Zwischen Athen und Alexandria: Dichter und Künstler beim makedonischen König Archelaos 3447108908, 9783447108904

Antiken Zeugnissen zufolge haben sich am Ende des 5. Jahrhunderts v.Chr. verschiedene griechische Intellektuelle beim po

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Inhalt
Vorwort
I. Einleitendes zu Forschungslage, Quellen, Methoden und Begriffen
II. Archelaos und Makedonien
1. Die Politik des makedonischen Königs Archelaos (413–399 v. Chr.)
2. Archelaos als Philhellene
3. Griechen und Makedonen
4. Archelaos in den griechischen Quellen
III. Die Makedonienaufenthalte der griechischen Intellektuellen
1. Methode
2. Euripides in Makedonien
3. Agathon in Makedonien
4. Timotheos in Makedonien
5. Choirilos in Makedonien
6. Zeuxis in Makedonien
7. Weitere Literaten in Makedonien
8. Diskussion
IV. Die Dichter und Künstler um Archelaos als Wegbereiter des Hellenismus
1. Methode, Begriffe, These
2. Euripides
2.1 Die Tragödie Archelaos
2.2 Bakchen, Iphigenie in Aulis und Alkmaion in Korinth
2.3 Fazit: Die poetische Produktion des Euripides in Makedonien
3. Agathon als Dichter und Musiker
3.1 Aristophanes, Thesmophoriazusen
3.2 Platon, Symposion
3.3 Aristoteles, Poetik
3.4 Die Fragmente Agathons
3.5 Fazit: Der Tragiker Agathon
4. Timotheos von Milet
4.1 Timotheos als exzeptioneller Musiker
4.2 ‚Mimesis‘ in den Persern des Timotheos
4.3 Der poetische Stil des Timotheos
4.4 Die Thematik des Perser-Nomos
4.5 Fazit: Timotheos als experimentierfreudiger Musiker und Dichter
5. Choirilos von Samos
5.1 Die Innovation des Choirilos von Samos
5.2 Der Stil des Choirilos von Samos
5.3 Die Wirkung des Choirilos auf die hellenistische und augusteische Dichtung
5.4 Der Umfang seiner Dichtung
5.5 Fazit: Choirilos als origineller Epiker
6. Zeuxis
6.1 Pan als Geschenk für Archelaos
6.2 Die Malweise des Zeuxis
6.3 Die Neuerungen des Zeuxis in der Malerei
6.4 Fazit: Charakteristika der Kunst des Zeuxis
7. Der Kunst- und Dichtungscharakter der Intellektuellen um Archelaos
8. Bezüge zum Hellenismus
9. Rückprojektion hellenistischer Verhältnisse auf den makedonischen König Archelaos
V. Die Intellektuellen um Archelaos als Konstellation. Abgrenzungen und Ausblick
Literaturverzeichnis
Abgekürzte Literatur
Relevante Textausgaben für die untersuchten Dichter und den Maler Zeuxis
Sekundärliteratur
Indices
Index locorum
Index Nominum et Rerum
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Zwischen Athen und Alexandria: Dichter und Künstler beim makedonischen König Archelaos
 3447108908, 9783447108904

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Christine Hecht

Zwischen Athen und Alexandria Dichter und Künstler beim makedonischen König Archelaos

PHILIPPIKA

Altertumswissenschaftliche Abhandlungen Contributions to the Study of Ancient World Cultures 112

Harrassowitz Verlag

© 2017, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden ISBN Print: 978-3-447-10890-4 - ISBN E-Book: 978-3-447-19694-9

P H I L I P P I K A

Altertumswissenschaftliche Abhandlungen Contributions to the Study of Ancient World Cultures

Herausgegeben von /Edited by Joachim Hengstl, Elizabeth Irwin, Andrea Jördens, Torsten Mattern, Robert Rollinger, Kai Ruffing, Orell Witthuhn 112

2017

Harrassowitz Verlag . Wiesbaden

© 2017, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden ISBN Print: 978-3-447-10890-4 - ISBN E-Book: 978-3-447-19694-9

Christine Hecht

Zwischen Athen und Alexandria Dichter und Künstler beim makedonischen König Archelaos

2017

Harrassowitz Verlag . Wiesbaden

© 2017, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden ISBN Print: 978-3-447-10890-4 - ISBN E-Book: 978-3-447-19694-9

Bis Band 60: Philippika. Marburger altertumskundliche Abhandlungen. Das vorliegende Buch ist die überarbeitete Fassung der Dissertation, die im Sommersemester 2015 an der Philosophischen Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen eingereicht wurde.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. Bibliographic information published by the Deutsche Nationalbibliothek The Deutsche Nationalbibliothek lists this publication in the Deutsche Nationalbibliografie; detailed bibliographic data are available on the internet at http://dnb.dnb.de.

Informationen zum Verlagsprogramm finden Sie unter http://www.harrassowitz-verlag.de © Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden 2017 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen jeder Art, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung in elektronische Systeme. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier. Druck und Verarbeitung: Hubert & Co., Göttingen Printed in Germany ISSN 1613-5628 ISBN 978-3-447-10890-4 e-ISBN 978-3-447-19694-9

© 2017, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden ISBN Print: 978-3-447-10890-4 - ISBN E-Book: 978-3-447-19694-9

Die Himmel erzählen die Ehre Gottes und die Feste verkündigt seiner Hände Werk. Ein Tag sagt’s dem andern und eine Nacht tut’s kund der andern, ohne Sprache und ohne Worte; unhörbar ist ihre Stimme. Ihr Schall geht aus in alle Lande und ihr Reden bis an die Enden der Welt. (Psalm 19.2–5, Luther 1984)

Die Publikation meiner Dissertation konnte meine Mutter nicht mehr erleben. Ich weiß, dass sie immer stolz auf mich war.

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Inhalt Vorwort ........................................................................................................... I. II.

III.

IV.

Einleitendes zu Forschungslage, Quellen, Methoden und Begriffen .......................................................................................

IX 1

Archelaos und Makedonien ................................................................ 1. Die Politik des makedonischen Königs Archelaos (413–399 v. Chr.) ............................................................................ 2. Archelaos als Philhellene ................................................................. 3. Griechen und Makedonen ................................................................. 4. Archelaos in den griechischen Quellen ...........................................

5 11 13 15

Die Makedonienaufenthalte der griechischen Intellektuellen ......................................................... 1. Methode ............................................................................................ 2. Euripides in Makedonien ................................................................. 3. Agathon in Makedonien .................................................................. 4. Timotheos in Makedonien ............................................................... 5. Choirilos in Makedonien ................................................................. 6. Zeuxis in Makedonien ..................................................................... 7. Weitere Literaten in Makedonien .................................................... 8. Diskussion .......................................................................................

19 19 19 27 32 33 34 35 35

Die Dichter und Künstler um Archelaos als Wegbereiter des Hellenismus ........................................................ 1. Methode, Begriffe, These ................................................................. 2. Euripides .......................................................................................... 2.1 Die Tragödie Archelaos ............................................................. 2.2 Bakchen, Iphigenie in Aulis und Alkmaion in Korinth ............... 2.3 Fazit: Die poetische Produktion des Euripides in Makedonien .. 3. Agathon als Dichter und Musiker .................................................... 3.1 Aristophanes, Thesmophoriazusen .............................................. 3.2 Platon, Symposion ........................................................................ 3.3 Aristoteles, Poetik ........................................................................ 3.4 Die Fragmente Agathons ............................................................. 3.5 Fazit: Der Tragiker Agathon ........................................................

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VIII

Inhalt

4. Timotheos von Milet ........................................................................ 4.1 Timotheos als exzeptioneller Musiker ......................................... 4.2 ‚Mimesis‘ in den Persern des Timotheos ................................... 4.3 Der poetische Stil des Timotheos ................................................ 4.4 Die Thematik des Perser-Nomos ................................................ 4.5 Fazit: Timotheos als experimentierfreudiger Musiker und Dichter .................................................................... 5. Choirilos von Samos ........................................................................ 5.1 Die Innovation des Choirilos von Samos .................................... 5.2 Der Stil des Choirilos von Samos ................................................ 5.3 Die Wirkung des Choirilos auf die hellenistische und augusteische Dichtung ....................... 5.4 Der Umfang seiner Dichtung ....................................................... 5.5 Fazit: Choirilos als origineller Epiker ......................................... 6. Zeuxis .............................................................................................. 6.1 Pan als Geschenk für Archelaos .................................................. 6.2 Die Malweise des Zeuxis ............................................................. 6.3 Die Neuerungen des Zeuxis in der Malerei ................................. 6.4 Fazit: Charakteristika der Kunst des Zeuxis ................................ 7. Der Kunst- und Dichtungscharakter der Intellektuellen um Archelaos ................................................................................... 8. Bezüge zum Hellenismus ................................................................. 9. Rückprojektion hellenistischer Verhältnisse auf den makedonischen König Archelaos ........................................ V.

127 129 139 147 152 155 155 156 161 166 171 174 175 175 178 179 182 182 184 187

Die Intellektuellen um Archelaos als Konstellation. Abgrenzungen und Ausblick ..............................................................

189

Literaturverzeichnis .......................................................................................

193

Indices .............................................................................................................. Index locorum ....................................................................................... Index Nominum et Rerum .....................................................................

207 207 221

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Vorwort Meine Doktormutter Frau Prof. Dr. Irmgard Männlein-Robert durfte ich bereits in meiner Studienzeit kennen und schätzen lernen. Mein relativ spät und spontan gereiftes Vorhaben zu promovieren hat sie sogleich engagiert unterstützt. Während der etwas mehr als zwei Jahre dauernden Arbeit an meiner Dissertation konnte ich von regelmäßigen Besprechungen mit ihr und ihrer fachlichen Expertise profitieren. An meiner Doktormutter schätze ich aber auch besonders, dass sie mich über das Fachliche hinaus beraten und gefördert hat. Ich möchte mich an dieser Stelle für die Begleitung meiner Doktorandenzeit herzlich bedanken. Ebenso möchte ich meinem Zweitgutachter Herrn Prof. Dr. Mischa Meier danken, der sich für Anfragen Zeit genommen hat und dessen Rückmeldungen für mich sehr wertvoll waren. Im Sommer 2014 konnte ich sowohl in München als auch in Freiburg einen Forschungsaufenthalt verbringen. Herrn Prof. Dr. Martin Hose (München) und Herrn Prof. Dr. Bernhard Zimmermann (Freiburg) sei für interessierte und anregende Gespräche herzlich gedankt. Frau Prof. Dr. Annette Harder (Groningen) und Frau Prof. Dr. Ivana Petrovic (Virginia) habe ich jeweils bei ihrem Besuch in Tübingen kennengelernt. Ihnen beiden verdanke ich wichtige Literatur zum Thema. Besondere Erwähnung gilt meinen geschätzten Tübinger Kollegen Dr. Oliver Schelske (jetzt München), Dr. Dr. Matthias Becker (jetzt Göttingen) und Dr. Laura Carrara. Sie haben sich für meine Arbeit aufrichtig interessiert. Gerne erinnere ich mich an den konstruktiven Austausch. Dr. Hans-Peter Nill und Jan Ebell bin ich für viele aufmerksame Gespräche sowie Hilfe beim Korrekturlesen verbunden. Für das Angebot, mein Buch in die Reihe „Philippika“ des Harrassowitz Verlags aufzunehmen, danke ich den Herausgebern der genannten Reihe. Durch freundliche Korrespondenz und Entgegenkommen hat Frau Ulrike Melzow das Erstellen der Druckvorlage erleichtert. Durch Zuverlässigkeit, Fleiß und Einsatzbereitschaft hat Frau Theresa Hellmich den Prozess der Drucklegung unterstützt. Ihr und Herrn Fabian Raßmann schulde ich für Hilfe beim Korrekturlesen und der Erstellung der Indices Dank. Von den Freunden und Bekannten, die diese Zeit begleitet haben, möchte ich stellvertretend Susanne Schwendener, Alicia Keller und Sarah Bühler nennen, außerdem Familie Widmer in Reutlingen und Familie Schröder in München, deren herzliche Gastfreundschaft ich in Anspruch nehmen durfte. Meine Eltern haben mir immer die Freiheit gelassen, meiner entlegenen Neigung nachzugehen, und unterstützten mein Promotionsvorhaben. Dafür und für den umsichtigen Umgang, den ich in unserer Familie kennenlernen durfte, bin ich sehr

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Vorwort

dankbar. Meine Geschwister Andreas, Manuela und Sebastian – es ist eine Freude, dass sie da sind. Sie alle haben auf ihre individuelle Art meine Doktorandenzeit verfolgt und Anteil genommen. Tübingen, Juli 2017 Christine Hecht

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I. Einleitendes zu Forschungslage, Quellen, Methoden und Begriffen Die vorliegende Arbeit füllt ein Desiderat der Forschung, das bereits 1984 Max Imhof bemängelt hat: „Die ganzen Materialien zu Archelaos als Mäzen (Sokrates, Euripides, Agathon, Timotheos, Choirilos, Zeuxis u.a. […]) müssten zusammengestellt und auf ihre Entstehung und Verbindung hin untersucht werden.“1 Dieses frühe und bedeutende Beispiel der Dichterpatronage bedurfte also einer eingehenden und umfassenden philologischen Analyse, die bisher in dieser Weise noch nicht vorlag. Archelaos als Mäzen bzw. „Philhellene“ fand bislang in Arbeiten vor allem aus der Alten Geschichte Berücksichtigung.2 In diesen stand die Frage im Vordergrund, welche Bedeutung die Tätigkeit des Archelaos als Kunst- und Literaturförderer für dessen Herrschaft hatte. Eine Synopse im Sinne Imhofs blieb dort aus. Somit wurden in der vorliegenden Arbeit sowohl alle Zeugnisse, die einen griechischen Dichter oder Künstler zu Archelaos I. von Makedonien (413–399 v. Chr.) verorten, gesammelt und auf ihre Historizität geprüft als auch die literarischen beziehungsweise künstlerischen Werke der relevanten Personen untersucht. Nur durch die Analyse und Interpretation der poetischen und künstlerischen Erzeugnisse selbst war es möglich, das Phänomen der Dichterpatronage des Archelaos angemessen zu beschreiben und kulturhistorische Erkenntnisse zu gewinnen.3 Diese wichtigen Quellen wurden von der historischen Forschung nicht oder nur wenig beachtet. Neben einer genauen Textanalyse beinhaltet die Arbeit eine Übersetzung der relevanten Texte der in Makedonien anwesenden Griechen. Soweit nicht anders vermerkt, stammen diese Übertragungen ins Deutsche von der Verfasserin. Die Quellen, die über einen Aufenthalt des jeweiligen Intellektuellen in Makedonien berichten, wurden hinsichtlich ihrer Historizität analysiert. Eine Erläuterung des für die Analyse angewandten Verfahrens findet sich auf S. 19. Für Euripides ist zum Beispiel eine Fülle von Testimonien überliefert, die den Makedonienaufenthalt erwähnen. Auch Agathon wird in der Tradition mehrfach nach Makedonien verortet. Für Timotheos von Milet, Choirilos von Samos und Zeuxis sind die Informationen hingegen spärlich. Die Forschung hat den Makedonienaufenthalt meistens nicht angezweifelt.4 Die vorliegende Arbeit leistet eine neue Bewertung dieser Nachrichten.

1 2 3 4

Imhof 1984, 9, Anm. 3. Borza 1990, 171–177; Greenwalt 2003, 131–153; Roisman 2010, 156 f.; Mari 2011, 92. Eine kurze Bewertung des Archelaos als Förderer von Dichtern gibt Weber 1992, 64–67. S.u. z.B. 32, Anm. 79; 35, Anm. 97.

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Einleitendes zu Forschungslage, Quellen, Methoden und Begriffen

In einem Fragment des Peripatetikers Praxiphanes5 wird eine Reihe weiterer Literaten in einem losen Zusammenhang mit Archelaos genannt. Dieser Befund hat zu der Annahme geführt, dass die dort aufgeführten Personen ebenfalls in Makedonien gewesen sein könnten. Die Plausibilität dieser These soll im Folgenden kurz diskutiert werden: Der Wortlaut des Fragments ist folgender: συνεχρόνισε δὲ (Θουκυδίδης) ὥς φησι Πραξιφάνης ἐν τῷ περὶ ἱστορίας, Πλάτωνι τῷ κομικῷ, Ἀγάθωνι τραγικῷ, Νικεράτῳ ἐποποιῷ καὶ Χοιρίλῳ καὶ Μελανιππίδῃ. καὶ ἐπεὶ μὲν ἔζη Ἀρχέλαος, ἄδοξος ἦν ὡς ἐπὶ πλεῖστον, ὡς αὐτὸς Πραξιφάνης δηλοῖ, ὕστερον δὲ δαιμονίως ἐθαυμάσθη. („Zeitgenosse aber war (Thukydides), wie Praxiphanes in seinem Werk Über Geschichtsschreibung sagt, des Komikers Platon, des Tragikers Agathon, des Epikers Nikeratos und Choirilos und Melanippides. Und als Archelaos lebte, war er meistenteils ruhmlos, wie derselbe Praxiphanes zeigt, später aber wurde er ungemein bewundert“). Wilamowitz interpretiert die Stelle in der Weise, dass die genannten Dichter samt Thukydides deshalb miteinander genannt wurden, weil sie alle Archelaos besucht hätten.6 Wilamowitz geht davon aus, dass auch Thukydides seinen „Lebensabend“ in Makedonien verbracht hat.7 Aly argumentiert, dass nur die, von denen noch unabhängige Quellen einen Aufenthalt in Makedonien konstatieren, als Besucher des Archelaos angenommen werden können. Das Prinzip der Zusammenstellung sei die sich überschneidende Lebenszeit der genannten Personen. So spricht sich Aly gegen die Deutung Wilamowitzens aus: „Gegenüber anderen Phantasien sei nüchtern festgestellt, daß ein solcher Besuch nur bei Euripides (der hier fehlt), Choirilos […] und Agathon überliefert ist. Melanippides war nach Suidas Gast des Perdikkas; Plutarch Mor. p. 1015 D nennt Archelaos. Nikeratos genoß die Gunst des Lysandros. Ihn nur auf Grund dieser Stelle als Gast des Archelaos zu bezeichnen […] geht über das Wißbare hinaus; von Platon ist sonst nichts überliefert.“8 Hirzel wiederum nimmt an, dass Περὶ ἱστορίας ein Dialog sei, der bei Archelaos stattgefunden hätte und an dem Thukydides und die genannten fünf Dichter teilgenommen hätten.9 Auch in der moderneren Literatur wird dieses Zeugnis verschieden eingeschätzt.10 Zuletzt hat sich Matelli gegen die Annahme ausgesprochen, dass Thukydides bei Archelaos gewesen sein könnte.11 Eine Entscheidung in dieser Frage könnte über eine Untersuchung des Stils der bei Praxiphanes genannten Dichter Platon, Nikeratos und Melanippides gelingen. Wenn deren Dichtung ähnliche Züge wie die der anderen nach Makedonien verorteten Dichter aufwiese, könnte ein Aufenthalt dort eventuell konstatiert werden. Da aber das Praxiphanes-Zitat selbst viele Fragen offen lässt und vor allem die Literaten nur über Thukydides mit Archelaos verbunden sind, also diese nicht in einen direkten Zusammenhang mit dem makedonischen König 5 6 7 8 9 10 11

Praxiphanes F 18 (Wehrli) = Marcellinus, Vita Thucydidis, 29. Wilamowitz 1877, 355. Seine ganze Argumentation: ebda., 353–361. Ebda., 361. Aly 1954, 1777. Hirzels 1878, 46–49. Siehe Cameron 1995, 196; Tuplin 1993/4, 188. Matelli 2012, 97–9, Anm. 7. Zur Identität des hier genannten Thukydides ebda.

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Einleitendes zu Forschungslage, Quellen, Methoden und Begriffen

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gestellt werden, wäre auch das Verfahren über eine Stilanalyse von zu vielen ungewissen Faktoren begleitet. Die in diesem Fragment genannten Literaten wurden also von der Analyse ausgeschlossen. Um den Dichtungsstil der einzelnen Poeten um Archelaos herauszuarbeiten, fiel je nach Quellenlage die Auswahl der zu untersuchenden Texte verschieden aus. Sowohl die überlieferten Primärquellen als auch Aussagen über die Dichtung und Kunst in den Testimonien wurden ausgewertet. Während uns im Falle von Euripides ein umfangreiches Corpus an Primärquellen, also vollständig erhaltene Tragödien vorliegen, sind wir bei den anderen Dichtern Agathon, Timotheos und Choirilos auf fragmentarische Textbestände von unterschiedlichem Umfang angewiesen. Eine besondere Quellenlage liegt für Zeuxis vor, da von ihm keine Bilder erhalten sind. Für die vorliegende Untersuchung wurden also aus dem reichen Œuvre des Euripides diejenigen Tragödien ausgewählt, deren Produktion in die Zeit des vermuteten Makedonienaufenthalts des Dichters fällt. Dabei handelt es sich um die Stücke Bakchen, Iphigenie in Aulis und den nur in wenigen Fragmenten erhaltenen Alkmaion in Korinth und im Besonderen um den ebenfalls fragmentarisch überlieferten Archelaos. Die übrigen Tragödien des Euripides wurden nicht einzeln untersucht. Der poetische Stil des Euripides, wie er aus seinem Gesamtwerk bekannt ist, wurde aber dort, wo es die Untersuchung förderte, in die Ausführungen einbezogen und einzelne Phänomene auch an Beispielen aus anderen Tragödien gezeigt. Bei Agathon, Timotheos und Choirilos wurden wegen des geringen überlieferten Textmaterials aus ihrer eigenen poetischen Produktion die gesamten vorhandenen Fragmente einschließlich der Testimonien,12 die ihren Stil beschreiben oder bewerten, analysiert. Bei ihnen kann eine Eingrenzung auf die Stücke, deren Produktion etwa in die Zeit ihres Makedonienaufenthalts fiel, nicht vorgenommen werden. Denn dieser Aufenthalt kann erstens nicht in jedem Fall mit Sicherheit konstatiert werden. Zweitens ist die Abfassungszeit der Stücke dieser Autoren oft nicht bestimmbar. Vielmehr wurde anhand des überlieferten Textmaterials (Fragmente und Testimonien) der Gesamtcharakter der Dichtung herausgearbeitet.13 Beim Maler Zeuxis ist man allein auf literarische Bildbeschreibungen und Bewertungen seines Malstils angewiesen, da keine ikonographischen Zeugnisse erhalten sind. Aus der hier skizzierten Quellenlage und dem methodischen Vorgehen ergab sich, dass die Kapitel verschieden strukturiert wurden. Während bei Euripides und Agathon eine Einteilung nach den für die Untersuchung relevanten Texten gewählt wurde, bot sich für Timotheos, Choirilos und Zeuxis eine thematische Gliederung an. Für die Dissertationsschrift wurde nach einem Sammelbegriff gesucht, der alle Gattungen, in denen die Besucher des Archelaos produzierten, umfasst. Die meisten sind Poeten. Allerdings hielt sich auch der Maler Zeuxis bei Archelaos auf. Da kei12 Als Fragmente werden hier all diejenigen Textstücke bezeichnet, die Bruchstücke des Primärtextes oder Zitate aus dem Werk des Dichters darstellen. Zu Testimonien werden alle Aussagen über den Autor und seinen Stil und Bewertungen desselben gezählt. 13 Siehe zu diesem Verfahren auch Weber 1992, 27, Anm. 15.

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Einleitendes zu Forschungslage, Quellen, Methoden und Begriffen

ner der in Erwägung gezogenen Begriffe (Autoren, Künstler, Produzenten, Denker) alle abdecken würde, werden im Folgenden oft zwei Begriffe nach dem Muster „Dichter und Künstler“ oder ein ähnlicher, der die Gesamtheit dieser Personen bezeichnen soll, benutzt. Teilweise werden sie auch als „Intellektuelle“ bezeichnet. Die Arbeit gliedert sich in drei Teile. Zunächst wird in einem historischen Teil der König Archelaos, dessen Herrschaft und die Beurteilung seiner Person in den griechischen Quellen beleuchtet (Kap. II.). In einem zweiten Teil werden die Testimonien zu den einzelnen Autoren untersucht und auf deren Faktizität geprüft und die Möglichkeit der Fiktionalität derartiger Nachrichten diskutiert (Kap. III.). In einem dritten Schritt werden die literarischen respektive künstlerischen Produkte analysiert, verglichen und zum Hellenismus in Bezug gesetzt (Kapitel IV.).14 Abschließend werden Abgrenzungen der Dichter um Archelaos gegenüber anderen Literaten des ausgehenden 5. Jh. vorgenommen und dieses Exempel der Dichterpatronage in den Kontext weiterer Beispiele gestellt (Kapitel V.).

14 Die Untersuchung eines Bezugs zum Hellenismus wird in Kapitel IV.1. begründet und die Vorgehensweise methodisch erläutert. Außerdem wird dort der Terminus „Hellenismus“ definiert.

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II. Archelaos und Makedonien 1. Die Politik des makedonischen Königs Archelaos (413–399 v. Chr.) Zum makedonischen König Archelaos sind aus der Antike nur wenige Zeugnisse überliefert worden. Prominent ist darunter die Beschreibung seiner Herrschaft durch Thukydides: Καὶ οἱ μὲν Μακεδόνες οὗτοι ἐπιόντος πολλοῦ στρατοῦ ἀδύνατοι ὄντες ἀμύνεσθαι ἔς τε τὰ καρτερὰ καὶ τὰ τείχη, ὅσα ἦν ἐν τῇ χώρᾳ, ἐσεκομίσθησαν. ἦν δὲ οὐ πολλά, ἀλλὰ ὕστερον Ἀρχέλαος ὁ Περδίκκου υἱὸς βασιλεὺς γενόμενος τὰ νῦν ὄντα ἐν τῇ χώρᾳ ᾠκοδόμησε καὶ ὁδοὺς εὐθείας ἔτεμε καὶ τἆλλα διεκόσμησε τά [τε] κατὰ τὸν πόλεμον ἵπποις καὶ ὅπλοις καὶ τῇ ἄλλῃ παρασκευῇ κρείσσονι ἢ ξύμπαντες οἱ ἄλλοι βασιλῆς ὀκτὼ οἱ πρὸ αὐτοῦ γενόμενοι. Thuk. 2.100.1–2 (1) Weil nun die beschriebenen Makedonier nicht imstande waren, sich zu wehren, als dieses starke Heer anmarschierte, zogen sie sich auf befestigte Plätze und hinter Mauern zurück, soweit es sie im Land gab. (2) Das waren nicht gerade viele, sondern erst später baute Archelaos, der als Sohn des Perdikkas König geworden war, die jetzt im Land bestehenden Anlagen. Er ließ auch die Straßen gerade durchbrechen und traf verschiedene gute Maßnahmen für das Kriegswesen mit Pferden, Waffen und sonst besserer Rüstung als alle acht anderen, die vor ihm Könige gewesen waren.1 Thukydides stellt die Leistungen des Archelaos gegenüber seinen acht Vorgängern heraus. Nach seinem Zeugnis war Archelaos derjenige, der sich erstmals nachhaltig um eine bessere Infrastruktur seines Landes bemüht hat. Er stellte bessere Verteidigungsmöglichkeiten für das Land bereit2 und baute das Kriegswesen aus. Dadurch machte er die Makedonen kriegsfähig. Archelaos nahm demnach die mangelnde militärische Ausrüstung seines Landes wahr und versuchte, diesem Missstand beizukommen. Dadurch zeigt er sich unter den makedonischen Königen vor Philipp II. als weitsichtig und tatkräftig. Errington zeigt auch, dass er bereits über 20 Jahre vor seinem Herrschaftsantritt von seinem Vater Perdikkas als Thronfolger vorgesehen wur1 2

Übers. Vretska/ Rinner 2004, 192. Bei Demir Kapu wurden Überreste einer Festung aus dem späten 5. Jh. gefunden, die eventuell zu den Baumaßnahmen des Archelaos gezählt werden können. Borza 1990, 167 f.; Hammond/ Griffith 1979, 146.

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Archelaos und Makedonien

de, was seine besondere Fähigkeit für diese Position dokumentiert.3 Zahrnt betont, dass Archelaos die Ziele, die Philipp II. verfolgt hat, nämlich die „Gewinnung beziehungsweise Rückgewinnung der obermakedonischen Fürstentümer, die Sicherung der Küsten des Landes und die Ausweitung des makedonischen Einflusses nach Thessalien […] als erster makedonischer Herrscher […] klar entwickelt und wohl auch weitgehend verwirklicht“ hat.4 Er verstand es weiterhin, die Beziehung zu Athen, das am Ende des Peloponnesischen Krieges auf auswärtige Hilfe angewiesen war, in seinem Sinne zu stärken. Davon zeugen zwei Dekrete. Die Datierung des ersten (IG I.71 Hiller von Gaertringen = IG I3.89 Lewis) ist umstritten. Die Ansätze reichen von den 440er Jahren bis zum Jahr 415.5 In dieser Inschrift ermahnen die Athener Perdikkas II., nur an Athen Ruder auszuführen (IG I.71.22 ff. Hiller von Gaertringen = IG I3.89.30 ff. Lewis). Im zweiten Zeugnis, das um 407 entstand (IG I.105 Hiller von Gaertringen = IG I3.117 Lewis),6 kann dem Schriftstück trotz des fragmentarischen Zustands entnommen werden, dass Athen von Makedonien mit Schiffsbaumaterialien und Schiffen versorgt wurde. Die Wörter κομιδες τον νε[ον] („Zufuhr von Schiffen?“, IG I.105.14 f.7), ἐ]γ Μακεδονίας („aus Makedonien“, IG I.105.15) und Ἀθέναζε („nach Athen“, IG I.105.17) lassen sich eindeutig identifizieren.8 In Zeile 30 ist von κοπέας = κωπέας („Ruder“) die Rede, was Meiggs und Lewis als „[t]he main clue“ des Dekrets bezeichnen und im Zusammenhang mit der Erwähnung von Makedonien (in Zeile 15) auf den makedonischen König Archelaos schließen lässt.9 Denn auch Andokides brüstet sich damit, dass er 411 die Flotte auf Samos mit Rudern – und hier wird dasselbe Wort κωπέας verwendet – versorgen konnte, da Archelaos sein ξένος πατρικοῦ („Gastfreund vom Vater her“) war und ihm das Schneiden und Ausführen von Ruderblättern erlaubte (And. 2.11).10 In diesem Dekret (IG I.105 Hiller von Gaertringen = IG I3.117 Lewis) erhält Archelaos nach der Konjektur von Meiggs und Lewis, wie auch schon Friedrich Hiller von Gaertringen konjiziert hat (Zeile 36 f.),11 die Ehrentitel πρόξενος und εὐεργέτης für seinen Dienst an Athen. Darüber hinaus berichtet Xenophon (Xen. Hell. 1.6.24), dass Athen im Jahr 406 nach Jahren des Mangels an Schiffsbauholz 110 Schiffe nach Samos aussenden konnte. Meiggs und Lewis halten es nicht für unwahrscheinlich, dass dies eine Folge der in diesem 3 So Errington 1986, 31. 4 Zahrnt 2006, 140. 5 Für eine frühe Datierung spricht sich Errington (1986, 23 f.; 230 f., Anm. 3) aus und lehnt die Datierung ins Jahr 415 ab, die Hammond/ Griffith (1979, 139) vorgeschlagen haben. Greenwalt (2003, 139) übernimmt letzteren Ansatz. Ebenso kritisiert Zahrnt (1983, 43) die Datierung um 415 und hält 430/1 für sehr wahrscheinlich. Zur generellen Kritik an Hammond/ Griffith 1979 ebda., 36–46. 6 Die Inschrift ist auch in Meiggs/ Lewis 1969 (GHI 91) zugänglich. 7 Die Zeilenzählung ist in IG I. 105 Hiller von Gaertringen und IG I3.117 Lewis dieselbe. 8 Meiggs/ Lewis 1969, 279. 9 Vorsichtiger hinsichtlich der Zuschreibung: Errington 1986, 31. 10 Meiggs/ Lewis 1969, 278. 11 Hiller von Gaertringen (= IG I) 1924, 56.

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Die Politik des makedonischen Königs Archelaos (413–399 v. Chr.)

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Dokument getroffenen Abmachungen war.12 Die beiden besprochenen Dekrete (IG I.71 = IG I3.89; IG I.105 = IG I3.117) dokumentieren die veränderte Verhandlungsposition Athens am Ausgang des 5. Jh. v. Chr. Während Athen im ersten Dekret noch die Möglichkeit hatte, dem makedonischen König Perdikkas Weisung darüber zu geben, an wen er Ruderblätter ausführen durfte, müssen die Athener am Ende des 5. Jh. seinem Nachfolger Archelaos dankbar sein, dass sie von ihm Schiffsbaurechte13 und -materialien zur Verfügung gestellt bekommen.14 Als sich also der Niedergang Athens am Ende des Peloponnesischen Krieges abzeichnete, profitierte der makedonische König von den noch reichlich vorhandenen Bauholzvorkommen seines Landes und konnte dadurch seine Geltung gegenüber Athen stärken.15 Archelaos I. ist weiterhin als derjenige bekannt, der den Herrschersitz der makedonischen Könige von Aigai nach Pella verlegte.16 Die Gründe für den Standort Pellas als „[t]he new focal point of the Argead realm“17 hat Greenwalt in seinem Beitrag „Why Pella?“ untersucht.18 Das Sumpfgebiet, in dem Pella in der Antike lag, brachte Nachteile, aber auch Vorteile für die Stadt. Zum sumpfigen Untergrund trug die Nähe zum Meer sowie der Ludias-See in der Nähe von Pella bei, der von einem Seitenarm des Axios gespeist wurde und aus dem sich der Fluss Ludias ergoss, der aber heute verschwunden ist.19 Einerseits barg das Klima an den Gewässern die Gefahr von Krankheiten, wegen des Sumpfes war Pella weniger gut zu verteidigen. Andererseits konnte es aber gerade deshalb, weil sich die Küstenlinie veränderte, weniger leicht angegriffen werden.20 Der sumpfige Boden bot der Stadt ein fruchtbares Umland, wodurch die Bevölkerung versorgt werden konnte. Durch die strategische Lage an den großen Durchgangsstraßen von Osten nach Westen, der späteren Via Egnatia, und von Norden nach Süden konnte Pella als Umschlagplatz für Güter dienen.21 Pellas Hafen war durch die unstete Küste gut vor Überfällen geschützt.22 Und so war es Archelaos möglich, den Hafen ungestört für die Produktion von Schiffen und für Handel zu benutzen. Die neue Lokalität bot als weiteren Vorzug für den König, dass von Pella aus die nördlichen Bereiche der zentralen makedonischen Ebene besser kontrollierbar waren. 12 13 14 15 16 17 18 19

20 21 22

Meiggs/ Lewis 1969, 279. So nach der Restauration von Meritt 1932, 106–110; siehe auch Meiggs/ Lewis 1969, 279. Greenwalt 2003, 139. Hammond/ Griffith 1979, 139. Greenwalt 2003, 139. Akamatis 2011, 394. Die Lage des Palastes des Archelaos ist wegen mangelnder archäologischer Funde nicht geklärt: ebda., 401. Greenwalt 1999, 159. Greenwalt 1999, 158–183. Greenwalt 1999, 160 f. Diese Informationen basieren auf Strabo 7, F 11.20–22, 32–34 (Radt), die in der Weise, wie oben dargestellt, interpretiert werden können, deren Glaubwürdigkeit aber von Borza 1990, 292–3 angezweifelt werden. Die beschriebene Lage Pellas nahe dem Meer in der Antike zeigt die Karte in Borza 1990, zw. 302 und 303. Greenwalt 1999, 161 f. Roisman 2010, 156; Borza 1990, 169 f.; Akamatis 2011, 393. Greenwalt 1999, 173 f.

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Archelaos und Makedonien

Die Frage, wie und wann der Herrschersitz von Aigai nach Pella verlegt wurde, hat in der althistorischen Forschung zu einer Kontroverse geführt. Als Möglichkeiten wurde das Ende der Herrschaftszeit des Archelaos vorgeschlagen,23 weiterhin die Regierungszeit Amyntas’ III. (393–370 v. Chr.)24 und jüngst hat Greenwalt die Mitte der Herrschaftszeit des Archelaos favorisiert.25 Die Datierung ans Ende der Herrschaft des Archelaos hat sich als communis opinio durchgesetzt. Die Regierungszeit Amyntas’ III. lehnt Greenwalt mit dem Hinweis auf die Unruhen der 390er und 380er Jahre in Makedonien als unwahrscheinlich ab.26 Nach Greenwalt gibt es außerdem keine zwingenden Gründe, warum Archelaos Pella nicht etwas früher, als bisher angenommen, hätte planen und ausbauen können.27 Als Erklärung für seine Datierung „sometime about 406“ führt er die bereits besprochene Inschrift von 407/6 (IG I.105) an.28 Nach Greenwalt hätten die Schiffe, die die Inschrift thematisiert und die eventuell nach Samos ausgeführt wurden, in Pella selbst produziert werden können, weil der Hafen dort vor möglichen Überfällen gut geschützt war und Archelaos das Unternehmen überblicken konnte. Deshalb habe Pella 406 nach seiner Interpretation bereits einen gewissen Ausbau erfahren müssen.29 Einen anderen Ansatz bietet Borza:30 Er fragt danach, was überhaupt unter „capital“ zu verstehen sei. Insofern damit eine königliche Residenzstadt gemeint sei, so ersetze Pella die Stadt Aigai zur Zeit des Königs Archelaos. Denn obwohl es keine direkten Belege dafür gibt, so habe Pella doch erst unter Archelaos eine Bedeutung erlangt. Aigai bestehe weiterhin als Begräbnisstätte für das Königshaus und als kultisches Zentrum. Daneben hatte die Stadt Dion religiöse und kulturelle Funktion.31 So geht Borza davon aus, dass Makedonien in dieser Zeit drei Zentren hatte und relativiert Pellas Bedeutung. Dieser Ansatz erscheint vernünftig und überzeugend: Archelaos konnte durchaus den Hafen Pellas, wie es Greenwalt vermutet, bereits nutzen und die griechischen Intellektuellen dorthin einladen, während Aigai, so wie Borza es darstellt, noch eine religiös-kultische Bedeutung hatte und vielleicht sogar noch Zentrum der Administration war. Die These eines stückweisen Umzugs macht die Festlegung eines genauen „Umzugsdatums“ hinfällig. Das würde bedeuten, dass Archelaos mehrere Städte seines Herrschaftsbereichs nutzte, um seine Regierung auszuführen.

23 Hammond 1979, 139 f: „It is generally assumed, that Archelaus moved his capital from Aegae to Pella […] If the assumption is correct, the move was made near the end of his reign.“ Allerdings zögert er, die Verlegung des Herrschersitzes eindeutig dem Archelaos zuzuweisen. 24 Hatzopoulos 1987, 42 ff. 25 Greenwalt 1999, 177: „sometime about 406“. 26 Greenwalt 1999, 163 Anm. 15. Ebenso Borza 1990, 296. 27 Greenwalt 1999, 165. Die gesamte Argumentation Greenwalts samt der Bezugnahme auf Hammond: Ebda., 164 f. 28 S.o. 6 f. 29 Greenwalt 1999, 175–7. 30 Borza 1990, 166–8. 31 Diod. 17.16.3–4.

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Die Politik des makedonischen Königs Archelaos (413–399 v. Chr.)

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Greenwalt interpretiert die oben zitierte Thukydides-Stelle in der Weise, dass er daraus die Etablierung einer Mittelschicht durch Archelaos ableitet.32 Nach den Zeugnissen des Thukydides (4.82–83, 124–128, v.a. 124.1) verfügte Perdikkas II., der Vorgänger des Archelaos, nur über eine beschränkte Zahl an Hopliten, die sich aus den in Makedonien wohnenden Griechen rekrutierten. Er hatte offensichtlich keine eigene makedonische33 Infanterie, nur eine makedonische Kavallerie.34 Greenwalt argumentiert, dass es deshalb keine makedonischen Hopliten gab, weil zu diesem Zeitpunkt keine Bürgerschicht zur Verfügung stand, aus der man Hopliten hätte gewinnen können. Normalerweise konstituiert sich diese militärische Schicht aus Bauern und städtischen Handwerken. Nach Thukydides verbesserte der Nachfolger des Perdikkas, Archelaos, unter anderem das Kriegswesen: τἆλλα διεκόσμησε τά [τε] κατὰ τὸν πόλεμον ἵπποις καὶ ὅπλοις καὶ τῇ ἄλλῃ παρασκευῇ κρείσσονι („er stattete das Übrige betreffs des Krieges mit Pferden, Waffen und der übrigen besseren Rüstung aus.“, 2.100.2). ὅπλα kann auch so viel wie ὁπλῖται („men at arms“35) bedeuten. In diesem Sinne des Wortes weist Greenwalt dem Archelaos den Ausbau einer Hoplitenmacht zu,36 wofür eine makedonische Mittelschicht entstehen musste.37 Dieser Meinung widerspricht Roisman, der die Stelle bei Thukydides mit größerer Vorsicht liest: „Heavy scholarly constructions have been built on this aside, which is too general, for example, to support the conclusion that Archelaus introduced hoplites into the Macedonian army.“38 Nach Greenwalts Interpretation konnte Archelaos durch eine Stärkung der Mittelschicht einerseits die Verteidigungsressourcen seines Landes verbessern und andererseits ein Gegengewicht zu der zu ihm in Konkurrenz stehenden aristokratischen Schicht herstellen. Dass Archelaos das Militärwesen reformierte, ist aufgrund der Thukydides-Stelle unbestritten.39 Eventuell baute er dabei die Infanterie aus.40 Die konkreten Maßnahmen hinter den Investitionen des Archelaos, die Thukydides beschreibt, eruieren zu wollen, wie Greenwalt es versucht, scheint aufgrund unserer spärlichen Kenntnisse der makedonischen Verhältnisse in dieser Zeit zu spekulativ. Soweit es aufgrund des fehlenden Quellenmaterials beurteilt werden kann,41 setzte sich die makedonische Gesellschaft zu dieser

32 Greenwalt 2007, 87–96, hier v.a. 87–91. 33 Greenwalt 2007, 90, Fn. 7 weist darauf hin, dass er bei der Bezeichnung „makedonisch“ und „griechisch“ hier derjenigen bei Thukydides folgt. 34 Greenwalt 2007, 90. 35 LSJ, s.v. ὅπλον III.4. 36 So auch Hammond/ Griffith 1979, 147 f. 37 Greenwalt 2007, 90 f. So auch schon Hammond 1979, 148. Ebenso Hornblower 1991, 376. 38 Roisman 2010, 156. 39 So auch Roisman 2010, 156. 40 Zahrnt 2009, 9. 41 Zahrnt 1983, 41: „[..], daß es in Makedonien bis mindestens zum Ende des 5. Jh. nicht nur keine historiographische Tradition, sondern nicht einmal offizielle Aufzeichnungen gab und daß man, als schließlich eine Beschäftigung mit der eigenen Geschichte einsetzte, über die frühere Zeit herzlich wenig wußte.“

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Archelaos und Makedonien

Zeit aus Aristokraten und einfachen Hirten und Bauern zusammen, an deren Spitze ein König stand.42 Archelaos hatte offensichtlich gute Beziehungen zu Athen.43 Dies zeigt die Inschrift, die wahrscheinlich die Erlaubnis des Archelaos an Athen, in Makedonien Schiffe zu bauen und Schiffsbaumaterialien zu beziehen, dokumentiert.44 411 erlaubte er Andokides, große Mengen an Ruderblättern zu schneiden und zu exportieren, die dieser wiederum an die athenische Flotte in Samos verkaufte. Weiterhin konnte Archelaos 410 die griechische Stadt Pydna mit Hilfe einer athenischen Flotte belagern.45 Nach Pseudo-Herodes᾽ Schrift Peri politeias, die wegen ihres rhetorischen Charakters und ihrer unsicheren Datierung und Autorschaft umstritten ist,46 half Archelaos den herrschenden Oligarchen im thessalischen Larissa, den Aleuaden, als diese in einen Konflikt mit anderen Aristokraten gerieten.47 Archelaos hat somit durch seine Aktionen innergriechische Angelegenheiten beeinflussen können. Um die Reformen, die Thukydides ihm zuschreibt, durchführen zu können, brauchte Archelaos auch die entsprechenden finanziellen Mittel. Diese brachte er durch den Handel mit Schiffsmaterialien,48 durch Steuern, aber auch dadurch auf, dass er einerseits den Silbergehalt der Münzen erhöhte und andererseits Kupfermünzen herstellen ließ, um den Handel anzutreiben.49 Die Münzen seiner Zeit tragen den Namen „Archelaos“, einen Reiter oder auch einen Kopf, eventuell den Kopf des Archelaos.50 Außerdem erscheinen auf ihnen oft Herakles oder dessen Attribute, also Keule und Löwenkopf, da der Heraklide Temenos als Gründer der Stadt Argos gilt, woher das makedonische Königsgeschlecht der Argeaden dem Mythos zufolge stammt. Auf die Gründungssage der Stadt Aigai spielt des Weiteren die Ziege an, die auf den Münzen zu sehen ist. Die Münzen dokumentieren also einerseits die Gründungslegende Makedoniens und sind andererseits ein Beweis für den wirtschaftlichen Progress dieses Landes.51

42 Errington 1986, 212 f. Siehe auch Schmidt-Hofner 2016, 310 f.; außerdem Errington 1980, 79 mit der Kritik an Hammond/ Griffith 1979. 43 Roisman 2010, 155. 44 S.o. 6 f. 45 Diod. 13.49.1–2; cf. Xen. Hell. 1.1.12. 46 Roisman 2010, 155 mit Anm. 32. 47 Borza 1990, 164. Siehe dazu auch Errington 1986, 34. 48 King 2010, 379: „The king controlled and owned the natural resources of the Macedonian territory such as timber, silver and gold as well as royal land.“ 49 Roisman 2010, 156 f. Ausführlich zur Münzproduktion des Archelaos: Greenwalt 1994, 105– 119. 50 Greenwalt 1994, 134. 51 Hammond/ Griffith 1979, 138; Borza 1990, 173.

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Archelaos als Philhellene

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2. Archelaos als Philhellene Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, dass Archelaos in seinen politischen Aktionen auch in innergriechische Angelegenheiten eingriff. So hat er Athen mit Schiffsbauholz versorgt oder die thessalischen Aleuaden in einer Auseinandersetzung mit aristokratischen Rivalen unterstützt und die griechische Stadt Pydna belagert.52 Ein signifikantes Phänomen dieses Interesses für Griechenland sind die in der Überlieferung dargestellten Besuche griechischer Intellektueller.53 Zu diesen gehörten die Tragiker Euripides und Agathon, der Dichter von Dithyramben und Nomoi Timotheos von Milet, der Epiker Choirilos von Samos und der Maler Zeuxis.54 Das Phänomen der Dichterpatronage bei Archelaos soll hier kurz mit den verschiedenen Forschungsmeinungen aus der Alten Geschichte skizziert werden. Archelaos wird in der Forschungsliteratur wegen seiner „griechischen“ Aktivitäten auch als „Philhellene“ bezeichnet.55 Die Meinungen darüber, wieso und mit welcher Absicht Archelaos griechische Dichter und Künstler eingeladen hat, sind vielfältig. Hammond (1979) weist die in früheren Abhandlungen vorherrschende Meinung zurück, „that Archelaos aimed to convert the state of Macedon into a little Greece, thinking like a Greek state and entering the Aegean world like a Greek state.“56 Er betont vielmehr, dass gerade die Andersartigkeit Makedoniens dem Land seine besondere Stellung im ägäischen und Balkanraum verschaffte. Archelaos habe sich deshalb darum bemüht, die griechische Kultur in Makedonien einzuführen und gute Beziehungen zu den Griechen zu unterhalten, aber ohne die makedonischen Strukturen und Traditionen aufzugeben, weil er seine Stellung als Grieche stärken und an Geltung in Griechenland gewinnen wollte. Borza (1990) geht davon aus, dass die Tragödie Archelaos des Euripides produziert wurde, um die Griechen außerhalb Makedoniens von der griechischen Abstammung des Archelaos zu überzeugen und dass sich Archelaos damit Respekt innerhalb der griechischen Welt verschaffen wollte.57 Ebenso resümiert Weber, dass die Aktivitäten des Archelaos der Absicht geschuldet seien, „gegenüber der griechischen Welt als gleichberechtigter Partner zu erscheinen“.58 Al52 Solinus 9.16 (p. 65 Mommsen) bezeugt außerdem den Sieg des Archelaos an den Olympischen und Pythischen Spielen. Diese Quelle akzeptieren Hammond/ Griffith 1979, 150, wird aber von Badian 2012, 285 und 301 f., Anm. 16 zurückgewiesen. Siehe auch Borza 1990, 174 f., Anm. 32. Auch wenn die Glaubwürdigkeit dieser Quelle umstritten ist, stellt sie Archelaos doch in eine Tradition, die davon ausgeht, dass er versuchte, in Griechenland Fuß zu fassen. 53 S.u. 19 ff. 54 Zum Fragment des Peripatetikers Praxiphanes, in dem weitere Literaten in Bezug zu Archelaos gesetzt werden, s.o. 2 f. 55 Greenwalt 2003, 131–153. Borza, 1990, 171–177. 56 Hammond/ Griffith 1979, 149 f. 57 Borza 1990, 171–177. Ebenso Hammond/ Griffith 1979, 150: „[H]e wished to establish the fame of himself and his house […] by obtaining from Euripides and Delphi a more impressive version of his family’s coming to Macedonia.“ Eine detaillierte Analyse der Tragödie Archelaos unten S. 40 ff. 58 Weber 1992, 67.

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Archelaos und Makedonien

lerdings gibt es keinerlei Evidenzen für eine Aufführung dieses Stückes in Griechenland.59 Die kulturellen Bemühungen des Archelaos scheinen unter anderem auf eine Rechtfertigung und Etablierung seiner eigenen Stellung als König vor den Makedonen zu zielen.60 Greenwalt (2003) stellt fest, dass es unter den von Archelaos Eingeladenen keinen potentiellen Kritiker des makedonischen Systems, also keine Komödiendichter61 und sophistischen Redner gibt: „[I]t appears that Archelaus sought to patronize high-profile artists and intellectuals, but only in a selective and selfserving way.“62 Greenwalt argumentiert weiter, dass der prächtige, vom griechischen Maler Zeuxis ausgestaltete Palast des Archelaus63 wohl hauptsächlich von Makedonen bewundert wurde. Archelaos erscheint damit als ein König, der einerseits seine Position vor den eigenen Landsleuten stärken wollte. Andererseits hat er aber auch auf die benachbarten Griechen Einfluss genommen. Ein weiterer Aspekt der Annäherung an griechische Vorbilder besteht in der Einrichtung von Festspielen zu Ehren des Zeus und der Musen in Dion durch Archelaos.64 ... θυσίας μεγαλοπρεπεῖς τοῖς θεοῖς συνετέλεσεν ἐν Δίῳ τῆς Μακεδονίας καὶ σκηνικοὺς ἀγῶνας Διὶ καὶ Μούσαις, οὓς Ἀρχέλαος ὁ προβασιλεύσας πρῶτος κατέδειξε. Diod. 17.16.3–4 … er (Alexander) brachte prächtige Opfer für die Götter in Dion in Makedonien und veranstaltete dramatische Wettkämpfe für Zeus und die Musen, welche Archelaos, sein Vorgänger, als erster einrichtete. Dion war die wichtigste Kultstätte des Zeus und galt als religiöses Zentrum Makedoniens. Durch die Einrichtung dieses Festes, das eventuell wie auch die griechischen Vorbilder „pan-makedonisches“ Ausmaß hatte,65 präsentiert sich Archelaos als Kulturstifter und als Schützling des Zeus. Es ist möglich, dass an diesem Ort Tragödien des Euripides und Agathon oder auch lyrische Darbietungen des Timotheos aufgeführt wurden.66

59 60 61 62 63 64 65 66

Harder 1985, 126. Siehe dazu unten 51 ff. Zum Komödiendichter Platon im Praxiphanes-Fragment s.o. 2 f. Greenwalt 2003, 142. Ael. Var. hist. 14.17. Nach Christesen/ Murray 2010, 430 um 400 v. Chr. Mari 2011, 92. Zur Frage der Makedonienaufenthalte der einzelnen Dichter s.u. 19 ff. Zu Dion als möglicher Aufführungsstäte für dramatische Darbietungen und den archäologischen Funden s.u. 54–56.

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Griechen und Makedonen

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3. Griechen und Makedonen Aufgrund der Tatsache, dass der makedonische König Archelaos in griechische Angelegenheiten eingriff, griechische Kultur und Literatur förderte und in der modernen Forschungsliteratur als „Philhellene“ bezeichnet wird, soll hier kurz das Verhältnis zwischen Griechen und Makedonen beziehungsweise Griechen und Barbaren skizziert werden. Der Sophist Thrasymachos bezeichnet in einer seiner Schriften Archelaos als „Barbaren“.67 Der Begriff „Barbar“ und das eigene Identitätsbewusstsein der Griechen entwickelten sich infolge der Auseinandersetzung mit den Persern.68 Die Sicht auf den besiegten Gegner von Salamis veränderte sich im Laufe des 5. Jh. So würdigten sowohl Aischylos in seiner Tragödie Die Perser als auch Herodot in seinen Historien die gegnerische Macht: Aischylos wählt in seiner Tragödie die Perspektive der Perser und präsentiert sie als ebenbürtige Gegner. Herodots ethnographische Beschreibungen der Kultur, Religion und Geschichte der orientalischen Völker zeugen vom Interesse am Fremdartigen und Exotischen.69 Erst gegen Ende des 5. Jh., als die Athener im Peloponnesischen Krieg schwere Niederlagen erlitten70 und ein Bedürfnis nach Selbstvergewisserung und Erinnerung an die eigenen Fähigkeiten aufkam, änderte sich das Perser-Bild. Der Begriff βάρβαρος, der ursprünglich alle nicht griechisch sprechenden Völker bezeichnete,71 wurde negativ konnotiert. Man distanzierte sich klar von den „Barbaren“ und fühlte sich ihnen überlegen. Besonders im 4. Jh. wurde die Dichotomie Griechen-Barbaren in Bezug auf Philipp II. von Makedonien, der nach Griechenland ausgriff, polemisch aufgeladen.72 Der Unterschied zwischen Griechen und „Barbaren“ lag in der verschiedenen Sprache, Ethnie, Religion und Kultur.73 Die Abwertung der „Barbaren“ entsprang aber auch dem Gefühl der Überlegenheit der eigenen Staatsform gegenüber monarchischen Strukturen. Dies traf sowohl auf die Perser zu, als auch auf andere Völker, die als „Barbaren“ bezeichnet wurden. Der Gedanke der eigenen politischen Freiheit, die man nicht gegen „barbarischen“ Despotismus eintauschen wollte, kommt auch im bereits erwähnten Ausspruch des Thrasymachos gegenüber Archelaos zum Ausdruck. Diese Differenz zwischen demokratischer und monarchischer Organisation war besonders für Athen signifikant: „And so the defeat of the Persians in 480–79 was conceptualized at Athens not only as a triumphant affirmation of Greek culture and collectivity over alien invaders, but over the demon of tyranny.“74 Während sich die Perser in Sprache, Religion und Ethnie deutlich von den Griechen unterschieden, sind die Differenzen zwischen Griechen und Makedonen in die67 68 69 70 71 72 73 74

Besprechung dieses Zeugnisses S. 15. Hall 1989, 56 ff.; Dihle 1994, 36 ff. Dihle 1994, 40 f. Zur Endphase des Peloponnesischen Krieges: Bleckmann 1998. LSJ, s.v. βάρβαρος. Z.B. Demosth. 3.24; 9. 30–31; siehe auch Dihle 1994, 49, 51. An diesen Kriterien macht Herodot (8.144.2) die Zugehörigkeit zu den Hellenen fest. Hall 1989, 59; siehe auch Dihle 1994, 38.

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Archelaos und Makedonien

sen Aspekten nicht eklatant. Eine Schwierigkeit dabei ist, dass es keine aussagekräftigen literarischen Zeugnisse aus Makedonien gibt und man auf Aussagen griechischer Autoren angewiesen ist.75 So können über die makedonische Ethnie archäologischen Funde, Inschriften und Münzen aus Makedonien nur bedingt Informationen liefern.76 Bereits die antiken griechischen Literaten hatten Schwierigkeiten, die Makedonen von den benachbarten Thrakern, Illyrern, Bewohnern von Epirus, Thessalern und den anderen Griechen abzugrenzen. Man muss damit rechnen, dass jeder Autor seine eigenen politischen und ideologischen Maßstäbe anlegt. Die Identität der Makedonen lässt sich nur schwer bestimmen. Auch die Angaben Herodots (1.56.3, 8.43, 5.20.4, 8.137–138) und Thukydides᾽ (2.99–101, 4.124.1, 4.125.1) sind ambigue.77 Teilweise werden die Makedonen dort zu den Griechen gezählt, teilweise von diesen separiert. Die Sprache der Makedonen war eine Variante des Äolischen,78 also für Griechen keine fremde Sprache. Außerdem verehrten sie die griechischen Götter. Daneben finden sich ägyptische, anatolische und (in späterer Zeit) römische Einflüsse.79 Der deutlichste Gegensatz zwischen Griechen und Makedonen liegt in der politischen Organisation.80 Makedonien hatte einen Monarchen.81 Von diesem Herrschaftssystem grenzten sich die Griechen klar ab, wenn zum Beispiel Archelaos als τύραννος bezeichnet wird.82 Der Komödiendichter Strattis (um 400) hat ein Stück mit dem Titel Μακεδόνες ἢ Παυσανίας geschrieben.83 Eventuell wurde dort die andere Staatsform und vielleicht auch der makedonische Dialekt thematisiert.84 Insofern scheint die Bezeichnung des Archelaos als „Barbar“ dem Bedürfnis nach einer besonders scharfen Abgrenzung von den Makedonen zu entspringen. Dieses Volk hatte eine ähnliche Sprache, verehrte die gleichen Götter und hatte eventuell dieselbe Ethnie. Umso mehr mussten sie die andere Staatsorganisation verachten und abweisen. Insgesamt erscheinen die Bemühungen des Archelaos, sich der griechischen Kultur anzunähern, einerseits als Versuche, anschlussfähig an die griechischen Nachbarn zu werden, da diese die Makedonen offensichtlich nicht ohne Weiteres als

75 Die historische, ethnographische und geographische makedonische Literatur ist größtenteils verloren gegangen. Es ist erkennbar, dass seit dem 4. Jh. hauptsächlich historische und geographische Prosaliteratur und Epigramme verfasst wurden. Siehe Engels 2010, 85. 76 Engels 2010, 82. 77 Siehe Engels 2010, 84. 78 Hammond/ Griffith 1979, 39–54. 79 Christesen/ Murray 2010, 428 ff. 80 Engels 2010, 86. 81 Die einzige „Institution“, die für Makedonien vor der Zeit Philipps II. belegt ist, ist die Königsherrschaft. Hdt. 8.137–8, 9.44 und Thuk. 2.99.6 benutzen den Begriff βασιλεύς für die makedonischen Könige. Siehe auch Hammond/ Griffith 1979, 152–158. 82 Ael. Var. hist. 8.9 mit Referenz auf [Pl.], Alk. 2.141de, s.u. 16. 83 Orth 2009, 144 ff. 84 Orth 2009, 146 f.

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Archelaos in den griechischen Quellen

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Griechen anerkannten.85 Andererseits wollte sich Archelaos innerhalb Makedoniens eine stärkere Stellung verschaffen. In Dion richtete er „Olympische Spiele“ ein, bei denen vielleicht sogar die Werke der Gäste des Archelaos zur Aufführung kamen. Dadurch konnte er sein Griechentum vor einem breiten (makedonischen) Publikum präsentieren und seinen Einfluss in der griechischen Welt vor den Makedonen demonstrieren. Er konnte sich also die geschwächte Stellung Athens am Ende des Peloponnesischen Krieges zu Nutze machen, indem er bedeutende griechische Dichter anwarb und somit sein Prestige in Makedonien erweiterte. Damit und durch seine militärischen und politischen Aktionen suchte er auch die Verbindung zur griechischen Welt.

4. Archelaos in den griechischen Quellen Das früheste Zeugnis zum König Archelaos findet sich beim Sophisten Thrasymachos von Chalkedon, einem Zeitgenossen des Makedonen, in seiner Schrift Über die Larisaier: Ἀρχελάῳ δουλεύσομεν Ἕλληνες ὄντες βαρβάρῳ; („Dem Archelaos sollen86 wir dienen, Griechen einem Barbaren?“, Thrasymachos F 2 Diels/ Kranz10). Der Gegensatz zwischen den – implizit mitzudenken – „freien“ Griechen und dem „barbarischen“ makedonischen König ist durch die Antithese Ἕλληνες – βαρβάρῳ und die chiastische Stellung der kongruenten Satzglieder Ἀρχελάῳ (A) δουλεύσομεν (B) Ἕλληνες ὄντες (B) βαρβάρῳ (A) unterstrichen. Die Rede, aus der dieser Satz stammt und die nicht überliefert ist, wird nach die Intervention des Archelaos in Larissa datiert, als dieser die herrschenden Aleuaden unterstützte, Larissa besetzte, Geiseln nach Makedonien nahm und er zum Gegenzug Perrhaebia bekam.87 Die Intervention des Archelaos in Thessalien wird auf das Ende der Regierungszeit des Archelaos, in die Jahre 404–399 v. Chr., datiert.88 Dieser Ausspruch steht nach dieser chronologischen Einordnung unter dem Eindruck der Demütigung, die die unterdrückte Partei in Larissa durch den Eingriff des Archelaos in die Affäre erfahren hat. Dadurch ist die Geringschätzung, die darin dem makedonischen König gegenüber zum Ausdruck kommt, zu erklären. Eventuell ist hier eine generelle Verachtung des Königs Archelaos anzunehmen, da er als βάρβαρος, demnach als Nicht-Grieche bezeichnet wird.89 Das Klischee der barbarischen Grausamkeit bedient mit Bezug auf Archelaos Platon im Gorgias (471a–d). Bei der Diskussion darüber, ob ein Ungerechter notwendigerweise auch unglücklich ist, zieht Polos als Beispiel den Makedonenkönig 85 Alexander I. konnte erst nach Beweis seiner griechischen Abstammung an den Olympischen Spielen teilnehmen: Hdt. 5.22. 86 Voluntatives Futur, siehe BR § 216, Anm. 3. 87 Greenwalt 2003, 140. Borza 1990, 164. 88 Thrasymachos F 2 Diels/ Kranz10, app. crit. zu Zeile 9; Borza 1990, 164. 89 Zur Dichotomie Griechen – Barbaren s.o. 13–15.

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Archelaos und Makedonien

Archelaos heran. Er berichtet, dass Archelaos unrechtmäßig an die Herrschaft gekommen sei. Erstens sei er an sich ein Sklave, da seine Mutter eine Sklavin90 des Alketas, des Bruders des Perdikkas gewesen sei. Auf den Thron sei er durch doppelten Mord gekommen. Zuerst habe er den nächsten, regierungsfähigen Verwandten des Perdikkas, seinen Onkel, und dessen Sohn bei einem Gastmahl getötet. Dann habe er sich auch des rechtmäßigen Sohnes des Perdikkas, seines Bruders, der noch im Knabenalter war, entledigt, indem er ihn in einen Brunnen warf, anstatt ihn aufzuziehen, bis er die Herrschaft übernehmen könne. Seiner Mutter Kleopatra habe er gesagt, der Knabe sei einer Gans nachgelaufen und dabei in den Brunnen gefallen und umgekommen. Archelaos wird in diesem Abschnitt als „ungerecht“ (ἄδικος, 471a) und „unglücklich“ (ἄθλιος, 471a) beziehungsweise als „der Unglücklichste“ (ἀθλιώτατος, 471b–c) bezeichnet. An dieser Geschichte illustriert Polos die stereotype Skrupellosigkeit eines Monarchen, der im besten Sinne des Wortes über Leichen geht, um seine Ziele zu erreichen.91 Archelaos passt als Nicht-Grieche in diese Kategorie. Dementsprechend betont Aelian (Var. hist. 8.9) mit Referenz auf Pseudo-Platon (Alk. 2.141de) eigens, dass Archelaos als τύραννος und nicht als βασιλεύς bezeichnet wird und stellt diesen damit in ein negatives Licht. Ein ähnlich negatives Bild wirft die tatsächliche oder fingierte Ablehnung der Einladung des Archelaos durch den Philosophen und Platon-Lehrer Sokrates auf den makedonischen König. Darüber berichtet Aristoteles in seiner Rhetorik (1398a24– 26). Mit folgender Begründung habe sich Sokrates geweigert, zu Archelaos zu gehen: ὕβριν γὰρ ἔφη εἶναι τὸ μὴ δύνασθαι ἀμύνασθαι ὁμοίως καὶ εὖ παθόντας ὥσπερ καὶ κακῶς („Denn“, sagte er, „wenn sich sowohl diejenigen, denen wohlgetan wurde, als auch diejenigen, denen übelgetan wurde, nicht revanchieren können, ist es gleichermaßen Hybris.“, Aristot. Rhet. 1398a24–6). Sokrates lehnt die Zuwendungen eines Wohltäters (oder Übeltäters) wie Archelaos ab. Er möchte ein Abhängigkeitsverhältnis, dem er nicht gleichkommen kann, meiden. Die Ablehnung der Einladung bringt seine Geringschätzung gegenüber Archelaos und seine Verpflichtung gegenüber Athen zum Ausdruck.92 Aristoteles hielt es also für möglich, dass sich Archelaos um Sokrates als seinen Gast bemüht habe. Natürlich kann dies die Rückprojektion einer ähnlichen Konstellation sein, wie sie Aristoteles als Prinzenerzieher Alexanders d. Gr. selbst bei Philipp II. in Makedonien erlebte. Genauso wie er als Philosoph bei einem makedonischen König war, konstruiert er einen Aufenthalt Platons bei Archelaos. Gleichzeitig wird Archelaos dadurch als ein König präsen90 So auch Ael. Var. hist. 12.43: Ἀρχέλαος δὲ ὁ Μακεδόνων βασιλεὺς δούλης υἱὸς ἦν τῆς Σιμίχης. 91 Auch in Euripides᾽ Archelaos steht vor der Herrschaftsbegründung durch den mythischen Archelaos die Tötung des Kisseus. Dalfen 2004, 276 weist jedoch zu Recht darauf hin, dass es „psychologisch ganz unwahrscheinlich“ ist, dass Euripides seinen Gastgeber in der Weise im Archelaos gestaltet hätte, wenn die Beschreibung bei Platon Historizität beanspruchen könnte. 92 Rapp 2002, 760. Auch Diogenes Laertios 2.25 berichtet davon, dass Sokrates Leute wie Archelaos verachtete und weder ihr Geld nahm noch zu ihnen ging (ὑπερεφρόνησε δὲ καὶ Ἀρχελάου τοῦ Μακεδόνος καὶ Σκόπα τοῦ Κρανωνίου καὶ Εὐρυλόχου τοῦ Λαρισσαίου, μήτε χρήματα προσέμενος παρ’ αὐτῶν, μήτε παρ’ αὐτοὺς ἀπελθών).

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Archelaos in den griechischen Quellen

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tiert, der nicht nur Poeten und Künstler für sich gewinnen wollte, sondern auch einen Philosophen. Dies erweitert die Bandbreite des Interesses des Archelaos an der griechischen Kultur. Insgesamt ergibt sich ein negatives Bild vom makedonischen König Archelaos, das in der griechischen Literatur von ihm gezeichnet wurde. Der Sophist Thrasymachos diskreditiert vermutlich zur Lebenszeit des Archelaos den makedonischen König als „Barbar“. Die negative Tradition beginnt spätestens mit Platon, der in seinem Gorgias (471a–d) Archelaos als Beispiel für einen ungerechten und damit unglücklichen Menschen nimmt: „The historical Archelaus became a byword for tyrannical cruelty and excess.“93 Vor diesem Hintergrund scheint auch das Zeugnis des Thukydides von diplomatischer Nüchternheit zu sein. Dass hinter diesen negativen Bewertungen vielleicht der Neid einiger Athener auf ihre Zeitgenossen stand, da diese vom makedonischen König gefördert wurden, hat Borza erwogen.94 In der Überlieferung wird der Reichtum des Archelaos immer wieder herausgestellt. Für die Ausmalung seines Palastes durch Zeuxis soll er 400 Minen aufgewandt haben.95 Choirilos soll vier Minen pro Tag erhalten haben.96 Auch die Erzählung Aelians, dass Gäste nur um des reich ausgeschmückten Palastes willen nach Makedonien reisten, aber „keiner um Archelaos selbst willen nach Makedonien käme, außer er sei mit Geld überredet und gelockt worden“ (δι᾽ αὐτὸν δὲ Ἀρχέλαον μηδένα εἰς Μακεδόνας στέλλεσθαι, ἐὰν μή τινα ἀναπείσῃ χρήμασι καὶ δελεάσῃ“; Ael. Var. hist. 14.17), betont seinen Besitz und stellt eine scharfe Spitze gegen ihn selbst dar. Sein Reichtum ist interessant, seine Person nicht.97 Den Eindruck übermäßigen Wohlergehens bei Archelaos vermittelt auch die Anspielung auf Makedonien in den Fröschen, wenn Aristophanes den Aufenthalt Agathons in Makedonien mit den Inseln der Seligen vergleicht.98 Im Ausdruck „Festschmaus der Seligen“ spiegelt sich die großzügige Bewirtung und Förderung, die Agathon (und andere Dichter) dort genießen durften. Orth hält es für möglich, „dass Makedonien in der Komödie des ausgehenden fünften Jahrhunderts überhaupt als eine Art Schlaraffenland für Dichter dargestellt wurde.“99 Diesen Aspekt der Königsherrschaft betont auch der Schreiber der Euripides-Briefe, wenn er von der Freigebigkeit und der bezahlten Dichtung des Königs erzählt.100 Die Nachrichten über die Versorgung Athens mit Bauholz am Ende des Peloponnesischen Krieges durch Archelaos101 bestätigen die anekdotenhaften Erzählungen über den Reichtum dieses makedonischen Königs. 93 94 95 96 97 98 99 100 101

Collard/ Cropp 2008, 233. Borza 1990, 175 f. Ael. Var. hist. 14.17. Ath. 8.345 D = Choirilos T 4 Bernabé. Auch die Erzählung vom „teuren Bankett“ (ἑστίασιν πολυτελῆ, Ael. Var. hist. 13.4), an dem Euripides und Agathon teilnahmen, bezeugt den Reichtum des makedonischen Königs. Ar. Ran. 83–5. Ausführliche Interpretation dieser Stelle s.u. 27. Orth 2009, 146. Zu den pseudo-euripideischen Briefen s.u. 23 f. S.o. 6 f.

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Archelaos und Makedonien

Die eben genannten Testimonien über den Reichtum des Archelaos legen den Schluss nahe, dass der makedonische König den Dichtern und Künstlern die Rahmenbedingungen bieten konnte, das heißt die nötige finanzielle Unterstützung, die es ihnen ermöglichte, ihrer kreativen Tätigkeit nachzugehen.102 Bei Archelaos hatten sie wohl eine privilegierte Arbeitssituation, die Athen ihnen in der Weise eventuell nicht bot. Der Umstand, dass die Poeten, die zu Archelaos kamen, im zeitgenössischen Athen in der Kritik standen, zeigt, dass die Dichtung, die sie produzierten, nicht unbedingt anerkannt wurde. So hat der Komiker Pherekrates (F 155 PCG) den Dithyrambendichter Timotheos scharf wegen seiner musikalischen Experimente attackiert. Er selbst hat seine poetische Produktion verteidigt (Tim. P. 202 ff.).103 Aristophanes stilisiert in den Thesmophoriazusen eine Selbstrechtfertigung Agathons.104 Die gleichzeitige Anerkennung und Missbilligung des Euripides durch die Athener kommt in seiner wiederkehrenden Belegung des nur zweiten Platzes am tragischen Agon der Dionysien und der Lenäen zum Ausdruck wie auch darin, dass Aristophanes ihn gegen Aischylos in der literaturkritischen Komödie Frösche eine Niederlage erleiden lässt.105 In dieser Skepsis gegenüber neuartigen experimentellen Dichtungen drückt sich auch der Wunsch der Athener nach traditionellen Themen und Formen in einer Zeit der Krise aus.106 Das Thema der Perserkriege zum Beispiel, die an den Erfolg Athens erinnern, wurde beliebt. Diese haben die Dichter um Archelaos zwar auch behandelt, aber in einer sehr unkonventionellen Weise, die auch auf Kritik stieß. Das Milieu, ihre Experimente durchzuführen, fanden sie offensichtlich bei Archelaos. Die Athener sahen Archelaos also als einen barbarischen, aber vermögenden König, der offensichtlich die finanziellen Möglichkeiten hatte, innovative griechische Dichter und Künstler zu fördern.

102 Über die tatsächlichen Gründe der Kritik an diesen Dichtern und des gleichzeitigen Verlassens Athens ließe sich viel spekulieren. Die Motive der Abreise des Euripides aus Athen hat Schorn 2004, 309 ff. ausführlich besprochen. 103 S.u. 130 ff. 104 S.u. 96 ff. 105 Hose 2008, 9–16, bes. 16. 106 Wie Hose 1995, 168 es für die Tragödie Iphigenie in Aulis herausgestellt hat, wurde in der Endphase des Peloponnesischen Krieges eine Rückbesinnung auf alte traditionelle Werte für die Bevölkerung wichtig.

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III. Die Makedonienaufenthalte der griechischen Intellektuellen 1. Methode Vom Aufenthalt griechischer Dichter und Künstler bei Archelaos berichten zahlreiche Testimonien vom Ende des 5. Jh., also der eigentlichen Regierungszeit dieses Königs, bis in byzantinische Zeit. Aufgrund der zeitlichen Distanz der Entstehung mancher dieser Nachrichten und der Möglichkeit der Legendenbildung konnten diese nicht immer als Faktum gewertet werden. Für die Bewertung der Historizität dieser Berichte werden folgende Kriterien angelegt: Wenn die Nachricht von einem Zeitgenossen oder in zeitlicher Nähe zum Leben der relevanten Person entstanden ist, liegt es näher, zunächst eine höhere Wahrscheinlichkeit der Faktizität anzunehmen. Da aber auch zeitnahe Quellen bereits anekdotisch sein können, muss gleichzeitig das Genre der Quelle und deren vermuteter Aussagewert beachtet werden. Demnach geben zeitliche Nähe und Quellentyp die Kriterien dafür, ob die Entscheidung eher für oder gegen Historizität ausfällt. Der Diskurs über Dichter und Künstler bei Archelaos, der in der griechischen Literatur greifbar ist, besteht also eventuell teils aus historischen und teils fiktiven Elementen.1 Im Folgenden werden die Testimonien für jeden der Dichter und Künstler untersucht und die Möglichkeiten von Fiktion und Historizität besprochen.

2. Euripides in Makedonien Den Makedonienaufenthalt des Tragikers Euripides – bis dahin communis opinio – hat Lefkowitz in ihrem Buch The lives of the Greek poets (1981) bezweifelt. Denn sie versteht alle Informationen, die die Vita liefert, also auch den Aufenthalt des Euripides beim makedonischen König Archelaos, als Kompilation von Aspekten und Begebenheiten, die aus den Tragödien des Euripides selbst oder der komischen Dichtung über ihn stammen.2 Auch wenn generell biographische Angaben in Dichterviten vor dem Hintergrund der Möglichkeit der Legendenbildung betrachtet werden müssen, ist Lefkowitz an dieser Stelle übermäßig kritisch, da der Aufenthalt nicht nur in der Vita, sondern auch in anderen, vertrauenswürdigen Quellen belegt 1 2

Die grundsätzliche Möglichkeit von fiktiven Entitäten in historischen Erzählungen hat zuletzt maßgeblich White 1991 (dt. Ausgabe) beleuchtet. Lefkowitz 1981, 102. Die Nachricht über Euripides᾽ „Exil“ in seiner Vita: Eur. T 1 IA. c. 6, 10 Kannicht; IB. c. 3; T 1 II (Erzählung vom Tod des Euripides).

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Die Makedonienaufenthalte der griechischen Intellektuellen

ist: „Die Zeugnisse für einen Aufenthalt des Euripides in Makedonien sind zwar disparat und enthalten viel Unsicheres, sie scheinen sich aber von zu vielen Seiten her gegenseitig zu bestätigen, als daß man diese wichtige Lebensperiode des Dichters als solche in Zweifel ziehen könnte. Außer der fragwürdigen biographischen Tradition gibt es noch ein bedeutsames Zeugnis von Aristoteles […] und mehrere Epigramme3 auf den Tod des Dichters“, die alle „übereinstimmend nur von Makedonien als dem letzten Aufenthaltsort des athenischen Tragikers“ sprechen.4 Eine wichtige Evidenz stellt in diesem Zusammenhang auch der Befund dar, dass Euripides eine Tragödie, die den Namen des Königs als Titel trägt (Archelaos), dichtete.5 Die Ausnahmestellung dieser Tragödie im Œuvre des Euripides und die Art und Weise der Präsentation des Königs in diesem Stück machen einen direkten Kontakt des Euripides mit Archelaos plausibel. Das eben erwähnte Zeugnis des Aristoteles6 kann insofern als wichtige Evidenz ins Feld geführt werden, als dessen Vater Nikomachos Arzt des Amyntas III. (394–369) war und er selbst Lehrer Alexanders d. Gr. wurde. Deshalb kann man davon ausgehen, dass er über einen Aufenthalt des Dichters bei Archelaos informiert war, auch wenn die Geschichte, die er erzählt, anekdotisch sein mag.7 Zeugnisse darüber, dass Euripides nicht nur in Makedonien gelebt habe, sondern auch in Makedonien begraben sei, finden sich unter anderen bei Pausanias, Plutarch, Vitruv, Plinius und Ammianus Marcellinus.8 In den Testimonien zum Leben des Sophokles wird ebenfalls Makedonien als der Ort genannt, wo Euripides starb.9 Einige Zeugen berichten weiterhin, dass Euripides in Athen nur einen Kenotaph (κενοτάφιον) habe, aber in Makedonien begraben worden sei.10 Schorn führt den Kenotaph des Euripides in Athen als weitere Evidenz für die Historizität des Makedonienaufenthalts des Tragikers an, da sich die Athener nicht mit einem bloßen Kenotaph zufrieden gegeben hätten, wenn er in Athen gestorben wäre.11 In jüngerer Zeit hat sich Scullion12 gegen Exil und Tod des Euripides in Makedonien ausgesprochen oder zumindest dagegen, dass der Dichter sich dort länger als 3 Aristot. Pol. 1311b7–35; Eur. T 232–234, 237, 240 (T 232 = T 121) Kannicht = AP 7.43–45, 49, 51. 4 Gavrilov 1996, 40; außerdem Harder 1985, 125 Anm. 1. Siehe auch Schorn 2004, 311 f. mit Anm. 709. 5 Eine detaillierte Analyse des Archelaos einschließlich der Untersuchung der Gründe für die Abfassung unten 40 ff. 6 Aristot. Pol. 1311b7–35. Aristoteles erzählt, dass Archelaos dem Dichter Euripides den Dekamnichos, der später einen Anschlag gegen Archelaos angeführt haben soll, zum „Verprügeln“ (μαστιγῶσαι) übergeben habe, da Dekamnichos den Dichter wegen seines Mundgeruchs diffamiert habe. 7 Bremer 1991, 42. Schorn 2004, 312, Anm. 709. 8 Paus. 1.2.2; Plut. Lyk. 31.5; Vitruv. De archit. 8.3.16 (p. 183, 5 Krohn); Plin. Nat. hist. 31.28 (5,11,7 Mayhoff); Amm. Marcell. 27.4.8. 9 Soph. T 57 Radt = Gnomol. Vat. 517 Sternbach (p. 190 ed. Luschnat [1963]). 10 Eur. T 1, IA., c. 10 Kannicht (= T 129b); T 129a = Paus. 1.2.2. 11 Schorn 2004, 311 f. mit Anm. 709. 12 Scullion 2003, 389–400.

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Euripides in Makedonien

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notwendig, um seine Tragödien aufzuführen, aufgehalten habe. Scullion argumentiert damit, dass Aristophanes in seinen Fröschen, die 405 aufgeführt wurden, den Aufenthalt des Euripides in Makedonien nicht mit einem Scherz kommentiert habe, was sich der Komiker nach Scullions Meinung keinesfalls hätte entgehen lassen. Scullion geht davon aus, dass Euripides in Athen und „fully involved in Athenian life“ starb.13 Wenn Euripides in Makedonien gewesen ist, dann nach Scullion nur, um die Aufführung zu beaufsichtigen, nachdem er sein Skript des Stückes (eventuell zusammen mit dem Temenos und den Temeniden) nach Makedonien gesandt habe.14 Die Argumentation Scullions ist als argumentum ex silentio zurückzuweisen. Denn die Tatsache, dass Aristophanes keine Anspielungen auf den Makedonienaufenthalt des Euripides macht, ist kein Beweis dafür, dass Euripides nicht dort war. Die angeführten Evidenzen sind sowohl zeitlich nah zum eigentlichen Ereignis als auch zahlreich. Eventuelle Abhängigkeiten der Nachrichten voneinander entkräften das Argument nicht. Denn das überzeugendste Testimonium, die Tragödie Archelaos, hat der Tragiker selbst verfasst. Es ist somit plausibel, dass Euripides etwa eineinhalb Jahre (408–406 v. Chr.) in Makedonien verbrachte. Denn die letzte bezeugte Teilnahme des Dichters an den Dionysien in Athen fällt in das Jahr 408 v. Chr. (Aufführung des Orest) und sein Todesdatum ist nach Marmor Parium auf 407/6 zu datieren.15 In zwei Testimonien wird Pella als der letzte Aufenthalts- und Begräbnisort des Euripides angeführt. Archelaos hat den Herrschersitz von Aigai nach Pella verlegt.16 Diese Stadt wird allerdings in keinem anderen Zeugnis, das einen der für die Untersuchung relevanten Dichter nach Makedonien verortet, genannt. Die Angabe Pella ist insofern wichtig, als sie als Beleg für den Umzug in diese Stadt fungieren und diesen eventuell zeitlich einordnen kann.17 Da der Aufenthalt des Euripides in Makedonien ab 408 und sein Begräbnis dort auf 406 datiert werden kann, müsste der Ausbau Pellas in dieser Zeit schon ein gewisses Stadium erreicht haben. Es ist aber auch zu beachten, dass die beiden relevanten Zeugnisse, das Epigramm und der Eintrag in der Suda,18 zeitlich versetzt verfasst wurden und wiederum eine Rückprojektion von Gegebenheiten aus einer späteren Zeit, als Pella als Herrschaftszentrum etabliert war, auf die Lebenszeit des Euripides sein können. Gemeinhin wird als Reiseziel der Dichter und Künstler nur „Makedonien“ oder „Archelaos“ angegeben. Für Euripides aber erscheinen neben Makedonien19 im Ein13 14 15 16 17

Scullion 2003, 392. Scullion 2003, 392–394. Aufführung des Orest: DID C 19 Snell; Todesdatum: DID D 1 A 63 Snell. S.o. 7. Siehe die Diskussion um den Zeitpunkt der Verlegung des Herrschersitzes von Aigai nach Pella 8. 18 S.u. 21–23. 19 Eur. T 121 = T 1 IA. c. 10 (~ T 4, 30–5) = T 232 Kannicht = Epigr. sepulcr. AP 7.45; Eur. T 2 c.10 = Gellius N.A. 15.20; Eur. T 131a Kannicht = Vitruv. De archit. 8.3.16 (p. 183,5 Krohn); Eur. T 131b Kannicht = Plin. Nat. hist. 31.28 (5,11,7 Mayhoff); Eur. T 130b = T 237

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Die Makedonienaufenthalte der griechischen Intellektuellen

zelnen folgende Orte als Aufenthalts- oder Begräbnisstätte: Pierien,20 Pella21 und Arethusa.22 Pierien ist traditionell die Heimat der Musen und damit als Konstrukt einer Bleibe für einen Dichter wie Euripides prädestiniert.23 Es ist davon auszugehen, dass die Autoren der Epigramme, die Euripides dorthin versetzen,24 eine Verbindung dieses Ortes der Inspiration mit dem berühmten Tragiker herstellen wollten. Darüber hinaus liegen sowohl Aigai als auch Dion in der Landschaft Pierien, Pella ist nicht fern davon. Für den Aufenthalt des Dichters kommt vermutlich einer der drei genannten Orte in Frage. So könnte also die Vorstellung entstanden sein, dass er in Pierien war. Der Konnex zwischen dem Aufenthalt des Dichters und der Anwesenheit der Musen wurde auch auf Pella, den neu von Archelaos eingerichteten Herrschersitz der makedonischen Könige, übertragen. In einem Epigramm, das einem Dichter namens Ion zugeschrieben wird, der aber nicht eindeutig zu identifizieren ist,25 wird die Stadt Pella als Musenzentrum stilisiert: Εἰ καὶ δακρυόεις, Εὐριπίδη, εἷλέ σε πότμος, καί σε λυκορραῖσται δεῖπνον ἔθεντο κύνες, τὸν σκηνῇ μελίγηρυν ἀηδόνα, κόσμον Ἀθηνῶν, τὸν σοφίῃ Μουσέων μιξάμενον χάριτα, ἀλλ᾽ ἔμολες Πελλαῖον ὑπ᾽ ἠρίον, ὡς ἂν ὁ λάτρις Πιερίδων ναίῃς ἀγχόθι Πιερίης. AP 7.44 = FGrEp. 570–5 Page = Eur. T 234 Kannicht Wenn auch das tränenreiche Geschick dich, Euripides, genommen hat, und die Wolf zerreißenden Hunde dich als Mahlzeit genommen haben, die für die Bühne süß klingende Nachtigall, Schmuck Athens, mit Weisheit der Musen gemischte Anmut, kamst du doch an den Hügel von Pella, so wie der Diener der Pieriden in der Nähe Pieriens wohnt.

20 21 22 23 24 25

Kannicht = AP 7.49; Eur. T 129a Kannicht = Paus. 1.2.2; Eur. T 132a Kannicht = Amm. Marcell. 27.4.8; Eur. T 132c = T 240 Kannicht = AP 7.51; Eur. T 112 Kannicht = Plut. De exilio 604 D; Eur. T 115 Kannicht = Satyr. Vit. Eur. (P. Oxy. 9.1176) F 6 Schorn fr. 39 col. XVIII; Eur. T 122 Kannicht = Satyr. Vit. Eur. (P. Oxy. 9.1176) F 6 Schorn fr. 39 col. XX; Eur. T 120 Kannicht = [Eur.] Epist. 5.1; Eur. T 125c Kannicht = Valer. Maxim. 9.12 ext. 4 (p. 461, 24 Kempf)); Eur. T 126 Kannicht = Steph. Byz. s.v. Βορμίσκος (B 125; 1, p. 360 f. Billerbeck). Eur. T 233 = T 129c Kannicht = AP 7.43 = FGrEp. 566–9 Page; Eur. Τ 234 Kannicht = AP 7.44 = FGrEp. 570–5 Page. Eur. Τ 234 Kannicht = AP 7.44 = FGrEp. 570–5 Page; Eur. T 133 Kannicht = T 3 c.5 = Suda ε 3695 Εὐριπίδης Adler. Eur. T 130a Kannicht = Plut. Lyk. 31.5; Eur. T 132a Kannicht = Amm. Marcell. 27.4.8; Eur. T 132c = T 240 Kannicht = AP 7.51. Hes. Theog. 53. Siehe S. 22, Anm. 20. Kannicht, TrGF 5, 142, app. crit. zu T 233.

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Euripides in Makedonien

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Der Autor des Epigramms verortet den Aufenthalt des Euripides an „den Hügel von Pella“. Die Nähe zu und der Vergleich mit Pierien, dem Wohnort der Dichter, macht Pella ebenso zu einem Ort der Inspiration und der Kreativität. Als Dichter ist auch Euripides ein „Diener der Pieriden“26 und durch seine Anwesenheit in Pella wird diese Stadt zum Musenzentrum. Ein zweites Mal erwähnt die Suda „Pella“ in Bezug auf Euripides: τὰ ὀστᾶ αὐτοῦ (Euripidis sc.) ἐν Πέλλῃ (: leg. εἰς Πέλλην / -αν?) μετακομίσαι τὸν βασιλέα (Archelaum sc.). Suda ε 3695 Εὐριπίδης Adler = Eur. T 133 (= T 3 c.5) Kannicht seine (des Euripides) Gebeine ließ der König (Archelaos) in(?) Pella (nach Pella) bringen Dieses letztere Zeugnis ist insofern schwierig, als μετακομίσαι ἐν Πέλλῃ bedeuten würde, dass der Leichnam des Euripides innerhalb von Pella umgebettet worden wäre. Außerdem ist die Konstruktion μετακομίζειν ἔν τινι sonst nicht belegt.27 Daher hat Kannicht εἰς Πέλλην/ -αν vorgeschlagen, als ob die Gebeine von irgendwo anders her nach Pella gebracht worden wären. Bei beiden Varianten muss Pella als Grabstätte des Euripides fungiert haben. Auch hier lässt sich feststellen, dass Pella zumindest in der Retrospektive als Musenzentrum und Aufenthalt des Dichters Euripides konstruiert wird. Eine weitere Variante zu Pierien und Pella oder der weniger spezifischen Angabe Makedonien als Aufenthaltsort oder Todesstätte des Euripides bildet Arethusa,28 eine Stadt zwischen dem Golf des Flusses Strymon und dem See Bolbe auf der Chalkidike. Auch hier wird ein Ort in der Nähe von Pella und Pierien als poetische Wirkstätte stilisiert. Die pseudo-euripideischen Briefe konstruieren einen fiktionalen Briefwechsel zwischen Euripides und Archelaos.29 Vermutlich im 2. Jh. n. Chr. hat ein nicht sicher zu identifizierender Autor30 fünf Briefe des „Euripides“ verfasst. Dieses Zeugnis ist insofern aufschlussreich, als darin Vorstellungen über das Verhältnis des Euripides zum Makedonenkönig tradiert sind. Diese Angaben können nicht als historische Zeugnisse gelesen werden und enthalten allerlei Topoi der Darstellung von Dichterpatronage. Dennoch bieten sie Ausgangspunkte für die Interpretation des Archelaos-Besuchs des Euripides. Alle Briefe bis auf den zweiten, der an Sophokles adressiert ist und damit aus der Briefsammlung herausfällt, behandeln die Beziehung zwischen Euripides und Archelaos. Die Briefe 1, 3 und 4 sind an seinen dortigen Gastgeber Archelaos gerichtet, der fünfte Brief hat Kephisophon als Adressaten. In 26 Pierien als Grab des Euripides auch in AP 7.43 = FGrEp. 566–9 Page = Eur. T 233 Kannicht. 27 LSJ, s.v. μετακομίζω. 28 Eur. T 130a Kannicht = Plut. Lyk. 31.5; Eur. T 132a Kannicht = Amm. Marcell. 27.4.8; Eur. T 132c = T 240 Kannicht = AP 7.51. 29 Dazu Poltera 2013, 153–165. 30 Zur Schwierigkeit der Datierung und der Autorschaft der [Euripides]-Briefe siehe Gößwein 1975, 6–12.

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Die Makedonienaufenthalte der griechischen Intellektuellen

den Briefen 1 und 3 geht es unter anderem um die Fürbitte des Euripides an Archelaos, zwei makedonische Gefangene zu begnadigen (1.1). Auch im vierten Brief ist Euripides noch in Athen und schneidet zu Beginn nochmals „die Angelegenheit der Leute von Pella“ an, kommt dann ausführlich auf das Privileg, Wohltaten erweisen zu können, zu sprechen und lobt die Dichterpatronage des Archelaos (4.4). Hierbei nimmt er Bezug auf die „reichliche Ausstattung mit lebensnotwendigen Dingen“ und „die übrigen Freundschaftsbezeigungen“. Im fünften Brief ist „Euripides“ bereits in Makedonien und schreibt seinem athenischen Hausverwalter Kephisophon: „Und ich traf Kleiton31 bei bester Gesundheit an und verbringe in der Regel mit ihm und, wenn es sich ergibt, mit Archelaos überaus angenehm meine Zeit; […]. Aber auch umgekehrt setzt mir Kleiton heftig zu – in gleicher Weise auch Archelaos –, indem sie mich bei jeder Gelegenheit nötigen, stets in meiner gewohnter Sphäre zu entwerfen und zu dichten, so daß, wie mir scheint, Archelaos ein gern, aber nicht ohne Mühe gewährtes Entgelt sich bezahlen lässt für die Geschenke, die er mir gleich bei der Ankunft machte, wie auch dafür, daß er mich jeden Tag üppiger bewirtete, als mir lieb ist.“32 Der Schreiber der Briefe spielt damit sicherlich darauf an, dass Euripides seinem Gastgeber mit der Tragödie Archelaos geschmeichelt haben soll.33 Im nächsten Abschnitt (5.2) nimmt Euripides Bezug auf Ereignisse in Athen, von denen ihm Kephisophon berichtet hatte, nämlich dass ein Agathon34 und Mesatos über ihn „schwätzen“, wie sonst auch Aristophanes. Der Anlass des Geschwätzes sei die Reise des Euripides nach Makedonien, eine Unternehmung, die er früher abgelehnt habe.35 Im restlichen Brief (5.3–6) entkräftet er die Vorwürfe, die ihm von Seiten der Verleumder gemacht werden konnten. Der Autor dieser Briefe fingiert demnach eine Konstellation, nach der Euripides schon vor seiner Abreise nach Makedonien in einem vertrauten Kontakt mit Archelaos stand und auch Einfluss auf ihn hatte, bis er dann im fünften Brief selbst bei ihm zugegen ist. Der Autor sucht also eine Erklärung für den Makedonienaufenthalt des Euripides zu geben. Die Details über das Verhältnis zum König und die Gegebenheiten in Makedonien fallen in den Bereich der literarischen Fiktion. Über den Tod des Euripides in Makedonien kursierte folgende Legende:36 Der Dichter sei von den Jagdhunden des Archelaos, als er sich in einem Hain ausruhte, zerrissen worden. Diese Hunde seien die Nachkommen einer Hündin des Königs Archelaos gewesen, die die Thraker, die ein Dorf in Makedonien bewohnten, nach 31 Über einen Kleiton, der sich ebenfalls bei Archelaos aufgehalten hat und mit Euripides befreundet war, ist sonst nirgends etwas berichtet. Eventuell liegt hier eine Assoziation zu einem makedonischen Athleten, der 328 bei der 113. Olympiade im Wettlauf gesiegt hat, vor. Siehe Gößwein 1975, 90. 32 [Eur.] Epist. 5.1. Übers. von Gößwein 1975, 81. 33 Eur. T 1 IA. c. 6. Kannicht. S.u. 52. Außerdem Gößwein 1975, 115 f. Harder 1985, 169. 34 Zur Identität dieses Agathon Gößwein 1975, 117. 35 Gößwein 1975, 119: „Damit wird möglicherweise auf die grundsätzlich monarchische Einstellung des Euripides angespielt, die aus vielen Tragödienstellen hervorgeht.“ 36 Eur. T 1 II Kannicht.

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Euripides in Makedonien

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ihrem Brauch geopfert und gegessen hätten. Der Zusammenhang mit Euripides besteht nach der Geschichte darin, dass die Thraker ihn gebeten hatten, sie von der Geldstrafe, die der König ihnen wegen des Hundeopfers auferlegt hatte, zu befreien. Euripides sei als Rache für den Tod der Hündin gestorben. Diese Erzählung vom Tod des Euripides durch Hunde wurde in der Tradition immer wieder aufgenommen oder leicht variiert.37 Auch Aktaion kam nach der Sage ebenfalls durch Hunde um. Dieser wird getötet, da er gegen eine Gottheit frevelt. In einer der umlaufenden Sagenvarianten erblickt er Athene nackt beim Baden, und wird deshalb von den eigenen Hunden getötet (Kall. h. 5.107–116). In den Bakchen erscheint die Version, dass sich Aktaion rühmte, ein größerer Jäger als Artemis zu sein (Eur. Ba. 337–340). Auch über Lukian erzählt die Suda eine solche Legende. Er soll von Hunden zerrissen worden sein, da er „gegen die (sc. christliche) Wahrheit wütete.“38 Diese Legende ist wohl aus dem Peregrinos Lukians konstruiert. Die Passagen über die Christen wurden als despektierlich gegenüber der neuen Religion empfunden.39 In derselben Schrift entwirft der Ich-Sprecher ein solches Szenario, da er über den Scharlatan Peregrinos lacht und deshalb von dessen kynischen Anhängern vermeintlich zerrissen werden könnte.40 Da auch Euripides den Göttern gegenüber kritisch eingestellt war, scheint sich eine ähnliche Legende um seinen Tod entsponnen zu haben.41 Die Variante, dass seine Verderber angaben, er sei nicht von Hunden, sondern von Frauen zerrissen worden,42 stammt tatsächlich im Sinne Lefkowitzens aus den eigenen Tragödien des Euripides beziehungsweise den Komödien des Aristophanes.43 Denn in den Bakchen, einer Tragödie, die Euripides am Ende seines Lebens, also während seines Aufenthalts beim makedonischen König verfasst hat, wird der Protagonist Pentheus von den in bakchischen Wahn versetzten Frauen zerrissen, da sie ihn für ein Tier hielten. Die angebliche Frauenfeindlichkeit des Euripides macht Aristophanes zum Gegenstand der Thesmophoriazusen. So konnte daraus die Geschichte des Todes des Euripides durch Frauen entstehen. Die Gründe, die in den Biographien für die Abreise des Euripides angegeben werden (Verspottung durch die Komiker, Untreue der Frau)44 sind als biographische Hinzudichtungen, die aus den Tragödien des Euripides selbst und aus Komödien

37 Eur. T 1 IB. c.3 Kannicht; T 2 c.9 = Gellius N.A. 15.20; T 3 c.4 = Sud. ε 3695 Εὐριπίδης Adler; T 4, 28–9 = Thomae Magistri σύνοψις τοῦ βίου Εὐριπίδου; T 122 = Satyr. Vit. Eur. (P. Oxy. 9.1176) F 6 Schorn fr. 39 col. XX 22 – XXI; T 106A = Hermesianax F 7, 67–8 Powell [= Ath. 13.598 D]; T 123 = Diod. 13.103.5 = T 17 a; T 125c = Valer. Maxim. 9.12 ext. 4 (p. 461, 24 Kempf); T 126 = Steph. Byz. s.v. Βορμίσκος (B 125; 1, p. 360 f. Billerbeck). 38 Sud. s.v. Λουκιανός, λ 683. 39 Luc. Peregr. 11–13; 16. 40 Luc. Peregr. 2; siehe auch Nesselrath 2001, 15 mit Anm. 15; 29. 41 Siehe auch Schorn 2004, 334. 42 Eur. T 3 c. 4 Kannicht = Suda ε 3695 Εὐριπίδης Adler. 43 Lefkowitz 1981, 96 ff. 44 Eur. T 1 IB. c.3 Kannicht; Eur. T 4, 24–27 Kannicht.

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Die Makedonienaufenthalte der griechischen Intellektuellen

stammen, zu werten.45 Die Vorwürfe, gegen die sich „Euripides“ in den [Euripides]Briefen wehrt (Geldgier, Geltungssucht und Streben nach Einfluss), sind stereotyp.46 Ein möglicher Grund für die Reise nach Makedonien könnte eine bessere Arbeitssituation bei Archelaos als in Athen gewesen sein.47 Dazu passt das bei verschiedenen Autoren und den pseudo-euripideischen Briefen berichtete gute Verhältnis zwischen Archelaos und Euripides.48 Der König behandelte ihn diesen Zeugnissen zufolge großzügig und er stand in Ehren bei ihm.49 Die Dichter, die sich nach der Überlieferung bei Archelaos aufhielten, werden auch zueinander in Beziehung gesetzt. Aelian und Plutarch beziehungsweise Pseudo-Plutarch erzählen eine Anekdote von einem Gastmahl des Archelaos, an dem Euripides und sein Kollege Agathon teilnahmen.50 Das heißt, diese Autoren fingieren den gleichzeitigen Aufenthalt des Agathon und Euripides bei Archelaos, was nach der Quellenlage nicht unplausibel ist.51 Ebenso werden Verbindungen zwischen Timotheos von Milet und Euripides konstruiert. Euripides soll dem Lyriker bei der Abfassung des Proöms zu seinen Persern geholfen haben.52 Timotheos wird neben Thukydides als möglicher Verfasser eines Grabepigramms auf Euripides vorgeschlagen.53 Diese Konstellationen dokumentieren, dass der poetische Stil dieser Intellektuellen von der Tradition als vergleichbar eingestuft wurde. Inwiefern dies Auf-

45 Gößwein 1975, 120: „wenn in der Suda die Auswanderung simplerweise mit der angeblichen Untreue einer angeblichen zweiten Ehefrau in Verbindung gebracht wird, so können wir das – spätestens seit Wilamowitz – nicht mehr ernst nehmen.“ 46 [Eur.] Epist. 5.3–6. 47 Dazu ausführlicher s.o. 17. 48 Eur. T 2 c.9 Kannicht = Gellius N.A. 15.20: utereturque eo rex familiariter; Eur. T 102 Kannicht = Aristot. Pol. 1311b 23; Eur. T 103 Kannicht = Satyr. Vit. Eur. (P. Oxy. 9.1176) F 6 Schorn fr. 39 col. XX. 49 Eur. T 3 c.4, 14–16 Kannicht (= Sud. ε 3695 Εὐριπίδης Adler); T 4, 26–7 Kannicht (= Thomae Magistri σύνοψις τοῦ βίου Εὐριπίδου); Eur. T 114 Kannicht (= Iul. Solin. Collect. rerum memorab. 9, 15); Satyr. Vit. Eur. (P. Oxy. 9.1176) F 6 Schorn fr. 39 col. XVIII (= Eur. T 115 Kannicht); Eur. T 118 Kannicht (= Luc. Par. 35). 50 Eur. T 79a Kannicht (= Ael. Var. hist. 13.4) = Agathon 39 T 22a Snell/ Kannicht; Eur. T 79b Kannicht (= [Plut.] Reg. et imp. apophthegm. (177 A)) = Agathon 39 T 22b Snell/ Kannicht; Eur. T 79c Kannicht (= Plut. Amat. 770 C) = Agathon 39 T 22b Snell/ Kannicht; Eur. T 79d Kannicht (= Plut. Alk. 1.5); außerdem Eur. T 80 Kannicht (= Ael. Var. hist. 2.21); Eur. T 81 Kannicht (= Append. Vatic. p. 193 nr. 218 Sternbach); Eur. T 82 Kannicht (= [Eur.] Epist. 5.2). S.u. 29–31. 51 S.u. 31 f. 52 Eur. T 87a Kannicht (= Satyr. Vit. Eur. (P. Oxy. 9.1176) F 6 Schorn fr. 39 col. XXII). Siehe auch Schorn 2004, 341 f. Zum freundschaftlichen Verhältnis zwischen Euripides und Timotheos auch Eur. T 87b Kannicht (= Plut. An seni sit ger. resp. 795 D). 53 Eur. T 232 Kannicht = FGrEp. 1052–5 Page = AP 7.45. Die Euripides-Vita nennt beide, den Historiker Thukydides und den Lyriker Timotheos, als mögliche Verfasser dieses Epigramms (T 1 IA. c. 10). Zur Historizität der Verfasserschaft: app. crit. zu Eur. T 232 p. 142 Kannicht); Wilamowitz 1903, 67, Anm. 3. Wilamowitz (ebda.) datiert das Epigramm T 232 ins 4. Jh.

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Agathon in Makedonien

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schluss über die Verortung dieser Autoren nach Makedonien geben kann, wird unten expliziert.54

3. Agathon in Makedonien Den Makedonienaufenthalt des Tragödiendichters Agathon bei Archelaos I. (413– 399 v. Chr.) belegen mehrere Testimonien. In der Eingangsszene der Frösche fragt Herakles, auf der Suche nach einem „rechten Dichter“ (ποιητὴς δεξιός; Ar. Ran. 71), unter anderen nach Agathon. Der Gott des Theaters Dionysos antwortet, dass er ἐς μακάρων εὐωχίαν („zum Festschmaus der Seligen“; Ar. Ran. 85) gegangen sei. Das Scholion zu dieser Stelle erklärt: ἐς μακάρων εὐωχίαν∙ ἢ ὡς περὶ τετελευτηκότος λέγει, ὡσανεὶ εἶπε τὰς μακάρων νήσους∙ ἢ ὅτι Ἀρχελάῳ τῷ βασιλεῖ μέχρι τῆς τελευτῆς μετὰ ἄλλων πολλῶν συνῆν ἐν Μακεδονίᾳ, καὶ μακάρων εὐωχίαν ἔφη τὴν ἐν τοῖς βασιλείοις διατριβήν. Σ ad Ar. Ran. 83–5 (Sud. α 124 Ἀγάθων Adler) = Agathon 39 T 7b Snell/ Kannicht „zum Festschmaus der Seligen“: entweder spricht er wie über einen Toten, wie wenn er „die Inseln der Seligen“ sagen würde; oder weil er [Agathon] bei dem König Archelaos bis zu seinem Tod mit vielen anderen in Makedonien war, und er [Aristophanes] nannte den Aufenthalt im Königspalast „Festschmaus der Seligen“. Die erste Vermutung des Scholiasten, dass mit dem „Festschmaus der Seligen“ „die Insel der Seligen“ gemeint sein könnte, resultiert daraus, dass die Inseln der Seligen seit Hesiod (Erga 171) als Heimat der rechtschaffenen Toten, der μάκαρες, galten. Es ist hier allerdings eher an die zweite Option, die der Scholiast vorschlägt, den Aufenthalt in Makedonien, und an ein Wortspiel des Aristophanes mit den Wörtern μάκαρες und Μακεδόνες zu denken, das durch die initiale Assonanz der beiden Wörter hervorgerufen wird.55 Da die Frösche 405 v. Chr. aufgeführt wurden, muss Agathon demnach jedenfalls vor 405 Athen verlassen haben. Es kann außerdem sein, dass der Scholiast mit seiner Aussage („[E]r [Agathon] war bis zu seinem Tod bei König Archelaos.“) meinte, dass Agathon zur Lebenszeit des Archelaos gestorben sei.56 Das Scholion gibt also das spätestmögliche Ankunftsdatum in Makedonien (405 v. Chr.) und möglicherweise das Todesdatum des Agathon (vor 399 v. Chr.) an. Ein weiteres Zeugnis über den Makedonienaufenthalt des Dichters stellt der pseudo-

54 S.u. 182 ff. 55 Dover 1993, 201, ad 85. Stanford 1958, 79, ad 83–5. Siehe auch Bremer 1991, 42, Anm. 12. 56 Kannicht/ Gauly 1991, 282, Anm. 5.

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Die Makedonienaufenthalte der griechischen Intellektuellen

euripideische Brief an Kephisophon (1./ 2. Jh. n. Chr.)57 dar.58 Dort fingiert der Schreiber des Briefes die Situation, dass Euripides bereits in Makedonien sei ([Eur.] Epist. 5.1) und er vom Adressaten des Briefes Kephisophon über Dinge, die er wegen seiner Abwesenheit nicht wissen kann, informiert werde: Περὶ δὲ ὧν ἐπέστειλας ἡμῖν σὺ μὲν εὖ ποιεῖς ἐπιστέλλων ἃ δοκεῖς ἡμῖν εἰδέναι διαφέρειν∙ ἴσθι μέντοι, μηδὲν μᾶλλον ἡμῖν, ὧν νῦν Ἀγάθων ἢ Μέσατος λέγει, μέλον ἢ τῶν Ἀριστοφάνους φληναφημάτων οἶσθά ποτε μέλον. [Eur.] Epist. 5.2 = Agathon 39 T 9 Snell/ Kannicht Was aber das betrifft, was du mir (per Brief) übersandt hast, so tust du zwar gut daran, zu schreiben, wovon du meinst, dass es für mich wichtig sei, es zu wissen; wisse jedoch, dass mir keineswegs mehr am Herzen liegt, was jetzt Agathon oder Mesatos sagen, als mir je, wie du weißt, an dem unnützen Geschwätz des Aristophanes lag. Da Kephisophon nach dieser Darstellung seinem Korrespondenten Euripides über Agathon berichtet, muss Agathon in der Fiktion zu diesem Zeitpunkt noch in Athen gewesen sein. Der Brief könnte also, wenn man in ihm einen wahren Kern vermutet, als terminus post quem für die Abreise des Agathon dienen: Er müsste demnach Athen nach Euripides verlassen haben, also nach 408 v. Chr., da in dieses Jahr die letzte bezeugte Teilnahme des Euripides an den Dionysien in Athen (Aufführung des Orest) fällt.59 Gößwein vermutet, dass der Autor des Briefes an der eben zitierten Stelle einen anderen Agathon meint,60 da diesem die gute Beziehung zwischen den beiden Tragikern, von dem Plutarch bzw. Pseudo-Plutarch und Aelian berichten,61 nicht unbekannt geblieben sein könne. Er zieht dabei die Möglichkeit in Erwägung, dass die Forderung des Sokrates in Platons Symposion, dass ein Tragödiendichter auch Komödien dichten müsse (Pl. Smp. 223d), zu dem Missverständnis geführt habe, es habe auch einen Komiker dieses Namens gegeben. Ist es aber nicht auch möglich, dass Sokrates’ Postulat nach einem „integrativen dramatischen Genre“,62 das vor allem für die hellenistische Literatur bekannt ist, gerade auf den beim Symposion anwesenden Tragiker Agathon zutrifft?63 Aelian gibt eine Anekdote wieder, die sich während eines Gastmahls (ἑστίασις) bei König Archelaos abgespielt haben soll: 57 58 59 60 61

Zur Schwierigkeit der Datierung dieser Briefe: Gößwein 1975, 9–12, 29. Diese Briefe sind bereits oben 23 f. besprochen. DID C 19 Snell. Gößwein 1975, 117. [Plut.] Reg. et imp. apophthegm. (177 A) = Agathon 39 T 22b Snell/ Kannicht = Eur. T 79b Kannicht; Plut. Amat. 770 C; Ael. Var. hist. 13.4; 2.21 = Agathon 39 T 22; 25 Snell/ Kannicht. 62 Männlein-Robert 2013a, 140. 63 Siehe dazu 113 f.

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Agathon in Makedonien

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Ἀρχέλαος ὁ βασιλεὺς ἑστίασιν παρεσκεύασε πολυτελῆ τοῖς ἑταίροις. προϊόντος δὲ τοῦ πότου ζωρότερον πιὼν Εὐριπίδης ὑπήχθη πως κατ᾽ ὀλίγον ἐς μέθην. εἶτα συγκλιθέντα αὐτῷ Ἀγάθωνα τὸν τῆς τραγῳδίας ποιητὴν περιλαβὼν κατεφίλει, τετταράκοντα ἐτῶν που γεγονότα. τοῦ δὲ Ἀρχελάου πυθομένου εἰ καὶ νῦν ἔτι ἐρώμενος αὐτῷ δοκεῖ εἶναι, ἀπεκρίνατο∙ „ναὶ μὰ Δία∙ οὐ γὰρ μόνον τὸ ἔαρ τῶν καλῶν κάλλιστον, ἀλλὰ καὶ τὸ μετόπωρον.“ Ael. Var. hist. 13.4 = Agathon 39 T 22a Snell/ Kannicht Der König Archelaos bereitete ein kostspieliges Gastmahl für seine Freunde. Als aber das Trinkgelage voranschritt und Euripides kräftiger getrunken hatte, wurde er langsam betrunken. Da umarmte er den Tragödiendichter Agathon, der neben ihm lag, und küsste ihn, obwohl er [Agathon] 40 Jahre alt war. Nachdem Archelaos aber gefragt hatte, ob er [Agathon] ihm auch jetzt noch ein Knabe, den man lieben kann,64 zu sein schien, antwortete er: „Ja, beim Zeus; denn nicht nur der Frühling der Schönen ist sehr schön, sondern auch der Herbst.“ Dieses Zeugnis dokumentiert also, dass Euripides und Agathon sich zur selben Zeit beim König Archelaos aufgehalten haben sollen. Wenn sich Agathon und Euripides bei Archelaos getroffen haben sollen, muss Agathon Athen etwa 407 verlassen haben, da nach Marmor Parium65 Euripides bereits 407/6 gestorben ist und Agathon nach dem eben besprochenen pseudo-euripideischen Brief66 im Jahr 408 noch in Athen gewesen sein könnte. Des Weiteren gibt die Anekdote an, dass Agathon 40 Jahre alt gewesen sei, als sich die Begebenheit in Makedonien zutrug, und Euripides spricht in dieser Situation vom „Herbst“ (τὸ μετόπωρον) des Lebens Agathons. Diese zeitliche Einordnung stimmt mit einer Nachricht überein, die Platon im Protagoras (Pl. Prot. 315d) gibt. Dort heißt es, dass Agathon noch ein μειράκιον („junger Mann“) gewesen sei. Die Bezeichnung μειράκιον wird für einen jungen Mann im Alter von etwa 20 Jahren gebraucht.67 Da der Protagoras etwa im Jahr 430 v. Chr. spielt, kann man sowohl aus diesem Zeugnis als auch aus der Anekdote Aelians ungefähr das Jahr 450 v. Chr. als Agathons Geburtsjahr rekonstruieren.68 Dieselbe Geschichte wie Aelian (Var. hist. 13.4) berichtet auch Pseudo-Plutarch. Als er in den Regum et Imperatorum Apophthegmata über König Archelaos spricht, variiert er die Erzählung, indem er Archelaos den Ausspruch über den „Herbst der Schönen“ machen lässt (Reg. et imp. apophthegm., Mor. 177 A). Im Amatorius (Amat., Mor. 770 C), wo wiederum Euripides diese Sentenz in den Mund gelegt wird, wird nicht erwähnt, dass die beiden Liebenden bei Archelaos sind. Die vierte Referenz ist die Vita Alcibiadis (Alk. 64 65 66 67

Übers. nach Kannicht/ Gauly 1991, 101. DID D 1 (Marmor Parium) A 63 Snell. [Eur.] Epist. 5.2 = Agathon 39 T 9 Snell/ Kannicht. Plut. Brut. 27: unter 21; Luc. Dial. mort. 19.4: ungefähr 20. Siehe Kannicht/ Gauly 1991, 282, Anm. 2. 68 Kannicht/ Gauly 1991, 282, Anm. 2.

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Die Makedonienaufenthalte der griechischen Intellektuellen

1.5), in der nur noch der Ausspruch des Euripides über den „Herbst der Schönen“ erscheint, nicht mehr der weitere Kontext.69 Die Frage, ob sich angesichts der Übereinstimmungen zwischen Aelian und Plutarch eine Abhängigkeit zwischen beiden feststellen lässt, wurde vielfach diskutiert. Im Falle des Werkes Varia historia wurde besonders die Plutarch zugeschriebene Schrift Regum et Imperatorum Apophthegmata, in der gerade die genannte Archelaos-Anekdote dargeboten wird, als mögliche Quelle diskutiert. Als communis opinio hat sich die Annahme einer gemeinsamen Quelle in der Form eines Anekdotenkompendiums durchgesetzt. Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Autoren wurden des Weiteren für Aelians De Natura Animalium und Plutarchs De Sollertia Animalium festgestellt und untersucht.70 Für die Einschätzung der Glaubwürdigkeit der Anekdoten und speziell der Archelaos-Anekdote ist die Entscheidung, ob die Übereinstimmung in einer direkten Bezugnahme aufeinander oder einem gemeinsamen Vorbild besteht, zweitrangig. Der Bericht, dass Euripides und Agathon zur selben Zeit bei Archelaos waren, kann wegen des terminus ante quem (405 v. Chr.) aus dem Aristophanes-Scholion71 und dem Todesdatum des Euripides (406 v. Chr.) mit hoher Wahrscheinlichkeit als wahr gelten. Der Erzbischof Arethas von Caesarea merkt in einem Scholion zu Lukian an, dass Agathon für seine Weichlichkeit in der Komödie Gerytades des Aristophanes verspottet wurde.72 Lévêque datiert den Gerytades des Aristophanes in das Jahr 407.73 Er begründet das damit, dass, wenn Agathon im Gerytades die Hauptzielscheibe des Spotts war, dieser der wichtigste Vertreter der Tragödie in Athen gewesen sein muss und Euripides zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in der Stadt gewesen sein kann. Da Euripides Athen 408 v. Chr. oder nach 40874 verlassen habe und sich Agathon und Euripides, der bereits 406 starb, bei Archelaos getroffen haben,75 muss der Gerytades nach Lévêque im Jahr 407 aufgeführt worden sein. Diese Argumentation kann nicht völlig überzeugen. Denn Agathon könnte auch verspottet worden sein, während Euripides noch in Athen war. Im selben Scholion berichtet Arethas weiter, dass Agathon zusammen mit Pausanias zum König Archelaos ging: παιδικὰ γεγονὼς Παυσανίου τοῦ τραγικοῦ76, μεθ᾽ οὗ πρὸς Ἀρχέλαον τὸν βασιλέα ᾤχετο – 69 70 71 72

73 74 75 76

Agathon 39 T 22b Snell/ Kannicht. Kindstrand 1998, 2954 ff. Σ ad Ar. Ran. 83–5 (cf. Sud. α 124 Ἀγάθων Adler) = Agathon 39 T 7b Snell/ Kannicht. Ἀγάθων τραγῳδίας ποιητὴς εἰς μαλακίαν σκωπτόμενος∙ Ἀριστοφάνης Γηρυτάδῃ. (Arethas in Σ Luc. p. 178, 16 Rabe = Agathon 39 T 11 Snell/ Kannicht). Das gleiche Scholion existiert zu Platons Symposion (Σ Pl. Smp. 172a p. 447 Greene), dessen Lücken durch das Lukian-Scholion gefüllt wurden: siehe Greene 1938, 447 f., app. crit. ad 172a. Lévêque 1955, 62. Nach der Aufführung des Orest, bei der er noch in Athen anwesend gewesen sein muss. Siehe Agathon 39 T 22 a und b Snell/ Kannicht. Die Bezeichnung des Pausanias als Tragödiendichter ist problematisch. Denn nach Athenaios war Pausanias überhaupt nicht schriftstellerisch tätig (Παυσανίου γὰρ οὐκ οἶδα σύγγραμμα. – „Ich kenne keine Schrift eines Pausanias.“; Ath. 5.216 F). Cramer, An. Ox. 4, p. 269, Anm. f hat folgende Konjektur vorgeschlagen: παιδικὰ γεγονὼς Παυσανίου τοῦ τραγικοῦ, μεθ᾽ οὗ πρὸς Ἀρχέλαον τὸν βασιλέα ᾤχετο („der Geliebte des Pausanias des

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Agathon in Makedonien

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„der Geliebte des Tragikers Pausanias geworden, mit welchem er zu dem König Archelaos wegging.“ Aelian berichtet ganz ähnlich: ἐς Ἀρχελάου ποτὲ ἀφίκοντο ὅ τε ἐραστὴς καὶ ὁ ἐρώμενος οὗτοι. („Zum [Palast] des Archelaos kamen einst eben diese, der Liebhaber [Pausanias] und der Geliebte [Agathon].“).77 Während Arethas die beiden mit der Präposition μετά („mit“) verbindet, lässt bei Aelian die Junktur τε … καί vermuten, dass sie zusammen nach Makedonien kamen. Darauf, dass Agathon auf jeden Fall im Jahr 411 noch in Athen war, weisen alle literarischen Zeugnisse hin. Einen eindeutigen Anhaltspunkt gibt Euripides in den Thesmophoriazusen des Aristophanes, die im Jahr 411 aufgeführt wurden. Er und sein Verwandter suchen den Tragödiendichter Agathon auf und gelangen nach einer Hetzjagd durch die Stadt zu dessen Haus: „Hier wohnt der berühmte Tragiker Agathon.“ (Ar. Thesm. 29 f.). Da die Komödie während des Thesmophorienfestes in Athen spielt, ist mit „hier“ (ἐνταῦθ᾽) Athen gemeint. Des Weiteren erwähnt Aristoteles in seiner Eudemischen Ethik, dass Antiphon den Agathon als σπουδαῖος („Seriösen“) bezeichnet, nachdem dieser seine Verteidigungsrede gelobt hatte. Der Prozess gegen Antiphon fand ebenfalls im Jahr 411 v. Chr. statt.78 Auch wenn manche Testimonien über den Aufenthalt des Agathon bei Archelaos noch Fragen offen lassen, zeichnen sie doch alle zusammen ein überzeugendes Bild. Im Jahr 411 war Agathon noch in Athen (Ar. Thesm. 29 f.= Agathon T 4 Snell/ Kannicht; Aristot. Eth. Eud. 1232b6 = Agathon T 6 Snell/ Kannicht). Im pseudo-euripideischen Brief an Kephisophon ([Eur.] Epist. 5.2) wird fingiert, dass Agathon nach Euripides, also nach 408, Athen verlassen habe. Ein Scholion zu den Fröschen des Aristophanes (Σ ad Ar. Ran. 83–5 = Agathon T 7b Snell/ Kannicht) lässt vermuten, dass Agathon spätestens im Jahr 405 v. Chr. zum makedonischen König kam. Dasselbe Testimonium konstatiert eventuell, dass Agathon vor 399 v. Chr. eben dort, in Makedonien, starb. Aelian (Ael. Var. hist. 13.4 = Agathon T 22a Snell/ Tragikers geworden, mit welchem er zu dem König Archelaos wegging.“). Denn aus Aelian und Plutarch bzw. Pseudo-Plutarch ist bekannt, dass er sich mit Euripides, der auf jeden Fall Tragödiendichter war, bei Archelaos aufgehalten habe (Agathon 39 T 22 Snell/ Kannicht). Snell notiert zu diesem Problem, dass mit οὗ aus dem besagten Satz aber doch Pausanias gemeint sei (Agathon 39 T 11, 5 Snell/ Kannicht; cf. app. crit. ad loc.). Arethas muss sich also geirrt haben, indem er Pausanias als einen Tragödiendichter bezeichnet hat (Siehe TrGF 1 F 255, p. 329 Snell/ Kannicht). Des Weiteren stellt man fest, dass Aelian in einer Anekdote (Ael. Var. hist. 2.21 = Agathon 39 T 25 Snell/ Kannicht), in der er ebenfalls den gemeinsamen Aufenthalt des Pausanias und Agathon bei Archelaos thematisiert, ersteren nicht als ποιητής oder ποιητής τραγῳδίας bezeichnet, wie es Arethas in den Scholien (Arethas in Σ Luc. p. 178, 16 Rabe = Agathon 39 T 11 Snell/ Kannicht) macht, sondern ihn nur als ὁ ἐκ Κεραμέων („der aus dem Demos Kerameis“) spezifiziert. Agathon dagegen und auch Euripides, der am Ende der Geschichte als weiterer Liebhaber des Agathon genannt wird, werden beide als ποιηταί bezeichnet. Es ist also anzunehmen, dass Aelian auch Pausanias als Dichter oder Tragiker kenntlich gemacht hätte, wenn auf ihn eine solche Bezeichnung zugetroffen hätte. 77 Ael. Var. hist. 2.21 = Agathon 39 T 25 Snell/ Kannicht. Weitere Belege für dieses homoerotische Verhältnis: Agathon 39 T 15, 1–3 Snell/ Kannicht (de Pausania amatore Agathonis). 78 Aristot. Eth. Eud. 1232b6 = Agathon 39 T 6 Snell/ Kannicht. Kannicht/ Gauly 1991, 282, ad 4.

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Die Makedonienaufenthalte der griechischen Intellektuellen

Kannicht) und Pseudo-Plutarch bzw. Plutarch (Reg. et imp. apophthegm., Mor. 177 A und Amat., Mor. 770 C = Agathon 39 T 22b Snell/ Kannicht) bezeugen den gleichzeitigen Aufenthalt von Euripides und Agathon bei Archelaos. Bei Arethas und wiederum Aelian erfahren wir, dass Agathon mit seinem Liebhaber Pausanias nach Makedonien gekommen sei. Somit lässt sich für den Aufenthalt des Agathon bei Archelaos ein Zeitraum von vor 405, vielleicht ab 407, bis wahrscheinlich vor 399 v. Chr. rekonstruieren.79

4. Timotheos in Makedonien Der Dichter Timotheos stammte aus Milet in Kleinasien. Seine Lebenszeit wird etwa von 450 bis 360 v. Chr. gesetzt.80 Diese Datierung kann in Einklang mit der Angabe Diodors gebracht werden, dass Timotheos 398 genauso wie die Dithyrambiker Philoxenos von Cythera, Telestes von Selinus und Polyidus „in der Blüte ihres Lebens standen“ (ἤκμασαν).81 Den Aufenthalt des Dichters in Makedonien bezeugen Plutarch, Stephanos von Byzanz und die Suda. Plutarch erzählt eine Anekdote, der zufolge Timotheos wegen seiner schlechten Bezahlung beim König Archelaos dessen Geiz besungen haben soll.82 Diese Erzählung muss keinen Anspruch auf Authentizität haben.83 Der von Plutarch zitierte Vers des Timotheos ist wahrscheinlich aus einem anderen Kontext in diese eingefügt worden. Plutarch stellt eine Verbindung zwischen Timotheos und Makedonien her, die auch Stephanos von Byzanz und die Suda erwähnen. Stephanos von Byzanz verortet den Tod des Timotheos nach Makedonien.84 Der Verfasser der Suda synchronisiert Timotheos mit Philipp von Makedonien: ἦν δὲ ἐπὶ τῶν Εὐριπίδου χρόνων τοῦ τραγικοῦ, καθ᾽ οὓς καὶ Φίλιππος ὁ Μακεδὼν ἐβασίλευεν. („Er [sc. Timotheos] lebte zur Zeit des Tragikers Euripides, zu welcher auch der Makedone Philipp König war.“; Sud. τ 620 Τιμόθεος Adler). Dass Timotheos noch zur Regierungszeit Philipps II. (359–336 v. Chr.) gelebt hat, ist zwar möglich, aber Euripides war zu dieser Zeit definitiv schon tot († 406).85 Insofern ist hier ziemlich sicher mit einer Verwechslung von Philipp und Archelaos zu rechnen.86 Die Suda kann demnach als dritte Evidenz gelten, die Timotheos in einen Zusammenhang mit dem makedonischen König Archelaos bringt. Es bestand also 79 So auch Lévêque 1955, 67–77 mit einer teilweise abweichenden Argumentation. 80 Hordern 2002, 3. Nach dem Marmor Parium wurde er 90 Jahre alt (Marm. Par. Ep. 76 (p. 19 Jacoby) = Campbell 1993, 74 f., T 4), nach der Suda 97 (Sud. τ 620 = Campbell 1993, 72 f., T 2). 81 Diod. 14.46.6 = Campbell 1993, 72 f., T 3. 82 Plut. De fort. Alex. I., Mor. 334 B und [Plut.] Reg. et imp. apophthegm., Mor. 177 B = Tim. F 801 PMG. Zum sonst in den Quellen überlieferten Reichtum des Archelaos s.o. 17. 83 Auch dem Dichter Simonides wurde in der Antike Geldgier nachgesagt; Lefkowitz 1981, 49 ff.; Weber 1992, 52. 84 Steph. Byz. s.v. Μίλητος (M 184; 3 p. 320 f. Billerbeck). 85 DID D 1 A 63 Snell. 86 Hordern 2002, 5.

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Choirilos in Makedonien

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eine Tradition, greifbar ab Plutarch, die es für möglich hielt, dass der Dithyrambenund Nomendichter Timotheos einen Teil seines Lebens in Makedonien verbrachte.

5. Choirilos in Makedonien Zu den wenigen Angaben über das Leben des Ependichters Choirilos von Samos gehört seine Verbindung zum König Archelaos. Den Makedonienaufenthalt87 bezeugt sowohl die Suda als auch Athenaios. Die Suda berichtet Folgendes: τελευτῆσαι ἐν Μακεδονίᾳ παρὰ Ἀρχελάῳ τῷ τότε αὐτῆς βασιλεῖ („Gestorben ist er in Makedonien bei Archelaos, dem damaligen König dieses (sc. Landes).“; Sud. χ 595 Χοιρίλος Adler = Choirilos T 1 Bernabé). Athenaios zitiert den Historiker Istros für ein anekdotisches Detail aus dem Leben des Choirilos: Ἴστρος δέ φησι Χοιρίλον τὸν ποιητὴν παρ᾽ Ἀρχελάου τέσσαρες μνᾶς ἐφ᾽ ἡμέρᾳ λαμβάνοντα ταύτας καταναλίσκειν εἰς ὀψοφαγίαν γενόμενον ὀψόφαγον. Ath. 8.345 D = Choirilos T 4 Bernabé = FGrHist 334 F 61 Jacoby Istros aber sagt, dass der Dichter Choirilos von Archelaos vier Minen pro Tag bekommen habe und diese für Feinschmeckerei verwendet haben soll, da er ein Feinschmecker war. Die Überlieferung verortet Choirilos demnach mehrmals nach Makedonien.88 Ob Choirilos bei Archelaos war, kann letzten Endes aufgrund der unsicheren Quellenlage nicht entschieden werden. Die Gründe für einen möglicherweise fiktiven Aufenthalt hängen mit dem Charakter seiner Dichtung und – eventuell – mit der Thematik der Persika zusammen.89 Einen weiteren Anhaltspunkt für die Biographie des Choirilos bietet Plutarch in seiner Lysander-Vita.90 Der spartanische Heerführer habe den Epiker mit einem Gedicht auf seine Person beauftragt. Schmid und Stählin sowie Bethe gehen davon aus, dass dies nach der Eroberung von Samos durch Lysander im Jahr 404 geschehen sei.91 Wenn diese Annahme stimmt, lässt sich ein tatsächlicher oder fiktiver Aufenthalt des Epikers bei Archelaos irgendwann zwischen 404 und 399 vermuten. Denn die Suda setzt den Tod des Choirilos in die Regierungszeit des Archelaos, der 413 bis 399 v. Chr. herrschte. Plutarch bezeugt weiterhin, dass Lysander „den Choirilos im87 Dieser Aufenthalt wurde von Schmid/ Stählin 1934, 543 als „Roman“ bezeichnet, aber sonst in der Forschung anerkannt: Fantuzzi/ Stol 1997, 1137; Bethe 1899, 2359; Huxley 1969, 12 f. 88 In einem weiteren Zeugnis (Praxiphanes F 18 (Wehrli) = Marcellinus, Vita Thucydidis, 29 = Choirilos T 5 Bernabé) steht Choirilos wie auch andere Autoren in einer losen Verbindung zu Archelaos. S.o. 2 f. 89 S.u. 183 f. 90 Plut. Lys. 18.7 f. = Choirilos T 3 Bernabé. 91 Schmid/ Stählin 1934, 542. Ebenso Bethe 1899, 2359.

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Die Makedonienaufenthalte der griechischen Intellektuellen

mer um sich hatte“ (Χοιρίλον [..] ἀεὶ περὶ αὑτὸν εἶχεν; Plut. Lys. 18.7 f. = Choirilos T 3 Bernabé). Wie lange Choirilos sich in der Umgebung des Lysander aufhielt, ist unklar. Aber irgendwann nach 404 und vor 399 wird er nach Makedonien gegangen sein, falls diese Nachrichten als historisch gelten dürfen. Dieser Zeitraum ist auch deshalb plausibel, da der Aufenthalt einiger anderer in Makedonien tätigen Intellektuellen ebenfalls etwa in das zweite Drittel der Regierungszeit des Archelaos fällt.92 Die Suda überliefert, dass Choirilos „um die Zeit des Panyasis geboren wurde und zur Zeit der Perserkriege, in der 75. Olympiade (480/79), bereits ein junger Mann war“ (γενέσθαι δὲ κατὰ Πανύασιν τοῖς χρόνοις, ἐπὶ δὲ τῶν Περσικῶν, Ὀλυμπιάδι οε´ (480/79), νεανίσκον ἤδη εἶναι; Sud. χ 595 Χοιρίλος Adler = Choirilos T 1 Bernabé). Panyasis wurde um 500 geboren. Diese Angabe ergibt zusammen mit dem bezeugten Todesdatum vor 399 v. Chr. ein Lebensalter des Choirilos von ca. 100 Jahren.93 Die biographischen Bezüge zu Herodot, insbesondere das in der Suda konstatierte Liebesverhältnis zwischen den beiden Autoren, darf als erfunden gelten und die Nähe der beiden zueinander ist wohl aufgrund der übereinstimmenden Thematik ihres jeweiligen Werkes hergestellt worden.94

6. Zeuxis in Makedonien Plinius d. Ä. (Plin. Nat. hist. 35.62 = DNO 1710 = DNO 1728) erzählt als Beispiel für den Reichtum des Zeuxis, dass der Maler dem Archelaos das Gemälde eines Pan als Geschenk überlassen habe, da er meinte, dass es keinen angemessenen Preis für seine Werke gebe.95 Diese Nachricht über einen Kontakt zwischen dem Maler und dem makedonischen König wird durch den Bericht Aelians (Ael. Var. hist. 14.17 = DNO 1721) gestützt und konkretisiert. Aelian bezeugt, dass Archelaos 400 Minen für die Ausschmückung seines Hauses aufgewandt haben soll, wofür er Zeuxis engagiert habe. Daran zeigt sich die Wertschätzung der Kunst des Zeuxis und der hohe Bekanntheitsgrad des Malers in dieser Zeit.96 Es schien zumindest der Tradition 92 Zu Euripides 19 ff.; zu Agathon 27 ff. 93 Warum Fantuzzi/ Stol 1997, 1137 dies als „erfundene oder sehr grobe Angaben“ bezeichnen, ist nicht nachzuvollziehen. Ihr Artikel ist auch an anderer Stelle problematisch, da Plutarch (Lys. 18.7 f. = Choirilos T 3 Bernabé) nicht bezeugt, dass Choirilos „an einem Agon in enkomiastischer Dichtung zu Ehren des Lysander auf Samos“ teilgenommen hat, sondern nur dass Lysander wollte, dass Choirilos ein Gedicht zu seinen Ehren schreibt. Dagegen haben nach Plutarch (ebda.) Antimachos von Kolophon und Nikeratos von Herakleon an diesem Agon teilgenommen. 94 MacFarlane 2006, 22. 95 In den Quellen ist immer wieder sein Stolz, seine Arroganz und die Zurschaustellung seiner Kunst und seines Reichtums bezeugt: z. B. DNO 1711, 1712, 1719, 1728, 1729, 1735, 1738, 1739, 1740. 96 DNO, 906 (Resümee); Cic. De inv. 2.1 (= DNO 1733); Luc. Zeuxis 3 (= DNO 1729); Zeuxis wird auch bei Platon als Paradebeispiel eines Malers genannt (DNO 1713, 1714), außerdem bei Isokrates (DNO 1715, dazu 1720) und Xenophon (DNO 1723), bis hin zu Hieronymos (DNO 1722).

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Diskussion

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plausibel, dass Archelaos ihn beschäftigt haben könnte. Der Besuch des Zeuxis beim makedonischen König wird in der Forschungsliteratur nicht angezweifelt.97

7. Weitere Literaten in Makedonien Weitere Literaten, die in einem Fragment des Peripatetikers Praxiphanes in einen Zusammenhang mit Archelaos gebracht wurden, wurden wegen der vagen Verbindung von der Untersuchung ausgeschlossen.98 Sokrates soll eine Einladung des Makedonenkönigs abgelehnt haben. Dies ist ein Zeugnis dafür, dass Archelaos – in den Quellen – Interesse an weiteren Intellektuellen hatte, nicht nur aus dem literarischen und künstlerischen Bereich.99

8. Diskussion Im Falle von Euripides und Agathon sprechen die Evidenzen eher für die Faktizität eines Makedonienaufenthalts. Erstens legt die Tragödie Archelaos des Euripides die Verbindung des Autors selbst zum König nahe. Sie ist nicht nur zeitgenössisch, sondern vom selben Dichter geschrieben, dessen Makedonienaufenthalt bei Archelaos in Frage steht. Zweitens kann der Kern der anekdotischen Erzählung des Aristoteles, dass Euripides in Verbindung mit dem makedonischen König gebracht wurde, aufgrund der persönlichen Einbeziehung des Autors in die makedonischen Verhältnisse ca. 60 Jahre später als faktisch gelten. Ebenso weist die Aufstellung eines bloßen Kenotaphs in Athen eher auf die tatsächliche Bestattung des Euripides in Makedonien.100 Auch die zeitgenössische Anspielung auf den Makedonienaufenthalt Agathons in Aristophanesʼ Thesmophoriazusen erscheint im Zusammenhang mit den restlichen Nachrichten plausibel. Somit ergeben die räumliche und zeitliche Nähe der Zeugnisse respektive die Unwahrscheinlichkeit der Tradierung einer falschen Sachlage das Argument, dass die Nachrichten über einen Makedonienbesuch der beiden Tragiker eher Historizität beanspruchen können. Es bleibt, nach Gründen zu fragen, warum die Dichter Athen verlassen haben und sich in Makedonien bei einem Monarchen, der von Plato als grausamer Tyrann dargestellt wurde,101 aufgehalten haben könnten. Bei der Zeit, in der die griechischen Dichter und Künstler zu ihm gekommen sein können,102 handelt es sich um die letzte Phase des Peloponnesischen Krieges, in der Athen militärische Rückschläge erlitt. 97 98 99 100 101 102

Gschwantler 1975, 139 f. Scheibler 1994, 14 f., 18 f. S.o. 2 f. S.o. 16 f. Schorn 2004, 311 f. mit Anm. 709. S.o. 20. Platon, Gorg. 471a–d. S. o. 15 f. Siehe die Analysen ab S. 19.

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Die Makedonienaufenthalte der griechischen Intellektuellen

Die Dichter stießen in Athen nicht ungeteilt auf Zuspruch.103 Außer im Falle von Timotheos, der nach der Erzählung Plutarchs104 den Geiz des Archelaos besungen haben soll, weil er schlecht bezahlt worden sein soll, vermitteln die Quellen das Bild von einem reichen und großzügigen König.105 Der Besitz des Archelaos wurde also in der literarischen Tradition in verschiedenen Varianten verarbeitet und ausgearbeitet. Demnach scheint er ein König gewesen zu sein, der Möglichkeiten gehabt haben dürfte, Intellektuelle zu protegieren. Haben die Intellektuellen deshalb Athen verlassen, weil sie dort nicht mehr den Raum vorfanden, ihre poetischen, künstlerischen und musikalischen Experimente durchzuführen und zu zeigen? Hat Archelaos die Gunst der Stunde genutzt und prominente, aber in Athen nicht immer anerkannte Dichter und Künstler aus der geschwächten Polis abgeworben und so sein Prestige in Makedonien und der griechischen Welt mehren können? Der makedonische König wirkte durch verschiedene Aktionen politisch und militärisch über die Grenzen des makedonischen Einflussgebiets hinaus. Durch die Patronage griechischer Intellektueller verfolgte er gezielt ein kulturell-politisches Programm, um seine Geltung vor Griechen und Makedonen zu stärken.106 Den Makedonienaufenthalt des Timotheos bezeugen Plutarch, Stephanos von Byzanz und die Suda, den des Choirilos die Suda und Athenaios, Zeuxis verorten Plinius d. Ä. und Aelian nach Makedonien. Die Tradierung dieser Nachrichten setzt im 1. Jh. n. Chr. ein, wird bis ins 3. Jh. fortgesetzt und ist in byzantinischer Zeit wieder greifbar. Es liegen also etwa 400 Jahre zwischen der möglichen Begegnung mit Archelaos und der Erzählung darüber. Es muss damit gerechnet werden, dass es in dieser Zeitspanne zur Legendenbildung kam und Timotheos, Choirilos und Zeuxis gar nicht in Makedonien waren, sondern die Autoren dieser Erzählungen einen derartigen Aufenthalt konstruiert haben. Die Nachrichten werden in Biographien, Lexika bzw. Enzyklopädien und poikilographischen Werken überliefert. Die genannten Literaturgattungen können nur bedingt einen Anspruch auf Historizität erheben. Biographen tendieren zur Idealisierung, die historische Authentizität kann in den Hintergrund rücken.107 Ebenso verfolgen Verfasser von poikilographischen Werken oder Nachschlagewerken nicht in erster Linie das Ziel einer historisch genauen Darstellung, sondern zielen eher auf Unterhaltung oder summarisches Wissen ab. Das heißt, die Quellenlage zu Euripides und Agathon spricht eher für einen faktischen Besuch dieser Dichter in Makedonien. Was Timotheos, Choirilos und Zeuxis betrifft, kann nicht mit letzter Sicherheit bestätigt werden, ob es sich bei den entsprechenden Nachrichten um fiktionale Konstrukte oder tatsächliche Begebenheiten handelt. Wieso konnte also in der Überlieferung das Konstrukt entstehen, dass Intellek103 S.o. 18. 104 Plut. De fort. Alex. I., Mor. 334 B und [Plut.] Reg. et imp. apophthegm., Mor. 177 B = Tim. F 801 PMG. S.o. 32 f. 105 S.o. 17. 106 S.o. 5 ff. 107 Sonnabend 2002, 3 ff. Zum Verhältnis von Historizität und Fiktionalität in der Biographiensammlung des Satyros: Schorn 2004, 46–49.

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Diskussion

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tuelle sich bei Archelaos aufgehalten haben? Welche Motive können die Testimonienautoren gehabt haben, griechische Intellektuelle in der Fiktion nach Makedonien zu verorten? Um diese Fragen zu beantworten, wird im folgenden Kapitel der Charakter deren Dichtung analysiert und auf Gemeinsamkeiten hin untersucht.

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IV. Die Dichter und Künstler um Archelaos als Wegbereiter des Hellenismus 1. Methode, Begriffe, These Die Ausführungen im vorherigen Kapitel haben gezeigt, dass die Verbindung der griechischen Intellektuellen mit Archelaos, wie sie in antiken Testimonien dargestellt ist, konstruiert worden sein kann. Handelt es sich um ein Konstrukt, hätte sich eine Tradition herausgebildet, die eine Gruppe von Dichtern und Künstlern aus bestimmten Gründen in dieses Milieu versetzte. Für manche der zu untersuchenden Dichter haben Forscher die Beobachtung gemacht, dass deren künstlerischen und poetischen Produkte Ähnlichkeiten zur sogenannten hellenistischen Dichtung aufweisen.1 Das Menschenbild, das Euripides in seinen Tragödien zeichnet, gilt als „modern“.2 Hordern setzt Timotheos von Milet und seine Kollegen der „Neuen Musik“ zum Hellenismus in Bezug: „Their influence on later lyric is hard to judge in the absence of much material, but there is clear evidence that they had some impact on Hellenistic poetry. Indeed, many features that we now regard as characteristic of the Hellenistic period may have been foreshadowed in the lyric of the late fifth and fourth centuries.“3 Pastorale, humoristische und erotische Züge in den Gedichten etwa des Philoxenos oder Melanippides bereiteten, so Hordern, diese charakteristischen Elemente der hellenistischen Dichtung vor.4 Reichel verweist auf Ähnlichkeiten zwischen der Epik des Choirilos von Samos und hellenistischen Epen.5 Anhand eines Epigramms des Krates (AP 11.218) konstatiert Huxley, dass sich der hellenistische Autor Euphorion stilistisch an Choirilos von Samos orientiert habe.6 In der vorliegenden Untersuchung werden Verbindungen zur hellenistischen Literatur darüber hinaus dargelegt. Es ist die These zu überprüfen, ob die Nachrichten, die gewisse griechische Intellektuelle nach Makedonien zu Archelaos verorten, nicht deshalb entstanden sein können, weil sie Ästhetika und Stilistika bevorzugten, die vor allem für den Hellenismus bekannt sind. In den nachfolgenden Kapiteln soll dafür die Dichtung und 1 2 3 4

Zur Definition des Begriffs „Hellenismus“ s.u. 39. Demandt 1996, 22; zum Begriff „modern“ ebda., 19–21. Acosta-Hughes 2010, 88. Hordern 2002, 2. Hordern 2002, 20 f.; außerdem 37. Des Weiteren Robbins 2002a, 597; Pickard-Cambridge 19622, 51. 5 Reichel 2011, 76: „Als Verfasser historischer Epik und möglicherweise auch eines biographisch-panegyrischen Werks auf Lysandros hat er wie sein Konkurrent Antimachos, wenn auch auf ganz andere Weise, Formen der hellenistischen Epik antizipiert.“ 6 Huxley 1969, 26 f.

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Methode, Begriffe, These

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Kunst der Intellektuellen um Archelaos analysiert und mit hellenistischer Kunst und Literatur verglichen werden. Mit „Hellenismus“ bzw. „hellenistisch“ ist die Zeit etwa ab dem letzten Drittel des 4 Jh. v. Chr. bis mindestens zum Ende des 1. Jh. v. Chr. gemeint. Droysen hat diesen umstrittenen Begriff als Epochenbezeichnung kreiert.7 Gemeinhin wurde damit die Zeit vom Herrschaftsantritt Alexanders d. Gr. (336 v. Chr.) bis zum Jahr 30 v. Chr. bezeichnet.8 Neuere Ansätze setzen die Epochengrenzen flexibler.9 Da diese Zeit durch bestimmte kulturelle Phänomene geprägt ist, zu denen eine besondere Art und spezifische Voraussetzungen zu dichten gehören, wird hier „hellenistisch“ auch als kultureller Begriff verstanden.10 Die Bezugnahmen auf die hellenistische Literatur, die für die vorliegenden Stilanalysen relevant werden, lassen sich mit zwei der Kategorien Genettes beschreiben.11 Genette fasst verschiedene Arten von Bezügen zwischen Texten unter dem Begriff „Transtextualität“ zusammen. Der erste Typ besteht in wörtlichen Bezugnahmen auf einen – um die Terminologie Genettes zu verwenden – „Hypotext“. Genette bezeichnet diesen Typ als „Intertextualität“ und meint damit Zitate, Plagiate und Anspielungen. In diesen Fällen lassen sich also konkrete Verbindungen der hellenistischen Literatur auf einen bestimmten Text eines der Autoren um Archelaos feststellen. Der zweite Typ, der für diese Untersuchung wichtig wird, betrifft strukturelle, stilistische oder thematische Übereinstimmungen. Diese Form der Transtextualität lässt sich am ehesten mit der von Genette eingeführten „Hypertextualität“ identifizieren. Ein Hypertext (B) kann ohne den Hypotext (A) strukturell nicht existieren.12 Hier ist allerdings nicht gemeint, dass ein (hellenistischer) Text B genau auf einen Text A referiert, wie es in Genettes Modell vorgesehen ist. Aber die Verbindungen zwischen Text A und B in der hier vorliegenden Studie müssen so spezifisch sein, dass die Texte – respektive Gemälde – A als „hellenistisch“ bezeichnet werden können. Um zu verdeutlichen, was mit „hellenistischer“ Kunst und Literatur gemeint ist, sollen hier einige Charakteristika als Folie für den Vergleich mit den Texten, die von und über die Intellektuellen um Archelaos geschrieben wurden, skizziert werden. Hellenistische Literatur und Kunst zeichnet sich durch realitätsnahe Darstellungen, sprachliche und stilistische Feinheiten, detailgetreue, mimetische Beschreibungen und gelehrte Verweise auf die vorherige Literatur aus.13 So haben zum Beispiel die sog. Dichtergelehrten (poetae docti) etwa im ptolemäischen Alexandria in ihre Gedichte durch intertextuelle Bezüge auf die vorherige Literatur ihre reichen Kenntnisse, die sie 7 Droysen 1836. 8 Zur Schwierigkeit des Begriffs und der zeitlichen Abgenzung: Bichler 1983; Kassel 1987; Demandt 1996; Acosta-Hughes 2010, 82. 9 Préaux 1978; Green 1990. 10 Siehe auch Männlein-Robert 2007, 1, Anm. 1. 11 Genette 1993, 9–18. 12 Zum Modell Genettes siehe auch Berndt/ Tonger-Erk 2013, 111–132. 13 Gutzwiller 2007, 29 ff. Dort weitere Textbeispiele. Außerdem Hunter/ Fantuzzi 2004.

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bei der Aufbereitung der überlieferten Texte gewonnen haben, einfließen lassen.14 Ihre literarische Kenntnis und ihr technisches Können zeigen sich unter anderem in der originellen Kombination verschiedener genrespezifischer Elemente in einem Gedicht, der sogenannten „Gattungsmischung“.15 Integration verschiedener Gattungsmerkmale, Archaismen, Fokussierungen auf alltägliche Details, „menschliche“16 Situationen und Charaktere gelten als spezifisch „hellenistisch“.17 Bezüge zur hellenistischen Kunst und Literatur werden in den folgenden Kapiteln deutlich gemacht. Ein bedeutendes Element der Dichtungen der Autoren im Umfeld des Archelaos stellen außerdem Experimente im musikalischen Bereich dar. Diese entsprechen teilweise Tendenzen, die in der hellenistischen Musik prominent wurden,18 und dienen daher als wichtiges Kriterium für die Eruierung von Bezügen zu dieser späteren Zeit. Ebenso spielen die für die hellenistische Zeit wichtigen Vergöttlichungen von Herrschern eine Rolle.19

2. Euripides Vom Dichter Euripides ist ein vergleichsweise umfangreiches Œuvre (18 Dramen) erhalten. Für die hier vorliegende Studie werden die Tragödien untersucht, deren Produktion in die Zeit des anzunehmenden Makedonienaufenthalts des Tragikers fällt.20 Dazu gehören die Tragödien Archelaos, Bakchen, Iphigenie in Aulis und der nur in wenigen Fragmenten überlieferte Alkmaion in Korinth. 2.1 Die Tragödie Archelaos 2.1.1 Vorbemerkungen Die Tragödie Archelaos stellt eine der Hauptevidenzen für eine Verbindung des Euripides mit Archelaos dar.21 Allein die Übereinstimmung von Tragödientitel und Name des Herrschers gibt dem Stück einen singulären Stellenwert im Rahmen der Untersuchung der Intellektuellen bei Archelaos. Die Tragödie verleiht darüber hinaus

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Männlein-Robert 2010, 160–166. Stanzel 2010, 187. Hunter/ Fantuzzi 2004, 26–37. Gutzwiller 2007, 30. Z.B. ist Theokrits Epyllion Herakliskos (Idyll 24) im Versmaß des Epos, im Hexameter verfasst, benutzt epischen Wortschatz und mythisches Personal, ist aber bedeutend kürzer als ein Epos (140 Verse). Ungewöhnlich für ein Epos ist die dorische Dialektfärbung (Dorisch findet sich normalerweise in Chorliedern; außerdem in der Lyrik [Pindar, Bakchylides, Alkman]) und die Darstellung unheroischer, familiär-alltäglicher Situationen. Somit vereint Theokrit in seinem Epyllion Merkmale verschiedener Genera und deutet konventionelle Elemente um. Pöhlmann 2010, 38. Petrovic 2015, 429–443. S.o. 20 f. S.o. 20.

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dem Verhältnis zwischen König und Dichter, in diesem Fall zwischen Archelaos und Euripides, eine besondere Aussagekraft.22 Zielinski vermutet, dass die Tragödie Archelaos als drittes Stück zusammen mit dem Temenos und den Temeniden, die beide ebenfalls fragmentarisch überliefert sind, eine Trilogie gebildet habe.23 Diese Vermutung beruht darauf, dass alle drei Tragödien zum selben Sagenkreis gehören. Harder weist diesen Ansatz überzeugend zurück.24 Abgesehen davon, dass eine thematische Übereinstimmung bei Euripides gerade nicht das ausschlaggebende Argument für eine Trilogie ist – die einzige uns bekannte Trilogie, die bei ihm denselben Themenkreis berührt, setzt sich aus Alexandros-Palamedes-Troades (eventuell auch dem zugehörigen Satyrspiel Sisyphos) zusammen –, verhält es sich im vorliegenden Fall so, dass ein sachlicher Widerspruch zwischen Temenos beziehungsweise Temeniden und der Tragödie Archelaos besteht. Während sich der Protagonist Archelaos in einem der beiden erstgenannten Stücke25 als Erwachsener vor der Rückkehr des Temenos nach Argos in einem Kampf behauptet, scheint er im Archelaos erst nach der Rückkehr des Temenos nach Argos geboren worden zu sein. Außerdem würde, wenn der Archelaos das letzte Stück einer Trilogie wäre, die lange Genealogie zu Beginn der Tragödie verwundern, über welche das Publikum doch eher zu Beginn der Trilogie informiert werden müsste.26 Dass der Archelaos als ein unabhängig konzipiertes Stück aufgeführt wurde, ist nicht unwahrscheinlich. Denn es gibt keine Evidenz, dass in Makedonien Tragödien auch als Trilogien aufgeführt wurden.27 2.1.2 Die Handlung des Archelaos In seiner 219. Fabel gibt Hygin den Plot des Archelaos wieder. Gemeinhin wird diese Zusammenfassung der Archelaos-Geschichte als Grundlage für die Rekonstruk-

22 Der Archelaos ist durch den Kommentar von Annette Harder, der als ihre Dissertationsschrift im Jahr 1985 erschien (Harder, A., Euripides᾽ Kresphontes and Archelaos. Introduction, Text and Comentary, Leiden 1985, 123 ff.), und durch die Ausgabe der Tragiker–Fragmente von Richard Kannicht aus dem Jahr 2004 (Kannicht, R., Tragicorum Graecorum fragmenta, Vol. 5.1, Göttingen 2004, 313–331) aufgearbeitet und ediert worden. Den hier zitierten Texten aus dieser Tragödie liegt die Ausgabe von Kannicht zugrunde. Weitere grundlegende Literatur zum Archelaos: Collard/ Cropp, 2008, 229–257; Collard/ Cropp/ Gibert 2004, 330–362; Di Gregorio 1987, 279–318; Jouan/ Van Looy 1998, 275–307; Katsouris 2005, 205–226; Matthiessen 2002, 256–8; Webster 1967, 252–257; Xanthakis-Karamanos 1993, 510–533. 23 So Zielinski 1925, 236. Zu Temenos und Temeniden: Harder 1991, 117–135. 24 Harder 1985, 127–9. Katsouris 2005, 206–8 bestätigt dies. 25 PMich. inv. 1319 kann nicht eindeutig dem Temenos oder den Temeniden zugeordnet werden, aber doch mit hoher Wahrscheinlichkeit einem der beiden Stücke. Siehe dazu Harder 1985, 128 und 289 f. 26 Harder 1985, 128. 27 Zur Möglichkeit der Aufführung dieses Stückes in Makedonien s.o. 54–56.

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tion des Stückes verwendet. Annette Harder schreibt ihren Kommentar „on the assumption that the fabula offers a faithful summery of Euripides᾽ play.“28 [1] Archelaus Temeni filius exul a fratribus eiectus in Thraciam29 ad regem Cisseum venit, qui cum a finitimis oppugnaretur, Archelao regnum et filiam in coniugium dare pollicetur si se ab hoste tutatus esset Archelaus, quia ab Hercule esset oriundus; nam Temenus Herculis filius fuit. [2] qui hostes uno proelio fugavit et ab rege pollicita petit. ille ab amicis dissuasus fidem fraudavit eumque per dolum interficere voluit. [3] itaque foveam iussit fieri et multos carbones eo ingeri et incendi et super virgulta tenuia poni, quo cum Archelaus venisset ut decideret. [4] hoc regis servus Archelao patefecit; qui re cognita dicit se cum rege colloqui velle secreto; arbitris semotis Archelaus regem arreptum in foveam coniecit atque ita eum perdidit. [5] inde profugit ex responso Apollinis in Macedoniam capra duce, oppidumque ex nomine caprae Aegeas constituit. ab hoc Alexander Magnus oriundus esse dicitur. Hyg. Fab. 219 (Marshall) [1] Archelaos, der Sohn des Temenos, wurde als Verbannter von seinen Brüdern vertrieben und kam nach Thrakien zu König Kisseus, der, weil er von seinen Nachbarn angegriffen wurde, dem Archelaos versprach, sein Reich und seine Tochter zur Heirat zu geben, wenn Archelaos ihn vor seinem Feind beschützt hätte, weil er von Herkules abstammen müsse; denn Temenos war der Nachkomme des Herkules. [2] Dieser schlug die Feinde in einer Schlacht in die Flucht und verlangte vom König das Versprochene. Nachdem jener von Freunden abspenstig gemacht worden war, brach er sein Versprechen und wollte ihn durch eine List töten. [3] Deshalb befahl er, eine Grube auszuheben, viele Kohlen hineinzuschütten und anzuzünden und darüber zarte Zweige zu legen, damit Archelaos, wenn er käme, in sie hineinfalle. [4] Dies eröffnete ein Sklave des Königs dem Archelaos; nachdem die Sache bekannt geworden worden war, sagte dieser, dass er sich mit dem König im Geheimen unterreden wolle; ohne Zeugen hat Archelaos den König ergriffen und in die Grube geworfen und ihn so umgebracht. [5] Deshalb floh er auf einen Spruch des Apollon hin nach Makedonien unter Leitung einer Ziege, und gründete die Stadt Aigai nach dem Namen der Ziege. Man sagt, dass von diesem Alexander d. Gr. abstammen müsse.

28 Harder 1985, 170. So auch Collard/ Cropp 2008, 230. Dagegen hat Huys 1997, 28 f. die Glaubwürdigkeit der Fabel als Plot des Archelaos bezweifelt. 29 Thraciam ist die Lesart Harders 1985, 146; Marshall hat Macedoniam, was zum Ab-

schnitt 5 weniger passt, da Archelaos dann nach Makedonien flieht.

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2.1.3 Der Prolog des Archelaos als genealogische Legitimierung des Königs Der euripideischen Tragödie Archelaos können 37 Fragmente sicher zugeschrieben werden. Viele von ihnen stammen aus dem Florilegium des Stobaios und haben Sentenzcharakter.30 Es gab verschiedene Versuche, diese Fragmente in die Fabel Hygins einzuordnen, die hier nicht im Einzelnen wiedergegeben werden sollen. Vielmehr soll der Fokus der Analyse und der Diskussion auf den Fragmenten liegen, die eine Relevanz für die vorliegende Fragestellung haben. Es sei auf den Kommentar von Annette Harder hingewiesen, die zu jedem Fragment die Möglichkeiten der Zuordnung zu einem Kontext diskutiert.31 Δαναὸς ὁ πεντήκοντα θυγατέρων πατήρ Νείλου λιπὼν κάλλιστον †ἐκ γαίας† ὕδωρ, ὃς ἐκ μελαμβρότοιο πληροῦται ῥοάς Αἰθιοπίδος γῆς, ἡνίκ᾽ ἂν τακῇ χιών †τεθριππεύοντος† ἡλίου κατ᾽ αἰθέρα, ἐλθὼν ἐς Ἄργος ᾤκισ᾽ Ἰνάχου πόλιν∙ Πελασγιώτας δ᾽ ὠνομασμένους τὸ πρίν Δαναοὺς καλεῖσθαι νόμον ἔθηκ᾽ ἀν᾽ Ἑλλάδα. Eur. F 228 Kannicht Danaos, der Vater von fünfzig Töchtern, verließ das schönste Wasser des Nils †aus dem Land†, der aus Äthiopien, das von dunkelhäutigen Menschen bewohnt ist, seine Fluten füllt, wenn der Schnee schmilzt und die Sonne †ihr Viergespann† am Himmel entlangführt. Er kam in die Argolis32 und gründete die Stadt am Inachos; er hat in Griechenland den Brauch eingeführt, dass die, die vorher Pelasger hießen, Danaer genannt werden.

30 So Eur. F 234–240, 242–247, 249–254, 256–259, 261–264 Kannicht. 31 Weitere Vorschläge der Herstellung der Handlung und Szenerie der Tragödie Archelaos anhand der Fragmente und der Fabel Hygins finden sich bei: Kannicht 2004 (TrGF 5.1), 314 (dort weitere Literaturangaben); Webster 1967, 255–257; Xanthakis-Karamanos 1993, 510–33; Jouan/ Van Looy 1998, 282–90; Katsouris 2005, 205–226; Collard/ Cropp 2008, 231 f.; Collard/ Cropp/ Gibert 2004, 330–333. 32 Zur Schwierigkeit der Formulierung ἐλθὼν ἐς Ἄργος ᾤκισ᾽ Ἰνάχου πόλιν, in der einerseits die Stadt Argos schon besteht, da Danaos sonst nicht dorthin kommen könnte, und dieser andererseits die Stadt des Inachos, die mit Argos identisch ist, gründet, siehe Harder 1985, 181, 188 f., 199. Die beste Lösung ist hier, Ἄργος mit der zu dieser Stadt zugehörigen Landschaft Argolis gleichzusetzen (Harder 1985, 199; Collard/ Cropp/ Gibert 2004, 339, 350). Ähnliche Formulierung in Eur. El. 1.

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]….[ ]……[..]..[ ].περμ.[.]……[….]….ν …. …. οὐκ̣ ἔ̣ψαυσε∙ Λυγκέως ...... Ἄ[β]ας ἐγένετο∙ τοῦ δὲ δίπτυχον γένο[ς∙ Π̣ρ̣ο̣ῖ̣τος μανε[ι]σῶν θυγατέρων τρισ̣σ̣ῶν̣ ̣ π̣α̣τ̣ή̣ρ̣, ὅς τ᾽ ἐγκατ̣ῆ̣γ̣εν̣ χαλκέῳ νυμφ̣εύματ̣[ι Δανά̣η̣ν̣ ...θ̣ει̣ς̣ ... Ἀκρίσιό̣ς ποτε. Δανά̣η̣ς̣ δ̣ὲ̣ Περσεὺς ἐ̣γένετ᾽ ἐκ χρυσορρύτων σταγόνων, ὃς ἐλθὼ̣ν̣ Γ̣ο̣ρ̣γόνος καρατόμος Αἰθίοπ᾽ ἔγημε̣ν̣ Ἀνδρομέδαν τὴν Κηφέως, ἣ τριπτύχους̣ ἐ̣γείνατ᾽ ἐκ Περσέως κόρους∙ Ἀ̣λ̣κ̣αῖον ἠδ̣ὲ̣ Σθένελον ὅς τ᾽ Ἄργους πόλιν ε̣[ἶ]χ̣ε̣ν̣ Μ̣υκ̣ ̣ή̣νας, πατέρα δ᾽ Ἀλκμήνης τ̣ρ̣ί̣το̣ ̣ν̣ Ἠ̣λ̣εκτρύωνα∙ Ζ[ε]ὺς δ᾽ ἐς Ἀλκ̣μ̣ή̣νης λέχος πε̣[σ]ὼ̣ν τὸ κλειν[ὸ]ν̣ Ἡ̣ρ̣ακλέους σπείρει δέμας. Ὕλλ̣ος δὲ τοῦδ[ε], Τήμενος δ᾽ Ὕλλου πατρός, ὃς Ἄρ̣γος ᾤκησ᾽ Ἡ̣ρ̣α̣κλέους γεγὼς ἄπο. ἀπαιδίᾳ δὲ χρώμενος πατὴρ ἐ̣μός̣ Τήμενος ἐς ἁγν̣ῆ̣ς ἦλθε Δωδώνης πτύχας τέκνω̣ν ἔρωτι∙ τῆς δ᾽ ὁμωνύμου Διός πρό̣πο̣λ[ο]ς Διώνης εἶπε Τημένῳ τάδε∙ ῾ὦ παῖ πεφυκὼς ἐκ γονῶν Ἡρακλέους, Ζεύς σ[οι] δίδωσι παῖδ᾽, ἐγὼ μαντεύομαι, ὃν Ἀρχ[έλ]α̣ον χρὴ καλεῖν ... α[].[.].[ Eur. F 228a Kannicht = PHamb. 118 a col. II

… er/sie berührte nicht; von Lynkeus…wurde Abas geboren; dessen Geschlecht war zwiefältig: Proitos, Vater dreier rasend gewordener Töchter, und Akrisios, der einst Danae in ein ehernes Brautgemach hinabführte … . von Danae wurde aber Perseus aus goldfließenden Tropfen geboren, der kam, nachdem er Gorgo enthauptet hatte, und heiratete die Äthiopierin Andromeda, die Tochter des Kepheus, die Perseus drei Söhne gebar: Alkaios und Sthenelos, der Mykene, die Stadt in der Argolis, innehatte, und den Vater der Alkmene als dritten, Elektryon; Zeus drang in das Lager der Alkmene und zeugte den ruhmreichen Herakles. Hyllos aber war dessen Sohn, Temenos aber Sohn des Vaters Hyllos, der [sc. Temenos] als Nachfahr des Herakles Argos bewohnte. Da aber mein Vater Temenos kinderlos war, kam er zu den Schluchten des heiligen Dodone aus Verlangen nach Kindern; die Priesterin der Dione, die mit Zeus den gleichen Namen trägt, sagte dem Temenos Folgendes: „Kind, erzeugt von der Nachkommenschaft des Herakles, Zeus gibt dir ein Kind – ich weissage es – welches Archelaos heißen soll …

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Fragment 228 stellt den Beginn der Tragödie dar. Pseudo-Plutarch nennt Vers 1 des F 228 als einen von drei Dramenanfängen des Euripides.33 Die Zuweisung zum Archelaos bleibt zwar aus, aber ist durch weitere Testimonien34 belegt. Archelaos selbst ist der Sprecher des Prologs. In den Versen 19 und 20 des F 228a nennt der Prologsprecher seinen Vater (ἀπαιδίᾳ δὲ χρώμενος πατὴρ ἐμός | Τήμενος ἐς ἁγνῆς ἦλθε Δωδώνης πτύχας – „Weil mein Vater Temenos kinderlos war, kam er zu den Schluchten des heiligen Dodone“). In der Prophezeiung (V. 23–25), die in wörtlicher Rede erscheint, sagt Dione den Namen des verheißenen Nachkommens des Temenos voraus, welcher in der Situation, in der der Prolog gesprochen wird, bereits existiert. Die Tragödienfigur Archelaos gibt also die Prophezeiung seiner eigenen Geburt wieder. Dadurch wird die Existenz seiner Person mit besonderem Nachdruck legitimiert. In der aitiologischen Erklärung der Geburt des mythischen Archelaos spiegelt sich das Bedürfnis des historischen Königs Archelaos, seinen Status als Herrscher von Makedonien zu erklären. Die Existenz des Archelaos der Tragödie ist zudem durch die Prophezeiung göttlich initiiert und gerechtfertigt. Diese göttliche Legitimation wird dadurch auf den makedonischen Herrscher projiziert. Der Prolog des Archelaos beinhaltet im Wesentlichen eine lange Genealogie. Das Fragment 228 und damit die Tragödie beginnt mit Δάναος (Danaos, V. 1), dem Stammvater der Danaer. Dem Danaiden-Mythos zufolge haben die 50 Töchter des Danaos ihre Ehegatten in der Hochzeitsnacht getötet, nur Hypermestra beging diese Tat nicht. Die folgenden Verse des Prologs thematisieren die Reise des Danaos von Äthiopien nach Griechenland, die mit der Gründung von Argos endet (V. 6). Die breite Beschreibung der Nilschwemme bei der Schneeschmelze über drei Verse hinweg (V. 3–5) lässt vermuten, dass diese Verse interpoliert worden sind.35 Tatsächlich stellen die Verse 3–5 mehr Schmuckwerk als notwendige Information für den Fortgang des Gedankengangs dar, stören aber die Interpretation nicht. Danaos war für die Einführung des Namens „Danaer“ anstelle von „Pelasger“ für die Bewohner von Argos verantwortlich (V. 7 f.).36 Diese Namensänderung verschafft Danaos Ehre, die gleichzeitig seinem Nachkommen Archelaos zufällt, da er in der Genelao33 [Plut.] Vit. Dec. orat., Mor. 837 E: [Isocrates] ἐτελεύτα [...] προειπὼν τρεῖς ἀρχὰς δραμάτων Εὐριπίδου („Isokrates endete … und sagte drei Dramenanfänge des Euripides auf.“). Dazu: Harder 1985, 179 f.; Kannicht 2004 (TrGF 5.1), 315. Der Verdacht, dass Ar. Ran. 1206–8 der eigentliche Beginn der Tragödie sein könnte, beruht wohl auf einer Fehlinterpretation des Scholions (Σ VEBarbΘ ad 1206) zu dieser Stelle und wurde von Kannicht überzeugend zurückgewiesen: Kannicht 2004a (TrGF 5.2), 885 f.; siehe auch Harder 1985, 179–182. 34 Anon. Flor. FGrHist 647 F 1 ,2 Jacoby. Strab. 5.2.4. Steph. Byz. s.v. Αἰθίοψ (A 124; 1, p. 90 f. Billerbeck) zitiert die Stelle zwar nicht ab Vers 1 wie die anderen beiden Referenzen, aber gibt den Vers 4 wieder und weist diesen dem Archelaos zu. Siehe auch Tzetzes (Exeg. Il. ad A 426 ed. Lolos BzKlPh 130 (1981) 119, 31) τις ἀνὴρ Ἀρχέλαος, cf. dazu Harder 1985, 179 f. 35 Tiberius, der die Verse 1–6 des F 228 zitiert (Tiberius, De fig. Demosth. 48 p. 44,10 Ballaira), bezeichnet die drei Verse über den Fluss als περιττοί (überflüssig). Daher gibt Harder 1985, 182 hier zu bedenken, dass die Verse 3–5 eine Interpolation sein könnten. 36 Die Bezeichnung „Danaer“ erscheint für diese Bevölkerungsgruppe nur bei Euripides. Homer, Aischylos und Sophokles benutzen diesen Namen immer für „Griechen“; siehe Harder 1985, 190.

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gie zu diesem in Bezug gesetzt wird. Insofern ist dieses etymologische Detail bewusst erwähnt.37 Denn eine ganze Bevölkerungsgruppe wird nach dem Vorfahren des Archelaos benannt. Durch den Namen Danaos wird aber gleichzeitig die Bedeutung „Danaer“ als Bezeichnung für die Griechen insgesamt assoziiert und Archelaos wird so mit ganz Griechenland verknüpft. Auf einem Papyrus befindet sich ein weiteres Stück des Prologs (F 228a = PHamb. 118 a col. II). Zwischen diesem Teil (F 228a) und dem ersten Teil (F 228) ist eine kleine Lücke anzunehmen, sodass der Prolog beinahe vollständig vorliegt. Denn περμ in Vers 3 (F 228a) deutet auf den Namen Hypermestras. Die Konjektur dieses Namens ist wegen Λυγκέως (V. 4) nahezu eindeutig. Denn Hypermestra ist die Tochter des Danaos, die als einzige ihren Gatten Lynkeus in der Hochzeitsnacht verschont hat. Insofern ist es wahrscheinlich, dass nur wenige Verse – Harder schlägt 3–4 vor – zwischen den beiden Fragmenten fehlen, um den Anschluss an F 228 zu gewährleisten.38 F 228 und 228a bilden zusammen eine Genealogie.39 Diese ist ungewöhnlich lang. Sie fängt mit Danaos an und hört mit Archelaos auf. Das heißt, sie reicht 11 Generationen in die Vergangenheit zurück. Dies stellt insofern eine Besonderheit im Œuvre des Euripides dar, als die längste Genealogie in einem Prolog in den erhaltenen Stücken des Euripides nur 5 Generationen umfasst (Or. 4 ff.).40 Die Geschlechterfolge läuft im Archelaos an drei Stellen über Frauen: Danaos᾽ Tochter Hypermestra, die mit hoher Wahrscheinlichkeit in Vers 3 (F 228a) genannt ist, bringt mit Lynkeus Abas hervor. Dessen Sohn Akrisios zeugt Danae, die von Zeus Perseus gebiert. Um Herakles in die Ahnenreihe einzufügen, lässt Euripides Alkmene, die Tochter des Elektryon, vorkommen. Vergleicht man diese Genealogie mit denen in den Prologen des HF, Ion, IT, Phönissen, Orest und Helena (386 ff.),41 in denen jeweils die sprechende Person ihre eigenen Vorfahren vorstellt, ist die Genealogie des Archelaos nicht nur die längste, sondern sie zeichnet sich auch durch die Implementierung von Frauen in die Ahnenreihe aus. Dies geschieht nur noch im Ion, wo Hermes Maia anführt, um zu seinem Ahn Atlas zu gelangen. Im Archelaos benötigt Euripides drei Frauen, um die entsprechende Ahnenreihe herzustellen. Diese Frauen werden darüber hinaus hervorgehoben. Nur für Hypermestra lässt sich eine besondere Erwähnung wegen des fragmentarischen Textzustands nicht konstatieren. Danae (V. 8 f.) und Alkmene (V. 14 f.) werden jeweils an derselben Stelle in zwei direkt aufeinander folgenden Versen genannt, Danae sogar an prominenter Stelle zu Beginn des Verses. Derselbe Wortlaut des Namens erzeugt zudem Assonanz. Die Ahnenreihe ist also nicht nur in ihrer Länge artifiziell, sondern auch in ihrem Aufbau. Die markanten Wörter fallen dabei durch die Position im Vers dem Rezipienten geradezu ins Ohr. 37 38 39 40 41

Harder 1985, 189. Harder 1985, 190. Eine schematische Darstellung der Genealogie mit allen im Prolog erwähnten Namen s.u. 48. Harder 1985, 178. Harder 1985, 178.

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Zeus, der hier drei Mal Erwähnung findet (V. 15, 21, 24), war ein wichtiger Gott in Makedonien und wurde im ganzen Land verehrt, unter anderem im langjährigen Herrschaftszentrum Aigai. Archelaos richtete diesem Gott um 400 v. Chr.42 einen eigenen Kult in Dion mit Opfern und Wettkämpfen (σκηνικοὺς ἀγῶνας) ein (Diod. 17.16.3– 4).43 Dion war die wichtigste Kultstätte des Zeus. Dass der Gott für Archelaos bedeutsam war, zeigt seine dreifache Nennung in der Genealogie. Herakles, auf den die makedonischen Könige ihre Abstammung zurückführten, spielte ebenso eine wichtige Rolle im makedonischen Götterkult. Auch die Ptolemäer, deren Reich auf den Errungenschaften Philipps und Alexanders basierte, hatten Herakles in ihrer Ahnenliste.44 Seit dem 5. Jh. ist Herakles mit den zugehörigen Attributen (Keule, Löwenfell) auf makedonischen Münzen abgebildet. Herakles wurde in Aigai und Pella verehrt.45 Er wird in der Genealogie ebenfalls drei Mal genannt (V. 16, 18, 23). Außer dem Gott Zeus und dem Heros Herakles rückt Temenos, der Vater des Archelaos, dadurch stärker in den Mittelpunkt, dass er auch drei Mal erwähnt wird (V. 17, 20, 22). Während Temenos aus der Notwendigkeit der Erzählung heraus häufige Erwähnung findet, erscheint die mehrmalige Nennung des Zeus und des Herakles etwas künstlich: Temenos ist im letzten Drittel des F 228a (ab V. 17) Hauptakteur. Er ist der Sohn des Hyllos (V. 17) und geht nach Dodone (V. 20), wo die Priesterin der Dione ihm weissagt (V. 22). Zeus wird das erste Mal als Gatte der Alkmene und Vater des Herakles erwähnt (V. 15 f.). Die etymologische Rückführung des Namens der Dione auf Zeus (V. 21)46 ist für den Fortgang der Handlung nicht notwendig, legitimiert aber das Orakel ihrer Priesterin. Die Prophezeiung lautet, dass Zeus dem Temenos ein Kind geben wird (V. 23–25). Archelaos, der Sohn des Temenos, ist also ein Geschenk des Zeus, wodurch er nahezu als Sohn des Zeus selbst erscheint. Noch gesuchter sind schließlich die Erwähnungen des Herakles. In Vers 16 heißt es nicht einfach, dass Zeus Herakles zeugte, sondern Euripides benutzt hier die umständliche Formulierung τὸ κλειν[ὸ]ν Ἡρακλέους … δέμας (wörtlich: „die ruhmreiche Gestalt des Herakles“).47 An die Erwähnung des Wohnorts des Temenos, Argos, schließt der Hinweis auf dessen Abstammung von Herakles an (ὃς Ἄργος ᾤκησ᾽ Ἡρακλέους γεγὼς ἄπο – „der als Nachfahr des Herakles Argos bewohnte.“, V. 18). In Vers 23 wird Herakles nochmals als Vorfahr des Temenos angeführt (ὦ παῖ πεφυκὼς ἐκ γονῶν Ἡρακλέους – „Kind, erzeugt von der Nachkommenschaft des Herakles“). Der Grund der Mehrfachnennungen besteht darin, dass durch den Bezug auf Zeus die Existenz des mythischen und zugleich des historischen Archelaos göttlich legitimiert wird. Durch die Betonung, dass Herakles der Vorfahr des Archelaos war, hat dieser überhaupt erst einen Anspruch auf den

42 43 44 45 46 47

Angabe bei Christesen/ Murray 2010, 430. Christesen/ Murray 2010, 430. S.o. 12. Theokr. Eid. 17.16–27. Dort gab es nach Christesen/ Murray 2010, 430 regelmäßige Opfer für Herakles Patroos. Siehe dazu Harder 1985, 203 f. Auch wenn diese Wendung bei Euripides nicht ungewöhnlich ist, wie Harder 1985, 200 zeigt, ist es doch mehr als eine bloße Nennung des Namens.

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makedonischen Königsthron. Denn ohne den Nachweis dieser genealogischen Verbindung konnte kein potentieller Regent den Thron besteigen.48

Genealogie im Prolog des Archelaos (F 228 + 228a) Die Genealogie, wie sie der Archelaos präsentiert, hat gegenüber anderen Versionen Veränderungen erfahren. Der erste Teil von Danaos bis Hyllos folgt noch der gängi48 Hammond/ Griffith 1979, 4.

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gen Linie, aber ab Vers 17 (F 228a) erscheinen zwei Elemente, die davor nicht in der Weise bezeugt waren: Erstens Temenos als Sohn des Hyllos. Normalerweise verläuft die Genealogie Hyllos-Kleodaios-Aristomachos-Temenos,49 gelegentlich wird Kleodaios als Vater des Temenos genannt. Euripides hat also die Folge um eine oder zwei Personen verkürzt und somit die unwichtigeren Elemente herausgenommen. Zweitens ist neu, dass Archelaos in der euripideischen Tragödie als Sohn des Temenos erscheint. Den frühesten Beleg für die makedonische Königsreihe, die auch als historisch gelten darf,50 liefert Herodot (Hdt. 8, 137–9). Er geht dabei bis auf Perdikkas zurück. Perdikkas ist in der Erzählung Herodots über den Ursprung des makedonischen Königsgeschlechts ein Nachkomme des Temenos. Perdikkas sei mit seinen Brüdern Gauanes und Aeropos aus Argos über Illyrien ins obere Makedonien geflohen. Dort hätten sie sich in den Dienst des Königs gestellt, der sie aber wieder vertrieb, weil sich beim jüngsten der Brüder, Perdikkas, immer wieder ein τέρας („Wunderzeichen“, 137.3) zeigte. Sie kamen in „einen anderen Teil Makedoniens“ (ἐς ἄλλην γῆν τῆς Μακεδονίης, 138.2) und siedelten in der Nähe der Gärten des Midas beim Gebirge Bermion. Von dort hätten sie das übrige Makedonien eingenommen (κατεστρέφοντο καὶ τὴν ἄλλην Μακεδονίην, 138.3). An diese Erzählung51 fügt Herodot die Auflistung der Ahnen bis auf Alexander I. an: Perdikkas, Argaios, Philipp, Aeropos, Alketas, Amyntas, Alexander (139). Historisch folgen auf Alexander I. Perdikkas II. (454–413) und dann Archelaos (413–399).52 In der im Archelaos gebotenen Genealogie fehlen also sämtliche Könige von Perdikkas I. bis Perdikkas II. Archelaos folgt dort direkt auf Temenos. Dadurch wird seine Position und Königsherrschaft in direkte Nähe der mythisch-historischen Vergangenheit gesetzt. Es ist zu vermuten, dass die Genealogie des Archelaos eine bewusste Konstruktion war. Durch die Ableitung der eigenen Herkunft über Temenos von Herakles und damit Zeus konnten die makedonischen Könige ihre Herrschaft legitimieren. Der Nachweis einer griechischen Abstammung räumte ihnen besondere Rechte ein.53 So erlangte bereits Alexander I. die Teilnahme an den Olympischen Spielen, da er zeigte, dass er Argiver war (Hdt. 5.22). Die Bedeutung der genealogischen Veränderungen für den König Archelaos, die der Archelaos bot, soll im Folgenden erörtert werden.

49 50 51 52

Satyros, FGrHist 631 F1 Jacoby = F 2̽ 9 Schorn. Hammond (Hammond/ Griffith 1979, 4) bezeichnet diese Reihe als die „offizielle Königsliste“. Eine Untersuchung der Genese dieser Geschichte liefert Kleinknecht 1966, 134–146. Ein Stammbaum des makedonischen Königshauses von Alexander I. bis Philipp II. (336) findet sich bei Roisman 2010, 158. 53 In der Erzählung Herodots wird zweimal auf die Herkunft aus Argos rekurriert: ἐξ Ἄργεος ἔφυγον ἐς Ἰλλυριοὺς τῶν Τημένου ἀπογόνων τρεῖς ἀδελφοί („Aus Argos flohen nach Illyrien von den Nachkommen des Temenos drei Brüder“, 137.1); τῷ θύουσι οἱ τούτων τῶν ἀνδρῶν ἀπ᾽ Ἄργεος ἀπόγονοι σωτῆρι („welchem [dem Fluss] die Nachkommen dieser Männer von Argos wie einem Retter opfern.“, 138.1). Ebenso gibt Thukydides zweimal an, dass die makedonischen Könige Temeniden beziehungsweise aus Argos seien (Thuk. 2.99.3; 5.80.2). Hammond/ Griffith 1979, 3.

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Die Königsliste der Makedonen unterlag verschiedenen Modifikationen. Die erste ist die in der hier relevanten Tragödie Archelaos. Wie bereits ausgeführt, tritt der mythische Archelaos, ein gleichnamiger mythischer Ahn des gleichzeitig amtierenden Königs, als Sohn des Temenos auf und ersetzt den traditionellen Gründer des makedonischen Königshauses Perdikkas. Diese Veränderung der Genealogie des makedonischen beziehungsweise argivischen Königshauses findet sich in diesem Stück zum ersten Mal. Ein zweites Mal wurde die Herrscherfolge durch die Einführung eines Karanos variiert. Über die Genese und Bedeutung dieser Änderung hat Hammond ausführlich spekuliert.54 Hammond datiert die Einfügung des Karanos in die Jahre 407–400, da Karanos in einem Orakel mit Aigai verbunden wird und dies nur vor der Gründung Pellas, die Hammond spät (ca. 400/399) datiert, geschehen sein könne.55 Allerdings ist eine Rückprojektion in eine frühere Zeit denkbar und somit die Argumentation nicht stichhaltig. Greenwalt schlägt für die Einfügung des Karanos die 390er Jahre vor, da während der politischen Unruhen in Makedonien nach Archelaos᾽ Tod eine entsprechende Veränderung der Königsliste einem Interessenten am Thron die Chance auf die Königswürde erhöht hätte.56 Karanos war Mitte des 4. Jh. fest in der offiziellen Herrschergenealogie verankert.57 Wann genau Karanos in die Königsliste eingeführt wurde, lässt sich wohl nicht mit letzter Sicherheit entscheiden. Es scheint allerdings festzustehen, dass die Einfügung des Archelaos vorher geschehen ist, da es keine Hinweise auf eine Veränderung der Genealogie vor der durch Euripides gibt.58 Jede der beiden Eingriffe in die Königsliste, die Einführung des Archelaos wie die des Karanos, deutet darauf hin, dass die jeweilige Person, deren Name nun neu in der Genealogie erscheint, eine Notwendigkeit sah, ihre argivische Herkunft zu beweisen, um so auf den Thron zu kommen oder ihre Position zu bewahren. Diese Befunde bestätigen, dass die Herrschaftsnachfolge in Makedonien nicht oder nur wenig geregelt war.59 So berichtet Diodor (14.37.6) etwa, dass Archelaosʼ Sohn Orestes von seinem Stellvertreter Aeropus II. getötet wurde. Die Nachricht Platons (Gorg. 471a–d) über die Thronbesteigung des Archelaos selbst zeigt ebenfalls – auch wenn sie keine Historizität beanspruchen kann60 –, dass es zu Unregelmäßigkeiten in der Herrschaftsnachfolge kommen konnte.61 Insofern 54 Hammond/ Griffith 1979, 5–14. Die entsprechenden Quellenbelege zur Einfügung des Karanos finden sich auch bei Sprawski 2010, 128. 55 Hammond/ Griffith 1979, 5 f., 12. 56 Greenwalt 1985, 47–9; Greenwalt 1999, 165. 57 Hammond/ Griffith 1979, 5, 12. 58 So nennt auch Sprawski 2010, 128 keine Änderung vor der im Archelaos. 59 King 2010, 377 f. 60 S.o. 15 f. 61 Eine ähnliche Richtung schlägt die Anekdote über den Tod des Archelaos ein. Aristoteles (Aristot. Pol. 1311b11–20) erzählt, dass Archelaos durch seinen Geliebten Krataios ermordet wurde. Ebenso Ael. Var. hist. 8.9; [Pl.] Alk. 2.141d–e; Plut. Amat., Mor. 768 F; mit leichter Variante Diod. 14.37.6. Ebenda berichtet Aristoteles von einem Anschlag gegen Archelaos (Aristot. Pol. 1311b30–34). Dazu Greenwalt 1999, 181 f. mit Quellen; Schütrumpf/ Gehrke 1996, 559 f.

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lässt sich schlussfolgern, dass auch Archelaos Schwierigkeiten hatte, seine Herrschaft zu legitimieren, deshalb eine Veränderung an der Herrschergenealogie vornahm beziehungsweise durch Euripides vornehmen ließ und diese in einem publikumswirksamen Genre, einer Tragödie, veröffentlichte.62 Die Mythifizierung seiner eigenen Person hat dabei einen starken propagandistischen Charakter. Ein weiteres Fragment könnte für Makedonien und Archelaos eine Bedeutung haben: ἔπαυσ᾽ ὁδουροὺς λυμεῶνας < – v – > Eur. F 260 Kannicht = Σ EFGQ Pi. P. 2.57 (2.24.12 Drachmann) 63

er/ich setzte Straßenräubern64 ein Ende < – v – > Dieses Fragment lässt eine Assoziation mit dem historischen König Archelaos zu. Denn aus Thukydides ist bekannt, dass Archelaos „gerade Straßen habe durchbrechen lassen“ (ὁδοὺς εὐθείας ἔτεμε, Thuk. 2.100.2). Die Maßnahmen des Archelaos, die Thukydides erwähnt, sind militärischer Art. Dass diese dem Treiben von Straßenräubern ein Ende machten und Euripides diesem Verdienst des Archelaos in seiner Dichtung Rechnung tragen wollte, ist nicht auszuschließen. Aber da der direkte Kontext nicht bekannt und der Bezug zu vage ist, lassen sich keine sicheren Rückschlüsse auf den historischen Archelaos ziehen.65 2.1.4 Die Intention des Archelaos Euripides hat mit dem Archelaos eine Tragödie konzipiert, deren Hauptfigur einen klaren Bezug zu einem zeitgenössischen Herrscher zeigt. Durch die Projektion des historischen Archelaos auf die gleichnamige Figur im Tragödiensujet wird der makedonische König mythisiert. Dies ist im Œuvre des Euripides einmalig und auch sonst für keine Tragödie belegt.66 Somit stellt sich die Frage, aus welchem Grund oder mit welcher Intention Euripides die Tragödie in dieser Weise gedichtet hat. 62 Zu den Möglichkeiten der Aufführung dieses Stückes s.u. 54–56. 63 Der Sprecher dieses Verses ist unklar. Die Elision am Ende des Wortes ἔπαυσ᾽ lässt offen, ob hier die erste oder dritte Person Singular Subjekt ist. 64 LSJ (s.v. λυμεών) verzeichnen für die Kombination ὁδουροὶ λυμεῶνες mit Verweis auf die hier vorliegende Stelle „of robbers“. In der Kombination von λυμεών („Zerstörer, Verderber“, cf. LSJ, s.v. λυμεών) mit ὁδουρός „Begleiter“, „Wegelagerer“ (cf. LSJ, s.v. ὁδουρός) ergibt sich m.E. etwas präziser „Straßenräuber“. 65 Harder 1985, 264 f. Dort auch weitere Literatur. 66 Harder 1985, 169: „We have, in fact, no other instances of tragedies celebrating a historical person during his lifetime; Theodektes᾽ Mausolus (TrGF 1, 72 T 6) is usually quoted as an example of a play which is celebrating a historical person […]; but the evidence is scanty.“ Die Tragödie Aitnai, die Aischylos zum Anlass der Gründung von Aitna durch Hieron I. (476/5) aufführte, scheint nach der Angabe der Vita Aeschyli 9 (Aisch. T 1, 33 f. Radt) hauptsächlich das künftige Wohlergehen der Bewohner dieser Stadt thematisiert zu haben. Auf eine besondere Herausstellung des Hieron selbst in der Tragödie geben die überlieferten Fragmente [F 6–11 (Radt)] keine Hinweise. Zur Tragödie Aitnai: Bremer 1991, 39 ff., bes. 41.

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Hier sollen drei verschiedene Deutungsmöglichkeiten diskutiert werden: a) Euripides hat die Tragödie „aus freien Stücken“ gedichtet. b) Euripides hat die Tragödie zum Dank gedichtet. c) Euripides hat den Archelaos als Auftrag gedichtet. Die erstgenannte Möglichkeit, dass Euripides die Tragödie sozusagen „aus freien Stücken“ dichtete, hat Kjeld Matthiessen (2002) in Betracht gezogen: „Ebenso gut könnte Euripides aber auch erst das Drama verfasst haben und dann von Archelaos eingeladen worden sein, zum Dank für die Einbeziehung seiner Familie in die Heroensage.“67 Es ist nicht auszuschließen, dass Euripides mit dem Archelaos einen „barbarischen“68, zeitgenössischen König zur Titelfigur seines Stückes machen und für diesen einen Gründungsmythos dichten wollte. Aber dieser König hätte dann doch in irgendeiner Weise auf den Dichter Einfluss nehmen müssen, sodass Euripides eine eigene Geschichte mit einer veränderten Genealogie für diesen König dichtete. Dies scheint eher bei einem direkten Kontakt des Königs mit Euripides gegeben zu sein. Deshalb sind die nächsten beiden Möglichkeiten wahrscheinlicher. Die zweite Option, Euripides habe die Tragödie zum Dank gedichtet, heißt wieder „aus freien Stücken“, aber doch im Kontakt mit dem König Archelaos. Diese Einschätzung der Tragödie beruht auf einer Aussage in der Vita des Euripides: ἐκεῖθεν δὲ εἰς Μακεδονίαν παρὰ Ἀρχέλαον γενόμενος (Euripides scil.) διέτριψε καὶ χαριζόμενος αὐτῷ δρᾶμα ὁμωνύμως ἔγραψε. Eur. T 1 IA. c. 6. Kannicht Nachdem aber Euripides von dort aus [Magnesia] nach Makedonien zu Archelaos gekommen war, hielt er sich [dort] auf und, um sich erkenntlich zu zeigen, schrieb er ein Stück mit gleichem Namen. Das ausschlaggebende Wort ist χαριζόμενος beziehungsweise χαριζόμενος αὐτῷ. Euripides schrieb die Tragödie, „weil er ihm gefallen wollte“, oder „weil er ihm danken wollte (sc. für die Gastfreundschaft)“. Darüber, dass das Stück dem Archelaos schmeicheln konnte, gibt es wohl keinen Zweifel. Annette Harder führt drei Punkte dafür an: Nach der Fabel Hygins stammt der mythische Archelaos des Stücks von Herakles ab. Dadurch werden ihm griechische Wurzeln verliehen. Zweitens ist der Archelaos des Stücks allem Anschein nach ein tapferer junger Mann, also eines Herakles-Abkömmlings würdig. Drittens wird dieser Archelaos auf Geheiß Apollons Gründer des alten makedonischen Herrschaftszentrums Aigai.69 Vor allem der erstgenannte Punkt weist darauf hin, dass die Tragödie eine Auftragsdichtung darstellt, ohne dass dabei der Aspekt des Danks, den Euripides seinem Gastgeber mit dieser Dichtung abstatten wollte, dezimiert wird. Dies führt zu Möglichkeit drei, Euripides habe den Archelaos als Auftrag gedichtet. Dafür spricht vor allem die bereits bespro67 Matthiessen 2002, 256. 68 Zur Bezeichnung oder Einschätzung des Archelaos als einen „Barbaren“ durch die Griechen s.o. 15. 69 Harder 1985, 129.

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chene Genealogie (F 228 und 228a).70 Sowohl die Länge der Genealogie als auch die Veränderungen in ihr, besonders die Einfügung des Archelaos am Schluss der Reihe, zeigen, dass Archelaos ein besonderes Interesse hatte, seine griechische Abstammung zu beweisen. Dafür geht die Genealogie nicht nur elf Generationen zurück bis auf Danaos, dem Stammvater der Argiver, sondern Archelaos kann auch Herakles und Zeus zu seinen Ahnen zählen. Weitere Belege dafür, dass Archelaos die Verbindung zu Griechenland und der griechischen Kultur gesucht hat, seien hier nochmals zusammengefasst:71 Die Münzprägungen seiner Zeit zeigen oft den Kopf des Herakles oder die Attribute des Herakles, also Keule und Löwenkopf.72 Er hat Athen mit Schiffsbauholz versorgt.73 Als es in Thessalien zu Unruhen innerhalb der Aristokratie kam, wurde Archelaos eingeladen, um die herrschenden Oligarchen, die Aleuaden, zu unterstützen, was ihm auch gelang.74 Er hat in Dion ein Zeusfest eingerichtet75 und lud weitere griechische Intellektuelle zu sich ein. In Anbetracht all dieser Bemühungen, sich der griechischen Kultur anzunähern, wovon eben auch die angeführte Genealogie der Archelaos-Tragödie zeugt, scheint mir dieses Stück eine vom König selbst angeregte Dichtung zu sein, mit der er zeigen wollte, dass er Grieche war.76 Die beiden Varianten, dass er dies entweder vor seinen eigenen Untertanen tun wollte oder vor den benachbarten Griechen, müssen sich nicht gegenseitig ausschließen. Borza plädiert für den ersteren Fall: „That is not to say that by Archelaus’s time the Argeadae did not believe the story – almost certainly they did. But the Greeks did not.“77 Dies würde bedeuten, dass das Stück vor allem die Intention hatte, die Griechen außerhalb Makedoniens von der griechischen Abstammung des Archelaos zu überzeugen und dass sich Archelaos damit Respekt innerhalb der griechischen Welt verschaffen wollte. Dafür sprechen auch die anderen Interventionen des Archelaos in Griechenland. Gleichzeitig ist dieses Stück nach unserer Kenntnis weder in Athen noch in einer anderen griechischen Stadt aufgeführt worden: „First of all it should be noted that we do not possess any evidence (from the didascalia or otherwise) that the Archelaos was ever produced at Athens.“78 Die vorgelegte Interpretation der Genealogie im Archelaos als Evidenz für die Herrschaftsetablierung des Königs stimmt jedenfalls mit der ungeregelten Herrschaftsfolge des makedonischen Königshauses überein, die auch durch den Bericht der gewaltsamen Thronbe70 71 72 73 74 75

S.o. 43–51. S.o. 5 ff. Hammond/ Griffith 1979, 138; Borza 1990, 172 f. Xen. Hell. 1.6.24; IG I.105 Hiller von Gertringen = IG I3.117 Lewis. Borza 1990, 164. Diod. 17.16.3–4. Borza 1999, 173 f. Anm. 30 deutet die Verortung des Festes nach Aigai bei Arrian 1.11.1 als Fehler. 76 Zur Diskussion des Philhellenismus des Archelaos s.o. 11 f. Zur Differenzierung Griechen – Barbaren/ Makedonen s.o. 13–15. 77 Borza 1990, 175. Ebenso Hammond/ Griffith 1979, 150: „[H]e wished to establish the fame of himself and his house […] by obtaining from Euripides and Delphi a more impressive version of his family᾽s coming to Macedonia.“ 78 Harder 1985, 126, 176 f.

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steigung Platons (Gorg. 471a–d) bestätigt wird.79 Insofern ist die Einschätzung Roismans, dass die Bedeutung der Tragödie eher kulturell als politisch sei,80 verfehlt. In der Darstellung Platons kommt Archelaos durch Verwandtenmord zur Herrschaft. Die makedonische Königslinie nach Archelaos ist von vielen Herrschaftswechseln innerhalb kurzer Zeit geprägt.81 Hält man sich die Probleme vor Augen, die es immer wieder bei der Herrschaftsnachfolge der makedonischen Könige gab,82 kann man darauf schließen, dass Makedonien vor der Herrschaft Philipps II. keine konstitutionellen Institutionen außer dem Königtum und keine ausdifferenzierte Regelung der Herrschaftsnachfolge hatte.83 Die makedonischen Könige trugen also Rivalitäten um den Thron aus. Das Beispiel des Archelaos demonstriert eine explizite Rechtfertigung seiner Stellung als König durch eine propagandistische Tragödie und durch Selbstpräsentation als Förderer der griechischen Literatur und Kultur durch die Einrichtung von Festspielen in Dion und die überlieferten Aufenthalte von griechischen Intellektuellen bei ihm. 2.1.5 Aufführungsbedingungen des Archelaos (Zeit und Ort) Die Frage, wann der Archelaos des Euripides aufgeführt wurde, hängt eng damit zusammen, welchen Ort man als Produktions- und Aufführungsstätte für die Tragödie annimmt. Generell gilt es als communis opinio, dass Euripides nach der Aufführung des Orest im Jahr 408 – das ist sein letzter bezeugter Auftritt in Athen – nach Makedonien gegangen ist und dort seine letzten Lebensjahre bis zum Frühjahr 406 verbracht hat.84 Es gibt natürlich die Möglichkeit anzunehmen, dass Euripides die Abfassung der Tragödie schon in Athen begonnen hat, dort die Arbeit teilweise oder ganz abgeschlossen hat und dann nach Makedonien gekommen ist. Dort habe er dann die Tragödie entweder zuerst fertig gestellt und dann aufgeführt oder nur noch zur Aufführung gebracht. Matthiessen hält es zum Beispiel für möglich, dass Euripides die Tragödie in Athen verfasst haben könnte und dann von Archelaos zum Dank dafür eingeladen worden sei.85 Diese Interpretation wird aber hier im Sinne der oben angeführten Deutung, dass die Tragödie am ehesten im direkten Kontakt mit dem König entstanden ist, zurückgewiesen.86 Geht man davon aus, dass die Tragödie Ar-

79 S.o. 15 f. 80 Roisman 2010, 157. 81 Archelaos: 413–399; Orestes: 399–398/7; Aeropus II.: 398/7–395/4; Amyntas II.: 395–394; Pausanias: 394–393; siehe Borza 1990, xviii. 82 So berichtet auch Diod. 14.37.6, dass Archelaos’ Sohn Orestes von seinem Erzieher Aeropus getötet wurde. 83 King 2010, 373–391. 84 S.o. 19 ff. 85 Matthiessen 2002, 256. 86 S.o. 52–54. So auch Collard/ Cropp 2008, 232: „The essential point here, that the play was composed for Archelaus and first performed in Macedonia, seems reliable; Euripides will have adapted existing traditions which linked the Argead dynasty of Macedonia with descendants of Temenus of Argos (e.g. Herodotus 8.137–8) in order to give the founder᾽s role to a heroic and

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chelaos im Auftrag des gleichnamigen Königs verfasst wurde, ergibt sich, dass Euripides dieses Stück in Makedonien, also 408 oder 407 produziert und eventuell auch aufgeführt hat.87 Weiterhin ist zu klären, wo in Makedonien der Archelaos aufgeführt wurde. Es kommen drei Orte für die Aufführung in Frage: Aigai, Pella und Dion.88 Für Aigai spricht, dass das Stück mit einem Orakel, das die Gründung Aigais beinhaltete, endet (Hyg., Fab. 219.[5]). Das wäre bei einer Aufführung in der Stadt Aigai selbst sehr eindrucksvoll. Denn Aigai war bis zur Verlegung des Herrschersitzes des makedonischen Königshauses nach Pella Zentrum der makedonischen Herrschaft und Archelaos würde bei einer Aufführung dort durch die gleichnamige mythische Gestalt der Tragödie als Gründer des Herrschaftssitzes gefeiert werden. Ridgeway und Hammond haben anhand von Arrians Anabasis (1.11.1) Festspiele in Aigai postuliert,89 aber diese Vermutung scheint auf einem Fehler Arrians zu beruhen.90 Der Herrschersitz des makedonischen Königshauses wurde in der Regierungszeit des Archelaos von Aigai nach Pella verlegt. Oben wurde die Möglichkeit diskutiert, dass der Umzug sukzessive geschehen sein konnte.91 Es ist also denkbar, dass Pella dem König Archelaos bereits als strategischer Herrschersitz diente und auch die griechischen Intellektuellen dorthin einlud, während etwa Aigai noch Ort für Riten und Kulte war. Wenn der Herrschersitz bereits 406 oder etwas früher nach Pella verlegt worden ist, wie Greenwalt annimmt, würde es zwar verwundern, wenn dann nicht die Gründung Pellas am Ende der Tragödie stehen würde, sozusagen als Einweihungsfeier für die neue Stadt. Es ist aber auch dann nicht auszuschließen, dass Pella trotz des Orakels für Aigai als Aufführungsstätte fungierte. Denn Aigai war ja bis dahin die längste Zeit Herrschersitz und Archelaos würde dadurch als Gründer des früheren Herrschersitzes stilisiert, was ihn nicht weniger geehrt hätte.92 Als dritter möglicher Aufführungsort kommt die Stadt Dion in Frage. Dort hat Archelaos einen dramatischen Agon zu Ehren des Zeus und der Musen eingerichtet (Diod. 17.16.3–4). Der Name der Stadt Dion verweist auf Zeus (Genitiv Διός usw.). Da die makedonischen Könige ihre Abstammung über Herakles auch auf Zeus zurückführten und dieser auch in der Genealogie zu Beginn des Archelaos vorkommt (Eur. F 228a, 15, 21, 24 Kannicht), wäre diese etymologische Verknüpfung von

87 88 89 90 91 92

‚Heracleanʻ son of Temenus named Archelaus (note the emphasis on ancestry and on the achievement of glory through toil in F 228a, 231–3, 236–40).“ So auch Harder 1985, 126. Harder 1985, 126 f. Ridgeway 1926, 7 f.; Hammond/ Griffith 1979, 150. Siehe dazu Bosworth 1980, 97; ders. 1976, 119 ff. S.o. 7 f. Greenwalt 1985, 46: „Reference to Aegae in a dynastic foundation myth would not, therefore, have been out of place even after Pella had replaced Aegae as the administrative center of the realm.“

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Aufführungsort und Zeus ebenfalls eine wirksame Reminiszenz an den für Makedonien wichtigen Gott.93 Die archäologischen Evidenzen für die drei genannten Orte ergeben folgenden Befund: Sowohl in Dion als auch in Aigai wurden später Theater gebaut, was für eine kulturelle Nutzung dieser Orte auch in frühere Zeit spricht. In Aigai wurde ein Theaterbau aus der Zeit Philipps II. gefunden, das in der Nähe des Palasts lag.94 In Dion deuten Münzfunde aus dem frühen 4. Jh. v. Chr. an der Stelle des hellenistischen Theaters auf einen früheren Theaterbau hin. Pandermalis geht davon aus, dass die Tragödien des Euripides dort aufgeführt wurden.95 Dahingegen wurde bis jetzt kein Theater in Pella ausgegraben noch haben wir Zeugnisse für ein Fest in Pella. Somit haben nach dem jetzigen Forschungsstand Aigai, das erstens, auch als Pella bereits Herrschaftssitz war, noch als kulturelles Zentrum diente und zweitens auf das die Tragödie hinzielt, und Dion, für das dezidiert ein dramatisches Festspiel bezeugt ist, als Aufführungsort eine höhere Plausibilität als Pella. Dies bedeutet, dass Archelaos mehrere Orte oder Zentren zur Präsentation seiner Herrschaft benutzte. Es ist möglich, dass die griechischen Intellektuellen nach Pella kamen, wie es zwei Testimonien zu Euripides bezeugen,96 und Aufführungen der produzierten Stücke in Dion oder Aigai oder vielleicht sogar an beiden Orten stattfanden. 2.1.6 Conclusio Die Tragödie Archelaos des Euripides stellt einen Ausnahmefall in dessen Werk dar. Alle Evidenzen, besonders die von Euripides gedichtete Genealogie aus dem Prolog des Stücks sprechen dafür, dass dieses Stück auf Anregung des makedonischen Königs selbst gedichtet wurde. Mit diesem Stück wollte er offensichtlich Propaganda für seine eigene Person betreiben und seine Position als König von Makedonien legitimieren. Dafür hat Euripides für ihn in seiner Tragödie eine Genealogie konstruiert, die in ihrer Länge und Abfolge einzigartig ist. Demnach ist davon auszugehen, dass der Dichter diese Tragödie in der Zeit seines Aufenthalts in Makedonien abfasste, also 408/7 v. Chr. Dass das Stück in Makedonien auch zur Aufführung kam oder zumindest für eine Präsentation in Makedonien gedacht war,97 scheint in diesem Zusammenhang nahezu notwendig. Es ist nicht auszuschließen, dass die Tragödie an mehreren Orten aufgeführt wurde. Derzeit kommen Aigai und Dion in Frage. Insofern hat Archelaos anscheinend ein für eine breitere Öffentlichkeit angelegtes Propagandaprogramm ins Auge gefasst, wofür er keinen geringeren als den Tragödiendichter Euripides gewinnen konnte. Mit der Genealogie weist sich Archelaos nicht nur als Grieche aus, sondern durch die Einfügung verschiedener Götter beweist er auch seine göttliche Abstam93 94 95 96 97

S.o. 47 f. Drougou 2011, 248 f.; Lane Fox 2011a, 384. Pandermalis 1997, 31, 33, 9. S.o. 21–23. Collard/ Cropp 2008, 232.

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mung. Der historische König, für den der mythische König als Folie dient, bekommt dadurch göttliche Vorfahren und kann so seine Stellung als Monarch Makedoniens legitimieren. Bezugnahmen auf Gottheiten, Präsentationen des Regenten mit und als Gott bis hin zu Herrscherkulten, Vergöttlichungen und Apotheosen waren ein wichtiges Element der Herrscherrepräsentation im Hellenismus und in der Kaiserzeit.98 Die durch die Genealogie konstruierte göttliche Herkunft des Archelaos kommt diesem hellenistischen Usus nahe. Archelaos, der über Philipp II. und Alexander d. Gr. als Vorgänger hellenistischer Könige gelten darf, hat sowohl in dieser Tragödie als auch mit einem Pan-Bild des Zeuxis derartige politische Propaganda betrieben.99 2.2 Bakchen, Iphigenie in Aulis und Alkmaion in Korinth 2.2.1 Aufführungsbedingungen Als Euripides im Winter 407/6 starb, hinterließ er neben dem „makedonischen“ Werk Archelaos100 drei weitere Stücke: die Bakchen, die Iphigenie in Aulis und den nur in wenigen Fragmenten überlieferten Alkmaion in Korinth.101 οὕτω γὰρ καὶ αἱ Διδασκαλίαι φέρουσι, τελευτήσαντος Εὐριπίδου τὸν υἱὸν αὐτοῦ δεδιδαχέναι ὁμώνυμον ἐν ἄστει Ἰφιγένειαν τὴν ἐν Αὐλίδι, Ἀλκμαίωνα, Βάκχας. DID C 22 Snell/ Kannicht = Σ Ar. Ran. 67 Denn so berichten auch die Didaskalien, dass nach dem Tod des Euripides dessen gleichnamiger Sohn bei den städtischen Dionysien die Iphigenie in Aulis, den Alkmaion [in Korinth] und die Bakchen aufgeführt habe. Die drei Tragödien wurden nach dem Zeugnis des Scholiasten posthum als Trilogie aufgeführt, vermutlich im selben Jahr wie die Frösche (405), aus dessen Scholien das eben zitierte Zeugnis stammt.102 Die Frage, ob auch Euripides diese drei Stücke als Trilogie konzipierte, hat Paulsen in seinem Aufsatz „Tragödienkonzepte im Spätwerk des Euripides“ positiv beantwortet.103 Er zeigt, dass die in ihrer Konzeption antithetisch angelegten Tragödien Iphigenie in Aulis und Bakchen von Euripides bewusst als Gegensatzpaar verfasst wurden und auch der Alkmaion in Korinth seinen Platz in dieser Trilogie gehabt haben kann, so dass die Aufführung als Trilogie durch Euripides᾽ Sohn auch der Intention des Vaters entsprochen haben dürfte.

98 Ausführlicher dazu im Kapitel „Zeuxis“, s.u. 177 f. 99 Zum Pan-Bild s.u. 175–178. 100 Zum Archelaos als einem Stück, das in Makedonien und für den makedonischen König geschrieben wurde, s.o. 43 ff. Zu Temenos und Temeniden s.o. 41 f. 101 Dodds 19602, xxxix. 102 Siehe Diggle 1994, 290. 103 Paulsen 2005, 61–81.

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2.2.2 Kriterien der Untersuchung „Daß Euripides nach dem ‚Orestes‘ von 408 in den beiden letzten Jahren seines Lebens mit der ‚Iphigenie in Aulis‘ und den ‚Bakchen‘ nochmals neue Akzente setzte, ist eines der erstaunlichsten Phänomene der griechischen Literaturgeschichte.“104 Einige Merkmale, die diese beiden nahezu ganz erhaltenen letzten Stücke des Euripides zu der von Hose beschriebenen Besonderheit machen, sollen in dieser Studie herausgestellt werden. Sowohl die Bakchen als auch die Iphigenie in Aulis (IA) sind in der Forschung ausführlich interpretiert worden.105 Vor allem mit den Bakchen haben sich viele Forscher auseinandergesetzt, was von den Bemühungen zeugt, „The Riddle of the Bacchae“106 auf immer neue Weise zu lösen.107 Die Untersuchung hier hat nicht zum Ziel, eine weitere Deutung vorzulegen, sondern zu prüfen, inwiefern die Tragödie in die Lebenszeit des Dichters in Makedonien passt. Deshalb wurden als Kriterien für die Analyse der beiden Tragödien Bakchen und IA zum einen die Charakteristika des jeweiligen Stückes, die den Altersstil des Dichters ausweisen, und zum anderen Bezüge zum Hellenismus und zu Makedonien ausgewählt. Die Beobachtungen zum Alkmaion von Korinth fallen wegen des geringen Textmaterials entsprechend kürzer aus. 2.2.3 Bakchen 2.2.3.1 Charakteristika der Bakchen Die Bakchen fallen im Spätwerk des Euripides durch ihren archaisierenden Stil auf. Lange Chorpartieen, die die fünf Epeisodia gliedern, dominieren das Stück. Die Tragödie wird durch einen Prolog und eine Parodos ohne lyrische Erweiterungen eingeleitet und endet mit der Exodos. Sie weist nicht nur eine starre Struktur auf, sondern auch einen geradlinigen Plot ohne Peripetien.108 So finden sich in diesem Stück mehr archaische Formen und Wörter als in irgendeinem anderen euripideischen Stück.109 Der Prosa- und Kolloquialstil, den Euripides in seinen Tragödien vor allem nach der Abfassung der Troerinnen (415 v. Chr.) benutzt hat, tritt zurück.110 Die Bakchen sind nicht nur die strukturell starrste Tragödie im Œuvre des Euripides, sondern sogar „das formgebundenste griechische Stück, das wir kennen“.111 Dies hat Paulsen herausgearbeitet und den Charakter der Tragödie als „archaisch“ identifi104 Hose 2006, 289. 105 Forschungsüberblicke zu den Bakchen: Nicolai 1997, 107 mit Anm. 1–4: Übersicht über die verschiedenen Deutungen der Bakchen; zur IA: Stockert 1992, 3 ff. 106 Titel einer Schrift von Norwood aus dem Jahr 1908. 107 Hose 1995, 161 „Wohl zu keinem Stück des Euripides werden so verschiedenartige Wege der Deutung gesucht.“. 108 Hose 2008, 204. 109 Siehe die Analyse von Burkhardt 1906. Die häufigen Reminiszenzen an Aischylos ebda., 62– 82. 110 Dodds 19602, XXXVII, der sich auf die Statistik von Smereka 1936, 117 beruft. 111 Murray 1957, 102.

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ziert.112 Euripides hat keine Monodie eingebaut, was für sein Spätwerk auffällig ist. Die Statik der Form manifestiert sich in langen Redeblöcken anstelle dialogischer Partien, darunter sind zwei Botenberichte von je über 100 Versen Länge. Die in den späten Stücken häufiger vorkommenden Antilabai finden sich nur an einer Stelle (966–70).113 Während die Stücke der späten Schaffensphase des Euripides von Handlungsreichtum und vielen Peripetien gekennzeichnet sind, läuft die Handlung der Bakchen ohne Umschwünge, sondern zielgerichtet auf die Vernichtung des Pentheus zu. Dementsprechend verändern sich auch die Charaktere nicht. So lässt sich Pentheus durch keinerlei Warnung (z.B. durch das von Dionysos verursachte Erdbeben, 576–615) von seiner feindlichen Haltung gegenüber dem neuen Gott Dionysos abbringen, bis seine eigene Mutter ihn am Ende in dionysischer Ekstase zerreißt. Ein weiteres Charakteristikum des archaischen Stils stellt die Verwendung des Chors dar. Der Chor besteht aus asiatischen Mänaden (Ἀσίας ἀπὸ γαίας ἱερὸν Τμῶλον ἀμείψασα θοάζω – „Von Asien, den heiligen Tmolos verlassend, eile ich (hierher)“, 64). Er hat deswegen eine besondere Stellung in diesem Stück, weil er drei Bedeutungsebenen bedient. Erstens stellt der Chor strukturell einen Bauteil der Tragödie dar. Zweitens ist er auf inhaltlicher Ebene (Ebene des dramatischen Spiels) einerseits der Schwarm asiatischer Mänaden, der von Dionysos in der Maske des Lyders angeführt wird, andererseits ist er der Thiasos des Gottes Dionysos selbst. Drittens entspricht dieser Konstellation auf theatertechnischer Ebene die Relation zwischen Chor und Exarchon.114 Die Bedeutung dieser drei Ebenen geht zudem ineinander über. So hat der Chor als rein strukturelles Element doppelt so viele Verse des Stückes wie die fünf Stücke vor den Bakchen.115 Dieser umfangreichen Beteiligung entspricht die Rolle des Chores auf der inhaltlichen Ebene. Auch wenn der Chor nur eine „kleine Rolle als dramatis persona“ einnimmt, wie Hose zeigt, insofern als er an der Handlung nur wenig Anteil hat (2,7 % der Sprechverse des Stücks)116, hat er doch durch die Chorlieder eine gewichtige Stellung. Denn in den Chorliedern werden vor allem Bakchos und die Freuden seines Kultes einerseits und andererseits traditionelle griechische Werte verhandelt.117 Der Chor beteiligt sich also an der Handlung. Die Chorlieder sind im Grunde Kultlieder auf Dionysos. Dies soll an der Parodos illustriert werden. In der Proode nimmt der Chor auf die althergebrachte kulti-

112 Paulsen 2005, 65–68. Als „archaisch“ bezeichnet er Elemente, „die nach unserem Kenntnisstand typisch für die Zeit des Aischylos sind und sich beim späten Sophokles und Euripides seltener oder gar nicht mehr antreffen lassen.“ (Ebda., 65). Die Ergebnisse dieser Arbeit stellen die Grundlage der hier vorgelegten Interpretation der Bakchen und der IA dar. 113 Für die folgenden Ausführungen siehe Paulsen 2005, 64–66. 114 Hose 1991, 335. 115 Paulsen 2005, 66 f. und 64, Anm. 13. 116 Hose 1991, 396, Anm. 2. 117 Hose 1991, 395 f. mit Anm. 2.

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sche Verehrung des Dionysos Bezug und evoziert die Atmosphäre einer kultischen Prozession:118 τίς ὁδῷ, τίς ὁδῷ; τίς μελάθροις; ἔκτοπος ἔστω, στόμα τ᾽ εὔφημον ἅπας ἐξοσιούσθω∙ τὰ νομισθέντα γὰρ αἰεὶ Διόνυσον ὑμνήσω. Eur. Ba. 68–71 Wer ist auf dem Weg, wer ist auf dem Weg? Wer in den Häusern? Haltet euch fern, jeder soll andächtig den Mund verschlossen halten; gemäß dem immer anerkannten Brauch will ich nämlich Dionysos preisen. Dodds weist außerdem darauf hin, dass das Lied in traditionellen Kultmetren, vor allem dem Ioniker a minore, geschrieben ist und dass es mit einem Makarismos (72 ff.) eröffnet wird. Es enthält rituelle Schreie (83, 152) und weitere typische Elemente griechischer Kulthymnen, wie Verdoppelung des Refrains (877 ff. und 991 ff.) oder zweifache Anrufe (wie 84, 371f., 537).119 Die Mänaden besingen die Freuden des Dionysos-Kults (73–87) und die Geburt des Gottes (88–104), fordern Theben zur Nachfolge auf (105–119), preisen die Verbindung des Dionysos-Kults mit dem des kretischen Zeus und der Rhea (120–134) und beschreiben die Ekstase des Gottes selbst (135–166). Der Chor ist nicht nur dadurch perfekt in die Handlung integriert, dass er auf der Handlungsebene vor allem durch seine Lieder seinen Anführer Dionysos unterstützt und bestärkt, sondern auch dadurch, dass er inhaltlich auf den Protagonisten Dionysos und seinen Kult rekurriert, der gerade in Chorliedern kultisch verehrt wurde. Diese ähneln den dithyrambischen Liedern, die ursprünglich auch Dionysos zum Gegenstand hatten und aus denen möglicherweise die Gattung Tragödie entstanden ist.120 Die technischen Komponenten Exarchon und Chor, aus denen auch der traditionelle Dithyrambenchor bestand,121 und der inhaltliche Rekurs auf den Theatergott Dionysos verweisen also doppelt auf die Gattung Dithyrambos. Folgende di118 Dodds 19602, 71: „Both in form and in content the ode seems to be fairly closely modelled on an actual cult hymn.“ 119 Dodds 19602, 71–4; xxxviii. Kranz 1933, 234 f. Eine Analyse der Parodos bei Hose 1991, 338–342. 120 Aristot. Poet. 1449a9–11. Dazu Paulsen 2005, 67. Zur Schwierigkeit der Formulierung und Sachlage bei Aristoteles: Gudemann 1934, 133 f.; Lucas 1968, 79 ff.; Else 1957, 155–163. Eine kontroverse Deutung hat Leonhardt 1991 vorgelegt. 121 Zimmermann 2008, 21–25 zeigte anhand von zwei katalektischen trochäischen Tetrametern aus einem Gedicht des Archilochos (F 120 West), dass der Dithyrambos bereits in der Mitte des 7. Jh. eine etablierte Form hatte. So gehörten zur Aufführung eines Dithyrambos ein Exarchon, der die Gruppe der Sänger leitete und den Gesang anstimmte, und natürlich der Chor.

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thyrambische Elemente lassen sich in den Chorliedern der Bakchen nachweisen. Zunächst, wie bereits erwähnt, findet sich dieselbe Konstellation von Chor und Chorführer. Dionysos fordert den Chor asiatischer Mänaden zum Singen auf (55 ff.). Er hängt sich sozusagen an Dionysos beziehungsweise den Lyder und untermauert in seinen Liedern dessen Tun und Einstellung: „Es fehlt [..] die unabhängige Stimme, die der Chor ungeachtet aller Freundschaft für die jeweils Bedrängten [in diesem Fall ist Dionysos der durch Pentheus Bedrängte] in anderen Stücken erklingen lässt.“122 Der Dithyrambos stellte ein Lied zu Ehren des Dionysos dar. Diese Thematik herrscht in den Chorliedern der Bakchen vor. So wird immer wieder die Geburt des Dionysos thematisiert (88–104, 519–527). So gibt auch Platon in den Gesetzen die Geburt des Dionysos (Διονύσου γένεσις, Leg. 700b4 f.) als Inhalt des Dithyrambos an.123 Als typisch dithyrambisch gilt weiterhin eine Erzählung, in die Passagen in direkter Rede eingeschoben sind.124 Zum ersten Mal erscheint diese Technik im zweiten Stasimon, als die Genese des Dionysos erzählt wird (519–536): Der Fluss Dirke in Theben hat das Kind Dionysos aufgenommen, nachdem Zeus ihn aus dem Feuer gerettet und in seinen Schenkel eingeschlossen hatte. In dieser Situation rief Zeus – und dieser Ausspruch erscheint dann in wörtlicher Rede: Ἴθι, Διθύραμβ᾽, ἐμὰν ἄρσενα τάνδε βᾶθι νηδύν∙ ἀναφαίνω σε τόδ᾽, ὦ Βάκχιε, Θήβαις ὀνομάζειν. Eur. Ba. 526–9 Auf, Dithyrambos, komm in meinen männlichen Leib; ich tue kund, dass Theben dich, Bakchischer, so nennen wird. Bemerkenswerterweise wird hier Dionysos gerade mit „Dithyrambos“ angesprochen, also mit dem Begriff, der die chorische Darbietung zu seinen Ehren bezeichnet.125 Die zweite Stelle, in der in einem Chorlied direkte Rede eingeschoben ist, betrifft das vierte Stasimon. Hier prophezeit der Chor, was mit Pentheus geschehen wird. Die Mutter wird ihn erspähen und rufen: Τίς ὅδ᾽ ὀρειδρόμων μαστὴρ Καδμειᾶν ἐς ὄρος ἐς ὄρος ἔμολ᾽ ἔμολεν, ὦ βάκχαι; τίς ἄρα νιν ἔτεκεν; οὐ γὰρ ἐξ αἵματος

122 123 124 125

Hose 1991, 398. Zum Inhalt des Dithyrambos siehe auch Seaford 1996, 192. Zimmermann 1989, 27. Dodds 19602, 143.

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γυναικῶν ἔφυ, λεαίνας δέ τινος ὅδ᾽ ἢ Γοργόνων Λιβυσσᾶν γένος. Eur. Ba. 985–991 Wer von den Kadmeiern hier kam, kam umherschweifend und spähend, zum Berg, zum Berg, ihr Bakchantinnen? Wer hat ihn denn geboren? Er stammt nämlich nicht vom Blut einer Frau, er ist aber einer Löwin oder libyscher Gorgonen Geschlecht. In der Parodos wird in der Epode die Ekstase des Gottes Dionysos selbst beschrieben. Seine Ermunterung an die Bakchantinnen, in das Preislied auf Bakchos miteinzustimmen, erfolgt wieder in einer längeren Passage in wörtlicher Rede: Ὦ ἴτε βάκχαι, ὦ ἴτε βάκχαι, Τμώλου χρυσορόου χλιδά, μέλπετε τὸν Διόνυσον βαρυβρόμων ὑπὸ τυμπάνων, εὔια τὸν εὔιον ἀγαλλόμεναι θεὸν ἐν Φρυγίαισι βοαῖς ἐνοπαῖσί τε, λωτὸς ὅταν εὐκέλαδος ἱερὸς ἱερὰ παίγματα βρέμηι σύνοχα φοιτάσιν εἰς ὄρος εἰς ὄρος∙ Eur. Ba. 152–164 Auf ihr Bakchen! Auf ihr Bakchen, Zierde des Gold verströmenden Tmolos: Preiset den Gott Dionysos Bei dumpf hallender Pauken Schall, Jauchzend erhebt den jauchzenden Gott In Rufen und Weisen der Phryger, Wenn liebliche Flöten Heilig die heiligen Weisen spielen, Welche die schweifenden Bakchen Auf die Berge die Berge geleiten.126 Durch die mehrmalige Anwendung der Technik der wörtlichen Rede in einem erzählenden Chorlied, besonders aber durch die Nennung des Begriffs „Dithyrambos“ (526) knüpft Euripides an die gleichnamige Gattung an. Die metapoetische Thematisierung der dionysischen Gattung Dithyrambos zeigt die theoretische Reflexion des 126 Übers. Donner/ Kannicht 1958, 98 f.

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Euripides über seine eigene poetische Tätigkeit. Des Weiteren wird an der zitierten Textstelle ein Bezug zu der für den Dithyrambos typischen phrygischen Tonart hergestellt (ἐν Φρυγίαισι βοαῖς) und die im Neuen Dithyrambos wichtige Flöte thematisiert127 (λωτός; ebenso 127 f.: ἡδυβόαι Φρυγίων αὐλῶν πνεύματι – „mit dem süß tönenden Hauch phrygischer Flöten“). Diese Anklänge an die Gattung Dithyrambos in einer Tragödie erinnern an das vor allem für die hellenistische Literatur bekannte Phänomen der Gattungsmischung. Euripides hat zudem den dithyrambischen Chor als maßgebliche Konstituente in seine Tragödie übernommen und auch so in die Gattung Tragödie dithyrambische Elemente gemischt. Die Integration verschiedener genrespezifischer Elemente kam bereits am Ende des 5. Jh. besonders in den dramatischen Gattungen auf,128 gelten aber als spezifisch hellenistisch. Der stark archaisierende Charakter der Bakchen durch Sprache und Strukturform weisen den Verfasser darüber hinaus als poeta doctus aus. Dies ist ebenfalls ein Merkmal, das als hellenistisch bezeichnet werden könnte. Gemischte Genera und Archaismen in der gattungsübergreifenden Produktion der Bakchen weisen damit deutlich in den später nachfolgenden Hellenismus. Die Bakchen haben die Einführung des Gottes Dionysos in Griechenland (Theben) zum Gegenstand.129 Darüber hinaus ist Dionysos selbst einer der Protagonisten, nimmt also eine Hauptrolle in der Tragödie ein, was im überlieferten Œuvre des Euripides singulär ist.130 Er übernimmt in seiner Doppelrolle als Lyder und Gott gleichzeitig die Aufgabe als Anführer der asiatischen Mänaden beziehungsweise des kultischen Thiasos. Das heißt, Euripides stellt Dionysos in der Maske eines Menschen dar. Auch wenn die Gottheit das Geschehen durch ihre ständige Präsenz dominiert, was im Werk des Euripides überrascht, wird sie dennoch in einer Doppelrolle, also wandelbar dargestellt. Diese Ambivalenz haben wir auch in der Benutzung des Chores gesehen. Euripides präsentiert ihn einerseits als archaisches Strukturelement und traditionellen Bestandteil des Dionysos-Kults, andererseits als dramatis persona der Handlung. 2.2.3.2 Bezüge zu Makedonien Die Bakchen, die nach 408, nach der Aufführung des Orest, produziert wurden, hat Euripides mit einiger Wahrscheinlichkeit in Makedonien verfasst. Insofern stellt sich 127 Siehe Zimmermann 2008, 122–124. Siehe auch unten 95 f. 128 Zimmermann (1989, 25 f.) hat gezeigt, dass die agonale Form der Dramenaufführungen bereits am Ende des 5. Jh. eine schnelle Entwicklung der Gattungen nach sich zog und die Dichter unter dem Druck der Wettkampfsituation und wegen der Fülle der Produktionen ständig nach neuen Wegen suchten, die Schiedsrichter und das Publikum zu überzeugen. Sie bedienten sich dabei der Mittel der Gattungsmischung, des Archaismus und des Manierismus. 129 Forschungsüberblicke zur Deutung des religiösen Gehalts der Bakchen finden sich bei: Dodds 19602, xl ff.; Nicolai 1997,107, v.a. Anm. 1; Diller 1968, 469–72; Hose 1995, 161–165. 130 Paulsen 2005, 68. Die Meinung, dass dieses Stück eine religiöse Bekehrung des sonst als aufgeklärt geltenden Dichters darstelle, ist überwunden: Siehe Diller 1968, 470 mit Anm. 7; Dodds 19602, xl ff.; Hose 1995, 162.

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auch hier die Frage, ob sie hauptsächlich für ein athenisches oder ein makedonisches Publikum geschrieben wurden. Die posthume Aufführung 405 in Athen und der Sieg im Agon zeigen, dass dieses Stück in Athen Erfolg hatte und die Thematik den Zeitgeschmack der Athener Bürger traf.131 Es hatte also ohne Zweifel Potential, in Athen zur Aufführung zu kommen. Im Folgenden soll die Annahme, dass diese Tragödie auch in Makedonien präsentiert werden konnte, an textimmanenten Anhaltspunkten überprüft werden. In den Bakchen finden sich zunächst geographische Bezüge zu Makedonien. Der Text bietet Referenzen auf Pierien (410, 565), dem dort gelegenen Olymp (411) und auf die Flüsse Axios (569) und Ludias (571), zwischen denen die Stadt Pella liegt. Diese Bezugnahmen kann man als „a graceful compliment from the great Athenian poet to his last audience“ verstehen.132 Die Bezeichnung des Landes als „rossereich“ (εὔιππον, 574) könnte weiterhin eine Anspielung darauf sein, dass Archelaos bei seinen Bemühungen die Infrastruktur seines Herrschaftsbereichs zu verbessern unter anderem auch die Infanterie aufgerüstet hat.133 Wenn Euripides diese Maßnahme des Archelaos meint, wäre das ein Zeugnis dafür, dass die Aktionen des makedonischen Königs bekannt gewesen sein dürften, sodass sogar Euripides diese erwähnt. Neben den geographischen Bezügen zu Makedonien hat auch die Thematik der Bakchen Relevanz für dieses Land. Dionysos, der die dominierende Figur in diesem Stück darstellt, hatte einen populären Kult in Makedonien. So opferten nach Arrian (Anab. 4.8.1) die makedonischen Könige jährlich dem Dionysos.134 Eine Hydra des Malers Meidias, die Dionysos mit dem Thyrsus, sieben Mänaden, zwei Eroten und drei Hirschen in einer bakchischen Szene zeigt, kann an das Ende des 5. Jh. datiert werden.135 Sie ist damit eine archäologische Evidenz für den makedonischen Dionysos-Kult in der Abfassungszeit der Bakchen. Plutarch berichtet, dass in Makedonien die Verehrung des Dionysos noch zur Zeit Alexanders ekstatische, wilde Züge hatte und auch den rituellen Umgang mit Schlangen beinhaltete.136 Die Entstehung der Bakchen wurde damit erklärt, dass Euripides bei seinem Makedonienaufenthalt den dort praktizierten Dionysos-Kult in einer Tragödie verarbeiten wollte.137 Diese Deu131 Siehe Dodds 19602, xxxix. Siehe des Weiteren die auf Athen zugeschnittene Deutung Nicolais 1997, 109–123. Dodds 19602, xl: „the allusions to contemporary theories and controversies at 201–3, 270–1, 274 ff., 890 ff., and elsewhere [...] are surely meant for Athenian ears.“ Auch Bierl 1991, 73 deutet die Aggressivität der lydischen Mänaden, die die grausame Tat der Agaue anstacheln, als „Abbild der radikalen Demokratie in Athen“, die jeden, der sich über die Menge heraushebt, „einebnet“. Außerdem Hose 1995, 145; Oranje 1984, 4 mit Anm. 11. 132 Dodds 19602, 126. Siehe auch ebda., 147; Hose 1991, 364; Winnington-Ingram 1948, 81 f. 133 Thukydides 2.100.2. Siehe Dodds 19602, 147. S.o. 5 ff. 134 Christesen/ Murray 2010, 431–433 mit weiteren Evidenzen für den Dionysos-Kult in Makedonien. 135 Hammond/ Griffith 1979, 144 f. mit Anm. 1. Weitere Literaturangaben zum Dionysos-Kult in Makedonien bei Christesen/ Murray 2010, 433, Anm. 12. 136 Plut. Alex. 2. Siehe auch Nielsson 19673, 567. 137 So Pohlenz 19542, 450; Wilamowitz 1923, 123 f.

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tung bleibt Spekulation.138 Dennoch finden sich in dieser Tragödie Anknüpfungspunkte zu der dortigen Ausformung dieser Religion und es lassen sich eben auch nicht-literarische Zeugnisse für einen ekstatischen Kult des Dionysos dort finden. Die genannten anderen Evidenzen, besonders das archäologische Zeugnis, vermitteln den Eindruck eines ausgeprägten Dionysos-Kults in Makedonien.139 Die Thematik, die im Vordergrund des Stückes steht, ist die Theomachos-Problematik.140 Pentheus, der Herrscher Thebens, widersetzt sich dem asiatischen Gott Dionysos, indem er seinen Kult, dem die restliche Polis folgt, unterbinden möchte. Er wird zum Theomachos. Zur Bestrafung wird Pentheus von der eigenen Mutter, die als Mänade den Dionysos-Kult praktiziert und ihren Sohn für Wild hält, zerrissen. In der Person des Pentheus ist eine monarchische Komponente enthalten. Das Verhältnis zwischen dem Gott Dionysos und den Menschen spiegelt ein Verhältnis zwischen Herrscher und Untergebenen beziehungsweise Konkurrenten wieder. Dieser Gott demonstriert seine Überlegenheit dadurch, dass jeder seinem Kult gehorchen muss und wer es nicht tut, grausam bestraft wird. Insofern kann diese Struktur der Tragödie dem Selbstverständnis des Königs Archelaos entsprochen haben. Denn es muss in seinem Interesse gelegen haben, als König den Gehorsam seiner Untertanen garantiert zu haben. Falls sich jemand widersetzt beziehungsweise seine Herrschaft in Frage stellt, eine Situation, die durch konkurrierende Aristokraten durchaus eintreten konnte,141 dem droht – so in der Brechung des Stückes – eine grausame Bestrafung. Wie auch die Tragödie Archelaos gezeigt hat, ergriff der König Maßnahmen, seine Herrschaft zu legitimieren und zu etablieren. Insofern passt die eben aufgezeigte Konstellation in den Bakchen in den Kontext der Herrschaftssicherung des Archelaos und konnte durchaus der Repräsentationsstrategie des Königs entsprochen haben. 2.2.3.3 Conclusio Euripides hat am Ende seines Lebens, in der Zeit, die er aller Wahrscheinlichkeit nach in Makedonien verbrachte, eine Tragödie mit ambivalenten Zügen und vielfältigen Deutungsmöglichkeiten produziert. Die Ambivalenzen dieser Tragödie zeigen sich an verschiedenen Merkmalen. Zunächst in der Konzeption: Euripides gibt dem Stück durch die Verwendung aischyleischer Komponenten einen archaischen Anstrich. Im Vergleich zu den anderen späten Stücken des Euripides stellen die Bakchen mit ihrer starren Form, in ihrem Bezug auf archaische formale und inhaltliche Strukturen, zudem in ihrer stringenten Handlungsführung ein Unikat dar. Die Kombination von Altem und Neuem stellt dabei wiederum eine neue Kreation dar. Die vielschichtige Rolle des Chores in diesem Stück zeigt, wie raffiniert Euripides die verschiedenen Bedeutungsnuancen des Chors als einfacher Dramenkonstituenten, möglichem Bestandteil des Dionysos-Kults und der dramatischen Schwestergat138 139 140 141

Hose 2008, 203. Nielsson 19673, 564 ff. Hose 2008, 210 ff. S.o. 53 f.

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tung Dithyrambos bedient hat. Inhaltlich knüpft die Tragödie mehrfach an das makedonische Umfeld an. Die Bezüge manifestieren sich nicht nur in konkreten geographischen Reminiszenzen, sondern die Tragödie besitzt auch religiöse Strukturen, die für Makedonien aufgezeigt werden können und lässt Deutungsmöglichkeiten zu, die dem Herrschaftskonzept des Archelaos zuträglich gewesen sein können. 2.2.4 Iphigenie in Aulis 2.2.4.1 Textproblematik Euripides konnte die IA nicht ganz fertigstellen, ein Interpolator, eventuell der Aufführende des Stücks, füllte die Lücken.142 Der Text der Tragödie stammt also nicht vollständig von ihm und so ist es stellenweise schwierig, zwischen euripideischen und nicht-euripideischen Textpassagen zu unterscheiden.143 Besonders die Prologpartie und die Exodos stehen unter dem Verdacht der Interpolation.144 Beispielhaft wird im Folgenden der Prolog diskutiert. Dieser enthält mehrere Indizien, die an einer einheitlichen euripideischen Konzeption zweifeln lassen. Zunächst die Bauform: Die Tragödie beginnt mit einem Dialog im Anapäst (1–48). Darauf folgt eine Rhesis des Agamemnon im jambischen Trimeter (49–114), die wiederum in eine Anapästpartie mündet (115–162). In diesem letzteren Teil wechseln sich lyrische Anapäste mit rezitativen ab. Der euripideische Prolog besteht in seiner normalen Form in einer exponierenden Rhesis im jambischen Trimeter. Ähnlich wie die IA kann eventuell die nur fragmentarisch erhaltene Andromeda (412) des Euripides eröffnet worden sein.145 Ebenso geht im Ion und in den Phoenissen, also in späteren Stücken des Euripides, im Prolog eine jambische Exposition in ein jambisch-lyrisches Duett über. Dennoch ist die hier gebotene Form der Umrahmung der jambischen Rhesis von anapästischen Dialogen ungewöhnlich und steht deshalb unter Interpolationsverdacht. Außerdem treffen die drei Teile, Anapäste – Jamben – Anapäste, etwas hart aufeinander. Auf die Frage des Alten am Ende der ersten Anapästpartie, was Agamemnon umtreibe (τί πονεῖς; τί νέον παρὰ σοί, βασιλεῦ; – „Was bedrückt dich? Was gibt es Neues bei dir, König?“, 42), spricht Agamemnon zunächst 31 Verse lang (49–79) über die Genese der Situation vor den Ereignissen in Aulis. Er breitet die Hintergründe des Trojanischen Kriegs aus und beginnt dabei bei der Herkunft Helenas. Bis Vers 80 beantwortet er die eigentliche Frage des Alten nicht. Der Zuschauer wird dadurch aus dem Fluss des dialogischen Gesprächs gerissen. Es lässt sich einwenden, dass die Darlegung der Geschichte des Trojanischen Krieges angesichts der

142 So z.B. Murray 1957, 96. 143 Diggle 1994 ist bezüglich der Echtheit des IA-Textes eher pessimistisch. Auch die Passagen, die ihm wohl euripideisch erscheinen, kennzeichnet er mit fortasse Euripidei (Diggle 1994, 358, vi). Ob eine solche Zurückhaltung bezüglich der Zuschreibung des Textes an Euripides notwendig ist, ist fragwürdig. Siehe hierzu auch Matthiessen 2002, 225. 144 Zur Problematik dieser Passagen: Stockert 1992, 64–87. Aretz 1999, 96–114. 145 Σ R Ar. Thesm. 1065 (siehe Eur. F 114 Kannicht). Siehe Stockert 1992, 68.

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vielen verschiedenen Sagenvarianten nicht unangebracht ist.146 Die Anbindung an den dialogischen Teil ist dennoch nicht ganz glatt. Denn Agamemnon wendet sich in seiner Rede erst in Vers 107 dem Alten zu. In Vers 110 spricht er ihn namentlich an (γέρον), was eigentlich zu Beginn einer Rhesis zu erwarten wäre.147 Da nach der Rhesis des Agamemnon wieder eine dialogische Partie mit dem Alten folgt, scheint der jambische Teil wie ein Versatzstück in den Text eingefügt und am Ende die Nahtstelle zum Dialog durch die Hinwendung des Agamemnon zum Alten etwas artifiziell hergestellt worden zu sein.148 Weitere Indizien dafür, dass der jambische Teil eher einem Interpolator als Euripides selbst zuzuschreiben ist, sind Sprache, Stil und Metrik.149 Die sprachliche Gestaltung des jambischen Teils passt eher zu einem poetisch weniger versierten Bearbeiter als zu Euripides selbst. Genauso ist die geringe Anzahl von metrischen Auflösungen für den späten Euripides eher ungewöhnlich.150 Ein weiteres überzeugendes Argument dafür, dass, wenn einer der Prologteile nicht von Euripides stammt, dies der Jambenteil sein muss, hat Stockert gezeigt.151 Denn es ist unwahrscheinlich, dass ein Bearbeiter Anapäste hinzudichten würde. Es besteht weiterhin ein inhaltlicher Widerspruch zwischen dem jambischen Teil und der zweiten Anapästpartie.152 In den Jamben referiert Agamemnon die im ersten Brief enthaltene, zum Schein geplante Hochzeit von Iphigenie und Agamemnon. Dabei wird durch verschiedene Aussagen deutlich, dass es sich um eine Intrige handelt, von der Achill nichts weiß.153 Trotzdem fragt der Alte im anapästischen Teil, ob Achill nicht zürnen werde, wenn Iphigenie nicht zur Hochzeit in Aulis er146 Stockert 1992, 68. 147 Stockert 1992, 69. Eine Verteidigung dieser Form des Prologs versucht Mellert-Hoffmann 1969, 119. 148 Es wurde versucht, den Übergang von den Jamben zum anapästischen Teil durch eine Versumstellung zu glätten: 115 f. vor 117 f. (Konjektur von Reiske; siehe Diggle 1994, 363, app. crit ad 117–18. Siehe auch Stockert 1992a, ad 115–18). Dadurch wird zwar der Übergang in den dialogischen Teil tatsächlich glatter, aber der Eindruck, dass besonders der letzte Teil der jambischen Partie (V. 107–14) interpoliert ist, bleibt bestehen. 149 Für die sprachliche, stilistische und metrische Analyse Stockert 1992, 74–7. 150 Besonders die Verse 58–62 und 72 ff. sind von seltenen Wörtern und Wendungen gekennzeichnet. Die stilistische Gestaltung der Verse 94–107 und 107–14 ist dagegen auffallend einfach. Des Weiteren zeigen die Jamben in 18,2% der Verse mindestens eine Auflösung eines Anceps oder Longums in zwei Kürzen, während sich in der IA insgesamt in 34,7 % der Verse eine Auflösung findet. Doppelauflösungen fehlen in diesem Teil völlig, im ganzen Stück lässt sich eine Quote von 3,9 % verzeichnen. 151 Stockert 1992, 77–9 mit den entsprechenden Forschungspositionen. 152 Zur Forschungsdiskussion dieser Fragestellung siehe Stockert 1992, 71 f. 153 In Vers 105 spricht er von einer ψευδῆ ... γάμον („falsche Hochzeit“). Nur wenige sind in die Intrige eingeweiht: μόνοι δ᾽ Ἀχαιῶν ἴσμεν ὡς ἔχει τάδε Κάλχας Ὀδυσσεὺς Μενέλεώς θ᾽ („Wir wissen als einzige von den Achaiern, wie sich dies verhält, [und zwar ich,] Kalchas, Odysseus und Menelaos“, 106 f.). Vor dem Hintergrund dieser beiden Indizien muss wohl auch die Wendung ὡς γαμουμένην (100) als Angabe eines subjektiven Grundes verstanden werden, obwohl die Form auch ein Partizip Futur und damit die Phrase eine finale Aussage sein könnte.

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scheine (124–7), was Agamemnon in seinem Widerrufschreiben veranlassen möchte. Das heißt, entweder hat der Alte nicht richtig aufgepasst, was Agamemnon in seiner Rhesis gesagt hat, oder ein Interpolator hat schlecht gearbeitet. Letzteres passt zu den bereits festgestellten Indizien, dass der Prolog interpolierte Teile enthält, und scheint somit der wahrscheinlichere Befund zu sein. Dennoch kann der jambische Teil aus inhaltlichen Gründen nicht fehlen. Wichtige Informationen, die uns in den Jamben geliefert werden, sind die Windstille in Aulis, die erst das Procedere in Gang bringt, die Anordnung des Kalchas, Iphigenie zu opfern, also der Teil ab Vers 80, und der erste Brief des Agamemnon mit der Hochzeitsintrige. Das heißt, man muss davon ausgehen, dass Euripides selbst diese inhaltlichen Aspekte für die Exposition – in welcher Form auch immer – angedacht, aber nicht ausgearbeitet hat.154 Das Beispiel des Prologs zeigt, dass der Text der IA, so wie wir ihn heute vor uns haben, trotz aller textlichen Bedenken155 und vermeintlicher inhaltlicher Widersprüche als im Grunde von Euripides so gedacht gelten und somit als Grundlage für die Interpretation einer euripideischen Tragödie benutzt werden kann. 2.2.4.2 Die Besonderheiten der Iphigenie in Aulis Die IA entspricht in ihrer modernen Sprache, im Gebrauch von Monodien, der Dynamik der Form (mehr Dialoge, weniger lange Reden oder Monologe, in den Dialogen häufige Verwendung von Stichomythie und Antilabai) dem Spätwerk des Euripides.156 Hier sollen vor allem die Charaktere des Tragödienpersonals untersucht werden, um die Besonderheit dieser späten oder letzten Tragödie des Euripides herauszustreichen.157 Dass Monodien und Soloeinlagen der Dramen des ausgehenden 154 Stockert 1992, 74. Hose 1990, 149 f. schlägt vor, den ganzen Prolog für euripideisch zu halten, da dann die Untersuchung „[a]m einfachsten“ sei. Aufgrund der bereits genannten Kriterien ist dies aber nicht durchführbar. Vielmehr muss man das ebenfalls von ihm vorgeschlagenen Verfahren anwenden, den Prolog als „ästhetische Einheit“ zu verstehen, da ein Bearbeiter „inhaltlich das getroffen hat, was auch Euripides hätte schreiben können.“ Matthiessen (2002, 227) geht davon aus, dass der jambische Teil wegen seiner inhaltlichen Relevanz für das Stück auch von Euripides selbst stammen muss und dass er diesen Teil sogar zu allererst konzipiert hat, früher als das ganze Stück. Euripides müsse dabei die Verse nicht schon niedergeschrieben haben, sondern habe sie „über längere Zeit im Gedächtnis behalten“. Diese Argumentation scheint mir wegen der genannten Schwierigkeiten, nicht schlüssig zu sein. Dass es vielleicht Notizen oder Bruchstücke des Prologs von Euripides selbst gegeben hat, ist aus dem von Matthiessen vorgelegten Grund sehr denkbar. Aber gleichzeitig zeigen vor allem die holprigen Übergänge zwischen den Teilen, dass der Prolog nicht aus einem Guss stammen kann, sondern ein Bearbeiter am Werk war. 155 Die Textausgabe von Diggle 1994 ist ein Beispiel für eine sehr kritische Lesart der IA, was die Autorschaft angeht. 156 Paulsen 2005, 63 f. und 68. 157 Paulsen 2005, 68 ff. zeigt einerseits, dass das Stück ungewöhnlich viele Peripetien hat, andererseits dass es bei den Charakteren sehr viel Wandel gibt. Diese beiden Punkte hängen auch miteinander zusammen, da der Meinungsumschlag eines Charakters eine Peripetie hervorruft. Zum Beispiel widerruft Agamemnon seinen ersten Brief durch einen zweiten, ändert also seine Meinung, dadurch nimmt die Handlung einen veränderten Verlauf.

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5. Jh. die Arien späterer elegischer und hexametrischer Dichtung vorbereiteten, wurde bereits herausgearbeitet.158 Der Charakter der Iphigenie hat bereits die Beachtung des Aristoteles gefunden, allerdings in negativer Weise. Er führt aus, dass bei der Gestaltung der Charaktere (ἤθη) in einer Tragödie vier Faktoren wichtig seien: Sie müssten edel (χρηστά), passend (ἁρμόττοντα), ähnlich (ὅμοιον) und gleichmäßig (ὁμαλόν) sein (Aristot. Poet. 1454a16–28). Für jeden genannten Punkt führt er Beispiele an und exemplifiziert den letzten Aspekt, die Gleichmäßigkeit, an der Iphigenie in Aulis des Euripides: τοῦ δὲ ἀνωμάλου ἡ ἐν Αὐλίδι Ἰφιγένεια∙ οὐδὲν γὰρ ἔοικεν ἡ ἱκετεύουσα τῇ ὑστέρᾳ. Aristot. Poet. 1454a31–33 [ein Beispiel] für einen ungleichmäßigen [Charakter] ist die Iphigenie in Aulis: denn nichts scheint die Schutzflehende mit der späteren [gemein zu haben]. Bei diesem Stück im Gegensatz zu den anderen, die er als Beispiel nennt, macht er explizit, was ihm an der Iphigenie nicht gefällt. Dies kann entweder bedeuten, dass ihm die euripideische Gestaltung dieser Figur besonders missfallen hat oder dass er seinen Rezipienten erklären musste, wieso er dieser Meinung ist. Letzteres hieße, dass seine Einschätzung der Iphigenie nicht selbstverständlich ist. Die Beurteilung der Iphigenie durch Aristoteles hat in der Forschung zu einer breiten Diskussion geführt, ob man die Konzeption dieser Person rechtfertigen kann oder ob das aristotelische Urteil gilt.159 Was an der Präsentation ihres Charakters überrascht, soll im Folgenden skizziert werden: Nachdem Klytaimnestra Iphigenie über die Intrige ihres Vaters unterrichtet hat, bricht diese in Tränen aus (1100–2). Als Klytaimnestra und Iphigenie darüber hinaus Agamemnon bezüglich seines Vorhabens, die eigene Tochter zu töten, zur Rede stellen (1117 ff.), fleht sie ihren Vater um die Erhaltung ihres Lebens an: μή μ᾽ ἀπολέσῃς ἄωρον∙ ἡδὺ γὰρ τὸ φῶς | βλέπειν („Töte mich nicht vorzeitig; denn es ist süß, das Licht zu erblicken.“, 1218 f.). In den Versen 1220–30 wird deutlich, dass sie eine besondere Beziehung zu ihrem Vater hat, sie scheint das „Lieblingskind“ zu sein.160 Sie versteht nicht, warum sie wegen Paris und Helena sterben soll, und erbittet sich einen letzten Kuss ihres Vaters (1236–40). Nachdem dieser ihr letztendlich erklärt hat, dass er sich dem Willen des Heeres und Griechenlands nicht verschließen kann (1259 ff.) und sie opfern muss, stimmt Iphigenie eine Klagemonodie an, in der sie Paris und Helena verwünscht (1276 ff). Iphigenie zeigt also einen starken Lebenswillen und zunächst wenig Einsicht in den vom Vater angedeuteten Aspekt des gemeingriechischen Vorteils des Opfers. In der nächsten Szene dann, in der Achill seine Bereitwilligkeit gegenüber Klytaimnestra und Iphigenie 158 Acosta-Hughes 2010, 89, dort Beispiele und weitere Literatur. 159 Einen Forschungsüberblick bietet Stockert 1992, 26–8. Des Weiteren Paulsen 2005, 71, Anm. 32. Aretz 1999, 184 ff. 160 Stockert 1992, 29.

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zeigt, diese gegen das ganze Heer zu verteidigen, begegnet dem Rezipienten eine völlig andere Iphigenie. In einer Rhesis erklärt sie, dass sie bereit sei, um des Feldzuges willen zu sterben (1375, 1379). Während sie davor nicht einsehen wollte, warum sie wegen Helena sterben sollte, möchte sie sich nun opfern, damit deren Entführung gerächt und Hellas „befreit“ würde (Ἑλλάδ᾽ ὡς ἠλευθέρωσα, 1384). Iphigenie abstrahiert nun also von sich selbst, während sie zuvor nur ihre eigene Rettung im Blick hatte: πᾶσι γάρ μ᾽ Ἕλλησι κοινὸν ἔτεκες, οὐχὶ σοὶ μόνῃ („Denn allen Griechen hast du mich gemeinsam geboren, nicht dir allein.“, 1386). Wenn tausende Männer bereit sind, „für Hellas zu sterben“ (ὑπὲρ Ἑλλάδος θανεῖν, 1389), möchte sie dem Unternehmen gegen Troja nicht entgegenstehen, indem sie ihr eigenes Leben zu schützen sucht (1387–1390). Außerdem möchte sie sich Artemis nicht widersetzen, die ihr Leben fordert (1397). Auch als Achill versucht, sie von ihrem Vorhaben abzubringen, widerspricht sie ihm: ἔα δὲ σῶσαί μ᾽ Ἑλλάδ᾽, ἢν δυνώμεθα („Lass mich aber Griechenland retten, wenn ich es kann.“, 1420). Zwischen ihrem Lied, in dem sie ihr Leid beklagt (bis 1335) und ihrer selbstlosen Rhesis (ab 1368) liegen gerade einmal 33 Verse. Die Meinungen der Forscher, die sich mit der Figur der Iphigenie auseinandergesetzt haben, reichen von der Auffassung, dass Iphigenie keine „wirkliche Entwicklung“ durchmache, sondern einfach das ἦθος Agamemnons übernehme und Aristoteles Recht habe,161 bis zu der Meinung, dass Iphigenie „zur Einsicht gekommen“ sei und sich ihr „Blickfeld […] erweitert“ habe.162 In jüngerer Zeit hat man die Entscheidung Iphigenies für das Selbstopfer auch als „Liebestod für Achilleus“163 und ihre Argumentation als absurdes „Schönreden“ ihres bevorstehenden Todes gedeutet.164 Ob nun ein echter Erkenntnisprozess bei Iphigenie stattgefunden hat und sie wider das Urteil des Aristoteles als einheitlicher Charakter bezeichnet werden kann oder nicht, muss für die hier vorgelegte Untersuchung nicht letzten Endes entschieden werden. Man stellt fest, sei es dass Iphigenie eine selbständige Meinung entwickelt hat oder nur die Ansicht ihres Vaters übernimmt (was im Übrigen auch eines inneren Prozesses bedarf), dass sie in zwei schnell aufeinander folgenden Szenen zwei völlig verschiedene Einstellungen erkennen lässt. Euripides hat also diese Figur in zwei Extremen gezeichnet, ohne die Entwicklung von einem Pol zum anderen explizit darzustellen. Dieser sehr wandlungsfähige, also beeinflussbare Charakter entspricht in seiner Absolutheit eher einem Kind. Iphigenie bezeichnet sich auch selbst als ἄωρος („unreif“, 1218). Insofern ist Iphigenie in ihrer Entscheidung zwar kindlich-naiv, aber klar.165

161 162 163 164 165

Funke 1964, 295. Mellert-Hoffmann 1969, 73. Matthiessen 2002, 236. Paulsen 2005, 71 f. Ähnlich Snell 1968, 497: „Iphigenie ist kein schwankender Charakter wie die beiden Könige. Ihre Unsicherheit ist die Unsicherheit der Unerfahrenen.“ Matthiessen 2002, 236 spricht von Iphigenies „jugendliche[r] Begeisterung und Opferbereitschaft“. Anders Schmidt 1999, v.a. 238 u. 240, der die „Sicherheit“ der Entscheidung Iphigenies betont.

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An sich noch unbeständiger – und deshalb zu Recht von Funke als einheitlich bezeichnet,166 da er stets in seiner Meinung schwankt – ist die Figur Agamemnons. Während Iphigenie in ihrem Charakter nach der Darstellung in der Iphigenie in Aulis zwei klare Linien fährt, einmal bittflehend vor ihrem Vater und um ihr Leben ringend, dann bereit, sich für das Gemeinwohl zu opfern, ist Agamemnon hingegen wankelmütig. Agamemnon wird von Anfang an als Weichling präsentiert, der keine klaren Entscheidungen treffen kann, was man aber von einem Mann, besonders dem obersten Heerführer des gesamten griechischen Aufgebots, erwarten würde. Er klagt zu Beginn des Stückes im Gespräch mit dem Alten über seine hohe Stellung (16– 27). Dann erzählt er, dass das Heer wegen einer Windstille an der Überfahrt nach Troja gehindert sei. Als Lösung für das Problem der Windstille hatte Kalchas das Opfer der Iphigenie geweissagt. Menelaos ist derjenige, der Agamemnon überredet, dieses auch durchzuführen, obwohl Agamemnon davor fest entschlossen war, dies nicht zu tun (80–98).167 Er hat bereits einen Brief mit einem Anreisegesuch der Iphigenie an Klytaimnestra unter dem Vorwand der Hochzeit mit Achill verfasst (98– 105), besinnt sich dann wieder eines Besseren und will die Ankunft der Tochter durch einen zweiten Brief verhindern (106–114). Agamemnon ist also weder imstande, den Rat des Kalchas selbstbewusst aufzunehmen und zu erwägen. Vielmehr wirkt seine Reaktion, alles abzublasen, überstürzt. Nur sein Bruder kann ihn πάντα λόγον προσφέρων („jeden Grund vorbringend“, 97) überreden, dem Spruch des Sehers zu folgen. Agamemnon zeigt kein Rückgrat, sondern scheint von seinen Gefühlen und den Meinungen anderer umgetrieben und leicht beeinflussbar zu sein. Die Intrige, die er einfädelt, dass er vorgibt, es stehe eine Hochzeit Iphigenies mit Achill bevor, von der dieser nichts weiß, zeugt auch nicht von Charakterstärke. Offensichtlich ist er nicht oberster Heerführer genug, um Achill die Notwendigkeit der Intrige klar zu machen und durchzusetzen; er muss im Verborgenen arbeiten. Denn wie Achill selbst sagt, hätte er seinem Plan zugestimmt (962–7). Auch im weiteren Verlauf des Stücks ändert er nochmals seine Meinung. Im Gespräch mit seinem Bruder, der den zweiten Brief an Klytaimnestra in die Hände bekommen hat, beharrt er noch auf seinem Willen, seine Tochter nicht zu opfern (396), während er kurze Zeit darauf gegenüber Iphigenies Flehen an dem Opfer nun endgültig festhält (1255 ff., aber seine Entscheidung steht schon in Vers 460 ff. fest). Die verschiedenen Forschungspositionen (bis 1981) zur Figur des Agamemnon führt Siegel an.168 Siegel selbst interpretiert die Figur des Agamemnon als von mehreren Kräften motiviert, aber besonders von seiner Angst vor dem Heer und vor Odysseus und von seiner Ohnmacht.169 Hose betont, dass Euripides die Entwicklung Agamemnons von der 166 So auch Siegel 1981, 259. 167 Snell 1968, 495: „Nun muss sich Agamemnon von dem Bruder seinen schwachen Charakter, den er so deutlich selbst empfindet, vorwerfen lassen.“ 168 Siegel 1981, 258 f. 169 Siegel 1981, 261 ff. Ebenso Aretz 1999, 174: „Er weiß keine höhere Begründung für die Opferung anzuführen als seine schreckliche Angst vor der bedrohlichen Masse.“

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Weissagung des Kalchas, Iphigenie zu opfern, bis zu seiner eigenen Überzeugung, dass Iphigenie geopfert werden muss, darstellen wollte. Euripides biete also eine bedeutende Weiterentwicklung im Vergleich zum Agamemnon des Aischylos, indem er eine psychologische Begründung des Geschehens zu geben versucht. Er präsentiert Agamemnon in seinem inneren Ringen, wie er in dieser schwierigen Situation entscheiden soll.170 Auch Snell stellt die psychologisch feine Zeichnung des Agamemnon durch Euripides heraus.171 Die Figur Agmemnon ist also von Euripides einerseits sehr unbeständig und schwach gezeichnet, andererseits zeigt sich darin sein psychologisches Gespür. Agamemnon schwankt zwischen der Liebe zur Tochter, begleitet von der vehementen Weigerung, sie zu töten (96 und 396), und dem Unterliegen unter seinem eigenen egoistischen Machtstreben, das ihn gegenüber seinem Bruder, den anderen Fürsten (Achill, Odysseus, Kalchas) und dem Heer (nach seiner eigenen Aussage, 1255 ff.) immer wieder schwach macht. Euripides zeigt ihn also mit all seinen Gefühlen, Entscheidungsschwierigkeiten und seiner eigenen Schwäche und nicht als den homerischen Heros, von dem man mehr Willensstärke und Durchsetzungskraft erwarten würde.172 Euripides präsentiert einen nahbaren Agamemnon und beweist darin seine Menschenkenntnis. Besonders beeindruckend ist die Wandlung des Menelaos, der ebenfalls innerhalb weniger Verse (55) seine Gesinnung radikal ändert. Zuerst pocht er auf das Unternehmen gegen Troja: Vom Diener des Agememnon hat er den zweiten Brief abgefangen. Jetzt droht er seinem Bruder, sich andere Mittel und Freunde für das Unternehmen gegen Troja zu suchen (ἐγὼ δ᾽ ἐπ᾽ ἄλλας εἶμι μηχανάς τινας φίλους τ᾽ ἐπ᾽ ἄλλους – „ich werde zu anderen Mitteln und anderen Freunden gehen.“, 413 f.), wenn Agamemnon nicht dafür bereit ist. Er betont die Wichtigkeit des Unternehmens für Hellas (370–2), während ihm Agamemnon vorwirft, dass es ihm nur um ein „schönes Weib“173 (εὐπρεπῆ γυναῖκα, 386) gehe. Einige Verse später fleht er dann plötzlich Agamemnon an: ἀδελφέ, δός μοι δεξιᾶς τῆς σῆς θιγεῖν („Bruder, lass mich deine Rechte berühren.“, 471). Er hat sich angesichts der Tränen seines Bruders (478, 496 f.) erweichen lassen und dringt nun auf die Rettung der Iphigenie. Er könne sich auch andere Frauen suchen (485 f.). Als er seinen Meinungsumschwung zu erklären versucht, legt er seine Gefühle und Gedanken dar: Πέλοπα κατόμνυμ᾽, ὅς πατὴρ τοὐμοῦ πατρὸς τοῦ σοῦ τ᾽ ἐκλήθη, τὸν τεκόντα τ᾽ Ἀτρέα, ἦ μὴν ἐρεῖν σοι τἀπὸ καρδίας σαφῶς καὶ μὴ ᾽πίτηδες μηδέν, ἀλλ᾽ ὅσον φρονῶ. Eur. IA 473–6 170 Hose 1990, 151 f. 171 Snell 1968, 495. 172 Im Orest wird Agamemnon ähnlich (schwach und feige) gezeichnet. Siehe Donner/ Kannicht 1958a, 236. 173 Übers. Donner/ Kannicht 1958a, 82.

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Ich schwöre bei Pelops, der sich Vater meines und deines Vaters nennt, und bei unserem Erzeuger Atreus, dass ich dir ganz gewiss von Herzen sicher sagen werde und nichts Zurechtgelegtes, sondern wie viel ich denke. Dass sich dieser Sinneswandel vollständig innerlich vollzieht, ist sogar für Euripides neu, zumal innerhalb weniger Minuten und während Menelaos selbst auf der Bühne anwesend ist.174 Bei Menelaos lässt sich ein ähnlich radikaler Gesinnungswandel wie bei Iphigenie feststellen mit dem Unterschied, dass die innere Motivation dafür explizit gemacht wird und nicht wie bei Iphigenie im Dunkeln bleibt. Paulsen betont, dass die Iphigenie in Aulis die anderen Stücke des Euripides in ihrer Modernität hinsichtlich der Zeichnung „innerpsychischer Vorgänge“175 übertrifft. Ein weiteres Beispiel für diese Spezialität des Euripides stellt der Held Achill in der IA dar. Als Klytaimnestra ihn bittet, seine Tochter zu retten, bietet er sich dafür an, aber aus selbstsüchtigen Gründen: οὐ τῶν γάμων ἕκατι – μυρίαι κόραι θηρῶσι λέκτρον τοὐμόν – εἴρηται τόδε∙ ἀλλ᾽ ὕβριν ἐς ἡμᾶς ὕβρισ᾽ Ἀγαμέμνων ἄναξ. Eur. IA 959–961 nicht wegen der Hochzeit – unzählige Mädchen jagen nach der Ehe mit mir – ist dies gesagt; sondern der Herrscher Agamemnon hat mich in Vermessenheit entehrt. Achill demonstriert seine Männlichkeit. Er ist auf eine Ehe mit Iphigenie nicht angewiesen; er könne jede Frau haben. Seine Ehre wurde angetastet, da Agamemnon seinen Namen ohne sein Wissen für eine Intrige – den Mord an Iphigenie – benutzt hatte. Deshalb ist er bereit, sich für sie einzusetzen. Hier erscheint Achill als der Held schlechthin, wie wir ihn auch aus der Ilias kennen: Er pocht auf die Respektierung seiner Ehre. Aber ein wenig später, als er dem Mädchen Iphigenie begegnet, ist er nicht mehr der abgeklärte Heros, sondern überrascht durch eine gewinnende Reaktion: Ἀγαμέμνονος παῖ, μακάριόν μέ τις θεῶν ἔμελλε θήσειν, εἰ τύχοιμι σῶν γάμων. ζηλῶ δὲ σοῦ μὲν Ἑλλάδ᾽, Ἑλλάδος δὲ σέ. [...] μᾶλλον δὲ λέκτρων σῶν πόθος μ᾽ ἐσέρχεται ἐς τὴν φύσιν βλέψαντα∙ γενναία γὰρ εἶ. Eur. IA 1404–6; 1410 f. Tochter Agamemnons, glückselig wollte mich ein Gott machen, sollte ich die Ehe mit dir erlangen. 174 Paulsen 2005, 70. 175 Paulsen 2005, 73.

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Ich beneide Hellas um dich und dich um Hellas. […] Eher kommt mich ein Verlangen nach der Ehe mit dir an, wenn ich auf dein Wesen schaue; denn du bist edel. Offensichtlich hat Iphigenie, die ihre Bereitschaft, für Hellas zu sterben, erklärt hat, Eindruck auf ihn gemacht, er hat sich in sie verliebt.176 Paulsen konstatiert, dass hier „ein Vorgang geschildert wird, für den es […] in den erhaltenen Attischen Tragödien keine Parallele gibt.“177 Euripides präsentiert in seiner Iphigenie in Aulis sehr verschiedene Charaktere: Iphigenie zeigt ein kindlich-rigoroses Verhalten, Agamemnon erweist sich als unentschiedener, fast ohnmächtiger Heerführer, Menelaos macht eine innere Wandlung durch und Achill besticht durch sein spontanes Gefühl der Liebe zu der jungen Iphigenie. Euripides macht innere Vorgänge auf der Bühne sichtbar, aber lässt auch vermeintliche Leerstellen (Iphigenie), die der Rezipient füllen kann. Am überraschendsten wirken die Darstellungen des Menelaos und Achills in ihrem unheroisch wirkenden Mitleid und Verliebtsein. In seiner vermutlich letzten Tragödie zeichnet der „Dichter der Leidenschaften“178 ambivalente und ungewöhnliche Charaktere, wie man sie von ihm bis dahin noch nicht gekannt hat.179 Unheroische Helden und diffizile Charakterzeichnungen bereiten die Fokussierungen auf alltägliche und scheinbar nebensächliche Aspekte und Situationen im Hellenismus vor.180 So tritt zum Beispiel das Heroische zugunsten familiär-alltäglicher Situationen zurück, wenn etwa Alkmene in Theokrits Epyllion Herakliskos (Idyll 24) zu Beginn des Gedichts ihre beiden Söhne wohlgemerkt im Schild des Vaters in den Schlaf wiegt oder wenn Aphrodite in Apollonios Rhodiosʼ Argonautika Schwierigkeiten hat, ihren Sohn Eros zu erziehen (3.91 ff.). Jason zeichnet der Epiker psychologisch ähnlich differenziert wie Euripides seine Protagonisten in der Iphigenie in Aulis. 2.2.4.3 Vergleich der Iphigenie in Aulis mit den Bakchen Vergleicht man die beiden Stücke Bakchen und Iphigenie in Aulis, zeigt sich, dass sie, was die Konzeption angeht, sehr gegensätzlich gestaltet sind.181 So entspricht die IA in Sprache, Gebrauch von Monodien und der dynamischen Form den späteren Stücken des Euripides. Die Bakchen dagegen zeigen eine archaische Sprache, keine Monodie und eine starre Form. Während die Handlung der Bakchen statisch verläuft und die Personen stabil in ihrem Wesen sind, ist die Iphigenie in Aulis wie kein anderes euripideisches Stück durch eine überdurchschnittlich hohe Zahl an Peripetien und kontrastiv gestaltete Charaktere gekennzeichnet. Ein weiterer Gegensatz besteht in der Verwendung des Chors und der Behandlung der Götter. Während der Chor in 176 177 178 179 180 181

Paulsen 2005, 73 f. Murray 1957, 100: „Und der Stolz des Achilleus welkt vor ihr dahin.“ Paulsen 2005, 73. Titel der Monographie von Hose 2008. Paulsen 2005, 73. Acosta-Hughes 2010, 88. Die folgenden Ausführungen orientieren sich an Paulsen 2005, 63–78.

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den Backchen wie in den aischyleischen Stücken einen Großteil der Handlung mitbestreitet, ist der Chor der IA „auf eine merkwürdige Weise aus der Handlung ausgeblendet.“182 Aus der Distanz kommentiert er immer wieder knapp das Geschehen.183 In der Iphigenie in Aulis ist der Chor emotional wenig beteiligt, in den Bakchen ist er emotional stark involviert. Der Gott Dionysos ist in den Bakchen erstens selbst die ganze Zeit auf der Bühne präsent. Zweitens handeln die Chorlieder ausschließlich von ihm und der Rache an seinem Feind Pentheus. Drittens hat er einen klaren Einfluss auf das Geschehen, da er für die bakchische Ekstase der Mänaden verantwortlich ist, in welcher am Ende auch Agaue den Mord an ihrem Sohn vollzieht. Dionysos dominiert also die ganze Tragödie. In der IA wird der Zusammenhang zwischen der ἄπλοια und der Anordnung der Opferung der Iphigenie nicht hergestellt (87–93). Es wird nicht erwähnt, dass die Windstille eine Reaktion auf die Hybris Agamemnons ist, der im heiligen Hain der Artemis auf die Jagd gegangen war und sich gebrüstet hatte. Somit bleibt der Opferbefehl der Artemis lediglich ein Hinweis, wie die Windstille gelöst werden kann, hat aber keine Notwendigkeit. Dadurch liegt die volle Verantwortung für ihr Tun bei den Menschen beziehungsweise bei Agamemnon.184 Dieser kontrastive Aufbau der beiden Tragödien lässt vermuten, dass Euripides diese gezielt als Gegensatzpaar für eine Trilogie angelegt hat. Euripides experimentiert in diesen beiden Tragödien mit verschiedenen Strukturkonstituenten. Indem er sie in ihrem vollen Spektrum ausreizt, strapaziert er die Gattung Tragödie. Gleichzeitig zeigt er am Ende seines Lebens die Bandbreite seiner dichterischen Produktion auf. 2.2.4.4 Komödienhafte Elemente in der Iphigenie in Aulis Am Ende des 5. Jh. versuchten Dichter, wie auch Euripides, die Spielarten ihres Genres zu bereichern, indem sie Elemente anderer Gattungen in ihre literarischen Produkte einfließen ließen.185 So lassen sich in der IA komödienhafte Szenen identifizieren. Menelaos fängt den alten Diener des Agamemnon, der den zweiten Brief an Klytaimnestra übermitteln soll, ab, um ihm den Brief zu entwenden. Der Text macht klar, dass sich die beiden um den Brief gerauft haben müssen. Menelaos will dem Alten den Brief entreißen, aber dieser lässt ihn nicht gleich los.186 Dies muss eine 182 183 184 185 186

Paulsen 2005, 75. Hose 1990, 152, 161. Stockert 1992, 56–58; Paulsen 2005, 75 f. Zimmermann 1989, 25 ff. Durch die Verwendung der entsprechenden Diathese wird im griechischen Text das Handgemenge um den Brief deutlich. Zuerst sagt der Alte: ἄφες δὲ τήνδ᾽ ἐμοί. („Lass mir den [Brief].“, Eur. IA 309). Der Brief befindet sich also in der Hand des Menelaos und der Alte zieht daran. Das zeigt auch die Erwiderung des Menelaos darauf: οὐκ ἂν μεθείμην. („Ich lasse ihn wohl nicht von mir weg.“, 310a). Die Antwort des Alten zeigt nun, dass er den Brief auf seine Seite gebracht hat (das Prädikat im Medium): οὐδ᾽ ἔγωγ᾽ ἀφήσομαι. („Auch ich werde ihn nicht von mir loslassen.“, 310b). Zuletzt entreißt Menelaos dem Alten das Schriftstück: μεθές („Lass los.“, 313).

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gewisse Komik erzeugt haben.187 Eine weitere Szene, deren Nähe zur Komödie mehrfach konstatiert wurde, ist die Begegnung zwischen Klytaimnestra und Achill.188 Achill sucht Agamemnon auf, um von ihm zu erfahren, wie weiter vorzugehen ist, da seine Myrmidonen unruhig geworden sind (801–818). Anstelle von Agamenon tritt ihm aber Klytaimnestra entgegen. Sie glaubt in ihm den neuen Schwiegersohn zu sehen, während Achill wegen ihrer allzu offensiven Begrüßung peinlich berührt ist: Κλ.

ὦ παῖ θεᾶς Νηρῆιδος, ἔνδοθεν λόγων τῶν σῶν ἀκούσασ᾽ ἐξέβην πρὸ δωμάτων. ὦ πότνι᾽ αἰδώς, τήνδε τίνα λεύσσω ποτὲ γυναῖκα, μορφὴν εὐπρεπῆ κεκτημένην;

Αχ.

Eur. IA 819–822 Kl. Ach.

Kind der göttlichen Nereide, von drinnen habe ich deine Worte gehört und bin vor die Tür getreten. Heilige Scham, welche Frau sehe ich denn hier, mit ausnehmender Gestalt?

Auch im Folgenden ist Achill immer wieder über Klytaimnestras vertrautes Benehmen und ihre Aussagen irritiert, bis sie beide verstehen, dass sie einem Betrug aufgesessen sind. Die ganze Situation bewirkt durch die Missverständnisse zwischen der erwartungsfrohen vermeintlichen Schwiegermutter und dem völlig überrumpelten Achill und die Art und Weise, wie die Konventionen des Anstands dabei von Klytaimnestra unbeabsichtigt übergangen und von Achill eingefordert werden, eine gelungene Situationskomik. Darüber hinaus erinnert insgesamt die relativ komplizierte und verwickelte Handlung, die vor allem durch die ständigen Meinungsumschwünge des Agamemnon verursacht wird, an eine Komödie im Stil eines Plautus oder Terenz und Agamemnon nahezu an die Figur des Sklaven, der versucht, den Schaden, den er verursacht hat, durch Intrigen und „kluge“ Einfälle wieder gerade zu biegen. Während Euripides also in den Bakchen die Gattung Dithyrambos in die Tragödie integrierte, hat er in der Iphigenie in Aulis Komödienelemente benutzt.189 Insofern zeigt er sich in der Konzeption beider Stücke experimentierfreudig. Besonders die feine psychologische Darstellung der Charaktere in der IA neben der Verwendung eines Kolloquialstils, einer temporeichen, nahezu komödienhaften Handlungsstruktur, fast einer Vernachlässigung der Götter und Distanziertheit des Chores beweisen das Können und die Innovationskraft des Dichters.

187 Stockert 1992a, 277 f., der allerdings die Szene trotz der Komödienelemente nicht komisch findet. 188 Stockert 1992, 15–17; Lesky 19723, 477 f.; Conacher 1967, 259; Murray 1957, 99. 189 Bereits in der Alkestis (773 ff.) kann man diesen besonderen Zug der Dichtung des Euripides finden.

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2.2.4.5 Conclusio Die Iphigenie in Aulis entspricht in ihrer Konzeption und ihrer dynamischen Handlung dem Spätwerk des Euripides. In der Zeichnung der Charaktere in diesem Stück beweist Euripides ein besonderes Gespür für die Psyche des Menschen. So entstehen durch häufige Meinungsumschwünge mehrere Peripetien, die das Geschehen spannend machen. Ganz gegenteilig zu der Verwendung des Chores in den Bakchen, in denen dieser in die Handlung eingebunden ist, nimmt der Chor der Iphigenie in Aulis eine kommentierende, eher distanzierte Rolle ein. Die Sprache, der Einsatz von Monodien und die dynamische Form in der Iphigenie in Aulis entsprechen dem Spätwerk des Euripides. Die für seine Zeit moderne Darstellung der Protagonisten und die unkonventionelle Form stehen in starkem Gegensatz zur Konzeption und Handlung der vermutlich zeitnah entstandenen Bakchen. Hinzukommen komödienhafte Elemente in der IA. Euripides konzipierte also zwei Tragödien, durch die er die Extreme der Gattung Tragödie aufzeigte. 2.2.5 Alkmaion in Korinth Die dritte Tragödie, die im Jahr 405 vom Sohn des Euripides mit der IA und den Bakchen aufgeführt wurde, ist der Alkmaion in Korinth. Von dieser Tragödie sind fünf Fragmente überliefert (Eur. F 73a–77 Kannicht), weitere zwölf Fragmente sind unklar in ihrer Zuordnung zum Alkmaion in Psophis oder Alkmaion in Korinth (Eur. F 78–87a Kannicht). Alkmaion ist einer der Epigonen der unterlegenen Kämpfer vor Theben. Diese wollen zehn Jahre nach dem Kampf der Sieben gegen Theben Rache für ihre Väter nehmen.190 Diesen Feldzug führte nach Weisung eines Orakels Alkmaion an, der danach wegen Muttermords fliehen musste und verschiedene Stationen ablief, bis er in Psophis getötet wurde. Pseudo-Apollodor nennt nach Darstellung dieses Erzählstrangs Euripides als denjenigen, der noch eine weitere Sagenvariante kennt ([Apollod.] 3.94–95). Nach dieser Variante habe Alkmaion „in der Zeit seines Rasens“, also nach dem Muttermord kurz nach seinem Sieg in Theben ([Apollod.] 3.87), mit der Tochter des Teiresias Manto zwei Kinder gezeugt, Amphilochos und Tisiphone [F 73a], und diese dem König von Korinth, Kreon, zum Aufziehen übergeben. Da Tisiphone ausnehmend schön war, verkaufte sie die Frau Kreons aus Neid. Unwissentlich erwarb Alkmaion die Tochter als Dienerin und holte auch seinen Sohn Amphilochos aus Korinth zurück. Dieser nahm auf Weisung Apolls das Amphilochische Argos zum Wohnsitz. Nach der Darstellung des PseudoApollodor, der die Sagenvariante des Alkmaion in Korinth nur von Euripides kennt, ist zu überlegen, ob diese Sagenvariante von Euripides erfunden wurde,191 was ein Indiz für den freien Umgang mit Sagenstoffen bei Euripides wäre, wie er uns auch in der Andromache (20er-Jahre) und im Orest (408 v. Chr.) begegnet.192 Paulsen ver190 Die Sage erzählt [Apollod.] 3.80–93. 191 So auch Paulsen 2005, 79. 192 Paulsen 2005, 79, Anm. 53. Vermutungen über den Plot des Stückes bei Collard/ Cropp 2008, 87 f.

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mutet auf Grundlage der Informationen des Pseudo-Apollodor, dass der Alkmaion in Korinth zu den Intrigenstücken wie Ion oder Helena gehört.193 Seeck nimmt an, dass das Mechanema darin bestanden haben könnte, dass Kreon daran interessiert gewesen sei, den Muttermörder und seine Ansprüche zu beseitigen.194 Der Wiedergabe des Plots durch Pseudo-Apollodor nach zu folgern, hatte die Tragödie ein „HappyEnd“ und eventuell einen doppelten Anagnorismos. Denn zuerst, da Alkmaion ja nicht wusste, dass die erworbene Sklavin seine Tochter ist, hätte der Sohn den Vater wiedererkannt, und dann der Vater mit Hilfe des Sohnes die Tochter.195 Paulsen rückt das Stück wegen der Intrige und des „Happy-Ends“ mit der Möglichkeit eines doppelten Anagnorismos in die Nähe der Mittleren Komödie.196 Somit würde sich das Stück gut in die Reihe der anderen beiden Tragödien der Trilogie einreihen, indem es den Aspekt des Übergangs der Tragödie zur Komödie, der auch schon durch die komödienähnlichen Szenen in der IA vorgezeichnet wurde, abdecken würde. 2.3 Fazit: Die poetische Produktion des Euripides in Makedonien Die Bedeutung der Tragödie Archelaos für den gleichnamigen makedonischen König ist evident. Es wurde plausibel gemacht, dass dieses Stück in Makedonien als Auftragsdichtung verfasst worden sein könnte. Die Legitimierung der Stellung des Königs durch diese Tragödie kann als politische Propaganda gedeutet werden. Darauf lässt die lange, konstruierte Genealogie zu Beginn des Stückes schließen, in der die Abstammung des mythischen Archelaos auf Griechen und bestimmte Götter zurückgeführt wird. Es wurden außerdem Möglichkeiten der Aufführung dieses Stückes in Makedonien diskutiert. Mit den drei Tragödien, die Euripides am Ende seines Lebens komponiert hat, hat der Dichter die Gattung voll ausgereizt. In den Bakchen geht er zu den Anfängen der Gattung zurück. Die mehrschichtige und singuläre Rolle des Dionysos und des Chores verweisen auf verschiedene dramatische chorlyrische Formen und können als Verweis auf die Genese der Gattung Tragödie verstanden werden. Denn in der Konstellation vom Chor und dem Protagonisten Dionysos, der zugleich als Koryphaios des Chores fungiert, lässt sich die traditionelle Form des Dithyrambos, der speziell dem Gott Dionysos zugeeigneten Gattung, erkennen. In der Funktion des Chors als Thiasos des Gottes kommt die kultische Bedeutung der dramatischen Gattung performativ zur Geltung. Psychologische Feinheiten, ambivalente Charaktere, nahezu Karikierungen des Heroischen und intrigenhafte Verwicklungen zeichnen die Iphigenie in Aulis aus. Die Tendenz, in der Tragödie Übergänge zur Neuen Komödie zu schaffen, war allem Anschein nach auch im Alkmaion in Korinth gegeben. Es ist wahrscheinlich, dass Euripides diese drei Stücke selbst als Trilogie konzipiert

193 194 195 196

Paulsen 2005, 79. Seeck 1981, 579. Seeck 1981, 579; Collard/ Cropp 2008, 87. Paulsen 2005, 79.

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Agathon als Dichter und Musiker

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hat, nicht indem er einen inhaltlichen Bezug suchte, sondern einen konzeptionellen. Denn er präsentierte alle Möglichkeiten der Gattung Tragödie in einer Trilogie. In allen vier relevanten Tragödien experimentiert Euripides mit Neuem und gestaltet bekannte Formen und Themen in origineller Weise. In den drei Tragödien, die eventuell eine Trilogie gebildet haben, finden sich Anleihen aus anderen dramatischen Gattungen. Durch die Integration von komödienhaften oder dithyrambischen Elementen werden in der jeweiligen Tragödie bestimmte Aspekte betont. Dadurch präsentiert Euripides den Stoff neu. Komponenten verschiedener Gattungen in einer Komposition zu vereinen und dadurch eine raffinierte, anspielungsreiche Dichtung mit neuen Akzenten und Sichtweisen zu kreieren, entspricht einem poetischen Modus, der bislang eher als „hellenistisch“ galt.197 Archaisierende Tendenzen bestätigen das Bild von Euripides als einem Dichter, der seiner Zeit voraus war. Sprachliche Archaismen finden sich in den Bakchen, ebenso herrscht dort das archaisch wirkende Metrum des Ionikers vor, außerdem schließt die Thematik und Form an die Frühform der Tragödie an. Lange Chorpartien dominieren das Stück und gliedern die Epeisodia. Durch den Gebrauch archaischer formaler und inhaltlicher Strukturen zeigt sich der Dichter als versiert und stilisiert sich somit als poeta doctus.198 Komplizierte psychologische Verflechtungen und Zeichnungen des Unheroischen, wie sie besonders in der Iphigenie in Aulis begegnen, bereiten auch hellenistische Dichtungsmodi vor. Die ebenfalls vor allem für den Hellenismus bekannte Präsentation eines Herrschers als Gott ist bereits im Archelaos greifbar.

3. Agathon als Dichter und Musiker Über den Dichter Agathon besitzen wir außer den Fragmenten seiner eigenen Dichtung zwei wichtige Zeugnisse zeitgenössischer Autoren, die in der jeweiligen literarischen Brechung die Person Agathons darstellen und bewerten. Durch diese Testimonien gewinnen wir bedeutende Kenntnisse über die Wahrnehmung Agathons in der athenischen intellektuellen Szene. Zuerst sind hier die Thesmophoriazusen des Aristophanes zu nennen, die wahrscheinlich im Jahr 411199 aufgeführt wurden und Agathon in der entsprechenden komischen Überformung präsentieren. Das zweite Zeugnis ist das Symposion Platons, dessen Hintergrundhandlung die Nachfeier des Sieges des Agathon an den Lenäen des Jahres 416 bildet. Ein dritter wichtiger Kritiker Agathons ist der Philosoph Aristoteles (384–322 v. Chr.), der in seiner Poetik Agathon einige Male der Bewertung anhand seiner dichtungstheoretischen Grundsätze unterzieht. All diese Zeugnisse tragen dazu bei, unser Bild des Tragikers und Intellektuellen Agathon nicht nur zu bereichern, sondern sie ermöglichen grundle197 S.o. 38–40. 198 Zum poeta doctus s.o. 39 f. 199 Zur Schwierigkeit der Datierung der Thesmophoriazusen siehe Austin/ Olson 2004, xxxiii– xxxvi.

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gende Kenntnisse über ihn. Die Zuverlässigkeit dieser Quellen kann über die erhaltenen Fragmente der Dichtung Agathons bestätigt werden. Insofern wird hier zuerst eine Analyse der literarischen Darstellungen und Bewertungen des Dichters vorgenommen, bevor seine Fragmente untersucht werden. 3.1 Aristophanes, Thesmophoriazusen 3.1.1 Das Lied des Therapon: Agathons rhetorische Dichtkunst Die Komödie Thesmophoriazusen des Aristophanes ist ein Stück, das vom Rollentausch zwischen Mann und Frau, von intertextuellen Bezügen vor allem auf Euripides und pointierter Komik geprägt ist. In dieser Komödie lässt Aristophanes den Tragödiendichter Agathon auftreten (101 ff.). In den Thesmophoriazusen geht es um die Anklage des Tragikers Euripides am Thesmophorienfest durch die daran teilnehmenden Frauen, nach deren Meinung seine Dichtung frauenfeindlich sei. Euripides weiß davon und bittet nun Agathon, an der Versammlung der Frauen, als Frau verkleidet, teilzunehmen, damit er Euripides verteidigen könne. Agathon weigert sich zum Thesmophorienfest zu gehen (179–209). Stattdessen geht der Verwandte des Euripides, die Bomolochosfigur der Komödie, dorthin (211 ff.).200 Dieser Verwandte wird von den Frauen enttarnt und gefangen gesetzt (574 ff.). Euripides unternimmt daraufhin verschiedene Versuche, ihn durch Nachspielen von Rettungsszenen aus seinen eigenen Tragödien zu befreien (871 ff.). Zuletzt gelingt die Befreiung dadurch, dass Euripides, als Kupplerin verkleidet, dem Bewacher des Gefangenen eine junge Tänzerin zur Ablenkung zuführt (1160 ff.). Die Agathonszene steht zu Beginn der Komödie. Nach einer Hetzjagd durch die Stadt gelangen Euripides und sein Verwandter zum Haus des Tragödiendichters Agathon:201 Ευ. Κη. Ευ.202 Κη. Ευ. Κη.

ἐνταῦθ᾽ Ἀγάθων ὁ κλεινὸς οἰκῶν τυγχάνει ὁ τραγῳδοποιός. ποῖος οὗτος Ἁγάθων; ἔστιν τις Ἀγάθων – μῶν ὁ μέλας, ὁ καρτερός; οὔκ, ἀλλ’ ἕτερός τις. οὐχ ἑόρακας πώποτε; μῶν ὁ δασυπώγων;

200 Dieser Verwandte (κηδεστής) wird in den Scholien und den marginalen Angaben der Sprecherwechsel in der Handschrift R mit Mnesilochos, dem Vater der ersten Frau des Euripides (anon. vit. Eur. §5 (p. 5.5 Schwartz)) identifiziert. Die neuere Ausgabe von Wilson 2007, 70 ff. gibt nur κηδεστής (Verwandter) an, da die Figur in der Komödie selbst tatsächlich nicht genauer bestimmt wird. Siehe auch Austin/ Olson 2004, 76 f. 201 Der Aristophanes-Text folgt der Ausgabe von Wilson 2007; falls Abweichungen davon bevorzugt wurden, werden diese eigens benannt. 202 Die Verfasserin folgt in der Zuteilung dieses Halbverses an Euripides der älteren Aristophanes-Ausgabe von Hall/ Geldart 1901 u.ö. Sprecherwechsel an dieser Stelle haben auch Austin/ Olson 2004, 4.

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Agathon als Dichter und Musiker

Ευ. Κη. Ευ.

οὐχ ἑόρακας πώποτε. μὰ τὸν Δί’ οὔτοι γ’ ὥστε κἀμέ γ’ εἰδέναι. καὶ μὴν βεβίνηκας σύ γ’, ἀλλ’ οὐκ οἶσθ’ ἴσως. Ar. Thesm. 29–35

Eu. Verw. Eu. Verw. Eu. Verw. Eu. Verw. Eu.

Hier wohnt gerade der berühmte Agathon, der Tragödiendichter. Welcher Agathon ist dieser da? Es gibt einen Agathon – etwa den schwarzgebräunten, den starken? Nein, sondern einen anderen. Hast du ihn nie gesehen? Etwa den mit dem dichten Bart? Du hast ihn nie gesehen. Beim Zeus, jedenfalls nicht, dass ich es wüsste. Sicherlich hast du freilich ihn gebumst, aber du weißt es vielleicht nicht.

Die Pointe der Szene liegt darin, dass der Tragiker Agathon so bekannt sein müsste (ὁ κλεινός, 29), dass für seine Identifizierung keine weiteren Angaben nötig sein sollten, der Verwandte ihn aber gerade nicht kennt. Dieser nennt nun Unterscheidungsmerkmale, anhand derer er ihm bekannte Agathone identifizieren könnte. Diese aber widerprechen genau dem Erscheinungsbild des eigentlichen Agathon, wie sich etwa 100 Verse später herausstellen wird: Das Merkmal „schwarzgebräunt“ (μέλας, 31) widerspricht der hellen Hautfarbe des Tragikers (λευκός, 191). Die eindeutig feminine Erscheinung des Tragikers (siehe ab 97 f.) spricht nicht dafür, dass er „stark“ (καρτερός, 31) sein könnte. Auch das Attribut „mit dichtem Bart“ (δασυπώγων, 33) passt wiederum gerade nicht zum ihm; er ist nämlich „glatt rasiert“ (ἐξυρημένος, 191) und trägt nach Aussage des Euripides immer ein Schermesser mit sich (218 f.). Durch diese Beschreibung des Agathon e contrario entsteht eine komische Situation. Letztendlich macht Euripides den Verwandten darauf aufmerksam, dass er den Tragiker Agathon vielleicht noch nie gesehen habe (32 f.), sondern ihn wahrscheinlich aus einem anderen, obszönen Zusammenhang kenne (35). Welche Intention verfolgt Aristophanes mit dieser Szene? Ist nun der Tragödiendichter Agathon bekannt (κλεινός, 29) oder nicht? Einerseits wollte Aristophanes den Agathon damit sicherlich nicht als unbekannt präsentieren.203 Denn aus Platons Symposion ergibt sich, dass ihn sein Sieg im Jahr 416 bekannt gemacht hat.204 Der Witz liegt vielmehr darin, dass der Verwandte, ein einfacher Bürger, den jedenfalls unter 203 Das Scholion zur Stelle (Σ R ad v. 32; siehe Agathon 39 T 4 Snell/ Kannicht) gibt gerade dies als Begründung an: ἐπειδὴ οὐ πάλαι ἤρξατο διδάσκειν, ἀλλὰ τρισὶν πρὸ τούτων ἔτεσιν (i.e. 414) („Weil er nicht schon lange begonnen hatte, Stücke aufzuführen, sondern drei Jahre zuvor (also 414)“). Die erste Aufführung des Agathon war allerdings im Jahr 416. Siehe Kannicht/ Gauly 1991, 282, Anm. 3. 204 Pl. Smp. 175e; 194a–b.

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Intellektuellen so berühmten Agathon nicht kennt.205 Dies stellt eine Provokation des Tragikers dar. Gleichzeitig wird bereits hier durch den derben Witz am Ende der „Erkennungsszene“ (35) Agathon in den Bereich der gleichgeschlechtlichen Sexualität gerückt. Bevor Agathon selbst auftritt, kündigt ihn sein Sklave (θεράπων) mit einem Lied an, das den poetischen Stil des Tragikers nachahmt:206 Θε.

εὔφημος πᾶς ἔστω λαός, στόμα συγκλῄσας∙ ἐπιδημεῖ γὰρ θίασος Μουσῶν ἔνδον μελάθρων τῶν δεσποσύνων μελοποιῶν. ἐχέτω δὲ πνοὰς νήνεμος αἰθήρ, κῦμά τε πόντου μὴ κελαδείτω γλαυκόν∙ βομβάξ. σίγα. τί λέγει; πτηνῶν τε γένη κατακοιμάσθω, θηρῶν τ’ ἀγρίων πόδες ὑλοδρόμων μὴ λυέσθων. βομβαλαβομβάξ. μέλλει γὰρ ὁ καλλιεπὴς Ἀγάθων πρόμος ἡμέτερος – μῶν βινεῖσθαι; τίς ὁ φωνήσας; νήνεμος αἰθήρ. δρυόχους τιθέναι δράματος ἀρχάς. κάμπτει δὲ νέας ἁψῖδας ἐπῶν, τὰ δὲ τορνεύει, τὰ δὲ κολλομελεῖ, καὶ γνωμοτυπεῖ κἀντονομάζει καὶ κηροχυτεῖ καὶ γογγύλλει καὶ χοανεύει.

Κη. Ευ. Θε. Κη. Θε. Κη. Θε. Κη. Θε.

Ar. Thesm. 39–57 Diener:

Andächtig schweige das ganze Volk, den Mund verschließend; denn die Schar der Musen ist in den Hallen des Herrn Lieder dichtend anwesend. Es soll der windstille Äther die Winde zurückhalten,

205 Ebenso Rau 1967, 100: „Daß der Verwandte Agathon gar nicht zu kennen behauptet (vs. 29 ff), ist ein Hieb auf die nicht geringe Eitelkeit des ‚berühmten Tragödiendichters‘.“ 206 Austin/ Olson 2004, 65: „Aristophanic doorkeepers routinely reflect their masters᾽ manners.“

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Agathon als Dichter und Musiker

Verw. Eu. Dien. Verw. Dien. Verw. Dien. Verw. Dien.

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und die blauglänzende Woge des Meers nicht lärmen; Bombax. Schweig. Was sagt er? Und das Volk der Geflügelten soll sich schlafen legen, und die Füße der wilden, Wald durchlaufenden Tiere sollen sich nicht lösen. Bombalabombax. Denn es schickt sich an der schön redende Agathon mein Herr – doch nicht gebumst zu werden? Wer hat da gesprochen? Der windstille Äther. Schiffsrippen als Beginn des Dramas zu setzen. Er biegt neue Felgen von Worten, er drechselt, er leimt Lieder, und schmiedet Sentenzen und benennt um und formt wie in Wachs und rundet und gießt.

Im ersten Teil des Gedichts (39–48) lässt Aristophanes den Sklaven durch die metrische und stilistische Gestaltung eine Atmosphäre evozieren, die den Auftritt des Poeten vorbereitet. Der anapästische Dimeter, der diesen Versen zugrunde liegt, ist im ersten Vers nur durch Längen realisiert: εὔφημος πᾶς ἔστω λαός (39). Dadurch wird das Geschehen entschleunigt. In στόμα συγκλῄσας („den Mund verschließend“, 40) wird durch den wiederholten s-Laut das Schließen des Mundes onomatopoetisch verdeutlicht. Die Musen unterstützen durch ihre Anwesenheit die Tätigkeit des Dichters (40–2). Zuletzt wird die ganze belebte und unbelebte Natur (der Wind, das Meer, die Vögel und die wilden Tiere) zum Stillstehen aufgefordert, damit der Dichter wirken kann (43–5 und 46–8). Diese beiden Aspekte – die Anwesenheit der Musen und der Stillstand der Natur – werden durch Homoioteleuta (v.a. 41–2 und 46–8 auf -ων) deutlich gemacht: Alles Treiben kommt zu einem Endpunkt und die Musen beherrschen jetzt die Szene. Der Diener verwendet in diesen Versen (39–48) eine hochpoetische Sprache.207 Es entsteht eine nahezu sakrale Stimmung. Dass Dichter für sich eine besondere Atmosphäre und die Anwesenheit der Musen beanspruchen, um dichten zu können, ist seit alters üblich.208 Eine übertriebene und damit lächerlich wirkende Darstellung des ganzen Vorgangs des Ruhe-Herstellens wird hier durch die Dichte des gewählten Ausdrucks, die Häufigkeit des Homoioteleutons auf -ων und vor allem auch durch die vielen und dadurch komischen 207 Eine genaue Untersuchung des Wortmaterials findet sich bei Rau 1967, 100f. und bei Austin/ Olson 2004, 65–73. 208 Z.B. Hes. Theog. 1 ff.

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Bilder bewirkt. In der Darstellung des Sklaven liegt in einer doppelten Brechung eine Karikatur Agathons vor. Denn dieser führt nur aus, was sein Herr ihm aufträgt und spiegelt auf einem niedrigeren Niveau seinen Herrn wider. Aristophanes stellt Agathon demnach als einen Dichter dar, der nicht nur musische Inspiration für seine Arbeit braucht, sondern totale Aufmerksamkeit. Es entsteht einerseits eine Parodie des Meisters durch seinen Diener. Andererseits gibt die Komposition des Dieners bereits einige Hinweise auf den Stil Agathons. So benutzt der Sklave im Lied Alliterationen und Homoioteleuta. Diese Stilmittel erscheinen ebenfalls in den Fragmenten der Dichtung Agathons.209 Die gewählte Sprache findet sich auch bei der Figur des Agathon in den Thesmophoriazusen selbst.210 Das Lied gliedert sich in den eben beschriebenen ersten Teil, in dem die Atmosphäre für das dichterische Schaffen vorbereitet wird (39–48), und einen zweiten Teil, der die Tätigkeit des Dichters beschreibt (52–57). Genau in der Mitte wird die Hauptfigur des Liedes, der Dichter selbst, genannt. Agathon wird als καλλιεπής („schön redend“, 49) bezeichnet. Von seiner καλλιέπεια zeugt sowohl die Imitation der Agathon᾽schen Kunst im Lied des Sklaven als auch das darauf folgende Agathonlied (101–129).211 An dieser Stelle bezeichnet der Sklave seinen Herrn im epischen Stil als πρόμος212 („Anführer“, 50). In der zweiten Hälfte des Liedes folgt eine Beschreibung der Tätigkeit Agathons als Dichter in Handwerksmetaphern (52–57). Das Biegen (κάμπτειν), Drechseln (τορνεύειν), „Leimliedern“213 (κολλομελεῖν), Sentenzenklopfen (γνωμοτυπεῖν), Umbenennen (ἀντονομάζειν), Wachsgießen (κηροχυτεῖν), Runden (γογγύλλειν) und Gießen (χοανεύειν) der Worte wird metrisch und stilistisch stark unterstrichen. Ab Vers 52 beschleunigt sich der Rhythmus der Verse, sodass der Eindruck entsteht, man sei in einer Werkstatt, in der auf Hochtouren gearbeitet wird. Dort bearbeitet – im Bild gesprochen – der Dichter die Worte, um sie in die richtige Form zu bringen. Assonanzen, Alliterationen, Anaphern und Homoioteleuta (52–57) führen praktisch vor Augen, welches Ergebnis die Arbeit des Dichters hat.214 Die aristophanische Beschreibung der Dichtkunst Agathons als rhetorisch ausgearbeiteter Poesie wird durch die Fragmente 209 Alliteration: Agathon 39 F 3, 6, 8, 11, 21, 5 Snell/ Kannicht; Homoioteleuta: ebda. F 11, 12, 29, 34?. 210 In Vers 180 benutzt dieser im tragischen Stil τοῦ χρείαν ἔχων; anstelle eines einfachen τί χρώμενος oder τί χρῄζεις. Ebenso ist τίς οῦν παρ᾽ ἡμῶν ἐστιν ὠφέλειά σοι; (183) ein etwas umständlicher Ausdruck für τί οῦν σ᾽ ὠφελήσω; Er verwendet außerdem die erste Person Plural anstelle der ersten Person Singular (183, 196) wie auch der Sklave (ἡμέτερος πρόμος, 50). In den Fragmenten Agathons ist das Wortmaterial weitgehend unauffällig. 211 Siehe auch Agathon 39 T 16 Snell/ Kannicht. 212 Die Lesart πράμος des Codex R bewerten Austin/ Olson 2004, 69 als simplen Schreibfehler. 213 Rau 1967, 102. 214 Assonanz und Homoioteleuta: ..τορνεύει .. κολλομελεῖ, .. γνωμοτυπεῖ κἀντονομάζει ..κηροχυτεῖ .. γογγύλλει .. χοανεύει; Homoioteleuton: νέας ἁψῖδας; Alliteration: δρυόχους .. δράματος; Anapher (καί) und Alliteration mit verschiedenen Artikulationsarten des „k“-Lautes: κολλομελεῖ, καὶ γνωμοτυπεῖ κἀντονομάζει καὶ κηροχυτεῖ καὶ γογγύλλει καὶ χοανεύει; Anapher mit τὰ δέ.

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seiner Dichtung verifiziert.215 Außerdem vergleicht Sokrates ihn in Platons Symposion mit dem Sophisten und Redner Gorgias.216 Da sich unter den erhaltenen Fragmenten Agathons viele Sentenzen befinden,217 bestätigt die Nennung des γνωμοτυπεῖν („Sentenzenklopfen“) eine entsprechende Tendenz dieses Dichters. Die Verwendung von Handwerks- oder Kunstmetaphern zur Beschreibung der Arbeit eines Dichters ist zunächst nicht ungewöhnlich, die Art und die Dichte der Bilder wiederum, die der Sklave für das poetische Schaffen Agathons benutzt, dagegen schon.218 Aristophanes zeigt anhand des Sklaven, dass Agathon in seiner Dichtung Mittel der Rhetorik und im Besonderen Klangelemente einsetzte. Durch die komisch-übertriebene Darstellung zieht Aristophanes die rhetorische Bearbeitung ins Lächerliche und lässt eine Kritik an der artifiziellen Dichtkunst des Agathon erkennen.219 3.1.2 Das Agathonlied: Agathon als innovativer Musiker Was nun ein wenig verwundert, ist der eigentliche Auftritt Agathons. Nach der rhetorisch und stilistisch durchdachten Komposition des Sklaven würde man erwarten, dass Agathon jetzt ein Lied präsentiert, das in stilistischer und sprachlicher Hinsicht die laienhafte Darbietung seines Sklaven in den Schatten stellt. Was den Rezipienten allerdings ab Vers 101 begegnet, ist durchaus ein exzentrisches Lied, aber völlig verschieden vom Vortrag des θεράπων. Aristophanes inszeniert Agathon in seinem Auftritt, wie er gerade ein Chorlied für eine Tragödie komponiert, das sogenannte „Agathonlied“. Aristophanes lässt ihn sowohl die Rolle der Chorführerin als auch die des Chores übernehmen, die in einem Wechselgesang (Amoibaion) Leto, Apollon und Artemis preisen. Es ist wahrscheinlich ein Chor troischer Frauen.220 Das Lied ist, was den Inhalt und das Wortmaterial angeht, weiter nicht auffällig.221 Dass aber an dem Lied etwas Besonderes sein muss, zeigt die Reaktion des Verwandten des Euripides auf Agathons Gesang. Wenn nun weder Sprache und Stil noch Inhalt speziell sind, bleibt bei einem Lied nur noch die musikalische Gestaltung übrig, die auffällig sein könnte.222 Noch vor dem Liedvortrag des Agathon – eine Situation, in der offensichtlich bereits die Melodie, aber noch kein Gesang zu hören ist – kommentiert der Verwandte die Musik folgendermaßen: μύρμηκος ἀτραπούς, ἢ τί διαμινύρεται; („durch Ameisenpfade, oder wodurch trällert er sich da?“, 100). Die Melodie des Liedes gleicht also verschnörkelten Ameisenpfaden. Auch in den 215 216 217 218 219

S.u. 115 ff. S.u. 111 ff. Agathon 39 F 5–9, 11–12, 14, 18–29 Snell/ Kannicht. Rau 1967, 102; Muecke 1982, 45; Holzberg 2011, 63. Muecke 1982, 45 f. Muecke zeigt, dass auch Platon (Phaidros, Symposion) für seine Kritik an der sophistischen Redekunst Handwerksmetaphern benutzt. 220 Austin/ Olson 2004, 87. 221 Eine detaillierte Auswertung des Wortmaterials findet sich bei Rau 1967, 104f.; siehe auch Austin/ Olson 2004, 89–97. 222 Rau 1967, 105: „[D]ass der stilistisch nicht ungewöhnliche Paian komisch wirkt, hat seinen Grund zweifellos in musikalischer Parodie.“

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Versen 130–3 kommentiert er nicht Inhalt oder Form, sondern ausdrücklich die Melodie (τὸ μέλος, 130). Er beschreibt sie als „süß“ (ἡδύ, 130), „weiblich“ (θηλυδριῶδες), „vollzungig“223 (κατεγλωττισμένον, 131) und „lasziv“ (μανδαλωτόν, 132). Des Weiteren bringt er das Lied in einen Zusammenhang mit den Genetylliden (ὦ πότνιαι Γενετυλλίδες – „ihr hehren Genetylliden“, 130), die für die weibliche Sexualität stehen.224 Die Beschreibung durch den Verwandten deutet darauf hin, dass die Melodie des Liedes einen weiblichen, und damit weichlichen, jedenfalls unmännlichen Charakter haben muss. Es präsentiert sich in einer Art und Weise, die für den Verwandten höchst ungewöhnlich, neu und widersprüchlich zu der ihm bekannten Musik ist. Darüber, was man sich unter dieser Beschreibung spezifischer vorzustellen hat, gibt das Agathonlied selbst Aufschluss. In der zweiten Hälfte des Liedes heißt es: [sc. ἀείσατε, cf. 115] Λατώ τε κρούματά τ’ Ἀσιάδος ποδὶ παράρυθμ᾽ εὔρυθμα Φρυγίων διὰ νεύματα225 Χαρίτων. Ar. Thesm. 120–122 [Preist] mit einem Tanz Leto und die Schläge der Asiatin, die unrhythmisch – rhythmisch [ertönen], nach Weisung der phrygischen Chariten. Zunächst werden κρούματα Ἀσιάδος („Schläge der Asiatin“) genannt. Die κρούματα bezeichnen die Schläge, die mit den Fingern oder dem Plektron auf ein Saiteninstrument ausgeübt werden, und somit einen Klang erzeugen; daher kann das Wort auch mit „Töne“ übersetzt werden.226 Zu der erwähnten „Asiatin“, griechisch Ἀσιάς, ist κιθάρα oder κίθαρις zu ergänzen.227 Die sieben-saitige Kithara war in Griechenland seit dem 7. Jh. gebräuchlich.228 Seit den 420er Jahren hat sie aus unbekannten Gründen in der Dichtung das Epitheton Ἀσιάς („asiatisch“) bekommen.229 Mit den κρούματα Ἀσιάδος wird also das melodische Gerüst des Liedes, die Töne, bezeichnet. Das folgende Wort ποδί230 meint hier den „Tanzschritt“ des Chores.231 Die 223 Nach der Übersetzung von Holzberg 2011, 12. 224 Austin/ Olson 2004, 98. 225 Die Handschriften überliefern διανεύματα (LSJ suppl., s.v. διάνευμα: gesture of the body), eine Lesart, die Austin/ Olson 2004, 95 zu Recht mit dem Hinweis zurückweisen, dass ein Asyndeton nach Λατώ τε κρούματά τ’ sehr hart wäre und dass die Handschrift R normalerweise Präpositionen als Teil des folgenden Wortes behandelt. 226 LSJ, s.v. κροῦμα. Austin/ Olson 2004, 94. Sommerstein 1994, 165. 227 Austin/ Olson 2004, 94. Sommerstein 1994, 165. LSV, s.v. Ἀσιάς. 228 West 1992, 53. 229 Z.B. Eur. Cyc. 443–4. Siehe Sommerstein 1994, 105. 230 Was die Bedeutung angeht, wurde von Übersetzern der Begriff „Tanz“ beziehungsweise „Tanzschritt“ zugrunde gelegt, insofern als der Tanz durch die Schritte oder das Stampfen des Fußes entsteht. Austin/ Olson 2004, 94 übersetzen: „keeping time with the dance against the rhythm.“ Holzberg 2011, 12 schlägt „wider den Rhythmus im Rhythmus des Schritts“ vor

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Chorführerin (κορυφαῖος) fordert den Chor auf, den Preisgesang (cf. ἀείσατε, 115) mit einem Tanz zu unterlegen, wie sie es schon in Vers 103 (χορεύσασθε) getan hat. Eine weitere Bedeutungsvariante für das Wort πούς ist „Takt“. Der Musiker, Musiktheoretiker und Philosoph Aristoxenos von Tarent (etwa 376 geb., Schüler des Aristoteles) verwendet den Begriff πoύς im Sinne unseres heutigen Verständnisses von „Takt“232. In der alten Mousiké gab es noch keine Takte, aber durch die Loslösung des Rhythmus von den Silbenquantitäten wurde ein regulierendes Gerüst in der Form von Takten notwendig (nicht mehr Metren als Gerüst, sondern Takte). Man könnte also sagen, „durch den Takt“ (Dativus instrumentalis) kommt es, dass die instrumentale Begleitung nicht mehr mit dem Rhythmus, der durch die Worte vorgegeben ist, übereinstimmt. Die beiden folgenden Wörter παράρυθμα und εὔρυθμα („gegen den Rhythmus“ und „im Rhythmus“ bzw. „unrhythmisch“ und „rhythmisch“) beschreiben die bereits erwähnten κρούματα genauer und bestätigen die Emanzipation des Rhythmus über die Silbenquantitäten.233 So offenbart sich diese dem Agathon von Aristophanes in den Mund gelegte Aussage als Bekenntnis zur Neuen Musik. 3.1.2.1 Dominanz der Melodie über das Wort Während in der alten Musik (archaische Zeit bis 5. Jh.) der Rhythmus der Melodie mit dem Rhythmus, der durch die Worte, also die Silbenquantitäten, vorgegeben war, übereinstimmte,234 entfernten sich die Innovatoren in der Musik von dem vorgegebenen Rhythmus des Wortes und komponierten die Melodie freier.235

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und Sommerstein 1994, 166 „out of time and in time to your step“. Dass Sommerstein hier auch den Tanzschritt meint, zeigt sein Kommentar (ebda., 166): „[T]he abrupt rhythmic transitions in this song (see on 101–129 Metre) may well in fact have produced – designedly on Ar.᾽s part – mismatches between the rhythm of the music and that of the dance.“ Syntaktisch beziehen Austin/ Olson ποδί auf εὔρυθμα, Holzberg und Sommerstein auf beide Adjektive, εὔρυθμα und παράρυθμα. Es liegt allerdings näher, ποδί syntaktisch zu dem in diesem elliptischen Satz fehlenden ἀείσατε aus Vers 115 zu setzen („Preist mit einem Tanz“). πούς ist der „Versfuß“ (LSJ, s.v. πούς IV). Denn der Fuß kann „die metrische Einheit durch Heben und Senken markieren.“ (Stroh 2000, 199). πούς ist gleichzeitig also auch der Tanzfuß („Tanzschritt“, siehe Übers. oben 94). Denn der tanzende Chor kann mit seinen Füßen die Quantitäten der Worte abbilden. Aristox. Harm. 2.34 (Marquard): Καθόλου δ᾽εἰπεῖν ἡ μὲν ῥυθμοποιία πολλὰς καὶ παντοδαπὰς κινήσεις κινεῖται, οἱ δὲ πόδες οἷς σημαινόμεθα τοὺς ῥυθμοὺς ἁπλᾶς τε καὶ τὰς αὐτὰς ἀεί. – „Insgesamt (zu sagen) führt die Rhythmopoiie viele und mannigfache Bewegungen aus, die Takte aber, mit welchen die Rhythmen bezeichnet werden, einfache und immer dieselben.“ Dazu Pöhlmann 1960, 34: „Mit den πόδες hat sich so etwas wie Takt von der Metrik emanzipiert, und die rhythmische Gestaltung verläuft nun unter freierer Behandlung der Quantitäten in diesem gleichbleibenden Rahmen.“ Siehe auch Pöhlmann 2010, 45: „Abweichend von den älteren Rhythmikern, verwendete Aristoxenos nicht die Silbe als Einheit des Rhythmus, sondern führte eine abstrakte Größe ein, die ‚erste Zeiteinheit‘ (chronos prôtos).“ LSJ, s.v. παράρρυθμος: out of time; s.v. εὔρυθμος: rhythmical. West 1992, 130 f. Pöhlmann 1960, 34–39; Rau 1967, 103.

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Die frühesten musiktheoretischen Äußerungen finden sich bei Platon, der sich bei seinen Ausführungen auf den athenischen Musiker Damon (5. Jh.) beruft (Pl. Pol. 400b).236 Im 3. Buch seines Staates (um 380) spricht Paton über das Verhältnis von Lied und Wort. Πάντως δήπου, ἦν δ᾽ ἐγώ, πρῶτον μὲν τόδε ἱκανῶς ἔχεις λέγειν, ὅτι τὸ μέλος ἐκ τριῶν ἐστιν συγκείμενον, λόγου τε καὶ ἁρμονίας καὶ ῥυθμοῦ. – Ναί, ἔφη, τοῦτό γε. – Οὐκοῦν ὅσον γε αὐτοῦ λόγος ἐστίν, οὐδὲν δήπου διαφέρει τοῦ μὴ ᾀδομένου λόγου πρὸς τὸ ἐν τοῖς αὐτοῖς δεῖν τύποις λέγεσθαι οἷς ἄρτι προείπομεν καὶ ὡσαύτως. – Ἀληθῆ, ἔφη. – Καὶ μὴν τήν γε ἁρμονίαν καὶ ῥυθμὸν ἀκολουθεῖν δεῖ τῷ λόγῳ. – Πῶς δ᾽ οὔ; Pl. Pol. 398c11–d10 Gewiss, sagte ich, kannst du doch zuerst dieses hinreichend sagen, dass das Lied aus drei (Komponenten) zusammengesetzt ist, aus Wort, Harmonie (Tonart) und Rhythmus. – Ja, sagte er, das sicherlich. – Wieviel nun daran Rede ist, unterscheidet sich doch nicht von der nicht gesungenen Rede in Bezug darauf, dass es nach demselben Vorbild gesprochen werden muss, welches wir vorher beschrieben haben, und auf dieselbe Weise? – Richtig, sagte er. – Und Tonart und Rhythmus müssen doch dem Wort folgen. – Wie sollten sie nicht? Platon befürwortet hier die Praxis der alten Musiklehre237, in der Tonsetzung und Rhythmus den Worten untergeordnet sind.238 Dadurch, dass er die Übereinstimmung von den natürlichen Silbenquantitäten, mit anderen Worten der Metrik, und der Rhythmik mit einer solchen Nachdrücklichkeit fordert, zeigt er sich einerseits als konservativ und gibt andererseits zu erkennen, dass das alte System nicht mehr durchgehend befolgt wurde.239 Aristoxenos deutet in seinem Werk Elementa rhythmica die Überformung des Versrhythmus durch die Musik an.240 So unterscheidet Aristoxenos in § 13 seiner Elementa rhythmica zwischen ῥυθμός und ῥυθμοποιία. Er erklärt, dass Rhythmopoiia die „Anwendung“ (χρῆσις) des Rhythmus ist. Die Rhythmopoiia kann den Rhythmus überformen. Dies wird durch seine Ausführungen in § 19 deutlicher: Δεῖ δὲ μὴ διαμαρτεῖν ἐν τοῖς νῦν εἰρημένοις, ὑπολαμβάνοντας, μὴ μερίζεσθαι πόδα εἰς πλείω τῶν τεττάρων ἀριθμῶν. μερίζονται γὰρ ἔνιοι τῶν ποδῶν εἰς 236 237 238 239

Siehe auch Sier 2010, 126. Koller 1956, 23. Siehe auch Pl. Leg. 700a ff. Pöhlmann 1960, 29: „Damit ist die Rhythmik an die natürlichen Quantitäten geknüpft.“ Pöhlmann 1960, 34. Auch die Melodie hatte die Wortmelodie zur Grundlage. Koller 1956, 25–29; Rau 1967, 103. Auch Sier (2010, 127) verweist darauf, dass Platon für einen „neuen Umgang mit der vorhandenen [sc. Musik]“ plädiert und eine neue Musik ablehnt. 240 Zaminer 1996, 1153; ders. 2006, 181 f.

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διπλάσιον τοῦ εἰρημένου πλήθους ἀριθμὸν καὶ εἰς πολυπλάσιον. ἀλλ᾽ οὐ καθ᾽ αὑτὸν ὁ ποὺς εἰς τὸ πλέον τοῦ εἰρημένου πλήθους μερίζεται, ἀλλ᾽ ὑπὸ τῆς ῥυθμοποιίας διαιρεῖται τὰς τοιαύτας διαιρέσεις. νοητέον δὲ χωρὶς τά τε τὴν τοῦ ποδὸς δύναμιν φυλάσσοντα σημεῖα καὶ τὰς ὑπὸ τῆς ῥυθμοποιίας γινομένας διαιρέσεις∙ καὶ προσθετέον δὲ τοῖς εἰρημένοις, ὅτι τὰ μὲν ἑκάστου ποδὸς σημεῖα διαμένει ἴσα ὄντα καὶ τῷ ἀριθμῷ καὶ τῷ μεγέθει, αἱ δ᾽ ὑπὸ τῆς ῥυθμοποιίας γινόμεναι διαιρέσεις πολλὴν λαμβάνουσι ποικιλίαν. ἔσται δὲ τοῦτο καὶ ἐν τοῖς ἔπειτα φανερόν. Aristox. El. rh. II. 19 (Pearson) Das soll aber nicht heißen, daß ein Fuß nicht in mehr als vier Teile unterteilt werden kann. Geteilt werden nämlich einige Füße [beim Vortrag] in das Doppelte oder Vielfache der besagten Anzahl. Aber nicht von sich aus wird der Fuß in mehr als die besagte Anzahl geteilt, sondern infolge der Rhythmopiía teilt er sich in so viele Unterteilungen (διαιρέσεις). Gesondert bedenken muß man aber die Zeichen [Elementum longum/ breve]241, welche die Geltung des Fußes wahren, und die durch die Rhythmopiía bewirkten Unterteilungen. Und zum Gesagten sei hinzugefügt, daß die Zeichen eines jeden Fußes hinsichtlich Zahl und Größe gleich bleiben, hingegen nehmen die Unterteilungen der Rhythmopiía eine große Vielfalt an (πολλὴν ποικιλίαν).242 Wie eine Überformung der natürlichen Silbenquantitäten zugunsten des Rhythmus der Melodie ausgesehen haben kann, beschreibt der spätrepublikanische Rhetor und Historiker Dionys von Halikarnass in seinem Werk de compositione verborum folgendermaßen: ἡ δὲ μουσική τε καὶ ῥυθμικὴ μεταβάλλουσιν αὐτὰς (i.e. συλλάβας) μειοῦσαι καὶ παραύξουσαι, ὥστε πολλάκις εἰς τἀναντία μεταχωρεῖν∙ οὐ γὰρ ταῖς συλλαβαῖς ἀπευθύνουσι τοὺς χρόνους, ἀλλὰ τοῖς χρόνοις τὰς συλλαβάς. D.H., Comp. verb., 64 (c. 11) Die Musik und Rhythmik aber verändern sie (die Silben), indem sie sie kürzen oder dehnen, sodass sie oft ins Gegenteil übergehen; denn sie stimmen die Zeiteinheiten (Takte)243 nicht auf die Silben ab, sondern die Silben auf die Takte.244

241 Einfügung von der Verfasserin, alle anderen Hinzufügungen in Klammern oder kursiv geschriebene Hervorhebungen erscheinen so in der hier übernommenen Übersetzung Zaminers 2006, 179. 242 Übers. Zaminer 2006, 179. 243 Mit den χρόνοι sind hier „Takte“ gemeint. Siehe LSJ, s.v. χρόνος, 2: time or quantity of a syllable; in Rhythmic and Music, time. 244 Dieses Zeugnis wurde oft auf die griechische Musik insgesamt bezogen. Dass Dionys aber von einer Entwicklung in der Musik ab dem ausgehenden 5. Jh. spricht, haben die eben ange-

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Dass die von Dionys beschriebene Praxis schon am Ende des 5. Jh. v. Chr. einsetzte,245 zeigt ein berühmtes Beispiel aus den Fröschen des Aristophanes (405 v. Chr.). Dort parodiert dieser das Verteilen einer Einzelsilbe auf mehrere Noten (εἰειειειειειλίσσετε, 1314; εἰειειλίσσουσα, 1348).246 Die Silbe wurde zerdehnt, musikalisch entsteht ein Melisma. Ebenso zeigen die astrophischen Monodien der späten Produktion des Euripides den freieren Umgang mit der Musik.247 Wir sehen also, dass auf der älteren Stufe der Musik die Rhythmik (der Melodie) und die Rhythmik der Worte (Metrik) nicht geschieden war248 und dass diese Einheit am Ende des 5. Jh. v. Chr. aufgelöst wurde. Kommen wir zu der Ausgangsfrage, was mit παράρυθμα und εὔρυθμα (Ar. Thesm. 121) gemeint ist, zurück – vor allem παράρυθμα ist hier von Bedeutung. Wenn man die Zeugnisse über die Entwicklung in der griechischen Musik betrachtet, ergibt sich, dass Aristophanes Agathon in seinem Chorlied sagen lässt, dass die Melodie, die durch die κρούματα Ἀσιάδος erzeugt wird, teilweise gegen (παρά) und teilwiese mit (εὐ-) dem natürlichen Wort-ῥυθμός läuft. Der Begriff παράρυθμος ist insofern genau mit der neuen Entwicklung in der Musik kompatibel. Formen einer „Ablösung des Rhythmus vom Metrum“ konnten in Melismen, also im Singen mehrerer Noten auf nur einer Silbe, oder in Dehnungen der Länge auf drei Zeiten bestehen; außerdem wurden mit der Loslösung des Rhythmus von den Silbenquantitäten genau gleiche Takte notwendig.249 Die beschriebene Dominanz der Melodie über das Wort in der Neuen Musik findet im Lied des Agathon in den folgenden Versen eine treffende Beschreibung: σέβομαι Λατώ τ’ ἄνασσαν κίθαρίν τε ματέρ’ ὕμνων ἄρσενι βοᾷ δόκιμον („Ich verehre die Herrin Leto und die Kitharis, die Mutter der Hymnen, die durch ihren männlichen Klang berühmt ist.“, 123–5). Kitharis ist hier die Mutter der Hymnen, die Bezeichnung ihres Klangs als „männlich“ zeigt ihre Herrschaft in Liedern (ὕμνοι) und

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führten Zeugnisse von Platon und Aristoxenos gezeigt. Siehe auch Pöhlmann 1960, 29 ff.; Koller 1956, 23–29. Koller 1956, 29 weist bemängelnd daraufhin, dass „diese ganz klaren und eindeutigen Zeugnisse des Aristoxenos und Cicero [Orator 55 ff.], die in der echten Tradition der altgriechischen Musiké stehen, nicht ausgewertet [wurden] für die grundlegende Frage des Verhältnisses von Sprache und Akzent, resp. Musik im Altgriechischen, während das eindeutig eine spätere Phase der Entwicklung belegende Zeugnis des Dionys von Halikarnass auf die gesamte Geschichte des Griechischen angewendet wurde.“ Zaminer 2001, 1009. Stanford 1958, 183: „‚wi-i-i-i-i-indʻ (the mss. vary in the number of repitions of ει). This parodies the musical device (a ‚shakeʻ or ‚trillʻ) of dwelling on a single syllable so that a series of notes can be sung to it. It is common practice in more modern music […], but it was apparently an innovation in the late 5th century B.C.“ Siehe auch Pöhlmann 1960, 35. Zaminer 2006, 181 f.; Zimmermann 1997, 699 ff. Zgoll 2012, 18: „Immerhin ist es den Philologen gelungen, wenigstens noch so etwas wie das Gerippe oder Grundgerüst dieser antiken Musikstücke zu rekonstruieren, und das ist ihre Rhythmik. Diese Rhythmik ist mittlerweile gut erforscht und lebt unter einem anderen Namen und auf Schemata und Gesetzmäßigkeiten reduziert als eine Teildisziplin der Klassischen Philologie fort. Gemeint ist die Metrik.“; Maas 1923, 1: „Metrik als Kunst nennen wir die Regelung des natürlichen Sprachrhythmus im literarischen Kunstwerk; wir würden also besser Rhythmik sagen.“ Pöhlmann 1960, 38 f.

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ist nicht nur, wie es Muecke vorgeschlagen hat, als weitere komische Zusammenstellung eines ausdrücklich als weiblich apostrophierten Gegenstandes (κίθαρις .. ματέρ’) und einer männlichen Charakterisierung (ἄρσενι βοᾷ δόκιμον) zu verstehen.250 Die beschriebenen Tendenzen zu freirhythmischen Kompositionen und Bildung von Melismen auf langen Silben sind nach Pöhlmann ein eindeutiges Charakteristikum der hellenistischen Musik.251 Agathon greift also diesen Praktiken in seinen Kompositionen bereits vor. 3.1.2.2 „Barbarischer“ Charakter der Musik Den nächsten wichtigen Hinweis auf den Charakter des Liedes gibt der Ausdruck Φρυγίων διὰ νεύματα Χαρίτων („nach Weisung der phrygischen Chariten“, Ar. Thesm. 121 f.).252 Die Chariten sind Gottheiten der Schönheit und Anmut, die in Hesiods Theogonie in der Nähe der Musen leben (Hes. Theog. 64).253 Insofern stehen sie an dieser Stelle für die musikalische Inspiration des Dichters. Wichtig ist hierbei ihre Spezifizierung als „phrygische254 Chariten“. So lässt die Erwähnung der „phrygischen Chariten“ den Schluss zu, dass für Agathons Monodie die phrygische Tonart benutzt wurde.255 Aristoteles beschreibt den Charakter dieser Tonart: ἔχει γὰρ τὴν αὐτὴν δύναμιν ἡ φρυγιστὶ τῶν ἁρμονιῶν ἥνπερ αὐλὸς ἐν τοῖς ὀργάνοις∙ ἄμφω γὰρ ὀργιαστικὰ καὶ παθητικά. Aristot. Pol. 1342b1–3 Denn dieselbe Wirkung hat die phrygische Weise unter den Tonarten wie die Flöte unter den Instrumenten; beide sind nämlich orgiastisch und leidenschaftlich. „Orgiastisch“ und „leidenschaftlich“ heißt in diesem Fall so viel wie ungeregelt, erregt und aufwühlend. An anderen Stellen werden gerade „Barbaren“, zu denen aus griechischer Sicht auch die Phryger gehören, mit diesen Eigenschaften konnotiert und durch die musikalische Gestaltung wird dort eine entsprechende Charakterisierung auch evoziert. Zum Beispiel drückt im Perser-Nomos des Timotheos, in dem in emotionsgeladenen Bildern das Schicksal von Schiffbrüchigen bei der Schlacht von Salamis beschrieben wird, eine Vielzahl von Rhythmenwechseln und die astrophische Anlage die Erregung der unterlegenen Perser aus. Auch die „Phryger-Arie“ im Orest des Euripides (1369–1502), in der der phrygische Sklave Helenas, ein Eunuch,256 in einem „lyrischen Botenbericht“ den Anschlag auf Helena im Innern des 250 251 252 253

Muecke 1982, 48. Pöhlmann 2010, 38. Ganzer Satz oben 86. Austin/ Olson 2004, 95; weitere Stellenbelege für eine Verbindung der Chariten mit den Musen bei: West 1966, 177. 254 Hervorhebung durch die Verfasserin. 255 Muecke 1982, 46. 256 Hall 1989, 157 f.

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Palastes schildert, ist astrophisch angelegt und durch zahlreiche Rhythmenwechsel gekennzeichnet. Hier – wie im Perser-Nomos die Perser – zeigt der Phryger ein Benehmen, das aus der Sicht der Griechen für die Barbaren typisch ist. Er flieht (1370), vollführt barbarische Sprünge oder stößt „barbarische Schreie“ aus (1396).257 Die Perser beziehungsweise der Phryger werden bei Timotheos und Euripides als unmännlich, feige, nicht standhaft und verweichlicht gezeichnet258, was sich in der Unregelmäßigkeit der Rhythmen und der ungeordneten Anlage des Liedes niederschlägt. Ebenso zeichnet sich auch das Agathonlied der Thesmophoriazusen durch freie Rhythmen aus und ist astrophisch angelegt. Des Weiteren beschreibt es der Verwandte in den Versen 130–2 mit Eigenschaften, die mit der weiblich anmutenden Charakterisierung der „Barbaren“ bei Timotheos und Euripides übereinstimmen. Die Bezeichnung des Gesangs als „phrygisch“ kennzeichnet eine Tonart, die dem femininen, leidenschaftlichen und ungeregelten Charakter des Liedes entspricht. Aristophanes stellt Agathon, was die musikalische Gestaltung des Liedes betrifft, ganz in einen östlich-asiatischen Kontext. Es wird weiterhin bezeugt, dass er der erste Tragiker war, der die hypophrygische Tonart gebrauchte.259 Diese Tonart wurde für handlungsreiche Partien benutzt, hatte also einen ähnlichen Charakter wie die phrygische. Nach Plutarch war Agathon außerdem derjenige, der als erster die chromatische Tonleiter in der Tragödie benutzte.260 Diese Praxis übernahm Agathon ebenfall aus der Chormusik des 5. Jh., in der bisher die diatonische Tonleiter benutzt wurde.261 Auch sie wird als weibisch, gleichzeitig als sanft und ansprechend beschrieben.262 Pöhlmann spricht in Bezug auf die hellenistische Zeit von einer regelrechten „Blüte der Chromatik“.263 Insofern weist der vielfältige Gebrauch der chromatischen Tonart durch Agathon auf ihre spätere Etablierung voraus. Als drittes hat Agathon die hypodorische Tonart in die Tragödie eingeführt, deren Charakter eher ruhig war.264 Die hypophrygische und die hypodorische Tonart wurden nur für astrophische Monodien benutzt. Agathon zeigt sich also im Umgang mit Tonarten als innovativ. Außer Inhalt, Wortmaterial und Hinweisen zur Melodieführung gehört noch die Metrik zur Gestaltung eines Liedes. Wenn man allerdings die Aussagen über die Praktiken der Musiker-Avantgarde am Ausgang des 5. Jh. v. Chr. ernst nimmt, dass 257 Hall 1989, 124. 258 Hall 1989, 158. 259 Anon. byz. De trag. ed. R. Browning § 5 v. 39 (Varcl, L. et al., Geras. Studies presented to George Thomson, Prag 1963, 69) = Agathon 39 T 20c Snell/ Kannicht. 260 Plut. Quaest. conv., Mor. 645 E = Agathon 39 F 3a Snell/ Kannicht. Die chromatische Tonart gehörte mit der enharmonischen und diatonischen Tonart zu den drei Tongeschlechtern, die in der Antike unterschieden wurde. Siehe West 1992, 162. Das chromatische Tongeschlecht besteht aus lauter Halbtonschritten, das heißt, heute aus 12 Tönen. Dadurch konnte die Klangvielfalt erhöht werden. 261 Lévêque 1955, 146. 262 West 1992, 250 mit Anm. 97. Zimmermann 1985, 23. 263 Pöhlmann 2010, 38. 264 Anon. byz. De trag. ed. R. Browning § 5 v. 39 (Varcl, L. et al., Geras. Studies presented to George Thomson, Prag 1963, 69) = Agathon 39 T 20c Snell/ Kannicht.

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sie Silben zerdehnt oder verkürzt haben,265 und annimmt, dass das Lied des Agathon im Stil der Neuen Musik komponiert ist, wird eine metrische Analyse nahezu hinfällig. Denn da wir keine Partitur besitzen, wissen wir nicht, an welchen Stellen im Lied Aristophanes den Agathon den natürlichen Wortrhythmus übergehen lässt (παράρυθμα) und wann er die vorgegebenen Silbenquantitäten beibehält (εὔρυθμα). Die metrische Analyse, die wir anhand einzelner Silben leisten können, wäre somit nicht aussagekräftig. Dennoch, da es eben auch die εὔρυθμα-Stellen gibt, soll hier die metrische Struktur des Liedes betrachtet werden und versucht werden, Tendenzen in der Wahl des Metrums für den Charakter des Liedes auszuwerten.266 Metrische Analysen wurden unter anderen von Zimmermann, Parker und Austin/ Olson vorgelegt.267 Diese unterscheiden sich kaum voneinander. Das Grundmetrum des Liedes ist der Ioniker, der variiert und mit anderen, teilweise ihm verwandten Rhythmen durchsetzt ist.268 Das ionische und das mit diesem verwandte anakreontische Metrum kann als einziges thematisch eindeutig der Darstellung von östlichem Luxus und Verweichlichung zugeordnet werden.269 Der Ioniker kennzeichnet das „Orientalisch-Fremdartige“270 und der Ioniker a minore, der in diesem Lied gemäß den genannten Analysen sehr häufig vorkommt, wirkt fremdartig.271 So werden sie in den Hiketiden und Persern des Aischylos für die Exoten und in den Bakchen des Euripides im Zusammenhang mit dem Dionysos-Kult verwendet.272 Das heißt, auch in metrischer Hinsicht hat das Agathonlied eine Tendenz zum Exotischen, Andersartigen und Femininen. Nicht nur durch die Metrik und Tonart wird im Agathonlied ein Bezug zu Asien hergestellt, sondern auch durch die Thematik des Liedes. Denn Apollon, dem neben Leto und Artemis der Preishymnos gilt, wird als Gründer von Troja genannt (109–110), weshalb auch angenommen wurde, dass es sich um einen Chor troischer Frauen handelt.273 Außerdem wird die Kithara, die die Melodie erzeugt, nur mit ihrem Epitheton Ἀσιάς bezeichnet und damit in den östlichen Raum verortet. Dort sind auch die phrygischen Chariten (122 f.), die uns einen Hinweis auf das phrygische, leidenschaftlich und feminin wirkende Tongeschlecht geben, zu Hause. Insgesamt zeigt das Lied also mehrere musikalische Merkmale, die darauf hinwei-

265 D.H., Comp.verb., 64 (c. 11), s.o. S. 89. 266 Zimmermann 1985, 29: „Auf den Charakter der Musik können wir leider nur noch anhand metrischer Indizien schließen: Der freie ionische Rhythmus, vermischt mit anderen relativ seltenen und ausgefallenen Kola, zudem die zahlreichen Auflösungen müssen eine stachelnde, unruhige, in gewisserweise auch fremdartige Melodie bewirkt haben.“ 267 Zimmermann 1985, 22–29; Parker 1997, 398–405; Austin/ Olson 2004, 88f. 268 Zimmermann 1985, 27; Parker 1997, 402; Austin/Olson 2004, 88. 269 Hall 1989, 82 f.; Sommerstein 1994, 164. Hall 1989, 129: „significantly, it is in Ionics and Anacreontics, the only metres which can almost certainly be claimed to have a thematic association with barbarism.“ 270 Korzeniewski 1968, 117 f. 271 Hall 1989, 129. 272 Rau 1967, 106. 273 Austin/ Olson 2004, 87.

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sen, dass der für einen Griechen weiblich und lasziv wirkende Charakter des Liedes in Asien seinen Ursprung hatte. 3.1.2.3 Einfluss des Neuen Dithyrambos auf die Dichtung Agathons Sowohl die phrygische Tonart als auch das Flötenspiel, deren Wirkung Aristoteles gleichsetzt (orgiastisch und leidenschaftlich), waren nach Aristoteles typische Elemente des Dithyrambos.274 Die Vertreter des Neuen Dithyrambos Phrynis und Timotheos waren dafür verantwortlich, dass die Klangvielfalt (ποικιλία), die mit der Flöte erreicht werden konnte, auch auf die Kithara übertragen wurde, indem sie die Anzahl der Saiten von sieben auf neun (Phrynis),275 dann auf elf beziehungsweise zwölf (Timotheos) erhöhten.276 Auch die vom Verwandten erwähnte βάρβιτος (137), die sich bei Agathon befindet, wird bei Theokrit als πολύχορδος („vielsaitig“) bezeichnet.277 Die breite Klangvielfalt, die im Dithyrambos angestrebt wurde, um den musikalischen Vortrag zu bereichern, wird im Ausdruck μύρμηκος ἀτραπούς („Ameisenpfade“, 100), den der Verwandte benutzt, um seinen ersten Eindruck vom Lied des Agathon zu beschreiben, widergespiegelt. Dieses Bild nimmt der Verwandte in Vers 144 f. (ἀλλὰ δῆτ᾽ ἐκ τοῦ μέλους ζητῶ σ᾽ – „Oder soll ich dich denn aus deinem Lied heraussuchen?“) nochmals auf. Man kann also davon ausgehen, dass das Lied des Agathon durch Tonvielfalt und Koloraturen diffizil und verschnörkelt war, wie Ameisenpfade.278 Gerade die Bezeichnung μύρμηξ wurde für den Dithyrambiker Philoxenos gebraucht;279 den Ausdruck ἐκτραπέλους μυρμηκιάς („ungewöhnliche Ameisenhügel“) benutzt Pherekrates in Bezug auf den Dithyrambiker Timotheos.280 Die komplizierte Komposition der Lieder dieser Musikavantgarde rief die Assoziation von Ameisengewimmel hervor. Ein weiteres Merkmal des Neuen Dithyrambos ist die Thematisierung der für die Gattung typischen Musikinstrumente und Tonarten. Melanippidies und Telestes preisen das dionysische Flötenspiel und die damit verbundene phrygische Tonart in ihrer Dichtung.281 Ebenso nennt Agathon in seinem Lied wichtige Musikinstrumente (Ἀσιάδος, Ar. Thesm. 120; κίθαριν, 124), charakterisiert Rhythmus und Tonart der Melodie (ποδὶ παράρυθμ᾽ εὔρυθμα Φρυγίων διὰ νεύματα Χαρίτων, 121 f.) und beschreibt den Klang der Kitharis (κίθαρίν τε ματέρ᾽ ὕμνων ἄρσενι βοᾷ δόκιμον, 274 Aristot. Pol. 1342b1–7; b1–3; s.o. 91. 275 Plut. Quomodo quis sent. prof. virt., Mor. 84 A. 276 11 Saiten: Tim. P. 791, 229–233; 12 Saiten: Pherekrates F 155 PCG; diese schreibt er auch Melanippides zu. Weitere Angaben zur Saitenanzahl bei Hordern 2002, 244. Siehe auch West 1992, 62–4; 361 f. 277 Theokr. Eid. 16.45. 278 Σ R ad v. 100 (Sud. μ 1445 Μύρμηξ Adler) = Agathon 39 T 21 Snell/ Kannicht: ὡς λεπτὰ καὶ ἀγκύλα ἀνακρουομένου μέλη τοῦ Ἀγάθωνος∙ τοιαῦται γὰρ αἱ τῶν μυρμήκων ὁδοί. („weil das Lied des anstimmenden Agathon grazil und verschnörkelt ist. Denn so beschaffen sind die Ameisenpfade.“). 279 Sud. φ 393 Φιλόξενος Adler. 280 Pherekrates F 155, 23 f. PCG. Siehe Rau 1967, 108; Muecke 1982, 46. 281 Telestes F 805; 806; 810 PMG; Melanippides F 758 PMG; siehe Zimmermann 2008, 128 f.

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124 f.). In der Agathonparodie werden außerdem typische Begriffe aus dem Umfeld der Neuen Musik gebraucht: χειμῶνος οὖν ὄντος κατακάμπτειν τὰς στροφάς οὐ ῥᾴδιον („im Winter ist es also nicht leicht, die Strophen hinzubiegen“282, 167 f.). Der Begriff κάμπτειν, den der Sklave für das musikalische Produzieren seines Meisters hier verwendet, ist ein terminus technicus für Modulationen von einer Tonart in die andere, die die innovativen Dithyrambiker gerne durchgeführt haben.283 Ebenso gehört στροφαί im selben Satz zu den Begriffen, die den Dithyrambos bezeichnen.284 Agathon benutzte in seiner Dichtung viele Praktiken, die von den Innovatoren der Gattung Dithyrambos angewandt wurden, und stand damit einer avantgardistischen Gruppe von Poeten nahe. Besonders die Flöte war für die Dithyrambiker ein wichtiges Instrument, da sie mit ihr eine besonders große Klangvielfalt produzieren konnten. Eine bestimmte Art des Flötenspiels wird Agathon zugeschrieben: Ἀγαθώνειον αὔλησιν∙ τὴν μαλακὴν παρ᾽ Ἀριστοφάνει ἐν Γηρυτάδῃ. Ἀγάθων γὰρ ὁ τραγικὸς ἐπὶ μαλακίᾳ διεβάλλετο. Diogenian. ap. Hsch. α 281, Phot. (b,z) α 83, Σ A l Cyrill. = Agathon 39 T 20a Snell/ Kannicht Agathon᾽sches Flötenspiel: das weiche bei Aristophanes im Gerytades. Der Tragiker Agathon wurde nämlich wegen Weichlichkeit verleumdet.

Ἀγαθώνιος αὔλησις∙ ἡ μαλακὴ καὶ ἐκλελυμένη∙ ἢ ἡ μήτε χαλαρὰ μήτε πικρὰ ἀλλ᾽ εὔκρατος καὶ ἡδίστη. (Diogen. 1.6 ἀγαθὴ καὶ μέση καὶ καλή∙ Ἀγάθων γάρ τις δόκιμος εἰς αὐλητικήν.) Prov. ap. Sud. α 125 = Agathon 39 T 20b Snell/ Kannicht Agathon᾽sches Flötenspiel: das weiche und aufgelöste; oder das weder starre noch harte, sondern schön klingende und sehr angenehme. (gut und mäßig und schön; denn ein Agathon [war] berühmt für Auletenkunst.) Während im zuerst zitierten Testimonium dieses „weiche“ Flötenspiel nur für eine Komödie, in der Agathon verspottet wird, bezeugt ist, stellt das zweite Zeugnis keinen Bezug zu einem literarischen Text her, in dem Agathon behandelt worden wäre. Man 282 Übersetzung nach Schöner 1989, 333; Holzberg 2011, 10 übersetzt „geschmeidig zu machen die Verse“. 283 Ar. Nu. 333, 969 f. Schol. Nu. 969, Schol. rec. Nu. 971 über Phrynis. Siehe Rau 1967, 103. Sommerstein 1994, 162. Zimmermann 2008, 121 mit Anm. 29. 284 Pherekrates benutzt στροφαί in Verbindung mit καμπαί als terminus technicus für den Dithyrambos: ἐξαρμονίους καμπὰς ποιῶν ἐν ταῖς στροφαῖς („unharmonische Biegungen dichtend in den Strophen.“, Pherekrates F 155, 9 PCG. Siehe auch Austin/ Olson 2004, 74; Rau 1967, 103.

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kann also vermuten, dass die hier beschriebene Art des Flötenspiels im Gerytades für die Charakterzeichnung des Agathon eingesetzt wurde, da dessen Flötenspiel tatsächlich einen „weichen“ und femininen Charakter hatte. Diesen Zusammenhang finden wir auch zwischen dem Agathonlied und seiner Charakterisierung in den Thesmophoriazusen. Diese Flötenmusik wurde speziell als „Agathonisch“ bezeichnet. Agathon weist in der Darstellung in Aristophanes’ Thesmophoriazusen ein großes musikalisches Spektrum auf. Der Komiker zeichnet Agathon als einen Dichter, der in seinen Liedern neue Kompositionstechniken ausprobierte. Seine Produktionen fielen durch neuartige Rhythmisierungen und diffizile, fremdartig anmutende Melodieführungen auf. Er experimentierte mit verschiedenen Tonarten, wobei besonders die dem Dithyrambos eigene phrygische Tonart für ihn wichtig war. Insgesamt lässt sich eine starke Tendenz, Praktiken der Neuen Dithyrambiker zu übernehmen, feststellen. Er zeigt sich in den Thesmophoriazusen als „moderner“ Dichter und Musiker, der musikalische Prinzipien des Hellenismus, was Harmonik und Rhythmik angeht, vorwegnimmt. 3.1.3 Der Disput mit dem Verwandten: Parodie der mimetischen Dichtung Agathons In den Versen 130–145 hat der Verwandte Agathon nach seiner feminin anmutenden Lebensweise ausgefragt. Agathon erklärt nun, dass er die weibliche Kleidung, über die sich der Verwandte lustig macht, „in Übereinstimmung mit seiner Gesinnung“ 285 (ἅμα γνώμῃ, 148) trage. Denn ein Dichter müsse sich entsprechend den Stücken, die er dichten will, benehmen (χρὴ γὰρ ποιητὴν ἄνδρα πρὸς τὰ δράματα,| ἃ δεῖ ποιεῖν, πρὸς ταῦτα τοὺς τρόπους ἔχειν, 149 f.). Im Falle des Agathon ist demnach ein spezifisch weibliches Verhalten gefordert, damit er ein Frauendrama dichten kann (151 f.). Darauf bringt er den Begriff μίμησις ins Spiel: ἀνδρεῖα δ᾽ ἢν ποιῇ τις, ἐν τῷ σώματι ἔνεσθ᾽ ὑπάρχον τοῦθ᾽. ἃ δ᾽ οὐ κεκτήμεθα, μίμησις ἤδη ταῦτα συνθηρεύεται. Ar. Thesm. 154–6 Wenn aber einer ein Männer(-drama) dichtet, ist dies im Körper vorhanden. Was wir aber nicht besitzen, dies erjagt nunmehr die Nachahmung. Seine Ausführungen changieren zwischen zwei Aussagen. Zunächst führt er aus (bis 156), dass sich ein Dichter in eine bestimmte „Gesinnung“ (γνώμη) versetzen kann, um die Situation und die Rolle seiner Protagonisten nachzuempfinden. Durch „Nachahmung“ (μίμησις) seiner Figuren erlangt er deren „Charakter“ (τρόπους). Nun beruft sich Agathon auf frühere Dichter, die ein gepflegtes Äußeres hatten und eine entsprechende Dichtung hervorbrachten (159–167). Am Ende dieser Redese285 Austin/ Olson 2004, 106: „‚I wear clothing that matches my thinking‘ (i.e. ‚what I am thinking about‘).“ Sommerstein 1994, 168 übersetzt „mentality“.

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quenz (159–167) konstatiert er aber eine Übereinstimmung der φύσις des Poeten mit dessen Dichtung (ὅμοια γὰρ ποιεῖν ἀνάγκη τῇ φύσει – „denn man muss dichten, was dem Wesen gleicht“, 167). Dies steht den vorherigen Ausführungen insofern entgegen, als Agathon zunächst von einer äußeren Anpassung an sein Sujet spricht, und er dann eine Übereinstimmung der Dichtung mit dem Charakter des Dichters feststellt. Die abschließende Folgerung Agathons, ein Dichter produziere seiner φύσις gemäß (167), exemplifiziert der Verwandte an drei weiteren Dichtern (168–70) und Agathon bestätigt seine Beispiele (171). Die Passage wird vor allem durch die komplexe Semantik der Begriffe τρόποι, μίμησις und φύσις schwer verständlich und hat verschiedene Versuche der Deutung hervorgebracht.286 Allerdings kommt es im Kontext der parodistischen Darstellung Agathons auf exakte Stringenz in der Argumentation nicht an. Der Dialog zwischen dem Verwandten und Agathon zielt darauf ab, das elegante Dichten und Auftreten des Tragikers ins Lächerliche zu ziehen.287 Der eigentliche Witz der Szene liegt darin, dass sich Agathon in der Parodie des Aristophanes bei seinem Versuch sein typisch feminines Verhalten logisch zu erklären, argumentativ verstrickt. Die Feststellung, dass ein Dichter immer entsprechend seiner φύσις dichte (167), heißt ja, in den Worten, die in dieser Passage benutzt werden, dass die φύσις des Agathon bereits effeminiert ist, da er in der Lage ist, ein Drama mit weiblichen Darstellern zu produzieren.288 Durch seine komplizierte Argumentation bestätigt Agathon letztendlich die Vermutungen und Unterstellungen des Verwandten und entlarvt sich selbst als durch und durch feminin. Der μίμησις-Aspekt in der Ausführung des Agathon ist in einer weiteren Hinsicht und im Kontext der anderen Dichter bei Archelaos bemerkenswert. Wie bereits herausgestellt wurde, präsentiert Aristophanes Agathon als einen Tragiker, der seine Musik in gleicher Weise wie die zu seiner Zeit tätigen und Aufsehen erregenden Vertreter des Neuen Dithyrambos gestaltet.289 Diese Dichter und Musiker haben als 286 Cantarella 1975, 332 sieht in der Argumentation des Agathon keinen Widerspruch. φύσις heiße nicht nur „nature, character“, sondern auch „outward form, appearance“. Ebenso scheint Rau 1967, 111 keinen Widerspruch zu sehen. Einen weiteren Versuch, die beiden gegensätzlichen Aussagen zu vereinen, hat Robson 2005, 180 unternommen. Nach seiner Interpretation hätte Agathon durch μίμησις die weibliche φύσις erlangt, d.h. die feminine Kleidung hätte eine innere Veränderung bewirkt. Es wurde zurecht darauf hingewiesen, dass μίμησις bei vorplatonischen Autoren weniger „Nachahmung“, sondern eher „Übereinstimmung“ oder „Ähnlichkeit“ zwischen zwei Objekten bedeutet, so Given 2007, 39; Halliwell 2002, 15. Der Widerspruch bleibt aber bestehen. Agathon macht zwei unterschiedliche Aussagen. Die eine ist: er muss als Mann, wenn er ein Frauendrama schreiben will, seine τρόποι („Charakter“) anpassen; die andere: Schöne Literatur wird von schönen Menschen geschrieben, womit vom Wesen her (φύσις – „Wesen“) schön gemeint ist. Diese Differenz stellen auch Austin/ Olson 2004, 105 heraus: „These arguments are somewhat inconsistent.“ Ebenso Stohn 1993, 199 f. 287 So konstatieren auch Austin/ Olson 2004, 105, dass es nicht um eine systematische poetologische Argumentation geht, sondern um „popular entertainment drawing on fashionable ideas.“ 288 Austin/ Olson 2004, 109; Muecke 1982, 53. Given 2007, 40 meint, dass Agathon von sich behaupten würde, dass er nur zeitweise durch μίμησις eine Frau wird, während der Verwandte sein ganzes Wesen für weibisch hält. 289 S.o. 94 ff.

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charakteristisches Merkmal mit Stimme und Instrumenten Tierlaute, Klänge von Instrumenten oder auch Stürme und Geburtsschreie nachgeahmt.290 Es ist davon auszugehen, dass Aristophanes Agathon seine Chorkomposition im Falsett, also mit Frauenstimme, singen ließ. Er ahmt demnach vokal die Vortragsweise eines Frauenchores nach. Darüber hinaus trägt Agathon Frauenkleidung. Drittens legt Aristophanes den auschlaggebenden metapoetischen Terminus (μίμησις) seiner Figur in den Mund.291 Aristophanes präsentiert Agathon als einen Tragiker, der ebenso wie seine Dichter- und Musikerkollegen des Neuen Dithyrambos Modi der vokalen und musikalischen Mimesis umsetzt und dadurch sowohl Anstoß als auch Aufsehen erregt, so dass er zum Gegenstand der parodistischen Darstellung durch Aristophanes wurde. Die feminine Erscheinung Agathons ist ein wesentliches Element der parodistischen Überspitzung dessen mimetischer Dichtung. So singt Agathon bei Aristophanes nicht nur mit Frauenstimme, sondern trägt auch weibliche Kleidung. Die ganze Art seiner Musik wird mit spezifisch weiblichem Benehmen in Verbindung gebracht. In der Figur des Verwandten des Euripides wird dieser Aspekt der Parodie gespiegelt, indem dieser die feminine Erscheinung Agathons mit derben Bemerkungen kommentiert. Als Agathon auf dem Ekkyklema auf die Bühne gerollt wird und Euripides den Verwandten darauf hinweist (Ἁγάθων ἐξέρχεται – „Agathon kommt heraus.“, 95), meint er, er könne nur „die Kyrene“ (Κυρήνην, 97), das ist eine athenische Hetäre,292 sehen und keinen Mann (97 f.).293 Nachdem bereits im Vorfeld wiederholt Witze über den passiven Part des Agathon in homoerotischen Verhältnissen gemacht wurden (35, 50, 57, 60),294 gipfelt die Kuriosität nun darin, dass Agathon in Frauenkleidung auf dem Ekkyklema erscheint, sodass der Verwandte in ihm nicht den erwarteten Dichter vermutet. Auch der Liedvortrag Agathons wirkt auf den Verwandten, wie bereits ausgeführt, äußerst feminin und lasziv (130–3). Daraufhin entfaltet der Verwandte eine Beschreibung der Erscheinung des Agathon, die für ihn äußerst unstimmig ist. In Vers 134 spricht er ihn als ὦ νεανίσχ᾽ („Jüngling“) an, setzt aber das feminine Relativpronomen ἥτις dazu. Instrumente, die als Attribute eines männlichen Dichters gelten (βάρβιτος, λύρα295, 137 f.), treffen auf eindeutig weibliche Kleidungsstücke (κροκωτόν, κεκρύφαλος, 138).296 Genauso sind das Ölfläschchen (λήκυθος), das Öl 290 Siehe auch 139 ff. 291 Den Begriff μίμησις verwendet Platon, als er gerade derartige Praktiken der Neuen Dithyrambiker kritisiert: καὶ ἔσται δὴ ἡ τούτου λέξις ἅπασα διὰ μιμήσεως φωναῖς τε καὶ σχήμασιν, ἢ σμικρόν τι διηγήσεως ἔχουσα; (Pol. 397b1–2). 292 Austin/ Olson 2004, 84; Holzberg 2011, 64; Sommerstein 1994, 164. 293 An dieser Stelle wird wiederum das sophistische Philosophem von „Sehen“ und „Hören“ vom Beginn der Komödie aufgenommen (5–10, 19–21). Denn der Verwandte soll einen Dichter männlichen Geschlechts sehen, sieht ihn aber nicht (οὐχ ὁρῶ, 97), sieht aber eine Hetäre (Κυρήνην δ᾽ ὁρῶ, 98), die er nicht sehen soll. Die Dimension des Hörens wird dann im Folgenden durch das Lied des Agathon abgedeckt und auch hier hört er anderes, als er erwartet hätte. 294 Agathon 39 T 15, 4 Snell/ Kannicht. 295 Rau 1967, 110 bevorzugt δορά (Konjektur Roschers). 296 Austin/ Olson 2004, 101.

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für die Reinigung nach dem Ringen enthält, und ein Busenband (στρόφιον, 139) nicht kompatibel, oder ein Spiegel (κάτροπτον) und ein Schwert (ξίφος, 140). Dann möchte der Verwandte wissen, ob Agathon als Mann oder als Frau aufgezogen worden sei, und fragt nach den entsprechenden männlichen beziehungsweise weiblichen Attributen (141–3). Auch im Folgenden wird immer wieder auf die scheinbare Weichlichkeit des Agathon Bezug genommen (157 f., 200 ff., 253 ff.).297 Dieses Bild Agathons als eines verweichlichten, femininen und schönen Mannes wird auch in Platons Symposion vermittelt.298 Ebenso fällt Agathon in Platons Protagoras durch seine Schönheit (τὴν δ᾽ οὖν ἰδέαν πάνυ καλός – „seinem Aussehen nach also ganz schön.“, Pl. Prot. 315d299) und als Geliebter des Pausanias auf. Es ist ein Bild, das in der nachfolgenden Literatur immer wieder aufgenommen, ausgebaut und weiter tradiert wurde.300 Er wird mit dem Attribut καλός versehen und seine Liebschaften zu Männern mehrmals thematisiert.301 Die feminine Darstellung des Agathon in den Thesmophoriazusen ist ein Mittel, das es Aristophanes erlaubt, die verweichlichte Art der Musik des Agathon bühnenwirksam zu präsentieren. In den Versen 160–3 (Ar. Thesm.) verteidigt Agathon seinen weiblichen Aufzug damit, dass auch die archaischen Lyriker Ibykos von Rhegion, Anakreon von Teos und Alkaios302 von Lesbos, die „die Musik gewürzt“ hätten (ἁρμονίαν ἔχύμισαν, 162), einen besonderen Kleidungsstil hatten. Sie trugen Mitren (ἐμιτροφόρουν, 163).303 Besonders die Tatsache, dass eine Mitra ein weibliches Kleidungsstück war, lässt die drei Lyriker als effeminiert erscheinen.304 Dies wird durch den Zusatz διεκλῶντ᾽ Ἰωνικῶς („sie wurden auf ionische Art verweichlicht“, 163) bestätigt.305 Der Begriff Ἰωνικῶς aber, wofür Austin und Olson „‚in Ionian style‘ (not ‚in the Ionian mode‘)“ postulieren, steht hier für Effeminiertheit, Üppigkeit und Weichheit. Von den drei genannten war Anakreon Ionier, Alkaios lebte auf Lesbos nahe der ionischen Küste und Ibykos lange Zeit auf Samos.306 Insofern, als Agathon diese 297 298 299 300 301 302 303

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Agathon 39 T 15, 4 f. Snell/ Kannicht. Siehe auch ebda., T 19. S.u. 104–106. = Agathon 39 T 3 Snell/ Kannicht. Arethas in Σ Luc. p. 178, 16 Rabe et in Σ Pl. Smp. 172a p. 447 Greene = Agathon 39 T 11 Snell/ Kannicht. Σ RVΘAld (quae uncis inclusi desunt in R) Ar. Ran. 83–5 (cf. Sud α 124 Ἀγάθων Adler) = Agathon 39 T 12 Snell/ Kannicht. Alle Belegstellen zu Agathon als schönen Mann und Geliebten: Agathon 39 T 14 und 15 Snell/ Kannicht. Zu der Textvariante κἀχαιός anstelle von κἀλκαῖος siehe Austin/ Olson 2004, 110 f. Eine Mitra war eine Kopfbedeckung, die wie ein Turban um den Kopf gebunden wurde. Mitren wurden entweder von Frauen getragen, von Dionysos oder seinen Begleitern, von siegreichen Athleten und ähnlichen oder von Symposiasten und Komasten auf Vasenbildern. Siehe Austin/ Olson 2004, 111 mit Belegstellen. Muecke 1982, 51. Das Wort διεκλῶντ᾽ ist Konjektur von Toup anstelle des unmetrischen διεκίνων der Handschrift R bzw. διεκίνουν der Suda und kann deswegen für die Argumentation nicht stark gemacht werden. Austin/ Olson 2004, 112 nehmen für das überlieferte διακίνων (siehe Wilson 2007, 78, app. crit. ad 163) eine ähnliche Bedeutung an. Austin/ Olson 2004, 112; Sommerstein 1994, 170.

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drei Dichter sozusagen als seine Vorbilder nennt, reiht er sich in deren Lebensweise ein und rechtfertigt damit sein eigenes feminines Auftreten. Gleichzeitig beruft er sich auf Lyriker, die als poetische Autoritäten gelten können, wodurch er sowohl seine Kleidung als auch den Stil und die Qualität seiner Dichtung legitimiert. Die Rechtfertigung des Agathon gegenüber dem Verwandten, ebenso wie die Verse nach seiner Rede, in denen er spricht, zeichnen sich – im Gegensatz zu seinem Lied – durch eine starke stilistische Formung aus. Aristophanes lässt ihn Sentenzen, Antithesen, Parisa, einen etwas umständlichen Nominalstil und die erste Person Plural statt Singular verwenden.307 Durch die kunstfertige Ausarbeitung seiner Verse wird die Erwartung, die der Sklave des Agathon in der Ankündigung seines Meisters geweckt hat (52–57), eingelöst. Während Aristophanes ihn also in seinem Chorlied keine rhetorischen Figuren einsetzen lässt, lässt er ihn in seiner Argumentation und Rechtfertigung gegenüber dem Verwandten und Euripides davon starken Gebrauch machen. Das heißt, Aristophanes stellt seinen Agathon so dar, dass er seine Lieddichtung durch die eigenwillige, neumodische Melodie verkünstelte, aber in seinen argumentativen Partien durch rhetorischen Schmuck bestechen wollte, also Mittel der sophistischen Rhetorik einsetzte. Dies ist ein Charakteristikum, das auch in der Eros-Rede Agathons im platonischen Symposion begegnet.308

307 Der erste Satz seiner Antwort ist antithetisch aufgebaut: τοῦ φθόνου μὲν τὸν ψόγον | ἤκουσα, τὴν δ᾽ ἄλγησιν οὐ παρεσχόμην („Des Neides Tadel habe ich gehört, aber ich habe nicht den Schmerz angenommen.“, Ar. Thesm. 146 f.). Ebenso eine Antithese stellen die Verse 154–6 dar. Die Verse 149–52 sind in typisch Agathon᾽scher Weise gebaut. Zunächst formuliert er eine allgemeine Forderung als Sentenz (χρὴ γὰρ ποιητὴν ἄνδρα πρὸς τὰ δράματα | ἃ δεῖ ποιεῖν, πρὸς ταῦτα τοὺς τρόπους ἔχειν, 149 f.), die dann auf ein konkretes Beispiel angewandt wird (αὐτίκα γυναικεῖ᾽ ἢν ποιῇ τις δράματα, | μετουσίαν δεῖ τῶν τρόπων τὸ σῶμ᾽ ἔχειν, 151 f.). Durch die fast übereinstimmende Silbenanzahl der Verse und durch den Reim im Versausgang (ἔχειν, 150 und 152) entsteht ein Parison. Als Sentenz formuliert ist der Vers 167: ὅμοια γὰρ ποιεῖν ἀνάγκη τῇ φύσει. In den Versen 168–70 parodiert der Verwandte den Stil des Agathon, indem er in den drei Beispielen für schlechte Dichter wiederum Parisa mit Endreim (Homoioteleuton mit ποιεῖ) benutzt. In Agathons Rede benutzt Aristophanes öfter einen umständlichen Nominalstil: μετουσίαν ... τῶν τρόπων ... ἔχειν (152) anstelle des verbalen Ausdrucks μετέχειν τῶν τρόπων (sc. τῶν γυναικῶν). Ebenso entspricht ἔνεσθ᾽ ὑπάρχον einem einfachen ὑπάρχει (155). Austin/ Olson 2004, 106 weisen darauf hin, dass die schwerfälligen Verse 149 f. eine implizite Kritik an Agathons Stil darstellen sollen. Agathon setzt mit πρὸς τὰ δράματα an, dann schiebt er einen Relativsatz ein und greift dann nochmal den Präpositionalausdruck (jetzt πρὸς ταῦτα) auf. Ein gewählter Ausdruck kommt in Vers 146 vor, wo ein abstraktes Nomen τοῦ φθόνου anstelle des personellen τοῦ φθονηροῦ gebraucht ist, außerdem in dem metaphorischen Prädikat συνθηρεύεται zu μίμησις und in ἄμουσος. In den Versen 180 und 183 verwendet Agathon im tragischen Stil einen nominalen Ausdruck. Die Verwendung der ersten Person Plural statt Singular (183, 196) ist der Tragödie entnommen. Dass die Sentenz τὰς συμφορὰς γὰρ οὐχὶ τοῖς τεχνάσμασιν | φέρειν δίκαιον, ἀλλὰ τοῖς παθήμασιν. („Denn es ist nicht gerecht, das Unglück durch Klügeleien zu ertagen, sondern mit Leidensbereitschaft.“, 198 f.) mit hoher Wahrscheinlichkeit aus seiner eigenen Dichtung entnommen ist, wurde bereits besprochen. Für die stilistische Analyse dieser Verse siehe auch Rau 1967, 112. 308 S.u. 111–113.

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3.1.4 Agathon in den Thesmophoriazusen des Aristophanes In den Thesmophoriazusen zeigt Aristophanes in der parodistischen Brechung verschiedene Aspekte der Dichtkunst des Tragikers Agathon auf. In der Ankündigung durch seinen Sklaven kommt zum Ausdruck, dass er seine Dichtung rhetorisch-stilistisch ausfeilte. Sein eigener Liedvortrag zeugt davon, dass er sich die Praktiken der sogenannten Neuen Musik und des Neuen Dithyrambos zu eigen machte. Die vorher geltenden rhythmischen Maßgaben werden aufgelöst, um musikalische und klangliche Experimente durchführen zu können. In der Agathon-Parodie lassen sich eine freie rhythmische Gestaltung, eine astrophische Anlage des Liedes, die Benutzung der für den Neuen Dithyrambos phrygischen Tonart und Modulationen erkennen. Dieser Manierismus der Melodie hat die Assoziation mit Ameisen hervorgerufen (Ar. Thesm. 100). In dieser Hinsicht benutzt er einen Musikstil, der erst im späteren Hellenismus etabliert sein würde. Aristophanes lässt ihn weiterhin – auch dies ein Kennzeichen des neuen Musikstils – die eigenen Neuerungen, wie auch für diese Gruppe von Dichtern wichtige Instrumente und Klänge thematisieren. Vor allem wird er als ein Dichter mit femininer Ausstrahlung und extravagantem Kleidungsstil karikiert. Einerseits galt Agathon in der Antike als ein Weichling, andererseits spiegelt sich darin die parodistische Verarbeitung seiner Darbietung für einen Frauenchor, den er wahrscheinlich auch mit verstellter Stimme vorgetragen hat. Der Einsatz von musikalischer und vokaler Mimesis findet sich auch bei Timotheos von Milet wieder, der ein Archeget des Neuen Dithyrambos war.309 3.2 Platon, Symposion Die Nachfeier des ersten Sieges Agathons an den Lenäen des Jahres 416310 bildet die Hintergrundhandlung des Platonischen Dialogs Symposion.311 Agathon hat mit seiner ersten Tragödie (Pl. Smp. 173a) im jungen Alter von etwa 30 Jahren312 diesen bedeutenden Agon gewonnen. Das Gastmahl, das Agathon anlässlich seines Erfolges veranstaltet, findet einen Tag nach der eigentlichen Siegesfeier statt. Diese Information gibt Apollodoros, eine Figur des Dialogs, als er nach dem Zeitpunkt dieses Gastmahls gefragt wird: Παίδων ὄντων ἡμῶν ἔτι, ὅτε τῇ πρώτῃ τραγῳδίᾳ ἐνίκησεν Ἀγάθων, τῇ ὑστεραίᾳ ἢ ᾗ τὰ ἐπινίκια ἔθυεν αὐτός τε καὶ οἱ χορευταί. („Als wir noch Kinder waren, als Agathon mit seiner ersten Tragödie gewann, am folgenden Tag, nachdem er selbst und die Choreuten die Siegesfeier begangen hatten.“; Pl. Smp. 173a = Agathon 39 T 2 Snell/ Kannicht). Wenn man also als Abreisedatum des Aga-

309 S.u. 139 ff. 310 Agathon 39 T 1 Snell/ Kannicht = Ath. 5.216 F; 217 A; 217 B; für die Datierung des Archonten Euphemos siehe Develin 1989, 146. 311 Neuere Literatur zum Symposion siehe: Horn 2012; Männlein-Robert 2016, 198-203. Speziell zur Agathon-Rede: Müller 2012, 105–123. 312 Kannicht/ Gauly 1991, 282, Anm. 2 und 6.

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thon aus Athen das Jahr 407 annimmt,313 so hat der Tragödiendichter 9 Jahre zuvor einen Sieg am tragischen Agon der Lenäen errungen. Das Geschehen des Dialogs wird von Apollodoros berichtet. Er gibt die Erzählung des Aristodemos wieder, der geladener Gast in Agathons Haus war (173b). Als Gegenstand der Konversation wurde der Gott Eros festgelegt, den jeder der Gesprächsteilnehmer in einem Enkomion preisen sollte (176e–178a). Die Redner des Symposions sind Phaidros, Pausanias, Eryximachos, Aristophanes, Agathon und Sokrates. Im Anschluss an deren Reden über den Eros erscheint Alkibiades und hält eine Lobrede auf Sokrates. 3.2.1 Agathon als Sieger im Tragödienagon, Gastgeber und ἐρώμενος Agathon nimmt im ganzen Dialog eine wichtige Rolle ein. Erstens ist er Gewinner des tragischen Agons, aufgrund dessen er in seinem Haus das Gastmahl ausrichtet. Auf seinen Sieg wird innerhalb des Dialogs mehrmals rekurriert (175e; 194a–b). So hat Sokrates, als die anderen ihren Vortrag schon präsentiert haben und nur noch er und Agathon ihre Reden auf Eros halten müssen, Furcht, schlecht abzuschneiden, zumal wenn noch Agathon vor ihm geredet habe. Agathon äußert daraufhin seinerseits Zweifel, dass man eine (zu) große Erwartung (προσδοκίαν μεγάλην, 194a6) an ihn haben könne. Um ihn zu beruhigen, verweist Sokrates auf seinen Auftritt im Theater: Ἐπιλήσμων μεντἂν εἴην, ὦ Ἀγάθων, εἰπεῖν τὸν Σωκράτη, εἰ ἰδὼν τὴν σὴν ἀνδρείαν καὶ μεγαλοφροσύνην ἀναβαίνοντος ἐπὶ τὸν ὀκρίβαντα μετὰ τῶν ὑποκριτῶν, καὶ βλέψαντος ἐναντία τοσούτῳ θεάτρῳ, μέλλοντος ἐπιδείξεσθαι σαυτοῦ λόγους, καὶ οὐδ᾽ ὁπωστιοῦν ἐκπλαγέντος, νῦν οἰηθείην σε θορυβήσεσθαι ἕνεκα ἡμῶν ὀλίγων ἀνθρώπων. Pl. Smp. 194a8–b5 Vergesslich dürfte ich freilich sein, Agathon, habe Sokrates gesagt, wenn ich, nachdem ich deinen Mut und deine Seelengröße gesehen habe, als du auf die Bühne stiegst mit den Schauspielern und einem so großen Theater entgegenblicktest, bereit, deine Reden zu präsentieren, und überhaupt nicht erschrakst, jetzt meinen sollte, dass du wegen uns weniger Menschen unruhig seist. Sokrates stellt den Mut und das Selbstvertrauen des Agathon bei der Tragödienaufführung heraus. Er erwähnt dies sicherlich einerseits in ironischer Weise, um Agathon zu schmeicheln und für den Vortrag zu ermutigen. Andererseits ist tatsächlich die Leistung Agathons, der mit seiner ersten Tragödie314 und als junger Mann einen Sieg errungen hat, nicht zu verachten. Während hier die Standhaftigkeit Agathons im Mittelpunkt steht, betont Sokrates bei seinem Eintreffen beim Gastmahl dessen Weisheit, die sich beim Tragödienagon gezeigt hat:

313 S.o. 27 ff. 314 Pl. Smp. 173a.

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ἡ δὲ σὴ (sc. σοφία) λαμπρά τε καὶ πολλὴν ἐπίδοσιν ἔχουσα, ἥ γε παρὰ σοῦ νέου ὄντος οὕτω σφόδρα ἐξέλαμψεν καὶ ἐκφανὴς ἐγένετο πρῴην ἐν μάρτυσι τῶν Ἑλλήνων πλέον ἢ τρισμυρίοις. Pl. Smp. 175e Deine (Weisheit) aber ist glänzend und nimmt stark zu, die ja von dir, obwohl du jung bist, so gewaltig ausgestrahlt hat und sichtbar geworden ist, neulich vor mehr als dreißigtausend Zeugen griechischer Männer. Sokrates betont zwei Mal den Erfolg des Gastgebers wenige Tage vor dem Zusammentreffen beim Symposion. Zweitens ist Agathon Gastgeber des Gelages. Er dürfte ein gut gestellter athenischer Bürger gewesen sein.315 Die Anzahl der Gäste lässt darauf schließen, dass der Raum, in dem das Bankett stattfand, eine stattliche Größe hatte.316 Beim Gastmahl waren mehrere Sklaven zugegen, die reichlich Speisen auftragen sollen.317 Agathons Sklaven sind frei, alles zu servieren, was sie wollen. Durch diese Aufforderung stellt Agathon einerseits die Geschicklichkeit seiner Sklaven heraus.318 Andererseits zeigt 315 Blanckenhagen 1992, 54: „Agathon᾽s house is that of a well-to-do gentleman, with entrance, courtyard, and many servants.“ 316 Zur Größe von Agathons Haus Blanckenhagen 1992, 54 ff.: Es gab offenbar genug Kapazität, nicht nur die 6 genannten Gesprächsteilnehmer zu fassen, sondern auch „einige andere“ (ἄλλους τινάς), deren Reden nicht wiedergegeben werden (Pl. Smp. 180c) und weitere Gäste, die am Ende des Dialogs zu der Gesellschaft stoßen. Es ist von einer großen Menge (κωμαστὰς .. παμπόλλους, 223b) die Rede und es wird dabei ausdrücklich erwähnt, dass sich alle niederlegten. Die Liegen konnten natürlich auch zu zweit besetzt werden, was normalerweise dann geschah, wenn ein Liebhaber (ἐραστής) mit seinem Geliebten (ἐρώμενος) am Bankett teilnahm. Eine doppelte Belegung einer Liege ist für Eryximachos und Aristodemus (175a) und Agathon und Sokrates (175c–d) bezeugt. Die dreifache Besetzung einer Liege ist der Ausnahmefall, wie Blanckenhagen 1992, 54–57 an den Abbildungen auf attischen rotfigurigen Vasen abliest. Trotz der Möglichkeit der doppelten Belegung einer Couch muss der Raum immer noch eine stattliche Größe gehabt haben. Blanckenhagen geht davon aus, dass es 7 Klinen gab, der Raum also eine ansehnliche Größe hatte, aber nicht riesig war. 317 Pl. Smp. 175b: ἀλλ᾽ ἡμᾶς, ὦ παῖδες, τοὺς ἄλλους ἑστιᾶτε. πάντως παρατίθετε ὅτι ἂν βούλησθε, ἐπειδάν τις ὑμῖν μὴ ἐφεστήκῃ – ὃ ἐγὼ οὐδεπώποτε ἐποίησα – νῦν οῦν, νομίζοντες καὶ ἐμὲ ὑφ᾽ ὑμῶν κεκλῆσθαι ἐπὶ δεῖπνον καὶ τούσδε τοὺς ἄλλους, θεραπεύετε, ἱν᾽ ὑμᾶς ἐπαινῶμεν. („Uns andere aber, meine Diener, bedient nun. Αuf jeden Fall tragt auf, was immer ihr wollt, wenn niemand euch beaufsichtigt – was ich noch niemals getan habe – jetzt also, indem ihr annehmt, dass auch ich von euch zum Gastmahl geladen worden sei wie die andern hier, bedient uns so, dass wir euch loben können.“). Die Interpunktion nach ἐποίησα folgt der Edition von Dover 1980. Die Behauptung Dovers 1980, 83 f., dass παρατίθετε Indikativ und nicht Imperativ sei, leuchtet insofern nicht ein, da gerade die Bedeutung „at all costs“ oder „come what may“, die Dover für πάντως mit Imperativ konstatiert sehr gut in den Zusammenhang passt und zweitens ἐπειδάν mit Konjunktiv im Nebensatz und Imperativ im Hauptsatz die Variante des prospektiven Falles bezeichnet. Denn genau jetzt sollen die Sklaven die Speisen auftragen und es steht zu erwarten, dass sie keine Aufsicht dafür haben, was auch nach Aussage Agathons noch nie so war. Übersetzung orientiert an Schleiermacher 201133, 44. 318 Dover 1980, 84.

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sich darin, welchen Luxus Agathon sich leisten kann. Agathon betont, dass er seinen Sklaven noch nie einen Befehl erteilt habe. Dadurch inszeniert er sich als nicht dominanten, sondern milden Herrn. Er hat einen hohen Anspruch an sein Dienstpersonal und ist daran interessiert, dass seine Sklaven gelobt werden und seine Gäste vollauf zufrieden sind. Im Umgang mit seinen Bediensteten zeigt sich Agathon umgänglich und in der Fürsorge um seine Gäste als echter Gentleman. Diesen Eindruck bestätigt auch Sokrates, als er an einer späteren Stelle des Dialogs sagt (194c), dass es nicht recht wäre, wenn er von Agathon etwas „Ungesittetes“ (ἄγροικον) denken würde. Denn Agathon umgebe sich lieber mit weisen Männern (σοφοί) als mit der Menge (οἱ πολλοί) und wenn er auf andere weise Männer (als die anwesenden ihm bekannten [weisen] Männer) träfe, würde er sich schämen, wenn er etwas Schändliches (αἰσχρόν) täte. Die Frage, ob er diese Scham auch vor der Masse habe, kann Agathon nicht mehr beantworten, da Phaidros dann an den eigentlichen Gegenstand der Diskussion, das Lob des Eros, erinnert. Auch auf Aristodemos᾽ unerwartetes Auftreten reagiert Agathon äußerst freundlich. Er habe ihn am Tag zuvor einladen wollen. Er begrüßt ihn jetzt herzlich und bittet ihn, am Essen teilzunehmen (174e).319 Als dann Sokrates kurz nach diesem zu spät zum Gastmahl kommt, lädt er ihn ein, neben ihm auf der Liege Platz zu nehmen (175c). Agathon wird also im Symposion als Mensch mit feinen Sitten gezeichnet, der sich offenbar den Umgang mit Intellektuellen leisten konnte. Ein Scholiast notiert zu den Fröschen des Aristophanes 84: οὗτος δὲ ἀγαθὸς ἦν τὸν τρόπον καὶ τὴν τράπεζαν λαμπρός („Dieser aber war gut in seiner Gesinnung und glänzend im Tischbereiten“).320 Dass er auf sein Äußeres und gepflegte Sitten achtete, stellt Aristophanes in den Thesmophoriazusen heraus: Ἀγάθων: ἄλλως τ᾽ ἄμουσόν ἐστι ποιητὴν ἰδεῖν | ἀγρεῖον ὄντα καὶ δασύν. („Agathon: ‚anders ist es geschmacklos, einen Dichter zu sehen, der bäurisch und struppig ist.‘“, Ar. Thesm. 159 f.). Was Aristophanes in der Agathon-Parodie in den Thesmophoriazusen stark betont, ist sein weibliches Auftreten. Sowohl seine Kleidung und sein äußeres Erscheinungsbild als auch seine Liedkunst veranlassen den Verwandten des Euripides in ihm mehr eine Frau als einen Mann zu sehen.321 Dieses Bild – wenn auch nicht in der derben Übertreibung der aristophanischen Komödie – bietet in ähnlicher Weise Platons Symposion. Er wird an mehreren Stellen des Dialogs καλός genannt. Von Sokrates heißt es, dass er sich entsprechend zurechtgemacht habe, „um schön zu einem Schönen zu kommen“ (ἵνα καλὸς παρὰ καλὸν ἴω, 174a). Alkibiades möchte „das Haupt des weisesten und schönsten [Mannes]“ (τὴν τοῦ σοφωτάτου καὶ καλλίστου κεφαλήν, 212e) umwinden. Als er sieht, dass Sokrates neben Agathon liegt, bemerkt er, dass Sokrates wieder den Platz neben „dem schönsten von allen“

319 Blanckenhagen 1992, 60. 320 Σ RVΘAld (quae uncis inclusi desunt in R) Ar. Ran. 83–5 (cf. Sud. α 124 Ἀγάθων Adler) = Agathon 39 T 12 Snell/ Kannicht. Siehe auch Agathon 39 T 13 Snell/ Kannicht. 321 Agathon 39 T 15, 4f. Snell/ Kannicht = Ar. Thesm. 35, 50, 57, 60, 97f., 136, 200 ff., 253 ff.

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(παρὰ τῷ καλλίστῷ τῶν ἔνδον, 213c) ausgewählt hat.322 Im Symposion nimmt Agathon trotz seines bereits fortgeschrittenen Alters (etwa 30 Jahre) in Verbindungen mit Männern die Rolle des ἐρώμενος ein.323 Im platonischen Dialog Protagoras wird Agathon μειράκιον genannt und ist der Geliebte (παιδικά) des Pausanias und teilt mit ihm eine Liege (Pl. Prot. 315d).324 Im Symposion treten diese beiden nicht als Liebespaar auf. Denn sie belegen nicht dieselbe Liege. Agathon bittet vielmehr Sokrates, sich neben ihn zu legen (175c–d). Aber Pausanias und Agathon stehen immer noch in einem Liebesverhältnis zueinander.325 Dies wird durch verschiedene Anspielungen deutlich: Aristophanes nimmt in seiner Rede Bezug auf diese beiden, als er die Entstehung des Liebesverlangens erklärt. Er nennt in ironischer Weise Pausanias und Agathon, denen es unter wenigen zuteilwurde, den eigenen Liebling zu finden und zu besitzen: καὶ μή μοι ὑπολάβῃ Ἐρυξίμαχος, κωμῳδῶν τὸν λόγον, ὡς Παυσανίαν καὶ Ἀγάθωνα λέγω − ἴσως μὲν γὰρ καὶ οὗτοι τούτων τυγχάνουσιν ὄντες καί εἰσιν ἀμφότεροι τὴν φύσιν ἄρρενες. („Und vermute mir nicht, Eryximachos, indem du meine Rede verspottest, dass ich den Pausanias und Agathon meine – denn vielleicht gehören auch diese gerade zu denen und sind beide von Natur männliche.“ (193b). Des Weiteren werden die beiden auch an einer früheren Stelle im Dialog gemeinsam genannt, als Sokrates dem Ansinnen, Lobreden auf den Eros zu halten, zustimmt. Es heißt dort: οὔτε γὰρ ἄν που ἐγὼ ἀποφήσαιμι, ὃς οὐδέν φημι ἄλλο ἐπίστασθαι ἢ τὰ ἐρωτικά, οὔτε που Ἀγάθων καὶ Παυσανίας, οὐδὲ μὴν Ἀριστοφάνης („denn weder dürfte ich mich weigern, der ich sage, nichts als Liebessachen zu wissen, noch etwa Agathon und Pausanias, sicherlich auch nicht Aristophanes […].“ (177d). Von eben diesem Pausanias berichtet Aelian (Var. hist. 2.21), dass er mit Agathon nach Makedonien gekommen sei.326 Anstatt zu Pausanias tritt Agathon im Symposion zu Sokrates in ein homoerotisches Verhältnis. Denn Agathon bittet Sokrates, als dieser beim Gastmahl eintrifft, sich zu ihm zu legen. Da die doppelte Besetzung einer Liege normalerweise bei einem Liebespaar üblich war,327 begibt sich Agathon selbst durch diese Einladung an Sokrates in die Rolle des ἐρώμενος und 322 Auch in der weiteren Tradition wurde ihm immer wieder dieses Attribut beigelegt: Agathon 39 T 14 Snell/ Kannicht. 323 Die Rolle des ἐρώμενος („Geliebten“) nahm in päderastischen Verhältnissen normalerweise ein Junge (παῖς) bis zum Alter von 18 Jahren ein (Hartmann 2000, 139). 324 Die Bezeichnung μειράκιον („Knabe/ Jüngling“) erhält man normalerweise nur bis zu einem Alter von 20 Jahren. Über diese Angabe ist eine grobe Bestimmung des Geburtsjahres Agathons möglich: Da der Protagoras etwa im Jahr 430 v. Chr. spielt, dürfte Agathon nicht vor 450 geboren worden sein. Siehe Kannicht/ Gauly 1991, 282, Anm. 2. Blanckenhagen 1992, 58 datiert den Protagoras ins Jahr 432/1 v. Chr. 325 Blanckenhagen 1992, 58. 326 Die genaue Identität des Pausanias lässt sich nicht bestimmen. Er muss aber eine historische Person und genauso bekannt wie die anderen für die Rezipienten des Symposions gewesen sein. Blanckenhagen 1992, 59 nimmt an, dass er mit dem Pausanias identisch ist, den Aelian als Begleiter des Agathon nach Makedonien nennt. Siehe auch Agathon 39 T 25 Snell/ Kannicht; außerdem T 22 und 11. 327 Blanckenhagen 1992, 55.

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macht Sokrates zu seinem ἐραστής, nur dass er sich dadurch, dass er die Initiative ergreift, nicht wie ein echter ἐρώμενος benimmt.328 Als Grund für das Beisammenliegen wird das gegenseitige Interesse an der Weisheit des anderen genannt (175c– e). Der Geliebte des Sokrates, Alkibiades, der später beim Symposion erscheint, macht dieses Verhältnis explizit. Zunächst übersieht Alkibiades den Sokrates und setzt sich neben Agathon. Als er dessen gewahr wird, springt er auf und wirft dem Sokrates vor, dass er sich wieder gerade neben den schönsten gelegt habe. Sokrates bittet Agathon um Schutz vor seinem aufdringlichen Geliebten (Pl. Smp. 213a–e) und verrät dabei, dass es zwischen Agathon und ihm nicht nur um ein Interesse am Wissen des anderen geht. Während er in Platons Protagoras noch als schöner Knabe (νέον τι ἔτι μειράκιον – „ein noch junger Mann“, Pl. Prot. 315d) auftrat, also die Position des Geliebten zu ihm passte, benimmt er sich jetzt immer noch wie der jugendhafte ἐρώμενος.329 3.2.2 Agathon als Philosoph? Agathon wurde bereits als Gewinner des tragischen Agons, als zuvorkommender Gastgeber und als jugendhafter ἐρώμενος beleuchtet, seine vielleicht wichtigste Rolle, die er in diesem Dialog einnimmt, ist allerdings die des Lobredners auf Eros. Der Philosoph Platon lässt ihn, den Tragödiendichter, genauso wie die anderen Gesprächsteilnehmer, unter denen sich zum Beispiel auch der Komödiendichter Aristophanes befindet, ein Enkomion auf Eros vortragen. Zu Beginn wird die Prämisse festgelegt, dass jeder „so schön er nur kann“ (ὡς ἂν δύνηται κάλλιστον, 177d) reden soll. Folgende Fragen spielen in der folgenden Untersuchung eine Rolle: Inwiefern entspricht die Rede des Agathon dieser Prämisse? Wie beurteilen die anderen Gesprächsteilnehmer, vor allem Sokrates, seinen Vortrag? Welchen Anspruch hat er selbst an seine Rede? Für seinen Vortrag benennt Agathon zuerst eine klare Disposition.330 Er möchte zunächst die Eigenschaften des Eros und dann seine Wirkungen nennen (πρῶτον ... οἷός ἐστιν, ἔπειτα τὰς δόσεις, 195a). Agathon grenzt sich darin von seinen Vorrednern ausdrücklich ab, da diese die Qualität des Eros nicht benannt haben, sondern nur seine Gaben an die Menschen (194e). Dementsprechend bestimmt er ihn zuerst als den glückseligsten aller Götter, da er der schönste und beste sei. Den zweiten Teil seiner Argumentationslinie, dass er der beste sei, beweist Agathon damit, dass er ihm die vier klassischen Kardinaltugenden Gerechtigkeit (196b–c), Besonnenheit (196c), Tapferkeit (196c–d) und Weisheit (196d–197b) zuschreibt.331 Im letzten Teil seiner Rede (197d) reiht Agathon in einer gewaltigen Aufzählung, die zu Recht als „rhetorische[s] Feuerwerk“332 bezeichnet wurde, sämtliche Vorzüge des Eros aneinander. 328 329 330 331 332

Blanckenhagen 1992, 61. Blanckenhagen 1992, 61. Eine Gliederung der Rede findet sich bei Hug/ Schöne 19093, 87. Müller 2012, 109. Müller 2012, 116. S.u. 111–113.

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Die erste Reaktion der Zuhörer auf die Rede Agathons ist lauter Beifall: εἰπόντος δὲ τοῦ Ἀγάθωνος πάντας ἔφη ὁ Ἀριστόδημος ἀναθορυβῆσαι τοὺς παρόντας, ὡς πρεπόντως τοῦ νεανίσκου εἰρηκότος καὶ αὑτῷ καὶ τῷ θεῷ. („Nachdem aber Agathon gesprochen hatte, hätten alle Anwesenden laut ihren Beifall kundgetan, da der junge Mann angemessen gesprochen habe sowohl für sich selbst als auch für den Gott.“, 198a). Agathon hat also sein Ziel erreicht. Denn im Gespräch mit Sokrates vor seiner Rede wurde deutlich, dass er Furcht hatte, dass er von den Zuhörern nicht anerkannt werde (194a–c). Daran wird deutlich, dass es ihm um den Erfolg vor dem Publikum geht.333 Auch die Forderung des Eryximachos, dass jeder Enkomiast möglichst schön reden solle (177d), konnte er erfüllen. Dies bestätigt Sokrates in seiner ersten Reaktion auf die Rede: Agathon habe „bewundernswürdig“ (θαυμαστῶς, 198a) gesprochen. Eine „so schöne und reich geschmückte Rede“ (καλὸν οὕτω καὶ παντοδαπὸν λόγον, 198b) versetze ihn in Aporie. Dabei bezieht sich sein Lob auf die rhetorische Ausschmückung und weniger auf das Übrige (τὰ ἄλλα). Dass Sokrates selbst eine andere Erwartung an die Eros-Reden hatte, macht er ganz explizit. Er dachte, „man müsse die Wahrheit sagen über jeden einzelnen Aspekt des zu Lobenden“ (δεῖν τἀληθῆ λέγειν περὶ ἑκάστου τοῦ ἐγκωμιαζομένου, 198d). Ex negativo ergibt sich, dass Agathon und auch die anderen Redner nicht darauf geachtet haben, die Wahrheit zu sagen. Für Sokrates allerdings können rhetorische Finessen (ὀνομάσει δὲ καὶ θέσει ῥημάτων) gegenüber der Wahrheit (τἀληθῆ, 199b) in den Hintergrund treten. Er führt also einen neuen Modus für die Lobreden ein.334 So lobt Sokrates auch Agathon für die Komposition und rhetorische Ausgestaltung seiner Rede, seinem philosophischen Wahrheitsanspruch kann er allerdings in der Darstellung Platons nicht genügen. Über die Kritik des Sokrates und das Verhältnis des Agathon zur Philosophie gibt der elenktische Dialog (199c–201c) am Anschluss an die Rede Agathons Aufschluss. In diesem lobt Sokrates zwar das Vorgehen Agathons, aber er erschüttert seine Argumentation grundlegend und zwingt ihn, die Unstimmigkeit seiner Beweisführung einzugestehen. Der entscheidende Punkt der Widerlegung besteht darin, dass Agathon behauptet hatte, dass sich die Angelegenheiten der Götter durch die Liebe zum Schönen geordnet hätten (201a; cf. 197b). Sokrates hingegen folgert aus dieser Behauptung, dass Eros dann einen Mangel habe (ἐνδεές ἐστιν),335 da die Liebe (ὁ ἔρως) zu etwas beziehungsweise das Begehren (ἡ ἐπιθυμία) nach etwas (im Sinne eines genetivus objektivus)336 immer einen unvollkommenen Zustand aufzeige. Insofern aber Eros die Liebe zum Schönen sei, ist er selbst des Schönen bedürftig und selbst nicht schön. Auf dieselbe Weise widerlegt Sokrates ihn auch darin, dass Eros gut sei (201c). Abgesehen davon, dass der Elenchos des Sokrates selbst in seiner logischen Argumentation nicht völlig strin-

333 334 335 336

Müller 2012, 116. Männlein-Robert 2016, 200 f. Dover 1980, 133 f. Siehe auch Männlein-Robert 2016, 201. Müller 2012, 112.

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gent ist,337 stellt Sokrates das Enkomion Agathons auf Eros, was den philosophischen Gehalt angeht, öffentlich bloß. Er lobt zuerst die Rhetorik des Agathon, betont dann sein abweichendes Verständnis von einem Enkomion und erläutert seinen Wahrheitsanspruch, um zuletzt zu zeigen, dass Agathon philosophisch gescheitert ist. Die Rede Agathons kann also Sokrates᾽ Maßstab zunächst nicht genügen. So kann für seine Rede nur noch die Bewertung, die Sokrates vor seinem philosophischen Elenchos geliefert hat, gelten. Er betont dort (198a–199c) einerseits die gorgianische Redekunst des Agathon und übt andererseits Kritik an allen bereits gehaltenen Reden. Da sich aber die Reaktion des Sokrates direkt an Agathons Enkomion anschließt, bezieht sich die Kritik auch auf ihn: τὸ δὲ ἄρα, ὡς ἔοικεν, οὐ τοῦτο ἦν τὸ καλῶς ἐπαινεῖν ὁτιοῦν, ἀλλὰ τὸ ὡς μέγιστα ἀνατιθέναι τῷ πράγματι καὶ ὡς κάλλιστα, ἐάν τε ᾖ οὕτως ἔχοντα ἐάν τε μή∙ εἰ δὲ ψευδῆ, οὐδὲν ἄρ᾽ ἦν πρᾶγμα. προυρρήθη γάρ, ὡς ἔοικεν, ὅπως ἕκαστος ἡμῶν τὸν Ἔρωτα ἐγκωμιάζειν δόξει, οὐχ ὅπως ἐγκωμιάσεται. διὰ ταῦτα δὴ οἶμαι πάντα λόγον κινοῦντες ἀνατίθετε τῷ Ἔρωτι, καί φατε αὐτὸν τοιοῦτόν τε εἶναι καὶ τοσούτων αἴτιον, ὅπως ἂν φαίνηται ὡς κάλλιστος καὶ ἄριστος δῆλον ὅτι τοῖς μὴ γιγνώσκουσιν ‒ οὐ γὰρ δήπου τοῖς γε εἰδόσιν ‒ καὶ καλῶς γ᾽ ἔχει καὶ σεμνῶς ὁ ἔπαινος. Pl. Smp. 198d7–199a3 Das aber, wie es scheint, war nicht die richtige Art, etwas zu loben, sondern möglichst Vieles und Schönes der Sache beizulegen, sei es dass es sich so verhält oder nicht; wenn es aber falsch ist, so wäre es keine Sache. Denn es wurde bestimmt, wie es schien, dass jeder von uns den Eros zu loben scheint, nicht dass er ihn (wirklich) lobt. Deswegen freilich, glaube ich, setzt ihr alle Gründe in Bewegung338 und schreibt sie dem Eros zu, und sagt, dass er so beschaffen und Urheber von so vielen Dingen sei, dass er (Eros) möglichst schön und gut erscheint offenbar denen, die ihn nicht kennen – denn sicherlich nicht denen, die ihn ja kennen – und das Lob schön und prächtig ist. Durch diese Reaktion des Sokrates direkt im Anschluss an die Rede des Agathon und durch die philosophische Widerlegung Agathons im Elenchos wird dieser nach dem Verständnis Platons als Sophist mit bloßem Scheinwissen entlarvt, der durch

337 Die grundlegende Problematik in der Argumentation des Sokrates besteht in der Gleichsetzung des Gottes Ἔρως mit der Wirkung, die er in den Menschen hervorruft, nämlich dem Liebesverlangen (ἔρως). Insofern hätte sich Agathon durch die Widerlegung des Sokrates nicht geschlagen geben dürfen. Denn auch andere Gottheiten verursachen bestimmte Emotionen oder Ereignisse, ohne selber dessen teilhaftig zu sein. Eros verleiht die Liebe bzw. das Liebesverlangen als sein Werk (τὸ ἔργον, 199c), wie Sokrates es nennt, beziehungsweise seine Gabe (ἡ δόσις, 195a), wie Agathon selbst richtig präjudiziert hatte und dann ausgeführt hatte (196d–197e). Eros selbst aber liebt nicht. Siehe auch Müller 2012, 109, 113. 338 Die kursive Phrase ist aus der Übersetzung Gigons/ Rufeners 1974, 143 übernommen.

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seine überzeugende Rhetorik den Beifall der Zuhörer zu ernten vermag.339 Auch im Zwischengespräch vor Agathons Enkomion rückt Sokrates ihn in den Bereich der Sophistik. Dort verweist Sokrates auf seine schlechte Position gegenüber dem erfolgreichen Tragiker. Agathon habe schließlich bereits vor einer großen Menschenmenge gesprochen. Agathon reagiert mit einer Differenzierung zwischen einem großen (unverständigen; ἄφρονες) und kleinen (verständigen; ἔμφρονες) Publikum (194b),340 und bekennt sich dadurch zu den σοφοί. Dadurch wird deutlich, dass dieser im sophistischen Kontext gesehen werden soll. Die σοφία des Agathon, die im Gegensatz zur φιλο-σοφία des Sokrates steht, hat Sokrates ebenso bereits zu Beginn des Dialogs betont: ἡ δὲ σὴ (sc. σοφία) λαμπρά τε καὶ πολλὴν ἐπίδοσιν ἔχουσα („Deine (Weisheit) aber ist glänzend und ist prosperierend“, 175e). Der Elenchos des Sokrates hat zu verschiedenen Beurteilungen der Rede des Agathon geführt. Da Sokrates in dem elenktischen Dialog zeigt, dass Agathons Argumentation bereits in der Grundlage nicht stichhaltig ist, wurde die Rede Agathons oft als bloß rhetorisches Füllwerk mit ungenügendem philosophischem Wert angesehen. Andererseits kann die ganze Partie, das heißt mit der Kritik des Sokrates an der Rede, als Kernstück des Dialogs gelten, da sich an sie die von Sokrates vorgetragene wichtige Diotima-Rede anschließt und in der Rede Agathons wichtige Aspekte der Diotima-Rede vorbereitet werden.341 Untersucht man also das Verhältnis zwischen Agathon und Sokrates, der als die philosophische Instanz schlechthin gelten muss, kommt man zu dem Schluss, dass Agathon nicht ganz „durchfällt“. Bereits im Zwischengespräch vor Agathons Rede (193d–194e) kommen einige Aspekte, die für das Verhältnis der beiden letzten Eros-Lobredner, Sokrates und Agathon maßgeblich sind, zum Ausdruck. Dadurch, dass sich die beiden eine Liege teilen, die Runde der Enkomien gemeinsam beschließen und sich darüber hinaus, wie Eryximachos urteilt, in Liebesangelegenheiten auskennen, werden sie als „Team“342 herausgestellt. Es wird also schon hier deutlich, dass ihre beiden Reden in einem Zusammenhang stehen werden. Die Nähe, die Agathon zu Sokrates sucht, indem er ihn einlädt, sich neben ihn zu legen (175c), und die Sokrates zulässt, zeigt eine gewisse Vertrautheit und Akzeptanz des Agathon durch Sokrates. Sokrates beteiligt sich zum ersten Mal und sehr intensiv am rahmenden Gespräch um das Agathon᾽sche Enkomion.343 Durch die Einbindung des Sokrates, durch die Position direkt vor dessen Rede und durch die Mittelstellung im gesamten Text344 bekommt die Agathon-Rede eine be339 Eine grundlegende Kritik an der sophistischen Rhetorik übt Platon im Gorgias. Die Kritik des Sokrates an der Rhetorik des Agathon entspricht dieser, wodurch Agathon nach dem Verständnis Platons in die Nähe der sophistischen Rhetorik gerückt wird. Siehe auch Müller 2012, 115–119. 340 Männlein-Robert 2016, 199. 341 Müller 2012, 119–122. Zur Diotima-Rede siehe auch Sier 1997. 342 Männlein-Robert 2016, 199. 343 Männlein-Robert 2016, 198. 344 Hoffmann 1947, 16; Rosen 1968, 159, Anm. 3; Müller 2012, 7: verschiedene Deutungen der Agathon-Rede.

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sondere Aufmerksamkeit, zumal sie von der Hauptperson des Gastmahls, dem Gewinner des Agons und Gastgeber vorgetragen wird.345 Des Weiteren entspricht Agathons Vorgehensweise, zuerst die Eigenschaften des Eros herauszuarbeiten und dann seine Taten zu beschreiben, derjenigen, die Sokrates in seinen aporetischen Dialogen anwendet; Sokrates geht in diesen Dialogen gerade auf die Aspekte der Schönheit, Gerechtigkeit, Besonnenheit, Tapferkeit und Weisheit ein, die auch Agathon behandelt.346 Außerdem lobt Sokrates seine philosophische Disposition und auch die Behandlung der Kardinaltugenden ist gut platonisch. Vor allem stellt man fest, dass einige Aspekte, die in der Diotima-Rede des Sokrates forciert werden, auch schon bei Agathon anklingen. So ist Agathon auf einem guten Weg zur Wahrheit, der letzte Schritt muss aber noch vollzogen werden.347 Platon zeichnet von Agathon im Symposion also ein Bild, das ihn in die Nähe der Sophisten rückt und ihn auf einer Vorstufe der Philosophie, wie Sokrates sie versteht, zeigt. Von besonderer Bedeutung in Agathons Enkomion ist, was er über die Weisheit (σοφία) des Eros sagt. Agathon beschreibt Eros mit Reminiszenz auf seine eigene τέχνη als ποιητὴς σοφός (196d–e). Die Weisheit des Eros ist also eine „dichterische“ oder poetische Weisheit. Durch diese kann er auch andere zu Poeten machen, die wiederum künstlerisch produktiv werden.348 Dadurch, dass Agathon auf seine eigene Kunst referiert und sagt, dass Eros als Dichter auch andere zu Dichtern machen könne, stellt er sich selbst als Schüler des Eros vor. Seine eigenen Produktionen sind durch poetische Weisheit entstanden und demnach auch sein eigenes Enkomion. Der Elenchos des Sokrates hat allerdings gezeigt, dass diese σοφία zwar eine Rede hervorbringen kann, die dem Publikum durchaus gefällt, aber einer philosophischen Prüfung kann sein Beitrag nicht standhalten. Sein Erfolg beim Agon beweist, dass auch seine Tragödien, sein eigentliches Genre, publikumswirksam sind. In der Kommunikationsform des Enkomions (und der Tragödien) hat diese Sophia also Erfolg, für den philosophischen Dialog allerdings greift sie zu kurz.349 Dies ist ein Befund, der auch an die Diskussion Agathons mit dem Verwandten des Euripides in den Thesmophoriazusen des Aristophanes erinnert (Ar. Thesm. 146 ff.). Dort wurde deutlich, dass die Argumentationslinie des Agathon nicht ganz stringent ist. Er changiert zwischen dem Postulat, dass ein Dichter sich in den τρόποι („Charakter“) seinem Stoff angleichen müsse, und der Feststellung, dass die Dichtung immer der φύσις („Wesen“) des Produzenten entspreche.350 Sein Ziel ist es, den Verwandten, der ihn als γύννις wegen seiner femininen Erscheinung bezeichnet hatte, vom Gegenteil zu überzeugen, was ihm allerdings nur mäßig gelingt. Denn auch wenn der Verwandte während seiner Erklärung seine Argumente bestätigt, macht er im Anschluss immer noch Scherze über seine Weich345 346 347 348 349 350

Männlein-Robert 2016, 198. Männlein-Robert 2016, 200. Müller 2012, 119–122; Stern-Gillet 2008, 19; Männlein-Robert 2016, 201. Zur Doppeldeutigkeit der Begriffe ποίησις/ ποιητής: Stern-Gillet 2008, 9–27. Männlein-Robert 2016, 201. S.o. 96 f.

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lichkeit (z.B. 200 f.). Agathon ist also in der Lage, publikumswirksame Texte wie ein Enkomion oder Tragödien zu produzieren, ist also sowohl in Prosa als auch in der Dichtung versiert. Seine theoretischen oder philosophischen Erörterungen allerdings entbehren der logischen Stringenz. Weiterhin schreibt Agathon Eros Eigenschaften zu, die sehr gut auf ihn selbst zutreffen. Er beschreibt ihn als „den jüngsten“, „zärtestesten“ und „von geschmeidiger Gestalt“ (196a). Agathon selbst ist gerade der jüngste in der Runde. Sein Äußeres war sicherlich annehmlich. So wird er mehrmals als καλός bezeichnet und die Gäste buhlen um ihn. In den Thesmophoriazusen des Aristophanes ist seine feminine Erscheinung Hauptpunkt der Parodie; er hat eine weiße Haut und ist glatt rasiert (Ar. Thesm. 191 f.). Müller weist außerdem darauf hin, dass νέος beziehungsweise νεότατος nicht nur „neu“/ „am neuesten“ bedeutet, sondern auch „innovativ“, was mit den poetischen Tendenzen des Agathon übereinstimmt, wie es einerseits Aristoteles (Poet. 1451b19–26; 1456a25–30) konstatiert und andererseits wiederum in den Thesmophoriazusen durch seine moderne Liedkunst zum Ausdruck kommt. Schließlich setzt er Eros mit einem ποιητής (196d–e) gleich. 3.2.3 Agathon als musikalisch-poetischer Rhetor Die ganze Rede Agathons in Platons Symposion, besonders das Ende, ist ein rhetorisches Meisterwerk. Das Publikum bricht nach seiner Rede in großen Beifall aus. Sokrates benennt dieses Charakteristikum des Agathon᾽schen Vortrags sogleich im Anschluss daran: Agathon habe eine „so schöne und reich verzierte Rede“ (καλὸν οὕτω καὶ παντοδαπὸν λόγον, 198b2–3) gehalten. Er betont besonders „die Schönheit der Wörter und Redensarten am Ende der Rede“ (ἐπὶ τελευτῆς τοῦ κάλλους τῶν ὀνομάτων καὶ ῥημάτων, 198b4–5). Er fühlt sich an den Rhetor Gorgias erinnert und fürchtet, dass das Gorgische Haupt, das Agathon „am Ende der Rede“ (τελευτῶν) losgelassen habe, ihn versteinern würde (198c). Zunächst ist die Anlage seiner Rede gorgianisch. So benennt er klar die Disposition, dass er zuerst die Eigenschaften des Eros nennen will und dann seine Taten (195a1–5). Er strukturiert seine Ausführungen immer wieder (196a1 f., b4 f., d4–6, c1–3; 197a7 f.), führt τεκμήρια/ μαρτύρια („Beweise“) ein, um seine Behauptungen zu belegen (195a8–b1, d6, 196a4 f., e3 f.) und nimmt Bezug auf Besonderheiten seiner Rede (ἐπέρχεται δέ μοί τι καὶ ἔμμετρον εἰπεῖν, 197c3). Ein deutliches Indiz für den von Sokrates benannten gorgianischen Stil des Agathon sind die rhetorischen Figuren, die er verwendet. Die als typisch gorgianisch geltenden Stilmittel Isokolon, Parison, Homoioteleuton und Antithese351 finden sich gehäuft in diesem Abschnitt der Rede. Weiterhin entsteht durch den Einsatz von Alliterationen, Anaphern und Assonanzen ein so beeindruckendes Klangerlebnis, dass in der neueren Forschung von einem „regelrechten ‚Klangteppich‘“, den Agathon hier „webt“, gesprochen wurde.352 Dieser Eindruck wird durch eine Rhythmisierung dieses Teils der Rede verstärkt. Im folgenden Text sind Alliterationen, 351 Flashar/ Döring 1998, 49; siehe auch Sud. γ 388 Γοργίας Adler; außerdem Meister 2010, 63. 352 Müller 2012, 111.

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Homoioteleuta, Assonanzen und Anaphern353 fett gedruckt und Beispiele für rhythmisierte Perioden354 unterstrichen: οὗτος δὲ ἡμᾶς ἀλλοτριότητος μὲν κενοῖ, οἰκειότητος δὲ πληροῖ, τὰς τοιάσδε συνόδους μετ᾽ ἀλλήλων πάσας τιθεὶς συνιέναι, ἐν ἑορταῖς, ἐν χοροῖς, ἐν θυσίαισι γιγνόμενος ἡγεμών∙ πρᾳότητα μὲν πορίζων, ἀγριότητα δ᾽ ἐξορίζων∙ φιλόδωρος εὐμενείας, ἄδωρος δυσμενείας∙ ἵλεως ἀγαθός∙ θεατὸς σοφοῖς, ἀγαστὸς θεοῖς∙ ζηλωτὸς ἀμοίροις, κτητὸς εὐμοίροις∙ τρυφῆς, ἁβρότητος, χλιδῆς, χαρίτων, ἱμέρου, πόθου πατήρ∙ ἐπιμελὴς ἀγαθῶν, ἀμελὴς κακῶν∙ ἐν πόνῳ, ἐν φόβῳ, ἐν πόθῳ, ἐν λόγῳ κυβερνήτης, ἐπιβάτης, παραστάτης τε καὶ σωτὴρ ἄριστος, συμπάντων τε θεῶν καὶ ἀνθρώπων κόσμος, ἡγεμὼν κάλλιστος καὶ ἄριστος, ᾧ χρὴ ἕπεσθαι πάντα ἄνδρα ἐφυμνοῦντα καλῶς, ᾠδῆς μετέχοντα ἣν ᾄδει θέλγων πάντων θεῶν τε καὶ ἀνθρώπων νόημα. Pl. Smp. 197d1–e5 353 Eine stilistische Analyse der gesamten Rede des Agathon findet sich bei Hug/ Schöne 19093, 87 f. Hier seien neben den im Text auf S. 112 markierten Phänomenen nur einige Beispiele gegeben: Die Phrase οὐ τὸν θεὸν ἐγκωμιάζειν, ἀλλὰ τοὺς ἀνθρώπους εὐδαιμονίζειν (194e6) hat eine antithetische Struktur, ist syntaktisch parallel gebaut, stellt durch die gleiche Anzahl der Wörter ein Isokolon dar und entspricht sich im letzten Glied durch das Homoioteleuton auch klanglich. Häufig lässt Platon ihn Homoiteleuta verwenden, um Assonanz zu erzielen wie in νεώτατος ... καὶ ἁπαλώτατος ... (196a1). Direkt davor benutzt Agathon ein Polyptoton ἐν μαλακωτάτοις τῶν μαλακωτάτων (195e8). Der Teilsatz ὅτι Ἔρως οὔτ᾽ ἀδικεῖ οὔτ᾽ ἀδικεῖται οὔτε ὑπὸ θεοῦ οὔτε θεόν, οὔτε ὑπ᾽ ἀνθρώπου οὔτε ἄνθρωπον (196b6 f.) brilliert durch die sechsmalige Wiederholung von οὔτε, die Polyptota und den parallelen Satzbau in οὔτε ὑπὸ θεοῦ οὔτε θεόν, οὔτε ὑπ᾽ ἀνθρώπου οὔτε ἄνθρωπον. Als letztes Beispiel sei hier die Epipher οὔτε γὰρ αὐτὸς βίᾳ πάσχει, εἴ τι πάσχει (196b7 f.) genannt. Im letzten Abschnitt der Rede (197d1–e5) sind dann nur noch klangliche Figuren und meist kurze, parallel gebaute Kola aneinandergereiht, die Eros beschreiben und von denen viele Sentenzcharakter haben (z.B. φιλόδωρος εὐμενείας, ἄδωρος δυσμενείας, 197d4 f.). Er verwendet Isokola, Homoioteleuta, Anaphern und Assonanzen, teilweise sind die Kola antithetisch, meistens parallel, einmal chiastisch (ἐφυμνοῦντα καλῶς, ᾠδῆς μετέχοντα, 197e3 f.) gebaut. Der vermehrte Gebrauch der Endung -ων erinnert an das Lied des θεράπων in den Thesmophoriazusen (41 f., 47 f.), in dem dieses Homoioteleuton ebenfalls auffallend oft vorkommt. 354 Die im folgenden benannten Metren beziehen sich auf den Text auf S. 112 (Pl. Smp. 197d1– e5). Der Ausdruck ἐν ἑορταῖς, ἐν χοροῖς, ἐν θυσίαις kann als ionischer Trimeter (v v – – – v – – v v –) analysiert werden. Daran schließt sich ein Doppelcreticus/ cretischer Dimeter (– v vv – v –) als Klausel an (γιγνόμενος ἡγεμών). Die Phrase πρᾳότητα μὲν πορίζων, ἀγριότητα δ᾽ ἐξορίζων stellt einen trochäischen Tetrameter dar (– v – v – v – – vv v – v – v – –), danach folgt in φιλόδωρος εὐμενείας ein Anacreontiker (v v – v – v – – ). Weitere Klauselschlüsse in Form eines Doppeltrochäus finden sich in δυσμενείας, σωτὴρ ἄριστος, καὶ ἄριστος, ἀνθρώπων νόημα. Die metrische Analyse orientiert sich an Dover 1980, 124, dort weitere Beipiele: μετ᾽ ἀλλήλων ... συνιέναι (d2) analysiert Dover als das seltenere iambodochmische Versmaß (v – – – – – v – vv v –), das teilweise in κυβερνήτης ἐπιβάτης (e1) wiedererscheint (v – – – vv v –). Die Folge v/– – v – v – – – v – – findet sich sowohl in παραστάτης ... ἄριστος (e1–2) als auch in πάντων θεῶν τε κἀνθρώπων νόημα (e4 f.), wobei κἀν- = καὶ ἀν-, und stellt eine Erweiterung von οἰκειότητος δὲ πληροῖ (d1) dar.

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Durch den Einsatz gorgianischer Klangfiguren, wie Assonanzen und Homoioteleuta, durch die Reime entstehen, wird eine ursprünglich poetische Sprachform in die Prosa übertragen. Dieser Eindruck einer Annäherung an die Dichtung wird durch den Gebrauch von traditionellen Sprechversen des Dramas, wie dem trochäischen Tetrameter, verstärkt.355 Platon lässt Agathon diesen Abschnitt der Rede durch klangliche und rhythmische Stilisierung sogar nahezu an einen Gesang annähern. Die Assoziation mit einem Gesang wird sowohl durch die eben beschriebene rhythmische, rhetorische und klangliche Gestaltung der Rede hervorgerufen, außerdem durch das geballte Lob auf Eros und schließlich den Gedanken, den Agathon hier selbst ausspricht, dass jeder, der dem Eros folgt, in dessen Gesang miteinstimmt: ἡγεμὼν κάλλιστος καὶ ἄριστος, ᾧ χρὴ ἕπεσθαι πάντα ἄνδρα ἐφυμνοῦντα καλῶς, ᾠδῆς μετέχοντα ἣν ᾄδει θέλγων πάντων θεῶν τε καὶ ἀνθρώπων νόημα. Pl. Smp. 197e2–5 schönster und bester Anführer, dem jeder Mann folgen muss, indem er schön lobsingt, in den Gesang miteinstimmt, welchen er [Eros] singt und dabei den Sinn aller Götter und Menschen bezaubert. Eros wird selbst als Sänger dargestellt, wie auch Agathon, der durch die Ausgestaltung seiner Rede als ein solcher erscheint. Agathon wird bei Platon als ein Tragiker präsentiert, der in Prosatexten so stark rhetorisch arbeitet, dass er auch in diesem Genre mehr Dichter und Musiker ist als ein sachlich argumentierender, philosophischer Gesprächspartner. Somit präsentiert sich Agathon am Ende seiner Rede als der musikalische Poet, als der er auch in Aristophanes᾽ Thesmophoriazusen hervortritt. Da in den Tragödienfragmenten Agathons der gorgianische Stil, den Platon betont, deutlich erkennbar ist,356 kann die platonische Darstellung Agathons hinsichtlich seiner rhetorischen Versiertheit als authentisch gelten. Die Betonung akustischer Elemente wird in der hellenistischen Literatur prominent.357 Die Dichtung Agathons ist damit vergleichbar. 3.2.4 Integrative dramatische Gattungen Am Morgen nach dem Symposion (Smp. 223b–d), als nur noch Agathon und Aristophanes wach sind, phantasiert Sokrates über die Gattungen Tragödie und Komödie. Er behauptet, dass ein Tragödiendichter auch Komödien dichten können müsse (Smp. 223d). Er fordert damit eine „generische Offenheit“ der beiden Gattungen. Während für Agathon die Integration komödienhafter Elemente in der Tragödie nicht belegt ist, so hat doch eine andere Form der hier angedeuteten Gattungsmischung in seine Tragödien Eingang gefunden. Denn er übernimmt Komponenten des 355 Siehe S. 112 Anm. 354. 356 S.u. 115 ff. 357 Siehe dazu ausführlicher unten 146 f.

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Neuen Dithyrambos.358 In den späten Stücken des Tragikers Euripides jedoch sind Elemente aus der Komödie eingeflossen, wie auch an der Iphigenie in Aulis und Alkmaion in Korinth gezeigt wurde.359 Insofern wird das Diktum des Sokrates durch die beiden Tragiker, wenn auch in unterschiedlicher Weise, eingelöst.360 3.2.5 Agathon in Platons Symposion Das Bild, das Platon im Symposion von Agathon zeichnet, ist facettenreich. Er präsentiert ihn als den gefeierten Sieger des Tragödienagons, er ist der zuvorkommende Gastgeber des Gelages, seine Schönheit trägt ihm mehrfach das Scherzen seiner Gäste ein, aber vor allem soll er in diesem Dialog sein philosophisches Können unter Beweis stellen, indem er ebenso wie die anderen Gäste eine Rede auf den Gott Eros hält. Dabei wird er allerdings mehr als sophistischer Rhetor denn als wahrheitssuchender Philosoph entlarvt. Seine rhetorische, Gorgias verpflichtete Kunst überzeugt alle außer Sokrates. Vor allem setzt er nach der Darstellung Platons auch in Prosatexten Klangelemente und Rhythmisierungen ein und erweist sich so durch und durch als Musiker. 3.3 Aristoteles, Poetik In seiner Poetik zieht Aristoteles Agathon mehrmals als Beispiel oder Folie für seine dichtungstheoretischen Ausführungen heran. Dreimal nennt er ihn als einen Dichter, der durch seine außergewöhnlichen oder innovativen Praktiken auffällt. Zum ersten Mal erwähnt Aristoteles Agathon im 9. Kapitel der Poetik (Aristot. Poet. 1451b19– 23 = Agathon 39 F 2a Snell/ Kannicht). In diesem Kapitel führt Aristoteles seine Überlegungen über die Allgemeingültigkeit und Glaubwürdigkeit von Dichtung aus. Agathon hat nach Aristoteles eine Tragödie (Anthos) geschrieben, in der sowohl die Handlung als auch die Namen erfunden sind.361 Als Plot von Tragödien diente immer ein bekannter Stoff meist aus der Mythologie, der mehr oder weniger variiert wurde. Eine echte Besonderheit stellte es dar, dass eine Tragödie Agathons keinen der bekannten Namen des mythologischen Personals aufwies. Aristoteles bewertet diese nicht als schlechter als die sonst übliche Vorgehensweise: καὶ οὐδὲν ἧττον εὐφραίνει („und es erfreut in keiner Weise weniger“). Die nächsten beiden Referenzen auf Agathon fallen allerdings weniger positiv aus. In Kapitel 18, in dem Aristoteles die verschiedenen Arten und Teile der Tragödien behandelt, warnt er vor der Verwendung epischer Stofffülle in Tragödien:

358 S.o. 94 ff. 359 S.o. 78 f. 360 Die Forderung nach einer integrativen Form der Gattung Tragödie tritt auch in Platons Nomoi (VII 796e–817e) zutage. Männlein-Robert 2013a, 137–140. Anders deutet die Stelle Rowe 1998, 214 f. 361 Dieses Zeugnis wird ausführlich im nächsten Kapitel (115 ff.) besprochen.

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ἐπεὶ καὶ Ἀγάθων ἐξέπεσεν ἐν τούτῳ μόνῳ sc. τῷ ποιεῖν ἐποποιικὸν (πολύμυθον) σύστημα τραγῳδίαν. Aristot. Poet. 1456a18 = Agathon 39 T 17 Snell/ Kannicht weil auch Agathon nur in diesem Punkt gescheitert ist, (nämlich) darin, ein episches (stoffbeladenes) Handlungsgefüge zu einer Tragödie zu machen.362 In einem Epos ist es möglich, mehr Stoff zu behandlen, ein Drama bietet dafür nicht den entsprechenden Raum. So wäre es nach Aristoteles (1456a16) ein Fehler, die gesamte „Iliupersis“ in einer Tragödie zu behandeln. Während Euripides und Aischylos als positive Vorbilder an dieser Stelle fungieren, sei Agathon wegen dieses Fehlers „durchgefallen“ (ἐξέπεσεν). Im selben Kapitel spricht sich Aristoteles dagegen aus, den Chor nicht mehr „wie einen Schauspieler“ in das Stück miteinzubeziehen, sondern nur noch „Einlagen“ (Embolima) singen zu lassen (1456a25–32). Embolima sind Lieder, die nur einen lockeren oder keinen Bezug zur eigentlichen Handlung des Stückes haben, und deshalb wie Versatzstücke in verschiedenen Tragödien eingesetzt werden können. Agathon habe als erster damit angefangen, diese Embolima singen zu lassen.363 Dass Aristoteles an dieser Praxis Anstoß nahm, macht sein Vergleich im Anschluss daran deutlich: Genauso gut könne man eine Rede (ῥῆσις) oder ein ganzes Epeisodion (ἐπεισόδιον ὅλον, 1456a30–31) auf ein anderes Stück übertragen.364 Agathon hat nach Aristoteles zwei ungewöhnliche Dichtungsmodi gebraucht beziehungsweise erfunden. Er hat scheinbar ein völlig neues Sujet als Tragödienstoff verwendet und programmmusikartige Embolima – nach Aristoteles – in die Tragödie eingeführt. Die Verwendung von epischer Stofffülle sieht er als verfehlt an. Abgesehen davon, wie Aristoteles diese Neuerungen jeweils bewertet, stellt er Agathon als experimentierfreudigen und originellen Dichter vor, wobei die Tragödie Anthos das ungewöhnlichste Phänomen unter den genannten Innovationen zu sein scheint. 3.4 Die Fragmente Agathons Von der Dichtung des Tragikers Agathon sind 34 Fragmente erhalten, von denen einige nicht sicher ihm zugeschrieben werden können. Diesen lassen sich sechs Tragödientitel entnehmen (Agathon 39 F 1, 2, 2a, 3, 3a und 4 Snell/ Kannicht). Die restlichen Fragmente können keinem Tragödienstoff zugeordnet werden; sie bestehen aus einem oder zwei Versen und haben Sentenzcharakter. Den Tragödientitel und damit das Tragödiensujet, das in der Forschung am meisten umstritten ist, überliefert Aristoteles in seiner dichtungstheoretischen Schrift 362 Die Übersetzung der Begriffe σύστημα und πολύμυθον stammt aus Kannicht/ Gauly 1991, 101 und Fuhrmann 1982, 58 f. 363 Zum Befund, dass sich Embolima auch schon bei Euripides finden, Kannicht/ Gauly 1991, 282, Anm. 8. 364 Dass das aristophanische Agathonlied ein Beispiel der von Agathon benutzten Embolima sein könnte, hat Dearden 1976, 103 ff. vorgeschlagen und im Anschluss an ihn Muecke 1982, 47.

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Poetik. Als Aristoteles über die Glaubwürdigkeit der tragischen Stoffe spricht, stellt er fest, dass die Tragiker in ihren Stücken bekannte Namen (aus den Mythen) benutzen. Weiter heißt es: οὐ μὴν ἀλλὰ καὶ ἐν ταῖς τραγῳδίαις ἐν ἐνίαις μὲν ἕν ἢ δύο τῶν γνωρίμων ἐστὶν ὀνομάτων, τὰ δὲ ἄλλα πεποιημένα, ἐν ἐνίαις δὲ οὐθὲν, οἷον ἐν τῷ Ἀγάθωνος Ἄνθει365∙ ὁμοίως γὰρ ἐν τούτῳ τά τε πράγματα καὶ τὰ ὀνόματα πεποίηται, καὶ οὐδὲν ἧττον εὐφραίνει. Aristot. Poet. 1451b19–23 = Agathon 39 F 2a Snell/ Kannicht Allerdings sind in einigen Tragödien (nur) ein oder zwei von den bekannten366 Namen, die anderen aber sind erfunden, in einigen (anderen) aber ist kein (sc. bekannter Name), wie im Anthos des Agathon. Denn in diesem sind gleichermaßen die Geschehnisse und die Namen erfunden, und es erfreut in keiner Weise weniger. Die Frage, wie der Titel dieser Tragödie, die Aristoteles als Beispiel für diesen besonderen Fall nennt, lautete und welchen Inhalt sie gehabt haben könnte, hat in der Forschung zu einer Kontroverse geführt. Denn das Wort ΑΝΘΕΙ oder in der arabischen Version ΑΝΘΗΙ kann je nach Akzentuierung verschiedene Bedeutungen annehmen. In den Handschriften (AB) erscheint die Variante ἄνθει zum Nomen τὸ ἄνθος („Blume“ oder „Blüte“). Für diesen Titel, der auch von der Verfasserin bevorzugt wird, spricht, dass Aristoteles ausdrücklich hervorhebt, dass in dem Stück alle Namen erfunden sind (ἐν ἐνίαις δὲ οὐθέν (sc. γνωρίμων ἐστὶν ὀνομάτων)).367 Aus der Lesart Ἀνθεῖ, die Kassel in seiner Poetik-Ausgabe, ebenso Snell und Kannicht in der Ausgabe der Tragiker-Fragmente haben, ergibt sich der Eigenname Ἀνθεύς.368 Die Lesart Ἀνθεῖ als Dativ zum Eigennamen Ἀνθεύς hat Welcker vorgeschlagen mit der Feststellung, dass der Name Antheus „in Volkssagen oder in der Poesie […] unter verschiedenen Formen üblich von Jünglingen [ist], die durch Schönheit, durch Liebe oder durch rührenden Tod berühmt waren.“369 Corbato rekonstruiert den Plot eines Antheus auf der Basis der Erzählung des Alexander Aetolus370 (3. Jh. v. Chr.) und Parthenios371 (1. Jh. v. Chr.).372 Allerdings kennt Aristoteles selbst nach Parthenios Erot. Path. 14 diese Geschichte.373 Dann hätte er aber an besagter Stelle 365 Kassel 19867, 16, ebenso Snell/ Kannicht 1968 (TrGF 1), 162 haben Ἀνθεῖ. 366 Aristoteles sagt kurz darauf, dass nur wenige die „bekannten“ (γνώριμα) Stoffe kennen (Poet. 1451b25 f.). 367 Kannicht/ Gauly 1991, 283, Anm. 14; Radt 1971, 192 mit Anm. 2; Snell 1971, 48, Anm. 38.; Lesky 19723, 524 mit Anm. 4–6; Lévêque 1955, 105 ff. 368 Kassel 19867, 16; Snell/ Kannicht 1968 (TrGF 1), 162. 369 Welcker 1841, 995 f. Ebenso Lucas 1968, 123, ad 51 b 21 und Else 1957, 318, Anm. 60. 370 Alexander Aetolus, Apollon, F 3 (Magnelli). 371 Parthenios, Erot. Path., 14. 372 Corbato 1948, 163–172. Magnelli 1999, 133. 373 Aristoteles F 556 Rose.

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in der Poetik (Aristot. Poet. 1451b19–23) nicht davon gesprochen, dass im Antheus des Agathon alle Namen erfunden seien. Eine dritte Variante befürwortet Pitcher.374 Er argumentiert mit einer Geschichte, die von Antoninus Liberalis,375 einem Mythographen aus dem 2./3. Jh. n. Chr., überliefert ist und in der sowohl der Vogelname ὁ ἄνθος („Stelze“) als auch Blumen (Sg. τὸ ἄνθος) vorkommen. In dieser Erzählung spielt ein junger Mann namens (ὁ) Ἄνθος die Hauptrolle. Dieser Anthos muss die Pferde seines Vaters beaufsichtigen, wird aber von ihnen gefressen, als er sie von der Weide – hier kann man, wenn man möchte, eine Verbindung zu Blumen erkennen – treiben will. Er, seine Geschwister und seine Eltern werden von Zeus und Apollon aus Mitleid in Vögel verwandelt, Anthos in eine „Stelze“ (ὁ ἄνθος). Problematisch an dieser These ist, dass es in dieser Geschichte einige bekannte Namen gibt, was der Aussage des Aristoteles widerspricht.376 Gleichzeitig müsste dann bei Aristoteles als Titel der Tragödie Ἄνθῳ zu lesen sein, was durch die Überlieferung nicht gegeben ist, oder wiederum ἄνθει. Dann müsste man annehmen, dass eine einzelne Blume der Titel einer Tragödie sei, in der lediglich ein schwacher Bezug zu Blumen (zumal in der Mehrzahl) auf einer Wiese gegeben ist. Pitcher lässt außerdem die Frage der genauen Lesart des diskutierten Wortes bei Aristoteles offen. Eine vierte Deutung legt Gudemann vor.377 Er hat in seinem Kommentar zur Poetik die Lesart Ἄνθῃ im Sinne eines Personennamens vorgeschlagen, was wiederum die gleiche Problematik mit sich bringt wie einer der anderen Eigennamen. Gudemann meint, Aristoteles wollte nicht sagen, dass der von ihm (Gudemann) angenommene Name Ἄνθη eine von Agathon erfundene Personenbezeichnung sei, da dieser Name auch anderswo vorkommt, „sondern nur, daß der Name in einer vom Dichter selbst erfundenen Fabel angewandt wurde.“378 Aristoteles sagt aber gerade, dass es das Besondere ist, dass alle Namen erfunden sind. Denn durch die Reihenfolge, in der im folgenden Satz Ereignisse und Namen erwähnt werden (τά τε πράγματα καὶ τὰ ὀνόματα, Poet. 1451b22), liegt, wie auch Else zeigt, die Betonung auf den Namen, die in diesem Stück des Agathon neben der Handlung erfunden sind.379 Denn die Handlungen der Tragödien stellen immer eine Neuschaffung des Dichters in einem – wenn auch nur durch die Namen – abgesteckten Sagensujet dar. Alle vorgeschlagenen Varianten eines Eigennamens als Titel für diese besondere Tragödie Agathons sind deshalb problematisch, da die Namen im jeweiligen Sagenstoff nicht unbekannt sind, was aber die Stelle bei Aristoteles für dieses Stück eindeutig fordert. Auf Grund seiner (des Aristoteles) Aussage muss also der Titel „Blüte“ oder „Blume“ (τὸ ἄνθος) als wahrscheinlicher angenommen werden. Was für eine Art von Tragödie sich hinter diesem Stück verbirgt, muss allerdings offen bleiben. Tatsächlich 374 375 376 377 378 379

Pitcher 1939, 145–169. Antoninus Liberalis, 7 (p. 76–78 Martini). Else 1957, 318, Anm. 60. Gudemann 1934, 211 f. Gudemann 1934, 211. Else 1957, 319 f.

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stellt der Titel einen Einzelfall innerhalb der überlieferten Tragödientitel dar. Normalerweise erscheint als Titel einer Tragödie der Name eines Protagonisten oder der Chor des Stückes. Obwohl die Formulierung des Aristoteles ἐν ἐνίαις δὲ οὐθὲν bedeutet, dass es bei einigen (Tragödien) der Fall ist, dass alle Namen unbekannt sind,380 sind uns keine weiteren Beispiele für ein solches Phänomen geläufig. Agathon fühlte sich demnach in der Konzeption seiner Tragödien nicht mehr an die Vorgaben des Mythos gebunden und hat etwas völlig Neuartiges vorgelegt, sodass auch Aristoteles in der genannten Tragödie, was das Sujet betrifft, keine bekannten Strukturen mehr erkennt.381 Ebenso wie in den Thesmophoriazusen des Aristophanes stellt auch Aristoteles die kühnen und einfallsreichen poetischen Kompositionen Agathons heraus. Athenaios (Ath. 12.528 D) gibt eine Stelle aus dem Thyestes des Agathon wie der: Ἀγάθων δ᾽ ἐν τῷ Θυέστῃ τοὺς τὴν Πρώνακτος θυγατέρα μνηστεύοντας τοῖς τε λοιποῖς πᾶσιν ἐξησκημένους ἐλθεῖν καὶ κομῶντας τὰς κεφαλάς∙ ἐπεὶ δ᾽ ἀπέτυχον τοῦ γάμου, φησί: κόμας ἐκειράμεσθα μάρτυρας τρυφῆς, ἦ που ποθεινὸν χρῆμα παιζούσῃ φρενί. ἐπώνυμον γοῦν εὐθὺς ἔσχομεν κλέος, Κουρῆτες εἶναι, κουρίμου χάριν τριχός. Ath. 12.528 D (Eust. Il. 1292,58) = Agathon 39 F 3 Snell/ Kannicht Agathon (sagt) im Thyestes, dass diejenigen, die um die Tochter des Pronax warben, sowohl mit allem übrigen ausgestattet kamen als auch an den Häuptern mit langem Haar; nachdem sie aber die Hochzeit nicht erlangt haben, sagt einer: die Haare haben wir abgeschnitten, die Zeugen unseres Luxus, sicherlich wohl eine erwünschte Sache für ein spottendes Herz. wir hatten freilich sofort den Ruf des entsprechenden Namens, Koureten zu sein, wegen des abgeschnittenen Haars.382 Dieses Fragment stellt das zweitgrößte, das uns aus dem Œuvre Agathons überliefert ist, dar. Die Tragödie handelt nach der Einleitung des Athenaios von der Brautwerbung um die Tochter des Pronax, die Schwester des Lykurg. Adrastos siegte und bekam sie zur Braut. Welche Verbindung dieses Sujet mit Thyestes hat, ist unklar.383 380 Radt 1971, 193, Anm. 1 geht davon aus, dass trotz der Formulierung ἐν ἐνίαις ..., οἷον ἐν τῷ Ἀγάθωνος Ἄνθει (so gelesen bei Radt) Aristoteles nur suggerieren möchte, dass es mehrere Tragödien gab, in denen kein Name bekannt war, da er sich die Gelegenheit nicht hätte entgehen lassen, weitere Tragödien in der Art zu nennen. 381 Lévêque 1955, 112. 382 Übersetzung von der Verfasserin unter Benutzung von Kannicht/ Gauly 1991, 103, und Waern 1956, 90. 383 Kannicht/ Gauly 1991, 283, Anm. 15.

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Thyestes ist der Verführer Aeropes, der Gattin seines Bruders Atreus, mit deren Hilfe er versucht, die Herrschaft über Mykene an sich zu reißen. Er gehört also in den Atridenmythos. Aus dem Fragment selbst geht hervor, dass die Freier griechischen Adligen entsprechend eine prächtige Haartracht trugen und diese als Zeichen ihrer Niederlage bei der Werbung abschnitten. Daran schließt sich in Vers 4 eine falsche etymologische Verbindung von Κουρῆτες mit κούριμος an, die wegen des Gleichklangs der beiden Wörter und des Umstands, dass die jungen Freier sich wegen der Abweisung das Haar abgeschnitten haben, gewählt wurde. Tatsächlich ist das Wort Κουρῆτες, womit waffenfähige junge Männer bezeichnet werden, mit κόρος/ κοῦρος („Knabe“) etymologisch verwandt. κούριμος („geschoren“) stammt hingegen von κείρω („scheren“).384 Derartige falsche Etymologisierungen finden sich schon bei Aischylos, auch bei Sophokles, häufig bei Euripides.385 Ebenso haben die jungattischen Dithyrambiker aufgrund von Assonanzen bestimmte Wörter aufeinander bezogen: Nikander von Kolophon und Melanippides haben nach Athenaios eine etymologische Verbindung zwischen οἶνος und Οἰνεύς hergestellt. Eine vergleichbare Etymologie mit Ἀχέρων und ἄχη bieten Melanippides und Likymnios.386 Der Tragiker Agathon steht also dadurch, dass er über Sprache nachdenkt und mit ihr experimentiert, einer Gruppe von Dichtern nahe, die die Gattung Dithyrambos durch Innovationen weiterentwickelten. Die metrische Gestaltung dieser Verse weist weiter keine Besonderheiten auf. Es handelt sich um Sprechverse im jambischen Trimeter, der auch in den anderen Fragmenten dominiert. Stilistisch lassen sich Assonanzen und Alliterationen identifizieren, die auch der etymologischen Pointe der Stelle zu verdanken sind. So kommt in Vers 1 und 4 gehäuft der Laut κ vor (κόμας ἐκειράμεσθα, 1; Κουρῆτες … κουρίμου, 4). In Vers 2 erscheint eine Alliteration mit π- (που ποθεινὸν … παιζούσῃ). Auch das Lied des Dieners in den Thesmophoriazusen des Aristophanes (Ar. Thesm. 52–57) und seine Eros-Rede in Platons Symposion (Pl. Smp. v.a. 197d–e) zeugen davon, dass der Tragiker gerne mit Sprache und Klängen experimentierte. So stimmen diese literarischen Darstellungen mit der tatsächlichen Dichtkunst des Agathon überein. Akustika werden ein Charakteristikum der hellenistischen manierierten Poesie.387 Die Dichtung Agathons steht damit in Verbindung zu dieser. Ein ähnlich manieriert ausgearbeitetes Stück der Dichtung Agathons überliefert nochmals Athenaios in seinen Deipnosophistae. Es stammt aus seinem Telephos: γραφῆς ὁ πρῶτος ἦν μεσόμφαλος κύκλος∙ ὀρθοί τε κανόνες ἐζυγωμένοι δύο, Σκυθικῷ τε τόξῳ τρίτον ἦν προσεμφερές: ἔπειτα τριόδους πλάγιος ἦν προσκείμενος: 384 Kannicht/ Gauly 1991, 283, Anm. 16. 385 Van Looy 1973, 345–366. Siehe auch Waern 1956, 97. 386 Melanippides F 761 PMG, F 759 PMG; Likymnios F 770 a/b PMG; siehe auch Zimmermann 2008, 126 f. mit Anm. 62. 387 Siehe dazu 146 f.

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ἐφ᾽ ἑνός τε κανόνος ἦσαν {ἐζυγωμένοι} δύο∙ ὅπερ δὲ τὸ τρίτον, ἦν {καὶ} τελευταῖον πάλιν. Ath. 10.454 D = Agathon 39 F 4 Snell/ Kannicht das erste des Geschriebenen war ein Kreis mit einem Nabel in der Mitte; dann zwei senkrechte durch ein Querholz verbundene Stäbe, das dritte war einem skythischen Bogen ähnlich; dann war ein auf der Seite liegender Dreizack angefügt; auf einem Stab waren zwei verbunden; was aber das dritte war, war auch wieder das letzte. Die sechs Verse des vierten Fragments beschreiben jeweils einen Buchstaben, die gemeinsam den Namen ΘΗΣΕΥΣ (Theseus) ergeben, was vom Prinzip her (Vers = Buchstabe) an ein Akrostichon erinnert, bei dem die ersten Buchstaben in jedem Vers ein Wort ergeben. Dabei ist das Σ, das als skythischer Bogen (Σκυθικῷ τόξῳ, 3) beschrieben wird, als C zu schreiben. Derartige Ekphraseis von Buchstaben kamen in der Tragödie häufiger vor. Gerade denselben Namen lässt Euripides in seinem Theseus (aufgeführt vor 422 v. Chr.) einen Analphabeten, einen kretischen Hirten, buchstabieren.388 Die Ekphrasis bei Euripides ist allerdings wesentlich ausführlicher und umfasst 13 Verse. Die Beschreibung bei Agathon hat einen geringeren Umfang und ist prägnanter. Der Analphabet bei Euripides geht meist Strich für Strich durch die Buchstaben und lässt so das Wort entstehen. Er verwendet nur einen Vergleich in Vers 7, wo er den dritten Buchstaben, das Σ bzw. C als einen βόστρυχος, eine (Haar-)Locke, bezeichnet. Agathon dagegen vergleicht diesen Buchstaben mit einem skythischen Bogen. Agathon verwendet einen weiteren Vergleich für das E, indem er es kurz einen „auf der Seite liegenden Dreizack“ nennt. Den ersten Buchstaben beschreiben beide als einen Kreis (κύκλος389), den Agathon prägnant mit einem „Nabel in der Mitte“ (μεσόμφαλος) charakterisiert, während Euripides etwas ausführlicher von einem σημεῖον ἐν μέσῳ σαφές („deutliches Zeichen in der Mitte“) spricht. Agathon benutzt für „Linie/ Strich“ – γραμμή bei Euripides – das Wort καvών („Stab“), also eine Metapher, beim zweiten und fünften Schriftzeichen. Der letzte Buchstabe wird bei beiden einfach mit dem dritten gleichgesetzt.390 In beiden Fällen beschreibt ein Blinder (ἀγράμματος) eine Inschrift, die Athenaios beide im 10. Buch seiner Deipnosphistae zitiert.391 Dabei führt er zuerst die Euripides-Stelle an, dann die Verse Agathons: τὸ δ᾽ αὐτὸ πεποίηκε καὶ Ἀγάθων ὁ τραγῳδοποιὸς ἐν τῷ Τηλέφῳ. („Dasselbe hat auch der Tragödiendichter Agathon in seinem Telephos 388 Eur. F 382 Kannicht. Siehe Kannicht/ Gauly 1991, 283, Anm. 17. 389 Anstelle von κύκλος ist in der Handschrift E τύπος („Form“) überliefert, was allerdings für die Beschreibung des Buchstaben Θ zu unpräzise ist. 390 Bei Euripides findet sich: τὸ λοίσθιον δὲ τῷ τρίτῳ προσεμφερές („der letzte (sc. Buchstabe) ist dem dritten gleich.“, 13), Agathon verwendet eine kompliziertere Formulierung: ὅπερ δὲ τὸ τρίτον, ἦν {καὶ} τελευταῖον πάλιν („was aber das dritte war, war auch wieder das letzte“, 6). 391 Ath. 10, 454 B–D.

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gemacht.“, Ath. 10, 454 D). Diese Aussage und auch die oben beschriebene Verdichtung und Präzision der Beschreibung durch Agathon legen den Schluss nahe, dass er in diesem Fall in der Nachfolge des Euripides steht. Nach diesen beiden Ekphraseis zitiert Athenaios eine weitere Beschreibung des Namens Theseus, die der Rhetor und Tragiker Theodektes (4. Jh.) in einem nicht sicher zuzuordnenden Fragment bietet.392 Das Wortmaterial stimmt dabei teilweise mit Euripides (βοστρύχῳ, 4), teilweise mit Agathon (z.B. κανόνες, 2) überein.393 Zuletzt nennt Athenaios Sophokles als einen Dichter, der etwas Ähnliches (τούτῳ παραπλήσιον, Ath. 454 F) gemacht habe.394 Derartige „Schrift-Bilder“, die Buchstaben und Schrift selbst thematisieren, werden in Gedichten hellenistischer Autoren beliebter und bis zu den raffinierten Figurengedichten etwa eines Simias von Rhodos ausgebaut. Somit können die eben genannten Beispiele aus der klassischen Zeit als wichtige Vorläufer für die Praxis hellenistischer Dichter gelten.395 Diese Ekphrasis des Namens Theseus präsentiert Agathon in einer Tragödie mit dem Titel Telephos. Telephos, der Sohn des Herakles und der Auge, wurde als Kind ausgesetzt und gelangte nach Mysien, wo er König wurde.396 Als die Griechen im Zusammenhang des Zuges gegen Troja ungewollt nach Mysien kamen, tötete Telephos den Thersandros und Achill verwundete ihn wiederum. Diese Wunde konnte nur mit dem Rost oder den Spänen des Speeres geheilt werden, mit dem die Verletzung zugefügt wurde. Deshalb suchte Telephos Achill in Argos auf und seine Wunde wurde geheilt. In dieser Sage spielt der in der Ekphrasis beschriebene Name „Theseus“ keine Rolle. Wie er in den Telephos des Agathon gekommen ist, ist unklar. Ob Agathon Theseus als neue Erfindung in den Telephos-Stoff eingeführt hat, also auch hier ein Zeugnis für konzeptionelle Innovationen Agathons zu finden ist, oder ob sich Athenaios beim Titel des Stücks geirrt hat, ist nicht zu entscheiden.397 Allerdings hat Telephos durchaus etwas mit den Mysern, deren Name den Titel einer anderen Tragödie des Agathon bildet (Agathon 39 F 3a Snell/ Kannicht), zu tun. Ob daraus zu schließen ist, dass dasselbe Stück einmal von Plutarch nach dem Chor (Μύσοι, F 3a) und einmal von Athenaios nach dem Protagonisten (Τήλεφος, F 4) benannt wurde und sich hinter den beiden Titeln dasselbe Stück verbirgt, bleibt Spekulation. 392 393 394 395 396

Theodectas 72 F 6 Snell/ Kannicht. Theodectas 72 F 6, p. 233, app. crit. ad F 6. Sophokles F 121 Radt. Männlein-Robert 2007, 127 mit Anm. 31. Zu Simias von Rhodos ebda., 142 ff. Über seine Jugend gibt es zwei Sagenversionen (s. Käppel 2002, 93 f.): Nach der einen Version, der Euripides folgt, wird Telephos von Aleos, Auges Vater, ausgesetzt. Denn Athene hatte wegen der Schwangerschaft ihrer Priesterin Auge eine Hungersnot als Strafe über das Land geschickt. Auge verkaufte er nach Mysien. Telephos wird von einem Hirten gefunden oder von einer Hindin gesäugt und aufgezogen. Telephos gelangt nach Mysien, vermeidet knapp die Heirat mit seiner Mutter und wird schließlich König von Mysien. Nach einer wahrscheinlich von Aischylos und Sophokles vorausgesetzten Version werden Telephos und Auge in einer Kiste auf dem Meer ausgesetzt und gelangen nach Mysien. Teuthras heiratet Auge und zieht Telephos als seinen Sohn auf. 397 Machina 1955, 21 f. Lévêque 1955, 96–99.

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Plutarch überliefert in seinen Quaestiones convivales zweierlei: den Tragödientitel Mysoi398 und die Information, dass Agathon als erster die chromatische Tonart benutzte: (Agathonem) πρῶτον εἰς τραγῳδίαν φασὶν ἐμβαλεῖν καὶ ὑπομῖξαι τὸ χρωματικόν, ὅτε τοὺς Μυσοὺς ἐδίδασκεν. („sie sagen, dass Agathon als erster in die Tragödie die chromatische Gattung einführte und daruntermischte, als er die Myser zur Aufführung brachte.“, Plut. Quaest. conv., Mor. 645 E).399 Die Myser spielen in der Sage um Telephos eine Rolle (s.o.). Ausschlaggebend ist in diesem Fragment der Hinweis auf die Einführung der Chromatik in die Tragödie. Dabei ist die Historizität dieser Aussage letztendlich nicht entscheidend, wobei vieles dafür spricht, da er wohl auch die hypodorische und die hypophrygische Tonarten in die Tragödie einführte.400 Jedenfalls schreibt ihm Athenaios diesen ungewöhnlichen Gebrauch der chromatischen Tonart zu, ähnlich wie ihm Aristoteles die Erfindung der Embolima zuweist.401 Darin zeigt sich eine Parallele zur Präsentation Agathons durch Aristophanes in den Thesmophoriazusen, wo er wegen seiner abenteuerlichen musikalischen Wege in besonderer Weise auffällt und das Etikett eines Weichlings bekommt. Die Chromatik wurde in der hellenistischen Musik besonders beliebt.402 In den Zusammenhang der musikalischen Experimente des Tragikers Agathon lässt sich die von Photios überlieferte Wortverbindung ἀθέμιστοι μοῦσαι403 („gesetzlose Musen/Lieder“) aus der Tragödie Alkmaion bringen.404 Der Wortlaut dieses Fragments heißt nach Photius ἀθέμιστοι μοῦσαι („gesetzlose Musen/Lieder“). Gennadius hat stattdessen ἀθέμιτα μύση („gottlose Besudelungen“) und Nauck diese 398 Dieser Titel ist auch von Aischylos (F 143–145 Radt). Ob Euripides eine Tragödie mit dem Titel Mysoi geschrieben hat, ist nicht gesichert (TrGF adesp. F 327c Kannicht/ Snell, mit app. crit. ad 327c). 399 = Agathon 39 F 3a Snell/ Kannicht. 400 S.o. 92. 401 S.o. 115. 402 S.o. 92 mit Anm. 263; Pöhlmann 2010, 38. 403 Synag. α 480 (cod. B) Cunningham = Phot. α 458 Theodoridis = Agathon 39 F 2 Snell/ Kannicht. 404 Die Sage von Alkmaion gehört in den Zusammenhang des Zugs der Sieben gegen Theben (s. Bethe 1894, 1551–1554). Alkmaion ist der Sohn des Amphiaraos und der Eriphyle. Amphiaraos wurde durch Verrat seiner Gattin Eriphyle gezwungen, mit den Sieben gegen Theben zu ziehen, und trägt jetzt seinem Sohn Alkmaion auf, an ihr Rache zu nehmen. Er gehorcht seinem Vater und tötet seine Mutter entweder vor dem Zug gegen Theben oder danach. Als Muttermörder flieht Alkmaion nach Psophis. Eine weitere Episode in Alkmaions Leben spielt in Korinth. Die Ereignisse um Alkmaion hat Euripides in den in wenigen Fragmenten erhaltenen Tragödien Alkmaion in Psophis (438 v. Chr.) und Alkmaion in Korinth dargestellt (Eur. F 65–87a Kannicht). Des Weiteren hat Sophokles einen Alkmaion geschrieben; außerdem liegt seinen Stücken Epigonen und Eriphyle dasselbe Sagenmaterial zu Grunde (Alkmaion: Soph. F 108–110 Radt. Siehe Welcker 1841, 278 ff. Epigonen und Eriphyle: Soph. F 185–190; 201a–h Radt). Es existiert auch eine Tragödie Epigonen des Aischylos (Aisch. F 55–56 Radt), bei der allerdings nicht klar ist, inwiefern Alkmaion für das Stück wichtig war. Welche Sagenvariante Agathon behandelt hat, bleibt wiederum Spekulation. Lévêque 1955, 93 f. vermutet, dass Agathon die Reinigung des jungen Mannes in Psophis nach dem Muttermord dargestellt habe.

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Variante im Dativ ἀθεμίτῳ μύσει405 („gottloser Besudelung“) vorgeschlagen, wahrscheinlich um einen Bezug zum Muttermord des Alkmaion herzustellen. Da der Eintrag unter dem Lemma ἀθέμιστα zu finden ist, ist die zuerst genannte Variante ἀθέμιστοι μοῦσαι die wahrscheinlichere, auch wenn dann eine inhaltliche Einbindung in die Tragödie schwierig ist. Wenn man sich aber vor Augen hält, dass Agathon in den Thesmophoriazusen des Aristophanes als innovativer Musiker, der den Rahmen der alten Musik sprengt, präsentiert wird, gewinnen diese beiden Wörter an Bedeutung. Agathon hat nach der aristophanischen Darstellung die bisherigen Gesetze (θέμιστες) der Musik, für die die Musen stehen, überschritten. Dies könnte durch die Junktur ἀθέμιστοι μοῦσαι („gesetzlose Musen/Lieder“) ausgedrückt worden sein. Die Möglichkeit, dass Agathon in seiner Dichtung eine metapoetische Aussage über seine eigene Musik machte, erscheint nicht unplausibel, da Aristophanes ihn dasselbe in den Thesmophoriazusen tun lässt (Ar. Thesm. 120–125).406 Insofern würden diese beiden Wörter einen Hinweis auf die neuen musikalischen Praktiken des Agathon geben und somit das Zeugnis des Aristophanes bestätigen. Des Weiteren hat Agathon eine Tragödie Aerope407 verfasst. Dies verzeichent das Etymologicum Magnum bei einem Eintrag zum Wort εἰσῇσαν („sie gingen hinein“).408 Dort wird bemerkt, dass sich dieses Wort bei Agathon mit dem ι [subscriptum] geschrieben findet anstelle von εἰσῄεσαν bzw. εἰσήϊσαν.409 Es lassen sich keine Rückschlüsse auf Plot oder Gestaltung dieser Tragödie ziehen.410 Die mythischen Stoffe, die Agathon gemäß den überlieferten Tragödientiteln bearbeitete, gehören dem traditionellen Sagenrepertoire an und werden auch von den 405 Diese Lesart übernimmt Waern 1956, 90; siehe auch ebda. Anm. 3. Das in cod. B überlieferte Wort ἀθέματοι ist nicht belegt. 406 S.o. 85 ff. 407 Zum mythologischen Stoff (siehe auch Roscher 1884–1886, 87 f.): Aerope ist die Tochter des Katreus und die Enkelin des Minos. Wegen eines Orakelspruchs mit dem Inhalt, dass Katreus durch eines seiner Kinder ums Leben kommen sollte, trug er dem Nauplios auf, Aerope und ihre Schwester Klymene zu verkaufen. So kam Aerope nach Argos, wo sie Pleisthenes heiratete und mit ihm Agamemenon und Menelaos zeugte. Eine leicht veränderte Variante bietet Euripides in seinen Kreterinnen, nach der Katreus seine Tochter Aerope wegen Beischlafs mit einem Knecht dem Nauplios übergibt, damit er sie töte. Dieser gibt sie aber dem Pleisthenes zur Frau. Weiter lässt sich Aerope von Thyestes, dem Bruder ihres Gatten Atreus, verführen, dem sie auch den goldenen Widder des Atreus verschafft, an dessen Besitz die Herrschaft über Mykene gebunden ist. Atreus verbannt seinen Bruder. Bei der Rückkehr nach Mykene aber bereitet sein Bruder ihm ein Mahl, bei dem er ihm seine eigenen Kinder vorsetzt. Den mythischen Stoff um Aerope benutzten auch die anderen Tragiker: Sophokles hat eine Tragödie Atreus oder die Mykenerinnen (Soph. F 140 Radt) und Euripides Kreterinnen (Eur. F 460–470a Kannicht), Pleisthenes (F 625–633), Thyestes (F 391–397) geschrieben. 408 Et. M. 301, 57 (Gaisford) = Agathon 39 F 1 Snell/ Kannicht. 409 Reitzenstein 1964, 290, 292 weist diesen orthographischen Eintrag dem Grammatiker Oros (1. H. 5. Jh. n. Chr.) zu; er vermutet, er habe vielleicht ein Werk mit dem Titel περὶ τοῦ ῑ ἀνεκφωνήτου geschrieben. 410 Lévêque 1955, 94 geht davon aus, dass das Stück von der Liebschaft der Aerope und den epulae Thyesteae handelte.

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anderen Tragikern benutzt. Dabei weisen die Titel Aerope und Thyestes auf denselben Sagenkreis hin, ebenso wie (wahrscheinlich) die Myser und Telephos. Während Agathon mit diesen Titeln und auch mit dem Alkmaion konventionell bleibt, stellt die Tragödie Anthos eine echte Besonderheit dar, wie es Aristoteles in seiner Poetik herausstellt. In diesem Stück hat Agathon nicht nur den Sagenstoff modifiziert, was bei den Tragikern auch sonst üblich war, sondern hat sogar keinen Namen, an dem der ursprüngliche Mythos noch zu erkennen wäre, belassen. Dies kann einen Hinweis darauf geben, dass er auch in seinen anderen Tragödien, das heißt, auch in denen, von denen uns geläufige Titel überliefert sind, mit dem Mythos sehr frei umgegangen ist oder sich vielleicht ganz davon entfernt hat. Dafür spricht, dass die bekannte Erzählung um Telephos nichts mit dem Textmaterial, das zum Telephos des Agathon überliefert ist, zu tun hat. Diese Zeugnisse deuten darauf hin, dass Agathon Sagensujets mischte, tragische Stoffe erfand und phantasievolle Themen (vgl. den Titel „Blüte“) benutzte. Die Fragmente 3 und 4 (s.o.) zeugen davon, dass Agathon Experimente mit Buchstaben, Wörtern und Klängen durchführte. Dies rückt ihn in die Nähe der avantgardistischen Dithyrambiker und manifestiert seine Vorliebe für eine rhetorisch ausgearbeitete Dichtung im gorgianischen Stil. Dadurch erscheint er auch als wichtiger Wegbereiter der hellenistischen Figurengedichte. Für die musikalischen Neuerungen, die in den Thesmophoriazusen im Mittelpunkt der Parodie stehen, liefert das Fragment 2 (ἀθέμιστοι μοῦσαι) eventuell einen Hinweis. Insgesamt sind diese mit einem Titel versehenen Fragmente und Testimonien von Agathons Dichtung eine Bestätigung der poetischen Tendenzen, die in den literarischen Zeugnissen des Aristophanes und Platons parodiert und verarbeitet werden. Zwei Fragmente Agathons (F [10] und 33) geben eventuell Hinweise auf weitere Themen beziehungweise Genres, die Agathon bearbeitet hat. In Aristoteles᾽ Poetik heißt es: οὕτω καὶ τὸν ποιητὴν μιμούμενον καὶ ὀργίλους καὶ ῥᾳθύμους καὶ τἆλλα τὰ τοιαῦτα ἔχοντας ἐπὶ τῶν ἠθῶν τοιούτους ὄντας ἐπιεικεῖς ποιεῖν †παράδειγμα σκληρότητος οἷον τὸν Ἀχιλλέα ἀγαθὸν καὶ Ὅμηρος†411 („So soll auch der Dichter, wenn er zornige, leichtsinnige und überhaupt Menschen mit derartigen (Charaktereigenschaften) nachahmt, sie als so beschaffene in Bezug auf den Charakter darstellen und (zugleich) passend, ein Beispiel des Starrsinns wie auch Homer den tüchtigen Achill [sc. darstellt]“). Die in Cruces gesetzte Textsequenz ist äußerst umstritten.412 Die Handschrift A schlägt hier anstelle von ἀγαθόν die Variante ἀγαθῶν vor, woraus sich die Konjektur Ἀγάθων ergab. Dann wäre Agathon zusammen mit Homer als Autor, der Achill darstellt, erwähnt. Aufgrund der textkritischen Problematik413 kann hier keine sichere Aussage in Bezug auf Agathon gemacht werden.414 Wenn Aga411 Aristot. Poet. 1454b11–15 = Agathon 39 F [10] Snell/ Kannicht. Hier zitiert nach Kassel 19867. 412 Cf. app. crit. ad Aristot. Poet. 1454b14 (Kassel 19867, 25). 413 Herrick 1945, 248 f. 414 Sowohl Gudemann 1934, 284 f. als auch Else 1957, 478 f. sprechen sich gegen die Lesart Ἀγάθων aus.

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thon von Achill gedichtet haben sollte, könnte das im Telephos geschehen sein.415 Des Weiteren hat die Einleitung eines derben Scherzes der Bomolochosfigur in den Thesmophoriazusen des Aristophanes „wenn du von Satyrn dichtest, …“ (ὅταν σατύρους τοίνυν ποιῇς, 157) 416 zu der Annahme geführt, dass Agathon auch Satyrspiele verfasste.417 Da auch von den anderen Tragikern bekannt ist, dass sie Satyrspiele geschrieben haben, ist diese Vermutung plausibel. Dies genau aus dieser Formulierung des Aristophanes zu schließen, ist aber nicht zwingend.418 Die Fragmente, die nicht bestimmten Tragödien zugeordnet werden können, weisen in mehrerer Hinsicht Merkmale des gorgianischen Stils auf. Die meisten davon sind Sentenzen (F 5–9, 11–12, 14, 19–29, 34?) und viele sind rhetorisch ausgearbeitet.419 Hier seien exemplarisch die Fragmente 11 und 12 vorgeführt. τὸ μὲν πάρεργον ἔργον ὣς ποιούμεθα, τὸ δ᾽ ἔργον ὡς πάρεργον ἐκπονούμεθα. Ath. 5.185 A = Agathon 39 F 11 Snell/ Kannicht Die Nebensache tun wir wie eine Hauptsache. um die Hauptsache aber mühen wir uns wie um eine Nebensache In F 11 stellt das Begriffspaar πάρεργον – ἔργον, ἔργον – πάρεργον einen Chiasmus dar. Durch den gleichen Ausgang des jeweils letzten Wortes des Verses ποιούμεθα und ἐκπονούμεθα entsteht ein Homoioteleuton, das durch die Assonanz in ποιούμεθα und ἐκ-πο-νούμεθα verstärkt wird. Des Weiteren stimmt die Silbenanzahl in den beiden Versen genau überein (Parison) und es entsteht am Versende durch das Homoioteleuton ein Reim. Außerdem ist das Verspaar antithetisch gebaut. εἰ μὲν φράσω τἀληθές, οὐχί σ᾽ εὐφρανῶ∙ εἰ δ᾽ εὐφρανῶ τί σ᾽, οὐχὶ τἀληθὲς φράσω. Ath. 5.211 E = Agathon 39 F 12 Snell/ Kannicht wenn ich die Wahrheit sage, werde ich dich nicht erfreuen; wenn ich dich aber irgendwie erfreue, werde ich nicht die Wahrheit sagen Auch in F 12 erscheint die gorgianische Figur Parison mit Homoioteleuton. Die beiden Verse enthalten einen dreifachen Chiasmus. Zunächst φράσω – εὐφρανῶ, εὐφρανῶ – φράσω, die die Hauptbegriffe in dem Ausspruch bilden. Der erste Teil des ersten überlieferten Verses entspricht dem zweiten Teil des zweiten Verses, der dann negiert ist; hier sind die Worte auch chiastisch gestellt (φράσω τἀληθές – 415 Lucas 1968, 166, ad 54b14. 416 Agathon 39 F 33 Snell/ Kannicht. 417 Die Kommentatoren dieser Stelle gehen davon aus, dass damit Satyrspiele gemeint sind: Austin/ Olson 2004, 108; Sommerstein 1994, 169; Holzberg 2011, 65, Anm. 27. 418 Kannicht/ Gauly 1991, 97. 419 Für die stilistische Untersuchung der Fragmente wurde Waern 1956, 95 f. herangezogen.

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τἀληθὲς φράσω). Dasselbe Muster begegnet für den anderen Teil der Aussage (das Erfreuen): zuerst ist diese als zweiter Teil des ersten Kolons negiert, dann im ersten Teil des zweiten Kolons positiv; und auch hier erscheint wieder ein Chiasmus (σ᾽ εὐφρανῶ – εὐφρανῶ .. σ᾽). Jeweils ist die erste Hälfte des Verses eine positive Protasis (εἰ μέν – εἰ δ᾽), die zweite Hälfte die negierte Apodosis. Diese beiden Fragmente zeugen von der gorgianischen Kunst des Agathon.420 In den Fragmenten Agathons finden sich also die typischen gorgianischen Figuren Antithese (Agathon F 8, 11, 12, 14, 20, 34? Snell/ Kannicht), Parison/ Isokolon (F 11, 12, 34?), Homoioteleuton (F 11, 12, 29, 34?), außerdem Chiasmen (F 6, 11, 12) und Alliterationen (F 3, 6, 8, 11, 21, 5.2). An diesen Fragmenten wie auch an den Fragmenten 1–4 konnte gezeigt werde, dass er akustische Effekte gezielt einsetzte. Dass er dadurch seine Zuhörer beeindrucken und beeinflussen konnte oder wollte, bezeugt die Eros-Rede in Platons Symposion.421 Denn dort entfaltet Agathon am Ende seiner Rede geradezu einen „Klangteppich“, der die Zuhörer in Begeisterung versetzt, während nur Sokrates durchschaut, dass die Rede zwar rhetorisch hervorragend ist, aber in philosophischer Hinsicht letztendlich nicht stichhaltig ist (Pl. Smp. 197d–199b). In den Thesmophoriazusen des Aristophanes wird das Ausfeilen und Bearbeiten der Verse durch Agathon parodiert (Ar. Thesm. 52–57). Somit sticht Agathon als ein Poet heraus, der durch die Anwendung rhetorischer Mittel im Stile des Sophisten Gorgias brilliert.422 Während verschiedene Hinweise im Agathonlied in den Thesmophoriazusen eine besondere rhythmische Gestaltung der Musik zu erkennen geben, zeigen die uns überlieferten Verse der Agathon᾽schen Dichtung keine besonderen Metren. Sie sind alle im jambischen Trimeter geschrieben außer dem unsicheren Fragment 31, das vielleicht anapästisch423 gebaut war. 3.5 Fazit: Der Tragiker Agathon Agathon war ein Dichter, der in der athenischen intellektuellen Szene seiner Zeit (im späten 5. Jh. und im 4. Jh. v. Chr.) große Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat. So haben ihn sowohl der Komiker Aristophanes als auch der Philosoph Platon in ihren Schriften gewürdigt. Aristophanes hat vor allem seine abenteuerlichen musikalischen Praktiken in einer Parodie kritisch beleuchtet. Außerdem hat er sein feminines Äußeres, das auch in Platons Symposion thematisiert wird, in dieser Komödie beson420 In Fragment 6 (Snell/ Kannicht) bildet das Wortpaar τέχνη τύχην – τύχη τέχνην einen Chiasmus und gleichzeitig eine Alliteration mit τ-. Alliterationen finden sich außerdem in F 5 (π-, 2) und F 8 (κ/χ-, τ-, π-). F 8 ist außerdem antithetisch gebaut. In F 9 spielt Agathon mit dem Polyptoton εἰκός – εἰκότα. In F 14 wird die Antithese mit zwei Wörtern desselben Wortstamms aufgebaut: δι᾽ ἀργίαν – οὐκ ἀργόν. In F 15 fällt die Assonanz mit dem Laut φ auf. Fragment 21 zeichnet sich durch seinen symmetrischen Bau (Objekt aus Attribut und Nomen – Verb – Subjekt aus Attribut und Nomen) und die Alliteration mit φ- am Ende des Verses aus. An den Sinnspruch in F 29 kann man sich aufgrund des Homoioteleutons -ρᾶν leicht erinnern. 421 S.o. 111 ff. 422 Siehe auch Agathon 39 T 16, 6–10 Snell/ Kannicht. 423 Waern 1956, 94 f.

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ders herausgestellt und verspottet. Dies wurde auch in Verbindung mit seinen weiblich, asiatisch-exotisch anmutenden Musikkompositionen gebracht. Die Tendenzen zur freien Rhythmik sowie die Verwendung der Chromatik, die sich bereits bei Agathon finden, werden ein Merkmal der hellenistischen Musik. Ein Charakteristikum seiner Dichtung, das besonders in den Fragmenten seiner eigenen Dichtung wie im platonischen Symposion deutlich wird, aber auch in Aristophanes᾽ Thesmophoriazusen angedeutet wird, ist sein gorgianischer Stil. Agathon hat also nicht nur seine Dichtung nach den Maßgaben der poetisch-musikalischen Praktiken der Avantgarde des Neuen Dithyrambos gestaltet, sondern auch durch rhetorische Mittel seiner Texte zum Klingen gebracht. Derartige Klangexperimente bereiten ebenso die Fokussierung auf akustische Effekte in der hellenistischen Literatur, sei es in theoretischen Abhandlungen, sei es in poetologischen Beschreibungen von Stilqualitäten mithilfe von Klangmetaphern vor.424 Ebenso stellt das Buchstabenrätsel, in dem die Buchstaben anhand von materiellen Entitäten beschrieben werden, einen Vorläufer der hellenistischen Figurengedichte dar. Des Weiteren hat ihn Aristoteles als einen Neuerer und Experimenteur, was die Kompositionstechnik der Tragödien betrifft, der Kritik unterzogen. Dieser Agathon, der sich durch verschiedene Kuriositäten in der athenischen Öffentlichkeit bemerkbar machte, verließ den antiken Zeugnissen zufolge im Jahr 407 seine Heimatstadt, um sich beim makedonischen König Archelaos einzufinden, wohin sein Dichterkollege Euripides vermutlich bereits im Jahr 408 gekommen war.

4. Timotheos von Milet Timotheos ist hauptsächlich als Dichter von Dithyramben und Nomoi425 bekannt.426 Die Angaben bei Stephanos von Byzanz und in der Suda lassen den Schluss zu, dass 424 Siehe dazu ausführlicher 146 f. 425 Der Begriff „Nomos“ kann einerseits in einer allgemeineren Gebrauchsweise jedwede Art von Lied „with a definite identity or character“ bezeichnen. Im eigentlichen Sinn ist es eine Monodie mit Kithara- oder Aulos-Begleitung. Die zugrundeliegende Rhythmik bzw. das Versmaß kann variieren, genauso der Aufführungsanlass. Siehe West 1992, 215–217. 426 Angaben zum Œuvre des Timotheos finden sich bei Stephanos von Byzanz und in der Suda. Steph. Byz. s.v. Μίλητος (M 184; 3 p. 320 f. Billerbeck): Τιμόθεος κιθαρῳδὸς, ὃς ἐποίησε νόμων κιθαρῳδικῶν βίβλους ὀκτωκαίδεκα εἰς ἐπῶν ὀκτακισχιλίων τὸν ἀριθμόν, καὶ προνόμια ἄλλων χιλίων (Salmasius: χίλια codd.). („Der Kitharode Timotheos, der 18 Bücher kitharodischer Nomoi, um die 8000 Verse bezüglich der Zahl, und nochmal 1000 Verse ProNomoi dichtete.“). Sud. τ 620 Τιμόθεος Adler: γράψας δι᾽ ἐπῶν νόμους μουσικοὺς ιθʼ, προοίμια λςʼ, Ἄρτεμιν, διασκευὰς ηʼ, ἐγκώμια, Πέρσας {ἢ del. Bernhardy} Ναύπλιον, Φινείδας, Λαέρτην, διθυράμβους ιηʼ, ὕμνους καʼ, καὶ ἄλλα τινά. („Er hat 19 musische Nomoi in Versen, 36 Prooimia, die Artemis, 8 Überarbeitungen(?), Enkomia, die Perser, den Nauplios, die Phineiden, den Laertes, 18 Dithyramben, 21 Hymnen, und andere [Werke] geschrieben.“). Das Stück Nauplius ist auch bei Ath. 8.338 A (Hegesandros FHG 4, p. 416) = Tim. F 785 PMG – allerdings nach einer Konjektur von Casaubon – überliefert, sodass die

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Timotheos 19 Nomoi verfasst hat.427 Die Suda nennt außerdem neben konkreten Werktiteln 36 Prooimia, 8 Überarbeitungen(?) (διασκευαί), Enkomia, 18 Dithyramben, 21 Hymnen und „andere Werke“, die Timotheos verfasst haben soll. Die προοίμια können dieselbe Art von Dichtung bezeichnen wie die προνόμια, die Stephanos von Byzanz erwähnt. Vermutlich sind damit unabhängige Einleitungen für Gedichte gemeint.428 Die διασκευαί, die die Suda aufführt, sind nicht genauer spezifizierbar.429 Die verschiedenen Dichtungsgattungen, in denen Timotheos literarisch tätig war beziehungsweise die ihm in der Tradition zugeschrieben wurden, zeugen von seiner Vielseitigkeit. Folgende Titel von Dithyramben und Nomoi sind überliefert: Wahnsinn des Aias (F 777 PMG430), Elpenor (F 779 PMG), Kyklops (F 780–783 PMG), Laertes (F 784 PMG), Nauplios(?) (F 785 PMG), Niobe (F 786–787 PMG), Geburtswehen der Semele (F 792 PMG), Skylla (F 793–794 PMG) und Phineiden (F 795 PMG).431 Darunter bilden die Perser (F 788–791 PMG) mit einem historischen Sujet eine Ausnahme. F 778 (PMG) war wahrscheinlich ein Artemis-Hymnos.432 Die Musik und der Dichtungsstil des Timotheos werden im Folgenden hauptsächlich am Perser-Nomos untersucht, da von diesem Stück der größte zusammenhängende Text zur Verfügung steht.433 Vom Perser-Nomos ist das letzte Drittel des

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Tilgung von ἢ durch Bernhardy gerechtfertigt ist. Auch Hordern 2002, 11, 13 erwähnt den Nauplius als ein Stück des Timotheos. Die „18 Bücher kitharodischer Nomoi“ (νόμων κιθαρωιδικῶν βίβλους ὀκτωκαίδεκα), die Stephanos von Byzanz nennt (Steph. Byz. s.v. Μίλητος (M 184; 3 p. 320 f. Billerbeck).), entsprechen wahrscheinlich den „19 musische[n] Nomoi“ (νόμους μουσικοὺς ιθʼ) in der Suda (Sud. τ 620 Τιμόθεος Adler) [s. S. 127 Anm. 426]. Nach Hordern 2002, 9 f. ist es nicht unwahrscheinlich, dass ein Nomos gerade eine Buchrolle gefüllt hat und somit die Buchanzahl den einzelnen Nomoi entspricht. Weiterhin vermutet er, dass ὀκτωκαίδεκα bei Stephanos vom folgenden ὀκτακισχιλίων beeinflusst wurde und deshalb 19 die richtige Zahl sein muss. Hordern 2002, 10. Hordern 2002, 10: „Wilamowitz regarded them as ‚Überarbeitungen alter Nomenʻ, which would suit the use of διασκευή to describe a new edition or recension of a work.“ Zu den Textausgaben s.u. S. 128 f. Anm. 433. Aias, Elpenor und mit hoher Wahrscheinlichkeit die Geburtswehen der Semele können wegen der bezeugten Flötenbegleitung beziehungsweise der Aufführung durch einen Knabenchor [318 v. Chr.] im Falle des Elpenor als Dithyramben identifiziert werden. Nach Aristoteles (Poet. 1461b30) war auch das Stück Skylla dithyrambisch. Die Artemis und die Perser waren monodisch. Die Perser werden von Pausanias als Nomos bezeichnet (Paus. 8.50.3 = Tim. F 788 PMG) und wurden außerdem bei den Nemeischen Spielen 205 v.Chr. vom Kitharoden Pylades von Megapolis dargeboten (Plut. Phil. 11 p. 245 S (p. 13 Ziegler); Paus. 8.50.3 = Tim. F 788 PMG). Nauplius und Niobe können nicht sicher als monodische Dichtungen kategorisiert werden. F 800 scheint ein Paian zu sein, da die überlieferten Verse mit ὦ ἰὲ Παιάν enden; siehe Hordern 2002, 10–13. Dort auch der Versuch, die weiteren Titel einzuordnen. Über die Möglichkeit eines Zyklus mit vier Gedichten mit dem Titel Odysseia: Hordern 2002, 12 f. Zimmermann 2011, 252. Hordern (2002) hat alle Fragmente des Timotheos herausgegeben, kommentiert und mit einer ausführlichen Einleitung versehen. Als Grundlage für die hier abgedruckten Texte dient die

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Textes auf einem Papyrus aus Abusir in Ägypten überliefert. Aus paläographischen Gründen ist dieser Papyrus in die zweite Hälfte des 4. Jh. v. Chr. zu datieren.434 Die Perser wurden von einer Kithara begleitet (F 788 PMG). Das Sujet dieses Nomos ist die Schlacht der Griechen gegen die Perser bei Salamis (480 v. Chr.). Von den zu erschließenden insgesamt ca. 700 Versen sind 240 Verse vom Ende des Gedichts erhalten.435 Der Papyrus setzt mitten in der Schlachtschilderung ein, von der man ausgehen kann, dass sie den Mittelteil bildet und die umfangreichste Sequenz im Nomos darstellt (1–34). Darauf folgt die Perserflucht (35–195) mit den Reden eines Ertrinkenden (40–85), der Myser und Lyder (98–138), eines radebrechenden Phrygers (140–161) und des Großkönigs (173–195). Im Anschluss daran feiern die Griechen ihren Sieg in der Form eines Paians (196–201), am Ende steht die Sphragis beziehungsweise der Epilog (202–240).436 Eine Einteilung des Gedichtes und eine Rekonstruktion des verlorenen Teils hat Huber vorgeschlagen.437 4.1 Timotheos als exzeptioneller Musiker Rose hat den musikalischen Stil, den Timotheos vertritt, mit der Modernität von Jazzmusik verglichen.438 Auch die Zeitgenossen des Timotheos empfanden dessen musikalische Experimente als so fremdartig und grotesk, dass er zur Zielscheibe der Kritik wurde. In einem Fragment aus dem Cheiron des Komikers Pherekrates (F 155 PCG) beklagt sich die personifizierte Musik (Μουσική) über die „Vergewaltigungen“, die ihr von Seiten der Poeten dieses neuen Stils widerführen. Timotheos sei unter diesen439 der Schlimmste: κακά μοι παρέσχεν οὗτος (Τιμόθεος), ἅπαντας οὕς λέγω παρελήλυθεν („Übles hat dieser (Timotheos) mir zugefügt und hat alle, die ich genannt habe [Melanippides, Kinesias und Phrynis], übertroffen“, F 155 PCG, 22 f.).440 Timotheos zählte nicht nur zur Avantgarde der Vertreter der Neuen Musik, sondern wird als der Archeget, der experimentierfreudigste und extravaganteste Musiker unter ihnen beschrieben. Zu den Stilelementen dieser neuartigen Musik gehörte vor allem ein freier Umgang mit der Rhythmik. Diese Musiker entfernten sich vom Rhythmus, der durch die Silbenquantitäten der Wörter vorgegeben war, und veränderten den konventionellen Charakter der Musik durch Melismen, Koloraturen und

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Ausgabe von Page (PMG), da bei verschiedenen Textvarianten oft die dort gebotenen als die besseren erschienen. Abweichungen davon sind im Einzelnen vermerkt. Huber 2002, 170. Nach der Versanordnung nach Page 1962, 404 ff. (F 791 PMG), ebenso bei Campbell 1993, 94 ff. und Hordern 2002, 87 ff. Die Teile des Nomos benennt Pollux 4.66. Huber 2002, 171. Ähnlich Hordern 2002, 124 f. Rose 1964, 316: „Here its resemblance to ancient models ends, for its language exhibits every possible type of bad taste, including wanton obscurity, and its metre is restless and undignified, suggesting the modern horrors of ‚jazz‘.“ Es werden außerdem Melanippides, Kinesias und Phrynis genannt. Besprechung von F 155 PCG bei Pickard-Cambridge 19622, 39 ff. Zimmermann 2008, 121 f. mit Verweis auf weitere Forschungsliteratur.

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Zerdehnungen von Silben.441 Außerdem haben die Poeten dieses Stils mit Tonarten und Gattungen experimentiert. Im Cheiron beklagt sich die Musik über „unharmonische, zusätzliche und unheilige Pfeifen“ (ἐξαρμονίους ὑπερβολαίους τ᾽ ἀνοσίους καὶ νιγλάρους; F 155 PCG, 26). In ἐξαρμονίους spiegeln sich die erwähnten Mischungen von Tonarten. Mit den „kleinen Pfeifen“ (νιγλάρους) sind die Flöten gemeint, mit denen die Vertreter des Neuen Dithyrambos Klangvielfalt (ποικιλία) erzeugten. Mit ὑπερβολαίους können „zusätzliche“ Töne gemeint sein, da diese Musiker versuchten, die Tonskala zu erweitern. Die Bedeutung „overshoot (extra-high) notes“442 für dieses Wort zielt ebenfalls auf die Erweiterung der Tonskala und die Erzeugung schriller Töne. Mit ἀνοσίους drückt die personifizierte Musik ihre Ablehnung all dieser Praktiken aus. Die Musenkunst wird dadurch in den religiösen Bereich gerückt, den die Poeten dieses Stils verletzen. Ihre musikalischen Praktiken werden im Cheiron letztendlich als frevelhaft eingestuft. Ein wichtiges Zeugnis für das Selbstverständnis des Timotheos als Musiker ist die Sphragis443 am Ende des Perser-Nomos.444 Nach einer Anrufung Apolls (Tim. P. 202–5) folgt die Darstellung der Kritik der Spartaner am Musikstil des Timotheos (206–12), dann die Antwort auf diese Kritik (213–20) und der εὑρήματα-Katalog (221–36). In der Sphragis rechtfertigt sich Timotheos für die Art seiner Dichtung. In der Stilisierung eines Hymnos an Apoll, eines Paians,445 präsentiert er seine metapoetische Selbstreflexion. Vom eigentlichen Gedicht,446 der Schilderung der Seeschlacht bei Salamis, leitet er zum Paian über, indem er einen fiktiv ausgeführten Paian am Ende der Erzählung beschreibt. Dort feiern die Griechen ihren Sieg über die Perser mit einem Siegeslied: .

οἱ δὲ τροπαῖα στησάμενοι Διὸς ἁγνότατον τέμενος, Παιᾶν᾽ ἐκελάδησαν ἰήιον ἄνακτα, σύμμετροι δ᾽ ἐπεκτύπεον ποδῶν ὑψικρότοις χορείαις. Tim. P. 196–201

441 Zu den Innovationen in der Neuen Musik s.o. 85 ff. 442 West 1992, 362. 443 Zur Problematik der Bezeichnung dieses Teils als „Sphragis“ mit weiteren vergleichbaren Beispielen siehe Hordern 2002, 228 f. 444 Viele der musikalischen Praktiken des Timotheos und der Vertreter des Neuen Dithyrambos wurden bereits im Kapitel „Agathon“ besprochen: s.o. 91–94. Deswegen werden hier die Phänomene oft nur benannt, ohne sie eigens nochmals zu explizieren. 445 Grundlegend zum Paian: Käppel 1992. 446 Da diese Textart einerseits als Dichtung gilt, andererseits wegen des Gesangs und der instrumentalen Begleitung eine musikalische Darbietung ist, wird es im Folgenden teilweise als „Gedicht/ Dichtung“, teilweise als „Lied“ bezeichnet.

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Die aber (sc. die Griechen) errichteten ein Siegesdenkmal für Zeus als heiligsten Bezirk, riefen laut Paian als Herrn der Rettung an, und im Metrum stampften sie im hochschreitenden Reigen der Füße. Die Griechen vor Salamis danken Apoll, der hier als „Paian“ bezeichnet wird, als ihrem Retter und Helfer in der Schlacht. So wendet sich auch Timotheos an diese Instanz, um den Gott als Beistand in der Verteidigung seines Musikstils zu gewinnen: ἀλλ᾽ ὦ χρυσεοκίθαριν ἀέξων μοῦσαν νεοτευχῆ, ἐμοῖς ἔλθ᾽ ἐπίκουρος ὕμνοις ἰήιε Παιάν∙ Tim P. 202–205 aber du, der du die neugefertigte goldkitharische Muse unterstützt, komm als Helfer meiner Lieder, Heiler Paian; Die „Apologie“ des Timotheos wird durch den Beginn mit ἀλλ᾽ klar von dem erzählenden Teil des Nomos abgesetzt und als Gebet an Apoll gekennzeichnet.447 Durch dieselbe Bezeichnung für Apoll kurz hintereinander wirkt der Übergang vom dihegetischen Teil zum Epilog fließend: Παιᾶνʼ .. ἰήιον ἄνακτα (197–9) in der Erzählung und ἰήιε Παιάν als direkte Invocatio in der Sphragis (205). Diese entspricht dem Triumphruf in einem Paian. Die Invocatio dient als Bindeglied zwischen den Gedichtteilen. Timotheos webt hier nicht nur mehrere Gattungen ineinander, sondern bedient auch verschiedene Erzählebenen. Mit dem Paian implementiert er einen Hymnos in den Nomos. In der Sphragis inszeniert der Dichter sein Gebet an den Gott und wendet sich in einer Apostrophe direkt an ihn (202 ff.). Dieser Teil wird, wie bereits erwähnt, durch die Deskription des Anrufs an Apoll durch die Griechen am Ende der Erzählung en miniature vorbereitet (197–9). Es handelt sich also um ein (fiktiv dargestelltes) Lied im (gerade zur Performanz gebrachten) Lied. Dieses fiktive Lied hat dabei das Genre, das Timotheos selbst in der Stilisierung in der Sphragis anschlägt. Timotheos benutzt mit dem Paian die literarische Gattung, die spezifisch dem Gott zugeeignet ist, von dem er sich Hilfe für seine Apologie erhofft. Er ruft ihn als Gott der Musik an. Timotheos fügt in seine Monodie mehrere Ebenen der Darstellung ein. Die Siegesfeier der Griechen (196–201) ist ein praktizierter Paian als fiktive 447 Auf dem Papyrus findet sich an dieser Stelle ein Vogel-Zeichen als Kennzeichnung des neuen Abschnitts; Hordern 2002, 233 verweist darauf, dass Gebete traditioneller Weise mit ἀλλά beginnen, und die Konjunktion hier zur Kennzeichnung dieser Gattung verwendet worden sein kann.

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musikalisch-tänzerische Darbietung in der musikalischen Aufführungssituation des Nomos (σύμμετροι δ᾽ ἐπεκτύπεον ποδῶν ὑψικρότοις χορείαις – „Im Metrum stampften sie im hoch-schreitenden Reigen der Füße.“, 199–201). Die metapoetischen Äußerungen über musiktheoretische Diskussionen in der Sphragis erfolgen in einer musikalisch-poetischen Form und zwar im Paian. Timotheos fokussiert in der Titulatur des Gottes auf dessen Zuständigkeit für die Musik (Tim. P. 202–205). Er braucht Hilfe (ἐπίκουρος, 204), da seine eigene Musik in der Kritik steht, wie er am Disput mit den Spartanern deutlich macht.448 Dadurch, dass er sich an eine göttliche Instanz wendet, rückt er die ganze Angelegenheit und damit seine eigene musikalische Produktion in einen religiösen Bereich. Gibt ihm Apollon, der hier als Richter fungieren soll, Recht, ist seine Musik göttlich legitimiert. Das Ergebnis bleibt hier zwar offen, aber dieses Szenario wird evoziert. Im Folgenden soll dargelegt werden, wie Timotheos seine eigene Musik beschreibt und wie er sie rechtfertigt. Die Referenz auf „die neugefertigte goldkitharische Muse“ (χρυσεοκίθαριν [..] μοῦσαν νεοτευχῆ, 202 f.) weist auf die Musikgattung, in der die Perser verfasst sind.449 Die Kithara, das Begleitinstrument des Nomos, spielt in diesem Abschnitt eine besondere Rolle und wird deshalb mehrmals benannt.450 Die Thematisierung des Musikstils und der Instrumente, die benutzt werden, ist ein spezifisches Merkmal des Neuen Dithyrambos.451 So bezeichnet Timotheos die Muse als χρυσεοκίθαριν und steigert damit den Wert dieser neuen Musik, indem er deren Hauptinstrument, die Kithara, als aus einem kostbaren Material gefertigt darstellt. In νεοτευχῆ kommt das Bewusstsein der musikalischen Avantgardisten des ausgehenden 5. Jh. v. Chr. zum Ausdruck, dass sie innovative Musik komponierten. In diesem Teil des Nomos bezeichnet er Apollon als „Helfer für [seine] Hymnen“ (ἐμοῖς [..] ἐπίκουρος ὕμνοις, 204 f.). Selbstreferentiell benennt er die Gattung, in der er gerade agiert. Der Ausdruck „meine Hymnen“ kann auf das gesamte Œuvre des Timotheos gemünzt werden.452 Timotheos rechtfertigt also seine neuartigen Akzente im Bereich der Musik dadurch, dass er Apollon als Advokat für sein ganzes Werk einführt. Die Anrufung Apolls um Hilfe erklärt der Dichter (γάρ) mit einem Vorwurf, der ihm – so seine Darstellung – vom spartanischen Volk gemacht wurde. Die Erzählungen über Unruhen an den spartanischen Karneia und der schlechten Behandlung des Timotheos durch die Ephoren scheinen aus dem Text des Dichters selbst herausge-

448 Zu der Anekdote, die Timotheos mit Unruhen bei den spartanischen Karneia verbindet und den eventuellen Anstoß an einer Benutzung einer Kithara mit mehr als den gewöhnlichen sieben Saiten siehe Hordern 2002, 7–9 und 229 f. 449 Pausanias (Paus. 8.50.3 = Tim. F 788 PMG) nennt die Perser ausdrücklich einen Nomos. 450 Tim. P. 202, 231, außerdem 222 (υν) und Ἀσιάς (169), die das Klagegeschrei der Perser begleitet. 451 S.o. 94 f. 452 Hordern 2002, 235; und so auch in Vers 212.

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sponnen zu sein.453 Die Begebenheit, die Timotheos in seinem Nomos schildert, muss also nach bisheriger Quellenlage als fiktiv gewertet werden. ὁ γάρ μ’ εὐγενέτας μακραίων Σπάρτας μέγας ἁγεμὼν βρύων ἄνθεσιν ἥβας δονεῖ λαὸς ἐπιφλέγων ἐλᾷ τ’ αἴθοπι μώμῳ, ὅτι παλαιοτέραν νέοις ὕμνοις μοῦσαν ἀτιμῶ∙ Tim. P. 206–212 Denn der edle lang-lebende, große Anführer, Sparta,454 strotzend von Blüten der Jugend, das hitzige Volk, schüttelt und schlägt mich mit brennendem Tadel, dass ich die ältere Muse mit neuen Liedern entehre. Timotheos versieht dieses Volk, also die Spartaner, mit Attributen, die seine Besonderheit herausstellen, aber im vorliegenden Zusammenhang übertrieben wirken. Er bezeichnet es als μέγας ἁγεμών („großer Anführer“, 207). Seine Jugendkraft wird durch die poetisch-metaphorische Phrase βρύων ἄνθεσιν ἥβας („strotzend von Blüten der Jugend“, 208) umschrieben. Die Ironie liegt darin, dass Sparta in Athen als kulturell rückständig und konservativ galt.455 Hier wie auch im Folgenden fokussiert Timotheos auf die Auseinandersetzung zwischen einer Dichteravantgarde, die in innovativer Weise ihre musikalischen Kompositionen gestaltete, und eher konservativen Kräften, indem er die Antithese ‚altʻ – ‚neuʻ bedient.456 Timotheos wird vorgeworfen, er „entehre (die) ältere Muse mit seinen neuen Liedern“ (παλαιοτέραν νέοις ὕμνοις μοῦσαν ἀτιμῶ, 211 f.). Er stellt die entsprechenden Wörter (παλαιοτέραν νέοις, 211) als Antithese direkt nebeneinander, mit ihren jeweiligen Bezugswörtern (ὕμνοις μοῦσαν, 212) bilden sie einen Chiasmus, wodurch der Gegensatz stilistisch hervorgehoben wird.

453 Hordern 2002, 7–9, 229 f. 454 Der Genetiv Σπάρτας ist hier als Genetivus appositivus verstanden; siehe Kühner/ Gerth 1966, 264 f., 333. 455 Pl. Hipp. mai. 283b ff.; Leg. 2.660b. Siehe auch Hordern 2002, 235 f. Auf Spartas kulturelle Errungenschaften im musikalischen Bereich macht Hordern 2002, 236 aufmerksam. Zum Verhältnis von Athen und Sparta siehe auch Blank 2014, bes. 174–231. 456 Die Suda τ 620 (= Campbell 1993, 72 f., T 2) schlägt als Namen seines Vaters unter anderem Neomusus vor. Dazu Hordern 2002, 6: „Neomusus is readily understood as a joke about Timotheos᾽ musical innovations and the pride he took in them.“

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Timotheos bezieht in den Versen 213–220 die Diskussion über die adäquate Gestaltung von Musik auf das Alter eines potentiellen Zuhörers. Er selber verwehre weder einem jungen (νέον, Tim. P. 213) noch einem alten (γεραόν) oder gleichaltrigen (ἰσήβαν, 214) Rezipienten seine Lieder. Damit präsentiert Timotheos sich und seine Musik als für jedes Alter zugänglich, nicht nur für eine jüngere Generation, die wohl – so ist implizit mitzudenken – offener für Neuerungen ist. Nur gegen musikalische Ignoranten spricht er sich scharf aus: τοὺς δὲ μουσοπαλαιολύμας, τούτους δ᾽ ἀπερύκω, λωβητῆρας ἀοιδᾶν („die altbackenen Verderber der Muse aber, diese halte ich fern, die Zerstörer der Gesänge“, Tim. P. 216–218). Hordern spricht sich gegen die Übersetzung „Verderber der alten Musik/Muse“457 aus und schlägt „ancient (oldfashioned) corrupters of the Muse“ vor.458 Diese Übersetzung wurde hier übernommen. Tatsächlich wäre „Verderber der alten Musik“ ein Widerspruch zum Gesamtduktus der Aussage. Denn Timotheos ist der wichtigste Vertreter der neuen Musikavantgarde und man könnte gerade ihn als einen bezeichnen, der „die alte Musik verdirbt“. Gleichzeitig hat er sich im Satz zuvor für seine Offenheit gegenüber allen Altersgruppen ausgesprochen. Wenn man Alter mit Vorliebe für einen Musikstil gleichsetzen will, hieße das, dass er einen älteren Musikstil nicht abweist. Er lehnt nur diejenigen ab, die in ihrem Musikgeschmack festgefahren sind. Was oder wen er genau mit der Bezeichnung „altbackene Verderber der Muse […] Zerstörer der Gesänge“ meint, kann nicht endgültig entschieden werden.459 Timotheos diffamiert seinerseits die „Kulturbanausen“ aus seiner Sicht, indem er ihren Gesang als äußerst unangenehm anzuhören beschreibt: κηρύκων λιγυμακροφώνων τείνοντας ἰυγάς („die das Geschrei der Herolde mit heller und lauter Stimme ausdehnen“, 219 f.). Um sowohl sich als Kithara-Spieler als auch seine Musik zu rechtfertigen, zählt Timotheos in einem εὑρήματα-Katalog verschiedene Vertreter der Kithara-Musik auf (221–36). Er beginnt diesen klassisch mit πρῶτος (221).460 Der ganze Katalog hat die Kithara-Musik zum Tenor. Schon zu Beginn seiner Apologie hat Timothoes in χρυσεοκίθαριν (202) diese als Thema angegeben und auch am Ende des Katalogs steht explizit die Kitharis (231). Er beginnt den Katalog mit Orpheus als dem πρῶτος εὑρετής. Die Attribuierung des Orpheus als ποικιλόμουσος (221) rekurriert auf die ποικιλία der Vertreter des Neuen Dithyrambos. Dessen Mutter Kalliope (223) nennt Hesiod (Theog. 79) als die vorzüglichste unter den Musen. Terpander, der als Nächster in der Reihe folgt (225), galt als Erfinder des kitharodischen Nomos.461 Er soll dessen sieben Teile festgelegt haben.462 Ihm werden vielfältige weitere Erfindungen und Neuerungen im musikalischen Bereich zugeschrieben, die aber auch „eine Rückprojektion von Kitharoden der klassischen Zeit auf den ersten be457 So Campbell 1993, 111; auch LSJ, s.v. μουσοπαλαιολύμας. 458 Hordern 2002, 239 f. 459 Es können sowohl Konkurrenten unter den Neuen Musikern gewesen sein als auch andere Dichter/ Komponisten; siehe Hordern 2002, 239 f. 460 Hordern 2002, 241. 461 Plut. De mus., Mor. 1132 CD. 462 Pollux 4.66.

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rühmten Vertreter ihres Fachs“ sein können.463 Timotheos führt sich selbst als Abschluss und Höhepunkt in der Reihe an. Er setzt diese letzte Sequenz im Katalog deutlich mit νῦν δὲ („jetzt aber“, 229) ab: νῦν δὲ Τιμόθεος μέτροις ῥυθμοῖς τ᾽ ἑνδεκακρουμάτοις κίθαριν ἐξανατέλλει, θησαυρὸν πολύυμνον οἴξας Μουσᾶν θαλαμευτόν∙ Tim. P. 229–233 jetzt aber erneuert Timotheos mit elf-tönenden Metren und Rhythmen die Kitharis, indem er den viel-liedrigen, verschlossenen Schatz der Musen geöffnet hat. Ähnlich wie es im Agathonlied der Thesmophoriazusen der Fall ist,464 benennt Timotheos hier verschiedene Aspekte, die für die musikalischen Kompositionen der Vertreter der Neuen Musik zentral sind. Diese Musiker experimentierten mit Metren und Rhythmen (μέτροις ῥυθμοῖς τ᾽, 229 f.). So entfernten sie sich vom Wortrhythmus, den Silbenquantitäten, die vorher ausschlaggebend für die rhythmische Gestaltung eines Liedes waren. Sie haben nicht mehr ein strenges rhythmisches System befolgt, das auf der Wiederholung desselben Metrums beruht. Die vielfach benannte polymetrische Struktur der entsprechenden Lieder (auch bei Euripides) und die verschiedenen Möglichkeiten der Analyse465 weisen eher darauf hin, dass die Dichter beziehungsweise Musiker sich nicht mehr an die metrische Struktur, die durch die Silbenquantitäten der Wörter entsteht, hielten, sondern die Melodie über den Text legten und so den Text an die „Bedürfnisse“ der Melodie anpassten.466 Freie Rhythmen und Melismen waren beliebte Gestaltungsmodi der hellenistischen Musik,467 die hier bereits Timotheos anwandte. Die Nennung von „Metren und Rhythmen“ ist also nahezu programmatisch für diejenigen Poeten, die dem Neuen Dithyrambos nahestanden. Diese Aspekte eines nach den Kriterien der Neuen Musik gestalteten Liedes stellt Timotheos hier heraus. Ein weiteres Phänomen dieser musikalisch versierten Dichter stellt das Streben nach ποικιλία („Buntheit“ im musikalischen Ausdruck) dar. Dieses Merkmal ist im Adjektiv ἑνδεκακρουμάτοις („elf-tönend“, 230) gespiegelt. Denn die Vertreter der Neuen Musik haben die Tonskala durch Verwendung 463 Robbins 2002, 161. Siehe auch Hordern 2002, 242. 464 Ar. Thesm. 120–122; s.o. 85 ff. 465 Metrische Analysen des Perser-Nomos finden sich bei Wilamowitz 1903, 29 ff.; Page 1962, 405 ff.; West 1982, 1-13; Korzeniewski 1974, 22-39; Hordern 2002, 55-60. 466 Siehe dazu auch 87 ff. 467 S.o. 90 f.

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von mehr Saiten auf der Kithara erweitert. Dieser Gesichtspunkt ist in den „elf Tönen“ angedeutet.468 Obgleich sich das Adjektiv nicht auf die Kithara, das Instrument des hier vorgetragenen Nomos, bezieht, sondern auf die Metren und Rhythmen, ist doch ein Bezug zur Kithara wegen der Erhöhung der Saitenzahl impliziert. Die Erweiterung der Saitenanzahl der Kithara kehrt mehrfach in der Literatur wieder, sei es dass ihn sich die Vertreter des Neuen Dithyrambos selbst zuschreiben, so wie Timotheos an dieser Stelle verfährt, oder dass Kritik daran geübt wurde. Dabei variiert die Zahl der Saiten, die Timotheos als Neuerung eingeführt haben soll.469 Zumindest bei Timotheos kommt es an dieser Stelle nicht unbedingt auf die korrekte Angabe der benutzten Saiten an. Er hat jedenfalls mehr Saiten verwendet als üblich. Vielmehr hat ἑνδεκακρουμάτοις (230) die Funktion der Steigerung. Die Zahl „elf“ in diesem Wort ist von den Nummern „zehn“ (δέκα, 225) und „zwölf“ in δυωδεκατειχέος (235) umringt, sodass die Zahlenfolge „zehn“, „elf“, „zwölf“ entsteht. Dieser Befund legt eine Deutung der Zahlen als Steigerung gegenüber dem Vorgänger des Timotheos nahe.470 Terpander werden „10 Lieder“ zugeschrieben. Timotheos selbst rühmt sich „elftönender Metren und Rhythmen“. Er hat seinen Vorgänger um eine Einheit übertroffen. Die Heimatstadt des Timotheos, Milet, besitzt zwölf Mauern (234 f.). Dabei steht Milet, wo Timotheos aufgewachsen ist, für den Dichter selbst. Das heißt, die letztgenannte Steigerung kommt ebenfalls ihm zu. Ebenso impliziert die Bezeichnung dieser Stadt als πρωτέος ἐξ Ἀχαίων („erste unter den Achaiern“, 236) den Vorrang des Timotheos selbst. Der εὑρήματα-Katalog beginnt mit Orpheus als dem πρῶτος (221), endet aber – in der Übertragung auf seine Heimatstadt – mit Timotheos selbst als dem „ersten unter den Achaiern“. Seine Innovation (ἐξανατέλλει, 231) beschreibt Timotheos selbst, als ob er einen Schatz, der verschlossen (θαλαμευτόν, 233) war, geöffnet hätte. Durch die Verwendung der Metapher eines Schatzes wird beim Rezipienten die Assoziation geweckt, dass diese Neuerungen, die jetzt erst zugänglich sind, unentbehrlich und eine große Bereicherung seien. Damit stellt er seine eigene Leistung heraus und kennzeichnet gleichzeitig seine Kritiker als Verkenner seiner Kunst. Mit πολύυμνον („viele Lieder enthaltend“471, 232) verweist Timotheos auf die Gattung, in der er gerade dichtet

468 κρούματα = Töne (s.o. 86 f.). 469 Hordern 2002, 244: „A dozen strings are ascribed to Timotheus at Pherecrates fr. 155.24–5 K.-A., while according to the Suda he added the tenth and eleventh strings; Pausanias (3.12.10) makes him add the eighth to eleventh strings, Nicomachus (4; Mus. Scr. Gr. p. 274 Jan) just the eleventh. Plin. NH 7. 204 gives the ninth string to Timotheus, ‚Censorinus‘, p. 76, ll. 8–9 Sallmann the seventh and ninth“; West 1992, 62–4. 470 Jüngst hat LeVen 2011, 245–254 eine Deutung vorgeschlagen, nach der sie die Zahl ‚elfʻ mit einem Witz in Aristophanes᾽ Ritter (544–50) in Verbindung bringt. Dort soll die elf für eine geforderte Beifallsbekundung stehen, dass nämlich mit Händen (10) und der Zunge (1) applaudiert werde. Aber die These der Steigerung, die LeVen 2011, 248 f. ebenfalls ins Feld führt, scheint plausibler. 471 Für πολύυμνον wurden folgende Übersetzungen vorgeschlagen: Hordern 2002, 245: „[T]he adjective here may mean either ‚much sung ofʻ, the usual sense, or ‚with many songsʻ; the

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(Apollon-Hymnos) und schreibt sich selbst „viele Lieder“ zu, referiert also auf die Vielfalt seines Schaffens. Am Ende des Gedichts (237–40) ruft Timotheos im abschließenden Gebet nochmals Apollon als „Pythier“ (Πύθι᾽, 237) mit dem traditionellen Epitheton ἑκαταβόλε472 an, während er zuvor jeweils in seiner Funktion als Heilsbringer genannt wurde (Παιάν, 197, 205). Somit beginnt und endet die Sphragis mit dem Gott, dessen Hilfe hier erbeten wird, wie in einem traditionellen Hymnos. Timotheos modifiziert also die herkömmliche Form des Hymnos. Die raffinierte Gestaltung der poetologischen Äußerungen am Ende des PerserNomos erinnert an den Telchinenprolog des Kallimachos.473 Timotheos stilisiert seine Rechtfertigung als einen Streit mit den Spartanern. Auch Kallimachos reagiert im Prolog zu den Aitien auf seine Kritiker, die Telchinen. Der Tadel der Spartaner (Tim. P. 206 ff.) entspricht dem Neid der Telchinen (Kall. Ait. F 1, 17).474 Diese werden ebenso wie die Kritiker des Timotheos als nicht kunstverständig dargestellt. Wie Timotheos beruft sich der hellenistische Dichter Kallimachos auf Apollon als Instanz der Rechtfertigung seiner Dichtung (Kall. Ait. F 1, 21–28). Eine weitere Gemeinsamkeit findet sich in der Aufzählung von bedeutenden Vorgängern des eigenen Genres (Tim. P. 221–228; Kall. Ait. F 1, 11). Während der Alexandriner seine poetologische Rechtfertigung an den Beginn seiner Aitien als erstes Aition für das nachfolgende Gedicht setzt,475 gestaltet Timotheos seine selbstreflexive Apologie als Epilog der Perser. Selbstreferentielle rechtfertigende Partien kommen also bei Kallimachos wie Timotheos vor, womit nicht ein intertextueller Bezug zwischen beiden konstatiert werden soll, sondern vergleichbare Modi der Metapoetik.476 In den Thesmophoriazusen lässt Aristophanes den Agathon im Gespräch mit dem Verwandten seinen Kleidungsstil mit der Art seiner Dichtung rechtfertigen. Auch hier muss Agathon – in der literarischen Brechung – seine Poesie verteidigen. Er führt dafür ebenso literarische Vorbilder ein. In der parodistischen Überformung steht im Vordergrund der Argumentation deren weibliche Kleidung, die aber in Bezug zu ihrer Poesie gesetzt wird. Damit entsteht dieselbe Parallele (Kleidung-Dichtung) wie bei Agathon. Das heißt, sowohl Timotheos – in der ersten Person Singular in seiner Dichtung (selbstreferentiell) – als auch Agathon – in einer literarischen Brechung – sehen eine Notwendigkeit, ihre eigene Musik und Dichtung zu rechtfertigen und tun dies, indem sie eine poetische „Ahnenreihe“ bemühen. Sie versuchen zu zeigen, dass ihre Musik in einer Tradition steht, und legitimieren damit ihre Neuerungen. Je mehr sie die Herkunft und somit das Alter ihrer Poesie betonen müssen, desto mehr wird

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latter would be an innovation.“ Van Minnen 1997, 260: „full of songs“. Campbell 1993, 111: „with its abundance of songs“. Hordern 2002, 247: z.B. Hom. H. 3.140. Acosta-Hughes 2010, 86 vergleicht die Selbstrechtfertigung des Timotheos mit Jambos 13 des Kallimachos (fr. 203 Pf.). Das Motiv des poetischen Tadels und Neids findet sich bereits bei Pindar: Pi. N. 7.61; O. 8.55, P. 11.29. Männlein-Robert 2010, 170. Zur Terminologie s.o. 39.

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klar, dass sie dem Vorwurf der Neuartigkeit und Konformwidrigkeit ausgesetzt waren. Die Ähnlichkeit zur Argumentationslinie etwa zum hellenistischen Dichter Kallimachos zeigt, dass Agathon und Timotheos eine ähnlich neue Dichtung boten. Choirilos von Samos, der auch zu den Dichtern um Archelaos zählt, rechtfertigt und legitimiert sein Epos ebenfalls.477 Nicht nur im letzten Abschnitt des Perser-Nomos, in der Sphragis, kristallisiert sich die problematische Situation, in der sich die neuen Dithyrambiker wegen ihrer außergewöhnlichen musikalischen Praktiken befanden, heraus. Auch in Fragment 796 beschreibt Timotheos die Neuartigkeit dieser Musik und die Kritik daran. Timotheos gestaltet dort den Gegensatz zwischen den verschiedenen Stilen wie in der Sphragis der Perser mit dem Kontrastpaar ‚altʻ – ‚neuʻ: οὐκ ἀείδω τὰ παλαιά, καινὰ γὰρ ἀμὰ κρείσσω∙ νέος ὁ Ζεὺς βασιλεύει, τὸ πάλαι δ᾽ ἦν Κρόνος ἄρχων∙ ἀπίτω Μοῦσα παλαιά. Tim. F 796 PMG478 Nicht singe ich die alten Lieder, denn meine innovativen sind kraftvoller; neu ist Zeus König, früher war Kronos Herrscher; weggehen soll die alte Muse. Timotheos stellt den alten Liedern seine neuartigen, originellen Kompositionen gegenüber.479 Die Überlegenheit der innovativen Lieder stellt er durch κρείσσω („kraftvoller“) heraus. Zur weiteren Explikation seines Gedankens rekurriert er auf die alte Herrschaft unter Kronos und dem vor kurzem erfolgten Machtwechsel zum jüngeren Zeus. Die Phrase νέος ὁ Ζεὺς βασιλεύει wirkt in der Kürze gegenüber dem umschreibenden, etwas schwerfälligeren Ausdruck τὸ πάλαι δ᾽ ἦν Κρόνος ἄρχων prägnant, dynamisch und wie κρείσσω „kraftvoller“. Zum Schluss erfolgt die unmissverständliche Aufforderung an „die alte Muse“ wegzugehen, – implizit mitgedacht – um der neuen Musik Platz zu machen. Timotheos verteidigt hier nicht nur seinen exzeptionellen Stil, sondern präsentiert ihn selbstbewusst als die bessere Variante.480

477 S.u. 156 ff. 478 Βei Athenaios 3, 122 C-D überliefert, kann aber keinem konkreten Stück zugeordnet werden. 479 Zur Bedeutung von καινός als „neuartig, originell, innovativ“: LSJ, s.v. καινός, II; siehe auch Hose 2000, 8; Kannicht 1969, 21 ff. 480 Hose 2000, 15 f.

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4.1.1 Zwischenfazit Der Dichter und Musiker Timotheos von Milet galt in der Antike als Hauptvertreter der neuartigen musikalischen Richtung des Neuen Dithyrambos. Auf die Kritik, die ihm – wie etwa im Cheiron des Pherekrates – widerfuhr, reagierte er in der Sphragis seines Perser-Nomos ausführlich. Die Experimentierfreude dieser Musiker zeigt sich vor allem im Versuch, eine möglichst breite Klangpalette zu erstellen, mit denen sie mehr Töne und kühne musikalische Experimente durchführen konnten. Die Verteidigung seines Musikstils stilisiert Timotheos als eine Auseinandersetzung mit dem Volk Sparta, das in Athen als konservativ und kulturell rückständig galt. Formal gestaltet er seine Apologie als Hymnos an Apollon, den er als Autorität in musikalischen Fragen anruft. Damit fügt er in den Nomos eine weitere Gattung ein, nämlich einen Paian, mischt also die Gattungen. Neben Anspielungen auf seine eigenen Praktiken in der Musik dominiert in diesem Hymnos die Thematisierung des Gegensatzes ‚altʻ – ‚neuʻ, mit dem Timotheos seine eigenen Neuerungen von überkommenen musikalischen Formen abhebt. Dieses Gegensatzpaar ist auch Gegenstand eines weiteren Timotheos zuzuschreibenden Fragments (F 796). Seinen Stil rechtfertigt er weiterhin, indem er Autoritäten seines Genres aufzählt und seine Innovationen mit der Hebung eines Schatzes vergleicht. Es wurde auch gezeigt, dass der hellenistische Dichter Kallimachos in seinem Telchinenprolog ein ähnliches Muster der Legitimation seiner Poesie präsentiert. 4.2 ‚Mimesis‘ in den Persern des Timotheos Das Experimentieren mit Klängen, für das die Vertreter des Neuen Dithyrambos bekannt waren, beinhaltete neben dem Ausreizen des Klangspektrums durch Instrumente und Melodieführung (Koloraturen, Melismen, Silbendehnungen, Einsatz verschiedener Tonarten etc.) auch einen mannigfaltigen Einsatz der menschlichen Stimme.481 Der Versuch dieser Poeten bestand darin, das im Lied beziehungsweise Gedicht thematisierte Geschehen durch musikalische Komponenten nachzuahmen. Mit dem Begriff „Mimesis“ wird hier ein literarästhetisches Phänomen bezeichnet, das die Vertreter der Neuen Musik für Zwecke der Performanz einsetzten. Für die hier relevante Form dieses Phänomens, nämlich für das Verstellen der Stimme, gebraucht Platon das Wort μιμεῖσθαι und μίμησις.482 Zimmermann verwendet für die musikalischen Experimente, die programm-musikalischen Charakter haben, den Ausdruck „musikalische Mimesis“.483 Der Text des Timotheos kann insofern als mimetisch in diesem Sinn bezeichnet werden, als die polymetrische, von Rhythmen481 Zimmermann 2008, 120–126. Gerade in den poetischen Formen Dithyrambos und Nomos waren experimentelle Umsetzungen der Mimesis möglich (siehe Hordern 2002, 38 f.). Denn der Dithyrambos, der Nomos, aber auch die Tragödie bieten in ihrer Flexibilität durch ihre verschiedene Konstituenten Möglichkeiten, diese poetische Technik auf verschiedene Weise anzuwenden. So kann in der Gestaltung des Dithyrambos und Nomos des ausgehenden 5. Jh. entweder der Solist, der Chor oder auch der Musiker mimetische Partien übernehmen. 482 Pl. Pol. 397a3–b1. Platon lehnt dieses poetische Konzept ab. 483 Zimmermann 2008, 122; ders. 2011, 250.

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wechseln gekennzeichnete Dichtung das emotionale Geschehen der Schlacht abbilden und dieses dadurch auf der Bühne klanglich zum Ausdruck kommt.484 Aber nicht nur in musikalischer Hinsicht sind die Perser des Timotheos nachahmend gestaltet, sondern auch mit Hilfe eines vielseitigen Einsatzes der Stimme. Für diese Spielart der von den Vertretern des Neuen Dithyrambos eingesetzten Mimesis bietet sich der Begriff „vokale Mimesis“, den bereits Herington benutzt hat,485 am meisten an und wird deshalb im Folgenden verwendet. An der Stelle in der Politeia (Pl. Pol. 397a1–9), an der Platon die Nachahmung von Unwetter, Instrumenten und Tieren als minderwertige Kunst aufs Heftigste kritisiert, nimmt er ausdrücklich Stimme und Gebärden als Formen der Umsetzung von „Mimesis“ auf: καὶ ἔσται δὴ ἡ τούτου λέξις ἅπασα διὰ μιμήσεως φωναῖς τε καὶ σχήμασιν, ἢ σμικρόν τι διηγήσεως ἔχουσα; („und so wird der Vortrag eines solchen [schlecht Vortragenden] ganz durch Nachahmung mit Stimme und Körpereinsatz [geprägt] sein, oder wenig an Erzählung haben.“, Pl. Pol. 397a8–9). Ein prominentes Beispiel für die Nachahmung von Tierlauten mit der Stimme stellt die Wiedehopfarie in den Vögeln des Aristophanes dar (227–262).486 Im Dithyrambos Κύκλοψ ἢ Γαλατεία des Philoxenos soll der Kyklop Polyphem den Klang einer Kithara mit der Stimme nachgeahmt haben.487 Im Folgenden sollen die vier Reden von Persern, die in die Schilderung der Perser-Flucht eingebettet sind, im Hinblick auf vokale Mimesis untersucht werden. Diese ist bei der Rede des radebrechenden Bewohners von Kelainai ganz offensichtlich (Tim. P. 150–161).488 Die Möglichkeit, dass auch die anderen drei Reden des Perser-Nomos dem Gemütszustand und dem sozialen Stand des Sprechers entsprechend mimetisiert worden sind, hat bereits Hordern in seinem Kommentar zu den Persern aus dem Jahr 2002 für möglich gehalten: „The interest in musical mimesis occasionally may have extended itself to other elements of performance. The Celaenaean᾽s speech (P. 150–61) is an evident example, but it is possible that the other speeches, although not linguistically distinguished, were differentiated from each other in delivery.“489 Ebenso haben Csapo und Wilson in ihrem Beitrag zu Timotheos aus dem Jahr 2009 eine mimetische Ausformung der Reden mit der Stimme in Erwägung gezogen: „There can be little doubt that Timotheus not only expressed the different emotions of his embedded monodists in his music, but also mimicked their very different characters with his voice.“490 Ebenso geht Martin 484 Zimmermann 2011, 252; v. Minnen 1997, 254. 485 Herington 1985, 154. 486 Zimmermann 2008, 122. In dieser Arie hat Aristophanes Elemente des Dithyrambos verarbeitet. Siehe auch Zimmermann 1989, 28. 487 Eine Evidenz dafür bieten die Parodie dieses Stückes im Plutos des Aristophanes (290 ff.), wo Karion-Polyphem ein „lautmalerisches quettranelo“ einfügt; siehe Zimmermann 2008, 125. 488 Zimmermann 2011, 252; West 1992, 363. Zur Frage der Ethnizität des als πολυβότων Κελαινᾶν οἰκήτορ᾽ („Bewohner des Herden-reichen Kelainai“) bezeichneten Persers: Hordern 2002, 197 f. 489 Hordern 2002, 39. 490 Csapo/ Wilson 2009, 289.

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West davon aus, dass Timotheos, um das Geschehen bei der Schlacht von Salamis entsprechend mimetisch darstellen zu können, auch die Klangfarbe der Stimme verschieden einsetzte.491 Eine genaue Textuntersuchung soll diese Annahmen im Folgenden bestätigen. Eine wichtige Rolle für die Analyse spielt hierbei der Einleitungstext zur jeweiligen Rede. Betrachtet man diese Textabschnitte genauer, finden sich Hinweise zum Einsatz der Stimme, außerdem eine Fokussierung auf die Sprechorgane und Gemütsstimmung. An der ersten relevanten Stelle wird im Durcheinander der kenternden Schiffe auf einen ertrinkenden adligen Inselbewohner fokussiert (ἔνθα, Tim. P. 40). Timotheos beschreibt, wie er sich am Wasser verschluckt: ἐπεὶ δ᾽ ἀμβόλιμος ἅλμα στόματος ὑπερέθυιεν, ὀξυπαραυδήτῳ φωνᾷ παρακόπῳ τε δόξᾳ φρενῶν κατακορὴς ἀπείλει γόμφοισ492 ἐμπρίων †μιμούμενος† λυμεῶνι σώματος θαλάσσᾳ∙ Tim. P. 64–71 Als aber die aufwallende Meeresflut aus seinem Mund überschäumte, drohte er mit schrill überschnappender Stimme und verrückter Gesinnung maßlos mit den Zähnen knirschend †nachahmend† dem Zerstörer seines Leibes, dem Meer. In der ganzen Passage (64–71) dominiert Vokabular, das zum semantischen Bereich des „Sprechens“ gehört: στόματος („Mund“, 65), αὐδάω („reden, sprechen“) im Kompositum ὀξυπαραυδήτῳ (66), φωνᾷ („Laut, Stimme“, 67), ἀπείλει („drohen“, 68). Auch der Begriff γόμφοισ (69), der eigentlich „Bolzen“, oder „Pflock“ be-

491 West 1992, 363. Seine klangliche Beschreibung der Reden geht in die Richtung der hier vorgelegten Interpretation: „[T]here are emotional speeches by Persians expostulating through mouthfuls of salt water, chattering with cold on a beach, or abjectly pleading with a captor for mercy in comically broken Greek.“ Obwohl Herington 1985, 153 f. von einem wesentlich weniger mimetischen Charakter der Perser im Vergleich zu anderen Stücken des Timotheos ausgeht, vermutet er doch den Einsatz von Köpersprache und „vocal mimesis“ in diesem Nomos. 492 Hordern 2002, 163 bevorzugt γόμφους ἐμπρίων im Anschluss an Diod. 17.92.3 (siehe auch LSJ, s.v. γόμφος a.E.), allerdings steht im Papyrus γόμφοις. Der Sinn ändert sich nicht, sodass dies beibehalten werden kann.

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deutet, aber hier wohl „Zähne“493 heißt, kann in diese Reihe aufgenommen werden. Timotheos fokussiert also vor der eigentlichen Rede des Ertrinkenden auf den Einsatz der Stimme und somit auf klangliche Aspekte des nachfolgenden Redebeitrags. Dies lässt den Schluss zu, dass der Monodist sein Sprechorgan in der angegebenen Weise verstellen soll. Insofern kann man die Redeeinleitung wie eine textimmanente Regieanweisung lesen: Die Stimme soll „schrill“ und „überschnappend“ klingen (ὀξυπαραυδήτῳ, 66). In diesem Sinn kann auch vermutet werden, dass die modale Bestimmung παρακόπῳ τε δόξᾳ φρενῶν („mit verrückter Gesinnung“, 67) als Vorgabe für die Inszenierung gelesen werden soll. Auch κατακορὴς („maßlos“, 68) und γόμφοισ ἐμπρίων („mit den Zähnen knirschend“, 69) modifizieren den Ausdruck und die Redeweise des Vortragenden. All diese Hinweise zum Sprechen und zum Gemütszustand des ertrinkenden Persers machen die These einer Dramatisierung des Geschehens durch Mimesis plausibel. Dass die Sprechweise des Ertrinkenden, der sich wohl am Wasser verschluckt (ἐπεὶ δ᾽ ἀμβόλιμος ἅλμα στόματος ὑπερέθυιεν, 64 f.) und mit Wasser-gefülltem Mund spricht, mimetisiert wurde, zeigt der Text der Rede selbst. Das Ausspucken und Verschlucken von Wasser realisiert Timotheos in der Diktion durch Alliterationen (π- und ν- in πεδία πλόϊμα νομάσι ναύταις, 78) und Wortwiederholungen (das doppelte ἐμός in ἐμός ἄναξ ἐμός, 76). Hordern weist in seinem Kommentar zur Stelle darauf hin, dass bei Timotheos sowohl Wortwiederholungen als auch Anadiplosen vergleichsweise selten vorkommen.494 Das heißt, Timotheos hat nach Möglichkeiten der sprachlichen Umsetzung der Mimesis eines Ertrinkenden gesucht. Ab Vers 76 häuft sich der s-Laut, wodurch das Verschlucken von Wasser mimetisch präsentiert wird. Die Wort- und Lautwiederholungen bilden demnach das Ausspucken von Wasser durch die Sprache linguistisch ab.495 Die zweite Partie wörtlicher Rede gehört einer Gruppe von gestrandeten Mysern und Lydern.496 Sie ist eingebettet in die emotionale Beschreibung der Flucht der Perser: ο[ἱ] δ᾽ ἐπ᾽ ἀκταῖς ἐνάλοις ἥμενοι γυμνοπαγεῖς ἀυτᾷ τε καὶ δακρυσταγεῖ [γ]όῳ στερνοκτύποι497 γοηταὶ 493 Siehe Hordern 2002, 163. 494 Hordern 2002, 169 f. 495 Auch nach seiner Rede wird beschrieben, wie der Ertrinkende sich am Wasser verschluckt (82–5). 496 In der Redeeinleitung erfolgt keine genaue Spezifizierung der Sprechenden. Die Bestimmung der Gruppe von Persern als Myser und Lyder resultiert aus der Anrufung von Mysiens Tälern zu Beginn der Klagerede (ἰὼ Μύσιαι δενδροέθειραι πτυχαί, 105 f.) und die Nennung von Tmolus und dem lydischen Sardis (116 f.); siehe auch Hall 1993, 63. Die geographische Βestimmung in Ἰλιοπόρος (121) weist auch auf Mysien.

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θρηνώδει κατείχοντ᾽ ὀδυρμῷ∙ ἅμα δὲ [γᾶν] πατρίαν ἐπανεκα[λ]έοντ᾽∙ Tim. P. 98–105a Die aber saßen an den Meeresküsten, nackt und durchfroren, mit Geschrei und tränenvergießender Klage, Brust schlagende Wehklagende, und waren benommen von Jammergeschrei, das einer Klage gleicht; zugleich aber riefen sie ihr Vaterland an. In der Einleitung zur eigentliche Rede häufen sich die Begriffe für Klagen, Weinen und Schreien: ἀυτᾷ („Schreien“, 100),498 δακρυσταγεῖ [γ]όῳ („tränenvergießende Klage“, 100 f.), γοηταὶ („Wehklagende“, 102), θρηνώδει ὀδυρμῷ („Jammergeschrei, das einer Klage gleicht“, 103), ([γᾶν] πατρίαν ἐπανεκα[λ]έοντ᾽ („riefen sie (ihr Vaterland) an“, 104 f.). Es folgt ein Klagelied, in dem die Gestrandeten ihr Leid und ihre Hilflosigkeit bejammern; in dieses ist ein Gebet an Kybele eingebettet.499 Auch am Ende der Rede betont Timotheos nochmals die jammervolle Stimmung der Myser und Lyder: τοιάδ᾽ ὀδυρόμενοι κατεδάκρυον („In der Weise jammerten sie und weinten“, 139). Die Häufung der Klagebegriffe legt nahe, dass der Monodist das Klagelied mit Weinen und Geschrei unterlegte, also den Vortrag mimetisch einem Threnos anglich (θρηνώδει, 103). Desweiteren kann vermutet werden, dass sich der Sänger des Nomos beim Vortrag dieser Passage tatsächlich die Brust geschlagen hat, wie es in στερνοκτύποι angezeigt ist. Die These eines performativ ausgestalteten Klagelieds wird durch die Nachricht des Aristoteles gestützt, dass Timotheos im Dithyrambos Skylla den Odysseus, der vom Koryphaios gespielt wurde, einen Threnos hat vortragen lassen.500 Am selben Stück kritisiert Aristoteles, dass der Aulet während des Flötenspiels den Odysseus mit sich geschleppt habe.501 Beide Testimonien weisen auf eine Dramatisierung eines Dithyrambos des Timotheos durch Mimesis, 497 Hier wurde die Lesart στερνοκτύποι von Wilamowitz 1903, 22 (sο auch Hordern 2002, 91, 184) anstelle von στερνοκτύπῳ (PMG) übernommen. 498 ἀυτά wurde besonders auch für „Kriegsgeschrei“ verwendet, woraus auf eine erhöhte Lautstärke des Vortrags geschlossen werden kann. 499 Zur Problematik, ob dieses nur die Verse 127–9 umfasst oder bis Vers 138 reicht, siehe Hordern 2002, 181. 500 Aristot. Poet. 1454a29 = Tim. F 793 PMG. 501 Aristot. Poet. 1461b30–32 = Tim. F 793 PMG. West 1992, 363: „It was probably in performing Timotheus’ Scylla that auletes would make a show of grabbing at the chorusleader, in imitation of the monster grabbing at Odysseus᾽ sailors. […] Odysseus᾽ lament for his lost men seemed to Aristotle a prime example of unseemly and inappropriate characterization. Evidently it was extravagant and unmanly.“

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was eine ähnliche Darstellung in den Persern plausibel macht.502 Timotheos hat einen Threnos in den Nomos implementiert. Besonders augenfällig stellt sich die mimetische Gestaltung bei der Rede eines gestrandeten Bewohners von Kelainai (Phrygien) dar.503 Dieser wird von einem Griechen an den Haaren weggezerrt. In schutzflehender Haltung klammert er sich an die Knie seines Entführers. Seine Sprechpartie wird folgendermaßen eingeleitet: Ἑλλάδ᾽ ἐμπλέκων Ἀσιάδι φωνᾷ διάτορον504 σφραγῖδα θραύων στόματος, Ἰάονα γλῶσσαν ἐξιχνεύων∙ Tim. P. 146–149 indem er Griechisch mit einer asiatischen Sprache verflocht, und das durchbohrte Siegel seines Mundes brach, indem er die Ionische Sprache heraussuchte: Wie vor der Rede des Ertrinkenden (64–71) rekurriert Timotheos auch hier mehrmals auf Sprechorgane und Stimme: φωνᾷ, στόματος, γλῶσσαν. Die Sprachschwierigkeiten des Bewohners von Kelainai werden durch die Mischung von Griechisch und Asiatisch (Ἑλλάδ᾽ – Ἀσιάδι) und das Ringen um ionische Worte (Ἰάονα γλῶσσαν ἐξιχνεύων) explizit gemacht. ἔπω μοί σοι κῶς καὶ τί πρᾶγμα; αὖτις οὐδάμ᾽ ἔλθω∙ καὶ νῦν ἐμὸς δεσπότης δεῦρό μ᾽ ἐνθάδ᾽ ἤξει∙ τὰ λοιπὰ δ᾽ οὐκέτι, πάτερ, οὐκέτι μαχέσ᾽ αὖτις ἐνθάδ᾽ ἔρχω, ἀλλὰ κάθω∙ ἐγώ σοι μὲν δεῦρ᾽ ἐγὼ κεῖσε παρὰ Σάρδι, παρὰ Σοῦσα, Ἀγβάτανα ναίων∙ Ἄρτιμις ἐμὸς μέγας θεὸς παρ᾽ Ἔφεσον φυλάξει. Tim. P. 150–161 Soll ich mir dir sagen wie und welche Sache? Wiederum gehe ich nirgends hin. 502 Zimmermann 2008, 125 f. 503 Hordern 2002, 204 ff.; Zimmermann 2011, 252. 504 διάτορον wurde hier proleptisch aufgefasst. Eine andere Möglichkeit wäre eine aktive Bedeutung „piercing (of sound)“ anzunehmen: Hordern 2002, 203.

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Und jetzt brachte mein Herr hierher mich dorthin; künftig aber komme ich nicht mehr, Vater, nicht mehr zum Kämpfen wiederum hierher, sondern ich sitze; ich dir hierher ich dort bei Sardis, bei Susa, Agbatana bewohnend; Artimis meine große Göttin wird bei Ephesos bewachen. Im Folgenden werden nur wenige Beispiele des Kauderwelsch-Griechisch genannt, für eine genaue Analyse des Textmaterials sei auf Hordern verwiesen.505 Der Bewohner von Kelainai benutzt einfache, unvollständige Sätze und bleibt schlicht in der Wortwahl; die direkte Aufeinanderfolge des Personalpronomens der ersten Person und zweiten Person Singular (150, 157) versinnbildlicht das „Suchen“ (ἐξιχνεύων, 149) nach Worten. Er setzt dieselben Adverbien vermehrt und auch falsch ein: αὖτις506 („wiederum“, 151, 155), δεῦρο („hier“, 153, 157), ἐνθάδε („hier“, 153, 155), οὐκέτι („nicht mehr“, 154, 155). Dadurch wird die Unsicherheit im Griechischen und die Inflexibilität im Ausdrucksvermögen dokumentiert; so benutzt er in Vers 153 zwei Ortsadverbien fast direkt hintereinander, die an sich dasselbe bedeuten.507 Die Verbformen werden nicht korrekt flektiert; dies ist vor allem ein Ausdruck seiner Unbeholfenheit, richtig griechisch zu sprechen. Ähnliche Beispiele radebrechenden Griechischs finden sich im Orest des Euripides (Phrygerarie: Eur. Or. 1369–1502) und in den Thesmophoriazusen des Aristophanes (der skythische Bogenschütze: Ar. Thesm. 1001 ff.). Dies lässt den Schluss zu, dass auch die Darstellung des Bewohners von Kelainai komische Züge trug. Gleichzeitig weisen die beiden Stellen bei Euripides und Aristophanes auch diese als mimetisch arbeitende Dichter aus.508 Die letzte Rede im Perser-Nomos ist die des Königs Xerxes (178–195). Diese Rede zeichnet sich durch eine tragische Diktion aus. Dies kann insofern als mimetisch gedeutet werden, als es der Würde und dem sozialen Stand eines Königs entspricht, sich trotz der Katastrophe gehoben auszudrücken. Dementsprechend wird seine Rede auch nur mit einem einfachen φάτο (177) eingeleitet. Es handelt sich wiederum um eine Klagerede. Hier ändert sich der Stil im Vergleich zum ganzen Gedicht davor. Die Sprache ist weniger üppig und exotisch, es werden weniger 505 Zur linguistischen Ausformung der Rede des Kelainers: Hordern 2002, 204 ff.; Hall 1993, 64. 506 Ionisch für αὖθις. Ebenso gehört κ- statt π- in κῶς (150) zum ionischen Dialekt. 507 Ein ähnliches Phänomen findet sich in Vers 158, in dem Timotheos zunächst eine allgemeine Ortsangabe (κεῖσε) setzt und dann die konkrete Ortsangabe mit παρά hinzufügt. Darüber hinaus konstruiert er παρά einmal mit dem Dativ und einmal mit dem Akkusativ. 508 Hordern 2002, 204 ff. Zur Sprache von Persern in der Literatur siehe auch Hall 1989, 76–79, 117–121, bes. 119.

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Komposita gebraucht. Der tragische Charakter erweist sich an mehreren AischylosReminiszenzen.509 Diese Erscheinungsform illustriert die Mimetisierung der Rede eines Königs.510 Ein weiteres Beispiel für vokale Mimesis im Œuvre des Timotheos stellen die Wehen der Semele (F 792 [Dithyrambos]) dar. Auch dort soll Timotheos die Geburtsschreie der Göttin in expressiver Weise vokal und instrumental nachgestellt haben.511 In seinem Stück Nauplius (F 785, vielleicht ein Nomos) scheint er einen Sturm nachgeahmt zu haben.512 Der lyrische Dichter Timotheos von Milet hat die Reden in der Erzählung seines Perser-Nomos nach dem Muster der poetischen Mimesis gestaltet. Dabei setzt er nicht nur Musik ein, um das Geschehen zu untermalen, sondern dramatisiert den Nomos durch den mimetischen Einsatz der Stimme des Monodisten (vokale Mimesis). Bei einem Ertrinkenden stellt er das Verschlucken von Wasser durch Wort- und Klangwiederholungen durch diese Technik dar, die Klage von gestrandeten Persern muss in der Performanz einem Threnos geglichen haben, die Unfähigkeit des Bewohners von Kelainai, korrektes Griechisch zu sprechen, wird linguistisch abgebildet und Xerxes klagt auf tragischem Niveau. Damit hat Timotheos eine weitere Form der mimetischen Gestaltung in sein Stück Die Perser integriert und ausgebaut. Derartige akustische Effekte haben erst später hellenistische Autoren sowohl als poetische Sinnbilder in ihrer eigenen Dichtung als auch unter sprachästhetischen Gesichtspunkten in wissenschaftlichen Abhandlungen gebraucht und thematisiert. Wie gezeigt wurde, hat Timotheos euphonische und dysphonische Aspekte, die später im Hellenismus der Dichter Kallimachos in metapoetischen Reflexionen als poetologische Metaphern (Laut der Zikade oder des Esels, Kall. Ait. F 1, 29 f. Harder) eingesetzt hat, in verschiedenen performativen Varianten (musikalisch und vokal) in seiner Dichtung angewandt. Dabei wird der Klang durch entsprechende Beschreibungen evoziert und so dichtungstheoretisch bedeutsam.513 Das Zirpen der Zikade steht für die von Kallimachos bevorzugte und produzierte Dichtung, das Lärmen des Esels für einen ungeschliffenen Stil.514 Eine differenzierte sprachliche Mimesis des 509 Z. B. Tim. P. 168 ἔρεικον → Aisch. Pers. 1060; Tim. P. 178 ἰὼ κατασκαφαὶ δόμων → Aisch. Ch. 50; Tim. P. 180 κατὰ ...ὠλέσαθ᾽ → Aisch. Pers. 670; Tim. P. 181 πολύανδρον → Aisch. Pers. 73, 533; Aisch. Ag. 693; Tim. P. 187 βαρεῖα συμφορά → Aisch. Pers. 1044. (Cf. Hordern 2002, ad locos.) 510 Hordern 2002, 214. 511 Dio Chrys. 78.32. 512 Wenn die Konjektur von Casaubon korrekt ist, findet sich bei Hegesander ein weiteres Zeugnis dafür, dass im Nomos(?) Nauplius des Timotheos ein Seesturm nachgeahmt wurde: ὁ αὐτὸς Δωρίων καταγελῶν τοῦ ἐν τῷ Τιμοθέου Ναυπλίῳ (Casaubon: Ναυτίλῳ codd.) χειμῶνος ἔφασκεν ἐν κακκάβᾳ ζεούσᾳ μείζονα ἑωρακέναι χειμῶνα (Ath. 8.338 A (Hegesandros FHG 4, p. 416) = Tim. F 785 PMG) – „The same Dorion ridiculed the storm in Timotheus` Nauplius, saying that he had seen a bigger storm in a boiling pot“ (Übers. Campbell 1993, 89). 513 Z.B. λιγύς, θόρυβος, Kall. Ait. F 1, 29 f. Harder. 514 Männlein-Robert 2007, 220 ff.

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dorischen Dialekts bietet Theokrit in seinem 15. Eidyllion (87–95).515 Auch in der rhetorisch-theoretischen Literatur des Hellenismus behandeln Rhetoren und Philosophen derartige Klangeffekte unter ästhetischer Betrachtungsweise. Im Corpus Aristotelicum ist eine Schrift aus der ersten Hälfte des 3. Jh. v. Chr. überliefert mit dem Titel De audibilibus. Dort werden physiologische Aspekte der Klangerzeugung mit der menschlichen Stimme, aber auch von Musikinstrumenten und Tieren analysiert. Bei der Behandlung von verschiedenen Klangfarben bringt der Autor die gleichen beschreibenden Attribute für die Stimme von Nachtigallen, Zikaden und Heuschrecken etc. ins Spiel, wie Kallimachos sie für seine poetologischen Reflexionen verwendet (λεπτός, λιγυρός etc.).516 4.3 Der poetische Stil des Timotheos Nachdem Archäologen 1902 im ägyptischen Abusir auf einem Papyrus ein größeres Textstück der Perser des Timotheos gefunden hatten, kam mancher Philologe zu einem abschätzigen Urteil der Dichtkunst des Timotheos: „He [Timotheos] is a curiosity, a monstrosity, an addition, no doubt, to our knowledge of Greek literature, but an addition such as we may hope, for the credit of Greek literature, will not be repeated.“517 Diese Einschätzung bezieht sich wohl hauptsächlich auf den metaphernreichen und assoziativen Stil des Timotheos, der die Übersetzung dieses Textes schwierig macht.518 Die Dichtung des Timotheos von Milet scheint zwar – auf den ersten Blick und für ein an klassischen Autoren geschultes Auge – extravagant, skurril, eventuell grotesk. Doch eine genauere Analyse zeigt, dass er durch raffinierte literarische Techniken ein beeindruckendes und unterhaltsames Stück geschaffen hat. Sein Stil erinnert dabei an hellenistische Texte. Timotheos und die Kollegen seines Genres haben viele Stilmerkmale der hellenistischen Epoche vorbereitet.519 Zu diesen Charakteristika gehören die Hervorhebung und Auslassung bestimmter Elemente der Erzählung, ein metaphernreicher Stil, die Gattungsmischung und der Einsatz von neuen Wortbildungen. Die Art und Weise, wie Timotheos das Geschehen der Schlacht bei Salamis literarisch präsentiert, kann mit Beobachtungen verglichen werden, die in der modernen Literaturtheorie gemacht wurden. Iser beleuchtet Texte unter dem Gesichtspunkt der Rolle des Lesers.520 Dabei ist der Leser derjenige, der bei der Lektüre interpretieren muss und das Sinnpotential des Textes ausfüllt. Diese steht im Gegensatz zur „richtigen oder vollständigen Interpretation“ im Vordergrund.521 Auch wenn die Perser vorrangig kein Lesetext sind, so präsentiert Timotheos das Geschehen doch so, dass der 515 Siehe Männlein-Robert 2007, 289. 516 [Aristot.] De aud. 804a21–29; dazu Männlein-Robert 2007, 224 f. 517 Kenyon 1919, 5. Csapo/ Wilson 2009, 278 f. haben Aussagen moderner Forscher über Timotheos gesammelt. 518 Kenyon 1919, 5: „simply not translatable into any other language.“ 519 Hordern 2002, 2; siehe auch ebda., 37. Siehe auch oben 38. 520 Iser 19842, 175 ff. Siehe auch ders. 19943. 521 V. Zima 1991, 250.

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Rezipient an vielen Stellen durch die Herausstellung bestimmter Details angeregt wird, das Gesamtbild zu erschließen, Lücken zu füllen und das Geschehen zu assoziieren. Dadurch vermeidet Timotheos das direkte Benennen grausamer Einzelheiten des Flottenuntergangs. Das Schreckliche wird ausgeblendet. Eine ähnliche Technik der Ausblendung beziehungsweise der Nennung nur einzelner Details oder „Wirkmomente“, hat Männlein-Robert auch für die ekphrastische Beschreibung von Myrons Kuh in hellenistischen Epigrammen herausgestellt.522 Der Rezipient muss ‚Leerstellenʻ ausfüllen. Insgesamt ergibt sich aber sowohl dort als auch hier ein Gesamtbild, das durch die einzelnen Elemente evoziert wird. Das heißt, Timotheos greift, was die Anwendung moderner Dichtungsmodi angeht, hellenistischen Poeten vor. In der Beschreibung der kenternden Schiffe stellt Timotheos im Perser-Nomos das Schicksal der Seeleute folgendermaßen dar: τῶν δὲ] βίοτος ἐθύετ᾽ ἀδιν[ὸ]ς ὑπὸ τανυπτέροισι χαλκόκρασι νευρε[ σμαραγδοχαίτας δὲ πόντος ἄλοκα ναΐοις ἐφοινίσσετο σταλά[γμασι κρ]αυγᾷ βοὰ δὲ [πα]μμι[γ]ής κατεῖχεν∙523 Tim. P. 28–34 deren Leben aber wurde geopfert in großer Zahl unter langgeflügelten bronze-köpfigen Sehnen-[ Die Smaragd-haarige See rötete sich in den Furchen(?)524 mit Schiffstropfen und mit Kreischen gemischtes Geschrei herrschte vor. Während der Tod der Menschen nur als Faktum erwähnt wird (τῶν δὲ] βίοτος ἐθύετ᾽ – „deren Leben wurde hingeopfert“, 28 f.), überträgt Timotheos die in diesem Zusammenhang mit dem Sterben verbundene Assoziation der Verletzung von Menschen und des Blutvergießens auf das Meer. Der Grund für die rote Färbung des Meeres (ἐφοινίσσετο, 32 f.) ist das Blut der Schiffsleute. Anstelle von Blutstropfen lässt Timotheos aber „Schiffstropfen“ (ναΐοις .. σταλά[γμασι, 32 f.) ins Meer fallen. Dabei erinnern die „Tropfen“ an Blut. Die Metapher der „Schiffstropfen“ evoziert 522 Männlein-Robert 2007, 84. 523 Text des Verses 34 nach Hordern 2002, 88, 151, der für die Konjektur auf Aisch. Pers. 426–7 verweist. 524 Eventuell Accusativus respectus, wegen der Lücke nach σταλά[ ist nicht zu entscheiden, welche syntaktische Funktion der Akkusativ hat, ob er etwa von einem fehlenden Partizip abhängig ist. Siehe Hordern 2002, 150.

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beim Rezipienten den Gedanken an Einzelteile von Schiffen, die durch den Zusammenprall entstehen und ins Meer fallen. Durch diese Verschiebung der Gewalteinwirkung auf die Schiffe und nicht auf die Menschen stellt Timotheos eine Distanz zum eigentlichen, schrecklichen Geschehen, zum Umkommen und Ertrinken (φόνια, 25 f.) der Seeleute her, regt aber gleichzeitig die Vorstellung der ganzen Szenerie durch verschiedene Assoziationsmomente an. Indem er den Schiffen menschliche Attribute verleiht (σμαραγδοχαίτας δὲ πόντος – „die Smaragd-haarige See“, 31 f.), verstärkt er die Assoziation, dass die Akteure eigentlich Menschen sind. Eine weitere Technik, die Timotheos benutzt, um bestimmte Wirkmomente einzufangen, ist die der Fokussierung und Engführung, die an Kameratechniken wie in einem Film erinnern.525 Dadurch entsteht eine eigenwillige, suggestiv wirkende Rhetorik, die mit Sprache abbildet, was auch filmische Darstellungen leisten.526 Timotheos wechselt wie in einem Film zwischen einer Darstellung des Geschehens von außen (Ferneinstellung/ Weitaufnahme) und der Fokussierung auf Details der Erzählung (Naheinstellung/ Großaufnahme).527 So beschreibt er innerhalb der Perserflucht eine weitere Kollision von Schiffen (88–90), dann lässt er Ruder und Zähne528 der Besatzung durch die Luft fliegen: χειρῶν δ᾽ ἔγβαλλον ὀρείους πόδας ναός, στόματος δ᾽ ἐξήλλοντο μαρμαροφεγγεῖς παῖδες συγκρουόμενοι („und von ihren Händen warfen sie [die Seeleute] die Bergfüße des Schiffes (= die Ruder)529, und von ihren Mündern sprangen die hell-scheinenden Zähne, als sie aneinanderschlugen“, 90–93). Direkt danach stellt Timotheos das Meer und die Küsten voller Leichen dar (94–97). Zunächst „sieht“ der Rezipient also den Zusammenprall der Schiffe von außen, dann kommen zwei durch die Kollision ausgelöste Details in den Blick, schließlich präsentiert Timotheos das Ergebnis des Zusammenpralls. Wiederum blendet er die schreckliche Vorstellung aus, dass Menschenleiber aus den Schiffen geschleudert werden, stattdessen fliegen wie in einer Großaufnahme Ruder und Zähne durch die Luft. Die menschlichen Körper (σώμασιν; 96) zeigt er dann wieder in der Totalen530 in der ruhenden Position im Meer und am Gestade liegend. Gleichzeitig benutzt Timotheos nochmals für die Ruder den metaphorischen Begriff der „Füße“ (πόδας, 91), sodass die Assoziation an Menschen mitschwingt. Die Besatzung, die den Zusammenprall der Schiffe erlebt hat und – wie gedanklich zu ergänzen ist – aus den Schiffen geschleudert wurde, verarbeitet dieses Erlebnis in der Szene danach. Die Perser werden als Wehklagende (γοηταί) am Strand (ἐπ᾽ ἀκταῖς ἐνάλοις) dargestellt; sie sind „nackt und durchfroren“ (γυμνοπαγεῖς, 98– 103). In ihrer Klage (105–138) beschreibt das Kollektiv nun aber nicht sein Schockerlebnis, sondern es sehnt sich nach ihrer Heimat, verwünscht den Feldzug und bittet 525 526 527 528 529 530

Zu „filmischer“ Literatur: Heller 1986, 277–285; siehe auch Robert 2014, 104–108. Siehe dazu Balázs 1984, 51 ff. Balázs 1984, 55–60, 96. Unter παῖδες sind hier „Zähne“ zu verstehen, siehe Hordern 2002, 178. Hordern 2002, 178. Balázs 1984, 96.

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Kybele531 um Rettung. In ähnlicher Weise verarbeitet der persische König Xerxes das Geschehen in einer Klagerede (178–195). Durch die Ausblendung direkter Gewalteinwirkung am Menschen wird das desaströse Geschehen erträglich gemacht, der Fokus wird auf andere, nahezu unwichtige Details gelenkt und die psychologische Verarbeitung der Katastrophe erfolgt in einer verbalen Äußerung danach. Durch die eben beschriebene Technik der Ausblendung und Fokussierung auf bestimmte Details der Erzählung kommen teilweise harte Schnitte in der Präsentation des Geschehens zustande. Es wird nicht eine nahtlos fortlaufende Bildersequenz dargeboten, sondern es werden einzelne Momente, die sich zu einem Ganzen fügen, präsentiert. In der eben beschriebenen Szene erinnern die Ruder und die Zähne, die durch die Luft fliegen, an die Form eines Comics. Timotheos greift zwei an sich nebensächliche Gegenstände heraus und stellt sie in den Mittelpunkt des Geschehens. Diese Überbetonung von einzelnen Momenten der Erzählung wirkt komisch. Der Modus der Darstellung, den Timotheos hier benutzt, ist für seine Zeit sehr modern. Indem er in seinen kitharodischen Nomos komödienhafte Elemente einfügt, zeigt sich bei ihm wie auch bei anderen Dichtern um Archelaos die für die hellenistische Literatur bekannte Gattungsmischung.532 Insofern kann die Einschätzung des Stils des Timotheos durch Pickard-Cambridge als „simply grotesque and ridiculous“ als eine gerade beabsichtigte und besondere Eigenheit der Dichtung des Timotheos gewertet werden. Pickard-Cambridge vergleicht seinen Stil ebenfalls mit dem Alexandrinischer Schriftsteller.533 Durch die Ausblendung bestimmter Inhalte der Erzählung anonymisiert Timotheos darüber hinaus diejenigen, die die Gewalt ausüben und auch diejenigen, die Gewalt erleiden. Dadurch entsteht wiederum eine Distanz zum Geschehen. So geht zum Beispiel in der Szene, in der der Todeskampf eines ertrinkenden Persers geschildert wird, die Bedrohung vom Meer aus (Tim. P. 40–85). Dieses schwappt in ihn hinein und er versucht, es wieder los zu werden. In seiner Rede spricht der Ertrinkende das Meer an, das heißt, seine Wut, sein Drohen richtet sich nicht gegen griechische Soldaten, sondern gegen eine unbestimmte Naturgewalt. Das Meer bekommt wieder durch ein menschliches Attribut eine anthropomorphe Gestalt: αὐχέν᾽ („Nacken“, 73), wodurch die Assoziation an menschliche Täter angestoßen wird.534 531 Hordern 2002, 192. 532 Komödienhafte Elemente in der Tragödie finden sich zum Beispiel in der Iphigenie in Aulis und dem Alkmaion in Korinth des Euripides. S.o. 75 ff. 533 Pickard-Cambridge 19622, 51: „The impression made by the Persae is that the writer could not himself distinguish between expressions of real beauty (such as he sometimes uses) and expressions which were simply grotesque and ridiculous. This deficiency in taste is not rare in Alexandrian writers also.“ 534 An anderen Stellen im Text haben die Schiffe „Glieder“ (γυῖα, 14) und „Flanken“ (πλ]ευρὰς, 15). Beide Begriffe benennen in ihrer Grundbedeutung Teile des menschlichen Körpers. Der Rammbock wird metaphorisch als „Eisenhelm“ (σιδα[ρ]ωι κράνει, 20), also als Teil einer menschlichen Rüstung, bezeichnet. In Vers 31 hat das Meer Haare (σμαραγδοχαίτας δὲ πόντος – „die Smaragd-haarige See“).

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Im Modus der bereits beschriebenen Ausblendung des eigentlichen Sterbens deutet Timotheos den Tod des Ertrinkenden nur an, stellt ihn aber nicht dar.535 Auch das gestrandete Kollektiv der Myser und Lyder (98 ff.) fürchtet die Bedrohung von Seiten eines unbestimmten Täters (τις, 130) oder den Winden (αὔραι, 133) und dem Wasser (κλύδων, 134). Ebenso wie die Gruppe der Perser am Strand bleibt auch der radebrechende Bewohner von Kelainai unbestimmt (140 ff.). Der Gewalt-Leidende ist nur der Zugehörige zu einer bestimmten Volksgruppe, trägt aber keinen Namen. Genauso bleibt der Grieche, von dem die potentielle Bedrohung ihm gegenüber ausgeht, anonym (τις … Ἕλλαν, 140, 143). Sogar der persische Großkönig wird – zumindest im überlieferten Textmaterial – nicht namentlich genannt (Βασιλεύς, 174). Diese Anonymisierung der Protagonisten kann insofern als bewusst eingesetzte Technik des Timotheos gewertet werden, als in den Persern des Aischylos, an denen sich der Lyriker orientiert hat, dezidiert die Namen der persischen Anführer genannt werden (Aisch. Pers. 302 ff.; 965 ff.).536 Timotheos hat sich demnach von seinem Vorbild537 abgesetzt und durch die veränderte Präsentation der Protagonisten einen neuen poetischen Modus geschaffen. Durch die Ausblendung der menschlichen Täter und die Vermenschlichung von Gegenständen und Naturgewalten bekommen die Gewaltdarstellungen zudem eine komische Dimension. Ein typisches Merkmal der dithyrambischen Dichtung stellen Wortneubildungen und -zusammenstellungen besonders von Adjektiven dar.538 So benutzt Timotheos viele kreative Komposita und kreiert neue Wörter, die ebenfalls zum dichten und assoziativen Stil des Timotheos beitragen.539 Dieses Charakteristikum seiner Dichtung vergleicht Hordern mit dem Sprachgebrauch hellenistischer Autoren: „Several linguistic features appear closer to the Hellenistic than to the classical age, as does occasionally his use of individual words; this characteristic is less surprising if we regard late classical lyric as the obvious bridge between the two periods.“540 Ebenso verweist Robbins auf die hellenistische Epoche: „[Die] gewählte Sprache und Verrätselungen nehmen Züge der hell. Dichtung vorweg.“541

535 536 537 538 539

In den Versen 70 f. wird das Meer „Zerstörer [seines] Leibes“ (λυμεῶνι σώματος) genannt. Siehe auch Hall 1993, 67. Hall 1993, 66. Zimmermann 2011, 251; Zimmermann 2008, 119 f. Hier seien nur wenige Beispiele für den Erfindungsreichtum des Timotheos genannt: σμαραγδοχαίτας .. πόντος („die Smaragd-haarige See“, 31), ἰχ]θυ[ο]στέφεσι μαρμαροπ[τύχ]ο[ι]ς κόλποισιν („fisch-gewundener, marmor-faltiger Bausch“, 37–9), κατακυμοτακεῖς ναυσιφθόροι αὖραι („Wellen-schmelzende, Schiff-zerstörende Winde“, 132 f.). Eine detaillierte Analyse seines Stils und Sprachgebrauchs hat Hordern 2002, 36 ff., bes. 41 vorgenommen. 540 Hordern 2002, 37. 541 Robbins 2002a, 597.

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Die Dichter und Künstler um Archelaos als Wegbereiter des Hellenismus

4.3.1 Zwischenfazit Der Stil des Timotheos ist von einer dichten, bildhaften und metaphorischen Sprache gekennzeichnet. Die Ausblendung von entsetzlichen Elementen der Erzählung, die Technik der Nah- und Ferneinstellung, auch der Einsatz von ideenreichen Komposita und Metaphern lässt sich als assoziativ beschreiben. Die teilweise nur momenthafte Darstellung wirkt komprimiert und lässt dadurch das an sich katastrophale Geschehen des Flottenuntergangs bisweilen komisch erscheinen. Durch eine Anonymisierung der Protagonisten bekommt der gesamte Text einen Charakter des Unkonkreten, Unbestimmten und oft Ungreifbaren. So wird Gewalt entweder von unbenannten Personen oder unspezifischen Naturkräften ausgeübt. Ebenso werden Verwundungen an Schiffen und nicht an Menschen gezeigt. Dadurch baut Timotheos eine eigentümliche Distanz zum eigentlichen Geschehen auf, die er aber durch die Menschenmetaphorik (meist an Schiffen) überbrückt. Denn der Rezipient denkt durch die Metaphern aus dem menschlichen Bereich und die Übertragung von gewalttätigem Geschehen auf Gegenstände die eigentliche Zerstörung, den Tod oder Blut der Menschen mit. Seine Darstellung erinnert durch Groß- und Weitaufnahmen teilweise an einen Film. Derartige Kameratechniken hat der Filmtheoretiker Balázs als „das historisch absolut Neue an dieser Kunst [des Films]“ bezeichnet.542 Dieser Darstellungsmodus lässt sich bereits bei Timotheos in einem literarischen Text am Ende des 5. Jh. v. Chr. beobachten. 4.4 Die Thematik des Perser-Nomos Die Thematik des Perser-Nomos wird im Folgenden aus zwei Blickwinkeln betrachtet. Zunächst soll die literarische Bedeutung des Themas, dann die politische Implikation des Stücks beleuchtet werden. Timotheos hat als Sujet für seinen Nomos die Perserkriege gewählt. Diese Thematik wurde nach unseren Kenntnissen zuerst von den Tragikern Phrynichos (Phoenissae; Μιλήτου ἅλωσις)543 und Aischylos (Perser) behandelt, dann in Prosa von Herodot in seinen Historien. Weiterhin ist ein Gedicht über die Seeschlacht bei Artemision des Dichters Simonides bekannt.544 Das 3. Epinikion des Bakchylides handelt von Kroisos. Der Zeitgenosse des Timotheos und – so die Überlieferung – gleichzeitige Besucher des Archelaos, Choirilos von Samos, hat dieses Thema im Epos behandelt.545 Den Rückgriff auf ein an sich altes Thema am ausgehenden 5. Jh. v. Chr. hat Zimmermann als archaisierende Tendenz vor allem der dramatischen Dichtung dieser Zeit beschrieben.546 Durch die Aufnahme und Neugestaltung eines alten Stoffes stilisiert sich der Dichter als poeta doctus. Diese Kombination von gelehrtem Wissen und neuer, überraschender Zusammenstellung kennt man vor allem 542 543 544 545 546

Balázs 1984, 56. Phrynichos 3 F 4b; 8–12 Snell/ Kannicht. Simonides F 532–5 PMG. S.u. 156 ff.; 171 ff. Zimmermann 1989, 33.

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aus der hellenistischen Dichtung. Die Art und Weise, wie Timotheos das Geschehen in seinen Persern präsentiert, entspricht im Zuschnitt diesem poetischen Modus. Timotheos wählt ein bekanntes Thema, nämlich die Perserkriege und benutzt gleichzeitig eine überraschende, kreative, teilweise sogar grotesk wirkende Präsentation für dieses Sujet. Damit steht er Poeten wie Kallimachos oder Euphorion nahe, die in ihrer Dichtung Gelehrsamkeit mit Originalität und ausgefallenen Ausdrücken kombinieren. Das Stilmittel des Archaismus geht also einher mit dem gleichzeitig aufkommenden manierierten Stil.547 Dieser Manierismus spiegelt sich bei Timotheos im bereits beschriebenen freien, kunstvollen Umgang mit den musikalischen Komponenten und experimentellen Klangeffekten. Der vergleichbare poetische Modus, auf literarische Vorbilder zurückzugreifen, diese aber kreativ umzustrukturieren und dadurch umzudeuten, soll hier außerdem an einem strukturellen, „hypertextuellen“548 Vergleich zwischen Theokrit und Timotheos gezeigt werden. Das Epyllion Herakliskos des Dichters Theokrit (Idyll 24) behandelt die erste Heldentat des kleinen Herakles. Die Vorlage für diese Erzählung findet sich als narratives Element in der ersten Nemeischen Ode Pindars (Pi. N. 1.33–50). Theokrit übernimmt aber nicht einfach die Erzählung, sondern gestaltet sie durch Zusätze, Auslassungen und die Fokussierung auf alltägliche Details um. So baut Theokrit im Gegensatz zu Pindar einen Schild in das Narrativ ein, lässt aber nicht die sonst übliche Ekphrasis des Schildes folgen (cf. Il. 18), sondern funktioniert ihn zur Kinderwiege von Herakles und Iphikles um. In seinem Perser-Nomos stellt Timotheos von Milet den Untergang der persischen Flotte vor Salamis (480 v. Chr.) dar. Die Thematik der Perserkriege war ein bekanntes Sujet der griechischen Literatur, als Hypotext für Timotheos haben speziell die Perser des Tragikers Aischylos gedient. Dort berichtet der Bote vom Zerschellen der Schiffe, von der Flucht, von gestrandeten und toten Persern und deren Jammer (410 ff. etc.). Timotheos gestaltet in seinem Nomos dieses Geschehen durch Fokussierung und Ausblendung um, so dass z.B. die letzte Rede eines ertrinkenden Persers nicht einfach erwähnt, sondern performativ dargestellt wird. Die Thematik der Perserkriege und deren Darstellungsweise im Nomos des Timotheos wirft auch die Frage der politischen Implikation dieses Stückes auf. Dafür muss zunächst geklärt werden, wann und wo dieses Stück zuerst aufgeführt wurde, also für welchen Kontext Timotheos die Perser verfasst hat. Die Meinungen über Aufführungszeit und -ort der Perser divergieren.549 Mit einiger Wahrscheinlichkeit war Athen der erste Aufführungsort.550 Für die Eingrenzung des Aufführungsdatums gibt es folgende Anhaltspunkte: Da das Gedicht als Verherrlichung des 547 Zimmermann 1989, 30–32. 548 Zur Terminologie s.o. 39. 549 Eine Liste über die verschiedenen Positionen in der Forschung bezüglich dieser Frage bei Hansen 1984, 135 f. Die zeitliche Spanne reicht von 419–395 v. Chr. Außer Athen, das bei den Vorschlägen überwiegt, werden Milet, Ephesus, Ionien, Patras oder Pellene und Mykale vorgeschlagen. 550 Siehe die Argumentation Schorns 2004, 343.

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Die Dichter und Künstler um Archelaos als Wegbereiter des Hellenismus

griechischen Sieges in den Perserkriegen gelesen werden kann, ist das Jahr 412 als terminus post quem plausibel.551 Denn in diesem Jahr verbündeten sich die Spartaner mit den Persern und gewährten diesen die Herrschaft über die ionischen Städte im Gegenzug für eine finanzielle Unterstützung im Kampf gegen Athen.552 Somit wäre der Perser-Nomos als Erinnerung an den damaligen Sieg der Athener über die Perser zu lesen und als Selbstvergewisserung der eigenen militärischen Fähigkeiten. Für diese Lesart spricht die ausführliche Darstellung der Perser in ihrem Untergang, ihrem Leid und – wie Hall herausgestellt hat – in ihrer Unfähigkeit zu schwimmen.553 Auch Huber betont die propagandistischen Zwecke des Perser-Nomos und die allein negative Zeichnung der Perser in diesem Stück.554 Die Herausstellung der Überlegenheit der Griechen gegenüber den Persern durch Timotheos kann auch an der Darstellung des Sieges-Paians ganz am Ende des Gedichts abgelesen werden. Während nach dem derzeitigen Überlieferungsstand über fast 200 Verse hinweg das Scheitern und Sterben der Perser in emotionsgeladenen Bildern beschrieben wird, verwendet Timotheos allein 5 Verse (Tim P. 210–4), um die nahezu idyllisch anmutende Siegesfeier der Griechen zu zelebrieren. Diese Präsentation des griechischen Sieges wirkt dadurch nahezu arrogant, zumal die Griechen an dieser Stelle einfach nur mit οἱ δέ (196) eingeführt werden, nachdem der Großkönig seine Rede, in der er seinen Unmut über die Griechen preisgibt, beendet hat. Genauso wie von den Griechen im ganzen erhaltenen Text keine konkreten Personen benannt werden, bleiben auch die Perser in diesem Stück unbenannt. Sie sind immer nur in der Gesamtheit, unspezifisch, als anonyme Masse dargestellt oder als regionale Gruppe spezifiziert (Tim. P. 35 f., 86 f., 98, 140 f., 167). Dies steht in scharfem Kontrast zur Darstellung des Aischylos, der die Anführer konkret mit Namen nennt, diese also als ebenbürtige Kriegsgegner wahrnimmt. Auch dadurch wird der damalige Gegner in der Darstellung des Timotheos herabgewürdigt.555 Als terminus ante quem wurde das Jahr 408 gesetzt, das Abreisejahr des Euripides aus Athen. Denn Satyros überliefert, dass Euripides dem Timotheos bei der Abfassung des Proöms der Perser geholfen habe.556 Wenn Timotheos seine Perser für und in Athen abfasste, musste Euripides noch da sein, um ihm Hilfestellung zu leisten. Dieses Datum ist allerdings wegen der fraglichen Historizität der Legende bei Satyros unsicher.557 Derlei Anekdoten resultieren eher daraus, dass ein verwandter poetischer Stil zwischen Dichtern feststellbar ist und diese Nähe in Erzählungen 551 So bereits Bassett 1931, 159; ebenso Herington 1985, 151 f. und 274, Anm. 3; Hose 1993, 8 f.; v. Minnen 1997, 252. 552 Thuk. 8.18; 8.37; 8.58; siehe Hose 1993, 83 f. 553 Hall 1993, 44–65. 554 Huber 2002, 169–195, bes. 176. 555 Die Interpretation Hoses (1993, 83–86), dass in der Darstellung des Leidens der Perser auch humane Aspekte enthalten seien, erscheint weniger überzeugend. Die detaillierte Präsentation des Untergangs und des Leids der Perser zeigt eher die Anmaßung der Griechen. 556 Satyr. Vit. Eur. (P. Oxy. 9.1176) F 6 Schorn fr. 39 col. XXII. 557 So auch Huber 2002, 177, dort Auflistung der Forschungsmeinungen zu diesem Aspekt.

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Choirilos von Samos

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über gegenseitige Hilfestellungen oder auch homoerotische Verhältnisse festgehalten worden sind. Schorn argumentiert für 408 als terminus ante quem damit, dass Euripides wahrscheinlich im Orest (1369–1502) Timotheos nachahmt und er 408 Athen verlassen hat.558 Für die Annahme einer Aufführung zwischen 412 und 408 spricht also die veränderte politische Situation Athens ab 412 und zweitens der tatsächliche oder fiktive Aufenthalt des Timotheos in Makedonien, da auch Euripides und mit einiger Wahrscheinlichkeit auch Agathon um 408/7 dorthin gekommen sind. Es scheint, als ob die Dichter und Künstler, für die ein Aufenthalt in Makedonien bezeugt ist, ab dem zweiten Drittel der Regierungszeit des Archelaos nach Makedonien gekommen seien. 4.5 Fazit: Timotheos als experimentierfreudiger Musiker und Dichter Der Dithyramben- und Nomendichter Timotheos von Milet hat den antiken Quellen zufolge einen Teil seines Lebens beim makedonischen König Archelaos verbracht. Sein Stil ist von originellen musikalischen Experimenten, mimetischen Einlagen und expressiven Ausdrücken und Metaphern geprägt. Dieses Merkmal seiner Dichtkunst hat ihm nicht nur in der Antike Tadel und Vorwürfe, zu denen er selbst Stellung bezieht, eingebracht. Auch moderne Forscher haben seinen Stil als mangelhaft empfunden. Die Kombination von artifizieller Dichtungsweise und Verarbeitung eines an sich alten Themas weist dabei auf poetische Modi des Hellenismus.559 Er greift auf literarische Vorbilder zurück, strukturiert diese aber kreativ um und deutet sie dadurch um. So bietet er durch die ungewöhnliche Präsentation der Perserkriege in seinem Nomos eine neue Interpretation dieses Sujets. Denn durch die ausführliche Darlegung der Niederlage der Perser exponiert er die Griechen als überlegene Sieger. Timotheos kombiniert auch vielfach verschiedene Gattungsmerkmale. So baut er in seinen Nomos, einer Einzellieddichtung, Komponenten ein, die vor allem aus dem Neuen Dithyrambos bekannt sind (freie Rhythmen, extravagante Melodie, vokale und musikalische Mimesis). Außerdem gestaltet er, wie bereits erwähnt, die Klage gestrandeter Perser als Threnos und stilisiert die Sphragis am Ende des Gedichts als Hymnos an Apoll, einen Paian. Die Kombination verschiedener Gattungsmerkmale ist ebenfalls ein Zug, der vor allem aus der hellenistischen Dichtung bekannt ist.

5. Choirilos von Samos Von den Werken des Choirilos von Samos ist nur das Epos Persika in den Testimonien und Fragmenten eindeutig greifbar. Ob er weitere Werke geschrieben hat, ist unsicher. Von seiner Dichtung sind insgesamt etwas mehr als 20 Verse überliefert,

558 Schorn 2004, 343 f. 559 S.o. 38–40.

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Die Dichter und Künstler um Archelaos als Wegbereiter des Hellenismus

von denen die meisten diesem Epos zugeordnet werden können.560 Was die Forschung zum Epiker aus Samos betrifft, so findet sich in Studien älteren Datums im Wesentlichen eine Zusammenstellung der in den Testimonien überlieferten Nachrichten.561 Eine umfassende Behandlung mit grundlegenden Thesen hat Huxley 1969 vorgelegt.562 Die Annahme, dass der hellenistische Dichter Kallimachos auf Choirilos Bezug genommen hat,563 soll in dieser Studie ausgeweitet und bestätigt werden. Adrian Hollis hat im Jahr 2000 einen weiteren Einfluss des Epikers auf augusteische Dichter diskutiert, allerdings ohne Häussler, der bereits Choirilos mit lateinischen Dichtern verglichen hat, zu zitieren.564 Auf diese These wird hier ebenfalls aufgebaut. In jüngerer Zeit setzte sich Kelly MacFarlane in einem Aufsatz von 2006 mit dem Umfang und Inhalt des choirilianischen Epos auseinander, in einer weiteren Abhandlung von 2009 bietet sie eine detaillierte Analyse der ersten Verse des Epos.565 5.1 Die Innovation des Choirilos von Samos In Fragment 1 seines Epos bittet Choirilos um Inspiration für das Thema seiner Dichtung:566 560 Diese sind in der Ausgabe der Epiker-Fragmente von Bernabé 1987 (PEG I), 187–208 und im Supplementum Hellenisticum: Lloyd-Jones/ Parsons 1983, 146–153 (SH 314–332) ediert. Der Untersuchung werden die bei Bernabé sicher dem Choirilos zuzuschreibenden Fragmente (F 1–12) zugrunde gelegt. Die Fragmente werden nach Bernabé zitiert. 561 Bethe 1899, 2359–2361; Schmid/ Stählin 1934, 542–546. 562 Huxley 1969, 12–29. 563 Barigazzi 1956, 162–182; Huxley 1969, 15 f. 564 Hollis 2000, 13–15. Häußler 1976, 70–78. 565 MacFarlane 2006, 15–26; MacFarlane 2009, 219–234. Hier sei noch auf die grundlegenden Arbeiten zum „historischen Epos“ von Kroll 1916 und Häussler 1978, 125–145 hingewiesen. Beide stellen die Neuartigkeit des Epos des Choirilos heraus: Kroll, 1916, 3; Häussler 1978, 128. 566 Diese Verse des Choirilos zitiert Aristoteles in seiner Rhetorik, als er über die Prologe spricht; er stellt sie neben den Anfang von Ilias und Odyssee (Aristot. Rhet. 1415a11 = Choirilos F 1 Bernabé). Dadurch wird die Annahme, dass diese beiden Verse den Anfang des Gedichts darstellen, plausibel. Lloyd-Jones/ Parsons 1983, 147 (= 316 SH) kennzeichnen diese Verse als den Beginn des Epos. Siehe auch Bernabé 1987, 191, app. crit. ad F 1. Etwas unentschieden in dieser Frage zeigt sich Hollis 2000, 15, Anm. 18: „The argument is strong, since Aristotle quotes also the first line of the Iliad and the Odyssey. But I feel some sympathy for the view (e.g. Huxley, GRBS 10, 1969, 16) that at least one line stood before ἥγεό μοι, since otherwise the required vocative is postponed unexpectedly far.“ Huxley 1969, 16 hat also bezweifelt, dass diese Verse die allerersten des Werkes sein sollten, da in ihnen zwar eine Apostrophe enthalten ist (ἥγεό μοι), aber keine Muse oder Gottheit explizit angerufen wird. Nach Huxleys Meinung müsse zumindest ein Vers vor ἥγεό μοι gestanden haben. Es ist aber nicht auszuschließen, dass die konkrete Nennung der Gottheit nach den ersten anderthalb überlieferten Zeilen erfolgte. Denn auch in Ilias und Odyssee wurde die Gottheit nicht zuerst, sondern nach der Benennung des Themas angerufen (θεά, Hom. Il. 1.1; Μοῦσα, Hom. Od. 1.1). In der Odyssee wird die Gottheit im zehnten Vers nach der Eröffnung des Gedichts ein zweites Mal angesprochen (θεά, θύγατερ Διός). Einer späten Nennung der inspirierenden Instanz widerspricht demnach nichts. Eine Möglichkeit wäre, dass noch im selben

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Choirilos von Samos

Ἥγεό μοι λόγον ἄλλον, ὅπως Ἀσίης ἀπὸ γαίης ἦλθεν ἐς Εὐρώπην πόλεμος μέγας. Choirilos F 1 Bernabé Zeige mir eine andere Erzählung, wie von Asien nach Europa ein großer Krieg kam. In diesen Versen legt Choirilos das Programm seines Epos fest. Die Phrase ἥγεό μοι λόγον ἄλλον („zeige mir eine andere Erzählung“, Choirilos F 1, 1 Bernabé)567 kann in Parallele zum Beginn der homerischen Epen (μῆνιν ἄειδε, Il. 1.1; ἄνδρα μοι ἔννεπε, Od. 1.1) gesetzt werden, wie es bereits Aristoteles in seiner Rhetorik getan hat.568 Während in der Ilias das Programm des Epos der „Zorn“ (μῆνιν), in der Odyssee der „Mann“ (ἄνδρα) ist, nennt Choirilos als Thema für seine Dichtung eine „andere Erzählung“ (λόγον ἄλλον). Dabei setzt er die Worte aus den Persika, die syntaktisch dieselbe Stelle ausfüllen wie μῆνιν beziehungsweise ἄνδρα (es handelt sich jeweils um das Akkusativobjekt), nicht als erste, wie es beim Leitmotiv der Ilias und Odyssee der Fall ist, sondern in Binnenstellung. Er dreht also die Wortfolge um. Der Dichter der homerischen Epen bittet die Inspirationsquelle um ein bloßes „Besingen“ (ἄειδε, Il. 1.1) beziehungsweise „Nennen“ (ἄνδρα μοι ἔννεπε, Od. 1.1) des Themas, Choirilos dagegen fordert die zumindest in diesen Versen nicht weiter spezifizierte inspirierende Instanz569 um eine Weisung („zeige mir“ – ἥγεό μοι). In der Wortwahl ἥγεό μοι („weise mir“, „führe mir zu“570) kommt die Not des Dichters Choirilos, die er jedenfalls als solche vorgibt, zum Ausdruck. Indem Choirilos durch die gleiche Satzstruktur auf seinen Vorgänger Homer rekurriert, stellt er sich einerseits in eine Tradition mit ihm. Andererseits hebt er sich von ihm ab, indem er die Wortstellung im Vergleich zu Homer verändert, den Akzent der Aufforderung verschiebt und außerdem ausdrücklich von einer „anderen Erzählung“ spricht. Dadurch bereitet er den Rezipienten darauf vor, dass er etwas Ungewöhnliches und Neuartiges zu erwarten hat. Durch die zunächst unspezifische Formulierung erzeugt Choirilos zudem Spannung. Gleichzeitig schwingt der Gedanke „anders als die homerischen Epen“ mit, was durch die entsprechende Zusammenstellung der Textstellen bei Aristoteles be-

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Vers (2), der nicht vollständig überliefert ist – es fehlen noch der fünfte und sechste Daktylos im Hexameter, also vier oder fünf Silben –, eine Gottheit oder Muse angesprochen wurde. Asper 1997, 48 spricht sich ebenfalls dafür aus, die Reihenfolge der Fragmente als 316–317 (und nicht andersherum) anzunehmen und argumentiert, dass in F 316 eine verbale Wegmetapher eingeleitet wird und dieses Bild in F 317 ausgebaut wird und diese Anordnung sinnvoller ist als die umgekehrte (317–316, wie sie in älteren Ausgaben vorgeschlagen wurde); ein kurzer Forschungsabriss ebenfalls bei Asper 1997, 48, Anm. 106. Zur Invocatio siehe auch Zinsmaier 1998, 592–596. LSJ, s.v. λόγος I.3. Aristot. Rhet. 1415a11. Siehe S. 156 f. Anm. 566. Siehe S. 156 f. Anm. 566. „führe mir zu“: Übers. Asper 1997, 48.

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stätigt wird. Dadurch setzt sich Choirilos inhaltlich bewusst von Homer ab und inszeniert seine Überlegenheit über seinen bedeutenden Vorgänger. Choirilos stellt sich also im ersten Vers seiner Dichtung als Neuerer vor. Was er als anderen λόγος thematisieren will, schließt er direkt an: „wie von Asien nach Europa ein großer Krieg kam“ (ὅπως Ἀσίης ἀπὸ γαίης | ἦλθεν ἐς Εὐρώπην πόλεμος μέγας; Choirilos F 1, 1–2 Bernabé). Der Rezipient darf also ein Kriegsepos erwarten. Ein Kriegsepos an sich ist zunächst nichts Neues, da auch die Ilias Homers von einer kriegerischen Auseinandersetzung zwischen „Asien“ und „Europa“ handelt. Dass Choirilos in seinem Epos die Perserkriege verarbeitet, bestätigen die Testimonien, die den Werktitel überliefern, und außerdem der Inhalt einiger Fragmente.571 Damit macht er ein zeitgenössisches kriegerisches Ereignis, das bis dahin noch niemand in dieser Gattung thematisiert hat, zum Gegenstand seines Werkes.572 Er wählt also einen neuen beziehungsweise anderen Stoff. Choirilos stellt im zweiten Fragment seiner Dichtung, das auch zum Proöm der Persika zu zählen ist,573 seine besondere Position gegenüber früheren Dichtern dar und betont zugleich seine eigene Leistung: ἆ μάκαρ, ὅστις ἔην κεῖνον χρόνον ἴδρις ἀοιδῆς, Μουσάων θεράπων, ὅτ᾽ ἀκήρατος ἦν ἔτι λειμών∙ νῦν δ᾽ ὅτε πάντα δέδασται, ἔχουσι δὲ πείρατα τέχναι, ὕστατοι ὥστε δρόμου καταλειπόμεθ᾽, οὐδέ πῃ ἔστι πάντῃ παπταίνοντα νεοζυγὲς ἅρμα πελάσσαι. Choirilos F 2 Bernabé Ach selig, wer in jener Zeit kundig des Gesangs war, ein Diener der Musen, als noch ungemäht die Wiese war; jetzt aber, da alles verteilt ist, und die Künste ihren Bereich haben,

571 Herodian π. μονήρους λέξεως 13 (II 919, 28 Lentz) = Choirilos F 3 Bernabé; Strab. 7.3.9 (FGrHist 70 F 42) = Choirilos F 5 Bernabé; Flav. Ioseph. c. Ap. 1.172 und Euseb. Praep. Ev. 9.9.1 = Choirilos F 6 Bernabé; Ath. 11.464 A = Choirilos F 9 Bernabé; Stob. 3.27.1 (III 611, 1 Wachsmuth/ Hense) = Choirilos F 10 Bernabé; Sud. χ 595 Χοιρίλος Adler = Choirilos T 1 Bernabé; P. Oxy. 1399 saec. II/III, primum edid. Grenfell-Hunt = Choirilos T 6 Bernabé. 572 Hose 2000, 4 f., mit Anm. 14 weist darauf hin, dass auch die Stoffe der homerischen Epen zur Zeit des Choirilos als historisch angesehen worden sind und deshalb der Unterschied zwischen Homer und Choirilos für sein Verständnis nicht die Historizität des Sujets an sich gewesen sein kann, sondern schlicht ein anderer Stoff gewesen sein muss. Dadurch wird auch der Einwand MacFarlanes 2006, 15, Anm. 4, dass bereits vor Choirilos von Eumelos (Korinthiaka) und Asios von Samos historische Themen in epischer Dichtung behandelt wurden, hinfällig. Denn diese haben erstens auf antiquarische und mythische Ursprünge zurückgegriffen und nicht auf zeitnahe historische Ereignisse und zweitens nicht die Perserkriege behandelt. 573 Huxley 1969, 16; Asper 1997, 46.

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bleiben wir als letzte wie574 in einem Rennen zurück, und es ist gar nicht möglich, – selbst wenn einer überall suchend umherblickt – einen Wagen mit neuem Gespann hinzuzubringen. Um seine vorgeblich schwierige Situation, in der er sich als Epiker befindet,575 zu illustrieren, benutzt Choirilos verschiedene Metaphern. Diese Bilder legen die Interpretation nahe, dass Choirilos die Leistung seiner Innovation im Auffinden eines neuen Stoffes für die Gattung Epos sah. Das Bild der „ungemähten Wiese“ (ἀκήρατος λειμών, 2) transportiert die Idee der Frische und Unverbrauchtheit. So hat bereits Euripides dieses Bild verwendet, als Hippolytos der Artemis einen Kranz von einer „ungemähten Wiese“ darbringt (Eur. Hipp. 73 f.).576 Bei einer Wiese stellt sich der Rezipient sogleich auch Blumen vor. Daraus ergibt sich die Assoziation, dass in früherer Zeit ein Dichter Themen wie Blumen von einer Wiese pflücken konnte, wie Hippolytos Blumen von der „ungemähten Wiese“ für die Herstellung eines Blumenkranzes pflückt. Insofern besteht die Innovation des Choirilos in einer inhaltlichen Neuerung der Gattung Epos. Die verschiedenen epischen Sujets kann man sich als die Blumenvielfalt vorstellen, die nunmehr – in der Stilisierung des Choirilos – „abgemäht“ ist. Das Wort δαίομαι in der nächsten Metapher wird bei Homer im Zusammenhang mit dem Zuteilen von Speisen, besonders von Fleisch benutzt.577 So entsteht hier eine ähnliche Vorstellung wie bei der Wiese, nämlich dass die Themen der Dichtung nun alle vergeben sind, wie etwa Fleischstücke verteilt worden sind. Die Phrase ὅτε πάντα δέδασται („da alles verteilt ist“) beinhaltet dabei das Gegenbild zur „unberührten Wiese“ (ἀκήρατος λειμών). Denn während Choirilos in den ersten beiden Versen auf einer Negativfolie die günstigen Voraussetzungen der Dichter einer vergangenen Epoche besprochen hat (κεῖνον χρόνον – „in jener Zeit“, 1), beschreibt er ab Vers 3 die widrige Lage, wie sie sich „jetzt“ (νῦν) den Dichtern bietet. Einen Hinweis für die Interpretation des etwas schwieriger zu verstehenden Satzes ἔχουσι δὲ πείρατα τέχναι (3) findet sich beim römischen Elegiker Properz. non hic ulla tibi speranda est fama, Properti: mollia sunt parvis prata terenda rotis;

574 Die Übersetzung von ὥστε mit „wie“ (anstelle von „sodass“, wie es MacFarlane 2006 (24) vorgeschlagen hat) entspricht dem Stil des Choirilos, neben verkürzte Vergleiche (Metaphern) explizite Gleichsetzungen zu stellen. Siehe auch F 9 unten 162 ff. 575 Die Klage des Choirilos, die eher als rhetorisches Mittel, als captatio benevolentiae zu verstehen ist, nimmt Häussler 1976, 72–76 noch recht ernst. MacFarlane 2009, 222 interpretiert diese Verse als „rhetorical apology“. Siehe auch Asper 1997, 46, Anm. 101. 576 Dieses Bild wird bereits im Hippolytos des Euripides (73) verwendet und deutet auch hier auf Frische, Reinheit und Unberührtheit. MacFarlane 2009, 224 deutet das Wiesenbild in Zusammenhang mit Ar. Ran. 1298–1300 als Inspirationsquelle des Dichters. 577 Od. 15.140; 17.331 f.; siehe LSJ, s.v. δαίω.

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ut tuus in scamno iactetur saepe libellus, quem legat exspectans sola puella virum. cur tua praescriptos evecta est pagina gyro? Prop. 3.3.17–21 (Fedeli) Nicht hier kannst du dir irgendeinen Ruhm erhoffen, Properz: weiche Wiesen sind von kleinen Rädern zu befahren; ‚daß dein Buch dann oft auf der Bank zur Seite gelegt wirdʻ578, welches allein das Mädchen liest, in Erwartung eines Mannes. Warum ist deine Seite über die vorgezeichneten Kreise (der Reitbahn) hinausgefahren? Diese Sequenz spricht Apollon im Traum zum Dichter. Properz soll im Bereich der Elegie bleiben. Genauso kann die Phrase „die Künste haben ihre Grenzen/ ihren Bereich“ (Choirilos F 2, 3 Bernabé) bei Choirilos in der Weise verstanden werden, dass das Epos Grenzen hat und im Sinne der Interpretation der vorangegangen Verse hinsichtlich seiner inhaltlichen Ausgestaltung voll ausgeformt ist.579 Die Kunst ist in dem Fall als „epische Kunst“ zu verstehen. Die Grenzen stehen also für die Grenzen von Dichtungsgattungen, die Grenzüberschreitung als Metapher für das Verlassen des Bereichs des eigenen Genres.580 Im Bild des Wagenrennens (Choirilos F 2, 4–5 Bernabé), in dem Choirilos und die Kollegen seines Genres als Verlierer übrig bleiben müssen (ὕστατοι ὥστε δρόμου καταλειπόμεθ᾽, 4)581, erscheinen an sich zwei Bilder. Zum einen sieht sich jemand – zu denken ist: der Dichter – überall suchend um (παπταίνω, 5).582 Zum anderen gibt es keinen Platz mehr für einen „Wagen mit neuem Gespann“. Der in Vers 5 erwähnte Wagen (ἅρμα) steht seit Pindar für ein konkretes Gedicht.583 Dieser Wagen ist νεοζυγές („neu bespannt“, 5), er hat neue Pferde, bekommt also eine eigene, frische Dynamik. Diese Dynamik entsteht durch das originelle Thema, das Choirilos für sein Epos wählt. Insgesamt verdeutlichen die verwendeten Bilder, dass 578 Übersetzung des Verses 19 nach Helm 1965, 145. 579 Der Interpretation der „vollen Ausformung“ der Künste in ἔχουσι δὲ πείρατα τέχναι entspricht die Übersetzung MacFarlanes 2006, 24: „(and) the crafts have reached fulfillment“. Ebenso transportieren die Übertragungen Aspers 1997, 46: „und die Künste an ihre Grenzen stoßen“ und Hoses 2000, 4: „und die Künste ihre Grenzen erreicht haben“ diese Bedeutung des Wortes πεῖραρ. Siehe LSJ, s.v. πεῖραρ I.2. 580 Riesenweber 2007, 321ff. 581 Dass beim Wort δρόμος wohl an ein Wagenrennen zu denken ist, legen die letzten anderthalb Verse des Fragments nahe, in denen die Situation eines solchen Rennens durch den dort erwähnten „Wagen“ suggeriert wird. 582 Das Wort παπταίνω verwendet auch Pindar in seiner ersten Olympischen Ode (114), in der er den Sieg Hierons im Pferdegespann-Rennen im Jahr 476 preist. Er warnt dort den Sieger Hieron, „nicht mehr weiter hinaufzublicken“ (μηκέτι πάπταινε πόρσιον), also sich nicht zu überheben. 583 Asper 1997, 27; z.B. Pindar F 124a.1 Sn./M.

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Choirilos nicht die Form des Epos verändert, sondern dieses Genre mit neuem Inhalt versieht und dadurch – im Bild gesprochen – ein neues Rennen eröffnet. Um die Situation der Dichter seiner Zeit und damit seine eigene Lage zu beschreiben, benutzt Choirilos mehrere, teilweise verklausulierte Metaphern. Damit hebt er die Leistung seiner eigenen epischen Produktion hervor, da er ja doch, trotz der angeblich schwierigen Lage, einen Stoff für sein Epos gefunden hat. Mit der Darstellung einer besonders schwierigen Ausgangslage für sein eigens Dichten, in der er dann doch ein Epos produzieren kann, kokettiert er in der Art einer captatio benevolentiae, um die Aufmerksamkeit und Gunst der Zuhörer zu gewinnen. Einerseits platziert Choirilos damit rhetorisch geschickt seine Innovation, andererseits bereitet er damit den Rezipienten auf das Neue vor und erregt mit dieser Ankündigung am Anfang seines Epos Aufsehen und Spannung. Das heißt, dem Leser kann die Neuerung überhaupt nicht entgehen. Choirilos verfasst durch diese resignativ wirkende captatio benevolentiae seinen eigenen Werbetext. Wie er seinen Gedankengang weiterführte, ob er die resignative Darstellung noch auflöste und positiv wandte, muss wegen der Textüberlieferung im Unklaren bleiben. 5.2 Der Stil des Choirilos von Samos584 Choirilos wählt nicht nur ein neues Thema für sein Epos, sondern auch die Art und Weise, wie er in ausdrucksstarken Metaphern auf dieses Thema vorbereitet, kann als experimentell und originell gelten. Wie bereits an Fragment 2 deutlich gemacht,585 setzt Choirilos phantasievolle poetologische Bilder ein. Dieser Zug seiner Dichtung soll im Folgenden an verschiedenen Beispielen aufgezeigt werden. Choirilos etabliert schon bestehende Wortkombinationen als poetologische Metaphern und kreiert neue Metaphern-Cluster.586 Das bereits besprochene Bild des λειμών ἀκήρατος wird von Asper ausführlich besprochen.587 Denn die Verbindung der beiden Wörter war zwar bereits gebräuchlich,588 wurde aber bisher nicht für dichtungstheoretische Äußerungen benutzt. Nach Asper konnte Choirilos die Kenntnis vorhandener poetologischer Vegetationsmetaphern als „Assoziationsrahmen“ für sein neues Bild bei den Rezipienten voraussetzen.589 In der Wendung νεοζυγὲς ἅρμα (5) kombiniert Choirilos das Bild vom Wagenrennen,590 das in Vers 4 (ὕστατοι ὥστε δρόμου καταλειπόμεθ᾽) anklingt,591 mit der alten bereits von Pindar gebrauchten Wa-

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Eine knappe Beschreibung seines Stils bieten Schmid/Stählin 1934, 545. S.o. 158–161. Asper 1997, 46–49. Asper 1997, 49 ff. Belege bei Asper 1997, 49, Anm. 110. Asper 1997, 49 mit Anm. 111. Das Bild vom Wagenrennen wurde als Metapher für den Dichterwettkampf auch bei Aristophanes (Vesp. 1015 ff.) und Astydamas (60 T 2a Snell/ Kannicht) eingesetzt. Siehe Asper 1997, 47 mit Anm. 103, und 41 f. 591 Siehe S. 160 Anm. 581.

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genmetonymie.592 Er versieht darüber hinaus den Wagen mit dem Attribut νεοζυγές und fügt in und um das Wagenrennen-Bild homerisches Wortmaterial.593 Choirilos gestaltet also bestehende Bilder neu und kombiniert zwei semantisch nahestehende Assoziationsbereiche (Wagenrennen und Wagen). In Fragment 2 stellt er weiterhin innerhalb von 5 Versen neben der besprochenen „Vegetations-“ (ἀκήρατος λειμών) und Wagenmetaphorik (4 und 5) eine Speise- (πάντα δέδασται594) und eine Handwerksmetapher (ἔχουσι δὲ πείρατα τέχναι) in einer „bunten Mischung“ zusammen.595 Der Stil des Choirilos zeichnet sich darüber hinaus durch Bilderreichtum und neue Wortschöpfungen aus. Davon zeugen die drei Verse des Fragments 9:596 χέρσιν597 ὄλβον ἔχω κύλικος τρύφος ἀμφὶς ἐαγός, ἀνδρῶν δαιτυμόνων ναυάγιον, οἷά τε πολλὰ πνεῦμα Διωνύσοιο πρὸς Ὕβριος ἔκβαλεν ἀκτάς. Choirilos F 9 Bernabé Reichtum von trockenem Land habe ich (wie) einen ringsum zerbrochenen Splitter eines Bechers,598 schmausender Männer Schiffbruch, wie viele (sc. Schiffbrüche) der Wind des Dionysos an die Küste des Übermuts hinausgeworfen hat. Innerhalb von drei Versen benutzt Choirilos vier Metaphern, die den eingangs erwähnten χέρσιν ὄλβον metaphorisch weiter ausdifferenzieren.599 Durch diese 592 Die Weg- und Wagenmetapher reicht in der Tradition weit zurück, aber bei Pindar wird die Metapher programmatisch (Asper 1997, 26 ff.; siehe auch Häussler 1976, 73, Anm. 158). Asper 1997, 23–26: Postulat einer lyrischen und Ablehnung einer epischen Tradition der Weg- und Wagenmetapher. Zur Wegmetapher einschlägig: Becker 1937, außerdem Nünlist 1998, 228–283. 593 πάντα δέδασται: Od. 15.412; παπταίνω: z.B. Il. 17.674; οὐδέ πῃ ἔστι: Il. 6.267 und Od. 12.433 (an derselben Position im Vers, allerdings mit einem anderen Prädikat: οὐδέ πηι εἶχον). 594 Das Wort δαίομαι wird in der Odyssee für „Fleisch zuteilen“ benutzt (z.B. Od. 15.140; 17.331 f.); siehe LSJ, s.v. δαίω. 595 Asper 1997, 48. 596 Lloyd-Jones/ Parsons 1983, 152 (SH 329) zweifeln, ob diese Verse nicht Choirilos von Iasos zuzuweisen sind, aber ohne weitere Begründung. Zuschreibung an Choirilos von Samos bei Huxley 1969, 23. Die Analyse der Verse soll die Zuschreibung an den Dichter aus Samos bestätigen. 597 Zum unsicheren Wort χέρσιν siehe S. 162 Anm. 599. 598 ἐαγός bezieht sich zwar auf τρύφος, logisch aber auf κύλικος. Die Enallage wurde in der Übersetzung nachgeahmt. 599 Das Wort χέρσινον hat Ebert anstelle des handschriftlich überlieferten χερσὶν (ὄλβον), das aus metrischen Gründen zu verwerfen ist, vorgeschlagen. Diese Variante, die neben vielen weiteren in Betracht gezogen wurde (cf. Bernabé 1978, 195, app. crit. ad F 9), würde nur eine geringe Veränderung des überlieferten Textes bedeuten und könnte mit einer Haplographie erklärt werden, da das folgende Wort ὄλβον ebenfalls mit ο beginnt und außerdem auch mit -ον endet. Wegen der unsicheren Überlieferung soll dieses Wort nicht für die Interpretation geltend gemacht werden, sondern nur eine kurze Diskussion der beiden

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Bilder schließt Choirilos nahezu philosophische Gedanken zum „Reichtum“ (ὄλβον) an. Die Attribuierung von ὄλβον (hier χέρσιν) ist unsicher. Aber der Kontext, in dem das Choirilos-Zitat bei Athenaios steht, legt nahe, dass der gesamte Duktus des Fragments und damit der dort genannte „Reichtum“ negative Bedeutung hat.600 Zunächst vergleicht Choirilos den Reichtum mit einem weiteren konkreten Gegenstand aus dem Alltag.601 Durch diesen alltäglichen Gebrauchsgegenstand setzt Choirilos seine Assoziation, die χέρσινον ὄλβον auslöst, in eine Ebene, die jedem bekannt sein dürfte. Der Ausdruck des Zerbrechlichen wird hier durch die Doppelung in der Enallage ἐαγός τρύφος („zerbrochener Splitter“) unterstrichen. Dabei haben die beiden Wörter nicht denselben Wortstamm, wodurch Choirilos eine variatio im Ausdruck und Verstärkung des Bildes erreicht. Die ganze Phrase κύλικος τρύφος ἀμφὶς ἐαγός wird aber gleichzeitig durch die Assonanz im Ausklang der vier Wörter betont (dreimal -ος und einmal -ις). Dadurch werden die Wörter akustisch als zusammengehörig gekennzeichnet. Choirilos weitet das Bild des Bruchstückhaften in der Phrase ἀνδρῶν δαιτυμόνων ναυάγιον (2) aus und überträgt es auf ein größeres Objekt. Dadurch wird die Assoziation des Scheiterns verstärkt und in eine weitere Bedeutungsebene transferiert. Während das Zerbrechen eines Tonbechers602 eine alltägliche Situation wiederspiegelt, die keine erheblichen Auswirkungen hat, kann ein Schiffbruch Menschenleben betreffen und steht damit für ein dramatisches Ereignis. Dadurch, dass es nicht nur „Schiffbruch“, sondern „schmausender Männer Schiffbruch“ (ἀνδρῶν δαιτυμόνων ναυάγιον) heißt, knüpft Choirilos an die vorhergehende Assoziationskette an. Denn auch der Becher gehört in den Kontext des Speisens. Einen fließenden Übergang zwischen den beiden Metaphern schafft Choirilos dadurch, dass der übereinstimmende Gedanke einer Mahlzeit im Ausdruck ἀνδρῶν δαιτυμόνων ναυάγιον zuerst steht. In diesem Bild verstärkt der Dichter den Gedanken der Hinfälligkeit durch die antithetische Nebeneinanderstellung der symposiastischen, ausgelassenen Situation der „schmausenden Männer“ (ἀνδρῶν δαιτυμόνων) und des fatalen „Schiffbruchs“ (ναυάγιον). Denn die Männer beim Mahl vermitteln Fülle, wie auch der Reichtum, aber sowohl der Schiffbruch als auch der zerbrochene Becher versinnbildlichen die Vergänglichkeit dieses Genusses. Die beiden Metaphern in der folgenden Sequenz (πνεῦμα Διωνύσοιο – „Wind des Dionysos“ und Ὕβριος ἀκτάς – „Küste des Übermuts“, 3) sind kreative Schöpfungen des genannten Varianten angefügt werden. χερσὶν wäre eine einfache Verstärkung des Verbs ἔχω und das Wort ὄλβον wäre nicht weiter klassifiziert. χέρσιν ὄλβον („Reichtum von trockenem Land“) konnotiert den Reichtum in einer negativen Weise. 600 Ath. 11.464 A (= Choirilos F 9 Bernabé) zitiert direkt vor Choirilos einen Ausspruch des Historikers Ktesias (FGrHist 688 F 40 Jacoby) mit dem Inhalt, dass jeder, der beim persischen König in Ungnade fiel, einen Tonbecher benutzte. 601 Hier liegt kein echter Vergleich vor, sondern nur als Prädikativum stellt Choirilos seinen Vergleichspunkt neben seinen Ausgangspunkt χέρσινον ὄλβον. Der Leser bekommt zwei Assoziationsbereiche vor Augen gestellt, muss aber die Brücke selber schlagen, also Leerstellen ausfüllen. Dies ist ein Merkmal des dichten, anspielungsreichen Stils des Choirilos. 602 Siehe S. 163 Anm. 600.

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Choirilos.603 Dabei ist „Dionysos“ im Zusammenhang mit der zuvor durch den Becher und die schmausenden Männer assoziierten Situation eines Gastmahls metonymisch als Wein zu verstehen. Im Ausdruck „Küste des Übermuts“ schwingt die Vorstellung mit, dass die ὕβρις der schmausenden und Wein trinkenden Männer für das Zerschellen der Schiffe am Strand verantwortlich ist. Im eben beschriebenen metaphorischen Bild steht zwar sachlich das Zerschellen der Schiffe im Vordergrund, aber durch die metonyme Nennung des Dionysos und die Erwähnung des personifizierten Übermuts bleibt Choirilos metaphorisch in der semantischen Ebene des Genusses, der zur Zerstörung führen kann. Der Bogen, den Choirilos spannt, reicht vom Reichtum über die Zerbrüchlichkeit von Tongeschirr, das Ausgeliefertsein von Schiffen bei Stürmen und endet beim Zerschellen derselben an der Küste. Insgesamt schwingt immer der Gedanke der Vergänglichkeit mit, steigert sich aber in der Dramatik der Metaphern und Vergleiche. Die einzelnen Bilder sind gedanklich ineinander verschlungen. Die negative Konnotation des gesamten Gedankengangs wirkt nahezu als Mahnung auf den Rezipienten, dass Reichtum keinen Bestand hat. Außerdem scheint Choirilos, vor der zuletzt genannten Ὕβρις zu warnen. Die ganze Aussage wird klanglich und stilistisch unterstrichen.604 Choirilos schafft durch Andeutungen und den metaphorischen Einsatz bestimmter assoziativer Begriffe ein Bild, das der Rezipient teilweise selbst ergänzen muss. In diesem Aspekt seines Stils stimmt er mit der Darstellungsweise des Timotheos überein.605 Choirilos verwendet eine einfache syntaktische Struktur. So finden sich in den erhaltenen Fragmenten keine Hyperbata, meistens stehen sogar Substantiv und zugehöriges Adjektiv direkt nebeneinander. In wenigen Fällen ist Nomen und Attribut durch eine Präposition getrennt.606 Choirilos benutzt außerdem viele zusammengesetzte und seltene oder sonst nicht bezeugte Adjektive.607 Wie an Fragment 9 gezeigt, geht er originell mit Metaphern um. Ein weiteres Zeugnis für seinen Ideenreichtum stellt der Vergleich eines samischen Schiffes mit einem Schwein dar.608

603 Beide Junkturen sind nicht bei LSJ belegt. West 1981, 105 weist daraufhin, dass πνεῦμα Διωνύσοιο auch bei Euenos 2.5 vorkommt. 604 Homoioteleuta (-ος, -ων, -α), Assonanzen (ἔκβαλεν ἀκτάς: Kombination von zwei Verschlusslauten). Alliteration beziehungsweise Assonanz mit π findet sich in V. 2–3. 605 S.o. 147 ff. 606 F 1, 1: Ἀσίης ἀπὸ γαίης; F 6, 3: πλατέῃ παρὰ λίμνῃ. ἀμφίς in F 9, 1, durch das τρύφος und ἐαγός getrennt wird, fungiert als Adverb. Die komplizierteste Satzstruktur begegnet in F 10 (ὅρκον δ᾽ οὔτ᾽ ἄδικον χρεὼν ἔμμεναι οὔτε δίκαιον), wo die parallelen Satzglieder ἄδικον und δίκαιον durch χρεὼν ἔμμεναι getrennt sind. 607 F 3, 1: ἀρεθούσας, V. 2: πολυσμήνοισι (hapax legomenon); F 5, 1: μηλονόμοι, V. 2: πυροφόρον; F 6, 4 αὐχμαλέοι und τροχοκουράδες; F 8 ὠκύπορος; F 9, 2 ναυάγιον (zusammengesetztes Substantiv). Siehe Huxley 1967, 27; Bernabé 1987, 192, app. crit. ad F 3. 608 Choirilos F 8 Bernabé: νηῦς δέ τις ὠκύπορος Σαμίη, συὸς εἶδος ἔχουσα. („aber irgendein schnelles samisches Schiff, das das Aussehen eines Schweines hat.“).

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Aufgrund dieses Befundes gewinnt Huxleys Vermutung,609 dass ein Fragment auf einem Papyrus des 2. oder 1. Jh. v. Chr., von Choirilos stammen könnte, an Plausibilität: ὡς δ᾽ ἁλιεὺς ἀκτῇ ἐν ἁλιρράντῷ ἐπὶ πέτρῃ ἀγ(κ)ίστρου δ᾽ ἕλικος δελεουχίδα610 μάστακ᾽ ἀείρας, ὧδ᾽ ... οὔ[ρ]αχος(?)611 ἐγ λο[φιῆς ἁ]παλὴν τρίχα [– vv] πῶυ. Aly, Mitteilungen aus der Freiburger Papyrussammlung I (1914), p. 9 wie aber ein Fischer an der See-benetzten Küste auf einem Felsen den köderhaltenden Mund des gewundenen Fischhakens hebt, so … ein Schaft(?) aus dem Nacken das weiche Haar [– vv] Herde(?)612. Wie in den anderen Fragmenten des Choirilos finden sich auch hier keine Hyperbata außer wiederum die Präposition ἐν zwischen Adjektiv und Substantiv. Ebenso werden zusammengesetzte, phantasievolle Adjektive benutzt (ἁλιρράντῷ, δελεουχίδα), der Vergleich ist ungewöhnlich. Der Stil des Choirilos ist gekennzeichnet von einer ausdrucksstarken, dichten und bildhaften Sprache, neuen Wortbildungen und vielen Vergleichen und Metaphern, die teilweise Assoziationsstränge offen lassen. Den metaphernreichen Stil eines nicht eindeutig benannten Choirilos hat bereits Aristoteles in seiner Topik bemängelt. Choirilos von Samos oder sein jüngerer Dichterkollege Choirilos von Iasos kommen hier als mögliche Identifikationspersonen in Frage: εἰς δὲ σαφήνειαν παραδείγματα καὶ παραβολὰς οἰστέον, παραδείγματα δὲ οἰκεῖα καὶ ἐξ ὧν ἴσμεν, οἷα Ὅμηρος, μὴ οἷα Χοιρίλος („für die Klarheit sind Beispiele und Vergleiche anzuführen, aber gängige und aufgrund derer wir (sc. besser) verstehen, wie Homer, nicht wie Choirilos sagt“; Aristot. Top. 157a14).613 Die vorherige stilistische Analyse der Fragmente des Choirilos von Samos macht eine Identifikation mit dem Samier plausibel.

609 Huxley 1969, 25 f. 610 Nach Huxley 1969, 25. Diskussion des Wortes bei Aly 1914, 11. 611 Diskussion dieses Wortes bei Huxley 1969, 26: „οὔραχος for οὐρίαχος would be odd, but possible. A doubtful variant οὔρακος is also attested by Pollux (Onom. 1.90) as the name given to the shaft of an oar, between handle and blade. If that is the intended meaning here, then the lines presumably describe a sea fight; one thinks of Salamis; […]. The confused fighting is reminiscent of the description of the Salamis battle in the Persae of Choirilos᾽ contemporary, Timotheos.“ 612 Aly 1914, 11: „πῶυ Herde [ist] ganz unsicher.“ 613 Dieses Testimonium wird auch teilweise dem Tragiker Choirilos zugewiesen, siehe LloydJones/ Parsons 1983, 151; 327.

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5.3 Die Wirkung des Choirilos auf die hellenistische und augusteische Dichtung In den von Choirilos verwendeten poetologischen Metaphern zeigt sich Ideenreichtum und Kreativität. Dieses Potenzial, poetologische Metaphern zu schaffen, erinnert an den Einsatz dichtungstheoretischer Bilder bei Kallimachos. Es bleibt aber nicht nur bei einer bloßen Ähnlichkeit, sondern eine Analyse des Textmaterials beweist, dass Kallimachos in der Nachfolge des samischen Epikers steht und explizit auf diesen Bezug nimmt. Im Folgenden wird ausgeführt, dass dabei an eine doppelte Reminiszenz zu denken ist. Denn einerseits setzt sich Kallimachos im Telchinenprolog der Aitien (F 1–1e Harder) mit dem Epos auseinander. Da Kallimachos sich von dieser poetischen Form distanziert, dient der Epiker in dieser Hinsicht als Negativfolie für den hellenistischen Dichter. Andererseits verwendet Kallimachos Metaphern, die intertextuelle Bezüge zu Choirilos erkennen lassen: Die poetische Großform, in der Choirilos sein Epos Persika dichtet, lehnt der hellenistische Dichter Kallimachos ab.614 Um sein poetologisches Programm zu verdeutlichen, benutzt er verschiedene Bilder. An zwei Stellen im Telchinenprolog seiner Aitien benennt er dabei Themen und Motive, die auf eine Auseinandersetzung mit beziehungsweise Distanzierung von der Dichtung des Choirilos hinweisen. .....]ο̣ν ἐπὶ Θρῄκας ἀπ᾽ Αἰγύπτοιο [πέτοιτο αἵματ]ι̣ Πυγμαίων ἡδομένη [γ]έρα[νος, Μασσα˼γ̣έ̣τ̣αι ˻κ˼αὶ μακρὸν ὀιστεύοιε̣ν ἐπ᾽ ἄνδρα Μῆδον]∙ ἀ̣η̣[δονίδες] δ̣᾽ ὧδε μελιχρ[ό]τεραι. ἔλλετε Βασκανίη˼ς ὀλοὸν γένος∙ αὖθι δὲ τέχνῃ κρίνετε,] ˻μὴ σχοί˼νῳ Περσίδι τὴν̣ σοφίην. Kall. Ait. F 1, 13–18 Harder […] zu Thrakern von Ägypten her soll, erfreut durch das Blut der Pygmäen, der Kranich fliegen, Massageten sollen über eine lange Distanz Pfeile auf den medischen Mann schießen; Nachtigallen615 sind auf diese Weise616 (honig)süßer. Geh fort, schädliche Brut von Baskania;617 jetzt aber beurteilt mit Können, nicht mit dem persischen Landmaß die Kunst.618

614 Im Telchinenprolog des Kallimachos geht es mehr um die Empfehlung und Befürwortung eines bestimmten Dichtungsstils als um eine Ablehnung allein der Gattung Epos. Siehe dazu: Harder 2012a, 6 ff., 10 f. (dort weitere Literaturangaben); weiterhin ebda., 2012, 32–34; Fantuzzi/ Hunter 2004, 69 f; Cameron 1992, 305 ff. und 1995, 263 ff. 615 Die Nachtigallen symbolisieren kleine Gedichte, wiederum im Gegensatz zum großen Kranich; Asper 2004, 67, Anm. 10; Harder 2012a, 48; Männlein-Robert 2007, 205 ff. 616 Mit ὧδε ist die Kürze gemeint, im Gegensatz zu der zuvor abgelehnten Länge von Gedichten; siehe Harder 2012a, 49. 617 Zur Bedeutung von Βασκανίη siehe Harder 2012a, 50 f. 618 Übersetzung in Anlehnung an Harder 2012, 117 f. und Asper 2004, 67.

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Kallimachos benutzt an dieser Stelle die Länge des Fluges des Kranichs (von Ägypten nach Thrakien) und den Kampf gegen die Pygmäen, um seine Ablehnung der poetischen Großform darzustellen. Genauso steht für dieses Genre die große Distanz, über die die Massageten619 schießen und das „persische Landmaß“620. Die Erwähnung von Blut (αἵματ]ι, 14) und Pfeilen (ὀιστεύοιεν, 15) deutet auf kriegerische und damit auch historische Stoffe. Die recusatio621 des Kallimachos beinhaltet aber nicht nur historische Stoffe, sondern es wird sogar explizit auf den Themenkreis der Perserkriege rekurriert (ἄνδρα Μῆδον, 15 f. und σχοίνωι Περσίδι, 18) und damit gerade die Thematik der Persika berührt. Dass Kallimachos dezidiert an die Persika des Choirilos dachte, halten zum Beispiel Huxley622 und Barigazzi623 für möglich.624 Eine weitere Sequenz des Telchinenprologs des Kallimachos erinnert an Motive aus dem Proöm des Choirilos. Dort unterstützt und ermahnt Apoll seinen Schützling Kallimachos: ʽπρὸς δέ σε] καὶ τόδ᾽ ἄνωγα, τὰ μὴ πατέουσιν ἅμαξαι τὰ στείβε˼ιν, ἑτέρων ἴχνια μὴ καθ᾽ ὁμὰ δίφρον ἐλ]ᾶ̣ν μηδ᾽ οἷμον ἀνὰ πλατύν, ἀλλὰ κελεύθους ἀτρίπτο]υ̣ς, εἰ καὶ στε˻ι˼ν̣οτέρην ἐλάσεις᾽. Kall. Ait. F 1, 25–28 Harder [Außerdem], ordne ich auch Folgendes an: was Lastwagen nicht befahren, das zu betreten, nicht entlang der gemeinsamen Pfade der anderen den Streitwagen zu führen, auch nicht auf einer breiten Straße, sondern auf unbetretenen Wegen, wenn du auch einen schmaleren befahren wirst.625 Kallimachos verwendet hier eine Metaphorik, die sich in ähnlicher Weise in F 2 des Choirilos findet.626 Der hellenistische Dichter vergleicht die von ihm abgelehnte Form mit einer ἅμαξα („Lastwagen“), während sein bevorzugtes Genre dem leichte619 Den Kampf der Massageten gegen Kyros beschreibt Herodot (Hdt. 1.201–14). 620 Wahrscheinlich 6 Kilometer, siehe Harder 2012a, 52. 621 Unter recusatio versteht man die seit hellenistischer Zeit formulierte „Ablehnung“ bzw. „Zurückweisung“ der epischen Großform und deren traditionellen Themen. Besonders wichtig wurde dieser Topos in der augusteischen Dichtung, z.B. Verg. Ecl. 6; Hor. Sat. 2, 1. Siehe auch Lyne 1995, 31–39; Schwinge 1986, v.a. 30 ff. 622 Huxley 1969, 15. 623 Barigazzi 1956, 179. 624 Harder argumentiert in ihrem Aitien-Kommentar vorsichtiger (Harder 2012a, 47, ad 1,15). Siehe auch Massimilla 1996, 210. Eine weitere Evidenz für die Zurückweisung langer, sperriger Dichtung durch Kallimachos liegt im Apollon-Hymnos vor (Kall. h. 2.105 ff.). Harder 2012, 34 geht davon aus, dass Kallimachos hier lange epische Gedichte, wie sie im 4. Jh. von Anaximenes von Lampsakos, Choirilos von Iasos, Antimachos von Kolophon und eben auch von Choirilos von Samos geschrieben wurden, zurückweist. 625 Übersetzung in Anlehnung an Harder 2012, 117 f. und Asper 2004, 67. 626 Text des F 2 s.o. 158 f.

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ren δίφρος („Streitwagen“, eigtl. „Wagenkasten“ (d.i. der obere Teil des Streitwagens, auf dem die Kämpfer standen)) entspricht.627 Auch Choirilos benutzt das Bild eines Wagens (ἅρμα – „Gespann, zweirädriger Streitwagen, Wagen zum Wettrennen“, F 2, 5). Mit diesem kann man die ἅμαξα des Kallimachos gleichsetzen. Denn Choirilos möchte ein ἅρμα beziehungsweise, mit Kallimachos gesprochen, eine ἅμαξα besteigen, aber mit einem anderen Inhalt (νεοζυγές, F 2, 5), d.h. er dichtet in der alten, wuchtig wirkenden Form des Epos. Dagegen benutzt Kallimachos eine andere Art von Wagen, verändert also die Gestalt der Dichtung.628 Während Choirilos die in früherer Zeit vorhandene dichterische Themenfülle mit einer „ungemähten Wiese“ (ἀκήρατος λείμων) vergleicht, spricht Kallimachos von „unbeschrittenen Wegen“ (κελεύθους ἀτρίπτο]υς629), die er und andere Dichter noch betreten können. Nun ist die „Wiese“ nicht genau deckungsgleich mit dem Weg. Die Idee, die hinter den beiden Bildern steht, ist aber ähnlich.630 So transportiert die Wiese das Bild einer abgesteckten Gattung, in der sich verschiedene Stoffe zum Dichten befinden. Die Wege lassen einen größeren Gestaltungsspielraum zu, da sie im Verlauf ihre Form verändern können.631 Das Areal, das zu einem Weg gehört, streckt sich zwar in die Länge, ist aber schmaler als eine Wiese. Somit stehen die Wege mehr für die Veränderbarkeit der Form und erinnern dadurch an die von Kallimachos gewählte, leichter wirkende Gestaltung seines Gedichts. Das Bild, das wir bei Choirilos finden und soweit wir es im fragmentarischen Zustand seiner Dichtung erkennen können, ist etwas einfacher gehalten, Kallimachos dagegen baut den Vergleich mehr aus. Er unterscheidet differenzierter zwischen den breiten, aber allen gemeinsamen Wegen (ἑτέρων ἴχνια ὁμὰ, οἷμον πλατύν), und den schmaleren, aber neuen Pfaden (κελεύθους ἀτρίπτο]υς, στεινοτέρην). Obwohl das Wortmaterial, das Kallimachos benutzt, gängig ist, ist die Bezugnahme auf Choirilos durch den Gebrauch gleicher Metaphern und zwar in beiden Fällen (Wagen und Weg/ Wiese) innerhalb von nur vier Versen evident, zumal beim Wagen der Weg mitassoziiert wird.632 Von daher ist die Annahme, dass hier eine explizite Reminiszenz an den samischen Epiker vorliegt, plausibel. Asper weist des Weiteren darauf hin, dass Kallimachos durch die Art und Weise, wie er seine komplexe Wegmetapher im Telchinenprolog in einem Zusammenhang mit anderen an sich inkompatiblen poetologischen Bildern darbietet, an Choirilos erinnert.633 Denn dieser präsentiert in ähnlicher 627 Harder 2012a, 64, zu ἅμαξαι: „Already in early epic the noun refers to heavy waggons, which could be used for transport (as in e.g. Od. 9.241; 10.103) and are quite the opposite of the light δίφρος.“ 628 Huxley 1969, 16. 629 Die Ergänzung ἀτρίπτο]υς zu κελεύθους ist gut belegt, siehe Harder 2012a, 66 f. 630 Wimmel 1960, 110. 631 Zum Weg als Metapher des Fortschritts, der Verhinderung, des Sonderwegs oder der Diskontinuität in der deutschen Poetik und Literaturgeschichte siehe die Textsammlung von Schröder/ Bonath 1995; siehe auch Kohl 2007, 611 f. 632 Nünlist 1998, 257. 633 Asper 1997, 62.

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Weise im F 2 Metaphern aus verschiedenen Assoziationsbereichen („Vegetations-, Speise-, Handwerks- und Wagenmetaphorik“). Das heißt, nicht nur im Gebrauch der poetologischen Bilder liegt eine Reminiszenz an den Epiker vor, sondern auch in der Kombination verschiedener Metaphern.634 Dass Choirilos nicht nur auf die hellenistische Dichtung gewirkt hat, sondern darüber hinaus die augusteische Literatur beeinflusst hat, zeigte bereits Hollis.635 So benutzt Properz in 3.1.13–14 eine Metaphorik, die nicht nur eine Reminiszenz auf Kallimachos erkennen lässt, sondern die in ihrer Andersartigkeit gegenüber dem hellenistischen Dichter darauf schließen lässt, dass Properz hier intertextuell auch Bezug auf Choirilos nimmt: quid frustra missis in me636 certatis habenis? non datur ad Musas currere lata via. Prop. 3.1.13–14 (Fedeli) Weshalb tretet ihr vergeblich mit verhängten Zügeln zum Wettkampf gegen mich an? Es wird keine breite Bahn dafür bereitgestellt, um die Wette zu den Musen zu rennen. Die Wendung lata via ist als Reminiszenz an die Wendung aus Kallimachos᾽ Aitien οἷμον ἀνὰ πλατύν (F 1, 27)637 zu werten.638 Die Assoziation an einen Wettkampf im Wagenrennen allerdings kommt in der Weise nicht im Telchinenprolog vor, sondern lässt einen Bezug auf Choirilos F 2, 4–5 vermuten.639 Darüber hinaus stellt das Phänomen der Bildermischung, das bereits bei Choirilos vorzufinden ist,640 ein signifikantes Element der properzischen Dichtung dar (z.B. 3.1). Diese intertextuellen Bezüge deuten auf eine Orientierung des augusteischen Dichters Properz an Choirilos hin. Auch die Kombination der Metaphern, die Properz in 3.3641 verwendet, erinnert an Choirilos: mollia sunt parvis prata terenda rotis; („Über weiche Wiesen müssen kleine Räder rollen.“, Prop. 3.3.18 (Fedeli)). Die „Räder“ (rotis) stehen pars pro toto für den Wagen. Somit verbindet Properz hier Wiesen- und Wagenbild. Diese beiden Metaphern sind auch Elemente des Proöms des Choirilos (Choirilos F 2, 2 u. 5 Bernabé). Dabei führt Properz die beiden Komponenten zusammen, die bei 634 Das Bild vom Weg und Wagen als poetologische Metapher hat eine lange Tradition, die Art und Weise der Kombination und Verwendung dieser Bilder kann aber bei verschiedenen Autoren als spezifisch herausgestellt werden: Asper 1997, 21 ff.; Häussler 1976, 73, Anm. 158. S.o. 160. 635 Hollis 2000, 13–15. 636 Text nach Fedeli 2006, 143. 637 S.o. 167. 638 Fedeli 1985, 64 f. 639 Hollis 2000, 14. 640 S.o. 161 f. 641 S.o. 159 f.

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Choirilos noch nicht in einem direkten Zusammenhang standen. Beim römischen Dichter fährt jetzt der Wagen über die Wiese, beim Samiker standen die Bilder noch lose nebeneinander. Die „kleinen Räder“ (Prop. 3.3.18) erinnern dabei an den δίφρος des Kallimachos. Auch die Wiese kennzeichnet hier die kleine Form und nicht die Gattung Epos wie bei Choirilos, da sie einerseits von einem entsprechenden, kleinen oder leichten Gefährt befahren wird und andererseits mit dem Attribut „weich“ versehen wird. Somit führt Properz die Bilder, die Choirilos präfiguriert hat, fort, aber deutet sie in seinem Sinne um. Somit entsteht eine Kontrafaktur zu Choirilos. In den recusationes642 der augusteischen Dichter befindet sich unter den zurückgewiesenen Themen auch die griechische historische Epik über die Perserkriege. Wiederum Properz erwähnt in 2.1.22 den Landdurchstich der Halbinsel Akte (Chalkidike), den Xerxes zur Vorbereitung seines Feldzuges gegen die Griechen im Jahr 480 v. Chr. vornehmen ließ:643 Xerxis et imperio bina coisse vada. („und dass auf Befehl des Xerxes zwei Meere zusammenflössen“). Diesen Bau des Athoskanals nennt auch Manilius im 3. Buch seiner Astronomica neben der von Xerxes vorgenommenen Überbrückung des Hellespont als abzuweisendes Thema für seine Dichtung (3.19–21).644 Goold und van Wageningen weisen in ihren Kommentaren zu den Astronomica auf Choirilos hin, der diese historische Begebenheit in seinem Epos behandelt hat.645 Diese Referenz gibt ebenso Enk in seinem Kommentar zum zweiten Buch des Properz an.646 Diesem Befund nach zu urteilen,647 scheint Choirilos der einzige griechische Literat gewesen zu sein – soweit unsere Kenntnis des griechischen historischen Epos reicht –, der diesen Stoff in epischer Form behandelt hat. Möglicherweise hat auch Vergil in der Präsentation seiner Heereskataloge (Aen. 7.641–817 und 10.166–212) den samischen Epiker (F 3, 5 und 6) vor Augen gehabt.648 Diese Vermutung lässt sich vor allem daran festmachen, dass im Heereskatalog der Aeneis vergleichbare Details auftauchen wie in den Fragmenten des Choirilos. Insofern ist die Vermittlung der Bilder, Metaphern und Themen, die Choirlios in seiner Dichtung benutzt, zumindest über den hellenistischen Dichter Kallimachos, an die römische Avantgarde anzunehmen, im Falle von Properz 3.1.13–14 scheint sogar eine direkte intertextuelle Bezugnahme vorzuliegen. Dieser Befund zeugt von der Wirkmacht des Dichters Choirilos, von dem lediglich um die 20 Verse auf uns gekommen sind, der aber wahrscheinlich selbst die augusteische Literatur noch beeinflusst hat. Sein Werk scheint von solcher Bedeutung gewesen zu sein, dass auch die römischen Dichter (des Prinzipats) sich mit ihm in ihren Werken auseinandersetzten. 642 S.o. 167, Anm. 621. 643 Flach 2011, 30. 644 Als dritte Referenz nennt Hollis 2000, 14 den pesudo-vergilischen Culex (30–34), in dem diese Ereignisse als Negativfolie für die eigene Dichtung erwähnt werden. 645 Goold 1977, 164 f. Van Wageningen 1921, 161. 646 Enk 1962, 20. 647 Außerdem wurde Ziegler 1934, 11 ff. geprüft. 648 Hollis 2000, 14 f.

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5.4 Der Umfang seiner Dichtung Choirilos stellt in Fragment 1 seines Gedichts die Größe seines Themas heraus. Er möchte einen „großen Krieg“ (πόλεμος μέγας, F 1, 2) besingen. Die Bedeutsamkeit seines Gegenstandes bekommt auch dadurch Gewicht, indem er nicht einfach von Griechen und Barbaren spricht, die einen Konflikt austragen, sondern ganze Kontinente, Asien und Europa, einander gegenüberstellt (F 1, 1–2). Auch Herodot und Thukydides haben in ihren Proömien die Wichtigkeit und die Bedeutung des zu behandelnden Themas hervorgehoben.649 Choirilos bereitet somit das Sujet seines Epos zweifach vor. Denn zum einen wirbt er, wie gerade beschrieben, für seinen Gegenstand, indem er dessen Bedeutsamkeit betont. Zum anderen kokettiert er in F 2650 damit, wie schwer seine Stoffsuche war. Choirilos motiviert also sein Vorhaben, ein Epos über zeitnahe historische Ereignisse zu schreiben mit rhetorischem Geschick. Der „große Krieg“, der von Asien nach Europa kam (F 1), bezeichnet die Perserkriege.651 Die in den Testimonien teilweise differierenden Bezeichnungen für dieses Epos haben zu einer Forschungskontroverse betreffs des Umfangs des von Choirilos behandelten Stoffes geführt. Ein Papyrus bietet für dieses Werk drei verschiedene Titel: Βαρβαρικά, Μηδικ, Περσικά.652 Es gibt vier Möglichkeiten, die Angabe im Oxyrhynchus-Papyrus zu lesen:653 Entweder bezeichnen diese drei Namen drei verschiedene Werke oder es kursierten drei verschiedene Namen für dasselbe Werk oder – was ungefähr auf dasselbe hinausläuft – die drei Titel bezeichnen verschiedene Sequenzen eines Werkes. Eine vierte Möglichkeit haben Lloyd-Jones und Parsons654 vorgeschlagen: carmina barbarica, id est Medica et Persica. Das würde bedeuten, dass Βαρβαρικά als übergeordnete Angabe zu verstehen sei, die durch Μηδικ und Περσικά spezifiziert wird. Die communis opinio in dieser Frage ist, dass die drei überlieferten Titel Alternativen für ein und dasselbe Werk sind und nicht drei verschiedene Gedichte benennen.655 Weitere Bezeichnungen sind Περσηίς bei Stobaios656 und ἡ Ἀθηναίων νίκη κατὰ Ξέρξου („Der Sieg der Athener gegen Xerxes“) in der Suda657. Die Diskussion betraf die Frage, ob das Epos des Choirilos nur den Xerxes-Zug umfasste, wie der Titel in der Suda vermuten lässt, oder auch die davorliegenden Auseinandersetzungen zwischen Griechen und Persern unter Dareios. Die Tendenzen in der Forschung gehen dahin, dass Choirilos, wie eben der 649 Hdt. 1, Proöm; Thuk. 1.1. 650 S.o. 158 ff. 651 Den Titel seines Werkes Περσικά, wie er auch in der Fragmentsammlung Bernabés 1987, 191 abgedruckt wird, überliefert P. Oxy. 1399 saec. II/III, primum edid. Grenfell-Hunt (= Choirilos T 6 Bernabé) und Herodian π. μονήρους λέξεως 13 (II 919, 28 Lentz) (Test. ad F 3 Bernabé). 652 P. Oxy. 1399 saec. II/III, primum edid. Grenfell-Hunt = Choirilos T 6 Bernabé. 653 Siehe MacFarlane 2006, 16, Anm. 6. Siehe auch app. crit. ad T 6 Bernabé. 654 Lloyd-Jones/ Parsons 1983, 146 (SH 314). 655 Powell 1925, 250; Huxley 1969, 14–15; siehe MacFarlane 2006, 16, Anm. 6. Reichel 2011, 75. 656 Stob. 3.27.1 (III 611, 1 Wachsmuth/ Hense). 657 Sud. χ 595 Χοιρίλος Adler = Choirilos T 1 Bernabé.

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dreifache Titel im Papyrus nahelegt, nicht nur den Xerxes-Feldzug behandelt habe, sondern auch den Perserkrieg unter Dareios und vielleicht sogar, ähnlich wie sein Vorbild Herodot, generell orientalische Völker, also Βαρβαρικά, dargestellt habe.658 Einen weiteren Hinweis über den Umfang des Epos gibt der Kontext zu einem Zitat aus den Persika. In diesem Fragment, das bei Strabo überliefert ist,659 beschreibt Choirilos das Volk der Saker, skythischer Nomaden.660 Strabo leitet das Zitat folgendermaßen ein: καλεῖ δὲ (sc. Ephorus)661 καὶ Χοιρίλον, εἰπόντα ἐν τῇ διαβάσει τῆς σχεδίας, ἣν ἔζευξε Δαρεῖος („Ephoros nennt auch Choirilos, als er bei der Überschreitung der Schiffsbrücke, die Dareios geschlagen hatte, sagt usw.“, Strab. 7.3.9). Die Differenz zwischen dieser Aussage und dem in der Suda überlieferten Titel des choirilianischen Epos, „Sieg der Athener über Xerxes“ (τὴν Ἀθηναίων νίκην κατὰ Ξέρξου; Sud. χ 595 Χοιρίλος Adler = Choirilos T 1 Bernabé), hat zu der Annahme geführt, dass ein Versehen entweder Strabos oder schon seiner Quelle Ephoros vorliege und eher die von Xerxes gebaute Schiffsbrücken über den Hellespont gemeint seien.662 Im Sinne der oben angeführten Interpretation des dreifachen Titels des choirilianischen Epos im Oxyrhynchus-Papyrus663 spricht nichts dagegen, dass auch die Brücke des Dareios über den Bosporus, die auch Herodot (4.88) erwähnt, gemeint sein könnte.664 Demnach hätte Choirilos sein Perserthema breit angelegt und es ist damit zu rechnen, dass sein Epos umfangreich war. Dafür spricht auch, dass Kallimachos wahrscheinlich unter anderem auch an das Epos des Choirilos dachte, wenn er sich im Telchinenprolog gegen die poetische Großform ausspricht. In verschiedenen Fragmenten finden sich Beschreibungen von Truppenkontingenten und geographische Angaben. In Fragment 6 wird zum Beispiel ein weiteres Volk, wohl eine Abteilung des persischen Heerverbandes (τῶν δ᾽ ὄπιθεν – „bei den Hinteren“, 1) ausführlich beschrieben: τῶν δ᾽ ὄπιθεν διέβαινε γένος θαυμαστὸν ἰδέσθαι, γλῶσσαν μὲν Φοίνισσαν ἀπὸ στομάτων ἀφιέντες, ᾤκευν δ᾽ ἐν Σολύμοις ὄρεσι πλατέῃ παρὰ λίμνῃ, αὐχμαλέοι κορυφάς, τροχοκουράδες∙ αὐτὰρ ὕπερθεν ἵππων δαρτὰ πρόσωπ᾽ ἐφόρευν ἐσκληκότα καπνῷ. Choirilos F 6 Bernabé

658 Drews 1970, 189 f.; MacFarlane 2006, 17 ff.; Huxley 1969, 14 f. 659 Strabo 7.3.9. 660 Choirilos F 5 Bernabé: μηλονόμοι τε Σάκαι, γενεῆι Σκύθαι∙ αὐτὰρ ἔναιον | Ἀσίδα πυροφόρον∙ νομάδων γε μὲν ἦσαν ἄποικοι, | ἀνθρώπων νομίμων. („und ziegenhütende Saker, vom Geschlecht her Skythen; sie bewohnten aber das weizen-tragende Asien; sie waren freilich Kolonisten von Nomaden, von rechtschaffenen Menschen.“). 661 FGrHist 70 F 42. 662 Cf. app. test. ad F 5 Bernabé; Radt 2007, 261, ad 303.3. 663 P. Oxy. 1399 saec. II/III, primum edid. Grenfell-Hunt = Choirilos T 6 Bernabé. 664 Huxley 1969, 17. MacFarlane 2006, 17 ff.

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bei den Hinteren aber schritt ein wundersam anzuschauendes Volk, sie ließen Phönizisch aus ihren Mündern erklingen, und wohnten in den Solymischen Bergen bei einem breiten See, sie waren struppig an den Köpfen, ringsum geschoren; aber darüber trugen sie die abgezogene Haut von Pferdeköpfen, die durch Rauch getrocknet war. Dieses Fragment wird gemeinhin als Teil eines Katalogs der den Griechen feindlichen Kontingente interpretiert, wie es auch im Werk Herodots derartige Heereskataloge gibt (Hdt. 7.61–99).665 Häußler (1976)666 und Huxley (1969)667 haben versucht über intertextuelle Bezüge zu Herodot und Homer dieses Volk genauer zu identifizieren, aber ohne weiteren Gewinn für den Plot der Persika. Weitere geographische Angaben finden sich in Fragment 3,668 4,669 und 7.670 Choirilos hat sich demnach wohl inhaltlich vor allem an Herodot orientiert und blieb in der Form des homerischen Großepos.671 Seine Leistung besteht also darin, Geschichtsschreibung in ein Epos zu transferieren. Fragment 7 der Sammlung Bernabés stammt aus einem Scholion zu Apollonios Rhodios 1, 211. Dort werden die Boreassöhne Zetes und Kalais kommentiert. Diese hat die Erechtheustochter Oreithyia mit Boreas gezeugt, nachdem er sie geraubt hat665 666 667 668

MacFarlane 2006, 23, Huxley 1969, 16 ff. Häußler 1976, 70 f. Huxley 1969, 17–20. Choirilos F 3 Bernabé: περὶ δὲ κρήνας ἀρεθούσας | μυρία φῦλ᾽ ἐδονεῖτο πολυσμήνοισι μελίσσαις | („um ‚Arethusaʻ-Quellen aber schwirren unzählige Völker, Bienen in vielen Schwärmen gleich“). Die Phrase κρήνας ἀρεθούσας wurde mit „Arethusa“-Quellen übersetzt. Die Wendung, die im Griechischen steht, kann nicht adäquat wiedergegeben werden. ἀρεθούσας bezieht sich als Adjektivattribut auf κρήνας und muss wohl als Partizip zu einem Verb ἀρέθω verstanden werden (siehe LSJ, s.v. Ἀρέθουσα). Ein Wort ἀρέθω erwähnt ebenfalls Herodian π. καθολ. προσωιδ. 16 (I 440, 9 Lentz), das er aber nicht weiter erläutert. Eine etymologische Erklärung des Namens Arethusa gibt Stephanos von Byzanz: Ἡρακλέων δὲ ὁ Γλαύκου τὴν αὐτὴν ὑπομνηματίζων φησίν ῾ἄρω ἐστὶ τὸ ποτίζω ... ἀφ᾽ οὗ πᾶσα κρήνη ἐπιθετικῶς οὕτω λέγεται᾽ („Herakleon, der Sohn des Glaukos erwähnt dieselbe und sagt: ἄρω ist das ‚tränken, zu trinken gebenʻ… weshalb jede Quelle mit Beinamen so genannt wird.“; Steph. Byz. s.v. Ἀρέθουσα (A 410; 1, p. 248 f. Billerbeck)). Insofern, wenn man dieser Erklärung glauben mag, könnte man „Wasser spendende Quellen“ übersetzen. Wenn der Ausdruck κρήνας ἀρεθούσας „Arethusa-Quellen“ heißen soll und nicht unspezifisch „Wasser spendende Quellen“, dann ist diese Quelle in Sizilien am Hafen von Syrakus zu verorten. 669 Schol. Bern. zu Verg. Georg. 1.482 (212 Hagen) = Choirilos F 4 Bernabé: Ein Scholiast von Vergils Georgica erwähnt, dass Choirilos den Fluss Eridanos in Gerania lokalisiert, das ist ein Gebirge zwischen Korinth und Megara (ubi enim Eridanus sit, multi errant … Choerilus in Gerania [sc. esse adfirmat] – „[darüber)], wo der Eridanos sei, irren viele … Choirilos behauptet, dass er in Gerania sei“). 670 In einem Scholion zu Apollonios Rhodios (Schol. Apoll. Rhod. 1, 211/5c [26, 16 Wendel] = Choirilos F 7 Bernabé) wird erwähnt, dass Choirilos den Raub der Oreithyia an die Quellen des Kephisos setzt, der in der Ebene von Athen fließt. 671 MacFarlane 2006, 21 f. Bethe 1899, 2360.

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te. Der Scholiast zählt verschiedene Varianten auf, wo Oreithyia geraubt wurde. Dabei nennt er auch Choirilos, der berichtet, dass sie geraubt wurde, als sie ὑπὸ τὰς τοῦ Κηφισοῦ πηγάς („an den Quellen des Kephisos“) Blumen pflückte. Offensichtlich hat Choirilos an irgendeiner Stelle seines Werkes – dass es mehrere, aber nicht bezeugte Werke als die Persika gegeben haben könnte, ist hierbei nicht auszuschließen – die Geschichte, dass Oreithyia von Boreas geraubt wurde, erwähnt. Ob dies nur für einen geographischen Zweck gedient hat, etwa dass er zur Kephisos-Quelle eine weitere Information liefern wollte, oder ob er ähnlich wie sein Vorgänger Herodot eine Frauenraubsgeschichte oder -geschichten in seinem Werk platzierte, kann nicht mit Sicherheit beantwortet werden. Ebenso bleibt unklar, ob Choirilos den Frauenraub der Oreithyia als allgemein bekanntes Sagengut anführte oder in dezidierter Reminiszenz an Herodot, zumal die Persika nicht datiert werden können. Die Geschichte wird bei Hdt. 7.189 erwähnt. Falls Choirilos nun Bezug auf Herodot nehmen wollte, ist nicht auszuschließen, dass er auch darin dem Historiker folgte. Dem Choirilos wurde darüber hinaus die Abfassung von Briefen, Epigrammen und Komödien zugeschrieben.672 5.5 Fazit: Choirilos als origineller Epiker Der Epiker Choirilos von Samos war sich seiner Neuerung sehr bewusst. Er macht sie als solche für den Rezipienten erkennbar, indem er sich ihm in seinem Proöm empfiehlt und sein neuartiges Thema der Persika vorbereitet. Seine Erfindung besteht darin, dass er formal in der Nachfolge Homers bleibt, also ein Großepos schreibt, aber diese alte Form mit neuem Inhalt füllt. Die von ihm behandelte Perserthematik beinhaltete dabei wahrscheinlich nicht nur die Auseinandersetzungen der Griechen mit Xerxes, sondern auch den früheren Perserkrieg unter Dareios und eventuell sogar eine Geschichte orientalischer Völker. Darin orientierte er sich wohl an Herodot. Mit der Thematisierung der Perserkriege wählt er zwar kein völlig neues Sujet. Denn diese wurden bereits in der ersten Hälfte des 5. Jh. v. Chr. zum Beispiel von Aischylos literarisch verarbeitet. Aber er ist der erste, der zeitnahe historische Ereignisse in die Gattung Epos transferiert. Er integriert in eine konventionelle Form ein Thema, das bis zu diesem Zeitpunkt nur in anderen literarischen Gattungen vorkam. An den überlieferten Fragmenten seiner Dichtung ist weiterhin ersichtlich, dass er eine Vorliebe für kreative, ausdrucksstarke, teilweise schwer zu verstehende Metaphern hat und diese auf dichtem Raum verwendet. Dabei schuf er neue Assoziationszusammenhänge und poetologische Bilder, die noch für die Folgezeit maßgeblich sein sollten. In hellenistischer und augusteischer Dichtung finden sich ähnliche Metaphernzusammenstellungen und Vorstellungen wie bei ihm. Choirilos von Samos fügt sich demnach in seiner Bereitschaft, zu experimentieren, Gattungskonventionen aufzubrechen und originelle Ausdrucksweisen zu kre-

672 ῾Eudoc.᾽ Viol. 1012 (742 Flach) = Choirilos T 2 Bernabé.

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ieren, gut in die Dichterkonstellation, die sich bei Archelaos in Makedonien eingefunden hat, ein.673

6. Zeuxis Der Maler Zeuxis nimmt in der Untersuchung der Intellektuellen-Avantgarde um den makedonischen König eine Sonderrolle ein, da er nicht Texte, sondern Gemälde produzierte. Da von ihm keine Bilder erhalten sind, ist man auch bei ihm auf literarische Zeugnisse angewiesen. In diesen Quellen finden sich Beschreibungen seiner Gemälde, seiner Maltechnik und Reaktionen auf seine künstlerischen Produkte.674 Merkmale seiner Kunst, die in den Quellen immer wieder genannt werden, sind seine akribische Malweise und seine innovativen Bildsujets. Als speziell seine Erfindung nennt Quintilian die Schattenmalerei.675 Als idealisierend beschreibt Aristoteles seinen Malstil. Besondere Aufmerksamkeit gebührt in dieser Untersuchung dem Gemälde eines Pan, das Zeuxis seinem Gastgeber Archelaos geschenkt haben soll. 6.1 Pan als Geschenk für Archelaos Plinius berichtet, dass Zeuxis dem makedonischen König Archelaos ein Panbild geschenkt habe.676 Pan ist ein dämonisches Mischwesen und wird normalerweise bocksköpfig und bocksbeinig dargestellt.677 So ist zu erwarten, dass er auch auf dem Bild des Zeuxis mit derartigen Attributen abgebildet wurde. In seiner Gesellschaft befinden sich häufig Nymphen sowie Silene und Satyrn.678 In dieser Konstellation ist er auch im Gefolge des Dionysos zu finden. Daneben wird er mit Gesang und Tanz in Verbindung gebracht und gilt als Erfinder der Syrinx (Pan-Flöte). Sein prominentester Funktionsbereich stellt der Schutz der Hirten dar, wovon unter anderem die bukolischen Gedichte Theokrits zeugen. Seine Bedeutung als gefährlicher und Schrecken verbreitender Gott soll für den Zusammenhang mit Archelaos näher beleuchtet werden. Als gefährlicher Mittagsdämon verbreitet er die sprichwörtliche „panische“ Angst und Schrecken.679 Dies ist wohl aus einer Erfahrung des Hirtenlebens abgeleitet. Schafe können unvermittelt in Panik geraten und, losgelöst von der Herde, verhungern oder einen Abhang herunterstürzen und so den Tod finden. Ein ähnliches Phänomen, das bei Kriegsheeren, die plötzlich in Unruhe gerieten, beo-

673 S.u. 182 ff. 674 Alle literarischen Quellen zu Zeuxis haben Kansteiner etc. im Neuen Overbeck (DNO) gesammelt und kommentiert. 675 Quint. 12.10.4–5 = DNO 1753. 676 Plin. Nat. hist. 35.62 = DNO 1710 = DNO 1728. 677 Nielsson 19673, 232–236. Robert 2008, 539. Siehe auch Herbig 1949. 678 Siehe auch den homerischen Hymnos auf Pan (Hom. H. 19). 679 Männlein-Robert 2013b, 149 f.

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bachtet wurde, schrieb man ebenfalls dem Hirtengott zu.680 Letztere kriegerische Funktion wird im Zusammenhang mit dem Pangemälde relevant. Münzfunde aus Makedonien mit Panabbildungen vom Beginn des 4. Jh. v. Chr. dokumentieren, dass dieser Gott dort bereits in klassischer Zeit verehrt worden ist.681 Auch in der Folge, vor allem in hellenistischer Zeit nahmen Herrscher Bezug auf den Gott Pan. So berichtet ebenfalls Plinius (Nat. hist. 35.106 = DNO 3019), dass der Maler Protogenes (Ende 4. Jh.) Alexander d. Gr. mit Pan gemalt habe.682 Bei den Antigoniden (von Demetrios Poliorketes bis zu Philipp V.) ist eine besondere Vorliebe für diesen Gott erkennbar. Bildliche Nachweise, Statuetten, Münzprägungen, aber auch literarische Zeugnisse, zeigen eine Verbindung von Pan und dem jeweiligen Herrscher.683 Die Verehrung Pans durch den Sohn des Demetrios Poliorketes, Antigonos Gonatas (319–239 v. Chr.), ist am besten belegt.684 Darunter finden sich Standbilder von Antigonos Gonatas, auf denen er sich mit den Attributen Pans, also mit Bockshörnern abbilden ließ.685 Es lässt sich also eine Tradition der Pan-Verehrung von den makedonischen Königen des 5. Jh. über Alexander d. Gr. zu den hellenistischen Herrschern, besonders den Antigoniden und Ptolemäern nachzeichnen. Bei der Bezugnahme standen dabei die militärischen Fähigkeiten dieses Gottes im Vordergrund.686 Vom Eingreifen Pans bei der Schlacht von Marathon, das den Athenern den Sieg einbrachte, berichtet Herodot (Hdt. 6.105). Pan verbreitete Schrecken. Ebenso soll er Antigonos Gonatas zu seinem Sieg über die Kelten bei Lysimacheia in Thrakien 277 v. Chr. verholfen haben. Die hellenistischen Herrscher haben diesen als Helfer in der Schlacht verehrt und sich durch die Assimilation an diesen Gott auf Bildern und Statuen dessen Eigenschaften zugeschrieben, um ihre militärische Über-

680 Wernicke 1897–1909, 1388–1390. 681 Die früheste Münze mit einem jugendlichen Pankopf stammt aus der Regierungszeit Amyntas᾽ II. um 390 v. Chr.: Wernicke 1897–1909, 1366 f. 682 Laubscher 1985, 339 zieht in Erwägung, dass Demetrios Poliorketes dieses Bild veranlasst habe, um eine Tradition der Verehrung/ Identifizierung mit Pan von Alexander her zu begründen. In DNO (Kommentar zu DNO 3019) wird aber auch eine frühere Anfertigung zur Zeit Alexanders oder der Diadochen für möglich gehalten, da die Affinität der Makedonen zu Pan schon früher bezeugt ist. Siehe auch Stewart 1993, 286 f. 683 Laubscher 1985, 336 ff. 684 Laubscher 1985, 340–344, mit Anm. 40. Unter den Zeugnissen findet sich ein Hymnos auf Pan des Dichters Arat (SH 358). Barigazzi 1974, 221–246 hat dieses Gedicht Arat, einem Dichter im Umfeld des Antigonos Gonatas, zugeschrieben, der darin dessen Sieg über die Galater (277 v. Chr.) gefeiert haben soll. Siehe Laubscher 1985, 340; Stewart 1993, 287. Durch die Zuweisung eines Fragments, das eine derartige Schlacht thematisiert, an dieses Gedicht, wird der Sieg des Antigonos Gonatas 277 als Gedichtanlass plausibel. Falls die Zuschreibung des Gedichts an Arat stimmt, und der Anlass der Schlacht, fände sich hierin ein weiteres Zeugnis der literarischen Verarbeitung Pans als Schlachtengott in einem Hymnos neben der reichen Präsentation desselben als Hirtengotts in bukolischen Gedichten (besonders Theokrits). 685 Laubscher 1985, 340 ff. mit Abb. 66/67. 686 Laubscher 1985, 339 ff. Siehe auch Marquardt 1995, 309 ff.

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legenheit über Rivalen zum Ausdruck zu bringen.687 Archelaos bekam also gerade ein Bild dieses gefährlichen, kriegerischen Gottes geschenkt, wodurch er sich selbst als gefährlich und kriegerisch präsentiert. Eine Beziehung zwischen Herrscher und Gott generell wurde auf Abbildungen eines Gottes zum Beispiel auf Münzen, auf ikonographischen und plastischen Darstellungen eines Königs mit einem Gott oder als Gott oder in Apotheosen hergestellt.688 Regelrechte Herrscher-Kulte bis hin zur Vergöttlichung des Machthabers treten ab den makedonischen Königen Amyntas III. und Philip II., besonders aber bei Alexander d. Gr. auf und werden in der hellenistischen Epoche und in der Kaiserzeit zum herrschaftskonstituierenden Element.689 Demnach war die bildliche, numismatische oder plastische Präsentation von König und Gott oder von König als Gott ein besonderes Charakteristikum dieser Zeit. Durch die Bezugnahme des Herrschers auf religiöse Identifikationsfiguren und Kulte überschritt dieser die Grenze des menschlichen Bereichs in die Sphäre der Götter und näherte sich damit selbst dem Göttlichen an. Durch eine derartige Präsentation seiner Person konnte der Herrscher erstens seine Position und zweitens Maßnahmen, die er durchführen wollte, legitimieren. Außerdem nahm er die Attribute und Charakteristika des Gottes für sich in Anspruch. Durch das Bild des Gottes Pan schrieb sich Archelaos dessen Eigenschaften zu. Er stilisierte sich als ein König, der den Schutz und die Hilfe Pans in Anspruch nehmen konnte. Dadurch wirkte er Schrecken verbreitend und gefährlich auf Rivalen. Er demonstrierte seine militärische Überlegenheit. Wenn dem Bericht Aelians (Ael. Var. hist. 14.17 = DNO 1721) geglaubt werden kann, ist es plausibel, dass dieses Bild auch öffentlich zu sehen war. Denn Aelian kritisiert Archelaos, indem er behauptet, es kämen viele Leute nach Makedonien, aber nicht um des Königs willen, sondern um sein reich ausgeschmücktes Haus, seinen Palast zu besichtigen. Der Bericht des Plinius über das Geschenk eines Pan-Bildes an Archelaos stellt also einen der frühesten Belege für die Referenz der makedonischen Könige auf Pan dar.690 Es ist das erste ikonographische Zeugnis für diese Verbindung. Dadurch kommt Archelaos in der Tradition der Panverehrung eine besondere Rolle zu. Da das Sujet der Abbildung in Makedonien prominent war und Zeuxis ein bekannter Maler war,691 hatte das Bild wahrscheinlich eine starke Breitenwirkung. Insofern ist zu vermuten, dass die Wahl Pans für das Bildgeschenk des Zeuxis an Archelaos nicht beliebig war. Entweder hat Zeuxis bewusst dieses Motiv für den makedonischen König ausgewählt, wollte also seinen Geschmack treffen, oder Archelaos hat sich dieses erbeten. Auch der Gedanke einer Auftragsarbeit, die Zeuxis dem König als Geschenk veräußert hat, erscheint glaubhaft. Denn auch die Archelaos-Tragödie 687 Laubscher 1985, 344 ff, bes. 349. 688 Cf. Locke der Berenike II.: Kall. Ait. F 110–110f Harder; Vergöttlichung von Caesar und Augustus: Ov. Met. 15.745 ff. 689 Zum Phänomen des Herrscherkults und der Apotheose: Habicht 19702. Chaniotis 2003, 431– 445. Petrovic 2015, 429–443. 690 Kommentar zu DNO 1728 (S. 872). 691 DNO, S. 209 (Resümee).

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des Euripides hat mit großer Wahrscheinlichkeit der makedonische König selbst veranlasst.692 6.2 Die Malweise des Zeuxis Über die Malweise des Zeuxis existieren in den Zeugnissen widersprüchliche Aussagen. Während ihm Aristoteles eine „idealisierende“ Malweise zuschreibt (Poet. 1461b9–15 = DNO 1750), wird in legendenhaften Erzählungen der Realismus seiner Bilder herausgestellt (Plin. Nat. hist. 35.64–5 = DNO 1712; Seneca d. Ä., Controversiae 10.5.27–8 = DNO 1717). Die Erzählung vom Gemälde der Helena (DNO Nr. 9) ist vermutlich eine anekdotenhafte Darstellung der perfekten Malweise des Zeuxis: Dieser sei von den Krotoniaten beauftragt worden, eine Helena zu malen. Um sein Gemälde zu perfektionieren, habe er die schönsten krotoniatischen Mädchen als Vorbilder genommen und jeweils den schönsten Körperteil für seine vollkommene Helena abgemalt.693 Er benutzte in einem Auswahlverfahren die nachahmende, mimetische Darstellungsweise, um ein Bild zu schaffen, das die Natur sogar übersteigt.694 Dionys von Halikarnass erwähnt diese Geschichte, die zuerst Cicero (De inv. 2.1–3) überliefert, in seiner fragmentarisch erhaltenen Lehrschrift Περὶ μιμήσεως (De imitatione 31.1.1 = DNO 1734); er benutzt sie dort als ein Beispiel, um das eklektische Verfahren in der Rhetorik zu erläutern. Auch Aristoteles stellt in seiner Poetik (1461b9–15 = DNO 1750) die ideale Darstellungsweise des Zeuxis heraus: τοιούτους εἶναι οἷον Ζεῦξις ἔγραφεν, ἀλλὰ βέλτιον∙ τὸ γὰρ παράδειγμα δεῖ ὑπερέχειν. („, dass es solche (Menschen) gibt, wie Zeuxis (sie) malte, aber (dann hat er sie) zum Besseren hin (gemalt); denn das Beispielhafte muss (die Wirklichkeit) übertreffen.“). Aristoteles beschreibt hier in theoretischer Weise die Maltechnik des Zeuxis, die Cicero an der Geschichte der krotoniatischen Mädchen und dem Helena-Gemälde exemplifiziert.695 Das Phänomen der Sinnestäuschung als Beweis der Exzellenz eines Malers war ein beliebtes Motiv in Künstleranekdoten.696 Künstlerischer Realismus ist auch das zentrale Motiv in der Erzählung vom Wettstreit zwischen Zeuxis und Parrhasios.697 Diese beiden Maler versuchten, sich in der naturgetreuen Darstellung eines Bildes zu übertreffen. Dabei habe Zeuxis Trauben gemalt, die derart echten Früchten gli-

692 S.o. 43 ff. 693 D. H. De imitatione 31.1.1: κἀκ πολλῶν μερῶν συλλογῆς ἕν τι συνέθηκεν ἡ τέχνη τέλειον [καλὸν] εἶδος. – „Und aus der Kombination vieler Teile hat die Kunst ein einziges perfektes Bild geschaffen.“ (Übers. DNO 1734). 694 Kris/ Kurz 1980, 89. 695 Siehe DNO 1750 und Resümee zu Zeuxis, DNO, S. 906. 696 Kris/ Kurz 1980, 29–34, 89 ff. Gschwantler 1975, 128–31; Scheibler 1994, 10–13. 697 Plin. Nat. hist. 35.64–5 (= DNO 1712).

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chen, dass Vögel von ihnen angelockt wurden.698 Parrhasios habe daraufhin einen Vorhang gezeichnet, den Zeuxis nicht als Gemälde erkannte, sondern verlangte, diesen wegzunehmen, dass er das eigentliche Bild sehen könne. Diese Anekdote wird durch die Erzählung erweitert, dass Zeuxis später einen Knaben, der Trauben trug, gemalt haben soll. Als sich wiederum Vögel dem Bild näherten, habe Zeuxis sich geärgert, da der Junge nicht eine solche Lebensechtheit zeigte, dass er die Vögel hätte verscheuchen können.699 Solche Täuschungsgeschichten werden in hellenistischen Epigrammen erstmals literarisch verarbeitet, bevor sie sich in Künstleranekdoten wie z.B. bei Plinius häufen.700 In den Epigrammen über Myrons Kuh steht die Illusion der Betrachter des Kunstwerks wegen der lebensechten Darstellung im Vordergrund der Erzählung.701 Das literaturästhetische Prinzip der ἐνάργεια, das diesen Epigrammen und Anekdoten zugrunde liegt, wurde ebenfalls im Hellenismus in der Literaturkritik als Begriff etabliert.702 Die künstlerische Praxis der akribischen, naturgetreuen Malweise wird auf berühmte Maler der Klassik projiziert.703 Für Zeuxis wird dieses Charakteristikum mehrfach belegt.704 Die Schattenmalerei, die Zeuxis nach Quintilian (Quint. 12.10.4–5) erfunden haben soll,705 soll eine lebensechte Darstellung begünstigt haben. Eventuell haben sich die Anekdoten zur Illustrierung dieser neuen Technik entsponnen.706 Aufgrund des anekdotischen Charakters der Erzählungen über die realistische Malweise des Zeuxis ist der historische Wert dieser Nachrichten gering zu veranschlagen. Daher muss zur Einschätzung der Malkunst des Zeuxis das aristotelische Zeugnis dienen. Demnach arbeitete er eher idealisierend.707 6.3 Die Neuerungen des Zeuxis in der Malerei Wie die Dichter bei Archelaos hat auch Zeuxis in der Malerei Neues ausprobiert. Dieses Charakteristikum stellt besonders Lukian in seiner Schrift Zeuxis heraus.

698 Kommentar zu DNO 1712 (S. 861). Derartige Anekdoten existierten für mehrere Dichter, z.B. für Protogenes, siehe DNO 3011; siehe auch Gschwantler 1975, 128–31; Kris/ Kurz 1980, 90. 699 Die Erzählung vom Trauben tragenden Knaben bietet auch Seneca d. Ä., Controversiae 10.5.27–8 (= DNO 1717) in leicht abgewandelter Form. 700 Männlein-Robert 2007, 83 ff. Gschwantler 1975, 134 f. 701 Männlein-Robert 2007, 83 ff.; Zanker 1987, 45 f. 702 Zanker 1987, 39 ff., bes. 41; Zanker 1981, 297–311. 703 Männlein-Robert 2007, 100. 704 Erwähnung der ἀκρίβεια/ diligentia oder veritas, similitudo des Zeuxis bei: Plut. Pericles 13.3–4 (= DNO 1718); Luc. Zeuxis 3–8 (= DNO 1729); Plin. Nat. hist. 35.64–65 (= DNO 1712, 1736, 1752); Seneca d.Ä., Controversiae 10.5.27–8 (= DNO 1717); Cic. De inv. 2.1–3 (= DNO 1733). 705 Diese wird auch dem Maler Apollodoros zugeschrieben: Kommentar zu DNO 1753; DNO 1582, 1586, 1588. 706 Kommentar zu DNO 1712, 861. 707 DNO, S. 906.

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Zeuxis hat nicht die herkömmlichen Sujets gemalt, sondern nicht dagewesene und einfallsreiche Bildthemen gewählt: ὁ Ζεῦξις ἐκεῖνος ἄριστος γραφέων γενόμενος τὰ δημώδη καὶ τὰ κοινὰ ταῦτα οὐκ ἔγραφεν, ἢ ὅσα πάνυ ὀλίγα, ἥρωας ἢ θεοὺς ἢ πολέμους, ἀεὶ δὲ καινοποιεῖν ἐπειρᾶτο καί τι ἀλλόκοτον ἂν καὶ ξένον ἐπινοήσας ἐπ᾽ ἐκείνῳ τὴν ἀκρίβειαν τῆς τέχνης ἐπεδείκνυτο. Luc. Zeuxis 3 = DNO 1729 Jener Zeuxis war der beste unter den Malern und (so) malte er nicht diese gewöhnlichen und allgemein gebräuchlichen (Sujets), oder nur ganz wenige, (also) Heroen, Götter oder Kriege,708 sondern versuchte, immer innovativ zu arbeiten, und, wenn er etwas Andersartiges und Ungewöhnliches ersonnen hatte, bewies er bei jenem die Sorgfältigkeit seiner Kunst. Die Neuartigkeit und unerwartete Fremdartigkeit der Themen des Zeuxis betont Lukian mehrmals in seinem Passus über den Maler: τῆς ἐπινοίας τὸ ξένον καὶ τὴν γνώμην τῆς γραφῆς ὡς νέαν („der außergewöhnliche Einfall und die neue Idee des Gemäldes); ἡ ὑπόθεσις καινή („das originelle Thema“); καινοτομία τῆς ὑποθέσεως („die Originalität des Themas“; jeweils § 7).709 Zeuxis ist nach Darstellung Lukians sogar darüber verärgert, dass die Betrachter seines Kentaurenbildes mehr die Neuheit des Themas bewundern als die akribische Ausführung der Malkunst.710 Lukian zeigt die Außergewöhnlichkeit der Stoffwahl des Zeuxis am Beispiel einer von ihm gemalten weiblichen Kentaurin. ἐν δὲ τοῖς ἄλλοις τολμήμασι καὶ θήλειαν Ἱπποκένταυρον ὁ Ζεῦξις οὗτος ἐποίησεν, ἀνατρέφουσάν γε προσέτι παιδίω Ἱπποκενταύρω διδύμω κομιδῇ νηπίω. Luc. Zeuxis 3 = DNO 1729 Unter den anderen Wagnissen hat dieser Zeuxis auch eine weibliche Kentaurin gemalt, die noch dazu zwei ganz junge Kentaurenkinder säugt.

708 Die Quellen bezeugen aber doch bekannte Figuren aus der Mythologie und der Götterwelt (Zeus, Eros, Marsyas, Pan, Kentaurenfamilie, Boreas, Herakliskos und Alkmene, Helena, Penelope, Menelaos), daneben auch Typen (Athlet, alte Frau). Die von Plinius erwähnten monochromata ex albo („einfarbige in Weiß“, Plin. Nat. hist. 35.64) sind etwas schwieriger zu deuten (DNO 1748). Außerdem soll er auch in Ton gearbeitet haben (Plin. Nat. hist. 35.66 = DNO 1749). 709 Zur Bezeichnung der Originalität durch καινός oder καινοτομία siehe Hose 2000, 8. 710 Die Kühnheit in seiner Kunst betont auch Plinius (Nat. hist. 36.61 = DNO 1710): audentemque iam aliquid penicillum … ad magnam gloriam perduxit („und er führte den bereits etwas wagenden Pinsel zu großem Ruhm.“).

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Das Neue, Unerwartete lag in der Darstellung einer Kentauren-Frau.711 Zeuxis erwähnt die Spezifizierung der abgebildeten Kentaurin als θήλειαν zuerst. Das Bild enthielt auch einen männlichen Kentauren (Luc. Zeuxis 5, zweite Hälfte), auf den Zeuxis an der Stelle, an der er über die Neuartigkeit des Kentaurenbildes spricht, gar nicht eingeht. Kansteiner etc. gehen davon aus, dass das Thema der Kentaurin eine Erfindung des Zeuxis gewesen sei.712 Er war offensichtlich als Maler von Frauen bekannt. Auch der Auftrag des Helena-Bildes wird damit begründet, dass „die Krotoniaten [..] oft gehört hatten, dass er beim Malen des weiblichen Körpers andere bei weitem übertreffe.“ (Crotoniatae, qui eum muliebri in corpore pingendo plurimum aliis praestare saepe accepissent; Cic. De inv. 2.1 = DNO 1733). Sein Zeitgenosse Xenophon führt Zeuxis nicht nur als Paradebeispiel eines Malers an, wie es auch Platon und Isokrates tun,713 sondern erwähnt ihn speziell als Maler von Frauen.714 Unter den bezeugten Bildern des Zeuxis findet sich als Gemälde einer Frau die Darstellung einer Alkmene (mit Herakliskos), Helena, Penelope und einer alten Frau.715 Nach Quintilian (DNO 1753) war die Schattenmalerei die Hauptinnovation des Malers.716 Diese wird allerdings auch dem Apollodoros zugeschrieben.717 So ist eine Verfeinerung dieser Technik durch Zeuxis anzunehmen,718 eventuell eine deutlichere Unterscheidung von Licht und Schatten.719 In seiner Beschreibung der Kentaurin und ihrer Familie nennt auch Lukian als Spezifika der Maltechnik des Zeuxis neben einer geraden Linienführung, angemessenem Farbeneinsatz und der Beachtung von Proportionen „die gebührende Schattierung“ (Luc. Zeuxis, 5 = DNO 1729). Die genauere, feinere Differenzierung von Licht und Schatten erreichte Zeuxis durch seine ausgewogene, sorgfältige und genaue Malweise. Denn Lukian betont diese Eigenschaften des künstlerischen Stils des Zeuxis im selben Kapitel, in dem er die Schattenmalerei erwähnt, mehrfach (ἀκριβής, εὔκαιρος, ἐς δέον, ὁ λόγος τοῦ μεγέθους, ἡ τῶν μέρων πρὸς τὸ ὅλον ἰσότης καὶ ἁρμονία; ebda.). 711 Die Darstellung eines Mischwesens widerspricht der dichtungs- und kunsttheoretischen Maxime des Horaz, ein „Ganzes“ (unum) zu schaffen (Hor. AP 1–23). 712 Kommentar zu DNO 1729 (S. 876); Gschwantler 1975, 195, Anm. 560. 713 Pl. Prot. 318b–c (= DNO 1713); Pl. Gorg. 453c (= DNO 1714); Isokr. Or. 15.2 (= DNO 1715, dazu 1720). 714 Xen. Oik. 10.1. (= DNO 1754). 715 Alkmene (mit Herakliskos): DNO Nr. 8 (1731 und 1732); Helena: DNO Nr. 9 (1733–1743); Penelope: DNO Nr. 10 (1744) und eine alte Frau: DNO Nr. 13 (1747). 716 Quint. 12.10.4–5: post Zeuxis atque Parrhasius non multum aetate distans circa Peloponnesia ambo tempora (nam cum Parrhasio sermo Socratis apud Xenophontem invenitur) plurimum arti addiderunt. quorum prior luminum umbrarumque invenisse rationem, secundus examinasse subtilius lineas traditur. nam Zeuxis plus membris corporis dedit, id amplius aut augustius ratus atque, ut existimant, Homerum secutus, cui validissima quaeque forma etiam in feminis placet. 717 Kommentar zu DNO 1753 (S. 896). 718 Plin. Nat. hist. 35.61 (= DNO 1710): ab hoc artis fores apertas Zeuxis Heracleotes intravit. 719 Scheibler 1994, 56.

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Die Dichter und Künstler um Archelaos als Wegbereiter des Hellenismus

Zeuxis erfand neue Bildsujets und tat sich besonders in der Darstellung von Frauen hervor. Vermutlich hat er die Schattenmalerei aufgrund seiner sorgfältigen Malweise vorangebracht. Damit reiht er sich, obwohl er in einem ganz anderen Bereich künstlerisch tätig war und sich dadurch deutlich von den anderen Gästen des Archelaos unterscheidet, in diese Gruppe von Intellektuellen ein. Denn alle waren – teilweise auf unterschiedliche Weise, teilweise auch in denselben Aspekten – originelle Künstler. 6.4 Fazit: Charakteristika der Kunst des Zeuxis Mit Zeuxis konnte Archelaos der Überlieferung nach den bedeutendsten Maler seiner Zeit für sich gewinnen. Dieser malte nach Angabe Aelians (Ael. Var. hist. 14.17 = DNO 1721) dessen Palast aus. Nicht nur in diesem Aspekt, sondern auch im Bildgeschenk mit der Abbildung eines Pan zeigt sich der repräsentative Charakter der Malerei des Zeuxis für Archelaos. Der König tritt durch dieses Gemälde in eine Beziehung zu Pan, wodurch er dessen Eigenschaften für sich beansprucht. Er präsentiert sich so vor seinen Untertanen und Rivalen als militärisch überlegener Herrscher. Eine derartige Inszenierung der eigenen Person mit Bezugnahme auf einen Gott war ein wichtiges Merkmal der hellenistischen Epoche. Somit stellt Archelaos ein frühes Beispiel für diesen Usus dar. Ebenso ist die mimetische Malweise des Zeuxis, von der in Legenden erzählt wird, ein künstlerisches Merkmal, das zuerst in der hellenistischen Poesie breite Beachtung gefunden hat. Nach dem Zeugnis des Aristoteles war sein Stil idealisierend. Nach Angabe Lukians (Luc. Zeuxis 3 = DNO 1729) war Zeuxis innovativ, weil er neue Bildmotive erfand. Bekannt war er wohl als Maler von Frauenfiguren, wie die Geschichte der krotoniatischen Mädchen und des Helena-Bildes (DNO Nr. 9 (1733–1743)) bezeugt.

7. Der Kunst- und Dichtungscharakter der Intellektuellen um Archelaos Die Untersuchung der literarischen und künstlerischen Produkte der Intellektuellen bei Archealos nahm ihren Ausgang von der Frage, ob diese Autoren und Künstler einen vergleichbaren Stil pflegen und ob deshalb eine Verbindung mit Archelaos hergestellt wurde. Denn der in den Quellen bezeugte Makedonienaufenthalt kann nicht bei jedem als faktisch gelten. Wie die Analyse der einzelnen Gedichte, Testimonien und Gemälde gezeigt hat, konvergieren diese nicht nur in einer starken Tendenz zum Experiment und zur Neuschöpfung, sondern lassen auch Strukturen erkennen, die an die gewöhnlich später datierte hellenistische Kunst und Literatur erinnern. Euripides schreibt mit dem Archelaos eine Tragödie über und für eine zeitgenössische historische Person. Ein derartiges Stück, das als vermutliche Auftragsdich-

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Der Kunst- und Dichtungscharakter der Intellektuellen um Archelaos

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tung mit propagandistischen Zügen interpretiert wurde,720 ist nicht nur eine Besonderheit und ein Novum innerhalb seines Œuvres. Eine solche eindeutige Bezugnahme auf den gleichnamigen Herrscher und die Dominanz des mythologischen Archelaos im ganzen Stück ist überhaupt unter den Tragikern des 5. Jh. – soweit wir Kenntnis haben – singulär. In den Bakchen experimentiert Euripides mit verschiedenen Bedeutungsebenen von Dramenkonstituenten und integriert dabei in seinen Neuzuschnitt archaisches Material.721 Die komplizierte, peripetien- und temporeiche Handlung der Iphigenie in Aulis steht in Form, Konzeption und in der Verwendung des Chores in einem starken Gegensatz zu den ungefähr gleichzeitig entstandenen Bakchen.722 Die beiden Tragödien sind komplementär angelegt. Für die Tragödie Alkmaion in Korinth kann vermutet werden, dass sie in vielen Aspekten einer Komödie glich.723 In der Kombination von archaisierenden Tendenzen in den Bakchen, von „modernen“ Elementen in Komposition und Handlungsführung der Iphigenie in Aulis und der komödienhaften Darstellung im Alkmaion nahm Euripides am Ende seines Lebens verschiedene innovative Strömungen seiner Zeit auf, verarbeitete sie originell und stellte sie – vermutlich in einer Trilogie – zusammen. Agathons Dichtung zeichnet sich durch die Integration verschiedener Gattungsmerkmale in der Tragödie aus.724 Vor allem der Einfluss des Neuen Dithyrambos und dessen Neuerungen im Bereich der Musik lässt sich an den Testimonien, vor allem den Thesmophoriazusen des Aristophanes, ablesen. Seine Vorliebe für eine rhetorisch ausgearbeitete, gorgianisch anmutende Dichtung sticht nicht nur in Platons Symposion heraus, sondern ist auch an den erhaltenen Fragmenten seiner Dichtung verifizierbar. Ein weiteres Novum schreibt ihm Aristoteles zu, nämlich dass er eine Tragödie ohne bekanntes Sujet oder Namen verfasst habe.725 Die Musik und Poesie des Lyrikers Timotheos von Milet war so außergewöhnlich, dass er – ebenso wie Agathon – in der zeitgenössischen Komödie scharf kritisiert wurde.726 In der Sphragis seines Perser-Nomos rechtfertigt er sich für die musikalische Gestaltung seiner Dichtung.727 Die für den Neuen Dithyrambos typischen Phänomene hat Timotheos auch im Nomos angewandt. Er setzte verschiedene Formen vokaler und musikalischer Mimesis ein und experimentierte mit Rhythmik, Harmonien und Tonvielfalt (ποικιλία). Durch ausdrucksstarke Metaphern und assoziative Gedankensprünge wirkt die Darstellungsweise in den Persern exzentrisch.728 Sein teilweise grotesk wirkender Stil und seine experimentelle Musik machen ihn zu

720 721 722 723 724 725 726 727 728

S.o. 43 ff. Interpretation der Bakchen s.o. 58 ff. Zur Datierung s.o. 57. Zur Iphigenie in Aulis s.o. 66 ff. S.o. 77 f. Zu Agathon s.o. 79 ff. Aristot. Poet. 1451b19–23 = Agathon 39 F 2a Snell/ Kannicht. S.o. 115–118. Pherekrates F 155 PCG. Zu Timotheos s.o. 127 ff. Tim. P. 202–240; s.o. 129 ff. S.o. 147 ff.

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Die Dichter und Künstler um Archelaos als Wegbereiter des Hellenismus

einem Neuerer, der damit nicht nur in der antiken Kritik stand,729 sondern auch in der modernen philologischen Forschung auf Unverständnis stieß.730 Der Epiker Choirilos von Samos kündigt seine Innovation zu Beginn seiner Dichtung selbst an.731 Anstelle über die bis dahin üblichen mythologischen Stoffe hat er in seinem Epos über die zeitnahen Perserkriege geschrieben. Darüber hinaus hat er originelle poetologische Metaphern kreiert, die im Hellenismus und in der augusteischen Zeit weiter benutzt und ausgebaut wurden. Über den Maler Zeuxis, von dem keine Bildzeugnisse erhalten sind, berichtet Lukian (Zeuxis, 3–8), dass sich dieser besonders durch untypische Motive hervorgetan habe. In Maleranekdoten wird hingegen beschrieben, dass es ihm selbst weniger auf Originalität der Bildthemen als auf eine akribische, naturgetreue Malweise ankam. Diese legendenhafte Erzählung steht in Kontrast zum Idealismus, den Aristoteles für ihn bezeugt. Die Poeten und Künstler um Archelaos zeichnen sich alle durch kreative, innovative und exzeptionelle Dichtungen respektive Gemälde aus. Der Lyriker Timotheos von Milet und der Epiker Choirilos von Samos stimmen darüber hinaus im Thema ihrer Dichtung überein. Timotheos behandelt die Perserkriege in einem monodischen Nomos, Choirilos in einem Epos. Die Dichter und Künstler um Archelaos weisen also vergleichbare Stilistika, Spezifika und Themen auf.

8. Bezüge zum Hellenismus Eine wesentliche These der vorliegenden Arbeit ist, dass die eben beschriebenen innovativ arbeitenden Dichter und Künstler um Archelaos am Ende des 5. Jh. v. Chr. Darstellungsweisen, Stile und ästhetische Prinzipien des wenig späteren Hellenismus vorbereiteten. So lässt sich nicht nur eine vergleichbare Freude am Experiment und Fähigkeit zur Originalität feststellen, sondern es bestehen auch intertextuelle Bezüge zwischen der Dichtung, die um Archelaos entstanden ist, und der hellenistischen Literatur.732 Im Folgenden sollen diese Bezüge an einigen markanten Phänomenen aufgezeigt werden: Es lassen sich verschiedene Formen der Gattungsmischung ausmachen. Euripides integriert in seine Tragödie Bakchen Elemente des Dithyrambos. Szenen der IA haben den Charakter einer Komödie. Ebenso scheint der Alkmaion in Korinth komödienhafte Strukturen gehabt zu haben.733 Agathon verwendet Prinzipien des Neuen Dithyrambos in seinen Tragödien.734 Timotheos von Milet überträgt dithyrambische 729 730 731 732 733 734

Pherekrates F 155 PCG; zur Musik des Timotheos: Campbell 1993, 76–81, T 7–12. Beurteilungen des Timotheos in der neueren Forschung bei Csapo/ Wilson 2009, 278 f. Zum Epiker Choirilos s.o. 155 ff. Zur Terminologie, Begriffsdefinitionen und Methode s.o. 38–40. S.o. 59 ff.; 75 ff. S.o. 94 ff.

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Bezüge zum Hellenismus

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Elemente auf den Nomos und dramatisiert durch mimetische Einlagen seinen Perser-Nomos.735 Außerdem baut er einen Paian in seinen Nomos ein, indem er die Sphragis der Perser als Hymnos an Apoll inszeniert. Ein typisches Merkmal wurde die Kombination verschiedener Gattungsmerkmale in der hellenistischen Literatur.736 Traditionelle Formen wurden dort mit unkonventionellen Themen oder auf neuartige Weise vereint. Weitere Merkmale der Dichtung, die um Archelaos entstanden ist, sind Experimente im sprachlich-rhetorischen und im musikalisch-melodischen Bereich. So war die Dichtung Agathons sowie die des Timotheos von unkonventioneller, origineller Melodieführung geprägt.737 Beispiele dafür sind der Gebrauch von Melismen und Koloraturen, außerdem das Streben nach einer breiten Klangpalette durch Erweiterung der Tonskala. Damit konnte auch das Stimmungsbild eines Geschehens, wie der Untergang der persischen Flotte bei Salamis, mimetisch projiziert werden. Zu diesen musikalischen Versuchen gehörte auch das Experimentieren mit der Stimme, die entweder, wie es für die Agathon-Parodie in den Thesmophoriazusen anzunehmen ist, verstellt werden konnte, um andersartige Klänge zu produzieren, oder mit der wie bei Timotheos über phonetische Varianzen und euphonische beziehungsweise dysphonische Elemente Dialekte oder spezifische Sprechsituationen nachgeahmt werden konnten.738 Agathon setzte darüber hinaus in seinen Texten rhetorische Figuren, vor allem Assonanzen ein, um Klangeffekte zu erzielen.739 Manieristische Tendenzen zeigen sich in der Betonung von Musik, Klang und Effekt. Akustische Aspekte, die am Ende des 5. Jh. v. Chr. in großem Umfang und in mannigfaltigen Experimenten performativ dargeboten wurden, wertete Kallimachos oder das Corpus Aristotelicum theoretisch und poetologisch aus. Ebenso wurden sprachliche Varianzen in der Literatur abgebildet.740 Die Dichter um Archelaos bevorzugen also musikalische Besonderheiten, die gemeinhin als spezifisch „hellenistisch“ bezeichnet werden. Die Übereinstimmungen betreffen nicht nur poetische Ästhetica, sondern es bestehen auch intertextuelle Bezüge zwischen der Dichtung des Choirilos und dem Dichter Kallimachos. Die von Choirilos verwendeten originellen Metaphern und Metaphernzusammenstellungen finden sich in ähnlicher Weise im Telchinenprolog und werden darüber hinaus bis in die augusteische Dichtung tradiert.741 Daran lässt sich der Einfluss dieser Dichter, die sich bei Archelaos am Ende des 5. Jh. v. Chr. aufgehalten haben, auf den späteren Hellenismus, der teilweise sogar bis in die lateinische Literatur fortwirkte, ablesen. Ein weiteres Merkmal ihrer Dichtung stellen archaisierende Tendenzen in Sprache, Metrik und Thematik dar. Durch den Gebrauch altertümlicher Wörter und For735 736 737 738 739 740 741

S.o. 129 ff. Hunter/ Fantuzzi 2004, 17–41, bes. 23. S.o. 39 f. S.o. 85 ff. und 129 ff. Zur musikalischen und vokalen Mimesis s.o. 96 ff. und 139 ff. S.o. 111–113. S.o. 146 f. S.o. 166 ff.

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Die Dichter und Künstler um Archelaos als Wegbereiter des Hellenismus

men konnte sich der Dichter als poeta doctus stilisieren. Sprachliche Archaismen finden sich in den Bakchen des Euripides, ebenso herrscht dort das archaisch wirkende Metrum des Ionikers vor, außerdem schließt die Thematik und Form an die Frühform der Tragödie an.742 Die Thematisierung der siegreichen Perserkriege bei Timotheos und Choirilos dürften einerseits dem Bedürfnis nach Selbstvergewisserung und Stärkung des Selbstbewusstseins der Athener nach dem Rückschlag infolge der Sizilischen Expedition entsprungen sein, andererseits ist in dieser Themenwahl eine „Vorliebe für die Stoffe und die Person des Aischylos“ erkennbar.743 Dieser alte Stoff wird bei Timotheos und Choirilos neu und originell verarbeitet und zusammengestellt.744 Denn Choirilos bearbeitet dieses Thema, das bisher nur in der Tragödie und in der Geschichtsschreibung thematisiert wurde, in einem Epos. Timotheos transferiert die Perserkriege in einen Nomos. Die Orientierung an seinem Vorbild Aischylos ist an sprachlichen Anlehnungen und ähnlichen Elementen in der Erzählung erkennbar. Die Darstellungsweise des Geschehens ist allerdings völlig verschieden. Die Kombination von antiquierter Gelehrsamkeit und origineller Verarbeitung bekannter Sujets und Formen ist ebenfalls ein dezidiertes Merkmal hellenistischer Literatur.745 Ebenso wie die „Dichter-Gelehrten“ zum Beispiel am Museion in Alexandria konnten auch die genannten Dichter bei Archelaos als poetae docti brillieren, indem sie traditionelle Strukturen und Themen in kreativen Neuzuschnitten präsentierten. In der Kunst und Poesie, die die Intellektuellen um Archelaos produziert haben, finden sich Aspekte, die einer Darstellung des Königs als Gott nahekommen. Bezugnahmen auf Gottheiten, Präsentationen des Regenten mit und als Gott bis hin zu Herrscherkulten, Vergöttlichungen und Apotheosen waren ein wichtiges Element der Herrscherrepräsentation im Hellenismus und in der Kaiserzeit.746 Die Tragödie Archelaos des Euripides beginnt mit einem Stammbaum, der den Archelaos des Stücks einerseits als Griechen ausweist, und andererseits dadurch, dass verschiedene Götter in dieser Genealogie auftreten, seine göttliche Abstammung beweist.747 Dadurch bekommt der historische König, für den der mythische Archelaos als Folie dient, ebenfalls göttliche Vorfahren und kann dadurch seine Stellung als Monarch Makedoniens legitimieren. Das zweite Phänomen, das den König Archelaos in diese vor allem aus hellenistischer Zeit bekannte Praxis der Bezugnahme auf einen Gott einordnet, stellt die Abbildung des Gottes Pan dar, die Zeuxis dem Archelaos geschenkt haben soll.748 Die Eigenschaften Pans, in diesem Fall die militärischen und Sieg verheißenden Qualitäten des Gottes, beansprucht Archelaos dadurch für sich und demonstriert damit seine Überlegenheit über Rivalen und Gegner. 742 743 744 745 746 747 748

S.o. 58 ff. Zimmermann 1989, 33. S.o. 152 ff. (Timotheos); 155 ff., 171 ff. (Choirilos). S.o. 39 f. Siehe dazu im Kapitel „Zeuxis“: 176 f. S.o. 43 ff. S.o. 175–178.

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Rückprojektion hellenistischer Verhältnisse

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9. Rückprojektion hellenistischer Verhältnisse auf den makedonischen König Archelaos Die Dichtung und Kunst, die die griechischen Besucher des Archelaos produziert haben, zeichnet sich durch originelle Themenwahl, Kombination verschiedener Gattungen, klangliche, musikalische und sprachliche Extravaganzen, rhetorische Finessen, Implementierung von traditionellen Formen und Sujets in kreative Neuzuschnitte, Fokussierung auf Details und mimetisch-realistische Darstellungen aus. Bei allen Dichtern und bei Zeuxis wurden teilweise direkte Verbindungen, teilweise strukturelle Bezüge zum Hellenismus identifiziert. Die genannten Charakteristika entsprechen Beschreibungsparametern, die man gemeinhin für die hellenistische Literatur benutzen würde.749 Damit soll nicht gesagt werden, dass es derartige Charakteristika in der Dichtung nicht auch schon vor dem Ausgang des 5. Jh. v. Chr. gab oder bei anderen Autoren außer denen, für die die antiken Quellen einen Makedonienaufenthalt bezeugen. Aber bei diesen Autoren lassen sie sich erstens verstärkt beobachten. Zweitens galten deren Dichtung und Kunst bereits den Zeitgenossen als exzeptionell. Das beweist die Kritik, die vor allem in der zeitgenössischen Komödie an Euripides, Agathon und Timotheos von Milet geübt wurde. Timotheos verteidigt darüber hinaus in der Sphragis seines Nomos seinen Dichtungsstil. Eine ähnliche Selbstrechtfertigung legt der Agathon des Aristophanes in den Thesmophoriazusen vor. Sollten sich die griechischen Intellektuellen also tatsächlich in Makedonien aufgehalten haben, was für Euripides und Agathon plausibel erscheint, so zeigt sich Archelaos als ein König, der Dichter und Künstler zu sich holte, die einen großen Bekanntheitsgrad hatten, aber in Athen auf viel Kritik stießen. Er schuf also für diese Personen eine Umgebung, in der sie – so ist zu vermuten – Unterhalt und finanzielle Unterstützung bekamen, um ihre innovative Kunst und Dichtung zu produzieren. Die zweite Möglichkeit ist, dass die Nachrichten über einen Aufenthalt der Dichter und Künstler bei Archelaos fiktional zu betrachten sind.750 Dann lässt sich aufgrund der Feststellung, dass deren poetischen und künstlerischen Produkte einen „hellenistischen“ Charakter haben, schließen, dass die Testimonienautoren Euripides, Agathon, Timotheos, Choirilos und Zeuxis deshalb nach Makedonien verortet haben, um ein Modell der späteren hellenistischen Dichtungspraxis an den Ursprung der hellenistischen Herrschaft zu setzen. Denn von Pella aus, welches gerade Archelaos als neues Herrschaftszentrum etabliert hat, haben Philipp II. und Alexander d. Gr. ihr Einflussgebiet ausgebreitet, welches dann in die Diadochenreiche mündete. Der König Archelaos war nicht nur ein vermögender Herrscher, der die militärischen, infrastrukturellen und außenpolitischen Verhältnisse seines Landes verbessert hat und damit die Grundlage für den Aufschwung Makedoniens unter Philipp II. und Alexander d. Gr. gelegt hat, sondern er steht darüber hinaus als Vorgänger dieser

749 S.o. 38–40. 750 Zur Diskussion der Faktizität und Historizität der Makedonienaufenthalte s.o. 35–37.

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Die Dichter und Künstler um Archelaos als Wegbereiter des Hellenismus

beiden Könige mit den nach Alexander folgenden hellenistischen Reichen in Verbindung. Das Modell von Dichtern, die im Umfeld eines Herrschers arbeiteten und produzierten, das für die hellenistische Zeit charakteristisch ist, wurde damit auf den makedonischen König rückprojiziert, der nennenswerte Erfolge im politischen, militärischen und kulturellen Bereich für sein Land verzeichnen konnte. Dieser wird dadurch, dass ihm mehrere griechische Dichter und Künstler zugeordnet werden, als entfernter Vorgänger der hellenistischen Könige stilisiert. Damit kann das ihm zugeschriebene Modell von innovativer Dichtung, die in der Umgebung eines vermögenden Königs entstanden ist, als fiktive Präfiguration hellenistischer Dichter- und Herrscherpraxis verstanden werden.

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V. Die Intellektuellen um Archelaos als Konstellation. Abgrenzungen und Ausblick Die Umsetzung der Forderung Imhofs, „alle Materialien zu Archelaos als Mäzen [zu sammeln] und auf ihre Entstehung und Verbindung hin [zu untersuchen]“1 ergab, dass die Makedonienaufenthalte erstens nicht immer als Faktum bewertet werden können. Zweitens wurde herausgearbeitet, dass sich deren poetischen und künstlerischen Produkte durch Ästhetika, Stilistika und Themen auszeichnen, die auf den ca. 80 Jahre später nachfolgenden Hellenismus vorausweisen. Es wurde diskutiert, dass die Konstruktion eines Besuchs bei Archelaos eine Rückprojektion hellenistischer Verhältnisse auf dieses frühe Beispiel von Dichterpatronage eines erfolgreichen makedonischen Königs gewesen sein kann. Die hier untersuchten Autoren und Künstler werden nicht als abgeschlossene „Gruppe“ verstanden. Um das Phänomen zu beschreiben, bieten sich die Ansätze der Konstellationsforschung an.2 Dabei handelt es sich um die Methode, verschiedene Denker in einem „Denkraum“ zu untersuchen und weniger auf einzelne Persönlichkeiten oder isolierte Elemente zu fokussieren.3 Es werden Wechselwirkungen und Zusammenhänge zwischen ähnlichen oder identischen Personen, Ideen, Problemen analysiert. Vergleichbar wurde hier eine Personenkonstellation untersucht, deren gemeinsamer Referenzpunkt der in den Testimonien bezeugte Besuch beim König Archelaos darstellt. Die Testimonienautoren eröffnen also einen „Denkraum“, indem sie bestimmte Personen nach Makedonien verorten. Ein weiteres unausgesprochenes verbindendes Element in diesem Raum besteht in einer übereinstimmenden Stilistik der künstlerischen und poetischen Produkte dieser Personen. Dieses knüpft insofern an den makedonischen König an, als er in Verbindung zu einer Zeit steht, in der diese stilistischen Charakteristika vorherrschend waren. Das heißt, die Konstellation um Archelaos kann um Intellektuelle des ausgehenden 5. Jh. erweitert werden, sofern zwei Kriterien erfüllt sind. Erstens muss eine Verbindung zum König Archelaos gegeben sein. Zweitens müssen sie einen innovativen, exzeptionellen Stil aufweisen, der als „hellenistisch“ beschrieben werden kann. Die Literaten, die im PraxiphanesFragment genannt werden, wurden zum Beispiel von der Untersuchung ausgeschlossen, weil die Verbindung zu Archelaos nicht eindeutig belegt werden kann.4 Derartige Konstellationen von Intellektuellen um einen Herrscher sind nicht nur von Archelaos oder aus der hellenistischen Zeit bekannt. Archelaos zeigt sich aber in 1 2 3 4

Imhof 1984, 9 Anm. 3. S.o. 1. Henrich 1991 und 2004; Mulsow/ Stamm 2005. Stamm 2005, v.a. 31–35. S.o. 2 f.

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Die Intellektuellen um Archelaos als Konstellation

den Quellen als ein Regent, der die Förderung von Kunst und Literatur in einem für seine Zeit relativ breiten Umfang betrieben hat. Sein kulturelles Programm beinhaltete neben seinem bezeugten Interesse für griechische Kunst und Literatur auch die Einrichtung von Festspielen in Dion.5 Vor ihm hat in Makedonien selbst Perdikkas (ca. 450–413 v. Chr.), der Vorgänger des Archelaos, den Dithyrambendichter Melanippides von Melos gefördert.6 Für andere Orte und zeitlich vor Archelaos sind für Periandros von Korinth (ca. 627–585/4) oder Polykratos von Samos (ca. 538/532–522 v. Chr.) Beispiele der Dichterpatronage belegt.7 Ein ebenfalls breiteres kulturelles Programm verfolgten Peisistratos und seine Söhne im 6. Jh. v. Chr. in Athen.8 Dieses beinhaltete die Einrichtung einer Bibliothek,9 die Neugestaltung der Panathenäen und die Finanzierung von Simonides von Keos,10 Anakreon,11 sowie Lasos von Iasos12. Zu Hieron I. von Syrakus (487–467) kamen mehrere Dichter, ebenfalls Simonides von Keos, außerdem Bakchylides, Epicharm, Aischylos und Pindar. Nach der Herrschaftszeit des Archelaos haben vor allem Philipp II. und Alexander d. Gr. Kultur und Literatur gefördert, ebenso – zeitlich ein wenig später – in Sizilien Dionysos I. (405–367) und sein Sohn Dionysos II. (367–355).13 Zu den Gästen der letztgenannten zählten auch Philosophen und Historiker. Aristoteles war Erzieher des jungen Alexander d. Gr., nach Sizilien reiste der Philosoph Platon. Einen Höhepunkt der Verbindung von Bildung und Kultur mit dem herrschenden Königshaus stellt sicherlich die Einrichtung von Museion und Bibliotheken in Alexandria unter den Ptolemäern dar.14 Unter dem Aspekt der Vorbereitung oder Vorwegnahme des Hellenismus wäre es lohnenswert, ebenso wie es hier für den König Archelaos geschehen ist, die Kunst und Literatur, die um Philipp II. und Alexander d. Gr. entstanden ist, einer eingehenden Analyse zu unterziehen. Bei Philipp II. hielt sich vielleicht der Dichter Anaxandrides auf.15 Alexander den Großen begleiteten auf seinem Persienfeldzug nicht nur Historiker, sondern auch Schauspieler und Dichter, wie z. B. Choirilos von 5 Diod. 17.16.3–4. S.o. 12. 6 Suda, s.v. Μελανιππίδης; siehe Weber 1992, 64; Hammond/ Griffith 1979, 149; Maas 1931, 422–423. Die Anwesenheit des Arztes Hippokrates von Kos ist nicht gesichert. Zu Dichtern bei Alexander I. (ca. 494–454) Weber 1992, 63 f.: „Außerdem sind Reste eines Pindarischen Enkomions (Fr. 120 + 121 Sn.-M.) sowie ein Trinklied von Bakchylides (Fr. 20b Sn.-M.) erhalten, wobei ein Aufenthalt der Dichter bei Alexander keinesfalls sicher ist.“ 7 Für die folgenden Ausführungen vergleiche Weber 1992, 45 ff. 8 Weber 1992, 50 f. 9 Gellius 7.17.1. 10 Siehe Weber 1992, 51, Anm. 199. 11 Ebda., 47 f. 12 Ebda., 51, Anm. 201. 13 Bei Dionysos I. waren der Dithyrambendichter Philoxenos von Kythera, der Tragiker Antiphon, der einheimische Mimendichter Xenarchos und der Tragiker Karkinos, bei Dionysos II. der Tragiker Karkinos und der Kitharöde Stratonikos. 14 Siehe dazu Männlein-Robert 2010, 160–183. Weber 1993, 55–184. 15 Sud. α 1982 Ἀναξανδρίδης Adler = Anaxandrides T 1 PCG.

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Iasos, Anaximenes von Lampsakos, Agis von Argos, Aischrion.16 Der berühmte Maler Apelles hat Alexander d. Gr. gemalt.17 Es wäre lohnend, zu prüfen, ob die literarischen Prinzipien und Tendenzen, die sich bereits bei den Intellektuellen um Archelaos abzeichnen und auf den Hellenismus hindeuten, bei diesen Autoren und Künstlern fortgesetzt werden.

16 Choirilos von Iasos: SH 333–335; Anaximenes von Lampsakos: SH 45; Agis von Argos: SH 17, 17A; Aischrion: SH 1–12. 17 DNO IV, 2852–2858.

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Indices Index locorum (Bei Fragmenten und Testimonien sind Vers- oder Zeilenangaben durch Kommata abgetrennt, bei allen anderen Textsorten mit einem Punkt.) Aelian (Ael.) Var. hist. 2.21 ǀ 26, Anm. 50; 28, Anm. 61; 31, Anm. 76, 77; 105 8.9 ǀ 14, Anm. 82; 16; 50, Anm. 61 12.43 ǀ 16, Anm. 90 13.4 ǀ 17, Anm. 97; 26, Anm. 50; 28, Anm. 61; 29; 31 14.17 ǀ 12, Anm. 63; 17; 17, Anm. 95; 34; 177; 182 Agathon 39 Snell/ Kannicht Testimonien T 1 ǀ 101, Anm. 310 T 2 ǀ 101 T 3 ǀ 99, Anm. 299 T 4 ǀ 31; 81, Anm. 203 T 6 ǀ 31; 31, Anm. 78 T 7b ǀ 27; 30, Anm. 71; 31 T 9 ǀ 28; 29, Anm. 66 T 11 ǀ 30, Anm. 72; 31, Anm. 76; 99, Anm. 300; 105, Anm. 326 T 12 ǀ 99, Anm. 300; 104, Anm. 320 T 13 ǀ 104, Anm. 320 T 14 ǀ 105, Anm. 322 T 14–15 ǀ 99, Anm. 301 T 15, 1-3 ǀ 31, Anm. 77 T 15, 4 ǀ 98, Anm. 294; 99, Anm. 297 T 15, 4 f. ǀ 104, Anm. 321 T 16 ǀ 84, Anm. 211

T 16, 6–10 ǀ 126, Anm. 422 T 17 ǀ 115 T 19 ǀ 99, Anm. 297 T 21 ǀ 94, Anm. 278 T 20a ǀ 95 T 20b ǀ 95 T 20c ǀ 92, Anm. 259, 264 T 22 ǀ 28, Anm. 61; 31, Anm. 76; 105, Anm. 326 T 22a ǀ 26, Anm. 50; 29; 30, Anm. 75; 31 T 22b ǀ 26, Anm. 50; 28, Anm. 61; 30, Anm. 69, 75; 32 T 25 ǀ 28, Anm. 61; 31, Anm. 76, 77; 105, Anm. 326 Fragmente F 1 ǀ 115; 123, Anm. 408; 126 F 2 ǀ 115; 122, Anm. 403; 124; 126 F 2a ǀ 114; 115; 116; 183, Anm. 725 F 3 ǀ 84, Anm. 209; 115; 118; 124; 126 F 3, 1–2 ǀ 119 F 3, 4 ǀ 119 F 3a ǀ 92, Anm. 260; 115; 121; 122, Anm. 399 F 4 ǀ 115; 120; 121; 124; 126 F 4, 6 ǀ 120, Anm. 390 F 5–9 ǀ 85, Anm. 217; 125 F 5, 2 ǀ 84, Anm. 209; 126; 126, Anm. 420 F 6 ǀ 84, Anm. 209; 126; 126, Anm. 420

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Indices

F 8 ǀ 84, Anm. 209; 126; 126, Anm. 420 F 9 ǀ 126, Anm. 420 F [10] ǀ 124; 124, Anm. 411 F 11–12 ǀ 84, Anm. 209; 85, Anm. 217; 125; 126 F 14 ǀ 85, Anm. 217; 125; 126; 126, Anm. 420 F 15 ǀ 126, Anm. 420 F 18–29 ǀ 85, Anm. 217 F 19–29 ǀ 125 F 20 ǀ 126 F 21 ǀ 84, Anm. 209; 126; 126, Anm. 420 F 29 ǀ 84, Anm. 209; 126; 126, Anm. 420 F 33 ǀ 124; 125, Anm. 416 F 34 ǀ 84, Anm. 209; 125; 126 Aischylos (Aisch.) Testimonien und Fragmente (Radt) T 1, 33 f. ǀ 51, Anm. 66 F 6-11 ǀ 51, Anm. 66 F 55–56 ǀ 122, Anm. 404 F 143–145 ǀ 122, Anm. 398 Ag. 693 ǀ 146, Anm. 509 Ch. 50 ǀ 146, Anm. 509 Pers. 73 ǀ 146, Anm. 509 302 ff. ǀ 151 410 ff. ǀ 153 426–427 ǀ 148, Anm. 523 533 ǀ 146, Anm. 509 670 ǀ 146, Anm. 509 965 ff. ǀ 151 1044 ǀ 146, Anm. 509 1060 ǀ 146, Anm. 509 Alexander Aetolus Magnelli Apollon F 3 ǀ 116, Anm. 370

Ammianus Marcellinus (Amm. Marcell.) 27.4.8 ǀ 20, Anm. 8; 22, Anm. 19, 22; 23, Anm. 28 Anaxandrides PCG T 1 ǀ 190, Anm. 15 Andokides (And.) 2.11 ǀ 6 Anthologia Palatina (AP) 7.43–45 ǀ 20, Anm. 3 7.43 ǀ 22, Anm. 20; 23, Anm. 26 7.44 ǀ 22; 22, Anm. 20, 21 7.45 ǀ 21, Anm. 19; 26, Anm. 53 7.49 ǀ 20, Anm. 3; 22, Anm. 19 7.51 ǀ 20, Anm. 3; 22, Anm. 19, 22; 23, Anm. 28 11.218 ǀ 38 Antoninus Liberalis Martini 7 (p. 76–78) ǀ 117, Anm. 375 Apollonios Rhodios Argonautika 1.211 ǀ 173 3.91 ff. ǀ 74 Archilochos F 120 (West) ǀ 60, Anm. 121 Arethas in Σ Luc. P. 178, 16 Rabe ǀ 30, Anm. 72; 31, Anm. 76; 99, Anm. 300 Aristophanes (Ar.) Aves 227–262 ǀ 140 Equites 544–550 ǀ 136, Anm. 470 Nu. 333 ǀ 95, Anm. 283 969–971 ǀ 95, Anm. 283 Plutos 290 ff. ǀ 140, Anm. 487 Ran. 67 ǀ 57 71 ǀ 27

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Index locorum

83–5 ǀ 17, Anm. 98; 27; 30, Anm. 71; 32; 99, Anm. 300; 104, Anm. 320 84 ǀ 104 85 ǀ 27 1314 ǀ 90 1348 ǀ 90 1206–8 ǀ 45, Anm. 33 1298–1300 ǀ 159, Anm. 576 Thesm. 5–10 ǀ 98, Anm. 293 19–21 ǀ 98, Anm. 293 29–35 ǀ 81 29 f. ǀ 31 29 ff. ǀ 82, Anm. 205 35 ǀ 82; 104, Anm. 321 39–48 ǀ 83 39–50 ǀ 84 39–57 ǀ 82 50 ǀ 84, Anm. 210; 104, Anm. 321 52–57 ǀ 84; 100; 119; 126 57 ǀ 104, Anm. 321 60 ǀ 104, Anm. 321 95 ǀ 98 97 f. ǀ 81; 98; 98, Anm. 293; 104, Anm. 321 100 ǀ 85; 94; 94, Anm. 278 101 ǀ 85 101 ff. ǀ 80 101–129 ǀ 84; 87, Anm. 230 103 ǀ 87 109–110 ǀ 93 115 ǀ 87 120–122 ǀ 86; 135, Anm. 464 120–125 ǀ 123 121 ǀ 90 121 f. ǀ 91; 94 122 f. ǀ 93 123–125 ǀ 90 124 ǀ 94 124 f. ǀ 95 130–132 ǀ 92 130–133 ǀ 86 130–134 ǀ 98

209

130–145 ǀ 96 136 ǀ 104, Anm. 321 137 ǀ 94 137 f. ǀ 98 139–143 ǀ 99 144 f. ǀ 94 146 f. ǀ 100, Anm. 307 146 ff. ǀ 110 148–152 ǀ 96 149–152 ǀ 100, Anm. 307 154–156 ǀ 96; 100, Anm. 307 157 ǀ 125 157 f. ǀ 99 159 f. ǀ 104 159–167 ǀ 96 159–171 ǀ 97 160–163 ǀ 99 163 ǀ 99, Anm. 305 167 f. ǀ 95 167–170 ǀ 100, Anm. 307 179–209 ǀ 80 180 ǀ 84, Anm. 210; 100, Anm. 307 183 ǀ 84, Anm. 210; 100, Anm. 307 191 ǀ 81 191 f. ǀ 111 196 ǀ 84, Anm. 210; 100, Anm. 307 198 f. ǀ 100, Anm. 307 200 f. ǀ 111 200 ff. ǀ 99; 104, Anm. 321 211 ff. ǀ 80 218 f. ǀ 81 253 ff. ǀ 99; 104, Anm. 321 574 ff. ǀ 80 871 ff. ǀ 80 1001 ff. ǀ 145 1065 ǀ 66, Anm. 145 1160 ff. ǀ 80 Vesp. 1015 ff. ǀ 161, Anm. 590 Aristoteles (Aristot.) F 556 (Rose) ǀ 116, Anm. 373

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210

Indices

Eth. Eud. 1232b6 ǀ 31; 31, Anm. 78 Poet. 1449a9–11 ǀ 60, Anm. 120 1451b19–23 ǀ 114; 116; 117; 183, Anm. 725 1451b19–26 ǀ 111 1451b25 f. ǀ 116, Anm. 366 1454a16–28 ǀ 69 1454a29 ǀ 143, Anm. 500 1454a31–33 ǀ 69 1454b11–15 ǀ 124, Anm. 411 1454b14 ǀ 124, Anm. 412 1456a16 ǀ 115 1456a18 ǀ 115 1456a25–30 ǀ 111 1456a25–32 ǀ 115 1461b9–15 ǀ 178 1461b30 ǀ 128, Anm. 431 1461b30–32 ǀ 143, Anm. 501 Pol. 1311b7-35 ǀ 20, Anm. 3, 6 1311b11-20 ǀ 50, Anm. 61 1311b23 ǀ 26, Anm. 48 1311b30-34 ǀ 50, Anm. 61 1342b1–3 ǀ 91; 94, Anm. 274 1342b1–7 ǀ 94, Anm. 274 Rhet. 1398a24-26 ǀ 16 1415a11 ǀ 156, Anm. 566; 157, Anm. 568 Top. 157a14 ǀ 165 Aristoxenos (Aristox.) El. rh. II (Pearson) 13 ǀ 88 19 ǀ 88, 89 Harm. (Marquard) 2.34 ǀ 87, Anm. 232 Arrian Anab. 1.11.1 ǀ 55 4.8.1 ǀ 64

Astydamas 60 Snell/ Kannicht T 2a ǀ 161, Anm. 590 Athenaios (Ath.) Deipnosophistae 3.122 C–D ǀ 137 5.185 A ǀ 125 5. 211 E ǀ 125 5.216 F ǀ 30, Anm. 76; 101, Anm. 310 5.217 A ǀ 101, Anm. 310 5.217 B ǀ 101, Anm. 310 8.338 A ǀ 127, Anm. 426; 146, Anm. 512 8.345D ǀ 17, Anm. 96; 33 10.454 B–D ǀ 120, Anm. 391 10.454 D ǀ 120; 121 10.454 F ǀ 121 11.464 A ǀ 158, Anm. 571; 163, Anm. 600 12.528 D ǀ 118 13.598D ǀ 25, Anm. 37 Bakchylides F 20b Sn./ M. ǀ 190, Anm. 6 Choirilos von Samos Bernabé Testimonien T 1 ǀ 33; 34; 158, Anm. 571; 171, Anm. 657; 172 T 2 ǀ 174, Anm. 672 T 3 ǀ 33, Anm. 90; 34; 34, Anm. 93 T 4 ǀ 17, Anm. 96; 33 T 5 ǀ 33, Anm. 88 T 6 ǀ 158, Anm. 571; 171, Anm. 651, 652; 172, Anm. 663 Fragmente F 1–12 ǀ 156, Anm. 560 F 1 ǀ 156, Anm. 566; 157; 158; 171 F 1, 1 ǀ 164, Anm. 606 F 1, 2 ǀ 157, Anm. 566 F 2 ǀ 158; 161; 167; 167, Anm. 626; 169; 171 F 2, 1 ǀ 159

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Index locorum

F 2, 2 ǀ 159; 169 F 2, 3 ǀ 159 f. F 2, 4–5 ǀ 160–162; 169 F 2, 5 ǀ 168 f. F 3 ǀ 158, Anm. 571; 164, Anm. 607; 170; 171, Anm. 651; 173; 173, Anm. 668 F 3, 1–2 ǀ 164, Anm. 607 F 4 ǀ 173; 173, Anm. 669 F 5 ǀ 158, Anm. 571; 172, Anm. 660, 662 F 5, 1–2 ǀ 164, Anm. 607 F 5–6 ǀ 170 F 6 ǀ 158, Anm. 571; 172 F 6, 3 ǀ 164, Anm. 606 F 6, 4 ǀ 164, Anm. 607 F 7 ǀ 173; 173, Anm. 670 F 8 ǀ 164, Anm. 607, 608 F 9 ǀ 158, Anm. 571; 159, Anm. 574; 162; 162, Anm. 599; 163, Anm. 600; 164 F 9, 1 ǀ 164, Anm. 606 F 9, 2 ǀ 164, Anm. 607 F 9, 2–3 ǀ 163; 164, Anm. 604 F 10 ǀ 158, Anm. 571; 164, Anm. 606 Aly, Mitteilungen aus der Freiburger Papyrussammlung I (1914, p. 9) ǀ 165 Cicero (Cic.) De inv. 2.1 ǀ 34, Anm. 96; 181 2.1–3 ǀ 178; 179, Anm. 704 Orator 55 ff. ǀ 90, Anm. 244 Demosthenes (Demosth.) 3.24 ǀ 13, Anm. 72 9.30-31 ǀ 13, Anm. 72 Der Neue Overbeck (DNO) 1582 ǀ 179, Anm. 705 1586 ǀ 179, Anm. 705 1588 ǀ 179, Anm. 705 1710 ǀ 34; 175, Anm. 676; 180, Anm. 710; 181, Anm. 718 1711 ǀ 34, Anm. 95

211

1712 ǀ 34, Anm. 95; 178; 178, Anm. 697; 179, Anm. 698; 179, Anm. 704, 706 1713–1715 ǀ 34, Anm. 96; 181, Anm. 713 1717 ǀ 178; 179, Anm. 699; 179, Anm. 704 1718 ǀ 179, Anm. 704 1719 ǀ 34, Anm. 95 1720 ǀ 34, Anm. 96; 181, Anm. 713 1721 ǀ 34; 177; 182 1722 f. ǀ 34, Anm. 96 1728 ǀ 34; 34, Anm. 95; 175, Anm. 676; 177, Anm. 690 1729 ǀ 34, Anm. 95; 34, Anm. 96; 179, Anm. 704; 180; 181; 181, Anm. 712; 182 1731 f. ǀ 181, Anm. 715 1733 ǀ 34, Anm. 96; 179, Anm. 704; 181 1733–1743 ǀ 182 1733–1744 ǀ 181, Anm. 715 1734 ǀ 178; 178, Anm. 693 1735 ǀ 34, Anm. 95 1736 ǀ 179, Anm. 704 1738–1740 ǀ 34, Anm. 95 1747 ǀ 181, Anm. 715 1748 f. ǀ 180, Anm. 708 1750 ǀ 178; 178, Anm. 695 1752 ǀ 179, Anm. 704 1753 ǀ 175, Anm. 675; 179, Anm. 705; 181; 181, Anm. 717 1754 ǀ 181, Anm. 714 2852–2858 ǀ 191, Anm. 17 3011 ǀ 179, Anm. 698 3019 ǀ 176; 176, Anm. 682 Diodor (Diod.) 13.49.1–2 ǀ 10, Anm. 45 13.103.5 ǀ 25, Anm. 37 14.37.6 ǀ 50; 50, Anm. 61; 54, Anm. 82 14.46.6 ǀ 32, Anm. 81

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212

Indices

17.16.3–4 ǀ 12; 47; 53, Anm. 75; 55; 190, Anm. 5 17.92.3 ǀ 141, Anm. 492 Diogenes Laertios 2.25 ǀ 16, Anm. 92 Diogenian. ap. Hsch. α 281 ǀ 95 Dion Chrysostomos (Dio. Chrys.) 78.32 ǀ 146, Anm. 511 Dionys von Halikarnass (D. H.) Comp. verb. 64 (c. 11) ǀ 89; 93, Anm. 265 De imitatione 31.1.1 ǀ 178; 178, Anm. 693 Didascaliae tragicae Kannicht/ Snell DID C 19 ǀ 21, Anm. 15; 28, Anm. 59 DID C 22 ǀ 57 DID D 1 A 63 ǀ 21, Anm. 15; 29, Anm. 65; 32, Anm. 85 Etymologicum Magnum (Et. M.) Gaisford s.v. εἰσῇμεν (301, 57 f.) ǀ 123, Anm. 408 ‘Eudocius’ Viol. 1012 (742 Flach) ǀ 174, Anm. 672 Euenos 2.5 ǀ 164, Anm. 603 Euripides (Eur.) Testimonien und Fragmente (Kannicht) T 1 IA. c. 6, 10 ǀ 19, Anm. 2 T 1 IA. c. 6 ǀ 24, Anm. 33; 52 T 1 IA. c. 10 ǀ 20, Anm. 10; 21, Anm. 19; 26, Anm. 53 T 1 IB. c. 3 ǀ 19, Anm. 2; 25, Anm. 37, 44 T 1 II ǀ 19, Anm. 2; 24, Anm. 36 T 2 c. 9 ǀ 25, Anm. 37; 26, Anm. 48 T 2 c.10 ǀ 21, Anm. 19 T 3 c.4 ǀ 25, Anm. 37, 42

T 3 c.4, 14–16 ǀ 26, Anm. 49 T 3 c.5 ǀ 22, Anm. 21; 23 T 4, 24–7 ǀ 25, Anm. 44 T 4, 26–7 ǀ 26, Anm. 49 T 4, 28–9 ǀ 25, Anm. 37 T 4, 30–5 ǀ 21, Anm. 19 T 17a ǀ 25, Anm. 37 T 79a ǀ 26, Anm. 50 T 79b ǀ 26, Anm. 50; 28, Anm. 61 T 79c–d ǀ 26, Anm. 50 T 80–82 ǀ 26, Anm. 50 T 87a–b ǀ 26, Anm. 52 T 102 f. ǀ 26, Anm. 48 T 106A ǀ 25, Anm. 37 T 112 ǀ 22, Anm. 19 T 114 ǀ 26, Anm. 49 T 115 ǀ 22, Anm. 19; 26, Anm. 49 T 118 ǀ 26, Anm. 49 T 120 ǀ 22, Anm. 19 T 121 ǀ 20, Anm. 3; 21, Anm. 19 T 122 ǀ 22, Anm. 19; 25, Anm. 37 T 123 ǀ 25, Anm. 37 T 125c ǀ 22, Anm. 19; 25, Anm. 37 T 126 ǀ 22, Anm. 19; 25, Anm. 37 T 129a ǀ 20, Anm. 10; 22, Anm. 19 T 129b ǀ 20, Anm. 10 T 129c ǀ 22, Anm. 20 T 130a ǀ 22, Anm. 22; 23, Anm. 28 T 130b ǀ 21, Anm. 19 T 131a–b ǀ 21, Anm. 19 T 132a ǀ 22, Anm. 19, 22; 23, Anm. 28 T 132c ǀ 22, Anm. 19, 22; 23, Anm. 28 T 133 ǀ 22, Anm. 21; 23 T 232–234 ǀ 20, Anm. 3 T 232 ǀ 21, Anm. 19; 26, Anm. 53

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213

Index locorum

T 233 ǀ 22, Anm. 20; 23, Anm. 26 T 234 ǀ 22; 22, Anm. 20, 21 T 237 ǀ 20, Anm. 3; 21, Anm. 19 T 240 ǀ 20, Anm. 3; 22, Anm. 19, 22; 23, Anm. 28 F 114 ǀ 66, Anm. 145 F 382 ǀ 120, Anm. 388 F 382, 4 ǀ 121 F 382, 7 ǀ 120 F 382, 13 ǀ 120, Anm. 390 F 391–397 ǀ 123, Anm. 407 F 460–470a ǀ 123, Anm. 407 F 625–633 ǀ 123, Anm. 407 Alk. 773 ff. ǀ 76, Anm. 189 Alkmaion in Korinth F 73a–87a Kannicht ǀ 77; 122, Anm. 404 Alkmaion in Psophis F 65–72 ǀ 122, Anm. 404 Archelaos (Kannicht) F 228 ǀ 43; 46; 48; 53 F 228, 1-6 ǀ 45, Anm. 35 F 228, 1 ǀ 45; 45, Anm. 34 F 228, 3-5 ǀ 45; 45, Anm. 35 F 228, 4 ǀ 45, Anm. 34 F 228, 6–8 ǀ 45 F 228a ǀ 44; 48; 53; 55, Anm. 86 F 228a, 3–4 ǀ 46 F 228a, 8 f. ǀ 46 F 228a, 14 f. ǀ 46 F 228a, 15 ǀ 55 F 228a, 15–18 ǀ 47 F 228a, 17 ǀ 49 F 228a, 19–20 ǀ 45 F 228a, 21 ǀ 55 F 228a, 21–25 ǀ 47 F 228a, 23–25 ǀ 45 F 228a, 24 ǀ 55 F 231-233 ǀ 55, Anm. 86 F 234–240 ǀ 43, Anm. 30 F 236-240 ǀ 55, Anm. 86 F 242–247 ǀ 43, Anm. 30 F 249–254 ǀ 43, Anm. 30

F 256–259 ǀ 43, Anm. 30 F 260 ǀ 51 F 261–264 ǀ 43, Anm. 30 PHamb. 118 a col. II ǀ 44; 46 Ba. 55 ff. ǀ 61 64 ǀ 59 68–71 ǀ 60 72 ff. ǀ 60 73–87 ǀ 60 88–104 ǀ 60 f. 105–166 ǀ 60 127 f. ǀ 63 152–164 ǀ 62 337–340 ǀ 25 371 f. ǀ 60 410–411 ǀ 64 519–536 ǀ 61 526 ǀ 62 526–529 ǀ 61 537 ǀ 60 565 ǀ 64 569 ǀ 64 571 ǀ 64 574 ǀ 64 576–615 ǀ 59 877 ff. ǀ 60 966–970 ǀ 59 985–991 ǀ 62 991 ff. ǀ 60 Cyc. 443–444 ǀ 86, Anm. 229 El. 1 ǀ 43, Anm. 32 Hipp. 73 ǀ 159, Anm. 576 73 f. ǀ 159 IA 1–162 ǀ 66 16–27 ǀ 71 58–62 ǀ 67, Anm. 150 72 ff. ǀ 67, Anm. 150 80–114 ǀ 71 87–93 ǀ 75 94–114 ǀ 67, Anm. 150

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Indices

96 ǀ 72 100 ǀ 67, Anm. 153 105–107 ǀ 67, Anm. 153 107 ǀ 67 107–118 ǀ 67, Anm. 148 110 ǀ 67 124–127 ǀ 68 309–310 ǀ 75, Anm. 186 313 ǀ 75, Anm. 186 370–372 ǀ 72 386 ǀ 72 396 ǀ 71; 72 413 f. ǀ 72 460 ff. ǀ 71 471 ǀ 72 473–476 ǀ 72 478 ǀ 72 485 f. ǀ 72 496 f. ǀ 72 801–822 ǀ 76 959–961 ǀ 73 962–967 ǀ 71 1100–1102 ǀ 69 1117 ff. ǀ 69 1218 ǀ 70 1218–1230 ǀ 69 1236–1240 ǀ 69 1255 ff. ǀ 71; 72 1259 ff. ǀ 69 1276 ff. ǀ 69 1335 ǀ 70 1368 ǀ 70 1375 ǀ 70 1379 ǀ 70 1384 ǀ 70 1386–1390 ǀ 70 1397 ǀ 70 1404–1406 ǀ 73 1410 f. ǀ 73 1420 ǀ 70 Or. 4 ff. ǀ 46 1369–1502 ǀ 91; 145; 155 1370 ǀ 92 1396 ǀ 92

Eusebios (Euseb.) Praep. Ev. 9.9.1 ǀ 158, Anm. 571 Eustathios (Eust.) Il. 1292,58 ǀ 118 Flavius Iosephus (Flav. Ioseph.) c. Ap. 1.172 ǀ 158, Anm. 571 Further Greek Epigrams (FGrEp.) Page 566-9 ǀ 22, Anm. 20; 23, Anm. 26 570-5 ǀ 22; 22, Anm. 20, 21 1052-5 ǀ 26, Anm. 53 Fragmente griechischer Historiker (FGrHist) Jacoby 70 F 42 ǀ 158, Anm. 571; 172, Anm. 661 334 F 61 ǀ 33 631 F 1 ǀ 49, Anm. 49 647 F 1, 2 ǀ 45, Anm. 34 688 F 40 ǀ 163, Anm. 600 Fragmenta Tragica Adespota TrGF 2, Kannicht/ Snell F 327c (adesp.) ǀ 122, Anm. 398 Gellius N.A. 7.17.1 ǀ 190, Anm. 9 15.20 ǀ 21, Anm. 19; 25, Anm. 37; 26, Anm. 48 Gnomologium Vaticanum (Gnomol. Vat.) 517 Sternbach (p. 190 ed. Luschnat 1963) ǀ 20, Anm. 9 Herodian π. καθολ. προσωιδ. 16 (I 440, 9 Lentz) ǀ 173, Anm. 668 π. μονήρους λέξεως 13 (II 919, 28 Lentz) ǀ 158, Anm. 571; 171, Anm. 651 Herodot (Hdt.) 1, Proöm ǀ 171, Anm. 649 1.56.3 ǀ 14 1.201–214 ǀ 167, Anm. 619 4.88 ǀ 172

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Index locorum

5.20.4 ǀ 14 5.22 ǀ 15, Anm. 85; 49 6.105 ǀ 176 7.61–99 ǀ 173 7.189 ǀ 174 8.43 ǀ 14 8.137–138 ǀ 14; 14, Anm. 81; 54, Anm. 86 8.137-139 ǀ 49 8.137.1 ǀ 49, Anm. 53 8.138.1 ǀ 49, Anm. 53 8.144.2 ǀ 13, Anm. 73 9.44 ǀ 14, Anm. 81 Hesiod (Hes.) Erga 171 ǀ 27 Theog. 1 ff. ǀ 83, Anm. 208 53 ǀ 22, Anm. 23 64 ǀ 91 Homer (Hom.) H. 19 ǀ 175, Anm. 678 Il. 1.1 ǀ 156, Anm. 566; 157 6.267 ǀ 162, Anm. 593 17.674 ǀ 162, Anm. 593 18 ǀ 153 Od. 1.1 ǀ 156, Anm. 566; 157 9.241 ǀ 168, Anm. 627 10.103 ǀ 168, Anm. 627 12.433 ǀ 162, Anm. 593 15.140 ǀ 159, Anm. 577; 162, Anm. 594 15.412 ǀ 162, Anm. 593 17.331 f. ǀ 159, Anm. 577; 162, Anm. 594 Horaz (Hor.) AP 1–23 ǀ 181, Anm. 711 Sat. 2, 1 ǀ 167, Anm. 621

215

Hygin (Hyg.) Marshall Fab. 219 ǀ 42 219.[5] ǀ 55 IG I Hiller von Gaertringen 71 ǀ 6; 7 10 ǀ 6; 6, Anm. 7; 7; 8; 53, Anm. 73 IG I3 Lewis 89 ǀ 6; 7 117 ǀ 6; 6, Anm. 7; 7; 53, Anm. 73 Isokrates (Isokr.) Or. 15.2 ǀ 181, Anm. 713 Iulius Solinus (Iul. Solin.) Collect. rerum memorab. 9, 15 ǀ 26, Anm. 49 Kallimachos (Kall.) Ait. (Harder) F 1–1e ǀ 166 F 1, 11 ǀ 137 F 1, 13–18 ǀ 166 F 1, 14–16 ǀ 167 F 1, 17 ǀ 137 F 1, 18 ǀ 167 F 1, 21–28 ǀ 137 F 1, 25–28 ǀ 167 F 1, 27 ǀ 169 F 1, 29 f. ǀ 146; 146, Anm. 513 F 110–110f ǀ 177, Anm. 688 h. 2.105 ff. ǀ 167, Anm. 624 5.107-116 ǀ 25 Likymnios PMG F 770 a/b ǀ 119, Anm. 386 Lukian (Luc.) Dial. mort. 19.4 ǀ 29, Anm. 67 Par. 35 ǀ 26, Anm. 49

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Indices

Peregr. 2 ǀ 25, Anm. 40 11-13 ǀ 25, Anm. 39 16 ǀ 25, Anm. 39 Zeuxis 3 ǀ 34, Anm. 96; 180; 182 5 ǀ 181 7 ǀ 180 3–8 ǀ 179, Anm. 704; 184 Manilius Astronomica 3.19–21 ǀ 170 Marcellinus Vita Thucydidis 29 ǀ 2, Anm. 5; 33, Anm. 88 Melanippides PMG F 758 ǀ 94, Anm. 281 F 759 ǀ 119, Anm. 386 F 761 ǀ 119, Anm. 386 Ovid (Ov.) Met. 15.745 ff. ǀ 177, Anm. 688 Parthenios Erot. Path. 14 ǀ 116; 116, Anm. 371 Pausanias (Paus.) 1.2.2 ǀ 20, Anm. 8; 20, Anm. 10 3.12.10 ǀ 136, Anm. 469 8.50.3 ǀ 128, Anm. 431; 132, Anm. 449 Pherekrates PCG 155 ǀ 18; 94, Anm. 276; 129; 129, Anm. 440; 183, Anm. 726; 184, Anm. 729 155, 9 ǀ 95, Anm. 284 155, 22 f. ǀ 129 155, 23 f. ǀ 94, Anm. 280 155, 24–25 ǀ 136, Anm. 469 155, 26 ǀ 130 Photius Lex. (Theodoridis) α 458 ǀ 122, Anm. 403

Phrynichos 3 Snell/ Kannicht F 4b ǀ 152, Anm. 543 F 8–12 ǀ 152, Anm. 543 Pindar (Pi.) Fragmente F 124a. 1 Sn./M. ǀ 160, Anm. 583 F 120–121 Sn./M. ǀ 190, Anm. 6 N. 1.33–50 ǀ 153 7.61 ǀ 137, Anm. 474 O. 1.114 ǀ 160, Anm. 582 8.55 ǀ 137, Anm. 474 P. 11.29 ǀ 137, Anm. 474 Platon (Pl.) Gorg. 453c ǀ 181, Anm. 713 471a-d ǀ 15; 17; 35, Anm. 101; 50; 54 471a ǀ 16 471b-c ǀ 16 Hipp. mai. 283b ff. ǀ 133, Anm. 455 Leg. 660b ǀ 133, Anm. 455 700a ff. ǀ 88, Anm. 237 700b4 f. ǀ 61 796e–817e ǀ 114, Anm. 360 Pol. 397a1–9 ǀ 140 397a3–b1 ǀ 139, Anm. 482 397b1–2 ǀ 98, Anm. 291 398c11–d10 ǀ 88 400b ǀ 88 Prot. 315d ǀ 29; 99; 105; 106 318b–c ǀ 181, Anm. 713 Smp. 172a ǀ 30, Anm. 72 173a ǀ 101; 102, Anm. 314 173b ǀ 102 174a ǀ 104

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Index locorum

174e ǀ 104 175a ǀ 103, Anm. 316 175b ǀ 103, Anm. 317 175c ǀ 104; 109 175c–d ǀ 103, Anm. 316; 105 175c–e ǀ 106 175e ǀ 81, Anm. 204; 102 f.; 109 176e–178a ǀ 102 177d ǀ 105–107 180c ǀ 103, Anm. 316 193b ǀ 105 193d–194e ǀ 109 194a–b ǀ 81, Anm. 204; 102 194a8–b5 ǀ 102 194a–c ǀ 107 194b ǀ 109 194c ǀ 104 194e ǀ 106 195a ǀ 106; 108, Anm. 337 195a1–5 ǀ 111 195a8–b1 ǀ 111 195d6 ǀ 111 195e8–196a1 ǀ 112, Anm. 353 196a ǀ 111 196b–197b ǀ 106 196b4 f. ǀ 111 196b6–8 ǀ 112, Anm. 353 196c1–3 ǀ 111 196d–197e ǀ 108, Anm. 337 196d–e ǀ 110; 111 196e3 f. ǀ 111 197a7 f. ǀ 111 197b ǀ 107 197d ǀ 106 197c3 ǀ 111 197d1–e5 ǀ 112; 112, Anm. 353 f. 197d–e ǀ 119 197d–199b ǀ 126 197e2–5 ǀ 113 197d–199b ǀ 126 198a–b ǀ 107 198a–199c ǀ 108 198b2–5 ǀ 111 198d ǀ 107

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198c ǀ 111 198d7–199a3 ǀ 108 199b–201c ǀ 107 199c ǀ 108, Anm. 337 212e ǀ 104 213a–e ǀ 106 213c ǀ 105 223b ǀ 103, Anm. 316 223b–d ǀ 113 223d ǀ 28 Plinius (Plin.) Nat. hist. 31.28 ǀ 20, Anm. 8; 21, Anm. 19 35.106 ǀ 176 35.61 ǀ 181, Anm. 718 35.62 ǀ 34; 175, Anm. 676 35.64 ǀ 180, Anm. 708 35.64–65 ǀ 178; 178, Anm. 697; 179, Anm. 704 35.66 ǀ 180, Anm. 708 36.61 ǀ 180, Anm. 710 Plutarch (Plut.) Vitae Parallelae Alex. 2 ǀ 64, Anm. 136 Alk. 1.5 ǀ 30; 26, Anm. 50 Brut. 27 ǀ 29, Anm. 67 Lyk. 31.5 ǀ 20, Anm. 8; 22, Anm. 22; 23, Anm. 28 Lys. 18.7 f. ǀ 33, Anm. 90; 34; 34, Anm. 93 Pericles 13.3–4 ǀ 179, Anm. 704 Phil. 11 ǀ 128, Anm. 431 Moralia Amat. 770C ǀ 26, Anm. 50; 28, Anm. 61; 29; 32 768 F ǀ 50, Anm. 61

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Indices

An seni sit ger. resp. 795D ǀ 26, Anm. 52 De exilio 604D ǀ 22, Anm. 19 De fort. Alex. I 334B ǀ 32, Anm. 82; 36, Anm. 104 De mus. 1132 CD ǀ 134, Anm. 134, Anm. 461 Quaest. conv. 645 E ǀ 122 Quomodo quis sent. prof. virt. 84A ǀ 94, Anm. 275 Pollux 1.90 ǀ 165, Anm. 611 4.66 ǀ 129, Anm. 436; 134, Anm. 462 P. Oxy 1399 saec. II/III, primum edid. Grenfell/ Hunt ǀ 158, Anm. 571; 171, Anm. 651 f.; 172, Anm 663 Praxiphanes Wehrli F 18 ǀ 2, Anm. 5; 33, Anm. 88 Properz (Prop.) Fedeli 2.1.22 ǀ 170 3.1 ǀ 169 3.1.13–14 ǀ 170 3.3 ǀ 169 3.3.17–21 ǀ 160 3.3.18 ǀ 170 3.3.19 ǀ 160, Anm. 578 Prov. ap. Sud. α 125 ǀ 95 Pseudo-Apollodor ([Apollod.]) 3.80–93 ǀ 77, Anm. 190 3.87 ǀ 77 3.94–95 ǀ 77 Pseudo-Aristoteles ([Aristot.]) De aud. 804a21–29 ǀ 147, Anm. 516

Pseudo-Euripides ([Eur.]) Epist. 1.1 ǀ 24 4.4 ǀ 24 5.1 ǀ 22, Anm. 19; 24, Anm. 32; 28 5.2 ǀ 24; 26, Anm. 50; 28; 29, Anm. 66; 31 5.3-6 ǀ 24; 26, Anm. 46 Pseudo-Platon ([Pl.]) Alk. 2.141de ǀ 14, Anm. 82; 16; 50, Anm. 61 Pseudo-Plutarch ([Plut.]) Reg. et imp. apophthegm. 177A ǀ 26, Anm. 50; 28, Anm. 61; 29; 32 177B ǀ 32, Anm. 82; 36, Anm. 104 Vit. Dec. orat. 837 E ǀ 45, Anm. 33 Pseudo-Vergil ([Verg.]) Culex 30–34 ǀ 170, Anm. 644 Quintilian (Quint.) 12.10.4–5 ǀ 175, Anm. 675; 179; 181, Anm. 716 Satyros (Satyr.) Vit. Eur. Schorn F 6, fr. 39 col. XVIII ǀ 22, Anm. 19; 26, Anm. 49 F 6, fr. 39 col. XX ǀ 22, Anm. 19; 26, Anm. 48 F 6, fr. 39 col. XXII ǀ 26, Anm. 52; 154, Anm. 556 F 6, fr. 39 col. XX 22 – XXI ǀ 25, Anm. 37 F *29 ǀ 49, Anm. 49 Scholia in Apollonium Rhodium Wendel 1, 211/ 5c (26, 16) ǀ 173, Anm. 670 Scholia in Aristophanem Ran. 67 ǀ 57

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Index locorum

Ran. 83–5 ǀ 30, Anm. 71; 31; 104, Anm. 320 Thesm. 1065 ǀ 66, Anm. 145 Scholia in Pindarum Drachmann Σ EFGQ Pi. P. 2.57 (2.24.12) ǀ 51 Scholia in Platonem Greene Smp. 172a (p. 447) ǀ 30, Anm. 72; 99, Anm. 300 Scholia in Vergilium Hagen Schol. Bern zu Verg. Georg. 1.482 (212) ǀ 173, Anm. 669 Seneca d. Ä. Controversiae 10.5.27–28 ǀ 178; 179, Anm. 699; 179, Anm. 704 Simonides PMG F 532–535 ǀ 152, Anm. 544 Solinus Mommsen 9.16 (p. 65) ǀ 11, Anm. 52 Sophokles (Soph.) Testimonien und Fragmente (Radt) T 57 ǀ 20, Anm. 9 F 121 ǀ 121, Anm. 394 F 108–110 ǀ 122, Anm. 404 F 140 ǀ 123, Anm. 407 F 185–190 ǀ 122, Anm. 404 F 201a–h ǀ 122, Anm. 404 Stephanos von Byzanz (Steph. Byz.) Billerbeck s.v. Αἰθίοψ (A 124; 1, p. 90 f.) ǀ 45, Anm. 34 s.v. Ἀρέθουσα (A 410; 1, p. 248 f.) ǀ 173, Anm. 668 s.v. Βορμίσκος (B 125; 1, p. 360 f.) ǀ 22, Anm. 19; 25, Anm. 37; s.v. Μίλητος (M 184; 3, p. 320 f.) ǀ 32, Anm. 84; 127, Anm. 426; 128, Anm. 427

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Stobaios (Stob.) Wachsmuth/ Hense 3.27.1(III 611, 1) ǀ 158, Anm. 571; 171, Anm. 656 Strabo (Strab.) 7, F 11.20-22, 32-34 ǀ 7, Anm. 19 5.2.4 ǀ 45, Anm. 34 7.3.9 ǀ 158, Anm. 571; 172; 172, Anm. 659 Suda Adler α 124 Ἀγάθων ǀ 27; 30, Anm. 71; 99, Anm. 300; 104, Anm. 320 α 1982 Ἀναξανδρίδης ǀ 190, Anm. 15 γ 388 Γοργίας ǀ 111, Anm. 351 ε 3695 Εὐριπίδης ǀ 22, Anm. 21; 23; 25, Anm. 37, 42; 26, Anm. 49 λ 683 Λουκιανός ǀ 25, Anm. 38 μ 1445 Μύρμηξ ǀ 94, Anm. 278 τ 620 Τιμόθεος ǀ 32; 32, Anm. 80; 127, Anm. 426; 128, Anm. 427; 133, Anm. 456 φ 393 Φιλόξενος ǀ 94, Anm. 279 χ 595 Χοιρίλος ǀ 33; 34; 158, Anm. 571; 171, Anm. 657; 172 Supplementum Hellenisticum (SH) 1–12 ǀ 191, Anm. 16 17 ǀ 191, Anm. 16 17A ǀ 191, Anm. 16 45 ǀ 191, Anm. 16 314–332 ǀ 156, Anm. 560 314 ǀ 171, Anm. 654 316 ǀ 156, Anm. 566 329 ǀ 162, Anm. 596 333–335 ǀ 191, Anm. 16 358 ǀ 176, Anm. 684 Synagoge cod. B, Cunningham α 480 ǀ 122, Anm. 403

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Indices

Telestes PMG F 805–806 ǀ 94, Anm. 281 F 810 ǀ 94, Anm. 281 Theodektes 72 TrGF 1, Snell/ Kannicht T 6 ǀ 51, Anm. 66 F 6 ǀ 121, Anm. 392, 393 Theokrit (Theokr.) Eid. 15.87–95 ǀ 147 16.45 ǀ 94, Anm. 277 17.16–27 ǀ 47, Anm. 44 24 ǀ 40, Anm. 17; 74; 153 Thrasymachos F 2 Diels/ Kranz10 ǀ 15; 15, Anm. 88 Thukydides (Thuk.) 2.99–101 ǀ 14 2.99.3 ǀ 49, Anm. 53 2.99.6 ǀ 14, Anm. 81 2.100.1–2 ǀ 5 2.100.2 ǀ 9; 51; 64, Anm. 133 4.82-83 ǀ 9 4.124-128 ǀ 9 4.124.1 ǀ 9; 14 4.125.1 ǀ 14 5.80.2 ǀ 49, Anm. 53 8.18 ǀ 154, Anm. 552 8.37 ǀ 154, Anm. 552 8.58 ǀ 154, Anm. 552 Tiberius De fig. Demosth. 48 p. 44, 10 Ballaira ǀ 45, Anm. 35 Timotheos von Milet (Tim.) PMG F 777–795 ǀ 128 F 785 ǀ 127, Anm. 426; 146; 146, Anm. 512 F 788 ǀ 128, Anm. 431; 129; 132, Anm. 449 F 791 ǀ 129, Anm. 435 F 792 ǀ 146 F 793 ǀ 143, Anm. 500 f.

F 796 ǀ 138 f. F 800 ǀ 128, Anm. 431 F 801 ǀ 32, Anm. 82; 36, Anm. 104 P. (F 791 PMG) 1–240 ǀ 129; 129, Anm. 435 (F 791) 14–15 ǀ 150, Anm. 534 20 ǀ 150, Anm. 534 25 f. ǀ 149 28–34 ǀ 148 31 f. ǀ 149 31 ǀ 150, Anm. 534; 151, Anm. 539 34 ǀ 148, Anm. 523 35 f. ǀ 154 37–39 ǀ 151, Anm. 539 40 ǀ 141 40–85 ǀ 150 64–69 ǀ 142 64–71 ǀ 141; 144 70 f. ǀ 151, Anm. 535 76 ǀ 142 78 ǀ 142 82–85 ǀ 142, Anm. 495 86 f. ǀ 154 88–103 ǀ 149 98 ǀ 154 98–105a ǀ 143 98 ff. ǀ 151 105 f. ǀ 142, Anm. 496 105–138 ǀ 149 116 f. ǀ 142, Anm. 496 121 ǀ 142, Anm. 496 127–129 ǀ 143, Anm. 499 130 ǀ 151 132 f. ǀ 151, Anm. 539 133 f. ǀ 151 138 ǀ 143, Anm. 499 139 ǀ 143 140 f. ǀ 154 140 ff. ǀ 151 146–161 ǀ 144 149–151 ǀ 145 150 ǀ 145, Anm. 506

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Index Nominum et Rerum

153–155 ǀ 145 157 ǀ 145 158 ǀ 145, Anm. 507 150–161 ǀ 140 167 ǀ 154 168 ǀ 146, Anm. 509 169 ǀ 132, Anm. 450 174 ǀ 151 177–195 ǀ 145 178 ǀ 146, Anm. 509 178–195 ǀ 150 180–181 ǀ 146, Anm. 509 187 ǀ 146, Anm. 509 196–201 ǀ 130 196–205 ǀ 131 196 ǀ 154 197 ǀ 137 199–205 ǀ 132 202 ff. ǀ 18; 131 202 ǀ 132, Anm. 450; 134 202–236 ǀ 130 202–240 ǀ 183, Anm. 727 205 ǀ 137 206 ff. ǀ 137 206–212 ǀ 133 210–214 ǀ 154 212 ǀ 132, Anm. 452 213–236 ǀ 134

221

221 ǀ 136 221–228 ǀ 137 222 ǀ 132, Anm. 450 225 ǀ 136 229–233 ǀ 94, Anm. 276; 135 230–236 ǀ 136 237–240 ǀ 137 231 ǀ 132, Anm. 450 791 ǀ 94, Anm. 276 Valerius Maximus (Valer. Maxim.) 9.12 ext. 4 (p. 461, 24 Kempf) ǀ 22, Anm. 19; 25, Anm. 37 Vergil (Verg.) Aen. 7.641–817 ǀ 170 10.166–212 ǀ 170 Ecl. 6 ǀ 167, Anm. 621 Vitruv De. archit. 8.3.16 (p. 183, 5 Krohn) ǀ 20, Anm. 8; 21, Anm. 19 Xenophon (Xen.) Hell. 1.6.24 ǀ 6; 53, Anm. 73 1.1.12 ǀ 10, Anm. 45 Oik. 10.1 ǀ 181, Anm. 714

Index Nominum et Rerum Die 5 Personen, die im Mittelpunkt der Untersuchung stehen (Euripides, Agathon, Timotheos von Milet, Choirilos von Samos und Zeuxis), sind nicht extra aufgeführt. Abas ǀ 44; 46 Abusir ǀ 129; 147 Achill/eus ǀ 67; 69–74; 74, Anm. 176; 76; 121; 124; 125; Aelian ǀ 16 f.; 26; 28–32; 31, Anm. 76; 34; 36; 105; 105, Anm. 326; 177; 182 Aerope ǀ 119; 123; 123, Anm. 407, 410; 124

Aeropos ǀ 49 Aeropus II. ǀ 50; 54, Anm. 81, 82 Agamemnon ǀ 66–76; 68, Anm. 157; 71, Anm. 167; 72, Anm. 172 Agis von Argos ǀ 191; 191, Anm. 16 Ägypten/ ägyptisch ǀ 14; 129; 147; 166 f. Aigai ǀ 7 f.; 10; 21 f.; 21, Anm. 17; 42; 47; 50; 52; 53, Anm. 75; 55 f.

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Indices

Aischrion ǀ 191; 191, Anm. 16 Aischylos ǀ 13; 18; 45, Anm. 36; 51, Anm. 66; 58, Anm. 109; 72; 93; 115; 119; 121, Anm. 396; 122, Anm. 398, 404; 146; 151–154; 174; 186; 190 Akrisios ǀ 44; 46 Aktaion ǀ 25 Akte ǀ 170 Alexander Aetolus ǀ 116; 116, Anm. 370 Alexander d. Gr. ǀ 42; 57; 176 f.; 187; 190 f. Alexander I. ǀ 15, Anm. 85; 49; 49, Anm. 52; 190, Anm. 6 Alexandria ǀ 39; 150, Anm. 533; 186; 190 Alkaios ǀ 44; 99 Alketas ǀ 16; 49 Alkibiades ǀ 102; 104; 106 Alkman ǀ 40, Anm. 17 Alkmene ǀ 44; 46 f.; 74; 180, Anm. 708; 181; 181, Anm. 715 Ameise ǀ 85; 94; 94, Anm. 278; 101 Ammianus Marcellinus ǀ 20 Amyntas III. ǀ 8; 20; 177 Amphiaraos ǀ 122, Anm. 404 Amphilochos ǀ 77 Anakreon ǀ 99; 190 Anaxandrides ǀ 190; 190, Anm. 15 Anaximenes von Lampsakos ǀ 167, Anm. 624; 191; 191, Anm. 16 Andromeda ǀ 44; 66 Antigonos Gonatas ǀ 176; 176, Anm. 684 Antimachos von Kolophon ǀ 34, Anm. 93; 167, Anm. 624 Antiphon ǀ 31; 190, Anm. 13 Antoninus Liberalis ǀ 117; 177, Anm. 375 Apelles ǀ 191 Apoll/on ǀ 42; 52; 77; 85; 93; 116, Anm. 370 Apollonios Rhodios ǀ 74; 173; 173, Anm. 670

Apotheose ǀ 57; 177; 177, Anm. 689; 186 Arat ǀ 176, Anm. 684; 195 Archaismus ǀ 63, Anm. 128; 153; 207 Archelaos ǀ 1–24; 1, Anm. 3; 5, Anm. 2; 7, Anm. 16; 8, Anm. 23; 10, Anm. 49; 11, Anm. 52, 54, 57; 16, Anm. 91 f.; 20, Anm. 5 f.; 24, Anm. 31; 26–60; 31, Anm. 76; 32, Anm. 82; 33, Anm. 88; 41, Anm. 22; 42, Anm. 28 f.; 43, Anm. 31; 45, Anm. 34; 50, Anm. 58, 61; 52, Anm. 68; 53, Anm. 76; 54, Anm. 81 f.; 57, Anm. 100; 62; 64–66; 68; 70; 72; 74; 76; 78–80; 82; 84; 86; 88; 90; 92; 94; 96–98; 100; 102; 104; 106; 108; 110; 112; 114; 116; 118; 120; 122; 124; 126–128; 130; 132; 134; 136; 138; 140; 142; 144; 146; 148; 150; 152; 154–156; 158; 160; 162; 164; 166; 168; 170; 172; 174–180; 182–191 Arethas von Caesarea ǀ 30–32; 30, Anm. 72; 31, Anm. 76; 99, Anm. 300 Arethusa ǀ 22 f.; 173, Anm. 668 Argiver ǀ 49; 53 Argolis ǀ 43 f.; 43, Anm. 32 Argos ǀ 10; 41; 43–45; 43, Anm. 32; 47; 49; 49, Anm. 53; 54, Anm. 83; 77; 121; 123, Anm. 407; 191; 191, Anm. 16 Aristodemos ǀ 102; 104 Aristokratie/ aristokratisch ǀ 9; 11; 53 Aristomachos ǀ 49 Aristophanes ǀ 17 f.; 21; 24 f.; 27 f.; 30 f.; 35; 79–81; 80, Anm. 201 f.; 83–85; 87; 90; 92 f.; 95–102; 100, Anm. 307; 104–106; 110 f.; 113; 118 f.; 122–127; 136, Anm. 470; 137; 140; 140, Anm. 486 f.; 145; 161, Anm. 590; 183; 187 Aristoteles ǀ 16; 20; 20, Anm. 6; 31; 35; 50, Anm. 61; 60, Anm. 120; 69 f.; 79; 87; 91; 94; 111; 114–118;

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Index Nominum et Rerum

116, Anm. 366, 373; 118, Anm. 380; 122; 124; 127; 128, Anm. 431; 143; 156, Anm. 566; 157; 165; 175; 178; 182–184; 190 Aristoxenos ǀ 87 f., Anm. 232; 90, Anm. 244 Arrian ǀ 53, Anm. 75; 55; 64 Artemis ǀ 25; 70; 75; 85; 93; 127, Anm. 426; 128; 128, Anm. 431; 159 Asien/ asiatisch ǀ 59; 61; 63; 65; 86; 92–94; 127; 144; 157 f.; 171; 172, Anm. 660 astrophisch ǀ 90–92; 101 Astydamas ǀ 161, Anm. 590 Athen/ Athener/ athenisch ǀ 6; 7; 10 f.; 13; 15–18; 17, Anm. 96; 18, Anm. 102; 20–22; 24–31; 25, Anm. 37; 30, Anm. 74; 35 f.; 53 f.; 64; 64, Anm. 131; 79; 88; 98; 102 f.; 126 f.; 127, Anm. 426; 133; 133, Anm. 455; 139; 153–155; 153, Anm. 549; 171 f.; 173, Anm. 670; 176; 186 f.; 190 Athenaios ǀ 30, Anm. 76; 33; 36; 118– 122; 138, Anm. 478; 163 Athene ǀ 25; 121, Anm. 396 Äthiopien ǀ 43; 45 Atreus ǀ 73; 119; 123, Anm. 407 Auge ǀ 121; 121, Anm. 396 Augustus ǀ 177, Anm. 688 Aulis ǀ 3; 18, Anm. 106; 40; 57 f.; 66– 69; 71; 73–75; 77–79; 114; 150, Anm. 532; 183; 183, Anm. 722 Aulos ǀ 62 f.; 91; 94–96; 127, Anm. 425; 128, Anm. 431; 130; 143; 175 Avantgarde (auch als Wortbestandteil) ǀ 92; 94; 127; 129; 133 f.; 170; 175 Axios ǀ 7; 64 Bakchylides ǀ 40, Anm. 17; 152; 190; 190, Anm. 6 „Barbaroi“ ǀ 13; 15; 15, Anm. 89; 17 f.; 52; 52, Anm. 68; 53, Anm. 76; 91 f.; 93, Anm. 269; 171 Bolbe ǀ 23

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Boreas ǀ 173 f.; 180, Anm. 708 Bosporus ǀ 172 Caesar ǀ 177, Anm. 688 Chalkedon ǀ 15 Chalkidike ǀ 23; 170 Chariten ǀ 86; 91; 91, Anm. 253; 93 Chromatik/ Chromatisch(e Tonart) ǀ 92; 92, Anm. 260; 122; 127 Cicero ǀ 90, Anm. 244; 178 Comic ǀ 150 Damon ǀ 88 Danae ǀ 44; 46 Danaer ǀ 43; 45 f.; 45, Anm. 36 Danaos ǀ 43; 43, Anm. 32; 45 f.; 48; 53 Dareios ǀ 171 f.; 174 Demetrios Poliorketes ǀ 176; 176, Anm. 681 Dichtergelehrte(r)  siehe unter poeta doctus Diodor ǀ 32; 50 Diogenes Laertios ǀ 16, Anm. 92 Dion ǀ 8; 12; 12, Anm. 66; 15; 22; 47; 53-56; 190 Dione ǀ 44 f.; 47 Dionys von Halikarnass ǀ 89 f.; 89 f., Anm. 244; 178 Dionysos/ Dionysos-Kult/ dionysisch ǀ 27; 59–65; 64, Anm. 134; 75; 78; 93 f.; 99, Anm. 303; 162–164; 175 Dionysos I. ǀ 190; 190, Anm. 13 Dionysos II. ǀ 190; 190, Anm. 13 Dithyrambenchor ǀ 60 Dithyrambendichter ǀ 18; 190; 190, Anm. 13 Dithyrambos ǀ 60–63; 60, Anm. 121; 61, Anm. 123; 66; 76; 78; 94–96; 95, Anm. 284; 119; 139, Anm. 481; 140; 140, Anm. 486; 143; 146; 184 Dodone ǀ 44 f.; 47 Ekphrasis ǀ 120 f.; 153 Ekstase ǀ 59 f.; 62; 75 Elektryon ǀ 44; 46 Elenchos ǀ 107–110

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224

Indices

Embolima ǀ 115; 115, Anm. 362, 364; 122 Enkomiast/ Enkomion/ enkomiastisch ǀ 34, Anm. 93; 102; 106–111; 127, Anm. 426; 128; 190, Anm. 6 Ephesus ǀ 153, Anm. 549 Ephoros ǀ 172 Epicharm ǀ 190 Eridanos ǀ 173, Anm. 669 Eriphyle ǀ 122, Anm. 404 Eros ǀ 74; 100; 102; 104–111; 108, Anm. 337; 112, Anm. 353; 113 f.; 119; 126; 180, Anm. 708 Eryximachos ǀ 102; 103, Anm. 316; 105; 107; 109 Europa ǀ 157 f.; 171 Exarchon ǀ 59 f.; 60, Anm. 121 Fiktionalität ǀ 4; 36, Anm. 107 Flöte  siehe unter Aulos Galater ǀ 176, Anm. 684 Gattungsmischung ǀ 40; 63; 63, Anm. 128; 113; 147; 150; 184 Gauanes ǀ 49 Gellius ǀ 21, Anm. 19; 25, Anm. 37; 26, Anm. 48; 190, Anm. 9 Genealogie ǀ 41; 45–53; 46, Anm. 39; 55–57; 78; 186 Gerania ǀ 173, Anm. 669 Griechen/ Griechenland/ griechisch ǀ 1; 4; 8–15; 9, Anm. 33; 11, Anm. 52; 15, Anm. 85, 89; 17–20; 22; 24; 26; 28; 30; 32; 34–38; 43; 45 f.; 45, Anm. 36; 49; 52, Anm. 68; 53–56; 53, Anm. 76; 58–60; 63; 69–71; 75, Anm. 186; 78; 86; 89 f., Anm. 244; 90–92; 94; 103; 119; 121; 129–131; 144–146; 150; 153–155; 154, Anm. 555; 170 f.; 173 f.; 173, Anm. 668; 186–188; 190 Helena ǀ 46; 66; 69 f.; 78; 91; 178; 180, Anm. 708; 181 f.; 181, Anm. 715 Hellas ǀ 70; 72; 74 Herakles ǀ 10; 27; 44; 46 f.; 47, Anm. 45; 49; 52 f.; 55; 121; 153

Herakliskos ǀ 40, Anm. 17; 74; 153; 180, Anm. 708; 181; 181, Anm. 715 Herodot/us ǀ 13 f.; 13, Anm. 73; 34; 49; 49, Anm. 53; 152; 157, Anm. 619; 171–174; 176 Hesiod ǀ 27; 91; 134 Hieron I. von Syrakus ǀ 190; 51, Anm. 66 Hieronymos ǀ 34, Anm. 96 Hippolytos ǀ 159; 159, Anm. 576 Historizität ǀ 1; 16, Anm. 91; 19 f.; 26, Anm. 53; 35 f.; 36, Anm. 107; 50; 122; 154; 158, Anm. 572; 187, Anm. 750 Homer/ homerisch ǀ 45, Anm. 36; 72; 124; 157–159; 158, Anm. 572; 162; 165; 173 f.; 175, Anm. 678; 181, Anm. 716 Hygin ǀ 41; 43; 43, Anm. 31; 52 Hyllos ǀ 44; 47–49 Hymnos (auch als Wortbestandteil) ǀ 93; 128; 130 f.; 137; 139; 155; 167, Anm. 624; 175, Anm. 678; 176, Anm. 684; 185 Hypermestra ǀ 45 f. Hypertext/ hyptertextuell ǀ 39; 153 Hypertextualität ǀ 39 Hypodorisch(e Tonart) ǀ 92; 122 Hypophrygisch(e Tonart) ǀ 92; 122 Hypotext ǀ 39; 153 Ibykos ǀ 99 Ikonographisch ǀ 3; 177 Illyrer/Illyrien ǀ 14; 49; 49, Anm. 53 Inachos ǀ 43; 43, Anm. 32 Intertextualität ǀ 39; 195 Ionier/ Ionien/ ionisch ǀ 93; 93, Anm. 266; 99; 112, Anm. 354; 144; 145, Anm. 506; 153, Anm. 549; 154 Iphigenie ǀ 3; 18, Anm. 106; 40; 57 f.; 66–77; 70, Anm. 165; 79; 114; 150, Anm. 532; 183; 183, Anm. 722 Isokrates ǀ 34, Anm. 96; 45, Anm. 33; 181 Istros ǀ 33

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Index Nominum et Rerum

Jason ǀ 74 Kalais ǀ 173 Kalchas ǀ 67, Anm. 153; 68; 71 f. Kallimachos ǀ 137–139; 137, Anm. 473; 146 f.; 153; 156; 166–170; 166, Anm. 614; 167, Anm. 624; 172; 185 Kalliope ǀ 134 Kameratechnik ǀ 149; 152 κάμπτειν, κατακάμπτειν ǀ 84; 95 Karanos ǀ 50; 50, Anm. 54 Katreus ǀ 123, Anm. 407 Kelainai ǀ 140; 140, Anm. 488; 144– 146; 151 Kepheus ǀ 44 Kephisophon ǀ 23 f.; 28; 31 Kephisos ǀ 173, Anm. 670; 174 Kinesias ǀ 129; 129, Anm. 439 Kisseus ǀ 16, Anm. 91; 42 Kithara/ Kitharis (κίθαρις)/ Kitharamusik ǀ 86; 90 f.; 93 f.; 127, Anm. 425; 129; 131 f.; 132, Anm. 448; 134–136; 140; 190, Anm. 13 Kitharode/ kitharodisch ǀ 127, Anm. 426; 128, Anm. 427, 431; 134; 150 Klangfigur ǀ 113 Klangmetapher ǀ 127 Klangvielfalt  siehe unter ποικιλία (poikilia) Kleinasien ǀ 32 Kleodaios ǀ 49 Kleiton ǀ 24; 24, Anm. 31 Kleopatra ǀ 16 Klymene ǀ 123, Anm. 407 Klytaimnestra ǀ 69; 71; 73; 75 f. Koloratur ǀ 94; 129; 139; 185 Komik/ Komiker/ komisch ǀ 2; 18 f.; 21; 25; 28; 76; 76, Anm. 187; 79– 81; 83; 85; 85, Anm. 222; 91; 96; 126; 129; 145; 150–152 Korinth ǀ 3; 40; 57 f.; 77 f.; 114; 122, Anm. 404; 150; 173, Anm. 669; 183 f.; 190 Koryphaios/ κορυφαῖος ǀ 78; 87; 143 Krataios ǀ 50, Anm. 61

225

Krates ǀ 38 Kreon ǀ 77 f. Kronos ǀ 138 Ktesias ǀ 163, Anm. 600 Kybele ǀ 143; 150 Larissa ǀ 10; 15 Lasos von Iasos ǀ 190 Legende (auch als Wortbestandteil) ǀ 10; 19; 24 f.; 36; 154; 178; 182; 184 Lesbos ǀ 99 Leto ǀ 85 f.; 90; 93 Likymnios ǀ 119; 119, Anm. 386 literaturästhetisch ǀ 179 Literaturtheorie ǀ 147 Ludias ǀ 7; 64 Lukian ǀ 25; 30; 30, Anm. 72; 179– 182; 184 Lyder/ lydisch ǀ 59; 61; 63; 64, Anm. 131; 129; 142 f.; 142, Anm. 496; 151 Lynkeus ǀ 44; 46 Lysander ǀ 33 f.; 34, Anm. 93 Lysandros ǀ 2; 2, Anm. 5 Lysimacheia ǀ 176 Makedonen/ier/ Makedonien/ makedonisch/ Makedonienaufenthalt ǀ 1–3; 5–38; 9, Anm. 33, 41; 12, Anm. 66; 14, Anm. 75, 81; 17, Anm. 97; 24, Anm. 31; 40–42; 41, Anm. 27; 42, Anm. 29; 45; 47–58; 49, Anm. 52 f.; 53, Anm. 76; 57, Anm. 100; 63–66; 64, Anm. 134; 78; 105; 105, Anm. 326; 127; 155; 175–178; 176, Anm. 682; 182; 186–190; 187, Anm. 750 Manierismus ǀ 63, Anm. 128; 101; 153 Manilius ǀ 170 Manto ǀ 77 Marsyas ǀ 180, Anm. 708 Massageten ǀ 166; 167; 167, Anm. 619 Mäzen ǀ 1; 189 Megara ǀ 173, Anm. 669 Meidias ǀ 64

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226

Indices

Melanippides ǀ 2; 38; 94, Anm. 276, 281; 119; 119, Anm. 386; 129; 129, Anm. 439; 190 Melisma ǀ 90 Menelaos ǀ 67, Anm. 153; 71–75; 75, Anm. 186; 123, Anm. 407; 180, Anm. 708 Mesatos ǀ 24; 28 Metapher (auch als Wortbestandteil) ǀ 84 f.; 85, Anm. 219; 120; 127; 136; 146–148; 152; 155; 157, Anm. 566; 159–166; 159, Anm. 574; 161, Anm. 590; 162, Anm. 592; 168– 170; 168, Anm. 631; 169, Anm. 634; 174; 183–185 Midas ǀ 49 Milet ǀ 1; 11; 26; 32; 38; 101; 127; 129; 131; 133; 135–137; 139; 141; 143; 145–147; 149; 151; 153; 153, Anm. 549; 155; 183 f.; 187 μίμησις (Mimesis)/ mimetisch ǀ 39; 96–98; 97, Anm. 286, 288; 98, Anm. 291; 100, Anm. 307; 101; 139 f.; 139, Anm. 481; 141, Anm. 491; 142–146; 155; 178; 182 f.; 185, Anm. 738; 187 Minos ǀ 123, Anm. 407 Mnesilochos ǀ 80, Anm. 200 Modulation ǀ 95; 101 Monodie ǀ 59; 68 f.; 74; 77; 90–92; 127, Anm. 425; 131 Muse/ Musenzentrum ǀ 12; 22 f.; 55; 82 f.; 91; 91, Anm. 253; 122 f.; 130–135; 138; 156 f., Anm. 566; 158; 169 Mykale ǀ 153, Anm. 549 Mykene ǀ 44; 119; 123, Anm. 407 Myron ǀ 148; 179 Myser/ Mysien ǀ 121 f.; 121, Anm. 396; 124; 129; 142 f.; 142, Anm. 496; 151 Nauplios ǀ 123, Anm. 407; 127, Anm. 426; 128 Neue Musik ǀ 88, Anm. 239

Neuer Dithyrambos ǀ 63; 94; 97 f.; 101; 114; 127; 130; 130, Anm. 444; 132; 134–136; 139 f.; 155; 183 f. Nikander von Kolophon ǀ 119 Nikeratos von Herakleon ǀ 34, Anm. 93 Nikomachos ǀ 20 Nil ǀ 43; 45 Nomos ǀ 91 f.; 127, Anm. 425; 128– 134; 128, Anm. 427, 431; 129, Anm. 436; 132, Anm. 449; 135, Anm. 465; 136–140; 139, Anm. 481; 141, Anm. 491; 143–146; 146, Anm. 512; 148; 150; 152–155; 183–187 Odysseus ǀ 67, Anm. 153; 71 f.; 143; 143, Anm. 501 Oreithyia ǀ 173 f.; 173, Anm. 670 Oros ǀ 123, Anm. 409 Orpheus ǀ 134; 136 Paian ǀ 85, Anm. 222; 128, Anm. 431; 129–132; 130, Anm. 445; 139; 154 f.; 185 Pan ǀ 34; 57; 57, Anm. 99; 175–177; 175, Anm. 678; 176, Anm. 681 f., 684; 180, Anm. 708; 182; 186 Panyasis ǀ 34 Parodie ǀ 84; 85, Anm. 222; 95–98; 101; 104; 111; 124; 126; 140, Anm. 487; 185 Parrhasios ǀ 178 f. Parthenios ǀ 116; 116, Anm. 371 Patras ǀ 153, Anm. 549 Patronage (auch als Wortbestandteil) ǀ 1; 4; 11; 23 f.; 36; 189 f. Pausanias ǀ 20; 30–32; 30 f., Anm. 76; 54, Anm. 81; 99; 102; 105; 105, Anm. 326; 128, Anm. 431; 132, Anm. 449; 136, Anm. 469 Peisistratos ǀ 190 Pelasger ǀ 43; 45 Pella ǀ 7 f.; 7, Anm. 19; 8, Anm. 23; 21–24; 21, Anm. 17; 47; 50; 55 f.; 55, Anm. 92; 64; 187 Pellene ǀ 153, Anm. 549

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Index Nominum et Rerum

Pelops ǀ 73 Penelope ǀ 180, Anm. 708; 181 Pentheus ǀ 25; 59; 61; 65; 75 Perdikkas ǀ 2; 5; 7; 9; 16; 49 f.; 190 Perdikkas II. ǀ 6; 9; 49 Periandros von Korinth ǀ 190 Perrhaebia ǀ 15 Perser/ persisch ǀ 13; 18; 26; 34; 91–93; 127, Anm. 426; 128–130; 128, Anm. 431; 132; 132, Anm. 449 f.; 137– 140; 140, Anm. 488; 141, Anm. 491; 142; 142, Anm. 496; 144; 145, Anm. 508; 146 f.; 149–155; 154, Anm. 555; 158; 158, Anm. 572; 163, Anm. 600; 166 f.; 170–172; 174; 183–186; 190 Perseus ǀ 44; 46 Phaidros ǀ 85, Anm. 219; 102; 104 Pherekrates ǀ 18; 94; 94, Anm. 276, 280; 95, Anm. 284; 129; 139; 139, Anm. 726; 184, Anm. 729 Philhellene/ Philhellenismus ǀ 1; 11; 13; 53, Anm. 76 Philipp II. ǀ 5 f.; 13; 16; 49, Anm. 52; 57; 187; 190 Philipp V. ǀ 176 Philoxenos von Cythera ǀ 32 Phryger/ Phrygien/ phrygisch ǀ 62 f.; 86; 91–94; 96; 101; 122; 129; 144 f. Phrynichos ǀ 152; 152, Anm. 543 Phrynis ǀ 94; 95, Anm. 283; 129; 129, Anm. 439 Pierien ǀ 22 f.; 23, Anm. 26; 64 Pindar ǀ 40, Anm. 17 Platon/ platonisch ǀ 2; 12, Anm. 61; 15– 17; 16, Anm. 91; 28 f.; 30, Anm. 72; 34, Anm. 96; 35, Anm. 101; 50; 54; 61; 79; 81; 85; 85, Anm. 219; 88; 88, Anm. 239; 90, Anm. 244; 97, Anm. 286; 98, Anm. 291; 99–101; 104– 108; 109, Anm. 339; 110 f.; 112, Anm. 353; 113 f.; 114, Anm. 360; 119; 124; 126 f.; 139 f.; 139, Anm. 482; 181; 183; 190 Plautus ǀ 76

227

Pleisthenes ǀ 123, Anm. 407 Plinius ǀ 20; 175–177; 179; 180, Anm. 708, 710 Plinius d. Ä. ǀ 34; 36 Plutarch ǀ 2; 20; 26; 28; 30; 31, Anm. 76; 32 f.; 34, Anm. 93; 36; 64; 92; 121 f. poeta doctus / poetae docti ǀ 39; 63; 79; 79, Anm. 198; 152; 186 ποικιλία (poikilia) ǀ 89; 92, Anm. 260; 94 f.; 130; 134 f.; 183 Polos ǀ 15 f. Polyidus ǀ 32 Polykratos von Samos ǀ 190 polymetrisch ǀ 135; 139 Polyphem ǀ 140; 140, Anm. 487 Praxiphanes ǀ 2; 2, Anm. 5; 54, Anm. 11; 12, Anm. 61; 33, Anm. 88; 35; 189 Proitos ǀ 44 Propaganda ǀ 56 f.; 78 Properz ǀ 159 f.; 169 f. Protogenes ǀ 176; 179, Anm. 698 Pseudo-Apollodor ǀ 77 f. Pseudo-Herodes ǀ 10 Pseudo-Platon ǀ 16 Pseudo-Plutarch ǀ 26; 28 f.; 31, Anm. 76; 32; 45 Psophis ǀ 77; 122, Anm. 404 Ptolemäer/ ptolemäisch ǀ 39; 47; 176; 190 Pydna ǀ 10 f. Pygmäen ǀ 166 f. Pythier/ pythisch ǀ 11; 137 Quintilian ǀ 175; 179; 181 Rhea ǀ 60 Rhythmik(er)/ Rhythmus/ rhythmisch (auch als Wortbestandteil) ǀ 84; 86–94; 86 f., Anm. 230; 87, Anm. 232 f.; 88, Anm. 238; 89, Anm. 243; 90, Anm. 248; 93, Anm. 266; 96; 101; 111–114; 126 f.; 127, Anm. 425; 129; 135 f.; 139 f.; 155; 183

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Indices

Rhythmopoiia/ Rhythmopoiie ǀ 87, Anm. 232; 88 f. Salamis ǀ 13; 91; 129–131; 141; 147; 153; 165, Anm. 611; 185 Samier/ Samos/ samisch ǀ 99; 138; 152; 155–157; 158, Anm. 572; 159; 161; 162, Anm. 596; 163–171; 164, Anm. 608; 167, Anm. 624; 173 f.; 184; 190 Sardis ǀ 142, Anm. 496; 145 Satyros ǀ 36, Anm. 107; 49, Anm. 49; 154 Schattenmalerei ǀ 175; 179; 181 f. Simias von Rhodos ǀ 121; 121, Anm. 395 Simonides von Keos ǀ 190 Sizilien ǀ 173, Anm. 668; 190 Sokrates ǀ 1; 16; 16, Anm. 92; 28; 35; 85; 102–111; 103, Anm. 316; 108, Anm. 337; 109, Anm. 339; 113 f.; 126 Sophist/ Sophistik/ sophistisch ǀ 12 f.; 15; 17; 85; 85, Anm. 219; 98, Anm. 293; 100; 108–110; 109, Anm. 339; 114; 126 Sophokles ǀ 20; 23; 45, Anm. 36; 59, Anm. 112; 119; 121; 121, Anm. 394, 396; 123, Anm. 407 Spartaner/ Sparta/ spartanisch ǀ 33; 130; 132 f.; 132, Anm. 448; 133, Anm. 455; 137; 139; 154 Sphragis ǀ 129–132; 130, Anm. 443; 137–139; 155; 183; 185; 187 Stephanos von Byzanz ǀ 32; 36; 127 f.; 127, Anm. 426; 128, Anm. 427; 173, Anm. 668 Sthenelos ǀ 44 Stobaios ǀ 43; 171 Strabo ǀ 7, Anm. 19; 172; 172, Anm. 659 Strattis ǀ 14 Strymon ǀ 23

Syrakus ǀ 173, Anm. 668; 190 Teiresias ǀ 77 Telephos von Aleos ǀ 121, Anm. 396 Telestes von Selinus ǀ 32 Temenos ǀ 10; 21; 41 f.; 41, Anm. 23, 25; 44 f.; 47; 49 f.; 49, Anm. 53; 50, Anm. 100 Terenz ǀ 76 Terpander ǀ 134; 136 Theben ǀ 60 f.; 63; 65; 77; 122, Anm. 404 Theodektes ǀ 51, Anm. 66; 121 Theokrit ǀ 40, Anm. 17; 74; 94; 147; 153; 175; 176, Anm. 684 Thersandros ǀ 121 Thesmophorienfest ǀ 31; 80 Thessaler/ Thessalien/ thessalisch ǀ 6; 10 f.; 14 f.; 53 Thraker/ Thrakien/ thrakisch ǀ 14; 24 f.; 42; 166 f.; 176 Thrasymachos ǀ 13; 15; 15, Anm. 88; 17 Threnos ǀ 143 f.; 146; 155 Thukydides ǀ 2; 2, Anm. 11; 5; 9 f.; 9, Anm. 33; 14; 17; 26; 26, Anm. 53; 51; 64, Anm. 133; 171 Thyestes ǀ 118 f.; 123, Anm. 407, 410 Tiberius ǀ 45, Anm. 35 Tisiphone ǀ 77 Tmolos/us ǀ 59; 62; 142, Anm. 496 Tonvielfalt  siehe unter ποικιλία (poikilia) Transtextualität ǀ 39 Vergil ǀ 170; 173, Anm. 669 Vitruv ǀ 20; 20, Anm. 8; 21, Anm. 19 Xenophon ǀ 6; 34, Anm. 96; 181; 181, Anm. 716 Xerxes ǀ 145 f.; 150; 170–172; 174 Zetes ǀ 173 Zeus ǀ 12; 29; 44; 47; 49; 53; 55 f.; 60 f.; 81; 117; 131; 138; 180, Anm. 708

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Philippika. Altertumswissenschaftliche Abhandlungen / Contributions to the Study of Ancient World Cultures Herausgegeben von / Edited by Joachim Hengstl, Elizabeth Irwin, Andrea Jördens, Torsten Mattern, Robert Rollinger, Kai Ruffing und Orell Witthuhn 108: Fabiola Dengler

Non sum ego qui fueram Funktionen des Ich in der römischen Elegie 2017. XII, 234 Seiten, 1 Schaubild, br 170x240 mm ISBN 978-3-447-10788-4 E-Book: ISBN 978-3-447-19623-9 je € 58,– (D)

Bisherige Untersuchungen zur Elegie konzentrierten sich auf die Entwicklung ihrer Motive; hierbei wurde vor allem im letzten Jahrhundert eine klare Trennung zwischen erzählendem und erzähltem Ich gezogen. Fabiola Dengler hingegen vereint die spezifischen Motive der Liebeselegie – Klage, Trauer, Erfüllung – mit der Ich-Perspektive der römischen Liebeselegie in einer Untersuchung. Dabei stellt sie die Konzeption des elegischen Ich in den Mittelpunkt ihrer Interpretationen ausgewählter Elegien aus den vier Elegienbüchern des Properz und den zwei Elegienbüchern des Tibull. Sie zeigt, welche Möglichkeiten die Dichter nutzen, die Wahrnehmung des elegischen Ich im Geiste des Lesers zu steuern. Im Hinblick auf die Komposition der Bücher untersucht sie darüber hinaus, ob auf Mechanismen vorangegangener Elegien zurückgegriffen wird. 109: Svenja Nagel

Isis im Römischen Reich Teil 1: Die Göttin im griechisch-römischen Ägypten Teil 2: Adaption(en) des Kultes im Westen 2017. Ca. XX, 1.790 Seiten, 2 Bände, 8 Tafeln, gb 170x240 mm ISBN 978-3-447-10801-0 E-Book: ISBN 978-3-447-19644-4 je ca. € 199,– (D) In Vorbereitung / In Preparation

Unter den ägyptischen Gottheiten gilt Isis wohl als die berühmteste, da sich ihr Kult weit

über die Grenzen ihres Stammlandes hinaus ausbreitete, Griechen und Römer nachhaltig beeinflusste und damit auch die spätere abendländische Kultur immer wieder inspirierte. Die zweibändige Untersuchung beschäftigt sich mit der Entwicklung der Göttin Isis im griechisch-römischen Ägypten und der gleichzeitigen Verbreitung ihres Kultes im westlichen Mittelmeerraum. Der erste Teil bietet erstmals eine Aufarbeitung der zahlreichen Textquellen zu Isis aus dem griechisch-römischen Ägypten. Dabei analysiert Svenja Nagel die Entwicklung des Konzeptes der Göttin in ihrem Ursprungsland, das zu dieser Zeit bereits durch die makedonische und römische Fremdherrschaft und die damit einhergehenden kulturellen Einflüsse geprägt war. Im Fokus des zweiten Teils steht die Frage nach der Bedeutung des innerägyptischen Befundes für die Adaption des Isiskultes im westlichen Mittelmeerraum: Wie lassen sich Form und Ausstattung der Heiligtümer, private und offizielle Weihungen, Ikonografie und literarisch-diskursive Beschreibungen außerhalb Ägyptens im Hinblick auf die zeitgenössischen Zeugnisse aus dem Ursprungsland bewerten? Wie wurden das Konzept und der Kult der ägyptischen Gottheiten durch die Überlagerung verschiedener Traditionen an einzelnen Orten gestaltet? Anhand von Fallstudien zu den Regionen Nordafrika, Zentralitalien und Germanien sowie einer abschließenden Betrachtung der Isis-Literatur des 2. Jahrhunderts n.Chr. wird die Entwicklung und Bedeutung des Isiskultes in der Römischen Kaiserzeit nachgezeichnet, ohne die ägyptischen Wurzeln aus dem Blick zu verlieren. Diese Arbeit wurde sowohl mit dem Philippika-Preis 2015 als auch mit dem Akademiepreis der Heidelberger Akademie der Wissenschaften ausgezeichnet.

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Philippika. Altertumswissenschaftliche Abhandlungen / Contributions to the Study of Ancient World Cultures Herausgegeben von / Edited by Joachim Hengstl, Elizabeth Irwin, Andrea Jördens, Torsten Mattern, Robert Rollinger, Kai Ruffing und Orell Witthuhn 110: Katrin Engfer

Die private Munifizenz der römischen Oberschicht in Mittel- und Süditalien Eine Untersuchung lateinischer Inschriftenzeugnisse unter dem Aspekt der Fürsorge 2017. Ca. 350 Seiten, 1 CD (mit Inschriftenkatalog), gb 170x240 mm ISBN 978-3-447-10808-9 E-Book: ISBN 978-3-447-19639-0 je ca. € 88,– (D) In Vorbereitung / In Preparation

Bereits in der römischen Antike war Armut ein allgegenwärtiges Phänomen. Der Unterschied zur Moderne bestand jedoch darin, dass die Römer durch ihre vorchristlichpoly theistisch geprägte Mentalität eine andere Wahrnehmung und Wertung von Armut und den Armen hatten. Sie empfanden Armut als Schande, dementsprechend wurden bedürftige Menschen gering geschätzt und kaum beachtet, während man heutzutage gemeinhin darum bemüht ist, die Lebensqualität dieser Menschen durch karitative Maßnahmen öffentlicher oder privater Art zu verbessern. Zusammengefasst unter der Bezeichnung Munifizenz konnten diese durchweg freiwillig erfolgten Aufwendungen die unterschiedlichsten Formen annehmen. Katrin Engfer untersucht anhand von lateinischen Inschriften aus dem mittel- und süditalischen Raum, wer die Wohltäter und Empfänger solcher privaten Zuwendungen waren. Zum einen zeigt sie dabei, was die römische Oberschicht tatsächlich zum Geben motivierte, zum anderen, ob und inwiefern Menschen, die von Armut betroffen und damit im besonderen Maße auf die Unterstützung ihrer wohlhabenderen Mitmenschen angewiesen waren, von diesen Stiftungen und Schenkungen profitierten.

111: Robert Rebitsch, Friedrich Pöhl, Sebastian Fink (Hg.)

Die Konstruktion des Kannibalen zwischen Fiktion und Realität 2017. 303 Seiten, 2 Abb., br 170x240 mm ISBN 978-3-447-10809-6 E-Book: ISBN 978-3-447-19645-1 je € 64,– (D)

Die hier publizierten zwölf Aufsätze untersuchen das Phänomen Kannibalismus unter verschiedenen Gesichtspunkten von der Antike bis in die Gegenwart. In geografischer Hinsicht wird beinahe die gesamte Welt abgedeckt. Auch hinsichtlich der im Band präsenten Wissenschaftsdisziplinen reichen die Zugänge von den historischen Disziplinen (Alter Orient, Alte Geschichte, Mediävistik, Neuzeit) über die Germanistik, Anglistik, Rechtswissenschaften, Ethnologie und Theologie bis hin zur Soziologie. Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht die Frage nach der Konstruktion des Bildes des Kannibalen in Inschriften, Reiseberichten, Romanen und Filmen. Gleichgültig, ob die geschilderten Kannibalen dem Bereich der Realität oder der Fiktion zugeordnet werden, bieten der Kannibale beziehungsweise die kannibalistische Gesellschaft eine ideale Projektionsfläche zur Kritik der eigenen Gesellschaft oder dient als letzte Steigerungsstufe bei der Schilderung katastrophaler Zustände. 113: Krešimir Matijević

Die lex sacra von Selinunt: Totenmanipulation in der Archaik und Klassik 2017. II, 124 Seiten, 7 Abb., inkl. 6 Tafeln, br 170x240 mm ISBN 978-3-447-10891-1 Ca. € 39,– (D)

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