Norm und System beim Verb 9783111372822, 9783484500877


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Inhaltsverzeichnis
0. Einleitung
1. System und Norm
2. Französisch
3. Rumänisch
4. Italienisch
5. Sprachwissenschaft und Sprachpraxis
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Norm und System beim Verb
 9783111372822, 9783484500877

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Romanistische Arbeitshefte

17

Herausgegeben von Gustav Ineichen und Christian Rohrer

Stefan Ettinger

Norm und System beim Verb

Max Niemeyer Verlag Tübingen 1976

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Ettinger, Stefan Norm und System beim Verb. — 1. Aufl. — Tübingen : Niemeyer, 1976. (Romanistische Arbeitshefte; 17) I S B N 3-484-50087-5

ISBN 3-484-50087-5 © Max Niemeyer Verlag Tübingen 1976 Alle Rechte vorbehalten. Ohne ausdruckliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege zu vervielfältigen. Printed in Germany

INHALTSVERZEICHNIS

Einleitung 1. System und Nocm 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6

Definition der Norm System und Norm bei Coseriu Neuere Arbeiten zur Norm Übungen Lösungen Bibliographie

2. Französisch 2.1 Entstehung der 'unregelmäßigen Verben' 2.2 Ersetzung unproduktiver durch produktive Verben 2.3 Übergang von unproduktiven Verben zur Konjugation der regelmäßigen Verben 2.4 Anpassung der Komposita an die regelmäßige Konjugation 2.5 Normalisierung an Band des Infinitivs 2.6 Verben mit Stammabstufung 2.7 Bibliographische Hinweise 2.8 Übungen 2.9 Lösungen 3. Rumänisch 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6 3.7 3.8

Konjugation im Rumänischen Konjugationswechsel der I. und IV. Konjugation Konjugationswechsel zwischen II. und III. Konjugation Jotierung Stammerweiterung mit -ez und -esc 'Unregelmäßige' Verben Übungsmaterial Bibliographische Hinweise

4. Italienisch 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6 4.7

Vorbemerkungen Doppelformen im Präsensstamm Der bewegliche Diphthong im Präsensstamm Alterationen im Passato remoto und im Passato prossimo Verben auf -isco Formen des Futurs Bibliographische Hinweise *

5. Sprachwissenschaft und Sprachpraxis

VII 1 1 2 7 11 15 17 19 19 20 25 30 31 35 39 40 43 45 45 47 51 53 55 59 62 65 67 67 68 70 71 74 75 77 79

0.

EINLEITUNG

Das vorliegende Arbeitsheft wendet sich sowohl an Studierende der Rcmanistik als auch an Lehrende der romanischen Sprachen, und hier vor allem des Französischen. Dem Rcrnanistikstudenten, der über einige linguistische Grundkenntnisse verfügt, möchte es helfen, die Schwierigkeiten, die beim praktischen Erwerb der Sprachen stets auftreten, wissenschaftlich zu reflektieren. Da sich die Kontrastivität in diesem Zusammenhang als besonders nützlich erweist, haben wir drei romanische Sprachen berücksichtigt: F r a n z ö s i s c h , I t a l i e n i s c h und R u m ä n i s c h . Dem Lehrenden bietet es die fßglichkeit, all das, was man gemeinhin als Unregelmäßigkeit bezeichnet, sachlich zu begründen und deshalb auch richtig zu erklären. Der Hinweis auf die 'licence poétique' u. a. ist für uns kein Kriterium. Die Arbeit gliedert sich in vier größere Teile. Das erste Kapitel, rein theoretisch ausgerichtet, enthält eine Zusammenfassung der wichtigsten Untersuchungen zun Begriff der Norm und des Systeme. Es wird versucht, die umfangreiche neuere Literatur zu diesemftiemazu verarbeiten. Der Begriff der Nonn wird hierbei unter verschiedenen Gesichtspunkten behandelt. Wir legen besonderen Wert auf die Unterscheidung der präskriptiven Norm von der von E. Coseriu herausgearbeiteten typologisehen Norm. Der Normbegriff Coserius ist einerseits weiter zu fassen als die präskriptive Norm der Schulgranmatik und überhaupt der sprachnarmierenden Werke (z. B. Dictionnaire de l'Aoadémie), und er miß inner im Zusammenhang mit dem System und der Rede der Sprachen gesehen werden. Da wir bei der Behandlung der genannten Sprachen den Nornfcegriff Coserius zugrunde legen werden, empfiehlt es sich, dieses Kapitel besonders intensiv durchzuarbeiten. Auch die Übungen am Ende des ersten Kapitels sollen daher nicht einfach übersprungen werden, da sie nicht allein für das Verständnis der hier dargestellten Unterscheidung wichtig sind, sondern auch als Grundlage für die weiteren Kapitel notwendig sind. Die Einzelheiten der Bibliographie des ersten Kapitels können beim ersten Durcharbeiten eventuell überflogen werden - die wichtigsten Ergebnisse werden Am Einleitungskapitel zusammengefaßt -; sie eignen sich jedoch für eine spätere weiterführende Be-

VIII schäftigung mit allgemeineren Fragen, die sich bei der Erörterung von Norm und System stellen. Das zweite Kapitel geht ausführlich auf die Probleme der Norm beim französischen Verb ein. Die präskriptiven Regeln der normativen Grammatik: werden mit der Sprachentwicklung konfrontiert, und es wird gezeigt, wie entscheidend gerade Im Französischen der Einfluß der sprachnormierenden Institutionen war. In den beiden anderen hier behandelten Sprachen können sich Entwicklungen auf Grund der Organisation des Systems - so behaupten wir - wesentlich rascher durchsetzen als Im Französischen. Im I t a l i e n i s c h e n

ist die heutige Nonn - bedingt durch die starken

kulturellen und regionalen Unterschiede - noch nicht endgültig fixiert, und es gibt daher In dieser Sprache zahlreiche Doppelbildungen. Eine allmähliche Fixierung der Norm läßt sich wohl erkennen, eine allgemeine Tendenz wird jedoch nicht ersichtlich. Sehr verschieden von Französischen ist auch die Entwicklung im

R u m ä n i s c h e n .

Die Fixierung der sprach-

lichen Norm erfolgte chronologisch gesehen erst spät, und sie ist in Teilbereichen nicht einmal heute abgeschlossen. Im Gegensatz aber zun Italienischen und zum Französischen versucht man im Rumänischen, die Norm den Möglichkeiten des Systems anzupassen, im auf diese Weise Irregularitäten zu vermeiden oder wenigstens so weit als möglich zu reduzieren. Damit betreibt man im Rumänischen Sprachplanung In dan Sinne, daß Normveränderung bewußt In Kauf geronnen wird, vm die Sprache 'systematischer' zu machen. Un dies zu belegen, haben wir eine Reihe von Zitaten rumänischer Linguisten gebracht. Zur Methode sei noch das Folgende gesagt: Die vorliegende Arbeit beruht nicht auf einer Untersuchung des Sprachgebrauchs in den einzelnen Sprachen, sondern auf einer Rezension der einschlägigen Grammatiken. Es muß deshalb unterschieden Warden zwischen den tatsächlichen Gebrauch in den Sprachen und den Beschreibungen, die davon von Fall zu Fall gemacht werden. Diese Unterscheidung auszunessen, wäre ein wichtiges Problem, das hier nur zun Teil berücksichtigt werden konnte.

1.

SYSTEM UND NORM

1.1

Definition der Norm

Versvicht man sich heute einen Uberblick zu verschaffen über den Terminus Norm

in der Sprachwissenschaft, so fällt es schwer, in der inzwischen

umfangreich gewordenen Literatur die verschiedenen Normdefinitionen abzugrenzen. Wissenschaftlich beginnt die Diskussien im Jahre 1938, als B. Havränek in einem grundlegenden Beitrag zum vierten Linguistenkongress in Kopenhagen sich mit Fragen der Norm in der Sprachwissenschaft und in der Sprachkultur befaßte. Nach dem Kriege wurde die Diskussion weitergeführt und von E. Coseriu im Jahre 1952 zu einem vorläufigen Abschluß gebracht. Coseriu verwendet hierbei den Begriff Norm in einer typologischen Bedeutung, indem er zwischen System und Rede der Sprache die Norm stellt. Daran anknüpfend definieren zahl reiche neuere Wörterbücher der Linguistik die Norm im Sinne Coserius (W. Abraham 1974; C. Heupel 1973; M. Pei 1966; W. Welte 1974). Der Begriff Norm wird in der modernen Sprachwissenschaft jedoch auch in einem anderen Sinne verwendet, wobei zwei Definitionen, (die dem naturwissenschaftlichen und dem sozialwissenschaftlichen Normbegriff entsprechen) besonders klar unterschieden werden müssen: a) Die Norm imfaßt alles, was in einer Sprache als tatsächlicher Sprachgebrauch normal, d. h. als dem guten Gehrauch entsprechend akzeptiert ist (Gebrauehsnorm). b) Die Norm kann eine Reihe von Restriktionen vorsehen, die für die sprachliche Konnunikation nicht unbedingt erforderlich sind. Es sind Restriktionen, die auf Grund verschiedenster Kriterien (Logik, Sprachechtheit, Wohlklang, Sprachreinheit; Autorität der Schriftsteller, des Hofes und der Akademie usw.) jeweils entstanden sind und die einen normativen Charakter haben (kodifizierte oder präskriptive Norm). Diese beiden Normen sind in den von uns untersuchten romanischen Sprachen keineswegs identisch. Je nach der Autorität der normativen Instanzen ergeben sich Inkongruenzen zwischen den beiden Normen. Die typologische Norm Coserius definiert sowohl das "System der normalen Realisierungen" als auch das

2

"System der obligatorischen Realisierungen der sozialen und kulturellen Auflagen". Es muß daher notwendigerweise welter gefaßt werden, d. h. es schließt die beiden Normen ein. 1.2

System

und

Norm

bei

Coseriu

Bei der Unterscheidung von Sprachnorm und Sprachsystan verwenden wir die von E. Coseriu ausgearbeitete kohärente Aufteilung der sprachlichen Realität in vier Ebenens Typ3 System, Norm und Rede. An ausführlichsten hat Coseriu diese Einteilung in seinen Beitrag "Sistema, norma y habla" behandelt und hierbei vor allem auf die Inkohärenzen der saussureschen Dichotomie von 'langue' und 'parole' hingewiesen. In späteren Beiträgen geht Coseriu wiederholt auf Probleme der Nonn und des Systems ein, er ergänzt seine früheren Arbeiten 2 durch neue Beispiele und zeigt, wie nicht unmittelbar zusammenhängende 3

Probleme sich durch diese Aufteilung lösen lassen. Außerdem lassen sich durch 4

die Unterscheidung von Norm und System im Bereich des Wortschatzes sowie bei der Untersuchung semantischer Probleme neue und überzeugende Ergebnisse herausarbeiten. Wie grenzt nun Coseriu die verschiedenen sprachlichen Ebenen ab? a) Rede: Auf der Ebene der Rede erhalten wir z. B. in der Phonologie die unendlichen Varianten eines einzigen Phonems. Jeder Sprecher unterscheidet sich in der Tonhöhe, Tonstärke, Klangfarbe usw. von allen anderen Sprechern. b) Norm: Die sprachliche Norm umfaßt alles, was in einer Sprache nicht unbedingt distinktiv, aber dennoch traditionell (sozial) fixiert ist. Die Norm stellt scmit den allgemeinen Gebrauch der Sprachganeinschaft dar, und sie entspricht der Sprache in ihrer Eigenschaft als "sozialer Institution". Auf zahlreiche wichtige Aspekte der Nonn im Bereich des Wortschatzes weist Coseriu in seiner "Einführung in die strukturelle Betrachtung des Wortschatzes""' hin. Er zeigt hier z. B., daß die Frequenzforschung sich auf der Ebene der Norm bewegt oder daß z. B. die Wörterbücher nicht die Möglichkeiten des Systems angeben, sondern als "verspätete Register der Norm" zu 1 2 3

4 5

Coseriu, E.: Sistema, norma y habla, Montevideo 1952; wieder abgedruckt in Coseriu, E.: Teoria del lenguaje y lingüistica general, Madrid 1962, S. 11-113. Coseriu, E.: Sistema, norma e 'parola' in: Studi linguistici in onore di Vittore Pisani, Bd. I, Brescia 1969, S. 235-253. Coseriu, E.: Sincronia, diacronia y tipologia, in Actas del XI Congreso Internacional de Lingüistica y Filologia Románicas, Madrid 1965, Bd. I, Madrid 1968, S. 269-283. Coseriu, E. : Probleme der strukturellen Semantik, Tübingen 1973. Coseriu, E.: Einführung in die strukturelle Betrachtung des Wortschatzes, Tübingen 1970.

3 bezeichnen sind. Auch lassen sich Fragen des Sprachvergleichs auf der Ebene der Norm durchführen, die dann zeigen, wie es Sprachen mit einer Dcininanz der Nonn (z. B. das Französische) und daneben Sprachen mit einer Dominanz des Systems gibt (z. B. Ungarisch, Türkisch). c) Das System enthält alles, was in einer Sprache objektiv funktionell ist. Das System stellt sanit die Gesamtheit der distinktiven Oppositionen dar. Es enthält auch die distinktiven Regeln, nach denen eine Sprache gesprochen wird. Das Systan als solches geht sehen über das historisch Verwirklichte hinaus, es ist die Gesamtheit der möglichen Realisierungen. Es anfaßt auch das, was noch nicht realisiert worden ist, aber virtuell existiert, und es enthält ferner etiles, was nach den geltenden Regeln der Sprache gebildet werden kann. d) Der Sprachtyp schließlich enthält die funktionellen Prinzipien, d. h. die Verfahrenstypen und die Kategorien von Oppositionen des Systems. Der Typ stellt sanit die höchste strukturelle Ebene der Sprachtechnik dar. Einige Beispiele aus der Phonologie, Morphologie und der Wbrtbildung können diese Unterscheidung am besten illustrieren: 1. Phonologie: Das Spanische kennt keine distinktive Opposition zwischen offenen und geschlossenen Vokalen, wie sie z. B. im Italienischen, Französischen oder Portugiesischen besteht. Auf der Ebene der Nonn jedoch lassen sich z. B. bei den Vokalen E und 0 zwei typische Varianten feststellen:6 Phonem E offenes E

geschlossenes E

offenes O

geschlossenes O

a)vor oder nach [RR]: perro, regla

In freier hauptoder nebentoniger Silbe:

a)vor oder nach [RR]: gorra, rosa

In freier Silbe; unter dem Haupt- und Nebenton:

b)vor [x]: hoja

llamó

b)vor [x]: lejos, oveja c)im Diphthong ei/ey: peine, ley

6

Phonem O

queso, cabeza

c)im Diphthong oi/oy: soy, estoy d)in gedeckter Silbe: sordo

Navarro Tomás, T./Haensch, G./Lechner, B.: Spanische Aussprachelehre München 1970, S. 45-47 und 48-50.

4

Schematisch läßt sich diese Unterscheidung auch folgendermßen darstellen:7

Q

i

Q

II

-Q

o

System

Norm

in

Q

IV

Q

v

o

I

o

II

9 9 o

in iv v

Rede

Dm Französischen läßt sich diese Unterscheidung am Beispiel des Phonems /R/ zeigen. Im System der Sprache existiert nur ein einziges Phonem, dessen diastratische und dl atopische Varianten jedoch in der Norm feststellbar sind. Interessant ist im Französischen vor allait der diachronische Wechsel in der Norm, und zwar von einem r roulé (Zungenspitzen-r) zu einem r uvulaire bzw. r

grasseyé.

2. Morphologie: En Bereich der Morphologie läßt sich diese Dreiteilung besonders deutlich an einigen Beispielen aus dem Rumänischen zeigen. Die Feminina auf -ä können den Plural mit der Eixlung -e (ohne Unlaut) bilden, wie z. B. casa > oase, oder es wird der Plural auf -i gebildet, in diesem Falle mit linlauts t-arä > päri. Beide Pluralformen sind im System des Rumänischen austauschbar, so daß Bildungen mit oder ohne Unlaut möglich sind, Die Norm zeigt jedoch für jedes einzelne Substantiv eine klare Bevorzugung der einen oder der anderen Pluralfoxm, wobei noch eine allgemeine Tendenz zu beobachten ist, nämlich die Pluralbildungen mit -i und Unlaut zu verall8 gemeinem. 3. Wortbildung: Bei der Wortbildung läßt sich zeigen, wie zahlreiche vom System her mögliche Bildungen noch nicht in den Wörterbüchern aufgeführt sind, da ihre tatsächliche Existenz eine Tatsache der Nonn ist. Die Definition der Wörterbücher als "verspätete Register der Nonn" läßt sich eben aus dieser zeitlichen Verschiebung erklären. 7 8

Coseriu, E. E. : : Teoria del lenguaje, Coseriu, Teoria del lenguaje, S. S. 72. 77.

5

Eine scharratische Zusammenstellung der verschiedenen Ebenen läßt erkennen, wie z. B. Veränderungen in der Diachronie (man spricht in einem solchen Fall von 'Sprachwandel') auf einer strukturellen Ebene sich auf einer höheren Ebene als ein synchronisches Funktionieren darstellen. Coseriu illustriert dies mit einem Beispiel aus dem Italienischen. Hier wäre ein +rigioaherellamentoJ wenn es je verwirklicht würde, ein neues Faktun innerhalb der Nonn, jedoch nicht innerhalb des Systems, denn im System des Italienischen ist dieses Wortbildungsverfahren möglich (giocare > giooherellare > +rigiocherellare > rigiooherellamento). Vergleiche dazu das folgende Schema:

9

In einem Beitrag zur Wortbildung in den romanischen Sprachen haben wir gezeigt, wie bei zahlreichen Arbeiten zur Diminutiv- und Augmentativbildung durch die Nichtbeachtung der Unterscheidung von System, Norm und Rede Widersprüche auftreten, da einfach von einer Ebene zur anderen übergewechselt wurde. Eine Untersuchung der Modifikation auf der Ebene der Rade muß notwendigerweise alle, van individuellen Text abhängigen, kontextuellen Beziehungen und Assoziationen berücksichtigen. Auf dieser Ebene bewegen sich die Untersuchungen von F. Conrad und A. Alonso, für die z. B. Diminutive in den seltensten Fällen rein denotativ verkleinernde Bedeutung besitzen, sondern ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der konnotativen Nebenbedeutungen studiert werden. Auf der Ebene der Norm lassen sich z. B. bestimnte Distributionsverhältnisse von einzelnen Modifikanten feststellen. Ebenso kann man hier die Frequenz von Modifikanten und Modifikationen^0 untersuchen scwie auf Restriktionen bei der Augmentativ- und Diminutivbildung eingehen. So läßt sich z. B. bei den meisten romanischen Sprachen eine Beschränkung im Suffixgebrauch feststellen, die eine Wiederholung des Auslautkonsonanten eines Lexems im Modifikationssuffix 9 Ettinger, St.: Diminutiv- und Augmentativbildung, Regeln und Restriktionen, Tübingen 1974. 10 Modifikation bzw. Modifizierung ist bei unserem Beispiel der Oberbegriff für Diminutiv- und Augmentativbildung. Dementsprechend sind die Modifikanten Diminutiv- oder Augmentativsuffixe.

6

verhindert. Eine solche Restriktion, die im Italienischen bei letto (das Bett) kein +lett-etto zuläßt, sondern dafür ein lett-uccio oder lett-ino verlangt, stellt aber ausschließlich ein Faktum der Norm dar. Von System her ist die Verwendung verschiedener Modifikanten völlig frei, und erst auf der Ebene der Norm werden die Varianten des Systems zu Invarianten. In einigen romanischen Sprachen, wie z. B. im Spanischen und Portugiesischen, lassen sich im Gebrauch der Modifikanten kann Einschränkungen auf Grund der Norm feststellen. Im Rumänischen dagegen engt die Norm die freie Konbinierbarkeit der Modifikanten sehr stark ein, und man kann daher mit einer gewissen Sicherheit die möglichen Modifikanten bei bestimmten Auslautkonsonanten und bei einer bestürmten Silbenzahl vorhersagen:^ Auslaut

Zweisilbige oder m/n

-UÇOR, -ULET

-K -L -N -R -5 -ts -t / -T Vokal

(-UT)

-IÇOR -IÇOR ( - U T ) -

-IÇOR (-IOR) -IÇOR -SOR

dreisilbige Grundwörter

f

m/n -UT

-UT&

(-ISOARA) -IÇOARÂ

- I Ç O A R A (-ICICÄ) -ITÂ -

"AS -AS, -EL -AS, -EL -EL -EL -EL

f -UTÀ

- U J Ä , -USA -ICA

-icX -

-IC& -IORA

- I S O A R A , -ICICA

-ioarX

"AS

Was schließlich das System anbelangt, so läßt sich hier nur feststellen, daß Diminutive und Augmentative eine Reduzierung bzw. eine Erweiterung eines Lexems darstellen (Lexem - X oder Lexem + X). Schematisch stellt sich dies folgendermaßen dar:

12

einfache Modifikation Typ

Akkumulation von Modifikationen

Möglichkeit der Modifikation mit Modifikanten und nicht durch Komposition Modifikanten sind in freier Variation: 1 / A 2 Lexem + X = ^ ^ ^ A

System Lexem - X = Dimin.

4 1

2 3 ^-D 4

Die Kombination der Modifikanten ist noch frei und, keinen Regelmäßigkeiten unterworfen.

Lexem + Mod. 1 + Mod. 2 oder auch Lexem + Mod. 2 + Mod. 1

Varianten des SYSTEMS werden zu Invarianten der NORM NORM

Rede

Neben noch freier Variation lassen sich fixierte, obligatorische Varianten feststellen

Bei den Akkumulationen lassen sich nur noch sehr selten freie Varianten feststellen, in der Regel sind nur Invarianten feststellbar Individuelle oder okkasionelle Wahl der Modifikanten und der Modifikantenakkumulationen

7 Bei der Akkunolation der Modifikanten überwiegen heute zvmeist die Fixierungen der Nonn. Aber auch hier lassen sich Belege finden, die deutlich zeigen, daß die Kombination verschiedener Modifikanten von System her frei ist und daß sich danentsprechend auch die Fixierung in der Norm im Laufe der Zeit ändern kann. Auch in anderen sprachlichen Bereichen lassen sich Beispiele finden für die Funktion der Norm. So spricht z. B. W. Busse bei der Behandlung der transitiven Verben des Französischen von "Ellipsen der Norm", warn er das Beispiel "Pierre boit" als "Pierre est un ivrogne" interpretiert. Das fehlende Objekt von boire (nämlich de l'alcool) wird in der Norm 13

des Französischen mitverstanden. 1.3

N e u e r e

A r b e i t e n

zur

Norm

Innerhalb der Romanistik wurden die Theorien Coserius zum Teil verändert. Doch behalten diese Modifizierungen die Unterscheidung von System, Norm und 14 Rede bei. So möchte A. Avran sowohl das System als auch die Norm in zwei Gruppen unterteilen, im auf diese Weise zu einer genaueren Unterscheidung innerhalb der Phonologie zu gelangen. Dadurch ergeben sich innerhalb einer Sprache nicht mehr drei, sondern fünf Ebenen. Genauer: Abstract

A. Limbä (=langue)

I.

Sistem

1. Arhifoneme

2. Foneme II.

Normet

. Concret

B. Vorbire (=parole)

III. Vorbire

3. Variante independente 4. Variante pozifcionale 5. Sunete concrete

Ubertragen auf das bekannte Schema von Coseriu, ergibt sich dabei das folgende differenziertere Bild:

11 Ettinger, St.: Diminutiv- und Augmentativbildung, S. 352. 12 Ettinger, St. sDiminutiv- und Augmentativbildung, S. 87. 13 Busse, W.: KLasse, Transitivität, Valenz. Transitive Klassen des Verbs im Französischen, München 1974, S. 131. 14 Avram, A.: Despre fono-logia normei, in: Omagiu lui I. Iordan, Bukarest 1 9 5 8 , S. 45-52.

8 Sunetele concrete Variantele normale pozi£ionale Variatitele normale independente Sistemul de foneme

Slstemul de arhifoneme

Ausschließlich mit der Nonn befaßt sich ein weiterer rumänischer Artikel. 15

I. Danaila

versucht, die sprachliche Ebene genauer zu definieren, und be-

dient sich hierbei eines Würfels mit verschiedenen Flächen und Ebenen: F

E

^

^

!

«

/

1 1 1

/

\s A y /

y^' " ^

1

/

/

/

/

/

/

X ^

Innerhalb der Norm xmfaßt ABCD den Bereich der dialektalen Norm. Der Bereich AEEF entspricht der stilistischen Norm, während BCFG die phonetischen, morphologischen und phonologischen Normen enthält. Die Ebene BDHF schließlich stellt die diachronische und synchranische Betrachtungsweise dar. Durch eine solche Verfeinerung wird die Norm vielleicht besser erfaßt, aber es dürfte aus methodischen Gründen besser sein, mit dem Nannbegriff von Coseriu zu arbeiten.

16

Eine sehr differenzierte Unterteilung stellt auch P. von Polenz

zusammen.

Wir möchten diese Einteilung an Hand seines Schemas erklären: 15 Dänäilä, I.:Note despre conceptul de 'normä lingvisticä', in: LR, 1963, Bd. 4, S. 325-334. 16 von Polenz, P. : Sprachnorm, Sprachnormung, Sprachnormenkritik, in: LB 17, 1972, S. 76-84.

9

individuell

realisiert

virtuell

Sprachverwendung

Sprachkompetenz

Sprachverkehr

Sprac isystem

Sprach=

sozial

1 1 1

brauch (sie!) Spr ichnorm

Das Spraohsystem wird hier definiert als ein "System von Diasystemen über den (unterschiedlichen) Sprachkcrrpetenzen einer Gruppe von ßprachteilhabern zu einer bestimmten Zeit". Der Spraehbrauch entspricht der von uns schon erwähnten Gebrauchsnonn. Er enthält die Möglichkeiten des Systems, die infolge deskriptiver metasprachlicher Kcmnunikatian als normal, bekannt, üblich oder geläufig gelten. Unter Sprachnorm schließlich versteht man hier die präskriptive Norm, d. h. die Möglichkeiten des Sprachsystems, die als normativ, korrekt, vornehm oder gut empfunden werden. Beachtenswert erscheint uns hier die gelungene Einarbeitung der "normativen" und der "normalen" Norm in das Sprachsystem. Durch die Inkongruenz dieser beiden Normen zeigt sich sehr deutlich, wie Entwicklungen innerhalb der vcm Sprachsystem her gegebenen Möglichkeiten von der fixierten präskriptiven Norm abweichen können. Der Begriff der Norm wird heute intensiv vor allem in der Soziolinguistik untersucht. Hierbei geht es weniger uti die Abgrenzung zun System und zur Rede, sondern die Norm (hier ausschließlich in ihrer präskriptiven Variante verstanden) wird allein Im Hinblick auf die sozialen Aaswirkungen untersucht. Man stellt sich dabei drei Grundfragen: a) Welche soziale Gruppe stellt die Norm einer Sprache auf, um sich dadurch den übrigen Sprachteilnehmern gegenüber In irgendeiner Form durchzusetzen? b) Nach welchen Kriterien werden solche Normen aufgestellt, und wie werden sie begründet? c) Wie wirkt sich eine solche Norm auf die verschiedenen sozialen Gruppen einer Sprachgemeinschaft aus? Mit dieser Nanndiskussion steht in engem Zusammenhang das Problem der Sprachpflege und der Sprachlenkung. Versucht man, diese drei Fragen mit Hilfe der vorhandenen Literatur zu beantworten, so stellt man fest, daß es im wesentlichen sprachkonservative, elitäre Gruppen sind, die in einem horror novi jegliche sprachliche Neuerung ablehnen. Bei der Fixierung der Sprachnorm gebrauchen diese Gruppen Kriterien wie historische Dignität, Logik, Sprachrein-

10 heit u. a., oder sie verweisen auf Autoren der Literatursprache, die gerade wagen ihrer sprachlichen Konservativ!tat und Normentreue bevorzugt wurden. In neuerer Zeit tritt noch eine mathematisch-kybernetische Argumentationsweise dazu, die allzu subjektiv gefärbte Urteile verhindern soll. Eine solche sprachlich nicht unbedingt notwendige Fixierung der Norm kann sich diskriminierend für bestimnte soziale Gruppen auswirken. Die Soziolinguisten fordern daher, Abweichungen von der präskriptiven Norm nicht einfach als Fehler zu beurteilen, sondern sie möchten zu einem Normenpluralisrrus kamen, der die Fehler nur als eine weniger gebräuchliche Variante der Sprachnorm ansieht. Welche Komplikationen sich ergehen, wenn bestirmrte soziale Gruppen die sprachliche Norm bestimmen, zeigt J. M. Meisel in einem Beitrag zur Sprachnorm: "Hier sind vor allem die Sprachpfleger aller Arten zu nennen: in den Zeitungsfeuilletons, in Schule, Universität etc. Durch Beschäftigung mit Sprache wissen sie um bestimmte Probleme und versuchen als Ärzte an der Sprache deren Krankheiten festzustellen, um dann mit Hinweisen auf die 'bons auteurs', auf systemgerechte Strukturen etc. Tendenzen der Sprachentwicklung aufzuhalten. Damit reihen sich ihre Empfehlungen ein in Vorschriften wie Tischsitten, Kleiderordnung etc., mit anderen Worten: in die Gruppe von Normen, die keine vitalen Interessen verteidigen, sondern zur Abgrenzung sozialer Gruppen dienen. Somit ist es weniger die Tatsache, daß Sprachnorm im erwähnten Sinn notwendig ist, die diskriminierend wirkt, sondern vielmehr die Art in der Norm als Moralkodex verwendet wird.

Speziell auf die präskriptive Norm des F r a n z ö s i s c h e n

gehen

mehrere Beiträge ein, die in den letzten Jähren geschrieben wurden (V. Vi^an 1970; A. Barrera-Vidal 1972; E. Rattunde 1974; W. Fettig 1974; M. Sootti-Bosin 1974; J. J. Meisel 1971). In all diesen Beiträgen geht es um die Frage, welche Norm im fremdsprachlichen Französischunterricht verwendet werden soll. Diese Frage ist gerade in der BRD von großer Bedeutung, da Französisch fast ausschließlich als zweite oder dritte Fremdsprache gelehrt wird und infolgedessen auf alles Uberflüssige verzichtet werden muß. Andererseits ist aber gerade im Französischen die präskriptive Norm sehr stark verankert, und es ergeben sich daher zahlreiche Widersprüche zwischen dem angestrebten Unterrichtsziel (nämlich Kaimunikationsfähigkeit Im lebendigen Umgangsfranzösisch) und den vorhandenen Schulbüchern und Grammatiken. So will z. B. E. Rattunde in einem französischen Grundkurs des bons amis ohne Korrektur anerkennen und die normativ korrekte Form de bons arnis erst später als stilistische Feinheit einführen. Mit dem17 Meisel, J. M.: Sprachnorm in Linguistik und 'Sprachpflege', in: LB, Bd. 13, 1971 S. 12.

11

selben Problem befaßte sich schon Barrera-Vidal. W. Rettig behandelt deutsche Richtlinien zum Französischunterricht, analysiert die gängigen Unterrichtswerke des Französischen und stellt eine viel zu starke Festlegung auf den bon usage fest. An Hand des Konjunktivs lirperfekt oder bei der Festlegung der französischen Aussprachenorm zeigt er, wie stark die literatursprachlichen Zielsetzungen hier noch überwiegen. Mit den Problemen der Aussprachenarm beschäftigt sich auch M. Sootti-Rosin. Er untersucht in verschiedenen Lehrwerken die Behandlung der Phoneme /a/ und /a/ sowie /œ/ und /è/ und stellt fest, daß nur ganz wenige Werke auf diese Opposition bewußt verzichten. V. Vi^an schließlich weist in einem Aufsatz nach, daß die präskriptive Norm des Französischen inner vom normalen Sprachgebrauch verschieden war. Man müsse daher auch im modernen Französisch diese Unterschiede berücksichtigen und neben der geschriebenen Sprache, die der normativen Grammatik verpflichtet ist, eine langue parlée, die sich nicht mehr ausschließlich mit dem bon usage deckt, unterrichten. 1.4

Übungen

Bei den Übungen zu diesem Kapitel unterscheiden wir drei größere Fragenkreise, die sich auf die präskriptive Norm beziehen: a) Zunächst fragen wir nach dem Sinn einer Nonn (Frage 1) b) Die Erkennbarkeit der Norm wird in den Fragen 2 und 3 behandelt. c) Auf Anwendungsmöglichkeiten bzw. auf bewußte Veränderung der Norm gehen wir dann in den Fragen 4, 6, 7 und 8 ein. 1) Welche Erklärung gibt W. Rettig (Sprachsystem und Sprachnorm in der deutschen Substantivflexion, TBL 32, Tübingen 1972, S. 93) für manche Sinnlosigkeit der Nonn? Können Sie dazu Beispiele aus der französischen Orthographie nennen? Eine sprachliche "soziale Norm" gehört in denselben Zusammenhang eines sozialen Wertsystems wie Eßsitten, Kleidung, Höflichkeitsformen usw., die in jeder Gesellschaft vorhanden sind und bestimmte Funktionen erfüllen. Überhaupt muß man für jede Sprache die Tatsache, daß die Mitglieder der Sprachgemeinschaft sie nach bestimmten Regeln gebrauchen, als eine Anpassung an eine soziale Norm betrachten. Häufig ist eine soziale Norm ursprünglich eine reine Gebrauchsnorm der zweckmäßigsten Verfahrensweise gewesen, und nur in synchronischer Sicht "sinnlos" geworden, wie bei Eßsitten die Herkunft aus überholten hygienischen Vorschriften, bei Kleidungssitten aus einer ursprünglich vom Beruf, vom Klima und ähnlichen Faktoren begründeten, inzwischen aber nicht mehr vorhandenen Notwendigkeit.

2. über die Produktivität des französischen Konjunktivs sind die Meinungen

12 sehr geteilt. Im allgemeinen spricht man jedoch von einen» Verfall orter Niedergang des Konjunktivs. Welche der beiden Darstellungen der heutigen Norm scheint Ihnen überzeugender zu sein? a) Albert Doppagne, Trois aspects du français contemporain, Paris 1966, S. 156 schreibt in dem Kapitel mit der bezeichnenden Uberschrift 'Le subjonctif, œ

malade' dazu:

En dehors du présent et du passé, les autres formes du subjonctif apparaissent de plus en plus comme un luxe de la langue, cotmne une élégance d'écrivain. Il n'est nullement exagéré de dire que le subjonctif est devenu un "mode aristocratique", si l'on entend par aristocratie ce petit groupe de personnes qui écrivent bien ou parlent bien. Sous ce rapport, la troisième personne de l'imparfait constitue un test d'une fidélité et d'une précision remarquables. Il y a là un aspect social de la langue française. Certains sujets parlants tâchent plus ou moins adroitement de se hisser jusqu'à cette aristocratie, et le "bourgeois gentilhomme" de ce chapitre va se trahir par un "hypercorrectisme": voulant se faire valoir par son parler, il èmaille sa conversation d'imparfaits du subjonctif, même là où il ne faut que le présent. Il va plus loin: désirant arborer l'imparfait du subjonctif comme un insigne, il refuse, à la troisième personne, la perche que lui tend le passé simple et il n'hésite pas à conjuguer: que je fisse, que tu fisses, qu'il ... fissel b) Marcel Cohen (Le subjonctif en français contemporain, Tableau documentai re, Paris 1965, S. 261-262) faßt seine Ergebnisse folgendermaßen zusaitmen: Il ne faut en effet pas, en matière de subjonctif aussi bien qu'en d'autres, juger en bloc, mais précisément donner une due importance à la question, qui va jusqu'au tragique, de la distinction entre ces deux conjoints - le parlé, le courant, le naturellement acquis dès la petite enfance - et l'écrit, acquis avec plus ou moins de peine, plus ou moins complètement suivant la durée et la qualité de l'instruction. Et alors il faut nettement scinder le bloc subjonctif dans ses deux moitiés. Ce qu'on appelle le présent et ce qu'on appelle le passé (composé) non seulement n'ont subi aucune perte jusqu'à maintenant au profit de l'indicatif, mais le subjonctif a gagné récemment une position au détriment dudit indicatif (voir les cas de "j'espère qu'il soit", "il est probable qu'il soit après qu'il soit venu"). Quant à la partie comprenant ce qu'on appelle l'imparfait avec son temps composé le plus-que-parfait, s'il est vrai qu'elle a abandonné, d'une manière dont la progression historique est obscure, son rôle parlé, et qu'elle subit des pertes dans l'écrit lorsque celui-ci se conforme à l'usage parlé courant, le premier fait qui doit sauter aux yeux, c'est que presque toujours ces pertes sont autant de gains pour le présent du subjonctif lui-même et son temps composé, et non pour l'indicatif, sauf sans doute dans le cas des propositions dites concessives (quoiqu'il eût passant volontiers à quoiqu'il avait). Donc si on considère les choses dans l'ensemble, la bloc subjonctif a gardé sa masse.

13 3) Schwierigkeiten, die tatsächlich vorhandene und in der Sprache funktionierende Nooi zu erkennen, zeigen sich auch im Deutschen. Während z. B. der Gebrauch der Vergleichspartikel nach dati Kaxparativ nicht mehr allein der traditionellen Norm entspricht (es findet sich neben als auch schon sehr häufig wie), stellt S. Jäger ("Hochsprache und Sprachnorm. Kritische Bemerkungen zu einer sprachwissenschaftlichen Verfahrensweise", in: Institut für Deutseihe Sprache, Forschungebeviohte, Bd. 6, s. 85, Tübingen 1971) jedoch fest: "Mach Komparativ oder Übermaß ist als in der Schriftsprache absolut fest. Im i'reiburger Material (Es handelt sich hier um gesprochene Sprache, d. Verf.) steht in diesen Fällen keinmal das wie, 22 mal als, zweimal als wie."

Das 'Freiburger Material', auf das sich S. Jäger bezieht, stammt zumeist aus Morddeutschland. Wie lassen sich in diesem Falle die Unterschiede in der Beurteilung der Nonn erkennen? 4) Bei der Konjugation der deutschen Verben kann man ganz deutlich erkennen, wie Neubildungen sich dam Kenjugationstyp des Systems, d. h. in diesan Fall der schwachen Konjugation anschließen. Die unproduktive Konjugation der starken Verben wird dagegen nur noch von der Norm gestützt, und es ergeben sich iitmer mehr Übergänge in die Konjugation der schwachen Verben wie z. B. bellen, glimmen, winken usw. Vergleiche dazu Grarrmatik der deutschen Gegenwartssprache, Der große Duden, Bd. 4, Mannheim 1966, S. 75-87. Schanatisch läßt sich die Konjugation des Deutschen folgendermaßen darstellen: SYSTEM schwache Verben: produktiv

Übergänge (z. B. winken)

Wie soll man als Linguist die folgenden Argumente zur Beibehaltung der bisherigen Norm beurteilen: "Eine gepflegte Sprache wird sich trotz dieser eindeutigen Entwicklungstendenz bemühen, die klangreichen starken Formen zu erhalten" (Grammatik der deutschen Gegenwartssprache, S. 74).

5) Die Getrennt- oder Zusaimenschreibung der deutschen Verben stellt ein

14 schwieriges Kapitel der Rechtschreibung dar, und die Erklärungen der sprachnormierenden Werke (Duden) sind weder klar noch Überzeugend. Was halten Sie von den folgenden Fixierungen der N o m in den beiden Duden: Duden (West) a Dank sagen Rollschuh laufen Sack laufen Sack hüpfen Seil ziehen

Schlitten fahren Staub saugen

Duden (Os't) b

danksagen Seilhüpfen seiltanzen seilspringen staubsaugen

a Dank sagen Schlitten fahren -

b danksagen sackhüpfen seiltanzen seilspringen schlittenfahren staubsaugen

6) Die Übernahme vcn Wörtern und z. T. auch von ganzen Konstruktionen ist van System her zwischen dem Deutschen und dem Französischen gut möglich. Welche Argumentation stand aber wohl hinter der Ablehnung des deutschen Wortes Kultur im Französischen? En 1914, les Français avaient énergiguement protesté contre l'emploi du mot Kultur par les Allemands dans l'acception de "développement intellectuel et artistigue". On avait beau employer chez nous l'expression un homme cultivé, on se refusait â rattacher la notion de "civilisation" à ce vocable considéré, dans cette acception secondaire, comme un mot allemand. De bons esprits avaient alors défini la différence gui leur apparaissait entre la Kultur et notre civilisation. Mais c'était, comme a écrit Alain, au temps du règne de la sottise. Depuis lors, et plus précisément depuis 1946, le mot culture s'est trouvé utilisé de plus en plus fréguemment avec l'acception gue lui confèrent non seulement les Allemands, mais les Anglo-Saxons, les nations d'Europe centrale et d'Europe septentrionale, le russe, etc. Au service dit "des œuvres françaises à l'étranger", a succédé au ministère des Affaires étrangères la "direction générale des Affaires culturelles et technigues". Nos ambassades et légations ont été pourvues d'attachés ou de conseillers culturels, et la Radiodiffusion française a inscrit sur ses programmes 1'"Heure de culture française", au plus grand scandale des puristes. Cette extension de sens acguise par le mot culture et son dérivé culturel (alors gue cultural est demeuré fidèle à sa signification première) est le fait de 1'emprunt. Dans cette acception, le mot culture est un mot d'emprunt. Quant à l'adjectif culturel, c'est un emprunt direct, car le français n'a longtemps possédé gue le dérivé cultural, "qui a rapport à la culture" (des améliorations culturales). D'ailleurs, 1'anglo-américain se sert toujours de cultural dans l'acception de culturel. Cette dernière forme est due à l'admission de l'allemand kulturell. Das Zitat stanmt aus Aurelien Sauvageot, Portrait du vocabulaire français, Paris 1964, S. 230-231.

15 Vergleichen Sie damit die Arbelt des 'Allgemeinen Deutschen Sprachvereins (1885 gegründet!), der zahlreiche französische Wörter wie z. B. Perron, Coupé, Retourbillet, Offerte usw. durch Verdeutschungen ersetzt hat. 7) Mit welchen Argumenten wird dagegen In einan van B.E.L.C. Im Jahre 1972 herausgegebenen Artikel für die Beibehaltung der metropolitanischen Norm des Französischen plädiert: Considérer le français comme expression authentique de réalités africaines conduit au problème des "africanismes" et de la norme à adopter. Dans la mesure où il vit, le français d'Afrique a des développements divergents par rapport au français de France. A Dakar comme à Bamako, on dira "ma bicyclette est gâtée", "j'ai payé une chemise", alors qu'en France on dit "ma bicyclette est abîmée (ou esquintée)", "j'ai acheté une chemise". Nous avons opté pour la norme du français de France, non pas au nom d'une quelconque supériorité intrinsèque du français métropolitain, mais parce que la dialectalisation va à 1'encontre d'une des fonctions essentielles du français en Afrique, qui est d'assurer une intercompréhension aussi large que possible. Sur les points où la divergence ne met pas en jeu la communication (par exemple pour la prononciation du "r" ou le problème du "e muet"), nous avons été moins "prescriptifs" qu"'indicatifs" - et encore avec discrétion. (Nataf, R. : Le niveau 2 dans l'enseignement du français langue étrangère, Paris 1972, S. 172-173.) 1.5

L ö s u n g e n

1) Normen, wie sie z. B. bei den Eßsitten, Kleidungen, Höflichkeitsformen usw. vorliegen, stellten ursprünglich die zweckmäßigsten Verfahrensweisen dar, die jedoch nicht weiterentwickelt wurden und daher heute, synchronisch gesehen, 'sinnlos' erscheinen. In der französischen Orthographie genügt es hier auf die Entwicklung der Diphthonge und Triphthonge hinzuweisen, die Im Altfranzösischen noch nicht zu Mcnophthcngen reduziert waren. Vgl. dazu: Joseph Anglade, Grammaire élémentaire de l'ancien français, Paris 1961, S. 69-70. Ferdinand Brunot/Charles Bruneau, Précis de grammaire historique de la langue française, Paris 1949, S. 59. "La plupart des diphtongues et des triphtongues de l'ancien français subsistent dans la graphie, mais sont devenues des voyelles homogènes: 'paire', jadis [payrœ] , ne se prononce pas aujourd'hui autrement que 'père' [pèr]. Il en est' de même pour au : 'aube' [ob]; -eu: 'peu' tpœ]; 'peur' [pœr]; -eau: 'peau' [po]; -ou: 'pou' [pu]. 2) A. Dcppagne geht vor allem auf den Konjunktiv Inperfekt ein, der in der gesprochenen Sprache (fast) nicht mehr gebraucht wird, dagegen untersucht

16 er nicht die Produktivität des Konjunktivs Präsens. Dadurch ergibt sich ein etwas einseitiges Bild. M. Cohen unterscheidet zwischen geschriebener und gesprochener Sprache und ebenso zwischen Konjunktiv Präsens und Konjunktiv Imperfekt. Wir erhalten somit ein wesentlich differenzierteres und genaueres Bild. Während der Konjunktiv Irrperfekt zurückgeht, läßt sich beim Konjunktiv Präsens sogar eine leichte Progression feststellen wie z. B. der Konjunktiv nach 'après que'. 3) Die Ergebnisse sind in der Tat überraschend, und es könnte sein, daß die Auswahl der Texte des 'Freiburger Materials' nicht ausreichend repräsentativ war, so daß diatopische Unterschiede des Gebrauchs von als und wie nicht berücksichtigt wurden. Es wäre allerdings aus möglich, daß diese sprachnormierenden Ratschläge, die sich ja oft von Granmatik zu Grammatik vererben, van Anfang an gar nicht begründet waren. Ein Blick in eine der zahlreichen Sprachsündentabellen zeigt oft wie wenig hier die tatsächlich praktizierte Norm erhalten werden soll (z. B. soll ab heute durch von heute an ersetzt werden oder Lehrling Lernling

(lateinisch)

durch das zutreffendere

(das jedoch nicht einmal im DUDEN vcarkcnnrt). Vgl.

Alltägliche

Sprachsünden von H. Reger, Darmstadt 1970, 7. Auflage) 4) Mit Argumenten wie ' klangreich ' kann man in der Linguistik nicht arbeiten. Klangreicher waren sicherlich Texte wie das Nibelungenlied (heleden lobebaeren ... grôzer arebeit) oder der Arme Heinrich (Ein ritter sô gelêret was das er an den buochen las), und dennoch hat sich hier die Norm verändert, ohne daß wir heute unsere Sprache als weniger klangreich empfänden. 5) Die Rechtschreibung des DUDEN (Ost) ist in diesen Fall kohärenter, da die schwierige Abgrenzung, was man als Hauptwort aufzufassen habe und was nicht, zugunsten der Kleinschreibung aufgegeben worden ist. -Allerdings birgt diese einseitige Änderung die Gefahr in sich, daß sich innerhalb des Deutschen zwei unterschiedliche Normen entwickeln können. 6) Es war die Zeit des 'règne de la sottise', und rein sprachliche Probleme versuchte man mit nationalistischen und gar chauvinistischen Argumenten zu lösen. Auf der deutschen Seite war man umgekehrt auch nicht gerade pingelig in der Wähl der Argumente, und Zitate wie 'grenzenlose ausländernde Sprachsudelei' oder 'Welscherei als geistiger Landesverrat' gehörten zum Standardrepertoire solcher sprachnormierenden Banühungen. Daß solch ein militant-chauvinistischer Sprachpurismus noch nicht ausgestorben ist, zeigt sich z. B. an dem Vferk von Etiemble, Parlez-vous Paris 1964.

franglais?,

17 7) Unter Rücksichtnahme auf das äußerst empfindliche Nationalbewußtsein der jungen afrikanischen Staaten wird hier versucht die Norm der Metropole nicht als die automatisch bessere darzustellen, sondern sie soll im Interesse aller Benutzer (gerade auch der afrikanischen) als gut funktionierendes Kourunikationsnittel möglichst wenig diatopische Unterschiede aufweisen. 1.6

B i b l i o g r a p h i e

a) Sarrrnelbände, die sich mit Fragen der Neon befassen. Die einzelnen Beiträge werden später alphabetisch aufgeführt unter Hinweis auf den Sanne Iband: Lagane, R./Pinchon, j.: La norme. Langue française 16, décembre 1972, 132 S. Lotzmann, G. : Sprach- und Sprechnormen-Verhalten und Abweichung, Heidelberg 1974, 168 S. Moser, H.: Sprachnorm, Sprachpflege, Sprachkritik, Jahrbuch des Instituts für deutsche Sprache 1966/67, Düsseldorf 1968, 286 S. Winterling, F. : Sprachnorm und Gesellschaft, Texte zur Theorie und Praxis sprachlicher Normierung und sprachlicher Lenkung, Frankfurt/M. 1974, 94 S. b) Einzelstudien: Burgschmidt, E.: System, Norm und Produktivität in der Wortbildung, Erlangen 1973, 317 S. Coseriu, E.: La lingua di Ion Barbu, in: Atti del Sodalizio glottologico milanese, I., 2, Milano 1949, S. 47-53. Sistema, norma y habla, Montevideo 1952; Wieder abgedruckt in: Coseriu, E.: Teoria del lenguaje y lingüistica général, Madrid 1962, S. 11-113. - Sistema, norma e 'parola', in: Studi linguistici in onore di Vittore Pisani, Bd. I, Brescia 1969, S. 235-253. Sincronia, diacronia y tipologla, in: Actas des XI Congreso Internacional de Lingüistica y Filologla Romänicas, Madrid 1965, Bd. I, Madrid 1968, S. 269-283. - Einführung in die strukturelle Betrachtung des Wortschatzes, Tübingen 1970. - Probleme der strukturellen Semantik, Tübingen 1973. Ernst, G.: Toskanischer 'bon usage' und die Norm des Italienischunterrichts, in: Neusprachliche Mitteilungen, 25, 1972, S. 97-102. Havrànek, B.: Zum Problem der Norm in der heutigen Sprachwissenschaft und Sprachkultur, in: Actes du quatrième Congrès international des linguistes, 1936, Kopenhagen 1938, S. 151-156. Heinrichs, A.: Auf dem Weg zu keiner Norm? Eine Kritik des Sprachnormbegriffs in den Hessischen Rahmenrichtlinien, Sekundarstufe I, Deutsch, in: Germanistische Linguistik, 1-2, 1974, S. 7-20. Jäger, S.: Die Sprachnorm als Aufgabe von Sprachwissenschaft und Sprachpflege, in: Wirkendes Wort, 18, 1968, S. 361-375. - Zum Problem der sprachlichen Norm und seiner Relevanz für die Schule, in: Muttersprache, 81, 1971, S. 162-176. - Die Hessischen Rahmenrichtlinien 'Deutsch' und die Sprachrichtigkeit. Der Übergang von einer willkürlich-formal-normativen zu einer formalen Auffassung, in: Germemistische Linguistik, 1/2, 1974, S. 21-36. le Bidois, R.: Purisme et laxisme, in: Le français dans le monde, 39, mars 1966, S. 14-18.

18 Marzys, Z.: Norme et usage en français contemporain, in: Le français dans le monde, I08, octobre/novembre 1974, S. 6-12. Meisel, J. M.: Sprachnorm in Linguistik und 'Sprachpflege' in: LB, 13, 1969, S. 8-14. 'Nous cultiverons chacun un petit coin'. Zur Kritik der Sprachlehrbücher des Französischen, in: LuD, 8, 1971, S. 279-284. Moser, H. : Entwicklungstendenzen des heutigen Deutsch, in: Deutschunterricht, 6/2, 1954, S. 87-107. - Sprache - Freiheit oder Lenkung? - Zum Verhältnis von Sprachnorm, Sprachwandel, Sprachpflege, Dudenbeiträge, Heft 26, Mannheim 1967. von Polenz, P.: Sprachnorm, Sprachnormung, Sprachnormenkritik, in: LB, 17, 1972, S. 76-84. Sprachkritik und Sprachnormenkritik, in: Nickel, G.: Angewandte Sprachwissenschaft und Deutschunterricht, München, 1972, S. 118-167. Pollack, W.: Die sprachliche Normenproblematik in linguistischer, soziologischer und didaktischer Sicht, in: LuD, 13, 1973, S. 53-58. Rettig, W. : Sprachsystem und Sprachnorm in der deutschen Substantivflexion, Tübingen 1972. Die pragmatische Beschreibung der Pluralbildung entlehnter Substantive im Französischen, in: Zeitschrift für Französische Sprache und Literatur, 84, 1974, S. 193-209. Schröder, P.: Sprachnorm, Sprachbarrieren, Sprachpolitik, in: Bühler, H. Funkkolleg Sprache, Bd. 2, Frankfurt/M. 1973, S. 263-294. Scotti-Rosin, M. : Veränderungen im Phoneminventar des Französischen und ihre Berücksichtigung im Französischunterricht, in: Praxis, 1974, S. 63-72. Vlçan, V. : Raportul norma - uzaj çi tnväfarea limbii franceze, in: Analele Universitari! Bucure^ti, Liirbi Romanice, Anul XIX, 1970, S. 66-74. Weinrich, H.: Vaugelas und die Lehre vom guten Sprachgebrauch, Zeitschrift für romanische Philologie, 76, 1960, S. 1-33. c) Zeitschriftenschau: Raasch, A.: Welches Französisch gehört in den Sprachunterricht? - Probleme der sprachlichen Norm -, in: Kielsprache Französisch, 1975, 1, S. 27-28. (Hier werden die Arbeiten von A. Barrera-Vidal 1972, E. Rattunde 1974, W. Rettig, 1974 und M. Scotti-Rosin 1974 besprochen). Während der Drucklegung erschien: Gloy, K.: Sprachnormen I. Linguistische und soziologische Analysen, Stuttgart-Bad Cannstatt, 1975.

2.

FRANZÖSISCH

2.1

E n t s t e h u n g

d e r

'unregelmäßigen Verben'

Untersuchen wir nun, wie Nonn und System im Bereich der französischen Verben, vor allem bei den sogenannten unregelmäßigen Verben funktionieren, so zeigt sich, daß das lateinische mit seinen vier regelmäßigen Konjugationen abgelöst wurde von einer Fülle verbaler Sonderfarmen, die sich aus der verschiedenen Betonung der Verben ergaben. Eine solche Starmabstufung, wie sie sich z. B. bei den beiden Verben amare und laoare zeigt, konnte zu ganz verschiedenen Fixierungen führen: Latein

Stammabstufung

Ausgleich

amo «unas amat

ain aimes aime

aime aimes aime aimons aimez aiment

anon s amez

amamus amatis amant

aiment

der haupttonige Stamm setzt sich durch.

1 laoare dagegen verläuft die Fixierung anders: Latein

Stammabstufung

lavo lavas lavat

lef leves levet lavamus lavatis

lavant

lavons lavez levent

Ausgleich lave .laves lave lavons laves lavent

der nebentonige Stamm setzt sich durch.

Diese zunächst relativ freien Ausdrucksmöglichkeiten wurden zwischen dem 13. und 15. Jahrhundert durch einen initier stärker werdenden Einfluß der präskriptiven Norm allmählich eingeengt, bis im 17. Jahrhuntort durch die Gründung der Académie (1635) und durch die Herausgabe des Dictionnaire de l'Académie (1694) die vom System her möglichen Bildungen ausschließlich durch die Norm sanktioniert oder verworfen wurden. Es lassen sich daher beim französischen Verb zwei ungleich große Gruppen unterscheiden:

20 1. Produktive Verben auf -ER und -IR: (Sie stellen allein 90% aller Verben des Französischen dar). pasteuriser (1872 interviewer (1883), radiographier (1896) photocopier (1907)

filmer (1908) amerrir (1912) alunir (1930)

2. Die unproduktiven Verben, die auch als die 'unregelmäßigen Verben' bezeichnet werden und die eine reduzierte Gruppe von circa 200 Verben darstellen: aller, boire, faire, écrire usw. Es steht also im Neufranzösischen bei der Verbbildung das System mit. der Möglichkeit der Neubildung auf -er und -ir der Nana gegenüber, die alle nicht mehr produktiven Verben enthält. Zahlreiche Verstöße gegen die Nana, die - falls sie akzeptiert werden -, sich diachronisch als Wandel zeigen, bestätigen jedoch nur auf einer höheren Ebene das Funktionieren des Systems. Wir können innerhalb der durch die Norm fixierten Verben vier größere Gruppen unterscheiden: 1. Unproduktive Verben werden durch produktive ersetzt: Typ: gésir > se trouver 2. Unproduktive Verben wechseln ganz oder teilweise in die Konjugation der produktiven über: Typ: bruire > bruisser 3. Komposita von unproduktiven Verben passen sich bei einzelnen Personen, Tempora oder Modi der Bildungsweise der produktiven Verben an, wobei der Einfluß des Systems unverkennbar ist: Typ: médire > médisez 4. Nichtabgeleitete, unproduktive Verben bilden einzelne Tempora oder Modi entsprechend der Bildungsweise der produktiven Verben: Typ: boire > boirai Bei all diesen Gruppen läßt sich jeweils noch unterscheiden, cb die Neubildung nach dem System der Sprache bereits in der Norm akzeptiert wurde und dementsprechend in normativen Grairmatiken bzw. Wörterbüchern verzeichnet ist, oder ob es sich im nichtakzeptierte Bildungen der Vulgärsprache oder der Kindersprache handelt. (Vgl. das Scharia der folgenden Seite!). 2.2

Ersetzung unproduktiver durch produktive Verben

Umfangreiche Listen mit Beispielen der ersten Grippe finden sich in den meisten historischen Gramtatiken des Französischen. Eine ausführliche Zusarrmenstellung bringt auch H. Frei:^ 1

Frei, H.: La grammaire des fautes, Paris-Genève, 1929, S. 68-69.

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0) C fermer courre > courir croître > pousser faillir > manquer férir > frapper fuir > se sauver gésir > se trouver haïr > détester luire > briller paître > brouter partir > partager poindre > piquer, (pointer) quérir > chercher vêtir > habiller

Unter dem Einfluß des Systems sind diese unproduktiven Verben zwar überall durch Verben auf -er oder -ir ersetzt worden, die Norm hat sie aber zumeist in Farn von Redewendungen, in Sprichwörtern, im fachsprachlichen Gebrauch oder in phraseologischen Wendungen teilweise zugelassen. ardre ist zwar seit dem 17. Jahrhundert im Sprachgebrauch durch brûler ersetzt worden, findet sich aber noch in dem Ausruf: Le feu Saint-Antoine vous arde! chaloir durch importer ersetzt, hält sidi noch in den Ausdrücken: peu me ohaut, il ne m'en chaut, il ne m'en chaut guère. courre wird heute nur noch in der Jägersprache gebraucht: courre le cerf, chasse à courre, laisser courre les chiens, laisser courre. férir von frapper verdrängt, existiert noch in der Form des Partizip Perfekts féru und in der Redewendung Sans coup férir. gésir findet sich in Grabinschriften als feste Wendung ci-gît, wird aber auch hier schon häufig durch ici repose ersetzt. Es wird aufierdan noch für Perscnen gebraucht, wenn gesagt werden soll, daß diese krank oder tot daniederliegen:

issir

Les blessés gisaient sur le sol; les cadavres gisent sur terre, privés de sépultures. Ferner: Les colonnes de l'édifice détruit gisaient éparses. (=sortir, descendre d'une personne ou d'une race) wird nur noch beim Partizip Perfekt gebraucht: issu,e.

23 raire

In der Jagdsprache das Söhren eines Hirsches, heute zumeist ersetzt durch bramer.

Ebenso finden sich andere Verben in festai Ausdrücken: outr, z.B. in out-dire, partir in avoir maille à partir avec qn. und poindre in Oignez vilain, il vous poindra; poignes vilain, il vous oindra. Im modernen Französisch geht diese Entwicklung weiter, und es läßt sich auch hier zeigen, wie unproduktive Verben allmählich durch Verben auf -er ersetzt werden. Diese Entwicklung ist aber in der Norm noch nicht allgsrein akzeptiert. "Il y a d'autres cas, oùleverbe à radical variable est oublié et fait place à un autre verbe, néologique ou existant, conçu comme synonyme. Cette évolution se poursuit sans fracas, depuis des siècles, et vise à la suppression lente et définitive de tous les verbes autres que ceux de la première conjugaison."2 Als Beispiele für diese Entwicklung seien genannt: aller > marcher enchérir > miser ensevelir > enterrer faillir > manquer flétrir > froisser jaillir > gicler lotir > parceller

provenir > émaner reconnaître > identifier subir > endurer unir > unifier vendre > solder, débiter vouloir > désirer

Eine weitere Möglichkeit, die unproduktiven Verben zu ersetzen, besteht darin, Dencminativa auf -er zu bilden. In der folgenden Zusammenstellung geben wir jeweils das im Petit Robert vermerkte erste Erscheinungsjahr an und in Klarner das Verbun, das durch die Neubildung ersetzt wird. Beispiele

auditionner (entendre) collisionner commotionner compassionner, se (compartir) concessionner conditionner confusionner (confondre) contagionner (transmettre par contagion) contusionner (contondre) deceptionner (décevoir) démissionner (se demettre) dilectionner èmissionner èmotionner (émouvoir) êmulsionner excursionner (faire une excursion) exhibitionner 2

Erstes Auftreten (Petit Robert)

1793/1922/1955 1929 1932 (1694) 1835 1819 1793 1829 1870/fin XIXe fin XIXe

Frei, H., La grammaire des fautes, S. 171.

24 Beispiele fusionner (fondre) impressionner (z. T. émouvoir) inspectionner intentionner (avoir l'intention) missionner objurgationner ovationner perquisitionner (faire une perquisition) positionner (terme de banque) prédilectionner propulsionner possessionner réactionner (réagir; terme de finance) réceptionner (recevoir) réfectionner (refaire) réflexionner (réfléchir) relationner réquisitionner (requérir) revisionner sécessionner sélectionner (choisir) solutionner (résoudre) soumissionner tractionner visionner (voir; terme de cinéma)

Erstes Auftreten (Petit Robert) 1802 1841/déb. XIX/1859 -

1892 1836 1923 1796 1899 1907 1798 1921

Die Beispiele entnahmen wir H. Frei, dem Dictionnaire des difficultés de la langue française3, Etienne le Gal^ und René Georgin.^ Bel den genannten Bildungen handelt es sich um Neuerungen, die von heutigen Sprechern als solche anpfunden werden. Ältere dencminale Bildungen dieser Art sind dagegen längst in der Norm akzeptiert: additionner (faire l'addition) affectionner (chérir) ambitionner (désirer) commissionner occasionner

1680 Xive siècle fin X V i e XVe 1596

Interessant ist daher die Reaktion der sprachnormierenden Werke für solche Bildungen: a) Wir konnten nirgends eine bewußte Förderung dieses produktiven Wörtbildungsverfahren feststellen. b) Bei einigen Verben hat offensichtlich die Neubildung schon das unregelmäßige Verb verdrängt, so etwa bei requisitionner und bei dêmiseionner. 3

Thomas, A. V. : Dictionnaire des difficultés de la langue française, (Larousse), Paris 1971. 4 Le Gal, E.: Ne dites pas ... mais dites, Paris 1966. 5 Georgin, R.: Pour un meilleur français, Paris 1951.

25 c) Teilweise werden diese Neubildungen akzeptiert, da damit eine satiantische Differenzierung zun ursprünglichen, einfachen Verb eintritt: voir

(sehen)

•*•*•

visionner

(Examiner un film d'un point de vue technique)

réagir (reagieren) - ionner)

Norm (unproduktive Verben; Typ: résoudre)

2.3

Übergang vcn unproduktiven Verben zur Konjugation der regelmäßigen Verben

Weniger zahlreich sind die Beispiele, bei denen ein Verb aus der Gruppe der unproduktiven in die Gruppe der produktiven überwechselt. Je nach dem Grade ihrer Akzeptabilität in der Norm lassen sich drei größere Gruppen unterscheiden: a) In der Norm des Französischen völlig akzeptiert sind nur ein paar Übergänge, die zudem schon sehr früh zu den Konjugationen auf -er und -ir übergewechselt sind. So waren bei haïr noch im 17. Jahrhundert die Pluralformen nous hayonst voua hayez, ils haient gebräuchlich, die aber dann vor allem auf die Kritik Vaugelas hin durch Inchoativformen ersetzt wurden: nous baissons, voue baissez, ils haïssent. Bel maudire vollzieht sich der Wechsel in die Gruppe der produktiven Verben auf -ir gegen Ende des Mittelalters. Trotz seiner Herleitung von dire wird es heute als Inchoativverb nach dan Beispiel von finir konjugiert:

26 MAUDIRE PRÄSENS

mous maudissons vous maudissez ils maudissent

IMPERFEKT je maudissais PART. PRÄSENS KONJ. PRÄSENS

DIRE nous disons vous disez ils disent

usw.

je disais usw.

maudissant

disant

que je maudisse que tu maudisses qu'il maudisse usw.

que je dise que tu dises qu'il dise usw.

b) Noch nicht völlig akzeptiert in der Nomn sind dagegen einige Neubildungen, die zuweilen aber schon in der Literatursprache vorkamen. So wird der Infinitiv coneluer und das passé siitple conoluai als Neuerving abgelehnt, und man plädiert für die eilten Bildungen conclure und conclus. In den literarischen Texten dagegen findet man die kritisierten Bildungen: G. FLAUBERT

"Aucun génie n'a conclu, et aucun grand livre ne conclue, parce que l'humanité elle-même est toujours en marche, et qu'elle ne conclue pas."

M. PREVOST

"Dis-moi ce que tu lis et j'en concluerai vite la température et la force de ton cerveau".

Ebenso ist man sich in der Ablehnung der Neubildung poigner zu poindre (=piquer) einig: "un barbarisme formé sur le participe présent poignant". Zahlreiche Belege für den Gebrauch von poigner finden sich aber in der Literatur: CHATEAUBRIAND

"Un sentiment profond a poignè mon coeur."

F. SOULÏE

"L'effroi avait poignè son coeur."

HUYSMANS

"Le regret qui l'avait poignè dans la cuisine l'êtreignit de nouveau". "Une énergie qui poigne"

A. DAUDET

"L'anxiété de ses enfants commence à la poigner à son tour"

Abgelehnt wird auch die Neubildung ras sir zu dem Partizip Perfekt rasais, z. B. du pain rassis (=altbacken); une miche rassise, das regelmäßig von Verb rasseoir abgeleitet wird: Le pain de mais, rassit comme le pain de blé. Je laisse rassir mon pain plusieurs jours. (G. Bernanos) c) Die Verben wir bruire, départir, faillir, ressortir und vêtir haben dagegen noch keine Fixierung in der Norm erreicht, und es ist daher nicht verwunderlich, daß gerade darüber viel Tinte vergossen worden ist. (Vgl. hierzu die fünf Bände von M. Grevisse, Problèmes de langage).

27

Ein besonders Interessanter Fall ist vêtir. Hier läßt sich nämlich zeigen, wie eine Entwicklung nach dem System der französischen Sprache von der Norm zwar nicht ganz verhindert werden konnte, aber dennoch geschwächt bzw. abgebremst wurde. Während im Mittelalter die Inchoativformen bei vêtir noch selten waren, wurden sie im 16. Jahrhundert allmählich häufiger. Die Grammatiker und Schriftsteller des 17. Jahrhunderts (Oudin 1632; Vaugelas 1647; 1h. Corneille 1687) sowie die Académie (1694) lehnten diese Neuerung ab. Man erhält daher in den folgenden Jahrhunderten eine sehr uneinheitliche Entwicklung. Einerseits verwenden zahlreiche Schriftsteller die Inchoativfarmen (Buffon, Sainte-Beuve, Voltaire, Montesquieu, Diderot, Chateaubriand u. a.), so daß man in manchen Grarrmatiken die Feststellung finden kann, je vêtissais sei eine "forme poétique". (M. Regula, Grammaire française explicative, S. 133). Zahlreiche Beispiele mit vêtis s- finden sich bei M. Grevisse (Le bon usage, § 698, zuneist wieder aufgenatmen in den Problèmes de langage, Bd. 5, S. 22-23) oder bei R. L. Wagner/J. Pinchon, Grammaire du français, S. 257. Andererseits aber werden die Inchoativformen auch im français populaire gebraucht. So sagt z. B. R. Queneau: Vêtissez-vous ma toute belle (Zazie dans le métro). Zwischen diesen beiden Anwendungsbereichen steht der offizielle Gebrauch, dem man sich zwar beugt, aber ohne große Uberzeugung. Vor diesem Hintergrund muß nan die Schlußfolgerung betrachten, die sich z. B. bei Le nouveau Bescherelle, L'art de conjuguer, S. 47, finden: "Ce serait, a-t-on dit, pousser le rigorisme au-delà de ses bornes, que de ne pas admettre, après d'aussi imposantes autorités, ces formes bien plus agréables à l'oreille que les formes si sourdes: vêt, vêtent, vêtant, seules admises jusqu'à ce jour par les grammairiens dans la conjugaison de ce verbe. Nous croyons cependant que dans les composés de ce verbe, la forme primitive vêt est préférable: il revêt, revêtant."

Schematisch läßt sich die Entwicklung von vêtir dann folgendermaßen darstellen:

28 Keine endgültige Fixierung haben wir auch beim Verb bruire

(tauschen,

rasseln, brausen, tosen usw. ; rendre un son confus, oaiposé de nanbreux petits bruits). In den normativen Werken wird bruire

zu den defektiven Verben

gezählt, und es soll nur im Infinitiv (bruire) in der dritten Person Singular Präsens (il bruit) und in den dritten Personen des Indikativ Imperfekts vorkönnen (ma tête bruyait oarme la mer; ses compagnons, corme des bêtes bruyaient). Wahrscheinlich aber bildete sich unter dem Einfluß des Substantivs le bruissement

ein Inperfekt Indikativ (il bruissait). Diese

Form wird noch von Littrê kritisiert: néologisme barbare du XVIIe siècle. Auf Grund einer sanantischen Differenzierung gegenüber bruyant

(=lärmend,

laut, geräuschvoll, ohrenbetäubend, gellend, schallend - Dieses Partizip wurde im Zusammenhang mit le bruit

gesehen-) entstand ein neues Partizip Präsens

bruissant (=rauschend, brausend). Zu diesen Neubildungen wurde dann ein Infinitiv bruieser

entwickelt, der jedoch noch in keinem Wörterbuch ver-

zeichnet ist. Das Verb kann aber heute in allen Personen und allen Zeiten gebraucht werden: V. HUGO

"Les roseaux du fleuve bruissaient

lugubrement"

Th. GAUTIER

"Les perles qui bruissaient

A. de VIGNY

"Mous formions un petit groupe dans l'ombre, au milieu de la foule qui parlait, marchait et bruissait doucement"

à son col"

SULLY PRUDHOMME

"Les feuilles mortes bruissaient

SAINT-EXUPERY

"Des lézards bruissaient

M. GENEVOIX

"Les feuilles mortes bruissaient

Fr. MAURIAC

"L'unique platane bruissait

et balayaient la rue"

entre les feuilles". à leurs jambes".

de cris d'oiseaux".

A. DAUDET

"Les lourdes pages des grands livres bruissent

P. LOTI

"Les pas sur l'herbe font bruisser

en tournant"

SAINT-EXUPERY

"Quelque chose siffla légèrement sur le parquet, bruissa sous la table".

G. APOLLINAIRE

"Aux brises de l'avril il bruisse

les feuilles mortes"

doucement".

Bei dan Verb f a i l l i r (=verstoßen; in Konkurs geraten) ist der Übergang in die Konj ugationsgruppe der produktiven Verben fast allgemein in der Norm akzeptiert. Das Wörterbuch der Académie (Auflage von 1835) beharrt zwar noch auf den alten Formen, aber Bescherelle (1843-1846) konjugiert bereits ganz nach dem Beispiel von f i n i r . Littrê schreibt zu diesem Wandel in der Norm: "C'est un barbarisme, mais qui a chance de s'introduire et de devenir correct; déjà quelques grammairiens disent que ce verbe, dans le sens de 'faire faillite', se conjugue régulièrement sur finir: Quand un

29 négociant faillit, les créanciers, etc.; s'il faillissait, vous seriez ruiné; si la baisse continue, il faillira: C'est un usage tout moderne qui cherche à s' introduire."

Die älteren Bildungen (je faux, je faudrai, je faillais usw.) werden heute cils Archaismus aipfunden, oder man gebraucht sie noch scherzhaft. Bei den beiden folgenden Verben (départir und ressortir) handelt es sich im Karposita, bei denen der Zusanmenhang mit dem Grundwort nicht mehr stark genug atpfunden wird. Nach den Regeln der Mann wird départir (=aufgeben, abstehen, ablassen von, sich entfernen, abweichen von) wie partir konjugiert: je me dépars de ma sévérité, je me départais, nous nous départons usw.

Daneben finden sich aber nicht wenige Belege bei den Schriftstellern, die départir als Inchoatiwerb konjugieren: A. Gide: Je me soutenais par l'orgueil, mais je regrettais alors Hilaire qui me départissait l'an d'avant de ce que mon humeur avait sinon de trop farouche.

Weitere Beispiele bringt M. Grevisse, Problèmes, Bd. 1, S. 124. Eine endgültige Fixierung steht also bei diesem Verb noch aus. Bei ressortir schließlich ergeben sich Unsicherheiten im Gebrauch, da hier zwei inhaltlich verschiedene Verben formal zusarrmenfallen : a) ressortir (= wieder hinausgehen) als Kcmpositum von sortir folgt der Bildungsweise von sortir, ohne daß sich hier Schwierigkeiten ergäben; je ressors, nous ressartons, je ressortais usw. b) ressortir (= zur Zuständigkeit gehören, unterstdien) wird in seiner fachsprachlichen Bedeutung als Inchoatiwerb konjugiert, da es offensichtlich von ressort (= être du ressort de) abgeleitet wurde: Cette affaire, ce procès ressortissait à la cour d'appel, au tribunal de catmeroe. Obwohl diese beiden Funktionen von ressortir klar unterscheidbar sind, finden sich dennoch Verstöße gegen diese Norm, indem kein Unterschied mehr zwischen den beiden Verben genacht wird: P. Claudel: Lé cryptomère ressort à la famille des pins. Ooimençons par tout ce gui ressort au départ, à l'élan. Wenn wir zusammenfassend die Argunente betrachten, die gegen die Neubildung des Systans hervorgebracht werden, die also in erster Linie die herrschende Norm verteidigen wollen, so stellen wir irtmer wieder dieselbe Reaktion fest. Man spricht zunächst bei einer Neubildung von barbarisne, den man vermeiden müsse, da er wider den Geist der Sprache sei. Verbreitet sich diese Neubildung

30 jedoch und wird sogar von einigen Schriftstellern Übernamen, so wird nicht mehr von barbarisme gesprochen, sondern man erklärt ganz einfach, daß der Gebrauch hier schwankend sei. Hat sich die Neubildung ganz oder fast ganz durchgesetzt, so hat die Sprache hier gut gehandelt und in Analogie zu anderen Bildungen diese schönklingencle Neubildung akzeptiert. 2.4

Anpassung der Komposita an die regelmäßige Konjugation

Bei den Beispielen der folgenden Gruppe handelt es sich un Komposita, bei denen einzelne Personen (2. Person Plural des Indikativ Präsens) oder sogar einzelne Taipora (Futur) und Modi (Konjunktiv, Konditional) nach den Regeln des Systems neugebildet wurden. Diese Neubildungen wurden allgemein in der heutigen Norm des Französischen akzeptiert. Zun Verständnis des gegenseitigen Verhältnisses von System und Norm ist es sehr aufschlußreich zu sehen, wie gerade die weniger häufigen Verbformen sich den Systemeinflüssen unterwarfen. Die häufiger vorkeimenden Verben, die wesentlich stärker durch den Gebrauch fixiert sind, bleiben dagegen unverändert erhalten, a) dire: Bei den Komposita von dire gibt es nur redire, das in der zweiten Person Plural das -s- nicht verallgemeinert: nous disons vous dites ils disent

nous redisons vous redites ils redisent

Die anderen Kcrçosita gebrauchen jedoch in der 2. Person Plural die Formen mit -disez: contredisez, dédisez, interdisez, médisez und prédisez. Daß diese Neuerung ("Il y a là une irrégularité que l'usage a consacrée", E. le Gai) noch nicht sehr alt ist, läßt sich durch Beispiele aus der Sprachgeschichte belegen. Historische Grannetiken des Französischen zeigen uns, wie im Altfranzösischen auch noch die Kaiposita von dire in der 2. Person Plural die der ursprünglichen Norm entsprechenden Formen mit -dites gebrauchten. Contredire findet sich noch im 14. Jahrhundert als contredites. Die anderen Komposita kamen erst ziemlich spät auf: interdire im 15. Jahrhundert; médire im 13. Jahrhundert und prédire im 13. Jahrhundert. Sie übernahmen alle die Bildungsweise mit -disez. Bei Molière finden wir noch im 17. Jahrhundert die ältere Bildung dédites: Non, Damis: il suffit qu'il se rende plus sage, Et tâche à mériter la grâce oû je m'engage. Puisque je l'ai promis, ne m'en dédites pas Ce n'est point mon humeur de faire des éclats: Une femme se rit de sottises pareilles, g Et jamais d'un mari n'en trouble les oreilles. 6

Molière, Le Tartuffe, Acte III, Scène IV.

31 Noch nicht akzeptiert sind dagegen die Formen +vous faisez, +vous disez, +ils satisfaisait, +nous boivons, "Kraus boivez, die - wie H. Frei erwähnt nicht allein der Kindersprache angehören. Vgl. Ceux gui satisfaisent à ces conditions. b) voir: Die im System angelegte Behandlung zeigt sich auch beim Futur der Katposita von voir. Während sich das Simplex voir sowie revoir und entrevoir noch an die Bildungsweise der Norm halten Cverrai> revervai, entreverrai), haben wir bei pourvoir, prévoir bereits die van Infinitiv regelmäßig abgeleiteten Futurfonnen pourvoirai und prévoirai. Dasselbe gilt natürlich für die Konditionalformen. c) Der Konjunktiv Präsens läßt sich im Französischen bei den meisten Verben von der dritten Person Plural Präsens ableiten. Eine Ausnahme bilden nur wenige unregelmäßige Verben, z. B. que ¿'aille; que je fasse; que je puisse; que je vaille. Es ist daher nicht verwunderlich, daß hier die Norm ständig verletzt wird. Neubildungen wie +que je peuve, +que je veule, +que je save sind noch nicht akzeptiert, aber beim Korpositvm prévaloir ist allein die Konjunktivform que je prévale gültig. Die anderen Komposita von valoir (équivaloir und revaloir) bilden dagegen den Konjunktiv nach dem Vorbild von valoir), also z. B. qu'il équivaille, qu'il revaille. Schenatisch ließe sich das Zusamnenspiel von Norm und System bei den Kenposita folgendermaßen zeigen:

SYSTEM

NORM

vous dites

S

-isons -isez -isent

+

disez interdisez

je verrai

Infinitiv + ai

qu'il vaille •

+

r

j e voir-ai je prévoirai

ils valent > + qu'ils valent qu'ils prévalent

2.5

Normalisierung an Hand des Infinitivs

Bei der vierten Gruppe der urproduktiven Verben werden einzelne Terrpora bzw. Modi nach den Regeln des Systems gebildet. Da es sich hier ausschließlich un einfache, nicht abgeleitete Verben handelt, ändern sich natürlich nicht die Präsensformen, die auf Grund ihrer

32 großen Frequenz in der Norm des Französischen gut fixiert sind, sondern es ist zumeist das Futur (und dementsprechend das Konditional), das Passé Sinple, der Konjunktiv Präsens und zuweilen auch das Drçerfekt, Partizip Präsens oder Partizip Perfekt. Bei den meisten Beispielen dieser Gruppe handelt es sich grammatisch gesprochen vm 'Fehler', d. h. um Norwverstöße, und nur einige wenige, diachronisch weiterzurückliegende Nonnverstöße sind inzwischen akzeptiert worden. a) Futur: Die lautgesetzlich normale Entwicklung ergab im Altfranzösischen zahlreiche Futurformen, bei denen - synchronisch gesehen - die Infinitivform im Futur nicht mehr erkennbar war. So erhalten wir z. B. bevrai (trinken), crevai (glauben), donrai, dorrai (geben), lairrai (lassen) und verrai (sehen). Im 17. Jahrhundert versuchen die Grammatiker, Schriftsteller und die Académie, Ordnung in die Futurformen zu bringen, indem sie den Infinitiv als Grundlage für das Futur nehmen: boire > boirai laisser > laisserai donner > donnerai

nicht mehr bevrai nicht mehr lairrai nicht mehr donrai/dorrai

So ersetzte z. B. Corneille im Cid ein lairrai, das von Vaugelas kritisiert worden war. Allerdings war der Versuch, Neubildungen nach dem System zu verallgemeinern, nicht inner erfolgreich. So konnte sich z. B. ein voirai zu voir nur bei einigen Komposita durchsetzen: prévoirai, pourvoirai. Auch das von Corneille gebrauchte aoquérerai wird heute nur als acquerrai akzeptiert. Ctowohl diese Neubildungen des Futurs eigentlich einen gewollten Bruch mit der traditionellen Nonn darstellen, ist jemand wie Vaugelas keineswegs kleinlich in seiner Kritik an den alten Formen. Die normalen Entwicklungen werden als "monstres dans la langue" (Rem. S. 119) bezeichnet, und zu lairrai heißt es: "Cette abréviation de ... lairrai ... pour laisserai/ ne vaut rien, quoiqu'une infinité de gens le disent et l'écrivent" (Rem. S. 119)

Wie schwierig es oft war, mit Hilfe außersprachlicher Kriterien einen solchen Wändel in der Norm herbeizuführen, zeigt das Beispiel von cueillir. Vaugelas setzt sich für das Futur oueillirai ein, das am Hofe gebraucht wurde und außerdem "encore fortifiée par les Autheurs" war (Rem., S. 481-483). Andere Grairmatiker plädierten für ein cueillerai, weil dies in Paris gebraucht wurde. Nachdem dann gegen Ende des 17. Jahrhunderts auch der Hof cueillerai übernahm, war die endgültige Fixierung in der Norm erreicht. Einen interessanten Fall stellt auch das Futur von envoyer dar. Im Altfranzösischen existierte bereits eine Bildung envoirai, die im 17. Jahrhundert noch von Corneille, Racine und Molière gebraucht wurde. Offensichtlich aber

33 unter dan Einfluß von verrai bildete sich die heute gebräuchliche Form enverrai heraus. Neben diesen akzeptierten Neuerungen innerhalb der Norm haben wir im modernen Französisch oftmals Doppelf ormen, von denen die eine als gebräuchlicher bezeichnet wird. Während z. B. der Nouveau Bescherelle ohne Unterschied bei 8 'asseoir die beiden Futurfarmen je m'assoirai und je m'assiérai bringt, bezeichnet M. Grevisse die letztere als weniger gut. Ebenso hat sich bei échoir und déchoir die regelmäßig gebildete Futurform durchgesetzt (éohoirai, déchoirai), während die von der Académie erwähnten Bildungen als veraltet anzusehen sind (ècherrai, dêcherrai). Die ältere. Form findet sich z. B. noch bei Perrault (Le petit Chaperon rouge: Tirez la chevillette et la bobinette cherra ). Daß sich Normabweichungen gerade beim Futur relativ häufig ergaben, erklärt sich vielleicht daher, daß in der gesprochenen Sprache neben einfachen Präsensf ormen (il vient ce soir) vor allem die häufig gebrauchte Umschreibung mit 'aller und Infinitiv' v o r k a m t . Dadurch fehlte die durch die starke Frequenz bedingte Fixierung in der Norm. In der langage populaire finden sich daher zahlreiche Neubildungen nach dem System, die noch als Verstöße gegen die Norm gelten. H. Frei zitiert eine Reihe von Beispielen, die das Futur analog zur ersten Person Plural Präsens bilden: je je je je je je

connaisserai paraisserai joignerai couserai confiserai cuiserai

(connaître) (paraître) (joindre) (coudre) (confire) (cuire)

elle êclosera je voirai elle pouvra je reçoivrai j'êcriverai

(êclore) (voir) (pouvoir) (recevoir) (écrire)

Andere Verstöße gegen die von der Norm fixierten Futurbildungen bringt auch E. le Gal in seinem Buch Ne dites pas ... Mais dites: nous courrerons nous courrerions je cueillirai je romperai je tressaillerai

, . . (courir)

__ für

(cueillir) für (rompre) für (tressaillir)für

nous courrons nous courrions je cueillerai je romprai je tressaillirai

Allerdings ist seit 1798 die Bildung mit -erai von der Académie erlaubt. Zu dem Gebrauch von rompre schreibt E. le Gal: "A la caserne, caporaux, sergents, voire adjudants le font aisément du premier groupe, conme aimer chanter; et on les entend crier avec indignation aux jeunes soldats: Que faites vous doncl Je n'ai pas donné l'ordre de ramper..." Ein Beispiel von Maeterlinck (Le double jardin) zeigt, wie selbst bei Schriftstellern 'falsche' Futurbildungen auftreten können:

34 "Toutes les religions, toutes les philosophies, les conseils des dieux et des sages, n'ont eu d'autre but que d'introduire dans ce milieu trop ardent, et qui, s'il était pur, dissolverait probablement notre espèce, des éléments qui en atténuaient la violence".

b) Konjunktiv: Bei dem Kcrpositixn prévaloir sahen wir bereits, daß sich die regelmäßig von der dritten Person Plural des Indikativ Präsens abgeleitete Konjunktivform prévale durchgesetzt hat, während die Jtonjunktivbildung + qu'il vale zwar im français populaire existiert, in der Norm aber abgelehnt wird. Ebenso gelten die folgenden Konjunktive als 1 Fehler' : que j'alle (aller) qu'il falle (falloir) que je peuve (pouvoir) que vous pouviez (pouvoir)

que je save que ça vale que je veule

(savoir) (valoir) (vouloir)

Nicht endgültig fixiert ist der Konjunktiv von vouloir im heutigen Französisch. Die ursprünglichen Konj unktivformen {que nous veuillions, que voue veuilliez) waren zunächst allgemein verbreitet und dementsprechend auch von den klassischen Schriftstellern gebraucht. Im 17. Jahrhundert treten jedoch daneben auch die Könjunktivbildungen que nous voulions, que vous vouliez auf, die von der Académie unterstützt wurden, sich aber nicht ganz durchsetzen konnten. Littrê z. B. schreibt dazu: "... c'est un barbarisme assez récent et désormais autorisé par l'usage que de dire voulions, vouliez; mais c'est un meilleur usage de dire veuillions, veuilliez."

c) Passé simple (und Konjunktiv Imperfekt) : Hier zeigen sich besonders große Unsicherheiten im richtigen Gebrauch. Da diese Farmen vor allem der geschriebenen Sprache angehören, ist es nicht weiter verwunderlich, daß ran sogar bei Rundfunksprechern Sätze wie die folgenden hören kann: Le président le regarda et souria. Le favori ne deceva pas ses partisans.

(Zitiert nach A. Sauvageot, Analyse du français parlé, S. 133). Aber auch in der Schriftsprache lassen sich zahl reiche NormverStöße feststellen, bei denen Neubildungen nach den Hegeln des Systems vorkamen: -Ils s'asseyèrent sur le parapet d'un pont. -Il fallait que mademoiselle la rasseyât de force. -Je lui tenai la nuque. -Qu'il s'agit en l'espèce de pauvreté ou de grandeur, ou qu'on souriât seulement de cette "jolie sucrée" dont un Maurras était possédé, Montherlant tenait dès lors â s'en éloigner comme de la pire tentation" -Une société que les autorités du lieu persécutèrent et finalement dissolvèrent. -Les coups pleuvèrent dru ce soir-lâ.

35 Ebenso finden sich nornwidrige Bildungen wie je riai, je aonaluai, noue reoevämes usw. Schanatisch können wir diese Normverstöße wie folgt darstellen: SYSTEM je pouvrai

NORM

v'

1)je pourrai 2)que je sache 3)il déçut

2.6

+

\

que je save

+il deceva

Verbai mit Stanmabstufung

Durch den Ubergang von Latein Zum Französischen entstanden - auf Grund der Betonung des Verbstamnes (haupttonig- nebentonig) - im Altfranzösischen eine vmfangreiche Gruppe von Verben mit Doppelformen, bei denen gegen Ende des Mittelalters bzw. erst im 16. Jahrhundert, vereinzelt sogar noch Im 17. Jahrhundert ein endgültiger Ausgleich erfolgte. Es standen sich also innerhalb der Nonn des Altfranzösischen solche Doppelformen gegenüber, während langsam unter dem Einfluß des Systems Angleichungen zugunsten der stanm- oder auch der endungsbetonten Bildungen erfolgten: SYSTEM je chante nous chantons NORM

j'aime - nous amons 2) je lef - nous lavons je dei - nous devons

Spätestens Im 17. Jahrhundert war dann bei den meisten Verben mit Stammabstufung ein Ausgleich erfolgt, diejenigen Verbformen aber, die noch Doppelformen aufweisen, bilden die Gruppe der 'unregelmäßigen Verben'.

36 SYSTEM

j'aime nous aimons

NORM

je chante nous chantons

je lave nous lavons

je dois nous devons

Inzwischen hat sich jedoch im Neufranzösischen eine neue Stanmabstufung eingestellt, da die verschiedene Betonung nicht ohne Auswirkung auf die Aussprache des E in freier Stellung blieb: a) Unter dem Nebenton verstummt E zun Teil ganz, es wird zu [a] oder es erscheint als [e] (In der Schrift 6). b) Unter dam Hauptton wird es zu [e] (In der Schrift e oder Verdoppelung des folgenden Konsonanten -L- und -T-) Die Fixierung dieser Stanmabstufung in der heutigen Norm ist vor allem dort sehr uneinheitlich, wo zur Kennzeichnung des offenen e [e] zwei graphische Möglichkeiten bestehen: -ê[e] -ett -eil-

M. Grevisse stellt hier eine sehr große Unsicherheit beim richtigen Gebrauch der Verben fest und zeigt, daß nur wenige, häufiger vorkaimende Bildungen in der Norm gut fixiert sind, wie z. B. appeler, chanceler, geler, peler,

rappeler,

renouveler, ruisseler, acheter, racheter, jeter, rejeter. Bei den übrigen Verben sind sich oft nicht einmal die sprachnormierenden Werke einig (Littré, Wörterbuch der Académie), und selbst wenn die Norm fixiert erscheint, weichen sogar gute Schriftsteller davon ab: -On déchiquète tout (FLAUBERT) -Nous sommes de la terre en tas qui se craquèle (J. ROMAINS) -Tous les livres de Jean-Pierre, il les feuillèterait un à un (Fr. MAURIAC) -Des cicindèles volêtent (A. GIDE)

für déchiquette für craquelle für feuillettrait für volettent

Eine Gegenüberstellung der Angaben bei Littré und im Wörterbuch der Académie zeigt, wie wenig gefestigt hier die Norm ist. Die Zusanmenstellung findet sich bei M. Grevisse (Le bon usage, S. 560-562), und das Zeichen + bedeutet, daß das Verb nicht erwähnt wird und der Gedankenstrich sagt aus, daß hier keine Angaben vorliegen, ob offenes E [e] durch -è- oder durch -ett-/-elle wiedergegdaen wird.

37

# •3 •j í+

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1

I + + W + V+ + + v +

tt ^ M M 3 -s I + ? + I l?1?+ + + + + l + + + l + l¥'¥ + ? v + l + l

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s o

a datora 'schulden, verdanken' 2. Wechsel der Kcrijugation im Bereich der beiden unproduktiven Konjugationsklassen. Typ: a räminea (II. Konjugation) > a rämine (III. Konjugation) 'bleiben'. 3. Das Problem der 'iotacizare' (= Jotierung bzw. Jotazierung) Typ: a sari > sar, sai 'springen, hüpfen'. 4. Starmerweiterung mit -ez- (und -esc-) bei den Präsensfarmen (1., 2., 3. Person Singular und 3. Person Plural) vor allem bei den Verben der I. und IV. Konjugation. iyp: ei alcatuie- ei alcätuiesc - 'sie bauen'; eu invent - eu inventez 'ich erfinde'. 5. Einwirkung des Systems bei einzelnen Tarpora der unregelmäßigen Verben. Bei dieser letzten Gruppe handelt es sich nur \m Einzelbeispiele, während bei den Gruppen 1 bis 4 jeweils ganze Konjugationsklassen betroffen sind. Bevor wir jedoch auf die einzelnen Punkte detailliert eingehen, dürfte es zweckmäßig sein, einen kurzen Uberblick Uber die rumänische Verbbildung zu geben. Das Rumänische kennt vier Konjugationen, die sich auf Grund der Infinitivendung unterscheiden lassen. Zur I. Konjugation gehören die Verben mit dem Infinitivsuffix -a, wie z. B.

46 a a a a a a

activa aduna clnta colectiva lega lucra

'aktivieren' 'sammeln, zusammensuchen' 'singen' 'kollektivieren' 'binden' 'arbeiten'

Verben mit dem Infinitivsuffix -ea gehören zur II. Konjugation, wie z. B. a a a a

cädea pläcea täcea vedea

'fallen' 'gefallen* 'schweigen' 'sehen'

Die III. Konjugation bilden Verben mit dem Infinitivsuffix -es a a a a

bäte cere face ride

'schlagen' 'verlangen, bitten, fordern' 'machen' 'lachen'

Die IV. Konjugation schließlich enthält Verben mit dem Infinitivsuffix -1 und -i: a a a a

dormi primi povesti veni

'schlafen' 'empfangen' 'erzählen' 'kommen'

a a a a

coborl hotärl izvori url

'heruntersteigen' 'beschließen' 'entspringen' 'hassen'

Von diesen vier Konjugationen sind die I. und die IV. heute noch produktiv, und dementsprechend zahlreich sind die Verben dieser Konjugationen. Die II. und die III. Konjugation sind unproduktiv und umfassen insgesamt nicht mehr als 300 Verben, wobei zahlenmäßig gesehen die II. Konjugation die kleinste Gruppe darstellt mit circa 20 vom Lateinischen herkaimenden Verben und einigen wenigen Neubildungen (z. B. das Kompositum a decädea 'verfallen, in Verfall geraten' zu a cädea 'fallen'). Für den Indikativ Präsens erhalten wir dann bei den vier Konjugationen folgende Endungen, die jeweils noch verschiedene Untergruppen bei einer Konjugation berücksichtigen: I -

-i -ä -m "ti -ä

II -ez -ezi -eazä -m "ti -eazä

III

IV

-

-

-

-i -e -m

-i -e -m

-i -e -m

"ti

"ti

"Vi

-

-

-

-esc -e^ti -e^te -m

-

-i -ä -m

-äse -ä?ti -äfte -m

"ti -esc

"ti -ä

-äse

'V-

Mit den schon erwähnten Beispielen ergibt sich dann folgendes Bild:

47

XI eint cîn£i clntä clntäm cintaci clntä

lucrez lucrezi lucreazä lucräm lucraci lucreazä

dorm dormi doarme dormim dormici dorm

povestesc povestefti poveste^te povestim povesti£i povestesc

III

tac taci tace täcem täcefci tac

fac faci face facem faceti fac

cobor cobori coboarä coborlm coborî^i coboarä

hotäräsc

IV

3.2

hotaraçti hotärä^te hotârîm hotârî^i hotäräsc

Kcnjugationsvrechsel der I. und IV. Konjugation

Betrachten wir nun die einzelnen Punkte näher. Bei den Verben der beiden produktiven Konjugationen (I. und IV. Konjugation) ergeben sich für die Beziehung zwischen Norm und System sehr komplizierte Verhältnisse, da sich einerseits eine Veränderung in der Diachronie ergab, andererseits innerhalb der Synchronie diatopische und diastratische Unterschiede beobachtet werden können. Bein zahlermäßige Zusammenstellungen sagen hierbei relativ wenig über die" Distribution und Produktivität der beiden Konjugationen aus. So fand z. B. Alf Lcnibard^ in seiner unfangreichen Studie über das rumänische Verb insgesamt 2568 Verben der I. Konjugation und 2998 Verben der IV. Konjugation. Berücksichtigt man aber die Angaben des Dic^ionarul Lirtibii Rcmtne Moderne (DIHM), das für das moderne Rtmänisch als normatives Werk gilt, so ergeben sich andere Zahlenangaben. Den 2538 Verben der I. Konjugation stehen nur 2036 der IV. Konjugation gegenüber. Diachronisch betrachtet ergibt sich folgendes Bild. Beide waren und sind noch produktiv. In der älteren Sprachperiode überwogen jedoch Neubildungen der IV. Konjugation, während ab 1830/1840 die Produktivität der I. Konjugation iitmer mehr zunahm und heute die Neubildungen auf -i fast ganz verdrängt hat.

1

Lombard, Alf: Le verbe roumain, 2 Bde., Lund, 1954-1955.

48

Eine Auswertung des Psaltirea Scheianä, eines Dokumentes aus dem 16. Jahrhundert, zeigt zun Beispiel noch ein deutliches überwiegen der IV. Konjugation (395 Beispiele gegenüber 238 der I. Konjugation). Da die Produktivität der van System her möglichen Bildungen eine Frage der Nonn ist, ergibt sich für die Zeit bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts folgendes Bild: S y s t e m

(Neubildungen auf -a und -i bei den Verben)

Es überwiegen also in der Nonn Neubildungen mit -i, die neben echten Bildungen des Rumänischen sehr oft Entlehnungen vor allan aus dem Slawischen, aber auch aus dem Ungarischen und Griechischen darstellen. Seit der zweiten Hälfte des 19. Jährhunderts ändert sich die Relation zwischen den beiden produktiven Klassen; Neubildungen mit -a überwiegen immer mehr, wobei hier vor allem französische Verben Übernamen werden: S y s t e m

(Neubildung der Verben auf -a und -i)

N o r m (Überwiegen der Verben der I. Konjugation -a)

(Kaum noch Neubildungen mit *-i)

49

Wie stark die Produktivität der Verben der I. Konjugation zugunsten der IV. Konjugation zugenatmen hat, läßt sich aus der folgenden Zusammenstellung ersehen. A. Graur untersuchte die Neologismen der Buchstaben L und M im DLRM und fand unter L 25 Verben mit -a und unter M sogar 69. Dagegen fanden sich unter beiden Buchstaben keine Neubildungen mit -i. (Bei den folgenden Beispielen verzichten wir auf eine Übersetzung ins Deuts die, da die meisten Verben direkt aus dem Französischen übernannen und daher ohne weiteres verständlich sind. Vgl. z. B. a lansa van französischen lancer): -L: labializa laiciza lamenta lamina lansa lapida

latiniza lega legaliza legifera legitima leviga

leza libera licencia lichefia lichida licita

limita linia lin^a livra localiza lubrifia luxa

macadamiza macera machia macula magnetiza majora malaxa maltrata mal^ifica mandata mandrina manevra mania manifesta manipula manufactura marca

martiriza masacra masa masca masina materializa matisa matlasa maturiza mecaniza media medita memora memoriza menaja menciona merceriza

merita metaliza metamorfoza migra militariza mima mina mineraliza minia minimaliza mistifica mitralla miza mobila mobiliza modela modera

moderniza medifica modula molesta monoftonga monologa monopoliza monta moraliza morteza mortifica motiva motoriza muía multiplica mumifica murmura mutila

Auf Grund dieser Veränderung der Mann haben sich im Rumänischen zahlreiche Doppelfarmen erhalten, bei denen sich nicht nur diachronische, diatopische und diastratische, sondern auch semantische Unterschiede beobachten lassen, a) Diachronische Unterschiede: Die Bildungen mit -i gelten heute als veraltet und werden in der modernen Sprache fast gar nicht mehr verwendet. Hierher gehören Verben wie a prefera a repeta a strlmtora

neben neben neben

a preferi a repeti a strlmtori

'vorziehen, bevorzugen' 'wiederholen' 'einengen, beschränken'

50

b) Diatcpische Unterschiede: Da das Moldauische (graiurile moldovene^ti) konservativer ist als der Dialekt Munteniens, ist es nicht weiter verwunderlich, daß sich die Verbformen mit -i vor allem in der Moldau erhalten haben, während Muntenien mit der Hauptstadt Bukarest sich den Neubildungen auf -a gegenüber aufgeschlossen zeigt. Dadurch 2

erklären sich auch die folgenden Unterschiede bei den von Iorgu Iordan zusammengestellten Beispielen: a curä£a a datora a gidila

und und und

a curä£i a datori a gldili

"reinigen, säubern' 'schulden, verdanken' 'kitzeln, reizen'

c) Diastratische Unterschiede: Die Neubildungen mit -a entstamnen - wie wir bereits sahen - zumeist dem Französischen. Sie sind in gebildeten Kreisen gebräuchlicher als bei einfachen Sprechern des Rumänischen. So wurde z. B. in der gepflegten Spreche vcm Substantiv lux das Verbum a se luxa (= a face lux 'sich verstauchen') abgeleitet, während bei einfachen Sprechern die Bildung a se luxi existiert. Ebenso findet sich in der Utigangssprache das Verb a tmburuieni 'sich mit Unkraut bedecken', das von buruianä (= Unkraut) abgeleitet wurde, während die Agronomen die Form mit -a vorziehen. d) Semantische Differenzierung: Zuweilen dienen die Doppelfarmen eines Verbums dazu, semantische Unterschiede zu bezeichnen. Sie sind auf Grund dieser Fixierung in der Norm nicht mehr frei austauschbar: a indesa a indesi

'stopfen, vollstopfen, pfropfen' 'dichter werden, häufiger werden'

a inflora a inflori

'mit Blumenmuster verzieren' 'aufblühen, erblühen'

Die Unterscheidung zwischen a datora und a cLatoiri. 'schulden finanziell' und 'schulden moralisch', ebenso wie bei a refera und a referi 'ein Referat machen' und 'sich auf etwas beziehen' wird im DUM im Gegensatz zu den Anga3 ben der Grammatica Limbii Rcmae, Teil I, nicht erwähnt. Innerhalb der Grvqape der Verben mit Doppelformen lassen sich ungefähr 20 Beispiele finden, bei denen die Form mit -i durch die Norm fixiert ist und Bildungen mit -a sich noch nicht durchgesetzt haben: 2 3

Iordan, Iorgu, Gu^u-Romalo, Valeria, Niculescu, Alexandru: Structura morfologicâ a limbii române contemporane, Bukarest 1967, S. 247. Gramatica Limbii Române, Bd. 1, Editura Academiei Republicii Socialiste România, Bukarest 1966.

51 a a a a a a a a a a a a a a

adeveri adinci aromi a^-inti boroni broboni buchisi ciunti gäti Impäienjeni Impäturi Inauri ÌncSrunfi Innoroi

a a a a a a a

Insänäto^i obidi oglindi ogoi ostoi picoti tropoti

3.3

'bestätigen, bescheinigen 1 'vertiefen, tiefer machen' 'einschlummern' 'den Blick auf etwas richten' 'eggen' 'mit Schweiß bedecken' 'mühsam buchstabieren, büffeln' 'ver stümmeln, abhacken, abhauen' 'schmücken, putzen, bereiten, fertigmachen' 'sich verschleiern, trübe werden' (Auge) 'zusammenfallen, zusammenlegen' 'vergolden' 'grau werden, ergrauen 'sich mit Schlamm beschmutzen; im Schlamm stecken bleiben' 'genesen, gesund werden, gesunden' 'betrauern, beklagen' 'sich widerspiegeln' 'sich beruhigen, sich besänftigen' 'beruhigen' 'dösen, schlummern' 'trappeln, trampeln, stampfen, traben'

Kanjugatianswechsel zwischen II. und III. Konjugation

Wesentlich unkarplizierter verläuft der Konjugationswechsel bei den beiden unproduktiven Konjugationen des Rumänischen. Es läßt sich nänlich hier ein allmählicher Übergang der Verben von der II. Konjugation in die III. Konjugation feststellen. Dieser Wechsel, der an sich eine große Vereinfachung des rumänischen Verbsystans darstellen würde, wird durch zwei Faktoren beeinflußt: 1) Die Zahl der Verben der II. Konjugation ist äußerst gering (circa 20 Beispiele). Die II. Konjugation vmfaßt mehr als 200. 2) Die beiden Konjugationen unterscheiden sich nur noch bei einigen wenigen Farmen, nämlich a) beim Infinitiv und den mit dem Infinitiv gebildeten Modi und Tempora: Infinitiv Futur Konditional

a täcea voi täcea täcea

a face voi face a? face

b) bei der 1. und 2. Person Plural Indikativ und Konjunktiv. Hier werden die Verben der II. Konjugation auf der Endsilbe betont, die Verben der III. Konjugation dagegen nicht. 1. Person Plural Ind. 2. Person Plural Ind.

t&cèm täcfefci

fàcem fäce£i

1. Person Plural Konj.

sä tàcèm

sä fàcem

2. Person Plural Konj.

sä tacéri

sä fäce£i

c) bei der 2. Person Plural des Inperativs: täce£i

faceti

52 Heute lassen sich die Verbal der II. Konjugation in drei Gruppen einteilen, und zwar je nach dem Grad ihres Überwechseins in die III. Konjugation. 1. Ausschließlich nach der II. Konjugation werden konjugiert a avea 'haben* a bea 'trinken' a durea 'schmerzen' a ^edea 'sitzen' a putea 'können'

2. Sowohl nach der II. als auch nach der III. Konjugation a a a a a a

apärea 's.zeigen' cädea 'fallen' pläcea 'gefallen' täcea 'schweigen' vedea 'sehen' pervedea 'vorhersehen '

3. Schon in der literarischen Sprache akzeptierte Bildung nach d. III. Konj. a rämlne 'bleiben' a £ine 'halten'

a umple 'fallen'

Auch wenn die normativen Werke der rumänischen Sprache, z. B. das Indreptar ortografic, artoepic ^i de punctua^ie oder die Gramatica limbii ratiSne, nur die tatsächlich in der literarischen Sprache akzeptierten Ubergänge verzeichnen, so sehen die runänischen Linguisten eine solche Entwicklung als normal und nützlich an: "Este o tendin^ä normalä utilä, cäci nu ne serve^te la nimic sä avem douä conjugäri moarte, clnd am putea sä avem numai una"^

Okwohl die Verben der II. Konjugation zahleimäßig nur sehr schwach vertreten sind, ist ihre Position durch ihre große Frequenz relativ gut gefestigt. Eine Zusammenfassung von A. Juilland/P. M. H. Edwards^ zeigt dies ganz deutlich. Von den 803 häufigsten rumänischen Verbal gehören nur 19 der II. Konjugation an, hinsichtlich ihres Vorkcrtmens aber überflügeln sie sogar die Verben der I. und der IV. Konjugation. Es ist daher nicht verwunderlich, daß Verben der III. Konjugation zur II. Konjugation überwechselten. Wir erhalten so die Aussprache:

bätem bäte£i

statt statt

bàtem bäte^i

1

schlagen 1

mergèm mergéfi

statt statt

mfergem mèrge^i

'gehen'

puném puné£i

statt statt

pünem pünefci

'stellen, legen'

trecém trecéfi

statt statt

trécem tréce^i

'vorbeigehen, fahren

Ein solcher Ubergang wird jedoch von den Gratinati kern abgelehnt (treoere neconforma cu spiritul limbii remane, neadmisa de limba literara, nereoomandabila). Er kannte sich daher bislang nicht durchsetzen. 4 Graur, Al. : Tendineele actuale ale limbii romàne, Bukarest 1968, S. 229. 5 Juilland, A. /Edwards, P . M . H. : The Rumanian Verb System, The Hague 1971.

53

3.4

Jotierung

Unter iotacizare (d. h. Jotierung oder Jotazierung) versteht man das Einwirken eines Jotas, das auf den Auslautkonsonanten des Verbs tamnes folgte. Betrof-

fen sind hiervon die Konsonanten d, t, n und r, die dann zu z, \ und i verändert werden. Eine solche Jotazierving findet sich bei der 1. Person Singular Präsens Indikativ: eu eu eu eu eu eu eu

ascunz crez Inchiz pätrunz pierz trimi£ spui

< < < < < <
crez cer > cei pun > pui

Die Jotazierung stellt also eine phonetische Veränderung der Auslautkonsonanten der Verben dar, eine Veränderung, die sich beim Ubergang van Lateinischen

54 zum Rumänischen allmählich verallgemeinerte. Nachdem sich aber diese romanische Sprache konstituiert hatte, entwickelte sich ein eigenes System, und es ergaben sich einige Veränderungen innerhalb des Systems, die vor allem die in der Norm sehen fixierten jotazierten Bildungen betrafen. Zwei Punkte sind es, die sich innerhalb des Runänischen als störend bzw. als unklar abgegrenzt erwiesen. a) Die 1. Person Singular wurde nun mit der 2. Person Singular verwechselt, vor allan nach dem Verlust der Labialität: eu sco£ und tu sco£i von a scoate 'herausziehen, herausholen'.

b) Die 1. Person Singular ist durch die Jotazierung nicht mehr harronym mit der 3. Person Plural: eu vaz eu £iu

aber ei väd aber ei £in

Hier setzte nun der Einfluß des Systems ein und veränderte die bis dahin in der Norm gebräuchlichen jotazierten Formen. Dieser Entjotazierungsprozeß, dessen Beginn von Valeria Gu£u Fcmalo schon auf das 17. Jahrhundert verlegt wird6, dauert bis heute an und hat dazu geführt, daß die jotazierten Farmen 7 entweder als veraltet oder als regional betrachtet werden. Mit Ausnahme des seltenen Verbs a rrtinea > eu rrtii 'übernachten' gibt es heute in der rumänischen Schriftsprache keine jotazierten Formen bei den Verben der I., IX. und III. Konjugation. Diese Entjotazierung geht sogar soweit, daß auch Verben der IV. Konjugation davon erfaßt werden und eine nichtjotazierte 1. Person Singular neu bilden, wie z. B. die Verben a a a a a a a a a

ascu£i auzi impär^i (im)pu£i Inghi^i pieri säri simfi veni

'schleifen, schärfen, wetzen', 'hören' 'teilen' 'faul werden' 'schlucken' 'umkommen' 'springen' 'fühlen' 'kommen'

Anhand des Schemas von Seite 55 läßt sich zeigen, wie sich die Jotazierung phonetisch aus dem Lateinischen entwickelte, gemeinrutänisch analogisch ausbreitete und sich im Rumänischen heute unter dem Einfluß des Systems bei den Verben der I., II. und III. Konjugation zurückbildet. Dabei werden sogar 6

7

Gu^u-Romalo, Valeria: Corectitudine ^i grefealä (Limba romänä de azi), Bukarest 1972, S. 115 (Fußnote 1). Ghe^ie, Ion: Aparifia formelor verbale cu n refäcut In gralurile moldovene^ti, in LR, nr. 3 (1972), XXI, S. 253-255. Gramatica Limbii Romäne, Bd. 1, Bukarest 1968, S. 254.

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56 Verben der IV. Konjugation betroffen. Diese Entwicklung zeigt sich auch an der Tatsache, daß Neubildungen wie eu deoad 'verfallen', eu reoad 'zurückfallen', eu sinueid 'Selbstmord begehen' und eu surprind 'überraschen' nur noch im Gerundium die jotazierten Farmen gebrauchen. Ebenso kennen die Komposita von a virie 'kommen' und a $ine 'halten' ohne Jotazierung vor: eu aonvin 'übereinkamen'; eu oonfin 'enthalten'. 3.5

Startmerweiterung mit -ez- und -esc-

Ähnlich wie bei den Verbal mit Jotazierung läßt sich auch bei den Verben mit Startmerweiterung zeigen, wie das System des Rumänischen für die weitere Entwicklung der Sprache ausgleichend und vereinheitlichend wirkt. Nach einer Q

Zusammenstellung von A. Graur

sind nur sehr wenige Verben mit dieser Startm-

erweiterung direkt aus dam Lateinischen Übernamen worden. Von insgesamt 249 Verben sind dies nur 18, die sich wie folgt auf die verschiedenen Konjugationen verteilen: Ohne Stamm er Weiterung 1. 2. 3. 4.

Konj. Koni. Konj. Konj.

mit -ez-

140 14 76 19

mit -esc-

7 -

11

249

18

Die Konjugation der Verben ohne Starmerweiterung bewirkt aber zahlreiche Reaktionen im Vdkalismas und im Konsonantismus: a) Veränderungen auf Grund des Akzentwechsels: sar dorm port vi reprezint mäninc iau

'hüpfen1 'schlafen' > poartä 'tragen' > venim 'kommen' > reprezentäm 'darstellen > mlncäm 'essen' 1 > luäm nehmen'

> särim > dormim

b) Veränderungen ohne Akzentwechsel: a Inconjura a mäsura

tnconjoarä mäsoarä

'umgeben, umkreisen' 'abmessen'

Durch die Vervrendung der Stamrerweiterung wird diese Vielfalt an Formen erheblich reduziert, und die Konjugationen werden

1

regularisiert'. Es ergibt

sich daher für das moderne Rumänisch die folgende Situation: Verben ohne Starmerweiterung sind in der Regel Archaismen, Neubildungen erfolgen mit Hilfe von -ez- und -esc-. 8

Graur, AI. : Tendin^ele actuale ale limbii romäne, S. 221/222.

57 s y s t e m Neubildungen mit -ez- und -esc-

Nor m fixierte Bildungen ohne Stammerweiterung Diachron. Unterschiede

\

2. Semantische Unterschiede

3. Diatopische Unterschiede Daraus ergeben sich wiederum scwohl semantische als auch diachronische und diatopische Unterschiede zwischen den alten Bildungen ohne Stamuerweiterung und den Neubildungen mit -ez- und -esc-. a) Semantische Unterschiede:

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