdings in anderer Reihenfolge als dort. Seine Reisepläne hatten sich inzwischen aufgrund der Vorkommnisse geändert (siehe dazu oben S. 148–149). Das Verb διέρχομαι begegnet in den dokumentarischen Papyri und Ostraka meist temporal in der Bedeutung „verstreichen, vergehen, ablaufen“.172 Während in 1Kor 16,5 tatsächlich von einem „Durchwandern“ Makedoniens die Rede ist, wofür lediglich auf P.Princ. II 20,4–5 (133–137 n. Chr.?) verwiesen werden kann173, spricht Paulus hier von seiner noch nicht verwirklichten Absicht, nach Makedonien zu „reisen“. Diese Bedeutung von διέρχομαι ist papyrologisch bedeutend besser belegt: Die Konstruktion mit der Präposition εἰς wie hier bei Paulus findet sich im Privatbrief des Claudius Agathos Daimon an einen Sarapion – SB IV 7335 (ca. 117–138 n. Chr.); der Hauptteil des Briefes, den Claudius offenbar einem Schreiber diktiert
171 172 173
Die Provinz Makedonien findet bisher in den dokumentarischen Papyri keine Erwähnung. Siehe die Belege bei Kiessling, Wörterbuch s. v. διέρχομαι 4). Dort ist von Leuten die Rede, die auf der „Durchreise“ sind: τοῖς διε̣ρ|χ̣ ο̣ μ̣ έ̣νοις.
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Einzelheiten: 2Kor 1,15–16
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hat (nur einen ausführlichen Schlussgruß hat er selbst hinzugefügt), lautet – Z. 3–7: διερχόμενος ἰς Θηβαΐδα ἀσπάζομαί σε ἥ|διστ[α, γ]λυκύτατε Σαραπίων, καὶ παρακα|λῶ σε τὸ αὐτὸ ποιεῖν καί, ἐάν τινος χρεία ἦν | σοι ἀπὸ Θηβαΐδος, προτρέπομαί σε γράψαι μοι ἥ|διστα ποιήσοντι („während ich in die Thebais reise, sende ich dir die liebsten Grüße, süßester Sarapion, und ich bitte dich, dasselbe zu tun, und, wenn du irgendetwas aus der Thebais benötigst, ermuntere ich dich, mir als einem zu schreiben, der das mit größter Freude tun wird“). Claudius ist offensichtlich auf der Heimreise in die Thebais und bietet seinem Briefpartner an, ihm alles, was er benötigt, zu schicken, sobald er zu Hause angekommen ist.174 Ein gewisser Arsinoos fordert im Postscriptum eines Briefes aus dem 2. Jh. n. Chr. einen Alkimos auf, zwei Metren Koriandersaatgut bereitzustellen und in seinem Haus aufzubewahren, „bis ich“, wie er schreibt, „am 25. des Monats vorbeikomme“ – P.Warr. 15,23–24: ἕως | ἂ̣ ν διέρχομαι τῇ κε.175 Ein interessantes Beispiel für die Verbindung der beiden Bedeutungen „durchwandern“ und an einen bestimmten Ort oder zu jemandem „reisen“ findet sich auf dem Ostrakon O.Claud. II 371 (2. Hälfte 2. Jh. n. Chr.): der Curator Aelius Serenus teilt dem Curator Sarapion mit – Z. 2–3: διέρ|χεται διὰ σοῦ Θαριώτης („Thariotes kommt bei dir vorbei“ – wörtlich „kommt durch dich durch“). Dieser Passierschein für Thariotes intendiert wohl, dass der Betroffene nicht einfach nur durch Sarapions Gebiet reist, sondern mit dem Dokument auch tatsächlich im Büro des Curators erscheint.
καὶ πάλιν ἀπὸ Μακεδονίας ἐλθεῖν πρὸς ὑμᾶς καὶ ὑφ᾽ ὑμῶν προπεμφθῆναι εἰς τὴν Ἰουδαίαν – Der papyrologische Befund für das Verb προπέμπω ist
für die Interpretation der Paulusstelle durchaus aufschlussreich, denn – wie R. E. Kritzer im Zusammenhang mit 1Kor 16,6 bereits gezeigt hat – legen die Papyrusbeispiele die Bedeutung „geleiten“ oder „begleiten“, und nicht „vorrausschicken“ nahe.176 Dies passt auch hier gut in den Zusammenhang: Paulus hofft, von Mitgliedern der Gemeinde von Korinth nach Iudaea „begleitet zu werden“. Die griechische Bezeichnung Ἰουδαία177 für Iudaea, das seit 6 n. Chr. als römische Provinz existierte, begegnet lediglich in vier Belegen aus der ersten Hälfte des 2. Jh. n. Chr.: In P.Yadin I 16,16 (nach 4. Dezember 127 n. Chr.) sowie 18,5–6.36 (128 n. Chr.) geht es jeweils darum, die Lage des Dorfes En Gedi anzugeben; am genauesten ist dabei P.Yadin I 16,16, wo En Gedi nicht nur als in Judäa befindlich, sondern auch als „in der Gegend von Jericho in Judäa“ liegend (περὶ Ἱερειχοῦντα τῆς Ἰουδαίας) beschrieben wird. In P.Ryl. II 189 (128 n. Chr.) liest man hingegen von in Judäa sta-
174 Vgl. auch schon P.Cair.Zen. III 59337,2–4 (7. Oktober 248 v. Chr.): διῆλθον | εἰς Μοιθῦμιν πρὸς | Λέοντα („ich kam nach Moithymis zu Leon“). Siehe ferner die Belege bei Kiessling, Wörterbuch s. v. διέρχομαι 2). 175 176
Siehe ferner P.Stras. VI 521,10–13 mit BL VIII 421 (1. Jh. n. Chr.). Siehe dazu mit Belegen R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 512–
513. 177
Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet.
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Einleitungsteil des Briefcorpus (2Kor 1,3–2,13)
tionierten Soldaten (Z. 5: τῶν ἐν τῇ Ἰου{α}δαίᾳ στρατευομένων), die mit neuen Kleidern versorgt werden sollen.
1,117 τοῦτο οὖν βουλόμενος μήτι ἄρα τῇ ἐλαφρίᾳ ἐχρησάμην; – Zum Begriff ἐλαφρία („Leichtsinn“) gibt es bisher keine papyrologischen Belege. ἢ ἃ βουλεύομαι κατὰ σάρκα βουλεύομαι, ἵνα ᾖ παρ᾽ ἐμοὶ τὸ ναὶ ναὶ καὶ τὸ οὒ οὔ; – Mit σάρξ wird in den dokumentarischen Paypri vor allem das
menschliche Fleisch bezeichnet.178 Die Wortfamilie ist papyrologisch insgesamt wenig bezeugt, σάρκινος begegnet nur einmal179, σαρκικός ist bisher überhaupt nicht belegt. Eine Ausdrucksweise wie im anschließenden Finalsatz180 ist in den dokumentarischen Papyri und Ostraka bisher nicht bezeugt; weder begegnet substantiviertes ναί181 oder οὔ noch die Wendung ναὶ καὶ οὔ (wie anschließend in V. 18 und 19).
1,118 πιστὸς δὲ ὁ θεός – Diese Aussage über Gott ist der Gemeinde von Korinth bereits von 1Kor 1,9 her bekannt, wo der identische Wortlaut bezeugt ist. Vom papyrologischen Befund zu πιστός her geht es um Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit,182 die offenbar besonders bei Botendiensten wichtig war.183 Im Hinblick auf das in V. 22 verwendete Bild des ἀρραβών (siehe dazu ausführlich an der betreffenden Stelle) ist vor allem auf den Privatbrief SB XIV 12172 zu verweisen, der am 3. September 7 n. Chr. abgefasst wurde: in Z. 18– 20 wird derjenige als πιστός bezeichnet, der seine geschäftlichen Vereinbarungen einhält, auf den also Verlass ist.
178
Siehe dazu ausführlich Arzt-Grabner, Philemon 225; F. Winter und P. Arzt-Grabner in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 104–105. 179 In SB XXVI 16652,169.171–172 (nach 27. Oktober 113 n. Chr.) werden „Stricke aus Darmsaiten“ (σχοινίων σαρκίνων) erwähnt (bei F. Winter und P. Arzt-Grabner in Arzt-Grabner/ Kritzer u. a., 1. Korinther 105, war dieser Belege noch als P.Lond. III 1177, Rekto [S. 180] anzuführen). 180 Bei der Verdoppelung von ναί und οὔ handelt es sich um eine sog. Epanadiplosis, also um eine „nachdrückliche Verdoppelung eines gewichtigen Wortes“ (BDR § 493,1), hier im Zusammenhang mit einer Versicherung (vgl. BDR § 4932; siehe dazu ausführlich Welborn, Affirmation). Verdoppeltes ναί als Verstärkung des einfachen begegnet in einem magischen Papyrus aus dem 4. Jh. n. Chr. (Pap.Graec.Mag. I 1,90). Zu den grammatikalischen Möglichkeiten siehe Schmeller, 2Kor 100. 181 Zur Verwendung des einfachen ναί als Antwort auf eine Entscheidungsfrage oder von emphatischem ναί siehe Arzt-Grabner, Philemon 246. 182 Vgl. F. Winter und P. Arzt-Grabner in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 52– 53 (mit den maßgeblichen Belegen). 183 Vgl. P.Yale I 80,8.14 (2. Jh. n. Chr.); P.Phil. 35,29 (Ende 2. Jh. n. Chr.); P.Mich. VIII 514,14; P.Oxy. VII 1067,30 mit BL VIII 240 (beide 3. Jh. n. Chr.).
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Einzelheiten: 2Kor 1,16–19
221
ὅτι ὁ λόγος ἡμῶν ὁ πρὸς ὑμᾶς οὐκ ἔστιν ναὶ ‹ 1,17 καὶ οὔ ‹ 1,17 – Die Bedeutungsbreite von λόγος ist auch in den dokumentarichen Papyri und Ostraka
relativ groß; die hier verwendete Bedeutung „Wort“ oder „Rede“ ist in zeitlicher Nähe zu Paulus mehrfach bezeugt.184 1,119 ὁ τοῦ θεοῦ γὰρ υἱὸς Ἰησοῦς ‹ 1,1 Χριστὸς ‹ 1,1 ὁ ἐν ὑμῖν δι᾽ ἡμῶν κηρυχθείς – Die Bezeichnung Jesu als „Gottes Sohn“ bildet einen deutlichen Kontrast zur Titulatur römischer Kaiser, insbesondere an der vorliegenden Stelle. Im Fall des römischen Imperators gilt dieser – bereits ab Augustus – als Sohn seines vergöttlichten Vaters, was lateinisch mit divi filius und auf Griechisch mit θεοῦ υἱός (stets in dieser Reihenfolge!) ausgedrückt wird.185 Genau dieselbe Reihenfolge, also θεοῦ υἱός, verwendet Paulus nur hier, während in Röm 1,4 und Gal 2,20 die Form υἱός θεοῦ begegnet. Dieser Hintergrund bzw. Kontrast wird durch den papyrologischen Befund des Verbs κηρύσσω in gewisser Weise bekräftigt, denn bei κηρύσσω geht es „um das Kundgeben in einem öffentlichen Raum …, das die Aufforderung zu einer Reaktion auf den Inhalt impliziert.“186 Das Verkünden Jesu Christi als θεοῦ υἱός fordert angesichts eines divi filius oder θεοῦ υἱός auf dem römischen Kaiserthron zur Reaktion (und zumindest längerfristig auch zur Entscheidung) heraus.187 ‹ 1,1
– Der lateinische Name Silvanus begegnet innerhalb der dokumentarischen Papyri in der gräzisierten Schreibweise Σιλουανός188 nicht sehr zahlreich und erst ab dem späten 1. Jh. n. Chr.:
δι᾽ ἐμοῦ καὶ Σιλουανοῦ καὶ Τιμοθέου
Der bisher älteste Beleg findet sich in O.Did. 354 (vor ca. 88–96 n. Chr.), einem Ostrakon, das an einen Gaius Silvanus adressiert ist (Z. 1 Γαίῳ Σιλουαν[ῷ]). In P.Col. VIII 221,3.7.9.17.24 (143 n. Chr.) tritt ein Silvanus, Adjutant der Zenturie des Claudius, als Einleger eines Depositums auf. Nicht näher spezifiziert sind die zwei in BGU VII 1671,1 (2.–3. Jh. n. Chr.) und P.Dura 47, Kol. I 9 (3. Jh. n. Chr.) erwähnten Silvani: während der eine als Absender eines Briefes fungiert, ist der andere der Empfänger von Zahlungen unbekannter Art189.
184
Siehe die Belege bei P. Arzt-Grabner in ders./Kritzer u. a., 1. Korinther 47; Kreinecker, 2. Thessaloniker 157. 185 Ausführlich dazu und mit Belegen P. Arzt-Grabner in ders./Kritzer u. a., 1. Korinther 53–54. Ein weiterer Beleg aus einem Kaisereid ist P.Sijp. 19,9 (23. April 34 n. Chr.); siehe dazu und mit einer Übersicht über die bei Tiberius geleisteten Eide B. Palme in P.Sijp. S. 117–118. 186 F. Winter in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 98 (mit den entsprechenden Belegen). 187 Windisch, 2Kor 138, verweist für κηρύσσω auf den literarischen, sakralen Papyrus P.Oxy. XI 1381 (2. Jh. n. Chr.; dort Z. 144–145). 188 Der Personenname in dieser Schreibweise wurde teilweise von R. E. Kritzer bearbeitet. 189 Für die Hg. zeugt das Nebeneinander von römischen, griechischen, semitischen und iranischen Namen in der vorliegenden Liste von der Durchmischtheit der Bevölkerung im Dura Europos der römischen Epoche (C.B. Welles, R.O. Fink und J.F. Gilliam in P.Dura S. 186).
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Einleitungsteil des Briefcorpus (2Kor 1,3–2,13)
Mehr als fünfundzwanzig Mal so oft wie Σιλουανός begegnet in den Papyri die Schreibweise Σιλβανός,190 die bereits ab dem frühen 1. Jh. n. Chr. belegt ist, also auch in zeitlicher Nähe zu Paulus:191 In einer Liste römischer Legionäre wird ein Publius Egnatius, Sohn des Publius, aus dem Stamm Sergia, von der Centurie des Silvanus, erwähnt – P.Mich. XII 637,19–20 mit BL VII 116 (frühes 1. Jh. n. Chr.): Πόπλιος Ἰγνάτιος Ποπλ(ίου) υἱὸς | φυλ(ῆς) Σεργία ⟦κν̣ τυ⟧ κεντο(ρίας) Σιλβανοῦ. Ein Σιλβανός ist der Empfänger des Ostrakons SB VI 9017 Nr. 10 (1.–2. Jh. n. Chr.), ein Κλαύδιος Σιλβανός richtet zusammen mit seinen Brüdern eine Orakelanfrage an die Göttin Athene, die auf dem Ostrakon P.Worp 6 (1.–2. Jh. n. Chr.) aus Latopolis erhalten ist.
Vom papyrologischen Befund her ist somit zu überlegen, ob nicht der Textvariante Σιλβανοῦ statt Σιλουανοῦ der Vorzug gegeben werden sollte. οὐκ ἐγένετο ναὶ ‹ 1,17 καὶ οὔ ‹ 1,17, ἀλλὰ ναὶ ἐν αὐτῷ γέγονεν – Darin, dass der
Gottessohn Jesus Christus ein eindeutiges „Ja“ geworden ist, wird der oben beschriebene Kontrast zum römischen Kaiser implizit nochmals verschärft. An dieser Verkündigung lässt sich nicht rütteln. Im Kern geht es darum, dass die verlässliche Verkündigung des Paulus auch ihn selbst als verlässlichen Verkündiger ausweist. Beides bedingt sich gegenseitig. 1,220 ὅσαι γὰρ ἐπαγγελίαι θεοῦ, ἐν αὐτῷ τὸ ναί ‹ 1,17 – Der Begriff ἐπαγγελία ist in der LXX relativ selten bezeugt. In der Jesustradition begegnet er nur in Lk 24,49. Relativ häufig wird er hingegen von Paulus verwendet (besonders oft in Röm 4 und 9 sowie in Gal 3–4192, darüber hinaus nur hier und in 7,1). Zu fragen ist daher, aus welchem Kontext Paulus den Begriff übernommen haben könnte. Der papyrologische Befund kann hier ein wenig Aufschluss geben. Zunächst ist festzustellen, dass mit ἐπαγγελία in den dokumentarischen Papyri und Ostraka eine „Ansage“ oder „Ankündigung“ ausgedrückt wird, die je nach Kontext als „Darbietung einer Spende“, als „Ansage einer
190 So entsprechend einer Suche in der DDBDP im März 2013 (381 Belege für Σιλβανός gegenüber 14 für Σιλουανός); für Σιλβανός sind ferner zu nennen: SB XXVI 16366,2 (2. Jh. n. Chr.); O.Did. 117,1 (vor ca. 176–220 n. Chr.?); SB XXVI 16528,32.71 (nach 24. März 176 oder 208 n. Chr.); P.Pintaudi 55,9 (spätes 3. – 1. Hälfte 4. Jh. n. Chr.); P.Philammon 1, p. 15,9.22; 16,13.26 (nach 16. Juni 360 n. Chr.); P.Mich. XX 804,13.17.19.21 (ca. Juni – August 367 n. Chr.); 809,44 (6. November 372 n. Chr.); in O.Claud. IV 856,28 (ca. 186–187) ist der Akkusativ Σελουβανό̣ ν̣ vielleicht als Σιλβανόν zu lesen. Die Schreibweise Σιλουανός ist außerdem bezeugt in O.Did. 237,1 (vor ca. 220–250 n. Chr.?). – Dies ist übrigens ein gutes Beispiel dafür, wieviel sich durch die gegenüber den Zeiten von G. A. Deissmann oder J. H. Moulton enorm gestiegene Anzahl von edierten Papyri und Ostraka im einen oder anderen Fall geändert hat: Moulton/ Howard, Grammar II 110, haben noch geschrieben: „Σιλουανός is the overwhelmingly attested form“. 191 Generell wird das lateinische konsonante u (v) ab dem 1. Jh. n. Chr. mit zunehmender Häufigkeit durch β transkribiert (vgl. Gignac, Grammar I 68–69). 192 Vgl. Röm 4,13.14.16.20; 9,4.8.9; 15,8; Gal 3,14.16.17.18.21.22.29; 4,23.28.
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Einzelheiten: 2Kor 1,19–20
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Klage“ oder als „Angebot“ bzw. „Vorschlag“ zu verstehen ist.193 Die Bedeutungen „Angebot“ und „Zusicherung, Versprechen“ begegnen im geschäftlichen, insbesondere dem handwerklichen Bereich: Bereits im Brief P.Ryl. IV 593 (6. August 35 v. Chr.), der von geschäftlichen Angelegenheiten handelt, ist von „Angeboten“ die Rede (siehe Z. 9), die aber bereits bei anderer Gelegenheit gemacht wurden und hier nicht mehr angeführt werden.194 Ein gewisser Diomedes, der offensichtlich im Walkergewerbe tätig ist, erwähnt im Brief P.Herm. 12, den er im 2. oder Anfang des 3. Jh. n. Chr. an seinen „Sohn“195 Serenus schrieb, die ἐπαγγελία eines Handwerkers, der er ebenso vertraue wie einem Brief des Serenus, aus dem ihm dessen Eifer für die Geschäfte deutlich geworden sei – Z. 5–8: ἀ|πὸ τῶν σῶν γραμμάτων, ο̣ ἷς πιστεύ|σας καὶ τῇ τοῦ τεχνείτ̣ου ἐπαγγελί|ᾳ. Worum es sich bei dieser ἐπαγγελία konkret handelt, wird auch hier nicht mehr gesagt, sie ist aber – wie Diomedes schreibt – für ihn Anlass zur Vermutung, dass Serenus nun eine Κρητική erhalten hat, womit entweder die zum Walken nötige „Kretische Erde“ bezeichnet wird oder – nach BL V 44 – vielleicht ein kretischer Mantel. In jedem Fall wird mit ἐπαγγελία eine fachlich kompetente Zusicherung196 gemeint sein.
Paulus könnte durchaus in seinem Handwerksbereich als Zeltmacher oder Weber197 mit ἐπαγγελία im Sinne einer fixen Zusage oder einer fachlich kompetenten und verlässlichen Zusicherung zu tun gehabt haben. Der amtliche Brief eines praefectus Aegypti macht einen zusätzlichen Aspekt von ἐπαγγελία deutlich – die dahinter stehende (höchstmögliche) Autorität, der die Durchsetzung und somit Gültigkeit der ἐπαγγελία zugetraut werden kann: Der hinter SB XIV 12144 (198–199 n. Chr.) stehende Präfekt ist höchstwahrscheinlich mit Q. Aemilius Saturninus zu identifizieren. Bei diesem Dokument geht es jedenfalls um die Weisung des Präfekten an seine Beamten, alle, die mit Zauber und Scharlatanerei zu tun haben, ausfindig zu machen und festzunehmen. In Z. 10 wird diese Weisung selbst als ἐπαγγελία bezeichnet.198 Wer ihr zuwider handelt, wird mit Todesstrafe bedroht.199 193
Siehe die Belege bei Preisigke, Wörterbuch s. v. ἐπαγγελία; Kiessling, Wörterbuch s. v.
ἐπαγγελία. 194
Siehe dazu auch White, Light 102 (Nr. 62). Auf dem Verso von P.Herm. 12 wird Serenus als φίλος bezeichnet; möglicherweise wird er im Eingangsgruß im übertragenen Sinn als „Sohn“ angeredet. 196 Der Hg. übersetzt „the promise made by the craftsman“ (B. R. Rees in P.Herm. S. 23). 197 Siehe dazu vom papyrologischen Hintergrund her Arzt-Grabner, Philemon 65–70; ders., Weberlehrverträge 71–75. Zum ägyptischen ταρσικάριος siehe auch Drexhage, Bemerkungen (2004). Zur Haltung des Paulus gegenüber seinem Beruf siehe Arzt-Grabner, Bedeutung; Still, Paul; Hock, Problem. 198 Vgl. Rea, Version 155: „the ἐπαγγελία is taken to be the prefect’s order. It seems better to take it […] in the sense of ‚claim, profession‘“. H. C. Youtie übersetzte den Begriff in der ed.pr. als „proclamation“ (in P.Coll.Youtie I S. 273). Zu undeutlich ist die Übersetzung „undertaking“ von G. H. R. Horsley in New Docs. I S. 48. 199 Die Bedeutung „Drohung“ hat ἐπαγγελία in P.Oxy.Hels. 23,36.42 (23. April 213 n. Chr.). 195
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Einleitungsteil des Briefcorpus (2Kor 1,3–2,13)
διὸ καὶ δι᾽ αὐτοῦ τὸ ἀμὴν τῷ θεῷ – Das aus dem Hebräischen stammende ἀμήν ist papyrologisch erst in christlich geprägten Texten bezeugt (das älteste
Beispiel ist in Z. 2 des Mumienetiketts SB I 3533 [3./Anfang 4. Jh. n. Chr.] erhalten). Häufig wird ἀμήν als isopsephistisches Kryptogramm ϙθ geschrieben200 (so z. B. in P.Oxy. VIII 1162,15 oder LVI 3857,13 [beide 4. Jh. n. Chr.]).201 πρὸς δόξαν δι᾽ ἡμῶν – Der für Paulus wichtige Begriff δόξα in der Bedeutung
„Ruhm, Ehre, Herrlichkeit“ ist papyrologisch erst nachpaulinisch und relativ selten bezeugt.202 1,221 ὁ δὲ βεβαιῶν ἡμᾶς σὺν ὑμῖν εἰς Χριστόν ‹ 1,1 – Das Verb βεβαιόω ist innerhalb der dokumentarischen Papyri als wichtiger juridischer Terminus mit der Bedeutung „bekräftigen, bestätigen, gewährleisten“ in Verwendung. Im Besonderen ist hier auf die sog. Bebaiosis-Klausel zu verweisen, die bis ins 2. Jh. n. Chr. in Vertragstexten verwendet wurde und eine Rechtsmängelhaftung darstellt; der Verkäufer „bestätigt“ oder übernimmt die Gewährleistung dafür, dass der jeweilige Kaufgegenstand frei von jeglichen Ansprüchen Dritter ist, und kann dafür haftbar gemacht werden.203 Besonders erwähnenswert ist eine Verkaufsurkunde, die aus paulinischer Zeit stammt und seinem Handwerksbereich angehört – P.Dime III 35 (28. Oktober – 26. November 41 n. Chr.): die demotisch und griechisch abgefasste Urkunde hält den Verkauf eines Webstuhls fest; die Bebaiosis-Klausel findet sich im griechischen Text in Z. 3–4: κ̣ α̣ ὶ β[ε]βε|[ώσω (l. βεβαιώσω) πάσηι βεβαιώσει - - - ] („und ich werde die Garantie übernehmen mit jeglicher Gewährleistung …“).
Diese juridische Bedeutung ist zwar für 1Kor 1,6 mit zu berücksichtigen, für die vorliegende Stelle steht sie (wie auch für 1Kor 1,8) eher im Hintergrund. Immerhin aber mag der Aspekt der Sicherung und Sicherheit mitschwingen, insbesondere im Zusammenhang mit dem in V. 22 genannten ἀρραβών und dessen rechtssprachlichem Hintergrund (siehe dazu anschließend). Gott ist es, der für Paulus und die Gemeindemitglieder einsteht. Dies geschieht auf Christus hin. Auch wenn die aktuelle Beziehung zwischen Paulus und seiner Gemeinde noch nicht eine verlässliche ist, so sorgt Gott nach des Apostels Überzeugung (oder Wunsch) dafür, dass sie eine solche wird. Vor dem Hinter-
200
Der Zahlenwert von α+μ+η+ν (1+40+8+50) ist ebenso 99 wie von ϙ+θ (90+9). Siehe dazu Naldini, Cristianesimo 28–30; St. R. Llewelyn in New Docs. VIII S. 157; Choat, Belief 114 (mit weiteren Belegen aus dem 4. Jh. n. Chr. in Anm. 517); Luijendijk, Greetings 219–221 (mit den Beispielen aus dem 4. Jh. n. Chr.). 202 Siehe die Belege bei Preisigke, Wörterbuch s. v. δόξα 2); Kiessling, Wörterbuch s. v. δόξα 2); weitere Belege bietet P. Arzt-Grabner in ders./Kritzer u. a., 1. Korinther 124. 203 Zur βεβαίωσις vgl. Rupprecht, Bebaiosis 613–626; ders., Eviktionshaftung 462–479; zusammenfassend ders., Einführung 122; vgl. auch Spicq, Notes I 182–185; F. Winter in ArztGrabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 49. 201
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Einzelheiten: 2Kor 1,20–22
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grund der Bebaiosis-Klausel kann dabei vielleicht auch mitschwingen, dass eine Gefährdung dieser Beziehung durch Dritte ausgeschlossen werden soll. καὶ χρίσας ἡμᾶς θεός – Das Verb χρίω204 bezeichnet auch in den Papyri in
der Regel ein „Streichen“ über mehr oder weniger große Flächen, wobei mehrere Bedeutungsnuancen zutage treten: In P.Ryl. IV 589 (180 v. Chr.) geht es um Personen, die dem Verein oder Gymnasium, dessen Milieu der Text entstammt, nicht angehören und trotzdem im dazugehörigen Bad das Salböl benutzt haben – Z. 62–63: τ̣[οὺ]ς κ̣ ε̣|χρικότας ξένου̣ [ς]. Sie müssen nämlich (anders als die Mitglieder) dafür bezahlen. In P.Flor. III 364,24 (1. Hälfte 3. Jh. n. Chr.) ist hingegen davon zu lesen, dass 25 Kamele „gestriegelt wurden“ (ἐχρίσθησαν).205
Im paulinischen Kontext ist auf die Salbung im kultischen jüdischen Sinn zu verweisen und auf den Bezug zu Χριστός, den Messias, den Gesalbten. In diesem Zusammenhang ist auf einige magische Papyri zu verweisen, in denen es darum geht, in rituellen Handlungen – sei es zur Abwehr, sei es zur Herbeiführung bestimmter Situationen – den ganzen Körper bzw. einzelne Körperteile oder diverse Gegenstände mit fetthaltigen Substanzen (Pflanzenöle, Salben, Wachs) oder auch Blut zu bestreichen. Nach Pap.Graec.Mag. II 34,17–18 (2. oder 3. Jh. n. Chr.) z. B. ist jemand gewillt, sich mit einem Liebeszaubermittel einzureiben (χρίσασθαι | θέλω), nach Pap.Graec.Mag. I 2,160 (4. Jh. n. Chr.) sollen Türpfosten sowie ein Türsturz samt Schwelle mit dem Blut einer Ziege bestrichen werden (χρίσας αἷμα αἰγός).
1,222 ὁ καὶ σφραγισάμενος ἡμᾶς – Das Verb σφραγίζω206 (bisweilen auch wie hier bei Paulus medial gebraucht) ist in den Papyri reich bezeugt. „Versiegelt“ werden verschiedenste Dinge, allen voran Schriftstücke, aber auch Lebensmittel- bzw. Waren- oder Geldpakete sowie Gebäude:207 So liest man etwa am Ende des Briefes an einen Arzt – P.Mert. I 12,25 (59 n. Chr.): ἡ δὲ ἐπιστολὴ αὕτη ταύτῃ σοι ἐσφράγ̣ι(̣ σται) („dieser Brief wurde dir damit208 versiegelt“).209 Um eine Schenkungsurkunde handelt es sich bei P.Dura 18 (87 n. Chr.); nach Auflistung der Zeugen heißt es am Ende – Z. 34: ἐσφράγισμαι („ich habe mein Siegel angebracht“). Das Testament P.Köln XII 487 (117–138 n. Chr.) wird von sechs Zeugen bezeugt und gesiegelt; die entsprechende Formel lautet: μαρτυρῶ τῇ διαθήκῃ καὶ ἐσφράγισα σφραγίδι („ich bezeuge das Testament und habe gesiegelt 204
Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. In zwei Dokumenten steht χρίω für das „Liefern“ von Salböl (P.Oxy. XII 1413,19.20.24 mit BL III 136 [272 n. Chr.] sowie XIV 1665,5–6 [3. Jh. n. Chr.]). 206 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 207 Eine Übersicht über die verschiedenen Zwecke des Siegelns in den Papyri bietet bereits Bachmann, 2Kor 79 Anm. 1. 208 Wahrscheinlich ist „mit diesem Siegel“ gemeint (vgl. dazu H. I. Bell und C. H. Roberts in P.Mert. I S. 54). Siegel wurden normalerweise am zusammengerollten oder -gelegten Papyrus angebracht, wobei daneben der Name des jeweiligen Siegelinhabers zu lesen war (vgl. etwa auch P.Hamb. I 63,12–15 [125–126 n. Chr.]). 209 Der Erhalt versiegelter Briefe wird in O.Did. 23,2–6 (vor ca. 220 n. Chr.) bestätigt. 205
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Einleitungsteil des Briefcorpus (2Kor 1,3–2,13)
mit meinem Siegel“;210 so Z. 16.17.19.20.21). In BGU I 248 (ca. 75–85 n. Chr.) wiederum bittet der Absender eines Briefes in einem Randvermerk (Z. 40) darum, für die Versiegelung der Mandeln zu sorgen: τὰ ἀμύγδαλα σφραγ(ιζόμενα).211 Und in P.Berl.Möller 11,13–14 mit BL I 134 (zu SB IV 7348) (33 n. Chr.) geht es um Geld, das so lange in versiegeltem Zustand liegen gelassen werden soll (κεῖται ὥς ποτε ἐσφραγισμέ|νον), bis der Angesprochene kundtut, was damit geschehen soll. Von der amtlichen Versiegelung eines Hauses ist offensichtlich in P.Tebt. III.1 793, Verso, Kol. XII (183 v. Chr.), einer Petition wegen Einbruchs, die Rede; die Wohnung, um die es geht, wurde vom τοπογραμματεύς persönlich versiegelt – Z. 25–26: οἶκο̣ ν | ἐσφραγισμένο̣ ν [ὑπὸ] Ἁ̣ ρ̣ μ̣ άϊος τοῦ τοπογραμματέως.212
Das Versiegeln hatte also zum einen den Zweck, vor unbefugtem Zugriff zu schützen, zum anderen, durch Kennzeichnung eine Sache unverwechselbar zu seiner eigenen zu machen. Des Öfteren trugen Siegel die Bildnisse von Göttern: Deren mehrere werden z. B. in P.Köln II 100 (nach 24. August 133 n. Chr.) beschrieben; das Testament siegelten mehrere Zeugen (jeweils mit ἐσφράγισα eingeleitet), und zwar mit einem „Siegel, das als Petschaft die Büste des Ammon trägt“ (Z. 36: σφραγῖδι ἐχούσᾳ [l. ἐχούσῃ] γλύμα [l. γλύμμα] προτομὴ [l. προτομὴν] Ἄμμωνος), einem mit dem Petschaft eines Ibis (Z. 37: ἐχούσῃ γλύμμα ἴβιος), weiters des Hephaistos (Z. 38) und des Serapis (Z. 40).213
Auch Tieren bzw. Nutzvieh wird ein Siegel aufgedrückt, was (wohl) unserem heutigen „Markieren“ entspricht214: So schreibt z. B. ein gewisser Petechon an seine Schwester – P.Harr. II 223,3–4 (1. Jh. n. Chr.): ἔπεμψά σοι δύο σφραγῖδ[ας] | ἵνα τὰς ἀγ̣έ̣λας σφραγίσ̣ η̣ ς̣ („ich habe dir zwei Brennstempel geschickt, damit du die Herden kennzeichnest“).
Ein Siegel ist also etwas Bleibendes, ein unleugbares äußeres Zeichen, mit dem der Versiegelnde den Erwerb oder Besitz einer Sache oder eines Lebewesens rechtswirksam bekundet oder den Wortlaut eines Dokumentes bestätigt. Der Gegenstand der Versiegelung soll dadurch als Habe gesichert oder vor Veränderung, Verfälschung oder Missbrauch geschützt werden. Genau diese Komponenten hat wohl auch Paulus vor Augen, wenn er wie hier vom „Siegeln“ der Gläubigen durch ihren Gott spricht.215 Sie sind damit als Gottes Besitz 210 211
Siehe dazu F. Reiter in P.Köln XII S. 157–158. In O.Did. 443,6–8 (vor ca. 125–140 n. Chr.) wird ein Krug erwähnt, der noch immer versie-
gelt ist. 212
Des Öfteren ist auch von versiegelten Heiligtümern zu lesen, was, wie E. Boswinkel in P.David S. 6 (zu P.David 1, Kol. II 5 [nach 138 n. Chr.]) erklärt, mit dem Schutz vor „Profanierung“ zusammenhängt. P.Batav. I 30 (2. Jh. n. Chr.) ist das Schild einer versiegelten Mumie. 213 Über das Material, aus dem man Siegel fertigte, wird kaum gesprochen; in P.Oxy. VI 929, Verso 13–14 (spätes 2.–3. Jh. n. Chr.) werden einige Gegenstände in einen Chiton gewickelt und mit weißer Erde (γῇ λευκῇ) „versiegelt“. 214 Zuchtpferde bekommen noch heute z. T. Gestütswappen eingebrannt. 215 Vgl. auch Grässer, 2Kor I 82: „Hinter der Anwendung der Metapher versiegeln durch
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Einzelheiten: 2Kor 1,22
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gekennzeichnet und erkennbar, gleichzeitig aber wird damit auch bekundet, dass Gott für sie eintritt. καὶ δοὺς τὸν ἀρραβῶνα τοῦ πνεύματος – Der griechische Terminus ἀρραβών ist semitischen Ursprungs (vgl. hebräisches )ערבון. Papyrologisch ist ἀρραβών (oft auch ἀραβών geschrieben216) gut bezeugt und bedeutet durch-
wegs „Anzahlung, Angeld, Aufgeld, Handgeld“.217 Mit K. Erlemann ist bei diesem wichtigen Terminus antiker Rechts- und Geschäftssprache218 vor allem der promissorische Charakter der Arrha hervorzuheben, der „gemeinsamer Nenner aller Bedeutungsnuancen, die der Begriff umschließt,“ ist und „die unterschiedlichen Auslegungen, die der ἀρραβών im Laufe seiner Erforschung erhalten hat“, verbindet.219 Zusammenfassend stellt K. Erlemann fest, „dass der ἀρραβών eine Vorleistung beim Abschluss eines Vertrages darstellt, die vom Käufer dem Verkäufer zu entrichten ist. Die Arrha dient beiden Parteien zur Sicherheit, dass die Vertrags- bzw. Kaufbedingungen eingehalten werden (βεβαίωσις). Mit der Gabe der Arrha und der darauffolgenden Ausstellung der καταγραφή (Quittung oder schriftlicher Kaufvertrag) ist die Durchführung des Handels und die Zahlung der Restsumme (τιμή) in einer festzusetzenden, absehbaren und nicht beliebig ausdehnbaren Frist verbunden. Im Falle der Nichteinhaltung gilt die Arrha als Haftungsobjekt. Die entsprechende Konventionalstrafe lässt die grundsätzliche Möglichkeit des Rücktritts vom Vertrag äußerst unattraktiv erscheinen.“220 Ein Beispiel in zeitlicher Nähe zu Paulus, das alle diese Merkmale enthält, ist P.Vind.Sal. 4 (15. November 11 n. Chr.):
Paulus dürfte die Auffassung von der Taufe als Eigentums- und Schutzzeichen stehen …“ (mit einem Verweis auf Offb 7,2–8 bzw. 14,1). 216 Beachte dazu Deissmann, Neue Bibelstudien 11–12; Moulton/Howard, Grammar II 153; Mayser, Grammatik I.1 29; I.3 88; Gignac, Grammar I 156. 217 Siehe dazu (mit zahlreichen Belegen) Preisigke, Wörterbuch s. v. ἀρραβών; Kiessling, Wörterbuch s. v. ἀρραβών; Kiessling, Wörterbuch Supplement 1 s. v. ἀρραβών; Rupprecht/ Jördens, Wörterbuch Supplement 2 und 3 s. v. ἀρραβών; Moulton/Milligan, Vocabulary s. v. ἀρραβών. Papyrusbelege auch schon bei Bachmann, 2Kor 80; Windisch, 2Kor 73. Weitere Belege sind P.Col. IV 63, Verso, Kol. III 6 (nach 23. Februar 257 v. Chr.); P.Zen.Pestm. 58,4 (251 v. Chr.?); P.Heid. VI 376,3 (2. März 220 v. Chr.); BGU XVI 2603,9 (ca. 21 v. Chr. – 5 n. Chr.); P.Sarap. 103 a,5 (90–133 n. Chr.); 79 b, Kol. II 9 (ca. 128 n. Chr.?); P.Col. VIII 222,49–50.62 (160– 161 n. Chr.); PSI XV 1530,10 (167–169 n. Chr.); P.Stras. IX 894,12 (16. Oktober 182 n. Chr.); P.Eleph.Wagner 95,4 (2. Jh. n. Chr.); SB XX 14079,8 (2.–3. Jh. n. Chr.); XXIV 16254,15.28 (15. November 249 n. Chr.). Zum Begriff siehe auch Deissmann, Bibelstudien 104–105. 218 Erlemann, Geist 203–208, stützt sich dabei vor allem auf die Untersuchungen von Pringsheim, Law 335–429; Taubenschlag, Law 408–411; R. P. Salomons in P.Vind.Sal. S. 39– 43. Von dort hat K. Erlemann auch die von ihm S. 204–208 behandelten Papyrusbelege übernommen. Für weitere Belege siehe die vorhergehende Anmerkung. 219 Erlemann, Geist 206. 220 Erlemann, Geist 208.
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Einleitungsteil des Briefcorpus (2Kor 1,3–2,13)
Ein gewisser Chairemon bestätigt hier gegenüber Satabus, von diesem eine Arrha für das ihm gehörende Haus221 bekommen zu haben: Χαιρή̣ μ̣ ω̣ ν̣ Ἡρώ̣ δου προ̣ φή̣ τ̣ης Σαταβοῦτ̣ι ̣ Ἑριέως ν̣ εωτέρο̣ υ χαίρειν. ἔχωι ̣ παρὰ̣ σ̣ οῦ ἀραβῶνα τῆς ̣ ̣ ίας καὶ τῶν τα̣ ύ̣ της ψειλῶν τόὑ̣ π̣ αρχ̣ ού̣ σης μ̣ ο̣ ι ̣ [ο]ἰκ π̣ ων ἐ̣ν τῇ Νήσῳ Σοκνο̣ π̣ αίου θεοῦ μεγάλου ̣ υ Πτολεμ̣ αϊκοῦ νομίσμα̣ τος δραχμὰς τρι5 [ἀρ]γυρίο α̣ κ̣ οσ[ί]α̣ ς̣ ἀπ̣ ὸ̣ ἀ̣ ργυρίου δραχ̣ μῶν ἑπτακοσίω̣ ν τ̣εσσ[αρ]ά̣ κον̣ τ̣α καὶ {κ̣ α̣ ὶ} κ̣ αταγράψω σοι ἕ̣ω̣ ς Χοιὰκ δευτέρας τοῦ ἐν̣ εστῶιτος ἑνὸς τεσσ̣ αρακ̣ ο̣ σ̣ τ̣ο̣ ῦ̣ ἔτους̣ Καίσ̣ α̣ ρ̣ ο̣ ς̣, ἐμοῦ πρ̣ οσ̣ λαμ̣ βά10 [ν]ο̣ ντο̣ ς τὰς λ̣ οιπὰς δ̣ ραχμ̣ ὰ̣ ς̣ τετ̣ρ̣ ακ̣ ο̣ σίας̣ τ̣εσ̣ υ, ἐὰν δὲ μὴ δῶ̣ ς ἐν τ̣ῇ προσ̣ α̣ ρ̣ άκ̣ οντα τοῦ̣ ἀργυρίο ̣ ̣ , ἀπολεῖς̣ ̣ τ̣ὸ̣ ν̣ π̣ ρ̣ οκ̣ ε̣ίμ ̣ ̣ ε̣ν̣ ο̣ ν̣ κ̣ ε̣ιμέ̣νῃ̣ προθ̣ εσμίᾳ ἀ̣ ραβῶνα, ἐ̣ὰ̣ ν̣ δὲ κ̣ αὶ ἐγὼ λαμ̣ βάνων μὴ κ̣ α̣ ταγρά̣ φ̣ ωι, ἀπ̣ ο̣ δ̣ ώ̣ [σω σ]ο̣ ι ̣ τὸ̣ ν ἀραβῶ̣ ν̣ α̣ δ̣ ιπ̣ λ̣ οῦ̣ ν, ἐὰν̣ δ̣ ὲ 15 λαμβάν̣ ω̣ , [κ]α̣ τ̣αγράψω καὶ βε̣β̣ αιώσ̣ ω̣ . ἔ̣του̣ ς ἑνὸς̣ τ̣εσσ̣ αρ̣ ακοστοῦ Καίσα̣ ρ̣ ος̣, Ἁθ̣ ὺρ ὀκ̣ τὼι κ̣ αὶ ̣ δεκάτ̣ηι. 2 l. ἔχω, l. ἀρραβῶνα 3 l. ψίλων 4 μεγάλου ist korrigiert aus μεγααου 8 l. ἐνεστῶτος 13 l. ἀρραβῶνα 13–14 l. καταγράφω 14 l. ἀρραβῶνα 16 l. ὀκτώ
„Chairemon, Sohn des Herodes, Prophet, an Satabus, Sohn des Herieus des Jüngeren, Gruß. Ich habe von dir als Angeld für das mir gehörende Haus und die dazu gehörenden unbebauten Gelände auf der Insel des Soknopaios222, des großen Gottes, dreihundert Drachmen von ptolemäisch gemünztem Silber223 von den siebenhundertvierzig Silberdrachmen erhalten und werde dir die Übereignungsurkunde ausfertigen bis zum zweiten Choiak des gegenwärtigen einundvierzigsten Jahres Caesars, wobei ich die restlichen vierhundertvierzig Silberdrachmen noch dazu erhalte; wenn du sie mir aber nicht an dem oben genannten Fälligkeitstag gibst, wirst du das oben genannte Angeld verlieren; und wenn ich sie aber erhalte und die Übereignungsurkunde nicht ausfertige, werde ich dir das Angeld doppelt zurückgeben, wenn ich sie aber erhalte, werde ich die Übereignungsurkunde ausfertigen und die Gewährleistung geben. Im einundvierzigsten Jahr Caesars, am achtzehnten Hathyr.“
Nimmt man den papyrologischen Befund als Hintergrund224 für die Interpretation von ἀρραβών bei Paulus, so erscheint Gott als „Käufer“, der das Angeld entrichtet,225 während „wir“als Begünstigte auftreten, die aber – dies gibt der 221 Um den Kaufgegenstand, konkret um die in Z. 3–4 genannten unbebauten Flächen, geht es auch in dem späteren langwierigen Prozess zwischen Satabus und einem gewissen Nestnephis (siehe dazu und zu den diesbezüglichen Dokumenten bes. Rupprecht, Streitigkeit). 222 Gemeint ist also der Ort Soknopaiu Nesos. 223 Zur Angabe der Währung siehe R. P. Salomons in P.Vind.Sal. S. 44. 224 Siehe dazu noch viel ausführlicher Arzt-Grabner, Gott 398–412. 225 Es entspricht nicht dem rechts- und geschäftssprachlichen Hintergrund, wenn Erlemann, Geist 223, in Gott den „Verkäufer“ sieht, der „eine Arrha gibt, wogegen der Mensch als der ‚Käufer‘ keine Gegenleistung zu erbringen hat.“ Das Angeld zahlt der Käufer an den Verkäufer.
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Einzelheiten: 2Kor 1,22
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Gesamtkontext vor – nicht als „Verkäufer“ gesehen werden dürfen. Dieses Element, das notwendigerweise zu einem Geschäftsabschluss mit ἀρραβών dazugehört, bleibt hier – m. E. ganz bewusst – offen. Vielleicht wählt Paulus auch deshalb hier die Ausdrucksweise ἐν ταῖς καρδίαις ἡμῶν (anstelle eines einfachen Dativs), um jeglichen Verdacht zu vermeiden, dass die „Wir“ als „Verkäufer“ verstanden werden könnten, die Gott etwas anzubieten hätten.226 Als „Verkaufsgegenstand“ oder als „Dienstleistung“ erscheint der Geist, der „in unseren Herzen“ wirken soll. „Die Ausdrucksweise, dass ‚Gott das Angeld für den Geist in unsere Herzen/uns gibt‘, wäre in diesem Fall dahingehend zu deuten, dass Gott“ ein Angeld227 „für den Geist bezahlt hat und dass er ‚uns‘ mit dieser Anzahlung bereits den Geist oder zumindest einen Teil davon gegeben hat. Mit dem geleisteten Arrhabon ist der Geist bereits ‚in unseren Herzen‘ wirksam.“228 Deutet man den Genetiv τοῦ πνεύματος hingegen als epexegetischen Genetiv, dann könnte der Geist als Betrag, also als das entrichtete Angeld selbst, gedeutet werden.229 Bei Paulus ist weder von einer „Zahlungsfrist“ noch von einem konkreten „Restbetrag“ die Rede. „Die Beispiele aus dem antiken Geschäftsleben legen aber nahe, dass mit einem baldigen Abschluss des gesamten ‚Geschäftes‘ zu rechnen ist.“230 Zusammenfassend lässt sich von einem papyrologischen Hintergrund her sagen: „Durch die Formulierung des Paulus, dass Gott (als ‚Käufer‘) ein Angeld zahlt für etwas, das ‚wir‘ erhalten sollen, wird sein Erlösungswerk in zweifacher Weise ganz besonders charakterisiert: es entspringt seiner eigenen, festen und verbindlichen Absicht und er sichert auch dessen Vollendung verbindlich zu. Diese Verbindlichkeit ist einzig und allein in Gott selbst begründet.“ Der aus der Geschäftssprache übernommene Begriff ἀρραβών, soll also „auf die absolute Verlässlichkeit und Vertrauenswürdigkeit Gottes“ hinweisen.231 226 In 2Kor 5,5 begegnet zwar tatsächlich der Dativ ἡμῖν, in Verbindung mit der vorliegenden Stelle sind aber auch dort die „Wir“ als die Begünstigten zu sehen. 227 Die Kenntnis der genauen Summe ist vielleicht bewusst Gott vorbehalten. Es ist aber auch möglich, dass sie „uns“ deshalb nicht bekannt ist und nicht bekannt sein soll, weil uns der Geist ja geschenkt wird. In diesem Sinne wird hier das Bild letzten Endes gesprengt und ist der konkrete Anzahlungsbetrag unnennbar. 228 Arzt-Grabner, Gott 413. 229 So z. B. Erlemann, Geist 222. So wird dies auch in Eph 1,14 verstanden, wo πνεῦμα ausdrücklich als das Angeld für κληρονομία genannt wird. 230 Arzt-Grabner, Gott 413. Für die Frage, was die Verwendung des Begriffs ἀρραβών in einem engeren eschatologischen Sinn aussagen könnte, lässt sich freilich aus papyrologischer Sicht so gut wie nichts beitragen. Zu dieser theologischen Ebene siehe ausführlich Horn, Angeld bes. 393–394.400; beachte aber Rabens, Development bes. 168–169.171; gegen eine zu wörtliche Interpretation von Metaphern, die alle Aspekte des Bildspenders auf den Bildempfänger zu übertragen versucht, siehe auch ausführlich Rabens, Holy Spirit 43–52. 231 Arzt-Grabner, Gott 414. Damit steht dieses Bild im Einklang mit der Aussage πιστὸς ὁ
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Einleitungsteil des Briefcorpus (2Kor 1,3–2,13)
Der älteste papyrologische Beleg für πνεῦμα stammt aus paulinischer Zeit: in O.Berenike II 129,7 (ca. 50–75 n. Chr.; zum gesamten Papyrus siehe oben S. 85) begegnet der Begriff offenbar im Sinne des menschlichen „Geistes“ (wie auch in 2Kor 2,13 und 7,1.13). Der vermutlich älteste Beleg, der innerhalb der dokumentarischen Papyri und Ostraka auf den Geist Gottes oder Heiligen Geist zu beziehen ist, stammt vom Anfang des 4. Jh. n. Chr., falls P.Harr. I 107 in diese Zeit zu datieren ist.232 In diesem Papyrusbrief eines gewissen Besas an seine Mutter Maria sind jedenfalls beide Bedeutungen für πνεῦμα bezeugt, einerseits „Geist“ im Sinne des Heiligen Geistes (Z. 7, so auch an der vorliegenden Paulusstelle und öfter in 2Kor), andererseits der „Geist“ des Menschen (Z. 9 und 10–11).233 ἐν ταῖς καρδίαις ἡμῶν – Die ältesten papyrologischen Belege für das mensch-
liche „Herz“ stammen erst aus dem 4. Jh. n. Chr. und sind bereits christlich geprägt (P.Lond. VI 1914,12 [nach 23. Mai 335 n. Chr.?] und 1917,19.23 [ca. 330–340 n. Chr.]).234 1,223 ἐγὼ δὲ μάρτυρα τὸν θεὸν ἐπικαλοῦμαι – Mit μάρτυς235 liegt ein in den Paypyri häufig verwendeter Begriff der Vertrags- und Gerichtssprache vor. So bezeichnet er zum einen Personen, die bei der Abfassung von Verträgen oder Testamenten zugegen sind, zum anderen „Zeugen“ einer Straftat, die in der Folge zumeist auch vor Gericht geladen werden. Um einen Darlehensvertrag handelt es sich etwa bei P.Berl.Möller 4 (3 n. Chr.); in der letzten Zeile (Z. 27) findet sich, wie beim Abschluss diverser Kontrakte üblich, die Wendung ἡ συγγραφὴ κυρία236 („der Vertrag [sei] gültig“), woraufhin die Zeu-
θεός, die Paulus im Kontext, nämlich in 1,18 verwendet. Auch für πιστός findet sich eine Parallele
in der Geschäftssprache der Papyri: in SB XIV 12172,18–20 (3. September 7 n. Chr.) wird derjenige als πιστός bezeichnet, der seine geschäftlichen Vereinbarungen einhält. Keine papyrologischen Belege hingegen liegen für ἀρραβών als „pledge“ („Bürgschaft, Unterpfand“) vor (so die Deutung von Kwon, Ἀρραβών). 232 Für eine solche Datierung und zugleich einen manichäischen Ursprung haben sich Gardner/Nobbs/Choat, P.Harr. 107, ausgesprochen (beachte BL XII 85: „spätes 3. oder frühes 4. Jahrh. n. Chr.“); vgl. Winter, Noch einmal zu den spätantiken Privatbriefen. In der ed.pr. wurde hingegen ein christlicher Ursprung und eine Datierung ins 3. Jh. n. Chr. angenommen (vgl. auch Arzt-Grabner, Philemon 273). Die vorgeschlagene Datierung ins 4. Jh. erfolgte aufgrund eines paläographischen Vergleichs mit Texten aus dem antiken Schulunterricht; dieser Vergleich erscheint mir als problematisch, die Datierung somit als unsicher. 233 Der entsprechende Abschnitt wurde bereits von Arzt-Grabner, Philemon 273, wiedergegeben. Weitere Belege für πνεῦμα im Sinne des menschlichen Geistes bei Arzt-Grabner, Philemon 274. 234 Zu späteren nicht christlich geprägten Beispielen sowie zu O.Eleph.Wagner 306 (a),5 (178– 179 n. Chr.), wo „neue/frische Herzen“ (καρδίαι καιναί) erwähnt werden, worunter entweder Utensilien für magische Praktiken (hölzerne Herzen?) oder Kochzutaten zu verstehen sind, siehe F. Winter und P. Arzt-Grabner in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 126. 235 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 236 Oft durch ἔστω vervollständigt.
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Einzelheiten: 2Kor 1,23
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gen genannt werden (in diesem Fall steht im Text schlicht μ̣ ά̣ ρτυρες, ohne dass deren Namen angeführt werden237). P.Ryl. II 160 (a) (15–36 n. Chr.) ist die ὑπογραφή eines Vertrages, also im Prinzip die Vollziehung der Abmachungen (in dem Fall eines Verkaufs); hierin wird u. a. die ordnungsgemäße Durchführung der Aktion durch den Verkäufer versichert, der außerdem bestätigt, dass er „den Zeugen aufgetragen habe, zu unterzeichnen“ – Z. 6: καὶ ἐπιτε[τάχα]μεν τοῖς μάρτυσι γράφειν.238 Zur grundsätzlich in den Papyri seltener erwähnten Person des Gerichtszeugen gibt vor allem ein Abschnitt in P.Hal. 1 (nach 259 v. Chr.) über die falsche Zeugenaussage (ψευδομαρτυρίου [δίκη]) Auskunft; genauer geht es um die eintretenden Maßnahmen für den Fall, dass einer der Prozessgegner die Gültigkeit eines Urteils infolge einer Falschaussage eines oder mehrerer Zeugen anficht – Z. 45: ἐπιλαβόμενος τῶν μαρτύρων.239 Zumindest aus zeitlicher Nähe zu Paulus stammen P.Hamb. I 29 (94 n. Chr.) sowie P.Amh. II 66, Kol. II (124 n. Chr.); während in Ersterem von einem „verdächtigen Zeugen“ (Z. 26 mit BL III 75: ὕποπτος μάρτ[υς]) die Rede ist – er kann angeblich die Aussendung einer Ladung zum Konvent des Präfekten bestätigen, „erklären“ die im zweiten Papyrus erwähnten Zeugen, „von einem Mord zu wissen“ – Z. 41–42: μάρτυρες ὁμολόγησαν (l. ὡμολόγησαν) τὸν φό|νον ἐγνωκέναι. Dabei wird in Z. 40–41 das „Stellen“ von Zeugen durch das Verb παρίστημι ausgedrückt (so auch in P.Münch. III 66, Kol. II 26–27 [124 n. Chr.]).240
Neben diesen Beispielen, in denen ein Zeuge in ausgesprochen rechtlicher oder sogar gerichtlicher Funktion in Erscheinung tritt, ist noch auf zwei Belege hinzuweisen, in denen Zeugen gleichsam privat angerufen oder genannt werden. Ihre Bedeutung ist um nichts weniger entscheidend: So würde z. B. der Absender von UPZ I 71 (152 v. Chr.), wie er schreibt, seinen Adressaten (den in Gotteshaft241 befindlichen Ptolemaios) am liebsten „selbst als Zeugen dafür heranziehen“ (Z. 9–10: ἀλλὰ σὲ αὐτὸν | μάρτυρα ἐπισπασαίμ`ην´), dass er von dessen Bruder in einer prekären, die Sicherheit betreffenden Angelegen-
237 Anders z. B. in P.NYU II 14,4–9 (2. Jh. v. Chr.?; Kaufvertrag); P.Dura 18,9–11.31–33 (87 n. Chr.; Schenkungsvertrag); P.Oxy. III 493,12–15 (vor 99 n. Chr.; Testament). – Aufgrund des stereotypen Aufbaus derartiger Urkunden ist auch in P.Iand.Zen. 3,5 (ca. 255 v. Chr.) μάρτυρες zu ergänzen. 238 In gleichem Wortlaut etwa auch P.Dime III 12,6 (14. Mai 29 n. Chr.). – Das Ostrakon SB XVI 12995 (24. März 30 n. Chr.) ist die Bestätigung eines Siseion Zabdionos, als Zeuge bei einem Vertragsabschluss o. Ä. anwesend gewesen zu sein. Seine Eingabe an den Dioiketen hat ein Bauer im Beisein von Zeugen verfasst – SB XX 14708,62 (151 v. Chr.). 239 Ähnlich Z. 56–57.64–65; sollte der jeweilige Zeuge in besagtem Streit unterliegen (vgl. Z. 51), habe er die Urteilssumme zu bestreiten (vgl. Z. 58–59.66–67). Die Zeugenaussage eines Syngraphophylax liegt mit P.Heid. VIII 414 (nach 2. Oktober 184 v. Chr.) vor. 240 Im schon zuvor erwähnten P.Hal. 1 heißt es παρέχομαι (Z. 70). Die Wendung μάρτυρά τινα ἐπικαλοῦμαι begegnet in einem einzigen (christlichen) Papyrus aus dem 6. Jh. n. Chr. (P.Oxy. XXVII 2479,23–24). Zu weiteren Belegen für Gott als Zeuge siehe Preisigke, Wörterbuch s. v. μάρτυς 1)c). 241 Zur sog. Gotteshaft siehe U. Wilcken in UPZ I S. 55–77, bzw. Delekat, Katoche.
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Einleitungsteil des Briefcorpus (2Kor 1,3–2,13)
heit242 im Stich gelassen wurde. Germanicus Caesar wird von Kaiser Claudius in seinem Schreiben zur Judenfrage in Alexandria (P.Lond. VI 1912 [10. November 41 n. Chr.]) als „größter Zeuge“ (Z. 26: μέγειστός ἐστιν μάρτυς) dafür bezeichnet, dass die Alexandriner den Augusti mehr als wohlgesonnen seien, was soviel heißt wie: dieser könne das aus eigener Erfahrung bestens bestätigen.
Die Möglichkeiten bzw. Anlässe dafür, jemanden „zum Zeugen anzurufen“, sind also vielfältig und situationsabhängig. Jedenfalls war es in damaliger Zeit wie heute um vieles leichter, sich vor Behörden bzw. in wichtigen Angelegenheiten zu rechtfertigen, wenn man einen Zeugen aufzuweisen hatte. Jemanden als Zeugen anzugeben, bedeutete aber auch – beachte in dem Zusammenhang noch einmal P.Hal. 1 –, ihm Vertrauen entgegenzubringen und an dessen Zuverlässigkeit zu glauben – Voraussetzungen, auf die Paulus in seinem Verhältnis zu Gott offensichtlich zurückgreifen kann. Für die Wendung τὸν θεὸν ἐπικαλοῦμαι ist bisher nur ein papyrologischer Vergleichstext zu nennen, der noch aus ptolemäischer Zeit stammt: In der Traumaufzeichnung UPZ I 77 (158 v. Chr.) erwähnt ein gewisser Ptolemaios, er glaubte, im Traum den großen Ammon anzurufen – Kol. II 22–24: ᾤμην | ἐν τῷ ὕπνῳ ἐπεικαλεῖν με τὸν | μέγιστον Ἄμμωνα.
Die übrigen Belege handeln nicht vom Anrufen einer Gottheit, sondern von Menschen; den entsprechenden Beispielen ist der Gedanke des Einforderns von etwas, das einem zusteht, eigen.243 An der vorliegenden Stelle bei Paulus spielt dieser Aspekt wohl kaum eine Rolle. ἐπὶ τὴν ἐμὴν ψυχήν – Der Begriff ψυχή ist in den dokumentarischen Papyri
sowie auf Ostraka und Täfelchen zwar relativ gut bezeugt, die Bedeutung „Seele“ ist aber oft schwer gegenüber „Leben“ und gegenüber „Herz, Gemüt“ abzugrenzen. Vor diesem Hintergrund mag auch der Gemeinde in Korinth diese Unterscheidung an der vorliegenden Stelle nicht ganz leicht gefallen sein, macht hier doch sowohl die Bedeutung „Seele“ als auch „Leben“ sehr viel Sinn.244 ‹ 1,1
– Auch im Zusammenhang mit seinen Vorstellungen über die Ehe hat Paulus der Gemeinde in Korinth versichert, dass hinter seinen Ratschlägen die Absicht steht, sie schonen zu wollen (vgl. 1Kor 7,28). Hier schreibt er nun, dass er seinen Besuch bisher aufgeschoben hat, um der Gemeinde noch eine Schonfrist zu gewähren (siehe dazu oben S. 165–166). ὅτι φειδόμενος ὑμῶν οὐκέτι ἦλθον εἰς Κόρινθον
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Der Absender war Gendarmerievorsteher im Anubeion-Bezirk von Memphis. Siehe dazu mit Belegen F. Winter und P. Arzt-Grabner in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 42. 244 Siehe dazu mit einigen Belegen und Literaturverweisen P. Arzt-Grabner in ders./Kritzer u. a., 1. Korinther 499. 243
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Einzelheiten: 2Kor 1,23–24
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Ein auf Menschen bezogenes φείδομαι ist auch in den Papyri und Ostraka durchwegs im Sinne von „schonen, verschonen“ zu verstehen. Wie R. E. Kritzer aufgrund des papyorologischen Befundes festgestellt hat, bedeutet dieses Verschonen, die Betroffenen „vor einer schwierigen Situation oder deren Auswirkungen zu bewahren. Dabei sind manche aufgrund ihrer persönlichen Lage auf eine besondere Behandlung geradezu angewiesen, sei es aus wirtschaftlichen oder sogar existenzgefährdenden Gründen. Derjenige, der ‚schont‘, ist dazu imstande aufgrund seiner Macht oder Autorität“245. Dieser letzte Aspekt, der mit einschließt, durch einen Akt der Schonung – zumindest implizit – auf die eigene Autorität zu verweisen bzw. um sie zu kämpfen, steht auch an der vorliegenden Paulusstelle im Vordergrund und spielt im ganzen Brief immer wieder eine Rolle. 1,224 οὐχ ὅτι κυριεύομεν ὑμῶν τῆς πίστεως – Die Wortstellung ὑμῶν τῆς πίστεως begegnet innerhalb der Paulusbriefe nur hier, an anderen Stellen wird ein Personalpronomen, das die πίστις näher bestimmt, stets nachgestellt – mit Ausnahme von 1Thess 3,7, wo τῆς ὑμῶν πίστεως steht, also auch eine andere Form als hier. Im ersten Moment liest sich der Text also so, als ob ὑμῶν das Genetivobjekt zu κυριεύομεν wäre („wir herrschen über euch, wir sind eure Herren“). Eine derartige Formulierung ließe unmittelbar an einen Sklavenbesitzer denken, der Herr über seine Sklavinnen und Sklaven ist. Genau dieser Sachverhalt kommt zum Ausdruck, wenn κυριεύω auf Menschen als zugehöriges Objekt bezogen ist: Beispiele dafür finden sich in Sklavenkaufverträgen, Besitzteilungsurkunden, Darlehensverträgen und Testamenten: P.Dryton 3,19–24; 4,13 (beide 29. Juni 126 v. Chr.); P.Grenf. I 21,13 (29. Dezember 113 v. Chr.); P.Oxy. XLIV 3197,17 (20. Oktober 111 v. Chr.)246; P.Dryton 47,3–4 (2. Jh. v. Chr.); BGU IV 1059,9–10 (30 v. Chr. – 14 n. Chr.); III 987,12 (31. Januar 19 oder 45 n. Chr.); P.Oxy. III 496,15 (19. April 127 n. Chr.); P.Col. X 254,2 (30. Dezember 129 n. Chr.); BGU I 193,22 (nach 27. Oktober 136 n. Chr.); III 805,9–10 (26. Januar – 24. Februar 138 n. Chr.); P.Freib. II 8,16 (nach 20. Februar 144 n. Chr.); P.Oslo II 40 A,19 (14. April 150 n. Chr.); BGU III 859,12–14 mit BL I 74 und VIII 35 (161–163 n. Chr.); SB XXIV 16002,16 (186–190 n. Chr.); PSI XII 1228,16–17 (22. Januar 188 n. Chr.); SB XIV 11277,18 (20. Januar 225 n. Chr.); P.Oxy. XIV 1638,21 (19. April 282 n. Chr.).
In all diesen Dokumenten geht es um einen Wechsel der Besitzverhältnisse, sei es durch Kauf oder Verkauf, Vererbung, Besitzteilung oder die Sicherstellung eines Darlehens. Auf Paulus übertragen heißt das also zunächst: er versichert den Gemeindemitgliedern, dass er keinerlei Intention hat, ihr Sklavenhalter zu werden. 245 R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 294 (mit den relevanten Beispielen). 246 Zum Vergleich dieses Textes mit ntl. Stellen siehe G. H. R. Horsley in New Docs. I Nr. 24.
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Einleitungsteil des Briefcorpus (2Kor 1,3–2,13)
Durch das an den Schluss der Konstruktion gestellte τῆς πίστεως wird erst an dieser Stelle klar, dass Paulus hier den Gedanken zurückweist, er könnte (gemeinsam mit Timotheos) Sachwalter des Glaubens der Gemeinde von Korinth werden wollen. In den Papyri finden sich zahlreiche Belege mit κυριεύω, um das in Kraft tretende Verfügungsrecht oder Besitztum über ein Haus, ein Stück Land oder diverse andere Güter zu bestätigen.247 Beispiele mit abstrakten Größen wie πίστις sind bisher allerdings nicht bezeugt. Im Sinne des religiösen „Glaubens“ ist πίστις papyrologisch erst in nachpaulinischer Zeit bezeugt. Für die Bedeutung „Treue, Zuverlässigkeit, Vertrauen, Zutrauen“, die auch den Ausgangspunkt und Hintergrund für den religiösen Glauben bildet, liegen hingegen zahlreiche Belege vor.248 Paulus betont hier sehr deutlich, dass er nicht Herr über die Gemeindemitglieder ist und sie nicht seine Sklavinnen und Sklaven sind und dass er auch keinerlei Verfügungsrecht über ihren Glauben hat; er kann und will nicht darüber bestimmen. ἀλλὰ συνεργοί ἐσμεν τῆς χαρᾶς ὑμῶν – Mit συνεργός wird in den dokumen-
tarischen Papyri und Ostraka nicht nur der „Mitarbeiter“ (im positiven Sinne) bezeichnet, sondern auch der „Helfershelfer“ oder „Spießgeselle“. Beispiele für die hier vorliegende Bedeutung „Mitarbeiter“ sind selten, nur P.Col. III 38,5 + P.Cair.Zen. IV 59758,8 (254–250 v. Chr.) stammt aus vorpaulinischer Zeit.249 Einige Belege stehen immerhin im Zusammenhang mit dem Weberhandwerk, dem Paulus somit diesen Begriff entnommen haben könnte.250 Durch den Zusatz τῆς χαρᾶς ὑμῶν stellt Paulus sich selbst (und Timotheos) hier implizit auf eine Ebene mit den Gemeindemitgliedern. Anlass zur Freude (χαρά) ist nach dem Zeugnis der dokumentarischen Papyri die Thronbesteigung eines römischen Kaisers (P.Würzb. 9,49–50 [161– 169 n. Chr.]; SB XIV 11648, Kol. II 1 [24. Juni 222 n. Chr.]), aber auch der Amtsantritt eines Strategen (BGU VIII 1768,7 [64–44 v. Chr.]).251 Besonders häufig wird das gesamte Wortfeld in den Papyrusbriefen im Zusammenhang mit dem Erhalt guter Nachrichten verwendet (siehe dazu ausführlich unten bei 7,5–16), was insofern nicht verwunderlich ist, als ein Brief 247
Siehe die entsprechenden Belege bei Preisigke, Wörterbuch s. v. κυριεύω. Siehe Arzt-Grabner, Philemon 178–180; Papathomas, Begriffe 204–205; Kreinecker, 2. Thessaloniker 114. Siehe z. B. ferner O.Did. 415,2 (vor ca. 140–150 n. Chr.). 249 Dazu und zu den weiteren Belegen (auch jenen für das Verb συνεργέω mit positiver Konnotation) siehe Arzt-Grabner, Philemon 158–162; ferner F. Winter in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 144 Anm. 390; Papathomas, Begriffe 208 Anm. 1416 (P.Col. III 38 und P.Cair.Zen. IV 59758 werden hier noch als separate Dokumente angegeben, beide Papyri gehören aber zusammen, obgleich sie nicht Teil derselben Kolumne sind). 250 Vgl. F. Winter in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 144–145. 251 Siehe dazu die näheren Beschreibungen bei Arzt-Grabner, Philemon 189–190 Anm. 7. – Auch im Sinne von „Schadenfreude“ kann das Substantiv χαρά verwendet werden (so in SB XXII 15708,45–47 [ca. 100 n. Chr.]; in Arzt-grabner, Philemon 189 Anm. 7, wird dieser Papyrusbrief noch als P.Oxy. XVIII 2190 zitiert [zum Inhalt siehe ausführlicher dort]). 248
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Einzelheiten: 2Kor 1,24–2,2
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an sich ja Freude wecken soll, wie der weitaus am häufigsten verwendete einfache Eingangsgruß χαίρειν anzeigt, wenngleich anzunehmen ist, dass im Lauf der Zeit dieser Inhalt hinter der Formel wohl nur noch sporadisch wirklich deutlich wahrgenommen wurde. Dieser grundsätzliche Hintergrund aber, dass der Empfang eines Briefes die Adressatinnen und Adressaten in Freude versetzen soll, könnte bei der vorliegenden Stelle wenigstens indirekt eine Rolle spielen. Immerhin geht es im Zusammenhang um die Wirkung des aktuellen Briefes, die nach 2,3 unter anderem darin bestehen soll, dass die Freude des Paulus (auch hier wird χαρά verwendet) auch allen Gemeindemitgliedern zuteil werden soll. Dass sich Paulus als Mitarbeiter ihrer Freude bezeichnet, bedeutet vom papyrologischen Hintergrund her: er stellt sich mit der Gemeinde auf eine Ebene und versucht tatkräftig – unter anderem durch den aktuellen Brief – dazu beizutragen, dass in ihr die Freude etwas Vorherrschendes ist. τῇ γὰρ πίστει ἑστήκατε – Papyrologische Belege für intransitives ἵσταμαι im
Sinne von „stehen“ sind relativ selten und handeln in erster Linie von einem „Stehen“ oder „Auftreten“ vor Gericht oder in einem Theater.252 2,11 ἔκρινα γὰρ ἐμαυτῷ τοῦτο τὸ μὴ πάλιν ἐν λύπῃ ‹ S. 153 πρὸς ὑμᾶς ἐλθεῖν – Das Verb κρίνω ist in den dokumentarischen Papyri und Ostraka nicht nur im einschlägigen forensischen Sinn verwendet, sondern begegnet auch in der Bedeutung „sich entschließen, für gut erachten, der Meinung sein“253. Von dieser Bedeutung ist auch an der vorliegenden Stelle auszugehen. Die Konstruktion mit dem Reflexivpronomen wie hier ist papyrologisch allerdings bisher nicht bezeugt. 2,22 εἰ γὰρ ἐγὼ λυπῶ ‹ S. 150 ὑμᾶς, καὶ τίς ὁ εὐφραίνων με εἰ μὴ ὁ λυπούμενος ἐξ ἐμοῦ; – Wie λυπέω begegnet auch εὐφραίνω254 innerhalb der Papyri in erster Linie in privaten Briefen. So ist man „erfreut“, wenn man Briefe vom anderen erhält, durch die man erfährt, dass es ihm gut geht (z. B. SB XVIII 13590,9– 11 [1.–2. Jh. n. Chr.]), wenn man eine neue Herausforderung annimmt und somit seinen Alltag verändert (P.Mich. III 202,8–11 [105 n. Chr.]) oder wenn man von einem Gastgeber vier Tage lang in großzügiger Weise ausgehalten wird (SB XVIII 13867,21–22 [Mitte 2. Jh. n. Chr.]). Speziell um den Besuch vertrauter Menschen als Auslöser von Freude geht es etwa in Folgendem:
252 Beachte die Belege bei Preisigke, Wörterbuch s. v. ἵστημι 5); unsicher ist der Zusammenhang von P.Petr. II 18 (2),5 mit BL I 358 (3. Jh. v. Chr.), da der Kontext größere Lücken aufweist; bereits aus byzantinischer Zeit stammen P.Oxy. LIV 3758,48.61–62 (18. März 325 n. Chr.) und 3764,4 (ca. 326 n. Chr.). 253 So z. B. auch in 1Kor 2,2; zu dieser Bedeutung siehe R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/ Kritzer u. a., 1. Korinther 114–115; Papathomas, Begriffe 37–38; zahlreiche Belege bei Preisigke, Wörterbuch s. v. κρίνω 2); weitere Belege für κρίνω insgesamt bei Kreinecker, 2. Thessaloniker 178–179. 254 Die beiden Begriffe wurden von R. E. Kritzer bearbeitet.
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Einleitungsteil des Briefcorpus (2Kor 1,3–2,13)
In O.Florida 17 (Mitte – Ende 2. Jh. n. Chr.) spricht eine Frau namens Sentis die Einladung an einen engen Freund aus, zu ihr zu kommen, und zwar „gemeinsam mit dem Äthiopier“ (Z. 10–11)255; sie wollten zusammen froh sein – Z. 12: εὐφρανθῶμεν.
Wie bei Paulus kommt aber auch der Gegensatz Freude – Betrübnis zur Sprache bzw. die Abhängigkeit beider Stimmungen voneinander: So bittet z. B. ein gewisser Chairemon in BGU I 248 (ca. 75–85 n. Chr.) seinen Adressaten um die Bereitstellung diverser Artikel, die er für die Feier des Suchosfestes benötigt, „damit wir“, wie er sagt, „auch in dieser Angelegenheit erwarten können, durch dich erfreut zu werden“ – Z. 28–29: ἵνα καὶ ἐν τούτωι διὰ σὲ δόξωμεν εὐφραί|νεσθαι. Daraufhin fährt er fort – Z. 29–30 mit BL III 10: νομίζω δὲ, ὅτι οὐδ᾽ ἐν τούτωι μὲ λοιπήσις (l. λυπήσεις) („ja ich glaube, dass du mich darin nicht enttäuschen wirst“). In P.Mich. VIII 465 (108 n. Chr.?) betont ein Soldat gegenüber seiner Mutter, wie wichtig es ihm ist, dass sie „heiter und froh gestimmt sei“ – Z. 23–24: ἱλαρῶς | εὐφραί[ν]εσθαι. Und er fährt fort – Z. 25: ἐὰν γὰρ ὑμῖς λυπῆσθε ἐγὼ ἀδημονῶ („wenn ihr nämlich Kummer habt, bin ich in Sorge“).256
2,33 καὶ ἔγραψα τοῦτο αὐτὸ, ἵνα μὴ ἐλθὼν λύπην ‹ S. 153 σχῶ ἀφ᾽ ὧν ἔδει με χαίρειν, πεποιθὼς ‹ 1,9 ἐπὶ πάντας ὑμᾶς ὅτι ἡ ἐμὴ χαρὰ ‹ 1,24 πάντων ὑμῶν ἐστιν – Zum Bezug von 2,3–4 auf den aktuellen Brief und zur Deutung von ἔγραψα als Aorist des Briefstils siehe oben S. 154–158. „Schmerz“ und „Freude“ bilden das Gegensatzpaar, über das einerseits der befürchtete, unerwünschte Effekt eines persönlichen Zusammentreffens beschrieben wird, andererseits der erwünschte. Das gesamte Wortfeld χαίρω/ χαρά steht in den Papyrusbriefen vor allem für den persönlichen Kontakt zwischen den Briefpartnerinnen und -partnern und bringt dabei zum Ausdruck, dass die Beziehung ungetrübt ist. Allein schon der übliche Eingangsgruß χαίρειν weist darauf hin, dass der persönliche Kontakt, der durch einen Brief stattfindet, Anlass zur Freude sein sollte. Nachrichten über das Wohlergehen der oder des anderen sind Anlass zur Freude (siehe dazu ausführlicher unten S. 370–371). Mit der vorliegenden Stelle besonders gut vergleichbar sind jene Beispiele, die von der Freude über einen persönlichen Besuch sprechen: So schreibt z. B. eine gewisse Tabetheus257 an ihren Bruder Claudius Tiberianus – P.Mich. VIII 474,2 (frühes 2. Jh. n. Chr.): [πυθομένη ὅτι παρ]εγένου ε[ἰ]ς Ἀλεξάνδρ[ει]αν λίαν ἐχάρην [μ]ετὰ [τῶ]ν ἐμ[ῶν] πάντων („als ich erfuhr, dass du nach Alexandria gekommen bist, war ich voller Freude mit den Meinen“). 255
Vermutlich ein Sklave (vgl. R.S. Bagnall in O.Florida S. 58 [mit Literaturhinweisen]). Am Ende des Briefes (Z. 45–46) ist das Verb in die Schluss- bzw. Abschiedsformel eingebaut: ἐρρῶσθαί σε [εὔχομαι κ]αὶ εὐφραίνεσθαι. Vgl. auch P.Mich. VIII 496,14–15 (2. Jh. n. Chr.) bzw. White, Formulas 298. Windisch, 2Kor 80, hat auch auf den bereits byzantinischen Brief P.Oxy. XIV 1676 mit BL IV 62 und XI 151 (nach 324 n. Chr.) verwiesen sowie auf BGU I 246,18 mit BL VI 11 (2.–3. Jh. n. Chr.), wofür aber Ghedini, Lettere nr. 2, und Naldini, Cristianesimo nr. 3, bereits eine christliche Prägung vermuten; gesichert ist diese allerdings nicht. 257 Jedenfalls wird sie als Absenderin dieses Briefes vermutet und in Z. 1 von den Hg. ergänzt. 256
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Einzelheiten: 2Kor 2,2–4
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In P.Yale I 80,6 (2. Jh. n. Chr.) heißt es nach einer Lücke: κἀγὼ ἐχάρην πόλλα ἀκούσας ὅτι ἥκι εἰς Τεπτῦν („und ich freute mich sehr, als ich hörte, dass er nach Teptys kommt“). Ein ähnliches Beispiel liegt mit P.Laur. II 41,8–9 (3. Jh. n. Chr.) vor.
Auch der Fall, dass das Zusammentreffen vom Besucher selbst – so wie an der vorliegenden Stelle von Paulus – als Grund zur Freude gesehen wird, ist papyrologisch bezeugt: Ein gewisser Didymos schreibt im 2. oder 3. Jh. n. Chr. an eine Hermione – BGU IV ̣ ̣ ν εὑρὼν τοῦ πρὸς σὲ ἐρχομένου | 1081,2–3 mit BL I 95 (2./3. Jh. n. Chr.): εὐκαιρία ἐχάρην, ἵνα σὲ ἀσπάζoμαι (l. ἀσπάζωμαι) („da ich eine günstige Zeit finde, zu dir zu kommen, freue ich mich, dass ich dich begrüße“). Didymos teilt also seiner Adressatin mit, dass er sich demnächst für einen Besuch Zeit nehmen wird und sich auf das Zusammentreffen freut.258
2,44 ἐκ γὰρ πολλῆς θλίψεως ‹ S. 167–168 καὶ συνοχῆς καρδίας ‹ 1,22 – Die wenigen papyrologischen Belege zum Wort συνοχή259 (wörtlich „Zusammenhalt“) stammen ausnahmslos aus Petitionen und haben mit der Einschränkung der persönlichen Freiheit durch eine Inhaftierung zu tun260: So beklagt sich ein Katökenreiter in BGU VIII 1821 (57–56 v. Chr.) beim Strategen, der λογευτής und dessen Amtsdiener hätten ihn auf dem Weg nach Tokois aufgehalten und daraufhin eingesperrt (Z. 18), obwohl er dem Fiskus nichts schulde (vgl. Z. 19–20)261; nun befinde er sich immer noch in Gewahrsam (Z. 20–21: μέχρι δὲ τοῦ νῦν | φερομ̣ έ̣[ν]ου μου ἐν τῇ συνοχῇ) und ersucht, zumal die Aussaat der Felder 258
Unserer Ansicht nach liegt mit der Form ἐχάρην ein Aorist des Briefstils vor: Didymos freut sich, dass er die Adressaten bald besuchen kommen kann. Der folgende ἵνα-Satz ist hier ähnlich verwendet wie in P.Münch. III 58,5–8 (2. Jh. v. Chr.): ἐπιμέλου σαυτοῦ καὶ τοῦ̣ | πατρὸς ἵνα ὑγιαίνοντας ὑ|μᾶς ἀσπάζωμαι τὴ τα|χίστην („sorg dich um dich und um den Vater, damit ich euch gesund möglichst bald begrüße“). Ein weiteres Detail ist für das Gesamtverständnis von BGU IV 1081 wichtig: Der Hg. dieses Privatbriefes interpretiert die Fortsetzung des Textes als zweiten Teil des Finalsatzes und sieht die Form εὔχομαι als Verschreibung für die Konjunktivform εὔχωμαι – Z. 3–4: καὶ εὔχομαι (l. εὔχωμαι) τοῖς | θεοῖς ὑπὲ[ρ] σοῦ, ἵνα σὲ διαφυλά[ξ]ωσι („und [damit] ich zu den Göttern für dich bete, damit sie dich fortwährend beschützen“); mir scheint die Schreibung εὔχομαι aber korrekt zu sein und somit als Indikativform einen neuen Hauptsatz zu markieren: „und ich bete für dich zu den Göttern, damit sie dich fortwährend beschützen“ (man beachte, dass der Schreiber an sich durchaus im Stande ist, in einem ἵνα-Satz eine korrekte Konjunktivform zu verwenden, nämlich διαφυλά[ξ]ωσι im anschließenden Finalsatz). Didymos teilt also Hermione in diesem Brief einerseits mit, dass er sie in Kürze besuchen wird, andererseits versichert er sie seines Gebetes um ihre Gesundheit; daran anschließend bittet er sie, ihm schon jetzt eine Nachricht über ihren Gesundheitszustand zu schicken – Z. 4–5 mit BL I 95: καὶ ἤδη καλῶς | ποιήσ[ει]ς ἐπιστείλας ἡμεῖν περὶ τῆς σῆς ὑγίας („und schon [jetzt] sei so gut und schick uns [Nachricht] über deine Gesundheit“). 259 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 260 Zumindest was die Dokumente betrifft; in Pap.Graec.Mag. II 8,35 (4. oder 5. Jh. n. Chr.) bezeichnet συνοχή eine „dämonische Besessenheit“. 261 Zu den Umständen, die in dieser Zeit zu einer gerechtfertigten Inhaftnahme führen konnten, siehe unten bei 6,5 (S. 346) zum Begriff φυλακή.
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Einleitungsteil des Briefcorpus (2Kor 1,3–2,13)
anstehe, dringend um entsprechende Anordnungen – Z. 27–28: ὅπως | [διὰ σὲ εὕρω τῆς συνο]χ̣ ῆς ἀπόλυσιν („damit ich durch dich Befreiung aus dem Gewahrsam finde“). Lückenhaft ist P.Lond. II 354 (S. 163) (7–4 v. Chr.); jedenfalls wird darin – ähnlich wie oben – ausdrücklich eine Gefangennahme erwähnt (Z. 11: [κα]τὰ φυ[λ]ακὴν καταστάντες), was die Interpretation von [ . . . .]σαμενον262 ἡ[μ]ᾶς τ[ῆς σ]υνοχῆς gegen Ende der Petition (Z. 24) wiederum als Bitte an den Strategen um Freilassung nahelegt (vgl. die Worte unmittelbar davor in Z. 23: ἀξιοῦμεν γράψαι τῷ τοῦ νομοῦ στρ[ατηγ]ῷ – „wir bitten, dem Gaustrategen zu schreiben“).263 Auch der Bericht eines Eselbesitzers über den Diebstahl zweier seiner Tiere und die anschließende Suche nach den Tätern endet in einer (ungerechtfertigten) Verhaftung – P.Mich. VI 421,21 (41–68 n. Chr.): ἐν συνοχῆι ἐποίησαν ἐφ᾽ ἡμέρας τρεῖς („sie [nämlich die Polizeibeamten] hielten uns drei Tage lang in Gewahrsam“).264
Die Assoziation des Begriffs mit einem (oft sogar ungerechtfertigten) „Einsperren“ oder „In-Gewahrsam-Halten“, wie sie möglicherweise bei der Leserbzw. Hörerschaft des Paulus an dieser Stelle wachgerufen wurde, macht sich dieser also zunutze, um eine Vorstellung von seiner inneren „Beengtheit“ zu vermitteln. ἔγραψα ὑμῖν διὰ πολλῶν δακρύων ‹ S. 168, οὐχ ἵνα λυπηθῆτε ‹ S. 150 ἀλλὰ τὴν ἀγάπην ἵνα γνῶτε ἣν ἔχω περισσοτέρως ‹ 1,12 εἰς ὑμᾶς – Wie bereits mehrfach in dieser Kommentarreihe festgehalten wurde, liegt mit ἀγάπη (und ἀγαπάω) eine Begrifflichkeit vor, die erst in den ntl. Schriften ihre deutliche Prä-
gung erfuhr.265 Die nichtchristlichen Belege in dokumentarischen Papyri stammen für das Verb aus dem 1. und 2. Jh. n. Chr. und bezeugen durchwegs die Bedeutung „wertschätzen“. Der älteste Beleg für das Substantiv findet sich in P.Palau Rib. 37,13 aus dem 3. Jh. n. Chr., wo unter Verweis auf die zwischen den Geschäftspartnern bestehende ἀγάπη vom Adressaten verlangt wird, den bestellten Wein verlässlich zu liefern (vgl. Z. 9–13)266; auch hier geht es also am ehesten um „Wertschätzung“ oder „Hochschätzen“ des Gegenübers.267 Nach
262
Vielleicht [ἐκλυ]σάμενον. Preisigke, Wörterbuch s. v. συνοχή, übersetzt – unter ausschließlicher Berücksichtigung dieses Beleges – συνοχή als „Zusammenhalt, Beklemmung, Beunruhigung“ (aber: LSJ s. v. συνοχή II.5.: „detention, imprisonment“, mit Verweis auf BGU VIII 1821 und P.Lond. II 354; ähnlich Moulton/Milligan, Vocabulary s. v. συνοχή). F.G. Kenyon schreibt in der Einleitung zur Edition (P.Lond. II S. 164): „They were even thrown into prison […] the result of much argumentation by professional counsel was that the prisoners were left in prison“. 264 Siehe zu diesem Text auch S. 212. 265 Siehe ausführlich Arzt-Grabner, Philemon 177–178; F. Winter in Arzt-Grabner/ Kritzer u. a., 1. Korinther 127–128. 266 Siehe zu diesem Beleg ausführlich Arzt-Grabner, Philemon 177. 267 So wohl auch im Zusammenhang mit dem Adjektiv ἀγαπητός, das vor allem als briefliche Anredeform verwendet wird; zu nichtchristlichen und christlichen Beispielen siehe Arzt-Grabner, Philemon 156–158 (SB X 10255 [3.–4. Jh. n. Chr.] wurde mittlerweile als PSI XV 1560 neu ediert). 263
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Einzelheiten: 2Kor 2,4 – Rückblick auf den Eklat: 2Kor 2,5–11
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F. Winter dürfte in dieser Bedeutung „ein wichtiger Schlüssel für die Erklärung der Übernahme dieses Wortes durch das frühe Christentum liegen“268. Das Verb γινώσκω ist papyrologisch reich bezeugt und begegnet fast ausschließlich in der Bedeutung „kennenlernen, erfahren, erkennen, wissen“.269
2Kor 2,5–11 Rückblick auf den Eklat beim vorhergehenden Besuch 5 Wenn aber jemand einen Kummer verursacht hat, hat er nicht mir Kummer bereitet, sondern zum Teil, damit ich nicht lästig werde, euch allen. 6 Diese Strafe, die von der Mehrheit kam, reicht für den da, 7 so dass ihr im Gegenteil eher Wohlwollen zeigt und tröstet, damit nicht der da etwa durch den übermäßigen Kummer verschlungen wird. 8 Deshalb bitte ich euch, ihm Liebe zuteil werden zu lassen. 9 Denn dazu schreibe ich auch, damit ich eure Bewährung erkenne, ob ihr in allem gehorsam seid. 10 Wem ihr aber ein Wohlwollen zeigt, dem (zeige das) auch ich; denn auch ich habe, was ich verziehen habe, wenn ich etwas verziehen habe, wegen euch im Angesicht Christi verziehen, 11 damit wir nicht vom Satan übervorteilt werden; denn über seine Gedanken sind wir nicht in Unkenntnis. Zu den leidvollen Erfahrungen des sog. „Zwischenbesuchs“, die Paulus in diesem kurzen Abschnitt reflektiert siehe S. 149–154, wo auch der papyrologische Hintergrund zur Wortfamilie λύπη geboten wird. Die hier von Paulus getroffene Beurteilung der Ereignisse während des Zwischenbesuchs und seine Kenntnis über den weiteren Verlauf, insbesondere über den späteren Umgang der Gemeinde mit dem Urheber des Eklats (beachte V. 6) stimmt damit überein, was Paulus in 7,7–12 angesichts der von Titus überbrachten Nachrichten aus der Gemeinde schreibt. Auch der vorliegende Abschnitt setzt also das Zusammentreffen mit Titus in Makedonien und die von diesem überbrachten Nachrichten voraus. Zu den Gründen, warum Paulus die Ankunft des Titus und die erhaltenen guten Nachrichten nicht hier (bzw. in 2,14), sondern erst in Kap. 7 ausdrücklich erwähnt, siehe S. 177–180. 2,55 εἰ δέ τις λελύπηκεν ‹ S. 150, οὐκ ἐμὲ λελύπηκεν, ἀλλὰ ἀπὸ μέρους ‹ 1,14, ἵνα μὴ ἐπιβαρῶ, πάντας ὑμᾶς – Der einleitende Konditionalsatz ohne Nennung des Namens dessen, der den Kummer verursacht hat, ist mit diplomatischem Geschick formuliert. Das beschriebene Geschehen liegt bereits in der Vergangenheit und somit muss der τις der Gemeinde bekannt sein. Sie weiß,
268
F. Winter in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 127–128. Vgl. P. Arzt-Grabner in ders./Kritzer u. a., 1. Korinther 91–92; zahlreiche Belege bei Preisigke, Wörterbuch s. v. γιγνώσκω; Kiessling, Wörterbuch s. v. γιγνώσκω 1). 269
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Einleitungsteil des Briefcorpus (2Kor 1,3–2,13)
wer ihr den Kummer bereitet hat, und könnte ihn somit sofort konkret benennen. Vergleichbare Formulierungen in einigen Papyri bestätigen dies. So heißt es z. B. im Brief an eine gewisse Thaisarion – P.Mich. VIII 492,21–22 (2. Jh. n. Chr.): καὶ εἴ τίς σε | ἠδίκησεν δήλωσόν μοι διὰ τῆς ἐπιστολῆς τὸ ὄνομα αὐτοῦ („und wenn dir jemand Unrecht getan hat, gib mir durch den Brief seinen Namen bekannt“).270 Thaisarion weiß in diesem Fall sofort, ob sie jemanden benennen kann und wen.
Paulus selbst kann auf diese Weise vermeiden, den Betroffenen namentlich zu nennen und bloß zu stellen. Die Gemeinde weiß ohnehin, wer gemeint ist. Wie das Verb ἐπιβαρέω271 an dieser Stelle zu verstehen ist, ist strittig. Die Einheitsübersetzung (wie auch die meisten Kommentatoren272) hat „übertreiben“, und W. Bauer gibt – u. a. unter Berufung auf H. Lietzmann273 – an, ἵνα μὴ ἐπιβαρῶ könne die „lexikal. allerdings unbelegte“ (!) Bedeutung „um nicht eine zu große Last v. Worten aufzutürmen = um nicht zu viel zu sagen“ haben.274 Zur Wortfamilie um βάρος („Gewicht, Last“) gehörend, steht ἐπιβαρέω für ein „Beschweren“ oder „Belasten“. In dieser Bedeutung begegnet es auch in den wenigen Papyrusbelegen, wobei stets Personen die Betroffenen sind: So betont etwa Kaiser Nero in seinem Brief „an eine Polis und die 6475“275 – SB XII 11012, Kol. I 8–10 (55 n. Chr.): μὴ βουλόμενος ἐν ἀ̣ ρ|[χῇ τ]ῆς ἡγεμονίας ἐπειβ̣ α|ρε[ῖν ὑ]μᾶς („ich wollte euch am Beginn meiner Herrschaft nicht belasten“); er bezieht sich damit auf die (ursprünglich freiwilligen) Beiträge zu seinem Krönungsgeschenk. Aus einem Privatbrief stammt P.Oslo II 60,7–8 (2. Jh. n. Chr.), wo der Adressat dazu angehalten wird, möglichst rasch das ihm Aufgetragene zu erledigen, „da auch der Freund, indem er bei uns nachfragt, Druck macht“ – Z. 8: ἐπειδὴ καὶ ἐρωτῶ (l. ἐρωτῶν) ἡμῖν ὁ φίλος ἐπιβαρεῖ. Umgekehrt fügt ein Schreiber an den linken Rand von P.Oxy. XII 1481 (frühes 2. Jh. n. Chr.) hinzu: μὴ ἐπιβαροῦ πέμπειν τι ἡμῖν κτλ. („belaste dich nicht damit, uns etwas zu schicken …“).
Tatsächlich ist es im Wesentlichen das Fehlen eines Objekts, das die paulinische Stelle schwer verständlich macht. H. A. W. Meyer etwa erklärt die Absicht des Paulus, „nicht zu belasten“, damit, dass er es vermeiden will, „den Betreffenden (also den ‚Betrübenden‘, Anm. R. E. Kritzer) durch Schuld zu 270 Ein weiteres, leider nur fragmentarisch erhaltenes Beispiel ist PSI VI 604,9 (Mitte 3. Jh. v. Chr.). Vgl. auch P.Stras. I 41,8–9 (ca. 250 n. Chr.). 271 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 272 So etwa Furnish, 2Cor 153; Grässer, 2Kor I 89.91; Matera, 2Cor 60; Harris, 2Cor 224. 273 Siehe Lietzmann, Kor 106. 274 Vgl. Bauer, Wörterbuch s. v. ἐπιβαρέω (zu dieser Stelle). 275 Die sog. 6475 (eigentlich κάτοικοι ἐκ τοῦ ἀριθμοῦ τῶν ἐν Ἀρσινοείτῃ ἀνδρῶν Ἑλλήνων ς´υοε) waren Nachkommen griechischer Siedler, die sich im 3. Jh. v. Chr. im Arsinoites als κάτοικοι, also als Besitzer von Militärlehen, niedergelassen hatten und deren Anzahl genau begrenzt war (vgl. dazu Montevecchi, Nerone 20–24; Modrzejewski, Égypte 138).
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Einzelheiten: 2Kor 2,5
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drücken“276. Wie in den Papyri – auch in P.Oslo II 60 ist das Objekt hinzuzudenken! – hat ἐπιβαρέω auch in 1Thess 2,9 sowie 2Thess 3,8 die Bedeutung „jemanden belasten“, was ebenso für die Ergänzung eines personalen Objektes hier bei Paulus spricht. Tatsächlich legen nun zwei weitere Beispiele aus den Papyri eine deutliche Spur dahin, wie die paulinische Formulierung wohl zu verstehen ist. Ein gewisser Heliodoros betont in überschwenglicher Freundlichkeit, mit welch großer Freude er seinem Bruder Phibas schreibt, und fügt hinzu – P.Sarap. 89,7–12 (90–133 n. Chr.): διὸ ἐφεδρεύω̣ ν | τοῖς ἀναπλεύουσι ἑκά|σ̣ τ̣ωι ἐπιβαρῶ διακ[ο]|μίσαι ὑ̣ μ̣ [ῖν] π̣ [ί]στιν | τοῦ μὴ ἐπ̣ [ι]λ̣ α̣ ν̣ θάνε|σ̣ θ̣ α̣ ι ̣ [ὧν πρ]οσ̣ ῆκεν („deshalb bin ich auf diejenigen bedacht, die flussaufwärts segeln [also offensichtlich dorthin, wo Phibas lebt], und falle jedem zur Last [oder: belästige jeden], euch eine Garantie dafür zu übermitteln, dass ich nicht vergesse, was sich gehört“). In dem anschließend nur lückenhaft erhaltenen Text könnte dies näher spezifiziert gewesen sein, oder Heliodoros wollte damit seine Höflichkeit betonen, dass er eben weiß, dass es sich gehört, dem Bruder oft und gerne zu schreiben. In P.Ross.Georg. V 4 (2. Jh. n. Chr.) ersucht ein gewisser Herakleos über seinen Adressaten einen Arzt um einen Gefallen und verspricht, ihm später dafür zu danken; sein Anliegen begründet er mit dem Umstand, dass er „ihm nie lästig/zur Last gefallen ist“ – Z. 10–11: [ο]ὐδέποτε γάρ ἐπεβάρησα | αὐτῷ.
Die eingangs erwähnte Übersetzung „übertreiben“ für die Paulusstelle entbehrt, abgesehen davon, dass sie vom eigentlichen Wortsinn zu weit entfernt ist, vor diesem Hintergrund noch mehr jeder Grundlage. Die Bedeutung „lästig sein, zur Last fallen“ passt hingegen gut in den Kontext und erweist die Wendung in erster Linie als rhetorische Phrase. Dass Paulus hier betont, er wolle den „Betrübenden“ nicht noch mehr niederdrücken, wird ohnehin im folgenden V. 6 deutlich gemacht. Hier will er den Gemeindemitgliedern nicht dadurch „lästig fallen“, dass er einfach pauschal sagt, der Betreffende habe „euch alle“ betrübt. Der implizite Widerspruch zwischen ἀπὸ μέρους und πάντας ὑμᾶς wird durch den eingeschobenen ἵνα-Satz relativiert, wodurch auch deutlich wird, wie Paulus hier gleichsam diplomatisch vorgeht: mit einer Aussage wie: „er hat ja eigentlich nicht mich betrübt, sondern euch alle“ könnte Paulus den Gemeindemitgliedern tatsächlich überaus lästig, belastend werden, um nicht zu sagen: bevormundend. Ein bloßes „zum Teil hat er euch betrübt“ (verstehbar als „einige von euch“) wäre ihm andererseits offensichtlich zu wenig gewesen. So aber sagt er gleichsam: „zum Teil hat er euch alle betrübt, ohne dass ich euch mit dieser pauschalen Aussage lästig fallen, auf die Nerven gehen möchte“. Indirekt sagt er damit auch: „ich will euch mit dieser pauschalen Aussage keineswegs lästig fallen, aber die Aussage ist ernst gemeint und stimmt: er hat euch alle betrübt“. Und gerade darauf passt nun die fol276
Meyer, 2Kor 41; einige Zeilen später bemerkt Meyer: „Aber Andere lesen ἵνα μὴ ἐπιβ. πάντας ὑμ. zusammen: er hat nicht mich (allein und eigentlich) betrübt, sondern nur zum Theil (mithin auch euch), damit ich nicht euch Allen etwas zur Last lege …“
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Einleitungsteil des Briefcorpus (2Kor 1,3–2,13)
gende Aussage (V. 6), dass die Strafe für den Betroffenen genug ist, die ihm von der Mehrzahl der Gemeindemitglieder widerfuhr. Wie die ganze korinthische Korrespondenz immer wieder zeigt, hatte Paulus offensichtlich gute Gründe, sich gegenüber der Gemeinde immer wieder einer vorsichtigen und diplomatischen Ausdrucksweise zu bedienen, ohne andererseits die Dinge nicht deutlich genug beim Namen zu nennen. Den vorliegenden V. 5 sehe ich als treffliche Mischung aus beidem. 2,66 ἱκανὸν τῷ τοιούτῳ ἡ ἐπιτιμία αὕτη ἡ ὑπὸ τῶν πλειόνων – Ein Hinweis, dass etwas Unangenehmes oder Widriges nun „genug“ ist, also ein Maß erreicht hat, das an der Grenze zur Unerträglichkeit liegt, findet sich vereinzelt auch in Papyrusbriefen. Zwei Beispiele sind besonders anschaulich: Am 10. März 257 v. Chr. erhielt Zenon277 einen Brief von einer gewissen Simale mit der Nachricht, dass sie, nachdem sie gehört hatte, dass ihr Sohn Herophantos misshandelt worden wäre, Zenon aufsuchen wollte, zu ihm aber nicht vorgelassen wurde; irgendwie konnte sie aber doch noch mit dem Knaben zusammenkommen „und“, so schreibt sie, „ich fand ihn darniederliegen, dass es auch gar nicht zum Lachen war, und es war für mich schon genug, jenen leiden zu sehen“ – P.Col. III 6,4–5 mit P.Col. IV S. 203: καὶ ε̣ὗρον αὐ̣ τὸν καὶ μάλ᾽ ἀγελοίως δ[ι]ακείμενον καὶ ἤ̣ [δη ἱ]|κανόμ (l. ἱκανὸν) μοι ἦν ὁρῶσαν ἐκεῖνον λυπ̣ εῖσθαι.278 Ein Hermokrates ersucht seinen Sohn Chairas um Hilfe, weil er aufgrund der zum Teil desolaten Zustande auf seinem Landgut Gefahr läuft, die fälligen Steuern nicht mehr zahlen zu können;279 wie ihm sein Vater eindringlich vor Augen führt, wird auch die Mutter des Chairas von den Steuereinehmern bedrängt – BGU II 530,33–41 mit BL I 49 (1. Jh. n. Chr.): ἡ μή|τηρ σου μέμφεταί σε, | ἐπὶ μὴ ἀντέγραψας αὐ|τῇ. ἄλλως τε καὶ ἀπαι|τῖται ὑπὸ τῶν πρακτό|ρων ἱκανὸν ὅτι οὐκ ἔ|πεμψας πρός σε τοὺς πρά|κτορες (l. πράκτορας), ἀλλὰ καὶ νῦν πέμ|ψον αὐτῇ („deine Mutter tadelt dich, weil du ihr nicht zurückgeschrieben hast. Und überhaupt wird sie auch von den Steuereinnehmern genug bedrängt, weil du die Steuereinnehmer nicht zu dir kommen hast lassen,280 aber schick [sie?] ihr auch jetzt“).
Der Ausdruck ἐπιτιμία als Bezeichnung für eine gesetzliche „Strafe“ begegnet in den dokumentarischen Papyri selten, was damit zusammenhängen mag, dass in den Dokumenten eher die genauen Strafbestimmungen und Strafgelder281 277
Laut Eingangsvermerk in P.Col. III 6,17. Eine andere – in meinen Augen aber aufgrund der Syntax weniger wahrscheinliche Übersetzungsmöglichkeit wäre: „… und ihn zu sehen, war schon genug für mich um zu leiden“ (vgl. W. L. Westermann und E. S. Hasenoehrl in P.Col. III S. 38: „and the first sight of him was enough to grieve me“; ähnlich Bagnall/Cribiore, Women’s Letters 100: „and seeing him was enough for me to grieve“). 279 Siehe zu den Hintergründen J. Hengstl in C.Pap.Hengstl S. 31–32; Arzt-Grabner, Philemon 226–227; Kloppenborg, Tenants 488–490. 280 So die Übersetzung von J. Hengstl in C.Pap.Hengstl S. 31. 281 Beachte das Neutrum ἐπιτίμιον, doch auch dieser Ausdruck wird im Zusammenhang mit dem Bezahlen von Strafgeld bedeutend seltener verwendet (z. B. P.Hal. 1,208 [nach 259 v. Chr.]) als das verwandte ἐπίτιμον und das Verb ἀποτίνω (siehe die entsprechenden Einträge bei Prei278
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Einzelheiten: 2Kor 2,5–7
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angeführt werden, als dass in abstraktarer Form über Strafe an sich reflektiert wird. Außerdem begegnet ἐπιτιμία häufiger in der Bedeutung „bürgerlicher Rechtsstand“.282 Lediglich im Zusammenhang mit einer Übertragung von Katökenland ist ausdrücklich davon die Rede, dass im Falle eines Vertragsbruchs die vereinbarten Beträge „als Strafe“ zu zahlen sind – SB XVIII 13764,24–25 (148–161 n. Chr.): [ὅτι δ᾽ ἂν παρα̣ ίαν τῇ Σαραπιὰς (l. Σαραπιάδι) ὅ τε εἴληφαν βῶσιν ἀποτεισάτωσαν | ἐ]π̣ ιτ̣ ̣ιμ παρ᾽ αὐτῆς κτλ. („wenn sie [die Vereinbarung] übertreten, sollen sie an Sarapias als Strafgeld zahlen, was sie von ihr auch bekommen haben …“).
2,77 ὥστε τοὐναντίον μᾶλλον ὑμᾶς χαρίσασθαι καὶ παρακαλέσαι ‹ 1,4 – Die Wendung τοὐναντίον μᾶλλον findet sich auch in einer Eingabe der Söhne des Aristandros, P.Berl.Möller 2 + P.Oxy. IX 1203 (69–71 n. Chr.): Sie beschweren sich beim Strategen Tiberius Claudius Herodas darüber, dass ihr Land, das sie zur Tilgung einer Schuld ihres verstorbenen Vaters verpfändet hatten, vom Gläubiger weiterverkauft wurde. Im Verlauf der Petition wird ein vom Gläubiger eingeholtes Hypomnema erwähnt mit dem Inhalt, dass der Vater der Petenten bei ihm noch andere Schulden habe; demgegenüber betonen die Petenten, dass der Gläubiger „im Gegenteil vielmehr bei uns Schulden hat“ – P.Oxy. IX 1203,13–14: τοὐναντίον μᾶλλον προσ|οφείλων ἡμεῖν.283
Zur Bedeutungsbreite von χαρίζομαι haben bereits J. M. Moulton und G. Milligan darauf hingewiesen, dass zwischen „Wohlwollen erweisen“ („show kindness“) und „gnädig schenken“ („graciously bestow“) schwer zu unterscheiden ist.284 Die in vielen Übersetzungen für die vorliegende Stelle gewählte Bedeutung „vergeben“ ist nicht eindeutig belegt. Auszugehen ist wohl von der Grundbedeutung „Gunst oder Wohlwollen erweisen“, die dann in transitivem Zusammenhang je nach Kontext entweder mehr in Richtung „schenken“285 oder in Richtung „gewähren“286 gehen kann. Für die intransitive Verwendung sigke, Wörterbuch s. v. ἐπιτίμιον bzw. ἐπίτιμον sowie ἀποτίνω; ferner Kiessling, Wörterbuch s. v. ἐπίτιμον und ἀποτίνω; zu ἀποτίνω siehe auch Arzt-Grabner, Philemon 244). 282 So auch Windisch, 2Kor 86, der dabei auch auf einzelne Papyri verweist (nicht korrekt Bultmann, 2Kor 52 Anm. 32: „Aber in Pap. schon als Strafe“; konkrete Belege dafür führt Bultmann nicht an); ausführlichere Belege bei Preisigke, Wörterbuch s. v. ἐπιτιμία 1); ferner BGU II 473,11 mit BL I 437 (ca. 215 n. Chr.); P.Oxy. XLIII 3105,7–9 mit BL XII 149 (229–235 n. Chr.); LXIV 4437,9 mit BL XII 154 (ca. 229–237 n. Chr.); wohl auch PSI Congr.XXI 13, Kol. V 15 (nach 284–285 n. Chr.). 283 Die Form τοὐναντίον allein („im Gegenteil“) begegnet in PSI V 495,6 (30. November 258 v. Chr.); IX 1033,2 (3. Juni 166 n. Chr.); XV 1554,17 (3. Jh. n. Chr.). 284 Vgl. Moulton/Milligan, Vocabulary s. v. χαρίζομαι. Preisigke, Wörterbuch s. v. χαρίζομαι, nennt neben „Gunst, Wohlwollen erweisen, willfährig sein“ und „gern und freudig geben, schenken, überlassen“ noch „wohlgefällig, erwünscht sein“. 285 Siehe dazu einige kommentierte Belege bei Arzt-Grabner, Philemon 262–263; F. Winter in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 131–132. 286 Siehe dazu einige kommentierte Belege bei F. Winter in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 131–132.
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Einleitungsteil des Briefcorpus (2Kor 1,3–2,13)
an der vorliegenden Stelle (und die transitive Verwendung in V. 10) legt der papyrologische Befund die Bedeutung „einen Gefallen erweisen“ oder noch besser „Wohlwollen zeigen“ nahe. Gegen Ende mehrerer Empfehlungsbriefe287 wird z. B. darauf hingewiesen, dass der Adressat dem Absender einen Gefallen erweist, wenn er sich für den Empfohlenen verwendet, so z. B. in P.Oxy. II 292,9–10 (ca. 25 n. Chr.): χαρίεσαι (l. χαρίσει) δέ μοι τὰ μέγιστα | ἐάν σου τῆς ἐπισημασίας τύχηι („du wirst mir den größten Gefallen erweisen, wenn er deine Aufmerksamkeit erlangt“); ähnlich P.Herm. 1,7–8 (1. Jh. n. Chr.); P.Brem. 9,18–20 (113–120 n. Chr.). Weitere Beispiele in zeitlicher Nähe zu Paulus sind: BGU XVI 2600,17–19 (4. August 13 v. Chr.): [παρὰ] πάντα δὲ χαριῇ σεατοῦ | ἐπιμε[λούμ(ενος) ἵν᾽ ὑ]γιαίνῃς ὅ ἐστιν ἡμεῖν | εὐκτότ[ατον] („auf alle Fälle aber wirst du [uns] einen Gefallen erweisen, wenn du dich darum sorgst, dass du gesund bleibst, was für uns am wünschenswertesten ist“; ähnlich BGU XVI 2646,22 [12. Mai 3 v. Chr.]); ein gewisser Sarapion bittet Athenodoros um eine Lieferung Wolle, womit dieser ihm einen Gefallen erweisen würde – BGU XVI 2637,11–12 (3–2 v. Chr.): ἵν᾽ ὦι | κεχαρισμ[ένος]. In P.Oxy. XLII 3057,21–22 (1.–2. Jh. n. Chr.)288 schreibt ein gewisser Ammonios nach einer Reihe von Aufforderungen: πείρασαι οὖν καὶ δι᾽ | ἐμὲ τοῦτο ποεῖν, χαρισάμενός μοι ὃ με|τ̣ο̣ ξὺ (l. μεταξὺ) ἐπιγνώσῃ ἀγαθόν („versuche also, das auch um meinetwillen zu tun, womit du mir einen Gefallen erweist, was du in der Zwischenzeit289 als etwas Gutes erkennen wirst“).
In diesen Beispielen geht es jeweils um eine Bitte an den Adressaten, durch deren Erfüllen dem Absender ein Gefallen erwiesen werden würde. Im Unterschied dazu äußert an der vorliegenden Paulusstelle nicht das betreffende Mitglied der Korinther Gemeinde eine konkrete Bitte290, durch deren Erfüllung ihm diese einen Gefallen erweisen würde, sondern Paulus ersucht die Gemeinde, diesem Mitglied nunmehr ganz grundsätzlich Wohlwollen zu zeigen. Vergleichbar ist aber die Bedürftigkeit bzw. Angewiesenheit auf diejenigen, von denen die Gefälligkeit oder das Wohlwollen erwartet bzw. erhofft wird. μή πως τῇ περισσοτέρᾳ λύπῃ ‹ S. 153 καταποθῇ ὁ τοιοῦτος – Während bereits mit περισσός ein Maß angegeben wird, das über das gewöhnliche hinaus-
geht,291 gilt dies noch mehr für den Komparativ. Besonders gut mit dem das Maß weit überschreitenden Kummer ist eine Formulierung in einem zeitgenössischen Papyrus vergleichbar: 287
Siehe ausführlicher zu diesem Brieftyp den Exkurs S. 270–276. Zur Debatte, ob es sich bei diesem Papyrus um einen (sehr frühen) christlichen Brief handelt, siehe S. 71 Anm. 95. 289 Zu μετοξύ für μεταξύ siehe Gignac, Grammar I 287. 290 Freilich ist dies als Hintergrund nicht auszuschließen. 291 Siehe z. B. O.Did. 320,2–5 (vor 76–77 n. Chr.): ἂν ἔχῃς | παρὰ σὲ (l. σοὶ) περισσὸ̣ ν̣ τ̣ο̣ ῦ̣ | ἁλὸς πέμψο̣ ν̣ μ̣ ο̣ ι ̣ | ἱμιμάτιν (l. ἡμιμάτιον) („wenn du bei dir ein Übermaß an Salz hast, schick mir ein halbes Mation“). Der Adressat des Ostrakons soll also Salz schicken, wenn er so viel hat, dass er etwas davon entbehren kann. 288
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Einzelheiten: 2Kor 2,7–8
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Im amtlichen Brief P.Rain.Cent. 57 (4. März 49 n. Chr.) wird festgehalten, dass „von den Opfernden nicht noch mehr abverlangt werden soll, als üblich ist“ – Z. 5–6 mit ̣ θαι | παρὰ̣ τῶν θ̣ υόντ̣ω̣ ν ἢ̣ BL VIII 286: ὥστε μηδὲν περισσότερον ἀπαιτ̣ε̣ῖσ σύνηθέ̣ς ἐστιν.292
Zum Verb καταπίνω existieren in den Papyri bisher keine Belege. 2,88 διὸ παρακαλῶ ὑμᾶς κυρῶσαι εἰς αὐτὸν ἀγάπην ‹ 2,4 – Hier begegnet das Verb παρακαλέω in der vorherrschenden Bedeutung „bitten“. Die Belege sind überaus zahlreich, handelt es sich bei παρακαλῶ doch um eine Form, mit der häufig das Anliegen eines Briefes eingeleitet wird. Freilich ist die παρακαλῶ-Formel nicht auf eine bestimmte Stelle innerhalb des Briefcorpus beschränkt, sondern kann für das Vorbringen jedes beliebigen größeren oder kleineren Wunsches verwendet werden. Einige ausgewählte Beispiele sind: BGU IV 1141,10 (14–13 v. Chr.);293 XVI 2623,7 (27. April 10 v. Chr.);294 O.Berenike II 129,8 (ca. 50–75 n. Chr.);295 SB XIV 11584,4– 5 (spätes 2. Jh. n. Chr.);296 P.Oxy. I 119,14 (2.–3. Jh. n. Chr.)297.
Im 2Kor verwendet Paulus παρακαλέω in dieser Bedeutung auch noch in 5,20; 6,1; 8,6; 9,5; 10,1; 12,8.18. Das Verb κυρόω wird in den dokumentarischen Papyri meist im Zusammenhang mit Versteigerungen verwendet und hat dort die Bedeutung „den Zuschlag erteilen“,298 die für die vorliegende Stelle freilich nicht in Frage kommt. Eine besondere Hervorhebung verdient die Verwendung des Verbs in einer Orakelanfrage vom 26. April 6 n. Chr. – Chrest.Wilck. 122 (mit Assante, Domande Nr. 21): τῶι ̣ μεγίστῳ κραταιῷ θεῶι Σοκνοπαί[ωι] παρὰ Ἀσκληπιάδου τοῦ Ἀρείου. εἰ οὐ δ̣ έ̣δοταί μοι συμβιῶσαι Ταπεθεῦ[τι] Μαρρέους οὐδ᾽ οὐ μὴ γένηταί μ̣ ο̣ υ̣ 5 γυνή, ὑπόδεξόν μοι κα[ὶ] κύρωσ[όν] μοι τοῦτο τὸ γραπτόν. πρόην δ᾽ [ἦν] Ταπεθεῦς Ὡρίωνος γυνή{ι}. (ἔτους) λε Καίσαρος Παχὼ(ν) α. 292 Ähnliche Beispiele sind P.Mich. III 202,13–15 (5. Mai 105 n. Chr.) und P.Yadin I 5, Kol. I, Fr. a 14 (2. Juni 110 n. Chr.). Siehe dazu auch P. Arzt-Grabner in ders./Kritzer u. a., 1. Korinther 421. 293 Der gesamte Text wird S. 62–65 wiedergegeben. 294 Der gesamte Text wird S. 273 wiedergegeben. 295 Der gesamte Text wird S. 85–86 wiedergegeben. 296 Der Text wird S. 159 wiedergegeben. 297 Der gesamte Text wird S. 67–68 wiedergegeben. Weitere Beispiele für die Bedeutung „bitten“ bei Arzt-Grabner, Philemon 101–102.193–194; P. Arzt-Grabner in ders./Kritzer u. a., 1. Korinther 58–59. 298 Siehe die Belege bei Preisigke, Wörterbuch s. v. κυρόω 3); vgl. ders., Fachwörterbuch s. v. κυρόω.
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Einleitungsteil des Briefcorpus (2Kor 1,3–2,13)
„An den größten, mächtigen Gott Soknopaios von Asklepiades, dem Sohn des Areios. Wenn es mir nicht vergönnt ist, dass ich Tapetheus, die Tochter des Marres, heirate, und nicht, dass sie meine Frau wird, zeig es mir an und erfülle mir diesen Zettel (im Sinne von: gib mir diesen Zettel als Bestätigung). Früher war Tapetheus die Frau des Horion. Im 35. Jahr Caesars, am 1. Pachon.“ Die für unseren Zusammenhang maßgeblichen Z. 5–6 bedürfen einer Erläuterung, denn die Verwendung von κυρόω ist in diesem Zusammenhang in Orakelfragen bisher einzigartig. Das Prinzip dieser Losorakel bestand darin, dass man zwei Zettel mit den unterschiedlichen Antworten einreichte, im vorliegenden Fall also einen Zettel mit der Aussage, Tapetheus heiraten zu sollen, und einen anderen Zettel mit dem Hinweis, dieses Vorhaben bleiben zu lassen (nur letzteres Exemplar ist erhalten geblieben). An der Stelle, wo Chrest.Wilck. 122 den Passus κύροσ[όν] μοι τοῦτο τὸ γραπτόν enthält, bieten andere Orakelanfragen die Form τοῦτο ἔνεγκον oder ἐξένεγκον299 und ab dem 2. Jh. n. Chr. auch τοῦτό μοι δός300, also „gib mir dieses (gemeint ist: den entsprechenden Zettel) heraus“. Die Gottheit wird also angerufen und ersucht, die richtige Antwort auszuwählen und durch Herausgabe des entsprechenden Zettels dem Fragenden anzuzeigen.301 F. Preisgke hat das Verb κυρόω in Chrest.Wilck. 122,5 mit „in Erfüllung gehen lassen“ übersetzt,302 was zwar dem Bedeutungsgehalt dieses Verbs entspricht, für die Orakelfrage aber ein Verständnisproblem aufwirft. Denn der Fragende kann schwerlich in beiden möglichen Antworten die Erfüllung seines Anliegens sehen, da die eine das genaue Gegenteil der anderen zum Ausdruck bringt. Ich vermute daher, dass Asklepiades seinem vermutlichen Wunsch entsprechend den (nicht mehr erhaltenen) Zettel mit der Antwort, dass es ihm vergönnt sei, Tapetheus zu heiraten, zuerst geschrieben hat und mit der Formulierung κύροσόν μοι τοῦτο τὸ γραπτόν tatsächlich ausdrücken wollte: „erfülle mir das, was ich geschrieben habe!“ Erst mit Anfertigung des zweiten (noch
299 Z. B. PSI Congr.XVII 14,7 (2.–1. Jh. v. Chr.); PSI Congr.XX 3,6 (21. November 5 v. Chr.); SB XVI 13079,4–5 (1. Jh. n. Chr.); BGU I 229,4 und im Duplikat 230,4 (jeweils mit BL I 27; 1. oder 2.–3. Jh. n. Chr.); P.Fay. 138,3 (1.–2. Jh. n. Chr.); SB XII 11227,6–7 (mit Assante, Domande Nr. 14; 2. Jh. n. Chr.); XVIII 14044,4–5 (2. Jh. n. Chr.); P.Oxy. LV 3799,7 (2.–3. Jh. n. Chr.); ähnlich P.Oxy. VIII 1148,8–10 (1. Jh. n. Chr.). Zur Form und mit weiteren Beispielen siehe Assante, Domande 94. 300 Z. B. P.Köln IV 201,8; 202,9; P.Oxy. VIII 1149,9; IX 1213,5; XXXI 2613,7; XLII 3078,5; P.Ryl. II 388, Verso 2; P.Stras. IV 221,4 mit BL V 138; V 353,3–4; 354,6; SB XVI 12955,5; XVIII 14043,9; 14048,5 mit BL IX 310 (alle 2. Jh. n. Chr.); P.Oxy. L 3590,4–5 (2.–3. Jh. n. Chr.); ähnlich SB XVIII 14047,3 (2. Jh. n. Chr.); P.Oxy. LXV 4470,3–4 (2.–3. Jh. n. Chr.). – Ferner begegnet die Form χρημάτισον τοῦτο („erteile diesen [Zettel] als Antwort“) in P.Fay. 137,4 (beachte dazu Assante, Domande Nr. 4); P.Münch. III 117,4 mit BL IX 172 (beide 1. Jh. n. Chr.); P.Heid. IV 335,4–5 (Anfang 2. Jh. n. Chr.); ähnlich bereits SB XVI 12677,10 (2. Jh. v. Chr.). 301 Zu Form und Charakter der Orakelfragen im römischen Ägypten siehe Papini, Struttura; dies., Osservazioni; G. H. R. Horsley in New Docs. II S. 37–44; Coles, Papyri 121–122; Assante, Domande (mit Berichtigungen zu zahlreichen Orakelfragen); ausführliche Lit. und Verweis auf Listen von Belegen auch bei D. Hagedorn in P.Heid. IV S. 243. 302 Preisigke, Wörterbuch s. v. κυρόω 2); ähnlich Palme, Alltagsgeschichte 190: „erfülle mir, was ich geschrieben habe.“
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Einzelheiten: 2Kor 2,8–9
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erhaltenen) Zettels, der die gegenteilige Antwort enthält, entstand die beschriebene Ungereimtheit.
Die Bitte des Paulus kann vor diesem Hintergrund in dem Sinn verstanden werden, dass die Gemeinde dem einen Mitglied in verbindlicher Weise ihre Liebe zukommen oder zuteil werden lassen soll. 2,99 εἰς τοῦτο γὰρ καὶ ἔγραψα, ἵνα γνῶ ‹ 2,4 τὴν δοκιμὴν ὑμῶν – Zum Wort δοκιμή („Prüfung, Beweis, Bewährung“) gibt es bisher keine papyrologischen Belege.303 εἰ εἰς πάντα ὑπήκοοί ἐστε – Das Adjektiv ὑπήκοος304 begegnet in den Papyri
nur selten; dennoch erhält man ein aufsschlussreiches Bild davon, in welcher Beziehung „gehorsame“ Personen zu jenen, die ihnen dieses Verhalten abverlangten, in der Regel standen: P.Petr.2 I 3 (238/237 v. Chr.) enthält die Abschriften mehrerer Testamente; ein gewisser Dion verfügt, seine Sklavin und den Sohn, den er mit ihr hat, freizulassen, wenn sie, solange er lebe, gehorsam bei ihm blieben und weiterdienten – Z. 21–22: [ἀφίημι ἐλ]ευθέρους, ἐάμ (l. ἐάν) μοι παραμείνω[σ]ιν̣ ̣ ἕως ἂν ἐγὼ ζῶ ὑπήκοο̣ [ι ὄ]ν̣ |[τες] (ähnlich im Testament des Menippos in Z. 47–48).305 Um einen Weberlehrvertrag handelt es sich bei P.Fouad I 37 (48 n. Chr.); dem Lehrling wird demnach Gehorsam abverlangt, und zwar in allem, was mit dem Handwerk zusammenhängt – Z. 5 mit BL III 60: ὑπήκοον ὄντα ἐν τοῖς κατὰ τὴν τέχνην (ähnlich P.Heid. IV 326,16–17 [98 n. Chr.]). In anderen Weberlehrverträgen aus dem 1. Jh. n. Chr. findet sich an der entsprechenden Stelle die Vereinbarung, dass der Lehrling dem Meister dient und alles ausführt, was ihm von diesem im Einklang mit dem Handwerk aufgetragen wird – z. B. SB X 10236,12–15 (36 n. Chr.): διακονοῦν|τα κ[αὶ] ποιοῦντ[α τὰ] ἔργα πάντα τὰ ἐπι|τα[σσ]όμενα α[ὐτῷ] ὑπὸ τοῦ Ἀβάρου | κατὰ τὴν γερδιακ[ὴ]ν τέχνην („damit er [nämlich der Sohn, ihm, nämlich dem Meister] dient und alle Arbeiten ausführt, die ihm von Abaros [also dem Meister] aufgetragen werden im Einklang mit dem Weberhandwerk“).306 Dies kann aufgrund der unmittelbaren Vergleichbarkeit der Verträge als treffende Beschreibung für das dienen, was unter einem gehorsamen Verhalten im Meister-Lehrling-Verhältnis zu verstehen ist. Eine dem Präfekten „angeborene Freundlichkeit gegenüber Gehorsamen“ (ἔμφυτον αὐτοῦ | πρὸς το[ὺς ὑπ]ηκόους φιλανθρωπίαν) führt man in Stud.Pal. V 52–56,
303 Zum Verb δοκιμάζω bzw. zum Adjektiv δόκιμος siehe P. Arzt-Grabner in ders./Kritzer u. a., 1. Korinther 394; Papathomas, Begriffe 51–52. 304 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 305 Zur sog. Paramone-Verpflichtung von Freigelassenen siehe R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 282. Ob sich das ergänzte [ὑπηκόους] in P.Petr. III 53 (j),10 mit BL I 382 (255–237 v. Chr.) auf die in Z. 9 genannten „Gläubiger“ (δανεισταί) bezieht, ist aufgrund des schlechten Erhaltungszustandes des Papyrus fraglich. 306 Vgl. P.Oxy. II 275,10–13 (66 n. Chr.); SB XXIV 16253,7–9 (98–103 n. Chr.); P.Wisc. I 4,9– 10 (53 n. Chr.; beachte dazu Z. 5–6 mit BL VI 69).
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Einleitungsteil des Briefcorpus (2Kor 1,3–2,13)
Kol. I 17–18 (266–267 n. Chr.) ins Treffen, um den Strategen von den Vorteilen der Revidierung eines von ihm verschuldeten steuerlichen Fehlgriffs zu überzeugen.
Für Paulus könnte aufgrund seiner beruflichen Verhaftung das Verhältnis Meister-Lehrling an dieser Stelle eine wesentliche Rolle gespielt haben; so geht es ihm wohl nicht um die bloße Ausführung eines Auftrags, sondern um eine grundsätzliche Haltung und – wie er in V. 10–11 begründet – auch darum, dass die Gemeindemitglieder, was den gegenseitigen Umgang betrifft, von ihm lernen.307 2,110–111 ᾧ δέ τι χαρίζεσθε ‹ 2,7, κἀγώ· καὶ γὰρ ἐγὼ ὃ κεχάρισμαι, εἴ τι κεχάρισμαι, δι᾽ ὑμᾶς ἐν προσώπῳ ‹ 1,11 Χριστοῦ ‹ 1,1, ἵνα μὴ πλεονεκτηθῶμεν ὑπὸ τοῦ σατανᾶ – Das Verb πλεονεκτέω308 („mehr haben [wollen], übervorteilen“) wird – wie bei Paulus309 – auch in den Papyri stets in negativem Sinn gebraucht310: So beklagt sich etwa in P.Oxy. XXXIV 2708 (14. April 169 oder 201 n. Chr.) ein Petent beim Epistrategen, sein Neffe und seine Nichte, die sich mit ihm die Besitzrechte an einem Haus teilten, würden ihn „übervorteilen“, indem sie ihn aus den ihm zufallenden (Haus-)Teilen zu verdrängen suchten – Z. 11–14: πλε|ονε̣κτοῦσί με[ . . . .]ε̣κθλεί|βοντες τῶν ἐπιβ̣ αλλόν|των μοι μερῶν. Um vergleichbare Auseinandersetzungen geht es auch in SB XXIV 16134 (vor 7. Juli 137 v. Chr.); bei den Miteigentümern des betreffenden Hauses, die den Petenten offensichtlich übervorteilen (Z. 15–16: τῶν δὲ δηλουμένων πλε|ονεκτούντων), handelt es sich in diesem Fall um Einwohner desselben Dorfes. Der Verfasser von P.Oxy. LXV 4481 (11.–26. März 179 n. Chr.) fühlt sich von seiner Frau „sehr ausgenützt“ (Z. 8: πο[λ]λ̣ ὰ̣ π̣ λ̣ ε[ο]νεκτο̣ ύ̣ με̣νος ὑπ̣ ᾿ αὐτ̣ῆ̣ ς̣), weil sie verschiedene (gemeinsame) Habseligkeiten entwendet habe. Besonders drastisch schildert ein gewisser Aurelius Antoninus in der Petition P.Amh. II 78 (27. September 184 n. Chr.) seine Situation: ein Hekysis habe seine Verwandte geheiratet und übervorteile ihn seither – als rücksichtsloser Mensch – in ihren gemeinsamen Besitztümern – Z. 11–14 mit BL I 3: ἐν τοῖς κοινοῖς ἡμῶν | ὑ[π]άρχουσι παντοδαπῶς | μ[ου] πλεονεκτῖ ἄνθρωπος | α[ὐ]θά̣ δ̣ ης. Nun wolle dieser ihm sogar eine Schuldverschreibung abpressen und drohe, falls er sie ihm nicht geben sollte, ihn umzubringen.
Auffälligerweise wird die unlautere, habsüchtige Gesinnung, die im Übervorteilen eines anderen zum Ausdruck kommt, meist Personen vorgeworfen, die mit dem Betroffenen entfernt verwandt oder durch Heirat Zutritt zu seinem 307 Dem Gehorsam gegenüber dem Apostel liegt nach Grässer, 2Kor I 94–95, zunächst jener gegenüber Gott zugrunde; dennoch kämpfe Paulus als der Bote des Wortes Gottes seiner Ansicht nach mit seiner in Korinth „brüchig gewordenen apostolischen Autorität“. 308 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 309 Vgl. ferner 2Kor 7,2; 12,17.18; 1Thess 4,6. 310 Vgl. auch die Belegsammlung in LSJ s. v. πλεονεκτέω, die ebenso unter dem Gesichtspunkt „mostly in bad sense“ zusammengestellt ist.
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Einzelheiten: 2Kor 2,9–11 – Bericht über den Aufenthalt in Troas: 2Kor 2,12–13
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angestammten Bereich bekommen haben.311 In gewisser Weise werden diese Personen als Eindringlinge gezeichnet, ein Aspekt, der auch gut zur vorliegenden Paulusstelle passt: dem Satan soll jeglicher Zutritt verwehrt werden, er würde sonst die Gemeindemitglieder nur übervorteilen. Für σατάν bzw. σατανᾶς lässt sich in den bisher edierten Papyri der relevanten Zeitspanne kein Beleg finden.312 οὐ γὰρ αὐτοῦ τὰ νοήματα ἀγνοοῦμεν ‹ 1,8 – Das Wort νόημα313 begegnet bis-
her nur in zwei Zauberpapyri, wo es den gottgegebenen „Verstand“ oder auch „Geist“ bezeichnet.314
2Kor 2,12–13 Bericht über den Aufenthalt in Troas und die Reise nach Makedonien 12 Als ich aber für das Evangelium Christi nach Troas kam und mir im Herrn eine Tür geöffnet wurde, 13 fand ich keine Erleichterung für meinen Geist, weil ich Titus, meinen Bruder, nicht fand, sondern ich sagte ihnen Lebewohl und reiste ab nach Makedonien. Auch in Papyrusbriefen wird mitunter erwähnt, dass ein erwartetes Zusammentreffen nicht stattgefunden hat. Ein besonders eindrückliches Beispiel liegt mit P.Cair.Zen. IV 59593 (Mitte 3. Jh. v. Chr.) vor. Obwohl der Text viele Lücken aufweist, lässt sich folgender Zusammenhang rekonstruieren: Der unbekannte Absender (sein Name ist nicht mehr erhalten) schreibt an Zenon, er habe nach Abschluss seiner geschäftlichen Tätigkeiten im Zusammenhang mit Weinbergen in der Umgebung von Memphis seine Reise nilaufwärts aufgeschoben, um einem gewissen Diotimos seine Aufwartung zu machen; da er aber informiert worden sei, dass Zenon ihn sehen wollte, habe er es eingerichtet, nach Kerke zu segeln und von dort nach Philadelphia zu reisen; wie er in Z. 7–9 schreibt, habe er um diese Zeit erfahren, dass Zenon nach Memphis unterwegs wäre, um im Hellenion zu opfern; durch irgendein Missgeschick sei die Begeg311
Dies trifft auch auf P.Turner 34,13 (216 n. Chr.) zu, wo es um Besitzstreitigkeiten zwischen einem Mann und seiner Stiefmutter geht. Der einzige Beleg, der nicht aus einer Petition stammt, ist P.Panop.Beatty 2,97 (27. Januar – 25. Februar 300 n. Chr.). 312 Moulton/Milligan, Vocabulary s. v. σατανᾶς, verweisen auf Z. 1238 des „Großen Pariser Zauberpapyrus“ (Pap.Graec.Mag. I 4,1238 [frühes 4. Jh. n. Chr.]); der dort griechisch wiedergegebene Text ist allerdings koptisch. – Als Beleg endgültig auszuscheiden ist wohl O.Masada 793,2 (vgl. BL X 64), denn das Ostrakon wurde zwar mittlerweile in die 2. Hälfte des 1. Jh. n. Chr. datiert (anstatt 5.–6. Jh., ed.pr.), aber die Lesung [ - - - ]ι νικᾷς Σατα̣ [ν - - - ] wird abgelehnt; möglich wäre [φοι]νίκας Σατα[οῦτος] oder Σατά[λων] (Ort in Armenia Minor) oder Σατά[λκων] (Ort in Mesopotamia). 313 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 314 Pap.Graec.Mag. I 5,508 (4. Jh. n. Chr.); II 7, Kol. I* 15.20 (3. Jh. n. Chr.). In PSI Congr. XVII 22,3 (nach 19. Januar 114 v. oder 78 v. Chr.) trifft man auf eine Person namens Νόημα.
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Einleitungsteil des Briefcorpus (2Kor 1,3–2,13)
nung mit Zenon aber nicht zustande gekommen (ἀκούσας δὲ ὅτι τὸ λεπ[ - - - | - - ὅπω]ς̣ ἂν παραγενόμενος εἰς τὸ Ἑλλήνιον θύσηις, συνήν[τησα - - - | - - - ]νου), weshalb er nun nachfrage – Z. 9: εἰ οὖν τι ἀναγκαῖόν ἐστιν, γράψομ (l. γράψον) μοι ὅπως παρα[γένωμαι] („wenn es also etwas Notwendiges gibt, schreib mir, damit ich komme“).
Das Beispiel aus dem Zenon-Archiv wirft aus mehreren Gründen ein Licht auf die Hintergründe des vorliegenden Abschnitts bei Paulus: wir können annehmen, dass es – bei vielen Schwierigkeiten und Gefahren auf damaligen Reisewegen – möglich war, über einen weit genug und dicht genug verzweigten Freundes- oder Bekanntenkreis den manchmal auch wechselnden Aufenthaltsort einer wichtigen Persönlichkeit auch kurzfristig ebenso zu vermitteln wie deren Wunsch nach Nachrichten oder einer persönlichen Begegnung. Andererseits konnten Umstände verschiedenster Art eine solche Begegnung verzögern oder sogar verhindern; diese reichten von Transportschwierigkeiten über Krankheiten bis hin zu dienstlichen oder privaten Verpflichtungen, die unerwartet die Betroffenen in Anspruch nehmen konnten (siehe die zahlreichen Beispiele, die oben S. 160–165 angeführt werden). In einem Papyrusbrief aus dem 1. oder 2. Jh. n. Chr. kommt offen die Enttäuschung darüber zum Ausdruck, dass ein erhofftes Zusammentreffen nicht stattgefunden hat: Der Absender Severus rügt einen gewissen Limnaios – P.Oslo II 50,3–10:315 θέλω σε γεινώσκειν ὅ̣ τι παραγε|νόμενος εἰς τὴν πόλιν Ἀρσινο|είτου ἔ̣[γ]ν̣ ωκας ὅτι ἦλθον ἀπ᾽ Ἀ|λεξαν̣ [δρεία]ς̣ καὶ οὐκ ἦλθες ἐπι|σκέψ[ασθαί] με. οὐ ταῦτα ἤλπι|ζόν [ἀπὸ σο]ῦ ἔχειν. ἐγὼ γὰρ νομί|[ζων σε ἀδελ]φὸν ἔσχηκά̣ σ̣ ε̣ δὲ ἐκ|[θρὸν (l. ἐχθρὸν)] („ich möchte, dass du weißt, dass du, als du in die Stadt des Arsinoites kamst, erfahren hast, dass ich von Alexandria gekommen bin, und du bist nicht gekommen, mich zu sehen. Das habe ich nicht gehofft, von dir zu haben. Denn ich hielt dich für einen Bruder und habe dich aber als Feind erhalten316“). Das erhoffte Zusammentreffen der beiden hat also nicht stattgefunden, woran Severus einzig und allein Limnaios die Schuld gibt.
Ein anschauliches Beispiel, bei dem – wie auch bei Paulus – das Verb εὑρίσκω verwendet wird, findet sich in einem amtlichen Brief aus dem 2. Jh. n. Chr.: In P.Brem. 20,7 (2. Hälfte 116–120 n. Chr.?) schreibt ein Apollonios an den Strategen Apollonios über einen gewissen Plution (vermutlich waren sowohl der Briefsender als auch Plution im Auftrag des Strategen unterwegs) – Z. 7–11: Πλουτίωνα παρεπιδημοῦν|τα οὐχ εὗρον, λέγεται δὲ τὸ ἐντόλιόν | σου ἀπηρτικέναι. τοῦτο οὖν εὐθέως, | ἐὰν παραγένηται, ἀναπεμφθή|σεταί σοι („Plution fand ich nicht im 315 Für die in BL III 122–123 vorgeschlagenen Berichtigungen zu diesem Text finden sich keinerlei Hinweise auf dem Papyrus (siehe Foto unter , 1. März 2013); sie sind daher abzulehnen. 316 Zur Lesung ἔσχηκά̣ σ̣ ε̣ δέ (statt ἔσχηκ[α̣ ὧ̣ ]δε ed.pr.) siehe Kreinecker, 2. Thessaloniker 29 Anm. 54.
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Bericht über den Aufenthalt in Troas: 2Kor 2,12–13 – Einzelheiten: 2Kor 2,12
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Ort anwesend; man sagt aber, dass er deinen Auftrag ausgeführt hat. Das317 wird dir nun sofort, wenn er eintrifft, hinaufgeschickt werden“).318
Als Hintergrundsituation für den vorliegenden Paulustext ist vorstellbar, dass der Apostel mit gutem Grund erwarten konnte, Titus würde innerhalb eines ausgemachten Zeitrahmens mit ihm in Troas zusammentreffen. Vermutlich hatte er Titus eine entsprechende Nachricht zukommen lassen oder mit ihm bereits im Vorhinein das Treffen vereinbart. Ganz offensichtlich hat – nach dem nicht erfolgten Eintreffen des Titus in Troas – die Weiterreise des Paulus nach Makedonien das Risiko keineswegs erhöht, dass Titus ihn dann erst recht verfehlen könnte. Auch in diesem Aspekt liegt eine Parallele zum Brief aus dem Zenon-Archiv vor. Vermutlich konnte Paulus seine privaten Nachrichtenwege nutzen, um Titus (spätestens bei dessen Eintreffen in Troas) über seinen Ortswechsel zu informieren.319 In Makedonien hat das Zusammentreffen dann auch tatsächlich stattgefunden (vgl. 7,5–6). Über die eigentlichen Gründe für die Verspätung erfahren wir nichts. 2,112 ἐλθὼν δὲ εἰς τὴν Τρῳάδα320 – Die „Troas“, die Paulus vor seiner Weiterfahrt nach Makedonien besucht, findet innerhalb der Papyri nur selten Erwähnung. So handelt es sich etwa bei einem gewissen Arkas, der in CPR XVIII 18 (231 oder 206 v. Chr.) als Darlehensgeber auftritt, um einen „Alexandriner aus dem (nämlichen Alexandria) in der Troas“ (Z. 368: Ἀλεξανδ̣ [ρ]ε̣ὺς τῆς ἀπὸ̣ Τρωιδος), und in P.Erasm. II 40,24 (152 v. Chr.), der Quittung eines Schiffsfrachtunternehmers, wird der Schreiber Apollonios ebenso bezeichnet.321 317
Gemeint ist der Bericht über die Ausführung des Auftrags. Ähnlich P.Köln XI 440,2–4 (21. November 213 v. Chr.). – Ein Hermaios hingegen bestätigt ein erfolgreiches Zusammentreffen – P.Brem. 14,5–7 (ca. 113–120 n. Chr.): ὁ ἀπό σοῦ φύλαξ εὗρέ με | ἐπὶ τῆς καινῆς ἀφέσεως ἐκζητοῦντα | ἐργάτας εἰς ἐπένχωσιν („der von dir geschickte Wächter fand mich bei der neuen Schleuse, als ich Arbeiter zum Zuschütten aussuchte“). Um ein wohl eher zufälliges Zusammentreffen geht es hingegen in P.Mich. VIII 490,5–7 (2. Jh. n. Chr.): καὶ ἀπὸ Κυρήνης εὑρὼν | τὸν πρὸς σὲ ἐρχόμενον ἀνάνκην ἔσχον σοι | δηλῶσαι περὶ τῆς σωτηρίας μου („und von Kyrene aus hielt ich es, als ich jemanden antraf, der zu dir unterwegs war, für eine Notwendigkeit, dir über mein Wohlergehen zu schreiben“); einige Zeilen später schreibt der Briefsender dann in umgekehrter Hinsicht – Z. 12–16: καὶ σὺ δὲ μὴ ὤκνι (l. ὄκνει) γρά|φιν περὶ τῆς σωτηρίας σου καὶ τῆς τῶν ἀδελ|φῶν μου. ἐὰν δὲ μὴ εὕρῃς τὸν ἐρχόμενον | πρὸς ἐμὲ γράψον Σωκράτη (l. Σωκράτει) καὶ αὐτός μοι | διαπέμπεται („und du zögere nicht, über dein Wohlergehen zu schreiben und das meiner Brüder! Wenn du aber niemanden findest, der zu mir unterwegs ist, schreib Sokrates, und er wird es mir übermitteln!“); ähnlich BGU II 380,18–19 (3. Jh. n. Chr.). 319 Siehe dazu auch unten bei den Einzelheiten zu 2,13. 320 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 321 Dass sich immer wieder Menschen troischer Abstammung in Ägypten befanden, belegt auch das Adjektiv Τρωΐτης (gemäß LSJ s. v. Τρωΐτης „‚native of Troia‘ in Egypt“), wie es in mehreren Texten aus dem Zenon-Archiv vorkommt (z. B. P.Cair.Zen. IV 59745,41–41.65.69.82 [255– 254 v. Chr.] von Steinbrucharbeitern). W.M. Brashear (in BGU XVI S. 126) zufolge ist in BGU XVI 2630,13 (10 v. Chr.) – wie auch schon zuvor in BGU VIII 1784,6 sowie 1807,3 (beide 64–44 318
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Einleitungsteil des Briefcorpus (2Kor 1,3–2,13) ‹ 1,1
– Zu εὐαγγέλιον im Sinne einer „guten Nachricht“ liegen bisher nur zwei nicht christlich geprägte Papyrusbelege aus dem 2. und 3. Jh. n. Chr. vor (P.Oxy. LV 3810,10 [2.–3. Jh. n. Chr.] und SB I 421,1 [Anfang März 236 n. Chr.]).322
εἰς τὸ εὐαγγέλιον τοῦ Χριστοῦ
καὶ θύρας μοι ἀνεῳγμένης ἐν κυρίῳ ‹ 1,2 - Das gleiche Bild von der sich öffn-
enden Tür hat Paulus bereits in 1Kor 16,9 verwendet, dort im Zusammenhang mit seiner Mission in Ephesos. An der vorliegenden Stelle bezieht er es auf seine Verkündigung des Evangeliums in Troas. Das Öffnen von Türen wird zwar auch in den dokumentarischen Papyri bezeugt,323 die bildhafte Verwendung ist bisher aber nicht belegt. 2,113 οὐκ ἔσχηκα ἄνεσιν τῷ πνεύματί ‹ 1,22 μου – Der Begriff ἄνεσις324, das zu ἀνίημι („loslassen“) gehörige Nomen actionis, begegnet innerhalb der Papyri in diversen Zusammenhängen; was also einem Menschen „Erleichterung“ verschafft, ist vollkommen situationsabhängig: So bittet in P.Cair.Zen. IV 59639,3–4 (Mitte 3. Jh. v. Chr.) ein Gefangener darum, eine „Milderung“325 seiner Haftstrafe zu erlangen: ἄνεσιν λα|βῖν. An mehreren Stellen wird in P.Giss. I 59 (119–120 n. Chr.) das Wort herangezogen, um die vorübergehende (drei- bzw. siebenjährige) Befreiung von einer Liturgie (vacatio munerum) zu benennen (vgl. Kol. I 7b.12b.13.17b.17a; Kol. II 3.12b.13a; Kol. III 1.5.13.14a.21.22a; Kol. IV 6.9.15.19.21; des Öfteren kombiniert mit ἔχειν).326 Die in P.Gen. III 143,7 (2. Jh. n. Chr.) erwähnte ἄνεσις327 scheint sich auf eine Steuererleichterung zu beziehen. Um die „Aufhebung“ einer Landbeschlagnahme geht es hingegen in P.Ryl. II 84, Verso 5 (nach 1. August 201 n. Chr.).328
τῷ μὴ εὑρεῖν με Τίτον τὸν ἀδελφόν ‹ 1,1 μου – Zum papyrologischen Hinter-
grund eines nicht erfolgten Zusammentreffens siehe oben in der Einleitung zu diesem Abschnitt (dort sind auch einige Beispiele mit εὑρίσκω in der Bedeutung „finden, antreffen“ angeführt). v. Chr.) – unter Τρωΐτης eine Toparchie(?) zu verstehen; vor allem in den beiden Erstgenannten wäre es aber durchaus denkbar, das Wort doch als Personenbezeichnung aufzufassen. In einer näheren Klassifizierung von Keramik begegnet das Adjektiv Τρωαδησία (z. B. P.Oxy. L 3596,19 [219–255 n. Chr.]). 322 Siehe dazu Arzt-Grabner, Philemon 219. Aus vorpaulinischer Zeit stammt P.Köln IX 364,5 (3. Mai 270 oder 29. August 232 v. Chr.), wo der Begriff allerdings in der Bedeutung „Geschenk“ begegnet. 323 Siehe dazu R. E. Kritzer und P. Arzt-Grabner in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 514; Ph. Schmitz in P.Iand.Zen. S. 111 (zu P.Iand.Zen. 44,6 [Mitte 3. Jh. v. Chr.]). 324 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 325 In gleicher Bedeutung begegnet ἄνεσις in Apg 24,23 (dort mit ἔχειν). 326 Vgl. ebenso BGU XV 2474,10 (2.–3. Jh. n. Chr.). 327 Ob es sich dabei um ein Substantiv handelt, ist fraglich (genauer dazu P. Schubert in P.Gen. III S. 161–162). 328 Bei den in P.Tebt. I 24,74 (nach 22. Mai 117 v. Chr.) erwähnten ἐ̣ν̣ ἀν[έ]σει γεγονότες (im Text Akk. -ας) handelt es sich um „nachlässig gewordene“ Beamte.
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Die kausale Verwendung eines freien Dativs (hier τῷ μὴ εὑρεῖν) ist insgesamt für die Koine und so auch für die dokumentarischen Papyri gut bezeugt.329 Der römische Personenname Titus ist in den dokumentarischen Quellen aus Ägypten ab der Zeit der römischen Herrschaft bezeugt. Die ältesten Belege stammen aus dem militärischen Ambiente: bei BGU IV 1104,33– 35 (9–8 v. Chr.) handelt es sich um eine Darlehensvereinbarung zwischen den Soldaten Titus Aufidius und Egnatius Festius Quirina; die Aufschrift auf einem Terrakottagefäß, das dem Versand von Getreideproben diente, SB VI 9223 (1. November 2 v. Chr.), erwähnt in Z. 5 einen Titus Pompeius, dessen centuria der auf dem Transportschiff mitfahrende Soldat Lucius Castricius angehörte.330 Beim Graffito SB XXII 15652 (28. Mai 32 n. Chr.) hingegen handelt es sich um das Proskynema des Sekretärs (γραμματεύς) Titus Petillius und der Seinen.
ἀλλὰ ἀποταξάμενος αὐτοῖς – Die Bedeutungsbreite von ἀποτάσσω in den
dokumentarischen Papyri und Ostraka ist relativ groß und reicht von „bestimmen, Weisung geben“ über „loslösen, befreien“, „entsenden, beordern, abkommandieren“ oder (medial) „sich verabschieden“ bis hin zu (ebenfalls medial) „verstoßen, sich lossagen“.331 Der genaue Sinn ergibt sich aus dem jeweiligen Kontext, der für die vorliegende Stelle die Bedeutung „sich verabschieden, Lebewohl sagen“ nahelegt. Vergleichbare Beispiele finden sich auch in zeitlicher Nähe zu Paulus: So schreibt ein gewisser Theoktistos am Ende seines relativ langen Briefes an Apollonios in einem Postscriptum – BGU III 884, Kol. II 13–14 (ca. 75–85 n. Chr.): πρὶν οὖν ἀπέλθῃς πρὸς Χαιρήμονα, | ἀνά(βαινε) πρός με, ἵνα σοι ἀποτάξομαι (l. ἀποτάξωμαι) („bevor du also zu Chairemon abreist, komm herauf zu mir, damit ich dir Lebewohl sage“). Wie aus dem – teilweise nur bruchstückhaft erhaltenen – privaten Brief hervorgeht, hat der Absender mit dem genannten Chairemon einen Konflikt, der ihm Kummer bereitet. Intention des Postscriptums war deshalb höchstwahrscheinlich nicht nur, dem Apollonios ein einfaches „Lebewohl“ sagen zu können, sondern auch, ihn vor seiner Abreise zu Chairemon noch mündlich besonders instruieren zu können, ihm also über den Brief hinaus noch Anweisungen zu geben, wie er sich gegenüber Chairemon verhalten sollte. Relativ umfangreich ist auch der Privatbrief eines Ptolemaios an seine Mutter Zosime und seine Schwester Rodus, SB XVIII 13867 (Mitte 2. Jh. n. Chr.), worin er sich u. a. über eine Frau, in die er vielleicht verliebt ist,332 mit den Worten beklagt –
329
Siehe Mayser, Grammatik II.1 323–324; II.3 61; vgl. Moulton/Turner, Grammar III
142. 330
Siehe dazu Palme, Aufgaben 311. Siehe zu diesen und weiteren Bedeutungen (mitsamt Belegen) Preisigke, Wörterbuch s. v. ἀποτάσσω; zu den Bedeutungen „einsetzen, beordern, abkommandieren“ und „verabschieden, Lebewohl sagen“ außerdem Kiessling, Wörterbuch s. v. ἀποτάσσω. 332 Siehe dazu Bülow-Jacobsen/McCarren, P.Haun. 14, P.Mich. 679, and P.Haun. 15 – A Re-edition 73–74; zum ganzen Text auch Bagnall, Egypt 234–235. 331
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Z. 94–98: ὀρ̣ γ̣ίζ̣ ̣ ομε δὲ | ὅτι οὐκ ἀπετά|ξατό μ̣ οι ἀλλὰ | ἄ̣ ν̣ ε̣υ̣ μοῦ ἀ̣ πε|δήμ̣ ησε („ich bin aber erzürnt, weil sie mir nicht Lebewohl sagte, sondern ohne mich abreiste“). Der auf einem Ostrakon erhaltene Privatbrief einer gewissen Sentis oder eines Sentios333 an einen Proclus, O.Florida 17 (Mitte – Ende 2. Jh. n. Chr.), enthält die eigenartige Notiz – Z. 6–8: οὐκ ἔπεμ|ψά συ (l. σοι), ἄδελφε, κρέες (l. κρέας) ἵνα | μὴ ἀποτάξωμαί συ (l. σοι) („ich habe dir, Bruder, kein Fleisch geschickt, damit ich dir nicht Lebewohl sage“). Der Hg., R. S. Bagnall, vermutet dazu: „The only sense that is reasonable is that Sentis fears that Proclus will die from bad meat, although this seems a curious way to express it.“334
Die Beispiele zeigen zwei wichtige Aspekte auf: Mediales ἀποτάσσομαι kann bei einem Abschied sowohl von jener Person zum Ausdruck gebracht werden, die abreist, als auch von jener, die zurückbleibt, es geht also um ein „Lebewohl-Sagen“;335 und außerdem kann dabei auch das Erteilen von Instruktionen stattfinden, was vor allem im Fall von BGU III 884 wahrscheinlich ist.336 Dieser Aspekt könnte auch an der vorliegenden Paulusstelle eine Rolle spielen. Sein Lebewohl-Sagen vor der Abreise nach Makedonien wird vermutlich auch Anweisungen an die Glaubensschwestern und -brüder in Troas mit eingeschlossen haben, vor allem dahingehend, was sie Titus sagen sollten, sobald er eintreffen würde. ‹ 1,16
– Das Verb ἐξέρχομαι ist im hier verwendeten Sinn „abreisen, sich wohin begeben“ in den dokumentarischen Papyri und Ostraka gut bezeugt.337 Mit Angabe des Zielortes begegnet die Konstruktion ἐξέρχομαι εἰς z. B. in P.Stras. VII 606,7 (Anfang 2. Jh. n. Chr.); BGU II 388, Kol. II 42 (ca. 157–159 n. Chr.); P.Mil.Vogl. II 66, Rekto 3 (2. Jh. n. Chr.); P.David 16,11; P.Haun. II 22,3 (beide 2.–3. Jh. n. Chr.); SB VI 9415 (29),6–7 (12. Januar 253 n. Chr.?); P.Oxy. VII 1070,53 (3. Jh. n. Chr.)338.
ἐξῆλθον εἰς Μακεδονίαν
333
Beachte BL VIII 519. R. S. Bagnall in O.Florida S. 57. 335 So bereits ausführlich U. Wilcken in P.Brem. S. 52; siehe dazu ferner (in ironischem oder sogar negativem Sinn) P.Brem. 16,12–13 (ca. 31. August 117 n. Chr.) und P.Oxy. II 298,31 (1. Jh. n. Chr.; hier im negativen Sinn von „loswerden“). 336 Eindeutig um das Erteilen von Instruktionen geht es in O.Claud. I 147,8–9 (2. Jh. n. Chr.): ὥς σοι ἀπετα|ξάμην, μηδὲν λ̣ οιπο̣ ῦ̣ (l. λυποῦ) („wie ich dich angewiesen habe, mach dir keinen Kummer“). 337 Zahlreiche Belege bei Preisigke, Wörterbuch s. v. ἐξέρχομαι 7), und Kiessling, Wörterbuch s. v. ἐξέρχομαι 1). Siehe ferner z. B. P.IFAO II 2,4 (15. März 14 v. Chr.); SB XIV 11644,4–6 (1.–2. Jh. n. Chr.); XXIV 16187,2 (ca. 150 n. Chr.); P.Mich. VIII 479,8; 480,6 (beide frühes 2. Jh. n. Chr.); P.Worp 51,8; SB XXII 15454,6 (beide 2. Jh. n. Chr.); P.Berl.Cohen 15,5 (2.–3. Jh. n. Chr.). – Ähnlich häufig wird das Synonym ἀπέρχομαι verwendet; Belege wieder bei Preisigke, Wörterbuch s. v. ἀπέρχομαι 8), und Kiessling, Wörterbuch s. v. ἀπέρχομαι 1). 338 Zum gesamten Text siehe oben S. 87–90. 334
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Dank für die Berufung zum Diener: 2Kor 2,14–7,4
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13) 2Kor 2,14–7,4 Dank für die Berufung zum Diener eines neuen Testaments 14 Gott aber (sei) Dank, der uns allezeit in Christus im Triumph führt und durch uns den Duft seiner Erkenntnis an jedem Ort bekannt macht; 15 denn wir sind Christi Wohlgeruch für Gott bei denen, die gerettet werden, und denen, die verenden, 16 den einen ein Duft aus dem Tod in den Tod, den anderen ein Duft aus dem Leben ins Leben. Und wer bringt dafür genug mit? 17 Denn wir sind nicht wie die vielen, die das Wort Gottes verhökern, sondern wie aus Rechtschaffenheit, sondern wie aus Gott reden wir vor Gott in Christus. 3 Fangen wir wieder an, uns zu empfehlen? Oder brauchen wir etwa wie irgendwelche Leute Empfehlungsbriefe an euch oder von euch? 2 Unser Brief seid ihr, er ist eingeschrieben in unseren Herzen, er wird erkannt und wiedererkannt (= gelesen) von allen Menschen, 3 die ihr bekannt macht, dass ihr ein Brief Christi seid, dem von uns gedient wird (oder: der von uns im Dienst besorgt wird), eingetragen nicht mit Tinte, sondern mit dem Geist des lebenden Gottes, nicht auf steinernen Tafeln, sondern auf Tafeln, die Herzen aus Fleisch sind. 4 Durch Christus aber haben wir ein solches Vertrauen zu Gott. 5 Nicht dass wir von uns aus imstande sind, etwas in Rechnung zu stellen, als wäre es aus uns selbst, sondern unsere Eignung kommt aus Gott, 6 der uns auch befähigte zu Dienern eines neuen Bundes, nicht des Buchstabens, sondern des Geistes; denn der Buchstabe tötet, der Geist aber macht lebendig. 7 Wenn aber der Dienst des Todes, der mit Buchstaben in Steine eingemeißelt ist, in Herrlichkeit geschah, so dass die Söhne Israels nicht genau ins Gesicht des Mose hinsehen konnten wegen der Herrlichkeit seines Gesichtes, die wirkungslos ist, 8 wie wird nicht vielmehr der Dienst des Geistes in Herrlichkeit sein? 9 Wenn nämlich dem Dienst der Verurteilung Herrlichkeit zukommt, wird der Dienst der Gerechtigkeit viel mehr in überreichem Maße in Herrlichkeit bestehen. 10 Denn das, was verherrlicht worden ist, ist in diesem Teil auch nicht wegen der übertreffenden Herrlichkeit verherrlicht worden. 11 Wenn nämlich das, was wirkungslos ist, durch Herrlichkeit besteht, besteht das Bleibende viel mehr in Herrlichkeit. 12 Indem wir also solche Hoffnung haben, gebrauchen wir viel freimütige Rede 13 und nicht, wie Mose eine Hülle auf sein Gesicht legte, damit die Söhne Israels nicht genau hinsehen auf das Ende dessen, was wirkungslos ist. 14 Aber ihre Gedanken wurden verhärtet. Denn bis zum heutigen Tag bleibt dieselbe Hülle auf dem Vorlesen des alten Bundes, und es wird nicht enthüllt, dass sie in Christus wirkungslos gemacht wird; 15 sondern bis heute liegt, wann immer Mose vorgelesen wird, eine Hülle auf ihrem Herzen. 16 Sobald er (oder: du) aber den Sinn auf den Herrn richtet (oder: richtest), wird die Hülle entfernt. 17 Der Herr
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
aber ist der Geist; wo aber der Geist des Herrn (ist), (ist) Freiheit. 18 Wir alle aber spiegeln mit enthülltem Gesicht die Herrlichkeit des Herrn wider und werden in dasselbe Bild verwandelt von Herrlichkeit zu Herrlichkeit gleichwie vom Geist des Herrn. 4 Deswegen, da wir diesen Dienst haben, wie uns Erbarmen zuteil geworden ist, werden wir nicht mutlos, 2 sondern wir entsagten dem Verborgenen der Schande, indem wir nicht in Hinterlistigkeit umhergehen und nicht das Wort Gottes verfälschen, sondern durch die Offenbarung der Wahrheit uns empfehlen an jedes Gewissen der Menschen vor Gott. 3 Wenn unser Evangelium aber auch verdeckt ist, ist es unter denen verdeckt, die verenden, 4 unter denen der Gott dieser Zeit die Gedanken der Ungläubigen blind gemacht hat, damit der Glanz des Evangeliums der Herrlichkeit Christi nicht leuchtet, der ein Bild Gottes ist. 5 Denn wir verkünden nicht uns, sondern Jesus Christus als Herrn, uns aber als eure Sklaven durch Christus. 6 Denn Gott, der sagt: aus Finsternis wird Licht leuchten, dieser leuchtete in unseren Herzen zum Glanz der Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes im Angesicht Jesu Christi. 7 Diesen Schatz aber bewahren wir in irdenen Gefäßen, damit das Übermaß von der Macht Gottes kommt und nicht aus uns; 8 in allem sind wir Bedrängte, aber nicht Beengte, ohne Ausweg, aber nicht ganz ohne Ausweg, 9 Verfolgte, aber nicht Verlassene, Niedergeworfene, aber nicht Verendende, 10 allzeit solche, die das Sterben Jesu am Leib umhertragen, damit auch das Leben Jesu an unserem Leib sichtbar gemacht wird. 11 Denn immer werden wir Lebende durch Jesus an den Tod übergeben, damit auch das Leben Jesu sichtbar gemacht wird an unserem sterblichen Leib. 12 Daher ist der Tod in uns am Werk, das Leben aber in euch. 13 Da wir aber denselben Geist des Glaubens haben gemäß dem, was geschrieben worden ist: „Ich fand zum Glauben, deshalb redete ich“, glauben auch wir, deshalb reden auch wir, 14 weil wir wissen, dass der, der den Herrn Jesus auferweckt hat, auch uns mit Jesus auferwecken und mit euch vorführen wird. 15 Denn das All (oder: alles) ist durch euch, damit die Gnade wächst und durch eine immer größere Zahl [der Bekehrten] die Danksagung steigert zum Ruhm Gottes. 16 Deswegen ermüden wir nicht, sondern wenn auch unser äußerer Mensch vernichtet wird, wird aber unser innerer erneuert Tag um Tag. 17 Denn das augenblicklich Leichte unserer Bedrängnis erwirkt uns von Übermaß zu Übermaß ein ewiges Gewicht an Ruhm, 18 da wir nicht Acht geben auf das Sichtbare, sondern auf das Nicht-Sichtbare; denn das Sichtbare ist Vorübergehendes, das Nicht-Sichtbare aber Ewiges. 5 Denn wir wissen, dass, wenn unser irdisches Zelthaus zerstört wird, wir einen Bau von Gott her haben, ein Haus, nicht von Hand gefertigt, ein ewiges in den Himmeln. 2 Denn auch darin seufzen wir und sehnen uns danach, uns unsere Behausung, die aus dem Himmel, darüber anzuziehen, 3 wenn anders wir, auch wenn wir uns ausziehen/anziehen, nicht werden als nackt befunden werden. 4 Denn auch wir, die wir im Zelt sind, seufzen
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unter Belastungen, weil wir uns nicht ausziehen, sondern uns etwas darüber anziehen wollen, damit das Sterbliche vom Leben verschlungen wird. 5 Der aber, der uns zu eben dem bereitet hat, ist Gott, der, der uns das Angeld des Geistes gibt. 6 Wir (sind) also allzeit zuversichtlich und wissen, dass wir, während wir im Körper zu Hause sind, vom Herrn weg sind. 7 Denn durch Glauben gehen wir umher, nicht durch Sichtbares; 8 und wir sind zuversichtlich und halten es für gut, eher den Leib zu verlassen und daheim zu sein beim Herrn. 9 Deswegen bemühen wir uns auch eifrig, ob wir daheim oder weg sind, ihm wohlgefällig zu sein. 10 Denn wir alle müssen bekannt gemacht werden vor dem Richterstuhl Christi, damit ein jeder das bekommt, was dem entspricht, das er durch den Leib getan hat, sei es Gutes oder Schlechtes. 11 Weil wir also die Furcht vor dem Herrn kennen, überzeugen wir Menschen, Gott aber sind wir bekannt gemacht worden; ich hoffe aber, auch in euren Gewissen bekannt gemacht worden zu sein. 12 Wir empfehlen uns euch nicht neuerlich, sondern wir geben euch eine Gelegenheit zum Ruhm für uns, damit ihr (etwas) habt gegen die, die sich im Gesicht rühmen und nicht im Herzen. 13 Denn sei es, dass wir verrückt sind, für Gott; sei es, dass wir besonnen sind, für euch. 14 Denn die Liebe Christi hält uns fest (und gibt uns Halt), die wir dies urteilen, dass einer für alle gestorben ist, also sind alle gestorben; 15 und er ist für alle gestorben, damit die Lebenden nicht mehr für sich leben, sondern für den, der für sie gestorben und auferweckt worden ist. 16 Daher kennen wir ab jetzt niemanden dem Fleisch nach; wenn wir auch Christus dem Fleisch nach gekannt haben, aber jetzt kennen wir (ihn) nicht mehr (so). 17 Wenn daher jemand in Christus ist, ist er eine neue Schöpfung. 18 Und alles ist aus Gott, der uns (mit) sich durch Christus versöhnt und uns den Dienst der Versöhnung gegeben hat, 19 wie dass Gott der war, der in Christus die Welt (mit) sich versöhnt (hat), indem er ihnen ihre Verfehlungen nicht anrechnet und in uns das Wort der Versöhnung (grund)legt. 20 Für Christus also sind wir Botschafter, wie wenn Gott durch uns trösten/bitten würde; wir bitten für Christus: werdet versöhnt (mit) Gott! 21 Den, der Sünde nicht kannte, machte er für uns zur Sünde, damit wir werden Gerechtigkeit Gottes in ihm. 6 Als Mitarbeiter aber bitten wir auch, dass ihr nicht vergebens die Gnade Gottes annehmt; 2 denn er sagt: „Zu annehmbarer Zeit erhörte ich dich und am Tag der Rettung half ich dir.“ Siehe, jetzt ist eine gut annehmbare Zeit, siehe, jetzt ist der Tag der Rettung. 3 Niemandem geben wir irgendeinen Anstoß, damit der Dienst nicht getadelt wird, 4 sondern in allem empfehlen wir uns als Diener Gottes, in großer Geduld, in Bedrängnissen, in Zwangslagen, in Engpässen, 5 bei Schlägen, in Haftaufenthalten, in Unruhen, in Mühen, bei Schlaflosigkeiten, in Zeiten des Fastens, 6 in Reinheit, in Erkenntnis, in Langmut, in Güte, im heiligen Geist, in ungeheuchelter Liebe, 7 im Wort der Wahrheit, in Gottes Macht; durch die Waffen der Gerechtigkeit, die rechten und die linken, 8 durch Ruhm und
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Beschimpfung, durch schlechte Nachrede und gute Nachrede; wie in die Irre Führende und (doch) Wahrhaftige, 9 wie Unwissende und (doch) ganz Verstehende, wie Sterbende und siehe, wir leben, wie solche, die gezüchtigt und (doch) nicht umgebracht werden, 10 wie solche, denen man Kummer bereitet, die sich aber immer freuen, wie Bettler, die aber viele reich machen, wie solche, die nichts haben und (doch) alles besitzen. 11 Unser Mund hat sich zu euch hin geöffnet, Korintherinnen und Korinther, unser Herz ist weit geworden; 12 ihr seid nicht beengt in uns, aber ihr seid beengt in eurem Inneren. 13 Als Gegenleistung eben, wie zu Kindern rede ich, werdet auch ihr weit! 14 Geratet nicht unter das fremde Joch von Ungläubigen! Denn an welchem Geschäft haben die Gerechtigkeit und die Gesetzlosigkeit gemeinsam Anteil, oder welche Gemeinschaft hat das Licht mit der Finsternis? 15 Und welche Übereinstimmung hat Christus mit Beliar, oder welchen Anteil hat ein Gläubiger gemeinsam mit einem Ungläubigen? 16 Und welches Übereinkommen hat der Tempel Gottes mit Götzen? Denn wir sind ein Tempel des lebenden Gottes, wie Gott sagte: „Ich werde unter ihnen wohnen und umhergehen und ich werde ihr Gott sein, und sie werden mein Volk sein. 17 Deshalb geht heraus aus ihrer Mitte und grenzt euch ab“, sagt der Herr, „und berührt nichts Unreines! Und ich werde euch aufnehmen 18 und ich werde euch zum Vater sein, und ihr werdet mir zu Söhnen und Töchtern sein“, sagt der Herr, der Allmächtige. 7 Da wir nun diese Verheißungen haben, Geliebte, wollen wir uns reinigen von jeder Befleckung von Fleisch und Geist, wobei wir die Heiligung in Gottesfurcht vollenden. 2 Macht uns Platz! Niemandem haben wir Unrecht getan, niemanden verdorben, niemanden übervorteilt. 3 Nicht zur Verurteilung rede ich; denn ich habe vorher gesagt, dass ihr in unseren Herzen seid, um mit zu sterben und mit zu leben. 4 Großen Freimut habe ich euch gegenüber, großes Rühmen über euch habe ich; ich bin erfüllt von Trost, reichen Überfluss habe ich an Freude bei all unserer Bedrängnis. Paulus beginnt diesen Abschnitt mit einer Danksagung, doch wird sofort klar, dass er hier nicht die auch in Papyrusbriefen relativ gut bezeugte Konvention aufgreift, für den Erhalt guter Nachrichten über das Befinden der Adressatinnen oder Adressaten einen Dank zu formulieren; an dieser Stelle gilt der Dank Gott für das, was er dem Apostel selbst in seinem Dienst zuteil werden lässt. Das erste Bild, das Paulus dafür verwendet, wurde traditionell als das eines Kriegsgefangenen gedeutet, der im Triumphzug mitgeführt wird.1 Aus papy1 Siehe z. B. Witherington, Conflict 367–370; Kügler, Paulus 158–162; ders., Duftmetaphorik142–149. – Aufbauend auf Duff, Metaphor, sieht Attridge, Making Scents, den Hintergrund für das Bild in religiösen Prozessionen, wie sie zu Ehren von Isis oder Dionysos veranstaltet wurden (in diesem Sinne auch der bisher einzige Papyrusbeleg für πομπή – SB X 10564,21 [Ende 1. – Anfang 2. Jh. n. Chr.], wo es um Festzüge zu Ehren von Isis und Serapis geht; in römischer Zeit wird der Begriff auch für den Triumphzug verwendet). Paulus sehe sich hier als „a slave to the
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rologischer Sicht kann zur Deutung nicht beigetragen werden, da das Verb θριαμβεύω in den Papyri bisher nicht belegt ist. Höchstens entfernt könnte auf die jährliche Konventsreise des Präfekten verwiesen werden, der dabei von zahlreichen Personen begleitet wurde.2 Auf dieser „Dienstreise“ fungierte der Präfekt in den ägyptischen Städten als „Wanderrichter“ in jenen Angelegenheiten, die nicht von einem Delegierten, also einem Einzelrichter bzw. dem Strategen oder Epistrategen erledigt werden konnten.3 Zwei wichtige Begriffsfelder dieses Abschnitts sind einleitend kurz näher zu beleuchten, einerseits die Wortfamilie διακονέω/διακονία/διάκονος und andererseits die Ausdrücke καινὴ διαθήκη bzw. παλαιὰ δαιθήκη. Was die Wortfamilie um διακονέω betrifft, ist insbesondere festzuhalten, dass das Verb im 1. Jh. n. Chr. ausschließlich in Weberlehrverträgen begegnet,4 so dass als Hintergrund für das paulinische Verständnis seines „Dienens“ und seines „Dienstes“ wohl sein eigener Handwerksbereich zu berücksichtigen ist. In derartigen Verträgen wird vereinbart, dass die oder der Auszubildende (ein Sohn, eine Sklavin oder ein Sklave) dem Webermeister in allem zu dienen hat, was dieser im Zusammenhang mit dem Weberhandwerk an Aufträgen erteilt. Paulus sieht sich hier als Lehrling Gottes, dem er auch seine Eignung und Befähigung zu verdanken hat (beachte z. B. 3,5–6). Die Belege für die Substantiva διάκονος bzw. διακονία sind spärlicher.5 In SB V 7696,31 (249 n. Chr.) wird immerhin ein Prytane als „Mittelsperson“ der Ausführung einer Amtshandlung vorgestellt.6 Ganz konkret bezeichnet sich Paulus in 3,6 als „Diener eines neuen Testaments“ (διάκονος καινῆς διαθήκης), das eines des Geistes (πνεύματος) ist und dem in 3,14 das alte Testament (παλαιὰ δαιθήκη) gegenübergestellt wird. triumphing deity, but a slave in his ongoing service, heralding the deity’s approach“ (Attridge, Making Scents 83). Kritisch dazu z. B. Kügler, Paulus 158–173; ders., Duftmetaphorik142–149. Zu den Deutungsmöglichkeiten siehe auch Schmeller, 2Kor 154–160. 2 Vgl. z. B. P.Brem. 53,38–39 (12. Juni 114 n. Chr.; zur Deutung siehe U. Wilcken in P.Brem. S. 125); P.Oxy. VI 931,8–9 (2. Jh. n. Chr.). 3 Siehe dazu Schubart, Einführung 290–291; Wilcken, Konvent 366–422 (mit einer genauen Übersicht über die bereisten Orte auf S. 377); Foti Talamanca, Ricerche I, II.1 und II.2; Lewis, Conventus; Haensch, Konventsordnung; Jördens, Verwaltung 248–254. 4 Siehe dazu ausführlich Arzt-Grabner, Philemon 66–68.70; ders., Weberlehrverträge. SB XII 10946 ist mittlerweile entsprechend der Neuedition von Kruse, Neuedition, als SB XXIV 16253 zu zitieren; zur Datierung zwischen Ende 97 n. Chr. und spätestens Anfang 103 n. Chr. siehe S. 151 (die Datierung „v. Chr.“ in Arzt-Grabner, Philemon 67, ist ein Tippfehler). – Zu den Lehrverträgen insgesamt siehe Montevecchi, Contratti; Bergamasco, διδασκαλικαί; Westermann, Apprentice Contracts; ferner die bei Arzt-Grabner, Philemon 66 Anm. 30, angegebene Literatur. 5 Vgl. F. Winter und P. Arzt-Grabner in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 140– 141; P. Arzt-Grabner in ders./Kritzer u. a., 1. Korinther 413–414. 6 Zur Deutung siehe Kiessling, Wörterbuch s. v. διάκονος. Wohl ähnlich, aber leider in fragmentarischem Kontext P.Louvre II 104,8–9 (2. Jh. n. Chr.). – Deissmann, Licht 322, verweist auf den parallelen Terminus minister Augusti (Beamte des Kaiserkults?) in Belegen aus Pompeji (vgl. Bultmann, 2Kor 216 Anm. 24).
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Auf Papyrus sind zahlreiche Testamente oder letztweilige Verfügungen aus römischer Zeit erhalten geblieben.7 In zeitlicher Nähe zu Paulus wurden z. B. abgefasst: P.Mich. V 321 (1. Dezember 42 n. Chr.); 322 a mit BL IX 160 (1. November 46 n. Chr.); XVIII 785 A und B (beide 30. Dezember 47 oder 29. Dezember 61 n. Chr.); P.Ups.Frid 1 (24. Juli 48 n. Chr.); BGU I 251 mit BL I 33 und VII 11 (30. März 81 n. Chr.); 183 mit BL I 24–25.434, V 10, VII 10, VIII 20 und XII 11 (26. April 85 n. Chr.); CPR VI 72 mit BL IX 66; P.Fouad I 33; SB XVIII 13232 (alle 1. Jh. n. Chr.).
Manche der Leserinnen und Leser werden formal diese Textsorte beim Lesen dieses Abschnittes vor Augen gehabt haben, wenngleich hier als Hintergrund ganz entscheidend an den Sinai-Bund und dessen Erneuerung im paulinischen Sinn zu denken ist. Dass auch in der LXX für den Sinai-Bund der griechische Terminus διαθήκη verwendet wird, liegt nach A. Papathomas daran, „dass er eine einseitige Willenserklärung und nicht eine Übereinkunft zweier Parteien wie der Bund bezeichnet […] Es liegt nahe, dass der Sprachgebrauch der Septuaginta auch für die Verwendung des Terminus im NT bestimmend war“8. Von einem „neuen Testament“ oder „neuen Bund“ ist bisher in den dokumentarischen Papyri und Ostraka nicht die Rede. Auf die breite Verwendungsweise der Adjektive καινός und παλαιός hat R. E. Kritzer hingewiesen und bereits im Zusammenhang mit 1Kor 11,25 auch jene Belege vorgestellt, in denen die beiden Adjektive einander direkt gegenübergestellt begegnen.9 Der für einen Vergleich mit 2Kor 3,6.14 wohl ausdrucksstärkste Beleg begegnet in einer Enteuxis, die nach dem 21. Oktober 99 v. Chr. verfasst wurde: Ein gewisser Petesis, Sohn des Chenuphis, wendet sich in UPZ I 108,21–36 ein zweites Mal an den König, weil er – obwohl seiner ersten Enteuxis in vollem Umfang stattgegeben wurde – neuerlich Angriffen auf sein Haus ausgesetzt ist, diesmal durch Numenios, einen Angestellten der Strategie, der, so schreibt Petesis, den Befehl des Königs überschritten und sein Haus angegriffen und ausgeplündert hat. Petesis bentragt deshalb, dass „ein neuer Brief“ – Z. 33: καινὴν ἐπιστολ(ήν) – an den nunmehrigen Gaustrategen Ariston geschrieben wird, worin noch einmal verboten werden soll, dem Haus des Petenten oder ihm selbst Gewalt anzutun.10
Ein vergleichbarer Aspekt zwischen diesem Dokument und dem Gedankengang bei Paulus liegt darin, dass der ersten Enteuxis ja stattgegeben wurde und 7 Siehe dazu Papathomas, Begriffe 164–166; Migliardi Zingale, Testamenti; Fitzgerald, Wills. – Zur Gestaltung der Testamente aus ptolemäischer Zeit siehe bes. W. Clarysse in P.Petr.2 II S. 23–55; für die römische Zeit beachte Wolff, Recht I 133–134.157–159. 8 Papathomas, Begriffe 163–164. 9 Vgl. R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 398–399. 10 Von R. E. Kritzer wird die Situation in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 399, verkürzt und z. T. missverständlich wiedergegeben; der König wird nicht bemüht, „eine Petition verfassen zu lassen“, sondern ersucht, der Petition des Petesis stattzugeben und einen entsprechenden Befehl an den Gaustrategen verfassen zu lassen, der von Petesis als „neuer Brief“ bezeichnet wird.
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Dank für die Berufung zum Diener: 2Kor 2,14–7,4 – Einzelheiten: 2Kor 2,14–15
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dies auch durchaus konkrete Maßnahmen zur Folge hatte, dass diese aber die beklagte Seite nicht davon abhielt, neuerlich dagegen zu verstoßen. Von einem neuen Schreiben des Königs erhofft sich der Petent jenen Nachdruck, der seine Kontrahenten von weiteren Angriffen auf sein Haus abschreckt. In ähnlicher Weise sieht Paulus in einer καινὴ διαθήκη einen zweiten und nun seiner Überzeugung nach tatsächlich heilswirksamen Anlauf. 2,114 τῷ δὲ θεῷ ‹ 1,1 χάρις ‹ 1,2 τῷ πάντοτε θριαμβεύοντι ἡμᾶς ἐν τῷ Χριστῷ ‹ 1,1 – Das Verb θριαμβεύω („triumphieren, im Triumph führen“) ist bisher in den Papyri nicht belegt.11 καὶ τὴν ὀσμὴν τῆς γνώσεως αὐτοῦ φανεροῦντι δι᾽ ἡμῶν ἐν παντὶ τόπῳ – Zur ὀσμὴ τῆς γνώσεως siehe im anschließenden Exkurs über Düfte und Gerüche. Wie F. Winter zu φανερόω festgestellt hat, wohnt dem Verb der „Charak-
ter des Öffentlichen (zuweilen Amtlichen) und Klaren“ inne.12 Die Wendung ἐν παντὶ τόπῳ verwendet Paulus auch im Eingangsgruß des 1Kor (in 1,2). Vor dem papyrologischen Hintergrund ist mit „jedem Ort“ weniger die ganze Welt gemeint als vielmehr jeder einzelne Ort, an dem es bereits Menschen gibt, die in Jesus den Messias/Christus erkannt haben; auch die Versammlungsräume der christlichen Gemeinden könnten gemeint sein.13 Insgesamt bringt Paulus in V. 14 seinen Dank an Gott zum Ausdruck, weil dieser ihn mit sich führt und an jedem einzelnen Ort, wo der Apostel sich gerade aufhält, durch Paulus (und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – δι᾽ ἡμῶν!) öffentlich und klar erkennbar wird. 2,115 ὅτι Χριστοῦ ‹ 1,1 εὐωδία ἐσμὲν τῷ θεῷ ἐν τοῖς σῳζομένοις καὶ ἐν τοῖς ἀπολλυμένοις – Zu εὐωδία siehe im anschließenden Exkurs über Düfte und Gerüche. Vom papyrologischen Befund für ἀπόλλυμι her ist bei den ἀπολλύμενοι an „richtgehend ‚Verendende‘, deren unmenschliches Ende – für Paulus – natürlich auf ihr ungöttliches Leben zurückzuführen ist“14, zu denken. Demgegenüber wird der Gemeinde – wie bereits in 1Kor 1,18 – in Erinnerung gerufen, dass Rettung auf einem „freiwillig gewährten Akt“ beruht, der von einer
11 Das damit lexikalisch verwandte Kompositum ἐκθριαμβίζω („verherrlichen“) begegnet in BGU IV 1061,19 (25. Januar 14 v. Chr.). Zur Bedeutung von θριαμβεύω siehe vor allem Attridge, Scents 71–83.88, der schließlich annimmt, dass Paulus das Bild nicht dem militärischen römischen Triumphzug, sondern dem Bereich religiöser Prozessionen entlehnt hat. Eine Übersicht über die diskutierten Bedeutungen bieten schon Windisch, 2Kor 96–97, und (mit Verweis auf Windisch) Bultmann, 2Kor 66. 12 F. Winter in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 168 (mit einigen Belegen). 13 Siehe dazu (mit den papyrologischen Belegen) P. Arzt-Grabner in ders./Kritzer u. a., 1. Korinther 43–44. 14 F. Winter in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 81 (mit Beispielen S. 80–81).
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einflussreichen Persönlichkeit oder – vom papyrologischen Befund her in zunehmendem Maße – einer Gottheit ausgeht.15 ἐκ θανάτου ‹ 1,9 εἰς θάνατον, οἷς δὲ ὀσμὴ ‹ S. 262 ἐκ εἰς ζωήν. καὶ πρὸς ταῦτα τίς ἱκανός; – Das Adjektiv ἱκανός begeg-
2,116 οἷς μὲν ὀσμὴ ζωῆς
‹ 2,16
‹ S. 262
net hier in der gleichen Bedeutung wie in 1Kor 15,9 und bezeichnet jemanden, der in genügender Weise die Voraussetzungen mitbringt, um etwas tun zu können. Es geht also um eine qualitative Eignung, die in den Papyri selten, aber seit dem 3. Jh. v. Chr. belegt ist (aus paulinischer Zeit stammt P.Oxy. XIV 1672,15–16 [37–40 n. Chr.]16).
Exkurs: Düfte und Gerüche In 2,14 spricht Paulus von einem „Duft der Erkenntnis Christi“ (ὀσμὴ τῆς γνώσεως αὐτοῦ).17 Der früheste und einzige dokumentarische Beleg zu ὀσμή („Duft“) stammt aus dem 3. Jh. n. Chr.: P.Horak 24 (258 n. Chr.) ist ein privater Brief, durch den der Adressat darum gebeten wird, bestimmte Mengen Wein abzufüllen, sich aber vorher „vom Geruch her“ (Z. 10: ἀπὸ ὀσμῆς) zu vergewissern, dass es sich um einen guten Wein handelt.18
Bereits ab dem 3. Jh. v. Chr. ist γνῶσις in der hier relevanten Bedeutung „Kenntnis, Vernunft“ bezeugt. In einigen Beispielen geht es konkret um die Kenntnis einer Person: Der Absender des Empfehlungsbriefes PSI V 520 (2. September 250 v. Chr.) betont, dass er den Überbringer des Briefes gut kenne, dieser also ein „Bekannter“ sei – Z. 4–5: Στράταγος ὁ τὴν ἐπιστολήν σοι ἀπ̣ ο̣ |[δι]δ̣ [ο]ύς, ὢν ἡμῖν ἐν γνώσει („Stratagos, der dir den Brief übergibt, ist uns in Kenntnis“).19 Vielleicht aus dem 1. Jh. n. Chr. stammt der Privatbrief P.Phil. 33, der ein unsicheres Beispiel für die Formel „nicht ohne Kenntnis von X etwas tun“ bietet – Z. 7–8: ἵνα μὴ ἄνευ τῆς ἐμῆς̣ γνώσ τοῦτο | ποιήσῃ.20 15
F. Winter in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 83 (mit Beispielen S. 83–84). Siehe dazu und zu den weiteren Belegen R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 478; ferner PSI XV 1539,7 (Ende 1. Jh. v. Chr.). 17 Zum in der Antike verbreiteten Bild, dass Duft eine Verbindung zur Götterwelt schafft, siehe Kügler, Paulus 162–164; ders., Bedeutung (jeweils mit Belegen und Literaturhinweisen). 18 In Pap.Graec.Mag. II 13,365 (346 n. Chr.) geht es um den „Duft“, den ein Opfer samt Räucherwerk verströmt. 19 Weitere Beispiele bietet P. Arzt-Grabner in ders./Kritzer u. a., 1. Korinther 47 Anm. 12, wo auf S. 47–48 auch Belege für eine Kenntnis von Sachen oder abstrakten Größen angeführt werden, die für den Hintergrund von 2Kor 4,6 relevant sind, während Paulus in 6,6 und 8,7 sowie in 11,6 so allgemein von einer γνῶσις spricht, dass eine nähere Eingrenzung gar nicht möglich erscheint. In 10,5 ist ähnlich wie hier vom Erkennen Gottes die Rede. 20 Bedeutend häufiger begegnet diese Formel mit dem verwandten Substantiv γνώμη (Beispiele dafür bei Arzt-Grabner, Philemon 220–221). 16
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Einzelheiten: 2Kor 2,15–16 – Exkurs: Düfte und Gerüche
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Trotz der spärlichen Belege für ὀσμή und γνῶσις tragen diese ein wenig zum Verständnis des von Paulus hier verwendeten Bildes bei: So wie ein guter Wein am Geruch zu erkennen ist, bewirkt auch die Kenntnis Gottes einen „Geruch“, der von außen überall wahrnehmbar ist. Der Begriff εὐωδία („Wohlgeruch“) ist in den dokumentarischen Papyri bisher nicht bezeugt,21 wohl aber das Adjektiv εὐώδης („angenehm duftend, mild“), das vor allem als Qualitätsmerkmal eines guten Weines begegnet.22 Nur im Rahmen von Bestimmungen über das Schlachten von Rindern wird in P.Wash.Univ. II 72, Kol. II 12 ein Kalb als εὐώδης bezeichnet (siehe auch Kol. II 17). Ein erster Befund über die von Paulus hier verwendeten Ausdrücke fällt somit spärlich aus: für ὀσμή liegt bisher nur ein Papyrusbeleg vor; εὐωδία ist gar nicht bezeugt23, mit dem Attribut εὐώδης wird in erster Linie ein guter milder Wein versehen. Umgekehrt wird ein verdorbener Wein daran erkannt, dass er „modrig riecht“ (ὀζόμενος)24. Dennoch spielen Düfte und Gerüche25 in den Papyri durchaus eine Rolle, und verschiedene Belege können zur Erhellung des Hintergrunds, aus dem Paulus die hier verwendeten Bilder entnommen hat, etwas beitragen. Zunächst sind hier Listen von Einkäufen oder Ausgaben zu nennen, in denen verschiedene Gewürze, Öle oder Räucherwerk aufgeführt werden. Bezeichnenderweise werden im Griechischen alle diese Produkte unter dem Terminus ἀρώματα zusammengefasst. Ein Beispiel bietet die Gewürzliste SB XIV 12074 (Anfang – Mitte 3. Jh. v. Chr.), wo „Kasia, Zimt, Nardenöl, Myrrhenbalsam, Honig aus Kreta oder Theangela im Ausmaß von 2 Kotylen und Safran“ aufgeführt werden: κασίαν | κιννάμωμον | νάρδον | ζμύρναν | μέλι Κρητικὸν | ἢ Θεαγγελικὸν ὅσον | κ(οτύλαι) β | κρόκο(ν).
21 Der von Preisigke, Wörterbuch s. v. εὐωδία, für „Räucherwerk“ angeführte Beleg O.Wilck. 1457,3 (1. Juli 184 n. Chr.) scheidet aufgrund von BL II.1 111 aus: statt εὐω(διῶν) ist ̣ (εφαλαίου) zu lesen. dort ἐπ̣ ικ 22 Siehe die Belege bei Preisigke, Wörterbuch s. v. εὐώδης; Kiessling, Wörterbuch s. v. εὐώδης; ferner P.Zen.Pestm. 30,11.15 (5. April 242 oder 4. April 241 v. Chr.); P.Sarap. 92,7 (90–133 n. Chr.); P.Mert. II 79,14–15 (2. Jh. n. Chr.); O.Bodl. II 1834,3; O.Lund 12,7 (beide 2.–3. Jh. n. Chr.); O.Did. 266,1; 267; 268; 269 (alle vor ca. 220 – ca. 250 n. Chr.?). Beachte auch oben zu V. 14 den Beleg für ὀσμή. 23 Dies gilt übrigens auch für ἀτμός. 24 Zur Bedeutung beachte Kruit, Meaning 267 („moldy tasting wine“); Preisigke, Wörterbuch s. v. ὀζόμενος, übersetzt mit „schimmelig“. Sämtliche Belege stammen aus byzantinischer Zeit, so auch die bei H. Maehler in BGU XII S. 86 genannten (wo der Hg. das Attribut in BGU XII 2176,1 [5.–6. Jh. n. Chr.] ergänzt und im Kommentar auf S. 86 zur Bedeutung „schimmelig“ bemerkt: „aber die Grundbedeutung des Verbums, ‚riechen‘, liegt sicher auch hier zugrunde“); ferner BGU XVII 2695,18 (11. April 608). – Der einzige frühere Beleg findet sich in O.Claud. IV 890,14–17 (ca. 150–154 n. Chr.), wo es um eine Lieferung von Wasser geht, das ja nicht „(faulig) riechen“ soll. 25 Eine gute Übersicht über das entsprechende Vokabular, insbesondere im Zusammenhang mit der Parfümherstellung, bietet Lallemand, Vocabulaire.
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
In byzantinischer Zeit sehen derartige Listen noch immer ähnlich aus, wie z. B. die Aufzählung wohlriechender Substanzen in SB I 5307 mit BL VIII 321 zeigt; nach einer Zeile, in der nur noch Tintenspuren erhalten sind, lautet der erhaltene Text: ὑ(πὲρ) νάρδ(ου) | ὑ(πὲρ) μουσχελ[αίου] | ὑ(πὲρ) μαστίχ(ῆς) | ὑ(πὲρ) τροχισκ . . | ⟦ὑ(πὲρ) ἀράκ(ου) τι[ - - - ]⟧ | ὑ(πὲρ) λιβάνου | ὑ(πὲρ) σμύρν(ης) („für Nardenöl, für Muskatöl26, für Mastix27, für ?28, [vom Schreiber selbst getilgt: für Arakos29], für Weihrauch, für Myrtenbalsam“).30
Die ab der hellenistischen Zeit aus dem Orient in den Mittelmeerraum importierten Gewürze wie Ingwer, Kardamom, Narde oder Zimt wurden weniger für das Würzen von Speisen als vielmehr für die Herstellung von Parfüms, Gewürzweinen und Medikamenten verwendet.31 Letzteres gilt auch für Weihrauch und Myrrhe,32 doch spielt die medizinische Verwendung derartiger Substanzen im vorliegenden Zusammenhang bei Paulus freilich keine Rolle. Erwähnenswert ist aber, dass in entsprechenden Listen häufig exotische Gewürze und Räucherwerk nebeneinander aufgeführt werden, so z. B. in der Warenliste P.Cair.Zen. I 59069 (14. Mai 257 v. Chr.), wo neben Nardenöl (Z. 5), Myrtenbalsam (Z. 16) und Safran (Z. 21) auch Weihrauch (Z. 13: λιβάνου) erwähnt wird. Beide Arten wurden gerne gemeinsam gehandelt und transportiert,33 und bei beiden handelte es sich um ausgesprochene Luxusgüter. Unter den Papyri belegt dies wohl kein anderes Dokument so deutlich wie SB XVIII 13167 mit BL IX 299 (Mitte 2. Jh. n. Chr.), die Hypotheken-Urkunde eines Seedarlehens für eine Reise nach Muziris. Zu den angeführten Waren gehören auch 60 Kisten „Narde vom Ganges“ (Verso, Kol. II 1: νάρδου Γανγιτικῆς), die mit einem Wert von 4.500 Drachmen pro Kiste berechnet werden.34 26 Zu dieser Deutung siehe Harrauer/Sijpesteijn, Delenda 72. Der Ausdruck begegnet in den Papyri nur hier. 27 Zu dieser Deutung siehe Harrauer/Sijpesteijn, Delenda 70–71. 28 Falls hier in Z. 4 τροχίσκο̣ υ̣ zu lesen ist, handelt es sich um eine „Pille“ (vgl. Preisigke, Wörterbuch s. v. τροχίσκος). 29 Es handelt sich um eine „Hülsenfrucht, der Platterbse und unserer Wicke ähnlich“ (Kiessling, Wörterbuch s. v. ἄρακος; vgl. Schnebel, Landwirtschaft 187). 30 Wessely, Papyrus 90, bemerkte zu diesem Text: „Man liebte also auch in christlicher Zeit gute Speise, guten Trank und Wohlgerüche wie in früheren Tagen“. Siehe auch CPR VII 32 (2. Jh. n. Chr.); PSI XII 1264,16–21 (4. Jh. n. Chr.). 31 Vgl. Gutsfeld, Art. Gewürze 1062. Ein Beispiel für ein medizinisches Rezept, das u. a. Nardenöl und Myrrhenbalsam enthält, ist P.Ross.Georg. V 57, Verso, Kol. II 1–15 mit BL VIII 293 und X 168 (3. Jh. n. Chr.). – Speziell in Ägypten spielen Spezereien wie Myrrhe oder Kasia auch bei der Einbalsamierung eine wichtige Rolle (siehe dazu z. B. Colin, Le parfumeur, bes. 103–106). 32 Siehe z. B. die Rezepte P.Ross.Georg. V 52,1–2 und 3–7 (2. Jh. n. Chr.), ferner z. B. O.Did. 319,15 (vor ca. 77–92 n. Chr.), 323,10 und 81,1 (beide vor ca. 125–140 n. Chr.). Zur Verwendung von Weihrauch in der antiken und gegenwärtigen Medizin siehe Schwarzbach, Weihrauch (mit ausführlichen Literaturangaben). 33 Siehe z. B. ferner P.Cair.Zen. IV 59536 mit BL IX 54 (261 v. Chr.); PSI VI 628,1–10 mit BL IX 316; P.Cair.Zen. I 59011,14–19 mit BL II.2 40, IX 49 und XI 54 (beide ca. 259 v. Chr.). 34 Siehe zu diesem Text ausführlich Thür, Hypotheken-Urkunde; Ernst, „… verkaufte alles“
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Exkurs: Düfte und Gerüche
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Die Ausgabenliste O.Mich. I 3 (2.–3. Jh. n. Chr.) lässt wenigstens indirekt auf den hohen Preis von Weihrauch (λιβανωτός) schließen. Dafür wurden nämlich immerhin 280 Drachmen ausgegeben (Z. 6), während für Salzfische im selben Zeitraum nur 150 Drachmen angefallen sind, für Salz 56 und für Öl 29 Drachmen.
Wohlriechende Öle und Gewürze spielten natürlich in der Parfümherstellung eine entscheidende Rolle. Eine Liste von dafür verwendeten Bestandteilen ist aus dem 3. oder 4. Jh. erhalten geblieben: In P.Coll.Youtie II 86, Kol. II werden aufgelistet: ἄμωμον (Amomum subulatum, Schwarzer Kardamom), κόστος (Costus, Balsamkraut, Frauenminze), στύραξ (Storax oder Styrax, Harz des Orientalischen Amberbaumes), μαστίχη (Mastix, Pistazienbaumharz), θυμιάματα (Weihrauch) und κολλούρια (Salben).
Die Liste stammt vermutlich „from an inventory of a shop dealing with such materials or of a factory producing perfumes and unguents.“35 Sowohl Parfümherstellung als auch -handel unterlagen einem staatlichen Monopol.36 Für den Bereich der Kosmetika ist auch der private Brief einer gewissen Tetos an ihren Vater interessant: Dieser wird von seiner Tochter ersucht, ihr u. a. „Myrrhenbalsam zu einem Gewicht von 5 Stateren, Nardenöl von 3, smyrnäischen Myrtenbalsam und Öl für das kleine Mädchen für den Kopf“ zu schicken – BGU VI 1300,13–15 mit BL VI 16 (4. Mai 210 oder 29. April 193 v. Chr.): ζμύρ̣ ν̣ α̣ στατῆρας ε ὁλκὴν νάρδου γ | μ̣ ύρον σμυρνε̃ον (l. σμυρναῖον) ἔλαιον | τῆι μικρᾶι εἰς τὴν κεφ̣ α̣ λ̣ ήν.37
Räucherwerk, insbesondere Weihrauch, spielt vor allem im Zusammenhang mit der kultischen Götterverehrung eine Rolle, und zwar sowohl im Tempel als auch im privaten Haushalt. 41–43. Zum hohen Wert von Nardenöl siehe auch SB XX 14658,37 (ca. 300–310 n. Chr.). Ein weiterer Seedarlehensvertrag ist SB III 7169 mit BL III 180, V 99 und VIII 326 (2. Jh. v. Chr.), wo in Z. 24 und 26 ἀρώματα erwähnt werden. Zum Gewürzhandel zwischen Rom und Indien siehe ferner D’Hautcourt, Romains; zu Parfüms als Luxusgüter in römischer Zeit siehe auch DuboisPelerin, Parfum. 35 E. M. Husselman in P.Coll.Youtie II S. 558 (dort auch Näheres zur Verwendung der genannten Kräuter und Gewürze in der Antike). Ähnliche Substanzen werden in den Preisdeklarationen einer Gilde von Salbenhändlern aufgezählt, nämlich in P.Oxy. LIV 3731 (ca. 310–311 n. Chr.); 3733 mit BL X 154 (25. Mai 312 n. Chr.); 3766,84–97 (27. Oktober 327 n. Chr.). – Eine Parfümerie aus hellenistischer Zeit wurde auf Delos ausgegraben (siehe dazu Brun, Parfumerie à Délos). 36 Dies lässt z. B. der Pachtvertrag P.Fay. 93 (2. September 161 n. Chr.) vermuten. Siehe dazu J.-P. Brun in Verbanck-Piérard/Massar (Hg.), Parfums 437–438; U. Wilcken in Chrest.Wilck. S. 375 (vgl. S. 349 [der Verweis von S. 375 auf S. 249 ist ein Tippfehler]). Zu Parfümherstellung und -handel in hellenistischer Zeit siehe Brun, Parfumerie et parfumeurs; Devroe, Usage; RaepsaetCharlier/Allé, Métiers. 37 Siehe dazu ausführlicher R. Scholl in C.Ptol.Sklav. II S. 954–957; Bagnall/Cribiore, Women’s Letters 106; Verbanck-Piérard/Massar, Montrer le parfum 30. Beachte auch den Privatbrief P.Palau Rib. 28 mit BL X 158 und XI 175 (1. Jh. n. Chr.).
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
Bei P.Oxy. IX 1211 (2. Jh. n. Chr.) handelt es sich um eine an den Strategen adressierte Liste von Gaben für ein Opfer zu Ehren des heiligsten Nils (Z. 2–3: τοῦ ἱερωτάτου | Νείλου), wo allerdings Weihrauch ausdrücklich ausgenommen wird; am Ende der Liste (in Z. 10–11) werden aufgezählt: ἔλεον (l. ἔλαιον), μέλι, γάλα, πᾶν | ἄρωμα χωρὶς λιβάνου („Öl, Honig, Milch, jede Art von Räucherwerk38 außer Weihrauch“). Der Ausschluss von Weihrauch wird von M. Drew-Bear damit erklärt, dass dieser von der Küste des Roten Meeres stammte und nicht aus dem Niltal.39 Mit P.Lund IV 11 (2.–3. Jh. n. Chr.) ist eine Liste über die Beiträge eines Kultvereins für die Verehrung der Dioskuren erhalten geblieben, wo zum Teil ähnliche Gaben aufgezählt werden wie im vorhergehenden Text (beachte Kol. I). Als Räucherwerk werden Pinienzapfen (Kol. I 13: στρόβιλοι)40 verwendet. In Ausgabenlisten von Tempeln finden sich mehr oder weniger regelmäßig Eintragungen über Räucherwerk (θυμιάματα oder ἀρώματα), so z. B. in UPZ I 97,14.18 mit BL VI 202 (1.–30. März 158 v. Chr.); P.Mil. II 27, Kol. II+III 5.9.10.11.23.33.37.42 (29. Juli 158 v. Chr.); UPZ I 99,14.16.30.36.40 (27. August 158 v. Chr.); 101,7 (nach 25. September 156 v. Chr.); SB XXVI 16460,8 mit BL VIII 407 zu PSI X 1152 (ca. 107–108 n. Chr.); Stud.Pal. XXII 183,49.54 (nach 14.–22. August 138 n. Chr.?); BGU I 149,1 (2.–3. Jh. n. Chr.); II 362, Fr. 2, pag. I 7.21; pag. VII 12; pag. X 13; pag. XI 12; Fr. 8,9 (215–216 n. Chr.). Speziell im Zusammenhang mit dem Kaiserkult wird Weihrauch in Stud.Pal. XXII 183,53 mit BL II.2 167 (nach 14.–22. August 138 n. Chr.?), P.Oxy. III 521, Rekto 19 (2. Jh. n. Chr.), BGU II 362, Fr. 2, pag. X 13 und pag. XII 18 (215–216 n. Chr.) sowie in CPR VII 1,6 (7–4 v. Chr.)41 erwähnt. Dass Weihrauch auch im privaten Haushalt verwendet wurde, belegt z. B. die Aufstellung von Ausgaben UPZ II 158 A,44–50 (17. Oktober 243 v. Chr.; beachte Z. 49). Siehe diesbezüglich ferner: P.Ryl. II 242,6 (3. Jh. n. Chr.); P.Oxy. I 118, Verso 20–22 mit BL I 316 und V 75 (spätes 3. Jh. n. Chr.); P.Bon. 38 B, Kol. II 1.2 (3.–4. Jh. n. Chr.).42 Ein (bronzenes) Räucherfass (θυμιατήριον) gehört zum üblichen Tempelinventar, SB XVIII 13176,46 (8. April 168 n. Chr.) belegt aber, dass ein solches auch in einem privaten Haushalt verwendet werden konnte.
38
So die Übersetzung von Preisigke, Wörterbuch s. v. ἀρώματα 2); A. S. Hunt übersetzte hingegen „spice“ (P.Oxy. IX S. 256), Drew-Bear, Strobilos 396, „parfum“. 39 Vgl. Drew-Bear, Strobilos 396: „à l’exception de l’encens (originaire des côtes de la Mer Rouge et non de la vallée du Nil).“ 40 Vgl. E. J. Knudtzon in P.Lund IV S. 61. Dies ist die anerkannte Bedeutung für στρόβιλοι im griechisch geprägten Raum, während Drew-Bear, Strobilos, im Rahmen von nach wie vor ägyptisch geprägten Festen wie jenem zu Ehren des Nils in στρόβιλοι eine Bezeichnung für festliche Brote in Kegelform sieht (als wichtigstes Beispiel zitiert sie P.Oxy. IX 1211,6) 41 Hier wird das Verb θυμιάω („räuchern“) verwendet. 42 Der Vermerk in einer privaten Ausgabenliste, dass Weihrauch im Wert von 800 Drachmen einem Beamten, nämlich einem Agonothetes, übergeben wurde (P.Oxy. XVII 2144,29 [spätes 3. Jh. n. Chr.]), lässt vermuten, dass dieser für ein öffentliches Fest verwendet werden sollte (zum Amt des Agonothetes siehe B. P. Grenfell und A. S. Hunt in P.Oxy. XII S. 61).
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Exkurs: Düfte und Gerüche – Einzelheiten: 2Kor 2,17
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Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass der Mensch des griechischrömischen Alltags wohlriechenden Gewürzen, Kräutern, Ölen und Räucherwerk nicht nur in den Villen vornehmer Leute begegnen konnte, wo man sich Parfüms und Weihrauch zu leisten vermochte, sondern auch auf Handelsschiffen, die derartige Luxusgüter transportieren, in Läden, in denen es wohlriechende Substanzen zu kaufen gab,43 in Betrieben der Parfümherstellung und nicht zuletzt bei religiösen Zeremonien im Tempel oder im privaten Haushalt. Somit kann vorausgesetzt werden, dass die von Paulus hier verwendeten Bilder sowohl ihm selbst als auch seinen Adressatinnen und Adressaten aus unterschiedlichen Bereichen bekannt sein konnten und deshalb unmittelbar geläufig waren. Dadurch dass Paulus hier vom „Duft der Erkenntnis Christi“ und vom „Wohlgeruch Christi für Gott“ spricht, ist als Hintergrund wohl besonders an den kultisch-religiösen Bereich zu denken. 2,117 οὐ γάρ ἐσμεν ὡς οἱ πολλοὶ καπηλεύοντες τὸν λόγον ‹ 1,18 τοῦ θεοῦ – Das Verb καπηλεύω44 ist papyrologisch bisher lediglich für einen Papyrus aus dem 4. Jh. n. Chr. gesichert: In einem Prozessprotokoll, das nach dem 16. Juni 360 n. Chr. geschrieben wurde, wird über eine ermordete Frau ausgesagt, dass sie „das Leben schamlos verbrachte und am Ende gleichsam noch das Überleben verhökerte“ – P.Philammon 1, p. 7,22– 24: [τὸν μ]ὲ̣ν βίον ἀσέμνως διῆγεν, | τὸ δὲ τέ̣[λος ὅ]μ̣ ως νῦ (l. νῦν) πε̣ριὸν ἐκαπήλευ|εν.
Die vom Hg. des Textes, G. Poethke, gewählte Übersetzung „verhökern“45 für καπηλεύω passt m. E. auch gut für die vorliegende Paulusstelle. Zur Bedeutung des Verbs hat H.-J. Drexhage aufgrund des papyrologischen Befundes von κάπηλος allerdings feststellen können, dass im römischen Ägypten die Unterscheidung zwischen ἔμπορος im Sinne eines „Großhändlers“ und κάπηλος in der Bedeutung „Kleinhändler“ nicht mehr zutreffend ist, da ἔμπορος „recht häufig nicht als Großhändler klassischer Definition“46 begegnet. Ferner kann κάπηλος auch den „Schankwirt“ meinen.47 Erwähnens-
43
Beachte, dass Paulus im unmittelbaren Kontext (in V. 17) das Verb καπηλεύω verwendet. Dieser Begriff wurde großteils von R. E. Kritzer bearbeitet. 45 G. Poethke in P.Philammon S. 76. 46 Drexhage, Bemerkungen (2002) 64; ausführlich ders., Bemerkungen (1991); vgl. Ernst, „… verkaufte alles“ 45. – In den ptolemäischen Bankpapyri aus dem Herakleopolites (P.Herakl.Bank) werden zwei ἔμποροι erwähnt (einer in 1 a, Kol. II 8, ein anderer in 2 c, Kol. II 17); die Geldsumme, die auf das Konto des ersten eingezahlt wird, ist leider ebenso wenig erhalten wie jene, die der zweite auf das Konto eines anderen eingezahlt hat, weshalb die Eintragungen keine Rückschlüsse auf deren finanzielle Stellung ermöglichen. Im Brief P.Eirene III 2 (22. November 87 n. Chr.) wird der ἔμπορος Heraklas erwähnt, der dem Briefsender einen Kupferdenar hat zukommen lassen; dass es sich aufgrund der geringen Geldsumme bei Heraklas um einen einfachen Kaufmann handelt, kann vermutet werden. 47 Vgl. Drexhage, Bemerkungen (1991) 43–45. 44
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
werte Belege für κάπηλος sowie für καπηλεῖον („Verkaufsladen, Kramladen“ oder auch „Taverne“) sind die folgenden:48 In P.Col. IV 83,5 (245–244 v. Chr.) liest man von der Eröffnung eines „Geschäfts“ in Hermupolis seitens des Verfassers: ἀνοίξαντο̣ ς̣ καπηλεῖον ἐν Ἑρμοῦ πόλει.49 Während sich in P.Cair.Zen. III 59470,4 (256–246 v. Chr.) mehrere κάπηλοι dazu bereit erklären, tausende Bündel Flachs an den Mann zu bringen, oder, wie P.Rev., Kol. XLVIII 3 (259–258 v. Chr.) zu entnehmen ist, auch Öl und Kiki abgesetzt wurden, gehört in PSI IV 383,9 (ca. 248–247 v. Chr.) Wein zu den Verkaufsgütern eines Händlers (ὁ τὸν οἶνον ἐωνημένος κάπηλος – „der Kaufmann, der den Wein angeboten hat“).50 Von da her und durch die nicht wenigen Belege für οἰνοκάπηλος („Weinhändler“ oder „Schankwirt“)51 ist verständlich, dass ein καπηλεῖον auch oft als Bar oder Taverne fungierte. Dies ist z. B. durch P.Tebt. I 43,18 (117 v. Chr.) belegt, wo von einem gemeinsamen Mahl, das in einem solchen καπηλεῖον stattfand, berichtet wird: συνδεδειπνη[κό]των αὐτῶν ἔν τινι καπηλήωι. Durch SB X 10447,31 (Mitte 3. Jh. v. Chr.) ist belegt, dass ein κάπηλος zur Entrichtung einer Lizenzsteuer (χειρωνάξιον) verpflichtet war.52
T. Novick hat als Hintergrund für καπηλεύω an der vorliegenden Stelle auf die rabbinische Literatur verwiesen,53 wo es sich bei einem קפילייzunächst um den Inhaber eines Ladens oder den Schankwirt handelt, was mit dem papyrologischen Befund mehr oder weniger im Einklang steht. Der Ausdruck habe aber eine große Bedeutungsbreite; so falle nach Novick auch der Hausierer ( )רוכלdarunter, der in der rabbinischen Literatur vorrangig mit aromatischen Gütern handelt. Nach Novick habe Paulus also, aufgrund der Verbindung mit den vorhin erwähnten Düften, an dieser Stelle einen Hausierer im Sinn.54 48 Zum papyrologischen Gesamtbefund von κάπηλος samt Komposita siehe Drexhage, Bemerkungen (1991) 42–45; ders., Bemerkungen (2002) 64–67. Der auf S. 65 angegebene Beleg für οἰνοκάπηλος P.Duk.inv. 314 kann nun als SB XXIV 16295,3–4 (2. November 199 v. Chr.) angegeben werden, der Beleg für καπηλίς P.UB Trier S 135–1 als SB XXIV 15974,6 (22. Februar 132 v. Chr.). Zum antiken Handel nach dem Zeugnis der dokumentarischen Papyri siehe zusammenfassend auch Rupprecht, Einführung 178–179 (mit relevanten Literaturangaben S. 179–180). 49 Eine „(Klein-)Händlerin“ (καπηλίς) ist in SB XXII 15236,55 (nach 211–210 v. Chr.?), P.Fay. 12,23 (nach 104–103 v. Chr.) und – wie in der vorhergehenden Anm. bereits erwähnt – SB XXIV 15974,6 (22. Februar 132 v. Chr.) bezeugt. 50 Ähnlich P.Tebt. II 612 (e) (spätes 1. – frühes 2. Jh. n. Chr.); III.1 724,6–7 (175 oder 164 v. Chr.). 51 Die Belege bietet Drexhage, Bemerkungen (1991) 44–45, und ders., Bemerkungen (2002) 65 (P.Duk.inv. 314 kann nun als SB XXIV 16295,3–4 [2. November 199 v. Chr.] angegeben werden). 52 Dass sich vorliegende Auswahl auf die ptolemäische Zeit beschränkt, bedeutet nicht, dass es aus römischer Zeit keine Belege gäbe (vgl. für die paulinische Zeit etwa P.Mich. II 125,12 [45 n. Chr.], wo ein κάπηλος als Vertragspartner auftritt). Weitere Belege (auch zum Verkauf hier nicht genannter Produkte) bei Drexhage, Bemerkungen (1991) 45; vgl. außerdem ders., Bemerkungen (2002). 53 Siehe Novick, Scents. 54 Vgl. Novick, Scents 544–549.
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Einzelheiten: 2Kor 2,17–3,1
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Dafür, dass die Berufsgruppe der κάπηλοι – sie waren auch in Vereinen organisiert55 – für ein ausgesprochen betrügerisches Verhalten berüchtigt gewesen wären (wie einige Kommentatoren zur vorliegenden Stelle betonen56), bieten die Papyri des in Frage kommenden Vergleichszeitrahmens keinen Anhaltspunkt.57 In P.Tebt. III.1 724 (175 oder 164 v. Chr.) geht es zwar darum, dass Soldaten nicht rechtzeitig von den beauftragten κάπηλοι mit Wein versorgt werden, doch lässt dies nicht allgmein auf einen Hang zur Fahrlässigkeit innerhalb dieses Berufsstandes schließen.
Zusammenfassend kann gesagt werden: Es hängt vom Kontext ab, ob καπηλεύω negativ konnotiert ist oder nicht. Nur aufgrund des negativen Zusammenhangs ist für die Stelle in P.Philammon 1 und für die vorliegende Paulusstelle die Übersetzung „verhökern“ passend. ἀλλ᾽ ὡς ἐξ εἰλικρινείας – Das Substantiv εἰλικρίνεια ist bisher nur in P.Oxy.
X 1252, Verso, Kol. II 38 (nach 294–295 n. Chr.) und P.Aberd. 52, Verso 8 (frühes 3. Jh. n. Chr.) belegt und bedeutet jeweils „Rechtschaffenheit“.58 ἀλλ᾽ ὡς ἐκ θεοῦ κατέναντι θεοῦ ἐν Χριστῷ ‹ 1,1 λαλοῦμεν – In den dokumentarischen Papyri liegt bisher nur ein einziges Beispiel für κατέναντι vor: In den Traumaufzeichnungen des Nektembes, UPZ I 79 (nach 23. Mai 159 v. Chr.), wird einmal eine Frau erwähnt, die auf einer Matte sitzt und darauf ein Kind hat und ein anderes „ihr gegenüber“ (Z. 11: κατέναντι αὐτῆς) auf einer anderen Matte.
Das Verb λαλέω ist papyrologisch nicht nur in der Bedeutung „(zwanglos) schwatzen, plaudern“ belegt, sondern bereits ab dem 3. Jh. v. Chr. auch im Sinne von „reden, sprechen“ wie hier und auch sonst bei Paulus.59 3,11 ἀρχόμεθα πάλιν ἑαυτοὺς συνιστάνειν; ἢ μὴ χρῄζομεν ὥς τινες συστατικῶν ἐπιστολῶν πρὸς ὑμᾶς ἢ ἐξ ὑμῶν;
55
Näheres dazu bei San Nicolò, Vereinswesen I 133–134. Vgl. u. a. Matera, 2Cor 75, der sich wie auch schon Meyer, 2Kor 54, auf Jes 1,22 LXX als Vergleichstext beruft, wo die dort erwähnten κάπηλοι mit Wasser verdünnten und somit verfälschten Wein verkaufen. 57 Die in dem Sinn verengte Bedeutung von καπηλεύω bzw. κάπηλος („sich betrügerisch verhalten/verfälschen“ bzw. „Betrüger“) stammt aus der Literatur (vgl. dazu Windisch, καπηλεύω). Siehe auch ausführlich Drexhage, Bemerkungen (2002). 58 Siehe dazu ausführlicher F. Winter in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 215. 59 Siehe dazu F. Winter in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 120–121 (mit zahlreichen Belegen); beachte ferner P.Thomas 9,25 (Ende 1. Jh. n. Chr.); O.Krok. I 76,9 (ca. 117–125 n. Chr.). 56
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
Exkurs: Empfehlungsbriefe Im Zusammenhang von 2Kor 3,1 geht es Paulus darum, die Gemeinde davon abzubringen, in Geschriebenes, konkret in Empfehlungsbriefe ihr Vertrauen zu setzen.60 Das πάλιν in der ersten Frage von 2Kor 3,1 kann als Hinweis des Paulus auf seine Selbstdistanzierung gesehen werden, die er in 2Kor 10,12 und 10,18 klar zum Ausdruck bringt: solchen, die sich selbst empfehlen, ist er nicht beizuzählen und er ist mit ihnen auch nicht zu vergleichen; und jemand, der sich selbst empfiehlt, ist nicht bewährt. In der zweiten Frage geht es nicht darum, ob Paulus Empfehlungsbriefe verwendet (χράομαι), sondern ob er sie benötigt, nötig hat (χρῄζω). In diesem Sinne wird χρῄζω auch in den Papyri verwendet. Besonders häufig wird in Briefen die Adressatin oder der Adressat dazu ermuntert mitzuteilen, was auch immer sie oder er benötigt, damit man es ihr oder ihm zukommen lassen kann. So schreibt z. B. ein Diogenes an seine Mutter Thermuthas – P.Corn. 49,8–12 mit BL II.2 50 (1. Jh. n. Chr.): περὶ δὲ ὧν ἐὰν | χρῄσζῃς (l. χρῄζῃς) τῶν ἐνθάδε | μὴ ὀκνῖ (l. ὀκνεῖ) μυ (l. μοι) γράφιν, εἰδῆα (l. εἰδυῖα) ὅτι ἀνόχνως (l. ἀνόκνως) | ποιήσο (l. ποιήσω) („über alles aber, was du von hier benötigst, zögere nicht, mir zu schreiben, da du weißt, dass ich es ohne Zögern erledigen werde“). In zeitlicher Nähe zu Paulus finden sich derartige Formulierungen ferner in P.Graux II 10,13; P.Oxy. XLII 3061,14–15 (beide 1. Jh. n. Chr.); P.Col. X 253,8–9 (frühes 2. Jh. n. Chr.); P.Brem. 66,4–5 (113–120 n. Chr.).61
Die Frage, ob Paulus gegenüber der Gemeinde in Korinth Empfehlungsbriefe nötig habe, könnte unter der Annahme einer reibungslosen und durchwegs freundlichen Beziehung zwischen dem Apostel und seiner Gemeinde durchaus positiv und sogar als (indirektes) Kompliment gegenüber der Gemeinde verstanden werden: insbesondere für die Gemeinde in Korinth, die ihn ja so gut kenne, wären Empfehlungsbriefe doch schlichtweg unnötig. Gerade das Verhältnis zwischen Korinth und Paulus war aber immer wieder ein getrübtes62 und u. a. davon geprägt, dass Paulus mit anderen Persönlichkeiten um die Gunst der Gemeinde konkurrierte. Zu diesen Persönlichkeiten gehörten offensichtlich auch solche, die – vermutlich im Gegensatz zu Paulus – tatsächlich Empfehlungsbriefe vorzuweisen hatten oder auf sich selbst glanzvoller aufmerksam machen konnten als Paulus (beachte dazu auch 2Kor 10,10). Vor 60 So vor allem Duff, Glory, der in der Argumentation des Paulus in diesem Abschnitt den Versuch sieht, „to lead the Corinthians to the conclusion that if they put their confidence only in the written letter (i. e., in a written letter of recommendation), then they stand as they had before they heard the gospel, condemned before God“ (S. 336–337). 61 Einige weitere Beispiele bei Preisigke, Wörterbuch s. v. χρῄζω. Ausgewählte Beispiele über Personen, deren jemand dringend bedarf, bietet Arzt-Grabner, Philemon 210; siehe ferner O.Claud. IV 892,12–13 (ca. 150–154 n. Chr.). 62 Dieser Grundcharakter bleibt auch unter der Annahme von Teilungshypothesen bestehen, wie die korrespondierenden Aussagen von 2Kor 3,1 und 10,12.18 beispielhaft zeigen.
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Exkurs: Empfehlungsbriefe
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diesem Hintergrund ist die zweite Frage von 3,1 wohl eher als indirekte Aufforderung an die Gemeinde zu verstehen, davon Abstand zu nehmen, von Paulus Empfehlungsbriefe zu erwarten, als ob diese für seine Akzeptanz durch die Gemeinde entscheidend wären. Paulus distanziert sich hier aber nicht grundsätzlich und generell von Empfehlungsbriefen und deren Bedeutung. Mit der Verwendung der exakten Terminologie zeigt er jedenfalls, dass er mit dem Typ des Empfehlungsbriefes gut vertraut war. Sowohl die Bezeichnung ἐπιστολὴ συστατική für diesen Brieftyp als auch die Verwendung des Verbs συνίστημι/συνιστάνω in geprägten Wendungen innerhalb derartiger Schreiben entsprechen genau den zeitgenössischen Gepflogenheiten. Ausdrücklich erwähnt werden ἐπιστολαὶ συστατικαί in P.Giss.Univ. III 20,1 (113– 117 n. Chr.).63 Etwas weiter unten in demselben Schreiben (Z. 24–26) berichtet der Absender, er habe an den Sekretär des Strategen geschrieben und dabei den kleinen Herakleides empfohlen: ἔγραψα | τῶι γραμματεῖ τοῦ στρατηγοῦ [σ]υνιστὰς | τὸν μεικρὸν (l. μικρὸν) Ἡρακλείδην. Dass hier mit συνιστάς tatsächlich der bei Empfehlungen verwendete Fachausdruck begegnet, zeigt die Verwendung der Verbform συνίστημι oder συνιστάνω in der Einleitung der eigentlichen Empfehlung in den Empfehlungsbriefen P.Brem. 5 mit BL VIII 68 (117–119 n. Chr.) und P.Stras. IV 174 mit BL V 136 (Ende 2. – Anfang 3. Jh. n. Chr.).64 Eine Variante dazu liegt in der Bitte vor, den Briefüberbringer als „Empfohlenen anzusehen/aufzunehmen“ (συνεσταμένον ἔχειν o. ä., so in P.Mert. II 62,6–7 [22. März 7 n. Chr.]; P.Oxy. IV 787 [6. April 16 n. Chr.]; II 292,6–7 [ca. 25 n. Chr.]; P.Herm. 1,3–4 mit BL VIII 149 [1. Jh. n. Chr.]; P.Giss. I 71,4–5 [nach 117 n. Chr.]; SB VI 9636,7–9 [135–136 n. Chr.]). Zu beachten ist ferner BGU XVI 2623,5 mit BL XI 35 (27. April 10 v. Chr.), wo der Schreiber des Empfehlungsbriefes berichtet, der zu Empfehlende habe darum gebeten, ihn zu empfehlen: ἠ̣ ρώτησεν συστῆσαι αὐτόν (siehe dazu ausführlicher gleich anschließend).65
Dass sich Paulus mit dem entsprechenden Briefformular vertraut gemacht hatte und es mehrmals im Rahmen seiner Mission verwendete, zeigen – neben dem Phlm in seiner Gesamtheit66 – Röm 16,1–2; 1Kor 16,15–18; Phil 2,29– 30.67
63
Zu den ersten sieben Zeilen dieses Papyrus siehe anschließend noch ausführlicher. Im Falle von O.Eleph.Wagner 201 (3. Jh. n. Chr.) ist unsicher, ob es sich um einen Empfehlungsbrief handelt; in Z. 4 ist nur [σ]υ̣ νίστημι σοι zu lesen, was auf einen Empfehlungsbrief hindeuten könnte. 65 Außerhalb von Empfehlungsbriefen begegnet das Verb συ̣ νίστημι in P.Oxy. XXII 2349,28 (29. August – 27. September 70 n. Chr.); BGU I 300,3.20.22 (3. Januar 148 n. Chr.); P.Oxy. IV 727,25 (27. Januar 154 n. Chr.); P.Tebt. II 317,10 (174–175 n. Chr.); P.Vind.Sijp. 17,6 (180–192 n. Chr., ἀποσυνίστημι); P.Oxy. XIV 1643,5 (11. Mai 298 n. Chr., ἀποσυνίστημι); P.Stras. VII 670,5 (3. Jh. n. Chr.). 66 Siehe dazu ausführlich Arzt-Grabner, Philemon 59–61. 67 Siehe dazu ausführlicher und mit papyrologischen Beispielen Arzt-Grabner, Neues zu Paulus 134–139. 64
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
Formular und Aufbau der Empfehlungsbriefe wurden von Ch. H. Kim ausführlich untersucht.68 Demnach folgt auf den Eingangsgruß die Identifizierung der empfohlenen Person, bei der es sich üblicherweise um die Überbringerin oder den Überbringer des Briefes handelt, was auch häufig ausdrücklich erwähnt wird. Danach wird das Anliegen vorgetragen, also die erbetene Unterstützung zugunsten der empfohlenen Person beschrieben. Vor dem Schlussgruß kann der Brief noch weitere kurze Nachrichten, Anweisungen oder die Übermittlung von Grüßen enthalten. Dass dem Ausstellen eines Empfehlungsbriefes zumeist das Ersuchen um einen solchen durch den zu Empfehlenden vorausging, ist durch einige Beispiele ausdrücklich belegt. P.Oxy. IV 746 wurde am 30. September 16 n. Chr. abgefasst und soll hier vollständig wiedergegeben werden:69 Θέων Ἡρακλείδηι τῶι ἀδελφῶι πλεῖστα χαίρειν καὶ ὑγιαίνειν. Ἑρμόφιλος ἀποδ[ι]δούς σοι τὴν ἐπιστολήν [ἐ]στ̣[ι] .[ . .] .κ[ . .]μ̣ .φ̣ [ .]η̣ ρ̣ ι ̣ 5 [ .]ερίου, καὶ ἠρώτησέν με γράψαι σοι. [π]ροφέρεται ἔχειν πραγμάτιον [ἐν τῆι] Κερκεμούνι. τοῦτο οὖν ἐάν σοι φα[ί]νηται σπουδάσεις κατὰ τὸ δίκαιον. τὰ δ᾽ ἄλλα σεαυτοῦ ἐπιμέλου 10 ἵν᾽ ὑγιαίνῃς. ἔρρωσο. (ἔτους) γ Τιβερίου Καίσαρος Σεβαστοῦ Φαῶφι γ.
Verso Ἡρακλείδηι βα(σιλικῷ) γρ(αμματεῖ) Ὀξυ̣ (ρυγχίτου) Κυνοπ(ολίτου). 68 Siehe Kim, Form; einige Empfehlungsbriefe auf Papyrus erwähnt bereits Windisch, 2Kor 103; siehe ferner: Baird, Letters; Keyes, Letter; Harrop, Letter; White, Letters 88–90; Treu, Empfehlungs-Schemabriefe (die darin gebotene tabellarische Liste zum Schema christlicher Empfehlungsbriefe wurde ergänzt von M. G. Sirivianou in P.Oxy. LVI S. 112–114); Witherington, Conflict 377–378; G. H. R. Horsley in New Docs. IV S. 255; St. R. Llewelyn in New Docs. VIII S. 169–172; Klauck, Briefliteratur 75–79; Scholtissek, „Ihr seid ein Brief Christi“ 196–198; Elliott/Reasoner (Hg.), Documents 77–78. – In Appendix III hat Kim, Form, die bis dahin edierten Empfehlungsbriefe zusammengestellt; Nachträge bei Cotton, Letters; Arzt-Grabner, Philemon 59 Anm. 10; hinzuzufügen sind: SB XXVI 16636 (Mitte 3. Jh. v. Chr.); P.Köln IX 365 (2. Jh. v. Chr.); O.Berenike II 123 (ca. 50–75 n. Chr.); P.Leid.Inst. 31 (1.–2. Jh. n. Chr.); P.WaPS. 05 (ed. Blumell, Second-Century AD Letter); P.Gen. I2 75 (3. Jh. n. Chr.); CPR XXV 2; P.Col. XI 298 (beide 3.–4. Jh. n. Chr.). Der Charakter von O.Eleph.Wagner 201 (3. Jh. n. Chr.) ist – wie bereits oben erwähnt – fraglich. – Bei BGU I 37 (12. September 50 n. Chr.) handelt es sich nicht um „ein schönes Beispiel für ein privates Empfehlungsschreiben“ (so Dobbeler, Macht 62 Anm. 69), sondern um einen Brief, der einem Sklaven mitgegeben wird, mit dem Auftrag, beim Adressaten Stützhölzer für die Ölbaumgärten seines Herrn zu besorgen. 69 In Arzt-Grabner, Philemon 60, wird P.Oxy. II 292 (ca. 25 n. Chr.) vollständig wiedergegeben; ders., Neues zu Paulus 135–136, bietet den griechischen Text und eine deutsche Übersetzung von P.Mert. II 62 (22. März 7 n. Chr.).
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Exkurs: Empfehlungsbriefe
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„Theon an Herakleides, den Bruder, ganz viele Grüße und Gesundheit. Hermophilos, der dir den Brief überbringt, ist … des -erios und er bat mich, dir zu schreiben. Er gibt an, etwas Geschäftliches in Kerkemunis zu haben. Bemühe dich, wenn es dir [recht] scheint, darum gemäß dem, was recht ist! Im Übrigen schau auf dich, dass du gesund bleibst! Leb wohl! Im 3. Jahr des Tiberius Caesar Augustus, am 3. Phaophi.“ Verso: „An Herakleides, den Königlichen Schreiber des Oxyrhynchites und Kynopolites.“70
Ähnlich wurde auch BGU XVI 2623 mit BL XI 35 (27. April 10 v. Chr.) auf die ausdrückliche Anfrage des Empfohlenen hin ausgestellt.71 Φαῖδρος Ἀθηνοδώρωι τῶι ἀδελφῶι χαίρειν κα[ὶ] ἐρρωμένωι ἄριστ᾽ ἐπανάγειν ὡς βούλομαι. Λεύκιος ἀνὴρ ἀγαθὸς ἀναπλέων εἰς τὸνἩρακλεοπο`λ´(ίτην) ἐπὶ εἴσπραξιν ἰδίων κερματίων ἄνωθέν μοι 5 ὢν φίλος ἠ̣ ρώτησεν συστῆσαι αὐτὸν εἴ τισιν ἔχειν ἐκεῖσε φίλοις· οὐχ ὁρῶν οὖν ἐν τῶι παρό̣ ντι ἄ̣ [λλο]ν̣ [ἀ]νότερόν σου ὡρμήθην γράψας παρακαλέσαι σε εἰ ἄρα ἔτι ἔστιν τίς σοι μνήμην [ἡ]μῶν· εἰκὸς δ᾽ἐ̣[στιν] οὖν ἐπισχῖσαι τ᾽ ἀνδρί[α] καὶ φρ[ο]ντίσαι ἐν οἷς ἐάν [σου] ̣ ̣ ημίας χρόνωι· πε̣ί[̣ θομαι] 10 χρήσηι ἐν τῶι τῆς ἐπ̣ ιδ γὰρ αὐτόν τέ σοι εὐαρεστήσειν ἐμὲ οὐχ ἧττ[ον] αἰσθησόμενον τὸ ἔκ σου σπουδαῖον· τὰ δ᾽ ἄλλα [ . . . . . .] [σε]αυ̣ τ̣ο̣ ῦ̣ καὶ τοῦ ὑγιαίν[ε]ιν̣ ἐπιμέλου. ἔρρ`ω´(σο)· (ἔτους) κ Καίσ`α´(ρος) Παχὼν β.
Verso 15 Ἀθηνοδώρωι. 6–7 l. ἀνώτερόν 9 l. ἀνδρεία
„Phaidros an Athenodoros, den Bruder, Grüße und dass du wohlauf bestens vorankommst, wie ich wünsche. Leukios, ein guter Mann, segelt flussaufwärts in den Herakleopolites zur Eintreibung seiner Gelder. Da er seit langem mein Freund ist, bat er mich, ihn zu empfehlen, und (er fragte,) ob ich dort irgendwelche Freunde habe. Weil ich nun gegenwärtig niemand anderen sehe, der weiter flussaufwärts wohnt als du, habe ich mich daran gemacht, zu schreiben und dich zu bitten, ob dir also noch jemand von uns in Erinnerung ist. Es ist schicklich, sowohl eine mannhafte Haltung einzunehmen als auch für alles, worin er deiner bedarf, Sorge zu tragen während der Zeit seiner Anwesenheit. Ich bin nämlich überzeugt, dass er dir zu Gefallen sein wird und dass ich um nichts weniger den aus dir kommenden Eifer wahrnehmen werde. Im Übrigen aber … dich selbst und sei besorgt um deine Gesundheit! Leb wohl! Im 20. Jahr Caesars, am 2. Pachon.“ Verso: „An Athenodoros.“ 70
Zum Königlichen Schreiber Herakleides siehe Kruse, Schreiber 26–29. Ähnliches gilt vielleicht auch für P.Mert. II 62 (22. März 7 n. Chr.): Beachte dort die Form ἐρωτηθ̣ είς in Z. 6, die auf den Briefsender („auf meine Bitte hin“) oder auf den Empfohlenen („auf seine Bitte hin“) bezogen werden könnte (siehe dazu Arzt-Grabner, Neues zu Paulus 136 Anm. 24). 71
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
Der zu Empfehlende kann auch von dessen Freunden empfohlen worden sein, wie ein Beispiel aus dem Frühjahr 6 n. Chr. zeigt: P.Mich. inv. 1430 (ed. Hanson, Letter) ist der Empfehlungsbrief für Isidoros aus Psophthis, der von einem Tryphon an dessen Vater gleichen Namens empfohlen wird. Zu Beginn (in Z. 3–6) wird er mit folgenden Worten vorgestellt: Ἰσίδω[ρος ὁ ἀ]ποδιδούς σοι τὴν ἐπιστολὴν | ἐ̣[μοὶ μὲν συν]ε̣σταμ[έ]ν̣ ος ὑπὸ φίλων γ̣ν̣ ησίων̣ | . [. . . ἀπ?εδεί]κνυέν τε ἑαυτὸν εἶναι ἀπὸ | κ̣ [ώμης Ψ]ώφθεως τοῦ Μεμφίτου („Isidoros, der dir den Brief überbringt, hat, nachdem er mir von edlen Freunden empfohlen worden war, … und hat nachgewiesen, dass er selbst aus dem Dorf Psophthis im Memphites stammt“). Die Bitte an den Vater lautet – Z. 10–12: ἐρωτῶ{ι} οὖν σε, πάτερ, | εἰς τὴν̣ [τῶ]ν συστησάντων φίλων καταλο|γὴν πόησον (l. ποίησον) [α]ὐτὸν ἀπαρενόχλητον κτλ. („ich bitte dich also, Vater, mach ihn – als Zeichen der Achtung gegenüber den Freunden, die ihn empfohlen haben – frei von Beschwernissen …“).
In Bezug auf Paulus könnten diese Beispiele bedeuten: „Empfehlungsbriefe nötig haben“ meint bei ihm, bei jeder Gelegenheit jemanden um Empfehlung zu fragen und somit nichts von sich allein aus zu wagen oder zu unternehmen und in möglicher weiterer Folge den Empfehlenden und einen Empfehlungsbrief höher zu achten als den Empfohlenen und seine Fähigkeiten selbst. Weitere Beispiele für Empfehlungsbriefe in zeitlicher Nähe zu Paulus sind BGU VIII 1871 mit BL VI 18 und X 22 (6. November – 5. Dezember 61 v. Chr.), XVI 2654 mit BL XI 35 (14. Juli 6 v. Chr.), P.Oxy. IV 743 (4. Oktober 2 v. Chr.), 787 (6. April 16 n. Chr.), II 292 (ca. 25 n. Chr.), P.Herm. 1 mit BL VIII 149 (1. Jh. n. Chr.) und P.Leid.Inst. 31 (1.–2. Jh. n. Chr.). Beispiele in lateinischer Sprache sind O.Berenike II 123 (ca. 50–75 n. Chr.), Ch. L. A. X 424 (2. Hälfte 1. Jh. n. Chr.) und XI 493 (Ende 1. Jh. n. Chr.).72
Weitere dokumentarische Papyri erhellen den Rahmen, innerhalb dessen das Instrumentarium der Empfehlungsbriefe funktionierte und der somit auch als Hintergrund für die Einstellung des Paulus aufschlussreich ist. Ein Dritter konnte sich bei einem Bekannten oder Freund dafür verwenden, dass dieser für jemanden einen Empfehlungsbrief ausstellte. Genau darum geht es z. B. in BGU XVI 2647 (21. März 8 v. Chr.). Und SB VI 9564 (1. Jh. v. Chr.) zeigt, dass das Eintreten für einen Empfohlenen deutlich über die einmalige Ausstellung eines Empfehlungsbriefes hinausgehen konnte: Ein gewisser Herakles schreibt hier an den Dioiketen Ptolemaios, dass er sich bei jemandem in Memphis, dessen Name nicht erhalten ist, für einen Priester aus Tebtynis verwendet habe. Nun bittet er den Dioketen, in Erfahrung zu bringen, ob der Priester dort eingetroffen sei, und seinerseits ihn in allem zu unterstützen, was er benötigt, damit er nicht aufgehalten wird – Z. 2–8: ἠρώτησα Ια̣ π .[ .] . ἐν Μέμφι 72 Auch PSI XV 1539 (Ende 1. Jh. v. Chr.; der Brief gehört vielleicht zum AthenodorosArchiv) enthält Elemente eines Empfehlungsbriefes. Die Person, die vom Adressaten des Briefes unterstützt werden soll, scheint jedoch bereits in der Gegend tätig zu sein und nicht – wie sonst üblich – den Empfehlungsbrief selbst zu überbringen.
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Exkurs: Empfehlungsbriefe
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ὑπὲρ τοῦ | ἱερέος (l. ἱερέως) τοῦ τῆς Τεβτύνεως .[ .] .ε̣ . γράψαι αὐτῷ | ἐπιστολίδιν, ἵνα ἴδῳ (l. εἴδῳ) ὥτι (l. ὅτι) αὐτῷ ἐστιν. ἐρωτῶ σε, | ὥπως (l. ὅπως) οὐ κατασκεθήσεται (l. κατασχεθήσεται), χιλαγώγησον (l. χειραγώγησον) | [αὐτ]όν, ἐν οἷς ἐὰν χρήζῃ {ζ[η]}, [τὼ (l. τὸ)] αὐτὼ (l. αὐτὸ) ποιῶν | τ̣ῶι (l. ᾧ) ποῖς̣ (l. ποιεῖς) Ἀρτεμίδωρος (l. Ἀρτεμιδώρῳ), δ[οὺ]ς̣ ἐμο[ὶ] πρὸς | τὸν ἱερέα κ̣ α̣ ὶ ̣ τὼ (l. τὸ) αὐτὼ (l. αὐτὸ) καταλ[υ]μάτιν („ich bat Iap… in Memphis für den Priester des … von Tebty-
nis. Schreib ihm einen Brief, damit ich weiß, dass er bei ihm ist. Ich bitte dich, unterstütze ihn – damit er nicht aufgehalten wird – in allem, worin er es nötig hat, indem du dasselbe tust, was du für Artemidoros tust, indem du mir für den Priester auch dieselbe Unterkunft zur Verfügung stellst“).
Der Briefsender möchte hier also mit Hilfe des Adressaten in Erfahrung bringen, was aus seiner ursprünglichen Empfehlung geworden ist und dehnt diese sogar weiter aus. Der bereits erwähnte Brief P.Giss.Univ. III 20 (113–117 n. Chr.) verdient noch weitere Aufmerksamkeit, was das Instrumentarium des Empfehlungsbriefes betrifft. In welcher Angelegenheit die in Z. 1 genannten ἐπιστολαὶ συστατικαί verschickt wurden, ist aufgrund des verlorenen Beginns des Schreibens unsicher.73 Die erhaltenen ersten sieben Zeilen des Papyrus weisen aber auf ein komplexes Gefüge von Empfehlungen hin: Der griechische Text von Z. 1–7 lautet: ἐ[π]ιστολὰς συστατικὰς πρὸς τὸν ἐπιστράτηγον, μή | π̣ ο̣ τε φθάσῃ π̣ αρ᾽ ὑμῖν γενέσθαι. ἐνετειλάμην δὲ | κ̣ [αὶ Ἀ]ντωνείνωι στρατιώτηι, ὃς ἦν ἐν τῆι ἐπι|[στ]ρατηγίαι Οὐίνδικος μεθ᾽ ἡμῶν, ἀναπλεύσαν|[τι] δὲ καὶ νῦν μετὰ τοῦ ἐπιστρατήγου, ἵνα ἐν ὅλωι | [τ]ῶι πράγματί σοι παραστῇ. οὐδὲν δ᾽ ἧττον καὶ νῦν | [ἔπ]ε̣μψά σοι πρὸς αὐτὸν ἐπιστόλιον. Der Absender, vermutlich ein Offizier aus Alexandria, teilt der Adressatin mit, er habe „Empfehlungsbriefe an den Epistrategen“ ausgestellt und – so vermute ich – auch an diesen abgeschickt. Den folgenden und mit μή eingeleiteten Satz deute ich so, dass der Absender damit begründet, warum er die Empfehlungsbriefe an den Epistrategen geschickt habe und nicht an die Adressatin des gegenwärtigen Schreibens selbst, wo doch offensichtlich sie – wie aus dem Folgenden hervorgeht – die Empfohlene ist. Die Formulierung „damit er nicht zuvor bei euch eintrifft“ meint wohl „damit er (nämlich der Epistratege) nicht zuvor (nämlich vor dem aktuellen Schreiben) bei euch (also der Adressatin) eintrifft“74 und dann womöglich gar kein Empfehlungsschreiben zur Hand hätte. In Z. 2–7 fügt der Absender hinzu: „Aber auch dem Soldaten Antoninus, der in der Epistrategie des Vindex mit uns war und der auch jetzt mit dem Epistrategen flussaufwärts fuhr, trug ich auf, dass er dir in der ganzen Sache beistehe. Nichtsdestoweniger schicke ich dir auch jetzt einen Brief an ihn.“ Die in den erwähnten Empfehlungsbriefen empfohlene Person ist offensichtlich die Adressatin des vorliegenden Schreibens selbst, und auch der zuletzt genannte Brief, den diese dem Soldaten Antoninus übergeben soll, sobald er bei ihr eintrifft, ist ein Empfehlungsbrief zu ihren Gunsten. Der Absender hat sich somit auf mehrfa73
Beachte dazu H. Büttner in P.Univ.Giss. III S. 8. Vgl. auch die Übersetzung von A. S. Hunt und C. C. Edgar in Sel.Pap. I S. 313: „in case he should reach you first.“ 74
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
che Weise für die Absenderin eingesetzt, damit sie Unterstützung erfährt: durch Empfehlungsbriefe an den Epistrategen, die dieser auf alle Fälle noch vor seinem Eintreffen bei der Adressatin erhalten sollte und die vermutlich durch den Soldaten Antoninus dem Epistrategen überbracht werden sollten (schließlich weiß der Absender, dass der ihm bereits von früher bekannte Soldat nun mit dem Epistrategen gemeinsam unterwegs ist); durch einen (wohl mündlichen) Auftrag an selbigen Soldaten, der Adressatin beizustehen; schließlich durch einen Empfehlungsbrief, den der Absender mit dem aktuellen Schreiben mitschickt und der an Antoninus adressiert ist, damit die Adressatin auch schriftlich die Empfehlung durch den Absender vorweisen kann.
Vor dem Hintergrund derartiger komplexer Beispiele ist vorstellbar, dass das Instrumentarium der Empfehlungsbriefe auch ausufern konnte und darin – wie oben bereits angedeutet – umso mehr die Gefahr bestand, dass dem Empfehlenden und dem Empfehlungsbrief mehr Bedeutung zugemessen wurde als dem Empfohlenen und seinen Fähigkeiten oder Bedürfnissen. Zusammenfassend kann der papyrologische Befund auf 2Kor 3,1 hin so ausgewertet werden, dass Paulus hier jene Haltung kritisiert, die bei jeder Gelegenheit von sich aus nach einem Empfehlungsbrief, also nach der Empfehlung durch jemand anderen heischt, als ob es mehr darauf ankäme als auf die eigene Qualifikation. Mit diesem Verständnis der Aussagen des Paulus lässt sich die Beobachtung in Einklang bringen, dass Paulus mit Empfehlungsbriefen offenbar sehr gut vertraut war und nachweislich selbst welche ausstellte. Es ist auch denkbar, dass er den einen oder anderen Empfehlungsbrief, wenn ihm ein solcher unterstützend angeboten und mitgegeben wurde, für sich nützte. Kritisiert wird hier freilich auch die in Korinth offenbar da und dort vertretene Haltung, jene Personen eher und würdiger zu empfangen, die Empfehlungsbriefe vorzuweisen hatten, als andere, die auf sich allein gestellt waren. Paulus kritisiert also nicht das Instrumentarium des Empfehlungsbriefes an sich, wohl aber jedwede Abhängigkeit und Überbewertung davon, die die Gefahr in sich birgt, das Wesen der Person selbst gering zu achten. 3,22 ἡ ἐπιστολὴ ἡμῶν ὑμεῖς ἐστε, ἐγγεγραμμένη ἐν ταῖς καρδίαις ‹ 1,22 ἡμῶν, γινωσκομένη ‹ 2,4 καὶ ἀναγινωσκομένη ‹ 1,13 ὑπὸ πάντων ἀνθρώπων – Mit ἐπιστολή wird in dokumentarischen Papyri nicht nur ein privater, geschäftlicher oder amtlicher Brief bezeichnet, sondern auch ein Erlass von König oder Kaiser, eine Eingabe oder schriftliche Anweisungen unterschiedlichster Art.75 Vom Zusammenhang her ist an der vorliegenden Stelle ein Empfehlungsbrief (siehe dazu den vorhergehenden Exkurs) gemeint, den – in übertragener Weise – die Gemeinde selbst darstellt.
75 Vgl. Kiessling, Wörterbuch s. v. ἐπιστολή; R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 215–216; Kreinecker, 2. Thessaloniker 157–158.
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Einzelheiten: 2Kor 3,2–3
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Das Verb ἐγγράφω76 (wörtlich „einschreiben“) wird in den Papyri verhältnismäßig häufig verwendet, und zwar dann, wenn etwas oder jemand schriftlich bzw. amtlich verzeichnet oder eingetragen, d. h. seine Präsenz oder Existenz unabänderlich „festgehalten“ werden soll. Beispiele für den Gebrauch mit Personen sind etwa folgende: Wie in Texten aus ptolemäischer Zeit häufig, wird auch das in BGU XIV 2398 (213– 212 v. Chr.) beschriebene Rechtsgeschäft eines Grundstückskaufs „in Gegenwart von eingetragenen Zeugen“ vorgenommen – Z. 6 (bzw. 24): [ἐναντίον] τῶν ἐγγεγραμμένων μαρτ̣ύ̣ ρων. Bereits aus dem 1. Jh. n. Chr. stammt P.Oxy. XLVI 3273, wo es um die Bestellung von Sitologen geht; wie dem Epistrategen mitgeteilt wird, wurden zwei Männer irrtümlich in die Liste der Kandidaten aufgenommen – Z. 4–5: κατὰ πλάνην | ἐνεγράφη.77
Was auch immer schriftlich verzeichnet wird, erlangt durch eben diesen Akt des Festschreibens eine Gültigkeit, die man nur auf ausdrücklichen Antrag, wie das letzte Beispiel zeigt, wieder aufheben kann. Wenn also Paulus schreibt, dass die Gemeindemitglieder in seinem Herzen „festgeschrieben“ oder „eingetragen“ sind, so kommt dies einem dauerhaften Treueverhältnis gleich, das ähnlich schwer zu tilgen ist. 3,33 φανερούμενοι ‹ 2,14 ὅτι ἐστὲ ἐπιστολὴ ‹ 3,2 Χριστοῦ ‹ 1,1 διακονηθεῖσα ‹ S. 259 ὑφ᾽ ἡμῶν – Mit der Aussage, dass die Gemeinde ein „Brief Christi, dem von uns gedient wird,“ ist, bringt Paulus die Bedeutung seines Dienstes zum Ausdruck: er steht im Dienst Christi und als Diener Christi im Dienst der Gemeinde, die – insofern sie ein Brief geworden ist durch seinen Dienst, ein durch seinen Dienst besorgter Brief – eigentlich erst durch ihn als solche existiert. Von der Alltagssprache der Papyri her kann Paulus hier im metaphorischen Sinn als Briefbote verstanden werden.78 ἐγγεγραμμένη ‹ 3,2 οὐ μέλανι – Mit μέλαν79 wird in griechisch-römischer Zeit
die „schwarze“ Tinte bezeichnet, die einfach aus Ruß und Wasser unter Zusatz von Gumma als Bindemittel hergestellt wurde.80 In den dokumentarischen Papyri ist in Listen oder Abrechnungen von Ausgaben für Tinte die Rede: Um den Einkaufspreis von Tinte z. B. geht es mehrmals in den Grapheion-Abrechnungen81 P.Mich. II 123, Verso (9. November 45–24. Dezember 46 n. Chr.): in Kol. 76
Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. Um die Verzeichnung in einer Kandidatenliste für öffentliche Ämter geht es auch in P.Flor. I 2,43–44.169–170.205 (265 n. Chr.). 78 Zur Überbringung von Briefen und zu Briefboten in den Papyri und bei Paulus siehe S. 171–177; Arzt-Grabner, Neues 135–146. 79 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 80 Vgl. z. B. Vitr. 7,10; Plin. nat. 35,41. Rote Tinte wurde vor allem für Aufzeichnungen in militärischen Angelegenheiten verwendet (vgl. Rupprecht, Einführung 22). 81 Zu Einrichtung und Status der örtlichen Grapheia siehe u. a. Wolff, Recht II 18–23. Es han77
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III 11 werden für Papyrus und Tinte 21 Oboloi angegeben, in Z. 24–25 für Tinte allein ein Obolos (ähnlich Kol. V 25;82 Kol. IX 7); laut Kol. X 8 wurden für Tinte und einen Kalamos zwei Oboloi ausgegeben, also offenbar ein Obolos für Tinte und einer für das Schreibrohr. Der Normalpreis für eine übliche Menge an schwarzer Tinte betrug also einen Obolos und war somit relativ günstig (vgl. auch P.Mich. II 128, Kol. II 41–42 [24. Juli – 11. September 46 n. Chr.]).83
Dass μέλαν nicht nur zum Schreiben verwendet wurde, sondern z. B. auch in der sog. Enkaustik-Malerei, belegt bereits ein Papyrus aus dem Zenon-Archiv: Neben schwarzer Tinte werden in P.Cair.Zen. IV 59767 (Mitte 3. Jh. v. Chr.) als diverse Malutensilien auch μίλτος („rote Erde“), κόλλη („Leim“) und κηρός („Wachs“) erwähnt (vgl. Z. 3–6).
Hinzuweisen ist noch auf die große Haltbarkeit und Farbechtheit der schwarzen Tinte, für die die tausenden Papyri noch nach rund 2000 Jahren einen anschaulichen Beweis liefern. Paulus nimmt an dieser Stelle in erster Linie auf den Schreibvorgang Bezug, der hier im übertragenen Sinn zu verstehen ist und somit nicht mit Tinte geschehen konnte, sondern – wie er anschließend betont – mit dem πνεῦμα. ‹ 1,22
θεοῦ ζῶντος – Ein „lebendiger Gott“ ist papyrologisch erst in Papyri christlicher Prägung bezeugt.84
ἀλλὰ πνεύματι
‹ 1,22
‹ 1,17 σάρξ
– Mit den „steinernen Tafeln“ spielt Paulus natürlich auf den Sinai-Bund und die Gesetzestafeln des Mose an.85 Darauf nimmt nun Paulus ab hier immer wieder Bezug. Unter πλάξ86 ist generell – im Gegensatz zu dem in den Papyri weitaus gebräuchlicheren δέλτος („Schreibtäfelchen“)87 – eine verhältnismäßig große „Tafel“ zu verstehen,88 die allerdings nicht ausschließlich zum Beschreiben vorgesehen gewesen sein dürfte.89 οὐκ ἐν πλαξὶν λιθίναις ἀλλ᾽ ἐν πλαξὶν καρδίαις
σαρκίναις
delte sich dabei um „dienstlich nachgeordnete, doch grundsätzlich mit gleichen Befugnissen ausgestattete“ Nebenstellen des Zentralurkundsamtes eines Gaues (Wolff, Recht II 19). 82 Beachte dazu den Kommentar von A. E. R. Boak in P.Mich. II S. 166. 83 Ebenfalls um den „Preis für Tinte“ geht es in dem Bankenbuch P.Tebt. III.2 890 (frühes 2. Jh. v. Chr.?) – Z. 126: τι(μὴν) μέλανο[ς] (der entsprechende Betrag ist leider nicht erhalten). – Im privaten Brief P.Grenf. II 38 (80 v. Chr.) bestellt ein junger Mann bei seinem Vater Papyrus (Z. 5– 6: χαρτία bzw. χάρτης), Schreibrohre (Z. 7: κάλαμοι γραφικοί) und eben Tinte (Z. 8: μ[έ]λαν). In SB X 10241,10 (ca. 45 n. Chr.) wird ein „Tintenfass“ (τὸ βροχίον τοῦ μέλανος) erwähnt, eine Zeile weiter neben κάλαμοι auch ein Wetzstein (σμηλίον), der zum Spitzen der Schreibrohre und/oder zum Glätten des Papyrus verwendet wurde. 84 Einige Beispiele bei Preisigke, Wörterbuch s. v. ζάω; Kiessling, Wörterbuch s. v. ζάω e). 85 Gesetzestafeln aus Stein waren aber natürlich auch der griechischen und römischen Welt bekannt (siehe die Belege bei Hollander, Letter 111 Anm. 29). 86 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 87 Für Belege siehe Kiessling, Wörterbuch s. v. δέλτος. 88 Mit πλάξ wird auch ein Standardmaß für die in Steinbrüchen gebrochenen Steinplatten angegeben (so in P.Worp 50,12 [Ende 1. – Anfang 2. Jh. n. Chr.]); vgl. A. Bülow-Jacobsen in P.Worp S. 315: „It was clearly one of the standard modules to which stone was cut for exporta-
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Einzelheiten: 2Kor 3,3–5
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So wünscht der Petent von P.Tebt. III.1 790 (127–124 v. Chr.), seinerseits Aufseher des Tempelbezirks der Arsinoë in Oxyrhynchos, dass das Versprechen des Königs, seinen τέμενος vor Eindringlingen zu schützen, für alle sichtbar auf dem Außentor, und zwar „unter der bereits existierenden Tafel“ (Z. 33–34: ὑπὸ τὴν [ὑ]|πάρχουσαν πλάκα)90 angeschlagen werden solle.91 Wozu die 22 πλάκες aus Zinn in O.Bodl. II 1968,5 (18 v. Chr.) oder die purpurnen πλάκες in Stud.Pal. V 86,7.9 mit BL VIII 445 (266–267 n. Chr.) dienten, ist fraglich. Wohl nicht um eine beschreibbare Tafel, sondern um ein Tablett handelt es sich bei der in P.Tebt. V 1151,296 (nach 24. März 112 v. Chr.) erwähnten bronzenen πλάξ, die aus Anlass des Besuches zweier hoher Beamter angeschafft wird – entweder als Gastgeschenk oder zum Darreichen von Speisen.92
„Tafeln aus Stein“ (πλάκες λίθιναι), wie Paulus sie nennt, werden in den Papyri nirgends erwähnt; λίθινος bezieht sich dort meist auf das für bauliche Elemente verwendete Material oder auf Gebrauchsgegenstände und Schmuck: In P.Mich. I 37,2–3 (254 v. Chr.) wird eine steinerne Türe erwähnt, in PSI III 171,16 (um 118 v. Chr.) Stufen aus Stein, in VIII 918,2 (38–39 n. Chr.) ein Brunnen; überhaupt kann mit λίθινα das neben Ziegeln als Baumaterial verwendete Steinmaterial bezeichnet werden (P.Zen.Pestm. 48,2–3 [258 oder 257 v. Chr.]).93 Unter Gegenständen des alltäglichen Gebrauchs werden etwa ein „steinerner Mörser“ (P.Vind.Tand. 24,8 [45 n. Chr.]) und eine „Schale aus Stein“ (P.Oxy. VI 937,12–13 [3. Jh. n. Chr.]) erwähnt; um „Halsketten aus Stein“ geht es in P.Enteux. 83,5 (221 v. Chr.).
3,44 πεποίθησιν ‹ 1,15 δὲ τοιαύτην ἔχομεν διὰ τοῦ Χριστοῦ ‹ 1,1 πρὸς τὸν θεόν. 3,55 οὐχ ὅτι ἀφ᾽ ἑαυτῶν ἱκανοί ‹ 2,16 ἐσμεν λογίσασθαί τι ὡς ἐξ ἑαυτῶν – Beim Verb λογίζομαι ist von der allgemeinen Bedeutung „rechnen“ auszugehen, die dann je nach Zusammenhang als „berechnen, in Rechnung stellen“, „bewerten, tion.“ Um das Verladen solcher πλάκες, um sie aus dem Steinbruch abzutransportieren, geht es in O.Claud. IV 750,1 (ca. 98–117 n. Chr.); 756,4; 758,6 (beide ca. 138–161 n. Chr.); in 844,3–4 (ca. 98– 117 n. Chr.) wird die Breite von solchen Tafeln in Fuß angegeben (das genaue Maß ist nicht erhalten); beachte ferner 887,8 (ca. 150–154 n. Chr.). 89 Vgl. dazu die allgemeine Definition bei LSJ s. v. πλάξ: „anything flat and broad“; in Ex 31,18 LXX werden die steinernen Gesetzestafeln des Mose als πλάκες τοῦ μαρτυρίου bezeichnet (vgl. Hebr 9,4: αἱ πλάκες τῆς διαθήκης). 90 A.S. Hunt und J.G. Smyly (in P.Tebt. III.1 S. 231) vermuten dahinter die Weihinschrift des Tempels. 91 Vielleicht für eine Ehreninschrift? 92 Vgl. A. M. F. W. Verhoogt in P.Tebt. V S. 147. – In Pap.Graec.Mag. I 4,2179.2187.2208 (frühes 4. Jh. n. Chr.) wird πλάξ synonym zu λάμνα (lat. lamina), dem Ausdruck für eine dünne Tafel aus Metall, verwendet und bezeichnet speziell eine (wohl etwas größere) Fluchtafel. In Pap. Graec.Mag. II 36,339–340 (4. Jh. n. Chr.) geht es hingegen um eine πλάξ τοῦ βαλανίου, was K. Preisendanz als „Platte des Hitzebades“(?) übersetzt. 93 In P.Petr. II 4 (5),1 mit BL I 350 (Mitte 3. Jh. v. Chr.) sowie 13 (18b),8 mit BL I 355 (257– 249 v. Chr.) liest man von λίθινα ἔργα („Stein[bruch]arbeiten“).
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
ansehen“, „erwägen, bedenken“ oder „denken, meinen“ in Erscheinung treten kann. In den Papyri sind Beispiele für „berechnen, verrechnen, anrechnen, in Rechnung stellen“ besonders zahlreich und haben meist mit Grundstücken, Geld oder Getreide zu tun.94 Für die Deutung der vorliegenden Stelle ist durchaus von diesem Hintergrund auszugehen, nämlich in dem umgekehrten Sinne, dass Paulus hier betont, dass er nicht imstande ist, etwas „zu verrechnen“ oder „in Rechnung zu stellen“, als käme es von ihm selbst. Paulus überträgt hier die Sprache der Land- und Geldwirtschaft auf seine διακονία (beachte V. 6), betont aber dabei gerade den entscheidenden Unterschied: Was er anzubieten hat und ausübt, kommt nicht von ihm selbst und geschieht nicht aufgrund eigener Leistung; und deshalb kann er es auch nicht in Rechnung stellen, denn seine Eignung kommt direkt von Gott. In leicht abgewandelter Form übernimmt Paulus diese Bedeutung von λογίζομαι aus dem Bereich der Land- und Geldwirtschaft und überträgt ihn in 5,19 und 12,6 (und innerhalb der korinthischen Korrespondenz außerdem in 1Kor 13,5) auf den zwischenmenschlichen Bereich bzw. auf die Beziehung Gottes zu den Menschen. Belege, in denen es darum geht, dass Personen einer bestimmten Gruppe „zugerechnet“ werden,95 sind als Hintergrund für 10,2 (und ferner 1Kor 4,1) relevant. Bei Konstruktionen mit einem folgenden ὅτι-Satz, einem Infinitv oder AcI hingegen liegt die Bedeutung „überlegen, (in berechnender Weise) erwägen“ vor,96 die somit in 10,2.7.11 zum Tragen kommt (und abgeschwächt im Sinne eines einfachen „Denkens“ in 11,5 und ferner in 1Kor 13,11). ἀλλ᾽ ἡ ἱκανότης ἡμῶν ἐκ τοῦ θεοῦ – Der Begriff ἱκανότης97 begegnet bisher
lediglich in einem Beleg aus dem 5. oder 6. Jh. n. Chr., wo es die „Eignung“ eines designierten πρωτοδημότης bezeichnet (P.Oxy. LIX 3987,13 mit BL XII 153 [21. März 457 oder 502 oder 532 n. Chr.]). 3,66 ὃς καὶ ἱκάνωσεν ἡμᾶς διακόνους ‹ S. 259 καινῆς διαθήκης ‹ S. 259 – Zu ἱκανόω („befähigen“) existieren bisher keine papyrologischen Belege. ‹ 1,22
– Mit γράμμα spielt Paulus erneut auf die Gesetzestafeln des Mose an, in die die Buchstaben gemeißelt wurden. Ausgehend von der Bedeutung „Buchstabe“ wird der Plural τὰ γράμματα in den Papyri und Ostraka häufig als Bezeichnung für den „Brief“ verwendet. Von papyrologischer Seite ist im Zusammenhang mit der paulinischen Verwendung des Singulars γράμμα aber auf die Bedeutung „Urkunde“ zu verweisen, die ab
οὐ γράμματος ἀλλὰ πνεύματος
94 Siehe die Belege bei Preisigke, Wörterbuch s. v. λογίζομαι 1); vgl. R. E. Kritzer in ArztGrabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 161. Vgl. auch Welborn, End 164. 95 Siehe die Belege bei R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 161. 96 Ausgewählte papyrologische Belege bei R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 161 Anm. 482. 97 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet.
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Einzelheiten: 2Kor 3,5–7
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dem 1. Jh. n. Chr. belegt ist (z. B. P.Oxy. I 37,19 [29. März 49 n. Chr.]:98 γράμμα τῆς τροφείτιδ̣ ος „Ammenvertrag“).99 Auch ohne einschlägig jüdischen Hintergrund ist γράμμα in diesem Abschnitt somit im Sinne von etwas Verbindlichem oder rechtlich Niedergeschriebenem, Festgesetztem verständlich.100 τὸ γὰρ γράμμα ἀποκτέννει – Das Verb ἀποκτείνω101 nimmt in den Papyri
stets auf das „Auslöschen des Lebens“ Bezug, entweder von Tieren oder von Menschen: So geht es in zwei Texten um das Töten von Schweinen: in P.Cair.Zen. III 59312 (250 v. Chr.), einer Liste abhanden gekommener Tiere, ist festgehalten, dass der Bauer Pasis selbst eines „geschlachtet hat“ (Z. 24: Πᾶσις γεωργὸς ἀπέκτεινε α), während in P.Enteux. 71,5–6 (222 v. Chr.) der Verlust einer weißen, trächtigen Sau durch einen Banditen beklagt wird. Gut dokumentiert ist der Fall der Zwillinge Thaues und Taus, die ihre Mutter beschuldigen, ihrem Liebhaber aufgetragen zu haben – UPZ I 18,6 (163 v. Chr.): ἀποκτῖναι τὸν πατέρα ἡμῶν („unseren Vater zu töten“).102 Weitere Beispiele für das Töten von Menschen finden sich in UPZ I 119, Verso 34 (16. August 156 v. Chr.); O.Krok. I 60,5 (ca. 98–125?); P.Münch. III 66, Kol. I 5; Kol. II 8–9 (nach 17. September 124 n. Chr.); SB XII 11113,12–13 (ca. 180–210 n. Chr.).
Paulus argumentiert hier auf einer metaphorischen Ebene, an sich aber genau im Sinne des beschriebenen Wortgebrauchs: Der Buchstabe, der hier für das Gesetz steht, kann nicht das wahre Leben schenken, nicht lebendig machen, sondern bewirkt das genaue Gegenteil – den Tod. ‹ 1,22
ζῳοποιεῖ – Das Verb ζῳοποιέω ist in den dokumentarischen Papyri und Ostraka bisher nicht bezeugt. τὸ δὲ πνεῦμα
3,77 εἰ δὲ ἡ διακονία ‹ S. 259 τοῦ θανάτου ‹ 1,9 ἐν γράμμασιν ‹ 3,6 ἐντετυπωμένη λίθοις – Die Beschreibung des Dienstes als eines, der durch Schriftzeichen (ἐν 98
Die Zeilenangabe bei Preisigke, Wörterbuch s. v. γράμμα 4), ist nicht korrekt. Weitere Belege bei Preisigke, Wörterbuch s. v. γράμμα 4); Kiessling, Wörterbuch s. v. γράμμα 2). Im Sinne von „Schuldschein“ begegnet γράμμα in P.Tebt. II 397,17 (23. Februar 198 n. Chr.), worauf – im Zusammenhang mit Lk 16,6 – bereits Moulton/Milligan, Vocabulary s. v. γράμμα, verwiesen haben. Siehe ferner P.Oxy. LXXI 4828, Kol. II 23 (27. März – 25. April 195 n. Chr.). 100 Deissmann, Licht 321, hat darauf hingewiesen, dass „wir den uns aus Philon, Josephus und 2 Tim 315 vertrauten Würdenamen für die Bibel (Alten Testaments) ἱερὰ γράμματα heilige Schriften als technische Bezeichnung für die Kaiserbriefe und -erlasse im Gebrauche der östlichen Welt finden“ (mit inschriftlichen Belegen S. 321–322); beachte dazu auch Moulton/Milligan, Vocabulary s. v. γράμμα. In BGU II 615,20–21 (2. Jh. n. Chr.) begegnet der Ausdruck allerdings als – wohl überaus wertschätzend gemeinte – Bezeichnung für den empfangenen privaten Brief des Bruders. Im Zusammenhang mit dem ägyptischen Kult ist in SB XVIII 13734,13 (1.–4. Jh. n. Chr.) von τ[ὰ ἱερὰ γ]ράμματα die Rede, wobei allerdings das Attribut ergänzt ist. 101 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 102 Näheres zu den Zwillingen Thaues und Taus S. 153 Anm. 310. 99
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
γράμμασιν)103 in Steine gemeißelt (wörtlich „Steinen eingemeißelt“) wurde,
spielt neuerlich auf den Sinai-Bund und die „steinernen Tafeln“ (so wörtlich in V. 3) des Mose an. Das Verb ἐντυπόω („einprägen, -meißeln“) ist papyrologisch bisher nicht bezeugt. Mit λίθος wird in den dokumentarischen Papyri und Ostraka sowohl der „Felsstein“ als auch der „Bruchstein“ bezeichnet (abgesehen vom „Edelstein“, der aber für die vorliegende Stelle nicht von Relevanz ist), der als Baustein oder für Geräte und Gefäße sowie in der Kunst verwendet werden kann.104 ἐγενήθη ἐν δόξῃ ‹ 1,20 – Mit δόξα nimmt Paulus hier bereits auf den folgenden ὥστε-Satz Bezug, dass die Israeliten Mose nicht ins Gesicht sehen konnten wegen der δόξα seines Gesichtes. Hintergrund ist Ex 34,30 LXX: ἦν δεδοξασμένη ἡ ὄψις τοῦ χρώματος τοῦ προσώπου αὐτοῦ. Das Verb δοξάζω muss
hier also eine Bedeutung haben, die im Zusammenhang mit dem „Aussehen der Gesichtsfarbe“ Sinn macht. In der hebräischen Vorlage steht רן ַ ק ָ , was meist mit „strahlen“ übersetzt wird, allerdings – so betont B. Kedar-Kopfstein – „mit ungenügender Begründung: qrn hat nirgends diese Bedeutung …, und die ausdrückliche Betonung, dass es die Haut war, die qaeraen-ähnliche Form aufwies, weist auf Hörner hin, nämlich als Symbol majestätischer Macht“105. Die LXX hat diese Bedeutung offenbar nicht wörtlich übernommen, sondern einen anderen Ausdruck majestätischer Macht gewählt, δόξα – bzw. das zugehörige Verb. Da es hier darum geht, dass diese δόξα aufgrund ihrer Intensität nicht direkt anzuschauen ist, ist die Bedeutung „Herrlichkeit“ gegenüber „Ruhm“ vorzuziehen. ὥστε μὴ δύνασθαι ἀτενίσαι τοὺς υἱοὺς Ἰσραὴλ εἰς τὸ πρόσωπον ‹ 1,11 Μωϋσέως – Das Verb ἀτενίζω106 („genau/gespannt anschauen/hinsehen“) begeg-
net innerhalb der dokumentarischen Papyri bisher nur in einer Eingabe wegen Überfalls aus dem Jahr 60/59 v. Chr.: Ein gewisser Ammonios ersucht den Strategen, nachdem er ihm den Tathergang genau geschildert hat, „die Tragweite der aufgezählten (Verbrechen) genau anzusehen“ – BGU VIII 1816,25: ἀτενίσαι εἰς τὸ μέγ̣ε̣θ̣ ο̣ [ς τῶ]ν̣ προεξηρ̣ ιθ̣ ̣ [μημένων]. Anschließend mögen die Missetäter mit dem Tod bestraft werden.107
Mit der Sprechweise von den „Söhnen Israels“ liegt typisch atl.-jüdischer Sprachgebrauch vor, der hier natürlich auch bei Paulus vorherrscht. Papyrologisch lässt sich festhalten, dass υἱός nicht nur den leiblichen Sohn oder den 103
Zahlreiche Papyrusbelege für diese Bedeutung bei Preisigke, Wörterbuch s. v. γράμμα 3); Kiessling, Wörterbuch s. v. γράμμα 1). 104 Siehe zahlreiche Belege zu den einzelnen Bedeutungen bei Preisigke, Wörterbuch s. v. λίθος. 105 Kedar-Kopfstein, !r,q, 188. 106 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 107 In den magischen Papyri begegnet ἀτενίζω des Öfteren (etwa in Pap.Graec.Mag. I 4,628– 629 [frühes 4. Jh. n. Chr.] vom Betrachten des θεῖον).
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Einzelheiten: 2Kor 3,7
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Adoptivsohn bezeichnet, sondern – darauf hat bereits F. Preisigke hingewiesen – „auch wohl öfter Ausdruck des Wohlwollens in der Anrede“108 sein kann. Belege dafür sind kaum eindeutig zu identifizieren,109 da den Briefpartnerinnen und -partnern ohnehin klar war, ob es sich bei der Verwendung von familiären Bezeichnungen um Anredeformen im wörtlichen oder im übertragenen Sinn handelte, und deshalb auch keine weiteren Hinweise gesetzt wurden, die uns eine eindeutige Klärung erlauben. Eine solche ist bestenfalls im Zusammenhang möglich. So handelt es sich z. B. bei BGU XVI 2618 (10. Mai 7 v. Chr.) um den privaten Brief einer gewissen Tryphas an ihren „Sohn“ Athenodoros und ihre „Tochter“ Artemis. Wie bereits oben im Zuge der Wiedergabe des gesamten Textes erwähnt (siehe S. 83– 84), sind die Familienverhältnisse nicht eindeutig zu klären, Tryphas könnte die leibliche Mutter des Athenodoros sein (beachte auch BGU XVI 2617,1 [7 v. Chr.]), andererseits wird Athenodoros auch von Menelaos und Herakleia als „Sohn“ bezeichnet (BGU XVI 2615,2 [ca. 21 v. Chr. – 5 n. Chr.]). Der Hg. des Athenodoros-Archivs W. M. Brashear hält letztere für die leiblichen Eltern des Athenodoros.110
Was den Namen Ἰσραήλ betrifft, ist papyrologisch bisher weder der Personenname noch die Volksbezeichnung belegt.111 Der Personenname Μωϋσῆς begegnet erst in Texten aus byzantinischer Zeit.112 διὰ τὴν δόξαν ‹ 1,20 τοῦ προσώπου αὐτοῦ τὴν καταργουμένην – Die aktiven Formen von καταργέω bringen – wie bereits F. Winter und P. Arzt-Grab-
ner zum papyrologischen Hintergrund von 1Kor 1,28 festgestellt haben – zum Ausdruck, dass jemand von einer vorgeordneten Machtposition aus etwas „ungültig, wirkungslos macht“ oder jemandem „sämtliche Wirkmöglichkeit nimmt“.113 Diese Bedeutung kommt in passivem Sinn auch in 2Kor 3,14 zum Tragen: die Decke oder Hülle, die auf dem Vorlesen des alten Bundes liegt, wird „in Christus ungültig, wirkungslos gemacht“, d. h. sie funktioniert dann einfach nicht mehr, vollbringt nicht mehr das, wozu eine Hülle eigentlich da ist, nämlich etwas zu verhüllen.114 108 109
Preisigke, Wörterbuch s. v. υἱός. Preisigke, Wörterbuch s. v. υἱός, nimmt auch keine Untergliederung der vielen Belege
vor. 110
Vgl. W. M. Brashear in BGU XVI S. 81. Die Bezeichnung Ἰσραηλίται („Israeliten“) ist bisher nur in P.Cair.Masp. I 67002, Kol. I 18 (Mai – Juli 567 n. Chr.) bezeugt. 112 Die beiden ältesten Belege sind O.Fay. 43,2 (frühes 4. Jh. n. Chr.) und P.Lond. VI 1916,6 (ca. 330–340 n. Chr.); in beiden Fällen ist von einem zeitgenössischen Träger dieses Namens die Rede, nicht vom Anführer des biblischen Exodus. 113 Vgl. F. Winter und P. Arzt-Grabner in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 108–109 (mit einigen Belegen); weitere Belege bei Preisigke, Wörterbuch s. v. καρταργέω 1); zu fragmentarisch für eine nähere Deutung ist P.Mert. III 128,12 (3. Jh. n. Chr.). 114 Grammatikalisch könnte auch die παλαιὰ διαθήκη das Subjekt von καταργεῖται sein; zur von mir übernommenen Deutung siehe z. B. Grässer, 2Kor I 139; Baumert, Rücken 66; Roet111
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
In medio-passivischem Sinn wird καταργέομαι für etwas verwendet, das „still steht“ (also nicht funktioniert oder arbeitet), oder jemanden, der „untätig ist“. Das Ostrakon O.Claud. IV 891 (ca. 150–154 n. Chr.) enthält die Bitte des Architekten Hieronymus, umgehend Schleifsteine zu schicken, weil – wohl wegen nicht mehr einsatzfähiger Werkzeuge – „die Arbeit stillsteht“ – Z. 5: τὸ ἔργον καταργῖται (l. καταργεῖται). Gleich am Beginn des Briefes P.Mert. II 79 (2. Jh. n. Chr.) bittet z. B. ein Verwalter seinen Herrn Diogenes, ihm zwei Jochriemen für die Maschine auf einer Parzelle zu schicken, da diese still stehe – Z. 4: ἐπεὶ ἡ μηχανὴ τὸ ἐν τῷ κλήρῳ καταργεῖται. Offenbar geht es darum, dass der Verwalter keine Jochriemen mehr zur Verfügung hat, um ein Rind an den Drehbaum des Wasserrades anhängen und so die Bewässerungsanlage betreiben zu können.115 Die Anlage selbst (μηχανή) ist an sich in Ordnung (sie selbst ist nicht beschädigt oder womöglich zerstört), sie steht aber still und kann ohne Riemen nicht wieder in Betrieb genommen werden.116
Dieser Sinn lässt sich treffend auf die vorliegende Stelle sowie auf die V. 11 und 13 anwenden: es geht hier nicht um etwas „Vergängliches“, sondern vielmehr um etwas, das „still steht“, seine eigentliche Funktion nicht mehr ausübt, nicht mehr wirkt oder wirkungslos ist. Aufgrund der ab V. 13 mehrmals genannten Hülle ist laut Paulus nur noch nicht sichtbar, dass diese Wirkungslosigkeit bereits besteht. 3,88 πῶς οὐχὶ μᾶλλον ἡ διακονία ‹ S. 259 τοῦ πνεύματος ‹ 1,22 ἔσται ἐν δόξῃ ‹ 1,20; 3,99 εἰ γὰρ ἡ διακονία ‹ S. 259 τῆς κατακρίσεως δόξα ‹ 1,20 – Zum Begriff κατάκρισις117 „Verurteilung, Urteil“ existiert aus dem Vergleichszeitrahmen nur ein einziger und zudem lückenhafter Beleg.118 P.Stras. V 334b) (1.–2. Jh. n. Chr.) ist das Fragment eines Briefes, in dem in Z. 1 von einer κατάκρισις die Rede ist; Näheres ist dazu nicht mehr eruierbar.119
Häufiger bezeugt ist das Verb κατακρίνω, das vor allem in amtlichen Texten im Sinne einer „Verurteilung“ für eine begangene Straftat begegnet.120 zel, 2Cor 67; Matera, 2Cor 94. Zur Diskussion und anderen Deutungsmöglichkeiten siehe außerdem Thrall, 2Cor 264–266; Harris, 2Cor 304; Belleville, Reflections 235–237. 115 Siehe dazu Schnebel, Landwirtschaft 73–74. 116 Weitere Beispiele bei Preisigke, Wörterbuch s. v. καρταργέω 2); siehe ferner P.Brem. 3,7 (113–120 n. Chr.) und SB VI 9406,38 (Februar 247 n. Chr.; zur Deutung von Z. 36–38 siehe Rathbone, Rationalism 122–123), wo vom Untätigsein von Personen die Rede ist, die mit bestimmten Funktionen betraut sind. 117 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 118 Der zweite stammt aus dem 6. Jh. n. Chr. (P.Mich. XIII 659,55 [527–547 n. Chr.]). 119 Nach Angaben der Hg. T. Dellinger und G. Haberer (in P.Stras. V S. 49) handelt es sich in diesem wie in Fragment a) um dieselbe tragische Angelegenheit. 120 Siehe dazu ausführlich Papathomas, Begriffe 171–172.
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Einzelheiten: 2Kor 3,7–10
285
ἡ διακονία ‹ S. 259 τῆς δικαιοσύνης δόξῃ – In den dokumentarischen Papyri begegnet δικαιοσύνη vor allem in Eingaben, wo
πολλῷ μᾶλλον περισσεύει
‹ 1,5
Petentinnen und Petenten häufig an die „Gerechtigkeit“ bzw. den „Gerechtigkeitssinn“ jener Autorität appellieren, an die die Petition gerichtet wird.121 3,110 καὶ γὰρ οὐ δεδόξασται τὸ δεδοξασμένον ἐν τούτῳ τῷ μέρει – Das Verb δοξάζω ist papyrologisch äußerst selten belegt und bedeutet „verehren, die Ehre erweisen“.122 Beispiele für die Bedeutung „verherrlichen“123 sind bereits christlich geprägt. Die Wendung ἐν τούτῳ τῷ μέρει („in dieser Hinsicht, in dieser Beziehung“) ist bisher nur in der Kopie eines amtlichen Briefes bezeugt, der um 260 v. Chr. verfasst wurde und von dem nur die letzten drei Zeilen lesbar sind – P.Tebt. III.1 702,6–8:124 ὥστε προεξῆχθαι | [τ]ὰ̣ λοιπὰ καὶ ἀδικεῖσθαι ἡμᾶς καὶ | [ἐν] τούτωι τῶι μέρει („so dass das Übrige vorweg ausgeführt [oder: vorher exportiert] und uns auch in dieser Hinsicht Unrecht getan wurde“).125 – Mit ὑπερβάλλω126 liegt, was das papyrologische Belegmaterial betrifft, ein Fachausdruck der Auktionssprache vor; überwiegend beschreibt es also das „Überbieten“ von Preisgeboten127:
εἵνεκεν τῆς ὑπερβαλλούσης δόξης
‹ 1,20
So erhält laut BGU XIV 2376,13 (35 v. Chr.) nach einer öffentlichen Versteigerung ein gewisser Ptolemaios den Zuschlag für das Grundstück seines Schuldners, zumal – Z. 14: μηδενὸς προσπορευομένου μηδ᾽ ὑπερβάλλοντος („kein anderer dafür Interesse zeigte oder [das Angebot] überbot“).128
Im Brief eines Strategen findet sich das Verb – wie bei Paulus – mit einem abstrakten Begriff kombiniert: In P.Oxy. XVIII 2182 (165 n. Chr.) geht es um den behördlich organisierten Korntransport in den Fayum; eine große Anzahl Esel sowie Eseltreiber seien, wie der Stratege schreibt, ihm abhanden gekommen, so dass – Z. 16–17: τῆς χρείας πάνυ πᾶσαν ἀνάγκην ὑπερ|βαλλούσης („der Bedarf die ganze Notlage ganz und gar übertrifft“).
Wer oder was auch immer die Tätigkeit des ὑπερβάλλειν ausführt, sticht seine Konkurrenten aus und gewinnt somit die Oberhand, sei es in positiver oder negativer Hinsicht. Gegenüber der „Herrlichkeit“ des Dienstes der Gerechtig121 Siehe dazu ausführlich (und mit zahlreichen Belegen) Papathomas, Begriffe 32–35; vgl. R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 111. 122 Vgl. R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 242. 123 Siehe bei Preisigke, Wörterbuch s. v. δοξάζω; Kiessling, Wörterbuch s. v. δοξάζω. 124 Die fünf Zeilen davor enthalten nur Tintenspuren. 125 In der folgenden Zeile des Papyrus beginnt die Kopie eines anderen Briefes. 126 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 127 Selten in der Bedeutung „aufschieben, vertagen“; vgl. Preisigke, Wörterbuch s. v. ὑπερβάλλω 3). 128 Weitere Beispiele bei Preisigke, Wörterbuch s. v. ὑπερβάλλω 2).
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
keit bleiben also alle anderen „Angebote“ für eine geeignete Richtschnur durch das Leben auf der Strecke. 3,111 εἰ γὰρ τὸ καταργούμενον ‹ 3,7 διὰ δόξης ‹ 1,20, πολλῷ μᾶλλον τὸ μένον ἐν δόξῃ – Ein substantiviertes Neutrum τὸ μένον, von dem Paulus hier spricht, ist papyrologisch bisher zwar nicht bezeugt, doch findet sich für μένω die Bedeutung „erhalten bleiben, fortbestehen“ häufig im Zusammenhang mit abgeschlossenen Verträgen und Vollmachten oder mit Besitz- und Eigentumsrechten, die erhalten bleiben sollen (meist ausgedrückt durch die Wendung κύριος μένω – „gültig bleiben“).129 Als Gegensatz zu τὸ καταργούμενον ist τὸ μένον vor diesem papyrologischen Hintergrund als etwas Fortbestehendes, gültig Bleibendes und Verbindliches aufzufassen. 3,112 ἔχοντες οὖν τοιαύτην ἐλπίδα ‹ 1,10 πολλῇ παρρησίᾳ χρώμεθα – Das Substantiv παρρησία ist bereits ab dem 3. Jh. v. Chr.130 und – obwohl die Belege nicht sehr zahlreich sind – über alle Jahrhunderte hin papyrologisch bezeugt.131 Dabei geht es um „das freie und ganz und gar offene Äußern des eigentlichen Sachverhalts, geradeheraus, ohne etwas vorzutäuschen oder vorzuschützen.“132 Wie von Paulus an der vorliegenden Stelle ist auch in der Petition PSI Congr.XXI 13 (nach 284–285) davon die Rede, dass jemand diese Aufrichtigkeit der Rede „verweṇ ̣ det“ (χράομαι) – Kol. III 11: τῆς παρησίας ᾗ κέχρηται ἐπὶ πάσῃ παρα . .[ .] .ια („der freimütigen Rede, die er/sie gebrauchte bei aller …“). Der Kontext ist leider nur bruchstückhaft erhalten, so dass eine nähere Erklärung nicht möglich ist.133
Ein interessanter Vergleichstext findet sich ferner im magischen Papyrus Pap. Graec.Mag. II 12,187–188 (3. Jh. n. Chr.): In diesem magischen Papyrus heißt es über das Bitten vor der Gottheit: ἡ παρρησία μου μή με ἐνκαταλειπ[έτω, ἀλλ᾽] ἀκουσάτω μοι | πᾶσα γλῶσσα καὶ πᾶσα φωνή („mein Freimut lasse mich nicht im Stich, sondern hören soll mich jede Zunge und jede Stimme“).134
129 Siehe dazu F. Winter und P. Arzt-Grabner in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 154 (mit Beispielen in zeitlicher Nähe zu Paulus). 130 In P.Cair.Zen. III 59499,Verso 68–69 (nach 23. Januar 254 v. Chr.) ist von einem „Brief mit viel Freimut“ (ἐπιστο|[λὴ]ν `μετὰ πα̣ .ρ̣ ησίας πολ . .´) die Rede. 131 Siehe die Beispiele für παρρησία und für das Verb παρρησιάζομαι bei Arzt-Grabner, Philemon 198–199 (mit Literaturhinweisen in Anm. 58); auf P.Oxy. VIII 1100,15 (28. Oktober – 26. November 206 n. Chr.) hat bereits Windisch, 2Kor 118, verwiesen. Zum Begriff siehe ferner Fredrickson, Παρρησία; Beilner, ΠΑΡΡΗΣΙΑ. 132 Arzt-Grabner, Philemon 199. 133 Unmittelbar anschließend an den oben zitierten Ausschnitt ist vielleicht von einem Brief die Rede – Kol. III 11–12: διὰ τῆσδε τῆς ἐπι|[ - - - ]. 134 Vgl. Jones, „Freiheit“ 188 Anm. 196.
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Einzelheiten: 2Kor 3,10–14
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ἐτίθει κάλυμμα ἐπὶ τὸ πρόσωπον ‹ 1,11 αὐτοῦ πρὸς τὸ μὴ ἀτενίσαι τοὺς υἱοὺς ‹ 3,7 Ἰσραὴλ ‹ 3,7 εἰς τὸ τέλος ‹ 1,13 ‹ 3,7 τοῦ καταργουμένου – Zu κάλυμμα135 („Verhüllung, Abdeckung; Kopf-
3,113 καὶ οὐ καθάπερ Μωϋσῆς
‹ 3,7
‹ 3,7
bedeckung“) exisitiert bis dato nur ein einziger Beleg aus dem 6. Jh. n. Chr.136 Nach H.-J. Klauck ist die Hülle auf dem Antlitz des Mose „religionsgeschichtlich gesehen von altorientalischen Priestermasken herzuleiten. Der Priester, der sie trägt, wenn er aus dem Heiligtum kommt, schlüpft in die Rolle der Gottheit und verkündet an ihrer Statt das Orakel.“137 Papyrologisch ist diesbezüglich höchstens erwähnenswert, dass für πρόσωπον selbst neben „Gesicht“ und „Person“ ab dem späten 1. Jh. n. Chr. auch die Bedeutung „Mumienmaske“ belegt ist.138
Die von Klauck erwähnte Tradition „ist in Ex 34 bereits polemisch ins Gegenteil verkehrt. Mose legt die Hülle erst an, nachdem er das Gotteswort verkündet hat, ehe er erneut ins Heiligtum geht.“139 3,114 ἀλλὰ ἐπωρώθη τὰ νοήματα ‹ 2,11 αὐτῶν – Zum Verb πωρόω („hart machen, härten“) gibt es bisher keine papyrologischen Belege. ἄχρι γὰρ τῆς σήμερον ἡμέρας – Die Verbindung von ἄχρι140 und σήμερον ist
in den dokumentarischen Papyri bisher nur ein einziges Mal bezeugt: Im Fragment eines Prozessprotokolls, SB XVIII 13295 (298–300 n. Chr.),141 wird erwähnt, dass für ein bestimmtes Kind ein curator benannt wurde „vom damaligen Zeitpunkt bis auf den heutigen Tag“ – Z. 5–6: ἔκτοτε̣ ἄ̣ χ̣ [ρ]ι ̣ σήμερον.142 In BGU XV 2492,15 (2. Jh. n. Chr.) wird μέχρι σήμερον ἡμέρας verwendet.
Als analoger Ausdruck zu ἄχρι τῆς σήμερον ἡμέρας begegnet in den Papyri ἄχρι τῆς ἐνεστώσης ἡμέρας („bis zum gegenwärtigen Tag“)143 und – überaus häufig – μέχρι τῆς ἐνεστώσης ἡμέρας.144 Auch μέχρι τῆς σήμερον (also ohne ἡμέρας und häufig auch ohne τῆς) ist ab dem 1. Jh. n. Chr. gut bezeugt.145 135 136
Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. SB XX 14403,12 (512, 527 oder 542 n. Chr.) gehört zu einer Abrechnung über Materialkos-
ten. 137
Klauck, 2Kor 39. Vgl. Preisigke, Wörterbuch s. v. προσώπον 3) (mit Belegen). 139 Klauck, 2Kor 39. Zur Deutung des Bildes auf die Person des Paulus bei den Kirchenvätern siehe Mitchell, Paul 67–78. 140 Zum papyrologischen Befund von ἄχρι siehe P. Arzt-Grabner in ders./Kritzer u. a., 1. Korinther 177. 141 Zur Datierung beachte auch BL XII 220. 142 Siehe dazu F. Mitthof in P.Kramer S. 139 Anm. 19. 143 So P.Sijp. 49,12–13 (2. Jh. n. Chr.). 144 Zwei Belege bei Moulton/Milligan, Vocabulary s. v. μέχρι, μέχρις; in zeitlicher Nähe zu Paulus P.Hamb. III 218,6.21 (29–30 n. Chr.); P.Mil. I 7,32–33.43–44 (2. November 38 n. Chr.); P.Oxy. XXXVIII 2834,6 (19. Juli 42 n. Chr.); P.Mich. V 351,15 (24. Juli 44 n. Chr.); SB V 8034,24– 25 (14. Juni 52 n. Chr.); CPR I 4,19–20 (nach 7. August 52 n. Chr.); P.Vind.Worp 16,11–12 (13. Mai 53 n. Chr.); SB X 10256,7–8 (11. oder 12. September 55–67 n. Chr.); P.Oxy. II 268,17 (nach 29. 138
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
τὸ αὐτὸ κάλυμμα ‹ 3,13 ἐπὶ τῇ ἀναγνώσει τῆς παλαιᾶς διαθήκης ‹ S. 259 μένει ‹ 3,11 – H.-J. Klauck erwägt eine bestimmte Sitte, auf die Paulus hier
anspielen könnte, und verweist auf eine Wandmalerei aus der Synagoge von Dura Europos, auf der Esra beim Verlesen der Torah dargestellt ist, während ein Behälter für Schriftrollen neben ihm durch ein Tuch abgedeckt wird.146 Im Zusammenhang mit der Bedeutung des folgenden μὴ ἀνακαλυπτόμενον ist dieser Verweis unbedingt berücksichtigenswert. Mit ἀνάγνωσις verhält es sich ähnlich wie mit dem bei 1,13 besprochenen zugehörigen Verb ἀναγινώσκω: generell wird damit das „Lesen“ eines Schriftstückes bezeichnet, ob es nun laut oder leise147 vor sich geht. Mehrheitlich geht es in den Belegen jedoch um ein „Vorlesen“ coram publico: So rechtfertigt etwa der Präfekt L. Aemilius Rectus in P.Lond. VI 1912 (10. November 41 n. Chr.) das öffentliche Aushängen eines Briefes des Claudius damit, dass „beim Verlesen“ (Z. 2: τῇ ἀναγνώσει) desselben freilich nicht alle Bewohner Alexandrias in ihrer Gesamtheit anwesend sein konnten; auf diese Weise könne jeder Einzelne ihn selbst lesen – Z. 7–8: ἵνα κατ᾽ ἄνδρα ἕκαστον | ἀναγεινόσκων αὐτήν. Formelhaft findet sich die Wendung ἐξ ἀναγνώσεως (συμ)πέπεισμαι („infolge der Verlesung mit etwas einverstanden sein“) in Verträgen, nämlich wenn die einzelnen Parteien bestätigen, dass sie den ihnen vorgetragenen Bedingungen zustimmen (vgl. z. B. in einem Vertrag über Vermögensteilung – P.Mich. V 322 a,37.39.43.44.45.46.47 [46 n. Chr.]).148
Ein solches Vorlesen zielte, wie nicht zuletzt aus den Beispielen deutlich wird, auf wesentliche Punkte ab: man erreichte damit eine große Menge von Leuten auf einmal (die Möglichkeit zur massenweisen Vervielfältigung war ja so gut wie nicht gegeben) und es konnten auch diejenigen vom Inhalt eines Dokuments Kenntnis erlangen, die des Lesens nicht mächtig waren. Beide Komponenten kommen auch beim Vorlesen aus den Schriften des „alten Bundes“ zum Tragen. Das Attribut παλαιός wird in den dokumentarischen Papyri zwar häufig für alt gewordene und deshalb nicht mehr brauchbare Güter verwendet, die in der Folge beseitigt werden, doch ist dem Begriff nicht von vornherein eine negative Konnotation eigen. Insbesondere bei Wein und alten ertragreichen
November 57 n. Chr.); P.Mich. III 194,24 (11. März 61 n. Chr.). – In P.Stras. VII 602,4 (41–54 n. Chr.) ist μέχρι ergänzt, es könnte somit auch [ἄχρι τῆς ἐνε]στόσης ἥμρας (l. ἐνεστώσης ἡμέρας) vermutet werden. Ähnliches gilt für P.Oxy. XXVII 2471,24 (ca. 50 n. Chr.); P.Cair.Preis. 43,18 (13. oder 23. Juli 59 n. Chr.); P.Worp 20,14 (155 n. Chr.). Die Häufigkeit von μέχρι in dieser Wendung spricht von der Wahrscheinlichkeit her natürlich für die Ergänzung μέχρι. 145 Z. B. P.Tebt. II 289,4 (15. Februar 23 n. Chr.). 146 Vgl. Klauck, 2Kor 40; Abb. dieser Wandmalerei im Internet z. B. (1.März 2013). 147 Dann im Sinne einer „Zurkenntnisnahme“ oder eines „Einsehens“, wie z. B. in P.Tebt. I 61 (b),4–5 (117 v. Chr.) oder P.Berl.Salmen. 11,13 (86 v. Chr.). 148 Für weitere Belege siehe Preisigke, Wörterbuch s. v. ἀνάγνωσις 1).
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Einzelheiten: 2Kor 3,14–15
289
Bäumen wird mit παλαιός sogar eine Wertsteigerung angedeutet.149 Für den vorliegenden Zusammenhang bei Paulus ist besonders auf P.Oxy. LXXVII 5111,7 (2.–3. Jh. n. Chr.) zu verweisen, wo – ebenfalls positiv – von „unserem alten Brauch“ (τὸ παλαιὸν ἡμῶν ἔθος) die Rede ist. Beim Dokument handelt es sich um eine Petition von Tempelpersonal an einen Prokurator. Der Kontext von Z. 7 ist leider sehr lückenhaft, doch lässt er sich vielleicht als [συ]ν̣ τ̣[ή̣ ]ρ̣ η̣ σον ἡμε̣ῖν τὸ παλαιὸν ἔθος wiedergeben, was dann bedeuten würde, dass die Petenten den Prokurator ersuchen, ihnen ihren alten Brauch zu bewahren.150
μὴ ἀνακαλυπτόμενον ὅτι ἐν Χριστῷ ‹ 1,1 καταργεῖται ‹ 3,7 – Das Verb ἀνακαλύπτω151 wird in den Papyrusbelegen – die zudem nicht sehr zahlreich sind –
nicht wie hier bei Paulus übertragen, sondern stets dinglich verwendet: Im Brief P.Thomas 9 (Ende 1. Jh. n. Chr.) z. B. schwelgt ein gewisser Longinus in Erinnerungen; so habe sein Adressat bei der letzten Zusammenkunft „einen Krug geöffnet (eigentlich ‚abgedeckt‘)“ – Z. 11–12: ἀν{ακ}εκάλυψες κερά|μιν (l. ἀνεκάλυψας κεράμιον), um zum Essen etwas zu trinken zu haben.152 Vom „Lüften“ eines Umhangs (πέπλον) handelt Pap.Graec.Mag. II 57,17 (Zeit Hadrians); um einen nicht näher spezifizierten Behälter für Öl, den es zu öffnen gilt, geht es dagegen in P.Oxy. X 1297,9 (4. Jh. n. Chr.): ἀ̣ νικαλύψαι (l. ἀνακαλύψαι) αὐτόν.
Zu dem von Paulus verwendeten Bild des κάλυμμα passen derartige Belege durchaus, insbesondere wenn man mit H.-J. Klauck an die eben erwähnte Wandmalerei aus der Synagoge von Dura Europos denkt. Im übertragenen Sinn werden die Schriftrollen „nicht abgedeckt“, so dass sich deren eigentlicher Sinn trotz lauten Vorlesens nicht erschließen kann. ἡνίκα ἂν ἀναγινώσκηται ‹ 1,13 Μωϋσῆς ‹ 3,7, κάλυμμα ἐπὶ τὴν καρδίαν ‹ 1,22 αὐτῶν κεῖται – In Abwandlung von ἄχρι τῆς σήμερον ἡμέρας (in V. 14) verwendet Paulus hier den Ausdruck ἕως σήμερον („bis heute“). Die Wendung ist papyrologisch gut bezeugt.
3,115 ἀλλ᾽ ἕως σήμερον
‹ 3,14
‹ 3,13
149
Vgl. R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 210–211 (mit Beispielen für beide Bedeutungen); ein weiterer Beleg für „alten Wein“ findet sich im Inventar einer Reise des Dioiketen Apollonios (P.Iand.Zen. 53, A 7 und B 103 (ca. Februar – März 257 v. Chr.; siehe dazu und zu Vergleichsbeispielen Ph. Schmitz in P.Iand.Zen. S. 161). Positiv zu verstehen ist vielleicht auch der fragmentarische Beleg O.Claud. IV 802,3 (ca. 138–161 n. Chr.): der Hg., A. BülowJacobsen, vermutet, „that ἐ]κ τῶν παλ(αιῶν) refers to ἀσκῶν and that the drill-thongs were to be made from old-water-skins.“ Im Kontext von P.Prag. III 221, Kol. II 20 geht es um Schlammarbeiter und den Transport von Ziegeln; in welch exaktem Zusammenhang damit ἀπὸ παλαιῶν̣ [- - - ] steht, ist unklar. 150 Beachte dazu R. Hatzilambrou in P.Oxy. LXXVII S. 108. 151 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 152 Auch im lückenhaften P.Oxy. XLII 3081,8 (3. Jh. n. Chr.) geht es um ein „unbedecktes“ Gefäß.
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
In zeitlicher Nähe zu Paulus sind zu nennen: P.Flor. I 61,42 (8. Februar 85 n. Chr.); P.Mich. VIII 464,20 (16. März 99 n. Chr.?); P.Fay. 112,10.14 (21. Mai 99 n. Chr.); SB V 7743,7 (1.–2. Jh. n. Chr.?); P.Mich. VIII 476,15–16; 477,21; 479,6–7; 480,5–6 (alle frühes 2. Jh. n. Chr.); 482,3–4 (23. August 133 n. Chr.).
3,116 ἡνίκα δὲ ἐὰν ἐπιστρέψῃ πρὸς κύριον ‹ 1,2 – Das Verb ἐπιστρέφω153 begegnet innerhalb der dokumentarischen Papyri in diversen Bedeutungen; hier bei Paulus ist es intransitiv gebraucht und bezeichnet das „Sich-demHerrn-Zuwenden“.154 In den Papyri steht ein intransitives ἐπιστρέφω zumeist in Zusammenhang mit der Um- bzw. Rückkehr an einen Ort:155 In UPZ I 5 (nach 163 v. Chr.) etwa wird von einem gewissen Amosis, dem Vertreter des Oberpriesters im Serapeum von Memphis, berichtet, dass er mit seinen Komplizen in mehreren Etappen das Allerheiligste des Serapeums auszuplündern beabsichtigte und daher immer wieder zurückkehrte – Z. 13–14: Ἀμώσιος δὲ τοῦ παρὰ τοῦ ἀρχιερέως ἐπιστρέ|ψαντος μετὰ Ἰμούθου κτλ. („Amosis aber, der Vetreter des Oberpriesters, kehrte mit Imuthes zurück …“); Z. 19–20: καὶ τῆι ιζ τοῦ αὐτοῦ | μηνὸς ἐπιστρέψαντες πρωεί („und am 17. desselben Monats kehrten sie in den Morgenstunden zurück“); Z. 28–29: ἐπιστρέψαντος δὲ πάλιν | Ἁριμούθου κτλ. („aber Amosis kehrte wieder zurück mit Harimuthes …“).156
Immerhin machen derartige Beispiele einen Aspekt deutlich, der auch für die Paulusstelle Sinn machen würde: die Hinwendung zum Herrn könnte – zumal für Israel – eine „Rückkehr“ bedeuten, das „Zurückkommen“ zu jemandem, bei dem man schon einmal war. Zu bedenken ist andererseits, dass die Form ἐπιστρέψῃ nicht unbedingt als 3. Person gedeutet werden muss, sondern auch als 2. Person des Mediums aufgefasst werden könnte. Dies würde bedeuten, dass Paulus hier das einzelne Gemeindemitglied direkt anspricht. Abwegig ist eine derartige Möglichkeit auch deshalb nicht, weil die in den Textausgaben als Parallele angeführte Stelle in Ex 34,34 LXX bestenfalls im Hintergrund mitgedacht werden kann, weil der Wortlaut insbesondere des ersten Teils bei Paulus ganz anders ist.157 Die mediale (oder passivische) Bedeutung „auf etwas bedacht sein“ oder „seinen Sinn auf etwas richten“ ist auch in den Papyri bezeugt: In Verbindung mit πρός begegnet ἐπιστρέφομαι im amtlichen Brief BGU I 15, Kol. II (197 n. Chr.), worin der Präfekt Aemilius Saturnilus die Strategen der Heptanomie 153
Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. Ähnlich in 1Thess 1,9: ἐπεστρέψατε πρὸς τὸν θεόν. 155 Von Land oder Grundstücken bisweilen auch in der Bedeutung „sich (wohin) erstrecken“ (vgl. etwa P.Brem. 23,24.33 [116 n. Chr.]). 156 Die eigentliche Enteuxis (im Unterschied zu obigem Hypomnema) liegt mit UPZ I 6 (nach 163 v. Chr.) vor (vgl. darin Z. 12.17.23). Weitere Belege für ἐπιστρέφω in der Bedeutung „zurückkehren“ (Auswahl): P.Tebt. III.1 729,12 (2. Jh. v. Chr.); BGU VIII 1857,4 (64–44 v. Chr.); P.Hamb. IV 240,12 (119–120 n. Chr.). 157 Ex 34,34 LXX lautet: ἡνίκα δ᾽ ἂν εἰσεπορεύετο Μωυσῆς ἔναντι κυρίου λαλεῖν αὐτῷ, περιῃρεῖτο τὸ κάλυμμα ἕως τοῦ ἐκπορεύεσθαι. 154
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Einzelheiten: 2Kor 3,15–16
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und des Arsinoites zu mehr Sorgfalt bei der Eintreibung von Steuern auffordert; seinen oftmaligen schriftlichen Ermahnungen diesbezüglich – so nimmt der Präfekt an (Z. 8: ἡγοῦμαι) – hätten sie sich bisher „nicht zugewendet“, ihnen also nicht die nötige, ernsthafte Aufmerksamkeit geschenkt – Z. 9–10: ὑμῖς δὲ οὐδέποται (l. οὐδέποτε) πρὸς | τὰ ἐμὰ γράμματα ἐπιστράφεται (l. ἐπιστρέφεσθαι). Andere Beispiele bieten Konstruktionen mit einem folgenden Infinitv (BGU I 36,7 [98–117 n. Chr.; Duplikat BGU II 436,6–7]; P.Fay. 128,4 [1. Hälfte 3. Jh. n. Chr.?]) oder mit anschließendem ἵνα-Satz (PSI XIII 1337,27 [ca. 250–260 n. Chr.?]). Erwähnenswert ist noch ein Abschnitt aus einem magischen Papyrus aus dem frühen 4. Jh. n. Chr., wo das aktive Verb in Verbindung mit ψυχήν eine Bedeutung einnimmt, die wohl sehr gut das wiedergibt, worauf die mediale Form semantisch abzielt. Um einen Liebeszauber auszuführen, soll der Betreffende nach einigen Zauberworten sagen – Pap.Graec.Mag. I 4,1806–1810: ἐπί|στρεψον τὴν ψυχὴν τῆς δεῖνα εἰς | ἐμὲ τὸν δεῖνα, ἵνα με φιλῇ, ἵνα μου | ἐρᾷ, ἵνα μοι δοῖ τὰ ἐν ταῖς χερ|σὶν ἑαυτῆς („wende die Seele der Betreffenden mir, dem Betreffenden, zu, damit sie mich liebt, damit sie mich begehrt, damit sie mir gebe, was in ihren Händen ist“).158
Vor diesem Hintergrund lässt sich der Text des Paulus also durchaus als Appell an das einzelne Mitglied der christlichen Gemeinde verstehen: „wenn du deinen Sinn, deine Sorge auf den Herrn richtest, wenn du dich ihm zuwendest, wird die Hülle entfernt“. Letzten Endes bleiben freilich beide Möglichkeiten offen: ἐπιστρέψῃ ist entweder eine intransitive aktive Form in der 3. Person oder eine mediale Form der 2. Person. Der Bedeutungsgehalt ist bei beiden Möglichkeiten derselbe: es geht um die vom eigenen Inneren heraus motivierte Hinwendung zum Herrn; es geht darum, ihn für sich selbst ganz ernst und wichtig zu nehmen. – Das Verb περιαιρέω159 wird in den Papyri im Wesentlichen in zwei Bedeutungsvarianten gebraucht; in den wenigen Belegen aus ptolemäischer und frührömischer Zeit beschreibt es stets ein gewaltsames „Wegnehmen“ oder „Rauben“:
περιαιρεῖται τὸ κάλυμμα
‹ 3,13
So bringt etwa das Opfer eines Überfalls in P.Cair.Zen. IV 59659,7 (nach 23. Oktober 241 v. Chr.) zu Papier, man habe ihm dabei seine Zugtiere abgenommen: περιείλοντό μου ὑποζύγια. Um eine Bettdecke geht es in P.Bad. IV 48,4–6 (127 v. Chr.), um Wollknäuel in BGU IV 1061,16–17 (14 v. Chr.); in einem Edikt versucht Germanicus, dem Raub von durch die Stadt streifenden Lasttieren zu begegnen (SB I 3924,26–28 [19 n. Chr.]).
Ab dem 1. Jh. n. Chr. begegnet περιαιρέω ausschließlich in seiner 2. Bedeutung, die freilich aus der obigen, ursprünglichen resultiert, und zwar als „Tilgen“ einer Person oder eines Namens, aber z. B. auch von Verpflichtungen aus Registern oder verbindlichen Vereinbarungen: 158 159
Beachte auch die bei Kiessling, Wörterbuch s. v. ἐπιστρέφω 3), angeführten Beispiele. Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet.
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Häufig handelt es sich dabei um Todesanzeigen, deren eigentlicher Sinn und Zweck es nämlich war, den Namen des Verstorbenen aus der Liste der Steuerpflichtigen zu streichen – vgl. etwa P.Gen. III 137,10–13 (50 n. Chr.): διὸ ἀξιῶ, | ἐὰν φαίνεται, συντάξαι | τὸ αὐτοῦ ὄνομα περιαι|ρεθῆναι („deshalb ersuche ich, wenn es [recht] scheint, den Auftrag zu erteilen, dass sein Name gestrichen wird“). Seinen Sohn als Besitzer seines Hauses austragen zu lassen (περι|αιρεθῆναι τὸν ἑαυτοῦ υἱὸν) verspricht ein gewisser Antiphanes in SB X 10249,12–13 (58–59 n. Chr.); er hat sein Haus an einen Dritten verkauft.160 Fälschlicherweise mit einer Schuldensumme belastet wird hingegen ein aus dem Dienst geschiedener ἐπιτηρητής einer großen Länderei, weshalb er den Strategen darum bittet, jene aus den Amtsaufzeichnungen zu streichen (⟦περιαιρεθῆναι τὸ οὐ δε[ό]ν̣ |τως ἐν ἐμοὶ ἐκτεθὲν κεφάλαιον⟧ – P.Mich. XVIII 787,59–60 [28. Dezember 181–29. August 183 n. Chr.]; vgl. auch Z. 104–108).161
Zwar wird die „Verhüllung“, die den „Noch-nicht-Christusgläubigen“ die letztlich maßgebliche Botschaft verschließt, nicht wörtlich „getilgt“, aber deren „Entfernen“ und somit die Hinwendung zum Herrn soll schließlich dauerhaft und nicht mehr rückgängig zu machen sein. 3,117 ὁ δὲ κύριος ‹ 1,2 τὸ πνεῦμά ‹ 1,22 ἐστιν· οὗ δὲ τὸ πνεῦμα κυρίου, ἐλευθερία – Beispiele für ἐλευθερία sind in den dokumentarischen Papyri und Ostraka nicht sehr zahlreich; meist geht es um die „Freiheit“, die Sklavinnen oder Sklaven durch ihre Freilassung zuteil wird, oder um jene der bereits frei Geborenen.162 Für die Gemeindemitglieder in Korinth wird an der vorliegenden Stelle ein Kontrast zwischen Sklaverei und Freiheit herauszuhören gewesen sein, da κύριος u. a. den Sklavenhalter bezeichnet.163 Paulus verkündet ihnen einen „Herrn“, in dessen geistlicher Sphäre (πνεῦμα) Freiheit herrscht. Für die damit angezielte ἐλευθερία im Sinne einer „freien Gesinnung“ ist auf UPZ I 62,2–7 (vor 1. Dezember 160 v. Chr.) zu verweisen, wo ἐλευθεριότης als Gegensatz zu βαναυσία („banausische Gesinnung“) erklärt wird.164 3,118 ἡμεῖς δὲ πάντες ἀνακεκαλυμμένῳ ‹ 3,14 προσώπῳ ‹ 1,11 τὴν δόξαν ‹ 1,20 κυρίου ‹ 1,2 κατοπτριζόμενοι – Zum Verb κατοπτρίζω („widerspiegeln“) gibt es bisher keine papyrologischen Belege.
160 Ähnlich P.Oslo III 105,8–9 (139 n. Chr.). Auch bei diesen Unternehmungen spielen freilich steuerliche Verpfllichtungen eine Rolle (vgl. etwa auch SB I 4415,14–15 [144 n. Chr.]). Aus der Liste der Kopfsteuerpflichtigen soll in SB XVI 12508,10–11 (149 n. Chr.) ein Veteran gestrichen werden. 161 Weitere Beispiele bei Preisigke, Wörterbuch s. v. περιαιρέω 2). 162 Siehe die Beispiele bei R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 377; beachte Papathomas, Begriffe 160; Jones, „Freiheit“ 31 (mit 163 Anm. 34 und 35).102 (mit 211 Anm. 218). 163 Einige Belege bei Preisigke, Wörterbuch s. v. κύριος 1). 164 Siehe dazu ausführlicher R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 377.
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Einzelheiten: 2Kor 3,16–4,1
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τὴν αὐτὴν εἰκόνα μεταμορφούμεθα ἀπὸ δόξης εἰς δόξαν καθάπερ ἀπὸ κυρίου πνεύματος ‹ 1,22 – In den dokumenarischen Papyri wird mit εἰκών
häufig das „Bild“ eines ptolemäischen Königs oder des römischen Kaisers bezeichnet. Die Belege machen dabei deutlich, dass eine εἰκών der Vorlage weitestgehend gleichen soll.165 Genau diese Vorstellung bringt auch Paulus hier zum Ausdruck: durch den Gedanken, dass wir in ein Bild verwandelt werden, betont er unsere direkte Bezogenheit auf den Herrn und den Geist. Das Verb μεταμορφόω („umgestalten, verwandeln“) kommt bisher ausschließlich in magischen Papyri vor, etwa in Pap.Graec.Mag. II 13,70–71 (346 n. Chr.) in Bezug auf den Urgott, der fähig sei, sich in alle Gestalten zu verwandeln: ὁ μεταμορφούμενος | εἰς πάντας.166 4,11 διὰ τοῦτο, ἔχοντες τὴν διακονίαν ‹ S. 259 ταύτην καθὼς ἠλεήθημεν, οὐκ ἐγκακοῦμεν – Mit ἐλεέω wird in den Papyri ein Erbarmen beschrieben, das von einem höher gestellten Menschen oder einer Gottheit erhofft wird oder bereits gewährt wurde.167 Wie die Beispiele zeigen, entspringt diese Bitte „einer ungünstigen oder sogar ausweglos erscheinenden Lage“168. Vor diesem Hintergrund ist die διακονία des Paulus, die er hier direkt auf das Erbarmen Gottes zurückführt, nicht nur als von Gott gewährte Gnade zu sehen, sondern – zumindest implizit – auch als Befreiung aus widrigen Verhältnissen. Das Verb ἐγκακέω („nachlässig sein, ermüden, mutlos/verzagt werden; schlecht behandeln“) ist papyrologisch wenig belegt.169 Im Brief P.Petaus 29 (2. Jh. n. Chr.) berichtet die Briefsenderin Didymarion einem Paniskos über heftige Streitigkeiten zwischen ihrer Tochter und seiner Mutter, bei der es sich vielleicht um die Schwiegermutter der Tochter handelt. Erwähnt wird auch der (vielleicht jüngere) Bruder des Paniskos, bei dem es sich um den Schwiegersohn der Didymarion handeln könnte.170 Mit folgenden Worten wendet sich Didymarion an Paniskos um Hilfe – Z. 10–13: τὰ νῦν οὖ`ν´ γ̣ράφω σοι ἐπὶ (l. ἐπεὶ) ὡς̣ πατὴρ αὐτῶ`ν´ | εἶ σύ. ἰδὲ τὸ ὢν (l. ὂν) τί ἐστιν; ο`ὐ´κ ἐμέμψατο γὰρ τὸν | ἀδελφόν σου μέχρι τούτου, ἀλλὰ λέγω μὴ ἐν|κακή[σῃ] („jetzt schreibe ich dir das also, weil 165 Zum papyrologischen Befund siehe R. E. Kritzer und P. Arzt-Grabner in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 388–389. 166 Literarische Belege zum Verwandlungsmotiv in der religiösen Umwelt des Neuen Testaments bietet Back, Verwandlung 24–76. 167 Malina/Pilch, Social-Science Commentary 141, beziehen dies – unter Verweis auf Votivgaben an Asklepios aus dem 4. und 5. Jh. v. Chr. – auf das antike Patronatssystem („For Paul, the God of Israel is patron“). Papyrologisch lässt sich ein solcher Zusammenhang nicht belegen (siehe die Belege für ἐλεέω bei R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 288–289; ferner z. B. P.Philammon 1, p. 7,24 [nach 16. Juni 360 n. Chr.]; P.Vet.Aelii 19,18 [zwischen 222– 223 und ca. 250–255 n. Chr.]). 168 R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 289. In P.Philammon 1, p. 4,5 (nach 16. Juni 360 n. Chr.) geht es darum, dass eine Stadt einen Toten betrauert hat: [ὃ]ν ἡ πόλις ἐλέησεν. 169 Für Belege ab dem 6. Jh. siehe Preisigke, Wörterbuch s. v. ἐγκακέω. 170 Vgl. U. und D. Hagedorn sowie L. und H. C. Youtie in P.Petaus S. 154.
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du wie ein Vater von ihnen bist. Sieh! Was ist die Wahrheit? Deinen Bruder hat sie ja bisher nicht getadelt, aber ich sage das, damit er sie nicht schlecht behandelt“).171 Nur in fragmentarischem Kontext erhalten und somit nicht näher deutbar ist BGU IV 1043,3 (3. Jh. n. Chr.) μου μήτηρ παλαιὰν ἐνκακήσα[ντος(?) - - - ].172
Die Entscheidung, welche der beiden Bedeutungen auf die vorliegende Paulusstelle zutrifft, bleibt von der Papyrologie her völlig offen. Vom paulinischen Kontext her ist eher der Bedeutung „mutlos, verzagt sein“ der Vorzug zu geben.173 4,22 ἀλλὰ ἀπειπάμεθα – Das ntl. nur hier verwendete Verb ἀπολέγω174 ist in den dokumentarischen Papyri relativ gut bezeugt, allerdings scheidet für die Aoristform ἀπεῖπον die Bedeutung „auslesen, auswählen“ von vornherein aus.175 Ferner sind die aktiven Bedeutungen „verbieten“ und „verlustig erklären“ für die vorliegende Stelle kaum relevant.176 Auszugehen ist hier von einer weiteren bei F. Preisigke und E. Kiessling aufgelisteten Bedeutung, nämlich „verweigern, ablehnen, verzichten, entsagen“177. Ein besonders gutes Vergleichsbeispiel zur Paulusstelle findet sich bezeichnenderweise in der Kündigung eines Pachtvertrags aus dem 3. Jh. n. Chr.: Aufgrund schlechter Ernte und ausbleibender Erträge stellen die beiden Pächter das Ansuchen – P.Oslo III 137,13–18: ἀξιοῦ̣ μέν σοι, ἐάν σοι φαί|νηται, ἀπο̣ λ̣ ῦσαι ἡμᾶς τῆς μισ|θώσεος (l. μισθώσεως), καὶ ἀπιπόμεθα (l. ἀπειπόμεθα) τῶν | μισθῶν κ̣ αὶ τῶν ἔργων, καὶ | ἐγβαίνιν (l. ἐκβαίνειν) ἑ̣κουσ̣ ίως καὶ αὐθα|ραίτως (l. αὐθαιρέτως) („wir ersuchen dich, wenn es dir [recht] scheint, uns aus der Pacht zu entlassen – und wir haben den Einkünften und Arbeiten entsagt – und bereitwillig und aus eigener Entschließung zurückzutreten“178). Dass die Pächter den Einkünften und Arbeiten „entsagt“ haben, hängt damit zusammen, dass es aufgrund der
171 Zu ἐγκακέω in diesem Text bemerken die Hg. U. und D. Hagedorn sowie L. und H. C. Youtie in P.Petaus S. 155: „Die Bedeutung ‚schlecht behandeln‘ muss man hier der von ‚müde werden, nachlassen‘ vorziehen.“ 172 Darauf hat bereits Windisch, 2Kor 132, verwiesen mit dem Vermerk: „in unsicherem Kontext“. 173 Vgl. Schmeller, 2Kor 237–238. 174 Vgl. Bauer, Wörterbuch s. v. ἀπεῖπον. 175 Einige Belege für diese Bedeutung, die den Aorist ἀπέλεξα bzw. pass. ἀπελέγην bildet, bei Preisigke, Wörterbuch s. v. ἀπολέγω 1); Kiessling, Wörterbuch s. v. ἀπολέγω 1). 176 Belege für diese Bedeutungen bei Preisigke, Wörterbuch s. v. ἀπολέγω 2) und 3); Kiessling, Wörterbuch s. v. ἀπολέγω 2) und 3). 177 Einige Belege bei Preisigke, Wörterbuch s. v. ἀπολέγω 4); Kiessling, Wörterbuch s. v. ἀπολέγω 4); Moulton/Milligan, Vocabulary s. v. ἀπεῖπον. 178 Zum syntaktischen Zusammenhang beachte S. Eitrem in P.Oslo III S. 208–209 im Kommentar zu Z. 17: „The syntax is rather loose at the close of the document (καὶ ἀπιπόμεθα – καὶ ἐγβαίνιν) and cannot literally render the common formula of such resignations of lease […] Ἐβαίνειν here seemingly refers to the lessor (ἀπολῦσαι – καὶ ἐγβαίνιν), but in the other papyri refers to the lessee, as the latter regularly is the part who wants to ‚give up‘ the contract“ (vgl. auch Kiessling, Wörterbuch s. v. ἑκούσιος 1] unter den Belegen zu ἑκουσίως καὶ αὐθαιρέτως).
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Einzelheiten: 2Kor 4,1–2
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Ernteausfälle tatsächlich nichts mehr zu tun gab. Sie haben sich offenbar notgedrungen von den Einkünften und Arbeiten zurückgezogen.179
In ähnlicher Weise betont Paulus, dass er sich von den Verborgenheiten der Schande zurückgezogen, diesen entsagt hat. Ein entscheidender Aspekt liegt in beiden Texten darin, dass es um eine bewusste Entscheidung geht, die zwar aufgrund äußerer Umstände zustande gekommen sein mag, aber als bereits getroffene nun auch mitgeteilt und damit öffentlich gemacht werden kann oder sogar impliziert, offiziell mitgeteilt zu werden. Dieser Aspekt tritt auch in anderen Papyrusbelegen deutlich zutage: Die Eingabe von Staatsbauern P.Giss. I 82 (27. März – 25. April 117 n. Chr.) enthält z. B. die offizielle Erklärung, auf einen Ersatz ihrer bisherigen Auslagen zu verzichten (vgl. Z. 21–22).180 Bei den Ostraka O.Bodl. II 1988 (1.–2. Jh. n. Chr.) und O.Wilck. 1156 mit BL III 274 (1.–4. Jh. n. Chr.) handelt es sich um Zulassungen, mit denen ein ἱστωνάρχης, also der Vorsteher der Räume im Webereibetrieb,181 per Bescheininung auf Räumlichkeiten „verzichtet“, ihnen also „entsagt“ und sie damit den betreffenden Webern zur Verfügung stellt,182 damit sie ihr Webgut aufspannen können, wo es ihnen beliebt.183 Vermutlich um das Zurücktreten von einem Auftrag geht es im amtlichen Brief P.Hels. I 32 (vor August 160 v. Chr.; beachte Z. 14).
τὰ κρυπτὰ τῆς αἰσχύνης – Das Adjektiv κρυπτός („verborgen“) ist innerhalb der dokumentarischen Papyri und Ostraka selten belegt und bezeichnet das, was der Erkenntnis oder dem Wissen der Allgemeinheit nicht zugänglich ist.184 Der Begriff αἰσχύνη185 wird innerhalb der dokumentarischen Papyri fast ausschließlich in Eheverträgen verwendet, genauer in jener Klausel, die es der Frau verbietet, ihrem Mann auf irgendeine Weise „Schande zu bereiten“:
179 Beachte S. Eitrem in P.Oslo III S. 208 als Erklärung zur Aoristform: „the present tense is not used, as the fact of already having renounced is stated. This was caused by the very κακοφυία, and the lessor is only asked to resign himself to this fact.“ 180 Anders hingegen P.Mich. III 173,38–39 (nach 7. März 169 v. Chr.), wo mit τῶι | ἀπειπαμένωι offenbar jemand gemeint ist, der sich weigert, seine Zahlungen zu leisten. Auch hier liegt aber die Bedeutung „entsagen“ vor. 181 Vgl. U. Wilcken in O.Wilck. S. 303. 182 Beachte zur Deutung C. Préaux in O.Bodl. II S. 343: „Comprenez non pas ‚je défends‘, mais ‚je renonce‘, d’où ‚je permets‘.“ Vgl. dazu auch O.Wilb. 75 mit BL VI 214 (28. Oktober – 26. November 164 oder 196 oder 221 n. Chr.). 183 Um eine offizielle, von der beklagten Partei geforderte Verzichtserklärung geht es in P.Diosk. 12,11–15 (Mitte 2. Jh. v. Chr.); P.Enteux. 63,19 (224–218 v. Chr.) ist für eine nähere Deutung zu fragmentarisch. 184 Vgl. dazu (mit Belegen) F. Winter in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 167– 168. 185 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet.
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Bereits im ältesten erhaltenen Ehevertrag P.Eleph. 1 (17. Juli – 15. August 310 v. Chr.) lautet diese Klausel folgendermaßen – Z. 6–7: εἰὰν δέ τι κακοτεχνοῦσα ἁλίσκηται ἐπὶ αἰσχύνηι τοῦ ἀνδρὸς Ἡρακλείδου Δημητρία, στερέσθω ὧμ (l. ὧν) προσηνέγκατο πάντων („wenn Demetria dabei ertappt wird, dass sie irgendetwas Böses ersinnt, was ihrem Mann Herakleides Schande einbringt, soll sie all ihrer Habe enteignet werden, die sie mit in die Ehe gebracht hat“).186
Nicht um die Schmach, die man jemand anderem bereitet, sondern um die, die man selbst empfindet, geht es in einem Brief aus dem 2. Jh. v. Chr.: Und zwar gibt Apollonios seinem Bruder Ptolemaios187 in UPZ I 70 (nach 20. September 152 v. Chr.) zu verstehen, dass er zu leichtgläubig dessen von den Göttern eingegebenen Traumbildern vertraut und auf ihre beiderseitige Rettung gehofft habe; „aufgrund dieser Schmach“ (Z. 25: ὑπὸ τῆς αἰσχύνης) könne er sich in Trikomia nicht mehr blicken lassen.188
Auch Paulus meint wohl diese selbst empfundene Schmach, der bzw. deren Heimlichkeiten die Apostel abgeschworen hätten.189 Die Übersetzung des Wortes mit „Schändlichkeit“190 oder „Arglist“191 trifft jedenfalls nicht genau den Wortlaut des Griechischen. μὴ περιπατοῦντες ἐν πανουργίᾳ – Wie F. Winter aufgezeigt hat, darf aufgrund der vorhandenen Papyrusbelege für περιπατέω ein spezieller biblischer Gebrauch dieses Verbs nicht überbetont werden; auch für das Koine-Griechisch der Papyri lässt sich nämlich „ein Übergang von ‚umhergehen‘ im Sinne von ‚wandeln‘ zur Bedeutung ‚leben‘ nachvollziehen“192, die auch an dieser Stelle bei Paulus vorliegt. Für πανουργία liegt bisher nur ein relevanter Beleg vor, wo der Ausdruck ebenfalls als Bezeichnung für ein negatives, eben „hinterlistiges Verhalten“ verwendet wird.193 Die περιπατοῦντες ἐν πανουργίᾳ sind somit Menschen, deren Leben von Hinterlist geprägt ist.
186 Vgl. weiters P.Gen. I2 21,11–12 (2. Jh. v. Chr.); P.Freib. III 30,20 (179–178 v. Chr.); P.Tebt. I 104,29–30 (92 v. Chr.); P.Oxy. III 497,4 (frühes 2. Jh. n. Chr.) – dort jew. pleonastisch mit dem Verb αἰσχύνω bzw. αἰσχύνομαι kombiniert. 187 Dieser befand sich im Serapeum von Memphis in Gotteshaft (zur sog. Gotteshaft siehe U. Wilcken in UPZ I S. 55–77, bzw. Delekat, Katoche). 188 Zum Verständnis des gesamten Textes siehe U. Wilcken in UPZ I S. 330–332. 189 Vgl. insbesondere Bauer, Wörterbuch s. v. αἰσχύνη 1., zur vorliegenden Stelle: „was man aus Schamgefühl verbirgt“, aber auch Matera, 2Cor: „hidden deeds of which one is ashamed“. 190 So z. B. Lietzmann, Kor 114; Grässer, 2Kor I 146. 191 So die Einheitsübersetzung. 192 F. Winter in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 140 (mit den entsprechenden Papyrusbelegen sowie zum hebräischen Hintergrund S. 139–140). 193 Siehe ausführlicher zu P.Oxy. II 237, Kol. VIII 12 (nach 27. Juni 186 n. Chr.) F. Winter in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 157.
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Einzelheiten: 2Kor 4,2–3
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μηδὲ δολοῦντες τὸν λόγον ‹ 1,18 τοῦ θεοῦ – Das Verb δολόω („überlisten, täu-
schen, verfälschen“) ist in den Papyri bisher nicht belegt. H. Windisch sieht als Hintergrund den „Vergleich mit den Weine verfälschenden Kneipwirten“194 und verweist auf P.Oxy. IV 729,19 (17. Oktober 138 n. Chr.),195 wo in einem Pachtvertrag über einen Weingarten festgehalten wird, dass der neue Wein als „unverfälschter“ (ἄδολος) zu übergeben ist. ἀλλὰ τῇ φανερώσει τῆς ἀληθείας συνιστάνοντες ‹ 3,1 ἑαυτούς – Die bisherigen papyrologischen Belege für φανέρωσις („Offenbarung“) stammen erst
aus dem 8. Jh. n. Chr.196 Insbesondere als Terminus der Rechtssprache ist ἀλήθεια („Wahrheit, Wirklichkeit“) bezeugt.197 Für einen Vergleich mit der vorliegenden Stelle sind die wenigen Beispiele von größerer Bedeutung, wo mit dem Ausdruck eine innere Haltung bezeichnet wird,198 die hier den Gegensatz zu einem von Hinterlist geprägten Leben bildet. Die φανέρωσις τῆς ἀληθείας ist hier in dem Sinne zu vestehen, dass bei Paulus und seinen Mitarbeitern die Wahrheit und Wahrhaftigkeit als innere Haltung nach außen hin offen sichtbar geworden ist. πρὸς πᾶσαν συνείδησιν ‹ 1,12 ἀνθρώπων ἐνώπιον τοῦ θεοῦ – Der als Präposition verwendete erstarrte Akkusativ ἐνώπιον („vor Augen liegend“) wird in
den dokumentarischen Papyri und Ostraka fast durchwegs in einem juridischen Kontext verwendet. Dadurch dass etwas „vor dem Angesicht“ einer bestimmten Autorität erfolgt, erhält es seine letztendliche Bestätigung.199 4,33 εἰ δὲ καὶ ἔστιν κεκαλυμμένον τὸ εὐαγγέλιον ‹ 2,12 ἡμῶν, ἐν τοῖς ἀπολλυμένοις ‹ 2,15 ἐστὶν κεκαλυμμένον – Das Verb καλύπτω200 („verbergen, verstecken“) ist in den Papyri verhältnismäßig selten vertreten.
194
Windisch, 2Kor 133. Siehe Windisch, 2Kor 133 Anm. 1; ferner verweist Windisch auf P.Hib. I 85,16–17 (22. September – 21. Oktober 261 v. Chr.), wo es um „reines, unverfälschtes (d. h. unvermischtes) Getreide“ geht: σῖτον καθαρὸν | ἄδολον. 196 Siehe Preisigke, Wörterbuch s. v. φανέρωσις. 197 Siehe dazu ausführlich Papathomas, Begriffe 188–190; Kreinecker, 2. Thessaloniker 175– 176; ferner PSI XV 1524,15 (2. Juni 117 n. Chr.); PSI Com. I 13,2 (27. Dezember 146–25. Januar 147 n. Chr.); P.Oxy. LXXIII 4956, Fr. 2–3 6 (146–147 n. Chr.); P.Köln XI 457,13 (ca. Oktober 160 – April 161 n. Chr.); P.Oxy. LXXIII 4961,5–6.10.20.41.48 (14. November 223 n. Chr.). 198 Siehe dazu (mit den relevanten Belegen) R. E. Kritzer und P. Arzt-Grabner in ArztGrabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 215. Ein weiteres Beispiel ist SB XXIV 15894,2 (3. Jh. n. Chr.): mit dem Ausdruck τῆς ἀληθείας `σ´ου δικαιο̣ [σύνης - - - ] appelliert der Petent wohl an die „wahrhaftige Gerechtigkeit“ (wörtlich „Wahrheit deiner Gerechtigkeit“) des praefectus Aegyptus, an den die Eingabe, von der leider nur noch ein Fragment erhalten ist, vermutlich gerichtet war (vgl. Kruse, Schreiber 39 Anm. 73 zu P.Mich. inv. 6257a[20]). 199 Vgl. F. Winter und P. Arzt-Grabner in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 110–111 (mit den entsprechenden Belegen). 200 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 195
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
Den einzigen zeitlich relevanten und verwertbaren Beleg bietet SB IV 7360,10–11 (214 n. Chr.), wo es um einen Kanal geht, der „mit Sand bedeckt“ (ἄμμῳ κεκα|λυμμένην) und somit nicht einsehbar ist.201
4,44 ἐν οἷς ὁ θεὸς τοῦ αἰῶνος τούτου ἐτύφλωσεν τὰ νοήματα ‹ 2,11 τῶν ἀπίστων – Der Ausdruck ὁ θεὸς τοῦ αἰῶνος τούτου erinnert zunächst an die ἄρχοντες τοῦ αἰῶνος τούτου in 1Kor 2,6.8, doch trägt die vorliegende Stelle zur Deutung dort nicht bei, da es um unterschiedliche Motive geht.202 Traditionell wird „der Gott dieses Äons“ auf Satan hin gedeutet, obwohl dessen Bezeichnung als „Gott“ ungewöhnlich ist.203 Die relativ wenigen papyrologischen Belege für αἰών bezeugen die Grundbedeutung „(Lebens-)Zeit“ und sodann „Ewigkeit“; nicht belegt hingegen ist bisher die – von Paulus offenbar von seinem semitischen Hintergrund und speziell der apokalyptischen Literatur übernommene – Bedeutung „Welt“ oder „Zeitalter“.204 Das Verb τυφλόω205 („blind machen, blenden“) begegnet bis jetzt nur in einem spätantiken Papyrus (P.Lond. V 1708,84 [567–568 n. Chr.]). Was die ἄπιστοι betrifft, womit Paulus die im religiösen Sinn „Ungläubigen“ meint, ist papyrologisch nur vergleichbar, dass dieses Adjektiv negativ konnotiert ist.206 εἰς τὸ μὴ αὐγάσαι – Das Verb αὐγάζω207 („strahlen, leuchten“) ist bisher aus-
schließlich in Zauberpapyri eindeutig bezeugt:208
In erster Linie beschreibt es die Tätigkeit des Helios („[die Erde] bestrahlen“): Pap. Graec.Mag. II 61,56 (spätes 3. Jh. n. Chr.]); I 3,143 (nicht vor 300 n. Chr.); 4,1636 (frühes 4. Jh. n. Chr.). In Pap.Graec.Mag. I 4,2558 bezieht sich αὐγάζω auf die Mondgöttin Selene.
τὸν φωτισμὸν τοῦ εὐαγγελίου‹ 2,12 τῆς δόξης ‹ 1,20 τοῦ Χριστοῦ ‹ 1,1, ὅς ἐστιν εἰκὼν ‹ 3,18 τοῦ θεοῦ – Das Wort φωτισμός („Erleuchtung, Glanz“) ist bisher
in den Papyri nicht belegt.
201
Stark bruchstückhaft und ohne erschließbaren Zusammenhang SB X 10218,15 (98–99 n. Chr.). 202 Siehe dazu ausführlich Pesce, Paolo 348–350. 203 Vgl. Schmeller, 2Kor 241–242. 204 Siehe dazu ausführlicher F. Winter in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 89–91. 205 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 206 Nur ein einziger Beleg, wo das Adjektiv zur Charakterisierung von Menschen dient, ist deutbar: in SB I 4309,14 (3. Jh. v. Chr.?) ist von „verdächtigen Räubern“ die Rede: ἀπίστων ληιστόρων (siehe dazu ausführlicher R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 227). 207 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 208 Ein Beleg in Z. 26 von P.Pommersf. (2. Hälfte 6. Jh. n. Chr.) ist aufgrund einer Lücke unsicher.
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Einzelheiten: 2Kor 4,3–6
299
4,55 οὐ γὰρ ἑαυτοὺς κηρύσσομεν ‹ 1,19 ἀλλὰ Ἰησοῦν ‹ 1,1 Χριστὸν ‹ 1,1 κύριον ‹ 1,2, ἑαυτοὺς δὲ δούλους ὑμῶν διὰ Ἰησοῦν – An mehreren Stellen seiner Briefe bezeichnet sich Paulus – im übertragenen Sinn – als δοῦλος („Sklave“), insbesondere als Sklave Christi (Röm 1,1; Gal 1,10; Phil 1,1). Nur an dieser Stelle sieht er sich als einen Sklaven anderer Menschen, nämlich der christlichen Gemeinde; allerdings hat auch dies in Jesus seinen Sinn und Ursprung (διὰ Ἰησοῦν) und wird hier angesichts der Tatsache betont, dass er nicht sich selbst, sondern Jesus Christus verkündigt, und zwar als Herrn. Kein anderes Quellenmaterial als die dokumentarischen Papyri und Ostraka beleuchten so eingehend das breite und vielschichtige Feld der antiken Sklaverei.209 Im Zusammehang mit der vorliegenden Stelle sind zwei Aspekte hervorzuheben: der Sklave ist zum einen in umfassender Weise von seinem Herrn abhängig und hat dessen Befehle auszuführen, zum anderen konnte ein Sklave in eine gehobene Position gesetzt und mit verantwortungsvollen Aufgaben betraut werden.210 Dies ist bei Paulus, insbesondere aufgrund der konsequenten Begründung seiner Aufgaben und Funktionen durch den Herrn Jesus selbst, unbedingt mit zu bedenken. 4,66 ὅτι ὁ θεὸς ὁ εἰπών· ἐκ σκότους φῶς λάμψει – Sowohl σκότος („Dunkelheit, Finsternis“) als auch φῶς („Licht“) sind dokumentarisch verhältnismäßig selten und vor allem in magischen Papyri anzutreffen.211 Der Begriff φῶς212 wird in nur drei Fällen völlig losgelöst von einer religiös-mystischen Vorstellung verwendet: In BGU IV 1201 (2 n. Chr.) berichten zwei Priester eines Serapisheiligtums, wie sie, als sie zu einer Opferung eilten, die Türen des Tempels „unter Licht (d. h., wie sich später noch herausstellt, in dem Fall ‚Feuer‘) gesetzt“ vorfanden – Z. 10: ὑφημένας (l. ὑφημμένας) φωτί.213 „Fensterlichten“(?) bezeichnet hingegen der Ausdruck φῶτα θυρίδων in P.Mil.Vogl. II 99,12 (119 n. Chr.) und P.Lond. III 1179 (S. 144),62 (146–147 n. Chr.?).
Zumeist ist die Erwähnung eines „Lichtes“ aber in einen von Glaube und Magie geprägten Zusammenhang eingebettet214, was sich – abgesehen von 209
Siehe dazu bes. Straus, L’esclavage; Bieżuń ska-Małowist, L’esclavage I und II; ArztGrabner, Philemon 81–108; siehe auch Bibliographie zur antiken Sklaverei 156–164. 210 Siehe die Beispiele bei Arzt-Grabner, Philemon 231–234. 211 Zum Befund von σκότος siehe F. Winter in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 168 (ergänzt ist σκότος in der Schwurfomel PSI X 1162,2 [3. Jh. n. Chr.?]). 212 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 213 W. Schubart merkt dazu an (BGU IV S. 343): „φωτὶ falsch statt πυρί oder φλογί“, was aber – vergleicht man mit der griechischen Literatur, wo „Licht“ auch metonymisch für „Feuer“ steht (siehe LSJ s. v. φάος I.2.) – unnötig ist. 214 Eine „Untersuchung über hellenistische Frömmigkeit“ hat Wetter, ΦΩΣ, vorgelegt. Mit der „Vorstellung vom Lichte“ ist er einer nach eigenen Aussagen „der verbreitetsten religiösen Ideen des Hellenismus“ (Wetter, ΦΩΣ III) auf der Spur, wobei er sich vor allem mit den hellenistischen Mysterienreligionen beschäftigt.
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300
Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
unzähligen Belegen in den Zauberpapyri – auch in folgenden Beispielen niederschlägt: Auf dem Verso des Briefes BGU II 597 (5. Dezember 75 n. Chr.) befindet sich am unteren Rand, umgekehrt parallel zur ersten Zeile, ein in Uncialen geschriebener hexametrischer Vers, der keinen Bezug zum Brief selbst aufweist und älteren Datums sein dürfte. Die Anrufung einer Lichtgottheit (aufgrund der femininen Form vermutlich Selene) stammt wahrscheinlich „aus orphischen Kreisen oder aus der Volksmagie“215 – Z. 32 mit BL I 438:216 φωσφόρε, φωσφορέουσα, φίλ̣ ων φῶς, φῶς φέρε λαμπάς („Lichtträgerin, Licht Tragende, der Lieben Licht, bring Licht, Leuchte“). Innerhalb des Eides PSI X 1162b (3. Jh. n. Chr.?) beruft sich der Schwörende hingegen auf einen Gott, „der die Erde vom Himmel geschieden hat und die Dunkelheit vom Licht“ – Z. 1–2 (mit Bartoletti, Frammenti 459): [ὀμνύω κατὰ τοῦ διχάσ]αντος γῆν ἀπ᾽ οὐρανοῦ | [καὶ σκότος ἀπὸ φωτός].217
Vor allem aber in – wie erwähnt – Papyruszeugnissen magischen Inhalts wird dem „Licht“ eine geheimnisvolle Kraft zugesprochen. Zum einen wird es mit Gottheiten wie mit Zeus/Iao-Helios218 als dem Schöpfer des die Erde beleuchtenden Lichtes bzw. diesem Licht selbst219 oder mit Selene als dem positiven Pendant zum Dunkel der Nacht oder des Tartaros220 in Verbindung gebracht, zum anderen (jedoch weitaus seltener) begegnet es als unverzichtbares und wesentliches Element bei Zauberritualen221. All diesen Belegen ist gemein, dass dem mit φῶς bezeichneten Licht, sei es das von vornherein göttliche oder das zunächst von einem Menschen entfachte und dann auf transzendentaler Ebene „erhellende“, etwas Mystisches und gleichzeitig Lebensbejahendes anhaftet. Das Verb λάμπω222 („leuchten, glänzen“) begegnet bisher lediglich in Zauberpapyri223, aber nie in Zusammenhang mit φῶς („Licht“).
215
Siehe dazu Calderini, ΦΩΣΦΟΡΕ; Olsson, Papyrusbriefe 139. Interpunktionen nach Heitsch (Hg.), Dichterfragmente Nr. XIV (S. 51). 217 Zur wahrscheinlichen Zuweisung in den Kreis der Serapisverehrenden vgl. ausführlich Momigliano, Giuramento, wo aber auch auf die möglichen Einflüsse von jüdischen (oder christlichen) Kreisen hingewiesen wird; wiederum ein wichtiger Beleg für die synkretistische Tendenz des Serapiskultes. 218 In ihrer Rolle oder Funktion auch Serapis oder Mithras (vgl. z. B. Pap.Graec.Mag. I 5,4–5 [4. Jh. n. Chr.]) sowie Kronos-Aion (vgl. Pap.Graec.Mag. II 12,232–233 [3. Jh. n. Chr.]) gleichgesetzt. Näheres dazu bei Fauth, Helios (bes. S. 34–120). 219 Vgl. etwa Pap.Graec.Mag. I 4,591 (frühes 4. Jh. n. Chr.): φωτὸς κτίστα („Erschaffer des Lichts“), oder Z. 978: ἱερὸν φῶς („heiliges Licht“); zuweilen auch als (Gott) Φῶς verselbstständigt (so etwa in Pap.Graec.Mag. II 13,165 [346 n. Chr.]). 220 In Pap.Graec.Mag. I 4,2242 (frühes 4. Jh. n. Chr.) wird Selene als „heiliges Licht“ und „Herrin des Tartaros“ begrüßt. 221 Etwa in Pap.Graec.Mag. I 4,1105 (frühes 4. Jh. n. Chr.), wo τὸ φῶς τοῦ λύχνου („das Licht der Lampe“) zur Herbeiführung einer inneren Vision dient. 222 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 223 Z. B. Pap.Graec.Mag. I 3,219 (nicht vor 300 n. Chr.). 216
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Einzelheiten: 2Kor 4,6–7
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ὃς ἔλαμψεν ἐν ταῖς καρδίαις ‹ 1,22 ἡμῶν πρὸς φωτισμὸν ‹ 4,4 τῆς γνώσεως ‹ 2,14 τῆς δόξης ‹ 1,20 τοῦ θεοῦ ἐν προσώπῳ ‹ 1,11 Χριστοῦ ‹ 1,1.
Exkurs: Die Peristasenkataloge 2Kor 4,7–15; 6,3–10; 11,21–30 und 12,1–10 Peristasenkataloge sind nicht nur aus den Paulusbriefen, sondern auch aus der griechisch-römischen und jüdischen Literatur bekannt.224 In Papyrusbriefen ist damit Vergleichbares bisher nicht bezeugt. Berichte über Leid und insbesondere erlittene Gewalt sind freilich Bestandteil vieler Petitionen. Üblicherweise wird darin ein einziger Vorfall zur Anzeige gebracht. In seltenen Fällen wird eine Verkettung von Widrigkeiten geschildert oder lassen ungünstige Begleitumstände den einen Vorfall noch drastischer erscheinen. So klagt der Sitologe Asklepiades jene Übeltäter an, die ihn in den Badeanlagen überfallen und misshandelt hätten, und das, wo er doch das Bad wegen einer ernsthaften Erkrankung aufgesucht habe (P.Tebt. III.1 798 [2. Jh. v. Chr.]). Ein gewisser Kastor wendet sich an den Strategen Herakleides um Hilfe, weil er beraubt wurde und zusätzlich von den Steuerpächtern bedrängt wird (BGU IV 1188 mit BL VI 15 und VIII 42 [15 v. Chr. – 14 n. Chr.]).
Derartige Schilderungen in Petitionen sollen den Adressaten zu Hilfe und Unterstützung und letzten Endes zum offiziellen Einschreiten bewegen. Im Unterschied dazu sind die Leiden und Vorfälle, die Paulus aufzählt,225 bereits als abgeschlossen zu betrachten. Er ersucht nicht mehr um Hilfe und amtliches Vorgehen gegen seine Widersacher, wie das bei den üblichen Petenten der Fall ist. Echte Vergleichsbeispiele zu den Peristasenkatalaogen finden sich somit auch in den amtlichen Eingaben nicht. 4,77 ἔχομεν δὲ τὸν θησαυρὸν τοῦτον – Der Begriff θησαυρός wird in den dokumentarischen Papyri und Ostraka vor allem für den „Staats- oder Tempelspeicher“226, seltener für eine „Privatscheune“227 verwendet. In P.Tebt. I 6,27 (nach 3.–12. Februar 139 v. Chr.) geht es vermutlich um den Opferstock 224 Siehe dazu bes. Ebner, Leidenslisten; Fitzgerald, Cracks; Hodgson, Paul; Willert, Catalogues (bes. 232–239); Choi, „Denn wenn ich schwach bin“ 11–42. 225 Zu Peristasenkatalogen in der griechisch-römischen Literatur siehe Witherington, Conflict 388–389. Bibeltheologisch und exegetisch aufgearbeitet wurden die paulinischen Peristasenkataloge nunmehr von Choi, „Denn wenn ich schwach bin“ (zu den vier Peristasenkatalogen im 2Kor siehe S. 101–246). 226 Zahlreiche Belege bei Preisigke, Wörterbuch III, Abschnitt 8, s. v. θησαυρός; Rupprecht/Jördens, Wörterbuch Supplement 2 und 3, Besondere Wörterliste, Abschnitt 8, s. v. θησαυρός. 227 Einige Belege bei Preisigke, Wörterbuch s. v. θησαυρός 2); ferner z. B. P.Princ. III 117,5 (55–54 oder 4–3 v. Chr.); P.Mich. IX 554,11.16.22.48.59 (vor 93 n. Chr.).
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
eines Tempels.228 In den Papyri wird mit θησαυρός also durchwegs ein Behälter oder Aufbewahrungsplatz für Geld oder Getreide bezeichnet, während es bei Paulus um den „Schatz“ als Inhalt geht. ἐν ὀστρακίνοις σκεύεσιν – Mit ὀστράκινος229 wird alles bezeichnet, was
„irden“ oder „aus Ton“ gefertigt ist; in den Papyri ist das Adjektiv verhältnismäßig selten belegt: So liest man z. B. in einer Abrechung der Wasserinspektoren einer μητρόπολις (P.Lond. III 1177 [S. 180] [nach 27. Oktober 113 n. Chr.]) von „tönernen Gefäßen“ (κάδοι ὀστράκινοι – vgl. Z. 75.92) sowie von „tönernen Rinnen“ (ἐκχύσεις ὀστράκιναι – vgl. Z. 111), und in P.Oxy. XIV 1648,63 (spätes 2. Jh. n. Chr.) geht es um einen „irdenen Weinkrug“ (πίθος ὀστράκινος – vgl. Z. 63).230
Das Wort σκεῦος begegnet in den Papyri sehr zahlreich; meist ist es ein Bestandteil von Listen, wie sie u. a. in Testamenten bzw. Empfangsbestätigungen über vererbte Güter oder Mitgift enthalten sind, aber auch in Petitionen oder Hypomnemata231 werden diverse σκεύη immer wieder bei der Aufzählung von Diebesgut genannt232. In privaten Briefen begegnet der Ausdruck selten (z. B. in O.Berenike II 130,4 [ca. 50–75 n. Chr.]; PSI Com. I 18,6.21 [3.– 4. Jh. n. Chr.])233. Die Wiedergabe im Deutschen erfolgt am besten mit dem Ausdruck „Gerätschaften“ oder (umgangssprachlich) „Zeug“: So hält etwa ein gewisser Herieus in SB XII 10882,12–13 (45 n. Chr.) fest, er habe „den“, wie er sagt, „mir zustehenden Anteil an väterlichen und mütterlichen Gerätschaften“ erhalten: τὼ (l. τὸ) ἐπιβάλλον ν̣ ου̣ (l. μοι) | μέρος πατρικῆς (l. πατρικῶν) καὶ μητρ[ι]κῆς (l. μητρικῶν) σχευῶν (l. σκευῶν) (neben anderen Dingen wie ἔπιπλα [„Möbeln“] und ἱστὰ γερδιακά [„Webstühlen“]; vgl. für beides Z. 14; ähnlich z. B. P.Scholl 5,9 [1.–2. Jh. n. Chr.]).234 Des Öfteren werden die jeweiligen σκεύη aber auch genauer charakterisiert, sei es durch Adjektive, wie z. B. in BGU IV 1117,11 (ca. 3 v. Chr.): κλιβανικά σκεύη („Bäckergerät“), P.Mich. V 350,10–11 (37 n. Chr.): γυναικεῖα σκεύη („Frauen-
228 Vgl. Preisigke, Wörterbuch s. v. θησαυρός 1); Moulton/Milligan, Vocabulary s. v. θησαυρός (im Anschluss an Otto, Priester I 396 Anm. 2). 229
Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. Im lückenhaften P.Mich. I 63,3 (247 v. Chr.) fehlt das Bezugswort; zum in SB VI 9165,8 (1. Hälfte 1. Jh. n. Chr.) erwähnten τὸν ὀστράκινον wurden Ergänzungen wie κ̣ ρ̣ ιόν (vgl. dazu LSJ, s. v. κριός VI.) oder [θ]ρύον („Rohr, Binse“?) vorgeschlagen; ebenfalls lückenhaft P.Ross.Georg. II 33, Kol. II 5 (2. Jh. n. Chr.). 231 Zu diesem privaten Urkundentyp siehe Wolff, Recht II 114–122. 232 So z. B. in SB XXVI 16800,5 (1. Hälfte 2. Jh. v. Chr.). 233 Um welche Utensilien es in O.Berenike II 130,4 geht oder ob diese überhaupt näher beschrieben waren, ist aufgrund des fragmentarischen Erhaltungszustandes des Schreibens unklar; für PSI Com. I 18,6.21 gilt Ähnliches (im Kontext geht es um das ganze Hab und Gut des Briefsenders). 234 Für P.Worp 16,2.5 (30. August – 28. September 11 n. Chr.) legt die Erwähnung eines metallarches nahe, dass es sich bei den σκεύη um Werkzeuge von Bergleuten handelt. 230
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Einzelheiten: 2Kor 4,7
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zeug“)235 oder PSI V 463,22 (158–160 n. Chr.): σκεύη οἰκιακά („Haushaltsgerätschaften“)236, sei es durch andere Attribute, wie z. B. πρὸς τὴν | γεωργίαν („für den Landbau“ – C.Ord.Ptol. 53,234–235 [nach 28. April 118 v. Chr.]) oder ἐπ̣ ὶ τῶ̣ ν κατ[ὰ] Ἀ̣ λε[ξ]ανδρε[ίαν ὅρμων] („in den Häfen bei Alexandria“ – P.Köln III 147,4 [30 v. Chr. – 15 n. Chr.])237. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, den zuerst zusammenfassend erwähnten σκεύη eine Liste der darunter verstandenen Güter folgen zu lassen – vgl. etwa BGU VII 1666,1–5 (1. Jh. n. Chr.): λόγος σκευῶν τῆς {τῆς} μητρὸς | ο῟ν (l. ὧν) Ἑλένη· ψέλια ἀργυρᾶ | τεσσάρων σ[τ]ατήρων καὶ ἐποί|διον χρ[υ]σοῦν τετάρτων τριῶν | καὶ στολὴ Συριακὴ λευκὴ (δραχμῶν) ρκ κτλ. („Verzeichnis von Sachen der Mutter238, von denen Helene [gehören]: silberne Armbänder, vier Stateren schwer, und ein goldenes Ohrgehänge239, 3/4 schwer, sowie eine syrische Stola, weiß, 120 Drachmen wert …“). Oder die σκεύη werden neben anderen Gütern genannt und sind somit von diesen zu unterscheiden: so werden in P.Sijp. 44,1 (ca. 130 n. Chr.) hinteṛ άτια genannt; da es sich bei ἐνδομενία um einander τὰ σκεύη καὶ ̣ ἐνδομενία καὶ ̣ ἱμ die Haushaltsgegenstände und bei ἱμάτια eindeutig um Kleidungsstücke handelt, ist mit σκεύη hier vermutlich das Mobiliar gemeint.
Die ὀστράκινα σκεύη, von denen Paulus hier spricht, bezeichnen demnach nichts anderes als „Tonzeug“, was, auf den Gesamtzusammenhang bezogen („wir bewahren diesen Schatz in …“), freilich „tönerne Gefäße“ meint.240 ἵνα ἡ ὑπερβολὴ ‹ 1,8 τῆς δυνάμεως ‹ 1,8 ᾖ τοῦ θεοῦ καὶ μὴ ἐξ ἡμῶν – Der Finalsatz nimmt sprachlich deutlich Bezug auf 1,8 (καθ᾽ ὑπερβολὴν ὑπὲρ δύναμιν ἐβαρήθημεν), wenngleich hier von einer ganz anderen δύναμις als dort die
Rede ist: während Paulus in 1,8 berichtet, dass er in der Provinz Asia über seine Kraft hinaus bedrückt wurde, schreibt er hier – durchaus folgerichtig – das Übermaß an Kraft, das ihn die in den folgenden Versen genannten Bedrängnisse überstehen ließ, allein Gott zu. Damit spielt für δύναμις an dieser Stelle – anders als in 1,8 – auch die Bedeutung „Macht, Allmacht“ herein, die papyrologisch als Kennzeichen der kaiserlichen Autorität bezeugt ist.241 Die „Macht Gottes“ bildet dazu umso mehr einen Kontrast, als δύναμις erst in christlichen Papyri als Merkmal einer Gottheit – eben des christlichen Gottes – begegnet.242 235 Bisweilen auch erweitert durch κασσιτέρινα („aus Zinn“) – vgl. etwa P.Mich. II 121, Rekto, Kol. II ii 8 (30. April – 28. Mai 42 n. Chr.), aus einer Mitgiftsliste. 236 Anders als im bereits erwähnten SB XII 10882,13–14 (σκεύη καὶ ἔπιπλα) ist in BGU I 183,19–20 (85 n. Chr.) von ἐπίπλοα | [σκεύη] („Möbelzeug“) die Rede (aber auch σκεύη καὶ ἐπίπλοα – z. B. P.Mich. V 322 a,20 [46 n. Chr.]). 237 Gemeint ist „Schiffszubehör“ (vgl. dazu R. Hübner in P.Köln III S. 106). 238 Genauer handelt es sich um ein Nachlassverzeichnis, durch welches drei Töchter begünstigt sind. 239 Übersetzung nach A.S. Hunt und C.C. Edgar in Sel.Pap. I S. 425. 240 Als Bild für den Leib ist der Ausdruck in der griechisch-römischen Philosophie bezeugt (siehe Schmeller, 2Kor 255, mit Belegen), in den dokumentarischen Texten aber bisher nicht. 241 Siehe dazu F. Winter in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 84–85. 242 Vgl. F. Winter in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 85 (mit einem Beispiel aus einem christlichen Privatbrief).
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4,88 ἐν παντὶ θλιβόμενοι ‹ S. 167–168 ἀλλ᾽ οὐ στενοχωρούμενοι – Das Verb στενοχωρέω243 ist in den Papyri nur spärlich vertreten und bezeichnet ausnahmslos das „Ermangeln“ von genügend (räumlichem) Platz:244 Der einzige sichere, d. h. nicht lückenhafte und, was die Bedeutung anlangt, zweifelsfreie Beleg ist P.Petr. II 12 (1),13 (242 v. Chr.), wo der Stratege darauf aufmerksam gemacht wird, dass gegen den bestehenden Mangel an Unterkünften für durchreisende Beamte dringend etwas unternommen werden müsse – ἐπεὶ στενοχωροῦμεν σταθμοῖς („da wir über zu wenige Quartiere verfügen“).245
An der vorliegenden Paulusstelle wird mit στενοχωρέω eine Situation beschrieben, die bedeutend dramatischer ist als ein umfassendes Bedrängtwerden (ἐν παντὶ θλιβόμενοι). Mit dem Papyrusbeispiel gemeinsam ist der Aspekt, dass στενοχωρέω einen Zustand bezeichnet, der auf keinen Fall mehr tragbar ist. – Das Verb ἀπορέω246 weist in den Papyri mehrere Bedeutungsnuancen auf. Ein schlichtes „Nicht-Wissen“247 kann dabei in einer Rat- bzw. Ausweglosigkeit gipfeln, wie sie in folgenden Belegen beschrieben wird: ἀπορούμενοι ἀλλ᾽ οὐκ ἐξαπορούμενοι
‹ 1,8
In BGU XVI 2608 (10–1 v. Chr.) schreibt ein gewisser Herakleides besorgt an Athenodoros, er möge sich um die Beschleunigung bei der Bierproduktion kümmern; andernfalls habe, so seine Worte, „das Ganze keinen Sinn“ – Z. 7: τὸ ὅλον ἀπορεῖται. In einer ausweglosen Lage (ἀπ̣ ο̣ ρ̣ oῦμεν) befinden sich auch die Absender von SB XX 14401 (147 n. Chr.; vgl. darin Z. 6), da sie, wie sie in ihrer Eingabe an den Epistrategen schreiben, ihrer Ansicht nach nicht Recht bekämen.
Bezieht sich diese Ausweglosigkeit auf materielle Güter oder Geld, kann man von einer „Mittellosigkeit“ oder von einem „Mangel“ sprechen.248 In beiden Fällen deckt sich die Verwendung von ἀπορέω mit jener des bereits bei 1,8 besprochenen Kompositums ἐξαπορέω249. Paulus hingegen war sich der verstärkenden Wirkung des Präfixes ἐκ- bzw. ἐξ- („überhaupt keinen Ausweg mehr sehen“) bewusst und bringt diese hier mit Nachdruck ins Spiel – ein Fak-
243
Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. Bedeutend größer ist die Bedeutungsbreite des bei 6,4 behandelten abstrakten Substantivs (siehe dazu S. 345). 245 Vgl. weiters SB XVIII 13222,3 (spätes[?] 1. Jh. n. Chr.) sowie (bereits verhältnismäßig spät) P.Oxy. XLVIII 3394,13 (364–366 n. Chr.?). 246 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 247 So in P.Cair.Zen. V 59832,23 (nach 245–244 v. Chr.) und P.Mich. VIII 477,9 (frühes 2. Jh. n. Chr.). 248 Belege dafür sind etwa P.Iand. VI 104,5 (15–36 n. Chr.) oder P.Oxy. III 472,8 (vor 131 n. Chr.). 249 Vgl. oben S. 199. 244
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Einzelheiten: 2Kor 4,8–9
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tum, das z. B. auch in 1Kor 13,12 zur Geltung kommt250 und von der Sprachgewandtheit des Apostels zeugt. 4,99 διωκόμενοι ἀλλ᾽ οὐκ ἐγκαταλειπόμενοι – Mit διώκω bezieht sich Paulus hier allgemein, also ohne nähere Einschränkungen oder Konkretisierungen, auf „Verfolgungen“. In einigen Papyri rechtlichen Inhalts wird mit dem Verb ein „Anklagen“ oder „Verklagen“ in juristischem Sinn bezeichnet, von Verfolgungen durch die Polizei oder Nachstellungen durch Kriminelle wird bereits in Eingaben aus ptolemäischer Zeit berichtet.251 All dies kann von Paulus an dieser Stelle mitgemeint sein.252 Zum Verb ἐγκαταλείπω haben bereits J. H. Moulton und G. Milligan einige Beispiele aus den Papyri zusammengestellt.253 In der Grundbedeutung geht es um ein „Verlassen“ oder „Im-Stich-Lassen“, das sich sowohl auf eine Person als auch auf einen Arbeitsplatz, ein Stück Land oder eine Tätigkeit beziehen kann. Ein Mensch wird vor allem dadurch im Stich gelassen, dass man ihn sich selbst überlässt durch eigene Abwesenheit, Abreise oder Ignoranz.254 Ein deutliches Beispiel bietet das Postscriptum des privaten Briefes einer gewissen Dionysia an ihren Mann Theon (P.Bad. IV 48 mit BL VI 8 [28. Oktober 127 v. Chr.]). Im Brief geht es darum, dass Theon zu einer militärischen Expedition eingezogen wurde und Dionysia während seiner Abwesenheit seinen Anordnungen entsprechend auf dem Markt etwas verkaufen wollte, dabei aber in einen Streit mit rechtlichen Folgen verwickelt wurde, zu dessen Lösung sie nun dringend ihres Gatten bedarf. Ihre missliche Lage unterstreicht sie in den Z. 16–17, die sie an den Schlussgruß und das Datum angehängt hat: παρὰ πάντα δέ σοι ἐντέλλομ`α´ι μνησθῆναι, ὥς με ἐνκα`τα´λέλοιπας μόνην ὡς τοὺς κύνας, | καὶ ἐν οἷς παρεκάλεις, οὐκ ἐνέμεινας. ἔτι οὖν καὶ νῦν μνήσθητι ἡμῶν („vor allem aber gebiete ich dir, dich daran zu erinnern, wie du mich alleine zurückgelassen hast wie die Hunde, und du bist nicht bei dem geblieben, was du angeordnet hast. Denke also auch jetzt noch an uns!“). Dionysia macht damit auf die Dramatik ihrer Situation aufmerksam, in der sie momentan ganz allein auf sich gestellt ist. Ähnliche Beispiele sind P.Lond. VII 1932,9 mit BL XI 123 (24. April 258 v. Chr.); PSI IV 361,10–11 (nach 7. Dezember 251 v. Chr.); P.Lond. VII 2038,22–24 (Mitte 3. Jh. v. Chr.); 2074,10–13 (nach 28. Mai 249 v. Chr.); P.Zen.Pestm. D (S. 270),4–5 (16. November 248 v. Chr.); UPZ I 71,5–9 (20. September 152 v. Chr.); P.Oxy. II 281,20–22 (20–50 n. Chr.); SB VI 9534,3–8 mit BL IX 260 (3. Jh. n. Chr.).
250 Vgl. den dortigen Wechsel zwischen γινώσκω und ἐπιγινώσκω (siehe dazu R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 443–445). 251 Belege bei Papathomas, Begriffe 62. 252 Siehe dazu ausführlicher (im Zusammenhang mit 1Kor 4,12) Papathomas, Begriffe 60–63. 253 Siehe Moulton/Milligan, Vocabulary s. v. ἐγκαταλείπω. 254 Siehe die Beispiele bei Preisigke, Wörterbuch s. v. ἐγκαταλείπω 2); Kiessling, Wörterbuch s. v. ἐγκαταλείπω 1).
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
Die Paulusstelle lässt sich vor diesem Hintergrund so deuten, dass der Apostel trotz Verfolgungen nie ganz im Stich gelassen wurde, sondern auf die Hilfe eines Gefährten, einer Gemeinde oder – und dies jederzeit – auf die Gegenwart Gottes bauen konnte. καταβαλλόμενοι ἀλλ᾽ οὐκ ἀπολλύμενοι ‹ 2,15 – In den dokumentarischen Papyri und Ostraka wird das Verb καταβάλλω in unterschiedlichen Zusam-
menhängen verwendet. Nur ein vergleichsweise geringer Teil der Belege handelt vom „Niederwerfen“ eines Menschen, wovon auch Paulus hier spricht.255 In den entsprechenden papyrologischen Beispielen ist vom Niederwerfen einer Person durch einen Gewaltakt, aber auch durch Krankheit die Rede. Bei SB X 10271 (28. Juli 231 oder 22. Juli 206 v. Chr.) handelt es sich um die Eingabe einer gewissen Thaesis wegen Körperverletzung durch eine Hermione; Thaesis behauptet – Z. 9–15: καταβάλλει καὶ ἔτυ|πτέν με ἀμφοτέραις | ταῖς χερσίν, εἰς ὃ ἂν | τύχοι μέρος τοῦ σώμα|τός μου, καὶ δακοῦσα | τὸν ἀριστερὸν ὦμόν μου, | ἀποσπᾶι σάρκα („sie wirft mich nieder und schlug mich mit beiden Händen auf jedweden Körperteil, den sie gerade treffen konnte, und sie beißt mir in die linke Schulter, reißt Fleisch heraus“). Ganz ähnlich beklagt sich in PSI III 167,16–17 (nach 13. September 118 v. Chr.) eine Frau über den tätlichen Angriff einer Sarapias: καταβάλλ̣ ο̣ υσα ἐπὶ τὸ ἔδαφος, | ἔτυπτεν πληγαῖς πλείσταις, | εἰς ὃ τύχοι μέρος τοῦ σώματος („sie warf mich auf den Boden nieder, schlug mich mit ganz vielen Schlägen auf jedweden Körperteil, den sie gerade treffen konnte“); durch den Hinweis, zu jenem Zeitpunkt gerade schwanger gewesen zu sein (vgl. Z. 19), gewinnt die Schilderung des Opfers eine zusätzliche Dramatik. Der im Serapeum von Memphis in Gotteshaft befindliche Ptolemaios berichtet mehrmals von gegen ihn gerichteten Gewaltakten durch Tempelreiniger und Brotbäcker. Vor dem in UPZ I 7 (19. November 163 v. Chr.) geschilderten Übergriff konnte er selbst sich zwar rechtzeitig in Sicherheit bringen, den ihm nahestehenden Harmais aber „warfen sie nieder, als sie ihn auf dem Dromos fanden, und sie schlugen ihn mit ihren bronzenen Schabwerkzeugen“ – Z. 15–17: Ἁρ|μᾶιν δὲ τὸν παρ᾽ ἐμοῦ εὑρόντες ἐπὶ τοῦ δρόμου | καταβαλόντες ἔτυπτον τοῖς χαλκοῖς ξυστῆρσιν. Einen ähnlichen Bericht von Gewalttätigkeiten enthält UPZ I 119,13–14 (16. August 156 v. Chr.).256 Um Krankheit geht es hingegen in P.Oxy. VIII 1121,9 (8. Februar 295 n. Chr.), wo eine gewisse Aurelia Techosis berichtet, dass ihre gleichnamige Mutter durch eine Krankheit niedergeworfen worden (νόσῳ κατα[β]λ̣ [η]θεῖσα) und schließlich – trotz sorgsamster Pflege durch die Tochter – gestorben sei.
255
Preisigke, Wörterbuch s. v. καταβάλλω, bietet weiters Belege für die Bedeutungen „einreißen (eine Mauer)“, „das Erdreich einebnen“, „einen Baum fällen“, „säen“, „in den Kasten hineintun“, „Eid ablegen“ und (besonders häufig belegt) „einzahlen, ausbezahlen, abzahlen (Raten), bezahlen (Strafe), Geld abliefern“; vgl. auch Moulton/Milligan, Vocabulary s. v. καταβάλλω. 256 Siehe ferner das nur fragmentarisch erhaltene Beispiel BGU III 731, Kol. I 8 (ca. 180 n. Chr.). Vom Niedergeworfenwerden im Pankration-Wettkampf berichtet SB III 6222,20–21 (Ende 3. Jh. n. Chr.).
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Einzelheiten: 2Kor 4,9–11
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Paulus mag hier durchaus auf beide Möglichkeiten anspielen, unter denen er zu leiden hatte (tätlicher Angriff und Krankheit); beide könnten zum Tod führen (beachte ἀπολλύμενοι), wovor er aber verschont blieb. ‹ 1,1
ἐν τῷ σώματι περιφέροντες, ἵνα τοῦ Ἰησοῦ ἐν τῷ σώματι ἡμῶν φανερωθῇ ‹ 2,14 – Das Wort καὶ ἡ ζωὴ νέκρωσις („Tötung; Sterben“) ist in den Papyri bisher nicht belegt. Neben der Grundbedeutung „(menschlicher) Körper, Leib“ begegnet σῶμα
4,110 πάντοτε τὴν νέκρωσιν τοῦ Ἰησοῦ ‹ 2,16
in den Papyri auch als eine von vielen Bezeichnungen für den „Sklaven“, was im Vergleich mit dem Text bei Paulus hier freilich irrelevant ist. Die Bedeutung „Körper, Leib“ ist breit gefächert, begegnet aber stets – wie auch bei Paulus – im eigentlichen Sinn.257 Für das „Tragen“ oder „Aufbewahren“ einer bestimmten, denkwürdigen Situation oder der Erinnerung an einen Menschen im tiefsten Inneren (περιφέρω – wörtlich „herumtragen“) existieren in den Papyri zwei reizvolle Vergleichsbeispiele: P.Oxy. XIV 1664 (ca. 200 n. Chr.) ist der Brief eines Tempelaufsehers an den Gymnasiarchen des Antaiopolites; nicht nur das Kultpersonal und die Götter erinnerten sich, wie er schreibt, gern an ihn, sondern auch „unsere ganze Jugend bewahrt dich in ihren Herzen“ – Z. 6–7: ⟦ἁ⟧πᾶσα γὰρ ἡμῶν ἡ ἡλι|κία ἐν τοῖς στέρνοις σε περιφέρει.258 Zum Teil lückenhaft ist P.Oxy. LXVII 4592,4–5 (spätes 2. – frühes 3. Jh. n. Chr.); die Rede ist von den Alexandrinern, die „die gleiche(?)259 Ansicht (wohl wie der ̣ έροντ[ε]ς̣ τ̣ὴν [. . . . .] | γνώμην).261 Absender260) in sich tragen“ (π̣ ε̣ρ̣ ιφ
Der Sprachgebrauch von περιφέρω „zeigt somit die Anlehnung des P[aulus] an hellenistische Denkweise.“262 4,111 ἀεὶ γὰρ ἡμεῖς οἱ ζῶντες ‹ 1,8 εἰς θάνατον ‹ 1,9 παραδιδόμεθα διὰ Ἰησοῦν ‹ 1,1 - Im Zusammenhang mit der Verwendung des Verbs παραδίδωμι im 1Kor hat A. Papathomas auf dessen rechtliche Konnotationen hingewiesen (eine Person „übergeben, ausliefern, überlassen“, einen Menschen „zwangsweise vorführen, als Gefangenen einliefern“, aber auch Verwahrgut „zurückliefern“, einen gemieteten oder gepachteten Gegenstand nach Ablauf des Vertrages „zurückgeben“).263 Eine Verbindung mit θάνατος wie an der 257 Die für einen Vergleich besonders relevanten Papyrusbelege bietet R. E. Kritzer in ArztGrabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 203–204; beachte ferner PSI XV 1561,8.12 (ca. 287–290). 258 Auf diesen Beleg verweist auch Windisch, 2Kor 145. 259 So („the same [?]“) ergänzt A.K. Bowman in seiner Übersetzung in P.Oxy. LXVII S. 168. 260 Vermutlich der Kaiser oder Präfekt (vgl. dazu A.K. Bowman in P.Oxy. LXVII S. 167). 261 Zu lückenhaft für eine Deutung ist Stud.Pal. XX 56,2 (252 oder 253 n. Chr.). 262 Windisch, 2Kor 145. 263 Siehe Papathomas, Begriffe 65–70 (mit den zeitlich relevanten Belegen); R. E. Kritzer und P. Arzt-Grabner in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 207–208.
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vorliegenden Stelle ist papyrologisch bisher nicht bezeugt; man wird hier also wohl mit bildhafter Redeweise rechnen müssen: der Tod erscheint vor dem genannten papyrologischen Hintergrund gleichsam als Instanz, an die sich Paulus „ausgeliefert“ oder „übergeben“ sieht. ἵνα καὶ ἡ ζωὴ ‹ 2,16 τοῦ Ἰησοῦ φανερωθῇ ‹ 2,14 ἐν τῇ θνητῇ σαρκὶ ‹ 1,17 ἡμῶν – Für das Adjektiv θνητός finden sich in den dokumentarischen Papyri bisher
keine zeitlich relevanten Belege. 4,112 ὥστε ὁ θάνατος‹ 1,9 ἐν ἡμῖν ἐνεργεῖται ‹ 1,6, ἡ δὲ ζωὴ ‹ 2,16 ἐν ὑμῖν. 4,113 ἔχοντες δὲ τὸ αὐτὸ πνεῦμα ‹ 1,22 τῆς πίστεως ‹ 1,24, κατὰ τὸ γεγραμμένον· ἐπίστευσα, διὸ ἐλάλησα ‹ 2,17, καὶ ἡμεῖς πιστεύομεν, διὸ καὶ λαλοῦμεν ‹ 2,17 – Genau die Wortfolge κατὰ τὸ γεγραμμένον ist papyrologisch bisher nur in P.Col. III 12,3 (vor 2.–30. Juni 257 v. Chr.) bezeugt, wo davon die Rede ist, dass bestimmte Gehälter an einen Apollonios ausgezahlt werden sollen, und zwar „gemäß der ihm ausgestellten Anordnung“ – Z. 3–4: κα[τὰ τὸ γεγραμμένον] | αὐτῶι πρόσ̣ τ̣αγ̣μα. Abgesehen von der Tatsache, dass die in Frage stehende Wortfolge fast zur Gänze von den Hg. des Papyrus ergänzt wurde, ist das Partizip γεγραμμένον hier nicht – wie bei Paulus – substantiviert, sondern als Attribut von πρόσταγμα verwendet. Eine echte Parallele zur paulinischen Ausdruckweise ist in den Papyri somit bisher nicht belegbar. In Vertragstexten gut bezeugt ist hingegen die Wendung κατὰ τὰ γεγραμμένα, also mit dem Plural, womit festgehalten wird, dass jemand „gemäß dem Geschriebenen“ (also gemäß den vertraglich festgehaltenen Vereinbarungen) handeln wird oder dass er Strafe zahlen muss, wenn er nicht „gemäß dem Geschriebenen“ handelt. Alle Belege stammen aus dem 3. Jh. v. Chr. (z. B. P.Hamb. IV 239,9–10 [Mitte 3. Jh. v. Chr.]). Auch für die Variante κατὰ τὰ ἄνω γεγραμμένα („gemäß dem oben [im Vertragstext] Geschriebenen“) sind die Beispiele auf das 3. Jh. v. Chr. beschränkt (z. B. P.Grad. 7,20–21.25.27–28 [221–203 v. Chr.]). Varianten, die in späterer, aber immer noch vorpaulinischer Zeit auftauchen, sind κατὰ τὰ ἄλλα τὰ γεγραμμένα („gemäß dem anderen Geschriebenen“, P.Dion. 15,34 [2. Februar 109 v. Chr.]; 16,44–45 [15. Februar 109 v. Chr.]) und κατὰ τὰ προγεγραμμένα („gemäß dem vorher Geschriebenen“, BGU IV 1126,33 [13. November 9 v. Chr.]).
Auch wenn die von Paulus gebrauchte Wendung einerseits an die Varianten aus den Vertragstexten erinnert, so ist andererseits nicht auszuschließen, dass er sich gerade davon durch die Verwendung der Singularform abgrenzen wollte. Das Verb πιστεύω begegnet in den dokumentarischen Papyri in der Bedeutung „vertrauen“ oder „jemandem etwas glauben“264 (vorwiegend in Verbin264 So z. B. in O.Did. 325,9–10 (vor ca. 77–92 n. Chr.), wo der Absender schreibt, dass er einer Aussage des Adressaten nicht geglaubt hat: κοὐ πε|πίστευκά σοι.
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Einzelheiten: 2Kor 4,11–15
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dung mit einem Dativ), seltener im Sinne von „anvertrauen“265. Der innerhalb der ntl. Schriften typische absolute Gebrauch des Verbs266 ist papyrologisch bisher nur ein einziges Mal belegt (P.Yale I 30,10 [ca. 265 v. Chr.]).267 4,114 εἰδότες ὅτι
‹ 1,7
‹ 1,9
ὁ ἐγείρας ‹ 1,9 τὸν κύριον ‹ 1,2 Ἰησοῦν ‹ 1,1 καὶ ἡμᾶς σὺν καὶ παραστήσει σὺν ὑμῖν – Mit der disclosure formula
Ἰησοῦ ἐγερεῖ εἰδότες ὅτι soll die Aufmerksamkeit für das Folgende in besonderer Weise
geweckt werden (vgl. S. 196). Die Form παραστήσει an der vorliegenden Stelle erinnert an 1Kor 8,8 (βρῶμα δὲ ἡμᾶς οὐ παραστήσει τῷ θεῷ); im Zusammenhang damit hat A. Papathomas auf den vor allem rechtlichen Bedeutungsgehalt des Verbs268 im Sinne von „vorführen“ hingewiesen. Die Beispiele sind aber nicht auf das Vorführen vor einen Richter oder ein Gericht beschränkt, sondern handeln z. B. auch vom Vorführen eines Knaben vor das für die Zulassung ins Ephebat zuständige Gremium (P.Oxy. XLIX 3463,18–19 [10. Januar – 28. August 58 n. Chr.]).269 Gerade von diesem Beispiel her wird deutlich, dass dem Vorführen vor eine entscheidungsbefugte Instanz nicht automatisch ein negativer Aspekt innewohnt und in jedem Fall von dieser Instanz eine positive Entscheidung erhofft werden kann. Die an der vorliegenden Stelle zum Ausdruck gebrachte Überzeugung, dass Gott die Glaubenden mit Jesus auferwecken wird (durch εἰδότες ὅτι wird diese Überzeugung außerdem besonders hervorgehoben), schafft einen eindeutig positiven Zusammenhang für das angeschlossene παραστήσει σὺν ὑμῖν (ähnlich 11,2). 4,115 τὰ γὰρ πάντα δι᾽ ὑμᾶς, ἵνα ἡ χάρις ‹ 1,2 πλεονάσασα διὰ τῶν πλειόνων τὴν εὐχαριστίαν περισσεύσῃ ‹ 1,5 εἰς τὴν δόξαν ‹ 1,20 τοῦ θεοῦ – Über die Kongruenz des vorliegenden Finalsatzes herrscht in der Exegese bis heute Uneinigkeit. Genauer geht es um die richtige Zuordnung des Akkusativs τὴν εὐχαριστίαν zum entsprechenden Verb.270 Sowohl πλεονάζω als auch περισ265 Z. B. O.Did. 406,20–21 (vor ca. 115–140 n. Chr.): σοὶ γὰρ τὰ ἐμὰ πάντα ἐ|πίστευσα („denn ich habe dir alles, was ich habe, anvertraut“). 266 Zur Deutung, dass hier Jesus selbst das implizite Subjekt von πίστις und πιστεύω ist, siehe Campbell, 2 Corinthians. 267 Siehe dazu und insgesamt zum papyrologischen Befund F. Winter in Arzt-Grabner/ Kritzer u. a., 1. Korinther 93–94. – In P.Oxy. LXVII 4625,6–7 (3. Jh. n. Chr.?) geht es um Gläubiger: πάνυ ἐνο|χλοῦμαι ὑπὸ τῶν πεπιστευ̣ |κότων („ich werde gänzlich bedrängt von den Gläubigern“). 268 Vgl. auch Schmeller, 2Kor 267: „ein forensischer terminus technicus“. 269 Beachte dazu BL XII 150–151. – Siehe zum papyrologischen Befund insgesamt Papathomas, Begriffe 138–141. 270 Zur Diskussion siehe Furnish, 2Cor 259–260, sowie Grässer, 2Kor I 173–174; beide entscheiden sich für das transitive περισσεύω. Ein weiterer Diskussionspunkt ist der Präpositionalausdruck διὰ τῶν πλειόνων (siehe dazu inbesondere Meyer, 2Kor 105, sowie Lietzmann, Kor 116; Letzterer zieht diesen zum nachfolgenden τὴν εὐχαριστίαν περισσεύσῃ und übersetzt: „damit die Gnade wachse und durch eine immer größere Zahl [der Bekehrten] die Danksagung steigere“). Die Einheitsübersetzung setzt sich über jede Kongruenzüberlegungen folgendermaßen
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σεύω271 („überfließen, reich sein; überfließen lassen, reich machen“) werden
bei Paulus transitiv wie auch intransitiv gebraucht (wobei die intransitive Verwendung jeweils häufiger ist).272 In den Papyri wird πλεονάζω ausschließlich intransitiv gebraucht und bezeichnet das „Vorhandensein“ einer Sache „im Überfluss“273: Dabei handelt es sich meist um zähl- oder messbare Größen, wie z. B. eine bestimmte Anzahl Stück Vieh (P.Cair.Zen. III 59422,7–8 [Mitte 3. Jh. v. Chr.]), Artaben Weizen (P.Kron. 47,6–8 [2. Jh. n. Chr.]) oder Drachmen (P.Ryl. II 214,8–9 [2. Jh. n. Chr.]).274 Von im Überfluss vorhandener Arbeit (τοῦ πλεονάζοντος ἔργου), die es einzusparen gilt, ist dagegen in P.Zen.Pestm. A (S. 253),31 (nach 5. Januar 258 v. Chr.) die Rede.
Für die Entscheidung, das paulinische πλεονάσασα intransitiv aufzufassen, bietet der papyrologische Befund allerdings eine nur sehr dünne Grundlage – zumal die vorhandenen Belege insgesamt nicht sehr zahlreich sind. In dem Fall ist doch vorrangig die inhaltliche Intention bzw. die Gesamtaussage in den Blick zu nehmen. Was εὐχαριστία betrifft, ist bisher nur ein sicheres Beispiel für die Bedeutung „Danksagung“ beizubringen (P.Mert. I 12,7 [26. April 59 n. Chr.]).275 4,116 διὸ οὐκ ἐγκακοῦμεν ‹ 4,1, ἀλλ᾽ εἰ καὶ ὁ ἔξω ἡμῶν ἄνθρωπος διαφθείρεται – Sowohl ἔξω („außen“) als auch ἔσω („innen“) werden in den Paypri im örtlichen Sinn verwendet (z. B. P.Cair.Zen. I 59050,2 [257 v. Chr.], wo jemand aufgefordert wird, „die draußen“ wegzuschicken,276 oder P.Oxy. XX 2272,7.11 [nach 25. April 169 n. Chr.], wo vom ἔσω πύλων, dem „inneren Pylon“ eines Tempels die Rede ist). Eine übertragene Ausdrucksweise wie hier bei Paulus ist papyrologisch bisher nicht belegt.277 Bei der Betrachtung von διαφθείρω278 („zugrunde richten, vernichten“)279 sind vor allem jene papyrologischen Belege von Interesse, in denen Menschen hinweg: „damit immer mehr Menschen aufgrund der überreich gewordenen Gnade den Dank vervielfachen, Gott zur Ehre“. 271 Die beiden Begriffe wurden von R. E. Kritzer bearbeitet. 272 Für ein transitives πλεονάζω vgl. etwa Röm 15,13, für περισσεύω etwa 1Thess 3,12. – Dassselbe trifft auf die Verwendung von περισσεύω in den Papyri zu (siehe dazu P. Arzt-Grabner in ders./Kritzer u. a., 1. Korinther 335). 273 Transitiv „vermehren, wachsen lassen, übertreiben“ (vgl. auch LSJ s. v. πλεονάζω III.). 274 In P.Rev., Kol. LVII 13; LVIII 3–4; LIX 15; LX 8 (259–258 v. Chr.) steht das substantivierte τὸ πλεονάζον für einen „Überschuss“ an landwirtschaftlichen Gütern. Um übrige Nahrung (ὀψάριον) geht es in O.Claud. II 264,4 (Mitte 2. Jh. n. Chr.). 275 Siehe zu diesem Privatbrief und zum papyrologischen Befund insgesamt P. Arzt-Grabner in ders./Kritzer u. a., 1. Korinther 456–457. 276 Vgl. R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 220–221. 277 Die Terminologie entstammt der griechischen Philosophie (vgl. z. B. Penna, Sofferenze 415–416, mit den wichtigsten Belegen). 278 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 279 Die Übersetzung „sich verzehren“ (so z. B. Lietzmann, Kor 116) ist abzulehnen, zumal dies ein Vorgang ist, der sich tatsächlich im Inneren des Menschen abspielt.
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die Leidtragenden sind, d. h. wo nicht, wie zumeist, Gegenstände280 oder Tiere281 in Mitleidenschaft gezogen werden. Solche sind allerdings selten: Bei P.Köln IV 186 (2. Jh. v. Chr.) handelt es sich vermutlich um einen Brief aus dem 6. Syrischen Krieg;282 darin wird eine militärische Operation beschrieben, bei der die Kämpfenden von den Gegnern in die Enge getrieben werden und nach einer vermeintlichen Flucht in Wassergräben und Kanälen z. T. „zugrunde gingen“ – Z. 6: διαφθείρεσθαι. Nicht ganz eindeutig ist der Zusammenhang von P.Alex.Giss. 39 (ca. 113–120 n. Chr.), der aus dem Archiv eines Strategen stammt; in Z. 5–6 geht es darum, dass jemand „den Mann/Menschen fast getötet hätte, wenn ihm nicht gelungen wäre zu fliehen“: μικροῦ διαφθεῖραι τὸν ἄνθρωπον εἰ μὴ φυγὼν ἔτυχεν.
Wie bei Paulus bezeichnet also auch in den Papyri das auf Menschen bezogene διαφθείρω die gewaltsame oder zumindest durch äußere Umstände bewirkte Vernichtung irdischen Lebens.283 ἀλλ᾽ ὁ ἔσω ἡμῶν ἀνακαινοῦται ἡμέρᾳ καὶ ἡμέρᾳ – Das Verb ἀνακαινόω
(„neu machen, erneuern“) ist in den Papyri bisher nicht belegt. Die Wendung ἡμέρᾳ καὶ ἡμέρᾳ („Tag für Tag“) ist papyrologisch bisher nicht belegt.284 In vergleichbarer Bedeutung lässt sich in einer Eingabe der Ausdruck ἀνὰ πᾶσαν ἡμέραν („an jedem Tag“) ergänzen: In P.Oslo II 22,11–12 (4. November 127 n. Chr.) gibt die Petentin Sarapus an: πολλῶι χρόνωι ἀν[ὰ πᾶσαν ἡμέραν] | κινδυνεύουσα („seit langer Zeit bin ich jeden Tag in Gefahr“). Ähnlich wie bei Paulus geht es auch hier darum, dass jemandem täglich das Gleiche passiert.285
Besonders häufig wird von der Wendung καθ᾽ ἑκάστην ἡμέραν Gebrauch gemacht,286 weniger oft kommt im vergleichbaren Sinn die Genetivverbindung ἑκάστης ἡμέρας vor: 280
Z. B. Bücher (wie mehrmals in P.Fam.Tebt. 15 [114–115], vgl. etwa Z. 35–36) oder Verträge, wogegen sogar bisweilen eine eigene Klausel vereinbart wurde (z. B. P.Oxy. I 95,34–35 [129 n. Chr.]). 281 Besonders häufig in Registern über Viehhaltung (z. B. SB XX 14525,5.36.38 [nach 57 n. Chr.]). 282 Vgl. dazu M. Gronewald in der Einleitung zum Text (P.Köln IV S. 153–154). 283 Falls in P.Sorb. III 103,9 eine irrtümliche Haplographie vorliegt und διὰ τὸ̣ φθαρ̣ ῆ̣ ναι αὐτούς zu διὰ τὸ̣ φθαρ̣ ῆ̣ ναι αὐτούς zu korrigieren ist (siehe dazu W. Clarysse in P.Sorb. III S. 105), läge hiermit ein Beleg für διαφθείρω im Sinne eines moralischen Verderbens oder Verführens mit der Bedeutung „bestechen“ vor (vgl. die Übersetzung von W. Clarysse in P.Sorb. III S. 105). 284 Der Ausdruck wird gerne als Hebraismus gesehen, doch ist dies aufgrund des Fehlens in der LXX nicht sicher (siehe dazu Schmeller, 2Kor 277 Anm. 638). 285 Etwas anders hingegen P.Yadin I 23,18–19 (17. November 130 n. Chr.), wo die Wendung παρεδρεύιν πρὸς πᾶ|σαν ὥραν καὶ ἡμέραν eine ununterbrochene Anwesenheit („zu jeder Stunde und [an jedem] Tag“) zum Ausdruck bringt (dieselbe Wendung begegnet im fragmentarisch erhaltenen inneren Text dieses Dokuments in Z. 7–8). 286 Allein für das 1. Jh. n. Chr. vgl. P.Oxy. LV 3806,6 (21. Mai 15 n. Chr.); XLV 3250,23 (ca. 63
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
In einem der Briefe des Veteranen und Großgrundbesitzers L. Bellenos Gemellos fordert dieser seinen Sklaven Epagathos u. a. auf – P.Fay. 112,5–7 (21. Mai 99 n. Chr.): [ἐ]π̣ ιτί|νας (l. ἐπ̣ ιτείνας) τὸν ζευγηλάτην εἵνα ἑκάσ[της] ἡμέ|ρας τὼ (l. τὸ) ἔργον ἀποδῦ (l. ἀποδοῖ) („treibe den Kutscher an, dass er jeden Tag die Arbeit ausführt!“).287 Gleich am Beginn des Briefes P.Sarap. 88 (90–133 n. Chr.) schreibt ein gewisser Heliodoros an den Bruder Anubas – Z. 3–4: τὸ π̣ [έ]ν̣ θ[ο]ς μοι ἑκάστης ἡμ̣ έ̣|ρ[ας] προβιβάζω („das Leiden geht mir jeden Tag voran“, wohl im Sinne von „mein Leiden wird jeden Tag schlimmer“).288
4,117 τὸ γὰρ παραυτίκα ἐλαφρὸν τῆς θλίψεως ‹ S. 167–168 ἡμῶν – Das Adverb παραυτίκα („sogleich, unverzüglich“) ist dokumentarisch selten und in attributivem Gebrauch wie hier bei Paulus gar nicht bezeugt.289 Das Adjektiv ἐλαφρός290 („leicht“) dient in den Papyri zum einen zur Angabe des Gewichts, zum anderen begegnet es übertragen in Zusammenhang mit einer „leichtsinnig“ gesetzten Handlung: Letzteres ist in einem Brief der Fall, in dem ἐλαφρός in Form des Adverbs gebraucht wird: der Absender versucht, seinem Adressaten die gewissenhafte Erledigung seiner Aufträge abzuringen – SB X 10529A,19–20 (1.–2. Jh. n. Chr.?): οὕτο (l. οὕτως) ποίει | μὴ ἐλαφρὸς (l. ἐλαφρῶς) κτλ. („so handle nicht leichtsinnig …!“).291 In zwei Geschäftsbriefen beschreibt ἐλαφρός hingegen das Ausmaß von Lasten: laut P.Giss. I 47 (19. Juni 117 n. Chr.)292 wurde z. B. ein Brustharnisch (θώραξ) gekauft, der, „was seine Größe betrifft“, als „sehr leicht“ beschrieben wird – Z. 7–8: τὸ μεῖζον ἐλα|[φ]ρότατος̣.293 In SB XII 10918,7 (2. Hälfte 3. Jh. n. Chr.) geht es in Zusammenhang mit dem Verkauf von Wein um „leichte“, d. h. wohl dünnwandige Krüge, die eine starke Säuerung sowie ein Auslaufen des Weines begünstigen.294 n. Chr.); P.Köln VI 278,5 (1. Jh. n. Chr.); P.Phil. 32,4–5 (Ende 1. Jh. n. Chr.?); P.Sarap. 84a,9–10 (90–133 n. Chr.); P.Oslo III 151,18; SB XIV 11646,5 (beide 1.–2. Jh. n. Chr.). 287 Der gesamte Brief wird oben S. 92–93 wiedergegeben. 288 In einem etwas anderen Sinne als hier begegnet der Genetiv in den Stipulationen von Paramone- oder Lehrverträgen, wo vereinbart wird, dass „für jeden Tag“ (ἑκάστης ἡμέρας), den der Lehrling nicht im Betrieb des Meisters verbringt, eine bestimmte Summe an Strafgeld zu zahlen ist (z. B. P.Oxy. II 275,24–28 [18. September 66 n. Chr.]; weitere Beispiele aus dem 1. Jh. n. Chr. bei Arzt-Grabner, Philemon 68–69). 289 Siehe die Belege bei Preisigke, Wörterbuch s. v. παραυτίκα (BGU II 372, Kol. I 8 und Kol. II 10 ist nunmehr zu zitieren als SB XX 14662, Kol. I 8 bzw. Kol. II 10 [29. August 154 n. Chr.]; zu diesem Edikt siehe Palme, Aufgaben 316; Johnson, Survey 252–253); Moulton/ Milligan, Vocabulary s. v. παραυτίκα; ferner O.Bodl. II 2053,6 (2. Hälfte 2. – Anfang 3. Jh. n. Chr.); SB XX 15145,8 (238–249 n. Chr.); PSI IX 1040,15 (3. Jh. n. Chr.). 290 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 291 SB X 10240,7–8 (16. November 41 n. Chr.) ist gemäß BL XII 202 als Beleg auszuscheiden. 292 Nach Pucci Ben Zeev, Diaspora Judaism 168, 19. Juni 116 n. Chr. 293 Damit zu vergleichen P.Horak 67,5–6 (1. Hälfte 1. Jh. n. Chr.?), wo von „leichten“ und „schweren“ Kleidungsstücken die Rede ist (beachte dazu bes. die Anmerkung von P. Pruneti in P.Horak S. 199). 294 In Preislisten wird des Öfteren die Heilpflanze „Zwergstyrax“ (στύραξ ἐλαφρός, im Gegensatz zum „hohen Styraxstrauch“ – στύραξ ὑψηλός]), erwähnt (z. B. P.Oxy. LIV 3731,12–13 [ca. 310–311 n. Chr.]).
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Paulus verwendet hier die erstgenannte Bedeutung in übertragenem Sinn. „Das augenblicklich Leichte“ der θλῖψις entspricht nicht tatsächlich einem geringen Gewicht. Korrespondierend zu βάρος ist es jedoch wohl als „geringe Last“ zu verstehen, die je nachdem stärker oder schwächer auf den Bedrängten einwirkt. καθ᾽ ὑπερβολὴν ‹ 1,8 εἰς ὑπερβολὴν αἰώνιον βάρος δόξης ‹ 1,20 κατεργάζεται ἡμῖν – Das Adjektiv αἰώνιος ist in den dokumentarischen Papyri nicht sehr
häufig anzutreffen.295 Mit der vorliegenden Stelle am ehesten, wenn auch nur im Sinne eines entfernten Anklangs, vergleichbar sind Formulierungen in einem Schenkungs- und in einem Erbschaftsvertrag; wie hier bei Paulus geht es dabei um etwas, das einem auf ewig zufallen soll: Im Schenkungsvertrag P.Hever 64 (9. November 129 n. Chr.) heißt es an der relevanten Stelle – Z. 6–7: ὁμολογῶ ἐνεν̣ ο̣ χ̣ [έ]ν̣ αι (l. ἐνηνοχέναι) σ̣ ο̣ ι ̣ ε̣ἰς̣ ̣ δόσιν ἀπὸ τῆς σήμερον | δόσιν αἰωνίου τὰ ὑπάρχοντά μοι ἐν Μαωζας (l. Μαωζᾳ) („ich bestätige, dass ich dir zur Schenkung vom heutigen Tage an als immerwährende Schenkung296 meinen Besitz in Maḥ oza gegeben habe“). Ein vergleichbarer Passus findet sich in einer Schenkungsurkunde vom 9. September 244 n. Chr., die in P.Grenf. II 71, Kol. I 8–24 als Abschrift erhalten ist: die Übereignung der Besitztümer erfolgt dort laut Z. 11 χάριτι αἰωνίᾳ („aufgrund einer immerwährenden Schenkung“).
Ab dem 3. Jh. n. Chr. begegnet αἰώνιος auch als Ehrenprädikat des römischen Kaisers.297 Bereits davor kommt die Vorstellung von der immerwährenden kaiserlichen Herrschaft auf (διαμονὴ αἰωνία).298 Der Begriff βάρος299 („Gewicht“) wird in den Papyri des Vergleichszeitrahmens stets übertragen und in negativem Sinn („Last, Bürde“) gebraucht. So liest man im (z. T. lückenhaften) frühesten Beleg (Chrest.Wilck. 11 [nach 25. September 123 v. Chr.]) von einer von Kriegswirren gebeutelten Stadt, die sich offenbar in einer Notlage (Z. 22: [ἐν] β̣ άρει) befindet. Um die „Bürde“ eines Amtes, die der Stratege des Apollonopolites den Archonten auferlegt, geht es in P.Giss. I 19,17–18 (115 n. Chr.)300. Nach P.Giss. I 7,12–13 (117 n. Chr.) erleichterte Kaiser Hadrian „die Lasten der Einheimischen“ (ἐκούφισεν τῶν ἐνχωρίων | τὰ βάρη), was sich auf 295
Einige Beispiele bieten Arzt-Grabner, Philemon 222–223; Kreinecker, 2. Thessaloniker
144. 296 H. M. Cotton (in P.Hever S. 214) sieht in δόσιν αἰωνίου eine wörtliche Übersetzung des aramäischen Ausdrucks מתנת עלם. 297 Vgl. Hornickel, Ehrenprädikate 2. Das älteste Beispiel bisher ist P.Berl.Frisk 3,5 (211–212 n. Chr.?); weitere Belege bei Kiessling, Wörterbuch s. v. αἰώνιος 2). Bei Gymnasiarchen dient das Attribut für die Bezeichnung des Amtes „auf Lebenszeit“ (vgl. z. B. P.Louvre I 41,1 [nach 25. Februar 217 n. Chr.]; P.Flor. I 77,2 mit BL VIII 125 [241–242 n. Chr.]). 298 Vgl. z. B. P.Oxy. LV 3781,11–12 (nach 25. August 117 n. Chr.); SB I 5659,4 (8. September 201 n. Chr.); BGU II 362, Fr. 2, pag. IV 11–12 (215–216 n. Chr.). 299 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 300 Nach Pucci Ben Zeev, Diaspora Judaism 168–169, Anfang September 116 n. Chr. – Ein deutliches Beispiel ist BGU I 159,5 (216 n. Chr.), wo es um die mit einer Liturgie verbundenen Bürde (τὸ βάρος τῆς λειτουργίας) geht.
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den durch ein Edikt verordneten Abgabennachlass bezieht (vgl. auch Z. 14, wo noch einmal die Schwere der Last zur Sprache kommt: τοιούτου ὄντος τοῦ βάρους κτλ.). In P.Brem. 63,3–4 (116 n. Chr.) wünscht hingegen eine gewisse Eudaimonis ihrer schwangeren Tochter, die „Last“ des ungeborenen Kindes „zur rechten Zeit abzulegen“ (εὐ|καίρως ἀποθέσθαι τὸ βάρος); deren Schwester habe bereits „die Last abgelegt“, also ihr Kind zur Welt gebracht – Z. 18: ἀπέθετο τὸ βάρος. Die Bitte an seinen Adressaten, frische Schurwolle zu kaufen, schränkt ein gewisser Marcus insofern ein, als jener davon absehen kann, wie er meint, „wenn dich das unter Druck setzt“ (εἰ δὲ τοῦτό σοι βάρος φέρει – P.Oxy. VII 1062,14 [2. Jh. n. Chr.]).
Die Bedeutung von βάρος in den dargestellten Belegen deckt sich also mit der (ersten) Assoziation des Paulus, nämlich als Gegenüber zu ἐλαφρόν. Das βάρος δόξης im Konkreten ist aber freilich nicht eine „belastende“, Druck ausübende Bürde, sondern meint die positive „Bedeutsamkeit“ von Ruhm, der eben keineswegs gering ausfallen wird. Für diese (positive) Verwendung von βάρος gibt es bisher keine papyrologischen Belege. Das Verb κατεργάζομαι wird in den Papyri fast durchwegs im Zusammenhang mit dem landwirtschaftlichen Bebauen von einem Stück Land oder dem Verarbeiten eines Ernteertrags verwendet. Wenige Belege entstammen dem Handwerksbereich, wo damit die Herstellung eines bestimmten Produktes bezeichent wird;301 aus diesem Bereich könnte auch Paulus als gelerntem Handwerker diese Konnotation geläufig gewesen sein. 4,118 μὴ σκοπούντων ἡμῶν – Das Verb σκοπέω302 („anschauen, betrachten“) ist in den Papyri des relevanten Vergleichszeitrahmens nur selten vertreten; zudem ist bei einigen Belegen aufgrund des lückenhaften Überlieferungszustandes der Zusammenhang nicht mehr zu erschließen.303 In den besser erhaltenen Texten wird σκοπέω stets übertragen in der Bedeutung „erwägen, im Sinn haben, bedenken“ oder „aufpassen, Acht geben“ verwendet: In P.Ross.Georg. III 2,15–16 mit BL XI 187 (ca. 270 n. Chr.) ruft ein junger Arzt seiner Mutter in Erinnerung, daran zu denken, dass sich ein gewisser Harpokras um sie beide sorgt: σκ[οπούμε]ν̣ οι δὲ τὸ[ν] Ἁρποκρᾶν̣ | κη[δόμενον ἡμῶν ἀμ]φοτέρων. Dies könnte ihnen endlich wieder ein Zusammenleben ermöglichen. Der Absender von P.Tebt. III.1 759 (226 v. Chr.) schließt seinen Tadel wegen inkompetenter Beaufsichtigung von Vieh mit der Warnung – Z. 9–10: διὸ καὶ σκόπει μή`ποτε´ ἀντ[ὶ] γνώσεως εἰς | διαφορ[ά]ν σοι ἔρχωμαι („also pass auch auf, dass ich mit dir nicht einmal, anstatt einsichtig zu sein, in eine Auseinandersetzung gerate“). Mit einer anderen Aufforderung richtet sich hingegen der Dioiket Dioskurides an einen seiner Beamten – UPZ I 113,3–4 (156 v. Chr.): σκοπεῖτε, ἵνα μηθὲν 301 Zu den Beispielen siehe R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 205. Zum landwirtschaftlichen Bereich siehe ferner P.Köln XI 452,a3 (24. Oktober – 15. November 219 oder 20. Oktober – 11. November 202 v. Chr.); P.Tebt. IV 1125,3 (116–115 v. Chr.). 302 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 303 So bei P.Alex. Inv.Nr. 447,1 (3. Jh. v. Chr.); PSI VI 656,4 (Mitte 3. Jh. v. Chr.); BGU XVI 2650,15 (13–12 v. Chr.); P.Sarap. 73,7 (90–133 n. Chr.); SB VIII 9847,10 (2. Jh. n. Chr.).
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Einzelheiten: 2Kor 4,17–18
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παρὰ ταῦτα γίνηται μηδ᾽ ἡμᾶς τῶν | κακῶς πραχθησομένων διαλανθάνῃ („gebt
Acht, dass nichts im Widerspruch dazu [d. h. zu den Anweisungen des Dioiketen] geschieht und dass euch keine üble Tat verborgen bleibt“).
In allen drei dargestellten Belegen geht es in dem Sinn um ein „Achten“ auf die Vorgänge um sich herum, das ein sehr grundsätzliches ist. Bei Paulus geht es sogar um ein derart grundsätzliches Acht-Geben, dass nicht das Sichtbare, sondern das Nicht-Sichtbare im Fokus steht – getragen von dem Bewusstsein, dass Ersteres nur von kurzer Dauer ist, das Nicht-Sichtbare aber ewig. Mit σκοπέω wird hier also eine von tiefer und umfassender Einsicht getragene Achtsamkeit bezeichnet, die auch ausschließen soll, dass etwas schief läuft. τὰ βλεπόμενα ἀλλὰ τὰ μὴ βλεπόμενα – Ein substantiviertes passives Partizip von βλέπω („sehen, erkennen, wahrnehmen“ u. a.)304 wie hier bei Paulus ist
papyrologisch bisher nicht belegt. Der Ausdruck ist ein grundsätzlicher: es geht um das, was man sehen bzw. nicht sehen kann.305 Das Besondere hier liegt darin, dass das, was man nicht sieht (nicht sehen kann), als etwas „Dauerhaftes, Ewiges“ (αἰώνια) über dem Sichtbaren steht, wohingegen es in den dokumentarischen Papyri üblicherweise als nachteilig oder widrig angesehen wird, etwas nicht zu sehen. Ein – auch aufgrund der verwendeten Metaphern – besonders deutliches Beispiel ist der nicht mehr vollständig erhaltene Brief der Didyme an ihren Bruder Apollonios, P.Oxy. XLII 3059 (2. Jh. n. Chr.); die ersten fünf Zeilen lauten: Διδύμη Ἀπολλωνίωι τῶι ἀδελφῶι | καὶ ἡλίωι χαίρειν. | γείγνωσκέ με μὴ βλέπουσαν τὸν ἥλιον | διὰ τὸ μὴ βλέπεσθαί σε ὑπ᾽ ἐμοῦ· | οὐ γάρ ἔχω ἄλλον ἥλιον εἰ μὴ σέ („Didyme an Apollonios, den Bruder und die Sonne306, Gruß. Du sollst wissen, dass ich nicht die Sonne sehe, weil du nicht von mir gesehen wirst; denn ich habe keine andere Sonne als dich“).307
τὰ γὰρ βλεπόμενα πρόσκαιρα, τὰ δὲ μὴ βλεπόμενα αἰώνια ‹ 4,17 – Auch wenn das Adjektiv πρόσκαιρος308 in den Papyri nur zweimal und erst ab dem
3. Jh. n. Chr. belegt ist, bekommt man eine Vorstellung davon, woran Paulus bei den „vergänglichen“ sichtbaren Dingen gedacht haben könnte:
304
Beachte die Bedeutungsvielfalt bei Preisigke, Wörterbuch s. v. βλέπω. Einige Beispiele zu dieser Grundbedeutung bei Preisigke, Wörterbuch s. v. βλέπω 1). 306 Im Griechischen klingt die bildhafte Anrede noch trefflicher, da der maskuline Artikel τῶι grammatikalisch sowohl auf ἀδελφῶι als auch auf die ebenfalls maskuline Bezeichnung ἡλίωι zu beziehen ist (vgl. die englische Übersetzung „to Apollonios her brother and sun“ bei Bagnall/ Cribiore, Women’s Letters 275). 307 Bagnall/Cribiore, Women’s Letters 275, bemerken zum Sprachstil der Didyme: „The style of expression is notably more literate than most letters, with an indirect statement using the participle, an articular infinitive as object of preposition, good use of connectives, and above all the extraordinary expression of affection which occupies most of the surviving papyrus.“ 308 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 305
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In SB VI 9526 (200 n. Chr.), einer Sammlung von sog. rescripta oder ἀποκρίματα des Kaisers309, stößt man etwa auf folgende Bestimmung – Z. 36–37: αἱ πρόσκαιροι νόσοι τῶν πολιτικῶν οὐκ ἀπαλλάσου|σιν (l. ἀπαλλάσσουσιν) λιτουργιῶν („vorübergehende Krankheiten befreien nicht von staatlichen Liturgien“).310 P.Giss. I 40, Kol. II (ca. 215 n. Chr.) enthält eine epistula Caracallas, worin dieser den aus der χώρα stammenden Ägyptern einen kurzfristigen Aufenthalt in Alexandria zugesteht, sofern sie beabsichtigen, sich städtischere Lebensformen anzueignen oder ein „kurzfristiges“ Geschäft abzuwickeln haben – Z. 25: πολειτικωτέρας ζωῆς ἕνε|κεν [ἢ πρ]α̣ γματείας προ̣ [σ]καίρου.311
Hinzuweisen ist hier auch auf die Wendung πρὸς καιρόν, die in derselben Bedeutung („vorübergehend, auf Zeit, eine Zeit lang“) von Paulus in 1Kor 7,5 verwendet wird und papyrologisch in einem Privatbrief (BGU IV 1031,14 [2. Jh. n. Chr.]) und zweimal in einem Edikt des praefectus Aegypti begegnet (P.Oxy. XLVI 3303,4.7 [ca. 300–301 n. Chr.]).312 5,11 οἴδαμεν ‹ 1,7 γὰρ ὅτι – Mit dieser Formel wird die Aufmerksamkeit für die folgende Aussage, „dass wir einen Bau von Gott her haben“, in besonderer Weise geweckt (vgl. S. 196). ἐὰν ἡ ἐπίγειος ἡμῶν οἰκία τοῦ σκήνους καταλυθῇ – In SB VI 9556, Kol. III 10.12 (nach 10. Februar 245 v. Chr.) werden mit τὰ ἐπίγεια „Liegenschaften“
bezeichnet, auf die in einem gerichtlichen Prozess Anspruch erhoben wird. Im Register P.Marm. Rekto (nach 3. Januar 191 n. Chr.) werden hingegen – sprachlich gut vergleichbar mit der Paulusstelle – Häuser (οἶκοι) als ἐπίγειοι („auf der Erde“) bezeichnet;313 sie befinden sich auf oder in einem bestimmten Arreal, wurden also dort im eigentlichen Sinn „auf die Erde“ gebaut. Paulus wendet den Ausdruck bildhalft auf seinen Körper an, an Stelle von οἶκος verwendet er aber das Synonym οἰκία314, das er außerdem durch das Attribut τοῦ σκήνους näherhin als „Zelt“ charakterisiert. Das Substantiv σκῆνος315 („Zelt, Hütte“) ist ein Synonym zum häufiger gebrauchten σκηνή – ein Verhältnis, das sich auch in den Papyri widerspiegelt. So ist die Form σκῆνος ausschließlich in den Zauberpapyri belegt – und zwar ähnlich wie hier bei Paulus als Ausdruck für die „Leibeshülle“ (z. B. Pap.
309
Genaueres dazu siehe oben S. 200–201. Zu Z. 35–39 dieses Dokuments vgl. Mayer-Maly, Verschulden 243–244. 311 Zu einer Neuinterpretation des Gesamttextes vgl. Pinna Parpaglia, Sacra. 312 Siehe dazu ausführlich R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 257– 258; zur ähnlich verwendeten Wendung πρὸς ὥραν siehe Arzt-Grabner, Philemon 105. 313 Die konkreten Belege sind Kol. II 32.42; Kol. X 8; Kol. XI 33. 314 Zum papyrologischen Befund von οἰκία bzw. οἶκος im Sinne des „Hauses“ als Gebäude siehe Husson, ΟΙΚΙΑ; ferner R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 396 Anm. 686. 315 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 310
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Einzelheiten: 2Kor 4,18–5,1
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Graec.Mag. I 4,448 [frühes 4. Jh. n. Chr.]),316 wohingegen σκηνή in den dokumentarischen Papyri in diversen Zusammenhängen begegnet: In einem der zeitlich frühesten Belege (P.Cair.Zen. IV 59777,1 [Mitte 3. Jh. v. Chr.]) wird ein „Zelt“ neben einer Anzahl von Wolldecken (ἀμφίταποι) erwähnt, in P.Cair.Zen. I 59013,14 (259 v. Chr.) wird ein „ledernes Zelt“ (σκενὴ δερματίνη) in einer Liste von Frachtgütern angeführt, und in P.Princ. II 19,4 (2. Jh. v. Chr.) begegnet ein aus „Sackleinen“ gefertigtes (σκηνὴ σακκίνη). Speziell um die Lieferung eines „Speisezeltes“ wird Zenon in PSI V 533 (258–257 v. Chr.?) gebeten; dieses soll „mit vier oder fünf Speisesofas“ ausgestattet sein und „einen wollenen Vorhang“ rundherum haben – Z. 3–4: τετράκλινον ἢ πεντάκλι|νον,317 καὶ αὐλαίαν περὶ μὲν αὐτὴν τὴν | σκηνὴ̣ ν ἐρεᾶν. Außerdem dienten Zelte als Behausung von Kleruchen (so etwa in P.Hamb. IV 239,3.6.8. [Mitte 3. Jh. v. Chr.]).318 Die für die Errichtung von Zelten benötigten hölzernen „Zeltstangen“ werden griech. als σκήνεια bezeichnet (vgl. P.Cair.Zen. III 59353,2–3 [243 v. Chr.]). Im Plural wird σκηνή bzw. σκηναί zu einer Bezeichnung für ein aus mehreren Zelten errichtetes „Lager“, wie es etwa in P.Yadin I 11,5 (124 n. Chr.) Erwähnung findet; in dem Fall dürfte es sich um die das Hauptquartier (praesidium) umgebenden Zelte der Soldaten handeln (vgl. auch Z. 18).319 Außerdem wird mit σκηνή auch die „Kajüte“ auf dem Deck eines Schiffes bezeichnet. So berichtet etwa in P.Hib. I 38 (252–251 v. Chr.) ein Kapitän oder Matrose vom Untergang seines Schiffes, das kostbare Fracht geladen hatte – Z. 6–7: ἀνέμου δὲ γενομένου | καὶ τῶν συριῶν ὑπὲρ τὴν σκηνὴ[ν] ο̣ ὐσῶν („es kam aber Wind auf und die syrischen Kleider hingen über der Kabine“).320 Im Diensteid P.Lips. II 132 mit BL XII 99 (25 n. Chr.), den eine Reihe von Arbeitern gegenüber dem Strategen des Hermopolites leisten, versprechen diese u. a., [π]υ̣ κ̣ νὰς σ̣ κηνά[ς] zu bauen (Z. 9); der Zusammenhang mit Deicharbeiten legt nahe, 316 In der griechisch-römischen Philosophie sind „Haus“ und „Zelt“ als Bilder für den menschlichen Leib geläufig (siehe dazu Schmeller, 2Kor 288 Anm. 687). 317 Ähnlich P.Cair.Zen. I 59054,34–35 (ca. 257 v. Chr.); P.Princ. II 19,4 (2. Jh. v. Chr.). Um eine Bestätigung für die Bezahlung von Wein, der ὑπὸ σκηνήν („im Zelt“) getrunken werden soll (so die Übersetzung bzw. Auslegung von U. Wilcken), handelt es sich bei UPZ II 211,3–4 (134 v. Chr.). 318 Dies trifft vermutlich auch auf P.Hib. I 86,8 (vor 248 v. Chr.) sowie SB XII 10782,10–11 (247–246 v. Chr.) zu (vgl. dazu B. Kramer in P.Hamb. IV S. 29). – „Feldherrenzelte“ (lat. tabernacula) sind unter den in C.Gloss.Biling. II 6,33 (3./4. Jh. n. Chr.) genannten σκηναί zu verstehen. 319 Als Eigenname bezeichnete Σκηναί ursprünglich ein Beduinendorf, wie es vor allem in der Region zwischen Nil, Rotem Meer und Gaza begegnete (vgl. etwa P.Col. III 2,6 [259 v. Chr.]); später wurden auch fest stehende Ortschaften, die aus solchen Dörfern hervorgingen, Σκηναί genannt – vgl. etwa P.Ross.Georg. II 16,7–8 (121 n. Chr.), wo eine κώμη | Σκηνῶν Ἀράβων (eine Umschreibung für das memphitische Taie) erwähnt wird, oder Rom.Mil.Rec. 76.9,15; 76.17,12; 76.21,19: Σκηναὶ Μάνδραι; 76.22 ,4–5; 76.23,10; 76.25,21: Σκηναὶ Μικραί; 76.28,16; 76.32,6: Σκηναὶ Μεγάλαι (alle 179 n. Chr.). 320 Preisigke, Wörterbuch s. v. σκηνή 3), versteht darunter das Schiffsdeck selbst, was aber weder durch andere Belege gestützt, noch etwa durch LSJ s. v. σκηνή III.2. bestätigt wird. W.M. Brashear (in BGU XVI S. 166) übersetzt die in BGU XVI 2661,22 (12 v. Chr.) erwähnte σκηνὴ τοῦ πλοίου zwar mit „ship’s deck“, kommentiert selbiges aber (unter Berufung auf Casson, Ships 165) mit dem Begriff „shelter-cabin“.
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
dass es sich dabei um „dichte (wahrscheinlich hölzerne) Konstruktionen“ handelt.321
Paulus verwendet den Begriff σκηνή überhaupt nicht, σκῆνος nur hier und anschließend in V. 4. Dennoch könnte die Wahl des hier verwendeten Bildes von seiner handwerklichen Tätigkeit her (nach Apg 18,3 war er ein σκηνοποιός – „Zeltmacher“, wofür es auch in seinen Briefen Indizien gibt322) beeinflusst worden sein. Das Verb καταλύω323 begegnet in den Papyri trotz der geringen Beleglage in vielfältigen Zusammenhängen. Gemeinsam ist allen Beispielen, dass es um die Beendigung oder endgültige „Auflösung“ einer Angelegenheit geht. Im Vergleich mit der Paulusstelle verdient der folgende Beleg besonderes Augenmerk: In der Petition P.Enteux. 29 (218 v. Chr.) beschreibt der Petent den Tod einer (seiner?) Frau mit den Worten – Z. 5: [τὸν β]ίον καταλυσάσης („sie hat das Leben aufgelöst“ für: „sie ist gestorben“).
Der Text ist insofern interessant, als hier dasselbe Verb wie bei Paulus verwendet wird, um damit den irdischen Tod zu beschreiben. Hervorzuheben ist dabei, dass Paulus καταλύω innerhalb eines Bildes verwendet (das „irdische Zelthaus wird aufgelöst/zerstört“), während in P.Enteux. 29 das Sterben im wörtlichen Sinn als „Auflösen des Lebens“ umschrieben wird.324 οἰκοδομὴν ἐκ θεοῦ ἔχομεν – In den dokumentarischen Papyri bezeichnet οἰκοδομή jegliche „bauliche Herstellung oder Erweiterung oder Veränderung
321 Vgl. R. Duttenhöfer in P.Lips. II S. 102. – Σκηνή als „Bühnengebäude“ von Theatern ist in den Papyri nicht belegt. 322 Siehe Arzt-Grabner, Philemon 65–70; ders., Weberlehrverträge 71–75; Hock, Problem 9–10. 323 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 324 Dieser Verwendungsweise am nächsten kommt vielleicht die Bedeutungsvariante „übernachten“, was wohl vom „Loslassen“ von der Geschäftigkeit des Tages herrührt (Belege bei Preisigke, Wörterbuch s. v. καταλύω 4). Beachtenswert ist vielleicht auch O.Berenike II 198,8–11 (ca. 50–75): ἐρεῖς ὅτει | ὁ ἀδελφός σου ἔρχεται καὶ ἅμα σ̣ οῦ | κατατι .η . .η εἵνα ὁμοῦ κατα|λύωμεν (die Hg. übersetzen: „You say that your brother is coming and together with you … so that we may settle together“). – Papyrologische Beispiele für καταλύω in anderen Zusammenhängen sind: nach P.Rain.Cent. 51 (1. Hälfte 1. Jh. n. Chr.) sollen zwei Leinenfärber zur Rechenschaft gezogen werden, weil sie die „Staatsdienstangelegenheiten“ von Berufskollegen zunichte gemacht hätten – Z. 8–9: τὰ ὑποκείμενα ἡ̣ μ̣ ῖν | βασιλικὰ καταλέλυκαν; um die Auflösung einer Ehe geht es in P.Bon. 21,5–6 (1. Jh. n. Chr.); laut SB XX 14708,57–58 (151 v. Chr.) ist eine Zeugenaussage von der „Vernichtung“ betroffen; vermutlich um den Verlust steuerlicher Einkünfte geht es im objektlosen bzw. lückenhaften SB XIV 11943,27 (219–218 oder 202–201 v. Chr.?; vgl. dazu B.P. Grenfell, A.S. Hunt und J.G. Smyly in P.Tebt. I S. 67), um die Beilegung eines Streits (so Preisigke, Wörterbuch s. v. καταλύω 1) in P.Petr. III 22 (e),15 (ca. 229–228 v. Chr.); die „Bräuche“ (τὰ ἔθη) der väterlichen Frömmigkeit oder der priesterlichen Ordnung (so ergänzt O. Guéraud in P.Fouad I S. 22) möchten die Pastophoren in P.Fouad I 10,11–12 (120 n. Chr.) nicht aufgeben.
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Einzelheiten: 2Kor 5,1–2
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eines Hauses oder eines sonstigen Bauwerkes“325. Wie die Beispiele zeigen, wohnt dem Begriff in erster Linie eine aktive Bedeutung inne,326 die am besten mit „Bau“ wiederzugeben ist. – Für das Adjektiv ἀχειροποίητος327 („nicht von Hand gefertigt“) finden sich in den Papyri keine Belege, in einem ist jedoch sein positives Pendant bezeugt: οἰκίαν ἀχειροποίητον αἰώνιον
‹ 4,17
Und zwar handelt es sich bei P.Sarap. 101 (90–133 n. Chr.) möglicherweise um das Fragment eines Reisebriefes, worin der Absender den Wunsch äußert, viele328 mögen „die von Hand geschaffenen Kunstwerke ansehen“ – Z. 4–5: ἵνα τὰς̣ ̣ [τους τέ]|χνας ἱστορήσουσι. χει[ρ]οπ̣ ο̣ ιή
ἐν τοῖς οὐρανοῖς – Der papyrologische Befund des Substantivs οὐρανός
(„Himmel“) ist spärlich und für die Paulusstelle nicht aussagekräftig.329 P.Hib. II 274,14–15 (212 – Juni 217 oder Juni 218 – Mai 222 n. Chr.) belegt immerhin, dass das Adjektiv οὐράνιος („himmlisch“) häufig mit „göttlich“ gleichgesetzt wurde: an der genannten Stelle wird vermutlich τύχη als „göttlich und himmlisch“ (τῆς [θεί]ας καὶ οὐρα|[νίας]) charakterisiert.330 5,22 καὶ γὰρ ἐν τούτῳ στενάζομεν τὸ οἰκητήριον ἡμῶν τὸ ἐξ οὐρανοῦ ‹ 5,1 ἐπενδύσασθαι ἐπιποθοῦντες – Das Verb στενάζω331 („seufzen“) ist bisher lediglich in einem Zauberpapyrus aus dem Jahr 346 n. Chr. bezeugt (Pap. Graec.Mag. II 13,945–946). Mit οἰκητήριον kann in den dokumentarischen Papyri ein einzelner „Wohnraum“, eine „Wohnung“, aber auch ein ganzes „Haus“ bezeichnet werden. Die Belege sind nicht sehr zahlreich. Grundsätzlich geht es dabei weniger um die Größe oder konkrete Art eines Gebäudes als vielmehr um die jeweils relevante Stätte, an oder in der jemand wohnt. Im Zweifelsfalle ist von der Bedeutung „Behausung“ auszugehen.332 325 Preisigke, Wörterbuch s. v. οἰκοδομή. Die maßgebliche Untersuchung für das private Haus nach den griechischen Papyri hat G. Husson vorgelegt (Husson, ΟΙΚΙΑ). 326 Die zeitlich relevanten Belege für οἰκοδομή bietet F. Winter in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 145–146; siehe ferner O.Claud. IV 755,1; 762,2; 763,2; 764,2 (alle ca. 138–161 n. Chr.); Beispiele für das Verb οἰκοδομέω bei Husson, ΟΙΚΙΑ 191–194; ferner z. B. P.Iand.Zen. 19,6 (3. Februar 254 v. Chr.); 37,3; 80,5 (beide Mitte 3. Jh. v. Chr.). 327 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 328 Vermutlich handelt es sich bei πολλῶν in Z. 2 um das logische Subjekt der folgenden Passage. 329 Vgl. die Beispiele bei R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 331, und Kreinecker, 2. Thessaloniker 137. 330 Vgl. (mit weiteren Beispielen) R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 331. 331 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 332 Vgl. Preisigke, Wörterbuch s. v. οἰκητήριον; Moulton/Milligan, Vocabulary s. v. οἰκητήριον; Husson, ΟΙΚΙΑ 187–188 (jeweils mit Belegen). Weitere Beispiele finden sich in SB XXIV 15973,4 und in der dazugehörigen Reinschrift 15974,6 (beide 22. Februar 132 v. Chr.).
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320
Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
Das Verb ἐπενδύω („[darüber] anziehen“) ist in den dokumentarischen Papyri bisher nicht bezeugt. In SB VI 9026,12–13 (2. Jh. n. Chr.) begegnet das Substantiv ἐπενδύτης („Kleidung“). Ebenfalls bisher nicht dokumentarisch bezeugt ist ἐπιποθέω333 („sich etwas herbeiwünschen, sich nach etwas sehnen“).334 Für die Verwendung des Verbum simplex, das sich in seiner Bedeutung vom Kompositum nicht wesentlich unterscheidet, lassen sich etwa folgende Belege anführen: In PSI XII 1261 (212–217 n. Chr.) verleiht der Absender eines Briefes seiner Dankbarkeit dafür Ausdruck, dass sein Adressat offensichtlich aus einer misslichen Lage gerettet wurde; an diesem Dank (Z. 10: χάρις) auch persönlich Anteil zu haben, das wünschten sie sich für ihn und dafür beteten sie (Z. 10–11: ἧσπερ καὶ ἡμεῖς οἱ ποθοῦντές σε | ἀπολαῦσαι εὐχόμεθα), und außerdem sehnten sich die Mutter sowie der Bruder nach ihm – Z. 21: ὃν (damit ist der Angeredete gemeint) καὶ ποθοῦσιν ἰδεῖν. In P.Herm. 6,9 (ca. 317–323 n. Chr.) wird das (in dem Fall objektlose) ποθέω mit ἐράω („lieben“) in Verbindung gebracht.
5,33 εἴ γε καὶ ἐκδυσάμενοι – Der Form ἐκδυσάμενοι wird in NA28 gegenüber ἐνδυσάμενοι der Vorzug gegeben. Das Verb ἐκδύω („ausziehen“)335 beschreibt in den dokumentarischen Papyri – mit einer Ausnahme – ein räuberisches Entreißen der Kleidung.336 Dokumenttypen sind dabei meist Beschwerden oder Petitionen: So meldet etwa ein Mann namens Nechthosiris in SB VI 9537 (2. Jh. v. Chr.) dem Gendarmerieoberst, drei Männer hätten ihn am Nachhauseweg brutal zusammengeschlagen und – Z. 18–21 mit BL VIII 349: ἐξέδυσαμ | [με ὃ ἤμ]ην περιβε|[βλημέ]νος ἱμάτιον | [ἄξιον (δραχμῶν)] ρε („sie zogen mir einen Mantel im Wert von 105 Drachmen, den ich umgeworfen hatte, vom Leib“).337
Abgesehen davon, dass Kleidung mitunter wertvoll und kostbar war, kommt das Entwürdigende, das dem „Entkleidetwerden“ durch einen Gewaltanwen333
Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. In einem christlichen Brief aus dem 4.–5. Jh. n. Chr. wird für die Anrede der Adressatin das entsprechende Verbaladjektiv verwendet – P.Bour. 25,1: ἐπιποθήτῃ θείᾳ („der ersehnten Tante“). 335 Der Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. – Zur textkritischen Diskussion, ob ἐκδυσάμενοι (so NA28) oder ἐνδυσάμενοι vorzuziehen sei, siehe z. B. Grässer, 2Kor I 187 (mit Ausschnitten aus einem Brief von Barbara Aland); Thrall, 2Cor 373 Anm. 1278; Harris, 2Cor 368; Schmeller, 2Kor 293–293 (die drei letzteren entscheiden sich für ἐνδυσάμενοι). Zum Problem und der davon abhängigen Deutung der V. 2–4 siehe Martin, Metafora. 336 Lediglich in UPZ II 187,12–14 (127–126 v. Chr.) ist vom (allerdings ebenfalls gewaltsamen) „Auswickeln“ einer Mumie die Rede. 337 Vgl. SB VI 9068,13–15 (spätes 3. Jh. v. Chr.), wo ebenfalls für einen Mantel ein Wert von 200 Drachmen angegeben wird. Für weitere Belege siehe Preisigke, Wörterbuch s. v. ἐκδύω, sowie Kiessling, Wörterbuch s. v. ἐκδύω 1). – Die griechisch-römische Philosophie kennt das Bild vom Leib als Gewand der Seele, das beim Tod abgelegt wird (Literaturangaben bei Schmeller, 2Kor 291 mit Anm. 711). 334
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Einzelheiten: 2Kor 5,2–3
321
der anhaftet, in derartigen Schreiben gut zum Ausdruck.338 Derartige Aspekte sind auch im Zusammenhang mit der Stelle bei Paulus und nicht zuletzt von seinem jüdischen Hintergrund her zu berücksichtigen. Auffälligerweise verwendet er hier die mediale Form ἐκδύσασθαι (also „sich ausziehen“).339 Fast alle neueren Auslegerinnen und Ausleger der Paulusstelle entscheiden sich für die Form ἐνδυσάμενοι („sich anziehende“).340 In den Papyri wird das Verb stets für das Anziehen von Kleidungsstücken verwendet.341 οὐ γυμνοὶ εὑρεθησόμεθα – Das Adjektiv γυμνός dient in den dokumenta-
rischen Papyri ausschließlich zur Beschreibung von Menschen, die – wie an der vorliegenden Stelle – als „unbekleidet“ beschrieben werden oder nichts mehr zum Anziehen haben342 oder überhaupt mittellos sind343. Ähnlich wie im Falle von ἐκδύω finden sich auch hier einige Beispiele, wo es um ein unfreiwilliges, mitunter explizit beschämendes Nacktsein geht: Ein gewisser Pyron setzt sich in einem Brief an Zenon, PSI IV 418 (Mitte 3. Jh. v. Chr.), für einen Knaben ein, damit diesem Unterhalt, Kleidung und eine angemessene Erziehung zuteil werde; seine eigene und des Knaben gegenwärtige Lage vergleicht er mit der Situation von Würfelspielern, die sich nackt hinstellen müssen, damit sie keine falschen Würfel verbergen können344 – Z. 14–18: καὶ εἴ σοι φαίνεται, `ἀποσύνταξον´ μὴ ὥσπερ | τοὺς κυβευτὰς ἐπιτηροῦντας | ὡς ἂν εἰσερχώμεθα ̣ ̣ α̣ ρ̣ ιο ̣ ̣ ῦ̣ ν̣ γυμνοὺς ἱστάντας | ἡμᾶς („und wenn es dir [recht] scheint, sorge ἀπο|π̣ α̣ ιδ dafür,345 dass man uns nicht wie die Würfelspieler argwöhnisch betrachtet, wenn wir eintreten, uns nackt hinstellt und veralbert“). Ebenfalls an Zenon wendet sich dessen Arbeitnehmer Nikolaos mit der Bitte um Geld, damit er neue Kleider für eine geplante Reise kaufen kann und „wir uns nicht 338 Beachte auch die anschließenden Beispiele für γυμνός. – Der Gegensatz ἐνδύομαι – ἐκδύομαι begegnet in einem Zauberpapyrus aus byzantinischer Zeit, wo von der Göttin Nephthys die Rede ist, die ihre zuvor abgelegte Schönheit (κάλλος) wieder „anzieht“ – Pap.Graec.Mag. II
11a,19 (4./5. Jh. n. Chr.). 339 In der Auslegung wird dies regelmäßig übersehen und die Form passivisch („ausgezogen werden“) übersetzt. Die mediale Form als Ausdruck des Sich-selbst-Ausziehens ist durch LXXStellen wie Lev 6,4; 1Sam 19,24; Esth 15,1; Jdt 10,3; 16,7; Hld 5,3; Jes 32,11; 52,2; Bar 4,20; 5,1; Ez 26,16 bestens bezeugt. Beispiele für passive Formen bieten LSJ s. v. ἐκδύω I.2. 340 Siehe dazu mit ausführlicher Begründung Thrall, „Putting on“, und zum Forschungsstand im Überblick Schmeller, 2Kor 293. 341 Belege bei P. Arzt-Grabner und R. E. Kritzer in ders./dies. u. a., 1. Korinther 502. 342 Siehe zu beiden Bedeutungen die Belege bei R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 492–493. 343 Siehe die Beispiele bei Preisigke, Wörterbuch s. v. γυμνός 2); Kiessling, Wörterbuch s. v. γυμνός; ferner P.Münch. III 74,12 (31. August 158 n. Chr.); PSI Com. I 18,10 (3.–4. Jh. n. Chr.); P.Philammon 1, p. 8,4 (nach 16. Juni 360 n. Chr.). In P.Oxy. XII 1408,24 (212–214 n. Chr.) geht es darum, dass Personen ohne die Hilfe jener dastehen, die sie bisher umgeben haben. 344 Vgl. Schubart, Jahrtausend 49. 345 Zur Bedeutung von ἀποσυντάσσω vgl. Preisigke, Wörterbuch s. v. ἀποσυντάσσω („erledigen, vollbringen“). Vom Zusammenhang her geht es darum, dass Zenon die entsprechenden Maßnahmen setzen und Aufträge erteilen möge, damit das Geschilderte nicht eintrifft. Schubart, Jahrtausend 49, übersetzt „so verbiete, dass man uns wie …“.
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
schämen müssen, weil wir nackt sind“ – P.Cair.Zen. III 59477,4–5: ἵνα μὴ γυμνοὶ ὄντες ἀσχημονῶμεν.346 Ein gewisser Krateuas schreibt in seiner Eingabe an den König, P.Enteux. 75 (28. Januar 222 v. Chr.), dass ihm bei einem Gewaltakt die Kleider entrissen wurden, woraufhin er die Spuren der erlittenen Schläge dem Epistates Herodotos anzeigte; ob das in Z. 7 gleich anschließend erwähnte καὶ ὡς ἤμην γυμνός („und weil/als ich nackt war“) auf seinen Zustand während dieser Untersuchung zu beziehen ist (dass er sich nackt vor den Epistates hinstellen musste, damit dieser die Verletzungen sehen konnte) oder den Bericht fortsetzt (aufgrund des Kleiderraubes hatte er nichts zum Anziehen), ist aufgrund der anschließenden Lücke im Text unklar. In der Enteuxis P.Fay. 12 (104–103 v. Chr.) gibt der Mysier Theotimos an, ein gewisser Diokles und sein Helfershelfer hätten ihn entführt, geschlagen, seiner Kleider beraubt und schließlich „nackt davongejagt“ – Z. 19–20: [ἐ]|ξέντες γυμνόν.347
Vergleichbare Beispiele für prädikative Konstruktionen mit einer passiven Form von εὑρίσκω (im Sinne von „befunden werden“) bringen in den dokumentarischen Papyri eine offizielle oder amtliche Feststellung zum Ausdruck.348 Dieser Aspekt passt auch bestens zur vorliegenden Stelle. In den Papyri geht es stets um die Feststellung eines negativen Tatbestandes. Im positiven Sinne aber ist das aktiv formulierte Pendant bezeugt: Am Ende des Briefes P.Cair.Zen. III 59516 (Mitte 3. Jh. v. Chr.) betont der Absender – Z. 30–31: εὑρήσεις γάρ με εὐ|γνώμονα ὄντα („du wirst mich finden als einen, der wohlwollend ist“). Diese Konstruktion ist bes. für einen Vergleich mit 2Kor 9,4 relevant.
Vom papyrologischen Hintergrund her geht es hier um die offizielle Feststellung eines beschämenden Nacktseins,349 was Paulus unbedingt vermeiden möchte. 5,44 καὶ γὰρ οἱ ὄντες ἐν τῷ σκήνει ‹ 5,1 στενάζομεν ‹ 5,2 βαρούμενοι ‹ 1,8, ἐφ᾽ ᾧ οὐ θέλομεν ἐκδύσασθαι ‹ 5,3 ἀλλ᾽ ἐπενδύσασθαι ‹ 5,2, ἵνα καταποθῇ ‹ 2,7 τὸ θνητὸν ‹ 4,11 ὑπὸ τῆς ζωῆς ‹ 2,16.
ἀρραβῶνα
‹ 1,22
‹ 4,17
ἡμᾶς εἰς αὐτὸ τοῦτο θεός, ὁ δοὺς ἡμῖν τὸν τοῦ πνεύματος ‹ 1,22.
5,55 ὁ δὲ κατεργασάμενος
5,66 θαρροῦντες οὖν πάντοτε – Das Verb θαρρέω bzw. θαρσέω350 ist in den Papyri verhältnismäßig gut bezeugt. Dabei bezeichnet es ein „Mutigsein“, das 346 Siehe dazu auch R. E. Kritzer und P. Arzt-Grabner in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 310. 347 Erwähnenswert ist auch das Mumientäfelchen SB VI 9126 (3. Jh. n. Chr.), auf dem der Verstorbene in Z. 3 als σῶμα γυμνόν („nackter Leichnam“) beschrieben wird. 348 Vgl. P. Arzt-Grabner in ders./Kritzer u. a., 1. Korinther 163–164 (mit entsprechenden Belegen). Siehe ferner P.Philammon 1, p. 26,18 (nach 16. Juni 360 n. Chr.). 349 Dieses Ergebnis deckt sich auch mit dem literarischen und biblischen Befund von Vogel, Warum 452–460. 350 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet.
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Einzelheiten: 2Kor 5,3–6
323
je nach Zusammenhang entweder mehr zu einer „Zuversicht“ oder mehr zu einem „Wagen“ tendiert. Letzteres begegnet papyrologisch in negierten Wendungen: So beklagt sich z. B. in P.Oxy. I 68 (131 n. Chr.) ein Petent über einen gewissen Theon, der seine Ansprüche auf Geldrückzahlungen seiner Ansicht nach zu spät geltend macht; dieser Theon habe es im Gegenteil lange „nicht gewagt, Klage zu erheben“ – Z. 19–20: μὴ τεθαρρηκαίναι (l. τεθαρρηκέναι) τ[ὸν] | Θέωνα προελθεῖν. Eine gewisse Areskusa teilt ihrem Adressaten mit, sie habe es ohne dessen Zustimmung „nicht gewagt, die so große Verantwortung auf sich zu nehmen“ – SB VI 9026,6–7 (2. Jh. n. Chr.): οὐκ ἐθάρρη δὲ τὸν τοσοῦτον λόγον ὑποστῆναι | ἄνευ τῆς σῆς γνώμης.351
Die Belege der anderen Gruppe zeigen Menschen, die in einer mehr oder weniger misslichen Lage der Hilfe und Unterstützung oder des Zuspruchs bedürfen: In einem Beileidsschreiben heißt es – SB XIV 11646,9–10 (1.–2. Jh. n. Chr.): ἀλλὰ ̣ ̣ ς̣ | φέ̣ρε („aber sei zuversichtlich und trag es mit Fassung“). θάρσι καὶ γενν̣ α̣ ίω In O.Mich. I 91,10–11 (spätes 3. Jh. n. Chr.) hingegen stellt der Absender selbst fest: θαρρῶ οὖν, ἄδελφε, | ὅτι οὐκ ἀμελεῖς μου („ich bin also zuversichtlich, Bruder, dass du mich nicht fallen lässt“). An den Präfekten ist wiederum P.Oxy. XII 1468 (ca. 256–258 n. Chr.) gerichtet, wo ein Petent betont – Z. 8–9: ἐπὶ | τὴν σὴν ἀνδρείαν καταφεύγω θαρρῶν τεύξεσθαι τῶν προσ|όντων μοι δικαίων („zu eurer Hoheit nehme ich Zuflucht und bin zuversichtlich, das mir zustehende Recht zu erlangen“).352
Die Formulierungen der letzten beiden Beispiele sind besonders gut mit der paulinischen (hier und in V. 8) vergleichbar. Inhaltlich gründet Zuversicht dabei wesentlich darauf, dass man mit der Unterstützung eines Freundes oder einer hohen Autorität rechnet. καὶ εἰδότες ‹ 1,7 ὅτι ἐνδημοῦντες ἐν τῷ σώματι ‹ 4,10 ἐκδημοῦμεν ἀπὸ τοῦ κυρίου ‹ 1,2 – Die disclosure formula εἰδότες ὅτι soll die Aufmerksamkeit der
Adressatengruppe für das Folgende in besonderer Weise wecken (vgl. S. 196). Mit ἐν-δημέω353 wird im Griechischen ein „Am-Ort-Sein“ (wörtlich „im Demos [Bezirk] sein“) bezeichnet; was die Papyri betrifft, begegnet das Verb vor allem in ptolemäischer Zeit hauptsächlich in Briefen354 und ab dem 2. Jh. v. Chr. (bis in die röm. Zeit hinein) des Öfteren auch in Eheverträgen, wo es 351
Ähnlich SB XXII 15350,6 (frühes 3. Jh. n. Chr.). Mit dieser Gruppe von Belegen zu vergleichen sind auch jene, in denen θαρρέω mit dem Dativ konstruiert ist und ein „Vertrauen“ ausdrückt; mit Ausnahme eines Belegs (P.Oxy. II 237, Kol. VIII 17 [nach 27. Juni 186 n. Chr.], wo es um ein Vertrauen auf „Beweise“ – τοῖς ἐλέγχοις – geht) sind auch hier stets Personen betroffen (vgl. etwa BGU XI 2061,2 [210 n. Chr.]; P.Oxy. XIV 1665,11 [3. Jh. n. Chr.]). 353 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 354 Vgl. etwa P.Lond. VII 1946,7 (ca. 257 v. Chr.); PSI V 512,5–6 (253 v. Chr.); P.Cair.Zen. III 59434,9–10 (Mitte 3. Jh. v. Chr.). 352
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
sich – zu einem seiner Pendants in Beziehung gesetzt – auf das Aufhalten des Mannes zu Hause und den damit verbundenen Verpflichtungen bezieht: In einem eigenen Paragraphen wird vereinbart, dass der Ehemann seiner Frau alles, was sie für das tägliche Leben benötigt, zur Vefügung stellen muss, ob er nun „zu Hause oder von zu Hause abwesend ist“ – ἐνδημῶν καὶ ἀποδημῶν (z. B. P.Tebt. I 104,17 [92 v. Chr.]).
In entsprechender Weise wird ἐκ-δημέω verwendet, wenn sich jemand, mitunter für längere Zeit, außerhalb seines Wohnortes befindet oder von dort abreist: P.Tebt. II 316 (10.–11. Dezember 99 n. Chr.) ist eine Zusammenstellung von drei Deklarationen von Epheben355 der alexandrinischen δῆμοι; darin bestätigen sie erneut ihre Berechtigung, im Verzeichnis der Ephebie geführt zu werden, und versprechen, dem Vorsteher ihrer συμμορία (Steuerklasse) unverzüglich Bescheid zu geben, falls sie „den Wohnort wechseln oder ihren (politischen) Bezirk verlassen“ sollten – Kol. II 20: ἐὰν δὲ μεταβαίνωμεν ἢ ἐγδημῶμεν (vgl. weiters Kol. III 60–61 sowie Kol. IV 92–93).356
Dass Paulus gerade diese beiden Begriffe wählt, wenn er vom „Da-“ und vom „Wegsein“ spricht (beachte auch V. 8), verdeutlicht, welche Dimension er dem irdischen bzw. dem himmlischen Dasein einräumt: das Haus Gottes entspricht nach der Beendigung des Lebens auf Erden (wie vorher der eigene Leib) dem δῆμος, d. h. (nach griechischer Vorstellung) der geistigen und genealogischen Verwurzelung jedes Menschen, wobei sich dann freilich das ἐν- und ἐκδημέω gegeneinander austauschen.357 5,77 διὰ πίστεως ‹ 1,24 γὰρ περιπατοῦμεν ‹ 4,2, οὐ διὰ εἴδους – Der Begriff εἶδος358 ist in den Papyri überreich bezeugt (auffallend wenige Belege stammen dabei jedoch aus ptolemäischer Zeit) und, was seine Bedeutung betrifft, äußerst vielschichtig. Nicht näher eingegangen werden soll hier auf jene Unzahl von Texten, in denen εἶδος die „Art“ oder „Beschaffenheit“359 diverser Dinge bezeichnet, was wohl auf der Bestrebung des Menschen beruht, alles Wahrnehmbare nach äußeren Gesichtspunkten einzuteilen.360 Eine weitere 355
Zum Charakter der zum Zeitpunkt der Abfassung dieser Dokumente bereits mehrere Jahre zurückliegenden Epikrisis beachte BL XII 281 und die dort angegebene Literatur. 356 Vgl. auch Spicq, 2Cor 336. Ansonsten ist auch ἐκδημέω vielfach in Briefen anzutreffen (z. B. SB XX 14699,1–2 [230 v. Chr.] oder SB V 7737,5–6.12 mit BL VI 138 [nach 127 n. Chr.]); beachte ferner – allerdings in fragmentarischem Kontext – P.Sijp. 29,15 (2. Jh. n. Chr.?). 357 Windisch, 2Kor 166, und im Gefolge Bultmann, 2Kor 142 Anm. 128, verweisen auf die platonisch-philonische Vorstellung vom Himmel als Heimat. 358 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 359 Ein Beleg für das 1. Jh. n. Chr. ist z. B. P.Sijp. 56,17; weitere Beispiele bei Preisigke, Wörterbuch s. v. εἶδος 1) und 2) (teilweise); Kiessling, Wörterbuch s. v. εἶδος 2). 360 Insbesondere im 1. Jh. n. Chr. überwiegen Dokumente wie (Ver-)Kaufs-, Pacht- oder Abtretungsurkunden, in denen εἶδος mit einer bestimmten Steuerklasse in Verbindung gebracht wird (vgl. etwa P.Mich. V 308,5 [1. Jh. n. Chr.] oder in einer Liste von Steuerzahlern, P.Sijp. 27,4
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Einzelheiten: 2Kor 5,6–8
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Bedeutung, die erst nach dem 2. Jh. n. Chr. häufiger begegnet, ist „Ware“ jeder Art bzw. „Warensorte“.361 An dieser paulinischen Stelle ist der Begriff jedoch recht wörtlich zu verstehen, nämlich (im Gegensatz zum „Glauben“) als das (für die eigenen Augen) „Sichtbare“.362 In dem Zusammenhang ist auf jene papyrologischen Belege zu verweisen, in denen εἶδος als Bezeichnung für einen „Bericht“ o. Ä. fungiert: So ist z. B. im Amtstagebuch eines Präfekten (SB VI 9050 [117–127 n. Chr.]) von einem innerhalb einer Verhandlung „vorgelesenen Bericht363“ (ἀναγνωσθέντος εἴδους – Kol. III 11) die Rede, und der in P.Oxy. XLIX 3472,6 (149 n. Chr.) erwähnte Bericht gründet auf einer Inspektion des Oxyrhynchites bezüglich Landbesitz. Bei den in P.Oxy. LXX 4779,2 (nach Januar 169 n. Chr.) und P.Heid. VII 398,4 (176–179 n. Chr.) erwähnten εἴδη διοικήσεως364 geht es vermutlich um „Akten der Finanzverwaltung“.
Ein Bericht gibt also nichts anderes als das wieder, was jemand gesehen bzw. herausgefunden hat, er beinhaltet Tatsachen und im Idealfall keine Interpretationen oder Ideologien. Bei der πίστις hat man hingegen – im Unterschied zum εἶδος – nichts Wahrnehmbares vor Augen, das einem Sicherheit in Form der Einordnung in irgendeine Kategorie365 bieten könnte. Die in V. 6 und 8 genannte Zuversicht gründet nicht auf dem Sichtbaren, sondern auf einem tiefen „Vertrauen“ (πίστις!). 5,88 θαρροῦμεν ‹ 5,6 δὲ καὶ εὐδοκοῦμεν μᾶλλον ἐκδημῆσαι ‹ 5,6 ἐκ τοῦ σώματος ‹ 4,10 καὶ ἐνδημῆσαι ‹ 5,6 πρὸς τὸν κύριον ‹ 1,2 – In den dokumentarischen Papyri wird εὐδοκέω vor allem in Verträgen verwendet, um das Einverständnis oder die Zustimmung eines Vertragspartners auszudrücken.366 Vor diesem Hintergrund schwingt auch bei der Grundbedeutung „etwas für gut halten“
[25. Juli – 10. August 69 n. Chr.]; für weitere Belege siehe Preisigke, Wörterbuch III, Abschnitt 11, s. v. εἶδος). 361 Für Belege siehe Preisigke, Wörterbuch s. v. εἶδος 9), sowie Kiessling, Wörterbuch s. v. εἶδος 5); ferner z. B. PSI XV 1558,2.7 (3. Jh. n. Chr.). 362 Kittel, εἶδος 372, formuliert treffend: „Die übliche Übersetzung des διὰ πίστεως περιπατοῦμεν, οὐ διὰ εἴδους 2K 5,7 mit ‚… nicht im Schauen‘ ist schwerlich zutreffend (anders wiederum Bauer, Wörterbuch s. v. εἶδος 3., Anm. R. E. Kritzer). Der damit an dieser Stelle vorauszusetzende aktivische Gebrauch von εἶδος ist ohne jede Analogie: das Wort redet stets von dem Tatbestand des Geschehenen, nie vom Akt des Sehenden.“ 363 Metzger, Stellung 58, übersetzt „Sachverhalt“. 364 Die Ausdrücke sind in beiden Dokumenten nicht vollständig erhalten, die Rekonstruktion dürfte aber vor allem von P.Oxy. LXX 4779,2 her gesichert sein (beachte J. D. Thomas in P.Oxy. LXX S. 76). 365 Folgende Bemerkung von Kittel, εἶδος 372, ist in diesem Fall zumindest zu überdenken: „Es ist ebenso lehrreich wie folgerichtig, dass dieser platonische εἶδος-Begriff selbst im NT sich nicht findet.“ 366 Siehe dazu ausführlich Papathomas, Begriffe 29–32 (mit zahlreichen Belegen); ferner Kreinecker, 2. Thessaloniker 180.
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schon eine gewisse Verbindlichkeit mit, die jedenfalls auf einer bewussten Entscheidung aufbaut, die bedeutend mehr ist als ein einfaches Gutdünken. 5,99 διὸ καὶ φιλοτιμούμεθα, εἴτε ἐνδημοῦντες ‹ 5,6 εἴτε ἐκδημοῦντες ‹ 5,6, εὐάρεστοι αὐτῷ εἶναι – Das Verb φιλοτιμέομαι367 (wörtlich „Ehre anstreben, seine Ehre in etwas hinein setzen“) begegnet innerhalb der dokumentarischen Papyri hauptsächlich in Briefen, und zwar vor allem im 3. Jh. v. Chr., genauer im Zenon-Archiv. Meist wird damit gleich am Beginn des Briefcorpus an den Adressaten appelliert, sich mit jedwedem Ehrgeiz und möglichst uneigennützig der Erfüllung einer Aufgabe zuzuwenden368: So schreibt etwa in P.Mich. I 6 (257 v. Chr.) ein Sostratos an Zenon in Bezug auf einen Freund – Z. 2–3: καλῶς ἂν οὖ[ν] | ποιή̣ σαις φιλοτιμη̣ θεὶς ὅπως ἂν συστήσηις αὐτὸν Κλεονίκωι („du mögest also so gut sein und alles daransetzen, ihn dem Kleon zu empfehlen“). Der Absender von P.Cair.Zen. III 59305 (250 v. Chr.) ersucht Zenon – Z. 4–5: καὶ περὶ τοῦ ἱερείου φιλοτιμήθηθι ὅπως ἔχω εἰς τὴν ἑορτὴν ἄξιον σοῦ καὶ | Ἐφαρμούσ[το]υ („und was das Opfertier betrifft, lass es dir angelegen sein, dass ich für das Fest etwas habe, was deiner und des Epharmustes würdig ist“).369
In folgenden Beispielen spricht der Absender jedoch – wie auch Paulus – von seinen eigenen Aktivitäten: Der nicht mehr bekannte Absender von P.Cair.Zen. IV 59631 (Mitte 3. Jh. v. Chr.) behauptet, er habe es (gemeinsam mit anderen) nicht geschafft, „das kleine Haus fertigzustellen“, obwohl sie alles daran gesetzt hätten – Z. 6: φιλοτιμούμενοι οὐ ̣ ̣ `ί´διον. In P.Lond. VII 2057,2–6 (Mitte 3. Jh. v. Chr.) δυ[νάμεθα συν]τελέσαι τὸ ο̣ ἰκ bemerkt ein gewisser Philinos gegenüber Zenon: ἀπεστάλκαμέν̣ σοι τοὺς | πέντε θυρεοὺς̣ πεφιλο|τιμημένους ὑπ᾽ ἐ̣[μο]ῦ | ὥστε μηδὲ ἐν τῆι Αἰτωλίαι | εἶναι τ`ο´ιούτους („ich habe dir die fünf Schilde zukommen lassen, um die ich mich eifrig bemüht habe, unter der Voraussetzung, dass370 es in Ätolien solche nicht gibt“).371
Diese beiden Beispiele erwecken auch den Eindruck, dass es hier einerseits um eine Art Pflichterfüllung geht, die sich die Betroffenen aber andererseits zur eigenen Angelegenheit gemacht haben. Dieser Aspekt verleiht auch der pauli367
Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. Vgl. dazu auch White, Formulas 300. 369 Zenon und sein Bruder Epharmustes waren leidenschaftliche Schweinezüchter (vgl. C.C. Edgar in P.Cair.Zen. S. 9). – Negativ, also im Sinne von „rivalisieren, eifern“, ist φιλοτιμέομαι in P.Tebt. II 410,9–10 (16 n. Chr.) gebraucht. 370 Die Konjunktion ὥστε ist hier wohl in diesem, d. h. konditionalem Sinn zu verstehen (weitere Beispiele bei Mayser, Grammatik II.1 299; Th. C. Skeat in P.Lond. VII S. 207, übersetzt: „I have sent you five shields, so highly prized by me that not even in Aetolia are there any such“; zur Bedeutung der „Schilde“ für Zenon siehe ebd. S. 208). 371 In seinem Brief an die Alexandriner (P.Lond. VI 1912 [10. November 41 n. Chr.]) berichtete Claudius von zwei legati, die ihre Sache mit besonderem Eifer vorzubringen verstanden – Z. 76: φιλοτειμηθέντων; vgl. weiters im stark lückenhaften Edikt des Severus Alexander – SB XIV 11648, Kol. I 25 (222 n. Chr.). 368
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nischen Formulierung einen tieferen Sinn, der durch den Befund zur folgenden Infinitivkonstruktion bestätigt wird. Mit εὐάρεστοι αὐτῷ εἶναι bietet Paulus nämlich eine generelle Charakterisierung christlichen Lebens. Das Adjektiv εὐάρεστος372 („wohlgefällig, ganz den Erwartungen entsprechend“) wird in den Papyri ausschließlich mit Gegenständen oder Abstrakta in Verbindung gebracht373. In gewisser Weise mit der paulinischen Ausdrucksweise vergleichbar sind zwei Belege, in denen εὐάρεστος mit dem Substantiv ἔργα übereingestimmt ist: Und zwar geht es in P.Köln I 52 (26. Juli 263 n. Chr.) um die Vergoldungsarbeiten an der Decke im Gymnasium von Antinoopolis; die beiden Handwerker bzw. Handwerkergruppen, die der βουλή der Stadt jeweils ihr Angebot stellen, versprechen formelhaft, ihre Arbeiten in wohlgefälliger Weise zu verrichten – Z. 29–30: ἅπερ ἔργα εὐά|[ρεστα] ποιήσομ[αι], und Z. 77–78: ἅπερ ἔργα | εὐάρεστα ποιησόμεθα.374
Wie hier verrät aber auch und eigentlich noch vielmehr das Adverb εὐαρέστως, das die mehr als pflichtgemäße Erfüllung einer Aufgabe beschreibt, gleichzeitig etwas über die Einstellung der betreffenden Person(en) gegenüber jenen, denen sie verpflichtet sind: So haben in P.Oxy. XIV 1631 (280 n. Chr.), einem Vertrag über die Pacht und Pflege eines Weingartens, die Pächter Folgendes zu bieten – Z. 29–30: ποιήσομεν τὰ τῆς ἀμπέλου καὶ πωμαρίου καὶ καλαμείας κατὰ καιρὸν ἔργα πάντα εὐκαίρως καὶ εὐ|αρέστως („wir wollen alle saisonalen Arbeiten im Wein- und im Obstgarten
sowie in den Rohrpflanzungen fristgerecht und wohlgefällig verrichten“).375
5,110 τοὺς γὰρ πάντας ἡμᾶς φανερωθῆναι ‹ 2,14 δεῖ ἔμπροσθεν τοῦ βήματος τοῦ Χριστοῦ ‹ 1,1 – Auch in den dokumentarischen Papyri begegnet βῆμα vornehmlich als „Richterstuhl“, und zwar eines Beamten. Aus paulinischer Zeit, nämlich vom 29. März 49 n. Chr., stammt ein Auszug aus den Protokollen des Strategen Tiberius Claudius Pasion, das mit dem Vermerk beginnt – P.Oxy. I 37,3: ἐπὶ τοῦ βήματος („beim Richterstuhl“) und damit festhält, dass die in den folgenden Zeilen protokollierten Aussagen „vor Gericht“ gefallen sind.
Für einen Vergleich mit Paulus besonders interessant sind jene Belege, die vom βῆμα des höchsten Beamten in Ägypten und direkten Vertreter des Princeps 372
Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. Häufig Vieh, wie in P.Mil.Vogl. III 145,23 mit BL IX 168 (142 n. Chr.), oder Saatgut, wie in P.Fay. 90,16–17 (234 n. Chr.); in byzantinischer Zeit auch des Öfteren Wein (z. B. BGU XIII 2332,11–12 [374 n. Chr.]). 374 Dem folgt die Wendung – Z. 30–31 bzw. 78–79: εἰς τὸ μὴ ἐν ᾡ[τινιο]ῦν (bzw. ᾑτινιοῦν) μεμφθῆν[α]ι („auf dass in keinem einzigen Punkt etwas beanstandet werde“); diese wird (in leicht abgewandelter Form) auch bei der Übernahme von Liturgien verwendet. 375 Das Adverb ist sonst nur noch durch einen Beleg bezeugt (P.Mich. XV 706,11 [2.–3. Jh. n. Chr.]), dessen genauerer Zusammenhang aber nicht mehr zu erschließen ist. 373
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handeln, also des Präfekten, der anlässlich seiner Konventsreise zu Gerichte sitzt. So wird in SB V 8247,16 (ca. 63–64 n. Chr.) erwähnt, dass der Präfekt Gaius Caecina Tuscus auf dem Richterstuhl Platz genommen hat: [κα]θημένου αὐτοῦ ἐπὶ τῷ βήματι. Weitere Beispiele allein aus dem 1. und vom Anfang des 2. Jh. n. Chr., in denen der Richterstuhl eines Präfekten erwähnt wird, sind: P.Hamb. I 4,9–10 (29. März 87 n. Chr.); P.Oslo II 19,4–5 (1. Jh. n. Chr.); SB V 7870,17–18 (103–107 n. Chr.); P.Tebt. II 434 (17. Februar 104 n. Chr.); P.Oxy. XXXVIII 2852,34–35 (104–105 n. Chr.); P.Mil.Vogl. I 25, Kol. IV 20 (26. Mai – 24. Juni 127 n. Chr.); P.Oxy. III 486, Rekto 10 (nach 10. Oktober 131 n. Chr.); P.Mil.Vogl. III 129,14–15 (31. Januar 135 n. Chr.); P.Mich. IX 533,7–8 (137 n. Chr.). Ein weiterer Beleg findet sich im außerägyptischen Papyrus P.Yadin I 14 (11. oder 12. Oktober 125 n. Chr.) aus Maḥ oza in der Provinz Arabia, wo zweimal das βῆμα des Präfekten Iulius Iulianus erwähnt wird (Z. 11 und 29–30).
ἵνα κομίσηται ἕκαστος τὰ διὰ τοῦ σώματος ‹ 4,10 πρὸς ἃ ἔπραξεν, εἴτε ἀγαθὸν εἴτε φαῦλον – Auch wenn die von Paulus hier verwendete Formulie-
rung keine direkte Entsprechung in den Papyri findet, so erinnert sie doch inhaltlich und grundsätzlich an jene Erwartungen, die Petenten in ihren Eingaben an die rechtlichen Instanzen zum Ausdruck bringen: der Beklagte möge bestraft, die eigenen Ansprüche auf ein Recht, einen Besitz oder auf Wiedergutmachung mögen hingegen erfüllt werden. Recht deutlich wird dies – trotz des fragmentarischen Erhaltungszustandes – am Ende der Eingabe P.Diosk. 11 (Mitte 2. Jh. v. Chr.) ausgedrückt: der Petent beantragt, dass – wenn es [recht] scheint – der Beklagte vorgeladen und dass dafür Sorge getragen wird, „dass ich einerseits das oben Genannte erlange, er selbst aber andererseits den passenden Tadel erhält“ – Z. 10–17: ἀξιῶ, ἐ̣ὰ̣ ν̣ | [φ]α̣ [ί]ν̣ [η]ται, μετα̣ ̣ ε̣ν̣ [α] | [κ]ομί-̣ π̣ ε̣μ̣ ψ̣ ά|μ̣ ε̣ν̣ ο̣ [ν] τ̣ὸν Π̣ ε̣ρ . .υ̣ ιν̣ | προνο̣ η̣ θῆνα̣ ι, ὡ̣ ς ἐγὼ | μ̣ ὲν τ̣ὰ̣ προκείμ σ̣ [ο]μαι, αὐτὸς δ̣ ὲ̣ | τ̣ε̣ύ̣ ξ̣ ε̣τ̣[αι] τ̣ῆ̣ ς̣ ἁ̣ ρμο|ζ̣ [ο]ύ̣ σης̣ ἐπιπλήξεως.
Das Verb πράσσω wird in den dokumentarischen Papyri synonym zu ποιέω verwendet und kann ein – je nach Zusammenhang positives oder negatives – Verhalten gegenüber Mitmenschen oder ein grundsätzliches (auch berufliches) Tätigsein, also das Ausüben einer Verhaltensweise oder einer Tätigkeit zum Ausdruck bringen.376 Das Adjektiv ἀγαθός ist in den dokumentarischen Papyri gut bezeugt und wird sowohl mit abstrakten Größen als auch mit Menschen und Göttern in Verbindung gebracht. Auch das substantivierte Neutrum ist häufig anzutreffen und bezeichnet allgemein etwas Gutes oder speziell das Gute, das jemand tut oder anderen widerfahren lässt.377 376 Vgl. die Beispiele bei R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 202.358. 377 Siehe die Beispiele bei Preisigke, Wörterbuch s. v. ἀγαθός; Kiessling, Wörterbuch s. v. ἀγαθός; speziell für die substantivierte Verwendung Arzt-Grabner, Philemon 186–187. Weitere Beispiele bei Kreinecker, 2. Thessaloniker 187.
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Das Prädikat φαῦλος („schlecht“) kann Früchten, Weinen, handwerklichen Erzeugnissen, aber auch Menschen zugesprochen werden.378 Letzteres begegnet meist in Form der Beteuerung, dass nichts Schlimmes vorliege und somit kein Grund zur Besorgnis bestehe. Dies schreibt z. B. ein gewisser Dionysios an seine Mutter Tetheus in einem Brief im 2. Jh. n. Chr. – P.Oxy. III 530,21–22: μὴ ἀγωνία δὲ περὶ | ἡμῶν, οὐθὲν γὰρ φαῦλον περὶ ἡμᾶς ἐστ[ι]ν (ähnlich P.Ross.Georg. III 2,6 [ca. 270 n. Chr.]; P.Oxy. XIV 1768,8 [3. Jh. n. Chr.]). Auch die Besitzerin eines entflohenen Sklaven betont, sie hätte nicht geglaubt, dass dieser etwas Schlimmes verüben würde – P.Turner 41,8–9 (ca. 249–250 n. Chr.): τοῦτον νομίσασα μηδὲν φαῦλόν τι δια|πρά[ξ]ασθαι. Und ein Gutsverwalter weist die offenbar von seinem Herrn gegen ihn erhobenen Vorwürfe mit den Worten zurück – P.Oxy. IX 1220,11–12 (3. Jh. n. Chr.): οὐδὲν βλέπω φαύλου παρ᾽ ἐ|μοί („ich sehe nichts Schlimmes in meinem Verhalten“).
5,111 εἰδότες οὖν τὸν φόβον τοῦ κυρίου ‹ 1,2 ἀνθρώπους πείθομεν ‹ 1,9, θεῷ δὲ
πεφανερώμεθα ‹ πεφανερῶσθαι ‹
· ἐλπίζω ‹ 1,10.13 δὲ καὶ ἐν ταῖς συνειδήσεσιν ‹ 1,12 ὑμῶν – Für φόβος ist in den dokumentarischen Papyri vor
2,14
2,14
allem die Bedeutung „Ehrfurcht“ oder „(sehr großer) Respekt“, die höher gestellten Persönlichkeiten gegenüber zum Ausdruck gebracht werden, bezeugt.379 Eine derartige Bedeutung kommt auch hier und in 7,1.15 zum Tragen, während es in 7,11 wohl einerseits um „Ehrfurcht, Respekt“, andererseits um „Furcht“ geht, die Paulus aber eindeutig als positive Folge seines Briefes und des dadurch bei den Gemeindemitgliedern ausgelösten Kummers sieht. Papyrologisch seltener bezeugt ist die Bedeutung „Angst“380, von der Paulus in 7,5 spricht.381
378 Siehe die Beispiele bei Preisigke, Wörterbuch s. v. φαῦλος; Moulton/Milligan, Vocabulary s. v. φαῦλος. 379 Vgl. F. Winter und P. Arzt-Grabner in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 116–117 (mit zahlreichen Beispielen). Für einen Vergleich mit der vorliegenden Stelle nicht heranzuziehen ist BGU II 380,19–22 (3. Jh. n. Chr.); eine über den Gesundheitszustand ihres Sohnes sehr besorgte Mutter schreibt am Schluss ihres Briefes: μὴ οὖν ἀμελήσῃς, τέ|χνον (l. τέκνον), γράψε (l. γράψαι) μοι περὶ τῆς | σωτηρίας [σ]ου, ὡσθ`ε´ιδὼς (l. ὡς εἰδὼς) πό|βον (l. φόβον) τέκνου („sei also nicht sorglos, Kind, schreib mir über dein Wohlbefinden, wie du weißt um die Angst um ein Kind!“ – Gemeint ist die Angst eines Elternteils um das eigene Kind). Bachmann, 2Kor 244 Anm. 2, und Windisch, 2Kor 176 Anm. 1, verweisen auf diesen Text als Beispiel für die Verbindung von οἶδα und φόβος. 380 Z. B. P.Oxy. XIV 1668,19–20 (3. Jh. n. Chr.); siehe zu diesem Beispiel ausführlich F. Winter und P. Arzt-Grabner in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 117 (weitere Belege in Anm. 278); vgl. ferner O.Claud. IV 851,12–13 (spätes 2. Jh. n. Chr.). 381 Paulus verwendet dort den Plural φόβοι, der in dokumentarischen Papyri bisher nicht bezeugt ist.
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5,112 οὐ πάλιν ἑαυτοὺς συνιστάνομεν ‹ 3,1 ὑμῖν, ἀλλὰ ἀφορμὴν διδόντες ὑμῖν καυχήματος ‹ 1,14 ὑπὲρ ἡμῶν – Das Substantiv ἀφορμή382 begegnet in den Papyri in den verschiedensten Zusammenhängen; dabei bezeichnet es eine „Gelegenheit“, die in allen möglichen Belangen383 ergriffen oder nicht ergriffen wird bzw. werden soll, häufig aber auch – unter stärkerer Betonung des kausalen Aspekts – den „(Beweg-)Grund“384, der zu einer bestimmten Handlung veranlasst. In einem Beispiel in zeitlicher Nähe zu Paulus ist ἀφορμή wie in der Paulusstelle mit δίδωμι kombiniert: P.Oxy. XLII 3057 (1.–2. Jh. n. Chr.) ist ein privater Brief,385 in dem ein gewisser Ammonios seine Freunde auffordert, in Frieden miteinander zu leben und „nicht anderen Anlässe zu bieten, gegen euch zu sein“ – Z. 19–20: καὶ μὴ διδόναι ἀφορ|μὰς ἑτέροις καθ᾽ ὑμῶν.386
Allerdings sind hier mit den ἀφορμαί (im Unterschied zum Paulustext begegnet der Plural!) Anlässe für eine widrige Verhaltensweise gemeint.387 Ein wohl positives Beispiel begegnet in Verbindung mit dem in diesem Fall synonymen Verb παρέχω: Die Petition P.Harr. I 67 (ca. 150 n. Chr.?) ist aber ab Kol. II 17 nur bruchstückhaft erhalten, so dass der Zusammenhang von ἀ[φ]ορμὴν παρέχοντος in Z. 18 unklar bleibt; der Hg. übersetzt: „and if this encouragement is given“388.
Andererseits finden sich häufiger Beispiele für ἀφορμή in Verbindung mit εὑρίσκω (also „eine Gelegenheit finden“), und zwar in überaus positivem Zusammenhang: Insbesondere wird in privaten Briefen durch die Absenderin oder den Absender betont, eine Gelegenheit gefunden zu haben, den vorliegenden Brief zu schreiben. Fast überschwänglich betont eine gewisse Ammonus gegenüber ihrem Vater – BGU II 615,3–9 (2. Jh. n. Chr.): κομισάμενός (l. κομισαμένη) σου τὸ ἐπιστόλιον | καὶ ἐπιγνοῦσα, ὅτι θεῶν θελόν|των διεσώθης, ἐχάρην πολλά· | καὶ αὐτῆς ὥρας ἀφορμὴν εὑρὼν (l. εὑροῦσα) | ἔγραψά σοι ταῦ{ου}τα τὰ γράμμα|τα σπουδάζουσα προσκυνῆ|σέ σαι („als ich deinen Brief erhielt und erfuhr, dass du entsprechend dem Willen der Götter bewahrt wurdest, freute ich mich sehr; und zur selben Stunde finde ich eine Gelegenheit und schreibe389 dir diesen Brief und beeile mich, 382
Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. Sprachlich werden diese meist mit Infinitiv oder Partizip, εἰς oder πρός zum Ausdruck gebracht. 384 Vgl. das zugrunde liegende Verb ὁρμάω im Sinne von „antreiben, in Bewegung setzen“. 385 Zur Debatte, ob es sich bei diesem Papyrus um einen (sehr frühen) christlichen Brief handelt, siehe S. 71 Anm. 95. 386 Vgl. weiters etwa BGU I 140,17 (119 n. Chr.; innerhalb einer Epistel Hadrians); BGU II 615,6; 632,11 (beide 2. Jh. n. Chr.). 387 Ähnlich P.Oxy. I 34, Verso, Kol. III 13–14 (127 n. Chr.). 388 J. E. Powell in P.Harr. I S. 50. 389 Die Form ἔγραψα ist offensichtlich ein Aorist des Briefstils. 383
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dich zu grüßen“). Anschließend an den Brief der Ammonus folgt – in derselben Hand – ein Brief des Keler an seinen Bruder Antonius. Es sind also wohl beide auf demselben Papyrus erhaltenen Briefe an ein und dieselbe Person gerichtet, an Antonius, den Vater der Ammonus und Bruder des Keler. Nach dem Schlussgruß folgt im Brief des Keler noch ein Nachtrag mit den Worten – Z. 36–37: αὐτῆς ὥρα κ[ο]μισάμενός σου τὸ ἐπι`σ´|τόλειον ἀντέγραψα ἀφορ[μὴ]ν εὑρών („in derselben Stunde, in der ich deinen Brief erhalte, finde ich eine Gelegenheit und schreibe390 dir zurück“). Ähnliche Formulierungen finden sich in P.Brem. 10,3–4 (113–120 n. Chr.); BGU II 632,11–12; P.Hamb. I 37,3 (beide 2. Jh. n. Chr.). Um die Aufforderung, die Gelegenheit, den fälligen Pachtzins zu begleichen, zu nützen geht es in BGU III 923,22–23 (1.–2. Jh. n. Chr.).
In derartigen Beispielen begegnet gleichsam das Pendant zur paulinischen Ausdrucksweise. Paulus schreibt, dass er den Gemeindemitgliedern eine Gelegenheit für ein bestimmtes Verhalten gibt; sie selbst finden/bekommen damit diese Gelegenheit und können sie nützen oder nicht. Vor dem Hintergrund der Papyrusbelege spricht schon die Formulierung an sich dafür, dass es sich um eine Gelegenheit für positives Verhalten handelt. ἵνα ἔχητε πρὸς τοὺς ἐν προσώπῳ ‹ 1,11 καυχωμένους καὶ μὴ ἐν καρδίᾳ ‹ 1,22 – Das Verb καυχάομαι („sich rühmen“) ist in den dokumentarischen Papyri
bisher nur in einem privaten Brief bezeugt; allerdings begegnet es auch dort – gut vergleichbar mit Paulus – mit der negativen Konnotation „prahlen“ (P.Oxy. VIII 1160,7–11 [3.–4. Jh. n. Chr.]),391 während es in literarischen Belegen negativ oder positiv besetzt sein kann.392 F. Winter hat deshalb darauf hingewiesen, dass Paulus hier – wie bereits mehrfach vermutet – offensichtlich ein Wort der Umgangssprache verwendet.393 Dass es dort nicht häufiger vorkommt, mag direkt mit der negativen Konnotation zusammenhängen; bezeichnenderweise wehrt sich der Absender des genannten Papyrusbriefes gegen den Vorwurf der Prahlerei und betont, dass er nicht prahle. 5,113 εἴτε γὰρ ἐξέστημεν, θεῷ – Zum Verb ἐξίστημι bzw. ἐξίσταμαι394 existieren zwar verhältnismäßig viele papyrologische Belege aus dem 1. Jh. n. Chr., generell wird damit aber zumeist (aktiv und transitiv) ein „Wegschicken“ von Personen395 bzw. (mediopassiv mit Genetiv), speziell in Zusammenhang mit
390 391 392
Wohl ebenfalls Aorist des Briefstils. Siehe dazu ausführlich F. Winter in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 109. Vgl. F. Winter in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 109 (mit Literaturhinwei-
sen). 393 Vgl. F. Winter in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 109 (mit kurzem Forschungsüberblick). 394 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 395 Vor allem bei Vertragsabschlüssen in der formelhaften Wendung ἐκστήσω/-στήσομεν αὐτόν („ich werde/wir werden ihn [nämlich denjenigen, der eine gerichtliche Verfolgung des Vertragspartners anstrebt] entfernen [oder unschädlich machen]“) – z. B. O.Deiss. 58,6 (155 oder 144
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der sog. cessio bonorum (griech. ἔκστασις τῶν ὑπαρχόντων), das „Verzichten“ auf irgendwelche Besitzansprüche396 bezeichnet. Die hier von Paulus für das intransitive Medium verwendete Bedeutung „außer sich geraten, verrückt werden/sein“ ist insgesamt selten397 und papyrologisch bisher gar nicht bezeugt. εἴτε σωφρονοῦμεν, ὑμῖν – Die gesamte Wortfamilie zu σωφρον-398 ist in den
dokumentarischen Papyri spärlich399 und erst ab dem 3. Jh. n. Chr. bezeugt.
Als ältester Beleg für die Wortfamilie findet sich im Edikt des Severus Alexander SB XIV 11648 (24. Juni 222 n. Chr.) zweimal das Substantiv σωφροσύνη („Besonnenheit, Mäßigung, Vernunft“; vgl. Kol. II 14.21), das dort als ein Kriterium seiner kaiserlichen Politik genannt wird.
Das von Paulus hier verwendete Verb σωφρονέω begegnet papyrologisch erst ab dem 4. Jh. n. Chr.: PSI I 41 (4. Jh. n. Chr.) ist die Klage der Aurelia Heraïs gegen ihren Ehemann wegen schlechter Behandlung. Der nur fragmentarisch erhaltene Text lässt erkennen, dass die Klägerin erst zehn Jahre nach Einsetzen der geschilderten Verhaltensweise des Mannes bei den Behörden vorstellig geworden ist, weil sie offenbar gehofft und gebetet hatte (Z. 4), er würde in Zukunft (wieder) vernünftig sein und sie gut behandeln (Z. 7: [ - - - ]αι πρὸς ἐμὲ καὶ σωφρονῖν διά̣ [π]αντὸς καὶ πράττειν [ - - - ]; vgl. auch Z. 23). Um einen vergleichbaren Fall geht es auch in P.Lips. I 39 (23. Dezember 390 n. Chr.; vgl. dort Z. 6–7: [τ]οῦ λοιποῦ | σω[φρο]νεῖν).
Offenbar waren die Begriffe dieser Wortfamilie in der Alltagssprache der römischen Zeit nicht sehr verbreitet. 5,114 ἡ γὰρ ἀγάπη ‹ 2,4 τοῦ Χριστοῦ ‹ 1,1 συνέχει ἡμᾶς – Bei der Betrachtung der papyrologischen Belege zu συνέχω400 sind gerade jene von Relevanz, in denen Menschen von der damit beschriebenen Aktion betroffen sind. Von anderen oder auch von diversen Umständen (wörtlich) „zusammen-gehalten“ zu werden, hat dabei meist etwas Einengendes oder Beschwerliches an sich: in erster Linie bezeichnet συνέχω das „Festhalten“ im Sinne von „Gefangenhalten“ einer Person,401 insbesondere in Zusammenhang mit der sog. Schuldnerv. Chr.); CPR XV 1,15 (3 v. Chr.); BGU XVI 2589,9 (28 v. Chr.); XIX 2801, Verso 21 (Mitte 1. Jh. n. Chr.). 396 Vgl. P.Tor.Choach. 12, Kol. IV 10 (117 v. Chr.); P.Mich. V 232,20 (36 n. Chr.); 350,7 (37 n. Chr.). 397 Vgl. Moulton/Milligan, Vocabulary s. v. ἐξίστημι, ἐξιστάω, ἐξιστάνω. 398 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 399 Vgl. dazu Preisigke, Wörterbuch s. v. σωφρονέω, σωφρονισμός, σωφρονιστήριον, σωφροσύνη. Chrest.Wilck. 20, Kol. IV 11 (σωφρονίζειν – „zur Besonnenheit bringen“; vgl. Preisigke, Wörterbuch s. v. σωφρονίζω) gehört zu den alexandrinischen Märtyrerakten und somit nicht zu den dokumentarischen Papyri. 400 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 401 Z. B. SB XXIV 16091,4 (2. Hälfte 3. Jh. v. Chr.); P.Diosk. 5,15 (17. Januar 146 v. Chr.?);
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Einzelheiten: 2Kor 5,13–14
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haft.402 Auch, wenn jemand in übertragener Weise von den jeweiligen Verhältnissen „gefangen gehalten“ bzw. „eingenommen“ wird, geschieht dies in negativer Weise: So rechtfertigt ein alter Webermeister in P.Oslo III 124 (spätes 1. Jh. n. Chr.) sein Ansuchen um Befreiung von der Webersteuer damit, dass er sein Handwerk nicht mehr ausüben kann, weil er bereits schwach sieht und „vom Alter vereinnahmt ̣ ̣ τὸ ἀσθενῆ με εἶν̣ α̣ ι | τ̣ῇ̣ ὁράσει καὶ ὑπὸ | γ̣ήρους̣ wird“ – Z. 11–14: [δ]ιὰ σ̣ υ̣ ν̣ ε̣χόμεν̣ [ον] | εἶν̣ αι. Aus nachpaulinischer Zeit sind einige Stellen in Zauberpapyri erwähnenswert, die eine vergleichbare Verwendungsweise belegen: Nach P.Lond. I 121 (S. 83),205 (3. Jh. n. Chr.) soll gegen Husten der Spruch helfen: [ἀπά]λλαξον δεῖνα ἀπὸ τῆς συνεχούσης αὐτὸν βηκός („befreie den Betreffenden von dem Husten, der ihn festhält“). Nach P.Lond. I 46 (S. 64),125–126 (4. Jh. n. Chr.?) hilft die gleiche Formel bei Besessenheit: ἀπάλλαξον τὸν δεῖνα | ἀπὸ τοῦ συνέχοντος αὐτὸν δαίμονος („befreie den Betreffenden von dem Dämon, der ihn festhält“, also „von dem er besessen ist“; ebenso Z. 130–131).
Dabei ist wesentlich, dass eine bestimmte, auf den Menschen einwirkende Kraft, sei sie nun negativ oder positiv (wie die ἀγάπη Christi hier bei Paulus)403, die Betroffenen voll und ganz „vereinnahmt“ und zu bestimmten Konsequenzen, Einstellungen oder Handlungsweisen „anhält“, „drängt“ oder gar „zwingt“. Dies wird auch in P.Lips. I 105 (1./2. Jh. n. Chr.) deutlich, wo ein Gutsverwalter wohl seinem Herrn mitteilt, er werde ihm den bereits für den Vortag gewünschten Episkepsis-Bericht, für dessen Fertigstellung ihm noch wichtige Unterlagen des Dorfschreibers gefehlt hatten, in einer Stunde schicken; „denn ich habe“, fährt er fort, „zwei Nächte lang mich selbst und zwei andere angehalten und mit Mühe die (Rechnung) des bewässerten (Landes) fertig gestellt“ – Z. 7–12: δύο | γὰρ νύκτας συσχ[ὼν] | ἐμ[α]υτὸν καὶ ἄλλους | δύο μόγις τὸν τῆς | βεβρεγμένης ἀπήρ|τισα.
Auch das Moment der Verpflichtung und Verbindlichkeit, das Ausflüchte und Ausreden nicht gelten lässt, wird in diesem Beleg deutlich. In Zauberpapyri wird mehrmals eine Gottheit als jene Macht angerufen, die das All zusammenhält: In P.Lond. I 121 (S. 83),529–530 (3. Jh. n. Chr.) wird Helios als ὁ τὰ ὅλα συνέχων καὶ ζῳογονῶν | καὶ συνκρατῶν τὸν κόσμον angerufen („der das All zusammenhält und Lebewesen zeugt und den Kosmos beherrscht“); ähnlich in Pap.Graec.Mag. I 4,1282 (frühes 4. Jh. n. Chr.) das Bärengestirn; vgl. auch SB I 4947,7–8 (Bleitafel, 3. Jh. n. Chr.). P.Polit.Jud. 2,4–5 (ca. 135 v. Chr.); P.NYU II 18,7 (19. Februar 6 n. Chr.); siehe auch Preisigke, Wörterbuch s. v. συνέχω 3). Näheres dazu auch unten bei 6,5 (φυλακή bzw. φυλακαί), S. 346. 402 Als Beispiel für diesen Gebrauch vgl. etwa SB XX 14375,24 (12 v. Chr.). 403 Bei LSJ s. v. συνέχω finden sich zahlreiche Beispiele aus der Literatur, in denen ein positiver Zusammenhang gegeben ist.
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Die Liebe Christi, von der Paulus spricht, hält ihn also fest und „nimmt ihn in Beschlag“; so wird sie zur handlungsbestimmenden Macht.404 Zu diesem FestHalten gehört auch der positive Aspekt des „Zusammen-Haltens“, des „HaltGebens“, der später in den Zauberpapyri deutlich wird. κρίναντας ‹ 2,1 τοῦτο, ὅτι εἷς ὑπὲρ πάντων ἀπέθανεν, ἄρα οἱ πάντες ἀπέθανον – Der Gedanke der Stellvertretung (εἷς ὑπὲρ πάντων ἀπέθανεν) ist
auch in den dokumentarischen Papyri gut bezeugt.405 Bereits A.Th. Robertson hat deutlich gemacht, dass die überaus häufig vorkommende Bestätigung am Ende von Dokumenten, dass jemand anderer für den eigentlichen Geschäftspartner oder auch einen Zeugen geschrieben hat, weil dieser der Buchstaben nicht kundig ist (ὁ δεῖνος ἔγραψεν ὑπὲρ αὐτοῦ διὰ τὸ μὴ εἰδέναι αὐτὸν γράμματα o. ä.), eine Stellvertretung zum Ausdruck bringt. Die Präposition ὑπέρ drücke in solchen Fällen nicht nur aus, dass ein anderer „für“ jemanden geschrieben hat, sondern auch, dass dieser „an dessen Stelle“ tätig war.406 Die Verbindung ὑπὲρ πάντων ist in dem Paulus entsprechenden Sinn („ein einzelner vollbringt etwas für alle“) bisher nicht bezeugt. In UPZ I 110,116 (21. September 164 n. Chr.) heißt es: ἐπεὶ δεῖ πάντα [ὑ]πὲρ πάντων στοιχειωδῶ|ς [ὑ]μῖν ὑπογράφειν („man muss alles für alles [gemeint ist: alles und jedes] ganz elementar euch vorschreiben“). In anderen Belegen wird ὑπέρ im Sinne von „in Bezug auf“ oder „wegen“ verwendet.407
Das Verb ἀποθνῄσκω ist in den dokumentarischen Papyri und Ostraka reich belegt und wird im Zusammenhang mit dem irdischen Tod verwendet („sterben, umkommen“).408 Der Ausdruck, für jemand anderen zu sterben, begegnet nur einmal und erst in einem Papyrus aus byzantinischer Zeit: In einem Prozess wird gegen den Soldaten Flavius Menas der Verdacht erhoben, zwei Menschen ermordet zu haben; bei einem der beiden Mordopfer handelt es sich um den Priester Victor, dessen Bruder als Kläger im Protokoll u. a. mit den Worten zitiert wird – Ch. L. A. XLVII 1437,12 (1. Hälfte 6. Jh. n. Chr.): ε̣ἰ μὴ ἀποδείξω 404
Vgl. Klauck, 2Kor 53. Zum rechtlichen Hintergrund siehe grundsätzlich Wenger, Stellvertretung (bes. 186–267). 406 Vgl. Robertson, Use, mit einigen Beispielen. Ausgewählte Beispiele in zeitlicher Nähe zu Paulus sind etwa P.Athen. 25,21–22 mit BL III 218 (21. April 61 n. Chr.): ἔγραψεν ὑπὲρ αὐτοῦ Κόραξ | Ἀπολῶν(ίου) διὰ τὸ μὴ εἰδέναι αὐτὸν γράμ̣ μ̣ (ατα) („Korax, Sohn des Apollonios, hat für ihn/an seiner Stelle geschrieben …“, und in Z. 23–24 mit BL VI 171: ἔγρ(αψεν) ὑπὲρ αὐτοῦ | Πτολ(εμαῖος) Πτολ(εμαίου) μὴ εἰδό̣ τ(ος) γράμμα(τα) („ich, Ptolemaios, Sohn des Ptolemaios, habe …“); P.Oxy. II 264,17–19 (8. August 54 n. Chr.): Ἡρα|κλείδης Δ[ιον]υσίου ἔγραψα ὑπὲρ αὐτοῦ μὴ | εἰδότος γράμματα („ich, Herakleides, Sohn des Dionysios, habe für ihn geschrieben, …“). 407 Siehe P.Heid. IX 433,9 (161–155 v. Chr.); P.Oxy. XIX 2234,7 (12. Mai 31 n. Chr.); P.Köln III 148,7–9 (117–153 n. Chr.). 408 Zahlreiche (auch zeitgenössische) Beispiele bei Preisigke, Wörterbuch s. v. ἀποθνῄσκω; Kiessling, Wörterbuch s. v. ἀποθνῄσκω; Kiessling, Wörterbuch Supplement 1 s. v. ἀποθνῄσκω; Rupprecht/Jördens, Wörterbuch Supplement 2 und 3 s. v. ἀποθνῄσκω; in zeitlicher Nähe zu Paulus z. B. ferner BGU XVI 2618,16 (10. Mai 7 v. Chr.); SB XXII 15708,25 (ca. 100 n. Chr.). 405
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Einzelheiten: 2Kor 5,14–17
αὐτὸν φονεύ̣ σοντα τὸν ἐμ̣ [ὸ]ν ἀδελφὸν ἀποθνῄσκω ὑπὲρ τούτ̣ο̣ υ („wenn ich nicht
beweisen werde, dass er meinen Bruder ermordet hat, sterbe ich für diesen“).
5,115 καὶ ὑπὲρ πάντων ἀπέθανεν
‹ 5,14
, ἵνα οἱ ζῶντες
‹ 1,8
μηκέτι ἑαυτοῖς ἀλλὰ τῷ ὑπὲρ αὐτῶν ἀποθανόντι καὶ ἐγερθέντι ‹ 1,9 – Während bei ζῶντες noch in erster Linie an irdisches Leben im Allgemeinen gedacht werden kann,409 geht es bei μηκέτι ἑαυτοῖς ζῶσιν κτλ. um die konζῶσιν
‹ 1,8
‹ 5,14
krete Lebensweise. Dafür finden sich auch in den Papyri einige wenige Beispiele mit dem Verb ζάω, in denen es um ein ruhiges, unbeschwertes oder von Menschenfreundlichkeit geprägtes Leben geht.410 Dass jemand „für sich lebt“, findet sich papyrologisch erst in relativ großem zeitlichem Abstand von Paulus bezeugt: in mehreren Dokumenten aus dem Archiv des Aurelius Ammon ist von Sklaven die Rede, die es nicht mehr länger ertrugen, bei Fremden zu sein, und deshalb aus dem Haus dieser Leute verschwanden und „für sich lebten“ (καθ᾽ ἑαυτοὺς ἔζησαν, vgl. P.Ammon II 32,7; 39, d 2; 41,31–32; 45,11 [alle 9.–13. Dezember 348 n. Chr.]).
5,116 ὥστε ἡμεῖς ἀπὸ τοῦ νῦν οὐδένα οἴδαμεν κατὰ σάρκα ‹ 1,17· εἰ καὶ ἐγνώκαμεν ‹ 2,4 κατὰ σάρκα Χριστόν ‹ 1,1, ἀλλὰ νῦν οὐκέτι γινώσκομεν – Der Ausdruck ἀπὸ τοῦ νῦν ist in dokumentarischen Papyri sehr häufig bezeugt, insbesondere in Vertragsklauseln, wo festgelegt wird, was „ab jetzt, ab sofort“ (häufig mit dem Zusatz ἐπὶ τὸν ἅπαντα χρόνον – „für alle Zeit“)411 gelten soll. Paulus bringt also damit in seine Aussage eine Gewissheit und betonte Verbindlichkeit hinein. 5,117 ὥστε εἴ τις ἐν Χριστῷ ‹ 1,1, καινὴ ‹ 3,6 κτίσις – Das Wort κτίσις412 („Gründung, Schöpfung“) ist papyrologisch erst ab dem 8. Jh. n. Chr. belegt.413 409
Beachte dazu den im Kommentar zu 2Kor 1,8 gebotenen papyrologischen Befund. Siehe die bei Kiessling, Wörterbuch s. v. ζάω, unter „Weitere Belege in bezug auf a) Lebenseinstellung, Lebensführung u. ä.“ erwähnten Beispiele P.Bad. IV 51,2–3 (Anfang 2. Jh. v. Chr.); UPZ I 144,48 (1. Hälfte 2. Jh. v. Chr.); P.Lond. VI 1912,102 (10. November 41 n. Chr.); P.Oxy. XVII 2131,10 (25. März 207 n. Chr.). 411 Siehe dazu Deissmann, Neue Bibelstudien 80–81. Mit dem Zusatz – in zeitlicher Nähe zu Paulus – z. B. P.Hamb. III 218,16 (29–30 n. Chr.); P.Bingen 60,17 (29. Mai 46 n. Chr.); P.Tebt. II 383,8–9 (11. Juli 46 n. Chr.); CPR I 4,9.17 (nach 7. August 52 n. Chr.); P.Mich. V 335,1 (und im Duplikat PSI VIII 911,1–2; beide ca. 56 n. Chr.); P.Lond. II 140 (S. 180),6 (69–79 n. Chr.); beachte auch im Heiratsvertrag P.Oxy. II 265 (81–96 n. Chr.) in Z. 41: ἀπὸ τοῦ νῦν ἐπὶ τὸν τῆς ζω[ῆς αὐτοῦ χρόνον] („von jetzt an, solange er lebt“; wörtlich „… bis zur Zeit seines Lebens“; siehe dazu Rowlandson, Landowners 161–166). – Ohne den Zusatz ἐπὶ τὸν ἅπαντα χρόνον z. B. BGU IV 1100,14.17 (30 v. Chr. – 14 n. Chr.); P.Mich. II 121, Rekto, Kol. II ii 7 und Kol. III i 1 sowie vii 2 und xii 2 (30. April – 28. Mai 42 n. Chr.); V 321,18 (1. Dezember 42 n. Chr.); 322 a,17.22.29.38.42 (1. November 46 n. Chr.); 326,18.34.45 (6. April 48 n. Chr.); P.Oxy. XLIX 3487,21 (1. Oktober 65 n. Chr.); II 239,11 (19. September 66 n. Chr.). 412 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 413 Lediglich die Erwähnungen in den Zauberpapyri sind etwas früher, d. h. auf das 4.–5. Jh. 410
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
τὰ ἀρχαῖα παρῆλθεν – Bei ἀρχαῖος414 handelt es sich um ein in den Papyri häufig gebrauchtes Wort, das – anders als sein Synonym παλαιός415 – eher sel-
ten etwas „alt Gewordenes“416 bezeichnet, sondern vor allem bedeutet, dass etwas „vergangen ist“, „von früher her stammt“ oder „früher einmal bestanden hat“. Häufig wird es in Verbindung mit Ämterbezeichnungen oder Begriffen aus dem Geldwesen verwendet417; die Bezeichnung von Städten, insbesondere von Hermupolis Magna, als ἀρχαία418 oder den Vorfahren als den ἀρχαῖοι419 zeigt, dass in dem Fall dem „Alt“-Sein die Vorstellung von etwas „Ehrwürdigem“ anhaftet. Zu Letzterem passt gewissermaßen auch ein Beleg aus dem 3. Jh. n. Chr., in dem von einer „alten Gewohnheit“ die Rede ist: Und zwar begegnet der Ausruck κατὰ τὴν ἀρχαίαν καὶ μέχρι τοῦ νῦν συνήθειαν („gemäß der alten und bis jetzt bestehenden Gewohnheit“) in CPR I 176,18 (257 n. Chr.) in Zusammenhang mit der ordnungsgemäßen Durchführung eines Hausverkaufs.
Ein substantiviertes Neutrum, das ähnlich wie bei Paulus das „Frühere“ bezeichnet, liegt in drei gleich lautenden Belegen vor: In SB I 5233,16–17 (ca. 14 n. Chr.), XVIII 13306,2–3 (154 n. Chr.) sowie BGU XI 2060,14 (180 n. Chr.) geht es darum, etwas „in den alten/früheren Zustand zurückzubringen“ (εἰς τὸ ἀρχαῖον ἀποκαταστῆσαι), sei es die Eigentumsverhältnisse an einem Stück Land (wie in den ersten beiden Belegen) oder die Bebauung von Feldern.
n. Chr., zu datieren, wie etwa Pap.Graec.Mag. II 9,5, wo κτίσις die „Schöpfung“ im Sinne der „Welt“ in ihrer Gesamtheit bezeichnet. 414 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 415 Dies kann positiv gemeint sein (z. B. beim Wein) oder negativ (im Sinne von „unbrauchbar“); vgl. dazu R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 210–211, sowie oben im Kommentar zu 2Kor 3,14. 416 Falls die Abkürzung ἀρχ in O.Berenike II 131,8 (ca. 50–75 n. Chr.) für ἀρχ(αία) steht, wird dort ein alter Gegenstand erwähnt, der zur Ausrüstung eines Schiffes gehörte. Die Bezeichnung des Gegenstandes selbst ist in der Lücke des Papyrus verloren, im unmittelbaren Kontext geht es um Bündel (δεσμαί) von Schiffstauen aus Papyrus. 417 Zahlreiche Belege bei Kiessling, Wörterbuch s. v. ἀρχαῖος 1) und 2); ferner z. B. O.Heid. 190,1 (4. Juli 114 n. Chr.). 418 Hierzu zahlreiche Belege aus dem 2.–3. Jh. n. Chr., darunter etwa BGU XIX 2833,1 (28. September – 27. Oktober 249 n. Chr.) und Stud.Pal. V 82,1–2 (267–268 n. Chr.); neben ἀρχαία sind der Stadt üblicherweise noch zwei weitere Epitheta beigegeben (λαμπρά καὶ σεμνοτάτη – „prächtig und überaus ehrwürdig“). In P.Bour. 26,10–11 (3. Jh. n. Chr.) wird die Stadt Memphis als ἀρχαιοτάτη bezeichnet, in P.Oxy. LXIV 4441, Kol. III 7 (316 n. Chr.) Oxyrhynchos, wobei nicht klar ist, ob es sich in dem Fall wirklich um ein Epitheton ornans handelt (vgl. dazu R.A. Coles in P.Oxy. LXIV S. 189). 419 Innerhalb der Papyri speziell bei Datumsangaben, die nach dem ägyptischen Wandeljahr berechnet wurden und daher mit dem Zusatz κατ᾽ ἀρχαίους („nach den Alten“) versehen sind (vgl. z. B. SB I 3462,6 [154 n. Chr.]; [κατὰ δ]ὲ τοὺς ἀρχαίου[ς Α]ἰγυπτίους in SB XXII 15235,3 [141 n. Chr.]). – Näheres dazu bei U. Wilcken in O.Wilck. I S. 792–793.
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Einzelheiten: 2Kor 5,17–18
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Möglicherweise spielt also nicht nur der temporale Aspekt eine Rolle, dass Paulus gerade an dieser Stelle dem Adjektiv ἀρχαῖος420 (gegenüber dem alternativen παλαιός) den Vorzug gibt, sondern auch, dass „das Alte“ (τὰ ἀρχαῖα) in dem Fall keiner Abwertung unterliegt und durch nichts ersetzt werden soll. Es ist einfach vergangen.421 Dies wird hier durch das Verb παρέρχομαι422 verdeutlicht, das in den Papyri des maßgeblichen Zeitrahmens häufig zusammen mit Begriffen, die eine Zeitspanne bezeichnen, verwendet wird und dann wie bei Paulus in der Bedeutung „vorbei-, vorübergehen“ anzutreffen ist.423 Zum einen ist also allgemein von der „Zeit“ (χρόνος), die vergeht, die Rede, zum anderen von konkreteren Abschnitten wie Jahren, Monaten, Tagen oder Nächten: So beklagt sich z. B. in P.Enteux. 46 (221 v. Chr.) ein Mann namens Ammonias beim König, ein im Dorf ansässiger Katöke schulde ihm eine beträchtliche Menge Gerste; selbst, „nachdem (einige) Zeit verstrichen ist“ (Z. 3–4: παρελη|λυθότος τοῦ χρόν[ο]υ), so seine Worte, und er ihn mehrmalig an sein Versprechen erinnert habe, sei er nach wie vor leer ausgegangen. In einem Brief an seine Mutter hingegen (P.Mich. III 203 [114–116 n. Chr.]) stellt ein junger Soldat in Aussicht, er werde „wenn wieder zwei Monate verstreichen“ (Z. 13: ἐὰν παρέλθῃ ἄλλη{ν} δίμηνος) und er nicht nach Hause komme, aufgrund einer geplanten Expedition wohl länger nicht zurückkehren.424
ἰδοὺ γέγονεν καινά ‹ 3,6 – Mit ἰδού („siehe!“ oder „seht!“) soll eine grundsäzt-
liche Aufmerksamkeit geweckt werden. Die Interjektion begegnet in den Papyri – gut vergleichbar mit Paulus – vor allem in Briefen persönlichen Charakters und bringt innerhalb eines gerade aktuellen, größeren Textzusammenhangs oder zum unmittelbar davor Gesagten einen neuen Aspekt in die Argumentation ein.425 5,118 τὰ δὲ πάντα ἐκ τοῦ θεοῦ τοῦ καταλλάξαντος – Wie A. Papathomas im Zusammenhang mit 1Kor 7,11 dargelegt hat, wird das Verb καταλλάσσω in den dokumentarischen Papyri fast durchwegs „mit Bezug auf die Versöhnung
420
Was die paulinischen Briefe betrifft, übrigens ein Hapaxlegomenon! Im Gegensatz dazu der „alte Mensch“ (ἄνθρωπος – Röm 6,6; Eph 4,22; Kol 3,9), der „alte Sauerteig“ (ζύμη – 1Kor 5,7.8) oder der „alte Bund“ (διαθήκη – 2Kor 3,14). 422 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 423 Für παρέρχομαι mit Personen oder anderen Abstrakta als Subjekt bzw. in anderen Bedeutungen siehe Preisigke, Wörterbuch s. v. παρέρχομαι 1) und 3); von einem „Fest“, das vorbei ist, ist z. B. in P.Hamb. IV 257,5–6 (3. Jh. n. Chr.) die Rede. Das Verbs an sich wird innerhalb der Papyri schwerpunktmäßig in der byzantinischen Zeit gebraucht. 424 Um einen abgelaufenen Termin (προθεσμία) geht es u. a. in P.Sarap. 90,11–12 (108 n. Chr.). Substantiviert und somit verselbstständigt findet man das Perfektpartizip (τὸ παρεληλυθός [„das Vergangene/die Vergangenheit“]) in SB V 7558,37 (173 n. Chr.). 425 Vgl. R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 500–501 (mit Beispielen). 421
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
zwischen Mann und Frau verwendet“426. Offensichtlich aus seinem jüdischen Hintergrund hat Paulus den Gedanken übernommen, dass Gott sein Volk mit sich versöhnt,427 und nicht nur – wie an der vorliegenden Stelle – auf die Gemeinde übertragen, sondern nach V. 19 den ganzen Kosmos. In V. 20 legt Paulus die dieser Versöhnung entsprechende Antwort von seiten der Gemeinde nahe: „Lasst euch mit Gott versöhnen!“ Vom papyrologischen Befund her ist festzuhalten, dass eine Versöhnung in erster Linie unter Menschen thematisiert wird, die in einer ganz persönlichen, ja intimen Beziehung miteinander verbunden sind.428 Somit kann auch von jenen Adressatinnen und Adressaten des Paulus, die nicht jüdischer Herkunft waren, angenommen werden, dass sie vor einem hellenistischen Hintergrund in der Ausdrucksweise des Paulus diesen intensiven Beziehungsaspekt von καταλλάσσω herauslesen und auf das Verhältnis Gottes zu ihnen hin deuten konnten. ἡμᾶς ἑαυτῷ διὰ Χριστοῦ ‹ 1,1 καὶ δόντος ἡμῖν τὴν διακονίαν ‹ S. 259 τῆς καταλλαγῆς – Der Begriff καταλλαγή429 wird in den Papyri des Vergleichs-
zeitrahmens stets in finanzrechtlichen Belangen verwendet, und zwar in der Bedeutung „Wechselgebühr“ oder „Aufschlag“;430 die paulinische Bedeutung „Versöhnung“ ist hier bisher nicht belegt. 5,119 ὡς ὅτι θεὸς ἦν ἐν Χριστῷ ‹ 1,1 κόσμον ‹ 1,12 καταλλάσσων ‹ 5,18 ἑαυτῷ, μὴ λογιζόμενος αὐτοῖς τὰ παραπτώματα αὐτῶν καὶ θέμενος ἐν ἡμῖν τὸν λόγον ‹ 1,18 τῆς καταλλαγῆς ‹ 5,18 – Das Verb λογίζομαι wird hier in seiner
häufigsten Bedeutung „anrechnen, in Rechnung stellen“ verwendet, wobei in den Papyri meist von Grundstücken, Geld oder Getreide die Rede ist.431 Von einem παράπτωμα432 („Fehltritt“) ist bisher nur in einem einzigen nichtchristlichen dokumentarischen Papyrus die Rede: In C.Ord.Ptol. 53 (nach 28. April 118 v. Chr.) geht es innerhalb königlicher Anordnungen u. a. um die Festlegung eines einheitlichen Maßes zur Einhebung der Naturalsteuern, wobei Abweichungen (Z. 91: τὰ παραπτώματα) von bis zwei Einheiten zugelassen sind.
426 Papathomas, Begriffe 123 (siehe insgesamt S. 121–123 mit zahlreichen Belegen); Beispiele aus den Papyri bietet ferner Porter, καταλλάσσω 65–74 (die verwendeten Bedeutungskategorien werden S. 16–17 erklärt). Vgl. auch Schmeller, 2Kor 328–329. 427 Vgl. Merkel, καταλάσσω (mit Belegen der griechischen und jüdischen Literatur Sp. 645– 646). 428 Von 1Kor 7,11 her ist klar, dass auch Paulus mit diesem Zusammenhang bestens vertraut war. 429 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 430 Vgl. dazu Preisigke, Wörterbuch s. v. ἀλλαγή und καταλλαγή. 431 Belege bei Preisigke, Wörterbuch s. v. λογίζομαι 1). Siehe auch oben S. 279–280. 432 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet.
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Einzelheiten: 2Kor 5,18–20
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Papyrologische Beispiele für eine „Verfehlung“ im moralischen Sinn sind bereits christlich geprägt (z. B. P.Lond. VI 1917,14 [ca. 330–340 n. Chr.]). 5,220 ὑπὲρ Χριστοῦ ‹ 1,1 οὖν πρεσβεύομεν ὡς τοῦ θεοῦ παρακαλοῦντος ‹ 2,8 δι᾽ ἡμῶν – Das Verb πρεσβεύω433, wörtlich ein Ausdruck für das „Altsein“434, wird hier in der Bedeutung „Bote sein, eine Botschaft überbringen“ gebraucht435; in ebendieser Bedeutung begegnet das Verb auch in den Papyri: So schreibt z. B. ein gewisser Pyron bezüglich größerer Mengen Getreides an Zenon – PSI VI 571,6–7 (252–251 v. Chr.): Μηνόδωρος ὁ ἀδελφὸς | πρεσβεύσας ἀνηγγε⟦λ⟧λε⟦ι⟧̣ ν (l. ἀνήγγειλεν) ἡμῖν ἀφεικέναι σε ἡμᾶς („der Bruder Menodoros kam als Bote zu uns mit der Nachricht, du habest es [nämlich das Getreide] zu uns geschickt“).
Meist begegnet diese Bedeutung in politischem Zusammenhang, d. h. jemand erhält den Auftrag, sich zu einem politischen Funktionsträger zu begeben, um dort als „Botschafter“ oder „Abgesandter“436 in einer wichtigen Angelegenheit vorzusprechen. So wird das πρεσβεύειν zumindest kurzfristig zum Beruf: Am Schluss des Briefes Kaiser Neros „an eine Polis und die 6475“437 findet sich etwa die Bemerkung – SB XII 11012, Kol. II 9–10 (55 n. Chr.): οἱ πρεσ|βεύοντες [ἦσαν] κτλ. („die Gesandten waren … “; es folgen die Namen der Personen); damit bezieht sich der Kaiser auf eine griechische Gesandtschaft, die ihm Ehrenbezeugungen zum Amtsantritt zukommen lassen wollte.438 Bereits aus dem 3. Jh. n. Chr. stammen SB XVIII 13774–13776 (241–242 n. Chr.); auch in diesen drei Briefen Gordians III an die Bürger von Antinoopolis bezieht sich der Kaiser auf eine Gesandtschaft, von der es jeweils heißt: ἐπρέσβευον οἱ ἐνγεγραμμένοι τῷ ψηφίσματι („die im Ratsbeschluss Erwähnten waren Gesandte“439 – vgl. Z. 10–11 bzw. 15–16440 sowie 11– 12).441 433
Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. Vgl. in analoger Bedeutung πρεσβύτης in Phlm 9 (mit dem papyrologischen Befund dazu Arzt-Grabner, Philemon 76–77). 435 Der griechischen bzw. antiken Auffassung zufolge waren die „Alten“ besonders weise (vgl. etwa die Angehörigen des Rates, πρεσβύτεροι). 436 Vgl. auch πρεσβευτής (lat. legatus) – Preisigke, Wörterbuch III, Abschnitt 8, s. v. πρεσβεύτης; Deissmann, Licht 320. Zu πρέσβυς/πρεσβεύς/πρεσβευτής/legatus siehe auch Schmeller, 2Kor 334. 437 Näheres zu den 6475 S. 240 Anm. 275. 438 Zur Tradition solcher Gesandtschaften zum Kaiser siehe Montevecchi, Nerone 9–10. Ähnlich P.Lond. III 1178 (S. 214),14 (200–212 n. Chr.), in dem innerhalb einer Urkunde zitierten Brief des Claudius an eine Athletensynode. 439 Zur Übersetzung vgl. Hoogendijk/van Minnen, Kaiserbriefe 44. 440 In den ersten beiden Belegen ist außerdem von einem gewissen Didymos die Rede, der die Gesandtschaft begleitete. – Die Anliegen der Gesandtschaften betrafen in SB XVIII 13774 die sog. apellatio („Berufungsverfahren“), in 13775 die Zollfreiheit für bestimmte Importprodukte und in 13776 die Erweiterung der βουλή. 441 In SB I 4309,9 (3. Jh. v. Chr.) ist der Beginn des Verbs πρεσβευτεύω (nach LSJ s. v. πρεσβευτεύω synonym zu πρεσβεύω) zu lesen. Die Frage, ob er ein Abgesandter werde (εἰ πρεσβεύσω;), stellt ein Neugieriger in Pap.Graec.Mag. II 26,16 (3./4. Jh. n. Chr.) einem Zahlenorakel. 434
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Paulus verwendet also einen Begriff aus der politischen Sprache, um die Aufgabe der von Gott gesandten Apostel zu beschreiben, womit er wohl die Bedeutung der zu verkündenden Botschaft vor Augen führen möchte.442 Adressat dieser Botschaft ist aber anders als in den Papyri die, wenn man so sagen kann, „große Masse“ und nicht eine einzelne, höher stehende Person. Gut vergleichbar ist aber der Aspekt, dass ein Gesandter im offiziellen Auftrag und namens einer ihn autorisierenden Größe spricht. Bei Paulus ist das Christus (ὑπὲρ Χριστοῦ) bzw. Gott (ὡς τοῦ θεοῦ παρακαλοῦντος). δεόμεθα ὑπὲρ Χριστοῦ, καταλλάγητε ‹ 5,18 τῷ θεῷ – In der Bedeutung „bitten“ begegnet δέομαι443 in den dokumentarischen Papyri sehr häufig, und
zwar vorrangig in Petitionen an den Herrscher444 oder einen hohen staatlichen Beamten – wie z. B. den Präfekten oder Strategen, um diesen in einer bestimmten Angelegenheit um Hilfe zu bitten445:
An den procurator des Idios Logos wendet sich ein gewisser Satabus in Chrest.Mitt. 68 (vor 30. Juni 15 n. Chr.); als eine von zwei Streitparteien in einer landvergaberechtlichen Angelegenheit ersucht er darum, seinen Namen in den Amtsakten zu vermerken (Z. 16–17: δέομαι ὑπομνηματισ|[θῆν]αί μου τὸ [ὄνο]μα) und somit zur Kenntnis zu nehmen, dass er seine Ladung zum Konvent wahrgenommen hat.446
Für die (weitaus seltenere) Verwendung in privaten Briefen lässt sich etwa folgendes Beispiel anführen: BGU II 530 (1. Jh. n. Chr.) ist der Brief eines gewissen Hermokrates an seinen Sohn, der gleich in den ersten Zeilen die Aufforderung enthält – Z. 5–7 mit BL I 49: [δέ]ομε (l. δέομαι) σε ε[ . . . . . . . | γράφειν π[ερὶ] τῆς | ὑγίας σου („ich bitte dich, mir … über deine Gesundheit zu schreiben“).
Ob man nun aus diesem Befund den Schluss ziehen kann, dass die Bitte des Paulus an die christliche Gemeinde in Korinth, die Versöhnung mit Gott anzustreben, sozusagen „offiziellen“ Charakter hat, sei dahingestellt. Für die Kombination von δέομαι mit ὑπέρ („für jemanden oder in jemandes Interesse bitten“)447, die eine derartige Nuancierung unterstreichen könnte, gibt es bisher kein papyrologisches Vergleichsmaterial. 442 Dass „die Gesandtenvorstellung auch in die religiöse Sphäre übertragen wurde“, betont Bornkamm, πρέσβυς 681, und führt u. a. Vergleichstexte aus Philo an. 443 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 444 In ptolemäischer Zeit oft an das Herrscherpaar, also König und Königin (z. B. UPZ I 9,1 bzw. 9–10 [161–160 v. Chr.]). 445 Vgl. dazu auch Steen, Clichés 131–132, der zu den dort unter Punkt 2) angeführten Beispielen (Punkt 1]: „Avec infinitif. passim.“) anmerkt: „est un ‚mot grammatical‘ suivi d’un impératif“. 446 Häufig stößt man auch auf die einfache Bitte, die betreffende Enteuxis an den oder die letztlich Zuständige(n) (wie das Gericht) weiterzuschicken (z. B. SB III 6663,26–27 [6–5 v. Chr.?]). 447 Die exakte Wiedergabe des ὑπέρ an dieser Stelle ist strittig; vgl. dazu insbesondere Grässer, 2Kor I 230: „im Sinne der Stellvertretung (‚in Christi Auftrag‘, ‚an Christi Statt‘ …)“ oder
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Einzelheiten: 2Kor 5,20–6,1
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5,221 τὸν μὴ γνόντα ‹ 2,4 ἁμαρτίαν ὑπὲρ ἡμῶν ἁμαρτίαν ἐποίησεν, ἵνα ἡμεῖς γενώμεθα δικαιοσύνη ‹ 3,9 θεοῦ ἐν αὐτῷ – Die Bedeutung „Sünde“ für ἁμαρτία ist papyrologisch erst christlich bezeugt. In profanem Kontext begegnen die Bedeutungen „Versehen“ (im Dienstbereich) und „Vergehen, böse Tat“.448 6,11 συνεργοῦντες δὲ καὶ παρακαλοῦμεν ‹ 2,8 – In den dokumentarischen Papyri werden über das Verb συνεργέω in positiver Verwendung sowohl untergeordnete Gehilfen als auch gleichberechtigte Geschäftspartner als „Mitarbeiter“ bezeichnet. Dabei schwingt eine gegenseitige Angewiesenheit und Verpflichtung mit.449 μὴ εἰς κενὸν τὴν χάριν‹
1,2
τοῦ θεοῦ δέξασθαι ὑμᾶς – Die Stelle erinnert an 1Kor 15,10; dort spricht Paulus allerdings davon, dass die ihm selbst erwiesene Gnade nicht leer wurde. In den papyrologischen Vergleichsstellen mit dem Adjektiv κενός geht es um einen Aufwand, der „umsonst“ oder „zwecklos“ sein könnte, um den „sinn-“ oder „zwecklosen“ Wahnsinn zweier Männer gegenüber ihrer Nichte450 oder um „leere Worte“.451 Die Wendung εἰς κενόν ist bisher nur ein einziges Mal bezeugt; wie hier bei Paulus geht es auch dort um die Sorge, dass etwas nicht umsonst geschieht bzw. geschehen ist: Im amtlichen Schreiben P.Petr. II 37 (ca. 246–245 v. Chr.) werden im Zusammenhang mit Arbeiten am Bewässerungssystem bestimmte Aufträge erteilt, damit die Arbeiten (Kol. II 8: [τὰ ἔ]ργα) nicht „umsonst ausgeführt werden“ – Kol. II 12: `εἰς κενόν´ φέρηται.
Das Beispiel belegt – insbesondere im Zusammenhang mit dem Befund von συνεργέω – einmal mehr, dass Paulus seine Verkündigungstätigkeit in einer Sprache beschrieb, die dem Alltag, speziell dem Arbeitsbereich entstammt. Das Verb δέχομαι ist in den Papyri reich bezeugt und bedeutet durchwegs „annehmen, entgegennehmen“. Dabei geht es um den Empfang von Briefen, von Geldbeträgen oder Waren, die mit Briefen verschickt werden, aber auch
„sachwalterisch: ‚für Christus‘ …, d. h. als ‚Christi Geschäftsträger‘“; nach Grässer ist der Streit „indes müßig.“ 448 Siehe dazu mit Belegen Papathomas, Begriffe 194. 449 Vgl. die Belege bei Arzt-Grabner, Philemon 160–161; Papathomas, Begriffe 207–208; F. Winter in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 144 Anm. 390; ferner PSI XV 1539,9–10 (Ende 1. Jh. v. Chr.). – Für die negative Bedeutung „mit jemandem Untaten begehen, als Helfershelfer tätig sein“ bietet Papathomas, Begriffe 208, Beispiele; siehe ferner SB XXIV 16252,8 (15. Februar 163 n. Chr.). 450 So in P.Oxy. XXXIV 2713,15 (ca. 297 n. Chr.; in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 479, ist statt der Nichte irrtümlich vom Bruder dieser Männer die Rede). 451 Siehe die Belege bei Preisigke, Wörterbuch s. v. κενός, sowie die ausführlich behandelten Beispiele bei R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 478–479; beachte ferner SB XXIV 15972, Fr. A 55 (ca. 190 v. Chr.). Einfach um „leere Säcke“ (σάκκοι κενοί) geht es in P.Dryton 38,26 (153–152 oder 142–141 v. Chr.).
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von Personen, die jemand bei sich aufnehmen soll.452 „Vor allem die auf Personen bezogenen Beispiele sind als bewusster Akt des Akzeptierens durch den Aufnehmenden zu deuten.“453 Bei der Gnade Gottes, die Paulus in seiner Verkündigung vermittelt hat, ist dieser Aspekt sicher mit zu bedenken. 6,22 λέγει γάρ· καιρῷ δεκτῷ ἐπήκουσά σου – Wie zumeist in den dokumentarischen Papyri bezeichnet καιρός auch an der vorliegenden Stelle den (rechten) Zeitpunkt, an dem etwas geschieht oder geschehen ist.454 Das Adjektiv δεκτός („angenommen, annehmbar“) ist in den Papyri bisher nicht bezeugt.455 Das Erhören (ἐπακούω) wird hier im Zitat, das aus Jes 49,8 LXX übernommen ist, Gott selbst in den Mund gelegt. Bereits J. H. Moulton und G. Milligan haben auf UPZ I 78,23–24 (nach 12. Februar 159 v. Chr.) als Vergleichstext hingewiesen,456 wo die Göttin Isis mit den Worten angerufen wird: ἐλθέ μοι θεὰ θεῶν, | εἵλεως (l. ἵλεως) γινομένη ἐπάκουσόν μου („komm zu mir, Göttin der Götter, sei gnädig und erhöre mich“).457 ‹ 1,6
ἐβοήθησά σοι – Mit dem „Tag des Heils“ wird hier einerseits ein konkreter Zeitpunkt, eben ein ganz bestimmter Tag angegeben, dessen eigentliches Tagesdatum andererseits aber unerwähnt bleibt und nur den Betroffenen oder Eingeweihten genau bekannt ist. Papyrologisch ist damit ein eventuell erwähnter Geburtstag vergleichbar. καὶ ἐν ἡμέρᾳ σωτηρίας
Ein berührendes Beispiel dafür findet sich auf dem Mumienetikett T.Mom.Louvre 902 (2.–3. Jh. n. Chr.), das festhält, dass Artemidora, die dreijährige Tochter von Peteminis und Trompabeithis, ausgerechnet an ihrem Geburtstag gestorben ist – Z. 3–5: ἐν γὰρ | τῆι γενεθλίωι ἡμέραι ἐτε|λεύτησεν.458
452 Siehe die zahlreichen Belege bei Preisigke, Wörterbuch s. v. δέχομαι; Kiessling, Wörterbuch s. v. δέχομαι (jeweils gruppiert nach den entsprechenden Zusammenhängen); einige Beispiele werden von F. Winter und P. Arzt-Grabner in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 133–134, behandelt. 453 F. Winter und P. Arzt-Grabner in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 134 (mit Belegen). 454 Vgl. die Beispiele bei R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 166– 167; Kreinecker, 2. Thessaloniker 168. 455 Zum Verb δέχομαι siehe unmittelbar zuvor. 456 Bei Moulton/Milligan, Vocabulary s. v. ἐπακούω, wird dieser Text noch als P.Paris 51 zitiert. 457 Um einen vergleichbaren Zusammenhang geht es auch in BGU IV 1080,4–6 (3. Jh. n. Chr.?). 458 Beachte ferner P.Ryl. IV 557,6–7 (10. April 257 v. Chr.); SB XVIII 13849,9 (28. September – 28. Oktober 22 v. Chr.?); P.Stras. VI 566,4 (7. März 7 n. Chr.); P.Vind.Sal. 2,7–8 (2.–3. Jh. n. Chr.). Meist wird der Geburtstag einfach als ἡ γενεθλία oder τὰ γενέθλια bezeichnet (z. B. PSI XII 1242,2.9–10 [1. Jh. v. Chr. – 1. Jh. n. Chr.]; P.Lond. VI 1912,30 [10. November 41 n. Chr.]).
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Einzelheiten: 2Kor 6,2
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In P.Flor. II 133,4–6 (29. Oktober 257 n. Chr.) ist von τὰς τα|κτὰς ἡμέρας τῆς δόσε|ως („den festgelegten Tagen der Abgabe459“) die Rede, die – wie der Absender
dieses Briefes betont – den Adressaten bekannt sind.460 Ein etwas anderer Fall ist im Testament CPR VI 76 (3. Jh. n. Chr.) bezeugt, wo in Z. 25 mit ἐν ἡμέρᾳ τῆς̣ [τ]ε̣λ̣ ε̣[υτῆς μου - - - ] der noch bevorstehende und somit allgemein noch unbekannte Todestag des Erblassers bezeichnet wird.
Das Verb βοηθέω461 begegnet sowohl in ptolemäischer als auch in römischer Zeit hauptsächlich in Privatbriefen sowie in Eingaben an diverse (staatliche) Funktionsträger. Besonders Letztere sind für einen Vergleich mit dem vorliegenden Zitat (Jes 49,8 LXX) interessant, zumal darin ein ähnliches Verhältnis zwischen Helfer und Hilfsbedürftigen im Sinne einer Hierarchie von oben nach unten gegeben ist: So ist es etwa in BGU VIII 1827 (nach 15. Juli 51 v. Chr.) der Stratege, der einer Frau in einem Unterhaltsstreit zu Hilfe kommen soll; sie schließt ihre Eingabe mit den Worten – Z. 10: τούτου δὲ γ[ε]νομέ[νου] ἔσομαι βεβοηθημένη{ι} (wörtlich: „wenn dies [d. h. die erhofften Maßnahmen des Strategen] geschehen ist, werde ich eine sein, der geholfen worden ist“). Diese oder eine ähnliche Schlussformel ist für diesen Dokumenttyp sehr verbreitet. Eine Witwe verwendet für den Abschluss ihrer Eingabe an den Strategen die Formulierung – BGU VIII 1849,24 mit BL III 24 (ca. 47 v. Chr.): ἵν᾽ ὦμεν βεβοηθημέναι (wörtlich: „auf dass wir welche sind, denen geholfen worden ist“).462 An den οἰκονόμος ist hingegen BGU XVI 2601 (nach 12–11 v. Chr.) gerichtet; unmittelbar vor der bereits dargestellten Schlussformel (Z. 25–26: ἵν᾽ ὦ βεβοηθη|μένος) fügt der Petent ehrerbietig ein, der Beamte solle doch, „wenn er ein Gott sei“ (Z. 24–25: ἐὰν σὺ | θεὸς ὤν), seiner Bitte stattgeben.463
Auch römische Kaiser und Götter gelten als Größen, von denen Hilfe erwartet werden kann, wie aus den folgenden Beispielen deutlich wird: In P.Tebt. II 286,3–9 wird ein Auszug aus einem Reskript Hadrians vom 14. November 131 wiedergegeben, das mit den Worten beginnt – Z. 4: [κ]α̣ ὶ ̣ π[ρ]ώην σοι ἀπεφηνάμην ὅτι τὸ ἐ[π]ίκριμά μου βοηθεῖ [σ]οι („erst gestern erklärte ich dir, dass mein Bescheid dir hilft“).464 Auf ein sog. responsum des Septimius Severus vom 20. Dezember 199 n. Chr. wird in P.Oxy. LXIV 4435 (frühes 3. Jh. n. Chr.) Bezug genommen; in Z. 11 stellt 459 Vermutlich geht es um die Abgabe der Deichsteuer (siehe dazu D. Comparetti in P.Flor. II S. 82. 460 Ferner sind zwei Belege aus späterer Zeit anzuführen: CPR IX 68,3.5 (5. Jh.) für die Angabe der Festtage von Heiligen und vielleicht Stud.Pal. VIII 1268, Rekto 5 (6. Jh.). 461 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 462 Ergänzt ist die Formel in P.Heid. IX 432,29–30 (161–155 v. Chr.) und P.Louvre II 132,2 (2.–1. Jh. v. Chr.). 463 Zur Bezeichnung höherer Beamter als θεός in dieser Zeit beachte die Anmerkung von W.M. Brashear in BGU XVI S. 83 (zu BGU XVI 2600,3). 464 In P.Flor. III 382,58–59 (vor 3. November 222 n. Chr.) gibt ein Aurelius Heron an, durch eine kaiserliche (wörtlich „göttliche“) Anordnung Hilfe erhalten zu haben: θ̣ είᾳ δ̣ [ι]α̣ τάξε̣ι | βοηθούμενος.
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der Kaiser – bezogen auf einen Petenten, der unter Zwang und aufgrund von Täuschung ein Stück Land weit unter seinem Wert verkauft hat und nun um Hilfe ansucht – die rhetorische Frage: οὐ βοηθήσομεν αὐτῳ; („Sollen wir ihm dann nicht helfen?“).465 Von „helfenden Göttern“ ist im Geschäftsbrief P.Brem. 17 (ca. 113–120 n. Chr.) die Rede, der jedoch unvollständig abbricht; was der Absender zu tun beabsichtigt, „wenn die Götter beistehen“ (Z. 11–12: τῶν θεῶν βοηθούν|[των]), bleibt unklar.466
νῦν καιρὸς εὐπρόσδεκτος, ἰδοὺ νῦν ἡμέρα σωτηρίας ‹ 1,6 – Im Gegensatz zum einfachen Adjektiv δεκτός ist εὐπρόσδεκτος467 („gut ἰδοὺ
‹ 5,17
annehmbar, erwartet, willkommen“) papyrologisch bezeugt, es begegnet aber erst in Papyri byzantinischer Zeit.468 Paulus selbst verwendet δεκτός nur noch in Phil 4,18, wo das Adjektiv ebenso wie hier von der LXX her geprägrt sein kann. In eigenen Formulierungen verwendet Paulus εὐπρόσδεκτος (außer hier noch in 2Kor 8,12; Röm 15,16.31), das in der LXX nicht vorkommt.469 6,33 μηδεμίαν ἐν μηδενὶ διδόντες προσκοπήν – Zum Peristasenkatalog 6,3–10 siehe allgemein oben S. 301. Das Substantiv προσκοπή („Anstoß“) ist in den dokumentarischen Papyri bisher nicht belegt.470 Das verwandte Verb προσκόπτω471 begegnet in einem Papyrus aus dem Zenon-Archiv: In P.Cair.Zen. III 59463 (Mitte 3. Jh. v. Chr.) schreibt ein gewisser Leptines an Zenon, dass jemand mit einem σύμβολον für die Lieferung von 10 Artaben Gerste (also mit der Quittung oder einer Art Verpflichtungserklärung) nicht zufrieden war; er aber, so betont Leptines, achte darauf, „dass ich nicht für dieselben Dinge öfter [also: mehr als einmal] Quittungen ausstelle, damit du nicht an mir Anstoß nimmst“ – Z. 9–11: ἐγὼ οὖν εὐλαβ[οῦμαι μὴ τῶν] | αὐτῶν πλεονάκις̣ [δῶ σύμβολα, ἵνα] | μή μοι προσκόψῃς.472
465
Die Frage wiederholt sich dann noch einmal und bezieht sich (bei diesem zweiten Mal) auf den Fiskus (vgl. dazu genauer U. Wartenberg in P.Oxy. LXIV S. 149–150). 466 Innerhalb der Familie, aber ebenfalls in hierarchischen Strukturen (Vormünder – Mündel), spielen sich Chrest.Mitt. 88, Kol. I 22–23 (nach 26. August 142 n. Chr.) und P.Oxy. XLI 2997,13– 15 (214 n. Chr.) ab. – Um eine militärische Auseinandersetzung mit Barbaren geht es im ersten Teil von O.Krok. I 47, der sehr fragmentarisch erhaltenen Abschrift eines Berichtes eines signifer an den praefectus montis(?), wonach eine Einheit geschlagen worden sein dürfte – Z. 5 πυκτευόντω(ν). Falls die für Z. 7 vorgeschlagene Ergänzung richtig ist, sind „ihnen andere zu Hilfe gekommen“: [ἐβο]ή̣ τησαν (l. ἐβοήθησαν) αὐτοῖς ἄλλοι (beachte H. Cuvigny im Zeilenkommentar zur Stelle [O.Krok. I S. 94]). 467 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 468 Vgl. etwa P.Oxy. LVI 3862,6–7 (4.–5. Jh. n. Chr.; von der Liebe zu Christus); SB XXVI 16468,2 (6. Jh. n. Chr.). 469 Vgl. Schmeller, 2Kor 348 Anm. 240. 470 Ebenso sein Synonym πρόσκομμα, das Paulus in 1Kor 8,9 verwendet. 471 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 472 Zu fragmentisch für eine konkrete Deutung ist P.Enteux. C,9 (246–205 v. Chr.): [ - - - ]μ̣ οι πικρῶς προσκόπτων.
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Einzelheiten: 2Kor 6,2–4
ἵνα μὴ μωμηθῇ ἡ διακονία
‹ S. 259
345
– Zu μωμάομαι („tadeln“) gibt es bisher
keine papyrologischen Belege. 6,44 ἀλλ᾽ ἐν παντὶ συνιστάνοντες ‹ 3,1 ἑαυτοὺς ὡς θεοῦ διάκονοι ‹ S. 259, ἐν ὑπομονῇ ‹ 1,6 πολλῇ, ἐν θλίψεσιν ‹ S. 167–168, ἐν ἀνάγκαις, ἐν στενοχωρίαις – Mit ἀνάγκη kann in den dokumentarischen Papyri eine „Notlage“ unterschiedlichster Art und Intensität bezeichnet werden, die bei Menschen z. B. aus Mangel an Lebensmitteln entstehen, aber auch seelischer Natur sein kann473 und in der der Beistand einer nahestehenden Person überaus erwünscht ist (vgl. z. B. SB XIV 12026,3–10 [2.–3. Jh. n. Chr.]). Das Substantiv στενοχωρία474 begegnet in UPZ II 208,11 (130 v. Chr.) noch in seiner ursprünglichen Bedeutung „Engräumigkeit“ oder „Platznot“. Bereits im Zenon-Archiv ist aber einmal von der „Bedrängnis“ als widriger Befindlichkeit einer Person die Rede: Ein gewisser Zoilos schreibt an Zenon über das Befinden eines gemeinsamen Freundes, dass dieser „in Bedrängnis ist“ – P.Cair.Zen. III 59435,2 (Mitte 3. Jh. v. Chr.):475 ὅτι ἐν στενοχωρίαι ἐστίν.
Weitere Beispiele sprechen von einem „Engpass“ an Mitteln: In seiner Antrittsrede verspricht der designierte Ratsvorsitzende von Oxyrhynchos, sein Bestes zum Wohl der Gemeinde, speziell zu deren gesicherter Versorgung mit Lebensmitteln, zu tun; schließlich sei ja den Prytanen der „Ernst der Lage nicht unbekannt, und es herrscht bereits ein Engpass an Nahrungsmitteln“ – P.Erl. 18,17– 18 mit BL III 52 (27. Oktober 248 n. Chr.): [αὐτοὶ γὰρ οὐκ ἀγνοεῖτε τὴν | ἀποτ]ο̣ ̣ ν τῶν ὄντων καὶ ἤ[δ]η̣ στενοχωρί[α ἐστὶ τροφῶν]. Um einen „Engpass an μ̣ ία Gütern“ (χρημάτων στενοχωρία) geht es in P.Harr. I 69, Kol. I 10 mit BL III 78 (225 n. Chr.).
Wie bei der synonym verwendeten θλῖψις ist auch unter στενοχωρία in erster Linie eine Bedrängnis oder Einengung aufgrund eines Mangels lebensnotwendiger Güter zu verstehen. Gemeinsam mit ἀνάγκη werden hier in umfassender Weise Notsituationen beschrieben: Bedrängnisse, Not- oder Zwangslagen und Engpässe. 6,55 ἐν πληγαῖς, ἐν φυλακαῖς – Das Vorkommen von πληγή476 („Schlag, Hieb“) ist in den Papyri vornehmlich auf einen Dokumenttypus beschränkt, nämlich auf Eingaben oder Petitionen bzw. auf Texte, durch die eine Misshandlung durch einen Gewalttäter oder einen Räuber zur Anzeige gebracht 473 Vgl. die einschlägigen Belege bei R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 290–291. Zu fragmentarisch für eine nähere Deutung ist PSI XV 1551,51 (nach 256 n. Chr.). 474 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 475 Der Text entsprechend der Neuedition in P.Cair.Zen. IV S. 289. 476 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet.
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
wird. Aufgrund der Fülle sowie der Gleichartigkeit der Belege sollen hier nur solche aus der unmittelbaren Lebenszeit des Paulus zur Sprache kommen: Bei P.Sijp. 14 (11. September 22 n. Chr.) handelt es sich um die Petition einer Mutter oder eines Vaters, mit der beim Strategen gegen eine gewisse Taormotis und deren Tochter Anzeige erstattet wird, weil diese die eigene Tochter überfallen haben; konkret lautet die Anschuldigung – Z. 6–11: καταπερι|σ̣ τ̣ᾶ̣ σα τὴν θυγατέραμ (l. θυγατέρα) μου | ἔδοκαν (l. ἔδωκαν) αὐτῆι πληγὰς πλήους | κ[αὶ ἀ]φήρπασεν (l. ἀφήρπασαν) τὸν ταύτης | χειθὼν (l. χιτώνα) καὶ τὰς τοῦ ἀργυρίο[υ] | δρ̣ [α]χ̣ μὰς τέσσαρες (l. τέσσαρας) („sie umzingelten meine Tochter und gaben ihr mehrere Schläge und raubten deren Chiton und die vier Silberdrachmen“). In P.Ryl. II 141,18–19 (37 n. Chr.) beschreibt ein staatlicher Bauer und Steuereintreiber die Reaktion zweier Hirten auf seinen Versuch, Schulden einzutreiben: ἔδωκάν μοι πληγὰς πλείους („sie versetzten mir mehrere Schläge“). Der Petent von P.Mich. VI 421 (41–68 n. Chr.) wurde, wie er angibt, von Polizeibeamten verhaftet und „mit Schlägen misshandelt“ – Z. 24–25: καδί|κισάν (l. κατῄκισάν) με πληγαῖς. Er war zuvor gemeinsam mit einem Exekutivbeamten aus seinem Dorf in deren Territorium eingedrungen.477
Dass Paulus erlittene Schläge in einem Atemzug mit „Gefängnissen“ oder „Haftaufenthalten“ (φυλακαί)478 erwähnt, ist wohl kein Zufall479, war doch, wie etwa aus dem zuletzt genannten Beispiel hervorgeht, körperliche Folter zur Erzwingung eines Geständnisses480 gang und gäbe (zu Inhaftierungen und Gefängnissen siehe oben S. 207–210). ἐν ἀκαταστασίαις – Der einzige Beleg für ἀκαταστασία („Unbeständigkeit,
Unruhe, Aufruhr“) aus dem relevanten Zeitraum findet sich in einem Brief des Soldaten Claudius Terentianus an seinen Vater Claudius Tiberianus, P.Mich. VIII 477 (frühes 2. Jh. n. Chr.), worin der Sohn u. a. berichtet, dass sich seine Einheit abmüht, der Unruhe und dem in der Stadt Alexandria herrschenden Aufruhr (Z. 29–30: τ[ὸ]ν θόρυβον καὶ ἀ|καταστασίαν τῆς πόλ[εως]) beizukommen.481 Paulus könnte hier an örtliche, bisweilen politisch bedingte Unruhen anspielen, unter denen auch die an sich Unbeteiligten zu leiden hatten.482 In 12,20 bezeichnet der Ausdruck Unruhen innerhalb der Gemeinde. 477
Siehe zu diesem Text auch S. 212. Vgl. weiters etwa P.Ryl. II 151,11–12 (40 n. Chr.); P.Mich. V 228,18–20 (47 n. Chr.); P.Ryl. II 124,17–25 (1. Jh. n. Chr.). 478 Zur Bandbreite der Bedeutungen des Begriffs φυλακή (vom „Wachen“ oder „Bewachen“ selbst bis zur dafür vorgesehenen Lokalität, dem „Wachposten“ oder „Gefängnis“) siehe Preisigke, Wörterbuch s. v. φυλακή. Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 479 Vgl. auch Apg 16,23 über die Verprügelung und Verhaftung von Paulus und Silas in Philippi. 480 Siehe dazu genauer bei Krause, Gefängnisse 291–295. Ein weiterer, nur fragmentarisch erhaltener Beleg findet sich im Prozessprotokoll SB XVI 12949 (16. Januar 207 oder 17. Januar 268 n. Chr.) in Z. 3–5 (der Passus ist in der Abschrift eines Dokumentes von 200–203 n. Chr. erhalten). 481 Vgl. R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 465; Strassi, L’archivio 50–53. 482 Vgl. Schmeller, 2Kor 352: „Mit ἀκαταστασίαι werden hier weder Unruhen in der
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Einzelheiten: 2Kor 6,5
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ἐν κόποις – Im Unterschied zur Mühe der eigenen Arbeit, die man sich in
positivem Sinne macht und hofft, dass sie nicht umsonst ist (vgl. bei Paulus 1Thess 1,3; 2,9; 3,5; 1Kor 3,8; 15,58; 2Kor 10,15), sind die hier (sowie in 2Kor 11,23.27) erwähnten κόποι aufgrund des Kontextes in erster Linie als Widrigkeiten zu verstehen, die einem das Leben schwer machen.483 In den dokumentarischen Papyri findet sich vorwiegend die Wendung κόπους παρέχω („Mühen bereiten“), die bei Paulus in Gal 6,17 begegnet, aber auch einen sinnvollen Hintergrund für die vorliegende Stelle liefert: Besonders hervorzuheben ist BGU III 844,10–12 (83 n. Chr.), wo – ähnlich wie bei Paulus – die Mühen, die jemandem bereitet werden, nicht isoliert stehen, sondern aufgrund der ohnehin schon schlechten körperlichen Verfassung offenbar als besonders widrig erlebt werden; ein Herodes schreibt an Apollonios: κό|πους γάρ μο[ι] παρέχει | ἀσθενοῦντει („er484 bereitet mir Mühen, während ich krank bin“). Eine gewisse Paulina bittet ihren Bruder Titus brieflich um Hilfe, weil sie von ihrem Mann misshandelt wird; dieser scheint ihre Abhängigkeit auszunützen, wie sie gleich zu Beginn ihres Briefes schreibt – SB VI 9271,3–6 (1./2. Jh. n. Chr.): γεινώσκειν σε θέλω, ἄδελφε, | ὅ̣ τι κόπους μοι παρέχει Ἀπώ|ν̣ ιος ὁ ἐμὸς ἀνὴρ διὰ τὸ εἰδένα̣ ι | αὐτὸν ὅτι οὐδένα{ν} ἔχω („ich möchte, dass du weißt, Bruder, dass mir Aponios, mein Mann, Mühen bereitet, weil er weiß, dass ich [sonst] niemanden habe“).485
Auch an der vorliegenden Stelle sowie in 11,23.27 ist in erster Linie an Mühen zu denken, die Paulus von anderen bereitet wurden, wenngleich dies freilich auch jenen κόπος einschließen kann, den Paulus für seine Gemeinden immer wieder freiwillig auf sich genommen hat. ἐν ἀγρυπνίαις – Das abstrakte Substantiv ἀγρυπνία486 („Schlaflosigkeit“) ist
in den dokumentarischen Papyri nur zweimal belegt: BGU VIII 1764 (64–44 v. Chr.) ist der Rechenschaftsbericht eines Strategen des Herakleopolites; darin kommt dieser auch auf seine „amtliche Auffassung vom Staate“487 zu sprechen, der zum einen getragen ist von der τύχη und Fürsorge des Kaisers, zum anderen aber auch, wie der Stratege sagt, von „unserer von Furcht und Unermüdlichkeit geprägten Dienstleistung“ – Z. 9: εἶτα καὶ τὴν ἡμετέραν διὰ Gemeinde (so 12,20; 1Kor 14,33) noch das unruhige Leben des Missionars im Allgemeinen bezeichnet. Zu πληγαί und φυλακαί passen nur weitere konkrete, von außen kommende Gefährdungen, die man sich vielleicht so ähnlich wie die Tumulte in Apg 13,50; 14,19; 16,22; 17,5 u. ö. vorstellen kann.“ 483 Hock, Problem 9, sieht auch hier und in 11,23.27 einen Bezug zum Handwerk des Paulus als Zeltmacher. 484 Gemeint ist vermutlich der in Z. 5 erwähnte Priester, dessen Name aber nicht erhalten ist. Siehe dazu auch Olsson, Papyrusbriefe 141. 485 Weitere Belege führt F. Winter in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 143 Anm. 386, an; siehe ferner SB VI 9017 Nr. 28,7–8 (1.–2. Jh. n. Chr.); BGU III 815,6–7 (140–143 n. Chr.). 486 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 487 So W. Schubert und D. Schäfer in BGU VIII S. 43.
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φόβου καὶ ἀγρυπνίας ἐξυπηρέτησιν. In PSI X 1128,20 (3. Jh. n. Chr.) bezeichnet die ἀγρυπνία νυκτί hingegen eine Art „Nachtwache“ im Tempel der Isis, zu der
sich vier Bewohner von Oxyrhynchos eidlich verpflichten.
Um ein vollständigeres Bild zu erhalten, ist an dieser Stelle auch ein Blick auf die Belege für das Verb ἀγρυπνέω488 bzw. das Adjektiv ἄγρυπνος489 angebracht: So schreibt der Absender von P.Grenf. II 14 (a) (232 v. Chr.), er „schlafe nicht“ (Z. 3 mit BL I 185: ἀγρυπνῶ), wobei das folgende ἐν τῶι ἔρ[γωι] in Z. 4 wohl bedeutet, dass er in der Nacht arbeitet. Wie in obigem BGU VIII 1764 ist auch im bruchstückhaften BGU VIII 1766 (ca. 51–50 v. Chr.) das „Schlaflossein“ mit „Furcht“, vermutlich vor dem Vorgesetzten, verbunden, zumindest heißt es in diesem Schreiben an den Dioiketen – Z. 9: [θ]εωρήσεις `ὡς´ ἀγρυπνῶ καὶ πεφόβη[μαι] („du wirst sehen, wie unermüdlich ich bin und wie ich mich gefürchtet habe“). Auf die ihm bekannte „Unermüdlichkeit“ (τὸ ἄγρυπνον) seines Adressaten bezieht sich auch der Absender von SB VI 9532 (66, 37 oder 15 v. Chr.), wenn er jenen um Hilfe bei der Suche nach einem flüchtigen Sklaven bittet (vgl. Z. 14).
In allen bisher angeführten Beispielen begegnet die Wortfamilie in überaus positivem Sinn als Kennzeichen einer zuverlässigen und beflissenen Ausübung des Dienstes. Ein vergleichbarer Sinn ist auch für die Paulusstelle möglich; auch er könnte hier darauf anspielen, dass er oft bis in die Nacht hinein oder auch die Nacht hindurch gearbeitet hat (vgl. 1Thess 2,9)490. Auch die zuvor genannten κόποι könnten u. a. so zu verstehen sein. Der Kontext legt aber auch nahe (beachte ἐν θλίψεσιν usw.), hier nicht nur an selbst gewählte Eifrigkeit zu denken, sondern auch an ungewollt Beschwerliches. Dieser Sinn ist für das Verb ἀγρυπνέω durch das folgende Beispiel bezeugt: Die Sorge um ihren Gatten ist für eine gewisse Aline die Ursache für ihre Schlaflosigkeit – P.Giss. I 19,7 (115 n. Chr.)491: [ἀλλὰ συν]εχ̣ ῶς ἀγρυπνοῦσα („aber ich leide durchgehend an Schlaflosigkeit“).492
ἐν νηστείαις – Für das „Fasten“ (νηστεία)493 findet sich in den Papyri nur ein
für den Vergleich mit Paulus zeitlich relevanter Beleg: Und zwar bezieht sich der Absender von P.Cair.Zen. III 59350 (245 v. Chr.) mit der in Z. 5 erwähnten νηστεία auf den zweiten Tag der sog. Thesmophorien, also des innerhalb des gesamten griechischen Raumes begangenen Festes zu Ehren der Demeter, was der nachfolgende Genetiv τῆς Δήμητρος verdeutlicht. An diesem 488
Dieses ist in Eph 6,18 sowie Hebr 13,17 bezeugt. Die beiden Begriffe wurden von R. E. Kritzer bearbeitet. 490 Siehe zu dieser Stelle Bammer/N.N., 1. Thessaloniker. 491 Nach Pucci Ben Zeev, Diaspora Judaism 168–169, Anfang September 116 n. Chr. 492 In einigen Zauberpapyri wird sowohl durch das Abstraktum als auch durch das Verb eine Schlaflosigkeit beschrieben, die die Angebetete plagen soll, bis sie schließlich in die Liebe einwilligt; ein solcher „Zubringezauber“ hieß demgemäß ἀγρυπνητικόν (vgl. etwa Pap.Graec.Mag. II 12,376–378; vgl. auch Z. 16 [3. Jh. n. Chr.]). 493 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 489
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Einzelheiten: 2Kor 6,5–6
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zweiten Tag nach dem sog. ἄνοδος, dem „Aufstieg“ zu den Heiligtümern, wurde traditionell gefastet.494
6,66 ἐν ἁγνότητι – Zu ἁγνότης („Keuschheit, Reinheit“) gibt es bisher keine papyrologischen Belege. ‹ 2,14
, ἐν μακροθυμίᾳ – Das Substantiv μακροθυμία („Langmut“) wird – wie das zugehörige Adjektiv – in einem Text über das Meletianische Schisma (P.Lond. VI 1917 [ca. 330–340 n. Chr.]) gebraucht.495 ἐν γνώσει
ἐν χρηστότητι – Das Substantiv χρηστότης496 (wörtlich „Brauchbarkeit,
Nützlichkeit“) begegnet in den Papyri beinahe ausschließlich als Form der Anrede an höhergestellte Personen wie Strategen497 oder Statthalter498. Das hat seinen Ursprung wohl darin, dass man diesen in besonderem Maße „Rechtschaffenheit“ oder „Güte“ zuschrieb: So kann z. B. der Präfekt M. Sempronius Liberalis im Edikt SB XX 14662 (154 n. Chr.) die Amnestie mehrerer Gruppen von Aufständischen verkünden, „da das Wohlwollen und die Güte des höchsten Imperators dies zulassen“ – Kol. I 17–18: τῆ[ς] τοῦ μ[εγίσ]του Αὐτοκράτορος εὐ[μ]ε|ν[εί]ας καὶ χρη[σ]τότητος ἐ[πι]τρεπούσης. In einem privaten Brief überantwortet hingegen ein gewisser Koprias seinen Bruder Apolinarios der „guten Gesinnung“ des Adressaten – P.Oxy. XXXI 2600,6–8 (spätes 3. – frühes 4. Jh. n. Chr.): τὸν ἀδελφὸν | Ἀπολινάριον παρακατατίθεμαί σου | τῇ χρηστότ[η]τ⟦α⟧ι. Ein gewisser Phibion hingegen wendet sich in seinem Empfehlungsbrief zugunsten einer Soeris an die Güte seines Sohnes, die er bittet, die Briefüberbringerin bei sich aufzunehmen – CPR XXV 2,5–8 (3.–4. Jh. n. Chr.); χρηστότης erscheint hier also gleichsam als Personifikation des Sohnes selbst.499
Die χρηστότης war also eine Eigenschaft, die bestimmte Menschen vor anderen auszeichnete, die man im öffentlichen Bereich den Herrschern und höchsten Beamten zuerkannte bzw. von diesen erwartete. In analogem Sinn, aber keineswegs formelhaft, wird „Güte“ im privaten Bereich jenen zugeschrieben, die aufgrund ihrer ethischen und/oder wirtschaftlichen Voraussetzungen in der Lage sind, die χρηστότης praktisch zu üben. In diesem Sinne sind sie für die Bedürftigen tatsächlich „nützlich“. Unter χρηστότης ist also offenbar nicht nur die entsprechende Gesinnung, sondern auch deren praktische Umsetzung zu verstehen, also die „Güte“, die sich in solchen Taten niederschlägt, die den Bedürftigen „nützt“. 494
Näheres dazu bzw. weiterführende Literatur bei Parker, Thesmophoria. In Z. 5 wünscht der Absender seinem Adressaten, „Apa Paieou“, Langmut für das Lesen seines Briefes; das Adjektiv in Z. 25 bezieht sich hingegen auf Gott. 496 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 497 So etwa in P.Giss. I 7, Kol. II 15 (117 n. Chr.). 498 So z. B. in P.Euphrates 1,6–7 (= SB XXII 15496; 28. August 245 n. Chr.). 499 Zur Verwendung des Begriffs in dieser Zeit siehe A. Papathomas in CPR XXV S. 12 (mit Literaturhinweisen). 495
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
ἐν πνεύματι ‹ 1,22 ἁγίῳ ‹ 1,1, ἐν ἀγάπῃ ‹ 2,4 ἀνυποκρίτῳ – Das Adjektiv ἀνυπόκριτος500 („ungeheuchelt“) ist bisher nur in einem bereits christlichen Papyrus als Attribut zu ἐλπίς („Hoffnung“)501 belegt.
6,77 ἐν λόγῳ δικαιοσύνης
‹ 1,18 ‹ 3,9
ἀληθείας ‹ 4,2, ἐν δυνάμει ‹ 4,7 θεοῦ· διὰ τῶν ὅπλων τῆς τῶν δεξιῶν καὶ ἀριστερῶν – Das Bild vom bewaffneten
Kämpfer könnte Paulus der prophetischen und weisheitlichen Bildrede entnommen haben (vgl. Jes 59,17; Weish 5,17–20).502 Für die Deutung des Genetivs τῆς δικαιοσύνης bieten sich drei Möglichkeiten an: eine Art Genetivus objectivus („die Waffen zur Gerechtigkeit“, also um Gerechtigkeit herzustellen, Waffen im Dienste der Gerechtigkeit Gottes), ein Genetivus epexegeticus („die in der Gerechtigkeit bestehenden Waffen“) oder ein Genetivus pertinentiae („die zur Gerechtigkeit gehörenden Waffen“). Mit den „Waffen der Rechten und Linken“ sind Angriffs- und Verteidigungswaffen gemeint, also insbesondere Schwert und Schild. Auch in den Papyri werden mit ὅπλα503 in erster Linie Waffen bezeichnet,504 die von Paulus verwendete Beschreibung, dass diese in der rechten oder linken Hand gehalten werden, begegnet aber ebensowenig wie eine übertragene Bedeutung. 6,88 διὰ δόξης ‹ 1,20 καὶ ἀτιμίας – Im frühesten Papyrusbeleg für ἀτιμία ist von „größter Beschimpfung“ die Rede, mit der der Briefsender „umworfen“ worden sei – PSI IV 330,7 (21. April 257 v. Chr.): οὗτος δὲ τῆι μεγίστηι με ἀτιμίαι περιβέβληκεν.505 Die Bedeutung passt auch gut zur vorliegenden Paulusstelle. διὰ δυσφημίας καὶ εὐφημίας – Das Substantiv δυσφημία („böse Nachrede, Blasphemie“) ist – ebenso wie das Verb δυσφημέω – papyrologisch erst ab der byzantinischen Zeit bezeugt.506 Für εὐφημία („gute Nachrede“) liegen bisher
nur wenige Belege aus vorbyzantinischer Zeit vor. Der Adressat des Briefes P.Stras. V 305, Verso (Anfang 3. Jh. n. Chr.) wird aufgefordert, Vorsorge zu treffen, dass er eine Schuld μετὰ πάσης εὐφημίας zurückzahlt – 500
Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. P.Oxy. LVI 3862,11 (4.–5. Jh. n. Chr.). 502 Vgl. Klauck, 2Kor 59. 503 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 504 Siehe dazu u. a. K. Vandorpe in P.Dryton S. 289. Einige Belege bei Preisigke, Wörterbuch s. v. ὅπλον; siehe ferner z. B. P.Iand.Zen. 53, B 35.61 (Februar – März 257 v. Chr.); P.Dryton 38,20 (nach 153/152 oder nach 142/141 v. Chr.); 2,20 (150 v. Chr.); 3,5; 4,3 (beide 126 v. Chr.); BGU VI 1285 (110 v. Chr.); SB XX 14106,3 (95–94 v. Chr.?; ergänzt); O.Krok. I 94,4 (ca. 118 n. Chr.); O.Did. 448,5 (vor ca. 140–150 n. Chr.; A. Bülow-Jacobsen versteht ὅπλον an dieser Stelle als Schild, siehe O.Did. S. 383). – Insbesondere in Belegen der frühen ptolemäischen Zeit werden damit des Öfteren „Geräte“ aller Art bezeichnet, u. a. wie sie für die Ausrüstung von Schiffen (speziell das Tauwerk) benötigt werden; vgl. z. B. PSI IV 428,61 (Mitte 3. Jh. n. Chr.). 505 Siehe dazu und zu weiteren Beispielen A. Papathomas in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 392; Papathomas, Begriffe 161–162. 506 Vgl. Papathomas, Begriffe 63–64. 501
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Einzelheiten: 2Kor 6,6–8
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Z. 4–5: προνόησον ὥστε τὸ ὀφειλόμ[ενον . . . . . . .] | μετὰ πάσης εὐφημίας ἀπ̣ [οδοῦναι, . . . . . . .]. Gemeint ist wohl, dass er seine Schuld so zurückzahlen soll, dass ihm daraus nur gute Nachrede erwächst. Von „Beifallsbezeugungen“ gegenüber dem römischen Imperator ist in P.Bub. I Fr. S. 200,3 (Ende 212 n. Chr.) und PSI XIV 1444,5–6 mit BL IX 322 (ca. 247–248 n. Chr.) die Rede. Aufgrund des fragmentarischen Zustandes von der Form her nicht eindeutig ist εὐφημιω[ - - - ] in P.Oxy. XLII 3072,6 (ca. 197–200 n. Chr.). Das Verb εὐφημέω ist in BGU VIII 1768 (64–44 v. Chr.), dem amtlichen Bericht eines Strategen anlässlich seines eigenen Amtsamtritts, bezeugt; laut Z. 8 wurde ihm beim Betreten des Heraklestempels allgemein Beifall gespendet (ὁμοθυμ̣ [α|δὸν] εὐφημούντων). Das Adjektiv εὔφημος begegnet im Geschäftsbrief PSI XIII 1335 (3. Jh. n. Chr.), wo der Briefsender seinem Adressaten mitteilt, dass er es für εὐφημότερον hielt, ihm nicht zu schreiben (Z. 24: εὐφημότερον γὰρ ἡγησάμην τὸ μή σοι γράψαι), da er ihm die betreffende Angelegenheit bei einem persönlichen Besuch genauer schildern werde. Vom Kontext her geht es wohl darum, dass der beschriebene Weg der „diskretere“ ist.
ὡς πλάνοι καὶ ἀληθεῖς – Das Adjektiv πλάνος („irreführend, täuschend“) ist
in den dokumentarischen Papyri bisher nicht belegt.507 Das Adjektiv ἀληθής508 („wahr, wirklich“) wird, was seine Verwendung in den Papyri betrifft, sowohl in ptolemäischer als auch in römischer Zeit in erster Linie im Briefverkehr mit den Behörden gebraucht, und zwar am Ende von Eingaben, wo die Petentin oder der Petent häufig die Überprüfung der dargelegten Fakten wünscht. Gleichsam formelhaft findet sich dann das Ersuchen, dem eingebrachten Antrag gemäß zu verfahren, wenn sich im Zuge der Überprüfung herausstellt, dass die gemachten Angaben wahr sind: Um die Rückzahlung einer Schuld geht es z. B. in SB VI 9420 (ca. 129 v. Chr.), zu der der Schuldner behördlich gezwungen werden soll, „wenn sich als wahr herausstellt“ (Z. 19–20: κἂν ᾖ | ἀληθ[ῆ]), was die Petentin geschrieben hat. Um die Stattgabe der Exekutierung der in einer Eingabe geforderten Maßnahmen handelt es sich bei P.Fam.Tebt. 29 [133 n. Chr.]; vgl. darin insbesondere Z. 18).
Aber auch in anders gearteten, bei Behörden einzureichenden Schriftstücken wie etwa in Anachoresis-509 oder Epikrisisdeklarationen wird – in der Regel in Form eines Kaisereides510 – die Wahrheit der gemachten Angaben bekräftigt: In P.Oxy. II 258,23–25 (86–87 n. Chr.?), einer Epikrisisdeklaration, heißt es z. B.: καὶ ὀμνύ[ω Αὐτοκράτορα Καίσαρα] | Δομιτιανὸν Σε[βαστὸν Γερμανικὸν] | ἀληθῆ εἶναι [τὰ προγεγραμμένα] („und ich schwöre beim Imperator Caesar Domitianus Augustus Germanicus, dass wahr ist, was ich zuvor geschrieben habe“).511 507 Zum Verb πλανάομαι, insbesondere als juristischer Terminus, siehe A. Papathomas in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 229; Papathomas, Begriffe 106–108 (mit Belegen). 508 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 509 So etwa P.Gen. II 94,17–22 (63–64 n. Chr.). 510 Zu Form und Verwendung siehe de Jong, Celebrating Supermen 633–637. 511 Um den Eid am Ende von Zensusdeklarationen geht es bei P.Oxy. II 361 (76–77 n. Chr.)
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
Einige wenige Belege stammen unmittelbar aus dem prozessrechtlichen Bereich: So enthält P.Hal.1, Verso 222–233 (nach 259 v. Chr.) über die „Vorladung zum Zeugnis“ (εἰς μαρτυρίαν κλῆσις) die Vorschrift, dass ein vor Gericht aufgerufener Zeuge unter dem gesetzlichen Eid stehe, die Wahrheit auszusagen – Z. 227–228: [ὀ]μόσας | τὸν ν[ό]μιμον ὅρκ[ο]ν ἀληθῆ μαρτυρεῖν. Darum geht es vermutlich auch in P.Kramer 21,6 (3. Jh. v. Chr.), wo sich die Aussage ἀληθῆ τὰ ὑπ᾽ αὐτοῦ εἰρημένα̣ („dass das von ihm Gesagte wahr ist“) am ehesten auf die zuvor im nur fragmentarisch erhaltenen Text erwähnten Zeugenaussagen bezieht.512 In BGU II 388 (ca. 157–159 n. Chr.), dem Protokoll einer Verhandlung vor dem Idios Logos, drängt dieser eine der Veruntreuung von Geldern bezichtigte Frau – Kol. II 20: τὸ ἀληθὲς εἰπέ („sag die Wahrheit!“).513
Der für die vorliegende Paulusstelle wohl aufschlussreichste Vergleichstext entstammt dem privaten Briefverkehr und ist obendrein der einzige Papyrusbeleg für den Superlativ: P.Oxy. LXXIII 4959 (2. Jh. n. Chr.) ist der Brief eines Ammonios514 an die Mutter Demetria und den Vater Dios, den der Briefsender offenbar einem Schreiber diktiert, anschließend aber noch eigenhändig korrigiert oder ergänzt hat.515 Hintergrund des Schreibens ist die überstandene Krankheit des Bruders Theon, worüber – wie nun Ammonios gleich zu Beginn erwähnt – dieser selbst seine Eltern bereits benachrichtigt hat (vgl. Z. 3). Theons eigener Brief konnte den Eltern aber offensichtlich ihre Sorgen nicht vollständig nehmen, weshalb nun Ammonios seinerseits detailliert über die Erkrankung und Genesung Theons schreibt und dem Schreiber zunächst diktiert – Z. 10–12: ὅτι μὲν οὖν ἀληθέστατα ταῦτα | ὑμεῖν (l. ὑμῖν) ἐπιστέλ̣ λ̣ ο̣ μεν τοὺς θε̣ο̣ ὺς πάντας ἐπό|μνυμαι („dass wir euch nun damit ganz und gar Wahres mitteilen, schwöre ich bei allen Göttern“). Vor dem Abschicken des Briefes hat er den Ausdruck ὑμεῖν ἐπιστέλλομεν durchgestrichen und über den Z. 10 und 11 eigenhändig die Bemerkung eingefügt: ἵνα ⟦ . .ι .λ̣ ⟧λ̣ ο̣ . .π . . . . . .αιτε αὐτοῦ τοῖς | [γρ]ά̣ μμασιν̣ ὡ̣ ς ἄρα χαριζ̣ ό̣ μ̣ ενος ὑμεῖν [ἐ]π̣ έστειλε κἀγὼ γέγραφα, so dass der ganze Abschnitt schließlich lauten sollte: `ἵνα ⟦ . .ι .λ̣ ⟧λ̣ ο̣ . .π . . . . . .αιτε αὐτοῦ τοῖς [γρ]ά̣ μμασιν̣ ὡ̣ ς ἄρα χαριζ̣ ό̣ μ̣ ενος ὑμεῖν [ἐ]π̣ έστειλε κἀγὼ γέγραφα´ ὅτι μὲν οὖν ἀληθέστατα ταῦτα τοὺς θε̣ο̣ ὺς πάντας ἐπόμνυμαι („damit ihr …516 seinem Brief, und LXXIII 4957,26 (22. Februar 147 n. Chr.), am Ende einer Todesanzeige bei PSI XV 1522,10– 13 (91–92 n. Chr.). 512 Siehe dazu R. Scholl in P.Kramer S. 232. Zu den ptolemäischen Zeugenaussagen siehe D. Kaltsas in P.Heid. VIII S. 45–68. 513 Der Gegensatz zwischen „wahr“ und „falsch“, jedes Mal durch Gegenüberstellung mit einem Kompositum von ψεύδω ausgedrückt, kommt in P.Flor. III 382,58 (vor 3. November 222 n. Chr.), P.Corn. 20 bzw. 20 (a),56 (302 bzw. 303 n. Chr.) sowie P.Cair.Isid. 13,10 (314 n. Chr.) zur Sprache. – Nur einmal wird bis jetzt innerhalb der Papyri eine Person als ἀληθής charakterisiert, und zwar geht es im Zauberpapyrus Pap.Graec.Mag. I 4 (frühes 4. Jh. n. Chr.) um die Göttin Kore oder Demeter, die als ἀλη|θὴς ἡ μήτηρ (Z. 2962–2963: „wahre Mutter“) bezeichnet wird. 514 Dass es sich dabei um denselben Ammonios handelt wie beim Absender von P.Oxy. XLII 3057 (1.–2. Jh. n. Chr.) erwägt Minehart, P.Oxy. XLII 3057: Letter 546–547. 515 Siehe zu diesem Brief auch ausführlich Arzt-Grabner, Papyrologie 20–23. 516 Vom Zusammenhang her muss der Text an dieser Stelle das Misstrauen der Eltern ausge-
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Einzelheiten: 2Kor 6,8–10
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dass er ihn also schickte, um euch einen Gefallen zu tun, habe auch ich geschrieben. Dass das nun ganz und gar wahr ist, schwöre ich bei allen Göttern“).517 Ammonios betont also, dass nicht nur der vorhergehende Brief Theons absolut der Wahrheit entspricht, sondern auch sein aktuelles Schreiben. Dies sei auch deshalb wichtig, weil die Eltern von irgendjemandem „von denen, die gewohnt sind, nicht die Wahrheit zu sagen“ (τῶν | εἰω̣ θ̣ ό̣ τ̣ω̣ ν `μὴ´ τὰ ἀληθῆ λέγειν – Z. 12–13), etwas (Gegenteiliges) hören könnten.
Wenn Paulus, der hier in Gegensatzpaaren spricht, den πλάνοι (ἀπόστολοι) die ἀληθεῖς gegenüberstellt, bezieht er sich damit wohl auch auf die Aussagen, die sie getätigt haben oder zu tätigen im Begriff sind. „Wahres“ bzw. die „Wahrheit“ zu sagen, bedeutet, „wahrhaftig“, also „ehrlich“ zu sein – ein Aspekt, der hier am prägnantesten den Gegensatz zu „in die Irre führend“ trifft.518 καὶ ἐπιγινωσκόμενοι ‹ 1,13, ὡς ἀποθνῄσκοντες ‹ 5,14 καὶ ἰδοὺ ζῶμεν , ὡς παιδευόμενοι καὶ μὴ θανατούμενοι – Wie in 1Kor 11,32 wird auch hier παιδεύω im Sinne von „züchtigen“ verwendet,
6,99 ὡς ἀγνοούμενοι ‹ 5,17
‹ 1,8
‹ 1,8; 5,15
allerdings nicht im Kontext strafender Erziehung, sondern wohl in einem umfassenderen Sinn. Als Beispiel aus den Papyri kann wieder der Privatbrief BGU III 846 (2. Jh. n. Chr.) angeführt werden, wo es in Z. 11–12 heißt (mit BL 1,72 bzw. Deissmann, Licht S. 155 Anm. 17): παιπαίδ̣ |{δ}ευμαι, καθ᾽ ὃν δ̣ ῖ ̣ (l. δεῖ) τρόπον. οἶδα, ὅτι ἡμάρτηκα („ich bin gehörig gezüchtigt worden. Ich weiß, dass ich gesündigt habe“).519
Das Verb θανατόω („zu Tode bringen, umbringen“) ist in den dokumentarischen Papyri bisher nicht belegt. 6,110 ὡς λυπούμενοι ‹ S. 150 ἀεὶ δὲ χαίροντες‹ 2,3, ὡς πτωχοί – Der Begriff πτωχός520 („Bettler“, als Adjektiv „bettelarm“) begegnet – ähnlich wie das Phänomen der „Bettelei“ überhaupt, das nach J. Hahn „in der Ant[ike] nur sporadisch dokumentiert und kaum ökonomisch oder gesellschaftlich analysiert“ wurde521 – in den Papyri nur selten. drückt haben, etwa: „Damit ihr nicht von seinem Brief her annehmt, dass er ihn (nur) geschickt hat, um …“ (siehe dazu auch Arzt-Grabner, Papyrologie 21–22). 517 Aufgrund des Erscheinungsbildes des Papyrus ist der interlineare ἵνα-Satz vor dem ὅτιSatz einzufügen und in der von mir vorgeschlagenen Reihenfolge zu übersetzen (anders die Hg. des Papyrus in P.Oxy. LXXIII S. 157). 518 Viele übersetzen ἀληθεῖς mit „wahrhaftig“ (so z. B. die Einheitsübersetzung oder Meyer, 2Kor 157, sowie Grässer, 2Kor I 239). 519 Siehe dazu die einschlägige Diskussion von Deissmann, Licht 153–158. Vgl. A. Papathomas in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 401–402; Papathomas, Begriffe 170 Anm. 1158. 520 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 521 Hahn, Bettelei, Bettler 597; vgl. weiters Kloft, Gedanken.
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
Einer der frühesten Belege, der aber zum Teil Lücken aufweist, findet sich in der Petition P.Petr. III 36 (a), Rekto (218–217 v. Chr.): der im Gefängnis befindliche Bittsteller beschwert sich über eine Behandlung(?), wie sie armen Leuten gebührt – Z. 17: πτωχοῖς ἐ`φ´ήβολος (l. ἐπήβολος?). In der folgenden Zeile ist die Rede von einem, der, so der Petent, „ärmer als ich“ ist (πτωχότερος ἐμοῦ). Die Erwähnung eines „Bettlers“ bzw. einer „Bettlerin“ in zwei Abrechnungen aus dem 3. Jh. v. Chr. zeigt, dass für die Ärmsten der Armen bisweilen auch eine Kleinigkeit abfiel, die es aber immerhin wert war, ausdrücklich unter den Ausgaben angeführt zu werden – P.Petr. III 140 (a),1: πτωχῶι (τέταρτον ὀβολοῦ), γναφεῖ (ἡμιωβέλιον) („für einen Bettler eine Viertelobole, für den Walker eine halbe“); P.Tebt. III.2 1078,24: π̣ τω̣ χῆι α („für eine Bettlerin eine [Obole]“).522 Als alternative Bezeichnung für die mittellosen, auf die Versorgung im Tempel angewiesenen κάτοχοι, d. h. die In-Gotteshaft-Befindlichen, begegnet der Ausdruck οἱ πτωχοί in UPZ I 5,21.22 (nach 19. Oktober 163 v. Chr.).523 In P.Worp 6,7–8 (1.– 2. Jh. n. Chr.) sprechen drei Männer in ihrem Schutzgebet an Athene von sich selbst als μηδὲν ἀδική|σασι πτωχοί(ς) („arme Männer, die nichts Unrechtes getan haben“).
Gerade dieses materielle „Armsein“, das entsprechend den zuletzt aufgezeigten Belegen eine besondere Beziehung zu einer Gottheit auszumachen scheint, ist es, was für den Vergleich mit der paulinischen Haltung hervorgehoben werden kann. Diejenigen, die in der Gesellschaft leer ausgehen (beachte auch in V. 9–10 unmittelbar davor: „Sterbende“, „Gezüchtigte“, „Betrübte“), können sich immerhin noch an die Gottheit wenden und auf Hilfe hoffen, sofern sie rechtschaffen sind. πολλοὺς δὲ πλουτίζοντες – Das Verb πλουτίζω524 ist ntl. auf die Korinthische
Korrespondenz beschränkt (außer an der vorliegenden Stelle begegnet es nur noch in 9,11 und in 1Kor 1,5). In den dokumentarischen Papyri ist es – im Unterschied zur (allerdings nur spärlich vertretenen) Form πλουτέω525 – gar nicht bezeugt. ὡς μηδὲν ἔχοντες καὶ πάντα κατέχοντες – Das Verb κατέχω wird in den dokumentarischen Papyri in unterschiedlichen Bedeutungen verwendet, und auch der Gebrauch bei Paulus ist nicht einheitlich.526 An der vorliegenden Stelle kommt die Bedeutung „innehaben, besitzen“ zum Tragen.527
522 Aus dem 5. Jh. n. Chr. stammt P.Bingen 127, eine Abrechnung über Kornverteilung an die Bettler. 523 Ähnlich O.Narm. I 6,4 (2.–3. Jh. n. Chr.) von ἱερόδουλοι. 524 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 525 Siehe den Befund bei F. Winter in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 172–173. 526 Siehe Arzt-Grabner, Philemon 216–218; vgl. Kreinecker, 2. Thessaloniker 167–168. 527 Einige Beispiele aus den dokumentarischen Papyri zu dieser Bedeutung bieten Preisigke, Wörterbuch s. v. κατέχω 7), sowie R. E. Kritzer und P. Arzt-Grabner in Arzt-Grabner/ Kritzer u. a., 1. Korinther 297–298. Auf inschriftliche Belege haben bereits Moulton/Milligan, Vocabulary s. v. κατέχω (1), verwiesen.
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Einzelheiten: 2Kor 6,10–12
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6,111 τὸ στόμα ἡμῶν ἀνέῳγεν ‹ 2,12 πρὸς ὑμᾶς, Κορίνθιοι ‹ 1,1 – Das Wort στόμα528 bezeichnet in der Sprache der griechischen Papyri sowohl den menschlichen „Mund“ als auch die „Mündung“ eines fließenden Gewässers529. Wie auch andere Teile des menschlichen Gesichts wird der Mund insbesondere in Personenbeschreibungen im Zusammenhang mit besonderen Merkmalen erwähnt: Im Weberlehrvetrag Stud.Pal. XXII 40 (150 n. Chr.) z. B. schreibt eine gewisse Segathis über ihre junge Sklavin, die das Weberhandwerk erlernen soll, dass diese ein „Mal oberhalb des Mundes“ aufweise – Z. 6: οὐλὴ [ὑπὲ]ρ [τοῦ σ]τόματος. In Z. 28– 29 folgt die Beschreibung des anwesenden Zeugen bzw. Schreibers als mit einem „Mal auf Stirn und Mund sowie zwischen den Augenbrauen“.
Für das „Öffnen“ oder „Auftun des Mundes“ liegen bisher keine Papyrusbelege vor, das folgende Beispiel ist aber im Vergleich mit der Paulusstelle dennoch aussagekräftig: In P.Giss. I 36 (nach 9. November 134 v. Chr.) sind die Aussagen eines συγχώρησιςProzesses festgehalten; dabei heißt es u. a., dass „alle vier Klägerinnen aus einem Mund sprechen“ – Z. 12–13 mit BL I 169: π̣ ᾶ̣ σαι αἱ τέτταρες λέγουσαι ἐξ ἑνὸς | στόματος.530
ἡ καρδία
‹ 1,22
ἡμῶν πεπλάτυνται – Das Verb πλατύνω („weit machen“) ist
papyrologisch bisher nicht bezeugt. 6,112 οὐ στενοχωρεῖσθε ‹ 4,8 ἐν ἡμῖν, στενοχωρεῖσθε δὲ ἐν τοῖς σπλάγχνοις ὑμῶν – Papyrologische Belege für σπλάγχνον (meist wird der Plural σπλάγχνα verwendet) sind selten. Die Grundbedeutung „Eingeweide“ begegnet im astrologischen Dialog P.Ryl. II 63 (3. Jh. n. Chr.); diese werden dort dem Jupiter zugeordnet (Z. 5–6). Auf das „Erbarmen, Mitleid“ des praefectus Aegypti hoffen die Petenten von BGU IV 1139 (nach 28. Oktober 5 v. Chr.; beachte Z. 16–20 mit BL VIII 42).531
An der vorliegenden Stelle ist von der Grundbedeutung auszugehen und „das Innere“ der Angesprochenen gemeint, während in 7,15 noch deutlicher als hier die im Inneren angesiedelten Gefühle „Zuneigung, Liebe, Mitleid“ mitzudenken sind. Nach heutigem Sprachgebrauch geht es um das „Herz“ im emotionalen Sinn.
528
Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. Für Belege siehe Preisigke, Wörterbuch s. v. στόμα 2). 530 Analog dazu die Ergänzung [οἳ δύο λέγοντες ἐξ ἑνὸς στόματος] zu Beginn einer sog. Abstandsurkunde (CPR XV 1,3 [3 v. Chr.]); lückenhaft P.Leid.Inst. 47, Kol. II 7–8 (spätes 2. Jh. n. Chr.). 531 Siehe dazu und insgesamt zum papyrologischen Befund Arzt-Grabner, Philemon 196– 197. 529
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
6,113 τὴν δὲ αὐτὴν ἀντιμισθίαν – Das Substantiv ἀντιμισθία532 begegnet papyrologisch zum ersten Mal in einem bereits christlichen Text aus dem 4.–5. Jh. n. Chr., wo es die „Entschädigung, Gegenleistung“ (vgl. μισθός – „Lohn, Sold“) für geleistete Mühen bezeichnet (P.Oxy. LVI 3862,12)533. ὡς τέκνοις λέγω, πλατύνθητε
‹ 6,11
καὶ ὑμεῖς – Zum Ausdruck „wie zu Kindern sprechen“ findet sich eine Parallele in einem Privatbrief, der am 7. Dezember 117 n. Chr. abgefasst wurde: Der Briefsender von P.Mil.Vogl. I 24 klagt u. a. über die ärgerliche und bevormundende Art seiner Mutter, in Z. 39–43 (mit BL VI 85) schreibt er z. B.: ἔφην ὅτι· | ἐγὼ γέρων ἤδη . .(ἐτῶν) | εἰμι καὶ ὡς παιδίῳ νηπί|ῳ οὕτως λαλεῖ καὶ λοιδο|ρεῖ („ich sagte: ‚Ich bin ein Greis, schon … Jahre alt‘, und sie spricht so zu mir wie zu einem unmündigen Kind und schilt mich“).
Der Unterschied zwischen beiden Texten besteht allerdings darin, dass es im Papyrusbrief um ein ärgerliches Verhalten der Mutter geht, weil sie ihren Sohn nicht als ihr Kind, sondern wie ein unmündiges (νήπιος)534 Kind behandelt, obwohl er längst erwachsen ist, während Paulus hier wie ein Vater in den Gemeindemitgliedern seine Kinder sieht, so wie er auch in Phlm 10 Onesimos als sein Kind bezeichnet. Wie die Papyrusbelege für τέκνον zeigen, sagt der Ausdruck nicht von vornherein etwas aus über Alter oder Rechtsstatus der Bezeichneten. Wenn es sich um unmündige Kinder handelt, kann dies ausdrücklich betont werden.535 In einzelnen Fällen begegnet τέκνον als Anrede an ein bereits erwachsenes „Kind“.536 Auch eine übertragene Redeweise wie hier bei Paulus ist vereinzelt anzutreffen: So heißt es z. B. in einem Brief aus Alexandria, der sich auf den 29. März 84 n. Chr. datieren lässt, kurz vor dem Schlussgruß – P.Lond. III 897 (S. 206), Verso 26–28: οἶδα γὰρ ἐμαυτῶι [μὲν ?] | ὅτι μέλει σοι πολλὰ περὶ ἐμοῦ, μελ[ήσε]ι | σοι δὲ ὡς ὑπὲρ ἰδίου τέκνου („ich bin mir bewusst, dass du dich sehr um mich kümmerst, und du wirst dich um mich kümmern wie um dein eigenes Kind“).537 532 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. – Zu den Deutungsmöglichkeiten des Akkusativs siehe Schmeller, 2Kor 366 Anm. 25: Akkusativ der Beziehung, innerer Akkusativ u. a. 533 ̣ ̣ θ̣ ία ̣ ̣ ν̣ ). Für das 6. Jh. n. Chr. ist das Die Lesung des Wortes ist zudem unsicher (τὴν ἀντιμ̣ ισ Wort ἀντιμίσθωσις bezeugt, eine spezielle Art von „Pachtvertrag“, bei dem (anders als bei der sog. μίσθωσις) der Verpächter in der Rolle des Exekutierenden ist (vgl. etwa P.Michael. 43,21.23.24 [526 n. Chr.]). – Meyer, 2Kor 163, übersetzt ἀντιμισθία an der vorliegenden Stelle mit „Vergeltung“ (ebenso Windisch, 2Kor 211 Anm. 2), Grässer, 2Kor I 253, mit „Gegenleistung“, Matera, 2Cor 157–158.161, mit „exchange“; Furnish, 2Cor 360, hat „response“ (ähnlich wie die Einheitsübersetzung: „Antwort“). Paulus verwendet das Wort auch in Röm 1,27. 534 Zum Papyrusbefund siehe F. Winter in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 136– 137. 535 Beachte die Belege bei Arzt-Grabner, Philemon 202. 536 Belege bei Arzt-Grabner, Philemon 202; ferner z. B. P.Oxy. LXXVII 5113,1.7 (3. Jh. n. Chr.). 537 Weitere Beispiele bei Arzt-Grabner, Philemon 203.
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Einzelheiten: 2Kor 6,13–14
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6,114 μὴ γίνεσθε ἑτεροζυγοῦντες ἀπίστοις ‹ 4,4 – Auch wenn Paulus das nicht wörtlich so ausdrückt, so scheint er doch in 6,14–7,1 noch einmal die Frage der Teilnahme an Opfermählern (u. a. in heidnischen Tempeln, beachte 6,16) aufzugreifen, die er schon ausführlicher in 1Kor 8,1–11,34 behandelt hat (siehe den dortigen Exkurs zum papyrologischen Hintergrund)538. Hier ist seine Haltung dazu eine strikt ablehnende. Zum Verb ἑτεροζυγέω („ungleich unter einem Joch sein“, also im Sinne von unter ein Joch gespannt sein, obwohl beide nicht zusammenpassen) gibt es bisher keine papyrologischen Belege.539 ‹ 3,9
καὶ ἀνομίᾳ …; – Mit μετοχή wird in den dokumentarischen Papyri eine „Teilhaberschaft“ oder eine „Besitzgmeinschaft“ bezeichnet.540 Diese Bedeutung überträgt Paulus in seiner rhetorischen Frage auf die freilich nicht mögliche „Besitzgemeinschaft“ oder „Teilhaberschaft“ von Gerechtigkeit und Gesetzlosigkeit. Eine solche Gemeinschaft können die beiden Größen nicht eingehen, sie haben nichts gemeinsam. Der Begriff ἀνομία541 („Gesetz-, Sittenlosigkeit“) begegnet in den Papyri des Vergleichszeitrahmens ausnahmslos in Eingaben oder Petitionen: τίς γὰρ μετοχὴ δικαιοσύνῃ
So beschwert sich z. B. in BGU VI 1247 (137 v. Chr.) ein gewisser Esoroerios über das ihm zugefügte Unrecht; der Übeltäter habe ihn nicht nur beschimpft, sondern auch „von einer ganz und gar sittenlosen Vorgangsweise Gebrauch gemacht und die Decke des oberen Hauses entzweigeschlagen“ – Z. 10–12: ἀνομί[̣ αι] | δέ [τ]ινι χρησάμενος δι[έκο]ψεν τὰ ἐφύπερα τ[οῦ] | ἄνω οἴκου. In P.Hamb. IV 240,17–18 (119–120 n. Chr.) dient der Ausdruck ἀνομία hingegen als Überbegriff für jene Gewalt, die zwei Frauen angetan wurde.542
538 R. E. Kritzer und P. Arzt-Grabner in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 321– 327. Speziell zu 2Kor 6,14–7,1 in diesem Zusammenhang siehe u. a. Witherington, Conflict 339– 340. 539 Bezeugt ist hingegen das Adjektiv ἑτερόζυγος in P.Cair.Zen. I 59038,12 (vor 257 v. Chr.), dort von zwei „ungleichen“, d. h. nicht zusammenpassenden Vasen. Zum alttestamentlichen Hintergrund (dort begegnet ἑτερόζυγος in Lev 19,19 LXX; beachte außerdem Dtn 22,10 LXX), auf den Paulus hier wohl anspielt, siehe Harris, 2Cor 498–499; Schmeller, 2Kor 373. 540 Einige Beispiele bei Preisigke, Wörterbuch s. v. μετοχή; Moulton/Milligan, Vocabulary s. v. μετοχή. Beachte auch die Bezeichnung μέτοχος für den „Mitarbeiter, Teilhaber, Kollegen“ bei der Steuereinhebung. Zahlreiche Beispiele dafür finden sich auch bei Einhebern der Webersteuer: aus paulinischer Zeit stammen die Quittungen für Webersteuer O.Petr. 213 (7. Juni 16 n. Chr.) und O.Wilck. 1040 (25. Februar – 25. April 58 n. Chr.). Auf Paulus bezogen sind solche Beispiele für μέτοχος von Interesse, die dem Weberhandwerk, also dem Handwerksbereich des Paulus angehören: BGU VII 1591,4 (30. August 123 n. Chr.); P.Stras. V 411,3–4 (27. Februar 129 n. Chr.); 413,4 (20. Februar 139 n. Chr.). 541 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 542 Vgl. weiters P.Tor.Choach. 8 A,28–29 bzw. 8 B,27–28 (beide nach 24. September – 23. Oktober 127 v. Chr.); (lückenhaft) BGU X 1904,12 (Mitte 2. Jh. v. Chr.); P.Flor. III 382,49 (vor 3. November 222 n. Chr.); P.Oxy. VIII 1121,20–21 (295 n. Chr.). Siehe auch Kreinecker, 2. Thessaloniker 160–161.
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
Wie die Petenten in den genannten Beispielen entwickelt auch Paulus an dieser Stelle einen anklagenden Tonfall, wenn er von der Gesetzlosigkeit der Ungläubigen spricht.543 Neben einem gewaltsamen gesetzeswidrigen Handeln, das in den Papyrusbelegen im Vordergrund steht, schwingt für den Juden Paulus noch wesentlich die Vorstellung mit, dass die „Ungläubigen“ in dem Sinn „gesetzlos“ sind, als sie Gottes Gesetz, im Speziellen also die Torah, gar nicht kennen. ‹ 4,6
πρὸς σκότος‹
4,6
; – Mit κοινωνία wird in den dokumentarischen Papyri entweder auf die eheliche „Gemeinschaft“ oder auf eine geschäftliche „Partnerschaft“ Bezug genommen.544 Mit der rhetorischen Frage betont Paulus hier also, dass Licht und Finsternis in keinerlei Beziehung zueinander stehen, auf keiner Ebene etwas miteinander zu tun haben. ἢ τίς κοινωνία φωτὶ
6,115 τίς δὲ συμφώνησις Χριστοῦ ‹ 1,1 πρὸς Βελιάρ …; – Für συμφώνησις („Übereinstimmung“) gibt es bisher keine papyrologischen Belege. Auch der Name Βελιάρ ist bisher nicht bezeugt. ‹ 1,18
‹ 4,4
; – Mit μερίς bedient sich Paulus eines Begriffes, der in der Welt der Papyri vor allem bei der Landeinteilung eine Rolle spielt. Bei der überwiegenden Mehrzahl der Belege (ptolemäisch wie römisch) bezeichnet μερίς einen „Verwaltungsbezirk“, also eine bestimmte, politisch begründete Kategorie von Land.545 Vereinzelt, generell häufiger in ptolemäischer Zeit, wird μερίς, ähnlich wie das verwandte μέρος, für den jemandem zufallenden „Anteil“ an Besitz gebraucht; die weitaus wichtigste Rolle spielt dabei wiederum der Besitz von Land: ἢ τίς μερὶς πιστῷ
μετὰ ἀπίστου
So hat z. B., wie in den Aufzeichnungen eines Agoranoms546 verzeichnet ist (P.Adl. 21 [98 v. Chr.]), eine gewisse Hepteësis „den ihr gehörenden, mit Getreide bebauten Anteil Hochlandacker“ verkauft (Kol. I 4–5: τὴν ὑπ(άρχουσαν) αὐτῆι | μ̣ ερίδα γῆν (l. γῆς) ἠπ(είρου) σιτοφ(όρου)) sowie einen weiteren Anteil an Landbesitz (vgl. Kol. I 9).547 Bisweilen bezieht sich μερίς aber auch auf andere Güter wie Häuser, Ernteerträge oder Saatgut548. Um den Besitzanteil an Sklaven geht es in BGU XVI 2633,4 (ca. 21 v.-5 n. Chr.): ἡ μερὶ τῶν παιδίων549. 543
Ähnlich Röm 6,19. Vgl. die Beispiele bei Arzt-Grabner, Philemon 182–185. – In letzterem Zusammenhang wird auch κοινωνός im Sinne des „Geschäftspartners“ oder „Teilhabers“ verwendet (siehe dazu Arzt-Grabner, Philemon 226–228). 545 Welche Abschnitte Ägyptens dafür in Frage kommen (insbesondere die drei μερίδες des arsinoitischen Gaues), ist bei Preisigke, Wörterbuch s. v. μερίς a)-g), aufgeführt (inkl. Belegen). 546 Dieser war ein „im ptolemäischen und römischen Ägypten im griechischen Bereich in erster Linie mit notariellen Aufgaben betrauter Funktionär“ (Wolff, Recht II 9; insgesamt dazu S. 9–18). 547 Aus römischer Zeit vgl. etwa SB XIV 11533, Kol. II 6 (nach 29. Oktober 104 n. Chr.; innerhalb einer Landabtretung) oder CPR I 11,21 (108 n. Chr.). 548 Vgl. BGU III 996, Kol. III 2 (ca. 112 v. Chr.), P.Adl. 15,10–11 (100 v. Chr.) sowie P.Mert. 544
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Einzelheiten: 2Kor 6,14–16
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In sämtlichen Belegen ist jedenfalls eine systematische Ver- bzw. Zuteilung – von welcher Sache auch immer – erkennbar.550 Der Anteil, der dem einen zufällt, kann nicht gleichzeitig einem anderen zustehen. Diesen Grundsatz aus dem wirtschaftlichen Bereich, der sich in der Verwendung von μερίς deutlich zeigt, wendet Paulus auf den Bereich der Glaubenden an: ein Glaubender hat nicht etwas mit dem Ungläubigen gemeinsam, sondern er hat seinen eigenen Anteil, der in seinem Besitz ist, nicht im Besitz eines Ungläubigen. 6,116 τίς δὲ συγκατάθεσις ναῷ θεοῦ μετὰ εἰδώλων; – Von einer συγκατάθεσις551 ist innerhalb der Papyri nur selten die Rede; mit einer Ausnahme wird damit stets eine „Vereinbarung“ zwischen zwei (oder mehreren) Personen bezeichnet, die bindende Wirkung hat: Im frühesten Beleg (BGU I 194 [177 n. Chr.])552 geht es um die Vorgangsweise in einem Dorf bei der Besetzung von Liturgien; um die Priester des Dorfes liturgiefrei zu halten553, verpflichten sich alle anderen Einwohner, „auf Basis einer Vereinbarung die ihnen zufallenden Liturgien auszuführen“ – Z. 11–12: ἐκ συνκαταθέσεως τὰς | λειτουργείας `ἐπιβαλλούσας αὐτοῖς´ ⟦αὐτῶν⟧ ἐκτελέσ`ειν´ (vgl. außerdem Z. 19).554 Um ein Abkommen zwischen staatlichen Bauern geht es in P.Gen. I2 42 (224 n. Chr.); sie alle hätten die Vereinbarung getroffen (Z. 20–21: συνκατάθεσιν πάντες | πεποιῆσθα[ι]), dass jeder für die Finanzierung ihrer Genossenschaft etwas zuschießen muss. Weniger formal ist die Sprache der Verfasserin einer Petition: In P.Flor. I 58 (234 n. Chr.) beschwert sich eine gewisse Aurelia Aretus beim Strategen u. a. über einen Überfall, wobei die Beklagten δίχα παντὸς νόμου καὶ δί|[χα . . . . . . .] ἐξουσίας καὶ δίχα γνώμης ἐμῆς καὶ συνκαταθέσ̣ ε[ω]ς (Z. 7–8: „ohne jedes Recht und ohne Vollmacht, ohne mein Wissen und ohne Vereinbarung“) in ihren Hof eingedrungen seien.
Hier bei Paulus ist wohl kaum an eine vertragliche Vereinbarung im eigentlichen, formalen Sinn zu denken. Gerade das zuletzt genannte Beispiel bietet aber einen vergleichbaren Aspekt: Die συγκατάθεσις steht hier im Kontext von Gesetz (νόμος), Vollmacht (ἐξουσία) und Wissen bzw. Einwilligung (γνώμη) und meint am ehesten ein (in diesem Fall wohl mündliches) Übereinkommen, das anderen ein bestimmtes Recht einräumt. Hätte es ein solches zwischen Aurelia Aretus und den Beklagten gegeben, könnten diese darauf II 74,4–5.9 (180, 212 oder 304 n. Chr.); um Fleischportionen geht es in P.Cair.Zen. III 59381,3 (Mitte 3. Jh. v. Chr.). 549 Die Zeile bricht nach der Erwähnung des Sklavenbesitzers (Διονυσίου) ab. 550 Vgl. auch das Verb μερίζω in 10,13 (zum Papyrusbefund siehe R. E. Kritzer in ArztGrabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 70, sowie R. E. Kritzer und P. Arzt-Grabner ebd. S. 272– 273). 551 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 552 Auf diesen Beleg hat bereits Windisch, 2Kor 214, verwiesen. 553 Näheres dazu bei Oertel, Liturgie 392 Anm. 3. 554 Ein ähnlicher Zusammenhang liegt vor bei P.Cair.Isid. 80,19–20 (297 n. Chr.).
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
verweisen, dass ihnen der Zutritt zum Hof der Petentin zugestanden wäre. Ähnliches würde für Paulus gelten, wenn tatsächlich eine Art „Übereinkommen“ zwischen dem „Tempel Gottes“ und den „Götzen“ bestünde. Da dies aber offenbar nicht der Fall ist, ist Letzteren der Zutritt zu Gottes Tempel verwehrt. Bisherige Übersetzungen bzw. Auslegungen der vorliegenden Stelle berücksichtigen diesen Aspekt nur teilweise.555 Mit ναός wird in den Papyri der „Tempel“ oder „Schrein“ im Tempel eines heidnischen Gottes bezeichnet. Vor allem bei letzterer Bedeutung steht „die mit dem ναός verbundene Verehrung im Vordergrund“556. Zeitgenössische Dokumente belegen, dass sowohl Claudius als auch Nero die Errichtung von Tempeln zu ihren Ehren (noch) abgelehnt haben (vgl. P.Lond. VI 1912,48–51 [10. November 41 n. Chr.]; SB XII 11012, Kol. I 2–6 [55 n. Chr.]); lediglich den bereits vergöttlichten Caesaren wie Augustus gebühre eine solche Ehre, wie die Erwähnung des „Tempels des göttlichen Augustus“ in P.Lond. VI 1912,60–61 (ναοῦ ὅς ἐστ̣ιν̣ τοῦ θεοῦ | Σεβαστοῦ) zeigt.557 Von seinem jüdischen Hintergrund her ist verständlich, dass Paulus den ναός nicht mit einer heidnischen Gottheit oder dem vergöttlichten Caesar, sondern mit dem jüdisch-christlichen Gott verbindet. Papyrusbelege für εἴδωλον sind selten, belegen aber genau jenes Verständnis, das auch Paulus von diesem Begriff hat: es geht um ein „Bild“ zur Verehrung einer heidnischen Göttheit.558 ἡμεῖς γὰρ ναὸς θεοῦ ἐσμεν ζῶντος ‹ 3,3, καθὼς εἶπεν ὁ θεὸς ὅτι ἐνοικήσω ἐν αὐτοῖς καὶ ἐμπεριπατήσω – Zum Verb ἐνοικέω bieten die Papyri zahlreiche
Belege für „in etwas (üblicherweise in einem Haus) wohnen“.559 Beispiele für die hier von Paulus verwendete Ausdrucksweise, dass jemand „unter jeman-
555 Vgl. zunächst die Einheitsübersetzung: „Wie verträgt sich der Tempel Gottes mit den Tempelbildern“; weiters Meyer, 2Kor 165–166 („Welche Zustimmung hat …“), Lietzmann, Kor 128– 129 („Welche Gemeinschaft …“), sowie Grässer, 2Kor I 255 bzw. 259 („Wie verträgt sich …“); die englischsprachigen Exegeten (z. B. Furnish, 2Cor 360; Matera, 2Cor 157) übersetzen συγκατάθεσις mit „agreement“, wobei ersterer (S. 363) auf den Gebrauch bei den Stoikern verweist, wo das Wort „the mind’s assent to perceptions“ bezeichnet. 556 F. Winter und P. Arzt-Grabner in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 156 (mit den relevanten Belegen S. 155–156); vgl. auch Kreinecker, 2. Thessaloniker 164–165; ein weiteres Beispiel ist P.Louvre I 4,54.64.79 (vor 166 n. Chr.). 557 Bereits nachpaulinische Belege für Kaisertempel sind z. B. P.Bodl. I 29,7–8 (28. November 101 n. Chr.); SB XII 10883,11–12 (24. August 158 n. Chr.). Zu den Neokorien und überhaupt zum römischen Kaiserkult siehe besonders Clauss, Kaiser (zum Tempelkult bes. 387–413); Pfeiffer, Kaiser (zum Tempelkult bes. 281–294); de Jong, Celebrating Supermen; Kajava, Dedications. – Für Korinth sind Kaisertempel dieser Zeit allerdings nicht nachgewiesen (zur Anlage der Stadt siehe z. B. Elliger, Paulus 210–227); siehe dazu auch DeMaris, Cults. 558 Siehe dazu (mit den Belegen) R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 329. 559 Siehe dazu die Beispiele bei Preisigke, Wörterbuch s. v. ἐνοικέω; Kiessling, Wörterbuch s. v. ἐνοικέω; Moulton/Milligan, Vocabulary s. v. ἐνοικέω.
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dem wohnt“ oder dass ein Gott „in etwas“ oder „unter jemandem wohnt“, lassen sich aber bisher nicht beibringen. Zu ἐμπεριπατέω („wandeln, umhergehen in/unter …“) gibt es bisher keine papyrologischen Belege.560 καὶ ἔσομαι αὐτῶν θεός καὶ αὐτοὶ ἔσονταί μου λαός – Der Begriff λαός
begegnet bei Paulus (mit Ausnahme von Röm 11,1.2) ausschließlich in LXXZitaten, wo damit natürlich das Volk Israel gemeint ist. Die Papyrusbelege sind mit wenigen Ausnahmen auf die ptolemäische Zeit beschränkt, beziehen sich auf die genuin ägyptischen, also einheimischen Bevölkerungsschichten und stehen in dieser Weise durchaus in einer gewissen Analogie zur Verwendung des Begriffs in der LXX.561 6,117 διὸ ἐξέλθατε ἐκ μέσου αὐτῶν – Anders als in 2,13 und 8,17 ist hier mit dem Verb ἐξέρχομαι nicht ein einfaches Abreisen an einen anderen Ort gemeint, sondern eine auf Dauer angelegte Trennung (vgl. 1Kor 5,10). Eine solche wird auch in der Eingabe P.Oxy. II 282 (zwischen 26. Januar 29 und 22. Mai 37 n. Chr.) angesprochen, wo der Webermeister Tryphon u. a. anführt, dass seine Frau anderes im Kopf hatte als das gemeinsame Eheleben „und schließlich wegging“ – Z. 11–12: κατὰ πέρ[α]ς ἐξῆ|[λθε].562 Ein besonders drastisches Beispiel für eine dauerhafte Trennung begegnet in einem Privatbrief aus dem 1. oder 2. Jh. n. Chr.: Eine gewisse Paulina bittet ihren Bruder Titus um Hilfe, weil sie von ihrem Mann misshandelt wird und er sogar schon gedroht habe, sie umzubringen – SB VI 9271,3–6 (1./2. Jh. n. Chr.): SB VI 9271,10–11: φονεύει με λέγων· ἔξελθε ἀπ᾽ ἐ|μοῦ („er bringt mich um und sagt: ‚geh weg von mir!‘“).
καὶ ἀφορίσθητε, λέγει κύριος ‹ 1,2 – In den Papyri wird das Verb ἀφορίζω563
stets transitiv und zumeist in konkreten Zusammenhängen gebraucht; von einer „Abgrenzung“ oder „Bestimmung“ bzw. „Festsetzung“ betroffen sind in erster Linie Land, aber auch Geld(summen) sowie die Zeit. In P.Oxy. XLV 3240 (ca. 88–89 n. Chr.) z. B. geht es um einen Nachbarschaftsstreit, bei dem der Geschädigte in seiner Petition an den Strategen das Ersuchen äußert, man solle ihm „entsprechend den Sicherungsurkunden seine Anlieger (γείτονες) bestimmen“ – Z. 12–13: ἵν᾽ αὐτῶι κα|[τὰ τὰ]ς̣ ἀσφαλείας ἀφορι[̣ σθῶ]σ̣ ιν.564 560 Zum papyrologischen Befund von περιπατέω siehe F. Winter in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 139–140. 561 Siehe dazu ausführlicher P. Arzt-Grabner in ders./Kritzer u. a., 1. Korinther 367. Zu den dort genannten Belegen sind hinzuzufügen: P.Sorb. III 90,2.8 (ca. 250–238 v. Chr.); SB XXIV 15972, Fr. A 40 (ca. 190 v. Chr.); P.Genova III 92, Fr. B, Kol. I 10 (29. August – 27. September 165 v. Chr.). 562 Siehe dazu und zu einigen weiteren Belegen, die von einem Verlassen ohne beabsichtigte Rückkehr handeln, R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 217–218. 563 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 564 In Belegen aus früher ptolemäischer Zeit begegnet der Ausdruck ἡ ἀφορισμένη für einen
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In einem an Zenon gerichteten Memorandum (P.Mich. I 45 [nach 1. Juni 252 v. Chr.]) ist von der Verteilung von Gartenarbeiten die Rede; gegen Schluss verspricht der Absender, für die Bezahlung der drei Baum- und Kanalarbeiter Geld auf die Seite zu legen – Z. 24–25: τούτοις δὲ ἀφοριοῦμεν | ὅθεν δήσει (l. δεήσει) αὐτοῖς δίδοσθαι („für diese aber werden wir [sc. eine Summe] festsetzen, von der sie bezahlt werden sollen“). Bei P.Adl. 4 (10. Februar 109 v. Chr.) handelt es sich um einen Darlehensvertrag; in Z. 13–14 verspricht der Darlehensnehmer, das geliehene Geld „zum vereinbarten (wörtlich: festgesetzten) Zeitpunkt“ zurückzugeben: ἕως τοῦ ἀφωρισμένου χρόνου̣ .
Die „Festsetzung“ oder „Abgrenzung“, die an Land, Geld oder Zeit vollzogen werden kann, bezieht Paulus hier – mittels eines LXX-Zitates mit Verwendung der passiven Form des Verbs – auf die Gemeindemitglieder selbst. Eine solche „Abgrenzung“ von anderen oder anders denkenden Menschen, entspricht in gewisser Weise – ähnlich den oben besprochenen Landeinteilungen – einer Absteckung bzw. Abgrenzung des eigenen Gebietes. καὶ ἀκαθάρτου μὴ ἅπτεσθε – Papyrologische Belege für ἀκάθαρτος („un-
rein“) sind selten. Aus der Korrespondenz des Architekten Kleon stammt P.Petr. II 4 (5) (Mitte 3. Jh. v. Chr.); was in Z. 8 mit τοῦ ἀκαθάρτου gemeint ist, bleibt aufgrund des fragmentarischen Erhaltungszustandes unklar.565 In der – ebenfalls sehr fragmentarischen – Liste P.Tebt. III.2 1043 (nach 172–171 v. Chr.) geht es in Z. 42 wohl um verunreinigtes Saatgut: ση(σάμου) . . ( ) ἀκα(θάρτου ?) („unreiner Sesam“). J. H. Moulton und G. Milligan verweisen auf einen magischen Papyrus, in dem von einem unreinen Dämon die Rede ist (Pap.Graec.Mag. I 4,1238 [frühes 4. Jh. n. Chr.]).566
Aus dem 2. Jh. n. Chr. ist der Priestereid P.Wash.Univ. II 71 erhalten, der einen mit der Paulusstelle annähernd vergleichbaren Passus enthält: Der Priester hat nämlich u. a. zu geloben – Kol. II 10–11: [οὐ μὴ ἐ]|πέλθω εἰς τόπον ἀκάθαρτον („ich werde niemals an einen unreinen Ort gehen“). R. Merkelbach verweist diesbezüglich auf Lev 14,40–41 LXX, wo mit τόπος ἀκάθαρτος ein Abfallplatz außerhalb der Stadt gemeint ist, „wohin man unreine Dinge bringt“567, und er fügt hinzu: „Möglicherweise sind aber auch alle Orte ‚unrein‘, an denen die Menge verkehrt“568.
vom libyschen Gau abgegrenzten und Alexandria zugeordneten Landstrich (vgl. etwa P.Cair.Zen. II 59159,5 [255 v. Chr.]). 565 Vgl. Moulton/Milligan, Vocabulary s. v. ἀκάθαρτος: „the ganger Apollonios seems to be writing about a supply of iron for quarrymen, but the mutilation prevents our determining the reference.“ 566 Vgl. Moulton/Milligan, Vocabulary s. v. ἀκάθαρτος (dort noch angegeben als P Par 574). 567 Merkelbach, Priestereid 19 (unter Verweis auf H. C. Youtie). 568 Merkelbach, Priestereid 19.
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Bereits aus dem 4. Jh. n. Chr. stammt ein weiterer Priestereid, P.Oslo I 2, dessen Anfang nicht mehr erhalten ist; in Z. 1–2 ging es wohl um die Bestimmung, weder „mit unreinen Menschen noch mit befleckten Frauen“ ([μετ᾽ ἀν]θρώπων ἀκαθάρτων οὐδὲ με̣[τὰ γυναικῶν | μεμολυσ]μένων)569 Umgang zu haben.
Aufforderungen, etwas nicht zu berühren oder anzufassen begegnen auch in den dokumentarischen Papyri, wobei sich die konkretere Bedeutung immer erst aus dem Kontext erschließt. So kann es um das Versprechen gehen, bestimmte Gelder nicht anzutasten (P.Erasm. I 12,15 [152 v. Chr.]), aber auch um das Verbot, die Spreu „anzufassen“, weil sie noch gebraucht wird (SB XVI 12245,18–20 [3. Jh. n. Chr.]). Bestimmte Arbeiter halten sich nicht an den Beschluss der Auftraggeber, die Bäume für sehr lange Zeit nicht anzurühren (P.Stras. IX 872,9–10 [Anfang 3. Jh. n. Chr.]), sondern schneiden sie weiterhin alle zehn Tage aus.570
κἀγὼ εἰσδέξομαι ὑμᾶς – Das Verb εἰσδέχομαι („annehmen, aufnehmen, empfangen“) begegnet in den Papyri vor allem im Zusammenhang mit dem Empfang und der nachfolgenden Einlagerung von Getreide.571 In zeitlicher Nähe zu Paulus findet sich aber auch ein Beispiel, wo es um einen Menschen geht, der aufgenommen werden soll: Ein Briefsender, dessen Name nicht mehr erhalten ist, schreibt in BGU XVI 2647,6– 8 (21. März 8 v. Chr.) an Athenodoros und bittet ihn, sich bei den Seinen für einen Bekannten einzusetzen, der bei einem Schiffbruch zu Schaden gekommen ist: εὖ οὖν ποήσεις, ἀδελφέ, | γράψας τοῖς σοῖς ἵνα αὐτὸν εἰσδέ|ξωνται („sei so gut, Bruder, und schreib den Deinen, damit sie ihn aufnehmen“).
6,118 καὶ ἔσομαι ὑμῖν εἰς πατέρα ‹ 1,2 καὶ ὑμεῖς ἔσεσθέ μοι εἰς υἱοὺς ‹ 3,7 καὶ θυγατέρας – Wie πατήρ und υἱός wird auch θυγάτηρ („Tochter“) hier im übertragenen Sinn verwendet. Für eine eventuell übertragene Verwendungsweise dieser Anrede in den Papyri gilt Ähnliches wie für υἱός (siehe oben bei 3,7): in manchen Fälle könnte damit einfach ein Wohlwollen zum Ausdruck gebracht werden, ohne dass es sich bei der Angesprochenen um die leibliche Tochter handelt. Beispiele dafür sind aber kaum eindeutig zu identifizieren, da den Briefpartnerinnen und -partnern ohnehin klar war, ob es sich bei der Verwendung von familiären Bezeichnungen um Anredeformen im wörtlichen oder im übertragenen Sinn handelte, und deshalb auch keine weiteren Hinweise gesetzt wurden, die uns eine eindeutige Klärung erlauben. Erwähnenswert, aber nicht unmittelbar vergleichbar ist ein Abschnitt einer Eingabe wegen des Überfalls auf eine junge Sklavin, die der Petentin offenbar sehr ans Herz 569
Text nach Totti, Texte Nr. 10 (S. 18). Siehe dazu ausführlicher und zu weiteren Beispielen R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/ Kritzer u. a., 1. Korinther 254. 571 Siehe die wenigen Belege bei Preisigke, Wörterbuch s. v. εἰσδέχομαι; Kiessling, Wörterbuch s. v. εἰσδέχομαι; Moulton/Milligan, Vocabulary s. v. εἰσδέχομαι. 570
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gewachsen war. In P.Oxy. L 3555,4–8 (1.–2. Jh. n. Chr.) heißt es entsprechend: θεραπαινίδιόν μου οἰκογενέ[ς], | οὗ ἔστιν ὄνομα Πεῖνα, ἠγάπη|σα καὶ ἐτημέλησα ὡς θυγάτριο(ν) ἐπ᾽ ἐλπίδι τοῦ ἡλικίας γενόμε|νον ἔχειν με γηροβοσκόν („ich liebte mein hausgeborenes Sklavenmädchen, deren Name Peina ist, und pflegte sie wie eine Tochter in der Hoffnung, dass sie mich im Alter pflegen wird“). Über die Sklavin wird hier ausgesagt, dass sie von der Besitzerin wie eine Tochter behandelt wurde, aber nicht, dass sie von ihr auch tatsächlich so angesprochen wurde, obwohl dies nicht auszuschließen ist.572
Natürlich ist auch die Identifizierung von Adoptivkindern, um die es bildhaft hier bei Paulus geht und die sich auch da und dort in den Papyri hinter der Anrede „Sohn“ oder „Tochter“ verbergen könnten, sehr schwierig. Dass es sich bei einigen der so Angeredeten um Adoptivsöhne und -töchter handelt, davon ist freilich auszugehen.573 λέγει κύριος ‹ 1,2 παντοκράτωρ – Das Substantiv παντοκράτωρ574 („Allherr-
scher, Allmächtiger“) begegnet innerhalb der dokumentarischen Papyri erst verhältnismäßig spät als Beiname für den christlichen Gott.575 In den magischen Papyri wird – neben dem jüdischen Sabaoth oder Iao576 – bisweilen auch eine griechische Gottheit als παντοκράτωρ bezeichnet577; von der Universalität eines „allmächtigen Gottes“ aber zeugt speziell Pap.Graec.Mag. II 12 (3. Jh. n. Chr.): So kann man den in Z. 238 genannten παντοκράτωρ θεός (in Z. 250 wird er auch als δεσπότης πάντων [„Herr des Alls“] bezeichnet) auch anrufen – Z. 263–266: κατὰ μὲν Αἰγυπτίους· Φνω εαι Ἰαβωκ, κατὰ | δ᾽ Ἰουδαίους· Ἀδωναῖε Σαβαώθ, κατὰ Ἕλληνας· ὁ πάντων μόναρχος βασιλεῦς, | κατὰ δὲ τοὺς ἀρχιερεῖς· κρύπτε, ἀόρατε, πάντας ἐφορῶν, κατὰ δὲ Πάρθους· Οὐερτω | παντοδυνάστα („wie die Ägypter: ‚Phno eai Iabok‘, wie die Juden: ‚Adonai Sabaoth‘, wie die Griechen: ‚aller alleinherrschender König‘, wie die Oberpriester: ‚Verborgener, Unsichtbarer, auf alles Herabsehender‘, wie die Parther: ‚Uerto Allmächtiger‘“).
7,11 ταύτας οὖν ἔχοντες τὰς ἐπαγγελίας ‹ 1,20, ἀγαπητοί ‹ 2,4 ἀγάπη, καθαρίσωμεν ἑαυτοὺς ἀπὸ παντὸς μολυσμοῦ σαρκὸς ‹ 1,17 καὶ πνεύματος ‹ 1,22 – Das Verb καθαρίζω578 („reinigen, säubern“) wird in den Papyri verhältnismäßig selten, aber in diversen Zusammenhängen verwendet. 572 Umgekehrt wirft in P.Mich. III 221,5–8 (ca. 297 n. Chr.) eine gewisse Plutogenia ihrer Mutter vor, ihr nicht zu schreiben und sie daher nicht für ihre Tochter, sondern für eine Feindin zu halten – Z. 7–8: οὐκ ἔχις (l. ἔχεις) με ὡς θυγατέραν (l. θυγατέρα) σου ὡς ἐχθράν | σου. 573 Den papyrologischen Befund zur Adoption wird Ch. J. Gruber im Hebräer-Band dieser Reihe ausführlich darbieten (siehe dort im Kommentar zu Hebr 1,5). 574 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 575 Vgl. z. B. P.Herm. 8,22–23 (spätes 4. Jh. n. Chr.) 576 Vgl. z. B. Pap.Graec.Mag. I 3,218–219 (nicht vor 300 n. Chr.); II 71,3 (spätes 2. oder 3. Jh. n. Chr.). 577 Z. B. Hermes (Pap.Graec.Mag. II 7,668 [3. Jh. n. Chr.]) oder Helios (Pap.Graec.Mag. II 22a,18–19 [4. oder 5. Jh. n. Chr.]). 578 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet.
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So geht es etwa um die Reinigung von Flussschleusen (P.Tebt. III.1 703,38–39 [ca. 210 v. Chr.]), das Pikieren von Pflanzenkeimlingen (P.Lond. I 131, Rekto [S. 166],192.195 [79 n. Chr.]) oder das Wegräumen von Gebäuderesten (P.Leid.Inst. 46,4.6.11.12 [spätes 2. Jh. n. Chr.]).
Im Vergleich mit Paulus bedeutsam ist der folgende Beleg, wo eine Person das Objekt zu καθαρίζω bildet: Und zwar schreibt in BGU XIII 2350 (2. Jh. n. Chr.?) eine gewisse Aphrodite ihrer Briefpartnerin, sie habe einen Unfall mit einem Pferd hinter sich, und viel Geld habe es sie gekostet „geheilt zu werden“ – Z. 9 mit BL VIII 59:579 με καθα̣ ρισθῆναι.
Diese im letzten Beleg dargestellte Vorstellung von einer Verunreinigung des Körpers durch Krankheit oder Verwundung bzw. dessen „Reinigung“ bzw. „Heilung“ davon transportiert Paulus in den sittlich-moralischen Bereich: seine Adressatinnen und Adressaten sollen in Zukunft jeden Kontakt mit den Heiden meiden, d. h. jede kultische „Befleckung“ (siehe unten), und auf diese Weise „rein“ bleiben. Zu μολυσμός („Befleckung, Verunreinigung“) gibt es bisher keine papyrologischen Belege. ‹ 5,11
θεοῦ – Das Verb ἐπιτελέω ist in den Papyri sehr zahlreich belegt und kann für das „Erfüllen“ oder „Vollenden“ jedweder Arbeit oder Verpflichtung verwendet werden. Im Speziellen kann es um das Entrichten einer Zahlung gehen oder um das Vornehmen einer rechtsverbindlichen Handlung.580 Im vorliegenden Zusammenhang ist besonders auf jene Belege zu verweisen, die vom Verrichten einer gottesdienstlichen Handlung oder vom Darbringen eines Opfers berichten. ἐπιτελοῦντες ἁγιωσύνην ἐν φόβῳ
Die Beispiele stammen sowohl aus ptolemäischer als auch aus römischer Zeit. In besonderer zeitlicher Nähe zu Paulus sind BGU IV 1197,19–20 (7–4 v. Chr.)581 und P.Rain.Cent. 57,4 (4. März 49 n. Chr.) zu erwähnen.582 579 Beachte auch Bagnall/Cribiore, Women’s Letters 366; Papathomas, Bemerkungen 192–196. 580 Siehe die entsprechend untergliederten Beispiele bei Preisigke, Wörterbuch s. v. ἐπιτελέω; Kiessling, Wörterbuch s. v. ἐπιτελέω; vgl. auch Welborn, End 176–177. 581 Hier ist die Form ἐπιτελεῖν allerdings nur von anderen Beispielen her ergänzt. 582 Zahlreiche weitere Belege bei Preisigke, Wörterbuch s. v. ἐπιτελέω 1); Kiessling, Wörterbuch s. v. ἐπιτελέω 1); Moulton/Milligan, Vocabulary s. v. ἐπιτελέω (die Beispiele am Beginn des Eintrags). Ascough, Completion 590–599, hat den epigraphischen Befund von ἐπιτελέω innerhalb des antiken Vereinswesens erhoben und dabei einen vornehmlich religiösen Gebrauch festgestellt (Erfüllung religiöser Pflichten wie Mysterien, Zeremonien, Opfer u. ä.); vereinzelt verweist er auch auf Papyri, die diese Bedeutung für ἐπιτελέω belegen: S. 592 Anm. 32 mit Hinweis auf P.Tebt. II 294,11.24–25 (5. Januar 147 n. Chr.); S. 595 Anm. 46 mit Hinweis auf P.Tebt. II 292,21 (189–190 n. Chr.) und Anm. 49 mit Hinweis auf P.Oxy. IX 1185,29–30 (September 253–257 n. Chr.) und XLIV 3164,4–5 (4. September 73 n. Chr.); S. 597 Anm. 56 mit Hinweis auf P.Tebt. I 6,48–49 (nach 3.–12. Februar 139 v. Chr.). Der Hinweis auf P.Oxy. I 36,6–7 in S. 591 Anm. 30 muss sich auf Kol. III 1 beziehen (eine Form von ἐπιτελέω kommt jedenfalls weder in Kol. I 6–7 noch in Kol. II 6–7 vor), zu dessen schwer lesbarem ε am Ende der Zeile die Hg. schrei-
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
Der Begriff ἁγιωσύνη583 begegnet erst in außerhalb des Vergleichszeitrahmens liegenden Papyri.584 7,22 χωρήσατε ἡμᾶς – Das Verb χωρέω wird in den Papyri in recht unterschiedlichen Bedeutungen verwendet („räumen, weichen“, „sich fortbewegen, fortgehen“, „nachgeben, zubilligen“, „bezahlen“, „sich in den Besitz setzen“, „sich gebrauchen lassen, zu etwas dienen, bestimmt sein“, „fassen [vom Raum], ausreichen, Raum geben“).585 Die zuletzt genannte Bedeutung „Raum geben“ ist stets mit einem Akkusativ verbunden und trifft sowohl grammatikalisch als auch inhaltlich auf die vorliegende Formulierung des Paulus zu. In den papyrologischen Beispielen geht es mehrheitlich um Gebäude oder Gefäße, die etwas oder jemanden „fassen“ bzw. „aufnehmen“ können, also bestimmten Gütern oder Menschen Raum geben: So wird z. B. in P.Cair.Zen. III 59509,10 (Mitte 3. Jh. v. Chr.) ein Getreidespeicher (θησαυρός) erwähnt, der nicht groß genug ist, um das Getreide für dieses Jahr aufzunehmen (οὐχ ἱκαν[ός ἐστι] χωρεῖν τὸν σῖτον τὸν ἐνιαυτὸν | [τοῦ]τον), oder in P.Cair.Zen. I 59038,7–9 (vor 29. Februar 257 v. Chr.) ein kleines stehendes Weinkühlgefäß, das „wenig mehr als ein Chus fasst“ (also ca. 3,5 Liter): ψυκτηρίσκον | τε στατόν, χωροῦντα | χόα καὶ μικρῶι πλέον.586
Vor diesem Hintergrund könnte man sich die korinthische Gemeinde bildhaft als großes Gebäude vorstellen, das Paulus „räumlich aufnehmen“, also ihm „Raum geben“ soll. Der papyrologische Befund ist aber von einem anderen Beleg her insofern noch ergiebiger, als dieser ein metaphorisches Beispiel bietet, wo ebenfalls eine Gruppe von Menschen Subjekt von χωρέω ist: Das amtliche Schreiben P.Brem. 2 (119 n. Chr.?) enthält die Anweisungen eines Epistrategen (oder Präfekten)587 für die Durchführung der ἐπίσκεψις, der „Nachprüfung der durch die jährliche Nilüberschwemmung eventuell veränderten Ertragsfähigkeit des Bodens“588, bei denen die Einheimischen nicht belastet und nicht widerrechtlichen Eintreibungen unterzogen und nicht verleumdet werden sollen. Der Epistratege (oder Präfekt) verleiht in diesem Zusammenhang seiner Überzeugung Ausdruck, dass die mit der Anweisung betrauten Untergebenen „diesem Hintergedanken keinen Raum geben“ – Kol. II 7–8: οὔτε | ὑμεῖς τὴν ὑπόνοιαν ταύτην χωρεῖτε. ben (B. P. Grenfell und A. S. Hunt in P.Oxy. I S. 77): „The doubtful ε might be σ, i. e. σ[υντελούντων, the sense being that the tax-farmers were to get a written declaration of the cargo from the merchants when they did not examine it themselves.“ Im stark erweiterten und verbesserten Neudruck dieses Papyrus, Chrest.Wilck. 273, scheint diese Möglichkeit nicht mehr auf. 583 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 584 Für Belege siehe Preisigke, Wörterbuch III, Abschnitt 9, s. v. ἁγιωσύνη. 585 Vgl. Preisigke, Wörterbuch s. v. χωρέω (mit Belegen). 586 In 59044,31–32 (vor 26. März 257 v. Chr.) wird dasselbe Gefäß als ψυκτη|ρίδιόν τε στατόν, μ̣ [ικ]ρῶι πλέ̣[ο]ν̣ [ἢ] χ̣ ο̣ ῦν χωροῦν bezeichnet. 587 Beachte BL VIII 68. 588 U. Wilcken in P.Brem. S. 20–21. Siehe dazu auch Kreinecker, 2. Thessaloniker 191–192.
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Einzelheiten: 2Kor 7,1–2
οὐδένα ἠδικήσαμεν – Papyrologische Beispiele für ἀδικέω („Unrecht tun“)
begegnen in ptolemäischer Zeit besonders häufig, sind aber auch für die unmittelbare Gegenwart des Paulus gut bezeugt. In einem meist rechtlich relevanten Zusammenhang geht es darum, dass jemand gegen eine andere Person „in rechtlich nicht gedeckter Weise vorgegangen ist.“589 Paulus betont hier also, dass durch ihn niemand zu Schaden gekommen ist und dass er niemanden so behandelt hat, dass man gegen ihn Klage erheben könnte. In 7,12 sieht sich Paulus als Geschädigten, dem von einem Mitglied der Gemeinde Schaden zugefügt wurde. οὐδένα ἐφθείραμεν, οὐδένα ἐπλεονεκτήσαμεν
‹ 2,11
– Das Verb φθείρω („zerstören“) begegnet – ebenso wie das Substantiv φθορά („Zerstörung“) – häufig in Eingaben und Strafanzeigen, wenn jemandem vorgeworfen wird, fremdes Eigentum zerstört zu haben.590 Besonders erwähnenswert im Zusammenhang mit der vorliegenden Stelle ist vielleicht eine der Bestimmungen in einem Heiratsvertrag aus Alexandria, da es hier um das gemeinsame Gut und Zusammenleben geht: In SB XXIV 16073,31–32 (26. April – 25. Mai 12 v. Chr.) wird vereinbart, dass die Frau den gemeinsamen Haushalt nicht „zerstören“ wird: μὴ | φθίριν (l. φθείρειν) τὸν κοινὸν οἶκον (vgl. auch im Entwurf 16072,15). In Z. 35–36 wird die Bestimmung noch erweitert: μηδὲ φθίριν (l. φθείρειν) μηδὲ καταβλάπτιν (l. καταβλάπτειν) | τὸν κοινὸν οἶκον („den gemeinsamen Haushalt nicht zu zerstören und nicht zu beschädigen“).591
An der vorliegenden Stelle bezieht Paulus die Aussage direkt auf Personen, wozu sich in den Papyri bisher nur ein Beispiel findet: In einer Enteuxis vom 22. Januar 221 v. Chr. wendet sich eine gewisse Thasos an den König und klagt gegen einen Herakleides, weil dieser auf ihrem von der Mutter ererbten Grundstück widerrechtlich zu bauen begonnen hat. Die zu Hilfe gerufenen Polizisten, die Herakleides in Gewahrsam hätten nehmen sollen, wurden – wie Thasos ausführt – von Herakleides „verdorben“ – P.Sorb. III 103,9: διὰ τὸ̣ φθαρ̣ ῆ̣ ναι αὐτοὺς ὑπὸ τ[οῦ] Ἡρακλείδου.592 Das Verb φθείρω ist hier also in moralischem Sinn zu verstehen, vielleicht in der Bedeutung „bestechen“.593 589 Arzt-Grabner, Philemon 234 (mit den Beispielen aus der Zeit des Paulus S. 235–236); Belege aus dem 1. Jh. n. Chr. auch bei A. Papathomas in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 228; Papathomas, Begriffe 97–98; siehe ferner P.Kramer 7,8 (26. Mai – 24. Juni 223 n. Chr.). 590 Siehe dazu (mit Belegen und Verweisen) Papathomas, Begriffe 209; beachte ferner SB XXIV 16295,31–32 (2. November 199 v. Chr.). 591 Beachte dazu auch die Strafbestimmung in einer Vereinssatzung – P.Mich. V 243,8 (14–37 n. Chr.): ἐάν τις τὸν ἕτερον ὑπονομεύσῃ ἢι (l. ἢ) οἰκοφθορήσῃ, ζημιο(ύσθω) (δραχμὰς) ξ („wenn jemand gegen den anderen intrigiert oder seinen Haushalt schädigt, soll er mit 60 Drachmen bestraft werden“). Zu den gesamten Strafbestimmungen dieser Vereinssatzung siehe S. 377–379. Mit οἰκοφθορέω ist vielleicht Ehebruch mit der Frau eines Vereinsmitglieds gemeint (vgl. Mees, Organisationsformen 387). 592 Wie W. Clarysse in P.Sorb. III S. 105 meint, könnte hier auch eine Haplographie vorliegen und der Text von διὰ τὸ̣ φθαρ̣ ῆ̣ ναι αὐτούς zu διὰ τὸ̣ φθαρ̣ ῆ̣ ναι αὐτούς zu korrigieren sein. 593 Beachte dazu die Übersetzung von W. Clarysse in P.Sorb. III S. 105.
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
Ein moralischer Sinn passt auch gut zur vorliegenden Paulusstelle. Da Paulus dazu aber keine weiteren Angaben macht, ist eine genauere Bedeutungsangabe („bestechen“, „auf seine Seite bringen“, „verführen“ o. ä.) nicht möglich. 7,33 πρὸς κατάκρισιν ‹ 3,9 οὐ λέγω· προείρηκα γὰρ ὅτι ἐν ταῖς καρδίαις ‹ 1,22 ἡμῶν ἐστε εἰς τὸ συναποθανεῖν καὶ συζῆν – Konkret verweist Paulus hier mit προείρηκα auf 3,2 bzw. 6,11. Bei προλέγω594 handelt es sich um ein in den Papyri viel gebrauchtes Verb, das meist wie hier bei Paulus angibt, dass „vorher“ schon etwas „gesagt“ oder (in dem Fall auch auf Personen bezogen) „genannt“ wurde.595 Eine Einschränkung auf einen bestimmten Dokumenttyp lässt sich dabei nicht vornehmen; das „Vorher-Sagen“ kann sich auf eine tatsächlich mündliche genauso wie auf eine schriftlich getätigte Äußerung beziehen. Die Form προείρηκα („ich habe vorher genannt“) findet sich in einer Gutsabrechnung aus der 2. Hälfte des 1. Jh. n. Chr. (SB XVI 12515, Kol. II 36). Etwas häufiger begegnet der Aorist προεῖπον: so gibt z. B. innerhalb eines Prozessprotokolls ein Vertreter der Angeklagtenseite zu verstehen – P.Mil.Vogl. I 25, Kol. II 38: ὡς δὲ προε[ῖ]πον, νῦν πε[ρ]ὶ τούτ[ου] οὐ λέγω („wie ich vorher gesagt habe, jetzt spreche ich darüber nicht“).596 Am beliebtesten ist aber die Verwendung des passiven Perfektpartizips, sei es adjektivisch (z. B. BGU VI 1285,11 [110 v. Chr.] von „Dion, meinem vorher genannten Sohn“ – Δίωνος τοῦ προειρημένου μου υἱο̣ ̣ [ῦ]) oder in substantivierter Form (οἱ προειρήμενοι – „die Genannten“; vgl. etwa UPZ I 10,28–29 [160 v. Chr.]).
Zu den Komposita συναποθνῄσκω („gemeinsam sterben“) und συζάω („gemeinsam leben“) gibt es bisher keine papyrologischen Belege.597 πρὸς ὑμᾶς, πολλή μοι καύχησις ‹ 1,12 ὑπὲρ ὑμῶν· πεπλήρωμαι τῇ παρακλήσει ‹ 1,3 – Das Verb πληρόω598 („[an-]füllen“)
7,44 πολλή μοι παρρησία
‹ 3,12
ist in den Papyri ein viel gebrauchtes Wort. Besonders häufig begegnet es in der Vertragssprache, wobei es zum einen das „Vollenden“ oder „Sich-Erfüllen“ einer Zeitspanne, zum anderen das „Erfüllen“ einer vereinbarten Bedingung bzw. Verpflichtung (bis zum „[Be-]Zahlen“ von Geldsummen) bezeich-
594
Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. Eine speziellere Bedeutung kommt προλέγω in jenen Belegen zu, in denen es um die verbindliche „Ankündigung“ eines Termins geht; Belege bei Preisigke, Wörterbuch s. v. προλέγω 1). Generell stammen mehr als die Hälfte der Belege aus der Zeit nach dem 4. Jh. n. Chr. 596 Ähnlich etwa PSI X 1100,24 (161 n. Chr.); P.Stras. IV 285,9.14 (ca. 200 n. Chr.); BGU II 388, Kol. II 12–13 (ca. 157–159 n. Chr.). D. Kaltsas äußert die Vermutung, dass dem προεῖπον in amtlichen Schriftstücken „eher die Bedeutung ‚öffentlich sagen‘ als ‚vorher, früher sagen‘“ zukommt (in P.Heid. VIII S. 227 zu P.Heid. VIII 417,27 [190 oder 189 v. Chr.]). 597 Nach Schmeller, 2Kor 385–386, erinnert die ganze Formulierung an einen hellenistischen Freundschaftstopos. 598 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 595
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Einzelheiten: 2Kor 7,2–4 – Bericht über die Ankunft in Makedonien: 2Kor 7,5–16
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net.599 Mit der vorliegenden paulinischen Formulierung am ehesten vergleichbar ist ein Abschnitt aus einem Privatbrief aus dem 2. Jh. n. Chr.: Am Beginn von P.Oxy. XLVI 3313 verleiht ein Ehepaar seiner Freude über die Nachricht einer bevorstehenden Hochzeit im Bekanntenkreis Ausdruck – Z. 3–4: ̣ ̣ α̣ μένη | τὸν γ[άμον] τοῦ κρατίστου Σαραχαρ[ᾶς ἡμ]ᾶς ἐπλήρωσας εὐαγγελισ πίωνος („du hast uns mit Freuden erfüllt, als du die gute Nachricht über die Hochzeit des besten Sarapion übermittelt hast“).
Die Formulierungen sind direkt vergleichbar, wobei Paulus hier davon spricht, dass er von παράκλησις („Trost“) erfüllt ist. Gleich anschließend spricht aber auch er – wie die beiden Eheleute – von Freude (χαρά). ὑπερπερισσεύομαι τῇ χαρᾷ ‹ 1,15 ἐπὶ πάσῃ τῇ θλίψει ‹ S. 167–168 ἡμῶν – Das Kompositum ὑπερπερισσεύω ist papyrologisch bisher nicht belegt.600
2Kor 7,5–16 Bericht über die Ankunft in Makedonien und Freude über gute Nachrichten aus Korinth 5 Denn auch als wir nach Makedonien kamen, hat unser Fleisch keine Erleichterung gehabt, sondern wir waren/sind Bedrängte; von außen Raufereien, von innen Ängste. 6 Aber der, der die Niedrigen tröstet, tröstete uns, Gott, durch die Ankunft des Titus, 7 aber nicht nur durch seine Ankunft, sondern auch durch die Tröstung, durch die er bei euch getröstet wurde, und er berichtete uns eure Sehnsucht, euer Klagen, euren Eifer für mich, so dass ich mich (noch) mehr freute. 8 Denn wenn ich euch auch Kummer bereitete in dem Brief, bereue ich (es) nicht; wenn ich auch bereute, sehe ich [nämlich], dass jener Brief, wenn er euch auch für eine Zeit Kummer bereitete, 9 jetzt freue ich mich, nicht weil ihr bekümmert wurdet, sondern weil ihr zur Umkehr bekümmert wurdet; denn ihr wurdet Gott gemäß bekümmert, damit ihr in nichts bestraft werdet von uns her. 10 Denn der Gott gemäße Kummer bewirkt Umkehr zur Rettung, die man nicht bereut; der Kummer der Welt aber erwirkt Tod. 11 Denn siehe, eben dieses Gott gemäße Bekümmert-Werden, wie großen Eifer hat es euch erwirkt, ja Verteidigung, ja Ärger, ja Furcht, ja Sehnsucht, ja Eifer, ja gerichtliches Vorgehen. In allem empfahlt ihr euch, reine zu sein in der Sache. 12 Also, wenn ich euch auch geschrieben habe, (dann) nicht wegen dem, der Unrecht getan hat, und nicht wegem dem, dem Unrecht getan wurde, sondern deswegen, weil euer Eifer für uns zu euch hin (oder: bei euch) vor Gott bekannt gemacht wurde. 13 Deswegen sind wir getröstet worden. Bei unserem Trost aber freuten wir uns über die Maßen mehr über 599
Belege sind in großer Zahl bei Preisigke, Wörterbuch s. v. πληρόω 2)-4), angeführt. Zum papyrologischen Befund von περισσεύω siehe P. Arzt-Grabner in ders./Kritzer u. a., 1. Korinther 335. 600
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
die Freude des Titus, dass sein Geist von euch allen her Erholung fand; 14 denn wenn ich etwas ihm gegenüber zu euren Gunsten gerühmt habe, wurde ich nicht beschämt, sondern wie wir euch alles in Wahrheit gesagt haben, so geschah auch unser Rühmen bei Titus als Wahrheit. 15 Und sein Inneres ist über die Maßen auf euch gerichtet, während er sich an den Gehorsam von euch allen erinnert, wie ihr ihn mit Furcht und Zittern aufgenommen habt. 16 Ich freue mich, dass ich unter euch in allem zuversichtlich bin. Die Ankunft des Titus, das Zusammentreffen mit ihm und die überbrachten guten Nachrichten haben bei Paulus zunächst Trost oder Tröstung (beachte V. 6) und dann auch Freude (beachte V. 7) ausgelöst. In den Papyrusbriefen (und von Paulus außerdem noch in 1Kor 16,17 und Phlm 7)601 wird diese Freude über das Eintreffen eines Boten mit guten Neuigkeiten oft sehr deutlich zum Ausdruck gebracht (siehe dazu bereits oben S. 236). So schreibt am 30. September 222 v. Chr. ein gewisser Andron an einen Milon – P.Eleph. 13,2–3: παραγενομένου Σανῶτος ἐκομισάμην τὴν παρὰ σοῦ ἐπιστολήν, | ἣν ἀναγνοὺς ἐχάρην ἐπὶ τῶι με αἰσθέσθαι τὰ κατὰ σέ („als Sanos ankam, erhielt ich den Brief von dir, über den ich mich, als ich ihn las, freute und darüber, dass ich erfuhr, wie es um dich steht“).
Ein privater Papyrusbrief, der um 100 n. Chr. verfasst wurde, ist mit dem vorliegenden Abschnitt besonders gut vergleichbar, weil er auf Seiten des Briefsenders ein ähnliches Wechselbad der Gefühle vermuten lässt, wie dies Paulus hier ausdrücklich beschreibt: In P.Col. VIII 215,4–8 schreibt nämlich ein Sohn an seine Mutter: θέλω̣ [σ]ε γι|νώσκιν ὅτι ἤκουσα παρὰ τῶν {ο} ἡ|κώτων μοι ὅτι ἠσθένηκος (l. ἠσθένηκας), | ἐχάρην δὲ ἀκούσασ[α] ὅτι κωμ|σῶς (l. κομψῶς) ἔσχηκος (l. ἔσχηκας) („ich möchte, dass du weißt, dass ich von denen, die zu mir gekommen sind, gehört habe, dass du krank warst, aber ich freute mich, als ich hörte, dass es dir [wieder] gut ging“).602
So wie bei Paulus Bedrängnis und Ängste durch die Ankunft des Titus und die guten Nachrichten in Trost und Freude umschlagen, so ist aus der Sorge, die sich aus dem ersten Teil des zitierten Papyrustextes heraushören lässt, durch die neuen Nachrichten Freude geworden. Auch dass jemand schon mit Sehnsucht erwartet wurde und nun endlich eingetroffen ist, ist ein besonderer Anlass zur Freude: 601
Beachte auch Röm 15,32; 2Kor 2,3; Phil 2,28–29; 1Thess 1,6; . Ganz ähnlich PSI IV 333,1–3 (20. Februar 256 v. Chr.). Siehe ferner im Brief(entwurf) P.Sorb. III 138 (ca. 220 v. Chr.), wo ein gewisser Glaukos an eine Hediste gleich nach Eingangṣ ην κ̣ αὶ gruß und Gesundheitswunsch schreibt – Z. 4–8: ἀκούσας οὖν τὰ περὶ | τὸν Ἡρ̣ α̣ κλε̣ίδ ̣ νοίαι ὅτι ἦσαν̣ [ . .] | . . . . .ημένοι („als ich also die Angelegenheiπε|ριτ̣τ̣ὸ̣ ν ἐχάρην π̣ ᾶς τῆ | δ̣ ια ten über Herakleides hörte, freute ich mich über die Maßen und ganz mit meinem Geist, dass sie … waren“). Einige weitere Beispiele bereits bei Arzt-Grabner, Philemon 188–189. Siehe dazu auch White, Form and Function 22–23; Doty, Letters 35; Watson, Reexamination 174. 602
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Bericht über die Ankunft in Makedonien: 2Kor 7,5–16 – Einzelheiten: 2Kor 7,5
371
So heißt es z. B. in P.Mich. VIII 474,2 (frühes 2. Jh. n. Chr.): [πυθομένη ὅτι παρ]εγένου ε[ἰ]ς Ἀλεξάνδρ[ει]αν λίαν ἐχάρην [μ]ετὰ [τῶ]ν ἐμ[ῶν] πάντων („als ich erfuhr, dass du nach Alexandria gekommen bist, war ich voller Freude mit den Meinen“).603
Das Verb ἀναγγέλλω („erzählen“)604, mit dem Paulus in 7,7 den Bericht des Titus einleitet, findet innerhalb der Papyri fast ausschließlich in Briefen (zumeist aus dem Zenon-Archiv) Verwendung und beschreibt die, wie es scheint, mündliche Weitergabe einer Information. Herausgegriffen werden sollen hier Beispiele, in denen der jeweilige Briefautor – so wie hier Paulus – über einen Mittelsmann, der früher als er selbst (persönlichen) Kontakt zu seinem Adressaten hatte, Dinge über diesen erfährt: In P.Zen.Pestm. 56 (25. Oktober 251 v. Chr.) z. B. schreibt Zenon an den Vorsteher des Getreidespeichers in Philadelphia, ein gewisser Spinther sei zu ihm gekommen und habe ihm mitgeteilt (Z. 2: ἀνήγγειλεν ἡμῖν), dass er (also der Vorsteher) einen Fehler bei der Kornabgabe aufgedeckt hat. In PSI IV 367 (16. November 250 v. Chr.) hingegen, dem Brief eines Damis an Zenon, hat Ersterer nach eigenen Angaben die Information erhalten (Z. 3: ἀπαγγέλλουσι γὰρ ἡμῖν), dass Zenon die Verhaftung eines Viehdiebes veranlasst hat. Laut P.Sorb. I 33,2–3 mit BL VI 188 (Mitte 3. Jh. v. Chr.) hat ein gewisser Nikandros von einem Bekannten erfahren, dass sein nunmehriger Adressat nach Sathro nahe bei Theadelphia aufgebrochen ist: ἀνήγγελλέμ (l. ἀνήγγελλέν) μοι | Διοκλῆς κτλ. An Zenon gerichtet ist abermals PSI IV 375 (7. Oktober 250 v. Chr.); Peisikles, der Besitzer eines Weingartens in Philadelphia, bemerkt in seinem Brief, in dem es weitestgehend um finanzielle Angelegenheiten geht, – Z. 3–4: ἀνήγγελλεν δ᾽ ἡμῖν καὶ | Διόγνητος ὃν τρόπον ἐφιλοτιμήθης περὶ ἡμῶν, ὅπως μὴ ἀπολέσωμεν | τὸ κερμάτιον („es erzählte uns nämlich auch Diognetos, auf welche Weise du dich um uns bemühst, damit wir nicht des Geldes verlustig gehen“).
Inhaltlich ist dabei der letzte Beleg mit der von Paulus geschilderten Situation am besten vergleichbar: wie der Apostel von Titus erhält Peisikles von Diognetos die tröstliche Nachricht, dass sein Adressat (bei Paulus die Gemeinde von Korinth) an ihn denkt und sich um ihn bemüht. 7,55 καὶ γὰρ ἐλθόντων ἡμῶν εἰς Μακεδονίαν ‹ 1,16 οὐδεμίαν ἔσχηκεν ἄνεσιν ‹ 2,13 ἡ σὰρξ ‹ 1,17 ἡμῶν, ἀλλ᾽ ἐν παντὶ θλιβόμενοι ‹ S. 167–168· ἔξωθεν μάχαι, ἔσωθεν φόβοι ‹ 5,11 – Die papyrologischen Belege zum Wort μάχη605 sind zwar nicht besonders zahlreich, zeigen jedoch, welch unterschiedliche Abstufungen eine damit bezeichnete Auseinandersetzung haben konnte. So reichen die Bedeutungen von einer (kleineren) „Rauferei“ unter Privatleuten bis zu einer von einer größeren Gruppe getragenen „Revolte“ oder gar einem „Krieg“. 603 Vgl. P.Yale I 80,6 (2. Jh. n. Chr.); BGU IV 1081,2–3 mit BL I 95 (2.–3. Jh. n. Chr.); P.Laur. II 41,8–9 (3. Jh. n. Chr.). 604 Der Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 605 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet.
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
P.Tebt. I 138 (Ende 2. Jh. v. Chr.) gehört zu einer Korrespondenz zwischen zwei Beamten, worin z. B. eine eingelangte Beschwerde zitiert wird, in der ein gewisser Onnophris als Übeltäter auftritt; nachdem dieser einen Streit mit dem Betroffenen angezettelt hatte (mit BL I 425: [ἐπηγ]μένος μοι ἀντιλογίας), provozierte er eine Rauferei (μάχην ἀνελόμενος) und ging mit dem Messer auf ihn los. Aus dem 1. Jh. n. Chr. stammt der private Brief SB XIV 12084; ein Mann namens Zoilos berichtet, ein gewisser Plutas sei „gleichsam in einem Kampf auf ihn losgegangen“ (Z. 4–5: ὡς ἐν μάχηι μοι | ἀναβεβηκέναι) und habe ihn anschließend beraubt.606 Vermutlich auf die „Revolte des Achilleus“607 bezieht sich ein gewisser Panup im Brief an seine Frau (P.Ant. I 43 [spätes 3.–4. Jh. n. Chr.]), worin er dreimal (Z. 3.16.20) eine μάχη erwähnt. Ebenfalls in einem Brief schreibt ein unbekannter Absender über den von den Einwohnern von Hermonthis mit Krokodilopolis begonnenen, bewaffneten Krieg – Chrest.Wilck. 11A,16 (nach 25. September 123 v. Chr.): δι᾽ ὅπλων μάχη.608
Jene μάχαι, mit denen Paulus in Makedonien von seinen „religiösen“ Gegnern in Angst versetzt wurde, sind, was ihre Dimension betrifft, wohl in die erste Gruppe einzuordnen. 7,66 ἀλλ᾽ ὁ παρακαλῶν ‹ 1,4 τοὺς ταπεινοὺς παρεκάλεσεν ‹ 1,4 ἡμᾶς ὁ θεὸς ἐν τῇ παρουσίᾳ Τίτου ‹ 2,13 – Das Adjektiv ταπεινός609 begegnet innerhalb des relevanten Vergleichszeitrahmens bisher nur dreimal: Während es in zwei Belegen – P.Lond. I 131, Rekto (S. 166) 309 (79 n. Chr.) sowie Stud.Pal. XX 83, Kol. IV 9 mit BL XI 267 (3.–4. Jh. n. Chr.) – „niedrig gelegenes“ Land (τόποι bzw. γῆ) bezeichnet, wird es in P.Oxy. I 79, Verso 2 (Ende 2. Jh. n. Chr.) für eine moralische Warnung gebraucht: „nichts ‚Tiefes‘“ (μηδὲν ταπινόν) zu tun, wurde neben anderen Ermahnungen vermutlich von Schülerhand festgehalten.
Personen werden – wie hier bei Paulus – papyrologisch erst in byzantinischer Zeit als ταπεινός/-ή bezeichnet. Das Adjektiv bedeutet in dem Zusammenhang soviel wie „klein, demütig, schwach, arm“ (mitunter auch im finanziellen Sinn).610 Vor allem die Bedeutung „demütig“ ist offenbar christlich beeinflusst. 606
Aufgrund des fragmentarischen Kontextes nicht genau zu interpretieren ist O.Did. 460,5 (spätes 2. – frühes 3. Jh. n. Chr.); vielleicht geht es um ein Gefecht (siehe A. Bülow-Jacobsen in O.Did. S. 393). 607 So C.H. Roberts in P.Ant. I S. 99; der Aufstand wurde 298 von Diocletian niedergeschlagen. 608 Von einem Kampf zwischen einem libyschen Stamm und römischen Soldaten ist in P.Ross.Georg. III 1,5 (ca. 270 n. Chr.) die Rede (vgl. dazu BL II.2 113 und XII 166–167). – Innerhalb der magischen Papyri begegnet μάχη in zwei Entzweiungszaubern; in einem der beiden (Pap.Graec.Mag. II 12,373 [3. Jh. n. Chr.]) bildet das Wort gleichsam die Vorstufe zum im Anschluss herbeigewünschten πόλεμος. 609 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 610 Belege bei Preisigke, Wörterbuch s. v. ταπεινός 3); vgl. auch J.M. Diethart in CPR IX S. 63 (zu CPR IX 45,3 [Mitte 7. Jh. n. Chr.]).
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Einzelheiten: 2Kor 7,5–8
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Von einer παρουσία im Sinne einer „Anwesenheit“ oder eines „vorübergehenden Aufenthaltes“ ist in den Papyri vor allem bei ptolemäischen Königen, römischen Caesaren und deren hohen Beamten die Rede.611 Die wenigen Beispiele, die von der παρουσία einfacher Privatpersonen handeln, bringen aber in analoger Weise zum Ausdruck, dass deren Anwesenheit in irgendeinem Zusammenhang von Bedeutung ist.612 Genau dies trifft hier und in V. 7 auf Titus zu und in 10,10 auf Paulus,613 wo durch die Aussage, dass seine leibliche Anwesenheit eine schwache ist (ἡ δὲ παρουσία τοῦ σώματος ἀσθενής) ein deutlicher Kontrast, vielleicht sogar eine Ironie zum Ausdruck gebracht wird. 7,77 οὐ μόνον δὲ ἐν τῇ παρουσίᾳ ‹ 7,6 αὐτοῦ ἀλλὰ καὶ ἐν τῇ παρακλήσει ‹ 1,3 ᾗ παρεκλήθη ‹ 1,4 ἐφ᾽ ὑμῖν, ἀναγγέλλων ‹ S. 371 ἡμῖν τὴν ὑμῶν ἐπιπόθησιν, τὸν ὑμῶν ὀδυρμόν, τὸν ὑμῶν ζῆλον ὑπὲρ ἐμοῦ ὥστε με μᾶλλον χαρῆναι ‹ 2,3; S. 370 – Für ἐπιπόθησις („Sehnsucht“) und ὀδυρμός („Klage, Gejammer“) gibt es bisher keine Belege in den dokumentarischen Papyri. Der Begriff ὀδυρμός ist aber in einem apotelesmatischen Text aus dem 3. oder 4. Jh. n. Chr. belegt (SB XXIV 16047,9).614 Der Begriff ζῆλος ist papyrologisch bisher erst ein einziges Mal belegt, immerhin aber in einem mit der vorliegenden Stelle vergleichbaren Sinn: In P.Bodl. I 9,2–3 (25. Juli 176 oder 208 n. Chr.) geht es darum, dass der „Eifer“ oder „Ehrgeiz“ einer Gruppe von Steuerbeamten auf eine andere Gruppe überspringen und so auch diese zu höherer Leistung anspornen soll.615
In diesem positiven Sinn von „Eifer“ wird ζῆλος auch in V. 11 sowie in 9,2 und 11,2 verwendet, während in 12,20 (ebenso wie in 1Kor 3,3) die papyrologisch bisher nicht bezeugte negative Bedeutung „Eifersucht“ begegnet. 7,88 ὅτι εἰ καὶ ἐλύπησα ‹ S. 150 ὑμᾶς ἐν τῇ ἐπιστολῇ ‹ 3,2 – Mit dem Brief ist hier der Tadelbrief gemeint, den Paulus nach dem Eklat beim sog. Zwischenbesuch an die Korinther Gemeinde geschrieben hat.616 Ein Hinweis, in einem früheren Brief etwas Bestimmtes geschrieben zu haben, gehört zu den üblichen Brief-
611
Vgl. P. Arzt-Grabner in ders./Kritzer u. a., 1. Korinther 482 (mit Belegen); Kreinecker, 2. Thessaloniker 154. Zur παρουσία des ptolemäischen Königs siehe ferner SB XXII 15762,22 (13. Juli 210 v. Chr.), zu jener eines Centurio siehe O.Claud. II 386,18 (2. Jh. n. Chr.?). 612 Einige Beispiele bei Preisigke, Wörterbuch s. v. παρουσία 1); Moulton/Milligan, Vocabulary s. v. παρουσία; ferner z. B. SB XXIV 16256,53 (nach 117–118 n. Chr.?); P.Euphrates 6,28 (Duplikat P.Euphrates 7,22; beide 6. November 249 n. Chr.). Im Falle der Negation wird ausgedrückt, dass die Anwesenheit der entsprechenden Person nicht notwendig ist (so z. B. in BGU IV 1127,36–37 [2. Februar 18 v. Chr.]; 1129,27 [7. April 13 v. Chr.]). 613 Vgl. ferner Phil 1,26 und 2,12; 1Kor 16,17 über die Anwesenheit von Stephanas, Fortunatus und Achaicus. 614 Siehe dazu ausführlicher unten S. 527. 615 Siehe dazu ausführlicher F. Winter in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 139. 616 Siehe dazu ausführlich S. 154–158.
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
konventionen.617 Aussagen, in oder mit einem früheren Brief etwas bewirkt zu haben, sind papyrologisch bisher nicht bezeugt, jedenfalls nicht in einer mit der vorliegenden Stelle vergleichbaren Ausdrucksweise. Die Wendung ἐν ἐπιστολῇ nimmt immer auf das Bezug, was im entsprechenden Brief geschrieben wurde, auch dann, wenn ein anderer Ausdruck als eine Form von γράφω verwendet wird. So erklärt z. B. der Absender von BGU IV 1141 (14–13 v. Chr.?)618 seinem Briefadressaten, er sehe sich gezwungen, ihm zu schreiben, „damit du erkennst, dass in meinem ersten Brief keine Verfehlung steckt“ – Z. 7–8: [ἵνα] νοήσῃς, ὅτι δὲ `ἐν τῇ´ πρώτῃ μου | ἐπιστολῇ οὐθὲν ἁμάρτημα ἔνει (l. ἔνι).619
Vor diesem papyrologischen Hintergrund ist die Formulierung bei Paulus als Hinweis auf den konkreten Briefinhalt zu verstehen, also im Sinne von: „auch wenn ich euch durch das, was ich in dem Brief geschrieben habe, Kummer bereitet habe“. Vom papyrologischen Befund her ist hier also eher an ganz konkrete Formulierungen im Tadelbrief zu denken, die der Gemeinde Anlass zu Kummer gaben, als dass man die Präposition ἐν kausal auffassen sollte.620 οὐ μεταμέλομαι – Der Stamm μελ- beschreibt mit der Vorsilbe μετα- ein
„Sich-Sorgen“, das „nach“ einer bereits gesetzten Aktion stattfindet, somit also ein „Bereuen“.621 In den Papyri begegnet sowohl das unpersönliche μεταμέλει (τινί)622 als auch das persönliche, passiv gebrauchte μεταμέλομαι623, das häufig wie bei Paulus negiert wird: So geht es z. B. in P.Lond. VII 2188 (nach 12. März 148 v. Chr.) um einen Streit zwischen zwei Priesterkollegien um ein Stück Land; eines der beiden, in der Rolle des Klägers, bemerkt in seiner Petition an den König, dass seine Widersacher „nichts davon bereuen, was sie früher durchgezogen haben“ – Z. 95–96: [ο]ὐ με̣ταμεληθέντε[ς] ἐ̣φ᾽ οἷς | ἦσαν̣ [π]ρότ̣[ερον δι]α̣ πεπραγμένοι. Bei BGU IV 1040 (2. Jh. n. Chr.) handelt es sich um einen Privatbrief, in dem sich der Absender bei seinem Adressaten für dessen Einsatz für ihn in einem Konflikt bedankt – Z. 19–20: χα[ίρ]ω ὅτι μ̣ ο[ι τα]ῦτα ἐποίησας | ἐμοῦ̣ μ[ετ]αμ̣ [ελομ]ένου π[ερὶ μ]ηδενός („ich freue mich, dass du das für mich getan hast, wobei ich nichts bereue“).
617 Siehe die Beispiele oben S. 154–156 sowie bei R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 216 Anm. 98; vgl. z. B. ferner P.Cair.Zen. III 59384 (254–251 v. Chr.), wo ein solcher Hinweis gleich dreimal begegnet (vgl. Z. 3–4.11–13.17–18). 618 Der gesamte Brief wird oben S. 62–65 wiedergegeben. 619 Siehe auch P.Lond. VII 1995,142 (ca. Oktober 251 v. Chr.). 620 So z. B. Einheitsübersetzung („mit meinem Brief“); Harris, 2Cor 532.534 („by my letter“). In ersterem Sinn übersetzen z. B. Grässer, 2Kor I 270 („in dem Brief“); Thrall, 2Cor 486 („in the letter“). 621 Zum Simplex und dessen Gebrauch in den Papyri siehe R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/ Kritzer u. a., 1. Korinther 276–277. 622 Belege u. a. bei Preisigke, Wörterbuch s. v. μεταμέλω. 623 Beide Formen wurden von R. E. Kritzer bearbeitet.
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Einzelheiten: 2Kor 7,8–9
375
εἰ καὶ μετεμελόμην, βλέπω [γὰρ] ὅτι – Der bisher einzige Papyrusbeleg für das Verb βλέπω mit anschließendem ὅτι-Satz findet sich im privaten Brief
BGU III 815 (140–143 n. Chr.): Der Brief ist, wie die fragmentarisch erhaltene Adresse auf dem Verso vermuten lässt, an einen Asklas624 gerichtet,625 den der Briefsender auffordert – Z. 4–8 mit BL I 69:626 ἐὰν ⟦π⟧`β´λέπις, ὅτι | ὁ Σωκρ[ά]της ὁ προ|[κου]ράτορ (l. προκουράτωρ) μου κόπους | [τινὰ]ς πα[ρ]έχῃ περὶ τῆς | [ . .]λ̣ ης, (2. Hand) δηλώσατέ μοι („wenn du wahrnimmst, dass Sokrates, mein Prokurator, irgendwelche Mühen über … bereitet, gebt mir Bescheid“). Wie aus den folgenden Zeilen hervorgeht, hatte der Briefsender bereits an Sokrates selbst geschrieben, sich Asklas in allem zur Verfügung zu stellen, er ist aber nun offenbar besorgt, dass Sokrates dem mit gebührendem Eifer nachkommt und fragt deshalb Asklas – Z. 11: τ[ί] ἐποί[η]σεν; („Was hat er gemacht?“).
Der Adressat wird aufgefordert, genau zu beobachten und zu melden, was Sokrates macht.627 Es geht um möglichst große Objektivität, nicht um eine bloß subjektive Wahrnehmung. Dieser Aspekt liegt auch bei Paulus vor, der hier die von Titus berichteten Beobachtungen (V. 8 ἀναγγέλλων) als für ihn gültige übernimmt. BGU III 815 beleuchtet aber auch sehr direkt die Mission des Titus, der von Paulus beauftragt wurde, die aktuelle Situation in Korinth nach dem Eklat beim sog. Zwischenbesuch genau zu beobachten und Paulus darüber zu berichten. Dieser Bericht des Titus versetzt nun Paulus in die Lage, die Situation der Korinther Gemeinde, die durch seinen von Titus überbrachten Brief ausgelöst wurde, selbst zu „sehen“. ἡ ἐπιστολὴ ‹ 3,2 ἐκείνη εἰ καὶ πρὸς ὥραν ἐλύπησεν ‹ S. 150 ὑμᾶς – Papyrologische Beispiele für die Wendung πρὸς ὥραν als Bezeichnung für eine kurze
Zeitstrecke lassen sich erst in Papyri aus nachpaulinischer Zeit ausmachen (P.Kellis I 72,26–27 [Mitte 4. Jh. n. Chr.]; P.Wisc. II 75,4–6 mit BL VII 282 [4. Jh. n. Chr.]).628 7,99 νῦν χαίρω ‹ 2,3; S. 370, οὐχ ὅτι ἐλυπήθητε ‹ S. 150 ἀλλ᾽ ὅτι ἐλυπήθητε εἰς μετάνοιαν – Die Belege zum Substantiv μετάνοια629 („Umdenken, Reue“) stammen ohne Ausnahme aus byzantinischer Zeit.630 624
Nicht „Asclates“, wie Zereteli, Nationaltypen 337, meint. Der oberste Teil des Papyrus mit dem Briefkopf ist nicht erhalten (vgl. die Abb. in APF 1, 1901, nach S. 378). 626 Der Briefsender hat die ersten siebeneinhalb Zeilen des Briefes offenbar zunächst diktiert, dann aber (ab δηλώσατέ μοι in Z. 8) eigenhändig weitergeschrieben und am bereits diktierten Text einige Korrekturen vorgenommen (im zitierten Abschnitt hat er in Z. 4 die Schreibung πλέπις zu βλέπις [l. βλέπεις] korrigiert, indem er das π am Anfang des Wortes durchgestrichen und durch ein β darüber ersetzt hat). Siehe dazu Zereteli, Nationaltypen 337–338. 627 Einige weitere Beispiele für die Bedeutung „beobachten, wahrnehmen“ bei Preisigke, Wörterbuch s. v. βλέπω 2); Kiessling, Wörterbuch s. v. βλέπω 1). 628 Siehe dazu ausführlicher Arzt-Grabner, Philemon 105. 629 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 630 Auffallend ist der Name eines Klosters (μοναστήριον Μετανοίας) in Alexandria – vgl. etwa P.Flor. III 298,54 (559–560 n. Chr.?). 625
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
ἐλυπήθητε ‹ S. 150 γὰρ κατὰ θεόν, ἵνα ἐν μηδενὶ ζημιωθῆτε ἐξ ἡμῶν – Das Verb ζημιόω begegnet in den dokumentarischen Papyri entweder im Sinne
von „bestrafen“ (pass. „bestraft werden“) oder von „schädigen“ (pass. „einen Schaden erleiden“). A. Papathomas hat im Zusammenhang mit 1Kor 3,15 darauf hingewiesen, dass letztere Bedeutung erst ab dem frühen 2. Jh. n. Chr. bezeugt ist, während erstere bereits in ptolemäischen Papyri begegnet. Er hält es aber für „äußerst wahrscheinlich“, dass die Bedeutung „schädigen“ auch schon zur Zeit der Abfassung der Korintherbriefe verbreitet war.631 Eine eindeutige Unterscheidung zwischen den beiden Bedeutungen ist häufig nur aufgrund von Hinweisen im Kontext (z. B. durch konkrete Angabe der Strafe)632 möglich, die an der vorliegenden Paulusstelle nicht gegeben sind. Ein Aspekt, der bisher kaum beachtet wurde, scheint mir für die Deutung von 2Kor 7,9 (und auch 1Kor 3,15) bedeutsam zu sein: Sämtliche Belege in zeitlicher Nähe zu Paulus stammen aus Regelwerken, mit einer Ausnahme633 sogar alle aus Vereinssatzungen. Wie der folgende Exkurs zeigt, könnte darin ein wichtiger Hintergrund für die Deutung der vorliegenden Stelle liegen.
Exkurs: Vereinssatzungen als Hintergrund für 2Kor 7,9–11 Zahlreiche Studien634 haben mittlerweile gezeigt, dass es sehr fruchtbringend sein kann, das antike Vereinswesen635 zum Vergleich mit den Strukturen früh631
Vgl. Papathomas, Begriffe 52–54 (mit ausgewählten Beispielen für beide Bedeutungen). Etwa θανάτῳ ζημιόομαι („mit dem Tod bestraft werden“; z. B. P.Tebt. I 5,92 [nach 28. April 118 v. Chr.]; BGU VI 1250,14; P.Gen. III 136, Verso [S. 133], Fr. A, Kol. I 7 [beide 2. Jh. v. Chr.]; CPR XXVIII 14, Fr. 4 + 5 + 6 +12 4–5 [spätes 2. – Mitte 1. Jh. v. Chr.]; vermutlich auch P.Tebt. III.1 699,21 [135–134 v. Chr.]; beachte den Zeilenkommentar von A. S. Hunt und J. G. Smyly in P.Tebt. III.1 S. 39), durch Angabe des Strafgeldes (z. B. UPZ I 70,17–19 [nach 20. September 152 v. Chr.]; im Gnomon des Idios Logos in BGU V 1210,107 [nach 149 n. Chr.]; derselbe Paragraph ist auch in P.Oxy. XLII 3014,12 [1. Jh. n. Chr.] erhalten), oder der Dokumenttyp gibt Aufschluss (z. B. P.Fam.Tebt. 24,90 [Prozessprotokoll; Duplikat SB IV 7404,48; beide 24. Mai 124 n. Chr.]). – In P.Flor. II 142,6–9 (25. November 264 n. Chr.) geht es hingegen darum, dass weder der Verkäufer noch der Käufer von zwei Eselinnen einen „Schaden erleiden“ sollen, was durch einen angemessenen Preis verhindert werden soll. 633 P.Oxy. XLII 3014 (1. Jh. n. Chr.) mit einem Auszug aus dem Gnomon des Idios Logos (siehe vorhergehende Anm.). 634 Siehe vor allem Judge, Gruppen 493–501; ders., Churches; Schmeller, Hierarchie; Kloppenborg, Greco-Roman Thiasoi; ders., Status; Ascough, Paul’s Macedonian Associations; ders., Thessalonian Christian Community; ders., Voluntary Associations; ders., Completion (mit Hinweis auf erste Studien aus den 1970er und 1980er Jahren S. 585 Anm. 4); ders., Formation (mit Forschungsüberblick S. 71–94); ders., Paul’s „Apocalypticism“; Harland, Associations; ders., Dynamics; McLean, Agrippinilla Inscription; Öhler, Vereinswesen; ders., Vereinsrecht; ders., Ethnos 221–234.243–248; ders., Urgemeinde; Last, Communities (mit Literaturangaben 175 Anm. 8); ferner weitere Beiträge in Kloppenborg/Wilson (Hg.), Voluntary Associations (bes. Kloppenborg, Collegia); Gutsfeld/Koch (Hg.), Vereine; Ebner, Stadt 190–236; speziell zur Gemeinde von Korinth Ebel, Attraktivität; McRae, Eating; Kwon, Characteristics. – Hier ist nicht der Ort, um eine ausführliche Darstellung des Themas zu liefern; was den papyrologischen 632
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Exkurs: Vereinssatzungen und 2Kor 7,9–11
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christlicher Gemeinden heranzuziehen. In diesem Exkurs beschränke ich mich auf die Strafbestimmungen innerhalb von Vereinsregeln636, über die in typischer Form und bisher am ausführlichsten P.Mich. V 243 mit BL IX 160 Auskunft gibt, ein Dokument, das während der Regierungszeit des Tiberius (14– 37 n. Chr.) niedergeschrieben wurde: Die für unseren Zusammenhang relevanten Bestimmungen, die sich die Mitglieder damals auferlegt und mehrheitlich beschlossen haben637, lauten – Z. 3–12 mit BL IX 160 (ich gebe die entsprechenden Klauseln im Gesamtkontext wieder):638 ἐὰν δέ τις ἐκπαροινήσῃ ζημιούσθωι ὃ ἐὰν τῶι κοινῶι δόξηι. ἐ̣ὰν δέ τιν̣ ι ̣ ⟦ζ⟧ σύλλο̣ [γ]ο̣ ς παραγγελῆι καὶ μὴ παραγένηται, ζημιούσθωι ἐπὶ μὲν τῆς κώμης δραχ(μὴν) μίαν, ἐπὶ δὲ τῆς πόλεω(ς) δραχ(μὰς) τέσσαρας. 5 [ἐ]ὰ̣ ν δέ τις γ̣α̣ μ̣ ήσῃ, δότωι (δραχμὰς) β, παιδογονίου ἄρρενο(ς) (δραχμὰς) β, θηλείας (δραχμὴν) α, ἀγορασμοῦ ἐγγαίου (δραχμὰς) δ, ἀγέλης προβάτων (δραχμὰς) δ, κτηνῶ(ν) (δραχμὴν) α. ἐάν τις παρίδῃ τινὰ ἐν ἀηδίᾳ καὶ μὴ συνεπισχύσῃ ἐπὶ τὼι (l. τὸ) συλλῦσαι αὐτὸν τῆς ἀηδίας, δ[ό]τ̣ω̣ ι ̣ (δραχμὰς) η̣ . ὁ δ᾽ ἐν ταῖς εὐωχίας κατὰ κλισίαν προαναπείπτων τοῦ ἑτέρου δότωι περισσότερον τριώβολον τοῦ ἰδίου τόπου ἕκασ̣ τ̣ο̣ ς. ἐάν τις τοῦ ἑτέρου κατηγορήσῃ ἢ̣ ι διαβολὴν ποιήσηται, ζημι(ούσθω) (δραχμὰς) η. ἐάν τις τὸν ἕτερον ὑπονομεύσῃ ἢι (l. ἢ) οἰκοφθορήσῃ, ζημιο(ύσθω) (δραχμὰς) ξ. ἐάν τις πρὸς ἰδιωτικ(ὸν) παραδοθῇ, ἐγγυάσθωσαν αὐτὸν ἕως ἀργ(υρίου) (δραχμῶν) ἑκατὸν π̣ ρ̣ ὸ̣ ς̣ ἡμέρ(ας) λ, ἐν αἷς ἀπευλυτήσει τοὺς ἄνδρας. εἴη μὲν ὑγιεία· ἐάν τις τῶν 10 συνοδειτῶν τελευτήσῃ, ξυράσθωσαν πάντ̣ε̣ς καὶ ἑστιάτωσαν ἡμέρ(αν) α, ἑκάστου παραχρῆμα εἰσφέροντος (δραχμὴν) α καὶ κάκεις δύο, ἐπὶ δὲ τῶν ἄλλων ἀνθρωπίνων ἑστιάν ἡμέρ(αν) α. ὁ ἐπὶ κεφαλικοῦ μὴ ξυρησάμενος ζημιο(ύσθω) (δραχμὰς) δ. ὁ ἐπὶ πάντων μὴ μιανθεὶς
Hintergrund für diese Thematik betrifft, sei auf Bammer/N.N., 1. Thessaloniker, verwiesen. Einen kurzen Einblick in den papyrologischen Befund gibt Brashear, Vereine. 635 Noch immer beachtenswert sind die grundsätzlichen Studien von Ziebarth, Vereinswesen; Poland, Geschichte; San Nicolò, Vereinswesen; an neueren Untersuchungen sind bes. zu erwähnen: Nijf, World; Zimmermann, Handwerkervereine; Kolb, Vereine; Mees, Organisationsformen; Egelhaaf-Gaiser/Schäfer (Hg.), Vereine. 636 Diese werden ausführlich von San Nicolò, Vereinsgerichtsbarkeit, behandelt; siehe z. B. auch Schnöckel, Vereine; Zimmermann, Handwerkervereine 117; Kloppenborg, Status 149– 150. 637 Vgl. Z. 12–13 und die angehängte Unterschriftenliste Z. 14–34. Vermutlich lagen diese Regeln gewohnheitsrechtlich fest, und nur einige dürften anlässlich der jährlichen Vorstandswahl bestätigt oder neu hinzugefügt worden sein (vgl. Schnöckel, Vereine 52.55). Die erhaltenen Vereinssatzungen geben in Protokollform die Beschlüsse der Mitgliederversammlung wieder (vgl. Schnöckel, Vereine 19). Bei P.Köln XII 490 (2.–3. Jh. v. Chr.; vor 245–248) dürfte es sich um die fragmentarisch erhaltenen Reste von Aufzeichnungen handeln, die einen Dionysischen Verein von Oxyrhynchos betrafen. 638 Zum gesamten Text und seinen Details siehe Schnöckel, Vereine (Textwiedergabe und deutsche Übersetzung S. 106–109); eine deutsche Übersetzung bietet auch Mees, Organisationsformen 387–388.
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
μ̣ ηδὲ [στέ]μ̣ μα καταστήσας ἐπὶ τὸν τάφον ζημιο(ύσθω) (δραχμὰς) δ. τὰ δ᾽ ἄλλα ἃ ἐὰν τῶι κοινῶι δόξῃ κύρια στωι.
„Wenn sich aber jemand fehlverhält639, soll er bestraft werden, wie es der Verein beschließt. Wenn aber jemandem eine Versammlung angekündigt wird und er nicht hingeht, soll er im Dorf mit einer Drachme bestraft werden, in der Stadt aber mit vier Drachmen. Und wenn jemand heiratet, soll er 2 Drachmen zahlen, bei Geburt eines Knaben 2 Drachmen, eines Mädchens 1 Drachme, beim Kauf eines Grundstücks 4 Drachmen, einer Herde von Schafen 4 Drachmen, von Vieh 1 Drachme. Wenn jemand einen in einer Notlage übersieht und nicht Beistand leistet, ihn gemeinsam aus der Notlage zu befreien, soll er 8 Drachmen zahlen. Jeder aber, der bei den Mählern auf die Kline des anderen (gemeint ist wohl: des Vordermannes) fällt, soll noch drei Obolen mehr für den eigenen Platz zahlen.640 Wenn aber jemand den anderen klagt641 oder eine Verleumdung verübt, soll er mit 8 Drachmen bestraft werden. Wenn jemand gegen den anderen intrigiert oder seinen Haushalt schädigt642, soll er mit 60 Drachmen bestraft werden. Wenn jemand wegen privater Schulden in Gewahrsam genommen wird, sollen ihm bis zu 100 Silberdrachmen als Darlehen bis zu 30 Tage gegeben werden, in denen er die Männer (= Gläubiger) auszahlen muss. Es herrsche Wohlergehen.643 Wenn jemand von den Vereinsmitgliedern stirbt, sollen sich alle das Haupthaar scheren lassen und 1 Tag lang ein Mahl
639 A. E. R. Boak versteht darunter in P.Mich. V S. 92 „the misconduct of a member under the influence of wine“. Hierbei handelt es sich jedenfalls um die einzige Klausel, die keine festgelegte Strafsumme nennt, sondern die Festlegung der Höhe dem Ermessen des Vereins überlässt. Vielleicht sollte der festzusetzende Geldbetrag dem angerichteten Schaden angeglichen werden (vgl. Schnöckel, Vereine 83). 640 Zur Übersetzung und Interpretation dieser Regelung siehe Reiter, Symposia 138, der bemerkt: „Aus der Formulierung könnte man den Eindruck gewinnen, dass für den eigenen Platz beim Bankett ohnehin etwas zu zahlen war“ (anders A. E. R. Boak in P.Mich. V S. 94: „Since no mention is made in the law of special payments for places at the banquets, the three-obol fine is additional to the regular monthly contribution“). Beachte auch Reiter, Symposia 138 Anm. 20: „προαναπίπτειν klingt eher nach Unachtsamkeit als nach Absicht.“ – In Tebtynis wurden mehrere Deipneterien ausgegraben. Es handelt sich dabei um Gebäude, die aus einem einzigen rechteckigen Saal bestehen und den Vereinen als Versammlungsorte dienten (siehe dazu Reiter, Symposia 131–132). Zu den Regelungen betreffend das rechte Verhalten bei Vereinsmählern siehe auch McRae, Eating 168–181. 641 Dieser Passus ist natürlich als Parallele zu 1Kor 6 von hoher Relevanz, da er im Sinne einer mehr oder weniger weitreichenden, die staatliche Gerichtsbarkeit ausschließenden, Zuständigkeit des Vereins für seine Mitglieder verstanden werden kann (vgl. Schnöckel, Vereine 82). In internen Angelegenheiten war ein Verein also weitgehend autonom (vgl. Mees, Organisationsformen 215.218). Dass der Verein als Ganzes dennoch der staatlichen Gerichtsbarkeit unterlag (vgl. Mees, Organisationsformen 216), ist dazu kein Widerspruch. 642 Gemeint ist wohl Ehebruch mit der Frau eines Vereinsmitglieds; vgl. Mees, Organisationsformen 387; Schnöckel, Vereine 81. Der Ehebruch eines Mitglieds war mit San Nicolò, Vereinsgerichtsbarkeit 276, ein gravierendes Vergehen, weil die Vereine „besonderen Wert auf die sittliche Reinheit ihrer Mitglieder“ legten, was einer „allgemeinen hellenistischen Anschauung“ entsprach. 643 Der Wunsch nach allgemeinem Wohlbefinden ist – in einer alternativen Formulierung – auch am Beginn der Vereinssatzung P.Lond. VII 2193 (69–58 v. Chr.) zu lesen – Z. 3: ἀγαθῆι τύχηι („möge sich [alles] wohl verhalten!“).
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Exkurs: Vereinssatzungen und 2Kor 7,9–11
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halten, wobei jeder sogleich einen Beitrag von 1 Drachme zahlt und zwei Laib Brot, aber bei anderem Menschlichem644 sollen sie 1 Tag lang Mahl halten. Wer sich nicht das Haupthaar schert, soll mit 4 Drachmen bestraft werden. Wer sich nicht am Begräbnis beteiligt und nicht einen Kranz auf das Grab niederlegt,645 soll mit 4 Drachmen bestraft werden. Das andere aber soll, wie auch immer die Gemeinschaft beschließt, gültig sein.“ Wie der Zusammenhang zeigt, wird hier ζημιόομαι im Sinne von „Strafgeld zahlen müssen“ verstanden. Synonym mit der Form ζημιούσθω („er soll bestraft werden“) wird δότῳ („er soll geben/zahlen“) verwendet. In weiteren Vereinsatzungen werden ähnliche Regelungen vereinbart, so in P.Lond. VII 2193 mit BL X 111 (69–58 v. Chr.?)646, SB XXII 15460,19–21 (5 v. Chr.)647, P.Mich. V 244,7–8.16–18 (26. August 43 n. Chr.) und 245,24–29 (18. August 47 n. Chr.). Zusätzlich zu diesen bereits von A. Papathomas angeführten Beispielen648 ist auf die Satzung einer Genossenschaft, BGU XIV 2371 (1. Jh. v. Chr.), zu verweisen (beachte dort vor allem Z. 3–6) sowie auf P.Lond. VII 2193,13–19 mit BL X 111 (69–58 v. Chr.?).
Ein echter Beleg für die tatsächliche Einhebung einer Strafsumme ist bisher zwar nicht erhalten,649 doch lassen andere Dokumente darauf schließen, dass die vom Verein mehrheitlich beschlossenen Regelungen650 grundsätzlich auch umgesetzt wurden.651 Mit den Vereinssatzungen versuchte man auch, den Verein als Zusammenschluss integrer Personen erscheinen zu lassen und so die mitunter restriktiven Eingriffe des Staates zu verhindern oder möglichst gering ausfallen zu lassen.652 Eine besonders interessante Studie dazu hat A. Monson vorgelegt,653 der anhand von Beitragszahlungen und Strafbestimmungen in demotischen
644 Gemeint ist wohl der Tod eines Verwandten (vgl. Mees, Organisationsformen 387 Anm. 1005). 645 Siehe dazu auch Ascough, Paul’s „Apocalypticism“ 162–163. Dass die Entschädigung der Begräbniskosten vom Verein auch auf rechtlichem Wege eingefordert werden konnte, zeigt P.Enteux. 20 (26. Februar 221 v. Chr.; vgl. Mees, Organisationsformen 400; Ascough, Paul’s „Apocalypticism“ 163). 646 Siehe zu diesem Dokument auch Kloppenborg, Greco-Roman Thiasoi 211. Die Angabe „2710“ bei Welborn, End 459 Anm. 482, ist falsch. 647 Zum gesamten Dokument siehe ausführlich Brashear, Vereine 12–18. 648 Vgl. Papathomas, Begriffe 52–53. 649 Vgl. Zimmermann, Handwerkervereine 117. San Nicolò, Vereinsgerichtsbarkeit 281, zweifelt daran, dass die genannten Strafsummen tatsächlich gezahlt wurden. 650 Zur geforderten Stimmenmehrheit siehe Schnöckel, Vereine 23–28.98. 651 P.Ryl. II 94 (15–36 n. Chr.) ist ein praktisches Beispiel für Gestellungsbürgschaft durch Vereinskollegen (siehe dazu Schnöckel, Vereine 77–78), durch SB XXIV 16296 (6. April – 5. Mai 182 oder 31. März – 29. April 158 v. Chr.) ist die Vergabe eines Darlehens an ein Vereinsmitglied bezeugt (siehe dazu ausführlich Martinez/Williams, Records). 652 Zu den staatlichen Beschränkungen, die ab 64 v. Chr. immer wieder erlassen wurden, siehe Kolb, Vereine; Cotter, Collegia; Sirks, Vereine; über Aufstände und Unruhen, die von Vereinen ausgingen, siehe z. B. Sommer, Religion. 653 Monson, Ethics; z. T. auch Hirschmann, Macht.
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
Vereinssatzungen aus ptolemäischer Zeit festgestellt hat, dass gerade die Verstöße gegen Verhaltensnormen mit besonders harten Strafen belegt wurden. Das durchschnittliche Strafgeld für ein Vergehen entspricht in den demotischen Satzungen in etwa dem Jahresmitgliedsbeitrag, mit besonders hohen Geldstrafen werden Ehebruch mit der Frau eines Vereinsmitgliedes, Gewalttätigkeit und Verleumdung belegt, und zwar mit der drei- bis sechsfachen Höhe des jährlichen Mitgliedsbeitrages.654 In den oben zitierten Vereinsregeln von P.Mich. V 243 ist das Verhältnis von Mitgliedsbeitrag zu Strafgelder zwar nicht derart drastisch, doch werden auch hier Intrige und Ehebruch mit besonders hohen Strafen belegt, immerhin dem fünffachen Monatsbeitrag, der nach Z. 2 zwölf Silberdrachmen beträgt.655 In einem Vereinsbeschluss vom 21. August 5 v. Chr. werden sogar 500 Drachmen an Strafgeld für denjenigen festgelegt, der danach trachtet, die getroffenen Bestimmungen umzuwerfen (SB XXII 15460,19–21).656 Demgegenüber nehmen sich die acht Drachmen, die laut P.Mich. V 243,6–8 im Falle der Verweigerung einer Hilfeleistung, bei Klage gegen ein Vereinsmitglied oder aufgrund von Verleumdung einzuheben sind, gering aus.
Sämtlichen Verhaltensregeln ist gemeinsam, dass den Vereinsmitgliedern offensichtlich an der Integrität657 und einer ethisch hochstehenden Lebensweise und Gesinnung in besonderer Weise gelegen war. Im Anschluss an Ch. Tilly658 hat Monson das Konzept eines „trust networks“ auf antike Vereine angewandt. Durch den Beitritt zu einem Verein im Sinne einer auf Vertrauen und Zuverlässigkeit aufgebauten Gesellschaft würden die Mitglieder sowohl nach innen als auch nach außen hin demonstrieren, dass sie vertrauenswürdig sind und die Grundanliegen des Vereins teilen. Vergehen, die diese Vertrauenswürdigkeit gefährden, werden mit besonders hohen Strafen bedroht. Dieser Befund bedeutet natürlich nicht, dass es an der vorliegenden Paulusstelle tatsächlich um mögliche Strafgelder geht. Da aber davon auszugehen ist, dass Paulus als ausgebildeter Handwerker mit dem Vereinswesen seiner Zeit und den nach einem mehr oder weniger einheitlichen Muster verfassten Vereinssatzungen vertraut war,659 ist folgende Deutung für diese Stelle nahe lie654
Vgl. die Tabellen bei Monson, Ethics 224–233. Leider liegen nur von wenigen Vereinen Angaben über die Höhe der Monatsbeiträge vor, und „die Frage, ob der Monatsbeitrag bei allen Vereinen in etwa gleich hoch war oder sich nach der Verdienstmöglichkeit der Mitglieder richtete, kann nicht beantwortet werden“ (Zimmermann, Handwerkervereine 115). 656 Außerdem soll der Betreffende aus dem Verein ausgeschlossen werden. Siehe zu diesem Text ausführlich Brashear, Vereine 12–18. 657 Darauf verweisen deutlich die Regelungen über Steuereinhebungen durch den Vereinsvorsitzenden (siehe dazu S. 492). 658 Siehe Tilly, Trust. 659 Dion Chrysostomos, der um 40 n. Chr. in Prusa geboren wurde und somit als Zeitgenosse des späten Paulus gelten kann, erwähnt in Oratio 34,21 ein Kollegium der Leinenarbeiter von Tarsos. – Auch jüdische Vereine sind zu belegen, für Ägypten z. B. durch O.Edfou III 368 (1. Jh. v. Chr.) und P.Ryl. IV 590 (51–30 v. Chr.?). Einen guten Überblick über jüdische Vereine in der Diaspora aufgrund literarischer Quellen bietet Barclay, Money; zu den vergleichbaren Struktu655
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Exkurs: Vereinssatzungen und 2Kor 7,9–11 – Einzelheiten: 2Kor 7,10
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gend: Paulus bestätigt hier der Gemeinde, dass sie aufgrund ihrer μετάνοια wieder im Einklang mit den christlichen Grundsätzen lebt, so dass ihre Integrität und Vertrauenswürdigkeit wiederhergestellt ist. Für ihn gibt es deshalb keinen Anlass (mehr), sich dafür einzusetzen (ἐξ ἡμῶν), dass sie oder einige ihrer Mitglieder bestraft werden. In den Vereinssatzungen ist ζημιόομαι mit dem Entrichten eines Strafgeldes gleichzusetzen, also mit einer Wiedergutmachung, einem Ausgleich für schlechtes Verhalten. Für Paulus hat eine Wiedergutmachung aufgrund der erfolgten μετάνοια offensichtlich zur Genüge stattgefunden. 7,110 ἡ γὰρ κατὰ θεὸν λύπη ‹ S. 153 μετάνοιαν ‹ 7,9 εἰς σωτηρίαν ‹ 1,6 ἀμεταμέ-
λητον ἐργάζεται· ἡ δὲ τοῦ κόσμου ‹ 1,12 λύπη ‹ S. 153 θάνατον ‹ 1,9 κατεργάζεται ‹ 4,17 – Für das Adjektiv ἀμεταμέλητος660 („keine Reue hervorrufend“), das sich sprachlich an das in V. 8 gebrauchte Verb μεταμέλομαι fügt, gibt es
bisher nur einen für einen Vergleich mit Paulus zeitlich relevanten Beleg661:
In P.Lond. VI 1912 (10. November 41 n. Chr.), dem Schreiben des Claudius an die Alexandriner, gibt der Imperator u. a. bezüglich der immer wieder aufflammenden Konflikte mit den Juden zu verstehen, dass er mit dem neuerlichen Aufruhr gegen diese nicht einverstanden ist – Z. 77–78: ταμιευόμενος ἐμ̣ αυτῶι | κατὰ τῶν πάλειν ἀρξαμένων ὀργὴν ἀμεταμέλητον („ich behalte mir ein unerbittliches Strafgericht gegen jene vor, die schon wieder [damit] begonnen haben“662).
Während der römische Imperator von einem möglichen Strafgericht spricht, bei dem er keine Reue, also kein Mitleid kennen würde, verweist Paulus die Gemeindemitglieder auf ihre Umkehr, die sie nie bereuen werden; schließlich ist es eine Umkehr zur Rettung, zum Heil. Das Verb ἐργάζομαι verwendet Paulus hier nicht (wie in 1Kor 4,12; 9,6.13; 16,10; 1Thess 2,9; 4,11) als Bezeichnung für handwerkliches Arbeiten oder die Berufsausübung,663 sondern im Sinne von „bewirken“. Mit der Grundbedeutung „eine Arbeit/ein Werk verrichten“ hängt diese Bedeutung insofern zusammen, als hier in gewisser Weise das Produkt bezeichnet wird, das entsteht, wenn etwas oder jemand am Werk ist. Papyrologisch kann hier nur auf einige wenige Beispiele verwiesen werden, wo Derartiges im eigentlichen Sinn beschrieben wird: So schreibt z. B. ein gewisser Agathon an Zenon, dass er die ihm übergegebenen Kleidungsstücke mittlerweile fertiggestellt habe – P.Cair.Zen. II 59146,3 (vor 10. ren zwischen antiken Vereinen und jüdischen Synagogen siehe Harland, Associations (bes. 177– 269); speziell zu Qumran Weinfeld, Organizational Pattern. 660 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 661 Für Belege aus byzantinischer Zeit siehe bei Preisigke, Wörterbuch s. v. ἀμεταμέλητος. 662 Zur Übersetzung vgl. Kiessling, Wörterbuch s. v. ἀμεταμέλητος. 663 Beispiele für diese Bedeutung bieten P. Arzt-Grabner in ders./Kritzer u. a., 1. Korinther 179–180; Kreinecker, 2. Thessaloniker 203.
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August 256 v. Chr.): εἴργασμαι οὖν αὐτ̣[ά]. Zenon möge ihm nun schreiben, durch wen er sie ihm schicken solle. Die Weber Apollophanes und Demetrios bieten Zenon ihre Dienste an und schreiben über ihre Fertigkeiten – PSI IV 341,6–7 (vor 22. November 256 v. Chr.): ἐργώμεθα δέ, ἐάν τε βούληι, χλαμύδας, χιτῶνας, ζώνας, ἱμάτιον, ξιφιστῆρα, | κιρίας, γυναικεῖα σχιστούς, τεγίδια, συμμετρίαν, παραπήχη („wir fertigen aber, wenn du es wünschst, Mäntel, Kleider, Gürtel, Bekleidung, Degengehenk, Tücher, geschlitzte Gewänder für Frauen, Umschlagtücher, langes Gewand, Frauenkleider mit Purpursäumen“)664.
Die hier von Paulus verwendete übertragene Sprechweise, dass eine abstrakte Größe etwas „herstellt“, also „bewirkt“, ist papyrologisch bisher nicht bezeugt. Immerhin ist aber denkbar, dass die im Handwerksbereich vorhandene Ausdrucksweise die Wortwahl des Paulus mit beeinflusst hat. So wie dort, wo ein Weber am Werk ist, allerlei Gewänder und andere Textilien entstehen, entsteht dort, wo ein Gott gemäßer Kummer „am Werk ist“, Umkehr zum Heil, während der Kummer des Kosmos Tod hervorbringt. 7,111 ἰδοὺ ‹ 5,17 γὰρ αὐτὸ τοῦτο τὸ κατὰ θεὸν λυπηθῆναι ‹ S. 150 πόσην κατειργάσατο ‹ 4,17 ὑμῖν σπουδήν – Dem griechischen Wort σπουδή665 („Eifer“) wohnt eine positive Absicht inne, und zwar generell jene, sich selbst oder anderen Gutes zu tun. Dieser Duktus ist auch in den Papyrusbelegen zu erkennen666: In seinem Brief an den Toparchen von Tebtynis (P.Tebt. II 410 [16 n. Chr.]) z. B. beendet ein gewisser Hermias seine Bitte, einen Landeigentümer vor der ungerechtfertigten Grenzübertretung seines Nachbarn zu schützen, mit den Worten – Z. 11– 15: ἐρωτῶ σε ταχύτερον συσ|χεῖν τ̣[ὸ] πρᾶγμα ἵνα κδ ἐρχό|μενος πρὸς ἐμὲ ὁ Σωτήριχος | [ἀνθο]μολογήσηται περὶ τῆς | σπ[ο]υδῆς („ich bitte dich, möglichst schnell die Angelegenheit zu erledigen, auf dass, wenn Soterichos [i. e. der Landeigentümer] am 24. zu mir kommt, er sich für dein Bemühen bedanken kann“).667
Vor allem in ptolemäischer Zeit wird σπουδή häufig von Untergebenen verlangt, wobei Vorgesetzte, was den „Diensteifer“ betrifft, mitunter Vorbildwirkung ausüben:
664 Zur Übersetzung vgl. J. Hengstl in C.Pap.Hengstl S. 254. – Weitere Beispiele bei Kiessling, Wörterbuch s. v. ἐργάζομαι 3); beachte ferner BGU XVI 2660,13 (14. August 1 n. Chr.); P.Berl.Cohen 15,8 (2.–3. Jh. n. Chr.); P.Michael. 25, Fr. A 10–11 und Fr. B 5–6 (nach 23. April 300 n. Chr.). 665 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 666 Nicht näher eingegangen wird hier auf die wenigen Belege, in denen σπουδή (meist in präpositionalen Verbindungen) in der Bedeutung „Eile“ gebraucht ist, obgleich die Absicht des Handelnden dieselbe ist; vgl. Preisigke, Wörterbuch s. v. σπουδή 1), ferner BGU XVI 2612,7 (15 v. Chr.). 667 Ähnlich formuliert P.Giss. I 71,7–9 (nach 117 n. Chr.); in Z. 6 desselben Textes begegnet das Verb σπουδάσαι („sich um jemanden bemühen“).
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Einzelheiten: 2Kor 7,10–11
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So wendet sich etwa in UPZ II 215 (130 v. Chr.) ein gewisser Proitos an die Truppenzahlmeister mit der Anweisung, vorerst keine Neurekrutierungen durchzuführen; da aber letztlich in diesen Belangen der Stratege die höchste Instanz darstelle, sei mit demselben Eifer, den dieser an den Tag lege (Z. 17–18: [ἀ]κολούθως | ἧι ποιεῖται ὁ στρατηγὸς σπουδῆι), vorzugehen.668
Ähnlich wie bei Paulus wird σπουδή auch des Öfteren mit anderen Abstrakta kombiniert, die Befindlichkeiten oder innere Einstellungen beschreiben: In P.Tebt. I 33 (nach 17. März 112 v. Chr.) z. B. erhält Asklepiades, ein Beamter der Domänenverwaltung, den Auftrag, alles für die Ankunft eines römischen Senators vorzubereiten; dabei solle er τὴν μεγίστην φροντίδα ποιουμένου (l. ποιούμενος) (Z. 17: „die größte Umsicht walten lassen“) und darauf τὴν πᾶσαν προσενέγκαι | σπουδή[ν] (Z. 19–20: „seinen ganzen Eifer verwenden“). Bei BGU IV 1209 (23 v. Chr.) handelt es sich um einen Privatbrief, in dem der Absender seinem Empfänger versichert, er habe in einem dessen Bruder betreffenden Erbschaftsstreit „nichts an Anstrengung oder Mühe unterlassen“ – Z. 7–8: οὐδὲν σπουδῆς οὐδὲ κακοπαθίας | παρέλιπον. Nach P.Lond. III 1178 (S. 214),23 (200–212 n. Chr.) hätten die Könige von Kommagene und Pontus einer Athletensynode bei der Organisation von Wettkämpfen „Eifer und Gunst erwiesen“ – Z. 23–24: σπουδῇ καὶ φιλανθρωπίᾳ χρήσαιν|το.
Unter σπουδή ist also offenbar eine überaus positive Verhaltensweise zu verstehen, die sowohl einen Vorgesetzten als auch einen Untergebenen oder Bekannten in besonderer Weise auszeichnet und Vorbildcharakter besitzt. ἀλλὰ ἀπολογίαν – Oftmaliges ἀλλά in Aufzählungen ist in einer mit der vorliegenden Stelle vergleichbaren Form (Bedeutung „ja“) in den dokumentarischen Papyri bisher nicht nachzuweisen. Mit ἀπολογία verwendet Paulus hier einen traditionell juristischen Terminus, der meist in forensischem Kontext vorkommt, und zwar als „Verteidigung, Verteidigungsrede, Verteidigungsschrift“ verwendet wird.669 A. Papathomas sieht im privaten Briefverkehr670 ferner die Bedeutung „Entschuldigung“ belegt. Der Unterschied ist m. E. geringfügig. Für die Deutung der Paulusstelle von Wichtigkeit und – wie die Belege zeigen – in beiden Bedeutungsnuancen präsent ist der Aspekt, dass mit ἀπολογία das Vorbringen 668 Ein Dioiket gibt in P.Tebt. I 27,14 (113 v. Chr.) einem βασιλικὸς γραμματεύς den Rat, in Bezug auf die den Einsatz von Erntewächtern betreffenden Anordnungen „den gebührenden Eifer“ aufzuwenden: τὴν ἐπιβά[λλο]υσαν προσφέρου σπουδήν. Ein gewisser Stratonikos hingegen fordert den Archiphylakites Theomnestos auf, μετὰ σπο̣ υ̣ δῆς (also wohl „mit Eile, eilig“) den eingeforderten Bericht zu senden (P.Köln XI 438,6 [6. November 214 v. Chr.]). Vgl. dazu allgemein Handrock, Weisungen. 669 Siehe dazu und zu den Belegen Papathomas, Begriffe 143–145; vgl. A. Papathomas in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 339 (in zeitlicher Nähe zu Paulus CPR XV 15,13–14 [7–4 v. Chr.]). 670 BGU II 531, Kol. I 20–21 (ca. 75–85 n. Chr.; siehe dazu Papathomas, Begriffe 145; Mees, Organisationsformen 362–363); P.Oslo II 51,3–6 mit BL III 123 (2. Jh. n. Chr.; Papathomas, Begriffe 145, sieht in diesem Empfehlungsbrief ein Beispiel für Verwaltungssprache).
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von entlastendem Material gemeint ist und nicht etwa von faulen Ausreden. Paulus anerkennt hier offensichtlich, dass die Gemeindemitglieder eben nicht in beharrender Weise nach Ausreden gesucht haben, sondern auf Fakten verwiesen haben, die sie nüchtern zu ihrer Rechtfertigung vorbringen können. ἀλλὰ ἀγανάκτησιν – Der Begriff ἀγανάκτησις671 („Unwille, Ärger“) begeg-
net ntl. nur an dieser Stelle. In den dokumentarischen Papyri ist er erst ab byzantinischer Zeit bezeugt.672 , ἀλλὰ ἐπιπόθησιν ‹ 7,7, ἀλλὰ ζῆλον ‹ 7,7, ἀλλὰ ἐκδίκησιν – Traditionell wird ἐκδίκησις673 an dieser Stelle als „Bestrafung“ gedeutet. G. Schrenk weist darauf hin, dass es sich dabei „vorwiegend“ um „ein Wort der Septuaginta“ handle, die „hier fast durchweg dem nt.lichen Gebrauch die Richtung“ gebe.674 Innerhalb der LXX stehe bei der Verwendung eines Begriffs aus der Wortfamilie ἐκδικ- insbesondere der Rachegedanke im Vordergrund, während mit der in 2Kor 7,11 erwähnten ἐκδίκησις – wie auch mit der zuvor genannten ἀπολογία – eine ausgesprochen „strafrechtliche Wendung“675 vorliege. Zu Recht postuliert Schrenk für eine einwandfreie Deutung dieser Stelle den Vergleich mit den Papyri. Dabei gilt es, zunächst das Verb ἐκδικέω in den Blick zu nehmen, zumal die ἐκδίκησις nichts anderes als den Akt des ἐκδικεῖν beschreibt. E. Kiessling verzeichnet unter ἐκδικέω folgende Bedeutungen: 1) „einen Rechtshandel zur Entscheidung bringen“, 2) „beanspruchen, einen Klageanspruch erheben“, 3) „jmdm zu seinem Recht verhelfen“, 4) „wider jmdn vor Gericht streiten, prozessieren“.676 Bei jeder der angeführten Aktionen geht es also darum, auf rechtlicher Ebene etwas zu erwirken bzw. die rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen.677 Für das Substantiv ergibt sich daraus die Bedeutung „Urteil, Rechtsanspruch, Rechtshilfe, (gerichtl.) Auseinandersetzung“. Die papyrologischen Belege zu ἐκδικέω bzw. ἐκδίκησις stammen bis auf eine Ausnahme678 aus römischer und (vorwiegend) byzantinischer Zeit (die Belege für das Substantiv sind sogar ausschließlich byzantinisch): ἀλλὰ φόβον
‹ 5,11
671
Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. Einige Belege bei Preisigke, Wörterbuch s. v. ἀγανάκτησις; Kiessling, Wörterbuch s. v. ἀγανάκτησις. 673 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 674 Vgl. Schrenk, ἐκδικέω 443. 675 So Schrenk, ἐκδικέω 443; ähnlich kommt Grässer, 2Kor I 276, zu der Ansicht: „Wie schon die strafrechtlichen Begriffe apologia und ekdikêsis in der Siebenerreihe zeigt dieser Satz (d. h. ab ἐν παντί, Anm. R. E. Kritzer), dass Paulus das Verhältnis von Gemeinde und Apostel nicht als ein persönliches, sondern als ein rechtliches auffasst.“ 676 Vgl. Kiessling, Wörterbuch s. v. ἐκδικέω. Besonders, was Punkt 2) und 3) betrifft, entspricht das Verb dem lateinischen vindicare. 677 Schrenk, ἐκδικέω 441, spricht von der „juridischen Ausübung der δίκη“. 678 P.Tor.Choach. 12, Kol. VI 8.27 (117 v. Chr.). 672
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Einzelheiten: 2Kor 7,11
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P.Mich. V 350 (24. August 37 n. Chr.) ist die Verzichtserklärung einer verheirateten Frau auf das Eigentum, das ihr ihre Eltern bei deren Tod hinterlassen würden. Am Ende des Dokuments verpflichtet sie sich außerdem dazu, selbst gegen denjenigen „auf eigene Kosten und Aufwendungen rechtlich vorzugehen“ (Z. 31: ἐκδικ̣ ή̣ σ̣ ιν τοῖς ἰδίοις δ̣ α̣ π̣ ανή̣ μα̣ σ̣ ι ̣ κ[αὶ] ἀ̣ νη̣ λ̣ ώμα̣ σ̣ ι)̣ , der ihren Eltern oder männlichen Geschwistern gegenüber irgendwelche Ansprüche geltend zu machen versuche. Der früheste Beleg für das Substantiv findet sich im Fragment einer Petition, CPR XIV 48 (506 n. Chr.); in Z. 18 geht es darum, dass der praeses provinciae eine „gesetzliche ἐκδίκησις“ festsetzen soll, was in dem Fall wohl umfassend dem Einschreiten gegen den Übeltäter mit rechtlichen Konsequenzen entspricht.679
Auf diesem (papyrologischen) Hintergrund ist für die paulinische ἐκδίκησις dieser Stelle an ein in gewissem Sinne „rechtliches“ Vorgehen innerhalb der Gemeinde (beachte 1Kor 6) viel eher zu denken als an die eingeschränktere Bedeutung „Bestrafung“. Mit einer solchen ἐκδίκησις würden alle vorher genannten, mehr oder weniger subjektiven oder spontan aufkommenden Gefühle (wie Ärger, Furcht oder Eifern) in kontrollierbare Bahnen gelenkt.680 An ein rechtliches Vorgehen im eigentlichen Sinn, das die staatlichen Behörden in Anspruch nimmt, denkt Paulus hier freilich nicht. Mit der Wahl des Terminus ἐκδίκησις hebt er sich wohl ganz bewusst vom Ausdruck ἐκδικία ab, der in römischer Zeit häufig und vor allem in Petitionen vorkommt, wo damit die „Rechtsprechung“ des Präfekten oder anderer hoher Beamter bezeichnet wird, deren die Petentin oder der Petent im Sinne einer gerechten Erledigung des vorgetragenen Anliegens teilhaftig zu werden hofft.681 Die Inanspruchnahme 679 Die Hg. meint dazu: „There is room for confusion here with the word ἐκδίκησις which can mean both the legal defence and the punishment.“ Thomas, Rez. CPR XIV 321, vergleicht die Stelle mit P.Oxy. XVI 1885,16 (509 n. Chr.), wo unter ἐκδίκησις ein „Urteil (judgement)“ zu verstehen sei. 680 Da ἐκδίκησις als letztgenannter Begriff durch das wiederholte Setzen des ἀλλά („ja, vielmehr“) offenbar die äußerste Steigerung darstellt, ist die an zweiter Stelle genannte ἀπολογία möglicherweise als noch nicht gerichtliche Rechtfertigung anzusehen. 681 Zur Bedeutung „Rechtsprechung“ oder richterliche Maßnahme für eine „gerechte Wiedergutmachung“ für ἐκδικία siehe R. Duttenhöfer in P.Lips. II S. 192; Litinas, P.Lond. inv. 1270 173.175. In Petitionen wie P.Lips. II 146 (18. Januar – 5. April 189 n. Chr.) ist diese Bedeutung eindeutig gegeben; beachte Z. 14–16: καὶ νῦ̣ ν ἀξιῶ, ἐάν σου τῇ τύχῃ δόξ[ῃ], | ἀκοῦσ̣ αί μου π[ρ]ὸς αὐτὸν πρὸς τὸ τυχεῖν με | τ̣ῆ̣ ς̣ ἀπὸ σοῦ [μι]σοπονήρου ἐγδ[ι]κίας („und nun ersuche ich, wenn es deinem Genius gut scheint, mich gegen ihn [gemeint ist der Beklagte] anzuhören, damit ich deiner Untaten verabscheuenden Rechtsprechung teilhaftig werde“). In gleichem Sinn siehe ferner: P.Oxy. XLIII 3089,36 (25. Februar – 26. März 146 n. Chr.?); P.Wisc. I 33,23 (nach 8. September 147 n. Chr.); SB XX 14401,5–6.16 (19. Oktober 147 n. Chr.); XXIV 16252,31–32 (vgl. auch Z. 4–5; 15. Februar 163 n. Chr.); XVI 12678,20 (nach 27. Juli 179 n. Chr.); III 6952,12–13 (27. März – 25. April 195 n. Chr.); Stud.Pal. XXII 49,21 mit BL VIII 482 (200–201 n. Chr.); SB XX 14335,4 (frühes 3. Jh. n. Chr.); P.Oxy. XVII 2131,8 (25. März 207 n. Chr.); P.Gen. I2 16,10 (12. Oktober 207 n. Chr.); BGU XI 2061,12 (30. Dezember 210 n. Chr.); P.Oxy. XXXIII 2672,23–25 (28. September – 27. Oktober 218 n. Chr.); P.Sijp. 12 f,25 (222–235 n. Chr.; gegen die Übersetzung der Hg.: „that they will get their due punishment“); P.Flor. I 58,17 (nach Januar 234 n. Chr.); P.Oxy. XXXVIII 2853, Rekto 10 (245–246 n. Chr.); P.Euphrates 2,13 (245–248 n. Chr.?); P.Oxy. XII 1556,8–9 (3. Januar 247 n. Chr.); SB IV 7464,17–18 (22. November 248 n. Chr.); P.Heid. III 237,20 (Mitte 3. Jh.
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derartiger juristischer Möglichkeiten hat Paulus nach 1Kor 6 im Falle von gemeindeinternen Konflikten kategorisch abgelehnt. Ihm geht es beim Hinweis auf die erfolgte ἐκδίκησις darum, dass die Angelegenheit, die im Zentrum des Tadelbriefes stand, von der Gemeinde intern im Sinne von Recht und Gerechtigkeit abgehandelt und erledigt wurde. ἐν παντὶ συνεστήσατε ‹ 3,1 ἑαυτοὺς ἁγνοὺς εἶναι τῷ πράγματι – Das Adjektiv ἁγνός („heilig, rein, verehrt“) begegnet in den Papyri nicht sehr häufig,
wird aber meist auf Menschen bezogen, besonders häufig in der lobenden Anredeform ἁγνὲ πιστέ („ehrenwert und vertrauenswürdig“, im Plural ἁγνοὶ πιστοί), die in dieser Form an Höhergestellte gerichtet wird.682 Die Mitglieder der paulinischen Gemeinde von Korinth werden die Ausdrucksweise des Paulus vermutlich als großes Lob empfunden haben. Das Verb συνίστημι/συνιστάνω wird vor allem im Zusammenhang mit dem „Empfehlen“ von Personen, insbesondere in Empfehlungsbriefen, verwendet (siehe oben S. 271). Diese Bedeutung passt auch für die vorliegende Stelle: die Gemeindemitglieder „haben sich als ehrenwert empfohlen“, somit also „als ehrenwert erwiesen“.683 7,112 ἄρα εἰ καὶ ἔγραψα ὑμῖν, οὐχ ἕνεκεν τοῦ ἀδικήσαντος ‹ 7,2, οὐδὲ ἕνεκεν τοῦ ἀδικηθέντος, ἀλλ᾽ ἕνεκεν τοῦ φανερωθῆναι ‹ 2,14 τὴν σπουδὴν ‹ 7,11 ὑμῶν τὴν ὑπὲρ ἡμῶν πρὸς ὑμᾶς ἐνώπιον τοῦ θεοῦ – Der als Präposition verwendete erstarrte Akkusativ ἐνώπιον ist papyrologisch breit bezeugt und wird fast ausschließlich in juristischem Kontext verwendet. „Durch den Hinweis, dass etwas ‚vor dem Angesicht‘ eines anderen geschieht, erhält der jeweils zu beschreibende Umstand seine letztendliche Bestätigung.“684 Das Prädikat „vor dem Angesicht Gottes“ verleiht einer Aussage im paulinischen Sinn somit die höchstmögliche Bestätigung.
n. Chr.); SB XXIV 16297,6 (24. September 255 oder 23. September 256 n. Chr.); BGU XI 2069,12 mit BL XII 23 (19.–27. Januar 292 n. Chr.; beachte dazu Litinas, Notes 77); PSI IV 298,25 (ca. 292–293 n. Chr.); P.Oxy. VIII 1121,21–22 (8. Februar 295 n. Chr.); wahrscheinlich auch PSI Congr.XXI 13, Kol. VI 18 (nach 284–285 n. Chr.); auch in P.Sakaon 48,23 (6. April 343 n. Chr.) scheint es mir, dass sich [ἐκ]δικίας τυχεῖν auf den Petenten bezieht, der hofft, zu seinem Recht zu kommen (gegen die Übersetzung des Hg.: „they may receive retribution“ [ähnlich die Übersetzung von G. H. R. Horsley in New Docs. III S. 150]). – Zur Bedeutung vgl. auch SB XII 10925,6 (30. Juni 258 oder 259 oder 260 n. Chr.); P.Oxy. XIV 1643,13 (11. Mai 298 n. Chr.). 682 Siehe die Beispiele bei Preisigke, Wörterbuch s. v. ἁγνός; Kiessling, Wörterbuch s. v. ἁγνός; Moulton/Milligan, Vocabulary s. v. ἁγνός. Hinzuzufügen ist P.Oxy. XXIV 2417,17 (nach 29. Oktober – 27. November 286 n. Chr.). Außerhalb einer Anredeform begegnet dieselbe Kombination in P.Oxy. XXIV 2407,3 (spätes 3. Jh. n. Chr.). 683 Bultmann, 2Kor 61 Anm. 45, meint (im Anschluss an einen Verweis auf Lietzmann, Kor 132): „Auch συνιστάναι kann juristischer Terminus sein: feststellen, begründen, beweisen.“ 684 F. Winter und P. Arzt-Grabner in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 111 (mit zahlreichen Belegen S. 110–111; einige davon sind auf eine Gottheit bezogen).
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Einzelheiten: 2Kor 7,11–14
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7,113 διὰ τοῦτο παρακεκλήμεθα ‹ 1,4. ἐπὶ δὲ τῇ παρακλήσει ‹ 1,3 ἡμῶν περισσοτέρως ‹ 2,4 μᾶλλον ἐχάρημεν ‹ 2,3; S. 370 ἐπὶ τῇ χαρᾷ ‹ 1,15; S. 370 Τίτου ‹ 2,13, ὅτι ἀναπέπαυται τὸ πνεῦμα ‹ 1,22 αὐτοῦ ἀπὸ πάντων ὑμῶν – An Stelle von τῇ παρακλήσει ἡμῶν bieten einige Handschriften das Attribut ὑμῶν (z. B. F, K, L und in der bohairischen Tradition).685 Aus papyrologischer Sicht ist dazu zu bemerken, dass eine derartige itazistische Verschreibung (ὑμῶν für ἡμῶν) überaus häufig vorkommt, so z. B. im zeitgenössischen Weberlehrvertrag P.Tebt. II 384 mit BL III 242 und IX 356 (9. August 10 n. Chr.), durch den natürlich nicht der Bruder des Webermeisters (Z. 21: τὸν ἀδελφὸν ὑμῶν – „euren Bruder“), sondern der eigene Bruder (l. τὸν ἀδελφὸν ἡμῶν – „unseren Bruder“) an den Webermeister zur Ausbildung übergeben wird.686 Die Aussage und sprachliche Konstruktion über die Erholung, die Titus durch die Gemeinde erfahren hat, ist mit Phlm 7 vergleichbar. Während dort der Briefempfänger Philemon der Grund für die Freude des Pauls ist, dass die Mitglieder seiner Gemeinde durch ihn „Erholung“ erfahren, haben hier die Adressatinnen und Adressaten des Briefes (und zwar ausdrücklich alle) Titus und Paulus dadurch erfreut, dass sie sich um den Paulusmitarbeiter Titus in vergleichbarer Weise gekümmert haben. Den papyrologischen Befund für ἀναπαύω/ἀναπαύομαι hat P. Arzt-Grabner im Zusammenhang mit Phlm 7 erhoben.687 Demnach geht es dabei um eine Zeit der Erholung688, die „als ein erstrebenswertes Ziel erachtet [wird], auch als ein sehr menschliches: wenn die alltäglichen Mühen, Auseinandersetzungen oder Verpflichtungen zu viel werden, ist ‚Erholung‘ angesagt.“689 Im Falle des Titus ist dieser Dienst der Gemeinde umso erfreulicher, als Paulus (und auch Titus) nach dem Eklat beim sog. Zwischenbesuch mit dem Gegenteil rechnen mussten. 7,114 ὅτι εἴ τι αὐτῷ ὑπὲρ ὑμῶν κεκαύχημαι
‹ 5,12
, οὐ κατῃσχύνθην, ἀλλ᾽ ὡς ἐλαλήσαμεν ὑμῖν, οὕτως καὶ ἡ καύχησις ‹ 1,12 πάντα ἐν ἀληθείᾳ ἡμῶν ἡ ἐπὶ Τίτου ‹ 2,13 ἀλήθεια ‹ 4,2 ἐγενήθη – Für καταισχύνω („beschämen, ‹ 4,2
685
‹ 2,17
Vgl. Windisch, 2Kor 239 mit Anm. 1. Siehe dazu z. B. Moulton/Howard, Grammar II
73. 686
Ähnliche Beispiele in zeitlicher Nähe zu Paulus sind: SB XII 10799,2 (14–41 n. Chr.); P.Mich. V 351,26 (24. Juli 44 n. Chr.). Beispiele für diese Verwechslung reichen bis ins 2. Jh. v. Chr. zurück; vgl. Moulton/Howard, Grammar II 79. 687 Siehe Arzt-Grabner, Philemon 197–198. 688 Von „Zeiten der Erholung“ (χρό̣ νων̣ ἀναπαίσεως) ist in P.Oxy. LXXVII 5114,2 (nach 217 n. Chr.) die Rede (vermutlich ist die zeitlich festgelegte Befreiung eines Magistrats von seinem Amt gemeint; beachte dazu auch Z. 8, siehe dazu J. D. Thomas in P.Oxy. LXXVII S. 118–119). 689 Arzt-Grabner, Philemon 198. – Auch für Lasttiere, denen ein Ruhetag gegönnt wird, liegen Belege vor (vgl. P.Bingen 111, Verso 62.65 [250–252 n. Chr.?]; SB XX 14197, Verso 76.78.79 [26. Mai – 24. Juni 253 n. Chr.]; 14197, Verso 170.173.177 [26. Mai – 24. Juni 256 n. Chr.]), ferner für brachliegende Anbauflächen (siehe dazu Hennig, Bodenpacht 44; ferner P.Lips. II 129,34 [6. Mai 8 n. Chr.]; PSI XV 1518,21 [15. Oktober 34 oder 16. Oktober 35 oder 15. Oktober 36 n. Chr.]; SB XXIV 16294,22 [27. November – 23. Dezember 54 n. Chr.]).
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
zuschanden machen“) liegt bisher nur ein zeitlich relevanter Beleg in den dokumentarischen Papyri vor: In P.Mich. IX 532 (181–182 n. Chr.) geht es um die Erziehung oder Ausbildung von Waisenkindern; in Z. 5–6 heißt es (mit BL IX 161): [ἡ γὰρ] | ἀπεδευσίαν (l. ἀπαιδευσία) κατεσχύνει`εν´ ⟦ἂ̣ ν⟧ (l. καταισχύνειεν ἂν)690 μὲν τοὺς π[λουσίους] („denn der Mangel an Bildung wird die Reichen wohl beschämen“).691
Die Beschämung gründet sich, sofern die Ergänzungen im Text richtig sind, hier darauf, dass ein erwarteter Zusammenhang nicht zutrifft. Von einem Reichen dürfte man sich wohl erwarten, dass er einen Teil seiner Mittel für Erziehung und Bildung aufwendet. Wenn diese – wie der Text voraussetzt: berechtigte – Erwartung nicht erfüllt wird, ist die Folge einerseits Enttäuschung, andererseits Beschämung oder Schande. Paulus betont hier also, dass das, was er rühmend über die Gemeinde gesagt hat, mit den Tatsachen übereinstimmt, was er auch ausdrücklich hinzufügt (ἀλήθεια ἐγενήθη). Ähnlich geht es in 9,4 darum, dass die Erwartung, die Gemeinde hinsichtlich der Kollekte vorbereitet zu finden, nicht enttäuscht werden soll und Paulus nicht befürchten muss, beschämt zu werden. 7,115 καὶ τὰ σπλάγχνα ‹ 6,12 αὐτοῦ περισσοτέρως ‹ 2,4 εἰς ὑμᾶς ἐστιν ἀναμιμνῃσκομένου τὴν πάντων ὑμῶν ὑπακοήν – Dokumentarische Belege für das 690 Das εν nach κατεσχύνει steht über der Zeile, und zwar über dem ι und einem kleinen Zwischenraum danach; das in der Zeile auf κατεσχύνει folgende αν (ed.pr. ἄ̣ ν) oder εν (BL IX 161) wurde vom Schreiber getilgt; der erste der beiden getilgten Buchstaben ist nicht vollständig erhalten, αν ist m. E. deshalb ebenso unsicher wie εν. Dies ergibt zunächst folgende Transkription: κατεσχύνει`εν´⟦α̣ ν⟧ oder κατεσχύνει`εν´⟦ε̣ν⟧ (ed.pr. κατεσχύνειεν ἄ̣ ν [beachte aber im Zeilenkommentar – P.Mich. IX S. 36: „On the papyrus the last two letters apparently were crossed out, but then rewritten above the line“]; BL IX 161 κατεσχύνει⟦εν⟧εν). Die Erklärung ist in jedem Fall schwierig: Geht man von einem ursprünglichen αν aus, so ergeben sich zunächst folgende Erklärungsmöglichkeiten: Der Schreiber hat κατεσχύνει ἄ̣ ν geschrieben, dann aber erkannt, dass das ἄ̣ ν fehl am Platze ist und es deshalb getilgt, schließlich aber über der Zeile das für die Optativform nötige εν eingefügt; oder er wollte ursprüngliches κατεσχύνειαν zu κατεσχύνειεν korrigieren und hat vergessen oder nie daran gedacht, auch ein ἄ̣ ν einzufügen. Im ersten Fall ist zu fragen, warum er das für den Optativ nötige ἄν nicht einfach stehen ließ oder zumindest wieder einfügte, die zweite Erklärung hat den Schwachpunkt, dass es genügt hätte, das α zu ε zu korrigieren (statt αν zu εν). Der Vorschlag κατεσχύνει⟦εν⟧εν (BL IX 161) lässt nur die Erklärung zu, dass der Schreiber genau das wieder hingeschrieben hat, was er zuvor tilgte. Nach Überprüfung des Fotos schreibe ich die Korrektur in Z. 6 (ebenso wie jene in Z. 8) der zweiten Hand zu, von der nach der ed.pr. auch die Z. 9–11 geschrieben wurden, und halte deshalb eine dritte Erklärung für die wahrscheinlichste: Der Autor diktierte zunächst den Text und fand dann beim Überprüfen in Z. 6 ein κατεσχυνειαν vor, das er zunächst zur Indikativform κατεσχύνει (l. καταισχύνει) korrigieren wollte, indem er daran ging, das αν am Schluss zu streichen; sogleich aber merkte er, dass an dieser Stelle besser eine Optativform stehen sollte, und fügte deshalb die dafür nötige Endung εν über der Zeile ein. Das αν sollte weiterhin gelten (tatsächlich ist dieses αν weniger deutlich durchgestrichen als das αλλα in der folgenden Zeile). 691 Der einzige weitere Beleg für καταισχύνω findet sich in einem privaten Brief aus dem 6. oder 7. Jh., wo 1Kor 1,27 zitiert wird (SB XII 11144,3).
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Einzelheiten: 2Kor 7,14–16 – Kollekte: 2Kor 8,1–9,15
389
Verb ἀναμιμνῄσκω („erinnern“, medial und passivisch „sich erinnern“) sind selten. Sieht sich jemand veranlasst, einen Briefpartner an eine Sache zu erinnern, zeugt dies entweder von Misstrauen oder von Unsicherheit.692 Vergesslichkeit und mangelndes Erinnerungsvermögen (vgl. P.Mil. II 75,4–5 [2. Jh. n. Chr.], wo die passive Form begegnet) werden mit Verwunderung quittiert. Dass sich Titus sehr wohl an den Gehorsam der Gemeindemitglieder erinnert, ist vor diesem Hintergrund einerseits Zeichen für seine Verlässlichkeit, andererseits Hinweis darauf, dass dieser Gehorsam nicht mehr zu übersehen ist. Der Begriff ὑπακοή („Gehorsam“) ist innerhalb der dokumentarischen Papyri bisher erst ab der byzantinischen Zeit belegt.693 ὡς μετὰ φόβου ‹ 5,11 καὶ τρόμου ἐδέξασθε ‹ 6,1 αὐτόν – Die Kombination von φόβος und τρόμος („Furcht und Zittern“) ist aus der LXX bekannt und durch
Paulus offenbar von dort aufgegriffen worden.694 Paulus beschreibt damit hier die rechte Haltung, mit der die Gemeinde Titus aufgenommen hat. Im Unterschied zu φόβος (siehe oben bei 5,11) liegt für τρόμος innerhalb der dokumentarischen Papyri bisher kein sicheres Beispiel vor, so dass auch die hier vorliegende Kombination innerhalb der Alltagssprache der Papyri bisher nicht zu belegen ist.695
7,116 χαίρω ‹ 2,3; S. 370 ὅτι ἐν παντὶ θαρρῶ ‹ 5,6 ἐν ὑμῖν.
2Kor 8,1–9,15 Über die Kollekte für die Heiligen 8 Wir bringen euch aber zur Kenntnis, Schwestern und Brüder, die Gnade Gottes, die in den Gemeinden Makedoniens gewährt worden ist, 2 dass in großer Bewährung der Bedrängnis das Übermaß ihrer Freude und ihre tiefe Bettelarmut in überreichem Maße zum Reichtum ihrer Einfachheit wurden; 3 denn nach (ihrer) Möglichkeit, ich bezeuge (es), und über (ihre) Möglichkeit hinaus, baten sie uns auf eigene Entscheidung hin 4 mit viel Bitten um die Gnade und die Teilhabe am Dienst für die Heiligen, 5 und nicht (nur) wie wir hofften, sondern sie gaben sich zuerst dem Herrn hin und uns durch Gottes Willen, 6 auf dass wir Titus baten, dass er, wie er vorher auch diese Gnade begonnen hatte, sie so bei euch auch vollendet. 7 Aber wie ihr in allem ein Übermaß bietet, in Glaube und Rede und Erkenntnis und in allem Eifer und in der aus uns in euch (entstandenen) Liebe, (so) bietet auch ein Übermaß in dieser Gnade. 8 Nicht einem Befehl entsprechend sage ich (das), sondern weil ich wegen des Eifers anderer auch das Echte 692
Siehe die Beispiele bei F. Winter in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 190. Vgl. Arzt-Grabner, Philemon 250. Für das Verb ὑπακούω lassen sich hingegen zahlreiche Beispiele ab der ptolemäischen Zeit beibringen (siehe Kreinecker, 2. Thessaloniker 139–141). 694 Vgl. z. B. Jes 19,16 LXX; bei Paulus ferner 1Kor 2,3; Phil 2,12. 695 Vgl. F. Winter und P. Arzt-Grabner in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 116. 693
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
eurer Liebe prüfe; 9 denn ihr kennt die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, dass er wegen euch ein Bettler wurde, obwohl er reich war, damit ihr durch die Bettelarmut von jenem reich werdet. 10 Und eine Meinung gebe ich (euch) diesbezüglich; denn das nützt euch, die ihr nicht nur das Tun, sondern auch das Wollen vorher begonnen habt seit dem vergangenen Jahr: 11 Und jetzt vollendet auch das Tun, damit, wie die Bereitwilligkeit im Wollen, so auch das Vollenden aus dem Haben (erfolgt). 12 Denn wenn die Bereitwilligkeit vorliegt, ist einer entsprechend dem willkommen, was auch immer er hat, nicht entsprechend dem, was er nicht hat. 13 Denn nicht, damit anderen Erleichterung, euch Bedrängnis (erwächst), sondern aus Gleichheit; 14 zum jetzigen Zeitpunkt ist euer Überfluss für den Mangel von jenen (da), damit auch der Überfluss von jenen für euren Mangel (da sein) wird, damit Gleichheit entsteht, 15 wie geschrieben worden ist: der, der viel (hatte), hatte nicht im Überfluss, und dem, der wenig (hatte), fehlte nichts. 16 Aber Dank (sei) Gott, der denselben Eifer für euch im Herzen des Titus (grund)gelegt hat, 17 dass er die Bitte annahm, und er ist noch eifriger und reist auf eigene Entscheidung hin ab zu euch. 18 Mit ihm aber schicken wir den Bruder mit, dessen Lob wegen des Evangeliums durch alle Gemeinden (reicht), 19 aber nicht nur (das), sondern auch gewählt von den Gemeinden als unser Reisegefährte mit dieser Gnade, die von uns im Dienst besorgt wird zum Ruhm des Herrn [selbst] und zu unserer Bereitwilligkeit, 20 wobei wir uns bereit machen, dass nicht jemand uns tadelt bei diesem Überfluss, der von uns im Dienst besorgt wird; 21 denn wir tragen Sorge für Gutes nicht nur vor dem Herrn, sondern auch vor den Menschen. 22 Und wir schicken mit ihnen unseren Bruder mit, den wir bei vielen (Gelegenheiten) oftmals als Eifrigen befunden haben, als jetzt aber viel eifrigeren mit großem Vertrauen euch gegenüber. 23 Sei es in Bezug auf Titus: (er ist) mein Partner und Mitarbeiter, was euch betrifft; seien es unsere Brüder: (sie sind) Apostel von Gemeinden, Ruhm Christi. 24 Erbringt also ihnen gegenüber vor den Gemeinden den Beweis für eure Liebe und für unseren Ruhm für euch! 9 Denn über den Dienst für die Heiligen euch zu schreiben, ist für mich überflüssig; 2 denn ich kenne eure Bereitwilligkeit, für die ich euch gegenüber den Makedoniern rühme, dass Achaia seit dem vergangenen Jahr vorbereitet ist, und euer Eifer spornte die Mehrzahl an. 3 Ich schicke die Brüder aber, damit nicht unser Ruhm in Bezug auf euch leer gemacht wird in diesem Teil, damit, wie ich sagte, ihr vorbereitet seid, 4 dass nicht etwa, wenn Makedonier mit mir kommen und euch unvorbereitet finden, wir beschämt werden, damit ich nicht sage ihr, in dieser Zuversicht. 5 Ich hielt es also für notwendig, die Brüder zu bitten, dass sie vorher zu euch gehen und euren vorher angekündigten Segen vorbereiten, damit dieser so bereit ist wie ein Segen und nicht wie Habgier. 6 Dies aber: wer sparsam sät, wird sparsam ernten, und wer auf Segen sät, wird auch auf Segen ernten. 7 Ein jeder (gebe), wie er es sich mit dem Herzen vorgenommen hat, nicht aus
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Kollekte: 2Kor 8,1–9,15
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Kummer oder aus Zwang; denn einen fröhlichen Geber liebt Gott. 8 Gott aber kann jede Gnade zu euch hin überreich werden lassen, damit ihr in allem allzeit eine vollauf ausreichende Menge zur Verfügung habt und zu jedem guten Werk über die Maßen (bereit) seid, 9 wie geschrieben worden ist: er verteilte, er gab den Armen, seine Gerechtigkeit bleibt für alle Zeit. 10 Der aber, der dem Säenden Saat zur Verfügung stellt und Brot zum Essen, wird eure Saat zur Verfügung stellen und mehren und die Erträge eurer Gerechtigkeit wachsen lassen. 11 (Ihr seid die, die) in allem reich gemacht werden zu jeder Einfachheit, die durch uns Gott Dank erwirkt; 12 denn der Dienst dieser Liturgie ist nicht nur einer, der die Mängel der Heiligen auffüllt, sondern auch einer, der durch viele Danksagungen an Gott überreich vorhanden ist. 13 Durch die Bewährung in diesem Dienst (werden sie die sein, die) Gott verherrlichen wegen der Unterordnung (aufgrund) eurer Erklärung hinsichtlich des Evangeliums Christi und wegen (der) Einfachheit der Gemeinschaft gegenüber ihnen und gegenüber allen, 14 wobei sie sich nach euch auch im Gebet für euch sehnen wegen der überbietenden Gnade Gottes bei euch. 15 Dank (sei) Gott für sein unbeschreibliches Geschenk. Wie am Aposteltreffen in Jerusalem696 (vermutlich im Frühjahr des Jahres 48 n. Chr.) vereinbart, sollten Paulus und Barnabas das Evangelium zu den „Völkern“697 bringen und – wohl als Gegenleistung für die dazu erfolgte offizielle Beauftragung durch Jakobus, Kephas und Johannes – der Armen in Judäa gedenken (vgl. Gal 2,10). Historischer Hintergrund wird jene Hungersnot in Judäa gewesen sein, von der Josephus (Ant. 20,51–53) für die Zeit zwischen 46 und 48 n. Chr. berichtet.698 Das Unternehmen, das Paulus zu diesem Zwecke durchführt, ist die sog. Kollekte,699 die freilich voraussetzt, dass zu den Gemeinden des Paulus tatsächlich Menschen gehörten, deren soziale Situation es zuließ, ihren Beitrag für die Armen in Judäa abzuliefern. Für die Gemeinde 696
Siehe Gal 2,1–10; Apg 11,27–30. Die Übersetzung „Heiden“ für den griechischen Ausdruck ἔθνη trifft unzulänglich, worum es geht: die nicht zum antiken Judentum gehörenden „Völker“ sind nach dem Aposteltreffen die vorrangigen Adressaten der paulinisichen Mission, die Bezeichnung ἔθνη ist bei Paulus somit positiv zu verstehen, während „Heiden“ sowohl vom Ursprung des Wortes als auch von seiner Verwendung her generell herablassend gemeint ist. Siehe dazu unten bei den Erläuterungen zu 2Kor 11,26 (S. 471). 698 Während der Regierungszeit des Claudius kam es nach Plinius (Nat. 5,58; 18,1168) und Suetonius (Claud. 18–19) immer wieder zu regionalen Hungersnöten, bes. in den östlichen Provinzen. Die Beschreibung in Apg 11,28 als Hungersnot „über die ganze Welt hin“ (ἐφ᾽ ὅλην τὴν οἰκουμένην) ist Übertreibung. 699 Zum Verlauf beachte Gal 2,1–10; Apg 15,1–35; 1Kor 16,1–4; 2Kor 8–9; Röm 15,25–28.30– 31. Siehe dazu z. B. Witherington, Conflict 423–426, und – besonders ausführlich – Downs, Offering 30–72 (mit Forschungsdiskussion und Literaturhinweisen), der die Kollekte als wesentliches Unternehmen der gesamten paulinischen Mission interpretiert. Einen guten Überblick über die Kollekte bietet Heil, Die Armen nicht vergessen. 697
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
von Korinth gehen St. J. Friesen700 und B. W. Longenecker701 davon aus, dass deren Mitglieder vorzugsweise zu jener Gruppe von Geschäftsleuten und Handwerkern gehörten, die eine stabile Lebensgrundlage mit Aussicht auf einen geringen Überschuss erwirtschaften konnten (Kaufleute, Händler, Lohnempfänger mit fester Anstellung, Handwerker, Besitzer großer Läden, Freigelassene, zum Teil auch Bauernfamilien);702 einige mögen über diesem Niveau gelegen haben (Erastus, Phoebe), einige weitere unter diesem.703 Den Terminus technicus λογεία (oder λογία), der allgemein eine „Einhebung“, „Einziehung“ oder „Kollekte“ bezeichnet,704 verwendet Paulus nur in 1Kor 16,1. In den Papyri taucht dieser Begriff schon im 2. Jh. v. Chr. auf, und zwar als Recht der Gilde der Choachyten, die einen Teil der bei der Mumifizierung notwendigen Zeremonien vorzunehmen hatten: diesen Choachyten war es erlaubt, Sammlungen zu veranstalten und dieses Recht auch zu verkaufen.705 Im Zusammenhang mit seiner Kollekte spricht Paulus besonders häufig von διακονία („Dienst“; hier in 8,4; 9,1.12–13; ferner in Röm 15,25.31). Außerdem tauchen χάρις („Gnade“; 8,7.19) und ἀγάπη („Liebe“; 8,8) sowie εὐλογία („Segen“; 9,5) und λειτουργία („Liturgie“; 9,12)706 auf.707 Die Verwendung dieser Termini hat dazu Anlass gegeben, die Kollekte als religiösen Akt, als religiöse Pflichterfüllung zu sehen.708 In jedem Fall ist die Kollekte als zentrales Anliegen der paulinischen Mission zu begreifen.709
700
Siehe Friesen, Prospects 364–369. Beachte dazu Oakes, Poverty Scales. Siehe Longenecker, Remember the Poor 257–258 (beachte dazu die Kategorienliste S. 45). 702 Siehe dazu auch Drexhage, Bemerkungen (2004) 87: „Wohlhabenheit, die allein oder zumindest vornehmlich auf handwerklicher bzw. gewerblicher (eigenhändiger) Tätigkeit basiert, ist bislang in der hier einbezogenen Überlieferung (Papyri) nicht erkennbar.“ 703 Zur gemischten Statusgruppe der korinthischen Gemeinde siehe auch Kloppenborg, Status (bes. 142–146). Zur demographischen Situation im römischen Korinth, auf die u. a. aufgrund der Zensusdeklarationen aus Ägypten zu schließen ist (siehe Bagnall/Frier, Demography), siehe Nasrallah, Grief 115–121. 704 Zum papyrologischen Befund siehe bereits Deissmann, Bibelstudien 139–141; ders., Licht 83–85; ausführlich auch R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 506–507 (mit Belegen; hinzuzufügen sind P.Poethke 8,185.186 [235–234 v. Chr.]; P.Oxy. LXXVI 5097 [27. Februar 62 n. Chr.; siehe dazu ausführlicher S. 401]); siehe ferner Downs, Offering 129–131; Münch, Geschenk 59. In den Papyri geht es vor allem um Kollekten im Zusammenhang mit dem ägyptischen Tempel- oder dem Steuerwesen. – Was die paulinische Kollekte betrifft, fällt zwar auf, dass Paulus nie explizit von „Geld“ (ἀργύριον, χρύσιον) spricht, der Terminus λογεία in 1Kor 16,1 ist aber durchaus als monetärer Begriff aufzufassen (vgl. Ascough, Completion 593 mit Anm. 39). 705 Z. B. UPZ II 175 a,7–8 (5. Januar 145 v. Chr.); weitere Belege bei R. E. Kritzer in ArztGrabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 507 Anm. 10. 706 Siehe auch dazu bereits Deissmann, Bibelstudien 141. 707 Von einer κοινωνία („Gemeinschaftsspende, Sammlung“) spricht er in Röm 15,26. 708 Ascough, Completion 590–599, untermauert dies durch die Beobachtung, dass ἐπιτελέω (vgl. 2Kor 8,6.11) in Inschriften, die dem antiken Vereinswesen angehören, vornehmlich für die Erfüllung einer religiösen Pflicht (z. B. Durchführung der Mysterien) verwendet wird. 709 Vgl. Ascough, Completion 585–586 (mit ausführlichen Literaturangaben in Anm. 6). 701
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Kollekte: 2Kor 8,1–9,15
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Nun – da Paulus 2Kor 8–9 schreibt – ist die Kollekte bereits fortgeschritten.710 Wie der Text zeigt, hat Paulus aber noch mit Zurückhaltung auf Seiten der Korinther Gemeinde zu kämpfen oder – im Vergleich mit 1Kor 16,1–2 – sogar mit gesteigertem Misstrauen und mit Vorurteilen.711 Deshalb schickt er eine Gesandtschaft unter Leitung des Titus los, damit diese die Kollekte zu einem Abschluss bringe (beachte 8,6.11; 9,5). Wenn Paulus dann selbst komme, wolle er sie als Segensgabe (9,5) entgegen nehmen. Zu 2Kor 8–9 liegen bereits drei wichtige Studien vor, die mehr oder weniger ausführlich dokumentarische Papyri zur Interpretation herangezogen haben: H. D. Betz hat in seinem Kommentar712 zur Deutung vieler Begriffe und Einzelheiten das bis dahin edierte papyrologische Material ausgewertet; darauf werde ich bei den Einzelheiten dieser beiden Kapitel verweisen. Ähnliches gilt zunächst auch für V. D. Verbrugge, der aber über die papyrologische Kommentierung einzelner Ausdrücke und sprachlicher Eigenheiten713 hinaus sog. „requesting letters“ zum Vergleich mit 2Kor 8–9 herangezogen714 und einen Blick auf das antike Vereinswesen geworfen hat. Der bisher ausführlichste Vergleich der Kollekte mit dem antiken Vereinswesen stammt schließlich von D. J. Downs;715 allerdings wertet er dafür vor allem die epigraphischen und literarischen Quellen aus, aber nur wenige Papyri.716
710 Zur Forschungsgeschichte von 2Kor 8 und 9 siehe u. a. Betz, 2. Korinther 25–77; Ascough, Completion 585–588. 711 Betz, 2. Korinther 253–256, Marshall, Enmity 322–323, u. a. vermuten, dass sich der Konflikt zwischen Paulus und der Gemeinde von Korinth an der Kollekte entzündete, insbesondere am Vorwurf des Beleidigers (ὁ ἀδικήσας, 7,12), Paulus wolle sich selbst durch die Kollekte bereichern. „Auch wenn diese Anschuldigung nicht die einzige war, die gegen Paulus erhoben wurde, muss sie doch zu den Haupteinwänden des korinthischen Antipaulinismus gehört haben“ (Betz, 2. Korinther 256). Verbrugge, Paul’s Style, sieht zwischen 1Kor und 2Kor ein Umschwenken in der Politik des Paulus: während er gemäß 1Kor 16,1–2 anfangs noch optimistisch genug war, den Gemeinden den „Auftrag“ zur Kollekte zu erteilen (Verbrugge, Paul’s Style 31–41.75– 77, vergleicht damit u. a. sog. „commanding letters“ in den Papyri), haben 2Kor 8–9 eher den Charakter eines Ersuchens oder einer Bitte. Die sprachliche Grundlage für diese Deutung sieht Verbrugge in 8,7.24 und 9,7 und er fasst zusammen (S. 259–260): „Paul displays extreme hesitancy to tell the Corinthians to get on with the project of the collection for Jersusalem. He uses a new, developing form of the imperative that creates ambiguity as to its force (8: 7); he uses a participial construction rather than an ordinary imperative (8: 24); he omits an imperative, thereby leaving the instruction understood (9: 7); and when he does use the imperative, he makes sure that it will be understood as his opinion rather than as a command (8: 8, 10, 11).“ 712 Betz, 2. Korinther. 713 Siehe Verbrugge, Paul’s Style 244–293. 714 Siehe Verbrugge, Paul’s Style 184–191.228–231 (z. B. P.Oslo II 49 [2. Jh. n. Chr.]). Briefe, die eine Bitte oder ein Ersuchen übermitteln, sind überaus zahlreich, was allein schon damit zusammenhängt, dass es sich dabei um einen der wesentlichsten und häufigsten Gründe für das Schreiben und Senden eines Briefes handelt. 715 Downs, Offering 73–119. 716 Die insgesamt sechs Papyri, die er heranzieht, werde ich im Folgenden in meine Darstellungen einbeziehen.
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
In Anlehnung an J. Z. Smith und R. S. Ascough unterstreicht Downs, dass es beim Vergleich mit antiken Vereinen methodisch nicht um den Versuch geht, Abhängigkeiten festzustellen,717 sondern analoge Strukturen, Regelungen und Funktionen aufzuspüren, die beide – die antiken Vereine und die paulinischen Gemeinden718 – bis zu einem gewissen Grad miteinander teilen.719 Dies ist m. E. auch deshalb berechtigt, weil anzunehmen ist, dass einige Mitglieder der paulinischen Gemeinde bereits zuvor als Mitglieder des einen oder anderen Korinther Vereins720 in den Angelegenheiten des Vereinswesens Erfahrungen gesammelt hatten, von denen sie bei Bedarf auch innerhalb der Paulusgemeinde profitieren konnten. Inschriftlich und papyrologisch ist sowohl bezeugt, dass jemand mehreren Vereinen als Mitglied angehören konnte, als auch, dass einzelne Vereine einen Exklusivanspruch auf ihre Mitglieder geltend machten und eine zusätzliche Mitgliedschaft bei einem anderen Verein kategorisch ausschlossen.721 Im Falle von Korinth scheint die Mitgliedschaft in paganen Vereinen für zumindest einige Mitglieder der Paulusgemeinde fortlaufend bestanden zu haben; so könnte jedenfalls 1Kor 8,10 gedeutet werden.722 Downs hebt insgesamt vier Aspekte hervor, die seiner Ansicht nach im Vergleich mit der paulinischen Kollekte von Bedeutung sind: 1) Wohltäter, die einen Verein größere Vorhaben verwirklichen lassen und von diesem entsprechend dankbar in Ehren gehalten werden, bilden einen Kontrast zu Paulus, der nach Downs die Kollekte direkt auf die Gnade Gottes zurückführt und so die Erwartungen von Geldgebern, für ihre Beiträge Dank und Ehre durch die Gemeinden zu erhalten, möglichst gering hält.723 2) Geldsammlungen innerhalb antiker Vereine waren so sehr gewohnt, dass sie eine direkte Analogie zur Kollekte des Paulus bilden.724 3) Ähnliches gilt für die Sorge um die Armen
717 Etwa in dem Sinn: Was haben paulinische Gemeinden unmittelbar von antiken Vereinen übernommen? 718 Eine Darstellung der Jerusalemer Urgemeinde im Spiegel des antiken Vereinswesens hat Öhler, Urgemeinde, versucht (basierend auf der Forschungsliteratur und einigen Inschriften, aber keinen Papyri). 719 Siehe Smith, Drudgery (zum Vergleich des frühen Christentums mit spätantiken Religionen); Ascough, Paul’s Macedonian Associations 1–3.114–115; Downs, Offering 75–76.81–85. 720 Bisher sind 15 fragmentarische Inschriften aus Korinth bekannt, die möglicherweise mit Vereinen zusammenhängen (vgl. Ascough, Completion 584 Anm. 3; McRae, Eating 169). 721 Siehe zu beiden Möglichkeiten Ascough, Paul’s Macedonian Associations 87–91 (mit zahlreichen Belegen); vgl. Downs, Offering 82–83. Papyrologisch ist das Verbot, einem zweiten Verein anzugehören, für einen Verein aus Philadelphia in Ägypten bezeugt (P.Lond. VII 2193,14 [69–58 v. Chr.?]). 722 Eine andere Deutungsmöglichkeit besteht darin, dahinter eher private Festlichkeiten wie Hochzeiten, Geburtstage u. ä. zu sehen (siehe dazu ausführlich R. E. Kritzer und P. Arzt-Grabner in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 321–327; weitere Belege für derartige Mähler sind P.Oxy. LXXV 5056 und 5057 [beide 2.–3. Jh. n. Chr.]). 723 Siehe Downs, Offering 85–94; vgl. auch ders., God 151–153. 724 Siehe Downs, Offering 94–101.
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Kollekte: 2Kor 8,1–9,15
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innerhalb von Vereinen.725 4) Vereinzelt lassen sich auch überregionale Verbindungen zwischen Vereinen nachweisen, sofern diese miteinander verwandt sind.726 Den ersten Punkt von Downs halte ich nicht für besonders aufschlussreich, denn das Aufstellen von Standbildern, das Anbringen von Ehreninschriften oder die Abhaltung ritueller Zeremonien durch antike Vereine dient der Ehrung von Wohltätern, die selbst nicht Mitglieder des betreffenden Vereins sind, sondern von außen einen Verein in sehr großzügiger Weise unterstützen. Bei Paulus hingegen handelt es sich durchwegs um die Mitglieder seiner Gemeinden selbst, die aufgefordert werden, ihren Beitrag zur Kollekte zu leisten. Außerdem bedarf es nicht der Heranziehung des Wohltäter- und Patronatssystems,727 um Dank und Anerkennung, die sich besonders großzüge Mitglieder der paulinischen Gemeinden für ihre Spenden eventuell erwarteten, zu erklären; dies ist schon allein aus der menschlichen Natur verständlich. Die Punkte 2) bis 4) von Downs sollen aber auch bei der folgenden Darstellung, die entsprechend dem Charakter dieses Kommentars das papyrologische Material auswertet, eine Rolle spielen.728 Zu vier Aspekten tragen die aus der römischen Provinz Ägypten stammenden dokumentarischen Papyri und Ostraka Wesentliches bei: Sie belegen reichhaltig die große Erfahrung antiker Vereine im Umgang mit dem Einsammeln, Verwalten und Ausgeben größerer und kleinerer Geldbeträge. Lassen sich dabei auch spezielle Sammlungen oder Geldausgaben für die Versorgung der wenig begüterten Vereinsmitglieder ausmachen? Zu fragen ist ferner, ob papyrologische Beispiele vorliegen, die für einen überregionalen Zusammenhalt vereinzelter Vereine sprechen. Schließlich werden die Eigenheiten und Fähigkeiten papyrologisch beleuchtet, die Paulus der Titusgruppe zuschreibt, um deren Vertrauenswürdigkeit bei der Durchführung der Kollekte zu unterstreichen und der Gemeinde gegenüber damit zu versichern, dass alles ordnungsgemäß und zuverlässig verlaufen wird. Der folgenden Vergleichsstudie zwischen der paulinischen Kollekte mit den Geldsammlungen antiker Vereine sei noch eine kleine, aber nicht ganz unwesentliche Beobachtung vorangestellt: Das innerhalb von 2Kor 8–9 zweimal im direkten Zusammenhang mit der Kollekte verwendete Substantiv κοινωνία (in 8,4 und 9,13) lässt an τὸ κοινόν denken, eine übliche (Selbst-)Bezeichnung eines antiken Vereins (z. B. P.Mich. V 244,8.17 [26. August 43 n. Chr.]; 245,25.28 [18. August 47 n. Chr.]).
725
Siehe Downs, Offering 102–112. Siehe Downs, Offering 102–118. 727 Auch Witherington, Conflict 414–419, zieht das Patronatssystem als Hintergrund für 2Kor 8–9 heran (allerdings ohne Bezug auf das Vereinswesen). 728 Wesentliche Anregungen und Hinweise zur folgenden Vergleichsstudie verdanke ich John S. Kloppenborg (Toronto/Kanada). Er hat sie mit mir schon einige Zeit vor der Publikation von Downs, Offering, geteilt. 726
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Bei antiken Vereinen ist schon ganz grundsätzlich festzustellen, dass sie große Erfahrung mit dem Leisten und Einsammeln von Geldbeträgen,729 sei es von Mitgliedsbeiträgen, sei es von Buß- oder Strafgeldern hatten.730 Die entsprechende Aufzählung der verschiedenen Beträge gehört zum festen und mitunter ausführlichsten Bestand der erhaltenen Vereinssatzungen.731 Aus Tebtynis sind bereits aus ptolemäischer Zeit einige demotische und griechische Vereinsstatuen erhalten geblieben,732 die in vielem mit weiteren Dokumenten aus dem 1. Jh. n. Chr. übereinstimmen.733 Ein besonders ausführliches Beispiel liegt mit P.Mich. V 243 vor; das Dokument wurde während der Regierungszeit des Tiberius (14–37 n. Chr.) niedergeschrieben. In Z. 2–3 wird zunächst die Regelung der Mitgliedsbeiträge festgehalten: ἑκάστου ̣ ου κατ᾽ ὄνομα κεκριμένας ἀργυρίου δραχμὰς εἰς̣ ἐπιμήν̣ [ι]ο̣ ν̣ τελοῦντος τὰς ἐξ̣ ἴσ δέκα δύο, κατὰ δὲ τοῦ ἀδωσιδικοῦντος ἐπὶ | τ̣ο̣ ύτων καὶ τῶν ἄλ̣ [λω]ν ἐξέστωι τῶι προ̣ σ̣ τάτηι ἐνεχυράζειν („jeder zahlt als Monatsbeitrag die pro Person in gleicher Weise beschlossenen zwölf Silberdrachmen, und es ist dem Vorsteher erlaubt zu pfänden, wer sich der Verpflichtung gegenüber dieser oder den anderen [Bestimmungen] entzieht“). Als Mitgliedsbeitrag wurde in diesem Fall von allen Mitgliedern monatlich dieselbe Summe, nämlich zwölf Drachmen, verlangt. Carola Zimmermann hat, ausgehend von diesem Beispiel, folgende Rechnung angestellt: „Legt man als Beispiel einen Monatsbeitrag von pro Kopf z. B. zwölf Silberdrachmen Mitte des 1. Jhs. bei der angenommenen durchschnittlichen Mitgliederzahl der kleinen, lokalen Handwerkervereine von zehn Mitgliedern zugrunde […], kommt man auf ein jährliches Beitragsaufkommen von ca. 1440 Silberdrachmen. Dieser Betrag war wohl für die Deckung der laufenden Kosten ausreichend: Möglicherweise über Monatsbeiträge finanziert werden kleinere Ausgaben im Bereich von einer bis zehn Drachmen, z. B. für die Registrierung von Vereinssatzungen in den öffentlichen Archiven734, Schreibgebühren o. ä.; […] Alle darüber hinausgehenden Ausgaben wurden wohl auf die Mitglieder umgelegt.“735 Anschließend an die Regelung der Mitgliedsbeiträge folgt in P.Mich. V 243,3–12 mit BL IX 160 die Auflistung der Sonderzahlungen und Strafgelder (dieser Textabschnitt wurde bereits oben S. 377–379 wiedergegeben). Demnach waren außerordentliche Beiträge bei Heirat oder Geburt eines Kindes, beim Kauf eines Grundstücks, einer Herde von Schafen oder von Vieh sowie beim Ableben eines anderen 729
Einen kurzen Überblick und einen Exkurs zur Sprache der Vereinssatzungen bietet Verbrugge, Paul’s Style 153–157.218–221. 730 Inschriftlich bezeugt sind ferner Einnahmen aus Grabmultae und Sondervermögen aus zweckgebundenen Stiftungen (siehe dazu Zimmermann, Handwerkervereine 117–119). 731 Genau genommen sind einzelne Protokolle der jährlichen Vereinsversammlung erhalten geblieben, worin die Wahl des Vereinsvorstehers für das folgende Jahr festgehalten wurde und woran die Vereinstatuten angeschlossen werden konnten. Dabei wurden auch bestimmte Regelungen oder die von den Mitgliedern zu leistenden Beiträge den aktuellen Bedürfnissen angepasst. 732 Siehe dazu Monson, Associations; ders., Ethics. 733 Zimmermann, Handwerkervereine 114–119 u. ö., stellt dementsprechend die ptolemäischen Vereinssatzungen gemeinsam mit jenen aus dem 1. Jh. n. Chr. dar. 734 Zur Geschichte und Funktion der Gauarchive siehe Wolff, Recht II 48–56. 735 Zimmermann, Handwerkervereine 115.
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Mitglieds oder eines Verwandten zu leisten; Buß- oder Strafgelder wurden bei Fernbleiben von der monatlichen Vereinsversammlung eingehoben, bei Missachtung der Sitzordnung, bei Fehlverhalten (unter Alkoholeinfluss?), ferner bei Verklagung oder Verleumdung eines anderen Mitglieds, bei Intrige oder Ehebruch gegenüber einem Mitglied, bei Verweigerung, einem notleidenden Mitglied zu helfen,736 und schließlich beim Fernbleiben von einem Begräbnis. Einzelne Regelungen sind auch in anderen Vereinssatzungen nachweisbar (siehe oben S. 379). Verschiedene Dokumente belegen, dass die vom Verein mehrheitlich beschlossenen Regelungen737 mehr oder weniger konsequent umgesetzt wurden.738 Zu den Einnahmen eines Vereins gehörten außerdem etwaige Erbschaften und Schenkungen.739
Für die Finanzen des Vereins war – zumindest in einigen Fällen – ein eigener Schatzmeister (χρηματοφύλαξ) zuständig. In P.Ryl. IV 586,9–10 (17. Oktober – 15. November 99 v. Chr.) ist ein solcher belegt (τοῦ κοι[̣ νοῦ χρηματο]|φύλακι). Von daher sind wohl auch die in P.Erasm. I 10,2 (Mitte 2. Jh. v. Chr.) erwähnten χρηματοφύλακες τ̣[οῦ] κ̣ ροκοδίλου (wörtlich „Schatzmeister des Krokodils“)740 als Kassiere eines Kultvereins des Krokodilsgottes in der Nekropole von Tebtynis zu deuten.741 Dass Vereine generell eigene Vereinskassiere hatten, ist allerdings unwahrscheinlich, denn diese Funktion konnte in anderen Fällen vom Vereinsvorsteher wahrgenommen werden, wie z. B. P.Mich. V 244,6–7 (26. August 43 n. Chr.) zeigt: τοῦ αὐτοῦ Κρονίωνος εἰσάγοντος τὰ δημόσια τῶν αὐτῶν ἀπολυσίμων λαογραφίας τε καὶ δαπανῶν | πασῶν (l. καὶ δαπάνας πάσας) τοῦ αὐτοῦ πλήθους (hier obliegt es also dem zum Vereinsvorsteher gewählten Kronion, „die öffentlichen Abgaben der Laographie [also der Kopfsteuer] derselben Apolysimoi und alle Aufwendungen desselben Vereins einzusammeln“). Wie dieses Beispiel und ähnliche Regelungen in anderen Vereinssatzungen742 zeigen, war auch die Bündelung des Steueraufkommens der Vereinsmitglieder eine Zielsetzung von Vereinen. Dies war auch für den Staat von Vorteil, „denn so entstand ein zentraler Ansprechspartner in Steuerangelegen-
736 Nach A. E. R. Boak in P.Mich. V. S. 93 bezieht sich der Passus möglicherweise auf „cases of actual want, but is much more likely to apply to members who have got into difficulties with the public authorities and are under arrest or in danger of prosecution“. 737 Zur geforderten Stimmenmehrheit siehe Schnöckel, Vereine 23–28.98. 738 Auch die versprochenen Leistungen wurden eingemahnt: P.Ryl. II 94 (15–36 n. Chr.) ist ein praktisches Beispiel für Gestellungsbürgschaft durch Vereinskollegen (siehe dazu Schnöckel, Vereine 77–78), durch SB XXIV 16296 (6. April – 5. Mai 182 oder 31. März – 29. April 158 v. Chr.) ist die Vergabe eines Darlehens an ein Vereinsmitglied bezeugt (siehe dazu ausführlich Martinez/ Williams, Records). 739 Vgl. San Nicolò, Vereinswesen II 166. 740 Der Ausdruck χρηματοφύλαξ ist bisher nur in diesen beiden Papyri belegt. 741 So Martinez, Order 264; Mees, Organisationsformen 402. 742 Für das 1. Jh. n. Chr. sind ferner P.Mich. V 245,5–9 (18. August 47 n. Chr.) und Stud.Pal. IV S. 70, Kol. VIII–VIII (ca. 73 n. Chr.) zu nennen; in beiden geht es um das Eintreiben der Gewerbesteuer.
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heiten […]. Umgekehrt dürfte das staatliche Interesse am aktuellen Steueraufkommen die weitgehenden Vollmachten der Vereinsvorsitzenden erklären.“743 Die erfolgten Einzahlungen oder anderweitigen Abgaben wurden in Listen mit den Namen der Vereinsmitglieder festgehalten. Ein hervorragendes Beispiel dafür stellt die Liste P.Mich. V 246 mit BL XII 120 aus der Mitte des 1. Jh. n. Chr. dar.744 Der Vereinsvorsteher und die Mitglieder eines Vereins zu Ehren des Harpokrates in Tebtynis werden darin – entsprechend der Tisch- und Sitzordnung bei den Vereinsmählern – in drei Gruppen zu je fünf Personen aufgelistet und nummeriert.745 Laut Auflistung hat der Vereinsvorsteher, der am mittleren Tisch746 den ersten Platz inne hat, Lebensmittel beigesteuert, während die anderen Mitglieder unterschiedlich hohe Geldbeiträge geleistet haben (sie reichen von 10 bis 24 Drachmen, differieren also um mehr als das Doppelte).747 Die Namen mehrerer Mitglieder sind nachträglich getilgt worden (beachte Z. 7.8.9.14). Der gesamte Text lautet:748 Πασιψῆμις Ὀρσεῦτος ἡγο(ύμενος) συνώδο(υ) Ἁρποχράτου ὡς (ἐτῶν) με οὐλ(ὴ) ῥινὶ μέσῃ ἑκάστ(ῳ) ἀρό(ματα) δύο, λάγανα δύο, ὄλβιο(ν) ἓν χωρ(ὶς) φαγίο(υ) β Ὀρσεῦς Ἡρακλήου Βησις ὡς (ἐτῶν) λθ οὐλὴ μετόπο ἐξ ἀρ(ιστερῶν) ἀργ(υρίου) (δραχμαὶ) δέκα γ Εὔτυχο(ς) Σωτηρίχο(υ) ὡς (ἐτῶν) με οὐλ(ὴ) ἀντικ(νημίῳ) δεξιῷ ἀργ(υρίου) (δραχμαὶ) εἴκοσι δ̣ ύο 5 δ Πετεσοῦχο(ς) Ἡρακλή(ου) Βήσιο(ς) ὡς (ἐτῶν) λγ οὐλ(ὴ) ἀντικ(νημίῳ) ἀρ(ιστερῷ) ἀργ(υρίου) (δραχμαὶ) δέκα ἐννέα ε ἔσχα(τος) μέση(ς) ⟦- - - ⟧ συναγ̣(ωγὸς) ⟦- - - ⟧ ἀργ(υρίου) (δραχμαὶ) εἴκοσι τέσσαρες β ⟦N- - - ⟧ ἀργ(υρίου) (δραχμαὶ) εἴκοσι δύο 743 Mees, Organisationsformen 216. Die für das Steueraufkommen von Vereinen relevanten Dokumente hat Mees in Tabelle 44 S. 216–217 zusammengestellt. Sie stammen aus dem Zeitraum 2. Jh. v. Chr. bis 8. Jh. n. Chr. 744 Siehe dazu auch Reiter, Symposia 138–140, und bes. Kloppenborg, Membership Practices 210. 745 Nummeriert werden jeweils nur die Plätze 2–5 (mit den griechischen Ziffern β, γ, δ, ε), die Bezeichnung des ersten Platzes mit α unterbleibt. 746 Beachte Z. 7, wo der „letzte Platz am mittleren Tisch (zu ergänzen wäre κλισίας)“ aufgelistet wird. Der mittlere Tisch galt als der vornehmste und wird deshalb zuerst genannt. Der Vereinspräsident hat also den Vorsitz über das ganze Symposion inne (siehe Reiter, Symposia 137.139). 747 Unklar ist, ob die höheren Beträge von einzelnen Mitgliedern zusätzlich verlangt wurden oder aufgrund von Überfälligkeit im Nachhinein erbracht werden mussten (siehe A. E. R. Boak in P.Mich. V S. 116). Eine andere Deutung als Boak erwägt Reiter, Symposia 139–140, der vermutet, dass „diese Beträge gezahlt wurden für die Bekleidung des betreffenden Amtes an einem bestimmten Tag und damit verbunden für einen bestimmten Sitzplatz auf dem Bankett.“ Dies würde zwar gut zu dem in Z. 8 erwähnten Synagogos passen, der die höchste Summe von allen bezahlt, und zum Bankettmeister von Z. 14 mit einem Beitrag von 22 Drachmen, weniger gut aber zum Bankettmeister von Z. 19 mit nur zwölf Drachmen (alle gewöhnlichen Mitglieder mit Ausnahme von Orseus in Z. 3 zahlen mehr). Allerdings verweist Reiter, Symposia 139–140, auf noch unpublizierte Ostraka aus Tebtynis, die als Quittungen für den Kauf von Ämtern und der zugehörigen Plätze beim Symposion zu deuten sind. 748 Mit Korrekturen von Reiter, Symposia 139, zu Z. 7 und 8.
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10 γ Πτολεμαῖο(ς) πρ(εσβύτερος) Ἀκουσιλ(άου) ὡς (ἐτῶν) με οὐλ(ὴ) πήχι δεξι(ῷ) ἀργ(υρίου) (δραχμαὶ) εἴκοσι δ Ἡρώδης Μαρίωνος ὡς (ἐτῶν) με οὐλ(ὴ) μετόπῳ μέσ(ῳ) ἀργ(υρίου) (δραχμαὶ) δέκα ὀκτώ ε ἔσχατος κλισίας Ἥρωνο(ς) Παπνεβτῦν(ις) Παανούφιο(ς) ὡς (ἐτῶν) ξ οὐλ(ὴ) ῥινὶ μέσῃ ἀργ(υρίου) (δραχμαὶ) δέκα ἕξ κλεισιάρχ(ης) ⟦K- - - ⟧ [ἀρ]γ(υρίου) (δραχμαὶ) εἴκοσι δύο 15 β Νάρκισσος ἀπελεύθερο(ς) ὑειῶν Μάρω(νος) καὶ Μάρω̣ (νος) το(ῦ) Ἡρακλ(είδου) ὡς (ἐτῶν) λϛ φακὸ(ς) ῥιν(ὶ) ἐκ δεξι(ῶν) ἀργ(υρίου) (δραχμαὶ) εἴκοσι μιας γ Ἡρώδης Εὐτύχου ὡς (ἐτῶν) μϛ οὐλ(ὴ) ῥινὶ ὑπὸ μεσόφρυν (δραχμαὶ) δέκα ἑπτά δ Σεραπᾶς Πτολεμαίου ὡς (ἐτῶν) λϛ οὐλ(ὴ) τραχή(λῳ) ἐξ ἀρ(ιστερῶν) ἀργ(υρίου) (δραχμαὶ) δέκα τέσσαρες τριόβολον ε ἔσχατος κλεισιάρχ(ης) Παστωοῦς Παστωοῦτο(ς) ὡς (ἐτῶν) λη οὐλ(ὴ) ἀντικ(νημίῳ) ἀρ(ιστερῷ) ἀργ(υρίου) (δραχμαὶ) δέκα δύο 20 (2. Hand) Ναρκισς ἀπελεύθερος ἐψήφισμαι. (3. Hand) Σαραπίων Πτολεμαίου ἐψήφισμαι. (4. Hand) Ἡρώδης Εὐτύχου ἐψήφισμαι. (5. Hand) Πτολεμαῖς πρεσβ(ύτερος) Ἀκκουσιλάου ἐψήφισμα̣ ι.̣ (6. Hand) [Πτολ]εμαῖς νεώτε̣ρος Ἀκουσιλάου ἐ̣ψ̣ [ή]φ̣ [ισμαι]. 1. l. συνόδο(υ) 2. l. ἀρώ(ματα); φαγείο(υ) 3. l. Βήσιος; μετώπῳ 10. l. πρε(σβύτερος); πήχει 11. l. μετώπῳ 14. l. κλισιάρχ(η)ς 15. l. υἱῶν; μία 16. l. μεσόφρυον 17. l. τριώβολον 19. l. κλισιάρχη(ς) 20. l. Νάρκισσ 21. l. Ἀκουσιλάου
„Pasipsemis, Sohn des Orseus, Vorsteher des Vereins des Harpokrates, ungefähr 45 Jahre alt, mit einem Mal mitten auf der Nase, (leistet als Beitrag) jedem (Vereinsmitglied) zwei (Gefäße mit?) Weihrauch, zwei Opferkuchen, ein Opfermahl ohne (Sättigungs-)Mahl. 2. Orseus, Sohn des Herakles alias(?) Besis, ungefähr 39 Jahre alt, mit einem Mal auf der Stirn zur Linken, (leistet als Beitrag) zehn Silberdrachmen. 3. Eutychos, Sohn des Soterichos, ungefähr 45 Jahre alt, mit einem Mal am rechten Schienbein, (leistet als Beitrag) zweiundzwanzig Silberdrachmen. 4. Petesuchos, Sohn des Herakles alias(?) Besis, ungefähr 33 Jahre alt, mit einem Mal am linken Schienbein, (leistet als Beitrag) neunzehn Silberdrachmen. 5. Letzter (Platz) des mittleren (Tisches) ⟦…⟧. Synagogos749 ⟦…⟧ (leistet als Beitrag) vierundzwanzig Silberdrachmen. 2. ⟦N…⟧zweiundzwanzig Silberdrachmen. 3. Ptolemaios der Ältere,750 Sohn des Akusilaos, ungefähr 45 Jahre alt, mit einem Mal am rechten Unterarm, (leistet als Beitrag) zwanzig Silberdrachmen. 749 Ein solcher kommt in mehreren Vereinstexten vor (z. B. BGU IV 1137,3 mit BL VII 19 und X 19–20 [19. November 6 v. Chr.]; SB XXII 15460,6 [21. August 5 v. Chr.]) und war wohl der Versammlungsleiter, der eine Zusammenkunft einberief (vgl. Reiter, Symposia 137). 750 Hier handelt es sich – wie durchwegs in den Papyri – um den älteren Bruder gleichen
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4. Herodes, Sohn des Marion, ungefähr 45 Jahre alt, mit einem Mal mitten auf der Stirn, (leistet als Beitrag) achtzehn Silberdrachmen. 5. Letzter (Platz) am Tisch des Heron Papnebtynis, Sohn des Paanuphis, ungefähr 60 Jahre alt, mit einem Mal mitten auf der Nase, (leistet als Beitrag) sechzehn Silberdrachmen. Bankettmeister751 ⟦K…⟧ zwanzig Silberdrachmen. 2. Narkissos, Freigelassener der Söhne des Maron und des Maron, Sohn des Herakleides, ungefähr 36 Jahre alt, mit einem Muttermal auf der Nase auf der rechten Seite, (leistet als Beitrag) einundzwanzig Silberdrachmen. 3. Herodes, Sohn des Eutychos, ungefähr 46 Jahre alt, mit einem Mal auf der Nase unter den Augenbrauen, (leistet als Beitrag) siebzehn Drachmen. 4. Serapas, Sohn des Ptolemaios, ungefähr 36 Jahre alt, mit einem Mal am Hals auf der linken Seite, (leistet als Beitrag) vierzehn Silberdrachmen 3 Obolen. 5. Letzter, Bankettmeister, Pastous, Sohn des Pastous, ungefähr 38 Jahre alt, mit einem Mal am linken Schienbein, (leistet als Beitrag) zwölf Silberdrachmen. (2. Hand) Narkissos, Freigelassener, ich habe abgestimmt. (3. Hand) Sarapion, Sohn des Ptolemaios, ich habe abgestimmt. (4. Hand) Herodes, Sohn des Eutychos, ich habe abgestimmt. (5. Hand) Ptolemaios der Ältere, Sohn des Akusilaos, ich habe abgestimmt. (6. Hand) Ptolemaios der Jüngere, Sohn des Akusilaos, ich habe abgestimmt.“
Weitere Beispiele für derartige Listen stammen sowohl aus ptolemäischer als auch aus nachpaulinischer Zeit: SB III 6319 mit BL X 186 (2.–1. Jh. v. Chr.) enthält die Abrechnungen eines (kultischen?) Vereins; u. a. werden die Beiträge zu einem Fest aufgelistet. Eine Liste von Beiträgen für die üblichen Feste eines jüdischen Vereins liegt mit O.Edfou III 368 (1. Jh. v. Chr.) vor.752 P.Lund IV 11 mit BL III 105 (2.–3. Jh. n. Chr.) ist eine Abrechnungsliste über die Beiträge eines Kultvereins der Dioskuren. In Kol. I werden die einzelnen Posten mit den dafür angefallenen Beträgen verzeichnet, in Kol. II werden die Beiträger mit den von ihnen bezahlten Geldsummen aufgelistet. Vielleicht ist hier auch auf P.Petr. III 136 mit BL III 105 (nach 7. November 231 oder nach 3. November 206 v. Chr.), SB XX 14716 (Mitte 2. Jh. v. Chr.) und P.Stras. VI 589 mit BL VIII 425 (2. Hälfte 2. Jh. n. Chr.) zu verweisen.
Mit ähnlichen Listen könnte auch die paulinische Kollekte zuverlässig abgewickelt worden sein. Dadurch wäre es jedenfalls möglich gewesen, die Beiträger, die bereits eingezahlt hatten, evident zu halten, und an die übrigen noch gezielt appellieren zu können. Namens. In Z. 21 und 22 werden beide Brüder (Ptolemaios der Ältere und Ptolemaios der Jüngere) angeführt. 751 Die Bezeichnung κλισιάρχης steht hier für κλινάρχης (vgl. LSJ Supplement s. v. κλισιάρχης); ebenso Z. 19. Dieser war für die Vorbereitung und den Ablauf des Banketts zuständig und hatte die Aufsicht über die Klinen (siehe dazu z. B. Reiter, Symposia 136). 752 Darauf verweist auch Downs, Offering 96 (dort über den Nachdruck C.Pap.Jud. I 139 zitiert). Beachte auch P.Ryl. IV 590 (51–30 v. Chr.?; bei Downs, Offering 96 Anm. 89, über den Nachdruck C.Pap.Jud. I 138 angegeben).
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Dass es innerhalb von Vereinen auch zu illegalen Geldsammlungen kommen konnte, was bei Bekanntwerden sogar von oberster Stelle schwer geahndet wurde, zeigt das zeitgenössische Papyrusdokument P.Oxy. LXXVI 5097, ein Edikt des praefectus Aegypti L. Iulius Vestinus vom 27. Februar 62 n. Chr., durch das Maßnahmen gegen Sarapion, den Vorsitzenden der Gilde der Weber von Oxyrhynchos, und gegen seine Mittäter festgelegt werden, weil sie illegal Gebühren erhoben hätten. Für die durchgeführten Geldsammlungen begegnet hier in Z. 8–9 übrigens der Ausdruck λογείας πε̣π̣ οι|ῆσθαι (Paulus verwendet in 1Kor 16,2 ebenfalls den Plural: λογεῖαι!). Der zweite Aspekt des Vergleichs der paulinischen Kollekte mit dokumentarischen Papyri aus dem römischen Vereinswesen betrifft die Sorge des Vereins um seine weniger begüterten Mitglieder. Diesbezüglich ist auf jenen Passus in der Vereinssatzung P.Mich. V 243 (14–37 n. Chr.) hinzuweisen, der festhält, dass jener, der einen anderen in einer Notlage übersieht und nicht Beistand leistet, ihn gemeinsam aus der Notlage zu befreien, ein Strafgeld von acht Drachmen zu zahlen hat: ἐάν τις παρίδῃ τινὰ ἐν ἀηδίᾳ καὶ μὴ συνεπισχύσῃ ἐπὶ τὼι (l. τὸ) συλλῦσαι αὐτὸν τῆς ἀηδίας, δ[ό]τ̣ω̣ ι ̣ (δραχμὰς) η̣ .753 Welche Art von Notlage dabei gemeint ist, wird nicht gesagt. Der Passus scheint aber eher auf eine akute Notlage anzuspielen, nicht auf eine für längere Zeit bestehende Drangsal wie beständiger Hunger oder Armut. Vor allem aber ist dieser Passus nur in dieser einen von den griechischen Vereinssatzungen enthalten. D. J. Downs verweist auf zwei demotische Papyri eines religiösen Vereins in Ägypten (P.Cair. 31179 und 30606 [beide 2. Jh. v. Chr.]), die eine ähnliche Klausel enthalten, nämlich dass, sollte ein Vereinsmitglied in der Werft oder auf der Fähre auf einen armen Kollegen treffen und ihm keinen Beistand leisten, ein Strafgeld von 25 deben zahlen soll, es sei denn er kann unter Eid aussagen, dass es ihm nicht möglich war, etwas zu geben.754 Mangels weiterer Belege kann hier jedenfalls nicht von einer grundsätzlichen und verbreiteten Vereinsregel gesprochen werden. Wenigstens implizit kann vermutet werden, dass bei Vereinsmählern die reicheren Mitglieder für die Nahrungsmittel und Getränke sorgten, die dann auch für die Ärmeren zum Genuss bereit standen. In Tebtynis konnten in Deipneterien, die den Vereinen als Versammlungsorte dienten,755 etwa hundert noch unpublizierte Ostraka ausgegraben werden, die als Bierscheine zu identifzieren sind.756 Die auf den Scheinen verzeichneten Mengen (288– 468 Liter Bier) und der Fundort sprechen „eher für einen gemeinschaftlichen als
753
Zu dieser Vereinssatzung siehe ausführlich S. 377–379. Siehe Downs, Offering 108–109. 755 Drei Deipneterien konnten auch im Asklepios-Tempel von Korinth arschäologisch nachgewiesen werden, wobei allerdings unklar ist, ob diese während der Zeit des Paulus in Korinth in Betrieb waren (siehe dazu Murphy-O’Connor, Corinth 162–166). 756 Siehe Reiter, Symposia 133–136. 754
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einen privaten Konsum des Biers“757. Fabian Reiter, der Bearbeiter der Ostraka, meint ferner: „Auf den neuen Bierscheinen aus den Deipneterien von Tebtynis tauchen viele verschiedene Personen, manchmal auch zwei auf einer Quittung auf, doch von keiner Person liegen mehrere Scheine vor. Dies scheint mir dafür zu sprechen, dass wir es nicht stets mit Präsidenten der Vereine zu tun haben, die gewöhnlich für ein ganzes Jahr amtierten, sondern mit einfachen Mitgliedern, die reihum Bierspenden für den Verein leisteten.“758
Die genannten Beispiele lassen allerdings offen, ob die ärmeren Vereinsmitglieder von derartigen Spenden ausgenommen waren oder entsprechend ihrer Möglichkeiten dazu herangezogen wurden. Es könnten ja z. B. jene Bierscheine von ihnen stammen, die mehrere Namen als Spender verzeichnen. Die von D. J. Downs angeführten literarischen und inschriftlichen Zeugnisse zeigen, dass die Sorge für die Armen als feststehendes Anliegen in jüdischen (und später auch christlichen) Gruppierungen eher anzutreffen war als im paganen Bereich.759 Grundsätzlich ist also festzustellen, dass die Sorge um die Armen in Vereinstexten zu wenig präsent ist, als dass man dabei von einem speziellen Anliegen antiker Vereine sprechen könnte.760 Für die paulinische Gemeinde von Korinth bedeutet dies, dass wir nicht davon ausgehen können, dass ein derartiges Anliegen den Gemeindemitgliedern bereits aus örtlichen Vereinen geläufig war. Papyrologische Belege für einen überregionalen Zusammenhalt vereinzelter Vereine sind beschränkt auf einige regionale Gilden, die sich zur „weltweiten Synode der dionysischen, in heiligen Spielen siegreichen, bekränzten Künstler“ zusammenschlossen. Zentrum dieser übergeordneten Vereinigung war Rom. Erhalten sind drei Papyrusdokumente aus Oxyrhynchos, u. a. die Abschrift eines Briefes des Kaisers Claudius an diese Synode (die Abschrift kann auf die Zeit zwischen dem 27. Dezember 273 und dem 25. Januar 274 n. Chr. datiert werden; die Adressaten des Briefes werden angegeben als – SB XVI 13034,1: ἀπὸ τῆς οἰκουμένης περὶ τὸν Διόνυσον ἱερονείκαις, στεφανείταις).761 Einige weitere Beispiele sind nur epigraphisch bezeugt.762 757
Reiter, Symposia 134. Reiter, Symposia 135–136 (mit Verweis auf das publizierte Beispiel O.Theb. 142 mit BL II.1 42 und XI 302 [2. Jh. n. Chr.]). 759 Siehe Downs, Offering 103–112. 760 Vgl. auch Verbrugge, Paul’s Style 151–152: „In fact, those who have studied the constitutions of guilds as evidenced in inscriptions and papyri have […] recognized that the care of the poor is not one of their established purposes.“ 761 Siehe ferner P.Oxy. XXIV 2476 mit BL V 82, VIII 258–259 und IX 195 (26. Juli 288 n. Chr.) sowie XXXI 2610 mit BL VIII 260 und IX 196 (spätes 3. Jh. n. Chr.). – Siehe dazu und mit inschriftlichen Belegen Ascough, Paul’s Macedonian Associations 99; Downs, Offering 113; Lewis, Life 148–149; St. R. Llewelyn in New Docs. IX S. 67–68. 762 Ascough, Paul’s Macedonian Associations 91–108, und Downs, Offering 112–118, verweisen u. a. auf Vereine von Ausländern oder Handelsleuten, die mit der Stadt oder dem Land ihrer Herkunft Kontakte pflegten, religiöse Vereine, Vereine von Großhändlern und Schiffseignern sowie Gemeinden der Essener und jüdische Synagogen in der Diaspora, die regionale Samm758
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D. J. Downs stellt dazu zusammenfassend fest: „The practice of conveying material support from an association in one city to a related group in another region, therefore, appears to have been an uncommon but not unknown activity among pagan voluntary associations in antiquity.“763 Ein Vergleich mit den paulinischen Gemeinden ist hier nur sehr bedingt möglich. Denn die bezeugten ethnisch, religiös oder ökonomisch einheitlichen Netze764 konnten auf einer von Anfang an existierenden Einheit oder Gemeinsamkeit aufbauen (dieselbe Herkunft, dieselbe Schutzgottheit, dasselbe Gewerbe), während die Gemeinden des frühen Christentums keineswegs ein einheitliches Bild boten. Gerade die paulinischen Gemeinden unterschieden sich offensichtlich deutlich von der christlichen Gemeinde in Jerusalem. Paulus musste deshalb bei seinen Gemeinden erst noch darum werben, sich trotz der ethnischen und kultischen Unterschiede als einheitliche und gemeinsame Größe mit Jerusalem zu sehen. Die Apelle des Paulus an die Gemeinde von Korinth, sich an der Sammlung zu beteiligen und dies großzügig zu tun, sowie die durch den Text deutlich durchscheinende Sorge, dass es beim Abschluss der Kollekte gerade mit Korinth Schwierigkeiten geben könnte, lassen vermuten: Es mag den Gemeindemitgliedern (oder wenigstens einzelnen von ihnen) nicht unbekannt gewesen sein, dass es da und dort Gemeinschaften mit überregionalen Kontakten gab, als etwas Gewohntes erschien ihnen dies offensichtlich nicht – und als etwas Selbstverständliches gegenüber der Gemeinde in Jerusalem schon gar nicht. Gerade aufgrund dieser Sorge und Unsicherheit wird es für Paulus so wichtig gewesen sein, nicht nur Titus allein mit dem Auftrag zum Abschluss der Kollekte nach Korinth zu schicken, sondern mit ihm zusammen noch zwei weitere Glaubensbrüder. Dass sie dabei als Stellvertreter des Briefsenders Paulus fungierten, wurde bereits oben im Kapitel über die Überbringer des 2Kor
lungen für die Tempelsteuer durchführten, die sie dann nach Jerusalem bringen ließen. Zur Thematik siehe ferner Ascough, Relationships. 763 Downs, Offering 116. 764 Ein vielzitiertes inschriftliches Beispiel sei hier kurz erwähnt: Bei CIG 5853 (174 n. Chr.) handelt es sich um eine Inschrift der Vereinigung der tyrischen Kaufleute aus Puteoli. Öhler, Ethnos 229–230, kommentiert dieses Dokument folgendermaßen: „Diese [Vereinigung] hatte sich an die Heimat gewandt, da ihre finanzielle Lage bedenklich war. […] Die Archonten, die Boule und der Demos von Tyros wurden […] gebeten, der Vereinigung in Puteoli finanzielle Unterstützung zukommen zu lassen. Die Antwort der Stadt verwies auf die Vereinigung der tyrischen Landsleute in Rom: Diese wäre zuständig für die finanzielle Ausstattung der Vereinigung in Puteoli, wie sie es auch schon in der Vergangenheit getan hätten (sic!). Wir erkennen aus diesem Dokument ein Netzwerk, das zwischen diesen Vereinigungen und ihrer Heimat bestand. Nicht nur die ökonomische Unterstützung ist auffällig, sondern dass für diese Entscheidung die Heimatstadt angerufen wurde. Zwar hatte sie keine geregelte Zuständigkeit für diese Sache, ihr Wort sollte aber so viel Gewicht haben, dass die Sache im Sinne der Tyrer in Puteoli von der römischen Vereinigung gehandhabt wurde.“ Eine englische Übersetzung dieser Inschrift mit kurzem Kommentar bietet Downs, Offering 113–115; siehe auch Ascough, Paul’s Macedonian Associations 95.
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festgestellt und papyrologisch beleuchtet.765 An dieser Stelle sollen noch jene Eigenheiten und Fähigkeiten papyrologisch beleuchtet werden, die Paulus der Titusgruppe zuschreibt (beachte 8,6.16–19.22–23), um deren Vertrauenswürdigkeit bei der Durchführung der Kollekte zu unterstreichen und der Gemeinde gegenüber damit zu versichern, dass alles ordnungsgemäß und zuverlässig verlaufen wird. Über Titus schreibt Paulus in 8,6 zunächst, dass er das Gnadenwerk (χάρις) der Kollekte „früher begonnen hat“ (προενήρξατο). Für das Mehrfachkompositum προενάρχομαι („vorher beginnen“), das ntl. nur in 2Kor 8,6.10 begegnet, gibt es bislang keine papyrologischen Belege. Das Kompositum ἐνάρχομαι („anfangen, beginnen“) ist ntl. ebenfalls nur bei Paulus bezeugt (Gal 3,3 und Phil 1,6) und taucht in den dokumentarischen Papyri eher selten auf, kann dort aber für den Beginn einer (bisweilen sehr verantwortungsvollen) Tätigkeit stehen oder auch einer Verhaltensweise, die jemand nunmehr an den Tag legt.766 Dies passt insofern gut zur vorliegenden Stelle, als es hier weniger darum geht, was Titus vorher begonnen hat, sondern wie er es begonnen hat. Titus wird nun auch zugetraut, die Kollekte zu vollenden. Das Verb ἐπιτελέω ist in den Papyri sehr zahlreich belegt und kann für das „Erfüllen“ oder „Vollenden“ jedweder Arbeit oder Verpflichtung verwendet werden. Im Speziellen kann es auch um das Vornehmen einer rechtsverbindlichen Handlung gehen. Zahlreiche Beispiele handeln vom Verrichten einer gottesdienstlichen Handlung oder vom Darbringen eines Opfers.767 Letzterer Hintergrund lässt auch bei der paulinischen Kollekte an einen religiösen Akt denken.768 Auch der Aspekt der Verbindlichkeit passt gut zur paulinischen Verwendung: Von Titus, der die Kollekte verantwortungsvoll gestartet hat, kann man auch erwarten, dass er sie verbindlich und ordnungsgemäß zu einem Ende bringt. In 8,11 werden die Gemeindemitglieder aufgefordert, durch ihr Tun (also durch ihre tatsächlichen Spenden) die Kollekte zu vollenden. Das Verb ἐπιτελέω schafft also eine deutliche Verbindung zwischen 8,6 und 11: Titus ist für die Gemeindemitglieder der direkt für die Kollekte Zuständige. In 8,16 schreibt Paulus, dass Gott einen Eifer für die Gemeinde in das Herz des Titus legt (oder gelegt hat). Die Beauftragung des Titus erfolgt also von höchter Autorität. Der papyrologische Befund weist σπουδή als eine überaus positive Verhaltensweise aus, die sowohl einen Vorgesetzten als auch einen
765 Zum papyrologischen Hintergrund der Gesandtschaft, ihrer Funktion und Vertrauenswürdigkeit siehe oben S. 171–177. 766 Letzteres z. B. in P.Col. IV 88,16 (16. Mai 243 v. Chr.). Einige Belege bei Preisigke, Wörterbuch s. v. ἐνάρχομαι; Kiessling, Wörterbuch s. v. ἐνάρχομαι. Siehe ferner SB XX 14404,13 (Ende 3. Jh. v. Chr.); XIV 11910,5 (ca. 193–192 v. Chr.); P.Heid. IX 435,4 (161–155 v. Chr.). 767 Siehe dazu ausführlicher S. 365. 768 So vor allem Ascough, Completion 590–599, aufgrund von Inschriften, die dem antiken Vereinswesen angehören und in denen ἐπιτελέω vornehmlich für die Erfüllung einer religiösen Pflicht (z. B. Durchführung der Mysterien) verwendet wird.
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Untergebenen oder Bekannten in besonderer Weise auszeichnet und Vorbildcharakter besitzt.769 Gleich anschließend in 8,17 wird Titus von Paulus als σπουδαιότερος770 und als αὐθαίρετος bezeichnet. Das Adjektiv σπουδαῖος wird in den Papyri sehr vielseitig verwendet: Dinge beschreibt es als „vortrefflich“771, Personen als „eifrig“ oder „bemüht“. Ein Beleg aus dem 2. Jh. n. Chr. zeigt in besonderer Weise die Dankbarkeit für den persönlichen Einsatz eines Menschen für einen anderen: So schreibt ein gewisser Antas in P.Hamb. I 88,15–17 (Mitte 2. Jh. n. Chr.): σπουδαῖός ἐστιν ὁ Νῶνις | καὶ οὐ̣ τ̣έποτε (l. οὐδέποτε) ἀνταμείψωμαι (l. ἀνταμείψομαι) αὐτῷ | τὴν χάριν, ἐάνπερ ζῶ̣ („Nonis ist bemüht und das werde ich ihm niemals mit Dank vergelten können, solange ich lebe“). Die Anschrift eines Briefes aus dem 2. Jh. n. Chr. lautet – P.Oxy. III 587, Verso (auf dem Streifen): Ὥρ(ῳ) τῷ σπουδαιωτάτῳ μου φίλῳ („an Horos, meinen eifrigsten Freund“). Ein gewisser Sarapion schreibt an seinen Vater – P.Mich. III 213,7–12 (3. Jh. n. Chr.): ἐὰν δέ `σοι´ ἀνάγκη | γένηται σείτου (l. σίτου) δώσει σοι ὁ παρα|δούς σοι ταῦτά μου τὰ γράμμα|τα, Ἀνδρόμαχος πάνυ τῶν | σπουδαίων ὄντων φίλος· | ἐνετειλάμην γὰρ αὐτῷ („und wenn dir Not an Getreide erwächst, wird dir das der Überbringer dieses meines Briefes geben, Andromachos, ein wahrer Freund von solchen, die eifrig sind; denn ich habe es ihm aufgetragen“). In einigen Fällen werden gleich mehrere Wortarten der Wortfamilie σπουδή nebeneinander verwendet. So bittet ein gewisser Turbon in einem Brief einen Dioskoros, ihm bestimmte Dinge zu schicken, und fügt hinzu – P.Col. X 278,11–14 (Mitte 3. Jh. n. Chr.): καὶ σὺ ἐπέστηκε (l. ἐφέστηκε) ὅπως σπουδάσῃς | [καὶ τα]χύτερόν μοι αὐτὰ διαπέμψῃ ἐὰν μὲν αὐ|[τὰ δι]α̣ πέμ̣ ψηται. εἰ δὲ μή γε, σὺ σπουδαιότερον ποίη|[σον] („und du mach dich, dass du eifrig bist und umso schneller mir sie [gemeint sind die gewünschten Güter] schickst, wenn er772 sie schickt! Wenn aber nicht, handle du umso eifriger!“). Ein noch ausführlicheres Beispiel ist P.Flor. III 338 (ca. 249–268 n. Chr.), wo zunächst ein gewisser Herapion lobend hervorgehoben wird, dann aber der Adressat selbst, an den sich der Absender mit besonderen Anliegen wendet – Z. 5–18 heißt es: ἔχω γὰρ Ἡραπίωνα νῦν ἐξερχό|μενον διὰ τοῦ Μαρεώτου, ἵνα | αὐτὸ πράξῃ ἐν Ἀλεξανδρείᾳ γενά|μενος· ἄλλον γὰρ σπουδαῖον οὐκ ἔ|χωμεν (l. ἔχομεν) μετὰ τοῦτον. ὥστε, ἄδελ|φε, σπούδασον· καὶ νῦν τάχα ἡ σὴ | σπουδὴ καὶ φιλοστοργεία κατανει|κήσῃ τὴν ἐμὴν {ακ . . .[ .]} ἀκαιρείαν | καὶ περὶ ̣ τῶν βοηθῶν τῶν δεκαπρώ|των καὶ Ἀσκληπιάδο̣ υ̣ οὐκέτι | ἐδήλωσάς μοι. κἂν ν[ῦ]ν̣ οὖν, κύ|ριέ μου ἄδελφε, δήλωσόν μοι· | οἶδα γὰρ ὅτι συνειδήσι σπουδάζεις | ἐμοί· ἐμιάνθην γὰρ παρὰ πᾶσι („denn ich habe Herapion, um nun durch den Mareotischen Gau auszureisen, damit er sie773 einbringt, sobald er in Alexandria eingetroffen ist. Denn einen anderen eifrigen haben wir nicht nach diesem. Daher, Bru769 770 771 772 773
Siehe dazu ausführlich S. 382–383. Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. Belege bei Preisigke, Wörterbuch s. v. σπουδαῖος 3). Der Zulieferer bleibt ungenannt. Gemeint ist eine zuvor erwähnte Petition (Z. 3 τὸ βιβλίδιον ἐκεῖνο).
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der, bemühe dich! Und nun wird dein Eifer und deine Liebe schnell über mein Missgeschick siegen. Und über die Helfer der decemprimi und Asklepiades hast du mir nicht mehr geschrieben. Und wenn also jetzt, mein Herr Bruder, dann schreib mir! Ich weiß ja, dass du gewissenhaft um mich bemüht bist. Ich wurde nämlich bei allen besudelt“). Sokrates, der Absender von O.Claud. IV 878 (ca. 150–154 n. Chr.), erinnert hingegen seine Untergebenen Athenodoros und Ammonios, denen es in ihrer Arbeit offensichtlich an Effizienz mangelt, daran, dass ihnen der procurator bereits „energischer geschrieben hat“ – Z. 4: σπουδαιότερον ἔγραψε [ὑμῖν]. Offenbar war es Sokrates nach vorhergehenden, aber fruchtlosen Ermahnungen (beachte O.Claud. IV 875-877 [alle ebenfalls ca. 150–154 n. Chr.]) gelungen, den procurator selbst zum Einschreiten zu bewegen und die beiden schriftlich zu größerem Einsatz aufzufordern. Wie der aktuelle Brief des Sokrates aber zeigt, führte auch dies noch nicht zum Erfolg. Das Beispiel bringt aber jedenfalls zum Ausdruck, wie sich jemand (in diesem Fall der procurator) einer Sache mit persönlichem Eifer annimmt.
Substantiviertes σπουδαῖον ist mehr oder weniger mit σπουδή gleichzusetzen:774 Ein gewisser Phaidros schreibt in seinem Empfehlungschreiben über eine Person, die er dem Adressaten Athenodoros anempfiehlt – BGU XVI 2623,10–12 (27. April 10 v. Chr.): πε̣ί[̣ θομαι] | γὰρ αὐτόν τέ σοι εὐαρεστήσειν ἐμὲ οὐχ ἧττ[ον] | αἰσθησόμενον τὸ ἔκ σου σπουδαῖον („ich bin nämlich überzeugt, dass er dir zu Gefallen sein wird und dass ich um nichts weniger den aus dir kommenden Eifer wahrnehmen werde“).775 Der Briefsender von P.Princ. II 71, Verso mit BL III 150 (3. Jh. n. Chr.) bringt seine Bewunderung über einen Freund mit folgenden Worten zum Ausdruck: τῆς φύσεως τὸ εὐσυνείδητον καὶ τῶν | τρόπων τὸ σπουδαῖον ἐκ πολλοῦ | μὲν ἀκούων νῦν δὲ ἔργ̣ῳ̣ ⟦ .⟧ μα|θών („ich höre von vielen über die gute Erscheinung seiner Natur und den Eifer seines Charakters und nun lerne ich sie durch Werke“). Des Öfteren loben die Absender von Briefen in Form einer captatio benevolentiae den „Eifer“ (τὸ σπουδαῖον) ihres Adressaten. Die dafür häufig verwendete Formel lautet οἶδά σου τὸ σπουδαῖον („ich kenne deinen Eifer“), die z. B. in P.Mich. III 211,7–10 (2.–3. Jh. n. Chr.) belegt ist, ferner in SB XVI 12570,26–27 (2.–3. Jh. n. Chr.); P.Oxy. VI 929, Verso 3–6 (spätes 2. – 3. Jh. n. Chr.); VII 1064,7 (nach 218– 219 n. Chr.); IX 1218,4 (3. Jh. n. Chr.). Eine synonyme Variante stellt die Wendung τὸ δὲ σπουδαῖόν σου ἐπίσταμαι in P.Oxy.Hels. 47 a,15–17 (2. Jh. n. Chr.) dar (ähnlich in P.Ryl. II 243,6–7 (ebenfalls 2. Jh. n. Chr.).
Das Adjektiv αὐθαίρετος776 („selbst gewählt, auf eigene Entscheidung hin“) begegnet in den Papyri erst ab römischer Zeit und mit wenigen Ausnahmen in Form des Adverbs, was mit der prädikativen Verwendung bei Paulus vergleichbar ist; in Kombination mit ἑκουσίως („freiwillig“) dient es insbesondere dazu, eine vertragliche Vereinbarung in Form eines Eids zu bekräftigen; 774 775 776
Zum Begriff σπουδή siehe oben bei 7,11 (S. 382–383). Der gesamte Brief wird S. 273 wiedergegeben. Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet.
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insofern „schwingt in diesem Kontext eine nahezu amtliche Bedeutung mit“777: So schwört etwa in BGU XIII 2245, Kol. I 8–9 (14–37 n. Chr.) ein gewisser Papais beim Kaiser Tiberius, „fürwahr freiwillig und auf eigene Entscheidung hin“ – εἶ μὴν ἑκοσίως (l. ἑκουσίως) εὐθαι|λετας (l. αὐθαιρέτως) – sechseinhalb Aruren Land zu bebauen.778
Die Wendung ἑκουσίῳ καὶ αὐθαιρέτῳ γνώμῃ („auf freiwilligen und selbst getroffenen Beschluss“), in der αὐθαίρετος tatsächlich als Adjektiv gebraucht wird,779 stellt lediglich eine Variante des Obigen dar. Eine weitere Verwendung des Adjektivs liegt im Gnomon des Idios Logos vor: In BGU V 1210,101–105 (nach 149 n. Chr.) geht es um die Beschlagnahme des Besitzes von Kapitalverbrechern, gleichgültig ob diese ordnungsgemäß bestraft oder „die selbst gewählte Flucht ergriffen haben“ – Z. 102: αὐθέ⟦ιε̣ ̣ρ⟧ρετον (l. αὐθαίρετον) φυγὴν ἑλομένων.780
Schließlich wird Titus der Gemeinde noch als κοινωνός und συνεργός des Paulus empfohlen (8,23). Mit κοινωνός wird in den dokumentarischen Papyri und Ostraka vor allem der Geschäftspartner oder Teilhaber bezeichnet,781 mit συνεργός der „Mitarbeiter“.782 In 8,18 schreibt Paulus, dass er mit Titus den Bruder mitschickt, dessen Lob wegen des Evangeliums durch alle Gemeinden reicht. Das Verb συμπέμπω („mitschicken“) ist in den dokumentarischen Papyri nicht häufig belegt, und nur einige von den Beispielen handeln von der Entsendung von Personen.783 Am 8. März 253 v. Chr. bittet Zenon einen gewissen Sostratos, ihm einen der Steinmetze zu senden – P.Cair.Zen. II 59230,1–2: καλῶς ποήσεις ἀποστείλας | πρὸς ἡμᾶς τῶν οἰκοδόμων ἕνα. Am Ende des kurzen Briefes fügt er noch hinzu – Z. 4: συμπέμψατε δὲ αὐτῶι καὶ Ἄραβα („schickt mit ihm aber auch Araba784 mit!“). Um wen es sich dabei handelt, geht aus den Zeilen nicht hervor. 777
Betz, 2. Korinther 92–93 (mit einigen Hinweisen in Anm. 46). Weitere (zahlreiche) Belege bei Kiessling, Wörterbuch s. v. αὐθαίρετος; siehe ferner z. B. P.Louvre II 113, Fr. A 5 (1. Januar 159 n. Chr.). 779 Vgl. z. B. P.Cair.Isid. 81,27 (297 n. Chr.). 780 Betz, 2. Korinther 93 Anm. 46, verweist auf diesen Text über den Nachdruck Jur.Pap. 93 (die Zeilenangabe „36“ ist allerdings nicht korrekt). Vgl. auch schon in einer früheren Version des Textes – P.Oxy. XLII 3014,6–7 (1. Jh. n. Chr.). 781 Siehe dazu bereits oben bei 2Kor 1,7 und ausführlich sowie mit zahlreichen Belegen ArztGrabner, Philemon 226–228. 782 Siehe dazu ausführlicher (sowie zu Belegen für die negative Bedeutung „Spießgeselle“) S. 234. 783 Einige Beispiele für Waren oder Briefe bei Preisigke, Wörterbuch s. v. συμπέμπω 1); Moulton/Milligan, Vocabulary s. v. συνπέμπω. – Zu συνεπέμψαμεν hier und in V. 22 als Aorist des Briefstils siehe S. 172. Bachmann, 2Kor 319 Anm. 1, verweist auf einen Beleg für ἔπεμψα, nämlich BGU I 37,3 (12. September 50 n. Chr.). 784 Entweder Eigenname oder als Bezeichnung für einen arabischen Polizisten (vgl. C. C. 778
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Ein gewisser Apollonios teilt seinem Adressaten Leon in einem amtlichen Brief mit, er habe an einen Leukippos geschrieben, damit ihm dieser bestimmte Dokumente in die Stadt sende und Leute mitschicke, die diese wieder zurückbringen könnten – P.Yale I 36,15–16 (vor 13. September 190 v. Chr.): συμπέμψαντ[ι τοὺς] | ἀποκαταστήσοντας. Um eine amtliche Maßnahme geht es auch in SB IV 7461,7–9 (18. April 45 n. Chr.), wenn ein gewisser Iulius Iollas gebeten wird, mit Nemesas, einem Einheber der Kopfsteuer, einige Leute mitzuschicken, damit die ihm geschuldeten Gelder eingetrieben werden: διὸ ἐρωτῶ σε συνπέμψαι | τινὰς αὐτῶι, ὅπως τὰ ὀφειλόμενα | αὐτῶι εἰσπραχθῆι.785
In allen drei Beispielen geht es um geschäftliche oder amtliche Angelegenheiten, für deren Erledigung einer bestimmten Person eine oder mehrere Begleiter zur Seite gestellt werden sollen. Dadurch soll besser als bei der Entsendung einer einzigen Person sichergestellt werden, dass der jeweilige Auftrag verlässlich und ordnungsgemäß durchgeführt wird. Vergleichbares trifft auch auf die Entsendung der Titus-Gruppe zu.786 Das Substantiv ἔπαινος („Lob“) ist in den dokumentarischen Papyri für die relevante Zeitspanne bisher nur zweimal belegt: P.Hib. II 247,9 (ca. 240–250 v.Chr) ist aufgrund des fragmentarischen Kontextes nicht näher deutbar, in P.Oxy. XXIV 2407,53 (3. Jh. n. Chr.) geht es um das Lob, dessen ein Beamter teilhaftig zu werden hofft.787
Im Besonderen zeichnet diesen Bruder aber aus, dass er von den Gemeinden zum Reisegefährten des Paulus gewählt wurde (8,19). Das Verb χειροτονέω788 steht in den zeitlich vergleichbaren Papyri für das „Wählen“ einer Person in ein politisches oder militärisches Amt789: So richten sich etwa die Bewohner eines Dorfes in ihrer Eingabe (wegen überzogener Steuerforderungen an den Strategen, von dem sie eigentlich erwartet hätten, dass Edgar in P.Cair.Zen. II S. 86: „Ἄραβα is not to be taken as the name of an individual, but in the sense of ‚Arab policeman‘“). 785 Auf Chrest.Wilck. 11 A,46–49 (nach 25. September 123 v. Chr.) haben bereits Preisigke, Wörterbuch s. v. συμπέμπω 2), und Moulton/Milligan, Vocabulary s. v. συνπέμπω, verwiesen. Siehe ferner PSI III 169,16 mit BL III 221 (16. Oktober 118 v. Chr.); XIII 1317,12–14.23–25 (16. Oktober 118 v. Chr.?). In BGU III 742, Kol. I 4 (122–138 n. Chr.) ist zwar für eine nähere Deutung von σοῦ συνπεμφθέντος der Kontext zu fragmentarisch, doch geht es auch hier um die zusätzliche Entsendung eines Menschen und nicht um die einer Sache, wie die Einordnung dieses Beleges bei Preisigke, Wörterbuch s. v. συμπέμπω 1), vermuten ließe. 786 Zum synonymen Kompositum συναποστέλλω siehe unten bei 2Kor 12,18. 787 Siehe dazu ausführlicher F. Winter und R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 170; dort auch Belege für das Verb ἐπαινέω und ein Hinweis auf die Praxis römischer Behörden, verdiente Bürger zu loben. Zwei weitere Belege für ἔπαινος stammen erst aus dem 6. Jh.: PSI I 76,3 (6. Mai 572 oder 573 n. Chr.) und SB XX 14626,28 (ca. 573–574 oder 589–590 n. Chr.). 788 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 789 Was in P.Bad. II 16,1–2 mit den [τὰ] | ὑφ᾽ ὑμῶν κεχειροτον̣ ημ̣ έν̣ α („das von euch Gewählte/die von euch Gewählten“) gemeint ist, ist unklar.
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er ihre Situation verbessere, wo er doch „zur wirtschaftlichen Wiederherstellung bestellt“790sei – BGU VIII 1846,14–15 (50–49 v. Chr.): πρὸς ἀνάκτησιν κεχειρ[ο]το|νημένου. Um einen zum „Schreiber des Rates gewählten Herakleios“ geht es in SB V 7601, A und B 4 (135 n. Chr.): [Ἡ]ρ̣ ακλεί[ο]υ χιροτονηθέν[τος - - - ]είου γραματέως τῆς βουλῆς.791 In P.Oxy. LXVII 4592,6–8 (spätes 2. – frühes 3. Jh. n. Chr.) bezeichnet sich ein römischer Kaiser oder Usurpator792 als κεχε[ι]ροτονη[μένος] | μὲν αὐτοκρά̣ τωρ ὑπὸ τῶν γενναιοτάτ̣[ων] | στρατιωτῶν („von den vortrefflichsten Soldaten gewählter Oberbefehlshaber“).
Weiters wird der Ausdruck für die Wahl bzw. Ernennung von Vormündern verwendet: In Chrest.Mitt. 88 (nach 26. August 142 n. Chr.) ist von sog. ἐπίτροποι die Rede („Vormündern“, in dem Fall von Frauen), die „innerhalb von 20 Tagen vom Gaustrategen gewählt werden sollen“ – Kol. III 8–10: χειροτονη|θήσονται δὲ ἐντὸς κ ἡμερῶν | ὑπὸ τοῦ στρατηγοῦ νομοῦ. Dieser Vorgang hieß mit einem Fachausdruck χειροτονία (Z. 11).793
Auf diesem Hintergrund wirft die Bezeichnung des mitgeschickten „Bruders“ (V. 18) als χειροτονηθείς ein Licht auf dessen Wichtigkeit: nach mehr oder weniger demokratischem Prinzip von den Gemeinden wohl aus mehreren ausgewählt (vgl. die ursprüngliche Bedeutung von χειρο-τονέω – „die Hand ausstrecken“), ist er nun beauftragt, Titus zu begleiten. Für dieses „Amt“ wurde er offensichtlich als besonders befähigt befunden. Das Wort συνέκδημος794 (eigentlich „mit weg vom Demos“, also „Reisegefährte“) ist bisher nur durch einen papyrologischen Beleg bezeugt: Und zwar wendet sich ein gewisser Seleukos in BGU XVI 2613 (14 v. Chr.) mit der nachdrücklichen Bitte an seinen Adressaten, seine drei „Agenten“795 nicht weiter in steuerlichen Belangen zu belästigen; dieser bzw. dessen Leute sollten sich lieber von seinen „Reisegefährten“ (Z. 6: τῶν συνεκδήμων μου)796 fernhalten.
Mit Titus und dem Bruder wird von Paulus noch ein weiterer Bruder mitgeschickt (8,22; zu συμπέμπω siehe oben S. 407). Paulus hat ihn schon bei vielen Gelegenheiten als eifrig (zu σπουδαῖος siehe oben S. 405–406) befunden. Wie in den dokumentarischen Papyri verwendet auch Paulus den Begriff δοκιμάζω einerseits in der Bedeutung „erproben, prüfen“ (so in 8,8 und in 13,5), anderer790 791 792
Übersetzung nach Kiessling, Wörterbuch s. v. ἀνάκτησις. Für weitere Belege siehe Preisigke, Wörterbuch s. v. χειροτονέω 1). Zur Frage der Identifikation des Absenders siehe A.K. Bowman in P.Oxy. LXVII S. 167–
168. 793 Vgl. weiters Z. 13–14, wo bereits von den „Gewählten“ die Rede ist, bzw. P.Oxy. VI 888,2 (nach 25. Oktober 287 n. Chr.), wo es um die „Ernennung“ (τοῦ χειροτονεῖν) von Waisenvormündern geht. 794 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 795 Engl. „agents“ – so die Interpretation des Hg. (W.M. Brashear in BGU XVI S. 101). 796 W.M. Brashear bemerkt dazu (in BGU XVI S. 102): „here evidently referring not to people travelling with Seleukos but rather to his agents travelling together as a threesome“.
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
seits im Sinne des bereits vorliegenden Ergebnisses der Prüfung („[für gut] befinden, [für richtig] halten“ (so im Zusammenhang mit dem Bruder in 8,22).797 Die Eigenschaft, ein σπουδαῖος zu sein, teilt dieser Bruder mit Titus (vgl. 8,17; siehe dazu S. 405–406). Die wohl höchsten Auszeichnungen verleiht Paulus beiden Brüdern in 8,23, wo er sie als „Apostel der Gemeinden“798 und „Christi Herrlichkeit“799 bezeichnet. Zusammenfassend kann festgehalten werden: Der Vergleich mit dem antiken Vereinswesen erlaubt es, einen Hintergrund auszumalen, der als Vergleichsschablone zu den paulinischen Gemeinden gewinnbringend herangezogen werden kann. Trotz deutlicher Analogien ist es freilich nicht angezeigt, die Bewegung der an Christus Glaubenden als antiken Verein im engen Sinn zu sehen. Die Kollekte für die Gemeinde in Jerusalem könnte aber so ähnlich durchgeführt worden sein wie Geldsammlungen innerhalb eines antiken Vereins, zumal auch davon auszugehen ist, dass mehrere Mitglieder der paulinischen Gemeinden auch Mitglieder eines Vereins (gewesen) waren. Es ist aber auch auf einen Unterschied hinzuweisen: die Geldsammlungen innerhalb eines Vereins kommen nur den eigenen Vereinsmitgliedern zugute. Für die Kollekte des Paulus bedeutet dies, dass sie sich entweder von jener innerhalb eines antiken Vereins unterscheidet, indem sie einer ganz anderen Gruppe zugute kommen soll, oder dass Paulus zu dieser Zeit die gesamte Bewegung noch als einheitliche Gruppe sieht. Möglicherweise spielen beide Aspekte eine Rolle. Denn vor dem aus den Papyri erhobenen Hintergrund erscheint die Abmachung des Apostelkonzils (siehe Gal 2,1–10 und Apg 15,1– 35) so, als hätte man dort – einem hellenistischen Standpunkt entsprechend – die gesamte Bewegung noch wie einen einheitlichen Verein gesehen. Für die Gemeinde von Korinth war dies offenbar anders; sie sah die Gemeinde von Jerusalem wohl als so etwas wie einen weit entfernten anderen Verein mit (ethnisch und kulturell) anderen Mitgliedern und teils anderen Gepflogenheiten. Auf dem Hintergrund des griechisch-römischen Vereinswesens wird sowohl das ursprüngliche Anliegen der Kollekte (Sorge für die sozial Schwachen innerhalb der Gemeinschaft) einsichtiger als auch – bis zu einem gewissen Grad – deren vermutliches Scheitern (aufgrund [noch] nicht gewohnter Solidarität mit weit entfernten Gemeinden)800.
797
Zum papyrologischen Befund siehe Papathomas, Begriffe 51–52 (mit Belegen); vgl. R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 154. Zur ersten Bedeutung siehe ferner SB XXIV 15941,16 (Anfang 3. Jh. n. Chr.), zur zweiten ferner PSI XV 1535,15 (nach 13. Dezember 193 n. Chr.?); vielleicht auch, aber aufgrund des fragmentarischen Kontextes unsicher, P.Iand.Zen. 43,9 (25. Januar 255 v. Chr.). 798 Zum papyrologischen Befund von ἀπόστολος siehe S. 183. 799 Zum papyrologischen Befund von δόξα siehe S. 224. 800 Diese in der Exegese mehrfach geäußerte Deutung (vgl. z. B. Heil, Die Armen nicht ver-
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Kollekte: 2Kor 8,1–9,15 – Einzelheiten: 2Kor 8,1–3
411
8,11 γνωρίζομεν δὲ ὑμῖν, ἀδελφοί ‹ 1,1, τὴν χάριν ‹ 1,2 τοῦ θεοῦ τὴν δεδομένην ἐν ταῖς ἐκκλησίαις ‹ 1,1 τῆς Μακεδονίας ‹ 1,16 – Im Zusammenhang mit 1Kor 12,3 habe ich an anderer Stelle darauf hingewiesen, dass die Imperativform von γνωρίζω häufig als disclosure formula begegnet, die Belege aber bisher auf das 3. Jh. v. Chr. beschränkt sind.801 Das früheste Beispiel für eine Indikativform in dieser Funktion findet sich erst in P.Abinn. 33,6 (ca. 346 n. Chr.).802 θλίψεως ‹ S. 167–168 ἡ περισσεία τῆς χαρᾶς ‹ 1,15 αὐτῶν καὶ ἡ κατὰ βάθους πτωχεία αὐτῶν ἐπερίσσευσεν ‹ 1,5 εἰς τὸ πλοῦτος τῆς ἁπλότητος ‹ 1,12 αὐτῶν – Das Substantiv περισσεία803 („Übermaß, Über-
8,22 ὅτι ἐν πολλῇ δοκιμῇ
‹ 2,9
schwang“) ist dokumentarisch bisher nur in einem Papyrus vom Ende des 7. Jh. bezeugt (P.Stras. VIII 760,9). Der Ausdruck βάθος wird papyrologisch fast ausnahmslos als geometrischer Terminus technicus verwendet, was somit für die Deutung bei Paulus keine Hilfe bietet.804 Zum abstrakten Substantiv πτωχεία („Bettelei, Bettelarmut“) existiert lediglich ein Beleg aus byzantinischer Zeit805, und der Gegenbegriff πλοῦτος („Reichtum“) ist nur spärlich belegt. Aus dem 3. oder 4. Jh. n. Chr. stammt der Brief P.Oxy. XLII 3069, der von einem gewissen Aquila an einen Sarapion adressiert ist, der auf dem Verso ausdrücklich als Philosoph bezeichnet wird (Z. 26). Aquila bringt ihm gegenüber seine Bewunderung zum Ausdruck, weil er nicht nur asketisch lebt, sondern sich auch durch nichts von seiner lobenswerten Lebensweise abbringen lässt. In diesem Sinne fügt Aquila hinzu – Z. 15–17: καὶ μ[ή σ]ε̣ | ταρασσέ[τ]ω̣ ἢ πλοῦτος ἢ ὥρα | ἢ ἄλλο τ[ι τ]ῶν τοιού⟦ν⟧των („und nicht Reichtum oder das, was gerade der Zeit entspricht,806 oder etwas anderes dergleichen soll dich verwirren“).807
8,33 ὅτι κατὰ δύναμιν ‹ 1,8 μαρτυρῶ – Bereits J. H. Moulton und G. Milligan haben auf die rechtliche Konnotation der Wendung κατὰ δύναμιν („nach Vermögen“) aufmerksam gemacht und darauf hingewiesen, dass diese insbesondere in Heiratsverträgen vorkommt. Dort ist von den Verpflichtungen des
gessen 98–99; Becker, Paulus 479; Schnelle, Paulus 402; Betz, Galaterbrief 196; Kollmann, Einführung 106) findet also von einem papyrologischen Hintergrund her durchaus Bestätigung. 801 P.Oxy. XLIII 3119,9 (259–260 n. Chr.) ist aufgrund des fragmentarischen Zustandes unsicher. 802 Siehe dazu P. Arzt-Grabner in ders./Kritzer u. a., 1. Korinther 412. 803 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 804 Vgl. F. Winter in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 129. 805 P.Gen. I2 14,23 (6.–7. Jh. n. Chr.). Zu πτωχός („Bettler“) siehe oben bei 6,10 (S. 353–354). 806 P. Parsons übersetzt hier ὥρα mit „beauty“ (in P.Oxy. XLII S. 163); zu denken ist vielleicht an „Mode“, also das, was gerade modern, aber nicht von Dauer ist. 807 Weitere Belege bei Preisigke, Wörterbuch s. v. πλοῦτος; siehe ferner SB XIV 11648,41 (24. Juni 222 n. Chr.); PSI Congr.XXI 13, Kol. IV 22 (nach 284–285 n. Chr.); SB III 7205,15 (ca. 290–292 n. Chr.).
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
Ehemannes gegenüber seiner Frau die Rede, die er entsprechend seinen finanziellen Möglichkeiten zu erfüllen hat.808 Dabei wird vereinbart – z. B. BGU IV 1052,12–15 (15. April 13 v. Chr.): ἀπὸ τοῦ νῦν τὸν Ἀπολλώνιον Πτολεμαίου | χο[ρηγ]ε[ῖ]ν τῇ Θερμίῳ τὰ δέοντα πάντα | καὶ τὸν ἱματισμὸν ὡς γυναικὶ γαμετῇ | κατὰ [δ]ύναμιν τῶν ὑπαρχόντων (dass der Ehemann „Apollonios, Sohn des Ptolemaios, von jetzt an der Thermion als Ehefrau alles Nötige und die Kleidung zur Verfügung stellt gemäß den Möglichkeiten seines Besitzes“).809 Alternativ zu κατὰ δύναμιν τῶν ὑπαρχόντων kann auch die Formel κατὰ δύναμιν τοῦ βίου verwendet werden,810 wobei hier βίος im Sinne des Lebensunterhaltes zu verstehen ist. Weitaus seltener begegnet die Formel in privaten Briefen, doch ist auch dort die Funktion eine ähnliche: meistens verspricht der Absender, die Wünsche des Adressaten „nach Vermögen“ zu erfüllen (so in BGU XVI 2636,12 [ca. 21 v. Chr. – 5 n. Chr.]; P.IFAO II 41, Fr. a 4–5 [1.–2. Jh. n. Chr.]; P.Sarap. 84,9 [90–133 n. Chr.]). Nur in SB XIV 11645,12–13 (2. Jh. n. Chr.) liegt der umgekehrte Fall vor, dass der Absender, der gerade von einer schweren Krankheit genesen ist, den Adressaten auffordert: εἴ τει (l. τι) δὲ κα|τὰ δύναμίν σοί ἐστ̣ιν̣ ἐν τῇ οἰ|κίᾳ ποιεῖν, ποίησον („wenn du nach Vermögen im Haus etwas tun kannst, tu es!“).
Auch an der vorliegenden Stelle ist der rechtliche Aspekt als ein wichtiger Hintergrund anzusehen, zumal auch μαρτυρέω ein juristischer Terminus ist. Das Verb in der Bedeutung „bezeugen, beglaubigen, bestätigen“ gehört zu den besonders häufig verwendeten juristischen Begriffen innerhalb der dokumentarischen Papyri, der aber außer in rechtlichen Dokumenten811 auch in Privatbriefen verwendet wird.812 Genau wie hier bei Paulus geht es dabei meist 808
Vgl. Moulton/Milligan, Vocabulary s. v. δύναμις; Windisch, 2Kor 245, verweist auf P.Oxy. X 1273,24 (28. Januar 260 n. Chr.); siehe auch Betz, 2. Korinther 92. – Zu den auf Papyrus erhaltenen Heiratsverträgen und deren Formular siehe Yiftach-Firanko, Marriage; R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 247–253 (mit Literaturhinweisen S. 247 Anm. 7–8). Speziell zur Formel κατὰ δύναμιν im Zusammenhang mit den Verpflichtungen des Ehemannes siehe Yiftach-Firanko, Marriage 186–188. 809 Innerhalb von Heiratsverträgen begegnet die Formel κατὰ δύναμιν τῶν ὑπαρχόντων ferner in P.Freib. III 30,34–35 (179–178 v. Chr.); P.Giss. I 2, Kol. I 19 (16. September 173 v. Chr.); P.Tebt. III.2 974,4 (frühes 2. Jh. v. Chr.); P.Gen. I2 21,3 mit BL IX 172 zu P.Münch. III 62 (2. Jh. v. Chr.); P.Tebt. I 104,18 (22. Februar 92 v. Chr.); BGU IV 1051,17–18; 1099,13–14 (beide 30 v. Chr. – 14 n. Chr.); 1101,11 (3. April 13 v. Chr.); SB XXIV 16072,10 (12 v. Chr.); 16073,19–20 (26. April – 25. Mai 12 v. Chr.); beachte ferner SB XII 10868,12 (Hypothek?; 2. Hälfte 3. Jh. v. Chr.); P.Petr.2 I 25,20–21 (Testament; 226–225 v. Chr.); P.Tebt. I 51,10–11 (Eingabe; ca. 113 v. Chr.). 810 So in BGU I 251,5 (30. März 81 n. Chr.); 183,7 (26. April 85 n. Chr.); CPR I 236,6 (81–96 n. Chr.). – Ohne τῶν ὑπαρχόντων oder τοῦ βίου begegnet die Formel κατὰ δύναμιν in den Heiratsverträgen BGU IV 1050,14 (12–11 v. Chr.); P.Oxy. III 496,8 (19. April 127 n. Chr.); ferner in UPZ I 110,47.67 (amtliche Korrespondenz; 21. September 164 v. Chr.); II 175 a,2 (Verkaufsvertrag; 5. Januar 145 v. Chr.); PSI XV 1516,7 (Testament; Ende 1. Jh. v. Chr. – 1. Jh. n. Chr.). 811 Z. B. wenn Zeugen von Urkunden diese der Reihe nach bezeugen; so z. B. im Fall des Testaments P.Köln XII 487 (117–138 n. Chr.; beachte Z. 16.17.19.20.21); zu diesem Dokument siehe auch S. 225–226. 812 Siehe dazu ausführlich Papathomas, Begriffe 179–181 (mit zahlreichen Beispielen); vgl.
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Einzelheiten: 2Kor 8,3
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darum, dass jemand das positive Verhalten oder den lobenswerten Charakter einer anderen Person bestätigt. Treffende Vergleichsbeispiele sind u. a. die amtlich festgehaltenen (und meist genau datierten) Zeugenaussagen, die mit der Form μαρτυρεῖ („es legt Zeugnis ab“) sowie der Nennung der Zeugin oder des Zeugen und der oder des von der Zeugenaussage Begünstigten beginnen, so z. B. P.Hamb. I 105,1 (19.–27. Juli 236 v. Chr.): (1. Hand) μαρτυρεῖ Μενεκράτει (2. Hand) Δημ̣ η̣ τρα̣ („es legt Zeugnis ab zugunsten des Menekrates Demetria“).813 Auch der Briefwechsel zwischen einem gewissen Numerius und einem Longinus bestätigt, dass – obwohl (oder weil) es hier schließlich auch um eine Zeugenabsprache geht – eine Zeugenaussage in erster Linie als etwas Amtliches gesehen wird, das jemandem nützen soll: In O.Did. 342 (vor ca. 77–92 n. Chr.?) bittet Numerius den Longinus, sich an eine Geldtransaktion zu erinnern, damit er eventuell Zeuge sein kann.814 In O.Did. 343 antwortet Longinus, dass er zur Zeugenaussage bereit ist, er bittet jedoch um die Schilderung der genauen Umstände, an die er sich nicht erinnert, um divergierende Aussagen zu vermeiden.
Longinus möchte also sicher gehen, dass seine Zeugenaussage zugunsten des Numerius erfolgt und nicht womöglich für diesen zum Problem wird. καὶ παρὰ δύναμιν ‹ 1,8 αὐθαίρετοι ‹ S. 406 – Die Wendung παρὰ δύναμιν ist in den dokumentarischen Papyri weitaus seltener belegt als κατὰ δύναμιν. In
drei von insgesamt vier Belegen geht es darum, dass jemand klagt, dass die Ableistung einer Liturgie „über das eigene Vermögen hinaus“ gehe. Ein gewisser Aurelius Herakleides beklagt sich darüber, dass die Ernennung zu einer Liturgie über seine Möglichkeiten hinausgehe (P.Oxy. LXIV 4437,13–17 [ca. 229– 237 n. Chr.]). In ähnlicher Weise stellt ein Aurelius Pasion das Ansuchen um Erleichterung seines Amtes als Gymnasiarch815, weil dieses sein Vermögen übersteige; gleich dreimal verwendet er in seiner Darstellung die Wendung παρὰ δύναμιν – P.Oxy. XII 1418,3.7.16 (30. August – 28. September 247 n. Chr.; ähnlich P.Oxy. XXXI 2569,9 [24. September 265 n. Chr.]816). R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 480; siehe ferner O.Petr.Mus. 512,3– 4 (3. Jh. n. Chr.). Siehe auch den papyrologischen Befund für μάρτυς oben S. 230–232. 813 Einige weitere Beispiele sind: P.Pintaudi 17,1 (27. Juli 231 v. Chr.); P.Heid. VIII 416,2–3 (1. Hälfte 2. Jh. v. Chr.); 414,2–3 (nach 2. Oktober 184 v. Chr.); 413,2–3 (6. Juli 179 v. Chr.). Bei P.Sorb. III 132 (ca. 220 v. Chr.) handelt es sich um den Begleittext zur Übersendung beeideter Zeugenaussagen für einen Prozess mit angehängter Liste der Zeugen. In P.Wash.Univ. II 106,5–6 (13. Januar 18 v. Chr.) bittet eine gewisse Dionysia um die Weitergabe einer Zeugenaussage (μαρτυρία), die dringend benötigt wird; auch dabei geht es also um eine Zeugenaussage zugunsten von jemandem. 814 In O.Did. 407,5–6 (vor ca. 110–115 n. Chr.) fordert ein gewisser Ankyras seinen Vater Horion auf, über ihn beim curator Zeugnis abzulegen: μαρτύρησον̣ [τῷ κο]υρά|τορι περὶ ἐμοῦ .[- - - ]. 815 Zum Amt des Gymnasiarchen siehe ausführlich Oertel, Liturgie 316–325. 816 Siehe dazu Lewis, ΝΟΗΜΑΤΑ 109. – Aufgrund der Lücken nicht klar zu deuten ist P.Petr.
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
8,44 μετὰ πολλῆς παρακλήσεως ‹ 1,3 δεόμενοι ‹ 5,20 ἡμῶν τὴν χάριν ‹ 1,2 – Wie bereits im papyrologischen Kommentar zu Phlm 7 dargelegt wurde, fällt der papyrologische Befund für παράκλησις genau gegengleich zur Verwendung dieses Begriffs bei Paulus aus. Die von Paulus so häufig verwendete Bedeutung „Trost, Tröstung, Ermutigung“817 ist papyrologisch bisher nur einmal bezeugt,818 während den zahlreichen Papyrusbelegen für „Bitte, Aufforderung, Ersuchen“819 bei Paulus nur Röm 12,8 und 15,4 sowie 2Kor 8,4.17 gegenüberstehen. τῆς εἰς τοὺς ἁγίους ‹ 1,1 – Was den papyrologischen Hintergrund für κοινωνία an der vorliegenden
καὶ τὴν κοινωνίαν
‹ 6,14; S. 395
τῆς διακονίας
‹ S. 259
Stelle betrifft, ist von der geschäftlichen Partnerschaft auszugehen und vom
κοινωνός als „Geschäftspartner“ und „Teilhaber“.820 Es geht also um eine
„Teilhabe am Dienst“, der somit als Gemeinschaftsunternehmen erscheint. 8,55–66 καὶ οὐ καθὼς ἠλπίσαμεν
‹ 2,13
ἀλλ᾽ ἑαυτοὺς ἔδωκαν πρῶτον τῷ καὶ ἡμῖν διὰ θελήματος ‹ 1,1 θεοῦ εἰς τὸ παρακαλέσαι ‹ 2,8 ἡμᾶς κυρίῳ Τίτον ‹ 2,13, ἵνα καθὼς προενήρξατο ‹ S. 404 οὕτως καὶ ἐπιτελέσῃ ‹ 7,1; S. 404 εἰς ὑμᾶς καὶ τὴν χάριν ‹ 1,2 ταύτην. ‹ 1,2
καὶ λόγῳ ‹ 1,18 καὶ καὶ πάσῃ σπουδῇ καὶ τῇ ἐξ ἡμῶν ἐν ὑμῖν ἀγάπῃ ‹ 2,4, ἵνα γνώσει ‹ 1,2 περισσεύητε – Der mit ἵνα eingeleitete Nebensatz καὶ ἐν ταύτῃ τῇ χάριτι
8,77 ἀλλ᾽ ὥσπερ ἐν παντὶ περισσεύετε ‹ 2,14
‹ 7,11
‹ 1,5
, πίστει
‹ 1,24
dient hier als Ersatz für den Imperativ.821 Diese Verwendungsweise begegnet auch in den Papyri:822
Z. B. fordert eine Dionysia einen gewissen Panechotes brieflich auf, er möge in einer bestimmten Angelegenheit einen Brief schreiben und ihr schicken – P.Wash.Univ. II 106,4 (18 v. Chr.): ἵνα μοι γράψας ἐπιστολὴν ἀποστίλῃς.
II 3 (b),2 (28. Januar 260 v. Chr.?). – Betz, 2. Korinther 92 Anm. 45, hat auf P.Lond. VI 1916,22– 24 (ca. 330–340 n. Chr.; die Angabe „Nr. 196“ bei Betz ist ein Druckfehler) hingewiesen, wo die Wendung ὑπὲρ δύναμιν in derselben Bedeutung begegnet: εἴ τι καὶ εὑρήκαμεν παρεδώκαμεν αὐτῷ, | ἀλλὰ καὶ ὑπὲρ τὴν δύναμιν ἡμῶν ἐποιήσα|μεν („und wenn wir etwas gefunden haben, gaben wir es ihm, aber sogar über unser Vermögen hinaus handelten wir“). 817 Siehe Röm 15,5; 1Kor 14,3; 2Kor 1,3.4.5.6.7; 7,4.7.13; 8,4.17; Phil 2,1; 1Thess 2,3; Phlm 7. 818 Nämlich O.Narm. I 4,4–6 (2. oder 3. Jh. n. Chr.; siehe oben bei 2Kor 1,3). 819 Siehe die Beispiele und Verweise bei Arzt-Grabner, Philemon 196. Hinzuzufügen sind P.Diosk. 15,10 (31. August 158 oder 30. August 155 v. Chr.) und SB XXIV 16069,7–8 (17. April 102 v. Chr.). 820 Siehe dazu oben bei 1,7 sowie Arzt-Grabner, Philemon 226–228. 821 Siehe dazu auch BDR § 387,3a). Bei der Übersetzung von Mayser, Grammatik II.1 232, für dieses Phänomen wird der eigentliche Gebrauch der Konjunktion als Einleitung in einen Nebensatz berücksichtigt („dass du/er/sie etc. ja nicht …“). 822 Siehe dazu auch Spicq, 2Cor 359; Verbrugge, Paul’s Style 247–251.273–279.
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Einzelheiten: 2Kor 8,4–8
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8,88 οὐ κατ᾽ ἐπιταγὴν λέγω – Wie in 1Kor 7,6 verwendet Paulus hier die negierte Wendung κατ᾽ ἐπιταγήν („nach Auftrag, auftragsgemäß“), die papyrologisch spärlich bezeugt ist und zum Ausdruck bringt, dass eine Handlung aufgrund des Auftrags eines Höhergestellten erfolgt.823 Davon distanziert sich Paulus hier und betont, dass er nicht im Auftrag eines anderen spricht. ἀλλὰ διὰ τῆς ἑτέρων σπουδῆς ‹ 7,11 καὶ τὸ τῆς ὑμετέρας ἀγάπης ‹ 2,4 γνήσιον δοκιμάζων ‹ S. 409 – Mit dem Adjektiv γνήσιος824 werden in den Papyri in ers-
ter Linie Personen (Kinder, Eltern oder Ehepartner) und Steuerarten oder Zahlungen (τελέσματα) als „recht-“ bzw. „vorschriftmäßig“ bezeichnet.825 In der Bedeutung „aufrichtig, echt“, d. h. die (innere) Beziehung zu anderen Menschen beschreibend, begegnet γνήσιος zum ersten Mal im 1. Jh. n. Chr.: Wenn Kaiser Claudius in P.Lond. VI 1912,27 (10. November 41 n. Chr.) betont, Germanicus habe „mit aufrichtigeren Worten zu euch (i. e. den Alexandrinern) gesprochen“ (γνησιωτέραις ὑμᾶς φωναῖς προσαγορεύσας), so will er die Aussagebzw. Wirkkraft seiner eigenen Worte hinter der seines Bruders zurückstellen.826
Selten und erst ab dem 2. Jh. n. Chr. werden Menschen wegen ihrer Aufrichtigkeit als γνήσιος bezeichnet, bevor das Wort in christlichen Belegen zum formellen Ehrentitel wird827: So enthält z. B. P.Fouad I 54 (nach 141–142 n. Chr.) den Ratschlag (die Adressaten desselben werden nicht ausdrücklich genannt), man dürfe echte Freunde nicht vergessen – Z. 33–35: οὐκ ὀ|φίλουσι τῶν γνησίων | φίλων ἀμελεῖν.828 „Irgendeinen Vertrauenswürdigen“ (τινὰ γνήσιον) hingegen sucht der Absender von P.Oxy. LXVII 4626 (nach 259 n. Chr.; vgl. darin Z. 8), um seinen Brief befördern zu lassen.
Innere Aufrichtigkeit und Echtheit – im Gegensatz zu einer von außen auferlegten Motivation – ist es auch, was Paulus als Qualitätsmerkmal der ἀγάπη erwartet. 823
Siehe dazu R. E. Kritzer und P. Arzt-Grabner in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 262–263 (mit Belegen). 824 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 825 Vgl. dazu Preisigke, Wörterbuch s. v. γνήσιος 1)-3) und 9), bzw. Kiessling, Wörterbuch s. v. γνήσιος 3). Schwierig zu deuten ist in BGU III 747,14–15 (vor 30. März 139 n. Chr.) der substantivierte, neutrale Komparativ (τὸ γνησιώτερον) in Zusammenhang mit der Erledigung von Dienstaufträgen; Preisigke, Wörterbuch s. v. γνήσιος 9), übersetzt: „das den Vorschriften gemäß Nötigste (aller Staatsgeschäfte)“. – „Recht“ im Sinn von „passend“ bedeutet γνήσιος in P.Giss. I 47,4.15 (19. Juni 117 n. Chr.; nach Pucci Ben Zeev, Diaspora Judaism 168, 19. Juni 116 n. Chr.), wo es um die auftragsgemäße Besorgung von Einkäufen geht. 826 Die Stelle wurde viel diskutiert: H.I. Bell vermutet dahinter eine Anspielung auf das größere Gewicht gesprochener als geschriebener Worte (vgl. P.Lond. VI S. 31), während Schubart, Rez. zu P.Lond. VI, an die „Echtheit der Sprache“ denkt und heraushört, „Germanicus habe Griechisch gesprochen“ (S. 27). Oliver, Constitutions 85, verweist in dem Zusammenhang aber eindeutig auf die Beziehungsebene zwischen Sprecher und Zuhörern und sieht eine enge Verbindung mit dem mit Hilfe von γνήσιος beschriebenen Vater-Sohn-Verhältnis. 827 Siehe dazu Preisigke, Wörterbuch s. v. γνήσιος 4); ferner SB XX 14218,4 (6. Jh. n. Chr.). 828 Ebenso in Kombination mit φίλος BGU I 86,19 (155 n. Chr.).
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
8,99 γινώσκετε ‹ 2,4 γὰρ τὴν χάριν ‹ 1,2 τοῦ κυρίου ‹ 1,2 ἡμῶν Ἰησοῦ ‹ 1,1 Χριστοῦ ‹ 1,1, ὅτι δι᾽ ὑμᾶς ἐπτώχευσεν πλούσιος ὤν – Zu πτωχεύω („Bettler sein, betteln“) gibt es bisher keine papyrologischen Belege. Das Adjektiv πλούσιος („reich“) ist in den Papyri nicht besonders zahlreich bezeugt. Hervorzuheben sind Belege mit einem Gegenüber von „arm“ (πένης) und „reich“ wie hier bei Paulus: Eine solche Gegenüberstellung findet sich in P.Brem. 38 (9. November 118 n. Chr.), einer Eingabe wegen Liturgiebelastung. Der Petent weist u. a. darauf hin, dass er an Stelle eines anderen zum Dorfältesten eingesetzt wurde, obwohl er arm sei, jener aber reicher – Z. 20–22: καὶ ἐμὲ κατέστησεν πρεσ|βύτερον, πένης ὢν, πλου|[σι]ώτερος ὢν ἐκεῖνος.829 Im Unterschied zu Paulus ist hier von zwei verschiedenen Personen die Rede, von denen der eine arm, der andere reich ist. Ähnliches gilt für SB VI 9254,12 (2. Jh. n. Chr.). Auf einem Papyrusblatt, das Schreibübungen mit Zeichnungen enthält, findet sich die sinnspruchhafte Aussage – P.Oxy. XLIV 3174, Verso 16 (8. März 243 n. Chr.?): ἔθος ἐστὶν μν[ . .]ιους εὐτυχεῖν̣ τοὺς πλουσίο̣ υ̣ ς („es ist eine Gewohnheit, dass … die Reichen glücklich sind“).830 In P.Mich. IX 532,5–6 mit BL IX 161 (181–182 n. Chr.) wird von Reichen implizit erwartet, dass sie für eine gediegene Erziehung oder Ausbildung Sorge tragen, wenn es dort heißt: [ἡ γὰρ] | ἀπεδευσίαν (l. ἀπαιδευσία) κατεσχύνει`εν´ ⟦ἂ̣ ν⟧ (l. καταισχύνειεν ἂν)831 μὲν τοὺς π[λουσίους] („denn der Mangel an Bildung wird die Reichen wohl beschämen“).
ἵνα ὑμεῖς τῇ ἐκείνου πτωχείᾳ ‹ 8,2 πλουτήσητε – Wie F. Winter zum papyrologischen Befund des wenig verwendeten Verbs πλουτέω festgestellt hat,
begegnet es „im Rahmen des allgemeinen Wunsches an den Briefempfänger, weiterhin glücklich und zufrieden zu leben. Es muss keinesfalls direkt mit ‚Reichtum‘ im engeren Sinne verbunden sein, sondern bezieht sich vielmehr auf ein allgemeines Wohlsein.“832 Dieser Befund passt insofern gut zu Paulus, als hier (und auch zuvor in der Rede von Jesus Christus als πλούσιος) von Reichsein nicht in pekuniärem Sinn, sondern in einem weitaus umfassenderen Sinn die Rede ist. Dieses Reichsein in vollem Sinne ist also nicht von Paulus geprägt, sondern auch in der Alltagssprache beheimatet. 8,110 καὶ γνώμην ἐν τούτῳ δίδωμι – Das Wort γνώμη weist in den Papyri eine relativ große Bedeutungsbreite auf, die von „Kenntnis“ über „Ansicht, Meinung“ (so auch hier) bis zu „Sinn, Wunsch“ und „Einwilligung, Zustimmung“ reicht.833 Wie R. E. Kritzer zu den Belegen für die Bedeutung „Meinung“ 829
Beachte dazu SB XIV 11876,12 (nach 215 n. Chr.) und 11875,34 (nach 2. Juli 237 n. Chr.). Diese Gnome ist sonst nirgends bezeugt (vgl. J. D. Thomas in P.Oxy. XLIV S. 121). Parsons, City 145, übersetzt: „It is our habit to think the rich fortunate“. 831 Zu dieser Auflösung des Textes siehe oben S. 388 Anm. 690. 832 F. Winter in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 173 (mit zwei Beispielen). 833 Zum papyrologischen Befund (jeweils mit einschlägigen Beispielen) siehe Arzt-Grabner, 830
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Einzelheiten: 2Kor 8,9–10
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feststellen konnte, ist diesen gemein, „dass die Meinung oder die Erwartung bestimmter Personen von anderen als so verbindlich angesehen wird, dass sie danach handeln; auch Paulus erwartet sich, dass die Gemeindemitglieder seine persönliche Meinung ernst nehmen.“834 Die Wendung γνώμην δίδωμι ist papyrologisch bisher nicht belegt. τοῦτο γὰρ ὑμῖν συμφέρει – Das Verb συμφέρω („nützen, nützlich sein“) ist papyrologisch grundsätzlich gut bezeugt, auch für die unpersönliche Konstruktion mit Dativ wie hier liegen vergleichbare Belege vor.835 οἵτινες οὐ μόνον τὸ ποιῆσαι ἀλλὰ καὶ τὸ θέλειν προενήρξασθε ‹ S. 404 ἀπὸ πέρυσι – Zur Gegenüberstellung von „tun“ (ποιῆσαι) und „wollen“ (θέλειν)
hat bereits H. D. Betz auf papyrologische Vergleichstexte hingewiesen und festgestellt: „Im besonderen verwendet das Verwaltungsschrifttum diese Wörter um auszudrücken, dass Dinge getan werden müssen (ποιεῖν) und dass die Motivation zu bestimmten Handlungsweisen vorhanden sein muss (θέλειν).“836 Betz bemerkt, dass sich die genannte Bedeutung von ποιέω „oft in den Papyri griechischer Dokumente“ findet und verweist speziell auf die Anweisung eines hohen Beamten in P.Oxy. III 474,20 (nach 16. Dezember 184 oder 216 n. Chr.) mit dem Imperativ ποίησον (wahrscheinlich in der Bedeutung „nimm eine Zahlung vor!“) und die Autorisierung eines Dokumentes durch den König oder seinen Sekretär in P.Meyer 1,29 (nach 4. April 144 v. Chr.) durch den Zusatz ποιῆσαι („auszuführen“).837 Ähnliche Aufforderungen mit ποίησον finden sich in relativ vielen Papyrusbriefen und können zu den von Betz genannten Beispielen hinzugefügt werden. In zeitlicher Nähe zu Paulus ist z. B. SB XVI 12835,7–8 (16. Februar 6 n. Chr.): πόη|σον πᾶν, ἄδελφε („tu alles, Bruder!“) anzuführen.838 Den hier von Paulus verwendeten Aspekt von θέλειν findet Betz in formelhaften Wendungen offizieller Briefe, z. B. P.Hib. I 79,2–6 (ca. 260 v. Chr.): εἰ ἔρρωσαι καὶ | ὧν πρόνοιαν ποιεῖ καὶ | τἄλλα σοι κατὰ λόγον ἐστὶν | εἰ ἂν ὡς ἐγὼ θέλω καὶ | τοῖς θεοῖς πολλὴ χά[ρι]ς („wenn es dir gut geht und das, was dir anvertraut ist, und das andere nach [deinem] Sinn ist, in Ordnung ist, dann dürfte es wohl sein, wie ich
Philemon 219–221; F. Winter in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 67–68 (S. 67 Anm. 41 Tippfehler, richtig: BGU X 2006,1–2 [2. Hälfte 2. Jh. v. Chr.]; VI 1301,2–3 [2.–1. Jh. v.Ch.]); R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 316; zur Bedeutung „Einwilligung, Zustimmung“ ferner SB XXIV 16072,15 (12 v. Chr.); 16073,35 (26. April – 25. Mai 12 v. Chr.). 834 R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 316 (mit Belegen). Für die Bedeutung „Meinung“ siehe ferner P.Berl.Cohen 15,11 (2.–3. Jh. n. Chr.). 835 Siehe dazu R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 231–232 (mit den Belegen für συμφέρει mit Dativ) und 303 (mit Belegen für das Partizip in präpositionalen Wendungen). 836 Betz, 2. Korinther 122. 837 So Betz, 2. Korinther 122 Anm. 190. 838 Ferner z. B. P.Oxy. II 291,11–13 (25–26 n. Chr.); 293,8–11 (15. November 27 n. Chr.); P.Ryl. II 230,7–9 (2. November 40 n. Chr.).
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
wünsche, und den Göttern sei großer Dank“); BGU IV 1205,13 (26. Oktober 28 v. Chr.): ὡς θέλετε ποιεῖτε („wie ihr wollt, so tut“); P.Oxy. III 653 b (2. Selis) (1. Hälfte 161 n. Chr.), innerhalb der Zeilen 18–29: θέ[λ]ων καὶ μὴ θέλων ἀποκαταστήσεις αὐτῷ. ὅπερ ἐὰν μὴ ποιήσῃς κτλ. („ob du willst oder nicht willst, du wirst ihm bezahlen. Wenn du das nicht tust, …“).839
Das temporale Adverb πέρυσι840 („im vergangenen Jahr“) begegnet in drei papyrologischen Belegen in derselben Kombination wie bei Paulus (ἀπὸ πέρυσι – „seit dem vergangenen Jahr“): Im privaten Brief BGU II 531 (ca. 75–85 n. Chr.) wird u. a. erwähnt – Kol. II 1: ὅτι εἰσὶν ἐν τῶι κεραμεῖ ἀπὸ πέρυσι (δραχμὰς) ιβ („dass im Krug seit dem vergangenen Jahr 12 Drachmen sind“). Vgl. weiters P.Mich. III 205,10–11 (2. Jh. n. Chr.) sowie SB XX 14101,7 (3. Jh. n. Chr.).841
8,111 νυνὶ δὲ καὶ τὸ ποιῆσαι ἐπιτελέσατε ‹ 7,1; S. 404, ὅπως καθάπερ ἡ προθυμία τοῦ θέλειν, οὕτως καὶ τὸ ἐπιτελέσαι ‹ 7,1; S. 404 ἐκ τοῦ ἔχειν – Von einer προθυμία842 („Eifer, Bereitwilligkeit“) ist innerhalb der Papyri häufig in (privaten und amtlichen) Briefen zu lesen, wenn es darum geht, bei der Verrichtung einer Tätigkeit „Einsatzfreude“ zu zeigen, was zwischen Personen, die in einem Arbeitsverhältnis zueinander stehen, gerne als Auftrag formuliert ist. So wendet sich z. B. in UPZ I 110 (164 v. Chr.) der Finanzminister (διοικητής) an den ihm untergeordneten, für die χώρα zuständigen ὑποδιοικητής, er solle sich um die Landvergabe kümmern, „indem er seine ganze Bemühung und seinen ganzen Eifer dafür aufbringt“ – Z. 148–149: τὴν πᾶσαν προσενεγκάμενοι σπουδὴν | κ[αὶ] προθυμίαν.843 In SB XXII 15708 (ca. 100 n. Chr.) hingegen, dem privaten Brief eines jungen Mannes an seinen Vater, klagt jener gleich zu Beginn, sein Einsatz, geeignete Lehrer für seine Ausbildung zu finden, habe bisher nichts gebracht – Z. 6: [καὶ τί ἀ]ντὶ τῆς προθυμίας ἔπρα[ξ]α; („Und was habe ich durch meinen Eifer erreicht?“).844
In zwei Briefen aus dem Zenon-Archiv ist die προθυμία speziell auf Personen gerichtet: Seinen Brief an Zenon (P.Cair.Zen. V 59823 [253 v. Chr.]), der u. a. Ratschläge und Aufträge enthält, beendet der Bankier Promethion mit folgenden Worten – Z. 8: ἐπαινῶ δέ σου τὴν εὔνοιαν καὶ τὴν προθυμίαν ἣν `ἀεὶ´ εἰς ἡμᾶς ἔχεις („ich lobe 839
So Betz, 2. Korinther 122–123 Anm. 191. Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 841 Windisch, 2Kor 255, verweist auf P.Oxy. III 488,31 (vor 212 n. Chr.), wo mit πέρυσι (ohne ἀπό) auf das „vorige Steuerjahr“ Bezug genommen wird. 842 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 843 Vgl. außerdem etwa BGU VII 1563,36 (2. Jh. n. Chr.) aus dem Edikt des Tiberius Iulius Alexander oder SB XIV 11648, Kol. II 19 (222 n. Chr.) aus dem Edikt des Severus Alexander. 844 Die hier genannte προθυμία hat sich, wie in Z. 3 kurz davor zu lesen ist, aus einer anfänglichen ἀθυμία („Unlust“) heraus entwickelt. Aus dem privaten Bereich vgl. weiters P.Graux II 22,2–4 (2. Jh. n. Chr.), einen Ausschnitt aus einem Empfehlungsbrief. 840
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Einzelheiten: 2Kor 8,10–12
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dein Wohlwollen und den Einsatz, den du stets auf uns verwendest“). In P.Mich. I 57,1 (248 v. Chr.) dagegen rühmt sich der Absender selbst für seine Wertschätzung und seinen Einsatz gegenüber seinem Adressaten: τ̣ὴ̣ ν ἡμετέραν φιλοτιμίαν καὶ προθυμίαν εἰς σέ.
Zwar formuliert Paulus hier nicht ausdrücklich einen Auftrag, er leitet aber von der προθυμία im Wollen, die er den Gemeindemitgliedern zuerkennt, gekonnt die Erwartung ab, dass dieser nun auch das entsprechende Handeln folgt, damit die Kollekte zu einem erfolgreichen Abschluss kommt. Für ein Engagement aber, das Menschen direkt zugute kommt (ausgedrückt in Zuneigung oder mitmenschlicher Liebe), gebraucht Paulus – anders als die Papyri – offensichtlich lieber den Begriff σπουδή (vgl. 7,12; 8,8.16). 8,112 εἰ γὰρ ἡ προθυμία ‹ 8,11 πρόκειται, καθὸ ἐὰν ἔχῃ εὐπρόσδεκτος ‹ 6,2, οὐ καθὸ οὐκ ἔχει – Mit dem Verb πρόκειμαι („vorliegen“) wird beschrieben, dass eine Sache, eine Person, Daten oder Umstände vorhanden, anwesend, bereits genannt oder öffentlich bekannt sind. Die überaus zahlreichen Papyrusbelege reichen von der ptolemäischen bis in die byzantinische Zeit Ägyptens.845 Wenn Paulus hier also davon spricht, dass Bereitwilligkeit vorliegt, so ist damit gemeint, dass diese auch tatsächlich erkennbar und bekannt ist. Für eine nähere Spezifierung, wie etwas geschehen soll, durch einleitendes καθό („in dem Maße wie, inwieweit, entsprechend“) finden sich auch in den dokumentarischen Papyri einige Beispiele, die sachlich mehr oder weniger gut mit der vorliegenden Stelle bei Paulus vergleichbar sind: Ein Maximus schreibt an Chairemon und Eudaimon – PSI XII 1241,22–26 (14. Juli 159 n. Chr.): περὶ τῶν ἔργων τοῦ | ἀμπελῶνος, ὡς ἐνε|τειλάμην ὑμεῖν, μὴ | ἀμελήσητε, καθὸ δύ|ναμις ὑμῖν ἐστιν („was die Arbeiten im Weinberg betrifft, seid, wie ich euch aufgetragen habe, nicht nachlässig entsprechend dem, was euch möglich ist“).846 Am Ende der Quittung BGU I 218 (196–197 n. Chr.) bestätigt ein gewisser Kastor – Z. 7–8: Κάστ[ωρ Ἥρωνος μεμέτρημαι], | καθὸ πρόκεδε (l. πρόκειται) („ich, Kastor, Sohn des Heron, habe [es] zugemessen bekommen entsprechend dem,847 was oben festgehalten ist“).848 845
Zahlreiche Beispiele für alle Epochen bieten Preisigke, Wörterbuch s. v. πρόκειμαι; Moulton/Milligan, Vocabulary s. v. πρόκειμαι. 846 Ähnlich SB I 4284,9 (29. September – 28. Oktober 207 n. Chr.). 847 Im Unterschied zur ed.pr. wird in der DDBDP die Schreibung καθό (so auf dem Papyrus) zu καθώς korrigiert, was freilich unnötig ist. Dasselbe gilt für BGU II 543,20–21 (13. Januar 27 v. Chr.): καθὸ | πρόκειται ὀμόμεκα (l. ὀμώμοκα) („entsprechend dem, was oben festgehalten ist, habe ich geschworen“). 848 Weitere Beispiele für καθό sind P.Cair.Zen. I 59101,3–4 (14. Oktober 257 v. Chr.); IV 59543,4 (ca. 14. Oktober 257 v. Chr.); P.Ryl. IV 563,8 (23. Mai 250 v. Chr.); P.Cair.Zen. III 59315,7 (13. November 250 v. Chr.); P.Tebt. III.1 815, Fr. 3, Verso, Kol. I 6 (223–222 v. Chr.); P.Ryl. II 119,30–31 (62–66 n. Chr.); P.Cair.Isid. 65,10 (298–299 n. Chr.); 66,11; 67,15 (beide 299 n. Chr.). In kausalem Sinne wird καθό in UPZ I 43,11 (vor 10. Januar 161 v. Chr.) verwendet (vgl. Mayser, Grammatik II.3 84).
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
8,113 οὐ γὰρ ἵνα ἄλλοις ἄνεσις ‹ 2,13, ὑμῖν θλῖψις ‹ S. 167–168, ἀλλ᾽ ἐξ ἰσότητος – Für den Begriff ἰσότης849 (wörtlich „Gleichheit“) bieten die Papyri nur zwei Belege aus dem Vergleichszeitrahmen; zumindest einer von ihnen hat mit der gerechten Verteilung von Geld bzw. Gütern zu tun: P.Mil.Vogl. I 23 (108 n. Chr.) ist der Vertrag über eine Erbteilung; unter drei Brüdern wird bebaubares Land vergeben, wobei auch die darauf entfallenden Abgaben „entsprechend der gerechten Vergabe des Besitzanteiles, den jeder zugewiesen bekommen hat“, verteilt werden – Z. 7–8: πρὸς ἰσότητα τῆς | [τῶν ὑπαρχόντων ἧς ἕκασ]τος κε[κλ]ήρωται μερίδο[ς].850
8,114 ἐν τῷ νῦν καιρῷ ‹ 6,2 τὸ ὑμῶν περίσσευμα εἰς τὸ ἐκείνων ὑστέρημα, ἵνα καὶ τὸ ἐκείνων περίσσευμα γένηται εἰς τὸ ὑμῶν ὑστέρημα, ὅπως γένηται ἰσότης ‹ 8,13 – Die identische Ausdrucksweise ἐν τῷ νῦν καιρῷ ist papyrologisch zweimal bezeugt und bringt auch dort zum Ausdruck, dass „in der jetzigen Zeit, im Moment“ etwas so ist, wie es sonst nicht unbedingt oder nicht immer sein muss: So stellt ein gewisser Harentotes einen Antrag auf steuerliche Vergünstigung und begründet dies damit, dass das Volk in der Stadt Kürbisse kocht und aus diesem Grund zum jetzigen Zeitpunkt niemand von ihm Linsen kauft – PSI IV 402,5–7 (Mitte 3. Jh. v. Chr.): διὰ ταύτην | οὖν τὴν αἰτίαν οὐθεὶς παρ᾽ ἐμοῦ φακῆν ἀγοράζι (l. ἀγοράζει) | ἐν τῶι νῦν καιρῶι. Der Kontext von P.Col. IV 98,6 (Mitte 3. Jh. v. Chr.) ist nur fragmentarisch erhalten.
Zum Begriff περίσσευμα („Überfluss, Überschuss“) gibt es bisher keine papyrologischen Belege. Das Substantiv ὑστέρημα („Mangel“) ist in den dokumentarischen Papyri bisher nur dreimal belegt und kann – je nach Kontext – eine unterschiedliche Bedeutung aufweisen (eine zeitliche Verzögerung, ein Mangel an Pflege für heilige Tiere, ein Erntedefizit).851 Gemeinsam ist den Beispielen, dass ὑστέρημα als etwas erlebt wird, das tunlichst vermieden werden sollte oder – wenn vorhanden – eines Ausgleichs bedarf (so auch an der vorliegenden Stelle sowie in 9,12 und 11,9). 8,115 καθὼς γέγραπται – Wendungen mit der Form γέγραπται dienen auch in den dokumentarischen Papyri dazu, auf etwas Geschriebenes zu verweisen und damit die Verbindlichkeit des Gesagten zu betonen. In den Papyri geht es um den Bezug auf Vereinbarungen, die in einem Vertrag weiter oben bereits festgelegt wurden.852 849
Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. In SB XIV 11651,8 (232–233 n. Chr.?) findet sich der Ausdruck κατ᾽ ἰσότητα, doch ist aufgrund der Lückenhaftigkeit des Papyrus nicht mehr zu erschließen, worauf damit Bezug genommen wird. 851 Vgl. R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 519–520. 852 Siehe dazu mit Belegen P. Arzt-Grabner in ders./Kritzer u. a., 1. Korinther 85. 850
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Einzelheiten: 2Kor 8,13–20
421
‹ 4,15
, καὶ ὁ τὸ ὀλίγον οὐκ ἠλαττόνησεν – Die wenigen papyrologischen Belege für ἐλαττονέω853 sind zeitlich weit gestreut und sprechen von einem „Weniger-Haben“ an diversen Dingen oder ihrem „Fehlen“:
ὁ τὸ πολὺ οὐκ ἐπλεόνασεν
In der Petition P.Enteux. 34 (218 v. Chr.) beschweren sich z. B. drei Männer über eine unvollständige Weinlieferung – Z. 9: εὑρίσκομεν ἀ[πὸ] τ[ο]ῦ πλήθους ἐλαττονοῦντα κεράμια (ἑξάχοα) ς | (πεντάχοα) η („wir entdecken, dass von der [sc. bestellten] Menge sechs Krüge zu je sechs Chus854 und acht zu je fünf Chus fehlen“).855
8,116 χάρις ‹ 1,15 δὲ τῷ θεῷ τῷ δόντι τὴν αὐτὴν σπουδὴν ‹ 7,11 ὑπὲρ ὑμῶν ἐν τῇ καρδίᾳ ‹ 1,22 Τίτου ‹ 2,13. ἐδέξατο ‹ 6,1, σπουδαιότερος ‹ S. 405 δὲ ἐξῆλθεν ‹ 2,13 πρὸς ὑμᾶς – Zu ἐξῆλθεν als Aorist
8,117 ὅτι τὴν μὲν παράκλησιν ὑπάρχων αὐθαίρετος
‹ S. 406
‹ 8,4
des Briefstils siehe S. 172. δὲ μετ᾽ αὐτοῦ τὸν ἀδελφὸν ‹ 1,1 οὗ ὁ ἐν τῷ εὐαγγελίῳ διὰ πασῶν τῶν ἐκκλησιῶν ‹ 1,1, οὐ μόνον ἔπαινος ‹ S. 408 ὑπὸ τῶν ἐκκλησιῶν ‹ 1,1 συνέκδημος ‹ S. 409 δὲ, ἀλλὰ καὶ χειροτονηθεὶς ‹ 1,2 ἡμῶν σὺν τῇ χάριτι ταύτῃ τῇ διακονουμένῃ ‹ S. 259 ὑφ᾽ ἡμῶν πρὸς τὴν ‹ 1,2 [αὐτοῦ] τοῦ κυρίου δόξαν ‹ 1,20 καὶ προθυμίαν ‹ 8,11 ἡμῶν.
8,118–119 συνεπέμψαμεν ‹ S. 408
‹ S. 407
‹ 2,12
8,220 στελλόμενοι τοῦτο – Wie die Partizipialkonstruktion στελλόμενοι τοῦτο zu verstehen ist, wurde bereits viel diskutiert.856 Die gängigste Übersetzung des Verbs lautet „(zu) vermeiden (suchen)“, doch wird bisweilen auch seiner Grundbedeutung („bereit machen, rüsten, schicken“) mehr Platz eingeräumt.857 In den dokumentarischen Papyri stößt man, was στέλλω858 betrifft, auf unerwartet wenige Belege. Bis ins 2. Jh. n. Chr. hinein wird das Verb außerdem ausschließlich transitiv gebraucht, wobei der Erhaltungszustand der Texte großteils zu wünschen übrig lässt.859 Für die in dem Fall für den Vergleich mit
853
Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. Ein Chus (χοῦς) fasste ca. 3,28 Liter. 855 In Z. 14 wird die Anzahl der „fehlenden Krüge“ noch einmal zusammengefasst. – Um ausbleibende Gehaltszahlungen geht es in BGU IV 1195,19 (nach 12–11 v. Chr.), um einen (zu vermeidenden) Mangel an Archonten hingegen in P.Oxy. XXIV 2407, Verso 54 (spätes 3. Jh. n. Chr.). 856 Zur sprachlichen Reflexion und zu Vergleichsstellen aus der griechischen Literatur siehe insbesondere Meyer, 2Kor 205–206; Lietzmann, Kor 137; Furnish, 2Cor 423; Betz, 2Kor 143. 857 Vgl. etwa Rengstorf, στέλλω 590: „indem ich mich darauf einstelle bzw. darauf rüste …“, sowie Furnish, 2Cor 420 bzw. 423: „we are taking this action“. 858 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 859 Letzteres trifft auch noch auf manch späteren Beleg zu. – Allgemein für Belege zum transitiven στέλλω und seine Bedeutungen siehe Preisigke, Wörterbuch s. v. στέλλω. 854
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
Paulus relevante mediale Verwendung („sich anschicken, bereit machen“) lässt sich folgender Beleg anführen: In P.Harrauer 35 (ca. 250 n. Chr.) geht es innerhalb eines Briefes darum, dass sich ein gewisser Dios „für eine Festversammlung bereit macht“ – Kol. II 12: ἐ̣πὶ πανήγ̣υ̣ ρ̣ ιν στέλλεσθαι.
In vier Belegen aus dem Jahr 348 n. Chr. beschreibt στέλλομαι das „Aufbrechen“ von einem Ort860 – eine Bedeutung, die aber auch schon etwa zwei Jahrhunderte früher, allerdings in passiver Form begegnet: So schreibt z. B. in P.Flor. III 332,3–4 (ca. 114–119 n. Chr.) eine Eudaimonis an ihren Sohn: οὐ λανθάνει σε ὅτι δίμηνος σήμε|ρον ἐστάλην τὸν ἄτακτον Δισκᾶν („es wird dir nicht entgangen sein, dass ich heute vor zwei Monaten zum unbotmäßigen Diskas861 aufgebrochen bin862“).863
Das papyrologische Vergleichsmaterial unterstützt jedenfalls die Bevorzugung der oben präsentierten, selteneren Übersetzungsvariante „sich bereit machen“. μή τις ἡμᾶς μωμήσηται ‹ 6,3 ἐν τῇ ἁδρότητι ταύτῃ τῇ διακονουμένῃ ‹ S. 259 ὑφ᾽ ἡμῶν – Der Begriff ἁδρότης („Stärke, Kraft; Überfluss“) ist in den dokumen-
tarischen Papyri bisher nicht bezeugt. 8,221 προνοοῦμεν γὰρ καλὰ οὐ μόνον ἐνώπιον ‹ 4,2 κυρίου ‹ 1,2 ἀλλὰ καὶ ἐνώπιον ἀνθρώπων – Das Verb προνοέω bzw. προνοέομαι864 („vorher bemerken/bedenken, vorsorgen, Sorge tragen“) wird in den Papyri zumeist im Rahmen eines Ersuchens eines Petenten oder als Bestandteil eines Befehls einer höheren Instanz an einen Untergebenen verwendet. So heißt es beispielsweise gegen Ende von P.Münch. III 51 (vor 27. Januar 134 v. Chr.) vonseiten des Petenten – Z. 24–30: δέομαι ὑμ̣ [ῶν] | εἰ δοκεῖ προστάξαι χρηματίσαι μ̣ [ου] | τὴν ἔντευξιν ἐπὶ Πολέμαρχ̣ [ον] | τὸν στρατηγόν, ὅπως μεταπ̣ [εμ]|ψάμενος αὐτούς, ἐὰν ᾖ οἷα γράφω, | προνοηθῆι, ὡς τεύξομαι τ̣ῶ̣ ν̣ | δικαίων („ich bitte euch, wenn ihr es für gut befindet, meine Eingabe Polemarchos, dem Strategen, zu übermitteln, damit er, wenn es sich verhält, wie ich schreibe, sie [d. h. die Beschuldigten] vorlädt und dafür Sorge trägt, dass ich Recht bekomme“).865 Ein aus einer derartigen Enteuxis resultierender, an seinen Stellvertreter ergehender Auftrag
860
P.Ammon I 5,5–6; 9,2–3; 12,11; 13,17–18 (alle 348 n. Chr.). Es handelt sich um den Bruder der Adressatin. G. Vitelli bemerkt zudem (in P.Flor. III S. 67): „Dopo ἐστάλην avevo supposto mancasse una preposizione εἰς (πρὸς Wilcken).“ 862 Preisigke, Wörterbuch s. v. δίμηνος, übersetzt „wurde ich abgesandt“ – beachte aber den Eintrag bei LSJ s. v. στέλλω II.: „Med. and Pass., set out, or (esp. in aor. 2 Pass.) journey“. 863 Vgl. weiters P.Phil. 33,12–13 (1. Jh. n. Chr.?) sowie P.Harr. II 235,8–9 (3.–4. Jh. n. Chr.), wo στάλῃ allerdings mit „stia pronta“ übersetzt wird. 864 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 865 Weitere ähnliche Beispiele sind P.Polit.Jud. 6,25–30 (vor 16. März 134 v. Chr.), PSI III 166,31–36 (vor 30. August 118 v. Chr.) oder BGU VIII 1849,20–24 mit BL III 24 (ca. 47 v. Chr.). 861
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Einzelheiten: 2Kor 8,20–21
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eines Strategen lautet in UPZ I 7,23 (163 v. Chr.) kurz und bündig: προνοήθητι ὡς
τεύξεται | τῶν δικαίων („sorge dafür, dass er Recht erlangt!“).866
In einem Brief Kaiser Trajans an die Alexandriner spricht dieser von einer Weisung an den Präfekten: So habe er die Bevölkerung von Alexandria nicht nur sich selbst, sondern auch jenem anvertraut, „auf dass er sich mit aller Sorgfalt um euren sicheren Frieden kümmert“ – P.Oxy. XLII 3022,13–14 (98 n. Chr.): ἵνα μετὰ πάσης φροντίδος προνοῇ | ὑμῶν τῆς εὐσταθοῦς εἰρήνης.
Auch im privaten Briefverkehr begegnet προνοέω innerhalb von Aufträgen oder Aufforderungen: In P.Haun. II 28,6–11 (31 n. Chr.) heißt es z. B.: [πα]|ρακαλῶ σε μεγάλως εἵνα προν[οή]|σεις (l. προνοήσῃς) σεατοῦ εἵνα ὑγιαίνεις (l. ὑγιαίνῃς) καὶ ἔ̣[ν]|τειλαι Πάσειτει καὶ Ἀπολλῶτει εἵν[α] | {εινα} προνοήσωσειν τῶν ἔργων [καὶ] | μὴ ἀμελήσωσειν („ich bitte dich inständig, auf dich selbst zu schauen, damit du gesund bist, und trag dem Paseis und dem Apollos auf, dass sie sich um die Arbeiten kümmern und dabei nicht nachlässig sind“).867
Nur vereinzelt spricht jemand davon, dass er selbst in einer Sache Vorkehrungen treffen werde: Unter Eid versprechen in P.Vind.Tand. 10, Kol. III (54 n. Chr.) zwei Personen, ihre Aufgabe als Vorsteher der Bauern ordentlich und pflichtgemäß zu verrichten; u. a. wollen sie „dafür sorgen, dass nichts auf den Gütern vernachlässigt wird“ – Z. 45–47 ̣ ν.868 mit BL VIII 505: πρ[ονοή]|σειν̣ ὅπως μηδὲν ἀμελη[θῇ τῶν] | οὐ̣ σ̣ ιῶ
Wertet man diesen Befund für die vorliegende Stelle bei Paulus aus, so darf man annehmen, dass dieser sich bei der Handhabung der Kollekte jemandem verpflichtet fühlt. Wahrscheinlich empfindet er sein diesbezügliches Engagement als Auftrag, wobei der Herr sowie die Gemeinden als Auftraggeber fungieren, Paulus selbst aber als untergebener „Dienstnehmer“ (beachte die passive Form von διακονέω in V. 19 und 20). Diese Deutung entspricht auch insgesamt der ganzen Art, wie Paulus über die Kollekte schreibt (beachte außerdem Gal 2,10, wonach sich Paulus auf dem Apostelkonvent in Jerusalem dazu verpflichtet hatte, „der Armen zu gedenken“, also – zumindest indirekt – die Kollekte versprochen hatte). 866 Vgl. auch P.Heid. IX 424,8.17; 434,6; 435,9 (alle 161–155 v. Chr.); XI 453,7 (24. Januar 159 v. Chr.?); IX 423,21 (7. Juni 158 v. Chr.); 425,8.14–15 (ca. 7. Juni 158 v. Chr.); 426,6–7 (30. Mai – 28. Juni 158 v. Chr.?); 438,14 (157–156 v. Chr.); P.Dion. 11,38–42 (vor 12. Oktober 108 v. Chr.); P.Berl.Cohen 13,5 (ca. Mai – Juni 129 n. Chr.). 867 Weitere Beispiele aus dem 1. Jh. n. Chr. sind P.NYU II 18,12 (19. Februar 6 n. Chr.); O.Berenike II 198,6–7 (ca. 50–75 n. Chr.); P.Bon. 43,3–4 (1. Jh. n. Chr.). 868 Vgl. weiters (jedoch lückenhaft) SB XVIII 13763,5–6 (111 n. Chr.). Mit προνοῶν oder auch προνοούμενος wird – ähnlich dem προνοητής (vgl. dazu Preisigke, Fachwörter s. v. προνοητής) – vereinzelt ein Sachwalter oder geschäftlicher Vetreter bezeichnet (z. B. P.Ryl. IV 600,1–2 [8 v. Chr.]; P.Mich. XI 620,5 [nach 26. Januar 240 n. Chr.]).
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
δὲ αὐτοῖς τὸν ἀδελφὸν ‹ 1,1 ἡμῶν ὃν ἐδοκιμάσαμεν ἐν πολλοῖς πολλάκις σπουδαῖον ‹ S. 405 ὄντα, νυνὶ δὲ πολὺ σπουδαιότερον πεποιθήσει ‹ 1,15 πολλῇ τῇ εἰς ὑμᾶς.
8,222 συνεπέμψαμεν
‹ S. 407
‹ S. 409
ἐμὸς καὶ εἰς ὑμᾶς συνεργός ‹ 1,24· ἡμῶν, ἀπόστολοι ἐκκλησιῶν ‹ 1,1, δόξα ‹ 1,20 Χριστοῦ ‹ 1,1 εἴτε ἀδελφοὶ – Hier kommt den Brüdern das Ehrenprädikat δόξα Χριστοῦ („Ruhm
8,223 εἴτε ὑπὲρ Τίτου ‹ 1,1
‹ 2,13
, κοινωνὸς
‹ 1,7
‹ 1,1
Christi“) zu. Eine vergleichbare Würdigung eines Menschen begegnet in einem Papyrus aus dem frühen 4. Jh. n. Chr.: In P.Oxy. I 41,4 wird ein Prytane als δόξα πόλεω[ς] („Ruhm der Stadt“) bezeichnet.
Dieser spärliche Papyrusbefund passt gut zu δόξα-Prädikationen in einigen Inschriften, die auch zeitlich für die vorliegende Stelle bedeutend relevanter sind und aufgrund derer J. R. Harrison den Ausdruck δόξα Χριστοῦ im Sinne eines Ehrenprädikats deutet.869 8,224 τὴν οὖν ἔνδειξιν τῆς ἀγάπης ‹ 2,4 ὑμῶν καὶ ἡμῶν καυχήσεως ‹ 1,12 ὑπὲρ ὑμῶν εἰς αὐτοὺς ἐνδεικνύμενοι εἰς πρόσωπον ‹ 1,11 τῶν ἐκκλησιῶν ‹ 1,1 – Für die Verwendung eines Partizips als Imperativ (an der vorliegenden Stelle geht es um ἐνδεικνύμενοι) hat James H. Moulton einige Beispiele aus den Papyri beigebracht:870 In UPZ I 110,18–19 (21. September 164 v. Chr.) und P.Tebt. I 12,12–13 (4. September 118 v. Chr.) findet sich jeweils unmittelbar vor dem Schlussgruß an Stelle der gut bezeugten imperativischen Wendung ἐπιμέλου σεαυτοῦ ἵν᾽ ὑγιαίνῃς („sorg dich um dich, damit du gesund bleibst“) die Partizipialkonstruktion ἐπιμελόμενος σεαυτοῦ ἵν᾽ ὑγιαίνῃς (in SB XX 14728,19–20 [29. Juni 103 v. Chr.] und 14731,7–8 [25. September 102 v. Chr.] begegnet der Plural).871 In der ntl. Exegese wurden Moultons Beispiele als solche fast ausnahmslos abgelehnt und vielmehr als Anakoluthe oder als abhängig von einem finiten Verb872 oder einem Imperativ im Kontext erklärt (vor allem dem Schlussgruß ἔρρωσο, was sich dann übersetzen lässt als „dich um dich sorgend, damit du gesund bleibst, sei wohlauf!“).873
869
Siehe Harrison, Brothers. Siehe Moulton, Grammar I 223; die Belege werden im folgenden Absatz entsprechend den nunmehr aktuellen Editionen angegeben. 871 Weitere Beispiele, die Moulton, Grammar I 223, nennt, sind P.Tebt. I 59,9–10 (25. Oktober 99 v. Chr.) und P.Fay. 112,12–13 (21. Mai 99 n. Chr.). 872 So deutlich in BGU XVI 2600,17–19 (4. August 13 v. Chr.): [παρὰ] πάντα δὲ χαριῇ σεατοῦ | ἐπιμε[λούμ(ενος) ἵν᾽ ὑ]γιαίνῃς ὅ ἐστιν ἡμεῖν | εὐκτότ[ατον] („auf alle Fälle aber wirst du [uns] einen Gefallen erweisen, wenn du dich darum sorgst, dass du gesund bleibst, was für uns am wünschenswertesten ist“). 873 Siehe dazu Verbrugge, Paul’s Style 254–256.281–283 (und zur Interpretation von ἐνδεικνύμενοι an der vorliegenden Paulusstelle S. 256–258.283–285). – Beachte aber Robertson, Grammar 945: „On the whole, therefore, we must admit that there is no reason per se why the N. 870
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Einzelheiten: 2Kor 8,22–24
425
Auf die vorliegende Paulusstelle lassen sich solche Deutungen nicht recht anwenden, es sei denn, man geht hier tatsächlich von einem Anakoluth aus, wogegen aber die relativ gut durchschaubare Struktur von V. 23–24 spricht. Verlyn D. Verbrugge meint dazu abschließend: „Paul uses a construction here that is at best just beginning to function as an imperative, and one that is less direct and has less force than the use of the simple imperative, so readily at his disposal.“874 Das Wort ἔνδειξις875 ist bisher erst in einem Beleg aus der Zeit um 325 n. Chr. bezeugt (SB XII 10989, Kol. II 3), wo es im juristischen Sprachgebrauch eine „Anzeige“ oder „Denunziation“ bezeichnet. Beim Gebrauch des zu obigem Substantiv gehörenden Verbs ἐνδείκνυμι876 lässt sich eine genaue Trennlinie zwischen Belegen aus ptolemäischer und römischer Zeit vornehmen: Erstere stammen zumeist aus Petitionen oder Prozessprotokollen; dabei geht es darum, einen Sachverhalt als dem Gesagten gemäß richtig „nachzuweisen“: Des Öfteren stößt man dabei auf eine Wendung wie die folgende – P.Enteux. 74,16 (221 v. Chr.): ἐὰν ἐνδείξωμαι τὰ διὰ τῆς ἐντεύξεως ὄντ[α] ἀληθῆ („wenn ich beweisen kann, dass das, was in der Petition steht, wahr ist“). Diese folgt im Text unmittelbar auf die Bitte um Weitersendung der Eingabe und -verfolgung des Falles. Der Petent von P.Enteux. 38 (221 v. Chr.) hat geliehene Kleider nicht zurückbekommen; er ersucht den König darum, den Strategen sowie den Polizeioberst zu veranlassen, „darüber Untersuchungen anzustellen und, wenn ich den Beweis erbringe, dass ich ihm den Mantel und den Rock, eingewickelt in ein Tuch, gegeben habe, ihn (d. h. den Übeltäter) zu zwingen, mir zurückzugeben“ – Z. 9–10: ἐπισκέψασθαι περὶ τούτων καί, ἐὰν ἐνδειξώμεθα δεδο̣ κότες (l. δεδωκότες) αὐ[τ]ῶι τὸ ἱμάτιον καὶ [τὸν] | χιτῶνα ἐν τῶι χειρωμάκτρωι, ἐπαναγκάσαι αὐτὸν ἀπ[οδοῦν]αι ἡμῖν.
Erst ab dem 2. Jh. n. Chr. beschreibt ἐνδείκνυμι sozusagen eine in positiver Absicht erfolgte Handlung, genauer das „Entgegenbringen“ oder „Deutlichmachen“ von Gefühlen wie Wertschätzung, Verständnis oder Zuneigung: So gehört z. B. zu den Erben eines gewissen Akusilaos in P.Oxy. III 494 (165 n. Chr.) dessen Frau, die er als „mir wohlgesonnen und mir jedes Vertrauen entgegenbringend“ bezeichnet – Z. 9: εὐνοούσῃ μοι καὶ πᾶσαν πίστιν μοι ἐνδεικνυμένῃ.877
T. writers should not use the participle in lieu of the imperative. It is, of course, a loose construction, as ellipsis is and anacoluthon is, but it is not the mark of an uneducated person.“ 874 Verbrugge, Paul’s Style 258. 875 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 876 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 877 Vgl. weiters etwa P.Oxy. IV 705,32 (nach 202 n. Chr.); P.Grenf. II 70,8 (287 n. Chr.); P.Panop.Beatty 2,47 (28. Januar 300 n. Chr.). Siehe dazu auch Betz, 2. Korinther 154–155.
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
Die vorliegende figura etymologica von Substantiv und Verb (τὴν ἔνδειξιν ἐνδεικνύμενοι)878 vereint gleichsam beide Verwendungsweisen, wie sie in den Papyri zutage treten, in sich: einerseits geht es um das „Erbringen“ eines Beweises, um bestimmte Personen – wie in den dargestellten Petitionen beabsichtigt – nicht uneigennützig zu deren Einsatz zu motivieren, andererseits besteht dieser Beweis in Zuneigung und eigenem Engagement und ist – wie in den Belegen der zweiten Gruppe – auf das Wohlergehen anderer ausgerichtet. 9,11 περὶ μὲν γὰρ τῆς διακονίας ‹ S. 259 τῆς εἰς τοὺς ἁγίους ‹ 1,1 περισσόν μοί ἐστιν τὸ γράφειν ὑμῖν – Eine besonders deutliche Parallele zur gesamten Ausdrucksweise dieses Verses findet sich in P.Oxy. VII 1070,12–21 (3. Jh. n. Chr.; siehe dazu oben S. 87–89). Weitere Beispiele aus Papyrusbriefen belegen diese Verwendung von περισσόν bzw. περιττόν: P.Berl.Möller 10, Verso 3–5 (3. Jh. n. Chr.): τὸ γράφειν σοι εἰδότι μᾶλλο(ν) | ἐμοῦ ἑκάστου ἔργου τὸν και|ρὸν περιττὸν ἡγοῦμαι („dir zu schreiben, der du besser als ich den geeigneten Zeitpunkt für jede Arbeit kennst, halte ich für überflüssig“); anschließend erfolgen dann aber doch Anweisungen und Ratschläge. Ähnliches gilt für P.Brem. 2,4–10 (119 n. Chr.?); CPR VI 80,3–6 (2. Jh. n. Chr.); PSI XIII 1333,20– 21 (3. Jh. n. Chr.).879
Allen Beispielen ist gemeinsam, dass die als überflüssig charakterisierten Beschreibungen oder Anweisungen gleich anschließend oder im weiteren Verlauf des Briefes dann doch – teilweise sogar detailliert – geliefert werden (hier bei Paulus spätestens ab V. 6). Der Hinweis auf die Überflüssigkeit erweist sich somit als Formel, die auf höfliche Art die Wichtigkeit des Folgenden herausstellt.880 9,22 οἶδα γὰρ τὴν προθυμίαν ‹ 8,11 ὑμῶν ἣν ὑπὲρ ὑμῶν καυχῶμαι ‹ 5,12 Μακεδόσιν – Die Einleitung mit οἶδα an dieser Stelle stellt eine weniger oft verwen-
878
Siehe dazu ausführlich Harris, 2Cor 612. Umgekehrt schreibt ein Epistratege an den Strategen des Oxyrhynchites, dass er es – obwohl diesem die Namen von Delegierten ohnehin aus den Tagesaufzeichnungen ersichtlich wären – nicht für überflüssig hält, ihm dies auch per Brief mitzuteilen – P.Oxy. XLII 3025,10–11 (17. Juli 118 n. Chr.): οὐ περισσὸν ἡγησάμην τὸ καὶ διὰ | τῆς ἐπιστολῆς αὐτὰ ποιῆσαι φανερά. ̣ ην κ̣ αὶ πε|ριτ̣Anders P.Sorb. III 138,4–8 (ca. 220 v. Chr.): ἀκούσας οὖν τὰ περὶ | τὸν Ἡρ̣ α̣ κλε̣ίδ ̣ νοίαι ὅτι ἦσαν̣ [ . .] | . . . . .ημένοι („als ich also die Angelegenheiten τ̣ὸ̣ ν ἐχάρην π̣ ᾶς τῆ | δ̣ ια über Herakleides hörte, freute ich mich über die Maßen und ganz mit meinem Geist, dass sie … waren“). 880 Davon sind jene Belege für περισσόν deutlich zu unterscheiden, wo ein Briefsender – sichtlich genervt – feststellt, dass er etwas eigentlich in überflüssiger Weise schreibe, weil er es ja schon so oft geschrieben habe, dass der Adressat es längst wissen müsste (so z. B. P.Fay. 111,11–14 [95 n. Chr.]). Oder ein Briefsender weist seinen Adressaten darauf hin, dass es überflüssig sei, immer wieder auf dieselbe Sache aufmerksam gemacht zu werden; er habe es längst kapiert (so P.Fay. 117,22–24 [108 n. Chr.]). 879
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Einzelheiten: 2Kor 8,24–9,2
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dete Variante der vielen disclosure formulae dar, die mit diesem Verb gebildet werden (siehe dazu S. 196). Von Makedonen ist in den Papyri relativ oft die Rede, was wohl darauf zurückzuführen ist, dass nach dem Alexanderzug viele Makedonen in Ägypten verblieben sind. Einige Beispiele in zeitlicher Nähe zu Paulus sind SB XVI 12524,2 (6. Juli 17 v. Chr. oder 6. Juli 27 n. Chr.); BGU IV 1132,3 (nach 24. Juni 14 v. Chr.); CPR I 224,3.4 (27. April 6 n. Chr.); P.Köln V 227, Rekto B 7.12.16.23 (12–13 n. Chr.); O.Stras. 262,3 (19. Juli 26 n. Chr.); 263,2 (19. Juli 29 n. Chr.); P.Mich. V 259,2.21 (4. April 33 n. Chr.); 267/268,1 (Januar – August 41 oder 41–42 n. Chr.); 273,1 (22. Mai 46 n. Chr.; Duplikat PSI VIII 906,1 [45–46 n. Chr.]); SB XX 14128,3.4.7.8.9.10.11 (1. Hälfte 1. Jh. n. Chr.). ‹ 8,10
– Die Provinz Achaia wird in P.Mich. VIII 501,18 (2. Jh. n. Chr.) als Abschnitt einer Reise erwähnt.881 Für παρασκευάζω finden sich in den dokumentarischen Papyri einige Beispiele im Sinne offizieller Vorbereitungen für den Besuch des Kaisers (vgl. SB XIV 11651,2–4; XXIV 15936,5–15 [beide 232–233 n. Chr.] für Severus Alexander) oder eines hohen Beamten882.
ὅτι Ἀχαΐα παρεσκεύασται ἀπὸ πέρυσι
Ein gewisser Asinnius Secundus bringt im Brief P.Brem. 56 Anhang (S. 130) (113– 120 n. Chr.) seine Besorgnis um den Adressaten Apollonios883 zum Ausdruck, der wegen eines Fußleidens den angekündigten Besuch hatte absagen müssen. Deshalb lässt ihm Asinnius nun einige von den Köstlichkeiten zukommen, die für das gemeinsame Mahl vorbereitet worden waren – Z. 13–17: ἐκ τῶν | παρασκευασθέντων ἡμῖν πρὸς τὸ δ̣ [εῖ]|πνον κατάχρησαι, ἄδελφε, τοῖς ⟦μετε⟧ | μεριδίοις σου ἡμικόπῳ δέλφακ`ος´ | καὶ ὄρνεισι (l. ὄρνισι) [δ]υσὶ καὶ περιστεραῖς δυσί („von dem, was uns für das Mahl vorbereitet worden ist, verbrauche, Bruder, deinen kleinen Anteil884 eines halben Ferkels und zwei Hühner und zwei Tauben“).
Die Vergleichbarkeit mit der vorliegenden Paulusstelle besteht darin, dass auch hier dieses Bereitsein Achaias im Hinblick auf den bevorstehenden Besuch der Gesandten und schließlich des Paulus selbst ausgesagt wird. Zwar geht es hier nicht darum, dass für diesen Besuch Speisen, Unterkunft, Transportmittel u. Ä. bereitgestellt werden sollen, damit der Besuch stattfinden und gelingen kann, aber die Geldsammlung sollte weitestgehend oder sogar zur Gänze abgeschlossen sein, weil genau dies die Voraussetzung dafür darstellt, dass der bevorstehende Besuch seinen Zweck erfüllen kann, nämlich die Abholung 881
Vgl. P. Arzt-Grabner in ders./Kritzer u. a., 1. Korinther 510. Zwei Belege für das 3. Jh. v. Chr. bei P. Arzt-Grabner in ders./Kritzer u. a., 1. Korinther 452. 883 U. Wilcken (in P.Brem. S. 128) identifiziert den hier genannten Apollonios nicht mit dem Strategen von Heptakomia, obwohl dieser Papyrus zu dessen Archiv gehört. 884 U. Wilcken bemerkt treffend in P.Brem. S. 131: „Und nun möge er zugreifen zu seinem ‚Portiönchen‘ (μεριδίοις), wie er nicht ohne Humor sagt, das er ihm von den Zurüstungen zum Abendessen schicke“. 882
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
einer ansprechenden Kollekte und deren anschließende Überführung nach Jerusalem. καὶ τὸ ὑμῶν ζῆλος ‹ 7,7 ἠρέθισεν τοὺς πλείονας – Das Verb ἐρεθίζω („reizen,
anspornen“) ist in den Papyri bisher nicht sicher belegt; auf dem Ostrakon O.Krok. I 59 (ca. 109 n. Chr.?), das vermutlich Abschriften von amtlichen Briefen enthält, ist vielleicht in Z. 12 die Form ἐ[ρεθ]ε̣ιζωμ̣ έ̣νη zu ergänzen, die aber aufgrund des lückenhaften Kontextes nicht näher gedeutet werden kann. 9,33 ἔπεμψα δὲ τοὺς ἀδελφούς ‹ 1,1 – Beispiele für ἔπεμψα als Aorist des Briefstils beziehen sich, soweit feststellbar, stets auf die Briefüberbringer oder auf mit dem Brief mitgeschickte Waren;885 zeitgenössische Beispiele für Briefüberbringer sind etwa BGU I 37,3 (12. September 50 n. Chr.) und SB XXIV 15988,3 (67–74 n. Chr.;886 siehe weitere Beispiele oben S. 171–177). ἵνα μὴ τὸ καύχημα ‹ 1,14 ἡμῶν τὸ ὑπὲρ ὑμῶν κενωθῇ ἐν τῷ μέρει τούτῳ ‹ 3,10, ἵνα καθὼς ἔλεγον παρεσκευασμένοι ‹ 9,2 ἦτε – Das Verb κενόω wird in den
dokumentarischen Papyri für das Ausleeren von Gefäßen und Behältern oder für das Ausladen von Gütern aus Transportmitteln verwendet887. Der bei Paulus begegnende übertragene Sinn „wertlos“ oder „nichtig machen“ ist papyrologisch bisher nicht bezeugt. 9,44 μή πως ἐὰν ἔλθωσιν σὺν ἐμοὶ Μακεδόνες ‹ 9,2 καὶ εὕρωσιν ‹ 2,13; 5,3 ὑμᾶς ἀπαρασκευάστους καταισχυνθῶμεν ‹ 7,14 ἡμεῖς, ἵνα μὴ λέγω ὑμεῖς, ἐν τῇ ὑποστάσει ταύτῃ – Mit der Verwendung des Verbs εὑρίσκω an der vorliegenden Stelle ist vor allem P.Cair.Zen. III 59516,30–31 (Mitte 3. Jh. v. Chr.) zu vergleichen (siehe ausführlicher oben bei 5,3). Zu ἀπαρασκεύαστος („unvorbereitet“) gibt es bisher keine papyrologischen Belege. Von den Belegen zu ὑπόστασις stammt die überwiegende Anzahl aus byzantinischer Zeit. Belege aus dem für den Vergleich mit Paulus relevanten Zeitrahmen haben mit wirtschaftlichen Belangen zu tun, wobei ὑπόστασις in zwei speziellen Bedeutungen verwendet wird: zum einen – besonders in ptolemäischer Zeit – bezeichnet es ein „(Pacht- oder Kauf-)Angebot“888, zum anderen einen „Bestand“ oder ein „Grundkapital“ (sowohl an Geld als auch an Sachwerten wie z. B. Land)889. Die – gewissermaßen übertragene – Bedeutung
885
Vgl. Koskenniemi, Studien 193–194. Zu diesem Brief siehe auch Doering, Letters 82–83. 887 Vgl. F. Winter und P. Arzt-Grabner in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 79 (mit Belegen). 888 Vgl. z. B. P.Tebt. I 61 (b),194 (117 v. Chr.) oder P.Corn. 50,6 (1. Jh. n. Chr.). 889 Vgl. z. B. P.Oxy. II 237, Kol. IV 38–39 (nach 27. Juni 186 n. Chr.); Pap.Lugd.Bat. XXX 3,86 (spätes 1./frühes 2. Jh. n. Chr.); P.Oxy. LXX 4775,18 (26. April – 25. Mai 223 n. Chr.). Diese Bedeutung ist auch in den späteren, byzantinischen Belegen die maßgebliche. 886
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Einzelheiten: 2Kor 9,2–5
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„Vorsatz, Absicht, Plan; Annahme, Zuversicht“ ist innerhalb der Papyri bisher nicht bezeugt. 9,55 ἀναγκαῖον οὖν ἡγησάμην παρακαλέσαι ‹ 2,8 τοὺς ἀδελφοὺς ‹ 1,1 – Mit ἀναγκαῖον οὖν ἡγησάμην („ich hielt es also für notwendig“) tritt Paulus in seiner Rolle als Autor direkt in Erscheinung und stellt seine persönliche Überzeugung als wesentlich heraus. Denselben Zweck hat die Wendung ἀναγκαῖον ἡγέομαι890 auch in den Papyri891, wann immer der Sprecher näher erklären will, warum er eine bestimmte Aktion gesetzt hat. Dies ist freilich hauptsächlich in Briefen (sowohl privater als auch amtlicher Natur) der Fall, die wiederum verschiedenste Zwecke verfolgen892: So schreibt z. B. Germanicus in einem Edikt, bevor er die Beschlagnahmung von (für seine Reise benötigten) Booten und Lasttieren, von der er gehört hat, verbietet – SB I 3924,10–11 (19 n. Chr.): ἀναγκαῖον ἡγησάμην δη|λῶσαι κτλ. („ich hielt es für notwendig, [das Beschriebene] klarzumachen …“). Den Brief des Claudius an die Alexandriner zur Judenfrage „öffentlich auszuhängen“ (ἐκθεῖναι), hielt hingegen der Präfekt L. Aemilius Rectus für unabdingbar (vgl. P.Lond. VI 1912,6–7 [10. November 41 n. Chr.]), während es der Absender von SB XII 11127 (2. Dezember 88 n. Chr.) als unbedingt notwendig erachtet, wie er betont, seinen Freund und Adressaten „schriftlich vor allem zu grüßen“ – Z. 3–4: διὰ γρα|πτοῦ πρ̣ ὸ πάντων ἀσπάσασθαί σε.893
ἵνα προέλθωσιν εἰς ὑμᾶς – Das Verb προέρχομαι894 begegnet innerhalb der
Papyri hauptsächlich in Petitionen, worin es das (symbolische) „Vortreten“ vor eine höhere Instanz oder das „Vorgehen“ gegen einen Widersacher beschreibt.895 Weitere Bedeutungen sind das (reale) „Hervortreten“ aus einem Gebäude oder auf einen Platz896 sowie das, den temporalen Aspekt betonende, „Vorher/Früher-Kommen“ (als jemand anderer), wie es auch bei Paulus 890
Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. Allgemein zum Verb ἡγέομαι und seinen beiden Bedeutungsvarianten (1. „führen, anführen“, 2. „glauben, halten für“) in den Papyri siehe Preisigke, Wörterbuch s. v. ἡγέομαι. 892 Hierbei handelt es sich wohl um eine „Offenbarungsinformation“ (engl. „disclosing information“), wie sie des Öfteren in antiken Briefformularen (in diversen Varianten) begegnet. – Näheres dazu bei White, Form and Function 11–15; ders., Letter Tradition 97–100. 893 Vgl. weiters etwa (in privaten Briefen): BGU XVI 2649,3–4 (6 v. Chr.?); 2659,4–5 (ca. 21 v.–5 n. Chr.); O.Berenike II 129,1; 198,3–4 (beide ca. 50–75 n. Chr.); P.Köln VI 278,3–4 (1. Jh. n. Chr.); P.Fay. 111,19 mit BL VI 37 (13. September 95 n. Chr.?; darauf hat bereits Betz, 2. Korinther 174 Anm. 44 verwiesen); vgl. ferner P.Tebt. III.1 734,14–15 (141–139 v. Chr.; Bericht an den Epimeletes); SB XIV 12144,2 (198–199 n. Chr.; Epistula des Präfekten); 11863,45–46 (nach 2. Juli 237 n. Chr.). Beispiele ähnlicher Wendungen: πρὸ πάντων ἡγέομαι (wörtlich „vor allen halten“, also „für [besonders] wichtig halten“ – P.Oslo II 49,3 [2. Jh. n. Chr.]); οὐ περισσὸν ἡγέομαι („für nicht überflüssig, für unabdingbar halten“ – P.Oxy. XLII 3025,10 [118 n. Chr.]); μέγιστον ἡγέομαι („für das Wichtigste halten“ – BGU XVI 2644,14 [4 v. Chr.]). 894 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 895 Als Beispiele vgl. P.Oxy. II 286,14 (82 n. Chr.); P.Flor. I 86,19–20 (nach 25. Juli 86 n. Chr.). 896 Vgl. dazu etwa P.Oxy. III 472,5 (vor 10. Oktober 131 n. Chr.); P.Ryl. II 77,42 (192 n. Chr.). 891
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
gebraucht wird897. Belege für die zuletzt genannte Bedeutung sind allerdings selten: Lediglich der großteils lückenhafte Beleg P.Freib. IV 57 (1.–2. Jh. n. Chr.) lässt auf eine derartige Verwendung schließen; dabei handelt es sich um einen privaten Brief, auf dessen Rückseite von einer zweiten Hand geschrieben wurde – Verso 18–19: ἵνα προελθο (l. προέλθω) η .( )ερον.[ - - - ] | πρὶν πάντες ἰσέλθοσι (l. εἰσέλθωσι) . [ - - - ] („damit ich früher komme als ?, bevor alle ankommen …“).
καὶ προκαταρτίσωσιν τὴν προεπηγγελμένην εὐλογίαν ὑμῶν – Das Verb προκαταρτίζω („vorher in Ordnung bringen, vorbereiten“) ist bisher in den
dokumentarischen Papyri nicht bezeugt (zum spärlichen papyrologischen Befund von καταρτίζω siehe unten bei 13,11). Das Verb προεπαγγέλλω („vorher ankündigen“) ist papyrologisch bisher nicht bezeugt; relativ gut belegen lässt sich hingegen ἐπαγγέλλω („kundtun, anmelden, ankündigen“ u. a.).898 Die frühesten papyrologischen Belege für εὐλογία („Segen, Fürsprache“) stammen erst aus dem 3. Jh. n. Chr.: In P.Harr. I 69, Kol. I 11 mit BL III 78 (nach 217 n. Chr.) ist innerhalb einer Eingabe vom „vollkommensten Segen“ (τῆς τελειοτάτης εὐλογίας) die Rede.899 Im Überstellungsbefehl P.Oxy. I 65 (3. oder frühes 4. Jh. n. Chr.) hingegen geht es in Z. 4 um eine „Fürsprache“, die die Komarchen, an die der Befehl gerichtet ist, eventuell zugunsten des zu Überstellenden vorzubringen haben.
ταύτην ἑτοίμην εἶναι οὕτως ὡς εὐλογίαν – Das Adjektiv ἕτοιμος begegnet in
den dokumentarischen Papyri einerseits im Sinne von „bereit“ (so auch an der vorliegenden Paulusstelle), andererseits in der Bedeutung „geeignet, angemessen“.900 Im Folgenden sollen ein paar ausgewählte Beispiele präsentiert werden, in denen es – vergleichbar mit der vorliegenden Stelle – um die Vorbereitung von Sachen geht, die beim Eintreffen bestimmter Personen bereit liegen sollen. Zu den zeitlich frühesten gehören zwei Beispiele aus dem Zenon-Archiv: So bittet ein gewisser Philinos in einem Brief an Zenon darum, alles bereit zu halten, was für den Empfang der Gäste erforderlich ist – P.Ryl. IV 568,9 (Mitte 3. Jh. v. Chr.): ὅσα εἰς | τὴν δοχὴν ἕτοι|μα ποιησάμενος. In P.Cair.Zen. IV 59611 mit BL VIII 80 (Mitte 897 Im Folgenden benützt Paulus die Vorsilbe προ- noch zweimal (προκαταρτίζω, προεπαγγέλλω), was sein Anliegen, dass die Mitbrüder in Funktion der Vorhut die korinthische Kollekte einsammeln, verstärkt (vgl. auch Meyer, 2Kor 214: Das dreimalige προ- ist nicht zufällig gesetzt,
sondern „ut simili sono orationem acueret“). 898 Einige Belege bei Preisigke, Wörterbuch s. v. ἐπαγγέλλω; Kiessling, Wörterbuch s. v. ἐπαγγέλλω; zur medialen Bedeutung „versprechen“ auch Moulton/Milligan, Vocabulary s. v. ἐπαγγέλλομαι. 899 Vgl. Kiessling, Wörterbuch s. v. εὐλογία 1). 900 Zahlreiche Belege für beide Bedeutungen bei Preisigke, Wörterbuch s. v. ἑτοῖμος (sic!) 1) und 2); Kiessling, Wörterbuch s. v. ἕτοιμος; Moulton/Milligan, Vocabulary s. v. ἕτοιμος. Zu den Wendungen ἐν ἑτοίμῳ ἔχω und ἑτοίμως ἔχω siehe unten bei 2Kor 10,6 bzw. 12,14.
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Einzelheiten: 2Kor 9,5
431
3. Jh. v. Chr.) teilt ein namentlich nicht mehr bekannter Töpfer Zenon mit, dass der an ihn gerichtete Auftrag erledigt wurde und er bereits auf das Schiff warte, das die Ware abholen solle, und er fügt noch hinzu – Z. 17–18: καὶ τὰ λοιπὰ δὲ ἕτοιμά | ἐστιν („auch das übrige [Geschirr] liegt bereit“). In BGU XVI 2643,24–26 (nach 4. Februar 8 v. Chr.) geht es um Seile und Eisen, die zur Abholung bereit liegen sollten, in P.Oxy. II 291,10–13 (25–26 n. Chr.) um Abrechnungen, um die sich der Dioiketes Tyrannos kümmern soll, damit sie bereit sind, wenn der Briefsender, der Stratege Chaireas, eintrifft. In SB V 7987,6 (84–96 n. Chr.) geht es in fragmentarischem Kontext vermutlich um einen Pelzmantel, von dem ein gewisser Adrastos mitteilen soll, „dass er bis dahin fertig wird“: δ̣ ή̣ λωσον, ἵνα εἰς τότε ἕτοιμος γένηται. Die Ware soll offenbar in Kürze einem Boten übergeben werden, denn wenige Zeilen später heißt es – Z. 9– 10: καὶ τὰ λοιπὰ τῆς ἐντολῆς | μο̣ [υ] τετελεκὼς δώσε[ι]ς αὐτῷ („und wenn du das Übrige des Auftrags erfüllt hast, wirst du es ihm geben“).901
Ein mit Paulus besonders gut vergleichbares Beispiel findet sich in einem Brief aus dem 2. oder 3. Jh. n. Chr., worin der Adressat beauftragt wird, etwas bis zum Eintreffen des Briefsenders bereit zu haben, und außerdem informiert wird, dass ein gewisser Longinus mit den gesamten Vorbereitungen beauftragt wurde. Ein gewisser Ptolemais schreibt in diesem Brief an einen Zosimos – BGU II 625,8– 13 (2.–3. Jh. n. Chr.): ἐδήλωσα Λονγείνῳ, | εἵνα ἑτυμ[άσ]ῃ (l. ἑτοιμ[άσ]ῃ) πάντα. ἐκ γῆς ὀφι|λήσῃς (l. ὀφειλήσῃς) [πο]ιῖν (l. [πο]ιεῖν) ἤτε (l. εἴτε) τοὺς πλίνθους | ἤτε (l. εἴτε) τὴν κονίαν, εἵνα μεθ᾽ ὑγί|ας (l. ὑγιείας) ἐὰν {αν} [ἐ]γὼ ἔλθω πρὸς ὑμᾶς, {εἵνα} | εὕρω πάντα ἕτυμα (l. ἕτοιμα) („ich habe Longinus geschrieben, damit er alles vorbereitet. Aus Nilschlamm902 sollst du herstellen, ob nun die Ziegel, ob den feinen Kalk, damit ich, wenn ich in Gesundheit zu euch komme, alles bereit vorfinde“).
Longinus fungiert hier offenbar – vergleichbar mit der Titus-Gruppe – als verantwortlicher Aufseher, der das Bereitstellen der Ware, für das der Adressat zuständig ist, zu organisieren und zu überwachen hat. καὶ μὴ ὡς πλεονεξίαν – Der Begriff πλεονεξία903 begegnet in den Papyri
hauptsächlich in zwei Dokumenttypen: in Erlässen oder Verordnungen sowie in Petitionen. Dabei sind diejenigen, denen „Habgier“ vorgeworfen wird bzw. die davon ausdrücklich frei sein sollten, häufig politisch Verantwortliche bzw. Beamte, aber auch eigennützige Privatpersonen. So geht es in UPZ I 110 (164 v. Chr.), einem Brief des Dioiketen Herodes an einen gewissen Onias – vermutlich ebenfalls ein Beamter der Finanzverwaltung – um die Interpretation einer nur kurz zurückliegenden Verordnung; diese besagte, dass alle leistungsfähigen Personen im memphitischen Gau ohne Ausnahme zur Landpacht 901 Siehe z. B. ferner P.Hib. II 254,2–5 (ca. 260–240 v. Chr.); BGU X 1911,5–8 (Mitte 3. Jh. v. Chr.); P.Bour. 11,6 (30. März 88 v. Chr.); P.Oxy. XLV 3250,15–17 (ca. 63 n. Chr.); O.Claud. IV 880,4–5 (ca. 150–154 n. Chr.); P.Oxy. XXXVI 2778,1–2.16–19 (2.–3. Jh. n. Chr.). 902 Vgl. Preisigke, Wörterbuch s. v. γῆ 2). 903 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet.
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
verpflichtet seien, und zwar solle das dafür vorgesehene königliche Land „ohne das Aufkommen von Rivalitäten oder Eigennutz“ (Z. 68–69: μήτε φιλοτιμίας μήτε πλε|ονεξίας γενηθείσης) vergeben werden. Um eine Petition handelt es sich dagegen bei SB XVIII 13092 (ca. 143–142 v. Chr.); darin geht es um einen jungen Soldaten, der offenbar hochverschuldet ist, woran u. a. die πλεονεξία seiner übel gesinnten Vormünder schuld sei – Z. 42: διὰ τὴν τῶν κακεπιτρόπον904 πλε{ι}ονεξίαν.905 In P.Princ. II 20,10–11 (133–137 n. Chr.?) werden Steuerpächter (τελῶναι) vom Präfekten ermahnt, „von dieser Habgier (nämlich Durchreisenden Geld abzuknöpfen) Abstand zu nehmen“ (παύσασθαι τῆς | [τοιαύ]της πλ[ε]ονεξίας), während in SB XVIII 13775 (241–242 n. Chr.), einer epistula Kaiser Gordians III, die Habgier der Zöllner (τελωνικὴ πλεονεξία) die Aufhebung eines Zollprivilegs verursacht haben könnte (vgl. Z.11–12).906
Wie bei Paulus907 wird jedenfalls auch in den Papyri die πλεονεξία als ungerechtes Fehlverhalten kritisiert. Von Beamten und Funktionären wird in den Papyri ausdrücklich erwartet, dass sie ihre Funktion ohne Habgier ausüben, wie umgekehrt andere Texte zeigen, dass offenbar gerade diese Gruppen dafür anfällig waren, sich in Ausübung ihres Amtes oder ihrer Funktion persönlich unmäßig zu bereichern. Bei Paulus wird die πλεονεξία als Gegenteil von εὐλογία beschrieben. Aus dem Zusammenhang ergibt sich, dass die Gemeindemitglieder freigebig und nicht kleinlich sein sollen in ihrem Beitrag zur Kollekte. Mehr oder weniger direkt sagt Paulus mit dem Ausdruck πλεονεξία hier, dass jemand, der nicht freigebig mit den Bedürftigen teilt, sich eigentlich an diesen bereichert, diesen gegenüber also „habgierig“ ist. Indem er ihnen das nicht gibt, was sie im Sinne einer εὐλογία bekommen sollten, nimmt er es ihnen endgültig weg. 9,66 τοῦτο δέ, ὁ σπείρων φειδομένως φειδομένως καὶ θερίσει, καὶ ὁ σπείρων ἐπ᾽ εὐλογίαις ‹ 9,5 ἐπ᾽ εὐλογίαις καὶ θερίσει – Paulus verwendet hier ein Bild, das dem landwirtschaftlichen Bereich entstammt. Dass papyrologische Beispiele für σπείρω („säen“) und θερίζω („ernten“) sehr häufig sind, versteht sich für ein Agrarland wie Ägypten von selbst.908
904
Siehe dazu S. Daris in P.Mil.Congr.XVIII S. 8. Vgl. weiters den lückenhaften P.Tebt. III.1 735 (ca. 140 v. Chr.; darin Z. 7–8) sowie (ebenfalls lückenhaft) SB X 10564,16 (Ende 1. – Anfang 2. Jh. n. Chr.); um ein Dekret des Präfekten, in dem die „Habsucht“ durchs Land ziehender Soldaten kritisiert wird, handelt es sich bei PSI V 446 (133–137 n. Chr.; vgl. darin Z. 9), um einen Privatbrief hingegen bei P.Fay. 124 (2. Jh. n. Chr.; vgl. darin Z. 24–25). 906 Von steuerlicher „Übervorteilung“ ist in P.Oxy. XII 1469,4 (298 n. Chr.) und P.Panop.Beatty 2,240 (16. Februar 300 n. Chr.?) die Rede, um überzogene oder ungerechtfertigte Schuldforderungen des Veteranen Aelius Sarapammon geht es in der Petition P.Vet.Aelii 2,4 (206–211 n. Chr.; siehe dazu P.Sänger in P.Vet.Aelii S. 146). 907 Vgl. etwa auch Röm 1,29, wo die πλεονεξία innerhalb eines ganzen Lasterkataloges begegnet, sowie 1Thess 2,5. 908 Einige zeitgenössische Beispiele für beide Verben bietet P. Arzt-Grabner in ders./Kritzer u. a., 1. Korinther 349. 905
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Einzelheiten: 2Kor 9,5–7
433
In einer Abrechnung über landwirtschaftliche Arbeiten, P.Stras. VII 669 (Anfang 3. Jh. n. Chr.?), begegnen beide Verben nebeneinander. Der Papyrus ist zwar fragmentarisch, doch geht aus Z. 2 noch hervor, dass den für das Aussäen eingestellten Arbeitern – σπείρουσι ἐργ(άταις) – drei Obolen bezahlt wurden; wieviel die in Z. 5 angeführten Arbeiter bekommen haben, die die Gerste geerntet haben – θ̣ ερίζουσι τὴν κριθ(ὴν) ἐρ[γ(άταις)], ist nicht erhalten.
Den Hintergrund für das von Paulus verwendete Bild bildet allerdings nicht die Anstellung von Arbeitern für Aussaat und Ernte und deren Bezahlung nach erbrachter Arbeitsleistung, sondern die Bewirtschaftung des Bodens durch den Besitzer selbst oder durch den Pächter, der den ihm zufallenden Teil des Ertrags für sich behalten konnte.909 Das Adverb φειδομένως („sparsam“) ist in den dokumentarischen Papyri bisher nicht bezeugt. Das Verb φείδομαι begegnet in Verbindung mit Personen in der Bedeutung „schonen“;910 zur Bedeutung „sparen“ siehe unten bei 12,6. 9,77 ἕκαστος καθὼς προῄρηται τῇ καρδίᾳ ‹ 1,22, μὴ ἐκ λύπης ‹ S. 153 ἢ ἐξ ἀνάγκης ‹ 6,4 – Das Medium προαιρέομαι ist auch in den dokumentarischen Papyri in der Bedeutung „sich vornehmen, sich entschließen“ bezeugt.911 Die Wendung ἐξ ἀνάγκης („aus Notwendigkeit, aus Zwang“) ist papyrologisch bereits im 3. Jh. v. Chr. bezeugt,912 Belege aus der Zeit des Paulus fehlen aber. Die zeitlich folgenden Belege aus nachpaulinischer Zeit sind P.Oxy. II 237, Kol. IV 33 (nach 27. Juni 186 n. Chr.), wo von einer verordneten („zwangsweisen“) Rückzahlung (ἀ[πό]δ̣ ο̣ [σ]ις̣ ἐξ ἀνάγκης) die Rede ist, und PSI XIV 1421,4–5 (3. Jh. n. Chr.?), wo es um das zwangsweise Ausstellen oder Aushändigen eines Schriftstückes (wohl einer Urkunde) geht.
Auch wenn diese Dokumente zeitlich bereits einigen Abstand zu Paulus aufweisen, ist immerhin beachtenswert, dass es in beiden um Ähnliches geht, nämlich um die Tatsache, dass manche Dinge in bestimmten Situationen (vor allem bei Streitigkeiten) erst unter Zwang oder aufgrund einer Anordnung von höherer Stelle herausgegeben werden. Dass Paulus kein Druckmittel anwenden möchte, verweist auf seine Hoffnung, dass die Gemeinde von sich aus, also
909 Zur Bodenpacht in Ägypten und den grundsätzlichen Regelungen in Landpachtverträgen siehe P. Arzt-Grabner in ders./Kritzer u. a., 1. Korinther 348–349, und die dort angegebene Literatur. 910 Siehe dazu R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 294. 911 Siehe einige Beispiele bei Preisigke, Wörterbuch s. v. προαιρέω 2) (als weitere Bedeutungen werden dort „etw unternehmen, erwählen, vorziehen“ genannt); Moulton/Milligan, Vocabulary s. v. προαιρέω. Siehe ferner P.Münch. III 80,21.27 (103–114 n. Chr.); P.Oxy. XII 1408,17 (212–214 n. Chr.); LXXV 5062,24–25 (spätes 3. Jh. n. Chr.). 912 Siehe einige Beispiele bei Arzt-Grabner, Philemon 221.
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
aus innerer Überzeugung und aufgrund des an sich guten Verhältnisses zum Apostel großzügig sein wird. ἱλαρὸν γὰρ δότην ἀγαπᾷ ‹ 2,4 ἀγάπη ὁ θεός – Das Adjektiv ἱλαρός913 („heiter,
fröhlich“) wird in den Papyri verhältnismäßig selten verwendet und ist dann meist mit anderen Adjektiven oder Ausdrücken kombiniert; die Belege stammen ohne Ausnahme aus Briefen: In P.Giss. I 22 (113–120 n. Chr.) etwa schreibt eine gewisse Eudaimonis an ihren Sohn, sie sehe dem entgegen, ihn „unversehrt und fröhlichst zu Hause zu empfangen“ – Z. 7–9 mit BL II.2 62: μου ἀ|[πολ]αμβανούσης σε ἀπρόσ|[κοπ]ον καὶ ἱλαρώτατον.914 In einigen Ostraka aus Mons Claudianus ist von einer „frohen Nachricht“ (ἱλαρὰ φάσις) die Rede, die brieflich übermittelt wird; dabei wird stets die Wendung εὐαγγελίζομαι τὴν ἱλαρὰν φάσιν verwendet, das Verb εὐαγγελίζομαι und das Adjektiv ἱλαρός verstärken sich hier also gegenseitig, so in O.Claud. IV 853,6 und (ergänzt) in 856,4; 859,6; 860,7 (alle ca. 186–187 n. Chr.). Gemeldet wird der erfreuliche Fortschritt bei den Arbeiten im Steinbruch.
Was den papyrologischen Befund des nomen agentis δότης betrifft, ist in zwei bruchstückhaften Texten aus dem 3. Jh. n. Chr. die Form δότῃ belegt: in P.Prag. II 199,14 (256 n. Chr.) dürfte diese auf das Verb δίδωμι zurückzuführen sein915; ob in SB VI 9088,5 (3. Jh. n. Chr.) mit [ - - - δ]οτῃ δημοσίων ein „Geber von Staats-…“ bezeichnet wird, ist fraglich. 9,88 δυνατεῖ δὲ ὁ θεὸς πᾶσαν χάριν ‹ 1,2 περισσεῦσαι ‹ 1,5 εἰς ὑμᾶς – Das Verb δυνατέω916 („Macht haben, über Macht verfügen, in jemandes Macht stehen [etwas zu tun]“) ist in den Papyri bisher erst einmal belegt, und zwar im bereits christlich geprägten Beileidschreiben P.Oxy. LV 3819 (Anfang 4. Jh. n. Chr.)917: Die Parallele zum paulinischen Text besteht darin, dass ebenfalls Gott der Handlungsträger ist, als ob niemand so viel Macht besäße wie er – Z. 9–11: δυνατῖ οὖν | τῷ κυρίῳ θεῷ (l. ὁ κύριος θεὸς) `τοῦ λοιποῦ´ ἡμῖν τὴν ὁλοκλη|ρίαν παρασχῖν („es hat also der Herr Gott die Macht, uns fortan vollständige Gesundheit zu gewähren“). 913
Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. Vgl. ferner P.Mich. VIII 465,22–24 (108 n. Chr.?); P.Ross.Georg. II 26, Kol. II 3–4 (160 n. Chr.). 915 Vgl. R. Pintaudi, R. Dostálová und L. Vidman in P.Prag. II S. 183: „Si diano …“. 916 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 917 Ein wenig öfter begegnet das negative Pendant (vgl. dazu Kiessling, Wörterbuch s. v. ἀδυνατέω). Zum papyrologischen Befund des Adjektivs δυνατός („mächtig“) siehe F. Winter in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 105. – Außer bei Philodemus (Phld. Sign. 11,7–8 [nach der Edition von T. Gomperz 1865; M. Gigante hat in seiner Edition von 1978 jedoch ἀδυνατέω]) wird δυνατέω ausschließlich in den paulinischen Briefen gebraucht (vgl. auch die Anmerkung von J.R. Rea in P.Oxy. LV S. 220 zur genannten Stelle, ferner LSJ s. v. δυνατέω sowie Bauer, Wörterbuch s. v. δυνατέω). 914
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Einzelheiten: 2Kor 9,7–9
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ἵνα ἐν παντὶ πάντοτε πᾶσαν αὐτάρκειαν ἔχοντες – Das in den Papyri äußerst selten verwendete Substantiv αὐτάρκεια918 bezeichnet eine „hinreichende Menge“ an etwas (vgl. das diesem zugrunde liegende Verb ἀρκέω [„genügen,
ausreichen“; siehe dazu unten bei 12,9]): So verspricht z. B. in einem Brief an Zenon (PSI VII 854 [vor 8. März 257 v. Chr.]) dessen Angestellter, eine ausreichende Menge des Musters (gemeint sind Vorlagen) für Wollkleider auszugeben (Z. 8: αὐτάρκειαν τ̣ο̣ ῦ̣ τ̣ύ̣ που ἐγδοῦναι), die von Zenon selbst in Auftrag gegeben wurden.919 In einem Pachtvertrag für einen Weingarten (P.Oxy. IV 729 [138 n. Chr.]) wird die Bereitstellung einer „hinreichenden Menge Taubenmist“ (Z. 10: τὴν δὲ αὐταρκίαν κόπρον [l. κόπρου] περιστερῶν) vereinbart.920 Die Verbindung von αὐτάρκεια und ἔχω begegnet in P.Flor. II 242,7–8 (250–261 n. Chr.) im Zusammenhang mit einem Getreidetransport; in bruchstückhaftem Kontext heißt es: ἵνα δυνηθῇς ἔχ̣ ειν τὴν | αὐτάρκιαν (l. αὐτάρκειαν) („damit du die hinreichende Menge haben kannst“).921
Ebendiese Bedeutung trifft auch auf die vorliegende Paulusstelle zu: die Gemeinde soll immer in allem eine vollauf ausreichende Menge zur Verfügung haben. ‹ 1,5
‹ 5,10
– Mit ἔργον wird in den dokumentarischen Papyri meist eine (länger andauernde oder ausgeübte) „Arbeit“ oder „Tätigkeit“ bezeichnet, seltener ein Werk im Sinne eines „fertigen Produkts“.922 Während hier und in 11,15 keine nähere Bedeutungseinschränkung angezeigt ist (es kann sich sowohl um jegliche Arbeit als auch jedwedes Werk als Ergebnis der Tätigkeit handeln), wird in 10,11 deutlich auf das Handeln und Tätigsein des Paulus abgezielt.923 Die an dieser Stelle vorliegende Kombination ἔργον und ἀγαθόν ist bisher nur byzantinisch bezeugt, und zwar in der Form ἀγαθὸν ἔργον (P.Cair.Masp. I 67003,13 [ca. 567 n. Chr.] und II 67151,238 [15. November 570 n. Chr.]). περισσεύητε
εἰς πᾶν ἔργον ἀγαθόν
9,99 καθὼς γέγραπται ‹ 8,15· ἐσκόρπισεν – Das Zitat, das hier ausdrücklich durch καθὼς γέγραπται gekennzeichnet wird, ist wörtlich aus Ps 111,9 LXX 918
Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. Zum Sachverhalt siehe R. Scholl in C.Ptol.Sklav. S. 802–803. 920 Vgl. weiters P.Flor. II 242,7–8 (250–261 n. Chr.); die Wendung κατ᾽ αὐτά[ρκειαν] begegnet, allerdings unsicher und zusammenhanglos, in P.Flor. II 122,11 (249–261 n. Chr.). Häufiger belegt ist in den Papyri das Adjektiv αὐτάρκης (siehe dazu Kiessling, Wörterbuch s. v. αὐτάρκης), nur einmal aber das Verb αὐταρκέω (in BGU VI 1256,18 [nach 17. Oktober 147 v. Chr. oder nach 14. Juni 136 v. Chr.]). 921 Auf diesen Beleg verweist auch Windisch, 2Kor 278. 922 Vgl. P. Arzt-Grabner in ders./Kritzer u. a., 1. Korinther 152; siehe die Belege bei Preisigke, Wörterbuch s. v. ἔργον; Kiessling, Wörterbuch s. v. ἔργον; weitere Beispiele bei Kreinecker, 2. Thessaloniker 151 Anm. 162. 923 Diese Bedeutung ist z. B. auch durch O.Claud. IV 891,5 (ca. 150–154 n. Chr.) belegt, wo davon die Rede ist, dass „die Arbeit ruht/stillsteht“: τὸ ἔργον καταργῖται (l. καταργεῖται). 919
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
übernommen. Für ἐσκόρπισεν erlaubt weder dort noch hier der Kontext eine klare Deutung. Schon H. A. W. Meyer hat an das „Bild vom Säen“ gedacht,924 das aber erst in V. 10 deutlich zum Ausdruck kommt. In den Papyri finden sich für σκορπίζω925 nur wenige Beispiele: Um das Untermengen und „Ausstreuen“ von Dung (κόπρος) auf den Feldern durch einen Pächter geht es z. B. in P.Soter. 1,25–26 (69 n. Chr.): ὁ δὲ μεμισθωμέ(νος) ἐπισ|κάψι καὶ σκορ̣ π̣ ε̣ῖ ̣ (l. σκορπιεῖ)926. „Ausgestreut“ wurde auch das Silbergeld (ἀργυρικά), das ein Petent bei einer in seinen Augen ungerechtfertigten Steuereintreibung im Beutel hatte (P.Stras. V 401bis,11–12 [123 n. Chr.]). In Stud.Pal. XX 58 (7), Kol. II 15 und Kol. III 10–11 (3. Jh. n. Chr.) geht es um „verstreut stehende“ Obstbäume; sie wurden offenbar bei der Pflanzung systematisch „verteilt“ (ἐσκορπισμέναι). Die sinnvolle Verteilung von Kamelen auf verschiedene Einsatzgebiete empfiehlt ein Großgrundbesitzer in P.Flor. II 175,21–24 (253 oder 256 n. Chr.): ἐπεὶ τὰ ὄντα καμήλια | ἐσκορπίσαμεν ἐ̣πεὶ (l. ἐπὶ) τὰς μὴ | ἐχούσας κ̣ τήνη φροντί|δας κτλ. („wenn wir die Kamele, die da sind, auf die Arbeitsstätten verteilen, die kein Vieh haben …“).
In jedem Fall bezieht sich σκορπίζω auf eine größere Menge, wobei der Aspekt der Gerechtigkeit bzw. eines gerechten Verteilens vor allem im zuletzt angeführten Beleg zum Tragen kommt. In dem von Paulus übernommenen Psalm-Ausschnitt ist dieser Aspekt besonders wichtig. Die in der Exegese vertretene Eingrenzung von σκορπίζω auf das Ausstreuen von Saatgut, also das Säen, ist allerdings nicht vorgegeben und auch nicht notwendig.927 Die Rede ist hier vielmehr von einem grundsätzlichen Verteilen, das – wie die folgende Wendung zum Ausdruck bringt – im Speziellen den Armen zugute kommt. ἔδωκεν τοῖς πένησιν – Zum Adjektiv πένης928 („arm“) existieren nur wenige
Belege aus dem entsprechenden Vergleichszeitraum; alle vier stammen aus Petitionen: Gegen eine (in seinen Augen) ungerechte Liturgiebelastung wehrt sich z. B. der Petent von P.Brem. 38 (118 n. Chr.); ein (nicht näher bezeichneter) Beamter habe ihn als Dorfältesten eingesetzt, doch er sei, wie er ins Treffen führt, im Gegensatz zu jenem arm – Z. 21: πένης ὤν.929 924
Meyer, 2Kor 219. Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 926 Die Reihenfolge ist wohl umgekehrt, wie S. Omar in P.Soter. S. 53 feststellt. – Ähnlich P.Soter. 2,21–22 (71 n. Chr.); weiters P.Lond. I 131, Rekto (S. 166) 421 (79 n. Chr.); P.Ross.Georg. II 19,27–28 (141 n. Chr.); BGU XIII 2354,8 (2. Jh. n. Chr.). 927 In Pap.Graec.Mag. II 70,19 (Ende 3./Anfang 4. Jh. n. Chr.) wird das Ausstreuen von Sesam empfohlen, ein „Säen“ ist aber auch damit nicht gemeint. 928 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 929 P.Rein. I 47,11 (2. Jh. n. Chr.) ist lückenhaft; wie Wilcken, Papyrus-Urkunden 526–527, bestätigt, handelt es sich auch dabei um eine Klage wegen Auferlegung eines öffentlichen Amtes; in gleichem Zusammenhang PSI XII 1243,18–21 (208 n. Chr.); wiederum stark lückenhaft ist PSI VI 716,16 (306 n. Chr.?). 925
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Einzelheiten: 2Kor 9,9–10
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ἡ δικαιοσύνη ‹ 3,9 αὐτοῦ μένει ‹ 3,11 εἰς τὸν αἰῶνα ‹ 4,4 – Den papyrologischen Befund für αἰών („Zeit, [Lebens-]Zeit“ und dann „Ewigkeit“) und einige Hin-
tergründe zu diesem Begriff hat bereits F. Winter im Zusammenhang mit 1Kor 1,20 dargelegt.930 Mit der hier verwendeten Formulierung εἰς τὸν αἰῶνα („in Ewigkeit“) und dem in 11,31 verwendeten Plural εἰς τοὺς αἰῶνας („für alle Zeiten“) sind Huldigungsadressen an den römischen Prinzeps sowie ein Ausschnitt aus dem berühmten Brief des Kaisers Claudius an die Alexandriner gut vergleichbar: So taucht z. B. in P.Oxy. I 41,3.21 (frühes 4. Jh. n. Chr.) die Huldigung auf: εἰς ἐῶνα τὸ κράτος τῶν Ῥωμαίων („in Ewigkeit die Herrschaft der Römer!“), und in Z. 11.29: Ἄγουστοι (l. Αὔγουστοι ) κύριοι εἰς τὸν ἐῶνα („Augusti,931 die Herrn, in Ewigkeit!“). In seinem Brief an die Alexandriner verwehrt sich Claudius – nachdem er die Aufstellung von Standbildern genehmigt hatte – dagegen, dass ihm zu Ehren auch noch Tempel errichtet werden, und betont – P.Lond. VI 1912,50–51 (vor 10. November 41 n. Chr.): τὰ ἱε̣ ̣ρ̣ ὰ δὲ καὶ τὰ τοιαῦτα μόνοις τοῖς θεοῖς | ἐξέρετα ὑπὸ τοῦ παντὸς αἰῶνος ἀποδεδόσθαι κρίν[ω]ν („ich meine, dass die heiligen Stätten und dergleichen nur den Göttern als Zeichen besonderer Verehrung für alle Zeiten vorbehalten bleiben sollen“).932
9,110 ὁ δὲ ἐπιχορηγῶν σπόρον τῷ σπείροντι ‹ 9,6 – Die Aussage ist an Jes 55,10 LXX angelehnt, wo aber nicht ἐπιχορηγέω bzw. χορηγέω verwendet wird, sondern δίδωμι; für das in NA28 gewählte σπόρον haben einige Handschriften die Variante σπέρμα – wie der Jes-Text (δῷ σπέρμα τῷ σπείροντι κτλ.). Die beiden Verben ἐπιχορηγέω und χορηγέω933 werden in den Papyri weitgehend synonym verwendet; beide bezeichnen ein „Zur-Verfügung-Stellen“ diverser Güter oder Gelder934, wobei vor allem das Simplex χορηγέω häufig in Zusammenhang mit der hinreichenden Bereitstellung von Saatgut begegnet: So kann in P.Oslo II 32 (1 n. Chr.) ein Pächter nur dann die Pacht antreten, wenn er auch Saat für sein Land zur Verfügung stellt – Z. 14–15: τοῦ Βατράχου χωρηγοῦτες (l. χορηγοῦντος) τὸ εἰς τὴ γῆν | σπέρμα. In P.IFAO I 1 (27 n. Chr.) ist es der 930
Siehe F. Winter in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 89–91. Gemeint sind möglicherweise Diokletian und Maximinianus (vgl. B. P. Grenfell und A. S. Hunt in P.Oxy. I S. 86). 932 F. Winter bietet in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 90 (einschließlich Anm. 150), ferner einige Beispiele für die Wendungen εἰς αἰῶνα und εἰς μακροὺς αἰῶνας in erweiterten Schlussgrüßen von Privatbriefen. Siehe dazu auch Koskenniemi, Studien 152. 933 Beide Begriffe wurden von R. E. Kritzer bearbeitet. 934 Des Öfteren (speziell in Eheverträgen bezüglich der Verpflichtungen des Mannes gegenüber seiner Frau) allgemein τὰ δέοντα πάντα („alles Nötige“) oder τὰ δέοντα τοῦ βίου („das zum Leben Nötige“ – z. B. BGU IV 1052,13 [13 v. Chr.]; 1101,10 [13 v. Chr.]; 1045, Kol. I 18 [154 n. Chr.]), „Unterhalt, Kostgeld“ (τροφεῖα o. Ä. – z. B. für eine Amme in P.Oxy. LXXVIII 5168,12–14 [10. Oktober 18 v. Chr.?] oder BGU IV 1106,46–47 [vor 13 v. Chr.]) oder Geld (z. B. μισθός [„Lohn“] – etwa in P.Stras. II 116,9 [nach 26.Mai – 24. Juni 18 n. Chr.]). 931
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Verpächter, der diese Aufgabe übernimmt – Z. 14–15: τ̣οῦ Αὐνή[ους] | χωρηγοῦντος ἑα̣ τῷ (l. χορηγοῦντος ἑαυτῷ) σπέρματα (ähnlich in P.Oslo II 34,8–9 [188–189 n. Chr.], wo ἐπιχορηγέω verwendet wird). Um eine anteilige Pacht geht es im Partnerschaftsabkommen P.Mich. V 348 (21. Mai 26 n. Chr.); hier initiiert der Inhaber des größten Anteils das Abkommen und stellt das Saatgut für alle bereit (vgl. Z. 17– 18).935
„Der Säende“ (ὁ σπείρων) ist bei Paulus wohl in der Rolle des „Pächters“, dem Gott als „Landeigentümer“ die Saat zur Verfügung stellt. Zudem zeigen die papyrologischen Belege, dass χορηγέω mit einer vertraglichen und dementsprechend bindenden Verpflichtung verknüpft war, auf die man sich in der Regel verlassen konnte. Dass der Begriff σπόρος in den dokumentarischen Papyri überaus zahlreich belegt ist, spiegelt die Tatsache wieder, dass sowohl das ptolemäische als auch das römische Ägypten als Agrarland eine besondere Bedeutung hatte. Neben der Bedeutung „Saat“ (wie an der vorliegenden Paulusstelle) wird σπόρος in den Papyri auch im Sinne von „Aussaat“ (als Tätigkeit), „Saatzeit“, „Saatland“, „Saatenstand“ oder „Wuchs“ sowie „Saatenliste“ verwendet.936 Ebenfalls der Bedeutung Ägyptens als Agrarland verdanken sich natürlich die weit über tausend Belege für den Begriff σπέρμα,937 der in einigen Handschriften als Variante an Stelle von σπόρος bezeugt ist.938 καὶ ἄρτον εἰς βρῶσιν – Die große Zahl der papyrologischen Belege für ἄρτος
verdeutlicht die Bedeutung von Brot als Grundnahrungsmittel in der Antike.939 Von βρῶσις ist in den dokumentarischen Papyri hingegen nur im Zusammenhang mit Weidevieh die Rede. Mit dem Ausdruck wird dann das „Weiden“940 bezeichnet oder das „Weideland“941.
935
Für weitere Belege siehe Preisigke, s. v. χορηγέω. Belege finden sich überall, eine Auswahl bieten Preisigke, Wörterbuch s. v. σπόρος; Moulton/Milligan, Vocabulary s. v. σπόρος; Kiessling, Wörterbuch Supplement 1 s. v. σπόρος; Rupprecht/Jördens, Wörterbuch Supplement 2 und 3 s. v. σπόρος. Eher im Sinne des geernteten Getreides wird σπόρος in P.Sorb. III 92,8 (ca. 250–238 v. Chr.) verwendet, im Sinne von „Saatland“, das zu jäten ist, in P.Poethke 16,4 (2. Jh. n. Chr.). 937 Zu einigen zeitgenössischen Belegen siehe R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 494. 938 Beide Begriffe, σπόρος und σπέρμα, begegnen z. B. in P.Sorb. III 77,3.12 (vor 29. Oktober 248 v. Chr.) gemeinsam in einem Dokument, wobei hier σπόρος die Zeit der Aussaat bezeichnet und τὰ σπέρματα das Saatgut. Ähnlich z. B. P.Berl.Salmen. 15,4–5 (vor 19. Dezember 86 v. Chr.); BGU XIV 2389,5–6 (9. November – 8. Dezember 72 v. Chr.). 939 Vgl. P. Arzt-Grabner in ders./Kritzer u. a., 1. Korinther 371–372; Kreinecker, 2. Thessaloniker 202 (mit weiteren Belegen). 940 Vgl. R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 328–329, mit den frühesten Belegen aus dem 2. Jh. n. Chr.; hinzuzufügen ist P.Oxy. LXIX 4739,9 (15. August 127 n. Chr.). 941 So in O.Heid. 435,6 (10. April 193 n. Chr.); P.Leid.Inst. 48,9 (spätes 2. – frühes 3. Jh. n. Chr.). 936
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Einzelheiten: 2Kor 9,10–12
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χορηγήσει καὶ πληθυνεῖ τὸν σπόρον ὑμῶν – Das Verbum simplex χορηγέω und sein Kompositum ἐπιχορηγέω werden in den Papyri weitgehend syno-
nym gebraucht (siehe oben). Zu πληθύνω942 existiert bisher nur ein (zudem lückenhafter) Beleg aus dem frühen 8. Jh. n. Chr.943 ‹ 3,9
ὑμῶν – Das Verb αὐξάνω wird in den Papyri einerseits im Zusammenhang mit landwirtschaftlicher Tätigkeit verwendet („zum Wachstum bringen, vermehren“), andererseits kann damit das wohltätige Wirken römischer Kaiser beschrieben werden, wenn sie etwa die Mittel einer Stadt „vermehren“.944 H. D. Betz hat außerdem auf magische Papyri verwiesen, wo eine Gottheit als „Vermehrer“ angesprochen wird.945 Was F. Winter und ich zu 1Kor 3,6 festgestellt haben, wo Paulus eine vergleichbare Bildsprache verwendet, gilt auch für die vorliegende Stelle: „Der papyrologische Befund beleuchtet in hervorragender Weise die verschiedenen zu berücksichtigenden Bedeutungsebenen des Wortes hier bei Paulus: einerseits ist der bildhaft verwendete landwirtschaftliche Hintergrund zu berücksichtigen, andererseits geht es um das wohltätige und geschenkhafte Wirken der höchsten Autorität.“946 Ähnlich wie bereits σπόρος ist auch γένημα („Ernteertrag“) in den Papyri des Agrarlandes Ägypten überaus zahlreich belegt. Die Bedeutung ist durchwegs dieselbe.947 καὶ αὐξήσει τὰ γενήματα τῆς δικαιοσύνης
9,111 ἐν παντὶ πλουτιζόμενοι ‹ 6,10 εἰς πᾶσαν ἁπλότητα ‹ 1,12, ἥτις κατεργάζεται ‹ 4,17 δι᾽ ἡμῶν εὐχαριστίαν ‹ 4,15 τῷ θεῷ. 9,112 ὅτι ἡ διακονία ‹ S. 259 τῆς λειτουργίας ταύτης – Unter einer Liturgie948 ist in den dokumentarischen Papyri Ägyptens in erster Linie – wie im griechischen „Mutterland“ – ein ehrenamtlich, im Interesse des Staates oder Gemeinwohls zu leistender Dienst zu verstehen, der ursprünglich nichts mit Zwangsbeamtentum zu tun hatte. In Ägypten adaptierten die Ptolemäer das bestehende, aus der Zeit der Pharaonen stammende Frondienstmodell für sich und
942 943
Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. SB X 10456,12 (710 n. Chr.); zwei Zeilen weiter ist jedenfalls von Getreide (σίτος) die
Rede. 944
Vgl. F. Winter und P. Arzt-Grabner in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 142–143 (mit Belegen). 945 Vgl. Betz, 2. Korinther 205–206 Anm. 196. Die Belege sind Pap.Graec.Mag. I 4,719.2347.2981 (frühes 4. Jh. n. Chr.); P.Lond. I 121 (S. 83) (= Pap.Graec.Mag. II 7),763–764 (3. Jh. n. Chr.); Pap.Graec.Mag. II 12,244 (3. Jh. n. Chr.); 13,65.170.438.518.519.575.636 (4. Jh. n. Chr.). 946 F. Winter und P. Arzt-Grabner in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 143. 947 Vgl. bereits Deissmann, Bibelstudien 106; Windisch, 2Kor 280. 948 Der Abschnitt über Liturgien wurde von R. E. Kritzer bearbeitet.
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
verpflichteten insbesondere Kleruchen und deren Nachkommen zur Übernahme von (militärischen) Liturgien (sog. κατοικικαὶ λειτουργίαι)949, während die Römer das System an sich bzw. die Zahl und Arten der liturgischen Ämter stark ausweiteten.950 Entsprechend stößt man auch immer wieder auf Texte aus römischer Zeit, die den Versuch, der Verpflichtung zu einem solchen Amt auf irgendeine Weise zu entkommen, zum Inhalt haben.951 Außerdem begegnet λειτουργία als Ausdruck für eine religiöse oder kultische „Dienstleistung“ – eine Bedeutung, die in den wenigen Belegen des 1. Jh. n. Chr. überwiegt. So berichtet z. B. in BGU IV 1201 (2 n. Chr.) eine Gruppe von Priestern von einem Brand im Serapis-Tempel, den sie entdeckt hatten, „als die Sühnepriester zu den Diensten und Opfern für die Götter schritten“ – Z. 6–8: τῶν ἁγνευόν[τ]ων ἱερέων διαπ̣ ε̣ρ̣ α̣ ι|̣ ωμένων πρὸς τὰς λιτουργείας καὶ | θυσείας τῶν θεῶν.952
Zudem kann der Begriff – in seltenen Fällen – einen zwischen zwei oder mehreren Privatpersonen vereinbarten und im weitesten Sinne im häuslichen Bereich geleisteten Dienst bezeichnen.953 In C.Ord.Ptol. 53,178–181 (nach 28. April 118 v. Chr.) wird (in Form eines königlichen Dekrets) Strategen und anderen Beamten strikt untersagt, in der Chora Wohnende „für persönliche Dienste“ (εἰς λειτουργίας ἰδίας) heranzuziehen, wobei die genannten, im Staatsdienst stehenden Personen freilich als Privatleute agieren würden.954
949 Vgl. dazu Oertel, Liturgie 9, sowie die Bemerkungen von U. Wilcken zu UPZ I 15,21 (in UPZ I S. 174). Weitere papyrologische Belege dafür (neben UPZ I 15,21.25 [nach 8. Mai 156 v. Chr.]) sind etwa: UPZ I 16,12.15 (nach 28. Mai 156 v. Chr.); P.Tebt. I 32,4 (nach 26. Juni – 25. Juli 145 v. Chr.); 124,40 (ca. 118 v. Chr.). 950 Bei der Vergabe orientierte man sich vor allem an den Fähigkeiten sowie am Vermögen des Einzelnen (vgl. dazu Rupprecht, Einführung 61), wobei die Richtlinien streng waren (so sollte wenn möglich jeder einmal in seinem Leben eine Liturgie ableisten – vgl. dazu P.Lips. II 145, Verso [189 n. Chr.] über die Verheimlichung von Liturgiepflichtigen vor dem Präfekten). Siehe dazu auch R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 354–356. 951 Vgl. dazu die Belege zu πένης bei 9,9 (S. 436); ferner z. B. P.Oxy. LXVII 4593 (206–211 n. Chr.); LXIV 4437 (ca. 229–237 n. Chr.); PSI Com. I 16 (2. März – 29. August 239 n. Chr.); SB XX 14335 (frühes 3. Jh. n. Chr.). Als Gründe für eine Ausflucht werden meist Armut oder fortgeschrittenes Alter angegeben. Rechtmäßig von der Liturgiepflicht ausgenommen waren Angehörige bestimmter Berufsgruppen, wie z. B. Ärzte, oder Bewohner ganzer Städte (z. B. Alexandria oder Antinoopolis) sowie Veteranen und cives Romani, oder sie kamen zumindest in den Genuss von erleichternden Beschränkungen (vgl. dazu Oertel, Liturgie 391–393; Schubart, Einführung 264–265; Rupprecht, Rechtsmittel). 952 Vgl. weiters P.Tebt. II 302,13.30 (71–72 n. Chr.); P.Yale I 64,14–15 (27. Dezember 74–25. Januar 75 n. Chr.). 953 Vgl. Oertel, Liturgie 2: „λειτουργεῖν (τινι) heißt ‚(jdm) persönliche Dienste leisten‘, ἀντιλιτουργεῖν ‚Gegendienste leisten‘; aber auch in diesen Fällen immer mit der Nuance der Betätigung im Allgemeininteresse“ (zu beiden Verben mit papyrologischen Belegen). 954 Die λειτουργίαι, die in SB XXII 15538 + BGU IV 1125 (Z. 3.23; 13 v. Chr.) genannt werden, beziehen sich auf die Dienste von Flötenspielern; vgl. wiederum Oertel, Liturgie 2: „λειτ-
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Einzelheiten: 2Kor 9,12–13
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Wenn nun Paulus die Kollekte für Jerusalem als λειτουργία bezeichnet, wird wohl zunächst der allgemeine Charakter der Liturgie als sozusagen persönlicher Dienst im allgemeinen Interesse für seine Wortwahl von Bedeutung gewesen sein. Gleichzeitig ist die Kollekte aber freilich ein Dienst an Gott, wenn auch anders, als ihn die Papyri beschreiben. οὐ μόνον ἐστὶν προσαναπληροῦσα τὰ ὑστερήματα ‹ 8,14 τῶν ἁγίων ‹ 1,1, ἀλλὰ καὶ περισσεύουσα ‹ 1,5 διὰ πολλῶν εὐχαριστιῶν ‹ 4,15 τῷ θεῷ – Für das Mehrfachkompositum προσαναπληρόω („anfüllen, auffüllen“) liegt in den
dokumentarischen Papyri bisher nur ein einziger Beleg vor, allerdings innerhalb eines fragmentarischen Kontextes: Vom Brief P.Tebt. III.2 946 aus dem späten 3. Jh. v. Chr. ist nur die linke Seite erhalten geblieben. Z. 4 beginnt mit dem Genetivus absolutus ἐμοῦ δὲ προσαναπεπληρω[κότος] („als ich angefüllt/abgefüllt/aufgefüllt habe“); danach fehlt eine unbekannte Anzahl von Buchstaben, bevor in der nächsten Zeile die Mengenangabe ἀρτάβας ϙ („90 Artaben“) folgt. Es könnte sich um das Abfüllen von Saatgut handeln.
τῆς διακονίας ‹ S. 259 ταύτης δοξάζοντες ‹ 3,10 τὸν θεὸν ἐπὶ τῇ ὑποταγῇ – Das Substantiv ὑποταγή955 („Unterordnung“) ist bis-
9,113 διὰ τῆς δοκιμῆς
‹ 8,2
her nur in einem Text aus dem entsprechenden Vergleichszeitrahmen belegt: BGU I 96 (2. Hälfte 3. Jh. n. Chr.) ist zudem lückenhaft; in Z. 7 wird ein gewisser Numenios genannt, der sich „gleichsam in einer untergeordneten Stellung befindet“: ὡς ἐν ὑποταγῇ [τ]υγχάνοντα – bei ihm handelt es sich um einen Sklaven.956
τῆς ὁμολογίας ὑμῶν εἰς τὸ εὐαγγέλιον ‹ 2,12 τοῦ Χριστοῦ ‹ 1,1 καὶ ἁπλότητι ‹ 1,12 τῆς κοινωνίας ‹ 6,14; S. 395 εἰς αὐτοὺς καὶ εἰς πάντας – Mit ὁμολογία
wird in den Papyri nicht nur die „Zustimmung“ bezeichnet, sondern auch schon deren schriftliche Ausfertigung, also ein „Vertrag“.957 Beide Bedeutungsnuancen kann der deutsche Ausdruck „Erklärung“ treffend einfangen. H. D. Betz stellt dazu im Zusammenhang mit der Kollekte fest: „Im hellenistischen Recht war eine Spende dieser Art von einem Dokument begleitet, das ebenfalls ὁμολογία genannt werden konnte. So ist es wahrscheinlich, dass Paulus sich auch auf dieses Dokument bezog. […] Zu den Zielen solch eines Dokuments gehörte es, die Absicht der Unterzeichner zu bekunden, persönliche Beziehungen aufzunehmen. ουργεῖν sagt man oft von Artisten (Flötenspielern, Tänzerinnen u. dgl.)“; Preisigke, Wörterbuch s. v. λειτουργία 4), übersetzt für diesen Beleg jedoch „Spielweise (als musik-techn Ausdruck)“. 955 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 956 In den Zauberpapyri begegnet ὑποταγή an drei Stellen; einmal in einem sogenannten herbeiführenden Liebeszauber, wo sich der Anrufende die „Unterordnung jeder Seele“ wünscht (Pap.Graec.Mag. I 4,1822 [frühes 4. Jh. n. Chr.]), und dann in zwei „Zornbannungen“ (Pap.Graec. Mag. II 79,5–6; 80,4 [beide 3. oder 4. Jh. n. Chr.]), die durch die Wendung κατ᾽ ὑποταγήν den Wunsch formulieren, der Gegner möge dem angerufenen Gott unterworfen werden. 957 Zahlreiche Belege (u. a. zu den verschiedenen Arten von Verträgen) bei Preisigke, Wörterbuch s. v. ὁμολογία; Betz, 2. Korinther 220 Anm. 272.
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[…] Die Spende war demnach nur ein Teil der Verpflichtung, die die Partner wechselseitig eingingen. Wenn diese Interpretation auf 2Kor 9,13–14 angewandt wird, bedeutete die Spende der Achaier ihre zwangsläufige Unterordnung (ὑποταγή) unter die Jerusalemer Gemeinde. Auf dieser Grundlage kann auch die schwierige Genitivkonstruktion erklärt werden. Ist τῆς ὁμολογίας ein genitivus subiectivus oder obiectivus? Ist der Vertrag unterbreitet worden, oder ist er ein Ausdruck von Unterwerfung? Nur die letztere Möglichkeit ergibt rechtlich einen Sinn: Jerusalem würde die Spende als Beweis für die Unterordnung der Achaier betrachten.“958 Weiters meint Betz, dass „die etwas geschraubte Wendung ‚die Unterordnung (auf Grund) eurer (öffentlichen) Erklärung hinsichtlich des Evangeliums Christi‘ (ἡ ὑποταγὴ τῆς ὁμολογίας ὑμῶν εἰς τὸ εὐαγγέλιον τοῦ Χριστοῦ ) zum Wortlaut solch eines Dokumentes gehörte“, und zwar u. a. deshalb, weil die „rechtliche und politische Terminologie, die hier verwendet wird, […] bei Paulus ebenso einmalig, wie sie in hellenistischen Dokumenten verbreitet ist.“959
Ob sich die konkrete Formulierung des Paulus nun tatsächlich auf eine schriftliche oder doch nur eine mündliche „Erklärung“ der Gemeinde von Korinth bezog, er hat sie – darauf weißt der Ausdruck ὁμολογία in jedem Fall hin – als bindend angesehen. Eine Kombination des Wortes960 mit der Präposition εἰς – wie hier bei Paulus – ist selten und zieht meist einen Akkusativ der Person nach sich, um anzugeben, „mit“ wem ein Vertrag geschlossen wird961. Eine Ausnahme bildet ein Beleg aus dem 3. Jh. n. Chr., der in der Struktur der paulinischen Formulierung ähnelt: In SB XXII 15326 (222–235 n. Chr.) geht es um die Zession von Land; das gesamte Schriftstück wird in Z. 6 als ὁμολογία εἰς μετεπιγραφήν („Zusage zur Umbuchung“) bezeichnet962.
9,114 καὶ αὐτῶν δεήσει ὑπερβάλλουσαν
‹ 3,10
‹ 1,11
χάριν
ὑπὲρ ὑμῶν ἐπιποθούντων τοῦ θεοῦ ἐφ᾽ ὑμῖν.
‹ 5,2
‹ 1,2
ὑμᾶς διὰ τὴν
9,115 χάρις ‹ 1,15 τῷ θεῷ ἐπὶ τῇ ἀνεκδιηγήτῳ αὐτοῦ δωρεᾷ – Dokumentarische Papyrusbelege für ἀνεκδιήγητος („unbeschreiblich“) liegen bisher nicht vor. Mit δωρεά963 wird in ptolemäischer Zeit fast ausnahmslos die vom König an Günstlinge des Hofes vergebene Domäne bezeichnet (auch [γῆ] ἐν δωρεᾷ):
958
Betz, 2. Korinther 220–221. Betz, 2. Korinther 221. 960 Dieser Abschnitt der Begriffsuntersuchung wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. Zur papyrologischen Verwendung des Begriffs siehe ausführlich von Soden, Untersuchungen. 961 Vgl. dazu Kiessling, Wörterbuch s. v. εἰς 4) (Sp. 691 unten). Eine derartige Angabe kann auch mit πρός gemacht werden (vgl. dazu wiederum Preisigke, Wörterbuch s. v. ὁμολογία). 962 Der entsprechende Passus ist allerdings vom Hg. ergänzt: [κατὰ τήνδε τὴν ὁμολογίαν εἰς μετεπιγραφὴν ἀπὸ τῆς προγεγραμ]μένης ἡμέρας. 963 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 959
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Einzelheiten: 2Kor 9,13–15
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So wird z. B. in P.Rev., Kol. XXXVI (259–258 v. Chr.) zwischen den Kleruchen und allen anderen, die „Wein- oder Obstgärten besitzen“ (Z. 14–15: τοὺς κεκτημένους | ἀμπελῶνας ἢ παραδείσους) bzw. „(Land) in Form von δωρεαί haben“ (Z. 15: ἐν δωρεαῖς ἔχοντας), differenziert, während in Kol. XLIII 11–12 die Personen „ἐν δ[ωρεᾶ]ι“ von den „in Bezug auf das Land Unbesteuerten“ (ἀτελεῖς κατὰ τὴν χώραν) und den „in einer Lehengruppe“ (ἐν συντάξ`ε´ι) Befindlichen unterschieden werden.964 Als der bekannteste δωρεά-Besitzer gilt wohl der Dioiket Apollonios, der unter Ptolemaios II Philadelphos zwei große δωρεά-Ländereien, eine im Fayum und eine im Memphites, besaß. Zeugnisse über ihn finden sich hauptsächlich im Zenon-Archiv965: So liest man beispielsweise in P.Cair.Zen. II 59173,3a (255 v. Chr.) von „den 10000 Aruren, die Apollonios in Philadelphia vom König als δωρεά verliehen worden sind“: ταῖς μ(υρίαις) ἀρ(ο)ύ(ραις) ταῖς ἐν Φιλαδελφείαι δεδομέναις ἐν δωρεᾶι Ἀπολ(λωνίωι) ὑπὸ τ[οῦ βασιλέως] (vgl. auch Z. 22 desselben Textes).966
Obgleich seit dem Niedergang des Ptolemäerreiches im Verschwinden begriffen, werden noch in römischer Zeit derartige δωρεά-Besitzungen fallweise erwähnt.967 Zumeist steht δωρεά ab dem 1. Jh. n. Chr. aber für einen kaiserlichen „Gnadenerweis“ oder ein vom Kaiser erlassenes „Privileg“: In einer epistula Hadrians über die Intestaterbfolge von Soldatenkindern heißt es z. B. – BGU I 140,28–31 (119 n. Chr.): ταύτην μου τὴν δωρεὰν | καὶ τοῖς στρατιώταις ἐμοῦ καὶ τοῖς οὐε|τρανοῖς εὔγνωστόν σε ποιῆσαι δεή|σει („es wird notwendig sein, dass du diesen meinen Gnadenerweis sowohl meinen Soldaten als auch den Veteranen ausreichend bekannt machst“). Insbesondere wird die constitutio Antoniniana, die 212 n. Chr. nahezu allen Reichsangehörigen das Bürgerrecht zugestand, als θεῖα δωρεά bezeichnet, wie z. B. in BGU II 655 (215 n. Chr.), der Steuerquittung eines gewissen Aurelius Zosimus, „vor dem göttlichen Gnadenerlass genannt Zosimos, Sohn des Leonidas“ – Z. 6–8: πρὸ μὲν τῆς θίας δωρεᾶς κα|λούμενος Ζώσιμος Λεονί|δου.
Im 3. Jh. n. Chr. stößt man außerdem auf etliche Belege, in denen von staatlich veranlassten Getreidezuwendungen die Rede ist: So stellt z. B. in P.Oxy. XL 2893, Kol. I (269 n. Chr.) ein gewisser Aurelius Isidorus beim γραμματεύς σιτηρεσίου den Antrag auf Erhalt der Getreidespende – Z. 16– 17: [μ]ετασχεῖν τῆς τοῦ σιτηρεσίου | [δω]ρ̣ εᾶς.968
Der Aspekt, dass eine δωρεά in der Regel von Herrschern oder staatlichen Behörden ausging, trifft auch auf die paulinische Formulierung, durch die Gott als Geber gedankt wird, zu. Das Substantiv an sich (und nicht erst das beigege964 Um Dörfer ἐν δωρεᾶι geht es in Kol. XLIV 3. Allgemein zur königlichen Landvergabe bzw. den diversen Ackerlandkategorien siehe Rupprecht, Einführung 171–172. 965 Zenon fungierte eine Zeit lang als dessen Sekretär (vgl. Wipszycka, Δωρεά 153). 966 Zu der als δωρεά bezeichneten Steuer vgl. Preisigke, Wörterbuch III, Abschnitt 11, s. v. δωρεά. 967 Vgl. etwa P.Oxy. II 280,10 (88–89 n. Chr.) und Parassoglou, Estates 5–9. 968 Zahlreiche weitere Anträge im selben Band (sog. „corn dole archive“), mit ausführlicher Einleitung von J.R. Rea (in P.Oxy. XL S. 30–32); zur Thematik vgl. weiters Carrié, Distributions.
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
bene Attribut ἀνεκδιήγητος [„unbeschreiblich“]) verdeutlicht also schon die Einzigartigkeit der göttlichen Gnadengabe.969
2Kor 10,1–18 Bitte, Paulus so zu sehen, wie er offensichtlich ist (Abwehr von Verleumdungen und Vorwürfen) 10 Ich selbst aber, Paulus, bitte euch durch die Sanftmut und Güte Christi, der ich dem Angesicht nach unter euch demütig bin, in Abwesenheit euch gegenüber aber wagemutig; 2 ich bitte aber darum, nicht, wenn ich anwesend bin, wagemutig sein (zu müssen) mit dem Vertrauen, mit dem ich überlege, (es) gegen einige zu wagen, die uns sehen, als würden wir nach dem Fleisch wandeln. 3 Denn auch wenn wir im Fleisch wandeln, kämpfen wir nicht dem Fleisch entsprechend, 4 denn die Waffen unseres Feldzuges sind nicht fleischliche, sondern für Gott mächtig zum Niederreißen von Befestigungen, wir zerstören Überlegungen 5 und jeden Hochmut, der sich gegen die Erkenntnis Gottes erhebt, und nehmen jeden Gedanken gefangen zum Gehorsam gegenüber Christus, 6 und wir sind in Bereitschaft, gegen jeden Ungehorsam (ge)recht vorzugehen, wenn euer Gehorsam erfüllt wird. 7 Blickt auf das, was vor dem Angesicht ist. Wenn jemand für sich überzeugt ist, Christus zu gehören, soll er dies erneut bei sich überlegen: Wie er Christus gehört, so auch wir. 8 [Und] wenn ich mich nämlich etwas übermäßiger über unsere Macht rühme, die der Herr zum Bau und nicht zum Niederreißen von euch gab, werde ich nicht beschämt werden. 9 Damit ich nicht erscheine, als würde ich euch erschrecken durch die Briefe; 10 denn die Briefe, sagt einer, (sind) gewichtig und stark, die körperliche Anwesenheit aber schwach und die Rede nichts. 11 Ein solcher soll das überlegen: Wie wir mit dem Wort durch Briefe in Abwesenheit sind, so sind wir auch in Anwesenheit mit der Tat. 12 Denn wir wagen nicht, uns zu einigen zu zählen oder mit ihnen zu vergleichen, die sich selbst empfehlen, sondern sie messen sich an sich selbst und vergleichen sich mit sich selbst und verstehen nicht(s). 13 Wir aber werden uns nicht ins Maßlose rühmen, sondern gemäß dem Maß der Richtschnur, mit dessen Maß uns Gott zuteilte, auch bis zu euch zu gelangen. 14 Denn wir strecken uns nicht, als ob wir nicht zu euch gelangt wären, darüber hinaus aus, denn wir sind auch bis zu euch gekommen im Evangelium Christi, 15 wobei wir uns nicht ins Maßlose rühmen mit fremden Mühen, aber Hoffnung haben, wenn euer Glaube wächst, unter euch gemäß unserer Richtschnur ins Übermaß groß gemacht zu werden, 16 das Evangelium über eure Gegenden hinaus zu verkünden, nicht mit fremder Richtschnur uns über das Vorliegende zu 969
Vgl. auch Betz, 2Kor 226: „… es (d. h. δωρεά, Anm. R. E. Kritzer) ist jedoch ein gebräuchlicher neutestamentlicher Ausdruck, um Gottes Gabe der Erlösung für die Heiden, besonders die Gabe des Geistes, zu beschreiben“ (mit Parallelstellen).
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Bitte, Paulus so zu sehen, wie er offensichtlich ist 2Kor 10,1–18
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rühmen. 17 Der aber, der sich rühmt, soll sich im Herrn rühmen; 18 denn nicht jener, der sich selbst empfiehlt, ist bewährt, sondern der, den der Herr empfiehlt.
Auf die Bedeutung und Funktion von παρακαλῶ in 10,1 bin ich bereits oben S. 97–99 ausführlich eingegangen.1 Die Verbindung αὐτὸς ἐγώ ist in den Papyri über einen weiten Zeitraum hinweg bezeugt. Sie begegnet z. B. in Zensusdeklarationen aus Oxyrhynchos, worin der Haushaltsvorstand, der die Deklaration einreicht, sich selbst als ersten deklariert und – wie Paulus an der vorliegenden Stelle – vor seinen Namen ein αὐτὸς ἐγώ setzt: Die Beispiele stammen aus dem Zeitraum 132/133–202/203 n. Chr.: PSI VIII 874,30 (132–133 n. Chr.); P.Oxy. XLVII 3336,16 (11. Januar 133 n. Chr.); SB XXII 15353,12 (146–147 n. Chr.); 15466,19 (20. Februar 147 n. Chr.); P.Oxy. LXXIV 4990,18 (188– 189 n. Chr.); XII 1548,12 (202–203 n. Chr.).2 Überhaupt begegnet αὐτὸς ἐγώ insbesondere in amtlichen Dokumenten, außer in Zensusdeklarationen noch in einer Petition (P.Cair.Isid. 67,8 [299 n. Chr.]), in einem Vertrag (BGU III 981, Kol. I 31 [nach 15. April 77 n. Chr.]), einem amtlichen Brief (P.Oxy. X 1252, Verso 18 [nach 294–295 n. Chr.]) und in einem Auszug der Epikrisisbefragung für die Ephebenkandidatur3 (P.Gen. II 111,16 [17. Juni 137 oder 158 n. Chr.]). Demgegenüber ist die Verbindung bisher nur in zwei privaten Briefen (UPZ I 146,4 [2. Jh. v. Chr.]; P.Mich. VIII 476,4 [frühes 2. Jh. n. Chr.]) und einem Geschäftsbrief (PSI VIII 970,8 [3. Jh. n. Chr.?]) belegt.4
Wie der Papyrusbefund deutlich zeigt, begegnet die Verbindung αὐτὸς ἐγώ vorwiegend in amtlichen Dokumenten. Die hier mit παρακαλῶ eingeleitete Bitte wird somit von Paulus selbst klar und deutlich und hochoffiziell vorgebracht. Festzuhalten ist ferner, dass diese Verbindung nie am Beginn eines größeren neuen Abschnitts steht, auch nicht in Briefen. Ähnliches gilt für παρακαλῶ, wie der oben S. 97–99 dargebotene papyrologische Befund deutlich zeigt. Beide sprachlichen Eigenheiten können also an der vorliegenden Paulusstelle nicht für Teilungshypothesen in Anspruch genommen werden. In der Gemeinde von Korinth kursierte über Paulus die Meinung, er sei in seinem persönlichen Auftreten und in seiner Rede ein Schwächling und nur in Abwesenheit in seinen Briefen stark (vgl. bes. 2Kor 10,10).5 Paulus selbst mag 1
Siehe ferner oben S. 113 und 245. Eine Zensusdeklaration aus dem Arsinoites hat an der entsprechenden Stelle die Formulierung εἰμὶ δ᾽ ἐγώ{ι} (P.Pintaudi 24,13 [27. November – 26. Dezember 76 n. Chr.]). 3 Vgl. BL XII 75. 4 Windisch, 2Kor 290, verweist auf P.Oxy. II 294,13 (11. Dezember 22 n. Chr.), wo allerdings die umgekehrte Reihenfolge (ἐγὼ αὐτός) begegnet. 5 Nach Clivaz, Rumour (bes. 264–265.274–280), handelte es sich dabei um ein Gerücht, gegen das sich auch der Autor der Apg wendete, indem er Paulus explizit παρρησία („Freimütigkeit in der Rede“) zuspricht (so in Apg 28,31). Andererseits deutet der Paulustext darauf hin, dass diesem 2
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
davon während des Zwischenbesuchs gehört haben, in der Hauptsache werden ihm aber entsprechende Nachrichten vermutlich mündlich (von Titus?) zugetragen worden sein. Eine sowohl zeitlich als auch inhaltlich relevante Parallele dazu stellt der Privatbrief SB XX 15139 (5–2 v. Chr.?) dar. Der Briefsender Diaconus, vermutlich ein Freigelassener des Adressaten Macedo, unterrichtet diesen darüber, dass er verleumdet worden ist (siehe dazu auch 2Kor 11,1– 12,13). Der vollständig erhaltene und lateinisch abgefasste Text lautet:6 [Di]ạ cọ nu[s] Macedoní suó salútem · dissimuláre · nón potuí · ut · tibí nón scríberem · té ualdissimé 5 décríminátum · aput. · Iucundum et · Dídom · a · Dọ ṃ ítií · l(iberto) · itaque mí · fráter · dá · operam · ut ualenter · satisfaciás · illís Níreó quoque · conlíbertó · suó · multa 10 sc̣[e]lẹ ra · dé té · scrípsit · quí · ut · suspicor · crédidit · eí · et té · nón · mediocriter lacerat · contubernálés · meí · té salútant · tụ́ · tuós · salútes · rogó aṃ á · nós ut instituistí · 15 uale XIIII · K(alendas) · August(as) · Ἐπεὶφ κζ. „Diaconus seinem Macedo, Gruß. Ich kann es nicht vermeiden, dir zu schreiben, dass du vom Freigelassenen des Domitius bei Iucundus und Dido kräftig verleumdet wirst. Deshalb, mein Kamerad7, gib dir Mühe, dich bei ihnen zu rechtfertigen. Auch Nireus, seinem Mitfreigelassenen, hat er viele üble Dinge über dich geschrieben. Dieser hat ihm, wie ich vermute, geglaubt, und er lästert über dich nicht wenig. Meine Kameraden grüßen dich. Grüße du die Deinigen, ich bitte dich! Liebe uns, wie du es immer getan hast! Leb wohl! 19. Juli = 27. Epeiph.“
Ein Beispiel für einen Brief, mit dem sich der Briefsender selbst gegen Unterstellungen und Verleumdungen zur Wehr setzt, ist BGU IV 1141 (mit Olsson, Papyrusbriefe Nr. 9; 14–13 v. Chr.?) (der gesamte Brief ist oben S. 62–66 wiedergegeben).8
Gerücht eine bis zu einem gewissen Grad erfahrbare Wirklichkeit zugrunde lag (vgl. z. B. Judge, Paul’s Boasting). 6 Textwiedergabe und Übersetzung richten sich nach Kramer, Alltagsdokumente 42–43 (zum gesamten Text siehe S. 39–46). 7 Siehe dazu Kramer, Alltagsdokumente 45: „mi frater wird hier nicht in der Grundbedeutung ‚mein Bruder‘ verwendet, sondern in der für den sermo castrensis üblichen Verwendung ‚mein Kamerad‘“. 8 Siehe auch O.Did. 395,1–7 (vor ca. 120–125 n. Chr.).
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Bitte, Paulus so zu sehen, wie er offensichtlich ist 2Kor 10,1–18
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Ferner ist für 10,1–12,13 auf den durchwegs in tadelndem, verärgertem Ton verfassten privaten Brief eines Aurelios Zoilos an einen Diogenes zu verweisen. Dieser Papyrusbrief ist ohne eigentlichen Eingangs- und Schlussgruß geschrieben; er lautet – P.Iand. VI 97 mit BL III 86–87 und IX 112 (29. November 242 oder 30. November 247 oder 29. November 257 n. Chr.): [Αὐρήλιος Ζωΐλος] Διογένει. [ἐδεξάμην σο]υ τὰ γρά[μμα]τα τῇ β καὶ εὗρον αὐτὰ ̣ ̣ [ . . . . μα]θών σου(?) τὴν μωρίαν. ἐγ[ὼ] μ̣ ὲν [ . .] . ια ̣ ̣ ι ἀπονενοηὑπηρετῶ̣ ν̣ ἐπ̣ ιονειδ̣ ίζ̣ ̣ [ο]μαι· οὔκ̣ ε̣ἰμ ̣ ι ἀνα̣ ίσ ̣ ̣ χυντος κ̣ α̣ ὶ ̣ οὔκ̣ [εἰ]μι μῦς. μένος καὶ ̣ ο̣ [ὔκ] ε̣ἰμ σὺ φιλοπ[όνει] τὰ γράμματά μου· μάθε οὖν ὅτι ἐ[γ]ὼ πεποί[η]κά μου τὰ ἔτη ιδ̣ , δὲ λοιπὸν ὑπηρε{ρε}τῶν τοὺς γονέας σου, καὶ ο̣ ὐκ ἦν̣ ἀναίσχυ̣ ν[τος] κ̣ α̣ ὶ ̣ οὐχ ὅμοιός σου ἐγενόμην οὐδὲ τῇ ἀδελ[φῇ] μου. οὐκ̣ ἔ̣δει σ̣ ε τα̣ ῦ̣ [τα π]ρ̣ ά̣ ττειν καὶ ἀπελ[θ]εῖν ἐτῶν ιβ̣ ̣ καὶ ἀ̣ π̣ ιχάζειν εἰς Κυνοπολ̣ είτην. ἐὰν δὲ πάντα ποιήσῃς, οὐ δύνασαί μαι ̣ αι. ὅτε γ̣ὰρ μ̣ ε̣ικ ̣ ̣ ρὸς ἤμ̣ [ην], ἀ̣ νάπαλιν ἐδε[δε]ῖρ [ήθ]ης σ̣ ε ἆρα̣ ι·̣ λοιπὸν ὅτε νεανίσκος̣ ἐγ̣ε̣ν̣ ά̣ [μ]ην, μέλις με δεῖραι. ἐ̣γ̣ε̣ν̣ ά̣ μην̣ σου λοιπὸν ἀνεχόμενος, οὐ μέλ̣ λ̣ ω̣ σ̣ ε λοιπὸν ἀνέχεσθαι. μαρτυρήσω δὲ καὶ τῇ ἀδελφῇ [μου] Θαήσιδι, ἐὰν παραγένηται πρὸ̣ [ς ἐμ]ὲ̣ [σὺν] θ̣ ε̣οῖς. (ἔτους) ε //// Χοίακ γ. ἐ̣δόκουν γὰρ ὅτι μέλλις με φιλοστοργεῖν· ὅτ᾽ ἐκεκινδυνε̣ύκει ἡ μήτηρ μου, εὗρον ὅτι, ἐὰν γένηται αὐτὴ μετὰ ἑκατὸν ἔτη, ἔμελλές με ἀλιστά̣ σ̣ τ̣ως ἐκβαλεῖν πρὸς τῇ θύρᾳ. //// //// //// ////
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Verso [τῷ ἀδελ]φ̣ ῷ Διογένει Χ ἀπ(ὸ) Αὐρηλίου Ζωΐλου. //// X 3 μωρ[ί]αν ed.pr. 11 l. ἀποιχάζειν, [ἀ̣ π̣ ]ιχ̣ άζειν ed.pr., μ̣ ο̣ ιχάζειν BL III 87 11–12 l. Κυνοπολίτην 12 l. με 13 l. μικρός 15 und 20 l. μέλλεις
„Aurelius Zoilos an Diogenes. Ich habe deinen Brief am 2. erhalten und fand …, als ich deine Blödheit9 erkannte. Ich diene und werde dazu noch geschmäht; ich bin nicht von Sinnen und ich bin nicht unverschämt und ich bin nicht eine Maus.10 Beherzige du meine Zeilen: Wisse also, dass ich meine 14 Jahre zurückgelegt und übrigens deinen Eltern gedient habe und ich war nicht unverschämt und wurde weder dir noch meiner Schwester ähnlich! Es war nicht notwendig, dass du das tust und mit 12 Jahren weg9
Siehe dazu F. Winter in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 81–82. Nach G. Rosenberger (in P.Iand. VI S. 234) im Sinne von „ich verkrieche mich doch nicht ins Mauseloch“ (mit Literaturangaben zur sprichwörtlichen Verwendung). 10
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
gehst11 und dich wegbegibst12 in den Kynopolites. Wenn du aber (das) alles tust, kannst du nicht mich prügeln. Als ich nämlich klein war, hast du mich immer wieder gebeten, dich hochzuheben; nunmehr, da ich ein junger Mann geworden bin, willst du mich prügeln. Ich wurde zu einem, der dich weiter ertrug, ich will dich nicht weiter ertragen. Und ich werde es auch meiner Schwester Thaesis bestätigen, wenn sie, so die Götter wollen, zu mir kommt. Im 5. Jahr, am 3. Choiak. Ich glaubte ja, dass du mich lieb haben willst; als meine Mutter in Gefahr geraten war, fand ich heraus, dass du, (sogar) wenn sie über hundert Jahre wird, unerbittlich beabsichtigst, mich gegen die Tür zu schleudern.“ Verso: „An den Bruder Diogenes von Aurelius Zoilos.“
Das (Verwandtschafts-)Verhältnis zwischen den Briefpartnern ist nicht gesichert; vielleicht handelt es sich um zwei Brüder, vielleicht um einen hausgeborenen Sklaven und seinen Herrn.13 Die Editorin des Papyrus, G. Rosenberger, vermutet: „Zoilos und seine Schwester Thaësis (Z. 9 f. u. 17 f.) stammen wohl aus der ersten Ehe der Mutter (Z. 21), Diogenes aus der zweiten. Die Väter scheinen beide tot zu sein. Zoilos lebt mit der Mutter in einem Haus, in dem der junge Stiefbruder die hausherrliche Gewalt hat (Z. 22 f.).“14 Vor diesem Hintergrund spricht nun der Absender seinem Adressaten jedes Recht ab, ihn zu kritisieren, da er sich um alle gekümmert hat – und um die Eltern auch dann noch, als dieser jahrelang abwesend war. Wie scharf der Briefsender die Vorwürfe seines Gegenübers zurückweist, unterstreicht auch die Tatsache, dass er den Briefkopf ohne eigentliches Grußwort gestaltet hat (er verwendet nicht einmal ein χαίρειν) und den Brief ohne einen Schlussgruß enden lässt, wohingegen er nach der Datierung noch ein erbostes Postscriptum anhängt.15 Während sich der Absender dieses Briefes ausdrücklich gegen den Vorwurf, unvernünftig o. ä. zu sein, verwehrt, stellt sich Paulus in 2Kor 11,1–12,13 in ironischer Weise als unvernünftig dar (Aurelius Zoilos verwendet dafür in Z. 4 das Verb ἀπονοέομαι, während Paulus mehrmals das Wortfeld ἄφρων gebraucht16). Das Ziel ist dasselbe: die Adressatinnen und Adressaten sollen einsehen, dass der Briefsender keineswegs unvernünftig ist. 10,11 αὐτὸς δὲ ἐγὼ ‹ S. 445 Παῦλος ‹ 1,1 παρακαλῶ ‹ 2,8 ὑμᾶς διὰ τῆς πραΰτητος καὶ ἐπιεικείας τοῦ Χριστοῦ ‹ 1,1 – Für πραΰτης („Sanftmut“) liegt bisher nur 11 In diesem Sinne G. Rosenberger in P.Iand. VI S. 234, allerdings noch mit der Annahme, dass in Z. 11 die Zahl ιθ̣ ̣ , also 19 zu lesen ist. Anders G. H. R. Horsley in New Docs. IV S. 64: „and gone away for 12 years“. 12 Für die in BL III 87 vorgeschlagene Berichtigung μ̣ ο̣ ιχάζειν sehe ich auf dem Foto des Papyrus keine Grundlage. An der Stelle des μ (bzw. des α von ἀ̣ π̣ ιχ̣ άζειν) ist nichts mehr zu sehen, die Tintenspuren danach lassen sich aber nicht zu einem ο rekonstruieren, sondern zu einem π; das ι danach ist gesichert. Siehe dazu auch G. H. R. Horsley in New Docs. IV S. 65. 13 Vgl. G. H. R. Horsley in New Docs. IV S. 64–65.67. 14 G. Rosenberger in P.Iand. VI S. 234. 15 Vgl. G. H. R. Horsley in New Docs. IV S. 65. 16 Siehe dazu unten S. 467.
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Bitte: 2Kor 10,1–18 – Einzelheiten: 2Kor 10,1
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ein einziger, allerdings zeitgenössischer Papyrusbeleg vor: in seinem Schreiben zur Judenfrage in Alexandria nennt Kaiser Claudius als Voraussetzung für seine weitere Sorge um die Stadt den bekundeten Willen der beiden verfeindeten Gruppen, „mit gegenseitiger Sanftmut und Menschenfreundlichkeit leben“ zu wollen – P.Lond. VI 1912,101–102 (10. November 41 n. Chr.): μετὰ πρα̣ ότητος | καὶ φιλανθροπείας τῆς πρὸς ἀλλήλους ζῆν.17 Der Begriff ἐπιείκεια18 ist in den dokumentarischen Papyri nur selten vertreten; von der ptolemäischen Zeit bis mindestens ins 2. Jh. n. Chr. hinein bezeichnet er – wie bei Paulus – eine „maßvolle Gesinnung“, die sich durch „Rücksichtnahme“ oder „Güte“ bzw. „Billigung“ gegenüber einer Person auszeichnet, während es ab dem Ende des 3. Jh. n. Chr. zu einer Titulatur für höhere Amtsträger wird19. Gemeinsam ist den Beispielen, dass ἐπιείκεια von einer höher stehenden Persönlichkeit in offenbar freier Weise gewährt wird. Diesen über die Jahrhunderte gleichbleibenden Aspekt belegen z. B. die folgenden zwei Petitionen: Ein gewisser Kallisthenes bezieht sich dabei gegenüber Zenon auf Erfahrungen aus der Vergangenheit – P.Cair.Zen. IV 59626,8–10 (Mitte 3. Jh. v. Chr.): κ̣ α̣ θ̣ άπερ καὶ ἔμ|[προ]σθεν παρὰ σοῦ ἐπιει|[κεί]α̣ ς τετεύχαμεν („wie wir auch früher von dir Billigung erlangt haben“). In P.Mich. III 175,21–22 (193 n. Chr.) fordert ein Melas die Vorladung seines Gegners, „um“, wie er sagt, „deinerseits Billigung erlangen zu können“ – ἵνα δυνηθῶ τῆς | ἀπὸ [σ]ο̣ ῦ ἐπικίας (l. ἐπιεικείας) τυχεῖν.20
Eine vergleichbar autoritative Rolle spielt Christus im Leben des Paulus; an seiner Art des Umgangs möchte er sich orientieren, um dann gegenüber den Gemeindemitgliedern von Korinth – so ihm diese es nicht vereiteln – ebenso als Beispiel gebende Autorität auftreten zu können. ὃς κατὰ πρόσωπον ‹ 1,11 μὲν ταπεινὸς ‹ 7,6 ἐν ὑμῖν, ἀπὼν δὲ θαρρῶ ‹ 5,6 εἰς ὑμᾶς – Paulus greift hier wohl einen Vorwurf einzelner Gemeindemitglieder
auf: wenn er in der Gemeinde von Korinth persönlich anwesend ist, sei er schwach und nur in Abwesenheit sei er den Gemeindemitgliedern gegenüber wagemutig (oder stark). Man hat ihm also offenbar Schwächlichkeit vorgeworfen. Womöglich wird hier sogar auch auf seinen Namen angespielt (Paulus bedeutet „der Kleine“) und seine körperliche Erscheinung. Die bisherigen auf Menschen bezogenen Papyrusbelege für ταπεινός liegen leider erst aus byzantinischer Zeit vor (siehe oben in der Kommentierung von 2Kor 7,6), so dass diese Vermutung von papyrologischer Seite her nicht bestätigt werden kann. 17
Siehe dazu ausführlicher F. Winter in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 193–
194. 18
Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. Im Sinne von „deine Güte“ (ἡ σὴ ἐπιείκεια); siehe die Belege bei Preisigke, Wörterbuch III, Abschnitt 9, s. v. ἐπιείκεια; ferner etwa P.Panop.Beatty 1,88 (13. September 298 n. Chr.). 20 „Mit jeder nur möglichen Anständigkeit“ (μετὰ πάσης ἐπιεικείας̣) soll ein Beauftragter in P.Panop.Beatty 1,335 (19. September 298 n. Chr.) eine Bäckerei instand setzen. Weitere Beispiele bei Preisigke, Wörterbuch s. v. ἐπιείκεια; Kiessling, Wörterbuch s. v. ἐπιείκεια. 19
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
Mit dem Partizip ἀπών beschreibt Paulus hier wie in 1Kor 5,3 seine physische Abwesenheit, wobei dies dort noch durch den Zusatz τῷ σώματι verdeutlicht wird. In den dokumentarischen Papyri findet sich nicht nur eine inhaltlich vergleichbare Ausdrucksweise, um die Abwesenheit einer Person zu beschreiben, sondern auch die Partizipialform ist dort dafür vorherrschend.21 Paulus verwendet sie durchgehend (außer in 1Kor 5,3 und hier noch in 2Kor 10,11; 13,2.10; Phil 1,27). 10,22 δέομαι ‹ 5,20 δὲ τὸ μὴ παρὼν θαρρῆσαι ‹ 5,6 τῇ πεποιθήσει ‹ 1,15 ᾗ λογίζο-
μαι ‹ 3,5 τολμῆσαι ἐπί τινας τοὺς λογιζομένους ‹ 3,5 ἡμᾶς ὡς κατὰ σάρκα ‹ 1,17 περιπατοῦντας ‹ 4,2 – Außerhalb der Korinthischen Korrespondenz, wo ausschließlich Formen des Partizips verwendet werden (παρών oder παρόντες)22 begegnet das Verb πάρειμι bei Paulus nur noch in Gal 4,18.20 (jeweils in der Infinitivform παρεῖναι). An allen Stellen geht es um das „Anwesendsein“ des
Paulus bei seinen Adressatinnen und Adressaten. Eine vergleichbare Ausdrucksweise ist auch in privaten Papyrusbriefen gut bezeugt: Ein gut vergleichbares Beispiel findet sich in P.Oxy. VII 1070,49–50 (3. Jh. n. Chr.), wo der Briefsender seine Ehefrau der Sorglosigkeit, was die Sicherheit des Hauses betrifft, bezichtigt, obwohl er sie oft durch schriftliche Nachrichten und Briefe und persönlich anwesend dazu aufgefordert hätte: ἐμνήσθητέ μου περὶ τῆς | ἀσφαλείας τῆς οἰκίας ἡμῶν, ὡς καὶ πολλάκις διὰ γραμμάτων καὶ ἐπιστο|λῶν καὶ κατ᾽ ὄψιν παρὼν ἐνετιλάμην.23 Einige weitere Beispiele, wo ein Briefsender auf seine leibliche Anwesenheit bei anderer Gelegenheit hinweist, sind: P.Cair.Zen. II 59207,2 (25. November 255–22. Juni 254 v. Chr.); IV 59595,4 (255–248 v. Chr.); P.Mich. VIII 500,7; 501,21; P.Oxy. Hels. 47 a,20–22 (alle 2. Jh. n. Chr.).
Wie R. E. Kritzer im Zusammenhang mit 1Kor 6,1 aufgezeigt hat, bezieht sich das Verb τολμάω in den dokumentarischen Papyri „auf eine Handlung, die dem Sprecher seinem Empfinden nach ungerecht erscheint und von deren Ungerechtigkeit er sein Gegenüber überzeugen will.“24 Dieser Aspekt ist innerhalb des 2Kor in 11,21 maßgeblich. Für die vorliegende Stelle ist dieser Befund insofern aufschlussreich, als Paulus seine Hoffnung zum Ausdruck bringt, ein derartiges Verhalten, das die Gemeinde dann wohl als hart und 21 Vgl. R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 202–203 (mit Belegen); ferner BGU XVI 2636,10 (ca. 21 v. Chr. – 5 n. Chr.); SB XXII 15779,10 (98–100 n. Chr.); 15704,87 (nach 138 n. Chr.); P.Sijp. 30,62 (2. Jh. n. Chr.); P.Bodl. I 51,11 (ca. 240 n. Chr.); PSI XV 1554,32; SB XXII 15757,9 (beide 3. Jh. n. Chr.). 22 Die Form παρών außer an der vorliegenden Stelle noch in 11,9 und 13,2.10 sowie in 1Kor 5,3; die Form παρόντες in 2Kor 10,11. 23 Zum gesamten Brief siehe oben S. 87–90. 24 R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 222 (mit Belegen S. 222–223; beachte ferner SB XXVI 16744,8 [ca. 140–139 v. Chr.]; PSI Com. I 14,7.18 [Mitte – 2. Hälfte 2. Jh. n. Chr.]; P.Vet.Aelii 10,6.25.28; 11,21 [beide zwischen 222–223 und ca. 250–255 n. Chr.]; P.Worp 24,4 [3.–4. Jh. n. Chr.]).
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Einzelheiten: 2Kor 10,1–4
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unangenehm empfinden würde, nicht an den Tag legen zu müssen. Auch für 10,12 ist der papyrologische Befund von Bedeutung, denn dort distanziert sich Paulus von Leuten, die sich selbst empfehlen, mit der Aussage, dass er es nicht wagt, sich ihnen zuzuzählen oder mit ihnen gleichzustellen; vor dem papyrologischen Hintergrund schwingt in dieser Aussage mit, dass nach Ansicht des Paulus einer Selbstempfehlung etwas Dreistes innewohnt. 10,33 ἐν σαρκὶ‹ 1,17 γὰρ περιπατοῦντες ‹ 4,2 οὐ κατὰ σάρκα‹ 1,17 στρατευόμεθα – Das Verb στρατεύομαι bezieht sich in den dokumentarischen Papyri nicht nur auf den aktiven Dienst eines Soldaten („Soldat sein, als Soldat dienen“), sondern bereits auf das Eintreten ins Heer25 und die Zugehörigkeit zu demselben.26 10,44 τὰ γὰρ ὅπλα ‹ 6,7 τῆς στρατείας ἡμῶν οὐ σαρκικὰ ‹ 1,12 ἀλλὰ δυνατὰ τῷ θεῷ – Mit στρατεία27 wird auch in den Papyri in der Regel der „Kriegsdienst“ bezeichnet (vgl. lat. militia); die aktiven, gerade im Kriegsdienst stehenden oder an einem aktuellen Feldzug teilnehmenden Soldaten werden οἱ ἐν στρατείᾳ (ὄντες) genannt (im Gegenatz zu den eingeschriebenen Armee-Angehörigen allgemein, für die das Partizip στρατευόμενοι verwendet wird).28 Zu erwähnen ist noch, dass in den Papyri auch die Schreibweise στρατία verwendet wird, wozu G. A. Deissmann vermerkt hat: „Dass 2 Cor. 104 στρατίας (= στρατείας) und nicht στρατιᾶς gemeint ist, sollte nicht länger bestritten werden. Es ist eigentlich überflüssig, Belege dafür zu sammeln, dass στρατεία auch στρατία geschrieben werden konnte.“29 Die akzentlose Schreibweise ϹΤΡΑΤΙΑϹ in Handschriften wie P46, א, B*, C, D* ist also vermutlich als στρατίας zu verstehen, was im Apparat von NA28 berücksichtigt werden sollte.30 Papyrologische Belege für δυνατός („mächtig“) in Verbindung mit Waffen oder Geräten (z. B. Handwerksgeräten oder Werkzeugen) sind bisher nicht
25 Beachte dazu H. C. Youtie und J. G. Winter in P.Mich. VIII S. 151 (im Kommentar zu P.Mich. VIII 514,23 [3. Jh. n. Chr.]); ein gutes Beispiel aus der Zeit des Paulus ist P.Sijp. 26,3.91.128 (ca. März 51 n. Chr.). 26 Siehe dazu im Einzelnen R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 340– 341 (mit Belegen und einem Überblick über das Soldatendasein). Ausführlich zum militärischen Alltag auf der Basis der dokumentarischen Papyri, Ostraka und Täfelchen siehe z. B. Kaiser, Excubias. 27 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 28 Für Belege (in den üblichen, immer wiederkehrenden Kombinationen) siehe Preisigke, Wörterbuch III, Abschnitt 10, s. v. στρατεία; vgl. R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 341. 29 Deissmann, Neue Bibelstudien 9–10 (mit einigen Belegen). 30 Der dortige Eintrag „sine acc. P46 אB* C D* P 2464“ unter der Variante „στρατιᾶς (! )“ ist irreführend, weil er vermuten lässt, dass in den angegebenen Handschriften mit Sicherheit στρατιᾶς gemeint sei und στρατίας als Deutung gar nicht in Frage komme.
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beizubringen.31 Der Dativ τῷ θεῷ kann als Dativus commodi interpretiert werden oder (eher), unter Einfluss der LXX, als auf das Hebräische zurückgehende Umschreibung für einen Superlativ: „mächtig für Gott“ = „sehr mächtig“.32 πρὸς καθαίρεσιν ὀχυρωμάτων – Die verhältnismäßig wenigen Belege für καθαίρεσις haben stets (wie hier bei Paulus, der hier allerdings bildhaft
spricht) mit dem „Abreißen, Niederreißen“ oder „Schleifen“ von Bauten zu tun; viele davon stammen aus Petitionen: So hat z. B. in P.Münch. III 51 (vor 27. Januar 134 v. Chr.) ein gewisser Petesuchos den von seinem Widersacher vorgenommenen Abriss seines Hauses (Z. 18–19: τὴν καθαίρεσ̣ ιν̣ ̣ [τῆς] | οἰκίας) bzw. des Obergeschoßes desselben zu beklagen.33
Das Wort ὀχύρωμα34 ist in den Papyri ausschließlich für die ptolemäische Zeit bezeugt, wo es eine „Befestigung“ oder eine „feste Ummauerung“ bezeichnet, die offenbar für verschiedenste Zwecke genutzt wurde: In P.Petr. II 13 (3),2 (255 v. Chr.) sowie (4),3.5.10 mit BL I 353 (256 oder 255 v. Chr.) geht es vom Zusammenhang her um ein „Gefängnis“, von dem eine Mauer teilweise eingestürzt ist, wodurch die Insassen gefährdet sind. In mehreren Texten über Landaufteilung ist von Häusern die Rede, die „innerhalb der Stadtbefestigung“ liegen (ἐντὸς τοῦ ὀχυρώματος – z. B. P.Lond. VII 2191,36 [116 v. Chr.]). Um eine Befestigungsanlage etwas größeren Ausmaßes handelt es sich wohl bei dem in P.Berl.Zill. 1,47 (155 v. Chr.) erwähnten ὀχύρωμα: der gesamte Papyrus ist dem Festungsbau im Herakleopolites gewidmet, der als Grenzschutz in Richtung Süden und somit gegen das Eindringen der Seleukiden diente.35
λογισμοὺς καθαιροῦντες – Das Substantiv λογισμός36 wird in den Papyri
meist in der Bedeutung „Abrechnung, Rechnung“ gebraucht (vgl. das Verb
λογίζομαι in 1Kor 4,1)37. Um „Berechnungen“, die nicht mit Zahlen, sondern
mit komplexeren Informationen angestellt werden, also „Erwägungen“ oder „Überlegungen“ bzw. „Gedankengänge“ wie hier bei Paulus geht es nur selten:
31 Beispiele für Personen, die als δυνατοί bezeichnet werden, bietet F. Winter in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 105. 32 Vgl. Moulton/Turner, Grammar IV 90–91. Papyrusbelege für diese Bedeutung, die einen hellenistischen Gebrauch bezeugen würden, lassen sich bisher jedenfalls nicht beibringen. 33 Außerdem begegnen Enteuxeis mit der Bitte um Abrisserlaubnis (vgl. etwa P.Enteux. 6,5 und Verso 3 [222 v. Chr.]). Aus einer Rechnung über Reparaturarbeiten an einem Tempel stammen P.Oxy. XX 2272,5.23 (nach 25. April 169 n. Chr.). 34 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 35 Vgl. dazu genauer H. Zilliacus in P.Berl.Zill. S. 5–9 sowie J.M.S. Cowey in P.Diosk. S. 58– 59 (zu P.Diosk. 6,16 [146 v. Chr.], wo ebenfalls von einer „Festung“ die Rede ist). 36 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 37 Siehe dazu R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 161.
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Einzelheiten: 2Kor 10,4–5
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An einen sehr gefestigten Charakter scheint sich der stoisch geprägte38 Absender von P.Oslo III 148 (2.–1. Jh. v. Chr.) zu wenden; dass jener seiner Aufmunterung nicht bedarf, begründet er damit, dass „du eine andere Meinung und (eigene) Argumente hast (und außerdem [selbst] fähig bist, andere aufzumuntern)“39 – Z. 7–9: σ̣ ε διαφορὰν καὶ | λογισμὸν ἔχειν καὶ ἑτέρους παραι|νεῖν̣ δ̣ υ̣ νάμενον.40
Mit καθαιροῦντες41 bedient sich Paulus hier – korrespondierend zu obigem Substantiv – des Verbs, um noch einmal seiner geradezu radikalen Vorstellung vom Siegeszug des christlichen Glaubens Ausdruck zu verleihen. Wie καθαίρεσις bezieht sich auch καθαιρέω zumeist auf das „Niederreißen“ von Gebäuden oder anderen Arten von Bauten (etwa von Dämmen, Mauern oder Toren), wobei die Dokumenttypen, nicht zuletzt aufgrund der größeren Beleganzahl, verschieden sind.42 In Verbindung mit anderen Objekten – auch Paulus spricht ja an dieser Stelle nicht von einem Gebäude – bedeutet das Verb so viel wie „zerstören, entfernen; tilgen, ungültig machen“: So meldet z. B. eine Choireine dem Zenon, ihr Pelz sei kaputt gegangen (ι] – SB XXII 15276,1 (Mitte 3. Jh. v. Chr.): καυνάκη καθέιρηται (l. καθήιρηται).43 Ein gewisser Terentianus berichtet seinem Vater, dass er an der Beseitigung von Unruhen in der Hauptstadt beteiligt sei – P.Mich. VIII 477,29 (frühes 2. Jh. n. Chr.): κα[θαιροῦμε]ν τ[ὸ]ν θόρυβον. Von der „Eliminierung“ von Räubern (λῃσταί) ist in P.Oxy. XII 1408,23 (212–214 n. Chr.) die Rede.44
Sowohl bei den Belegen aus dem Bauwesen als auch bei den soeben dargestellten ist jedenfalls die totale Vernichtung, auch bzw. meist unter Einsatz von Gewalt oder zumindest mit einer gewissen Kraftanstrengung, von entscheidender Bedeutung. Diese Assoziation animiert Paulus zu seiner bildhaften und zweifelsohne rücksichtslos anmutenden Darstellung vom Aus-dem-Weg-Räumen aller anderen Denk- bzw. Glaubensrichtungen (vgl. inhaltlich und in Bezug auf die Gemeinde in Korinth auch 1Kor 1,18–19). 10,55 καὶ πᾶν ὕψωμα ἐπαιρόμενον κατὰ τῆς γνώσεως ‹ 2,14 τοῦ θεοῦ – Der Begriff ὕψωμα („Erhöhung, Höhe“) begegnet in den Papyri erst ab dem 7. Jh. n. Chr. für die Beschreibung geographischer Gegebenheiten.45 38
Vgl. dazu S. Eitrem und L. Amundsen in P.Oslo III S. 232. Zum Vorschlag, den Text in den Klammern als stilistischen Einschub zu sehen, siehe S. Eitrem in P.Oslo III S. 232. 40 Vgl. weiters P.Giss. I 40,2 mit BL II.2 63 (ca. 215 n. Chr.; vgl. dazu auch Pestman, Primer 220); P.Oxy. XII 1503,16 (288–289 n. Chr.; aus einem Gerichtsprotokoll). 41 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 42 Vgl. etwa (wie oben) P.Enteux. 6,10 (222 v. Chr.); P.Hal. 1,102 (nach 259 v. Chr.; aus einem Gesetztestext); P.Hamb. III 218,8 (29–30 n. Chr.). 43 Ebenso passiv BGU II 424,9 (2.–3. Jh. n. Chr.). 44 Vgl. außerdem BGU I 14, Kol. V 12 (255 n. Chr.; aus einem Rechnungsbuch). 45 Der Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet; Belege bei Preisigke, Wörterbuch s. v. ὕψωμα. Sozusagen die „Atmosphäre“ bezeichnet ὕψωμα in Pap.Graec.Mag. I 4,1155 (frühes 39
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Mit ἐπαίρω46 bleibt Paulus, was die Wortwahl betrifft, in der Sprache des Bauwesens, wie drei der fünf papyrologischen Belege aus dem entsprechenden Vergleichszeitrahmen verdeutlichen: Einer von ihnen ist P.Lond. VII 1975 (ca. 254 v. Chr.); in dem verhältnismäßig kurzen Text geht es um die Vergabe von Arbeiten an einem Heiligtum, u. a. sollen zwei Mauern „aufgezogen“ werden – Z. 6 bzw. 9: ἐπᾶραι.47
In einer Klagschrift aus dem 2. Jh. n. Chr. begegnet das Verb hingegen in seiner ursprünglichen Bedeutung „hochheben“: In P.Oxy. X 1272 (144 n. Chr.) nämlich beschreibt ein durch Einbruch Geschädigter den Tathergang; die „Tür zur Terasse“ fand er, wie er sagt, „aus den Angeln gehoben“ vor – Z. 12–13: τὴν τοῦ πεσσοῦ θύραν ἐπηρ|[μ]ένην.48
Mit ὕψωμα ἐπαιρόμενον meint Paulus also offenbar eine Art Hochmut, der – im Sinne eines „Sich-Aufbäumens“ – „sich gegen die Erkenntnis Gottes erhebt“. καὶ αἰχμαλωτίζοντες πᾶν νόημα ‹ 2,11 εἰς τὴν ὑπακοὴν ‹ 7,15 τοῦ Χριστοῦ ‹ 1,1 – Das Verb αἰχμαλωτίζω („gefangen bzw. in Kriegsgefangenschaft nehmen“)
ist in den Papyri bisher nicht bezeugt; hingegen begegnet des Öfteren das zugehörige Adjektiv αἰχμάλωτος („kriegsgefangen“)49. 10,66 καὶ ἐν ἑτοίμῳ πληρωθῇ
‹ 7,4
‹
9,5
ἔχοντες ἐκδικῆσαι πᾶσαν παρακοήν, ὅταν ὑμῶν ἡ ὑπακοή ‹ 7,15 – Die Wendung ἐν ἑτοίμῳ ἔχω im Sinne
von „in Bereitschaft haben, bereit sein“ ist papyrologisch selten und erst nachpaulinisch bezeugt.50 Die in 12,14 von Paulus verwendete Verbindung mit dem Adverb ἑτοίμως hingegen ist in den Papyri bereits ab dem 2. Jh. 4. Jh. n. Chr.), die (höchste) „Erhebung“ des Neumondes nach der Winterwende in Pap.Graec. Mag. II 13,389 (346 n. Chr.). 46 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 47 Ganz ähnlich P.Petr. III 46 (3),11 (3. Jh. v. Chr.): το`ὺ̣ ς̣´ ἐπαρθέντα`ς´ τοίχους, wozu die Hg. J. P. Mahaffy und J. G. Smyly (in P.Petr. III S. 140) bemerken: „επαρθ. probably means ‚built to a greater height‘“. Vgl. dazu auch Preisigke, Wörterbuch s. v. ἐπαίρω 3), der dafür die Bedeutung „aufhöhen, aufmauern“ angibt. 48 Zu lückenhaft und daher unklar P.Stras. IV 300, Verso, Fr. 1 3 (2. Jh. n. Chr.; aus einem Rechnungsbuch). Für die Bedeutung in Belegen aus byzantinischer Zeit siehe Kiessling, Wörterbuch s. v. ἐπαίρω. 49 Zum papyrologischen Befund siehe Arzt-Grabner, Philemon 271. 50 Alle Belege, die auf die Zeit vor dem 4. Jh. n. Chr. datiert werden können, stammen erst aus dem 3. Jh.; vier von diesen insgesamt wenigen Belegen gehören dem Heroninos-Archiv an und handeln von der Lieferung von Waren, die jemand „in Bereitschaft (also bereit liegen) hat“: P.Flor. II 247,21 (15. Januar 253 oder 16. Januar 256 n. Chr.): καύσιμα δὲ ἔχω πολλὰ ἐν ἑτοίμῳ („Feuerholz habe ich in großer Menge bereit [liegen]“); SB VI 9054,14–15 (ca. September 249 – September 254 n. Chr.); 9081,12–13 mit BL XI 205 (249–268 n. Chr.); 9470,11–13 (26. September 265 n. Chr.; ähnlich vielleicht im fragmentarischen Text P.Flor. II 270,3 [249–268 n. Chr.], der ebenfalls an Heroninos gerichtet ist). Für das 3. Jh. n. Chr. siehe ferner P.Oxy. LXX 4775, Rekto 19 (26. April – 25. Mai 223 n. Chr.); P.Panop.Beatty 2,257 (19. Februar 300 n. Chr.).
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v. Chr.51 und insgesamt sehr zahlreich belegt; sie kann somit als die übliche Redeweise angesehen werden. Auch die von Paulus in 12,14 gebrauchte Verwendung mit folgendem Infinitiv ist die übliche Konstruktion. In zeitlicher Nähe zu Paulus sind für ἑτοίμως ἔχω zu nennen: BGU IV 1127,39 (2. Februar 18 v. Chr.); P.Stras. VI 581, Kol. II 1–2 (4. August 9 v. Chr.); PSI I 57,31–32 (28. Januar 51 n. Chr.).
Zur Bedeutung von ἐκδικέω in den Papyri vgl. bereits oben bei 7,11 zu ἐκδίκησις (S. 384). Im Unterschied zur dortigen Stelle, wo es um ein gerechtfertigtes und gerechtes Handeln der Gemeinde geht, spricht Paulus hier von seinem eigenen Vorgehen, das nicht als willkürlicher Rache- oder Strafakt zu sehen ist, sondern als nüchterne Handlungsweise im Sinne von Recht und Gerechtigkeit. Der Begriff παρακοή52 („Ungehorsam“) ist papyrologisch erst ab dem 8. Jh. n. Chr. bezeugt (z. B. in P.Ross.Georg. IV 15, Fr. 1 4 [710 n. Chr.]). 10,77 τὰ κατὰ πρόσωπον ‹ 1,11 βλέπετε. εἴ τις πέποιθεν ‹ 1,9 ἑαυτῷ Χριστοῦ ‹ 1,1 εἶναι, τοῦτο λογιζέσθω ‹ 3,5 πάλιν ἐφ᾽ ἑαυτοῦ, ὅτι καθὼς αὐτὸς Χριστοῦ οὕτως καὶ ἡμεῖς – In Papyrusbriefen wird mit dem Imperativ von βλέπω an die unmittelbare optische, oft auch innerlich zu verstehende Wahrnehmung der Adressatinnen oder Adressaten appelliert, manchmal also im eigentlichen, oft im übertragenen Sinn. Die ältesten Belege stammen aus dem 1. Jh. n. Chr., werden also in zeitlicher Nähe zu den Paulusbriefen erstmals verwendet.53 Den Genetiv Χριστοῦ („Christus gehörend, Christus eigen“) vergleicht Deissmann mit dem Genetiv Καίσαρος („dem Kaiser gehörend, dem Kaiser eigen“) in Papyri aus der Zeit des Augustus.54 τι καυχήσωμαι ‹ 5,12 περὶ τῆς ἐξουσίας εἰς οἰκοδομὴν ‹ 5,1 καὶ οὐκ εἰς καθαίρεσιν ‹ 10,4
10,88 ἐάν [τε] γὰρ περισσότερόν ‹ 1,2
‹ 2,7
ἡμῶν ἧς ἔδωκεν ὁ κύριος ὑμῶν – An der vorliegenden Stelle und in 13,10 spricht Paulus davon, dass ihm der Herr die ἐξουσία gegeben hat. Der juristische Terminus ἐξουσία bedeutet
„Recht“ im Sinne von subjektivem Recht, „rechtliche Möglichkeit“ oder „rechtliche Gewalt, Vollmacht“ und ist papyrologisch reich bezeugt, insbesondere innerhalb der Wendung ἐξουσίαν ἔχειν („ein Recht haben“).55 Dieser
51
Z. B. P.Amh. II 34, Fr. c 7 und d 3 (beide ca. 157 v. Chr.); P.Tebt. III.1 728,2 (2. Jh. v. Chr.). Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 53 Siehe die Belege bei Preisigke, Wörterbuch s. v. βλέπω 3); Kiessling, Wörterbuch s. v. βλέπω 2); P. Arzt-Grabner in ders./Kritzer u. a., 1. Korinther 104. 54 Vgl. Deissmann, Licht 322–323 (mit Belegen S. 323 Anm. 1). 55 Vgl. Papathomas, Begriffe 134 (mit zahlreichen Belegen S. 135–137); vgl. auch A. Papathomas in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 312; Kreinecker, 2. Thessaloniker 204–205. 52
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Befund ist – gerade auch von der breiten Bezeugung her56 – insofern aufschlussreich, als er genau das ausdrückt, wofür Paulus hier die Voraussetzung nennt: der Herr hat ihm die Vollmacht verliehen, was für die Gemeindemitglieder implizit bedeutet, dass er diese Vollmacht nun innehat und auch befugt ist, sie auszuüben. Dass sie ihm von göttlicher Seite, nämlich direkt vom Herrn verliehen wurde, bedeutet vor dem juristisch geprägten papyrologischen Hintergrund, dass diese Vollmacht bedeutender ist als jede irdische. οὐκ αἰσχυνθήσομαι – Das Verb αἰσχύνομαι57 begegnet in den Papyri ver-
hältnismäßig selten, doch in unterschiedlichsten Zusammenhängen. Die Gründe, sich für etwas zu „schämen“ (oder dies eben nicht zu tun), sind also vielfältig: Der Absender von P.Lond. VII 2059 (Mitte 3. Jh. v. Chr.) z. B. lässt Zenon wissen, dass er sich (wörtlich) „nämlich schäme, dich wegen nichts mehrmals zu belästigen“ – Z. 13–15: αἰσχύνομαι γὰρ | περὶ οὐδενὸς πλεονά|κις σε ἐνοχλῶν. Der Sklave eines jungen Studenten habe sich hingegen laut SB XXII 15708,45 (ca. 100 n. Chr.) „nicht geschämt“ (οὐ γὰρ ᾐσχύνετο), über einen unliebsamen Vorfall Unwahrheiten zu verbreiten.58
10,99 ἵνα μὴ δόξω ὡς ἂν ἐκφοβεῖν ὑμᾶς διὰ τῶν ἐπιστολῶν ‹ 3,2 – Das Verb ἐκφοβέω ist in seiner aktiven Verwendung im Sinne von „erschrecken, einschüchtern“ in den Papyri bisher nur zweimal bezeugt. In der Eingabe SB I 4284 mit BL VII 183 und IX 238 (29. September – 28. Oktober 207 n. Chr.) berichtet ein gewisser Erieus gemeinsam mit 25 anderen Personen, dass der Beklagte sie u. a. eingeschüchtert hätte (Z. 10 ἐκφοβ̣ ῶν ἡμᾶς), damit sie von ihrem Land fliehen (beachte auch Z. 13). In P.Diog. 17,17 (2.–3. Jh. n. Chr.) begegnet die Form ἐκφοβ̣ ῶν in fragmentarischem Kontext; eine nähere Interpretation ist nicht möglich.
Die Wendung διὰ τῶν ἐπιστολῶν ist in zwei Papyrusbriefen aus dem 2. oder 3. Jh. n. Chr. bezeugt: In P.Aberd. 69,4–7 (2. Jh. n. Chr.) wehrt sich der Briefsender, ein gewisser Kerdon, gegen die Anschuldigungen seines nunmehrigen Adressaten Agrippinos mit den Worten: [γ]ράφ[ει]ς μοι ̣ διὰ τῶν ἐπι|στολῶν σ̣ ο[υ] μεμφόμενος | [ἐ]μοῦ ὡς ἐμοῦ κρατοῦντός | τ̣ι ἐκ τ̣ῶ[ν ὑ]παρχόντων σου („du schreibst mir durch deine Briefe
56 Die Wendung ἐξουσίαν ἔχω ist lückenlos von der frühptolemäischen bis in die spätbyzantinische und sogar arabische Zeit Ägyptens hinein belegt (vgl. Papathomas, Begriffe 136). 57 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 58 Weitere Belege bei Kiessling, Wörterbuch s. v. αἰσχύνω 2). Aktiv und transitiv ist das Verb in einigen Eheverträgen zu finden, und zwar in der Formel, die es der Braut verbietet, ihrem Ehemann „Schande zu bereiten“ (vgl. etwa P.Tebt. I 104,29 [92 v. Chr.]).
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Einzelheiten: 2Kor 10,8–10
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und tadelst mich, als ob ich etwas von deinem Vermögensbesitz in meine Gewalt gebracht hätte“). Siehe ferner SB VI 9387,7–10 (2.–3. Jh. n. Chr.).
10,110 ὅτι, αἱ ἐπιστολαὶ ‹ 3,2 μέν, φησίν, βαρεῖαι – Das Adjektiv βαρύς59 („schwer“) wird nur in einem Papyrus aus byzantinischer Zeit im wörtlichen Sinn, also im Zusammenhang mit dem messbaren Gewicht einer Sache oder einer Person gebraucht.60 Zumeist liegt – wie hier bei Paulus – eine übertragene Verwendung vor, wobei dem Wort die Bedeutung „schwerwiegend, (ge)wichtig“ oder „beschwerlich“ zukommt. Davon kommt nur erstere für die Beschreibung der ἐπιστολαί („Briefe“) in Frage61 – eine Kombination, die in den Papyri allerdings nicht zu finden ist: In UPZ I 110,176 (164 v. Chr.) ist von einer „in einer gewichtigeren Position62 befindlichen“ Person die Rede: τις ἐμ (l. ἐν) βαρυ[τ]έραι κείμενος ἐ|ξουσίαι. In einem knapp 500 Jahre jüngeren Text hingegen geht es um eine „schwerwiegende Gottlosigkeit“ – SB VI 9218,11 (nach 319–320 n. Chr.?): βαρίας δυσσεβίας.
καὶ ἰσχυραί – Das Adjektiv ἰσχυρός ist bereits ab dem 3. Jh. v. Chr. in der Bedeutung „stark, kraftvoll“ bezeugt.63 A. Papathomas verweist ferner auf die juristischte Bedeutung „beweiskräftig“, die „den ersten Christen bekannt gewesen sein“ dürfte.64 ἡ δὲ παρουσία ‹ 7,6 τοῦ σώματος ‹ 4,10 ἀσθενής – Sowohl das Adjektiv ἀσθενής als auch ἀσθενέω und ἀσθένεια sind in den dokumentarischen Papyri gut
bezeugt und bezeichnen vor allem eine körperliche Schwäche (insbesondere aufgrund einer Erkrankung),65 seltener eine wirtschaftliche Schwachheit.66 Dass es hier um die körperliche Präsenz des Paulus geht, wird von ihm ausdrücklich gesagt. Sie wird von einigen, wie sie behaupten, als schwach oder kraftlos empfunden.
59
Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. In P.Cair.Goodsp. 15,15 (362 n. Chr.) geht es um eine Schwangere. 61 Die Bedeutung „beschwerlich“ begegnet häufig im Zusammenhang mit Zwangsliturgien (vgl. etwa SB XVI 12500,11–12 [171 n. Chr.]). 62 Übersetzung nach U. Wilcken in UPZ I S. 486. 63 Siehe dazu Moulton/Milligan, Vocabulary s. v. ἰσχυρός; F. Winter in Arzt-Grabner/ Kritzer u. a., 1. Korinther 103. 64 So Papathomas, Begriffe 200, mit einem Beleg aus der Kaiserzeit; vgl. aber schon P.Lips. II 124,81 (137 v. Chr.?), wo argumentiert wird, dass der Bescheid des Dioketen über die Besteuerung von Katöken „nicht schwerer wiege“ (μ̣ ηδὲ̣ γ̣ὰ̣ ρ ἰσχυρότερο̣ ν̣ εἶναι) als die diesbezüglichen königlichen Erlasse und Entscheidungen. 65 Siehe dazu auch Andorlini, Segni 39–41. 66 Siehe dazu mit Belegen F. Winter in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 102– 103.115–116.336; als Bezeichnung für körperliche Schwäche siehe ferner P.Louvre II 96,6 (Mitte 2. Jh. v. Chr.), speziell für Sehschwäche ferner P.Sijp. 12 f,3 (222–235 n. Chr.). Zu Analogien für körperliche, insbes. männliche Schwäche in der griechisch-römischen Literatur siehe Larson, Paul’s Masculinity. 60
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καὶ ὁ λόγος ‹ 1,18 ἐξουθενημένος – Das Verb ἐξουθενέω67 lässt sich papyrologisch in den Formen ἐξουδενέω oder ἐξουδενόω nachweisen, und zwar in
den Bedeutungen „zu nichts machen, annullieren“ und „herabsetzen, gering achten“. Um die Geringachtung einer Person geht es in P.Mich. VIII 477,23 (frühes 2. Jh. n. Chr.).68 Für die vorliegende Stelle sind wohl zwei Aspekte zu berücksichtigen: einerseits wird die Rede des Paulus von seinen Gegnern als eine bezeichnet, die „zu nichts gemacht wurde“, also „nichtig“ oder „nichts ist“; andererseits könnte Paulus im Ausdruck ἐξουθενημένος implizit bereits eine Kritik mit einschließen, nämlich dass seine Rede von den Gegnern gering geachtet wird. 10,111 τοῦτο λογιζέσθω ‹ 3,5 ὁ τοιοῦτος, ὅτι οἷοί ἐσμεν τῷ λόγῳ ‹ 1,18 δι᾽ ἐπιστολῶν ‹ 3,2 ἀπόντες ‹ 10,1, τοιοῦτοι καὶ παρόντες ‹ 10,2 τῷ ἔργῳ ‹ 9,8. 10,112 οὐ γὰρ τολμῶμεν ‹ 10,2 ἐγκρῖναι – Zum Verb ἐγκρίνω69 („dazurechnen, zuzählen“) gibt es bislang nur einen einzigen papyrologischen Beleg, der bzw. dessen Umfeld so lückenhaft ist, dass sich der nähere Zusammenhang nicht mehr erschließt (SB VI 9559,10 [ca. 280–250 v. Chr.]); vermutlich geht es um die Registrierung eines städtischen Beamten.70 ἢ συγκρῖναι ἑαυτούς τισιν τῶν ἑαυτοὺς συνιστανόντων ‹ 3,1 – Das Verb συγκρίνω wird papyrologisch durchwegs im Sinne von „entscheiden“ verwendet,
„und zwar in juristischem Kontext.“71 Für die vorliegende Stelle scheidet diese Bedeutung aber aus. Hier geht es um ein „Vergleichen“.72
ἀλλὰ αὐτοὶ ἐν ἑαυτοῖς ἑαυτοὺς μετροῦντες καὶ συγκρίνοντες ἑαυτοὺς ἑαυτοῖς – Grundsätzlich wird mit dem griechischen Verb μετρέω73 ein „Messen“
jeglicher Art bezeichnet. In den Papyri fungiert es – neben wenigen Ausnahmen74 – zumeist als Terminus technicus für das „Zumessen“ oder „Entrichten“ von Naturalabgaben; in dieser Bedeutung begegnet es in einer Unzahl von
67 Neben der LXX und davon abhängigen Schriften ist das Verb vornehmlich in dokumentarischen Papyri und in der Populärliteratur bezeugt (vgl. Welborn, End 119–120). 68 Weitere Belege bei Papathomas, Begriffe 199; siehe ferner P.Col. X 278,9 (Mitte 3. Jh. n. Chr.). 69 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 70 Vgl. dazu E.G. Turner in P.Hib. II S. 70: „ἐγκρίνω is a t. t. in Attic for ‚admit‘, e. g. of ephebes“. 71 Papathomas, Begriffe 44 (mit den Belegen); vgl. F. Winter und R. E. Kritzer in ArztGrabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 133. 72 Dokumentarische Belege dafür liegen bisher nur in Inschriften vor (vgl. Papathomas, Begriffe 44, mit Verweis auf Preisigke, Wörterbuch s. v. συγκρίνω). 73 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 74 Darunter u. a. jene Belege, in denen von einem (bautechnischen) „Ausmessen“ oder „Vermessen“ die Rede ist (z. B. P.Lips. I 106,15–16 [99 n. Chr.]). In P.Eirene III 17, Verso 2 (3.–4. Jh. n. Chr.) geht es vielleicht um erfolgte „Zuteilungen“ von Zahlungen.
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Einzelheiten: 2Kor 10,10–13
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Quittungen75, aber auch in Lieferanweisungen, Darlehens- oder Pachtverträgen.76 οὐ συνιᾶσιν – Das Verb συνίημι wird in den Papyri äußerst selten verwendet.
Die Belege stammen aus dem 3. Jh. v. Chr.: Während seine Bedeutung in PSI VI 665,7 (Mitte 3. Jh. v. Chr.) aufgrund der nachfolgenden Lücke im Text nicht mehr eindeutig auszumachen ist (καὶ γ̣εωργοὺς δὲ οὓς οὐ συνίημι – „und die Bauern aber, die ich nicht zusammen absende77“]), dürfte in P.Cair.Zen. I 59061,5 (vor 5. Mai 257 v. Chr.) eine übertragene Verwendung („[im Kopf] zusammensetzen“) vorliegen: συνίημι καὶ αὐ̣ [τός] („ich erkenne/verstehe auch selbst“).
10,113 ἡμεῖς δὲ οὐκ εἰς τὰ ἄμετρα καυχησόμεθα ‹ 5,12 – Das Adjektiv ἄμετρος78 („maß-, zahllos“) ist bisher nur durch einen papyrologischen Beleg bezeugt79: In P.Oxy. XXXIII 2664 (245–249 n. Chr.?) geht es um eine umfassende Reform der Liturgien; Grund dafür bildet die Tatsache, dass die Ägypter bis dahin „durch die zahllosen Liturgien unterdrückt“ worden waren – Z. 4: ταῖς ἀμέτροις λε[ιτ]ο̣ υργί[αι]ς̣ καταπονηθέντας.
ἀλλὰ κατὰ τὸ μέτρον – Das Wort μέτρον80 ist wie das oben kommentierte, zugehörige Verb μετρέω (siehe bei 10,12) in den Papyri hundertfach belegt.
Fast ausnahmslos bezeichnet es ein bestimmtes, in der jeweiligen Region gebräuchliches, häufig auch geeichtes „Maß“ (zumeist für Getreide), eine „Menge“ (wiederum an Getreide oder z. B. einer Flüssigkeit) oder allgemeiner und im Plural „Abmessungen“ (etwa eines Grundstückes).81 Bisweilen ist μέτρον auch das Instrument selbst, mit dem man die Messung durchführt82 – hier trifft dies jedoch erst auf das nachfolgende Substantiv (κανών) zu. Die Wendung κατὰ τὸ μέτρον („gemäß dem Maß“) ist papyrologisch bisher nicht bezeugt.83 75 Sowohl aktiv als auch passiv bzw. medial (dann: „zugemessen werden“ oder auch „empfangen“); Beispiele v. a. auf Ostraka, etwa: O.Petr.Mus. 357,3 (15–36 n. Chr.); O.Bodl. II 1171,1 (30 n. Chr.); O.Stras. 328,3 (30 n. Chr.); O.Petr.Mus. 398,2 (24. Juli 64 n. Chr.); 399,2 (1. Jh. n. Chr.); PSI Com. II 2,5.11 (2. Oktober 157 n. Chr.). 76 Vgl. BGU XVI 2560,3 (8–7 v. Chr.); P.Mich. V 331,1 (41 n. Chr.); PSI I 30,5–6.10 mit BL IV 86 (82 n. Chr.). Um das „Zumessen“, „Abstatten“ von Dank (χάρις) geht es in SB III 7268 (98–117 n. Chr.). 77 Vgl. dazu Preisigke, Wörterbuch s. v. συνίημι. 78 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 79 Synonym dazu, aber erst verhältnismäßig spät ἀμέτρητος (vgl. P.Herm. 6,9 [ca. 317–323 n. Chr.]; Pap.Graec.Mag. I 4,268.1752 [frühes 4. Jh. n. Chr.]). 80 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 81 Zahlreiche Belege bei Preisigke, Wörterbuch III, Abschnitt 18, s. v. μέτρον. 82 So z. B. in P.Tebt. II 414,27 (2. Jh. n. Chr.). 83 Dagegen z. B. ἐν μέτρῳ, wie z. B. in P.Tebt. I 17,7 (114 v. Chr.), in der Bedeutung „in Ordnung“.
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
τοῦ κανόνος – Die überwiegende Mehrzahl der papyrologischen Belege zu κανών84 stammen aus spätrömischer bzw. byzantinischer Zeit, in der das Wort
hauptsächlich als steuerrechtlicher Fachausdruck Verwendung fand; der sog. canon frumentarius legte die jährlich abzuliefernde Menge an Steuergetreide fest, stellte also den von staatlicher Seite erstellten „Steuersatz“ dar.85 Ursprünglich verstand man aber unter κανών, was sich vermutlich von κάννα, einem semitischen Lehnwort für „Binsenrohr“86, ableitete, eine „Stange“ oder einen „Stab“; diese Bedeutung findet sich noch in zwei Texten aus dem Zenon-Archiv87. Häufig gebrauchte man einen κανών als Messwerkzeug (Stab oder Schnur)88, wofür aber papyrologische Belege bisher fehlen. Aus dieser Verwendung jedenfalls entwickelte sich die übertragene Bedeutung „Norm, Richtwert“, wie sie im philosophischen und literaturtheoretischen Bereich89 eine Rolle spielte. Diese ist auch durch einen Papyrusbeleg bezeugt: So bezeichnet in UPZ I 110,58 (164 v. Chr.) der Dioiket seine nur kurz zurückliegenden Instruktionen an die ihm unterstellten Finanzbeamten als κανών, also als „Richtschnur des Handelns“90.
Auch wenn das Wortspiel des Paulus letztlich genau auf diese Bedeutung hinausläuft, ist sein Text doch der Ursprungsbedeutung näher: Das „Maß des Messstabes“ steht hier bildlich für die von Gott vorgegebene „Norm“ des Sich-Rühmens. οὗ ἐμέρισεν ἡμῖν ὁ θεὸς μέτρου – Den papyrologischen Befund von μερίζω
in der Bedeutung „verteilen, zuteilen“ haben bereits R. E. Kritzer und P. Arzt-Grabner im Zusammenhang mit 1Kor 7,17 herausgearbeitet. Demnach kommt diese Bedeutung am häufigsten „in Texten mit amtlichem oder rechtlichem Charakter zum Tragen (z. B. Steuerlisten, Petitionen, Verträge über Besitzteilung, Testamente, Schenkungsurkunden, Eheverträge). Dabei handelt es sich meist um die mehr oder weniger exakte Ver- oder Zuteilung von Geldern oder Vermögen, Land […], von Häusern oder Hausgerät oder von Vieh.“91 Besonders gut mit der Paulusstelle vergleichbar ist ein Abschnitt aus
84
Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. Für Belege siehe Preisigke, Wörterbuch III, Abschnitt 11, s. v. κανών. 86 Vgl. dazu Montanari, Kanon 248. 87 In P.Cair.Zen. V 59847,35.44.53 sowie PSI V 547,9 (beide Mitte 3. Jh. v. Chr.) werden κανόνες erwähnt, die als Fensterbalken fungieren (vgl. dazu auch Preisigke, Wörterbuch s. v. καννωτός). – Um astrologische „Täfelchen“ geht es in O.Narm. I 6,7–8 und 11,2–3 (beide 2.–3. Jh. n. Chr.; vgl. dazu auch LSJ s. v. κανών II.4.). 88 Vgl. dazu zahlreiche Belege aus der griechischen Literatur (angeführt u. a. bei LSJ s. v. κανών I.3.). 89 Vgl. Montanari, Kanon 248–249. 90 So U. Wilcken in UPZ I S. 490. 91 R. E. Kritzer und P. Arzt-Grabner in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 272 (mit zahlreichen Belegen). 85
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Einzelheiten: 2Kor 10,13–14
461
dem Brief P.Köln VI 278 (1. Jh. n. Chr.), wo es in ähnlicher Weise um eine abstrakte Größe geht, die zugeteilt werden möge, und zwar von einer Gottheit: Im Gebetsbericht versichert der Briefsender dem Adressaten, dass er täglich zur Gottheit (vermutlich zu Apis oder Hermes) bete, „dass er dir zuteilen möge gemäß den Bedürfnissen deiner Seele“ – Z. 7–8: [ἵ]ν̣ α σοι μερίσῃ κατὰ τὰ | [δέοντ]ά σου τῆς ψυχῆς.
ἐφικέσθαι ἄχρι καὶ ὑμῶν – Das Verb ἐφικνέομαι92 („hingelangen; errei-
chen“) begegnet bisher lediglich in einem Text aus der Mitte des 6. Jh. n. Chr. sowie in einem Zauberpapyrus.93 10,114 οὐ γὰρ ὡς μὴ ἐφικνούμενοι ‹ 10,13 εἰς ὑμᾶς ὑπερεκτείνομεν ἑαυτούς – Das Verb ὑπερεκτείνω („darüber hinaus, zu weit ausstrecken; überdehnen“) ist in den dokumentarischen Papyri bisher nicht belegt. ἄχρι γὰρ καὶ ὑμῶν ἐφθάσαμεν ἐν τῷ εὐαγγελίῳ ‹ 2,12 τοῦ Χριστοῦ ‹ 1,1 – Das Verb φθάνω94 bringt in den Papyri hauptsächlich zum Ausdruck, dass eine
Aktion vor einer anderen stattfindet bzw. stattgefunden hat95:
So geht es z. B. in P.Ryl. II 119,16 (62–66 n. Chr.), um nur ein zeitgenössisches Beispiel zu nennen, um „Pachtgelder“, die jemand „vorher“ (d. h. in dem Fall vor der Aufhebung einer Hypothek) „erhalten hat“: ὧν ἔφθη λαβεῖν ἐκφορίων.96
Die Bedeutung „hinkommen, ankommen“, wie sie auch hier bei Paulus vorliegt, ist weitaus seltener belegt; ob dabei eine zeitliche Differenzierung im Verhältnis zu einer anderen Handlung mitschwingt oder nicht, ist meist nur schwer aus dem jeweiligen Kontext herauszulesen. Aus dem 1. Jh. n. Chr. stammt z. B. P.Köln I 56, ein Brief, in dem eine gewisse Diodora ihrem Adressaten mitteilt, sie sei (möglicherweise in Begleitung) nach neun Tagen in die Gauhauptstadt gekommen – Z. 3–4: ὅτι δεκαταῖ|οι ἐπτάκαμεν (l. ἐφθάκαμεν) εἰς τὴν μητρόπο|λιν⟦ν⟧.97 Anders ist etwa in P.Brem. 14 (ca. 113–120 n. Chr.) das φθάνειν mit einer weiteren Handlung in Beziehung gesetzt, und zwar möchte ein mit der Ausbesserung von Kanälen Betrauter in der Nähe eines Ortes nächtigen, an dem er am darauf folgenden 92
Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. P.Cair.Masp. II 67151,298 (15. November 570 n. Chr.); vgl. dazu auch Preisigke, Wörterbuch s. v. ἐφικνέομαι; Pap.Graec.Mag. I 4,68.529 (frühes 4. Jh. n. Chr.; in Letzterem allerdings das Verbaladjektiv). 94 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 95 Dabei kommt φθάνω meist die Funktion des Prädikats (mit davon abhängigem Infinitiv oder Partizip), später aber auch die eines prädikativen Partizips zu. 96 Schlecht erhalten und inhaltlich fraglich ist P.Oxy. LV 3807,27–28 (ca. 26–28 n. Chr.?); um die schon „vorher“, also bereits erfolgte Abgabe eines Monatsberichtes geht es in O.Krok. I 80,5–6 (ca. 98–138 n. Chr.); zahlreiche weitere Beispiele für φθάνω in dieser Bedeutung bei Preisigke, Wörterbuch s. v. φθάνω 1). 97 Ähnlich P.Harr. I 103,5–7 (2. Jh. n. Chr.?); P.Par. 18,14–15 (3. Jh. n. Chr.). 93
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
Morgen ein paar Inseln inspizieren soll, „da ich“, wie er schreibt, „zuvor nicht hingekommen bin“ – Z. 15–16: ἐπεὶ | μὴ ἔφθην.98 In P.Oxy. XXIV 2407, Verso 36 mit BL VI 107–108 (spätes 3. Jh. n. Chr.) wird hingegen erst durch den Zusatz ἤδη deutlich, dass die durch φθάνω beschriebene Handlung von der nachfolgenden abzuheben ist: τ̣ὰ [τέ]κνα τῶ̣ ν̣ πατέρων τὰ φθάσαντα ἤδη εἰς τὴν φυλὴν λ̣ ειτουρ[γ]είτω („die Nachkommen der Väter, die schon [vorher?] in die Phyle gekommen sind99, sollen [als Archonten] dienen“; vgl. außerdem Z. 39).
Dem paulinischen ἄχρι ὑμῶν ἐφθάσαμεν steht das hypothetische ὡς μὴ ἐφικνούμενοι εἰς ὑμᾶς gegenüber, was im Prinzip lediglich den Gegensatz zwischen „nicht hinkommen“ und „(tatsächlich) hinkommen“ verdeutlicht. Für die Übersetzung „als erster“ (so u. a. in der Einheitsübersetzung100) bieten jedenfalls die Papyri keine Grundlage. Aber auch ein „Vorher-Hinkommen“, was durch die Papyri möglicherweise Unterstützung fände, ist aufgrund des fehlenden inhaltlichen Pendants101 auszuschließen. 10,115 οὐκ εἰς τὰ ἄμετρα ‹ 10,13 καυχώμενοι ‹ 5,12 ἐν ἀλλοτρίοις κόποις – Das Adjektiv ἀλλότριος102 weist in den Papyri verschiedenste Bedeutungsnuancen auf: „anders“ im Sinn von „andersartig“, „nicht dazugehörend“ oder „abweichend“ von etwas103, im Sinn von „fremd, unbekannt“ bis hin zu „befremdlich, feindlich“104 oder aber einfach als Synonym für das Pronomen ἄλλος. Für den Vergleich mit der vorliegenden paulinischen Stelle relevant sind aber jene Belege, in denen mit ἀλλότριος auf Besitzverhältnisse hingewiesen wird, d. h. wo bestimmte Objekte bzw. auch allgemein τὰ ἀλλότρια als „jemandem anderen gehörig“ ausgewiesen werden. Materiell gesehen ist eine derartige Einteilung (in Eigen- und Fremdgut) vor allem in Petitionen oder Gesetzestexten zu finden: So heißt es z. B. innerhalb einer Sammlung von alexandrinischen Gesetzen – P.Hal. 1,84–87 (nach 259 v. Chr.): [ἐάν τι]ς ὀφρύγην | [παρὰ] ἀλλότριον χω|[ρίον οἰ]κοδομῆι, τὸν | [ὅρον μὴ π]αρααινέτω („wenn jemand einen Grenzzaun an ein Grundstück eines anderen baut, darf er die Grundgrenze nicht überschreiten“). Genau auf diese Regelung bezieht sich der Petent von P.Tebt. III.1 780 (171 v. Chr.), wenn er gegen eine (inzwischen verstorbene) Frau vorbringt, dass sie unberechtigt 98
Vgl. auch P.Flor. I 9,9–11 (255 n. Chr.). Es geht um die Vererbung der Mitgliedschaft in einer Phyle. 100 Ähnlich z. B. auch Matera, 2Cor 228: „we were the first to come“. 101 Manche dachten dabei an „die Gegner“ (vgl. dazu Meyer, 2Kor 248). 102 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 103 Z. B. ἀλλότρια φρονέω („an anderes denken, seine Meinung ändern“); so etwa in P.Ryl. II 128,10 (nach 13. Februar 30 n. Chr.). 104 So des Öfteren von Personen; vgl. z. B. P.Heid. III 230,5–6 mit BL V 42 (3. Jh. v. Chr.): ἐφαινόμεθα γάρ σοι διαλε|γόμενοι ὡ̣ ς ἀλλοτρίωι („denn wir schienen uns mit dir wie mit einem Fremden zu unterhalten“). – Für zahlreiche weitere Belege siehe Kiessling, Wörterbuch s. v. ἀλλότριος 1) sowie 3)-5). 99
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Einzelheiten: 2Kor 10,14–15
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auf seinem geerbten Grundstück einen Turm errichten ließ – Z. 12–14: τὸ δὲ διάγραμμα διαγορεύει | ἐάν τις ἐν ἀλλοτρίωι χωρίωι οἰκοδομήσηι, | στερέσθω τοῦ οἰκοδομήματος („die königliche Verordnung bestimmt: wenn einer auf dem Grundstück eines anderen baut, soll er des Gebäudes enteignet werden“)105.
In römischer Zeit stößt man häufig auf eine bei Epikrisisdeklarationen verwendete Formel, mit der man sich vor dem Vorwurf der Urkundenfälschung schützte. Der früheste Beleg dafür ist P.Oxy. X 1266,35–37 (98 n. Chr.), wo ein Vater, nachdem er die entsprechenden Voraussetzungen, die sein Sohn für die Aufnahme ins γυμνάσιον mitbringt, dargelegt hat, abschließend versichert, er habe sich „keine fremden Urkunden oder gleich lautenden Namen zunutze gemacht“: μηδ᾽ ἀλλο̣ ις ἢ | ὁμωνυμίᾳ κεχρῆ[σθαι].106 τρίαις [ἀσφαλ]ε̣ία
Hinzuweisen ist noch auf einen privaten Brief, in dem ἀλλότριος eine Sache oder Angelegenheit bezeichnet, mit der man nichts zu tun hat: Ein gewisser Severus berichtet in PSI XV 1554 (3. Jh. n. Chr.) einem Apollonianos, dass er mit Ammonios zusammengetroffen sei und ihm den Brief des Apollonianos übergeben habe; Ammonios habe ihn gelesen, aber danach nur erklärt – Z. 9–10: ἀρκεῖ, ἐὰν μὴ σοὶ ἐνοχλῇ | [ - - - ]τ̣ο̣ υ· τοῦτο γὰρ ἀλλότρ[ι]όν ἐστιν („es reicht, wenn es dir nichts ausmacht, … Denn das ist etwas anderes [im Sinne von: hat nichts mit mir zu tun]“).
Die Urkunde eines anderen als die eigene auszugeben, was hier von Paulus von vornherein zurückgewiesen wird, würde die Vortäuschung falscher Tatsachen und die unrechtmäßige Beanspruchung fremder Leistungen bzw. Privilegien zu eigenen Gunsten bedeuten. Ein ebensolches Vorgehen weist auch Paulus an dieser Stelle von sich. Die κόποι sind hier – anders als in 6,5 und 11,23.27 – als löbliche Arbeitsleistungen zu verstehen, für die auch eine Abgeltung erwartet werden kann (siehe dazu vor allem P.Yadin I 21,18–28 [11. September 130 n. Chr.]107). ἐλπίδα ‹ 1,10 δὲ ἔχοντες αὐξανομένης ‹ 9,10 τῆς πίστεως ‹ 1,24 ὑμῶν ἐν ὑμῖν μεγαλυνθῆναι κατὰ τὸν κανόνα ‹ 10,13 ἡμῶν εἰς περισσείαν ‹ 8,2 – Das Verb μεγαλύνω108 („groß machen“, med. „groß werden, sich brüsten“) begegnet
erst in einem christlichen Papyrus aus dem 3.–4. Jh. n. Chr. (P.Oxy. XII 1592,3–4). 105 Der Petent bezieht sich damit genauer auf P.Hal. 1,100–102, wo die rechtlichen Konsequenzen für den, der der Vorschrift zuwider handelt, aufgeführt werden. Dort ist allerdings nicht wörtlich von Enteignung die Rede, sondern davon, dass der jeweilige Geschädigte befugt sein soll, die unrechtmäßig errichteten Bauten abzureißen. 106 Vgl. weiters etwa SB XIV 11271,8 (4. Februar 117 n. Chr.) oder P.Diog. 5,19 (nach 138 n. Chr.). 107 Siehe dazu und zu weiteren Beispielen aus dem landwirtschaftlichen Bereich F. Winter in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 143–144 (P.Yadin I 21 wird dort noch als P.Babatha 21 geführt). 108 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet.
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
10,116 εἰς τὰ ὑπερέκεινα ὑμῶν εὐαγγελίσασθαι – Bisweilen wird in der Forschung die Ansicht vertreten, τὰ ὑπερέκεινα beziehe sich direkt auf Italien und Spanien, was wiederum darauf hindeute, dass Paulus diesen Abschnitt in Ephesos geschrieben haben müsse, da dies in direkter Linie zu Korinth, Italien und Spanien liege. Diese Argumentation dient sodann als Begründung der Hypothese, in 2Kor 10–13 würden die Reste des Tadelbriefes vorliegen, den Paulus ja von Ephesos aus geschrieben haben wird.109 Aus papyrologischer Sicht lässt sich eine derartige Deutung nicht stützen, zumal das Adverb ὑπερέκεινα („darüber hinaus“) bisher in den Papyri nicht bezeugt ist, außerdem aber auch jeglicher Hinweis fehlt, dass man im damaligen Alltag in derartigen geographischen Linien oder Richtungen gedacht habe. Durch die Ostrakafunde von Mons Claudianus sind zu den bis dahin nur zwei Belegen für εὐαγγελίζομαι aus dem 2. Jh. n. Chr.110 einige weitere hinzugekommen: O.Claud. IV 852,5 (ca. 138–161 n. Chr.); 853,5–11; 856,4–5; 857,5– 10; 859,3–8; 860,6–7 (alle ca. 186–187 n. Chr.); 849,3–10; 850,8 (beide spätes 2. Jh. n. Chr.). Es geht stets um das Überbringen einer guten, erfreulichen Nachricht (über einen militärischen Sieg, eine bevorstehende Hochzeit oder – im Fall der Ostraka aus Mons Claudianus – den Fortschritt oder erfolgreichen Abschluss eines Arbeitsauftrags). εἰς τὰ ἕτοιμα ‹ 9,5 καυχήσασθαι ‹ 5,12 – Die Bedeutung „bereit, fertig“ für das Adjektiv ἕτοιμος wurde bereits bei 9,5
οὐκ ἐν ἀλλοτρίῳ
‹ 10,15
κανόνι
‹ 10,13
papyrologisch belegt. Im selben Bedeutungsrahmen wird es auch hier verwendet: Paulus will sich nicht dessen rühmen, was bereits fertig, also schon vorhanden ist. 10,117 ὁ δὲ καυχώμενος ‹ 5,12 ἐν κυρίῳ ‹ 1,2 καυχάσθω. 10,118 οὐ γὰρ ὁ ἑαυτὸν συνιστάνων ‹ 3,1, ἐκεῖνός ἐστιν δόκιμος, ἀλλὰ ὃν ὁ κύριος ‹ 1,2 συνίστησιν ‹ 3,1 – In den dokumentarischen Papyri ist das Adjektiv δόκιμος in vorbyzantinischer Zeit nie auf Menschen bezogen und es wird fast ausschließlich im Zusammenhang mit Münzen verwendet, die aus „geprüftem“ Gold oder Silber bestehen.111
109
Siehe dazu – mit kritischen Gegenargumenten – Harris, 2Cor 36–37. P.Giss. I 27,6 (etwa Dezember 115 n. Chr.; nach Pucci Ben Zeev, Diaspora Judaism 170, Sommer 117 n. Chr.) und P.Oxy. XLVI 3313,3–4 (2. Jh. n. Chr.); siehe dazu ausführlicher ArztGrabner, Philemon 219. 111 Vgl. ausführlicher P. Arzt-Grabner in ders./Kritzer u. a., 1. Korinther 394. 110
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Einzelheiten: 2Kor 10,16–18 – Zurückweisung von Vorwürfen: 2Kor 11,1–12,13
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2Kor 11,1–12,13 Weitere Zurückweisung von Vorwürfen und Werben um die Gemeinde in Auseinandersetzung mit Gegnern (sog. „Narrenrede“) 11 Würdet ihr doch ein bisschen von meiner Unvernunft ertragen! Aber ihr ertragt mich auch. 2 Ich eifere nämlich um euch mit Gottes Eifer, denn ich habe euch einem Mann verbunden, um euch als reine Jungfrau Christus vorzuführen; 3 ich fürchte aber, dass etwa, wie die Schlange Eva durch ihre Hinterlistigkeit täuschte, eure Gedanken weg von der Einfachheit [und der Reinheit] gegenüber Christus zerstört werden. 4 Denn wenn der, der kommt, einen anderen Jesus verkündet, den wir nicht verkündet haben, oder ihr einen anderen Geist aufnehmt, den ihr nicht empfangen habt, oder ein anderes Evangelium, das ihr nicht angenommen habt, ertragt ihr (es) gut. 5 Denn ich denke, in nichts hinter den Superaposteln zurückgestanden zu haben. 6 Und wenn (ich) auch ein Unkundiger in der Rede bin, (so) aber nicht in der Erkenntnis, sondern in allem haben wir (sie) unter allen euch gegenüber bekannt gemacht. 7 Oder habe ich einen Fehler gemacht, indem ich mich erniedrigte, damit ihr erhöht werdet, weil ich euch das Evangelium unentgeltlich verkündete? 8 Andere Gemeinden habe ich beraubt, indem ich Sold genommen habe für den Dienst an euch, 9 und als ich bei euch war und Mangel litt, bin ich in keiner Weise zur Last gefallen; denn meinen Mangel haben die Brüder, als sie von Makedonien kamen, aufgefüllt, und in allem habe ich mich ohne Last euch gegenüber gehalten und werde ich mich halten. 10 Die Wahrheit Christi ist in mir, dass mir dieser Ruhm in den Gegenden Achaias nicht verbaut werden wird. 11 Warum? Weil ich euch nicht liebe? Gott weiß (es). 12 Was ich aber tue, werde ich auch tun, damit ich die Gelegenheit derer ausschlage, die eine Gelegenheit wollen, damit sie, worin sie sich rühmen, befunden werden wie auch wir. 13 Denn solche (sind) Lügenapostel, listige Arbeiter, die sich in Apostel Christi verwandeln. 14 Und kein Wunder: denn der Satan selbst verwandelt sich in einen Engel des Lichts. 15 (Es ist) also nichts Großes, wenn sich auch seine Diener als Diener der Gerechtigkeit verwandeln; deren Ende wird gemäß ihren Werken sein. 16 Wieder sage ich: Niemand meine, dass ich unvernünftig bin! Wenn aber doch, und wenn (schon), nehmt mich auf wie einen Unvernünftigen, damit auch ich mich ein bisschen rühme. 17 Was ich rede, rede ich nicht dem Herrn entsprechend, sondern wie in Unvernunft, in dieser Zuversicht des Rühmens. 18 Da viele sich rühmen nach (dem) Fleisch, werde auch ich mich rühmen. 19 Denn gerne ertragt ihr, die ihr Kluge seid, die Unvernünftigen; 20 ihr ertragt es nämlich, wenn euch jemand versklavt, wenn (euch) jemand auffrisst, wenn (euch) jemand in seine Gewalt bringt, wenn sich jemand erhebt, wenn euch jemand ins Gesicht schlägt. 21 Der Schande entsprechend sage ich, dass wir im Vergleich damit schwach gewesen sind. Worin auch immer jemand wagemutig ist, in Unvernunft sage ich es, bin auch ich wagemutig. 22 Sie sind Hebräer?
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
Ich auch. Sie sind Israeliten? Ich auch. Sie sind die Nachkommenschaft Abrahams? Ich auch. 23 Sie sind Diener Christi? Ich rede wie von Sinnen, ich noch mehr: in Mühen über die Maßen, in Haftaufenthalten über die Maßen, bei Schlägen übermäßig, in Todesnöten oft. 24 Von Juden empfing ich fünf Mal die Vierzig-weniger-einen, 25 drei Mal wurde ich mit dem Stock geschlagen, ein Mal wurde ich mit Steinen beworfen, drei Mal erlitt ich Schiffbruch, eine Nacht und einen Tag bin ich in Seenot gewesen; 26 auf Reisen oft, in Gefahren durch Flüsse, in Gefahren durch Räuber, in Gefahren von Seiten der eigenen Leute, in Gefahren von Seiten der „Völker“, in Gefahren in der Stadt, in Gefahren in der Wüste, in Gefahren auf dem Meer, in Gefahren unter falschen Brüdern, 27 in Mühe und Plage, in Schlaflosigkeiten oft, in Hunger und Durst, in Zeiten des Fastens oft, in Kälte und Nacktheit; 28 ohne die Dinge außerdem: der tägliche Andrang zu mir, die Sorge um all die Gemeinden. 29 Wer ist schwach, und ich bin nicht schwach? Wer wird irre gemacht, und ich brenne nicht? 30 Wenn es nötig ist, sich zu rühmen, werde ich mich dessen rühmen, was mit meiner Schwäche zusammenhängt. 31 Der Gott und Vater Jesu Christi, der gepriesen ist für alle Zeiten, weiß, dass ich nicht lüge. 32 In Damaskus bewachte der Ethnarch des Königs Aretas die Stadt der Damaskener, um mich festzunehmen, 33 und ich wurde durch ein Fenster in einem Korb durch die Mauer hinuntergelassen und entfloh seinen Händen. 12 Es ist nötig, sich zu rühmen, zwar nicht zum Nutzen, aber ich werde zu den Erscheinungen und Offenbarungen des Herrn kommen. 2 Ich kenne einen Menschen in Christus, vor vierzehn Jahren wurde der – ob im Körper, weiß ich nicht, ob außerhalb des Körpers, weiß ich nicht, Gott weiß es – bis zum dritten Himmel entrückt. 3 Und ich weiß von dem so beschaffenen Menschen, dass er – ob im Körper oder ohne Körper, weiß ich nicht, Gott weiß es – 4 ins Paradies entrückt wurde und unausprechliche Worte hörte, die zu reden einem Menschen nicht möglich ist. 5 Über den solchen werde ich mich rühmen, über mich selbst aber werde ich mich nicht rühmen, außer in den Schwächen. 6 Denn wenn ich mich rühmen will, werde ich nicht unvernünftig sein, denn ich werde die Wahrheit sagen; aber ich spare mir (das), dass nicht jemand mir über das hinaus, was er an mir sieht oder von mir hört, etwas zurechnet 7 auch aufgrund des Übermaßes der Offenbarungen. Deshalb wurde mir, damit ich nicht zu weit gehe, ein Stachel ins Fleisch gegeben, ein Engel Satans, damit er mich ohrfeigt, damit ich nicht zu weit gehe. 8 Deswegen habe ich drei Mal den Herrn gebeten, dass er von mir ablässt. 9 Und er hat mir gesagt: „Meine Gnade genügt dir, denn die Kraft wird in Schwäche vollendet.“ Am liebsten werde ich mich also mehr in meinen Schwachheiten rühmen, damit sich die Kraft Christi bei mir einquartiert. 10 Deshalb finde ich Gefallen an Schwächen, an Schmähungen, an Zwangslagen, an Verfolgungen und Engpässen, für Christus; denn wenn ich schwach bin, dann bin ich stark. 11 Ich bin unvernünftig geworden, ihr habt mich gezwungen. Denn ich hätte von euch
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Zurückweisung von Vorwürfen: 2Kor 11,1–12,13 – Einzelheiten: 2Kor 11,1
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empfohlen werden müssen; denn ich habe in nichts hinter den Superaposteln zurückgestanden, wenn ich auch nichts bin. 12 Die Zeichen des Apostels wurden in euch in aller Geduld erwirkt, sowohl durch Zeichen als auch Wunder und Kräfte. 13 Denn was ist es, worin ihr gegenüber den übrigen Gemeinden unterlegen seid, wenn nicht, dass ich selbst euch nicht zur Last fiel? Gewährt mir dieses Unrecht! Um wen es sich bei den Gegnern des Paulus in Korinth konkret handelt, ist nach wie vor ein umstrittenes Problem der Forschung, zu dessen Lösung auch die dokumentarischen Papyri freilich nichts beitragen können.112 Im gesamten Abschnitt spielt das von Paulus hier ironisch verwendete Wortfeld ἄφρων („unvernünftig“) eine wichtige Rolle. Der papyrologische Befund dazu ist aber äußerst spärlich. Das Substantiv ἀφροσύνη („Unvernunft, Unverstand“), das Paulus hier in 11,1.17.21 gebraucht, ist in den dokumentarischen Papyri bisher überhaupt nicht belegt. Das Adjektiv ἄφρων („ohne Vernunft, unverständig, dumm“), das er in 11,16 sowie in 12,6.11 auf sich und in 11,19 auf seine Gegner anwendet, ist papyrologisch bisher erst zweimal bezeugt, einmal als Spitzname (BGU I 241,4 [28. Juni 177 n. Chr.]), das andere Mal wird jemand als ἄφρων bezeichnet, weil er sein Versprechen nicht hält (P.Fay. 124,11–14 [2. Jh. n. Chr.]).113 Zur Vergleichbarkeit dieses Abschnitts mit P.Iand. VI 97 siehe oben (S. 447). 11,11 ὄφελον – Die von ὀφείλω abgeleitete Form ὄφελον (auch ὤφελον) im Sinne eines Ausrufs („oh, dass doch“) ist in den Papyri nur sehr selten bezeugt: In P.Giss. I 17,10–12 (113–120 n. Chr.) schreibt die Sklavin Tays in überschwenglichem Ton an ihren Herrn: ὤφελον | εἰ ἐδυ̣ νάμε̣θα πετᾶ̣ σ̣ θαι καὶ ἐλ̣ θεῖν καὶ προσ|κυνῆσαί σε („oh, dass wir doch fliegen könnten und kommen und dich küssen!“). In P.Giss. I 73,5–6 (113–120 n. Chr.) geht es um die Sendung eines Briefes an einen gewissen Aquila, der Kontext ist leider nicht mehr vollständig erhalten: ὄφελον δὲ καὶ τὸ̣ πρὸς Ἀκύλ̣ α̣ ν̣ | ἐπισ[τ]ό̣ λιον π̣ ε̣πομφὼς ἢ [ - - - ].114
ἀνείχεσθέ μου μικρόν τι ἀφροσύνης ‹ S. 467· ἀλλὰ καὶ ἀνέχεσθέ μου – Papyrologische Beispiele für mediales ἀνέχομαι in der Bedeutung „ertragen, aus-
halten“ (absolut oder mit Genetiv oder Akkusativ) sind nicht sehr zahlreich, 112
Zur Frage siehe ausführlich Bieringer, Gegner; Sumney, Studying Paul’s Opponents (bes. 14–17); Taylor, Identity (bes. 115–123). 113 Siehe ausführlicher R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 492. Welborn, Paul 41–43 (vgl. ders., End 135), verweist zum Verständnis des Narren auf einige literarische Papyri der Textsorte Mimus (bes. P.Oxy. III 413 [2. Jh. n. Chr.]; siehe auch Pitta, Il „discorso del pazzo“ 499–501). 114 M. Kortus übersetzt in P.Giss.Apoll. S. 288: „Wenn ich doch auch das Briefchen an Akylas geschickt hätte“.
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
aber dennoch aufschlussreich.115 Ertragen hat mit oft lang andauernder Geduld zu tun. Am häufigsten begegnen Aufforderungen, nahestehende Personen mit ihren Eigenheiten auszuhalten. Genau damit ist auch die vorliegende Paulusstelle in Einklang zu bringen. Eher selten wird eine Qual mit ausgedrückt, die man von anderen erfährt und nicht mehr ertragen will. Dieser Aspekt ist sicher bei den ironischen Äußerungen in 11,19.20 mit zu berücksichtigen. Der Ausdruck μικρόν τι ist bisher in drei, zeitlich weit auseinander liegenden Papyri bezeugt:116 Der Brief des Apollonios an den Vater Ptolemaios beginnt mit dem Schwur – UPZ I 70,2–6 (nach 20. September 152 v. Chr.): ὀμνύ|ο (l. ὀμνύω) τὸν Σάραπιν, ἰ (l. εἰ) μὴ μικρόν | τι ἐντρέπομαι, οὐκ ἄν με | ἶδες (l. εἶδες) τὸ πρ`ό´σωπόν μου | πόποτε (l. πώποτε) („ich schwöre beim Serapis: wenn ich mich nicht ein wenig schämte, würdest du niemals wieder mein Angesicht sehen“). Die Drohung gründet darin, dass Apollonios vom Adressaten getäuscht wurde. Im Privatbrief P.Mich. III 212 (2.– 3. Jh. n. Chr.) wird die Wendung in Z. 6 im zeitlich-adverbiellen Sinn („vor kurzem“) gebraucht. Bereits aus dem 4. Jh. n. Chr. stammt Stud.Pal. XX 86,10 (31. Januar 330 n. Chr.).
11,22 ζηλῶ γὰρ ὑμᾶς θεοῦ ζήλῳ ‹ 7,7 – Das Verb ζηλόω ist papyrologisch selten bezeugt, der Befund steht aber mit der Bedeutung, die bei Paulus begegnet, im Einklang. Wie R. E. Kritzer feststellen konnte, beschreibt ζηλόω „allgemein das eifrige Bemühen, ein bestimmtes, begehrenswert erscheinendes Ziel zu erreichen, wobei meist das Bestreben, in einer Sache besser zu sein als jemand anderer […], eine wesentliche Rolle spielt.“117 Dieser Aspekt schwingt hier im Hintergrund sicher mit. ἡρμοσάμην γὰρ ὑμᾶς ἑνὶ ἀνδρί – Das Verb ἁρμόζω118 begegnet in den Papyri
in vielfältigsten Zusammenhängen. In den zeitlich frühesten Belegen wird es z. B. im Sinn eines architektonischen „Harmonierens“ verwendet119, weiters ist es ein Ausdruck für das „Aufeinander-Abgestimmtsein“ von Getreidesorten120 oder, abstrakter, für das „Angemessensein“ von Strafen121. Wo Personen im Spiel sind, ist dahingehend zu unterscheiden, ob ein Verhältnis PersonSache vorliegt122 oder ein Verhältnis Person-Person, wobei ἁρμόζω in beiden Fällen, zumal stets der Handelnde auch selbst betroffen ist, passivisch 115 116
Vgl. P. Arzt-Grabner in ders./Kritzer u. a., 1. Korinther 181–182. Allgemein zu μικρός siehe R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther
209. 117
R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 431. Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 119 Vgl. z. B. P.Cair.Zen. IV 59665,12 (Mitte 3. Jh. v. Chr.). 120 Vgl. etwa P.Tebt. I 66,60–61 (120 v. Chr.). 121 Belege dafür sind besonders häufig, vgl. etwa CPR XV 7,11 (nach 26. Mai 14 n. Chr.). 122 Also z. B., wenn es um ein „Zustimmen“ (d. h. „Sich-Fügen“) zu einem bestimmten Sachverhalt geht, wie etwa in P.Panop.Beatty 1,366 (23. September 298 n. Chr.). 118
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Einzelheiten: 2Kor 11,1–3
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gebraucht wird. Letzteres (also ein Verhältnis Person-Person) ist für den hier anzustellenden Vergleich mit Paulus relevant und findet sich in den Papyri ausschließlich in Scheidungsverträgen, wo vereinbart wird, dass es den nunmehr Geschiedenen frei steht, eine neue Ehe einzugehen. Dies wird stets durch dieselbe Formel ausgedrückt, z. B. P.Oxy.Hels. 35,42–45 (151 n. Chr.): ἀπὸ̣ δὲ τοῦ νῦν ἐξεῖναι | τῷ τε αὐτῷ Χαιρ[ή]μονι καὶ τ[ῇ] Τνεφερ|σόι[τι] ἑκατέρῳ ἁ̣ [ρ]μόζεσθαι ̣ ᾧ ἐὰ[ν] | α̣ ἱ[̣ ρῆται γάμῳ] („ab jetzt aber soll es sowohl eben dem Chairemon als auch der Tnephersois [i. e. den Geschiedenen], jedem von beiden, frei stehen, sich durch jede Form von Ehe, für die sich eine/r entscheidet, zu verbinden123“).
Aber nicht nur, was das oben angesprochene Subjekt-Objekt-Verhältnis (Person als Handelnder124 sowie Person[en] als Betroffene[r]) betrifft, sondern auch inhaltlich ist die paulinische Formulierung mit jener aus den Scheidungsverträgen zu vergleichen. Die Verbindung mit Christus, die Paulus selbst in die Wege geleitet hat, wird hier ganz unmittelbar mit einer ehelichen Beziehung verglichen, die verbindlich und idealerweise auf Dauerhaftigkeit angelegt ist. παρθένον ἁγνὴν ‹ 7,11 παραστῆσαι ‹ 4,14 τῷ Χριστῷ ‹ 1,1 – In den dokumentarischen Papyri wird die Bezeichnung παρθένος bisweilen lediglich zur Angabe
des Zivilstandes verwendet, wobei sowohl ein junges und noch unverheiratetes Mädchen als „Jungfrau“ bezeichnet werden kann als auch die zu verheiratende Frau, also die Braut, und schließlich eine Frau, die aus religiösen Motiven ein eheloses Leben gewählt hat, das manchmal als solches zeitlich befristet ist. Vor allem die zuletzt genannte Gruppe stellt einen wichtigen Hintergrund für die vorliegende Paulusstelle dar. Diese ἱεραὶ παρθένοι („heilige Jungfrauen“) standen im kultischen Dienst einer Gottheit, was – wie P.Oxy. XLIV 3177,2–3 (4. Oktober 247 n. Chr.) zeigt – an die nächste Generation weitergegeben wurde.125 11,33 φοβοῦμαι δὲ μή πως – Die Belege zum Verb φοβέομαι126 lassen sich insofern in zwei Gruppen teilen, als für den Vergleich mit dieser paulinischen 123 Dem folgt in der Regel (der obige Text bricht an dieser Stelle ab), dass diese nächste Ehe „nicht rechenschaftspflichtig“ (ἀνεύθυνος) und/oder „vorwurfsfrei“ (ἀνέγκλητος) sei. Für die Formel in vollständiger Form siehe P.Oxy. VI 906,7–8 mit BL VII 132 (2. – frühes 3. Jh. n. Chr.; vgl. Windisch, 2Kor 319); XXXVI 2770,19–22 (304 n. Chr.). 124 Das Medium ist bei Paulus wie ein Aktivum zu verstehen (vgl. dazu u. a. LSJ s. v. ἁρμόζω I.2. oder Lietzmann, Kor 145), er selbst ist ja von der Aktion nicht betroffen. 125 Im genannten Text wird eine gewisse Aurelia Tanenteris als heilige Jungfrau und Tochter einer heiligen Jungfrau bezeichnet. – Siehe dazu und zum papyrologischen Gesamtbefund den Exkurs von R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 287–288. Zur Thematik und im Zusammenhang mit der vorliegenden Stelle siehe auch G.H.R. Horsley in New Docs. I Nr. 25. 126 Dieser Begriff wurde teilweise von R. E. Kritzer bearbeitet.
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
Stelle nur jene in Frage kommen, in denen es um ein vorausschauendes, also weniger mit Angst verbundenes „Befürchten“ geht127: So argwöhnt z. B. der Absender von P.Oxy. LV 3807 (ca. 26–28 n. Chr.?), er werde noch länger nicht zurückkehren, da er dem Präfekten noch bei der Arbeit helfen müsse – Z. 41–42: φοβοῦμαι μὴ καὐτὸς πολὺν χρόνον̣ ἐκεῖ | κατασ̣ χ̣ εθῶ{ι} („ich befürchte, dass ich selber noch lange Zeit dort festgehalten werde“). Ein Aufgeben ihres Prozessgegners befürchtet hingegen eine Frau in BGU IV 1097,3–4 (41–67 n. Chr.): φοβοῦμαι γὰρ μὴ σχάσῃ, νε[ν]αυσίακε [γ]άρ („ich fürchte nämlich, dass er zusammenbricht, denn er ist seekrank gewesen“).128
Bisher erst ein einziges Mal bezeugt ist die Aufforderung, sich nicht zu fürchten, in einer bestimmten Angelegenheit keine Angst zu haben: Im Brief P.Worp 16 (30. August – 28. September 11 n. Chr.?) geht es um die Aufforderung, bestimmte Werkzeuge in Sicherheit zu bringen und dem Bergwerksdirektor (metallarches) zu verheimlichen, wo sie sind. Gleich nach dem Eingangsgruß fordert der Absender einen gewissen Phlelemuthis auf – Z. 2–4: μ̣ ὴ̣ φοβοῦ περὶ τῶν σκευῶν ὧν ἔχις (l. ἔχεις) ἀλ̣ λ̣ ὰ ἀσφ̣ [άλισα]ι,̣ | ἂν καὶ αὐτὸς ὁ μεταλλάρχης ἔλθῃ ἐρωτῶν· ̣ αι αὐτά („hab keine Angst wegen der Werkzeuge, die du μὴ φοβοῦ̣ . [ ] | ἀ̣ σ̣ φάλ̣ ισ hast, sondern bringe [sie] in Sicherheit, auch wenn der metallarches selbst kommt und [dich] fragt! Hab keine Angst …129 bring sie in Sicherheit!“).
ὡς ὁ ὄφις – In den dokumentarischen Papyri der relevanten Zeit fehlen bisher die griechischen Bezeichnungen für „Schlange“: ὄφις und ἔχιδνα kommen gar nicht vor, δράκων erst in byzantinischer Zeit. Der Befund130 ist insofern über-
raschend, als gerade in den Wüstengebieten Ägyptens Schlangenbisse eine gesundheitliche Bedrohung darstellten. Indirekte Hinweise darauf könnten z. B. auch in P.Graux II 10,5–6 (1. Jh. n. Chr.) und O.Claud. I 171 (ca. 100–120 n. Chr.) vorliegen, wo es um die dringende Lieferung von Rosenöl geht, das (z. B. bei Dioscorides 2,82,3) als Mittel gegen Schlangenbisse erwähnt wird.131
Auch ein magischer Papyrus aus späterer Zeit liefert einen deutlichen Hinweis darauf: 127 Belege für die Bedeutung „Angst haben, sich vor etwas/jemandem fürchten“ sind etwa P.Cair.Zen. III 59368,21–22 (241 v. Chr.); BGU VIII 1766,9 (ca. 51–50 v. Chr.; zu einer genaueren Darstellung des Sachverhalts siehe oben S. 348); XVI 2663,5–6 (9 v. Chr.). 128 Für weitere Belege siehe Preisigke, Wörterbuch s. v. φοβέω 1). 129 Die oberste Lage des Papyrus ist am rechten Rand stark beschädigt, so dass hier nur noch einzelne Buchstabenreste zu erkennen sind. Die Transkription von Z. 2–4 folgt der Edition und wurde am Original überprüft. Tatsächlich sind nach μὴ φοβοῦ̣ am Ende von Z. 3 noch die Reste von mehreren Buchstaben zu erkennen, doch lässt sich nicht einmal deren Anzahl klar feststellen. 130 Dieser wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 131 Siehe Dalrymple, Snakes; vgl. auch P. Arzt-Grabner in ders./Kritzer u. a., 1. Korinther 368.
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Einzelheiten: 2Kor 11,3–4
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In P.Oslo I 5,6 (4.–5. Jh. n. Chr.) wird die Gottheit angerufen, das entsprechende Haus u. a. „vor Skorpionstich und Schlangenbiss“ (δήγ̣μ̣ ατος σκορπίου καὶ ὄφεως) zu schützen.
Weiters können in den Zauberpapyri im Wesentlichen zwei Verwendungsweisen von ὄφις unterschieden werden: einerseits werden Götter oder göttliche Wesen als Schlangen bezeichnet (oder sie haben zumindest irgendwie damit zu tun)132, andererseits dienen Teile von Schlangen als Zutat für Zaubermittel133. Was Ersteres betrifft, ist hervorzuheben, dass hier der Schlange – im Gegensatz zu ihrer Darstellung im Schöpfungsbericht – nichts Negatives anhaftet, sie ist vielmehr ein Zeichen von Kraft und Beschützergeist.134 ἐξηπάτησεν Εὕαν ἐν τῇ πανουργίᾳ ‹ 4,2 αὐτοῦ, φθαρῇ ‹ 7,2 τὰ νοήματα ‹ 2,11 ὑμῶν ἀπὸ τῆς ἁπλότητος ‹ 1,12 [καὶ τῆς ἁγνότητος ‹ 6,6] τῆς εἰς τὸν Χριστόν ‹ 1,1 – Das Verb ἐξαπατάω ist in den dokumentarischen Papyri deut-
lich juristisch konnotiert und bezeichnet ein strafrechtlich relevantes „Betrügen“ oder „Täuschen“. A. Papathomas hat bereits darauf hingewiesen, dass das Verb auch an der vorliegenden Stelle in vergleichbarer Verwendung vorkommt.135 Εὕα oder Εὔα136 war im hellenistischen bzw. römischen Ägypten offensichtlich kein gebräuchlicher Vorname; bisher ist er nur in einem byzantinischen Trostbrief (P.Oxy. XVI 1874,12 [6.–7. Jh. n. Chr.]) belegt, wo die „Mutter“ (ἀμμά) Eva neben Maria als Vorbild für Leidende genannt wird. 11,44 εἰ μὲν γὰρ ὁ ἐρχόμενος ἄλλον Ἰησοῦν ‹ 1,1 κηρύσσει ‹ 1,19 ὃν οὐκ ἐκηρύξαμεν ‹ 1,19, ἢ πνεῦμα ‹ 1,22 ἕτερον λαμβάνετε ὃ οὐκ ἐλάβετε, ἢ εὐαγγέλιον ‹ 2,12 ἕτερον ὃ οὐκ ἐδέξασθε ‹ 6,1, καλῶς ἀνέχεσθε ‹ 11,1 – Die Stelle verweist deutlich auf 1Kor 2,12, wo Paulus die Gemeinde an den Empfang des Geistes aus Gott (τὸ πνεῦμα τὸ ἐκ τοῦ θεοῦ) erinnert hat. R. E. Kritzer hat im dortigen Zusammenhang darauf hingewiesen, dass das Verb λαμβάνω in den dokumentarischen Papyri „zum einen das passive ‚Erhalten‘ oder ‚Emp132 So z. B. Helios (Pap.Graec.Mag. I 4,1638 [frühes 4. Jh. n. Chr.]), der verschiedene Tiergestalten annimmt (u. a. Kater oder Skarabäus, vgl. insbes. Z. 1655–1656), oder Hermes (Pap.Graec. Mag. II 8,11 [4. oder 5. Jh. n. Chr.]; ebenso in verschiedenen Gestalten); Phoibos Apoll hat nach Pap.Graec.Mag. I 2,111–112 (4. Jh. n. Chr.) den Schwanz (οὐρά) einer Schlange, Arbath Iao hat eine „immerlebende“ Schlange verschlungen (ὁ καταπεπω|κὼς τὸν ἀείζωον ὄφιν – Pap.Graec. Mag. I 4,1324–1325) – ein Motiv, das öfter wiederkehrt, z. B. auch von der ägyptischen Gottheit des Krieges und der Plagen Sachmou (Pap.Graec.Mag. II 7,300 [3. Jh. n. Chr.]). In Pap.Graec.Mag. I 5,157–158 (4. Jh. n. Chr.) beschreibt ein Dämon sein Herz als „von einer Schlange umwunden“ (περιεζωσμένη ὄ|φιν). – Zu Gottheiten in der Gestalt von Schlangen vgl. Mitropoulou, Deities. 133 Z. B. ihre Haut (vgl. Pap.Graec.Mag. I 4,2211 [frühes 4. Jh. n. Chr.]). 134 Zur Schlange in der Funktion der Beschützerin, wie sie in der griechischen Literatur dargestellt wird, siehe López Melero, Serpiente. 135 Vgl. dazu und zum papyrologischen Befund Papathomas, Begriffe 54–55 (auf S. 55 auch Belege für das Verbum simplex ἀπατάω); Kreinecker, 2. Thessaloniker 158–159. 136 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet.
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
fangen‘ […], zum anderen das aktive ‚In-Empfang-Nehmen‘ oder ‚Sich-Nehmen‘“137 bezeichnet. Und sie stellt fest: „Insofern der ‚Geist aus Gott‘ als personale Größe zu sehen ist, sind wohl beide Aspekte zu berücksichtigen: die Gemeindemitglieder werden daran erinnert, dass sie diesen Geist haben, weil sie ihn empfangen haben; sie haben ihn aber auch deshalb, weil sie ihn aufgenommen haben.“138 An der vorliegenden Stelle spielt Paulus offensichtlich mit beiden Bedeutungen und wirft den Gemeindemitgliedern vor, einen anderen Geist (als den Geist Gottes) aufgenommen zu haben, den sie gar nicht erhalten haben. Vor dem Hintergrund von 1Kor 2,12 ist dieses Spiel mit den beiden Bedeutungen von λαμβάνω überaus stimmig: die Mitglieder der christlichen Gemeinde von Korinth haben den Geist aus Gott erhalten und – das schwingt hier bei Paulus mit – nur diesen. Wenn sie nicht diesen, sondern einen anderen Geist aufnehmen, ist dies ihr eigenes Vergehen. 11,55 λογίζομαι ‹ 3,5 γὰρ μηδὲν ὑστερηκέναι τῶν ὑπερλίαν ἀποστόλων ‹ 1,1 – Je nach Zusammenhang verwendet Paulus das Verb ὑστερέω im Sinn von „Mangel haben“ (so in 11,9) oder von „zurückstehen“ (so hier und in 12,11). Beide Bedeutungen sind auch in den dokumentarischen Papyri bezeugt.139 Das Wort ὑπερλίαν („zu sehr“) hingegen ist in den Papyri bisher nicht belegt. , ἀλλ᾽ οὐ τῇ γνώσει ‹ 2,14, ἀλλ᾽ ἐν παντὶ ἐν πᾶσιν εἰς ὑμᾶς – Unter ἰδιώτης ist zunächst und allgeφανερώσαντες mein die „Privatperson“ zu verstehen. In den meisten Papyrusbelegen aus römischer Zeit wird damit ein „ungelernter“ Arbeiter, also ein in diesem Sinne „Unkundiger“ bezeichnet.140 Diese Bedeutung trifft im Grunde auch auf die vorliegende Stelle zu.141 Speziell für den Ausdruck ἰδιώτης τῷ λόγῳ kann auf das Ostrakon O.Narm. II 26 (2.–3. Jh. n. Chr.) verwiesen werden:
11,66 εἰ δὲ καὶ ἰδιώτης τῷ λόγῳ
‹ 1,18
‹ 2,14
Die Hg. A. Menchetti und R. Pintaudi verstehen den gesamten Text als Memorandum eines Rhetoriklehrers, der hier verschiedene Ausdrucksweisen aufzählt, die eine „unpassende Redeweise“ (Z. 1 ἀκυρωλογία) ausmachen und deshalb vermieden
137
R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 130 (mit Belegen S. 130–131). R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 131. 139 Siehe den Befund bei F. Winter in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 50–51; zu fragmentarisch für eine Deutung sind BGU XVI 2643,8 (nach 4. Februar 8 v. Chr.) und SB XXII 15458,3 (2. Jh. n. Chr.) 140 Siehe dazu ausführlich R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 455– 456. Ein weiterer Beleg ist z. B. P.Oxy. LXXVII 5111,14.17.19 (2.–3. Jh. n. Chr.; in allen drei Zeilen handelt es sich um dieselbe Person). 141 Vgl. auch Judge, Conformity 165: „The technical term ἰδιώτης which they applied to him, and which was to be thrown up against his reputation even centuries later, means that he was not qualified for the career which he might be thought to have assumed, that of a public lecturer.“ 138
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Einzelheiten: 2Kor 11,4–7
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werden sollten.142 In Z. 3–4 werden ἰδιω|τικὰ ῥήματα erwähnt, worunter eine „gewöhnliche, allgemein übliche Ausdrucksweise“143 zu verstehen ist.
Das Beispiel wirft insofern ein wichtiges Licht auf den vorliegenden Text, als damit vor dem Hintergrund antiker Rhetorik verständlich wird, was Paulus meint: Er beherrscht vielleicht nicht die Ausdrucksweise eines geschulten Rhetorikers, doch bedeutet dies keineswegs, dass er ganz und gar ungebildet wäre. 11,77 ἢ ἁμαρτίαν ‹ 5,21 ἐποίησα ἐμαυτὸν ταπεινῶν …; – Das Verb ταπεινόω144 ist bisher nur in verhältnismäßig späten Papyri (ab dem 4. Jh. n. Chr.) bezeugt und hat neben der auch hier bei Paulus vorliegenden Bedeutung „erniedrigen, demütigen“ die Bedeutung „abschwächen, herabsetzen“.145 ἵνα ὑμεῖς ὑψωθῆτε – Auch ὑψόω146 („erhöhen“) ist in den Papyri eher selten,
aber zeitlich früher belegt: An zwei Stellen begegnet es als bautechnischer Ausdruck (P.Yadin I 19,24 [128 n. Chr.]; P.Brem. 14,7–8 [ca. 113–120 n. Chr.]), in P.Mert. II 81,11 (2. Jh. n. Chr.) wird es übertragen und in Kombination mit dem Adverb λίαν im Sinn von „überbewerten, übertreiben“ gebraucht.147
ὅτι δωρεὰν τὸ τοῦ θεοῦ εὐαγγέλιον ‹ 2,12 εὐηγγελισάμην ‹ 10,16 ὑμῖν – Das Substantiv δωρεά („Gabe, Geschenk“) wurde schon oben bei 9,15 behandelt.148 Davon leitet sich der zum Adverb erstarrte Akkusativ δωρεάν
(„geschenkt, gratis“)149 ab, der in den Papyri nur selten begegnet und nicht wie das Substantiv mit der wohlwollenden Gabe von Herrschern in Verbindung gebracht wird. Zwei der Belege stammen aus dem Zenon-Archiv, wobei in ersterem (PSI IV 400,15–16 [Mitte 3. Jh. v. Chr.]) δωρεάν sowohl als Adverb als auch als Prädikativum verstanden werden könnte; und zwar geht es darum, dass Zenons Vieh vom Gärtner Agathon „Grünfutter gratis/als Geschenk haben“ kann (ἔχειν χορτάσματα
142 A. Menchetti und R. Pintaudi bezeichnen den Text in O.Narm. II S. 257 als „promemoria di un maestro che voglia spiegare le espressioni improprie e, quindi, da evitare nello scrivere“. M. E. geht es auf Grund einiger Ausdrücke, die sich eindeutig auf das „Reden“ beziehen (beachte auch die Übersetzung der Hg. für ἀκυρωλογία als „parlare improprio“ oder für αὐτόλογος in Z. 3 als „discorso spontaneo“), um Ausdrucksweisen, die nicht beim Schreiben, sondern beim Reden vermieden werden sollen. 143 Vgl. A. Menchetti und R. Pintaudi bezeichnen den Text in O.Narm. II S. 258: „l’espressione ἰδιωτικὰ ῥήματα si riferisce alle parole ordinarie e di uso comune“. 144 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 145 Für Belege siehe Preisigke, Wörterbuch s. v. ταπεινόω. 146 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 147 In den Zauberpapyri zieht ὑψόω verschiedenste Objekte nach sich; in Pap.Graec.Mag. I 4,2989 (frühes 4. Jh. n. Chr.) wird eine Pflanze angerufen, sie solle „sich erhöhen und aufgehen“ (ὕψωσον σεαυτήν καὶ ἀνατεῖλον), was wohl bedeutet, sie solle all ihre Kräfte aufbieten und möglichst wirksam werden. 148 Siehe S. 442–443. 149 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet.
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| δωρεάν). In PSI V 543 (Mitte 3. Jh. v. Chr.) sind es Zenons Funktionäre, die auf einer Reise nach Kanopos ohne etwas zu bezahlen (vgl. Z. 19.24.29.33.38.47.49) Grünfutter (χόρτος) und Gerste (κριθαί) für ihre Pferde bekommen (in dem Fall von verschiedenen, nicht näher identifizierbaren Personen [vermutlich Quartiergebern] sowie Komarchen). Um unbezahlte Arbeit geht es dagegen in C.Ord.Ptol. 53 (nach 28. April 118 v. Chr.); vom König wird verordnet, dass Strategen und andere Beamte die Landbevölkerung weder für private Zwecke noch „unentgeltlich Arbeiten verrichten“ lassen dürfen – Z. 186–187: ἔργα | δωρεὰν συντελεῖν150.
Gerade mit dieser zweiten Gruppe von Belegen lässt sich die vorliegende Stelle gut vergleichen: die Verkündigung des Evangeliums durch Paulus entspricht einer Gratis-Leistung, die – wie jedes „Geschenk“ – den Empfangenden automatisch in eine höhere Position hebt (ὑμεῖς ὑψωθῆτε), während sich der Geber selbst vor dem anderen zurücknimmt (ἐμαυτὸν ταπεινῶν). Nur die (finanzielle) Abgeltung einer (Arbeits-)Leistung kann letztendlich dieses Missverhältnis – sofern dies beabsichtigt ist (vgl. etwa C.Ord.Ptol. 53 oben) – korrigieren, was Paulus in diesem Vers offensichtlich andenkt. Indirekt spielt Paulus hier auf seine handwerkliche Tätigkeit an, mit der er sich seinen Lebensunterhalt verdient hat.151 11,88 ἄλλας ἐκκλησίας ‹ 1,1 ἐσύλησα λαβὼν ‹ 11,4 ὀψώνιον πρὸς τὴν ὑμῶν διακονίαν ‹ S. 259 – Das Verb συλάω152 („wegnehmen, rauben“) begegnet innerhalb der Papyri häufig in juristischen Texten, die mit der Anzeige bzw. Verfolgung der entsprechenden Straftaten zu tun haben: Der früheste Beleg stammt aus dem Indulgenzdekret P.Köln VII 313 (nach 9. Oktober 186 v. Chr.), wo in Zusammenhang mit der Amnestie für flüchtige Verbrecher auch Ausnahmefälle genannt werden, nämlich vorsätzliche Mörder sowie Personen, „die aus Tempeln und anderen Heiligtümern sowie Tempelspeichern geraubt haben“ – Fr. A 5–6: τῶν ἐκ τ̣[ῶν ναῶν καὶ τ]ῶ̣ ν ἄλλω[ν | ἱερῶν καὶ ἱ]ε̣ρῶν ἀποδοχίων σεσυληκό[των]. Unmittelbar aus der Lebenszeit des Paulus stammt P.Ryl. II 138 (34 n. Chr.), eine Petition, worin sich der Bittsteller über einen Einbrecher beklagt – Z. 19–20: ἐσύλησέν μου ἐν τῶι | πύργωι ἱκανὰ ἀργαλεα („er raubte meine im Turm verwahrten Arbeitsgeräte – gar nicht so wenige“).153 150 In Z. 249–251 wird selbiges für die Arbeit der Leinweber, Byssosarbeiter sowie Peplosweber bestimmt. – In gleichem Wortlaut C.Ord.Ptol. 55,7–8 (ca. 118 v. Chr.). 151 Zum papyrologischen Hintergrund seines erlernten Berufs siehe Arzt-Grabner, Philemon 65–70; ders., Weberlehrverträge 71–75. Zur Haltung des Paulus gegenüber seinem Beruf siehe Arzt-Grabner, Bedeutung; Still, Paul; Hock, Problem. 152 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 153 Vgl. weiters etwa BGU IV 1036,28 (107 n. Chr.); P.Yadin I 26,6–7 (131 n. Chr.); P.Mil. Vogl. IV 229,5–6 mit BL VI 89 (ca. 140 n. Chr.). Nicht zur Beschreibung eines Verbrechens, sondern im Sinne eines gerechtfertigten „Einziehens“ oder „Konfiszierens“ ist συλάω in SB XIV 11585,10–11 (59 n. Chr.) gebraucht (vgl. dazu auch Youtie, P.Cornell Inv. I 11).
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Einzelheiten: 2Kor 11,7–9
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Auch die Verbindung mit einem Akkusativobjekt der Person im Sinne von „jemanden berauben, ausrauben“, die Paulus hier gebraucht, ist papyrologisch bezeugt (z. B. SB XIV 12003,8 [3. Jh. n. Chr.]). Das Besondere hier ist aber, dass Paulus sich selbst als Räuber charakterisiert, was freilich geschieht, um den Mitgliedern der Korinther Gemeinde vor Augen zu führen, wie sehr sie ihm am Herzen liegen: um den Gratis-Dienst an ihnen ausüben zu können, hat er es sogar auf sich genommen, an anderen gleichsam ein Verbrechen zu verüben und diese auszurauben. In Wirklichkeit hat er von den anderen Gemeinden nur ein ὀψώνιον genommen. In 1Kor 9,7 vergleicht Paulus den ihm an sich zustehenden „Lohn“ mit dem Sold eines Soldaten. Diese spezielle Form des in den Papyri überaus zahlreich belegten Begriffes ὀψώνιον könnte Paulus im übertragenen Sinne auch hier meinen, so dass vor allem an ein „Kostgeld“ zu denken wäre.154 Der Ausdruck wird aber auch im Sinne einer Dienstvergütung für Beamte und Polizisten verwendet sowie generell als Arbeitslohn (z. B. für Eseltreiber – P.Sijp. 50,2 [1. Hälfte 3. Jh. n. Chr.]).155 πρὸς ὑμᾶς καὶ ὑστερηθεὶς ‹ 11,5 οὐ κατενάρκησα οὐθενός· τὸ γὰρ ὑστέρημά ‹ 8,14 μου προσανεπλήρωσαν ‹ 9,12 οἱ ἀδελφοὶ ‹ 1,1 ἐλθόντες ἀπὸ Μακεδονίας ‹ 1,16 – Das Verb καταναρκάω („zur Last fallen, beschwerlich werden“) ist – wie auch das zugehörige Simplex ναρκάω – bisher
11,99 καὶ παρὼν
‹ 10,2
in den Papyri nicht belegt. καὶ ἐν παντὶ ἀβαρῆ ἐμαυτὸν ὑμῖν ἐτήρησα καὶ τηρήσω – Das Adjektiv ἀβαρής („ohne Last“) begegnet innerhalb der Papyri ab dem 1. Jh. v. Chr. und aus-
nahmslos in Briefen, genauer als Bestandteil einer Höflichkeitsfloskel.156
Mit Zusätzen wie ἐὰν δέ σοι ἀβα[ρὲ]ς ᾖ („wenn es dir aber keine Last ist/Mühe macht“ – vgl. z. B. BGU I 248,26 [ca. 75–85 n. Chr.]) möchte der jeweilige Absender seine Adressatinnen oder Adressaten höflich dazu überreden, bestimmte Aufgaben zu übernehmen (ähnlich BGU IV 1080,17 [3. Jh. n. Chr.?).157
154
Zu ὀψώνιον als Soldatensold und dessen Form in ptolemäischer und römischer Zeit siehe R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 341–342 (ein weiterer Beleg ist P.Vet.Aelii 10,11 [zwischen 222–223 und ca. 250–255 n. Chr.]); einen Überblick über andere Bedeutungen bietet Kritzer in Anm. 440 auf S. 341. 155 Beachte die verschiedenen Bedeutungen samt Belegen bei Preisigke, Wörterbuch s. v. ὀψώνιον; Moulton/Milligan, Vocabulary s. v. ὀψώνιον; Preisigke, Fachwörter s. v. ὀψώνιον. Siehe auch Deissmann, Bibelstudien 145–146; ders., Neue Bibelstudien 93–94. – Zu fragmentarisch für eine Deutung ist O.Claud. IV 853,23 (ca. 186–187 n. Chr.); vgl. A. Bülow-Jacobsen in O.Claud. IV S. 185. 156 Vgl. dazu Steen, Clichés 128, der die Wendung – neben ähnlich formulierten – unter „les expressions modifiantes“ einreiht. 157 Auf diese beiden Belege verweist auch Windisch, 2Kor 337. – In P.Oxy. XIV 1757,13– 14.17–18 (nach 138 n. Chr.) ist ebendieser Bedingungssatz negiert.
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Mit Personen als Objekt hat das Verb τηρέω die Bedeutung „bewahren, behüten“, in reflexiver Verwendung – wie an der vorliegenden Stelle – dann auch „sich halten“. Ein sowohl zeitlich als auch von der Formulierung her treffliches Vergleichsbeispiel findet sich im Brief(entwurf) BGU IV 1141 (14–13 v. Chr.?), wo ein Freigelassener gegenüber seinem früheren Besitzer und nunmehrigen Patron betont – Z. 24–25: ὡς δοῦλος ἐπ᾽ ἐλευθερίᾳ θέλει ἀρέσαι ο̣ ὕ̣ τω | κἀγὼ τὴ⟦ς⟧`ν´ φιλίαν σου ⟦θέλωι⟧ `θέλων´ ἄμεμπτ[ον] ἐματὸν (l. ἐμαυτὸν) ἐτήρησα („wie ein Sklave in der Hoffnung auf Freilassung gefallen will, so habe auch ich, der ich die Freundschaft mit dir wollte, mich tadellos gehalten“).158
ἐν ἐμοὶ ὅτι ἡ καύχησις ‹ 1,12 αὕτη οὐ φραγήσεται εἰς ἐμέ – Das Verb φράσσω159 ist in den dokumentarischen
11,110 ἔστιν ἀλήθεια
‹ 4,2
Χριστοῦ
‹ 1,1
Papyri stets ein bautechnischer Ausdruck für das „Umzäunen/Einfrieden“ und (damit) „Absperren“ von Grundstücken und Gebäuden bzw. Gebäudeteilen, sei es in positivem Sinn als Schutz bzw. Sicherung oder in feindlichem Sinn als Blockade. So liest man vom „Einfassen“ eines Wasserauslasses (ἄφεσις – P.Ryl. IV 583,17.63– 64 [170 v. Chr.]), vom „Absperren“ von Toren und Breschen (πύλαι καὶ διακόμματα – P.Tebt. III.1 781,13–14 [ca. 164 v. Chr.]) oder – wie es einer Gruppe von Bienenzüchtern widerfahren ist – vom „Verbarrikadieren“ von Bienenstöcken (σμήνη – P.Oxy. LXVII 4582,19–20 [16 n. Chr.]).
In dem Bild, das Paulus hier verwendet, spielt der negative Aspekt eine Rolle: er ist sich sicher, dass ihm der Ruhm nicht „verbaut“ würde.160 – Das Wort κλίμα161 begegnet während des vergleichbaren Zeitrahmens nicht in der für Paulus relevanten Bedeutung; in drei Belegen bezeichnet es in wörtlichem Sinn einen „Hang“ (eigentlich „Steigung“ – von κλίνω)162, in einem weiteren eine „Leiter“163. In der Bedeutung
ἐν τοῖς κλίμασιν τῆς Ἀχαΐας
‹ 1,1
158 Zur Übersetzung siehe Preisigke, Wörterbuch s. v. ἐλευθερία 3); vgl. R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 302.313 (mit weiteren Beispielen für τηρέω in Verbindung mit Personen S. 312–313 und für das Bewahren oder Bewachen von Gegenständen S. 312 Anm. 321; Beispiele für τηρέω im Zusammenhang mit dem Einhalten von rechtlichen Verbindlichkeiten oder Befehlen bietet R. E. Kritzer auf S. 274–275). Siehe ferner P.Bodl. I 57,2 (nach 14. Mai 245 v. Chr.); O.Berenike II 203,3 (ca. 50–75 n. Chr.); SB XXIV 15920,129 (87 oder 103 n. Chr.); O.Claud. II 365,6 (2. Jh. n. Chr.); P.Euphrates 1,15 (28. August 245 n. Chr.). 159 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 160 Viele Übersetzungen sind hier ungenau – vgl. etwa die Einheitsübersetzung („nehmen“); Lietzmann, Kor 146 („verstummen“); Furnish, 2Cor 484, sowie Matera, 2Cor 244 („silence“). Anders jedoch Meyer, 2Kor 267 („verstopfen“). 161 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 162 BGU VII 1549,7 (210–209 oder 193–192 v. Chr.?); 1550,5.10 (208–207 oder 191–190 v. Chr.?). 163 P.Oxy. VIII 1127,9 (183 n. Chr.); in gleicher Bedeutung, aber bildhaft von der Gestalt eines geschriebenen Textes gebraucht, in Pap.Graec.Mag. I 1,12 (4. Jh. n. Chr.). Siehe dazu Welborn, Politics 174 (vgl. 138 Anm. 23).
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Einzelheiten: 2Kor 11,9–12
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„Gegend, Region“ – wie bei Paulus – taucht κλίμα innerhalb der dokumentarischen Papyri zum ersten Mal im 7. Jh. auf164, in den Zauberpapyri schon früher (von den „Himmelsregionen“ – Pap.Graec.Mag. II 7,481.483 [3. Jh. n. Chr.]). 11,111 διὰ τί; ὅτι οὐκ ἀγαπῶ ‹ 2,4 ἀγάπη ὑμᾶς; ὁ θεὸς οἶδεν. 11,112 ὃ δὲ ποιῶ, καὶ ποιήσω, ἵνα ἐκκόψω τὴν ἀφορμὴν ‹ 5,12 τῶν θελόντων ἀφορμήν, ἵνα ἐν ᾧ καυχῶνται ‹ 5,12 εὑρεθῶσιν ‹ 5,3 καθὼς καὶ ἡμεῖς – Das Verb ἐκκόπτω165 (wörtlich „herausschlagen“) wird innerhalb der dokumentarischen Papyri fast ausnahmslos für das Entfernen von Holz, Sträuchern oder Wurzelwerk verwendet.166 Eine übertragene Verwendung begegnet ab der zweiten Hälfte des 2. Jh. n. Chr.: So stellt der Verfasser einer Eingabe an den Strategen pathetisch fest – SB XIV 12087 (A),9–10 (162 n. Chr.): πάσης βίας ἐκκοπείσης ἐπὶ τῆς τοῦ λαμπροτάτου ἡγεμόνος ἐπαρ|χείας („unter der Statthalterschaft des erlauchtesten Präfekten wurde jede Gewalt ausgemerzt“). Für die Eliminierung „jeder Schlechtigkeit“ (πάσης κακείας) lobt ein staatlicher Ackerpächter den Präfekten in P.Berl.Frisk 3,6 (211–212 n. Chr.?). Auch in P.Cair.Isid. 1 (297 n. Chr.) ist es der Statthalter, dem das „Ausmerzen der schlechten Gewohnheit“ (Z. 5: ὀλέθριον συνήθειαν ἐκκόψαι), die Steuerbelastung ungleich zu verteilen, zugedacht wird. Auf die Imperatoren Septimius Severus und Caracalla bezieht sich eine Bemerkung in SB I 4284 (207 n. Chr.); sie seien, indem sie Menschen aus fremden Dörfern in ihre Heimat zurücktrieben, bemüht gewesen, „gewalttätige und gesetzlose Aktionen auszumerzen“ – Z. 8: ἐκκόψαντες τὰ βίαια [καὶ ἄν]ομα.
Auf dem Hintergrund dieses Befundes, der das ἐκκόπτειν ausschließlich als Tätigkeit von staatlichen Führungskräften im Sinne des Gemeinwohls ausweist, erklärt sich Paulus in seinem Verhältnis zu den Gemeinden bzw. den Adressatinnen und Adressaten seiner Verkündigung gewissermaßen zu einer Autorität, die befugt und fähig ist, „falsche Apostel“ (vgl. V. 13) zu entlarven und ihnen jede weitere Gelegenheit zur Aufschneiderei „auszuschlagen“. Im Unterschied zu den Papyrusbelegen schreibt er sich diese Rolle selbst zu, während dort die staatlichen Organe von Untergebenen für ihre entsprechenden Unternehmungen gelobt werden. Implizit schwingt hier jedenfalls mit, dass Paulus etwas vorhat, das – zumindest seiner Überzeugung nach – dem Gemeinwohl nützt und wofür er Lob verdient.
164
BGU I 304,12 (647 n. Chr.). Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 166 Für Belege siehe Kiessling, Wörterbuch s. v. ἐκκόπτω 1); in PSI VI 699,4–5 (Mitte 3. Jh. v Chr) bezeichnet ἐκκόπτω das „Heraushauen“ oder „Durchbrechen“ von Türöffnungen (θύραι). 165
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11,113 οἱ γὰρ τοιοῦτοι ψευδαπόστολοι, ἐργάται δόλιοι, μετασχηματιζόμενοι εἰς ἀποστόλους ‹ 1,1 Χριστοῦ‹ 1,1 – Das Wort ψευδαπόστολος („falscher Apostel“) ist in den dokumentarischen Papyri bisher nicht belegt. Mit ἐργάτης wird in den Papyri und Ostraka der „Arbeiter“, insbesondere der „Lohnarbeiter“ bezeichnet. Die Belege sind überaus zahlreich und reichen von der ptolemäischen bis in die arabische Zeit.167 Das Adjektiv δόλιος168 („listig, verschlagen“) ist bisher nur in einem magischen Papyrus belegt,169 und das Verb μετασχηματίζω begegnet papyrologisch erst in byzantinischer Zeit. 11,114 καὶ οὐ θαῦμα – Das Wort θαῦμα („Wunder“) ist bisher nur durch einen dokumentarischen Papyrus bezeugt: In einem Brief meint eine Frau gegenüber ihrer Adressatin – CPR VII 57,14–18 (3.– 4. Jh. n. Chr.): θ̣ αῦμα | ὅ̣ τ̣ι ̣ οὐδέπως οὐδεμ̣ ίαν | ἐπιστ̣ο̣ λ̣ ήν μοι ἔγραψας, | ὅτ̣ε πο̣ λλάκις σοι ἔγραψ|σα (l. ἔγραψα) („ein Wunder, dass du mir überhaupt keinen Brief geschrieben hast, als ich dir oftmals geschrieben habe“).170
Wie bei Paulus geht es auch hier darum, die Aufmerksamkeit für die folgende Aussage zu wecken und implizit um die Zustimmung seines/ihres Gegenübers zu werben. Dies trifft auf den Papyrustext ebenso zu wie auf die Paulusstelle, wenngleich Paulus davon spricht, dass die folgende Feststellung eben nicht verwunderlich ist. αὐτὸς γὰρ ὁ σατανᾶς ‹ 2,11 μετασχηματίζεται ‹ 11,13 εἰς ἄγγελον φωτός ‹ 4,6 – Die wenigen noch nicht christlich geprägten Papyrusbelege für ἄγγελος sind
zeitlich weit gestreut und bezeugen durchwegs die profangriechische Bedeutung „Bote“.171 11,115 οὐ μέγα οὖν εἰ καὶ οἱ διάκονοι ‹ S. 259 αὐτοῦ μετασχηματίζονται ‹ 11,13
ὡς διάκονοι δικαιοσύνης ‹ 3,9· ὧν τὸ τέλος ‹ 1,13 ἔσται κατὰ τὰ ἔργα ‹ 9,8 αὐτῶν – Die neutrale Form μέγα172 begegnet hier im Sinn von „bedeutend,
167
Für die Gegenwart des Paulus sind z. B. zu nennen: O.Mich. II 807,3 (12. Juni 15 n. Chr.); P.Mich. II 127, Kol. II 36 (1. September 45–17. Januar 46 n. Chr.); SB XX 14526,10 (nach 60–61 n. Chr.); XVI 12332, Rekto, Kol. III 34 (26. Januar – 24. Februar 69 n. Chr.); O.Edfou III 468,1 (1. Jh. n. Chr.). 168 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 169 In Pap.Graec.Mag. II 8,33 (4. oder 5. Jh. n. Chr.) wird der Gott Hermes darum gebeten, vor Giften und „Tückischem“ (δολίων) zu bewahren. Relativ häufig bezeugt ist das negative Pendant ἄδολος – insbesondere vom „unverfälschten“, d. h. reinen und unvermischten Getreide; für Belege siehe Kiessling, Wörterbuch s. v. ἄδολος 2). Zum Substantiv δόλος siehe unten bei 12,16 (S. 523). 170 In Pap.Graec.Mag. I 3,208 (nicht vor 300 n. Chr.) wird der Skarabäus als „großes Wunder“ (μέγα θα[ῦμα]) für Götter und Menschen bezeichnet. 171 Siehe die Beispiele bei F. Winter in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 175. 172 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet.
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Einzelheiten: 2Kor 11,13–19
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besonders“, wobei gedanklich ein ἐστίν zu ergänzen ist. Eine derartige Wendung ist jedoch für die Papyri nicht belegt. Entfernt vergleichbar ist allerdings der Ausdruck μέγα πρᾶγμα, der in einem ähnlichen Sinn in zwei Privatbriefen des frühen 2. Jh. n. Chr. begegnet: Zu Beginn seines Privatbriefes an einen Anthestios entschuldigt sich der Absender Kassianos dafür, dass er kein Gemüse schicken kann. Anthestios soll ihn deshalb nicht tadeln, denn es sei keines vorhanden. Und Kassianos fügt hinzu – O.Krok. I 96,4–5 (ca. 98–138): ἐρῖ σοι καὶ Πρῖσκος· οὐκ ἦν | γὰρ μέγα πρᾶγμα πέμψαι („auch Priskos wird dir [das] sagen; denn es wäre keine große Sache gewesen, es dir zu schicken“). In P.Mich. III 203,37–38 (114–116 n. Chr.) schreibt ein gewisser Satornilos gegen Ende seines Briefes an Aphrodus: καὶ οὐκ ἦν μέγα πρᾶγμα η ε̣|[. . . . . . . . . .].α[.]οισ[. . . . . . . .]α̣ τι.[ . .]α̣ („und es war keine große Sache …“); worum es dabei geht, ist aufgrund der Lücken unklar.
11,116 πάλιν λέγω, μή τίς με δόξῃ ἄφρονα ‹ S. 467 εἶναι· εἰ δὲ μήγε, κἂν ὡς ἄφρονα δέξασθέ ‹ 6,1 με, ἵνα κἀγὼ μικρόν τι ‹ 11,1 καυχήσωμαι ‹ 5,12. 11,117 ὃ λαλῶ ‹ 2,17, οὐ κατὰ κύριον ‹ 1,2 λαλῶ ‹ 2,17 ἀλλ᾽ ὡς ἐν ἀφροσύνῃ ‹ S. 467, ἐν ταύτῃ τῇ ὑποστάσει ‹ 9,4 τῆς καυχήσεως ‹ 1,12. 11,118 ἐπεὶ πολλοὶ καυχῶνται ‹ 5,12 κατὰ σάρκα ‹ 1,17, κἀγὼ καυχήσομαι ‹ 5,12. 11,119 ἡδέως γὰρ ἀνέχεσθε ‹ 11,1 τῶν ἀφρόνων ‹ S. 467 – Das sich vom Adjektiv ἡδύς173 („süß, lieblich; erfreulich“) ableitende Adverb ἡδέως wird in den Papyri viel und hauptsächlich in Briefen gebraucht. Meist geht es darum, dass die Briefabsenderin oder der -absender unterstreicht, gewisse Dienste gerne zu übernehmen oder die Adressatin bzw. den Adressaten höflich um etwas zu bitten. Für das eine wie für das andere ist jeweils eine formelhafte Wendung vorherrschend: Die erste findet sich etwa in P.Cair.Zen. V 59843,5–6 (Mitte 3. Jh. v. Chr.), wo der Absender seine Bereitwilligkeit, von seinem Briefpartner angeforderte Sendungen auszuführen, folgendermaßen ausdrückt: ἡδέως γάρ σοι πάντα | ποιήσομεν („gerne nämlich werden wir alles für dich erledigen“).174 Ab dem 3. Jh. n. Chr. taucht ἡδέως in der Wendung ἐάν ἡδέως ἔχῃς („wenn du [es] gerne hast“175, im Sinne von „wenn es dir recht ist“) auf – vgl. z. B. SB VI 9083,3 (254–268 n. Chr.): ἐὰν ἡδέως ἔχῃς, | πέμψον Χαιρήμονα („wenn es dir recht ist,
173
Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. Aus paulinischer Zeit vgl. P.Oxy. XII 1480,25–26 (32 n. Chr.), als spätere Beispiele etwa O.Krok. I 96,12–13 (ca. 98–138 n. Chr.) und P.Col. X 279,7 (Mitte 3. Jh. n. Chr.). 175 Die Kombination von ἡδέως und ἔχω begegnet auch mit Personen als Objekt – vgl. P.Oxy. XIV 1758,19–20 (2. Jh. n. Chr.): ἀσπάζομ[αι πάντας] | οὓς ἡδέως ἔχεις („ich grüße alle, die du gerne hast“). 174
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
schicke Chairemon“). Hier wird also ein höflicher Appell an den Adressaten gerichtet.
Vereinzelt finden sich auch freiere Formulierungen, die mit der Paulusstelle auch eher zu vergleichen sind: In P.Oxy. II 298, Verso 32–33 (1. Jh. n. Chr.) erklärt ein Steuereintreiber die geplante Versetzung eines (offensichtlich) Untergebenen u. a. damit: ὁ Ἀνουβᾶς αὐ|[τὸ]ν οὐχ ἡδέως [β]λέπει („Anubas sieht ihn nicht gerne“176). Ein gewisser Antonius Dios betont z. B. in seinem Brief an den Strategen Apollonios, gerne auf diesen warten zu wollen – P.Giss. I 73,4 (113–120 n. Chr.): ἡδέως καὶ περιμένω σε. In P.Giss. I 19 (115 n. Chr.)177 teilt eine gewisse Aline ihrem Gatten brieflich mit, krank zu sein und nicht gerne Nahrung zu sich zu nehmen – Z. 6: οὔτε σ̣ ε̣ιτ̣ ίοις ἡδέως προσέρχομαι.
Dieser Art von Belegen ist auch die vorliegende paulinische Stelle („denn gerne ertragt ihr die Unvernünftigen“) zuzuordnen. Paulus bedient sich also mit ἡδέως eines gängigen Wortes der Briefsprache. φρόνιμοι ὄντες – Den papyrologischen Befund für φρόνιμος hat bereits F.
Winter im Zusammenhang mit 1Kor 4,10 erhoben. Demnach bezieht sich das Adjektiv „durchgehend auf die lebenspraktische Vernunft, die Klugheit im Umgang mit zu bewältigenden Problemen.“178 Damit wird hinter der vorliegenden Aussage eine scharfe Ironie erkennbar, denn das, was Paulus den Gemeindemitgliedern in diesen Versen ironisch unterstellt, betrifft in erster Linie den alltäglichen, praktischen Bereich und ist freilich gerade im praktischen Sinn höchst unvernünftig. 11,220 ἀνέχεσθε ‹ 11,1 γὰρ εἴ τις ὑμᾶς καταδουλοῖ – Für die römische Zeit sind unterschiedliche Formen der Versklavung papyrologisch belegt, allen voran der Verkauf auf dem Sklavenmarkt,179 ferner galten die Kinder einer Sklavin automatisch als Sklavinnen oder Sklaven, auch Kriegsgefangenschaft oder Zwangsvollstreckung konnten den Beginn eines Sklavendaseins markieren. Schließlich wurden Findelkinder als Sklavinnen oder Sklaven aufgenommen.180 Das Verbum simplex δουλόω ist in den Papyri bisher nicht bezeugt,181 wohl aber das hier verwendete Kompositum καταδουλόω182, wenn auch selten: 176 177 178
Preisigke, Wörterbuch s. v. βλέπω 1), übersetzt: „er mag ihn nicht leiden“. Nach Pucci Ben Zeev, Diaspora Judaism 168–169, Anfang September 116 n. Chr. F. Winter in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 176 (mit den Belegen S. 175–
176). 179
Siehe dazu bes. Straus, L’achat. Siehe dazu ausführlich Straus, L’esclavage 841–911; Bieżuń ska-Małowist, L’esclavage I 10–58 (ptolemäisch); II 7–42 (griechisch-römisch); Arzt-Grabner, Philemon 87–96. 181 Paulus verwendet es in 1Kor 7,15 und 9,19 sowie in Röm 6,18.22; Gal 4,3. 182 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 180
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Einzelheiten: 2Kor 11,19–20
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Eine Urkunde über die Freilassung einer Sklavin (P.Eleph. 4 [283 v. Chr.]) beinhaltet z. B. die Bestimmung, dass die nun Freigelassene, nachdem sie Pantarkes, einem ihrer früheren Besitzer, eine einmalige Auszahlung von 400 Drachmen als τροφεῖα („Kostgeld“) geleistet hat, „unter keinem Vorwand und an keinen anderen in seinem (nämlich des Besitzers) Namen versklavt“ werden dürfe – Z. 4: καταδουλούμενον παρευρέσει | μηδεμιᾶι μηδ᾽ ἄλλωι ὑπὲρ Παντάρκους.183 Um ein Mädchen namens Herakleia geht es in dem Petitionsentwurf UPZ I 3 (164 v. Chr.); über dessen Entführung aus dem Tempel und anschließende Versklavung (Z. 11 mit BL V 149: καταδ[ουλουμένην]) beklagt sich der in Gotteshaft befindliche Ptolemaios, zu dem das Mädchen Zuflucht genommen hatte.184
Durch das negative Präfix κατα- wird durchwegs der widerrechtliche Charakter einer Versklavung zum Ausdruck gebracht. Damit erhält der Vorwurf des Paulus eine besondere Spitze: die Gemeindemitglieder ertragen es nicht nur, versklavt zu werden, sie ertragen es sogar, wenn das jemand widerrechtlich tut. Implizit drückt Paulus damit auch aus, dass sie Freie sind, die – einem allgemeinen Rechtsgrundsatz zufolge – gar nicht versklavt werden dürfen. Dafür gibt es auch papyrologische Belege: C.Ord.Ptol. 21–22 (260 v. Chr.) z. B., ein Erlass Ptolemaios’ II Philadelphos, bestätigt das grundsätzliche Verbot, eine freie Person zu kaufen oder als Pfand zu nehmen (vgl. bes. Z. 45–46.53–54).185
Nach Paulus lassen die Gemeindemitglieder etwas zu, wogegen sich ein Petent etwa 200 Jahre vor Paulus ausdrücklich zur Wehr setzt: Mit der Enteuxis P.Dion. 9 (ca. 139 v. Chr.) beschwert sich der Kläger, dass er sich aufgrund schlechter Behandlung gefährdet sieht, „statt eines freien Mannes ein Sklave zu werden“ – Z. 4: κινδυνεύ̣ ων ἀντ᾽ ἐλευ̣ θ̣ έρου δοῦλος̣ γ̣ενέσθαι.
Die folgenden Ausdrücke im paulinischen Text machen das Verhalten der Gemeindemitglieder, das Paulus bereits hier und im Vergleich mit den Papyrustexten seinen Leserinnen und Lesern als völlig Unverständliches klar vor Augen führt, immer deutlicher. εἴ τις κατεσθίει – Das Kompositum κατεσθίω186 wird in den Papyri meist in
den Bedeutungen „aufbrauchen“ (von Ressourcen wie Geld oder Natura183 In gleicher Weise P.Eleph. 3,3–4 (282 v. Chr.), wo der zweite Besitzer, Antipater, genannt ist (zur Deutung beider Texte siehe R. Scholl in C.Ptol.Sklav. I S. 141–144). 184 UPZ I 4 (164 v. Chr.) ist ein anderer Entwurf der Petition; beachte Kol. II 14–15 mit BL V 149. 185 Siehe zu diesem Abschnitt des Erlasses ausführlich R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/ Kritzer u. a., 1. Korinther 285–286. 186 Zum Verbum simplex ἐσθίω wird hingegen ganz neutral für menschliches „Essen“ oder tierisches „Fressen“ verwendet (zahlreiche Belege bei Preisigke, Wörterbuch s. v. ἐσθίω; Kiessling, Wörterbuch s. v. ἐσθίω; Kiessling, Wörterbuch Supplement 1 s. v. ἐσθίω; Rupprecht/Jördens, Wörterbuch Supplement 2 und 3 s. v. ἐσθίω); ferner z. B. O.Claud. II 287,11; 288,9–10 (beide Mitte 2. Jh. n. Chr.); P.Hombert II 42,6.12 (2.–3. Jh. n. Chr.); zu SB XX 14334,5 (3.–4. Jh.
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
lien)187 sowie „auf-“ bzw. „abfressen“ (von Futterbestand oder Vorräten durch Vieh oder Mäuse)188 verwendet, wobei (verdeutlicht durch das Präfix κατα-) miteingschlossen ist, dass dabei nichts übrig bleibt. Nur einmal bilden wie bei Paulus Menschen das Objekt, allerdings handelt es sich in dem Fall bereits um Tote: In einer Strafanzeige wegen Grabplünderung (UPZ II 187 [127–126 v. Chr.]) wird außer dem Diebstahl wertvoller Gegenstände auch ein Schaden an unbestatteten Mumien beklagt; sie seien (vermutlich) von Schakalen aufgefressen worden – Z. 20– 21: ἄταφα | σώματα κ[ατ]αβρωθέντα.
Paulus wirft hier den Gemeindemitgliedern vor, dass sie etwas mit sich geschehen lassen, was eigentlich undenkbar ist. Sogar wenn dies Mumien widerfährt, nämlich aufgefressen zu werden, handelt es sich um einen absoluten Greuel. Die Christinnen und Christen in Korinth sind aber doch lebendige Freie! εἴ τις λαμβάνει ‹ 11,4, εἴ τις ἐπαίρεται ‹ 10,5, εἴ τις εἰς πρόσωπον ‹ 1,11 ὑμᾶς δέρει – Das Verb λαμβάνω (Grundbedeutung „nehmen, bekommen, aufneh-
men“) ist in den dokumentarischen Papyri und Ostraka gut bezeugt, doch finden sich nur relativ wenige Belege, wo es darum geht, dass eine Person eine andere in widriger Weise festhält oder in seine Gewalt bringt. Im Gestellungsbefehl P.Hib. I 62 (8. August 245 v. Chr.) wird ein gewisser Ptolemaios aufgefordert, sofort nach Erhalt des Schreibens einen Übeltäter festzunehmen (Z. 12–13: λαβὼν αὐτὸν τὸ | τάχος) und zu überstellen (ebenfalls um festgenommene Übeltäter geht es in SB XX 14662, Kol. II 11 [29. August 154 n. Chr.]).
Bei Paulus liegt der Fall insofern umgekehrt, als er davon spricht, dass solche, die es mit der Gemeinde nicht gut meinen, deren Mitglieder in ihre Gewalt bringen. Das Verb δέρω ist in den dokumentarischen Papyri sowohl in seiner eigentlichen Bedeutung „das Fell abziehen“ als auch – und häufiger – im Sinne von „durchprügeln“ bezeugt. Wie A. Papathomas in seiner ausführlichen Untersuchung des Verbs vermutet, wurde damit in volkstümlicher Weise die Tätigkeit des Boxers beschrieben.189 Wie 1Kor 9,26 deutlich zeigt, war Paulus das Bild des Boxers vertraut. Er hat hier also wohl gewalttätige und schmerzhafte Hiebe oder Faustschläge ins Gesicht vor Augen und nicht bloß Ohrfeigen. 11,221 κατὰ ἀτιμίαν ‹ 6,8 λέγω, ὡς ὅτι ἡμεῖς ἠσθενήκαμεν ‹ 10,10. ἐν ᾧ δ᾽ ἄν τις τολμᾷ ‹ 10,2, ἐν ἀφροσύνῃ ‹ S. 467 λέγω, τολμῶ ‹ 10,2 κἀγώ – Mit diesem Vers lein. Chr.) beachte BL XI 229, wonach an Stelle von πρὲς (l. πρὸς) φαγεῖν auch πρεσφάγειν (l. προσφάγιν = προσφάγιον) möglich ist. Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 187 Vgl. etwa P.Petr. II 4 (8),4–5 mit BL I 350 und II.2,107 (ca. 256 v. Chr.) oder P.Cair.Zen. III 59318,10–11 (250 v. Chr.). 188 Vgl. etwa P.Ryl. II 152,13–14 (42 n. Chr.); P.Grenf. II 36,15–16 (21. Mai 95 v. Chr.). 189 Siehe dazu und mit den papyrologischen Beispielen Papathomas, Motiv 238–239; vgl. R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 361–362.
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Einzelheiten: 2Kor 11,20–22
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tet Paulus den folgenden Peristasenkatalog 11,21–30 ein (siehe dazu oben S. 301). 11,222 Ἑβραῖοί εἰσιν; κἀγώ. Ἰσραηλῖταί εἰσιν; κἀγώ – Die ethnische Bezeichnung Ἑβραῖος ist in den dokumentarischen Papyri erst ab dem 6. Jh. belegt.190 Für Korinth selbst kann auf die bekannte Inschrift aus dem 2. oder 3. Jh. n. Chr. verwiesen werden, die ursprünglich [ΣΥΝ]ΑΓΩΓΗ ΗΒΡ[ΑΙΩΝ] („Synagoge der Hebräer“) lautete.191 Ἰσραηλίται sind in den dokumentarischen Papyri bisher erst einmal belegt, und zwar in einer Eingabe aus byzantinischer Zeit (P.Cair.Masp. I 67002, Kol. I 18 [Mai – Juli 567 n. Chr.]).192 σπέρμα Ἀβραάμ εἰσιν; κἀγώ – Von σπέρμα bzw. σπέρματα193 ist in den
dokumentarischen Papyri des Vergleichszeitrahmens ausschließlich im Zusammenhang mit Pflanzensamen die Rede194 und – verständlicherweise – meist in Texten aus dem Wirtschaftsleben (häufig z. B. Saatgutquittungen). Um menschlichen Samen bzw. um σπέρμα in der Bedeutung „Nachkommenschaft“ wie hier bei Paulus geht es in zwei magischen Papyri: Pap.Graec.Mag. II 36,287 (4. Jh. n. Chr.) überliefert einen Spruch, mit dem eine erfolgreiche Befruchtung herbeigeführt werden soll. In Pap.Graec.Mag. I 4,2984 (frühes 4. Jh. n. Chr.) hingegen wird der Gott Hermes als „Nachkommenschaft der Stammgötter“ bezeichnet: σπέρμα τῶν προγόνων θεῶν (vgl. auch Z. 2995–2996).
Der Name Ἀβραάμ195 begegnet in den Papyri nicht vor dem 4. Jh. n. Chr.; Träger dieses Namens sind vermutlich sowohl Juden als auch Christen.196 Papyrologische Beispiele für den biblischen Stammvater, den Paulus hier natürlich 190 Im bisher ältesten Beleg, P.Ross.Georg. III 38,3–4 (vor 25. Juni 569), wird ein Peret, von seiner Volkzugehörigkeit ein Hebräer (Z. 4: Ἑβ[ρα]ίου τῷ ἔθνει), aus Antinoopolis erwähnt. 191 Elliger, Paulus 194, hält das 2. Jh. für „die frühestmögliche Datierung“. Text und Abb. z. B. bei Arzt-Grabner, Stellung 152 (Abb. 4 auf S. 158). 192 Zur Verwendung dieser Bezeichnungen in V. 22–23 durch die Gegner des Paulus siehe vor allem Koch, Abraham 306–314. 193 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 194 So auch des Öfteren bei Paulus (vgl. etwa oben bei 9,10). Zum papyrologischen Befund siehe R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 494. 195 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 196 Anhaltspunkte für den jeweiligen Sachverhalt könnten die Namen der Väter bieten: vgl. etwa SB I 4841,2–3 (6.–7. Jh. n. Chr.), wo ein „Abraham, Sohn des Jakob“ vorkommt, oder aber SB XX 14890,3–4 (4. Jh. n. Chr.) mit einem „Abraham, Sohn des Makarios“; dies ist freilich als strenges Prinzip nicht durchzuhalten. Eindeutig sind Belege wie P.Amst. I 81,12 (5. Jh. n. Chr.), wo ein Subdiakon namens Abraham erwähnt wird. Besonders häufig ist er in den Ostraka aus Kysis in der Großen Oase zu finden, und zwar meist in Kombination mit militärischen Diensträngen: z. B. des Öfteren ὀπτίων/optio („Adjutant“ – z. B. O.Douch I 22,2 [4. – Anfang 5. Jh. n. Chr.]); generell eher im niederen Bereich angesiedelt. Hier begegnet auch die ägyptische Version Φιαβραάμ (Φι steht für den ägyptischen Artikel; vgl. z. B. O.Douch I 11,1 [4. – Anfang 5. Jh. n. Chr.]).
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meint, finden sich ausschließlich in Zauberpapyri (z. B. Pap.Graec.Mag. II 13,817 [346 n. Chr.]). 11,223 διάκονοι ‹ S. 259 Χριστοῦ ‹ 1,1 εἰσιν; παραφρονῶν λαλῶ, ὑπὲρ ἐγώ – Das Verb παραφρονέω197 („‚daneben‘, von Sinnen sein“) begegnet erst in Papyri ab dem 6. Jh. n. Chr.198 ἐν κόποις ‹ 6,5 περισσοτέρως ‹ 2,4, ἐν φυλακαῖς ‹ 6,5 περισσοτέρως ‹ 2,4, ἐν πληγαῖς ‹ 6,5 ὑπερβαλλόντως, ἐν θανάτοις ‹ 1,9 πολλάκις – Analogien dazu, dass
sich Paulus hier der erlittenen Schläge rühmt, sieht J. A. Glancy in der positiven Hervorhebung von Kriegsverletzungen bei römischen Rednern.199 Von οὐλαί ist in zahlreichen Papyri innerhalb von Signalments bestimmter Personen die Rede; allerdings ist in den meisten Fällen unsicher, ob es sich dabei um Narben oder um (Mutter-)Male handelt. Geht es um die Personenbeschreibung von Soldaten oder Veteranen, so könnte es sich dabei um Narben, verursacht durch Kriegsverletztungen, handeln.200 Dass sich jemand derartiger Narben lobt, ist papyrologisch bisher nicht bezeugt. Das sich aus dem Verb ὑπερβάλλω201 bzw. aus dessen Partizip ableitende Adverb ὑπερβαλλόντως („übermäßig“)202 begegnet bisher nur in einem magischen Papyrus aus dem frühen 4. Jh. n. Chr. (Pap.Graec.Mag. I 4,649). 11,224 ὑπὸ Ἰουδαίων πεντάκις τεσσαράκοντα παρὰ μίαν ἔλαβον ‹ 11,4 – Angehörige des Judentums werden in den dokumentarischen Papyri und Ostraka relativ oft erwähnt. Insbesondere die Verhältnisse der jüdischen Bevölkerung von Alexandria und Elephantine sind in den Papyri aus Ägypten gut dokumentiert. Darüber hinaus gehören Papyri, die im heutigen Isreal gefunden wurden, zu den wichtigsten außerägyptischen Zeugnissen.203 Bei Paulus ist die Verwendung von Ἰουδαῖοι einheitlich: es geht um die Angehörigen seiner eigenen ethnischen Herkunft.204
197
Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. Vgl. etwa P.Lond. V 1711,80.87.93 (566–573 n. Chr.). 199 Siehe Glancy, Boasting 103–107.118–137. 200 Siehe z. B. P.Oxy. XXII 2349,2–3 mit BL VII 149 (29. August – 27. September 70 n. Chr.); P.Hamb. I 30,6 (30. April 89 n. Chr.); P.Mich. IX 568–569,6 (26. November 92 n. Chr.); P.Lond. II 142 (S. 203),5–6 (28. November 95 n. Chr.); P.Mich. VI 427,3 (nach 10. Juli 138 n. Chr.); BGU III 710,32 (145–146 n. Chr.) 201 Siehe dazu bei 3,10 (S. 285–286). 202 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 203 Die wichtigsten Editionen und die maßgebliche Literatur werden von P. Arzt-Grabner in ders./Kritzer u. a., 1. Korinther 94, angeführt; beachte z. B. ferner D. Kaltsas in P.Heid. VIII S. 208–209. Weitere Einzelnennungen von Angehörigen des Judentums finden sich z. B. in: P.Heid. VIII 417,5.21.23 (19. November 190 oder 17. Februar 189 v. Chr.); P.Mich. XVIII 781,13.52 (nach 186–185 v. Chr.); P.Diosk. 1,8 (16. Oktober 154 v. Chr.); SB XX 15189, Kol. II 13 (24–25 n. Chr.); 14525,12.42.44.50.55.57.59.60 (nach 24. Juli 57 n. Chr.). 204 In den Papyri kann Ἰουδαῖος hingegen – je nach Zeit und Kontext – Unterschiedliches aus198
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Einzelheiten: 2Kor 11,22–25
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Zur jüdischen Prügelstrafe, die im Synagogenhof vollzogen wurde und im Griechischen als τεσσαράκοντα παρὰ μίαν („vierzig weniger einen [Hieb]“)205 ausgedrückt wird, liegen bisher keine Papyrusbelege vor. 11,225 τρὶς ἐραβδίσθην – Mit dem Hinweis, drei Mal ausgepeitscht oder – so wörtlich die Bedeutung von ῥαβδίζω206 – „mit einem Stock geschlagen“ worden zu sein, spielt Paulus hier offensichtlich auf die römische Prügelstrafe oder Auspeitschung mit Ruten an. Die wenigen Papyrusbelege für ῥαβδίζω stammen aus der Landwirtschaft: Bereits im frühesten Beispiel, SB XXII 15762,13–14 (210 v. Chr.), liest man von „gedroschenem Getreide“ (σίτου | ῥα̣ β̣ δ̣ ισμένου), das in einer Mühle liegt. In einem Beleg aus dem 1. Jh. n. Chr. beschwert sich ein Petent, dass Eindringlinge unerlaubt 20 Ladungen Anis gedroschen hätten – P.Ryl. II 148,20–21: ἐράβδισαν γόμους | κ.207
Der geringe Papyrusbefund ist insofern nicht uninteressant, als Paulus mit seiner Wortwahl hier zum Ausdruck bringt, dass er richtiggehend „verdroschen“ wurde. Im Unterschied zum Verb lassen sich für ῥάβδος („Stock, Stab, Rute“) einige wenige Belege im Zusammenhang mit der Prügelstrafe oder Auspeitschung beibringen.208 Das für die Paulusstelle besonders interessante Beispiel liegt im Protokoll einer Zeugenaussage vor, das eine angeordnete und vollzogene Prügelstrafe bestätigt, die ungesetzlich erfolgte: Die – vom römischen Recht her geforderten – sieben Zeugen bestätigen – SB V 7523,3–4 mit BL VIII 328 (11. Februar 153 n. Chr.): παρόντες ἐν κώμῃ Φιλαδελφείᾳ τοῦ [Ἀρσινοείτου νομοῦ τῆς Ἡρακλείδου | μερ]ίδος πρὸς τῷ Καισαρείῳ οὕτως {τ}209 ἐθεασάμεθα Γάιον Μηούιον Ἀπελλᾶν οὐετρανὸν εἴ[λης sagen (siehe dazu bes. Honigman, Juifs, die dies auch von der speziellen Verwendung und Häufigkeit jüdischer Namen ableitet). 205 Die Subtraktionsbildung bei 8 und 9 mit παρά ist typisch für das Koine- sowie Neugriechische (vgl. z. B. Schwyzer, Grammatik I 594). 206 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 207 Aus dem landwirtschaftlichen Bereich stammt auch der bruchstückhafte P.Tebt. III.2 958,9 (162 v. Chr.). – Häufiger belegt ist das Substantiv ῥαβδιστής (z. B. P.Mich. II 127, Kol. II 32.41 [45 n. Chr.]). 208 Siehe dazu Papathomas, Begriffe 205–206, der dafür allerdings nur einen einzigen Beleg aus dem 4. Jh. n. Chr. anführt (P.Oxy. IX 1186), in dem ῥάβδος gar nicht vorkommt; er verweist aber (und mit zahlreichen Beispielen) auf die Ämter der ῥαβδοῦχοι, ἀρχιραβδοῦχοι und ῥαβδοφόροι und bietet ausführliche Literaturangaben zum Thema. Der Begriff ῥάβδος selbst begegnet meistens im Zusammenhang mit der Schilderung von tätlichen Angriffen (Beispiele bei Papathomas, Begriffe 206 mit Anm. 1405). Nicht belegen lässt sich hingegen, dass ῥάβδοι als griechisches Äquivalent für das lateinische fasces verwendet worden wäre, wie F. Winter und P. ArztGrabner in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 193, irrtümlich gemeint haben (vgl. Papathomas, Begriffe 207). 209 Im Unterschied zur ed.pr. hat Wilcken, Urkunden-Referat 131, hier anstatt ε „eher ein τ“ gelesen und dazu bemerkt: der Buchstabe „kann nur fehlerhaft sein. Wollte der Schreiber zuerst
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
Ἀπριανῆς δερόμενον] τοῦ στρατηγοῦ Ἱέρακος κελεύοντος | [ὑπὸ] φυλάκων δύο ῥάβδοις καὶ κόμμασι („als wir im Dorf Philadelphia im Gau Arsinoites im Herak-
leides-Bezirk beim Caesareum anwesend waren, sahen wir eben auf diese Weise, wie Gaius Maevius Apellas, Veteran der ala Ariana, auf Befehl des Strategen Hierax von zwei Wächtern mit Ruten und Schlägen gezüchtigt wurde“). Mit dem Hinweis auf seinen Veteranen-Status versucht Apellas, sein römisches Bürgerrecht nachzuweisen und damit klarzulegen, dass die Züchtigung rechtswidrig erfolgte.210
Der Fall scheint nun ein besonderes Licht auf die Biographie des Paulus zu werfen, weil er belegt, dass die Prügelstrafe in gesetzeswidriger Weise gegen einen römischen Bürger von einer Behörde offiziell verhängt und dann auch vollzogen wurde. Nach Apg 22,25–29 und 23,27 soll auch Paulus das römische Bürgerrecht besessen haben. Die dortigen Hinweise lassen sich durch die Paulusbriefe allerdings nicht bestätigen und sollen deshalb hier nicht weiter diskutiert werden.211 Im Hinblick auf die Frage seines möglichen Bürgerrechts ist von der vorliegenden Stelle her allerdings zu berücksichtigen, dass dieses gleich drei Mal missachtet worden wäre. Letzten Endes ist aber auch hier keine klare Einschätzung darüber möglich, wie Paulus seinen Fall vom römischen Recht her und persönlich beurteilt hat, also ob er die drei Auspeitschungen tatsächlich für ungesetzlich hielt oder nicht. ἅπαξ ἐλιθάσθην – Allein schon die Tatsache, dass Paulus diese „Steinigung“ überlebt hat, zeigt deutlich, dass es sich dabei nicht um den Vollzug eines gerichtlichen Urteils gehandelt haben kann, sondern um einen spontanen Gewaltausbruch oder gerichtliche Grundlage. Von einem solchen ist in Apg 14,19–20 im Zusammenhang mit dem Aufenthalt des Paulus in Lystra die Rede. Papyrologisch ist λιθάζω212 („mit Steinen [be-]werfen, steinigen“) bisher lediglich in einer ptolemäischen Zeugenaussage213 belegt: Ein Herieus wurde Zeuge eines Angriffs auf eine Gruppe von Lohnarbeitern, die beim Heueinbringen den Schlägen und Steinwürfen einer „gräko-ägyptischen Bande“214 zum Opfer fielen – P.Heid. VIII 416,15–16 (1. Hälfte 2. Jh. v. Chr.): τύπτοντες καὶ λιθά|ζοντες ἐξέβαλλον ἐκ τοῦ χορτοβολῶνος („unter Schlägen und Steinwürfen warfen sie sie aus der Scheune“); auch deren Arbeitgeber Perigenes, der das Perfektum τεθεάμεθα gebrauchen?“ A. S. Hunt und C. C. Edgar geben den Text in Sel.Pap. II S. 186 (Nr. 254) als οὕτως γε ἐθεασάμεθα wieder (vgl. BL VIII 328). 210 Siehe dazu Horstkotte, SB 7523 und der Veteranenstatus. – Zur Verwendung von τύπτω im Zusammenhang mit einer durch einen Strategen verhängten Prügelstrafe beachte P.Wisc. I 33,20 (nach 8. September 147 n. Chr.). Siehe dazu P. Arzt-Grabner in ders./Kritzer u. a., 1. Korinther 337. 211 Zu den Argumenten pro und contra ein römisches Bürgerrecht des Paulus bietet Ebel, Leben 110–113, einen guten Überblick. 212 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 213 Zu Form und Aufbau dieses Urkundentyps sowie zu Vergleichstexten vgl. D. Kaltsas in P.Heid. VIII S. 45–68. 214 So D. Kaltsas in P.Heid. VIII S. 127; der Grund für den Übergriff lag vermutlich in ungelösten Besitzansprüchen o. Ä.
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Einzelheiten: 2Kor 11,25
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sich über diese Vorgänge empörte, und die anderen Anwesenden wurden getroffen – Z. 22–23: `ἐλίθαζον´ | τοὺς περὶ τὸν Περιγένην („sie bewarfen die Leute des Perigenes mit Steinen“).
Auch hier handelt es sich um eine aufgebrachte Menge, die andere durch Steinwürfe vertreiben will. Ähnliches gilt für die Verwendung der Synonyme λιθοβολέω (ebenfalls „mit Steinen [be-]werfen“)215 und λιθοκοπέω (eigentlich „mit Steinen schlagen“)216. Die wenigen Belege stammen aus Eingaben und sind insofern beachtenswert, als auch dort – wie hier Paulus – die Opfer der Gewaltakte selbst darüber berichten: So wendet sich der Petent von P.Köln XI 455 (nach 6. Januar 134 v. Chr.), dessen Name nicht erhalten ist, an den Strategen und berichtet, er habe seine Frau mit einem gewissen Marres im Haus des Horos angetroffen, woraufhin er einige Leute aus dem Dorf zu Hilfe geholt habe und in besagtes Haus zurückgekommen sei. Als aber Marres auf sie Steine warf (Z. 23 ἐλιθοβόλει ἡμᾶς) und der Sohn des Hausbesitzers sein Schwert zog, hätten sie die Flucht ergriffen. UPZ I 15 und 16 (nach 8. bzw. 28. Mai 156 v. Chr.) sind die beiden erhaltenen Entwürfe einer Eingabe an den ptolemäischen König, worin der Petent Ptolemaios u. a. darüber klagt, dass er von mehreren Leuten durch das Fenster mit Steinen beworfen wurde (UPZ I 16,17–18 ὥστε διὰ τῆς θυρίδος | λιθοκοπεῖσθαί με, vgl. 15,27–28).
τρὶς ἐναυάγησα – Von einem Schiffbruch ist in den dokumentarischen Papyri nur selten die Rede. Das Verb ναυαγέω217 ist bisher nur in einem einzigen zeitlich mit Paulus vergleichbaren Text belegt218: Und zwar berichtet in P.Oxy. IV 839,6 ff. (frühes 1. Jh. n. Chr.) ein Eutyches seiner Mutter von einem Schiffbrüchigen, den er aufnahm: ἐναυάγησεν κατὰ Πτολεμαίδα καὶ ἦλθέ μοι γυμνὸς κεκινδυνευκώς. εὐθέως ἠγόρασα αὐτῶι στολήν („er hatte Schiffbruch bei Ptolemais erlitten und kam zu mir, nackt und in gefährdetem Zustand. Ich kaufte ihm sogleich Gewand“).
Ein Schiffbruch (ναυαγία) wird ferner in BGU XVI 2647,6 (8 v. Chr.) erwähnt. Aus P.Petr. II 40 (a) (30. November 224 v. Chr.) ist ist ein Schiffbruch inhaltlich erschließbar, aufgrund dessen Elephantenjäger nun in der Ferne festsitzen und auf ihre Rettung warten.219
215 Dieses Verb begegnet auch im NT synonym zu λιθάζω, z. B. im Zusammenhang mit der Steinigung des Stephanus (Apg 7,58–59). 216 Das Verb λιθοκοπέω kommt im NT nicht vor. 217 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 218 In einigen Zauberpapyri werden „schiffbrüchige Schiffe“ (πλοῖα νεναυαγηκότα) erwähnt, deren Bestandteile (etwa Nägel oder Taue) offenbar magische Wirkung hatten (vgl. z. B. Pap. Graec.Mag. II 7,594–595 [3. Jh. n. Chr.]). 219 Allgemeiner über Gefahren auf dem Meer siehe anschließend und unten im Kommentar zu V. 26.
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
νυχθήμερον ἐν τῷ βυθῷ πεποίηκα – Zur adverbial gebrauchten Form νυχθήμερον („eine Nacht und einen Tag“) gibt es bisher keine papyrologi-
schen Belege. Der Begriff βυθός220 ist bisher ausschließlich in magischen Papyri belegt, wo er zumeist die mit der Unterwelt in Verbindung gebrachte „Erd-Tiefe“ bezeichnet.221 Von der Tiefe eines Gewässers, genauer eines Flusses, ist in Pap.Graec.Mag. I 3,285 (nicht vor 300 n. Chr.) die Rede: ἐν βυθ[ῷ . . . . .] ποταμ[οῦ]. Die häufige Übersetzung „hohe See“ für diese Paulusstelle ist vom Sinn her richtig, von der paulinischen Wortwahl her aber relativ frei.222 Vom Kontext her geht es hier um Seenot, in der sich Paulus eine ganze Nacht und einen Tag lang befand. Wie gefährlich eine Schiffsreise oft sein konnte, geht z. B. aus dem Papyrusbrief BGU II 423 (2. Jh. n. Chr.) hervor.223 11,226 ὁδοιπορίαις πολλάκις – Mit ὁδοιπορία224 wird ursprünglich eine „Reise zu Fuß“ (ὁδὸν πορεύω – „einen Weg gehen“) bezeichnet, doch ist der Ausdruck auch für Reisen zu Wasser gebräuchlich. So geht es in P.Panop.Beatty 1,253 (17. September 298 n. Chr.) um „Briefträger“, die ̣ ορίαν ποιουμένου ihren Weg per Schiff zurücklegen: τῶν διὰ τοῦ πλοῦ τὴν ὁδ̣ ο̣ ιπ (l. ποιουμένων) γραμματοφόρον̣ (l. γραμματοφόρων). In P.Oxy. I 118, Verso (spätes 3. Jh. n. Chr.) bitten hingegen zwei Absender eines Briefes aufgrund ihrer Unkenntnis des Reiseweges zu Lande um die Sendung einer Fähre – Z. 5–6: διὰ τὸ ἄδηλον τῆς | ὁδοιπορίας.225
κινδύνοις ποταμῶν – Unter den zahlreichen Belegen für κίνδυνος226
(„Gefahr“) in den Papyri sind vor allem jene von Interesse, in denen es um eine mehr oder weniger lebensbedrohliche Gefahr für Menschen geht227: Von einer Gefahr durch das Hochwasser des Nils ist indirekt in P.Petr. II 13 (19),9– 10 mit BL I 355 (ca. 252 v. Chr.) die Rede, wenn die Zeit, in der der Fluss zurückgeht, mit einer Zeit gleichgesetzt wird, in der keine Gefahr besteht: αὐτήν γ[ε τὴν] ἀναχώρησιν τοῦ | ποταμοῦ, καθ᾽ ὃν χρόνον οὐθείς ἐστιν κίνδυνος.228 220
Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. So etwa in Pap.Graec.Mag. II 7,350 (3. Jh. n. Chr.). 222 Beachte aber z. B. Furnish, 2Cor 517: „Despite of the fanciful views of some of the ancient exegetes, Paul does not mean that he was literally under the water for a full day.“ 223 Siehe ausführlicher zu diesem Papyrus S. 495. 224 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 225 Bereits christlich SB VIII 9746,5–6 (Anfang 4. Jh. n. Chr.). 226 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 227 Hier nicht beachtet sind jene zahlreichen Beispiele, in denen κίνδυνος das mit einer geschäftlichen oder finanziellen Transaktion verbundene „Risiko“ bezeichnet (für Belege siehe Preisigke, Wörterbuch s. v. κίνδυνος, insbesondere die Wendungen ἰδίῳ κινδύνῳ bzw. ἀκίνδυνος ἀπὸ ὄντος κινδύνου, sowie s. v. ἀκίνδυνος 3), bzw. Preisigke, Fachwörter s. v. ἀκίνδυνος); zu κίνδυνος in dieser Bedeutung vgl. auch Wollentin, κίνδυνος. 228 Eine nahe bevorstehende Flut erwartet hingegen der Absender von P.Hels. I 32 (vor 160 221
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Einzelheiten: 2Kor 11,25–26
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In P.Laur. I 6 (98–103 n. Chr.) befürchtet der Auftraggeber eines Schiffstransportes, dass möglicherweise schlechtes Wetter das ganze Vorhaben beeinträchtigen ̣ ς229 könnte – Z. 9–10: ἐὰν μή τ̣ις̣ ̣ κ̣ [ίνδυνος ἢ βλάβος] | γένηται ἤτοι ἀπὸ Διὸ̣ ς βία („wenn nicht irgendeine Gefahr oder ein Schaden entsteht, und zwar durch Zeus’ Gewalt“). Mit dem Judenkrieg scheint wiederum die Gefahr zu tun zu haben230, vor der eine gewisse Aline ihren Gatten warnt – P.Giss. I 19,15–16 (115 n. Chr.)231: καὶ μὴ μόνος τὸν κίνδυνον | [ἄνευ] φυ̣ λακῆς ὑπόμεινε („und nimm nicht allein, ohne Wächter die Gefahr auf dich“). Ein uraltes Haus ist es schließlich in P.Fouad I 30 (121 n. Chr.), das seinen Besitzern Sorge macht; da es einzustürzen droht (Z. 16: κινδυνεύει συμπεσεῖν), vermuten sie eine Gefahr für sich und die Ihren – Z. 16–18: ὅθεν | ὑφορώμενοι μὴ κίνδυνός τις | ἡμεῖν καὶ τοῖς ἡμετέροις γένηται. In Eingaben ist des Öfteren von „Lebensgefahr“ die Rede, wie z. B. in BGU VIII 1855 (64–44 v. Chr.)232, wo ein Petent einen gewaltsamen Übergriff auf seine Mutter schildert; die Beamten, die er dafür verantwortlich macht, hätten sie dadurch „in Lebensgefahr versetzt“ – Z. 12: εἰς τὸν περὶ τοῦ ζῆν κίνδυνον περι|στήσαντες.233 Eher allgemein zu verstehen sind die „Gefahren“, auf die Absenderinnen und Absender von Briefen im Rahmen der sog. formula valetudinis verweisen; so lässt etwa in PSI XIII 1312,3–4 mit BL III 230 (2. Jh. v. Chr.) ein gewisser Ptolamaios seinen Adressaten wissen: καὶ ἐγὼ δὲ ὑγίαινον ἐκ πολλῶν καὶ | μεγάλων κινδύνων διασεσωμένος („auch ich bin gesund und aus vielen und großen Gefahren gerettet“).234
Mit ποταμός235 wird in den Papyri neben kleineren „Kanälen“ oder „Seitenarmen“ der „Fluss“ Ägyptens schlechthin bezeichnet, der Nil.236 Spezifisch für Ägypten war das Amt der „Flusswächter“ (ποταμοφύλακες), welche die Nilschifffahrt überwachten und Steuern und Zölle eintrieben; Belege für sog. ποταμῶν φύλακες237 zeigen zudem, dass solche Wächter auch für andere Flüsse im Land, besonders die Nilarme sowie die Kanäle von Alexandria, zuständig waren.238
v. Chr.; vgl. darin Z. 16–17); freilich war eine durch den Nil verursachte Überflutung vorrangig wegen der Zerstörung der Felder bzw. der Ernte gefürchtet. 229 ̣ ς werden allerdings von R. Hübner in P.Köln Die vorgeschlagene Ergänzung und Διὸ̣ ς βία III S. 103 Anm. 4 angezweifelt. 230 Vgl. E. Kornemann in P.Giss. I S. 59. 231 Nach Pucci Ben Zeev, Diaspora Judaism 168–169, Anfang September 116 n. Chr. 232 Nach BL XII 21 zu datieren in das 2. oder 1. Jh. v. Chr. 233 Ähnlich BGU VIII 1824,22–23 (60–55 v. Chr.). 234 Ähnlich UPZ I 60,6–7.17–18 (179 oder 168 v. Chr.). Ebenso nicht genauer definiert sind etwa die κίνδυνοι in P.Grenf. I 42,4 (Ende 169 – Anfang 168 v. Chr.) sowie P.Brem. 48,32 (118 n. Chr.). 235 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 236 Für Belege siehe Preisigke, Wörterbuch s. v. ποταμός. 237 Etwa O.Wilck. 439,2 (76 n. Chr.). 238 Vgl. dazu Oertel, Liturgie 272; U. Wilcken in O.Wilck. I S. 282–285; Renger, Potamophylax.
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
κινδύνοις λῃστῶν – Das Wort λῃστής239 („Räuber“) begegnet in den Papyri
nicht besonders zahlreich.240 Die Belege zeigen aber deutlich, dass damit nicht nur Einbrecher bezeichnet werden, sondern auch Wegelagerer und Seeräuber. Da die von Paulus erwähnten „Gefahren durch Räuber“ im Kontext seiner Reisen zu Beginn des Verses aufgezählt werden, ist vor allem an diese letzten beiden zu denken. Vergleichbare Papyrusbelege finden sich in der ptolemäischen Zeit in Eingaben oder Bitt- bzw. Beschwerdebriefen, in denen ein Überfall durch einen λῃστής oder durch mehrere λῃσταί auf Reisewegen geschildert wird.241 Innerhalb einer Liste königlicher Anordnungen (P.Hib. II 198 [nach 242 v. Chr.]) geht es um die Dingfestmachung von Verbrechern – Z. 92–94: ἀγώγ̣[ιμοι] | δ᾽ ἔστωσαν οἵ τε ληισταὶ καὶ οἱ λοιπο[ὶ κ]ακοῦργ̣οι καὶ οἱ βασ̣ ιλ̣ ι[̣ κοὶ] | ναῦται πανταχόθεν καὶ μηθεὶ[ς αὐ]τ̣οὺς ἀφαιρείσθω („festzunehmen seien Räuber und andere Übeltäter sowie königliche Seeleute242 von überall her und keiner mache Ausnahmen für sie“)243. Aus augusteischer Zeit stammt P.Köln III 147, ein Schiffspachtvertrag, worin auch für den Fall vorgesorgt wird, dass das betreffende Schiff „von Kriegern oder Räubern zerstört wird“ – Z. 6–7: ὑπὸ πολεμίων | ἢ λῃστῶν περισπασθῇ.244 Fast alle Belege aus dem 2. und 3. Jh. n. Chr. stammen aus Prozessprotokollen; so wird z. B. in P.Oxy. XII 1408,13 (212–214 n. Chr.) auf die Anordnung, „die Suche nach den Räubern vorzunehmen“ ([τὴ]ν τῶν λῃστῶν ἀναζήτησ[ιν] ποιήσασθαι), Bezug genommen; schließlich seien diese ja ordnungsgemäß zu verurteilen – Z. 23: [κα]θαι[ρ]εῖν.245
Ein Raubüberfall auf Reisende wird auch in der Eingabe P.Fay. 108 mit BL VI 37 (17. September 169 oder 170 n. Chr.) beschrieben; die Räuber werden darin zwar nicht als λῃσταί, sondern als „Übeltäter“ (κακοῦργοι) bezeichnet, doch
239
Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. Synonym dazu λῄστωρ in SB I 4309,14.16 (3. Jh. v. Chr.?). 241 So etwa P.Cair.Zen. IV 59659,4–5 (nach 23. Oktober 241 v. Chr.); P.Erasm. I 2,9–10 (nach 30. September 152 v. Chr.). Aus dem Rechenschaftsbericht eines Strategen stammt BGU VIII 1764,6 (64–44 v. Chr.). Siehe auch Deissmann, Licht 269 Anm. 4. Um Einbruchdiebstähle bei Privathäusern geht es hingegen in P.Cair.Zen. I 59044,24–25 (vor 257 v. Chr.), um den Diebstahl in einem Weingarten in P.Gur. 8,13 (210 v. Chr.). 242 Damit sind Deserteure gemeint. 243 Vgl. auch Z. 86 bzw. in weiterer Folge Z. 96–99.110 über die Bestrafung von Personen, die die genannten Verbrecher decken, und über deren Verurteilung. Näheres zum gesamten Text bei Bagnall, Notes. Um die amtliche Suche nach Räubern geht es auch in UPZ I 122,9–10 (nach 28. Dezember 157 v. Chr.). 244 Ähnlich schließt der Auftraggeber eines Schiffstransports einen Überfall durch Räuber nicht aus (P.Laur. I 6,10–11 [98–103 n. Chr.]). – In einer beeideten Erklärung versichert eine Gruppe von Priestern, den Aufenthalt eines gesuchten Straßenräubers nicht zu kennen (CPR XXIII 1 [14–19 n. Chr.]; vgl. darin insbesondere Z. 18–19). 245 Ferner werden Räuber im leider nur fragmentarisch erhaltenen Tagebuch einer Poststation O.Krok. I 26 (nach[?] 16. Juli 109 n. Chr.) in Z. 4 erwähnt. Vgl. außerdem SB XIV 11391,8 (2.– 3. Jh. n. Chr.); P.Ant. II 87,13 (spätes 3. Jh. n. Chr.); SB XVI 12949,15.17.18 (207 oder 268 n. Chr.). 240
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Einzelheiten: 2Kor 11,26
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handelt es sich bei deren Tat aufgrund der Beschreibung eindeutig um Raub und Körperverletzung: Wie die beiden Schweinehändler Pasion und Onesimos aus Arsinoë darin berichten, waren sie frühmorgens auf der Heimreise von Theadelphia, als folgendes geschah – P.Fay. 108,10–17: ἐπῆλθαν ἡ|μεῖν κακοῦργοί τινες ἀνὰ [μ]έσον Πολυ|δευκίας καὶ τῆς Θεαδελφείας καὶ ἔδ̣ ησαν | ἡμᾶς σὺν καὶ τῷ μαγδωλοφύλακι καὶ πλη|γαῖς ἡμᾶς πλίσταις (l. πλείσταις) ᾔκισαν κ̣ [αὶ] τραυ|ματιαῖον ἐποίησαν τὸν [Πασίω]να ̣ ̣ άνηρα̣ [ν ἡμ]ῶν χοιρίδι[ον] α καὶ ἐβάσ|[ταξαν τὸν τοῦ Πασίων]ος κιτῶνα καὶ | εἰσ („irgendwelche Übeltäter überfielen uns zwischen Polydeukia und Theadelphia und fesselten uns zusammen mit dem Turmwächter und misshandelten uns mit sehr vielen Schlägen und fügten Pasion eine Wunde zu und nahmen uns ein 1 Schweinchen ab und raubten Pasions Chiton“).
κινδύνοις ἐκ γένους – Was genau Paulus an dieser Stelle unter dem Begriff γένος246 versteht, ist schwierig zu ergründen. Während γένος im 1Kor stets in
der Bedeutung „Art, Gattung“ begegnet247, ist es hier ein Oberbegriff für eine mehr oder weniger bestimmte Gruppe von Personen, durch die sich Paulus auf seinen Reisen offenbar immer wieder bedroht fühlte. In der Exegese wird diese Gruppe gemeinhin auf das jüdische Volk eingeschränkt248 – eine These, der sich V. P. Furnish nur zum Teil anschließt: „But it is also possible that he (i. e. Paul) is using the term more broadly, to include Christians whom he regards as in any way unfaithful to the gospel as he himself has preached it. In this case, Paul could be thinking as well, or even in particular, of his rivals in Corinth – those whom he has described elsewhere in this letter as ‚false apostles‘“249. Papyrologische Belege, in denen γένος die nationale Herkunft bezeichnet, sind selten. In UPZ I 121,4 (18. August 180 oder 12. August 156 v. Chr.) etwa wird für einen entlaufenen Sklaven das Merkmal τὸ γένος Σύρος („was seine Herkunft betrifft, ein Syrer“) angegeben, und auch in P.Turner 22,17 (142 n. Chr.) wird mit [γ]ένει Γαλατίν („der Herkunft nach Galaterin“) eine Sklavin näher beschrieben.250
Weitaus häufiger ist darunter die „Familie“ oder das „Geschlecht“ zu verstehen, der bzw. dem jemand entstammt: 246
Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 1Kor 12,10.28 und 14,10; auch in den Papyri häufig in diesem Sinn – siehe dazu Kiessling, Wörterbuch s. v. γένος 6). 248 Vgl. etwa Meyer, 2Kor 282; Büchsel, γίνομαι 684; Bauer, Wörterbuch s. v. γένος 3. 249 Furnish, 2Cor 537. 250 Allgemeiner als „Ausländer“ (γένους περατικός) wird ein Sklave namens Hermes in P.Mich. IV 224,2541 (nach 16. November 173 n. Chr.) bezeichnet. P.NYU II 18 (19. Februar 6 n. Chr.) ist der Empfehlungsbrief für einen gewissen Isidoros, als dessen Herkunftsort das Dorf Psophthis im Memphites angegeben wird – Z. 4–5: ἐστὶν δὲ τῶι γένει ἀπ̣ ὸ̣ κώ|μ[η]ς Ψώφθεω[ς] τοῦ Μεμφίτου (in einem weiteren Empfehlungsbrief für Isidoros [P.Mich. inv. 1430, ed. Hanson, Letter] wird seine Herkunft ohne τῶι γένει angegeben). Vgl. außerdem SB VI 9145,10 (184–192 n. Chr.). Zur Herkunft von Sklaven vgl. etwa Bieżuń ska-Małowist, L’esclavage II 13–42. 247
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
In P.Lond. VI 1912 (10. November 41 n. Chr.) spricht z. B. Kaiser Claudius in Zusammenhang mit der Aufstellung von Statuen, die Personen aus dem Kaiserhaus darstellen, von sich und seiner „Familie“ – Z. 32: ἐμοῦ τε καὶ τοῦ γένους μου. Mit SB V 8010 beantragt eine Frau einen speziellen Geschlechtsvormund und begründet dies u. a. damit, dass sie keinen geeigneten männlichen Verwandten in ihrer Familie habe – Z. 29: πρὸς γένους [συνγενῆ].251
Eine weitere Klassifizierung von Personen ist die Angabe des beruflichen oder vermögensrechtlichen „Standes“ oder ihrer „Klasse“: So wird z. B. in P.Ross.Georg. II 14,11 (81–96 n. Chr.) ein Katöke dem στρατιώτων γένος zugeordnet, während in der Epikrisiserklärung PSI VII 731 (nach 88–89 n. Chr.) von der Aufnahme ins Gymnasium, wörtlich „zu denen aus dem Gymnasium“ (Z. 11–12: εἰς τοὺς ἐκ τοῦ | γυμνασ̣ ίο̣ υ), und damit in eine bestimmte „Klasse“ die Rede ist.252
Paulus verwendet hier den Plural γένη ohne nähere Charakterisierung. Zu denken ist daher grundsätzlich an Klassen oder Gruppen, denen er selbst angehörte. Der Plural mag andeuten, dass Paulus dabei an mehrere verschiedene Gruppen dachte. Dafür kommen nun Angehörige des Judentums ebenso in Frage wie des Christentums, und zwar sowohl jüdischer als auch hellenistischer Prägung. Es handelt sich also sozusagen um die Gegner aus den eigenen Reihen. κινδύνοις ἐξ ἐθνῶν – Mit den ἔθνη sind nun die „anderen“ angesprochen, die nicht einem γένος angehören, zu dem sich auch Paulus zählt. Vom Kontext her handelt es sich bei diesen „Völkern“ (oder vor allem aus jüdischer Perspektive so genannten „Heiden“253) um Angehörige von „Völkern“, die mit jüdischen und zunächst auch mit christlichen Gruppen nichts gemeinsam hatten. Von Paulus wird die Bezeichnung „Völker“ für die vorrangigen Adressaten seiner Mission weder herablassend noch irgendwie negativ gebraucht. Im Kontext der vorliegenden Stelle sagt er im Grunde, dass er von allen (sowohl von Juden [beachte auch V. 24] als auch von den anderen „Völkern“) Leidvolles erfahren musste. In den dokumentarischen Papyri ist die Bedeutung „Volk“ für ἔθνος erst ab dem 2. Jh. n. Chr. bezeugt, und eine Unterscheidung zwischen verschiedenen Völkern ist dabei nicht im Blick.254 251 Für weitere Belege siehe Kiessling, Wörterbuch s. v. γένος 1). Vom ganzen „Menschengeschlecht“ (τὸ ἀνθρώπων γένει) ist in P.Hamb. IV 272,9 (41–68 n. Chr.) die Rede. 252 Für weitere Belege siehe Kiessling, Wörterbuch s. v. γένος 5). 253 Der deutsche Ausdruck „Heiden“ ist sowohl vom Ursprung des Wortes als auch von seiner Verwendung her generell herablassend gemeint und als Abgrenzung (oder Ausgrenzung) zu verstehen. 254 Siehe den Befund bei P. Arzt-Grabner und F. Winter in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 99–101 (dort auch Beispiele für die Bedeutung „Provinz“ und die namentliche Hervorhebung Italiens unter den Provinzen, was aber zurecht nur sehr vorsichtig mit der namentlichen Hervorhebung des Judentums unter den „Völkern“ verglichen wird).
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Einzelheiten: 2Kor 11,26
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κινδύνοις ἐν πόλει – Das Wort πόλις255 ist in den Papyri tausendfach belegt.
Wie auch sonst im Griechischen bezeichnet es eine (für antike Verhältnisse) größere Siedlung mit der für sie charakteristischen politischen Organisation; die πόλις schlechthin war für das ptolemäische bzw. römische Ägypten natürlich Alexandria (so wie Athen für Griechenland), wobei mitunter auch Gauhauptstädte als πόλεις bezeichnet wurden. Dass eine Stadt, je bevölkerungsreicher sie ist, als umso gefährlicher gilt, hat sich bis heute nicht geändert. Einen Eindruck von den diversen Bedrohungen, die in ägyptischen Städten auf Bewohnerinnen und Bewohner wie Durchreisende lauerten, vermitteln vor allem Eingaben und private Briefe: So beklagt sich z. B. ein Bewohner von Oxyrhynchos beim Dorfschreiber, er sei nach einem Besuch in der Badeanstalt tätlich angegriffen und ernsthaft verletzt worden – P.Tebt. III.1 798,15- 17 (2. Jh. v. Chr.): καὶ διαρπίσαντές με καὶ λακτίσαντες | εἰς τὴν κοιλίαν ὤιοντο ἐκ[φ]εύ|ξε[ι]ν („und nachdem sie mich durchgeprügelt und mit den Füßen in den Bauch gestoßen hatten, glaubten sie, entkommen zu können“). In Tebtynis wurde ein Beamter Opfer eines bewaffneten Überfalls (P.Tebt. I 138 [Ende 2. Jh. v. Chr.]). Aus dem Jahr 7 n. Chr. stammt ein Brief mit der Schilderung eines Überfalls vor den Toren von Herakleopolis – BGU XVI 2604,2–7 (7 v. Chr.): ἤδη | ἐμοῦ ἐξεληλυθότος καὶ γ̣ινομένου̣ ἐ̣π̣ [ὶ] | τ̣ῶ̣ ι κατὰ τὸν θαυβαρίου πύργον διέ|ξαντες δοῦλος Χρυσίππου καὶ Σκαλίφου | εἰσήνεγκά με εἰς πόλιν μετὰ πλη|γῶν καὶ ὑβρέων („gleich als ich aufgebrochen war und in die Gegend beim Wirtschaftsgebäude der Thaubarion gelangte, kamen der Sklave des Chrysippos und der des Skaliphos des Weges und zerrten mich unter Schlägen und Beleidigungen in die Stadt“). Dass in den Städten Passanten die Gespanne von Durchreisenden mit Gewalt an sich reißen, versuchte Germanicus anlässlich seines bevorstehenden Besuchs in Ägypten durch ein Edikt 19 n. Chr. zu verbieten – SB I 3924,26–28: τὰ δὲ διὰ τῆς πόλεως διατρέ|χοντα ὑποζύγια τοὺς ἀπαντῶν|τας πρός βίαν περιαιρεῖσθαι κωλύω.
Mit Übergriffen dieser Art (Überfälle mit körperlicher Gewalt und/oder Diebstahl) sah sich wohl auch Paulus auf seinen zahlreichen Reisen konfrontiert. Πόλεις wie Antiochia, Ephesos oder Korinth waren vermutlich, ähnlich den obigen ägyptischen, gefahrenträchtig, sowohl für Ansässige als auch für Durchreisende. κινδύνοις ἐν ἐρημίᾳ – Das Substantiv ἐρημία256 ist in den Papyri äußerst sel-
ten belegt und bezeichnet zumeist eine durch Einsamkeit oder Verlassenheit hervorgerufene „Hilflosigkeit“.257 Dadurch, dass Paulus direkt im Anschluss
255
Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 257 So in P.Lond. VII 2039,7 (Mitte 3. Jh. v. Chr.); PSI X 1160,10 (Ende 1. Jh. v. Chr.); P.Lond. II 358 (S. 171),12 (150–154 n. Chr.). 256
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
an die Gefahren „in der Stadt“ (ἐν πόλει) in dem Sinn antithetisch die κίνδυνοι ἐν ἐρημίᾳ nennt,258 ist darunter die „Wüste“ zu verstehen, die trotz oder auch gerade wegen ihrer Öde voll von Gefahren war.259 Papyrologisch ist für diese Bedeutung vor allem auf das sog. „Vatermörderdiktat“ zu verweisen, das auf die bekannte Aesopsche Fabel (Äsop, Fabel 32 Hausrath) zurückgeht und sich im antiken Schulunterricht offenbar großer Beliebtheit erfreute. Bisher konnten 16 Exemplare auf Papyrus identifiziert werden,260 dazu kommt ein Pergamentblatt, das vermutlich aus einem Lehrerhandbuch stammt.261 Erzählt wird die Geschichte eines Sohnes, der seinen eigenen Vater ermordete und dann aus Furcht vor den Gesetzen in die Wüste floh (ἔφυγεν εἰς ἐρημίαν),262 dort von einem Löwen verfolgt wurde, auf einen Baum kletterte, wo aber eine Schlange saß, von dort herunterkletterte und in den Nil sprang, wo er schließlich von einem Krokodil gefressen wurde.
Auch wenn der älteste Beleg für das Diktat erst aus dem 5. Jh. n. Chr. stammt (P.Grenf. II 84 = P.Rain.Unterricht 117), so ist doch die zugrundeliegende Fabel ein ausreichender Beleg dafür, dass man in der Wüste schon immer mit Gefahren, oft sogar mit einer ganzen Kette von Gefahren, rechnen musste, die umso bedrohlicher wirkten, als man weitgehend auf sich allein gestellt war.263 κινδύνοις ἐν θαλάσσῃ – Während Paulus in V. 25 erwähnt, dass er drei Mal
Schiffbruch erlitten hat, schreibt er hier nun eher allgemein über Gefahren auf See. Von papyrologischer Seite her ist hier zunächst auf einen der bisher ältesten griechischen Papyri hinzuweisen:
258
Damit durchaus zu vergleichen ist die sprachliche Trennung zwischen Alexandria, der
πόλις Ägyptens schlechthin, und dem „Land“, der χώρα (vgl. dazu Preisigke, Wörterbuch s. v. πόλις). 259 Auch das folgende ἐν θαλάσσῃ deutet auf diese lokale Verwendung hin. 260
Zusammengestellt von P. J. Sijpesteijn und H. Harrauer als P.Rain.Unterricht 117–132. Publiziert von Diethart/Kramer/Sijpesteijn, Zeuge. 262 So z. B. in P.Grenf. II 84,4–5 (5. Jh. n. Chr.) hier den zeitlich frühesten Beleg anführen. 263 Zwei weitere papyrologische Belege bieten für ἐρημία vermutlich dieselbe Bedeutung, sind aber für den vorliegenden Zusammenhang wenig aussagekräftig: In BGU III 888,15–16 mit BL I 441 (160 n. Chr.) geht es um einen „Palmenwald“ (φοινικών), der in einer „zu 1/6 besteuerten (grundrechtlichen) Gruppe in der Wüste“ liegt: ἐν ἑκτο̣ λ[ογ]ο̣ υ̣ μένῃ τάξει αἰ|ρημίᾳ (l. ἐρημίᾳ). Ob die in Zusammenhang mit den Einwohnern des Dorfes Andromachis in P.Sakaon 33,6 (318, 319 oder 320 n. Chr.) erwähnte ἐρημία die geographische „Wüste“ bezeichnet, bleibt aufgrund der folgenden Textlücke unklar (G. M. Parássoglou übersetzt „desolation“ [in P.Sakaon S. 78]; in den Zeilen unmittelbar davor geht es offenbar um Bewässerungsmaßnahmen). – Der papyrologische Befund des an sich synonymen Begriffs ἔρημος ist kaum ergiebig, da in den Papyri mit der Adjektivform fast ausnahmslos nicht eine „Wüste“ bezeichnet, sondern die Beschaffenheit eines bestimmten Landtyps angegeben wird (siehe dazu ausführlicher R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 365 mit Anm. 546). Zu den Belegen gehört auch die von Moulton/Milligan, Vocabulary s. v. ἔρημος, angegebene Stelle P.Tebt. II 308,4–5 (9. November 174 n. Chr.), wo mit ἐ̣ρ̣ ή̣ μου αἰγιαλοῦ „ungenütztes Uferland“ (so J. Hengstl in C.Pap.Hengstl S. 292) bezeichnet wird. 261
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Einzelheiten: 2Kor 11,26–27
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In der sog. „Verwünschung der Artemisia“ wird der Vater der verstorbenen Tochter Artemisias, der die Mumie als Pfand für ein Darlehen eingesetzt hat, verflucht; der Gott Oserapis und die mit ihm sitzenden Götter werden angerufen, ihn u. a. auf dem Lande und auf dem Meer zugrunde gehen zu lassen – UPZ I 1,6 (4. Jh. v. Chr.): ἀπολλύοιτο κ᾽ ἐφ᾽ γῆι κ᾽ ἐν θαλάσσηι.264
In zeitlicher Nähe zu Paulus sind vor allem die Briefe von jungen Soldaten aufschlussreich, die nach erfolgter Überfahrt von Ägypten nach Italien den Ihren zu Hause berichten, dass sie heil angekommen sind.265 Bereits diese guten Nachrichten weisen indirekt auf die drohenden Gefahren des Meeres hin. Der Flottensoldat Apion erwähnt im Brief an seinen Vater ausdrücklich, dass er auf dem Meer in Gefahr geriet, aber gerettet wurde: So schreibt er in BGU II 423,6–8 (2. Jh. n. Chr.): εὐχαριστῶ τῷ κυρίῳ Σεράπιδι | ὅτι μου κινδυνεύσαντος εἰς θάλασσαν | ἔσωσε εὐθέως („ich danke dem Herrn Serapis, dass er mich, als ich auf dem Meer in Gefahr geriet, sogleich gerettet hat“).
Die potenziellen Gefahren einer Schiffsreise und die damit verbundenen Sorgen bringt ein weiterer Brief aus derselben Zeit zum Ausdruck: In P.Mich. VIII 500,3–5 (2. Jh. n. Chr.) schreibt ein gewisser Rullius über seine Verwunderung darüber, dass Iulius Apollinarius nicht sofort nach seiner Überfahrt nach Rom ein Lebenszeichen von sich gegeben hat: θα[υ]μ[ά]ζω πῶς ἐπισόλιον ἡμεῖν οὐκ ἔπεμψας | δι᾽ οὗ ἡμεῖν φανερὸν ποιήσῃς [ε]ἰ κατὰ τὰς | εὐχὰς ἡμῶν διεσώθης κα[ὶ] τί ἄρτι πρά̣ [σσ]ε̣[ις] („ich wundere mich, dass du uns nicht einen Brief geschickt hast, durch den du uns deutlich gemacht hättest, ob du gemäß unseren Gebeten heil durchgekommen bist und was du soeben machst“).
κινδύνοις ἐν ψευδαδέλφοις – Zu ψευδάδελφος existieren bisher keine papy-
rologischen Belege. 11,227 κόπῳ ‹ 6,5 καὶ μόχθῳ – Der Begriff μόχθος266 („Mühsal, Plage“) begegnet erst in Papyri des 6. Jh. n. Chr.;267 die Verbindung von κόπος und μόχθος begegnet paulinisch auch in 1Thess 2,9. ἐν ἀγρυπνίαις ‹ 6,5 πολλάκις, ἐν λιμῷ καὶ δίψει – Das Wort λιμός268 („Hun-
ger“) begegnet in den Papyri häufig in Eingaben, ferner in privaten Briefen. Die von Hunger Betroffenen befinden sich in einer bedrängten Lage, aus der 264
Zum Dokumenttyp siehe Bastianini, Maledizione. Siehe P.Mich. VIII 490 und 491 (beide 2. Jh. n. Chr.; siehe zu diesen beiden Briefen S. 80); ferner z. B. P.Mich. VIII 487,3 (2. Jh. n. Chr.). 266 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 267 Z. B. P.Lond. V 1674,63 (ca. 570 n. Chr.), wo von μ[ε]τὰ μόχθο̣ (υ) („mit Mühe“) gesäten Futterpflanzen die Rede ist. Häufiger ist die Bildung μοχθηρία (bei Preisigke, Wörterbuch s. v. μοχθηρία, mit „Mühseligkeit, Elend“ übersetzt); in P.Cair.Masp. III 67333,14 (ca. 525–550 n. Chr.) bildet sie mit der στενοσία („Bedrängnis, Beengtheit“) ein Begriffspaar. In den Papyri ptolemäischer Zeit stößt man des Öfteren auf das Adjektiv μοχθηρός (vgl. etwa P.Lond. VII 2188,52 [nach 12. März 148 v. Chr.]). 268 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 265
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
sie nicht mehr selbst herauskommen und deshalb andere um Hilfe bitten. Die Betonung, unter Hunger zu leiden oder bereits in Gefahr zu sein, an Hunger zu sterben, bringt das Lebensbedrohliche der eigenen Situation auf den Punkt. So wenden sich z. B. in UPZ I 42 (162 v. Chr.) die Zwillinge Thaues und Taus vom Serapeum in Memphis269 an den König, weil ihnen zustehende Brotrationen ausgeblieben sind und sie bereits „vom Hunger geschwächt sind“ – Z. 9: ὑπὸ τῆς λιμοῦ διαλυόμεναι.270 Die abschließende Bitte der Petentin von P.Oxy. III 486, Rekto (nach 10. Oktober 131 n. Chr.) um Rechtsbeistand hat zum Ziel, „dass nicht zusammen mit meinem Besitz auch ich durch Hunger zugrunde gehe“ – Z. 35: [μὴ σὺ]ν τοῖς ὑπάρχουσί μου κἀγὼ λειμῷ συναπολῶμαι.271
Das Wort δίψος272 („Durst“) begegnet in den Papyri nur in femininer Form (ἡ δίψα) und dies nur in zwei zeitlich vergleichbaren Belegen, wo vom „Durst“ bestimmter Pflanzen bzw. von deren „Austrocknung“ die Rede ist.273 Das Verb διψάω ist erst ab dem 4. Jh. n. Chr. bezeugt (der älteste Beleg ist P.Kellis I 71,37 [Mitte 4. Jh. n. Chr.]). ‹ 6,5
πολλάκις, ἐν ψύχει καὶ γυμνότητι – Was den papyrologischen Befund für ψῦχος274 („Kälte“) betrifft, kann bisher höchstens auf PSI XIII 1359,6 (2.–3. Jh. n. Chr.) verwiesen werden; der Text ist aber aufgrund seiner Lückenhaftigkeit sehr fraglich: ἐν νηστείαις
̣ ̣, Z. 5–6 dieses Briefes an die Mutter des Absenders lauten: οὐκ ἀγνοεῖς γάρ, κυρία ὁτ[ι .] | ψυχη ἐστιν. Die Hg. merken zu ψυχη an: „Naturalmente è possibile tanto ψυχή ἐστιν quanto ψυχῇ ἐστιν.“275 Jedenfalls sehen sie dahinter eine Form von ψυχή („Seele, Leben“). Was der Absender aber mit einer Aussage wie „du weißt nämlich nicht, Mutter, dass … Seele ist“, wohl gemeint haben könnte, ist fraglich. Obwohl nicht gänzlich geklärt ist, wieviele Buchstaben dem ὁτ[ι folgen276, könnte
269
Näheres zu den Zwillingen Thaues und Taus S. 153 Anm. 310. Vgl. UPZ I 19,21 (1. April – 8. Oktober 163 v. Chr.); 46,10; 47,13–14; 48,12–13 (alle 162– 161 v. Chr.); 52,18–19; 53,19–20 (beide nach 10. Januar 161 v. Chr.); 50,13–14 (vor 23. Januar 161 v. Chr.); 11,27 (160 v. Chr.); 122,22–23 (nach 28. Dezember 157 v. Chr.); SB VI 9302,7 (Ende 3. Jh. v. Chr.). 271 Siehe weiters P.Col. IV 66,11–12.20–21 (ca. 256–255 v. Chr.); P.Cair.Zen. II 59160,6 (vor 11. Januar 255 v. Chr.); IV 59578,4; V 59844,10; PSI IV 419,2–3 (alle Mitte 3. Jh. v. Chr.); P.Hib. II 256,4–5 (17. November 249 v. Chr.); P.Lond. VII 2007,16–18 (14. Dezember 248 v. Chr.?); P.Petr. III 36 (a), Verso 2–4.27–29 (ca. 218 v. Chr.); PSI IV 399,10–11 (3. Jh. v. Chr.); P.Flor. I 61,54 (85 n. Chr.); SB XX 14262,4–5 (1. – Anfang 2. Jh. n. Chr.); vielleicht auch SB XIV 12155,17 mit BL XII 212 (232 n. Chr.). 272 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 273 SB XVI 12524,14–15 (17 v. oder 27 n. Chr.); P.Flor. II 176,12 (253 oder 256 n. Chr.). 274 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 275 M. Norsa und V. Bartoletti in PSI XIII S. 224. 276 M. Norsa und V. Bartoletti zu dieser Zeile: „Con ὅτ[ι, e tutt’al più con un’altra lettera, il rigo sarebbe già completo. Lo spazio sembra insufficiente per ἀνα]|ψυχή, che ci è proposto dal pro. Turner.“ 270
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Einzelheiten: 2Kor 11,27–28
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ψυχη ebenso als Plural zu ψῦχος verstanden werden – der Sohn würde in diesem Fall
seine Mutter über das bei ihm herrschende kalte Wetter informieren.277
Für eine γυμνότης278 („Nacktheit“) im abstrakten Sinn existiert lediglich ein Beleg, der in die Zeit zwischen dem 1. Jh. v. und dem 1. Jh. n. Chr. datiert wird: Bei SB XX 14109 handelt es sich um das Ende einer Eingabe, genauer um die abschließende Bitte an den Adressaten, er möge auf das den Petenten umgebende Unglück (ἀτυχία) sowie auf seine „Blöße“ schauen: ἐμβλέψαντά σε εἰς τὴν | περιέχουσάν με ἀτυχαν | καὶ γυμνότητα. Letzteres ist vermutlich übertragen zu verstehen.279
11,228 χωρὶς τῶν παρεκτὸς ἡ ἐπίστασίς μοι ἡ καθ᾽ ἡμέραν – Dem Adverbium παρεκτός280 („außerdem, sonst“) folgt in zwei gleichlautenden byzantinischen Belegen281 ein Genetiv, woraus sich die Bedeutung „außer“ ergibt; in einem stark bruchstückhaften Text aus dem entsprechenden Vergleichszeitrahmen (P.Stras. VII 629,23 [ca. 160 n. Chr.]) geht dem Wort ein Artikel (τῇ) voraus, was aber – aufgrund des fehlenden Zusammenhanges – nicht mit Sicherheit auf eine Substantivierung, wie sie auch bei Paulus vorliegt, schließen lässt. Für ἐπίστασις finden sich in den Papyri einzelne Belege, deren Bedeutung jeweils erst aus dem Kontext zu erheben ist. Einerseits kann es im positiven Sinne um eine „Hinwendung“ oder „Achtsamkeit“ gehen, andererseits um „Hemmnis, Verzögerung, Abhaltung, Abschreckung“.282 An der vorliegenden Paulusstelle geht es um Negatives, für eine konkretere Deutung bietet der papyrologische Befund jedoch kaum Aussagekräftiges, da die auf Personen bezogenen Beispiele davon handeln, dass die Kenntnis von bestimmten Maßnahmen oder Vorkommnissen anderen zur „Abschreckung“ dienen sollen.283 Bei Paulus geht es nicht darum, ihn von negativen Vorhaben abzubringen, sondern um Hemmnisse, die dazu angetan sind, ihn von seinen positiven Aufgaben abzuhalten. Echte Vergleichsbeispiele dafür sind papyrologisch bisher nicht bezeugt.
277
Vgl. LSJ s. v. ψῦχος 1.: „pl. ψύχεα frosts, cold weather“. Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 279 Zum papyrologischen Befund des Adjektivs γυμνός in der Bedeutung „nackt“ siehe R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 492–493. 280 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 281 Nämlich in der Vorlage eines Ehevertrags und in der gültigen Ausfertigung selbst (P.Cair. Masp. III 67310,12 mit BL I 449; P.Lond. V 1711,30 [beide 566–573 n. Chr.]). 282 Vgl. D. Hagedorn in P.Hamb. IV S. 122. 283 Beispiele bei Preisigke, Wörterbuch s. v. ἐπίστασις 1); Kiessling, Wörterbuch s. v. ἐπίστασις 2); ferner z. B. P.Köln IV 186,14 (2. Jh. v. Chr.); P.Berl.Leihg. II 46,21–22 (nach 17. April 136 n. Chr.). 278
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ἡ μέριμνα πασῶν τῶν ἐκκλησιῶν ‹ 1,1 – Ähnlich wie beim Verb μεριμνάω284 treten auch beim Substantiv μέριμνα („Sorge“)285 zwei Aspekte zutage: zum
einen wird damit die „positive“ Sorge im Sinne eines „Sich-Kümmerns“ ausgedrückt, zum anderen begegnet auch die leidvolle Sorge im Sinne eines „SichSorgen-Machens“ um den Zustand oder das Befinden anderer: Ersteres ist in UPZ I 20,29 (163 v. Chr.) der Fall, wo die Zwillinge Thaues und Taus im Serapeum von Memphis den in Gotteshaft befindlichen Ptolemaios für seine „Sorge“ um ihren Lebensunterhalt (τὴν τοῦ βίου μέριμναν) loben. Schlaflose Nächte verbringt hingegen eine gewisse Aline nach P.Giss. I 19 (115 n. Chr.)286, wie sie in diesem Brief an ihren Gatten schreibt, weil sie nur eine Sorge ̣ ν μέριμναν ἔχω τὴν περὶ | [τῆς σωτ]ηhat, die um sein Wohlergehen – Z. 8–9: [μ]ία ρίας σου. In ähnlicher Weise sorgt sich eine gewisse Eudaimonis um die Unversehrtheit und den Frohsinn ihres Adressaten (vgl. P.Giss. I 22,8–11 [113–120 n. Chr.]).
Was die Stelle bei Paulus betrifft, kann keine der beiden dargestellten Nuancen ausgeschlossen werden. Die „Sorge für/um alle Gemeinden“ besteht sowohl in einem „Sich-Kümmern“ um deren Gedeihen als auch in einem „In-SorgeSein“ um deren Wohlergehen und Heilszustand, wie vor allem V. 29 deutlich macht. 11,229 τίς ἀσθενεῖ ‹ 10,10, καὶ οὐκ ἀσθενῶ; τίς σκανδαλίζεται, καὶ οὐκ ἐγὼ πυροῦμαι; – Das Verb σκανδαλίζω ist bisher nur im Verhandlungsprotokoll P.Oxy. XXIV 2407 (3. Jh. n. Chr.) belegt, wo ein gewisser Pactumenius Nemesianus mit der Aufforderung zitiert wird – Z. 43: μὴ σ̣ κα[νδαλίζῃς τὸν σ]ύλλο|[γον] („gib der Versammlung kein Ärgernis/mach die Versammlung nicht irre!“287). Das Verb πυρόω ist papyrologisch bisher nicht bezeugt. 11,330 εἰ καυχᾶσθαι ‹ 5,12 δεῖ, τὰ τῆς ἀσθενείας ‹ 10,10 μου καυχήσομαι – Dass sich jemand der eigenen Schwachheit ausdrücklich „rühmt“, ist papyrologisch bisher nicht bezeugt. Erwähnenswert ist aber immerhin, dass einige Belege für das Wortfeld ἀσθεν- aus Petitionen stammen, wo die Petenten (in der Mehrzahl Frauen, bes. Witwen) auf ihre körperliche und/oder wirtschaftliche Schwachheit hinweisen.288 Ein Beispiel für einen Mann findet sich in der Eingabe P.Enteux. 48 vom 13. Januar 218 v. Chr.: Der Soldat Pistos beklagt sich über die ungerechte Behandlung in der Armee durch seinen Vorgesetzten, der sich beharrlich weigert, die Pistos zustehende Summe zu 284
Siehe dazu R. E. Kritzer und P. Arzt-Grabner in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 301–302. 285 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 286 Nach Pucci Ben Zeev, Diaspora Judaism 168–169, Anfang September 116 n. Chr. 287 Zur Übersetzung beachte R. E. Kritzer und P. Arzt-Grabner in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 338. 288 Beispiele bei F. Winter in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 102–103.115– 116.336.
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Einzelheiten: 2Kor 11,28–32
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zahlen – Z. 7 (mit BL 2.2,53; 3,50): ἀπαιτούμενος ὑπό μου οὐκ [ἀποδίδω]σι καταφρο[νῶν μου] τῆς ἀσθενείας („obwohl er von mir dazu aufgefordert wurde, gibt er mir [sc. das Geld] nicht, mich verachtend wegen meiner körperlichen Schwäche“289).
Dass sie auf die Schwachheit ihrer Opfer keine Rücksicht genommen haben, soll dabei die Gesinnung und das Verhalten der nun Angeklagten als besonders ablehnenswert kennzeichnen. Durch den Hinweis auf die eigene Schwachheit erhoffen sich die Petentinnen und Petenten, die Autorität, an die sie sich wenden, vom ihnen angetanen Unrecht noch deutlicher zu überzeugen.290 Dieser Aspekt spielt auch bei Paulus eine nicht unbedeutende Rolle, hat er doch gegenüber der Gemeinde mit dem Vorwurf zu kämpfen, ein Schwächling zu sein. Genau daraus versucht er nun, eine Tugend zu machen. 11,331 ὁ θεὸς καὶ πατὴρ ‹ 1,3
‹ 1,2
τοῦ κυρίου ‹ 1,2 Ἰησοῦ ‹ 1,1 οἶδεν, ὁ ὢν εὐλογη, ὅτι οὐ ψεύδομαι – Im Zusammenhang mit
‹ 4,4; 9,9
εἰς τοὺς αἰῶνας τὸς ψεύδομαι („täuschen, lügen, falsche Angaben machen“) ist papyrologisch vor allem auf die mehrmals verwendete Eidesformel μὴ ἐψεῦσθαι zu verweisen,
durch die ein Urkundenleger bekräftigt, bei den gemachten Angaben „nicht gelogen zu haben“. In zeitlicher Nähe zu Paulus sind anzuführen: P.Vind.Sal. 3,20 (24. Juni 36 n. Chr.); SB XIV 11587,24 (25. Juni – 24. Juli 47 n. Chr.); P.Oxy. XXXVIII 2851,19 (24. Juli 60 n. Chr.); LXXI 4824,19 (17. Juli 67 n. Chr.); P.Lond. III 897 (S. 206),2 (29. März 84 n. Chr.); P.Oxy. X 1266,32 (10. Juni 98 n. Chr.).
Der vorliegende Vers ist zwar gänzlich anders formuliert, hat hier aber eine durchaus vergleichbare Funktion. 11,332 Nachdem der Peristasenkatalog in V. 29 an sich abgeschlossen und in V. 30–31 auch abgerundet wurde, erfolgt mit dem Bericht über die Ereignisse in Damaskus noch ein unerwarteter Nachtrag, der deutlich macht, dass Paulus hier nicht ein fertiges und vorher wohldurchdachtes Konzept zu Papyrus gebracht hat, sondern aus einer emotional geladenen Spontaneität heraus zunächst alles aufzählt, was ihm gerade einfällt, und nun noch ein besonderes Ereignis nachträgt, das er zunächst nicht erwähnt hatte. Beispiele für Nachträge, die einen an sich bereits abgeschlossenen Briefabschnitt noch einmal neu
289 Worin diese körperliche Schwäche besteht, geht aus dem Text nicht hervor, auch eine wirtschaftliche (= soziale) Minderstellung könnte gemeint sein. 290 Auch Menschen mit Behinderungen heben manchmal ihr Gebrechen ausdrücklich hervor. Üblicherweise geht es dann dabei um das Geltendmachen von bestimmten Rechten oder eines Steuernachlasses (siehe dazu Arzt-Grabner, Behinderungen 50–52).
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
öffnen, finden sich vereinzelt auch in den Papyri (so z. B. P.Oxy. LIX 3992 [2. Jh. n. Chr.]291 oder VII 1070 mit BL VIII 241 [3. Jh. n. Chr.]292). ἐν Δαμασκῷ – Damaskus, ursprünglich eine der glänzendsten Städte des Per-
serreiches, wurde 333 v. Chr. makedonische Kolonie, bevor sie Antiochos IX 111 v. Chr. zur Hauptstadt von Koilesyrien und Phönikien erhob. Im Jahre 66 v. Chr. erfolgte die Eingliederung ins römische Reich. Die Stadt bzw. aus ihr stammende Menschen (Δαμασκηνοί), von denen Paulus ebenfalls in diesem Vers spricht, begegnen in nur vier vorbyzantinischen Papyri. Bei P.Cair.Zen. I 59006 (259 v. Chr.?) handelt es sich um eine Abrechnung, in der in Z. 19–20 ein gewisser „Dionysios aus Damaskus“ (Διονυσίωι τῶι | ἐγ Δαμασκοῦ) verzeichnet ist, was der Hg. als Beleg dafür ansieht, dass Damaskus immer noch zum Ptolemäerreich gehörte.293 In den drei Belegen aus römischer Zeit (P.Oxy. III 477,3–4 [132–133 n. Chr.]; BGU I 73,3–4 [135 n. Chr.]; 136,22–23 [nach 24. März 135 n. Chr.]) geht es jeweils um den Präfekten (ἔπαρχος) der „ersten Kohorte der Damaskener“ (ἡ σπείρη πρώτη Δαμασκηνῶν),294 die – wahrscheinlich innerhalb der Hilfstruppen (auxilia) – in Ägypten ihren Dienst versah.
ὁ ἐθνάρχης Ἁρέτα τοῦ βασιλέως ἐφρούρει τὴν πόλιν ‹ 11,26 Δαμασκηνῶν – Die Bezeichnung ἐθνάρχης295 ist in den Papyri bisher nicht belegt; als erstem
wurde dem Hohepriester Hyrkanos II von C. Iulius Caesar der Titel „Ethnarch“ verliehen, was bedeutete, dass er zumindest nominell – und zwar in Abgrenzung vom König – auch die weltliche Herrschaft über das jüdische Volk zurückerhielt. Auch die Juden von Alexandria wurden von einem solchen ἐθνάρχης angeführt, dessen Position, die auch jurisdiktionelle Gewalt mit einschloss, Iosephus mit der eines Staatsoberhauptes vergleicht.296 Für welche Volksgruppe der von Paulus genannte „Ethnarch des Königs Aretas“ zuständig war und wie bzw. ob er zu Letzterem in Beziehung stand, wird dis-
291
Zum Text siehe ausführlich oben S. 101. Zum gesamten Text siehe S. 87–90. 293 C.C. Edgar in P.Cair.Zen. I S. 11: „It seems probable from this entry that Damascus was still included in the Ptolemaic empire.“ 294 Der in den beiden letzteren Belegen genannte Claudius Philoxenos dürfte der Nachfolger des M. Claudius Serenus aus P.Oxy. III 477 gewesen sein. 295 Dieser Begriff wurde zum Teil von R. E. Kritzer bearbeitet. 296 Vgl. Ios. ant.Iud. 14,117; 19,283 (der Bericht über ein Edikt des Claudius in 19,280–285 wird z. B. von Arzt-Grabner, Stellung 141–142, in Text und Übersetzung wiedergegeben; vgl. damit auch den die Judengemeinde Alexandrias betreffenden Abschnitt im Brief des Claudius an die Alexandriner – P.Lond. VI 1912,73–104 mit BL III 99 und XI 122 [10. November 41 n. Chr.]; Text und Übersetzung sowie Kommentar ebenfalls bei Arzt-Grabner, Stellung 142–146). In 1Makk 14,47 LXX geht es um Simeon, der neben seiner Tätigkeit als Hohepriester auch Stratege (στρατηγός) und Ethnarch der Juden sein soll. Allgemein zum Amt des ἐθνάρχης vgl. Ego, Ethnarchos. 292
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Einzelheiten: 2Kor 11,32
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kutiert.297 Die Übersetzung „Statthalter“298 ist in jedem Fall irreführend. Dies bestätigt auch die Untersuchung von J. Taylor zum Titel „Ethnarch“,299 der bzgl. der vorliegenden Stelle zu dem Ergebnis kommt: „The context of 2 Cor 11, 32–33 strongly suggests that the ethnarch of king Aretas was indeed the Nabataean governor of Damascus. The Greek title ἐθνάρχης used by Paul refers rather to his position as a tribal prince; the title στρατηγός, which is used by Josephus and is widely attested as a loan-word in Nabataean, would have been more appropriate to his position as also a Nabataean governor.“300 In den dokumentarischen Papyri trägt der oberste Beamte eines Gaues den Amtstitel στρατηγός.301 Das Verb φρουρέω („bewachen“) wird in den Papyri durchwegs in einem offiziellen Sinn verwendet und auf Mitglieder einer Wachmannschaft bezogen (z. B. P.Amh. II 43,17 [16. März 173 v. Chr.]; P.Bad. II 9,6 [103 v. Chr.]). Auch die in manchen Fällen erfolgenden Erwähnungen, dass eine Siedlung bewacht oder in deren Nähe ein Wachposten stationiert ist (φρουρουμένη – z. B. P.Tebt. IV 1102,5–6 [116–115 v. Chr.]; I 92,6 [nach März – April 113 v. Chr.]) oder dass ein anderer Ort „unbewacht“ ist (μὴ φρουρουμένη – z. B. P.Tebt. I 25,22 [nach 6. März 117 v. Chr.]; IV 1102,2 [116–115 v. Chr.]; I 92,2 [nach März – April 113 v. Chr.]), verweisen auf Bewachung unter offiziellem Auftrag. Als Hintergrund für diese offizielle Verwendung kann auch auf den für die ptolemäische Zeit häufig, in Papyri aus der römischen Zeit aber bisher nur einmal belegten φρούραρχος verwiesen werden, also den „Befehlshaber einer Stadtbesatzung“302. Die Redeweise des Paulus stimmt hier gut mit dem papyrologischen Befund überein: der Ethnarch des Aretas übernimmt genau die entsprechende Funktion, nämlich die Stadt der Damaskener durch Wachmannschaften bewachen zu lassen.
297 Dabei geht es auch um die Frage, ob Damaskus in dieser Zeit vorübergehend in der Gewalt des Nabatäerkönigs oder durchgehend römisch beherrscht war (siehe dazu Lietzmann, Kor 152; Windisch, 2Kor 366; Furnish, 2Cor 521–522). Zu all den Fragen siehe ausführlich Taylor, Ethnarch. 298 So z. B. die Einheitsübersetzung, aber auch Bauer, Wörterbuch s. v. ἐθνάρχης zur Stelle; ähnlich Meyer, 2Kor 288 („Präfekt“). 299 Vgl. Taylor, Ethnarch 720: „The title ἐθνάρχης (ethnarch) is not otherwise known to mean a governor, but generally means either a reigning prince, whose rank is below that of king but higher than that of tetrarch, or a bedouin sheikh“. 300 Taylor, Ethnarch 727. 301 Belege überall; zum Amt des Strategen siehe Rupprecht, Einführung 55 (mit Literatur S. 59–60). 302 So Preisigke, Fachwörter s. v. φρούραρχος. Der Beleg aus römischer Zeit ist P.Dura 20,2– 3 mit BL XII 66 (29. Juni 121 n. Chr.). Zahlreiche Belege aus ptolemäischer Zeit bieten Preisigke, Wörterbuch III, Abschnitt 10, s. v. φρούραρχος (P.Grenf. I 11, Kol. I 12 ist auf die Zeit nach dem 27. August 181 v. Chr. zu datieren); Rupprecht/Jördens, Wörterbuch Supplement 2 und 3, Besondere Wörterliste, Abschnitt 10, s. v. φρούραρχος.
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
πιάσαι με – Das Verb πιάζω303 (bzw. älter πιέζω) wird häufig mit „festneh-
men“ übersetzt304 – eine Bedeutung, die sich in den Papyri der mit Paulus vergleichbaren Zeit nicht festmachen lässt.305 Im Zusammenhang mit Menschen306 ist die ursprüngliche Bedeutung „drücken, pressen“ noch unschwer erkennbar:
In P.Cair.Zen. III 59378 (nach 256 v. Chr.) begründet z. B. ein Bauer seine dringende Bitte an Zenon um die Sendung von Sklaven damit, dass dies letztlich nur ihm zugute kommen werde, obwohl er selbst, so der Bauer, „von der Arbeit erdrückt werde“ – Z. 10–11: `ὑπὸ´ τῶν ἔργων | πιεζομένου `μου´. In P.Mich. VIII 473,27–28 (frühes 2. Jh. n. Chr.) heißt es: [π]επιάκαμ[εν α]ὐτὸν παρακαλοῦντες ὅτι | [ἀν]άγευσαι Ἀ[λε]ξανδρε[ί]α[ς, κα]ὶ λέγει ὑμῖν (l. ἡμῖν) ὅτι οὐ θέλω („wir haben ihn dazu gedrängt und ihn aufgefordert: ‚schau dir einmal Alexandria an!‘307, und er sagt zu uns: ‚ich will nicht‘“).308
Vor diesem Hintergrund ist die Formulierung des Paulus nicht von vornherein auf eine „Festnahme“ einzuschränken; es wäre auch möglich, dass er vom Ethnarchen „bedrängt“, vielleicht „erpresst“ werden sollte309. Erst der Zusammenhang mit dem in offiziell militärischem Sinn verwendeten Verb φρουρέω (siehe oben) und die im Anschluss beschriebene Flucht setzt voraus, dass ihm offenbar die offiziell angeordnete Festnahme drohte. 11,333 καὶ διὰ θυρίδος ἐν σαργάνῃ ἐχαλάσθην διὰ τοῦ τείχους – Mit θυρίς wird auch in den dokumentarischen Papyri das „Fenster“ bezeichnet.310 Das überaus häufige Vorkommen von σαργάνη311 in den Papyri belegt, dass der „Korb“ ein alltägliches Aufbewahrungs- und Transportmittel war. Die Texte geben aber auch über deren Herstellung Auskunft. So wird in der Ausgabenliste P.Mil.Vogl. III 152 (167 n. Chr.) eine σαργάνη unmittelbar neben einer „Schnur“ (σχοινίον) erwähnt (Z. 52) und in Z. 58–59 ist der Preis von „Palmbast“ (σεβέννια) zur Ausbesserung von Körben (εἰς ἐπισκευὴν | σαργα303
Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. So Einheitsübersetzung; Furnish, 2Cor 513 („to seize“); Matera, 2Cor 271 („to arrest“). 305 Eine Auflistung späterer Texte, in denen πιάζω in dieser Bedeutung verwendet wird, hat F. Morelli in CPR XXII S. 192, zusammengestellt; er bemerkt außerdem (unter einem Verweis auf Bauer, Wörterbuch s. v. πιάζω 2.): „L’uso del verbo nel senso di arrestare è sopratutto neotestamentario“. 306 In Zusammenhang mit Tieren „(ein-)fangen“: z. B. SB VI 9017 Nr. 14,9 (40–42 n. Chr.). 307 Eigentlich „koste von Alexandria“ (vgl. H.C. Youtie und J.G. Winter in P.Mich. VIII S. 48). 308 Lückenhaft sind P.Oxy. IV 812,5 (29. Oktober – 27. November 6 v. Chr.) und P.Lund IV 8,3 (1.–2. Jh. n. Chr.), wo ein gewisser Lokrion bzw. zwei Priester die Leidtragenden sind, sowie O.Krok. I 51,34 (27. November – 26. Dezember 109 n. Chr.). 309 Von einer „dringend beanspruchten“ oder ev. auch „erpressten Abgabe“ (φόρος) ist in P.Hamb. I 6,15–17 (129 n. Chr.) die Rede. 310 Einen ausführlichen papyrologischen Befund bietet Husson, ΟΙΚΙΑ 109–117 (zur seltenen Bedeutung „Mauernische“ siehe S. 117–118). 311 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 304
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Einzelheiten: 2Kor 11,32–33
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νῶν) verzeichnet. In der Zahlungsanweisung SB XX 15070 (4.–5. Jh. n. Chr.) geht es um „Werg“ (Z. 1: στίππιον), der, in Bünden angefordert, offensichtlich für die Herstellung der in Z. 3 erwähnten σαργάναι benötigt wird. Der Unterschied zwischen κόφινοι und σαργάναι, die in BGU II 417,14–15 (2.–3. Jh. n. Chr.) hintereinander
genannt werden, lag vermutlich im Material.312 Die Erwähnung von σαργανίδια („Körbchen“)313 in P.Cair.Goodsp. 30, Kol. XXII 13 mit BL I 176 (nach 192 n. Chr.) weist wiederum auf die Existenz unterschiedlicher Korbgrößen hin.314
Unter den Produkten, die mit Körben transportiert wurden, wird weitaus am häufigsten die „Spreu“ (ἄχυρον)315 erwähnt, die beim Dreschen von Getreide entsteht, wobei σαργάνη in der Regel als Maßeinheit zu verstehen ist.316 Spreu wurde vor allem als Brennstoff verwendet, wie etwa P.Oxy. XX 2272,21 (nach 25. April 169 n. Chr.) belegt; ähnlich O.Mich. I 222,3 (spätes 3. – frühes 4. Jh. n. Chr.). In diesem Zusammenhang ist vor allem auf P.Cair.Isid. 10 (nach 11. Dezember 311 n. Chr.), 13, 16 und 17 (alle 314 n. Chr.) hinzuweisen, wo σαργάνη besonders häufig erwähnt wird; alle vier Texte haben mit der Arbeit der sog. ἀχυράριοι zu tun, die für die Eintreibung der Spreuabgabe zuständig waren.317 An weiteren Produkten, die in Körben transportiert wurden, werden erwähnt: Brassen in BGU IV 1095,20–21 (57 n. Chr.), Schläuche in O.Claud. I 128,4–6 (ca. 107 n. Chr.), Trauben bzw. Wein in P.Flor. II 175,32 mit BL III 56 (253 oder 256 n. Chr.) und P.Prag. II 202,9–10 (257 n. Chr.) sowie „Gras“ oder „Heu“ (χόρτος) in P.Oxy. XXXVI 2784,20–21 (3. Jh. n. Chr.) und P.Oxy. VI 938,3 (spätes 3.–4. Jh. n. Chr.). Für die Ernte bestimmt sind auch zwei Körbe in O.Mich. III 1010,5–6 (303 oder 304 n. Chr.). Was man sich unter antiken „Badekörben“ (σαργάναι βαλανείου), wie sie in O.Mich. I 221,3–4 (spätes 3. – frühes 4. Jh. n. Chr.) erwähnt werden, vorzustellen hat, ist allerdings fraglich; vermutlich dienten sie der Mitnahme diverser Bade-Utensilien.
Der Korb, in dem Paulus heruntergelassen wurde, wird also üblicherweise dem Transport landwirtschaftlicher Produkte oder anderer Güter gedient haben, wie sie in den dargestellten Belegen genannt werden. Ausgesprochen für Personen (etwa für Säuglinge oder Kleinkinder) wurden σαργάναι normalerweise offensichtlich nicht benutzt. Zum Verb χαλάω318 („lockern, loslassen“), das Paulus für das „Herunterlassen“ des Korbes verwendet, existieren mit Ausnahme eines magischen Textes 312
Sophocles, Lexicon s. v. σαργάνη, übersetzt „rope-basket“. Crönert, Rez. Papyri 735, versteht darunter „Sättelchen“. 314 Nach H.C. Youtie in P.Mich. VIII S. 178 (zu O.Mich. III 1010,5), der sich wiederum auf Boak, Papyri 97, beruft, fasste eine σαργάνη 150 λίτραι bzw. Pfund. 315 Der Begriff begegnet ntl. in Mt 3,12 || Lk 3,17. 316 Vgl. dazu Preisigke, Wörterbuch s. v. σαργάνη. 317 Diese ἀχυρικόν genannte abgabenpflichtige Spreulieferung wurde u. a. für die Beheizung öffentlicher Bäder verwendet (siehe dazu Preisigke, Fachwörter s. v. ἀχυρικόν). 318 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 313
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aus dem frühen 4. Jh. n. Chr.319 sowie eines Textes aus dem 3. Jh. n. Chr. in den Papyri ausschließlich Belege aus dem 1. Jh. n. Chr., wobei eine Bedeutung aus dem technischen Bereich die vorherrschende ist: Und zwar bezeichnet χαλάω an drei Stellen (P.Mich. II 124, Verso, Kol. I 23 mit BL III 108 und X 123 [46–49 n. Chr.]; P.Fouad I 18,15–16; 19,11–12 [beide 54 n. Chr.]) das „Auslassen“ von Wasser (ὕδωρ) bzw. „Wasserleitungen“ (ὑδρήγους) an ein bestimmtes Ziel, genauer „ins Gebüsch“ (εἰς δρύμον/δρύμους). In P.Lond. I 131* (S. 189),12 (78 n. Chr.) geht es hingegen darum, an einer Maschine die Stricke zu lockern.320
Die Kombination von χαλάω mit σαργάνη (die in den Papyri allerdings nicht begegnet) zeigt die Dramatik der Flucht, durch die sich Paulus erfolgreich der drohenden Verhaftung entziehen konnte. Wie eine Güterladung mittels eines Flaschenzugs wurde er durch ein Fenster der Mauer hinunter gelassen.321 Mit τεῖχος wird auch in den Papyri eine „Mauer“ bezeichnet, wobei es sich – je nach Zusammenhang – um die Mauer eines Gebäudes, des Tempelbezirks oder – wie hier bei Paulus – um eine Stadtmauer handeln kann.322 καὶ ἐξέφυγον τὰς χεῖρας αὐτοῦ – Das Verb ἐκφεύγω323 hat wie das Verbum
Simplex im Wesentlichen zwei Bedeutungen aufzuweisen, die freilich bisweilen auch ineinander übergehen: einerseits bezeichnet es das „Fliehen“ von einem Ort zum anderen, andererseits – in abstrakterem Sinn – das „Entkommen“ aus oder „Meiden“ einer bestimmten, misslichen oder gar lebensgefährdenden Situation: So berichtet in P.Tebt. III.1 798 (2. Jh. v. Chr.) ein σιτολόγος von einer Attacke auf dem Nachhauseweg; nachdem ihn die Verfolger tätlich angegriffen hatten, „glaubten sie“, wie er sagt, „fliehen zu können“ – Z. 16–17: ὤιοντο ἐκ[φ]εύ|ξε[ι]ν. Der Bestrafung für ihre gesetzesbrüchige Handlung zu entgehen, hofften auch Verurteilte nach P.Yale I 57,6–7 (93–70 v. Chr.): ἐκφε[ύ]ξεσ̣ θ̣ [αι | τ]ὴν περὶ τούτων κόλασιν.324 Den Beigeschmack des Widerrechtlichen verliert das ἐκφεύγειν freilich, wenn es z. B. darum geht, dass eine Frau den Komplikationen bei der Geburt entronnen ist (vgl. P.Münch. III 57,10 [2. Jh. v. Chr.]) oder jemand eine Krankheit nicht aufgeschnappt hat (P.Iand. VI 111,24–25 [1.–2. Jh. n. Chr.?]). In SB XX 14662, Kol. I 5–6 (154 n. Chr.) geht es darum, der Übernahme einer Liturgie zu entgehen. 319
Pap.Graec.Mag. I 4,803.2886 über das „Eintauchen“ von Gegenständen in eine Flüssigkeit. In P.Oxy. LVI 3855,14–15 (280–281 n. Chr.) meint χαλάω das „Losschicken“ einer Eingabe (βιβλίδιον), worunter das „Einreichen“ durch den Bittsteller zu verstehen ist (vgl. dazu M.G. Sirivianou in P.Oxy. LVI S. 108). 321 Siehe dazu ausführlicher bei Furnish, 2Cor 540–542. 322 Belege bei Preisigke, Wörterbuch s. v. τεῖχος; Moulton/Milligan, Vocabulary s. v. τεῖχος. 323 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 324 Ähnlich P.Oxy. VI 898,24–26 (123 n. Chr.). Vgl. weiters P.Petr. II 32 (2a),10.12 mit BL I 368 (217 v. Chr.); P.Kron. 2,11 (127 oder 128 n. Chr.); P.Panop.Beatty 2,148–149 (13. Februar 300 n. Chr.). 320
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Einzelheiten: 2Kor 11,33–12,2
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All diese Belege beleuchten auch den Text des Paulus: einerseits geht es darum, dass er vor der Verfolgung durch die Behörden fliehen kann, andererseits kann er gleichzeitig einer grundsätzlich bedrohlichen Situation entkommen. Vergleichbare Papyrusbelege zur Formulierung, dass jemand „den Händen“ eines Machthabers entkommt (hier τὰς χεῖρας αὐτοῦ), liegen allerdings bisher nicht vor. Dass mit χείρ aber ein Machtverhältnis ausgedrückt werden kann, ist papyrologisch gut bezeugt, etwa in dem Sinn, dass jemand in eines anderen Hände fällt oder jemand an einen anderen Hand anlegt.325 12,11 καυχᾶσθαι ‹ 5,12 δεῖ, οὐ συμφέρον ‹ 8,10 μέν, ἐλεύσομαι δὲ εἰς ὀπτασίας καὶ ἀποκαλύψεις κυρίου ‹ 1,2 – Zum Peristasenkatalog 12,1–10 siehe allgemein oben S. 301. Zu ὀπτασία („Erscheinung“) und ἀποκάλυψις („Offenbarung, Enthüllung“) existieren bisher keine papyrologischen Belege. 12,22 οἶδα ἄνθρωπον ἐν Χριστῷ ‹ 1,1 πρὸ ἐτῶν δεκατεσσάρων, εἴτε ἐν σώματι ‹ 4,10 οὐκ οἶδα, εἴτε ἐκτὸς τοῦ σώματος ‹ 4,10 οὐκ οἶδα, ὁ θεὸς οἶδεν, ἁρπαγέντα τὸν τοιοῦτον ἕως τρίτου οὐρανοῦ – In der Bibelexegese herrscht die Ansicht vor, dass mit dem hier erwähnten „Menschen in Christus“ Paulus selbst gemeint ist.326 Die Formulierung über die 3. Person solle dabei den Eindruck einer Selbstempfehlung verhindern. Das Verb ἁρπάζω327 wird von ihm an dieser Stelle (wie auch in 12,4 und 1Thess 4,17) sehr speziell vom „Entrücktwerden“ in den „dritten Himmel“ bzw. ins Paradies gebraucht. Zu einer derartigen Bedeutung bzw. zur Vorstellung eines „dritten Himmels“ können die dokumentarischen Papyri nichts beitragen.328 Mit ἁρπάζω wird entweder der Raub von Gegenständen329 oder die Entführung von Menschen330 beschrieben.
325 Einige Beispiele bei Preisigke, Wörterbuch s. v. χείρ 1). – Zur juristisch bedeutsamen Bestätigung, etwas „mit eigener Hand zu schreiben“, die häufig in Hypographai begegnet und bei Paulus in Phlm 19 verwendet wird, siehe Arzt-Grabner, Philemon 240–243; zur Verwendung von χείρ im Zusammenhang mit „eigenhändiger“ Arbeit siehe P. Arzt-Grabner in ders./Kritzer u. a., 1. Korinther 180. 326 Siehe z. B. Thrall, Paul’s Journey; dies., 2Cor 772–832; Mitchell, Paul 87; Tubiana, Viaggio. Kritisch und mit Argumenten dagegen aber Goulder, Visions (mit der Schlussfolgerung S. 312: „All he [gemeint ist Paulus] does is to appeal to the rapture of a friend“). Zu zeitgenössischen literarischen Parallelen siehe Destro/Pesce, Journey 168–184; Wallace, Snatched into Paradise 39–168; Hellholm, Lucian’s Icaromenippos 59–77. 327 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 328 In den magischen Papyri, die eine ähnlich „übersinnliche“ Assoziation wie die paulinische erwarten ließen, findet sich kein einziger Beleg für ἁρπάζω. 329 Vgl. etwa P.Tebt. I 120,119–120 (nach 6. Oktober 97 oder dem 28. September 64 v. Chr.); P.Oxy. XLV 3240,11–12 (ca. 88–89 n. Chr.); P.Sarap. 1,23 (125 n. Chr.); mit dem Kompositum ἀφαρπάζω z. B. P.Sijp. 14,9–11 (11. September 22 n. Chr.). 330 So z. B. in O.Krok. I 87,37 (nach[?] 15. März 118 n. Chr.); P.Sakaon 38,11–12 mit BL VIII 300 (17. August 312 n. Chr.). Um den Tod einer Frau, die dadurch ihrer Familie „entrissen wurde“, geht es vermutlich in PSI XIII 1336,12–13 (2.–3. Jh. n. Chr.); in Z. 6 ist von „Zuspruch“
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
12,33–44 καὶ οἶδα τὸν τοιοῦτον ἄνθρωπον, εἴτε ἐν σώματι ‹ 4,10 εἴτε χωρὶς τοῦ σώματος οὐκ οἶδα, ὁ θεὸς οἶδεν, ὅτι ἡρπάγη ‹ 12,2 εἰς τὸν παράδεισον – Der Ausdruck παράδεισος wird von Paulus nur hier, und zwar im biblisch übertragenen Sinn von „Paradies“ verwendet (im NT außerdem in Lk 23,43 und Apk 2,7 in derselben Bedeutung).331 Papyrologisch begegnet παράδεισος durchwegs in der ursprünglichen Bedeutung „Garten“, bes. „Obstgarten“.332 12,44 καὶ ἤκουσεν ἄρρητα ῥήματα ἃ οὐκ ἐξὸν ἀνθρώπῳ λαλῆσαι ‹ 2,17 – Das Verb ἀκούω ist in dokumentarischen Papyri und Ostraka gut bezeugt. An der vorliegenden Stelle verwendet Paulus die Grundbedeutung „hören, vernehmen“ im übertragenen Sinn.333 Zu den ἄρρητα ῥήματα (wörtlich „unausprechliche Worte“) liegen bisher keine echten Vergleichstexte aus den dokumentarischen Papyri vor. In der Anzeige SB VI 9421 (3. Jh. n. Chr.) wird einer gewissen Didyme vorgeworfen, den Kläger verbal und tätlich angegriffen zu haben; u. a. habe „sie uns sowohl mit aussprechlichen als auch mit unaussprechlichen (Worten) beschimpft“ – Z. 10–11: ἐξύβρι|σεν ἡμᾶς ῥητοῖς τε καὶ ἀρήτοις (l. ἀρρήτοις) (ähnlich SB V 7600,8 [12. April 16 n. Chr.]334).
Hier werden unter den ἄρρητα also Verbalinjurien verstanden, die man eigentlich nicht verwenden sollte, während bei Paulus auf mystische, heilige Worte abgezielt wird, die so besonders sind, dass es einem Menschen nicht zusteht, sie auszusprechen.335 H. Windisch verweist für diese Bedeutung auf den magischen Papyrus Pap.Graec. Mag. II 13 (346 n. Chr.), wo es in Z. 764–765 über den Allherrscher (παντοκράτωρ) heißt: οὗ ἐστιν τὸ κρυπτὸν ὄνομα καὶ ἄρρητον (ἐν ἀν|θρώπου στόματι λαληθῆναι
oder „Trost“ (πανηγορία) die Rede. – Aufgrund des fragmentarischen Kontextes unklar sind O.Krok. I 60,4 (ca. 98–125 n. Chr.?); 49,4 (ca. September – Dezember 109 n. Chr.); 47,17 (nach[?] 11. Oktober 109 n. Chr.). 331 Bereits Deissmann, Bibelstudien 146, hat darauf hingewiesen, dass für „diese neue technische Bedeutung […] wohl Paulus 2 Cor. 12 4 der erste Zeuge“ ist. 332 Siehe die Beispiele bei Preisigke, Wörterbuch s. v. παράδεισος; Moulton/Milligan, Vocabulary s. v. παράδεισος (dort auch kurz zur Herkunft des Begriffes aus dem Persischen). Aus der unmittelbaren Gegenwart des Paulus stammen z. B. P.Mich. V 350,8 (24. August 37 n. Chr.); P.Fouad I 67,10.12 (14. Mai 39 n. Chr.); P.Ryl. IV 686,5 (41–54 n. Chr.); P.Mich. II 121, Rekto, Kol. III vii (nach 28. August 42 n. Chr.); 123, Rekto, Kol. VII 26 (12.–25. November 45 n. Chr.); V 272,4 (45–46 n. Chr.); 238, Rekto 10.135 (26. Dezember 46 n. Chr.). 333 Ferner begegnen in den Papyri und Ostraka Beispiele für „anhören“, „auf jemanden hören“ und „verhören“; siehe dazu die Beispiele für die einzelnen Bedeutungsnuancen bei Preisigke, Wörterbuch s. v. ἀκούω; Kiessling, Wörterbuch s. v. ἀκούω. 334 Dieser Beleg bereits bei Kiessling, Wörterbuch s. v. ἄρρητος, wo das Adjektiv mit „abscheulich“ übersetzt wird. 335 Moulton/Milligan, Vocabulary s. v. ἄρρητος, verweisen auf vergleichbare Inschriften.
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Einzelheiten: 2Kor 12,3–5
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οὐ δύναται) („dem der geheime Name gehört und der unnennbare [kann in Men-
schenmund nicht ausgesprochen werden]“).336
Unpersönliche Formen von ἔξειμι in der Bedeutung „erlaubt sein“ sind in den dokumentarischen Papyri und Ostraka gut bezeugt.337 Direkt mit der Paulusstelle vergleichbar ist ein Passus aus einem Vertrag, betreffend den Verkauf einer Goldgießerei: Der Verkäufer Apollonios versichert u. a., etwaige Gläubiger unter Aufwendung seiner eigenen Mittel abzuweisen, falls irgend jemand Ansprüche auf die verkaufte Goldgießerei erheben sollte; und es wird vereinbart, dass es ihm „nicht erlaubt ist zu sagen: ‚ich habe (eine Sicherstellung) noch nicht erhalten‘“- BGU IV 1127,20 (2. Februar 18 v. Chr.): μὴ{ι} ἐξῖναι (l. ἐξεῖναι) τῶι Ἀπολλωνίῳ λέγιν (l. λέγειν)· οὐκέτι π̣ α̣ ρ̣ ε̣ίλ̣ ̣ η̣ φ̣ α̣ .
Auch hier geht es also darum, dass jemandem nicht erlaubt ist, etwas Bestimmtes zu sagen oder auszusprechen. Das von Paulus verwendete negierte Partizip in der absoluten Akkusativform ἐξόν begegnet bereits ab dem 3. Jh. v. Chr.: In einem Vertrag aus dem Jahre 215–214 v. Chr. bestätigt ein gewisser Nikandros, von Sogenes als Preis für drei Eselinnen 400 Drachmen erhalten zu haben, und es wird festgehalten – P.Grad. 10,13–15: [μηδὲ ἐ]ξ̣ [ὸν μηδὲ] Νικάνδρωι μηδ̣ ὲ̣ ἄ̣ λλωι ὑπὲ̣[ρ αὐτοῦ ἐπελ|θεῖν ἐπὶ Σωγένην περὶ τῶν ὄνω]ν το̣ [ύτων μη]δὲ περὶ τῶν ἐ̣ξ αὐτῶν γε[ινομένων ἐγ|γόνων] („es ist nicht erlaubt, weder Nikandros noch einem anderen an seiner Stelle, an Sogenes heranzutreten wegen dieser Eselinnen und nicht wegen den von ihnen stammenden Nachkommen“; in den beiden anschließenden Duplikaten findet sich der Passus in Z. 17–18 und 40–41).338
12,55 ὑπὲρ τοῦ τοιούτου καυχήσομαι ‹ 5,12, ὑπὲρ δὲ ἐμαυτοῦ οὐ καυχήσομαι εἰ μὴ ἐν ταῖς ἀσθενείαις ‹ 10,10.
336 Windisch, 2Kor 378 (mit Verweis auf die Edition P.Leid. II W). Auf diesen Papyrusbeleg verweisen auch Destro/Pesce, Journey 167. 337 Vgl. R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 231 (mit einem speziell für 1Kor 6,12 relevanten Vergleichstext); einige Belege bei Preisigke, Wörterbuch s. v. ἔξειμι (Wendung ἐξεῖναι, ἔξεστι, ἐξέστω usw.) 1); Kiessling, Wörterbuch s. v. ἔξειμι (εἰμί); Moulton/Milligan, Vocabulary s. v. ἔξεστι. 338 Im zweiten Beleg aus dem 3. Jh. v. Chr., einem Briefentwurf aus dem Zenonarchiv, ist die Form ἐξόν zu ergänzen (P.Cair.Zen. III 59367,32 [21. Januar 241 v. Chr.]). Weitere Beispiele sind: SB VI 9066,11–12 (138–161 n. Chr.); P.Mich. III 174,7–8 (144–147 n. Chr.); BGU V 1210,18.29–30 mit BL II.2 27 (nach 149 n. Chr.); P.Oxy. II 237, Kol. VI 31 mit BL I 318 (nach 27. Juni 186 n. Chr.); P.Mich. VI 426,14–16 (25. Mai 194 n. Chr.); P.Stras. IV 276,16 (Anfang 3. Jh. n. Chr.); P.Flor. II 275,21–23 (249–268 n. Chr.). – Ein zeitgenössisches Beispiel für den häufig verwendeten Genetivus absolutus findet sich in einem Weberlehrvertrag vom 18. September 66 n. Chr., wo u. a. festgehalten wird, dass es Tryphon, dem Vater des Lehrlings, nicht erlaubt ist, seinen Sohn bis zur Vollendung der vereinbarten Lehrzeit vom Webermeister Ptolemaios abzuziehen – P.Oxy. II 275,22–24: οὐκ ἐξόντος τῷ Τρύφωνι ἀποσπᾶν τὸν | παῖδα ἀπὸ τοῦ Πτολεμαίου μέχρι τοῦ | τὸν χρόνον πληρωθῆναι (ganz ähnlich P.Oxy. LXVII 4596,21–23 [232–264 n. Chr.]).
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Mittelteil des Briefcorpus (2Kor 2,14–12,13)
12,66–77 ἐὰν γὰρ θελήσω καυχήσασθαι ‹ 5,12, οὐκ ἔσομαι ἄφρων ‹ S. 467, ἀλήθειαν ‹ 4,2 γὰρ ἐρῶ· φείδομαι δέ, μή τις εἰς ἐμὲ λογίσηται ‹ 3,5 ὑπὲρ ὃ βλέπει ‹ 7,8 με ἢ ἀκούει ‹ 12,4 [τι] ἐξ ἐμοῦ καὶ τῇ ὑπερβολῇ ‹ 1,8 τῶν ἀποκαλύψεων ‹ 12,1 – Die Bedeutung „sparen, sich enthalten“ ist für φείδομαι bedeutend seltener belegt als die Bedeutung „schonen, verschonen“ (so bereits oben in 1,23). Ein papyrologisches Beispiel für „sparen“ ist P.Oxy. VII 1070,25–26 (3. Jh. n. Chr.; siehe zum gesamten Brief S. 87–89), wo es allerdings um Güter oder Ersparnisse geht, an denen die Adressatin nicht sparen soll, während Paulus hier von einer Verhaltensweise spricht, deren er sich enthält. In einem Edikt des Severus Alexander werden die Statthalter zur Sparsamkeit aufgefordert – SB XIV 11648, Kol. II 19 (24. Juni 222): φείδεσθαι.
Das Verb βλέπω wird hier – ähnlich wie in 7,8 – im Sinne von „wahrnehmen, erkennen“ verwendet. Paulus geht es darum, dass ihm niemand etwas über das hinaus zuschreibt, was er bei sorgfältiger Beobachtung von ihm erkennen (oder direkt von ihm hören) kann. Das deutlichste papyrologische Vergleichsbeispiel für die vorliegende Stelle liegt in BGU III 815,4–8 (140–143 n. Chr.) vor (siehe dazu oben bei 7,8). 12,77–88 διό, ἵνα μὴ ὑπεραίρωμαι, ἐδόθη μοι σκόλοψ τῇ σαρκί ‹ 1,17, ἄγγελος ‹ 11,14 σατανᾶ ‹ 2,11, ἵνα με κολαφίζῃ, ἵνα μὴ ὑπεραίρωμαι. ὑπὲρ τούτου τρὶς τὸν κύριον ‹ 1,2 παρεκάλεσα ‹ 2,8 ἵνα ἀποστῇ ἀπ᾽ ἐμοῦ – Für die Verwendung von παρακαλέω in V. 8 im Sinne von „bitten“ oder sogar „beten“ hat H. Windisch auf P.Cair.Zen. I 59034,8 (vor 13. Februar 257 v. Chr.) verwiesen.339 Als Beleg für παρακαλέω ist dieser Papyrusbrief allerdings auszuscheiden,340 doch verdient er aus inhaltlichen Gründen, als Parallele zur vorliegenden Paulusstelle ausführlicher erwähnt zu werden. Der Serapisdiener Zoilos berichtet nämlich darin, dass er vom Gott Serapis – weil er einen Auftrag nicht ausführen wollte – mit Krankheit bestraft wurde und daraufhin den Gott um Genesung bat. Zoilos hatte im Traum von Serapis den Auftrag erhalten, dem ägyptischen Finanzminister Apollonios den Wunsch des Gottes zu übermitteln, ihm einen Tempel und 339 Windisch, 2Kor 388 Anm. 3, verweist auf „den Brief des Zoilus bei Deißm[ann,] L[icht] v[om] Ost[en] 4121 Z. 8“, wo Deissmann die ed.pr. von P.Cair.Zen. I 59034, nämlich PSI IV 435, in Text und Übersetzung wiedergegeben und mit eigenen Vorschlägen ergänzt hat. Dieser Brief wird von Hanges, Paul 87–88.382–383, auf Paulus als Begründer eines Kultes hin exegetisch ausgewertet. 340 Für das Ende von P.Cair.Zen. I 59034,8 hatte Deissmann, Licht 121, die Ergänzung π[α]ρ̣ [ακαλέσαντος τὸν θεὸν Σάραπιν] vorgeschlagen, die aber von C. C. Edgar in P.Cair.Zen. I S. 56 abgelehnt wurde (in Z. 8 ergänzt dieser π[α]ρ̣ [αιτησαμένου - - - ] und erwägt „that Zoilos would merely have written either τὸν θεόν or τὸν Σάραπιν“; dieser Rekonstruktion haben sich auch Clarysse/Vandorpe, Zenon 78, und X. Durand in C.Zen.Palestine S. 189–190 angeschlossen).
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Einzelheiten: 2Kor 12,6–7
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einen heiligen Hain zu errichten. Er, Zoilos, habe aber Serapis angefleht, ihn von diesem Werk zu entbinden, worunter nicht nur die finanziellen Leistungen durch Apollonios zu verstehen sind, sondern auch die Organisation und Betreuung der Erbauung des Tempels, die wohl Zoilos zufallen sollten. Der maßgebliche Textabschnitt des Briefes lautet – Z. 8–12: ἐμοῦ δ̣ ὲ̣ π[α]ρ̣ [αιτησαμένου - - - ] | ὅπως ἄμ (l. ̣ ̣ [ν] μ̣ [ε πε]ρ̣ ιέ̣ ̣β̣ α̣ λεν | ἄν) με παραλύσηι τοῦ ἐνταῦθα̣ [ἔργο]υ̣ , εἰς ἀ̣ ρ̣ ρ̣ ω̣ σ̣ [τ]ία μεγάλην ὥστε καὶ κινδυνεῦσα̣ ί ̣ [με]· π̣ ρ̣ ο̣ σευξάμενος δ[ὲ] αὐ[τῶι, ἐ]ά̣ [ν με] | ὑγιάσηι, διότι ὑπομενῶ τὴν ληιτο[υρ]γ̣ίαν (l. λειτουργίαν) καὶ ποιή̣ [σει]ν τ̣ὸ̣ ὑφ᾽ αὑτοῦ | προστασσόμενον („als ich dann [den Gott?] angefleht hatte, dass er mich von dem Werk hier entbindet, warf er mich in eine schwere Krankheit, so dass ich sogar in [Lebens-]Gefahr kam. Ich aber betete zu ihm, dass ich, wenn er mich gesund macht, mich der Dienstleistung unterziehen und das von ihm Aufgetragene ausführen werde“).341
Wie bei Paulus bleibt die Gottheit auch gegenüber Zoilos nicht reaktionslos, doch im Unterschied zu Paulus ist Zoilos von seiner Erkrankung schnellstens genesen (beachte Z. 12: τάχιστα ὑγιάσθην). 12,77 διό, ἵνα μὴ ὑπεραίρωμαι, ἐδόθη μοι σκόλοψ τῇ σαρκί ‹ 1,17, ἄγγελος ‹ 11,14 σατανᾶ ‹ 2,11, ἵνα με κολαφίζῃ, ἵνα μὴ ὑπεραίρωμαι – Das Verb ὑπεραίρω342 wird innerhalb der Papyri stets in aktiver Form verwendet; generell geht es dabei um das „Überschreiten“ eines Maßes oder einer Grenze, die einzelnen Zusammenhänge sind aber vielfältig: Der Rechnung UPZ II 158 C (3. Jh. v. Chr.) ist z. B. zu entnehmen, dass jemand ½ Artabe Getreide zu viel ausgegeben hat (vgl. Z. 21). In dem Auszug aus einem Amtstagebuch BGU IV 1085,3–4 (nach 170 n. Chr.) geht es um das Überschreiten eines Schätzwertes (συντίμησις).343 In lokalem Sinn wird ὑπεραίρω in P.Vind.Pher. (nach 195–196 n. Chr.), einer Steuerliste aus Pheretnuis, verwendet; und zwar wird damit in Z. 268 ein Haus charakterisiert, das „nach Norden vorragt“: ὑπεραίρο(υσα) εἰς τὸν Βορ(ρᾶν).344 Eine spezielle Verwendung findet sich im religiös-kultischen Bereich; unter sog. ὑπεραίροντες ἱερεῖς sind „überzählige“ oder „überetatsmäßige Priester“345 zu verstehen, die – anders als ihre regulär tätigen Kollegen – steuerpflichtig346 waren.
341 Wie der Text zeigt, bestand das Gebet des Zoilos aus der Bitte um Genesung und dem Gelöbnis, das Verlangte zu erfüllen und weiterhin dem Gott zu Diensten zu sein. 342 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 343 Um eine Geldsumme geht es auch in PSI XII 1238,11 (244 n. Chr.). 344 Vgl. auch bereits Z. 51 (allerdings lückenhaft) sowie Z. 285 mit BL XI 179, wo von einem Haus die Rede ist, das auf eine öffentliche Straße „hinausragt“. Die Lesart ὑπερειν̣ in P.Yadin I 19,24 (130 n. Chr.), vom Hg. mit „raise up“(?) übersetzt (N. Lewis in P.Yadin I S. 85), ist nicht gesichert. 345 So Preisigke, Fachwörter s. v. ὑπεραίρω. 346 Näheres dazu bei A. Jördens in P.Louvre S. 36–37 (zu P.Louvre I 4,41 [vor 166 n. Chr.]); vgl. auch P.Lond. II 347,6–7 (201 n. Chr.).
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Wenn also Paulus, wie durch das mediale ὑπεραίρωμαι ausgedrückt wird, sein eigenes Maß überschritte, also „zu weit ginge“, so würde er nichts anderes tun als das ihm zustehende Maß bei seiner Verkündigung überschreiten. Das Wort σκόλοψ347 („Pfahl; Dorn, Stachel“) begegnet – abgesehen von einem magischen Papyrus348 – im Brief einer Mutter an ihren Sohn: Durch einen gewissen Serapion hat sie erfahren, dass ihr Sohn am Fuß verletzt wurde – BGU II 380,7–9 (3. Jh. n. Chr.): καὶ εἶ|πέ μοι, ὅτι τὸν πόδαν (l. πόδα) πονεῖς ἀπὸ σκολάπου (l. σκολόπος) („und er teilte mir mit, dass du am Fuß leidest wegen eines Stachels“).349
Worauf Paulus hier mit dem „Stachel“ konkret anspielt, bleibt weiterhin umstritten.350 Für κολαφίζω liegt bisher nur ein einziger Papyrusbeleg vor, und zwar in einem Privatbrief aus der 2. Hälfte des 2. Jh. n. Chr.: In SB III 6263,20–24 fordert Sempronius seinen Bruder Maximus auf, der Mutter doch ja keinen Kummer zu bereiten und auch die Geschwister dazu anzuhalten; falls sie zuwiderhandeln, müsse er sie „ohrfeigen“ – Z. 23–24: σὺ ὀφείλεις αὐτοὺς κολαφί|ζειν.
Wie A. Papathomas dazu bemerkt, handelt es sich bei κολαφίζω nicht um einen offiziellen juristischen Terminus, weil man für körperliche Züchtigung in juristischem Kontext „Verben zu verwenden pflegte, die als Oberbegriffe die allgemeinere Bedeutung ‚schlagen‘ bzw. ‚züchtigen‘ hatten.“351 Das mit κολαφίζω ausgedrückte „Ohrfeigen“ komme „als Strafe für respektloses Benehmen zum Einsatz“352. Als direkte Antwort auf ὑπεραίρομαι passt dieser Sinn auch in den vorliegenden Zusammenhang. 12,88 ὑπὲρ τούτου τρὶς τὸν κύριον ‹ 1,2 παρεκάλεσα ‹ 2,8 – H. Windisch verweist zum Vergleich mit diesem Vers auf Orakelanfragen (siehe oben S. 201 und 246) sowie auf den Brief des Zoilos, P.Cair.Zen. I 59034 (siehe oben S. 508).353 ἵνα ἀποστῇ ἀπ᾽ ἐμοῦ – Genau die von Paulus hier verwendete Wendung mit intransitivem ἀφίσταμαι und ἀπό mit Genetiv der Person begegnet z. B. in 347
Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. In Pap.Graec.Mag. II 36,152 (4. Jh. n. Chr.) geht es innerhalb eines sog. Beibringezaubers darum, Stacheln auf die Schläfen der Geliebten zu legen (ἐπὶ δὲ τῶν κοτράφων σκόλαπας), um sie schlaflos zu machen; in Z. 268–269 dienen „Stacheln“ hingegen dazu, ein Stück Papier auf ein Tuch zu heften. 349 In einem Vertrag über die Verpachtung von Gartenland (SB III 7188 [154 v. Chr.]) begegnet das abstrakte σκολοπισμός (vgl. Z. 13), das den Akt des „Durchbohrens“ bezeichnet. 350 Einen Überblick über die diskutierten Möglichkeiten bietet Collins, Power 180–182. 351 Papathomas, Begriffe 202 (mit ausführlicher Behandlung des Papyrusbelegs S. 201–202). 352 Papathomas, Begriffe 202. 353 Vgl. Windisch, 2Kor 390. 348
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Einzelheiten: 2Kor 12,7–8
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einem privaten Brief aus dem 3. oder 4. Jh. n. Chr., allerdings in der sehr häufigen Bedeutung „fortgehen, sich entfernen“: In P.Erl. 118,5–6 (3.–4. Jh. n. Chr.) heißt es: καθὼς | ἀπέστην ἀπό σο[υ] („als ich dich verließ“, im Sinne von „nachdem ich von dir abgereist war“).354
Papyrologische Beispiele für den hier von Paulus verwendeten Sinn „ablassen, Abstand nehmen, zurücktreten“ begegnen durchaus häufig,355 zumeist aber geht es dabei um das Abstandnehmen von Sachwerten. Davon ist vor allem in Verträgen die Rede. In Kaufverträgen findet sich öfters die Zusicherung, dass der Verkäufer in Hinkunft vom verkauften Gut Abstand nehmen wird, so z. B. in P.Grenf. II 28,3–10 mit BL I 186 (11. Dezember 103 v. Chr.); BGU III 998, Kol. II 2–3 (17. Dezember 101 v. Chr.); CPR XV 1,3–4 (29. August – 27. September 3 v. Chr.). Bei SB XX 14198 (3.–8. Juli 104 v. Chr.) handelt es sich um die Aufhebung (beachte [ἀφίστα]σθαι in Z. 8) des Kaufvertrages P.Med. I 2 mit BL III 117 und VI 74 (Duplikat P.Adl. 7; 2. Juli 104 v. Chr.). In P.Stras. II 83,12–15 (7. April 114 v. Chr.) geht es um den Verzicht auf eine Schenkung von Land.
Das Abstand-Nehmen von Personen ist hingegen selten belegt und weniger fest geprägt. Außer in einer Scheidungsurkunde aus Dura Europos, das für einen inhaltlichen Vergleich mit der Paulusstelle freilich ausscheidet,356 sind zwei Beispiele zu erwähnen, in denen zwar nicht direkt – wie bei Paulus – vom Ablassen oder Abstand-Nehmen von einer Person die Rede ist, aber immerhin vom Ablassen von einem widrigen Verhalten, das sich direkt gegen eine Person richtet. Auf die Eingabe P.Dion. 9 (ca. 139 v. Chr.) haben in diesem Zusammenhang bereits J. H. Moulton und G. Milligan verwiesen:357 Der Petent gibt an, den Preis für Wein bezahlt zu haben; dennoch versuche der Beklagte, einen Teilbetrag zweimal zu verlangen. Der Kläger schreibt u. a. – Z. 18: ἐμπλεκείς τέ μοι οὐκ ἀ̣ π̣ έστηι („er verwickelte mich in Schwierigkeiten und ließ nicht ab“). Die Wendung οὐκ ἀ̣ π̣ έστηι steht hier ohne ausdrückliches Objekt, gemeint ist aber wohl das Verhalten des Beklagten gegenüber dem Kläger. In der Eingabe BGU I 340 (nach 148–149 n. Chr.) beschwert sich ein gewisser Soedus über Belästigungen durch Steuereintreiber und schreibt u. a. – Z. 20–21: οὗτοι οὐκ ἀφί[στα]ν|τε (l. ἀφίστανται) τῆς κατ᾽ ἐμοῦ ἐπηριαν (l. ἐπηρείας) („diese ließen nicht ab vom böswilligen Vorgehen gegen mich“). 354 Weitere Belege dieser Art bei Preisigke, Wörterbuch s. v. ἀφίστημι 5), ferner P.Gen. I2 17,8–9 (ca. 207 n. Chr.); P.Giss.Univ. III 29, Verso 7–8 (3. Jh. n. Chr.). 355 Beispiele bei Preisigke, Wörterbuch s. v. ἀφίστημι 4); Kiessling, Wörterbuch s. v. ἀφίστημι 5). 356 Die Vereinbarung, ab sofort getrennt zu sein, gehört zum festen Bestandteil von Scheidungsurkunden, aber bisher ist dafür nur ein einziges Mal die Phrase ἀφείσθασθαι ἀπὸ | ἀλλήλων („voneinander Abstand zu nehmen“) belegt, nämlich in P.Dura 31,7–8 (18. Juni 204 n. Chr.). 357 Vgl. Moulton/Milligan, Vocabulary s. v. ἀφίστημι (mit Verweis auf die ed.pr. P.Rein. 7,18).
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Obwohl es in den Papyri kein direktes Vergleichsbeispiel für die Ausdrucksweise des Paulus gibt, ist doch ein Aspekt von Bedeutung: Bei der Auflösung eines Vertrages oder einer Ehe sowie beim Abtreten eines Gutes oder der Annullierung eines Kaufes geht es darum, etwas loszuwerden, was man ein für alle Mal aufgibt oder überhaupt nicht (mehr) will. Dies soll sogar rechtlich dokumentiert werden. Im Gebet an den Herrn hat also Paulus in eindeutiger Weise bekundet, dass er den „Stachel im Fleisch“ unbedingt loswerden wollte. 12,99 καὶ εἴρηκέν μοι· ἀρκεῖ σοι ἡ χάρις ‹ 1,2 μου – Die Aussage, dass etwas in ausreichendem Maße zur Verfügung steht oder genügt (ἀρκεῖ), ist auch in einigen Papyrustexten bezeugt: So heißt es z. B. in einem privaten Brief, der am 12. April 16 n. Chr. geschrieben wurde – SB V 7600,12–13: οὐ θέλο (l. θέλω) εἵνα σ̣ ε διαπέσῃ οὐδέν· ἀρκ[εῖ] γάρ, | ἅ μυ (l. μοι) πάρε̣[στ]η̣ (l. πάρεστι) („ich möchte auf keinen Fall, dass du etwas von dir herübersendest; denn es genügt, was mir zur Verfügung steht“). Ähnlich schreibt eine gewisse Heliodora an ihre Mutter Isidora – SB XVI 12326,14–15 (spätes 3. Jh. n. Chr.): μ̣ ὴ δὲ σα[κκ]ί[̣ α] πέμψῃ̣ ς· ἀρκῖ (l. ἀρκεῖ) | μοι ἃ ἔχω [ὧ]δε („schicke kein Sackleinen! Es genügt mir, was ich hier habe“).358
Im Unterschied zur Paulusstelle betont hier der Briefsender bzw. die Briefsenderin selbst, dass ihm bzw. ihr etwas in ausreichendem Maße zur Verfügung steht, während Paulus auf den Herrn verweist, der ihm gesagt habe: „Meine Gnade genügt dir.“ ἡ γὰρ δύναμις ‹ 1,8; 4,7 ἐν ἀσθενείᾳ ‹ 10,10 τελεῖται – Das Verb τελέω ist papy-
rologisch gut bezeugt, begegnet aber vor allem in der Bedeutung „zahlen, bezahlen“, was in der Natur der Texte liegt, die in großer Zahl mit geschäftlichen Dingen zu tun haben. Die Bedeutung „vollenden“ ist eher selten: In P.Oxy. LV 3807,28 (ca. 26–28 n. Chr.?) ist von der Notwendigkeit, eine Registrierung (ἀπογραφή) fertigzustellen oder zum Abschluss zu bringen, die Rede.359 In O.Claud. IV 872,3–5 (vor 115 v. Chr.) geht es um die Mitteilung, wann eine Säule fertig und zur Verladung bereit ist.360
οὖν μᾶλλον καυχήσομαι ‹ 5,12 ἐν ταῖς ἀσθενείαις ‹ 10,10 μου – Während Paulus in 11,19 das Adverb ἡδέως verwendet hat, begegnet nun hier und in V. 15 der Superlativ ἥδιστα („sehr gern“). Eine Verbindung mit μᾶλλον
ἥδιστα
‹ 11,19
ist papyrologisch bisher nicht bezeugt, es lassen sich aber einige Beispiele aus privaten Briefen beibringen, wo jemand betont, etwas „sehr gerne zu tun“.
358
Siehe ferner P.Mich. XVIII 790,7 (2.–3. Jh. n. Chr.) und PSI XV 1554,9 (3. Jh. n. Chr.). Bei τελέσας in Z. 26 kann es um „fertig machen“ oder um „bezahlen“ gehen. 360 Um das Vollziehen oder Erfüllen von Opferungen geht es in P.Giss. I 99,11–12 (2.–3. Jh. n. Chr.; auf diesen Beleg und einige andere verweisen Moulton/Milligan, Vocabulary s. v. τελέω, für die Bedeutung „accomplish, fulfill“). 359
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Einzelheiten: 2Kor 12,8–10
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So schreibt z. B. der Absender von P.Oxy. LV 3806 (21. Mai 15 n. Chr.) gleich zu Beginn seines Briefes, der Adressat möge ihm über alles schreiben, was er brauche, er würde es „sehr gerne ausführen“ – Z. 5: ἥδιστα γὰρ ποιήσω{ι}.361
ἵνα ἐπισκηνώσῃ ἐπ᾽ ἐμὲ ἡ δύναμις ‹ 1,8; 4,7 τοῦ Χριστοῦ ‹ 1,1 – Das Verb ἐπισκηνόω362 („sich einquartieren“) kommt in den dokumentarischen Papyri bis-
her nicht vor.363
12,110 διὸ εὐδοκῶ ‹ 5,8 ἐν ἀσθενείαις ‹ 10,10, ἐν ὕβρεσιν – Bereits im Zusammenhang mit 5,8 wurde der papyrologische Befund des Verbs εὐδοκέω für die Bedeutung „für gut halten“ dargestellt. Für die Konstruktion mit ἐν und folgendem Dativ in der Bedeutung „Gefallen finden an“ lassen sich bisher keine Beispiele aus den Papyri beibringen.364 Für ὕβρις führt F. Preisigke die Bedeutungen „Übermut, schmähliche Behandlung, Beleidigung, Ehrverletzung, frevelhaftes Vorgehen, Verstoß gegen Ordnung und Gesetz“ an, ohne die zahlreichen Belege aus dokumentarischen Papyri den einzelnen Bedeutungen zuzuordnen.365 Dies ist insofern sinnvoll, als die Verwendung des Begriffes tatsächlich sehr breit ist und dieser eher abstrakt auf ein erlittenes Unrecht hinweist als auf einen konkreten Übergriff, dessen Opfer jemand geworden ist. Besonders häufig wird der Ausdruck in Eingaben verwendet,366 was bestätigt, dass die Betroffenen ὕβρις tatsächlich als Unrecht erleben. Im unmittelbaren Kontext werden meist Schläge (πληγαί) oder andere Gewalttätigkeiten erwähnt. Auch der Plural – wie an der vorliegenden Stelle – ist papyrologisch gut bezeugt. Beispiele in zeitlicher Nähe zu Paulus sind: Ein gewisser Stilbon beklagt sich in BGU XVI 2604,6–7 (28. September – 27. Oktober 7 v. Chr.) darüber, μετὰ πλη|γῶν καὶ ὑβρέων („mit Schlägen und Beleidigungen“) misshandelt worden zu sein. SB I 5235 (nach 25. Mai 14 n. Chr.) ist die Eingabe eines gewissen Satabus an den Präfekten Magius Maximus. Satabus klagt darin einen Nestnephis an, zusammen mit seinen Gefolgsleuten ihn beleidigt (in Z. 6 wird dafür das Verb ὑβρίζω verwendet)
361 Ähnlich P.Oxy. VII 1061,21–22 (25. Juni – 24. Juli 22 v. Chr.); SB IV 7461,11 (18. April 45 n. Chr.); P.Sarap. 103 ter,6 (90–133 n. Chr.); P.Brem. 21,10; 22,12; 52,10–11 (alle 113–120 n. Chr.); P.Ryl. II 434,10 (2. Jh. n. Chr.). 362 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 363 Die in SB I 3924,7 (19 n. Chr.) zu lesende Wendung ἐπὶ σκηνώσεις ist nach BL II.2 115 zu ἐπισκηνώσεις zu korrigieren; nach Oliver, Constitutions Nr. 16, ist aber nach wie vor (und in meinen Augen aufgrund des Zusammenhanges richtig) ἐπὶ σκηνώσεις zu lesen. 364 Am Befund von Moulton/Milligan, Vocabulary s. v. εὐδοκέω, hat sich also nichts geändert: „We are unable to illustrate the Bibl. constr. with ἐν from our documents“. 365 Vgl. Preisigke, Wörterbuch s. v. ὕβρις. 366 Siehe z. B. P.Vet.Aelii 9,35 (ca. 250–255); ähnlich mit dem Verb ὑβρίζω in P.Vet.Aelii 10,26 (zwischen 222–223 und ca. 250–255); zum iniuria-Delikt siehe P. Sänger in P.Vet.Aelii S. 85–86). – Ein Beispiel aus einem privaten Brief liegt hingegen mit O.Claud. I 151,5 (ca. 100–120 n. Chr.) vor (der gesamte Text des Ostrakons wird S. 60 wiedergegeben).
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und geschlagen zu haben. In der darauf folgenden Nacht hätten sie ihm in seiner Abwesenheit einen Mörser gestohlen. Nun wende er, Satabus, sich an den Präfekten, der schon durch Edikte verboten habe, dass derartige Verstöße und Gewaltakte zusammen verübt (wörtlich „vermischt“) werden – Z. 11–13: σοῦ οὖν καὶ δι᾽ ἐκθεμάτων | [ἀπα]γο[ρ]εύ[σαντος] μί[σ]γεσθα[ι τὰς] τοιαύτας ὕ[βρεις] καὶ | [πληγάς]. In derselben Angelegenheit367 schrieb Satabus auch an den Centurion Lucretius eine Eingabe, in der er u. a. anführt, dass Nestnephis gegen ihn und seine Leute Beleidigungen ausgestoßen (SB I 5238,19 [nach 26. Mai 14 n. Chr.]: [ὕβρε]ις εἴς με καὶ τοὺς παρ᾽ [ἐμ]οῦ ὄ[ντα]ς) und ihm im Dorf Schläge erteilt habe (Z. 21: [ἐν τῇ κώμ]ῃ πληγὰς ἐπιφέρει μ̣ ο̣ ι). In der Eingabe P.Ryl. II 145 (29. Dezember 38 n. Chr.) beklagt sich ein gewisser Diktas über den Bierbrauer Chairemon, dieser habe den Seinen bereits ganz viele Beleidigungen angetan (Z. 7–9: πλεί|στας ὕβ[ρει]ς τοῖς παρ᾽ ἐμοῦ | συντελῶν ἔτι); das hätte ihm aber noch nicht genügt und er habe den Bierbrauer des Diktas, Artemidoros, körperlich schwer misshandelt und beraubt (vgl. Z. 10–18). Weitere Belege für den Plural sind: P.Oslo II 22,8 mit BL III 120 (4. November 127 n. Chr.); PSI V 446,8 (133–137 n. Chr.); P.Mich. III 174,15 (144–147 n. Chr.); P.Ross.Georg. II 20,22 (ca. 146 n. Chr.); SB XX 14401,12.13 (19. Oktober 147 n. Chr.); P.Fouad I 26,43 (158–159 n. Chr.); P.Oxy. II 237, Kol. VI 15 (nach 27. Juni 186 n. Chr.; die Singularform begegnet in Kol. VI 20 und Kol. VII 27).
ἐν ἀνάγκαις ‹ 6,4, ἐν διωγμοῖς καὶ στενοχωρίαις ‹ 6,4, ὑπὲρ Χριστοῦ ‹ 1,1 – Von einem διωγμός368 („Verfolgung“) ist für den in Frage kommenden Ver-
gleichszeitrahmen bisher lediglich in einem Ostrakon die Rede: In O.Claud. II 357,4 (2. Hälfte 2. Jh. n. Chr.) wird damit eine „Treibjagd“ bezeichnet, die von einer Gruppe Soldaten unternommen werden soll; Opfer dieser „Jagd“ oder „Verfolgung“ könnten βάρβαροι, also Beduinen, sein.369
Der Beleg zeigt immerhin, dass bei διωγμός nicht nur an eine Verfolgungssituation allgemeiner Art zu denken ist, sondern auch an konkrete Unternehmungen durch feindlich gesinnte – private oder offizielle – Gruppen. ‹ 10,10
, τότε δυνατός εἰμι – Die dokumentarischen Papyri bieten zwar einige Beispiele, wo ein Mensch als δυνατός bezeichnet wird, doch lässt sich stets aus dem Zusammenhang konkret angeben, wozu der Betreffende gerade oder grundsätzlich „imstande“ oder „in der Lage ist“. In den Korintherbriefen hingegen verwendet Paulus das auf Personen bezogene Adjektiv absolut, also ohne nähere Einschränkung (vgl. auch 13,9 und 1Kor 1,26).370 ὅταν γὰρ ἀσθενῶ
12,111 γέγονα ἄφρων ‹ S. 467, ὑμεῖς με ἠναγκάσατε – Mit ἀναγκάζω („zwingen“) kann in den Papyri u. a. auf Tätigkeiten oder Funktionen abgezielt wer367 368 369 370
Zum Nestnephis-Prozess siehe bes. Rupprecht, Streitigkeit. Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. Vgl. W. van Rengen in O.Claud. II S. 196. Vgl. F. Winter in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 105 (mit Beispielen).
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Einzelheiten: 2Kor 12,10–11
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den, zu deren Durchführung oder Ausübung jemand verpflichtet oder genötigt wird.371 Hier spricht Paulus davon, dass er von den Adressatinnen und Adressaten des Briefes zu einer eher negativen Verhaltensweise oder Einstellung, nämlich unbesonnen zu sein, veranlasst wurde. Ein gutes Vergleichsbeispiel findet sich im Entwurf für einen Brief, den vermutlich ein Freigelassener an seinen Patron geschrieben hat (BGU IV 1141 [mit Olsson, Papyrusbriefe Nr. 9]).372 Abgefasst wurde das Schriftstück höchstwahrscheinlich im Jahr 14– 13 v. Chr. in Alexandria. Der Briefsender wehrt sich in seinem Schreiben gegen Unterstellungen und nimmt dabei auch auf einen vorhergehenden Brief Bezug. Von Beginn an macht er deutlich, dass er nun ganz offen sein und zu den Vorwürfen nicht mehr schweigen werde, indem er schreibt – Z. 6–9: κ̣ ε̣κ̣ ε̣τ̣ρ̣ [ίσθ]αι δ̣ ο̣ κ̣ ε̣ῖς̣ ̣, ὅτι μω̣ ρά̣ ντι σοὶ γράψα̣ ι ̣ | ἀναγκάζομαι, μηκέτι σοὶ μηθὲν γ̣ρ̣ ά̣ ψ̣ α̣ ι,̣ [ἵνα] νοήσῃς, ὅτι δὲ `ἐν τῇ´ πρώτῃ μου | ̣ ̣ ὶ ̣ ἐνφ⟧ ἔργον ἐπιτελῶ{ι} ἐπιστολῇ οὐθὲν ἁμάρτημα ἔνει, ο̣ ὐ̣ δ̣ ὲ̣ [γ]ὰρ ⟦ε̣ἰμ ἐν|φανιστοῦ, οὐδὲ σὲ γὰρ δοκῶ{ι} εἰς ἐνφα[ν]ιστοῦ τόπον με ἔχειν („du scheinst aufgestachelt worden zu sein, dass ich gezwungen bin, dir als einem Dummen zu schreiben, nicht mehr, dir nicht zu schreiben, damit du erkennst, dass in meinem ersten Brief keine Verfehlung steckt, und ich führe nämlich nicht das Werk eines Angebers aus und ich glaube nicht, dass du mich an der Stelle eines Angebers hast“). In einer leider nur mehr fragmentarisch erhaltenen Eingabe aus dem späten 1. Jh. n. Chr., deren Zusammenhänge unklar bleiben, heißt es – P.Oxy. IV 717,14–15: [ - - - ἠν]άγκασμαι βοᾶν αὐτῶι ὅτι | [ - - - ]. Der Petent gibt also an, dass er gezwungen war, jemanden anzuschreien. Wenn damit – wie ich annehme – gemeint ist, dass er dies eigentlich nicht wollte, findet sich auch hier eine gute Parallele zu Paulus.373
ἐγὼ γὰρ ὤφειλον ὑφ᾽ ὑμῶν συνίστασθαι ‹ 3,1· οὐδὲν γὰρ ὑστέρησα ‹ 11,5 τῶν ὑπερλίαν ‹ 11,5 ἀποστόλων ‹ 1,1, εἰ καὶ οὐδέν εἰμι – Außerhalb eines finanziellen Zusammenhangs wird mit ὀφείλω häufig ein (insbesondere gesetzliches)
Verpflichtetsein bezeichnet, das der einfachen Bedeutung „sollen, müssen“ anhaften kann.374 Wie bereits P. Arzt-Grabner im Zusammenhang mit 1Kor 13,2 festgestellt hat, liegen in den dokumentarischen Papyri zwar Beispiele für prädikatives οὐδέν/οὐθέν vor, doch sind alle auf Sachen bezogen und aufgrund eines lückenhaften Kontextes auch nicht näher deutbar.375
371 Beachte etwa die Beispiele im Zusammenhang mit der Verpflichtung zu einer Liturgie, die R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 354–357, bietet. 372 Zum gesamten Brief siehe oben S. 62–66. 373 Weitere Beispiele dafür, dass jemand einen anderen zu einer bestimmten Verhaltensweise zwingt, sind etwa BGU XVI 2657,16–18 (17–16 v. Chr.); SB XVI 12556,4–7 (ca. 138–144 n. Chr.); BGU I 180,16–17 (24. Februar 172 oder 204 n. Chr.); P.Oxy. VII 1069,20–21 (3. Jh. n. Chr.). 374 Siehe dazu mit Beispielen R. E. Kritzer und P. Arzt-Grabner in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 309–310; dies., Bräutigam 98; Kreinecker, 2. Thessaloniker 111–112. 375 Vgl. P. Arzt-Grabner in ders./Kritzer u. a., 1. Korinther 435.
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12,112 τὰ μὲν σημεῖα τοῦ ἀποστόλου ‹ 1,1 κατειργάσθη ‹ 4,17 ἐν ὑμῖν ἐν πάσῃ ὑπομονῇ ‹ 1,6, σημείοις τε καὶ τέρασιν καὶ δυνάμεσιν ‹ 4,7 – Für σημεῖον ist auch in den dokumentarischen Papyri die Bedeutung „Zeichen“ oder „Beweis“ (der Authentizität) gut bezeugt.376 Die ebenfalls belegte Bedeutung „Mal, Makel“ scheidet für die paulinische Verwendung (neben der vorliegenden Stelle siehe auch Röm 4,11; 15,19; 1Kor 1,22; 14,22) hingegen aus. Das Substantiv τέρας („Wunder“) ist in den Papyri bisher nicht belegt. 12,113 τί γάρ ἐστιν ὃ ἡσσώθητε ὑπὲρ τὰς λοιπὰς ἐκκλησίας ‹ 1,1, εἰ μὴ ὅτι αὐτὸς ἐγὼ οὐ κατενάρκησα ‹ 11,9 ὑμῶν; – Zur ionischen Verbform ἑσσόομαι377 (wörtlich „schwächer/geringer sein“) existieren in den Papyri keine Belege; hingegen ist die Form ἡσσάομαι (bzw. attisch ἡττάομαι) sowie das zugehörige Aktiv belegt. In ptolemäischer wie römischer Zeit war ἡσσάομαι ein spezieller Ausdruck für das „Unterliegen“ in einem Prozess: So stößt man etwa in P.Hal. 1 (nach 259 v. Chr.) dreimal auf die Wendung ἐάν ἡσσηθῇ („im Falle, dass sie/er [nämlich die Klägerin bzw. der Kläger] unterliegt“)378.
Weitere Beispiele handeln von einer Niederlage im Wettkampf oder bei kriegerischen Auseinandersetzungen: So hofft der Absender von P.Giss. I 24 (115 n. Chr.)379, dass sein Briefpartner im Wettstreit (vor allem gegen den „unbesiegten Hermes“ – Z. 3: τοῦ ἀνικήτο̣ υ Ἑρμοῦ) keine Niederlage einstecken muss – Z. 3–4 mit BL IX 92: οὐ μή | σε ἡ̣ ττήσωσι{σι} („auf dass sie dich nicht besiegen“). Tatsächlich „besiegt“ wurden hingegen einige in P.Brem. 1,3 (ca. Dezember 115 n. Chr.)380 genannte Dorfbewohner (Z. 7–8: ἡττ[ή]|θησαν), und zwar von einer Gruppe von Juden während des Judenkrieges.
Allen Belegen gemein ist, dass sie eine Kampfsituation beschreiben, an der mindestens zwei konkurrierende Parteien beteiligt sind. Die Konkurrenz für die Gemeinde von Korinth sind die übrigen Gemeinden, denen gegenüber sie sich offensichtlich benachteiligt fühlt – ein Eindruck, den Paulus an dieser Stelle karikiert. 376 Zum Befund siehe F. Winter in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 95–96, und die dort in Anm. 172 angegebene Literatur; vgl. auch Kreinecker, 2. Thessaloniker 173. Weitere Belege für ein Zeichen oder einen Beweis der Authentizität sind O.Did. 361,6 (76–77 n. Chr.); 364,6–7 (vor ca. 88–96 n. Chr.); 464,7 (spätes 2. – frühes 3. Jh. n. Chr.); P.Euphrates 17,23–24 (Mitte 3. Jh. n. Chr.). 377 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 378 Z. 53–54: ἐὰν δὲ | {ἐν δ[ὲ} ἡ]σσηθῆι (vgl. Z. 115); Verso 187–188: ἐὰν | δίκηι ἡσσηθῆι („wenn er im Rechtsstreit unterliegt“); möglicherweise in der gleichen Bedeutung der lückenhafte P.Hib. II 197,53 (Mitte 3. Jh. v. Chr.). Für die römische Zeit vgl. P.Oxy. XLVI 3285,14 (2. Hälfte 2. Jh. n. Chr.). 379 Nach Pucci Ben Zeev, Diaspora Judaism 168–169, 30. Juni 117 n. Chr. 380 Nach Pucci Ben Zeev, Diaspora Judaism 170, vor August 117 n. Chr.
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Einzelheiten: 2Kor 12,12–13
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χαρίσασθέ ‹ 2,7 μοι τὴν ἀδικίαν ταύτην – Paulus meint den Satz natürlich ironisch, was durch die Verwendung des Verbs χαρίζομαι unterstrichen wird.
Üblicherweise wird es an dieser Stelle mit „verzeihen“ übersetzt, was aber nicht eindeutig belegt ist (siehe dazu ausführlich oben bei 2,7). Die papyrologisch für die Zeit des Paulus gut bezeugte Bedeutung „gewähren“ gibt der Aussage einen guten Sinn und macht die Ironie deutlich. Die Papyrusbelege381 handeln jeweils vom römischen Imperator, der als Machthaber den von ihm adressierten Untertanen Privilegien gewährt. Es geht also dabei um ein deutliches Gefälle, das Paulus hier auf die Gemeindemitglieder und sich selbst anwendet, und zwar in einer doppelten Ironie: er macht sich selbst zum Bittsteller gegenüber den vermeintlichen Machthabern der Gemeinde, und obendrein sollen sie ihm nicht – wie zu erwarten wäre – eine Gnade oder Gunst gewähren, sondern das Stück ἀδικία, das er vielleicht vor ihren Augen soeben an den Tag gelegt hat, also das Privileg, sich so verhalten zu haben. Freilich ist es nahe liegend, aufgrund des negativen Objekts ἀδικία bei χαρίζομαι an die Bedeutung „verzeihen, nachsehen“ zu denken. Den damaligen Adressatinnen und Adressaten mag aber der papyrologisch bezeugte sprachliche Hintergrund und somit die auch darauf gründende Ironie durchaus deutlich gewesen sein. Der Begriff ἀδικία ist papyrologisch „gleichmäßig über die gesamte griechischsprachige Epoche Ägyptens von der frühptolemäischen bis in die spätbyzantinische Zeit“382bezeugt. Neben der auch hier von Paulus verwendeten Bedeutung „Unrecht, Ungerechtigkeit, Ruchlosigkeit“ begegnen auch Beispiele für „Benachteiligung, Schaden“.
381 Siehe dazu P.Lond. VI 1912,58–59 (vor 10. November 41 n. Chr.); CPR XXIII 2,9 (38–41 n. Chr.); SB XII 11012,6–10 (55 n. Chr.) (alle drei ausführlicher kommentiert von F. Winter in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 131–132). 382 Papathomas, Begriffe 173 (mit zahlreichen Belegen S. 173–174); vgl. Kreinecker, 2. Thessaloniker 175.
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Abschließender Teil des Briefcorpus (2Kor 12,14–13,11)
Abschließender Teil des Briefcorpus (2Kor 12,14–13,11) Mit 12,14–13,11 folgt der abschließende Teil des Briefcorpus, der im griechisch-römischen Brief allgemein dazu dient, den Anlass oder das Grundanliegen des aktuellen Briefes noch einmal anzusprechen und die Basis für die zukünftige Korrespondenz oder ein persönliches Zusammentreffen zu legen.1 Wie zahlreiche Papyrusbriefe zeigen, ist dieser Abschnitt für verschiedene briefliche Konventionen prädestiniert.2 J. L. White hat dafür verschiedene Möglichkeiten identifiziert, von denen in einem Brief freilich auch mehrere vorkommen können. Die wesentlichsten sind: – Formel, die eine Information einleitet (sog. disclosure formula) oder um eine Auskunft ersucht,3 – Appell an das Verantwortungsbewusstsein der Adressatin oder des Adressaten,4 – Ausdruck der Enttäuschung über die Adressatin oder den Adressaten, formuliert als konditionale Perioden in Form einer Drohung nach dem Muster „wenn Adressatin/Adressat dieses oder jenes tut, wird das und das eintreten“,5 – Bitte um einen Brief oder/und das Versprechen, auch selbst wieder zu schreiben,6 – Ankündigung eines Besuches.7 Im 2Kor ist der abschließende Teil des Briefcorpus relativ umfangreich. Den roten Faden bildet die Ankündigung des dritten Besuches in Korinth (beachte 12,14 und 13,1; ferner 12,20–21; 13,2.10; eine deutliche disclosure formula begegnet in 13,2). Dazwischen lässt Paulus immer wieder seine Enttäuschung und Sorge über das aktuelle Verhalten bestimmter Gemeindemitglieder durchblicken, über die er vorher ausführlicher geschrieben hat. Drohungen im Zusammenhang mit seinem bevorstehenden Besuch bringt Paulus in 13,2.10 zum Ausdruck. In 13,11 schließlich appeliert er an die Gemeinde, verantwortungsvolle Verhaltensweisen an den Tag zu legen.
1
Vgl. White, Analysis 21–22.38–39; ders., Form and Function 42. Siehe White, Mission 152: „We find a spectrum of phrases that close the body of letters. Writers plead, cajole and threaten recipients to attend to some duty specified in the letter. In this case the body closing functions as a means of finalizing and underscoring the reason for writing. In the attempt to ‚nail down‘ how the recipient should respond, the letter writer also tends to convey his/her disposition toward the recipient as a means of securing compliance.“ 3 Siehe White, Light 204–205; ders., Form and Function 24–25.43.45–46 (jeweils mit Beispielen). 4 Siehe White, Form and Function 46–48 (mit Beispielen). 5 Siehe White, Form and Function 26–26 (mit Beispielen); vgl. ders., Analysis 22. 6 Siehe White, Analysis 24–25. 7 Siehe White, Form and Function 49–51; Arzt-Grabner, Philemon 253–258 (jeweils mit zahlreichen Beispielen). 2
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Besuchsankündigung und -vorbereitung: 2Kor 12,14–13,10
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2Kor 12,14–13,10 Besuchsankündigung und Vorbereitung des Besuchs 14 Siehe, dieses dritte Mal halte ich mich bereit, zu euch zu kommen, und ich werde nicht zur Last fallen; denn ich suche nicht eure Habe, sondern euch. Denn nicht die Kinder schulden den Eltern, Schätze zu sammeln, sondern die Eltern den Kindern. 15 Ich aber werde mich am liebsten verausgaben und völlig verausgabt werden für eure Seelen. Wenn ich euch über die Maßen liebe, soll ich weniger geliebt werden? 16 Aber sei’s drum, ich habe euch nicht beschwert; aber als Verschlagener habe ich euch mit List in meine Gewalt gebracht. 17 Habe ich euch etwa durch einen von denen, die ich zu euch geschickt habe, übervorteilt? 18 Ich bat Titus und schickte den Bruder mit; hat euch Titus etwa übervorteilt? Wandelten wir nicht in demselben Geist? Nicht in denselben Spuren? 19 Längst meint ihr, dass wir uns vor euch verteidigen. Vor Gott in Christus reden wir; alles aber, Geliebte, für euren Bau. 20 Ich fürchte nämlich, dass ich euch womöglich, wenn ich komme, nicht als solche finde, wie ich will, und ich bei euch als solcher befunden werde, wie ihr nicht wollt; womöglich Streit, Eifersucht, Zornausbrüche, Streitsüchteleien, üble Nachreden, Verleumdungen, Überheblichkeiten, Unruhen; 21 dass mich, wenn ich wieder komme, mein Gott euch gegenüber erniedrigt und ich über viele von denen, die vorher gesündigt haben und nicht umgekehrt sind bei der Unreinheit und Unzucht und Zügellosigkeit, die sie begangen haben, trauere. 13 Dieses dritte Mal komme ich zu euch; durch den Mund von zwei Zeugen und von drei wird jede Sache (fest)stehen. 2 Ich habe es vorher gesagt und sage es denen, die vorher gesündigt haben, und den übrigen, vorher, wie als ich zum zweiten Mal anwesend war und jetzt in Abwesenheit, dass ich, wenn ich wieder komme, nicht schonen werde, 3 weil ihr einen Beweis sucht für Christus, dass er durch mich redet, der euch gegenüber nicht schwach ist, sondern in euch stark ist. 4 Denn aus Schwäche wurde er auch gekreuzigt, aber er lebt aus der Stärke Gottes. Auch wir sind ja schwach in ihm, aber wir werden euch gegenüber mit ihm leben aus der Stärke Gottes. 5 Stellt euch auf die Probe, ob ihr im Glauben seid, prüft euch! Oder erkennt ihr nicht an euch selbst, dass Jesus Christus in euch ist? Es sei denn, ihr seid Unbewährte. 6 Ich hoffe aber, dass ihr erkennen werdet, dass wir nicht Unbewährte sind. 7 Und wir beten zu Gott, dass ihr überhaupt nichts Böses tut, nicht, damit wir als Bewährte erscheinen, sondern, damit ihr das Gute tut, wir aber wie Unbewährte sind. 8 Denn wir vermögen nichts gegen die Wahrheit, sondern für die Wahrheit. 9 Wir freuen uns nämlich, wenn wir schwach sind, ihr aber Starke seid; darum beten wir auch, eure Vervollkommnung. 10 Deswegen schreibe ich das in Abwesenheit, damit ich nicht, wenn ich anwesend bin, mich streng verhalte gemäß der Macht, die mir der Herr zum Bau gab und nicht zum Niederreißen.
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Abschließender Teil des Briefcorpus (2Kor 12,14–13,11)
Zahlreiche papyrologische Beispiele für die Ankündigung eines Besuches und die Sorge um dessen Vorbereitungen habe ich bereits im Philemon-Kommentar dieser Reihe geboten.8 Die Ankündigung eines dritten Besuches findet sich in den Papyrusbriefen nicht. Ein Beispiel, das dem paulinischen Text am nächsten liegt, ist P.Oxy. XIV 1768,3–5 (3. Jh. n. Chr.), wo das Schreiben des vorliegenden Briefes „zum ersten und zweiten und dritten Mal“ erwähnt wird: πρώτην καὶ δευτέραν καὶ τρί|την ταύτην ἐπιστολὴν ὑμεῖν | γ[ρ]άφω.9 12,114 ἰδοὺ τρίτον τοῦτο ἑτοίμως ἔχω ναρκήσω
‹ 11,9
‹ 10,6
ἐλθεῖν πρὸς ὑμᾶς, καὶ οὐ κατα· οὐ γὰρ ζητῶ τὰ ὑμῶν ἀλλὰ ὑμᾶς – Das Verb ζητέω10 ist in
den dokumentarischen Papyri in unterschiedlichen Bedeutungsnuancen bezeugt, die von einfachem „Suchen“ über „Aufsuchen“ bis hin zu „Ausforschen“ und „Überprüfen“ reichen.11 Paulus distanziert sich hier deutlich davon, es womöglich auf das Hab und Gut der Gemeindemitglieder abgesehen zu haben und ihnen auf diese Weise zur Last zu fallen. Ein vergleichbares Beispiel für diese Verwendung von ζητέω in zeitlicher Nähe zu Paulus ist P.Harr. II 178,9 (83–84 n. Chr.?), wo es darum geht, dass Aufständische (vielleicht Beamte) einen „Gewinn aus dem staatlichen Fiskus anstreben“: κέρδος ζητοῦσιν τοῦ κυρ̣ ι[̣ ακοῦ λόγου].
In diesen Gerichtsakten ist das Verb im Sinne eines nicht gerechtfertigten Erstrebens eines materiellen Gutes zu verstehen, das den Genannten verweigert wird. Eine vergleichbare Konnotation trifft zunächst auch auf ζητῶ τὰ ὑμῶν an der vorliegenden Stelle zu, indem sich Paulus hier gegen den impliziten Vorwurf verwehrt, sich am Besitz der Gemeindemitglieder vergreifen zu wollen. Eine ganz andere, nämlich überaus positive Bedeutung erhält ζητῶ im anschließenden Bezug auf ὑμᾶς: Paulus geht es um die Gemeindemitglieder selbst, er „sucht“ die persönliche Gemeinschaft mit ihnen. Auf Personen bezogene Beispiele finden sich auch in den Papyri, sie sind aber nur bedingt mit der vorliegenden Paulusstelle vergleichbar: Ein Beleg für das einfache Suchen einer Person ist z. B. P.Col. IV 110,1–2 (Mitte 3. Jh. v. Chr.), wo es in fragmentarischem Kontext heißt: [παραγενό|μ]ενος̣ μὲν̣ Χρύσερμος `ὑμᾶς τ᾽ ἐζήτει´ („nachdem Chrysermos angekommen war und euch suchte“; danach hieß es vermutlich, dass Chrysermos sie nicht fand und deshalb dem Absender dieses Briefes einen bestimmten Auftrag erteilte – Z. 3: ἐκέλευέν με τὴν τ[ιμὴν - - - ]). 8
Siehe Arzt-Grabner, Philemon 253–258. Auf diesen Papyrusbrief hat bereits Windisch, 2Kor 399, hingewiesen. 10 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 11 Vgl. R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 97; einige Belege zu den verschiedenen Verwendungsweisen bei Preisigke, Wörterbuch s. v. ζητέω. 9
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Einzelheiten: 2Kor 12,14–15
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Der Empfänger von SB XX 14242 (1. Hälfte 1. Jh. n. Chr.) wird aufgefordert „zu schauen, ob du mir einen findest“ (Z. 17–18: ζητῆσαι ὡς ἕνα | εὕρῃς μοι), um etwas zu erledigen. Der Absender von P.Mich. III 203 (114–116 n. Chr.) befindet sich als Soldat mit seiner Truppe in Pselkis, von wo aus er seinen Angehörigen versichert – Z. 16: μαρ̣ τ̣υρήσουσιν ἡμεῖν (l. ὑμῖν) πάντες οἱ ἐρχό|μενο[ι] π̣ ῶς καθ᾽ ἡμέρα ζητῶ̣ [τ]οῦ ἐλθεῖν („euch werden alle, die kommen, bezeugen, wie ich täglich danach trachte, zu kommen“).12
οὐ γὰρ ὀφείλει ‹ 12,11 τὰ τέκνα ‹ 6,13 τοῖς γονεῦσιν θησαυρίζειν ἀλλὰ οἱ γονεῖς τοῖς τέκνοις – Das in der Koiné nur im Plural vorkommende γονεῖς begegnet
in den dokumentarischen Papyri und Ostraka durchwegs in der – auch hier von Paulus verwendeten – Bezeichnung für die leiblichen „Eltern“. Einige Belege aus paulinischer Zeit sind: P.Oxy. II 281,10 (20–50 n. Chr.); P.Mich. V 350,12 (24. August 37 n. Chr.); PSI X 1131,26–27 (18. Oktober 41 n. Chr.); P.Mich. II 121, Rekto, Kol. IV i,3 (30. April – 28. Mai 42 n. Chr.); 123, Rekto, Kol. VI 26 (5. September 45–23. August 46 n. Chr.); V 339,5 (26. April – 25. Mai 46 n. Chr.); 238, Rekto 92 (26. Dezember 46 n. Chr.); 341,3 (vor 26. August 47 n. Chr.); SB XX 14285,13 (4. Dezember 59 n. Chr.); P.Flor. I 79,24 (26. August 60 n. Chr.).
Das Verb θησαυρίζω ist in den dokumentarischen Papyri und Ostraka bisher nicht bezeugt. 12,115 ἐγὼ δὲ ἥδιστα ‹ 11,19; 12,9 δαπανήσω καὶ ἐκδαπανηθήσομαι ὑπὲρ τῶν ψυχῶν ‹ 1,23 ὑμῶν – Das Wortfeld um das Verb δαπανάω („aufwenden, ausgeben, Unkosten haben, verwenden, aufzehren“) ist in den dokumentarischen Papyri und Ostraka entsprechend seiner Bezogenheit zum wirtschaftlichen Alltag gut bezeugt. Im Vergleich mit Paulus ist ein Beleg erwähnenswert, in dem es um die Ausgaben für ein gemeinsames Unternehmen und für den anderen Partner geht: Gleich zu Beginn einer Abrechnung, in der es um die Rückzahlung von Ausgaben eines Mitpächters geht (P.Bad. II 19 b [20. Dezember 109 n. Chr.]), bestätigt ein gewisser Didymos gegenüber seinem Partner Allion, dass dieser zur gemeinsamen Bebauung eines Landguts für jenen Teil, der Didymos zufällt, eine bestimmte Geldsumme „ausgegeben hat“ (Z. 19 mit BL XI 9 ἐδαπάνησας).13 Anschließend bestätigt Didymos, die genannte Summe nach Ablauf einer vereinbarten Frist unverzüglich für Allion in die öffentliche Bank einzuzahlen.
Im genannten Dokument wird die Rückzahlung zu einem bestimmten Termin vereinbart. Bei Paulus ist dies nicht der Fall. Dass er „sich verausgaben“ wird (ἐκδαπανηθήσομαι ist hier wohl in diesem Sinn aufzufassen), ist vom Zusammenhang her als Geschenk an die Gemeinde zu verstehen. 12
Weitere Beispiele bei Preisigke, Wörterbuch s. v. ζητέω 8); Kiessling, Wörterbuch s. v.
ζητέω 5).
13 Auf dem Papyrus befinden sich zwei Dokumente untereinander, die vorliegende Abrechnung beginnt in Z. 18.
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Abschließender Teil des Briefcorpus (2Kor 12,14–13,11)
Das Kompositum ἐκδαπανάω („verausgaben“)14 ist in den dokumentarischen Papyri bisher nicht belegt.15 ‹ 2,4
ὑμᾶς ἀγαπῶ[ν]
‹ 2,4 ἀγάπη
, ἧσσον ἀγαπῶμαι; – Den papyrologischen Befund zum Komparativ ἧσσον hat bereits R. E. Kritzer im Zusammenhang mit 1Kor 11,17 dargeboten. In Kombination mit einem Verb wie hier dient die Form auch in den Papyri in einigen Beispielen dazu, „die Intensität einer Eigenschaft oder Handlung zu definieren“16 (also im Sinne von „weniger“). εἰ περισσοτέρως
12,116 ἔστω δέ, ἐγὼ οὐ κατεβάρησα ὑμᾶς – Das Kompositum καταβαρέω („beschweren, belasten“) ist papyrologisch wenig bezeugt. Zumeist geht es um Belastungen, die durch Anordnungen von offizieller Seite entstehen wie Liturgien oder Steuerabgaben. Derartige Belastungen werden in sämtlichen Fällen als nicht gerechtfertigt angesehen. So stellt ein gewisser Nikias in seiner Eingabe an den Epistrategen Statilius Maximus vom 14. Dezember 156 n. Chr. den Antrag auf Befreiung von einer Vormundschaft, weil er bereits durch mehrere Liturgien belastet ist P.Oxy. III 487,10–11: ἐμοῦ τε καταβαρη|θ̣ έ̣[ν]τος ἐν ταῖς λιτουργίαις (ähnlich SB XVI 12994,17 [20. Juli 241 n. Chr.]). In der Abschrift eines Briefes des Präfekten Baienus Blostianus ist im Zusammenhang mit Steuerflüchtigen von der Anordnung zu lesen, nicht denen, die im Lande verblieben sind, später die Abgaben jener aufzulasten, die nicht zurückkehrten – SB XIV 11374,16–18 (nach 21. Februar 168 n. Chr.): μηδὲ ὕστερον τοὺς ἐπι|χωρίους κατ̣[αβα]ρεῖσθαι εἰσφοραῖς τῶν οὐκ ἀνακε|χωρηκότων (um nicht gerechtfertigte Steuerlasten geht es auch in PSI X 1160,7 [Ende 1. Jh. v. Chr. – 1. Jh. n. Chr.]).17
Wenn also Paulus hier betont, dass er die Gemeindemitglieder nicht belastet hat, dann schwingt vom papyrologischen Hintergrund her der Aspekt mit, dass Paulus anerkennt, dass es sich dabei um nicht zu rechtfertigende Belastungen handeln würde. Derartiges habe er ihnen nicht zugemutet. ἀλλὰ ὑπάρχων πανοῦργος – Das Adjektiv πανοῦργος18 ist bisher nur in einem Papyrus aus byzantinischer Zeit belegt, wo es substantiviert als τὸ πανο̣ ῦργ̣ον („das Gefinkelte“) begegnet (P.Cair.Masp. III 67295 p. I,28 [2.
Hälfte 6. Jh. n. Chr.]).
14
So die Bedeutung nach Preisigke, Wörterbuch s. v. ἐκδαπανάω. Zu P.Bad. II 19 b,19 (20. Dezember 109 n. Chr.) beachte BL XI 9, wonach statt ἐξ̣ εδαπάνησας korrekt ἐπ̣ ε̣ὶ ̣ ἐδαπάνησας zu lesen ist. 16 R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 393 (mit einigen Beispielen). 17 In P.Köln IV 186,2 (2. Jh. v. Chr.) geht es hingegen um eine Gruppe von Soldaten, die ihre Gegner bei kämpferischen Auseinandersetzungen „sehr in Bedrängnis brachten“. 18 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 15
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Einzelheiten: 2Kor 12,15–17
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– Das Wort δόλος19 („List“) ist in den Papyri ein häufig angewendeter juristischer Terminus. Die frühesten Belege stammen erst aus dem 2. Jh. n. Chr. und folgen dem lateinischen Sprachgebrauch des römischen Rechts, wobei bis zum 4. Jh. n. Chr. sämtliche Texte mit Erbschaftsangelegenheiten zu tun haben: δόλῳ ὑμᾶς ἔλαβον
‹ 11,4.20
So ist etwa zu Beginn von P.Oxy. XXXVIII 2857 (134 n. Chr.), dem Entwurf eines Testaments (das in einem zweiten Schritt auch ins Lateinische übersetzt wurde20), festgehalten – Z. 5–6: αὑτή τε κατάδικος ἔστω διδόναι ποιεῖν πάντα ὅσα ἐν | ̣ θήκῃ ἐνγεγραμμένα ἔσονται χωρὶς δόλο(υ) πονηρο(ῦ) („diese [d. h. ταύτῃ τῇ δ̣ ια die Erbin] soll verpflichtet sein, alles zu gewähren und zu tun, was in diesem Testament geschrieben stehen wird, ohne böse List“, also „ohne Arglist“); das griechische χωρὶς δόλου πονηροῦ entspricht dabei dem lateinischen sine dolo malo21; am Ende des Testaments heißt es dann – Z. 26–27: ταύτης τῆς διαθήκης | δό̣ λος πονηρὸς ἀπίτω („von diesem Testament entferne sich22 Arglist!“).23
Ob Paulus mit dem Gebrauch von δόλος tatsächlich aus der Rechtssprache schöpft, ist fraglich, hat der Begriff doch schon eine lange Tradition in der epischen und dramatischen griechischen Literatur.24 Die „List“ oder „Arglist“, deren Anwendung Paulus in seiner Funktion als Apostel von sich weist, hat in jedem Fall mit vorsätzlichem, betrügerischem Handeln zu tun, ob sie nun als für bestimmte Menschen charakteristische Wesensart oder als rechtlich gesehen zu ahnendes Delikt zu verstehen ist. 12,117 μή τινα ὧν ἀπέσταλκα πρὸς ὑμᾶς, δι᾽ αὐτοῦ ἐπλεονέκτησα ‹ 2,11 ὑμᾶς; – Papyrusbelege für ἀποστέλλω, in denen es um das Entsenden von Personen geht, handeln stets von „bestimmten, in kurzer Zeit auszuführenden Aufträgen […] Die ausgesandte Person ist die Zwischeninstanz, die die ihr angeordneten Dinge einem Auftrag entsprechend zu erfüllen hat.“25 Dies trifft auch auf die vorliegende Paulusstelle zu. 19
Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. Zur vollständigen Rekonstruktion der lateinischen Version siehe bei Migliardi Zingale, Testamenti Nr. 4. 21 Zum in Z. 15 erneut zu lesenden χ̣ ω̣ ρ̣ ὶς [δό]λ̣ ου πονη[ρ]οῦ bemerken A.H.M. Jones und J. Crook in P.Oxy. XXXVIII S. 79: „χωρὶς δόλου πονηροῦ appears to be misplaced“. 22 Meist heißt es griechisch – z. B. BGU VII 1655,45 (169 n. Chr.): ταύτῃ τῇ διαθήκῃ δόλος πονερὸς ἀπέστω („diesem Testament sei Arglist fern“, also „dieses Testament sei frei von Arglist“), was dem lateinischen huic testamento dolus malus abesto entspricht. 23 Vgl. weiters z. B. BGU I 326, Kol. II 3 (194 n. Chr.); P.Hamb. I 73,12 (2. Jh. n. Chr.); P.Select. 14,29 (2. Jh. n. Chr.). Mitunter, in der Regel ab dem 4. Jh. n. Chr. (als einzige Ausnahme ist hier O.Claud. III 580,7–8 [143–144 n. Chr.] zu nennen), begegnen oben genannte Formeln (bisweilen abgewandelt) auch in anderen Verträgen, wie etwa in einem Pachtvertrag (P.Vind.Bosw. 10,3 [4. Jh. n. Chr.]). – Die sog. exceptio doli kam nach römischen Rechtsbestimmungen bei jedem zum Tragen, der durch Betrug veranlasst worden war, sich zu einer Leistung zu verpflichten (vgl. dazu Kaser/Knütel, Privatrecht 77–79.208). 24 Belege bei LSJ s. v. δόλος. 25 F. Winter in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 78 (mit Belegen). 20
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Abschließender Teil des Briefcorpus (2Kor 12,14–13,11)
12,118 παρεκάλεσα ‹ 2,8 Τίτον ‹ 2,13 καὶ συναπέστειλα τὸν ἀδελφόν ‹ 1,1 – Mit dem Verb συναποστέλλω wird ein mehr oder weniger deutliches „Mit-Schicken“ bezeichnet, wobei es sich bei dem Mitgeschickten um eine Sache oder eine Person handeln kann. Der Großteil der papyrologischen Belege gehört dem Zenon-Archiv an. P.Cair.Zen. III 59363,4–18 (26. November 243 v. Chr.) z. B. enthält die dringende Bitte an Zenon, mit einem gewissen Moschos und einem Sositheos Weizen und Gerste zu schicken und ebenso einen Sitometres26 mitzuschicken, der für die korrekte Lieferung an den Absender des Briefes Sorge tragen soll: καλῶς | ἂν ποιήσαις ἀπο|στείλας ἐν τάχει | τὸν πυρὸν καὶ τὴν | κριθὴν μετὰ Μόσχου | καὶ Σωσιθέου· ὡσαύτως | δὲ καὶ σιτομέτρην | συναπόστ̣ειλον, ὃς ἀ|ποκαταστήσει πρὸς | ἡμᾶς. Aus dem Zeitraum zwischen 221 und 218 v. Chr. sind mehrere Eingaben an den ptolemäischen König, sog. Enteuxeis, erhalten, die am Ende den von zweiter Hand geschriebenen amtlichen Vermerk tragen, dass jemand „mitgeschickt wurde“ (συναπεστάλη).27 Was der Delegierte genau zu tun hat, wird nicht gesagt,28 doch wird er höchstwahrscheinlich mit der Eingabe mitgeschickt, um diese an den zuständigen Strategen, der sich der Sache annehmen soll, zu überbringen.
Auch wenn aus der unmittelbaren Gegenwart des Paulus keine vergleichbaren Beispiele vorliegen, so bestätigen doch Papyri aus dem 3. Jh. n. Chr. die durchgehend ähnliche Verwendung des Kompositums. Mit P.Panop.Beatty 1,143–148 ist ein amtliches Schreiben an den Strategen des Lykopolites vom 15. oder 16. September 298 n. Chr. erhalten geblieben. Der Briefsender erklärt, dass er im Auftrag des Präses der Thebaïs in der Rechtssache zwischen einer gewissen Thaesis und ihren Gegnern verhören soll – Z. 144: ἐκελεύσθην διακοῦσαι πράγματος μεταξὺ Θαήσιος κ[αὶ ἐγγεγραμμένων ὀ]νομ̣ άτ̣ων ὄ̣ ν̣ των. Da die erst am Ende des Schreibens namentlich aufgelisteten vier Prozessgegner (siehe Z. 147–148) zum Lykopolites, also dem Verwaltungsbereich des Strategen, gehören, wird dieser aufgefordert, sie an den Ort des Briefsenders kommen zu lassen (Z. 146: ὅπως τοὺς ἐγγεγραμμένους ἐπαναγκάσῃς ἐνταῦθα ἥ̣ κ̣ ε̣ι[̣ ν]), damit die Untersuchung auftragsgemäß durchgeführt werden kann. Im Anschluss an die Auflistung der Vier am Ende des Schreibens, wird dem Strategen noch aufgetragen – Z. 148: συναπόστειλον δὲ καὶ τὸν κουράτορα τῆς̣ Θ̣ α̣ ή̣ [σιος] („schick aber auch den Vormund der Thaesis mit!“). Ein interessantes Beispiel aus demselben Zeitraum für das Mitschicken von Sachen bietet BGU IV 1080,16–19 (vielleicht 3. Jh. n. Chr.): περὶ ὧν βούλει, ἐπίστελλέ μοι | ἡδέως ἔχοντι καὶ εἴ σοι ἀβ[α]ρές ἐστιν | καὶ δυνα[τόν, [σ]υναπόστιλόν μοι σιππί|ου τρυφεροῦ λίτρας δέκα („über das, was du willst, schreib mir [wörtlich: schick zu mir, schick mir einen Brief] als einem, der es gerne gibt [wörtlich: hat] und, wenn es dir keine Mühe macht und möglich ist, schick mir zehn Pfund weichen Werges mit!“). Der Imperativ συναπόστιλον (l. συναπόστειλον) greift hier 26
Ein Sitometres war ein für den staatlichen Getreidespeicher zuständiger Beamter. Siehe P.Enteux. 26,16; 49,15 (beide 27. Februar 221 v. Chr.); 78,18 (26. oder 27. Februar 221 v. Chr.); 4, Verso 11 mit BL III 49; 40,9 (beide 219–218 v. Chr.); 90,9 (13. Januar 218 v. Chr.). 28 Vgl. A. S. Hunt und C. C. Edgar in Sel.Pap. II S. 235 Anm. b (zu Nr. 268). 27
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Einzelheiten: 2Kor 12,18
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also nicht auf ein vorhergehendes ἀποστέλλω zurück, sondern auf ἐπίστελλε. Der Adressat wird also gebeten, einen Brief zu schicken und mit diesem zehn Pfund weichen Werges mitzuschicken.
Ein mit Paulus besonders gut vergleichbares Beispiel bietet der Brief eines gewissen Sosos an Zenon – P.Mich. I 28 (29. März 256 v. Chr.): Sosos berichtet darin, er habe eine ganze Schiffsladung Weizen verkauft (insgesamt 241 Artaben zum Preis von einem Goldstater pro sieben Artaben). Den Verkauf habe ein gewisser Ptolemaios abgewickelt. Dieser sei ihm aber noch 288 Drachmen vom gesamten Verkaufspreis schuldig, weshalb er nun nicht in der Lage sei, jenen Auftrag zu erfüllen, der ihm durch Charmos überbracht worden sei, nämlich einem gewissen Pyrrhichos Geld für den Kauf von Häuten zu geben. Das Anliegen des Sosos an Zenon lautet nun – Z. 23–28: καλῶς ἂν οὖν ποιήσαις γράψας μοι | πόθεν τε δεῖ αὐτῶι λαβόντα προσθεῖναι | καὶ εἰ συναποστείλωμεν Στύρακα | ὅπως παρακολουθήσωμεν ταῖς τιμαῖς· | ἐπιστάμεθα γὰρ αὐτὸν ὄντα ἀξιόπιστον | ἐν ταῖς τοιαύταις χρείαις („sei so gut und schreib mir, woher ich nun das Geld beschaffen und ihm geben soll und ob wir Styrax [mit ihm, nämlich Pyrrhichos] mitschicken sollen, damit wir die Preise verfolgen! Denn wir kennen ihn als Vertrauenswürdigen in solchen Angelegenheiten“). Durch einen Vermerk auf dem Verso wird die Anfrage des Sosos, ob er Styrax mit Pyrrhichos mitschicken soll, als das zentrale Anliegen des gesamten Briefes ausgewiesen – Z. 36–37: Σώσο̣ υ̣ , [εἰ συνα]ποστείληι | Στύρακα μετ̣ὰ̣ Πυρρίχου.29
Die Betonung der Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit des Styrax erinnert an Paulus, der die Lauterkeit seiner Gesandten an der vorliegenden Stelle und in 8,18–19.22–23 (dort im Zusammenhang mit der Kollekte und unter Verwendung des synonymen Kompositums συμπέμπω) hervorhebt. Einige weitere der oben angeführten Beispiele machen deutlich, dass mit wichtigen Missionen deshalb Personen „mitgeschickt werden“, weil man sich durch sie in möglichst hohem Maße sicher sein kann, dass die entsprechenden Aufträge verantwortungsvoll und ordnungsgemäß durchgeführt werden. μήτι ἐπλεονέκτησεν ‹ 2,11 ὑμᾶς Τίτος; οὐ τῷ αὐτῷ πνεύματι ‹ 1,22 περιεπατήσαμεν ‹ 4,2; οὐ τοῖς αὐτοῖς ἴχνεσιν; – Der Begriff ἴχνος ist in den dokumenta-
rischen Papyri gut bezeugt, begegnet aber meist als Bezeichnung für die „Fußsohle“ als Körperteil.30 Beispiele für die Bedeutung „Fußspur“, die hier vom Zusammenhang her eindeutig vorliegt, finden sich äußerst selten:
29
Weitere Beispiele sind P.Cair.Zen. I 59018,4–6 (4. April 258 v. Chr.); 59029,3–4 (8. November – 7. Dezember 258 v. Chr.); IV 59633,10–14 (256–248 v. Chr.); PSI IV 353,11 (30. Mai 254 v. Chr.); P.Hamb. I 27,13–15 (19. Dezember 250 v. Chr.); P.Cair.Zen. III 59439,3–5 (Mitte 3. Jh. v. Chr.); P.Tebt. III.1 727,13–14 (24. Juli 184 v. Chr.); P.Grenf. I 11, Kol. II 16 (nach 27. August 181 v. Chr.); P.Lond. VII 2190,7–10 (17. April 169 v. Chr.). – Beispiele, in denen das Präfix συν derart verblasst ist, dass das Kompositum die einfache Bedeutung des Simplex trägt („schicken“), sind selten (so vielleicht P.Bingen 34,7 mit BL XII 33 [Ende 3. – Anfang 2. Jh. v. Chr.]). 30 Siehe die zahlreichen Belege bei Preisigke, Wörterbuch s. v. ἴχνος 3).
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Abschließender Teil des Briefcorpus (2Kor 12,14–13,11)
Das Memorandum P.Cair.Zen. III 59475 (Mitte 3. Jh. v. Chr.) enthält die Nachricht eines gewissen Nikias an Zenon, dass ein Fohlen entlaufen sei. Ein Suchtrupp sei darauf den Spuren des Fohlens gefolgt (Z. 11–12: κατὰ τὸ ἴχνος) und habe es in Gewahrsam genommen. In der nur bruchstückhaft erhaltenen Eingabe einer Frau findet sich der Hinweis – P.Giss. I 9,10 (ca. 113–120 n. Chr.): ὡς δὲ οὐτὲ (l. οὐδὲ) ἴχνος ἐθεώρο[υν] καὶ τ[ῆ]ς συκα̣ . .[ . . . .]ο („als ich aber keine Spur sah und …“). Kurz darauf wird berichtet, dass auch andere keine Spur sahen – Z. 12: [θεωρήσαντες οὐτ]ὲ̣ ἴχνος.31
12,119 πάλαι δοκεῖτε – Das Adverb πάλαι begegnet entweder als Angabe über Vergangenes im Sinne von „früher, ehemals“ oder – wie hier – als Hinweis darauf, dass etwas schon „längst“ besteht. Letztere Bedeutungsnuance ist deutlich an einer Präsensform (hier δοκεῖτε) erkennbar, die durch das Adverb zeitlich näher bestimmt wird. Papyrologische Beispiele dafür sind – gemessen am reichen Gesamtbefund – äußerst selten und begegnen erst in byzantinischer Zeit.32 ὅτι ὑμῖν ἀπολογούμεθα. κατέναντι ‹ 2,17 θεοῦ ἐν Χριστῷ ‹ 1,1 λαλοῦμεν ‹ 2,17· τὰ δὲ πάντα, ἀγαπητοί ‹ 2,4 ἀγάπη, ὑπὲρ τῆς ὑμῶν οἰκοδομῆς ‹ 5,1 – Die Bedeutung „sich verteidigen“ ist auch in den zeitgenössischen Papyri für ἀπολογέομαι durchwegs belegt.33 Im privaten Brief des Sempronius Clemens an einen gewissen Apollinarios wehrt sich – ähnlich wie Paulus – der Briefsender gegen Vorwürfe des Adressaten – P.Mich. VIII 486,3–7 (2. Jh. n. Chr.): ἔλαβ[όν] σου [τὰ]ς ἐπιστολὰς παρὰ τοῦ σοῦ Ἰουλίου | Σαβ[εί]νου ἐξ ὧν ἐπέγνων σε δηλοῦντα | οὐχ ὅ̣ τ̣[ι] οὐκ̣ ἠδυνήθην ἀπαρτίσαι τὰ διαφέρον|τά σοι ̣ [ἀ]λλ᾽ ὅτι, ὡς φῄς, οὐκ ἐβουλήθην. καίτοι γε | ἐπὶ τούτῳ ᾐσθάνθην ἀλλ᾽ ὅμως ἀπολογήσομαι („ich erhielt deine Briefe von deinem Iulius Sabinus34, aus denen ich erfuhr, dass du erklärst, dass es nicht so ist, dass ich deinen Angelegenheiten nicht Beachtung schenken konnte, sondern dass ich, wie du sagst, nicht wollte. Und fürwahr, bei diesem Punkt habe ich es verstanden, aber dennoch werde ich mich verteidigen“). In den folgenden Zeilen betont Sempronius Clemens, dass es durch das Verhalten eines gewissen Valerianus zu einer Verzögerung gekom-
31
Ab dem späten 2. Jh. n. Chr. ist ein „Wüstenwachdienst zum Schutze der Fährte“, d. h. der Wüstenstraße (ἴχνους ἐρημοφυλακία), belegt (z. B. P.Lond. III 1266 [f] [S. 39],1–2 [27. Juni 194 n. Chr.]). 32 Zu nennen sind P.Oxy. XXXIV 2731,15–16 (4.–5. Jh. n. Chr.); XVI 1873,7 (spätes 5. Jh. n. Chr.); P.Paramone 16,14–15 (22. März 616 n. Chr.). 33 Siehe die Belege bei Preisigke, Wörterbuch s. v. ἀπολογέομαι 1); Kiessling, Wörterbuch s. v. ἀπολογέομαι 1); Moulton/Milligan, Vocabulary s. v. ἀπολογέομαι. Weitere Belege sind z. B. P.Mil.Vogl. I 25, Kol. II 25 (26. Mai – 24. Juni 127 n. Chr.); P.Wisc. II 48,16 (nach 154–159 n. Chr.); SB VI 9387,7 (2.–3. Jh. n. Chr.); BGU I 266,6 (Januar – Februar 217 n. Chr.). In byzantinischer Zeit begegnen auch die Bedeutungen „verrechnen, anrechnen“ (einige Belege bei Preisigke, Wörterbuch s. v. ἀπολογέομαι 2]) und „zahlen“ (Preisigke, Wörterbuch s. v. ἀπολογέομαι 3]; Kiessling, Wörterbuch s. v. ἀπολογέομαι 2]). 34 Gemeint ist der Vater des Apollinarios.
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Einzelheiten: 2Kor 12,18–20
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men sei, dass er selbst aber bereits alles unternimmt, um sich schnellstens um die Angelegenheiten kümmern zu können.
12,220 φοβοῦμαι ‹ 11,3 γὰρ μή πως ἐλθὼν οὐχ οἵους θέλω εὕρω ‹ 9,4 ὑμᾶς κἀγὼ εὑρεθῶ ‹ 5,3 ὑμῖν οἷον οὐ θέλετε. μή πως ἔρις, ζῆλος ‹ 7,7, θυμοί, ἐριθείαι, καταλαλιαί, ψιθυρισμοί, φυσιώσεις, ἀκαταστασίαι ‹ 6,5 – Für einen Lasterkatalog lässt sich aus den dokumenta-
rischen Papyri und Ostraka bisher kein Beispiel beibringen.35 Der einzige auf Papyrus erhaltene Beleg dafür gehört zu den sog. semiliterarischen Texten: SB XXIV 16047 (3.–4. Jh. n. Chr.) ist laut W. M. Brashear als apotelesmatischer Text zu deuten,36 genauer als apotelesmatographia, also als Text „containing prognostications of the effects and results which certain planetary conjunctions and astral positions will have on human destinies and mortal affairs.“37 Die ursprüngliche Fassung, von der nur mehr ein Fragment erhalten ist, enthielt vermutlich „lists of all possible portents, propitious as well as unpropitious, subsumed under the respective phases or positions of a heavenly body during a particular chronological period.“38 Auf dem erhaltenen Papyrusfragment werden aufgezählt: in Kol. I ab Z. 3 τέλος („Tod“), σκότος („Dunkelheit“), ἐκτροπή („Verirrung“), λύπη („Kummer“), φόβος („Furcht“), ἀσθένεια („Krankheit“), πενία („Armut“) und φθό[ν]ος („Neid“), in Kol. II folgen ἀποτομία („Grobheit“), πονηρία („Boshaftigkeit“), βασκανία („Hexerei“), ἀσωτία („Verschwendung“), δουλεία („Sklaverei“), ἀσχημοσύνη („Unanständigkeit“), ὀδυρμός („Wehklage, Jammerei“), λοιμός („Seuche“), κένωσις („Leere, Prahlerei?“), μελανία („Geisterbeschwörung?“), πικρότη[ς] („Bitterkeit“) und ὕβρις („Überheblichkeit“).39
Der genannte Papyrus enthält in der Liste kein einziges der hier von Paulus genannten Laster, aber auch in seiner Funktion als astrologischer Text unterscheidet er sich ganz maßgeblich von paulinischen Lasterkatalogen. Ferner ist festzuhalten, dass der Katalog nicht ausschließlich Laster enthält, sondern auch Schicksalhaftes wie Dunkelheit, Furcht, Krankheit, Armut oder Sklaverei.40
35
Daran hat sich auch seit Vögtle, Tugend- und Lasterkataloge 89, nichts geändert. Vgl. Brashear, P. Med. Inv. 71.58. Another P. Med. Inv. 71.58: Another Apotelesmatikon?; ders., Wednesday’s Child 31–46 (Abb. des Textes auf dem Umschlag). 37 Brashear, P. Med. Inv. 71.58. Another P. Med. Inv. 71.58: Another Apotelesmatikon? 17. 38 Brashear, Wednesday’s Child 31. Siehe dazu auch Vögtle, Tugend- und Lasterkataloge 84–88; Betz, Greek Magical Papyri 316; beachte den Hinweis von Deissmann, Licht 268 Anm. 1. 39 Zu den einzelnen Bedeutungen (auch anhand von Vergleichstexten) siehe ausführlich Brashear, P. Med. Inv. 71.58. Another P. Med. Inv. 71.58: Another Apotelesmatikon? 20–26; ders., Wednesday’s Child 33–46. 40 Brashear, P. Med. Inv. 71.58. Another P. Med. Inv. 71.58: Another Apotelesmatikon? 17, sieht folgende Unterscheidungsmöglichkeit: „the entries λύπη, φόβος, φθόνος, ἀσθένεια, πενία, δουλεία pertain more to personal and private woes, while τέλος, σκότος, ἐκτροπή, and the more abstract concepts such as πονηρία, ἀποτομία, ἀσωτία, βασκανία, ἀσχημοσύνη, ὀδυρμός, λοιμός, κένωσις, μελανία, πικρότης, ὕβρις have an apocalyptic ring, more suiting the character of universally applicable doom-sayings and pernicious predictions of eschatological calamities.“ 36
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Abschließender Teil des Briefcorpus (2Kor 12,14–13,11)
Für die einzelnen von Paulus aufgezählten Laster lässt sich folgender papyrologischer Befund erheben: Der Begriff ἔρις („Streit“) ist innerhalb der dokumentarischen Papyri bisher nicht belegt.41 Beachtenswert ist der Hinweis von A. Papathomas, dass „in den juristischen Papyrusurkunden anstelle von ἔρις andere Termini, wie etwa ἀμφιβολία, ἀμφισβήτησις, στάσις und φιλον(ε)ικία, verwendet werden“42. Nur an der vorliegenden Stelle wird innerhalb des 2Kor ζῆλος negativ im Sinne von „Eifersucht“ verwendet (ebenso in 1Kor 3,3; in der positiven Bedeutung „Eifer, Ehrgeiz“ hingegen in 2Kor 7,7.11; 9,2; 11,2). Ein Papyrusbeleg für diese negative Bedeutung ist bisher nicht beizubringen.43 Der in der griechischen Literatur viel strapazierte und äußerst vielschichtige Begriff θυμός44 begegnet, was das papyrologische Material betrifft, bisher ausschließlich in Zauberpapyri. Dabei wird er sowohl positiv bzw. neutral, d. h. in seiner eigentlichen Grundbedeutung („Lebenskraft, Sitz der Gefühle“)45, als auch ausgesprochen negativ („Zorn, Groll“)46 gebraucht. Letztere, im Grunde genommen verengte Bedeutung kommt auch in diesem paulinischen Lasterkatalog zum Tragen. Von ἐριθεία47 („Streit-, Intrigensucht“) ist bisher nur in einem einzigen, lückenhaften Papyrus die Rede (P.Sorb. I 34,9 [230 v. Chr.]). Zu καταλαλία („üble Nachrede“), ψιθυρισμός („Verleumdung“) und φυσίωσις („Überheblichkeit“) liegen bisher keine papyrologischen Belege vor. 12,221 μὴ πάλιν ἐλθόντος μου ταπεινώσῃ ‹ 11,7 με ὁ θεός μου πρὸς ὑμᾶς καὶ πενθήσω πολλοὺς τῶν προημαρτηκότων – Das Verb πενθέω („traurig sein, trauern“) ist papyrologisch selten bezeugt. In Papyrusbriefen wird damit die Traurigkeit über das Getrenntsein von der eigenen Schwester (oder auch Frau) zum Ausdruck gebracht (P.Oxy. III 528,7–9 [2. Jh. n. Chr.]) oder die Trauer über einen Verstorbenen (PSI XII 1248,3–5 [nach 14. Dezember 235 n. Chr.]).48 Das Verb προαμαρτάνω ist in den dokumentarischen Papyri bisher nur ein einziges Mal bezeugt:
41
P.Turner 43,13 (3. Jh. n. Chr.) scheidet mittlerweile aus, da mit Litinas, Lack 116, die Form
ερις als ἐρεῖς („du wirst sagen“) zu lesen ist. Papathomas, Begriffe 23, hat diesen Hinweis nicht berücksichtigt und führt die Stelle noch als Beleg für ἔρις an. 42
Papathomas, Begriffe 23–24. Zum Verb ζηλόω siehe oben bei 11,2. 44 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 45 Vgl. etwa Pap.Graec.Mag. II 77,4 (2. Jh. n. Chr.). 46 Vgl. etwa Pap.Graec.Mag. II 79,5 (3. oder 4. Jh. n. Chr.). 47 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 48 Siehe dazu ausführlicher sowie zu den Belegen im Zusammenhang mit der Trauer um den verstorbenen Apis-Stier F. Winter in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 200–201. 43
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Einzelheiten: 2Kor 12,20–21
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In P.Oxy. XLI 2996,6–8 (2. Jh. n. Chr.?) sind unter τὰ προημαρτημέ|να σοι καὶ ἅπαξ καὶ δεύτε|ρον Abrechnungen zu verstehen, die der Adressat laut Vorwurf des Briefsenders „previously time and again failed to do“49.
καὶ μὴ μετανοησάντων – Das Verb μετανοέω begegnet in den dokumenta-
rischen Papyri in den Bedeutungen „nachträglich zustimmen“ oder „bereuen“,50 die Bedeutung „umkehren“ ist in nicht christlich geprägten Texten bisher aber nicht belegt. Dazu haben bereits J. H. Moulton und G. Milligan festgestellt: „Its meaning deepens with Christianity, and in the NT it is more than ‚repent,‘ and indicates a complete change of attitude, spiritual and moral, towards God.“51 ἐπὶ τῇ ἀκαθαρσίᾳ καὶ πορνείᾳ καὶ ἀσελγείᾳ ᾗ ἔπραξαν ‹ 5,10 – Die ἀκαθαρσία52 („Unreinheit“) dient hier zur negativen Zeichnung von Perso-
nen. In den Papyri hingegen wird damit der „unsaubere Zustand“ eines Gebäudes oder Gebäudeteils beschrieben. So wird in Miet- oder Pachtverträgen festgehalten, dass der Miet- oder Pachtgegenstand nach Ablauf des Vertrages intakt und gereinigt zurückgegeben werden muss. Die entsprechende Klausel lautet z. B. im Vertrag BGU IV 1117 (ca. 26. April – 25. Mai 3 v. Chr.), wo es um die Verpachtung einer Bäckerei geht – Z. 25–27: τοῦ δὲ χρόνου διελθόντο[ς] π̣ α̣ ρ̣ α̣ |[δ]ώσει`ν´ τὸ ἐργαστήριον καθαρὸν ἀπό τε σ̣ ί[̣ τ]ου κα[ὶ | τῆ]ς ἄ̣ λ̣ λ̣ η̣ ς ἀκαθαρσίας (der Pächter hat also, „wenn aber die Zeit abgelaufen ist, die Werkstatt zu übergeben, gereinigt vom Getreide und anderer Verunreinigung“).53
Für die Tradition, aus der der Jude Paulus stammte, bildeten die jüdischen Reinheitsgebote einen wichtigen Hintergrund für die gesamte Thematik.54 Von πορνεία („Hurerei, Unzucht“) ist bisher nur in zwei byzantinischen Papyri aus dem 6. Jh. die Rede.55 Der Begriff ἀσέλγεια56 ist papyrologisch in nachpaulinischer Zeit belegt:
49
E. Constantinides in P.Oxy. XLI S. 93. Einige Belege bei Preisigke, Wörterbuch s. v. μετανοέω; Moulton/Milligan, Vocabulary s. v. μετανοέω; siehe z. B. ferner BGU VIII 1816,9.13 (60–59 v. Chr.). 51 Moulton/Milligan, Vocabulary s. v. μετανοέω. 52 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 53 Bei Wohnhäusern werden meist die (abnehmbaren) Türen und Schlüssel extra erwähnt (z. B. SB XVIII 13154,8–10 [2.–1. Jh. v. Chr.]; P.Mich. XIV 678,11–15 [98 n. Chr.]). Von der ordungsgemäßen Rückgabe eines gepachteten Tempelspeichers handelt P.Lond. II 216 (S. 186),28– 30 (94 n. Chr.), eines Gänsestalls P.Mil.Vogl. III 145,19–22 (142 n. Chr.), eines Speisesaals P.Oxy. VIII 1128,22–27 (173 n. Chr.). 54 Eine „kultische“ Verunreinigung bzw. deren Vermeidung kommt in den Zauberpapyri zur Sprache; vgl. etwa Pap.Graec.Mag. II 13,1005 (346 n. Chr.). 55 Vgl. R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 195 Anm. 1; Papathomas, Begriffe 211–213 (auch mit Beispielen für weitere Begriffe der Wortfamilie; zu πόρνη auch R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 216–217). 56 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 50
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Abschließender Teil des Briefcorpus (2Kor 12,14–13,11)
In der Eingabe BGU VII 1578 (nach 212 n. Chr.) führt ein Veteran Klage gegen seine Tochter und wirft ihr ἀσέλγεια („zügelloses Verhalten“ – vgl. Z. 15–16) vor.57
13,11 τρίτον τοῦτο ἔρχομαι πρὸς ὑμᾶς· ἐπὶ στόματος ‹ 6,11 δύο μαρτύρων ‹ 1,23 καὶ τριῶν σταθήσεται πᾶν ῥῆμα ‹ 12,4 – Für die Verwendung von ῥῆμα an dieser Stelle im Sinne eines verlässlich gegebenen Wortes, das deshalb auch bezeugt werden kann, ist am ehesten auf Belege wie P.Giss. I 40, Kol. II 7–8 (ca. 215 n. Chr.) und P.Oxy. XXXVI 2755,8 (3. Jh. n. Chr.) zu verweisen, wo im rechtlichen Zusammenhang auf „die Wortlaute des früheren Erlasses“ (ἐκ τῶν ῥημάτων τοῦ προτέρου διατάγματος) verwiesen wird. 13,22 προείρηκα ‹ 7,3 καὶ προλέγω, ὡς παρὼν ‹ 10,2 τὸ δεύτερον καὶ ἀπὼν ‹ 10,1 νῦν, τοῖς προημαρτηκόσιν ‹ 12,21 καὶ τοῖς λοιποῖς πᾶσιν, ὅτι ἐὰν ἔλθω εἰς τὸ πάλιν οὐ φείσομαι ‹ 1,23 – Die Wendung εἰς τὸ πάλιν („wieder“) ist papyrologisch bisher nicht bezeugt, wohl aber einfaches πάλιν in Verbindung mit dem Verb ἔρχομαι, um auszudrücken, dass jemand an einen Ort zurückkehrt, wo er sich bereits früher einmal aufgehalten hatte: In P.Oxy. XLI 2996,38–40 (2. Jh. n. Chr.) teilt ein Anthestianos dem Töpfer Psois mit, er habe Sarapammon brieflich aufgefordert, erneut zu ihm zu kommen: ἔγρα|ψα δὲ καὶ Σαραπάμμωνι ἐλ|θεῖν πάλιν πρὸς σ[έ].58
13,33 ἐπεὶ δοκιμὴν ‹ 2,9 ζητεῖτε ‹ 12,14 τοῦ ἐν ἐμοὶ λαλοῦντος ‹ 2,17 Χριστοῦ ‹ 1,1, ὃς εἰς ὑμᾶς οὐκ ἀσθενεῖ ‹ 10,10 ἀλλὰ δυνατεῖ ‹ 9,8 ἐν ὑμῖν – Während in 12,14 das Verb ζητέω einerseits im negativ konnotierten Sinn von „erstreben“ (nämlich eine Sache, die einem nicht zusteht, wovon sich Paulus auch distanziert) verwendet wird, andererseits in der positiven Bedeutung „(die Gemeinschaft einer Person) suchen“, ist es hier auf eine abstrakte Größe bezogen. Vergleichbare Beispiele finden sich vereinzelt auch in den Papyri.59 13,44 καὶ γὰρ ἐσταυρώθη ἐξ ἀσθενείας ‹ 10,10 – Das Verb σταυρόω („kreuzigen“) stellt nach A. Papathomas „den durch die christliche Lehre vielleicht am weitesten bekannt gewordenen Rechtsbegriff dar“, jedoch ist in Ägypten „die Kreuzigung als Tötungsmethode […] nicht sicher nachzuweisen.“60 In 57 Bereits byzantinisch ist ein Heiratsvertrag, worin die Braut in einer eigenen Formel verspricht, sich keine „Ausschweifungen“ zu erlauben (P.Lond. V 1711,33–34 [566–573 n. Chr.]; vgl. auch im Entwurf zu diesem Vertrag, P.Cair.Masp. III 67310,14). Auch in einem Lehrvertrag (P.Cair.Masp. III 67305 [568 n. Chr.]) verpflichtet sich der Lehrling zur Unterlassung von ἀσέλγεια (vgl. Z. 15). – Das Wort ἀσέλγημα (LSJ s. v. ἀσέλγημα: „licentious act, vulgar abuse“) begegnet in einem bereits christlich beeinflussten Text (P.Oxy. VI 903,21 [4. Jh. n. Chr.]). 58 Beachte auch P.Tor.Choach. 11,39 (19. Februar – 20. März 119 v. Chr.) und 11bis,26 (26. Juni 119 v. Chr.) sowie P.Mich. VI 423,12 (22. Mai 197 n. Chr.), wo jeweils das Kompositum ἐπέρχομαι verwendet wird. 59 Siehe dazu R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 97–98. 60 Papathomas, Begriffe 24.
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Einzelheiten: 2Kor 12,21–13,7
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zeitlicher Nähe zu Paulus kann nur auf einen Schiedsspruch des Präfekten Vitrasius Pollio verwiesen werden, wo sich der einzige – allerdings unsichere – zeitlich relevante Beleg für σταυρόω findet: möglicherweise handelt P.IFAO III 34,5 (38–41 n. Chr.) von der Kreuzigung eines entlaufenen Sklaven.61 ἀλλὰ ζῇ ‹ 3,3; 5,15 ἐκ δυνάμεως ‹ 4,7 θεοῦ. καὶ γὰρ ἡμεῖς ἀσθενοῦμεν ‹ 10,10 ἐν αὐτῷ, ἀλλὰ ζήσομεν ‹ 3,3; 5,15 σὺν αὐτῷ ἐκ δυνάμεως θεοῦ εἰς ὑμᾶς – Beide Formen von ζάω werden hier im überirdischen Sinn verwendet. In den Papyri
liegen für diese Bedeutung ausschließlich christlich geprägte Belege vor (z. B. CPR XXV 14,5 [6. Jh. n. Chr.]). 13,55 ἑαυτοὺς πειράζετε – Anders als in 1Kor, wo πειράζω durchwegs im negativen Sinn von „versuchen, in Versuchung führen“ verwendet wird (vgl. 1Kor 7,5; 10,9.13), begegnet hier die positive Bedeutung „prüfen“. In den Papyri wird zwar sowohl πειράζω als auch das synonyme und häufiger verwendete Verb πειράω durchwegs im positiven Sinn von „versuchen, erproben, erfahren“ gebraucht,62 doch ist ein Beleg, der mit der hier vorliegenden Formulierung „sich selbst prüfen“ direkt vergleichbar wäre, bisher nicht bezeugt. εἰ ἐστὲ ἐν τῇ πίστει ‹ 1,24, ἑαυτοὺς δοκιμάζετε ‹ S. 409· ἢ οὐκ ἐπιγινώσκετε ‹ 1,13 ἑαυτοὺς ὅτι Χριστὸς ‹ 1,1 Ἰησοῦς ‹ 1,1 ἐν ὑμῖν; εἰ μήτι ἀδόκιμοί ἐστε – Für das Adjektiv ἀδόκιμος liegt bisher nur ein Beleg innerhalb der dokumentarischen
Papyri vor,63 der aus dem Zenon-Archiv stammt, dessen Deutung für die Paulusstelle aber nicht von Relevanz ist: In P.Cair.Zen. II 59176,64 (29. Juni – 22. Juli 255 v. Chr.) geht es um eine Summe von 51 Drachmen, die als ἀδοκίμου („nicht kursierend“64) bezeichnet werden.
13,66 ἐλπίζω μοι ‹ 13,5.
‹ 1,10.13
δὲ ὅτι γνώσεσθε
‹ 2,4; S. 196
ὅτι ἡμεῖς οὐκ ἐσμὲν ἀδόκι-
13,77 εὐχόμεθα δὲ πρὸς τὸν θεὸν – Das Verb εὔχομαι wird in den dokumentarischen Papyri und Ostraka vor allem im formelhaften Gebetsbericht am Briefanfang65 und im ebenfalls formelhaften Gesundheitswunsch am Ende von Briefen verwendet (ἐρρῶσθαί σε εὔχομαι – „ich bete, dass es dir gut geht“)66. 61
Siehe dazu ausführlicher Papathomas, Begriffe 24–25. – Die papyrologischen Belege für
σταυρός sind bereits christlich geprägt (vgl. F. Winter in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1.
Korinther 79–80). 62 Siehe die Beispiele bei R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 261. 63 Beispiele für δόκιμος bietet Papathomas, Motiv 239–240. 64 So übersetzt R. Scholl in C.Ptol.Sklav. S. 841 (Kiessling, Wörterbuch s. v. ἀδόκιμος, übersetzt „ungültig“). 65 Siehe dazu ausführlich Arzt-Grabner, Philemon 123–129 (mit Hinweisen für weitere Literatur S. 123 Anm. 60). Ein besonderes Beispiel ist CPR V 19,8–17 (1.–2. Jh. n. Chr.); siehe dazu ausführlicher und mit Wiedergabe des gesamten Briefes Arzt-Grabner, Philemon 133–134. 66 Siehe dazu Arzt-Grabner, Philemon 268 (Literaturhinweise in Anm. 25).
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Abschließender Teil des Briefcorpus (2Kor 12,14–13,11)
Obwohl beides ab dem 1. Jh. n. Chr. breite Verwendung findet, verwendet Paulus diese Formeln nie, sondern greift an den entsprechenden Stellen zu – teilweise individuell ausgestalteten – Varianten. Dies mag u. a. daran liegen, dass εὔχομαι nach dem Zeugnis der Papyri im Alltag derart fest mit dem paganen Gebetsbericht oder Schlussgruß verbunden ist, so dass sich Paulus davon wahrscheinlich bewusst distanzierte. Eine Verwendung von εὔχομαι innerhalb des Briefcorpus von Papyrusbriefen ist vergleichsweise selten festzustellen. Mit der vorliegenden Stelle vergleichbar sind jene Beispiele, wo innerhalb des Briefcorpus ein Gebet oder Wunsch mit εὔχομαι eingeleitet wird, das bzw. der ein anderes Ziel als das Wohlergehen der Adressatinnen oder Adressaten zum Inhalt hat, nämlich ein bestimmtes Verhalten, einen baldigen Besuch oder anderes Konkretes. P.Oxy. XLII 3057,16 (1.–2. Jh. n. Chr.); P.Sarap. 91,4–5 (90–133 n. Chr.); P.Mich. VIII 465,32 (20. Februar 108 n. Chr.?); III 203,18 (114–116 n. Chr.); P.Ryl. II 233,15 (14. Juni 118 n. Chr.); P.Fay. 125,10–13; P.Mil.Vogl. II 76,5–9 mit BL VI 85 (beide 2. Jh. n. Chr.); P.Herm. 12,9 (2. – Anfang 3. Jh. n. Chr.); P.Oxy. IX 1216,16–17 (2.– 3. Jh. n. Chr.); P.Oxy. XII 1418,16 (30. August – 28. September 247 n. Chr.); PSI IV 299,13 (Ende 3. Jh. n. Chr.); P.Giss.Univ. III 32,3–5 (3.–4. Jh. n. Chr.).
μὴ ποιῆσαι ὑμᾶς κακὸν μηδέν – Inhalt des paulinischen Gebets ist hier ein durch und durch gutes Verhalten der Gemeindemitglieder, das Paulus in umgekehrter Weise zum Ausdruck bringt: er betet darum, dass sie überhaupt nichts Böses tun. Der in gewisser Weise umgekehrte Fall, dass jemand betont, nichts Böses getan zu haben, obwohl er von seinem Gegenüber Hass erfahren musste, begegnet auf einem Ostrakon: Ein gewisser Maximus schreibt an seine Schwester Serapias – O.Claud. I 138,2–4 (ca. 110 n. Chr.): οἶδα ἐμετὸν (l. ἐμαυτὸν) ὅτει οὐ|δὲν κακόν σοι ἐποίησα οὐδὲ ἐμείση|σα ἅ μοι ταχέως ἐμείσησες (l. ἐμίσησας) („ich weiß selbst, dass ich dir nichts Böses getan habe und dich nicht gehasst habe, wie du mich plötzlich gehasst hast“).67
οὐχ ἵνα ἡμεῖς δόκιμοι ‹ 10,18 φανῶμεν, ἀλλ᾽ ἵνα ὑμεῖς τὸ καλὸν ἡμεῖς δὲ ὡς ἀδόκιμοι ‹ 13,5 ὦμεν.
‹ 8,21
ποιῆτε,
13,88 οὐ γὰρ δυνάμεθά ‹ 1,4 τι κατὰ τῆς ἀληθείας ‹ 4,2, ἀλλὰ ὑπὲρ τῆς ἀληθείας – Die Verbindung von negiertem δύναμαι mit der Präposition κατά begegnet auch in einem Papyrusdokument:
67 Die Verbindung κακὸν ποιέω begegnet ferner in P.Grenf. II 36,11–12 mit BL I 186 (21. Mai 95 v. Chr.) und O.Krok. I 87,102 (nach[?] 26. März 118 n. Chr.). Nur fragmentarisch erhalten ist P.Bad. II 17,18–19 (1. Jh. v. Chr.?): σοι γὰρ οὐκ ἦν α[ - - - ποιεῖν] | ἡμᾶς τι κακόν [ - - - ]. Die Kombination von κακόν und πράσσω ist in P.Fouad I 79,1 (3.–4. Jh. n. Chr.) bezeugt.
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Einzelheiten: 2Kor 13,7–10
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P.Oxy. III 472,21–22 (vor 10. Oktober 131 n. Chr.; Prozessprotokoll?): εἰ δὲ ἀπέδρα δοῦλος | οὐδὲν δύναται τοῦτο κατὰ δεσπότου („wenn aber ein Sklave entlaufen ist, vermag das [gemeint ist: dieses Argument] nichts gegen den Herrn“).68 Eine ähnliche Bedeutung ist in einem Kondolenzbrief für die Verbindung von negiertem δύναμαι mit πρός festzumachen – P.Oxy. I 115,9–10 (2. Jh. n. Chr.): ἀλλ᾽ ὅμως οὐδὲν | δύναταί τις πρὸς τὰ τοιαῦτα („aber dennoch vermag einer nichts gegen Derartiges“, gemeint ist der Todesfall auf Seiten der Adressatin und des Adressaten).69 In einem anderen Kondolenzbrief wird ein ähnlicher Gedanke als Frage formuliert – P.Wisc. II 84,40–42 mit BL XI 291 (spätes 2. Jh. n. Chr.): [ἀ]λλὰ | τί δυνάμεθα πρὸς̣ ὃ̣ [οὐδεί]ς̣ | δύναται; („Aber was vermögen wir gegen das, wogegen niemand etwas vermag?“).
Am papyrologischen Befund fällt auf, dass beide Belege mit πρός in Kondolenzbriefen vorkommen,70 während das Beispiel mit κατά in einem amtlichen Dokument begegnet. Auch wenn der Befund von der Anzahl der Belege her äußerst spärlich ausfällt, so ist doch zu überlegen, ob nicht auch der paulinischen Aussage ein offizieller Aspekt zu eigen ist. γὰρ ὅταν ἡμεῖς ἀσθενῶμεν ‹ 10,10, ὑμεῖς δὲ δυνατοὶ ‹ 12,10 ἦτε· τοῦτο καὶ εὐχόμεθα ‹ 13,7, τὴν ὑμῶν κατάρτισιν – Das Substantiv κατάρτισις („Vervollkommnung“) ist papyrologisch bisher nicht bezeugt.71
13,99 χαίρομεν
‹ 2,3
γράφω, ἵνα παρὼν ‹ 10,2 μὴ ἀποτόμως ἣν ὁ κύριος ‹ 1,2 ἔδωκέν μοι, εἰς οἰκοδοχρήσωμαι κατὰ τὴν ἐξουσίαν ‹ 5,1 ‹ 10,4 καὶ οὐκ εἰς καθαίρεσιν – Das Adverb ἀποτόμως („streng“) ist in μὴν den Papyri bisher nicht bezeugt; das Adjektiv ἀπότομος und das Substantiv ἀποτομία („Strenge“ oder – bei der Beschreibung von Sachen oder Umstän-
13,110 διὰ τοῦτο ταῦτα ἀπὼν
‹ 10,1
‹ 10,8
den – „Schwierigkeit“) begegnen nur selten.72 Am ehesten mit der paulinischen Konstruktion vergleichbar ist eine leider nur fragmentarisch erhaltene Zeile aus einer Petition aus dem 3. Jh. n. Chr., wo das Substantiv ἀποτομία im Dativ als Objekt des Verbs χράομαι verwendet wird:
68
Auf diesen Text haben bereits Bachmann, 2Kor 412 Anm. 1, und Windisch, 2Kor 424, hingewiesen. 69 Auch auf diesen Text haben bereits Bachmann, 2Kor 412 Anm. 1, und Windisch, 2Kor 424, hingewiesen. 70 Dies gilt auch für spätere Kondolenzbriefe ab dem 4. Jh. n. Chr. (Beispiele bei Chapa, Letters). 71 Der damit verwandte Begriff καταρτισμός („Ausrüstung, Zubehörstoff“, vgl. Eph 4,12) begegnet in P.Tebt. I 33,12 (nach 17. März 112 v. Chr.); P.Ryl. II 127,28 (15.–27. September 29 n. Chr.); P.Oxy. XXXI 2593,17 (2. Jh. n. Chr.). Im Brief einer gewissen Apollonus an ihre Mutter Thermuthas heißt es in knappem Stil – P.Col. VIII 215,14–15 (ca. 100 n. Chr.): καὶ περὶ τῆς Συρίας ἕ̣[ω]ς ἄ̣ ρ̣ τ̣ι ̣ οὐδ̣ [ὲ]ν̣ | κακόν („und über die Syrerin soweit nichts Schlimmes“). 72 Das Adjektiv ἀπότομος ist nur in BGU VII 1546,6 (210–204 oder 193–187 v. Chr.) und SB XXVI 16652,201 (nach 27. Oktober 113 n. Chr.) bezeugt.
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Abschließender Teil des Briefcorpus (2Kor 12,14–13,11)
PSI IX 1052,9 (ca. 206–211 n. Chr.): [ - - - ]των νομίμων ἀπ̣ οδομείᾳ (l. ἀποτομίᾳ) χρήσασθαι πανταχ[ - - - ] („… mit Strenge zu handeln …“).73 Eine ähnliche Konstruktion findet sich im Bruchstück einer Eingabe an den Strategen Apollonios, wo es heißt – P.Giss. I 87,8 (ca. 113–120 n. Chr.): [ - ca. 11 - ]λακ .ς̣ ἀπονοίαι χρῶνται („… sie handeln mit Unsinnigkeit/unsinnig“).74
Die intransitive Verwendung von χράομαι in Verbingung mit einem Adverb ist laut den einschlägigen Wörterbüchern wenig bezeugt. LSJ vermerken für eine Verbindung mit Adverb und Dativ der Person die Bedeutung „jemanden in bestimmter Weise behandeln“.75 Bei F. Preisigke findet sich dafür ein Beleg: In P.Petr. III 42 H (8) (f),8 (Mitte 3. Jh. v. Chr.) heißt es: πικρ[ῶ]ς σοι ἐχρήσατο („er verkehrte barsch mit dir [er behandelte dich barsch]“).76
Für die paulinische Konstruktion mit dem Adverb (ohne Dativ der Person) bietet Preisigke ebenfalls nur einen Beleg: In seiner Eingabe an den König beschwert sich ein gewisser Krateuas nicht nur über Hirten, die ihre Herde unrechtmäßig auf einem Stück Land weiden ließen, das unter seiner Aufsicht steht, und die ihn verprügelten, sondern auch über den Epistates Herodotos, der „die Sache lässig behandelt habe“ (so die Übersetzung nach Preisigke für ὀλιώρως χρησάμενος in P.Enteux. 75,10 [28. Januar 222 v. Chr.]77). Krateuas stellt dementsprechend den Antrag, u. a. „dem Epistates Herodotos zu schreiben, sich nicht lässig zu verhalten“ – Z. 12: [ἀλλὰ γράψαι Ἡροδότωι τῶι ἐπιστάτ]ηι μὴ ὀλιώρως χρήσασθαι.
J. H. Moulton und G. Milligan bieten für die von Paulus verwendete Konstruktion keinen einzigen Beleg. In neueren Papyruseditionen finden sich aber einige gut vergleichbare Beispiele: In einem amtlichen Brief des Athenodoros an einen Eurylochos heißt es gleich nach dem Eingangsgruß – BGU XVI 2652,2 (ca. 10–2 v. Chr.): ὀρθῶς χρήσῃ δοὺς Ἀντωνίῳ κτλ. Die Wendung steht hier an Stelle der überaus häufigen Form καλῶς ποιήσεις κτλ. o. ä. („du wirst gut daran tun …“) für die Einleitung des Briefcorpus. In Entsprechung dazu kann für den Brief des Athonodoros übersetzt werden: „Du wirst richtig daran tun …“ oder „du wirst dich korrekt verhalten, wenn du Antonius gibst …“ (es geht um 2000 Drachmen für die Katökensteuer). 73 Weitere Belege für ἀποτομία sind P.Erl. 18,18 (27. Oktober 248 n. Chr.; teilweise ergänzt); P.Oxy. II 237, Kol. VII 40 (nach 27. Juni 186 n. Chr.); in BGU IV 1208,16–17 (27–26 v. Chr.) geht es um die Schwierigkeit einer Reise nilaufwärts. 74 Weitere Beispiele für diese Konstruktion bei Moulton/Milligan, Vocabulary s. v. χράομαι. 75 Siehe LSJ s. v. χράω C. V. (mit einem einzigen literarischen Beleg). 76 Preisigke, Wörterbuch s. v. χράω 3), zitiert diesen Text als „Petr III S 115,8“. Zu diesem Brief der Metrodora an ihren Ehemann, den Architekten Kleon, siehe auch Bagnall/Cribiore, Women’s Letters 110–111. Weitere Beispiele für diese Konstruktion bei Moulton/Milligan, Vocabulary s. v. χράομαι. 77 Preisigke, Wörterbuch s. v. χράω 2), verweist noch auf die frühere Edition Magd 6,12.
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Einzelheiten: 2Kor 13,10
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Ein gewisser Hierokles ersucht einen Nikanor, zugunsten des Briefboten Apollodoros an zwei andere Personen zu schreiben, damit sie sich u. a. (Apollodoros gegenüber) „wohlwollend verhalten“ – P.Lond. VII 1946,6 (ca. 6. Mai 257 v. Chr.): ὅπως ἂν ἐπιγνωμόνως χρήσωνται.78 Bei P.Oxy. LXXIV 5019 (frühes 2. Jh. n. Chr.) handelt es sich um eine Anfrage an das Orakel mit folgendem Wortlaut: εἰ οἶδας ὅτι συνφέρει (l. συμφέρει) μᾶλλον ἀγοράσαι | παιδίσκην καὶ οὐ συνφέρει (l. συμφέρει) οὕτως | χρήσ̣ α̣ σθαι, τοῦτό μοι δός. Der Hg. übersetzt: „If you know that it is more advantageous to buy a slave girl and (that) it is not advantageous to borrow(?) her like this, give me this.“79 Mir scheint es sinnvoll zu sein, das οὕτως χρήσ̣ α̣ σθαι entsprechend den anderen Beispielen für die Konstruktion von χράομαι mit einem Adverb im Sinne von „sich so zu verhalten“ oder „so zu bleiben“ aufzufassen und somit zu übersetzen: „Wenn du weißt, dass es mehr von Nutzen ist, ein Sklavenmädchen zu kaufen, und nicht von Nutzen ist, mich so zu verhalten/so zu bleiben (also ohne Sklavenmädchen), gib mir diesen (gemeint ist: diesen Zettel) heraus!“ Für diese Deutung spricht die grundsätzliche Form derartiger Orakelanfragen, nämlich dass dabei zwei Zettel mit gegenteiligen Anfragen im Tempel abgegeben wurden, wovon der Fragende einen Zettel als Antwort zurückerhielt. Da der erhaltene Zettel die Antwort vorgibt, ein Sklavenmädchen zu kaufen, muss der dazugehörige gegenteilige Text das Gegenteil zum Kauf, also den Nicht-Kauf ins Auge gefasst haben. Die Variante Kauf oder NichtKauf (eigentlich: kaufen und somit nicht ohne Sklavin bleiben oder nicht kaufen und somit ohne Sklavin bleiben) scheint mir für den vorliegenden Fall daher plausibler zu sein als die Variante Kaufen oder Leihen (genauer: kaufen und nicht leihen oder nicht kaufen und leihen).80 In mehreren Eingaben findet sich der Vorwurf, dass sich jemand αὐθάδως („kühn, starrköpfig, vermessen, dreist“) verhält. In P.Hamb. IV 240,6–7 (119–120 n. Chr.) wird bestimmten Frauen aufgrund ihrer tätlichen Angriffe vorgeworfen, „sich dreist zu verhalten“ ([αὐθά]|δως χρησάμεναι). In P.Münch. III 74,5–6 (31. August 158 n. Chr.) wird Selbiges einem Onkel zur Last gelegt, der außerdem als „gewalttätig“ bezeichnet wird (αὐθάδως | χρησάμενος βίαιος ὤν), weil er das seinem Neffen und seiner Nichte von deren Vater her zukommende Erbe an sich gerissen habe. Bereits zum dritten Mal reicht ein gewisser Sarapion eine Petition ein und klagt über Körperverletzung und Diebstahl durch einen Plution; seinen Bericht über diese Vorfälle schließt er mit den Worten – P.Oxy. XXXI 2563,43–45 (ca. 170 n. Chr.): οὕτως οὖν αὐθάδως χρη|σάμενος κωμήτης ὢν | ἐπῆλθεν ἡμεῖν („auf so dreiste Weise also verhielt er sich, ein Dörfler, und ging gegen uns vor“). Eine gewisse Eudaimonis schließlich wendet sich an den Centurio Aurelius Antoninus, weil sich Dorfälteste gewalttätig verhalten hätten (SB XIV 11904,5 [ca. 184 n. Chr.]: βιαίως χρώμενοι); insbesondere hätten sie ihrer Sklavin Sarapias Gewalt angetan und sich dadurch „dreist verhalten“ (Z. 11–12: α̣ ὐθαδῶ̣ ς̣ | χρησάμενοι).81 78 Zu ἐπιγνωμόνως beachte T. C. Skeat in P.Lond. VII 35: „ἐπιγνωμόνως is a vox nihili, and must be corrected to εὐγνωμόνως. Possibly Hierokles hesitated between εὐγνωμόνως and ἐπιεικῶς.“ 79 P. Ripat in P.Oxy. LXXIV S. 161. 80 Vgl. z. B. die Orakelanfrage Chrest.Wilck. 122 (siehe oben S. 245–246; dort auch Literaturangaben zu Form und Charakter der Orakelfragen im römischen Ägypten). 81 Einen weiteren Beleg enthält möglicherweise ein leider nur unvollständig erhaltener privater
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Abschließender Teil des Briefcorpus (2Kor 12,14–13,11)
Die also mittlerweile in den dokumentarischen Papyri gute Bezeugung der von Paulus verwendeten Konstruktion zeigt, dass diese sowohl in der amtlichen als auch in der privaten Alltagssprache seiner Zeit durchaus geläufig war.
2Kor 13,11 Abschließende Aufforderungen 11 Im Übrigen, Schwestern und Brüder, freut euch, bereitet euch vor, tröstet einander, sinnt dasselbe, haltet Frieden, und der Gott der Liebe und des Friedens wird mit euch sein! Adverbiales λοιπόν ist auch in den Papyri gut bezeugt.82 In vergleichbarer Funktion, nämlich als Einleitung zu abschließenden Aufforderungen am Ende des Briefcorpus, begegnet es z. B. in O.Did. 317,6 (vor ca. 77–92 n. Chr.?); P.Thomas 8,11 (Ende 1. Jh. n. Chr.); O.Claud. I 141,10 (ca. 109–110 n. Chr.); O.Did. 383,29–30; 385,12; 394,9–10 (alle vor ca. 110–115 n. Chr.?); 390,19 (vor ca. 125–140 n. Chr.?); O.Claud. II 299,9 (Mitte 2. Jh. n. Chr.).83 Derartige Beispiele sprechen deutlich gegen den Versuch, diesen paulinischen Vers bereits zum Briefschluss zu zählen.84 13,111 λοιπόν, ἀδελφοί ‹ 1,1, χαίρετε ‹ 2,3, καταρτίζεσθε – Das Verb καταρτίζω begegnet in den dokumentarischen Papyri selten; die Bedeutung ist dieselbe wie bei Paulus: „vorbereiten, ausrüsten“.85 ‹ 1,4
, τὸ αὐτὸ φρονεῖτε – Dass die Mitglieder der christlichen Gemeinde dasselbe im Sinn haben, dasselbe denken sollen, erinnert an 1Kor 1,10 und die dortige Aufforderung, dasselbe zu sagen (ἵνα τὸ αὐτὸ λέγητε πάντες)86. Zur Verwendung des Verbs φρονέω in den dokumentarischen Papyri hat R. E. Kritzer festgestellt, dass die Denkart eines Menschen „einer-
παρακαλεῖσθε
Brief, durch den einem gewissen Ischyrion Aufträge im Zusammenhang mit der Landwirtschaft erteilt werden; in P.Oxy. XIV 1675,14–15 (3. Jh. n. Chr.) heißt es: ἵνα οὖν καὶ | σὺ ἐπιμελῶς χρήσῃ („damit also auch du dich sorgsam verhältst“); in der folgenden Zeile sind nur noch Tintenspuren zu erkennen, danach bricht der Papyrus ab, weshalb die von mir gewählte Übersetzung unsicher ist (es könnte auch die Bedeutung „gebrauchen, Gebrauch machen“ vorliegen, was B. P. Grenfell und A. S. Hunt in P.Oxy. XIV S. 134 vermuten). 82 Zu einigen zeitgenössischen Belegen siehe Kritzer/Arzt-Grabner, Adverbien 68–69. 83 Beachte dazu auch White, Light 206–207 (mit einigen Papyrusbelegen), und Watson, Reexamination 167–168. Moulton/Turner, Grammar IV 92, erwägen: „Adverbial loipon (= ceterum) […] may have come in by way of Aramaic and then found its way into post-Ptolemaic papyri“ (siehe dazu auch Mayser, Grammatik II.3 145). 84 Einen derartigen Versuch unternimmt vor allem Weima, Endings 208–215 (vgl. ders., Sincerely 323–324), obwohl der Autor in seine Studie zahlreiche Papyri mit einbezieht (siehe dazu auch unten S. 538). Prümm, Diakonia 728, z. B. übersetzt λοιπόν mit „Zum Schluss“. 85 Siehe dazu F. Winter in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 66. 86 Zum diesbezüglichen Befund siehe P. Arzt-Grabner in ders./Kritzer u. a., 1. Korinther 65.
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Abschließende Aufforderungen: 2Kor 13,11
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seits eine Frage des Alters, andererseits aber auch an Herkunft, Erziehung und den Austausch mit anderen Menschen geknüpft und alles in allem stets einem Wandel ausgesetzt“87 ist. Die Beispiele zeigen, dass insbesondere in zwischenmenschlichen Beziehungen eine Einstimmigkeit im Denken als äußerst erstrebenswert angesehen wird, während jemand, der seine Meinung ändert und anderes im Kopf hat, mit dem Vorwurf rechnen muss, das Ende der Beziehung zu riskieren oder vertragsbrüchig zu sein. So attestiert in einem Ehevertragsentwurf die Braut ihrem zukünftigen Gatten, dass dieser „gleich denkt wie ich und meine Auffassungen teilt“ – BGU VI 1463,4–5 (12. Februar 246 v. Chr.): τἀμὰ φρονοῦν|τος καὶ τἀμὰ νοο[ῦν]τος. Der Webermeister Tryphon aus Oxyrhynchos hingegen hält in der Eingabe P.Oxy. II 282 (26. Januar 29–22. Mai 37 n. Chr.) über seine frühere Ehefrau fest – 9–11: ἡ δὲ ἀλλότρια φρονήσα|σα τῆς κοινῆς συμβιώ|[σεως] κατὰ πέρ[α]ς ἐξῆ|[λθε] („sie aber hatte anderes im Kopf als unser Eheleben und ging schließlich weg“).88
εἰρηνεύετε – Für εἰρηνεύω89 („Frieden halten, in Frieden leben“) finden sich
bisher drei papyrologische Belege, die alle aus Briefen stammen. In den in Frage kommenden Vergleichszeitrahmen fällt dabei nur ein einziger:90 Ein gewisser Ammonios ermahnt in P.Oxy. XLII 3057 (1.–2. Jh. n. Chr.) seinen Adressaten, in einer bestimmten Angelegenheit keinen Streit mit seinen engsten Mitmenschen herbeizuführen; vielmehr veranlasse ihn die eigene Erfahrung dazu – Z. 18–19: προτρέψασ|θαι ὑμᾶς εἰρηνεύειν („euch dazu aufzufordern, Frieden zu halten“).91
καὶ ὁ θεὸς τῆς ἀγάπης ‹ 2,4 καὶ εἰρήνης ‹ 1,2 ἔσται μεθ᾽ ὑμῶν – Vor dem Hin-
tergrund von Papyrusbriefen wird die hier vorliegende Form eines Friedenswunsches von J. L. White zum abschließenden Teil des Briefcorpus gerechnet.92
87
R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 441. Siehe dazu und zu weiteren Beispielen R. E. Kritzer in Arzt-Grabner/Kritzer u. a., 1. Korinther 441–442. 89 Dieser Begriff wurde von R. E. Kritzer bearbeitet. 90 Siehe ferner SB XIV 11957,28 (2. Hälfte 5. Jh. n. Chr.) und P.Col. X 290,6 (5.–6. Jh. n. Chr.). 91 Zur Debatte, ob es sich bei diesem Papyrus um einen (sehr frühen) christlichen Brief handelt, siehe S. 71 Anm. 95. 92 Vgl. White, Mission 152; Hubing, Crucifixion 61–68; ders., Epistolary Form 15–16 (gegen Weima, Endings 88); beachte auch die Abgrenzung gegenüber dem Friedenswunsch im Briefschluss bei White, Mission 153 (aufgegriffen und weitergeführt von Hubing, Crucifixion 116– 117; ders., Epistolary Form 16). 88
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Briefschluss: 2Kor 13,12–13
Briefschluss: 2Kor 13,12–13 In der gegenwärtigen Exegese wird der Beginn des Briefschlusses durchwegs bei 13,11 angesetzt.1 Der Befund der Papyrusbriefe legt hier deutlich eine andere Abgrenzung nahe. Neben dem eigentlichen Schlussgruß konnte der Schluss eines antiken griechischen Briefes noch folgende Teile enthalten:2 einen Gesundheitswunsch3, die Übermittlung von Grüßen, die Erwähnung, dass die Absenderin oder der Absender des Schreibens unkundig ist, die Datierung sowie ein Postskriptum.4 Dies widerrät jeglichem Versuch, den Briefschluss von 2Kor schon vor 13,12 beginnen zu lassen,5 denn aus diesen Möglichkeiten finden sich am Ende von 2Kor zwei: eine Übermittlung von Grüßen (13,12) und der eigentliche Schlussgruß (V. 13).6 1 Vgl. etwa Weima, Endings 208; ders., Sincerely 323–324; u. a. folgende Kommentatoren: Wendland, Kor 259; Prümm, Diakonia 728; Bousset, 2Kor 223; Allo, 2Cor 342; Schlatter, Paulus 681; Spicq, 2Cor 305; Kuss, Briefe 246; Bachmann, 2Kor 413; Windisch, 2Kor 426; Bultmann, 2Kor 251–252; Wolff, 2Kor 266; Zeilinger, Krieg I 37.145–147; Kremer, 2Kor 122; Carrez, 2Cor 242–243; Pesch, Paulus 153; Hughes, 2Cor 486; Scott, 2Cor 260; Harris, 2Cor 930– 931; Roetzel, 2Cor 125; Witherington, Conflict 474; Keener, Cor 246–247; Matera, 2Cor 310–314; Thrall, 2Cor 900–904; Klauck, 2Kor 14; Lang, Kor 359; Grässer: 2Kor II 268–277; Barrett, 2Cor 52; Martin, 2Cor 490–507; Barnett, 2Cor 614–615; Baumert, Rücken 355; Malina/Pilch, Social-Science Commentary 133; Becker, 2. Korintherbrief 207; Schmeller, 2Kor 13 („Der Briefschluss liegt eindeutig in 13,11–13 vor“); ferner z. B. Vegge, 2 Corinthians 365–370. 2 Siehe dazu Arzt-Grabner, Philemon 264; Weima, Endings 28–56; ders., Sincerely 310–343; White, Formulas 295.297–299; ders., Letter Tradition 95; Exler, Form 113–127; Müller, Schluß 64–67; Bauer, Paulus 50–51. 3 Siehe dazu Weima, Endings 34–39; White, Light 201–202; Müller, Schluß 59–64. 4 Vgl. Hubing, Crucifixion 114–125, der sich aufgrund eines ausführlichen Vergleichs mit Papyrusbriefen gegen das Anliegen von Weima, Endings passim, wendet, auch davor liegende Teile bereits dem Briefschluss zuzurechnen (im Falle von 2Kor ist dies nach Weima, Endings 208, bereits 2Kor 13,11). 5 Weima, Endings 208–215, rechnet aufgrund von λοιπόν, ἀδελφοί den V. 11 bereits zum Briefschluss (zu einigen Papyrusbelegen, die eindeutig dagegen sprechen, siehe oben bei den Einzelheiten zu 13,11). Aufgrund des papyrologischen Befundes hat sich vor allem Hubing, Crucifixion 57–70.87–127 (vgl. ders., Epistolary Form), deutlich gegen Weimas Annahmen ausgesprochen. Zusammenfassend schreibt Hubing, Crucifixion 122 (vgl. ders., Epistolary Form 18): „It is my contention that the best way to treat the Pauline closings is to maintain the essential definition of the closing we found in our analysis of the common Greek letter tradition. Specifically, this is the idea that the letter closing begins no earlier than the appearance of the secondary greetings. In the absence of secondary greetings, the closing would begin with the health wish. In the absence of the health wish, the closing begins with the farewell wish. In the absence of all three of the above, the closing would begin when the first of the following appears […]: date, illiteracy formula, postscript. It would seem both logical and profitable to maintain this definition of the closing in Paul’s letters as a way of clarifying the discussion and avoiding the kind of ambiguity and circular reasoning that have resulted from arbitrarily adopting another point to mark the onset of the Pauline letter closing.“ 6 Zu den Schlussteilen ntl. (insbesondere paulinischer) Briefe siehe vor allem Schnider/Stenger, Studien 71–167; Müller, Schluß 79–239.
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Übermittlung von Grüßen (2Kor 13,12)
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Was mögliche Datierungen der originalen Paulusbriefe betrifft, hat A. Deissmann – und im Gefolge D. Trobisch – angenommen, dass diese der Redaktion und Publikation zum Opfer gefallen sind.7 Das Datum war Ausdruck der Situations- und Zeitbezogenheit eines Briefes. Briefe, die sekundär einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden, indem man sie abschrieb und weiter reichte und schließlich – wie auch im Fall der Paulusbriefe – als Sammlung edierte, wurden damit bewusst aus dieser auf die ursprünglichen Adressatinnen und Adressaten bezogenen und damit auch zeitlichen Begrenztheit herausgehoben. Die Datierungen wären – so Trobisch – im Zuge dieser Veröffentlichung folgerichtig als einschränkendes Element weggelassen worden.8 Dies ist nur bedingt richtig, da der Befund der Papyrusbriefe, die ja im Original erhalten sind, zeigt, dass etwa die Hälfte der privaten Briefe (und amtliche Briefe nicht selten) von vornherein undatiert blieben.9 Von einzelnen Cicero-Briefen ist umgekehrt trotz Veröffentlichung die Datierung noch erhalten.10 Es ist also nicht mehr zu klären, ob die Briefe des Paulus ursprünglich eine Datierung enthielten oder nicht.
Übermittlung von Grüßen (2Kor 13,12) 12 Grüßt einander in heiligem Kuss! Es grüßen euch alle Heiligen. Mit dem Übermitteln von Grüßen am Ende des Briefes steht Paulus im Einklang mit einer innerhalb seiner Briefkultur sehr häufig gepflogenen Praxis. Hier nützt er – wie oft – die Möglichkeit, sowohl die Gemeindemitglieder aufzufordern, andere in ihrer Nähe zu grüßen, als auch die Grüße anderer Personen, die sich bei ihm aufhalten, an die Adressatinnen und Adressaten zu übermitteln.11 Ersteres kommt hier in der besonderen Aufforderung, „einander in heiligem Kuss zu grüßen“, vor – einer Ausdrucksweise, die papyrologisch bisher nicht bezeugt ist, bei Paulus aber auch Röm 16,16 und 1Kor 16,19 begegnet. 13,112 ἀσπάσασθε ἀλλήλους ἐν ἁγίῳ ‹ 1,1 φιλήματι. ἀσπάζονται ὑμᾶς οἱ ἅγιοι ‹ 1,1 πάντες – Zu φίλημα liegen bisher keine papyrologischen Belege vor. 7
Vgl. Deissmann, Licht 138 Anm. 8; Trobisch, Entstehung 96–97. Vgl. Trobisch, Entstehung 96–97. 9 Vgl. Exler, Form 98: „It is not practicable to give exact figures; but it is approximately correct to say that in private letters the date is missing almost as frequently as it is given; and in official letters the absence of the date is not rare.“ Vgl. Hubing, Crucifixion 97–98; Weima, Endings 52. 10 Z. B. Cic. Att. 11,16.17.19–21. 11 Dazu ausführlich und mit Beispielen für sämtliche Varianten Arzt-Grabner, Philemon 264–267 (vgl. P. Arzt-Grabner in ders./Kritzer u. a., 1. Korinther 521); zur Verwendung bei Paulus auch Weima, Sincerely 325–330. 8
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Briefschluss: 2Kor 13,12–13
Schlussgruß (2Kor 13,13) 13 Die Gnade des Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des heiligen Geistes mit euch allen. Der Schlussgruß des 2Kor ist eine gegenüber der von Paulus meist verwendeten Form ἡ χάρις τοῦ κυρίου Ἰησοῦ (Χριστοῦ) μεθ᾿ ὑμῶν (oder μετὰ τοῦ πνεύματος ὑμῶν) erweiterte Fassung. Wie auch sonst bei Paulus, handelt es sich dabei um eine Form, die mit den Standardformen privater Papyrusbriefe nicht vergleichbar ist und offensichtlich von Paulus selbst geprägt wurde. Nicht wenige Beispiele aus den Papyri zeigen aber, dass auch private Briefschreiber immer wieder die Möglichkeit nutzten, in Abweichung von der Norm individuelle Formen zu verwenden.12 13,113 ἡ χάρις ‹ 1,2 τοῦ κυρίου ‹ 1,2 Ἰησοῦ ‹ 1,1 Χριστοῦ ‹ 1,1 καὶ ἡ ἀγάπη ‹ 2,4 τοῦ θεοῦ καὶ ἡ κοινωνία ‹ 6,14 τοῦ ἁγίου ‹ 1,1 πνεύματος ‹ 1,22 μετὰ πάντων ὑμῶν.
12
Siehe dazu Arzt-Grabner, Philemon 267–270 (vgl. P. Arzt-Grabner in ders./Kritzer u. a., 1. Korinther 521); Weima, Sincerely 340–344; Bauer, Paulus 50–51.83; Scholl/Homann, Briefkultur 62–63.
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Anhang Verzeichnisse Papyri, Ostraka, Pergamente und Täfelchen Die nicht in der „Checklist of Editions of Greek, Latin, Demotic, and Coptic Papyri, Ostraca and Tablets“ oder im Abkürzungsverzeichnis auf S. 45 aufgeschlüsselten Angaben werden im Literaturverzeichnis unter „Textausgaben und Hilfsmittel“ (S. 13–16) und unter „Monografien und Aufsätze“ (S. 18–43) vollständig angegeben. Die Reihenfolge der Verweise richtet sich nach der genannten Checklist, zunächst also werden die Editionen angeführt, die vorrangig Papyri enthalten, danach jene mit Ostraka und Täfelchen, zuletzt die Corpora und Serien. Aus editorischen Gründen enthalten Editionen, die mit „P.“ abgekürzt werden, vereinzelt auch Ostraka, und umgekehrt handelt es sich bei Abkürzungen mit „O.“ in bestimmten Fällen um Papyri (so z. B. bei O.Berenike II). Um die Handhabung des Index möglichst einfach zu gestalten, werden hier sämtliche Dokumente mit „P.“ unter „Papyri“ angeführt und sämtliche mit „O.“ unter den „Ostraka und Täfelchen“.
Papyri BGU I 14 453 BGU I 15, Kol. II 290 BGU I 36 199, 291 BGU I 37 407, 428 BGU I 73 500 BGU I 86 415 BGU I 96 441 BGU I 136 500 BGU I 140 330, 443 BGU I 149 266 BGU I 159 313 BGU I 180 515 BGU I 183 260, 303, 412 BGU I 193 233 BGU I 194 359 BGU I 218 419 BGU I 229 201, 246 BGU I 230 201, 246 BGU I 241 467 BGU I 246 153, 236 BGU I 248 155, 226, 236, 475 BGU I 249 154 BGU I 251 260, 412 BGU I 266 526
BGU I 300 BGU I 304 BGU I 326 BGU I 333 BGU I 340 BGU II 362 BGU II 380 BGU II 388 BGU II 417 BGU II 423 BGU II 424 BGU II 436 BGU II 449 BGU II 450 BGU II 473 BGU II 530 BGU II 531 418 BGU II 543 BGU II 597 BGU II 615 BGU II 625 BGU II 632 BGU II 655
271 477 523 155 511 205, 266, 313 214, 251, 329, 510 254, 352, 368 503 488, 495 453 291 155 215 243 155, 242, 340 56, 152–153, 188–189, 383, 419 300 156, 281, 330 431 330–331 443
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Verzeichnisse
BGU III 710 484 BGU III 714 145 BGU III 731, Kol. I 306 BGU III 742 408 BGU III 747 415 BGU III 805 233 BGU III 814 151, 157 BGU III 815 347, 375, 508 BGU III 822 56 BGU III 830 175 BGU III 843 206 BGU III 844 347 BGU III 845 151 BGU III 846 353 BGU III 859 233 BGU III 884 56, 153, 253 BGU III 888 494 BGU III 923 331 BGU III 981, Kol. I 1 – Kol. II 20 445 BGU III 987 233 BGU III 996 358 BGU III 998 511 BGU IV 1031 316 BGU IV 1036 474 BGU IV 1040 374 BGU IV 1043 294 BGU IV 1044 207 BGU IV 1045 437 BGU IV 1050 412 BGU IV 1051 412 BGU IV 1052,1–34 412, 437 BGU IV 1059 233 BGU IV 1061 261, 291 BGU IV 1078 196 BGU IV 1079 150, 155, 215 BGU IV 1080 342, 524 BGU IV 1081 237, 371 BGU IV 1085 509 BGU IV 1095 503 BGU IV 1097 115, 470 BGU IV 1099 412 BGU IV 1100 335 BGU IV 1101 412, 437 BGU IV 1104 253 BGU IV 1106 437 BGU IV 1117 302, 529 BGU IV 1125 Siehe SB XXII 15538 BGU IV 1126 308
BGU IV 1127 373, 455, 507 BGU IV 1129 373 BGU IV 1132 427 BGU IV 1137 399 BGU IV 1138 125 BGU IV 1139 167, 355 BGU IV 1141 62, 68, 71, 169, 202, 245, 374, 446, 476, 515 BGU IV 1188 301 BGU IV 1195 421 BGU IV 1197 365 BGU IV 1201 216, 299, 440 BGU IV 1205 418 BGU IV 1208 534 BGU IV 1209 383 BGU V 1210 192, 376, 407, 507 BGU VI 1247 357 BGU VI 1250 376 BGU VI 1256 435 BGU VI 1278 185 BGU VI 1285 185, 350, 368 BGU VI 1300 265 BGU VI 1301 417 BGU VI 1463 537 BGU VII 1546 533 BGU VII 1549 476 BGU VII 1550 476 BGU VII 1563 193, 418 BGU VII 1578 530 BGU VII 1591 357 BGU VII 1655 523 BGU VII 1666 303 BGU VII 1671 221 BGU VII 1674 199 BGU VIII 1756 213 BGU VIII 1764 347–348, 490 BGU VIII 1766 348, 470 BGU VIII 1768 234, 351 BGU VIII 1769 213 BGU VIII 1784 251 BGU VIII 1795 215 BGU VIII 1807 251 BGU VIII 1816 282, 529 BGU VIII 1821 237–238 BGU VIII 1824 203, 489 BGU VIII 1827 343 BGU VIII 1846 409 BGU VIII 1849 343, 422
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Papyri
BGU VIII 1855 203, 489 BGU VIII 1857 290 BGU VIII 1864 196 BGU VIII 1871 274 BGU X 1904 357 BGU X 1911 431 BGU X 1939 185 BGU X 1978 185 BGU X 2006 417 BGU XI 2059 140 BGU XI 2060 140, 336 BGU XI 2061 323, 385 BGU XI 2069 386 BGU XI 2100 184 BGU XII 2176 263 BGU XIII 2245 407 BGU XIII 2332 327 BGU XIII 2349 150 BGU XIII 2350 365 BGU XIII 2354 436 BGU XIV 2370 199 BGU XIV 2371 379 BGU XIV 2376 285 BGU XIV 2389 438 BGU XIV 2398 277 BGU XV 2474 252 BGU XV 2492 287 BGU XVI 2560 459 BGU XVI 2589 332 BGU XVI 2595 140 BGU XVI 2600 244, 343, 424 BGU XVI 2601 343 BGU XVI 2603 227 BGU XVI 2604 493, 513 BGU XVI 2604–2665 125 BGU XVI 2607 123–124 BGU XVI 2608 77, 91–92, 116–117, 304 BGU XVI 2610 77, 91 BGU XVI 2611 76, 91–92 BGU XVI 2612 382 BGU XVI 2613 409 BGU XVI 2614 204 BGU XVI 2615 83, 182, 283 BGU XVI 2616 193 BGU XVI 2617 83, 283 BGU XVI 2618 83, 123–124, 209, 283, 334 BGU XVI 2622 123–124, 126
BGU XVI 2623 245, 271, 273, 406 BGU XVI 2625 123–124 BGU XVI 2626 78, 123–125, 140 BGU XVI 2627 78, 125 BGU XVI 2628 78, 125 BGU XVI 2629 78, 118, 123–125, 213 BGU XVI 2630 78, 125, 251 BGU XVI 2631 123–124 BGU XVI 2632 182 BGU XVI 2634 131 BGU XVI 2636 412, 450 BGU XVI 2637 244 BGU XVI 2643 123–126, 431, 472 BGU XVI 2644 126, 429 BGU XVI 2646 123–124, 244 BGU XVI 2647 274, 363, 487 BGU XVI 2649 429 BGU XVI 2650 314 BGU XVI 2652 534 BGU XVI 2654 274 BGU XVI 2657 515 BGU XVI 2659 429 BGU XVI 2660 382 BGU XVI 2661 123–124, 317 BGU XVI 2663 470 BGU XVII 2695 263 BGU XIX 2762, Verso 198 BGU XIX 2801, Verso Z. 18–23 332 BGU XIX 2833 336 CPR I 4 287, 335 CPR I 11 358 CPR I 176 336 CPR I 224 427 CPR I 236 412 CPR V 19 531 CPR VI 2 56 CPR VI 3 56 CPR VI 72 56, 260 CPR VI 76 343 CPR VI 80 135, 426 CPR VII 1 266 CPR VII 32 264 CPR VII 57 155, 478 CPR IX 45 372 CPR IX 68 343 CPR XIV 48 385 CPR XV 1 332, 355, 511 CPR XV 7 468
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Verzeichnisse
CPR XV 15 209, 383 CPR XVIII 18 251 CPR XXIII 1 490 CPR XXIII 2 517 CPR XXV 2 272, 349 CPR XXV 14 531 CPR XXVIII 14 376 P.Aberd. 52 213, 269 P.Aberd. 69 456 P.Abinn. 21 56 P.Abinn. 33 411 P.Abinn. 41 56 P.Adl. 4 362 P.Adl. 7 511 P.Adl. 15 358 P.Adl. 21 358 P.Alex. 29 48 P.Alex. Inv.Nr. 447 314 P.Alex.Giss. 39 311 P.Amh. II 34 c 455 P.Amh. II 34 d 455 P.Amh. II 43 501 P.Amh. II 66, Kol. II 231 P.Amh. II 67 215 P.Amh. II 78 248 P.Amh. II 85 195 P.Ammon I 3 56–57, 61, 71, 107, 121 P.Ammon I 5 422 P.Ammon I 9 422 P.Ammon I 12 422 P.Ammon I 13 422 P.Ammon II 32 335 P.Ammon II 39 335 P.Ammon II 41 335 P.Ammon II 45 335 P.Amst. I 81 483 P.Amst. I 95 168 P.Ant. I 43 372 P.Ant. II 87 490 P.Athen. 25 334 P.Athen. 60 151 P.Athen. 67 155 P.Bad. II 9 501 P.Bad. II 16 408 P.Bad. II 17 532 P.Bad. II 19 b 521–522 P.Bad. IV 48 204, 291, 305 P.Bad. IV 51 335
P.Bas. 16 48 P.Batav. I 30 226 P.Berl.Cohen 13 423 P.Berl.Cohen 14 157, 171 P.Berl.Cohen 15 254, 382, 417 P.Berl.Frisk 3 313, 477 P.Berl.Leihg. II 46 497 P.Berl.Möller 2 + P.Oxy. IX 1203 243 P.Berl.Möller 4 230 P.Berl.Möller 9 196 P.Berl.Möller 10, Verso 134, 136, 426 P.Berl.Möller 11 226 P.Berl.Salmen. 11 288 P.Berl.Salmen. 15 438 P.Berl.Zill. 1 140, 452 P.Bingen 34 525 P.Bingen 58 217 P.Bingen 60 335 P.Bingen 78 215 P.Bingen 111 387 P.Bingen 114 155 P.Bingen 127 354 P.Bodl. I 9 373 P.Bodl. I 29 360 P.Bodl. I 51 450 P.Bodl. I 57 476 P.Bon. 21 318 P.Bon. 38 266 P.Bon. 43 423 P.Bour. 11 431 P.Bour. 14 185 P.Bour. 25 320 P.Bour. 26 336 P.Brem. 1 516 P.Brem. 2 135, 198, 366, 426 P.Brem. 3 284 P.Brem. 5 216, 271 P.Brem. 9 244 P.Brem. 10 331 P.Brem. 14 251, 461, 473 P.Brem. 16 254 P.Brem. 17 344 P.Brem. 20 250 P.Brem. 21 513 P.Brem. 22 513 P.Brem. 23 290 P.Brem. 36 198 P.Brem. 38 416, 436
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Papyri
P.Brem. 48 489 P.Brem. 51 140 P.Brem. 52 513 P.Brem. 53 214, 259 P.Brem. 56 Anhang (S. 130) 427 P.Brem. 58 151 P.Brem. 61 103, 141 P.Brem. 63 314 P.Brem. 64 153 P.Brem. 66 270 P.Bub. I Fr. S. 200 351 P.Cair. 30606 401 P.Cair. 31179 401 P.Cair.Goodsp. 15 457 P.Cair.Goodsp. 30 503 P.Cair.Isid. 1 198, 477 P.Cair.Isid. 10 503 P.Cair.Isid. 13 352, 503 P.Cair.Isid. 16 503 P.Cair.Isid. 17 503 P.Cair.Isid. 65 419 P.Cair.Isid. 66 419 P.Cair.Isid. 67 419, 445 P.Cair.Isid. 75 199 P.Cair.Isid. 80 359 P.Cair.Isid. 81 407 P.Cair.Masp. I 67002 283, 483 P.Cair.Masp. I 67003 435 P.Cair.Masp. I 67007 190 P.Cair.Masp. I 67089 125 P.Cair.Masp. II 67151 435, 461 P.Cair.Masp. III 67295 522 P.Cair.Masp. III 67305 530 P.Cair.Masp. III 67310 497, 530 P.Cair.Masp. III 67333 495 P.Cair.Preis. 43 288 P.Cair.Zen. I 59006 500 P.Cair.Zen. I 59011 264 P.Cair.Zen. I 59013 317 P.Cair.Zen. I 59015, Verso 128 P.Cair.Zen. I 59018 525 P.Cair.Zen. I 59021 128 P.Cair.Zen. I 59029 525 P.Cair.Zen. I 59034 508, 510 P.Cair.Zen. I 59038 101–102, 357, 366 P.Cair.Zen. I 59039 100–101 P.Cair.Zen. I 59044 101, 366, 490 P.Cair.Zen. I 59045 101
P.Cair.Zen. I 59049 101–102 P.Cair.Zen. I 59054 317 P.Cair.Zen. I 59061 101, 105, 459 P.Cair.Zen. I 59069 264 P.Cair.Zen. I 59075 101 P.Cair.Zen. I 59076 101 P.Cair.Zen. I 59080 102 P.Cair.Zen. I 59081 102 P.Cair.Zen. I 59082 102 P.Cair.Zen. I 59083 102 P.Cair.Zen. I 59084 102 P.Cair.Zen. I 59101 419 P.Cair.Zen. II 59146 381 P.Cair.Zen. II 59155 100 P.Cair.Zen. II 59156 100 P.Cair.Zen. II 59157 100 P.Cair.Zen. II 59158 100 P.Cair.Zen. II 59159 362 P.Cair.Zen. II 59160 496 P.Cair.Zen. II 59173 443 P.Cair.Zen. II 59176 205, 531 P.Cair.Zen. II 59179 101 P.Cair.Zen. II 59180 101 P.Cair.Zen. II 59184 101 P.Cair.Zen. II 59185 101 P.Cair.Zen. II 59200 100 P.Cair.Zen. II 59201 100 P.Cair.Zen. II 59202 100 P.Cair.Zen. II 59203 100 P.Cair.Zen. II 59204 101 P.Cair.Zen. II 59207 450 P.Cair.Zen. II 59230 407 P.Cair.Zen. III 59299 101 P.Cair.Zen. III 59300 101 P.Cair.Zen. III 59305 326 P.Cair.Zen. III 59312 281 P.Cair.Zen. III 59315 101–102, 419 P.Cair.Zen. III 59316 101 P.Cair.Zen. III 59318 482 P.Cair.Zen. III 59324 193 P.Cair.Zen. III 59330 101–102 P.Cair.Zen. III 59331 101–102 P.Cair.Zen. III 59337 219 P.Cair.Zen. III 59340 185 P.Cair.Zen. III 59350 348 P.Cair.Zen. III 59353 317 P.Cair.Zen. III 59363 524 P.Cair.Zen. III 59367 130, 507
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Verzeichnisse
P.Cair.Zen. III 59368 470 P.Cair.Zen. III 59378 202, 502 P.Cair.Zen. III 59381 359 P.Cair.Zen. III 59384 374 P.Cair.Zen. III 59422 310 P.Cair.Zen. III 59434 323 P.Cair.Zen. III 59435 345 P.Cair.Zen. III 59439 525 P.Cair.Zen. III 59463 344 P.Cair.Zen. III 59470 268 P.Cair.Zen. III 59475 526 P.Cair.Zen. III 59477 322 P.Cair.Zen. III 59499,Verso 44–84 286 P.Cair.Zen. III 59509 366 P.Cair.Zen. III 59516 322, 428 P.Cair.Zen. IV 59536 264 P.Cair.Zen. IV 59537 128 P.Cair.Zen. IV 59543 419 P.Cair.Zen. IV 59571 157 P.Cair.Zen. IV 59578 496 P.Cair.Zen. IV 59593 161, 249 P.Cair.Zen. IV 59595 450 P.Cair.Zen. IV 59611 430 P.Cair.Zen. IV 59623 193 P.Cair.Zen. IV 59626 449 P.Cair.Zen. IV 59631 326 P.Cair.Zen. IV 59633 525 P.Cair.Zen. IV 59639 252 P.Cair.Zen. IV 59659 291, 490 P.Cair.Zen. IV 59665 468 P.Cair.Zen. IV 59745 251 P.Cair.Zen. IV 59758 Siehe P.Col. III 38 P.Cair.Zen. IV 59767 278 P.Cair.Zen. IV 59777 317 P.Cair.Zen. V 59804 128 P.Cair.Zen. V 59811 102 P.Cair.Zen. V 59812 102–103 P.Cair.Zen. V 59815 101 P.Cair.Zen. V 59816 205 P.Cair.Zen. V 59823 418 P.Cair.Zen. V 59832 304 P.Cair.Zen. V 59843 479 P.Cair.Zen. V 59844 496 P.Cair.Zen. V 59847 460 P.Cair.Zen. V 59852 205 P.Col. III 2 317 P.Col. III 6 242 P.Col. III 12 308
P.Col. III 34 100 P.Col. III 38 + P.Cair.Zen. IV 59758 234 P.Col. IV 63 227 P.Col. IV 66 496 P.Col. IV 68 144 P.Col. IV 83 268 P.Col. IV 88 404 P.Col. IV 98 420 P.Col. IV 110 520 P.Col. VIII 209 216 P.Col. VIII 211 108 P.Col. VIII 215 370 P.Col. VIII 221 221 P.Col. VIII 222 227 P.Col. X 253 270 P.Col. X 254 233 P.Col. X 278 405, 458 P.Col. X 279 479 P.Col. X 290 537 P.Col. XI 298 272 P.Coll.Youtie I 12 209 P.Coll.Youtie II 86 265 P.Congr.XV 5 140 P.Corn. 20 352 P.Corn. 20 (a) 352 P.Corn. 49 270 P.Corn. 50 428 P.David 1 226 P.David 16 254 P.Dime III 12 231 P.Dime III 35 224 P.Diog. 5 463 P.Diog. 17 456 P.Dion. 9 197, 481, 511 P.Dion. 11 423 P.Dion. 15 308 P.Dion. 16 308 P.Diosk. 1 484 P.Diosk. 5 332 P.Diosk. 6 452 P.Diosk. 11 328 P.Diosk. 12 295 P.Diosk. 15 414 P.Dryton 2 350 P.Dryton 3 233, 350 P.Dryton 4 233, 350 P.Dryton 38 341, 350
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Papyri
P.Dryton 47 233 P.Dura 18 225, 231 P.Dura 20 501 P.Dura 31 511 P.Dura 46 54 P.Dura 47 221 P.Eirene III 2 267 P.Eirene III 17, Verso 458 P.Eleph. 1 296 P.Eleph. 2 199 P.Eleph. 3 481 P.Eleph. 4 481 P.Eleph. 13 370 P.Eleph.Wagner 95 227 P.Enteux. 4, Verso 524 P.Enteux. 6 452–453 P.Enteux. 26 524 P.Enteux. 29 318 P.Enteux. 34 421 P.Enteux. 38 425 P.Enteux. 40 524 P.Enteux. 46 337 P.Enteux. 48 498 P.Enteux. 49 524 P.Enteux. 63 295 P.Enteux. 71 281 P.Enteux. 75 322, 534 P.Enteux. 78 524 P.Enteux. 83 279 P.Enteux. 90 524 P.Enteux. C 344 P.Erasm. I 2 490 P.Erasm. I 6 167 P.Erasm. I 10 397 P.Erasm. I 12 363 P.Erasm. II 40 251 P.Erl. 18 345, 534 P.Erl. 93 205 P.Erl. 118 511 P.Euphrates 1 349, 476 P.Euphrates 2 385 P.Euphrates 6 373 P.Euphrates 7 373 P.Euphrates 17 516 P.Fam.Tebt. 15 311 P.Fam.Tebt. 24 376 P.Fam.Tebt. 29 351 P.Fay. 12 213, 268, 322
P.Fay. 90 327 P.Fay. 93 265 P.Fay. 108 490–491 P.Fay. 110 91, 94, 121, 123 P.Fay. 111 135, 426, 429 P.Fay. 112 91–92, 123, 144, 290, 312, 424 P.Fay. 113 132 P.Fay. 114 132–133 P.Fay. 115 94, 144 P.Fay. 117 426 P.Fay. 121 94 P.Fay. 123 160 P.Fay. 124 432, 467 P.Fay. 125 532 P.Fay. 128 291 P.Fay. 137 201, 246 P.Fay. 138 201, 246 P.Flor. I 2 277 P.Flor. I 9 462 P.Flor. I 58 359, 385 P.Flor. I 61 215, 290, 496 P.Flor. I 74 205 P.Flor. I 77 313 P.Flor. I 79 521 P.Flor. I 86 429 P.Flor. II 122 435 P.Flor. II 133 343 P.Flor. II 142 376 P.Flor. II 156 160, 176 P.Flor. II 175 436, 503 P.Flor. II 176 496 P.Flor. II 242 435 P.Flor. II 247 454 P.Flor. II 270 454 P.Flor. II 275 507 P.Flor. III 298 375 P.Flor. III 332 422 P.Flor. III 338 405 P.Flor. III 364 225 P.Flor. III 365 160 P.Flor. III 367 56 P.Flor. III 373 204 P.Flor. III 382 343, 352, 357 P.Fouad I 10 318 P.Fouad I 18 504 P.Fouad I 19 504 P.Fouad I 21 186
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Verzeichnisse
P.Fouad I 26 514 P.Fouad I 28 203 P.Fouad I 30 489 P.Fouad I 33 260 P.Fouad I 37 247 P.Fouad I 54 415 P.Fouad I 67 506 P.Fouad I 79 532 P.Frankf. 4 185 P.Freib. II 8 233 P.Freib. III 30 296, 412 P.Freib. IV 56 160 P.Freib. IV 57 430 P.Gen. I2 7 140 P.Gen. I2 14 411 P.Gen. I2 16 385 P.Gen. I2 17 511 P.Gen. I2 21 296, 412 P.Gen. I2 42 359 P.Gen. I2 75 272 P.Gen. II 94 351 P.Gen. II 111 445 P.Gen. III 136, Verso (S. 133) 376 P.Gen. III 137 292 P.Gen. III 143 252 P.Genova III 92 361 P.Giss. I 2 412 P.Giss. I 4 198 P.Giss. I 5 198 P.Giss. I 6 198 P.Giss. I 7 198, 313, 349 P.Giss. I 9 526 P.Giss. I 17 211, 467 P.Giss. I 19 313, 348, 480, 489, 498 P.Giss. I 21 206 P.Giss. I 22 434, 498 P.Giss. I 24 516 P.Giss. I 25 214 P.Giss. I 27 464 P.Giss. I 36 355 P.Giss. I 40 316, 453, 530 P.Giss. I 47 312, 415 P.Giss. I 59 252 P.Giss. I 71 271, 382 P.Giss. I 73 467, 480 P.Giss. I 81 104, 193 P.Giss. I 82 295 P.Giss. I 86 150
P.Giss. I 87 534 P.Giss. I 99 215, 512 P.Giss.Univ. III 20 271, 275 P.Giss.Univ. III 29, Verso 511 P.Giss.Univ. III 32 532 P.Grad. 5 185 P.Grad. 7 308 P.Grad. 10 507 P.Graux II 10 270, 470 P.Graux II 22 418 P.Grenf. I 11 501, 525 P.Grenf. I 21 233 P.Grenf. I 42 489 P.Grenf. II 14 (a) 348 P.Grenf. II 28 511 P.Grenf. II 36 151, 482, 532 P.Grenf. II 38 278 P.Grenf. II 70 425 P.Grenf. II 71 313 P.Grenf. II 84 494 P.Gur. 8 490 P.Hal. 1 231–232, 242, 352, 453, 462– 463, 516 P.Hamb. I 4 328 P.Hamb. I 6 502 P.Hamb. I 27 525 P.Hamb. I 29 231 P.Hamb. I 30 484 P.Hamb. I 63 225 P.Hamb. I 73 523 P.Hamb. I 88 405 P.Hamb. I 105 413 P.Hamb. III 218 287, 335, 453 P.Hamb. IV 239 308, 317 P.Hamb. IV 240 290, 357, 535 P.Hamb. IV 257 337 P.Hamb. IV 259 104 P.Hamb. IV 272 492 P.Harr. I 67 330 P.Harr. I 69 345, 430 P.Harr. I 103 461 P.Harr. I 107 230 P.Harr. II 178 520 P.Harr. II 223 226 P.Harr. II 235 422 P.Harrauer 35 422 P.Haun. I 10 151 P.Haun. II 21 151
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Papyri
P.Haun. II 22 254 P.Haun. II 28 196, 423 P.Heid. III 230 462 P.Heid. III 237 385 P.Heid. IV 326 247 P.Heid. IV 335 246 P.Heid. VI 376 227 P.Heid. VII 398 325 P.Heid. VIII 413 413 P.Heid. VIII 414 231, 413 P.Heid. VIII 416 413, 486 P.Heid. VIII 417 368, 484 P.Heid. IX 423 423 P.Heid. IX 424 423 P.Heid. IX 425 215, 423 P.Heid. IX 426 423 P.Heid. IX 428 215 P.Heid. IX 432 343 P.Heid. IX 433 334 P.Heid. IX 434 423 P.Heid. IX 435 423 P.Heid. IX 438 423 P.Heid. IX 441 215 P.Heid. XI 453 423 P.Hels. I 32 295, 488 P.Herakl.Bank 1 267 P.Herakl.Bank 2 267 P.Herm. 1 244, 271, 274 P.Herm. 6 320, 459 P.Herm. 8 364 P.Herm. 12 223, 532 P.Hever 64 313 P.Hib. I 38 317 P.Hib. I 62 482 P.Hib. I 79 417 P.Hib. I 85 297 P.Hib. I 86 317 P.Hib. II 197 516 P.Hib. II 198 490 P.Hib. II 247 204, 408 P.Hib. II 254 431 P.Hib. II 256 496 P.Hib. II 274 319 P.Hombert II 41 216 P.Hombert II 42 481 P.Horak 24 262 P.Horak 26 172 P.Horak 67 312
P.Iand. II 11 205 P.Iand. II 12 54 P.Iand. VI 95 206 P.Iand. VI 97 447, 467 P.Iand. VI 104 304 P.Iand. VI 111 152, 504 P.Iand.Zen. 3 231 P.Iand.Zen. 19 319 P.Iand.Zen. 24 175 P.Iand.Zen. 37 319 P.Iand.Zen. 43 410 P.Iand.Zen. 44 252 P.Iand.Zen. 53 289, 350 P.Iand.Zen. 80 319 P.IFAO I 1 437 P.IFAO II 2 254 P.IFAO II 41 412 P.IFAO III 34 531 P.Kellis I 71 496 P.Kellis I 72 375 P.Köln I 52 327 P.Köln I 56 196, 461 P.Köln II 100 226 P.Köln III 147 303, 490 P.Köln III 148 334 P.Köln IV 186 311, 497 P.Köln IV 201 246 P.Köln IV 202 246 P.Köln V 227, Rekto 427 P.Köln VI 278 312, 429, 461 P.Köln VII 313 474 P.Köln IX 364 252 P.Köln IX 365 272 P.Köln XI 438 383 P.Köln XI 440 251 P.Köln XI 448 140 P.Köln XI 452 314 P.Köln XI 455 487 P.Köln XI 457 297 P.Köln XI 458 157 P.Köln XII 487 225, 412 P.Köln XII 490 377 P.Kramer 7 367 P.Kramer 21 352 P.Kron. 2 504 P.Kron. 47 310 P.Laur. I 6 489–490 P.Laur. II 39 216
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Verzeichnisse
P.Laur. II 41 237, 371 P.Laur. III 62 140 P.Leid.Inst. 31 272, 274 P.Leid.Inst. 46 365 P.Leid.Inst. 47 355 P.Leid.Inst. 48 438 P.Lips. I 39 332 P.Lips. I 105 333 P.Lips. I 106 458 P.Lips. I 108 157, 160, 176 P.Lips. I 119 202 P.Lips. II 124 168, 197, 457 P.Lips. II 129 387 P.Lips. II 132 317 P.Lips. II 145, Verso 440 P.Lips. II 146 385 P.Lond. I 46 (S. 64) 333 P.Lond. I 121 (S. 83) 333, 439 P.Lond. I 131, Rekto (S. 166) 365, 372, 436 P.Lond. I 131* (S. 189) 504 P.Lond. II 140 (S. 180) 335 P.Lond. II 142 (S. 203) 484 P.Lond. II 216 (S. 186) 529 P.Lond. II 220 (S. 5) 209 P.Lond. II 276 a (S. 148) 140 P.Lond. II 347 509 P.Lond. II 354 238 P.Lond. II 354 (S. 163) 203, 209, 238 P.Lond. II 358 (S. 171) 214, 493 P.Lond. III 897 (S. 206) 356, 499 P.Lond. III 1177 (S. 180) 302 P.Lond. III 1178 (S. 214) 339, 383 P.Lond. III 1179 (S. 144) 299 P.Lond. III 1222 (S. 126) 140 P.Lond. III 1266 (f) (S. 39) 526 P.Lond. V 1674 495 P.Lond. V 1676 126 P.Lond. V 1708 298 P.Lond. V 1711 484, 497, 530 P.Lond. VI 1912 195, 232, 288, 326, 335, 342, 360, 381, 415, 429, 437, 449, 492, 500, 517 P.Lond. VI 1914 230 P.Lond. VI 1916 283, 414 P.Lond. VI 1917 190, 230, 339, 349 P.Lond. VII 1932 305 P.Lond. VII 1936 101
P.Lond. VII 1937 101 P.Lond. VII 1941 101, 105 P.Lond. VII 1942 101 P.Lond. VII 1946 323, 535 P.Lond. VII 1951 102 P.Lond. VII 1975 454 P.Lond. VII 1979 160 P.Lond. VII 1995 374 P.Lond. VII 2007 496 P.Lond. VII 2033 145 P.Lond. VII 2038 305 P.Lond. VII 2039 493 P.Lond. VII 2057 326 P.Lond. VII 2059 456 P.Lond. VII 2074 305 P.Lond. VII 2188 374, 495 P.Lond. VII 2190 525 P.Lond. VII 2191 452 P.Lond. VII 2193 378–379, 394 P.Louvre I 4 360, 509 P.Louvre I 41 313 P.Louvre II 96 457 P.Louvre II 104,8–22 259 P.Louvre II 113 407 P.Louvre II 132 343 P.Lund II 3 150 P.Lund IV 8 502 P.Lund IV 11 266, 400 P.Marm. Rekto 316 P.Med. I 2 511 P.Mert. I 8 216 P.Mert. I 12 225, 310 P.Mert. II 62 271–273 P.Mert. II 74 359 P.Mert. II 79 263, 284 P.Mert. II 81 473 P.Mert. II 82 115, 216 P.Mert. III 128 283 P.Meyer 1 417 P.Mich. I 6 326 P.Mich. I 28 525 P.Mich. I 37 279 P.Mich. I 45 195, 362 P.Mich. I 55 167 P.Mich. I 57 419 P.Mich. I 63 302 P.Mich. II 121, Rekto 303, 335, 506, 521
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P.Mich. II 123, Rekto, Kol. II–XXII 506, 521 P.Mich. II 123, Verso 277 P.Mich. II 124 504 P.Mich. II 125 268 P.Mich. II 127 478, 485 P.Mich. II 128, Kol. II 278 P.Mich. III 173 295 P.Mich. III 174 507, 514 P.Mich. III 175 449 P.Mich. III 190 185 P.Mich. III 194 288 P.Mich. III 202 235, 245 P.Mich. III 203 163, 171, 337, 479, 521, 532 P.Mich. III 205 418 P.Mich. III 211 406 P.Mich. III 212 468 P.Mich. III 213 405 P.Mich. III 221 364 P.Mich. IV 224 491 P.Mich. V 228 203, 346 P.Mich. V 229 203 P.Mich. V 230 203 P.Mich. V 232 217, 332 P.Mich. V 238, Rekto 506, 521 P.Mich. V 243 367, 377, 380, 396, 401 P.Mich. V 244 379, 395, 397 P.Mich. V 245 379, 395, 397 P.Mich. V 246 398 P.Mich. V 259 427 P.Mich. V 267 427 P.Mich. V 268 427 P.Mich. V 272 506 P.Mich. V 273 427 P.Mich. V 308 324 P.Mich. V 321 260, 335 P.Mich. V 322 a 260, 288, 303, 335 P.Mich. V 326 335 P.Mich. V 331 459 P.Mich. V 335 335 P.Mich. V 339 521 P.Mich. V 341 521 P.Mich. V 348 438 P.Mich. V 350 302, 332, 385, 506, 521 P.Mich. V 351 287, 387 P.Mich. VI 421 212, 238, 346 P.Mich. VI 423 530
P.Mich. VI 426 507 P.Mich. VI 427 484 P.Mich. VIII 464 151, 196, 290 P.Mich. VIII 465 152, 236, 434, 532 P.Mich. VIII 467–481 80 P.Mich. VIII 473 150, 168, 502 P.Mich. VIII 474 115, 236, 371 P.Mich. VIII 476 107, 290, 445 P.Mich. VIII 477 80, 107, 290, 304, 346, 453, 458 P.Mich. VIII 478 81, 160 P.Mich. VIII 479 160, 254, 290 P.Mich. VIII 480 254, 290 P.Mich. VIII 482 290 P.Mich. VIII 486 526 P.Mich. VIII 487 151, 495 P.Mich. VIII 490 80, 107, 251, 495 P.Mich. VIII 491 80, 495 P.Mich. VIII 492 240 P.Mich. VIII 496 236 P.Mich. VIII 497 151 P.Mich. VIII 500 450, 495 P.Mich. VIII 501 185, 197, 427, 450 P.Mich. VIII 510 80 P.Mich. VIII 514 220, 451 P.Mich. IX 532 388, 416 P.Mich. IX 533 328 P.Mich. IX 554 301 P.Mich. IX 568–569 484 P.Mich. X 583 216 P.Mich. XI 620 423 P.Mich. XII 637 222 P.Mich. XIII 659 284 P.Mich. XIV 678 529 P.Mich. XV 706 327 P.Mich. XV 751 164 P.Mich. XV 752 214 P.Mich. XVIII 776 216 P.Mich. XVIII 781 484 P.Mich. XVIII 785 A 260 P.Mich. XVIII 785 B 260 P.Mich. XVIII 787 292 P.Mich. XVIII 790 512 P.Mich. XX 804 222 P.Mich. XX 809 222 P.Michael. 20 214 P.Michael. 25 382 P.Michael. 43 356
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P.Mil. I 7 287 P.Mil. II 27 266 P.Mil. II 75 389 P.Mil.Vogl. I 23 420 P.Mil.Vogl. I 24 162, 169, 356 P.Mil.Vogl. I 25 215, 328, 368, 526 P.Mil.Vogl. I 27 155, 168 P.Mil.Vogl. II 66, Rekto 254 P.Mil.Vogl. II 76 216, 532 P.Mil.Vogl. II 99 299 P.Mil.Vogl. III 129 328 P.Mil.Vogl. III 145 327, 529 P.Mil.Vogl. III 152 502 P.Mil.Vogl. IV 229 474 P.Mil.Vogl. VII 304 205 P.Münch. III 51 422, 452 P.Münch. III 57 504 P.Münch. III 58 237 P.Münch. III 66 231, 281 P.Münch. III 74 321, 535 P.Münch. III 80 433 P.Münch. III 117 246 P.NYU II 14 231 P.NYU II 15 195 P.NYU II 18 333, 423, 491 P.NYU II 20 206 P.Oslo I 2 363 P.Oslo I 5 471 P.Oslo II 19 328 P.Oslo II 22 311, 514 P.Oslo II 32 437 P.Oslo II 34 438 P.Oslo II 40 A 233 P.Oslo II 49 393, 429 P.Oslo II 50 250 P.Oslo II 51 383 P.Oslo II 60 240 P.Oslo III 105 292 P.Oslo III 124 333 P.Oslo III 137 294 P.Oslo III 148 453 P.Oslo III 151 312 P.Oslo III 153 115 P.Oxy. I 34, Verso 330 P.Oxy. I 36 365 P.Oxy. I 37 281, 327 P.Oxy. I 41 424, 437 P.Oxy. I 65 430
P.Oxy. I 68 323 P.Oxy. I 79, Verso 372 P.Oxy. I 95 311 P.Oxy. I 113 154 P.Oxy. I 115 150, 533 P.Oxy. I 118, Verso 266, 488 P.Oxy. I 119 67, 245 P.Oxy. I 120 104 P.Oxy. I 123 168 P.Oxy. II 237 153, 214, 296, 323, 428, 433, 507, 514, 534 P.Oxy. II 239 335 P.Oxy. II 258 351 P.Oxy. II 259 209 P.Oxy. II 264 334 P.Oxy. II 265 335 P.Oxy. II 268 287 P.Oxy. II 269 140 P.Oxy. II 275 247, 312, 507 P.Oxy. II 280 443 P.Oxy. II 281 305, 521 P.Oxy. II 282 197, 361, 537 P.Oxy. II 286 429 P.Oxy. II 291 417, 431 P.Oxy. II 292 108, 244, 271–272, 274 P.Oxy. II 293 417 P.Oxy. II 294 209, 445 P.Oxy. II 295 196 P.Oxy. II 298 155, 254, 480 P.Oxy. II 361 351 P.Oxy. II 396 206 P.Oxy. III 472 211, 429, 533 P.Oxy. III 474 140, 417 P.Oxy. III 477 500 P.Oxy. III 486, Rekto 328, 496 P.Oxy. III 487 522 P.Oxy. III 488 418 P.Oxy. III 493 231 P.Oxy. III 494 425 P.Oxy. III 496 233, 412 P.Oxy. III 497 296 P.Oxy. III 509 173 P.Oxy. III 525 198 P.Oxy. III 528 528 P.Oxy. III 530 329 P.Oxy. III 532 196 P.Oxy. III 587, Verso (auf dem Streifen) 405
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Papyri
P.Oxy. III 653 b (2. Selis) 418 P.Oxy. IV 705 425 P.Oxy. IV 708, Verso 140 P.Oxy. IV 713 184 P.Oxy. IV 717 515 P.Oxy. IV 727 271 P.Oxy. IV 729 297, 435 P.Oxy. IV 743 274 P.Oxy. IV 746 108, 272 P.Oxy. IV 787 271, 274 P.Oxy. IV 812 502 P.Oxy. IV 822 182 P.Oxy. IV 839 487 P.Oxy. VI 888 409 P.Oxy. VI 895 56 P.Oxy. VI 898 168, 504 P.Oxy. VI 903 530 P.Oxy. VI 906 469 P.Oxy. VI 907 214 P.Oxy. VI 929, Verso 226, 406 P.Oxy. VI 930 150 P.Oxy. VI 931 259 P.Oxy. VI 936 66 P.Oxy. VI 937 279 P.Oxy. VI 938 503 P.Oxy. VI 939 198 P.Oxy. VII 1021 204 P.Oxy. VII 1061 79, 120, 155, 216, 513 P.Oxy. VII 1062 314 P.Oxy. VII 1064 406 P.Oxy. VII 1067 141, 176, 220 P.Oxy. VII 1069 515 P.Oxy. VII 1070 87, 109, 112, 135, 140, 254, 426, 450, 500, 508 P.Oxy. VIII 1100 286 P.Oxy. VIII 1121 306, 357, 386 P.Oxy. VIII 1127 476 P.Oxy. VIII 1128 529 P.Oxy. VIII 1148 201, 246 P.Oxy. VIII 1149 201, 246 P.Oxy. VIII 1159 199 P.Oxy. VIII 1160 331 P.Oxy. VIII 1162 224 P.Oxy. IX 1185 365 P.Oxy. IX 1188 215 P.Oxy. IX 1191 140 P.Oxy. IX 1203 Siehe P.Berl.Möller 2 P.Oxy. IX 1211 266
P.Oxy. IX 1213 246 P.Oxy. IX 1216 532 P.Oxy. IX 1218 406 P.Oxy. IX 1220 329 P.Oxy. X 1252, Verso 213, 269, 445 P.Oxy. X 1266 463, 499 P.Oxy. X 1272 454 P.Oxy. X 1273 412 P.Oxy. X 1295 172 P.Oxy. X 1297 289 P.Oxy. X 1345 160 P.Oxy. XI 1381 221 P.Oxy. XII 1408,11–26 321, 433, 453, 490 P.Oxy. XII 1409 140 P.Oxy. XII 1413 225 P.Oxy. XII 1418 194, 413, 532 P.Oxy. XII 1468 323 P.Oxy. XII 1469 432 P.Oxy. XII 1477 201 P.Oxy. XII 1480 479 P.Oxy. XII 1481 151, 240 P.Oxy. XII 1488 161 P.Oxy. XII 1492 49 P.Oxy. XII 1503 453 P.Oxy. XII 1548 445 P.Oxy. XII 1556 385 P.Oxy. XII 1592 463 P.Oxy. XIV 1631 134, 327 P.Oxy. XIV 1634 191 P.Oxy. XIV 1638 233 P.Oxy. XIV 1643 271, 386 P.Oxy. XIV 1648 302 P.Oxy. XIV 1664 307 P.Oxy. XIV 1665 225, 323 P.Oxy. XIV 1666 160 P.Oxy. XIV 1668 329 P.Oxy. XIV 1672 183, 262 P.Oxy. XIV 1675 536 P.Oxy. XIV 1676 236 P.Oxy. XIV 1677 199 P.Oxy. XIV 1678 162 P.Oxy. XIV 1680 151 P.Oxy. XIV 1681 217 P.Oxy. XIV 1692 134 P.Oxy. XIV 1699 191 P.Oxy. XIV 1700 191 P.Oxy. XIV 1757 475
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554
Verzeichnisse
P.Oxy. XIV 1758 479 P.Oxy. XIV 1768 329, 520 P.Oxy. XIV 1773 162 P.Oxy. XVI 1873 526 P.Oxy. XVI 1874 471 P.Oxy. XVI 1885 385 P.Oxy. XVII 2131 335, 385 P.Oxy. XVII 2144 266 P.Oxy. XVII 2150 155 P.Oxy. XVII 2151 156 P.Oxy. XVIII 2182 285 P.Oxy. XIX 2228 202 P.Oxy. XIX 2234 334 P.Oxy. XX 2272 310, 452, 503 P.Oxy. XX 2273 141 P.Oxy. XXII 2349 215, 271, 484 P.Oxy. XXIV 2407 386, 408, 421, 462, 498 P.Oxy. XXIV 2417 386 P.Oxy. XXIV 2476 402 P.Oxy. XXVII 2471 288 P.Oxy. XXVII 2479 231 P.Oxy. XXXI 2563 535 P.Oxy. XXXI 2569 413 P.Oxy. XXXI 2593 533 P.Oxy. XXXI 2599 104 P.Oxy. XXXI 2600 349 P.Oxy. XXXI 2610 402 P.Oxy. XXXI 2613 246 P.Oxy. XXXIII 2664 459 P.Oxy. XXXIII 2672 385 P.Oxy. XXXIV 2708 248 P.Oxy. XXXIV 2713 341 P.Oxy. XXXIV 2731 526 P.Oxy. XXXVI 2755 530 P.Oxy. XXXVI 2770 469 P.Oxy. XXXVI 2778 431 P.Oxy. XXXVI 2783 155 P.Oxy. XXXVI 2784 503 P.Oxy. XXXVI 2785 49 P.Oxy. XXXVIII 2834 287 P.Oxy. XXXVIII 2851 499 P.Oxy. XXXVIII 2852 328 P.Oxy. XXXVIII 2853, Rekto 385 P.Oxy. XXXVIII 2857 523 P.Oxy. XXXVIII 2860 153, 155 P.Oxy. XL 2893 443 P.Oxy. XLI 2983 198
P.Oxy. XLI 2996 529–530 P.Oxy. XLI 2997 344 P.Oxy. XLII 3014 376, 407 P.Oxy. XLII 3020 153 P.Oxy. XLII 3022 423 P.Oxy. XLII 3025 426, 429 P.Oxy. XLII 3027 140 P.Oxy. XLII 3057 71, 244, 330, 352, 532, 537 P.Oxy. XLII 3058 140 P.Oxy. XLII 3059 315 P.Oxy. XLII 3061 270 P.Oxy. XLII 3065 155, 162 P.Oxy. XLII 3069 411 P.Oxy. XLII 3072 351 P.Oxy. XLII 3078 246 P.Oxy. XLII 3081 289 P.Oxy. XLII 3082 160 P.Oxy. XLIII 3088 140 P.Oxy. XLIII 3089 385 P.Oxy. XLIII 3104 210 P.Oxy. XLIII 3105 243 P.Oxy. XLIII 3119 411 P.Oxy. XLIV 3164 365 P.Oxy. XLIV 3174, Verso 416 P.Oxy. XLIV 3177 469 P.Oxy. XLIV 3197 233 P.Oxy. XLV 3240 361, 505 P.Oxy. XLV 3250 311, 431 P.Oxy. XLVI 3273 277 P.Oxy. XLVI 3285 516 P.Oxy. XLVI 3286 202 P.Oxy. XLVI 3303 316 P.Oxy. XLVI 3313 161, 369, 464 P.Oxy. XLVII 3336 445 P.Oxy. XLVII 3350 135 P.Oxy. XLVII 3356 214 P.Oxy. XLVIII 3394 304 P.Oxy. XLIX 3463 309 P.Oxy. XLIX 3472 325 P.Oxy. XLIX 3487 335 P.Oxy. L 3555 364 P.Oxy. L 3590 246 P.Oxy. L 3596 252 P.Oxy. LI 3644 176 P.Oxy. LI 3645 204 P.Oxy. LIV 3731 265, 312 P.Oxy. LIV 3733 265
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555
Papyri
P.Oxy. LIV 3758 235 P.Oxy. LIV 3764 235 P.Oxy. LIV 3766,77–113 265 P.Oxy. LV 3781 193, 313 P.Oxy. LV 3799 246 P.Oxy. LV 3806 311, 513 P.Oxy. LV 3807 461, 470, 512 P.Oxy. LV 3810 252 P.Oxy. LV 3816 155 P.Oxy. LV 3819 434 P.Oxy. LVI 3855 504 P.Oxy. LVI 3855, Verso 155 P.Oxy. LVI 3857 224 P.Oxy. LVI 3862 344, 350, 356 P.Oxy. LIX 3987 280 P.Oxy. LIX 3992 109, 152, 156, 184, 500 P.Oxy. LIX 3996 155 P.Oxy. LIX 3997 155 P.Oxy. LXIV 4435 343 P.Oxy. LXIV 4437 243, 413, 440 P.Oxy. LXIV 4441 336 P.Oxy. LXV 4470 246 P.Oxy. LXV 4481 248 P.Oxy. LXVI 4533 199 P.Oxy. LXVII 4582 476 P.Oxy. LXVII 4592 307, 409 P.Oxy. LXVII 4593 440 P.Oxy. LXVII 4596 507 P.Oxy. LXVII 4624 154 P.Oxy. LXVII 4625 309 P.Oxy. LXVII 4626 151, 415 P.Oxy. LXVII 4627 160 P.Oxy. LXX 4775 428 P.Oxy. LXX 4775, Rekto 454 P.Oxy. LXX 4779 325 P.Oxy. LXXI 4824 499 P.Oxy. LXXI 4828 281 P.Oxy. LXXIII 4956 297 P.Oxy. LXXIII 4957 352 P.Oxy. LXXIII 4959 71, 352 P.Oxy. LXXIII 4961 297 P.Oxy. LXXIV 4990 445 P.Oxy. LXXIV 5019 535 P.Oxy. LXXV 5056 394 P.Oxy. LXXV 5057 394 P.Oxy. LXXV 5062 183, 433 P.Oxy. LXXV 5063 56–57 P.Oxy. LXXVI 5097 392, 401
P.Oxy. LXXVI 5099 196 P.Oxy. LXXVI 5100 143 P.Oxy. LXXVII 5111 289, 472 P.Oxy. LXXVII 5113 356 P.Oxy. LXXVII 5114 387 P.Oxy. LXXVIII 5168 437 P.Oxy.Hels. 23 223 P.Oxy.Hels. 35 469 P.Oxy.Hels. 47 a 406, 450 P.Oxy.Hels. 48 165 P.Palau Rib. 28 265 P.Palau Rib. 37 238 P.Panop.Beatty 1,85–89 449 P.Panop.Beatty 1,143–148 524 P.Panop.Beatty 1,252–255 488 P.Panop.Beatty 1,332–337 449 P.Panop.Beatty 1,365–368 468 P.Panop.Beatty 1,389–391 145 P.Panop.Beatty 2,43–50 425 P.Panop.Beatty 2,68–71 202 P.Panop.Beatty 2,92–99 249 P.Panop.Beatty 2,100–108 202 P.Panop.Beatty 2,145–152 504 P.Panop.Beatty 2,215–221 202 P.Panop.Beatty 2,229–244 432 P.Panop.Beatty 2,256–258 454 P.Par. 18 461 P.Paramone 16 526 P.Petaus 29 293 P.Petr. I 30 (1) 155 P.Petr. II 1 168 P.Petr. II 3 (b) 414 P.Petr. II 4 (2) 156 P.Petr. II 4 (5) 279, 362 P.Petr. II 4 (7) 167 P.Petr. II 4 (8) 482 P.Petr. II 12 (1) 304 P.Petr. II 13 (3) 452 P.Petr. II 13 (4) 452 P.Petr. II 13 (18b) 279 P.Petr. II 13 (19) 488 P.Petr. II 18 (2) 235 P.Petr. II 23 (3) 155 P.Petr. II 32 (2a) 504 P.Petr. II 37 194, 341 P.Petr. II 40 (a) 487 P.Petr. III 22 (e) 318 P.Petr. III 36 (a), Rekto 203, 354
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Verzeichnisse
P.Petr. III 36 (a), Verso 193, 496 P.Petr. III 36 (c) 169 P.Petr. III 42 C (12) Fragment 155 P.Petr. III 42 H (8) (f) 534 P.Petr. III 46 (3) 454 P.Petr. III 53 (j) 247 P.Petr. III 136 400 P.Petr. III 140 (a) 354 P.Petr.2 I 3 247 P.Petr.2 I 25 412 P.Phil. 32 312 P.Phil. 33 262, 422 P.Phil. 35 220 P.Philammon 1 222, 267, 269, 293, 321– 322 P.Pintaudi 17 413 P.Pintaudi 24 445 P.Pintaudi 53 196 P.Pintaudi 55 71, 222 P.Poethke 8 392 P.Poethke 16 438 P.Poethke 21 213 P.Polit.Jud. 2 333 P.Polit.Jud. 6 422 P.Pommersf. 298 P.Prag. II 199 434 P.Prag. II 202 503 P.Prag. III 221 289 P.Prag. III 248 152 P.Princ. II 19 317 P.Princ. II 20,1–12 218, 432 P.Princ. II 71, Verso 23–30 406 P.Princ. III 117 301 P.Princ. III 161 156 P.Princ. III 163 155 P.Rain.Cent. 49 56 P.Rain.Cent. 50 56 P.Rain.Cent. 51 56, 318 P.Rain.Cent. 57 56, 245, 365 P.Rain.Cent. 70 166 P.Rain.Unterricht 117–132 494 P.Rein. I 44 128 P.Rein. I 47 436 P.Rev. 268, 310, 443 P.Ross.Georg. II 14 492 P.Ross.Georg. II 19 436 P.Ross.Georg. II 20 514 P.Ross.Georg. II 26 434
P.Ross.Georg. II 33 302 P.Ross.Georg. III 1 372 P.Ross.Georg. III 2 150, 314, 329 P.Ross.Georg. III 3 153 P.Ross.Georg. III 38 483 P.Ross.Georg. IV 15 455 P.Ross.Georg. V 4 241 P.Ross.Georg. V 52 264 P.Ross.Georg. V 57, Verso 264 P.Ryl. II 63 355 P.Ryl. II 65 215 P.Ryl. II 77 202, 429 P.Ryl. II 78 141 P.Ryl. II 84, Verso 252 P.Ryl. II 94 379, 397 P.Ryl. II 116 168 P.Ryl. II 119 419, 461 P.Ryl. II 124 346 P.Ryl. II 125 205 P.Ryl. II 127 533 P.Ryl. II 128 462 P.Ryl. II 133 216 P.Ryl. II 138 474 P.Ryl. II 141 346 P.Ryl. II 145 514 P.Ryl. II 148 485 P.Ryl. II 151 346 P.Ryl. II 152 482 P.Ryl. II 159 195 P.Ryl. II 160 (a) 231 P.Ryl. II 189 219 P.Ryl. II 214 310 P.Ryl. II 230 82, 417 P.Ryl. II 231 81 P.Ryl. II 233 155, 532 P.Ryl. II 242 266 P.Ryl. II 243 406 P.Ryl. II 388, Verso 246 P.Ryl. II 434 513 P.Ryl. II S. 381 81 P.Ryl. IV 557 342 P.Ryl. IV 563 419 P.Ryl. IV 568 202, 430 P.Ryl. IV 583 476 P.Ryl. IV 586 397 P.Ryl. IV 589 225 P.Ryl. IV 590 380, 400 P.Ryl. IV 593 223
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Papyri
P.Ryl. IV 600 423 P.Ryl. IV 604 141 P.Ryl. IV 686 506 P.Sakaon 33 494 P.Sakaon 38 505 P.Sakaon 48 386 P.Sarap. 1 505 P.Sarap. 73 314 P.Sarap. 79 b 227 P.Sarap. 80 214 P.Sarap. 84 412 P.Sarap. 84a 312 P.Sarap. 85 69, 139 P.Sarap. 87 69–70, 139 P.Sarap. 88 70, 139, 312 P.Sarap. 89 69, 139, 241 P.Sarap. 90 337 P.Sarap. 91 532 P.Sarap. 92 263 P.Sarap. 101 319 P.Sarap. 103 a 227 P.Sarap. 103 ter 513 P.Scholl 5 302 P.Select. 14 523 PSI I 30 459 PSI I 41 332 PSI I 57 455 PSI I 76 408 PSI I 91 155 PSI III 166 422 PSI III 167 306 PSI III 169 408 PSI III 171 279 PSI III 206 155 PSI III 208 49, 54 PSI III 233 125 PSI IV 281,49–70 117 PSI IV 298 386 PSI IV 299 532 PSI IV 301 205 PSI IV 317,1–13 103, 141 PSI IV 317,14–27 103, 141 PSI IV 326 102 PSI IV 330 128 PSI IV 333 370 PSI IV 335 155 PSI IV 341 382 PSI IV 353 525
PSI IV 359 140 PSI IV 361,20–25 305 PSI IV 367 371 PSI IV 375 371 PSI IV 383 268 PSI IV 392 193 PSI IV 399 496 PSI IV 400 473 PSI IV 402 420 PSI IV 403 144 PSI IV 416 193 PSI IV 418 321 PSI IV 419 496 PSI IV 428 350 PSI V 446 432, 514 PSI V 463 303 PSI V 483 101 PSI V 486 101 PSI V 487 101 PSI V 490 155 PSI V 495 243 PSI V 498 101 PSI V 500 101 PSI V 501 101 PSI V 512 323 PSI V 514 155 PSI V 520 262 PSI V 522 155 PSI V 533 155, 317 PSI V 543 474 PSI V 547 460 PSI VI 571 339 PSI VI 572 101 PSI VI 604 240 PSI VI 628 264 PSI VI 656 314 PSI VI 665 459 PSI VI 699 477 PSI VI 716 436 PSI VII 731 492 PSI VII 837 155 PSI VII 854 101–102, 435 PSI VIII 874 445 PSI VIII 899, Verso 155 PSI VIII 906 427 PSI VIII 909 216 PSI VIII 911 335 PSI VIII 918 279
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Verzeichnisse
PSI VIII 970 445 PSI VIII 971 160 PSI VIII 974 166 PSI IX 1033 243 PSI IX 1040 312 PSI IX 1041 49, 54 PSI IX 1052 534 PSI X 1100 368 PSI X 1128 348 PSI X 1131 521 PSI X 1160 493, 522 PSI X 1162 299–300 PSI XII 1228 233 PSI XII 1238 509 PSI XII 1241 419 PSI XII 1242 342 PSI XII 1243 436 PSI XII 1247, Verso 177 PSI XII 1248 528 PSI XII 1261 320 PSI XII 1264 264 PSI XIII 1312 489 PSI XIII 1317 408 PSI XIII 1333 199, 426 PSI XIII 1335 351 PSI XIII 1336 505 PSI XIII 1337 291 PSI XIII 1359 496 PSI XIV 1421 433 PSI XIV 1444 351 PSI XV 1516 412 PSI XV 1518 387 PSI XV 1522 352 PSI XV 1524 297 PSI XV 1530 227 PSI XV 1535 410 PSI XV 1539 262, 274, 341 PSI XV 1549 215 PSI XV 1551 345 PSI XV 1552 186 PSI XV 1554 215, 243, 450, 463, 512 PSI XV 1556 154 PSI XV 1558 325 PSI XV 1560 238 PSI XV 1561 307 PSI Com. I 13 297 PSI Com. I 14 450 PSI Com. I 16 440
PSI Com. I 18 302, 321 PSI Com. II 2 459 PSI Congr.XI 10 214 PSI Congr.XVII 14 246 PSI Congr.XVII 22 249 PSI Congr.XX 3 246 PSI Congr.XXI 13 202, 204, 243, 286, 386, 411 P.Sijp. 12 f 385, 457 P.Sijp. 14 346, 505 P.Sijp. 19 221 P.Sijp. 26 451 P.Sijp. 27 324 P.Sijp. 29 324 P.Sijp. 30 450 P.Sijp. 38m 186 P.Sijp. 43 199 P.Sijp. 44 303 P.Sijp. 49 287 P.Sijp. 50 475 P.Sijp. 56 324 P.Sorb. I 33 371 P.Sorb. I 34 528 P.Sorb. III 77 438 P.Sorb. III 90 361 P.Sorb. III 92 438 P.Sorb. III 103 311, 367 P.Sorb. III 132 413 P.Sorb. III 138 370, 426 P.Soter. 1 436 P.Soter. 2 436 P.Stras. I 41 240 P.Stras. II 83 511 P.Stras. II 116 437 P.Stras. IV 174 271 P.Stras. IV 221 246 P.Stras. IV 233 166 P.Stras. IV 276 507 P.Stras. IV 285 368 P.Stras. IV 300 454 P.Stras. V 305, Verso 350 P.Stras. V 334a) 284 P.Stras. V 334b) 284 P.Stras. V 353 246 P.Stras. V 354 246 P.Stras. V 401bis 436 P.Stras. V 411 357 P.Stras. V 413 357
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559
Papyri
P.Stras. VI 521 203, 219 P.Stras. VI 566 342 P.Stras. VI 581 455 P.Stras. VI 589 400 P.Stras. VII 602 288 P.Stras. VII 606 254 P.Stras. VII 629 497 P.Stras. VII 669 433 P.Stras. VII 670 271 P.Stras. VIII 760 411 P.Stras. IX 872 363 P.Stras. IX 894 227 P.Tebt. I 5 376 P.Tebt. I 6 301, 365 P.Tebt. I 12 424 P.Tebt. I 17 459 P.Tebt. I 23 198 P.Tebt. I 24 252 P.Tebt. I 25,8–25 501 P.Tebt. I 27 383 P.Tebt. I 32 440 P.Tebt. I 33 383, 533 P.Tebt. I 43 268 P.Tebt. I 51 412 P.Tebt. I 59 424 P.Tebt. I 61 (b) 288, 428 P.Tebt. I 66 468 P.Tebt. I 92 501 P.Tebt. I 104 215, 296, 324, 412, 456 P.Tebt. I 120 505 P.Tebt. I 124 168, 440 P.Tebt. I 138 372, 493 P.Tebt. II 286 200, 343 P.Tebt. II 289 288 P.Tebt. II 292 365 P.Tebt. II 294 365 P.Tebt. II 302 440 P.Tebt. II 308 494 P.Tebt. II 314 197 P.Tebt. II 315 154 P.Tebt. II 316, Kol. II 324 P.Tebt. II 316, Kol. III 324 P.Tebt. II 316, Kol. IV 324 P.Tebt. II 317 271 P.Tebt. II 327 198 P.Tebt. II 383 335 P.Tebt. II 384 387 P.Tebt. II 397 281
P.Tebt. II 407 131 P.Tebt. II 410 326, 382 P.Tebt. II 414 459 P.Tebt. II 416 104 P.Tebt. II 421 120 P.Tebt. II 423 168 P.Tebt. II 434 328 P.Tebt. II 612 (e) 268 P.Tebt. III.1 699 376 P.Tebt. III.1 702 285 P.Tebt. III.1 703 191, 365 P.Tebt. III.1 724 268–269 P.Tebt. III.1 727 525 P.Tebt. III.1 728 455 P.Tebt. III.1 729 290 P.Tebt. III.1 734 429 P.Tebt. III.1 735 432 P.Tebt. III.1 746 155 P.Tebt. III.1 759 314 P.Tebt. III.1 760 150 P.Tebt. III.1 762 193 P.Tebt. III.1 767 152 P.Tebt. III.1 769 202 P.Tebt. III.1 770 173 P.Tebt. III.1 781 476 P.Tebt. III.1 786 213 P.Tebt. III.1 790 279 P.Tebt. III.1 793 226 P.Tebt. III.1 798 301, 493, 504 P.Tebt. III.1 815 419 P.Tebt. III.2 890 278 P.Tebt. III.2 946 441 P.Tebt. III.2 958 485 P.Tebt. III.2 974 412 P.Tebt. III.2 1043 362 P.Tebt. III.2 1078 354 P.Tebt. IV 1102 501 P.Tebt. IV 1125 314 P.Tebt. V 1151 279 P.Thomas 8 536 P.Thomas 9 269, 289 P.Tor.Choach. 8 A 128, 357 P.Tor.Choach. 8 B 128, 357 P.Tor.Choach. 11 530 P.Tor.Choach. 11bis 200, 530 P.Tor.Choach. 12 195, 332, 384 P.Turner 18 196, 216 P.Turner 22 491
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560
Verzeichnisse
P.Turner 34 249 P.Turner 41 329 P.Turner 43 528 P.Vars. 22 155 P.Vet.Aelii 2 432 P.Vet.Aelii 9 513 P.Vet.Aelii 10 450, 475, 513 P.Vet.Aelii 11 450 P.Vet.Aelii 19 293 P.Vind.Bosw. 10 523 P.Vind.Pher. 509 P.Vind.Sal. 2 342 P.Vind.Sal. 3 499 P.Vind.Sal. 4 227 P.Vind.Sijp. 17 271 P.Vind.Tand. 10 423 P.Vind.Tand. 24 279 P.Vind.Worp 16 287 P.Warr. 15 219 P.Wash.Univ. II 71 362 P.Wash.Univ. II 72 263 P.Wash.Univ. II 106 413–414 P.Wisc. I 4 247 P.Wisc. I 33 385, 486 P.Wisc. II 48 204, 526 P.Wisc. II 75 375 P.Wisc. II 82 204 P.Wisc. II 84 153, 533 P.Worp 6 222, 354 P.Worp 16 302, 470 P.Worp 20 288 P.Worp 24 194, 450 P.Worp 50 193, 278 P.Worp 51 254 P.Würzb. 9 234 P.Würzb. 21 151 P.Yadin I 5 245 P.Yadin I 11 317 P.Yadin I 14 328 P.Yadin I 16 219 P.Yadin I 18 219 P.Yadin I 19 473, 509 P.Yadin I 21 463 P.Yadin I 23 311 P.Yadin I 26 474 P.Yale I 30 309 P.Yale I 33 192, 216 P.Yale I 36 408
P.Yale I 57 504 P.Yale I 64 440 P.Yale I 80 220, 237, 371 P.Yale I 84 155 P.Zen.Pestm. 30 263 P.Zen.Pestm. 36 102 P.Zen.Pestm. 37 101 P.Zen.Pestm. 39 101 P.Zen.Pestm. 43 213 P.Zen.Pestm. 48 279 P.Zen.Pestm. 51 155 P.Zen.Pestm. 56 371 P.Zen.Pestm. 58 227 P.Zen.Pestm. A (S. 253) 310 P.Zen.Pestm. D (S. 270) 305 SB I 52 336 SB I 421 252 SB I 3392 151 SB I 3462 336 SB I 3514 151 SB I 3515 151 SB I 3533 224 SB I 3924 291, 429, 493, 513 SB I 4224 197 SB I 4284 419, 456, 477 SB I 4309 298, 339, 490 SB I 4415 292 SB I 4841 483 SB I 4947 333 SB I 5235 513 SB I 5238 514 SB I 5307 264 SB I 5659 313 SB I 5715 151 SB III 6222 306 SB III 6262 155 SB III 6263 164, 510 SB III 6265 151 SB III 6303 185 SB III 6304 55 SB III 6319 400 SB III 6663 340 SB III 6823 216 SB III 6952 385 SB III 7169 265 SB III 7188 510 SB III 7205 411 SB III 7268 459
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Papyri
SB III 7269 54 SB IV 7335 218 SB IV 7354 151 SB IV 7360 298 SB IV 7377 140 SB IV 7404 376 SB IV 7461 408, 513 SB IV 7464 385 SB V 7523 485 SB V 7530 140, 217 SB V 7558 337 SB V 7600 196, 506, 512 SB V 7601 409 SB V 7696 215, 259 SB V 7737 324 SB V 7741 140 SB V 7743 290 SB V 7870 328 SB V 7987 431 SB V 8010 492 SB V 8034 287 SB V 8247 200, 328 SB V 8754 140 SB V 8947 196 SB VI 9017 Nr. 10 222 SB VI 9017 Nr. 14 502 SB VI 9017 Nr. 28 347 SB VI 9026 320, 323 SB VI 9050 325 SB VI 9054 454 SB VI 9066 507 SB VI 9068 320 SB VI 9081 454 SB VI 9083 479 SB VI 9088 434 SB VI 9120 196 SB VI 9126 322 SB VI 9145 491 SB VI 9165 302 SB VI 9194 155 SB VI 9218 457 SB VI 9223 253 SB VI 9254,7–15 416 SB VI 9271 347, 361 SB VI 9302 496 SB VI 9387 457, 526 SB VI 9406 284 SB VI 9415 (29) 254
SB VI 9420 351 SB VI 9421 506 SB VI 9470 454 SB VI 9526 201, 316 SB VI 9528 204 SB VI 9532 348 SB VI 9534 305 SB VI 9537 320 SB VI 9556 316 SB VI 9559 458 SB VI 9564 274 SB VI 9636 80, 271 SB VIII 9668 186 SB VIII 9746 488 SB VIII 9847 314 SB X 10218 214, 298 SB X 10236 247 SB X 10240 312 SB X 10241 278 SB X 10244 203 SB X 10249 292 SB X 10256 287 SB X 10271 306 SB X 10278 194 SB X 10447 268 SB X 10451 155 SB X 10456 439 SB X 10483 151 SB X 10529A 312 SB X 10557 214 SB X 10564 258, 432 SB XII 10772 155 SB XII 10782 317 SB XII 10799 387 SB XII 10868 412 SB XII 10882 302–303 SB XII 10883 360 SB XII 10918 312 SB XII 10925 386 SB XII 10989 425 SB XII 11009 155 SB XII 11012 240, 339, 360, 517 SB XII 11113 281 SB XII 11127 429 SB XII 11144 388 SB XII 11227 246 SB XIV 11271 463 SB XIV 11277 233
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Verzeichnisse
SB XIV 11374 522 SB XIV 11391 490 SB XIV 11533 358 SB XIV 11580 172, 174 SB XIV 11584 159, 245 SB XIV 11585 68, 196, 474 SB XIV 11587 499 SB XIV 11625 196 SB XIV 11639 155 SB XIV 11644 254 SB XIV 11645 412 SB XIV 11646 150, 312, 323 SB XIV 11648 234, 326, 332, 411, 418, 508 SB XIV 11651 420, 427 SB XIV 11863 429 SB XIV 11875 198, 201, 416 SB XIV 11876 198, 416 SB XIV 11897 155 SB XIV 11904 535 SB XIV 11910 404 SB XIV 11943 318 SB XIV 11957 537 SB XIV 11958 205 SB XIV 12003 155, 475 SB XIV 12026 345 SB XIV 12074 263 SB XIV 12084 372 SB XIV 12087 477 SB XIV 12107 199 SB XIV 12144 223, 429 SB XIV 12155 496 SB XIV 12172 220, 230 SB XIV 12175 192 SB XVI 12245 363 SB XVI 12326 512 SB XVI 12332, Rekto, Kol. III 31–43 478 SB XVI 12391 184 SB XVI 12500 457 SB XVI 12508 292 SB XVI 12515 368 SB XVI 12524 427, 496 SB XVI 12556 515 SB XVI 12570 406 SB XVI 12579 216 SB XVI 12606 216 SB XVI 12677 246
SB XVI 12678 385 SB XVI 12808 151 SB XVI 12835 417 SB XVI 12949 346, 490 SB XVI 12955 246 SB XVI 12994 522 SB XVI 12995 231 SB XVI 13034 402 SB XVI 13079 246 SB XVIII 13092 432 SB XVIII 13154 529 SB XVIII 13167 264 SB XVIII 13176 266 SB XVIII 13222 304 SB XVIII 13295 287 SB XVIII 13306 336 SB XVIII 13590 235 SB XVIII 13593 155 SB XVIII 13613 155 SB XVIII 13734 281 SB XVIII 13763 423 SB XVIII 13764 243 SB XVIII 13774 339 SB XVIII 13775 339, 432 SB XVIII 13776 339 SB XVIII 13849 342 SB XVIII 13867 150, 235, 253 SB XVIII 13881 167 SB XVIII 14043 246 SB XVIII 14044 246 SB XVIII 14047 246 SB XVIII 14048 246 SB XX 14079 227 SB XX 14101 418 SB XX 14109 497 SB XX 14128 427 SB XX 14132 104, 151 SB XX 14188 212 SB XX 14197, Verso 1–113 387 SB XX 14197, Verso 114–188 387 SB XX 14198 511 SB XX 14218 415 SB XX 14242 521 SB XX 14262 496 SB XX 14285 521 SB XX 14334 481 SB XX 14335 385, 440 SB XX 14375 333
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Papyri
SB XX 14401 304, 385, 514 SB XX 14403 287 SB XX 14404 404 SB XX 14525 311, 484 SB XX 14526 478 SB XX 14626 408 SB XX 14658 265 SB XX 14662 312, 349, 482, 504 SB XX 14699 324 SB XX 14708 231, 318 SB XX 14716 400 SB XX 14728 424 SB XX 14731 424 SB XX 14890 483 SB XX 15024 205 SB XX 15070 503 SB XX 15077 203 SB XX 15132 192 SB XX 15139 446 SB XX 15145 312 SB XX 15189 484 SB XXII 15236 268 SB XXII 15276 168, 453 SB XXII 15283 204 SB XXII 15326 442 SB XXII 15350 202–203, 323 SB XXII 15353 445 SB XXII 15454 254 SB XXII 15458 472 SB XXII 15460 379–380, 399 SB XXII 15466 445 SB XXII 15538 + BGU IV 1125 440 SB XXII 15560 151 SB XXII 15603 56 SB XXII 15652 253 SB XXII 15704 450 SB XXII 15708 155, 234, 334, 418, 456 SB XXII 15737 199 SB XXII 15757 155, 450 SB XXII 15762 373, 485 SB XXII 15779 450 SB XXIV 15894 297 SB XXIV 15920 476 SB XXIV 15936 427 SB XXIV 15941 410 SB XXIV 15972 341, 361 SB XXIV 15973 319 SB XXIV 15974 268, 319
SB XXIV 15988 428 SB XXIV 16002 233 SB XXIV 16047 373, 527 SB XXIV 16069 414 SB XXIV 16072 367, 412, 417 SB XXIV 16073 367, 412, 417 SB XXIV 16091 332 SB XXIV 16134 248 SB XXIV 16187 254 SB XXIV 16251 140 SB XXIV 16252 341, 385 SB XXIV 16253 247, 259 SB XXIV 16254 227 SB XXIV 16256 373 SB XXIV 16268 163 SB XXIV 16294 387 SB XXIV 16295 268, 367 SB XXIV 16296 379, 397 SB XXIV 16297 386 SB XXIV 16337 196 SB XXVI 16366 222 SB XXVI 16460 266 SB XXVI 16468 344 SB XXVI 16506 201 SB XXVI 16528 222 SB XXVI 16636 272 SB XXVI 16652 220, 533 SB XXVI 16744 450 SB XXVI 16800 302 UPZ I 1 495 UPZ I 3 481 UPZ I 4 481 UPZ I 5 290, 354 UPZ I 6 290 UPZ I 7 306, 423 UPZ I 9 340 UPZ I 10 368 UPZ I 11 496 UPZ I 15 440, 487 UPZ I 16 440, 487 UPZ I 18 153, 211, 281 UPZ I 19 211, 496 UPZ I 20 498 UPZ I 42 168, 496 UPZ I 43 419 UPZ I 45 168 UPZ I 46 496 UPZ I 47 496
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564
Verzeichnisse
UPZ I 110,1–192 202–203, 334, 412, 418, 424, 431, 457, 460 UPZ I 113 152, 314 UPZ I 119 281, 306 UPZ I 121 491 UPZ I 122 168, 203, 490, 496 UPZ I 144 335 UPZ I 146 445 UPZ II 158 A 266 UPZ II 158 C 509 UPZ II 175 a 392, 412 UPZ II 187 320, 482 UPZ II 208 345 UPZ II 211 317 UPZ II 215 383
UPZ I 48 496 UPZ I 50 496 UPZ I 52 496 UPZ I 53 496 UPZ I 60 489 UPZ I 62 292 UPZ I 70 296, 376, 468 UPZ I 71 231, 305 UPZ I 77 232 UPZ I 78 342 UPZ I 79 269 UPZ I 97 266 UPZ I 99 266 UPZ I 101,1–17 266 UPZ I 108,21–36 260
Ostraka und Täfelchen O.Berenike II 123 272, 274 O.Berenike II 129 85, 184, 207, 230, 245, 429 O.Berenike II 130 302 O.Berenike II 131 336 O.Berenike II 190 193 O.Berenike II 195 155 O.Berenike II 197 193 O.Berenike II 198 423, 429 O.Berenike II 199 196 O.Berenike II 203 476 O.Bodl. II 1171 459 O.Bodl. II 1834 263 O.Bodl. II 1968 279 O.Bodl. II 1988 295 O.Bodl. II 2053 312 O.Bu Njem 76 104 O.Bu Njem 77 104 O.Bu Njem 79 104 O.Claud. I 126 200 O.Claud. I 128 503 O.Claud. I 138 532 O.Claud. I 141 536 O.Claud. I 147 151, 254 O.Claud. I 151 60, 513 O.Claud. I 158 155 O.Claud. I 167 206 O.Claud. I 171 470
O.Claud. I 174 154–155 O.Claud. II 239 172 O.Claud. II 243–254 140 O.Claud. II 250 140, 171 O.Claud. II 259 104, 141 O.Claud. II 287 481 O.Claud. II 288 481 O.Claud. II 299 193, 536 O.Claud. II 357 514 O.Claud. II 365 476 O.Claud. II 371 219 O.Claud. II 386 373 O.Claud. III 580 523 O.Claud. IV 750 279 O.Claud. IV 755 319 O.Claud. IV 756 279 O.Claud. IV 758 279 O.Claud. IV 762 319 O.Claud. IV 763 319 O.Claud. IV 764 319 O.Claud. IV 802 289 O.Claud. IV 844 279 O.Claud. IV 849 464 O.Claud. IV 850 464 O.Claud. IV 851 329 O.Claud. IV 852 464 O.Claud. IV 853 434, 464, 475 O.Claud. IV 856 222, 434, 464
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Papyri
O.Claud. IV 857 O.Claud. IV 859 O.Claud. IV 860 O.Claud. IV 872 O.Claud. IV 875 O.Claud. IV 876 O.Claud. IV 877 O.Claud. IV 878 O.Claud. IV 880 O.Claud. IV 887 O.Claud. IV 890 O.Claud. IV 891 O.Claud. IV 892 O.Deiss. 58 331 O.Did. 22 143 O.Did. 23 225 O.Did. 28 143 O.Did. 81 264 O.Did. 117 222 O.Did. 237 222 O.Did. 266 263 O.Did. 267 263 O.Did. 268 263 O.Did. 269 263 O.Did. 317 536 O.Did. 319 264 O.Did. 320 244 O.Did. 323 264 O.Did. 325 308 O.Did. 328 183 O.Did. 342 413 O.Did. 343 413 O.Did. 354 221 O.Did. 361 516 O.Did. 364 516 O.Did. 381 186 O.Did. 383 536 O.Did. 385 536 O.Did. 390 536 O.Did. 394 536 O.Did. 395 446 O.Did. 406 309 O.Did. 407 413 O.Did. 415 234 O.Did. 443 226 O.Did. 448 350 O.Did. 458 186 O.Did. 460 372
464 434, 464 434, 464 183, 512 406 406 406 406 431 279 263 284, 435 270
O.Did. 464 516 O.Douch I 11 483 O.Douch I 22 483 O.Edfou III 368 380, 400 O.Edfou III 468 478 O.Eleph.Wagner 201 271–272 O.Eleph.Wagner 306 230 O.Fay. 43 283 O.Florida 17 236, 254 O.Heid. 190 336 O.Heid. 435 438 O.Krok. I 1–5 143 O.Krok. I 14 200 O.Krok. I 24–40 143 O.Krok. I 26 490 O.Krok. I 47 344, 506 O.Krok. I 49 506 O.Krok. I 51 143, 502 O.Krok. I 59 428 O.Krok. I 60 281, 506 O.Krok. I 76 269 O.Krok. I 80 461 O.Krok. I 87,14–50 505 O.Krok. I 87,89–106 532 O.Krok. I 94 350 O.Krok. I 96 479 O.Lund 12 263 O.Masada 793 249 O.Mich. I 3 265 O.Mich. I 91 323 O.Mich. I 221 503 O.Mich. I 222 503 O.Mich. II 807 478 O.Mich. III 1010 503 O.Narm. I 4 191, 414 O.Narm. I 6 354, 460 O.Narm. I 11 460 O.Narm. II 26 472 O.Petr. 213 357 O.Petr. 266 182 O.Petr.Mus. 357 459 O.Petr.Mus. 398 459 O.Petr.Mus. 399 459 O.Petr.Mus. 512 413 O.Stras. 262 427 O.Stras. 263 427 O.Stras. 328 459 O.Theb. 142 402
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Verzeichnisse
O.Trim. I 317 60 O.Wilb. 75 295 O.Wilck. 439 489 O.Wilck. 1040 357 O.Wilck. 1156 295 O.Wilck. 1457 263 T.Alb. 55 T.Dacia 55 T.Jucundus 55
T.Mom.Louvre 902 342 T.Sulpicii 55 T.Varie 55 T.Varie 51–70 55 T.Vindol. I–III 55 T.Vindol. I–IV 55 T.Vindol. III 611–671 54 T.Vindon. 55
Corpora Chrest.Mitt. 68 340 Chrest.Mitt. 88 344, 409 Chrest.Wilck. 11 313 Chrest.Wilck. 11 A 408 Chrest.Wilck. 11A 372 Chrest.Wilck. 41 206 Chrest.Wilck. 122 201, 245–246, 535 Ch.L.A. V 299 80 Ch.L.A. X 424 274 Ch.L.A. XI 493 274 Ch.L.A. XLVII 1437 334 C.Gloss.Biling. II 6 317 C.Ord.Ptol. 21–22 481 C.Ord.Ptol. 53 303, 338, 440, 474 C.Ord.Ptol. 55 474 Pap.Graec.Mag. I 1 220, 476 Pap.Graec.Mag. I 2 225, 471 Pap.Graec.Mag. I 3 298, 300, 364, 478, 488 Pap.Graec.Mag. I 4 169, 190, 249, 279, 282, 291, 298, 300, 317, 333, 352, 362, 439, 441, 453, 459, 461, 471, 473, 483– 484, 504 Pap.Graec.Mag. I 5 249, 300, 471 Pap.Graec.Mag. II 7 249, 364, 471, 477, 487–488 Pap.Graec.Mag. II 8 237, 471, 478 Pap.Graec.Mag. II 9 336 Pap.Graec.Mag. II 11a 321 Pap.Graec.Mag. II 12 286, 300, 348, 364, 372, 439 Pap.Graec.Mag. II 13 262, 293, 300, 319, 439, 454, 484, 506, 529
Pap.Graec.Mag. II 14 (S. 222) 190 Pap.Graec.Mag. II 22a 364 Pap.Graec.Mag. II 26 339 Pap.Graec.Mag. II 34 225 Pap.Graec.Mag. II 36 279, 483, 510 Pap.Graec.Mag. II 57 289 Pap.Graec.Mag. II 61 298 Pap.Graec.Mag. II 70 436 Pap.Graec.Mag. II 71 364 Pap.Graec.Mag. II 77 528 Pap.Graec.Mag. II 79 441, 528 Pap.Graec.Mag. II 80 441 Pap.Lugd.Bat. XXX 3 428 Rom.Mil.Rec. 76.9 317 Rom.Mil.Rec. 76.17 317 Rom.Mil.Rec. 76.21 317 Rom.Mil.Rec. 76.22 317 Rom.Mil.Rec. 76.23 317 Rom.Mil.Rec. 76.25 317 Rom.Mil.Rec. 76.28 317 Rom.Mil.Rec. 76.32 317 Stud.Pal. IV S. 58–83 397 Stud.Pal. V 52–56 247 Stud.Pal. V 82 336 Stud.Pal. V 86 279 Stud.Pal. VIII 1268 343 Stud.Pal. XX 24 141 Stud.Pal. XX 56 307 Stud.Pal. XX 58 (7) 436 Stud.Pal. XX 86 468 Stud.Pal. XXII 40 355 Stud.Pal. XXII 49 385 Stud.Pal. XXII 183 266
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Berichtigungen zu edierten Papyri
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Berichtigungen zu edierten Papyri BGU I 218 (zu Z. 8) 419 BGU I 249 (zu Z. 4) 154 BGU II 543 (zu Z. 20) 419 BGU IV 1044 (zu Z. 1–3) 207 BGU IV 1081 (zu Z. 3) 237 BGU IV 1141 (zu Z. 6 und 18, zur Übersetzung) 62–64, 515 BGU XVI 2627 (zu Z. 3–4.4–5.13) 78 BGU XVI 2629 (zu Z. 14, 22 und 31) 118 P.Cair.Preis. 43 (zu Z. 18) 288 P.Giss.Univ. III 20 (zur Interpretation von Z. 1–7) 275 P.Harr. I 107 (zur Datierung) 230 P.Iand. VI 97 (zu Z. 3.11) 447 P.Lond. II 354 (S. 163) (zu Z. 24) 238 P.Mich. IX 532 (zu Z. 6) 388 P.Oslo II 50 (zu Z. 4–5.7–10) 250 P.Oxy. XXVII 2471 (zu Z. 24) 288
P.Oxy. LXXIII 4959 (zum Text der 2. Hand über Z. 10 und 11) 353 P.Oxy. LXXIV 5019 (zur Übersetzung) 535 P.Ryl. II 231 (zur Übersetzung) 82 P.Sakaon 48 (zur Übersetzung von Z. 23) 386 PSI VII 854 (zum Schlussgruß) 101 P.Sijp. 12 f (zur Übersetzung von Z. 25) 385 P.Stras. VII 602 (zu Z. 4) 288 P.Worp 20 (zu Z. 14) 288 SB I 3924 (zu Z. 7) 513 SB XIV 11580 (zur Übersetzung) 174 SB XIV 11897 (zu Z. 3) 155 O.Berenike II 129 (zu Z. 1.3.6.7.8.10.12.15.18.19 und zu den Faltungen) 85
Kommentierte griechische Begriffe und Personennamen ἀβαρής 475 Ἀβραάμ 483 ἀγαθός 328, 435 › PKNT 1,186–187;
3,187–188 ἀγανάκτησις 384 ἀγαπάω 238 › PKNT 1,177–178;
2,127–128 ἀγάπη 238 › PKNT 1,177–178 ἀγαπητός 238 › PKNT 1,156–158 ἄγγελος 478 › PKNT 2,175 ἅγιος 185 › PKNT 1,180–181 ἁγιωσύνη 366 ἁγνός 386 ἀγρυπνέω 348 ἀγρυπνία 347 ἄγρυπνος 348 ἀδελφός 184 › PKNT 1,145–156; 3,113 ἀδικέω 367 › PKNT 1,234–236; 2,228 ἀδικία 517 › PKNT 2,438; 3,175
ἀδόκιμος 531 › PKNT 2,362 αἰσχύνη 295 αἰσχύνομαι 456 αἰχμάλωτος 454 αἰών 298, 437 › PKNT 2,89–91 αἰώνιος 313 › PKNT 1,222–223; 3,144 ἀκαθαρσία 529 ἀκάθαρτος 362 ἀκαταστασία 346 › PKNT 2,465 ἀκούω 506 › PKNT 1,137–139.176;
2,126; 3,205–206 ἀλήθεια 297 › PKNT 2,215; 3,175–176 ἀληθής 351 ἀλλότριος 462 ἁμαρτία 341 › PKNT 2,475 ἀμεταμέλητος 381 ἄμετρος 459 ἀμήν 224 ἀναγγέλλω 371
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Verzeichnisse
ἀναγινώσκω 215 ἀναγκάζω 514 › PKNT 2,354–357 ἀναγκαῖον ἡγέομαι 429 ἀνάγκη 345, 433 › PKNT 1,221; 2,290–
291 ἀνάγνωσις 288 ἀνακαλύπτω 289 ἀναμιμνῄσκω 389 › PKNT 2,190 ἀναπαύω 387 › PKNT 1,197–198 ἀναστρέφω 213 ἄνεσις 252 ἀνέχομαι 467 › PKNT 2,181–182;
3,116 ἀνοίγνυμι 252, 355 › PKNT 2,514 ἀνομία 357 › PKNT 3,160 ἀντιμισθία 356 ἀνυπόκριτος 350 ἄπειμι 450 › PKNT 2,202–203 ἀπεῖπον Siehe ἀπολέγω ἄπιστος 298 › PKNT 2,227 ἀπὸ μέρους 216 ἀπὸ τοῦ νῦν 335 ἀποθνῇσκω 334 ἀπόκριμα 200 ἀποκτείνω 281 ἀπολέγω 294 ἀπόλλυμι 261 › PKNT 2,80–81 ἀπολογία 383 › PKNT 2,339 ἀπορέω 304 ἀποστέλλω 523 › PKNT 2,77–79 ἀπόστολος 183 › PKNT 2,38 ἀποτάσσομαι 253 ἀποτομία 533 ἀπότομος 533 ἅπτομαι 363 › PKNT 2,254 ἀριστερός 350 ἀρκέω 512 ἁρμόζω 468 ἁρπάζω 505 ἀρραβών 227–229 ἄρρητος 506 ἄρτος 438 › PKNT 2,371–372; 3,202 ἀρχαῖος 336 ἀρώματα 263, 266 ἀσέλγεια 529 ἀσθένεια 457 › PKNT 2,115–116 ἀσθενέω 457 › PKNT 2,336 ἀσθενής 457 › PKNT 2,102–103
Ἀσία 197 ἀτενίζω 282 αὐγάζω 298 αὐθαίρετος 406 αὐξάνω 439 › PKNT 2,142–143 αὐτάρκεια 435 αὐτό 536 › PKNT 2,65 ἀφίσταμαι 510 ἀφορίζω 361 ἀφορμή 330 ἄφρων 467 › PKNT 2,492 Ἀχαΐα 185 › PKNT 2,510.518 ἀχειροποίητος 319 ἄχρι 287 › PKNT 2,177 βάθος 411 › PKNT 2,129 βάρος 313 βαρύς 457 βέβαιος 195 βεβαιόω 224 › PKNT 2,48–50 βῆμα 327 βλέπω 315, 375, 455, 508 › PKNT
2,104 βοηθέω 343 βρῶσις 438 › PKNT 2,328–329 βυθός 488 γένημα 439 γένος 491 γινώσκω 196 γνήσιος 415 γνώμη 416 › PKNT 1,219–221; 2,67–
68.316 γνωρίζω 411 › PKNT 2,412 γνῶσις 262 › PKNT 2,47–48 γονεῖς 521 γράμμα 280, 282 γράφω 308, 420 › PKNT 2,85 γυμνός 321 › PKNT 2,492–493 γυμνότης 497 Δαμασκηνός 500 Δαμασκός 500 δαπανάω 521 δέησις 206 δέλτος 278 δεξιός 350 δέομαι 340 δέρω 482 › PKNT 2,361–362 διαθήκη 259 › PKNT 2,398–399 διακονέω 259 › PKNT 1,66–68.70
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Kommentierte griechische Begriffe und Personennamen
διακονία 259 › PKNT 2,413–414 διάκονος 259 › PKNT 2,140–141 διαφθείρω 310 διέρχομαι 218 δικαιοσύνη 285 › PKNT 2,111 δίψος, δίψα 496 διωγμός 514 › PKNT 3,115–116 διώκω 305 › PKNT 2,181 δοκιμάζω 409 › PKNT 2,154 δόκιμος 464 › PKNT 2,394 δόλος 523 δόξα 224, 424 › PKNT 2,124 δοξάζω 285 › PKNT 2,242 δότης 434 δοῦλος 299 › PKNT 1,81–108.230–234 δράκων 470 δύναμις 197, 303 › PKNT 2,84–85 Siehe auch κατὰ δύναμιν, παρὰ δύναμιν und ὑπὲρ δύναμιν δυνατέω 434 δυνατός 451, 514 › PKNT 2,105 δυσφημέω 350 δυσφημία 350 δωρεά 442, 473 Ἑβραῖος 483 ἐγγράφω 277 ἐγείρω 202 › PKNT 2,233–234 ἐγκακέω 293 ἐγκαταλείπω 305 ἐγκρίνω 458 ἐθνάρχης 500 ἔθνος 492 › PKNT 2,99–101 εἶδος 324 εἰδότες ὅτι 196 › PKNT 1,195.251 εἴδωλον 360 › PKNT 2,329 εἰκών 293 › PKNT 2,388–389 εἰλικρίνεια 213, 269 › PKNT 2,215 εἰρηνεύω 537 εἰρήνη 181, 186 › PKNT 1,169–171;
3,105–106 εἰσδέχομαι 363 ἐκδημέω 324 ἐκδικέω 384, 455 › PKNT 3,139 ἐκδίκησις 384 › PKNT 3,138–139 ἐκδύω 320 ἐκκλησία 184 › PKNT 1,166–167;
2,40–41 ἐκκόπτω
477
569
ἐκφεύγω 504 ἐκφοβέω 456 ἐλαττονέω 421 ἐλαφρός 312 ἐλεέω 293 › PKNT 2,288–289 ἐλευθερία 292 › PKNT 2,376–377 ἐλπίζω 204, 216 › PKNT 1,258–259;
2,438 195 › PKNT 2,347–348; 3,186– 188 ἔμπορος 267 ἐν παντὶ τόπῳ 261 › PKNT 2,43–44 ἐναντίος Siehe τοὐναντίον μᾶλλον ἐνάρχομαι 404 ἐνδείκνυμι 425 ἔνδειξις 425 ἐνδημέω 323 ἐνεργέω 194 › PKNT 2,414; 3,169 ἐνοικέω 360 ἐνώπιον 297, 386 › PKNT 2,110–111 ἐξαπατάω 471 › PKNT 3,158–159 ἐξαπορέω 199 ἐξέρχομαι 172, 254, 361 › PKNT 2,217–218 ἔξεστιν 507 › PKNT 2,231 ἐξίστημι 331 ἐξουθενέω 458 › PKNT 2,107 ἐξουσία 455 › PKNT 2,312; 3,204–205 ἔξω 310 ἐπαγγελία 222 ἐπαγγέλλω 430 ἔπαινος 408 › PKNT 2,169–170 ἐπαίρω 454 ἐπακούω 342 ἐπενδύτης 320 ἐπενδύω Siehe ἐπενδύτης ἐπιβαρέω 240 ἐπίγειος 316 ἐπιγινώσκω 215 › PKNT 2,443–445 ἐπιείκεια 449 ἐπικαλέω 232 › PKNT 2,42 ἐπιποθέω Siehe ποθέω ἐπίστασις 497 ἐπιστολὴ συστατική 271 ἐπιστολή 276, 373, 456 › PKNT 2,215– 216; 3,157–158 ἐπιστρέφω 290 ἐπιταγή 415 › PKNT 2,262–263 ἐλπίς
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Verzeichnisse
ἐπιτελέω 365, 404 ἐπιτιμία 242 ἐπιχορηγέω 437 ἐργάζομαι 381 › PKNT 2,179–180;
3,203–204 ἐργάτης 478 ἔργον 435 › PKNT 2,152; 3,151 ἐρεθίζω 428 ἐρημία 493 ἔρημος 494 › PKNT 2,365 ἐριθεία 528 ἔρις 528 › PKNT 2,69 ἔρχομαι 530 ἐσθίω 481 ἑσσόομαι Siehe ἡσσάομαι ἔσω 310 ἑτερόζυγος 357 ἕτοιμος 430, 454, 464 ἑτοίμως 454 Εὕα 471 εὐαγγελίζομαι 464 › PKNT 1,219;
2,79 εὐαγγέλιον
252 › PKNT 1,219; 2,189;
3,142 εὐάρεστος 327 εὐδοκέω 325, 513 › PKNT 2,92; 3,180 εὐλογητός 190 εὐλογία 430 › PKNT 2,371 εὐπρόσδεκτος 344 εὑρίσκω 250, 322, 330, 428 › PKNT
2,163–164 εὐφημέω 351 εὐφημία 350 εὔφημος 351 εὐφραίνω 235 εὐχαριστέω 206 εὐχαριστία 310 › PKNT 2,456–457 εὔχομαι 531 › PKNT 1,123–129.133–
134.268 εὐώδης 263 ἐφικνέομαι 461 ζάω 199, 335, 531 › PKNT 2,314–315 ζῆλος 373, 528 › PKNT 2,139 ζηλόω 468 › PKNT 2,431–432 ζημιόω 376 › PKNT 2,154–155 ζητέω 520, 530 › PKNT 2,97–98 ἡδέως 479 ἥδιστα 512
ἡμέρα (τοῦ κυρίου) 217 › PKNT 2,479 ἡμέρα 311 ἡσσάομαι 516 ἧσσον 522 › PKNT 2,393 θάλασσα 494 › PKNT 2,363 θάνατος 201, 203 θαρρέω 322 θαρσέω 322 θαῦμα 478 θέλημα 183 › PKNT 2,39 θεὸς πατήρ 186 › PKNT 1,171–173 θεοῦ υἱός 221 › PKNT 2,53–54 θερίζω 432 › PKNT 2,349 θησαυρός 301 θνητός 308 › PKNT 2,502 θυγάτηρ 363 θυμιάματα 265–266 θυμιατήριον 266 θυμός 528 θύρα 252 › PKNT 2,514 θυρίς 502 ἰδιώτης 472 › PKNT 2,455–456 ἰδού 337 Ἰησοῦς 183 › PKNT 1,142–144; 2,39;
3,105 ἱκανός 242, 262 › PKNT 2,478 ἱκανότης 280 ἱλαρός 434 ἵνα (imperativisch) 414 Ἰουδαία 219 Ἰουδαῖος 484 › PKNT 2,94 ἰσότης 420 Ἰσραηλίτης 483 ἵσταμαι 235 ἰσχυρός 457 › PKNT 2,103 ἴχνος 525 καθ᾽ ὑπερβολήν 197 › PKNT 2,432–
433 καθαίρεσις 452 καθαιρέω 453 καθαρίζω 364 καθό 419 καινός 260 › PKNT 2,398–399 καιρός 316, 342, 420 › PKNT 2,166–
167; 3,168 κακός 532 κάλυμμα 287, 289 καλύπτω 297
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Kommentierte griechische Begriffe und Personennamen
κανών 460 καπηλεῖον 268 καπηλεύω 267 κάπηλος 267, 269 καρδία 230 › PKNT 2,126 κατὰ δύναμιν 411 κατὰ τὸ γεγραμμέμον 308 καταβάλλω 306 καταβαρέω 522 καταδουλόω 480 καταισχύνω 387 κατακρίνω 284 κατάκρισις 284 καταλλαγή 338 καταλλάσσω 337 › PKNT 2,269 καταλύω 318 καταναρκάω 475 καταργέω 283 › PKNT 2,108–109 καταρτίζω 536 › PKNT 2,66 καταρτισμός 533 κατέναντι 269 κατεργάζομαι 314 › PKNT 2,205 κατεσθίω 481 κατέχω 354 › PKNT 1,216–218; 2,297–
298; 3,167–168 καυχάομαι 331 › PKNT 2,109 κενός 341 › PKNT 2,478–479 κενόω 428 › PKNT 2,79 κηρύσσω 221 › PKNT 2,98 κίνδυνος 488 κλίμα 476 κοινωνία 358, 414 › PKNT 1,182–185 κοινωνός 197, 407, 414 › PKNT 1,226–
228 κολαφίζω 510 › PKNT 2,178–179 κομίζω 328 κόπος 347, 463 › PKNT 2,143–144 Κορίνθιος 185 κόσμος 214 › PKNT 2,91 κρίνω 235 κρυπτός 295 › PKNT 2,167–168 κτίσις 335 κύριος 186 › PKNT 1,173–175 κυρόω 245 λαλέω 269 λαμβάνω 471, 482 › PKNT 2,130–131 λάμπω 300 λαός 361 › PKNT 2,367
λειτουργία 439 λῃστής 490 λιβανωτός 265 λιθάζω 486 λίθινος 279 λιθοβολέω 487 λιθοκοπέω 487 λίθος 282 λιμός 495 λογεία 392 › PKNT 2,506–507 λογίζομαι 279, 338 › PKNT 2,161 λογισμός 452 λόγος 221 › PKNT 2,47; 3,157 λοιπόν 536 Μακεδών 427 μακροθυμία 349 μαρτυρέω 412 › PKNT 2,480 μαρτύριον 212 › PKNT 2,48; 3,148 μάρτυς 230 μάχη 371 μέγα 478 μεγαλύνω 463 μέλαν 277 μένω 286 › PKNT 2,154 μερίζω 460 μέριμνα 498 μερίς 358 μέρος 216 μεταμέλομαι 374 μεταμορφόω 293 μετανοέω 529 μετάνοια 375 μετασχηματίζω 478 μετοχή 357 μετρέω 458 μέτρον 459 μικρός 468 μολυσμός 365 μόχθος 495 Μωϋσῆς 283 ναός 360 › PKNT 2,155–156 ναυαγέω 487 ναυαγία 487 νεκρός 202 › PKNT 2,479 νήπιος 356 › PKNT 2,136–137 νηστεία 348 νόημα 249 νῦν Siehe ἀπὸ τοῦ νῦν
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Verzeichnisse
ὁδοιπορία 488 ὀδυρμός 373 οἶδα 196, 426 › PKNT 1,195.251; 2,76–
77 οἰκία 316 › PKNT 2,396 οἰκοδομέω 318 › PKNT 2,328 οἰκοδομή 318 › PKNT 2,145–146 οἶκος 316 › PKNT 2,396 οἰκτιρμός 190 ὁμολογία 441 ὅπλον 350 ὀσμή 262 ὀστράκινος 302 οὐ θέλομεν ἀγνοεῖν 197 › PKNT 2,362 οὐδέν/οὐθέν 515 › PKNT 2,435 οὐλή 484 οὐράνιος 319 › PKNT 2,331 οὐρανός 319 › PKNT 2,331; 3,137 ὀφείλω 467, 515 › PKNT 1,237–238;
2,309–310; 3,111–112 ὄφελον 467 ὄφις 470 › PKNT 2,368 ὀχύρωμα 452 ὀψώνιον 475 › PKNT 2,341–342 πάθημα, πάθος, πάθη 192 παιδεύω 353 › PKNT 2,401–402 πάλαι 526 παλαιός 260, 288, 336 › PKNT 2,210–
211.398–399 πάλιν 530 πανουργία 296 › PKNT 2,157 πανοῦργος 522 παντοκράτωρ 364 παρὰ δύναμιν 413 παραδίδωμι 307 › PKNT 2,207–208 παρακαλέω 97, 191, 245 › PKNT
1,101–102.193–194; 2,58–59.182–183 191, 414 › PKNT 1,196; 3,185–186 παρακοή 455 παράπτωμα 338 παρασκευάζω 427 › PKNT 2,452 παραυτίκα 312 παραφρονέω 484 πάρειμι 450 παρεκτός 497 παρέρχομαι 337 παρθένος 469 › PKNT 2,287–288 παράκλησις
παρίστημι 309 › PKNT 2,335 παρουσία 373 παρρησία 286 › PKNT 1,198–199 παρρησιάζομαι 286 › PKNT 1,199 πάσχω 194 › PKNT 2,423–425 πατήρ Siehe θεὸς πατήρ Παῦλος 183 › PKNT 1,63–64; 3,102–
103 πείθω/πέποιθα
201 › PKNT 1,248– 250; 3,195 πειράζω 531 › PKNT 2,261 πειράω 531 › PKNT 2,261 πέμπω (Aorist des Briefstils) 158, 172, 428 › PKNT 1,63–64; 2,189–190 πένης 436 πενθέω 528 › PKNT 2,200–201 περιαιρέω 291 περιπατέω 296 › PKNT 2,139–140 περισσεία 411 περισσεύω 192, 310 › PKNT 2,335 περισσός 214, 244, 426 › PKNT 2,421 περιφέρω 307 πέρυσι 418 πιάζω/πιέζω 502 πιστεύω 308 › PKNT 2,93–94 πίστις 234 › PKNT 1,178–180; 3,114 πιστός 220 › PKNT 2,52–53 πλάξ 278 πλεονάζω 309 πλεονεκτέω 248 πλεονεξία 431 πληγή 345, 484 πληρόω 368 πλούσιος 416 πλουτέω 416 › PKNT 2,172–173 πλοῦτος 411 πνεῦμα 230 › PKNT 1,273–274 ποθέω 320 πόλις 493 πομπή 258 πορνεία 529 › PKNT 2,195 ποταμός 489 πράσσω 328 πραΰτης 448 πρεσβεύω 339 προαιρέομαι 433 προαμαρτάνω 528 προέρχομαι 429
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Kommentierte griechische Begriffe und Personennamen
προθυμία 418 πρόκειμαι 419 προλέγω 368 προνοέω 422 προπέμπω 219 › PKNT 2,512–513 πρὸς ὥραν 375 › PKNT 1,105 προσαναπληρόω 441 πρόσκαιρος 315 προσκόπτω 344 πρόσωπον 206, 287 › PKNT 2,442–
443
573
στρατεύομαι 451 › PKNT 2,340–341 συγκατάθεσις 359 συγκρίνω 458 › PKNT 2,133 συλάω 474 συμπέμπω 158, 172, 407 συμφέρω 417 › PKNT 2,231–232.303 συναποστέλλω 524 συνείδησις 212 › PKNT 2,334 συνέκδημος 409 συνεργέω 341 › PKNT 1,160–161;
2,144
πτωχεία 411 πτωχός 353 ῥαβδίζω 485 ῥάβδος 485 ῥῆμα 506, 530 ῥύομαι 204 σαργάνη 502 σάρκινος 220 › PKNT 2,105 σάρξ 213, 220 › PKNT 1,225; 2,104–
105 σατάν 249 σατανᾶς 249 σημεῖον 516 σήμερον 287, 289 Σιλβανός 222 Σιλουανός 221 σκανδαλίζω 498 › PKNT 2,338 σκεῦος 302 σκῆνος 316 σκόλοψ 510 σκοπέω 314 σκορπίζω 436 σκότος 299 › PKNT 2,168 σοφία 213 › PKNT 2,79 σπείρω 432 › PKNT 2,349 σπέρμα 438, 483 › PKNT 2,494 σπλάγχνον 355 › PKNT 1,196–197 σπόρος 438 σπουδαῖος 405 σπουδή 382, 406 σταυρόω 530 › PKNT 2,70 στέλλω 421 › PKNT 3,197 στενάζω 319 στενοχωρέω 304 στενοχωρία 345 στόμα 355 › PKNT 3,171–172 στρατεία 451 › PKNT 2,222–223
234, 407 › PKNT 1,158–162; 2,144–145 συνέχω 332 συνίημι 459 συνιστάνω 271, 386 συνίστημι 271, 386 συνοχή 237 συνυπουργέω Siehe ὑπουργέω σφραγίζω 225 σῴζω 261 › PKNT 2,82–84 σῶμα 307 › PKNT 2,203–204 σωτηρία 192 σωφρονέω 332 σωφροσύνη 332 ταπεινός 372 ταπεινόω 473 τεῖχος 504 τέκνον 356 › PKNT 1,202–204 τελέω 512 τηλικοῦτος 202 τηρέω 476 › PKNT 2,274–275.312–313 Τιμόθεος 184 › PKNT 1,144; 3,103 τις 239 Τίτος 253 τολμάω 450 › PKNT 2,222–223 τόπος Siehe ἐν παντὶ τόπῳ τοὐναντίον μᾶλλον 243 τρόμος 389 › PKNT 2,116 Τρῳάς 251 τυφλόω 298 ὕβρις 513 υἱός 282 Siehe θεοῦ υἱός ὑπακοή 389 › PKNT 1,250 ὑπὲρ δύναμιν 197 ὑπεραίρω 509 ὑπερβάλλω 285 ὑπερβολή 197 › PKNT 2,432–433 συνεργός
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ὑπήκοος 247 ὑπομονή 194 ὑπόστασις 428 ὑποταγή 441 ὑπουργέω 205 ὑστερέω 472 › PKNT 2,50–51 ὑστέρημα 420 › PKNT 2,519–520 ὑψόω 473 ὔψωμα 453 φανερόω 261 › PKNT 2,168 φανέρωσις 297 φαῦλος 329 φείδομαι 232, 433, 508 › PKNT 2,294 φθάνω 461 φθείρω 367 › PKNT 2,156 φθορά 367 › PKNT 2,498 φιλοτιμέομαι 326 φοβέομαι 469 φόβος 329, 389 › PKNT 2,116–117 φράσσω 476 φρονέω 536 › PKNT 2,441–442 φρόνιμος 480 › PKNT 2,175–176 φρουρέω 501
φυλακή 346 φῶς 299 χαίρω 236, 370 › PKNT 2,297 χαλάω 503 χαρά 234, 236, 370 › PKNT 1,189–190 χαρίζομαι 243, 517 › PKNT 1,262–
263; 2,131–132 χάρις 181, 186 χάρισμα 207 χείρ 505 χειροτονέω 408 χορηγέω 437 χράομαι 533 χρῄζω 270 › PKNT 1,210 χρηστότης 349 Χριστός 183, 455 › PKNT 1,142 χρίω 225 χωρέω 366 ψεύδομαι 499 ψυχή 232 › PKNT 2,499 ψῦχος 496 ὥρα Siehe πρὸς ὥραν
Moderne Autorinnen und Autoren Aasgaard, Reidar 18, 184 Abram, Suzanne 18, 52 Adams, Sean A. 35 Adrados, Francisco R. 14 Aland, Barbara 14–15, 320 Aland, Kurt 14–15 Allé, Françoise 36, 265 Allo, Ernest-Bernard 16, 538 Amador, J. D. H. 18, 73 Amundsen, Leiv 453 Andorlini, Isabella 18, 457 André, Florence 46 Armoni, Charikleia 45 Arndt, W. F. 14 Arzt-Grabner, Peter 19–20, 31, 48–49, 51–52, 54, 56, 70–71, 91, 93–95, 97, 121, 123, 154, 156, 159, 167, 170, 172– 173, 181–186, 190–192, 194–197, 199, 201–202, 204, 206–207, 209–210, 212– 214, 216, 219–221, 223–224, 228–230,
232–235, 238–239, 242–243, 245, 247, 252, 259–262, 269–273, 276–277, 280, 283, 285–287, 289, 292–293, 295–299, 303, 305, 307, 309–310, 312–314, 316, 318–319, 321–322, 328–329, 331, 336– 337, 339, 341–342, 345–347, 350–361, 363, 367, 369–370, 373–375, 381, 383, 386–387, 389, 392, 394, 407–408, 410– 417, 420, 427–428, 432–435, 437–440, 447, 449–452, 454–455, 457–458, 460, 463–464, 467–470, 472, 474–476, 478, 480–486, 492, 494, 497–500, 505, 507, 514–518, 520, 522–523, 528–531, 536– 540 Arzt, Peter 18–19, 21, 54, 170, 206, 210 Ascough, Richard S. 20, 365, 376, 379, 392–394, 402–404 Assante, Maria G. 20, 245–246 Ast, Rodney 20, 92 Attridge, Harold W. 20, 258–259, 261
© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525510025 — ISBN E-Book: 9783647510026
Moderne Autorinnen und Autoren
Azzarello, Giuseppina 20, 92 Bachmann, Philipp 16, 200, 225, 227, 329, 407, 533, 538 Back, Frances 20, 293 Bagnall, Roger S. 15, 20, 45–46, 48, 86, 103–104, 141, 145, 174–175, 177, 201, 204, 236, 242, 253–254, 265, 315, 365, 392, 490, 534 Bahr, Gordon J. 20, 98 Baird, William 20, 272 Baldwin, Barry 20, 208 Balz, Horst 50 Bammer, Andreas 20, 348, 377 Barclay, John M. G. 20, 380 Barnett, Paul 17, 109, 154, 200, 538 Barrett, Charles K. 17, 136, 179, 538 Bartoletti, Vittorio 20, 300, 496 Bastianini, Guido 18, 20, 46, 495 Bauer, Thomas J. 20, 52, 71, 170, 181– 182, 187, 538, 540 Bauer, Walter 13, 240, 294, 296, 325, 434, 491, 501–502 Baumert, Norbert 17, 97, 116, 283, 538 Becker, Eve-Marie 21, 54–55, 73, 157, 168, 170, 538 Becker, Jürgen 21, 411 Becking, Bob 14 Beilner, Wolfgang 21, 148, 286 Bell, Harold I. 195, 225, 415 Bellen, Heinz 13 Belleville, Linda L. 21, 284 Benaissa, Amin 45 Bergamasco, Marco 21, 259 Berger, Klaus 21, 52 Betz, Hans Dieter 13, 17, 21, 47, 71, 127, 173, 393, 407, 411–412, 414, 417– 418, 421, 425, 429, 439, 441–442, 444, 527 Bianchini, Francesco 21 Bież uń ska-Małowist, Iza 21, 299, 480, 491 Bieringer, Reimund 13, 21, 71, 73, 96– 97, 99, 116, 122, 127, 146, 467 Bilabel, Friedrich 13, 69 Bingen, Jean 155, 209, 215, 217, 335, 354, 387, 525 Bjerkelund, Carl L. 21, 97 Blass, Friedrich 13, 22, 57, 126
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Blumell, Lincoln H. 22, 49, 71, 170, 272 Boak, Arthur E. R. 22, 80, 278, 378, 397–398, 503 Bornkamm, Günther 22, 340 Bosenius, Bärbel 22, 52 Boswinkel, Ernst 13, 226 Bousset, Wilhelm 17, 200, 538 Bowman, Alan K. 46, 307, 409 Brampton, C. Kenneth 22, 148 Brashear, William M. 22, 79, 83, 120, 123, 251, 283, 317, 343, 377, 379–380, 409, 527 Briquel-Chatonnet, Françoise 46 Brun, Jean-Pierre 22, 265 Büchner, Karl 22, 170 Büchsel, Friedrich 22, 200, 491 Bülow-Jacobsen, Adam 22, 60, 140, 171, 193, 253, 278, 289, 372, 475 Bultmann, Rudolf 17, 200, 243, 259, 261, 324, 386, 538 Bünker, Michael 22, 52 Burke, Trevor J. 22 Burnet, Régis 22, 52–53 Busse, Ulrich 28 Büttner, Heinrich 275 Buzón, Rodolfo 23, 52, 181, 187 Byrskog, Samuel 23, 192 Cadell, Hélène 46 Calderini, Aristide 13, 23, 300 Cameron, Ron 23 Campbell, Douglas A. 23, 309 Carrez, Maurice 17, 538 Carrié, Jean-Michel 23, 443 Casey, Thomas G. 23 Cassidy, Richard J. 23, 208 Casson, Lionel 23, 317 Chaaya, Dolly 23, 114 Chang, Ruey-Lin 45 Chankowski, Andrzej S. 29 Chapa, Juan 13, 45, 533 Charlesworth, Scott 23, 143 Choat, Malcolm 23, 27, 49, 224, 230 Choi, Young S. 23, 301 Clarysse, Willy 13, 23, 46, 76, 100, 145, 260, 367, 508 Clauss, Manfred 23, 204, 360 Clivaz, Claire 23, 445 Coles, Revel A. 23, 246, 336
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Verzeichnisse
Colin, Frédéric 23, 264 Collins, Raymond F. 23, 172, 510 Colomo, Daniela 45 Comparetti, Domenico 343 Constantinides, Elizabeth 529 Cotter, Wendy 24, 379 Cotton, Hannah M. 24, 272, 313 Cowey, James M. S. 15, 49, 210, 452 Cribiore, Raffaella 20, 24, 46, 55, 103– 104, 141, 145, 174–175, 177, 204, 242, 265, 315, 365, 534 Crönert, Wilhelm 24, 503 Crook, John A. 523 Crüsemann, Marlene 24, 122 Cuvigny, Hélène 46, 344 D’Hautcourt, Alexis 24, 265 Dahl, Nils A. 24, 190 Dalrymple, Jon 24, 470 Daniel, Robert W. 13 Danker, Frederick W. 14 Daris, Sergio 13, 432 David, Martin 13–14 de Jong, Janneke 24, 351, 360 Debrunner, Albert 13, 16 Deissler, Johannes 13 Deissmann, Gustav Adolf 24, 47, 51–53, 61, 67, 70, 73, 98, 139, 170, 200, 222, 227, 259, 281, 335, 339, 353, 392, 439, 451, 455, 475, 490, 506, 508, 527, 539 Del Corso, Lucio 45 Delekat, Lienhard 24, 231, 296 DeMaris, Richard E. 24, 360 Depauw, Mark 15 Destro, Adriana 24, 505, 507 Devroe, Annika 24, 265 Dickey, Eleanor 24, 184 Diethart, Johannes M. 24, 372, 494 Dobbeler, Axel von 24, 272 Doering, Lutz 25, 52, 428 Döllstädt, Walter 14 Dormeyer, Detlev 25, 52, 71 Dostálová, Ružena 434 Doty, William G. 25, 52, 181, 370 Downs, David J. 25, 184, 391–395, 400– 403 Drbal, Vlastimil 45 Drew-Bear, Marie 25, 266
Drexhage, Hans-Joachim 25, 223, 267– 269, 392 Dubois-Pelerin, Éva 25, 265 Duff, Paul B. 25, 258, 270 Durand, Xavier 128, 508 Duttenhöfer, Ruth 318, 385 Ebel, Eva 25, 376, 486 Ebner, Martin 25, 185, 301, 376 Eckstein, Hans-Joachim 25, 212 Edgar, Campbell C. 100, 102–103, 275, 303, 326, 408, 486, 500, 508, 524 Egelhaaf-Gaiser, Ulrike 25 Eger, Otto 26 Ego, Beate 26, 500 Ehrenberg, Victor 14 Eitrem, Samson 115, 294–295, 453 Elliger, Winfried 26, 360, 483 Elliott, J. Keith 22 Elliott, Neil 26, 195, 272 Engberg-Pedersen, Troels 108 Epp, Eldon J. 26, 143 Erlemann, Kurt 25–26, 227–229 Ernst, Michael 19, 21, 26, 54, 148, 264, 267 Evans, Craig A. 26 Evans, Katherine G. 26, 181 Exler, Francis X. J. 26, 181, 538–539 Fauth, Wolfgang 26, 300 Feissel, Denis 46 Fink, Robert O. 221 Fitzgerald, John T. 26, 260, 301 Foraboschi, Daniele 14 Foti Talamanca, Giuliana 26, 161, 259 Fredrickson, David E. 26, 286 Friedrich, Gerhard 50 Frier, Bruce W. 20, 48, 201, 392 Friesen, Steven J. 26, 34, 38, 392 Frisk, Hjalmar 313, 477 Frösén, Jaakko 26 Fuks, Alexander 69 Funghi, M. Serena 46 Furnish, Victor P. 17, 99, 113, 136, 240, 309, 356, 360, 421, 476, 488, 491, 501– 502, 504 Gagos, Traianos 46 Gambetti, Sandra 26, 195 Gamble, Harry Y. 27, 52, 138 Gangutia, Elvira 14
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Moderne Autorinnen und Autoren
Gardner, Iain 27, 230 Georgaca, Demetrius J. 16 Gerber, Christine 27, 53 Ghedini, Giuseppe 14, 236 Gielen, Marlis 27, 72, 99, 148–149, 154, 159, 169, 210–211 Gignac, Francis Th. 14, 50, 222, 227, 244 Gilliam, James F. 221 Gingrich, F. W. 14 Glancy, Jennifer A. 27, 484 Gnilka, Joachim 27, 99 Gonis, Nikolaos 27, 104 Goodspeed, Edgar J. 24 Goulder, Michael D. 27, 505 Grässer, Erich 17, 96–97, 149, 167–168, 179, 200, 226, 240, 248, 283, 296, 309, 320, 340–341, 353, 356, 360, 374, 384, 538 Grenfell, Bernard P. 94, 133, 198, 209, 266, 318, 366, 437, 536 Gronewald, Michael 45, 311 Gruber, Christian J. 27, 364 Guéraud, Octave 318 Gutsfeld, Andreas 27, 264, 376 Haensch, Rudolf 27, 161, 259 Hagedorn, Dieter 27, 79, 104, 143, 246, 293–294, 497 Hagedorn, Ursula 293–294 Hahn, Johannes 27, 353 Hainz, Josef 15 Handrock, Peter 27, 383 Hanges, James C. 27, 508 Hanson, Ann E. 27, 274, 491 Harland, Philip A. 27, 184, 376, 381 Harrauer, Hermann 27, 264, 494 Harris, Murray J. 17, 73, 96–97, 99, 109, 112, 148, 154, 158, 179, 240, 284, 320, 357, 374, 426, 464, 538 Harrison, James R. 27, 186, 424 Harrop, J. H. 27, 272 Hasenoehrl, Elizabeth S. 242 Hatzilambrou, Rosalia 289 Hausrath, Adolf 28, 97, 494 Head, Peter M. 28, 173, 175 Heil, Christoph 28, 122, 127, 391, 410 Heiligenthal, Roman 25 Heinen, Heinz 13 Heitsch, Ernst 14, 300
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Hellholm, David 28, 505 Helms, Christina 86 Hengstl, Joachim 135, 242, 382, 494 Hennig, Dieter 28, 387 Henry, W. Benjamin 45 Heusler, Erika 28, 208, 210 Hirschmann, Vera 28, 379 Hock, Ronald F. 28, 39, 223, 318, 347, 474 Hodgson, Robert 28, 301 Hohlwein, Nicolas 28, 92 Hollander, Harm W. 28, 278 Homann, Margit 38, 52, 181, 540 Hombert, Marcel 216, 481 Honigman, Sylvie 28, 485 Hoogendijk, Francisca A. J. 28, 339 Hoppe, Rudolf 28 Horak, Ulrike 172, 262, 312 Horn, Friedrich W. 28, 36, 229 Hornickel, Otto 28, 145, 313 Horsley, Greg H. R. 47, 223, 233, 246, 272, 386, 448, 469 Horstkotte, Hermann 28, 486 Howard, Wilbert F. 15, 222, 227, 387 Hubing, Jeffrey S. 29, 537–539 Hübner, Robert 303, 489 Hughes, Philip E. 17, 200, 538 Hultgren, Stephen J. 29, 122 Hunt, Arthur S. 94, 133, 198, 209, 266, 275, 279, 303, 318, 366, 376, 437, 486, 524, 536 Husselman, Elinor M. 265 Husson, Geneviève 29, 316, 319, 502 Inoue, Hidetaro 29, 165 Iossif, Panagiotis 29 Jewett, Robert 29, 149 Johnson, Allan Ch. 29, 312 Jones, Arnold H. M. 14, 523 Jones, F. Stanley 29, 286, 292 Jones, Henry St. 14 Jördens, Andrea 16, 29, 50, 227, 259, 301, 334, 438, 481, 501, 509 Judge, Edwin A. 29, 38, 49, 376, 446, 472 Kaiser, Anna 29, 451 Kajava, Mika 29, 360 Kaltsas, Demokritos 352, 368, 484, 486 Kapsomenakis, Stylianos G. 29, 211
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Verzeichnisse
Karavidopoulos, Johannes 15 Kaser, Max 29, 523 Kedar-Kopfstein, B. 29 Keener, Craig S. 17, 71, 100, 105, 109, 148, 158, 179, 538 Kehoe, Dennis P. 29, 68 Kensinger, Keith A. 42, 52–53 Kenyon, Frederic G. 238 Keyes, Clinton W. 29, 272 Kießling, Emil 13–14, 16, 50, 195, 199– 200, 203–204, 206, 213, 218–219, 223– 224, 227, 239, 243, 253–254, 259, 263– 264, 276, 278, 281–282, 285, 291, 294, 305, 313, 320–321, 324–325, 328, 334– 336, 342, 360, 363, 365, 375, 381–382, 384, 386, 404, 407, 409, 415, 430, 434– 435, 438, 442, 449, 454–456, 462, 477– 478, 481, 491–492, 497, 506–507, 511, 521, 526, 531 Kim, Chan-Hie 30, 272 Kittel, Gerhard 30, 50, 325 Klauck, Hans-Josef 17, 30, 52–54, 73, 75, 97, 106, 121, 142, 146, 148–149, 171, 272, 287–289, 334, 350, 538 Kleine, Werner 30, 99 Kloft, Hans 30, 353 Kloppenborg, John S. 30, 131, 242, 376– 377, 379, 392, 395, 398 Knudtzon, Erik J. 266 Knütel, Rolf 29, 523 Koch, Dietrich-Alex 27, 30, 109, 376, 483 Kolb, Anne 30, 164, 171, 377, 379 Kollmann, Bernd 30, 411 Kornemann, Ernst 198, 489 Kortus, Michael 104, 211, 467 Koskenniemi, Heikki 30, 52, 156, 158, 172, 181, 193, 428, 437 Kramer, Bärbel 30, 317 Kramer, Johannes 14, 24, 104, 446, 494 Kraus, Thomas J. 45 Krause, Jens-Uwe 30, 208–210, 346 Kreinecker, Christina M. 30, 48, 66, 77, 183–184, 190–191, 194–195, 202, 212, 217, 221, 234–235, 250, 276, 297, 313, 319, 325, 328, 342, 354, 357, 360, 366, 373, 381, 389, 435, 438, 455, 471, 515– 517
Kremer, Jacob 17, 200, 538 Kritzer, Ruth E. 20, 31, 52, 56, 70, 93, 150, 153–154, 156, 167–168, 170, 172, 181–184, 186, 190–192, 194–195, 197– 202, 204–205, 207, 212–216, 219–221, 224–225, 230, 232–235, 237–240, 243, 245, 247–249, 251–252, 259–262, 267, 269, 276–278, 280–287, 289–293, 295– 300, 302–305, 307, 309–310, 312–316, 318–332, 335–351, 353–357, 359–361, 363–364, 366–369, 371–375, 381–384, 386, 389, 392, 394, 405–406, 408–413, 415–418, 420–422, 425, 427–429, 431– 442, 444, 447, 449–464, 467–498, 500, 502–505, 507, 509–510, 513–517, 520, 522–523, 528–531, 536–537, 539–540 Kruit, Nico 31, 263 Kruse, Thomas 31, 135, 141, 259, 273, 297 Kügler, Joachim 31, 258–259, 262 Kumitz, Christopher 31, 52 Kurek-Chomycz, Dominika 13 Kuss, Otto 17, 200, 538 Kwon, Oh-Young 376 Kwon, Yon-Gyong 31, 230 López Melero, Raquel 32, 471 Labahn, Michael 31 Lallemand, Annick 31, 263 Lambrecht, Jan 21, 31, 122 Lang, Friedrich 17, 200, 538 Larson, Jennifer 31, 457 Last, Richard 31, 376 Lewis, Naphtali 31, 161, 166, 186, 259, 402, 413, 509 Liddell, Henry G. 14 Liebert, Donald Hans 31, 183 Lietzmann, Hans 17, 106, 112, 167, 200, 240, 296, 309–310, 360, 386, 421, 469, 476, 501 Lieu, Judith M. 31, 52, 54, 181 Lindemann, Andreas 31, 122, 157 Lippert, Sandra L. 45 Litinas, Nikos 32, 385–386, 528 Llewelyn, Stephen R. 32, 143, 171, 181, 224, 272, 402 Long, Fredrick J. 32, 52 Longenecker, Bruce W. 32, 392 Lorber, Catharine 29
© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525510025 — ISBN E-Book: 9783647510026
Moderne Autorinnen und Autoren
Luijendijk, AnneMarie 32, 49, 71, 224 Luiselli, Raffaele 45 Luppe, Wolfgang 30 Lykke, Anne 32 Maehler, Herwig 263 Mahaffy, John P. 454 Malherbe, Abraham J. 26, 32, 52, 188 Malina, Bruce J. 17, 293, 538 Mandilaras, Basil G. 14, 50 Maresch, Klaus 45, 57 Marshall, Peter 32, 393 Martin, Aldo 32, 320 Martin, Ralph P. 17, 136, 179, 538 Martin, Troy W. 32, 187 Martinez, David 32, 379, 397 Martini, Carlo M. 15 Massar, Natacha 40, 265 Matera, Frank J. 17, 73, 114, 117, 123, 134, 147, 179, 240, 269, 284, 296, 356, 360, 462, 476, 502, 538 Maurer, Armand A. 32, 148 Mayer-Maly, Theo 32, 316 Mayser, Edwin 14, 50, 115, 227, 253, 326, 414, 419, 536 McCarren, Vincent P. 22, 253 McKay, Kathryn L. 32, 108 McKenzie, Roderick 14 McLean, Bradley H. 32, 376 McRae, Rachel M. 32, 376, 378, 394 Mees, Allard W. 32, 367, 377–379, 383, 397–398 Menchetti, Angiolo 46, 472–473 Merkel, Helmut 33, 338 Merkelbach, Reinhold 33, 362 Messeri Savorelli, Gabriella 33, 101, 209 Messeri, Gabriella 46 Metzger, Bruce M. 15, 33, 52, 54 Metzger, Hubert 33, 325 Meyer, Heinrich A. W. 17, 167, 200, 240–241, 269, 309, 353, 356, 360, 421, 430, 436, 462, 476, 491, 501 Meyer, Paul M. 198 Michaelis, Wilhelm 33, 106 Migliardi Zingale, Livia 15, 260, 523 Miller, Merrill P. 23 Milligan, George 15, 33, 47, 54, 203– 204, 227, 238, 243, 249, 281, 287, 294, 302, 305–306, 312, 319, 329, 332, 342,
579
354, 357, 360, 362–363, 365, 373, 386, 407–408, 411–412, 419, 430, 433, 438, 457, 475, 494, 504, 506–507, 511–513, 526, 529, 534 Minehart, Monika 33, 71, 352 Minutoli, Diletta 45 Mitchell, Linda C. 35 Mitchell, Margaret M. 33, 71–72, 122, 139, 173, 191, 287, 505 Mitropoulou, Elpis 33, 471 Mitthof, Fritz 45, 287 Modrzejewski, Joseph 33, 240 Möller, Sigurd 134 Momigliano, Arnaldo 33, 300 Monson, Andrew 33, 379–380, 396 Montanari, Franco 33, 460 Montevecchi, Orsolina 33, 209, 240, 259, 339 Morelli, Federico 502 Moulton, James H. 15, 47, 52, 67, 170, 199, 203–204, 222, 227, 238, 243, 249, 253, 281, 287, 294, 302, 305–306, 312, 319, 329, 332, 342, 354, 357, 360, 362– 363, 365, 373, 386–387, 407–408, 411– 412, 419, 424, 430, 433, 438, 452, 457, 475, 494, 504, 506–507, 511–513, 526, 529, 534, 536 Müller, Markus 33, 538 Münch, Stephan 34, 392 Murphy-O’Connor, Jerome 34, 52, 401 Naldini, Mario 15, 34, 49, 71, 224, 236 Nasrallah, Laura S. 34, 48, 201, 392 Nathan, Emmanuel 13 Nestle, Eberhard 15 Nestle, Erwin 15 Nijf, Onno M. van 34, 377 Nobbs, Alanna 27, 230 Norsa, Medea 496 Novick, Tzvi 34, 268 O’Brien, Peter Th. 34, 190 O’Neill, J. C. 34, 57 Oakes, Peter 34, 392 Oates, John F. 15, 45, 49 Oertel, Friedrich 34, 359, 413, 440, 489 Öhler, Markus 34, 184, 376, 394, 403 Olbricht, Thomas H. 26 Oliver, James H. 15, 52, 415, 513 Olson, Stanley N. 34, 196
© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525510025 — ISBN E-Book: 9783647510026
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Verzeichnisse
Olsson, Bror 15, 62, 64–65, 68, 82, 93– 94, 133, 135, 154, 169, 188, 300, 347, 446, 515 Omar, Sayed 436 Otto, Walter 34, 302 Palme, Bernhard 34, 221, 246, 253, 312 Papathomas, Amphilochios 34–35, 45, 62, 83–84, 92, 164, 195, 209, 212–213, 217, 234–235, 247, 260, 284–285, 292, 297, 305, 307, 309, 325, 337–338, 341, 349–351, 353, 365, 367, 376, 379, 383, 410, 412, 455–458, 471, 482, 485, 510, 517, 528–531 Papini, Lucia 35, 246 Parassoglou, George M. 35, 443 Parker, Robert 35, 349 Parkin, Vincent 35, 181 Parsons, Peter 35, 49, 162–163, 411, 416 Penna, Romano 35, 310 Pesce, Mauro 24, 35, 298, 505, 507 Pesch, Rudolf 17, 538 Pestman, Pieter W. 13, 15, 453 Petersen, Enoch E. 22, 80 Pfeiffer, Stefan 35, 204, 360 Pickering, S. R. 29, 49 Pilch, John J. 17, 293, 538 Pinna Parpaglia, Paolo 35, 316 Pintaudi, Rosario 33, 45–46, 101, 191, 434, 472–473 Pitta, Antonio 35, 467 Plaumann, Gerhard 185 Poethke, Günter 45, 64, 267 Poirier, John C. 35, 54 Poland, Franz 35, 377 Popko, Lutz 45 Porter, Stanley E. 35, 52, 138, 338 Poster, Carol 35, 52 Powell, J. Enoch 330 Préaux, Claire 295 Preisigke, Friedrich 13–15, 50, 64, 69, 199, 204, 206, 213–214, 223–224, 227, 231, 234–235, 238–239, 243, 245–246, 253–254, 263–264, 266, 270, 278, 280– 285, 287–288, 292–294, 297, 301–302, 305–306, 312, 315, 317–321, 324–325, 328–329, 332–334, 337–339, 341–342, 346, 350, 354–355, 357–358, 360, 363, 365–366, 368–369, 372–375, 381–382,
384, 386, 404–405, 407–409, 411, 415, 419, 421–423, 429–431, 433, 435, 438, 441–443, 449, 451, 453–455, 458–461, 470, 473, 475–476, 480–481, 488–489, 494–495, 497, 501, 503–507, 509, 511, 513, 520–522, 525–526, 529, 534 Prignitz, Sebastian 45 Pringsheim, Fritz 36, 227 Probst, Hermann 36, 52 Prümm, Karl 17, 200, 536, 538 Pruneti, Paola 312 Pucci Ben Zeev, Miriam 36, 312–313, 348, 415, 464, 480, 489, 498, 516 Purola, Tina 26 Quenouille, Nadine 45 Rabens, Volker 36, 229 Radt, Fritz 16 Raepsaet-Charlier, Marie-Thérèse 36, 265 Rathbone, Dominic 36, 45, 284 Rea, John R. 36, 161, 204, 223, 434, 443 Reasoner, Mark 26, 195, 272 Reed, Jeffrey T. 36, 52–53 Rees, B. R. 223 Reichmann, Viktor 14 Reiser, Marius 36, 52 Reiter, Fabian 36, 45, 200, 226, 378, 398–402 Renger, Johannes 36, 489 Rengstorf, Karl Heinrich 36, 421 Richards, E. Randolph 18, 36, 52, 60, 106, 115, 138, 170, 173 Roberts, Colin H. 225, 372 Roberts, Johnnie H. 36, 187, 190 Robertson, Archibald Th. 16, 36, 199, 334, 424 Robic, Kennokka 46 Robinson, James M. 36, 190 Roetzel, Calvin J. 17, 72, 179, 284, 538 Roller, Otto 36, 52, 181 Romanello, Stefano 21 Römer, Cornelia E. 46 Rosenberger, Grete 447–448 Rowlandson, Jane 36, 164, 335 Rücker, Michaela 45 Ruffini, Giovanni R. 46 Rupprecht, Hans-Albert 13, 16, 37, 42, 50, 52, 56–57, 201, 224, 227–228, 268,
© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525510025 — ISBN E-Book: 9783647510026
Moderne Autorinnen und Autoren
277, 301, 334, 438, 440, 443, 481, 501, 514 Salles, Catherine 37, 52 Salmenkivi, Erja 26 Salomons, Robert P. 227–228 San Nicolò, Mariano 37, 269, 377–379, 397 Sanders, Jack T. 37, 187 Sänger, Dieter 37 Sänger, Patrick 46, 432, 513 Schäfer, Alfred 25, 377 Schäfer, Diedrich 196, 215, 347 Schäfer, Dorothea 13 Schentuleit, Maren 45 Schipper, Friedrich T. 32 Schlatter, Adolf 18, 200, 538 Schmeller, Thomas 18, 37, 71–73, 75, 106, 121, 126, 138–139, 142–143, 146– 148, 154, 192, 211, 220, 259, 294, 298, 303, 309, 311, 317, 320–321, 338–339, 344, 346, 356–357, 368, 376, 538 Schmithals, Walter 37, 72 Schmitz, Philip 252, 289 Schnebel, Michael 37, 264, 284 Schneider, Gerhard 50 Schnelle, Udo 37, 106, 158, 411 Schnider, Franz 38, 52, 181, 538 Schnöckel, Karl H. 38, 377–379, 397 Scholer, David M. 38 Scholl, Reinhold 38, 52, 103, 128, 181, 265, 352, 435, 481, 531, 540 Scholtissek, Klaus 38, 272 Schowalter, Daniel N. 38 Schrenk, Gottlob 38, 384 Schubart, Wilhelm 16, 38, 64–66, 68, 196, 215, 259, 299, 321, 415, 440 Schubert, Paul 38, 48–49, 252, 347 Schwartz, Jacques 69 Schwarzbach, Klaus 38, 264 Schwyzer, Eduard 16, 485 Scott, James M. 23, 200, 538 Scott, Robert 14 Seider, Richard 16 Sekavová, Helena 45 Semler, Johann S. 18, 99 Shelton, John C. 38, 174 Sijpesteijn, Pieter J. 24, 27, 38, 45, 56, 163, 191, 212, 264, 494
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Sirivianou, M. G. 272, 504 Sirks, A. J. Boudewijn 38, 379 Skeat, Theodore C. 105, 145, 160, 326, 535 Smith, Jonathan Z. 38, 394 Smyly, J. Gilbart 279, 318, 376, 454 Sommer, Stefan 38, 379 Sophocles, Evangelinus A. 16, 503 Sosin, Joshua D. 15 Spicq, Ceslas 16, 18, 224, 324, 414, 538 Stange, Erich 38, 106 Steen, Henry A. 38, 187, 340, 475 Stegman, Thomas D. 38, 52, 169 Stenger, Werner 38, 52, 181, 538 Stephan, Robert P. 38, 80 Stewart-Sykes, Alistair 38, 56, 122 Still, Todd D. 39, 223, 474 Stirewalt, M. Luther 39, 52 Stowers, Stanley K. 39, 52–53, 97, 128, 187 Strassi, Silvia 39, 80, 346 Straus, Jean A. 39, 299, 480 Strecker, Georg 39, 52 Strutwolf, Holger 15 Sullivan, Robert G. 37, 52 Sumney, Jerry L. 39, 467 Taatz, Irene 39, 52 Taubenschlag, Rafael 39, 208, 227 Taylor, Justin 23, 39, 501 Taylor, Nicholas H. 39, 467 Tcherikover, Victor A. 69 Thomas, J. David 39, 46, 325, 385, 387, 416 Thorburn, William 39, 148 Thraede, Klaus 39, 52 Thrall, Margaret E. 18, 22, 39, 71, 96, 114–116, 118, 122, 127–128, 136, 139, 149, 158, 179, 190, 284, 320–321, 374, 505, 538 Threatte, Leslie 16 Thür, Gerhard 39, 264 Tibiletti, Giuseppe 16 Tilly, Charles 39, 380 Tite, Philip L. 39, 181 Tomlin, R. S. O. 46 Totti, Maria 16, 363 Trebilco, Paul 40, 185 Treu, Kurt 40, 272
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Verzeichnisse
Trobisch, David 40, 53, 73, 138–139, 170, 539 Tubiana, Matteo 40, 505 Turner, Eric G. 186, 216, 249, 329, 458, 491, 496, 528 Turner, Nigel 15, 52, 67, 170, 253, 452, 536 Vaelske, Veit 45 van der Horst, Pieter W. 14 van der Toorn, Karel 14 van Groningen, Bernard A. 13–14 van Kooten, George H. 40, 185 van Minnen, Peter 28, 339 van Rengen, Wilfried 514 Vandoni, Mariangela 16 Vandorpe, Katelijn 23, 76, 100, 145, 350, 508 Vegge, Ivar 40, 52, 71, 73, 538 Verbanck-Piérard, Annie 40, 265 Verbrugge, Verlyn D. 40, 393, 396, 402, 414, 424–425 Verhoef, Eduard 40, 115 Verhoogt, Arthur M. F. W. 38, 80, 86, 279 Vidman, Ladislav 434 Vielhauer, Philipp 40, 96 Vitelli, Girolamo 422 Vittmann, Günter 46 Vogel, Manuel 40, 322 Vogliano, Achille 169 Vögtle, Anton 40, 527 von Soden, Heiko 40, 442 Walker, William O. 40, 122 Wallace, James B. 40, 505 Wansink, Craig S. 40, 208 Wartenberg, Ute 344 Watson, Duane F. 40, 370, 536 Watson, Francis B. 40, 158 Weber, Manfred 223, 382 Weima, Jeffrey A. D. 40–41, 536–540 Weinfeld, Moshe 41, 381 Weiss, Johannes 41, 116 Welborn, Laurence L. 41, 116, 150, 188, 190, 200, 202, 220, 280, 365, 379, 458, 467, 476 Welles, C. Bradford 16, 52, 221 Wendland, Heinz-Dietrich 18, 200, 538 Wenger, Leopold 41, 173, 334
Wessely, Carl 41, 264 Westermann, William L. 41, 92, 242, 259 Wetter, Gillis P. 41, 299 White, John L. 16, 41–42, 47, 52–53, 100, 181, 187, 196, 223, 236, 272, 326, 370, 429, 518, 536–538 White, L. Michael 26 Whitehorne, John 45 Wick, Claudia 264 Wilcken, Ulrich 42, 103, 129, 153, 198, 203, 231, 254, 259, 265, 295–296, 317, 336, 366, 422, 427, 436, 440, 457, 460, 485, 489 Wilfong, Terry G. 15 Willert, Niels 42, 301 Williams, Mary 32, 379, 397 Willis, William H. 49, 57 Wilson, Stephen G. 30, 376 Windisch, Hans 18, 42, 47, 116, 160, 188, 191, 196, 198, 200–201, 215–216, 221, 227, 236, 243, 261, 269, 272, 286, 294, 297, 307, 324, 329, 356, 359, 387, 412, 418, 435, 439, 445, 469, 475, 501, 506–508, 510, 520, 533, 538 Winter, Franz 42, 71, 183, 201, 213–214, 220–221, 224, 230, 232, 234, 238–239, 243, 259, 261–262, 269, 283, 286, 295– 299, 303, 309, 319, 329, 331, 341–342, 347, 354, 356, 360–361, 373, 386, 389, 408, 411, 416–417, 428, 434, 437, 439, 447, 449, 452, 457–458, 463, 472, 478, 480, 485, 492, 498, 514, 516–517, 523, 528, 531, 536 Winter, John G. 42, 141, 451, 502 Wipszycka, Ewa 42, 71, 443 Wischmeyer, Oda 42 Witherington, Ben 18, 52, 258, 272, 301, 357, 391, 395, 538 Witkowski, Stanislaus 16 Wolff, Christian 18, 106, 200, 538 Wolff, Hans J. 42, 52, 191, 260, 277–278, 302, 358, 396 Wollentin, Ulrich 42, 488 Worp, Klaas A. 13, 15, 42, 45, 55 Wünsch, Hans-Michael 42, 52, 99 Yadin, Yigael 219, 245, 311, 317, 328, 463, 473–474, 509
© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525510025 — ISBN E-Book: 9783647510026
Moderne Autorinnen und Autoren
Yiftach-Firanko, Uri 42, 412 Youtie, Herbert C. 42, 164, 223, 293– 294, 362, 451, 474, 502–503 Youtie, Louise C. 293–294 Zacharias, H. Daniel 26 Zangenberg, Jürgen 31 Zaza, Khaled 46 Zeilinger, Franz 18, 123, 200, 538
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Zelzer, Michaela 42, 53 Zereteli, Gregor 42, 375 Ziebarth, Erich 42, 377 Ziemann, Ferdinand 42, 181 Zilliacus, Henrik 42, 184, 452 Zimmermann, Carola 43, 377, 379–380, 396 Zumstein, Jean 23
© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525510025 — ISBN E-Book: 9783647510026