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German Pages 334 [357]
Spätmittelalter und Reformation Neue Reihe begründet von Heiko A. Oberman herausgegeben von Berndt Hamm in Verbindung mit James Hankins, Johannes Helmrath, Jürgen Miethke und Heinz Schilling
26
Volker Mantey
Zwei Schwerter — Zwei Reiche Martin Luthers Zwei-Reiche-Lehre vor ihrem spätmittelalterlichen Hintergrund
Mohr Siebeck
VOLKER MANTEY, geboren 1972 in Flensburg; Studium der Ev. Theologie in Kiel, Bethel/Bielefeld und Bonn; 1999—2002 Wiss. Mitarbeiter am Forschungsprojekt »Edition der Reichsreligionsgespräche im 16. Jahrhundert«; 2003 Promotion; derzeit Lehrbeauftragter für Kirchengeschichte an den Universitäten Gießen und Frankfurt sowie Pfarrer in Spangenberg.
Gedruckt mit Unterstützung des Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG WORT.
978-3-16-158547-0 Unveränderte eBook-Ausgabe 2019 ISBN 3-16-148585-8 ISSN 0937-5740 (Spätmittelalter und Reformation. Neue Reihe) Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. © 2005 Mohr Siebeck Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Guide-Druck in Tübingen aus der Bembo belichtet, auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Großbuchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.
Für
Kathrin
Vorwort Wen die Existenz des Christen in der Welt beschäftigt, der muß sich die Frage nach dem Verhältnis von geistlichem und weltlichem Bereich stellen. Vermutlich die meisten Theologinnen und Theologen haben sich im Verlauf der Geschichte der Kirche diese Frage mehr oder weniger ausdrücklich gestellt. Kaum eine Verhältnisbestimmung hat es aber dazu gebracht, fast fünfhundert Jahre nach ihrer Entstehung über den Großteil eines ganzen Jahrhunderts so kontrovers diskutiert zu werden wie Martin Luthers »Zwei-Reiche-Lehre«. Auch diese Arbeit untersucht die Zwei-Reiche-Lehre Luthers, allerdings unter einem bisher wenig beachteten Gesichtspunkt, nämlich der Frage nach den spätmittelalterlichen Traditionslinien, die zu Luthers Verhältnisbestimmung führen. Dieser Blickwinkel soll die bisherige Kenntnis davon präzisieren, aus welchem historischen Umfeld Luther zu seinen Aussagen über das geistliche und das weltliche Reich kam. Diese Untersuchung ist aus einer Examensarbeit zur »Struktur und Bedeutung der Zwei-Reiche-Lehre Martin Luthers nach seiner Schrift >Von weltlicher Obrigkeit. Wie weit man ihr Gehorsam schuldig sei< (1523)« hervorgegangen. Das hier nun vorliegende, für den Druck überarbeitete Ergebnis ist von der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-WilhelmsUniversität Bonn im Wintersemester 2002/2003 als Dissertation angenommen worden. Daß aus meinem anfänglichen Interesse für die Zwei-Reiche-Lehre diese Arbeit erwachsen konnte, dafür ist vielen Menschen zu danken. In erster Linie gilt mein Dank meinem Doktorvater, Prof. Dr. Karl-Heinz zur Mühlen, Bonn, der mich mit Rat und Humor begleitet hat. Ausdrücklich hingewiesen werden soll an dieser Stelle auf ein Werk, das bei der Bearbeitung nicht mehr berücksichtigt werden konnte, für die spämittelalterliche Tradition der Zwei-Reiche-Lehre aber nützliche Hinweise enthält. Es handelt sich um: Volker Leppin, Wilhelm von Ockham. Gelehrter, Streiter, Bettelmönch, Gestalten des Mittelalters und der Renaissance, hg.v. Peter Herde, Darmstadt 2003. Herr Prof. Dr. Jörg Haustein ( f ) machte sich die Mühe des Zweitgutachtens und Herr Prof. Dr. Wolfram Kinzig hat als Dekan der Fakultät das Promotionsverfahren maßgeblich vorangetrieben. Frau Helen Siegburg hat mir bei der Verarbeitung mancher Texte geholfen. Für Korrekturen, Hinweise, Literatur-
VIII
Vorwort
vorschlage, Fragen, die ich nicht im Blick hatte, danke ich der Kirchengeschichtlichen Sozietät der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Bonn, in der ich wiederholt Teilergebnisse meiner Bearbeitung vorstellen durfte. Den Herausgebern der Reihe »Spätmittelalter und Reformation. Neue Reihe«, namentlich Herrn Prof. Dr. Berndt Hamm, sei fiir die Aufnahme dieses Werkes ebenfalls herzlich gedankt. Fulda, im August 2004
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
XVII
Einleitung: Zur Forschung, Fragestellung und Methode
1
Erster Teil D i e spätmittelalterlichen Verhältnisbestimmungen der b e i d e n S c h w e r t e r 13
1. Die Z w e i - S c h w e r t e r - L e h r e in der Auseinandersetzung z w i s c h e n Bonifaz VIII. u n d Philipp d e m S c h ö n e n 1 2 9 7 - 1 3 0 3
14
1.1 Der Konflikt u m die Klerikerbesteuerung und die Bischofsinvestitur 1297-1302
16
1.2 Die Schriften kurialistischer Theologen und Juristen als R e a k t i o n auf die französische Herausforderung
22
1.2.1 Aegidius R o m a n u s : Die totale Subordination des weltlichen Schwertes und seine dennoch angemessene Existenz 1.2.2 Heinrich von Cremona: Christus und sein Stellvertreter als Priester und König 1.2.3 Jakob von Viterbo: Die lenkende Aufgabe der geistlichen Gewalt 1.3 Das antikurialistische Verständnis der beiden Schwerter als Auseinandersetzung mit der papalistischen Argumentation . . . . Quaestio disputata in utramque partem pro et contra pontißciam potestatem: Die Unterscheidung der Aufgaben und die causae mixtae 1.3.2 Rex pacificus: Die Eigenständigkeit der W e l t in der Natur-Gnade-Relation 1.3.3 Johannes Quidort von Paris: Die virtus als innerweltliche, geistliche Qualität 1.4. Die kurialistische Zwei-Schwerter-Lehre in der Bulle Unam sanctam
22 31 33 40
1.3.1
40 44 46 54
X
Inhaltsverzeichnis
Exkurs: Die Gültigkeit der Bulle Unam sanetam angesichts des Uberfalls von Anagni 1303 und des Prozesses gegen Bonifaz VIII. bis 1312
67
1.5 Zusammenfassung
71
2. Die Z w e i - S c h w e r t e r - L e h r e in der Auseinandersetzung der Päpste Johannes X X I I . u n d Benedikt XII. mit Ludwig dem Bayern
73
2.1 Die Zwei-Schwerter-Lehre in der Zeit zwischen den Pontifikaten von Bonifaz VIII. und Johannes XXII
73
2.1.1 Die Auseinandersetzung um das Kaisertum 1310-1312 . 2.1.2 Das naturrechtlich notwendige Imperium nach Dantes Monarchia
74 76
2.1.3 Engelbert von Admont: Die Ubereinstimmung von göttlichem und menschlichem Recht im christlichen Glauben 2.1.4 Zusammenfassung 2.2 Die Zwei-Schwerter-Lehre in der Auseinandersetzung von Johannes XXII. und Benedikt XII. mit Ludwig dem Bayern . .
80
2.3 Die Verhältnisbestimmung der beiden Schwerter bei den Kritikern des Papstes am Hof Ludwigs des Bayern
84
2.3.1 Der Imperator als Verteidiger des Friedens bei Marsilius von Padua 2.3.2 Wilhelm von Ockham: Die Gewaltentrennung hinsichtlich des Glaubens und der Vernunft 2.3.2.1
D i e E i g e n t u m s f ä h i g k e i t des M e n s c h e n n a c h d e m
2.3.2.2
Legitimation, Aufgabe u n d Grenze der Gewalten: D e r
2.3.2.3
D i e A b l e h n u n g d e r allegorischen A u s l e g u n g Lk 2 2 , 3 8
2.3.2.4
Zusammenfassung
Sündenfall
78 79
84 87 87
Dialogus
90 ....
2.4. Widerlegung durch die antikurialistischen Schriften 2.4.1. Die Ablehnung gleichursprünglicher Gewalten bei Aegidius Spiritualis 2.4.2. Die Zwei-Schwerter-Lehre in der Summa de ecclesiastica potestate des Augustinus »Triumphus« von Ancona 2.4.3 Wilhelm von Cremonas Widerlegung von Dante und Marsilius 2.4.4 Die Beschränkung auf eine Deutung nach dem Literalsinn von Lk 22,38 bei Opicinus de Canistris
99 104
107 107 108 113 113
Inhaltsverzeichnis
XI
Die Aufnahme von De regimine Christiano von Jakob von Viterbo in De planctu ecclesiae von Alvarus Pelagius Zusammenfassung
114 116
2.4.5
2.5
3. Das Verhältnis v o n geistlichem und weltlichem Schwert im Deutschen R e i c h von der Auseinandersetzung zwischen den Päpsten und Ludwig dem Bayern bis zur R e i c h s r e f o r m 1 4 9 5 und dem Fünften Laterankonzil 1 5 1 6 3.1
Das Verhältnis der beiden Schwerter in der Sicht der weltlichen Gewalten von der Goldenen Bulle 1356 bis zur Reichsreform 1495
3.2
Kirchenreform, Konziliarismus und ihre Konsequenzen für das
3.4
119
Schwerterverhältnis
125
3.2.1 3.2.2 3.2.3
125 129
Das Wesen der Kirche nach J o h n W y c l i f Die Wyclif-Rezeption durch Johann Hus Der Konziliarismus, die Konzilien von Konstanz 1 4 1 4 - 1 4 1 8 und Basel 1 4 3 1 - 1 4 4 9 und die Zwei-Schwerter-Lehre bis zum Fünften Laterankonzil 1516
Exkurs: Die Zwei-Schwerter-Lehre in der kanonistischen und legistischen Literatur des 14. und 15. Jahrhunderts 3.3
118
131 143
Gabriel Biels Ockhamrezeption zur Verhältnisbestimmung der beiden Schwerter in der Expositio canonis missae und im Collectorium
148
Zusammenfassung
153
Zweiter Teil Martin Luthers Z w e i - R e i c h e - L e h r e vor d e m Hintergrund der spätmittelalterlichen Verhältnisbestimmungen der beiden Schwerter 157 1.
Via moderna, Gabriel B i e l und die Ordenstradition der Augustinereremiten 1.1
158
Luthers theologischer Hintergrund
1.2 Zusammenfassung 2. D e r homo interior/exterior 2.1
158 161
und die Gewalten
162
Die Dictata super Psalterium 1 5 1 3 - 1 5 und die Römerbriefvorlesung 1 5 1 5 / 1 6
162
XII
Inhaltsverzeichnis
2.2 Zusammenfassung
165
3. D i e Verhältnisbestimmung der beiden Schwerter in der Auseinandersetzung mit R o m 1517—1519 3.1 Von der Ablaßkritik zur Problematisierung der päpstlichen Vollgewalt im Streit um die Ablaßpraxis 1517-1518
167 167
3.2 Luthers Kritik an der nicht-schriftgemäßen, kanonistisch begründeten Identifikation des Papstes mit der Kirche in dem Verhör vor Cajetan in Augsburg 1518
172
3.3 Die Leipziger Disputation über die historischen Bedingungen und Traditionen der päpstlichen Vollgewalt
176
3.3.1 Luthers Appellation an ein Konzil als Repräsentanz der Kirche 3.3.2 Die »böhmische Ketzerei« und die Ursprünglichkeit des Papstprimats 3.3.3
L u t h e r u n d d i e plenitudo
178
potestatis papae i m k a n o n i s c h e n
Recht 3.3.4
177
Ist d e r P a p s t iure divino o d e r iure humano
179 legitimiert?
D i e A u s e i n a n d e r s e t z u n g u m d i e potestas papae in d e r
Leipziger Disputation 1519 3.4 Zusammenfassung 4 . D i e A u s e i n a n d e r s e t z u n g u m d a s P a p s t t u m iure divino
185 189 u n d die
Aufgabe der weltlichen Gewalt von der Leipziger Disputation bis z u m W o r m s e r Reichstag 1521
190
4.1 Der göttlich geforderte Gehorsam aller Menschen gegenüber der weltlichen Gewalt
190
4.2 Der Christ unter den beiden Gewalten und die Nothilfe der weltlichen Gewalt 1519/20
194
4.2.1
V o n der Ubeltäterbestrafung u n d der Konstantinischen Schenkung
4.2.2 Von viererlei Menschen, ihrem Gehorsam und dem geforderten Widerstand im Sermon von den guten Werken und in der Freiheitsschrift 1520 4.2.3 Die Grenzbestimmung der geistlichen Gewalt in den drei Mauern der Adelsschrift 4.2.4 Der Christ und die beiden »Christenheiten« in »Vom Papsttum zu Rom« 4.3 Die Frage des gewaltsamen Widerstands gegen unrechtmäßige kanonische Prozesse
194
196 200 204 206
Inhaltsverzeichnis
XIII
4.4 Die weltliche Gewalt zwischen Nothilfe und unrechtmäßigem Eingriff in geistliche Belange
211
4.5 Zusammenfassung
214
5. Die Aufgabe u n d Grenze des weltlichen Schwertes 1521—1522 .
216
5.1 Die Freiheit des Gewissens und die innerweltliche Gebundenheit des Christen
216
5.2 Der Christ als Fürst
218
5.3 Das weltliche Schwert gehört der Obrigkeit allein. Luthers Antworten auf die Unruhen in Erfurt, Wittenberg und Zwickau
219
5.4 Präzisierungen I: Die Aufgabe des weltlichen Schwertes und des einzelnen Christen angesichts der geistlichen Mißstände .. .
223
5.5 Präzisierungen II: Der Christ als Träger des weltlichen Schwertes
228
5.6 Zusammenfassung
232
6. Die zwei Schwerter in der Obrigkeitsschrift
233
6.1 Zur Entstehung der Obrigkeitsschrift
233
Exkurs: Johann von Schwarzenbergs Konzeption de gladio — ein Rekonstruktionsversuch
236
1. J o h a n n v o n S c h w a r z e n b e r g u n d die K o d i f i z i e r u n g des Strafrechts
236
2. S c h w a r z e n b e r g u n d L u t h e r
241
6.2 Die Schrift »Von weltlicher Obrigkeit. Wie weit man ihr gehorsam schuldig sei«
245
6.3 Zusammenfassung
258
7. D i e A n w e n d u n g der Z w e i - R e i c h e - L e h r e i m Bauernkrieg
260
7.1 Das weitere Eingreifen weltlicher Gewalten in geistliche Belange und die Frage des Widerstands gegenüber dem Kaiser (I)
7.2 »Schwärmerei« nach dem Muster der Wittenberger Unruhen in der Vorgeschichte des Bauernkrieges 7.2.1 Die Verbreitung der Zwei-Reiche-Lehre Luthers in Briefen und Predigten 7.2.2 Die Auseinandersetzung um die Freiheit des Gewissens zwischen Luther und Müntzer 7.3 Der Christ und sein Gehorsam gegenüber der weltlichen Obrigkeit im Bauernkrieg
260
262 262 263 265
XIV
Inhaltsverzeichnis
7.4 Luthers Rückblick auf den Bauernkrieg: Die Gültigkeit des mosaischen Gesetzes, die göttliche Einsetzung weltlicher Obrigkeit und die Frage nach der Seligkeit der Kriegsleute . . . .
270
7.5 Die Kehrseite des mosaischen Gesetzes: Der freie Wille des Menschen
275
7.6 Zusammenfassung
277
8. Die Bewährung der Z w e i - R e i c h e - L e h r e in Luthers späteren Schriften
279
8.1 Das Verhältnis der beiden Reiche im Gegensatz zur päpstlich beanspruchten Vollgewalt
279
8.2 Gottes Handeln in der Welt durch die weltliche Obrigkeit (Psalm 82)
284
8.3 Gottes Handeln in der Welt in dreifacher Gestalt (Psalm 65) . .
286
8.4 Gottes Handeln in der Welt durch die Fürsten (Psalm 101) . . .
286
8.5 Die bleibende Bedeutung des usus theologicus legis im Antinomerstreit 1 5 3 7 - 1 5 4 0
288
8.6 Die Frage des Widerstands gegenüber dem Kaiser (II): Die Anfrage Kurfürst Johanns von Sachsen vom 2 7 . 0 1 . 1530 und die Zirkulardisputation über Mt 19,21 1539
289
8.7 Zusammenfassung
290
Ergebnisse Die Transformation der spätmittelalterlichen Verhältnisbestimmungen der beiden Schwerter in der Z w e i - R e i c h e - L e h r e Luthers 293
1. Die Transformation gegenüber dem kurialistischen (Vermischung der Gewalten),
Verständnis
einschließlich der Konzeptionen von
Schwarzenberg und von Erasmus 2. Die Transformation gegenüber dem
296 ockhamistisch-naturrechtlichen
Verständnis (Trennung der Gewalten) 3. Die Transformation gegenüber dem schwärmerischen antinomistischen
300 und
Verständnis (Trennung oder Vermischung der
Gewalten)
302
4. Die Transformation im Licht der Predigt von Gesetz Evangelium Reichen
und
am Ort des Gewissens des Christen in den beiden 304
Inhaltsverzeichnis
X V
Quellenverzeichnis
307
Literaturverzeichnis
311
Personenregister Historische Personen Moderne Personen
325 325 328
Sachregister
331
Abkürzungsverzeichnis AAug AGTL AKuG ALKGMA ARG ARSP
Analecta Augustiniana Arbeiten zur Geschichte und Theologie des Luthertums Archiv für Kulturgeschichte Archiv für Lit(t)eratur- und Kirchengeschichte des Mittelalters Archiv für Reformationsgeschichte Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie
BGQMA
Beiträge zur Geschichte und Quellenkunde des Mittelalters
CSA CSMLT
Corpus Scriptorum Augustinianorum Cambridge studies in medieval life and thought
DA
Deutsches Archiv für Geschichte / Erforschung des Mittelalters
EHR EThSt EvTh
English historical review Erfurter theologische Studien Evangelische Theologie
FBESG FGLP FKDG FKRG FrS FS
Forschungen und Berichte der Evangelischen Studiengemeinschaft Forschungen zur Geschichte und Lehre des Protestantismus Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte Forschungen zur kirchlichen Rechtsgeschichte und zum Kirchenrecht Franciscan studies Festschrift
GGB GK
Geschichtliche Grundbegriffe Gestalten der Kirchengeschichte
HJ HKG
Historisches Jahrbuch Handbuch der Kirchengeschichte
JBrKG JThS JusEcc
Jahrbuch für brandenburgische Kirchengeschichte Journal of theological studies Jus ecclesiasticum
KRA KuD KuR
Kirchenrechtliche Abhandlungen Kerygma und Dogma Kirche und Recht
XVIII
Abkürzungsverzeichnis
LMA
L e x i k o n des Mittelalters
LQ
L u t h e r a n quarterly
LThK
L e x i k o n für T h e o l o g i e u n d Kirche
LUAMA
Leipziger U b e r s e t z u n g e n u n d A b h a n d l u n g e n z u m Mittelalter
LuJ
Luther-Jahrbuch
MGH
M o n u m e n t a G e r m a n i a e histórica
MGH.F
— Fontes iuris G e r m a n i c i antiqui
MGH.SRI
— Schriften des Reichsinstituts für Altere D e u t s c h e G e s c h i c h t s k u n d e
MGI
M i t t e i l u n g e n des G r a b m a n n - I n s t i t u t s
MIOG
M i t t e i l u n g e n des Instituts für Osterreichische Geschichte
MIOG.E
— Ergänzungsband
NJW
N e u e juristische W o c h e n s c h r i f t
PL
Patrología latina
QFG
Q u e l l e n u n d F o r s c h u n g e n aus d e m G e b i e t der Geschichte
QFIAB
Q u e l l e n u n d F o r s c h u n g e n in italienischen Archiven u n d B i b l i o t h e k e n
QFRG
Q u e l l e n u n d F o r s c h u n g e n zur R e f o r m a t i o n s g e s c h i c h t e
QGGMA
Q u e l l e n zur Geistesgeschichte des Mittelalters u n d der Renaissance
RGG
R e l i g i o n in Geschichte u n d G e g e n w a r t
RGST
R e f o r m a t i o n s g e s c h i c h t l i c h e Studien u n d Texte
RöHM
R ö m i s c h e historische M i t t e i l u n g e n
RQ
R ö m i s c h e Quartalsschrift f ü r christliche A l t e r t u m s k u n d e
RSR
R e c h e r c h e s de science religieuse
SeL
Storia e letteratura
SHAW.PH
Sitzungsberichte der H e i d e l b e r g e r A k a d e m i e der Wissenschaften. P h i l o sophisch-Historische Klasse
SJTh
Scottish j o u r n a l of theology
SMGB
Studien u n d M i t t e i l u n g e n zur Geschichte des B e n e d i k t i n e r o r d e n s u n d sei-
SMRT
Studies in medieval and r e f o r m a t i o n t h o u g h t
ner Z w e i g e SuR.NR
Spätmitelalter u n d R e f o r m a t i o n . N e u e R e i h e
SVRG
Schriften des Vereins f ü r R e f o r m a t i o n s g e s c h i c h t e
ThLZ
T h e o l o g i s c h e Literaturzeitung
ThSt(B)
T h e o l o g i s c h e Studien. H g . v. Karl B a r t h
TKTG
Texte zur K i r c h e n - u n d T h e o l o g i e g e s c h i c h t e
TRE
Theologische Realenzyklopädie
VELKD
Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche in D e u t s c h l a n d
VIEG
Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte
VRF
Vorreformatorische Forschungen
WBTh
W i e n e r Beiträge zur T h e o l o g i e
Abkürzungsverzeichtiis WdF
W e g e der F o r s c h u n g
ZEvKR
Zeitschrift f ü r evangelisches K i r c h e n r e c h t
ZKG
Zeitschrift f ü r Kirchengeschichte
ZThK
Zeitschrift f ü r T h e o l o g i e u n d Kirche
ZSRG.K
Zeitschrift der Savigny-Stiftung f ü r R e c h t s g e s c h i c h t e . Abteilung
Zw
Zwingliana
XIX
Kanonistische
Einleitung
Zur Forschung, Fragestellung und Methode Das Weltverhältnis des Christen, bzw. die Relation von Kirche und Staat ist zu jeder Zeit theologisch neu zu bestimmen. Wenn die Theologie das Heil des Menschen zum Gegenstand hat, muß sie zugleich die innerweltliche Lebenssituation des Menschen betrachten. Für Martin Luthers reformatorische T h e o logie ist diese Frage von zentraler Bedeutung. In der Behandlung seiner T h e o logie hat man seine Antworten auf diese Frage unter dem Begriff der »ZweiReiche-Lehre« systematisiert, welche die protestantische Tradition maßgeblich mitbestimmt hat. Kaum ein Aspekt der Theologie Martin Luthers ist aber in der Literatur des 20. Jahrhunderts so kontrovers diskutiert worden wie die Zwei-Reiche-Lehre. 1 Der Grund dafür liegt zum einen in der problematischen Inanspruchnahme der Z w e i - R e i c h e - L e h r e für einen Obrigkeitsgehorsam, der das R e g i m e des D r i t ten Reiches unterstützte. Z u m anderen dürfte dafür das Diktum Karl Barths verantwortlich sein, der im Anschluß an Rudolph Sohm behauptete, der Zusammenhang von R e c h t und Rechtfertigung habe die Reformatoren nicht primär interessiert. 2 Damit wurde die Formulierung einer Z w e i - R e i c h e - L e h r e im Anschluß an Martin Luther schwierig oder sogar unmöglich. Die zur ZweiReiche-Lehre Martin Luthers vorliegende umfangreiche Literatur bewegt sich deswegen wie in einem »Irrgarten« 3 bzw. »Labyrinth« 4 zwischen dem Versuch der Rechtfertigung der Zwei-Reiche-Lehre und ihrer Ablehnung. Ein weiterer Grund für die komplexe Diskussion über diesen Gegenstand reformatorischer Theologie dürfte vor allem darin zu finden sein, daß die historischen Umstände und Traditionen der Zwei-Reiche-Lehre bei Martin Luther 1
Vgl. zur Forschungslage LOHSE, BERNHARD, Z w e i - R e i c h e - L e h r e und Königsherrschaft C h r i -
sti, in: FORCK, GOTTFRIED, D i e Königsherrschaft Jesu Christi bei Luther, Berlin 2 1 9 8 8 , 1 5 5 - 1 6 7 ( = Z w e i - R e i c h e - L e h r e ) ; NOWAK, KURT, Zweireichelehre. A n m e r k u n g e n zum Entstehungsprozeß einer umstrittenen BegrifFsprägung und kontroversen Lehre, in: Z T h K 7 8 , 1 9 8 1 , 105—127. Vgl. auch GRASS, HANS, Luthers Z w e i - R e i c h e - L e h r e , Z E v K R 3 1 , 1 9 8 6 , 1 4 5 - 1 7 6 . 2
BARTH, KARL, R e c h t f e r t i g u n g u n d R e c h t , T h S t ( B )
1, Z o l l i k o n
1 9 3 8 . RUDOLPH SOHM,
der
den B e g r i f f » R e i c h Gottes« in die Diskussion einbrachte, behauptete eine Unvereinbarkeit z w i schen dem weltlich verankerten R e c h t und dem R e i c h Gottes, das mit der Kirche gleichgesetzt wurde, wodurch ein in der Kirche geltendes weltliches R e c h t ausgeschlossen werden k o n n t e (SOHM, RUDOLPH, Kirchenrecht, B a n d 1, Berlin 1893, 4 6 4 f f . ) . 3 4
Vgl. HECKEL, JOHANNES, Im Irrgarten der Z w e i - R e i c h e - L e h r e Luthers, M ü n c h e n 1 9 5 7 . So jüngst Kiss, IGOR, Das N e u e in Luthers Verständnis vom natürlichen Gesetz, in: Luther 7 0 ,
1 9 9 9 , 3 0 - 3 8 , hier 3 0 .
2
Einleitung:
Zur Forschung, Fragestellung und
Methode
bislang unzureichend erforscht sind. Wenn aber die Inanspruchnahme oder die Zurückweisung einer Lehre ohne eine vorherige genaue historische Erörterung ihrer Umstände erfolgt, kann es leicht zu einer Verzeichnung dieser Lehre kommen. Allein schon die Begriffsgeschichte zur »Zwei-Reiche-Lehre« 3 zeigt, daß es häufig weit weniger um Luther selbst, als um die heutige Bestimmung des Verhältnisses der beiden Reiche zueinander geht, für die Luther nur die Rolle als Stichwortgeber, Gewährsmann oder Widerpart spielen darf. Durch das Verdikt Karl Barths über den Zusammenhang von Reformation und Recht stellt sich das Problem, wie das innerweltliche Leben theologisch beschreibbar bleibt, bzw. was über das Verhalten des Christen in der Welt theologisch ausgesagt werden kann. Die wenigen Arbeiten, die sich auch mit den historischen Aspekten der Zwei-Reiche-Lehre beschäftigen, setzen sich nun j e auf ihre Weise mit der Aussage Barths auseinander. J. Heckel versteht die Ablehnung der Zwei-Reiche-Lehre Luthers als Problem der Beurteilung des göttlichen Rechts und der Naturrechtsvorstellung des Reformators, wohingegen zu betonen sei, daß jeder Lehre Luthers ein rechtliches Moment innewohne. 6 Die »offene Flanke«, den Begriff des »göttlichen Rechts« nicht mehr angemessen verstehen zu können, sei aber eine Unterscheidung von rechtsfreier ecclesia invisibilis (durch eine entsprechend verstandene Freiheit des Glaubens) und rechtlich verfaßter ecclesia visibilis, wodurch die Vorstellung eines göttlichen Rechts »unerschwinglich« werde, obwohl Luther genau davon gesprochen habe (Bf.) 7 . Daraus resultiere die Deutung von Luthers Naturrechtsvorstellung als vorreformatorisch oder antik, bzw. als Mitteilung des absoluten Naturrechts in einer Uroffenbarung an den ersten vernunftbegabten Menschen, der an diesem Naturrecht trotz seines Sündenfalls partizipieren könne (Ernst Troeltsch), oder als bei allen Völkern vorhandenes Naturrecht, das idealistisch als christlich-sittliches Liebesgebot interpretiert werden könne (Karl Holl/Ernst Kinder; 10f.). In beiden Fällen könne man die Verhältnisbestimmung des Christen zum weltlichen Recht theologisch kaum noch ausreichend formulieren. Durch die Uberwindung der spezifisch mittelalterlichen Durchdringung von Glaube und Recht mit Hilfe der reformatorischen Theologie entsteht nach J. Heckel im 16. Jahrhundert auch eine neue Rechtsvorstellung (17). Lex divina und Naturrecht würden dabei zwar miteinander aufgrund der gleichartigen Intention Gottes identifiziert, die im geistlichen Bereich geltende lex spiritualis von der weltlicherseits geltenden lex saeculi aber streng unterschieden. Diese 3 Erst bei KARL BARTH wird der B e g r i f f »Zwei-Reiche-Lehre« überhaupt verwendet (so LOHSE, Z w e i - R e i c h e - L e h r e 155). 6 HECKEL, JOHANNES, Lex charitatis. Eine juristische Untersuchung über das R e c h t in der
Theologie Martin Luthers, hg. v. MARTIN HECKEL, K ö l n / W i e n 2 1 9 7 3 ( = L e x charitatis), 1. 7 Im Textverlauf dieser Arbeit eingefügte Seitenzahlen beziehen sich auf das jeweils besprochene Werk.
Einleitung: Zur Forschung, Fragestellung und Methode
3
Rechtsunterscheidung fußt nach J. Heckel auf Luthers Reicheunterscheidung, die dieser im Anschluß an Augustins civitates vornimmt (32f.). Die nach Augustin für die beiden Reiche konstitutiven Größen amor Dei und amor sui führten bei Luther durch dessen radikalisiertes Erbsündenverständnis zu einer deutlichen Reichetrennung. Die »Notordnung« des weltlichen Reiches gegen die in ihm geltende Bosheit werde durch das weltliche Schwert abgesichert, ohne daß damit der Sünde als Wurzelübel dieses Zustands wirklich beizukommen wäre (41 f.). Das geistliche Reich, in dem die aus dem weltlichen Reich herausgerissenen Christen lebten, werde durch das »geistliche Gesetz« des Evangeliums gelenkt (46). Gott überlasse nun aber das weltliche Reich nicht einer gewissen »Eigengesetzlichkeit«, sondern regiere hier selbst, wenn auch durch seinen Zorn, so daß J. Heckel die Redeweise von Gottes Reich zur Linken und zur Rechten im Gegensatz zu einer nur funktional verstandenen Differenzierung gemäß einer »Zwei-Regimenten-Lehre« angemessen erscheint. 8 Der Zusammenhang der Reichelehre mit der Rechtslehre besteht nach J . Heckel in der Dualität des Naturrechts in den beiden R e i c h e n sowie der Bedeutung des göttlichen R e c h t s als eschatologischem R i c h t m a ß (59ff.). Im Reich Gottes gelte wie gesagt die Identität des Naturrechts mit der lex divina, die durch das lumen rationis nicht erkennbar sei (101). Merkmal der lex divina sei der göttliche Wille zur Liebe. Die lex divina sei so zugleich lex charitatis. Nach dem Sündenfall restituiere Christus mittels der lex Christi diese Ordnung, die wiederum mit dem göttlichen Gesetz übereinstimme, und fuge diesem Naturgesetz das positive göttliche R e c h t hinzu, das die Ordnung der Kirche oder beispielsweise der Eheinstitution darstelle. Im R e i c h der Welt bestehe ebenfalls ein göttlich geoffenbartes natürliches R e c h t , das aufgrund der mangelnden Erkennbarkeit seiner göttlichen Herkunft nur noch auf die felicitas humana und nicht mehr auf die beatitudo aeterno gerichtet sein könne. Aufgrund der rettungslosen Sündhaftigkeit der Menschen sei das göttliche Gesetz in der Welt lex irae (134).
U m Barths Diktum zu widerlegen, überträgt J. Heckel Augustins Unterscheidung von civitas Dei und civitas Diaboli auf Luthers Zwei-Reiche-Lehre, ohne den Aspekt des weltlichen Reiches als civitas terrena hinreichend zu beachten. Sie sind zum einen — in nominalistischer Färbung — als geistlich und weltlich radikal unterschieden (126), bleiben aber als R e i c h zur Linken und zur R e c h ten oder durch die Gleichung lex irae = lex charitatis latens aufeinander bezogen. Die begriffliche Unscharfe ist bedingt durch die Konzentration auf Augustins civitas terrena in ihrer Ausprägung als civitas Diaboli. J. Heckel nimmt so auch im R e i c h Gottes ein Naturrecht an und kann das weltliche R e i c h in seiner natürlichen Ordnung ohne Hinsicht auf den eschatologischen Kampf der Reiche das Naturrecht als in der Welt gültig belassen. Eine hinreichende Unterscheidung zwischen einer die Traditionsgeschichte der Zwei-Reiche-Lehre bestimmenden ontologischen Abstufung von natürlicher Ordnung und gnadenhafter Vollendung sowie einer vollständigen Reichetrennung bzw. Diastase von Glaube s Gegen die Begrifflichkeit von TÖRNVALL, GUSTAV, Geistliches und weltliches Regiment bei Luther. Studien zu Luthers Weltbild und Gesellschaftsverständnis, FGLP 2, München 1947.
4
Einleitung:
Zur Forschung, Fragestellung und
Methode
und Vernunft erreicht J . Heckel nicht. 9 D i e Beschränkung auf Augustin fuhrt außerdem zu einer Abwertung des Begriffs regimentum gegen G. Törnvalls Verständnis, während sich in Luthers Verwendung keine ausdrückliche Alternative der Begriffe R e i c h und R e g i m e n t , sondern eine Verschiedenheit der Aspekte zeigt, die mit diesen Begriffen ausgedrückt werden sollen. So bezieht sich »Reich« personal auf den Herrschaftsbereich, »Regiment« funktional auf die Herrschaftsweise. 10 N e b e n dem W e r k J . Heckeis 11 ist U. Duchrows »Christenheit und Weltverantwortung« von maßgeblicher Bedeutung für die Darstellung der Tradition 9 Später analysiert JOHANNES HECKEL die Verbindungen zwischen Luther und Marsilius von Padua (HECKEL, JOHANNES, Marsilius von Padua und Martin Luther, in: Z S R G . K 75, 1958, 2 6 8 - 3 3 6 (— Marsilius)). Hier besteht das Problem, daß nicht bewiesen werden kann, daß Luther den Defensorpacis von Marsilius gekannt hat (vgl. hierzu JUNGHANS, HELMAR, Das mittelalterliche Vorbild für Luthers Lehre von beiden R e i c h e n , in: Vierhundertfünfzigjahre lutherische R e f o r m a t i o n 1517— 1967, Festschrift für Franz Lau, hg. v. HELMAR JUNGHANS, Göttingen 1967, 1 3 5 - 1 5 3 (= Mittelalterliches Vorbild), hier 135). Gabriel Biel taucht bei JOHANNES HECKEL zwar gelegentlich als »Gewährsmann« für die augustinische Tradition auf, so im Zusammenhang mit dem gegenüber dem Spätmittelalter radikalisierten Sündenverständnis bei Luther (HECKEL, Lex charitatis 33) oder bei dem Verständnis des weltlichen R e i c h e s als Personengesamtheit, dessen Tradition von Augustin über Biel zu Luther reicht (ebd., 38). Es wird allerdings nicht gefragt, inwieweit Biel von O c k h a m oder anderen spätmittelalterlichen Theologen beeinflußt ist. Auch die weitere Diskussion über die von JOHANNES HECKEL verwendeten Begriffe Naturrecht und ius divinum führt keine Aspekte der Traditionsgeschichte aus (vgl. hierzu BRECHT, MARTIN, Divine rights and human rights in Luther, in: Martin Luther and the modern mind. Freedom, conscience, toleration, rights, hg. v. MANFRED HOFFMANN, N e w York/Toronto 1985, 6 1 - 8 4 ; DREIER, RALF, Göttliches und menschliches R e c h t , Z E v K R 32, 1987, 289—316). Daneben ist auch eine historische Analyse der Texte und einer m ö g lichen Entwicklung in Luthers Verständnis erforderlich, was JOHANNES HECKEL in »Lex charitatis« nicht durchfuhrt (vgl. die Kritik an der unterschiedslosen Verwendung der vorreformatorischen Schriften Luthers bei JOHANNES HECKEL von MAU, RUDOLF, Das Verhältnis von Glauben und R e c h t nach dem Verständnis Luthers, Z S R G . K 7 0 , 1984, 1 7 0 - 1 9 5 (= Verhältnis), hier 174f.). 10
Vgl. OBERMAN, HEIKO A., Thesen zur Z w e i - R e i c h e - L e h r e , in: Luther und die politische
W e l t , h g . v. E R W I N ISERLOH u n d G E R H A R D M Ü L L E R , H i s t o r i s c h e F o r s c h u n g e n , B a n d 9 , h g . v. K A R L
ERICH BORN u n d HARALD ZIMMERMANN, S t u t t g a r t 1 9 8 4 , 2 7 - 3 4 ( = T h e s e n ) , h i e r T h e s e 6 ( e b d . ,
29); BORNKAMM, HEINRICH, Luthers Lehre von den zwei R e i c h e n im Zusammenhang seiner Theologie, Gütersloh 2 1 9 6 0 (= Luthers Lehre), 15. 11 JOHANNES HECKELS Werk erfuhr in der juristischen Forschung zum 16. Jahrhundert nachhaltige Wirkung (vgl. hierzu FOLKERS, HORST, Niederhaltung des Bösen und Ordnung der Freiheit. Z u m Rechtsdenken Luthers, Hegels und Schellings, Z S R G . K 81, 1995, 249—278, hier besonders S. 2 5 9 f . , Anm. 30; HECKEL, MARTIN, Luther und das R e c h t . Zur Rechtstheologie Martin Luthers und ihren Auswirkungen auf Kirche und R e i c h , in: N J W 36, 1983, 2521—2527 (= Luther und das R e c h t ) ; SCHLAICH, KLAUS, Martin Luther und das R e c h t , in: DERS., Gesammelte Aufsätze. Kirche
u n d S t a a t v o n d e r R e f o r m a t i o n b i s z u m G r u n d g e s e t z , h g . v. M A R T I N H E C K E L u n d W E R N E R H E U N ,
JusEcc 57, Tübingen 1997, 3—23). Auch hier ist die augustinische Reicheunterscheidung Grundlage der Z w e i - R e i c h e - L e h r e Luthers, die gegen die mittelalterliche Verstrickung von R e c h t und Kirche gerichtet ist (vgl. HECKEL, Luther und das R e c h t 2 5 2 5 ; SCHLAICH, 4f.). Gegen BARTH ist ein Zusammenhang zwischen Rechtfertigung und R e c h t anzunehmen (FOLKERS, 250, Anm. 2; HECKEL, a.a.O. 2 5 2 2 ; MAU, Verhältnis 175). Für das Verhältnis von Rechtfertigung und R e c h t sei auch hier ein zweifaches Naturrecht konstitutiv, das aber nicht dualistisch mißverstanden, sondern nur als »Verschiedenheit der rechtlichen Wirkungen« interpretiert werden dürfe (HECKEL, a.a.O. 2524). Ü b e r n o m m e n wird auch der B e g r i f f der lex charitatis als Gehalt des göttlichen R e c h t s (ebd.,
Einleitung:
Zur Forschung, Fragestellung und
Methode
5
der Z w e i - R e i c h e - L e h r e bei Luther. U. Duchrow erarbeitet eine Traditionsgeschichte der Z w e i - R e i c h e - L e h r e , bzw. Zwei-Gewalten-Lehre von den Anfängen der Philosophie und der Christenheit insgesamt, um anhand der Z w e i R e i c h e - L e h r e die heutige Weltverantwortung des Menschen theologisch zu beschreiben. 1 2 D i e mittelalterliche Tradition geht von Augustins civitates aus, ist aber durch die Auseinandersetzung der beiden Gewalten in einer christlichen Welt geprägt. 13 D e r Darstellung der Z w e i - R e i c h e - L e h r e Luthers liegt folgende These zugrunde: »Luther behandelt zwar bis ca. 1516 vorwiegend die für seine Zwecke ausgedeutete augustinische Zwei-civitates-Lehre, gibt sie dann aber nicht auf, sondern kombiniert sie — z.T. im größeren R a h m e n des Ständeethos — mit Elementen der mittelalterlichen potestates-Theorie, wobei besonders letztere, aber auch die erstere ihren ursprünglichen Sinn verändern und zusammen ein neues Ganzes ergeben. Diese neue Gesamtanschauung Luthers ist in sich konsistent und hält sich zeit seines Lebens durch. Was man als Wandlungen beurteilt hat, ist nur eine Ausarbeitung verschiedener Strukturelemente, oft verursacht durch neue polemische Fronten« (440). D i e Kombination der mittelalterlichen Tradition mit Augustin erfolgt bei Luther aufgrund der Bestreitung kirchlicher Gewalt über weltliche Angelegenheiten seit 1 5 2 0 (482ff.) und die notfalls gewaltsame Friedenssicherung der zivilen Gesellschaft durch die weltliche Gewalt, wobei von der positiven Ordnung der Welt mit ihren Ständen oeconomia, politia und ecclesia (495 ff.) und dem Kooperationsauftrag an den Menschen zu reden sei. N a c h U. Duchrow hätten es die cooperarfo-Vorstellung und die Unterscheidung coram mundo — coram Deo Luther im Unterschied zu Augustin und dem Mittelalter möglich gemacht, die eschatologische Grundverschiedenheit der R e i c h e nicht zu einer Reichetrennung, sondern -Unterscheidung fuhren zu lassen. 14 Zugleich gebe Luther in seiner Z w e i - R e i c h e Lehre eine Antwort auf das Verhältnis der Menschen zueinander, da er die Frage nach dem Schwertgebrauch und der Bergpredigt beantworte (538). U. Duchrows ideengeschichtlich orientierte Arbeit macht gegenüber J . H e k kel zu R e c h t auf die Transformation augustinischen Gedankenguts im Mittelalter aufmerksam, kann aber aufgrund des Umfangs des gestellten Themas von 2523). Die Verbrennung des kanonischen R e c h t s durch Luther 1520 und die spätere Füllung dieses Vakuums durch das Amt des Notbischofs deute ebenfalls auf einen Zusammenhang von Rechtfertigung und R e c h t hin (SCHLAICH, 12). 12 DUCHROW, ULKICH, Christenheit und Weltverantwortung. Traditionsgeschichte und systematische Struktur der Zweireichelehre, F B E S G 25, Stuttgart 1970 (= Christenheit), hier 4—11. 13 Ebd., 321 ff. DUCHROW untersucht vor allem die Zwei-Gewalten-Lehre bei Gelasius I., den Investiturstreit, den Beginn eines neuzeitlichen Staatsverständnisses mit dem R ü c k g r i f f j o h n von Salisburys auf die Antike (ebd., 3 7 8 f f ) , Innozenz III. und die kanonistische Diskussion über das Verhältnis des Papstes zum Kaisertum und zu territorialen Gewalten (ebd., 392ff.) sowie das Z e i t alter der Aristotelesrezeption, die sich in die Flügel der konservativen augustinischen Hierokraten (Aegidius Romanus), die via media (Thomas von Aquin; Johannes von Paris) und die Averroisten/ Nominalisten (Marsilius von Padua; Wilhelm von Ockham) aufspaltet (ebd., 398ff.). 14
DUCHROW nennt dieses Verhältnis »asymmetrisch komplementär« (ebd., 520).
6
Einleitung:
Zur Forschung, Fragestellung und
Methode
den Anfängen einer Zwei-Reiche-Vorstellung an eine eingehende Analyse der Texte Luthers nicht mehr v o r n e h m e n . V o n daher bleibt die hier zitierte These ohne genauen Anhalt an den Schriften Luthers und erweckt den Eindruck, der Reformator habe sich einer Idee der Zwei-Reiche-Lehre »bedient«, ohne aus konkreten Auseinandersetzungen heraus das Verhältnis von geistlicher und weltlicher Gewalt zu formulieren. 16 In Reaktion auf die Barth-Kritik und H. Bornkamms Hinweis auf den historischen Kontext der Zwei-Reiche-Lehre bei Luther 17 kennzeichnet H.-J. Gänssler die historischen Rahmenbedingungen für die Zwei-Reiche-Lehre anhand dreier »Fronten«. 18 Die »hierokratische Front« nutzt die »Zwei-Schwerter-Lehre« gemäß der Bulle Unam sanetam von 1302 zur Zuordnung beider Gewalten zur potestas papae. Die Diskussion um die Rechtmäßigkeit dieser Zuordnung wird daneben in der kanonistischen und legistischen Literatur der Zeit geführt ( l l f f . ) . Die »staatskirchliche Front«, Kaiser und Reich sowie die Landesfursten, schaffen durch die Reichsreform eine neue Rechtssituation, die die Frage aufwirft, inwieweit die weltliche Gewalt in geistliche Belange eingreifen darf (17ff.). Die »utopistische Front«, die evangelistischen Prediger, for15 DUCHROW beschränkt sich auf die frühen Schriften Luthers wie dessen (vorreformatorische) Randbemerkungen zu Augustins De civitate Dei 1 5 0 9 / 1 0 und die erste Psalmenvorlesung ( 1 5 1 3 / 15), so daß beispielsweise eine eingehende Analyse der Schrift »Von weltlicher Obrigkeit« 1523 als einer Hauptschrift zur Z w e i - R e i c h e - L e h r e fehlt. 16 B e i Luther ist keine Z w e i - R e i c h e - L e h r e im systematischen oder ideengeschichtlichen Sinne vorfindlich, wie es nach DUCHROW den Anschein hat, wenn er wie gesagt davon spricht, Luther behandele zwar Augustins Reicheunterscheidung bis 1516, gebe sie danach aber nicht auf, sondern kombiniere sie mit der mittelalterlichen Gewaltentheorie (vgl. hierzu wiederum DUCHROW, C h r i stenheit 440). Auch die R e d e von »Fehlentwicklungen« in der mittelalterlichen Augustin-Rezeption (ebd., 522) blendet den historischen Kontext einer differenzierten Aufnahme von Traditionsgut aus. Auch um DUCHROW entzündete sich eine Debatte, die neben »Christenheit und Weltverantwortung« die von ihm mit herausgegebenen Quellenbände zur Z w e i - R e i c h e - L e h r e (vgl.
D U C H R O W , U L R I C H , HOFFMANN, HEINF.R ( H g g . ) , D i e V o r s t e l l u n g v o n Z w e i R e i c h e n u n d
Regi-
menten bis Luther, T K T G 17, Gütersloh 1972; DUCHROW, ULRICH (Hg.), Umdeutungen der Zweireichelehre Luthers im 19. Jahrhundert, T K T G 21, Gütersloh 1975; DUCHROW, ULRICH, HUBER, WOLFGANG (Hgg.), Die Ambivalenz der Zweireichelehre in lutherischen Kirchen des 20. Jahrh., T K T G 22, Gütersloh 1976) betraf, für die historische Debatte um die Traditionsgeschichte der Z w e i - R e i c h e - L e h r e bei Luther aber nichts austrug (vgl. HASSELMANN, NIELS (Hg.), Gottes Wirken in seiner Welt. Zur Diskussion um die Z w e i - R e i c h e - L e h r e , Z u r Sache — Kirchliche Aspekte heute, hg. v. GÜNTHER GASSMANN u.a., Heft 19, Hamburg 1980, hier besonders das Vorwort 7—11. Z u m Uberblick vgl. LOHSE, Z w e i - R e i c h e - L e h r e 160—162). DUCHROWS monumentale Arbeit wurde allerdings später wegen ihrer Zusammenfassung der Z w e i - R e i c h e - L e h r e bei Luther schlicht übernommen (vgl. u.a. DALFERTH, SILFREDO BERNARDO, Die Zweireichelehre Martin Luthers im Dialog mit der Befreiungstheologie Leonardo Boffs. Ein ökumenischer Beitrag zum Verhältnis von christlichem Glauben und gesellschaftlicher Verantwortung, Frankfurt a . M . u.a. 1996; GÄNSSLER, HANS-JOACHIM, Evangelium und weltliches Schwert. Hintergrund, Entstehungsgeschichte und Anlaß von Luthers Scheidung zweier R e i c h e oder R e g i m e n t e , V I E G 109, Wiesbaden 1983, 77ff.; 105ff.). 17
Vgl. BORNKAMM, Luthers Lehre 6f.
18
V g l . GÄNSSLER, 1 .
Einleitung:
Zur
Forschung,
Fragestellung
und
Methotte
7
dern dagegen die Freiheit von Ordnung und Gesetz gemäß ihrer Vorstellung von christlicher Freiheit (46fF.). Die Darstellung der Zwei-Reiche-Lehre Luthers erfolgt bei Gänssler durch eine chronologisch geordnete Schriftenanalyse, wobei die Obrigkeitsschrift von 1523 von zentraler Bedeutung ist. Die späteren Werke wie die Bauernkriegsschriften stellen nach Gänsslers Meinung eine »Harmonisierung« und »Abflachung« der bisherigen Reicheunterscheidung dar (94). Wegen der »Schwankungen, Brüche und Ungereimtheiten in Luthers Äußerungen über weltliche Obrigkeit« (105) untersucht Gänssler dann die theologischen und historischen Voraussetzungen Luthers, wobei er durch eine Kontextualisierung die Zwei-Reiche-Lehre Luthers entsprechend »neutralisieren« will, um dann dessen »Grundidee vom Wesen der weltlichen Obrigkeit« zu erhalten (2). Dieses Subtraktionsverfahren fuhrt zu dem Fazit, daß die Obrigkeitsschrift »ein komplexes, nicht gerade systematisch aufgebautes, redaktionelles Gebilde [ist], das eine Fülle verschiedener, jedoch meist christlichtheologisch motivierter und begründeter Äußerungen zum Rahmenthema weltliche Obrigkeit< in drei Hauptteilen und einen Anhang gegliedert zusammenstellt« (146). Die Zwei-Reiche-Lehre ist demnach ein »zur Formel stilisierter Gewissenszuspruch« (154). Gänsslers hilfreiche Materialsammlung verschiedener »Kontexte« der ZweiReiche-Lehre, die u.a. auch auf die kanonistische und legistische Diskussion über die zwei Schwerter hinweist, die in anderen Werken nicht untersucht wird, blendet leider die spätmittelalterlichen Theologen wie Ockham oder Gabriel Biel aus. Ungenau ist auch die Subsumierung der Legisten unter die »hierokratische Front«. Trotz der gewonnenen Kontextualisierung der ZweiReiche-Lehre bleibt dadurch das theologische Fazit dieser Arbeit unverständlich, da die theologischen und philosophischen Zusammenhänge der Unterscheidung der beiden Reiche nicht wahrgenommen werden. Die Aussage, daß sich Luthers Lehre in nichts auflösen müßte, wenn die Fronten, gegen die sie gerichtet ist, so nicht mehr bestehen, verläßt dabei die Ebene historischer Argumentation. 19 Weitere traditionsgeschichtliche Analysen der Zwei-Reiche-Lehre Luthers rekurrieren vor allem auf die augustinische Tradition oder weisen recht allgemein auf die U m f o r m u n g der Augustintradition im Mittelalter hin. 20 Der 19 GÄNSSLER, 155. Vgl. hierzu die für die katholische Lutherforschung charakteristische Aussage, daß der Weg durch den »Irrgarten der Zwei-Regimenten-Lehre« angesichts der polemischen Überspitzungen Luthers in seinen Schriften nahezu unerschwinglich wird (ISERLOH, ERWIN, »Mit d e m Evangelium läßt sich die Welt nicht regieren«. Luthers Lehre von den beiden R e g i m e n t e n im Widerstreit (1983), in: DERS., Kirche — Ereignis und Institution. Aufsätze und Vorträge, Münster
1985, 163-180, hier
166).
211
Vgl. hierzu BORNKAMM, Luthers Lehre; darauf Bezug n e h m e n d KINDER, ERNST, Gottesreich u n d Weltreich bei Augustin und Luther. Erwägungen zu einer Vergleichung der »Zwei-Reiche«Lehre Augustins und Luthers, in: R e i c h Gottes und Welt. Die Lehre Luthers von den zwei R e i c h e n , h g . v. H E I N Z - H O R S T SCHREY, W d F 1 0 7 , 1 9 6 9 , 4 0 - 6 9 ; S T E P H E N S O N , J O H N R . , T h e t w o
go-
8
Einleitung:
Zur Forschung, Fragestellung und
Methode
unmittelbare Augustin-Bezug ist aber nicht unumstritten, da für die Umformung der augustinischen civitates in die zwei Reiche Luthers die Verlagerung der Kirche in den germanischen R a u m und damit die Vermischung geistlicher und weltlicher Belange von Bedeutung ist.21 Der traditionsgeschichtliche Zusammenhang der Zwei-Reiche-Lehre Luthers mit der spätmittelalterlichen Situation, wie er sich in der Auseinandersetzung um die Bulle Unam sanetam, dem Kampf zwischen Papst Johannes X X I I . und Ludwig dem Bayern und damit in den politischen Schriften Wilhelms von Ockham oder in der Lehrzusammenfassung bei Gabriel Biel findet, ist in der Literatur nahezu nicht bearbeitet worden. 22 Die Untersuchung von »Teilaspekten« der Zwei-Reiche-Lehre verweist kaum auf traditionsgeschichtliche Elemente. Luthers Anrufung der weltlichen Obrigkeit in der Kirchenreformfrage im Sinne des mittelalterlichen Kirchenschutzes in der Adelsschrift 1520 zeigt eine gewisse Nähe zur Reichsreformbewegung. 23 Herzog Georgs Mandate 1522 stellen daneben einen Zusammenhang mit der Politik des zweiten Reichsregiments her. 24 Luthers Obrigkeitsververnments and the two kingdoms in Luther's thought, S J T h 34, 1981, 3 2 1 - 3 3 7 ; STÜRNER, WOLFGANG, Peccatum und potestas. D e r Sündenfall und die Entstehung der herrscherlichen Gewalt im mittelalterlichen Staatsdenken, B G Q M A 11, Sigmaringen 1987. 21 Vgl. zu den Unterschieden zwischen Luther und Augustin RUOKANEN, MIIKA, Augustin und Luther über die Theologie der Politik, K u D 34, 1988, 22—41; zur Verlagerung der cii'itates-Unterscheidung in den germanischen R a u m vgl. KRETSCHMAR, GEORG, Die zwei Imperien und die zwei R e i c h e , in: Ecclesia und R e s Publica, Festschrift für Kurt Dietrich Schmidt, hg. v. GEORG KRETSCHMAR u. BERNHARD LOHSE, Göttingen 1961, 8 9 - 1 1 2 , hier 102; zur von Luther in der Adelsschrift angegriffenen Durchmischung der Gewalten, die als Ausdruck der Translationstheorie zu werten ist, vgl. GOEZ, WERNER, Translatio Imperii. Ein Beitrag zur Geschichte des Geschichtsdenkens und der politischen Theorien im Mittelalter und in der frühen Neuzeit, Tübingen 1958. 2 2 Vgl. allerdings den Aufsatz von JUNGHANS, Mittelalterliches Vorbild, der eine Linie von O c k ham über Biel zu Luther zieht, einen Vergleich mit Luther aber nicht mehr durchfuhrt, und JO-
HANNES HECKEL, M a r s i l i u s . V g l . zu A u g u s t m u n d B i e l d e n H i n w e i s v o n GRUNDMANN, SIEGFRIED,
Kirche und Staat nach der Z w e i - R e i c h e - L e h r e , in: Im Dienste des R e c h t e s in Kirche und Staat, F e s t s c h r i f t für F r a n z A r n o l d , h g . v. WILLIBALD M . PLÖCHL U. INGE GAMPL, K u R 4 , W i e n
1963,
3 8 - 5 4 , hier 3 9 . 2 1 ANGERMEIER, HEINZ, Reichsreform und R e f o r m a t i o n (1982), in: Ders., Das alte R e i c h in der deutschen Geschichte. Studien über Kontinuitäten und Zäsuren, M ü n c h e n 1991, 355—419 ( = Das alte R e i c h ) , hier 361 f. Hier bleibt aber die Verschiebung der Position Luthers von der Adelszur Obrigkeitsschrift unklar. In letzterer kann die weltliche Gewalt keinen geistlichen Auftrag übernehmen. Daneben wird in der Z w e i - R e i c h e - L e h r e die Entschärfung des Verfassungskonfliktes gesehen (GÜNTER, WOLFGANG, Martin Luthers Vorstellung von der Reichsverfassung, Münster 1977). D i e Abschaffung des Fehderechts zugunsten einer Landfriedensordnung seit 1 4 9 5 muß bei dem Verständnis von Luthers Einschränkung der Aufgaben der weltlichen Gewalt beachtet werden (PATSCHOVSKY, ALEXANDER, Fehde im R e c h t . Eine Problemskizze, in: R e c h t und R e i c h im Zeitalter der R e f o r m a t i o n , Festschrift für Horst R a b e , hg. v. CHRISTINE ROLL, Frankfurt/Main u.a. 1996, 1 4 5 - 1 7 8 ; MÜLLER, GERHARD, Luthers Z w e i - R e i c h e - L e h r e in der deutschen R e f o r m a tion, in: Causa reformationis, Beiträge zur Reformationsgeschichte und zur Theologie Martin
L u t h e r s , F e s t s c h r i f t f ü r G e r h a r d M ü l l e r , h g . v. GOTTFRIED MARON u n d GOTTFRIED SEEBASS, G ü -
tersloh 1989, 4 1 7 - 4 3 7 ( = Z w e i - R e i c h e - L e h r e ) ) . 24
Vgl. ROLL, CHRISTINE, Das zweite Reichsregiment 1 5 2 1 - 1 5 3 0 , Forschungen zur deutschen
Einleitung:
Zur Forschung, Fragestellung und
9
Methode
ständnis wird ebenfalls nicht traditionsgeschichtlich untersucht. 2b Über die Untersuchung von Luthers Verhältnis zu den Fürsten gelangt man zur Frage nach seiner Kenntnis der Rechtstraditionen oder einer bestehenden Rechtsunsicherheit zu Beginn des 16. Jahrhunderts, über die Luther durch persönlichen Kontakt mit Fürsten und ihren Räten erfahren haben könnte. 26 Von besonderer Bedeutung für die Vorgeschichte der Obrigkeitsschrift ist Luthers Korrespondenz mit Johann von Schwarzenberg. 27 Die Zwei-Reiche-Lehre in Rechtsgeschichte,
h g . v. S T E N G A G N É R , H E R M A N N K R A U S E u n d D I E T M A R W I L L O W E I T , B a n d
15,
K ö l n / W e i m a r / W i e n 1996. Z u m T h e m a »Reichsverfassung« gehört auch das Territorialrecht. Für Luther muß dabei besonders die Situation in Sachsen und die im Vergleich zum R e i c h beschleunigte Entwicklung neuer Rechtsinstrumente beachtet werden (vgl. u.a. BLASCHKE, KARL-HEINZ, Sachsen in der frühbürgerlichen Bewegung des 16. Jahrhunderts, in: Europa in der frühen N e u zeit, Festschrift für Günter Mühlpfordt, hg. v. ERICH DONNERT, Band 1, Weimar 1997, 1 1 9 - 1 3 1 ; der verwendete B e g r i f f »frühbürgerlich« ist wegen der denkbaren marxistischen Implikate wie der »frühbürgerlichen Revolution« aber mißverständlich, so ANGERMEIER, Das alte R e i c h 355). Für das Territorialrecht ist dabei auf die »Kommunalisierung« verfassungsmäßiger Gegebenheiten als Antwort der Theologen auf den Verfassungswandel im Spätmittelalter (BLICKLE, PETER, R e f o r m a tion und kommunaler Geist. Die Antwort der Theologen auf den Verfassungswandel im Spätmittelalter, Schriften des Historischen Kollegs, Vortrag 44, hg. v. der Stiftung des Historischen K o l legs, M ü n c h e n 1996) und die Gebietsstreitigkeiten zwischen dem Kurfürstentum und dem H e r zogtum Sachsen (vgl. den Hinweis in OBERMAN, Thesen 30) zu achten. 25
Erbe,
Vgl. hierzu HOYER, SIEGFRIED, Luther und die Obrigkeit, in: Martin Luther. Leistung und hg.
v.
HORST
BARTEL,
GERHARD
BRENDLER,
HANS
HÜBNER
und
ADOLF
LAUBE,
Berlin
1986,126—131; WOLGAST, EIKE, Die Wittenberger Theologie und die Politik der evangelischen Stände. Studien zu Luthers Gutachten in politischen Fragen, Q F R G 47, Gütersloh 1977 ( = Politik); PADBERG, LUTZ E. VON, Luthers Sicht des Herrscheramtes nach seinen Schriften bis 1525. Ein Beitrag zu der Debatte um den historischen O r t der Reformation, in: Luther 67, 1996, 9—25. Vgl. auch HERMS, EILERT, Art. Obrigkeit, in: T R E 24, 1994, 7 2 3 - 7 5 9 . Die Untersuchung des Begriffs »Obrigkeit« deutet auf einen ähnlichen Befund, wobei hier zusätzlich die vielseitig verwendbare Terminologie Luthers zu bedenken ist (JUNGHANS, HELMAR, »Untertan sein« bei Martin Luther. Methodische Überlegungen zur Lutherinterpretation, in: Martin Luther. Leistung und Erbe, hg. v. H O R S T B A R T E L , G E R H A R D B R E N D L E R , H A N S H Ü B N E R u n d A D O L F L A U B E , B e r l i n 1 9 8 6 ,
132-138).
Vgl. hierzu besonders die Forschung von MÜLLER, GERHARD, Luther und die evangelischen Fürsten, in: Luther und die politische Welt, hg. v. ERWIN ISERLOH und GERHARD MÜLLER, Histori26
s c h e F o r s c h u n g e n , B a n d 9 , h g . v. K A R L E R I C H B O R N u n d H A R A L D Z I M M E R M A N N , S t u t t g a r t
1984,
65—83; DERS. , Vom Revolutionär zum Fürstenknecht? Martin Luther und Friedrich der Weise, in: DERS., Zwischen R e f o r m a t i o n und Gegenwart II, Vorträge und Aufsätze, Hannover 1988, 9—20. Vgl. auch MAU, RUDOLF, »Der christliche Fürst«. W i e dachte Luther über das Verhältnis von Staat und Kirche?, in: Luther 63, 1992, 122—137, der eine Verbindung zwischen Luthers Denken über den »christlichen Fürsten« und das Verhältnis von Kirche und Staat zeichnet. D e r christliche Fürst ist für Luther darüber hinaus das Paradigma politischer Verantwortung. Z u beachten ist hier auch die Diskussion um die »Fürstenspiegelliteratur« (vgl. hierzu BERGES, WILHELM, D i e Fürstenspiegel des hohen und späten Mittelalters, Schriften des Reichsinstituts für ältere deutsche Geschichtskunde, Monumenta Germaniae histórica, Band 2, Stuttgart 2 1 9 5 2 ; BRINKHUS, GERD, Eine bayrische Fürstenspiegelkompilation des 15. Jahrhunderts, M ü n c h e n 1978). 2 7 Allerdings ist aufgrund der verschollenen Schrift Schwarzenbergs in der Vorgeschichte der Obrigkeitsschrift keine Literatur explizit zu dieser Korrespondenz vorhanden (vgl. den Hinweis bei BORNKAMM, Luthers Lehre 7). Allgemein ist aber mit Luthers Kenntnisnahme von R e c h t s e n t wicklungen und -neuerungen über Schwarzenberg zu rechnen (vgl. KROESCHELL, KARL, D e u t sche Rechtsgeschichte, Band 2 ( 1 2 5 0 - 1 6 5 0 ) , Opladen 7 1 9 8 9 , 217f.).
10
Einleitung:
Zur Forschung, Fragestellung und
Methode
Luthers späten Schriften hat jedenfalls durch juristische R a t g e b e r entscheidende Impulse erhalten; er selbst hat besonders gegenüber den sächsischen Kurfürsten von dem christlichen Verantwortungsbewußtsein für die weltlichen Obrigkeiten Gebrauch gemacht. 2 8 Das bereits durch das Mittelalter vorgeprägte Widerstandsrecht, das u.a. über Wessel Gansfort an die R e f o r m a t i o n vermittelt wurde, erhält im 16. Jahrhundert seinen Ausdruck durch die Verabschiedung von Gravamina auf den Reichstagen, die eine gewisse Parallelbewegung zur R e f o r m a t i o n darstellen. 29 Für die Untersuchung der Traditionsgeschichte der Z w e i - R e i c h e - L e h r e bei Luther ist auch die Auslegungsgeschichte der prominenten Bibelstellen zur Z w e i - R e i c h e - / Z w e i - S c h w e r t e r - L e h r e zu betrachten (Lk 2 2 , 3 8 ; M t 2 6 , 5 2 ; R o m 13,1; 1. Petr. 2 , 1 3 f . ) . Luther bedient sich der B e t o n u n g des christlich geforderten Obrigkeitsgehorsams nach R o m 13 und nicht einer politischen Theorie, um der gegenwärtigen Rechtsunsicherheit zu begegnen. 3 0 Luthers
2 8 KUNST, HERMANN, Evangelischer Glaube und politische Verantwortung. Martin Luther als politischer Berater seiner Landesherrn und seine Teilnahme an den Fragen des öffentlichen L e bens, Stuttgart 1976. 2 9 Vgl. zum Widerstandsrecht u.a. HODLER, BEAT, Das Widerstandsrecht bei Luther und Z w i n gli. Ein Vergleich, Z w 16, 1985, 427—441. Zur Geschichte des mittelalterlichen Widerstandsrechtes und zur Parallelität der Gravamina-Bewegung LAUBE, ADOLF, »Daß die Untertanen den O b r i g keiten zu widerstehen schuldig sind«. Widerstandspflicht um 1530, in: Wegscheiden der R e f o r mation. Alternatives Denken vom 16. bis zum 18. Jahrhundert, hg. v. GÜNTER VOGLER, Weimar 1994, 2 5 9 - 2 7 6 ; vgl. auch WOLGAST, EIKE, Obrigkeit und Widerstand in der Frühzeit der R e f o r mation, in: Wegscheiden der Reformation. Alternatives Denken vom 16. bis zum 18. Jahrhun-
d e r t , h g . v. GÜNTER VOGLER, W e i m a r 1 9 9 4 , 2 3 5 - 2 5 8 ; GRUNDMANN, ANNELIES, D i e B e s c h w e r d e n
der Deutschen Nation auf den Reichstagen der Reformation. Erläuterung und Begründung der Sonder-Edition, in: Aus der Arbeit an den Reichstagen unter Kaiser Karl V. Sieben Beiträge zu F r a g e n d e r F o r s c h u n g u n d d e r E d i t i o n , h g . v. HEINRICH LUTZ u n d ALFRED KOHLER, G ö t t i n g e n
1986, 69—129; SCHEIBLE, HEINZ, Die Gravamina, Luther und der Wormser Reichstag 1521, in: Melanchthon
und die R e f o r m a t i o n .
Forschungsbeiträge,
h g . v. G E R H A R D M A Y u . R O L F
DECOT,
1996, 3 9 3 - 4 0 9 . 3 0 Für R o m 13 liegt eine Bearbeitung vor, die Luthers Deutung in den Kontext des politischen Denkens des Spätmittelalters einordnet (SCHARFFENORTH, GERTA, R ö m e r 13 in der Geschichte des politischen Denkens. Ein Beitrag zur Klärung der politischen Traditionen in Deutschland seit dem 15. Jahrhundert, Heidelberg 1964 (Diss.masch.)). Die spätmittelalterliche Situation wird hier anhand der sogenannten »Reformation« Kaiser Sigismunds und des Fehdeverbots 1 4 9 5 dargestellt (14ff.). Luther gehe es um die Beseitigung der Diastase zwischen »Sein und Sollen in der Ordnung der Christenheit« (SCHARFFENORTH, 54), womit eine ähnliche Ausgangslage wie bei Macchiavelli vorliege: während Macchiavelli das politische Handeln von moralischen Urteilen befreie, mache Luther auf den Widerspruch der bisher sanktionierten Verhaltensweisen mit dem christlichen G e bot der Nächstenliebe aufmerksam. Vgl. zu Machiavelli und Luther DIESNER, HANS-JOACHIM, Luther und Machiavelli, in: T h L Z 108, 1983, 5 6 1 - 5 7 0 ; vgl. hierzu auch SCHARFFENORTH, 156. Die Auslegung von R o m 13 hat Luther nach SCHARFFENORTH aus der Auseinandersetzung mit dem mittelalterlichen Rechtsdenken gewonnen (ebd.). Leider bleibt Scharffenorths Untersuchung der mittelalterlichen Situation sehr schematisch, und konkrete Vergleiche zu Luther werden nicht vorgenommen: Es werden zum Beispiel stereotype Begrifflichkeiten wie »das mittelalterliche Rechtsdenken« (SCHARFFENORTH, 156) verwendet. Fraglich bleibt auch das Verhältnis der mittelal-
Einleitung:
Zur Forschung, Fragestellung und Methode
11
Kritik an den bestehenden Gesellschaftsverhältnissen, die in der sog. »DreiStände-Lehre« ihren Ausdruck findet, wird ebenfalls nicht traditionsgeschichtlich untersucht. 3 1 D i e Hinweise auf die Traditionsgeschichte der Z w e i - R e i c h e - L e h r e Luthers werden von der Forschung nicht eingehend untersucht, sieht man von dem Vergleich zu den civitates Augustins ab. Inwieweit theologisch von einer N o t wendigkeit der Z w e i - R e i c h e - L e h r e 3 2 zu sprechen ist, kann aber nur aus dem historischen Kontext deutlich werden, in dem Luther seine Position formuliert. D e r in Christus schon erlöste Glaubende lebt noch in der vorfmdlichen Welt, zu der er in einem Verhältnis steht, welches die Z w e i - R e i c h e - L e h r e beschreibt. M i t der Beschreibung der Gottesrelation des Menschen k o m m t die Welt und ihre Ordnung ins Spiel. Diese Beschreibung war in der historischen Tradition zwar maßgeblich durch Augustins civitates bestimmt, wurde aber in unterschiedliche politische und theologische Situationen transformiert. Luther greift somit nur mittelbar durch die spätmittelalterliche R e z e p t i o n auf den Kirchenvater zurück. U m die Veränderungen zu erheben, ist es notwendig, besonders die Analyse der Zwei-Gewalten- bzw. Zwei-Schwerter-Lehre bei Theologen wie Aegidius R o m a n u s oder Wilhelm von O c k h a m zu untersuchen. Daneben muß mit einer Fortentwicklung der Z w e i - R e i c h e - L e h r e bei Luther selbst gerechnet werden, die durch unterschiedliche historische Situationen und Kontrahenten gegeben war. Deswegen ist es nicht ausreichend, nur auf die Obrigkeitsschrift zu rekurrieren oder sich nur auf frühe Schriften Luthers zu beschränken. 3 3 Eine genaue Untersuchung des traditionsgeschichtlichen Kontextes ist also von vorrangiger Bedeutung für die Interpretation der Z w e i - R e i c h e - L e h r e . 3 4 D i e Analyse der Forschung zeigt, daß sich angesichts der Disparität der Interpretationsansätze der Versuch lohnt, der Diskussion durch einen historischen Beitrag »festeren Boden« unter den Füßen zu verleihen. Diese Arbeit wird sich auf die Analyse der spätmittelalterlichen Traditionsgeschichte und ihre Transformation bei Luther beschränken. Dabei wird es nicht möglich sein, die spätmittelalterliche Diskussion in ihrer Gesamtheit darzustellen. Als Leitmotiv der Untersuchung der spätmittelalterlichen Verhältnisbeterlichen Traditionen, wie sie beispielsweise in der Bulle Unam sanctam festgelegt wurden, zu den spätmittelalterlichen Aufbrüchen (vgl. u.a. Ockham). 31 Vgl. KÜPPERS, JÜRGEN, Luthers Dreihierarchienlehre als Kritik an der mittelalterlichen G e sellschaftsauffassung, in: E v T h 19, 1959, 361—374; vgl. zur Kritik wiederum MÜLLER, Z w e i - R e i che-Lehre. 3 2 EBELING, GERHARD, Die Notwendigkeit der Lehre von den zwei R e i c h e n , in: Wort und Glaube I, Tübingen 1960, 4 0 7 - 4 2 8 , hier 4 0 7 . 4 1 0 . 3 3 Vgl. hierzu die Warnung von OBERMAN, Thesen 29. 3 4 LOHSE, BERNHARD, Martin Luther. Eine Einführung in sein Leben und sein Werk, M ü n c h e n 1981 (=Einfiihrung), 196; vgl. auch MANNS, PETER, Luthers Z w e i - R e i c h e - und Drei-StändeLehre, in: Luther und die politische Welt, hg. v. ERWIN ISERLOH und GERHARD MÜLLER, Histori-
s c h e F o r s c h u n g e n , B a n d 9 , h g . v. K A R L E R I C H B O R N u n d H A R A L D Z I M M E R M A N N , S t u t t g a r t 3-26.
1984,
12
Einleitung:
Zur Forschung,
Fragestellung
und
Methode
S t i m m u n g e n w i r d deswegen das Bild der »zwei Schwerter« 3 5 gewählt, das f ü r das Gewaltenverhältnis d u r c h ihre Festschreibung in der Bulle Unam sanctam k o n stitutive B e d e u t u n g erhielt. D e r theologische K e r n der Bulle w i r d d u r c h das F ü n f t e Laterankonzil 1516 bestätigt. G e g e n die hier vorliegende kurialistische Festschreibung der plenitudo potestatis papae o p p o n i e r e n seit J o h a n n e s v o n Paris theologische A u t o r e n , u m gerade m i t Hilfe der zwei S c h w e r t e r die A u t o n o m i e der weltlichen Gewalt zu b e g r ü n d e n . D i e hier vorgelegte D a r s t e l l u n g der Z w e i - S c h w e r t e r - L e h r e ( n ) i m Spätmittelalter o r i e n t i e r t sich vor allem an d e n b e i d e n »Investiturkonflikten« z w i s c h e n B o n i f a z VIII. u n d Philipp d e m S c h ö n e n 1302 sowie z w i s c h e n J o h a n n e s X X I I / B e n e d i k t X I I . u n d L u d w i g d e m Bayern in d e n 3 0 e r J a h r e n des 14. J a h r h u n d e r t s . D a r a n schließt sich die U n t e r s u c h u n g der R e f o r m a n s ä t z e der R e i c h s r e f o r m u n d des Konziliarismus, soweit sie das Gewaltenverhältnis betreffen, an, die aber ebenfalls n u r i m U b e r b l i c k erfaßt w e r d e n k a n n . D e r erste Teil dieser A r b e i t w i r d mit der f ü r L u t h e r b e d e u t samen L e h r z u s a m m e n f a s s u n g der spätmittelalterlichen T h e o l o g i e bei G a b r i e l Biel abgeschlossen. D i e d a n n f o l g e n d e historisch-genetische U n t e r s u c h u n g der S c h r i f t e n Luthers betrifft vor allem die T r a n s f o r m a t i o n der Z w e i - S c h w e r t e r - zur Z w e i R e i c h e - L e h r e . I m A n s c h l u ß an die e n t s c h e i d e n d e Phase der A u s e i n a n d e r s e t z u n g Luthers m i t R o m w i r d die A u f g a b e der weltlichen Gewalt v o n verschied e n e n Seiten problematisiert. D i e »Hauptschrift« Luthers zur Z w e i - R e i c h e Lehre, die Obrigkeitsschrift, ist dabei i m wesentlichen eine A n t w o r t a u f J o h a n n v o n Schwarzenbergs K o n z e p t i o n Degladio. Sie ist v o n daher n i c h t systematischtheologische Z u s a m m e n f a s s u n g der A n s c h a u u n g e n Luthers ü b e r die zwei R e i che, s o n d e r n e n t s t a m m t e i n e m k o n k r e t e n h i s t o r i s c h - t h e o l o g i s c h e n U m f e l d . H i e r w i r d n e b e n Luthers R e z e p t i o n der spätmittelalterlichen sowie f r ü h n e u zeitlichen K o n z e p t i o n e n auch die U n t e r s u c h u n g der E n t w i c k l u n g u n d Ausarb e i t u n g der » Z w e i - R e i c h e - L e h r e « v o n B e d e u t u n g sein. D i e Obrigkeitsschrift ist d a m i t vor allem i m U m f e l d der a n d e r e n S c h r i f t e n Luthers zu verstehen. 3 6 E i n e Z u s a m m e n f a s s u n g soll d e n O r t v o n Luthers V e r h ä l t n i s b e s t i m m u n g der b e i d e n R e i c h e in i h r e m historischen K o n t e x t abschließend b e s t i m m e n .
35 Wenn im folgenden von der »Zwei-Schwerter-Lehre« die R e d e ist, so ist das eine sprachliche Verkürzung: es gibt im Spätmittelalter keine explizit ausformulierte Zwei-Schwerter-Lehre, derer sich die verschiedenen Autoren bedient hätten. Eine Zwei-Schwerter-Lehre stellt sich jeweils als Ergebnis der historischen Rückschau heraus. 36 Die Schriften nach d e m Bauernkrieg k ö n n e n allerdings nur ausblickartig erfaßt werden.
Erster Teil
Die spätmittelalterlichen Verhältnisbestimmungen der beiden Schwerter
1. Die Zwei-Schwerter-Lehre in der Auseinandersetzung zwischen Bonifaz VIII. und Philipp dem Schönen 1297—1303
U m nach der spätmittelalterlichen Traditionsgeschichte der Zwei-SchwerterLehre und ihrer Transformation bei Luther zu fragen, stellt die Bulle Unam sanctam einen geeigneten Einsatzpunkt dar. Die aus dem Pontifikat Bonifaz VIII. stammende Bulle von 1302 wird 1516 auf dem Fünften Laterankonzil durch die Zitation ihres Schlußsatzes bezüglich der Heilsnotwendigkeit des Papstgehorsams ausdrücklich bestätigt. Damit zeigt sich die Gültigkeit des in der Bulle dogmatisierten Gehorsams gegenüber dem Papst für die Kirche des beginnenden 16. Jahrhunderts. Die Bulle bildet dabei den vorläufigen Schlußpunkt einer Auseinandersetzung um die Papstgewalt, die eine Reihe von Schriften und Positionen hervorgebracht hat, die von späteren Autoren des 14. und 15. Jahrhunderts wieder aufgegriffen werden1 und an denen Grundlinien der Interpretation zu erkennen sind, die auch in Schriften der Reformationszeit wieder begegnen. Die Bulle gilt somit als Höhepunkt und Zäsur in der jahrhundertealten Auseinandersetzung um das Gewaltenverhältnis.2 Nach der Darstellung der Anfangsphase des Konfliktes zwischen Papst Bonifaz VIII. und König Philipp »dem Schönen« von Frankreich, der sich an der Frage der Klerikerbesteuerung und der Bischofsinvestitur entzündete, werden die Schriften aufseiten des französischen Königs untersucht, die dessen Position flankieren. Auf diese Werke reagieren kurialistische Theologen und Juristen mit einer Subordinationstheorie der weltlichen unter die geistliche Gewalt, wohingegen antikurialistische Theologen, insbesondere Johannes von Paris, die göttliche Legitimation der weltlichen Gewalt und ihre Selbständigkeit von einer geistlichen Gewalt betonen. Schließlich kommt es 1302 zur Formulierung der Bulle Unam sanctam, während das Pontifikat des Papstes sein Ende in
1 Vgl. ULLMANN, WALTER, Die Bulle U n a m Sanctam. R ü c k b l i c k und Ausblick, in: R ö H M 16, R o m / W i e n 1974, 4 5 - 7 7 (= Bulle), hier 71. 2 Die Bulle wird als »Höhepunkt und Abschluß« der hierokratischen Konzeption verstanden (so KÖLMEL, WILHELM, R e g i m e n Christianum. Weg und Ergebnisse des Gewaltenverhältnisses und des Gewaltenverständnisses (8. bis 14. Jahrhundert), Berlin 1970 (= R e g i m e n ) , 406). Auch das Pontifikat Bonifaz VIII. stellt eine historische Zäsur dar (ULLMANN, WALTEE, Boniface V I I I . and his contemporary scholarship, J T h S 27, 1976, 58—87 (= Scholarship), hier 58). Die Bulle ist die Grundlage der weiteren kurialen Anschauung über die Stellung des Papstes (FEINE, HANS ERICH, Kirchliche Rechtsgeschichte. Die katholische Kirche, Köln/Wien 5 1 9 7 2 , 451).
1. Zwischen
Bonifaz
VIII. und Philipp dem
15
Schönen
den Wirren um die Gefangennahme Bonifaz VIII. in Anagni 1303 findet. Die Folge der Annäherung der Kurie an Frankreich ist die Außerkraftsetzung der Bulle Unam sanctam für Frankreich. Zur Vorgeschichte der Zwei-Schwerter-Lehre müssen zunächst einige Anmerkungen gemacht werden. Die duae potestates oder auctoritates, deren begriffliche Verwendung gemeinhin mit dem Namen von Papst Gelasius I. verbunden ist, werden in allegorischer Auslegung des Textes von Lk 2 2 , 3 8 seit Petrus Damiani als zwei Schwerter verstanden. 3 Bernhard von Clairvaux deutet die Schwerter-Allegorie als Beleg der Subordination des weltlichen unter dem geistlichen Schwert. Dabei betont er an dem Satz: Converte gladium tuum in vaginam (Mt 26,52; J o h 18,11), das Wort tuum, um den kirchlichen Besitz des weltlichen Schwertes zu markieren. 4 Geführt werden darf das Schwert deswegen von der Kirche zwar nicht, so Bernhard, aber sie besitzt es und läßt es für sich von der weltlichen Gewalt fuhren, wie Jesus durch seine Antwort: Satis est, bestätigt. Daraus ergibt sich: Uterque ergo ecclesiae, et spiritalis scilicet gladius, et materialis, sed is quidem pro ecclesia, ille vero et ab ecclesia exserendus: ille sacerdotis, is militis manu, sed sane ad nutum sacerdotis et iussum imperatoris,5 Bernhard fugt dem bis zu Papst Gregor VII. und damit bis zum ersten Investiturstreit zurückzuverfolgenden Anspruch der Kirche den biblischen Beleg Lk 2 2 , 3 8 hinzu, 6 wodurch nun die plenitudo potestatis papae nicht mehr nur durch die Konstantinische Schenkung nachgewiesen werden kann. 7
3
Isti sunt duogladii,
de quibus in Domini passione legitur: Ecce duogladii
hic, et respondetur a
Domino:
Sufficit (Sermo Nr. 6 9 ; P L 1 4 4 , 9 0 0 ; vgl. hierzu LEVISON, WILHELM, D i e mittelalterliche Lehre von den beiden Schwertern, in: D A 9, 1 9 5 2 , 14—42, hier 28f.). H i e r werden die beiden Schwerter z u nächst als das Zusammenwirken der kirchlichen Bußdisziplin und der Rechtspflege des Königs begriffen (so HOFFMANN, HARTMUT, D i e beiden Schwerter im h o h e n Mittelalter, in: D A 2 0 , 1 9 6 4 , 7 8 - 1 1 4 , hier 79). 4 Vgl. LEVISON, 32 f. Bernhard ist der locus classicus für diese Interpretation der beiden Schwerter (BOASE, THOMAS S . R . , B o n i f a c e V I I I . , L o n d o n 1 9 3 3 , 3 2 1 ) . 5
BERNHARD VON CLAIRVAUX, De consideratone
I V 3 , 7 (S. BERNARDI, O p e r a V o l . I I I . T r a c t a t u s e t
o p u s c u l a , h g . v . J . LECLERQ U. H . M . R O C H A I S , R o m
1963,
454,11-14).
6
V g l . LEVISON, 3 2 , A n m . 1 0 4 .
7
D a ß mit dem in L k erwähnten gezogenen Schwert unzweifelhaft das weltliche gemeint war,
unterstreicht unter anderem Papst Gregor I X . : Dicendo >tuum< materialem
signavit gladium,
quo per-
cusserat ille servum principis sacerdotum. De spirituali nemini venit in dubium, cum ei, id est Petro, per cuiusdam spiritualitatis
apicem ligandi et solvendi commiserit potestatem.
Uterque igiturgladius
sed ab Ecclesia exercendus est unus, alius pro Ecclesia, manu saecularis principis eximendus: alius ad nutum sacerdotis administrandus
Ecclesiae
traditur,
unus a sacerdote,
a milite (POTTHAST, AUGUST, R e g e s t a Pontificum R o m a n o -
r u m inde ab a. post Christum natum M C X C V I I I ad a. M C C C I V , Berlin 1 8 7 4 , N r . 9 1 9 8 ) .
16
Erster Teil: Die spätmittelalterlichen
Verhältnisbestimmungen
der beiden
Schwerter
1.1 Der Konflikt u m die Klerikerbesteuerung u n d die Bischofsinvestitur 1297—1302 Die Vorgeschichte der literarischen Auseinandersetzung um das Gewaltenverhältnis zu Beginn des 14. Jahrhunderts ist geprägt durch den Konflikt um Klerikerbesteuerung und Bischofsinvestitur zwischen dem französischen König und dem Papst. Nachdem aufgrund der Sedisvakanz 1292—1294 die päpstliche Schlichtungspolitik in der Auseinandersetzung zwischen England und Frankreich um die englischen Besitzungen in der Guyenne und Gascogne zum Erliegen gekommen war, brach 1294 der Krieg zwischen den beiden Ländern aus, in dessen Verlauf die Kontrahenten den Klerus zur Kriegssteuer angehalten hatten, ohne die seit dem Vierten Laterankonzil übliche Zustimmung der Kurie einzuholen. 8 Andererseits hatte der steigende Finanzbedarf Roms - u.a. bedingt durch den Kampf gegen die Staufer im 13. Jahrhundert 9 - eine Monopolisierungstendenz der Zehntabgaben und der Kreuzzugssteuer pro necessitate ecclesiae zur Folge. Eine Nutzung der Klerussteuer für weltliche Zwecke wurde damit erheblich erschwert. Die Auseinandersetzung zwischen Papst und Frankreich beginnt 1296 mit dem Protest des französischen Klerus gegen den von König Philipp IV. neu ausgeschriebenen Jahreszehnten. Papst Bonifaz VIII. unterstützt diesen Protest mit der Bulle Clericis laicos vom 24.02. 1296, die auf den mit der Besteuerung vorliegenden grundsätzlichen Verstoß gegen die auetoritas apostolica verweist, welcher allein das Besteuerungsrecht zukomme. 10 In diesem Verweis manifestiert sich die kirchliche Freiheit gegenüber weltlichen Gesetzen." Im Gegenzug erläßt der französische König am 18.08. 1296 ein Ausfuhrverbot für Edelmetalle und Geldwechsel, wodurch die Verteidigungsfähigkeit des 8 Vgl. S C H O L Z , R I C H A R D , Die Publizistik zur Zeit Philipps des Schönen und Bonifaz' VIII. Ein Beitrag zur Geschichte der politischen Anschauungen des Mittelalters, KRA 6—8, Stuttgart 1903 (= Publizistik); K Ö L M E L , Regimen 398-407; D I G A R D , GEORGES, Philippe le Bel et le Saint-Siège de 1285 à 1304, hg. v. FRANÇOISE L E H O U X , Paris 1936; M I E T H K E , J Ü R G E N , De potestate papae. Die päpstliche Amtskompetenz im Widerstreit der politischen Theorie von Thomas von Aquin bis Wilhelm von Ockham, S u R . N R 16, Tübingen 2000 (= De potestate), 68ff. 9
V g l . h i e r z u FEINE, 3 4 1 .
Plus timentes maiestatem temporalem offendere, quam aeternam, talium abusibus non tarn temerarie, quam improvide acquiescunt, Sedis Apostolicae auetoritate seu licentia tum obtenta: Nos ioni ir talibus iniquis actibus obviare potentes, defratrum nostrorum Consilio Apostolica auetoritate statuimus, quod [es folgt die Aufzählung der einzelnen erlassenen Bestimmungen; ...] si quis autem hoc attentarepraesumpserit, indignationem omnipotentis Dei, & BB. Petri & Pauli Apostolorum eius se noverit ineursurum ( D U P U Y , P I E R RE, Histoire du différend d'entre le pape Boniface V I L I et Philippes le Bel, roy de France, Paris 1655, Nachdruck Tucson 1963, 14f.; ebenfalls ediert in L E S R E G I S T R E S DE B O N I F A C E V I L I , hg. v. GEORGES D I G A R D , M A U R I C E FAUCON, A N T O I N E T H O M A S U. R O B E R T F A W T I E R , Band I - I V , Paris 1907-1939 (= Reg.Bon.), 1567). 11 Die Bulle ist in das päpstliche Register bezeichnenderweise unter der Überschrift Constitutio de liberiate ecclesiastica eingetragen (vgl. wiederum Reg.Bon. 1567). 10
1. Zwischen
Bonifaz
Vili,
und Philipp dem
Schönen
17
Reiches gewährleistet bleiben soll. Das Ausfuhrverbot wird demnach wegen der ratio naturalis und der aequitas erforderlich.' 2 Der Konflikt zwischen der Legitimation des Papstes aufgrund göttlichen Rechts und der naturrechtlichen Handlungshoheit eines weltlichen Herrschers bricht somit erneut auf. Die Konfliktlinien sind als analog zum Investiturstreit zwischen Gregor VII. und Heinrich IV. zu verstehen. Die naturrechtliche Handlungshoheit ist dabei noch nicht die Spitze der königlichen Argumentation: Die Textüberschrift des königlichen Ausfuhrverbotes erhält durch diesen Konflikt eine besondere Pointe, wenn sich Philipp zunächst als Philippus Deigratia Francorum Rex bezeichnen läßt und damit über das Naturrecht hinaus seine Legitimation aus göttlichem Recht betont. 13 Die Legitimationsproblematik führt in Frankreich zu einer umfangreichen »publizistischen«14 Tätigkeit. Von besonderer Bedeutung ist zunächst die in Frankreich im Zusammenhang mit der Bulle Clericis laicos entstandene Disputatio inter clericum et militem.K D e m Verfasser, der sich selbst als miles in einem Gespräch mit einem Kleriker darstellt, geht es nicht primär um einen Angriff gegen die Papstgewalt, sondern um die Darstellung der Verfügungsgewalt des französischen Königs über seine Kirche, die das frühmittelalterliche Eigenkirchenrecht des Herrschers in die derzeitigen Verhältnisse transponiert. Dazu dient der Disputation eine Unterscheidung des geistlichen und weltlichen
12 Ad statum prosperum & defensionem necessariam regni nostri, ad cuius impugnationem hostilis iniquitas [...] naturalis ratio suggerit & aequitas persuadet, ut potenter valeat & viriliter defensari (DUPUY, 13). 13 Vgl. DUPUY, 13. D i e alte Behauptung des rex Deigratia greift nicht m e h r und n e u e B e g r ü n dungen müssen gefunden werden (so ULLMANN, Bulle 5 7 f . ) . Philipp kann die F o r m e l dort verwenden, w o der Geltungsbereich seiner Herrschaft unabhängig von kirchlicher Vermittlung z u gespitzt formuliert werden soll. 1 4 Z u r Begriffsverwendung vgl. vor allem die Arbeit SCHOLZ, Publizistik. D e r B e g r i f f » P u b l i z i stik« ist für die W e r k e von Autoren des 14. Jahrhunderts nur eingeschränkt verwendbar, weil er das m o d e r n e Verständnis nahelegt ( = Zeitungswissenschaft). D e r B e g r i f f e r w e c k t auch den Eindruck, die thematisierten Schriften seien e i n e m breiten Publikum zugänglich gewesen. Es ist aber vielm e h r davon auszugehen, daß sie als Vorbereitung einer königlichen oder päpstlichen Verlautbarung oder ungefragt als »Talentprobe« für einen kleinen Rezipientenkreis verfaßt wurden (vgl. hierzu die U n t e r s u c h u n g von MIETHKE, J ü r g e n , Das Konsistorialmemorandum »De potestate pape« des H e i n r i c h von C r e m o n a von 1 3 0 2 und seine handschriftliche Uberlieferung, in: Studi sul X I V secolo in m e m o r i a die Anneliese Maier, S e L 151, R o m 1 9 8 1 , 421—451 ( = Konsistorialmemorandum), hier 4 4 4 - 4 4 8 ) . 15 Vgl. hierzu SCHOLZ, Publizistik 3 3 3 - 3 5 2 ; KÖLMEL, R e g i m e n 4 7 7 f . D e r Text ist ediert in DYSON, R . W . (Hg.), T h r e e roylist tracts 1296—1302. A n t e q u a m essent clerici. Disputatio inter C l e r i c u m et Militem. Quaestio in utramque partem, D u r h a m 1 9 9 9 , 12—45. Von diesem Text sind 21 Handschriften, zum Teil fragmentarisch, erhalten (MIETHKE, D e potestate 3 0 6 ) . Für die Abfassung in Frankreich spricht die Verteidigung eines imperial geprägten Königtums in Frankreich (vgl. SCHOLZ, a.a.O. 3 3 7 f f . ) . D e r Terminus ante quem ist vermutlich das J a h r 1 3 0 2 , weil ein schriftlicher Zusatz in einer Handschrift sich mutmaßlich auf die E r n e u e r u n g der Bulle Clericis laicos 1 3 0 2 bezieht, so daß zu diesem Zeitpunkt die Disputation schon vorliegen m u ß . E i n e in der F o r schung erwogene Verfasserschaft Pierre D u b o i s ' läßt sich nicht belegen (SCHOLZ, a.a.O. 3 3 7 ) .
Erster Teil: Die spätmittelalterlichen
18
Verhältnisbestimmungen
der beiden
Schwerter
Bereichs. 16 Das Recht und die Gesetze sind immer leges humanae. Dem geistlichen Stand bleibt lediglich eine Urteilsfähigkeit über moralische Vergehen, nicht aber eine eigene Jurisdiktionsgewalt. Mittels der Aufhebung der bisherigen Identifizierung von peccatum und iniustum, also der Ubersetzung der Sündhaftigkeit des Menschen in einen justitiablen Tatbestand, die der geistlichen Seite eine sog. Jurisdiktionsgewalt ratione peccati ermöglichte, wird die kirchliche Gewalt auf die cognitio de peccato, die Feststellung einer Sünde eingeschränkt. Diese cognitio erfolgt aber nicht per se angesichts einer Sünde, sondern wird erst bei ausbleibender weltlicher Gerichtsbarkeit und Strafverfolgung aufgerufen. Zugleich resultiert aus der cognitio nicht etwa eine nach der cognitio einsetzende Jurisdiktionsfähigkeit, sondern die Aufgabe der geistlichen Gewalt bleibt auf die monitio beschränkt. Mit dieser Beschränkung versucht die Disputatio, die nach mittelalterlichem Rechtsverständnis bestehenden causae mixtae auszuschalten. Die causae mixtae sahen für bestimmte Rechtstatbestände eine gleichzeitige Zuständigkeit der weltlichen und der geistlichen Gewalt vor. Die geistliche Gewalt konnte dabei eine Zuständigkeit ratione peccati an sich ziehen. Bei der in Frankreich festgesetzten Klerikerbesteuerung war die geistliche Gewalt von daher in der Lage, ihre Kleriker aus dem Geltungsbereich eines französischen Steuergesetzes herauszunehmen, wenn sie angesichts des Gesetzes das Vorliegen einer Sünde oder Straftat konstatierte. Die Bulle Clericis laicos kann als eine solche Konstatierung verstanden werden, wogegen die Disputatio versucht, die Berechtigung dazu zu widerlegen. Für temporale Angelegenheiten wie das Steuerrecht gelten nach der Disputatio auch die weltlichen leges, wodurch eine päpstliche Verfügungsgewalt über Temporalien bestritten wird. Der Text kehrt die kuriale Argumentation um, wenn er im Gegenteil den weltlichen Schutz der Kirche gerade durch die Steuerpolitik gewährleistet sieht. Gegen eine klassischerweise mittels der Konstantinischen Schenkung begründete Subordination des französischen Königs unter den Papst behauptet die Disputatio die gewohnheitsrechtlich legitimierte Souveränität des französischen Königs. 17 Damit vermittelt dieses Werk einen ersten Eindruck von der sich neu formierenden antikurialistischen Front. 18 Das unmittelbare Verhältnis der beiden Gewalten anhand einer allegorischen Deu16
Vgl. zum
folgenden
SCHOLZ, P u b l i z i s t i k 345FF.
Zur gewohnheitsrechtlichen Argumentation vgl. auch die späteren Trakate unten S. 40ff. 1 8 Vgl. hier auch die ähnlich argumentierende Schrift Antequam essent clerici, die als Vorbereitung der Antwort des französischen Königs auf die Bulle lneffahilis (vgl. unten Anm. 13) angesehen werden kann (ed. DYSON, a.a.O. 2—11; zur Verfasserschaft Flottes und inhaltlichen Analyse SCHOLZ, Publizistik 3 5 9 f . ; KÖLMEL, R e g i m e n 476). Ein päpstliches Steuerverbot stellt einen E i n griffin die naturrechtlich begründete Ordnung des regnum dar. Eine R e d e Flottes vor der Nationalversammlung in Paris vom 1 2 . 0 4 . 1302, die das Zwei-Gewalten-Verhältnis zum Gegenstand hatte, ist heute nicht mehr erhalten (SCHOLZ, Publizistik 357); zur vermutlich von Flotte verfaßten gefälschten Bulle Deum time siehe unten S. 2 0 f . 17
?. Zwischen
Botiifaz
VIII. und Philipp dem
Schönen
19
tung des Zwei-Schwerter-Bildes Lk 22,38 wird dabei zunächst kaum thematisiert. 19 Zwischenzeitlich kommt es zu einer Entspannung zwischen Papst und Frankreich, weil sich das von Frankreich bedrohte Flandern England annähert und Kontakt mit dem Deutschen R e i c h aufnimmt und Frankreich im Gegenzug an einer Verständigung mit dem Papst interessiert ist. D e r Papst ist dagegen durch die ausbleibenden französischen Einnahmen in seinem Handlungsspielraum stark eingeschränkt und relativiert deswegen die Gültigkeit der Bulle Clericis laicos für Frankreich. B e i einer in Notlagen nicht mehr rechtzeitig einholbaren Zustimmung des Papstes zu Sondersteuern sind diese dennoch pro defensione regni erlaubt, freiwillige Abgaben des Klerus gelten nicht mehr als genehmigungspflichtig. 20 Auf die Bitte des französischen Episkopats, Sondersteuern entrichten zu dürfen, genehmigt der Papst diese für ein Jahr. D e r Klerus entschließt sich daraufhin sogar zu einem zweijährigen Zehnt. Von dem durch die innerkuriale Auseinandersetzung mit den Colonna-Kardinälen 2 1 geschwächten Papst erreicht eine Gesandtschaft Pierre Flottes daraufhin sogar die Aufhebung der Bulle Clericis laicos für Frankreich. 22 Der König selbst könne demnach eine »Notlage« definieren, in der er den Papst nicht mehr um Bewilligung zu fragen in der Lage sei. D e r zunächst beigelegte Konflikt bricht im Zuge der Investitur des Bischofs von Pamiers wieder auf. Zwischen dem Abt Bernhard Saisset und Graf R o g e r von Foix bestand ein Kampf um die Herrschaft in Pamiers. In diese Auseinandersetzung war Bonifaz VIII. im Juli 1295 mit der Gründung eines Bistums in Pamiers eingetreten. 23 Das neue Bistum wurde mit einer R e i h e von päpstlichen
19 Aus der Frühzeit dieses Konflikts ist lediglich auf die Schrift De ahreviatione von Pierre D u bois 1 3 0 0 zu verweisen, in der D u b o i s behauptet, daß kein M e n s c h (und also auch nicht der Papst) zwei Schwerter in Händen halten k ö n n e (fol. 7, zitiert nach SCHOLZ, Publizistik 4 0 9 , A n m . 128). 2 0 Bulle Ineffabilis amoris v o m 2 0 . 0 9 . 1 2 9 6 (DUPUY, 15; R e g . B o n . 1 6 5 3 ) und Bulle Romana ter v o m 0 7 . 0 2 . 1 2 9 7 ( R e g . B o n . 2 3 1 2 ; POTTHAST Nr. 2 4 4 6 8 ) .
ma-
2 1 Vgl. hierzu DENIFLE, HEINRICH, D i e Denkschriften der C o l o n n a gegen B o n i f a z V I I I . und der Cardinäle gegen die C o l o n n a , A L K G M A 5, 1 8 8 9 , 4 9 3 - 5 2 9 ; FINKE, HEINRICH, AUS den Tagen B o n i f a z V I I I . Funde und Forschungen, V R F 2, Münster 1 9 0 2 ( = Bonifaz), 108ff.; MÖHLER, LUDWIG, D i e Kardinäle J a k o b und Peter C o l o n n a . E i n Beitrag zur Geschichte des Zeitalters B o n i f a z ' V I I I . , Q F G 17, Paderborn 1 9 1 4 ; NEUMANN, RICHARD, D i e C o l o n n a und ihre Politik von der Z e i t Nikolaus IV. bis zum Abzüge Ludwigs des Bayern aus R o m 1288—1328, Langensalza 1 9 1 4 ; SCHOLZ, Publizistik 190FF. D i e Auseinandersetzung mit den Colonna-Kardinälen, die die R e c h t mäßigkeit des Pontifikates von B o n i f a z bestreiten, hat keine unmittelbaren Auswirkungen a u f das Verständnis der Gewaltenrelation. 22
Bulle Etsi de statu v o m 3 1 . 0 7 . 1 2 9 7 ( R e g . B o n . 2 3 5 4 ) .
Vgl. POTTHAST N r . 2 4 1 4 8 ; R e g . B o n . 4 1 1 ; B u l l . R o m . IV, 1 3 2 f . Das B i s t u m ist eine Ausgliederung aus dem nach M e i n u n g des Papstes unregierbar großen B i s t u m Toulouse (vgl. BAUMHAUER, AUGUST, D i e Gründung des französischen Bistums Pamiers i m Z u s a m m e n h a n g mit dem Streite zwischen Philipp dem S c h ö n e n und Papst Bonifaz V I I I . , Z K G 4 5 , 1 9 2 6 , 3 5 8 - 3 6 9 , hier 3 6 2 ) . D e r Zeitpunkt dieser Teilung ist möglicherweise als »Demonstration« der päpstlichen M a c h t g e wählt worden (so BAUMHAUER, ebd.). 23
20
Erster Teil: Die spätmittelalterlichen
Verhältnisbestimmungen
der beiden Schwerter
Privilegien versehen, Graf R o g e r von Foix e x k o m m u n i z i e r t u n d über die Stadt Pamiers das Interdikt verhängt. 2 4 K ö n i g Philipp IV. lehnt n u n Saisset als n e u e n Bischof ab, i n d e m er auf seine gewohnheitsrechtliche Mitsprache u n d sein Annullierungsrecht im Falle einer o h n e seine Z u s t i m m u n g ergangenen Wahl hinweist. 2 "' A n f a n g 1301 ü b e r n i m m t BischofSaisset eine Gesandtschaft an den H o f P h i lipps im Auftrag des Papstes. Diese Gesandtschaft f u h r t zur G e f a n g e n n a h m e Saissets, zur Anklage wegen Hochverrats u n d zur A u f f o r d e r u n g an den Papst zur Absetzung des Bischofs. D e r G r u n d f ü r diese Zuspitzung liegt vermutlich in der n o c h wachen E r i n n e r u n g an die alte Konfrontation. 2 6 Anscheinend hat Saisset die Gelegenheit genutzt, den K ö n i g an seinen Papstgehorsam zu erinn e r n , o b mit oder o h n e Auftrag des Papstes. O h n e P r ü f u n g des Absetzungsgesuches fordert Bonifaz am 0 5 . 1 2 . 1301 die Freilassung Saissets. Zugleich w e r den die d e m K ö n i g gewährten Privilegien mit der Wiederinkraftsetzung der Bulle Clericis laicos aufgehoben. 2 7 D i e Auseinandersetzung f ü h r t weiter zur E i n b e r u f u n g einer Synode nach R o m , auf der neben d e m französischen Klerus auch der angeklagte K ö n i g erscheinen soll, u m über die Lage in Frankreich R e c h e n s c h a f t abzulegen. D i e päpstlichen Rechtsansprüche werden dabei mit d e m Hinweis a u f j e r 1,10 u n t e r m a u e r t , w o n a c h der Papst sich in der Nachfolge des P r o p h e t e n Jeremia als super gentes et regna gesetzt versteht. 2 8 N o c h vor Z u s t a n d e k o m m e n einer römischen Synode reagiert die französische Seite mit der Veröffentlichung der sog. gefälschten Bulle Deum time, einer Zuspitzung der Bulle Ausculta fili, als deren Verfasser der französische Kanzler Pierre Flotte gilt. 29 D e m Papst wird hierin die B e t o n u n g der absoluten H e r r schaft über weltliche u n d geistliche D i n g e in den M u n d gelegt 30 u n d daneben d e m K ö n i g das generelle R e c h t der Regalienverleihung u n d nicht m e h r nur die Zuständigkeit im Pamiers-Fall entzogen. Eine Häresieklausel im Falle einer
24
Vgl. R e g . B o n . 161. In d e r späteren A n k l a g e s c h r i f t g e g e n B o n i f a z v o m 0 6 . 1 0 . 1 3 0 3 (vgl. DUPUY, 2 0 9 f f . ) w i r d v o n d e r complacentia regum, patronorum et populi g e s p r o c h e n , die in f r ü h e r e n Z e i t e n a u f die cognitio plenaria b e z ü g l i c h e i n e r päpstlich v e r o r d n e t e n B i s t u m s t e i l u n g folgte. G e g e n diesen G r u n d s a t z h a b e B o n i f a z v e r s t o ß e n . M i t complacentia, W o h l g e f a l l e n o d e r Z u s t i m m u n g , ist die Teilhabe weltlic h e r A u t o r i t ä t e n an d e r E n t s c h e i d u n g s f i n d u n g in e i n e r s o l c h e n Frage in die Diskussion e i n g e f ü h r t , m i t d e r die V e r f ü g u n g s g e w a l t des K ö n i g s ü b e r die K i r c h e seines Landes z u m A u s d r u c k kommt. 26 Vgl. hierzu MIETHKE, D e p o t e s t a t e 83. 25
27
B u l l e Salvator
mundi
( R e g . B o n . 4 4 2 2 ; D U P U Y , 4 2 ; v g l . D u BOULAY, CÉSAR ÉGASSE, H i s t o r i a
Universitatis Parisiensis, B a n d IV, Paris 1668, N a c h d r u c k F r a n k f u r t a . M . 1966, 5f.). 2B Bulle Ausculta fili ( R e g . B o n . 4 4 2 4 ; DUPUY, 48 ff.; vgl. D u BOULAY IV, 7 ff). 29
E d . DUPUY, 4 4 ; vgl. SCHOLZ, P u b l i z i s t i k
12f. D e r Begriff »Fälschung«
(so SCHOLZ,
ebd.;
WOLTER, HANS, D i e Krise des P a p s t t u m s u n d d e r K i r c h e i m A u s g a n g des 13. J a h r h u n d e r t s (1274— 1303), in: H K G I I I / 2 , F r e i b u r g / B a s e l / W i e n 1985, 2 9 7 - 3 6 2 , h i e r 352) trifft n i c h t g e n a u d e n Sachverhalt d e r h i e r v o r l i e g e n d e n p o l e m i s c h e n V e r k ü r z u n g . 311 Scire te volumus, quod in spiritualibus et temporalibus nobis subes (ed. DUPUY, 44).
/. Zwischen
Bonijaz
VIII. und Philipp dem
Schönen
21
hiervon abweichenden Meinung normiert diese Position. Eine solche Klausel schließt auch die ebenfalls fingierte königliche Antwort an den Papst ab, in der Philipp dem Papst, tua maxima fatuitas (!), entgegenhält, in weltlichen Dingen niemandem Untertan zu sein.31 Die gefälschte Bulle Deum time und der Antwortbrief Sciat zeigen die radikale Alternative, auf die die bisherige Auseinandersetzung zuläuft. Entweder reicht die potestas papae analog zu Jer 1,10 über die geistlichen und weltlichen Dinge oder sie reicht nur über geistliche Belange, weil über weltliche der französische König in seinem Territorium souverän ist. Der Papst behält sich ratione peccati ein EingrifFsrecht in weltliche Angelegenheiten vor, weil ihm dies aus der göttlichen Legitimation seiner auctoritas zukommt. Die gefälschte Bulle erkennt die Absicht des päpstlichen Anspruchs, indem ihr Zentralsatz eine Zusammenfassung von Jer 1,10 nach kurialistischer Auslegung darstellt. Die Schriften auf Seiten des französischen Königs argumentieren gewohnheits- und naturrechtlich, wonach der König in weltlichen Angelegenheiten seines Reiches souverän ist und Gesetze beispielsweise pro defensione regni erlassen kann. Die Tradition dieser Argumentation ist in der frühmittelalterlichen Vorstellung des Eigenkirchenrechts zu sehen, woraus sich für den Herrscher eine vermögensrechtliche Verfugungs- und geistliche Leitungsgewalt über die Kirche seines Herrschaftsgebietes ergab.32 Gerade in Frankreich erstreckt sich die Souveränität des Königs über seine Kirche auch auf die Bistümer, so daß im Pamiers-Fall dieses Recht elementar berührt wurde. Auch das Argument, die Klerikersteuer würde den Schutz der Kirche durch den König zuallererst ermöglichen, deutet in die Richtung des vormals eigenkirchenrechtlichen Verständnisses. Bei Philipp von Frankreich zeigt sich bis zu diesem Zeitpunkt insbesondere die Behauptung einer vermögensrechtlichen Verfügungsgewalt über die Kirche. Bonifaz mag diese Behauptung allerdings als Ungehorsam gegen die päpstliche Macht verstanden haben, was insbesondere die kurialen Theologen zum Widerspruch reizen mußte.
In temporalibus nos alicui non subesse (ed. D U P U Y , 4 4 ) . Vgl. zum Eigenkirchenrecht einführend L A N D A U , PETER, Art. Eigenkirche, in: R G G 2 , 4 1999, 1133f.; DERS., Art. Eigenkirchenwesen, in: T R E 9, 1982, 399-404. Der Begriff wird hier angewendet, ohne die Diskussion über die Definition durch Ulrich Stutz von 1895 weiter zu berücksichtigen (vgl. zu Stutz besonders ebd., 399 f.). Stutz definierte den Begriff Eigenkirche als »ein Gotteshaus, das dem Eigentum oder besser einer Eigenherrschaft derart unterstand, daß sich daraus nicht bloß die Verfügung in vermögensrechtlicher Beziehung, sondern die volle geistliche Leitungsgewalt ergab.« Umstritten ist heute seine Analyse, das Eigenkirchenrecht aus dem germanischen Hauspriestertum abzuleiten. Vielmehr ist damit zu rechnen, daß in der spätantiken Entwicklung der Grundherrschaft die Wurzel des Eigenkirchrechts zu finden ist. 31
32
22
Erster Teil: Die spätmittelalterlichen
Verhältnisbestimmungen
der beiden
Schwerter
1.2 D i e Schriften kurialistischer T h e o l o g e n und Juristen als R e a k t i o n auf die französische Herausforderung Die Kurie will die Frage nach dem Verhältnis von geistlicher und weltlicher Gewalt grundsätzlich klären. Zahlreiche Schriften ebnen schließlich den Weg für die Bulle Unam sanetam,33 1.2.1 Aegidius Romanus: Die totale Subordination des weltlichen Schwertes und seine dennoch angemessene Existenz Der bedeutendste kurialistische Vertreter ist der Augustinereremit und T h o masschüler Aegidius Romanus (gestorben am 2 2 . 1 2 . 1316 in Avignon). 34 Seit 1290 stand Aegidius mit dem späteren Papst in Kontakt: Bonifaz VIII., noch als Kardinallegat, hatte ihn auf dem Nationalkonzil in Sainte-Geneviève mit der Suspendierung Heinrichs von Gent beauftragt. Seit 1296 unterstützte Aegidius den Papst nun gegen Frankreich. In R o m blieb er bis zum Tod des Papstes 1303 und wirkte an der Abfassung der Bulle Unam sanetam mit, wie unter anderem auch zahlreiche inhaltliche Ubereinstimmungen mit seiner Hauptschrift De ecclesiastica potestate zeigen. 35 Diese Schrift selbst ist kurz vor der Bulle zwischen Februar und August 1302 entstanden und dem Papst gewidmet. 36 In Liber I wird die notwendige Unterordnung der weltlichen Gewalt unter die geistliche ausgeführt. Liber II bestimmt die Reichweite der geistlichen Gewalt über die temporalia, besonders
33
Vgl. hierzu grundlegend MIETHKE, D e potestate 94ff.
34
Z u r B i o g r a p h i e v g l . B U R G E R , CHRISTOPH, A r t . A e g i d i u s v o n R o m , i n : R G G
1,
4
1998,
131;
EASTMAN, J O H N R . , D a s L e b e n d e s A u g u s t i n e r - E r e m i t e n A e g i d i u s R o m a n u s ( c . 1 2 4 3 — 1 3 1 6 ) , i n : ZKG
100, 1989, 3 1 8 - 3 3 9 ;
R o m , in: T R E
1, 1 9 7 7 ,
S C H O L Z , P u b l i z i s t i k 3 2 - 4 5 ; Z U M K E L L E R , ADOLAR, A r t . Ä g i d i u s
von
462-465.
3 5 Das Ausreiseverbot des Königs zur Novembersynode 1302 war für Aegidius unwirksam, da er sich seit Herbst 1301 bereits in R o m aufhielt. Z u seiner Teilnahme an der Synode 1302 vgl. die Teilnehmerliste bei DUPUY, 86. Anders als in seinem kurialistischen Traktat hatte Aegidius 1 2 8 0 ausgerechnet für Philipp von Frankreich, damals noch Kronprinz, einen Fürstenspiegel verfaßt, in dem er mit aristotelischen Mitteln die französische Erbmonarchie begründete und den Sinn staatlicher Organisation in der Glückseligkeit des Bürgers feststellte. Diese Argumentation läßt sich mit De ecclesiastica potestate nicht ohne weiteres in Einklang bringen, so daß man davon ausgehen muß, daß Aegidius hier eine »Wandlung« vollzogen hat, die möglicherweise dadurch unterstützt wurde, daß ihn der Papst zum Erzbischof von Bourges berief (vgl. hierzu GRABMANN, MARTIN, Studien über den Einfluß der aristotelischen Philosophie auf die mittelalterlichen T h e o r i e n über das Verhältnis von Kirche und Staat, SBAW.PH, Heft 2, M ü n c h e n 1 9 3 4 ( = Aristotelesrezeption), 67f.; KÖLMEL, R e g i m e n 291 ff.; SCHOLZ, Publizistik 98ff.; ULLMANN, Bulle 63). 36
V g l . d i e E d i t i o n A E G I D I U S R O M A N U S , D e e c c l e s i a s t i c a p o t e s t a t e , h g . v. R I C H A R D S C H O L Z ,
Weimar 1929. Z u r Datierung vgl. ebd., X ; zur Widmung ebd., 4.
!. Zwischen Bonifaz
VIH. und Philipp dem
Schönen
23
im Hinblick auf die Eigentumsfrage. Liber III erörtert mögliche Einwände und Vorbehalte gegen den theologischen Standpunkt und widerlegt diese. 37 Aegidius verwendet die zwei Schwerter Lk 2 2 , 3 8 in der bernhardinischen Deutung für die beiden Gewalten als durchgängiges Motiv seiner Schrift. 38 Zentral für das Schwerterverhältnis ist die Subordination des weltlichen Schwertes. Dazu greift Aegidius auf die Auslegung von J e r 1,10 durch Hugo von St. Viktor zurück, wonach die jeremianische Verheißung super gentes et regna der Kirche gilt. Damit ist die geistliche Gewalt für die Einsetzung des weltlichen Schwertes verantwortlich und besitzt zugleich die Jurisdiktionsfähigkeit über die weltliche Gewalt. 39 Neben der biblischen Begründung ist diese Verhältnissetzung auch der ratio naturalis zugänglich. Mittels der pseudo-dionysianischen Hierarchienlehre wird dabei das auch naturrechtlich verständliche göttliche Gesetz beschrieben, das in der Rückführung der infima durch die media in die suprema besteht. 40 Wendet man diese Gleichung auf die Schwerter an, so stellt das geistliche Schwert oder die Kirche das Medium dar, durch welches das weltliche Schwert als Unvollkommenes in die Vollkommenheit zurückgeführt werden kann. Damit unterliegt die weltliche Gewalt der geistlichen nicht nur in geistlichen Belangen, sondern ist ihrer sakramentalen W i r k mächtigkeit in vollem Umfang subordiniert (13). Diese göttlich-rechtlich begründete Unterordnung ist ein stärkeres Argument als der traditionelle H i n weis auf die Konstantinische Schenkung, nach der der Kirche ein weltliches Jurisdiktionsvermögen nur »gewährt« wird. Aegidius sieht hiermit die Gegner widerlegt — ohne sich ausdrücklich auf konkrete Gegner zu beziehen —, die nur ein faktisches dominium der Kirche über die Temporalien zulassen und eine theologisch legitimierte Ordnung ablehnen (13). 41 Welche Gegner Aegidius meint, zeigt sich im Blick auf die Herkunft der Gewalten, deren Gleichursprünglichkeit mit dem Hinweis auf den Besitz beider Schwerter durch den Papst zurückgewiesen wird (54). Damit hat Aegidius die französischen Traktate wie die Disputatio inter clericum et militem im Blick. Neben der Widerlegung der Gleichursprünglichkeit durch J e r 1,10 zeigt auch die Einsetzung des Königs durch Samuel 1. Sam 8,4—7 — Samuel gewisserma-
37
Vgl. zur inhaltlichen Beschreibung besonders SCHOLZ, Publizistik 46FF.; MIETHKE, D e pote-
state 94FF. 38 Si ergo duo sunt gladii, unus spiritualis et alter temporalis, ut potest patere ex sentencia evangelii: Ecce gladii duo hie, ubi statim subiungit dominus: Satis est, quia hii duo gladii sufficiunt in ecclesia, oportet hos dúos gladios, has duas auetoritates etpotestates a Deo esse; quia, ut dictum est, non estpotestas nisi a Deo (ed.
SCHOLZ,
12f.)
Ed. SCHOLZ, 11 f.; zu Hugo von St. Viktor vgl. De sacramentis II 2 , 4 (PL 1 7 6 , 4 1 8 C . D ) . 4 0 Vgl. PSEUDO-DIONYSIUS, De angélica hierarchia, c. 10 (PL 1 7 5 , 1 0 9 9 ) und H u c o VON ST. VIKTOR, Commentarium in hierarchiam coelestem Dionysii Areopagiticae (ebd.). 41 »Die temporale Gewalt der Kirche ist [...] nicht temporale Gewalt aus der spezifischen G e g e benheit des Temporalen, sondern Gewalt der ispiritualis potestas< auch über die Temporalien« (so zutreffend KÖLMEL, R e g i m e n 315). 39
24
Erster Teil: Die spätmittelalterlichen
Verhältnisbestimmungen
der beiden
Schwerter
ßen als Vorgänger des Papstes —, daß von der Gleichrangigkeit der Schwerter keine R e d e sein kann. 4 2 Selbst wenn aber eine Gleichursprünglichkeit angenommen würde, ergibt der Vergleich der Gewalten mit dem Verhältnis von Körper und Seele eine Subordination (111). Aegidius verwendet hier die aristotelische Distinktion von potentia und actus.43 D e r Körper ist der Seele inpotentia respectu untergeordnet, während die Seele den actus des Körpers und seine perfectio steuert. Niemals sind aber zwei Dinge zusammengeordnet, die beide in actu oder in potentia sind. D e r Mensch besitzt damit einen der Seele untergeordneten Körper. Weil aber das weltliche und das geistliche Schwerter in ihrer Aufgabe jeweils auf Körper und Seele gerichtet sind, folgt hieraus notwendig die Subordination des weltlichen Schwertes (58). Aegidius bezieht sich in seiner Darstellung einschränkend auf die Gläubigen und die communiofidelium. Der Dienst des Körpers für die Seele zeigt sich beispielsweise in der Sicherung des Glaubens und dem Verlust der Teilhabe an der communio bei Zuwiderhandlung gegen die Glaubensgrundlage (59). Die H e i den kommen in De ecclesiastica potestate nicht in den Blick. Aegidius erläutert dann auch, daß die Gewalt der Kirche über die Seelen, die sich nicht in der communio fidelium befinden, auf diejenigen beschränkt bleibt, die im Fegefeuer sind, weil die Kirche mit diesen durch die Liebe verbunden ist (58). Wird ein Dienstauftrag des weltlichen Schwertes für die geistliche Gewalt behauptet, so muß das Verhältnis der beiden Gewalten zu den Schwertern aus Lk 2 2 , 3 8 geklärt werden. Daneben ist zu beantworten, warum überhaupt eine weltliche Gewalt notwendig ist, wenn die geistliche im Vollbesitz der potestas ist. Das Verhältnis der Gewalten zu den Schwertern wird in der Unterscheidung des gezogenen und des in der Scheide verbleibenden Schwertes fokussiert. Aegidius lehnt sich dabei an die von Bernhard von Clairvaux getroffene Distinktion nach M t 2 6 , 5 2 und J o h 18,11 an. 44 Beide Schwerter gehören zunächst einmal dem Papst, denn der Besitz beider Schwerter durch Petrus wird damit angezeigt, daß Jesus davon spricht, Petrus solle das Schwert in seine Scheide, an seinen O r t stecken. Somit ist die Kirche in der Nachfolge Petri, der Schwert und Scheide besitzt, als Besitzerin aller Gewalt gekennzeichnet. Jesus bestätigt den doppelten Schwertbesitz zudem durch den Satz Satis est (138). Mit Hilfe des literalen und figurativen Schriftsinns wird deutlich, welches das weltliche und welches das geistliche Schwert ist. Zunächst sind nach dem Literalsinn beide Schwerter material (138f.). Figurativ entsteht eine mehrfache Bedeutung (139): ad usum ist mit dem gezogenen Schwert das geistliche 42
Potestas
ergo regia non fuit constituía
de mandato
domini,
nisi per potestatem
ecclesiasticam
(ed.
SCHOLZ, 55). Aegidius fuhrt hier als Traditionsbeleg w i e d e r u m H u g o von St. V i k t o r an (vgl. oben A n m . 39).
ra
45
Vgl. hierzu ARISTOTELES, Physik 1,7 1 9 0 b l 7 .
44
V g l . h i e r z u e d . SCHOLZ, 1 3 7 f . ; v g l . BERNHARD VON CLAIRVAUX, De consideratione
111,454,11-14).
IV 3,7 (Ope-
1. Zwischen Bonifaz
Vili, und Philipp dem
Schönen
25
gemeint, weil ein Schwert eben zum Gebrauch gezogen werden m u ß (und Petrus natürlich das geistliche zieht). Ad visionem ist dieses Schwert aber das weltliche, weil es sichtbar ist und das geistliche Schwert selbstverständlich unsichtbar bleibt, weil es auf die unsichtbaren Dinge gerichtet ist. Eine ähnliche Distinktion ergibt der Blick auf das Verbot, daß gezogene Schwert zu gebrauchen. Literal verstanden ist Petrus der Gebrauch eines materiellen Schwertes verboten. Dieses Verbot kann allerdings nicht figurativ verstanden werden, weil man sonst auf die (unmögliche) Idee käme, Petrus sei der Gebrauch des geistlichen Schwertes verboten worden (140). Somit bleibt für Petrus figurativ der Gebrauch des weltlichen Schwertes erlaubt. D i e Distinktion zwischen einem Gegenstand und seinem Gebrauch wird im Anschluß an Beda Venerabiiis deutlicher. Das gezogene (geistliche) Schwert schneidet dem Knecht und Sünder das rechte O h r ab, mit welchem Gottes Wort zu hören ist, wodurch dieser von der communio fidelium separiert wird (56f.). Durch dieses Schwert ist also die Ketzerbekämpfung mit kirchlicher Zensur und Kirchenbann ohne Zuhilfenahme der weltlichen Gerichtsbarkeit legitimiert (57). Petrus führt dieses Schwert und damit auch die Päpste als seine Nachfolger. Gleichwohl besitzt die Kirche beide Schwerter und überläßt den weltlichen Fürsten das weltliche Schwert für die Blutgerichtsbarkeit. Das aber wäre nicht der Fall, so Aegidius, wenn die weltlichen Herrscher nicht der K i r che dienen und damit auch ihren Temporalienbesitz nicht anerkennen w ü r den. 45 U m den Gebrauch der Schwerter genauer zu skizzieren, grenzt Aegidius die Schwerterbestimmung durch die beiden Hypothesen ein, daß entweder ein Schwert genügen müsse oder eigentlich drei Schwerter erforderlich seien. N u r ein notwendiges Schwert wäre deswegen denkbar, weil dieses eine (geistliche) Schwert bereits über die volle Jurisdiktionsgewalt auch in temporalibus verfügt. Von drei Schwertern wäre auszugehen, wenn man an der Distinktion von K ö r per, Seele und den äußeren Dingen orientiere, denen jeweils ein Schwert zugeordnet würde (112). D i e zusätzliche Notwendigkeit eines zweiten Schwertes ergibt sich gegen die erste Hypothese aus der Konzentration der geistlichen Gewalt auf die geistlichen Verfehlungen. Ein defectus in geistlichen Dingen wiegt schwerer als j e d e r 45 Sic et ecclesia utrumque gladium habet, quod non esset, nisi terreni principes habentes usum materialis gladii et habentes iudicium sanguinis essent subfamulatu et sub obsequio ecclesiastice potestatis. Et si terreni principes sunt subfamulatu ecclesiastice potestatis, consequetis est ergo, quod et temporalia, quibus principatur potestas terrena, sint sub dominio ecclesie collocata (ed. SCHOLZ, 57). D e r Hinweis auf die Temporalien zeigt, daß schon Aegidius den Zusammenhang von dominium und potestas erkennt, wie er im A r mutsstreit und darüber hinaus in Ockhams politischen Schriften relevant werden wird. Die Verknüpfung des Schwerterbesitzes mit der Frage des Besitzes der Temporalien wirft ein bezeichnendes Licht auf die möglicherweise vorliegende Bedeutung des Armutsstreites für die Frage der K r i tik der papalistischen Konzeption der beiden Gewalten im 14. J h d . Vgl. ebenfalls die von Aegidius hier angeführte Glosse zu 2. K o r 6 (ed. SCHOLZ, 59f.).
26
Erster Teil: Die spätmittelalterlichen
Verhältnisbestimmungen
der beiden
Schwerter
M a n g e l in weltlichen. F ü r das geistliche S c h w e r t ist es deswegen angemessen (,bene), die Verfolgung weltlicher Vergehen e i n e m weltlichen S c h w e r t zu ü b e r lassen. 46 Z u g l e i c h gilt n e b e n dieser A u f g a b e n t e i l u n g die generelle R e i c h w e i t e des geistlichen Schwertes ü b e r die magis nobilia u n d die minus nobilia weiter. D i e Gewalt ü b e r die Seelen schließt die Gewalt ü b e r die d e n Seelen u n t e r g e b e n e n K ö r p e r m i t ein. Das weltliche S c h w e r t reicht in dieser O r d n u n g specialiter ü b e r die minus nobilia. D i e geistliche Gewalt ist somit generalis et extensa u n d die w e l t liche particularis etcontracta (113). U m dieses N e b e n e i n a n d e r u n d ihre A n g e m e s senheit zu verstehen, f ü h r t Aegidius hier z u m e i n e n die Vorzüglichkeit (excellentia) der geistlichen D i n g e an, der es m ö g l i c h ist, trotz u n d n e b e n der Allgewalt R a u m f ü r eine potestas specialiter zu lassen (113). Z u m a n d e r e n erfordert die n o t w e n d i g e K o n z e n t r a t i o n der geistlichen Gewalt auf geistliche Belange, eine A b l e n k u n g d u r c h die B e s c h ä f t i g u n g m i t weltlichen P r o b l e m e n zu v e r h i n d e r n (115). U m die Gefahr, in dieser O r d n u n g n u n d o c h e i n e n M a n g e l der geistlichen Gewalt a n z u n e h m e n , weist Aegidius n o c h m a l s auf die N o t w e n d i g k e i t dieser O r d n u n g hin: die U n t e r s c h e i d u n g erfolgt ex bona ordinatione et ex decentia (115). A u c h hier hilft der d u r c h die aristotelische P h i l o s o p h i e g e w o n n e n e K ö r p e r Seele-Vergleich d e m Verständnis weiter: D i e Vivifikation der weltlichen Gewalt d u r c h die geistliche entspricht d e i j e n i g e n des K ö r p e r s d u r c h die Seele, w o h i n g e g e n die Seele n i c h t d u r c h d e n T o d des K ö r p e r s stirbt. 4 7 D r e i S c h w e r t e r (zweite H y p o t h e s e ) sind n u n deswegen n i c h t n o t w e n d i g , weil aristotelisch g e s p r o c h e n ein U n t e r s c h i e d n u r z w i s c h e n d e m G e n u s einer vergänglichen (Körper) u n d einer u n v e r g ä n g l i c h e n Sache (Seele) besteht. 4 8 D e r Vergleich der auf K ö r p e r u n d Seele g e r i c h t e t e n Wissenschaften verdeutlicht sowohl diese U n t e r s c h e i d u n g als auch die u n t e r g e o r d n e t e B e d e u t u n g weltlicher D i n g e . W ä h r e n d die partikulare, natürliche Wissenschaft n u r dazu in der Lage ist, k ö r p e r l i c h e D i n g e zu b e t r a c h t e n , k a n n die philosophia naturalis die Seele z u m G e g e n s t a n d h a b e n , n u r aber in H i n s i c h t auf die sensitive Ä u ß e r u n g der Seele in e i n e m K ö r p e r , n i c h t aber in H i n s i c h t auf die Seele an sich. B e i d e sind insofern k ö r p e r l i c h e Wissenschaften. D i e M e t a p h y s i k als scientiageneralis ist h i n g e g e n zur B e t r a c h t u n g v o n K ö r p e r u n d Seele befähigt (116f.). D e r U n t e r schied zwischen K ö r p e r n u n d ä u ß e r e n D i n g e n ist also ein a n d e r e r als der z w i schen K ö r p e r u n d Seele. Partikulare Wissenschaften w i e die M e d i z i n , die scientia naturalis u n d die scientia moralis h a b e n d e n K ö r p e r in einer gleichen Weise z u m G e g e n s t a n d w i e die ä u ß e r e n D i n g e . K ö r p e r u n d ä u ß e r e D i n g e k ö n n e n 46 Nam tanta est excellencia spiritualium ad corporalia, quod parvus defectus in spiritualibus preponderat omni defediti in corporalibus. Quod ergo in ecclesia sunt duo gladii, [...] ut potestas spirituaiis magis vacare posset rebus divinis, circa quas maxime cavendum est, ne sit ibi defectus, bene se habuit statuere secundum gladium, qui preesset corporalibus rebus (ed. SCHOLZ, 112f.). 47 Vgl. ARISTOTELES, De anima 1,5 § 2 4 (hier n a c h ed. SCHOLZ, 115). 4B Vgl. ARISTOTELES, M e t a p h y s i k X 1 0 , 1 0 5 8 b 2 8 .
1. Zwischen Bonifaz VIII. und Philipp dem Schönen
27
sich also zusammen unter einem Schwert befinden. Weil endzeitlich die äußeren Dinge aufhören werden zu existieren, benötigen sie nun kein eigenes Schwert, sondern werden durch das weltliche mitumfaßt (129). Für die Seele gilt das nicht. Sie ist nur durch die scientia generalis, Aegidius würde sagen, die Metaphysik, erfaßbar; ihr gebührt eben ein eigenes, das geistliche Schwert (119). Die Unterordnung der weltlichen Gewalt hat sakramentale Gründe. Die Kirche als ecdesia catholica universalis ermöglicht nur durch ihre Erstreckung über die Seelen (und damit über die Körper) die Vermittlung des Seelenheils (117). Eine Erstreckung des Körpers über die Seele gibt es nicht, wenn man von dem speziellen Fall der Sakramentsspendung absieht, in dem das körperliche Taufwasser die Seele in virtute divinae misericordiae waschen kann (117). Die Notwendigkeit sakramentaler Heilsvermittlung fuhrt zur Frage nach dem pseudo-dionysianischen Gleichnis der himmlischen Hierarchie. Das Ergebnis der von Aegidius in einem ausfuhrlichen Exkurs dargestellten Bestandteile der jeweiligen Hierarchien ist die Abbildhaftigkeit der irdischen Monarchie für die himmlische und dämonische Hierarchie (122f.). Die irdische Monarchie besteht aus drei Ebenen, die sich um den König gruppieren. Die erste Ordnung bildet der H o f des Königs, der aus seinen Freunden, den weisen Beratern und denen besteht, die die Anordnungen und Entscheidungen des Königs öffentlich bekannt machen. Die zweite Ordnung stellen die Personen dar, die mit Fragen befaßt sind, die das ganze Königreich betreffen. U n d die dritte Ordnung bilden die Personen, die mit partiellen Fragen beschäftigt sind. Aegidius versteht die letzten beiden Stände anhand des Beispiels eines Hausbaus so: der zweite Stand besteht aus Architekten, denen, die die weiter notwendige Unterstützung zum Bau bereitstellen, und denen, die Hindernisse aus dem Weg räumen, die den Bau beeinträchtigen könnten. Der dritte Stand wird aus einzelnen Handwerkern, wie Dachdeckern, Maurern oder Steinmetzen gebildet. In der himmlischen Ordnung wird Gott nun von den Seraphim, Cherubim und den Thronen als erstem Stand der Engel umgeben, die in ihren Aufgaben parallel zum ersten Stand der irdischen Monarchie zu verstehen sind. Weil hier die Liebe (der Seraphim) wichtiger ist als das Wissen und die Weisheit (der Cherubim), die Weisheit aber die Grundlage der Urteilssprechung (der Thronen) darstellt, ist dieser Stand in sich noch einmal hierarchisch gegliedert. Den zweiten Stand bilden die Engel, die mit generellen Aufgabe in der Lenkung des Universums betraut sind (dominationes); den dritten die Engel mit partiellen Aufgaben. Eine ähnliche Unterschiedenheit ergibt sich für die Hierarchie der Dämonen.
Die analog strukturierten Hierarchien haben ein eschatologisches Ziel. Ihre Aufgabe liegt in der Lenkung der Welt, bis die Vollzahl der Erwählten Gottes erfüllt ist und die bestehende Herrschaft ihr Ende haben wird. 49 Das augustinische corpus permixtum der innerweltlich lebenden Menschen wird erst am J ü n g sten Tag durch das Feuer in erwählte und verdammte Menschen separiert. 50 4 9 Aegidius fuhrt die Glosse zu 1. Kor 1 5 , 2 4 an (ed. S C H O L Z , 1 2 1 ; vgl. die Glossa ordinaria zu 1. Kor; PL 114,547). 50 Das endzeitliche Feuer wird Gold zum Glühen bringen, die Spreu aber verbrennen (ed. S C H O L Z , 121; vgl. A U G U S T I N , De civitate Dei 1 , 7 ) .
28
Erster Teil: Die spätmittelalterlichen Verhältnisbestimmungen der beiden Schwerter
Zunächst aber sind alle Menschen aus dem Paradies verstoßen, so daß sie noch nicht, wie die Engel in wahre und gefallene Engel, nach ihrer Zielbestimmung unterschieden werden können (126). Deswegen richtet sich die Ordnung und Regierung der Welt nicht nach der endzeitlichen Unterscheidung der M e n schen, sondern nach den Bestandteilen Körper und Seele, womit für Aegidius die notwendige Existenz zweier Schwerter in der Kirche wiederum bewiesen ist.31 Alle Ausübung der Gewalt dient dabei den Erwählten (127). Aegidius überträgt im folgenden die himmlische Hierarchie mit den neun Klassen zurück auf die geistliche Hierarchie der Kirche und die weltliche Hierarchie. D e r erste Stand um den Papst wird aus den Bischöfen, Presbytern und Diakonen gebildet, gewissermaßen der H o f der Papstes. Der zweite Stand sind die Patriarchen, Erzbischöfe und Bischöfe, wobei letztere von den Bischöfen des ersten Standes wohl durch ihre Gewaltausübung in den Territorien zu unterscheiden sind. Den dritten Stand bilden Erzdiakone mit Jurisdiktionsgewalt, Priester mit seelsorgerlicher Vollmacht und »sonstige Kleriker«. Die weltliche Hierarchie wird um den Kaiser herum aus den Königen, den Prinzen und Fürsten gebildet. Aegidius fuhrt die anderen weltlichen Hierarchien allerdings nicht im einzelnen aus.
Daß alle Gewalt den Erwählten dient, ist eine Vorstellung, die Aegidius von Thomas von Aquin übernimmt. Auch die unvollkommene weltliche Gewalt ist in ihrer Tätigkeit mittelbar auf die beatitudo aeterna gerichtet. Die Vermittlung dieser beatitudo erfolgt durch die geistliche Gewalt als gewisses Zeichen (sacramentum) für die eschatologische Vollendung. Die Schwierigkeit, neben dieser umfassenden Bedeutung der geistlichen Gewalt die Notwendigkeit einer weltlichen Gewalt zu behaupten, wurde von Aegidius mit dem Hinweis auf die Angemessenheit dieser Unterscheidung erörtert. Die Angemessenheit versucht Aegidius nun, in sechs Argumentationsgängen näher zu beschreiben. Sie zeugen von den argumentativen »Fallen«, in die die Behauptung einer umfassenden potestas spiritualis bei gleichzeitiger Gewaltenunterscheidung geraten kann. Ein Untergeordnetes ist dann nicht überflüssig, wenn das Ubergeordnete eine Handlung nicht ohne das Untere ausfuhren kann. 52 Ein Hammer ist für einen Schmied ein untergeordnetes Instrument, aber gleichwohl notwendig, weil ohne den Hammer ein Eisen nicht zu schmieden ist. Dieser Satz läßt sich nun nicht unmittelbar auf das Verhältnis der Schwerter zueinander ausdeuten, da in dem geistlichen Schwert die gesamte »Schmiedefähigkeit«, bzw. potestas liegen soll (132). Im Falle der weltlichen Blutgerichtsbarkeit läßt sich der Hammer-Schmied-Vergleich aber anwenden. Wegen des Befehls Christi an Petrus, das Schwert wieder in die Scheide zu stecken (Joh 18,11), ist der geistlichen Gewalt die Ausfuhrung der Blutgerichtsbarkeit nicht gestattet und somit auf die ausfuhrende weltliche Gewalt nur eine indirekte Einflußnahme möglich. Aegi51 Distinguemus principatus in hominihus secundum ea quibus componitur homo, qui compositus est ex corpore et spiritu. Erunt itaque duogladii et due potestates in ecclesia (ed. SCHOLZ, 126). 52 Prima quidem causa est, quoniam aliquid potest superior cum potestate inferiori et cum agente instrumentali, quod non posset sine ilio (ed. SCHOLZ, 129; vgl. zum folgenden ebd., 129ÍF.).
J. Zwischen Bonifaz
Vili,
und Philipp dem
Schönen
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dius versucht mit einem weiteren Vergleich zu belegen, daß mit dieser Struktur keine Einschränkung der allumfassenden potestas gegeben ist: der gefangene rohe Fisch bleibt der Fisch, auch wenn er gebraten verzehrt wird. Jederzeit kann ein übergeordneter Stand auch die Fähigkeiten und Aufgaben eines untergeordneten Standes ausüben, nicht aber umgekehrt. Gleichzeitig muß damit nicht gesagt sein, daß der untergeordnete Stand überflüssig wäre (125). Eine Angemessenheit der Schwertunterscheidung kommt in diesem Zusammenhang mit Bernhard von Clairvaux so zum Ausdruck, daß es sich für die geistliche Gewalt nicht geziemt (non decet), diese Aufgaben selbst auszuführen, ohne daß so ein Mangel ihrer potestas festgestellt würde. 53 D e m Schmied allerdings fehlt j a die Fähigkeit des Hammers tatsächlich. D e r hieraus folgende E i n wand, dann habe die geistliche Gewalt die potestas der weltlichen Schwertführung verloren, 54 wird von Aegidius mit dem Hinweis auf die commissio superior entkräftet. Allein durch diese Ubereignung befindet sich eine gewisse potestas in der weltlichen Gewalt, die rückforderbar und auf die Herkunftsgewalt hingeordnet, mithin vollendungsbedürftig bleibt. Nicht umsonst spricht Aegidius an dieser Stelle von der regeneratio der Taufe (133). Die angemessene Hinordnung einer untergeordneten auf die übergeordnete Gewalt erläutert der zweite Argumentationsgang (130; 135f.). Aegidius spricht hier nicht mehr von einer Notwendigkeit. Diese besteht nur in der Unterordnung gemäß der Verhältnisbestimmung der beiden Schwerter. Die Hinordnung in der Unterordnung hingegen ist diesem Verhältnis angemessen. W i e also eine Zange im Unterschied zum Schmied ein heißes Eisen anfassen kann, ist die Fähigkeit des Greifens der Zange nur durch die Kraft und das Greifen des Schmieds möglich. Ebenso verhält es sich auch mit den beiden Gewalten in Bezug auf die von der weltlichen Gewalt ausgeführte, aber nicht initiierte Blutgerichtsbarkeit. Im dritten Gang stellt Aegidius die Zweckmäßigkeit (commoditas) heraus, mit der ein Ubergeordnetes etwas tun kann, wenn es dieses zusammen mit einem Untergeordneten tut (136). Beispiel hierfür ist die Einsetzung von R i c h t e r n für niedere Aufgaben durch Mose E x 18, welche er selbst auch hätte ausführen können. Eine Aufgabe ohne eine hierfür vorhandene untergeordnete Gewalt auszuführen, geziemt sich aber nicht (non decenter, vierter Argumentationsgang). 55 Eine Ordnung, die Gleiches und Ungleiches an ihren jeweiligen O r t zu versammeln weiß, zeigt augustinisch gesprochen ihre Klugheit und Schönheit (fünfter Argumentationsgang). 56 Aegidius bedient sich hier eines Zirkel53
E d . SCHOLZ, 1 3 2 f . ; vgl. w i e d e r u m BERNHARD VON CLAIRVAUX, De consideratione
IV 3,7 (Ope-
ra 111,454,11-14). 5 4 Vgl. hierzu unten die R e a k t i o n in den französischen Schriften, in der Quaestio in utramque partem (unten S. 40ff.) und besonders bei Johannes von Paris (S. 46ff.). 5 5 Ed. SCHOLZ, 1 3 0 . 1 3 6 . 56
V g l . h i e r z u e d . SCHOLZ, e b d . ; AUGUSTIN, De civitate
Dei X I X ,
13,1.
30
Erster Teil: Die spätmittelalterlichen
Verhältnisbestimmungen
der beiden
Schwerter
Schlusses: weil beide Schwerter aufgrund der hierarchischen Ordnung ungleich sind, war es gut, ein zweites Schwert einzurichten, um den weltlichen Dingen eine Ordnung zu geben. Ungleichheit und Einrichtung einer zweiten Ordnung begründen sich gegenseitig. Der sechste Argumentationsgang fuhrt Gott selbst als Beispiel an, der seine Dignität mit dem Untergeordneten zu teilen wünscht, wie an seiner Schöpfung deutlich wird.''7 Das zweite Schwert erhält einen Anteil an der Würde des ersten durch die Überlassung einer gewissen Rechtsprechung, um die weltlichen Gewalten nicht ohne Aufgabe zu lassen, was zu Unruhe und Kampf führen könnte. 58 Aegidius behauptet zweierlei: die notwendige und vollständige Subordination des weltlichen Schwertes bei gleichzeitiger angemessener Aufgabenteilung und damit der Ubereignung einer gewissen potestas durch die geistliche Gewalt. Die Notwendigkeit ergibt sich aus zahlreichen biblischen Belegen, der ZweiSchwerter-Lehre nach Lk 22,38 oder dem Auftrag Jeremias Jer 1,10, sowie aus der pseudo-dionysianischen Hierarchienlehre. Der mit aristotelischen Mitteln durchgeführte Körper-Seele-Vergleich macht die Unterordnung naturrechtlich verständlich. Die geistliche Gewalt kommt als höchste Trägerin aller Gewalt in den Blick, zugleich aber als Medium, das der unteren weltlichen Gewalt das Heil sakramental vermittelt, bzw. sie im Falle der geistlichen Abirrung exkommuniziert. Der aegidianische KirchenbegrifF hat also einen sakramentalen und einen potestativen Aspekt. 59 Dieses hierarchische Modell schließt eine Gleichursprünglichkeit der Gewalten von Gott, wie sie in Frankreich propagiert wird, aus. Verbunden mit dieser umfassenden potestas ist das dominium über die Welt. Der Notwendigkeit auf der einen korrespondiert die Angemessenheit auf der anderen Seite. Die plenitudo potestatis diversifiziert sich in den gladius generalis et extensus, der sich auf die Seele (magis nobilia) bezieht, und in den gladius particularis et contractus, das auf den Körper (minus nobilia) gerichtet ist. Obwohl Aegidius glaubt, mit dieser Argumentation gerade die Rechte des weltlichen Schwertes hervorzuholen, 60 bleibt die Rückführbarkeit jederzeit gewährleistet. Der der regeneratio bedürftige gefallene Mensch macht den geistlichen Vorbehalt (ratione peccati) für jede Ausübung des weltlichen Schwertes notwendig. Beide Gewalten sind auf das Heil der Erwählten gerichtet, entweder sakramental-unmittelbar oder mittelbar durch die Gewährleistung der inneren Ordnung der Welt, dem Frieden für die Erwählten. Hier tritt deutlich die thomasische Distinktion von vollendungsbedürftiger Natur und vollendender Gnade Vgl. hierzu ed. SCHOLZ, 1 3 1 . 1 3 6 f . Ed. SCHOLZ, 136. Aegidius benutzt hier im übrigen den Audruck laici für die weltlichen G e walten, um die Gleichsetzung der jeweiligen Gewalteninhaber mit Geistlichen und Laien zu u n terstreichen. 5 9 So KÖLMEL, R e g i m e n 3 0 8 . 6 0 Ed. SCHOLZ, 48; vgl. hierzu KÖLMEL, R e g i m e n 3 5 5 . 57
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I. Zwischen Bonifaz
Vili,
und Philipp dem
31
Schönen
zutage. 61 Gleichzeitig korrespondiert dieses Verständnis der augustinischen Gerechtigkeitsvorstellung, indem nur in einem von Christus begründeten Staat Gerechtigkeit zu finden ist. 62 Die französischen Gegner werden innerhalb dieser Struktur dennoch versuchen, eine Autonomie der weltlichen Gewalt zu begründen, die den geistlichen Vorbehalt umgehbar macht. Dazu ist die D o p pelseitigkeit von notwendiger Subordination und angemessener Aufgabenteilung anzugreifen, weil sie einen gewissen Widerspruch nicht letztlich auflösen kann. 6 3 Eine »offene Flanke« bleibt bei Aegidius die Frage der Herrschaft bei den Heiden. Die geistliche Gewalt erstreckt sich nach seiner vorsichtigen Vermutung nur über das Fegefeuer. Eine naturrechtlich legitime weltliche Herrschaft bei den Heiden kann der Augustinereremit nicht annehmen. In der augustinischen Terminologie hieße das, daß nur noch die civitas Diaboli neben der civitas Dei steht. Von einer eigenen Qualität der civitas terrena neben der civitas Diaboli geht Aegidius nicht aus. Damit versucht er die gewandelten Gesellschaftsverhältnisse des fortgeschrittenen Mittelalters zum corpus Christianum zum Ausdruck zu bringen; ein zu Augustins Zeiten noch bestehendes Nebeneinander von christlicher Kirche und heidnischer Umwelt liegt außerhalb seines Blickfeldes. 64 1 . 2 . 2 H e i n r i c h von C r e m o n a : Christus und sein Stellvertreter als Priester und K ö n i g Zur gleichen Zeit wie die Schrift von Aegidius Romanus entsteht im Frühjahr 1302 auch der literarisch eigenständige Traktat De potestate papae des Juristen Heinrich Casalorci aus Cremona (gest. 3 0 . 0 4 . 1312). 6 5 Heinrich wendet sich 61 Vgl. hierzu THOMAS VON AQUINS Definition Gratia non tollit, sed perßcit naturam Theologiae I, q . l , a.8). 62
(Summa
E d . SCHOLZ, 1 9 8 . 2 0 1 u n d ö f t e r . V g l . h i e r z u MERZBACHER, FRIEDRICH, D i e R e c h t s - ,
Staats-
und Kirchenauffassung des Aegidius Romanus, in: A R S P 4 1 , 1 9 5 4 / 5 5 , 8 8 - 9 7 , hier 90. Vgl. AUGUSTIN, De
civitate
Dei
11,21,4.
KÖLMEL, R e g i m e n 3 5 5 , sieht einen Widerspruch zwischen der Herleitung des dominiums potestativum sive utile von Gott und der Notwendigkeit der vermittelnden Kirche. Anachronistisch sei der Ausschluß eines weltlichen Eingriffs in den geistlichen Bereich (ebd., 359). Diese Einschätzung ist zwar nicht falsch, muß aber dahingehend erweitert werden, daß Aegidius diese S c h w i e rigkeit j a gerade mit den Argumenten der Gegner auszugleichen versucht. 63
6 4 Bereits im »ersten« Investiturstreit verstand Papst Gregor VII. die R o l l e der Kirche in der G e sellschaft auf ähnliche Weise, wie sie hier von Aegidius vorgetragen wird (vgl. MERZBACHER, 94). 6 5 Die Edition erfolgt bei SCHOLZ, Publizistik 4 5 9 - 4 7 1 . Zur Literatur vgl. FINKE, Bonifaz 1 6 6 170; MIETHKE, Konsistorialmemorandum; SCHOLZ, Publizistik 1 5 2 - 1 6 5 . Es sind 10 Handschriften erhalten (vgl. MIETHKE, D e potestate 314). Die Datierung ist allerdings umstritten. Nach dem Z u satz zur Handschrift der Pariser Nationalbibliothek ms.lat. 4 2 2 9 , der auf die Ernennung Heinrichs zum B i s c h o f von R e g g i o als Anerkennung für diese Schrift hinweist, ließe sich eine Entstehung im Jahre 1301 vermuten, denn Heinrich verließ Italien R i c h t u n g Frankreich bereits im Dezember 1301, obwohl die Bischofsernennung erst am 0 3 . 0 4 . 1302 erfolgte. D e r terminus post quem ist das
32
Erster Teil: Die spätmittelalterlichen
Verhältnisbestimmungen
der beiden
Schwerter
ebenfalls gegen die Bestreitung der päpstlichen Verfügungsgewalt über die Temporalien, wobei er die Personengruppen gemäß der Auseinandersetzung in den oberitalienischen Städten um dieselbe Frage in »Guelfen« (Papsttreue) und »Ghibellinen« (Widersacher) unterteilt/' 6 Er konzentriert sich neben M t 2 8 , 1 8 a u f j e r 1,10 für einen Nachweis der plenitudo potestatis papae in temporalibus. Es folgt die klassische, auch naturrechtlich verständliche Deutung des KörperSeele-Bildes: wie der Körper der Seele, so ist die Seele Christus untergeordnet, bzw. seinem irdischen Stellvertreter, dem Papst. Im weiteren widerlegt Heinrich, gedanklich analog zu Aegidius, verschiedene Einwände wie die bereits bekannte Gleichursprünglichkeit der Gewalten sowie die nur faktische, nicht aber gottgesetzte Konstantinische Schenkung. Die Verhältnisbestimmung der beiden Schwerter entspricht der These, daß Christus Priester und König sei (462f.). Seine weltliche Jurisdiktionsgewalt zeigt sich an dem Gebrauch des zweifachen Schwertes, mit dem er die Wechsler und Händler aus dem Tempel trieb (Joh 2,13ff.). 6 7 Der zweifache Schwertbesitz wird durch das hic (Lk 22,38) bewiesen. Ebenfalls können mit den Schwertern nicht einfach nur irgendwelche materiellen Schwerter gemeint sein, weil in einem solchen Fall nicht zwei, j a nicht einmal hundert zur Verteidigung genügt hätten (463). Daß Petrus der Gebrauch des weltlichen Schwertes verboten gewesen sei, wird von Heinrich anschließend nur erwähnt, aber nicht auf den würdigeren Gebrauch ad nutum hin ausgedeutet. 68 Die weltliche Gewalt wird Jahr 1298, weil der Liber sextus bereits zitiert wird (vgl. hierzu SCHOLZ, Publizistik 155f.). D i e erst später entdeckte Handschrift ms. Uppsala C 6 9 2 zeigt anhand eines Vergleiches mit ms. 1 5 0 0 4 die Uberlieferung im Zusammenhang mit Texten des Konsistoriums vom 2 4 . 0 6 . 1302 (vgl. hierzu MIETHKE, Konsistorialmemorandum 434ff.). Ms. Uppsala C 6 9 2 enthält daneben den Hinweis, daß die R e d e Heinrichs in einem Konsistorium unter Anwesenheit der Gesandten des französischen Klerus erfolgte (Dicta et notata per Henricum de Cremona, quodpapa habet iurisdictionem in spiritualibus et temporalibus per totum mundum, in consistorio pape Bonifacii VIII astantibus ambaxiotoribus cleri regni Francie, 1302; zitiert nach MIETHKE, a.a.O. 437). Aufgrund der zentralen Bedeutung der R e de Kardinalbischofs Matthäus von Aquaspartas auf diesem Konsistorium (vgl. S. 53) ist allerdings nicht mit einer weiteren R e d e zum selben T h e m a zu rechnen, so daß man ein früheres Konsistorium vermuten könnte (MIETHKE, ebd.). Allerdings ist über eine weitere Zusammenkunft kein H i n weis zu finden, so daß am ehesten doch die Nähe zum 2 4 . 0 6 . 1302 anzunehmen ist. Eine literarische Abhängigkeit zu Aegidius R o m a n u s oder Jakob von Viterbo, die genaueren Aufschluß über die Datierung geben könnte, ist nicht festzustellen. 6 6 Ed. SCHOLZ, Publizistik 4 5 9 f . Z u m Inhalt der Schrift vgl. im folgenden vor allem SCHOLZ, a.a.O. 159fr. 6 7 Ed. SCHOLZ, 4 6 2 f . Das Schwert, von dem in J o h 2 nicht die R e d e ist, wird interpretierend von Heinrich hinzugesetzt. D a ß das Schwert zweifach geschliffen ist, wird von Heinrich nicht weiter ausgeführt, wohl aber des weiteren im Licht der zwei Schwerter Lk 2 2 , 3 8 verstanden. Die R ü c k f ü h r u n g auf ein Schwert erfolgt dann bei Jakob von Viterbo explizit mit dem Hinweis auf das eine Schwert Christi gemäß Apk 1,16; 2 , 1 2 (unten S . 3 5 ) . 6 8 Dieses Argument findet sich aber in einem Gutachten zur Bulle Clericis laicos 1302, dessen Argumentation in der Nähe des Heinrich-Traktates steht (Fragment der Pariser Nationalbibliothek, ms. lat. 4 3 6 4 ; ed. SCHOLZ, Publizistik 4 7 1 - 4 8 6 ; zur Analyse vgl. ebd., 1 6 6 - 1 7 2 ) . Die Verhältnisbestimmung der beiden Schwerter wird wie gewohnt als Zeichen der zweifachen Macht
1. Zwischen
Bonifaz
VIII. und Philipp dem
33
Schönen
von dem Papst nicht wegen eines Mangels nicht ausgeübt, sondern weil es unter seiner Würde liegt (469). Heinrichs kurzem, mit Aegidius Romanus weitgehend verständnisgleichen Traktat ist die Frontstellung gegen die gewohnheitsrechtlichen, auf königlicher Souveränität beruhenden Bestrebungen Frankreichs detailliert bekannt. Heinrich war Mitglied der päpstlichen Delegation, die in Paris Anfang 1302 die Bullen Ausculta fili und Salvator mundi überreichte. 69 Die beiden Schwerter veranschaulichen die zweifache Jurisdiktionsgewalt des Papstes. Seine Macht erstreckt sich auch auf die Temporalien, weil Christus als Priester und König n a c h j e r 1,10 seine Macht an seinen Stellvertreter übertragen hat und eine Ausübung der weltlichen Macht lediglich wegen der Unangemessenheit unterbleibt. Heinrich bewegt sich somit ebenfalls in dem theologischen Schema von vollendungsbedürftiger Natur und vollendender Gnade. Sein Konsistorialmemorandum zeitigte unbeschadet der thematischen Ubereinstimmung mit dem großen Traktat des Aegidius Romanus eine relativ umfangreiche Rezeption, die bis zum Konstanzer Konzil reichte und auch in den Schriften Johannes Gersons zu finden ist.70 1.2.3 Jakob von Viterbo: Die lenkende Aufgabe der geistlichen Gewalt Eine weitere in dieser Auseinandersetzung dem Papst gewidmete Schrift ist De regimine Christiano des Augustinereremiten Jakob Capocci aus Viterbo (gest. Februar 1308) vom Sommer 1302.71 Das Thema dieses Traktates ist die Darsteides Papstes e i n g e f ü g t . Als B e g r ü n d u n g folgt die N o t w e n d i g k e i t pro defensionefidei u n d contra hostes fidei (476f.), was als U m k e h r u n g des v o m französischen K ö n i g als A r g u m e n t v e r w e n d e t e n pro defensione regni zu v e r s t e h e n ist. D i e K i r c h e hat das e i n e S c h w e r t z u m d i r e k t e n G e b r a u c h , das a n d e r e a b e r ad nutum, weil, so d e r A u t o r , C h r i s t u s n i c h t gesagt habe, Petrus solle das S c h w e r t v o n sich w e r f e n , s o n d e r n in seine S c h e i d e z u r ü c k s t e c k e n , bis d e r G e b r a u c h i h m a n g e b r a c h t e r s c h e i n e (Dixit ergo Jesus Petro: Couverte gladium, seil, materialem, in paginant, non: proice a te, sed dicit couverte in vaginam, hoc est in potestatem tuam, ut usum eius aliis possis committere quando tibi videtur expedire; 477). 69
S o SCHOLZ, P u b l i z i s t i k
154.
70
Vgl. h i e r z u SCHOLZ, Publizistik 165. 71 D i e S c h r i f t ist e d i e r t in ARQUILLIÈRE, HENRI-XAVIER, Le plus a n c i e n traité de l'Église. J a c q u e s d e V i t e r b e D e r e g i m i n e C h r i s t i a n o (1301—1302), E t u d e des sources et é d i t i o n c r i t i q u e ( E t u d e s d e T h é o l o g i e H i s t o r i q u e ) , Paris 1926. Vgl. GRABMANN, MARTIN, D i e L e h r e des E r z b i s c h o f s u n d A u g u s t i n e r t h e o l o g e n J a k o b v o n V i t e r b o (f 1 3 0 7 / 0 8 ) v o m E p i s k o p a t u n d P r i m a t u n d ihre B e z i e h u n g z u m heiligen T h o m a s v o n A q u i n , in: Episcopus. S t u d i e n ü b e r das Bischofs a m t , Festschrift f ü r M i c h a e l K a r d i n a l v o n F a u l h a b e r , h g . v. d e r T H E O L O G I S C H E N FAKULTÄT DER U N I V E R S I T Ä T M Ü N C H E N , R e g e n s b u r g 1 9 4 9 , 1 8 5 - 2 0 6 ( = J a k o b v o n V i t e r b o ) ; DERS., A r i s t o t e l e s r e z e p t i o n 6 8 - 7 0 ;
KÖLMEL,
R e g i m e n 3 6 1 - 3 9 7 ; SCHOLZ, P u b l i z i s t i k 1 2 9 - 1 5 2 ; WEINBRENNER, R A L P H , A r t . J a k o b v o n V i t e r b o ,
in: R G G 4, 4 2 0 0 1 , 358. W e g e n d e r A b s e n d e r a n g a b e theologicefacultatis professor (ed. ARQUILLIÈRE, 85) ist es w a h r s c h e i n l i c h , d a ß d e r Pariser Universitätsprofessor das W e r k v o r seiner E r n e n n u n g z u m E r z b i s c h o f v o n B e n e v e n t a m 0 3 . 0 9 . 1 3 0 2 verfaßt hat (vgl. e b d . , 88: ego itaque doctorum theologorum consortio agregatus). D a dieses W e r k Papst B o n i f a z VIII. g e w i d m e t ist, w ä r e h i e r die e i g e n e B e z e i c h n u n g als E r z b i s c h o f aus D a n k f ü r die E r n e n n u n g a n g e m e s s e n . W e n n De ecclesiastica potestate z w i s c h e n F e b r u a r u n d A u g u s t 1 3 0 2 e n t s t a n d e n sein sollte (vgl. S. 21, A n m . 3) u n d De regimine
34
Erster Teil: Die spätmittelalterlichen
Verhältnisbestimmungen
der beiden
Schwerter
lung der Königsherrschaft Christi und seiner Nachfolger gegen die B e h a u p tung einer Gleichursprünglichkeit der Gewalten und einer damit verbundenen Eigenständigkeit des weltlichen Schwertes. 7 2 Es geht, vielleicht erstmals, 73 um eine zusammenhängende Darstellung über die Kirche. Die Schrift beginnt mit der Darlegung der Königsherrschaft, des regnum Christi, und bespricht anschließend im zweiten Teil die Ausübung der Gewalt in diesem R e i c h . Ein besonderer Aspekt ist hier die Einbeziehung der Frage nach dem Temporalienbesitz der Kirche. Eine Gemeinschaft besteht nach Augustin aus domus, civitas und regnum.74 D i e domus bildet die Grundlage des Staates. Daraufbauen die civitas und das regnum auf; sie alle zusammen bilden den ordo naturalis. Jakob trifft hier auch die aristotelische Distinktion, allerdings ohne einen besonderen Unterschied zwischen domus und civitas/regnum
außer
hinsichtlich der Größe zu sehen. Sinn der Gemeinschaft ist — gut aristotelisch — die sufficientia vitae. Diesem Ziel kommt das regnum am nächsten; es ist die vollkommenste Gemeinschaftsform. D i e Kirche ist ein solches regnum aufgrund ihrer weltweiten Ausdehnung und der Vermittlung des Heils als christlichem Ausdruck der sufficientia.
Sie
weist daneben eine einem Königreich entsprechende Untergliederung auf (94f.). Gut augustinisch versteht Jakob das irdische Dasein der Kirche als corpus permixtum.
Insofern muß eigentlich von zwei regna gesprochen werden, dem
regnum Dei und dem regnum
mundi/Diaboli.
Im Vergleich zu Aegidius R o m a n u s verschiebt sich nun aber die begriffliche Zuordnung der beiden Gewalten zu diesen R e i c h e n . Zunächst ist nur von einer Gewalt die R e d e , die entweder naturrechtlich vermittelt oder direkt durch göttliche Offenbarung entstanden ist. In beiden Gewalten ist zwischen priesterlichen und königlichen Aufgaben zu unterscheiden. 7 3 D i e weltliche Gewalt, sozusagen die erste Stufe der Gewaltbildung, entstammt dem Naturrecht und der natürlichen Veranlagung des Menschen zur Gesellschaftsbildung und wird von Gott somit indirekt bewirkt. Bereits hier existieren priesterliche und königliche Aufgaben, die aber nicht notwendigerweise von verschiedenen Christiano diese Schrift in Teilen benutzt, dann ist für sie eine Entstehung im S o m m e r 1302 anzunehmen (vgl. SCHOLZ, Publizistik 132). Möglicherweise stellt die baldige Ernennung Jakobs zum Erzbischof von Neapel ( 1 2 . 1 2 . 1302) eine Belohnung für diese Schrift dar, aber das ist reine Spekulation. Von der Schrift sind noch dreizehn Abschriften erhalten (vgl. hierzu MIETHKE, D e potestate 315; hinzu kommen die zahlreichen Mss. der Schrift des Alvarus Pelagius, der den Traktat j a in vollem Umfang in sein Werk integriert; vgl. hierzu ebd., 309f.). 72 Non autem absque rationabili causa, hoc tempore, convenit doctoribus sacrc doctrine loqui specialiter de regni ecclesiastici gloria et depotestate Christi regis, quam et suo vicario Petro scilicet, et in ipso ejus cuilibet successori, Christus ipse communicando tradidit et reliquit (ed. ARQUILLIERE, 86f.). Z u m Inhalt insgesamt vgl. SCHOLZ, Publizistik,
132FF.; GRABMANN, J a k o b v o n V i t e r b o
185FF.
So GRABMANN, Jakob von Viterbo 188, vor allem unter Bezug auf den ersten Teil der Schrift; ähnlich vgl. ULLMANN, Bulle 72. 73
74
V g l . z u m f o l g e n d e n e d . A R Q U I L L I E R E , 8 9 - 9 9 ; v g l . A U G U S T I N , De
73
Ed. ARQUILLIERE, 173f.; zur königlichen Gewalt vgl. ebd., 176f.
ävitate
Dei
XIX.
1. Zwischen Bonifaz
Vili, und Philipp dem Schönen
35
Amtsinhabern ausgeführt werden müssen. Eine priesterlich-königliche Amtsführung ist beispielsweise bei den alttestamentlichen Königen zu beobachten. Ziel der naturrechtlichen Gewalt ist die innerweltliche beatitudo (226). Es ist also bereits ohne christlichen Einfluß ein gewisses sittliches Niveau auch naturrechtlich erreichbar, wie es beispielhaft das römische R e i c h zeigt (143). Jakob geht hier in gewisser Weise auf eine bei Aegidius offen gelassene Flanke ein, denn dieser hatte die nur nach dem Naturrecht lebenden Heiden nicht berücksichtigt. Deren sittlich verantwortbare innerweltliche Existenz erkennt Heinrich an, weil er seine Darstellung mit Gottes naturrechtlicher Einrichtung der Welt beginnt, ohne unmittelbar auf das geistliche R e i c h zu rekurrieren. Allerdings: Die vollkommene beatitudo und wahre iustitia ist erst durch die sakramentale Vermittlung der geistlichen Gewalt möglich (226). Auch mit der Unterscheidung von iustitia und vera iustitia trägt Jakob Augustin R e c h n u n g . Die geistliche Gewalt diversifiziert sich ebenfalls in einen königlichen und einen priesterlichen Aspekt, die potestas iurisdictionis und die potestas ordinis,7'' wobei erstere aufgrund ihrer Entsprechung zur Herrschaft Christi als die wichtigere angesehen wird. Die beiden Herrschaftsformen bilden nämlich die beiden Naturen Christi ab: In seinem irdischen Dasein war Christus nur Priester und übte sein königliches Herrschaftsamt nicht aus. Erst als Auferstandener ist er auch König (199). Diese zweifache Herrschaftsform kommt in Apk 1,16; 2 , 1 2 zum Ausdruck, wonach Christus das eine, zweifach geschliffene Schwert in Händen hält (162). Christus war und ist König und Priester dieses Reiches, wobei er seine irdische Präsenz an seinen Stellvertreter übergeben hat. Dieser übt nun neben der priesterlichen die königliche Gewalt mittels seiner jurisdiktionellen Binde- und Lösegewalt aus. Der Papst kann demzufolge als Stellvertreter Christi auch König genannt werden (180). Diese Königsgewalt eignet dem Papst darüber hinaus durch die innerweltlich vollzogene Konstantinische Schenkung (221). Konkret umfaßt diese Gewalt die Fähigkeit zu gerichtlichen Untersuchungen, die Strafgewalt, den Ausschluß aus dem und die Aufnahme in das regnum, das Gesetzgebungsrecht sowie ihre Promulgation, wobei sich hieran auch die Verfügungsgewalt über die Temporalien und die Beschlußfähigkeit über die Kriegsführung zur Wiederherstellung des Friedens anschließen (189ff.). Vor der Darstellung des Verhältnisses beider Gewalten zueinander legt Jakob Rechenschaft über sein Verständnis des Begriffs »Gewalt« ab (145ff.). Sowohl dem Vater als auch dem Sohn eignet innertrinitarisch die potestas Gottes. Diese potestas äußert sich in verschiedenen actus, der Schöpfung des Seins aus dem Nichtsein und der potestas gubernativa, der Erhaltung der Schöpfung und Führung bis zu ihrer Vollendung. Die potestas gubernativa ist nun in drei effectus 76
Eine dritte Funktion, die Wunderkraft, wird von Jakob nicht weiter behandelt (vgl. ed. AR-
QUILLIERE,
171).
36
Erster Teil: Die spätmittelaltcrliehen
Verhältnisbestimmungen
der beiden
Schwerter
unterteilt: erstens in die adsimilatio ad Deum, die A n g l e i c h u n g des M e n s c h e n an das E b e n b i l d Gottes, die d u r c h die gubernatio sichergestellt u n d e r m ö g l i c h t w e r d e n soll, zweitens in d e n Effekt, der die D i n g e lenkt, m i t d e r e n Hilfe die K r e a tur zur assimilatio Dei g e f u h r t w i r d , u n d drittens in die Effekte, die sich auf p a r t i kulare Fälle r i c h t e n . D e r zweite E f f e k t ist w i e d e r u m zu u n t e r s c h e i d e n in die E r h a l t u n g der D i n g e (conservatio rerum) u n d die B e w e g u n g der D i n g e z u m G u t e n (motio earum ad bonum). D i e B e w e g u n g der D i n g e z u m G u t e n ist w e i t e r in eine motio generalis u n d specialis zu differenzieren. D i e motio generalis e n t s p r i c h t der n a t ü r l i c h e n O r d n u n g , die G o t t selbst e i n g e r i c h t e t hat. D i e zweite, motio specialis, aber g e h t ü b e r diese O r d n u n g hinaus u n d u m f a ß t die W u n d e r . H i e r z u g e h ö r t ebenfalls die iustificatio impii u n d die infusio der geistlichen G a b e n . Diese feingliedrige O r d n u n g zeigt in der gubernatio der K r e a t u r G o t t als K ö n i g in sein e r S c h ö p f u n g u n d in der E r h a l t u n g seiner S c h ö p f u n g . A u c h ein irdischer K ö n i g ist u m die E r h a l t u n g seines K ö n i g r e i c h e s b e m ü h t u n d w i r d w e g e n der Erhaltungsaufgabe als K ö n i g b e z e i c h n e t . D e r U n t e r s c h i e d besteht allerdings darin, daß er in der R e g e l sein K ö n i g r e i c h n i c h t selbst erschafft. D e r B e g r i f f »König« (rex) zeigt die B e s c h r ä n k u n g auf die E r h a l t u n g u n d L e n k u n g des K ö n i g r e i c h e s d u r c h seine A b s t a m m u n g v o n d e m B e g r i f f regere. Diese B e s c h r ä n k u n g evoziert die Frage nach d e m Gewaltenverhältnis. W e g e n der A u f t e i l u n g i n n e r w e l t l i c h e r A u f g a b e n in k ö n i g l i c h e u n d priesterliche u n d der Abbildhaftigkeit der irdischen K ö n i g s h e r r s c h a f t f ü r die göttliche H e r r s c h a f t ist eine w e i t e r r e i c h e n d e K o m p e t e n z irdischer G e w a l t e n a n z u n e h m e n , w o r a u s sich v e r m u t e n ließe, daß J a k o b eine v e r m i t t e l n d e Stellung z w i s c h e n Kurialisten u n d französischen B e s t r e b u n g e n e i n n ä h m e . D i e weltlichk ö n i g l i c h e Gewalt hat in der Tat e i n e n zeitlichen V o r r a n g vor der geistlichk ö n i g l i c h e n , in Christus b e g r ü n d e t e n (229). D a m i t n ä h e r t sich J a k o b d e n F r a n zosen an, die u.a. aus dieser Feststellung die U n a b h ä n g i g k e i t weltlicher G e w a l t e n h e r z u l e i t e n versuchten. Viele G r ü n d e zeigen aber die h ö h e r e D i g n i t ä t der geistlich-königlichen Gewalt: sie s t a m m t direkt v o n G o t t u n d ist n i c h t mittels des n a t ü r l i c h e n R e c h t s konstituiert, sie hat mit der beatitudo aeterna e i n e n h ö h e r e n E n d z w e c k u n d sie betrifft a u c h d e n geistlichen M e n s c h e n . Ihre actus besitzen ebenfalls h ö h e r e Dignität, d e n n in der G e w a l t a u s ü b u n g treten n i c h t so viele D e f e k t e auf u n d es stehen b e d e u t e n d e r e H a n d l u n g s m o d i zur V e r f u g u n g , weil sie sich j a auf das Seelenheil r i c h t e n (230f.). Aus d e n b e i d e n u n t e r s c h i e d l i c h e n E n d z w e c k e n , der irdischen u n d h i m m l i schen beatitudo, ergibt sich die volle S u b o r d i n a t i o n der weltlichen Gewalt, die J a k o b a n h a n d der t h o m a s i s c h e n N a t u r - G n a d e - R e l a t i o n ausdrückt. D i e geistlic h e Gewalt v e r n i c h t e t n i c h t die A u f g a b e der weltlichen Gewalt, s o n d e r n volle n d e t u n d f o r m t sie: grada non tollit naturam sed perfidi eam etformat [...] ideo spiritualis temporalem non excludit sed eam format et petficit.77 Das thomasische peficere 11
Vgl. ed.
ARQUILLIERE, 232.
Es bestehen hier zum Teil wörtliche Übereinstimmungen mit
I.
Zwischen
Bonifaz
VIII. und Philipp dem
Schönen
37
wird hier durch das formare ergänzt. Damit betont Jakob den Aspekt der Begleitung und Lenkung der Gewalt, der gubernatio. Näher bestimmt wird die Lenkung durch die approbatio und ratificatio der weltlichen Gewalt sowie durch die jurisdiktionelle Kontrolle über das Fehlverhalten durch die geistliche Gewalt. Die geistliche Gewalt hat daneben eine Weisungsbefugnis. 78 Die weiter reichende geistlich-königliche Gewalt ermöglicht der Kirche auch einen umfangreichen Temporalienbesitz. Dieser ist zweifach zu unterscheiden: der direkte Gebrauch ad usum proprie necessitatis und die direkte oder indirekte jurisdiktionelle Gewalt über die Temporalien. D e r Unterschied zwischen Jakob von Viterbo und Aegidius Romanus liegt in der Darstellung der naturrechtlich begründeten weltlichen Gewalt. D e r zeitliche Vorrang und damit die eigene Qualität hat für die heidnische weltliche Herrschaft immerhin die Konsequenz, daß sie legitim auf eine innerweltliche beatitudo ausgerichtet sein und sich hierzu priesterlicher Elemente bedienen kann. Im Grunde genommen wird mit der thomasischen Relation von Natur und Gnade aber doch dieselbe Unterscheidung von weltlicher und geistlicher Gewalt wie bei Aegidius vorgetragen. Der relative Eigenwert der weltlichen potestas wird durch die Näherbestimmung der gnadenhaften Vollendung aller Natur wieder eingeschränkt. Die perfectio naturae beinhaltet die gubernatio, die wiederum umfangreiche jurisdiktioneile Eingriffsmöglichkeiten in die Handlungen der weltlichen Gewalt bietet. Die Analogie zu Aegidius wird bei der Betrachtung der eher marginal erörterten Zwei-Schwerter-Lehre deutlich. Im R a h m e n der Zusammenfassung der gegnerischen Einwände gegen die kurialistische Position, daß die geistliche Gewalt aus göttlichem R e c h t die Temporalien besitze (287), referiert Jakob die Vorbehalte gegen die Zwei-SchwerterLehre, die sich an R o m 13,4 orientieren. 7 9 Selbst wenn man eine Übertragung der potestas an die weltliche Gewalt annähme und sie durch die geistliche Gewalt ihr Schwert erhielte, könnte im Anschluß daran die geistliche Gewalt nicht mehr beide Schwerter besitzen. Das zur Jurisdiktion über körperliche Dinge verwendete weltliche Schwert verhindert auch, daß die geistliche Gewalt ohne Schwertbesitz noch ein dominium über Temporalien hat. Weil Christus das weltliche Schwert nicht verwendet hat, wurde ein dominium oder THOMAS VON AQUIN, Summa
contra Gentiles
IV,76 (vgl. hierzu GRABMANN, J a k o b von V i t e r b o
185FF.). 78
Zusammenfassend äußert sich Jakob: Temporaiis itaque potestas ita comparatur ad spiritualem:
quia
ei subicitur, ei obsequitur, ab ea instituitur, ab ea iudicatur, ad ipsam reducitur et ordinatur, in ea continetur et resevatur: et hoc Semper et maxime verum est de potestate spirituali plenaria, ARQUILLIERE, 79
qualis est in summo pontifice (ed.
238).
Vgl. ed. ARQUILLIERE, 287FF. Lediglich ein weiteres M a l wird a u f Lk 2 2 , 3 8 B e z u g g e n o m -
m e n , u m darzustellen, daß die actus der beiden Gewalten sich ähneln, aber in der Art und Weise des actus voneinander unterschieden sind, wie es Lukas in 2 2 , 3 8 ausgedrückt hat: beide Gewalten üben beispielsweise jurisdiktionelle Funktionen aus, aber die eine bezieht sich a u f die körperliche und die andere Gewalt auf die geistliche R i c h t e r f u n k t i o n (vgl. ebd., 2 2 8 ) .
38
Erster Teil: Die spätmittelalterlichen
Verhältnisbestimmungen
der beiden
Schwerter
eine potestas über weltliche Dinge auch nicht an seinen Stellvertreter übertragen. 8 " Auch Bernhard von Clairvaux bestätigt die ausschließlich naturrechtlich begründete weltliche Gewalt des Papstes gemäß der Konstantinischen Schenkung. Diese Einwände entsprechen im wesentlichen denjenigen, mit denen sich bereits Aegidius und Heinrich von Cremona auseinandersetzen mußten. Anhand der Unterscheidung von geistlich-königlicher und weltlich-königlicher Gewalt widerlegt Jakob diese Argumente. Der Temporalienbesitz durch eine geistliche Gewalt liegt auf einer höheren und hervorragenderen Ebene als der durch eine weltliche Gewalt (288). Weil es sich bei den beiden königlichen Gewalten nicht etwa um verschiedene Gewalten, sondern Ausformungen der einen Gewalt handelt, kann der weltliche Herrscher die Temporalien nur in einer unvollkommenen körperlichen, der geistliche Herrscher aber in einer vollkommenen, körperlichen und seelischen Form besitzen (288). Ausdruck dieser zweifachen Gewalt ist das zweifache Schwert nach Lk 22,38, das der Papst besitzt, aber unterschiedlich handhabt. Das geistliche Schwert fuhrt er direkt, ad usum, das weltliche aber indirekt, ad nutum. D e r Gebrauch ad nutum ist der würdevollere Gebrauch des weltlichen Schwertes als es direkt zu verwenden (289). Daß das Schwert trotz der Überlassung im Besitz des Papstes bleibt, begründet Jakob wie schon Aegidius mit Bernhard von Clairvaux anhand der Besitzanzeige tuus und der Bestätigung Christi (satis est).HI Der W i n k (innuitio) der geistlichen Gewalt an die weltliche, beispielsweise gegen Übeltäter vorzugehen, entspricht nach Jakob dem göttlichen Gesetz (289f.). Im Sinne einer Relation von primum movens (voluntas universalis) und movens proximum {voluntas particularis) gibt die weltliche Gewalt den Handlungsauftrag an ihre jeweiligen Untergebenen zur Ausführung weiter. D e r Einwand von Christi Ablehnung aller weltlichen Gewalt und allen Besitzes wird von Jakob dahingehend entkräftet, daß Christus in seinem irdischen Leben zwar auf die Herrschaft über Temporalien verzichtet habe, damit aber den Gläubigen zeigen wollte, daß sie sich so weit wie möglich von irdischen Dingen fernhalten sollten (290). Eine Schriftauslegung darf nicht in eine biblizistische Deutung verfallen, die nur das für richtig hält, was Christus auch tatsächlich gebrauchte oder getan hat, so daß für die Taufe mit Wasser oder die Zungenrede auch ein Verbot ausgesprochen werden müßte, weil sie bei Jesus nicht nachweisbar sind (291 f.). Viele Dinge haben Christus und die Apostel deswegen der Kirche zur erstmaligen Ausführung überlassen. Das Kriterium christusgemäßer Handlungsweisen richtet sich nach den Erfordernissen der 8 0 D e r Zusammenhang von dominium und potestas begegnet bei Johannes von Paris und dann ausfuhrlich im Armutsstreit und den daraus folgenden Schriften, insbesondere bei W i l h e l m von Ockham. 81
Ed.
ARQUILLIÈRE,
111,454,11-14).
289;
vgl.
BERNHARD
VON
CLAIRVAUX,
De
consideratione
IV
3,7
(Opera
1. Zwischen Bonifaz
VIH. und Philipp dem
Schönen
39
Kirche, jetzt beispielsweise ist — ein Hinweis auf die aktuelle Situation — der Kampf gegen Feinde innerhalb und außerhalb der Kirche notwendig. 8 2 D i e Unterscheidung von geistlich- und weltlich-königlicher Gewalt widerlegt letztlich auch die Behauptung, weltliches Eingreifen sei der Kirche iure divino verboten und nur gemäß der Konstantinischen Schenkung erlaubt. Die naturrechtliche Überlassung gelte zwar auch, die Relation von unvollkommener weltlicher und die Vollendung sakramental vermittelnder geistlicher Gewalt eröffne aber auch einen temporalen Besitz aus göttlichem R e c h t (292f.). Trotz einer gewissen Eigenständigkeit der temporalen Gewalt ist es gerade die Verhältnisbestimmung der beiden Schwerter, die die kurialistische Position des doppelten Schwertbesitzes erneut zum Ausdruck bringt. Sie durchzieht zwar nicht wie bei Aegidius den gesamten Traktat, wird aber an entscheidender Stelle eingefugt. Ihr an Thomas von Aquin geschulter geistiger Hintergrund tritt bei Jakob vielleicht noch deutlicher zutage als bei Aegidius, da er sich explizit der Relation von Natur und Gnade als perfectio naturae bedient. An dieser Relation wird auch die kurialistische Zuspitzung der thomasischen T h e o l o gie deutlich, wenn von derformatio und gubernatio der Natur durch die Gnade geredet wird und damit alle jurisdiktionellen Eingriffsmöglichkeiten der geistlichen Gewalt begründet werden. D e r Eingriff in die weltliche potestas - wenn von potestas überhaupt noch vollgültig die R e d e sein kann - und in die temporalia erfolgt auf der gleichen geistigen Grundlage. A m Beginn des 14. Jahrhunderts beziehen sich potestas und dominium insbesondere auf die beiden Konfliktpunkte zwischen Papst und französischem König: einerseits die Bischofsinvestitur, ein Herrschaftskonflikt, und andererseits die Klerikerbesteuerung, eine Frage des dominium. Die Darstellung anhand des Begriffs regnum, die Jakob hier vorliegt, pointiert gerade die bestrittene Legitimität des französischen Königs und seines regnum, das in Paris für gottgegeben und autonom gehalten wird. Jakob bietet keine allgemeine imperiale Theorie zwischen Papst und Kaiser, sondern bestreitet die französischen Ansprüche durch vollgültige Inanspruchnahme des regnum für Christus. Darin liegt seine originäre Leistung. 83 D e r Beginn der Darstellung mit dem naturrechtlich verankerten Königreich mag den Franzosen noch gefallen haben. Eine mildere Form der kurialistischen
s2 Christus multa reliquit apostolis exequenda et ordinanda, que ipse per seipsum non exercuit; sic et apostoli plura reliquerunt exequenda suis successoribus, que ipsi non exercuerunt nec ordinaverunt: secundum enim diversos status ecclesie et diversa tempora congruunt et expediunt alia et alia. [...] Qua dilatata et vigorata, exercenda estpotentia contra rebelies et adversarios ecclesie: contra quos spiritualis potestas a temporali potestate fìdeli, supra quam habet auctoritatem, requirere potest et debet auxilium et obsequium (ed. ARQUILLIÈRE, 292f.). Diese sich verändernden Notwendigkeiten belegt Jakob mit AUGUSTIN, De correctione Donatistarum V (PL 3 3 , 8 0 1 f.). 8 1 »Es wird kein mittelalterlicher Theologe die dogmatische Lehre vom Königtum Christ [...] so entschieden betont haben als Jakob von Viterbo«, so zutreffend GRABMANN, Aristotelesrezeption 69.
40
Erster Teil: Die spätmittelalterlkhen
Verhältnisbestimmungen
der beiden
Schwerter
Verhältnisbestimmung der Schwerter liegt damit allerdings nicht vor,84 denn die Aufgabenbestimmung der weltlichen Gewalt ist ausschließlich auf die innerweltliche Erfüllung deijenigen Aufgaben ausgerichtet, die von der geistlichen Gewalt gestellt werden. Zwar wird der stufenweise Aufbau der Gesellschaft mit aristotelischen Begriffen dargelegt, diese Stufen bedürfen aber in erster Linie der regeneratio durch die Heilsvermittlung der Kirche. 8b Damit hat der hier vorliegende Begriff des ad nutum auch keine im Vergleich zur Bulle Unam sanetam abgeschwächte Bedeutung. 86 Auch wenn keine literarische Bezugnahme der Bulle aufJakob zu erkennen ist, kann Jakobs Traktat der Vorbereitung der römischen Synode 1302 gedient haben, da hier im Grunde dieselben Gedanken vertreten werden.87
1.3 Das antikurialistische Verständnis der beiden Schwerter als Auseinandersetzung mit der papalistischen Argumentation Hatten die kurialistischen Autoren eine weitgehende Unterordnung des weltlichen Schwertes unter die plenitudo potestatis papae mit dem Bild der zwei Schwerter begründet, so versuchten nun Theologen auf der französischen Seite, dieses Bild als Beleg ihrer antikurialistischen Position zu verwenden. Neben verschiedenen anonym überlieferten Schriften 88 ist hier vor allem das Werk von Johannes von Paris von Bedeutung. 1.3.1 Quaestio disputata in utramque partem pro et contra pontificiam potestatem: Die Unterscheidung der Aufgaben und die causae mixtae Vermutlich als Denkschrift gegen die päpstliche Bulle Auscultafili verfaßt, erörtert die Quaestio in utramque partem die Frage, ob der Papst auch die potestas in 8 4 GRABMANN, ebd., sieht in der »milderen, abgetönten Form« der hier vorliegenden hierokratischen Lehre die Auswirkungen der aristotelisch-thomistischen Einflüsse. 8 5 Vgl. ULLMANN, Bulle 72. Zutreffend meint SCHOLZ, Publizistik 139; »Es ist ein Versuch, das alte Problem vom Verhältnis der beiden Gewalten und vom Ursprung des Staates von einer neuen Seite zu betrachten und, trotz einiger Konzessionen an die neuere politische Anschauung, das alte Papalsystem im vollen U m f a n g aufrecht zu halten.« So handelt es sich hier darum daß »die neuplatonisch-christliche Weltsicht [...] konsequent auf die Gewaltenlehre übertragen« ist (KÖLMEL, R e gimen 396). 8,1 Z u m B e g r i f f ad nutum in der Bulle Unam sanetam vgl. unten S. 60, Anm. 168. KÖLMEL, R e gimen 3 9 4 , hört in der Ubersetzung des ad nutum durch predicatio und exhortatio einen milderen Klang »als es die weitausholenden Formeln von der spiritual-temporalen Gewalt sonst vermuten lassen«. Die letztlich strenge Hinordnung der weltlichen auf die geistliche Gewalt zeigt aber, daß es bei den beiden von Kölmel vorgeschlagenen Begriffen nur um einen Teilaspekt der gubernatio der weltlichen Gewalt geht. 87
S o SCHOLZ, P u b l i z i s t i k
88
Vgl. hierzu grundlegend MIETHKE, D e potestate 112FF.
132.
1. Zwischen Bonifaz
VIII. und Philipp dem
Schöncn
41
temporalibus besitze oder ob die beiden Gewalten nicht unabhängig voneinander seien. 89 D e r Verfasser weist letzteres nach. Es bleibt zwar eine Abhängigkeit des Imperiums von der römischen Kurie bestehen. D e r französische König ist davon gewohnheitsrechtlich aber nicht betroffen (97,26—29). Die imperiale Abhängigkeit geht nicht so weit, dem Papst nach kanonischem R e c h t den Besitz beider Schwerter zuzuschreiben, da die weltliche Gewalt unmittelbar von Gott stamme (97,26—28). Während das römische R e c h t die Unterscheidung zweier voneinander unabhängiger Bereiche bestätigt, gilt für den französischen König, in seinem Gebiet selbst Imperator zu sein (98,19—26). Der zweite Teil der Denkschrift dient dem ausfuhrlichen Nachweis der weltlichen Selbständigkeit. Während die Bibel und das römische R e c h t eine von der geistlichen Gewalt unabhängige Entstehung der weltlichen Gewalt belegen, zeigen Schriftzitate auch voneinander getrennte Aufgabengebiete: R o m 13,4 spricht von der Schwertgewalt der weltlichen Herrscher, wohingegen Eph 6,17 das geistliche Schwert als Wort Gottes versteht. Diese Unterscheidung ermöglicht eine sachgemäße Auslegung der zwei Schwerter nach Lk 22,38, die nur dem literalen Sinn nach möglich ist. 90 Auch Christus selbst belegt eine notwendige päpstliche Beschränkung, da er zwar eine potestas über Körper und Seele besaß, aber nur letztere ausübte und somit auch nur diese an seine N a c h -
8 9 Vgl. hierzu SCHOLZ, Publizistik 2 2 4 - 2 5 1 , besonders 231 fF.; KÖLMEL, R e g i m e n 469fF. Scholz datiert die Quaestio aus inhaltlichen Gründen in den Zusammenhang der Bulle Auscultafili und der Widerlegung der gefälschten Bulle Deum time im Frühjahr 1302. Daneben wurden von der Quaestio die 1302 entstandenen Schriften von Aegidius R o m a n u s und Heinrich von Cremona benutzt. D i e Datierung wird durch die Reihenfolge in den Handschriften bestätigt (nach SCHOLZ, Publizistik 226ff.; MIEHTKE, D e potestate 3 0 7 , fuhrt 13 Handschriften und 3 Handschriften einer französischen Übersetzung auf). In GOLDAST, Monarchia 2, 96—107, wurde diese Schrift unter dem Namen von Aegidius R o m a n u s ediert; diese Angabe kann aber als falsch erwiesen werden, da es ein französischer Jurist (und nicht ein italienischer Theologe) gewesen sein muß, der diesen Traktat verfaßte (SCHOLZ, Publizistik 2 2 4 f . 2 2 9 f . ; vgl. KUITERS, R . , Aegidius R o m a n u s and the A u t horship o f »In utramque partem«, in: Augustiniana 8, 1958, 267—280). Darauf deutet auch das Interesse an der Kanonisation Ludwigs I X . sowie die Kenntnis des kanonischen R e c h t s . Die Festlegung auf einen Juristen ist allerdings wegen der verwendeten theologisch-philosophischen Argumentation nicht unumstritten (vgl. KÖLMEL, R e g i m e n 469). A u f den Charakter einer » D e n k schrift« (so SCHOLZ, Publizistik 229) deutet die Knappheit der Ausfuhrungen und die übersichtliche Zusammenstellung der Argumente hin. O b allerdings der oder die Verfasser der Quaestio zugleich die Fälschung Deum time veranlaßte(n) (ebd.), bleibt unbewiesen. D i e hier benutzte Edition erfolgte in DYSON, 4 6 - 1 1 1 . 90 Ad utriusque civilitatis regimen, Dens duosgladios ordinavit, duas iurisdictiones distinctas et differetites ad invicem, sicut exponit sancti illud Luce 22: Eccegladii duo hie; et respondit Dominus: Satis est. Materiali gladio utunturprineipes, sicut ait Apostolus, ad Rom. 13: Princeps non sine causagladium portat, Dei enim est minister, et vindex in iram ei qui malum facit. De spiritualigladio dicit idem Apostolus Ephes., 6: Galeam salutis assumite et gladium Spiritus quod est verbum Dei. Gladio spirituali utebantur apostoli, materiali vero numquam usi esse leguntur, nisi dicatur quod, imminente Dominipassione, Petrus, cum haberetgladium, exemit et unius auriculam amputavit (DYSON, 66). D e r Verfasser setzt sich dabei nicht explizit mit der methodischen Frage der Auslegung auseinander. Vgl. hierzu Johannes von Paris anhand eines A u gustin-Briefes an Vicentius, unten S. 50.
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Erster Teil: Die spätmittelalterlichen
Verhältnisbestimmungen
der beiden Schwerter
folger ü b e r t r u g . 9 1 N u r fallweise ist eine Ü b e r s c h n e i d u n g der A u f g a b e n g e b i e t e denkbar. 9 2 D i e B e d e u t u n g einer fallweisen A u f g a b e n ü b e r s c h n e i d u n g w i r d m i t Beispielen e r h o b e n . Klar u n t e r s c h i e d e n w e r d e n die A u f g a b e n bei der Z e h n t a b g a b e , der B e s t r a f u n g der Simonie, der Häresie u n d der E h e s c h e i d u n g sowie a n d e r e r E h e f r a g e n (geistliche Zuständigkeit) u n d bei L e h e n s - u n d Blutgerichtssachen (weltliche Zuständigkeit). D a n e b e n gibt es causae mixtae, w o b e i es sich u m w e l t liche Streitfälle m i t einer gewissen »Nähe« zu geistlichen Fragen handelt: h i e r u n t e r fallen Lehensstreitigkeiten, bei d e n e n Eides- o d e r Vertragsbruch h i n z u k o m m t . 9 3 D i e A n r u f u n g der geistlichen Jurisdiktionsgewalt in einer weltlichen Streitsache ist aber n u r g e w o h n h e i t s r e c h t l i c h a u f g r u n d einer consuetudo m ö g lich, n i c h t aber a u f g r u n d der plenitudo potestatis papae. D e r K e r n der Quaestio besteht n u n in der E r ö r t e r u n g der H e r k u n f t des f r a n zösischen regnum v o n G o t t o d e r »einem M e n s c h e n « , d e m Papst. D i e bei A e g i dius R o m a n u s zu findende B e h a u p t u n g , der K ö n i g h a b e de iure d e n Papst als seinen H e r r n a n z u e r k e n n e n , w i r d bei Todesstrafe (per interemptionem) v e r b o ten. 9 4 D i e Konstantinische S c h e n k u n g gilt dabei nicht f ü r Frankreich, 9 3 weil die U n a b h ä n g i g k e i t des französischen Königs v o m I m p e r i u m R o m a n u m m i t der s o g e n a n n t e n »Trojasage« der Gesta Francorum belegbar ist. D a n a c h h a b e n sich die F r a n k e n niemals d e m R ö m i s c h e n R e i c h u n t e r w o r f e n u n d k ö n n e n somit w e d e r e i n e m I m p e r a t o r n o c h d e m Papst u n t e r s t e h e n . Diese U n a b h ä n g i g k e i t w i r d z u d e m d u r c h die R e c h t s f o r m einer h u n d e r t j ä h r i g e n Verjährungsfrist abgesichert, w o n a c h eine etwa b e s t e h e n d e A b h ä n g i g k e i t a u f g r u n d einer s c h o n ü b e r h u n d e r t Jahre b e s t e h e n d e n s o u v e r ä n e n R e g i e r u n g abgelaufen sein müßte.96 91
V g l . h i e r z u B E R N H A R D VON CLAIRVAUX, De consideratione
II 6 , 1 3 ( O p e r a 1 1 1 , 4 2 0 , 1 2 ; v g l . a u c h
das Z i t a t b e i J o h a n n e s v o n Paris, u n t e n S. 51, A n m . 126). M i t d e m Besitz i n n e r w e l t l i c h e r G e w a l t , die C h r i s t u s n u r n i c h t ausübte, ist ein U n t e r s c h i e d z u r späteren Position O c k h a m s g e g e b e n (so KÖLMEL, R e g i m e n
474).
92
Propter quod non se debet intromittere de iurisdictione temporali nisi casualiter (GOLDAST, Monarchia 2, 1 0 1 , 1 0 f . ) . D. 9 6 c. 6 Cum ad verum hält d a b e i die regulär g e l t e n d e B e r e i c h s t r e n n u n g s c h o n in d e r U b e r s c h r i f t fest: Nec imperator iura Pontificis, nec Pontifex iura regia usurpet (vgl. CORPUS IURIS CANON I C I , h g . v. E M I L FRIEDBERG, 2 B ä n d e , L e i p z i g 1 8 7 9 - 1 8 8 1 ( = FRIEDBERG I u n d I I ) , h i e r 1 , 3 3 9 ) . 93 Vgl. SCHOLZ, Publizistk 237. D i e Q u ä s t i o n verweist in d i e s e m Z u s a m m e n h a n g a u f die G l o s se z u r D e k r e t a l e Novit, die die causae mixtae n ä h e r e r ö r t e r t . 94 Vgl. hierzu SCHOLZ, Publizistik 239. Vgl. h i e r a u c h die Ä u ß e r u n g K ö n i g Philipps a u f d e r S t ä n d e v e r s a m m l u n g , a u f d e r er sein L e b e n u n d s e i n e n Besitz als P f a n d f ü r die V e r t e i d i g u n g d e r S o u v e r ä n i t ä t des f r a n z ö s i s c h e n K ö n i g s setzte (vgl. SCHOLZ, ebd.; DUPUY, 61). 9d D i e S c h e n k u n g s u r k u n d e , D. 9 6 c. 14 Constantinus, w i r d m i t H i l f e d e r Glossa ordinaria des A c CURSIUS (gest. 1260), Quomodo oporteat episcopos. Collatioprima, tit. 6, N r . 6 als u n g ü l t i g n a c h g e w i e -
s e n (vgl. SCHOLZ, P u b l i z i s t i k 96
246).
D i e V e i j ä h r u n g ist dieserzeit i m ü b r i g e n ein h ä u f i g g e b r a u c h t e s A r g u m e n t (vgl. SCHOLZ, P u blizistik 240). Vgl. a u c h die ä h n l i c h e A r g u m e n t a t i o n in d e r V o r r e d e zu d e m legistischen Traktat Super usibusfeudorum v o n ANDREAS DE ISERNIA (1220—1316; SCHOLZ, ebd.). Z u e i n e r sogar t a u s e n d j ä h r i g e n V e r j ä h r u n g s f r i s t vgl. die v e r m u t l i c h v o n PIERRE DUBOIS s t a m m e n d e D e n k s c h r i f t Delibera-
/ . Zwischen
Bonifaz
VIII.
und Philipp
dem
Schönen
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Die Zwei-Schwerter-Auslegung untermauert die gottesrechtliche Herkunft der weltlichen Gewalt. Der Gebrauch beider Schwerter durch Mose als Herrscher über das Volk zeigt das Vorhandensein einer weltlichen Gewalt schon vor der kurialistischerseits behaupteten Einsetzung Lk 22,38. Seit Inkrafttreten des evangelischen Gesetzes ist nun gemäß der Quaestio eine einzige Herrschaft umso mehr vonnöten (103,40-50). Während dieses Argument die Souveränität des Königs belegen soll, eröffnet sich hier der päpstlichen Argumentation eine Eingriffsmöglichkeit in den Besitz des weltlichen Schwertes, da sie sich als legitime Nachfolgerin der Mose-Herrschaft verstehen dürfte. Der Verfasser beeilt sich deswegen auch zu erklären, mit diesem Argument betrete man ein weites Feld, das einer Erläuterung bedürfe (103,50—52). Mose sei im Besitz beider Schwerter nur als weltlicher Führer des Gottesvolkes, nicht aber als Priester gewesen (104,27—29). Christus übernahm nun als Nachfolger Moses den Besitz beider Schwerter, übte die eine Gewalt aber nicht aus (104,51fF.). Eine Übertragung beider Schwerter erfolgte nicht: Christus gebietet Petrus, ein Schwert wieder in die Scheide zu stecken, woraus nicht hervorgehe, daß Petrus auch das andere gehöre. Er habe dieses andere Schwert auch nicht nur deshalb nicht gebraucht, weil es ihm nicht opportun erschien, sondern weil es nicht angemessen sei, das Schwert zu gebrauchen. Ein Gebrauch ermögliche sich nur fallweise.97 Die bereits von Aegidius Romanus verwendete Kategorie der Angemessenheit erhält hier eine umgekehrte Stoßrichtung. Es begründet nicht die Existenz einer zweiten Gewalt trotz notwendig vollständigen Gewaltmonopols der geistlichen Gewalt, sondern wendet die Angemessenheit auf die geistliche Gewalt selbst an, um die Unmöglichkeit des weltlichen Schwertbesitzes durch die Kirche und damit die Unabhängigkeit des französischen Königs zu zeigen. Ahnlich wie in den Schriften aus der Frühzeit des Kampfes mit Bonifaz VIII. werden für diesen Nachweis naturrechtliche Argumente neben das göttliche R e c h t gestellt. Es besteht eine naturrechtlich-gewohnheitsmäßige Unabhängigkeit, die durch die Auslegung von Lk 22,38 im Lichte von R o m 13,4 und Eph 6,17 bestätigt wird. Unklar bleiben bei der Unterscheidung der Aufgabengebiete aber die causae mixtae. Durch sie bleibt ein fallweises Eingriffsrecht der geistlichen Gewalt vorhanden, das in die bestehenden Unterscheidungen nicht ausreichend integriert wird. 98 Wie die consuetudo erfolgt, die einen Eingriff ermöglicht, und wer die necessitas definiert, die zu einem Eingriff fuhrt, bleibt undeutlich. Angesichts der causae mixtae könnte sich der Papst weiter einen Eingriff ratione peccati v o r b e h a l t e n . 9 9 t i o s u p e r a g e n d i s 1 3 0 2 z u n e n n e n (ed. DUPUY, 44—47 n a c h d e r e i n z i g e r h a l t e n e n , f r a g m e n t a r i s c h e n M i t s c h r i f t ; z u r V e r f a s s e r f r a g e SCHOLZ, P u b l i z i s t i k 3 8 7 ) . et in magna necessitate (ed. GOLDAST, 1 0 5 , 2 4 f . ) .
97
Cum causa et multa deliberatione
98
V g l . SCHOLZ, P u b l i z i s t i k 2 5 1 . D i e h i e r a r c h i s c h e O r d n u n g w i r d d a m i t als s o l c h e d u r c h d i e
G e w a l t u n t e r s c h e i d u n g n o c h n i c h t v e r l e t z t (so KÖLMEL, R e g i m e n 4 7 4 ) . 99
T r o t z d i e s e r U n s c h a r f e h a t d i e Quaestio in utramque partem n u n e i n e i n t e r e s s a n t e W i r k u n g s g e -
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Erster Teil: Die spätmittelalterlichcn
Verhältnisbestimmungen
der beiden
Schwerter
1.3.2 Rex pacificus: Die Eigenständigkeit der Welt in der Natur-Gnade-Relation Die anonym überlieferte Quästion Rex pacificus munitioniert ebenfalls den französischen Hof gegen die Trakate von Aegidius Romanus und Heinrich von Cremona. 10 " D e m Papst ist das salvare, nicht das iudicare von Gott übertragen, so daß er keine weltliche Jurisdiktion für sich beanspruchen kann. Abweichend zur bisherigen Verwendung des Körper-Seele-Vergleiches kommt Rex pacificus zu einer durch die aristotelische Naturwissenschaft geprägten »physiologischen Staatsanschauung«. 101 Das Bild des Körpers wird auf die beiden Gewalten ausgelegt, ohne daß Körper und Seele auf weltliche und geistliche Gewalt verteilt würden. Die Seele spielt in diesem Bild keine Rolle mehr. Der nur transzendent verstandene Christus ist das Haupt des Körpers, auf das der Verfasser nicht näher eingeht. Zentrum des Körpers ist das Herz, die weltliche Gewalt, von der her wie Adern (nervi) Gesetze und Verordnungen den ganzen Körper durchziehen. Zwar hängen geistliches und weltliches Recht letztlich von dem Haupt ab, aber innerweltlich entstammen beide dem Herzen. Die weltliche Gewalt läßt sich nach dem hier vorliegenden Verständnis direkt auf Christus zurückfuhren und ermöglicht ein innerweltliches geistliches Leben überhaupt erst.102 Die geistliche Gewalt kann zwar ihre Aufgaben wahrnehmen, hat aber im engeren Sinne kein dominium und keine iurisdictio über die Temporalien mehr. 103 Durch Überlassung kann sie eine weltliche Aufgabe zugesprochen bekommen, ohne daß sich daraus aber eine allgemeine potestas ergäbe. Die Konstantinische Schenkung entfaltet wie in der Quaestio in utramque partent nur eine begrenzte Kraft: Frankreich ist nicht nur defacto, sondern auch de iure vom Imperium (und schichte, d e n n k e i n g e r i n g e r e r als Kaiser Karl V. ließ sich offensichtlich aus e i n e r f u r i h n a n g e f e r tigten f r a n z ö s i s c h e n U b e r s e t z u n g vorlesen (so SCHOLZ, Publizistik 2 3 0 f . ) . 10(1 E d i e r t ist d e r Text f r a g m e n t a r i s c h b e i DUPUY, 6 6 3 - 6 8 3 ; A u s z ü g e in D u BOULAY I V , 2 8 - 3 1 . Vgl. z u m f o l g e n d e n SCHOLZ, Publizistik 2 5 2 - 2 7 5 ; KÖLMEL, R e g i m e n 469fF. MIETHKE, JÜRGEN, D i e Traktate »De potestate papae«. E i n Typus p o l i t i k t h e o r e t i s c h e r L i t e r a t u r i m späten Mittelalter, in: Les genres littéraires dans les sources t h é o l o g i q u e s et p h i l o s o p h i q u e s médiévales. D é f i n i t i o n , c r i t i q u e et e x p l o i t a t i o n . Actes d u C o l l o q u e i n t e r n a t i o n a l d e L o u v a i n - l a - N e u v e . 25—27 mai 1981, L o u v a i n - l a - N e u v e 1982, 193—211 ( = T r a k t a t e ) , hier 2 0 8 , b e n e n n t 11 H a n d s c h r i f t e n . Z u r v o r h e r b e h a n d e l t e n Quaestio sind f o r m a l e u n d inhaltliche Ä h n l i c h k e i t e n zu e n t d e c k e n , so d a ß ein z e i t gleicher Z u s a m m e n h a n g a n g e n o m m e n w e r d e n k a n n (ebd., 258). D e r Verfasser (eventuell a u c h m e h r e r e ? ) v e r f u g t e ü b e r j u r i s t i s c h e Kenntnisse, da d e r A u f b a u dieser Quaestio d e m ü b l i c h e n S c h e m a e n t s p r i c h t u n d d e r Inhalt sich a u f das k a n o n i s c h e u n d r ö m i s c h e R e c h t k o n z e n t r i e r t (SCHOLZ, Publizistik 255; g e g e n die F e s t l e g u n g auf e i n e n J u r i s t e n a b e r KÖLMEL, R e g i m e n 469). D a ß P i e r r e D u b o i s d e r Verfasser g e w e s e n sein soll, w i e h ä u f i g in d e r älteren L i t e r a t u r b e h a u p t e t , läßt sich n i c h t n a c h w e i s e n (SCHOLZ, a.a.O. 257). A u c h e i n e Z u s c h r e i b u n g zu J o h a n n e s v o n Paris ist n i c h t b e w e i s b a r (vgl. SAENGER, PETER, J o h n o f Paris. P r i n c i p a l A u t h o r o f t h e Q u a e s t i o d e p o t e s t a t e p a p a e » R e x pacificus«, in: S p é c u l u m 56, 1981, 41—55). 101
So SCHOLZ, Publizistik 2 6 5 ; vgl. in d i e s e m Z u s a m m e n h a n g e b d . , 263—266. V o n hier scheint d e r W e g z u r marsilischen K o n z e p t i o n n i c h t m e h r w e i t zu sein, w o die K i r c h e i n n e r h a l b des w e l t l i c h e n G e f u g e s eine b e s t i m m t e A u f g a b e erfüllt (so SCHOLZ, Publizistik 272). 102
103
V g l . h i e r z u SCHOLZ, P u b l i z i s t i k 266FF.
45
?. Zwischen Botiifaz VIII. und Philipp dem Schönen
damit vom Papst) unabhängig. N e b e n der Verjährungsfrist verweist
Rexpacißcus
darauf, daß sich die Konstantinische Schenkung nur auf das Ostreich bezogen habe und Frankreich davon unberührt geblieben sei (675). Weil der Verfasser dieser Quaestio die Abhängigkeit des Imperiums vom Papst nicht widerlegt, 1 0 4 kann ein Durchbruch in der Gewaltenunterscheidung nicht erzielt werden, denn zwar ist der französische K ö n i g natur- und göttlich-rechtlich unabhängig vom Papst, nicht aber die weltliche Gewalt an sich. Daneben bleibt das Nothilferecht in diversen causae mixtae wie zuvor bestehen. Hieran ändern auch die methodischen Hinweise zur Bibelauslegung nichts.
Die
Gewaltenunterscheidung darf nur dort biblisch belegt werden, wo der Literalsinn eines Textes deutlich davon spricht. Im Unterschied zu Lk 2 2 , 3 8 ist die Deutung der unmittelbar göttlichen Ableitung der weltlichen Gewalt R o m 13,1 oder die Gewaltenunterscheidung gemäß dem Münzgleichnis M k 12 klar. Die Auslegung Bernhard von Clairvaux' zu Lk 2 2 , 3 8 , die Unterscheidung des Schwertgebrauchs ad nutum — ad usum, ist für die Schrift ein Beleg für die Gewaltenunterscheidung und gerade nicht für die Subordination des weltlichen Schwertes." 1 5 D a ß die allegorische Redeweise nicht zum biblischen B e l e g einer Lehre taugt, zeigt der Verfasser anhand des Bildes der zwei Lichter, das ebenfalls nur die Unterscheidung zweier Gewalten, nicht aber ein Subordinationsverständnis ermöglicht.'" 6 Sonne und M o n d werden demnach nicht so ausgelegt, daß der M o n d (die weltliche Gewalt) sein Licht (seine potestas) von der Sonne (der geistlichen Gewalt) empfängt, wie es die Dekretale Solitae behauptet, 1 0 7 sondern daß lediglich zwei Gewalten wie Sonne und M o n d getrennt voneinander sind. Auch hier tritt R o m 13,1 nach dem Literalsinn in den Vordergrund. D i e damit ausgesagte Gottesherkunft des weltlichen Schwertes wird durch Rex
pacificus
allerdings hinsichtlich der endzeitlichen Bedeutung eingeschränkt: innerhalb des weltlichen Geltungsbereiches ist die iustitia nicht als vera iustitia zu finden, weil diese nur spiritualiter erlangbar ist. M i t dieser Einschränkung ist die Tatsache verbunden, daß der Verfasser weiter den Papst als vicarius Christi bezeichnet und diesen in seiner potestas lediglich auf die geistlichen Dinge beschränkt, ihm eine innerweltlich wirksame potestas aber nicht generell abspricht (680).
Vgl. hierzu KÖLMEL, Regimen 476. Hue usque verba Bernardi; in quibus gladium accipit pro iurisdictione. Ergo utraque iurisdictio, scilicet spirituaìis & temporalis, pertinet ad Papam (DUPUY, 666). Dico ergo, quod ilia expositio duorum luminarium, quae ponitur in Decretali, Solitae, non est expositio tatigens sensum historicum, sive literalem, sed solummodo mysticum, & spiritualem, videlicet, allegoricum. Unde ex hoc non debet trahi aliquod argumentum. Quia ad destructionem errorum non proceditur, nisi per sensum literalem: eo quod alii sensus sunt per similitudines accepti: & ex similitudinariis locutionibus non potest suini argumentatio (DUPUY, 676f.). Der Verfasser belegt die Ablehnung anhand des Briefes von Dionysius Areopagita an Titus, quod symbolica Theologia non est argumentativa (ebd., 677). 1117 Vgl. X 1.33.6 in dem Kapitel De maioritate et oboedientia. 104 105
46
Erster Teil: Die spätmittelalterlichen
Verhältnisbestimmungen
der beiden
Schwerter
Mit der Unterscheidung von weltlicher iustitia und geistlicher vera iustitia gemäß dem thomasischen Schema von vollendender Gnade und vollendungsbedürftiger Natur bleibt trotz der strengeren Gewaltenunterscheidung durch den Körpervergleich und durch die Beschränkung auf den biblischen Literalsinn das Problem bestehen, das kuriale Argument eines fallweise notwendigen geistlichen Eingriffs in temporalibus ratione peccati nicht umfassend widerlegen zu können. Unklar bleibt die Zuordnung der Definitionshoheit eines Notfalls und die Unterscheidbarkeit der Geltungsbereiche von geistlichen und weltlichen Rechtssätzen angesichts der ¡'¡«rfiM-Unterscheidung. 1.3.3 Johannes Q u i d o r t von Paris: D i e virtus als innerweltliche, geistliche Qualität Die maßgebliche antikurialistische Schrift dieser Zeit ist De regia potestate et papali von Johannes Quidort von Paris (um 1270—1306). 1 0 8 Das 1302 entstandene Werk des in der Theologie des Thomas von Aquin geschulten Quidorts argumentiert implizit gegen Aegidius Romanus und Jakob von Viterbo sowie explizit gegen die Schrift Heinrichs von Cremona. 1 0 9 Während sich der erste 108
Ediert in BLEIENSTEIN, FRITZ, J o h a n n e s Q u i d o r t von Paris. Ü b e r königliche und päpstliche
Gewalt ( D e regia potestate et papali), Frankfurt a . M . 1 9 6 8 . D i e Edition legt 19 Handschriften z u grunde (vgl. hierzu die Vorstellung aller Handschriften bei BLEIENSTEIN, 4 7 f f . ) . MIETHKE, K o n s i s t o r i a l m e m o r a n d u m 4 2 4 , A n m . 18, m a c h t a u f 13 weitere, z u m Teil wesentlich spätere H a n d s c h r i f ten aufmerksam. Z u r Literatur vgl. SCHOLZ, Publizistik 2 7 5 - 3 3 3 ; FINKE, B o n i f a z 1 7 0 - 1 7 7 ; GRABMANN, MARTIN, Studien zu J o h a n n e s Q u i d o r t von Paris, S B A W . P H 3, M ü n c h e n 1 9 2 2 ( = J o h a n n e s Q u i d o r t ) ; KÖLMEL, R e g i m e n 4 8 1 - 4 9 0 ; MIETHKE, D e potestate 116ff. Vgl. als Ü b e r s i c h t über die Schriften Q u i d o r t s und die Handschriften KÄPPELI, THOMAS, Scriptores Ordinis Praedicatorum M e d i i Aevi II, R o m 1 9 7 5 , 517—524. D e r S e n t e n z e n k o m m e n t a r von Q u i d o r t (zwischen 1 2 9 2 und 1 2 9 6 entstanden) weist keine explizite Beschäftigung mit den S c h w e r t e r n , d e m Gewaltenverhältnis oder Lk 2 2 , 3 8 auf (JEAN DE PARIS (Quidort) O. P., C o m m e n t a i r e sur les sentences. R e p o r t a t i o n , B a n d 1 u. 2, hg. V.JEAN-PIERRE MULLER, Studia Anselmiana 4 7 , 1 9 6 1 und 5 2 , 1 9 6 4 ) . E i n e Pariser Quästion von Q u i d o r t , die die Seelsorgetätigkeit, beziehungsweise die E r t e i l u n g des Bußprivilegs durch Papst B e n e d i k t X I . erörtert, zeigt einen Z u s a m m e n h a n g zwischen der Armutsfrage und der päpstlichen Gewalt, w i e er i m Z u s a m m e n h a n g mit dem Armutsstreit bedeutsam wird (vgl. JOHANNES QUIDORT VON PARIS O.P., D e confessionibus audiendis. Quaestio disputata Parisius de potestate papae, hg. v. LUDWIG HÖDL, M G I 6, M ü n c h e n 1 9 6 2 ) . Z u den philosophisch-politischen Verbindungslinien von Q u i d o r t zu T h o m a s von Aquin GRIESBACH, MARC F., J o h n o f Paris as a Representative o f T h o m i s t i c Political Philosophy, in: An E t i e n n e Gilson Tribute, hg. v. CHARLES J . O'NEILL, M i l w a u k e e 1 9 5 9 , 33—50, der sich vor allem mit der Arbeit von GRABMANN, J o h a n n e s Q u i d o r t , auseinandersetzt. SCHOLZ, Publizistik 2 9 6 f f . , und BLEIENSTEIN, 1 3 f . , fuhren folgende G r ü n d e für die D a t i e r u n g an: die Schrift kann nicht vor Februar 1 3 0 2 entstanden sein, weil sie B e z u g n i m m t auf das königliche Verbot gegen die R e i s e der B i s c h ö f e zur r ö m i s c h e n Synode, die der Papst am 0 5 . 1 2 . 1 3 0 1 einberufen hat. Sie m u ß allerdings vor d e m Attentat von Anagni verfaßt worden sein, da die in den letzten Kapiteln erörterte M ö g lichkeit einer Papstabdankung nach Anagni und d e m E n d e des Pontifikats so nicht m e h r verständlich wäre. D i e E r n e n n u n g H e i n r i c h s von C r e m o n a z u m B i s c h o f von R e g g i o am 0 3 . 0 4 .
1302
scheint Q u i d o r t n o c h nicht bekannt gewesen zu sein, w o b e i allerdings mit einer Verzögerung des B e k a n n t w e r d e n s dieser E r n e n n u n g von R o m nach Paris zu r e c h n e n ist. D a n e b e n n i m m t die
Í. Zwischen
Bonifaz
VIH. und Philipp dem
Schönen
47
Teil (Kapitel 1—5) mit dem Wesen der weltlichen und geistlichen Gewalt im allgemeinen beschäftigt, erörtert der zweite Teil (Kapitel 6—20) in 42 Argumentationsschritten die Frage des dominium und der päpstlichen iurisdictio in temporalibus, hier besonders auch anhand der kurialistischen Thesen. Der Anhang (Kapitel 21—25) widmet sich vor allem der Bedeutung der Konstantinischen Schenkung und der rechtlichen Möglichkeit einer päpstlichen Abdankung. Quidort geht von einer universalen göttlichen Ordnung aus, in der die Kirche als corpus Christi mysticum mit Christus als Haupt von der göttlichen O r d nung der Welt zu unterscheiden ist. 1,0 Die in ihrem Beginn an Jakob von Viterbo erinnernde Argumentation versteht die Ordnung der Welt in zweifacher Hinsicht als domus Dei. Naturrechtlich ist der Mensch ein gemeinschaftsbildendes Wesen, das unter einer Regierung zur civitas zusammengefaßt wird {=regnum).u] Die hier verwendete aristotelische »Politik« erweitert Quidort u m die cicero manische »rationalistische« Vertragstheorie, nach der der zur Gemeinschaft veranlagte Mensch seine eigene Herrschaftsfähigkeit an einen einzelnen Herrscher über eine Gemeinschaft abgibt, dem er sich unterwirft." 2 Das regnum hat zwar eine monarchische Ordnung, bedarf aber nicht unbedingt eines einzigen Oberhauptes (84). Gegen eine imperiale Hierarchie der Welt sprechen die rassischen, sprachlichen und geographischen Unterschiede der Einzelgemeinschaften.' 13 Die weltliche Gewalt hat zudem nicht die FähigSchrift a u f die in Paris v e r f a ß t e päpstliche Bulle Deum time v o m J a n u a r 1 3 0 2 B e z u g . D e r Verlauf des Jahres 1 3 0 2 scheint also f ü r die A b f a s s u n g w a h r s c h e i n l i c h . D i e Bulle Unam sanetam k a n n , m u ß a b e r n i c h t b e k a n n t g e w e s e n sein, da die bei Q u i d o r t e r ö r t e r t e n A r g u m e n t e d e r Bulle a u c h in De ecclesiastica potestate v o n A e g i d i u s R o m a n u s zu finden sind, w o b e i e i n e explizite K e n n t n i s d e r S c h r i f t d u r c h Q u i d o r t n i c h t n a c h z u w e i s e n o d e r zu w i d e r l e g e n ist (so MIETHKE, K o n s i s t o r i a l m e m o r a n d u m 442). Vgl. z u r D a t i e r u n g ebenfalls FINKE, B o n i f a z 170ff. D i e A n n a h m e , d a ß es sich b e i d e m Traktat ü b e r w i e g e n d u m die Z u s a m m e n s t e l l u n g v o n Teilarbeiten aus d e n J a h r e n 1297—1298 h a n d e l t (so COLEMAN, JANET, T h e Intellectual M i l i e u o f j o h n o f Paris OP, in: Das P u b l i k u m p o l i t i scher T h e o r i e i m 14. J a h r h u n d e r t , hg. V.JÜRGEN MIETHKE, S c h r i f t e n des H i s t o r i s c h e n Kollegs. K o l l o q u i e n 21, M ü n c h e n 1992, 173—206, hier 174), b e r ü c k s i c h t i g t n i c h t die Tatsache, d a ß die Frage n a c h d e m G e w a l t e n v e r h ä l t n i s seit 1296 v i r u l e n t ist u n d so n u r s c h w e r a u s z u m a c h e n ist, w a n n w e l c h e r Text verfaßt sein soll. A u f d e n n ä h e r e n Z u s a m m e n h a n g z w i s c h e n Q u i d o r t u n d H e i n r i c h v o n C r e m o n a m a c h t MIETHKE, K o n s i s t o r i a l m e m o r a n d u m 4 4 1 f., a u f m e r k s a m . D a n e b e n setzt sich Q u i d o r t ebenfalls m i t d e r Dcterminatio compendiosa de iurisdictione imperii et auetoritate domini summi pontificis des T o l o m e o v o n Lucca v o n 1300 m i t B e z u g a u f die E r n e n n u n g A l b r e c h t s I. z u m d e u t s c h e n K ö n i g a u s e i n a n d e r (vgl. SCHOLZ, Publizistik 290). 110 Z u m f o l g e n d e n vgl. b e s o n d e r s SCHOLZ, Publizistik 2 9 8 f f . 111 Regnum est regimen multitudinispetfectae ad commune bonum ordinatum ab uno [...] Est autem tale regimen a iure naturali et a iure gentium derivatum. Nam cum homo sit animal naturaliter politicum seu civile (ed. BLEIENSTEIN, 75). KÖLMEL, R e g i m e n 4 8 2 , weist d a r a u f h i n , d a ß in d e r zitierten Stelle alle » W e s e n s e l e m e n t e d e r scholastischen Soziallehre vereint« sind: e i n e G a n z h e i t , die die T e i l g e m e i n schaften ü b e r r a g t , d e r Z w e c k d e r G e m e i n s c h a f t s b i l d u n g u n d die M o n a r c h i e als F o r m dieser Z w e c k o r d n u n g . D e r Staat ist dabei n a c h THOMAS VON AQUIN eine S e t z u n g des naturale iudicatorium humanae rationis ( S u m m a T h e o l o g i a e I—II, q. 76, a. 6 ad 4; vgl. ULLMANN, B u l l e 51 f.). 112
1,3
V g l . BLEIENSTEIN, 3 1 f . ( C I C E R O , De
inventione
I c.2).
GRIESBACH, 36, verweist in d i e s e m Z u s a m m e n h a n g auf d e n Versuch, i m regnum K e n n z e i c h e n eines I m p e r i u m s zu installieren.
Franciae
48
Erster Teil: Die spätmittelalterlichen
Verhähnisbestimmwigen
der beiden
Schwerter
keit, mit ihrem Schwert alle Untertanen zu erreichen — im Unterschied zur R e i c h w e i t e des Wortes Gottes als Schwert der geistlichen Gewalt (92f.). Einer imperialen Ordnung widerspricht weiter die Eigentumsfähigkeit des einzelnen Menschen, durch die er Eigentum zu seinem eigenen Gebrauch besitzt und dieses ähnlich wie seine potestas einem Herrscher übertragen kann. Mithin gilt auch hier die Vertragstheorie. Im geistlichen Bereich dagegen ist das Wort allgemeiner Besitz. D e r naturrechtlichen Begründung eines Territorialstaats steht für Quidort letztlich keine gleichgeartete naturrechtliche Begründung des Imperiums gegenüber. 1 1 4 D e r Zweck einer naturrechtlichen Gemeinschaft ist das Gemeinwohl. 1 1 ' Das Gemeinwohl wird durch den BegrifFder virtus spezifiziert, die bereits signalisiert, daß das Ziel der weltlichen Ordnung über die Befriedigung der materiellen sußcientia und die Friedenswahrung hinausgeht. Durch die virtus richtet sich der Mensch auf eine innerweltliche iustitia aus, die ihre Vollendung in der himmlischen vera iustitia finden wird. Aus diesem Grund lehnt Quidort die klassische Zuschreibung des Körper-Seele-Vergleiches auf die beiden Gewalten ab, da für die weltliche
Gewalt
die Aufgabe
nicht
auf materielle
Angelegenheiten
beschränkt bleibt (157). Quidort verknüpft so die aristotelische Zweckbestimmung des Staates mit der augustinischen Unterscheidung von Gerechtigkeit und wahrer Gerechtigkeit, welche durch die thomasische Natur-Gnade-Relation in eine Abfolge von anfänglicher und vollendeter Gerechtigkeit transponiert wurde. Damit kommt der zweite Aspekt der Weltordnung ins Blickfeld, der die Ausrichtung des Menschen auf das übernatürliche Ziel der beatitudo aeterna betrifft. D i e auf dieses Ziel ausgerichteten Menschen bilden die congregatiofidelium
unter
dem K ö n i g Jesus Christus als deren Haupt (78). D i e Kirche bedarf aufgrund ihrer heilsvermittelnden Aufgabe einer streng hierarchischen, auf ein O b e r haupt ausgerichteten Ordnung. Nach seinem Verständnis von potestas versteht Quidort, abweichend zur klassischen Begründung der Einzelgewalt aus der Übertragung an Petrus M t 1 6 , 1 8 , diese geistliche potestas als Zusammenfassung der monarchischen Einzelgewalten der Bischöfe, die in der Folge der Gewaltübertragung durch Christus an seine J ü n g e r stehen. D i e höchste, päpstliche Gewalt ist damit lediglich Stellvertreter Petri als oberstem Jünger, nicht aber im kurialistischen Sinn successor Christi.u6
D i e innerweltliche ecclesia militans entspricht so der himmlischen ecclesia
triumphans, dem bereits oben bezeichneten corpus Christi mysticum (80f.).
1 1 4 Vgl. ed. BLEIENSTEIN, ebd. Quidort fuhrt hier die aristotelische Begründung der Königsherrschaft in Staatstaaten und Territorien aus dem natürlichen R e c h t an (ARISTOTELES, Politik A 2; 1253a l f ) . Vgl. auch Augustin in De civitate Dei: Dieser weist auf den Frieden hin, der noch b e stand, als die Grenzen eines R e i c h e s mit denen seiner Heimat zusammenfielen (AUGUSTIN, De civitate Dei IV, 3 f . l 5 ; C S E L 4 0 , 1 6 5 - 1 6 7 . 1 8 2 f . ) . 1 1 3 Z u r späteren Definition des Gemeinwohl-Begriffs bei O c k h a m siehe unten S. 87, Anm. 6. 1,6 Et ideo sicfuit dataprimo Christi discipulis [sc. die Heilsgewalt der Kirche bis ans Weltende], ut
1. Zwischen Bonifaz
VIII. und Philipp dem
Das Verhältnis von regnum und congregatiofidelium
49
Schöncn
erörtert Quidort unter dem
Aspekt des Einflusses des Papstes in temporalibus. Bereits durch den Ausgangspunkt der Einrichtung der Welt in zwei Ordnungen werden Gegner widerlegt, die bisher im Anschluß an H u g o von St. Viktor eine Einsetzung der weltlichen durch die geistliche Gewalt behaupteten. 1 1 7 Es besteht kein zeitlicher Vorrang der geistlichen Gewalt. M i t Augustin kann das R e i c h der Assyrer als ältestes R e i c h gelten, zu dessen Zeit es noch kein wahres Priestertum gab, denn dieses wurde erst durch Jesus Christus gestiftet. 11S Das alttestamentliche Priestertum ist lediglich als Abbild des wahren zu verstehen (85). Hinsichtlich der Würdigkeit ist die geistliche Gewalt der weltlichen zwar wegen des Endzwecks der himmlischen beatitudo überlegen, in weltlichen Dingen überragt die weltliche Gewalt aber die geistliche in der Würde (87f.). Regnum und congregatio
fidelium
leiten ihre Gewalt also beide unabhängig aus der universalen göttlichen O r d nung ab. Quidort wählt dafür als Bild das Verhältnis zwischen einem römischen Familienoberhaupt und dem magister militum.U9
D i e universale göttliche O r d -
nung erscheint dabei als »dritte Gewalt« im aristotelischen Sinne einer wirkenden Erstursache hinter den beiden innerweltlich präsenten
ordines.u"
D e r »Testfall« für die Verhältnisbestimmung der Gewalten ist das NotfalleingrifFsrecht. Falls ein weltlicher Herrscher in geistlichen Dingen abirrt, muß man ihn zunächst ermahnen und bei fortgesetzter Verfehlung exkommunizieper eos ad alias derivari posset, inter quos Semper oportet esse aliquos ministros superiores et perfectos [...] Manifestum est autem quod quamvis populi distinguantur per diversas dioeceses et civitates in quibus praesunt episcopi in spiritualibus, tarnen una est omniumfidelium ecclesia et unus populus Christianus. Et ideo statt in qualibet dioecesi est unus episcopus qui est caput ecclesiae in populo iilo, sie in tota ecclesia et toto populo Christiano est unus summus scilicet papa Romanus, Petri successor (ed. BLEIENSTEIN, 80f.). SCHOLZ, Publizistik 3 0 3 ff., macht auf das vorliegende korporative R e c h t aufmerksam, das streng auf die spirituale Sakramentsverwaltung bezogen ist. Die potestas iurisdictionis bezieht sich ebenfalls auf die M e n schen als Gläubige und ist auch korporativ gegliedert, nämlich in die bezirkweise eingeschränkte Bischofsgewalt und die diese Bezirke übergreifende Jurisdiktionsgewalt des Papstes. Damit wird eine funktionale, nicht aber materiale Unterscheidung innerhalb der geistlichen Gewalt eingeführt. 117 Vgl. hierzu HUGO VON ST. VIKTOR, De sacramentis II 2,4 (PL 1 7 6 , 4 1 8 C . D ; vgl. zur Verwendung durch die Kurialisten oben S. 23, Anra. 39). Quidort hält Hugos Aussagen für non authentica (ed. BLEIENSTEIN, 158). Mit AUGUSTIN, De diversis quaestionibus I 6 9 , 4 (PL 4 0 , 7 5 f . ) - Dinge entstehen, wenn sie offenkundig werden — läßt sich Hugo nach Quidort auch anders verstehen. Hugo könnte mit der Existenz der königlichen durch die priesterlichen Gewalt nicht deren Existenzsetzung als solche gemeint haben, sondern die Manifestierung dieser Existenz durch die Salbung, wohingegen ihre Existenz durch Gott und die Zustimmung und Wahl des Volkes erfolgte (vgl. ed. BLEIENSTEIN, a . a . O . ) .
Vgl. hierzu AUGUSTIN, De civitate Dei X V I , 1 7 ( C S E L 4 0 , 1 5 8 f . ) . '19 Nec tarnen si principe maior est sacerdos dignitate et simpliciter oportet quod sit maior eo in omnibus [...], sedse habetsicutpotestaspatrisfamilias adpotestatem magistri militum, quarum una ab alia non derivatur, sed ambae a quadam potestate superiori. Et ideo potestas saecularis in aliquibus maior est potestate spirituali, scilicet in temporalibus nec quoad hoc est subiecta in aliquo quia ab illa non oritur, sed ambae oriuntur ab una suprema potestate, scilicet divina, immediate, propter quod inferior non est subiecta superiori in omnibus sed in his solum, in quibus suprema supposuit eam maiori (ed. BLEIENSTEIN, 88). 1211 Z u r R e d e von der »dritten Gewalt« vgl. GRIESBACH, 37. 1,8
50
Erster Teil: Die spätmittelalterlichen
Verhältnisbestimmungen
der beiden
Schwerter
ren (138f.). Weitere direkte Einflußmöglichkeiten hat der Papst nicht. Indirekt (per accidens) kann er jedoch das Volk gegen seinen Fürsten aufbringen. Bei weltlichen Verfehlungen besitzt der Papst überhaupt keine Jurisdiktion. In weltlichen Dingen erfolgt aber auch die weltliche Jurisdiktion über den Papst gemäß dem in R o m 13,4 erwähnten Schwert (107f.). Umgekehrt hat der weltliche Fürst auch keine Gewalt gegenüber dem Papst in geistlichen Dingen. Für das Eingriffsrecht bedeutet das Gewaltenverhältnis eine Beschränkung auf lediglich indirekte Instrumente, die sich an der Frage orientieren, ob ein weltlicher oder geistlicher Mißbrauch und damit eine jeweilige Zuständigkeit einer Gewalt vorliegt. Für den Fall einer unmittelbaren Zuständigkeit sind direkte Eingriffsmittel legitim. Das Notfallrecht erlaubt es dem weltlichen Fürsten aber darüber hinaus, bei Mißbrauch der geistlichen Gewalt gegen diese mit dem weltlichen Schwert vorzugehen, bzw. den Papst abzusetzen. 121 Diese Feststellungen dürften im Zusammenhang mit der Gefangennahme des Papstes in Anagni 1303 von besonderer Bedeutung gewesen sein. 122 Das hier vorliegende direkte Eingriffsrecht geht deswegen über die bisher benannten Eingriffsmöglichkeiten hinaus, weil der Mißbrauch der geistlichen Gewalt sich auf den weltlichen Bereich erstreckt und somit eine direkte Zuständigkeit der weltlichen Gewalt gegeben ist. Die Erörterung der Verhältnisbestimmung der beiden Schwerter erfolgt im R a h m e n der klassischen kurialistischen Argumente für eine iurisdictio papae in temporalibus.u:i Zunächst bezweifelt Quidort die Verwendbarkeit der Schwerterdeutung, da dessen Autor, Bernhard von Clairvaux, non magna auetoritate sei (115). In methodischer Hinsicht kann nach Augustins klassischem Diktum in seinem B r i e f an Vicentius eine Allegorie nur als Beleg einer Lehre brauchbar sein, wenn diese Lehre durch ein anderes, externes und autoritatives Zeugnis belegbar ist. 124 Daraus folgt für Quidort, daß Lk 2 2 , 3 8 nicht hinsichtlich einer 121 Est enim licitum principi abusum gladii spiritualis repeliere eo modo quo potest, etiam pergladium materiellem, praeeipue ubi abusus gladii spiritualis vergit in malum rei publicae, cuius cura rei ineumbit: Aliter enim sine causa gladium portaret (ed. BLEIENSTEIN, 179; vgl. auch ebd., 196). 1 2 2 SCHOLZ, Publizistik 3 2 1 , spricht sogar von einem »Gutachten« für Anagni. Sicher waren diese Aussagen nicht im Sinne eines »Gutachtens« bei Quidort bestellt worden, bevor man sich nach Anagni aufmachte. D e r Einfluß von solchen Gedanken auf das politische Handeln ist aber dennoch wahrscheinlich. 1 2 3 Vgl. zur Zwei-Schwerter-Lehre bei Quidort ed. BLEIENSTEIN, 167ff. Quidort referiert hier J e r 1,10, M t 16,18f., die Sonne-Mond-Allegorie, die Konstantinische und Pippinsche S c h e n kung, die Eidesleistung des Kaisers gegenüber dem Papst und dessen Absetzungsrecht gemäß der Dekretalen, die allgemeine Unterordnung des Körpers unter die Seele, die Unrichtbarkeit des geistlichen Menschen nach 1. Kor 2,15, die Rangordnung der Endzwecke und auch den zeitlichen und Würdevorrang (ebd., 118ÍF.). 1 2 4 Vgl. AUGUSTINS B r i e f an Vicentius, Epistula X C I I I , c. 8,25 (PL 3 3 , 3 3 4 ) . Auch DIONYSIUS AREOPAGITA räumt der mystischen Theologie (zu der er die allegorische Redeweise rechnet) keine Beweiskraft ein (Epistula I X ; P G 3 , 1 1 0 3 ) . Eine spätere Glosse zur Bulle Unam sanetam, die im Z u sammenhang mit Rex pacificus steht, greift dieses Argument auf (ed. FINKE, Bonifaz C - C X V I ; zur Abhängigkeit von Rex pacificus SCHOLZ, Publizistik 2 7 4 f . ) : Quod vero sero subiungitur de gladiis, per
/.
Zwischen Bonifaz
Vili, und Philipp dem
51
Schönen
päpstlichen Jurisdiktionsgewalt verstanden werden kann, weil nicht wörtlich zu finden ist, daß der Papst beide Schwerter besitze (184). Eine klare Schwertbedeutung findet er wie schon die anonymen Traktate in Eph 6,17, wo das geistliche Schwert als Wort Gottes bezeichnet wird. Kombiniert man Lk 2 2 , 3 8 und Eph 6,17, so wären die zwei Schwerter als Altes und Neues Testament verstehbar. Gemeint sein könnten aber auch das Schwert als Wort Gottes im Gegenüber zum Schwert der Bedrängnis. 125 Bernhard bestätigt diese Deutung, wenn er schreibt: »Lege an dein Schwert, — nämlich das Schwert des Geistes, welches ist das Wort Gottes.« 126 Das weltliche Schwert hingegen wird R o m 13,4 klar als Besitz der weltlichen Gewalt ausgesagt (112f.), wiederum ein Beleg, der bereits aus den anonymen Schriften bekannt ist. Quidort überprüft nun die Möglichkeit, daß mit den beiden Schwertern tatsächlich die beiden Gewalten gemeint seien. Ein Schwertbesitz durch Petrus lasse sich dennoch nicht nachweisen, da er das weltliche Schwert weder besessen noch ergriffen habe und das geistliche Schwert von ihm nicht gebraucht werden dürfe. Ein unmittelbarer Gebrauch sei nur nach genauer Überlegung in einem Notfall erlaubt. A u f diese Einschränkung verweise der Aufruf des Herrn, das Schwert wieder in die Scheide zu stecken (168). Des weiteren wird von Quidort auch die Möglichkeit eines zweifachen Schwertbesitzes geprüft. Es könne dabei keine R e d e davon sein, daß der Gebrauch des weltlichen Schwertes der Kirche ihrer Angemessenheit (aptitudo) nach nicht denkbar sei. Sie erhalte schließlich die weltliche Schwertgewalt durch Überlassung und mit Einverständnis der weltlichen Gewalt in diversen Fällen. 127 Damit ergibt sich eine Differenz zur Quaestio in utramque partem, die das Argument der Angemessenheit gegen die geistliche Gewalt und ihren weltlichen Einfluß richtete. Q u i dort bringt an dieser Stelle das bernhardinische manu militis ad nutum sacerdotis et iussum imperatoris zur Geltung: Das weltliche Schwert werde zwar für die geistliche Gewalt {pro illo) geführt, aber in der Hand der weltlichen Gewalt. Zudem erfolge nicht nur der W i n k des Priesters allein, sondern dieser bedürfe der Zustimmung des Imperators. 128 Das Schwerterbild habe darüber hinaus einen der Vernunft nach verständlichen Aspekt. Anhand der aristotelischen Distinktion von potentia und actus wäre es widervernünftig, davon auszugehen, daß der Besitzer der potentia nicht auch quos duplex potestas intelligi dicitur, est sensus allegoricus, ex quo non potest argumen tum trahi vel elici set ex solo ¡iterali, ut Augustinus dicit contra Vincencium Donatistam (ed. FINKE, Bonifaz C I X ) . 125 Vgl. Lk 2,35, »Deine Seele wird ein Schwert durchbohren«, oder 2.Sam 12,10, »Nicht wird weichen das Schwert von deinem Hause.« 126
E d . B L E I E N S T E I N , e b d . 1 4 3 . V g l . B E R N H A R D VON C L A I R V A U X , De
consideratione
II 6 , 1 3
(Opera
111,420,12). '27 Potest nihilominus dici quod ideo duo gladii ibi dicuntur esse et ad apostolos pertinere, quia unus apostolis et eorum successorihus convenit per se quem a Christo hahent, alius vero suus aptitudine, quia eis non repugnat et ex commissione et permissione principum suus erat futurus (ed. BLEIENSTEIN, 169). 128
E d . BLEIENSTEIN, e b d . ; vgl. a u c h e b d . , 1 1 5 f .
52
Erster Teil: Die spätmittelalterlichen
Verhältnisbestimmungen
der beiden
Schwerter
den actus besäße. Gott könne aber in seiner Ordnung nicht widervernünftig sein. 1 2 9 Umgekehrt sei anzunehmen, daß der Kirche zu bestimmten Zeiten die potestas und die utilitas, zu anderen Zeiten nur die utilitas über die Temporalien durch die weltliche Gewalt eingeräumt werde. Damit könne von einem naturrechtlichen oder göttlich-rechtlichen Besitz durch die geistliche Gewalt aber keine R e d e sein. Quidort beruft sich an dieser Stelle ausgerechnet auf den kurialistischen »Gewährsmann« Hugo von St. Viktor. 1 3 0 D e r weitestgehende Ausdruck dieser Gewaltüberlassung ist das ex dcvotione der Konstantinischen Schenkung. 1 3 1 Damit ist für Quidort der kurialistische doppelte Schwertbesitz der Kirche widerlegt. D i e U n t e r s c h e i d u n g von potestas
u n d utilitas hat nicht nur jurisdiktionelle K o n s e q u e n z e n ,
sondern betrifft auch die Frage eines weltlichen Besitzes des Papstes. Q u i d o r t weist darauf bereits in der E i n l e i t u n g seiner Schrift hin. D i e beiden F r o n t e n in der Frage, o b der Papst ein dominium
in temporalibus
haben k ö n n e , sieht er bei den Waldensern und bei d e m biblischen
K ö n i g Herodes g e g e b e n . ' 3 2 D i e Waldenser behaupteten einerseits, daß die N a c h f o l g e r der Apostel analog zu diesen keinen weltlichen Besitz haben dürften. Herodes verstehe andererseits Christus als irdischen K ö n i g , woraus sich das kurialistische Mißverständnis entwickele, der Papst besäße als Stellvertreter Christi ü b e r alle zeitlichen D i n g e die Herrschaft. H i e r i n liege aber eine G e f a h r für den G l a u b e n , denn die N e u g l ä u b i g e n , so Q u i d o r t , verlören sofort ihren Besitz an den Papst u n d das w ü r d e ihren anfangenden G l a u b e n d o c h erheblich s c h w ä c h e n . D i e A b l e h n u n g j e g l i c h e n Besitzes sei aber auch nicht im R e c h t , w i e s c h o n Vigilantius m i t e i n e m Syllogismus zeige: a) der Stellung des Papstes entspreche evangelische V o l l k o m m e n h e i t ; b) als H e r r über allem widerspreche i h m der Verzicht a u f die R e c h t e über die T e m poralien, also c) A r m u t und Verzicht g e h ö r t e n n i c h t zur evangelischen V o l l k o m m e n h e i t . D e r Besitz der Temporalien widerspreche somit nicht d e m W e s e n der geistlichen Gewalt. Sie erhalte einen Einfluß i m weltlichen B e r e i c h , parallel zur m ö g l i c h e n Jurisdiktion, aber erst durch Überlassung durch die weltliche G e w a l t . 1 3 3 Q u i d o r t k a n n für diese gedankliche Struktur das gratianische D e k r e t selbst in Anspruch n e h m e n . N a c h d e m D e k r e t gründet sich Besitz nur a u f das weltliche R e c h t , da v o n N a t u r aus alles den M e n s c h e n g e m e i n sei. Erst der gemeinschaftliche Z u s a m m e n s c h l u ß e r m ö g l i c h e den Besitz des E i n z e l n e n .
Das kanonische R e c h t zeige praktische Konsequenzen dieser Schwerterbestimmung. In weltlichen Angelegenheiten sei keine Appellation an den Papst m ö g lich. Ein B i s c h o f appelliere ebenfalls an einen Fürsten und nicht den Papst, wenn es um eine weltliche Sache gehe. D i e Entrichtung einer Steuer durch die 129
E d . BLEIENSTEIN, 1 1 5 ; vgl. ARISTOTELES, De somno
130
E d . B L E I E N S T E I N , 1 1 7 ; v g l . H U G O V O N S T . V I K T O R , De
et vigilia
c. 1; 4 5 4 a 8 .
sacramentis
II 2 , 4 ( P L 1 7 6 , 4 1 8
C.D).
Ed. BLEIENSTEIN, 111. An dem hier angeführten Beispiel der Konstantinischen Schenkung wird darüber hinaus deutlich, daß der N a m e »Schenkung« darauf verweist, daß der Papst nicht der ursprüngliche Besitzer gewesen sein kann, da es sonst »Rückgabe« hätte heißen müssen (vgl. D. 9 6 c. 14 Constantinus). 1 3 2 Vgl. hierzu ed. BLEIENSTEIN, 6 9 - 7 2 . 1 3 3 Quidort nimmt hier die Positionen des späteren Armutsstreits bereits vorweg. KÖLMEL, R e gimen 4 8 1 , weist kritisch daraufhin, daß hier der Kern der gegnerischen Argumentation verfehlt wird, die j a nie behauptete, daß ein temporaler Besitz dem Status nach gegeben sei. Z u m Zusammenhang zwischen der Armuts- und Besitzfrage und der päpstlichen plenitudo potestatis vgl. hier 131
a u c h COLEMAN, 1 7 3 FF.
53
?. Zwischen Bonifaz VIII. und Philipp dem Schönen
Geistlichen an ihren weltlichen Herrscher werde ebenfalls durch R o m 13,1 belegt, wonach jede Seele der weltlichen Gewalt Untertan sein solle.134 Gemäß der von Quidort vorgestellten zweifachen göttlichen Ordnung der Welt stammen beide Schwerter unmittelbar von Gott. Die potestas Dei hat dabei zwei unterschiedliche Wirkweisen, die naturrechtliche und die göttlich-rechtliche. Die naturrechtliche Wirkweise stattet den Menschen als gemeinschaftsbildendes Wesen aus und gibt ihm als organisierendes Mittel das weltliche Schwert in die Hand. Die göttlich-rechtliche Wirkweise ermöglicht die Bildung der congregatio ßdelium, innerhalb derer das göttliche Wort als geistliches Schwert geführt wird. Die zweifache göttliche Ordnung widerspricht also dem kurialistischen Denkversuch einer Weitergabe des weltlichen Schwertes an eine weltliche Gewalt durch die Hand des Priesters und der damit verbundenen Subordination. Als unzutreffend weist Quidort das kurialistische Argument zurück, dem Priester sei die Handhabung des weltlichen Schwertes lediglich unangemessen, indem er die Begründung umkehrt: aus dem Besitz der weltlichen Gewalt kann das Schwert fallweise der geistlichen Gewalt zukommen, wenn die weltliche Gewalt dies für erforderlich hält. Die kurialistische Subordinationstheorie argumentierte mit einer imperialen Konstruktion, indem zunächst alle weltliche Gewalt unter einem einzigen Herrscher vereint und dieser wiederum dem Papst unterstellt wurde. Quidort widerspricht dem mit seinem an Aristoteles geschulten territorialen, bzw. regionalen Verständnis der weltlichen Gewalt. Dieses territoriale Verständnis korrespondiert dabei mit den bekannten Argumenten, die die Souveränität Frankreichs u.a. gewohnheitsrechtlich belegen konnten. Wenn damit die Bestrebungen der französischen Krone zur Verdeutlichung der Souveränität des Königs unterstützt werden sollen, dann bedeutet die bleibende hierarchische Ausrichtung der Kirche in der Konzeption von Quidort, daß er eine kirchliche Unabhängigkeit von R o m nicht wirklich aufrecht erhalten kann. Er mindert zwar die päpstliche Macht durch ihre Herkunft aus Bischofshand, vermag aber aufgrund seines Ausgangspunktes, der göttlichen Gesamtordnung, nicht von einer Mehrzahl von Kirchen zu sprechen. Damit verbunden ist das Problem, daß die geistliche Gewalt sehr wohl durch eine traditionell pseudo-dionysianische reductio ad unum konstituiert wird, dasselbe aber nicht für die vielfältige Ausübung und Reichweite der weltlichen Gewalten gelten soll. Quidort löst damit nicht das methodische Problem, warum die weltliche Gewalt nicht auch hierarchisch im Sinne des Imperiums und damit analog zur geistlichen Gewalt konstituiert sein müßte. Die Auslegung von Lk 22,38 vermeidet wie schon die anonymen Traktate eine allegorische Deutung der Stelle. Diese wäre nur durch die Zuhilfenahme 134 Ed. B L E I E N S T E I N , 1 lOf. Vgl. hierzu D . 93 c. 24 Legimus; D . 96 c. 1 1 Si imperator; C. 27 Si tributum; C. 11 q. 1 c. 28 Magttum; C. 32 q. 4 c. 45 Quaesitum u.a.
11
q.
1
c.
54
Erster Teil: Die spätmittelalterlichen
Verhältnisbestimmungen
der beiden
Schwerter
der in ihrem Sinn klaren Stellen wie R o m 13,4 oder Eph 6,17 möglich. Diese Texte legen aber eine Gewaltentrennung nahe. Ist also mit dieser Schrift die mittelalterliche Weltordnung schon zerbrochen?13"' Quidort vermag zwar, eine Subordinationstheorie zu widerlegen und den Kardinalbeweis Lk 22,38 zu relativieren. Die Schwierigkeit liegt aber darin, daß er die Gewalten hinsichtlich ihrer Endzwecke nicht deutlich genug voneinander unterscheidet. Neben der Ausrichtung der congregatio fidelium auf die beatitudo aeterna besteht die Aufgabe der weltlichen Gewalt in der Erlangung und Gewährleistung der virtus. Virtus ist gleichbedeutend mit innerweltlicher iustitia. Gemäß der Distinktion von iustitia und vera iustitia, die im Anschluß an Thomas in die Natur-Gnade-Relation eingetragen wird, bleibt die innerweltliche Gerechtigkeit aber vollendungsbedürftig. Die naturrechtliche Ordnung der weltlichen Gewalt und die göttlichrechtliche Ordnung der congregatio fidelium sind zwar beide unabhängige Einrichtungen Gottes und an Würde dem jeweils anderen nur in ihrem eigenen Hoheitsbereich überlegen. Die innerweltliche virtus bleibt aber auf die Vollendung angewiesen. Wie sie die Vollendung erlangt, ist unklar, was mit der Unausgeglichenheit der eschatologischen Größe der Kirche als corpus Christi mysticum und ihrer innerweltlichen Verfaßtheit in der congregatio zu tun hat. Beides sind ja Bestandteile der universalen göttlichen Ordnung. Durch die innerweltliche Vorwegnahme der eschatologischen Kirche fällt ihrem Oberhaupt aber die Definitionsmöglichkeit zu, was iustitia sei. Die Kirche entscheidet darüber, ob eine Person des weltlichen regnum auch zur congregatio (und damit auch zur eschatologischen Kirche) zu zählen ist oder nicht. Trotz der Zurückweisung der kurialistischen Schriften ist hiermit kein Durchbruch zu einer Gewaltentrennung vollzogen: in den causae mixtae kann der Papst seine Defmitionshoheit gebrauchen.
1.4. D i e kurialistische Z w e i - S c h w e r t e r - L e h r e in der Bulle
Unam
sanctam D e r B u l l e geht eine Konsistorialansprache v o m 2 4 . 0 6 . 1 3 0 2 voraus, in der der Kardinalbis c h o f Matthäus von A q u a s p a r t a j e r 1 , 1 0 a u s l e g t . 1 3 6 D e m Ergebnis nach wird hier vorbereitet, was sich in Unam sanctam
findet.
D e r Papst erhalte durch Christus, a u f den die Aussage J e r
1 , 1 0 vorausweise, als dessen Stellvertreter die plenitudo
potestatis
damit eine temporale Jurisdiktionsgewalt ratione peccati,'37
135
über K ö n i g e u n d V ö l k e r und
D e r Papst m a c h e v o n s e i n e m
S o BLEIENSTEIN, 4 0 f .
Z u Aquasparta vgl. GONDRAS, ALEXANDRE-JEAN, Art. Matthieu d' Aquasparta, in: Catholicisme 8, 9 3 1 - 9 3 4 ; LEPPIN, VOLKER, Art. Matthäus von Aquasparta, in: L T h K 3 6, 1997, 1482. D i e Ansprache ist ediert bei DUPUY, 73—77. In einem ähnlichen Sinne hatte sich Aquasparta bereits in einer R e d e am 0 6 . 0 1 . 1302 im Lateran zur Frage der beiden Gewalten geäußert (vgl. hierzu GRABMANN, Aristotelesrezeption 62f.). 137 Iurisdictionem temporalem habent Imperator & alii Reges; tarnen de omni temporali habet cognoscere 136
1. Zwischen Bonifaz
VIII. und Philipp dem
55
Schönen
R e c h t ad usum aber deswegen n i c h t G e b r a u c h , weil Christus i h m g e b o t e n habe, das S c h w e r t w i e d e r in die S c h e i d e zu stecken. Von einer in Frankreich b e h a u p t e t e n G o t t e s u n m i t t e l b a r keit des weltlichen Schwertes k ö n n e also keine R e d e s e i n . ' 3 8
Die Bulle Unam sanctam ist mehrfach ediert worden. 139 Im Corpus Iuris Canonici findet sich die Bulle in den Extravagantes communes unter der Uberschrift De maioritate et oboedientia. Sie ist mit der Verewigungsformel Ad perpetuam rei memoriam in das amtliche Register eingetragen worden. 14 " Von der Bulle ist allerdings keine Originalversion erhalten geblieben, so daß keine genaueren Bestimmungen zur Form möglich sind.' 41 Die Bulle trägt das Datum vom 18.11. 1302 und steht von daher im Zusammenhang mit der Versammlung der französischen Bischöfe, die zum 0 1 . 1 1 . 1302 nach R o m zitiert worden waren. Eine Quelle aus der Zeit Clemens V.
summus Pontifex, & iudicare ratione peccati (DUPUY, 76; zur Ansprache vgl. hier auch KÖLMEL, R e gimen 404). 138 Sed iurisdictio temporalis quantum ad usum, & quantum ad executionem actus non competit ei, unde dictum est Petro, Convertegladium in vaginam. Unde videtur modo quod dominus Rex Francorum non habet materiam conquerendi (DUPUY, 76). 139
R e g . B o n . 5 3 8 2 ; DENZINGER, HEINRICH, Kompendium der Glaubensbekenntnisse und
k i r c h l i c h e n L e h r e n t s c h e i d u n g e n , h g . v. PETER HÜNERMANN, F r e i b u r g i . B . u . a .
37
1 9 9 1 ( = DENZIN-
GER), N r . 4 6 8 ; a u c h i n d e n M I R B T , CARL / ALAND, KURT ( H g g . ) , Q u e l l e n z u r G e s c h i c h t e
des
Papsttums und des römischen Katholizismus, Band 1. Von den Anfängen bis zum Tridentinum, T ü b i n g e n 1 9 6 7 ( = M I R B T / A L A N D ) , N r . 7 4 6 ; als k r i t i s c h e E d i t i o n L o GRASSO, GIOVANNI BATTISTA
(Hg.), Ecclesia et status. Fontes selecti historiae iuris publici ecclesiastici, R o m 1952, Nr. 432—438. Es wird Lo Grasso benutzt, der den Text aus dem Manuskript des vatikanischen Archivs ediert (Vatikanisches Archiv, Regesta R o m . Pontif. n. 5 0 (ann. V 1 I - I X ) , fol. 387). Zitiert wird wegen der besseren Auffindbarkeit der Texpassagen nicht nach den angegebenen N u m m e r n bei L o Grasso, sondern den Seiten und Zeilen. Z u r Literatur vgl. BOASE, 3 1 5 - 3 3 7 ; CHENU, MARIE-DOMINIQUE, D o g m e et Theologie dans la bulle U n a m sanctam, in: R S R 40, 1951—52, 307—316 ( = D o g m e ) , der die historischen Linien bis zum Kulturkampf des 19. Jhds. und Leo X I I I . auszieht; DERS., Art. U n a m sanctam, in: L T h K 2 10, 1965, 4 6 2 ( = U n a m sanctam); FINKE, Bonifaz 1 4 6 - 1 9 0 ; LUSCOMBE, DAVID, T h e »lex divinitatis« in the bull »Unam sanctam« o f pope Boniface V I I I , in: Church and government in the middle ages, Festschrift für Christopher R o b e r t Cheney, hg. v. CHRISTOPHER N . L . BROOKE u.a., Cambridge 1976, 2 0 5 - 2 2 1 ; ULLMANN, Bulle. Vgl. darüber hinaus BUISSON, LUDWIG, Potestas und Caritas. Die päpstliche Gewalt im Spätmittelalter, F K R G 2, K ö l n / W i e n 1 9 8 2 , 1 . 1 1 5 u. 117; KANTOROWICZ, ERNST H., D i e zwei Körper des Königs. Eine Studie zur politischen Theologie des Mittelalters, München 2 1 9 9 4 , 206; LEVISON, 39; STÜRNER, WOLFGANG, Peccatum und potestas. D e r Sündenfall und die Entstehung der herrscherlichen Gewalt im mittelalterlichen Staatsdenken, Beiträge zur Geschichte und Quellenkunde des Mittelalters, hg. v. HORST FUHRMANN, Band 11, Sigmaringen 1987, 2 1 4 f .
2
14,1
Vgl. FRENZ, THOMAS, Papsturkunden des Mittelalters und der Neuzeit, Historische G r u n d -
w i s s e n s c h a f t e n i n E i n z e l d a r s t e l l u n g e n , h g . v. THOMAS FRENZ u n d PETER-JOHANNES SCHULER, B a n d
2, Wiesbaden/Stuttgart 1986, 16. 141 Vgl. ULLMANN, Bulle 45, besonders Anm. 1. DERS., Scholarship 74, beschreibt die S c h w i e rigkeiten der Einleitungsfragen zutreffend mit: »no papal name, no intitulatio, no address, no salutation, no sanction, no barest kind o f dating [...] in brief, there is a great deal that needs to be explained.«
56
Erster Teil: Die spätmittelalterlichen
Verhältnisbestimmungen
der beiden
Schwerter
spricht davon, daß die Bulle auf der Synode zum Gesetz gemacht worden sei.142 Dagegen sperrt sich allerdings die Feststellung eines der Synodenteilnehmer, Bernard Guidoni, nichts Erwähnenswertes sei auf der Versammlung geschehen. 143 Bei der Grundsätzlichkeit der Bulle ist dieses Fazit, ob nun in ablehnender oder zustimmender Haltung, schwer vorstellbar.' 44 Möglicherweise ist die Bulle verfaßt worden, als die Versammlung bereits aufgelöst worden war. 143 Diese Annahme erscheint angesichts der Tatsache denkbar, daß die Bulle im vatikanischen Register erst nach dem Juli 1303 eingefügt wurde und kein förmlicher Schlußsatz vorhanden ist, der bei einer solchen Bulle zu erwarten gewesen wäre. 146 Später allerdings war der Zusammenhang zwischen Bulle und Synode selbstverständlich bekannt. Die Glosse von Johannes Monachus zur Bulle konstatiert, daß die Bulle deswegen ausgefertigt wurde, weil es Menschen gäbe, die die Heilsnotwendigkeit des Papstgehorsams anzweifelten. 147 Die fehlende Originalversion erschwert auch die Rekonstruktion der Autorenschaft und einer möglichen Redaktion. Zu vermuten ist im Anschluß an eine Konsistorialäußerung des Papstes vom 24.06. 1302 eine Mitautorenschaft des Kardinalbischofs Matthäus von Aquasparta. 148 Diese Äußerung bezieht sich aber auf dessen R e d e vor diesem Konsistorium, während die Abfassung der Bulle ja vermutlich erst in den späteren Herbst fällt.149 Allgemeiner ist Bonifaz
142 Quod Rex & regnum Franciae, & Gallici omnes erant haeretici, & impingebant in articulum Unam sanetam Catholicam, &c. & super hoc voluti edere constitutione»!, quam in consistono legifecit, quac ineipiebat Unam sanetam Catholicam (DUPUY, 3 3 5 ) . SCHOLZ, Publizistik 14, sieht i n d e r B u l l e das » E r g e b n i s dieser Synode«. D i e Bulle war zur Veröffentlichung auf der nach R o m e i n b e r u f e n e n französischen N a t i o n a l s y n o d e 1 3 0 2 g e p l a n t (vgl. MIETHKE, JÜRGEN/BÜHLER, ARNOLD, Kaiser u n d Papst i m K o n flikt. Z u m Verhältnis v o n Staat u n d K i r c h e i m s p ä t e n M i t t e l a l t e r , H i s t o r i s c h e s S e m i n a r , B a n d 8,
h g . v. A R M I N R E E S E u n d U W E U F F E L M A N N , D ü s s e l d o r f 1 9 8 8 ,
35).
143
In hoc concilio verba quidem fuerunt et transierunt: sed nihil aliud notabile gestum apparuit in ejfectu (MANSI, JOHANNES DOMINICUS, S a c r o r u m C o n c i l i o r u m n o v a et a m p l i s s i m a c o l l e c t i o , B a n d 2 5 , G r a z 1 9 6 1 , 1 0 0 ) ; v g l . FINKE, B o n i f a z 1 4 7 ; BOASE, 3 1 7 . 144 U m diese F r a g e n zu k l ä r e n , w ä r e d i e R e c h e r c h e in A k t e n d i e s e r S y n o d e n o t w e n d i g ; allerd i n g s ist v o n d i e s e m T r e f f e n k e i n e r l e i M a t e r i a l e r h a l t e n g e b l i e b e n (vgl. BOASE, 3 1 7 ) . 145
E b e n f a l l s BOASE, 3 1 7 . FINKE, B o n i f a z 147, zeigt, d a ß a m 1 8 . 1 1 . , d e m K i r c h w e i h f e s t P e t r i , k e i n K o n s i s t o r i u m g e tagt h a b e , d e r S c h l u ß s a t z d e r B u l l e f o r m e l l a b e r e i n e k o n s i s t o r i a l e F o r m e l a u f w e i s e . D e r H i n w e i s a u f die k o n s i s t o r i a l e F o r m e l b l e i b t d e n n o c h u n d e u t l i c h — ULLMANN, B u l l e 4 5 , sieht h i e r k e i n e n formell angemessenen Schluß. 146
147 Erant quidam dubitantes et forte credentes ve l etiam asserentes non esse de necessitate salutis subesse summo pontifici, quod quidem vel verbo fieri poterai, quia forte sic dicebantur, vel facto, quia talia agebant et operabantur ac si non esset de necessitate salutis [...] Huic autem morbo pestifero obviare volens sanctissimus pater et dominus Bonifacius papa liane decretalem edidit (zitiert n a c h ULLMANN, B u l l e 4 7 , A n n i . 6). V g l . h i e r z u w e i t e r ULLMANN, B u l l e 47F.; FINKE, B o n i f a z 1 7 7 f f . 148
S o W O L T E R , 3 5 3 ; d i e E i n l e i t u n g b e i D E N Z I N G E R , N r . 8 7 0 - 8 7 5 n a c h L o GRASSO, N r . 4 3 0 ;
C H E N U , D o g m e 3 0 8 ; GRABMANN, A r i s t o t e l e s r e z e p t i o n 6 2 ; H A U S C H I L D , W O L F - D I E T E R ,
Lehrbuch
d e r K i r c h e n - u n d D o g m e n g e s c h i c h t e , B a n d 1. A l t e K i r c h e u n d M i t t e l a l t e r , G ü t e r s l o h 1 9 9 5 ( = HAUSCHILD I), 4 4 4 . Z u r K o n s i s t o r i a l ä u ß e r u n g v g l . DUPUY, I4
'' V g l . ULLMANN, B u l l e 4 6 ,
Anm.4.
77-79.
1. Zwischen
Bonifaz
Vili,
utid Philipp dem
Schönen
57
VIII. selbst als Autor anzunehmen.' 3 " Eine spätere Äußerung von Aegidius Spiritualis weist auf die Verfasserschaft der Papstes hin, die sich allerdings auch allgemein auf die Herkunft der Bulle zur Zeit seines Pontifikats beziehen kann. 151 Der Papst selbst verfugte über ausreichend große juristische Kenntnisse, um ein derartiges Werk zu verfassen.' 32 Die Bulle verknüpft zu Beginn die Soteriologie mit der Ekklesiologie so, daß n u r i n d e m G l a u b e n a n d i e una saneta catholica et apostolica ecclesia d i e H e i l s m ö g -
lichkeit der Sündenvergebung gegeben ist.' 33 Die ausschließlich in der Kirche gegebene Heilsmöglichkeit wird durch Cyprians Diktum spezifiziert, wonach extra ecclesiam salus non «t. 154 Mit »Kirche« ist hier nicht eine Einzelgemeinde bezeichnet, sondern die eine, einzige Kirche als Vergegenwärtigung des mystischen Christusleibes. Die Bulle legt zur Begründung dieser These Cant 6,9 allegorisch aus: Christus, der Bräutigam, nennt die Kirche columba mea. Schon hier wird die Einzigkeit betont: una est columba mea, una est matris suae (188,37—39). Daß diese Kirche als die Vergegenwärtigung des mystischen Leibes verstanden wird, verdeutlicht der Bezug von Eph 4,5 auf columba: in der mit columba bezeichneten Kirche (das qua bezieht sich auf columba) ist ein Gott, ein Glaube, eine Taufe. 135 Diese Kirche war präfiguriert in der Arche Noahs, die den Heilsraum in der von Heillosigkeit geprägten Umwelt darstellte. Die Einzigkeit der Kirche widerspricht bereits der französischerseits propagierten Souveränität, wie an der weiteren Auslegung des Arche-Bildes deutlicher wird. 156 Das Verhältnis von Arche und Sintflut beschreibt zum einen das Verhältnis von Heilsraum und heilloser Umwelt, wobei die Arche als Präfiguration des corpus Christi mysticum das Heil bietet und die Umwelt der Vernichtung zum Opfer fällt (189,3—7). Die Abweichung vom Glaubensgehorsam der Kir-
1511 FINKE, B o n i f a z 1 4 7 m i t d e m H i n w e i s a u f c o d . 4 2 2 9 , fol. 1 1 7 f f . aus d e r P a r i s e r N a t i o n a l b i b l i o t h e k (ebd., A n m . 2 ) . SCHOLZ, Publizistik 14, n e n n t die B u l l e d i e professio ßdei des Papstes i m A n s c h l u ß a n e i n e Q u e l l e aus DUPUY, 4 9 7 . 151
V g l . BOASE, 3 1 8 , b e s o n d e r s A n m . 2 . V g l . h i e r d i e b e r e i t s e r w ä h n t e K o n s i s t o r i a l ä u ß e r u n g des Papstes, i n d e r e r s e i n e v i e r z i g j ä h r i ge j u r i s t i s c h e B e s c h ä f t i g u n g ins Feld f u h r t : quadraginta anni sunt quod nos sumus experti in Iure, &scimus quod duae sunt potestates ordinatae a Deo (DUPUY, 77). V g l . h i e r z u a u c h ULLMANN, B u l l e 4 6 , A n r a . 3. 152
153 IJnam sanetam ecclesiam catholicam et ipsam apostoiieam urgentefide credere cogimur et tenere, nosque haneßrmiter credimus et simpliciter confitemur, extra quam nec salus est, nec remissio peccatorum ( L o GRASSO, 1 8 8 , 3 4 - 3 7 ) . D i e s e V e r k n ü p f u n g w i r d d u r c h d e n d r i t t e n A r t i k e l des N C b e l e g t (vgl. DENZINGER, N r . 150).
V g l . CYPRIAN, Ep. 155
73,21 (CSEL
3,795).
Quae unum corpus mysticum repraesentat, cuius caput Christus, Christi vero Deus. In qua unus minus, unafides et unum baptisma ( L o GRASSO, 188,39—189,1 f.).
Do-
156 V g l . h i e r a u c h d i e V e r w e n d u n g v o n C a n t 6 , 9 d u r c h ARNALD VON VILLANOVA, d e m L e i b a r z t des Papstes, in De cymbatis ecclesiae ( C o d . Vat. 3 8 2 4 fol. 8 2 ; zitiert b e i FINKE, B o n i f a z 150, A n m . 1). E r v e r u r t e i l t h i e r g e n e r e l l j e d e D i s k u s s i o n ü b e r d i e O b e r h o h e i t des Papstes m i t d e m H i n w e i s a u f d i e E i n z i g k e i t u n d E i n h e i t d e r K i r c h e (BOASE, 3 2 1 ) .
58
Erster Teil:
Die spätmittelalterlichen
Verhältnisbestimmungen
der beiden
Schwerter
che, bzw. die Häresie bedeutet damit den Heilsverlust. 157 Allein die Taufe (der Einlaß in die Arche) bewahrt den Menschen vor dem Heilsverlust und stellt den Rechtszustand des Menschen wieder her. 158 D e r heilsausschließliche Glaubensgehorsam verbindet also das Wesen der universalen Gemeinschaft mit dem Wesen der universalen Herrschaft. 1 3 9 Das Verhältnis von iustitia und vera iustitia wird dadurch präzisiert, daß die Klassifizierung der iustitia als vera iustitia der Kirche als Heilsmittlerin obliegt. D e r natürliche Mensch liegt dabei wiederum außerhalb des Blickfeldes. 1 6 0 D i e Definitions- und Mittlerhoheit der Kirche über die wahre Gerechtigkeit löst die in der französischen Argumentation bestehende Schwierigkeit, eine Qualität des natürlichen R e c h t s und der innerweltlichen Ordnung unabhängig von der Vollendung allen R e c h t s durch die Gnade festzuhalten, durch die Zuschreibung der Gnadenvermittlung an die Kirche. D i e innerweltlich vorfindliche Kirche wird zu diesem Z w e c k mit dem corpus Christi mysticum identifiziert. D i e kurialistische Identifikation fuhrt zum anderen zur weiteren Deutung des Archebildes auf den einen Steuermann (189,3—5). D i e Allegorie des Steuermanns wird allerdings nicht explizit auf Christus gedeutet, so daß für die weitere Interpretation die Deutung des vicarius Christi als kirchlichem Haupt offengehalten werden kann. Das Verhältnis von Christus zu seiner Kirche spezifiziert die Auslegung von Ps 2 2 , 2 1 . Christus als anima betet für sich selbst mit Haupt und Körper. Dieser Körper ist als unica ecclesia zu bezeichnen wegen der Einheit von Bräutigam, also Christus, Glaube, Sakramenten und der Liebe in der K i r che. 161 U m die Identifikation von sichtbarer und unsichtbarer Kirche anhand des Psalms vornehmen zu können, ist eine aufwendige Denkstruktur v o n n ö ten: Christus ist einerseits Haupt und Körper selbst, zugleich aber das Haupt des Körpers als Kirche. Als Haupt und Körper ist Christus die ecclesia spiritualis, das corpus Christi mysticum, zu dem die Gläubigen dazugehören und in ihm vollendet werden. D i e Relation von Haupt und Körper wird aber zugleich auf das Verhältnis von Christus zur irdischen Kirche angewendet. Hier ist der Körper der temporale Körper und Christus das auch irdisch wirksame Haupt — ohne die Frage nach seiner irdischen Stellvertretung zunächst zu beantworten. D i e Zusammengehörigkeit dieser beiden Deutungsebenen wird durch »unica« aus-
1,7
ULLMANN, B u l l e 6 4 , A n m . 7 0 , verweist a u f CYPRIAN, der b e z ü g l i c h der N o v a t i a n e r sagt:
Christianus
non est qui in Christi ecclesia non est[...]
multa membra
Cum sit a Christo
una ecclesia per totum mundutn
in
divisa ( E p . 5 5 , 2 4 ; C S E L 3 , 6 4 2 ) .
V g l . hierzu ULLMANN, B u l l e 5 2 f . , der a u f die R e c h t s f o l g e n der Taufe i m U n t e r s c h i e d zu d e m für den homo
naturalis
geltenden R e c h t aufmerksam macht.
15V
ULLMANN, B u l l e 6 4 .
1WI
V g l . ULLMANN, B u l l e 6 1 .
161
Hanc autem veneramur
et unicam,
am, et de manu canis unicam meam«.
Deus, animam
tne-
Pro anima cnim, id est pro se ipso, capite simul ora vir et corpore,
quod
corpus unicam scilicet ecclesia»! nominavit, ( L o GRASSO, 1 8 9 , 7 - 1 2 ) .
dicetitc Domino
in Propheta:
»Erue a framea,
propter sponsi, fidei, sacramentomm
et caritatis ecclesiae
unitatem
?. Zwischen Bonifaz
Vili,
und Philipp dem
Schönen
59
gedrückt. Sie erfordert auch die Einzigkeit der ecclesia temporalis, damit die K o n gruenz zum corpus mysticum gewahrt bleibt. Die Bulle spricht in diesem Zusammenhang von der tunica inconsulitis ( 1 8 9 , 1 2 - 1 4 ; J o h 19,23). Die erforderliche Einzigkeit bedarf auch einer einheitlichen Leitung der sichtbaren Kirche. Sie darf nicht wie ein apokalyptisches Tier zwei Häupter haben. Damit gelangt die Argumentation zur Petrinologie, die die Übernahme der Gewalt Christi in der sichtbaren Kirche durch den Stellvertreter Christi dokumentiert (189,14—16). Durch die Beauftragung Christi, pasce oves meas (Joh 21,17),' 6 2 handelt es sich bei dem irdischen Stellvertreter nicht um ein zweites Haupt, sondern das eine Haupt selbst. Das pascere hat dabei nicht nur den Sinn des Hütens und Beaufsichtigens, sondern hat im besonderen eine j u r i stische Konnotation. 1 6 3 Das meas bezeichnet nicht singulariter einzelne Christen, sondern generaliter die universale Christenheit (189,17—19). D e r Universalität entspricht die Aussage J o h 10,16, daß es nur eine Herde und einen Hirten gibt. Zur Bezeichnung der Einzigkeit des Hirten ergänzt die Bulle den biblischen Text an dieser Stelle durch unicum. Die Verknüpfung der Heilsausschließlichkeit mit der Universalität der Kirche macht die Behauptung, nicht Petrus unterstellt zu sein, zur Häresie. Die Bulle bezeichnet diejenigen, die das behaupten, als Graeci sive alii (189,19f.), bezieht sich also auf den Abfall von der römischen Kirche und deutet alle, teilweise mit der Souveränität des Königs argumentierenden Abweichungen in der Linie dieses Abfalls. O h n e direkt auf die Auseinandersetzung mit dem französischen König einzugehen, folgt nun die Verhältnisbestimmung der beiden Gewalten anhand der Verhältnisbestimmung der beiden Schwerter. 164 Diese Lehre soll zeigen, warum nicht nur eine Kirche und in ihr der Gehorsam gegenüber dem Oberhaupt besteht, sondern warum dieser Kirche auch die weltliche Gewalt subordiniert ist. In der potestas — dieser Begriff in der Bulle zum ersten Mal — des Hirten befinden sich zwei Schwerter, das gladius spiritualis und das gladius temporalis.163 Dieser zweifache Besitz wird anhand der biblischen Belege der Verhältnisbestimmung der beiden Schwerter beschrieben. Vor der Gefangennahme Jesu weisen ihn die Jünger in Lk 2 2 , 3 8 auf zwei vorhandene Schwerter hin: Domine, ecce duo gladii hic (189,25f.). Das hic wird durch die Hinzufügung von in ecclesia scilicet spezifiziert. Diese Erweiterung ist dadurch verständlich, daß die Bulle anfangs die universale Bedeutung der Kirche konstatierte (189,26). Zugleich 162
L o GRASSO, 1 8 9 , 1 6 f . V g l . die E r ö r t e r u n g b e i BERNHARD VON CLAIEVAUX, De consideratione
II
8,15 (Opera 111,423,18ff.). 163 j ) j e Betonung des principatus papae, wie sie hier vorliegt, ist als der politische Ausdruck des Jurisdiktionsprimats zu verstehen (so ULLMANN, WALTER, Die Machtstellung des Papsttunis im Mittelalter. Idee und Geschichte, G r a z / W i e n / K ö l n 1960 ( = Machtstellung), 5 9 9 f . , Anm. 1). "' 4 »The unity o f the church must be enforced within, before there is a question o f its relations without, with the temporal power« (BOASE, 321). 165 In hac eiusque potestatc duos esse gladios, spirituellem videlicet et temporalem, evangelkis dictis instruimur (Lo GRASSO, 1 8 9 , 2 3 - 2 5 ) .
60
Erster Teil: Die spätmittelalterlichen
Verhältnisbestimmungen
der beiden
Schwerter
weist diese Stelle vor auf die Erörterung der beiden Schwerter, die natürlich ihren Ausgangspunkt, wie ihre Herkunft in der Kirche haben. D i e Interpretation des hic als Bezeichnung der Kirche wird nach Aegidius R o m a n u s vorgenommen. 1 6 6 Hiernach sind es die Apostel, die das hic aussprechen und damit den R a u m der Kirche meinen, weil sie die Kirche repräsentieren. M i t Jesu Antwort (satis est) wird das Vorhandensein zweier Gewalten in der Kirche durch Jesus bestätigt (189,26f.). Notwendig anzuerkennen ist weiter auch, daß das weltliche Schwert in der Hand Petri und damit im Besitz der Kirche ist, weil Jesus M t 2 6 , 5 2 einem der Umstehenden, der einem Soldaten des Hohepriesters ein O h r abschlägt, befiehlt: converte gladium tuum in vaginam?''1 N a c h der Klärung der Besitzverhältnisse ist die Bestimmung der Verwendungsmodi erforderlich. Das geistliche Schwert ist demnach von der Kirche, das weltliche/wr die Kirche zu fuhren. 168 D e r Gebrauch pro ecclesia wird dabei deutlicher bestimmt: das Schwert wird zwar durch die Könige und Soldaten geführt, ist aber ad nutum etpatientiam
sacerdotis, also a u f W i n k und Erdulden des Priesters
hin zu fuhren, wobei mit dem Priester wiederum der Papst als Christi Stellvertreter mitgedacht wird. 169 D e r Sprachgebrauch der Bulle lehnt sich hier eng an Bernhard von Clairvaux an. D i e seit Bernhard traditionell gebrauchte Erweiterung der Schwertüberlassung, daß das Schwert ad iussum imperatoris zu fuhren ist, wird von der Bulle aber nicht übernommen. Statt dessen setzt sie ad patientiam sacerdotis ein. D i e patientia sacerdotis versieht den W i n k zur Schwertfuhrung mit der Einschränkung, das Schwert auch wieder zurückfordern zu können. 1 7 0 D i e Klausel ad patientiam
sacerdotis erfordert die Erörterung einer notwendi-
gen Subordination eines der Schwerter. Dieser Gedankengang wird durch folgende These eröffnet: Oportet autem gladium esse subgladio, tem spirituali subiiei potestati
et temporalem
auetorita-
(189,34f.). D i e Notwendigkeit der Unterordnung
des zeitlichen Schwertes unter das geistliche wird in mehreren Argumenten
166
SCHOLZ, Publizistik 1 2 5 , A n m . 2 1 1 , zeigt, dass vor allem der zweite Teil der Bulle, in d e m
die Verhältnisbestimmung der beiden S c h w e r t e r in die A r g u m e n t a t i o n eingefugt ist, die zum Teil w ö r t l i c h e n Parallelen mit De ecclesiastica potestate 167
I, 2—4 ins Auge fallen.
L o GRASSO, 189,27—31. M t 2 6 , 5 2 schreibt statt »in vaginatn«»in
locum suum«. »In vaginam« ist
v o n j o h 1 8 , 1 1 ü b e r n o m m e n , w o auch explizit von Petrus die R e d e ist, der das S c h w e r t gegen den Soldaten benutzt. H i e r steht statt»converte« aber »mitte«, was nicht so sehr deutlich macht, daß das S c h w e r t an den O r t ^wrackgefuhrt werden soll, von dem es stammt, in diesem Fall aus d e m Besitz Petri. Sed is quidem pro ecclesia, ille vero ab ecclesia exercendus. Ille sacerdotis, is manu regum et militum, ad nutum et patientiam
sed
sacerdotis (Lo GRASSO, 189,31—33).
M i t der E r w ä h n u n g des Königs und der Soldaten kann hier nicht nur die E i n f o r d e r u n g des Waffendienstes g e m e i n t sein, sondern es ist allgemeiner an die R e g i e r u n g in der Welt gedacht (geg e n KÖLMEL, R e g i m e n 170
405).
D i e Fortlassung des kaiserlichen Befehls kann hier a u f G r e g o r I X . zurückgehen, der diesen
Zusatz ebenfalls nicht ü b e r n a h m (vgl. POTTHAST Nr. 9 1 9 8 ; LEVISON, 3 6 f . ) . Es ist a n z u n e h m e n , daß ein Hinweis a u f einen imperator unwirksam gewesen wäre, da der T h r o n des Kaisers zur Z e i t u n b e setzt war und sich die Situation a u f territoriale Selbständigkeit des französischen K ö n i g s bezog.
I. Zwischen Bonifaz
VIII. und Philipp dem
61
Schöncn
bewiesen. Den Rahmen hierzu bildet eine Auslegung von R o m 13,lf., die sich wieder um an Aegidius Romanus anlehnt. 171 Der Argumentationsbogen reicht von der folgenden Begründung bis zur Wiederaufnahme von R o m 13,1 (190,27f.). Die weltliche Gewalt bezeichnet die Bulle dabei als auctoritas statt potestas, um in der Auslegung von R o m 13,1 die potestas als geistliche und damit auch beide Konkretionen der Gewalt übergreifende potestas konstatieren zu können. D i e traditionell verwendete B e g r i f f s b e s t i m m u n g von auctoritas u n d potestas wird hier u m g e d r e h t . 1 7 2 M i t auctoritas ist seit Tertullian die Verbürgung der B i s c h ö f e als R e c h t s n a c h f o l g e r der Apostel für die Unversehrheit des Glaubensgutes g e m e i n t . Augustin deutete auctoritas vor allem als auctoritas Dei. Ausdruck des principatus papae war nun nach Gelasius I. die geistliche auctoritas. D e m g e g e n ü b e r galt der B e g r i f f potestas für die weltliche S e i t e . 1 7 3 Sie leitet sich aus der r ö m i s c h e n und g e r m a n i s c h e n hausherrlichen Gewalt ab u n d knüpft gleichzeitig an die antik-christliche Vorstellung der Herrschaft Gottes an. D i e auctoritas
verhielt sich nun zur
potestas w i e die anordnende zur ausfuhrenden Gewalt. D i e auctoritas war also der auch für das mittelalterliche Papsttum entscheidende T e r m i n u s . 1 7 4 Sie war i m U n t e r s c h i e d zur
potestas
auch nicht teilbar, sondern m o n a r c h i s c h a u f ein Haupt zugeschnitten. A n f a n g des H . J a h r hunderts öffnet sich diese t e r m i n o l o g i s c h e U n t e r s c h e i d u n g zu einer wechselseitigen V e r wendung.175
Der im Zusammenhang mit der Einführung der zwei Schwerter in der Bulle erstmalig benutzte Begriff der potestas erscheint hier im biblischen Gewand von R o m 13,1 (189,35—190,1). Es geht um die erneute Feststellung, daß die Gewalten von Gott eingerichtet sind. Der Umkehrschluß lautet, daß nichts potestas genannt zu werden verdient, was nicht-göttlichen oder vielmehr widergöttlichen Ursprungs ist. R o m 13,1b, in der paulinischen Folge des Textes die Begründung für 13,1a, wird dabei vor 13,1a gezogen und logisch umgekehrt. Die Frage der Unterordnung oder des Gehorsams des Menschen unter der potestas wird für den Zielsatz der Bulle offengehalten. Mit potestas ist hier aber nicht mehr die weltliche gemeint, sondern die potestas, in deren Hand sich die beiden Schwerter befinden. Das ist einerseits Christus als Haupt der Kirche —potestas ist divina potestas —, andererseits im Sinne der Unterordnung der einen unter die andere potestas (und ergänzend aufgrund der Einsetzung, des Ehrenvorrangs und der Richtergewalt) die potestas spiritualis selbst. Die pseudo-dionysianische Rückführung der niedrigen durch die mittleren Dinge in das Höchste bestätigt Vgl. u.a. De ecclesiastica potestate 1,4 (ed. SCHOLZ, 12f.); vgl. BOASE, 3 2 1 . Vgl. hierzu ULLMANN, Machtstellung 31 ff.; RABE, HORST, Art. Autorität, in: G G B 1, Stuttgart 1972, 3 8 2 - 4 0 6 . I7'1 Vgl. hier zusätzlich FABER, KARL-GEORG, Art. Macht, Gewalt. III. Die systemgebundene Funktion von »Macht« und »Gewalt« im Mittelalter, in: G G B 3, Stuttgart 1982, 8 3 5 - 8 5 4 . 171
172
1 7 4 Vgl. hierzu ULLMANN, WALTER, Principles o f government and politics in the Middle Ages, London 1974, 57. 1 7 3 Vgl. RABE, Autorität 3 8 9 . D a ß die beiden Begriffe in der Bulle Unam sanctam allerdings als Synonyma gebraucht sind (so RABE, ebd.), trägt der sorgfältigen Verwendung der Begriffe in der Bulle keine R e c h n u n g .
62
Erster Teil: Die spätmittelalterlichen Verhältnisbestimmungen der beiden Schwerter
diese Subordination (190,1—7). Das ordinata aus R o m 13,1b kann so verstanden werden, daß das weltliche Schwert durch das geistliche zum Heil zurückgeführt wird. Die Bulle bringt damit die thomasische perfectio naturae durch die Gnade zum Ausdruck. Die bei Pseudo-Dionysius verwendete neuplatonische Hierarchienlehre entnimmt die Bulle bereits der ausführlichen Erörterung bei Aegidius Romanus. 1 7 6 Durch die Anwendung des dionysianischen Schemas ist es unmöglich, daß die Gewalten gleich und unmittelbar (aeque et immediate) von Gott stammen, da die übergeordnete Gewalt die untergeordnete zum Höchsten zurückführen muß. 177 Vor dem Hintergrund des Schöpfungsverständnisses als exitus und reditus ist das Verhältnis der Gewalten zueinander im Kern nicht etwa vorrangig durch die Abgrenzung verschiedener Aufgabenbereiche qualifiziert, sondern durch die sakramentale Wiederherstellung der gefallenen Schöpfung. Das führt die Bulle auf die auch naturrechtlich verständliche Unterordnung der weltlichen unter die geistlichen Dinge. Zweierlei spricht für den Mehrwert der geistlichen Dinge. Zum einen ist es der status quo beider Gewalten, der durch die Weihegewalt des Papstes als Teil seiner potestas ordinis gegenüber weltlichen Herrschern, die Akzeptanz dieser Gewalt durch sie und - damit als Zeichen verbunden - durch die Zehntabgabe geprägt wird (190,7-12). Die weltliche Gewalt muß der geistlichen Gewalt den Zehnten leisten und ordnet die Abgabe in ihrem Bereich an. Im Gegenzug werden der weltlichen Gewalt die sanctißcationes zuteil. Zum anderen hat die geistliche Macht die weltliche einzusetzen und auch über diese zu richten, wenn sie ihre Aufgabe nicht ordnungsgemäß erfüllt (190,12—14). Der zuvor angeführte Hinweis ex ipsarum rerum gubernatione wird hier verständlich. Die Bulle übernimmt die gubernatio aus der bereits bei Jakob von Viterbo deutlichen Zuspitzung der thomasischen Relation von Natur und Gnade auf die gubernatio. Die Richtfunktion entspricht dem ad patientiam sacerdotis und führt neben der potestas ordinis nun die potestas iurisdictionis ein. Die Einsetzung der geistlichen Gewalt erfolgt gemäß Jer 1,10. 1 7 8 Dieser Satz ist wiederum allegorisch auf Christus hin auszulegen und
Vgl. De ecclesiastica potestate 1,4; 11,13 (ed. SCHOLZ, 12.114). Im Grunde genommen handelt es sich hier um eine Argumentation mit einer petitio principii: die Behauptung der Unterordnung der weltlichen Gewalt unter die geistliche widerlegt eine von den Gegnern behauptete Gleichurspünglichkeit der Gewalten. Diese Widerlegung soll aber zugleich Beweis für die Unterordnung sein. I7B Sic de ecclesia et ecclesiastica potestate verißcatur vaticinium Hieremiae: »Ecce, constituí te hodie super gentes et regna« et cetera, quae sequuntur (Lo GRASSO, 190,15-17). Vgl. zur vorherigen Verwendung von Jer 1,10 durch den Papst u.a. die Bullen Romanus Pontifex vom 17.10. 1301 (Reg.Bon. 4401), Ausculta fili (Reg.Bon. 4424) und Dilectum filium (Reg.Bon. 5025). Vgl. wiederum auch die Auslegung von Jer 1,10 in den Konsistoriaireden des Papstes und Matthäus von Aquasparta am 24.06. 176 177
1 3 0 2 (vgl. DUPUY, 7 3 - 7 9 ; D u BOULAY IV, 2 8 - 3 3 ; des w e i t e r e n A n t w o r t s c h r e i b e n d e r K a r d i n ä l e a n
Adel und Städte und des Papstes an den Episkopat in Du BOULAY IV, 24-27).
1. Zwischen
Bonifaz
VIII.
und Philipp
dem
63
Schönen
damit im Sinne der Stellvertreterlehre auf den Papst als Haupt der geistlichen Gewalt. Die naturrechtliche »Selbstverständlichkeit« der Subordination nimmt am klarsten zur Auseinandersetzung mit Frankreich Stellung. Die beiden konkreten Konfliktherde werden dabei thematisiert, die weltliche Finanzhoheit über den Klerus und die Bischofsinvestitur. Hatten die Franzosen mit der gewohnheitsrechtlichen Selbständigkeit des Königs argumentiert, nimmt die Bulle für sich selbst das Gewohnheitsrecht des bisherigen Gewaltenverhältnisses in Anspruch. Aus der gubernatio, die aus dem ad patientiam sacerdotis begründet wird, folgt darüber hinaus das Investiturrecht. Sollte der König also die Exkommunikation und Amtsentsetzung des Bischofs von Pamiers fordern, kann der Papst sich eine Amtsentsetzung des französischen Königs vorbehalten. D a s Verständnis des W o r t e s instituere
w i r d k o n t r o v e r s d i s k u t i e r t . Es l ä ß t sich i m S i n n e v o n
» e i n r i c h t e n « o d e r » u n t e r w e i s e n « v e r s t e h e n , w o b e i es b e i k a t h o l i s c h e n F o r s c h e r n die T e n d e n z g i b t , sich f ü r die letztere »harmlosere« Lesart zu e n t s c h e i d e n . m V o m D u k t u s d e r B u l l e her, b e s o n d e r s a u c h m i t d e r V e r s c h ä r f u n g des ad patientiam
sacerdotis,
ist a b e r davon a u s z u g e h e n ,
d a ß es sich u m e i n e E i n s e t z u n g u n d n i c h t n u r e i n e U n t e r w e i s u n g h a n d e l t . E i n e ä h n l i c h e D e u t u n g s t e n d e n z zeigt sich in d e m Verständnis des b e r n h a r d i n i s c h e n L i c h t e r g l e i c h n i s s e s . I n d e r A p p r o b a t i o n K ö n i g A l b r e c h t s I. h a t B o n i f a z V I I I . das G l e i c h n i s v o n S o n n e u n d M o n d so v e r w e n d e t , daß d e r M o n d , also die w e l t l i c h e potestas,
z w a r das L i c h t v o n d e r S o n n e e m p -
fängt, die v o r f i n d l i c h e E x i s t e n z des M o n d e s a b e r davon u n b e r ü h r t b l e i b t . ' 8 " D i e
Sonne
b r i n g t d e n M o n d n i c h t h e r v o r . D i e V e r w e n d u n g des L i c h t e r g l e i c h n i s s e s w i r d a b e r ü b e r s t r a paziert, w e n n m a n ü b e r die B e d e u t u n g h i n a u s g e h t , d a ß d e r M o n d das L i c h t e m p f a n g e n m u ß . D a s instituere
k a n n a u c h als » b r o u g h t i n t o b e i n g « v e r s t a n d e n w e r d e n , da sich das V e r -
ständnis stark an A e g i d i u s R o m a n u s a n l e h n t , b e i d e m dieses Verständnis klar v o r l i e g t . 1 8 ' D e r B e g r i f f ist v e r g l e i c h b a r m i t d e r D o x o l o g i e d e r K r ö n u n g s o r d i n e s , die ein Verständnis n a h e l e g e n , n a c h d e m d e r Coronator
e i n e n k o n s t i t u i e r e n d e n A n t e i l an d e r H e r r s c h a f t h a t . 1 8 2 D i e L e s -
art » e i n r i c h t e n « k a n n i m Z u s a m m e n h a n g d e r B u l l e also als w a h r s c h e i n l i c h e r e g e l t e n , w o b e i d a m i t die B e d e u t u n g » u n t e r w e i s e n « d u r c h diese m i t e i n g e s c h l o s s e n w i r d .
An dieser Stelle fügt die Bulle die beiden potestates ein, die faktisch in der Welt vorhanden sind, um die Unterordnung des einen unter das andere Schwert zu begründen. Der Begriff der potestas verschiebt sich so im Vergleich zur vorherigen Verwendung: Nachgelasianisch hatte sich auch der Begriff der potestas für die geistliche Seite geöffnet, auf der zunächst nur von der auetoritas die Rede gewesen war. Von der Begründung der beiden Schwerter aus der einen potestas Gottes gelangt die Bulle zur Frage nach der notwendigen Unterordnung der einen weltlichen potestas unter die geistliche. Durch diese Begriffsverschiebung
179
V g l . WOLTER, 3 5 3 , A n r a . 4.
1811
S o KÖLMEL, R e g i m e n
181
Vgl. hierzu BOASE, 3 2 2 . Aegidius lehnt sich dabei an H u g o von St. V i k t o r an, der von der
402.
S c h ö p f u n g der weltlichen Gewalt durch die geistliche auf dem H i n t e r g r u n d der Laien und Geistliche
umfassenden,
einen
societas
Christiana
A n m . 129). 182
S o ULLMANN, B u l l e 6 5 , A n m . 7 1 .
ausgeht
(vgl.
ULLMANN,
Machtstellung
640f.,
64
Erster Teil: Die spätmittelalterlichen
Verhältnisbestimmungen
der beiden
Schwerter
kann die Bulle die historische Situation als den natürlichen Ausfluß aus der theologischen Notwendigkeit der Unterordnung deuten. Potestas bleibt auch in der Gestalt zweier potestates immer potestas Dei. Die Richterfunktion der geistlichen über die weltliche Gewalt, die gemäß Jer 1,10 mit der Einsetzung super gentes et regna verbunden ist, erklärt die Bulle mit der Ausübung des Richteramtes innerhalb der Kirche (190,17—22). In »Abweichungen«' 83 unterer geistlicher Ebenen richtet diese die nächsthöhere Ebene. Begeht aber die höchste geistliche Ebene, der Papst, eine Verfehlung, so kann er nicht von einem Menschen, sondern nur von Gott gerichtet werden. Das entspricht 1. Kor 2,15, wonach der geistliche Mensch wohl richtet, selbst aber nicht gerichtet werden kann. 184 Die paulinische Aussage der Wiedergeburt des Menschen als geistlicher Mensch wird so auf das Amt des Papstes konzentriert und der spiritualis homo mit dem Papst gleichgesetzt. 185 Im Anschluß an die Beschreibung der Unrichtbarkeit wird der Charakter der potestas durch die Zusammenbindung mit der Petrinologie spezifiziert. Die potestas ist nicht menschlich, sondern göttlich (190,22—27). Sie bleibt dies auch, wenn sie durch einen Menschen ausgeübt wird. Daß sie aber nicht allgemein dem Menschen übergeben wird, betont der Nachsatz, in dem die Bulle auf den klassischen Satz Mt 16,18f. zur Begründung der potestas Petri Bezug nimmt. Schon oben bei der Anführung der Stellvertreterfunktion des Petrus wäre dieser Beleg zu erwarten gewesen. Hier aber kann er die erst jetzt entwickelte Frage der potestas wirksam begründen. Auffällig ist daneben, daß die Bulle die Vorstellung der duae potestates, von denen im Zusammenhang mit der faktischen Situation weltlicher und geistlicher Gewalt die R e d e war, wieder zugunsten der einen potestas, die wiederum aus den zwei gladii besteht, zurücknimmt. 186 Die Schwerter stellen also keinen Ersatz für die Gewalten dar, sondern sind lediglich allegorisch zu verstehende Ausformungen der in zwei Richtungen unterschiedenen, aber einen Gewalt. 187 Diese Struktur wird am ehesten durch den Blick auf die Verwendung der Begriffe auctoritas und potestas deutlich. Auctoritas steht hier im klassischen Sinne für den Ausdruck des principatus papae, wie er gemäß des Herrenwortes Mt 16,18 f. besteht. Damit ist auch klar, daß es sich hierbei um nichts Menschliches sondern die divina potestas handelt. Man könnte so vermuten, daß die Bulle einen zweifachen Begriff der potestas verwendet. Zum einen handelt es sich um die eine potestas, aus der die bei18:1 Generell ist hier von deviare der geistlichen oder weltlichen Gewalten die R e d e , nicht aber von dem ratione peccati, daß beispielsweise in der Bulle Clericis laicos begegnet. Zur Bedeutung des ratione peccati vgl. oben S. 30. 1 8 4 Vgl. zu dieser Bibelstelle die Untersuchung von FINKE, Bonifaz 186ff. 185
V g l . ULLMANN, B u l l e 6 7 ; DERS., S c h o l a r s h i p
82f.
Vgl. hierzu wiederum die Einführung des potestas-Begriffs in der Bulle (Lo GRASSO, 189,23). 187 Vgl. hierzu die kurialistische Verwendung der Schwerterstelle Apk 1,16; 2 , 1 2 bei Jakob von Viterbo, oben S. 35. 186
?. Zwischen Bonifaz
Vili,
und Philipp dem
Schönen
65
den Schwerter herrühren. Z u m anderen sind mit potestas die geistliche und die weltliche Gewalt bezeichnet. Diese BegrifFsunschärfe ermöglicht es der Bulle, mit potestas letztlich immer die divina potestas zu meinen und selbst bei der Anerkennung einer weltlichen potestas durch den BegrifFimmer die Herkunft dieser Gewalt aus der geistlichen mitauszusagen. Die auctoritas stellt in dem ersten Fall lediglich einen Hilfsbegriff dar, um die Auslegung von R o m 13,1 auf die geistliche Gewalt zu konzentrieren. Hier wird er im klassisch gelasianischen Sinn verwendet und gemäß der weiteren Begriffsgeschichte mit potestas gleichgesetzt. Diese theologisch-begriffliche Feststellung zeitigt nun rechtliche Folgen. Wer sich der so von Gott eingesetzten potestas widersetzt, widersetzt sich Gottes Anordnung. Die Bulle nimmt zu dieser Feststellung anhand von R o m 13,2 den paulinischen Gedankengang wieder auf (190,27—31). Denn es ist klar, daß nicht mit zwei Anfängen zu rechnen ist, aus denen zwei Häupter, respektive potestates resultieren würden; das wäre manichäische Häresie.' 88 Wenn also, wie auf französischer Seite, mit einer Gleichursprünglichkeit der Gewalten argumentiert wird, so befindet sich diese Behauptung nach der Bulle in prominenter »ketzerischer« Gesellschaft. Vielmehr ist mit Gen 1,1 von einem Anfang des Himmels und der Erde zu reden, also gemäß der neuen Fassung des pototo-Begriffs von dem Anfang aller Gewalt in Gott selbst und der Ubergabe dieser potestas an den Papst. D i e schon zu Beginn der Bulle ausgesagte Einheit und Einzigkeit der Kirche kongruiert hier mit der Schöpfung Gottes, die aus Himmel und Erde besteht, und dem einen Anfang dieser Schöpfung. D e r Schlußsatz der Bulle ist somit vorbereitet. Im Sinne eines logischen Schlusses kann die Bulle nun feststellen, daß eine Heilsnotwendigkeit in der Unterordnung omni humanae creaturae unter den römischen Papst bestehen muß. 1 8 9 Dieser Begriff wird 1. Petr 2,13 entnommen, eigentlich einem Beleg für die Aufgabe der weltlichen Gewalt. W i e dort ist mit omnis humana creatura nicht so sehr das einzelne Geschöpf, sondern vielmehr die Schöpfung als Ganzes oder die Ordnung gemeint. 1 9 0 Dieses Verständnis fügt sich in die bisherige Darlegung der Bulle ein, man denke nur an den Hinweis auf das generaliter in der Auslegung des Christuswortes pasce oves meas oder den Auftakt Unam sanctam etc. Die Leistung der Bulle liegt in der Kombination des Begriffes aus 1. Petr 2,13f. mit dem Zusammenhang von R o m 13,1 f., der den Argumentationsgang der Unterordnung bis zum Schlußsatz der Bulle bestimmt hat. Diese Kombination wird so in den Dienst des heilsnotwendigen Papstgehorsams gestellt. 191 Das 188
Vgl. entsprechend das monstrum mit den zwei Köpfen, von dem die Bulle schon sprach (Lo
GRASSO,
189,15).
Porro subesse Romano Pontifici omni humanae creaturae dedaramus, dkimus, dißinimus omnino esse de neccesitate salutis (Lo GRASSO, 1 9 0 , 3 1 - 3 3 ) . 19,1 ULLMANN, Bulle 70; DERS., Scholarship 84f. 191 Vgl. ULLMANN, Scholarship 85. 189
66
Erster Teil: Die spcitmittelalterlichcfi
Vcrhältmsbestimmungen
der beiden
Schwerter
Fazit w i r d mit d e n f ü r eine d o g m a t i s c h e Feststellung ü b l i c h e n termini technici versehen: declaramus, dieimus, diffmimus.v>2 D e r Schlußsatz w i r d a u f g e n o m m e n in der Inhaltsangabe des r ö m i s c h e n Registrators dieser Bulle, der diese mit der U b e r s c h r i f t versieht: Declaratio quod subesse romano pontifici est omni humanae creaturae de necessitate salutis. S c h o n die R e g i s t r a t u r hatte verstanden, daß auf diesen Satz h i n der Inhalt der Bulle zu lesen ist. D e r relativierende H i n w e i s , daß letztlich n u r der Schlußsatz i m f ü n f t e n Laterankonzil e r n e u t a u f g e n o m m e n w u r d e , 1 9 3 vernachlässigt die Tatsache, daß die Textanalyse die A u s r i c h t u n g aller A r g u m e n t e auf e b e n diesen Schlußsatz zeigt. 1 9 4 D i e Bulle Unam sanetam u n t e r n i m m t den Versuch, g e g e n die n e u e n S t r ö m u n g e n der T h e o l o g i e u n d des D e n k e n s allgemein, die sich in k o n k r e t e n p o l i tischen A u s e i n a n d e r s e t z u n g e n w i e der nationalstaatlichen Identitätssuche widerspiegeln, die Auffassung des Papsttums als L e n k u n g s k r a f t der Welt an Christi statt rechtsgültig zu konstatieren. Diese K o n s t a t i e r u n g erfolgt d u r c h d e n Verweis auf die sakramentale Heilsmächtigkeit der Kirche. G e g e n das n e u e t h e o l o g i s c h - p h i l o s o p h i s c h e Interesse an der B e d e u t u n g des homo naturalis z e i c h n e t die Bulle d e n H e i l s r a u m auf, der n u r in der u n t e r d e m vicarius Christi vereinten K i r c h e g e g e b e n ist. G e g e n das aus diesem n e u e n Interesse sich e n t w i c k e l n d e Verständnis einer T r e n n u n g der G e w a l t e n / S c h w e r t e r u n d g e g e n die B e g r ü n d u n g dieser T r e n n u n g aus der G l e i c h u r s p r ü n g l i c h k e i t b e i d e r G e w a l t e n v o n G o t t b e h a u p t e t Unam sanetam a n h a n d des Bildes der zwei S c h w e r t e r n a c h Lk 2 2 , 3 8 / M t 2 6 , 5 2 d e n Besitz b e i d e r S c h w e r t e r in der H a n d des Papstes. Das weltliche S c h w e r t w i r d d e m weltlichen H e r r s c h e r n u r auf Z e i t verliehen u n d ist j e d e r z e i t z u r ü c k f o r d e r b a r (ad patientiam sacerdotis). Es ist d e m geistlichen S c h w e r t in j e d e r H i n s i c h t u n t e r g e o r d n e t , w i e a n h a n d der A u s l e g u n g v o n R o m 13,1 f. u n d mit Hilfe der p s e u d o - d i o n y s i a n i s c h e n Hierarchienlehre, sowie d e m Status q u o der Z e h n t a b g a b e o d e r d e n B e n e f i z i e n zu e r k e n n e n ist. D e r souverän e n Verfügungsgewalt des französischen Königs, die ein A u s d r u c k des n e u e n 192 In d e r A u f n a h m e d e r Bulle in die E x t r a v a g a n t e n folgt h i n t e r diffinimus die E r w e i t e r u n g et pronunciamus (FRIEDBERG II, Sp. 1246, Z . 2 3 ) , die s c h o n J o h a n n e s M o n a c h u s f ü r die G l o s s i e r u n g v o r g e l e g e n hat. O b dieser Z u s a t z die o r i g i n a l e Version darstellt, läßt sich w e g e n eines f e h l e n d e n O r i g i n a l s n i c h t m e h r b e a n t w o r t e n (vgl. FINKE, B o n i f a z 146, A n m . 1). Z u r D o g m a t i s i e r u n g vgl. CHENU, U n a m s a n e t a m 4 6 2 . H i e r ist a n z u m e r k e n , d a ß b e s o n d e r s i m A n s c h l u ß a n das V a t i k a n u m I u n d d e r D o g m a t i s i e r u n g d e r U n f e h l b a r k e i t des Papstes, w e l c h e m i t d e r H e i l s n o t w e n d i g k e i t des P a p s t g e h o r s a m s d u r c h a u s in V e r b i n d u n g zu b r i n g e n ist, die B e s c h ä f t i g u n g m i t d e r Bulle in d e r F o r s c h u n g d e u t l i c h z u n a h m (vgl. u n t e r a n d e r e m BERCHTOLD, JOSEPH, D i e Bulle U n a m sanetam. Ihre w a h r e B e d e u t u n g u n d T r a g w e i t e flir Staat u n d Kirche, M ü n c h e n 1887; J o o s , WILHELM, D i e Bulle » U n a m sanetam« u n d das vatikanische A u t o r i t ä t s p r m z i p , S c h a f i h a u s e n 2 1 8 9 7 ) . D e r S c h l u ß satz d e r Bulle w i r d i m ü b r i g e n T h o m a s v o n A q u i n s Contra errores Graecorum e n t l e h n t (vgl. ULLMANN, Bulle 66, A n m . 75). 193
194
S o WOLTER,
353.
»Tous ces m a t é r i a u x t e n d e n t à é n o n c e r et à d é m o n s t r e r la f o r m u l e finale«, so CHENU, D o g m e 308.
1. Zwischen Bonifaz
67
VIII. und Philipp dem Schöncn
Denkens ist und zugleich das Nachdenken über eine Gewaltenunterscheidung ohne konsequente Unterordnung des weltlichen Schwertes initiiert, die sich daneben in Maßnahmen wie der Klerikerbesteuerung pro defensione regni und der Ablehnung eines Bischofskandidaten zeigt, dieser Behauptung setzt Bonifaz VIII. den päpstlichen Jurisdiktionsprimat entgegen, der die rechtliche Seite der sakramentalen Heilsmittlerschaft der Kirche darstellt. Der Schlußsatz der Bulle, der den Glauben an diese Mittlerschaft für heilsnotwendig erklärt, ist in diesem Sinne eine Antwort auf die Vorgänge in Frankreich und eine Antwort auf den Versuch, den in jeder Hinsicht bestehenden principatus papae anzuzweifeln. Die Handlungsweise des französischen Königs, die zunächst nur weltlicher Natur zu sein scheint, zeitigt nach Meinung des Papsttums für den geistlichen Menschen erhebliche Konsequenzen. 195 Exkurs: Die Gültigkeit der Bulle Unam sanctam angesichts des Uberfalls von Anagni 1303 und des Prozesses gegen Bonifaz VIII. bis 1312 Wenn nun die Bulle Unam sanctam den kurialistischen Höhepunkt der Auseinandersetzung um 1302 darstellt, so ist zu fragen, was mit der Bulle geschah, als der Papst 1303 gefangengenommen werden sollte und ihm nach seinem Tod noch im selben Jahr der Prozeß gemacht wurde. Die Gültigkeit der Bulle beinhaltet die Konsequenzen ihres weiteren Schicksals. Z u n ä c h s t geht es u m den W e g der B u l l e in die kanonischen R e c h t s s a m m l u n g e n . D i e d e m Uber sextus von 1 2 9 8 folgenden D e k r e t a l e n B o n i f a z V I I I . u n d seines Nachfolgers, B e n e d i k t X I . , w e r d e n zunächst nur in Privatsammlungen zusammengefaßt u n d d e m Liher sextus b e i g e l e g t . 1 9 6 Hierzu g e h ö r t auch die B u l l e Unam sanctam. D i e sogenannten Extravaganten w u r d e n durch die Zusammenfassung der C l e m e n t i n e n (bis 1 3 1 7 ) , der S a m m l u n g der D e k r e t a l e n C l e m e n s V. und des Konzils von V i e n n e 1 3 1 1 / 1 2 , die die Extravaganten a u ß e n v o r l i e ß e n , in ihrer G e l t u n g nicht beeinträchtigt. E n d e des 15. Jhds. wurde eine D r u c k a u s g a b e des
Corpus
Iuris u n t e r n o m m e n , die u.a. 7 4 D e k r e t a l e n von B o n i f a z V I I I . bis Sixtus IV. (ausschließlich der getrennt gesammelten Extravaganten J o h a n n e s X X I I . ) als Extravagantes
communes
m e n f a ß t . D i e S a m m l u n g blieb bis zur A u f n a h m e in das Corpus Iuris Canonici
1 5 8 2 durch G r e -
zusam-
gor X I I I . privat. Ihre Bestandteile galten also nur aufgrund ihrer j e w e i l s e i g e n e n Autorität, n i c h t aber durch ihre nun erfolgte S a m m l u n g . 19:1 Nicht aufgenommen werden in der Bulle bestimmte zum Teil klassische Argumente für die Unterordnung des weltlichen Schwertes: die Konstantinische Schenkung beispielsweise scheint in der gegenwärtigen Situation kein entsprechend starkes Argument mehr zu sein. Mit der B e t r a c h tung des natürlichen Menschen erhält der schon alte Widerstreit der Gewalten j a auch eine neue Qualität, die von Seiten der Kurie originär theologische Argumente erforderlich macht. Die K o n stantinische Schenkung kann als historischer Traditionsbeweis der behaupteten Gleichursprünglichkeit der Gewalten nur wenig entgegensetzen, wenn nicht zunächst klar ist, daß diese G l e i c h ursprünglichkeit nicht besteht. So wird auch in später zu betrachtenden kurialistischen Konzeptionen die Schenkung nie als zentrales Argument angeführt. Das in Clericis laicos angeführte E i n greifkriterium ratione peccati wird in Unam sanctam nicht explizit wiederholt, ist aber sachlich durch die Behauptung der Heilsmittlerschaft gegeben.
V g l . z u m f o l g e n d e n FEINE,
289-292.
68
Erster Teil: Die spätmitteialterlichen
Verhältnisbestimmungen
der beiden
Schwerter
Die kanonische Bedeutung der Bulle Unam sanetam hängt nicht von ihrer Aufnahme in die Extravaganten ab. Obwohl sie selbst unter Umständen nicht förmlich publiziert wurde und sich zu erst zu einem späteren Zeitpunkt im amtlichen Register findet, hatte sie den Rang einer kanonischen Bulle. Das wird im folgenden daraus deutlich, daß sich Clemens V. genötigt sieht, die Bulle in ihrer Geltung für Frankreich zurückzunehmen. U m die Rücknahme der Bulle für Frankreich verstehen zu können, muß sie im Zusammenhang mit dem Prozeß gegen Bonifaz VIII. gesehen werden. Von hier aus kann auch beurteilt werden, in welcher Weise der Prozeß die Gültigkeit der Bulle beeinträchtigt oder gar aufhebt. In groben Zügen sei hier deswegen der Prozeßverlauf geschildert. 197 Im Anschluß an das Attentat auf Papst Bonifaz VIII. 1303, seiner Gefangennahme durch französische Truppen und Befreiung durch die Bewohner der Stadt Anagni, tritt die Frage nach der Rechtmäßigkeit des vergangenen Pontifikats zutage. Bonifaz VIII. folgte dem von seinem Amt zurückgetretenen Coelestin V. Das Gerücht, daß Bonifaz VIII. an der Abdankung seines Vorgängers beteiligt war, wie bereits die ColonnaKardinäle gemutmaßt hatten, trug zur Eröffnung des Prozesses bei, der darüber hinaus auch die Politik des Papstes und die Entlassung der Colonna-Kardinäle zum Gegenstand hatte. Nach dem kurzen Pontifikat Benedikts X I . , der schon am 0 7 . 0 7 . 1304 starb, wurde am 0 5 . 0 6 . 1305 der Franzose Bertrand de Got zum Papst Clemens V. gewählt. Nicht nur die Krönung des Papstes, die in Lyon stattfand, sondern auch die mangelnde Durchsetzungskraft, seinen Sitz wieder nach R o m zu verlegen, und die endgültige Verlegung 1309 nach Avignon zeigten die Geneigtheit des Papstes für französische Interessen. Mit den Vorgängen um Bonifaz VIII. dürfte Clemens V. bereits während seiner Anwesenheit auf der Novembersynode 1302 Kontakt bekommen haben. 198 Vor allem der französische Kanzler Wilhelm Nogaret, der als einer der Rädelsführer von Anagni exkommuniziert worden war, und König Philipp von Frankreich verlangten in einem Zusammentreffen mit Clemens V. in Poitiers im April 1307 alle Maßnahmen Bonifaz VIII. gegen Frankreich und die Verurteilung der Täter in Anagni für ungültig zu erklären, die Colonna-Kardinäle zu rehabilitieren, die Papstgebeine auszugraben und diesbezügliche Sentenzen Benedikts X I . aufzuheben. 199 Zu seiner Rechtfertigung hatte Wilhelm Nogaret 20 " eine Anklageschrift verfaßt, 197 Vgl. zum folgenden grundlegend SCHMIDT, TILMANN, D e r Bonifaz-Prozeß. Verfahren der Papstanklage in der Zeit Bonifaz' VIII. und Clemens' V., F K R C , 19, K ö l n / W i e n 1989 ( = BonifazProzeß); FINK, KARL AUGUST, Die Lage nach dem Tode Bonifaz' VIII. Benedikt X I . und Klemens V. ( 1 3 0 3 - 1 3 1 4 ) , in: H K G I I I / 2 , Freiburg/Basel/Wien 1985, 3 6 6 - 3 8 4 ( = Lage), besonders 3 7 2 f . I 9 S Vgl. hierzu die Teilnehmerliste der Synode (DUPUY, 86). 1 9 9 Bereits 1304 hatte sich Pierre Dubois mit einer Bittschrift des französischen Volkes an den König gegen Bonifaz VIII. gewandt (ed. DUPUY, 214—219), um den König zur Anklage der Ketzerei gegen Bonifaz VIII. aufzufordern. 21111 Zu seiner Person vgl. die umfangreiche Darstellung von HOLTZMANN, ROBERT, W i l h e l m
1. Zwischen
Bonífaz
VIII. und Philipp dem
Schönen
69
die das bei Johannes von Paris entwickelte Absetzungsrecht der weltlichen Gewalt auf den einzelnen Menschen erweiterte, falls auch die weltliche Gewalt trotz einer Notlage nicht eingreifen wollte. 201 E i n e den französischen Forderungen entsprechende Bulle wurde zwar in der Kurie beraten, aber nicht ausgefertigt. Ein Jahr später forderte Philipp in Poitiers darüber hinaus die endgültige Übersiedelung der Kurie nach Frankreich und die Abhaltung des Konzils dort, die Kanonisation Coelestins V., die Verurteilung Bonifaz V I I I . mit Verbrennung seines Leichnams und die Aufhebung der Exkommunikation
gegen
Nogaret. Clemens V. wies zunächst einen Prozeß gegen Bonifaz V I I I . zurück, eröffnete ihn dann aber doch 1310 in Avignon. Das Material der Anklage lag bereits in den Verurteilungssätzen der französischen Nationalversammlung zu Lebzeiten des angeklagten Papstes vor. 202 D e r Prozeß verlief allerdings ohne konkrete Fortschritte. D i e Anklage der Häresie sollte offensichtlich nicht um ihrer selbst willen durchgesetzt werden, sondern diente als Verhandlungsargument für andere politische Ziele. Hauptsächlich ist hier das Vorgehen Philipps gegen den Templerorden zu nennen. D e r Prozeß wurde niedergeschlagen, nachdem Clemens in der Bulle Rex gloriae 27.04.
vom
1311 Philipp »löblichen Eifer« im Vorgehen gegen Bonifaz V I I I .
bescheinigte und Nogaret absolutierte. 2 " 3 Das Konzil in Vienne 1311/12 nahm den Prozeß gegen Bonifaz V I I I . zwar wieder auf, behandelte ihn aber nicht mehr eingehend und erzielte keine weiteren Ergebnisse. 204 Im Zusammenhang mit dem Verlauf des Prozesses 203 ist das Schicksal der Bulle Unam sanctam von besonderem Interesse. In den Prozeßakten wird die von Nogaret, Freiburg 1 8 9 8 ; daneben LALOU, ELISABETH, Art. Nogaret, Guillaume de, in: L M A 6, 1993, 1214f. 201 Ediert bei DUPUY, 239—251, hier 2 4 4 . D i e Verhältnisbestimmung der beiden Schwerter wird von Nogaret hier allerdings ebensowenig aufgegriffen wie in seinem 1 3 1 0 folgenden R ü c k blick a u f die Ereignisse 1 3 0 2 (ed. DUPUY, 3 1 7 - 3 2 4 ) . 2 0 2 Q u e l l e n zum Prozeß weitgehend bei DUPUY (vgl. hierzu die Erörterung der Quellenlage zum Prozeß bei FINKE, Bonifaz 2 2 7 f f . , bes. 2 2 8 , Anm. 1) und der neueren Edition von COSTE, JEAN, B o n i f a c e V I I I en procès. Articles d'accusation et dépositions des témoins (1303—1311). É d i tion critique, introductions et notes, Pubblicazioni délia Fondazione Camillo Caetani, Studi e d o cumenti d'archivio 5, R o m 1 9 9 5 . 2113
Siehe R e g . C l e m . 7 5 0 1 .
Z u dem Konzil verfaßte der französische BischofWiLHELM DURANT (gest. 1 3 3 1 ) im Auftrag des französischen K ö n i g ein Gutachten, De modo conciliigeneralis celebrandi et cormptelis in ecclesiis reformando (vgl. hierzu SCHOLZ, Publizistik 208—223; Scholz benutzt den D r u c k in den Tractatus illistrium in utraque tum pontificii tum Caesarei iuris facúltate Jurisconsultorum de potestate ecclesiastica, V e n e 204
d i g 1 5 8 4 , t o m . X I I I / 1 , f o l . 1 5 4 - 1 8 2 ; v g l . e b d . 2 0 9 , A n m . 2 ; v g l . h i e r z u a u c h FASOLT, CONSTANTIN,
C o u n c i l and hierarehy. T h e political thought o f William Durant the Younger, C S M L T I V 16, C a m b r i d g e u.a. 1 9 9 1 ; MIETHKE, D e potestate 127fF.). B e i m Gewaltenverhältnis verweist Durant auf Aegidius R o m a n u s (vgl. SCHOLZ, 2 1 6 f . ) . 2 l b U b e r den Prozeß und das Verfahren unterrichten umfassend BOASE, 355fF.; SCHMIDT, B o n i faz-Prozeß; daneben DERS., Das factum Bonifazianum auf dem Konzil von V i e n n e ( 1 3 1 1 / 1 2 ) , in: Forschungen zur R e i c h s - , Papst- und Landesgeschichte, Festschrift für Peter Herde, hg. v. KARL BORCHARDT und ENNO BÜNZ, Teil 2, Stuttgart 1 9 9 8 , 6 2 3 - 6 3 3 ( = Factum).
70
Erster Teil: Die spätmittelalterlicheti
Verhältnisbestimmungen
der beiden
Schwerter
Bulle in den Erinnerungen Kardinal Peter Colonnas von 1306, die sich auf die Verurteilungsliste vom 1 4 . 0 6 . 1303 beziehen, erwähnt. 2 0 6 In der Liste der 94 Verurteilungssätze von 1309 wird diese Stelle erneut aufgenommen, sowie in den Auszügen aus den Erinnerungen Nogarets vom 1 7 . 1 2 . 1310. 2 0 7 Darüber hinaus können sich an verschiedenen anderen Stellen der Akten Anspielungen auf den Inhalt von Unam sanetam finden lassen 208 , die sich aber nicht zwingend auf die Bulle beziehen müssen. Eine umfangreiche Auseinandersetzung mit der Bulle erfolgte jedenfalls nicht. Als Folge der Forderungen Frankreichs an die Kurie wird Clemens V. gezwungen, die Bulle Unam sanetam für Frankreich aufzuheben. Die Bulle Meruit von 1306 wird ebenfalls in die Extravaganten aufgenommen. 2 0 9 Eine generelle Aufhebung der Bulle Unam sanetam erfolgt jedoch nicht, denn zum einen bleibt sie Bestandteil der Extravagantes eommunes, zum anderen wird Meruit nicht umsonst in die R u b r i k De privüegiis eingeordnet. Die Bulle hat weiter kanonische Bedeutung, nur ihr Geltungsbereich wird durch ein (jederzeit zurücknehmbares) Privileg eingeschränkt. 210 U b e r diese Anhaltspunkte hinaus wird die prozessurale Seite des factum Bonifazianum in der folgenden Zeit auf seltsame Weise verschwiegen und von keiner Seite zu bestimmten Zwecken »publizistisch« genutzt, so daß erst mit der Q u e l lensammlung von Dupuy 1655 ein Prozess gegen Bonifaz VIII. wieder bekannt
2116 Item probatur quodfrequenter dixit quod rex et regnum Francie et Gallici omnes erant heretici et impingebant in articulum Unam sanetam catholicam etc. et super hoc voluti edere Constitutionent, quam in consistono legifecit, que ineipiebat Unam sanetam catholicam etc. et condudebat quod omnes qui dicerent se Romano pontifici non esse temporaliter etiam et in temporalibus subieetos, iudicabat hereticos et in dictum articulumfidei impingere et penis crimini hereseos debitis subiacere (vgl. COSTE, 247ff., zitiert nach ebd., 299). 2117 Vgl. COSTE, 4 3 0 . 7 4 7 f . Z u r Verteidigung von Bonifaz V I I I . gegen Nogarets Anschuldigungen durch Augustinus von Ancona 1 3 0 7 / 0 9 siehe unten S. 109. 2118 Coste erwägt dies in den Aufzeichnungen des Benediktiners und Botschafters des französisichen Königs, Pierre de Paray, der über das Konsistorium Benedikts X I . Ende O k t o b e r 1303 b e richtet. Folgende Sätze, die von Bonifaz VIII. angeführt werden, scheinen auf Unam sanetam anzuspielen, so COSTE, 2 3 6 , Anm. 4f. u. 7: a) Dominus papa est dominus spiritualitatis et temporalitatis, ut in utroque appeletur ad cum. b) Quicumque peccaigraviter, qui hoc non credit (vgl. den Schlußsatz der Bulle, oben S. 64ff.). c) A temporalibus regum appeletur ad dominum papam (vgl. mit dem Satz Ergo, si deviat terenna potestas, iudicabitur a potestate spirituali; L o GRASSO, 190,17f.). Die Erinnerungen des Kardinals Peter Colonna 1306, die auf die Artikel vom 1 4 . 0 6 . 1303 über den Ausruf Bonifaz VIII., er sei Herr und Superiorität in terris bezugnehmen, scheinen ebenfalls auf Unam sanetam anzuspielen (so
COSTE,
269).
Vgl. FEINE, 4 5 3 . Nec quod per illam [die Bulle; V.M.] rex, regnum et regnicolae praelibati amplius ecclesiae sint subiecti Romanae, quam antea exsistebant; sed omnia intelligantur in eodem esse statu, quo erant ante deßnitionem praefatam tarn quantum ad ecclesiam, quam etiam ad regem, regnum et regnicolas superius nominatos (Extravagantes eommunes VII De privilegiis II; FRIEDBERC II, 1300). 2119
2 1 0 Vgl. die Uberschrift zur Bulle in den Extravaganten: Rex Franciae et regnicolae, per extravagantem Unam sanetam, supr. de maior. et obed., tum amplius sueiieiuntur ecclesiae Romanae, quam prius erant. Die Angabe von FINK, Lage 3 7 3 , die gegen Frankreich erlassenen Bullen seien im amtlichen R e g i ster »getilgt« worden, trifft von daher für Unam sanetam nicht zu.
i.
Zwischen
Bonifaz
VIII. und Philipp dem
Schönen
71
wird. 211 Die kanonische Bedeutung der Bulle Unam sanetam wurde nicht durch die mögliche Anklage der Häresie des Papstes geschmälert. Es zeigt sich aber, daß die Außerkraftsetzung für Frankreich keine Folgen für die päpstliche Politik insgesamt zur Frage der beiden Schwerter zeitigen mußte, wie die Einordnung der Bulle Meruit unter die Privilegien zeigt. 212
1.5
Zusammenfassung
Die Auseinandersetzung zwischen Bonifaz VIII. und Philipp dem Schönen um die Frage der Klerikerbesteuerung und das Investiturrecht evoziert eine umfangreiche Literatur zur Verhältnisbestimmung der beiden Gewalten. Die maßgeblichen Theologen auf beiden Seiten, Aegidius Romanus und Johannes von Paris haben als Thomas-Schüler zwar ein gemeinsames theologisches Grundverständnis. In der Gewaltenbestimmung fuhrt es sie aber auf unterschiedliche Pfade. Die Relation von vollendungsbedürftiger Natur und vollendender Gnade bringt die kurialistischen Theologen zur vollständigen Subordination der weltlichen Gewalt unter die geistliche. Mit Hilfe der Verhältnisbestimmung der beiden Schwerter nach Lk 22,38, bzw. M t 26,52 fuhrt die plenitudo potestatis papae zu einem Besitz beider Schwerter. Das weltliche Schwert wird ad nutum et patientiam sacerdotis der weltlichen Gewalt zur Ausübung überlassen, weil sich die geistliche Gewalt auf die Heilsbelange konzentriert. Aegidius Romanus konstruiert dafür ein Gegenüber von notwendiger Subordination in der Gewalteneinheit der Kirche und angemessener Weitergabe des weltlichen Schwertes an weltliche Gewalten. Das Schwert wird nicht dem geistlichen Einflußbereich entzogen, sondern die Natur, die mit dem weltlichen Schwert geordnet wird, erhält durch die Herkunft des Schwertes aus der geistlichen Gewalt eine gubernatio an die Seite gestellt (Jakob von Viterbo). Durch die Identifikation der päpstlichen Kirche mit dem corpus Christi mysticum und die sakramentale Heilsmittlerschaft der Kirche hat sie in der Welt eine quasi-göttliche Jurisdiktionsgewalt. Das augustinische Schema von civitas Dei und civitas terrena wird auf 2,1
Vgl. hierzu SCHMIDT, B o n i f a z - P r o z e ß 4 3 5 f. Zusammenfassend schreibt er über das P r o z e ß -
protokoll: »Dessen Inhalt wie schon die Verhandlungen vor dem Tribunal C l e m e n s ' V. sind augenscheinlich sorgfältig nach außen abgeschirmt worden, so daß nicht einmal die gesprächigen aragonesischen B e o b a c h t e r [von denen ausführliche B e r i c h t e über alle Angelegenheiten erhalten sind; V . M . ] an der Kurie davon erfuhren« (435). B e i der Herausgabe der Konzilsakten von V i e n n e wird n o c h E n d e des 16. Jhds. intern empfohlen: negotium Bonifacii
VIIIpotest
silentio praetermitti
(ebd.).
Prozeßtechnisch gelingt C l e m e n s die Ü b e r f ü h r u n g des Prozesses in seinen eigenen Befugnisbereich, wodurch er den Prozeß ins Leere laufen lassen kann (439). »So hat der Prozeß b e g o n n e n — und doch nicht begonnen« (DERS., Factum 6 2 5 ) . Luther weiß später ebenfalls nur von dem Fall in Anagni, nicht aber von e i n e m Prozeß gegen Bonifaz V I I I . 212
1 3 2 3 kann Aegidius Spiritualis den Text der Bulle als kanonrechtliche Belegstelle zitieren.
72
Erster Teil: Die spätmittelalterlichen
Verhältnisbestimmungen
der beiden
Schwerter
beide Gewalten übertragen, wobei sich die Kirche das R e c h t der Unterscheidung zwischen civitas terrena und civitas Diaboli
vorbehält.
A u f antikurialistischer Seite fuhrt die Unterscheidung von Natur und Gnade zu einer gewissen Gewaltentrennung. Ausgehend von einer Gleichursprünglichkeit der Gewalten bei Gott, die durch das nur noch im literalen Sinn verwendete Lk 2 2 , 3 8 bestätigt wird, kommt der natürliche Mensch als gesellschaftsbildendes Wesen in den Blick. Angesichts dieser Situation besteht für den König auch die Möglichkeit, die Souveränität seines Königtums mit gewohnheitsrechtlichen Argumenten zu beweisen. Dieses »bipolare Gesellschafts- und Herrschaftssystem« 213 behält aber aufgrund der Natur-Gnade-Relation
die
Möglichkeit eines geistlichen Eingriffes in den Verfügungsbereich der weltlichen Gewalt. D e r weltliche Staatszweck der virtus, der auf eine innerweltliche Gerechtigkeit gerichtet ist, bleibt vollendungsbedürftig durch die vera iustitia, die wiederum die Kirche vermittelt (Johannes von Paris). Auch hier werden civitas Dei und civitas terrena den beiden Gewalten zugeordnet, wenn auch der Kirche der unmittelbare Besitz der weltlichen Gewalt abgesprochen wird. D i e ses unklare Verhältnis von sichtbarer und unsichtbarer Kirche ermöglicht es der Kirche weiter, selbst die Unterscheidung von civitas terrena und civitas Diaboli zu treffen. D e r sakramentalen Heilsmittlerschaft der Kirche kann das an Thomas von Aquin geschulte antikurialistische D e n k e n keine fundamentale Alternative entgegensetzen.
2,3
ULLMANN, B u l l e 5 5 .
2. Die Zwei-Schwerter-Lehre in der Auseinandersetzung der Päpste Johannes X X I I . und Benedikt X I I . mit Ludwig dem Bayern
Auch in der zweiten großen Auseinandersetzung des Spätmittelalters um das Verhältnis der beiden Gewalten, dem Kampf der Päpste Johannes X X I I . und Benedikt X I I . mit König Ludwig dem Bayern, dient die Verhältnisbestimmung der beiden Schwerter zur Bestätigung der jeweiligen Argumentation. Die rechtlichen Streitfragen dieser Zeit wie die Approbationstheorie, der Kirchenbann, die Kurfurstenwahl oder das Kaiserrecht können hier allerdings nicht ausreichend behandelt werden, sondern werden nur berührt hinsichtlich des dort verwendeten Bildes der beiden Schwerter. Vor dem Kampf der Päpste Johannes X X I I . und Benedikt X I I . mit König Ludwig dem Bayern wurde zwischen Papst Clemens V. und König Heinrich VII. von Luxemburg die Frage der Abhängigkeit des Imperiums von der Kurie virulent, da Heinrich den Kaisertitel anstrebte. Während die Kurialisten um 1302 in der Regel von einer einheitlichen imperialen Struktur der weltlichen Gewalt ausgingen, die dem Papst subordiniert sei, vertraten andere, vornehmlich antikurialistische Theologen die Verfügungsgewalt des Königs über die Kirche seines Territoriums. Das Verhältnis von Imperium und sacerdotium mußte nun weiter geklärt werden. Auf dem Hintergrund dieser Auseinandersetzung werden die Konfliktlinien deutlich, die den Kampf der 30er und 40er Jahre markieren.
2.1 D i e Z w e i - S c h w e r t e r - L e h r e in der Z e i t zwischen den Pontifikaten von B o n i f a z V I I I . und Johannes X X I I . In der Zeit zwischen den Pontifikaten von Bonifaz VIII. und Johannes X X I I . zeigte sich eine Verschiebung der Konfliktlinien. Der Kontrahent war nun nicht mehr ein territorialer König wie einst Philipp von Frankreich, sondern aufgrund der Wiederbelebung des Kaisertums der Imperator des Reiches.
74
Erster Teil: Die spätmittelalterlichen Verhältnisbestimmungen der beiden Schwerter
2.1.1 Die Auseinandersetzung um das Kaisertum 1310—1312 Die Wiederbelebung des Kaisertums erfolgte 1312. 1 Nach der Ermordung König Albrechts I. 1308 hatte sich Heinrich von Luxemburg (1278—1313) unter den Kurfürsten gegen den vom französischen König vorgeschlagenen Karl von Valois bei der Wahl durchgesetzt. Clemens V. ließ sich trotz umfangreicher Abhängigkeit von französischen Interessen auf Heinrich als Kandidaten für das Kaiseramt ein. Heinrich war zunächst Begleiter Philipps von Frankreich zur Krönung Clemens V. in Lyon gewesen und stand im französisch-englischen Krieg 1294—1297 auf Philipps Seite. Er stellte ihm für 1312 nach Regelung der innerkirchlichen Angelegenheiten auf dem Konzil in Vienne die Krönung in R o m in Aussicht. Die Bereitschaft zur Krönung erfolgte aufgrund der von Heinrich angebotenen Unterwerfung des Imperiums unter die Kirche. Daß das Verhältnis des Papstes zum zukünftigen Kaiser aber nicht unproblematisch sein konnte, lag an den unterschiedlichen Interessen in Reichsitalien und dem damit verbundenen Reichsvikariat. 2 Das Reichsvikariat, die Statthalterschaft über Reichsitalien, war durch den päpstlichen und kaiserlichen Einfluß seit dem 12. Jahrhundert Gegenstand zahlreicher Auseinandersetzungen. Hatte sich um das Patrimonium Petri durch Friedrich I. Barbarossa Mitte des 12. Jahrhunderts ein Sperrgürtel eines fest im R e i c h verankerten Reichsitaliens im Norden und Siziliens im Süden ergeben, konnte Papst Innozenz III. in den seit 1197 bestehenden Thronwirren zwischen Philipp von Schwaben und O t t o von Braunschweig die kurialen Ansprüche ausbauen. D e r staufischen Italienpolitik war an einem Einfluß in dem Ursprungsgebiet des Römischen Imperiums gelegen, weil Barbarossa das Kaisertum aus dem römischen R e c h t (und damit unmittelbar von Gott) und nicht aus kirchlicher Amtseinsetzung begründen wollte. D e m Papst blieb nach diesem Verständnis nur eine sakrale, nicht aber politische Autorität. Das Papsttum, das die Auseinandersetzung letztlich für sich entscheiden konnte, beharrte auf der translatio imperii, nach der der Kaiser seit Karl dem Großen sein R e i c h durch Übertragung des Papstes erhielt. Trotz staufischer Widerstände untermauerte Innozenz seine Ansprüche in der berühmten Bulle Vencmbilem fratrem.3 Neben der notwendigen Translation wird hier allerdings auch das R e c h t der Fürsten auf die Königswahl bestätigt. Die neu eingetretene Abhängigkeit des Reiches von R o m wurde 1213 in der Goldbulle von Eger durch Friedrich II. reichsrechtlich untermauert, um sich damit die neuerliche päpstliche Unterstützung in der Königswahl gegen den päpstlich gebannten O t t o IV. zu sichern. Mit der Goldbulle verzichtete der König auf seine seit dem Wormser Konkordat 1122 geltenden R e c h t e bei der Wahl der Bischöfe und Reichsäbte sowie auf das Spolien- und Regalienrecht und bestätigte den Kirchenstaat, der noch durch kaiserliche Gebiete und die toskanische Markgrafschaft der Mathildischen Schenkung erweitert wurde. Die Situation ist zur Zeit Bonifaz VIII. ähnlich. Die Kurfürsten bitten den Papst, der eigentlich auf der Seite Adolfs von Nassau steht, statt Adolf Albrecht zum Kaiser zu krönen. Den Kampf um die Krone hatte
1 Siehe zur Einfuhrung F I N K , Lage 3 8 2 - 3 8 4 ; T H O M A S , H E I N Z , Art. Heinrich VII., in: LMA 4, 1989, 2047-2049. 2 Vgl. hierzu B A E T H G E N , F R I E D R I C H , Der Anspruch des Papsttums auf das Reichsvikariat. U n tersuchungen zur Theorie und Praxis der potestas indirecta in temporalibus, ZSRG.K 41, 1920,168-268; H A U S C H I L D I, 511 ff. 3 Vgl. c. 34 X de electione I 6 (FRIEDBERC. 11,79-82). Zur Translationstheorie vgl. GOEZ, a.a.O.
2. Zwischen Johannes
XXII.,
Benedikt XII. und Ludwig dem
Bayern
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A d o l f verloren: E r fiel 1 2 9 8 in der Schlacht von G ö l l h e i m . N a c h langen Verhandlungen e r k e n n t B o n i f a z V I I I . A l b r e c h t in der B u l l e Patris aeterni als r ö m i s c h e n K ö n i g an und stellt i h m die K a i s e r k r ö n u n g in Aussicht. D e r Preis dieser A n e r k e n n u n g ist die Lösung eines Bündnisses m i t Frankreich, d e m K o n t r a h e n t e n des Papstes u n d das Versprechen, in den nächsten f ü n f J a h r e n k e i n e n R e i c h s v i k a r in der Toskana und der L o m b a r d e i einzusetzen, o h n e päpstliche Z u s t i m m u n g einzuholen, und nach dieser Z e i t auch nur eine v o m Papst g e n e h m i g t e Person zu b e r u f e n . 4 A l b r e c h t bestätigt am 1 3 . 0 7 . 1 3 0 3 den von den Gesandten zuvor geleisteten E i d . 3 Praktische B e d e u t u n g erlangt das Gehorsamsversprechen allerdings nicht, zur K a i s e r k r ö n u n g ist es nie g e k o m m e n .
W i e zur Zeit des Investiturstreites im 11./12. Jahrhundert war der Einfluß in Reichsitalien von Bedeutung für die Verhältnisbestimmung zwischen der päpstlichen Autorität und der Legitimation des Imperiums. D e r R o m z u g eines Königs sollte dabei Ansprüche auf den Kaiserthron untermauern. Bereits 1310 zieht Heinrich von Luxemburg nun nach R o m , um sich vom Papst, der sich allerdings nicht in der Stadt befindet, zum Kaiser krönen zu lassen. Da sowohl der deutsche König als auch Philipp von Frankreich Ansprüche auf Italien geltend machten, findet Heinrich R o m durch Truppen Roberts von Neapel besetzt. Heinrich gelingt es, am 2 9 . 0 6 . 1310 durch drei Kardinäle zum römischen Kaiser gekrönt zu werden. Heinrich eröffnet anschließend den Prozeß gegen R o b e r t mit der Anklage des Majestätsverbrechens. 6 D e r Prozeß führt zu dem Reichsgesetz Ad reprimendam vom 0 2 . 0 4 . 1313. Unter dem Titel Edictum de crimine laesae maiestatis begründet es die Richtigkeit der Verurteilung Roberts aufgrund der notwendigen Subordination jeder Seele unter den Kaiser nach göttlichem Gesetz. 7 Damit spielt Heinrich auf den Schlußsatz der Bulle Unam sanctam an, der die Heilsnotwendigkeit des Papstgehorsams festhielt, und behauptet mit der Umdrehung des Satzinhaltes gegenteilig eine Abhängigkeit der geistlichen Gewalt vom Kaiser. R o b e r t läßt gegen dieses Urteil eine Gesandtschaftsinstruktion für die papsttreuen (guelfischen) oberitalienischen Städte verbreiten, in der er die Gültigkeit des Imperiums anzweifelt, das nur durch Gewalt und R a u b entstanden sei. 8 Sobald ein Kaiser gekrönt sei, versuche er, den Papst unter seine Gewalt zu zwingen, weswegen für den Papst, Frankreich und Italien das Kaisertum ein scandalum sei. Nach R o b e r t diversifiziert sich die weltliche Gewalt in territoriale Königtümer. Nach Heinrichs Tod am 2 4 . 0 8 . 1313 antwortet Clemens V. auf das Reichsgesetz mit der Bulle Pastoralis cura, nach der ein König als römi4 5
Vgl. R e g . B o n . 5 3 4 9 ; vgl. die Lösung der bisherigen Bündnisse des Königs R e g . B o n . 5 3 5 0 . Vgl. M G H . C o n s t IV,1 Nrr. 181 f., 1 5 4 - 1 5 7 .
6 Vgl. zur Auseinandersetzung zwischen Heinrich VII. und R o b e r t von Neapel PENNINGTON, KENNETH, T h e Prince and the Law 1200—1600. Sovereignity and Rights in the Western Legal Tradition, Berkeley u.a. 1993 ( = T h e Prince), 165FF. 1 Verum etiam divina precepta, quihus iuhetur quod omnis anima Romano principi sit suhiecta ( M G H . C o n s t IV,2 Nr. 9 2 9 , hier 9 6 5 , 2 6 f . ; französisch Nr. 930). 8 Vgl. hierzu BOCK, FRIEDRICH, Kaisertum, Kurie und Nationalstaat im Beginn des H . J a h r hunderts, in: R Q 44, 1936, 1 0 5 - 1 2 2 . 1 6 9 - 2 2 0 ( = Kaisertum), hier besonders l l O f f .
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Erster Teil: Die spätmittelalterlichen
Verhältnisbestimmungen
der beiden Schwerter
scher Imperator als Vasall und Untertan des Papstes verstanden wird, da die nicht-dauerhafte Institution des Imperiums durch den Papst im Sinne der alten Translationstheorie verliehen wird. 9 R o b e r t von Neapel wird 1 3 1 4
zum
Reichsvikar in Italien ernannt. D e r neu entflammte Streit über das Gewaltenverhältnis bezieht sich auf die wechselseitige Gehorsamsforderung. Papst und Kaiser behaupten im R e k u r s auf den Schlußsatz der Bulle Unam sanetam gegenseitig eine heilsnotwendige Superiorität über das corpus Christianum.
Die Argumentation verschiebt sich
hier etwas, weil der Kontrahent des Papstes nicht mehr ein territorialer König, sondern der Kaiser ist. Nicht mehr gewohnheitsrechtliche Souveränität wird behauptet, sondern die göttliche Herkunft der zentralen weltlichen Gewalt tritt in den Vordergrund. D i e Darlegung des Bezuges des weltlichen Schwertes auf das Imperium ist deswegen auch das Anliegen der Schriften von Dante und Engelbert von Admont.
2 . 1 . 2 Das naturrechtlich n o t w e n d i g e I m p e r i u m nach Dantes
Monarchia
Vor dem Hintergrund einer neu zu begründenden kaiserlichen W ü r d e versucht Dante Alighieri (1265—1321) in seiner Monarchia
die Notwendigkeit
einer Weltmonarchie zu beweisen. 1 0 Dante nahm als Mitglied einer
florentini-
schen Delegation 1301 in R o m an Vermittlungsversuchen zwischen Bonifaz V I I I . und den papstkritischen »weißen Guelfen« als deren Anhänger teil. Grund der Unterredung war der päpstliche Einfluß auf die toskanischen Stadtstaaten. Da zeitgleich die papsttreuen »schwarzen Guelfen« in Florenz die Oberhand gewannen, wurde Dante lebenslänglich aus Florenz verbannt und in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Schon aufgrund seiner persönlichen Situation hatte Dante also ein Interesse an der Verringerung der weltlichen Gewalt des Papstes. D i e dantische Weltmonarchie ist durch die pseudo-dionysianische Vorstellung einer reduetio ad unum geprägt, die aber im Unterschied zu den Kurialisten nicht die Subordination der weltlichen Gewalt unter die geistliche zur Folge hat, sondern aufgrund einer Trennung von Glaube und Vernunft den R ü c k fuhrungsgedanken nur auf das weltliche Oberhaupt beschränkt. 11 Das I m p e '' M G H . C o n s t IV,2 Nr. 1166 unter der Überschrift Constitutio in Javorem Roberti regis Siciliae, hier 1 2 1 2 , 4 1 - 4 4 . 10 Vgl. zum Überblick BEZZOLA, RETO R . u.a., Art. Dante Alighieri, in: L M A 3, 1986, 5 4 4 563; BUCK, AUGUST, Art. Dante Alighieri, in: T R E 8, 1981, 3 4 9 - 3 5 3 ; MIETHKE, D e potestate 156FF. (weitere Literatur siehe ebd., 156, A n m . 4 5 1 ) . Ediert ist die Monarchia unter anderem in DANTE ALIGHIERI, Monarchia, hg. v. RUEDI IMBACH und CHRISTOPH FLÜELER, Stuttgart 1989. Die Datierung der Schrift schwankt zwischen 1307 und 1318, wobei der historische Hintergrund der neu erwachten Kaiseridee derselbe bleibt (vgl. MIETHKE, D e potestate 156, Anm. 450). Zur U n g e wißheit über Dantes genaue historische Kenntnisse, insbesondere die der Bulle Unam sanetam vgl. IMBACH/FLÜELER, 26. "
Vgl. zum folgenden die Einfuhrung in die Monarchia von IMBACH/FLÜELER, 11—57.
2. Zwischen Johannes XXII.,
Benedikt XII. und Ludwig dem Bayern
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rium umfaßt dabei alle Menschen wegen ihrer naturrechtlichen Veranlagung zur Gemeinschaft. Dante geht über die aristotelische Vorstellung einer gemeinschaftsbildenden Fähigkeit aber noch hinaus, wenn er der Menschheit als naturrechtlich angelegtes Gattungsziel die Vervollkommnung der Erkenntnisfahigkeit zuschreibt, an der alle Menschen mitarbeiten müssen (53f.). Politische Voraussetzung der Vervollkommnung ist der allgemeine Friede, der allein durch eine imperiale Regierung gewährleistet werden kann. Die Begründung dieses Gattungszieles führt notwendigerweise zu einer imperialen Struktur der weltlichen Gewalt, da über alle Länder- und Städtegrenzen hinweg die Menschen auf ein Ziel gerichtet sind. Während Dantes antikurialistische Vorgänger in Frankreich noch die gewohnheitsrechtliche Autonomie des territorialen Königreiches in den Vordergrund stellten, geht es Dante in der Auseinandersetzung zwischen den italienischen Stadtstaaten und dem Papst u m die generelle Befreiung der weltlichen Gewalt aus der Subordination des Papstes. Trotz dieser Unterschiede kann Dante die kurialistische Verhältnisbestimmung der beiden Schwerter auf ähnliche Weise ablehnen wie die Papstgegner um 1302. Auch er läßt lediglich den literalen Sinn der Schwerterstelle Lk 22,38 gelten. N e u ist hier allerdings der Hinweis auf die intentio Christi. Im dritten Buch der Monarchia erörtert Dante den Sinn der Stelle ausfuhrlich. Zunächst beschreibt er die kurialistische Deutung zutreffend mit der Konzentration auf das hie zur päpstlichen Besitzanzeige und der allegorischen Gleichsetzung der Schwerter mit den Gewalten. Mit dieser Deutung sei allerdings die intentio Christi nicht getroffen. Daneben habe Petrus hier seiner Gewohnheit nach spontan geantwortet, ohne seiner Aussage eine tiefere, allegorische Bedeutung beizumessen (210). Die Intention Christi erhebt Dante aus dem Kontext Lk 22, in dem es um das letzte Abendmahl des H e r r n ging und die zwölf jünger anwesend waren. Weil Christus zunächst sagte, daß, wer keinen Beutel habe, sein Kleid verkaufen und ein Schwert kaufen solle (Lk 22,36), können nach Dante hier nur zwölf Schwerter gemeint sein, mit denen auf die zukünftige Bedrohung der Kirche hingewiesen wird (210—212). Da nun aber offensichtlich nur zwei Schwerter vorhanden gewesen sind, mußten diese nach Christi Meinung ausreichen; er bestätigte sie mit satis est. Daß die Sätze Petri in der Regel oberflächlich gemeint gewesen seien, bestätigt für Dante der Zusammenhang der übrigen Uberlieferung der Evangelien, in denen des öfteren von einer Zurechtweisung durch Jesus die R e d e ist.12 Eine zutreffende Auslegung von Lk 22,38 kann also nur im Licht von Mt 10,34 erfolgen, wonach Christus nicht den Frieden, sondern das Schwert bringe (216). Wenn der Beginn von Lk mit dem Hinweis auf Jesu Wort und Tat eröffne, so könnte allegorisch gedeutet mit den beiden Schwertern auch Wort und Tat gemeint sein. 12
Vgl. die Beispiele Monarchia III,IX,10-16 (ed. ebd., 212-216).
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Erster Teil: Die spätmittelalterlichen
Verhältnisbestimmungen
der beiden
Schwerter
D a n t e fugt mit dieser Schwerterdeutung eine weitere Möglichkeit zu den bisherigen Auslegungen hinzu, wobei er sich in die Front einreiht, die von der Relativität der Auslegung Lk 22,38 ausgeht u n d der kurialistischen Subordinationstheorie den entscheidenden Schriftbeleg streitig macht. Zugleich ist mit der T r e n n u n g beider Gewalten a u f g r u n d der T r e n n u n g von Glaube u n d Vern u n f t ein neuer theologisch-philosophischer Aspekt gegeben, w i e er später bei Marsilius von Padua u n d W i l h e l m von O c k h a m wirksam wird. Kurialisten wie W i l h e l m von C r e m o n a versuchen in der Folgezeit, D a n t e zu widerlegen.
2.1.3 Engelbert von A d m o n t : Die U b e r e i n s t i m m u n g von göttlichem u n d m e n s c h l i c h e m R e c h t i m christlichen G l a u b e n Engelbert von A d m o n t (um 1250—1331) b e n e n n t in De ortu etfine Romani Imperii den U r s p r u n g weltlicher Gewalt in der natürlichen Veranlagung des M e n schen zur hierarchischen Gemeinschaftsbildung u n d das Ziel dieser Gewalt in der innerweltlichen Glückseligkeit als d e m höchsten G u t . ' 3 Das Wesen der Glückseligkeit wird näher durch die perfecta virtus secundum intellectum et rationem bestimmt (38), die material in der Erlangung eines allgemeinen Friedens besteht (68). Engelbert spricht zwar in der R e g e l von einem rex u n d nicht von einem imperator, verbindet aber die Königsbezeichnung mit einem imperialen Verständnis der weltlichen Gewalt. Das R ö m i s c h e I m p e r i u m hat andere Königreiche u n t e r eine gerechte Verwaltung u n t e r w o r f e n (imperium tolerabile et modestum et aequum; 54). Diese E n t w i c k l u n g entspricht d e m natürlichen R e c h t , nach d e m eine Struktur i m m e r einem einzigen U r s p r u n g entspringt u n d auf ein Ziel ausgerichtet ist. N u r so lassen sich alle private Interessen d e m bonum commune u n t e r o r d n e n (70fF.). D e r Imperator vereinigt u n t e r sich alle weltliche Gewalt u n d die gesamte Christenheit, er ist imperator Christianus (94). Bereits die Tradition weist eine U b e r e i n s t i m m u n g von göttlichem u n d menschlichem R e c h t auf, w i e Engelbert anhand von Augustin u n d Cicero zeigt (74). D i e Volksbildung erfolgt nach Augustin u n d Cicero durch die gemeinschaftliche U b e r e i n s t i m m u n g mit göttlichem u n d menschlichem R e c h t , wobei diese erst durch den christlichen Glauben ermöglicht wird. Erst durch den Glauben k a n n das menschliche R e c h t in K o n g r u e n z z u m göttlichen 13 BAUM, WILHELM ( H g . ) , E n g e l b e r t v o n A d m o n t . V o m U r s p r u n g u n d E n d e des R e i c h e s u n d a n d e r e S c h r i f t e n , G r a z e r B e i t r ä g e z u r T h e o l o g i e g e s c h i c h t e u n d K i r c h l i c h e n Z e i t g e s c h i c h t e , hg. v. MAXIMILIAN LIEBMANN, B a n d 11, Graz 1 9 9 8 , 1 0 - 1 3 5 , hier 14.16. D i e Glückseligkeit d e f i n i e r t E n g e l b e r t a n h a n d d e r aristotelischen E t h i k (vgl. ARISTOTELES, E t h i k I, 2, 1095a): secundum Philosoplium primo »Ethicorum« omnes actiones humanae adfinem ultimum referantur, qui es feliätas, tanquam summum bonum (ed. BAUM, 34). Vgl. zu E n g e l b e r t HAMM, MARLIES, E n g e l b e r t v o n A d m o n t als Staatstheoretiker, in: S M G B 85, 1974, 3 4 3 - 4 9 5 ; UBL, KARL, E n g e l b e r t v o n A d m o n t . E i n G e l e h r t e r i m S p a n n u n g s f e l d v o n Aristotelismus u n d christlicher U b e r l i e f e r u n g , M I O G . E 3 7 , W i e n u . a . 2000.
2. Zwischen Johannes XXII.,
Benedikt XII. und Ludwig dem
Bayern
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R e c h t gebracht werden. Engelbert versteht dabei das menschliche Recht als abhängig vom göttlichen Recht nach Anfang und Geltung. Die Ubereinstimmung der Rechte kommt in der Qualifikation des Fürsten zum Ausdruck: es m u ß derjenige über das Volk und den Staat herrschen, der die Grundlage der Rechtskongruenz, den christlichen Glauben, verteidigt und vermehrt. Das ist der christliche Kaiser. Die Klärung der Lenkungsfrage berührt auch das Schwerterverhältnis: Wenn das weltliche Schwert seine Funktion der Glaubens Verteidigung und -Vermehrung verliert, kann sich das geistliche Schwert nicht mehr gegen Schismatiker und Häretiker zur Wehr setzen und damit den Zerfall der Kirche aufhalten (120). 2.1.4 Zusammenfassung Engelbert betont wie Dante im Horizont der Auseinandersetzung um das Kaisertum Heinrichs VII. die Notwendigkeit eines Kaisers zur Lenkung des Imperiums. Im Kampf zwischen Kaiser und Papst u m die imperiale Würde wurde in den Haupttexten jeweils die Untertänigkeit und Abhängigkeit des Gegners postuliert. Das Reichsgesetz Ad reprimendam lehnte sich an die Bulle Unam sanctam an, indem es die Notwendigkeit der Unterordnung jeder Seele, nun aber nicht unter den Papst, sondern unter den Kaiser behauptete. Die päpstliche Reaktion in der Bulle Pastoralis cura zitierte Unam sanctam dagegen zutreffender, indem sie die Unterordnung eines jeden im Sinne der Heilsnotwendigkeit des Papstgehorsams repristinierte. Dante und Engelbert sind nach ihren Argumenten der Seite Heinrichs VII. bzw. der Neubegründung des Kaisertums zuzurechnen. Ihre Ansätze sind dabei durchaus verschieden. Zwar gehen beide von einer naturrechtlichen Gemeinschaftsbildung der Menschen und einer reductio ad unum der Herrschaft dieser Gemeinschaft aus. Auch haben beide als Zielorientierung des Staates die Gewährleistung des allgemeinen Friedens. Dantes Hintergrund stellt aber eine Trennung von Glaube und Vernunft dar. Die geistliche Gewalt hat in seiner Monarchia nur noch eine untergeordnete, keine konstitutive Funktion mehr. Bei Engelbert gilt der ideale Zustand als eine Harmonie und Identität von natürlichem und göttlichem Recht; der göttliche Wille kommt in der imperialen Ordnung der Welt und der Sicherung des allgemeinen Friedens im H i n blick auf den Bestand dieser Ordnung zum Ausdruck. Christliche Konnotation dieser Harmonie ist die Tatsache, daß die Harmonie gerade im christlichen Glauben ihren Ausdruck findet und der Kaiser imperator Christianus ist. Hierin kommt die augustinische Lesart Ciceros zum Tragen. Dante übernimmt diese Harmonievorstellung nicht. Zwischen Engelbert und Dante wird die unterschiedliche Lösungsstrategie d e u t l i c h , m i t d e r d i e plenitudo
potestatis
spiritualis
sive papae
zugunsten
einer
Dominanz und Eigenständigkeit der weltlichen Gewalt in weltlichen Angele-
80
Erster Teil: Die spätmittelalterlichai
Verhältnisbestimmungeii
der beiden
Schwerter
genheiten bestritten werden soll. Die Traditionslinien setzen sich in unterschiedlichen Kontexten fort. Während das dantische Erbe schon bald und zudem verschärft bei Marsilius von Padua begegnet, finden wir eine »engelbertsche« Argumentation in der Reichsreform und der Position Johann von Schwarzenbergs wieder.
2 . 2 D i e Z w e i - S c h w e r t e r - L e h r e in d e r A u s e i n a n d e r s e t z u n g v o n Johannes X X I I . und Benedikt X I I . mit Ludwig dem Bayern D e m Tod Heinrichs VII. am 2 4 . 0 8 . 1 3 1 3 folgt die Doppelwahl von Ludwig dem Bayern und Friedrich dem Schönen. 1 4 W i e zuvor versucht der Papst, seit 1 3 1 6 der Franzose Johannes X X I I . , seinen Einfluß auf weltliche Belange durch die Behauptung eines Entscheidungsrechts zwischen den Kandidaten zu erweitern. Aus diesem Grund bestätigt er R o b e r t von Neapel am 1 6 . 0 7 . 1317 vacante imperio als Reichsvikar. 1 5 Papstgegner werden jetzt vor Inquisitionsgerichte gebracht, widerständige Städte mit dem Interdikt belegt. N o c h ringen die weltliche und geistliche Gewalt um den Einfluß in R e i c h s italien, wobei beide Thronprätendenten Friedrich der Schöne und Ludwig der Bayer auf gegnerischen Seiten kämpfen. Friedrich und sein Bruder Heinrich von Habsburg unterstützen bis 1322 das papsttreue guelfische Brescia mit einer Armee, ziehen aber zum Arger des Papstes wieder ab. Nachdem Ludwig 1 3 2 2 in der Schlacht bei Mühlberg seinen Kontrahenten besiegen kann, entsendet er im folgenden Frühjahr eine Delegation nach Italien, unterstützt die kaisertreuen Ghibellinen, die ihn um Hilfe gebeten hatten, und trägt zur Befreiung Mailands von der Bedrohung durch päpstliche Truppen bei. D e r Papst wehrt sich dagegen mit einer Vermahnung an den König, der dem Papst Gehorsam zu erweisen habe. E r zitiert ihn in der Bulle Attendentes vom 0 8 . 1 0 . 1 3 2 3 vor den päpstlichen Stuhl und leitet daraufhin einen kanonischen Prozeß ein, um ihn vom deutschen Königtum auszuschließen und eine andere Thronkandidatur zu prolongieren. 1 6 In zwei Appellationen in der Deutschritter-Kapelle in Sachsenhausen bei Frankfurt am 1 8 . 1 2 . 1 3 2 3 und, nach der Exkommunikation, am 22. 05. 1324 wendet sich Ludwig gegen die Sentenzen des Papstes. Er bestreitet, den Titel des deutschen Königs zu Unrecht zu fuhren und Ketzer zu unterstützen, und fordert ein allgemeines Konzil. Dann aber wirft er dem Papst den Einsatz kirchlicher Strafmittel gegen politische Gegner vor und bezichtigt ihn wegen seiner Position gegen das Armutsideal der Spiritualen der Ketzerei. 1 7 14 Vgl. zum folgenden FINK, KARL AUGUST, Von Johann X X I I . zu Clemens VI., in: H K G III/2, Freiburg/Basel/Wien 1985, 3 8 4 - 4 0 2 (= Johann X X I I . ) , hier 384ff. Vgl. hierzu BOCK, Kaisertum 182. M G H . C o n s t V, Nr. 7 9 2 , 6 1 6 - 6 1 9 , hier 6 1 7 f . 17
M G H . C o n s t V, 7 2 2 — 7 4 4 ; v g l . B O C K , FRIEDRICH, R e i c h s i d e e u n d N a t i o n a l s t a a t e n . V o m U n -
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Ludwig versucht seine Italienpolitik 1327 durch einen Romzug persönlich zu einem Erfolg zu fuhren. Gerufen hatte ihn die ghibellinische Partei. In Abwesenheit des in Avignon weilenden Papstes wird er durch den römischen Senator Sciarra Colonna zum Kaiser gekrönt — die Krönung erfolgt damit unabhängig von päpstlicher Mitwirkung. Ludwig installiert als Gegenpapst und damit als Ausdruck seiner kaiserlichen Fähigkeit zur notfallweisen Einsetzung eines Papstes den Minoriten Peter von Corbara, Nikolaus (V.), der aber bald verschwindet. Auf dem Rückweg von R o m stoßen in Pisa die aus Avignon geflohenen minoritischen Theologen zu Ludwig, die ihn fortan im Kampf gegen den Papst literarisch unterstützen werden, insbesondere Wilhelm von Ockham. Der minoritische Ordensgeneral Michael von Cesena, mit dem O c k h a m zusammen floh, war zum 0 8 . 0 6 . 1327 in die päpstliche Residenz in Avignon einbestellt worden und traf dort am 01.12. ein. Vermutlich erhoffte er sich in dem Streit eine Vermittlung mit Johannes X X I I . , während dieser offensichtlich Michael dazu bewegen wollte, zusammen mit dem gesamten Orden und insbesondere den radikaler ausgerichteten Spiritualen auf die päpstliche Linie der Bulle Cum inter nonnullos vom 1 2 . 1 1 . 1323 einzuschwenken. Diese Bulle verurteilte die Behauptung, Christus und die Apostel hätten weder einzeln noch gemeinsam etwas besessen, als häretisch. 1 8 Die unmögliche Vermittlung führte zur Flucht aus Avignon, da eine Verurteilung der franziskanischen Ordensleitung und die Exkommunikation zu erwarten waren. Der Flucht 1328 folgte die Verteidigung der franziskanischen und Verurteilung der päpstlichen Position durch Michael in den Appellationes in forma maiori/minori. Der gegen den Papst erhobene Häresievorwurf deckt sich mit der Sachsenhäuser Appellation Ludwigs des Bayern vom 2 2 . 0 5 . 1324. Johannes antwortete in der Bulle Quia vir reprohus vom 1 6 . 1 1 . 1329 abschließend mit der Feststellung der Behauptungen Michaels als »unkatholisch«. Christus habe ein dominium über die irdischen Güter gehabt. Bereits Adam und Eva sei von Gott Eigentum zugeteilt worden, das R e c h t also nicht erst eine Reaktion auf den Sündenfall.
Johannes strengt erneut den Prozeß gegen Ludwig an und versucht, den Kaiser durch Neuwahl abzusetzen, die aber nicht stattfindet. Ludwig kann die Schwierigkeiten in Deutschland und Italien durch einen fiktiven Abdankungsplan 19 beseitigen. Die Italienpolitik des Papstes hingegen scheitert endgültig, als sich die Ghibellinen und Guelfen 1333 gegen die Fremdherrschaft zusammenschließen, nachdem sowohl König Johann von Böhmen versucht hatte, in der Lombardei eine eigene Herrschaft zu begründen, als auch der Papst dem französischen König dieses Land als päpstliches Lehen geben wollte. Der König von Böhmen wird zur Abreise gezwungen und der päpstliche Legat zur Flucht aus tergang des alten Reichs bis zur Kündigung des deutsch-englischen Bündnisses im Jahre 1341, München 1943, 201 ff. Die Frage, inwieweit die minoritischen Theologen am H o f Ludwigs des Bayern die Appellationen mitentworfen haben, wird in der Forschung intensiv diskutiert (vgl. hierzu FINK, Johann X X I I . 390, Anm.20). 18
V g l . ISERLOH, ERWIN, D i e S p i r i t u a l e n b e w e g u n g u n d d e r A r m u t s s t r e i t , i n : H K G I I I / 2 , F r e i -
burg/Basel/Wien 1985, 4 5 3 - 4 6 0 (= Armutsstreit), bes. 457f. 19
S o FINK, J o h a n n X X I I .
390.
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Verhältnisbestimmunfien
der beiden
Schwerter
Italien genötigt. Im Anschluß an die gescheiterten Versöhnungsversuche zwischen Papst Benedikt X I I . und einer Delegation Ludwigs des Bayern in Avignon bis Mai 1337211 wendet sich der Bayer am 23.07. des Jahres mit einem Bündnis den Engländern zu, die dem französisch-päpstlichen Bündnis entgegenstehen. 21 Die deutschen Stände stehen nun aber in deutlicher Zahl aufseiten des Kaisers. U m die weitere Auseinandersetzung vorzubereiten, beruft Ludwig auf den 19.04. 1338 einen Reichstag nach Köln, der aber wegen einer parallel stattfindenden Bischofsversammlung in Speyer nicht zustande kommt. Die Bischöfe bieten dem Papst die Vermittlung mit Ludwig an. Benedikt X I I . lehnt aber ab und bezichtigt sie der Verschwörung. Ludwig beruft nun einen Ständetag nach Frankfurt, wo er am 17.05. im Deutschordenshaus in Sachsenhausen spricht. In dieser Rede äußert er die admonitio canonica gegen Benedikt XII., womit er dem Papst androht, ihn als Häretiker zu bezeichnen. Bis zum 06.07. liegen dem Papst gleichlautende Briefe der Reichsstädte vor, die die Niederschlagung des Prozesses gegen den deutschen Kaiser fordern. Auf dem Ständetag liegt das Reichsmandat Fidem catholicam als Entwurf vor. 22 Ausgefertigt wird es aber erst zusammen mit dem Gesetz Licet iuris auf dem Reichstag in Frankfurt am 0 6 . 0 8 . 1338. Damit hat Ludwig Gelegenheit, auf die Beschlüsse des Kurvereins in Rhens vom 16.07. 1338 zu antworten. Sie verteidigen in Abwesenheit des Kaisers dessen Mehrheitswahl unabhängig von einer päpstlichen Approbation. Allerdings wird Ludwigs Name nicht genannt und auf die Prozesse gegen ihn kein Bezug genommen. Auch Fidem catholicam weist die päpstliche Behauptung einer Abstammung des Kaisertums vom Papst zurück. 23 Das Reichsgesetz Licet iuris zitiert u.a. die Bulle Per venerabilem von 1202. Hier wird das Verhältnis von Papst und französischem König so benannt, daß der König in weltlichen Dingen niemanden über sich hat. Daraus ergibt sich eine jurisdiktioneile Unabhängigkeit der weltlichen Gewalt. 24 2 0 Vgl. hierzu ein Schreiben des Papstes an den französischen König vom 2 8 . 1 0 . 1 3 3 5 (ed. KAISER, VOLK UND AVIGNON. Ausgewählte Quellen zur antikurialen Bewegung in Deutschland in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, hg. v. OTTO BERTHOLD, L Ü A M A , R e i h e A, Band 3, Berlin 1960, 2 0 2 - 2 0 5 ) . Vgl. BOCK, FRIEDRICH, Die Prokuratorien Kaiser Ludwigs IV. an Papst Benedikt X I I . , in: Q F I A B 25, 1 9 3 3 / 3 4 , 251—291; insbesondere zu den gescheiterten Verhandlungen SCHWÖBEL, HERMANN OTTO, D e r diplomatische K a m p f zwischen Ludwig dem Bayern und der römischen Kurie im R a h m e n des kanonischen Absolutionsprozesses 1330—1346, Quellen und Studien zur Verfassungsgeschichte des Deutschen R e i c h e s in Mittelalter und Neuzeit 10, Weimar
1968,
173FR.
Vgl. hierzu BECKER, HANS-JÜRGEN, Das Mandat »Fidem catholicam« Ludwigs des Bayern von 1338, in: DA 26, 1970, 4 5 4 - 5 1 2 ( = Mandat). 2 2 Z u m Begriff »Reichsmandat« vgl. BECKER, Mandat 4 6 8 f . ; zur Edition KAISER, VOLK UND 21
AVIGNON 23
248-271.
V g l . b e s o n d e r s e d . K A I S E R , VOLK UND AVIGNON 2 4 9 - 2 5 1 . D a s » W e i s t u m ü b e r d i e K ö n i g s -
wahl« des Kurvereins von R h e n s ist ediert in NOVA ALAMANNIAE, Urkunden, Briefe und andere Quellen, besonders zur deutschen Geschichte des 14. Jahrhunderts, 1. Hälfte, hg. v. EDMUND E R N S T STENGEL, B e r l i n 1 9 2 1 , 3 6 1 f . 24
Rex ipse [der französische König; V.M.] superiorem in temporalibus minime recognoscat (zitiert
2. Zwischen Johannes XXII.,
Benedikt XII. und Ludwig dem Bayern
83
Wiederum im Deutschordenshaus in Sachsenhausen behauptet Ludwig sein Kaisertum, verwirft die päpstlichen Prozesse mit dem Hinweis auf den dadurch vorliegenden Hochverrat, das crimen laesae maiestatis.23 Allerdings sind auf diesem Reichstag die führenden Städte und Stände nicht erschienen, so daß der Erfolg der Proklamation begrenzt bleibt. Es kommt aber auf einem Reichstag in Koblenz am 02.09. 1338 zur erneuten Verkündigung von Fidem catholicam. Den Höhepunkt erzielt der Kaiser wohl erst im März 1339 auf einem Reichstag in Frankfurt: hier wird in Gegenwart aller Kurfürsten (bis auf Walram von Köln) beschlossen, daß bei Weigerung des Papstes ein Bischof oder Erzbischof den erwählten Kaiser krönen dürfe. 26 In der Frage der Wahl oder Approbation des Kaisers entscheidet sich die Frage nach der Abstammung des Kaisertums. Zur Begründung ihrer Positionen beziehen sich Papst und Kaiser im wesentlichen auf den Schlußsatz der Bulle Unam sanctam. Ludwig der Bayer rekurriert auf das Reichsgesetz Ad reprimendam, wonach jede Seele der weltlichen Gewalt Untertan sei. Das Reichsgesetz Heinrichs VII. hatte diesen Satz der Bulle entlehnt und statt der geistlichen von der weltlichen Gewalt gesprochen. Ludwig beansprucht mit dieser Behauptung die hierarchische Hinordnung der gesamten Christenheit auf den Imperator für sich. Der Kaiser ist der von Gott eingesetzte Gewährleister des allgemeinen Friedens. Auf ihn sind alle Menschen und Gewalten im Sinne einer reductio ad unum ausgerichtet. Diese Vorstellung entspricht der Lehre Dantes, dessen Monarchie am H o f des Bayern rezipiert worden sein dürfte. 27 Die bei Dante vorliegende Trennung von Glaube und Vernunft zeigt sich auch in der philosophischen Vorstellung, die den Werken Ockhams und Marsilius' zugrunde liegt. Der Papst repristiniert in dieser Situation die Gehorsamsforderung an den Kaiser, die gemäß Unam sanctam jede Seele dem Papst zu leisten schuldig ist. Die kurialistischen Theologen, die sich gegen die Gesetze und Schriften vom Münchner Hof wehren, beziehen sich deswegen auch des öfteren auf die Bulle Bonifaz VIII., u m diese Forderung zu untermauern.
n a c h FRIEDBERG 1 1 , 7 1 5 ; v g l . h i e r z u FEINE, 5 6 0 , A N M . 6 ) . Z u r E d i t i o n v g l . KAISER, VOLK U N D A V I GNON 25
282-285.
Vgl. hierzu BECKER, M a n d a t 463; z u m Reichsgesetz Ad reprimendam, o b e n S. 74. 26 Vgl. zu dieser nicht u n u m s t r i t t e n e n Ansicht BECKER, M a n d a t 467. 27 Z u r R e z e p t i o n der Monarchia vgl. die umfassende M o n o g r a p h i e v o n CHENEVAL, FRANCIS, D i e R e z e p t i o n der M o n a r c h i a D a n t e s bis zur Editio Princeps i m Jahre 1559. M e t a m o r p h o s e n eines philosophischen Werkes. M i t einer kritischen Edition v o n G u i d o Vernanis Tractatus de p o t e state s u m m i pontificis, H u m a n i s t i s c h e Bibliothek, R e i h e I. A b h a n d l u n g e n , B a n d 47, M ü n c h e n 1995.
84
Erster Teil: Die spätmittelalterlichcn
Verhältnisbestimmungen
der beiden
Schwerter
2 . 3 D i e Verhältnisbestimmung der beiden Schwerter bei den Kritikern des Papstes am H o f Ludwigs des Bayern 2.3.1 D e r Imperator als Verteidiger des Friedens bei Marsilius von Padua Der in Paris tätige Arzt und Theologe Marsilius von Padua ( 1 2 7 5 / 9 0 - 1 3 4 2 / 4 3 ) legt am 2 4 . 0 6 . 1324 sein Hauptwerk Defensorpacis vor, an dem sein Freund, der Averroist Johannes von Jandun (gest. 1328), beteiligt ist. 28 Da das Werk zwei Jahre nach Erscheinen die Aufmerksamkeit der Inquisition erregt, müssen beide 1326 an den H o f Ludwigs des Bayern fliehen. Die Inquisition verurteilt in der Bulle Licet iuxta doctrinam folgende Sätze: 29 1. Christus habe durch Zahlung des Zinsgroschens seine Unterordnung unter die weltliche Gewalt bezeugen wollen. 2. Petrus habe nicht mehr Autorität als die übrigen Apostel. 3. Der Kaiser könne den Papst ein- und absetzen oder bestrafen. 4. Alle Priester seien in der Rangstufe gleich. 5. Die Priester haben keine Strafgewalt aus sich heraus, sondern nur durch Verleihung durch den Kaiser. Diese Sätze verweisen bereits auf den antikurialistischen Inhalt der Schrift. Marsilius entwirft anhand der Konstitution der italienischen Stadtstaaten eine Staatstheorie. 3 " Dem Ludwig dem Bayern gewidmeten Werk geht es um die Wiederherstellung des Friedens, nachdem durch die Auseinandersetzung mit den Päpsten neue Unruhe entstanden ist, die vor allem aus der Behauptung der Heilsnotwendigkeit des Papstgehorsams herrührt. 31 Marsilius bezieht sich dabei explizit auf die Pontifikate Bonifaz VIII. und Clemens V. sowie auf den Schlußsatz der Bulle Unam sanetam, in dem der Kern des momentanen Unfriedens zu finden sei. 32 Der Frieden ist aber die notwendige Voraussetzung eines geordneten Staatslebens (2,4f.). Der Staat wird durch die Menschen als gemeinschaftsbildende Wesen konstituiert. Sie sind der »Gesetzgeber«, der von Gott zur Staatsbildung beauftragt ist.33 Der Zweck des Staates ist mit Aristoteles das 28
MARSILIUS VON PADUA, D e f e n s o r p a c i s , h g . v. RICHARD SCHOLZ, M G H . F 7 , H a n n o v e r 1 9 3 2 .
Vgl. zum folgenden HECKEL, Marsilius; MIETHKE, JÜRGEN, Art. Marsilius von Padua, in: T R E 22, 1992, 1 8 3 - 1 9 0 ; DERS., D e potestate 204FF. Weitere kleinere Werke finden sich in MAKSILE DE PADOUE, Œuvres mineures. Defensor minor. D e translatione imperii, hg. v. COLETTE JEUDY und JEANNINE QUILLET, Sources d'histoire médiévale, Paris 1979, allerdings ohne Bezug zur Z w e i Schwerter-Lehre. Vgl. die Vorlage dazu von W i l h e l m von Cremona, unten S. 113. Die Städte sind von Staaten nur durch ihren Umfang, nicht aber wesensmäßig unterschieden (ed. SCHOLZ, 11,2f.). 29 30
Zur Widmung ed. SCHOLZ, 8,4F. Es sind intranquillitas seu discordia entstanden (ebd., 127,10). Quem edam per ipsum episcopos Romanos intendere, manifeste nos docet 8 Bonifacii Romanorum episcopi contra Philippum Pulchrum, dare memorie regem Francorum, attemptacio contenciosa de hiis, et inde subsecuta euisdem Bonifacii decretalis indueta 20secunde, parte 8. Per quam siquidem omnem humatiam creaturam coactiva iurisdiccione subiectam fore Romano pontifici, diffinit esse credendum de necessitate saiutis eterne (ebd., 1 3 2 , 1 8 - 1 3 3 , 2 3 , hier 1 3 3 , 1 5 - 2 3 ) . 31 32
33 Vero est prineipatuum institucio, que scilicet ab humana mente immediate provenit, licet a Deo a causa remota, qui omnem prineipatum terrenum edam concedit (40,6—9).
tamquam
2. Zwischen Johannes XXII.,
Benedikt XII. und Ludwig dem Bayern
85
innerweltliche »Gutleben«, bene vivere (16,1 Off.). Marsilius lehnt es dabei ab, sich eingehend mit einem überirdischen Zweck zu befassen, da dieser als philosophisch unbeschreibbar zu gelten hat (17,11 fF.). Aus der Ubereinkunft der Untertanen wird ein Herrscher über den Staat bestimmt, der an das vom Gesetzgeber beschlossene Gesetz gebunden bleibt (38,1—3). Der Herrscher muß zur Erfüllung seiner Aufgabe prudentia et moralis virtus sowie iustitia besitzen (78,17). Die Schriftstelle R o m 13,1 kennzeichnet daneben die Gehorsamspflicht, die nach Übereinkunft des Volkes gegenüber dem Herrscher zu leisten ist (225,23—26). Aufgrund einer Trennung von Glaube und Vernunft sind virtus und iustitia rein naturrechtlich als menschliche Ausrichtungsfähigkeit auf das gute Leben zu verstehen. Damit sind sie einer innerweltlich-unvollkommenen Vorwegnahme der göttlichen Gnade und Gerechtigkeit entkleidet. Ein Schriftbeleg wie R o m 13,1 markiert dabei nicht die wesensmäßige Ubereinstimmung der naturrechtlichen Ausrichtungsfähigkeit mit dem göttlichen Recht, sondern bestätigt lediglich den philosophischen Zusammenhang von Zweck und Fähigkeit des Menschen. Der Staat besteht — gemäß der aristotelischen Bestimmung — aus sechs Ständen, die dadurch eine Aufgabe in der Abzweckung auf das Gutleben erhalten, daß kein Mensch zur Erlangung dieses Ziels alle Fähigkeiten in vollkommener Weise besitzt, sondern über die natürlichen Gegebenheiten hinaus Spezialisten aus seiner Vernunft ersinnen muß (21,20ff.). In diesen sechs Ständen befindet sich nun auch die geistliche Gewalt. 34 Ihre Aufgabe besteht in der Sanktionierung moralischer Vergehen, die sich vor allem auf die Gesetzesbelehrung konzentriert (25,17-28). Die in den R a n g einer Staatsfunktion degradierte geistliche Gewalt wird auch in praktischen Fragen in ihrer Macht beschnitten. In der Ketzerbekämpfung darf die geistliche Gewalt einen Ketzer nur ermahnen und ihm mit dem ewigen Z o r n Gottes drohen, allerdings keine rechtlichen Strafen verhängen. Das ist nur möglich, wenn ein weltliches Gesetz Ketzerei verbietet; dann aber ist die Sanktionierung Aufgabe des weltlichen Richters (247,10—32). Der weltliche Herrscher ist es, der ein Konzil einberufen darf. 35 Diesem wiederum wird die Fähigkeit der Exkommunikation eines Herrschers zugebilligt. Marsilius führt hier den widerrechtlichen Versuch Bonifaz VIII. an, den französischen König zu exkommunizieren (402,5ff.; 411,13ff.). Er erwähnt die Verhältnisbestimmung der beiden Schwerter als Argument der Kurialisten für einen doppelten Schwertbesitz (154,10—21). Die Bulle Unam sanetam folgerte 34
Es handelt sich um Bauern, Handwerker, »Geldleute«, Krieger, Priester und Richter (ed.
S C H O L Z , 2 0 , 1 FF.).
Marsilius ist damit kein Konziliarist, der das Konzil von allen Autoriäten befreit, sondern das Konzil »wechselt vielmehr seinen Herrn«, indem nun der Kaiser es einsetzen kann (so S I E B E N , H E R M A N N J O S E F , Die Konzilsidee des lateinischen Mittelalters ( 8 4 7 - 1 3 7 8 ) , Konziliengeschichte, Reihe B . Untersuchungen, hg. v. W A L T E R B R A N D M Ü L L E R , Paderborn u.a. 1 9 8 4 , 3 9 2 ) .
86
Erster Teil: Die spätmittelalterlichen Verhältnisbestimmungen der beiden Schwerter
nach Marsilius gegen die Auslegung von Lk 2 2 , 3 8 aus dem Schwertbesitz die Heilsnotwendigkeit des Papstgehorsams, wobei Clemens V. diese Auslegung in Pastoralis cum bestätigte ( 4 3 9 , 2 5 - 4 4 0 , 7 ) . Daß diese Auslegung mit der bernhardinischen Vorstellung der Übertragung beider Schwerter an den Papst verknüpft wird, ist Marsilius ebenfalls bekannt. 3 6 Ahnlich wie Dante lehnt er aber die bernhardinische Konsequenz der Papstsuperiorität aus Lk 2 2 , 3 8 mit dem Hinweis auf die hier vorliegende intentio der Schrift ab. In Lk 1 2 , 1 4 weist C h r i stus eine Richterfunktion für sich zurück (566,4f.). Im Anschluß an Chrysostomus handelt es sich bei Lk 2 2 , 3 8 um eine metaphorische und mystische Redeweise, weil zur weltlichen Verteidigung des Glaubens nicht hundert Schwerter genügt hätten (567,7f.). Bereits Heinrich von Cremona hatte dieses Argument verwendet, u m die Unsinnigkeit nachzuweisen, daß mit den beiden Schwertern irgendwelche materiellen Schwerter gemeint sein könnten. Marsilius teilt dieses Verständnis, legt sich in der mystischen Auslegung aber nicht auf den doppelten Gewaltbesitz des Papstes fest. Nach Ambrosius könnten mit den zwei Schwertern nämlich am ehesten das Alte und N e u e Testament gemeint sein (567,16—20). Eine denkbare Identifikation von Schwert und Gewalt spezifiziere Bernhard so, daß er der geistlichen Gewalt bei der weltlichen Schwertführung lediglich ein nutus zugestehe — nach Marsilius ist damit ein consilium gemeint —, der Kaiser selbst aber das iussum besitze, woraus sich also keine weltliche Subordination ableiten lasse ( 5 6 8 , 2 1 - 2 8 ) . Marsilius bringt hier also den klassischen bernhardnischen Text zum Ausdruck, der von ad nutum sacerdotis et iussum imperatoris in der weltlichen Schwertführung sprach. W i e Dante und Engelbert von Admont gibt Marsilius als Z w e c k eines Staates und einer Herrschaft die Wahrung oder Wiederherstellung des allgemeinen Friedens an. Auch er tendiert zu einer imperialen Monarchie als Grundlage einer Staatskonzeption, worin sich die gedankliche Herkunft dieser K o n z e p tion aus der Konstitution italienischer Stadtstaaten zeigt. D i e Trennung der b e i den Gewalten erfolgt allerdings strenger als bei Engelbert. Von einer Harmonie zwischen natürlichem und göttlichem R e c h t und einer gemeinsamen Sicherstellung dieser Harmonie durch weltliche und geistliche Gewalt kann keine R e d e sein. Das göttliche R e c h t kommt zwar in der Staatsbildung zum Ausdruck, hat aber im Unterschied zu Engelbert und beispielsweise den Konzeptionen der Papstkritiker um 1302 keinen unmittelbaren Zusammenhang mit der geistlichen Gewalt. Diese ist bei Marsilius in den R a n g einer Staatsfunktion degradiert. Weil die Stellung der geistlichen Gewalt so zurückgenommen wird, ist auch eine Widerlegung der kurialistischen Zwei-Schwerter-Lehre notwendig. D e r bernhardinische nutus wird ganz im Sinne der Konzentration der P r i e ster auf eine seelsorgerliche und moralisch belehrende Funktion als consilium
36
Ebd., 514,19f.; vgl. zu De consideratione IV 3,7 (PL 182,776) ebd., 527,21-528,5.
2. Zwischen Johannes XXII.,
87
Benedikt XII. und Ludwig dem Bayern
verstanden und die Hoheit des weltlichen Herrschers durch die Betonung des iussum gewährleistet. 2.3.2 Wilhelm von O c k h a m : Die Gewaltentrennung hinsichtlich des Glaubens u n d der Vernunft Der englische Franziskaner Wilhelm von Ockham (ca. 1285—1347/9) entwikkelt durch ein anderes Eigentums- und Herrschaftsverständnis eine neue Verhältnisbestimmung der Gewalten. Zahlreiche seiner »politischen Schriften«, die nach seiner Flucht aus Avignon 1328 hauptsächlich am H o f Ludwigs des Bayern in München entstanden sind, verwenden im R a h m e n der Entfaltung seiner Gewaltentheorie auch die Verhältnisbestimmung der beiden Schwerter. D e m zunächst entfalteten Verständnis der Eigentumsfähigkeit des Menschen folgt die Beschäftigung mit der Herrschaftsfähigkeit. 37 2.3.2.
i Die Eigentumsfähigkeit
des Menschen nach dem
Sündenfall
Als Konsequenz des Armutsstreits zwischen Papst Johannes XXII. und den Minoriten verfaßt Ockham 1332 das Opus nonaginta dierum, das vermutlich zur Verteidigung des Ordensgenerals Michael von Cesena gedacht war. 38 Wie auch in späteren Schriften vermeidet Ockham hier die direkte Darstellung seiner eigenen Position und versucht, unterschiedliche Argumente »neutral« nebeneinander bestehen zu lassen.39 37
Umfassend informieren über das Gewaltenverständnis KÖLMEL, R e g i m e n 534ff.; DERS., Wilhelm O c k h a m und seine kirchenpolitischen Schriften, Essen 1962 (= Ockham); MIETHKE, JÜRGEN, O c k h a m s Weg zur Sozialphilosophie, Berlin 1969 (= O c k h a m s Weg), besonders 112ff.428ff.; DERS., Wilhelm von O c k h a m . Dialogus. Auszüge zur politischen Theorie, D a r m stadt 2 1994 (= Dialogus), 209-242; DERS., D e potestate 248ff. Vgl. auch die juristische Arbeit von PLEUGER, GUNTER, Die Staatslehre Wilhelms von O c k h a m , Köln 1966 (Diss.masch.). SCHLAGETER, JOHANNES, Glaube u n d Kirche nach Wilhelm von O c k h a m . Eine fundamentaltheologische Analyse seiner kirchenpolitischen Schriften, Münster 1975, widmet sich vor allem d e m Aspekt der B e ziehung zwischen der Glaubenserkenntnis und der Kirche in den Schriften aus der »politischen Phase« Ockhams, sowie der B e d e u t u n g der ockhamschen Fundamentaltheologie fiir die vorreformatorische Entwicklung (vgl. hier LEPPIN, VOLKER, Geglaubte Wahrheit. Das Theologieverständnis Wilhelms von O c k h a m , F K D G 63, Göttingen 1995). 38
E d . B E N N E T T , R A L P H F . / S I K E S , JEFFREY G . , O p u s n o n a g i n t a d i e r u m , i n : G U I L L E L M I DE O C K -
HAM , O p e r a Politica, hg. v. HILARY SETON OFFLER, Band I 2 , II, III, Manchester 1974, 1963, 1956; Band IV (Scriptores Britannici medii aevi, 14) Oxford 1997 (= Opera politica I-IV), hier Band I, h g . V.JEFFREY G . SIKES, M a n c h e s t e r
1 9 4 0 , 2 9 2 - 3 6 8 u. II, M a n c h e s t e r
1962, 375-858;
kritische
Einleitung zu dieser Schrift O p e r a Politica I 2 , 288—290. Zwei Handschriften dieses Textes sind b e kannt (ebd., 291). Z u r Datierung vgl. Opera politica I 2 , 288. Die Verteidigung Michaels von C e sena erfolgt durch die intensive U n t e r s u c h u n g aller Einzelheiten u n d Irrtümer der Bulle, die g e gen Michael verfaßt wurde. Die Verhältnisbestimmung der beiden Schwerter oder die Auslegung von Lk 22,38 war im Armutsstreit allerdings nicht von unmittelbarer Bedeutung. 39 Dieselbe Vorgehensweise erfolgt in großen Teilen des Dialogus u n d der Odo quaestiones. Das Problem der Rekonstruierbarkeit der Position Ockhams ist in der Forschung intensiv bearbeitet
88
Erster Teil: Die spätmittclaltcrlichcn
Verhältnisbestimmungen
der beiden
Schwerter
Die Eigentumslehre Ockhams zeigt bereits die Grundzüge der späteren Gewaltenlehre. 40 Im Urständ besitzt der Mensch eine von Gott legitimierte, freie und der Vernunft gemäße Verfügung über die Güter und Kreaturen dieser Welt (dominium terrae). Durch den Sündenfall wird dieses dominium in den Stand der kreatürlichen Weltbemächtigung zurückgestuft {potestas utendi). Sie kommt allen Geschöpfen gleichermaßen zu, woraus der Uberlebenskampf aller Kreaturen und Menschen miteinander folgt, die nun als Konkurrenten um die Erhaltung auftreten. Mit der potestas utendi gewährt Gott den Menschen als Instrument der Uberlebensfähigkeit die Aussonderung von Eigentum in einem privaten Bereich, das dem Zugriff der Konkurrenten entzogen sein soll. Bereits hier ist ein Unterschied zur kurialistischen Position gegeben, die Christus das Eigentumsrecht zugestanden hatte und den in Sünde gefallenen Menschen des durch die Kirche vermittelten Heils bedürftig erklärte, so daß der Mensch zwar ein Eigentumsrecht gewährt werden konnte, dieses aber nur unter kirchlichem Vorbehalt als gerechtes Eigentum zu bezeichnen war, bzw. der Papst als Vermittler des Eigentums zu gelten hatte.41 Die neue Bestimmung der formalen Eigentumsfähigkeit stellt nicht mit anderen Mitteln das dominium terrae wieder her, so daß das private Eigentum eine absolut geltende Grenze für die Konkurrenten wäre. Gott gewährt wohl das Recht auf Eigentum, die inhaltliche, positiv-rechtliche Bestimmung ist aber innerweltlich zu regeln. Es bleibt nun die Gefahr eines Interessenkonfliktes oder der ungerechten Bemächtigung. Das Notrecht setzt dem Eigentum seine Grenze: ein Verhungernder beispielsweise darf sich des Eigentums eines anderen zum Uberleben bedienen. Damit greift Ockham auf den gratianischen Grundsatz des Gemeineigentums in Notfällen zurück. 42 Das positive Recht des und unterschiedlich beantwortet worden (vgl. zur älteren Literatur die Übersicht bei JUNGHANS, HELMAR, O c k h a m im Lichte der neueren Forschung, A G T L 21, Berlin/Hamburg 1968 ( = O c k ham),
91-94).
»Nur wer sich über die Grundzüge dieser Eigentumslehre orientiert, kann die unausgezogenen Linien erkennen, denen entlang sich, auf dieser Basis aufbauend, andere Bereiche der politischen R e f l e x i o n Ockhams erschlossen haben« (MIETHKE, Dialogus 2 1 9 f . ; vgl. zum folgenden ebd., 220f.). 40
41 Vgl. hierzu unter anderem bei Aegidius R o m a n u s die Uberschrift zu De ecclesiastica potestate 11,7: Quod omne dominium cum iusticia, sive sit rerum, sive personarum, sive sit utile sive potestativum, nimmst sub ecclesia et per ecclesiam esse potest (ed. SCHOLZ, 70). Vgl. zum theologischen und literarischen Verhältnis zwischen O c k h a m und Aegidius R o m a n u s , nicht aber zu politischen Fragen MOODY, ERNEST, O c k h a m and Aegidius, in: FrS 9, 1949, 417—442. Die Tatsache der formalen Eigentumsfähigkeit des Menschen sagt allerdings noch nichts über die inhaltliche Bestimmung seines Eigentums aus, was flir die Auseinandersetzung um die Armut Christi von Bedeutung ist. Die Franziskaner beispielsweise, die der Armut Christi nacheifern wollen, können auf Eigentum im eigentlichen Sinne verzichten und dennoch die potestas utendi rebus behalten, etwa in Hinsicht auf den G e brauch lebenserhaltender Nahrungsmittel. 4 2 Vgl. die Glossa ordinaria zu D. 1 c. 7 über das Ius naturale: et ius ex tali natura proveniens dicitur naturalis equitas; et secundum hoc ius nature dicuntur omnia communia, i. e. communicanda tempore necessitatis (zitiert nach MIETHKE, Dialogus 2 3 7 , A n m . 3 2 ) .
2. Zwischen Johannes
XXII.,
Benedikt XU. und Ludwig dem
Bayern
89
Eigentums ist so begrenzt durch die Bestimmung allen Rechts zur Lebenserhaltung aller Menschen, zum bonum commune,43 Es bleibt gewährtes Recht und wird nicht Teil der kreatürlichen Grundausstattung, wie die Eigentumsfähigkeit selbst. Deswegen gilt es auch nicht unbedingt. Das Notrecht muß auf dieser Grundlage zum Kern jeder weiteren Argumentation werden, denn die Definition des Rechts leitet sich immer von seiner Grenze her ab. Thomas von Aquin hatte bereits die Natur und den Gebrauch der Dinge unterschieden und damit die augustinische Behauptung der Rechtlosigkeit des Menschen unter dem Vorzeichen seiner Sünde um eine aristotelische Unterscheidung ergänzt. Allerdings blieb bei Thomas die Natur vollendungsbedürftig durch die Gnade und die societas humana blieb der Kirche untergeordnet, 44 wohingegen Ockham mit der Behauptung der göttlich-naturrechtlich legitimierten Eigentumsfähigkeit des Menschen eine Trennung weltlichen Eigentums von einem soteriologischen Vorbehalt vornimmt. Der bleibende Vorbehalt ist das bonum commune. Die Trennung des durch die Vernunft vollständig erkennbaren innerweltlichen Bereiches von den Fragen des Heils deutete sich bereits bei dem von T h o mas von Aquin beeinflußten Johannes von Paris an, der mit dem innerweltlichen Zweck der virtus die auch von den Kurialisten zu Grunde gelegte gratia als perfectio naturae überwinden wollte. Durch die letztliche, mittelbare Ausrichtung der virtus auf die beatitudo aeterna war ihm diese Uberwindung aber nicht möglich; der Papst konnte die Defmitionshoheit über R e c h t und Unrecht behalten und jurisdiktioneil ausnutzen. D i e folgenden, in den O p e r a politica I 2 - I V bislang edierten politischen S c h r i f t e n , die sich z u m g r o ß e n Teil a u f den Armutsstreit, aber auch auf andere Z u s a m m e n h ä n g e b e z i e h e n , w e i sen keinen B e z u g zur Verhältnisbestimmung der beiden S c h w e r t e r auf. Das Compendium rum Ioannis papae nes X X I I . ,
XXII
erro-
(nach 1 3 3 4 - 1 3 3 7 ) , 4 3 eine Z u s a m m e n s t e l l u n g der »Häresien« J o h a n -
erwähnt die zwei S c h w e r t e r nicht. D i e Verhältnisbestimmung der b e i d e n
S c h w e r t e r war zwar als B e g r ü n d u n g s m o m e n t päpstlicher Gewalt umstritten, w u r d e d e m Papst von O c k h a m aber offensichtlich nicht als »Häresie« angerechnet. A h n l i c h verhält es sich mit den Traktaten gegen J o h a n n e s X X I I . (111,29-163) und B e n e d i k t X I I . ( 1 1 1 , 1 6 5 - 3 2 2 ) aus den 3 0 e r J a h r e n . D i e Consulatio
de causa matrimoniali
( 1 3 4 1 / 4 2 ? ) ist ein G u t a c h t e n b e z ü g -
lich der E h e zwischen M a r k g r a f L u d w i g von B r a n d e n b u r g u n d Margarethe von T i r o l , sowie
4 3 KÖLMEL definiert den B e g r i f f des bonum commune als »das die privaten Güter überragende Gut der Gemeinschaft, das inhaltlich wie formal das Sein des Staates qualitativ bestimmt, die Staatsgewalt antreibt wie einschränkt und sich auch bis zu den äußersten Grenzen gegen das private Gut ausdehnen kann« (Ockham 205). ANGERMEIER, HEINZ, D i e Reichsreform 1410—1555. Die Staatspolitik in Deutschland zwischen Mittelalter und Gegenwart, M ü n c h e n 1 9 8 4 ( = R e i c h s r e form), 2 2 0 , weist auf die im Vergleich zum heutigen Verständnis verschobene Definition von »Gemeinwohl« hin: während wir unter Gemeinwohl die gesellschaftliche Ausgeglichenheit der Verhältnisse verstehen, geht es bei dem mittelalterlichen Begriff um das suum cuique, das »individuell Zukömmliche«. 44
V g l . h i e r z u BLEIENSTEIN, 2 6 .
45
Ed. Opera politica IV, 1 4 - 7 7 , Einleitung 3 - 1 3 .
90
Erster Teil: Die spätmittelalterlichen
Verhältnisbestimmungen
der beiden
Schu/erter
des k a i s e r l i c h e n D i s p e n s k o m p e t e n z a u f die G ü l t i g k e i t e i n e r w e g e n d e r e n g e n V e r w a n d s c h a f t rechtlich problematischen E h e ( I 2 , 2 7 8 - 2 8 6 ) . D i e Frage nach der Zuständigkeit kirchlichen o d e r w e l t l i c h e n R e c h t s b e z i e h t sich h i e r a b e r n i c h t a u f das Verhältnis der b e i d e n S c h w e r t e r . De imperatorum
et pontißcum
potestate
( 1 3 4 6 / 4 7 ) , die späteste O c k h a m s i c h e r z u s c h r e i b b a r e
S c h r i f t , stellt e i n e A p o l o g i e des Verhaltens d e r F r a n z i s k a n e r in d e r A r m u t s f r a g e u n d e i n e E r k l ä r u n g d e r m o m e n t a n e n U n a b ä n d e r l i c h k e i t des S c h i s m a s dar ( I V , 2 6 3 — 3 5 5 ) . D a r ü b e r h i n aus e r ö r t e r t O c k h a m h i e r e r n e u t das W e s e n d e r plenitudo
potestatis,
w o b e i er a b e r k e i n e n
B e z u g a u f die V e r h ä l t n i s b e s t i m m u n g d e r b e i d e n S c h w e r t e r n i m m t , o b g l e i c h die S c h r i f t z u m Teil g r o ß e ( w e n n a u c h n i c h t literarische) Ä h n l i c h k e i t e n m i t d e m D i a l o g u s aufweist. In electione
Caroli
De
IV, e i n e r m ö g l i c h e r w e i s e v o n O c k h a m s t a m m e n d e n u n d n a c h s e i n e m T o d
w e i t e r b e a r b e i t e t e n S c h r i f t , w i r d die B u l l e Pastoralis
cura 1 3 1 3 / 1 4 e r w ä h n t , in d e r C l e m e n s V.
in der A u s e i n a n d e r s e t z u n g m i t H e i n r i c h V I I . die T h e o k r a t i e B o n i f a z V I I I . w e i t e r f u h r t . 4 6
2.3.2.2
Legitimation,
Aufgabe und Grenze der Gewalten:
Der Dialogus
Im Zusammenhang mit der Herrschaft der Menschen begegnen wir der Struktur des dominium als postlapsarischer potestas utendi wieder. D e r Mensch erhält analog die Fähigkeit zur politischen Organisation und damit zum Herrschaftserwerb. B e i O c k h a m ist deswegen von der duplex potestas des Menschen nach dem Sündenfall die R e d e . Das politische Hauptwerk Ockhams, der Dialogus inter magistrum et discipulum de imperatorum
et pontificium
potestate,
kurz Dialogus,
beinhaltet zunächst zwei
Schwierigkeiten für die Darstellung. Z u m einen liegt diese Schrift nach wie vor nur in der unkritischen Edition von Melchior Goldast aus dem 17. Jhd. vor. 47 Z u m anderen zeigt sich hier wiederum das Stilmittel Ockhams, seine eigene Position hinter der Darstellung von »Lehrmeinungen« zu verbergen, so daß nur aus dem Vergleich mit anderen Schriften, die dieses Stilmittel nicht einsetzen, die Position Ockhams erhoben werden kann. D i e Anwendung dieses Stilmittels wird im Dialogus mit dem Wunsch des Schülers begründet, auf seine Fragen Antworten zu erhalten und aber selbst die Möglichkeit zu wahren, für sich eine eigene Antwort unabhängig von der des Lehrers zu formulieren. D e r Dialogus
b e s t e h t aus drei T e i l e n , die ü b e r e i n e n l a n g e n Z e i t r a u m h i n w e g e n t s t a n d e n sind
u n d e i n e k o m p l i z i e r t e E n t s t e h u n g s g e s c h i c h t e h a b e n . 4 8 E i n e i n z e l n e r h i s t o r i s c h e r K o n t e x t ist
46
Ed. O p e r a politica IV, 4 6 4 - 4 8 6 ; Einleitung 4 4 7 - 4 6 2 , hier 4 7 2 , 3 4 - 4 7 3 , 4 2 ; vgl. ebd. 4 7 8 f .
47
GOLDAST, Monarchia
2, 398—957. Inzwischen findet sich im Internet unter http://www.bri-
tac.ac.uk/pubs/dialogus /ockdial.html eine Teiledition von J.KILCULLEN, J . SCOTT u.a. von I Dial I—III - In dieser Arbeit wird vor allem a u f die Auszüge B e z u g g e n o m m e n , die MIETHKE ausgewählt und übersetzt hat (zur R e c h t f e r t i g u n g der Auswahl vgl. Dialogus, 229—232). E i n e O r i e n t i e r u n g über den gesamten Inhalt der drei Teile bietet KÖLMEL, O c k h a m 6 8 f f . SCHOLZ, RICHARD, U n b e kannte kirchenpolitische Streitschriften aus der Z e i t Ludwigs des Bayern (1327—1354). Analysen und Texte, B a n d II. Texte, B i b l i o t h e k des Kgl. Preußischen Historischen Instituts in R o m
10,
R o m 1 9 1 4 (= Streitschriften II), 392—395, ediert zudem eine bis dato u n b e k a n n t e Fortsetzung des Dialogus
(vgl. hier einführend DERS., U n b e k a n n t e kirchenpolitische Streitschriften aus der Z e i t
Ludwigs des Bayern (1327—1354). Analysen und Texte, B a n d I. Analysen, B i b l i o t h e k des Kgl. Preußischen Historischen Instituts in R o m 9, R o m 1911 (= Streitschriften I), 141—149. 4tl
Vgl. hierzu im einzelnen MIETHKE, Dialogus 2 2 5 f f . DERS., O c k h a m s W e g 1 1 7 f . , weist a u f
2.
Zwischen Johannes
XXII.,
Benedikt
dabei n i c h t zu e r h e b e n . D i e prima pars (I Dialogus),
XII. und Ludwig dem Bayern
91
die die Frage der K e t z e r e i ( B u c h I—III)
u n d die K o n s e q u e n z e n fiir das Verhalten i m U m g a n g m i t der K e t z e r e i ( B u c h I V - V I I ) b e h a n delt, e r w ä h n t Papst J o h a n n e s X X I I . - der in der Frage der K e t z e r e i das L e i t b i l d darstellt n o c h n i c h t als V e r s t o r b e n e n , so daß dieser Teil vor d e m 0 4 . 1 2 . 1 3 3 4 v o l l e n d e t w o r d e n sein dürfte. D i e secundapars
(II Dialogus)
v e r w e n d e t n i c h t die D i a l o g f o r m u n d b e h a n d e l t die F r a g e
n a c h der visio heatifica in der V o r s t e l l u n g J o h a n n e s X X I I . Es k a n n v e r m u t e t w e r d e n , daß d i e ser Teil erst später in d e n D i a l o g e i n g e f ü g t w o r d e n ist. E i n e n Z u s a m m e n h a n g k ö n n t e die B e h a u p t u n g des g e g e n w ä r t i g e n Papstes als K e t z e r b i l d e n . 4 9
Die tertia pars (III Dialogus), der »eigentliche kirchenpolitische Abschnitt«, 50 besteht aus zwei Teilen. Der erste Teil stellt eine Untersuchung depotestatepapae et cleri dar, der zweite die Spezifizierung dieses Themas anhand des Römischen Reiches, de potestate et iuribus Romani imperii. Beide Teile gelten als Vorbereitung für folgende Argumentationen, die nicht überliefert sind.51 U m die zwei Schwerter geht es im zweiten Traktat des III Dialogus im ersten Buch. 3 2 Der Prolog des zweiten Traktates kündigt drei Bücher an, die von der Weltmonarchie und dem Weltmonarchen, von den temporalen Rechten des Kaisers und von der kaiserlichen Gewalt über die Spiritualien handeln sollen. Zunächst geht es um den Nutzen der Weltmonarchie, die als gerecht und übereinstimmend mit der Vernunft und dem Naturrecht zu denken ist, fallweise ihren Sinn und ihre Aufgabe aber verfehlen kann (Kapitel 1-17). Dieser Teil schließt mit einem kleinen »Fürstenspiegel« ab, nach dem ein Kaiser gläubig und zugleich aber welterfahren sein müsse, um gut regieren zu können. Anschließend wird die Herkunft und der Ursprung des römischen Reiches behandelt (Kapitel 18-31), worin sich Ockham auch mit den klassischen Argumenten der kurialistischen Position auseinandersetzt, der Konstantinischen Schenkung, der Binde- und Lösegewalt des Papstes, der Translation des Imperiums durch den Papst sowie den protokollarischen Elementen wie der Prüfung des Kandidaten, der Bestäti-
die von O c k h a m geplanten neun Teile hin, die aber entweder von i h m nicht alle verfaßt wurden oder uns nicht überliefert sind. 4 9 O b in der Schrift De dogmatihusJohannis XXIIpapae tatsächlich der zweite Teil des Dialogus zu sehen ist, w i e schon frühe Handschriften nahelegen, die in entsprechender R e i h e n f o l g e die T e x t e überliefern, bleibt unklar. Im III Dialogus b e n e n n t O c k h a m T h e m e n , die der zweite Teil beinhalten soll, o h n e auf einen bereits vorliegenden zweiten Teil B e z u g zu n e h m e n . D a n e b e n sind in der Schrift De imperatorum et pontißeium potestate Hinweise auf den Inhalt des zweiten Teil des Dialogs enthalten, der nicht mit De dogmatibus identisch sein kann (JUNGHANS, O c k h a m 9 6 f . ) . 50
KÖLMEL, O c k h a m
87.
Z u datieren sind die ersten beiden Teile der tertia pars zumindest zum Teil vor den Tod B e n e dikts X I I . am 2 5 . 0 4 . 1 3 4 2 , da die direkte Polemik gegen diesen Papst nicht den E i n d r u c k erweckt, gegen einen Verstorbenen gerichtet zu sein. N i c h t daraus zu erheben ist, daß der dritte Teil des Dialogs in seiner heutigen F o r m zu diesem Zeitpunkt schon vollständig vorgelegen haben m u ß . D e r zweite Abschnitt der tertia pars ist den Handschriften nach zu urteilen ebenfalls nicht vollendet worden; diese brechen den Text jeweils an verschiedenen Stellen ab. 51
5 2 Vgl. die inhaltliche Ü b e r s i c h t bei KÖLMEL, O c k h a m 9 9 f f . Vgl. zum folgenden ed. GOLDAST, 891,14-43.
92
Erster Teil: Die spätmittelalterlichen Verhältnisbestimmungen der beiden Schwerter
gung, Salbung, Segnung und Krönung des Kaisers durch den Papst und dem Schwur des Kaisers (Kapitel 18—25). Die Kurialisten begründen mit Hilfe der Zwei-Schwerter-Lehre nach Lk 2 2 , 3 8 die Abstammung des Imperiums vom Papst, da diesem beide Schwerter gehören (888,41 f.). Dagegen spreche die im kanonischen R e c h t verbürgte Aussage Papst Nikolaus I., die Kirche führe nur das geistliche Schwert, mit dem sie nicht töte, sondern lebendig mache. 5 3 D e r Schüler wendet dagegen ein Zitat aus der Bulle Eger cui lenia von Papst Innozenz IV. ein, der anhand von M t 2 6 , 5 2 den Besitz beider Schwerter durch den Papst beweise, der das weltliche Schwert dem Kaiser in der Krönungs Zeremonie symbolisch übergebe. 1 4 D e r Lehrer verweist nun darauf, daß diese Behauptung für häretisch gehalten werden kann. F ü n f Gegenargumente führt er dazu an: 1) D i e Tatsache, daß der K ö n i g von Frankreich sein Schwert, also seine legitime Herrschaft, nicht erst durch den Papst b e k o m m e und somit der Schwertgebrauch auch ohne den Papst legitim sei. 2) Auch außerhalb der Kirche führten Heiden das Schwert. 3) Petrus erhalte das Hirtenamt erst nach der Auferstehung von Christus, während M t 2 6 , 5 2 vor der Kreuzigung liege, so daß eine Schwertübergabe an Petrus daraus nicht bewiesen werden könne. 4) Andere Könige und Fürsten erhielten ihre Krone von Bischöfen, so daß nicht allein der Papst Macht übertrage; zudem übten die Fürsten ihre Macht bereits vor der eigentlichen Krönung aus, so daß sie in H i n sicht auf ihren Machtumfang bereits vor der Krönung vollständig ausgestattet seien. 5) D e r Kandidat für das Kaiseramt sei immer bereits K ö n i g und habe so schon weltliche Macht, die er nicht vom Papst verliehen bekomme. Diese Argumente werden anhand von Ockhams potestas-Vorstellung
ver-
ständlicher. 55 Vor dem Sündenfall besitzt die universitas hominum die iura et libertates, die in Ubereinstimmung von göttlichem und natürlichem R e c h t dem Menschen zum Leben zukommen. Auch die Heiden besitzen diese iura et libertates, weswegen auch bei den Heiden nach dem Sündenfall eine legitime H e r r schaft zu finden ist. Iura et libertates sind inhaltlich parallel zur späteren lex libertatis, als welche das Evangelium verstanden wird. D e r B e t o n u n g der Freiheit vor dem Sündenfall und nach dem Erlösungswerk Christi entspricht die Gotteslehre, die die freie Allmacht Gottes {potentia Dei absoluta) und seine Selbstbindung in Freiheit an den Willen zur Erlösung des in Sünde gefallenen Menschen (potentia Dei ordinata) unterscheidet. Statt die aristotelische naturhafte Entste- Gladium non habet, nisi spiritualem: non occidit, sed vivificat (C.33 q.2 c.6; ed. GOLDAST, 891,17).
5 1 54
E d . GOLDAST, 8 9 1 , 2 0 - 2 6 . D e r T e x t ist e d i e r t d u r c h HERDE, PETER, E i n P a m p h l e t d e r päpstli-
chen Kurie gegen Kaiser Friedrich II. von 1245/46 (»Eger cui lenia«), in: DA 23, 1967, 468—538, hier 522F. Dieser Text ist von den Kurialisten seit 1302 nicht explizit verwendet worden, weil vermutlich in der Interpretation von Mt 26,52 direkt auf Bernhard von Clairvaux zurückgegriffen wurde (vgl. hierzu u.a. die Bulle Unam sanetam). Die Tatsache einer Krönungszeremonie des Kaisers konnte zu Zeiten von Bonifaz VIII. nicht sinnvoll als Argument verwendet werden, da der Stuhl des Imperators unbesetzt war. Das ist erst seit 1310/1312 anders. 55
V g l . z u m f o l g e n d e n MIEHTKE, D i a l o g u s 2 2 1 FF.; KÖLMEL, O c k h a m 2 0 0 Í F .
2. Zwischen Johannes
XXII.,
Benedikt XII. und Ludwig dem
Bayern
93
h u n g des Staates d u r c h d e n zur G e m e i n s c h a f t s t r e b e n d e n M e n s c h e n a u s z u w e r ten, b e d i e n t sich O c k h a m der augustinischen Vorstellung der H e r r s c h a f t als Folge der Sünde. Hieraus folgt aber nicht die kurialistisch-sakramentale Heilsv e r m i t t l u n g der Kirche, s o n d e r n die Uberlebensfähigkeit des M e n s c h e n ist g ö t t l i c h - n a t u r r e c h t l i c h g e w ä h r t , w i e bereits i m Fall der potestas utendi zu s e h e n war. Aus dieser D i s t i n k t i o n ergibt sich eine T r e n n u n g des geistlichen u n d w e l t lichen B e z u g s r a h m e n s des M e n s c h e n , die in der g e g e n die päpstliche K i r c h e g e r i c h t e t e n Vorstellung v o n J o h a n n e s v o n Paris n o c h n i c h t z u m D u r c h b r u c h kam. D i e Staatsbildung erfolgt d u r c h die Ü b e r t r a g u n g der in e i n e m Volk v o r h a n d e n e n potestas iure divino an e i n e n Herrscher. 3 6 D e r Herrschaftsträger e r w i r b t ein subjektives, göttlich u n d m e n s c h l i c h legitimiertes R e c h t an der H e r r s c h a f t , das aber n u r v e r f ü g b a r ist, solange die Grenze der Z w e c k b e s t i m m u n g der h e r r schaftlichen O r g a n i s a t i o n n i c h t ü b e r s c h r i t t e n w i r d : die A u s r i c h t u n g an d e m bonum commune aller M e n s c h e n als höchster innerweltlicher O r d n u n g s e i n h e i t . Weil dieser Z w e c k die regulären R e c h t s b e g r ü n d u n g e n ü b e r r a g t , ist O c k h a m s Interesse n o t w e n d i g auf die G r e n z z i e h u n g e n des regulären R e c h t s , das kasuale N o t f a l l r e c h t k o n z e n t r i e r t . A h n l i c h w i e das dominium nicht d e n U r z u s t a n d w i e derherstellt, s o n d e r n eine L e b e n s b e w ä l t i g u n g u n t e r d e n B e d i n g u n g e n des status corruptus e r m ö g l i c h t , so ist a u c h die potestas d u r c h diese Z w e c k b e s t i m m u n g konstituiert. 5 7 I m U n t e r s c h i e d zur virtus Q u i d o r t s , die in augustinischer Linie als D e r i v a t der g ö t t l i c h e n iustitia verstanden w u r d e , zugleich aber d e n Versuch u n t e r n a h m , e i n e n weltlichen Selbstzweck a u ß e r h a l b des soteriologischen B e z u g s r a h m e n s zu konstituieren, erhält das bonum commune hier eine v e r n u n f t g e m ä ß e Qualität, die o h n e die gratia als petfectio naturae d e n k b a r ist. D e r d e m t h o m a s i s c h e n D e n k e n e n t s t a m m e n d e g e m e i n s a m e H o r i z o n t der Vernunftfähigkeit u n d der H e i l s b e d ü r f t i g k e i t des M e n s c h e n , der diese als unterschiedliche Seinsstufen e i n e r n a t ü r l i c h e n Voraussetzung u n d einer g n a d e n h a f t e n V o l l e n d u n g e r s c h e i n e n ließ, w i r d hier aufgespalten. D e r diesseitige M e n s c h , auch der weltliche H e r r s c h e r , r ü c k t ins Blickfeld, o h n e daß der Sündenfall sein H a n d e l n u n d Sein u n t e r sakram e n t a l e n Vorbehalt stellen m u ß , w i e u.a. i m Fall h e i d n i s c h e r H e r r s c h a f t zu sehen ist. D i e i m Dialogus v o m L e h r e r v o r g e b r a c h t e n G e g e n a r g u m e n t e g e g e n die A b s t a m m u n g der weltlichen H e r r s c h a f t v o m Papst w e r d e n n u n verständlich:
36 F ü r d e n S p r a c h g e b r a u c h i m Dialogus sei beispielhaft die B e z e i c h n u n g d e r H e r k u n f t d e r M a c h t zitiert: quia cum dicitur, quodpotestas Imperialis & universaliter omnis potestas licita & legitima est a Deo, non tarnen a solo Deo. Sed quaedam est a Deo per homines, & talis est potestas Imperialis, quae est a Deo, sed per homines (III Dialogus II i, c. 26; ed. GOLDAST, 8 9 9 , 1 1 - 1 4 ) . ",7 KÖLMEL m a c h t darauf a u f m e r k s a m , d a ß E n t s c h e i d u n g e n , die i m B e r e i c h d e r potentia Dei ordinata fallen, lediglich eine necessitas ex suppositione schaifen k ö n n e n , also e i n e d e r K o n t i n g e n z u n t e r w o r f e n e N o t w e n d i g k e i t ( O c k h a m 7).
94
Erster Teil: Die spätmittelalterlichen Verhältnisbestimmungen der beiden Schwerter
D i e potestas eines Königs ist einerseits göttlich gewährtes I n s t r u m e n t zur L e b e n s b e w ä l t i g u n g eines Volkes, die das ihr g e b ü h r e n d e R e c h t an der potestas auf e i n e n H e r r s c h e r ü b e r t r ä g t u n d in diesem vereint. D e r Papst k a n n in dieser Ü b e r t r a g u n g keine v e r m i t t e l n d e A u f g a b e erfüllen. O c k h a m v e r b i n d e t diese Position mit d e m historischen H i n w e i s auf die französische Königsherrschaft, w o d u r c h er die bisherige Alternative einer g e w o h n h e i t s r e c h t l i c h e n o d e r einer i m p e r i a l e n A r g u m e n t a t i o n ü b e r w i n d e n k a n n . I m Falle einer n a t u r r e c h t l i c h e n U b e r t r a g u n g s f ä h i g k e i t der Gewalt eines M e n s c h e n an e i n e n H e r r s c h e r ist es n i c h t m e h r e n t s c h e i d e n d , o b es sich u m eine territorial gültige Gewalt o d e r d e n o b e r s t e n weltlichen L e n k e r der C h r i s t e n h e i t handelt. In b e i d e n Fällen hat der M e n s c h eine papst- u n d k i r c h e n u n a b h ä n g i g e Fähigkeit. D e r U n t e r s c h i e d zur marsilischen B e f r e i u n g v o n der K i r c h e u n d t h e o l o g i s c h e n S p e k u l a t i o n e n ist dabei d u r c h die göttliche H e r k u n f t dieser U b e r t r a g u n g s f ä h i g k e i t g e g e b e n . D i e ser Fähigkeit verleiht O c k h a m d a d u r c h A u s d r u c k , d a ß er iure divino eine H e r r schaft auch bei d e n H e i d e n a n n i m m t , die somit ebenfalls d e m Papst in seiner Gewalt e n t z o g e n sind, zugleich aber eine legitime H e r r s c h a f t a u s ü b e n . G e r a d e hier zeigt sich die g ö t t l i c h - n a t u r r e c h t l i c h e Fähigkeit in Loslösung v o n e i n e m sakramentalen Bezug. D i e weltliche potestas läßt sich also nicht u n t e r einer plenitudo potestatis des Papstes vereinen, s o n d e r n ist bereits vor seiner B e a u f t r a g u n g z u m H i r t e n a m t in der Welt vorfindlich. D i e kurialistische A r g u m e n t a t i o n hatte d e n Papstprimat ja aus der H e i l s n o t w e n d i g k e i t des K i r c h e n - , bzw. Papstgehorsams b e g r ü n d e t . H i e r m i t v e r b u n d e n w a r der H i n w e i s auf d e n Sündenfall der M e n s c h h e i t u n d damit die päpstliche G e w a l t ratione peccati. O c k h a m zeigt u.a. an der A u s l e g u n g des weltlichen Schwertes i m Dialogus, daß m i t d e m H i n w e i s auf d e n Sündenfall n i c h t u n b e d i n g t der P a p s t g e h o r s a m v e r b u n d e n sein m u ß , s o n d e r n ein legitimes ius potestatis d u r c h göttliche E i n s e t z u n g u n d n a t u r r e c h t l i c h b e g r ü n d e t e A u s r i c h t u n g an d e m bonum commune konstituiert sein k a n n . A n h a n d der K o n s t a n t i n i s c h e n S c h e n k u n g w i r d diese » D o p p e l b e g r ü n d u n g « exemplifiziert. D i e kurialistische A r g u m e n t a t i o n schreibt die in das k a n o n i s c h e R e c h t ü b e r n o m m e n e T h e s e Augustins fort, n a c h der kein U n g l ä u b i g e r eine Sache r e c h t m ä ß i g sein E i g e n t u m n e n n e n k a n n . 5 8 O c k h a m f u h r t zunächst R o m 14,23 an, w o n a c h alles S ü n d e zu n e n n e n sei, was n i c h t exfide geschehe. I m Falle d e r K o n s t a n t i n i s c h e n S c h e n k u n g b e d e u t e t das, daß K o n s t a n tin deswegen z u g u n s t e n des Papstes auf seine H e r r s c h a f t verzichtete, weil er die U n r e c h t m ä ßigkeit seiner H e r r s c h a f t e r k a n n t e (900,30f.). O c k h a m a n t w o r t e t auf die Frage n a c h d e m r e c h t m ä ß i g e n Besitz d a m i t , daß d e r E m p f ä n g e r eines l e g i t i m e n G e s c h e n k e s trotz eines e t w a i g e n status corruptus ein legitimes G e s c h e n k erhalte u n d legitim behalte: Qui mala intentione recipit rem a donatore, qui eam donare potest, recipit etiam verum dominium rei donatae & illa mala intentio nec in transferente rem aliquam temporalem, nec in recipiente translationem impedit accep5R Vgl. hierzu IIIDialogus II i, c. 27 (ed. GOLDAST, 899,10ff.): Das kanonische R e c h t (c.l, C.23, q.7) zitiert Augustin, nach d e m den Gerechten iure divino alles rechtmäßig gehört, die Heiden aber aufgrund ihrer Rechtlosigkeit keinen Besitz haben k ö n n e n . Diese These wird vor allem von Aegidius R o m a n u s verfochten (vgl. hierzu MIEHTKE, Dialogus 201, Anm. 111).
2. Zwischen Johannes XXII., Benedikt XII. und Ludwig dem Bayern
95
tionem veri dominii ( 8 9 9 , 1 7 - 2 0 ) . Auch hier übernimmt der postlapsarisch-sakramentale Bezug keine konstitutive Funktion. Konstantin habe also das Kaisertum nicht deswegen übertragen, weil es zuvor nicht legitim gewesen sei, sondern aus Frömmigkeit und kaiserlicher Großzügigkeit, ex devotione & Imperiali munificentia (900,59f.). Der Satz R o m 14,23 ist damit so zu verstehen: Alles, was nicht »in gutem Gewissen«, also extra conscientiam geschehe, sei als in Sünde getan zu bezeichnen, so daß ein Ungläubiger nicht automatisch immer eine Todsünde in seinem Handeln begehe, sofern er ein reines Gewissen habe oder eine Notlage bestehe. A m Beispiel verdeutlicht: Die Hebammen Ex 1,17fF. logen zwar, als sie die Rettung von Moses verschwiegen und begingen damit eine Sünde, begingen eine solche aber nicht mit der Rettung selbst ( 9 0 0 , 3 2 - 3 6 ) . Damit wird die Voraussetzung deutlich, durch die O c k ham den eindimensionalen kurialistischen Hinweis auf die plenitudo potestatis ratione peccati umgehen kann.
Bei der Rechtsübertragung des römischen Reiches an den Papst wird erneut auf die Verhältnisbestimmung der beiden Schwerter Bezug genommen (III Dialogus, zweiter Traktat, erstes Buch). Nachdem Ockham festgestellt hat, daß das römische Volk sein Recht an Kaisertum und R e i c h an ein anderes Volk, faktisch nun das deutsche, übertragen könne, sofern es sich um positives menschliches Recht handele (902,26f.), muß die Frage der potestas-Übertragung an den Papst geklärt werden (902,39fF.). Nach einer solchen Übertragung besitze der Papst beide Schwerter. Den Hinweis des Schülers, daß dann das weltliche Schwert auch hinsichtlich seines Gebrauches und nicht nur seines Besitzes an den Papst übertragen werde, lehnt der Lehrer ab: Der Gebrauch des Schwertes sei deswegen nicht übertragbar, weil das römische Volk in seiner Gesamtheit nur das Recht übertragen könne, das die Gesamtheit besitze, nicht aber das Recht, das ein einzelner, nämlich der Kaiser, oder ein Teil des Volkes besitze (902,47—50). Der Schwertgebrauch eigne aber nicht der Gesamtheit, sondern einzelnen Herrschern, welchen die Gesamtheit das R e c h t nicht entziehen könne (902,53—55). Gegen die kurialistische plenitudo potestatis über das weltliche Schwert sei deswegen festzustellen, daß der Papst nach göttlichem Recht keine Gewalt über das weltliche Schwert erhalten habe, nach menschlich-positivem R e c h t allerdings die Gewalt, den Gebrauch zu übertragen, nicht aber die Gewalt des Gebrauchs selbst.39 Das römische Volk könne deswegen sein R e c h t der Kandidatenkür für das Kaiseramt übertragen, bzw. das R e c h t der Weiterübertragung dieses Rechts. Dem Hinweis des Schülers auf die historische Verflechtung des Papstes in kaiserlicher oder reichsweiter Gewalt, also die Frage nach der Rechtmäßigkeit der Übertragung, die zu einer faktischen und vielfachen Einmischung des Papstes in weltliches Recht führte, sei zu entgegnen, daß es sich nur dort um eine rechtmäßige Übertragung handeln könne, wo es um einzelne Rechtsbestände geht, die nach Umfang der Übertragung, nach Ziel''' Quia a deo immediate non habetgladium materialem nec quoad execucionem nec quoad hoc, quodpossit aliis committere execucionem gladii materialis. Ah homine vero vel ah hominibus habet vel habere potestgladium materialem quoad hoc, quod posset committere execucionem gladii materialis alteri, non tarnen habet gladium materialem quoad execucionem (zitiert nach MIETHKE, Dialogus 202, Anm. 120).
96
Erster Teil: Die spätmittelalterlichen Verhältnisbestimmungen der beiden Schwerter
person (der Heilige Stuhl an sich oder die Person des amtierenden Papstes) und nach Dauer verschieden sein könnten (903,3—7). Deswegen bestehe auch nur für die Einzelfalle eine gewohnheitsrechtlich legitime Übertragung, soweit sie in ihrer Gültigkeit noch andauern. Das 1 3 0 2 verwendete Argument, mit dem die Franzosen ihre Souveränität untermauern wollten, wird durch die naturrechtliche Übertragungsfähigkeit des Menschen überholt. 6 0 D i e weltliche Gewalt hält also das Schwert aufgrund göttlicher Legitimation und durch die Übertragung der einem Volk gewährten potestas auf einen H e r r scher in Händen. D i e göttlich legitimierte potestas unterliegt damit aber nicht, kurialistisch gewendet, dem Vorzeichen der Sünde und ist damit des sakramental vermittelten Heils bedürftig. Das weltliche Schwert kann den Besitzer wechseln, womit nur das R e c h t des Schwertbesitzes, soweit es einen Herrscher betrifft, und das R e c h t der Weiterübertragung übergeben wurde. Das Schwert umfaßt dabei die Gewalt des Herrschers, also das, was ein Volk an potestas einem Herrscher übertragen konnte, nicht aber die Summe der partikular bei einzelnen Herrschern vorliegenden Gewalt(en) oder die potestas-»Fähigkeit«
eines
j e d e n Menschen. D i e Ausübung der weltlichen Gewalt kann damit nicht an den Papst abgetreten werden und wird nach wie vor von weltlichen Herrschern ausgeführt. Inwieweit der Papst also eine reguläre weltliche Gewalt besitzt und wie groß damit sein Anteil am weltlichen Schwert ist, hängt von der Art und Dauer der einzelnen Übertragungen an ihn in ihrer S u m m e ab. Damit steht diese Position der kurialistischen Meinung entgegen, die von einem völligen Besitz des weltlichen Schwertes aufgrund der plenitudo papae
potestatis
ausging, aus der einem weltlichen Herrscher das Schwert ad nutum et
patientiam
sacerdotis verliehen wird. B e i O c k h a m ist es die weltliche Gewalt, die
verleiht. D i e vor allem aus den anonymen Traktaten um 1302 angeführten causae mixtae als Zugeständnis der Gewaltentrennung an die faktische Situation und der Versuch, eine Trennung durch gewohnheitsrechtliche Argumentation zu erreichen, kann O c k h a m durch seine Unterscheidung der kreatürlichen Grundausstattung eines j e d e n Menschen und den positivrechtlichen Vereinbarungen schärfer fassen: das bonum commune und eine durch diese Koordinate feststellbare Notlage geben die Situation an, in der es zu einem gerechtfertigten RechtsübergrifF der einen Gewalt in den Bereich der anderen k o m m e n darf. Universales Eingriffsrecht kann es dort nicht mehr geben, wo der Eingriff aufgrund einer Notlage temporär erlaubt ist. Sowohl in der Frage des dominium als auch im Falle der potestas zeigte sich die Struktur, die die reguläre Ausübung einer Gewalt oder den regulären Besitz eines Gutes annimmt. Aufgrund der Ausrichtung des iure divino ausgeübten Rechtes auf das bonum commune wird aber die Grenze dieses Rechtes in Notsituationen definiert und somit die Argumentation auf das
611
1302.
Ed. GOLDAST, 903,13—16. Zum Gewohnheitsrecht vgl. bereits die anonymen Traktate um
2.
Zwischen Johannes
XXII.,
Benedikt
N o t r e c h t k o n z e n t r i e r t . In d e r F r a g e d e r plenitudo des e r s t e n Traktates in III Dialogus
XII. und Ludwig
potestatispapae,
dem
97
Bayern
die O c k h a m i m e r s t e n B u c h
e r ö r t e r t (cc. 1 u n d 1 6 f . ) , zeigt sich die G r e n z b e s t i m m u n g
der G e w a l t e n n o c h einmal von kirchlicher/päpstlicher Seite. F ü n f Definitionsmöglichkeiten für die plenitudo
potestatis
papae
e r ö r t e r t d e r L e h r e r a u f die F r a g e des S c h ü l e r s ( 7 7 2 , 2 7 f F . ) . 1)
D e r Papst h a b e die g e i s t l i c h e u n d w e l t l i c h e Vollgewalt regularis
et casualis,
die n u r d u r c h das
g ö t t l i c h e u n d das N a t u r r e c h t b e g r e n z t w e r d e , die ü b l i c h e , h i e r »kurialistisch«
benannte
A r g u m e n t a t i o n . 2) D e r Papst besitze die geistliche, n i c h t a b e r die w e l t l i c h e Vollgewalt. 3) D e r Papst b e s i t z e e i n e V o l l g e w a l t d u r c h g ö t t l i c h e A n o r d n u n g u n d m e n s c h l i c h e G e w ä h r u n g . 4) D e r Papst besitze ü b e r h a u p t k e i n e V o l l g e w a l t . 5) D e r Papst b e s i t z e k e i n e V o l l g e w a l t
regula-
ris, s o n d e r n n u r casualis a u f g r u n d g ö t t l i c h e n R e c h t s o d e r e i n e r speziellen A n o r d n u n g C h r i s t i . I n l e t z t e r e r P o s i t i o n w i r d O c k h a m als A u t o r sichtbar.
Eine plenitudo potestatis papae besteht weder in zeitlichen noch in geistlichen Dingen. Weltliche Güter besitzt der Papst regulär nur für seinen Unterhalt oder wenn eine menschliche Anordnung es ihm überläßt. 61 D i e reguläre geistliche Gewalt erstreckt sich auf die Leitung der communitas fidelium hinsichtlich der boni mores und der geistlich notwendigen (zur Vollkommenheit notwendigen) Dinge ( 7 8 6 , 4 9 - 5 1 ) . Die Gerichtshoheit des Papstes geht dabei über die Dinge, die nicht bereits durch andere R e c h t e abgedeckt sind. 62 Zusammenfassend gilt zum einen, daß die Einsetzung Petri durch Christus zum Haupt der Christenheit ausschließt, Petrus sei nur aus dem Konsens der Gläubigen oder der A p o stel, Bischöfe oder eines Konzils eingesetzt worden, sondern daß Petrus tatsächlich iure divino der Gesamtgemeinde vorsteht. Z u m anderen erstreckt sich seine Gewalt über die durch das Evangelium als lex libertatis eingesetzten spezifischen Elemente: Sakramente, Priesterordination, Klerikereinsetzung und -beförderung, welche das christliche Volk leiten und unterweisen sollen ( 7 8 6 , 6 4 - 7 8 7 , 8 ) , mithin alles, was zur christlichen Vollkommenheit notwendig ist. Hier zeigt sich ein zweipoliges Gesellschaftsverständnis, das nicht mehr die societas Christiana, die im Mittelalter im wesentlichen mit der verfaßten Kirche gleichgesetzt wurde, als den Horizont beider Gewalten versteht, sondern eine Trennung vornimmt. Was über die Vollkommenheit hinausgeht, die christlichen Räte, wie die Jungfräulichkeit, ein Armutsgelübde oder die Almosengabe und andere, die nach der mittelalterlichen Zwei-Stufen-Ethik nicht für jeden Christen verpflichtend waren, unterliegen nicht der potestas papae regularis, weil der Papst keinem Christen befehlen kann, diese R ä t e zu befolgen (787,8—10). Das bonum commune spirituale, die evangelische Vollkommenheit, setzt auch hier der potestas spiritualis ihre Grenze. Sollte eine päpstliche Anordnung über diese Grenze hin''' Vgl. ed. GOLDAST, 7 8 6 , 5 6 . »Menschliche Anordnung« kann freiwillige U n t e r w e r f u n g , stillschweigendes Einverständnis, G e w o h n h e i t s r e c h t oder Pflichtversäumnis der weltlichen H e r r s c h e r usw. b e d e u t e n (ebd.,59—61). D i e früher b e g e g n e n d e Konzentration allein auf das G e w o h n h e i t s recht wird hier in einen g r ö ß e r e n Z u s a m m e n h a n g eingebettet. via moderna< an der Universität E r furt am Vorabend der R e f o r m a t i o n , in: Gregor von R i m i n i . Werk und Wirkung bis zur R e f o r m a tion, hg. v. HEIKO A. OBERMAN, Spätmittelalter und Reformation. Texte und Untersuchungen, Band 20, B e r l i n / N e w York 1981, 3 1 1 - 3 3 0 , besonders 314ff.). 3
Vgl. KLEINEIDAM, 150. Usingen ist erst nach 1520 mit einem Zeugnis belegt.
I.
Via moderna,
Gabriel Biel und die Ordenstradition
der
Augustinereremiten
159
nem Entschluß, Mönch zu werden, wieder verließ. 4 Mit dem Eintritt ins Kloster gab er jedenfalls sein zuvor erworbenes Corpus Iuris Canonici an den Buchhändler zurück. 3 E i n Standortregister des Erfurter Collegium
Universitatis
weist u m 1 5 1 0 in ihrem Besitz fol-
gende für den hier vorliegenden Z u s a m m e n h a n g relevanten S c h r i f t e n auf. 6 Von W i l h e l m v o n O c k h a m sind der Dialogus,
das Compendium
errores Johannis
XXII.
sowie die Odo
nes verzeichnet. U n t e r seinem N a m e n ist auch die a n o n y m verfaßte Disputatio
quaestio-
inter clericum et
militem erhalten, die i h m traditionell zugeschrieben wurde. D a n e b e n ist von einer Schrift De autoritate
ecclesiae die R e d e , deren Verfasser er sein soll. 7 Von Augustinus von A n c o n a besitzt
die Universität die Summa
de potestate
ecdesiastica.
Von diesem Schriftenbesitz läßt sich n i c h t
unmittelbar a u f Luthers Lektüre schließen, o h n e ein »Entleihverzeichnis« einsehen zu k ö n n e n . Es besteht lediglich eine Möglichkeit
der Lektüre durch ihn o d e r seine L e h r e r . 8
Beim Studium der Glossa ordinaria ist Luther offensichtlich nicht auf die kurialistische Deutung der zwei Schwerter nach Lk 22,38 gestoßen, sondern hat im Gegenteil die von der antikurialistischen Seite im Munde geführten Argumente im Schrifttext wiederentdecken können. Die Glossa ordinaria zum Beispiel legt die beiden Schwerter als AT und N T aus, die gegen die Tücken des Teufels errichtet sind.9 Durch Trutfetter lernt Luther vermutlich nicht nur die ockhamschen Tradition, sondern auch Gregor von Rimini , M und die Schriften Pierre d'Aillys" kennen. 4 Vgl. KUNZELMANN, ADALBERO, Geschichte der deutschen Augustiner-Eremiten. V. Die sächsisch-thüringische Provinz und die sächsische Reformkongregation bis zum Untergang der beiden, Cassiciacum, Band 26, Würzburg 1974, hier der kurze Hinweis 4 6 0 . 5
Vgl. W A . T R 1, Nr. 116, 4 4 , 2 1 f . vom 0 9 . - 3 0 . 1 1 . 1531.
Vgl. LEHMANN, PAUL (Hg.), Mittelalterliche Bibliothekskataloge Deutschlands und der Schweiz, Band 2, M ü n c h e n 1928, 196. O h n e unmittelbaren Zusammenhang mit Luthers R e z e p tion ist die Tatsache zu erwähnen, daß die Schriften von Augustinus von Ancona, Alvarus Pelagius, Alexander von St. Elpidio und der Dialogus und die Odo quaestiones von O c k h a m diejenigen kirchenpolitischen Schriften sind, bei denen mit der weitesten Verbreitung im 16. Jahrhundert zu rechnen ist (vgl. MIETHKE, Traktate 205f.). 6
7 LEHMANN, 198. Die Schrift ist nicht näher bezeichnet, so daß der tatsächliche Verfasser — O c k h a m hat vermutlich kein Werk mit diesem Titel verfaßt — nicht aus dem Katalog ermittelt werden kann. 8 Das Studium solcher Quellen dürfte zu diesem Zeitpunkt des Studiums eine »Privatangelegenheit« gewesen sein (so DELIUS, HANS-ULRICH, ZU Luthers historischen Quellen, in: LuJ 4 2 , 1975, 7 1 - 1 2 5 ( = Historische Quellen), hier 72). 9 Duo gladii promuntur, unus Novi, alter Veteris Testamenti, quibus adversus diaboli munimur insidias (PL 1 1 4 , 3 4 0 B ) . B e i M t 2 6 , 5 2 (PL 1 1 4 , 1 7 1 A) wird lediglich auf den Nachsatz gladio peribunt B e zug genommen und die Identität von geistlichem Schwert und dem Wort Gottes festgestellt. D i e Glosse, die von Adolph R u s c h gedruckt wurde, kommt bei M t 2 6 , 5 2 und Lk 2 2 , 3 8 zu den gleichen Schlußfolgerungen (BIBLIA LATINA CUM GLOSSA ORDINARIA. Faksimile R e p r i n t der Editio prineeps von Adolph R u s c h von Straßburg 1 4 8 0 / 8 1 , Band IV, Brepols 1992, 8 2 . 2 1 4 ) . Vgl. zu den noch greifbaren Anfängen der Glosse SMALLEY, BERYL, T h e study o f the bible in the middle ages, Oxford M983, 46ff.
'" URBAN, 3 1 5 , Anm. 17. Z u r Bedeutung von Gregor von R i m i n i an der Universität Erfurt vgl. SCHULZE, MANFRED, Von der Via Gregorii zur Reformationis. D e r Streit um Augustin im späten Mittelalter, Tübingen 1980, 124f.; vgl. auch DERS. >Via Gregorii< in Forschung und Quellen, in:
Zweiter Teil: Martin Luthers
160
Zwei-Reiche-Lehre
Abgesehen von der Prägung Erfurts durch die via moderna hat Luther die Expositio Gabriel Biels im Studium und auch noch 1 5 1 5 / 1 6 bearbeitet. 12 Neben seinen Randbemerkungen zur Expositio 1514 1 3 ist eine Aussage in Luthers Tischrede vom 0 2 . 0 2 . 1538 überliefert, in der er auf seine außerordentliche Schätzung Biels in seiner Jugend anspielt: »Gabriel scribens librum super canonem missae, qui über meo iudicio tum optimus fuerat; wenn ich darinnen las, da blutte mein hertz. Bibliae autoritas nulla fuit erga Gabrielem. Ich behalte noch die bucher, die mich also gemartert haben.« 14 Allerdings zitiert Luther die Expositio in seinen Schriften, insbesondere in der Gewaltenfrage, nicht ausdrücklich. 13 Auch im Erfurter Augustinereremiten-Kloster herrschte, u.a. wegen der Personalüberschneidungen zwischen Universität und Kloster, die via moderna. Nach dem Weggang von Johann Paltz ( 1 4 4 4 / 7 - 1 5 1 1 ) nach Luthers Klostereintritt wurde Johann Nathin (gestorben 1529) sein Lehrer, der seit 1488 bei Gabriel Biel in Tübingen studiert hatte. Neben Paltz gehören Arnoldi (seit 1512) 1 6 und Luthers Beichtvater und Vorgänger in Wittenberg, Johann Staupitz (um 1468—1524), den Augustinereremiten an. Luthers Klostereintritt bei den Augustinereremiten dürfte nicht vorrangig deswegen erfolgt sein, weil dieser Orden über eine besonders strenge Regel verfügte, sondern vor allem deshalb, weil er hier nicht die Schule wechseln mußte und in seiner Tradition weiter studieren konnte. Für unseren Zusammenhang ist besonders von Bedeutung, daß Luther in Vorbereitung auf seine Ordination Biels Expositio studiert hat. Das Gedankengut, das in dieser Schrift bezüglich der Gewaltenfrage zu finden ist, hat Luther zur Kenntnis genommen. Offensichtlich hat Nathin Luther die Lektüre der Expositio zur Vorbereitung auf die Priesterweihe empfohlen. 17 Untersucht werden müßten hier die Werke, die sich mit gewisser Wahrscheinlichkeit zu Zeiten Luthers im Erfurter Augustinerkloster befunden haben. 18 Gregor von R i m i n i . Werk und Wirkung bis zur R e f o r m a t i o n , hg. v. HEIKO A. OBERMAN, Spätmittelalter und R e f o r m a t i o n . Texte und Untersuchungen, Band 20, B e r l i n / N e w York 1981, 1—126, hier 64. Von Gregor sind lediglich die beiden ersten Bände eines Sentenzenkommentars erhalten, die sich nicht mit der Verhältnisbestimmung der beiden Schwerter beschäftigen. " Vgl. URBAN, 3 2 8 . Vgl. daneben zu den Anfängen von Luthers Theologie mit Hilfe der L e k türe von Augustin und dem Sentenzenkommentar von Petrus Lombardus OBERMAN, HEIKO A., T h e dawn o f the R e f o r m a t i o n . Essays in Late Medieval and Early Reformation Thought, E d i n burgh 1986, 94. Vgl. hierzu die Einleitung zur Edition der Expositio (ed. OBERMAN, X I I I ) . Vgl. W A 5 9 , 2 5 - 5 3 , besonders 5 1 - 5 3 . 14 W A . T R 3, Nr. 3 7 2 2 , 5 6 4 , 5 - 8 . Daß Luther daneben den Sentenzenkommentar Biels auswendig zitieren konnte, belegt eine Aussage Melanchthons vom 0 1 . 0 6 . 1 5 4 6 (vgl. C R V I , 1 5 9 ) . 12
13
15 OBERMAN, Herbst 3, spricht deswegen von einer »schwer zu fassende[n] Beziehung zwischen Gabriel Biel und Martin Luther«. 16
Vgl. URBAN,
17
S o KUNZELMANN,
315. 445.
Vgl. MATSUURA, JAN, Restbestände aus der Bibliothek des Erfurter Augustinerklosters zu Luthers Zeit und bisher unbekannte eigenhändige Notizen Luthers. Ein Bericht, in: Lutheriana. Z u m 5 0 0 . Geburtstag Martin Luthers von den Mitarbeitern der Weimarer Ausgabe, hg. v. GER-
1.
Via moderna,
Gabriel
Biel und die Ordenstradition
der
Augustinereremiten
161
A u c h w e n n keine Hinweise auf die politischen Traktate zu finden sind, zeigen die Luther z u z u o r d n e n d e n handschriftlichen B e m e r k u n g e n ein intensives Studium der Expositio Biels u n d der Sentenzenkommentare O c k h a m s u n d Pierre d'Aillys sowie von D u n s Scotus u n d Gregor von Rimini. 1 9 Von seinen Lehrern wird Luther einiges über die im Z u s a m m e n h a n g mit d e m Studium an der Universität u n d d e m Leben u n d Studieren im Kloster erwähnten Traditionslinien erfahren haben. U b e r Trutfetter beispielsweise w u r d e Luther mit Gregor von R i m i n i u n d Pierre d'Ailly vertraut. Für die U n t e r s u c h u n g bleibt das methodische Problem, daß eine Aussage über das »Daß« hinaus z u m »Wie« u n d »Was genau« nur möglich sein kann, w e n n sich Luther in seinen Schriften zu bestimmten Traditionselem e n t e n eindeutig äußert. A u c h ist dann n o c h nicht klar, sondern nur w a h r scheinlich, daß er diese Kenntnisse aus seiner Erfurter Zeit besitzt.
1.2 Zusammenfassung D e r einzige klare Fall, der in Erfurt u n d später in W i t t e n b e r g gegeben zu sein scheint, ist das Studium der Expositio Biels. Diese Schrift ist somit ein möglicher Weg, über den Luther von der spätmittelalterlichen Tradition der Verhältnisbes t i m m u n g der beiden Schwerter u n d den jeweiligen Z u o r d n u n g e n der Gewalten etwas erfahren haben kann. Generell ist aber eine B e o b a c h t u n g auffällig, die Luthers Kritik an der päpstlichen Kirche u n d sein lang andauerndes Festhalten an der Unschuldigkeit des Papstes an den Mißständen unterstützt haben könnte. D i e ockhamistische Linie der via modema dürfte eher antikurialistisch orientiert gewesen sein. D i e gedankliche T r e n n u n g von Vernunft u n d Glauben widersprach der an T h o m a s geschulten ontologischen Abstufung von G n a d e u n d Natur, der sich im wesentlichen die kurialistischen A u t o r e n bedienten. M i t einer von der Gnade unabhängigen Vernunft trat das menschliche Subjekt ins Z e n t r u m der Theologie, in d e m papalistischerseits die Heilsvermittlung der Kirche gestanden hatte. Diese gedankliche Tradition, in der Luther geschult wurde, stand in einem spannungsvollen Wechselverhältnis zu der Tatsache, daß gerade Luthers O r d e n der Augustinereremiten die T h e o l o g e n hervorgebracht hatte, die im ausgehenden Mittelalter die entscheidenden Schriften für die Heilsnotwendigkeit des Papstgehorsams verfaßten u n d maßgeblich an der Ausfertigung entsprechender päpstlicher Bullen beteiligt waren.
HARD HAMMER u n d K A R L - H E I N Z z u r M ü h l e n , K ö l n / W i e n
1984, 3 1 5 - 3 3 2 . Die Übersicht
von
ZUMKELLER, ADOLAR, Handschriften aus d e m ehemaligen Erfurter Augustinerkloster in der Staatsbibliothek Berlin, in: AAug 40, 1977, 223—277, bringt für unseren Z u s a m m e n h a n g keine weiteren Hinweise. 19 MATSUURA, 329. Die Forschung am Bibliotheksbestand in Erfurt zu Luthers Zeit ist nicht abgeschlossen. Inwieweit der Nachweis der Benutzung verschiedener Exemplare durch Luther nachgewiesen werden kann, m u ß offen bleiben.
2. D e r homo interior/exterior u n d die Gewalten
2.1 D i e Dictata super Psalterium
1513—15 und die
Römerbriefvorlesung 1 5 1 5 / 1 6 In den Dictata super Psalterium von 1513—1515 nimmt Luther nur in einem Hinweis auf die Deutung der zwei Schwerter als der zwei Gewalten Bezug: in der Glosse zu Ps 149 plädiert Luther für das Verständnis des zweigeschliffenen Schwertes (gladius anceps) als einer Vielzahl von Schwertern, das besser sei als die Konzentration auf die zwei Schwerter der beiden Gewalten. 1 Auf das geistliche Schwert als Wort Gottes solle sich der Christ konzentrieren. Die klassisch antikurialistische Identifizierung von geistlichem Schwert und Wort Gottes gemäß Eph 6,17 ist denn auch die häufigste Lesart für »Schwert« in der Psalmenvorlesung.2 Die innerweltliche Dimension des christlichen Lebens kommt in Luthers früher Bearbeitung der Psalmen nicht zum Ausdruck. Eine gewisse Aufteilung des weltlichen und geistlichen Schwertes zeigt auch die Auslegung des Wortes gladius gemäß vierfachem Schriftsinn, die sich in dem Scholion zu Ps 7,13f. findet, worin die Verwendbarkeit von gladius im geistlichen Kampf deutlich wird. 3 Historisch versteht Luther die weltliche Bedrückung der Juden durch die R ö m e r als gladius Domini. Allegorisch sind damit die heutigen innerweltlichen Bedrohungen der Juden durch den Zorn und die Entrüstung der Menschen über sie gemeint. Tropologisch meint das Schwert dann den gotteslästerlichen Kampf gegen Christus und die Christen, 4 anagogisch droht Gott mit dem Schwert des Gerichtes, um die Ungläubigen abzusondern. Die letzten beiden Deutungen enthalten geistliche Dimensionen (99,2—4). Eine AuseinandersetWA 4,460,27-32. Vgl. u.a. W A 3 , 2 5 0 , 3 0 f . (Glosse zu Ps 44); 3 , 3 3 5 , 2 4 ; 3 3 6 , 2 0 f . (Glosse zu Ps 49); 3 , 3 4 8 , 2 1 (Scholion zu Ps 49); 4 , 2 1 6 , 5 (Glosse zu Ps 107); 4 , 4 6 0 , 1 8 f . (Glosse zu Ps 149). Daneben ist auch eine profane Verwendung möglich, wie beim »Schwert Goliaths« (WA 4 , 4 4 6 , 1 5 ; Glosse zu Ps 143). 1
2
3 Nisi conversi fueritis gladium suum vibrabit arcum suum tetendit et paravit illttm et in eo paravit vasa mortis sagittas suas ardentibus effecit (Ps 7,13f.); vgl. zum folgenden W A 5511,98,1 fF. 4 Gladius et arcus sunt eorum pestilentes doctores, qui eos vulnerant >sagittis< acutis et >ardentibus In der Obrigkeitsschrift wird Luther anhand von Johann von Schwarzenbergs Vorstellung zu dieser Harmonie Stellung nehmen. 14
166
Zweiter
Teil: Martin Luthers
Zu>ei-Reiche-Lehre
wurde. Hiermit sind die Aspekte angelegt, unter denen in späteren Schriften Luthers das Gewaltenverhältnis des Christen zu beschreiben ist.16
D a ß in d e r R ö m e r b r i e f v o r l e s u n g »in n u c e fast alle E l e m e n t e u n d P r o b l e m e d e r späteren, voll ausgebildeten R e i c h s - u n d G e w a l t e n l e h r e b e i s a m m e n « sind, w i e DUCHROW ( C h r i s t e n h e i t , 479) m e i n t , so als hätte L u t h e r in d e n a n s t e h e n d e n K o n f l i k t e n n u r n o c h auf seine R ö m e r b r i e f e x e g e s e z u r ü c k z u g r e i f e n b r a u c h e n , d ü r f t e s c h o n a u f g r u n d d e r h i s t o r i s c h e n S i t u a t i o n n i c h t voll z u t r e f f e n . Erst die g e n a u e Textarbeit u n d n i c h t die fast ausschließliche Z u g r u n d e l e g u n g d e r R ö m e r b r i e f v o r l e s u n g k ö n n t e ein solches U r t e i l r e c h t f e r t i g e n — allerdings nur, w e n n zugleich b e d a c h t w i r d , d a ß L u t h e r k e i n e a l l g e m e i n e Z w e i - R e i c h e - L e h r e verfaßt, s o n d e r n sie in k o n k r e t e n K o n f l i k t s i t u a t i o n e n als Gewissensrat expliziert. DUCHROW (ebd.) b e h ä l t a b e r R e c h t , w e n n g e r a d e d e r R ö m e r b r i e f g e g e n HECKELS B e h a u p t u n g zeigt, d a ß v o n e i n e r V e r t e u f e l u n g d e r w e l t l i c h e n G e w a l t (civitas terrena = civitas Diaholi) n i c h t die R e d e sein k a n n , v i e l m e h r L u t h e r hier d e r w e l t l i c h e n G e w a l t d e u t l i c h m e h r z u t r a u t als d e r geistlichen.
3. Die Verhältnisbestimmung der beiden Schwerter in der Auseinandersetzung mit R o m 1517—1519 3.1 Von der Ablaßkritik zur Problematisierung der päpstlichen Vollgewalt im Streit um die Ablaßpraxis 1517-1518 Der Anschlag der 95 Disputationsthesen am 31.10. 1517 an die Wittenberger Schloßkirche markiert Luthers Schritt von der reformatorischen Erkenntnis der voraussetzungslosen Rechtfertigung des Menschen im Glauben zur Kritik an der kirchlichen Praxis der Sünden- und Strafenvergebung.' Aus seelsorgerlichem Unbehagen gegen die Ablaßverkäufe verfaßt, die den Bußernst der Gläubigen minimierten, bzw. auf den Erwerb schriftlich fixierter Sündenvergebung verlagerten, 2 geht es Luther um die Wiederherstellung des neutestamentlich fundierten Bußverständnisses. Luther ist hier aber noch bemüht, den Papst gegen die bischöflich verordnete und durch herumziehende Prediger ausgeführte Ablaßpraxis in Schutz zu nehmen. 3 Luther erkennt noch nicht die Sprengkraft, die die Betonung der Schriftautorität und des Wortes Christi in der Buße bereits für die Kirchenautorität hat. 4 Er fragt sich allerdings schon, warum der Papst das Fegefeuer aufgrund der Seelennot nicht leer räume, wenn er doch Seelen zum Bau der Peterskirche erlöse, also aus dem »allerunwichtigsten Grunde«. 3 Luther beschränkt hierbei die päpstliche Gewalt, die von dem »vollkommenen Nachlaß aller Strafen« spricht, auf die vom Papst selbst auferlegten (234,15f.; 20. These), ohne sich darüber vollständig im Klaren zu sein, daß mit dieser Behauptung das päpstliche Selbst' W A 1 ,(229)233—238. Vgl. auch das Begleitschreiben Luthers zu den 95 Thesen an Erzbischof Albrecht vom selben Tag (WA.B 1, Nr. 48, 108-113), das diesem erst am 17.11. 1517 bekannt w u r d e (CCath 41,295). 2
3
V g l . LOHSE, T h e o l o g i e 1 1 6 .
Wenn der Papst u m die Ablaßpraxis seiner Prediger wüßte, w ü r d e er lieber die Peterskirche zu Staub verfallen lassen, als sie mit Haut, Fleisch und K n o c h e n semer Schafe aufzubauen (WA 1,235,36—38; 50. These). Verdammt sei der, der gegen die Wahrheit des apostolischen Ablasses etwas sage (236,39f.; 71. These). 4 LOHSE spricht von einem sich ankündigenden »Beben« (Theologie 119). 3 WA 1,237,22—25 (82. These). Vgl. weiter die Fragen in den Thesen 83—89, die von d e m U n verständnis für die beibehaltenen Totenmessen bis zur Außerkraftsetzung bereits erteilter Ablässe reichen — was nicht durch eine Konzentration auf die Seelennot, sondern nur durch Geldgier zu erklären sei (WA l,237,26fF.).
168
Zweiter Teil: Martin Luthers
Zwei-Reiche-Lehre
Verständnis steht und fällt. D i e plenitudo potestatis papae erstreckte sich so
auispi-
ritualia, daß sie auch in die Heilsfrage der Verstorbenen hinein regierte, für die die Ablässe erwerbbar waren/' Insofern handelt es sich nicht um Auswüchse der Wanderprediger wie Johannes Tetzel, die dem Papst nicht bekannt sind, sondern es manifestiert sich hier die konsequente Fortführung der Behauptung der päpstlichen Vollgewalt in Stellvertretung Christi. D i e R e a k t i o n auf Luthers 9 5 Thesen konzentriert sich von daher auch nicht auf die angegriffene Ablaßpraxis, sondern auf die angezweifelte Papstautorität. Erzbischof Albrecht ersucht am 0 1 . 1 2 . und am 1 1 . 1 2 . 1517 ein Gutachten der Mainzer Theologischen Fakultät zu den Thesen, wobei er zwar nur wegen der Ablaßkritik, nicht aber wegen der damit verbundenen Papstkritik anfragte. 7 A m 1 7 . 1 2 . 1517 wurde es an Albrecht versandt. Das Gutachten bezieht sich dagegen allein auf die Papstautorität und schlägt eine Prüfung in R o m vor. 8 D e r Subkommissar für den Peterskirchenablaß und Inquisitor Johannes Tetzel (OP) legte am 2 0 . 0 1 . 1 5 1 8 gemeinsam mit dem R e k t o r der Universität Frankfurt/Oder, Konrad Wimpina, 106 Thesen gegen Luther 9 5 Thesen vor. 9 U.a. wird Luthers 20. These (Ablaßgewalt des Papstes nur über von ihm selbst auferlegte Strafen) verworfen'" und ihm an anderer Stelle auch Blasphemie zur Last gelegt, weil Luther in seiner 77. These behaupte, auch Petrus als Papst könne keine größeren Gnaden vergeben als der jetzige Papst." Damit stand die Heilsmittlerschaft Petri und seiner Nachfolger zur Disposition. Ihre Sätze stellen die Verfasser der Entscheidung des Papstes anheim (337); de facto entscheidet sich das Dominikanerkapitel im Anschluß an die 106 Thesen für eine Anklage Luthers in R o m wegen des Verdachtes der Ketzerei. 1 2 Tetzel wendet sich April/Mai 1 5 1 8 in 5 0 Thesen erneut gegen Luthers K r i tik am Ablaß und konzentriert sich auf die kirchliche Lehrautorität. 1 3 D i e hier vorgetragene Lehre entspricht dem spätmittelalterlich-kurialistischen Standpunkt, gemäß dem der Papst direkt von Gott mit der immediata iurisdictio ausgestattet wurde 1 4 , und es dem Christen heilsnotwendig ist, dem Papst zu gehorchen. Wer den Papst nicht in D e m u t ehrt, sondern ihn beleidigt, verfällt der Strafe für Lästerung und Majestätsbeleidigung; ein Häretiker und damit des
6 Vgl. die Mutmaßung von Aegidius Romanus, der Papst habe Gewalt über die Seelen im Fegefeuer (oben S. 24). 7 Vgl. hierzu CCath 41,229f.; vgl. ebd., 296. 8 Vgl. hierzu CCath 41,300f. Das Gutachten ist gedruckt ebd.,301 f. Eine solche Prüfung hatte Albrecht bereits vor Eingang des Gutachtens am 13.12. schriftlich in R o m beantragt (so in einem Schreiben an seine R ä t e in Halle am selben Tag (CCath 41,305,25—307,3). 9 Vgl. hierzu CCath 41,310ff. Als Verfasser der Thesen ist Wimpina anzusehen (ebd., 310f.). 1(1 CCath 41,326 (26. These). 11 CCath 4 1 , 3 3 4 (These 78); vgl. WA 1,237,11 f. 12 Vgl. LOHSE, Theologie 120. 13 Vgl. zum folgenden CCath 4 1 , 3 6 3 f f 14 So Thesen 1 und 2 (CCath 41,369f.).
3. In der Auseinandersetzung
mit Rom
1517—1519
169
Heils verlustig ist derjenige, der dem Papst spottet und ihn verleumdet. 1 3 D e r Heilsverlust im Falle ausbleibenden Papstgehorsams ist die negative Variante des Schlußsatzes der Bulle Unam sanetam. Tetzel rekurriert damit auf die Bulle, die durch das Fünfte Laterankonzil bestätigt wurde. 16 Für die Auseinandersetzung mit Luther bedeutet die Tatsache der Heilsnotwendigkeit des Papstgehorsams, daß derjenige ein Ketzer ist, der die Menschen von der Papstautorität und dem Wert der Ablässe abbringen will. 17 Luther präzisiert in den Papst Leo X . gewidmeten Resolutiones
disputationum
de indulgentiarum virtute 1 5 1 8 ' 8 die neutestamentliche Grundlage der Bußpraxis, verschärft aber auch die Aussagen über die Begrenzung der päpstlichen Vollgewalt. Z u r fünften These der 9 5 Thesen (der Papst kann nur die von ihm selbst auferlegten Strafen erlassen) unterscheidet Luther sechs verschiedene Strafarten - die Höllenstrafe, das Fegefeuer, die evangelische Strafe als Teil der geistlichen B u ß e , die Züchtigung Gottes als Ausdruck seines Zorns, die kanonisch auferlegte Strafe und die (nach Luther nicht wirklich existierende) Genugtuung der göttlichen Gerechtigkeit, wie sie durch die Ablaßprediger gefordert wird — und untersucht die jeweilige Einflußmöglichkeit des Papstes auf sie (534,19ff.). N u r die kanonische Strafe steht in der Ablaßgewalt des Papstes. Damit schränkt Luther die Jurisdiktionsfunktion des Papstes erheblich ein. Auch die sakramentale Heilsmittlerschaft der Priester ist hier bereits gefährdet, da beispielsweise die evangelische Strafe, die nach Luther zum Wesen der geistlichen B u ß e gehört und von Christus geboten ist, nicht durch einen Priester auferlegt oder abgelassen werden kann (534,31—535,7). Im Zusammenhang der Erklärung zur 6. These (der Papst kann nur die Vergebung Gottes erklären und bestätigen, außer bei den von ihm selbst auf erlegten Strafen) wird deutlich, daß die päpstliche B i n d e - und Lösegewalt dem Urteilsspruch Gottes nach- und untergeordnet ist ( 5 3 8 , 3 6 - 5 3 9 , 3 1 ) . Damit spricht sich Luther gegen die unscharfe R e d e weise der Ablaßprediger aus, der Papst könne mit den Ablässen die Sünde vergeben. D i e 7. These (Unterwerfung des Sünders unter den Priester durch den vergebenden Gott) eröffnet den seelsorgerlichen Handlungsspielraum des P r i e sters, der die Sündenvergebung Gottes verkündet und so den Glauben gewiß macht ( 5 4 2 , 1 4 - 1 7 ) . So die Thesen 9 und 10 (CCath 41,370); Christen a spe Regni coelestis excluduntur (ebd.). Die Akten des Fünften Laterankonzils liegen erst am 3 1 . 0 7 . 1521 als vollständiger D r u c k vor; bis dahin waren sie Luther vermutlich nicht bekannt (vgl. hierzu KÖHLER, WALTHER, Luther und die Kirchengeschichte nach seinen Schriften, zunächst bis 1521. Teil 1, Abt. 1: D i e Ablassinstruktion, die Bullen, Symbole, Concilien und die Mystiker, Erlangen 1900, Nachdruck Hildesheim/Zürich/New York 1984, 101). 15
Vgl. C C a t h 4 1 , 3 7 5 . WA 1 , ( 5 2 2 ) 5 2 5 - 6 2 8 . Das Manuskript ist vermutlich schon im Februar 1518 fertiggestellt, wird aber erst im August 1518 gedruckt. A m 3 0 . 0 5 . schickt er die Resolutiones an Staupitz, der sie an den Papst weiterschicken soll, wo sie vermutlich im Juni eintreffen. Silvester Prierias liegen sie bereits für seinen Dialogus vor (ebd., 522f.). 17
18
170
Zweiter Teil: Martin Luthers Zwei-Reiche-Lehre
D i e Erklärung der 80. These (gegen die Behauptung, daß das päpstliche Kreuzeswappen soviel wie das Kreuz Christi vermag, werden die Bischöfe, Seelsorger und T h e o l o g e n Rechenschaft ablegen müssen) bezieht nun die päpstliche M a c h t auf die Verhältnisbestimmung der beiden Schwerter. 1 9 Luther stellt fest, daß der Papst heute Taten und Worte gegen sich mit dem zweifachen Schwert, dem geminus gladius, bestraft, damit also eine zweifache Jurisdiktion ausübt (624,6f.). E r wundert sich darüber, wer die Zuschreibung zweier Schwerter an den Papst erfunden hat — wodurch dann nicht das geistliche Schwert gemäß Eph 6,17 als Wort Gottes verstanden wird —, der durch diese Doppelgewalt nicht mehr ein pater amabilis,
sondern ein tyrannus
formidabilis
ist. 20 Das eine Schwert müsse aber ein Schwert der Erkenntnis sein, im Sinne eines geistlichen Bemühens um die richtige Auslegung der Schrift. 2 1 Luther ist die kurialistische Auslegung der beiden Schwerter bekannt, er wendet sich gegen sie mit der bereits bekannten Deutung des geistlichen Schwertes als W o r t Gottes gemäß Eph 6,17 und dem Hinweis auf die notwendige geistliche Erkenntnis. D i e Ausfuhrungen Luthers zu seinen Thesen bestätigen die Annahme seiner Gegner, daß es in diesem Streit eigentlich um die Einschränkung der päpstlichen Vollgewalt geht. Für das eingeleitete Verfahren gegen Luther erstellte Silvester Prierias O P ( 1 4 5 6 - c a . l 5 2 3 ) als Mitglied der beauftragten Kommission ein Gutachten, den Dialogus in praesumptuosas state papae,
Martini Lutheri conclusiones
depote-
den Luther zusammen mit der Vorladung nach R o m am 0 7 . 0 8 .
1 5 1 8 erhält. 22 D e r Einzeluntersuchung der 95 Thesen Luthers sind vier Fundamentalsätze vorangestellt, die das päpstliche Verständnis der Kirche zusammenfassen (41,53—56): 1) D i e Gesamtkirche ist essentialiter die Versammlung der Gläubigen zum Gottesdienst, virtualiter die römische Kirche und der Papst. 2) Irrtumslosigkeit des Papstes und eines Konzils in Fragen defide
aut moribus. 3)
Forderung des Gehorsams gegenüber der Lehre der römischen Kirche und des
19
Vgl. zum folgenden W A l , 6 2 4 f . In den Resolutioties
ist die daneben die B e z e i c h n u n g des
Evangeliums als geistliches Schwert zu finden ( 6 0 5 , 2 ) . Ein Hinweis auf die beiden Gewalten, die das gladium
domitti tragen, und die man furchten soll, weil gemäß R o m 13,1 alle Gewalt von G o t t
ist, findet sich auch in Decem praeeepta Wittenbergensi pracdicata populo (ebd., 460,1 ff.). Die Schrift wurde 1 5 1 8 gedruckt und entstammt Predigten über die 10 G e b o t e , die Luther zwischen dem 2 9 . 0 6 . 1 5 1 6 und dem 2 4 . 0 2 . 1 5 1 7 gehalten hat. 211
W A 1,624,10—14. Luther fragt polemisch, warum denn die Schlüssel nicht ähnlich wie die
Schwerter so ausgelegt würden, daß der eine die irdischen und der andere die himmlischen R e i c h t ü m e r schenkte (ebd., 2 3 - 2 5 ) . 21
W A 1,624,30—33. Z u d e m verweist Luther a u f das kanonische R e c h t , nach dem e i n e m P r i e -
ster der Schwertgebrauch verboten ist (ebd., 16f.; vgl. X 3.1.2: Clerici arma portantes et usumrii ex-
communicetitur, 22
FRIEDBERG
11,449).
Hier liegt zwar keine theologisch umfassende Abhandlung zur Frage der potestas papae vor,
gleichwohl zeigt sich aber die in R o m vorherrschende Auffassung v o m Wesen des Papsttums, so daß diese Schrift eine große B e d e u t u n g hat (vgl. LOHSE, T h e o l o g i e 123f.). Vgl. Einleitung und Edition der Schrift C C a t h 41,33—107. Vgl. hier auch die Literatur zu Prierias (ebd., 3 3 , A n m . 5).
3. In der Auseinandersetzung
mit Rom
i517—i5i9
171
Papstes als regulafidei infallibilis und Unterordnung der Heiligen Schrift unter diese Autorität. 4) Gleichstellung von Gewohnheitsrecht mit kirchlichen Entscheidungen. Abschließend ist der als Häretiker zu bezeichnen, der sich gegen die derzeitige kirchliche Ablaßpraxis wendet. Prierias bestätigt mit diesen Fundamentalsätzen die Notwendigkeit des Gehorsams gegenüber dem Papst in Heilsfragen. Der Kraft und Macht nach ist der Begriff »Kirche« mit der römischen Kirche, bzw. dem Papst gleichzusetzen. 23 Sogar die Schrift hat sich dieser Autorität zu unterstellen. Prierias zeigt sich sensibel für die theologischen Probleme, die sich hinter Luthers Kampf gegen den Ablaß zeigen, hat Luther doch in der Ablaßpraxis die päpstliche Vollmacht in der Heilsfrage mit Hilfe der Schrift bezweifelt, in der er eine solche Praxis nicht finden könne. Zugleich untersteht nach Luther der Christ in der Sündenvergebung (defide) ohne kirchlich-jurisdiktionelle Vermittlung der Vergebung Gottes durch die Verkündigung zur Gewißmachung dieser göttlichen Tat. Nach der Lektüre des Dialogs von Prierias 24 gelangt Luther zu der Uberzeugung, daß der Papst der Antichrist sein müsse. 25 Schrift und Papstautorität stehen für ihn nicht mehr, wie in den 95 Thesen, in einer aktuellen Spannung zueinander, sondern in fundamentalem Gegensatz. Mit dem Ablaßstreit zeigt sich das Problem der päpstlichen plenitudo potestatis, die aus der Bestreitung der Ablaßpraxis folgen muß. Zwar versucht Luther noch, den Papst selbst gegen eine in die Irre laufende Praxis in Schutz zu nehmen. Die Konzentration seiner Gegner auf die päpstliche Gewalt zeigt ihm aber das Kritikpotential, das in seinen 95 Thesen steckt. Zugleich wird er gegenüber dem das zweifache Schwert besitzenden Papst als »Tyrannen« deutlicher. N i m m t man Biels Gleichung der beiden Gewalten mit dem durch die Kirche überwölbten Firmament und legt sie für Luthers Gewaltenverständnis zu Grunde, so greift er mit der Ablaßkritik das Firmament an, das kurialistischerseits mit der Papstgewalt gleichgesetzt war. Dieser Angriff wird nun intensiviert, bevor Luther die »Leerstelle«, die das bestrittene Firmament hinterläßt, neu füllen wird. 26 23
Vgl. hier die Gleichsetzung des Papstes m i t d e m verus homo bei Alvarus Pelagius, o b e n S. 115. Dessen weitere W i r k u n g s g e s c h i c h t e k a n n hier nicht weiter verfolgt w e r d e n (vgl. hierzu die Übersicht C C a t h 41,42-44). 25 Vgl. LOHSE, T h e o l o g i e 125; vgl. d e n Brief an Wenzeslaus Linck v o m 1 8 . 1 2 . 1518 ( W A . B 1, 24
N r . 121, 26
11-14).
Es reicht nicht aus, die Vorgeschichte der Obrigkeitsschrift u n d der darin z u m A u s d r u c k k o m m e n d e n Z w e i - R e i c h e - L e h r e a n h a n d der S t e l l u n g n a h m e n Luthers allein zur weltlichen G e walt von 1516 bis 1522 zu u n t e r s u c h e n (so das Vorgehen von GÄNSSLER, 5 2 f f ) . A m B e g i n n steht die A u s e i n a n d e r s e t z u n g u m die päpstlichen Primatsansprüche. W e n n L u t h e r die potestas der K i r c h e als potestas Christi bezeichnet, Christus aber die göttliche S ü n d e n v e r g e b u n g vermittelt, so ist a u c h hier bereits eine kritische S p a n n u n g zur sakramentalen H e i l s v e r m i t t l u n g der päpstlichen Lehre gegeben, die sich i m weiteren präzisieren wird. D a ß damit aber n o c h ein u n b e d i n g t e r G e h o r s a m g e g e n ü b e r d e m Papst ausgesagt ist, gibt Luthers W o r t l a u t n i c h t her. GÄNSSLER, 53f., bes.
172
Zweiter Teil: Martin Luthers
Zwei-Reiche-Lehre
3 . 2 Luthers Kritik an der nicht-schriftgemäßen, kanonistisch begründeten Identifikation des Papstes mit der Kirche in dem Verhör vor Cajetan in Augsburg 1 5 1 8 Die Luthersache gestaltete sich ab 1518 als Ketzerverfahren, mit dem sich neben der geistlichen Gewalt auch das weltliche Schwert befaßte. 27 Bereits am 05.08. 1518 wendet sich der Luther zunächst wohl nicht abgeneigte28 Kaiser Maximilian I. an Papst Leo X . , um mit Hilfe der Erkenntnisse aus dem Dialogus von Prierias Luthers kanonischen Prozeß zu beschleunigen und selbst Maßnahmen im Reich gegen Luther zu ergreifen. Luther berichtet hier von der Aufforderung des Papstes an Cajetan, in Augsburg die weltlichen Gewalten gegen Luther aufzubringen.29 Auch Luther will die weltliche Gewalt in Anspruch nehmen. Er berichtet Spalatin von einem juristisch denkbaren Verfahren, das ihm Freunde vorgeschlagen haben 30 und das eine Romzitation umgehbar machen soll: wenn der sächsische Kurfiirst Luthers Bitte um freies Geleit durch sein Territorium ablehne, könne Luther sein Fernbleiben von R o m entschuldigen.31 Luther wendet sich diesbezüglich selbst auch an den Kurfürsten.32 Ohne kurfürstliche Hilfe sieht Luther keine Möglichkeit, den Kirchenstrafen zu entgehen. 33 Eine Strafe will er aber erdulden, um den Kurfürsten von Verdächtigungen freizuhalten. 34
Anm. 3 0 0 , will anhand verschiedener Belege diese Unterwerfungsforderung belegen. D i e Tatsache, daß Luther dem Papst gegenüber Gehorsam zeigt, wird aber spätestens dann problematisch, als er diesen als Antichrist versteht. A u f diese Entwicklung geht GÄNSSLER nicht ein. 2 7 Vgl. zum folgenden LOHSE, Theologie 125ff.; daneben BECKER, HANS-JÜRGEN, Die Appellation vom Papst an ein allgemeines Konzil. Historische Entwicklung und kanonistische Diskussion im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit, F K R G 17, Köln u.a. 1988, 244£f. D e r Prozeß gegen Luther kann nur hinsichtlich der Zusammenarbeit von geistlicher und weltlicher Gewalt und Luthers R e a k t i o n gewürdigt werden. Hinzuweisen ist auf die Einbeziehung der Augustinereremiten in die Causa Lutheri aufgrund päpstlicher Aufforderung (vgl. hierzu die D o k u m e n t e CCath 42,17-29). 2 8 Vgl. C C a t h 4 2 , 3 7 , besonders Anm. 3; PRESS, VOLKER, Art. Maximilian I., in: T R E 22, 1992, 2 9 1 - 2 9 5 , hier 293. 2 9 Vgl. den kaiserlichen B r i e f C C a t h 42,37—44; das Schreiben an Spalatin vom 2 8 . 0 8 . 1518, W A . B 1, Nr. 87, 1 8 9 - 1 9 1 . 3 0 Vgl. zur Beratung durch Personen aus Luthers U m g e b u n g seinen B r i e f an Kurfürst Friedrich mit einem Bericht über das Verhör (November 1518; W A . B 1, Nr. 110, 2 3 2 - 2 5 1 , hier 2 3 6 , 1 6 18). Luther schreibt, er sei a magtü ordinis utriusque status viris ermahnt worden, wegen der großen Gefahr Wittenberg nicht zu verlassen (ebd., 237,37—39).
Wiederum in dem Schreiben an Spalatin ( W A . B 1 , 1 8 9 - 1 9 1 ) . Vgl. W A . B 1,188,9 (der B r i e f ist nicht erhalten). 33 W A . B 1,190,16-18. 3 4 Ebd., 190,18f. Auch nach einem Verhör will sich Luther in die Hände der weltlichen Gewalt geben, falls seine Schriftauslegung widerlegt werde und er nicht widerrufe: Kurfürst Friedrich solle ihn dann verfolgen ( W A . B l , 2 4 4 , 3 1 4 f f . ) . 31
32
3. In der Auseinandersetzung
mit Rom
1517—1519
173
Der Kurfürst lehnt dieses Verfahren allerdings ab.35 Der Papst leitet am 23.08. 1518 die kaiserliche Beschwerde an Kurfürst Friedrich von Sachsen weiter. Er erwähnt die durch Prierias nachgewiesenen Irrtümer Luthers und verweist auf die Zuständigkeit des Kardinallegaten Cajetan für diesen Fall.36 Den Kurfürsten bittet er, Luther für den Prozeß auszuliefern. 37 Nach Erhalt der Zitation nach R o m am 07.08. 1518 wendet sich Luther am folgenden Tag an Spalatin, der sich bereits auf dem Reichstag in Augsburg befindet, um über ihn den Kurfürsten und über den kurfürstlichen Rat Degenhart Pfeffinger den Kaiser zu veranlassen, den Papst um eine Verlegung des Prozesses nach Deutschland zu ersuchen. 38 Spalatin wendet sich daraufhin im Namen des Kurfürsten an den kaiserlichen Minister Hans Renner, u m den Papst zu einer Verlegung nach Deutschland, bzw. vor die Bischöfe von Würzburg und Freising sowie eine »unverdächtige« Universität (also nicht Erfurt, Leipzig oder Frankfurt/Oder) zu veranlassen. 39 Vor dem Verhör in Augsburg, das Luther wegen des noch bestehenden Widerstands des sächsischen Kurfürsten gegen eine Türkenkreuzzugssteuer und der päpstlicherseits erhofften Unterstützung Kursachsens gegen die Kaiserwahl Karls von Spanien zugestanden wurde, zeigt sich die traditionelle Verflechtung geistlicher und weltlicher Gewalt in der Behandlung von Ketzerprozessen. D e r D o m i n i k a n e r T h o m a s d e V i o C a j e t a n (1469—1534) w a r als K a r d i n a l l e g a t i n A u g s b u r g mit den vorbereitenden Verhandlungen für einen neuen Türkenkreuzzug betraut worden.40 E r e r h ä l t e i n S c h r e i b e n des Papstes, in d e m dieser i h m I n s t r u k t i o n e n f ü r d e n L u t h e r p r o z e ß ü b e r m i t t e l t . 4 1 D i e bereits w e g e n K e t z e r e i e r g a n g e n e V o r l a d u n g L u t h e r s n a c h R o m m ü s s e a u f g r u n d n e u e n Materials durch ein Verhör vor Cajetan beschleunigt w e r d e n . D a n e b e n wird d i e w e l t l i c h e O b r i g k e i t d a z u a u f g e f o r d e r t , ein E r s c h e i n e n L u t h e r s z u e r z w i n g e n . 4 2 C a j e t a n soll d i e w e l t l i c h e n S t ä n d e z u r U n t e r s t ü t z u n g in dieser S a c h e e r m a h n e n u n d b e i W e i g e r u n g e i n e r O b r i g k e i t ü b e r d e r e n G e b i e t das I n t e r d i k t v e r h ä n g e n (65). D e r K a r d i n a l l e g a t e r h ä l t V o l l m a c h t , L u t h e r i m Falle des W i d e r r u f s in G n a d e n a u f z u n e h m e n o d e r i m Falle d e r
fortge-
s e t z t e n H ä r e s i e z u b a n n e n . D i e M o d a l i t ä t e n eines V e r h ö r s v o r C a j e t a n w e r d e n in A u g s b u r g zwischen diesem u n d Kurfürst Friedrich ausgehandelt.43 Friedrich erreicht, daß Luther G e l e g e n h e i t z u r V e r t e i d i g u n g e r h a l t e n u n d das V e r h ö r o h n e U r t e i l s s p r u c h C a j e t a n s u n d A u s l i e f e r u n g L u t h e r s n a c h R o m e n d e n soll. Falls sich L u t h e r als K e t z e r erweise, w ü r d e 35
Vgl. Spalatins Brief an L u t h e r v o m 0 5 . 0 9 . 1518; W A . B 1, N r . 92, 2 0 0 - 2 0 2 . C C a t h 42,(44)48—50. M i t diesem Schreiben gilt L u t h e r prozeßrechtlich als haeretkus declaratus (ebd., 44). D a m i t v e r b u n d e n ist die Vorladung n u r z u m Z w e c k des W i d e r r u f s o h n e N a c h w e i s der Häresie. 37 C C a t h 42,49. 31i W A . B 1, N r . 85, 188f. 39 Vgl. W 2 15,550. 16
411
Z u C a j e t a n vgl. FELMBERG, BERNHARD ALFRED R . , D i e A b l a s s t h e o l o g i e K a r d i n a l C a j e t a n s
( 1 4 6 9 - 1 5 3 4 ) , S M R T 66, L e i d e n / B o s t o n / K ö l n 1998. 41 Breve Postquam ad aures v o m 2 3 . 0 8 . 1518, ediert in C C a t h 42,(50)62—66. D i e Authentizität des Schreibens ist umstritten, weil zu diesem Z e i t p u n k t die sechzigtägige Bannfrist n o c h n i c h t a b gelaufen ist. Allerdings ist a u c h eine B e s c h l e u n i g u n g des Prozesses o h n e R ü c k s i c h t n a h m e auf die Frist d e n k b a r (ebd., 57). 42 Vgl. C C a t h 42,64. 43 Vgl. hierzu C C a t h 4 2 , 5 8 - 6 0 .
174
Zweiter Teil: Martin Luthers
Zwei-Reiche-Lehre
F r i e d r i c h eine kirchliche V e r u r t e i l u n g n i c h t m e h r a b l e h n e n . C a j e t a n w i r d in der päpstlichen I n s t r u k t i o n Cum nuper v o m 1 1 . 0 9 . 1518 f ü r die V e r h a n d l u n g e n e r n e u t e n t s c h e i d u n g s b e m ä c h t i g t , u n d eine Z i t a t i o n n a c h R o m w i r d fallengelassen. 4 4
Gegenstand der inhaltlichen Erörterung des vom 12.—14.10. 1518 stattfindenden Verhörs sind der Schatz der Kirche gemäß der Bulle Unigenitus von Papst Clemens VI. 1343 und Luthers Satz, daß nicht das Sakrament, sondern der Glaube an das Sakrament rechtfertige. 45 Da es in beiden Fragen um die Heilsmittlerschaft der Kirche geht, muß zwangsläufig mit der Beantwortung auch die Frage der plenitudo potestatis papae behandelt werden. Aus diesem Grund behauptet Cajetan in dem Verhör, daß der Papst über der Schrift, einem Konzil und der gesamten Kirche stehe. 46 Die sakramentale Heilsvermittlung, wie sie die päpstliche Kirche versteht, gerät in Gefahr, wenn nach Luthers Verständnis der Glaube die Rechtfertigung und das Heil bringt. Cajetan folgert richtig, daß Luthers soteriologisches Verständnis hieße, eine neue Kirche zu bauen. 47 Cajetans Kirchenverständnis entspricht demjenigen, das Prierias in den Leitsätzen seines Dialogus entfaltet hatte. Die Kirche ist im wesentlichen mit dem Papst identisch, wenn es um die Lehrbefugnis und den Gehorsam gegen über Glaubenswahrheiten geht. Diesem Gehorsam wird auch die Schrift untergeordnet, in der Luther einen Nachweis für die behauptete und praktizierte Ablaßlehre nicht findet. Die Gehorsamsforderung fuhrt Cajetan zu der Frage an Luther, ob er glaube, daß der Papst wie in der Bulle Unigenitus festsetzen könne, daß die Verdienste Christi der Schatz des Ablasses seien oder nicht. 48 Luther darf zunächst keine Erklärung abgeben, dann aber seine Antwort schriftlich formulieren. Er versteht Unigenitus so, daß gesagt sei, daß Christus durch seine Verdienste einen Schatz erwerbe; die Verdienste könnten demzufolge aber nicht mit dem Schatz identisch sein. Seine These sei dadurch bestätigt. 49 Die Rechtmäßigkeit der Gehorsamsforderung widerlegt Luther mittels des kanonischen Rechts. Nach D. 19 c. 2 Sic omnes sollen die Päpste in ihren Dekretalen als die Stimme Petri verstanden werden. 5 " Daraus ergibt sich eine zweifache Widerlegung: zum einen steht gemäß X 1.6.4 Significasti jeder Christ über einem Papst, sofern er in 44
Vgl. hierzu C C a t h 42,60f. Vgl. einführend LOHSE, Theologie 128fF. Z u r Quellenlage siehe ebd., 128, A n m . 288. GRANE, LEIF, Martinus noster. Luther in the G e r m a n reform m o v e m e n t 1518—1521, VIEG, Abteilung für Religionsgeschichte, Band 155, Mainz 1994, 24, weist auf die einseitige Quellenlage hin, da Zeugnisse Cajetans aus Augsburg fehlen. 4,1 W A 2,8,10f.; vgl. Luthers Bericht W A . B 1,240,171-173. 47 Vgl. LOHSE, Theologie 130. Eine Abweichung von diesem Sakramentsverständnis sei niem a n d e m erlaubt, das Gelehrte müsse geglaubt werden (ebd.; auch Anm. 300). 4ti Vgl. hierzu Luthers Schreiben an Spalatin vom 14.10. 1518; WA.B 1, N r . 99, 213-215. 49 Diese Antwort verwirrt Cajetan, der Luther nur erneut zum W i d e r r u f auffordern kann (vgl. WA.B 1,214,25fr.). 45
50
W A
2 , 1 0 , 7 - 1 1 ; v g l . FRIEDBERG I,
60.
3. In der Auseinandersetzung
mit Rom
1517—i519
175
Glaubensdingen eine präzisere Antwort geben kann als der Papst. 3 ' Wenn die päpstliche Gehorsamsforderung sich zum anderen auf ihre petrinische Herkunft bezieht, so darf sie nicht außer acht lassen, daß auch Petrus nicht irrtumslos war, wie seine Zurechtweisung Gal 2,14 zeigt (10,18—25). Die Differenz zwischen dem Wortlaut der Schrift und dem päpstlichen R e c h t wird ebenfalls anhand der Dekretale X 1.2.3. deutlich. 52 Nach Hebr 7,12 ist das zeitliche Priestertum und das Gesetz durch Christi ewiges Priestertum abgelöst worden. Die Auslegung dieses kanonischen Rechtssatzes aber versteht Luther nach Hebr 7,12 so, daß Christus sein R e c h t an Petrus übertragen habe. 33 Luther besteht allerdings darauf, daß dann auch den anderen Aposteln gemäß der Schrift das Priesteramt übertragen wurde. 54 Dieser Widerspruch belegt seine Meinung, daß solche Auslegungsirrtümer häufig im geistlichen R e c h t vorhanden sind. 35 Sowohl das kanonische R e c h t als auch die Schrift ermöglichen einen W i d e r spruch gegen die päpstliche Doktrin. Aus dem juristischen Charakter seiner Auseinandersetzung mit R o m sieht sich Luther genötigt, seine Ablaßthesen mit dem kanonischen R e c h t zu vergleichen. 56 Bei kanonistischen Fragen unterstützen Luther sächsische Juristen. Philipp von Feilitzsch, einer der engsten Berater des Kurfürsten, wurde in die eben erwähnte Verhandlung vor Cajetan von Luther mitgenommen. 3 7 Nach Beendigung des Reichstages waren die sächsischen R ä t e Johann R ü h e l und Philipp von Feilitzsch in Augsburg geblieben, um Luther weiter zu beraten. D e r Kurfürst wünschte eigentlich auch die Beratung durch den Nürnberger Juristen Christoph Scheurl, der aber in Diensten seiner Stadt abwesend war. 38 Neben dieser beratenden Tätigkeit war Georg Spalatin mit der Aufgabe betraut, Nachrichten von Luther an den Kurfürsten, an den Luther selbst nicht schreiben mochte, weiter zuleiten. 39 Das Verhör vor Cajetan kam zu keinem Ergebnis. D e r Augsburger Vermittlungsversuch war damit gescheitert. In Augsburg bestätigt sich aber die Vermutung, daß die päpstliche plenitudo potestatis der sensible Punkt war, an dem die Ablaßkritik Luthers in einen weiteren Horizont trat und aus kurialistischer
31 Vgl. FRIEDBERG II, 4 9 f. Z u r Bedeutung der Dekretale in der Auseinandersetzung vgl. die Resoluttones. 5 2 Vgl. wiederum Luthers B e r i c h t an Kurfürst Friedrich vom N o v e m b e r 1518 ( W A . B 1 , 2 3 9 , 1 1 Off.). 53 W A . B 1 , 2 3 9 , 1 1 5 f . 5 4 Ebd., 1 2 4 - 1 2 6 . 5 5 Ebd., 133f. 5 6 Vgl. W A 2 , 1 1 , 8 - 1 2 . 57
V g l . ROLL, 436F.; e b e n s o W A . B
L,214,20f.
Vgl. hierzu BRECHT, MARTIN, Martin Luther, Band 1, Sein W e g zur R e f o r m a t i o n 1 4 8 3 1 5 2 1 , Stuttgart 1 9 8 1 , 2 4 1 f. 5 9 Vgl. W A . B 1 , 2 1 4 , 7 - 9 , sowie »Helfer Luthers auf dem Felde der Diplomatie 1 5 1 8 / 1 9 « bei Höss, IRMGARD, G e o r g Spalatin 1484—1545. Ein Leben in der Zeit des Humanismus und der R e formation, Weimar 1 9 5 6 , 124FF. 58
176
Zweiter Teil: Marlin Luthers
Zwei-Reiche-Lehre
Sicht einen Prozeß gegen ihn umso dringlicher machte. Im R a h m e n eines geregelten spätmittelalterlichen Verfahrens wurde auch die weltliche Gewalt in diesen Prozeß involviert. Luther widerlegt die kurialistische Behauptung eines heilsnotwendigen Papstgehorsams, wie sie zunächst von Prierias und dann in Augsburg von Cajetan vorgetragen wurden, anhand eines Schrift- und eines rechtsinhärenten Widerspruchs. Er weist die kanonrechtlichen Argumente, die die päpstliche Vollmacht in Ablaßfragen deklinieren, zurück, ohne zunächst das Amt des Papstes zu kritisieren. Von daher erfolgt zu diesem Zeitpunkt auch noch keine kritische Auseinandersetzung mit der traditionellen Verflechtung der geistlichen und weltlichen Gewalt in einem Ketzerprozeß und der geistlichen Superiorität, wie sie in der Interdiktsandrohung zum Ausdruck kommt. Im Gegenteil unterwirft Luther sein Schicksal dem weltlichen Schwert des sächsischen Kurfürsten in dem Fall, daß es zu einer Verurteilung seiner Position kommt. Im Sinne der bielschen Distinktion der beiden Gewalten und des überwölbenden Firmaments der Kirche ist hier aber wiederum die potestas des Firmaments über die Gewalten, wie sie die Kurie verstand, bestritten.
3 . 3 D i e Leipziger D i s p u t a t i o n ü b e r die historischen B e d i n g u n g e n u n d T r a d i t i o n e n der päpstlichen Vollgewalt Nach Luthers Konzilsappellation und der Auseinandersetzung zwischen ihm und Johannes E c k kommt es in Leipzig zur Disputation über die plenitudo potestatis papae und ihre Rechtmäßigkeit. Die Auseinandersetzung mit der Scholastik erfolgte bereits in der Heidelberger Disputation 1518. A u f die Disputation wird hier aber nicht näher eingegangen, weil die Frage des Ablasses und der päpstlichen Gewalt nicht Gegenstand war. Andreas Karlstadt gab mit seinen 4 0 6 Apologeticae conclusiones vom 0 9 . 0 5 . 1518, die die These von der Unfähigkeit des menschlichen Willens zum Guten und von der Passivität des Menschen angesichts des göttlichen Gnadengeschenks zum Ausdruck bringen, den Anstoß zu einer Disputation zwischen ihm und Eck, in die im folgenden dann Luther miteingebunden und zum eigentlichen Kontrahenten Ecks werden sollte. 6 "
Vgl. BUBENHEIMER, ULRICH, Consonantia Theologiae et Iurisprudentiae. Andreas B o d e n stein von Karlstadt als T h e o l o g e und Jurist zwischen Scholastik und Reformation, Jus ecclesiasticum 24, Tübingen 1977, 109ff.; DERS., Art. Karlstadt, in: T R E 1 7 , 1 9 8 8 , 6 4 9 - 6 5 7 , besonders 6 5 0 . Zu den Thesen vgl. BARGE, HERMANN, Andreas Bodenstein von Karlstadt, Band 1. Karlstadt und die Anfänge der R e f o r m a t i o n , Leipzig 1905, 117ff. Eine teilweise Edition liegt vor in C C a t h 1,38-45.53-62.73-75.
3. In der Auseinandersetzung
mit Rom
1517—1519
177
3.3.1 Luthers Appellation an ein Konzil als Repräsentanz der Kirche U m tatsächlich den theologischen und juristischen Widerspruch in der Ablaßlehre aufzulösen, verfaßt Luther zwei Appellationen an den Papst.61 Hierbei wird er wiederum von anderen beraten/' 2 Die Appellationen schlagen wieder versöhnlichere Töne an. D i e n o c h in Augsburg am 1 6 . 1 0 . 1 5 1 8 verfaßte erste Appellation, bei deren Abfassung ihn der Jurist D r . A u e r unterstützt 6 3 u n d die am 2 2 . 1 0 . R e c h t s k r a f t erlangte, ist offensichtlich dazu gedacht, Papst L e o X . ü b e r die katastrophalen Zustände i m Verfahren gegen L u t h e r zu i n f o r m i e r e n und eine Zitation nach R o m zu verhindern. D e r Papst, so m e i n t Luther, wisse nicht, daß L u t h e r in der lehramtlich n o c h n i c h t fixierten Ablaßfrage nur Disputationsthesen vorgelegt habe, die n o c h k e i n e n Prozeß e r m ö g l i c h t e n . 6 4
Die danach in Wittenberg am 2 8 . 1 1 . 1518 verfaßte Appellation Luthers richtet sich an ein zu haltendes Konzil, daß über den Streit entscheiden soll. Luther hat zwischenzeitlich von einem Schreiben Cajetans an Kurfürst Friedrich erfahren, in dem dieser dem Kurfürsten die Auslieferung Luthers an R o m zum Abschluß des kanonischen Prozesses ans Herz legt. 65 Luther nimmt noch einmal Bezug auf die in Augsburg augenscheinlich gewordene Tatsache, daß die Behauptung der Instructio summaria, der Papst habe Gewalt über das Fegefeuer, wider das kanonische Recht sei. 66 Die sowohl von Prierias als auch von Cajetan behauptete Uberordnung des Papstes über ein Konzil, die gesamte Kirche und auch die Schrift wird von Luther als Verführungsversuch dieser Theologen und als schriftwidrig zurückgewiesen (39,29—32). Luther appelliert an das Konzil, das in rechtmäßiger Versammlung die katholische Kirche repräsentiere und in Glaubensfragen über dem Papst sei (36,26—28). Der Papst sei Statthalter Christi auf Erden, zugleich aber ein Mensch und damit irrtumsfähig. 67 Mit dieser zweiten Appellation knüpft Luther an die spätmittelalterlich-konziliaristische Tradition an. Ähnlich wie in der Erklärung über die Unabhängigkeit des allgemeinen Konzils vom Papst 1415 wird eine plenitudo potestatis papae, aus der alle weitere Gewalt in der Kirche resultiert, zurückgewiesen. Luther geht mit dieser Appellation über seinen Widerspruch gegen das kanonistische Recht in der Ablaßfrage hinaus und greift zur Klärung des Ablaßstreites die Papstautorität selbst an, indem er das Konzil als das Leitungsorgan der Kirche
61 62 63
Vgl. LOHSE, Theologie 1 3 2 - 1 3 4 ; W A 2 , 2 7 - 4 0 ; ebenso C C a t h 4 2 , 1 1 6 - 1 2 6 ; 2 1 5 - 2 2 7 . Vgl. Luthers B r i e f an Cajetan vom 1 8 . 1 0 . 1518; W A . B 1, Nr. 104, 2 2 2 - 2 2 4 , hier 2 2 3 , 1 7 f f . V g l . BRECHT
l,248f.
W A 2,30,5—9. Genauso weiß der Papst nicht um die Zustände des tatsächlichen Ablaßverkaufes, der angeblich direkt die Gnade Gottes bringe (ebd., 29,26—28). 6 5 Vgl. C C a t h 42,126—131; W A 2,39,13fF. Friedrich weist das allerdings in seiner Antwort zurück (CCath 4 2 , 1 3 1 - 1 3 3 ) . 6 6 W A 2,37,36—38,1. Die kanonrechtliche Bestimmung findet sich C l e m . 5.9.2. de poenitentiis et remissionibus (FRIEDBERG II, 1190f.). 6 7 W A 2 , 3 7 , 8 - 1 1 . Als Beleg führt Luther erneut Gal 2 , 1 4 an. 64
178
Zweiter Teil: Martin Luthers
Zuvi-Rciche-Lehre
bezeichnet und dem Papst Fehlbarkeit zuspricht. Das Kirchenfirmament Gabriel Biels, das kurialistisch als Papstgewalt mißverstanden werden konnte, wird von Luther hier als Konzilsgewalt gedeutet. Der Papst ist nach diesem Verständnis, wie beispielsweise bei Wyclif, nicht mehr oberste Gewalt in Glaubensfragen, sondern als Statthalter Christi nur noch Lenker der ecclesia militans. Ein kurialistischer Leser kann in der Appellation den Versuch eines Angriffs auf die plenitudo potestatis erblicken, da die Identifikation des Papstes mit der Kirche auf dem Spiel stand. 3 . 3 . 2 D i e »böhmische Ketzerei« und die Ursprünglichkeit des Papstprimats Johannes Ecks Obelisci versuchen in Entgegnung zu Luthers Asterisci, die Behauptungen Luthers im Ablaßstreit in die Nähe der hussitisch-böhmischen Abirrung von der römischen Kirche zu rücken. 6 8 Dieser Versuch war zum einen gegen Luthers Laienkelchforderung gerichtet, da hier der Böhmenvorwurfais Signal für Ketzerei galt. Z u m anderen hatte Hus die wyclifsche Ablaßkritik wirksam fortgeführt und gleichzeitig die päpstliche potestas auf die ecclesia militans beschränkt. Luthers These, der Papst könne nur für die von ihm selbst auferlegten Strafen einen Ablaß gewähren, weil sich seine potestas nur auf den innerweltlichen Bereich der Kirche erstrecke, entspricht bis zu diesem Zeitpunkt den böhmischen Forderungen in Grundzügen. Daß die Papalisten Luthers Ablaßkritik also in dieser Linie verstehen, ist nicht verwunderlich. 69 Johann Eck stellt für die Leipziger Disputation 13 Thesen auf. 7 " Hinsichtlich der Papstgewalt verteidigte er die Geltung der Stellvertreterlehre von Anbeginn der Kirche, um die Gewalt des Papstes über den Sündenerlaß zu bewahren: 71 Romanam nonfuisse superiorem aliis ecclesiis ante tempora Sylvestri negamus, sed eum, qui sedem beatissimi Petri habuit etfidem, successorem Petri et vicarium Christi generalem semper agnovimus (209,41—210,2). Diese Verteidigung erfolgte nicht im (von 68
V g l . z u r V o r g e s c h i c h t e LOHSE, T h e o l o g i e
1 3 4 - 1 3 8 ; SELCE, KURT-VICTOR, D e r W e g z u r
Leipziger Disputation zwischen Luther und Eck im Jahr 1519, in: Bleibendes im Wandel der K i r c h e n g e s c h i c h t e . K i r c h e n h i s t o r i s c h e S t u d i e n , h g . v. B E R N D M O E L L E R u n d G E R H A R D R U H B A C H ,
Tü-
bingen 1973, 169—210 ( = Weg). Vgl. zu den Obelisci und dem Weg in die Hände Luthers zwischen dem 0 5 . 0 3 . und 2 3 . 0 3 . 1518 sowie zu den Asterisci C C a t h 41,378fF. Die Edition der Schriften erfolgt in C C a t h 4 1 , 4 0 1 - 4 4 7 . Z u m »böhmischen Virus« vgl. LOHSE, Theologie 120; C C a t h 4 1 , 4 3 1 . Vgl. Luthers B r i e f an Johannes Sylvius Egranus vom 2 4 . 0 3 . 1518 ( W A . B l , N r . 6 5 , 157—159, hier 158,18ff.). 6 ' ; Z u m B ö h m e n - V o r w u r f vgl. unten S. 187. Vgl. DELIUS, WALTER, Luther und Huß, in: LuJ 38, 1971, 9 - 2 5 , hier besonders 12. 7,1 Ursprünglich waren es 12 Thesen, aber er verfaßte eine zusätzliche, gegen Karlstadt gerichtete siebte These, um nicht den Eindruck zu erwecken, er richte sich nur gegen Luther. 71 Die elfte (später zwölfte) These brachte die bereits bekannte Behauptung der päpstlichen Gewalt über den Sünden-und Straferlaß gegen Luthers Bestreitung zum Ausdruck (WA 9,209,36— 40; alle Thesen ebd., 2 0 8 , 3 0 - 2 1 0 , 5 ) .
3. In der Auseinandersetzung mit Rom
1517—1519
179
Luther in seiner 22. These bemühten) Rückgriff auf Gregor I., sondern auf Silvester I., womit er Luther unterstellte, dieser habe ähnlich wie seinerzeit die böhmischen Ketzer den Abfall der Römischen Kirche unter Silvester und Konstantin behauptet. 72 Mit dem Bezug auf die Silversterlegende, nach der der Kaiser aus Dankbarkeit für das heilende Bad des Papstes diesem die gesamte weltliche Gewalt überließ, die ihm wiederum von dem Papst zur Ausführung, aber nicht als Besitz überlassen wurde, geht Eck noch einen Schritt weiter. Während gemäßigte Autoren mit Hilfe dieser Legende die Gleichursprünglichkeit der Gewalten mit dem päpstlichen Einfluß auf die Temporalien in Einklang bringen wollten, 73 behauptet Eck hier, daß die päpstliche Superiorität auch schon vor der Ubereignung an Silvester bestand. Damit besteht keine Möglichkeit einer Gleichursprünglichkeit, da Eck auf die kurialistische Behauptung der generellen Ubergabe des weltlichen Schwertes aus der potestas des Papstes abzielt. Zunächst intendiert Eck wohl den Beweis für den weitreichenden Umfang der päpstlichen Gewalt, bringt mit dieser These aber das Verhältnis zur weltlichen Gewalt ins Spiel. 3.3.3 Luther u n d die plenitudo potestatis papae i m kanonischen R e c h t In seiner 13. These rekurriert Luther zunächst nur auf die potestas papae. Die Stellvertreterlehre gelte nur nach dem 400jährigem päpstlichen Dekretalenrecht, so Luther, gegen welches die 1100jährige Tradition, die Schrift und das Nizänische Konzil stünden. 74 Luthers Beschäftigung mit dem kanonischen Recht zur Gewaltenfrage im R a h m e n des Cajetanverhörs führte auf die in dieser These vorgetragene Alternative. In der Erläuterung seiner These zur Papstgewalt folgt nun aber die ausfuhrliche Widerlegung der Rechtssätze, die die päpstliche plenitudo potestatis über ihren schriftgemäßen Umfang hinaus b e l e g e n s o l l e n . D i e Resolutio
Lutheriana
superpropositione
sua deeima tertia de pote-
state papae wurde am 27.06. 1519, also noch vor Beginn der Leipziger Disputation gedruckt und lag zur Disputation offensichtlich bereits vor. 73 Die systematisch entwickelte Auffassung über das Papsttum konzentriert sich nicht auf dessen Behauptung oder Leugnung, sondern setzt sich mit der strittigen Begründung der päpstlichen Vollgewalt auseinander (185,14—16). Das Vorhandensein einer päpstlichen Gewalt erkennt Luther an. Mittels eines Vergleichs mit der weltlichen Gewalt untersucht er nun aber die Art und Weise des geforderten Gehorsams gegenüber dem Papsttum. Der Christ ist angesichts des Willens Gottes und dessen Einrichtung der Welt gemäß R o m 13,1.4; 1. Petr 2,13f. zum Gehorsam gegenüber der weltlichen Gewalt aufgerufen (186,4—187,31). 72
V g l . h i e r z u SELGE, W e g
73
Vgl. hierzu u.a. die Reformatio Sigismundi. WA 2,161,35-39; die gesamten Thesen siehe ebd., 160f. WA 2,(180)183-240. Vgl. hierzu LOHSE, Theologie 135-138.
74 75
186-188.
180
Zweiter Teil: Martin Luthers
Zwei-Reiche-Lehre
Nicht entscheidend ist hierbei die Ausübung von R e c h t oder U n r e c h t durch eine Obrigkeit, sondern allein deren göttliche Herkunft, auch wenn sie sich als Ausdruck des göttlichen Zorns darstellen sollte. Das entspricht seinen Ausführungen in der Römerbriefvorlesung 1 5 1 5 / 1 6 . N e u ist nun der Erduldungsaspekt. D e r Christ erträgt die Welt und ihre Ordnung gemäß der Forderung der Bergpredigt (Mt 5 , 2 5 . 4 1 ) . Hierzu gehört nun auch das Papsttum, da es sich u m eine menschlich beschlossene Ordnung handelt, die sich in Ubereinstimmung mit dem göttlichen Willen befindet (187,11—14). Das Papsttum wird in dieser Welt also nicht mehr biblisch begründet, sondern innerweltlich-organisatorisch
verstanden.
Die
beiden
biblischen
Kardinalbelege
der
päpstlichen
Begründung der plenitudo potestatis, M t 1 6 , 1 8 f . u n d j o h 21,15ff., beziehen sich nurmehr auf den Dienst der Kirche in Predigt und Unterweisung. Nach der Auslegung des Hieronymus handelt es sich bei M t 16,18f. nicht um die Einsetzung eines Stellvertreters, der die Schlüssel verwaltet, sondern um eine Verheißung, die zudem durch die Person eines Jüngers j e d e m Christen gesagt wurde (188,19ff.).
Die Verheißung der Schlüssel entspricht
der
prototypischen
Zurechnung der Gerechtigkeit im Glauben an Abraham (gemäß R o m 4; Gal 3) (192,30—193,16). Parallel wird auch das päpstliche Verständnis des pasce oves meas (Joh 21,17) eingeschränkt. Die Beauftragung des Petrus betrifft nicht eine Gewaltübertragung, sondern nur seine Sendung zu der judenchristlichen Gemeinde im Unterschied zur paulinischen Heidenmission gemäß Gal 2,7 (195,3—11). D i e kurialistischerseits mit der Gewaltübertragung unterstellte jurisdiktionelle Auslegung des Begriffs pascere weist Luther zurück, weil hier Predigt und Lehre des Gotteswortes gemeint sind. 76 Weil das gegenwärtige Papsttum J o h 21 und M t 16 falsch versteht, ist seit Gregor dem Großen kein wirklicher Hirte mehr in der römischen Kirche gewesen. 7 7 Luther hat die innerweltliche Parallelstruktur der weltlichen und geistlichen Gewalt und den ihnen gegenüber von dem Christen geforderten Gehorsam, der von dem Erduldungsaspekt begleitet wird, gekennzeichnet. Nach der Darlegung der Schriftgründe, die gegen die päpstliche Vollmachtsbehauptung stehen, untersucht er die kanonistischen Dekrete, die diese potestas begründen sollen. Vor der Analyse der Resolutiones
m u ß ein B l i c k a u f Luthers bisherige Beschäftigung m i t d e m
k a n o n i s c h e n R e c h t geworfen werden. In den O b e l i s c i u n d Asterisci hatte das k a n o n i s c h e R e c h t n o c h keine R o l l e gespielt. Aus der Auseinandersetzung zwischen Karlstadt u n d E c k 7 6 W A 2,195,19—22. Vielmehr ist der Weideauftrag J o h 21 angesichts der vorausliegenden B e stätigung der Liebe gegenüber Christus zu verstehen (ebd., 29fF.), so daß dieser Text mehr als E r mahnung der Hirten zur Liebe Christi verstanden werden soll: Rectius ergofacies, si hoc verbum Christi accipias pro exhortatione, immo praecepto non quo oves ad subiectionem sed quo pastores ad diligendum Christum et pascendum populum astringantur (ebd., 196,5—7). Z u r jurisdiktionellen Lesart von pascere vgl. die Bulle LJnam sanctam. 1 1 Ebd., 197,30—32. Zu den mittelalterlichen Traditionslinien der Deutung des Felsens als Petrus, Glauben oder Christus vgl. FRÖHLICH, KARLFRIED, Formen der Auslegung von Matthäus 16,13—18 im lateinischen Mittelalter, Tübingen 1963 (Diss.masch.).
3. In der Auseinandersetzung
mit Rom
1517-1519
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s t a m m e n sie ebenfalls n i c h t . 7 8 D i e T h e s e n zur Vorbereitung der Leipziger D i s p u t a t i o n g e b e n g e n a u s o keine H i n w e i s e auf das k a n o n i s c h e R e c h t . U m g e g e n ü b e r C a j e t a n seine T h e s e zu u n t e r s t ü t z e n , daß das k a n o n i s c h e R e c h t d e m biblischen Verständnis des o b e r s t e n L e i t u n g s organs der C h r i s t e n h e i t w i d e r s p r i c h t , hatte Luther, d u r c h j u r i s t i s c h e n Beistand unterstützt, das k a n o n i s c h e R e c h t u n t e r s u c h t . D i e Resolutiones h i n g e g e n e n t h a l t e n eine detaillierte W i d e r l e g u n g der b e t r e f f e n d e n Rechtssätze. L u t h e r sieht die N o t w e n d i g k e i t , n u n g e g e n d e n Papst selbst v o r z u g e h e n . 7 9 Was w i r d der d u r c h d e n Ablaßstreit a n g e g r i f f e n e Papst t u n , w e n n die D e k r e t e »ihren Geist aushauchen«? 8 " E r will die potestas Summi Pontificis w o h l erhalten, n i c h t aber corruptelae Scripturae sanctae d u l d e n . 8 1 L u t h e r zeigt sich g e w i ß , daß er die iura et usus Romanas in Leipzig w i d e r l e g e n k a n n . 8 2 N u r w e g e n der R e c h t s k o d i f i z i e r u n g u n t e r G r e g o r IX., B o n i f a z VIII. u n d C l e m e n s V. k o n n t e das k a n o n i s c h e R e c h t ü b e r d a u e r n u n d die päpstliche Tyrannei b e f e s t i g e n . 8 3 A u f die spätmittelalterlichen Versuche zur W i e d e r v e r e i n i g u n g der a b e n d - u n d m o r g e n l ä n d i s c h e n Kirche n i m m t L u t h e r in diesem Z u s a m m e n h a n g B e z u g , u m das konziliaristische A r g u m e n t aufzugreifen, daß bereits die Existenz der b e i d e n K i r c h e n d e n P a p s t p r i m a t relativiere, weil der Papst n u r R e p r ä s e n t a n t einer der K i r c h e n sei. 8 4 D i e D e k r e t e n e n n t Lutherfrigidissima, weil sie aus d e n biblischen B e l e g e n , die n u r v o m G l a u b e n u n d v o m W e i d e n r e d e n , eine päpstliche O b e r h e r r s c h a f t b e g r ü n d e n w o l l e n . 8 5 E n t s p r e c h e n d der B e g r e n z u n g der päpstlichen Vollmacht r e c h n e t L u t h e r das P a p s t t u m u n t e r die res neutrales w i e R e i c h t u m o d e r G e s u n d h e i t . 8 6 Spalatin b e r i c h t e t er v o n der U n t e r s u c h u n g der D e k r e t e , die i h n zu der Ü b e r z e u g u n g b r i n g e , daß der Papst der Antichrist sei. 8 7 In Annotationes in decreta, die er an Spalatin schicken will, soll diese U b e r z e u g u n g d u r c h d e n N a c h w e i s u n t e r m a u e r t w e r d e n , w i e der Papst eine G e w a l t h e r r s c h a f t an sich gerissen h a b e . 8 8 D i e 13. T h e s e g e g e n E c k stelle eine geeignete G r u n d l a g e dar, die I r r t ü m e r der Dekretalen aufzuarbeiten.89 In d e n F r ü h j a h r s m o n a t e n 1519 ist L u t h e r genötigt, sich m i t H i l f e der J u r i s t e n ein Bild v o n d e m A u s m a ß der S c h r i f t w i d r i g k e i t des k a n o n i s c h e n R e c h t s zu verschaffen. Seine W i d e r l e g u n g ist eigentlich n i c h t g e g e n das geistliche R e c h t gerichtet, s o n d e r n es geht u m d e n N a c h weis, daß das geistliche R e c h t g e g e n G o t t e s G e b o t strebt. 9 0 L u t h e r u n t e r s c h e i d e t n u n z w i schen d e m G e b o t G o t t e s u n d d e n R e c h t s s ä t z e n der Kirche: » D r u m b sag ich n o c h , M a n sol beyderley g e p o t halten, d o c h m i t g r o ß e m vleys u n t e r scheyden. D a n o b s c h o n keyn g e p o t der k i r c h e n were, k u n d m a n d o c h w o l f r u m seyn d u r c h gottis g e p o t . W a n aber gottis g e p o t n a c h bleybt, ß o ist der k i r c h e n g e p o t nit anders, dan eyn schedlicher schand deckel« ( 7 1 , 2 1 - 2 4 ) . D i e Frage n a c h der ä u ß e r l i c h e n potestas der K i r c h e weist L u t h e r als »heilsunnot-
78 Das gilt für die 406 Thesen Karlstadts (siehe oben S. 170), sowie für Ecks E r w i d e r u n g auf Karlstadts Thesen, der Defensio (CCath 1,35—83) und Karlstadts darauffolgende Defensio von 1518 (ed. LÖSCHER, VALENTIN ERNST, Vollständige Reformations-Acta u n d D o c u m e n t a , Band 2, Leipzig 1720, 108-170; deutsch W 2 18,633-711). 79 WA.B 1, Nr. 153, 3 4 5 - 3 4 7 an Christoph Scheurl vom 20.02. 1519, hier 346,17f. 80 WA.B 1, Nr. 154, 347f. an Willibald Pirckheimer vom 20.02. 1519, hier 348,17f. 81 Ebd., 348,20-22. 82 WA.B 1, Nr. 152, 3 4 3 - 3 4 5 an Staupitz vom 20.02. 1519, hier 3 4 4 , 2 7 - 2 9 . 83 WA.B 1, Nr. 157, 3 5 2 - 3 5 5 an Spalatin vom 24.(?)02.1519, hier 353,28-35. 84 Ebd., 353,36-40. 85 Ebd., 354,58-60. 86 Ebd., 354,69f. 87 WA.B 1, Nr. 161, 3 5 8 - 3 6 1 an Spalatin vom 13.03. 1519, hier 3 5 9 , 2 8 - 3 2 . 88 Ebd., 359,32—360,35. Ein Exemplar der Annotationes in decreta ist leider nicht erhalten. 89 WA.B 1, Nr. 167, 3 6 8 - 3 7 2 an Johann Lang vom 13.04. 1519, hier 369,30-33. 90 Vgl. Luthers Unterricht auf etliche Artikel, die ihm von seinen A b g ö n n e r n aufgelegt u n d zugemessen werden (Februar 1519; WA 2,(66)69—73, hier 71,8—11).
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Zweiter Teil: Martin Luthers
Zwei-Reiche-Lehre
wendig« z u r ü c k : »Was aber die gewalt u n d ubirkeit R ö m i s c h e s stuels v o r m a g , u n d w i e f e r n e sich dieselb streckt, laß die gelerten a u ß f e c h t e n , dan daran der seelen selickeyt gar nichts g e l e gen, u n d C h r i s t u s seyne kirche nit auff die eußerliche, scheynbare gewalt u n n d ubirkeyt adder eynige zeitliche d i n g k , die der weit u n d w e l t l i c h e n gelaßen ist, s u n d e r y n die y n w e n dige lieb, d e m u t u n n d eynickeyt gesetzt u n d g e g r ü n d e t hatt« (73,6—11). L u t h e r geht es hier u m d e n Ausschluß der Heilsfrage angesichts der ä u ß e r e n Kirche. Diese B e t o n u n g steht in einer S p a n n u n g zu der Tatsache, daß in der ä u ß e r e n K i r c h e ein D i e n s t a m E v a n g e l i u m geleistet w i r d . 9 1
D i e zuletzt zitierte Aussage Luthers zeigt den Dissens, in den er sich zur kurialistischen Vorstellung der kirchlichen potestas begeben hat. Legte m a n Gabriel Biels F i r m a m e n t zugrunde, so verstand das Papsttum dieses durch Traditionsu n d Rechtsbeweise als über den beiden Gewalten stehend. Luther identifizierte das Firmament, bei Biel die »Kirche«, mit Christus u n d d e m Glauben an ihn. Aus diesem Verständnis heraus expliziert er den Gegensatz in einer Analyse der kanonischen Rechtssätze, die sich in dieser Zusammenstellung im wesentlichen auch in Biels Expositio finden lassen, genauer D. 19 c.7 Ita dominus noster, D. 21 c.2 In novo, D. 22 c.l Omnes, D. 22 c.2 Sacrosancta u n d X 1.33.6 Solitae.92 H i n z u k o m m e n Sätze aus den Distinktionen 19—22, sowie D. 99 c.3 u n d die Dekretale Significasti (X 1.6.4). 93 Das D e k r e t Ita dominus noster (D. 19 c. 7) konzentriert die Verkündigung der Apostel auf die Person des Petrus, damit von i h m als H a u p t die Gaben in den ganzen Leib ausgehen sollen. An der N ä h e oder Ferne zur petrinischen Verk ü n d i g u n g ist auch eine etwaige A b w e i c h u n g v o m göttlichen Geheimnis ablesbar. Das K r i t e r i u m für die Richtigkeit oder Falschheit der Konzentration auf Petrus ist aber nach Luther das Verständnis desfundamentum Petri: sofern d a r u n ter der Glaube verstanden wird (petra = Glaube), so zeigt die N ä h e zu Petrus tatsächlich die Teilhabe am göttlichen Geheimnis an. D i e römische Kirche versteht darunter allerdings ihren Jurisdiktionsprimat u n d mißbraucht so den biblischen Text (198,16—18). Historisch verweist Luther auf die morgenländische Kirche, die o h n e Papstgehorsam gar nicht des göttlichen Heils teilhaftig werden könnte. 9 4 De libellis (D. 20 c. 1) präzisiert die Vorstellung der römischen Kirche von der Heilsnotwendigkeit der kanonistischen B e s t i m m u n g e n : wer diese nicht befolgt, steht nicht m e h r auf d e m B o d e n des apostolischen Glaubens (199,35—40). A u c h hier widerlegt Luther die Heilsnotwendigkeit mit d e m Verweis auf die abweichenden Gesetze der Ostkirche (200,5f.). 91 Z u r genaueren Unterscheidung des Priestertums aller Gläubigen und d e m A m t in der Kirche unten S. 201. 92 Vgl. Lectiones 1 D; 3 G; 22 F; 23 I.M.P. Q (ed. O B E R M A N I,12.28.200f.215.219.221f.). Z u Solitae vgl. erst die Erweiterung der Resolutio, unten S. 190f. 93 Ebd., 212,3-216,30. 94 WA 2,199,30ff. Auch Stephanus stand in soüditate Petri, bevor die römische Kirche entstand (WA 2, 198,19-21).
3. In der Auseinandersetzung
mit Rom
i517—15i9
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Cleros (D. 21 c. 1), worin der Papst als princeps der Priester und aufgrund seiner früheren Herrschaft auch in weltlichen Dingen als Kaiser bezeichnet wird (200,10—16), widerlegt Luther mit dem Verweis auf D. 99 c. 3 Primae, worin ausdrücklich die Anrede des Papstes als princeps verboten und die Bezeichnung des Papstes als universalis abgelehnt wird. 93 Dieser Widerspruch unterstreicht nach Luther die Tatsache der menschlichen, nicht-göttlichen Ordnung, die für das Papsttum gilt (200,26—201,1). Der gegen diesen Widerspruch eingeführte Einwand, letztere Distinktionen hätten durch das Gewohnheitsrecht ihre Gültigkeit verloren, bestätigt für Luther nur die Gültigkeit menschlichen Rechts für den Papst (201,35-37). In novo (D. 21 c. 2) bestätigt die päpstliche Würde aufgrund der Erstübertragung an Petrus Mt 16,18 (202,4—6). Luther kann diese Aussage nur billigen, wenn damit der Anfang der priesterlichen Würde in der lateinischen Kirche, nicht aber, wenn damit die Herkunft des Priesterstandes von R o m gemeint sein soll (207,7-13). Quamvis (D. 21 c. 3) behauptet ebenfalls die Uberordnung der römischen Kirche über die anderen durch das Wort Christi Mt 16,18f. und nicht etwa durch Konzilsbeschlüsse (202,14—17). Luther widerlegt diese Stelle neben dem erneuten Verweis auf D. 99 c. 3 und die Selbständigkeit der Ostkirche durch die präzise Auslegung von Mt 16: Christus sagte nicht »Du bist der Erste«, sondern »Du bist Petrus« (202,18-29). Inferior (D. 21 c. 4) stellt anhand der Analogie von Mensch und Werkzeug — letzteres wird von dem Menschen geführt und kann sich nicht selbständig gegen ihn erheben — die Behauptung auf, die höhere Gewalt sei von einer niederen nicht richtbar. 96 Nach Luther heißt diese Analogie aber, aus dem Papst einen Gott zu machen. 97 Das wohl auf Nikolaus II. zurückgehende Dekret D. 22 c. 1 Omnes behauptet ebenfalls die Einsetzung aller kirchlichen Gewalt aus der römischen Kirche, welche selbst in Petrus durch das Wort Christi begründet wurde. Die im Verständnis des Dekrets an den Papst übergehende Schlüsselgewalt beinhaltet nicht nur die Gewalt über das himmlische, sondern auch das irdische Reich, wogegen Luther betont, daß Christus Herr über Himmel und Erde ist, zugleich aber der Papst nun mehr Gewalt hat als Christus je hatte, da dieser sagte, daß sein Reich nicht von dieser Welt sei (205,13—20). Luther erkennt den Zusammenhang der kurialistischen Stellvertreterlehre mit der Behauptung der plenitudo potestatis papae in temporalibus. Damit verbunden ist die Verschiebung des Glau^ Primae sedis episcopus non appelleturprinceps saeerdotum [...; w e i t e r i m z w e i t e n Teil:] Universalis autem nec etiam Romanus Pontifex appelletur (FRIEDBERG I, 3 5 0 f . ; bei L u t h e r W A 2,200,21—24). % W A 2 , 2 0 3 , 1 5 . G e n a u diese M e n s c h - W e r k z e u g - A n a l o g i e ist aus d e n kurialistischen S c h r i f t e n u m 1302 b e k a n n t (vgl. h i e r z u A e g i d i u s R o m a n u s ) . 97 W A 2 , 2 0 3 , 2 2 . Vgl. h i e r z u a b e r die Kurialisten M i t t e des 14. J h d s . , b e s o n d e r s A u g u s t i n u s T r i u m p h u s u n d Alvarus Pelagius.
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Zweiter
Teil: Martin Luthers
Zwei-Reiche-Lehre
bensbegriffs zugunsten eines Gewaltbegriffs: das römische Vorrecht der Begründung auf den »Fels des Glaubens« manifestiert sich im Sinne des Dekrets in der irdischen Oberhoheit, wobei der Glaube in Wirklichkeit allen Kirchen und dem einzelnen Christen zugehört und nicht das Privileg der römischen Kirche ist, so daß das Dekret sich nach Luther selbst widerlegt (207,1—19). Nach Omnes behauptet auch das Dekret Sacrosancta (D. 22 c. 2), daß der Papst die Oberhoheit von Gott selbst durch Christus und nicht durch Vereinbarung der Apostel erhalten habe (207,35). Luther widerlegt diese Deutung wie bei Ita dominus noster m i t d e m H i n w e i s auf das Verständnis des fundamentum
als G l a u b e
oder Gewalt, wobei in beiden Fällen der Kirche nichts eigenes bleiben kann, sondern Christus Glaube oder Gewalt durch die Ubergabe der Schlüssel an jede Teilkirche übereignen will (207,37-208,13). Gemäß Mt 16,18f. räumt Luther der römischen Kirche noch einen Ehrenvorrang ein, wohingegen von einem Gewaltvorrang keine R e d e sein kann (209,25-34). Im dritten Teil der Resolutio widerlegt Luther die behauptete päpstliche Vollgewalt mit der Schrift und Vernunftgründen. Er erklärt die Bedeutung der »400 Jahre« aus seiner dreizehnten Disputationsthese: Der kurialistische Versuch, mit juristischen Mitteln eine plenitudo potestatis zu begründen, beginnt mit der Rechtskodifizierung seit Gregor IX. Verbunden mit der »Verrechtlichung« der Kirche ist ihre »Verweltlichung«, die in der fiskalistischen Palette von Dispensationen über Beichtbriefe und Amterkauf bis zu den Pallien und Annaten reicht (226,3—16). Der aufgrund der weltlichen Verfaßtheit der äußeren Kirche nur innerweltlich-organisatorisch eingeräumte Vorrang des Papstes muß nun aufgehoben werden, wenn dieser sich zum Schaden der Kirche verhält (230,21—25). Zugleich zeigt sich hier die bereits in den Anfängen der Gravamina-Bewegung kritisierte Verwobenheit des päpstlichen Fiskalismus mit seiner weltlichen Gewaltanmaßung. Die Auslegung des fundamentum Petri zeigt die Divergenz zwischen der päpstlichen Kirche und Luther. Für Luther, der mit dem Fundament den Glauben bezeichnet, der allen Christen eignet und so die päpstliche Gewalt auf die innerweltliche Hierarchie beschränkt, zeigt die unterschiedliche Auslegung der Schrift ein Mißverhältnis von Schrift und päpstlichem Recht. Letzteres behauptet die Vollgewalt der Papstes. Die Schrift soll diese Behauptung verifizieren und wird zugleich durch das kanonische Recht interpretiert. Das in der Verhältnisbestimmung Gabriel Biels als Papstamt auslegbare Firmament ist als schriftgemäß widerlegt. Die entscheidende Frage in Leipzig muß demzufolge die nach der göttlichen oder menschlichen Legitimität des Papsttums sein.
3. In der Auseinandersetzung
mit Rom
1517—1519
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3 . 3 . 4 Ist der Papst iure divino oder iure humano legitimiert? Die Auseinandersetzung um die potestas papae in der Leipziger Disputation 1519 B e v o r Luther gegen E c k über die 13. T h e s e diputierte, kam es a u f Wunsch H e r z o g Barnims von P o m m e r n am 2 9 . 0 6 . zu einer Predigt Luthers über das Tagesevangelium M t 16,13—19, die wegen des großen Zulaufs in Leipzig in der Disputationsaula gehalten werden m u ß t e . 9 8 Hierin benennt Luther die geistliche Gewalt als der Kirche gegebene Tröstung für die angefochtenen Gewissen zur Stärkung des Glaubens: »Es ist war, dy schluessel seind sant Peter geben, aber nicht ym alß seiner Person, ßundern in person der christenlichen kirche, und seind eben mir und dir geben zu trost u n ß e r m gewissen: sanct Peter odder ein priester ist ein diner an den schluesseln, D i e kirch ist die fraw und brawt, der er sol dienen mit der schluessel gewalt, alß wir dann sehen in teglichem prauch, das die sacrament gereicht werden allen, die sie von den pristernn begeren« ( 2 4 8 , 3 3 - 3 8 ) . D i e sakramentale Heilsmittlerschaft der Kirche begründet nicht m e h r die jurisdiktionelle Gewalt des Papstes, sondern der Dienstauftrag der Kirche leitet sich aus d e m Glauben des Einzelnen a b . "
Die Leipziger Disputation begann mit der Auseinandersetzung zwischen Eck und Karlstadt über den freien Willen. 100 Die Disputation über die Papstgewalt' 01 spitzt sich auf die Frage zu, ob der Papst seine Oberherrschaft in der Kirche iure divino besitzt oder nur ein Ehrenvorrang gegenüber anderen Bischöfen besteht. Johann Eck besteht auf der päpstlichen Herrschaft aus göttlichem Recht, womit er die kurialistische Ekklesiologie repristiniert. Zugleich schließt er damit die Kehrseite der göttlich legitimierten Vollgewalt mit ein: deijenige, der dem Primat nicht gehorcht, ist wie beim Ungehorsam gegenüber Gott non de caelo.U)2 Flankiert wird die Behauptung durch den Hinweis auf die Analogie der irdischen und himmlischen Hierarchie nach Dionysius Areopagita." 13 Martin Luther besteht auf Christus als dem Haupt auch der irdischen Kirche (437,131 f.). Die irdische Hierarchie bleibt nach Luther in der Herrschaftsfrage unberührt (438,162—164). Nach Hieronymus besteht die Herrschaft lediglich iure humano. Er spricht von einer Herrschaft, die der Kirche zur Ordnung »gegeben wird«. Das Futur kann also kein göttliches und somit ewiges, sondern nur ein menschliches, zeitliches Recht meinen (439,198—205). Gal 1,18; 2,1 beweist ebenfalls die Ordnung iure humano, weil Petrus mindestens achtzehn Jahre in Jerusalem weilte und in dieser Zeit bereits die Kirche, noch nicht aber die römische Kirche bestand (462,920—929). Es besteht nach Luther zwar ein Ehrenvorrang des römischen Bischofs vor den anderen gemäß der Ehre Petri 9 8 SELGE, Weg 204; die im Druck in ihren Aussagen vermutlich abgeschwächte Predigt findet sich W A 2 , 2 4 6 - 2 4 9 . 9 9 Eck wird in der Disputation auf diese Predigt Bezug nehmen (WA 59,470,1186). 11111 Vgl. hierzu SELGE, Weg 202f. 1111 Eck benannte Luthers 13. These als eigentlichen Auslöser der Disputation (WA 59,435,67ff.; vgl. ebd., 440,244). 1112 WA 5 9 , 4 3 5 , 7 2 f . 7 9 - 8 1 . I " :i W A 59,435,81 ff. Vgl. hierzu u.a. den Traktat von Aegidius Romanus.
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Zweiter Teil: Martin Luthers
Zwei-Reiche-Lehre
(447,458ff.), nicht aber die Heilsnotwendigkeit des Papstgehorsams, da kein göttliches R e c h t vorliegt. 1114 D i e Heilsnotwendigkeit korrespondiert weiter d e m göttlichen R e c h t , nur ist dieses ausschließlich in der Schrift zu finden. Z u ihr müssen Glaubenssätze k o n g r u e n t sein oder durch eine neue, qualifizierte O f f e n b a r u n g hinzutreten. D i e Aufgabe der Kirche u n d des kanonischen R e c h t s ist dabei nicht die Setzung n e u e r Glaubensregeln, sondern die Interpretation der vorhandenen (466,1059—1064). Luther findet seine Ansicht durch Gerson u n d Augustin bestätigt (466,1064ff.). D i e A r g u m e n t e Ecks u n d Luthers weisen d e m kanonischen R e c h t einen unterschiedlichen Standort zu. Bei Eck bestätigt das R e c h t die göttliche Legitim a t i o n des Papstprimats, durch den das kanonische R e c h t selbst geschaffen u n d approbiert wird. D i e Schriftbelege des Primats sind in diesem Licht zu interpretieren, die Schrift ist damit v o m göttlichen R e c h t des Papstes abhängig. Luther hingegen identifiziert das göttliche R e c h t mit der Schrift selbst, so daß das kanonische R e c h t , das Aussagen über eine Primatialfunktion des Papstes trifft, an seiner K o n g r u e n z mit der Schrift zu messen ist. Diese K o n g r u e n z besteht nach Luther nicht. D e r päpstliche Kardinalbeleg M t 16,18 f. bezeichnet mit petra nicht Petrus als den Felsen, sondern den Glauben. D a m i t ist nicht nur der auf Christus ausgerichtete Glaube eines j e d e n M e n s c h e n der Grundstein der Ekklesiologie, sondern Christus selbst. Das in Biels Verhältnisbestimmung die beiden Gewalten ü b e r w ö l b e n d e F i r m a m e n t erfährt hier eine erste »Neufüllung«. D e r Kirchenbegriff wird nicht m e h r durch das Papstamt, sondern den Glauben des Christen, bzw. Christus selbst interpretiert. Mittels dieser Schriftauslegung bewertet Luther die unterschiedlichen, bereits in der Resolutio untersuchten kanonistischen Belege. D i e Diskussion in Leipzig konzentriert sich dabei im wesentlichen auf diejenigen Dekrete, die bereits Biel in seiner Expositio zur Frage der Kirchengewalt angeführt hatte. 1 ( b D i e Glosse zu Ita dominus noster (D. 19 c. 7) bezeugt nach Luther, daß Christus in M t 16,18 f. seine Kirche auf sich selbst u n d den Glauben an ihn gründet, nicht aber auf Petrus. Diese Lesart der Glosse entspricht Augustins Verständnis. 106 Eck kritisiert hieran, daß Luther das D e k r e t selbst nicht gelten läßt, o b w o h l es gegen seine Glosse die Gewaltübertragung an Petrus M t 16,18f. 104 D i e D i s p u t a n t e n b e z i e h e n sich h i e r b e i a u f die V e r u r t e i l u n g , die a u f die A u s e i n a n d e r s e t z u n g Wyclifs u n d H u s ' m i t d i e s e m Satz erfolgte.
'""' D i e T h e s e , d a ß L u t h e r sich bei d e r A u s w a h l d e r k a n o n i s t i s c h e n T e x t e f ü r die Resolutiones an d e r Expositio v o n Biel o r i e n t i e r e u n d dieses »Gerüst« u m Stellen erweitere, die i m Z u s a m m e n h a n g m i t diesen T e x t e n zu f i n d e n seien, w i r d n u n a u c h d a d u r c h gestützt, d a ß es in d e r D i s p u t a t i o n h a u p t s ä c h l i c h u m das k a n o n i s t i s c h e G e r ü s t g e h t . E i n e A u s n a h m e bildet Inferior D. 21 c.4, die v o n L u t h e r k u r z (aber u n g e n a u ) zitiert w i r d : L u t h e r g r e n z t sich g e g e n die B e h a u p t u n g ab, d a ß die potestas d o r t g r o ß sei, w o a u c h die auetoritas g r o ß sei u n d die a n d e r e n g e h o r c h e n m ü ß t e n ( W A 5 9 , 4 4 7 , 4 6 2 - 4 6 4 ) . E c k g e h t d a r a u f n i c h t w e i t e r ein. 1116 Vgl. hierzu A u g u s t i n s Sermo 7 6 , 1 ; PL 3 8 , 4 7 9 . In d i e s e m Verständnis ist die Glosse zu Ita dominus noster zu i n t e r p r e t i e r e n (WA 5 9 , 4 7 6 , 1 3 5 6 f f . ; z u r Glosse siehe e b d . , A n m . 2 6 3 ) .
3. In der Auseinandersetzung mit Rom
187
1517—1519
bezeugt (491,1803-1806). Auch In novo (D. 21 c. 2) belege die Gewaltübertragung, ohne gleichzeitig die Gleichheit aller Apostel abzulehnen (457,785— 790). Luther bestreitet die Herkunft dieses Dekrets von Papst Analectus und damit seine Echtheit. 107 Eck hingegen präzisiert die Gleichheit der Apostel, die sich auf ihr Apostolat bezieht, nicht aber auf di e potestas regiminis et administrationis, die zu dem primatus Petri gehört (503,2168—2175). Luther zeigt Unverständnis für diese Unterscheidung (510,2396fF.). Das iure divino sieht Eck daneben durch Sacrosancta gegeben, das ebenfalls Analectus zugerechnet wird. Auch hier bestreitet Luther die Authentizität. 108 Durch Luthers Ablehnung der Gültigkeit der Dekrete sieht Eck das in der Tat virulente Problem, daß die Gültigkeit des gesamten päpstlichen Rechts auf dem Spiel steht. Eck versucht, die Gültigkeit durch die Konsenstheorie zu untermauern: dieses Recht erhalte seine Legitimität durch die übereinstimmende Annahme der gesamten Christenheit (471,1209—1214). Er verweist hier auf die Verwendung der analectischen Dekrete in der Concordantia des Nikolaus von Kues. 109 Luthers »schlagkräftiges« Dekret, das die interne Widersprüchlichkeit des kanonischen Rechts zeigt, ist D. 99 c. 3 Primae, wonach der Bischof des ersten Stuhls nicht prineeps sacerdotum oder summus sacerdos genannt werden darf. Wenn also die monarchia des Papstes nach göttlichem R e c h t erfolgt sein sollte, so wäre dieser Text ketzerisch und die Autorität des kanonischen Rechts als Beleg göttlichen Rechts zunichte (440,232—237). Eck versucht diese Auslegung mit einer U n t e r s c h e i d u n g z w i s c h e n episcopus
universalis
u n d universalis
ecclesiae episcopus
zu
entkräften. Der erste Titel wird durch das Dekret verboten, weil damit der Bischof als Bischof einer jeden Kirche gemeint sein könnte und den Einzelbischöfen dadurch nicht die ihnen gebührende Ehre erwiesen würde. Der zweite Titel bringt hingegen die Statthalterschaft des Papstes über die gesamte Kirche zum Ausdruck (444,369—379). Luther hält diese Unterscheidung für unsinnig und stellt den Richtern und Zuhörern ein Urteil anheim (449,546—450,556). Die Dekretale Significasti ermöglicht nach Luther einem Privatmann eine höhere Geltung als der Papst, sofern jener sich in seiner Meinung auf ein besseres Argument stützen könne.' 1 0 Eck gesteht ein, daß er momentan nicht um den Inhalt der Dekretale wisse, die Rechtsgelehrten aber aufgrund ihrer Auf-
1117 Ebd., 462,936—940. Es handelt sich in der Tat um einen Text der pseudisidorischen Fälschungen. 1(18 Zu Eck vgl. WA 59,460,869-871; Luthers Behauptung ebd., 465,1028-1031. 109 Ebd., 488,1718f.). Gerade hier geht es aber um die vermutliche Unechtheit der Dekrete (ebd., 488, Anm.348). 110 WA 59,467,1071-1074; vgl. auch ebd., 480,1476ff. Diese Dekretale hatte Luther bereits zuvor in einem Schreiben an den Minoritenkonvent zu Jüterbog vom 15.05. 1519 angeführt, um das Auslegungskriterium für die Schrift festzuschreiben (WA.B 1,387—393, Nr. 174, hier 391,98— 100).
188
Zweiter Teil: Martin Luthers
Zwei-Reiche-Lehre
gäbe als cultores iustitiae dem päpstlichen Recht schon kein Unrecht tun würden (473,1264-1266). I m Z u s a m m e n h a n g mit der Auslegung von J o h 2 1 , 1 7 fragt L u t h e r E c k e r n e u t nach
Signißca-
sti. E c k hatte mit J o h 2 1 , 1 7 den von L u t h e r geforderten S c h r i f t b e l e g für das göttliche R e c h t der Papstoberherrschaft g e g e b e n . 1 1 1 Luther entgegnet dieser Auslegung des pascere als J u r i s diktionsprimat die Bedeutungsvielfalt der W o r t e »lieben« u n d »weiden«: L i e b e als die V e r l e u g n u n g des eigenen V e r m ö g e n s und des vollständigen Vertrauens a u f G o t t flihrt J o h 2 1 , 1 7 z u m W e i d e b e f e h l , der als »lehren, predigen, e r m a h n e n , beten« zu verstehen ist. L u t h e r w e i ß sich hier einig mit A u g u s t i n . 1 1 2 E c k übergeht diese Auslegung als ridicula
expositio,
die
S e h e n d e zu B l i n d e n m a c h e ( 5 0 6 , 2 2 5 4 f . ) . D i e von E c k bestrittene B e d i n g u n g des Liebens in J o h 2 1 , 1 7 fuhrt Luther n u n auch nach Significasti
an, w o Papst Paschalis ebenfalls von einer
B e d i n g u n g s p r i c h t . 1 , 3 H i e r ist sich E c k unsicher in der B e d e u t u n g ; er v e r m u t e t , Paschalis habe das W o r t conditio für qualitas g e n o m m e n ( 5 1 2 , 2 4 4 9 - 2 4 5 2 ) .
Gewisse Exponenten der spätmittelalterlichen Gewaltenauseinandersetzungen werden ebenfalls in der Disputation angeführt. Im Zusammenhang mit D. 99 c. 3 Primae verweist Eck (allerdings zu Unrecht) neben dem Werk De planctu ecclesiae von Alvarus Pelagius und der Summa de ecclesia von Johannes de Torquemada auf Ockhams Dialogus, in dem die Rede von einem episcopus proprius singulis ecclesiis auch vorkomme. 114 Bedeutsamer aber ist Ecks Verweis auf die Bulle Unam sanctam, die die Heilsnotwendigkeit des Papstgehorsams festschreibt. Auch Johannes X X I I . habe die Behauptung des Marsilius von Padua verworfen, Petrus habe keinen Vorrang vor den anderen Aposteln in der Kirche. 1 1 ' Luther entgegnet der Anführung der Bulle von Bonifaz, was es mit diesem Papst auf sich habe, zeige die Geschichte zur Genüge. 116 Mit dem Handeln dieses Papstes, der den französischen König vom Thron stoßen wollte, sei aber noch nicht die Rechtmäßigkeit des Handelns belegt. 117
111 W A 59,486,1677—1679. E c k sieht diese Auslegung bei Gregor, Chrysostomus und anderen bestätigt (ebd., 1679f.); wörtlich bei Gregor: Cura totius ecclesiae etprincipatus Petro committitur, scilicet: Pasee oves meas (ebd., 4 8 7 , 1 6 8 9 f . ) . D e r Papstprimat ist für E c k damit iure divino bewiesen (ebd., 4 9 3 , 1 8 7 1 f.). 1 . 2 W A 5 9 , 4 9 7 , 1 9 9 6 - 4 9 8 , 2 0 0 2 . Luther sieht dieses Verständnis von pascere durch 1. Petr 5,2 b e stätigt (WA 5 9 , 5 0 9 , 2 3 5 6 - 2 3 5 9 ) . 1 . 3 W A 5 9 , 5 0 9 , 2 3 6 4 f r . Luther zitiert dem Protokoll nach die Dekretale nicht wörtlich (vgl. ebd., 5 0 9 , A n m . 5 1 3 ) . 1 . 4 W A 5 9 , 4 5 4 , 6 7 9 - 6 8 4 (vgl. ebd., Anm. 120). In einer zweiten Aufzählung fehlt der Hinweis auf O c k h a m (WA 5 9 , 5 2 4 , 2 8 2 7 f . ) . 115 W A 5 9 , 4 6 1 , 8 8 8 - 8 9 4 . Das Bekenntnis zur Herrschaft Petri in der Kirche aus göttlichem R e c h t sieht Eck dabei seit den Anfängen der Kirche gegeben (ebd., 461,894ff.). 1 1 6 Luther erwähnt zunächst Bonifaz VIII. als den Papst, der Wyclif und Hus verdammt habe — in diesem Zusammenhang vielleicht sachlich, wenn auch nicht historisch zutreffend (WA 59,466,1041f.). 117 W A 59,496,1946—1949. Luther entnimmt diese Kenntnis vermutlich der Schrift De vita et morihus summorumpontißeium historia des Bartholomäus Sacchi (genannt Piatina), die erstmals 1479 gedruckt wurde (vgl. hierzu DELIUS, Historische Quellen 98ff., besonders 101).
3. In der Auseinandersetzung
mit Rom
1517—1519
189
Die Frage, ob das Papsttum iure divino oder iure humano legitimiert ist, entscheidet sich an der Deutung von Mt 16,18f. Wenn der Fels der Glaube ist, dann ist Christus das Haupt der Kirche, nach Luther auch der innerweltlichen. Das kanonische Recht kann gegenüber diesem Zusammenhang nur eine abgeleitete Autorität besitzen, insofern es mit der Schrift übereinstimmt. In den canones zur Papstgewalt ist dies nach Luther allerdings nicht der Fall. Im Gegenteil zeigt für Luther die historische Entwicklung, die besonders durch Bonifaz VIII. u n d j o h a n n e s XXII. geprägt wurde, daß das Papsttum ein Interesse daran hat, der Schrift nur eine aus dem kanonischen Recht abzuleitende Autorität beizumessen, um die selbst aufgestellte päpstliche Vollmacht im päpstlichen Recht abzusichern und die Schrift auf diese Absicherung hin zu interpretieren.
3.4 Z u s a m m e n f a s s u n g Hatte Luther zu Beginn seiner Auseinandersetzung mit R o m lediglich das Ablaßwesen angegriffen, die generelle Autorität des Papstes aber nicht bestritten, so stand hier die plenitudo potestatis papae auf dem Spiel. Die Kritik an der Praxis der Ablaßvergabe implizierte die Befreiung der Vergebungsbitte des Gläubigen und der Sündenvergebung von jurisdiktioneilen Implikaten. Lag die Papstgewalt aber gerade in ihrer umfassenden jurisdiktionellen Macht begründet, mußte die Ablaßkritik die Papstgewalt angreifen. Die Auseinandersetzung der Kirche mit Luther fuhrt dann auch in diese Richtung. Im Zuge des Streites setzt sich Luther, beraten durch sächsische Juristen, mit der Widersprüchlichkeit des kanonischen Rechts auseinander. Trennte er nun Glaubensfragen und päpstliche Jurisdiktion voneinander, so gelangte er in der Interpretation der Dekretale Significasti zu der Aussage, daß in Glaubensfragen ein einzelner Christ mehr R e c h t haben könne als der Papst und die ganze Kirche — in kurialistischen Ohren ein unmöglicher Satz. Luther versucht diese Uberordnung des einzelnen Christen zunächst in Appellationen 1518 an ein freies Konzil zu überführen. Johann Eck hingegen versteht Luthers Abtrennung von Glaubensfragen von der innerweltlichen Verfaßtheit der Kirche auf der Linie der Theologie Wyclifs und Hus'. Das ist theologisch folgerichtig, so weit man den Unterschied im Glaubensverständnis zwischen Luther und Wyclif/Hus nicht in Betracht zieht. Die Leipziger Disputation 1519 macht den Dissens in der Beurteilung der Rolle des Papsttums zum Gegenstand: Ist unter dem fundamentum Petri der Glaube Christi oder die Person des Petrus als Beginn der Kirche zu verstehen? U n d daraus resultierend die Frage: Ist das Papsttum nur iure humano oder auch iure divino legitimiert? Luther und Eck kommen hier zu keiner Einigung.
4. Die Auseinandersetzung u m das Papsttum iure divino und die Aufgabe der weltlichen Gewalt von der Leipziger Disputation bis zum Wormser Reichstag 1521 4.1 Der göttlich geforderte Gehorsam aller Menschen gegenüber der weltlichen Gewalt Die Berichte Luthers i m Anschluß an die Leipziger Disputation 1519 zeigen noch einmal die gegensätzlichen Standpunkte über die Legitimität des Papsttums iure divino. In den Resolutiones Lutherianae super propositionibus suis Lipsiae disputatis, den Erläuterungen zu den auf der Leipziger Disputation erörterten Thesen Luthers an Georg Spalatin, bekräftigt Luther die Auslegungshoheit des einzelnen Gläubigen g e m ä ß der Dekretale Significasti.^ Daneben k o n statiert er einen W i d e r s p r u c h des Konstanzer Konzils, das die Konzilshoheit über den Papst neben der Verurteilung von J o h a n n Hus bestätigt, der die Papstgewalt über die Kirche iure divino bestreitet. - Für eine Qualifizierung iure divino ist ein Schriftnachweis erforderlich, da das göttliche R e c h t sich ausschließlich aus der Schrift speist oder in einer revelatio probata hinz u k o m m e n m u ß , die aber bisher nicht erfolgt ist. Anderslautende Aussagen des kanonischen R e c h t s fallen d e m g e g e n ü b e r nicht ins Gewicht. Die Aufgabe des Papstes ist nicht die A u f stellung von Glaubenswahrheiten, sondern ihre declaratio,3 Der gemeinsame Bericht Karlstadts u n d Luthers an Kurfürst Friedrich argumentiert ähnlich: das Papsttum kann nicht iure divino eingesetzt worden sein, weil nach Gal 2,6 Gott die Person des M e n s c h e n nicht ansieht. 4
Luther verteidigt gegen Eck und Hieronymus Emser seine Position, wobei nun zunehmend die durch die päpstliche Gewalt in ihrer Amtsausübung eingeschränkte weltliche Gewalt in den Blick kommt. Die erweiterte Thematik wird u.a. an der Neuherausgabe der Resolutiones zur 13. These deutlich, die um die Erörterung der Dekretale Solitae (X 1.33.6) ergänzt wurde, welche durch die Zwei-Lichter-Lehre den Vorrang der geistlichen vor der weltlichen Gewalt 1 W A 2, (388)391-435. Die Schrift ist gedruckt Ende August 1519 und mit einer Vorrede an Georg Spalatin vom 15.08. 1519 und einem Bericht über die Disputation versehen. Zu Significasti vgl. ebd., 404,26fF. Spalatin erhielt daneben durch Melanchthon Luthers Resolutiones zur 13. T h e se (vgl. C R 1,103-105 vom 29.07. 1519). 2 Ebd., 405,11—33. Luther erwägt den Wahrheitsnachweis weiterer verurteilter Sätze von Hus, wenn seine Gegner ihn dazu provozieren (ebd., 406,26f.). Vgl. auch DELIUS, Huß 12f. 3 Ebd., 427,8-13. Zur revelatio probata vgl. ebd., 429,15-20. 4 WA.B 1, Nr. 192, 465-478 vom 18.08. 1519, hier 467,76-84. Auch hier erfolgt ein Hinweis auf Significasti und den Widerspruch des Konstanzer Konzils (ebd., 468,115f.; 470,194-471,199). Der Papst kann in der Nachfolge Petri lediglich einen Ehrenvorrang, nicht aber einen Gewaltprimat für sich beanspruchen (ebd., 475,352f.).
4.
Weltliche und päpstliche
Gewalt bis zum Wormser Reichstag
1521
191
belegt. In dem ersten Druck der Schrift (A-D) war diese Erörterung noch nicht enthalten, sondern ist erst später (E-F) eingefugt worden. 5 In der ersten Druckversion hatte Luther nur auf die Behauptungen dieser Dekretale verwiesen, eine Beschäftigung mit ihr aber unterlassen/' Die auf Innozenz III. zurückgehende Dekretale nimmt Petrus und die Päpste von dem Gehorsams gebot 1. Petr 2,13f. aus, so Luther, womit sie gegen den biblischen Befund spricht, der selbst Christus als gehorsam gegenüber der weltlichen Obrigkeit zeigt.7 Die in der Dekretale zum Ausdruck kommende Befürchtung, ein Inhaber weltlicher Gewalt wie der Kaiser würde über dem geistlichen Oberhaupt zu stehen kommen, wird von Luther zurückgewiesen. Der Kaiser ist die göttlich legitimierte und nach menschlichem Recht geordnete Spitze der weltlichen Gewalt, der sein Recht an den Papst abtreten kann, wie es de facto seit Konstantin geschehen ist, genauso aber auch wieder rückgängig gemacht werden kann. 8 Die Konstantinische Schenkung kann, wie in der spätmittelalterlichen Traditionsgeschichte zuvor, von beiden Seiten verwendet werden. Während Eck ganz kurialistisch in der Ubergabe des Schwertes an den Papst die Bestätigung der voll umfassenden Papstgewalt sah, gesteht Luther zwar eine Schwertübergabe zu, die aber nicht göttlich-rechtlich legitimiert ist, sondern naturrechtlich, bzw. vertragsrechtlich wieder aufgehoben werden kann. Nach Luther, dem zu diesem Zeitpunkt die Schenkungsurkunde noch nicht als Fälschung bekannt ist, behält die weltliche Gewalt ihre ihr iure divino eignende Schwertgewalt trotz einer zeitweiligen Ubergabe an den Papst. Diese Unterscheidung schließt sich an Ockham an, dessen Theologie bereits zwischen der Fähigkeit einer Schwertübergabe und der Ausführung des Schwertes differenzieren konnte. 9 Zugleich untersteht auch der Geistliche der weltlichen Gewalt. Diese göttlich legitimierte Ordnung widerlegt die Behauptung der kurialistischen ZweiSchwerter-Lehre, nach der der Papst über den Schwertgebrauch zu entscheiden habe." 1 In diesem Kontext deutet Luther bereits an, daß der gegenwärtige Zustand der geistlichen Gewalt es nahelege, die faktische Privilegierung von der weltlichen Gewalt aufzuheben, um gemäß 1. Petr 2,13f. die Bösen besser im Zaum halten zu können.
Vgl. W A 2 , 2 1 6 , App. zu 31, sowie ebd., 182. Vgl. zum folgenden W A 2 , 2 1 6 , 3 1 - 2 2 5 , 2 8 . Prierias' Epitome 1519 verzichtet auf eine Erörterung dieser Ausfuhrungen Luthers. Vgl. C C a t h 41,129—187 als Teil der Schrift Errata et argumenta Martini Luteris recitata, detecta, repulsa et copiosissime trita, die dem Papst am 1 0 . 0 6 . 1519 zur Prüfung vorlag und die am 2 7 . 0 3 . 1520 im D r u c k erschien (ebd., 129). Vgl. zur Epitome unten S. 2 0 4 f . 7 Die Ausnahme von dem Obrigkeitsgehorsam entspricht der in der Bulle Unam sanctam k o n statierten Unrichtbarkeit des Papstes gemäß 1. K o r 2,15. " WA 2,220,9-16. 9 Vgl. oben S . 9 5 . 111 W A 2 , 2 2 3 , 1 4 - 1 6 . 5 6
192
Zweiter Teil: Martin Luthers
Zwei-Reiche-Lehre
Diese Forderung entspricht zunächst der Tradition der Gravamina. 1 ' Luther dokumentiert damit seine Erkenntnis, daß mit der Frage des Papsttums iure divino auch seine R e i c h w e i t e über die weltliche Gewalt berührt wird. Luthers Überlegungen zur Befreiung des weltlichen Schwertes von geistlicher B e v o r mundung fuhren in den Aufruf an die weltliche Obrigkeit zur Hilfe gegen die kirchlichen Mißstände, wie er vor allem in der Adelsschrift 1 5 2 0 laut wird. Zunächst aber wird die weitere Auseinandersetzung im wesentlichen um die Argumente einer Papstgewalt iure divino weitergeführt. Luther richtet sich im September 1519 erneut gegen E c k mit Contra malignum Joh. Eccii iudicium super aliquot
articulis a fratribus
quibusdam
ei suppositis
M.
Lutheri
defensio.'2
Ecks
Behauptung, Luther leugne die Stellvertreterschaft Petri, weist Luther zurück, da er sich ausdrücklich auf diepotestas iure divino bezogen habe (628,9f.). Hierzu wiederholt er seine Auslegung von M t 16,18f. 1 3 und beschränkt die G e h o r samsforderung auf R o m 13,1, womit allerdings die weltliche Gewalt gemeint ist, der alle Menschen Gehorsam erweisen müssen ( 6 3 3 , 2 - 5 . 1 7 f f . ) . D i e weltlichen Gewalten müssen von ihrer potestas Gebrauch machen: adeste ergo, principes terrae, utimini iure vestro (633,23f.). Polemisch bezeichnet Luther E c k nun als Verteidiger Wyclifs und Hus' und als Vernichter des päpstlichen Gesetzes (633,29ff.). D i e Gegensätzlichkeit der Standpunkte Luthers und der Kurialisten ist ihm dabei vollends bewußt: während er mit der Heiligen Schrift argumentiert, aus welcher göttliches R e c h t aussagbar wird, sucht E c k es in den in ihrer Autorität nachgeordneten innerweltlich verfaßten Dekretalen (642,11—13). Gegen Hieronymus Emser (1478—1527), der in Diensten Herzog Georgs von Sachsen steht, wendet sich Luther Ende September 1 5 1 9 in Ad Emserianum
M. Lutheri additio.u
aegocerotem
Luther benutzt wiederum das Argument, die
Kirche habe bereits zwanzig Jahre vor dem römischen Papsttum existiert (670,38-40). 11 W A 2,223,7—11. Das Element der Nothilfe wird Luther im Sermon von den guten Werken und in der Adelsschrift 1520 ausfuhren. 12 W A 2,(621)625—654. Luther reagiert mit dieser Schrift nochmals auf Ecks Obelisci (ebd., 626,9ff.). A u f die Auseinandersetzung zwischen E c k und Karlstadt über die Willensfreiheit b e zieht sich hauptsächlich Ad Iohannem Eccium M. Lutheri epístola super expurgatione Ecciana (Ende O k t o b e r 1519; W A 2 , ( 6 9 8 ) 7 0 0 - 7 0 8 ) . 13 Ebd., 6 2 9 , 1 6 f f . Das Papsttum gehört für Luther wiederum zu den res neutra, den mittleren Dingen, die von guten oder bösen Menschen verwaltet werden können. Da M t 16,18 allerdings von dem notwendigen Glauben redet, kann hiermit nicht die potestas papae gemeint sein. Z u d e m ist potestas eine äußerliche Angelegenheit, wohingegen der Glaube innerlich ist (ebd., 634,3—8). Eine Auslegung von J o h 2 1 , 1 7 wiederholt daneben das Verständnis von pascere, das zwar einen Sinn des Herrschens, viel häufiger aber dienenden Sinn hat (ebd., 635,12—18). Diese Deutung b e stätigt sich auch später in einer Predigt, die Luther auf dem Weg nach Worms in Erfurt am 0 7 . 0 4 . 1521 hält (WA 7 , ( 8 0 3 ) 8 0 8 - 8 1 3 , hier 811,17fF.). 14 W A 2, ( 6 5 5 ) 6 5 8 - 6 7 9 , hier 6 7 0 , 7 f E Vgl. ZSCHOCH, HELLMUT, Art. Emser, Hieronymus, in: R G G 2, 4 1 9 9 9 , 1271; SMOLINSKY, HERIBERT, Augustin von Alfeldt und Hieronymus Emser. Eine Untersuchung zur Kontroverstheologie der frühen Reformationszeit im Herzogtum Sachsen, R G S T 122, 1983.
4.
Weltliche
und päpstliche
Gewalt
bis zum
Wormser
Reichstag
152i
193
In e i n e m Schreiben an K u r f ü r s t Friedrich rechtfertigt sich E c k , i n d e m er die A u s l e g u n g M t 16,18 bekräftigt, daß m i t d e m Felsen n i c h t Christus g e m e i n t ist, s o n d e r n Petrus als vicarius, w o f ü r E c k zahlreiche K i r c h e n v ä t e r als B e l e g angibt. 1 5 A u c h belegt er, daß die orientalischen K i r c h e n die r ö m i s c h e H o h e i t a n e r k a n n t e n . 1 6 D i e v o n L u t h e r a n g e f ü h r t e D i s t i n k t i o n D. 9 9 c. 3 Primae des afrikanischen Konzils will E c k in seiner Schrift De primatu Petri auslegen.' 7 D i e in Konstanz u.a. verurteilte Lehre von H u s b e z ü g l i c h der Papstgewalt f ü h r t in Leipzig zur D i f f a m i e r u n g Luthers als »Böhme«. 1 8 A u f die b e h a u p t e t e » B ö h m e n n ä h e « Luthers in der Frage des Papstprimats k o n z e n t r i e r t sich a u c h Emsers B e r i c h t De disputatione Lipsicensi.19 So soll L u t h e r angeblich sogar in B ö h m e n g e b o r e n w o r d e n u n d n u n ein patronus Boemorum sein, da er b e h a u p t e , einige Artikel v o n J o h a n n H u s seien katholisch. 2 0 Tatsächlich n e h m e n die B ö h m e n m i t L u t h e r n u n K o n t a k t auf. 21 L u t h e r hat m i t zwei B r i e f e n J o h a n n H u s ' Libellus de ecclesia erhalten, es aber n o c h nicht gelesen, w i e er Staupitz b e r i c h tet. 2 2 D a m i t k a n n er sich j e t z t ü b e r die tatsächliche Position des v e r k e t z e r t e n B ö h m e n ein Bild m a c h e n . L u t h e r schickt es a m 1 9 . 0 3 . 1520 an Spalatin w e i t e r u n d lobt darin dessen spiritus u n d eruditio,23 Z w i s c h e n O k t o b e r 1519 u n d M ä r z 1520 hat L u t h e r dieses W e r k d e m n a c h gelesen. D i e v o n Wyclif ü b e r n o m m e n e G r u n d t h e s e , die Identifikation der K i r c h e mit der G e m e i n s c h a f t der Prädestin i e r t e n u n t e r C h r i s t u s als d e m H a u p t u n d die damit v e r b u n d e n e B e s c h r ä n k u n g der päpstlichen Gewalt auf die ecclesia militans sowie die B e s t r e i t u n g einer H e i l s n o t w e n d i g k e i t des Papstgehorsams g e m ä ß der Bulle Unam sanctam d e c k t sich i m w e s e n t l i c h e n mit der bisher v o n L u t h e r dargelegten Position, o h n e daß d e r B e g r i f f der Prädestination hinsichtlich ihrer i n n e r w e l t l i c h e n Feststellbarkeit s c h o n problematisch wäre.
15 WA.B 1, Nr. 192, Beilage 2, 479-501 vom 08.11. 1519, hier 481,72ff. Gegen Luthers Felsdeutung nach Augustin fuhrt Eck eine erdrückende Beweislast aus Augustin selbst, Cyprian, Orígenes, Hilarius, Chrysostomus, Beda, Leo, Ambrosius, Gregor, Cyrill, Ignatius, Maximus sowie den Konzilien von Konstantinopel und Chalcedon an (ebd.). 16 Vgl. die Wiedereinsetzung des Patriarchen Flavius durch das Konzil von Chalcedon, nachdem dieser an Papst Leo appelliert hatte (ebd., 482,130fF.). 17 Ebd., 488,363-489,365. Vgl. Luthers Bericht an Spalatin vom 20.07. 1519 (WA.B 1, Nr. 187, 420-428, hier 422,62-
66); DELIUS, H u ß 1 4 f . 19
CCath 4,27-41 vom 13.08. 1519. Ebd., 29,6f.; 32,13; 36,2 f. 21 Vgl. hierzu das Schreiben von Wenzel von Rozdalowsky an Luther (WA.B 1, Nr. 186, 419f.). 22 WA.B 1, Nr. 202, 513-517, an Johann Staupitz vom 03.10. 1519, hier 514,27ff. Vgl. auch WA 2,702,2f. 23 WA.B 2, Nr. 268, 72f., an Georg Spalatin vom 19.03. 1520, hier 72,9-11. Vgl. DELIUS, Huß 16. 20
194
Zweiter Teil: Martin Luthers
Zwei-Reiche-Lehre
4 . 2 D e r C h r i s t u n t e r den b e i d e n G e w a l t e n u n d die N o t h i l f e der weltlichen Gewalt 1 5 1 9 / 2 0 4.2.1 Von der Ubeltäterbestrafung und der Konstantinischen S c h e n k u n g Die Reaktionen der traditionalistischen Kräfte der Kirche auf seine Person und Theologie bleiben Luther nicht verborgen. Crotus Rubianus berichtet ihm am 1 6 . 1 0 . 1519 aus R o m über die Treue des Volkes gegen den Papst und den Haß auf Luther. Die Entscheidung über Wohl und Wehe der Theologie Luthers wird nicht durch Schriftauslegung getroffen, sondern durch den Papst, von dem die Auslegung der Schrift abhängt. 2 4 Luther erhält daneben Nachricht über die von Eck befohlene Verbrennung von Bernhard Adelmanns Canonici indocti und Lazarus Spenglers Apologia Vermeidet in Ingolstadt, die Luthers Position gegen E c k in der Frage des Papstprimats teilten. 2 5 Im März 1520 veröffentlicht Luther zusammen mit seinen Bemerkungen die Verurteilungslisten der Universitäten Köln und Löwen gegen ihn. In der Kölner Verurteilungsliste wird auch auf den Papstprimat Bezug genommen: Luther verbreite schon längst verurteilte Sätze gegen die römische Kirche. 2 6 Luther argumentiert dagegen mit der Relativität der römischen Verwerfungen aufgrund ihrer ausschließlich innerweltlichen Gültigkeit. 2 7 Die kurialistischen Kräfte erkennen die bleibende Notwendigkeit einer ausführlichen Begründung des Papsttums iure divino. Im April 1520 kündigt Augustinus Alfeld dazu eine Schrift an. 2 8 Luthers Randbemerkungen zu Alfelds Schrift werden in eine Gegenschrift einfließen, die Johannes Lonicer besorgt. 2 )
Während die zweite Auflage der Resolutiones Luthers Blickerweiterung auf die weltliche Gewalt bereits signalisierte, sieht Luther sich nun veranlaßt, die Aufgabe der weltlichen Gewalt grundsätzlicher in den Blick zu nehmen. Gott hat das weltliche Schwert eingesetzt, damit es die Übeltäter bestrafe. 30 Die Aufgabenteilung zwischen den beiden Gewalten wird aber noch nicht besonders scharf gezogen, da auch die geistliche Gewalt die Aufgabe der Ubeltäterbestrafung ausfuhren kann. 3 ' Die Terminologie entspricht allerdings der antikuriali-
WA.B 1, Nr. 213, 540-545, hier 543,85-88. So von Luther in einem Brief vom 08.02. 1520 an Spalatin berichtet (WA.B 2, Nr. 251, 35— 37, hier 36,8ff.). 26 Vgl. die Condemnatio doctrinalis librorum Martini Lutheri per quosdam Magistros Nostros Lovanienses et Colonienses facta. Responsio Lutheriana ad eandem damnationem (WA 6,(170)174—195, hier 180,4ff.). 27 Ockhams Verurteilung und spätere Rehabilitation dient ihm dazu als Beispiel (ebd., 183,3 ff.). 2B Super apostolica sede, an videlicet divino sit iure necne (gegenüber Luther am 07.04. 1520; WA.B 2, Nr. 276, 79f.). 29 Luther berichtet Spalatin am 13.05. 1520 davon (WA.B 2, Nr. 287, 103f„ hier 103,5f.). Der Titel der Schrift lautet Contra Romanistam Fratrem Augustinum Alvelden., Franciscanum Lipsicum, Canonis Biblici publicum lictorem et tortorem eiusdem (vgl. WA.B 2, 99f., Anm. 10). Auch Johannes Feldkirch wendet sich im Mai 1520 in einer Schrift gegen Alfeld ( C R 1,(165)167—190). Seiner Einschätzung nach ist die Frage deprimatu Petri nicht wirklich vor Luthers Resolutio zur 13. These behandelt worden (ebd., 168). 24 23
(Kleiner) Sermon von dem Wucher (gedruckt spätestens November 1519; WA 6,(1)3—8, hier 4,19f.). 31 (Großer) Sermon von dem Wucher (Dezember 1519; WA 6,(33) 36-60).
4.
Weltliche und päpstliche Gewalt bis zum Wormser Reichstag 1521
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stischen Verwendungsweise: Luther schreibt der weltlichen Gewalt das Schwert zu, während geistlicherseits nur noch von Gewalt die Rede ist.32 Der Gebrauch des weltlichen Schwertes durch die geistliche Gewalt bringt neue Sünde hervor. 33 Weltliches Schwert und das Wort Gottes als geistliches Schwert sind voneinander zu trennen: »Dan mit weltlichem schwerd zu handellnn hoeret zu dem keyser, konigen, fursten und hirschafften der wellt, unnd gar nichts dem geystlichen stand, des schwerd nit eyszeren, szondern geystlich seyn soll, wilchs ist das wort und gepott gottis, als sanct Paulus sagt Ephe. vi«.34 Das Verhältnis der beiden Gewalten wird auch durch die Frage der historischen Faktizität der Konstantinischen Schenkung virulent, als Luther durch Dominicus Schleupener die von Ulrich Hutten herausgegebene Widerlegung der Schenkung durch Laurentius Valla erhält.35 Luther ist fassungslos, daß diese Lügen unter die Dekrete gemischt wurden und als Glaubensartikel galten. Er zweifelt nicht mehr, daß der Papst der Antichrist sein müsse.36 Luther setzt sich mit der Konstantinischen Schenkung zwar erst 1537 intensiv auseinander, die dort angeschlagenen Themen finden sich aber bereits in dem Brief an Spalatin von 1520. 3 7 Luther sieht in Vallas Widerlegung seine eigene Position zum Papsttum bestätigt. Vallas Polemik, zu den weltlichen Fähigkeiten des Papstes käme auch noch das geistliche Schwert hinzu, trifft vermutlich Luthers Stimmung genau. War Luther von seinen Gegnern in die Nähe »böhmischer Häresie« gerückt worden, so gab es tatsächlich eine oberflächliche theologische Nähe zu Wyclif und Hus. Die bestand in der Eingrenzung der päpstlichen Gewalt auf die ecclesia militans. In einer Predigt über Apg l , l f . am 18.05. 1520 entwirft Luther eine dreifache Unterscheidung der respublica, die diese gewisse Parallelität unterstreicht. 38 Neben der respublica prophana et saecularis, die von zahlreichen Häuptern geleitet wird, bestehen die respublica Christianorum, die sich unter dem Glauben an Jesus Christus versammelt und mit der wahren Kirche gleichzusetzen ist, und die respublica adiaphora, zu der die Zeremonien gehören, die nach Luther nicht Wesensbestandteil der wahren Kirche sind. Der Papst kann letztEbd., 3 9 , 2 3 - 2 5 . Sermon vom Bann, 1520 gedruckt; WA 6 , ( 6 1 ) 6 3 - 7 5 , hier 6 4 , 3 0 - 3 2 . 3 4 Ebd., 64,33—37. Mit dem Wort soll die geistliche Gewalt die verlorenen Seelen zu Gott bringen (ebd., 75,21 f.) 3 5 Luther berichtet Spalatin am 2 4 . 0 2 . 1520 davon (WA.B 2, Nr. 257, 4 8 - 5 1 , hier 4 8 , 2 0 - 2 2 ) . Die Donatio Constantini bezeichnet Hutten als »errichten übergaebung« (im Vadiscus; ULRICH VON HUTTEN: BÖCKING, ERNST, Opera quae reperiri potuerunt omnia, Leipzig 1 8 5 9 - 1 8 6 9 ( = BÖKKING), Band 4,145—268, hier 172,29), nach der das ganze R e i c h in Sünde gefallen ist. Vgl. hierzu DELIUS, Historische Quellen 118f. 3 6 Ebd., 48,22; zu den Dekreten ebd., 48,24ff. Das Fazit lautet: Ego sie angor, utprope non dubitem papam esse proprie Antichristum (ebd., 48,26f.). 37 So Setz, 170. Die Adelsschrift zeigt, daß sich Luther genau mit der Schrift von Valla beschäftigt hat (so Setz, 168). Zu Luthers Schrift über die Konstantinische Schenkung vgl. unten S. 282f. 3 8 Vgl. zum folgenden WA 9 , 4 5 7 - 4 5 9 . 32
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lieh nur das Haupt der adiaphoristischen Republik sein, da die wahre Kirche durch Christus selbst geleitet wird und eine durch das Schwert symbolisierte Jurisdiktionsgewalt den weltlichen Herrschern zukommt. Aufgrund des Glaubens als Zugehörigkeitskriterium der wahren Kirche hat der Papst auch keine Vikariatsfunktion für Christus außer der dem Reich Gottes dienenden Wortverkündigung. 39 4.2.2 Von viererlei Menschen, ihrem Gehorsam u n d d e m geforderten Widerstand im Sermon von den guten Werken und in der Freiheitsschrift 1520 In dem am 29.03. 1520 Herzogjohann von Sachsen gewidmeten Sermon von den guten Werken lenkt Luther den Blick von den Gewalten auf die Menschen, die diesen Gewalten Gehorsam erweisen sollen. 40 Die bei Biel zentrale congregatio fidelium als das die Gewalten überwölbende Firmament wird in Luthers eingeschlagener Blickrichtung auf den Menschen wirksam. Zur Frage der N o t wendigkeit geistlicher und weltlicher Gesetze angesichts des Glaubens als des eigentlichen guten Werkes unterscheidet er deswegen viererlei Menschen. 41 Die erste Gruppe bilden die wahren Christen, die keiner Gesetze bedürfen und gute Werke aus spontaner Liebe tun. Die zweite Gruppe von Menschen mißversteht die christliche Freiheit als Freiheit von jeglicher guten Tat. Dieser Gruppe sind Gesetze zur Ermahnung gegeben. 42 Die dritte Gruppe beinhaltet die bösen Menschen, die mit geistlichen und weltlichen Gesetzen sanktioniert werden müssen. Gegebenenfalls muß auch das weltliche Schwert gemäß R o m 13,4 die Blutgerichtsbarkeit durchführen. 4 3 Die zweite und dritte Gruppe sind also in gewisser Weise als parallel anzusehen. Die vierte Gruppe stellen die unsicheren, kindgleichen Christen dar, die mit äußeren Zeremonien zum wirklichen Glauben gebracht werden müssen. Luther will in diesem Sermon eigentlich nur von der ersten Gruppe reden (214,33—35). Zugleich zeigt sich an dieser Distinktion, daß für Luthers Theologie nicht die Frage nach dem Wesen der Gewalten im Vordergrund steht, sondern die Bezüglichkeit des Christen auf diese Gewalten und seine vom Christusgeschehen her zu verstehende Aufgabe jeweils unterschieden werden kann. Undeutlich bleibt allerdings an der hier vorgetragenen Distinktion, in welcher Weise die Menschen auf eine Gesetzeseinwirkung reagieren, ob sie also lediglich in einem aktuellen Ungehorsam 39
Vgl. hierzu ebd., 458,27ff. W A 6,(196)202—276. D e r seit Februar 1520 a n g e m a h n t e u n d seit M ä r z 1520 von L u t h e r b e arbeitete S e r m o n von den g u t e n W e r k e n w u r d e E n d e M a i i m D r u c k fertiggestellt. 41 Vgl. z u m folgenden ebd., 2 1 3 , 1 5 - 2 1 4 , 1 1 . 42 Trotz Luthers u n d e u t l i c h e r R e d e v o n weltlichen o d e r geistlichen Gesetzen ist i m f o l g e n d e n beiderlei Gesetz g e m e i n t . 43 E b d . , 213,37f.; zu R o m 13,4 vgl. ebd., 2 1 3 , 3 8 - 2 1 4 , 1 . 40
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oder Vergehen zu einem ethisch verantwortlichen Handeln gezwungen werden können oder ob mit einer generellen sittlichen Verbesserung des Menschen angesichts der Gewalten zu rechnen ist. Aus der Lektüre anderer Lutherschriften dürfte die Frage der Sündhaftigkeit des Menschen klar zu beantworten sein. Für jemanden, der aber nur diesen Sermon vor Augen hat, kann sich unter Umständen ein Mißverständnis einschleichen. 44 Die Auslegung des vierten Gebotes, des Gehorsams gegenüber Vater und Mutter, nutzt Luther zu einer Beschäftigung mit der Obrigkeit. Ein vierfacher Gehorsam ist gefordert: neben dem Gehorsam der Kinder gegenüber ihren Eltern (250,33) und dem der Knechte gegen ihre Herren (263,5f.) müssen die Christen der geistlichen Gewalt (255,18-23) und der weltlichen Gewalt (258,32—35) Gehorsam erweisen. Der Gehorsam der Christen erfolgt allerdings aus dem freien Werk der Liebe. Während nun die Aufgabe der geistlichen Gewalt darin besteht, Laster wie Ehebruch, Unkeuschheit oder Wucher zu bekämpfen, sowie für die ordnungsgemäße Funktion der Klöster, Stifte und Schulen zu sorgen (255,34—256,1), besteht die Aufgabe des weltlichen Schwertes in der Bekämpfung der Verbrechen wie Diebstahl oder Ehebruch. 4 3 Als konkrete Aufgaben in dieser Zeit benennt Luther die Bekämpfung des »fressens und saufFens« (261,25) 46 , die der prunksüchtigen Verschwendung in Bezug auf privaten Besitz (261,31 f.) und die des Wucherzinses (262,7f.). Bei beiden Gewalten ist nach Luther zur Zeit mit Mißständen zu rechnen. Eigentlich ist kein wahres geistliches Regiment mehr gegeben (255,30). Wie Eltern, die ihre Kinder nicht mehr richtig erziehen, widmet sich die geistliche Obrigkeit nur noch den Dispensen, Geldeinnahmen und Ablässen, so daß sie weltlicher agiert als die weltliche Gewalt (256,11-17). Konkret benennt Luther den »Jarmarckt geistlicher gutter«, der aus R o m kommt (257,9f.) und die Aufgabe der Kirche auf den Handel mit Ablässen, Pfründen oder Stiften verlegt. 47 Die geistliche Gewalt vergeht sich auch, wenn sie in gebotenen Fällen nichts unternimmt (259,22-24). Gleichzeitig mit der Konstatierung von Mißständen widmet sich Luther der Widerstandsfrage. Gegen diese Zustände ist der Widerstand der Christen geboten (257,26f.), indem zunächst Gott um Hilfe angerufen und dann die Zahlungen und Unterstützung für das römische Fiskalsystem eingestellt werden (257,34ff.). Die Gottesanrufung und die Zahlungseinstellung, die rechtliche 44
Vgl. zur v e r m u t l i c h e n R e z e p t i o n d u r c h J o h a n n von S c h w a r z e n b e r g u n t e n S. 243, A n m . 60. W A 6,258,35—259,3. D a ß der E h e b r u c h sowohl im Katalog der geistlichen als a u c h der w e l t lichen Gewalt auftaucht, signalisiert die zwei Aspekte der Straftat, die eine geistliche » S ü n d e n K o m p o n e n t e « hat u n d zugleich ein nach weltlichen Gesetzen justitiables Verbrechen darstellt. 4il Vgl. hierzu das W e r k von J o h a n n von Schwarzenberg, u n t e n S. 244, A n m . 63. 47 Ebd., 257,11 ff. Bereits v o r h e r hatte L u t h e r gelegentlich auf die M i ß s t ä n d e in der r ö m i s c h e n Kirche hingewiesen: die Pallien- u n d M o n a t s g e l d e r u n d die E x p e k t a n z e n (WA 2,423,24—28), die generelle Gesetzesflut aus R o m (WA 2,646,2), die A n n a t e n z a h l u n g e n (WA 2,676,26f.) o d e r die M e n g e der Z e r e m o n i e n (WA 6 , 2 1 4 , 7 - 1 1 ) . 43
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Sanktionen denkbar macht, die gegen die widerständige Person ergriffen werden, zeigen die Art des Widerstandes, wie ihn Luther christlicherseits für vertretbar hält. 48 Es ist ein ausschließlich passiver Widerstand, der durch die Bitte um Abhilfe durch Gott und die Verweigerung einer aktiven Beteiligung an einer ungerechten Handlungsweise wie der nicht rechtmäßig erhobenen Steuer geleistet wird, der aber nicht aktiv beispielsweise auf eine Beseitigung der ungerechten Obrigkeit drängt. Ein aktiver Widerstand bleibt den Obrigkeiten selbst vorbehalten, in dem sie zum Schutz ihrer Untertanen eingreifen können. Luther behält als letztes Mittel die Anrufung der weltlichen Gewalt im Sinne der traditionell vorgetragenen Nothilfe-Theorie vor. 49 Das Kriterium für die Feststellung eines geistlichen Mißstandes ist die Abirrung von den ersten drei Geboten ( 2 5 8 , 2 7 - 3 1 ) . Im Bereich der weltlichen Gewalt ist allerdings auch mit Mißständen zu rechnen. Luther benennt die Beachtung der Gesetze in Bagatelldelikten und die gleichzeitige Großzügigkeit gegenüber schwereren Vergehen sowie die mangelnde Ausrichtung einer Herrschaft an der Vernunft und den Ratgebern (260,4—13). Diese Vergehen sind aber deswegen nicht für so gravierend einzuschätzen, weil sie sich nicht in der Sphäre der von den ersten drei Geboten betroffenen Dinge abspielen ( 2 5 9 , 1 9 - 2 2 ) . Gegen die weltliche Gewalt ist also kein eigentlicher Widerstand notwendig (259,31—33). Nicht nur soll ein Sachschaden hingenommen werden, sondern auch die Tatsache, daß man im Schadensfall eigentlich im R e c h t ist (260,26—28). Luthers Überlegungen führen zu einer unterschiedlichen christlichen Beurteilung des Widerstands j e nach dem, ob ein geistliches oder weltliches Unrecht vorliegt. Damit ist hier eine Unterscheidung zum traditionellen Nothilfeverständnis gegeben, weil dort entweder von einer gegenseitigen Eingriffsmöglichkeit gesprochen oder für die geistliche Gewalt eine Unrichtbarkeit behauptet wurde. Ockham entwickelte das Notrecht beispielsweise aus der naturrechtlich notwendigen Ausrichtung aller Gewalt auf das bonum commune.3" Luther ist mit seiner Unterscheidung also nicht einfach im antikurialistischen Lager zu verorten. Seine Sichtweise von der Person des Christen auf die Gewalten evoziert diese Differenz, denn durch die spezifische Art der Liebe des Christen und seiner guten Werke, die aus seiner im Glauben gewissen Rechtfertigung erfolgen, blickt er nicht auf sein eigenes innerweltliches Wohl. Ein aktiver Wider4 8 Die von vielen geforderten Konzile zur Formierung eines Widerstands hält Luther für zwecklos, wie die Geschichte der bisherigen Konzile zeige (ebd., 258,14—17). 4 9 »Sondern das were das best, unnd auch das einige ubirbleibend mittel, szo Kunig, Fürsten, adel, Stet und gemein selb anfiengen, der sach ein einbruch mechten, auff das die BischofF unnd geistlichen (die sich itzt furchten) ursach hetten zufolgen« (WA 6,258,24—27), »solchs solt man mit dem weltlichen schwert weren, die weil da keinn ander hulff noch mittel ist« (ebd., 2 6 2 , 1 7 f . ) . 5 0 D e r allgemeine Hinweis auf das Notrecht, wie es im Spätmittelalter vorlag (vgl. u.a. StA 2,90), greift also zu kurz, wenn man sich nicht Luthers spezifisches Fundament für diese Forderung ansieht.
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stand ist nur der Obrigkeit erlaubt, die als Gottes Einrichtung in der Welt durch sie den Untertanenschutz betreibt. Mit der Freiheitsschrift und ihrer Ubersendung an die Kurie nach R o m wird der Perspektivwechsel noch einmal deutlich, den Luther seit der Römerbriefvorlesung 1515/16 vollzogen hat und der sich konkret in der Frage der kirchlichen Gewalt seit dem Ablaßstreit 1517 andeutete und in den großen Schriften 1520 auf das Verhältnis der beiden Gewalten übertragen wurde. Der Sendbrief an Papst Leo X. vom 06.09. 1520 zeigt Luthers B e m ü h e n , mit dem Papst zu einem Einvernehmen über die schriftgemäße theologische Lehre zu k o m m e n . Der R e f o r mator geht davon aus, daß es nicht der Papst selbst ist, der die schriftwidrige kurialistische Lehre verbreitet, sondern lediglich seine Berater und andere Personen am römischen H o f , die aus R o m etwas Schlimmeres als »Zodoma, G o m o r r oder Babylonien« gemacht haben und die nun »eyn mordgruben über alle mordgruben« ist.^' Luther begründet die N o t w e n digkeit seines Bemühens zu einer R e f o r m der Kirche mit dem U b e r h a n d n e h m e n der falschen Lehre in den letzten 300 Jahren (6,23-25). Luther versteht sich als Berater des Papstes, wobei er das Buch Bernhard von Clairvaux' an Papst Eugen III. anfuhrt (10,29f.).
Der Perspektivwechsel markiert die Verschiebung von der Unterscheidung zwischen weltlichem und geistlichem Stand hin zur Frage der wahren und falschen Kirche. Der Christ ist durch die Zueignung Christi in geistlicher H i n sicht König und Priester in dieser Welt. 52 Eine Unterscheidung zwischen Laien und Geistlichen erfolgt nur noch hinsichtlich ihres Amtes und ihrer Aufgabe (28,26ff.). Der Christ, der durch seine Zugehörigkeit frei ist von den Gewalten in dieser Welt, also der weltlichen und der äußeren geistlichen Ordnung, gehorcht in der Liebe der von Gott gemäß R o m 13,lff.; Tit 3,1 eingesetzten weltlichen Gewalt (37,1 ff.). Die reformatorische Erkenntnis der unverdienbaren Rechtfertigung allein aus Glauben eröffnet auch die Freiheit des Christen gegenüber den innerweltlich tätigen Gewalten. Innerhalb der geistlichen Kirche besteht kein Unterschied mehr zwischen den Glaubenden, die sich unter Christus als dem Haupt versammeln. Die innerweltlich sichtbare Kirche wird durch eine Person geleitet, die dieses Amt übertragen bekommt. Die Reichweite dieser Gewalt beschränkt sich auf die innerweltlichen Handlungen der Kirche, zu denen neben der Leitung die Evangeliumsverkündigung gehört. Gegen über der weltlichen Gewalt ist der Christ vollends frei, da seine innerweltlichen Lebensbedingungen nur vorübergehende Bedeutung besitzen und im Hinblick auf sein Heil uninteressant sind. 51 Z u m Sendbrief vgl. WA 7,(1)3—11, hier 5,11.28. Papst Leo X. befindet sich in R o m wie ein Schaf unter Wölfen (ebd., 5,32). Luther benennt als seine Gegner Prierias (ebd., 4,6), Eck (7,15) und Cajetan (7,30). Leo mögen ihnen und allen Gegnern Luthers seine »hend dran legenn, den schmeychlernn, die des frids feynd seyn, und doch frid furgeben, eynen zawm eynlegenn« (ebd., 9,26f.). 32 »Von der Freiheit eines Christenmenschen« vom 16.11. 1520; WA 7,(12)20—38, hier 27,17fE
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Zugleich ist mit der vorübergehenden Bedeutung des innerweltlichen Lebens aber auch gesagt, daß der Christ dieser Welt nur hinsichtlich seiner Heilsbestimmung, nicht aber seiner Lebensvollzüge enthoben ist. Durch die Freiheitsbotschaft des Evangeliums zur Liebe entzündet, begibt sich der Christ freiwillig unter die weltliche Ordnung, die Gott der Welt gegeben hat, um für die Nichtchristen einen Rahmen ihres Handelns zu schaffen, in dem ebenfalls zwischen Recht und Unrecht unterschieden werden kann. Der Christ ist seinem spezifisch reformatorischen Verständnis steht an der Stelle zwischen beiden Gewalten, an der Biel von der congregatio fidelium sprach. Die Distinktion von Freiheit und Liebe gewinnt Luther aus der Schrift, die mit dem Begriff des göttlichen Rechts zu identifizieren ist. Innerweltlich geltende Vorschriften sind von diesem Recht zu unterscheiden. Sofern es um kirchliche Gesetze geht, müssen sie ihre Legitimität aus der Schrift ableiten. Das Regulatiwerhältnis von päpstlichem kanonischem Recht und Heiliger Schrift dreht Luther also zugunsten der Schrift um. Durch diese Umkehr wird er veranlaßt, die ihm bereits seit seiner Romreise bekannten Mißstände innerhalb der Kirche deutlich anzuprangern, wobei es zu einer Parallelität mit zeitgleichen Reformforderungen kommt. Dazu gehört auch der Hilferuf an die weltliche Gewalt zur Unterstützung in der notwendigen Kirchenreform. Die Mißstände in der Kirche betreffen dabei zu einem großen Teil ihr unrechtmäßiges Ausgreifen in den Zuständigkeitsbereich der weltlichen Gewalt. In welcher Weise das weltliche Schwert sich dieses Ausgreifens erwehren kann, um ihrer göttlich legitimierten Aufgabe nachzugehen, und wo die Grenze der Aufgabe liegt, wird bis zum Wormser Reichstag 1521 noch nicht vollends deutlich und muß bis zur Obrigkeitsschrift 1523 präzisiert und allen reformerischen Bewegungen verständlich gemacht werden. 4.2.3 Die Grenzbestimmung der geistlichen Gewalt in den drei Mauern der Adelsschrift Die weltliche Gewalt muß dem geistlichen Mißstand in der Kirche Einhalt gebieten. Diese Nikolaus von Amsdorff gewidmete Schrift richtet Luther an Kaiser Karl V. und den christlichen Adel in Deutschland, »ob got wolt doch durch den leyen standt seiner kirchen helffen, seintemal der geistlich stand, dem es billicher geburt, ist gantz unachtsam worden.«' 3 Der Aufruf an die weltliche Gewalt zum Eingriff findet sich wiederholt in der Schrift. 54
" W A 6 , ( 3 8 1 ) 4 0 4 - 4 6 9 ; zum Zitat vgl. ebd., 4 0 4 , 1 4 - 1 6 . N e b e n den gegnerischen Schriften und der Entlarvung der Konstantinischen Schenkung spielen für die Abfassung auch die Schutzzusagen der Reichsritter an Luther eine R o l l e (vgl. hierzu StA 2,90f.). 5 4 Vgl. ebd., 419,9ff.; 420,2ff.; 4 2 1 , 1 6 f . Daneben werden alle Menschen zum Widerstand aufgerufen (ebd., 4 2 7 , 1 5 f . ) .
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D i e t h e o l o g i s c h e n Z u s a m m e n h ä n g e , in d e n e n sich die A u s e i n a n d e r s e t z u n g u m d e n Papstprimat bisher bewegte, k e h r e n in der Adelsschrift in Gestalt dreier M a u e r n w i e d e r , die der Papst zur A b s i c h e r u n g seiner M a c h t ü b e r die C h r i s t e n heit u m sich g e z o g e n hat. D i e A u s e i n a n d e r s e t z u n g u m d e n B e g r i f f petra in M t 16,18 verlagert die B e g r ü n d u n g der Kirche v o n der Amtsgewalt Petri u n d sein e r N a c h f o l g e r auf die einzelnen C h r i s t e n . Das F i r m a m e n t Gabriel Biels ist n i c h t m e h r die Papstgewalt, s o n d e r n der G l a u b e u n d C h r i s t u s selbst. Statt der traditionellen S t ä n d e u n t e r s c h e i d u n g in Geistliche u n d Laien f ü h r t Luthers Glaubensverständnis z u m P r i e s t e r t u m aller Gläubigen. 5 5 D i e U n t e r s c h e i d u n g i n n e r h a l b dieses u m f a s s e n d e n »geistlichen Standes« erfolgt n u r d u r c h verschied e n e A m t e r (407,14f.). In dieses P r i e s t e r t u m g e h ö r t die weltliche Gewalt gleichberechtigt m i t h i n e i n u n d dient ebenfalls der christlichen G e m e i n d e (408,8—11). Diese G l e i c h b e r e c h t i g u n g e r m ö g l i c h t a u c h die gegenseitige Hilfe der G e w a l t e n , bzw. zur Z e i t die H i l f e der weltlichen G e w a l t g e g e n geistliche M i ß s t ä n d e g e m ä ß i h r e m A u f t r a g 1. Petr 2,13f. L u t h e r w e h r t sich h i e r b e i g e g e n die B e h a u p t u n g , w i e sie u.a. die Bulle Unam sanetam konstituiert hatte, daß die weltliche Gewalt kein R e c h t habe, in geistlichen A n g e l e g e n h e i t e n e i n z u g r e i fen. 3 6 Sachlich greift L u t h e r m i t dieser F o r d e r u n g auf das N o t h i l f e r e c h t z u r ü c k , das in s e i n e m Sinne theologisch modifiziert ist. D e r zweite t h e o l o g i s c h e Z u s a m m e n h a n g ist die v o m Papst b e a n s p r u c h t e A u s l e g u n g s h o h e i t ü b e r die Schrift. D a m i t v e r b u n d e n ist die H e r a u s n a h m e des Papstes aus d e m S ü n d e n v o r b e h a l t d u r c h die T r e n n u n g v o n A m t u n d Person: die päpstliche L e h r a u t o r i t ä t besteht u n a b h ä n g i g v o n der Christlichkeit o d e r S ü n digkeit des Papstes als Person ( 4 1 1 , 8 - 1 1 ) . D i e v o n d e n Kurialisten a n g e f ü h r t e B e g r ü n d u n g der Schlüsselgewalt weist L u t h e r z u r ü c k , da diese sich ausschließlich auf die S ü n d e n a b s o l u t i o n der B u ß e bezieht (412,1 ff.). D e r papalistische K i r c h e n b e g r i f f , der aus der H e i l s n o t w e n d i g k e i t der K i r c h e auf die päpstliche L e h r a u t o r i t ä t schloß, w i r d v o n L u t h e r ebenfalls a b g e l e h n t (412,15—17). I m Gegenteil gilt f ü r i h n w i e d e r u m die Feststellung der D e k r e t a l e Significasti (411,26-30). Aus der A u s e i n a n d e r s e t z u n g u m die b e n a n n t e D e k r e t a l e ergibt sich der dritte theologische Z u s a m m e n h a n g . U m nicht d u r c h a n d e r e S c h r i f t a u s l e g u n g e n w i d e r l e g t zu w e r d e n , spricht der Papst sich selbst allein die E i n b e r u f u n g s f ä higkeit f ü r ein Konzil zu. G e m ä ß M t 18,15—17 ist aber die G e m e i n d e a u f g e f o r dert, e i n e n s ü n d i g e n B r u d e r z u r e c h t z u w e i s e n u n d i m Extremfall aus der G e -
53 W A 6 , 4 0 7 , 1 8 f . D i e B i s c h o f w e i h e erfolgt beispielsweise n u r i m N a m e n d e r g e s a m t e n Vers a m m l u n g d e r C h r i s t e n (ebd., 4 0 7 , 2 9 f . ) . D e m so b e s t i m m t e n geistlichen Stand e n t s p r i c h t das Bild, das C h r i s t u s n u r e i n e n u n d n i c h t zwei K ö r p e r hat u n d z u g l e i c h dessen H a u p t ist (ebd., 408,33-35). 36 E b d . , 409,11—18. D e m w e l t l i c h e n S c h w e r t sind g e m ä ß R o m 13,1.4 alle M e n s c h e n Untertan (ebd., 409,34—36). In d e r Bulle Unam sanetam vgl. vor allem die V e r w e n d u n g v o n 1. K o r 2 , 1 5 i m S i n n e e i n e r U n r i c h t b a r k e i t des Papstes.
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m e i n d e zu v e r s t o ß e n (413,3ff.). Diese Schriftstelle k o r r e s p o n d i e r t so m i t d e m N o t h i l f e r e c h t i n n e r h a l b der C h r i s t e n h e i t , daß zugleich die E i n b e r u f u n g s f ä h i g keit f ü r ein Konzil an alle C h r i s t e n ü b e r g e h t ( 4 1 3 , 7 - 1 1 ) . B e s o n d e r s g e e i g n e t f ü r die K o n z i l s e i n b e r u f u n g ist j e d o c h das weltliche S c h w e r t (413,27—33). Aus d e n niedergerissenen M a u e r n ergibt sich die bereits konstatierte e n d zeitliche Gefahr, »das sie m i t uns allen gleich d e m s c h w e r t u n t e r w o r f f e n sein, die schrift nit m a c h t h a b e n ausztzulegen d u r c h lautter gewalt o n kunst, u n d k e i n e n gewalt h a b e n , ein C o n c i l i u m z u w e r e n o d d e r n o c h y h r e m m u t w i l l e n p f e n d e n , v o r p f l i c h t e n u n n d seine freyheit n e h m e n , u n n d w o sie das t h u n , das sie warhafftig des Endtchrists u n d teuffels gemeinschafft sein, nichts v o n Christo, d e n n d e n n a m e n haben« (415,1—6). D e r E r ö r t e r u n g der drei M a u e r n folgt der M a ß n a h m e n k a t a l o g eines e i n z u b e r u f e n d e n Konzils. D i e A b s c h a f f u n g des päpstlichen P r u n k s u n d des R e i c h t u m s der Kardinäle sowie des u m f a n g r e i c h e n verweltlichten k u r i a l e n B e a m t e n a p p a r a t e s trägt i m K e r n das P r o b l e m in sich, daß die geistliche Gewalt der d e m weltlichen S c h w e r t u n t e r s t e h e n d e n C h r i stenheit die Freiheit n i m m t u n d so in d e n K o m p e t e n z b e r e i c h der weltlichen Gewalt unzulässig eingreift. D i e vorgeblich geistlichen M a ß n a h m e n u n d Gesetze b e s c h n e i d e n die weltliche Freiheit (411,3—6). D e n u m f a n g r e i c h s t e n Teil der Adelsschrift bildet der M a ß n a h m e n k a t a l o g an die weltliche Gewalt i m V e r b u n d m i t e i n e m christlichen Konzil (427,30ff.). N e b e n d e m Verbot der A n n a t e n z a h l u n g e n u n d der A n r u f u n g r ö m i s c h e r Gerichtsbarkeit in weltlichen A n g e l e g e n h e i t e n , n e b e n d e m W i d e r s t a n d g e g e n j e g l i c h e finanzielle A u s b e u t u n g d u r c h R o m u n d der Bischofswahl o h n e r ö m i sche Bestätigung b e t r e f f e n einige Vorschläge a u c h das Verhältnis der b e i d e n G e w a l t e n z u e i n a n d e r . D e r Papst besitzt keine M a c h t ü b e r d e n Kaiser, so daß die Z e r e m o n i e der Salbung v o n d e n E l e m e n t e n w i e d e m F u ß k u ß o d e r d e m E i d g e g e n ü b e r d e m Papst entkleidet w e r d e n sollte. 57 Diese U b e r o r d n u n g schreibt die D e k r e t a l e Solitae fest, die L u t h e r f ü r »nit einis heilers wert« hält.'' 8 Gleichfalls u n s i n n i g ist die B e h a u p t u n g in der D e k r e t a l e Pastoralis cura, der Papst sei legitim e r E r b e des Kaisertums (434,18ff.). In diesem Z u s a m m e n h a n g e r w ä h n t L u t h e r a u c h die e n t d e c k t e Fälschung der Konstantinischen S c h e n k u n g (434,25ff.). Für L u t h e r v e r s u c h e n die Kurialisten damit, »hern [...] u b i r die weit« zu w e r d e n (435,1). D i e Folge der päpstlichen B e h a u p t u n g , Petrus u n d seine N a c h f o l g e r seien auch vicarii Christi i m H i m m e l , f ü h r t dazu, daß die K i r c h e v o n ihrer eigentlichen, d i e n e n d e n u n d p r e d i g e n d e n A u f g a b e zu einer R e g i e r u n g s f o r m gelangt ist, die die h i m m l i s c h e plenitudo potestatis in eine a n a loge irdische H e r r s c h a f t ü b e r f ü h r t (434,9ff.). D i e in papalistischer Tradition 57 WA 6,433,26—32. In der Erweiterung der Adelsschrift für die zweite Auflage erörtert Luther noch einmal die Frage der Salbung. Die Salbung wurde zwar nicht zur Abschaffung empfohlen. Luther bekräftigt nun aber, daß durch die Salbung keinesfalls die O b e r h o h e i t des Papstes ausgesagt wird, da auch Samuel Saul und David salbte u n d ihnen dennoch Untertan blieb (ebd., 465,2—5). Ebd., 433,33f. Luther bezieht sich hier auf seinen Nachweis in der Resolutio (ebd., 434,1 f.).
4. Weltliche und päpstliche Gewalt bis zum Wormser Reichstag 1521
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angeführte himmlische Analogie nach Dionysius Areopagita ist also nach Luther in Wirklichkeit genau anders herum zu verstehen. Gegen die päpstliche Lesart ist der Auftrag beider Gewalten so, daß die geistliche Gewalt gemäß der Schrift in weltlichen Belangen unter der weltlichen Gewalt steht (434,6—8). Dieses allgemein antikurialistische oder zumindest papstkritische Gedankengut gehört auch in der Gravamina-Bewegung im wesentlichen zum geistigen Hintergrund, vor dem die Beschwernisse formuliert werden. Zahlreiche Forderungen Luthers scheinen parallel zu sein, und die Grundziele der Bewegung, die Forderung eines Konzils und der Beginn der R e f o r m bei dem Haupt der Kirche, finden sich in den hier vorliegenden Maßnahmen wieder. 39 Allerdings deuten die drei Mauern Luthers bereits auf eine tieferliegende theologische Begründung dieser Reformforderungen hin, die die im spätmittelalterlichen Konziliarismus noch bestehende Differenzierung der causae fidei und rejormationis miteinander in Einklang bringt. Das schriftgemäße allgemeine Priestertum, das über die Gestalt der Kirche bestimmt und die innerweltliche Verfaßtheit der Kirche aus diesem Wesen ableitet, macht Reformen notwendig, die die äußere Gestalt der Kirche ihrer theologisch zutreffenden Struktur näher bringen. Für jemanden, dem dieser Zusammenhang nicht so deutlich vor Augen lag, konnte Luther mißverständlicherweise als Vertreter dieser Bewegung in Anspruch genommen werden. In einer E r w e i t e r u n g z u m Erstdruck der Adelsschrift äußert sich L u t h e r i m ü b r i g e n zur päpstlicherseits in A n s p r u c h g e n o m m e n e n Vorstellung von einer translatio impcrii. Für Luther folgt aus dieser Vorstellung die Konsequenz der B e k ä m p f u n g zahlreicher rechtmäßiger Kaiser durch den Papst. 6 0 A n h a n d v o n N u m 2 4 , 1 7 - 1 9 . 2 4 ; D a n 2,44 weist Luther nach, daß das hier traditionell z u g r u n d e l i e g e n d e Bild der vier Weltreiche insofern nicht zutrifft, als daß das römische R e i c h durch die G o t e n bereits untergegangen ist (462,23-30). D i e Konstantinische S c h e n k u n g w u r d e erdacht, u m die widerspenstigen G r i e c h e n u n d den Kaiser in K o n stantinopel zu e n t m a c h t e n , d e m damals folgsamen deutschen R e i c h die Kaiserwürde z u k o m m e n zu lassen u n d so die M a c h t des Papstes zu befestigen. 6 '
Daß man Luthers Adelsschrift als Exponenten einer Kirchenreformbewegung spätmittelalterlichen Typs gehalten hat, davon zeugt auch das seit 1520 wieder aufkommende Interesse an der Reformatio Sigismundi.62 Der Versuch, aus der ''' Zu Gravamina und Adelsschrift vgl. RUBLACK, HANS-CHRISTOPH, Gravamina und R e f o r m a tion, in: Spätmittelalter und Frühe Neuzeit. Tübinger Beiträge zur Geschichtsforschung, hg. v. JOSEF ENGEL UND ERNST WALTER ZEEDEN, B a n d 1 2 , S t ä d t i s c h e G e s e l l s c h a f t u n d R e f o r m a t i o n ,
K l e i n e S c h r i f t e n 2, h g . v. INGRID BÄRTORI, S t u t t g a r t 1 9 8 0 , 2 9 2 - 3 1 3 . 60
Luther kündigt gegenüber Spalatin am 23.08. 1520 eine Erweiterung der Schrift an (WA.B 2, Nr. 329, 169f., hier 169,6f.). Vgl. zum folgenden WA 6,462,12ff., hier besonders 462,18-20. f> Ebd., 462,31—463,5. Allerdings plädiert Luther nicht dafür, daß R e i c h wieder zurück zu geben, da es Gott gleich sei, wer regiert, nur daß es sich um eine ordentliche Regierung handelt (ebd., 464,1-5). 62 Vgl. hierzu oben S. 120f. O b allerdings die Vermutung richtig ist, daß dieses Werk eine Vorlage für die Adelsschrift darstellte, weil Luther entgegen zeitgenössischer Berichte davon ausgeht, daß Sigismund keine Mitschuld an der Hus-Verurteilung auf dem Konstanzer Konzil trifft, und
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Zwei-Reiche-Lehre
Konzilsbewegung die Selbständigkeit der weltlichen Gewalt von R o m auszudehnen und im Gegenzug für die Kirche eine Nothilfefunktion auszuüben, entspricht dem zeitgenössischen Interesse am Beginn des 16. Jahrhunderts. Die Hoffnung, die nach der Wahl Karls V. zum Kaiser in seine Person gesetzt wurde, deckt sich mit der in der Reformatio behaupteten Vikariatsaufgabe des Kaisers für die Kirche. 4.2.4 D e r Christ u n d die beiden »Christenheiten« in »Vom Papsttum zu R o m « Hatte Luther bisher den Menschen, nach Leib und Seele unterschieden und seinen Gehorsam gegenüber den Gewalten im Blick gehabt, verlagert sich die T h e matik in der Schrift »Von dem Papstthum zu R o m wider den hochberühmten Romanisten zu Leipzig« auf die beiden Herrschaftsbereiche. 63 Der historische Kontext bleibt dabei die Auseinandersetzung mit der kurialistischen Theologie. 64 Die Argumentationsweise der Schrift orientiert sich an Alfelds Schrift »Eyn gar fruchtbar unn nutzbarlich buchleyn von dem Babstlichen stul«, die eine veränderte deutsche Version seiner Schrift Super apostolica sede darstellt.6,1 Z u v o r hatte Luther sich gegen Silvester Prierias gewandt u n d dessen G u t a c h t e n ü b e r den Papstprimat mit einem (zum Teil polemischen) K o m m e n t a r versehen u n d n a c h g e d r u c k t . 6 6 D i e Epitome stellt den dritten Teil einer Schrift dar, die u n t e r d e m Titel Errata et argumenta Martini Luteris recitata, detecta, repulsa et copiosissime trita. Perfratrem Silvestrum Prieriatem, magistrum Sacri Palatii am 2 7 . 0 3 . 1520 in R o m in D r u c k ging u n d die Luther im M ä r z 1521 b e k a n n t w u r d e . 6 7 D i e Epitome beinhaltet die G l i e d e r u n g der ersten beiden Teile der Schrift. Prierias hatte in der Epitome eine klassisch kurialistische Lehre entwickelt, i n d e m v o n d e m Christusvikariat des Papstes u n d d e m Jurisdiktionsprimat die R e d e war (331,1-8), die nicht weil er eine positive Beurteilung dieses Kaisers nur aus diesem Werk rezipieren konnte (vgl. die Edition, ed. KOLLER, 26f.), bleibt unklar, weil ein direkter Hinweis auf dieses Werk fehlt. Allerdings ließe sich vermuten, daß Luther aus seinen Gesprächen mit Juristen, die dieses Werk kannten, indirekt dessen Inhalt erfahren hat. 63 WA 6,(277)285-324. Luther meldete am 25.06. 1520 Spalatin die Fertigstellung des Drucks am folgenden Tag (WA.B 2, Nr. 305, 129-131, hier 130,20f.). Die Schrift, hatte Luther bereits Anfang juni angekündigt (WA.B 2, Nr. 297, 119f., an Spalatin vom 07.06.(?)1520). Wenn er gegen Alfeld schreiben werde, werde er sich auch gegen den Papst richten, um die Antichristi mysteria zu offenbaren (ebd., 120,10-12). 64 Ebd., 285,22ff. Zu den Mißständen vgl. ebd., 288,1-3. Daneben benennt Luther die Ketzereien der Kirchengeschichte, die für ihn ihren Grund in der Gewaltanmaßung der römischen Kirche haben (315,14—21). Wie der Antichrist greift der Papst in die Kompetenzen der weltlichen Gewalt ein (308,13—16). Fokussiert werden diese Mißstände in der Auslegung despascere]oh 21,17 als Grundlegung des Jurisdiktionsprimats (316,25—33). 65 Z u m deutschen Text vgl. die Einleitung WA 6,280f., zum lateinischen die Inhaltsangabe ebd., 277—279. Luther verweist direkt auf die deutsche Schrift, ebd., 290,1 f. 66 So Luther an Spalatin vom 07.06.(?)1520, dem er die Epitome zur Begutachtung schickt (WA.B 2, Nr. 297, 119f., hier 120,3-6). Zur Schrift vgl. WA 6,(325)328-348. 67 Vgl. hierzu WA 6,326f. Zur Ankündigung der Schrift in Prierias' Replica im November 1518 vgl. CCath 41,123,1.
4. Weltliche und päpstliche Gewalt bis zum Wormser Reichstag 1521
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n u r zu einer päpstlichen H e r r s c h a f t de iure, s o n d e r n auch de facto ü b e r die ganze Welt f ü h r t e n (332,8—12). Aus diesem P r i m a t erhalten die u n t e r e n kirchlichen H i e r a r c h i e n ihre Legitimität ( 3 3 2 , 2 5 - 2 7 ) , w ä h r e n d die päpstliche M a c h t , zu der a u c h die A u s l e g u n g s h o h e i t ü b e r das göttlich u n d naturrechtlich legitimierte Gesetz g e h ö r t (337,13—15), g o t t e s u n m i t t e l b a r ist. 6 8 D e r Papst ist v o n der B e s t i m m u n g der Dekretale Significasti a u s g e n o m m e n u n d entscheidet i m Falle u n t e r s c h i e d l i c h e r A u s l e g u n g e n der Schrift ex motu sui cordis ( 3 3 8 , 2 2 - 2 7 ) . F ü r d e n dieser G e w a l t u n t e r s t e h e n d e n C h r i s t e n ist der G e h o r s a m h e i l s n o t w e n d i g , ein A b w e i c h e n Ketzerei (333,26f.). G e g e n diese kurialistische Lehre hatte L u t h e r seinen A n t i c h r i s t v o r w u r f w i e d e r h o l t ( 3 2 8 , 1 2 - 1 5 ) , da der f ü r gottgleich gehaltene Papst ü b e r die A u s l e g u n g der Schrift u n d d a m i t die seine G e w a l t b e g r ü n d e n d e n Bibelstellen besitze ( 3 2 8 , 1 6 - 2 1 ) . Für L u t h e r h e i ß t das: Iiis testibus confiteor, me dissentire Romatiae Ecclesiae et negare eam cum Papa et Cardinalibus (329,10f.). Kaiser, K ö n i g u n d Fürsten müssen d e m Papst Einhalt g e b i e t e n (347,17ff.). H i e r ist n i c h t m e h r v o n der M ö g l i c h k e i t , s o n d e r n v o n der N o t w e n d i g k e i t der N o t h i l f e die R e d e .
D i e der Schrift »Vom Papsttum« vorangestellte These lautet: »Ob das Bapstum zu R o m , w i e es in beruriger besytzung der gewalt ist über die gantz C h r i s t e n heit, w i e sie sagen, h e r k u m m e n sey von gotlicher odder menschlicher Ordnung« (286,35—287,2). D a m i t ist das bisherige T h e m a der Auseinandersetzung erneut angeschlagen. Luther analysiert die beiden Sätze, daß eine leibliche G e m e i n d e ein leibliches H a u p t brauche u n d daß in der christlichen G e m e i n d e der Papst das H a u p t sei (290,20—23). Gegen den ersten Satz steht die E r f a h r u n g , daß es in zahlreichen weltlichen Herrschaftsbereichen auch mehrere H e r r s c h e r gleichzeitig gibt u n d nicht über alle Herrschaftsgebiete zusammen ein H a u p t gesetzt ist (292,9-23). Vor der E r ö r t e r u n g des zweiten Satzes fugt Luther eine Klärung der Begriffe »Christenheit« u n d »Haupt der Christenheit« ein, u m die U n t e r s c h e i d u n g der geistlichen u n d der innerweltlichen Kirche präzisieren zu k ö n n e n . G e m ä ß den zwei N a t u r e n des M e n s c h e n , Leib u n d Seele (295,12—14), sind verschiedene D i n g e mit d e m Begriff »Christenheit« gemeint: z u m einen die innerliche »vorsamlung der hertzen in einem glauben« (293,3), die d e m Satz Christi e n t spricht, daß sein R e i c h nicht von dieser Welt sei (293,13—16). Z u m anderen ist mit »Christenheit« die äußerliche Versammlung, beispielsweise in einem Haus gemeint ( 2 9 6 , 1 6 f f ) . Für sie findet Luther keine Legitimation in der Heiligen Schrift, die ihr den Charakter iure divino verleihen k ö n n t e (296,30—33). Sie ist nach menschlichem R e c h t geordnet. D i e beiden Begriffe bezeichnen nicht unbedingt eine deckungsgleiche M e n g e von M e n s c h e n , da über den Glauben eines einzelnen u n d damit seine Zugehörigkeit zur Christenheit innerweltlich keine Ausage getroffen werden kann; es liegt ein corpuspermixtum vor. 69 A u ß e r Ebd., 334,18f. Im Anhang der Epitome erwähnt Prierias, daß er nach Fertigstellung der Schrift das Protokoll der Leipziger Disputation u n d Luthers Resolutiones über die 13. These erhalten hat (ebd., 345,31 f.). Prierias fuhrt die von Luther analysierten kanonistischen Texte an u n d bezichtigt Luther, sie fälschlich auszulegen (346,10—24). 69 »Vil sein unter den Christen in der leyplichen vorsamlung u n n d eynickeit, die doch mit Sunden sich ausz der ynnerlichen, geystlichen eynickeyt schliessen« (ebd., 294,1—3), »drumb hab das
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Zwei-Reiche-Lehre
liehe Zeichen der inwendigen Kirche sind die Sakramente und das Evangelium (301,3—5). Das Haupt der innerlichen Christenheit kann nur Christus selbst sein, da das Zugehörigkeitskriterium der Glaube ist (297,37—40), den kein Mensch selbst bewirken kann (298,13—16). Gegen die Annahme, der Papst sei in zweifacher Hinsicht das Haupt der Christenheit, argumentiert Luther wiederum mit den bekannten Argumenten. Gegen die Ubereignung der Gesamtgewalt an Petrus als Folge von Mt 16,18 spricht Mt 18,18, wonach die Binde- und Lösegewalt der gesamten Gemeinde angetragen wird. Petrus erhält sie also nicht für seine Person, sondern stellvertretend für die ganze Gemeinde (309,18—30). Die Schlüsselgewalt bezieht sich dabei nur auf die Buße und damit den Zuspruch der Sündenvergebung, nicht aber auf eine etwaige Jurisdiktionsgewalt. 70 »Nu sehen wir, das die zween spruch Christi zu Petro gethan [Mt 16,18; Joh 21,17; V.M.], daraufF sie das babstum bawenn, stercker widder das babstum seinn, den kein andere«, so Luther abschließend (321,23f.), »die erste Christenheit, die allein ist die warhafftige kirch, mag unnd kan kein heubt auff erden haben« (297,37f.). Die Aufgabe der geistlichen Gewalt im Bereich der innerlichen Kirche beschränkt sich auf die eigentliche Bedeutung des Begriffes »Apostel«, die Verkündigung des Evangeliums als »einenn botten unnd briefftreger« (299,37). Die äußerlich dieser Gewalt gegebene Ordnung hat auf die innerliche Christenheit dabei keinen Einfluß (300,26—32). Der Christ hat die vom Papst errichtete Ordnung zu erdulden und soll dagegen nicht vorgehen (321,36f.). Die weltliche Gewalt muß allerdings die finanzielle Stabilisierung dieser Ordnung unterlassen (322,23ff.), andernfalls wird das Reich »noch wust werden« (289,4).
4 . 3 D i e Frage des gewaltsamen Widerstands gegen unrechtmäßige kanonische Prozesse Nach der erfolgten Kaiserwahl wird der Prozeß gegen Luther wieder aufgenommen. 7 1 Die Bulle Exsurge Domine vom 15.06. 1520 setzt Luther bis zum
fest, wer nit yrren wil, das die Christenheit sey ein geistlich vorsamlung der seelenn in einem glaubenn, unnd das niemand seins leybs halben werd für ein Christen geachtet, auff das ehr wisse, die naturlich, eygentlich, rechte, wesentliche Christenheit stehe ym geiste, unnd in keinem eusserlichenn ding« (ebd., 2 9 6 , 5 - 9 ) . 7 0 Schlüssel- und Jurisdiktionsgewalt gleichen sich »wie winter und summer« (WA 6 , 3 1 2 , 3 ) . Luther beklagt zugleich die aus der Jurisdiktionsgewalt folgende Unrichtbarkeit des Papstes gemäß der Unterscheidung von A m t und Person, was Luther für »ertichtet« (ebd., 3 1 2 , 1 7 ) und »ein scharffe, hohe, subtile rede« (ebd., 3 1 7 , 5 ) hält. 71 Vgl. zum erneuten Prozeßbeginn gegen Luther bis zur Bulle Exsurge Domine am 1 5 . 0 6 . 1520 C C a t h 42,317fF.
4.
Weltliche und päpstliche
Gewalt bis zum Wormser Reichstag
Ì521
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2 7 . 1 1 . 1520 eine Widerrufsfrist und droht andernfalls den Bann an. 72 Die Artikel 25—30 der Irrtumsliste befassen sich mit der Leugnung der päpstlichen Vollgewalt. Der Papst ist nicht Statthalter Christi über alle Kirchen (25. Artikel), so daß das Binde- und Lösewort an Petrus Mt 16,19 nur auf die Dinge bezogen werden kann, die Petrus selbst gebunden oder gelöst hat (26.). Die Kirche und der Papst hat keine Gewalt, Glaubenssätze oder Moralgesetze aufzustellen (27.). In Fragen, die nicht das Heil betreffen, ist es erlaubt, bis zur Klärung einer Streitfrage durch ein Konzil anderer Meinung als der Papst zu sein (28.). Auch ein Konzil hat keine solche Auslegungshoheit, daß man nicht eine andere M e i nung vertreten könnte, die man für wahrhaftig hält (29.). Viele Husartikel, die das Konstanzer Konzil verworfen hat, sind in Wahrheit christlich (30.). 73 Diese Luther aus diversen seiner Schriften vorgeworfenen Sätze fuhren zu der Anordnung, seine Schriften zu verbieten und zu vernichten und ihn selbst zu exkommunizieren. 74 Die Gründonnerstagsbulle Consueverunt Romani Pontifices vom 2 8 . 0 3 . 1521 nimmt Luther nun in die üblicherweise verlesene Ketzerliste auf. 75 Luther reagiert schon im Dezember auf die sich verschärfende rechtliche Situation unmißverständlich mit der Verbrennung des Kanonischen Rechts vom gratianischen Dekret bis zu den Extravaganten und der Bulle Leos X . sowie weiterer kurialistischer Schriften. 76 Luther rechtfertigt anschließend die Verbrennung in einer ausfuhrlichen Stellungnahme durch die Aufstellung eigener »Artickell unnd yrtumb ynn des geystlichen rechts und Bepstlichen buchern, darumb sie billich zuvorprennen und zu meyden seyn«.77 Die Darstel7 2 Ediert in C C a t h 42,364—411. Angeschlagen wurde die Bulle an der Peterskirche und auf dem Campo dei Fiori am 2 4 . 0 7 . 1520. Aleander wird mit der Ausfuhrung der Bulle in Deutschland betraut (vgl. den Kommissionsbrief Leos X . für Aleander C C a t h 42,438—442, daneben Instruktion ebd., 4 4 2 - 4 4 5 und Kreditiv W 2 15,1610f.). Zwischen dem 2 5 . 0 9 . und 2 8 . 1 0 . 1 5 2 0 erfolgte eine Ubersetzung der Bulle durch Spalatin (vgl. hierzu C C a t h 4 2 , 3 2 5 ; Edition ebd., 364— 411). A m 0 6 . 1 0 . überschickt E c k Herzog Johann ein Exemplar der Bulle Exsurge Domine und eine Kopie des Breve Leo X . an Kurfürst Friedrich von Sachsen ( W 2 1 5 , 1 5 7 5 f . ; vgl. W 2 15,1405— 1408). A m 1 7 . 1 2 . 1520 erwähnt Kaiser Karl V. zum ersten Mal den rechtskräftig gegen Luther ergangenen Bann des Papstes in einem Schreiben an Kurfürst Friedrich ( D R T A . J R 2, Nr. 62, 468— 4 7 0 , hier 4 6 9 , 1 ff.). Offiziell verhängt wird der Bann durch die Bulle Decet Romanum Pontificem vom 0 3 . 0 1 . 1521 (CCath 4 2 , 4 5 7 - 4 6 7 ; W 2 1 5 , 1 7 0 4 - 1 7 1 0 ; zur historischen Einführung vgl. C C a t h 42,445fr.), wobei eine Überreichung der Bulle auf dem Reichstag in Worms historisch unklar bleibt (vgl. ebd., 448). In einem B r i e f L e o X . an Kaiser Karl V. vom 1 8 . 0 1 . 1521 wird die Verlesung der Bulle auf dem Wormser Reichstag erwünscht (Alias Celsitudini; C C a t h 42,472ff.). " Vgl. zu diesen Sätzen C C a t h 4 2 , 3 8 1 - 3 8 3 . 7 4 C C a t h 42,395fF. 7 5 C C a t h 4 2 , 4 7 6 f f „ hier 4 7 7 , 8 f . Luther antwortet darauf in Bulla Coena Domini von 1522 (WA 8 , 6 9 1 - 7 2 0 ) . D e n Text der Bulle hat Luther wohl auf der Wartburg 1 5 2 1 / 2 2 erhalten (CCath 42,454). 7 6 Vgl. Luthers Bericht an Spalatin vom selben Tag ( W A . B 2, Nr. 3 6 1 , 2 3 4 f „ hier 2 3 4 , 4 - 1 0 ) und an Staupitz vom 1 4 . 0 1 . 1521 ( W A . B 2, N r . 3 6 6 , 2 4 5 - 2 4 7 , hier 2 4 5 , 1 7 ) . Bereits am 1 0 . 0 7 . 1520 hatte Luther Spalatin gegenüber angekündigt, daß päpstliche R e c h t zu verbrennen ( W A . B 2, Nr. 3 1 0 , 1 3 6 - 1 3 8 , hier 137,28f.). 7 7 Warum des Papstes und seiner Jünger Bücher von D. Martin Luther verbrannt sind (WA
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lung beginnt mit der kurialistischen Behauptung der Freiheit des Papstes von j e d e m weltlichen oder konziliaren Gehorsam gemäß der Z w e i - L i c h t e r - T h e o rie der Dekretale Solitae (165,4—16) und seiner im kanonischen R e c h t postulierten Unrichtbarkeit (167,1—8). Heilsnotwendiger Papstgehorsam und innerweltliche Jurisdiktion prägen das Verhältnis des Papstes zu den Menschen (167,10—16). Zeichen dieser Prägung sind die Behauptung der Konstantinischen Schenkung, die Bezeichnung des Papstes als Reichserbe gemäß der Dekretale
Pastoralis
cura
und
die
behauptete
Absetzungsfähigkeit
einer
papstwidrigen weltlichen Obrigkeit (173,1—11; 174,1—4). Luther schließt daraus: »Inn dissenn und der gleychenn artickell, der untzehlich viel mehr seynn, doch alle dahynn gericht, das der Bapst ubir got und menschen sey, und er alleyn niemant, sondernn yderman yhm, auch gott und die engell, unterthan sey« (176,4—7), »der Bapst ist eyn gott auf erdenn ubir alle hymlische, erdisch, geystlich unnd weltlich und ist alles seyn eygenn« (177,8f.). D i e Begründung der Verbrennung deutet auf die argumentative Struktur, wie sie in
Unam
sanctam in der Begründung der plenitudo potestatis begegnet. Hatte Luther diese Position vor allem wegen der Konsequenzen für das Papstamt innerhalb der geistlichen Gewalt angegriffen, zeigt sich hier seine Sensibilität für die Konsequenz gegenüber der weltlichen Gewalt. Gegen die Artikel der päpstlichen Irrtumsliste legt Luther Anfang 1521 eine ausführliche Erörterung vor, die »Grund und Ursach aller Artikel D. Martin Luthers, so durch die römische Bulle unrechtlich verdammt sind«. 78 N e b e n den bekannten Argumenten bezüglich M t 16,18, J o h 2 1 , 1 7 und der Dekretale Significasti gibt Luther einen Eindruck von den »Vernunftgründen«, durch die er neben Schriftgründen in seiner Position überwunden werden will, um seine Schriften zu widerrufen. Vernunftgemäß ist nämlich die Frage, warum in der Schrift alle Dinge, die die Kirche betreffen, so klar ausgesagt werden, von dem vermeintlich dem göttlichen R e c h t gemäßen Papsttum aber nicht deutlich die R e d e ist ( 4 0 9 , 7 - 1 1 ) . Ist es aber nun dem Christen erlaubt, gegen den »Antichristen« 7 '' Widerstand zu leisten, unter Umständen sogar mit Waffengewalt? Diese Frage beschäftigt Luther besonders wegen der Maßnahmen, die Ulrich Hutten ergreift. Luther erfährt von Hutten, daß dieser mit Schriften und Waffen gegen den Papst und dessen tyrannis sacerdotalis
vorgehen will. 80 Luther läßt diese Bestrebungen
7 , ( 1 5 2 ) 1 6 1 - 1 8 2 , hier 1 6 5 , 1 - 3 ) . Die Schrift wurde am 2 7 . 1 2 . 1520 durch Bernhard von Hirschfeld an Anton Tucher in Nürnberg übergeben. 7 8 W A 7 , ( 2 9 9 ) 3 0 9 - 4 5 7 , am 0 6 . 0 3 . 1521 an Spalatin verschickt. Die lateinische Version stellt die Assertio omnium articolorum M. Luthero per hullam Leonis X. novissimam äamnatorum von Ende 1520 dar (WA 7 , ( 9 1 ) 9 4 - 1 5 1 ) . 79 So u.a. in einem B r i e f vom 2 4 . 0 3 . 1521 an einen Unbekannten (WA.B 2, Nr. 3 9 1 , 292f.). 811 So in einem B r i e f an Spalatin vom 1 1 . 0 9 . 1520 berichtet (WA.B 2, Nr. 337, 1 8 4 - 1 8 6 , hier 185,lf.).
4. Weltliche und päpstliche Gewalt bis zum Wormser Reichstag
t521
209
unkommentiert, weist sie aber auch nicht zurück. Im Gegenteil will Luther sich mit Hutten im Geiste verbinden, wenn der Bischof von Mainz auch Luthers Bücher verbieten sollte. Später bezieht Luther eine distanziertere Position. Er wendet sich gegen die Verteidigung des Evangeliums mit Gewalt. 81 H u t t e n v e r s t e h t d i e kurialistische A r g u m e n t a t i o n als I d e n t i f i k a t i o n des Papstes m i t d e r K i r c h e u n t e r A u s s c h l i e ß u n g d e r C h r i s t e n h e i t . 8 2 D i e w e l t l i c h e G e w a l t f u g t sich d e r z e i t d e n A n m a ß u n g e n d e r g e i s t l i c h e n G e w a l t . B e s o n d e r e r A u s d r u c k ist d e r F u ß k u ß des Papstes d u r c h d e n K a i s e r . 8 3 E r r u f t n u n z u m b e w a f f n e t e n K a m p f g e g e n d e n Papst a u f , m i t dessen H i l f e d e r Papst in d i e R e i h e d e r B i s c h ö f e z u r ü c k g e s t u f t w e r d e n soll. 8 4 M i t d e r V e r b r e n n u n g des geistlic h e n R e c h t s d u r c h L u t h e r ist ein P f e i l e r d e r p ä p s t l i c h e n M a c h t a b s i c h e r u n g e n t f e r n t w o r d e n . 8 3 H u t t e n setzt in d e r A u s e i n a n d e r s e t z u n g seine H o f f n u n g a u c h a u f d e n j u n g e n K a i s e r Karl V. 8 6 D i e B e u r t e i l u n g d e r r ö m i s c h e n G e w a l t i m Verhältnis z u r w e l t l i c h e n O b r i g k e i t e n t s p r i c h t also in g r o b e n Z ü g e n d e n v o n L u t h e r v o r g e b r a c h t e n A r g u m e n t e n , e b e n s o d i e a n f a n g l i c h e H o f f n u n g a u f Karl V.
Eck klagt nun, Luther befördere mit dem Duldungsgebot an die Christen gemäß M t 5,39 die Anarchie. 87 Luther entgegnet, er habe deutlich darauf verwiesen, daß nach 1. Petr 2,13f. das weltliche Schwert seine Rieht- und Straffunktion ausüben müsse (582,26—28): »Nichts deste weniger sol ein yglicher leyden gewalt und unrecht, die ubirkeit sol aber drauff wachen, das niemant unrecht geschehe« (583,1 f.). Das Problem der christlichen Unrechtsduldung in Verbindung mit dem Schwertamt der weltlichen Obrigkeit ist hier virulent. Luther löst es zunächst mit der Unterscheidung von christlicher Person und Amtsträger auf. Beide haben ihre Aufgaben zu erfüllen. Die Frage, wie sich der
81
So L u t h e r an Spalatin v o m 1 6 . 0 1 . 1520 (WA.B 2, N r . 3 6 8 , 2 4 8 - 2 5 0 , hier 2 4 9 , 1 2 f . L u t h e r sagt, verbo victus est mundus, servata est Ecclesia, etiam verbo reparabitur (ebd., 249,13f.). E r überschickt Spalatin W e r k e von H u t t e n (vgl. H u t t e n s Brief v o m 0 9 . 1 2 . 1520; W A . B 2, N r . 360, 2 3 0 - 2 3 3 ) . Dieser B r i e f erreicht H u t t e n n i c h t (vgl. ebd., 266,8). 82 So H u t t e n an Kurfürst Friedrich v o m 1 1 . 0 9 . 1520 (BÖCKING 1 , 3 8 3 - 3 9 9 , hier 386,23f.). Vgl. a u c h H u t t e n s Klage ü b e r die B ü c h e r v e r b r e n n u n g in M a i n z (1520) BÖCKING 3,455—459, hier 457,71, u n d seine Klage u n d V e r m a h n u n g gegen die Gewalt des Papstes BÖCKING 3, 473—526, hier 493,542f.; 5 1 7 , 1 2 8 4 f . 81 D i e weltliche Gewalt ist d e m Papst in seinen A n s p r ü c h e n willfährig (BÖCKING 1,389,25—28). D i e päpstliche A r g u m e n t a t i o n versteht sich so, daß der Kaiser u n t e r d e m Papst steht u n d keine M a c h t ü b e r ihn hat ( H u t t e n s Vadiscus; BÖCKING 4 , 1 6 5 , 3 7 - 1 6 6 , 1 8 ) . Z u r S c h a n d e des Fußkusses vgl. BÖCKING 3 , 4 9 7 , 6 5 4 f F . 84 »Last uns künlich das bebstisch tyrannisch r e g i m e n t a u f f h e b e n u n d abthun« (BÖKKINGI ,391,38f.), »aber das w i r f ü r h a b e n , w ü r t n o t on m o r d t , nit o n blutvergiessen geschehen« (ebd.,392,27 f.). H u t t e n e r m a h n t »alle f r o m m e n teutschen« (ebd.,413,24f.), i h n i m K a m p f gegen d e n Papst zu unterstützen. D e r Kaiser erhält nach d e m K a m p f gegebenenfalls sein A m t zurück, der Papst aber w i r d d e n a n d e r e n Bischöfen gleichgemacht (ebd.,395,22—25). 85 H u t t e n b e z e i c h n e t das päpstliche, angeblich göttliche R e c h t als »hart strick der m e n s c h l i c h e n R e c h t u n d gesetz«, der n u n zerschlagen ist (im D e u t s c h e n R e q u i e m auf die B ü c h e r v e r b r e n n u n g ; BÖCKING 3 , 4 7 0 - 4 7 2 , hier 470,4f.). Z u r A b s i c h e r u n g der M a c h t war das geistliche R e c h t verfaßt w o r d e n (BÖCKING 4,212,19). 86
BÖCKING 3 , 4 9 6 , 6 4 4 f F .
87
Von d e n n e u e n Eckischen Bullen u n d Lügen (WA 6 , ( 5 7 6 ) 5 7 9 - 5 9 4 , hier 5 8 2 , 2 0 - 2 2 ) .
210
Zweiter Teil: Martin Luthers
Zwei-Reiche-Lehre
weltliche Herrscher als Christ verhalten soll, ist hier nicht berührt. Auf kurialistischer Seite dient der Hinweis auf das anarchistische Element dazu, die Bereitschaft des Kaisers im Prozeß gegen Luther zu erhöhen, sich als advocatus ecclesiae auf die päpstliche Seite zu schlagen. 88 In Ad librum eximii Magistri Nostri Magistri Ambrosii Catharini, defensoris Silvestri Prieratis acerrimi, responsio*9 markiert Luther noch einmal die weiterentwikkelte Fragestellung: es geht um das Wesen des Papstes als Antichrist (708,2—5). Die wahre Kirche, die aus dem konstitutiven Glauben entsteht, ist sündlos, unsichtbar und geistlich (710,1 ff.). Die sichtbaren Zeichen der geistlichen Kirche sind Taufe, Abendmahl und das Evangelium (720,32ff.). Weder die kurialistische Befestigung mit dem geistlichen Recht kann sich dabei auf die wahre Kirche beziehen noch die Inanspruchnahme der weltlichen Gewalt gemäß Solitae.9" Die congregatioßdelium, die Biel über die Gewalten setzte, erfährt hier eine deutlich andere Prägung, da sie auf dem gewiß machenden Wort des Evangeliums beruht und eine kurialistische Deutung der sich aus der Leitung der congregatio ergebenden potestas über die Gewalten unmöglich wird. L u t h e r antwortet a u f eine Schrift v o n Ambrosius Catharinus ( 1 4 8 4 — 1 5 5 3 ) , die Apologia veritate catholicae et apostolicaefidei
ac doctrinae adversus impia ac valde pestifera Martini Lutheri
pro dog-
mata. N e b e n der Auseinandersetzung m i t zahlreichen S c h r i f t e n Luthers v o n 1 5 1 8 u n d 1 5 1 9 (anhand von elf doli, »Täuschungen«, i m ersten B u c h des Werkes) erörtern das zweite und dritte B u c h die Resolutio
Luthers ü b e r die dreizehnte T h e s e zur Papstgewalt, w o r i n C a t h a r i -
nus die kurialistische D e u t u n g v o n M t 1 6 , 1 8 u n d j o h 2 1 , 1 7 bestätigt. 9 1 Z u Luthers W i d e r l e g u n g der D e k r e t a l e Cleros D. 21 c. 1 m i t Hilfe von Primae D. 9 9 c. 3 e n t g e g n e t Catharinus aus d e m r ö m i s c h e n M e ß k a n o n die v o n der K i r c h e gesungenen Sätze Tu es princeps
apostolorum
u n d Tibi tradidit Dens omttia regna mundi, die nicht etwa auch einen weltlichen H e r r s c h e r , s o n d e r n a u f den Papst als N a c h f o l g e r Petri zu b e z i e h e n sind. 9 2 U n t e r B e z u g a u f die kurialistische
8 8 Luthers Schriften gegen die Bannandrohungsbulle Ende O k t o b e r spezifizieren den Aufruf zum Ungehorsam. Luther fordert nicht die Laien zum Aufruhr gegen die geistliche Obrigkeit auf, sondern dazu, nicht weiter dem falschen Gehorsam zu folgen. Adversus execrabilem Antichristi bullam (WA 6,(595)597—612) bespricht die ersten sechs Bullenartikel. »Wider die Bulle des E n d christs« (WA 6,(613)614—629) stellt eine freie deutschsprachige Bearbeitung der lateinischen Schrift dar und behandelt die ersten 12 Sätze der Bulle, in denen Luther erneut die Identifikation der päpstlichen Gewalt mit der christlichen Kirche angreift (615,3f.). Z u m falschen Gehorsam vgl. 6 2 0 , 1 5 ff. Luther benennt die Aufgabe der weltlichen Gewalt, scheint aber mit dem Hinweis auf die Laien auch noch Verständnis für deren U n m u t zu haben: »Was were es nu wunder, ob forsten, adel und leyen den Bapst, Bischoff, pfaffen unnd M ü n c h ubir die kopff schlugen unnd zum land auszjagten?« (ebd., 6 2 1 , 1 0 f . ) . WA 7,(698)705-778. 9 0 Vgl. W A 7 , 7 5 1 , 8 f f . Petrus [mandat; V.M.], subdi regibus et omni humanae creaturae. At Papa contra res suas, personam suam et suorum omnium tantis diris legum exemptos tenet [...] gariens in sua hida illa bis sceleratissima de maioritate et obedientia, Papam excellere in spiritualibus Imperatorem, sicut solem per lunam (753,32-754,2). ' Vgl. LAUCHERT, FRIEDRICH, D i e italienischen literarischen Gegner Luthers, Erläuterungen und Ergänzungen zu Janssens Geschichte des deutschen Volkes, hg. v. LUDWIG PASTOR, Bd. VII, Freiburg i.B. 1912, 32ff.; C C a t h 27, I X f f . 9 2 Vgl. C C a t h 27,204,21fF; vgl. auch ebd., A n m . 4 5 .
4.
Weltliche und päpstliche Gewalt bis zum
Wormser Reichstag
B e s t i m m u n g d e s G e w a l t e n v e r h ä l t n i s s e s s c h l i e ß t C a t h a r i n u s : Papa Imperator imperator. Sed Papa Carolo tanto maior, quanto praestat spirituale
temporali
211
1521 est, et
Carolus
imperio.93
Luthers Antwort auf Catharinus erfolgt also vor dem Hintergrund einer traditionellen kurialistischen Bestimmung der Zwei-Schwerter-Lehre. Die auch in dieser Phase der Auseinandersetzung mit R o m vorgebrachten Argumente Luthers bleiben konsistent bis zu Luthers R e d e vor dem Kaiser und den Ständen in Worms, in der er daraufbesteht, seine Schriften gegen das Papsttum nicht widerrufen zu können, da er sonst die »Tyrannei« des Papsttums befestigen würde. 94 Der Widerstand des Christen erfolgt nicht mit innerweltlicher Waffengewalt, sondern geistlicher Wortauseinandersetzung. Die Gewalt ist Obrigkeiten vorbehalten. Wie aber können sie die geistliche Verirrung beeinflussen?
4.4 Die weltliche Gewalt zwischen Nothilfe und unrechtmäßigem Eingriff in geistliche Belange Luthers Stellung zur weltlichen Obrigkeit schwankt in dieser Zeit zwischen der Hoffnung auf eine Unterstützung im Kampf gegen den vermeintlichen Antichristen und dem deutlichen Zweifel bezüglich der Fähigkeiten und Zuständigkeit des weltlichen Schwertes. Die unterschiedlichen Akzente in der Beurteilung der weltlichen Gewalt hängen von den herrschenden Personen ab, die Luthers jeweils im Auge hat. Ganz allgemein geht die weltliche Obrigkeit zurecht gegen den gerade auch in Sachsen entstehenden Aufruhr unter den Menschen vor. 95 Vergleichbar zur Adelsschrift fordert Luther auch weiter den Kampf der weltlichen Gewalt gegen die unchristlichen Zustände in Rom. 9 6 Von Ulrich von Hutten erfährt Luther dabei, daß gerade die verbreitete Meinung, der Ungehorsam gegen den Papst sei unsühnbar, zu Schwierigkeiten bei den Truppenaufstellungen führe. 97 Diese verbreitete Meinung zeigt, daß sich die kurialistische Behauptung der Heilsnotwendigkeit des Papstgehorsams in der öffentlichen Wahrnehmung durchsetzen konnte. 1.3 E b d . , 2 0 4 , 2 9 f . W i e d e r h o l t b e z i e h t sich C a t h a r i n u s in seiner S c h r i f t positiv a u f f ü h r e n d e K u rialisten des Spätmittelalters, w i e A e g i d i u s R o m a n u s (ebd., 3 7 , 2 9 ; 6 0 , 1 3 ) . A u c h ist a n Alvarus P e lagius u n d A u g u s t i n u s T r i u m p h u s zu d e n k e n (ebd., 89,18; vgl. A n m . 13), die allerdings v o n C a t h arinus n i c h t n a m e n t l i c h e r w ä h n t w e r d e n . 1.4 Vgl. die D o k u m e n t e u n d B e r i c h t e zu L u t h e r auf d e m W o r m s e r R e i c h s t a g 1521 in W A 7, 8 1 4 - 8 8 7 , hier 833,8£F.; generell z u m W o r m s e r R e i c h s t a g KOHNLE, ARMIN, R e i c h s t a g u n d R e f o r m a t i o n . Kaiserliche u n d ständische R e l i g i o n s p o l i t i k von d e n A n f ä n g e n d e r C a u s a L u t h e r i bis z u m N ü r n b e r g e r R e l i g i o n s f r i e d e n , Q F R G 72, 2 0 0 1 , 85ff. 95 A n Spalatin v o m 1 7 . 0 7 . 1520 ( W A . B 2, N r . 3 1 3 , 144f., h i e r 144,6ff.). W e n n d e r w e l t l i c h e n G e w a l t das S c h w e r t g e n o m m e n w i r d , füllt sich die E r d e m i t V e r b r e c h e r n , die z u v o r d u r c h die weltliche G e w a l t gezügelt w u r d e n , so a u c h in den Operationes in psalmos 1519—1521 ( W A 5,405,13f.). 96 V o n d e n n e u e n E c k i s c h e n Bulle u n d L ü g e n ; W A 6,585,2—4. 97 H u t t e n an L u t h e r v o m 0 9 . 1 2 . 1520; W A . B 2, N r . 3 6 0 , 2 3 0 - 2 3 3 , h i e r 2 3 0 , 5 - 2 3 1 , 2 .
212
Zweiter Teil: Martin Luthers
Zwei-Reiche-Lehre
Die sächsischen Fürsten werden unterschiedlich beurteilt. Durch den jungen Herzog Johann Friedrich hofft Luther, Gott werde seinem Evangelium beistehen. 98 Die Zurückhaltung Kurfürst Friedrichs gegenüber R o m in der Luthersache (also gerade nicht das »dreinschlahen«) gefällt Luther sehr." Im Zusammenhang mit Herzog Georg entdeckt Luther allerdings die Tätigkeit der Fürsten, die sich seiner Meinung nach ebenfalls gegen das Evangelium richtet, wohingegen es sich bei dem heilsnotwendigen Glauben um eine geistliche und unsichtbare Sache handelt." 10 Die Hoffnung der Deutschen auf den Adel ist fraglich."11 Trotz des Hinweises auf die Geistlichkeit und Unsichtbarkeit der Sache, um die es gegen R o m geht, setzt Luther seine Hoffnungen vor allem auf das Forum vor Kaiser Karl V. Die Begründung dafür, daß eine geistliche Sache vor einem weltlichen Forum verhandelt werden kann, zeigt die Bezeichnung der Fürsten als imagines coelestes.1"2 Angesichts der in Wittenberg eingetroffenen päpstlichen Bulle ruft Luther aus: O utinam Carolus vir esset & pro Christo hos Satanas aggrederetur."'3 Zum Reichstag ruft Gott durch den Kaiser, um den Streit mit R o m verhandeln zu lassen.1"4 Die Relation der imago coelestis begegnet zunächst nicht weiter, da Luther in generellen Äußerungen zum Gewaltenverhältnis und der Aufgabe der weltli98
So in einem B r i e f an denselben vom 3 0 . 1 0 . 1520 ( W A . B 2, Nr. 3 4 7 , 2 0 4 - 2 0 6 , hier 2 0 5 , 1 0 -
13). 9 9 So an Spalatin vom 0 9 . 0 7 . 1520 ( W A . B 2, Nr. 3 0 9 , 1 3 4 - 1 3 6 , hier 135,30f.). Nach verbreiteter Meinung soll Luther durch Kurfürst Friedrich ein kaiserliches Edikt erwirken gegen seine Verketzerung und das Verbot seiner Bücher. Luther steht dem gleichgültig gegenüber, da seine B ü cher ungeordnet sind. Wichtig wäre, daß den Menschen die Sache bekannt würde, um die es geht (an Spalatin vom 0 3 . 1 0 . 1520; W A . B 2, Nr. 3 4 0 , 1 9 0 - 1 9 3 , hier 1 9 1 , 1 3 - 1 8 ) . 1 0 0 So in einem B r i e f an den Zisterziensermönch Michael Muris in Altzelle vom 2 0 . 1 0 . 1520 ( W A . B 2, Nr. 3 4 5 , 1 9 8 - 2 0 3 , hier 2 0 1 , 6 - 8 . 1 1 f.). Gottes Sache ist abscondita et spiritualis (202,2) und kann nicht von Menschenhand verteidigt werden, denn dann hätte Gott nicht Fischer zur Verkündigung berufen (202,17—19). 101 An Spalatin ( W A . B 2, Nr. 3 5 1 , 2 1 0 - 2 1 3 , hier 2 1 0 , 8 f . ) . Der Schutz des Wortes Gottes o b liegt nicht (mehr) der weltlichen Gewalt: Non est, mi Spalatiue, prineipum & istius seculi pontißcum tueri verhum dei (210,12f.). Hier erwähnt Luther auch, daß Herzog Georg massiv gegen ihn vorgeht ( 2 1 1 , 3 6 f.). 1 0 2 An Kaiser Karl V. vom 3 0 . 0 8 . 1520 ( W A . B 2, Nr. 3 2 2 , 1 7 2 - 1 7 8 , hier 176,19f.). Da die Auseinandersetzung mit den Kurialisten nichts gebracht hat, will Luther sich nun letztlich an den Kaiser wenden (177,53fF.), der das Schwert auf Gottes Befehl trägt in vindictam malorum, laudem vere bonorum (177,63—65). Vgl. hierzu auch Luthers Erbieten (Oblatio siveprotestatio) an Kaiser Karl V. von Ende August 1520 (WA 6 , ( 4 7 4 ) 4 7 6 - 4 7 8 ; vgl. den handschriftlichen Entwurf W A 9 , ( 3 0 2 ) 3 0 3 f . ) . Das Erbieten erfolgte auf Betreiben Kurfürst Friedrichs, der Luthers Adelsschrift erhalten hatte und nun wünscht, dem Kaiser Gesprächsbereitschaft zu signalisieren (WA 6,474). Es ist vermutlich in Köln öffentlich angeschlagen worden; unklar ist aber die Ubergabe an Kaiser Karl V. (ebd., 475).
So an Spalatin vom 1 1 . 1 0 . 1520 ( W A . B 2, Nr. 3 4 1 , 1 9 3 - 1 9 6 , hier 195,13f.). An Spalatin vom 2 1 . 1 2 . 1520 ( W A . B 2, Nr. 3 6 5 , 2 4 1 - 2 4 4 , hier 2 4 2 , 1 0 f . ) . M a n muß die Sache Gott überlassen (242,12f.) und für Karl V. beten, daß ersieh nicht gleich der Sache der Gottlosen annehme (242,30—32). 1113 104
4. Weltliche
und päpstliche
Gewalt
bis zum Wormser
Reichstag
1521
213
chen Gewalt darauf besteht, daß unabhängig von dem Forum seine Position bezüglich der Papstgewalt durch das geistliche Recht nur durch Schriftgründe überwunden werden kann. l l b Der in der Schrift geforderte Gehorsam bezieht sich a u f d i e weltlichen Angelegenheiten 1 0 6 : » D a n in zeitlichen Sachen, das g o t -
tes wort und ewige ding nit betreffend, seind wir schuldig, untereinander zu vertrawen, angesehen, das derselben ding begeben, fare und Verlust, die wir doch zuletzt muessen faren lassen, zu der Seligkeit unschedelich seind, aber in gotes wort und ewigen dingen kan und wil got nit leiden, das man sich frei begeb und erwege auf ein oder vil menschen, sunder allein auf in selbst«.11,7 Die Schwertgewalt bezieht sich dementsprechend auf den Schutz der Untertanen gegen die Feinde der Christen. 108 Luthers Meinung über die weltliche Obrigkeit kennzeichnet also zum einen (weiterhin) die Zuständigkeit der Schrift in geistlichen Streitfällen. Die weltliche Gewalt kann als Forum für den Austrag dieses Streites dienen, weil die christliche Obrigkeit die von Gott gegebene Aufgabe des Untertanenschutzes erhalten hat. Luther setzt hier vor allem auf die Bemühungen des Kaisers. Daß diese Hoffnung trügerisch sein mußte, zeigte bereits 1520 exemplarisch das Bestreben Herzog Georgs im Kampf gegen Luther. Vom kaiserlichen Hof erfährt Luther nun, daß aufgrund der kurialistisch geprägten Berater des Kaisers die Wahrscheinlichkeit äußerst gering sei, daß sich Karl V. im Sinne Luthers des Streits mit R o m annehmen werde. 109 Zudem wurde ein neues Argument von l l b Der von zahlreichen Gesprächspartnern Luthers in W o r m s geforderten Auslieferung seiner Schriften an ein Urteil Karls V. w e i c h t Luther aus, indem er ebenfalls auf die U b e r w i n d u n g seiner T h e o l o g i e durch bessere Zeugnisse der Heiligen Schrift verweist (Luther an Kaiser Karl V. v o m 2 8 . 0 4 . 1521; W A . B 2, Nr. 401, 3 0 6 - 3 1 0 , hier 3 0 8 , 3 5 - 4 0 ) . A u c h ein Konzil k a n n die Autorität der Schrift nicht einengen (ebd., 308,40ff.). 106 Ebd., 308,63ff. Luther zeigt dies an seiner Person: w o h l ist er d e m A u f r u f gefolgt, nach W o r m s zu k o m m e n , er kann aber den geistlichen Inhalt seiner Schriften nicht g e g e n das Zeugnis der Schrift w i d e r r u f e n (309,81 ff.). Luther erneuert seine Bereitschaft, vor geistlichen und w e l t l i chen R i c h t e r n zu erscheinen, w e n n diese ihn durch ein Schriftzeugnis w i d e r l e g e n k ö n n t e n (coram iudicibus [...] tarn prophanis quam Ecclesiasticis sisti; 309,101 f.). "' 7 L u t h e r an die Kurfürsten, Fürsten u n d Stände des R e i c h s v o m 2 8 . 0 4 . 1521 ( W A . B 2, Nr. 402, 310—318; deutsche U b e r s e t z u n g des vorherigen Schreibens an den Kaiser mit adressenbedingter Veränderung; hier 316,64—69). 1118 V g l . das Magnificat verdeutschet und ausgelegt W A 7,(538)544—604. Im R a h m e n des ersten Werkes, der Barmherzigkeit, behandelt Luther die Frage nach der Aufgabe der weltlichen Gewalt. Die Gewalt trägt das Schwert z u m Schutz ihrer U n t e r t a n e n (583,12f.). A u c h in der Straffunktion k o m m t nicht die S i c h e r u n g der eigenen M a c h t z u m Ausdruck, sondern die v e r n u n f t g e m ä ß e S i c h e r u n g des Friedens der Christen vor denen, die sich nicht an Gottes W o r t halten, ein Akt der Nächstenliebe also (583,13—19; Luther b e m ü h t hier bereits das Bild, daß n i e m a n d einen Löffel aufheben soll, der gleichzeitig damit eine Schüssel zertritt; vgl. hierzu die Obrigkeitsschrift). 109 Erasmus berichtet, daß der kaiserliche H o f durch B e t t e l m ö n c h e in Beschlag gelegt sei, so daß m a n keine H o f f n u n g auf Karl V. setzen k ö n n e (so berichtet Luther an Spalatin a m 1 1 . 1 0 . 1520; W A . B 2, Nr. 341, 1 9 3 - 1 9 6 , hier 1 9 5 , 2 4 - 2 6 ; so Erasmus an M e l a n c h t h o n v o m 2 1 . 0 6 . 1520; vgl. ebd., 196, A n m . 8; vgl. auch ebd., 213,8). A u c h Hutten berichtet, daß m a n auf den Kaiser w e gen seiner zahlreichen priesterlichen Berater w e n i g hoffen k ö n n e ( W A . B 2 , 2 3 1 , 3 8 f . ) .
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Zweiter Teil: Martin Luthers
Zwei-Reiche-Lehre
der päpstlichen Seite ins Feld geführt, um Luther auch vor dem Kaiser zu diskreditieren. Luther wurde der Aufruhr gegen die weltliche Obrigkeit vorgeworfen, weil er gegen den Obrigkeitsgehorsam sei. 110 Das führte zur Inanspruchnahme des Kaisers als advocatus ecclesiae.u] Die Vogteifunktion sollte sich allerdings nicht nur auf den Kaiser beschränken — auch Herzog Johann wurde beispielsweise an seine Pflichten als christlicher Fürst ermahnt." 2
4.5
Zusammenfassung
Hatte die Leipziger Disputation 1519 keine Einigung in der Frage erzielt, ob der Papst iure divino oder iure humano legitimiert sei, so erkannte Luther nun immer deutlicher die Radikalität seiner Kritik an der plenitudo potestatis papae. In den drei Mauern der Adelsschrift entfaltet Luther die Problematik der Vollgewalt: Sie verhindert die Gleichheit der Christen im Priestertum aller Gläubi gen, verändert schriftwidrig die Unterordnung des Papstes unter die Autorität der Schrift und entmächtigt die Christen von ihrem R e c h t der Konzilseinberufung. 1 1 0 Die kurialistische Seite versucht, kombiniert mit dem Verweise auf die böhmischen Ketzereien Luther den Aufruf zum Ungehorsam gegen die weltliche Obrigkeit zu unterstellen (»Dan wie die B e e m e n unter dem namen und gestalt des ewangelii hievor allen gehorsam und ordenung untergetruckt und opprimirt haben, also auch unterstehet sich Martinus Luther mit seinen heifern und anhegeren, alle macht der recht und keiserlichen gesetze, auch aller oberigheit umbzustossen und umbzukehren«; das Referat des sächsischen Kanzlers Gregor Brück vom 1 3 . 0 2 . 1521 über die R e d e Aleanders vor Kaiser und den Ständen; D R T A . J R 2, Nr. 67, 4 9 4 - 5 0 7 , hier 4 9 6 , 9 - 1 3 ) . Spalatin hatte Kurfürst Friedrich noch im Januar auf einem Gedenkzettel daraufhingewiesen, daß L u ther die weltliche Obrigkeit und insbesondere den Kaiser in Ehren halte (ebd., 490,30—34). Linck hatte in diesem Zusammenhang Luther gebeten, in einem B u c h zu bekennen, daß er nichts gegen die weltliche Obrigkeit geschrieben habe. Luther wundert sich darüber, da alle seine Werke das Gegenteil bezeugen (an Linck am 1 4 . 0 1 . 1521; W A . B 2, Nr. 3 6 7 , 2 4 7 f . , hier 2 4 7 , 3 - 6 ) . Luther b e kennt später auf Anfrage, daß er weder gegen die weltliche noch die geistliche Obrigkeit etwas gesagt habe, sondern nur gegen die falsche Lehre (so an G r a f Albrecht von Mansfeld vom 0 3 . 0 5 . 1521; W A . B 2, Nr. 4 0 4 , 3 1 9 - 3 2 9 , hier 3 2 3 , 7 8 f . ; 3 2 4 , 6 f . ; vgl. zur anfänglichen Beziehung Luthers zu den Grafen von Mansfeld KUNST, 17ff.). 111 Aleander beispielsweise fordert den Kaiser dazu auf, »als der advocat und schutzherr der kirchen« ( D R T A . J R 2 , 4 9 7 , 7 f . ) dem päpstlichen Bann gegen Luther entsprechende weltliche M a ß nahmen zu ergreifen. Er bezieht sich dabei u.a. auf Luthers Aussage in der Assertio, er halte nun nicht nur einige, sondern alle verdammten Artikel von Johann Hus für christlich (500,1 ff.). Auch Luther berichtet davon, daß der Kaiser in seiner Eigenschaft als »vogt des glaubens« ( W A . B 2 , 3 2 2 , 3 0 ) gegen ihn auftrat. Das Wormser Edikt vom 0 8 . / 2 6 . 0 5 . 1521 ordnet dann auch gegen Luther und seine Anhänger das Verbot seiner B ü c h e r und die Verbrennung der Schriften an (CCath 4 2 , ( 4 8 4 ) 5 1 0 - 5 4 5 ; D R T A . J R 2, Nr. 9 2 , 6 4 0 - 6 6 1 ; von Luther herausgegeben W A 1 5 , 2 5 5 2 7 2 ; nach Vorarbeiten Aleanders verfaßt (vgl. C C a t h 42,488)). 1 1 2 E c k erinnert Herzog Johann an seine Pflicht, dem Papst als christlicher Fürst gegen Luther gehorsam zu erweisen (vgl. W 2 15,1576). Verständlich ist aus dieser Situation Herzog Johanns Informationsbedürfnis, was ein christlicher Fürst zu tun und zu lassen habe (vgl. hierzu die Vorgeschichte der Obrigkeitsschrift).
4.
Weltliche und päpstliche
Gewalt bis zum Wormser Reichstag
1521
215
In der Anmaßung päpstlicher Vollgewalt erkennt Luther die Konsequenzen, die daraus fiir die weltliche Gewalt folgen. Im Nachgang zur Leipziger Disputation untersucht er die Zwei-Lichter-Lehre aus der Dekretale Solitae und fugt seiner Resolutio dieses Kapitel hinzu. Damit verändert sich sein Blickwinkel einerseits auf das Verhältnis der beiden Gewalten zueinander. Hier geht es um die Nothilfefunktion der weltlichen Gewalt für eine mißverwaltete geistliche Gewalt, die auch für die Gravaminabewegung von großer Bedeutung ist. Andererseits tritt für Luther das Verhältnis des Christen zu diesen beiden Gewalten in den Mittelpunkt — so wie er schon in der Römerbriefvorlesung 1 5 1 5 / 1 6 zu R o m 13 nicht primär das Wesen der Gewalten entfaltete, sondern den Blickwinkel des Christen und seiner Existenz unter den beiden Gewalten einnahm. Für den Christen ist damit, bedingt durch den historischen Kontext, die Frage des Widerstandsrechts von zentralem Interesse.
5. D i e Aufgabe und Grenze des weltlichen Schwertes 1521-1522 5.1 Die Freiheit des Gewissens und die innerweltliche Gebundenheit des Christen A u f d e m Wormser R e i c h s t a g hatte sich die oberste weltliche Gewalt, der K a i ser, g e g e n Luther gestellt und damit in eine geistliche Auseinandersetzung eingegriffen. D e m im Z u g e des Reichstages geäußerten Vorwurf, Luther schüre den Aufruhr gegen die weltliche Gewalt, begegnet Luther in der Beichtschrift von 1521.' D i e R e i c h w e i t e der weltlichen Gewalt wird auf zeitliche Güter beschränkt, w o m i t er ihre Funktion in der Auseinandersetzung mit R o m — u n d damit die Zuständigkeit des Reichstages in der Luthersache — bestreitet. 2 D e r Papst aber will mit weltlichen Mitteln die Gewissen ihrer Freiheit berauben u n d sie sich so Untertan machen, also die weltliche Gewalt in einer geistlichen Angelegenheit instrumentalisieren (151,33f.). Das von Luther in der Adelsschrift noch geforderte Nothilfe-Eingreifen der weltlichen Gewalt ist nach d e m R e i c h s t a g u n m ö g l i c h geworden. Das weltliche Schwert kann in einem geistlichen Mißstand nichts mehr ausrichten, was die geistliche D i m e n s i o n dieses Mißstands betrifft. D e r Aufruhr-Vorwurf wird durch Emsers » Q u a d r u p l i c a aufFLuters Jungst gethane antwurt, sein reformation belangend« bestätigt: »dieweyl er doselbst R a t , m a n sol alle gesetz, Ordnung, recht, straff und gericht abthon, U n d under die erd vorgraben«. 3 E m s e r will Luther mit Hilfe der Verhältnisbestimmung der beiden Schwerter nachweisen, daß er zu U n r e c h t gegen die weltliche Gewalt vorgeht: » O b nu Luter sprechen wolt, er fechte den weltlichen yr recht oder gewalt nit an, sonder aleyn den geistlichenn, das ist buberey und ketzerey, dann dieweyl Christus selber der Christenheit tzu erhaltung fridens und eynikeit tzwey schwert vorordnet
1 Die Schrift »Von der Beicht, ob die der Bapst macht habe zu gepieten. Der Hundertt und achtzehend Psalm« (WA 8,(129)138-204) hat Luther Franz von Sickingen am 01.06. 1521 gewidmet. Z u m Vorwurf der Predigt gegen den Obrigkeitsgehorsam vgl. ebd., 151,22fF. 2 »Was geht weltlich regiment die sach an? [...] Weltlich regmient untersteht sich nit die gewissen tzu regiern, ßondernn handelt nur ynn tzeytlichen guttern. [...] Weltlich ubirkeyt hat gesetz, das eyn dem andern an gutt, ehr unnd leyb nit schade, spricht aber nit, das da durch das gewissen für gott wol regirt sey« (ebd., 151,24.26f.31— 33). 1 Vgl. ENDERS, LUDWIG, Luther und Emser. Ihre Streitschriften aus dem Jahre 1521, Band 2, Flugschriften Band 9, Neudrucke deutscher Litteraturwerke des X V I . und XVII. Jahrhunderts Nr. 96-98, Halle 1892, 129-195, hier 163.
5. Die Aufgabe und Grenze des weltlichen Schwertes 1521—i522
217
hat, Luce XXII., ein geistlichs und ein weltlichs, Warumb wil dann Luter wider die Ordnung gottes uns geistlichen unser schwert, das ist den gewalt des bapstes und der kirchen nhemen, und dem adel in dy hend geben« (ebd). Die weltliche Gewalt habe keine geistliche Macht (163) — Emser weist auf die Heilsnotwendigkeit des Papstgehorsams hin. 4 Nach dem Reichstag sieht Luther den kurialistischen Übergriff in weltliche Belange bestätigt: Der Papst behauptet das weltliche Schwert als seinen Besitz. 5 Der Papst will »über alle menschen schweben«/' Seine Lehrmeinung erhebt er zu Glaubensartikeln (713,34-37), nennt sich selbst »meister aller weit, die regel des glaubens« (715,30f.) und hat sich zum »konige ubir disz land« erhoben (719,17).
Eine geistliche Aufgabe fuhrt die weltliche Gewalt dennoch aus, wie im weiteren deutlich wird. Die Obrigkeit ist ja gemäß R o m 13,1; Tit 3,1; 1. Petr 2,13f. von Gott eingesetzt (8,151,25f.). Wie kann man nun aber die weltliche Gewalt zu der Frage des christlichen Gewissens in ein richtiges Verhältnis setzen? Luther verdeutlicht dies an der Frage der Sündhaftigkeit des Menschen und der Strafe für die Sünde. Wenn die weltliche Gewalt im Falle der Sündhaftigkeit des Menschen und seines Sündenbekenntnisses keine Funktion ausübt, ausüben kann, so doch bei der Bestrafung der Sünde. Die Sündenstrafe erfolgt auf zweierlei Weise: Z u m einen erfolgt die Sündenstrafe durch die brüderliche Ermahnung der Gemeinde gemäß Mt 18,15—20, die in letzter Konsequenz zur Exkommunikation führt (173,23ff.). Die andere Sanktionierung der Sünde erfolgt durch das weltliche Schwert, 7 sofern durch die Sündentat die öffentliche R u h e und der Friede der Christen und der Gemeinde tangiert ist. N u r hier kann die weltliche Gewalt zum Einsatz kommen. Luther kann also die göttlich gesetzte Notwendigkeit einer weltlichen Gewalt mit einer Beschränkung ihrer Reichweite auf lediglich zeitliche Dinge verknüpfen, wobei der durch die Gewalt herzustellende äußere Frieden wiederum Konsequenzen für das Glaubensleben der Christen zeitigt. Die Freiheit des Gewissens in Christus ist unterschieden, aber nicht getrennt von der Gebundenheit des Menschen an das Leben in dieser Welt. Diese Distinktion versucht Luther in der Frage des Gewaltenverhältnisses zum Ausdruck zu bringen.
4 Die geistliche Gewalt wurde dem Papst nicht durch Theologen wie Eck, Prierias oder Emser, sondern durch Gott gegeben (ebd., 164); »so muß Luter und ein ytzlicher, der under disem hirten nicht seyn will, ouch nith ein schaff Christi, noch in seynem schaffstall seyn« (ebd., 165). Luthers Antwort an Emser (WA 8,(241)247—254) setzt sich allerdings nicht mit den vorgetragenen Bemerkungen zur Verhältnisbestimmung der beiden Schwerter im einzelnen auseinander. 5 Vgl. »Vom Mißbrauch der Messe« vom 25.11. 1521 (WA 8,(477)482-563, hier 545,3£). 6 »Bulla coenae domini, das ist, die Bulla vom Abendfressen des allerheiligsten Herrn, des Papstes, verdeutscht durch Martin Luther« (WA 8,(688)691-720, hier 713,11). 7 »Die erst durchs welltliche schwerdt, da hat man galgen, rader, fewr und was datzu gehört, das man frid schaff für öffentlichen ubelthetternn« (WA 8,173,10f.). Der Begriff des Schwertes wird von Luther hier im Sinne der tatsächlichen Strafgewalt verwendet.
218
Zweiter Teil: Martin Luthers
Zwei-Reiche-Lehre
5.2 D e r C h r i s t als Fürst Die Vermischung der Gewalten prangert Luther an. Wie kann aber ein zum Gewaltverzicht aufgerufener Christ die Schwertgewalt der weltlichen Obrigkeit selbst ausfuhren, also als Fürst christlich bleiben? Luther antwortet auf eine diesbezügliche Anfrage Melanchthons am 13. 07. 1521. 8 Er bezieht sich bei seiner Antwort vermutlich auf Gespräche mit Melanchthon über das Schwertrecht 9 und Melanchthons Überlegung, inwieweit eine weltliche Obrigkeit christlich geprägt sein kann, wo doch im Evangelium kein Rat oder Gebot bezüglich der weltlichen Gewalt zu finden ist (357,32-35). Für Melanchthon galten R o m 13, 1 und 1. Petr 2,13ff. offensichtlich nur als Anweisung für die Untertanen, woraus nicht unmittelbar ein christlicher Gehorsam abzuleiten wäre (358,67—69). Luther stimmt mit Melanchthon darin überein, daß das Evangelium als lex voluntariorum et liberorum mit dem Schwert und dem iusgJadii nicht ins Verhältnis zu setzen ist (357,35f.). Melanchthons Bedenken begegnet Luther mit der göttlich legitimierten, naturrechtlichen Dimension des weltlichen Schwertes. Das Schwert wird im Evangelium nicht gesondert eingesetzt, wohl aber in seiner bereits vor Christus vorhandenen, von Gott vorgesehenen Funktion bestätigt, die tatsächliche Ordnung aber Menschen überlassen. 10 Mit der Bestätigung, ja sogar Preisung, geht das weltliche Schwert über die nur zugelassenen Dinge wie Fasten oder die äußerlichen Zeremonien hinaus, zu denen sie Melanchthon zunächst zählt (358,69—71). So ist es auch möglich, daß Christen das weltliche Schwert benutzen können, sofern sie die naturrechtlich gesteckten Grenzen nicht überschreiten und hierin eine göttlich legitimierte Aufgabe ausführen. 11 Die naturrechtliche Begrenztheit des Schwertauftrages wird mit ihrer göttlichen Legitimation so in Einklang gebracht, daß sich für den Christen nicht die Frage stellt, entweder eine Handlungsweise der weltlichen Gewalt auszuführen oder christlich zu bleiben. Der Schwert-Begriff wird dabei vor allem zur Kennzeichnung der Straffunktion der weltlichen Gewalt verwendet.
8
W A . B 2, N r . 4 1 8 , 3 5 6 - 3 6 1 . '' Degladii iure sentio, utprius ( W A . B 2 , 3 5 7 , 3 2 ) . Es ist zu v e r m u t e n , d a ß dieser Satz sich n i c h t auf f r ü h e r e S c h r i f t e n L u t h e r s b e z i e h e n k a n n u n d n u r G e s p r ä c h e g e m e i n t sind (vgl. e b d . , 3 6 0 , A n m . 13). Tatsächlich ist das R e c h t des gladius i m U n t e r s c h i e d z u r Frage d e r w e l t l i c h e n G e w a l t b i s h e r v o n L u t h e r n i c h t eigens t h e m a t i s i e r t w o r d e n . L u t h e r h ä t t e e h e r de potestatis temporalis iure s c h r e i b e n m ü s s e n , w e n n er sich auf seine S c h r i f t e n h ä t t e b e z i e h e n w o l l e n . 111 E b d . , 358,88—92. E i n weiteres n a t u r r e c h t l i c h e s A r g u m e n t ist die Frage n a c h d e r necessitas huius vitae (357,42), die e i n e weltliche S c h w e r t o r d n u n g n o t w e n d i g m a c h t . A n d e r n f a l l s w ü r d e die z a h l e n m ä ß i g u n t e r l e g e n e christliche G e m e i n d e v o n d e n Ü b e l t ä t e r n in G e f a h r g e b r a c h t (357,44— 47). 11 L u t h e r b e n u t z t h i e r als Beispiel das v o n A b r a h a m , D a v i d u n d a n d e r e n H e i l i g e n »trotz« i h r e r evangelischen G e s i n n u n g a u s g e ü b t e S c h w e r t r e c h t (358,80fF.).
5. Die Aufgabe und Grenze lies weltlichen Schwertes 1521—1522
219
In d e n Loci communes 1521 bestätigt R o m 13,1 das weltliche S c h w e r t . 1 2 W e n n davon auszug e h e n ist, daß M e l a n c h t h o n R o m 13 als eine U n t e r w e i s u n g d e r U n t e r t a n e n verstand, n i c h t aber als eine Bestätigung der l e g i t i m e n E i n s e t z u n g der O b r i g k e i t , d a n n hat er n a c h L u t h e r s B r i e f dessen Position ü b e r n o m m e n . D i e Anfrage an Luther, die zu dessen B r i e f v o m 1 3 . 0 7 . 1521 f ü h r t e , k ö n n t e so aus d e n V o r b e r e i t u n g e n der Loci s t a m m e n . H i e r u n t e r s c h e i d e t M e l a n c h t h o n die b e i d e n G e w a l t e n (ebd., 364), u m danach deren A u f g a b e n zu b e s t i m m e n . D i e weltliche G e w a l t erhält d e n ä u ß e r e n Frieden, das ihr z u g e h ö r e n d e S c h w e r t steht v o r allem f ü r die strafrechtliche F u n k t i o n . 1 3 Ihre A u f g a b e ist a u c h die bedarfsweise A u f h e b u n g des biblischen T ö t u n g s - u n d R a c h e v e r b o t e s , die M e l a n c h t h o n allerdings n i c h t w e i t e r e r ö r tert. 1 4 Statt dessen k o m m t er auf das Widerstandsrecht zu sprechen. D i e weltliche G e w a l t darf nichts W i d e r g ö t t l i c h e s f o r d e r n ; in diesem Fall w ü r d e der G e h o r s a m a u f g e h o b e n . 1 ' 1 Befiehlt sie h i n g e g e n etwas ex utilitate publica, ist ihr G e h o r s a m zu leisten. D i e s e r G e h o r s a m ist in diesem Fall m o t i v i e r t d u r c h die christliche Liebe, Caritas. D i e Caritas m o t i v i e r t a u c h zur E r d u l d u n g einer sich g e g e n die eigene Person r i c h t e n d e n t y r a n n i s c h e n Gewalt. D e r W i d e r stand bleibt also g e g e n ü b e r d e m S c h w e r t n u r auf die u n r e c h t e n F o r d e r u n g e n b e s c h r ä n k t , die sich g e g e n D r i t t e r i c h t e n , n i c h t aber gegen die eigene Person. D e r G e h o r s a m g e g e n ü b e r der geistlichen G e w a l t - v o n e i n e m geistlichen S c h w e r t ist in d e n Loci n i c h t die R e d e ; die Bischöfe sind ministri, nicht potestates — h ö r t d o r t auf, w o etwas g e g e n die H e i l i g e Schrift gelehrt w i r d (368). M e l a n c h t h o n n e n n t hier als Beispiel die Bulle Exsurge Domine. S o f e r n der G l a u b e in der Verfassung ist, w i d e r g ö t t l i c h e geistliche Gesetze n i c h t als G e w i s s e n s b e d r ä n g u n g , s o n d e r n als ä u ß e r e Last a n z u s e h e n , ist diese Tyrannei der weltlichen g e m ä ß zu e r t r a gen. G r u n d l e g e n d e biblische B e g r ü n d u n g d a f ü r ist M t 5,39.
5.3 Das weltliche S c h w e r t g e h ö r t der O b r i g k e i t allein. Luthers A n t w o r t e n auf die U n r u h e n in E r f u r t , W i t t e n b e r g u n d Z w i c k a u Nachdem Luther am 04.05. 1521 auf die Wartburg entfuhrt worden war, lag die Führung der Wittenberger Gemeinde in anderen Händen. Es kam nun vermehrt zu U n r u h e n in der Stadt, in denen geistliche R e f o r m e n zum Teil mit Waffengewalt umgesetzt werden sollten. 16 Luther erfahrt daneben auch aus Erfurt und Zwickau von revolutionären Tendenzen.' 7 Er sieht sich veranlaßt, 12
MELANCHTHON, PHILIPP, L o c i c o m m u n e s
KIRCHENAMT DER V E L K D , G ü t e r s l o h 1 9 9 3 ,
1 5 2 1 . L a t e i n i s c h - d e u t s c h , h g . v. LUTHERISCHEN
364-367.
13
Glaiii partes sunt iura civilia iudiciorum forensium, poenae sontium (ebd., 366). Estque ius gladii dispensatio legum de non occidendo, de non vindicando etc. (ebd., 366). 13 Ebd., 366. Die Gültigkeit menschlicher Gesetze endet an der Gefahr für Leib u n d Seele (370). Vgl. BRECHT 1,450. Für die nächsten 10 M o n a t e wurde die Wartburg, mit kurzen U n t e r b r e chungen, sein geheimgehaltener Aufenthaltsort (BRECHT, MARTIN, Martin Luther, Band 2, O r d n u n g und Abgrenzung der R e f o r m a t i o n 1521—1532, Stuttgart 1986, 11). Vgl. zu den U n r u h e n BUBENHEIMER, ULRICH, Scandalum et ius divinum. Theologische u n d rechtstheologische Problem e der ersten reformatorischen Innovationen in Wittenberg 1521/22, in: Z S R G . K 59, 1973, 263—342; DERS. , Luthers Stellung z u m A u f r u h r in Wittenberg 1520—1522 u n d die f r ü h r e f o r m a t o rischen Wurzeln des landesherrlichen Kirchenregiments, in: Z S R G . K 71, 1985, 147—214. Z u d e m Beginn der U n r u h e n unter Kunststudenten in Wittenberg 1520 vgl. KUNST, 56fF. 14
17 Luther hört von U n r u h e n in Erfurt gegen die Priester u n d w u n d e r t sich, daß der R a t nicht eingreift (in einem Brief Anfang Mai 1521 an Melanchthon; W A . B 2, Nr. 406, 331f., hier
220
Zweiler
Teil: Martin Luthers
Zwei-Reiche-Lehre
die Bestimmung der Aufgaben und Nichtaufgaben des Christen angesichts der geistlichen Mißstände zu präzisieren. Die »Treue Vermahnung« Anfang 1522 18 und die Invokavitpredigten vom 09.-16.03. 1522 richten sich an die Person des Christen und seine Aufgabe gegenüber dem geistlichen und weltlichen Reich und sind damit in gewisser Weise komplementär zur Adelsschrift zu verstehen, die sich an die weltlichen Obrigkeiten wandte. 19 In der Treuen Vermahnung wird das apokalyptische Szenario deutlich, daß Luther in dieser Zeit im Hinblick auf das päpstliche Regiment empfindet: das Wort Christi wird die antichristliche Herrschaft bald zerstören (678,4—9). Das Pendel der Bedrückung der christlichen Gemeinde, schlägt in die andere R i c h tung aus: »Vorhyn hatt er [der Antichrist; V.M.] uns altzu Bepstisch gemacht, nu will er uns altzu Euangelisch machen.« 20 Nach der Instrumentalisierung der weltlichen Gewalt für kurialistische Zwecke kommt es nun zu einer Instrumentalisierung für evangelische Zwecke. Der Christ darf gegen geistliche Mißstände nicht mit aufrührerischen Aktionen vorgehen, es sei denn, die weltliche Gewalt, welcher er Gehorsam schuldet, befiehlt einen bewaffneten Kampf. 21 Dem Christen hat Gott den selbsttäti-
331,16fF.; vgl. e i n e n B r i e f an Spalatin v o m 1 4 . 0 5 . 1521; W A . B 2, N r . 4 1 0 , 3 3 6 - 3 4 0 , h i e r 3 3 7 , 1 4 f f . ) . Non sunt nostri, qui haec faciunt, schreibt L u t h e r n a c h d e m 1 5 . 0 7 . 1521 an Spalatin ( W A . B 2, N r . 4 2 2 , 3 6 6 f . , h i e r 3 6 7 , 1 6 ) . L u t h e r s e n d e t K u r f ü r s t F r i e d r i c h a m 2 4 . 0 2 . 1 5 2 2 e i n e n i r o n i s c h e n G l ü c k w u n s c h zu d e m n e u e n »Heiligtum« d e r W i t t e n b e r g e r U n r u h e n ( W A . B 2, N r . 4 5 4 , 4 4 8 f . , h i e r 448,4), n a c h d e m er sich auf e i n e r R e i s e v o n d e r W a r t b u r g n a c h W i t t e n b e r g v o m 0 3 . 1 2 . - 1 2 . 1 2 . 1521 ein Bild v o n d e r Lage g e m a c h t hat (vgl. BRECHT 2,38). N a c h seiner e n d g ü l t i g e n R ü c k k k e h r n a c h W i t t e n b e r g — in e i n e m B r i e f an Wenzeslaus Linck m e l d e t er a m 1 9 . 0 3 . 1 5 2 2 seine A n k u n f t in W i t t e n b e r g ( W A . B 2, N r . 4 6 2 , 4 7 8 - 4 8 0 ) - w i r d A n d r e a s Karlstadt das P r e d i g e n untersagt, weil er das Volk dazu b r i n g t zu g l a u b e n , d u r c h die gewaltsame V e r ä n d e r u n g d e r k i r c h l i c h e n G e b r ä u c h e christlich zu h a n d e l n (vgl. W A . B 2, N r . 4 7 1 , 4 9 1 f., an d e n P r i o r des A u g u stinerklosters in Eisleben, Kaspar G ü t t e l , a m 3 0 . 0 3 . 1522; h i e r 4 9 1 , 9 f f . ) . Von d e n Z w i c k a u e r P r o p h e t e n e r f ä h r t L u t h e r ebenfalls: in B r i e f e n an A m s d o r f f u n d M e l a n c h t h o n ist L u t h e r b e z ü g l i c h d e r V o r g ä n g e in Z w i c k a u m i ß t r a u i s c h . E r f o r d e r t g e m ä ß 1. J o h 4,1, die Geister zu p r ü f e n ( W A . B 2, N r . 4 4 9 f . , 4 2 3 - 4 2 8 , hier 4 2 3 , 6 3 ; 4 2 4 , 1 2 ; zu Z w i c k a u u n d T h o m a s M ü n t z e r vgl. WAPPLER, PAUL, T h o m a s M ü n t z e r in Z w i c k a u u n d die » Z w i c k a u e r P r o p h e t e n « , S V R G 182, G ü t e r s l o h 1966). 18 N a c h R ü c k k e h r a u f die W a r t b u r g i m D e z e m b e r 1521 s e n d e t L u t h e r s o f o r t die T r e u e Verm a h n u n g an Spalatin (WA 8,(670)676—687), die n a c h d e m 1 9 . 0 1 . 1 5 2 2 i m D r u c k fertiggestellt w u r d e . E i n g e n a u e r A n l a ß dieser S c h r i f t bleibt u n d e u t l i c h , da sich L u t h e r zu dieser Z e i t n i c h t n u r negativ ü b e r die Verhältnisse in W i t t e n b e r g ä u ß e r t (vgl. d e n b e k a n n t e n Satz: Omnia vehementer placent, quae vicieo et audio; zitiert n a c h W A 8 , 6 7 1 ) . 19 Vgl. StA 2 , 5 2 1 . D i e A u f g a b e des w e l t l i c h e n S c h w e r t e s (auch h i e r die ü b l i c h e F o r m u l i e r u n g des Schutzes d e r F r o m m e n u n d d e r B e s t r a f u n g d e r B ö s e n ; vgl. W A 8 , 6 8 0 , 2 2 f f . ) will er z u n ä c h s t n i c h t e r ö r t e r n , s o n d e r n die des » g e m e i n e n M a n n e s « (ebd., 679,22fF.). 20 »Von beiderlei Gestalt des S a k r a m e n t s zu n e h m e n « i m April 1522; W A 1011,(1)11—41, h i e r 12,1 f. 21 W A 8,679,31—34. Z u m G e h o r s a m g e g e n ü b e r d e r w e l t l i c h e n G e w a l t vgl. z u r selben Z e i t ( 1 7 . 0 1 . 1522) e i n e n B r i e f an W o l f g a n g C a p i t o , zu dieser Z e i t R a t A l b r e c h t s v o n M a i n z , m i t M a ß g a b e n , w i e sich die C h r i s t e n g e g e n ü b e r d e m E v a n g e l i u m zu v e r h a l t e n h a b e n ( W A . B 2, N r . 4 5 1 , 428-435).
5. Die Aufgabe und Grenze des weltlichen
Schwertes
1521—1522
221
gen Aufruhr verboten. 22 In diesem Zusammenhang verbreitet Luther das Schlagwort »Keine Gewalt«: Gegen den Papst ist nicht mit dem Schwert vorzugehen, 23 auch nicht gegen Aufrührer. 24 Der verschiedentlich schon erfolgte Bildersturm stellt kein christliches Verhalten dar.25 Auch kann eine Bekehrung zum Glauben nicht durch das Schwert erfolgen, sondern nur durch das gepredigte Wort. 26 In diesem Zusammenhang begegnet Luther auch die Vermutung, die Ausbreitung des Evangeliums ließe sich durch die Anwendung weltlicher Mittel fördern. 27 Die Begründung für die Ablehnung des Schwerteinsatzes ist die Unterscheidung des geistlichen und weltlichen Horizontes. Die geistlichen Mißstände und ihre Beseitigung haben mit den weltlichen Mitteln der Konfliktbewältigung nichts zu schaffen: »Das reych gottes stehet nit in eüsserlichen dingen, das mann greyffen oder empfinden kan, sonder im glaüben.« 28 Wenn das weltliche Schwert seiner Aufgabe des Christenschutzes nicht nachkommt 29 , stellt sich für den Christen nach der »Treuen Vermahnung« eine dreifache (geistliche) Aufgabe: der Blick richtet sich zunächst auf die eigene 22 WA 8,680,36. Der Obrigkeit ist die Aufgabe zugewiesen, das Übel einzudämmen, und die Umstürzler haben die Pflicht, propter communem pacem der Obrigkeit zu gehorchen (Luther an N i kolaus Hausmann vom 26.03. 1522; WA.B 2, Nr. 465, 482-484, hier 483,11). 23 Gegen den Papst und dessen Regiment kann man aber wirksam nur mit »suchen und forschen« vorgehen, nicht aber mit dem weltlichen Schwert (in den Randbemerkungen zu Coena dominr, WA 8,719,8f.). 24 Die Zwickauer Propheten beispielsweise sollen nicht mit Gewalt vertrieben werden (so Luther an Spalatin vom 17.01. 1522; WA.B 2, Nr.452, 443f.). Luther ist zwar gegen die Bilderverehrung, will die Bilder aber nicht mit Gewalt vernichten lassen, sondern predigt gegen sie (an Nikolaus Hausmann vom 17.03. 1522; W A . B 2, Nr. 459, 474f., hier 474,22f.). Die Bilder können für die Schwachen im Glauben noch den Zweck der Glaubensmehrung erfüllen (so in der Invokavitpredigt vom 12.03. 1522; W A 10III,32,3ff.; vgl. hier auch die »vierte Menschengruppe« im Sermon von den guten Werken). 26 Der Versuch der Glaubensstiftung durch gewaltsame Abschaffung der bisherigen gottesdienstlichen Elemente führt nicht zur Befreiung der Gewissen, sondern nur die Wortverkündigung (Verho delenda sunt, que nostri vi & impetu tentauerunt [...] non enim adfidem & ad ea, quefidei sunt, vllus cogetidus est, Sed verbo trahendus, vt volenter credens sponte veniat; ebenfalls der Brief an Hausmann; W A . B 2,474,16f.20f.). Die Menschen werden durch das Wort zum Glauben gebracht und nicht durch Verordnungen und Gesetze (in einem Brief an Gabriel Zwilling in Düben vom 17.04. 1522; WA.B 2, Nr. 478, 505f„ hier 506,13f.). Kein Ketzer und überhaupt niemand kommt durchs Schwert zum Glauben (in einer Predigt vom 08.06. 1522; WA 10111,155-160, hier 156,13f.26f.). 27 Vgl. den Brief an Capito (WA.B 2, Nr. 451, 428-435). Luther nennt Capitos Vermutung eine adulatio et veritatis christianae abnegatio (ebd., 431,15f.). Diese Vermutung taucht allerdings bei Johann von Schwarzenberg wieder auf (vgl. unten S. 244, Anm. 64). 28 So in der Invokavitpredigt vom 13.03. 1522 (WA 10III,43,5f.). Die Leute, die meinen, das Evangelium mit dem Schwert durchsetzen zu können, verkennen, daß es nicht um einen Streit um Fleisch und Blut geht (vgl. »Epistel oder Unterricht von den Heiligen an die Kirche zu Erfurt« vom 10.07. 1522; W A 1011,(159)164-168 mit Mahnung gegen den Aufruhr, hier 167,17-21). 2y Zur bleibenden Unscharfe bezüglich der Ablehnung des Einsatzes des weltlichen Schwertes in geistlichen Fragen und des gottgewollten Auftrags der weltlichen Gewalt vgl. die Obrigkeitsschrift.
222
Zweiter Teil: Martin Luthers
Zwei-Reiche-Lehre
Person und ihre Sündhaftigkeit (682,15ff.). Von hier aus erfolgt das Gebet gegen das päpstliche Regiment und dann die Predigt gegen die Mißstände, der Wortwiderstand, der das Unrecht öffentlich bekannt macht. 30 Diese Form des Widerstands verdeutlicht Luther wiederholt an seiner eigenen Person. Er hat mit seinem Wort und seinen Schriften gegen den Papst mehr ausgerichtet, als die weltlichen Gewalten jemals mit dem Schwert vermochten. 31 Der Umgang mit Glaubensschwachen soll nicht mit gewaltsamer Abschaffung der bestehenden Verhältnisse, sondern in der Liebe als konstitutivem Handlungsmotiv des Reiches Gottes erfolgen. 32 Die Schwachheit ist zunächst also zu erdulden (6,8f.), gegen die Verstockten aber, die die Schwachen mit Gewalt zu einem anderen Glaubensleben treiben wollen, ist um der Schwachen willen mit dem Wort vorzugehen oder ihre Tätigkeit zu unterbinden. 33 Das Schwert ist dem einzelnen entzogen; es gehört lediglich der weltlichen Obrigkeit, der der Gebrauch des Schwertes von Gott aufgetragen ist. Neben dieser Verwendung findet das Bild des Schwertes in der Phase der Wittenberger Unruhen vermehrt seine Anwendung, sofern es um den gewaltsamen Einsatz gegen bestehende kirchliche Verhältnisse geht. Von nun an ist auch in Predigten von der Schwertgewalt die Rede. Nichtsdestotrotz bleibt das Verhältnis zwischen der Schwertaufgabe gemäß 1. Petr 2,13f. und dem Hinweis auf die geistliche Qualität der Auseinandersetzung schwierig. Auf der einen Seite soll die weltliche Gewalt die Gläubigen mit dem Schwert vor Übeltätern und »Glaubensverwirrern« schützen, auf der anderen Seite kann man geistlichem Unrecht nur mit dem Wort beikommen. Diese Schwierigkeit deutet bereits auf die Ursache für die Anfragen an Luther hin, die letztlich zur Abfassung der Obrigkeitsschrift fuhren. Eine weitere Schwierigkeit scheint zu diesem Zeitpunkt in der Frage der Erduldung geistlichen Unrechts zu liegen. Auf der einen Seite verweist Luther darauf, daß die Agitation der Gottlosen gegen die Christen nur zu erdulden sei. 34 Auf die Frage, was die Christen tun sollen, wenn die weltliche Obrigkeit ihrer Aufgabe nicht nachkommt, weist Luther die Duldung der Zustände aber zurück und stellt den bereits erörterten Maßnahmenkatalog aus Sündenerkenntnis, Gebet und Wortwiderstand dar. 3 0 W A 8 , 6 8 2 , 2 3 f . 3 1 f f . Vgl. auch die Predigt vom 1 0 . 0 3 . 1522 W A 10111,14,16ff. Hausmann beispielsweise soll die revolutionären Neuerungen in Zwickau vor allem mit dem Wort bekämpfen (wiederum W A . B 2, Nr. 4 6 5 , 4 8 2 - 4 8 4 ) . 31 W A 8 , 6 8 3 , 8 - 1 1 . Vgl. ebenso die Invokavitpredigt vom 1 0 . 0 3 . 1522 bezogen auf den Ablaßstreit W A 10111,18,13—19,3. Die Behauptung, Luther habe den Aufruhr gefördert, ist damit unhaltbar (WA 8 , 6 8 3 , 2 2 - 2 4 ) . 3 2 »Das reich gottes, das wir sein, steet mt m der rede oder Worten, sonder in der thaettigkeit, das ist in der that, in den wercken und ubungen. G o t wil nit zuhoerer oder nachreder haben, sonder nachvoelger und über. U n d das in dem glauben durch die liebe« (Invokavitpredigt vom 0 9 . 0 3 . 1522; W A 10111,4,6-10). 3 3 W A 8 , 6 8 5 , 1 9 f f . Vgl. wiederum das Predigtverbot gegen Karlstadt ( W A . B 2, 491,9ff.). 3 4 Die Gewalt der Gottlosen kann das regnum Dei nur erdulden (so in einem B r i e f an Gabriel Zwilling in Düben vom 1 7 . 0 4 . 1522; W A . B 2, N r . 4 7 8 , 5 0 5 f „ hier 5 0 6 , 1 7 ) .
5. Die Aufgabe und Grenze des weltlichen Schwertes
1521—1522
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5.4 Präzisierungen I: D i e A u f g a b e des weltlichen Schwertes u n d des einzelnen C h r i s t e n angesichts der geistlichen M i ß s t ä n d e Kurfürst Friedrich ist nach der reformatorischen Predigt unsicher geworden, in welcher Weise seine weltliche Aufgabe christengemäß auszuüben ist. Diese Unsicherheit wird durch die Bestrebungen Herzog Georgs und des Reichsregiments in Nürnberg zur Umsetzung des Wormser Edikts verstärkt. Friedrich gerät in den Verdacht der Kollaboration bei Luthers Rückkehr nach Wittenberg. Das H e r z o g t u m Sachsen g e h ö r t e zu d e n G e b i e t e n , die das W o r m s e r E d i k t u m s e t z e n wollten. Seit seiner A n w e s e n h e i t bei der Leipziger D i s p u t a t i o n als G e g n e r L u t h e r s b e k a n n t 3 5 u n d ü b e r z e u g t v o n d e m V o r w u r f der A u f r u h r a n s t i f t u n g 3 6 g i n g G e o r g g e g e n Luthers, Karlstadts u n d H u t t e n s S c h r i f t e n vor. 3 7 D a n e b e n w u r d e die K o m m u n i o n sub utraque specie u n t e r Strafe gestellt. 3 8 D e r sächsische H e r z o g w a r n t K u r f ü r s t F r i e d r i c h v o r der l u t h e r i s c h e n G e f a h r . 3 9 D i e R ä t e G e o r g s auf d e m N ü r n b e r g e r R e i c h s t a g sollen in ä h n l i c h e r Weise auf K u r f ü r s t F r i e d r i c h E i n f l u ß n e h m e n . 4 0 V o m R e i c h s r e g i m e n t f o r d e r t G e o r g ein schärferes V o r g e h e n , w o z u er seiner M e i n u n g n a c h besonders anstößige S c h r i f t e n L u t h e r s n a c h N ü r n b e r g schickt. 4 1 E r ist dabei davon ü b e r z e u g t , daß der K a m p f g e g e n d e n ä u ß e r e n Feind, d e n T ü r k e n , u m s o e h e r gelingen werde, j e m e h r der innere Feind, Luther, b e k ä m p f t w e r d e . 4 2 Das R e i c h s r e g i m e n t vertagt allerdings eine Beschlußfassung zur L u t h e r s a c h e m i t d e m H i n w e i s auf zur Z e i t d r i n g e n d e r e G e s c h ä f t e . 4 3
35 Vgl. Luthers Brief an Spalatin vom 20.07. 1519 (WA.B 1, Nr. 187, 420-428, hier 423,1 lOf. 115fF.). 36 So in einem Brief Herzog Georgs an Kurfürst Ludwig v. der Pfalz und Bischof Georg v. Bamberg v o m 28.04. 1522 (GESS 1, N r . 3 3 8 , 3 1 4 f „ hier 315,5ff.). 37 Vgl. das Verkaufs- und Druckverbot der Schriften Luthers, Huttens u n d Karlstadts an den R a t der Stadt Delitzsch durch H e r z o g Georg am 17.12. 1521 (Geß 1, N r . 2 7 2 , 231). 38 Vgl. das Ausschreiben gegen Luther und seine Anhänger am 10.02. 1522 mit A n o r d n u n g der Gefangennahme bei Betreten des Gebietes des Herzogtums u n d bei Eucharistiefeier sub utraque specie ( G E S S 1, Nr. 299, 269-271). 39 Vgl. sein Schreiben vom 21.03. 1522 (GESS 1, Nr.321, 2 9 3 - 2 9 5 , hier 295,14fT.). 40 Instruktion für die herzoglichen R ä t e E n d e März 1522 (GESS 1, Nr. 326, 298-300). Kurfürst Friedrich wird zur Gefangennahme Luthers (299,37—300,3) u n d z u m Bücherverbot (300,8) aufgefordert. Die A n n a h m e der lutherischen Lehre soll unter Strafe gestellt werden (300,10—12). 41 H e r z o g Georg schickt am 30.04. d e m Reichsregiment in N ü r n b e r g Luthers Schrift »Von beiderlei Gestalt des Sakraments« (GESS 1, Nr. 339, 315—317). Planitz setzt Kurfürst Friedrich davon am 30.05. 1522 in Kenntnis (Planitz berichte Nr. 63, 149-152, hier 149,29fT.). A m 06.08. übersendet Georg d e m Reichsregiment Luthers Schrift gegen Heinrich VIII. von England (GESSI, N r . 3 5 6 , 335f.; vgl. erneut ebd., N r . 3 9 6 , 378f., v o m 03.11. 1522). Planitz berichtet am 14.11. Kurfürst Friedrich davon (Planitzberichte Nr. 111, 2 4 2 - 2 4 7 , hier 244,19ff.). 42 Vgl. die Instruktion für seine Gesandten z u m N ü r n b e r g e r Reichstag, Dr. Dietrich von Werthern u n d Dr. O t t o von Pack v o m 27.08. 1522 (GESS 1, N r . 3 6 3 , 3 4 2 - 3 4 4 , hier 344,25fE). 43 Vgl. die Bestätigung des Eingangs der Sakramentsschrift am 14.05. (GESS 1, Nr. 342, 324). Planitz berichtet Kurfürst Friedrich, daß sich nach der Uberschickung der Sakramentsschrift L u thers durch Herzog Georg die Stimmung gegen Luther wieder beruhigt hat (Planitzberichte Nr. 70, 162—166, hier 165,7—13). Bezüglich der Luthersache k o m m t der Reichstag nicht weiter voran, berichtet Planitz am 25.11. an Kurfürst Friedrich; auch der päpstliche Nuntius äußert sich
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Zweiter Teil: Martin Luthers
Zwei-Reiche-Lehre
In Kursachsen bleiben die Maßnahmen Georgs nicht ungehört. 44 Zur Vorgehensweise Herzog Georgs gegen Luthers Schriften kann Luther zunächst nur vermelden, daß über Christus in Ps 8,7 nicht umsonst gesagt worden ist, daß alles, also auch Herzog Georg und das Reichsregiment in Nürnberg, unter seine Füße getan sei. 45 Kurfürst Friedrich ist bezüglich des seinem Amt angemessenen Verhaltens unentschlossen. In einer Instruktion an Johann Oswald zur Vorlage bei Martin Luther bittet Friedrich um nähere Ratschläge Luthers, wie er sich verhalten soll. 46 Friedrichs Problem ist die öffentliche Vermutung, er sei an der Rückkehr Luthers nach Wittenberg nicht unbeteiligt. 47 Das Reichsregiment erfährt noch im März 1522 von der Rückkehr Luthers nach Wittenberg. 48 Luther antwortet dem Kurfürsten mit der auch im Zusammenhang mit den Wittenberger Unruhen begegnenden Nichtzuständigkeit weltlicher Gewalten für den geistlichen Streitpunkt: »Dieser Sachen soll noch kann kein Schwert raten oder helfen, Gott muß hie allein schaffen, ohn alles menschlich Sorgen und Zutun«. 49 Der Kurfürst soll weiter gar nichts unternehmen, sondern seiner Obrigkeit gegenüber, dem Kaiser also, Gehorsam erweisen. 50 Widerstand gegen die und Auflösung der Obrigkeit gebührt nur dem, der sie selbst geschaf-
nicht in dieser Angelegenheit (ebd., Nr. 115, 253—257, hier 255,19ff.). Die Situation ist auch am 0 2 . 1 2 . 1522 noch nicht anders (ebd., Nr. 118, 2 5 9 - 2 6 2 , hier 2 6 0 , 1 1 f.). 4 4 A m 1 4 . 0 2 . 1522 übersenden Herzog Johann und Kurfürst Friedrich ihren R ä t e n in Dresden das Ausschreiben Herzog Georgs gegen Luther vom 10.02. (GESS 1, N r . 3 0 0 , 2 7 1 f . ) . 4 5 So in einem B r i e f an Wenzeslaus Linck vom 1 9 . 0 3 . 1522 mit der Meldung seiner R ü c k k e h r nach Wittenberg ( W A . B 2, Nr. 4 6 2 , 4 7 8 - 4 8 0 , hier 4 7 9 , 2 3 - 2 5 ) . Luther bittet Linck, sofern er etwas ausrichten kann, bei dem Erlaß von Verordnungen auf Mäßigung und nicht auf Gewaltanwendung zu dringen (479,40ff.). 4 6 W A . B 2, Beilage zu Nr. 4 5 4 , 4 4 9 - 4 5 3 , hier 450,26ff. Es wurde ein Mandat des Reichsregiments gegen den Aufruhr erlassen (450,36fE). Oswald verhandelt am 2 8 . 0 2 . 1522 mit Luther (vgl. WA.B 2,454,8). 4 7 D e n Verdacht, daß Kurfürst Friedrich an Luthers R ü c k k e h r beteiligt ist, weist Friedrich am 0 7 . 0 4 . 1 5 2 2 zurück (GESS 1, Nr. 3 2 8 , 301 f.). Davon wird Herzog Georg zunächst überzeugt (GESSI, Nr. 3 3 0 , 303f., am 1 1 . 0 4 . 1522). Friedrich bat Luther über Hieronymus Schurff um die briefliche Bestätigung, selbständig nach Wittenberg zurückgekommen zu sein (vgl. W A . B 2,459). Luther antwortet in einem B r i e f am 0 7 . ( 0 8 . ? ) 0 3 . 1 5 2 2 ( W A . B 2, Nr. 4 5 6 , 4 5 9 - 4 6 2 ) . Kurfürst Friedrich schickt am 11.03. das Schreiben über Schurff an Luther zurück mit der Bitte um Milderung einiger Stellen, besonders der Hinweise auf das Reichsregiment in Nürnberg ( W A . B 2, B e i lage zu Nr. 4 5 6 , 465—467, hier 466,14fF.). Vgl. die geänderte Fassung des Schreibens an Kurfürst Friedrich vom 1 2 . 0 3 . 1522 ( W A . B 2, Nr. 4 5 7 , 4 6 7 - 4 7 0 ) . Die Änderungen betreffen das R e i c h s regiment, nicht aber die Gewaltenfrage. A m 15.03. setzt Kurfürst Friedrich Herzog Johann darüber in Kenntnis (Planitzberichte Nr. 47, 106f.; vgl. ebenso an Planitz vom 1 6 . 0 3 . 1522; ebd., Nr. 49, 109f.). 4 8 Planitz berichtet am 2 2 . 0 3 . 1522 Kurfürst Friedrich davon (Planitzberichte Nr. 51, 114— 117, hier 114,28ff.). 4 9 Das Schreiben an Kurfürst Friedrich vom 0 5 . 0 3 . 1522 als Antwort auf die Verhandlung mit Oswald W A . B 2, Nr. 4 5 5 , 4 5 3 - 4 5 7 , hier 4 5 5 , 8 0 - 4 5 6 , 8 2 . 511 Ebd., 4 5 6 , 8 8 . 9 6 f f .
5. Die Aufgabe und Grenze des weltlichen Schwertes
1521—1522
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fen hat. Praktisch heißt das, daß der Kurfürst diejenigen ins Land lassen soll, die kommen, um Luther festzunehmen. Luther schreibt nun weiter an Friedrich, daß er nicht zurückgekommen sei, um gegen die kaiserliche Gewalt oder eine andere Obrigkeit vorzugehen, 51 sondern weil der Satan in seine Gemeinde eingedrungen sei."'2 An den U n r u hen tragen nicht nur die Gläubigen Mitschuld, die die neu gewonnene Wahrheit des Evangeliums nicht richtig gebrauchen, sondern auch diejenigen weltlichen Gewalten, die sich an den Unruhen beteiligen (461,54—60). Luther hält diesen Zustand für den Ausdruck des Zornes Gottes (451,60—63). Er bittet u m die Möglichkeit des Aufenthalts auch ohne kurfürstliches Wissen in Wittenberg, »denn E.K.EG. ist nur der Güter und Leibe ein Herr; Christus aber ist auch der Seelen ein Herr, zu welchen er mich gesandt« (461,83-85). Die beiden »Schauplätze« der Frage nach dem Verhältnis der weltlichen Gewalt zu der geistlichen Auseinandersetzung, also die — zum Teil versuchte — Inanspruchnahme der weltlichen Gewalt für kurialistische Zwecke und die Beseitigung geistlicher Mißstände durch das für die Schwertausführung unzuständige Volk werden nun in Predigten ab dem Frühsommer 1522 zusammengeführt. Luther erkennt zunehmend die analoge Struktur des Gewaltmißbrauchs. Er bedient sich hierbei zunächst nicht des Mediums eines Traktates oder einer Schrift, sondern der direkten Ansprache in Predigten, die sowohl weltliche Obrigkeiten, als auch das gemeine Volk erreichen. In diesen Predigten finden wir auch häufiger die Rede von einem »geistlichen Schwert«. Eine Predigt in Borna im Leipziger Land vom 04.05. 1522 nimmt Luther zum Anlaß, die beiden Gewalten voneinander zu unterscheiden. 53 Die Beschreibung des Wesens der geistlichen Gewalt greift dabei die hauptsächlichen Streitpunkte der Kontroverse Luthers mit der römischen Kirche auf, die Identifikation der geistlichen Gewalt mit dem Papstamt und die Verknüpfung mit der Heilsfrage (121,20; 122,9-14). Die geistliche Gewalt wird nach Mt 18 als brüderliche Ermahnung ausgeübt und nur im äußersten Fall die Exkommunikation angewendet (121,21ff.). Ihre Aufgabe ist die Evangeliumspredigt (122,20ff.; 123,9f.). Einer anders und unrechtmäßig ausgeführten Gewalt ist keine Folge zu leisten; die Gewalt hat ihre Gewalt verloren (122,22). Die Aufgabe der weltlichen Gewalt ist der Untertanenschutz, der nicht mit einer Reichweite über die Seele des Menschen verbunden ist.' 4 Verstößt sie 51
W A . B 2, N r . 456, 4 5 9 - 4 6 2 , hier 4 6 0 , 1 5 - 1 7 . Ebd., 36ff. Gabriel Z w i l l i n g i m Augustinerkloster u n d Karlstadt in der Stadtkirche g e w i n n e n d e n b e s t i m m e n d e n Einfluß (vgl. BRECHT 2, 34f.). Diese U n r u h e n k ö n n t e n auf das ganze R e i c h übergreifen ( W A . B 2,461,52ff.). 53 W A 10111,120-124. 54 W A 10111,121,11-17. L u t h e r f ü h r t hier ebenfalls die Ü b e r l e g u n g an, daß in d e m Fall, daß alle M e n s c h e n christlich w ä r e n , eine weltliche Gewalt nicht n ö t i g w ä r e (ebd., 121,17f.). Weltliche Gewalt »hilfft n i e m a n d t s an der sele« (ebd., 122,7f.). D i e Schrift »Wider d e n falsch g e n a n n t e n geistlichen Stand des Papsts u n d der Bischöfe« v o m Juli 1522 bestätigt die D e f i n i t i o n der R e i c h -
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Zwei-Reiche-Lehre
g e g e n dieses Prinzip, ist der weltlichen Gewalt der G e h o r s a m zu v e r w e i g e r n . 3 5 D i e r e c h t m ä ß i g ausgeübte weltliche Gewalt kontrolliert aber die geistliche Gewalt insoweit, als daß sie diese bei einer falschen A u s ü b u n g o d e r K o m p e t e n z a n m a ß u n g absetzen k a n n u n d die G e m e i n d e ihr w i d e r s t e h e n soll. 56 Diese F o r d e r u n g w i e d e r h o l t die A u s f ü h r u n g e n der Adelsschrift 1520 u n d ergänzt sie u m das ebenfalls bereits b e k a n n t e W i d e r s t a n d s r e c h t der ganzen G e m e i n d e . L u t h e r f u h r t hier die A u s e i n a n d e r s e t z u n g e n u m die potestas papae u n d d e n in seiner G e w a l t a n m a ß u n g analogen Versuch der W i t t e n b e r g e r , E r f u r t e r u n d Z w i c k a u e r R e v o l u t i o n ä r e z u s a m m e n . In B e z u g auf die sich verstärkende A u s e i n a n d e r s e t z u n g b e s o n d e r s mit H e r z o g G e o r g liegt die A n t w o r t auf dessen M a n d a t e g e g e n Luthers S c h r i f t e n bereits auf der H a n d : E r k a n n als weltliche Gewalt nicht in eine geistliche Kontroverse eingreifen. E i n e Predigt in W i t t e n b e r g ü b e r das P r e d i g t a m t (Joh 1 0 , l f f . ) v o m 1 0 . 0 6 . 1522 3 7 f ü g t n u n in die G e w a l t e n u n t e r s c h e i d u n g d e n B e g r i f f des geistlichen Schwertes ein. N a c h der U n t e r s c h e i d u n g des allgemeinen P r i e s t e r t u m s aller G l ä u b i g e n v o n der d e n n o c h in j e d e r G e m e i n d e b e s t e h e n d e n A m t s o r d n u n g (170,24ff.) erfolgt eine historische Analyse: D e r Papst hat d e n C h r i s t e n das geistliche S c h w e r t g e n o m m e n , das die C h r i s t e n w i e d e r ergreifen müssen (173,25f.; 174,6—9.21 f.). Es ist zunächst zwar n u r v o n d e m »Schwert« die R e d e , w o b e i sich aus d e m K o n t e x t ergibt, daß n i c h t das weltliche S c h w e r t g e m e i n t sein k a n n . Es g e h t u m die libertas credendi u n d auctoritas iudkandi, »ein freyheit des glaubens u n d gwalt zuurteylen« (173,18f.), die der Papst d e n C h r i s t e n e n t w e n d e t hat, u m zugleich die Beschlüsse der Konzilien, Päpste u n d J u r i s t e n f ü r gültig zu erklären. 3 S D i e historische Analyse entspricht der bereits vor der L e i p -
weite der weltlichen Gewalt: D e r Schaden, den eine weltliche Gewalt anrichtet, betrifft n u r Leib u n d G u t , nicht aber die Seele (WA 1011,(93)105-158, hier 1 1 1 , 1 - 3 ) . 55 W A 10111,122,15—17. D i e Unzuständigkeit gilt auch f ü r die D u r c h s e t z u n g des Evangeliums mit d e m Schwert, w i e L u t h e r a m 1 0 . 0 7 . 1522 an die G e m e i n d e in E r f u r t schreibt (»Epistel o d e r U n t e r r i c h t von d e n Heiligen an die Kirche zu Erfurt«: die Leute, die m e i n e n , das E v a n g e l i u m m i t d e m Schwert durchsetzen zu k ö n n e n , v e r k e n n e n , daß es n i c h t u m einen Streit u m Fleisch u n d Blut geht (WA 1011,(159)164-168, hier 1 6 7 , 1 7 - 2 1 ) . 1,6 W A 10111,122,3—6. Vgl. hierzu a u c h die Instruktion f ü r die R e f o r m der G e m e i n d e in A l t e n b u r g an d e n Stadtrat v o m 2 9 . 0 4 . 1522: In zeitlichen D i n g e n übt j e d e r das i h m z u s t e h e n d e R e c h t aus; g e g e n ü b e r der O b r i g k e i t gilt der G e h ö r sam. In geistlichen D i n g e n gilt nicht der G e h o r s a m i m Falle falscher Lehre, s o n d e r n der W i d e r s t a n d (WA.B 2, Beilage zu N r . 478, 506—509, hier 507,1—6). Dieser W i d e r s t a n d erfordert es in diesem Fall, einen evangelischen Prediger einzusetzen gegen die bisherigen Priester, die gegen das E v a n g e l i u m k ä m p f e n . D e r Stadt A l t e n b u r g u n d d e n M i t c h r i s t e n g e g e n ü b e r ist dieser christliche Dienst erforderlich (»Denen w y r a u ß tzweyerley pflicht tzu d i e n e n schuldig sind, n e h m l i c h des leyplichen regiments u n n d b r u d e r l i c h e r Christlicher liebe halben«; ebd., 507,11 f.). D i e Priester sollen nicht vertrieben, aber ihres A m t e s e n t h o b e n w e r d e n (ebd., 507,28ff.). 57
W A 10111,170-175. Ebd., 1 7 3 , 1 9 - 2 3 . Vgl. später auch in der E r f u r t e r Predigt v o m 2 1 . 1 0 . 1522 (WA 10111,358,26—29). D a ß L u t h e r i m Falle der Papstgewalt n u n verstärkt von e i n e m »geistlichen Schwert« redet, bestätigt auch der H i n w e i s auf die A u f g a b e des k a n o n i s c h e n R e c h t s zur Festigung 5H
5. Die Aufgabe und Grenze des weltlichen Schwertes
i52i—i522
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ziger Disputation in den Thesen vorgetragenen Verdrängung der Schriftautorität durch das geistliche Recht. Der Begriff des Schwertes scheint nun auch geeignet zu sein, den zu der Predigt des Evangeliums hinzutretenden Aspekt der Urteilsmächtigkeit der Gemeinde in einem Bild auszudrücken. Bereits die kurialistische Tradition hatte ja die geistliche Gewalt (vornehmlich) als jurisdiktionelle Gewalt interpretiert. Zugleich fuhrt der hier verwendete Begriff des Schwertes zurück an den Ursprung der antikurialistisch verstandenen geistlichen Schwertgewalt gemäß Eph 6,17. 59 Das geistliche Schwert, die innergemeindliche Fähigkeit der Rechtssprechung, ist konstituiert in dem Gebrauch der Schrift und des Gotteswortes als alleiniger Autorität. Luther fordert deswegen die Gemeinde auch nicht zur bewaffneten Rückerlangung dieses Schwertes auf, sondern zur Rückeroberung durch das Wort/'" Die in dieser Predigt nun schillernde Unterscheidung zwischen dem Schwert als Wort Gottes und dem Schwert als Ausdruck weltlicher Gewalt kommt in der Gegenüberstellung folgender Sätze zum Ausdruck: »Darumb seyt hye mit dem schwert gerust, das ir zuhawet und stechet alles was sie beschliessen, das es dem Euangelio nit gemeß sey« (174,29f.), bezieht sich auf die Rückeroberung durch das Wort, aber: »Nun woellen die mit dem schwerdt hyndurch dringen, das ist unsinnigkeit, darumb merckt wol, das man allein das lautter wort gottes geen laß, und darnach laß die volgen, wenn sie es gefangen hat, und nicht zwingen mit dem schwert« (175,20—23). Hier wird der Kampf mit irdischer Gewalt abgelehnt. Zugleich will Luther, wie er nochmals bekräftigt, das weltliche Schwert nicht aufheben, da es in seiner Funktion der Friedenswahrung indirekt das Leben der christlichen Gemeinde ermöglicht und erhält. 61 Eine Erfurter Predigt vom 21.10. 1522 redet nun von den beiden Schwertern. Der Teufel hat beide Schwerter dem Papst in die Hand gegeben, 62 der sich durch sie als Herrscher aufspielt (360,28-31). Die Wirkweise der beiden Schwerter tendiert in dieselbe Richtung, so daß auch nur von einem Schwert die R e d e sein kann, das beide Schwerter meint: Der Papst will mit dem der alleinigen Autorität des Bischofs von R o m in »Wider d e n falsch g e n a n n t e n geistlichen Stand des Papsts u n d der Bischöfe« (WA 1011,141,12). W A 10111,173,24-29. 611 W A 10III,174,9f. Vgl. später auch in der Erfurter Predigt v o m 2 1 . 1 0 . 1522: Das E v a n g e l i u m ist verloren, w e n n w i r es m i t menschlicher u n d nicht mit der i h m e i g e n e n M a c h t erhalten w o l l e n (WA 10111,354,15-17). 61 L u t h e r will das weltliche S c h w e r t nicht a u f h e b e n , weil es gegen die Bösen vorgeht, die das W o r t G o t t e s n i c h t h ö r e n (ebd., 175,24ff.). Weil es aber k e i n e n M e n s c h e n z u m G l a u b e n z w i n g e n k a n n , m u ß es sich in Glaubensfragen z u r ü c k h a l t e n (ebd., 1 7 5 , 2 7 - 2 9 ) . I m U n t e r s c h i e d zur geistlic h e n Gewalt ist die weltliche Gewalt von G o t t eingesetzt, die geistliche aber nicht, d e n n sie hat sich selbst zur Tyrannei a u f g e w o r f e n (so L u t h e r in »Wider d e n falsch g e n a n n ten geistlichen Stand des Papsts u n d der Bischöfe«; W A 1011,110,30—111,1). D e r Papst hat die weltlichen G e w a l t e n b e k ä m p f t u n d sich U n t e r t a n g e m a c h t (ebd., 115,32fF.). 62
W A 10111,358,29-31.
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Zweiter Teil: Martin Luthers
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Schwert den Glaubensgehorsam ihm gegenüber erzwingen (359,9f.). D e r Verhältnisbestimmung der beiden Schwerter hält Luther den in Christus liegenden Glaubensgrund entgegen (359,11 f.). Eine geistliches Schwert außerhalb des Glaubens des Einzelnen ist dadurch unmöglich. D e r päpstliche Besitz des weltlichen Schwertes hängt von der Behauptung des geistlichen Schwertbesitzes ab, so daß mit dem nachgewiesenen Nicht-Besitz auch das weltliche Schwert dem Papst nicht gehören kann: »Es ist öffentlich, das sy daß geystlich schwert nit haben, so hat in got das weltlich auch nie gegeben« (360,31 f.). Luthers Predigten nehmen die Gewaltenunterscheidung zunehmend anhand des SchwertbegrifFes vor. War in B o r n a zunächst nur von den Gewalten die R e d e , ist im Juni in Wittenberg neben dem weltlichen auch (wenn auch nicht direkt ausgesprochen) das geistliche Schwert thematisiert. Vollends ist Luthers Erörterung zu den beiden Schwertern dann im Herbst in Erfurt zu sehen. Interessant an seiner Schwerterunterscheidung ist die gleichzeitige Verknüpfung der beiden Schauplätze der Auseinandersetzung, der K a m p f gegen die kurialistische Überfremdung der Kirche und die radikalen Tendenzen einer Kirchenreform in den sächsischen Städten. So ist auch verständlich, warum ausgerechnet in Predigten in den Städten, die die Kirchenreform in Sachsen voranbringen wollten, das weltliche Schwert thematisiert wird, das j a gerade nicht dem einzelnen Christen zueigen ist wie das geistliche Schwert. Luther m u ß hier vor einer voreiligen Umstürzung der Verhältnisse warnen, zugleich aber den Christen deutlich machen, daß sie das ihnen vorenthaltene geistliche »Schwert« wieder an sich bringen müssen.
5.5 Präzisierungen II: Der Christ als Träger des weltlichen Schwertes W i e schon in der Anfrage Kurfürst Friedrichs an Luther und in dessen Schreiben an Melanchthon bezüglich einer christlich geführten weltlichen Gewalt zu sehen war, ist die Frage virulent, wie ein Christ christlich bleiben und zugleich ein weltliches Schwert führen kann. W i e läßt sich der Gewalt verzieht der B e r g predigt M t 5 , 3 9 mit der Bestrafung der Übeltäter 1. Petr 2 , 1 3 f . verbinden? Luther antwortet hier ebenfalls in Predigten. A m 2 7 . 0 7 . 1 5 2 2 erörtert er das Problem der Bergpredigt, daß der Christ zur Vergebung gegenüber seinem Nächsten aufgerufen ist und nicht gleichzeitig das weltliche Schwert fuhren kann, weil es ein Ausdruck seines Zürnens und nicht seiner Vergebung wäre/' 3 Es sieht also so aus, als wolle das Evangelium das weltliche Schwert ganz beseitigen (251,13—15). D i e Lösung liegt in der Unterscheidung der Aufgaben: C h r i stus ist ein geistlicher Lehrer der Gewissen, der mit dem weltlichen Schwert nichts zu schaffen hat ( 2 5 1 , 1 5 - 2 5 2 , 2 ) . Luther erneuert hier seine Ü b e r z e u 63
WA 10111,242-256, hier 251,lOff.
5. Die Aufgabe und Grenze des weltlichen Schwertes
1521—1522
229
gung, daß die wahren Christen das Schwert unter sich nicht benötigen, wohl aber wegen der Nichtchristen ein solches notwendig ist.64 Es stellt sich dann die Frage, wie die christlichen Fürsten das Schwert handhaben sollen, da sie von beiden Geboten betroffen werden (252,12fF.). Gefordert ist in diesem Amt sowohl Ernsthaftigkeit als auch Sanftmütigkeit und Freudigkeit, in Summa: Vernunft, wie sie bei Mose zu sehen war, der darum bat, aus dem Buch des Lebens getilgt zu werden um seines Volkes willen, zugleich als eingesetzte Obrigkeit aber auch tausende von Leuten erschlug, um damit Gottes Z o r n zu besänftigen. Für eine weltliche Gewalt gilt also: »Soll die weltlich gewalt zürnen eusserlich und den sünden weren, Innerlych aber soll sy weyß unnd klug seyn, auff das sy wyße die strengikeit zu messygen und hinderen, nach dem es billich und recht ist« (256,9—13). Auf Einladung Herzog Johanns nimmt Luther am 24./25.10. 1522 zu der Frage eines christlich geprägten weltlichen Regiments in Predigten in der Weimarer Schloßkirche Stellung. 65 Die bisher zum Teil angeklungene Unterscheidung zweier Reiche wird hier deutlicher ausgeführt. Die Predigt vom 24.10. 1522 widmet sich vor allem dem geistlichen Reich Christi, zu dem das gläubige Christenvolk gehört, das durch das ins Herz geschriebene »Gesetz« des Heiligen Geistes regiert wird. 66 Luther wendet nun den Blick von den Schwertern als Handlungsfunktion des Menschen zu den Reichen als seinem jeweiligen personalen Standort. Das Gesetz des Heiligen Geistes ist nicht etwa identisch mit dem kanonischen Recht oder dem päpstlichen Reich, sondern steht dessen Veräußerlichung der geistlichen Regierung (dem Ersatz des Christusglaubens durch die Forderung guter Werke zur Seligkeit) konträr gegenüber. 67 Weil der Mensch durch das ihm ins Herz geschriebene Gesetz in Heilsfragen frei von allen menschlichen und weltlichen Gesetzen ist, kann er nicht zum Gehorsam gegenüber päpstlichen Gesetzen verpflichtet werden (373,11). Luthers theologisches Engagement gegen den Papst ist deswegen richtig. 68 Die für Herzog
64 E b d . , 252,6—8. Das weltliche Schwert ist v o n G o t t eingesetzt, u m die S ü n d e zu b e k ä m p f e n , w i e es B ü r g e r m e i s t e r u n d R i c h t e r t u n sollen (Predigt v o m 3 1 . 0 8 . 1522; W A 10111,293—303, hier 303,13-17). 65 Von d e n Predigten, von d e n e n L u t h e r kein M a n u s k r i p t besaß, sind n u r die 3. u n d 4. als N a c h s c h r i f t erhalten, u m d e r e n Herausgabe L u t h e r durch d e n W e i m a r e r H o f p r e d i g e r W o l f g a n g Stein g e b e t e n w u r d e (WA 10111,371-385). 66 W A 10111,371,14f. Das Gesetz, das hier gilt, »ist nichs anders dan der heilig geist, der m u s in uns regirn u n d das gesecz in uns vorbrengen, d e n geist mus uns gott geben« (372,30—32). 67 »Der Sophisten reich ist gar nichts gegen disem reich. D a n dasselbig reich (als m i t g u t e n wercken f r u m zu werden) ist ein v e r f u e r u n g der Cristen u n d ein lesterung gottes« (ebd., 372,3—6). L u t h e r d e n k t hier u.a. an die Veräußerlichung des Klosterlebens, das nicht m e h r auf geistliche V o l l k o m m e n h e i t gerichtet ist (ebd., 372,13ff.). A u c h darf das geistliche R e c h t n i c h t mit d e m H e i ligen Geist verwechselt w e r d e n (373,15ff.). D e r Papst ist sogar soweit gegangen, als irdischer G o t t verstanden zu w e r d e n (375,2f.; vgl. hierzu Augustinus T r i u m p h u s ) . 68 Ebd., 374,10—12. D i e A u f g a b e einer irdisch sichtbaren, geistlichen O b r i g k e i t ist n u n die P r e -
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Zweiter Teil: Martin Luthers
Zwei-Reiche-Lehre
Johann gedachte Predigt stellt also klar das Wesen, den Umfang und die R e i c h weite der geistlichen Gewalt dar. Der altgläubigen Behauptung der päpstlichen Gewalt muß der Christ das Kriterium des Christusglaubens für die Zugehörigkeit zum geistlichen Reich vorhalten, daß sich von der Heilsnotwendigkeit des Papstgehorsams fundamental unterscheidet. Die Frage, welche Aufgabe der weltlichen Gewalt in einem christgemäßen Leben zufällt, erörtert die Predigt vom 2 5 . 1 0 . 1522. Die vorherige Predigt hatte bereits einige Hinweise zur Herkunft und Dauer gegeben. Entsprechend der Tradition wird das weltliche Reich als einziges Reich bis hin zur Aufrichtung des geistlichen Reiches in Christus verstanden (371,20—23). Die Notwendigkeit der Einrichtung eines »zweiten« Reiches ergibt sich aus der Tatsache, daß das im weltlichen Reich geltende Gesetz Moses nicht ins Herz geschrieben wurde und von daher auch nicht zum christlichen Glauben fuhren konnte (373,2—4). Doch gibt es eine Verbindung der beiden Reiche durch die Herrschaft Christi: Christus überläßt zwar die Regierung und Ordnung des weltlichen Reiches den Menschen und ihrer Gesetzgebung, motiviert aber die Christen zum Handeln im weltlichen R e i c h durch die dem Glauben entspringende Liebe (371,23—26). Die Verknüpfung der beiden Reiche ist so in Christus ermöglicht, ja erfordert eine »gute« weltliche Regierung aus christlichem Glauben (378,13-15). Die auf die Frage nach der Möglichkeit eines christlich geführten weltlichen Regiments gegebene Antwort wird in der zweiten Predigt vertieft. Die Frage der Notwendigkeit stellt sich nicht nur im Falle des Christusreiches (wie in der ersten Predigt), sondern auch bei dem weltlichen Schwert. Wenn es nur Christen gäbe, bestünde diese Notwendigkeit einer weltlichen Strafgewalt nicht; sie ist aber mit R o m 13,1 und 1. Petr 2,13f. dazu da, den Auswirkungen des Teufels, bzw. der Sünde in der Welt zu wehren (379,19—31). Aber sie ist insofern auf die äußere Strafgewalt beschränkt (also einer festgestellten Schuld eine Strafleistung folgen zu lassen), als Gott selbst es auch im weltlichen Reich allein vollbringt, einen bösen Menschen zu einem guten zu machen/' 9 Der Frage nach einer christlichen Führung der weltlichen Gewalt begegnet Luther mit der Notwendigkeit zweier Gewalten zur Bekämpfung der Sünde, denn auch das geistliche Schwert ist dazu da: der Teufel bedrängt die Gläubigen und sät sein Unkraut (beispielsweise durch falsche Lehre) auch unter die Gläubigen (381,4.14f.). Eine Verwechslung der beiden Schwertaufgaben führt aber zu der Meinung, man könne den Glauben durch das weltliche Schwert erzwingen. Dieses kann aber nur durch das geistliche Schwert, das Wort Gottes, gewirkt werden (380,23ff.). digt des Evangeliums: »Daruemb soel das der geistlichen anipt sein, uff das sie das Euangelium predigen« (ebd., 3 7 7 , 3 7 f . ; vgl. 3 7 8 , 3 3 f . ) . 6 9 Ebd., 3 8 0 , 2 0 - 2 3 ; vgl. 3 8 1 , 2 8 - 3 0 ; 3 8 5 , 3 f . Gott straft durch die weltliche Gewalt (vgl. 381,37f.-382,l).
5. Die Aufcabe und Grenze lies weltlichen Schwertes
1521—1522
231
D e m Herzog gilt es nun die Frage zu beantworten, wie das weltliche Schwert geistlich geführt werden kann, wenn ein direktes Handeln mit dem Wort Gottes nach Eph 6,17 oder die päpstlich behauptete Unterordnung des weltlichen Schwertes ausscheidet. Bei der christlichen Schwertfiihrung sind Nächstenliebe und Vernunft als übereinstimmende Größen zu betrachten, die lediglich nach ihrer Herkunft in den beiden Reichen zu unterscheiden sind. In dieser Ubereinstimmung kommt zum Ausdruck, daß Gott letztlich in beiden Reichen regiert. Die ideal anzunehmende Person eines christlichen Fürsten zeigt dabei exemplarisch diese Kongruenz: er soll vernünftig, geschickt und gut sein, nach Christi Geboten handeln und die Liebe, die Christus ihm erweist, an seinen Nächsten weitergeben (381,17f.33; 382,4ff.). Die Vernunft reglementiert auch den Umfang des Schwerteinsatzes gegen einen Übeltäter. Hier ist das Schwert auf die Strafe bezogen, die durch das Schwert erfolgen kann. 70 Trotz dieser generellen Ubereinstimmung der Vernunft mit der Nächstenliebe ist es die Vernunft, die die Einzelheiten von Ratschlägen an Obrigkeiten zur christlichen Führung ihres Schwertes bestimmt. 71 Luthers Weimarer Predigten fuhren also zu einer klaren Unterscheidung der beiden Reiche, die Aufgaben der beiden Schwerter und der Herausstellung ihrer Gemeinsamkeit, der Herkunft von Gott und ihre Notwendigkeit zur Erhaltung der Welt und der christlichen Gemeinde gegen den Teufel und die Sünde. Der Begriff des Schwertes findet vor allem hinsichtlich dieses (endzeitlichen) Kampfes mit dem Teufel Verwendung, entspricht aber auch dem des »Regiments«, da hiermit die Herrschaftswme bezeichnet wird. In der Obrigkeitsschrift wird diese Gewaltenunterscheidung wieder aufgenommen, wobei dort nicht nur die Frage nach der christlichen Führung des weltlichen Schwertes, sondern auch die Situation des Christen unter beiden Schwertern thematisiert wird. 72
70
Ebd., 383,34f. »Man rieht mit fingersehen offt mer aus dan mit schwertter« (383,38-384,1). »Ich wil nit anzeigen, wie der in allen dingen zu halden sey, Ich wil das der Vernunft lassen und heym geben, Suendern ich wil sagen, W i e darinnen soel die lieb gegen d e m nechsten erzeigt werden soel« (380,6—9; vgl. 384,4). Luther geht nur auf das Verhalten eines christlichen Fürsten gegenüber seinen R ä t e n ein. Vermutlich liegen hier historische Gründe vor, die es ihm notwendig erscheinen lassen, eine gewisse Unabhängigkeit des Herrschers von seinen Beratern festzuhalten — zumindest bei Kaiser Karl V. war im Zusammenhang mit d e m Wormser Reichstag 1521 eine B e einflussung durch altgläubige R ä t e vermutet worden. Bei den R ä t e n ist die Treue zu überprüfen, inwieweit sie den Herrscher vernünftig beraten (WA 1 Olli,382,19ff.; vgl. ebd., 383,12). Durch eine Abhängigkeit des Fürsten von Beratung könnten R ä t e gewissermaßen selbst zu Herrschern werden (ebd., 382,27ff.). 71
72 In der zweiten Weimarer Predigt ist nur einmal kurz davon die R e d e , daß der Christ unter der weltlichen Gewalt U n r e c h t erduldet (385,12-14).
232
Zweiter Teil: Martin Luthers
5.6
Zwei-Reiche-Lehre
Zusammenfassung
Hatte Luther vor dem Wormser Reichstag noch von der Nothilfefunktion der weltlichen Gewalt gesprochen, so war die Hoffnung auf eine Unterstützung der Reformation durch den Kaiser nach Worms zerstoben. Luther weist die weltliche Gewalt auf ihre ausschließliche Zuständigkeit in weltlichen Belangen hin. Dieser Einschränkung begegnen seine kurialistischen Gegner mit dem Vorwurf, er schüre den Aufruhr gegen die weltliche Gewalt. Luther ergänzt seine geforderte Beschränkung daraufhin durch den Hinweis, eine gewissermaßen »geistliche« Aufgabe der weltlichen Gewalt bestehe in der Bestrafung einer Sündentat. Die Beschränkung auf weltliche Belange hat auch Konsequenzen für die Schwertführung eines Christen. Er bewegt sich mit dieser (möglichen) Tätigkeit ausschließlich in der naturrechtlichen Ordnung. Er ist für den Schutz der Untertanen, nicht aber für geistliche Dinge zuständig. Das weltliche Schwert soll er in Vernunft gebrauchen. Diese steht in einer gewissen Ubereinstimmung zur chrichtlichen Nächstenliebe. Der Christ, der keine obrigkeitliche Tätigkeit ausübt, kann gegen Mißstände nur mit dem Wortwiderstand vorgehen, hat Unrecht aber ansonsten zu erdulden, bzw. muß seine eigene Sündhaftigkeit betrachten, bevor er auf die einer Obrigkeit hinweist.
6. D i e zwei Schwerter in der Obrigkeitsschrift 6.1 Zur Entstehung der Obrigkeitsschrift A u f Betreiben von Erzherzog Ferdinand wird am 0 5 . 1 1 . 1522 der Verkauf von Luthers Schriften in Nürnberg durch das Reichsregiment tatsächlich verboten.' Bereits am 2 8 . 1 0 . 1522 hatte der Kaiser Kurfürst Friedrich dazu aufgefordert, die weitere Verbreitung der Lehre Luthers wegen des Schadens für die Christenheit zu unterbinden. 2 Auch von dem neuen, reformfreudigeren Papst Hadrian VI. ist ein positiveres Urteil über Luther nicht zu erwarten. 3 Im Dezember wird in Nürnberg ein Ausschuß gebildet, der sich mit der Luthersache befassen soll. 4 Auch wenn aufgrund der momentanen Türkenbedrohung die Fähigkeit der altgläubigen Kräfte eingeschränkt ist, gegen Luther vor zugehen, ohne die finanzielle und militärische Unterstützung Kursachsens aufs Spiel zu setzen, wird diese Absicht der weltlichen Gewalten erneuert. Ein entscheidender Schritt gegen Luther sind die Mandate Herzog Georgs, d.h. das Verbot von Luthers Septembertestament 1522 und der Einzug seiner Schriften. 5 Das Verbot hat unmittelbare Wirkung auf die Bevölkerung in Sachsen: »Darumb gepieten und emphelhen wir euch allen und eynem yden in Sonderheit hirmit ernstlich und wollen, wu ir solche neue vordeutschte bucher in euern gewelden habet, das eyn yder dieselbigen in das nechste unser amt, das ime gelegen ist, unserm vorwalter des ends ubergebe und antworte« (387,7—11). Georg bezieht sich dabei auf die Bestimmungen des Wormser Ediktes (386,22—28). Georg ist der trotz des Verbotes erfolgte D r u c k der Schriften in Wittenberg bekannt, und er weiß auch, daß seine Untertanen Schriften Luthers besitzen (386,28—387,3). Wie sehr Georg an der Durchfuhrung des Mandats gelegen ist, zeigt die Tatsache, daß die Kosten für den Erwerb der
Vgl. die Planitzberichte Nr. 104, 2 3 0 - 2 3 4 , hier 2 3 2 , 1 7 - 2 0 . Vgl. die Planitzberichte Nr. 99, 2 2 2 - 2 2 4 , hier 2 2 3 , 1 7 - 2 5 . 3 Planitz berichtet am 1 1 . 1 2 . 1522 über eine U n t e r r e d u n g mit d e m päpstlichen N u n t i u s Francesco Chieregati (Planitzberichte N r . 121, 266—275, hier 2 7 0 f f . ) . Luther habe zurecht b e s t i m m t e kirchliche Mißstände angeprangert, so der N u n t i u s , allerdings sei sein Urteil g e g e n die S a k r a m e n te und das kirchliche R e c h t zu unrecht erfolgt und müsse b e k ä m p f t werden (270,24—271,8). 4 Von d e m R e g i m e n t s a u s s c h u ß kann Planitz am 2 7 . 1 2 . 1 5 2 2 aber n o c h nichts N ä h e r e s b e r i c h ten (Planitzberichte N r . 128, 2 8 8 - 2 9 0 , hier 288,27ff.). 5 GESS 1, N r . 4 0 0 f . , 3 8 6 - 3 8 8 . 1
2
234
Zweiter
Teil: Martin Luthers
Zwei-Reiche-Lehre
Schriften erstattet werden sollen/' Die Theologische Fakultät der Universität Leipzig bestätigt ihm später, daß Georg nicht nur gegen theologische Schriften Luthers zurecht vorgeht, sondern daß das Verbot auch richtigerweise auf Luthers Septembertestament ausgedehnt ist.7 H e r z o g G e o r g g e h t es n i c h t n u r u m die E r h a l t u n g der k a t h o l i s c h e n L e h r e ; e r fühlt sich a u c h p e r s ö n l i c h a n g e g r i f f e n , w i e die »Cronberg-AfFare« zeigt: G e o r g erhält a m 1 9 . 1 2 . 1 5 2 2 die Missive - in d e m D r u c k m i t der E r w ä h n u n g seines N a m e n s statt »die Wasserblase N.«, also der F r e i h a l t u n g des N a m e n s p l a t z e s — als B e i l a g e eines S c h r e i b e n s v o n D r . D i e t r i c h v o n W e r t h e r n an i h n .
D e r H e r z o g fordert L u t h e r dazu auf, sich zu d e n S c h m ä h u n g e n g e g e n i h n zu
ä u ß e r n , o b sie v o n i h m seien o d e r n i c h t .
A u c h Kurfürst F r i e d r i c h w i r d a m 1 7 . 0 1 . 1 5 2 3 v o n
d e m Erhalt der Missive i n f o r m i e r t ; G e o r g will n u n n o c h schärfer g e g e n L u t h e r v o r g e h e n . 1 0
Luthers Bedrohung durch eine weltliche Gewalt war bisher nie so konkret geworden, wie durch Georgs Maßnahmen. Trotz der zahlreichen bisherigen Erörterungen Luthers, wie sich ein Christ gegenüber einer ungerechtfertigten Handlungsweise einer weltlichen Gewalt verhalten soll, blieb offensichtlich ein Klärungsbedarf, der im Hintergrund der Obrigkeitsschrift steht. Neben solchen direkten Auswirkungen auf die lutherische Reformation wurden an Luthers Obrigkeitsverständnis Fragen gestellt. Herzog Johann von Sachsen wurde durch Luthers Predigten in der Weimarer Schloßkirche auf ein virulentes Problem der Amtsführung gestoßen, da er bei seinem älteren Bruder, Kurfürst Friedrich, eine neutrale und nach Luthers Verständnis »richtige«, bei seinem jüngeren Vetter, Herzog Georg von Sachsen, aber eine nicht evangeliumsgemäße Haltung sah. Fraglich blieb hier die Zuordnung der Gewalten zueinander, beziehungsweise die Frage nach einem geistlichen Auftrag der weltlichen Gewalt. Herzog Johann bittet nun durch seinen Hofprediger Wolf'' GESS 1,387,12—14. G e o r g fordert zur Bekanntgabe des Erwerbungsortes und des Preises einer Schrift a u f (ebd., 14f.) und verkündet die D u r c h f u h r u n g dieser M a ß n a h m e bis Weihnachten 1 5 2 2 (ebd., 15f.). Zuwiderhandlungen und der weitere Vertrieb werden bestraft (ebd., 16—21). In ein e m B r i e f v o m 0 9 . 1 1 . 1 5 2 2 empfiehlt G e o r g den Bischöfen von M e i ß e n und Merseburg, ein ähnliches Mandat ausgehen zu lassen (vgl. e b d . , 3 8 7 , A n m . 1). 7 Vgl. das Gutachten der Leipziger T h e o l o g i s c h e n Fakultät v o m 0 6 . 0 1 . 1 5 2 3 zum N e u e n T e staments (GESS 1 , Nr. 4 2 6 , 4 2 5 f . ) . Luthers Ubersetzung soll wegen der in der Ubersetzung zu Tage tretenden Irrlehre verboten werden. 8 GESS 1, Nr. 4 1 2 , 400—402. Luthers Anhänger behaupten seine Unschuld bei der N a m e n s ä n derung (ebd., 4 0 1 , 9 - 1 7 ) . 9 In e i n e m Schreiben an Luther v o m 2 8 . 1 2 . 1 5 2 2 (GESS 1 , Nr. 4 1 7 , 4 0 7 f . ) . Luther antwortet Herzog G e o r g am 0 3 . 0 1 . 1 5 2 3 mit dem Hinweis auf seine Berechtigung, gegen den Herzog zu polemisieren (GESS 1, Nr. 4 2 2 , 4 1 8 f . , hier 418,22—24), wohingegen die M a ß n a h m e n des Herzogs gegen Luther einer B e r e c h t i g u n g entbehren ( 4 1 8 , 2 8 f f . ) . Luther erwähnt nochmals den B e g r i f f »Wasserblase«, vor der er sich nicht fürchten wird ( 4 1 9 , 6 f . ) . 111 GESS 1, Nr. 4 3 3 , 4 3 8 - 4 4 0 . G e o r g teilt Friedrich den Erhalt der Missive Luthers an C r o n b e r g mit (438,17fr.), worin er eine Wasserblase genannt (23f.) und bezichtigt wird, v o m Evangelium abgewichen zu sein ( 4 3 9 , 2 5 f . ) . G e o r g will nun vermehrt gegen Luther vorgehen ( 4 4 0 , 1 2 ) und i n formiert diesbezüglich auch G r a f Albrecht von Mansfeld über den Erhalt der Missive und die B e schuldigungen in ihr (GESS 1, Nr. 4 7 6 , 4 7 8 - 4 8 0 ) .
6, Die zwei Schwerter in der
Obrigkeitsschrift
235
gang Stein um die Veröffentlichung der Weimarer Predigten. Luther erwähnt in einem Schreiben vom 03.11. 1522, daß er keine Abschriften der Predigten besitzt, sie aber bald mit einer Widmung an den Herzog herausgeben will.11 Am 11.12. 1522 schreibt Luther an Stein, daß der »Sermon von der Gewalt des Schwertes« bald fertig sein soll.12 Die vorläufige Titelangabe stellt damit den Gegenstand der herzoglichen Anfrage in den Mittelpunkt. In dem Brief an Wolfgang Stein vom 20.12. 1522 ist das Thema allerdings zugunsten beider Gewalten erweitert: Luther bezeichnet die Schrift vorläufig als sermo de utraque potestate.n
In die Vorgeschichte von Luthers Schrift »Von weltlicher Obrigkeit, wie weit man ihr Gehorsam schuldig sei« gehört maßgeblich auch die Schrift des Bamberger Juristen Johann Freiherr von Schwarzenberg, der Luther u m ein Gutachten zu einem »Manuskript über mancherlei Glaubensfragen«' 4 bittet, das er ihm geschickt hatte. Luther antwortet Schwarzenberg am 21.09. 1522, daß er dessen Schrift durch Philipp von Feilitzsch, seinen juristischen Beistand während des Cajetanverhörs, erhalten habe, wegen anderer Arbeit aber noch nicht zu einer Antwort gekommen sei.13 Luther schlägt zwei Formen der Antwort vor: zum einen will er Randnotizen an das Exemplar von Schwarzenberg anbringen, zum anderen in einer gesonderten Schrift eine Antwort an Schwarzenberg zur Frage nach dem weltlichen Schwert, de potestategladii, verfassen.' 6 Schwarzenbergs Werk gilt als verschollen. Wenn man annimmt, daß Luther tatsächlich Schwarzenbergs Schrift mit Randbemerkungen versehen zurückgeschickt hat, dann verliert sich hier die Spur.17 Für das Verständnis der Obrigkeitsschrift wäre es wichtig, den Inhalt der Schrift Schwarzenbergs zu kennen. In einem Brief an Schwarzenberg betont Luther, das Werk habe ihm gefalllen und er stimme mit ihm überein, allein, in der Frage über das weltliche Schwert (de gladio), sei er anderer Meinung. Er werde dies in einer eigenen Schrift erörtern. Diese Erörterung haben wir u.a. mit der Obrigkeitsschrift vorliegen. Es soll im weiteren der Versuch unternommen werden, Schwarzenbergs Position zur Bedeutung des weltlichen Schwertes mittels seiner anderen Schrift zu kenn" A n Spalatin; W A . B 2, N r . 5 4 6 , 6 1 3 f „ hier 6 1 3 . 7 f . t i f . D e r B r i e f gibt a u c h e i n e n E i n d r u c k v o n L u t h e r s E i n s c h ä t z u n g seiner P r e d i g t e n , in d e n e n er v o n nichts a n d e r e m als G l a u b e n u n d L i e b e g e s p r o c h e n h a b e (ebd., 8f.), e i n m a l j e d o c h v o m R e i c h C h r i s t i u n d d e r w e l t l i c h e n O b r i g k e i t , w o b e i f ü r letztere ein H e r a u s g a b e w u n s c h b e s t e h e (ebd., 9f.). 12 13
W A . B 2, N r . 5 5 2 , 6 1 9 - 6 2 4 , h i e r 6 2 4 , 1 1 2 f . W A . B 2, N r . 5 6 0 , 6 3 8 f . , hier 6 3 8 , 1 4 f .
^ So BORNKAMM, L u t h e r s L e h r e 7. 15 W A . B 2, N r . 5 3 8 , 6 0 0 - 6 0 3 , hier 6 0 0 , 3 - 5 . 16 E b d . , 600,24—31. A m 12.12. schreibt L u t h e r an Spalatin, d a ß er S c h w a r z e n b e r g n i c h t a u f alles einzeln a n t w o r t e n will ( W A . B 2, N r . 5 5 6 , 630—632, hier 630,8). W e n n die U b e r s e t z u n g des P e n t a t e u c h s b e e n d e t ist, will L u t h e r a u f die ü b r i g b l e i b e n d e Frage de potestate gladii a n t w o r t e n , u n d zwar in e i n e m S e r m o n (11 f.). 17 Vgl. W A . B 2 , 6 0 2 , A n m . 2 ; vgl. BORNKAMM, L u t h e r s L e h r e 7. E i n e d u r c h d e n Vf. d u r c h g e f ü h r t e A r c h i v u m f r a g e ergab bisher k e i n e n e u e n H i n w e i s e auf d e n Verbleib d e r S c h r i f t .
236
Zweiter Teil: Martin Luthers
Zwei-Reiche-Lehre
zeichnen, um so indirekt einen Anhaltspunkt für die Kontroverse zwischen Luther und dem Bamberger Hofrichter zu erhalten. 1 " Exkurs: Johann von Schwarzenbergs Konzeption de gladio
-
ein Rekonstruktionsversuch 1. Johann von Schwarzenberg und die Kodifizierung des Strafrechts Johann Freiherr von Schwarzenberg (1463—1528) 19 wurde als ritterlicher Erbe eines großen Gutes geboren und erhielt eine standesgemäße Erziehung, die somit keinen Lateinunterricht beinhaltete. Trotz seiner späteren juristischen Tätigkeit hat Schwarzenberg nie ein kanonistisches oder legistisches Studium genossen. 20 Im Jahre 1493 unternahm er unter Kurfürst Friedrich von Sachsen eine Pilgerfahrt ins Heilige Land. Nach kurzer Dienstzeit beim Würzburger Bischof 1499—1500 wurde er 1501 an den H o f Bischof Georgs III. von Bamberg berufen, um den Vorsitz des Hofgerichts zu übernehmen. Für seine weitere Tätigkeit ist grundlegend, daß eine zunehmende Rechtsunsicherheit zu beobachten ist, die durch das bislang noch nicht einheitlich kodifizierte Strafrecht und die Zunahme der Straftaten wie Raub, Unsittlichkeit und Bestechlichkeit gefördert wird. Schwarzenberg sah zwischen der Strafrechtsunklarheit und der Verbrechensquote einen Zusammenhang. So schreibt er in dem nach dem plötzlichen Tod seiner Frau Kunigunde 1502 verfaßten »Trostspruch um abgestorbene Freunde«: »Dy deinen dieb oft leiden schmach, Die großen besswicht helt man hoch [...] U m b gunst und gab kauft man das recht.«21 U m die W e n d e z u m 16. J h d . war das Strafrecht zwar vielfach regional kodifiziert, n i c h t aber wissenschaftlich untersucht w o r d e n . 2 2 Es gab keine Lehrstühle für oder Literatur über das Strafrecht. N u r in O b e r i t a l i e n bestand seit d e m 13. J h d . eine eigene Strafrechtswissenschaft. W ä h r e n d i m ins civile römisches R e c h t in g r o ß e m U m f a n g E i n z u g hielt, war das a m engsten mit ethischen W e r t u n g e n verknüpfte Strafrecht von einer solchen R e z e p t i o n
unberührt
g e b l i e b e n . H i e r galt i m wesentlichen das germanische, regional variierende G e w o h n h e i t s 18 Methodisch besteht das Problem, u.a. mit Hilfe der Obrigkeitsschrift die Position Schwarzenbergs zu skizzieren, um damit wiederum den Kontext der Obrigkeitsschrift zu erörtern. Aus diesem Grund kann es sich bei dem folgenden nur um eine »Indiziensammlung« handeln. 19 Die Literatur zu Schwarzenberg konzentriert sich im wesentlichen auf die Halsgerichtsordnungen (vgl. SCHROEDER, FRIEDRICH-CHRISTIAN (Hg.), Die Carolina. Die Peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karls V. von 1532, W d F 6 2 6 , Darmstadt 1986). Vgl. zur Biographie SCHEEL, WILLY, Johann Freiherr zu Schwarzenberg, Berlin 1905; ROLL, 4 0 3 - 4 1 0 ; WOLF, ERIK, Große R e c h t s d e n ker der deutschen Geistesgeschichte, Tübingen 4 1 9 6 3 , 102—137; KLEINHEYER, GERD, Tradition und R e f o r m in der Constitutio Criminalis Carolina, in: Strafrecht, Strafprozeß und Rezeption. Grundlagen, Entwicklung und Wirkung der Constitutio Criminalis Carolina, hg. v. PETER LANDAU und FRIEDRICH-CHRISTIAN SCHROEDER, Juristische Abhandlungen 19, Frankfurt a . M . 1 9 8 4 , 7 - 2 7 , hier 16f. 2 0 Vgl. hierzu WOLF, 1 0 5 f . H 0 . Z u m folgenden ebd. 107f. 21 Zitiert nach WOLF, 111, Anm. 16. 2 2 Vgl. hierzu und zum folgenden WOLF, 104f.
6. Die zwei Schwerter in der
Obrigkeitsschrifi
237
recht. Problematisch war daneben die mangelnde Präzision strafrechtlicher B e g r i f f e in den r ö m i s c h e n D i g e s t e n . D e r r ö m i s c h e Quellenbestand wurde nun aber stärker als bisher mit d e m g e r m a n i s c h e n R e c h t , das von gewohnheitsrechtlicher Spruchtätigkeit von G e r i c h t e n in einzelnen regional gültigen Kodizes zusammengefaßt worden war, in Einklang g e b r a c h t . 2 3 H i e r z u diente zunächst die im 15. J h d . b e g i n n e n d e Territorialgesetzgebung, die ihre F o r t s e t zung in der R e i c h s g e s e t z g e b u n g der »Wormser R e f o r m a t i o n « 1 4 9 8 u n d d e m »Ewigen L a n d frieden« 1 4 9 9 fand. Das R e i c h s k a m m e r g e r i c h t hatte zuvor in e i n e m B e r i c h t d e m Lindauer R e i c h s t a g 1 4 9 0 die Klagen ü b e r die U n b e r e c h e n b a r k e i t der städtischen Justiz vorgelegt, und der R e i c h s t a g hatte beschlossen, das Strafrecht in e i n e m R e i c h s g e s e t z zusammenzufassen.
Einen entscheidenden Beitrag zur Kodifikation der Rechtstraditionen leistete Schwarzenberg mit der Bambergischen Halsgerichtsordnung, die 1507 durch Bischof Georg III. von Bamberg zum Landesgesetz erhoben wurde. 24 Er verband die herkömmlichen Strafarten des fränkischen Brauchtums mit dem Strafensystem der Digesten, also mit der Bewertung der verschiedenen Deliktstypen, die zur Festsetzung einer Leibes- oder Lebensstrafe führten. 23 Bereits 1498 war auf Reichsebene eine Halsgerichtsordnung gefordert worden. Auf der Grundlage der Bambergensis konnte sie 1532 reichsgesetzlich verabschiedet werden. Johann von Schwarzenberg stellte sich damit in den Dienst der Reichsreform. 26 Zwei Begriffe prägen Schwarzenbergs Vorstellung, in welcher Weise die Strafzumessung zu erfolgen hat: Gerechtigkeit und Gemeinnutz durchzie-
23 Vgl. zur Diskussion um die Verhältnisbestimmung von römisch-kanonischen und germanischem R e c h t anhand des Inquisitionsprozesses TRUSEN, WINFRIED, Strafprozeß und Rezeption. Zu den Entwicklungen im Spätmittelalter und den Grundlagen der Carolina, in: Strafrecht, Strafprozeß und Rezeption. Grundlagen, Entwicklung und Wirkung der Constitutio Criminalis C a -
r o l i n a , h g . v. PETER LANDAU u n d F R I E D R I C H - C H R I S T I A N S C H R O E D E R , J u r i s t i s c h e A b h a n d l u n g e n
19,
Frankfurt a . M . 1 9 8 4 , 2 9 - 1 1 8 , hier 29fF. TRUSEN warnt davor, die Einflüsse der spätmittelalterlichen Rechtspraxis »monokausal« zu lösen. Man müsse vielmehr von einer Vielzahl von Einflüssen ausgehen (ebd., 32). 24 »In einmaliger Weise wurde hier ein ritterlicher Freund des R e c h t s und der sittlichen B i l dung durch persönliche Erlebnisse auf dem Richterstuhl angeregt, über das Strafrecht nachzudenken, es zu sammeln, aufzuzeichnen, schöpferisch zu ergänzen und damit für spätere deutsche Strafgesetzgeber den Weg zu bahnen« (WOLF, 106). Vorlage für die Bambergensis ist die Bamberger Landgerichtsordnung von Schwarzenberg 1503. An der Halsgerichtsordnung haben neben seinem Mitarbeiter Sebastian von R o t h e n h a n auch Amtsleute der Hofverwaltung und Beisitzer des Hofgerichts mitgewirkt, deren einzelne Anteile an der Arbeit nicht mehr zu erheben sind (ebd., 118). Zu anderen in dieser Zeit verfaßten Halsgerichtsordnungen und ihren spezifischen Ausrichtungen vgl. KLEINHEYER, 14f.; zur wenig beachteten Diskussion um die alleinige Verfasserschaft Schwarzenbergs und damit zur Kritik an WOLF vgl. TRUSEN, 92ff. TRUSEN sieht die Redaktion der Bambergensis als Gemeinschaftswerk an, dessen Grundlagen aber auf einen oder mehrere bedeutende Juristen zurückzufuhren sei (ebd., 102). Schwarzenbergs theologisch-philosophischen Kennt nisse dürften demnach einen nicht unerheblichen Anteil an der Rechtskodifikation besitzen. 25
WOLF,
117.
Vgl. ANGERMEIER, Reichsreform 2 1 6 . Die Forschung fuhrt diese Gesetzeswerke nahezu gänzlich auf die Rezeption des römischen R e c h t s zurück, begreift sie allerdings nicht als Teil des Reformprozesses auf Reichsebene (ebd., 218). 26
238
Zweiter Teil: Martin Luthers
Zwei-Reiche-Lehre
hen als Grundsatz die Bamberger Ordnung. 27 Bereits die Vorrede zur Halsgerichtsordnung weist auf das Motiv des Werkes hin, die Förderung des Rechts und des Gemeinnutzes. 28 Das Motiv formuliert eine zweifache Aufgabe, der sich die Kodifizierung des Strafrechts gegenübergestellt sieht. Zum einen soll die Orientierung am gemeinen Nutzen die immer noch privatrechtlich verstandene und gehandhabte Strafzumessung überwinden, wie sie vor allem im Fehderecht zum Ausdruck kommt. 2 9 Das Fehderecht sollte u.a. durch die Reichsreform abgeschafft werden. Ein Beispiel für diese Orientierung ist die Verfolgung verschiedener Straftaten von Amts wegen. Die Strafe hat nach der Bambergensis öffentlichen Charakter. 30 Zum anderen wirkt die Betonung der Gerechtigkeit der Rechtlosigkeit eines Verdächtigen gegenüber den inquisitorischen Verhörmethoden der Gerichte entgegen, indem sie römisch-kanonistische Rechtsbegriffe ins Spiel bringt. Schwarzenberg lehnt beispielsweise eine willkürliche Bestrafung ab, wenn Notwehr oder fahrlässiges Verhalten vorliegen. Im Falle entschuldbarer, wenn auch nicht in Notwehr begangener Tötungen empfiehlt er die Einholung rechtsverständiger Gutachten. Auch wird die Schuld von passiven Teilnehmern an einer Tat und dem Täter selbst unterschiedlich eingestuft.31 Der Gemeinnutz richtet sich also an die Gesamtheit, er bestimmt den Zweck der Strafe. Die Gerechtigkeit betrifft den Einzelnen und bestimmt das Maß der Strafe. 32 Schwarzenbergs Formel »Gerechtigkeit und Gemeinnutz« läßt sich schon bei Thomas von Aquin finden. In der Summa theologiae schreibt Thomas über die Billigkeit, daß der Wortlaut des Gesetzes zugunsten der iustitiae ratio et communis utilitas zu übergehen ist, wenn sich ein Widerspruch zwischen dem Wortlaut und einer gerechten Entscheidung eines Einzelfalles ergibt. Die Billigkeit ist somit eine Tugend. Im Gegenteil ist das Festhalten am Wortlaut des Gesetzes, wenn der Einzelfall eine »billige« Abweichung erfordert, vitiosus,33 Nach Aristoteles ist die Billigkeit als wirkliche Gerechtigkeit ein Teil der allgemeinen Gerechtigkeit. Sie kommt zwischen der allgemeinen Gerechtigkeit und der 2 7 Vgl. hierzu RADBRUCH, GUSTAV, AUS Lieb der Gerechtigkeit und um gemeines Nutz willen. Eine Formel des Johann von Schwarzenberg, in: Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht, Band
55,
1 9 4 1 , 1 1 3 - 1 3 3 ; a u c h WOLF,
116-128.
»Auss vnser Furstenlicher oberkeit [sind wir gewillt; V.M.] das recht vnd gemeinen nucz zu fuerdernn« (KOHLER, JOSEF (Hg.)., Die Carolina und ihre Vorgängerinnen. Text, Erläuterung, G e schichte, Band 2: Die Bambergische Halsgerichtsordnung. Constitutio Criminalis Bambergensis, 2tl
h g . V.JOSEF KOHLER u n d W I L L Y SCHEEL, H a l l e 1 9 0 2 , 3 ) . V g l . h i e r z u a u c h TRUSEN,
105.
RADBRUCH, 114. WOLF, 1 1 7 . 1 2 1 , sieht hierin auch eine Stärkung der Obrigkeit, während RADBRUCH, 117, besonders A n m . 3, vor allem in dem Motiv der Gerechtigkeit, die im Grunde gen o m m e n mit der göttlichen Gerechtigkeit identisch ist, bestehende Staatseinrichtungen als gerechtfertigt versteht. 29
30
Bambergensis, Art.38
31
Bambergensis, Art. 175 (ed. KOHLER, 74f.).
(ed. KOHLER,
19-21).
32
S o RADBRUCH,
33
Summa theologiae, q. 120, art. 1, ad 1.
115.
6.
Die zwei
Schwerter
in tier
239
Obrigkeitsschrift
Gesetzesgerechtigkeit zu stehen. Letztere richtet sich nach der Billigkeit. 3 4 Zugleich besteht eine gewisse Identität zwischen Gesetzesgerechtigkeit und Billigkeit, weil in der Billigkeit die wahre Absicht (intentio) des Gesetzgebers, ob dem Wortlaut nach oder nicht, zum Ausdruck kommt. 3 3 D i e Gerechtigkeit wird damit so verstanden, daß sie auf das Allgemeinwohl hingeordnet ist und so eine »Harmonie« zwischen iustitia und utilitas communis entsteht. 36 D e r Einfluß von Thomas auf Schwarzenberg wird u.a. an der Frage der ewigen Strafen deutlich. 37 D i e Folge einer ewigen Strafe auf eine zeitliche ist nach Schwarzenberg deswegen gerecht, weil die Sünde selbst wesensmäßig unendlich ist, da sie ein unendliches Wesen beleidigt und zugleich der Böse, wenn man ihn ließe, unendlich sündigte. 38 Das Verhalten des Menschen in dieser Welt zeitigt also Folgen für seine himmelsgerichtliche Beurteilung. Zugleich zeigt sich hier die Verknüpfung der weltlichen Ordnung mit der himmlischen, denn die weltliche Ordnung der Vernunft kann in gewisser Weise die geoffenbarte Gerechtigkeit bestätigen und wiederum abbilden, wenngleich zur Vollendung der Gerechtigkeit die Gnade weiterhin notwendig bleibt. Ontologisch gesprochen erhält der innerweltliche Gemeinnutz seine Realität aus dem absoluten Sein der Gerechtigkeit Gottes, wodurch die »harmonische« Verbindung von Gerechtigkeit und Gemeinnutz charakterisiert ist. N e b e n der motivischen Parallele bei Thomas findet sich die Formel G e r e c h tigkeit und Gemeinnutz bei Cicero. Gerechtigkeit und Gemeinnutz sind die beiden Grundkoordinaten eines Staates und Volkes. Sie sind dabei im Prinzip identisch 39 , beziehungsweise Zweckmäßigkeit und Sittlichkeit gehen eine harmonische Verbindung ein, wobei die Sittlichkeit die Nützlichkeit bestimmt. 4 0 Im Hintergrund dieses Verständnisses liegt die Einsicht in das planvolle Wirken Epieikeia
34
ergo est pars iustitiae
communiter
phus
dicit in 5 Ethic.
Unde patet
quod
prius
quam
nam legalis
iustitia
de legali:
Epieikeia
33
correspondet
dit earn. Si enim iustitia tentionem
legislatoris,
proprie
legalis
epieikeia
dictae,
dirigitur
iustitiae
legali:
secundum
»iustitiae
est, sie epieikeia
existens«:
ut
Et de ea »iustitia«
Philosodirigiturper
( e b d . , q. 1 2 0 , art. 2 ) . continetur
legi sive quantum
est pars potior
quaedam
iustitiae.
epieikeia
et quodammodo
dicatur quae obtemperat
quae potior
tanquam
est pars subiectiva
sub ea, et quodammodo
ad verba legis sive quantum
legalis iustitiae
%
V g l . h i e r z u RADBRUCH, 1 2 5 . V g l . h i e r z u RADBRUCH, 1 2 6 f .
38
S o in S c h w a r z e n b e r g s T r o s t s p r u c h 1 5 0 2 , V e r s 4 8 8 — 4 9 1 ; v g l . h i e r z u T h o m a s , Summa L i b . 3 , cap. 1 4 4 : Si igiturprivetur
maneat
talis privatio.
39
publica
L i b . 3 , c. 7 § 1 1 ) : [ . . . ] summam
De re publica
in perpetuum
ordo ad ultimum jinem,
in
talis poena
illam virtutem,
qui est Deus.
contra perpetuum
re
poenam,
et angeli
quod
V g l . d i e G l e i c h s e t z u n g v o n G e r e c h t i g k e i t als h ö c h s t e r T u g e n d u n d d e m G e m e i n w o h l (De
per aliquant
animae
oportet
ab
decidat
in natura
eo quod est in natura ipsius ut habeat,
Si ergo
hoc ordine
Est autem
in-
( e b d . , q . 1 2 0 , a r t . 2 , ad 1).
37
gentiles
excead
manebit.
id est commune
omnium
bonum
(als K o m m e t a r zu
v g l . BÜCHNER, KARL, M . T u l l i u s C i c e r o . D e r e p u b l i c a , W i s s e n s c h a f t l i c h e K o m m e n t a -
re zu g r i e c h i s c h e n u n d l a t e i n i s c h e n S c h r i f t e n , H e i d e l b e r g 1 9 8 4 ) . A n a n d e r e r S t e l l e k a n n C i c e r o das V e r h ä l t n i s n e g a t i v a u s d r ü c k e n : Communis
utilitatis
derelictio
contra naturam
est, est enim iniusta
(De
offieiis L i b . 3 , c. 6 § 3 0 ) . 40
fieiis
Est enim nihil utile, quod idem non honestum, L i b . 3 , c. 3 0 § 1 1 0 ) .
nec quia utile honestum,
sed quia honestum
utile (De
of-
240
Zweiter Teil: Martin Luthers
Zivei-Reiche-Lehre
der Götter in der Ordnung der Welt. 4 1 D e r Z w e c k des Staates und seiner O r d nung und Gesetze ist klassischerweise beate et honeste vivere.n
D i e res publica als
Zusammenschluß einer Menschengruppe wird durch iuris consensus et utilitatis communio konstituiert. 4 3 D i e Verbindung zwischen Gerechtigkeit und G e m e i n nutz zeigt sich also bei Cicero in einem ähnlichen Verständnis wie bei Thomas, so nämlich, daß die transzendentale Gerechtigkeit innerweltlich ihren Ausdruck in der Orientierung an dem Gemeinnutz findet. T h o m a s zitiert nun in der Summa interessanterweise gerade in den Kapiteln über das Gesetz vermehrt ciceronianisches Gedankengut. Schwarzenberg hat direkt auf Cicero zurückgegriffen. E r ließ De officiis 1517 übersetzen und hat diese Ubersetzung selbst sprachlich überarbeitet. Posthum erschien sie 1531 unter dem Titel »Der teutsch Cicero«. Ciceros Harmonie von honestum,
iustitia und utilitas wird in der deutschen Erstausgabe in zwei Holz-
schnitten ausgedrückt: Zwei aneinandergekettete Kisten mit der Aufschrift »Ehrbarkeit, Gerechtigkeit« und »Nutz« werden von eselsohrigen Menschen mit verbundenen Augen auseinandergerissen. D i e Bildunterschrift lautet »Das Ehrbar hangt dem Nutzen an, dass solchs kein Mensch j e scheiden kann. U n d wer nit dieser Wahrheit glaubt, ist Frommkeit oder W i t z beraubt.« 4 4 Für Cicero selbstverständlich und auch für Schwarzenberg nachvollziehbar ist die Willensfreiheit des Menschen gegenüber der harmonischen Ordnung von Gemeinnutz und Gerechtigkeit, genauer die Selbstausrichtung des Menschen auf die Zweckmäßigkeit und (damit verbunden) die Sittlichkeit. I m Trostspruch 1502 schreibt Schwarzenberg, »Ir habt gemelt, als warlich sey, H y aller menschen willen frey, [...; von Gott] hab wir all frechen mut, zu wurcken beses oder gut«. 43 D i e christliche Konnotation der Willensfreiheit ist die Herkunft dieser Fähigkeit von Gott. Dieser Willensfreiheit korrespondiert nun die »religiöse Färbung« 4 6 des Gerechtigkeitsbegriffs. Das Wesen oder der Inhalt der Gerechtigkeit ist nach der Bamberger Ordnung der biblischen Weisung, d.h. dem Gesetz Gottes zu entnehmen. 4 7 D i e menschliche Gerechtigkeit erhält dabei ihre M o t i Vgl. zu Cicero BENDLIN, ANDREAS, Art. Cicero, in: R G G 2, 4 1 9 9 9 , 3 7 8 f . Considerate nunc, cetera quam sint provisa sapienter ad illam civium beate et honeste vivendi societatetn; ea est enim prima causa coeundi, et id hominibus effici ex re publica debet partim institutis, alia legibus (De re publica Lib. 4, c. 3). 43 Res publica |('5i| res populi, populus autem non omnis hominum coetus quoquo modo congregatus, sed coetus multitudinis iuris consensu et utilitatis communione sociatus (De re publica Lib. 1, c.25; vgl. hierzu nochmals Thomas von Aquin, oben A n m . 3 3 ) . 4 4 Zitiert nach RADBRUCH, 131. Vgl. auch WOLF, 117. 4 5 Zitiert nach WOLF, 112. WOLF, ebd., sieht hierin lediglich die sittliche Freiheit des Gewissens, wie sie auch von den Reformatoren verstanden wird. Das nun im Text folgende zum B e g r i f f der Gerechtigkeit zeigt hier aber eine größere Differenz, die u.a. auch zur Kontroverse zwischen Schwarzenberg und Luther über de gladio geführt haben könnte. 41 42
46
S o RADBRUCH,
116.
»Ziel des Strafrechts sei, einem jeden zuteilen, was ihm nach den Geboten der göttlichen G e rechtigkeit zukomme« (WOLF, 119). 47
6. Die zwei Schwerter in der Obrigkeitsschrift
241
vation aus der göttlichen Gerechtigkeit. 48 Die Halsgerichtsordnung 1507 wird »Gott zu Lob« verabschiedet. 49 Sie bleibt keine innerweltliche Ordnung, da sie ihre Maßstäbe dem göttlichen Gesetz entnimmt. Damit stellt sie sich in die gedankliche Tradition, die über Thomas bis zu Cicero zurückreicht. Wie fugt sich nun das weltliche Schwert in dieses Bild? Das Schwert in seiner richtenden und strafenden Funktion bedient sich der Halsgerichtsordnung zur Bestimmung von Strafart und -maß als Folge einer (Straf-)Tat. Es ist damit Ausführungsorgan des göttlichen Gesetzes, welches im Gemeinnutz abgebildet ist. Wie die spätmittelalterlichen Legisten, die die Kontinuität des römischen R e i ches wahren wollten, hält Schwarzenberg an der Gottesunmittelbarkeit der weltlichen Gewalt fest. Der Gemeinnutz ermöglicht zwar in Einzelfällen die Abweichung vom Wortlaut des Gesetzes, das heißt, die Vernunft waltet über die Auslegung des Gesetzes, diese Abweichung bleibt aber Ausdruck der (göttlichen) Gerechtigkeit. In die Harmonie von Gerechtigkeit und Gemeinnutz wird so der (möglicherweise im Gesetz nicht geregelte) Einzelfall integriert. Das weltliche Schwert ist somit keine rein innerweltliche Angelegenheit mehr: Sein Wesen und sein Auftrag sind durch die »verinnerweltlichte« göttliche Gerechtigkeit konstituiert. Die Aufgabe der göttlichen Gerechtigkeit bleibt es, die angefangene, aber unvollständige Gerechtigkeit der am Gemeinnutz orientierten Ordnung zu vervollkommnen. Man hört hier Thomas von Aquins Verhältnisbestimmung von Natur und Gnade heraus. 2. Schwarzenberg
und
Luther
Im Hinblick auf Luther läßt sich ein Widerspruch zwischen Schwarzenberg und dem Reformator vermuten, der im weiteren erörtert werden muß. Zunächst aber zur genaueren Skizzierung des theologischen Manuskriptes, das Schwarzenberg 1522 an Luther schickte. Schwarzenberg hat vor seinem Manuskript, das er Luther zur Begutachtung übersendet, verschiedene Schriften Luthers gelesen. 50 Er scheint nun in vielen theologischen Fragen mit Luther übereinzustimmen, auch wenn sich das bis 1522 in Schriften nicht im einzelnen nachweisen läßt. 31 Allerdings erfährt er 1521 als Mitglied des Reichsregiments 48 RADERUCH, 122, der hierin i m ü b r i g e n eine Ü b e r e i n s t i m m u n g zwischen S c h w a r z e n b e r g u n d Z w i n g l i feststellt. 49 Vgl. hierzu Bambergensis, Vorrede (ed. KOHLER, 3); vgl. a u c h WOLF, 119. Aus diesem G r u n d sieht WOLF, ebd., auch eine Ü b e r o r d n u n g der Gerechtigkeit g e g e n ü b e r d e m G e m e i n n u t z , was RADBRUCH, 133, A n n i . 1, f ü r eine zu g r o ß e Vereinfachung hält. G e r a d e die h a r m o n i s c h e Vorstellung von Gerechtigkeit u n d G e m e i n n u t z b e d i n g t ja die wechselseitige H i n o r d n u n g des einen auf das andere. 50 So WOLF, 128. Vgl. hierzu beispielsweise d e n S e r m o n v o n d e n g u t e n W e r k e n (unten S. 243, A n m . 62). 51 Vgl. hierzu die Frage, was sich aus Luthers B r i e f für Schwarzenbergs Position g e w i n n e n läßt. D i e r e f o r m a t o r i s c h e N e i g u n g Schwarzenbergs k o m m t v e r m u t l i c h auch darin z u m A u s d r u c k , d a ß er 1522 o d e r 1524 im Konflikt m i t Bischof W i g a n d von R e d w i t z d e n B a m b e r g e r Dienst verläßt
242
Zweiter
Teil: Martin Luthers
Zwei-Rciche-Lehre
direkt von den Verhandlungen der weltlichen Gewalten gegen Luther und verhindert möglicherweise sogar die Ausfuhrung des Wormser Edikts gegen Luther und seine Anhänger. 5 2 S e i n e r e f o r m a t i o n s f r e u n d l i c h e H a l t u n g zeigt sich v o r allem in d e n J a h r e n n a c h 1 5 2 3 . I n s e i n e r A n t w o r t an s e i n e n S o h n C h r i s t o p h , d e r a u f d e r a l t g l ä u b i g e n S e i t e b l i e b u n d an d e r p ä p s t l i c h e n A u t o r i t ä t , d e m k a n o n i s c h e n R e c h t u n d d e r E n t s c h e i d u n g s g e w a l t eines a l l g e m e i n e n K o n z i l s festhielt, a r g u m e n t i e r t J o h a n n v o n S c h w a r z e n b e r g 1 5 2 4 g e g e n die p ä p s t l i c h e p/enitudo potestatisMit
H i l f e des k a n o n i s c h e n R e c h t s w o l l e n die Papalisten C h r i s t u s als H a u p t
d e r K i r c h e g e g e n d e n Papst a u s t a u s c h e n . 5 4 N a c h M t 1 6 , 1 8 ist die K i r c h e a b e r n i c h t a u f die P e r s o n P e t r i , s o n d e r n a u f dessen B e k e n n t n i s zu C h r i s t u s g e b a u t . 5 5 D i e
Argumentation
s c h e i n t h i e r m i t L u t h e r ü b e r e i n z u s t i m m e n . G e g e n d e n diese S c h r i f t p o l e m i s c h b e s t r e i t e n d e n Franziskanerprovinzial Kaspar Schatzgeyer verfaßt S c h w a r z e n b e r g dann 1 5 2 6 » D i ß B u e c h leyn K u t t e n s c h l a n g g e n a n t D i e TeufFels lerer m a c h t b e k a m « . 3 6 Z u m B a u e r n a u f r u h r sagt S c h w a r z e n b e r g , daß diese d e r T e u f e l a n g e s t e c k t hat, w i d e r das E v a n g e l i u m zu h a n d e l n . 5 7 I m A n s c h l u ß an die Z u r ü c k w e i s u n g d e r S c h a t z g e y e r s c h e n B e h a u p t u n g , an d e m A u f r u h r sei die e v a n g e l i s c h e L e h r e schuld, z e i c h n e t S c h w a r z e n b e r g e i n e G e w a l t e n u n t e r s c h e i d u n g , die das w e l t l i c h e S c h w e r t a u f irdische Z u s t ä n d i g k e i t e n b e s c h r ä n k t u n d i h m die M ö g l i c h k e i t d e r g e w a l t s a m e n G l a u b e n s s t i f t u n g n i m m t . 5 8 O f f e n s i c h t l i c h b e s t e h t h i e r zu L u t h e r b e z ü g l i c h d e r und in den Dienst der Markgrafen G e o r g und Casimir von B r a n d e n b u r g eintritt. Für das J a h r 1 5 2 4 spricht der Konflikt w e g e n der E n t f e r n u n g seiner T o c h t e r aus d e m Kloster (siehe unten S. 2 4 3 , A n m . 6 0 ; vgl. zur Unklarheit in dieser Frage ROLL, 4 0 6 ) . 52
S o WOLF, 1 3 1 , o h n e näheren B e l e g aus den R e g i m e n t s a k t e n . D i e R e c h e r c h e in den Planitz-
b e r i c h t e n gibt keinen klaren Hinweis a u f das besondere E n g a g e m e n t Schwarzenbergs in dieser S a che. Vgl. allerdings o b e n die Verzögerung der Verhandlungen über die Luthersache (S. 2 2 3 ; A n m . 4 3 ) . Schwarzenbergs B e d e u t u n g im R e i c h s r e g i m e n t hängt vor allem auch mit den B e m ü hungen zusammen, trotz der finanziellen S c h w i e r i g k e i t e n 1 5 2 3 das R e g i m e n t nicht einfach aufzulösen, sondern fortzuführen (vgl. ROLL, 2 1 4 f . ) . Darüberhinaus war Schwarzenberg als R e g i mentsrat d e m mainzischen Kurfürsten zugeordnet (ROLL, 2 4 0 ) . G e g e n die V e r m u t u n g einer E i n flußnahme
Schwarzenbergs a u f das R e i c h s r e g i m e n t bis 1 5 2 2 spricht, daß er im D e z e m b e r 1 5 2 2 ,
also vor der Obrigkeitsschrift, n o c h überhaupt nicht im R e g i m e n t saß (ebd., 3 5 7 , besonders A n m . 2 ; vgl. auch 4 0 8 f . ) . 53
SCHWARZENBERG, JOHANN VON, B e s c h w e r u n g der alten T e u f l i s c h e n Schlangen mit dem G o -
etlichen wort, O . O . 1 5 2 7 (es liegt d e m V f . das E x e m p l a r der W ü r t t e m b e r g i s c h e n Landesbibliothek Stuttgart vor). D i e Schrift ist unterteilt in 9 Artikel (Ubersicht fol. a2-a2v): 1) gegen d i e p l e n i tudo potestatis;
2) gegen die B i n d e - und Lösegewalt der Seelen; 3) Glaube, L i e b e und W e r k e ; 4) von
der B e i c h t e ; 5) v o m A b e n d m a h l ; 6) von der E h e ; 7) von den Speiseverboten; 8) von Maria, den Heiligen und den Bildnissen; 9) gegen n e u n verschiedene »Kardinaleinwände« der päpstlichen Seite. 34
D i e Papalisten erklären mit D. 2 2 c. 1 alle zu Ketzern, die das nicht b e k e n n e n (fol. c4).
35
Fol. d2. D a g e g e n richtet sich nach Schwarzenberg u.a. D. 19 c.7 Ita dominus noster (fol. d4).
36
SCHWARZENBERG, JOHANN VON, D i ß B u e c h l e y n Kuttenschlang genant D i e Teuffels lerer
macht bekant. H e r r J o h a n s e n von Schwartzenburgs andere C h r i s t e n l i c h e veterliche Warnung und v e r m a n u n g / seynes Sons h e r r n Chrisoffeis etc. auff Caspar Schatzgeyers schreyben / das er w i d e r genantes H e r r n Hansen B u e c h l e y n / die Schlangen B e s c h w e r u n g genant in druck hat auß gehen lassen, o . O . u . D . (Exemplar der Universitätsbibliothek T ü b i n g e n ) . D i e T h e m e n der Schrift sind das E h e v e r b o t an die M ö n c h e , Speiseverbote, der Bauernaufruhr, der lutherische Aufruhr, Geist und B u c h s t a b e sowie die Konzilsbedeutung. 57
Fol. c 1 v.
38
»Sagt dan Schatzgeyer / es sey auß unser Euangelischen leer k u m m e n . A n t w o r t ich / das auß
Christus unnd seiner Apostel leer auch grosse auffruer k u m m e n ist« (fol. c l v ) , »wann wie wol
6. Die zwei Schwerter in der potestas
gladii
Obrigkeitsschrift
243
kein Dissens mehr. Schriftwidrig ist nach S c h w a r z e n b e r g die kurialistische
B e h a u p t u n g , daß die Himmelsschlüssel nur an Petrus, n i c h t aber an ihn u n d die J ü n g e r ü b e r geben wurden.59
Das bisher skizzierte Verständnis Schwarzenbergs über das Schwert soll nun anhand der Hinweise vertieft werden, die wir aus der Korrespondenz mit Luther bis 1523 erhalten.611 Auf die geistliche Gewalt und ihr Schwert nimmt Schwarzenberg in seiner Schrift offensichtlich nicht (oder jedenfalls nicht abweichend zu Luther) Bezug. Es ist in Luthers Antwort nur von einem, dem weltlichen Schwert, die Rede. 6 1 Schwarzenberg gibt an, er habe Luthers Sermon von den guten Werken gelesen. 62 Was hat Luther hier zur Frage des weltlichen Schwerts geschrieben? Die dritte Gruppe der viererlei Menschen, die bösen Menschen, müssen gegebenenfalls mit dem Schwert der Blutgerichtsbarkeit unterzogen werden. Die beiden Gewalten, denen der Christ Gehorsam erweisen muß, sind zu verschiedenen Strafsanktionen autorisiert. Die geistliche Gewalt bekämpft Laster wie Ehebruch, Unkeuschheit oder Wucher und sorgt für die ordnungsgemäße Funktion der Klöster, Stifte und Schulen; die Aufgabe des weltlichen Schwertes dagegen liegt in der Bekämpfung der Verbrechen wie Diebstahl oder ebenfalls R o m . 13 die zeytlichen obrickeyten zu trost der frummen und straff der boesen / Gott mit dem schwert dienen / So haben doch in disem fall die selben waffen nit / Sonder allein in zeytlichen Sachen zugebrauchen stat. Aber yemandt zu warem glauben zubringen / sollen die waffen der C h r i stenlichen Ritterschafft nit fleyslich / Sonder 2. Corin. 10 wie die Apostolischen waffen durch das Wort Gottes mechtig vor Gott sein / zuverstoeren die befestungen und anschlege / und alle hohe die sich erhebt /wider die erkantnuß Gottes / unn gefangen nympt alle vernunfft unter den gehorsam Christi etc.« (fol. c2). »Daruemb auch Christus den Apostel (als er ine im garten / mit seinem materlichen schwert verfechten wolt) dasselbig einstecken hieß unn sprach. Das solche fechter mit dem Schwert / durch das schwert verdürben etc.« (fol. c2-c2v). 5 9 Fol. d3v-d4. Die Heilige Schrift ist für Schwarzenberg im reformatorischen Sinn von zentraler Bedeutung für das Glaubensleben. So nimmt er seine Tochter Barbara aus dem Bamberger Kloster, weil ihr dort das Schriftstudium vorenthalten wird (vgl. SCHWARZENBERG, JOHANN VON, Ein schöner Sendtbrief d e s . . . Johannsen Herrn zu S c h w a r z e n b e r g an Bischoff zu Bamberg außgangen: darinn er treffenliche vnd christliche vrsachen anzeigt, wie vnd warümb er seyn Tochter auß dem Closter ... hinweg gefuhrt vnd wider vnter sein vätterlichen schütz ... genommen hab, Nürnberg 1524; Exemplar der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart; vgl. auch WOLF, 130). 6 0 Zunächst der Zeitpunkt der Entstehung der Schrift: Luther schreibt im September 1522, daß es »einmal Zeit« sei, Schwarzenberg auf seine Schrift zu antworten ( W A . B 2 , 6 0 0 , 3 ) . E r muß sie also schon eine Weile vorliegen gehabt haben und ihre Entstehung muß noch weiter zurückliegen, kann also spätestens in das Frühjahr 1522 fallen. WOLF, 128 vermutet das Jahr 1520 ohne nähere Begründung. Da Schwarzenberg in seinem B u c h aber offensichtlich selbst schreibt, er habe L u thers Sermon von den guten Werken gelesen (vgl. W A . B 2 , 6 0 0 , l O f . ) , dürfte wohl eher an das Jahr 1521 zu denken sein. 61 W A . B 2 , 6 0 0 , 2 4 . D a ß das weltliche Schwert gemeint ist, ergibt sich bereits aus dem Titel der Schrift Luthers; andernfalls hätte Luther noch eine Schrift »Von geistlicher Obrigkeit« schreiben müssen, bzw. hätte auf seine Äußerungen in der Auseinandersetzung mit dem Papst und den K u rialisten 1517—1521 verweisen können. 62
Vgl. wiederum W A . B 2 , 6 0 0 , l O f .
244
Zweiter Teil: Martin Luthers
Zwei-Reiche-Lehre
Ehebruch. In beiden Gewalten ist mit Mißständen zu rechnen. Gegen das geistliche Unrecht muß der Christ passiven Widerstand leisten und im Notfall die weltliche Gewalt zur Hilfe anrufen; weltliches Unrecht kann aufgrund seiner Unerheblichkeit hinsichtlich des Heils des Menschen ertragen werden. Luthers Beschreibung des weltlichen Unrechts entspricht Schwarzenbergs Wahrnehmung, wie seine bisherigen Aussagen zeigen. Dieser Befund bestätigt sich bei dem Blick auf seine Bemühungen, gegen die Trinklust vorzugehen. 63 Strittig könnte die Verknüpfung weltlicher Straftaten mit der Verantwortung vor Gottes Gericht sein: Luther »bagatellisiert« irdische Straftaten in der Weise, daß sie im Grunde nichts zu der ohnehin vorhandenen Sündhaftigkeit und Angefochtenheit des einzelnen Menschen hinzufügen, sondern lediglich deren Ausdruck sind. Schwarzenberg hingegen verknüpft die Gerechtigkeit Gottes mit der Rechtsausübung der Gerichte so weit, daß er in die Gefahr gerät, bei einer Besserung der rechtlichen Zustände einen Rückgang der Straftaten anzunehmen (zum Beispiel durch entsprechende Kodifizierung des Strafrechts), so als würde durch das Walten der Gerechtigkeit Gottes in der weltlichen Obrigkeit die Sünde zurückgedrängt. Diese gedankliche Struktur begegnet in dieser Zeit nicht nur bei Schwarzenberg. 64 Luthers Antwort auf diese Annahme wäre: Ja, sie wird im Glauben zurückgedrängt, aber nur hinsichtlich der äußeren Straftaten. Problematisch dürfte daneben die hinter der Verantwortung vor Gott stehende Vorstellung der Willensfreiheit des Menschen in seiner sittlichen Ausrichtung sein, die Luther nur bedingt teilen kann, da seinem Verständnis nach der Mensch erst in der Neukonstitution des Glaubens an Christus wahrhaft zur sittlichen Handlung befähigt wird, der Mensch auf das Geschenk der Gnade Gottes angewiesen bleibt. Luther weist Schwarzenberg im übrigen auf seine Ubersetzung des Neuen Testaments hin, aus der für den Ritter die Meinung Luthers zu dessen Position deutlich werden solle. 61 A n Luthers Ü b e r s e t z u n g ist zunächst natürlich die n e u e D e u t u n g von M t 1 6 , 1 8 e r w ä h n e n s wert. M i t petra war nach L u t h e r n i c h t m e h r Petrus als O b e r h a u p t der Kirche, sondern der G l a u b e und das E v a n g e l i u m g e m e i n t , u n d K i r c h e k o n n t e d e m n a c h nur als creaturaßdei, genauer unter B e z u g a u f das verbum externum,
bzw.
als creatura verbi divini verstanden werden.
In der Tat war Luthers U b e r s e t z u n g von M t 1 6 , 1 8 auffällig u n d j e nach Standpunkt anstöß i g . 6 6 D a ß S c h w a r z e n b e r g allerdings eine papalistische D e u t u n g von M t 1 6 , 1 8 vertreten u n d an L u t h e r geschickt hätte, u m dann v o n L u t h e r durch dessen B i b e l ü b e r s e t z u n g eines besseren belehrt zu w e r d e n , dafür findet sich ansonsten kein Hinweis. Später w e n d e t sich S c h w a r 63
V g l . h i e r z u SCHWAKZENBEKG, JOHANN VON, D a s B ü c h l e i n v o m Z u t r i n k e n , h g . v. WILLY
SCHEEL, Neudrucke deutscher Litteraturwerke des 16. u. 17. Jahrhunderts, Nr. 176, Halle 1900. 6 4 Vgl. hierzu Luthers Korrespondenz mit Wolfgang Capito, oben S. 2 2 1 , Anm. 27, und S. 2 2 2 , Anm. 33. 65 W A . B 2 , 6 0 1 , 3 2 f . 6 6 A m 2 6 . 1 0 . 1522 äußert sich der Lauinger Augustinerprior Kaspar Amman unzufrieden über die Übersetzung von M t 16,18 und bevorzugt das klassische Verständnis (vgl. W A . B 2, Nr. 5 4 3 , 607—610). Vgl. wiederum das Gutachten der Leipziger Theologischen Fakultät vom 0 6 . 0 1 . 1523 zur Übersetzung des Neuen Testaments durch Luther (GESS 1, Nr. 4 2 6 , 425f.).
6. Die zwei Schwerter in der
Obrigkeitsschrift
245
z e n b e r g j a auch explizit gegen ein solches Verständnis von M t 1 6 , 1 8 . I m Z u s a m m e n h a n g mit seiner r i c h t e r l i c h e n Tätigkeit ist allerdings gerade die B e d e u t u n g des weltlichen Schwertes und n i c h t der geistlichen Vollgewalt klärungsbedürftig.
In der Frage des weltlichen Schwertes ist bei einem Blick in die Randbemerkungen Luthers vor allem Lk 22,38 interessant, der locus classicus der mittelalterlichen Zwei-Schwerter-Lehre. Das satis est meint, daß im Reich Christi nicht mehr mit dem Schwert gekämpft werden darf, sondern das Leid um des Evangeliums willen ertragen werden muß und gegen den Teufel nur das geistliche Schwert, das Wort Gottes etwas ausrichtet. 67 Schwarzenberg wird mit dieser Deutung daraufhingewiesen, daß eine Reiche- und Schwerterunterscheidung radikal vorgenommen werden muß, wenn man dem biblischen Text folgen will. Nach dem bisher zu Schwarzenberg Gesagten kann gerade die strenge Unterscheidung problematisch gewesen sein, wenn man bedenkt, daß jener in der Halsgerichtsordnung versucht, die Gerechtigkeit Gottes mit dem die Ordnung bestimmenden Gemeinnutz zu harmonisieren, um mit einem ordentlich im Glauben geführten weltlichen Schwert auch geistliche Mißstände zu bekämpfen. Luther erklärt hier die Unzuständigkeit des weltlichen Schwertes in geistlichen Angelegenheiten. Die Hinweise konzentrieren sich auf die Frage nach dem weltlichen Schwert und seinem Zusammenhang mit der Bedeutung des Evangeliums. Damit ist auch der Gegenstand der von Luther in seinem Brief an Schwarzenberg in Aussicht gestellten Schrift bezeichnet: »von weltlichem Schwert, wie das mit dem Euangelio übereinkäme, will ich schier durch ein Buchlin sonderlich aus lassen gehen«. 68 6 . 2 D i e Schrift »Von weltlicher O b r i g k e i t . W i e weit man ihr gehorsam schuldig sei« Die verschiedenen Aspekte der Vorgeschichte zur Obrigkeitsschrift deuten daraufhin, daß Luther es als notwendig empfunden hat, in einer grundsätzlichen Schrift das Verhältnis der beiden Schwerter zueinander, ihre jeweilige Grenze und die Aufgabe des Christen in der Welt darzustellen. Die Antworten der Obrigkeitsschrift sind dabei nicht neu, ja zum Teil schon in den Weimarer Predigten enthalten, um deren Herausgabe Herzog Johann bat. Luther verweist daneben auf andere seiner Werke wie die Adelsschrift. Neu ist allerdings der Gesprächspartner Schwarzenberg, dem er mit dieser Schrift ausführlich ant6 7 »Das ist, es gillt nit mehr, mit dem leyplichen schwerd fechten, Sondern es gilt hynfurt leyden umb des Euangelio willen, unnd creutz tragen, denn man kan widder den teuffel nit mitt eyßen fechten, darumb ist nott alles dran zu setzen, und nur das geystlich schwerd, das wort Gotis zu fassen« ( W A . D B 6,312). 68 W A . B 2 , 6 0 0 , 2 4 - 6 0 1 , 2 6 .
246
Zureiter Teil: Martin Luthers
Zwei-Reiche-Lehre
Worten will. In seiner Dringlichkeit ist auch das Problem der unrechtmäßigen Ausübung weltlicher Gewalt neu, wie es an den Maßnahmen Herzog Georgs deutlich wird. Nicht umsonst stellt die Obrigkeitsschrift deswegen auch nicht einen Traktat »aus einem Guß« dar, sondern setzt in ihren drei Teilen unterschiedliche argumentative Schwerpunkte. 69 D a ß dies der w e i t g e s p a n n t e H i n t e r g r u n d der O b r i g k e i t s s c h r i f t ist, zeigt a u c h der W i d m u n g s b r i e f an H e r z o g j o h a n n v o m 0 1 . 0 1 . 1 5 2 3 . 7 0 N e b e n d e m W u n s c h H e r z o g J o h a n n s hat es »vieler leut bitten« (245,7f.) u m A u s k u n f t in der G e w a l t e n f r a g e g e g e b e n . D i e A n f r a g e n an L u t h e r b e z i e h e n sich d a n e b e n auf e i n e n Aspekt, der die O b r i g k e i t s s c h r i f t m a ß g e b l i c h m i t b e s t i m m t , bisher in der E r ö r t e r u n g der S c h w e r t e r - L e h r e bei L u t h e r aber n u r a m R a n d e erfolgte. Es handelt sich u m die A n t w o r t auf die Frage n a c h der in der B e r g p r e d i g t g e f o r d e r ten Gewaltlosigkeit des C h r i s t e n m i t H i l f e der Z w e i - S t u f e n - E t h i k : W i e lassen sich der n o t w e n d i g e Gewaltverzicht M t 5 , 3 9 f . u n d die R a c h e z u s c h r e i b u n g an G o t t R o m 12,19 m i t d e m gegen die weltliche G e w a l t g e f o r d e r t e n G e h o r s a m R o m 13,1 vereinbaren (245,10fF.)? D a n e b e n e r f o r d e r t die g e g e n w ä r t i g e N o t s i t u a t i o n eine K l ä r u n g : D i e »nott« (245,7) m e i n t dabei n i c h t n u r die M a n d a t e H e r z o g G e o r g s o d e r des R e i c h s r e g i m e n t s , s o n d e r n auch d e n M i ß b r a u c h der evangelischen F r e i h e i t . 7 ' L u t h e r g e h t dabei davon aus, bereits dazu Stellung g e n o m m e n zu h a b e n , was A u f g a b e der weltlichen G e w a l t sei - er verweist auf die Adelsschrift. Jetzt geht es aber d a r u m zu sagen, was die weltliche G e w a l t nicht t u n soll o d e r darf (246,17-23).
Die hier besonders interessierende Frage nach dem weltlichen Schwert wird vornehmlich im ersten Teil der Obrigkeitsschrift behandelt. 72 Generell versteht Luther das Thema der Schrift aber als Frage nach der weltlichen Obrigkeit und ihrem Schwert, »wie man des selben Christlich brauchen unnd wie weytt man yhm gehorsam schuldig sey« (245,8—10). Luther beginnt seine Darstellung mit der historischen Herkunft des weltlichen Schwertes. Seit der Verbannung aus dem Paradies dient das Schwert als die die Straftaten richtende Gewalt in der Welt (247,31-248,3). Der Initiator dieser m
G e g e n GÄNSSLER, 8 2 .
70
Vgl. zum folgenden WA 11,245,3-246,16. 71 Nach d e m Kampf u m die Seele gegen den Papst erfolgt nun der Kampf u m Leib u n d G u t gegen eine falsch ausgeübte weltliche Gewalt (»Und hab ich yhren goetzen den Bapst nicht gefurcht, der myr die seelen u n n d den hymel drawet zu nemen, m u ß ich mich auch sehen lassen, das ich seyne schupen und wasserblaßen nicht fuerchte, die myr den leyb und die erden drawen zu nehmen«; WA 11,247,15—18). Die Fürsten sind n u n »toll« geworden, indem sie durch Bücherverbote in den Glauben des Menschen hineinregieren wollen (246,23fE; vgl. 263,18ff.). D e r derzeitige M i ß brauch (»wie itzt schon ettlich toben u n d narren«; 251,31) des Evangeliums fuhrt dazu, daß die notwendige rechtliche Sanktionierung von Übeltätern aufhört zu funktionieren (vgl. 251,22fF.). 72
W ä h r e n d in Teil 1 das Schwert das zentrale Bild für die weltliche Gewalt ist, k o m m t in Teil 2 und 3 die Begriffsverwendung als Ausdruck für die weltliche Gewalt nur am R a n d e vor: vgl. die Aussage, daß das Schwert nicht zur Ketzerbekämpfung geeignet ist (WA 11,268,24; vgl. 269,25), den Hinweis auf die m o m e n t a n »verkehrte Welt«, in der die Bischöfe das Schwert fuhren (WA 11,269,35), darauf, daß der Fürst das Schwert fest in der Hand haben m u ß (272,14) u n d daß die Restitution unrecht entwendeten Gutes eine Aufgabe des weltlichen Schwerts ist (278,29). D a n e ben erfolgt lediglich ein Bezug auf die bereits aus Teil 1 bekannte Fragestellung nach der Gültigkeit des weltlichen Schwertes unter den Christen (270,30f.).
6. Die zwei Schwerter in der
Obrigkeitsschrift
247
Ordnung ist Gott selbst, denn nach R o m 13,lf.; 1. Petr 2,13f. handelt es sich bei dem weltlichen Schwert um den Ausdruck seines Willens und seiner O r d nung (247,21 ff.; 248,29-31). Daß Gottes Willen in dem weltlichen Schwert zum Ausdruck kommen sollte, kann auch Schwarzenberg betonen. Gegen religiöse Eiferer, die die Welt mit dem Wort Gottes regieren und der weltlichen Gewalt keine evangeliumsgemäße Aufgabe zubilligen wollen, ist mit der Gottesunmittelbarkeit zugleich die Existenz des Schwertes legitimiert. Etwaigen Zweifeln, ob die Ausübung der Gewalt christlicherseits überhaupt rechtmäßig möglich sei (und solche Zweifel könnten beispielsweise Herzogjohann beschlichen haben), wird so ein erster Riegel vorgeschoben. Das Problem der göttlich-rechtlichen Legitimation der weltlichen Gewalt ist nun aber der Zusammenhang mit dem von einem Christen geforderten Gewaltverzicht. Die Zuordnung der Rache zu Gott selbst als strafausübender Gewalt nach einem Verbrechen gemäß R o m 12,19 und die dem Christen generell verbotene Strafausübung nach Mt 5,38—41 deuten auf eine Aufhebung der Gültigkeit des weltlichen Schwertes und damit jeder Staatsordnung unter den Christen hin. 73 Tatsächlich sind beispielsweise in den Wittenberger U n r u hen Versuche zu beobachten, »mit dem Evangelium zu regieren« und so die Schwertgewalt zu unterlaufen. 74 Selbst Melanchthon hatte Schwierigkeiten, R o m 13,1 als für den Christen gültig anzuerkennen. 75 Die kurialistische Lösung dieses Problems war eine zweifache. Sie führte einerseits zur Übernahme beider Gewalten durch Christi Stellvertreter und damit zur Indienststellung des weltlichen Schwertes unter die christliche, päpstliche Aufgabe, was sich derzeit in Herzog Georgs Mandaten widerspiegelt. Das Problem des christlichen Verhaltens wurde andererseits durch die mittelalterliche Zwei-Stufen-Ethik und der Unterscheidung des biblischen Gesetzes in Gebote und Räte gelöst. 76 In beiden Lösungsebenen ist die Unterscheidung eines vollkommenen und unvollkommenen Standes, also die Unterscheidung von Geistlichen und Laien grundlegend. Dem Papst als vollkommensten M e n schen gebührt der Besitz beider Schwerter, von denen er das weltliche Schwert an den unvollkommenen Stand einer weltlichen Gewalt abgibt. Die weltliche Gewalt wird so von dem Bergpredigtgebot eines Gewaltverzichts befreit. Der 73 Vgl. hierzu WA ll,248,32ff. Daneben sind Mt 5,44 die Feindesliebe und 1. Petr 3,9, das Verbot, Gleiches mit Gleichem zu vergelten, zu nennen (ebd.). Aus diesen Belegen ließe sich schließen, »als sollten die Christen ym newen testament keyn welltlich schwerd haben« (249,7f.). Zur Problemstellung bereits in der Auseinandersetzung zwischen Volusian und Augustin (vgl. StA 3,32, Anm.lOf.; vgl. WA ll,245,13f., sowie die Weimarer Predigt vom 25.10. 1522; WA 10111,385,11 f.). 74 Vgl. hierzu oben S.219ff. 75 Vgl. dazu oben S.218f. 76
V g l . ZUR MÜHLEN, KARL-HEINZ, A r t . E v a n g e l i s c h e R ä t e , i n : R G G 2, 4 1 9 9 9 , 1 7 2 1 - 1 7 2 3 .
Die Räte wurden mit den Mönchsgelübden identifiziert, woraus die Verbindung der Räte mit dem Stand der Vollkommenheit resultiert.
248
Zweiter Teil: Martin Luthers
Zwei-Reiche-Lehre
Zusammenhang der Gewaltenunterscheidung mit der Zwei-Stufen-Ethik war bereits für den Armutsstreit grundlegend. O c k h a m erkannte die politische B r i sanz der behaupteten Armut Christi, denn in diesem Fall könnte er kein dominium und keine weltliche potestas an den Papst zur Weiterverteilung übermittelt haben. D e r Armut Christi entspricht das Argument eines absoluten Gewaltverzichts gemäß der Bergpredigt. Für weltliche R i c h t e r wie Schwarzenberg kann ein absoluter Gewaltverzicht des Christen nur unmöglich sein, wenn gerade auch in der richtenden und strafenden Funktion des weltlichen Schwertes der Wille Gottes zum Ausdruck kommen soll. Luther trägt der miteinander verschränkten Bedeutung von biblisch gefordertem Gewaltverzicht und Schwertamt der Obrigkeit R e c h n u n g . D i e U n t e r scheidung von Geboten und R ä t e n führt nicht nur zur ungerechtfertigten Relativierung der Gebote der Bergpredigt, sondern bringt auch das weltliche Schwert in den Besitz des Papstes als Preis für die Befreiung der weltlichen Gewalt vom Gebot des Gewaltverzichts. 77 Entscheidender Fehler hierbei ist nach Luther das unzutreffende Kriterium für die Bestimmung der Vollkommenheit: Sie entsteht nicht durch ein bestimmtes Tun, also das zusätzliche Halten der R ä t e , und führt auch nicht zu einem in der Kirche oder der Christenheit äußerlich sichtbaren Stand, sondern ist im Herzen des Christen in Glaube und Liebe gegeben (249,18—23). Damit kann weder die kurialistische Deutung der Gewaltenunterscheidung und damit der Gewaltverzicht, noch die spiritualistische Variante der R e g i e r u n g mit Hilfe des Evangeliums aufrecht erhalten werden. Auch der Gewaltverzicht der Minoriten um O c k h a m trifft nach Luther nicht das Anliegen von R o m 13,1; schließlich sollen die Christen der weltlichen Obrigkeit Gehorsam erweisen. Luther kommt deswegen zu einer neuen Unterscheidung der beiden R e i c h e . D i e Beschreibung des geistlichen R e i c h e s entspricht dem, was Luther bereits in seiner Weimarer Predigt vom 2 4 . 1 0 . 1522 gesagt hatte. M i t Christus als seinem Herrscher ist das R e i c h Gottes in die Welt gekommen, in das die Christen aufgrund ihres Glaubens gehören ( 2 4 9 , 2 6 f f ) . Ein Schwert als Straf- und Jurisdiktionsgewalt gegen ausbleibende Rechtsbefolgung ist unter ihnen nicht notwendig, da sie aus christlicher Liebe mehr tun, als das R e c h t fordert (249,36ff.). Von einem »geistlichen Schwert« ist nur noch insofern die R e d e , als gemäß Eph 6,17 das Wort Gottes gegen Häresie und Ketzerei, also die Behauptung einer rechtmäßigen Predigt ohne tatsächliche Ubereinstimmung mit der Schrift, eine entlarvende und richtende Funktion hat. 78 77 WA l l , 2 4 5 , 1 7 - 2 0 ; 2 3 - 2 4 6 , 3 . Bereits in der Schrift Contra malignum I. Eccii 1519 hatte Luther von der »erleichternden« Funktion der Aussonderung von R ä t e n aus dem Gesetz gesprochen Ifacilius etfoelicius; W A 2 , 6 4 4 , 1 4 f . ; vgl. auch De votis monasticis 1521 W A 8 , 5 8 0 , 4 f . ) . 7 8 Die Christen werden mit Gottes Wort und Geist »geregirt ynnwendig« (WA 1 1 , 2 5 8 , 2 3 ) und diese Aufgabe des geistlichen Schwertes wird von den Aposteln an j e d e geistliche Obrigkeit weitergegeben (ebd., 258,24fr.).
6. Die zu>ei Schwcrter in der
Obrigkeitsschrifi
249
In das weltliche Reich und damit unter weltliches R e c h t gehören nun die übrigen Menschen, die Nichtchristen (251,1 f.). Das ordnende Instrument dieses Reiches, das weltliche Schwert, hat aber durch die Bestrafung der Straftaten indirekt auch eine Bedeutung für die Christen: In dem faktischen Neben- und Miteinander beider Menschengruppen in der Welt hätten die Christen aufgrund der ihnen aufgetragenen Leidenserduldung keine Möglichkeit zu überleben, weil die große Gruppe der Nichtchristen, die ohne die Fähigkeit zur Nächstenliebe und ohne die Erkenntnis der Fehlbarkeit der innerweltlichen Vernunft die Tatsache einer Erduldung von Unrecht durch die Christen nicht respektieren könnten, ihr Verhalten gerade als Möglichkeit verstünden, ihren eigenen Besitz, R u h m oder Vorteil auf Kosten der Christen zu erweitern (251,2—15). Das von Menschen festgesetzte äußere Recht definiert für den Schwertgebrauch die Grenze des Rechts zum Unrecht. Maßstab dieses Gesetzes ist dabei das Gesetz Moses (259,31—35). Das so eingegrenzte weltliche Reich ermöglicht also keine Schwarzenbergsche Position, der vermutlich durch die ordentliche Ausfuhrung der weltlichen Gewalt eine Verringerung der »Sündenneigung« der Welt erwartete. Die Christen sind dabei nach Luther zunächst dem weltlichen Schwert entzogen. Zwar kommt hierin gewissermaßen eine Trennung der beiden Gewalten zum Ausdruck, die aber dadurch eingeschränkt wird, daß zugleich die göttliche Herkunft der weltlichen Gewalt behauptet wird, der die Christen freiwillig aus Gottesliebe dienen. Aufgrund der Faktizität der beiden Reiche sind beide Regimenter mit ihren Funktionen notwendig in der Welt vorhanden (252,12ff.). Zugleich wird aus der Reicheunterscheidung die gleichzeitige Richtigkeit von M t 5,39f. und R o m 13,1 verstehbar, denn unter den Christen gilt das Erduldungsgebot (als Gebot, nicht nur als Rat). Die göttliche Herkunft der weltlichen Gewalt bleibt in ihrer Bestätigung im Römerbrief gewahrt (252,24ff.). U m die Feststellung der indirekten Bedeutung der weltlichen Ordnung für das geistliche R e i c h und die Identifikation der innerweltlich geltenden Grundsätze mit dem biblisch überlieferten Mosegesetz zu präzisieren, stellt Luther in der Obrigkeitsschrift verschiedene Fragen, die er im Hinblick auf die Wittenberger Unruhen, die Anfrage Herzog Johanns und Schwarzenbergs sieht. Es geht um die genaue Verortung des Christen zu den beiden Schwertern. Schwarzenbergs Fragestellung de gladio war entsprechend dieser Uberschrift vermutlich nicht in erster Linie die nach der Verortung des Christen, sondern generell nach dem Wesen der weltlichen Gewalt. Luther modifiziert diese Frage in der Obrigkeitsschrift so, daß nicht mehr von dem Staat oder den Menschen allgemein angesichts des göttlichen Gesetzes die R e d e ist, sondern die Frage nach dem Christen in den Vordergrund tritt. Der Grund der Modifikation ist Luthers spezifisch anderes Verständnis der congregatio ßdelium, die noch bei Gabriel Biel über den beiden ockhamistisch getrennten Gewalten angenom-
250
Zweiter Teil: Marlin Luthers
Zwei-Reiche-Lehre
men wird, hin zu der Person des Christen, der in seinem Gewissen frei ist gegenüber dem weltlichen R e i c h und aus göttlicher Liebe dennoch seine Verantwortung für die Welt wahrnimmt. Z u m einen stellt sich die Frage, ob das Wort Gottes in seiner glauben- und heilstiftenden Funktion nicht in besonderem M a ß e dazu geeignet ist, das innerweltliche Leben zu organisieren. D i e ersten reformatorischen Schwärmer verstanden das Wort Gottes im Grunde g e n o m m e n noch ganz tradidonell-kurialistisch als geistliches Schwert, das mit einer ihm eigenen Jurisdiktionsfähigkeit äußere R e f o r m e n auch gegen Widerstand durchsetzen und so den inneren Glauben stiften konnte (bloß daß sie diese Fähigkeit nicht mehr dem Papst, sondern dem Kirchenvolk oder ihrer Gruppe zubilligten). Schwarzenberg geht zwar nicht von einem direkten innerweltlichen W i r k e n des Gotteswortes aus, sondern hat als »Vermittlungsinstanz« des Gotteswillens die Schwertordnung der Welt. Von der Struktur her muß aber Luthers Antwort auf diese Frage nicht nur gegen die Schwärmer, sondern auch an Schwarzenberg gerichtet sein. B e i beiden ist die Verhältnissetzung von Gotteswort und innerweltlicher Ordnung nach Luthers Verständnis unzureichend. Luthers Antwort bezieht sich zunächst auf die menschliche Unbewirkbarkeit des Glaubens, der allein durch Gottes Geist gewirkt wird, womit er die traditionelle Bedeutung des geistlichen Schwertes als Heilsvermittler einschränkt. Zunächst müßten also in der Welt nur Christen leben, unter denen das weltliche Schwert dann nicht notwendig wäre (251,34f.). Schwierig ist dabei die Unverläßlichkeit der äußeren Zeichen wie der Taufe, die keine innerweltliche Sicherheit ermöglicht. In die bisherige Reicheunterscheidung muß deswegen eine weitere Komponente eingefugt werden: D i e wahren Christen sind als solche nicht sicher zu erkennen (251,35—37). Schon aufgrund dieser Tatsache kann ein geistliches Schwert, das mit einer äußerlichen Jurisdiktionsgewalt ausgestattet verstanden wird, nicht angenommen werden, da die Identifikation des geistlichen R e i c h e s etwa mit der äußeren Kirche nicht zutreffend ist. D i e Welt mit dem Evangelium zu regieren, hieße also, dem »wilden T i e r die Kette zu nehmen« und in dem Schafstall Wölfe, Löwen, Adler und Schafe miteinander zu halten (251,25ff.; 252,5ff.). D i e freie evangeliumsgemäße Selbstbindung des Glaubenden an das Erduldungsgebot kann nicht für Nicht-Glaubende gelten, so daß sie eines sie reglementierenden Schwertes bedürfen, u m wegen der Erduldungshaltung der Christen diese nicht zu vernichten (252,8—14). Schwarzenberg oder Herzog Johann könnte diese Angabe verwirrt haben: Einerseits wird ein reglementierendes Schwert bestätigt, andererseits die Bedeutung des Evangeliums für die Gewaltausführung in der Welt zurückgewiesen. D i e Separation der Christen aus der M e n g e der Menschen führt auf die folgende E n t gegnung, die sozusagen das andere Extrem thematisiert. D i e Kehrseite des Versuches, die Welt mit dem Evangelium zu regieren, ist die Bezweiflung eines weltlichen Gehorsams, der auch für Christen gilt
6. Die zwei Schwerter in der
Obrigkeitsschrift
251
(253,17ff.). Damit stellt sich Luther der Frage, inwieweit die Christen dennoch zum weltlichen Reich gehören. Die Antwort ist hier die freie Selbstbindung des Glaubenden, die Nächstenliebe, die auf den Nutzen des Mitmenschen durch die Ausübung der weltlichen Gewalt sieht. Der Nutzen der weltlichen Gewalt ist dabei durch die Friedenssicherung in jedem Fall gegeben (253,23-29). Der Schwertgehorsam ist im übrigen dem Christen nirgendwo verboten (254,1 lff.). Luther denkt also von der göttlichen Einsetzung des Schwertes R o m 13,1 her. Die freie Selbstbindung des Christen ist der Mittelweg, durch den Luther die Unzulänglichkeiten überwindet, die eine Abbildung des göttlichen Gesetzes in der weltlichen Ordnung sowie eine radikale Trennung beider Gewalten mit sich bringt. Der Christ ist der weltlichen Gewalt als Christ entzogen, bindet sich aber an die (notwendige) weltliche Ordnung freiwillig selbst. Der Zweifel an der Gültigkeit des Schwertgehorsams für die Christen k o m m t auch in der Frage zum Ausdruck, warum Christus und die Apostel das Schwert nicht selbst geführt haben (258,12ff.). M a n könnte argumentieren, daß die Gültigkeit eines weltlichen Schwertes auch neben dem Reich Gottes dadurch gestärkt worden wäre, daß Christus das Schwert selbst gefuhrt hätte. Luther entgegnet hier zum einen, daß Christus viele Dinge nicht exemplarisch getan hat; er habe beispielsweise keine Ehefrau gehabt, u m damit das Institut der Ehe zu stärken. Christus hat sich auf die Predigt des Evangeliums beschränkt, seine eigentliche Aufgabe (258,14—18). Er hat aber die Gültigkeit des weltlichen Schwertes an sich bestätigt, nicht allerdings die konkrete Gestalt des weltlichen Schwertes oder der Ehe vorgegeben, damit aus dieser Vorgabe nicht auf die Heilsnotwendigkeit der exakten Befolgung geschlossen werden konnte (258,25-259,2). Luther zeigt hier eine Kenntnis der historischen »Gefechtslinien«, die wechselseitig anhand biblischer Belege ein christliches Schwertgebot bestätigen oder ablehnen wollten. Luther erkennt den Biblizismus, den beide D e u t u n g e n mit sich bringen, indem sie aus dem biblischen Text direkt auf das göttliche Gesetz schließen (oder diesen Schluß bestreiten) wollen.
Wenn man nun die Autonomie des weltlichen Schwertes und seine nur indirekte Bedeutung für das geistliche Reich sowie die Bedeutung des Mosegesetzes für die Ordnung der weltlichen Gewalt akzeptiert, zugleich aber das Problem der Gewaltlosigkeit der Bergpredigt vor Augen hat, stellt sich die Frage, ob und in welcher Weise es möglich ist, daß ein Christ das weltliche Schwert führt (254,27fF.). Gerade Herzogjohann muß fragen, ob die (übriggebliebene) freie Selbstbindung des Christen an die Welt auch einen Schwertgebrauch durch einen Christen deckt. Die Nächstenliebe, die die Förderung der weltlichen Gewalt durch den Gehorsam beinhaltet, kann sich nun auch fallweise soweit erstrecken, daß ein Christ selbst das Schwert führt (254,37—255,4). Für den Christen ist hier die genaue Unterscheidung seiner Verortung coram Deo und coram hominibus notwendig. Vor Gott erduldet er als Christ weiter das Unrecht gemäß der Bergpredigt. Vor seinen Mitmenschen setzt er sich aber voll und ganz für die korrekte Ausfuhrung des weltlichen Schwertes ein (255,15—20). Uber Abraham, Samuel
252
Zweiter Teil: Martin Luthers
Zu'ci-Reiche-Lehre
und Elia fuhrt eine lange R e i h e von alttestamentlichen Beispielen der christlichen Schwertführung, die im N e u e n Testament keinesfalls als unevangelisch abgelehnt, sondern ausdrücklich bestätigt wird. 7 9 Wenn die weltliche Gewalt in ihrer friedensstiftenden Funktion Gottes Dienerin ist, wie Paulus R o m 13 sagt, dann obliegt in dieser F o r m des Gottesdienstes nicht nur eine Möglichkeit für Christen, sondern sie sind gerade dazu geeignet, eine solche Aufgabe auszuführen. 8 0 Gerade die Christen erkennen im Glauben die eingeschränkte Fehlerlosigkeit der in der Welt geltenden Vernunft und ihre selbstsüchtige Tendenz, das eigene Wohl fälschlicherweise für das Gemeinwohl auszugeben. Damit k o m m t die Obrigkeitsschrift zu einer diesen Teil abschließenden Frage. D i e richtige Unterscheidung der coram-Beziehungen löst noch nicht völlig das Problem, wie man zwischen Unrecht gegen die eigene Person und gegen andere so unterscheiden kann, daß man bei der Bestrafung des Unrechts nicht doch das Unrecht gegen die eigene Person mit in Betracht zieht ( 2 6 1 , 9 - 1 1 ) . Luther führt hier das biblische Beispiel Samsons an, der nicht das gegen ihn erfolgte Unrecht bestrafte, sondern die ihm von Gott auferlegte Aufgabe der Philisterbekämpfung ausführte (261,13ff.). D i e richtige Unterscheidung ist ein »wunder«, »nit unmueglich, Aber gar seltzam und ferlich« (261,11 f.). Bei einem Menschen, der reich an Gottes Geist ist (wie bei Samson), mag diese U n t e r scheidung glücken; die innerweltlich geltende Vernunft aber wird i m m e r versuchen,
das Gemeinwohl
vorzugeben
und
die
eigene
Sache
verfolgen
(261,20—24). Luther zeigt hier die Notwendigkeit des Christseins, das eine Beurteilungsfähigkeit über rechtmäßige und vorgetäuschte Vernunft mit sich bringt. Auch zeigt sich, wie entscheidend die Verlagerung der Fragestellung ist, nicht allgemein über das Wesen des Staates oder den Menschen angesichts des göttlichen Gesetzes nachzudenken, sondern einen christlichen Blickpunkt zu wählen, der die wahre und durch die Vernunft uneinholbare Bedeutung der weltlichen Gewalt erkennt. Das von Luther selbst so bezeichnete »heubtstueck dieses sermons« ( 2 6 1 , 2 7 ) , die Eingrenzung der weltlichen Gewalt, die sich vor allem gegen die Bestrebungen Herzog Georgs und des Reichsregiments richtet, baut auf den in Teil 1 getroffenen Unterscheidungen auf. D i e R e i c h w e i t e der geistlichen Gewalt erstreckt sich nur über die äußeren geistlichen Dinge (264,7f.), da Gott selbst über die Seele des Menschen regiert. 8 ' Diese Gewalt ist ein Dienst und Amt; in
7 9 Vgl. hierzu W A l l , 2 5 5 , 2 2 f f . Für die Weitergeltung des A T nach Christus steht 1. K o r 10,3—5 (WA 11,255,31 ff.). Die christliche Freiheit erlaubt allerdings, dem alttestamentlichen B e i spiel Folge zu leisten oder es zu lassen (ebd., 2 5 6 , 2 0 f . ) , weil der Schwertdienst keine Folge flir die Seligkeit beinhaltet (ebd., 2 5 6 , 2 3 f . ) . 811 W A 11,258,1—3. An die Feststellung der christlichen Eignung schließt sich die Frage an, ob Christen auch als Juristen, Henker oder ähnliches tätig werden können, wogegen bei einer richtigen Unterscheidung der coram-Beziehungen nichts spricht (WA 11,260,30ff.). 81 W A 1 1 , 2 6 2 , 9 f . ; 2 6 3 , 3 - 6 . Der Glaube betrifft das Gewissen des Einzelnen (264,1 IfF.).
6. Die zwei Schwerter in der
Obrigkeitsschrifl
253
ihrem Mittelpunkt steht nicht die für die Tradition maßgebliche jurisdiktioneile Funktion (271,11 ff-) • D i e Reichweite der weltlichen Gewalt erstreckt sich nur über Leib und Gut der Menschen, also die äußerliche Konstitution der Welt (262,7—9). Eine darüber hinausgehende postulierte Reichweite der Gewalt über die geistlichen Dinge, also die Seele des Menschen, muß diesen ins Verderben fuhren, denn allein der Glaube ist in seiner Heilsnotwendigkeit gewiß. Weltliche Gesetze hingegen können diesen Gewißheitsgrad nie erlangen, auch wenn sie eine Ubereinstimmung mit dem göttlichen Gesetz behaupten, so daß die Gefahr für die Seele zu groß ist, von dem Pfad der Gerechtigkeit abzuweichen. 8 2 Eine bei Schwarzenberg vorliegende direkte Wirksamkeit der göttlichen Gerechtigkeit in der weltlichen Ordnung lehnt Luther also ab. Mit der genauen Eingrenzung der Reichweite der weltlichen Gewalt ist offensichtlich der entscheidende Streitpunkt zwischen Schwarzenberg und Luther markiert. Wenn Schwarzenberg bei einer Konstituierung der weltlichen Ordnung in der göttlichen Gerechtigkeit, die auch am Gemeinwohl orientiert ist, mit einer Abnahme der Sündentätigkeit des Menschen rechnet, so verfehlt er damit einerseits die begrenzte Aufgabe der weltlichen Gewalt im Blick auf die innerweltliche Organisation (auch wenn ihr ihre göttliche Herkunft damit nicht bestritten wird). Andererseits ist die Position des Heiden und des (der Sündenneigung unterworfenen) Christen angesichts der beiden Horizonte coram Deo — coram hominibus unklar. Schwarzenberg kann mit der allgemeinen Geltung des göttlichen Gesetzes für die weltliche Ordnung die Personengruppen hinsichtlich der weltlichen Gewalt nicht klar voneinander unterscheiden. Die derzeitige Verkehrung der Gewalten in ihren Aufgaben, die jurisdiktioneile Verweltlichung der Kirche und die Durchsetzungsversuche der Ketzerbekämpfung durch weltliche Gewalten im Sinne einer weltlichen Nothilfefunktion gegen geistliche Mißstände, hält Luther für ein apokalyptisches Zeichen und den Nachweis des Teufelswirkens in dieser Welt ( 2 6 5 , 4 f f ; 270,3—5). D i e auch hier sich stellende Frage nach der Notwendigkeit eines weltlichen Gehorsams auch für die Christen nach R o m 13,1 ff. (265,28ff.) wird im zweiten Teil der Obrigkeitsschrift mit zwei Fallstudien behandelt, die sich beide auf das Verbot der Ubersetzung des Neuen Testaments beziehen. Z u m einen wird der Fall erörtert, daß weltliche Herrscher den Papstgehorsam oder eine 8 2 W A 11,262,16—21. An dieser ausschließlichen Gültigkeit des Gotteswortes hängt die Ablehnung eines Glaubens, der sich an »der Kirchen, den Vetern, Concilien« (ebd., 2 6 2 , 3 2 ) orientiert. GÄNSSLER, 85, behauptet hier einen Widerspruch zwischen der im ersten Teil der Schrift behaupteten göttlichen Lenkung der weltlichen Gewalt und der Ablehnung einer R e i c h w e i t e über geistliche Dinge im zweiten Teil. Damit wiederholt er im Grunde die Unsicherheit, deretwegen die Menschen Luther um Klarstellung baten, die mit der Unterscheidung coram Deo — coram hominibus in der Obrigkeitsschrift erfolgt. Gänsslers aufgestellte Behauptung einer zusätzlichen Unterscheidung der beiden Menschengruppen in den R e i c h e n nach ihrer geistlichen und weltlichen E x i stenz (ebd., 85f.; vgl. Kapitel D III: »Vier R e i c h e Luthers?«, ebd., 135ff.) geht an dem Anliegen der coram-Beziehung vorbei.
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Zweiter Teil: Martin Luthers
Zwei-Reiche-Lehre
bestimmte Form des Glaubens gebieten oder den Besitz bestimmter Bücher verbieten (267,1 ff-)- Die Lösung dieses Falls liegt ebenfalls in dem Hinweis auf die begrenzte Reichweite der weltlichen Gewalt, die keine Dinge (rechtmäßig) anordnen kann, die sich auf den geistlichen Bereich der Seele erstrecken (267,3—8). Der aus dieser Unterscheidung folgende Ungehorsam bei unrechtmäßiger Anordnung äußert sich als passiver Widerstand: Es geht nicht um die Beseitigung der weltlichen Obrigkeit — dies könnte nur mit wiederum weltlichen Mitteln geschehen und wäre so ein Verstoß gegen den geforderten Gehorsam —, sondern die Sanktionen des Herrschers gegen den Ungehorsam werden in der Gewissheit erduldet, Gottes Forderung nach weltlichem Gehorsam Genüge getan zu haben. 83 Das Fallbeispiel für diese Frage ist das Verbot von Luthers Ubersetzung des Neuen Testaments in Gebieten wie dem Bistum Meißen, Bayern und der Mark Brandenburg (267,14ff.). Die Herausgabe der Exemplare soll aber verweigert werden, egal welche Sanktionen folgen (267,17f.). Dem argumentativ zentralen Obrigkeitsgehorsam nach R o m 13,1 wird hiermit ein Korrektiv an die Seite gestellt, das immer wieder eine Uberprüfung der Rechtmäßigkeit des Handelns der weltlichen Gewalt in Ubereinstimmung mit ihrem göttlichen Auftrag notwendig macht. Die zweite Fallstudie erörtert die Frage nach der Vorgehensweise der weltlichen Gewalt zur Abwehr äußerer, weltlicher Folgen einer Ketzerei. Auch hier ist die Antwort der Verweis auf die Unzuständigkeit irdischer Gewalt, es sei denn, die öffentliche Ordnung und der äußere Friede werden gewaltsam von den Ketzern gestört. Da im Falle der Ketzerei der Teufel selbst die geistlichen Grundlagen angreift, kann hier auch nur mit dem wahren Wort des Evangeliums eingeschritten werden. Diese Aufgabe fällt demzufolge nicht dem weltlichen Schwert, sondern den Bischöfen zu (zu erinnern ist an die Schwertfunktion des Gotteswortes gemäß Eph 6,17; 2 6 8 , 1 9 f f ) . Damit kann Luther Herzog Georg die Begründung seines Handelns gegen Luther aus der Hand schlagen. Georg hatte das Verbot des Neuen Testaments ja erlassen aus dem Grunde der Not der fortgesetzten Ketzerei, bei der er der geistlichen Gewalt zu Hilfe eilen wollte — so wie es auch das Wormser Edikt mit der Achtung Luthers vorgesehen hatte. Die Kehrseite der Eingrenzung der Aufgaben der weltlichen Obrigkeit ist die Eröffnung eines auch christlichen Handlungsspielraumes der Fürsten, die Luther im dritten Teil der Obrigkeitsschrift, dem so genannten Fürstenspiegel 84 , darlegt. Dieser Handlungsspielraum soll allerdings nicht material mit 81
Ebd., 8—13. Weitere Präzisierungen zum Widerstands erfolgen im dritten Teil.
Vgl. StA 3,29. GÄNSSLER, 8 8 f . , weist zurecht auf den Unterschied des dritten Teils der O b rigkeitsschrift zu mittelalterlichen Fürstenspiegeln (vgl. hierzu vor allem BERGES, a.a.O.) hin: B e i Luther ist der Fürst nicht schon als Fürst Vorbild der christlichen Ethik, sondern ihn zeichnet als Fürsten allein sein Christsein aus, worin er sich nicht von anderen Christen unterscheidet. Die ungenaue Formulierung GÄNSSLERS aber (ebd., 88), das Verhalten des Fürsten entscheide über sein 1,4
6. Die zwei Schwerter in der
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Obrigkeitsschrift
bestimmten Inhalten einer christlichen Amtsführung dargestellt werden, sondern formal das innerweltliche Handlungskriterium beschreiben. 8 5 D e r für einen Christen geltenden Handlungsweise nach der Nächstenliebe entspricht in innerweltlichen Fragen die Vernunft. Im Blick auf die Rechtsausübung begrifflich genauer gefaßt, aber sachlich mit der Vernunft identisch, ist hier von der Billigkeit zu reden. Luther beschreibt so den »vierteiligen« Fürsten: »Das eyn fürst sich ynn vier ortt teylen soll: Auffs erst, zu Gott mit rechtem vertrawen unnd hertzlichem gepett. AufFs ander, zu seynem unterthanen mitt liebe und Christlichem dienst. AufFs dritte, gegen seyne R e t h e und gewaltigen mit freyer vernunfFt und ungeFangenem verstandt. AufFs vierde gegen die ubelthetter mit bescheydenem ernst und strenge«. 86 R e c h t und Gesetz müssen in VernunFt ausgelegt werden, da das Formulierte R e c h t nicht j e d e n WirklichkeitsFall, sondern nur standardisierte,
idealtypische
Fälle beschreiben
und bewerten
kann
(272,13—17). Genauso bleibt die VernunFt Auslegerin der Ratschläge der R ä t e . 8 7 Ausdruck der Nächstenliebe ist das Streben des Fürsten nach dem Besten für sein Volk und der Wunsch, dem Volk zu dienen (274,7fF.). D i e B i l ligkeit der Rechtsauslegung äußert sich in der Folgenabschätzung eines Urteils: kein Urteil aus Prinzipien- und Rechtstreue darf durch seine Vollstreckung größeres Unheil anrichten. 8 8 Schwarzenberg kann hier eigentlich nur zustimmen. Sollte ihn bei der L e k türe der ObrigkeitsschriFt und der strengen Eingrenzung der weltlichen Gewalt die Angst beschlichen haben, innerweltlich könne kein Handlungsgrundsatz eine eigene »rechtmäßige« Qualität besitzen, so kann ihn Luther beruhigen: D i e Billigkeit, die Ausrichtung des Handelns am bonum commune bleibt trotz aller Eingrenzung erhalten. Allerdings in einem anderen Verhältnis zur absoluten Gerechtigkeit als bei Schwarzenberg oder bei T h o m a s : Während dort das Gemeinwohl als unmittelbarer Ausdruck der (göttlichen) Gerechtigkeit galt, Christsein, verdeckt die R i c h t u n g des christlichen Handelns, das auch für die Fürsten gilt: D e r im Glauben konstituierte Christ tut gute, christliche Werke; nicht umgekehrt wird ein Christ an guten Werken erkannt. Im übrigen entstammt der dritte Teil der Obrigkeitsschrift in Teilen Luthers Predigt vom 2 5 . 1 0 . 1522 (vgl. hierzu auch GÄNSSLER, 87f.). Wenn man davon ausgeht, daß sich dieser dritte Teil mit der Erörterung der »Billigkeit« auch an Schwarzenberg richtet, so handelt es sich hier nicht nur um einen Fürsten- , sondern auch einen »Hofrichter-und Juristenspiegel«. ^ W A 1 l , 2 7 2 , 6 f . Zu materialen Ratschlägen Luthers vgl. sein Einwirken auf Kurfürst Friedrich wegen diverser Stellenbesetzungen oder sein Eintreten für Bittsteller (KUNST, 61 ff.). Hierin kommt die Fürsorgefähigkeit des Christen für weltliche Belange zum Ausdruck (KUNST, 63, spricht von einer zwar nicht rechtlichen, aber doch »moralischen« Möglichkeit), die nicht nur Einzelfälle, sondern auch internationale Politik betreffen kann (vgl. beispielsweise einen von Luther verfaßten B r i e f König Christian II. von Dänemark an Kurfürst Friedrich von Sachsen; ebd., 89). 8 6 W A 11,278,19—23. D e r »bescheidene« Ernst ist als »Angemessenheit« zu verstehen (vgl. StA 3 , 6 9 , Anrn. 465).
" 7 Vgl. W A 11,274,7fr. Vgl. bereits die Weimarer Predigten. 8 8 W A 1 l , 2 7 6 , 6 f f . Vgl. das Bild, daß ein R i c h t e r nicht »eyn leffel auffheb und zutrett eyn schuessel« (ebd., 2 7 6 , 1 4 ) .
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Zweiter Teil: Martin Luthers
Zwei-Reichc-Lehre
bonum commune und Gerechtigkeit also ein Verhältnis von Natur und Gnade (als Vollendung der Natur) bildeten, konnte Luther in ockhamistischen Bahnen den transzendentalen Einfluß auf die Herkunft der weltlichen Gewalt von Gott beschränken. Wenn hier »ockhamistisch« gesagt wird, so muß das Problem zur Sprache kommen, wie Ockham die innerweltliche Vernunft mit dem christlichen Gehorsam vermittelt, wenn er die beiden Reiche und Schwerter zuvor strikt voneinander trennt. Bei Ockham war zu sehen, daß beispielsweise ein Konflikt zwischen einem dem Gemeinwohl dienlichen Kriegseinsatz und dem christlichen Gewaltverzicht nicht zu vermitteln ist und sich die Frage nach der Unterscheidung zwischen der Gottesgabe Vernunft und der Qualität der Offenbarung stellt.89 Biel hatte in ockhamistischer Tradition die Trennung der beiden Gewalten durch die Einfügung der Kirche als Firmament überwunden. Bei Luther ermöglicht zweierlei die Uberwindung des ockhamschen Konfliktes: zum einen weiß der Christ in seinem Gewissen um die Ubereinstimmung der Vernunft mit der Nächstenliebe hinsichtlich der besten Handlungsweisen in der Welt. Genauso kann er im Glauben an die Erlösungstat Christi sein Sein coram Deo von seinem Handeln coram hominibus unterscheiden und die Fehlbarkeit der Vernunft erkennen. Z u m anderen fuhrt gerade die Herkunft der weltlichen Gewalt von Gott die Lösung des eben beschriebenen Konfliktes herbei: Der Christ ist gemäß R o m 13,1 zum Obrigkeitsgehorsam aufgerufen, weil Gott die Obrigkeit eingesetzt hat. In den Krieg zu ziehen ist also Christenpflicht hinsichtlich des Gehorsams. Mit der Gottesherkunft R o m 13,1 steht aber auch die Frage der Rechtmäßigkeit der Obrigkeit im R a u m . Ist sie ungerecht oder fordert etwas Unrechtes, so verliert sie ihren Gehorsamkeitsanspruch an Gott. Der Bergpredigt-Einwand Mt 5,39 ist ebenfalls ein »zweischneidiges Schwert«: sein Wirkungsradius wird auf das Verhältnis der Christen untereinander und gegenüber Dritten so beschränkt, daß ein Gewaltverzicht dem Obrigkeitsgehorsam untergeordnet ist. Gleichzeitig eröffnet er aber auch den R a u m eines spezifischen Widerstandsrechts: der Christ beseitigt die ungerechte Obrigkeit nicht, weil er nicht (ohne äußeren Auftrag) Gewalt anwenden darf, sondern tritt in den passiven Widerstand und erleidet Unrecht, statt es anderen anzutun. Diese »Zweischneidigkeit«, die sich von Schwarzenbergs, aber auch von Ockhams Position unterscheidet, kommt in zwei, die Obrigkeitsschrift abschließenden Fallstudien zum Ausdruck. Beide Fallstudien entsprechen im übrigen zwei umfangreichen Komplexen der Bambergensis: die Frage einer entschuldbaren Straftat und die Vorgehensweise bei Diebstählen. 90 89
Vgl. hierzu o b e n S. 106. Vgl. Bambergensis, Artt. 175f. zur entschuldbaren Straftat (ed. KOHLER, a.a.O. 7 4 - 7 6 ) u n d Artt. 1 8 3 - 2 0 1 z u m Diebstahlsrecht (ed. KOHLER, a.a.O. 7 9 - 8 7 ) . H i e r k ö n n t e bei Luthers Auswahl der Fallstudien auch Schwarzenbergs A n f r a g e zu diesen T h e m e n m a ß g e b e n d gewesen sein. 911
6. Die zwei Schwerter in der Obrigkeitsschrifl
257
Zunächst zur Gehorsamsfrage: Die Kriegsfuhrung eines Fürsten gegen die ihm noch übergeordnete, aber Unrecht tuende oder anordnende Obrigkeit ist für Luther 1523 im Sinne des passiven Widerstands nur durch die Benennung des Unrechts erlaubt; die Güterabwägung erfolgt hier zugunsten des G e h o r samsgebots. 91 Sofern kein Abhängigkeitsverhältnis zum Gegner vorliegt — der Gegner ist also eine gleich- oder untergeordnete Obrigkeit oder generell fremd — ist die A n w e n d u n g der Gewalt gestattet, nachdem eine E r m a h n u n g erfolglos geblieben ist, da hier eine Güterabwägung den Ausschlag zugunsten des eigenen Untertanenschutzes gibt (277,5—15). Für die Untertanen gilt generell das oberste Gebot des Gottesgehorsams im Falle ungerechter Obrigkeit, so daß lieber selbst Unrecht erlitten werden als nicht gerechtfertigtes Unrecht gegen andere verübt werden soll.92 Die Frage des Autoritätenkonfliktes wurde in der Bambergensis unter dem Stichwort der entschuldbaren Straftat verhandelt: 93 die generell strafbare »Entleibung einer Person« kann in einer R e i h e von Fällen straffrei bleiben. Dazu gehört — zu Luthers Erörterung hier passend - die entschuldbare Straftat, wenn j e m a n d einen anderen tötet, u m Leib, Gut und Leben eines Dritten zu schützen, der durch den anderen gefährdet wird. Luthers und Schwarzenbergs Positionen zur entschuldbaren Abwehr von Unrecht durch eine (straffreie) Straftat sind hier generell nicht weit voneinander entfernt: Luther allerdings liefert das Kriterium, an dem sich das Handeln des Christen zu orientieren hat, nämlich der Gottesgehorsam, der den Obrigkeitsgehorsam solange einschließt, wie die (übergeordnete) Obrigkeit kein Unrecht gebietet. Dann allerdings wird das Handeln des Christen nicht im Schwarzenbergschen, naturrechtlichen Sinne der entschuldbaren Straftat freigestellt, sondern auf den christlich gebotenen passiven Widerstand beschränkt. Damit liegt auch hier ein verschiedenes gladius-Verständnis bei Schwarzenberg und Luther vor. Eine abschließende Fallstudie exemplifiziert die innerweltliche Ausübung der christlichen Nächstenliebe anhand der Restitution unrecht entwendeter Güter (278,27fr.). Wenn der eigentliche und der unrechte Besitzer eines Gutes beide Christen sind, wird wegen der Nächstenliebe keiner etwas fordern. Ist nur der unrechte Besitzer ein Christ, wird er das Gut u m der Liebe willen zurückgeben. Interessant ist aber die Überlegung, wie vorzugehen ist, wenn es sich u m zwei Nichtchristen handelt. Hier gilt nun die Entsprechung des N a t u r rechtes mit der Nächstenliebe. Die naturrechtliche Antwort auf einen unrechtmäßigen Besitz ist der Grundsatz, das jeder Mensch für das R e c h t eintreten und
1,1 Ebd., 276,29—277,5. In d e n dreißiger Jahren k e n n t L u t h e r a u c h ein aktives W i d e r s t a n d s r e c h t der Fürsten gegen die von i h m gewählte Zentralgewalt, d e n Kaiser, w e n n dieser U n r e c h t tut (vgl. hierzu u n t e n S.289f.). 92 W A 11,277,28ff. Im Falle der U n w i s s e n h e i t über das U n r e c h t soll aber der O b r i g k e i t s g e h o r sam gelten, da das Gewissen d u r c h U n w i s s e n h e i t unbelastet bleibt (ebd., 277,31—33). 1,1 Vgl. hierzu Bambergensis, Art. 175 (ed. KOHLER, a.a.O. 74f.).
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Zweiter Teil: Martin Luthers
Zwei-Reiche-Lehre
dieses ausüben muß, das er auch für sich selbst in Geltung beansprucht. 94 Luthers Lösung der Frage liegt in einem anderen Feld als die der Bambergensis: Während es hier u.a. um die Klassifizierung der Bagatelldiebstähle oder das Vorgehen gegen Wiederholungstäter geht, 95 die Restitution der entwendeten Güter aber nicht erörtert wird, zeigt Luther die christliche Konnotation der Restitution an. Für ihn ist nicht die Frage der Beschaffenheit des Diebesgutes oder die Schwere des Diebstahls entscheidend, sondern, zu welcher Handlungsweise die Christen durch die Schrift aufgefordert sind. Die naturrechtliche Regelung der Restitution wird somit auf den Bereich zwischen Nichtchristen beschränkt, wobei auch hier die naturrechtliche Analogie zur Nächstenliebe gilt. Die Fallstudien zeigen den Mittelweg, den Luther zwischen der thomistisch geprägten Position Schwarzenbergs und der ockhamistischen Gewaltentrennung in der Modifikation Gabriel Biels durchfuhrt: Beide Positionen leiden an der Schwäche, mit der Frage nach dem Wesen der Gewalten in eine »Vermittlungsfalle« zur Wirklichkeit zu laufen. Der thomistisch geprägte Gedanke einer Vollendung der Natur durch die Gnade, der weltlichen Ordnung durch die göttliche Gerechtigkeit, kann nicht den wechselseitigen Ubergriff der Schwerter in den Kompetenzbereich des anderen verhindern. Eine Gewaltentrennung im Gefolge Ockhams verdeckt hingegen die Tatsache, daß die Christen in der Welt leben und ihr »nur« im Hinblick auf ihre himmlische Erlösung enthoben sind. 6.3
Zusammenfassung
Daß Luther die Obrigkeitsschrift abfaßt, ist im wesentlichen drei unterschiedlichen Anlässen geschuldet. Es handelt sich um die Maßnahmen Herzog Georgs gegen Luthers Neues Testament, Herzog Johanns Anfrage an Luther nach der christlichen Führung des weltlichen Schwertamtes und die Uneinigkeit Luthers und Johann von Schwarzenbergs bezüglich der Frage des weltlichen Schwertes. Diese Anlässe verweisen auf die unterschiedlichen Zusammenhänge, in denen nach Luthers das Verhältnis der beiden Schwerter zueinander zu beschreiben ist. Bei Herzog Georg geht es um den papalistischen Mißbrauch des weltlichen Schwertes. Herzog Johanns Anfrage macht die Darstellung der Verbindungsmöglichkeit einer geistlichen Existenz mit einer weltlichen Aufgabe erforderlich, die Luther in der weitgehenden Ubereinstimmung der weltlichen Vernunft mit christlicher Nächstenliebe versteht. Die bei Johann von l ' 4 W A 1 1 , 2 7 9 , 1 9 f . Ein Beispiel für diese naturrechtliche Auslegung ist die Geschichte um den Herzog von Burgund, die Luther bereits in der Weimarer Predigt vom 2 5 . 1 0 . 1522 erwähnte (vgl. hier W A 11,279,35ff.). 1,5 Vgl. Bambergens«, Art. 183 und 188 (ed. KOHLER, a.a.O. 79f.; 82f.).
6. Die zwei Schwerter in der
Obrigkeitsschrift
259
Schwarzenberg zu vermutende geistliche Konnotation der weltlichen Gewalt im Duktus Thomas von Aquins macht dagegen eine weiterreichende Unterscheidung der beiden Schwerter notwendig. Die verschiedenen Anlässe der Obrigkeitsschrift ergeben somit die grundsätzliche Bedeutung, die die Obrigkeitsschrift in der Frage des Schwerterverhältnisses erhält.
7. D i e Anwendung der Z w e i - R e i c h e - L e h r e im Bauernkrieg
N a c h der Abfassung der grundlegend das Verhältnis der beiden Gewalten und das Verhältnis des Christen zur Welt erörternden Obrigkeitsschrift mußte sich diese »Zwei-Reiche-Lehre« in den Auseinandersetzungen des Bauernkrieges bewähren, weil es hier nach wie vor u m die rechtmäßige Handlungsweise der Untertanen und ihrer Fürsten geht. A u f Seiten der Fürsten zeigt sich vor dem Krieg zunächst die nach wie vor unzureichende Unterscheidung der Aufgabenbereiche. Herzog Georg, der Reichstag und das Reichsregiment greifen mit ihrem Versuch, die Verbreitung der Lutherschriften einzudämmen, über ihre weltliche Kompetenz hinaus. Für den der kaiserlichen Autorität unterstehenden sächsischen Kurfürsten Friedrich, der sich an diesen Maßnahmen nicht beteiligt, stellt sich damit die Frage nach seiner Gehorsamspflicht gegenüber dem Kaiser.
7.1 Das weitere Eingreifen weltlicher Gewalten in geistliche Belange und die Frage des Widerstands gegenüber dem Kaiser (I) Das von Herzog Georg Ende 1522 dekretierte Vorgehen gegen Luthers Schriften in seinem Herzogtum wird erfolgreich in die Tat umgesetzt, wenn auch nicht an allen Orten. 1 Das Erscheinen der Obrigkeitsschrift Luthers im März 1523 nahm der Herzog als Bestätigung der Rechtmäßigkeit seines Vorgehens gegen den Ketzer Luther. 2 Gleichzeitig erörtert der Reichstag in Nürnberg die
1 Der Rentmeister und Amtmann zu Leipzig, Georg von Wiedebach, meldet Herzog Georg die Einziehung von Büchern Luthers (GESS 1, N r . 4 3 5 , 441—443; vgl. das Schreiben Wolfs von Schönberg aus Meißen; GESS 1, Nr. 444, 452f.). Aber es wird auch Fehlanzeige gemeldet (Merten Channacher, Geleitmann zu Weißenfels, vom 09.02. 1523; GESS 1, Nr. 454, 459f.). Die herzoglichen Mandate werden nicht überall anerkannt (GESS 1, N r . 4 1 6 , 406f.). 2 Schon vor dem 21.03. 1523 erfuhr er von der Obrigkeitsschrift (vgl. ein Schreiben an Kurfürst Friedrich vom 21.03. 1523; GESS 1, Nr. 485, 486-488, hier 486,17f.; 487,8-10). Herzog Georg ist in der Schrift zwar nicht namentlich erwähnt, hält sich aber fiir benannt, weil er Luthers Brief an Hartmut von Cronberg kennt (ebd., 486,18—487,2). Friedrich soll gegen Luther vorgehen (ebd., 4 8 7 , l l f f ) . Am 02.03. 1523 hatte Georg nur ungefähre Kenntnis von Aktivitäten Luthers gegen ihn (vgl. ein Schreiben an Graf Albrecht von Mansfeld; GESS 1, Nr. 469, 473f., hier 474,4—6). Georg beschwert sich bei dem Grafen zehn Tage später über Luthers Schmähungen, die
7. Die Anwendung der Zwei-Reiche-Lehre
im Bauernkrieg
261
Frage, ob eine Durchfuhrung des Wormser Edikts von 1521 erneut angeordnet werden soll.3 Der päpstliche Nuntius Chieregati fordert dessen Durchführung. 4 Das Reichsregiment entschließt sich parallel zu einem Verbot der Lutherschriften. 5 Kurfürst Friedrich bleibt bei seiner neutralen Haltung/' In einem Schreiben an Kaiser Karl V. vom 08. Ol. 1523, der ihn zum Vorgehen gegen Luther aufforderte,7 erklärte er als weltlicher Fürst seine Unzuständigkeit in geistlichen Angelegenheiten. 8 Luther befürwortete diese Haltung. 9 Wegen Friedrichs Ablehnung der kaiserlichen Aufforderung wird sein evangeliumsgemäßer Gehorsam gegenüber dem Kaiser problematisch. U m in der sich zuspitzenden politischen Situation gewappnet zu sein, bittet er Luther, Melanchthon, Bugenhagen und Amsdorff um Gutachten zur Widerstandsfrage.1" Die Antworten der Theologen zeigen eine durchaus unterschiedliche Beurteilung, die deutlich macht, wie divergierend die Dinge in Wittenberg diskutiert werden. Bugenhagen und Amsdorff befürworten ein Widerstandsrecht des Kurfürsten. E r darf sich wahren Christen nicht verschließen, wenn sie von ihrem H e r r n einen Eingriff erbitten. N a c h Bugenhagen handelt der Kurfürst dann als minister gladii sive legis und nicht in erster Linie als gehorsamsbeauftragter Christ. 1 1 Melanchthon hingegen argumentiert mit der S o u veränität des Volkes, von d e m der Kurfürst seine M a c h t verliehen b e k o m m e n hat, und die i m Sinne eines imperativen Mandats mit dem Widerstandswunsch des Kurfürsten übereinstimm e n müßte. N a c h M e l a n c h t h o n will das Volk dem Kaiser aber nicht widerstehen und ein Widerstand ist deswegen nicht erlaubt. 1 2
in dessen Cronbergschrift stehen. Es ist aber noch nicht von der Obrigkeitsschrift die R e d e (GESSI, Nr. 476, 4 7 8 - 4 8 0 , hier 479,1 ff.). 3 Anfang Januar 1523 ist noch kein Beschluß gefaßt (Planitzberichte vom 0 2 . 0 1 . 1523; Nr. 132, 301—305, hier 302, 33—35). Die Durchfuhrung des Wormser Edikts wird lediglich erwogen (vom 0 4 . 0 1 . 1523; ebd., 3 0 5 - 3 0 9 , hier 3 0 6 , 1 6 f f ) . 4 Ebd., 307,6ff. 3 So berichtet Luther in einem B r i e f an Wenzeslaus Linck vom 0 7 . 0 1 . 1523 (WA.B 3, Nr. 569, 11 f., hier 11,21). 6 Da Georg in der Obrigkeitsschrift nicht mit Namen erwähnt wird, besteht seitens des Kurfürsten auch keine Veranlassung, über den vorigen R a t an Georg hinauszugehen (so in einer Antwort vom 2 4 . 0 3 . 1523 an den Herzog; GESS 1, Nr. 486, 488F., hier 4 8 9 , 1 6 f f ) . 7 Planitzberichte Nr. 99, 2 2 2 - 2 2 4 , hier 223,17ff. 8 Planitzberichte Nr. 135, 3 1 1 - 3 1 3 , hier 312,25ff. 9 Der Kurfürst wird aber unverletzt bleiben, wenn er sich nicht öffentlich in dieser Sache äußert, so Luther an Spalatin vom 12.10. 1523 (WA.B 3, Nr. 668, 168f., hier 169,13f.). 10 Vgl. zu den Gutachten auch WOLGAST, Politik 101 ff. Vgl. zum folgenden W A . B 12, Nr. 4222, 3 5 - 4 5 . 11 Ebd., Beilage 2, 42f., hier 42,8—11.15f. Nach Amsdorff ist der Kurfürst verpflichtet, um der wahren Christen willen Widerstand zu leisten, während die schwertlosen Christen alles zu erdulden haben (vgl. W A . B 12,37). 12 Ebd., Beilage 1; 41 f., hier 41,4—8. Der Befehl an die Christen lautet nicht auf Krieg, sondern auf Erduldung der Leiden (41,11—13).
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Zweiter Teil: Martin Luthers
Zwei-Reiche-Lehre
Luthers Anschauung liegt zwischen diesen beiden Positionen und entspricht im wesentlichen seinen Ausfuhrungen hierzu in der Obrigkeitsschrift: Bleibt der Kurfürst neutral und erklärt nicht ausdrücklich Luthers Sache für gerecht, so ist ihm kein Krieg gegen seinen Vorgesetzten erlaubt (39,2—4). Nur unter Berufung auf den evangeliumsgemäßen Glauben ist Krieg gegen höhere Obrigkeit erlaubt, während gegen eine gleichrangige Obrigkeit auch ohne Bedenken Gegenwehr geübt werden kann. 13 Diese Gegenwehr ist dabei immer reaktiv und niemals präventiv zu gebrauchen, Krieg also nur im Sinne von Widerstand erlaubt. Eine ähnliche Anfrage Herzog Johann Friedrichs von Sachsen beantwortet Luther später gleichlautend. 14
7 . 2 »Schwärmerei« nach d e m Muster der W i t t e n b e r g e r U n r u h e n in der Vorgeschichte des Bauernkrieges 7.2.1 Die Verbreitung der Z w e i - R e i c h e - L e h r e Luthers in Briefen und Predigten In 1524 gedruckten, vermutlich Ende 1523 gehaltenen Predigten über den 1. Petr legt Luther das Verhältnis des Christen zum weltlichen Schwert dar. 1 ' Das weltliche Schwert verhindert die Vernichtung der zum Frieden aufgerufenen Christen durch Nichtchristen. 16 In freiem Gehorsam unterwerfen sich auch die Christen diesem Schwert. 17 Seine Reichweite erstreckt sich nur über äußere Dinge. 18 Im Falle des Unrecht erdulden die Christen dieses gemäß der Bergpredigt, ohne den Schwertgehorsam in Zweifel zu ziehen. 19 Sollte ein Christ selbst das Schwertamt ausführen, so tut er dies nicht für sich selbst, sondern im Blick Ebd., 4 0 , 8 - 1 0 . 1 5 f f . , und zwar mit singulare spiritu etfide (40,13). Vgl. W A . B 3, Nr. 7 5 3 , 3 0 5 - 3 0 8 : Die Liebe zwingt den Christen, das kaiserliche R e c h t zu halten, weil darin keine Glaubensgefahr besteht (306,18—20) und weltliches R e c h t den Christen nichts angeht (306,9—12). Etwas vom Kaiser befohlenes Widergöttliches ist aber nicht zu befolgen ( 3 0 6 , 7 - 9 ) . Vgl. ebenso W A . T R 3, N r . 3 8 1 0 , 6 3 1 , 2 3 f . vom April 1538. Ü b e r die R e a k t i o n der Fürsten auf die Widerstandsgutachten ist nichts bekannt (vgl. WOLGAST, Politik 108). 13 14
15 Vgl. zum folgenden W A 1 2 , 3 0 1 - 3 4 1 . Die Predigten sind zwar aufdas Jahr 1522 datiert, dürften aufgrund des Druckdatums erst Ende 1523 entstanden sein (vgl. W A 12,249). 16 W A 12,329,3—6; »die unchristen muessen eyn ander regnnent haben, nemlich das welltlich schwerd« (330,33f.). 17 W A 12,329,18£F. D e r Gehorsam gegenüber der weltlichen Gewalt erfolgt nach 1. Petr um Gottes Willen, ohne daß dabei ein Verdienst angerechnet würde (WA 12,328,26fF.); allerdings sollen die Nicht-Glaubenden »davon eyn exempel nehmen« (329,11 f.). Vgl. ebenso einen B r i e f an Herzog Karl III. von Savoyen vom 0 7 . 0 9 . 1523: Die Nichtchristen werden durch das weltliche Schwert regiert ( W A . B 3, Nr. 6 5 7 , 1 4 8 - 1 5 4 , hier 1 5 2 , 9 6 - 1 0 0 ) , während die Christen sich freiwillig unter diese Gewalt begeben ( 1 5 2 , 1 0 4 f . ) . Is
WA 12,335,3f.
''' W A 12,330,3ff. Wenn der Papst in bestimmten Fällen weltliche Gewalt ausübt, so ist ihm in dieser Sache ebenfalls Gehorsam zu leisten (334,19—22).
7. Die Anwendung
der Zu>ei-Reiche-Lehre
im
Bauernkrieg
263
auf seinen Nächsten. 2 0 Daraus ergibt sich beispielsweise die Notwendigkeit der Christen, weltliche Steuern zu zahlen. 21 Gleichzeitig bleibt eine weltliche Gewaltanwendung in geistlichen Belangen sowohl durch die Obrigkeit als auch den einzelnen Christen ausgeschlossen. 22 Der Christ kann und muß also zwischen seinem Sein coram Deo und coram hominibus unterscheiden. 2 3 7 . 2 . 2 D i e Auseinandersetzung u m die Freiheit des Gewissens zwischen Luther und M ü n t z e r Bereits in einem Schreiben an Melanchthon vom 2 7 . 0 3 . 1522 kritisiert M ü n t zer die seiner Meinung nach obrigkeitsunkritische Haltung der lutherschen Theologie. 2 4 Thomas Müntzer — unter Umgehung des kurfürstlichen Patronatsrechts Ostern 1523 als Prediger an die Neustadtkirche von Allstedt berufen — erweckte Luthers Mißtrauen, als er an Ostern gegen die fehlende Demut der Schwärmer predigte. 25 D e r vernehmbare Hinweis, radikale R e f o r m e n auf Befehl des Kurfürsten durchzuführen, läuft nach Luther allein schon deswegen ins Leere, weil in Gewissensdingen der Kurfürst keine Zuständigkeit hat. 2 6 211
WA 12,330,20-22.
Luthers B r i e f an den R a t der Stadt Stettin vom 1 1 . 0 1 . 1523, der die Geistlichen besteuern wollte und Luther um ein Gutachten gebeten hatte ( W A . B 3, Nr. 5 7 0 , 12—14). Die Geistlichen sollen sich gemäß R o m 13,1 unter die Obrigkeit geben und Lasten der Stadt mittragen (13,10—14; 14,16f.). Zu dieser Aufgabe sollen sie ermahnt werden (14,30f.), notfalls durch die »gemeine o r denunge« (14,32). 21
2 2 So Luther in einem B r i e f an den R a t zu Olsnitz vom 0 4 . 1 2 . 1523 mit dem Hinweis auf M t 5 , 3 9 ( W A . B 3, Nr. 6 9 2 , 2 0 1 , hier 2 0 1 , 7 - 1 0 ) . Das weltliche Schwert darf eigentlich nicht gegen die Ungläubigen geführt werden, wie es die Deutschordensritter bei der Christianisierung des europäischen Ostens tun (»An die Herren deutschs Ordens, daß sie falsche Keuschheit meiden und zur rechten ehelichen Keuschheit greifen, Ermahnung«; W A 12,(228)232—244; gedruckt Ende 1523 nach einem Besuch des Hochmeisters des Deutschherrenordens, Herzog Albrechts von Preußen, in Wittenberg; hier 2 3 2 , 9 - 1 3 ) . 2 3 In einer Predigt am 0 1 . 1 1 . 1523 macht Luther diese Unterscheidung anhand einer R ü c k g a beforderung deutlich (vgl. hierzu W A 1 2 , ( 6 7 0 ) 6 7 3 - 6 8 8 ) . Coram deo gilt ausschließlich der Glaube: »Wenn wyr für Gott wollen handien, das wyr frey muessen stehen und faren lassen gut, ehre, recht, unrecht und alles was wyr haben.« (ebd., 674,19—21). Ein materielles Rückforderungsrecht bleibt nur im weltlichen R e i c h bestehen (675,13f.). Die Tradition hat bisher gelehrt, daß das Rückforderungsrecht aufgrund der Billigkeit (somit auch für die Christen) bestehe (674,24— 675,2). Die Unterscheidung coram Deo und coram mundo entstammt im übrigen der R e i c h e u n t e r scheidung (ebd., 675,4ff.). 2 4 MÜNTZER, THOMAS, Schriften und Briefe. Kritische Gesamtausgabe, unter Mitarbeit von PAUL KIRN hg. v. GÜNTHER FRANZ, Q F R G 33, Gütersloh 1968, ( = Schriften und Briefe) 3 7 9 - 3 8 2 ; zur Müntzerforschung vgl. u.a. LOHSE, BERNHARD, Thomas Müntzer, der Prophet mit dem Schwert, in: Luther 61, 1990, 1 - 2 0 . 2 3 Predigt am zweiten Osterfeiertag gegen diejenigen, die in ihrer Sündenlast nicht demütig zum Sakrament gehen oder das Wort hören wollen, sondern mit Gott umgehen »als mit einem schusterknecht« (WA 1 2 , ( 4 9 4 ) 4 9 5 - 5 0 5 , hier 499,16). Luther bezeichnet sie als »Schwermer« (497,15) oder »geschwurm« (499,14). 2 '' An die Kanoniker des Allerheiligenstiftes in Wittenberg ( W A . B 3, Nr. 6 3 4 , 1 1 1 - 1 1 3 , hier 112,26-29).
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Zweiter Teil: Martin Luthers
Zwei-Reiclic-Lehre
Luther erkennt das Problem der schwärmerischen Unruhen in ihrem spiritualistischen GeistbegrifF. In seiner Predigt am ersten Sonntag nach Ostern 1523 über Joh 20,19—31 stellt er deswegen die Verbindlichkeit der Christusoffenbarung und die Aufgabe der Christen in den Mittelpunkt, diese Offenbarung weiterzuverkündigen. 27 Müntzer sieht sich bemüßigt, seine Position zu rechtfertigen. Zunächst weist er eine Mitschuld an den Zwickauer Unruhen zurück. 28 Gegenüber Spalatin legt er seine theologischen Gründe dar, gemäß denen die Anfechtung des Gewissens in die Predigt aufzunehmen sei, so daß der Hörer vor dem Glaubensereignis über seine Sündhaftigkeit zu erschrecken sei. Aus dieser Methode erwuchs auch die Forderung einer gewaltsamen Herbeiführung des Reiches Gottes. 29 Die Allstedter Unruhen verschlimmern sich im Frühling des darauffolgenden Jahres. Am 14.03. 1524, am Gründonnerstag, wird im Anschluß an Predigten Müntzers und Simon Haferitz' die Mallerbacher Marienkappelle in der Nähe von Allstedt niedergebrannt. Im Sinne des lutherschen Verbots der Gewaltanwendung fruchten auch Schreiben anderer Städte an Allstedt nichts. 30 Im Sommer 1524 führte der Bauernkrieg zu einem Aufstand im Südschwarzwald. Luthers immer wieder vorgetragene Friedensaufgabe der weltlichen Gewalt gegenüber hält die Bauern und Müntzer nicht von ihrer theologischen »Raserei« ab:31 Müntzer, Anfang August wegen der Anklage der Aufruhrstiftung nach Mühlhausen geflohen, bestimmt die Gemeinde dabei als rechtmäßige Besitzerin der weltlichen Schwertgewalt. 32 Zuvor hatte Luther die sächsiW A 1 1 , 9 4 - 9 7 , hier 9 5 , 1 6 - 2 0 . In einem Schreiben an Luther vom 0 9 . 0 7 . 1523 (Schriften und Briefe 389). Im Jahre 1531 wendet sich Luther mit scharfen Worten an die Zwickauer wegen der Vertreibung des Pfarrers Laurentius Soranus, woraus eine literarische Kontroverse über das R e c h t des Magistrats entstand (vgl. KUNST, 207ff.). 211 Vgl. Müntzers Schrift »Vom dem gedichteten Glauben« Ende November 1523 (Schriften und Briefe 217; vgl. hierzu BORNKAMM, HEINEICH, Martin Luther in der Mitte seines Lebens. Das Jahrzehnt zwischen dem Wormser und dem Augsburger Reichstag, hg. v. KARIN BORNKAMM, Göttingen 1979 ( = Mitte), 144f.). 311 Schreiben der Stadt Orlamünde vom Juli 1524 mit dem Hinweis, nicht mit dem Schwert, sondern nur mit dem Wort in Glaubensdingen eingreifen zu können (Schriften und Briefe 5 7 1 , 8 - 1 1 ; 5 7 2 , 1 - 3 ) . Diesem Schreiben geht ein B r i e f Karlstadts an Müntzer vom 1 9 . 0 7 . 1 5 2 4 voraus. 27
2li
31 So Luthers Bezeichnung für Müntzers Fürstenpredigt, die er am 3 1 . 0 7 . 1524 an Spalatin zurückschickt ( W A . B 3, Nr. 7 6 3 , 324—326, hier 3 2 5 , 5). Z u r wiederholt vorgetragenen Gewaltenunterscheidung vgl. die Predigt vom selben Tage (WA 15,(662)665—671): Das weltliche Schwert ist eingesetzt, damit in dieser Welt, in der die Christen noch leben müssen, Frieden gehalten werden kann (667,30f.). Dieses Schwert ist zwar von Gott eingesetzt, darf aber nicht in geistliche B e lange hineinregieren, so daß (nur) in diesem Fall kein Gehorsam geleistet werden soll (668,30—32). 3 2 Vgl. den Druck der »Hochverursachten Schutzrede« Müntzers im Dezember 1 5 2 4 (Schriften und Briefe 321): Die Schwertgewalt liegt bei der Gemeinde (MÜNTZER, THOMAS, Schriften, Liturgische Texte, Briefe, ausgewählt und in neuhochdeutscher Übertragung hg. v. RUDOLF
B E N T Z I N G E R U. S I E G F R I E D H O Y E R , B e r l i n
1990,
126f.).
7. Die Anwendung der Zivei-Reiche-Lehre
im Bauernkrieg
265
sehen Fürsten bezüglich der Umgehensweise mit Müntzer beraten. Luther unterschied hier die freie Predigt, die zu Spaltungen in der Gemeinde führen konnte, und die Aufgabe der Schwertgewalt. Während die Predigt von der weltlichen Obrigkeit zu dulden war und gegen die Irrlehre nur die evangeliumsgemäße Predigt helfen konnte, mußten die Fürsten ihrer Schwertaufgabe gegen die äußeren Folgen der Irrlehre, die Unruhestiftung vorgehen. 33 Luther äußert sich zu den Bilderstürmen wiederum in der Schrift »Wider die himmlischen Propheten, von den Bildern und Sakrament« vom Dezember 1524. 3 4 Durch den Bildersturm wird das reformatorische Glaubensverständnis verfehlt, weil der Glaube veräußerlicht wird. 33 Die Gesetze und das Schwert sind aber nur für die Nichtchristen da, damit sie äußerlich Frieden halten und gute Werke tun, bzw. an der Ausübung der schlechten Werke gehindert werden. Das christliche Gewissen darf durch Gesetze oder das Schwert nicht belastet werden (66,6—13). Luther ist zwar nicht generell gegen die Beseitigung der sakralen Bilder, er behält sie aber aus pädagogischen Gründen bei, auch weil er sie als ungefährlich für die Christen betrachtet (68,17—19). Die Wittenberger Unruhen hatten Luther dazu geführt, ein Einschreiten gegen geistliche Mißstände nur auf Befehl der weltlichen Obrigkeit zu gestatten, die damit ihr Nothilferecht ausübt und nur die sichtbaren, äußeren Folgen eines geistlichen Mißstandes angreifen kann. Diese »Restmöglichkeit« weltlichen Eingriffs war nicht weiter thematisiert worden. Luther spitzt nun denselben Sachverhalt auf die Freiheit des christlichen Gewissens zu, das gegenüber äußeren, zeremoniellen Gesetzen allein auf die in Christus geoffenbarte R e c h t fertigung ausgerichtet ist. Nur vor dieser Urteilsinstanz kann eine Entscheidung über eine Beseitigung schriftwidriger kirchlicher Strukturen getroffen werden. Gerade auf diese Instanz beriefen sich aber auch die spiritualistischen Reformer. Gegen sie war die Verbindlichkeit der Christusoffenbarung und die damit verbundene »Werklosigkeit« der christlichen Rechtfertigung zu betonen.
7 . 3 D e r Christ und sein Gehorsam gegenüber der weltlichen Obrigkeit im Bauernkrieg Der im Sommer 1524 tobende Bauernkrieg 36 brachte hinsichtlich des Gewaltenverhältnisses die gleiche theologische Frontstellung wie bereits die WittenWA 1 5 , 2 1 0 - 2 2 1 . Vgl. hierzu KUNST, 52ff. WA 1 8 , ( 3 7 ) 6 2 - 1 2 5 , hier 6 3 , 3 1 - 3 3 . 3 5 Ebd., 64,18. Karlstadts Propaganda beispielsweise entspricht damit den päpstlichen Ehe- und Speiseverboten, die auch mit äußerlichen Dingen in eine geistliche Angelegenheit hineinzuregieren versuchen (73,18—23). M Vgl. hierzu BORNKAMM, Mitte 3 1 4 - 3 5 3 ; MARON, GOTTFRIED, Art. Bauernkrieg, in: T R E 5, 1980, 3 1 9 - 3 3 8 . 33 34
266
Zweiter Teil: Martin Luthers
Zwei-Reiche-Lehre
berger Unruhen 1522. Verschärfend kam hinzu, daß die Bauern nicht nur geistliche Mißstände mit weltlichen Mittel beseitigen, sondern das weltliche Schwert selbst in die Hand nehmen wollten. D e n Z w ö l f Artikeln der Bauernschaft geht es u m die christliche R e c h t f e r t i g u n g der U n r u hen gegen die O b r i g k e i t . 3 7 Das Evangelium, das g e h ö r t werden will, wird durch teuflische Einflüsse unterdrückt ( 2 6 , 2 3 - 2 6 ) . U m diese U n t e r d r ü c k u n g zu beseitigen, fordern die B a u ern an vorderster Stelle die G e w ä h r u n g evangelischer Pfarrer für ihre G e m e i n d e n , ü b e r dessen E i n - o d e r Absetzung sie selbst urteilen wollen (27,6—9). D e n S c h l u ß bildet die B i t t e u m bessere U n t e r r i c h t u n g , falls einer der Artikel nicht evangeliumsgemäß sein sollte (31,2—6).
Auf die Zwölf Artikel antwortet Luther mit der »Ermahnung zum Frieden«, die noch vor Luthers Rückreise aus Eisleben nach Wittenberg am 0 6 . 0 5 . 1525 erscheint. 38 Die kriegerische Konfrontation zwischen Fürsten und Bauern resultiert nach Luther aus einer unzureichenden Unterscheidung der beiden Reiche, die die Gefahr der Vernichtung beider Reiche mit sich bringt. 39 Die weltliche und geistliche Obrigkeit, an die sich Luther in der Schrift zunächst wendet, evoziert den Gotteszorn in Form der Bauernunruhen durch ihre nicht evangeliumsgemäße Amtsführung. 4 " Evangeliumsgemäß wäre eine zunächst gütige und vernunftgeleitete Reaktion (297,25ff.), zu der auch die Gewähr der in den Bauernartikeln geforderten evangelischen Prediger gehören müßte (298,30-299,20). Nach christlichem Gebot dürfen die Untertanen nie die Schwertgewalt an sich ziehen. Unrechtmäßig ist deswegen der bäuerliche Kampf im Namen Christi (312,24f.). Diese Ordnung ist nur durch eine qualifizierte Offenbarung
37
E d . F L U G S C H R I F T E N D E R B A U E R N K R I E G S Z E I T , h g . v. d . A K A D E M I E D E R W I S S E N S C H A F T E N
DER
D D R . Zentralinstitut f. Geschichte. Zentralinstitut f. Literaturgeschichte, unter Leitung v. ADOLF LAUBE u n d H A N S W E R N E R SEIFFERT, K ö l n / W i e n
2
1978, 2 6 - 3 1 , hier
26,12f.
»Ermahnung zum Frieden auf die zwölf Artikel der Bauernschaft in Schwaben« (WA 18, 291—334). Luther war vom 1 6 . 0 4 . - 0 6 . 0 5 . 1525 nach Eisleben gereist. Z u r besseren Unterrichtung vgl. ebd., 2 9 1 , 1 9 - 2 3 . 38
3 9 Ebd., 292,32—35. A m 0 7 . 0 5 . 1525 predigte Luther in Wittenberg über die Vermischung der beiden R e i c h e (vgl. W A 171,193—195). Die Bauernunruhen resultieren daraus, daß sie das unsichtbare R e i c h Christi in dieser Welt durch die Benennung ihrer Gruppe und ihrer Ziele als christliche sichtbar machen wollen: sie »zihen sich das konigreich Christi herauss auff den leib« (ebd.,194,10f.). Damit widersprechen sie einer richtigen Reicheunterscheidung, die lautet: »Secundum externam conversationem müssen wir uns regiren nach der weit, corde gehör ich unter Christi reich« (ebd., 194,6f.). Vgl. auch Luthers B r i e f an Nikolaus Amsdorffin Magdeburg vom 3 0 . 0 5 . 1525: Die Bauern nehmen das Schwert sine auetoritate Dei, das den Fürsten gebührt und machen damit die Ordnung zweier R e i c h e zuschanden ( W A . B 3, Nr. 8 7 8 , 5 1 7 f . , hier 5 1 7 , 27— 30). 4 0 Die Obrigkeiten »wueten widder das heilige Euangelion« (WA 18,293,30) und besonders die weltliche Obrigkeit »schindet und schätzt« den gemeinen Mann (ebd., 2 9 3 , 3 2 ) . Deswegen erfahren sie eine umfangreiche Gegenwehr, aber: »Es sind nicht bawren, lieben herren, die sich widder euch setzen, Gott ists selber, der setzt sich widder euch, heymzusuchen ewer wueterey« (ebd., 295,22-24).
7. Die Anwendung
der Zwei-Reiche-Lehre
im
Bauernkrieg
267
veränderbar, die bislang nicht vorliegt. 4 ' Während das christliche Gebot hierin mit dem natürlichen Recht übereinstimmt und innerweltlich der Aufruhr verboten ist,42 bezeugt die Schrift das Widerstandsverbot auch für die christlichen Bauern, denen die Predigt des Evangeliums vorenthalten wird und die deswegen mit einer ungerechten Obrigkeit konfrontiert sind. Trotz der Ungerechtigkeit gilt die Bergpredigt Mt 5,39, die den Christen zur Erduldung des Unrechts auffordert. 43 Geistlicherseits bleibt gemäß R o m 12,19 Gott selbst die Rache vorbehalten (309,33f.). Dieses Recht leitet auch die innerweltliche Rechtseinklagung der Bauern, deren Forderungen für sich genommen recht und billig sind, wegen des Gehorsams aber nicht durchgesetzt werden können/dürfen. 4 4 D e m Christen bleibt der Trost der eschatologischen Herstellung vollständiger Gerechtigkeit, der innerweltlich schon so wirksam wird, daß der Christ mit einem in Christus befreiten Gewissen das weltliche Unrecht ertragen kann (300,22—26). Dieser Trost fuhrt dazu, daß Luther mit seinem Aufruhrverbot auch nicht die ungerechte Handlungsweise der Fürsten rechtfertigt, sondern lediglich ihr göttlich verliehenes Recht zur Herrschaftsausübung (315,19—29). Luther bittet die Bauern ebenso wie die Fürsten um Mäßigung ihrer Forderungen, um kriegerische Auseinandersetzungen zu verhindern oder einzustellen. 45 Zunächst sollen die Bauern ihre Obrigkeit um einen evangelischen Prediger bitten und dann bei abschlägigem Bescheid das Land verlassen.46 Luther bedient sich zur Analyse der vorliegenden Situation der Z w e i - R e i che-Unterscheidung, wie sie aus der Obrigkeitsschrift zu entnehmen ist. Ein unzureichendes Bewußtsein der Obrigkeit und ihrer Untertanen für ihre göttlich- und naturrechtlich zugemessene Position führt zu einer kriegerischen Auseinandersetzung. Wegen der Dringlichkeit der Lage pointiert Luther das 41 Ebd., 304,29—31. Z u r Notwendigkeit einer neuen Offenbarung vgl. die Wittenberger U n ruhen. 4 2 Zur Ubereinstimmung mit dem natürlichen/weltlichen R e c h t vgl. ebd., 303,34—304,20. Grund für das Verbot des Aufruhrs ist das dann fehlende innerweltliche Kriterium rechtmäßiger Herrschaft; ebd., 3 0 6 , 2 4 - 2 9 . 4 3 »Das die oberkeyt boese und unrecht ist, entschuldigt keyn rotterey noch auffrur, D e n n die bosheyt zu straffen, das gebuert nicht eym iglichen, sondern der welltlichen oberkeyt, die das schwerd füret. W i e Paulus R o . 13 und Petrus 1. Pet. 3 sagt« (ebd., 3 0 3 , 3 0 - 3 3 ) . Zu M t 5 , 3 9 siehe ebd., 3 0 9 , 2 0 f f . (vgl. auch ebd., 3 1 5 , 2 9 f . ) . Luther belegt diese Forderung mit dem Beispiel des Schwertverbots für Petrus (ebd., 31 l , 2 9 f f . ) und seinen eigenen Kampfes gegen die päpstliche K i r che, der mit dem Wort und nicht dem Schwert erfolgte (ebd., 3 1 3 , 2 1 ff.). 4 4 Ebd., 298,21fr.; 3 1 9 , 2 6 f f . D e r Plan der Bauern, den Zehnten zu behalten, um damit einen evangelischen Prediger zu bezahlen, widerspricht sogar der innerweltlichen Rechtslage (326,19ff.). Auch kann nicht einfach mit einer angeblich christlichen Begründung das Ende der Leibeigenschaft gefordert werden (326,32ff.). 4 3 Ebd., 332,36—334,16. Luther will gleichzeitig Gott um Einsicht auf beiden Seiten bitten (ebd., 3 3 4 , 1 7 f . ) . Vgl. so ebenfalls Ende 1 5 2 5 (»Ein Ratschlag, wie in der christlichen Gemeine eine beständige Ordnung solle vorgenommen werden, oder: Bedenken, wie jetziger Zeit Aufruhr zu stillen wäre«; W A 1 9 , ( 4 3 6 ) 4 4 0 - 4 4 6 ; hier 4 4 0 , 7 - 1 1 ) . 46
Ebd., 3 2 2 , 2 2 - 2 5 ; 3 2 5 , 2 5 - 3 1 .
268
Zweiter Teil: Marlin Luthers
Zwei-Reiche-Lehre
Wechselverhältnis von Obrigkeitsgehorsam und Widerstandsrecht zugunsten des Gehorsams, wobei das R e c h t des passiven Widerstands durch die Möglichkeit der Auswanderung erhalten bleibt. Die Option des Wortwiderstands, der öffentlichen Benennung des Unrechts, wird von Luther außer in dem Beispiel seines persönlichen Kampfes gegen die päpstliche Kirche und die sie unterstützenden weltlichen Gewalten nicht wieder ausgesprochen. Offensichtlich sah er mit den Zwölf Artikeln der Bauern diese Form des Widerstands schon gegeben. Im übrigen stimmen Luthers Forderungen an die Bauern mit Melanchthons Einschätzung der Situation iiberein. Anfang Juni 1 5 2 5 erbittet Kurfürst Ludwig V. von der Pfalz von M e l a n c h t h o n eine Stellungnahme zu den Z w ö l f Artikeln. Aus der christlichen N ä c h s t e n liebe erwächst der gemäß R o m 13,1 notwendige Gehorsam gegenüber der O b r i g k e i t . 4 7 N a c h M e l a n c h t h o n zeigt R o m 13,1—7 a) die Einsetzung der weltlichen Gewalt durch G o t t zur E i n d ä m m u n g der Nichtchristen. Ausdruck dieser E i n d ä m m u n g ist der Erlaß von »gericht und gesetz, das man leybliche gütter m o g mit friden teylen, besitzen und niessen, und ordnet richter, kriegs volck und der gleychen, friden zu schützen und mort zu weren« (195,3—6). D e r Christ soll diese O r d n u n g gebrauchen (195,6ff.). M e l a n c h t h o n erwähnt angesichts
der
Unruhen
ausdrücklich
die
bleibende
Gültigkeit
der
Leibeigenschaft
(195,17—19). b) N i c h t nur sollen die Christen der Obrigkeit aufgrund ihrer obrigkeitlichen Stellung gehorsam sein, sondern auch in ihrem Gewissen aufgrund des Gottesbefehls R o m 13 ( 1 9 6 , 2 1 f f ) , c) D e r Gehorsam drückt sich u.a. in der Bezahlung der Steuern und Abgaben aus ( 1 9 6 , 3 4 f f . ) . d) Z u m Gehorsam gehört ebenfalls die Ehrerbietung, die sich darin zeigt, daß man die Obrigkeit für »weyß und gerecht« ( 1 9 7 , 2 4 ) hält und nicht grundsätzlich davon ausgeht, daß die Obrigkeit besser ausgeführt würde, wenn man sie selbst ausübte. M e l a n c h thon begründet diese Aussage anhand von M t 2 6 , 5 2 ( 1 9 9 , 1 4 f . ) . D i e Fehlbarkeit j e d e r O b r i g keit bleibt dabei unwidersprochen: »Es ist keyn vernunfft auff erden so groß, die dem regim e n t gnug thuen müg« (198,1 f.). D e r Fehlbarkeit begegnen die Christen aber mit Erduldung des Unrechts gemäß M t 5 , 3 9 und R o m 1 2 , 1 9 ( 2 0 0 , 4 - 1 0 ; vgl. auch 2 0 1 , 3 2 - 3 7 ) . Melanchthons frühere Schwierigkeit, R o m 13 in einem christlichen Zusammenhang zu verstehen, ist hier zugunsten einer deutlichen Geltung der Herrschaft über die Untertanen überwunden.
Hatte Luther vor einem rechtmäßigen Schwertgebrauch die friedliche Verständigung und den Vernunftgebrauch gefordert, so sieht er sich angesichts der unverändert dramatischen Situation gezwungen, in seiner Ausdrucksweise deutlicher zu werden. In »Auch wider die räuberischen und mörderischen Rotten der andern Bauern«, als Anhang zur Ermahnung besonders vor dem Hintergrund der Kämpfe in Mühlhausen vorgesehen und ohne Luthers Zustimmung selbständig gedruckt, ergeht nun die Aufforderung an die Obrigkeit zur Ausübung der Schwertgewalt gegen die Bauern. Der »dreifachen Sünde« der Bauern, ihrem Ungehorsam gegen ihre Obrigkeit und dem Versuch, sie zu stürzen, sowie der Bemäntelung dieses Kampfes mit ihrer angeblich christlichen Pflicht, muß eine christlich geführte Obrigkeit durch das Schwert 47 »Eyn schnitt Philippi Melanchthon widder die artickel der Bawrschafft 1525« (MSA 1,190— 214, hier 194,7ff.).
7. Die Anwendung
der Zwei-Reiche-Lehre
im
Bauernkrieg
269
Einhalt gebieten. 48 Neben dieser deutlich ausgesprochenen Forderung bleibt aber auch hier die vor der Gewaltanwendung auszusprechende Bitte um eine gewaltfreie Lösung des Konflikt erhalten. 49 Luthers deutliche Wortwahl erregte allgemeinen Unmut, da seine Betonung, die unrechtmäßige Ausübung von obrigkeitlicher Gewalt nicht rechtfertigen zu können, hinter der Bestätigung der Legitimation der Obrigkeit und der Forderung des Schwertgebrauchs zurückblieb. In seinem kurz nach der vernichtenden Niederlage der Bauern bei Frankenhausen und der Gefangennahme Thomas Müntzers am 15.05. 1525 veröffentlichten »Sendbrief von dem harten Büchlein wider die Bauern« bestätigt Luther seine Aussagen anhand einer nochmaligen Reicheunterscheidung. Das Reich Gottes kennzeichnet dabei die Barmherzigkeit, während das weltliche Reich durch Gottes Zorn geprägt ist.''0 Nachdem man nach seiner Rottenschrift von Luther Barmherzigkeit gefordert hatte, macht er hier deutlich, daß es ihm vor allem um eine hinreichende Auslegung der Schrift gehe, zu der auch die Predigt des Gotteszorns gehöre. 51 Die weltliche Gewalt muß ihr Schwertamt gegen die derzeitige Vermischung der Reiche ausfuhren, deren Ausdruck der Aufruhr der Bauern ist. 52 Diese Ausfuhrungen entsprechen der Rottenschrift weitgehend. Luther präzisiert allerdings den Umfang der Rache Gottes, die die Bauern zu spüren bekommen. Diejenigen von ihnen, die sich der Obrigkeit ergeben, sind nicht weiter mit dem Schwert zu verfolgen und an ihnen ist Barmherzigkeit zu üben. 33
48
E b d . , 3 5 7 , 2 1 - 3 5 8 , 2 ; 3 5 9 , 3 7 . Bereits am 2 3 . 0 1 . 1 5 2 5 hatte L u t h e r A m s d o r f f geschrieben, er
solle E r z b i s c h o f Albrecht von M a i n z dazu auffordern, einen Aufstand zu unterdrücken ( W A . B 3, Nr. 8 2 1 , 4 2 8 f . , hier 4 2 8 , 9 f . ) . A m 0 5 . 0 5 . schreibt Luther an J o h a n n R ü h e l , daß G r a f Albrecht von Mansfeld bei der Verwüstung des Dorfes Osterhausen, in d e m aufständische B a u e r n liegen, i m R e c h t ist, da er g e m ä ß R o m 1 3 , 4 mit der Schwertgewalt ausgestattet ist ( W A . B 3, Nr. 8 6 0 , 479— 4 8 2 , hier 4 8 0 , 7 - 1 1 ) . '
4 ;
W A 1 8 , 3 5 9 , 3 0 f f . Vgl. Luthers Freude über den Weingartner Vertrag v o m 1 7 . 0 4 . 1 5 2 5 z w i -
schen d e m S c h w ä b i s c h e n B u n d und den oberschwäbischen S e e b a u e r n ( W A 1 8 , ( 3 3 5 ) 3 3 6 — 3 4 3 , hier 336,2—5). L u t h e r veröffentlicht diesen Text am 2 2 . 0 4 . 1 5 2 5 in d e m B e s t r e b e n , eine Verhandlungslösung zu erreichen. In seiner Vorrede verweist er w i e d e r u m a u f die u n r e c h t e S c h w e r t f u h rung und den Widerstand gegen die O b r i g k e i t durch die B a u e r n (336,14—17). 511
W A 1 8 , ( 3 7 5 ) 3 8 4 - 4 0 1 , hier 3 8 9 , 2 7 - 3 4 .
31
Z u m U n m u t über das »harte B u c h « ebd., 3 8 4 , 6f., zur unzeitgemäßen B a r m h e r z i g k e i t ebd.,
3 8 6 , 1 3 — 1 6 , zur beabsichtigten vollständigen Schriftauslegung ebd., 3 8 6 , 3 7 — 3 8 7 , 2 . 52
E b d . , 390,6—8. Das S c h w e r t a m t wird w i e d e r u m R o m 1 3 , 4 ; 1. Petr 2 , 1 3 f . bestätigt (ebd.,
3 8 8 , 2 f . ; 3 9 1 , 3 0 - 3 4 ) . Z u m Aufruhr vgl. 3 9 7 , 2 0 f f . 31
E b d . , 3 9 2 , l l f f ; 3 9 9 , 1 0 f f . L u t h e r reagiert damit auf ein Schreiben J o h a n n R ü h e l s aus Eisle-
ben v o m 2 6 . 0 5 . 1 5 2 5 an ihn, der i h m n e b e n der Ü b e r m i t t l u n g von K r i e g s b e r i c h t e n auf die unklare Aussage der R o t t e n s c h r i f t hinweist, nach der man die R a c h e G o t t e s so verstehen kann, daß sie über alle B a u e r n ergeht, egal, o b sie sich ergeben oder nicht ( W A . B 3, Nr. 8 7 5 , 509—513, hier 511,70—74). L u t h e r antwortet R ü h e l am 3 0 . 0 5 . 1 5 2 5 auch brieflich mit d e m Hinweis, daß die unschuldigen B a u e r n von der R a c h e Gottes nicht getroffen werden ( W A . B 3, Nr. 8 7 7 , 5 1 5 f . , hier 515,14f.).
270
Zweiter Teil: Martin Luthers
Zwei-Reiche-Lehre
7.4 Luthers R ü c k b l i c k auf den Bauernkrieg: Die Gültigkeit des mosaischen Gesetzes, die göttliche Einsetzung weltlicher Obrigkeit und die Frage nach der Seligkeit der Kriegsleute Die Beseitigung der bestehenden weltlichen Obrigkeit, wie sie Müntzer den Bauern anpries, hätte in ein Machtvakuum fuhren können. Luther erkannte die Gefahr der daraus folgenden Anarchie, da das Kriterium für die Gültigkeit weltlicher Ordnung durch die Ablehnung des Gehorsams R o m 13,1 und der damit zusammenhängenden inhaltlichen Qualifizierung der weltlichen Gewalt 1. Petr 2,13 f. für die »Rottengeister« nicht mehr in Frage kam. Deswegen galt Luther der Beseitigungsversuch weltlicher Gewalt nicht nur als eine Folge des sündhaften Ungehorsams, sondern er qualifizierte diesen Versuch als zusätzliche Sünde neben ihm. Die revolutionär gesinnten Kräfte wollten nun gegen die bestehenden Verhältnisse die biblischen Gesetzesbestimmungen zu einem Maßstab innerweltlichen Handelns machen. Da Luther im Zusammenhang mit Zorn und Barmherzigkeit Gottes von der Vollständigkeit der Predigt in Evangelium und Gesetz gesprochen hatte, dürften sie sich hierin durch den Reformator zunächst bestätigt sehen. Nach dem Bauernkrieg beschäftigt sich Luther deswegen mit der Bedeutung des mosaischen Gesetzes, v.a. in der »Unterrichtung wie sich Christen in Mose schicken sollen« vom 27.08. 1525.34 Luther verbindet hier die Unterscheidung der beiden Reiche mit der der Predigt/Lehre von Gesetz und Evangelium (366,15-17). Das Gesetz richtet Forderungen an das menschliche Handeln, das Evangelium verkündet das Handeln Gottes für den Menschen (366,18—367,12). Während das Evangelium der ganzen Welt, also Juden und Heiden, verkündet wird (390,6—9), richtet sich das Gesetz in unterschiedlicher Weise an die Menschen. Die Gesetzesübermittlung erfolgte durch die Übermittlung der Stimme Gottes durch einen Engel, durch den an Mose das Gesetz weitergegeben wurde, mit dem das weltliche Regiment anfing zu bestehen (367,17ff.). Daneben folgt aus der Predigt des Evangeliums das geistliche R e g i ment, in dem Christus in den Herzen der Menschen regiert (370,20—371,7). Das innerweltliche Gesetz diversifiziert sich weiter in das mosaische Gesetz, das ausschließlich den Juden gegeben ist, die damit so etwas wie ein »Mischreich« 54 Aus den Predigten über das Buch Exodus (WA 16,363—393). Zuvor hatte Luther in einem Schreiben an Spalatin vom 14.03. 1524 betont, daß die Christen das mosaische Gesetz nichts angehe (WA.B 3, Nr. 720, 254f., hier 254,24-27; vgl. W A . T R 6, Nr. 6693, 127,37-128,3). Ein Gehorsam gegenüber dem mosaischen Gesetz ergebe sich für die Christen erst, wenn das kaiserliche Recht durch das mosaische Gesetz ersetzt würde (vom 18.06. 1524 an Herzog Johann Friedrich; WA.B 3,306,21—23). Im Zusammenhang mit der Vorgehensweise gegen Müntzer berichtete der Herzog Luther am 24.06. 1524, daß Wolfgang Stein darauf beharre, nach dem mosaischen Gesetz zu richten (WA.B 3, Nr. 754, 309—311). Die Situation ist durch die biblizistische Gesetzestreue der Schwärmer qualifiziert (WA 16,383,9f.l5f.; vgl. auch ebd., 388,6f.).
7. Die Anwendung der Zwei-Reiche-Lehre
im Bauernkrieg
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aus weltlichem und geistlichem Reich bilden (371,9—12), und zweitens in das den Heiden gegebene natürliche Gesetz. Trotz mancher Parallele besteht nach Luther ein Unterschied zwischen dem natürlichen und dem mosaischen Gesetz, besonders hinsichtlich der Zeremonien. Das mosaische Gesetz ist das eigentlich Mose gegebene Gesetz, während das natürliche Recht zur natürlichen Konstitution des Menschen gehört (372,6—9). Mose hat für den Christen in gesetzlicher Hinsicht nur noch eine Bedeutung, sofern das mosaische Gesetz mit dem natürlichen Gesetz und dem Evangelium übereinstimmt. 53 Unbeschadet eines nicht erforderlichen Gehorsams gegenüber Mose kann der Christ viel aus dem mosaischen Gesetz lernen; Luther nennt als Beispiele die Zehntabgabe und das Sabbatjahr sowie zahlreiche Bestimmungen der zehn Gebote (Gott ehren, nicht stehlen, nicht ehebrechen, nicht falsch Zeugnis reden, nicht töten; 376, 13ff.; 379,18ff.). Die weitgehende Parallelität zwischen dem natürlichen Gesetz und dem Inhalt der zehn Gebote hatte Luther bereits in »Wider die himmlischen Propheten« betont. Auch wenn das mosaische Gesetz nicht für die Christen gilt, so entspricht es inhaltlich dem natürlichen Gesetz, das jedem Menschen, auch dem Christen ins Herz geschrieben ist.56 Die zehn Gebote bleiben insofern in Geltung, als das Naturrecht nirgendwo einen so klar zusammengefaßten Ausdruck gefunden hat. 57 Luther ergänzte die inhaltliche Charakterisierung des natürlichen Gesetzes hier u m den Hinweis auf die Parallelität mit der Forderung der Goldenen Regel gemäß Mt 7,12 und der Nächstenliebe gemäß R o m 13,9.58
Von der Schriftauslegung der Spiritualisten muß also nicht nur die Kenntnis des Gotteswortes gefordert werden, sondern auch die Kenntnis, welches Wort an wen gerichtet ist.39 Das richtige Verständnis von Gesetz und Evangelium beinhaltet somit Konsequenzen für das weltliche Schwert, die Luther bereits früher gezogen hat. Der Christ untersteht nicht mehr naturrechtlich dem Gesetzesgehorsam aufgrund seiner christlichen Freiheit vom Gesetz. Er ist aber aus christlicher Nächstenliebe in den neutestamentlichen Forderungen R o m 13,1 etc. zum Gehorsam aufgerufen. 33
Ebd., 374,6—8. »Denn was Gott von hymel geben hat den J u d e n durch Mosen, das hat er auch geschrieben ynn aller menschen hertzen« (ebd., 380,7—9). Die christliche B e d e u t u n g Moses liegt vor allem in seiner Verheißung Christi (ebd., 381,7 ff.) u n d als Beispiel des Glaubens (ebd., 391,6ff.). 56 WA 18,80,28-30. Hinsichtlich seiner Äußerlichkeit gilt das Mose-Gesetz als der »Juden Sachssenspiegel« (81,14f.) nicht m e h r für den außeijüdischen Bereich, hinsichtlich seiner Ü b e r einstimmung mit d e m Naturrecht (nicht morden, nicht stehlen etc.) gilt es über Landes- u n d Volksgrenzen hinaus (81,4—17). 57 Ebd., 81,18—20. U.a. aus den Katechismuspredigten 1528 wird deutlich, daß Luther die ersten drei Gebote d e m geistlichen R e g i m e n t zuschreibt u n d die letzten sieben den innerweltlich existierenden Menschen betreffen (vgl. WA 301,36,18—21). 58 WA 18, 80,30-35. 59 WA 16,384,19-385,9.
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Zweiter Teil: Martin Luthers
Zwei-Reiche-Lehre
Das Schwert identifiziert Luther in seiner Auslegung des Deuteronomiums 1525 als Vollstrecker der Gesetzesforderung. 60 Die Vollstreckung obliegt nicht dem Volk oder irgendwelchen Privatpersonen (665,1 lif.). Der Hinweis auf die Privatpersonen macht deutlich, daß die Zubilligung des Schwertes an jeden Menschen als ein Rückfall in die Zeit des privatrechtlichen Fehderechts verstanden werden kann, das durch die Reichsreform überwunden werden sollte. Luther ergänzt deswegen die Aussage der gewaltsamen Schwertaneignung durch die Schwärmer und das Volk um die Bestimmung sine iudicio, sine testibus etformisfori (665,20f.). Durch Gott sind aber das Schwert und das öffentliche Gericht eingesetzt worden. Die in dem Gericht handelnden Personen werden nun nicht einzeln von Gott berufen, sondern die weitere Durchführung der Ordnung liegt in der Hand der Menschen (665,37—666,1). Diese Ubergabe der Verantwortung in den innerweltlichen Bereich zeigt auch die Konnotation, daß nur der im Glauben befestigte R i c h t e r oder Jurist seine Affekte bezwingen kann, um nach der Billigkeit zu richten (667,13—15). Sowie Glauben und Billigkeit zwei Seiten derselben Medaille sind, so gilt dies auch für Sünde und Strafe. Die innerweltlichen Gerichte haben die Folgen der Sünde des Menschen zu bestrafen, während sich die Aburteilung der Sündhaftigkeit Gott selbst vorbehält (668,1—3). Hatte Luther in der Obrigkeitsschrift gegenüber Schwarzenberg in der Unterscheidung der beiden R e i c h e das Trennende betont, um nicht in die Gefahr zu geraten, eine unmittelbare Wirkung innerweltlicher Handlungsvollzüge für die Erlangung des ewigen Seelenheils anzunehmen, so zeigt er in der Auslegung des Deuteronomiums und vor dem Hintergrund der gewaltsamen, christlich verbrämten Auseinandersetzungen im Bauernkrieg das Verbindende der Reicheunterscheidung. Gott hat nicht nur in ferner Zeit das weltliche R e g i m e n t eingesetzt und es dann seinem naturrechtlichen Schicksal überlassen, sondern wirkt durch den christlichen Glauben die rechte Ausübung einer obrigkeitlichen Funktion durch die Einsetzung ordentlicher Gerichte und den Maßstab der in ihnen geübten Billigkeit. Auch hierin kommt die Korrelation von innerweltlicher Vernunft und christlicher Nächstenliebe zum Ausdruck. Die Korrelation von billigem und christlichem Verhalten ist auch Gegenstand der auf den Bauernkrieg zurückblickenden Schrift »Ob Kriegsleute auch in seligem Stand sein können«, die Ende 1526 gedruckt wurde und dem Führer der kursächsischen Reiterei, Assa von Kram, gewidmet ist. U m das Problem der Heilsfähigkeit der innerweltlich agierenden christlichen Soldaten zu beantworten, unterscheidet Luther zunächst das Amt von der Person, die das Amt ausfuhrt/' 1 In einem ausführlichen Rückblick auf die Obrigkeitsschrift weist 60 Gladius sit virtus et efficacia ac ipsa vita legis (»Vorlesung über das Deuteronomium« ( 1 5 2 3 / 2 4 ) ; Deuteronomion Mosi cum annotationibus (1525); W A 1 4 , ( 4 8 9 ) 4 9 7 - 7 4 4 , hier 665,3). 61 W A 19,(616)623—662, hier 625,3—6. Zur Unterscheidung von Amt und Person vgl. ebd., 624,18fF.
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Luther daraufhin, die göttliche Legitimation des Amtes hinreichend ausgeführt zu haben. 62 Das göttlich legitimierte Amt kann von einer Person ungerecht ausgeführt werden, wobei die Person und nicht das Amt an der unrechtmäßigen Ausübung Schuld trägt (627,4—6). Luther geht es hier nun nur u m die unrechtmäßige Ausübung eines legitim übertragenen Amtes und nicht um die Amtsanmaßung einer Person, die gar nicht zur Ausübung befugt ist — insofern ist ein Unterschied zu den Bauernkriegsschriften gegeben. Hinsichtlich einer Beurteilung der Ungerechtigkeit nach der Billigkeit weist Luther auf die Schwierigkeit der innerweltlichen Erfassung einer Problemlage hin: Alle Einzelfälle können kaum in Gesetzesform erfaßt werden, so daß die Auslegerin des Gesetzes die Billigkeit sein muß. 6 3 »Billigkeit« übersetzt Luther aus dem griechischen Terminus epieikeia und dem lateinischen aequitas (632,10f.). Sie ist Ausdruck der Vernunft des Menschen: »Denn weil das recht mus und sol ein feltiglich mit duerren, kurtzen Worten gestellet werden, kan es gar nicht alle zufelle und hindernis mit einfassen. Derhalben die richter und herrn muessen hie klug und frum sein und die Billicheit aus der vernunfft messen und also denn das recht lassen gehen odder anstehen« (632,12—16). Luther bemüht nun zur Analyse der rechtmäßigen Handlungsweise seine bereits bekannte Unterscheidung, ob ein Untertan gegen die Obrigkeit kämpft oder umgekehrt. In ersterem Fall steht der biblisch geforderte Gehorsam über der Billigkeit (632,31—633,2). Diese Ordnung verhindert den Versuch des Menschen, sich mit Hilfe einer vorgeblichen Billigkeit über seinen Untertangehorsam hinwegzusetzen. 64 Erlaubt ist die Herrschaftsabsetzung nach Luther nur im Falle der Wahnsinnigkeit eines Herrschers, der damit jede Vernunft und »Menschlichkeit« verloren hat (634,18—20). Der Tyrannenmord ist davon ausgeschlossen. Der Tyrann besitzt noch ein Gewissen, so daß man ihm seine unrechtmäßige Handlungsweise mit der Hoffnung auf Besserung vorhalten kann (634,24ff.). Darüber hinaus behält sich Gott die Rache vor, dessen U n g e rechtigkeit zu richten (636,5f.). Das geltende weltliche Recht als Ausdruck des natürlichen Gesetzes verbietet ebenfalls die eigenmächtige Rache. 6 3 In dem 62 Ebd., 625,12—14. Es folgen die bekannten Schriftbelege für die göttliche Legitimation sowie für das christliche Erduldungsgebot (ebd., 625,20fF.). 63 »Und hie hebt sichs auch, das wenn man gewisse regel und recht stellen wil, so viel feile und auszuege sich begeben, das gar schwerlich ist odder auch unmueglich, alles so genaw und eben zu fassen« (ebd., 630,6—9). Luther zeigt dies an der Schuldigkeit der Bauern in ihren U n r u h e n . Es gab dort einfache Mitläufer, solche, die durch ihr Mitwirken Schlimmeres verhindern wollten, und solche, die mit obrigkeitlicher Erlaubnis kämpften (vgl. hierzu und zum folgenden ebd., 630,16ff.). Der Grundsatz crimen laesae maiestatis, der alle Aufrührer des Todes schuldig befindet, würde der Situation aber kaum gerecht, wenn er wörtlich ausgelegt würde (ebd., 630,30— 631,2.12f.). 64 Luther gibt hier zahlreiche Beispiele für diesen Vorwand (633,13fE). 65 Ebd., 636,13-16. Vgl. das Fehdeverbot der Reichsreform. Zur Rache Gottes gehört auch die Möglichkeit, gegen die ungerechte Obrigkeit eine andere ins Feld zu führen, um erstere zu beseitigen (ebd., 638,25ff). Das Aufruhrverbot gilt auch, wenn die Obrigkeit einen abgelegten Eid
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Zwei-Reiche-Lehre
Rachevorbehalt kommt die Welt in ihrer Gestalt als teuflischer Gegenspieler Gottes zum Ausdruck (644,20—22). Der umgekehrte Krieg der Obrigkeit gegen Untertanen ist gerechtfertigt und billig, sofern die Untertanen einen Aufruhr anzetteln (652,6ff.). Sollte hierin allerdings ein Unrecht erkannt werden, so gilt das passive Widerstandsrecht, wobei man bei Unklarheit über die Unrechtserkenntnis weiter mit freiem Gewissen dienen soll (656,22ff.). D e r R a c h e v o r b e h a l t w i r d a u c h in d e n T ü r k e n s c h r i f t e n 1 5 2 8 / 2 9 thematisiert. D a r f m a n gegen die T ü r k e n m i t weltlichen M i t t e l n k ä m p f e n , w e n n sie als A u s d r u c k der R a c h e G o t t e s verstanden w e r d e n ? U n d w e n n G o t t selbst d u r c h die T ü r k e n die M e n s c h e n strafte, m ü ß t e d a n n n i c h t das W i d e r s t a n d s v e r b o t M t 5 , 3 9 f . gelten? 6 6 N a c h d e m Sieg Suleimans II. bei M o h a c z 1526 m a r s c h i e r t e die o s m a n i s c h e A r m e e R i c h t u n g W i e n . Vermittlungsversuche m i t K o n s t a n t i n o p e l , eine kriegerische A u s e i n a n d e r s e t z u n g a b z u w e n d e n , standen n o c h auf der Kippe, als L u t h e r 1528 die erste Schrift »Vom K r i e g e w i d e r die T ü r k e n « verfaßte. H i e r n i m m t er a u c h zu F e h l d e u t u n g e n seiner T h e o l o g i e Stellung: die Bulle Exsurge Domine 1520 hatte b e h a u p t e t , L u t h e r lehre, daß m a n g e g e n die T ü r k e n als G o t t e s Strafe nicht k ä m p f e n dürfe, u n d H u t t e n hatte diese Aussage als r e c h t m ä ß i g verteidigt. 6 7 D i e T ü r k e n s c h r i f t e n w i e d e r h o l e n n u n m i t d i r e k t e m B e z u g auf die O b r i g k e i t s - u n d die Kriegsleuteschrift, daß m i t d e m w e l t l i c h e n S c h w e r t die weltlichen Folgen des Krieges f ü r die M e n s c h e n e i n g e d ä m m t w e r d e n müssen. Z w a r sei 1520 seine Aussage r i c h t i g gewesen, n i c h t g e g e n die T ü r k e n als Strafe G o t t e s zu k ä m p f e n , n u n aber sei die politische Situation eine andere. 6 8 E i n e B e u r t e i l u n g der Situation d u r c h eine christliche G e w i s s e n s e n t s c h e i d u n g k o m m t zu d e m Ergebnis, daß ein z w e i f a c h e r K a m p f gegen die türkische B e d r o h u n g g e f u h r t w e r d e n m u ß : d u r c h C h r i stus selbst gegen die gesetzliche Irrlehre ( o h n e Schwerteinsatz) u n d d u r c h kaiserlichen B e f e h l g e g e n die i n n e r w e l t l i c h e B e d r o h u n g . 6 9 Daraus folgt, daß m a n als U n t e r t a n einer w e l t l i c h e n O b r i g k e i t m i t in d e n K a m p f zieht, diesen weltlichen K a m p f aber nicht in C h r i s t i N a m e n führt.70 gegenüber seinen Untertanen bricht (ebd., 640,20ff.). A u s g e n o m m e n von d e m Verbot der G e genwehr bleibt die N o t w e h r (647,9f.). 66 Vgl. zur historischen Situation WA 3011,(81)107-148, hier 81fF. Die »Heerpredigt« folgt ebd., (149)160-197. 67 Vgl. ebd., 93f. Diese Extremposition ist dabei ähnlich der schon im Vorfeld der Obrigkeitsschrift geäußerten Behauptung, kein Christ dürfe wegen M t 5,39f. ein weltliches Schwert fuhren (ebd., 107,13f.). 6S WA 30II,108,19fE Z u m Bezug auf die beiden vorherigen Schriften vgl. ebd., 112,17-19 (Unterscheidung von geistlichen und weltlichen Amtern); 125,22-26. Daneben erfolgt ein H i n weis Luthers auf die päpstliche Lösung des Bergpredigtproblems in der Zwei-Stufen-Ethik (ebd., 110,5fr.; 141,19fr.). 69 »Ich wil dich zuvor leren mit rechtem gewissen kriegen« (ebd., 116,2f.; vgl. auch die H e e r predigt ebd., 1 6 1 , 3 0 f ; z u m Trost angefochtener Christen ebd., 176,22ff.). D e r Kampf erfolgt in zwei Stufen: »Denn sintemal der Tuercke ist unsers H e r r Gottes zornige rute und des w u e t e n d e n Teueffels knecht, mus man zuvor für allen dingen den TeuefFel selbs schlahen, [...] Das selbige sol nu thun H e r r Christianus« (ebd., 116,26—28.30). Christlicherseits ist also zuerst das Gebet gefordert (ebd., 120,25). Zweitens handelt es sich u m die B e k ä m p f u n g der weltlichen Auswirkungen des Türkenkrieges: »Der ander man so widder den Turcken zu streiten gebuert, ist Keyser Karol (odder wer der Keyser ist) D e n n der Turcke greifft seine unterthanen u n d sein Keyserthum an, welcher schuldig ist die seinen zuverteydingen als eine ordenliche Oberkeit von Gott gesetzt«, woraus wegen des Obrigkeitsgehorsams das Mitkämpfen für Christen zur Pflicht wird (ebd., 129,17-20; vgl. auch die Heerpredigt ebd., 173,32-174,5; 179,15-21; 181,6f.). 70
»Aber über alles bewegte mich, das man unter Christlichem namen widder den Tuercken zu
7. Die Anwendung der Zwei-Reiche-Lehre
im Bauernkrieg
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In der U n t e r r i c h t u n g in M o s e u n d in der Kriegsleuteschrift entfaltet L u t h e r die schillernde D i f f e r e n z z w i s c h e n d e n b e i d e n R e i c h e n , w i e sie in Augustins D i s t i n k t i o n v o n civitas Dei u n d civitas terrena/Diaboli z u m A u s d r u c k k o m m t . Das g e o r d n e t e innerweltliche L e b e n w i r d geleitet d u r c h d e n H a n d l u n g s m a ß s t a b der Billigkeit als A u s d r u c k der V e r n u n f t des M e n s c h e n . Sie s t i m m t inhaltlich m i t der christlichen N ä c h s t e n l i e b e u n d i m wesentlichen d e m Gehalt der Z e h n G e b o t e ü b e r e i n . D e r civitas Dei steht so die civitas terrena g e g e n ü b e r , die n i c h t vollständig »ungöttlich« der S ü n d e u n t e r w o r f e n ist. Z u g l e i c h ist die irdische civitas v o n dieser Sündhaftigkeit aber so geprägt, daß die V e r n u n f t selten wirklich zur A n w e n d u n g k o m m t . Sie dient als V o r w a n d eines e i g e n m ä c h t i g e n Interesses u n d damit der G o t t e s a b k e h r o d e r w i r d in b u c h s t a b e n g e t r e u e r A u s l e g u n g der Gesetze n i c h t berücksichtigt. Insofern w i r d die irdische civitas terrena a u c h allzu h ä u f i g zur civitas Diaboli.
7.5 Die Kehrseite des mosaischen Gesetzes: Der freie Wille des Menschen W e n n v o n der n a t ü r l i c h e n K o n s t i t u t i o n des M e n s c h e n die R e d e war, zu der die K e n n t n i s des n a t ü r l i c h e n Gesetzes u n d der G e b r a u c h der V e r n u n f t g e h ö r t , so betrifft die Frage des freien Willens des M e n s c h e n ebenfalls die U n t e r s c h e i d u n g der b e i d e n R e i c h e . L u t h e r m u ß t e auf De libero arbitrio der Diatribe sive collatio des Erasmus v o n R o t t e r d a m v o n 1524 a n t w o r t e n . 7 ' Erasmus hatte hier eine g r u n d l e g e n d e D i f f e r e n z zu L u t h e r s T h e o l o g i e festgestellt, in d e r der H u m a n i s t m i t der altgläubigen T r a d i t i o n ü b e r e i n s t i m m t e . E r b e h a u p tete e i n e n freien W i l l e n des M e n s c h e n , d e n er als vis humanae voluntatis, qua se possit homo applicare ad ea, quae perducunt ad aeternam salutem, aut ab iisdem avertere d e f i n i e r t e (36). Es g e h t hier also u m d e n W i l l e n , m i t d e m der M e n s c h sein H a n d e l n auf das e w i g e H e i l o r i e n t i e r t . D e r M e n s c h k a n n sich n a c h seiner M e i n u n g auf das sittlich G u t e ausrichten (10). D i e s e Fähigkeit b e l e g e n zahlreiche Bibelstellen, die in dieser H i n s i c h t klar sind (14). D i e F r ö m m i g keitstradition bestätigt ebenfalls die M ö g l i c h k e i t des M e n s c h e n , ein sittliches Verhalten an d e n Tag zu legen (22). Z w e i w i d e r s i n n i g e B e h a u p t u n g e n sieht Erasmus als Folge der B e s t r e i t u n g eines freien Willens. Das G e g e n t e i l des freien Willens ist für Erasmus göttlicher D e t e r m i n i s m u s . O h n e die sittliche A u s r i c h t u n g des M e n s c h e n w ü r d e es z u m e i n e n sinnlos sein, daß G o t t f ü r d e n
streiten fuer nam, leret und reitzet, gerade als solte unser volck ein heer der Christen heissen Widder die Tuercken als widder Christus feinde, Weichs ist stracks widder Christus lere u n d namen« (ebd., 111,13—16; vgl. auch ebd., 130,22—28), »Des Keisers schwerd hat nichts zuschafFen mit d e m glauben, Es gehoert ynn leibliche, weltliche Sachen« (ebd., 131,8f.). In diesem Fall gilt der antikurialistische Hinweis auf M t 26,52, daß derjenige durch das Schwert u m k o m m e n wird, der es ergreift (vgl. ebd., 114,24). 71 Ediert in ERASMUS VON ROTTERDAM, D e libero arbitrio Diatribe sive collatio, Ausgewählte Schriften, hg. v. WINFRIED LESOWSKY, Band 4, Darmstadt 1969, 1 - 1 9 5 . Vgl. hierzu auch die E i n leitung, ebd., V I I - X X X .
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Zweiter Teil: Martin Luthers
Zwei-Reiche-Lehre
S ü n d e r e i n e e w i g e Strafe v o r s i e h t . D a j e d e r M e n s c h d e r S ü n d e u n t e r w o r f e n ist, h ä t t e er o h n e sittliche A u s r i c h t u n g k e i n e C h a n c e , d e r e w i g e n Strafe zu e n t g e h e n . G l e i c h z e i t i g ist fraglich, w a r u m e i n M e n s c h das e w i g e H e i l e r l a n g e n soll, d e r sich n i c h t d u r c h sittlich v e r a n t w o r t b a r e s H a n d e l n ausgezeichnet hat.72 D i e luthersche B e t o n u n g der Radikalität der Erbsünde, die a u c h n a c h d e r T a u f e v e r b l e i b t u n d selbst i m Falle eines g u t e n W e r k e s i m m e r n o c h m i t zu b e r ü c k s i c h t i g e n ist, e r m ö g l i c h t die r e i n sittliche E r l a n g u n g des H e i l s n i c h t m e h r . D i e G e b o t e w e r d e n d a b e i n i c h t m e h r n u r als H a n d l u n g s a n w e i s u n g e n v e r s t a n d e n , s o n d e r n v e r s t ä r k e n a u f g r u n d i h r e r U n e r f u l l b a r k e i t die E r k e n n t n i s d e r S ü n d e u n d d i e G r ö ß e d e r G n a d e G o t t e s . 7 3 D e r f r e i e W i l l e , ein g u t e s W e r k z u t u n o d e r z u lassen, e r ö f f n e t n a c h M e i n u n g des E r a s m u s d a g e g e n erst d i e M ö g l i c h k e i t , G o t t tatsächlich die A n r e c h n u n g d e r G n a d e o d e r e i n e r e w i g e n Strafe z u z u s c h r e i b e n , o h n e i h n f ü r u n g e r e c h t z u h a l t e n , u n d d e n M e n s c h e n die H e i l s s i c h e r h e i t z u n e h m e n u n d z u m g u t e n W e r k a n z u s p o r n e n (190). D i e U n g e r e c h t i g k e i t G o t t e s v e r weist a u f d i e z w e i t e s c h e i n b a r w i d e r s i n n i g e K o n s e q u e n z d e r T h e o l o g i e L u t h e r s . B e i e i n e m b e s t r i t t e n e n f r e i e n W i l l e n u n d d e r B e h a u p t u n g eines d e t e r m i n i s t i s c h e n G e s c h e h e n s m u ß es G o t t sein, d e r a u c h das f a k t i s c h feststellbare B ö s e in d e r W e l t e v o z i e r t , da d e r M e n s c h sich selbst a u f das B ö s e n i c h t a u s r i c h t e n k o n n t e . D a s ist a b e r u n m ö g l i c h (178). Z u r K l ä r u n g des Verhältnisses v o n G l a u b e n a n G o t t u n d d e m sittlich v e r a n t w o r t b a r e n W e r k n i m m t E r a s m u s d e s w e g e n e i n W e c h s e l v e r h ä l t n i s v o n G l a u b e n u n d L i e b e an, w i e sie bereits i n d e r s c h o l a s t i s c h e n T h e o l o g i e zu s e h e n w a r (ftdes ex caritate, Caritas exfide;
168). E r a s -
m u s r e c h n e t d e s w e g e n m i t e i n e r A b s t u f u n g d e r G n a d e G o t t e s , die z u n ä c h s t allein d e n A n s t o ß z u e i n e m g u t e n W e r k b e w i r k t , u m d a n n d e m f r e i e n W i l l e n des M e n s c h e n (hier n u n voluntas)
d i e ( N i c h t - ) A u s f ü h r u n g zu ü b e r l a s s e n u n d e n t s p r e c h e n d m i t e w i g e r G n a d e o d e r
Strafe z u e n t l o h n e n (170). D e r f r e i e W i l l e b l e i b t so b e s t e h e n , ist a b e r v o l l s t ä n d i g v o n d e r G n a d e n e i n w i r k u n g abhängig.
Die Betonung des freien Willens durch Erasmus entspricht im wesentlichen der schwarzenbergschen Position, wie sie vermutlich an Luther in Bezug auf die Fähigkeit des weltlichen Schwertes her angetragen wurde. Die innerweltliche Ordnung ist so beschaffen, daß der Mensch durch ein sittlich vernünftiges Handeln das ewige Heil erreichbar macht und zugleich die Sündenneigung der Welt verringern hilft. Insofern hat das weltliche Reich bereits eine geistliche Konnotation. Die innerweltliche virtus ist in Richtung der Gnade, die sie dann vollendet, ausgerichtet. Luthers Antwort, im Dezember 1525 gedruckt, versteht die Auseinandersetzung mit Erasmus als »Nachbeben« des mittelalterlichen Streits um die Willens72 Difficile explicatur, quomodo iustitiae sit (non ettim iam dico misericordiac) alios, in quibus non dignatus est operati bona, aeternis addicere supplieiis, cum ipsiperse nihil possiti! efficere boni, ut quibus aut nulluni est liberum arbitrium aut, si est, ad nihil aliud valet quam ad peccandum (ed. LESOWSKY, 164). Es ist zu fragen, w a r u m G o t t , w e n n er es in der H a n d hätte, den M e n s c h e n nicht auf das sittlich G u t e ausrichtet (ebd., 166). D i e manichäische L ö s u n g war die A n n a h m e zweier Götter, eines G o t t e s fìir das G u t e u n d eines f ü r das Böse (ebd., 168). 73 Exaggerant in immensum peccatum originale, quo sic volunt corruptas esse praestantissimas etiam humanae naturae vires, ut ex sese nihil possit nisi ignorare et odisse deum ac ne perfidei quidem gratiam iustißcatus ullum opus possit ejficere, quod non sit peccatum; atque illam ipsam proelivitatem ad peccandum in nobis ex peccato primorum parentum relictam volunt esse peccatum et eandem invincibilem esse adeo, ut nullum sit dei praeceptum, quod homo etiam perfidem iustificatuspossit implere, sed tot deipraecepta non alio spedare, quam ut amplificetur dei gratia salutem largiens absque respectu meritorum (ed. LESOWSKY, 182). A u f diese W e i se wird die G n a d e aber nicht n u r erhellt, s o n d e r n a u c h verdunkelt (ebd., 184).
7. Die Anwendung
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im Bauernkrieg
Uli
freiheit. 74 Gegen Erasmus' scholastisch geprägtes Wechelverhältnis von Glaube und Liebe markiert bereits der auf Augustin zurückgehende Titel der Schrift De servo arbitrio die Gegenposition. Erasmus' Unterscheidung von klaren und dunklen Schriftstellen stellt Luther eine doppelte Klarheit/Unklarheit der Schrift gegenüber. Die innere claritas der Schrift ist nur dem geistbegabten Christen zugänglich, die äußere claritas besteht in der evangeliumsgemäßen Verkündigung der Schrift. 75 Beide Klarheiten, die sich auf Christi Erlösungstat für den Menschen beziehen, sind durch keine Unklarheit eingeschränkt, in Bezug auf Christus ist die Schrift unmißverständlich (606,24—28). Dieser Klarheit korrespondiert Gottes Wirken als deus revelatus im Unterschied zum deus absconditus. Eine erasmianische Spekulation über den verborgenen Gott und den Zusammenhang von gefordertem Gottesgehorsam und Ursache des Bösen lehnt Luther ab (685,1-7). Die Frage der Willensfreiheit ist gleichfalls nicht spekulativ, sondern soteriologisch zu entscheiden. Der Mensch ist nur aufgrund seiner Geschöpflichkeit (nicht erst durch den Sündenfall) frei hinsichtlich der ihm in der Schöpfung gewährten Gewalt über seine Umwelt. Diese scharfe Unterscheidung zwischen der freien innerweltlichen Existenz und seiner soteriologischen Abhängigkeit vom Christusgeschehen, die zugleich die innerweltliche Gebundenheit des Menschen und seine heilsmächtige Freiheit bedeutet, zeigt, wie genau zwischen dem menschlichen Sein vor Christus und seinem innerweltlichen Handeln unterschieden werden muß. In der Welt kann er nur die Vernunft gebrauchen, ohne auf einen heilsmäßigen Vorteil zu spekulieren. Das vernünftige Handeln tritt aber vor dem notwendigen Glauben zurück, wenn es um die Heilsperspektive geht. Das weltliche Schwert kann keinerlei Verantwortung für heilsrelevante Dinge übernehmen, auch wenn die Selbstsüchtigkeit der Vernunft diesen Versuch unternimmt.
7.6
Zusammenfassung
Was Luther in der Obrigkeitsschrift entfaltet hatte, fand im weiteren seine Explikation in diversen historischen Zusammenhängen. Das betraf die Frage des Widerstandsrechtes einer Obrigkeit gegen eine andere — der Kontext hier die Anfrage Kursachsens an seine Theologen. Daneben mußte Luther den revoltierenden Bauern antworten, die ähnlich wie in den Wittenberger Unruhen unter der Maßgabe geistlicher Notwendigkeit weltliche Veränderungen herbeiführen wollten, ohne daß dazu noch eine schriftgemäße Unterscheidung der beiden Schwerter vorlag. In diesem Zusammenhang führt Luther den Rachevorbehalt Gottes weiter aus. Hier mußte Luther auch die Gleichzeitig74 75
Vgl. hierzu und zum folgenden einführend LOHSF., Theologie 181—187. Vgl. W A 1 8 , 6 0 9 , 4 - 1 4 .
278
Zweiter Teil: Martin Luthers
Zwei-Keiche-Lehre
keit der christlichen Freiheit vom Gesetz und des freiwilligen Gehorsams des Christen gegenüber weltlichen Anordnungen explizieren. Die in diese Zeit fallende Auseinandersetzung mit Erasmus um die Freiheit des Willens führte in eine ähnliche Frontstellung wie gegenüber Schwarzenberg: Auch bei Erasmus waren die Schwerter unzureichend voneinander unterschieden.
8. Die Bewährung der Zwei-Reiche-Lehre in Luthers späteren Schriften Mit dem Bauernkrieg waren einige Zuspitzungen Luthers in der Verhältnisbestimmung der beiden Reiche zu Tage getreten, die aber dem Rahmen der bereits in der Obrigkeitsschrift und anderen Werken festgestellten Bestimmung entsprechen. Im folgenden muß ein Blick auf die zahlreichen Werke Luthers nach dem Bauernkrieg geworfen werden, die die Zwei-Reiche-Unterscheidung und damit die Verhältnisbestimmung der beiden Schwerter berühren oder anwenden. 1
8.1 Das Verhältnis der beiden Reiche im Gegensatz zur päpstlich beanspruchten Vollgewalt In der weiteren Auseinandersetzung mit dem Papsttum nach dem Bauernkrieg werden schon bekannte Positionen von beiden Seiten wiederholt vorgetragen. In e i n e r P r e d i g t a m ersten S o n n t a g nach O s t e r n 1523 hatte L u t h e r w i e d e r u m das P r i e s t e r t u m aller G l ä u b i g e n betont, das der päpstlich a n g e m a ß t e n G e w a l t e n t g e g e n s t e h e . 2 J o h a n n Fabri versuchte zu dieser Zeit e r n e u t , Luthers D e u t u n g des Papstprimats zu w i d e r l e g e n . 3 A n f a n g J u n i 1524 w e n d e t sich L u t h e r g e g e n die H e i l i g s p r e c h u n g B e n n o s v o n M e i ß e n , eines Parteigängers Gregors VII. i m Investiturstreit, durch d i e B u l l e Excelsus Dominus v o m 3 1 . 0 5 . 1 5 2 3 . 4 A m 1 6 . 0 6 . 1524 erfolgte seine feierliche E x h u m i e r u n g u n d U m b e t t u n g in ein a n g e -
Die Zusammenhänge der Z w e i - R e i c h e - L e h r e nach 1 5 2 5 erörtern besonders K U N S T , 162fF., Politik, ohne allerdings auf traditionsgeschichtliche Aspekte Bezug zu nehmen. 2 Entscheidend ist die Zueignung der Heilstat Christi i m Glauben (WA 11,95,7f.). i Luther berichtet Kurfürst Friedrich von seiner Kenntnis dieser Schrift (ed. C C a t h 23—26) am 2 9 . 0 5 . 1523 (WA.B 3, Nr. 618, 7 4 - 7 8 , hier 7 7 , 8 4 - 8 7 ) . 4 » W i d e r den neuen Abgott und alten Teufel, der zu M e i ß e n soll erhoben werden« (WA 15,(170)183-198; vgl. zu B e n n o auch W A 15,565, Anm. 1; 636,22f.). Für Luther zeigt sich in der Heiligsprechung das Grundübel, das bereits auf dem Konstanzer Konzil zu sehen war, die Verurteilung von Johannes Hus und Hieronymus von Prag, »die rechten heyligen Gottes kinder und inerterer« (ebd., 184,31) als Ketzer und die gleichzeitige Erhebung Thomas von Aquins, »der born und grundsuppe aller ketzerey« (ebd., 184,32). Luther ist die Geschichte Bennos und des Investiturstreites zwischen Gregor VII. und Heinrich IV. bekannt (ebd., 185,11 ff.; vgl. hierzu auch KOHNLE, A R M I N , Zur Heiligsprechung des Bischofs Benno von M e i ß e n (1523), in: Papstgeschichte und Landesgeschichte, FS Hermann Jakobs, hg. V . J O A C H I M D A H L H A U S u.a., Köln/ Weimar/ W i e n 1995, 5 5 5 - 5 7 2 ) . 1
u.
WOLGAST,
280
Zweiter Teil: Martin Luthers
Zwei-Reiche-Lehre
messenes Grabmal in der M e i ß n e r Kathedralkirche. D a der Investiturstreit eine weltliche A n g e l e g e n h e i t war, hat sich der Papst gegen das Widerstandsverbot M t 5 , 3 9 f . vergangen
(186,6-11).
Luther hatte mit der Feindschaft gegen seine Lehre nicht nur im Herzogtum Sachsen zu tun. Das Mainzer Domkapitel berief für den 14.11. 1525 Abgeordnete der zwölf Kapitel seiner Suffraganen, um über das Vorgehen zur Abstellung der lutherischen »Irrlehre« zu beraten. Daneben forderte das zu dieser Versammlung vorbereitend verfaßte »Bedenken« die Wiedererlangung der Einkünfte des Klerus und die Wiedereinsetzung der geistlichen Jurisdiktion. 5 Der durch die Abgeordneten beschlossene »Ratschlag« forderte die Entsetzung der Lutheraner aus allen geistlichen und weltlichen Amtern, die Ausrottung der lutherischen Predigt sowie die Anrufung von Gott, Papst und Kaiser um Beistand ( 2 6 4 , 1 4 - 1 9 . 2 8 - 2 6 5 , 1 ) . Damit wird die traditionelle Nothilfefunktion der weltlichen Gewalt im Falle eines geistlichen Mißstandes erneuert (265,25—266,6). Karl V. wird als Beschirmer der Kirche »negst gott« betrachtet (267,9). Der Teufel ficht nach Luther gegen das Gotteswort derzeit mit dem weltlichen Schwert der Obrigkeit und der schwärmerischen Irrlehre, die in den Bauernunruhen zum Ausdruck kommt (260,7—15). Der gegen Luther wiederum erhobene Vorwurf, er schüre den Aufruhr, da er den Gehorsam gegen die weltliche Gewalt verbiete, wird von Luther mit dem Hinweis auf die Obrigkeitsschrift zurückgewiesen: hier habe er deutlich vor den Aufständen die göttliche Herkunft der weltlichen Gewalt und den ihr gegenüber notwendigen Gehorsam entwickelt (278,10—13). Niemand habe vorher so machtvoll davon geschrieben (278,13f.). Daneben verweist Luther auf die Adelsschrift und seine Schriften gegen die Bauern, die den gegnerischen Vorwurf widerlegten (278,19ff.). Der Augsburger Reichstag 1530, der von Kaiser Karl V. mit dem Ziel der Religionseinigung und der Neuformierung der Türkenabwehr einberufen wurde, brachte auf protestantischer Seite die Klärung theologischer Fragen in Gang, die in der Confessio Augustana ihren Ausdruck fand. Gleichzeitig bestand aufgrund der Tendenz zur militärischen Mobilmachung gegen die lutherische Lehre die Notwendigkeit zur Einigung im protestantischen Lager.6 Die Unterscheidung der beiden Reiche definierte die CA im Sinne Luthers. Ausgehend von der in der päpstlichen Kirche verursachten Reichevermi3 Vgl. »Wider den rechten auffruehrischen, verrätherischen und mordischen Rathschlag der ganzen Mainzischen PfafFerei Unterricht und Warnung« von 1526 (WA 19,(252)260—282, hier 252f.). Vgl. auch WOLGAST, Politik 112f. '' Vgl. hierzu vor allem die sogenannten Packschen Händel, die zur Aufstellung eines OfFensivbündnisses Landgraf Philipps von Hessen und Herzog johanns von Sachsen gegen den altgläubigen Breslauer Bund am 0 9 . 0 3 . 1528 führten. Luther protestierte gegen dieses Bündnis, das seine Position konterkarierte, einen aktiven Widerstand abzulehnen (vgl. hierzu KUNST, 217fF.; WOLGAST, Politik 125).
8. Die Bewährung
der Zwei-Reiche-Lehre
in Luthers späteren
Schriften
281
s c h u n g versteht C A X X V I I I die kirchliche Schlüsselgewalt als V e r k ü n d i g u n g s amt, das aus d e n in C A VII b e n a n n t e n Stücken e v a n g e l i u m s g e m ä ß e r Predigt, S ü n d e n a n z e i g e u n d -Vergebung u n d der S a k r a m e n t s v e r w a l t u n g besteht. 7 D i e weltliche Gewalt sorgt mit d e m S c h w e r t f ü r d e n Schutz v o n Leib u n d G u t (122,16—19). Fallweise kirchlich-bischöfliche Gewalt u n d J u r i s d i k t i o n ü b e r weltliche D i n g e besteht n u r als donatio humana. D i e C A w e h r t sich hierbei i n d i rekt g e g e n die donatio Constantini, die ein göttliches R e c h t an der weltlichen Gewalt b e h a u p t e t hatte. 8 D i e B e g r e n z u n g bischöflicher Gewalt richtet sich a u c h innerkirchlich auf die E i n - u n d Aussetzung v o n Z e r e m o n i e n , die in ihrer R e c h t m ä ß i g k e i t v o n der U b e r e i n s t i m m u n g m i t d e m E v a n g e l i u m a b h ä n g e n ( 1 2 6 , 3 - 6 ; 129,10fF.). L u t h e r selbst w i d m e t sich 1530 ebenfalls n o c h einmal ausführlich d e m Papstamt. In der einer fiktiven Person g e w i d m e t e n Schrift »Von d e n Schlüsseln« b e z i e h t er sich auf die B e h a u p t u n g einer H e i l s n o t w e n d i g k e i t des P a p s t g e h o r sam g e m ä ß M t 16,18f.; 18,18. 9 D a m i t v e r b u n d e n ist die jurisdiktioneile D e u t u n g der B i n d e - u n d Lösegewalt, die angeblich bis ins F e g e f e u e r reicht. 1 " L u t h e r e n t g e g n e t w i e d e r u m die m i t d e n Bibelstellen g e m e i n t e E v a n g e l i u m s v e r k ü n d i g u n g zur Glaubensstiftung. 1 1 N e b e n der j u r i s d i k t i o n e i l e n D e u t u n g b e h a u p t e t der Papst auch, die zweifache S c h w e r t g e w a l t zu besitzen, d e n »Erkenntnisschlüssel«, der das i m Mittelalter f o r m u l i e r t e ratione peccati b e z e i c h nete. 1 2 L u t h e r l e h n t diese Vollgewalt ab u n d befreit so die weltliche Gewalt v o n seiner S u b o r d i n a t i o n . 1 3 U n t e r d e n Schlüsseln ist v i e l m e h r das L e h r - u n d P r e -
7
B S L K 1 2 0 , 1 - 8 ; 1 2 1 , 3 - 7 . 1 5 - 1 7 . Vgl. a u c h die Vorarbeit zu d i e s e m Artikel, Depotestate um, e b d . , 1 2 0 , 1 8 f f .
clavi-
8 E b d . , 123,14—21; vgl. a u c h die Vorarbeit, ebd., 122,34f.; z u m e i n g e s c h r ä n k t e n J u r i s d i k t i o n s r e c h t e b d . , 125,3ff. 9 »Es ist d e r streit o d d e r frage v o n d e m s p r u c h Christi M a t t h , xvi u n d xviii [...; die die Papalisten so v e r s t e h e n , daß] m a n müsse d e r k i r c h e n (das ist w i e sie sagen) des Bapsts u n d d e r Bisschove g e b o t hallten, b e y Verlust d e r seelen heil« (»Von d e n Schlüsseln«; W A 3 0 1 1 , ( 4 2 8 ) 4 3 5 - 5 0 7 , h i e r 435,17f.24—26; vgl. a u c h e b d . , 4 3 9 , 6 f f . ; 4 6 5 , 2 0 - 2 5 ) . D i e S c h r i f t e n t s t a n d in zwei V e r s i o n e n i m S p ä t s o m m e r 1530. Z u m fiktiven C h a r a k t e r d e r Schrift vgl. e b d . , 429. 10 »Das, b i n d e n , heisse, gesetz stellen« (ebd., 4 3 6 , 1 0 f . ; vgl. a u c h e b d . , 4 8 8 , 2 5 f f . ) . Z u m F e g e f e u er vgl. e b d . , 4 3 8 , 2 6 - 2 9 .
" E b d . , 437,9—11; vgl. a u c h 4 4 4 , 1 2 f f . » D e n n dieser s p r u c h ist ein g r u n d des C h r i s t l i c h e n g l a u bens, u n d f o d d e r t a u c h d e n g l a u b e n , Erhellt u n d sterckt d e n g l a u b e n , hat a ü c h sonst m i t nichts zu t h u n , d e n n m i t d e m glauben« (ebd., 438,3—5). D a ß n i c h t ä u ß e r l i c h e G e s e t z e g e m e i n t sein k ö n n e n , ist n a c h L u t h e r a u c h d e r V e r n u n f t verständlich (ebd., 438,32—439,5). E r stellt g e g e n die päpstliche Lesart die h e i l s n o t w e n d i g e G l a u b e n s g e w i ß h e i t (ebd., 453,27—30; 456,25—28). 12 D e r Papst ist ein »Keiser j m h i m e l , E i n Keiser auff e r d e n , E i n Keiser u n t e r d e r erden« (ebd., 4 8 8 , 3 1 f.). L u t h e r f u h r t als B e l e g e aus d e m k a n o n i s c h e n R e c h t u n t e r a n d e r e m die D e k r e t a l e n Solitae u n d Pastoralis cum an (ebd., 4 8 8 , 1 l f f . ; vgl. a u c h W A 5 0 , 8 7 , 1 ) . 13 »Item >plenitudo potestatisvia moderna< an der Universität Erfurt am Vorabend der R e f o r m a tion, in: Gregor von R i m i n i . W e r k und W i r k u n g bis zur R e f o r m a t i o n , hg. v. H e i k o A. O b e r m a n , Spätmittelalter und R e f o r m a t i o n . Texte und Untersuchungen, B a n d 2 0 , B e r l i n / N e w York 1 9 8 1 , 3 1 1 - 3 3 0 . WAPPLER, Paul, T h o m a s M ü n t z e r in Z w i c k a u und die »Zwickauer Propheten«, S V R G 182, Gütersloh 1 9 6 6 . WEINBRENNER, R a l p h , Art. J a k o b von Viterbo, in: R G G 4, 4 2 0 0 1 , 3 5 8 . WIESFLECKER, H e r m a n n , N e u e Beiträge zur Frage des Kaiser-Papstplanes Maximilians I. im Jahre 1 5 1 1 , in: M I Ö G 7 1 , 1 9 6 3 , 3 1 1 - 3 3 2 . WILKS, Michael, Papa est n o m e n iurisdictionis. Augustinus Triumphus and the papal vicariate o f Christ, J T h S 8, 1 9 5 7 , 7 1 - 9 1 . 2 5 6 - 2 7 1 . WILKS, Michael, T h e problem o f sovereignty in the later middle ages. T h e papal monarchy with Augustinus Triumphus and the Publicists, C S M L T 9, C a m b r i d g e 1 9 6 3 ( = Sovereignty). WOLF, Erik, G r o ß e R e c h t s d e n k e r der deutschen Geistesgeschichte, T ü b i n g e n
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Literaturverzeichnis
323
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Personenregister Historische Personen Adolf von Nassau, König 74f. Aegidius R o m a n u s 5, 11, 2 2 - 3 5 , 3 7 - 3 9 , 4 1 - 4 4 , 46f., 6 0 - 6 3 , 69, 71, 88, 94, 107, 111-115, 168, 183, 185, 211 Aegidius Spiritualis von Perugia 57, 71, 107 f. Albrecht I., König 47, 63, 74f. Albrecht, Graf von Mansfeld 214, 234, 260, 268 Albrecht von Brandenburg, Erzbischof von Mainz 167f„ 209, 220, 242, 268 Alciatus, Andreas 148 Aleander, Girolamo 207, 214 Alexander V., Papst 129 Alexander von St. Elpidio 159 Alfeldt, Augustinus 194, 204 Alvarius Pelagius 34, 107, 114f„ 125, 159,
Benno von M e i ß e n 279 Bernhard von Clairvaux 15, 23f., 29, 38, 42, 45, 5 0 f „ 59f., 86, 92, 98, 101, 110, 112, 128, 132, 137, 163, 199, 293 Biel, Gabriel 4, 7, 8, 12, 118, 136, 138f„ 148-153, 155, 158, 160f„ 171, 176, 178, 182, 184, 186, 196, 201, 210, 249, 255, 258, 2 9 5 - 2 9 8 Bonagratia de Bergamo 102 Bomfaz VIII., Papst 12, 14-16, 19-22, 31f., 34, 39, 40, 43, 46, 50, 5 5 - 5 7 , 6 2 f „ 6 7 - 7 1 , 7 3 - 7 5 , 8 3 - 8 5 , 90, 92, 107, 109, 137, 141, 153, 181, 188f., 282f. Brück, Gregor 214 Bugenhagen, Johannes 2 6 1 , 2 8 9
171, 188, 211 Alvarotti, Jakobus 147 f. Ambrosius von R o m 86, 103, 136, 193 AmsdorfT, Nikolaus von 200, 220, 261, 266, 268 Angelus de Gamblionibus 148 Aristoteles 5, 22, 24, 26, 30, 33f., 44, 4 8 f „ 5 1 - 5 3 , 76, 78, 84f., 92, 238 Arnald von Villanova 57 Arnoldi, Bartholomäus 158, 160 Augustin 3 - 8 , 11, 27, 2 9 - 3 1 , 34f., 39, 41, 4 8 - 5 1 , 71, 7 8 f „ 89, 93f., 100, 102, 131, 138, 144, 150, 153, 160, 163, 186, 193, 247, 275, 277, 293, 295, 298, 304 Augustinus (»Triumphus«) von Ancona 70, 107-113, 159, 183, 211, 229
Cajetan, T h o m a s (de Vio) 172-177, 179, 181, 199, 235 Capito, Wolfgang 220f., 244 Catharinus, Ambrosius 210 Chierigati, Francesco 233, 260 Cicero, Marcus Tullius 47, 7 8 f „ 117, 165, 2 3 9 - 2 4 1 , 298 Clemens V., Papst 56, 6 7 - 7 1 , 7 3 - 7 5 , 84, 86, 90, 141, 181 Clemens VI., Papst 174 Cölestin V., Papst 68f. Colonna, Jakob 19, 68 Colonna, Peter 19, 68, 70 Colonna, Sciarra 81 Cronberg, H a r t m u t von 234, 260f. Cyprian von Karthago 57f., 193 Cyrill von Alexandria 193
Bartholomäus a Saliceto 147 Bartolus de Sassoferrato 145 f. Beda Venerabiiis 25, 193 Benedikt XI., Papst 46, 6 7 f „ 70 Benedikt XII., Papst 73, 80, 82, 89, 91, 102, 118, 282
Dante Alighieri 7 6 - 8 0 , 83, 86, 112-114, 117, 123, 143 Dietrich von N i e m 131 Dionysius Areopagita (»Pseudodionysius«) 23, 27, 30, 45, 50, 6 1 f „ 66, 76, 110, 185, 203
326
Personenregister
Dubois, Pierre 17, 19, 42, 68
Heinrich V I I . , Kaiser 7 3 - 7 5 , 7 9 f . , 83, 90,
Duns Scotus, siehe Johannes Duns Scotus Durant, Wilhelm 69
116 Heinrich VIII., König von England 2 2 3 Heinrich von Cremona 17, 31—33, 38, 4 1 ,
Eck, Johann 163, 176, 1 7 8 - 1 8 1 , 185, 1 8 8 194, 2 0 7 , 2 0 9 , 2 1 7 , 2 4 8 , 2 9 7 f .
4 4 , 4 6 f . , 86 Heinrich von Susa (»Hostiensis«)
Emser, Hieronymus 190, 192f., 2 1 6 f .
Hieronymus 180, 185
Engelbert von Admont 76, 7 8 f . , 86, 117,
Hieronymus von Prag 2 7 9
123
144
Hilarius von Poitiers 193
Erasmus von Rotterdam 2 1 3 , 275—278, 2 8 9 ,
Hostiensis siehe Heinrich von Susa Hugo von St. Viktor 23f., 49, 52, 63, 111,
296, 299
127
Eugen III., Papst 128, 132, 199 Eugen IV., Papst 120, 136, 138
Hus, Johann 125, 1 2 9 - 1 3 1 , 133, 141, 154, 178, 186, 1 8 8 - 1 9 0 , 1 9 2 f „ 195, 2 0 3 , 2 1 4 ,
Fabri, Johann
279
279, 294, 297
Feilitzsch, Fabian von 175, 2 3 5 Feilitzsch, Philipp von
Hutten, Ulrich von 195, 2 0 8 f „ 2 1 1 , 2 1 3 ,
175,235
223
Ferdinand I., Erzherzog von Osterreich
233
Feretti, Jakobus 148
Ignatius von Antiochia
Flotte, Pierre
Innozenz III., Papst 5, 74, 191
18-20
Franz I., König von Frankreich
141
193
Innozenz IV., Papst 92, 100, 144
Friedrich I. Barbarossa, Kaiser 7 4 Friedrich II. von Sizilien 74, 9 2 Friedrich von Habsburg (»der Schöne«) 8 0 Friedrich der Weise, Kurfürst von Sachsen 9, 1 7 2 - 1 7 7 , 190, 193, 2 0 7 , 2 0 9 , 2 1 2 , 2 1 4 , 220, 2 2 3 - 2 2 5 , 228, 233f. 236, 255, 2 6 0 263, 279, 287
Jakob von Viterbo 3 2 - 4 0 , 4 6 f . , 62, 64, 71, 114f. Johann, Herzog und Kurfürst von Sachsen 196, 2 0 7 , 24, 2 2 4 , 2 2 9 - 2 3 1 , 2 3 4 f „ 2 4 5 247, 2 4 9 - 2 5 1 , 258, 280, 289 Johann Friedrich, Herzog und Kurfürst von Sachsen 2 1 2 , 2 6 2 , 2 7 0 , 2 8 3
Gelasius I., Papst 5, 15, 63, 65, 144, 150 Georg III., B i s c h o f von Bamberg 2 2 3 , 2 3 5 , 237
Johannes X X I I . , Papst 8, 12, 67, 73, 8 0 f „ 87, 89, 91, 1 0 6 - 1 0 8 , 118, 159, 188f., 2 8 2 Johannes ( X X I I I . sen.), Papst 129, 133f.
Georg, Herzog von Sachsen 8, 192, 2 1 2 f . ,
Johannes Andreae
144
223f., 226, 233f., 246f., 252, 254, 258,
Johannes Chrysostomus 86, 136, 188, 193
2 6 0 , 281 f., 2 9 8
Johannes Duns Scotus 149, 153, 158, 161
Gerson, Johannes 33, 129, 133, 1 3 5 f „ 142,
Johannes Monachus 56, 66 Johannes de Vanckel
149f., 152, 186
145
Gigas, Hieronymus 147
Johannes von Jandun 8 4
Gratian 88, 2 0 7
Johannes (Quidort) von Paris 5, 12, 29, 38,
Gregor I., der Große, Papst 1 7 9 f „ 188, 193 Gregor VII., Papst
15,17,31,279
Gregor I X . , Papst 15, 60, 144, 181, 184 Gregor X I . , Papst 126 Gregor X I I . , Papst 129
4 0 - 4 2 , 44, 4 6 - 5 4 , 69, 71, 89, 93, 100, 1 0 2 f „ 105, 135, 143 Johannes von Turrecremata (Torquemada) 1 3 6 f „ 141, 188 Julius II., Papst 123, 164
Gregor X I I I . , Papst 67 Gregor von R i m r n i
159—161
Guidoni, Bernard 5 6
Karl IV., Kaiser 9 0 Karl V., Kaiser 10, 44, 122, 143, 147, 172f., 200, 204, 206f., 2 0 9 - 2 1 4 , 216, 231, 233,
Hadrian VI., Papst 2 3 3 Heinrich IV., Kaiser 17, 2 7 9
2 6 0 - 2 6 2 , 274, 280, 289, 298, 301 Karl VI, König von Frankreich
133
Personenregister
Karl VII., König von Frankreich 140 Karl der Große 74 Karl von Valois 74 Karlstadt, Andreas Bodenstein von 176, 178, 180f., 185, 190, 192, 220, 2 2 2 f „ 225, 264 f. Konrad von Wimpina 168 Konstantin I., der Große 95, 121, 132, 179, 191 Ladislaus, König von Neapel 129 Lang, Johann 181 Lang, Matthäus 124 Laudensis, Martinus Caretus 147 Linck, Wenzeslaus 171, 214, 220, 224, 261 Leo X., Papst 141, 169, 172f., 177, 191, 199, 207 Lichtenberger, Johann 285 Ludwig IV., (»der Bayer«), Kaiser 8, 12, 19, 73, 8 0 - 8 4 , 87, 98, 100, 102, 106f., 112f., 116, 118, 141, 153 Ludwig IX., König von Frankreich 41 Ludwig, Herzog von Orleans 133 Ludwig V., Kurfürst von der Pfalz 223, 268 Lupoid von Bebenburg 99 Luther, Martin 1 - 1 2 , 14, 71, 106, 117, 120, 122, 130, 136, 138f„ 141, 151, passim Macchiavelli, Niccolo 10 Marsilius von Padua 4 f „ 8, 44, 78, 80, 8 3 - 8 6 , 94, 112-114, 117, 123f., 131, 143,
188 Matthäus von Aquasparta 32, 54, 56, 62 Maximilian I., Kaiser 123f., 172 Mayno, Jason 147 Mayselstain, Caspar 133 Melanchthon, Philipp 160, 190, 213, 2 1 8 220, 228, 247, 261, 263, 268, 288, 303 Menius, Justus 286 Michael von Cesena 81, 87, 102 Müntzer, Thomas 220, 2 6 3 - 2 6 5 , 269f. Nathin, Johannes 158, 160 Nikolaus I., Papst 92 Nikolaus II., Papst 183 Nikolaus (V.), Papst 81, 114 Nikolaus V., Papst 136 Nikolaus de Tudeschis (»Panormitanus«) 145 Nikolaus von Kues 138-140, 142, 187 Nogaret, Wilhelm 6 8 - 7 0 , 189
327
Opicinus de Canistris 107, 113f. Origines 193 Paltz, Johann 160 Panormitanus, siehe Nikolaus de Tudeschis Paray, Pierre de 70 Paulus de Castro 147 Petit, Jean 133f„ 142, 154 Petrus Damiani 15, 293 Petrus Lombardus 110, 158, 160 Pfeffinger, Degenhart 173 Philipp IV. (»der Schöne«), König von Frankreich 12, 14, 16-22, 39, 41f., 56, 59, 6 6 - 7 1 , 7 3 - 7 5 , 84f., 133, 153, 188, 283 Philipp, Landgraf von Hessen 280, 290 Piccolomini, Enea Silvio, siehe Pius II., Papst Pierre d'Ailly 129, 134f„ 142, 149, 158f., 161 Pirckheimer, Willibald 181 Pius II., Papst 121, 136 Prierias, Silvester 169-174, 176f„ 191, 199, 204f., 210, 217 Probus, Philippus 147 Pseudodionysius, siehe Dionysius Areopagita R e n n e r , Hans 173 R o b e r t von Neapel, König 7 5 f „ 80, 108 Roger, Graf von Foix 19 f. R o t h e n h a n , Sebastian von 237 Rozdalowsky, Wenzel von 193 Rubianus, Crotus 194 R ü h e l , Johann 175, 268f. Rusch, Adolph 159 Sacchi, Bartholomäus (»Piatina«) 188 Saisset, Bernhard 19f., 63 Schatzgeyer, Kaspar 242 Scheurl, Christoph 175, 181 Schleupener, Dominicus 195 Schönberg, Wolf von 260 Schurff, Hieronymus 224 Schwarzenberg, Christoph von 242 Schwarzenberg, Johann von 9, 12, 80, 125, 138, 154, 165, 197, 221, 235-247, 2 4 9 f „ 253, 2 5 5 - 2 5 8 , 272, 276, 278, 289, 296, 298 f. Sickingen, Franz von 216 Sigismund I., Kaiser 10, 118-120, 129, 132, 154, 179, 203 Silvester I., Papst 120, 179
328
Personenregister
Sixtus IV., Papst 67
Valla, Laurentius 132, 140, 195, 2 8 2
Socinus, Bartholomäus
148
Soranus, Laurentius 2 6 4
Werthern, Dietrich von 2 2 3 , 2 3 4
Spalatiti, Georg 1 7 2 - 1 7 5 , 181, 190, 1 9 3 -
Wessel Gansfort 10, 125
195, 2 0 3 f . , 2 0 7 - 2 0 9 , 211 f., 2 1 4 , 2 2 0 f „
Wiedebach, Georg von 2 6 0
223, 235, 264, 270
Wigand von Redwitz, B i s c h o f von Bamberg
Spengler, Lazarus 194, 2 8 9
241
Staupitz, Johann 160, 169, 181, 193, 2 0 7
Wilhelm von Cremona 78, 84, 107, 113
Stein, Wolfgang 2 2 9 , 2 3 4 f . , 2 7 0
Wilhelm von O c k h a m 4 f „ 7f., 11, 16, 2 5 ,
Suleiman II. 2 7 4
3 8 , 42, 48, 78, 81, 83, 8 7 - 1 0 6 , 117, 131, 1 3 4 f „ 143, 46, 1 4 8 - 1 5 2 , 158f., 161, 164,
Tertullian 61 Tetzel, Johann
188, 191, 194, 198, 2 4 8 f . , 2 5 6 , 2 5 8 , 2 9 4 , 296, 298, 300
168
Thomas von Aquin 5, 16, 2 2 , 31, 33, 3 6 f . , 39, 4 6 - 4 8 , 54, 62, 66, 71 f., 89, 93, 105,
Wimpheling, Jakob
124
Wyclif, Johannes 1 2 5 - 1 3 1 , 133, 1 4 0 - 1 4 2 ,
115f., 135, 152, 161, 2 3 8 - 2 4 1 , 2 5 5 , 2 5 8 f . ,
154, 178, 186, 1 8 8 f „ 192f., 195, 2 9 4 ,
279, 293, 298
297
Tolomeo von Lucca 47 Trutfetter, Jodokus 158f., 161
Zabarella, Franciscus 144f. Zwilling, Gabriel 221 f., 2 2 5
Ulcurrunno, Michael 147 f.
Moderne Autoren Adriänyi, Gabriel
B o c k , Friedrich 75, 80, 82
140
Aland, Kurt 55, 119, 121, 141 Andrae, Friedrich
143-148
Angermeier, Heinz 8f., 89, 118, 1 2 0 - 1 2 4 , 132, 2 3 7
Böcking, Ernst 195, 2 0 9 B o r n k a m m , Heinrich 4, 6 f „ 9, 2 3 5 , 2 6 4 f . Brecht, Martin 4, 175, 177, 2 1 9 f „ 2 2 5 , 2 8 8 Brinkhus, Gerd 9
Arquilliere, Henri-Xavier 33—35, 37—39
Bubenheimer, Ulrich 176, 2 1 9 B u c k , August 7 6 Büchner, Karl 2 3 9
Baethgen, Friedrich 7 4 Barge, Hermann
Bühler, Arnold 5 6
176
Barth, Karl 1 - 4 , 6
Buisson, Ludwig 55
Baum, Wilhelm 7 8
Burger, Christoph 22, 108, 135
Baumhauer, August 19 Becker, Hans-Jürgen 8 2 f . , 143, 148, 172
Cheneval, Francis 83, 113
Bell, T h e o M . M . A . C .
Chenu, M a r i e - D o m i n i q u e 55f., 6 6
163
Bendliin, Andreas 2 4 0
Coleman, Janet 47, 52
Benrath, Gustav Adolf 1 2 5 , 1 2 8
Coste, Jean 6 9 f .
Berchtold, Joseph 6 6
Coville, Alfred 132
Berges, Wilhelm 9, 2 5 4 Bezzola, R e t o R .
76
Dalferth, Silfredo Bernardo 6
Binder, Karl 137
Delius, Hans-Ulrich 159, 188, 195
Blaschke, Karl-Heinz 9
Delius, Walter 178, 190, 193
Bleienstein, Fritz 4 6 - 5 4 , 8 9
Denifle, Heinrich
Blickle, Peter 9
Denzinger, Heinrich 5 5 - 5 7 , 126, 136
Boase, Thomas S . R . 15, 5 5 - 5 7 , 59, 61, 63,
DettlofF, Werner
69
19 149
Moderne Diesner, Hans-Joachim
10
329
Autoren Hodler, Beat
10
Digard, Georges 16
Höss, Irmgard 175
Dreier, R a l f 4
Hoffmann, Hartmut 15
Duchrow, Ulrich 5 f „ 163, 166
Hoffmann, Heiner 6
Dyson, R . W .
Holl, Karl 2
17f., 41
Holtzmann, R o b e r t 6 8 Eastman, J o h n R .
22
Horst, Ulrich
Ebeling, Gerhard
11,304
Hoyer, Siegfried 9, 2 6 4
Eckermann, Willigis
108
Huber, Wolfgang 6
108
Ellwein, Eduard 164 Enders, Ludwig 2 1 6
Iserloh, Erwin 4, 7, 9, 11, 81, 125
Ernst, Wilhelm 148 f. Joos, Wilhelm 6 6 Junghans, Helmar 4, 8, 88, 91, 99, 149, 151
Faber, Karl-Georg 61 Fasolt, Constantin 6 9 Feine, Hans Erich 14, 16, 67, 70, 83
Käppeli, Thomas 4 6
Felmberg, Bernhard Alfred R .
Kantorowicz, Ernst H. 5 5
173
Fink, Karl-August 68, 70, 74, 8 0 f „ 125, 132 f. 136
Kinder, Ernst 2, 7 Kiss, Igor 1
Finke, Heinrich 19, 31, 46, 51, 5 5 - 5 7 , 64,
Kleineidam, Erich 149, 158 Kleinheyer, Gerd 2 3 6 f .
66, 69, 109, 133 Folkers, Horst 4
Köhler, Walther 140, 161
Frenz, Thomas 55
Kölmel, Wilhelm 14, 16, 18, 2 2 f „ 3 0 f . , 33,
Friedberg, Emil 42, 66, 70, 74, 83, 139, 144, 150, 170, 1 7 4 f „ 177, 183 Fröhlich, Karlfried 180
4 0 - 4 7 , 55, 60, 63, 87, 8 9 - 9 3 , 99, 102, 108, l l l f . , 114f. Kohnle, Armin
211,279
Kretschmar, Georg 8 Gänssler, Hans-Joachim 6f., 143, 163, 171f., Gebhardt, B r u n o
Koller, Heinrich
120
Kroeschell, Karl 9
246, 2 5 3 - 2 5 5 122-124
Küppers, Jürgen 11
G e ß , Felician 2 2 3 f „ 2 3 3 f „ 2 4 4 , 2 6 0 f .
Kuiters, R .
Goez, Werner 8, 7 4
Kunst, Hermann 10, 2 1 4 , 2 1 9 , 2 5 5 , 2 6 4 f . ,
Gondras, Alexandre-Jean 5 4 Grabmann, Martin 22, 33f., 37, 3 9 f „ 46, 54, 56, 108, 115 Grane, L e i f 158, 174
41
270f., 285, 289f. Kunzelmann, Adalbero Kuttner, Stephan
159f.
145
Kys, Franz Walter 9 8
Grass, Hans 1 Griesbach, Marc F. 4 6 f . , 4 9
Lalou, Elisabeth 6 9
Grundmann, Annelies 10
Landau, Peter 21, 143, 2 3 6 f .
Grundmann, Siegfried 8, 151
Lau, Franz 4
Günter, Wolfgang 8
Laube, Adolf 9 f „ 2 6 6 Lauchert, Friedrich 2 1 0
H a m m , Marlies 7 8
Lehmann, Paul 159
Hasselmann, Niels 6
Leppin, Volker 54, 87
Hauschild, Wolf-Dieter 56, 74, 119, 122,
Levison, Wilhelm 15, 55, 6 0
125, 135 Heckel,Johannes 1 - 5 , 8, 84, 151, 166 Heckel, Martin 2, 4 Herde, Peter 92, 100 Hilsch, Peter 129
Löscher, Valentin Ernst 181 Lohse, Bernhard 1, 6, 8, 11, 163, 165, 1 6 7 f „ 171 f., 174, 1 7 7 - 1 7 9 , 2 6 3 , 2 7 6 , 2 8 8 Lo Grasso, Giovanni Battista 55—60, 62, 6 4 f . , 70
330
Personenregister
Loserth, Johann 126-128, 130 Luscombe, David 55 Lutz, Heinrich 10 Manns, Peter 11 Maron, Gottfried 8, 265 Marsuura, Jan 160f. Mau, Rudolf 4, 9 M c Cready, William D. 108, 110, 112 Merzbacher, Friedrich 31 Miethke, Jürgen 16f„ 20, 22f., 31 f., 34, 40f., 44, 46f., 56, 69, 76, 84, 87f., 90, 92, 94f., 98f., 103, 108f„ 114, 143f„ 148, 159 Ministeri, Blasius 109 Minnich, Nelson H. 140 Mirbt, Carl 55, 119, 121, 141 Moeller, Bernd 178 Möhler, Ludwig 19 Moody, Ernest 88 Müller, Gerhard 4, 8f., 11 Neumann, Richard 19 Nörr, Knut Wolfgang 145 Nowak, Kurt 1 Oakley, Francis 134f. Oberman, Heiko A. 4, 9, 11, 149, 151, 158, 160, 182 Offler, Hilary Seton 100, 102 Patschovsky, Alexander 8 Pennington, Kenneth 7 5 , 1 4 4 - 1 4 6 Pleuger, Gunter 87 Potthast, August 19, 60 Press, Volker 172 Prügl, Thomas 137 Rabe, Horst 61 Radbruch, Gustav 238-241 Rodrigues, Manuel Augusto 114 Roll, Christine 8, 175, 242 Rublack, Hans-Christoph 203 Ruhbach, Gerhard 178 Rütten, Wilhelm 143, 145, 148 Ruokanen, Miika 8 Saenger, Peter 44 Schäfer, Carl 135 Scharffenorth, Gerta 10
Scheel, Otto 150 Scheel, Willy 236, 238, 244 Scheible, Heinz 10, 119 Schlageter, Johannes 87 Schiaich, Klaus 4 Schmidt, Tilmann 68f., 71 Schneider, Bernd Christian 122 Schoenstedt, Friedrich 133 f. Scholz, Richard 16-20, 22-34, 40-44, 46, 50f„ 56f., 60-62, 69, 84f„ 88, 90, 102f„ 107, 109, 113-116, 132 Schroeder, Friedrich-Christian 236 f. Schulze, Manfred 159 Schwöbel, Hermann Otto 82 Selge, Kurt-Victor 178f„ 185 Senger, Hans Gerhard 138 Setz, Wolfram 140 Sieben, Hermann Josef 85 Smalley, Beryl 159 Smolinsky, Heribert 192 Sohrn, Rudolph 1 Spinka, Matthew 129 Stephenson, John R . 7 Störmann, Anton 122 Stürner, Wolfgang 8, 55 Stutz, Ulrich 21 Thomas, Heinz 74 Törnvall, Gustav 3 f. Troeltsch, Ernst 2 Trusen, Winfried 237 Ubl, Karl 78 Ulimann, Walter 14, 17, 22, 40, 47, 55-59, 61, 63-66, 72 Urban, Wolfgang 158-160 Wappler, Paul 220 Weinbrenner, Ralph 220 Weinrich, Lorenz 120f. Wiesflecker, Hermann 124 Wilks, Michael 108, 111, 115 Wolf, Erik 236-238, 240-243 Wolgast, Eike 10, 122, 261 f., 279f. Wolter, Hans 20, 56, 63, 66 Zschoch, Hellmut 192 Zumkeller, Adolar 22, 109, 161 Zur Mühlen, Karl-Heinz 143, 161, 247
Sachregister
A r m u t s s t r e i t , - t h e o r i e 25, 38, 46, 52, 81, 8 7 - 9 0 , 106, 115, 2 4 8
ecclesia, K i r c h e -
congregatio ßdelium
48f., 5 3 f . , 151f., 170,
196, 2 0 0 , 2 1 0 , 2 4 9 , 2 9 5 - 2 9 7
auctoritas, -tes 15f., 21, 61, 6 3 - 6 5 , 9 9 , 160,
- corpus Christi mysticum
167, 2 2 6 f . 275 A n g e m e s s e n h e i t 26, 2 8 - 3 0 , 4 3 , 51, 111,
-
e. (in purgatorio) dormiens
-
e. invisibilis 2, 58, 72, 2 1 0
-
255
4 8 , 54, 5 7 - 5 9 , 71,
111, 115, 144, 2 9 8
aequitas, Billigkeit 17, 2 5 5 , 2 6 3 , 2 6 7 , 2 7 2 f . ,
126, 138
e. militans 48, 1 2 6 - 1 2 8 , 130f., 133, 138, 1 4 0 - 1 4 2 , 149, 152, 178, 193, 195, 2 9 4 ,
beatitudo, -
297
Glückseligkeit
b. aeterna 3, 28, 3 6 , 4 8 f „ 54, 89, 106, 135,
-
e. spiritualis / temporalis 5 8 f . , 2 1 0
151, 1 5 3
-
e. triumphans
i n n e r w e l t l i c h e G. 3 5 f . , 37, 78, 105f., 135
-
e. universalis 1 2 6 - 1 2 8 , 130, 140
48, 1 2 6 f „ 138, 2 9 8
beate et honeste vivere 2 4 0
-
e. visibilis 2, 58, 72, 111, 126
bene vivere 8 5
-
sakramentale Heilsvermittlung der K. 5 8 f „ 6 6 f „ 7 1 f „ 88, 93, 96, 100, 1 1 5 f „
Billigkeit, s. aequitas
1 2 5 f „ 128, 161, 169, 171, 174, 185, 2 0 1 ,
bonum commune, G e m e i n w o h l , - n u t z 48, 78,
294, 296
89, 9 3 f . , 9 6 - 9 8 , 101, 1 0 4 - 1 0 6 , 117, 124f., 154, 198, 2 3 7 - 2 4 1 , 2 4 5 , 2 5 2 f „ 2 5 5 f „ 2 9 4 ,
-
una sancta catholica et apostolka e. 57, 65, 130
298, 300 -
w a h r e u n d falsche K . 199, 2 1 0
casualis, casualiter, s. N o t f a l l r e c h t
E i g e n g e s e t z l i c h k e i t 3, 3 0 4
causae mixtae 40, 4 2 f . , 45, 54, 96, 3 0 0
Eigenkirche, -nrecht
civitas, -tes 3, 5, 8, 11, 34, 47, 150, 163, 2 9 3 ,
E i g e n t u m , -sfähigkeit, s.
c. Dei 3, 31, 71 f., 144, 2 7 5 , 2 9 3 - 2 9 6 , 2 9 8 , c. diaboli 3, 31, 72, 153, 166, 2 7 5 , 2 9 3 -
E x k o m m u n i k a t i o n 50, 6 8 f „ 8 0 f . , 85, 149, 153, 2 0 7 , 2 1 7 , 2 2 5
296, 298, 304 -
138, 1 4 0 - 1 4 2 , 154, 1 8 5 f „ 2 8 3 , 2 9 0 , 296
300, 304 -
dominium
E k k l e s i o l o g i e 57, 122, 126, 128, 131, 136,
298, 303 -
17,21
c. terrena 3, 31, 7 1 f . , 153, 166, 2 7 5 , 2 9 3 Freiheit 7, 99, 164, 196, 2 0 0 , 2 0 8 , 2 1 6 f „
296, 298f., 304 Confessio Augustana
280f.
coram Deo / c. hominibus 5, 251—253, 2 5 6 ,
226, 246, 250, 263, 265, 271, 277, 302 Fürstenspiegel 9, 22, 91, 2 5 4 f . , 2 8 5
263, 287, 291, 299, 304 G e m e i n w o h l , - n u t z , s. bonum Devotio moderna dominium,
125
E i g e n t u m , -sfähigkeit 23, 2 5 , 30f.,
commune
G e r e c h t i g k e i t , s. iustitia Gesetz, s. R e c h t
34, 3 7 - 3 9 , 44, 4 7 f . , 52, 81, 8 7 - 9 0 , 93f.,
G e w a l t e n , s. potestas
9 6 , 99, 104, 106, 115, 117, 2 4 8
G e w i s s e n 7, 9 5 , 142, 164, 185, 2 1 6 f . , 2 1 9 ,
Drei-Reiche-Lehre
151 f.
221, 228, 240, 250, 252, 256, 2 6 3 - 2 6 5 ,
Drei-Stände-Lehre
11,286
267f., 273f., 286, 298f., 304f.
332
Sachregister
Gewohnheitsrecht 18, 2 0 f „ 33, 4 1 - 4 3 , 53, 63, 72, 76f., 94, 96f., 116, 134, 145, 171, 183, 237, 294 gladius, s. Schwert Glückseligkeit, s. beatitudo Gnade, s. Natur Gravamina 10, 1 2 2 f „ 141, 154, 184, 192, 203, 215, 301 Häresie 58, 82, 92, 109, 122, 137, 142, 171, 173, 195, 2 4 8 H a r m o n i e 79, 86, 117, 165, 2 3 9 - 2 4 1 , 294, 298 Hierarchie, hierarchia 23, 27f., 30, 43, 47f., 53, 62, 66, 78, 83, 110, 131, 138, 184f., 205 Imperator, s. Kaiser Imperium (Romanum) 41 f., 44f., 47f., 54, 7 3 - 7 9 , 91, 94f., 113f., 119, 123, 139, 1 4 5 f „ 154 Investiturstreit 5, 12, 15, 17, 31, 75, 2 7 9 f . iurisdictio, Jurisdiktionsfähigkeit, - g e w a l t 18, 23, 25, 28, 32f., 35, 39, 44, 47, 4 9 - 5 2 , 55, 59, 62, 64, 67, 71, 101, 107, 109, 111, 1 1 3 - 1 1 6 , 121, 123, 128, 132, 135, 141, 145, 149, 1 5 3 f „ 1 6 9 f „ 171, 180, 182, 185, 1 8 8 f „ 206, 208, 227, 248, 250, 253, 2 8 0 f „ 290f., 293, 297 ins, s. R e c h t iustitia, Gerechtigkeit 31, 35, 45f., 54, 85, 119f., 124f., 154, 237f., 2 3 9 - 2 4 1 , 253, 256, 267, 2 9 8 - innerweltliche G. 48, 54, 58, 165, 294, 298 - vera i„ göttliche G. 48, 54, 58, 72, 93, 165, 2 3 8 f „ 241, 244f., 253, 255, 258, 294, 298 Kaiser, imperator - Absetzung 81, 98, 273, 2 9 0 - Heilsnotwendigkeit des Gehorsams g e g e n über d e m K. 75f., 79, 83, 116 - Kirchenvogt 112, 116, 121, 142, 144, 154, 210, 214 - K r ö n u n g 7 4 f „ 81, 83, 92, 121, 154 - u n d Papst 5, 39, 79, 119, 121, 124, 127, 202f., 209, 2 8 0 - Wahl 102, 121, 123, 154 Kanonisten, kanonisches R e c h t 5—7, 41, 44, 53, 67f., 70f., 92, 94, 107, 118, 128, 135,
1 4 3 - 1 4 8 , 1 5 3 f „ 164, 172, 1 7 4 - 1 7 7 , 1 7 9 182, 1 8 6 f „ 189, 200, 205, 207, 209, 226, 229, 236, 242, 2 9 7 Ketzer, Ketzerei 65, 68, 80, 85, 91, 126, 129, 169, 172f., 1 7 8 f „ 187, 193, 105, 207, 212, 214, 216, 221, 246, 248, 2 5 3 f . , 279, 285, 291 Kirche s. ecclesia Konstantinische S c h e n k u n g 15, 18, 23, 32, 35, 38f., 42, 44f., 47, 50, 52, 67, 91, 9 4 f „ 107, 113, 121, 132, 135, 1 3 9 f „ 191, 1 9 4 f „ 200, 202, 208, 2 8 1 f., 2 9 0 Konzil 80, 85, 116, 1 1 9 - 1 2 2 , 1 2 4 f „ 1 2 9 136, 1 3 8 - 1 4 0 , 142, 151, 177, 190, 2 0 1 204, 207, 213f., 226, 242, 253, 279, 2 8 3 f „ 297 - Appellation 122, 135, 141, 177 - Laterank. 118, 124, 131f., 140f., 153, 169 - Nationalk. 22, 284 Konziliarismus 12, 118, 121 f., 1 3 1 - 1 3 3 , 135, 137f., 141, 154, 177, 181, 203, 294, 297, 3 0 0 Legisten, legistisch 6 f „ 42, 118, 1 4 3 - 1 4 8 , 154, 236, 241 lex, s. R e c h t Mensch - als Christ l f „ 196, 200, 202, 215, 2 1 7 f „ 220, 226, 228, 231, 234, 243, 2 4 9 f „ 252, 261 f., 268, 271, 277, 287, 2 9 7 f „ 300, 302-305 - als Erwählter 28, 31, 38, 4 9 - als gemeinschaftsbildendes Wesen, animal sociale et politicum 47, 53, 72, 7 7 - 7 9 , 84, 93, 139 - als H e i d e 31, 35, 9 2 - 9 4 , 1 0 0 f „ 105, 152f„ 253 - als Verworfener 28 - homo interior / exterior 162f., 165, 2 9 6 - i m corpus permixtum 27, 34, 205, 2 9 8 - natürlicher M . 58, 6 6 f „ 72, 9 9 Nächstenliebe 10, 164, 1 9 6 f „ 1 9 9 f „ 213, 219, 222, 2 3 0 - 2 3 2 , 235, 242, 2 4 8 - 2 5 1 , 2 5 5 - 2 5 8 , 268, 271 f., 2 7 6 f „ 285, 287f., 298f., 301 Natur, -recht 2 - 4 , 17, 21, 23, 3 0 - 3 2 , 3 4 - 3 9 , 43, 45, 47f., 5 2 f „ 58, 62f., 71, 7 7 - 7 9 , 85, 88f., 9 1 - 9 4 , 9 6 f „ 9 9 f „ 104f., 107, 115,
333
Sachregister
72, 7 6 , 103, 107, 109, 117, 119, 128, 147,
117, 119, 1 5 2 f „ 2 0 5 , 2 1 8 , 2 5 7 f . , 2 6 7 ,
154, 179, 191, 2 4 1 , 247, 2 9 3
271 f., 2 8 7 f . , 294, 3 0 0 , 3 0 3 f . -
und Gnade 3, 31, 33, 36f., 39, 44, 46, 48,
- p.papae
54, 62, 71f., 106, 1 1 5 - 1 1 7 , 128f., 152, 161, 2 4 1 , 256, 2 9 3 f „ 2 9 6 -
6, 17, 21, 4 0 f „ 62, 97, 110, 1 1 3 f „
125, 131, 179, 185, 192, 2 2 6 - plenitudo potestatis papae
15, 24, 29f., 32,
Gnade als perfectio naturae 31, 33, 36f., 3 9 ,
40, 42, 52, 55, 7 0 f „ 79, 9 0 , 9 4 - 9 9 , 108,
46, 48, 54, 58, 62, 71, 89, 93, 1 0 5 f „
110, 114, 125, 1 3 1 - 1 3 3 , 137, 144, 152,
115f., 135, 241, 258, 2 9 3 , 2 9 5 , 2 9 7
1 6 8 f „ 171, 1 7 4 - 1 8 4 , 188f., 2 0 7 f „ 2 1 4 f . ,
neuplatonisch, Neupiatonismus 4 0 , 62 Nominalismus
242, 245, 2 8 1 f., 2 8 4 , 2 9 3 , 296, 3 0 2
129
- p. spiritualis, geistliche Gewalt passim
Notfallrecht, Nothilfe, casualis, casualiter
42f.,
46, 4 9 - 5 1 , 53, 69, 8 8 f „ 93, 9 6 - 1 0 1 , 103,
- p. temporalis, weltliche Gewalt passim -
Gehorsam gegenüber der w. G. 190—192, 197, 2 1 3 , 2 2 0 , 2 2 6 , 2 5 0 f . , 2 5 3 f . , 2 5 6 f . ,
105, 117, 120, 135, 198, 2 0 1 f „ 2 0 4 f . , 2 1 1 ,
261, 265, 2 6 7 f . , 2 7 0 f „ 2 7 3 , 277, 298,
2 1 5 f . , 2 4 4 , 2 5 3 , 265, 280, 298, 301
300f. Obrigkeit, weltliche 164f., 173, 191, 2 0 8 f . ,
Prädestination 1 2 6 - 1 2 8 , 130, 141 f., 193, 294, 297
211, 2 1 3 f „ 2 1 8 £ , 2 2 1 f „ 2 2 5 f . , 2 3 1 , 2 3 5 , 2 4 4 - 2 5 9 , 2 6 2 - 2 7 0 , 274, 280, 2 8 4 - 2 9 8 , -
300, 3 0 3
ratio, s. Vernunft
Gehorsam gegenüber der w. O., s. potestas
ratione peccati
-
18, 3 0 , 43, 46, 54, 64, 67, 94f.,
111, 151, 2 8 1
Ordnung göttliche O. 49, 53f., 106, 2 0 5 , 217, 240,
R e c h t , Gesetz, ius, lex
247, 2 8 5
-
innerweltliche O. 58, 79, 106, 124, 154,
-
G. und Evangelium 2 7 0 f „ 2 8 8 f „ 3 0 3 - 3 0 5 i. divinum, 1. divina 2—4, 17, 23, 38f.,
158, 180, 183, 2 0 0 , 205, 218, 2 4 0 f „ 253,
4 3 - 4 5 , 52f., 75, 78f., 85, 89, 9 2 - 9 5 ,
276, 286, 293, 3 0 0
9 7 - 9 9 , 105, 117, 128, 152, 1 8 5 - 1 9 2 , 194, 2 0 0 , 2 0 5 f . , 2 0 8 , 241, 247, 2 5 1 f . , 2 6 7 , 2 8 2 f . , 294, 2 9 7
Papst -
Abdankung 4 6 £ , 6 8
-
Absetzung 50, 69, 2 8 2
-
-
-
18,44,52,
303
Heilsnotwendigkeit des Gehorsams gegenüber dem P. 56, 6 5 - 6 7 , 75f., 79, 8 3 - 8 5 ,
-
I. charitatis 3 f.
94, 1 1 5 - 1 1 7 , 126f., 130, 137, 141, 154,
-
/. libertatis 92, 97, 1 0 5 f „ 117, 2 9 4
161, 1 6 8 f „ 171, 176, 186, 188, 193, 2 0 5 ,
-
/. spiritualis 2
2 0 8 , 2 1 1 , 217, 230, 2 8 1 , 2 8 3
- römisches R . 44, 74, 107, 1 4 3 - 1 4 6 , 2 3 7
Identifikation mit der Kirche
107,135,
R e g i m e n t , - e 3 f „ 7, 2 3 0 , 249, 270, 272,
171 f., 178, 210, 2 8 3 -
leges humanae, weltliches R .
7 8 f „ 93, 95, 104, 185, 189, 284, 2 9 7 ,
Stellvertreter Christi, vicarius Christi
2 8 5 f. 38,
4 5 , 48, 52, 55, 58f., 63f., 66, 106f., 109f.,
regnum, R e i c h , - e 4 9 -
r. Christi, r. Dei, R . Gottes, geistliches R .
115, 1 2 5 f „ 127, 135, 141, 168, 177f., 183,
1, 3, 34f., 151, 2 2 0 - 2 2 2 , 2 2 9 - 2 3 1 , 2 3 5 ,
193, 196, 2 0 2 , 2 0 4 , 207, 247, 2 9 7
245, 2 4 8 - 2 5 1 , 256, 264, 266, 2 6 9 , 2 7 0 -
-
Stellvertreter Gottes 115
275, 2 7 9 - 2 8 7 , 289, 291, 2 9 3 f . , 2 9 7 f . , 3 0 2 -
-
Unfehlbarkeit 66
-
wahrer Kaiser 1 1 3 f „ 183, 211, 281
-
wahrer Mensch 115, 125, 171
pax, Frieden 48, 7 7 - 7 9 , 83f., 86, 1 2 2 f „ 151, 2 1 3 , 2 1 6 f . , 227, 2 5 1 , 254, 262, 2 6 5 f „ 284f„ 290 potestas, -tes, Gewalten -
305 -
r. mundi, R . der Welt, weltliches R .
34,
2 2 0 , 2 2 9 - 2 3 1 , 2 4 8 - 2 5 1 , 256, 2 6 6 , 2 6 9 2 7 5 , 2 7 9 - 2 8 7 , 289, 291, 2 9 3 , 2 9 7 f . , 3 0 2 305 - R e i c h Gottes zur Linken / zur R e c h t e n 3 Reichsreform 6, 8f., 12, 1 1 8 - 1 2 0 , 1 2 3 - 1 2 5 ,
Gleichursprünglichkeit, Gottesunmittel-
138, 143, 153f., 165, 2 3 7 f „ 2 7 2 , 2 9 4 , 2 9 8 ,
barkeit 2 3 f „ 30, 32, 34, 49, 55, 62, 66f.,
300
334
Sachregister
R e i c h s r e g i m e n t 8, 123, 2 2 3 f „ 2 3 3 , 2 4 1 f „
266, 268, 272f., 2 7 5 - 2 7 8 , 281, 2 8 4 - 2 8 7 ,
246, 252, 260f.
291, 2 9 3 - 2 9 5 , 2 9 8 - 3 0 0 , 3 0 3 - 3 0 5
R e i c h s t a g 10, 120, 122f., 175, 2 1 2 , 2 1 6 f . , 2 2 3 , 2 3 1 f., 2 3 7 , 2 6 0 , 2 8 0 , 2 8 4 , 2 9 0 , 3 0 1 R e i c h s v i k a r i a t 7 4 - 7 6 , 80, 148
-
u n d G l a u b e 3f., 7 6 , 7 8 f . , 83, 85, 87, 155, 161, 2 9 4
via moderna
149, 158, 160f.
virtus 46, 48, 54, 72, 78, 85, 89, 93, 105, 165, 2 7 6
S c h w e r t , gladius — geistliches S., g. spiritualis
passim
— als W o r t G o t t e s 41, 48, 51, 53, 102f., 105,
V o l l k o m m e n h e i t 52, 77, 85, 9 7 f „ 1 0 5 f „ 247f., 298
162f., 170, 195, 2 2 7 , 2 3 0 f „ 2 4 5 , 2 4 8 , 2 5 4 — weltliches S g . temporalis passim S o t e r i o l o g i e 57, 89, 99, 126, 128, 131, 1 4 0 -
W i d e r s t a n d , - s r e c h t 10, 9 8 f . , 101, 1 9 7 f . , 200, 202, 206, 208, 211, 215, 219, 222, 224, 226, 232, 244, 254, 2 5 6 f „ 2 6 0 - 2 6 2 ,
142, 154, 174, 2 7 7 s o u v e r ä n , S o u v e r ä n i t ä t 21, 33, 4 2 f . , 53, 57, 59, 63, 66, 72, 76, 96, 108, 2 9 4 Staat 8 4 - 8 6 , 89, 93, 123, 138, 151, 2 5 2 S u b o r d i n a t i o n , - s t h e o r i e 14f., 18, 22—24,
267f., 274, 277, 280, 284, 289f., 300, 3 0 2 f. Wille, (freier) 185, 192, 2 4 0 , 2 4 4 , 2 7 5 - 2 7 8 , 299
3 0 - 3 2 , 36, 45, 5 3 f „ 5 9 f „ 6 2 f „ 66, 71, 7 3 , 7 5 - 7 8 , 86, 109, 111, 113, 115, 1 2 1 f „ 127,
Z w e i - G e w a l t e n - L e h r e 5, 11, 18
135, 142, 2 8 1 , 2 8 3
Z w e i - L i c h t e r - L e h r e 63, 135, 139, 144f., 147f., 150, 154f., 190, 2 0 8 , 2 1 5
translatio imperii 7 4 , 76, 91, 123, 2 0 3 Tyrannenmord
125, 1 3 3 f „ 137, 142, 2 7 3 ,
Zwei-Reiche-Lehre
1 - 1 2 , 151, 157f., 166,
171, 2 6 0 , 2 6 2 , 2 7 9 , 2 8 6 , 2 9 3 , 2 9 5 f „ 3 0 4 Z w e i - S c h w e r t e r - L e h r e 6, 1 0 - 1 9 , 2 3 , 30, 37,
290
54, 7 3 , 80, 84, 86, 92, 104f., 108, 110, V e r n u n f t , ratio naturalis
17, 23, 52, 78, 89,
91, 9 8 , 1 0 4 - 1 0 6 , 117, 198, 2 0 8 , 2 2 9 , 231 f., 2 3 8 f „ 2 4 1 , 2 4 9 , 2 5 2 , 2 5 5 f „ 2 5 8 ,
117, 129, 131, 154, 163, 191, 2 4 5 f . , 2 8 3 f . Z w e i - S t u f e n - E t h i k 97, 106, 117, 2 4 6 - 2 4 8 , 274, 294
Spätmittelalter und Reformation Neue Reihe Begründet von Heiko A. Oberman herausgegeben von Berndt Hamm (Erlangen-Nürnberg) in Verbindung mit James Hankins (Harvard), Johannes Helmrath (Berlin), Jürgen Miethke (Heidelberg) und Heinz Schilling (Berlin)
Arnold, Matthieu: siehe Martin Bucer zwischen Luther und Zwingli. Ballweg, Jan: Konziliare oder päpstliche Reform. 2001. Band 17. Benad, Matthias: Domus und Religion in Montaillou. 1990. Band 1. Faix, Gerhard: Gabriel Biel und die Brüder vom gemeinsamen Leben. 1999. Band 11. Flachmann, Holger: Martin Luther und das Buch. 1996. Band 6. Ganse, Ute: Paracelsus (1493-1541). 1993. Band 4. Hamm, Berndt: Lazarus Spengler (1479-1534). 2004. Band 25. —: siehe Martin Bucer zwischen Luther und Zwingli. —: siehe Spätmittelalterliche Frömmigkeit. Hinz, Ulrich: Die Brüder vom Gemeinsamen Leben im Jahrhundert der Reformation. 1997. Band 9. Hohenberger, Thomas: Lutherische Rechtfertigungslehre in den reformatorischen Flugschriften der Jahre 1521-22. 1996. Band 6. Holtz, Sabine: Theologie und Alltag. 1993. Band 3. Johannes a Lasco (1499-1560) — Polnischer Baron, Humanist und europäischer Reformator. Beiträge zum internationalen Symposium vom 14. bis 17. Oktober 1999 in der Johannes a Lasco Bibliothek Emden. Herausgegeben von Christoph Strohm. 2000. Band 14. Jürgens, Henning P.: Johannes a Lasco in Ostfriesland. 2002. Band 18. Kleinöder-Strobel, Susanne: Die Verfolgung von Zauberei und Hexerei in den fränkischen Markgraftümern im 16. Jahrhundert. 2002. Band 20. Kuropka, Nicole: Philipp Melanchthon: Wissenschaft und Gesellschaft Ein Gelehrter im Dienst der Kirche (1526-1532). 2002. Band 21. Lentes, Thomas: siehe Spätmittelalterliche Frömmigkeit.
Spätmittelalter
und
Reformation
Lotz-Heumann, Ute: Die doppelte Konfessionalisierung in Irland. 2000. Band 13. Mantey, Volker: Zwei Schwerter — Zwei Reiche. 2005. Band 26. Martin Bucer zwischen Luther und Zwingli. Herausgegeben von Matthieu Arnold u n d B e r n d t H a m m . 2003. Band 23. Der Medici-Papst Leo X. und Frankreich. Herausgegeben von G ö t z - R ü d i g e r Tewes u n d Michael R o h l m a n n . 2002. Band 19. Miethke, Jürgen: D e potestate papae. 2000. Band 16. Rohlmann, Michael: siehe Der Medici-Papst Leo X. und Frankreich. Schlotheuber, Eva: Klostereintritt u n d Bildung. 2004. Band 24. Schulze, Manfred: Fürsten u n d R e f o r m a t i o n . 1991. Band 2. Seegets, Petra: Passionstheologie u n d Passionsfrömmigkeit im ausgehenden Mittelalter. 1998. Band 10. Simon, Wolfgang: Die Messopfertheologie Martin Luthers. 2002. Band 22. Spätmittelalterliche Frömmigkeit zwischen Ideal und Praxis. Herausgegeben von B e r n d t H a m m u n d T h o m a s Lentes. 2000. Band 15. Stoodt, Hans Christoph: Katharismus im U n t e r g r u n d . 1996. Band 5. Strohm, Christoph: siehe Johannes a Lasco. Tewes, Götz-Rüdiger: siehe Der Medici-Papst Leo X. und Frankreich. Vogel, Sabine: Kulturtransfer in der f r ü h e n Neuzeit. 1999. Band 12. Weinbrenner, Ralph: Klosterreform im 15. J a h r h u n d e r t zwischen Ideal u n d Praxis. 1996. Band 7.
Einen Gesamtkatalog erhalten Sie vom Verlag Mohr Siebeck • Postfach 2040 • D-72010 Tübingen. Neueste Informationen im Internet unter www.mohr.de