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German Pages [447] Year 2012
QUELLEN UND FORSCHUNGEN ZUR HÖCHSTEN GERICHTSBARKEIT IM ALTEN REICH HERAUSGEGEBEN VON FRIEDRICH BATTENBERG, ALBRECHT CORDES, ulrich eisenhardt, peter oestmann, Wolfgang Sellert
Band 60
Frankfurt und Hamburg vor dem Reichskammergericht Zwei Handels- und Handwerkszentren im Vergleich
von Robert Riemer
2012 BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN
Gedruckt mit Unterstützung des von der DFG geförderten Graduiertenkollegs „Kontaktzone Mare Balticum: Fremdheit und Integration im Ostseeraum“
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Umschlagabbildung: Grundriss der Schirnen um den Frankfurter Dom, Institut für Stadtgeschichte Frankfurt a.M., Reichskammergericht: Akten, Prozess Nr. 1090 (Quadr. 43); entnommen aus: Inge Kaltwasser (Bearb.): Inventar der Akten des Reichskammergerichts 1495–1806, Frankfurter Bestand, Frankfurt 2000, S. 71. Der Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Instituts für Stadtgeschichte, Frankfurt am Main.
© 2012 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Wien Köln Weimar Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Gesamtherstellung: WBD Wissenschaftlicher Bücherdienst, Köln Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier ISBN 978-3-412-20822-6
Vorwort
An dieser Stelle folgen Worte des Dankes, denn eine Arbeit wie die vorliegende Druckfassung meiner an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald im Frühjahr 2006 eingereichten Dissertationsschrift ist ohne Hilfe nicht fertig zu stellen. Ich danke Herrn Prof. Dr. Michael North, der mir seit vielen Jahren mit seinem Rat zur Seite steht und das Promotionsprojekt, hervorgegangen aus einem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekt zu Hamburg und Frankfurt am Reichskammergericht, betreut hat. Darüber hinaus danke ich den Mitarbeitern im Institut für Stadtgeschichte in Frankfurt am Main und im Staatsarchiv in Hamburg für die Unterstützung bei den Recherchen in beiden Archiven sowie den Kolleginnen und Kollegen im „Netzwerk Reichsgerichtsbarkeit“ für die Möglichkeit zur Präsentation und Erörterung der Untersuchungsergebnisse. Ebenso hilfreich waren die Diskussionen im DFG-Graduiertenkolleg „Kontaktzone Mare Balticum: Fremdheit und Integration im Ostseeraum“ in Greifswald, dem ich zunächst als Kollegiat und später als Koordinator angehörte, sowie mein Aufenthalt als Stipendiat am Institut für Europäische Geschichte in Mainz unter Prof. Dr. Heinz Duchhardt. Nicht unerwähnt bleiben dürfen der Zweitgutachter der Arbeit, Herr Prof. Dr. Hans-Georg Knothe, sowie die Herausgeber der „Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich“ – namentlich besonders die Herren Professoren Dr. Bernhard Diestelkamp, Dr. Wolfgang Sellert und Dr. Peter Oestmann –, die zahlreiche Anregungen und Kommentare beisteuerten. Silke Kropf, Maik Fiedler, Christian Fricke, Jens Leuteritz, Sebastian Nickel, Jörn Sander und Lasse Seebeck lasen Korrektur und erstellten die Register.
Greifswald, im Dezember 2011
R. Riemer
Inhalt
Vorwort ………………………………………………………………
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I. EINLEITUNG 1. Forschungsziele und Gliederung ……………………………….. 2. Forschungsstand ……………………………………………….. 3. Quellen …………………………………………………………
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II. HAMBURG UND FRANKFURT VOR DEM REICHSKAMMERGERICHT 1. Klassifizierung der Reichskammergerichts-Prozesse nach Ranieri 2. Hamburg ……………………………………………………….. Instanzenzug und Appellationsprivilegien …………………… Inanspruchnahme …………………………………………… Prozessgegenstände …………………………………………. Prozessdauer ………………………………………………… Prozessparteien – soziale Differenzierung …………………… Prozessparteien – geografische Verortung …………………. Einzelne Prozessgegenstände ………………………………... Kriminalität ……………………………………………… Staatlich-hoheitliche Rechte ……………………………… Jurisdiktion ………………………………………………. Familienverband …………………………………………. Grund- und Bodenwirtschaft …………………………….. 3. Frankfurt ……………………………………………………….. Instanzenzug und Appellationsprivilegien …………………… Inanspruchnahme …………………………………………… Prozessgegenstände …………………………………………. Prozessdauer ………………………………………………… Prozessparteien – soziale Differenzierung …………………… Prozessparteien – geografische Verortung …………………. Einzelne Prozessgegenstände ………………………………... Kriminalität ……………………………………………… Staatlich-hoheitliche Rechte ……………………………… Jurisdiktion ………………………………………………. Familienverband …………………………………………. Grund- und Bodenwirtschaft ……………………………..
27 27 29 29 34 44 50 58 77 83 83 85 89 96 99 100 100 106 116 121 127 147 152 152 156 160 166 169
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Grundherrschaft und Lehnswesen ……………………….. 4. Vergleich ……………………………………………………….. Instanzenzug und Appellationsprivilegien …………………… Inanspruchnahme …………………………………………… Prozessgegenstände ………………………………………….. Prozessdauer ………………………………………………… Prozessparteien – soziale Differenzierung und geografische Verortung …………………………………………………… III. HANDELSPROZESSE VOR DEM REICHSKAMMERGERICHT ……….... 1. Handel und Handelsprozesse in Hamburg und Frankfurt ……… Hamburgs Handel im Spiegel der ReichskammergerichtsProzesse ……………………………………………………... Frankfurts Handel im Spiegel der ReichskammergerichtsProzesse ……………………………………………………... 2. Einzelfälle ……………………………………………………… Hamburger Prozess J37 ……………………………………... Frankfurter Prozess A21 …………………………………….. 3. Vergleich ……………………………………………………….. IV. HANDWERKSPROZESSE VOR DEM REICHSKAMMERGERICHT ……... 1. Handwerk und Handwerksprozesse in Hamburg und Frankfurt ... Hamburgs Handwerk im Spiegel der ReichskammergerichtsProzesse ……………………………………………………... Frankfurts Handwerk im Spiegel der ReichskammergerichtsProzesse ……………………………………………………... 2. Einzelfälle ……………………………………………………… Hamburger Prozess H80 ……………………………………. Frankfurter Prozess M55 ……………………………………. 3. Vergleich ………………………………………………………..
171 172 172 174 185 187 189
195 195 195 224
292 292 298 307 313 313 313 319
331 331 338 344
V. ZUSAMMENFASSUNG ……………….……………………………....
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ANHANG ……………………………………………………………... Namensregister …….……………………………………………... Ortsregister ……………..………………………………………… Abkürzungen ……………………………………………………... Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen...……………………… Tabellen ….………………………………………………………..
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IX
Abbildungen…...…………………………………………………... Quellen- und Literaturverzeichnis …………………………………
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I. EINLEITUNG
Historiker, die sich mit Detailforschungen rund um das Reichskammergericht beschäftigen, können sich glücklich schätzen. Anders als beim zweiten Reichsgericht, dem Reichshofrat, sind die Prozessakten – immerhin ca. 70.000 – inzwischen nahezu vollständig in Findbüchern verzeichnet. 1 Auch ein Wechsel zwischen den Findbüchern einzelner Archive, in denen heute die Akten verwahrt werden, fällt dem eingearbeiteten Nutzer sehr leicht, da die Verzeichnungskriterien vor drei Jahrzehnten einheitlich festgelegt worden sind. 2 Die umfangreichen Akten repräsentieren zugleich ein Maß an Modernität dieses Gerichts, die mit heutigen, komplett schriftlich nachvollziehbaren Verfahren verglichen werden kann, obwohl es sich um ein Gericht handelt, das – an der Zeitenwende vom Mittelalter zur Neuzeit auf dem berühmten Wormser Reichstag von 1495 initiiert – über drei Jahrhunderte die Rechtsprechung im Reich mitbestimmte und überprüfte. Natürlich war dieser Reichstag kein „europäisches Ereignis“, jedoch der Ausgangspunkt einer institutionellen Integration im Alten Reich, in dessen Folge zur Durchsetzung und Wahrung des gerade verkündeten Ewigen Landfriedens Institutionen wie die Reichskreise 3 und eben
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An dieser Stelle sei nur auf die zwei Findbücher verwiesen, die für diese Arbeit grundlegend sind: H.-K. STEIN-STEGEMANN (Bearb.), Findbuch der Reichskammergerichtsakten im Staatsarchiv Hamburg, 4 Teile (Veröffentlichungen aus dem Staatsarchiv der Freien und Hansestadt Hamburg, XIII = Inventar der Akten des Reichskammergerichts, 21), Hamburg 1993-95. I. KALTWASSER (Bearb.), Inventar der Akten des Reichskammergerichts 1495-1806: Frankfurter Bestand (Veröffentlichungen der Frankfurter Historischen Kommission, 21), Frankfurt a. M. 2000. Inzwischen sind allerdings die ersten Bände der Reichshofratsakten erschienen (als Beispiel sei der erste Band genannt: W. SELLERT [Hrsg.], E. ORTLIEB [Bearb.], Die Akten des Kaiserlichen Reichshofrats, Ser. 1: Alte Prager Akten Bd. 1 A-D, Berlin 2009), die nach einem vergleichbaren Schema einige tausend Fälle verzeichnen und damit der Forschung in gut zugänglicher Form zur Verfügung stellen. Zu Recht müsste hier präzisiert werden, dass die Reichskreise ursprünglich die Wahlkreise für das Reichsregiment bildeten, doch übten sie diese Funktion nur sehr kurz aus und dienten bald u. a. als Exekutionsorgane für Reichskammergerichtsurteile. Siehe dazu im Überblick A. GOTTHARD, Das Alte Reich 1495-1806, Darmstadt 2005, S. 25 ff., sowie P. C. HARTMANN (Hrsg.), Regionen in der Frühen Neuzeit. Reichskreise im deutschen Raum, Provinzen in Frankreich, Regionen unter polnischer Oberhoheit: Ein Vergleich ihrer Strukturen, Funktionen und ihrer Bedeutung (ZHF, Beiheft 17), Berlin 1994.
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Einleitung
auch das Reichskammergericht gegründet wurden. 4 1806 scheiterte das Alte Reich, als der letzte Kaiser des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation, Franz II., abdankte.5 Das Reichskammergericht als eine der Institutionen des untergegangenen Reiches war Teil der Geschichte geworden.
1. Forschungsziele und Gliederung Die vorliegende Untersuchung beschäftigt sich mit einem Vergleich der Reichskammergerichts-Prozesse aus Hamburg und Frankfurt unter besonderer Berücksichtigung der Handels- und Gewerbeprozesse im gesamten Zeitraum der Existenz des Gerichts, also zwischen 1495 und 1806. 6 Erst in den letzten Jahren ist die Bedeutung der Reichsgerichtsbarkeit für die Integration der „königsfernen“ bzw. „reichsfernen“ Regionen Norddeutschlands – in unserem Falle also Hamburgs – in das politische System des Heiligen Römischen Reiches deutlich geworden, obwohl, wie in der Folge gezeigt wird, die Bezeichnung „reichsfern“ nur bestenfalls in geografischer Hinsicht gerechtfertigt ist. Die Untersuchung der Prozesse aus Hamburg und Frankfurt ermöglicht Aussagen über die Intensität dieser Integration. Gleichzeitig gibt sie Aufschluss über die unterschiedlichen strukturellen Probleme zweier Handels- und Gewerbezentren sowie ihre Einbindung in die institutionellen Rahmenbedingungen der frühneuzeitlichen Wirtschaft. Diese Abhandlung wird vergleichend das Prozessaufkommen der Reichsstädte Hamburg und Frankfurt am Main bzw. ihrer Bewohner am Reichskammergericht betrachten. Sowohl Frankfurt – als wichtigste Messestadt in der Mitte des Reiches –, als auch Hamburg – das seeseitige Tor des Reiches nach Norden und Westen – erlangten eine ganz besondere Bedeutung für die europä-
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G. SCHMIDT, Geschichte des Alten Reiches. Staat und Nation in der Frühen Neuzeit 1495-1806, München 1999, S. 33 ff. Zum Reichsende siehe u. a. W. BURGDORF, Ein Weltbild verliert seine Welt. Der Untergang des Alten Reiches und die Generation 1806 (Bibliothek Altes Reich, 2), München 2006, und M. NORTH, R. RIEMER (Hrsg.), Das Ende des Alten Reiches im Ostseeraum. Wahrnehmungen und Transformationen, Köln-Weimar-Wien 2008. In einige Fälle sind tatsächlich die Städte nicht nur als territoriale Gerichtsinstanz und Heimatstadt der Prozessbeteiligten involviert, sondern gehören selbst zu den Prozessparteien (z. B. wenn es um Klagen gegen den Rat der Stadt oder die Zahlung von Steuern auf Reichsebene geht).
Einleitung
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ische Kaufmannschaft als zwei der wichtigsten Handelsplätze und Finanzzentren des Alten Reiches. Beide Städte waren dabei in unterschiedlichem Maße in die verfassungsrechtlichen Strukturen des Reichsverbandes integriert. Während Frankfurt schon durch die formale Festschreibung als Wahlort der deutschen Könige durch die Goldene Bulle von 1356 und als Krönungsstätte seit 1562 eine herausgehobene Stellung unter den Reichsstädten genoss, blieb der Reichsstadtstatus Hamburgs faktisch bis 1768 zwischen dem Reich und der dänischen Krone umstritten. Daher kann gerade die Frage der Inanspruchnahme der Reichsgerichtsbarkeit – in unserem Fall des Reichskammergerichts – als Gradmesser für die institutionelle Integration beider Städte in das System des Alten Reiches dienen. Die wichtigste Frage ist dabei jene: Wer wendet sich mit welchen Fällen an das Reichskammergericht? Diese Frage kann mit Hilfe einer quantifizierenden Auswertung7 der Prozesse beantwortet werden, die Aussagen zu den Klägern und Beklagten, den Prozessgegenständen, der -dauer, der Verteilung der Prozesse über den Betrachtungszeitraum und dem juristischen Verfahren selbst liefert. Dazu wurde eine Fallsammlung mit den Prozessangaben aus den jeweiligen Findbüchern für Hamburg und Frankfurt erstellt, die der quantitativen
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Der Begriff einer „statistischen“ Auswertung greift an dieser Stelle zu weit – und wird deshalb bewusst vermieden –, da es sich eher um ein Auszählen, also Quantifizieren handelt. Dieses „kann lediglich Tendenzen anhand des überlieferten historischen Materials liefern“, d. h., die in den nächsten Kapitel präsentierten Zahlen „spiegeln die Trends der bekannten Prozesse wider, geben uns allerdings keine Informationen über etwaige Aktenverluste, die im Laufe der Jahrhunderte aufgetreten sein können (z. B. in Zusammenhang mit der Beschlagnahme des Reichskammergerichts-Archivs seitens der Franzosen 1689). Sollten diese Verluste […] nicht gleichmäßig über den Untersuchungszeitraum verteilt sein, ergäben sich Verschiebungen bei einzelnen Trends; ansonsten würden sich wahrscheinlich nur die absolute Zahl der Fälle, nicht aber die in ihnen ausgedrückten Trends ändern.“ (R. RIEMER, Hamburg und Frankfurt vor dem Reichskammergericht: Ein Vergleich unter besonderer Berücksichtigung der Handels- und Handwerksprozesse, in: A. Amend, A. Baumann, S. Wendehorst, S. Wunderlich [Hrsg.], Die Reichsstadt Frankfurt als Rechts- und Gerichtslandschaft im Römisch-Deutschen Reich [Bibliothek Altes Reich, 3], München 2008, S. 265-283, hier S. 265 f., FN 4.) Auch Anja AmendTraut charakterisiert ihre Methode in der Untersuchung der „Wechselverbindlichkeiten vor dem Reichskammergericht“ zu recht als „quantifizierend“ (vgl. A. AMEND-TRAUT, Wechselverbindlichkeiten vor dem Reichskammergericht. Praktiziertes Zivilrecht in der Frühen Neuzeit [Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, 54], Köln-Weimar-Wien 2009, S. 78 ff.), da gegenüber einer „echten“ Statistik Arbeitsschritte wie die Datenbereinigung fehlen. Diese ist in der hier vorliegenden Arbeit allerdings auch nicht notwendig; auf grundsätzliche Probleme mit dem Zustandekommen der Auswahl (Überlieferungsprobleme) ist bereits hingewiesen worden.
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Einleitung
Ebene der Untersuchung als Basis dient. Da die bisherigen Forschungen zu den Prozessgegenständen einen Schwerpunkt in den Bereichen Familienverband, Geldwirtschaft sowie Handel und Gewerbe erwarten ließen – hier sei nur auf die Greifswalder Untersuchungen zum südlichen Ostseeraum verwiesen 8 –, durfte dies mit einiger Sicherheit auch für die vorliegende Arbeit angenommen werden und wurde letztlich bestätigt. Darüber hinaus können anhand von – teilweise vorhandenen – Berufsbezeichnungen, Titelangaben und Vermögensaufstellungen differenzierte Angaben zu den Prozessbeteiligten gemacht werden. Zur Klärung der Frage, ob Unterschiede in der Einbindung beider Städte in das Alte Reich anhand der Prozessakten nachweisbar sind, werden die vorhandenen Daten nach Antworten auf folgende Fragen hin untersucht: Gibt es signifikante quantitative Unterschiede zwischen Hamburg und Frankfurt in der Gesamtzahl der Prozesse? Wann tauchen jeweils die ersten Prozesse am Reichskammergericht auf? Wie verteilen sich die Prozesse über die drei Jahrhunderte? Sind die feststellbaren Tendenzen gleich, ähnlich oder deutlich sichtbar verschieden? Egal, zu welchem Ergebnis die Beantwortung der letzten Frage führt, es schließt sich automatisch eine weitere an: Warum ist das so? Lassen sich mögliche signifikante Unterschiede zwischen beiden Städten mit deren geografischer Lage erklären oder gibt es in der jeweiligen Stadtgeschichte Ereignisse, die – ebenso wie Entwicklungen im Reich – kurz- oder langfristige Auswirkungen auf das Prozessaufkommen haben? Die Einordnung der ca. 3.000 Prozesse erfolgt nach den Prozesskategorien Ranieris bzw. denen Jörns und Freitags9, um eine Vergleichbarkeit dieser Untersuchung mit den früheren Forschungen zu ermöglichen. Dennoch wird es nicht ausbleiben, eine teilweise Umordnung der Prozesse nach den beteiligten Parteien für den zweiten Hauptteil dieser Arbeit vorzunehmen, um die Fälle für die Betrachtung aus der Handels- oder Handwerksperspektive sinnvoll zusammenzufassen. Doch dazu später mehr. Nach der Art der Verfahren wird ebenfalls gefragt, allerdings vor allem zur Vervollständigung der quantifizierenden Untersuchung. Denn – wie etwa während der Tagung des Netzwerkes Reichsgerichtsbarkeit 200510 deutlich wurde – 8 9
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Siehe ausführlich dazu Kapitel I.2 zum Forschungsstand. Siehe ausführlich dazu Kapitel II.1 zur Klassifizierung der ReichskammergerichtsProzesse nach Ranieri. 4. Netzwerktagung des Netzwerkes Reichsgerichtsbarkeit am 7. und 8. April 2005 im Reichskammergerichts-Museum in Wetzlar (veranstaltet von der Gesellschaft für Reichskammergerichtsforschung) unter dem Titel: „Gerichtslandschaft Altes Reich? Reichsgerichtsbarkeit und Rechtsraum“.
Einleitung
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die Interessen bzw. Fragen von Juristen und Historikern bezüglich der Reichskammergerichts-Prozesse sind verschiedener Natur. So machte die Diskussion klar, dass die Rechtshistoriker je nach ihrer fachlichen Herkunft gleiche Begriffe differenziert definieren. Als Beispiel dient hier die Frage nach dem Rechtsraum, den ein Historiker etwa nach der Reichweite eines bestimmten Rechts, z. B. des lübischen definiert. Dem stimmt ein Jurist zweifellos zu, doch seine folgenden Fragen nehmen Bezug auf die Zuständigkeit eines Gerichts, die Weite der Aktenversendung oder auch den Kaiser als Quelle des Rechts.11 Die Fragen eines Historikers betreffen – analog zu der vorliegenden Untersuchung – anstelle der spezifischen Art eines juristischen Verfahrens, Feinheiten der Prozessordnung oder Auslegung bzw. Interpretation richterlicher Spruchtätigkeit12 den eigentlichen Inhalt des Verfahrens und dessen historische Dimension, d. h. seine Verknüpfung bzw. Einbindung in die Geschichte mittels des Prozessgegenstandes und der Beteiligten. Diese differierende Herangehensweise an rechtshistorische Fragen ist zugleich der Grund dafür, dass beispielsweise die in den hier zu betrachtenden Prozessen verwendeten Rechtsnormen ausgeblendet werden. Die Frage nach der Anwendung eines lokalen oder regionalen oder eben des Römischen Rechts ist unerheblich für die hier zu analysierende Materie der Einzelfälle und muss an anderer Stelle geschehen.13 Den möglichen Einwand, dass Fälle an das Reichskammergericht gelangen, weil sich die Parteien über die Relevanz der für die richterliche Entscheidung grundlegenden Rechtsnorm nicht einig sind (wobei unerheblich ist, ob diese als Gewohnheitsrecht nur verbal tradiert oder als Kompilation oder Kodifikation schriftlich fixiert vorliegt), kann der Hinweis entkräften, dass nicht nur ausschließlich solche Fälle an das Reichskammergericht herangetragen werden. Da in vielen ReichskammergerichtsProzessen Urteile der niederen Instanzen trotz prinzipieller Einigkeit über die Anwendung einer bestimmten Rechtsnorm angefochten werden, sind widerstreitende Rechtsnormen nicht der Hauptgrund für die Appellation einer der Parteien, sondern die generelle Unzufriedenheit mit dem Ausgang des Prozesses oder auch der Versuch, unter Zuhilfenahme eines Rechtsmittels den Aufschub oder die Abwendung einer drohenden Zahlung zu erlangen. Aus diesem Grund 11
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Aus einem Diskussionsbeitrag Peter Oestmanns bei der in FN 10 genannten Tagung am 2. Tag nach einem Vortrag von Matthias Schnettger zum Thema „Reichshofrat und Plenipotenz. Annäherung an ein spannungsreiches Verhältnis“. Bsp. in P. OESTMANN, Rechtsvielfalt vor Gericht. Rechtsanwendung und Partikularrecht im Alten Reich (Rechtssprechung. Materialien und Studien. Veröffentlichungen des MaxPlanck-Instituts für Europäische Rechtsgeschichte Frankfurt am Main, 18), Frankfurt a. M. 2002, S. 1 ff., Beispiel in der Einleitung. Siehe dazu weitere Hinweise in Kapitel I.2 zum Forschungsstand.
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Einleitung
unterbleibt auch die Untersuchung, ob es in den ausgewählten Hamburger und Frankfurter Fällen überhaupt ein Urteil gegeben hat und wenn ja, inwieweit sich etwa die Positionen der Parteien in diesem Richterspruch widerspiegeln – diese Frage ist nicht relevant für die Betrachtung der Prozessinhalte an sich. So kann es aus verschiedenen Gründen zum Ausbleiben eines Urteils kommen, u. a. häufig dann, wenn eine der Parteien verstirbt und es keine Erben gibt bzw. keine der Parteien ein Interesse an der Fortsetzung der Sache am Reichskammergericht hat. Die Prozessdauer ist einer der – tatsächlichen oder angenommenen – Gründe, warum das Reichskammergericht lange Zeit sowohl von den Zeitgenossen als auch in der historischen Nachbetrachtung als sehr ineffizient wahrgenommen wurde. Auch wenn die ursprünglichen, durch einige negative Aussagen beeinflussten Vorstellungen zur Länge der einzelnen Prozesse z. B. in den Untersuchungen zur Reichsgerichtsbarkeit im südlichen Ostseeraum 14 deutlich widerlegt worden sind, wird die Frage auch in dieser Arbeit nochmals aufgeworfen – allerdings sofort unter der Annahme, dass die Prozesslängen Hamburgs und Frankfurts nicht über das in neueren Forschungen dargestellte Maß hinausreichen sollten. Viel interessanter werden folgende Fragen sein: Welchen Gegenstands sind mögliche Ausreißer unter den Prozessen (z. B. die 50 und mehr Jahre andauernden Fälle)? Sind in bestimmten Zeiträumen Einflüsse auf das Gericht und damit die Prozesslängen feststellbar, z. B. Blockaden der Tätigkeit des Gerichts oder Ereignisse wie der Dreißigjährige Krieg? Neben den bisher aufgezeigten Untersuchungsgegenständen kommen zwei weitere in Betracht, die eine nähere Ansicht verdienen. Zum einen handelt es sich um den Standort der Prozessparteien bzw. deren Entfernung voneinander, zum anderen um Aussagen zum sozialen Status der Verfahrensbeteiligten. Woher also stammen die Prozessteilnehmer, abgesehen natürlich von denen, die aus Hamburg und Frankfurt selbst kommen? Sind sie nur aus den direkt an die beiden Städte angrenzenden Territorien, oder stammen die Beteiligten – gerade im Zusammenhang mit Frankfurt als Messestadt – aus dem ganzen Alten Reich oder sogar aus Gebieten über dessen Grenzen hinaus? Auch die Frage nach dem sozialen Status der Parteien verspricht einige interessante Ergebnisse, wenn sie auch für den zweiten Hauptteil der Untersuchung naturgemäß weniger relevant sind, da es sich bei den dann Betrachteten vornehmlich um Handwerker und Kaufleute handeln wird. Doch haben selbstverständlich nicht nur diese
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N. JÖRN, M. NORTH (Hrsg.), Die Integration des südlichen Ostseeraumes in das Alte Reich (Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, 35), Köln-Weimar-Wien 2000.
Einleitung
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Teile der städtischen Bevölkerung Prozesse am Reichskammergericht geführt, sondern auch Angehörige des ersten und zweiten Standes, die in Konflikt mit Stadtbewohnern geraten sind, sowie auch städtische Institutionen wie der Rat der Stadt (oder in seiner Vertretung der Bürgermeister und andere städtische Bedienstete) oder Zünfte. Zusätzlich ist von Interesse, ob sich einzelne Prozessparteien oder Bevölkerungsgruppen als besonders „streitsüchtig“ definieren lassen, also häufig an Prozessen beteiligt sind. Wie könnte das erklärt werden? Möglich ist ein Blick auf die Streitsummen, welche die im Privilegium de non appellando festgelegten Werte normalerweise übersteigen müssen, um an das Reichskammergericht appellieren zu können. Wer kann es sich überhaupt leisten, das Reichskammergericht in Anspruch zu nehmen? Der Zug durch die Gerichtsinstanzen beginnt meistens eben nicht erst am Reichskammergericht, sondern kann mehrere Vorinstanzen umfassen. Alle diese Befunde werden nicht für sich allein betrachtet; sie sind ohne Zweifel nur mittels Einbindung in die Geschichte des Reichskammergerichts und des Alten Reiches zu interpretieren. Neben einer Bedrohung des Gerichts durch eine auswärtige Macht wie Frankreich, weshalb es am Ende des 17. Jahrhunderts von Speyer nach Wetzlar umzog, sind auch Einflüsse beispielsweise in Folge einer internen Blockade des Gerichts aufgrund der Glaubensspaltung denkbar. Immerhin reagierte der Kaiser auf den religiösen Ausgleich des Augsburger Religionsfriedens mit einer Aufstockung seines Kammergerichts durch protestantisches Personal, doch hatte diese Maßnahme vor allem zur Folge, dass die ohnehin zu knappen Mittel jetzt für noch mehr Stellen ausreichen mussten.15 Daneben ist die wirtschaftliche Entwicklung im Reich und – besonders im Hinblick auf Frankfurts Reichweite als wichtige europäische Messestadt – über dessen Grenzen hinaus zu beachten, die in Zeiten von Konjunkturen wegen der größeren Zahl der Handelsgeschäfte zu einer Zunahme von Prozessen führen könnte; doch ist ebenso der umgekehrte Fall denkbar, dass wegen schlechter Wirtschaftslage vermehrt Prozesse um ausstehende Zahlungen, geplatzte Wechsel usw. geführt werden müssen.16 Nach der quantifizierenden Analyse aller Reichskammergerichts-Prozesse aus Hamburg und Frankfurt in Kapitel II folgt im zweiten Hauptteil der Arbeit die Untersuchung der Kategorie der Handels-, Gewerbe- und geldwirtschaftlichen Prozesse. Auch hier wird erneut auf quantifizierende Methoden zur Einteilung der Prozessgegenstände zurückgegriffen sowie die vor Gericht tretenden 15
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Auf eine ausführliche Darstellung der Geschichte des RKGs oder der Wirtschaft im Alten Reich wird bewusst verzichtet, da es zu diesen Themen umfangreiche Darstellungen gibt, auf die im Kapitel I.2 zum Forschungsstand hingewiesen wird. Siehe dazu ausführlich Kapitel III; erste Tendenzen finden sich auch schon in Kapitel II.
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Einleitung
Parteien betrachtet (sowohl Kläger- bzw. Appellanten- als auch auf Beklagtenbzw. Appellatenseite). Zur besseren Verdeutlichung der gewonnenen Erkenntnisse erfolgt neben der Differenzierung der Prozessgegenstände eine begleitende Präsentation von Prozessbeispielen, bevor am Ende der Kapitel III und IV jeweils für Hamburg und Frankfurt ein Handels- und ein Gewerbefall ausführlicher vorgestellt wird. Diese Beispiele sollen den Ablauf des Prozesses und die Argumentation der Parteien beleuchten. Die Auswahl erfolgte dabei nach der Überlieferungsqualität und dem subjektiv als interessant empfundenen Prozessinhalt. Die Antwort auf die Frage, ob es sich dabei um typische, verallgemeinerungsfähige Beispielprozesse handelt, ist wegen der stark differierenden Überlieferungssituation und der inhaltlichen Vielfalt aller Prozesse aus Hamburg und Frankfurt kaum zu beantworten, doch handelt es sich zumindest in den Bereichen Handel und Gewerbe um Fälle, die in ihrem – ohnehin von den Reichskammergerichts-Ordnungen geregeltem – Verlauf so aussagekräftig sind, dass sie als Beispiel dienen, ohne damit die gesamte Breite an Nuancierungen und Abweichungen vom idealen Prozessverlauf und den auftretenden inhaltlichen Variationen darstellen zu können. Dabei ist zu beachten, dass die Prozesse nicht nur den nochmals zu differenzierenden Kategorien Handel und Gewerbe sowie Geldwirtschaft, sondern etwa auch den Bereichen Familienverband und Grund- und Bodenwirtschaft zuzuordnen sind, wenn sie unter der Beteiligung von Handwerkern oder Kaufleuten stattfinden oder beispielsweise im Rahmen eines Erbschaftsprozesses auch um Wechselschulden gestritten wird. Mit diesem Übergriff auf benachbarte Kategorien sollen die rechtlichen Probleme aufgezeigt werden, die sich für Händler und Handwerker neben ihren eigentlichen, berufsbedingten Streitigkeiten ergaben. Auch ist die Abgrenzung zwischen den Kategorien Handel und Gewerbe einer- und Geldwirtschaft andererseits nicht immer ohne weiteres möglich: Wenn in einem Prozess die Befriedigung allgemeiner Schuldforderungen aus Schuldscheinen mittels Pfändung beklagt oder gefordert werden, sind beide Kategorien betroffen. Überhaupt ist in der Frühen Neuzeit wegen des längst vollzogen Wandels vom Tausch- zum monetär basierten Handel das Geld aus kaum einem Handelsprozess wegzudenken. Wenn sich aus der Versicherung einer nicht geleisteten Lieferung (Handel und Gewerbe) Schadenersatzforderungen (Geldwirtschaft) ergeben, wäre es einfach zu argumentieren, ohne die nicht erbrachte Leistung gäbe es keine Frage nach dem Schadensersatz. Das ist sicher auch richtig, doch gibt es eben auch Prozesse, die zwar Forderungen nach Schadenersatz stellen, dies aber in einer Form, dass mit Hilfe der – even-
Einleitung
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tuell unvollständigen17 – Akten keine Aussage zum Gegenstand gemacht werden kann (es könnte sich beispielsweise um eine Schadensersatzforderung wegen der Verletzung staatlich-hoheitlicher Rechte handeln). Die Untersuchungen im Bereich der Handelsprozesse fragen nach den Kontakten der Kaufleute aus Hamburg und Frankfurt in das Alte Reich bzw. über dessen Grenzen hinaus. Wie weit reichen die in den Prozessakten nachweisbaren Handelsbeziehungen beider Städte? Sind in Frankfurt Prozesse nachweisbar, an denen – weil es sich bei den Parteien um Messeteilnehmer handelt – keine Frankfurter beteiligt sind? Agieren Kaufleute in den untersuchten Städten als Vertreter in Rechtsangelegenheiten für ihre auswärtigen Kollegen? Durch die schon betonte geografische Entfernung Hamburgs und Frankfurts voneinander und ihre Lage im Alten Reich bietet es sich an, nicht nur im allgemeinen Teil der Untersuchung nach verschiedener Gewichtung bei den Prozessgegenständen zu fragen, sondern auch innerhalb der Kategorie Handel und Gewerbe (bzw. Geldwirtschaft, aus den schon genannten Gründen für die Einbeziehung dieser Kategorie), ob regionale Unterschiede feststellbar sind. Ist in den Hamburger Fällen ein Bezug zum Seehandel nachzuweisen, etwa in Fragen der Schiffsversicherung oder des Walfangs oder -handels? Können in Frankfurter Prozessen Bezüge zur Frühjahrs- oder Herbstmesse hergestellt werden? Wenn ja, um welche Waren oder Dienstleistungen (Geldgewerbe) wird dabei gestritten, wie hoch ist deren Wert (wenn angegeben)? Welcher Art sind die Geldgeschäfte? Wird mit Bargeld gehandelt, gibt es Probleme mit Münzverschlechterungen oder ist eher eine stärkere Nutzung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs festzustellen? Welchen Anteil haben Konkursabwicklungen, Pleiten, Schuldenklärungen – Vorkommnisse, die auch in der heutigen Wirtschaft hochaktuell sind. Spiegeln sich wirtschaftliche Krisen in Auseinandersetzungen um Konkurse am Reichskammergericht wider? Hierbei interessiert gerade im Vergleich beider Städte die Frage, ob die Prozessparteien Absonderungsrechte aus Fallitmassen geltend machten oder in den Vorinstanzen bzw. am Reichskammergericht die Praxis von Konkursverwaltungen beklagten. Anhand einiger Prozessbeispiele aus dem Bereich Handel wird auch auf Gutachten von juristischen Fakultäten und Kaufleuten verwiesen, deren Zahl aber zu gering ist, um allgemeine Handelsnormen zu definieren, da sich die Äußerungen der „Sachverständigen“ auf jeweils sehr eng gefasste, spezifische Einzelprobleme beziehen. Außerdem darf an dieser Stelle nach Kuriositäten unter den Fällen gefragt werden: Gibt es ungewöhnliche Prozessgegenstände, Aussagen von Beteiligten oder Prozessdauern bei den Handelsstreitigkeiten? 17
Siehe dazu ausführlich Kapitel I.3 zu den Quellen.
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Einleitung
Die Gewerbe- bzw. Handwerksfälle sind, wie schon ihre gemeinsame Kategorisierung mit den Handelsprozessen zeigt, in ihren Gegenständen ähnlich gelagert, d. h. auch die Handwerker schlagen sich – salopp ausgedrückt – mit dem gleichen alltäglichen „Mist“ herum wie die Kaufleute. Konkurse, Schuldforderungen, Bemängelung gekaufter oder verkaufter Waren, Wechselprobleme und Streitigkeiten auf der Frankfurter Messe sind keine ausschließlich gewerblichen Merkmale. Dennoch gibt es Unterschiede zu den Händlern, auch wenn die Trennung der Prozessbeteiligten in Kaufmann oder Handwerker in einigen Fällen kaum durchführbar ist.18 Denn mehrere Prozesse finden unter Beteiligung von Personen statt, die beispielsweise in ihrer Berufsbezeichnung als Buchbinder und -händler angesprochen werden. Scheinbar etwas anders gelagert sind Streitigkeiten, an denen eine als Buchdrucker bezeichnete Person teilnimmt. Die Zuordnung in die Sparte Handwerker ist dennoch nicht ohne weiteres möglich, wenn dieser Handwerker vor Gericht zieht oder gezogen wird, weil es Streit um den von ihm selbst durchgeführten Verkauf seiner Bücher auf der Frankfurter Messe gibt. Doch macht gerade dieses Beispiel deutlich, wo eine Grenzziehung zwischen den Berufsbezeichnungen möglich ist: Ein Buchdrucker, der seine Bücher selbst verkauft, ist ein handelnder Handwerker, während im Gegenzug der Kaufmann seine Waren nicht selbst herstellt. Welche Fragen ergeben sich nun speziell für die Handwerksfälle? Lässt die nähere Betrachtung dieser Prozesse umfangreiche Aussagen über die gewerbliche Entwicklung in beiden Städten zu? Wenn nicht, sind die gewonnenen Erkenntnisse wenigstens mit den bekannten Fakten in Übereinstimmung zu bringen oder werden abweichende Tendenzen sichtbar? Überschreiten Streitigkeiten unter Beteiligung von Handwerkern ähnlich den Handelsfällen häufig die Stadtgrenzen, oder befinden sich in diesen Prozessen beide Parteien eher am gleichen Ort? Grundsätzlich wird zu zeigen sein, ob die Auflösung der Handwerkszünfte in Frankfurt im Jahre 1616 unterschiedliche Gegenstände der Gewerbeprozesse im Vergleich zu Hamburg bedingt, wo die Ämter erst 1865 aufgehoben wurden. Damit einher geht die Betrachtung innerstädtischer Konfliktlinien, die aus verschiedener Gesetzgebung herrühren. Innerhalb der einzelnen Zünfte sowie auch zwischen Zünften und dem Magistrat der Stadt kam es zu Streitigkeiten um Fragen der zünftigen Politik. Sind solche Prozesse nachweisbar und welcher Art sind die Differenzen? Sticht eine Zunft hervor, oder gibt es in mehreren Zünften Streitigkeiten? Von Interesse sollte auch die Frage nach einer quantitativen Zunahme der (Handels- und) Handwerksfälle im Verlauf des 18
Ähnlich den Schwierigkeiten, die im Zusammenhang mit der Differenzierung der Handels- und Gewerbe- einerseits und der Geldprozesse andererseits auftreten.
Einleitung
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Untersuchungszeitraumes sein, die ein Indiz für die gestiegene wirtschaftliche Aktivität in beiden Städten wäre.19 Im Jahr 2006 hat Winfried Hassemer in seiner Festansprache zur Eröffnung der Ausstellung „Altes Reich und neues Recht“ den „Nestor der Forschungen zum Reichskammergericht“ Bernhard Diestelkamp zitiert, „daß ,das spezifisch deutsche Vertrauen auf die Reform von oben‘ eine Folge der Reichsjustiz sei“.20 In diesem Zusammenhang spricht Hassemer von einer „besonderen […] positiven historischen Erfahrung“, die das Reichskammergericht „in ein ganz neues Licht“ taucht.21 Mit dem Stichwort „Vertrauen“ ist ein wesentlicher Punkt erwähnt, der als Erklärung dafür dient, warum sich der heutige Historiker mit mehreren zehntausend Reichskammergerichts-Prozessen, von denen mehr als 3.000 auf Hamburg und Frankfurt entfallen, beschäftigen kann – das Vertrauen in die Lösung von Problemen auf dem Rechtsweg über die Anrufung einer oder mehrerer Gerichtsinstanzen. Generell kann für die Frühe Neuzeit festgehalten werden, dass neben einer allgemeinen Verrechtlichung des alltäglichen Lebens besonders auch in wirtschaftlichen Belangen juristische und staatliche Eingriffe spürbar sind. Verwiesen sei an dieser Stelle nur auf die Antimonopolgesetzgebung des Reichstages, die sich gegen Handelsgesellschaften wie die Fugger richtete und deren Umsetzung bzw. Anwendung der Reichsfiskal am Reichskammergericht einklagte.22 Nach diesen gerichtlichen Auseinandersetzungen in
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Wie bereits oben angedeutet, folgen auch bei den Handwerksprozessen neben den permanent auftretenden Beispielen die ausführlichen Darstellungen zweier Prozesse, die nach denselben Vorgaben wie die Handelsprozesse ausgewählt wurden. Dabei handelt es sich u. a. um den Prozess mehrerer Brunnenmeister in Hamburg, die sich mit dem Drechsleramt gerichtlich darüber verständigen müssen, wem das Recht zusteht, Pumpen und Brunnenhölzer herzustellen und zu reparieren. Dieser Prozess war am Reichskammergericht vier Jahre anhängig, doch bereits vom Vater eines Klägers ein Vierteljahrhundert zuvor in Hamburg eröffnet worden. Christian Fischer, Johann Kasimir Faist und Johann Gottlieb Krusch, „Kunstmeister“ (Brunnenmeister der Wasserkunst) in Hamburg appellierten in einem Prozess gegen das Amt der Drechsler (STEIN-STEGEMANN, S. 386 f., H80). W. HASSEMER, Notizen über Gerichtsbarkeit (Schriftenreihe der Gesellschaft für Reichskammergerichtsforschung, 33), Wetzlar 2007, S. 5. HASSEMER, S. 5. M. NORTH, Von der atlantischen Handelsexpansion bis zu den Agrarreformen 14501815, in: Michael North (Hrsg.), Deutsche Wirtschaftsgeschichte. Ein Jahrtausend im Überblick, München 2005. S. 102-196, hier S. 176 f. Siehe auch B. MERTENS, Im Kampf gegen die Monopole. Reichstagsverhandlungen und Monopolprozesse im frühen 16. Jahrhundert (Tübinger rechtswissenschaftliche Abhandlungen, 81), Tübingen 1996, sowie A. AMEND-TRAUT, Brentano, Fugger und Konsorten – Handelsgesellschaften vor
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der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts kam es in der zweiten Hälfte zu reichswirtschaftspolitischen Maßnahmen gegen „Mißbräuche der Zünfte“, „Ausfuhrverbote bestimmter Güter“ und „Niederlassungsverbote“ für englische Tuchimporteure23, die jeweils Gerichtsprozesse nach sich zogen. Aus den quantifizierenden Untersuchungen (Kapitel II-IV) wird ersichtlich, dass der Anteil der Prozesse mit Bezug zu Handel und Gewerbe hoch ist und grundsätzlich in der 300jährigen Existenz des Reichskammergerichts zunimmt, womit zugleich deutlich wird, welche stabilisierende Wirkung den Reichsgerichten (Reichskammergericht und Reichshofrat) gerade in wirtschaftlich basierten Streitfällen zukam, da sie „überregionale Rechtssicherheit und Vertrauen“24 generierten. Die Frage nach der grundsätzlichen Motivation der Parteien, sich mit juristischen Problemen in wirtschaftsrelevanten Bereichen an das Reichskammergericht zu wenden, erübrigt sich damit für die folgende Untersuchung – die bloße Existenz des Gerichts und die Möglichkeit, außerhalb der heimischen – in unserem Fall städtischen – Obergerichte eine unabhängige Instanz anzurufen, schufen ein ausreichendes Vertrauen bei den Parteien, sich dieser Institution auch zu bedienen. Nach dieser Einleitung (Kapitel I mit den noch folgenden Teilkapiteln zum Forschungsstand und den Quellen) folgt der aus drei Kapiteln bestehende Hauptteil dieser Abhandlung, die sich im II. Kapitel mit der quantifizierenden Analyse der knapp über 3.000 Reichskammergerichts-Prozesse aus Hamburg und Frankfurt und deren Interpretation beschäftigt. Die Kapitel III und IV stellen dann Handels- und Handwerksprozesse beider Städte sowie die Gruppen der Kaufleute und Handwerker vor, vergleichen diese wiederum – wenn möglich – mit einander. Zur Unterstützung der textuellen Aussagen erfolgt die Darstellung der gewonnenen Erkenntnisse außerdem in Form von Tabellen und Karten. Kapitel V fasst – zusätzlich zu Vergleich und Fazit am Ende der Kapitel II-IV – die gewonnenen Erkenntnisse noch einmal kurz zusammen.
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dem Reichskammergericht (Schriftenreihe der Gesellschaft für Reichskammergerichtsforschung, 37), Wetzlar 2009. NORTH, Handelsexpansion, S. 177. NORTH, Handelsexpansion, S. 195.
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2. Forschungsstand25 Im Jahre 1495 wurde das Reichskammergericht vor dem Hintergrund der Reichsreformdiskussion des 15. Jahrhunderts als Nachfolgeinstitution des Königlichen Kammergerichts gegründet. Damit reagierten die Reichsstände auf den zunehmenden Funktionsverlust des spätmittelalterlichen Königtums in seiner Rolle als Wahrer des inneren Friedens. So entstand 1495 unter Beteiligung der Reichsstände an Besetzung und Unterhalt des Gerichts eine Instanz, die anfänglich vor allem die Funktion der Wiederherstellung und der Wahrung des Landfriedens ausfüllen und die Konfliktlösung mittels des Fehdewesens unterbinden sollte. Die Beschäftigung mit dem Reichskammergericht ist kein Phänomen der letzten Jahrzehnte, sondern begann noch zu Zeiten der Existenz des Gerichts. Die umfangreiche zeitgenössische Literatur zur Rechtsprechung und Verfassung des Reichskammergerichts – die in der vorliegenden Untersuchung bewusst ausgeblendet wird – dokumentierte schon der Assessor Fahnenberg 26 , während die wohlhabenden Reichsstände in den lang andauernden „politischen“ Prozessen mit Hilfe der Medien Stimmung für ihre Sache und gegen das Gericht machten.27 Die nach wie vor jüngste umfassende – freilich überarbeitungsbedürftige – Monographie über den Gerichtshof stammt aus der Feder Rudolf Smends.28 Nach dem Zweiten Weltkrieg erhielten die Forschungen zur Reichsgerichtsbarkeit einen enormen Aufschwung, als die Rechtsgeschichte sich dem Thema mit neuen Fragen näherte. Damit einher ging eine Neuverzeichnung der Reichskammergerichts-Akten29 , die Arbeiten wie die hier vorliegende ermög25
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Die Ausführungen zum Forschungsstand beziehen sich auf für die Arbeit relevante Bereiche, also Untersuchungen zum RKG sowie besonders wirtschaftliche und soziale Entwicklungen in Hamburg und Frankfurt. E. J. K. v. FAHNENBERG, Litteratur des Kaiserlichen Reichskammergerichts, Wetzlar 1792. T. FREITAG, N. JÖRN, Zur Inanspruchnahme der obersten Reichsgerichte im südlichen Ostseeraum 1495-1806, in: N. JÖRN, M. NORTH (Hrsg.), Die Integration des südlichen Ostseeraumes in das Alte Reich (Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, 35), Köln-Weimar-Wien 2000, S. 39-141, hier S. 119 ff. R. SMEND, Das Reichskammergericht. 1. Teil: Geschichte und Verfassung (Quellen und Studien zur Verfassungsgeschichte des Deutschen Reiches in Mittelalter und Neuzeit, IV, 3), Weimar 1911. Ganz neu ist inzwischen erschienen C. KAUERTZ (Bearb.), Die Akten des Reichskammergerichts im Hauptstaatsarchiv Hannover: Hochstift Hildesheim und benachbarte
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lichten. Seit 1985 werden die in- und ausländischen Forschungen zum Reichskammergericht in der Gesellschaft für Reichskammergerichtsforschung zusammengefasst, auf deren Veranstaltungen für Juristen, Rechtshistoriker, Historiker, Archivare sowie interessierte Laien die Möglichkeit des Austausches, der Diskussion und der wechselseitigen Anregung besteht.30 Eine der Früchte dieser Arbeit ist die Schriftenreihe der Gesellschaft für Reichskammergerichtsforschung, die zu verschiedenen, das Reichskammergericht betreffenden Themen referiert.31 Im Rahmen der Reihe „Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich“ sind dann seit 1973 zahlreiche Beiträge veröffentlicht worden, die sich mit verschiedenen Fragestellungen dem Thema genähert und unsere Kenntnisse über die Institution Reichskammergericht erheblich erweitert haben. Weitere Impulse für die Forschung gingen von der 1985 gegründeten Gesellschaft für Reichskammergerichtsforschung in Wetzlar aus. Verfassungsrechtliche Schwerpunkte wurden durch die Einordnung des Reichskammergerichts in die politischen Strukturen des Alten Reiches gesetzt (Diestelkamp; Ranieri; Duchhardt; Jahns; Götte).32
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Territorien 1495-1806 (Inventar der Akten des Reichskammergerichts, 30), Hannover 2009. B. DIESTELKAMP, Das Reichskammergericht in der deutschen Geschichte (Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, 21), Köln-Wien 1990, S. 1. Wie groß die internationale Bandbreite der RKG-Forschung ist, wurde auf der Tagung der Gesellschaft im April 2005 deutlich. Neben – zum Teil referierenden – Gästen aus Österreich, Frankreich und den Niederlanden, konnte mit Masaki Taguchi erstmals auch ein Japaner begrüßt werden. Schriftenreihe der Gesellschaft für Reichskammergerichtsforschung, Wetzlar 1985-2009. Bisher sind u. a. folgende Titel erschienen: B. DIESTELKAMP, Das Reichskammergericht im Rechtsleben des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation (SGR 1), Wetzlar 1985. F. RANIERI, Die Arbeit des Reichskammergerichts in Wetzlar. Kontinuität und Diskontinuität im Vergleich zur Speyerer Zeit (SGR 4), Wetzlar 1988. W. SCHULZE, Reichskammergericht und Reichsfinanzverfassung im 16. und 17. Jahrhundert (SGR 6), Wetzlar 1989, sowie mehrere bereits im Kapitel I.1 zu den Forschungszielen zitierte aktuelle Hefte. B. DIESTELKAMP, Das Reichskammergericht im Rechtsleben des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation (Schriftenreihe der Gesellschaft für Reichskammergerichtsforschung, 1), Wetzlar 1985. RANIERI, RKG in Wetzlar. H. DUCHHARDT, Der Kampf um die Parität im Kammerrichteramt zwischen Augsburger Religionsfrieden und 30jährigem Krieg, in: Archiv für Reformationsgeschichte 69/1978, S. 201-218. H. DUCHHARDT, Reichsritterschaft und Reichskammergericht, in: ZHF 5/1978, S. 315-337. H. DUCHHARDT, Das Reichskammergericht im Verfassungsgefüge des Alten Reiches, in: I. SCHEURMANN (Hrsg.), Frieden durch Recht. Das Reichskammergericht von 1495-1806, Mainz 1994 [Ausstellungskatalog], S. 35-39. S. JAHNS, Die Reichsjustiz als Spiegel der
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Ein Forschungsansatz verfolgt schwerpunktmäßig einzelne Streitgegenstände und bestimmte Prozesse. Dazu zählt beispielsweise die Arbeit von AmendTraut zu Wechselrechtsfällen am Reichskammergericht, die einerseits das Alte Reich und wichtige europäische Handels- und Messeplätze der Neuzeit betreffen, andererseits in besonderem Maße Frankfurter Wechselprozesse thematisieren.33 Weitere Einzelausschnitte finden sich bei Westphal und Amend-Traut zu zivilrechtlichen Problemen34, sowie bei Amend-Traut zu Handelsgesellschaften und von Nordloh zu Kölner Zunftprozessen, in die jeweils das Reichskammergericht involviert war35. Alle diese Untersuchungen erfassen aufgrund ihres Ansatzes Ausschnitte aus dem Klageverhalten einzelner Territorien bzw. Städte. Ein entsprechender Gesamtüberblick ist dagegen nur durch eine quantitative Auswertung zu erreichen, die bisher weitgehend fehlt. Die Ausnahme bildet die Habilitationsschrift Filip-
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Reichs- und Religionsverfassung, in: K. BUSSMANN, H. SCHILLING (Hrsg.), 1648. Krieg und Frieden in Europa, Textband 1: Politik, Religion, Recht und Gesellschaft, Münster 1998, S. 455-463. H.-M. GÖTTE, Der Jüngste Reichsabschied und die Reform des Reichskammergerichts, Diss. München 1998. – Darüber hinaus erstellte Eisenhardt eine Übersicht über die Appellationsprivilegien der einzelnen Reichsstände und analysierte deren rechtsgeschichtliche Bedeutung (U. EISENHARDT, Die kaiserlichen Privilegia de non appellando [Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, 7], Köln-Wien 1980). Für AMEND-TRAUT siehe FN 7. Siehe auch das Frankfurter Einzelfallbeispiel zu einem Wechselrechtsprozess von A. AMEND, Gerichtslandschaft Altes Reich im Spiegel einer Wechselbürgschaft, in: A. AMEND, A. BAUMANN, S. WENDEHORST, S. WESTPHAL (Hrsg.), Gerichtslandschaft Altes Reich. Höchste Gerichtsbarkeit und territoriale Rechtsprechung (Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, 52), Köln-Weimar-Wien 2007, S. 7-15. A. AMEND-TRAUT, Die Spruchpraxis der höchsten Reichsgerichte im römisch-deutschen Reich und ihre Bedeutung für die Privatrechtsgeschichte (Schriftenreihe der Gesellschaft für Reichskammergerichtsforschung, 36), Wetzlar 2008. S. WESTPHAL, Ehen vor Gericht – Scheidungen und ihre Folgen am Reichskammergericht (Schriftenreihe der Gesellschaft für Reichskammergerichtsforschung, 35), Wetzlar 2008. Für AMEND-TRAUT 2009 siehe FN 22. P. NORDLOH, Kölner Zunftprozesse vor dem Reichskammergericht (Rechtshistorische Reihe, 370), Frankfurt a. M. 2008. Bei Nordloh findet sich auch eine informative Übersicht zur „Stellung des Reichskammergerichts im Rechtsgefüge des Alten Reiches“ (S. 53-64). Zur Rechtsgeschichte des Frankfurter „Zunfthandwerks“ in gerichtlichen Auseinandersetzungen in der Stadt selbst siehe R. BRANDT, Die Grenzen des Sagbaren und des Machbaren. Anmerkungen zur Rechtsgeschichte des Frankfurter „Zunfthandwerks“ während der Frühen Neuzeit, in: A. AMEND, A. BAUMANN, S. WENDEHORST, S. WUNDERLICH (Hrsg.), Die Reichsstadt Frankfurt als Rechts- und Gerichtslandschaft im Römisch-Deutschen Reich (Bibliothek Altes Reich, 3), München 2008. S. 247-264.
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po Ranieris, die erstmals auf der Grundlage umfassender Auswertung von Reichskammergerichts-Akten Aussagen über die Inanspruchnahme des Gerichts in der Speyerer Zeit bis 1689 liefern konnte.36 Ranieris Vorlage wurde für einzelne Regionen des Alten Reiches fruchtbar gemacht und damit der Blick auf komplette Aktenbestände in den einzelnen Archiven gerichtet. Es erschienen Arbeiten über den Niederrheinisch-Westfälischen Kreis (Gabel) und über den südlichen Ostseeraum (Freitag, Jörn), in die auch Untersuchungen zum jährlichen Geschäftsanfall, Streitgegenständen, der Länge der Prozesse und der sozialen Schichtung der Kläger der Stadt Hamburg eingingen. 37 Darüber hinaus liegen eine detaillierte Untersuchung der Inanspruchnahme des Reichskammergerichts durch Lübecker Parteien (Freitag, Jörn), sowie eine Analyse eines umfangreichen Aktenbestandes von Prozessen der Jahre nach 1693, als das Gericht seine Tätigkeit in Wetzlar aufnahm, vor (Baumann).38 Einen Einblick in verschiedene Aspekte der Frankfurter Rechts- und Justizgeschichte – darunter auch die Inanspruchnahme des Reichskammergerichts seitens der Stadt und ihrer Bürger – gewährt der Tagungsband des „Netzwerkes Reichsgerichtsbarkeit“ (Amend u. a.).39
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F. RANIERI, Recht und Gesellschaft im Zeitalter der Rezeption (Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, 17, I-II), Köln-Wien 1985. H. GABEL, Beobachtungen zur territorialen Inanspruchnahme des Reichskammergerichts im Bereich des Niederrheinisch-Westfälischen Kreises, in: B. DIESTELKAMP (Hrsg.), Das Reichskammergericht in der deutschen Geschichte (Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, 21), Köln-Wien 1990, S. 143-172. FREITAG, JÖRN, Inanspruchnahme. N. JÖRN, Greifswald und seine Bewohner vor den obersten Reichsgerichten, in: H. WERNICKE (Hrsg.), Greifswald. Geschichte einer Stadt, Schwerin 2000, S. 289-295. T. FREITAG, N. JÖRN, Lübeck und seine Bewohner vor den obersten Reichsgerichten in der Frühen Neuzeit, in: ZVLGA 81, S. 161-200. A. BAUMANN, Die Gesellschaft der Frühen Neuzeit im Spiegel der Reichskammergerichtsprozesse. Eine sozialgeschichtliche Untersuchung des 17. und 18. Jahrhunderts (Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, 36), Köln-Wien 2001. A. AMEND, A. BAUMANN, S. WENDEHORST, S. WUNDERLICH (Hrsg.), Die Reichsstadt Frankfurt als Rechts- und Gerichtslandschaft im Römisch-Deutschen Reich (Bibliothek Altes Reich, 3), München 2008. Darinnen u. a. der Aufsatz von R. RIEMER, Hamburg und Frankfurt vor dem Reichskammergericht: Ein Vergleich unter besonderer Berücksichtigung der Handels- und Handwerksprozesse, in: A. AMEND, A. BAUMANN, S. WENDEHORST, S. WUNDERLICH (Hrsg.), Die Reichsstadt Frankfurt als Rechts- und Gerichtslandschaft im Römisch-Deutschen Reich (Bibliothek Altes Reich, 3), München 2008, S. 265-283, der eine knappe Zusammenfassung der hier ausführlich vorgestellten Untersuchung zu Hamburg und Frankfurt liefert.
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Die Methode der Erfassung und Auswertung der Findbehelfe zu den Reichskammergerichts-Akten in den Archiven nach dem von Ranieri vorgeschlagenen Muster bietet damit einen Überblick über die in Speyer und Wetzlar vorgetragenen Probleme und die gesellschaftlichen Gruppen, die vorwiegend am Reichskammergericht als Prozessparteien auftraten. Eine Fallstudie über Hamburg und Frankfurt würde die Detailkenntnisse über die Inanspruchnahme des Reichskammergerichts wesentlich erweitern. Ein Vergleich der beiden Städte, die schon am Ende des 16. Jahrhunderts bei unterschiedlichen Voraussetzungen zu den wichtigsten Handels- und Finanzzentren sowie Gewerbeplätzen des Alten Reiches zählten, erscheint hier besonders unter wirtschaftsgeschichtlichen Fragestellungen interessant. Bisher sind in den vorliegenden Forschungen Reichskammergerichts-Akten aus Handels- und Gewerbeprozessen aus Frankfurt und Hamburg vereinzelt für diese Zwecke genutzt worden (z. B. Dietz; Kellenbenz; Reißmann). 40 Quantitative Angaben zu den Hamburger Fällen finden sich im Anhang der Arbeit von Ebert-Weidenfeller, die aber die Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Prozessparteien weitgehend ausklammert.41 Zur sozialen und ökonomischen Einordnung der Hamburger und Frankfurter Prozessparteien sind neben den jüngeren Gesamtdarstellungen über die Geschichte beider Städte (Jochmann, Loose; Frankfurter Historische Kommission) vor allem die Studien zu sozialen und rechtlichen Strukturen der Bürgerschaft beider Städte (Reincke; Bolland; Mauersberg; Bothe; Soliday; Koch; Meyn) relevant.42 Sie ermöglichen eine Gegenüberstellung der Zusammenset40
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A. DIETZ, Frankfurter Handelsgeschichte, 4 Bände, Frankfurt a. M. 1910-1925. H. KELLENBENZ, Unternehmerkräfte im Hamburger Portugal- und Spanienhandel 1590-1625 (Veröffentlichungen der Wirtschaftsgeschichtlichen Forschungsstelle, 10), Hamburg 1954. M. REISSMANN, Die hamburgische Kaufmannschaft des 17. Jahrhunderts in sozialgeschichtlicher Sicht (Beiträge zur Geschichte Hamburgs, 4), Hamburg 1975. A. EBERT-WEIDENFELLER, Hamburgisches Kaufmannsrecht im 17. und 18. Jahrhundert. Die Rechtsprechung des Rates und des Reichskammergerichtes (Rechtshistorische Reihe, 100), Frankfurt a. M. 1992. Quantitative Angaben zu Hamburger und Frankfurter Reichskammergerichts-Prozessen finden sich in einem Überblick auch in dem bereits erwähnten Aufsatz von R. RIEMER, Hamburg und Frankfurt vor dem Reichskammergericht: Ein Vergleich unter besonderer Berücksichtigung der Handels- und Handwerksprozesse, in: A. AMEND, A. BAUMANN, S. WENDEHORST, S. WUNDERLICH (Hrsg.), Die Reichsstadt Frankfurt als Rechts- und Gerichtslandschaft im Römisch-Deutschen Reich (Bibliothek Altes Reich, 3), München 2008, S. 265-283. W. JOCHMANN, H.-D. LOOSE (Hrsg.), Hamburg. Geschichte der Stadt und ihrer Bewohner, Bd. 1: Von den Anfängen bis zur Reichsgründung, Hamburg 1982. Frankfurter Historische Kommission (Hrsg.), Frankfurt am Main: Die Geschichte der Stadt in neun Beiträgen, Sigmaringen 1991. H. REINCKE, Hamburgs Bevölkerung, in: H. REINCKE, For-
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zung der städtischen Bevölkerung und der Klägerschaft am Reichskammergericht. Einen weiteren Ansatzpunkt für die vergleichende Untersuchung dieser Thematik bietet Stein mit einer Arbeit über die Vermögen von Lübecker Bürgern insbesondere anhand der Reichskammergerichts-Akten aus Lübeck.43 Bothe hatte zuvor hierzu eine Arbeit über Frankfurter Patriziervermögen im 16. Jahrhundert veröffentlicht, ebenso finden sich bei Reincke Forschungen zum Kapitalbesitz in Hamburg bis 1530.44 Daneben existieren für Hamburg einige sozial- und verfassungsgeschichtliche Untersuchungen zur Kaufmannschaft in der Frühen Neuzeit, in denen neben den Einheimischen auch die in der Stadt besonders seit dem Ende des 16. Jahrhunderts tätigen ausländischen Kaufleute berücksichtigt wurden (Schramm; Kellenbenz; Reißmann; Pitz).45
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schungen und Skizzen zur hamburgischen Geschichte (Veröffentlichungen aus dem Staatsarchiv der Hansestadt Hamburg, 3), Hamburg 1951, S. 167-200. J. BOLLAND, Senat und Bürgerschaft. Über das Verhältnis zwischen Bürger und Stadtregiment im alten Hamburg, 2. Aufl., Hamburg 1977. H. MAUERSBERG, Wirtschafts- und Sozialgeschichte zentraleuropäischer Städte in neuerer Zeit: dargestellt an den Beispielen von Basel, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover und München, Göttingen 1960. F. BOTHE, Frankfurter Patriziervermögen im 16. Jahrhundert. Ein Beitrag zur Charakteristik der bürgerlichen Vermögen und der bürgerlichen Kultur (Archiv für Kulturgeschichte, Ergänzungsheft 2), Berlin 1908. G. L. SOLIDAY, A Community in Conflict. Frankfurt Society in the 17th and early 18th Centuries, Hanover-New Hampshire 1974. R. KOCH, Grundlagen bürgerlicher Herrschaft. Verfassungs- und sozialgeschichtliche Studien zur bürgerlichen Gesellschaft in Frankfurt am Main 1612-1866 (Frankfurter Historische Abhandlungen, 27), Wiesbaden 1983. R. KOCH, Herrschaftsordnung und Sozialverfassung im frühneuzeitlichen Frankfurt am Main, in: M. STOLLEIS (Hrsg.), Recht, Verfassung und Verwaltung in der frühneuzeitlichen Stadt (Städteforschung, Reihe A, 31), Köln-Wien 1991, S. 173-197. M. MEYN, Die Reichsstadt Frankfurt vor dem Bürgeraufstand von 16121614. Struktur und Krise (Studien zur Frankfurter Geschichte, 15), Frankfurt a. M. 1980. H.-K. STEIN, Die vermögende Oberschicht und die „Spitzenvermögen“ in Lübeck während des 16. bis 18. Jahrhunderts. Thesen, Ergebnisse und Erfahrungen aus der Bearbeitung des Reichskammergerichtsbestands und anderer Archivquellen in Lübeck, in: B. DIESTELKAMP (Hrsg.), Forschungen aus Akten des Reichskammergerichts (Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, 14), Köln-Wien 1984, S. 159-184. Für BOTHE siehe FN 42. H. REINCKE, Hamburgische Vermögen 1350-1530. Ein Versuch, in: H. REINCKE, Forschungen und Skizzen zur hamburgischen Geschichte (Veröffentlichungen aus dem Staatsarchiv der Hansestadt Hamburg, 3), Hamburg 1951, S. 201220. P. E. SCHRAMM, Kaufleute zu Haus und über See. Hamburgische Zeugnisse des 17., 18. und 19. Jahrhunderts (Veröffentlichungen der Forschungsstelle für Hamburgische Wirtschaftsgeschichte, 1), Hamburg 1949. H. KELLENBENZ, Sephardim an der unteren Elbe. Ihre wirtschaftliche und politische Bedeutung vom Ende des 16. Jahrhunderts bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts (VSWG, Beiheft 40), Wiesbaden 1958. E. PITZ, Merchant
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Neuere wie ältere Forschungen zur Handelsentwicklung beider Städte in der Frühen Neuzeit bieten einen Rahmen für die Einordnung von Handels- und Gewerbeprozessen am Reichskammergericht. Dazu wurde die Entwicklung Frankfurts zu einem Messeplatz von internationalem Rang und dessen Regionalisierung seit dem ausgehenden 17. Jahrhundert erforscht (v. a. Pohl, Stahl; Brübach).46 Untersucht wurden auch – in Ansätzen – die Konjunkturlagen und die wechselnde wirtschaftliche Bedeutung von Frankfurt und Hamburg vom 16.-18. Jahrhundert (u. a. Ehrenberg; Baasch; Vogel; Jeannin; North; Dietz).47 Eine vergleichende wirtschaftsgeschichtliche Arbeit zu Hamburg und Frankfurt hat Mauersberg vorgelegt.48 Es erschienen zahlreiche Studien zur Entwicklung sowohl Frankfurts als auch Hamburgs zu Finanzzentren des Kaufleute- und Privatbankierswesens wie auch zur unterschiedlichen jeweiligen Spezialisierung des Bankwesens beider Städte im 18. Jahrhundert (Pohl; Ullmann; North; Lammel; Holtfrerich). 49 Rainer Ramcke hat die Beziehungen Hamburgs zum
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Adventurers und deutsche Tuchkaufleute in Hamburg in den Jahren 1568-1573, in: H. JÄGER, F. PETRI (Hrsg.), Civitatum Communitas. Studien zum europäischen Städtewesen (FS Heinz Stoob; Städteforschung, A/21), Köln-Wien 1984, S. 781-797. Für KELLENBENZ 1954 und REISSMANN 1975 siehe FN 40. H. POHL, P. STAHL (Hrsg.), Brücke zwischen den Völkern. Zur Geschichte der Frankfurter Messe, Bände 1-2, Frankfurt a. M. 1991. N. BRÜBACH, Die Reichsmessen von Frankfurt am Main, Leipzig und Braunschweig (14.-18. Jahrhundert) (Beiträge zur Wirtschaftsund Sozialgeschichte, 55), Stuttgart 1994. R. EHRENBERG, Zur Statistik des Hamburger Handels im 16. und 17. Jahrhundert, in: Mitteilungen des Vereins für Hamburgische Geschichte 8/1889, S. 374 ff. E. BAASCH, Hamburgs Seeschiffahrt und Warenhandel vom Ende des 16. bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts, in: ZVHG 9/1894, S. 295 ff. A. DIETZ, Frankfurter Handelsgeschichte, 4 Bände, Frankfurt a. M. 1910-1925. E. BAASCH, Zur Statistik des Ein- und Ausfuhrhandels Hamburgs Anfang des 18. Jahrhunderts, in: HGBll 54/1929, S. 89 ff. W. VOGEL, Handelskonjunkturen und Wirtschaftskrisen in ihren Auswirkungen auf den Seehandel der Hansestädte 1560-1806, in: HGBll 74/1954, S. 50-64. P. JEANNIN, Die Hansestädte im europäischen Handel des 18. Jahrhunderts, in: HGBll 89/1971, S. 41-73. M. NORTH, Geldumlauf und Wirtschaftskonjunktur im südlichen Ostseeraum an der Wende zur Neuzeit (1440-1570) (Kieler Historische Studien, 35), Sigmaringen 1990. M. NORTH, Hamburg: The Continent’s Most English City, in: M. NORTH, From the North Sea to the Baltic: Essays in Commercial, Monetary and Agricultural History, 1500-1800, Aldershot 1996, VI S. 1-13. M. NORTH (Hrsg.), Deutsche Wirtschaftsgeschichte. Ein Jahrtausend im Überblick, München 2005. Für MAUERSBERG 1960 siehe FN 42. M. POHL, Hamburger Bankengeschichte, Mainz 1986. H.-P. ULLMANN, Der Frankfurter Kapitalmarkt um 1800. Entstehung, Struktur und Wirken einer modernen Finanzierungsinstitution, in: VSWG 77/1990, S. 75-92. M. NORTH, The Great German Banking Houses and International Merchants, Sixteenth to Nineteenth Century, in: A. TEICHOVA, G. K. v. HENTENRYNK, D. ZIEGLER (Hrsg.), Banking, Trade and Industry. Europe, America and Asia from the Thirteenth to the Twentieth Century, Cambridge 1997, S. 35-
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Kaiserhof im 18. Jahrhundert insbesondere unter wirtschaftlichen und finanziellen Gesichtspunkten dargestellt.50 Ebert-Weidenfeller publizierte vor wenigen Jahren eine Arbeit, die hamburgisches Kaufmannsrecht in der Judikatur des Rates und des Reichskammergerichts des 17. und 18. Jahrhunderts in kommerziellen Prozessen rekonstruiert.51 Damit liegt eine umfassende rechtsgeschichtliche Studie für Hamburg vor, die eine Grundlage für wirtschaftsgeschichtliche Ansätze in der Erforschung von Reichskammergerichts-Prozessen bildet. Böhme lieferte schließlich einen Vergleich Hamburgs und Frankfurts auf sozial- und verfassungsgeschichtlicher Basis, der vor allem das 18. und 19. Jahrhundert betrachtet.52 Für Frankfurt wurde insbesondere das Konfliktpotential der Handwerkerschaft gegenüber ausländischen und besonders jüdischen Gewerbetreibenden untersucht. Im Gegensatz zu Hamburg, wo die Handwerksämter bis in das 19. Jahrhundert auch in ihren verfassungsrechtlichen Privilegien bestehen blieben, wurden die Zünfte in Frankfurt im Zuge des sog. Fettmilch-Aufstandes als rechtlich privilegierte Organisationsformen 1616 aufgelöst und unterstanden seitdem der Aufsicht des Rates (Elkan; Bothe; Meyn).53 Außerdem liegen ältere und neuere Forschungen zu einzelnen Gewerken in Frankfurt (u. a. Lerner; Göttmann) und Hamburg (z. B. Langer; Nirrnheim) vor.54 Eine Vergleichsmög-
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49. Für NORTH, Wirtschaftsgeschichte siehe FN 47. S. LAMMEL, Frankfurter Wechselrecht im Wandel der Zeiten, in: Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst 62/1993, S. 101-118. C. L. HOLTFRERICH, Finanzplatz Frankfurt: Von der mittelalterlichen Messestadt zum europäischen Bankenzentrum, München 1999. R. RAMCKE, Die Beziehungen zwischen Hamburg und Österreich im 18. Jahrhundert. Kaiserlich-reichsstädtisches Verhältnis im Zeichen von Handels- und Finanzinteressen (Beiträge zur Geschichte Hamburgs, 3), Hamburg 1969. Für EBERT-WEIDENFELLER 1992 siehe FN 41. H. BÖHME, Frankfurt und Hamburg. Des deutschen Reiches Silber- und Goldloch und die allerenglischste Stadt des Kontinents, Frankfurt a. M. 1968 sowie H. BÖHME, Stadtregiment, Repräsentativverfassung und Wirtschaftskonjunktur in Frankfurt am Main und Hamburg im 19. Jahrhundert, in: Jahrbuch für Geschichte der oberdeutschen Reichsstädte, hg. v. der Arbeitsgemeinschaft für reichsstädtische Geschichtsforschung, Denkmalpflege und bürgerschaftliche Bildung, Band 15, 1969. E. ELKAN, Das Frankfurter Gewerberecht von 1617-1631: Ein Beitrag zur Geschichte des Gewerberechts im 17. Jahrhundert, Tübingen 1890. F. BOTHE, Frankfurts wirtschaftlich-soziale Entwicklung vor dem dreißigjährigen Kriege und der Fettmilchaufstand (1612-1616), Frankfurt a. M. 1920. Für MEYN 1980 siehe FN 42. F. LERNER, Geschichte des Frankfurter Metzger-Handwerks, Franfurt a. M. 1959. F. LERNER, Mit Gunst, Meister und Gesellen eines ehrbaren Handwerks. Gesammelte Beiträge zur Frankfurter Handwerksgeschichte (Schriften des Historischen Museums Frankfurt am Main, 18), Frankfurt a. M. 1987. F. GÖTTMANN, Die Frankfurter Bäcker-
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lichkeit für die Inanspruchnahme des Reichskammergerichts in handwerksrechtlichen Fällen bietet die Arbeit Diestelkamps über Zunftprozesse aus der Reichsstadt Wetzlar.55 Für die Einordnung in die wirtschaftspolitischen Maßnahmen des Reiches sind noch immer die Arbeiten von Bog und Blaich heranzuziehen, die sich aber weitgehend auf den Reichstag konzentrieren.56
3. Quellen Eine unbedingt notwendige Voraussetzung für diese Untersuchung war das Vorliegen der gedruckten Inventare der Reichskammergerichtsakten in Hamburg und Frankfurt.57 Eine komplette Durchsicht der ca. 3.000 Prozesse zur Schaffung einer Basis für diese Arbeit hätte den zeitlichen Rahmen massiv erweitert, wenn nicht gar gesprengt. Doch Dank der umfangreichen Vorarbeiten Hans-Konrad Stein-Stegemanns und Inge Kaltwassers war ein direkter Einstieg in den Vergleich Hamburgs und Frankfurts möglich. Wie entstanden diese Findbücher? Die Repertorien zu den Reichskammergerichts-Akten im Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main (1.634 in die Auswertung einbezogene Prozesse) und im Staatsarchiv Hamburg (1.369 Prozesse) erschließen – geht man von einer Gesamtzahl von etwas mehr als 71.000
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zunft im späten Mittelalter. Aufbau und Aufgaben städtischer Handwerksgenossenschaften (Studien zur Frankfurter Geschichte, 10), Frankfurt a. M. 1975. H. LANGER, Das Braugewerbe in den deutschen Hansestädten der frühen Neuzeit, in: K. FRITZE, E. MÜLLER-MERTZENS, J. SCHILDHAUER (Hrsg.), Gewerbliche Produktion und Stadt-LandBeziehungen (Hansische Studien IV = Abhandlungen zur Handels- und Sozialgeschichte, 18), Weimar 1979, S. 65-81. H. NIRRNHEIM, Zur Geschichte der Bäcker in Hamburg, in: Mitteilungen des Vereins für Hamburgische Geschichte 8/1905, S. 517ff. B. DIESTELKAMP, Zunftprozesse des 18. Jahrhunderts aus der Reichsstadt Wetzlar vor dem Reichskammergericht, in: St. BUCHHOLZ (Hrsg.), Überlieferung, Bewahrung und Gestaltung in der rechtswissenschaftlichen Forschung (Rechts- und staatswissenschaftliche Veröffentlichungen der Görres-Gesellschaft, N.F., 69), Paderborn 1993, S. 69-89. I. BOG, Der Reichsmerkantilismus. Studien zur Wirtschaftspolitik des Heiligen Römischen Reichs im 17. und 18. Jh. (Forschungen zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, 1), Stuttgart 1959. F. BLAICH, Die Wirtschaftspolitik des Reichstags im Heiligen Römischen Reich. Ein Beitrag zur Problemgeschichte wirtschaftlichen Gestaltens (Schriften zum Vergleich von Wirtschaftsordnungen, 16), Stuttgart 1970. STEIN-STEGEMANN und KALTWASSER. Die von Wetzlar als letztem Standort des RKGs im Zuge der Übergabe der Prozessakten an die deutschen Staaten mitgegebenen Ablieferungsverzeichnisse dienten bis zur Vorlage der Arbeit Stein-Stegemanns als Findbuch.
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überlieferten Reichskammergerichts-Akten aus (Latzke) 58 – vier Prozent des gesamten Bestandes. Das Archiv des Gerichts wurde 1845 durch die Versammlung des Deutschen Bundes aufgelöst. 59 Die Prozessakten erstinstanzlicher Prozesse teilte man nach dem zu diesem Zeitpunkt aktuellen Gerichtsstand und Wohnort der Kläger den Zentralarchiven der Bundesstaaten zu. Dagegen wurden die Appellationsakten am Ort der letzten bzw. der imaginären Vorinstanz archiviert.60 Nicht transferierbare Akten bildeten den sogenannten unteilbaren Bestand, der sich heute im Bundesarchiv befindet und der vor allem aus Protokollen und Urteilsbüchern besteht.61 In Wetzlar verblieb nur das so genannte Generalrepertorium als Verzeichnis der ausgelieferten Akten und zunächst der preußische Bestand. Dieser Vorgang brachte auch eine Separierung der einzel-
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W. LATZKE, Das Archiv des Reichskammergerichts, in: ZRG GA 78/1961, S. 321-326. Die Zahl bezieht sich auf die überlieferten Akten, nachweisen lassen sich nach Schildt 77.800, von denen bisher knapp 75.000 verzeichnet sind. Eine genaue Auflistung der überlieferten RKG-Prozesse findet sich im Anhang 5 (B. SCHILDT, Wandel in der Erschließung der Reichskammergerichtsakten. Vom gedruckten Inventar zur OnlineRecherche in der Datenbank, in: F. BATTENBERG, B. SCHILDT [Hrsg.], Das Reichskammergericht im Spiegel seiner Prozessakten. Bilanz und Perspektiven der Forschung [Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, 57], KölnWeimar-Wien 2010, S. 35-60, hier S. 35, sowie Anhang 5 S. 423-427). Die Verteilung des Bestandes an RKG-Akten war schon 1821 auf der Bundesversammlung beschlossen worden (KALTWASSER, S. 28). STEIN-STEGEMANN, S. VII (in einigen wenigen Fällen wird das lübeckische RKGFindbuch desselben Autors zitiert, dann aber wie folgt: „STEIN-STEGEMANN, Lübeck, S. …“ – in allen anderen Fällen bezieht sich die Anmerkung auf das hamburgische Findbuch). Die angenommene Zuständigkeit des RKGs betrifft jene Prozesse, bei denen gegen Reichsunmittelbare geklagt wurde, denn Klagen dieser Art konnten in erster Instanz – ohne Anrufung einer Vorinstanz – erfolgen. Dagegen stellte das RKG eine Appellationsinstanz für erst-(oder mehr-)instanzliche Verfahren dar, deren Urteile überprüft und bestätigt oder verworfen wurden. Bei Reklamationen seitens des RKGs (auch wenn dieses sich als nicht zuständig betrachtete – etwa wegen zu geringer Schadenssumme oder Versäumnissen verfahrenstechnischer Natur bei der Vorinstanz), wurde das Urteil nur unter Auflagen bestätigt oder sogar an die Vorinstanz zur Neuverhandlung zurückverwiesen. Neben diesen Aufgaben betraf die Rechtssprechung des RKGs natürlich auch Fälle von Landfriedensbruch (der ursprüngliche Grund seiner Gründung; auch diese Prozesse benötigten keine Vorinstanz) und der Rechtsverweigerung seitens niederer Gerichte. STEIN-STEGEMANN, S. VII. H. SCHENK (Bearb.), Reichskammergericht (Bestand AR 1). Urteilsbücher. Datenbank und Begleitheft (Findbücher zu den Beständen des Bundesarchivs, 52), Koblenz 1995. Der unteilbare Bestand beinhaltet Prozessakten, über deren Verbleib sich die beteiligten Staaten nicht einigen konnten, da sie aus Prozessen gegeneinander entstanden sind.
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nen Akten von den seit 1573 überlieferten Urteilsbüchern sowie den Sitzungsprotokollen der Kammergerichtssenate aus dem 18. Jahrhundert mit sich. Für die Untersuchung sollen neben den Reichskammergerichts-Akten weitere „flankierende“ Quellenbestände ergänzend herangezogen werden. Die überlieferten Archivalien im Staatsarchiv Hamburg ermöglichten für einzelne Zeiträume auch die Berechnung von Konjunkturdaten, in die die Handelsprozesse eingeordnet werden können. Hierzu erstellten Otto-Ernst Krawehl und Frank Schulenburg eine Datenbank des so genannten Admiralitätszolls für die Jahre 1733-1798, die inzwischen ebenfalls zur Verfügung stehen.62 Der Admiralitätszoll wurde im 18. Jahrhundert auf den überwiegenden Teil der Warenzufuhr nach Hamburg erhoben (Krawehl).63 Die Auswahl der analysierten Einzelfälle64 erfolgte zunächst anhand der Angaben zu den Prozessbeteiligten, dem -gegenstand sowie den möglicherweise vorhandenen Beilagen, wie Wechsel, Kaufverträge, Gutachten, Zunftlisten usw. Bei der Durchsicht dieser Prozessakten stellte sich dann in mehreren Fällen heraus, dass sie trotz vielversprechend aussehender Voraussetzungen für die Einbeziehung in die Auswahl der Beispiele für die Einzelfallanalyse65 untauglich waren. Dabei ist unerheblich, ob es sich um eine besonders dicke oder eine vergleichsweise dünne Akte handelt, da es nicht ungewöhnlich ist, dass Aktenteile in mehrfacher Kopie vorliegen, die jeweils für die einzelnen, mit dem Verfahren beschäftigten Gerichtsinstanzen angefertigt worden sind.
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O.-E. KRAWEHL, F. SCHULENBURG (Bearb.), Statistik des Hamburger seewärtigen Einfuhrhandels im 18. Jahrhundert – nach den Admiralitäts- und Convoygeld-Einnahmebüchern (Quellen und Forschungen zur Historischen Statistik von Deutschland, 20), St. Katharinen 2001. O.-E. KRAWEHL, Quellen zur Hamburger Handelsstatistik im 18. Jahrhundert, in: W. FISCHER, A. KUNZ (Hrsg.), Grundlagen der historischen Statistik von Deutschland (Schriften des Zentralinstituts für Sozialwissenschaftliche Forschung der FU Berlin, 65), Opladen 1991, S. 47-69. Neben den vier ausführlichen Einzelbeispielen (jeweils zwei zu Hamburg und Frankfurt bzw. Handel und Handwerk) werden auch in kürzerer Darstellung weitere themenbezogene Fälle präsentiert. Dabei ist die Zahl dieser Prozesse für Frankfurt deutlich höher als für Hamburg, da für die letztgenannte Stadt schon in den Arbeiten Freitags und Jörns Beispiele zu finden sind und die Gesamtzahl der Prozesse gegenüber Frankfurt kleiner ist (dessen Verfahren in dieser Arbeit erstmals in ihrer Gesamtheit analysiert werden). Auch um den Umfang der Arbeit nicht in uferlose Dimensionen abdriften zu lassen, wurden schließlich nur vier Prozesse für die ausführliche Darstellung ausgewählt, während mehrere Dutzend weitere aus Hamburg und Frankfurt mit einzelnen Auszügen zur Untermauerung der quantitativen Ergebnisse eingesetzt werden.
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Die Verzeichnung der Einzelprozesse in den Findbüchern folgt einem einheitlichen Muster, welches die Vergleichbarkeit und einfache Handhabung der Findbücher garantieren soll. Dabei werden folgende Daten in dieser Reihenfolge dargestellt: 1. Signatur der Akten 2. Namen der Kläger bzw. Appellanten, Mitkläger usw. 3. Namen der Beklagten bzw. Appellaten, Mitangeklagten usw. 4. am Prozess teilnehmende Reichskammergerichts-Prokuratoren, getrennt nach den Prozessparteien 5. Prozessart, Streitgegenstand 6. Vorinstanzen 7. Auflistung von in den Akten enthaltenen Prozessbeilagen 8. Aktenumfang, Vollständigkeit, Erhaltungszustand66 Je nach Erhaltungszustand der Akten liegen Informationen zu allen oder auch nur einigen dieser Punkte vor67, wobei der Umfang verwertbarer Prozesse zwischen wenigen Blatt (weniger als ein Zentimeter Aktendicke) und bis zu deutlich über 1.000 Blätter (mehrere Dutzend Zentimeter) liegt. Details zu den verschiedenen Punkten (besonders 2., 3., 5. und 7.) werden in den illustrierenden Prozessbeispielen aufgegriffen. Zitiert werden die Prozessakten im Rahmen dieser Arbeit nach dem Findbuch bzw. den Signaturen. Ein Beispiel ist der in Kapitel IV.2 ausführlich dargestellte Prozess hamburgischer Kunstmeister: „Stein-Stegemann, S. 386 f., H80“.68 Mit den Angaben zu den Frankfurter Fällen wird ähnlich verfahren: „Kaltwasser, S. 335 f., F31“.69 Diese Kurzsignaturen sind ausreichend, um die zitierte Akte im jeweiligen Findbuch oder im Archivbestand selbst zu finden. 66
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Vgl. für die Darstellung der Daten im Frankfurter Findbuch KALTWASSER, S. 31 f.; im Hamburger Findbuch STEIN-STEGEMANN, S. XI-XVII. Während des Prozesses verstorbene Prozessteilnehmer werden mit einem Kreuz gekennzeichnet. Beispiel für die lückenhafte Überlieferung eines Frankfurter Prozesses, der wegen der nicht genügend vorhandenen Informationen als nicht verwertbar eingestuft werden muss und daher in der quantitativen Untersuchung nicht beachtet wird: Verlust: (U 13/-) „1700; Ulrich, Frankfurt; Aufmann, Frankfurt“ (KALTWASSER, S. 1019). Siehe Kapitel IV.2. Der Prozess behandelt die Appellation des Johann Peter Feiner, eines Messerschmieds aus Frankfurt, gegen Conrad Siegling (Gastwirt im „Zum fröhlichen Mann“) und Christian Kühnreiche (Schneider), beide ebenfalls aus Frankfurt. Feiner klagt wegen der Verpflichtung zur Offenlegung des Gewinns bzw. Teilung desselben in drei Teile aufgrund eines „leiblichen Ayds zu Gott“ der Beklagten. Dieser besagt, es hätte eine Gesellschaft
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Der Erhaltungszustand der Akten in beiden Archiven ist teilweise sehr schlecht. Neben dem schlichten Alter der Akten und aus Fehlern bei der Aufbewahrung in vergangener Zeit resultierenden Schäden gibt es Moder-, Pilzbefall und Mäusefraß. Deshalb ist es auch nicht ungewöhnlich, dass Teile der Akten unvollständig sind.70
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zwischen Kläger und Beklagten zur Abwicklung der Geschäfte einer Montierung (Ausstattung) von 1.000 Fußsoldaten für den Landgrafen Georg von Hessen-Darmstadt gegeben (KALTWASSER, S. 335 f., F31). KALTWASSER, S. 32 f. Ein Beispiel für die Schäden ist die zuvor genannte Akte (KALTWASSER, S. 335 f., F31), deren Acta priora teilweise stark angeschimmelt ist. Sowohl in Frankfurt als auch in Hamburg sind deswegen mehrere Prozessakten bzw. Aktenteile restauriert worden.
II. HAMBURG UND FRANKFURT VOR DEM REICHSKAMMERGERICHT
1. Klassifizierung der Reichskammergerichts-Prozesse nach Ranieri Bevor nun die quantitative Auswertung der überlieferten Reichskammergerichts-Prozesse beginnt, wollen wir noch einen Blick auf die Art der Einteilung der Prozessgegenstände werfen, da diese im hier vorliegenden II. Kapitel zwar der von Ranieri vorgeschlagenen Klassifizierung folgen, vor allem in den Kapiteln III und IV jedoch deutlich wird, dass diese Einordnung auch Schwächen hat.1 Um in diesem Kapitel eine Vergleichbarkeit der Hamburger und Frankfurter Ergebnisse zu ermöglichen, orientiert sich die Frankfurter Klassifizierung an den Vorlagen von Freitag und Jörn, da hier – im Rahmen der Forschungen zur rechtlichen Integration des südlichen Ostseeraumes in das Alte Reich – u. a. auch schon die Hamburger Reichskammergerichts-Prozesse untersucht wurden. Die Prozessgegenstands-Kategorien sind folgende2: 1. keine Angabe 2. staatlich-hoheitliche Rechte3 1
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Sehr schön ausgedrückt wird dies bei FREITAG, FN 130: „Oftmals läßt sich die Prozeßrealität nicht in das Schema ‚zwängen’, weil Überschneidungen der einzelnen Kategorien eine eindeutige Zuordnung nicht zulassen. Das gilt [… u. a.] für Fälle, die sowohl handelsrechtliche wie auch geldwirtschaftliche Fragen behandelten“. Dennoch wird aus Gründen der Vergleichbarkeit am System Ranieri festgehalten, an den notwendigen Stellen aber auf die Zuordnungsprobleme verwiesen. Die hier ausgewiesenen Kategorien entsprechen in der numerischen Abfolge dem Vorbild Freitags und Jörns, bei Ranieri sind die Prozessgegenstände von 0 bis 9 bezeichnet. F. RANIERI, Recht und Gesellschaft im Zeitalter der Rezeption (Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, 17, I-II), Köln-Wien 1985, S. 282-284. T. FREITAG, N. JÖRN, Zur Inanspruchnahme der obersten Reichsgerichte im südlichen Ostseeraum 1495-1806, in: N. JÖRN, M. NORTH (Hrsg.), Die Integration des südlichen Ostseeraumes in das Alte Reich (Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, 35), Köln-Weimar-Wien 2000, S. 39-141. Prozessgegenstände dieser Kategorie: Landeshoheit, Grenzstreitigkeiten zwischen Territorien, Reichsunmittelbarkeit, Zugehörigkeit zur Reichritterschaft, Türkensteuer, Landsässigkeit, innerstädtische Verfassung, kirchliche Patronatsrechte, Regalien, Berggerechtigkeit, Mühlenbann, Jagd-, Forst- und Fischereigerechtigkeit, Wehr- und Steuerhoheit und Steuerpflichten (vgl. FREITAG, JÖRN, Inanspruchnahme, FN 67).
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Jurisdiktion4 Lehnswesen5 Grundherrschaft6 Kriminalität7 Familienverband8 8. Grund- und Bodenwirtschaft9 9. Geldwirtschaft10 10. Handel und Gewerbe11
3. 4. 5. 6. 7.
Diese Übersicht zu den Kategorieinhalten verdeutlicht das weit gespannte Spektrum der Arbeit am Reichskammergericht. Damit hatte sich das Gericht 4
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Prozessgegenstände dieser Kategorie: Zulässigkeit von Appellationen (Ius de non evocando, Privilegium de non appellando), Gerichtsbehinderung, Versendung der Akten an eine juristische Fakultät, Ausübung weltlicher und geistlicher Gerichtsbarkeit, Recht zur Ausübung der Lehns-, Kriminal- und Patrimonialgerichtsbarkeit (vgl. FREITAG, JÖRN, Inanspruchnahme, FN 68). Prozessgegenstände dieser Kategorie: Adelsprivilegien (Steuerfreiheit, Ritterbürtigkeit, Trennung von Lehns- und Allodialgütern, Lehnsfelonie, Zahlung des Lehnsgeldes) (vgl. FREITAG, JÖRN, Inanspruchnahme, FN 69). Prozessgegenstände dieser Kategorie: Abgaben, Bede, Status personarum (Ab-, Bemeierung, Leibeigenschaft), Zehntrecht, Blut- und Kornzehnt, Umfang von Dienstpflichten, Erbfolge bei Meiergütern, Rechte und Pflichten der bäuerlichen Gemeindemitglieder (vgl. FREITAG, JÖRN, Inanspruchnahme, FN 70). Prozessgegenstände dieser Kategorie: Landfriedensbruch (Einfall, Fehde, Plünderung), Aufruhr, Verbrechen, Vorwurf der Hexerei oder Gotteslästerung, Geleits- oder Privilegienbruch, Verbalinjurien (Verleumdung, Beleidigung), Schadenersatz wegen erlittener Injurien (vgl. FREITAG, JÖRN, Inanspruchnahme, FN 71). Prozessgegenstände dieser Kategorie: Ehe (Gültigkeit, Eheversprechen, Ehelichkeit, Eheschließung), Ehegüterrecht (Aussteuer, Brautschatz, Wittumsgelder), Alimente, testamentarische bzw. gesetzliche Erbfolge, Nachlassinventare, Familienverträge, Erbteilungen, Fideikommissnexus, Majorate (vgl. FREITAG, JÖRN, Inanspruchnahme, FN 72). Prozessgegenstände dieser Kategorie: Eigentums- und Besitzschutz, Allmendewesen (Weide- und Schafgerechtigkeit), Baurecht, Servituten, Dienstbarkeiten, Wegerecht, Nachbarrecht, Näherecht, Retraktrecht, Nießbrauch, Pfründe, Benefizien, Präbenden (vgl. FREITAG, JÖRN, Inanspruchnahme, FN 73). Prozessgegenstände dieser Kategorie: Kaufverträge, Miet-, Dienst- und Arbeitsverhältnisse, Verpachtung, allgemeine Schadensersatzforderungen, Honorarforderungen, allgemeine Schuldforderungen aus Schuldscheinen, Obligationen und Darlehen, Bürgschaften, Wechsel- und Grundschulden, Hypotheken, Verschreibungen, Renten (vgl. FREITAG, JÖRN, Inanspruchnahme, FN 74). Prozesse dieser Kategorie: Gewerbe- und Handelsfreiheit, Marktrechte, Zunftwesen, Handelsgesellschaften, Assekuranzwesen, Sicherung von Handelsforderungen (Pfändung, Beschlagnahme, Zwangsvollstreckung) (vgl. FREITAG, JÖRN, Inanspruchnahme, FN 75).
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deutlich von seiner ursprünglichen Aufgabe, der Wahrung und Durchsetzung des Landfriedens entfernt. Prozesse dieser Art oder auch solche, die Fragen der politischen Rechte der Stände beinhalteten, thematisierten ohne Zweifel wichtige politische Entwicklungen im Alten Reich, das „Tagesgeschäft“ bestimmten jedoch vor allem geldwirtschaftliche sowie Handels- und Gewerbestreitigkeiten.12
2. Hamburg Instanzenzug und Appellationsprivilegien Die Geschichte des Reichskammergerichts macht deutlich, dass es vor allem als letztinstanzliche Entscheidungsbehörde bei seiner Anrufung die an verschiedenen territorialen und städtischen Gerichten im Reich ergangen Urteile überprüfen, bestätigen oder verwerfen konnte. Ein Rückblick auf die Hamburger Gerichte in der Frühen Neuzeit dient der Einstimmung auf die Tätigkeit des Reichskammergerichts bezüglich der Elbmetropole und trifft Aussagen zum Instanzenzug und den hamburgischen Appellationsprivilegien. Gewöhnlich brachten Parteien Prozesse an das Reichskammergericht, die vom Nieder- oder Obergericht sowie der Admiralität (bei Fragen des Seerechts im weitesten Sinne 13 ) in der Vorinstanz entschieden und deren Urteile von einem der Prozessbeteiligten in der vorliegenden Form nicht akzeptiert wurden. Möglich war die Anrufung nur eines Gerichtes als Vorinstanz zum Reichskammergericht, dann aber handelte es sich immer um das Obergericht (gebildet aus Mitgliedern des Rates), welches als höchste hansestädtische Instanz galt. Begann ein Kläger seinen Instanzenzug beim Niedergericht, der Admiralität oder auch einem Amtsgericht (Zunftgericht), so musste die der Entscheidung nicht zustimmende Partei zunächst an das Obergericht appellieren. In Abhängigkeit von 12 13
FREITAG, JÖRN, Inanspruchnahme, S. 66. Dabei handelt es sich um Prozesse, die nach der Klassifizierung Ranieris vor allem den Kategorien 9 und 10 zuzurechnen sind, d. h. die Geldwirtschaft sowie Handel- und Gewerbe betreffen. Ihre Besonderheit und damit die Rechtfertigung ihrer Verhandlung vor der 1623 neu gegründeten Admiralität lag in ihrem Bezug zum Seehandel, d. h. hier wurden u. a. strittige Fragen bezüglich Schiffsversicherungen, Handelsgeschäften nach Übersee und Schadensforderungen bei Schiffsverlust sowie auch Übergriffe durch Kaperfahrer verhandelt.
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dessen Entscheidung gestaltete sich das weitere Verfahren – bei Bestätigung des Urteils der vorherigen Instanz war das Urteil bei Annahme durch die Parteien gültig, bei deren Ablehnung und einem der im Privilegium de non appellando festgesetzten Grenze entsprechenden Streitwert war die Anrufung der Reichsinstanzen möglich (neben dem Reichskammergericht stand auch der Reichshofrat als Appellationsinstanz zur Verfügung). Eine weitere Verfahrensvariante bestand in der Entscheidung des Obergerichts, dass die Vorinstanz „schlecht geurteilt“ habe. Dann wurde der Spruch entweder korrigiert oder aber das Verfahren zwecks Neuverhandlung an die subordinierte Ebene zurückverwiesen – eine Entscheidung, die auch das Reichskammergericht nach Prüfung einer Appellation treffen konnte und dann das Verfahren an das Hamburger Obergericht zurückverwies. Abhängig von den Besonderheiten eines Falles konnten so durchaus mehrere Urteile von den Vorinstanzen ergangen sein, bevor das Verfahren schließlich am Reichskammergericht landete. Einer hier möglicherweise innerhalb eines Jahres getroffenen Entscheidung war dann meistens ein mehrjähriges Verfahren in Hamburg vorausgegangen.14 Die erste ausdrückliche Erwähnung des Niedergerichts – seit dem Anfang des 17. Jahrhunderts aus Mitgliedern der erbgesessenen Bürgerschaft gebildet – datiert im Zusammenhang mit dem neuen Stadtrecht in das Jahr 1497, doch es existierte schon seit dem 13. Jahrhundert. Das Obergericht wurde während der Frühen Neuzeit aus Mitgliedern des Rates gebildet – eine (modern gesprochen) Konzentration von Judikative und Legislative in einer Hand, die bis zur Neuordnung des Gerichtswesens nach der französischen Besetzung im Jahre 1815 bestand. 15 Das Niedergericht war jedoch nicht die unterste Hamburger Ge14 15
Ausführlichere Erläuterungen zum Thema Prozessdauer folgen unten. C. S. HOPPE, Die Bürgschaft im Rechtsleben Hamburgs von 1600 bis 1900 (Rechtshistorische Reihe, 161), Frankfurt a. M. u. a. 1997, S. 22, 24. Wesentlich jüngeren Datums ist das Handelsgericht, dessen Schaffung zur Abkürzung der Verfahrendauer bei Handelsprozessen dienen sollte. Jenes wurde jedoch letztlich erst in der Zeit der französischen Besetzung nach dem Untergang des Alten Reiches eingeführt und taucht daher als hamburgische Vorinstanz nicht auf. 1820 wurde zudem ein Oberappellationsgericht der vier freien Städte Bremen, Hamburg, Lübeck und Frankfurt a. M. mit Sitz in Lübeck eingerichtet, welches Straf- und Zivilsachen entschied (HOPPE, S. 25). Das Niedergericht entstand am Ende des 13. Jahrhunderts, als der gräfliche Vogt zu Holstein, der zugleich Richter des Vogteigerichts in Hamburg war, sich bei eigenen Gesetzesverfehlungen der Gerichtsbarkeit des Rates unterwerfen musste und zwei Ratsherren zur Seite gestellt bekam. Der Rat erhielt die Freiheit, selbst Recht zu sprechen. Schließlich war – der quantitativen und qualitativen Zunahme der Rechtsgeschäfte geschuldet – die Einstellung eines Syndicus erforderlich, der in Hamburg erstmals 1436 nachweisbar ist und dem ab der Mitte des 15. Jahrhunderts bis zu zwei Kollegen beigeordnet wurden. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, als die Einwohnerzahl die 100.000 überschritt, gehörten dem
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richtsinstanz. Bis zu einem Streitwert von 30 Mark lübisch waren die „Worthaltenden Bürgermeister“ und die Prätoren (Ratsherren, die auch die Aufsicht über das Niedergericht führten) in der Dielengerichtsbarkeit zuständig. Zivile Streitigkeiten bis 100 Mark lübisch, sowie Miet- und Zinsforderungen, dingliche Ansprüche und Arrestverfahren wurden am Niedergericht verhandelt, Streitigkeiten außerhalb dieser Materie konnten zusätzlich auch am Obergericht vorgebracht werden. Neben der Tätigkeit des Obergerichts als Appellationsinstanz für Niedergerichtssachen (siehe oben, wenn der Streitwert hoch genug war), konnte gegen Obergerichtsentscheidungen auch beim Obergericht selbst Revision eingelegt werden (Möglichkeit der Einholung einer auswärtigen Meinung oder einer Ratsentscheidung). 16 In seiner Gesamtheit war das hamburgische Rechtssystem am Ende des 18. Jahrhunderts antiquiert – 30 (!) gerichtliche und außergerichtliche Organe erster Instanz konkurrierten miteinander, Folter und die Hinrichtung durch Rädern wurde bis zum Beginn der französischen Besetzung praktiziert.17 Die Rechtsquellen, an denen sich Entscheidungen der Hamburger Gerichte orientierten, bildeten zum einen die zwischen Rat und Bürgerschaft ausgehandelten Rezesse, zum anderen die Stadt- und Landrechte sowie die Burspraken.18 Die älteste überlieferte Aufzeichnung des Hamburger Stadtrechts datiert in das Jahr 1270 und enthält neben zivil- und strafrechtlichen Regelungen auch einen Abschnitt über Schiffsrecht. Diesem Stadtrecht lagen Urteile städtischer Gerichte, der Sachsenspiegel und Lübisches Recht zugrunde. 30 Jahre später wurde dieses erste nachweisbare Stadtrecht neu verfasst und blieb fast 200 Jahre gültig – erst 1497 erfolgte eine erneute Revision. Die im 16. Jahrhundert verstärkte Geltung des Römischen Rechts erforderte eine Anpassung der Rechtsartikel und so entstand „Der Stadt Hamburg Gerichts-Ordnung und Statuta“.19 Diese bewahrte einerseits Züge des traditionellen Stadtrechts von 1497, enthielt aber
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Rat selbst mehrere Syndici an, die zusätzlich von cirka 20 weiteren Juristen unterstützt wurden (GABRIELSSON, S. 134 ff. KOPITZSCH, 359 f.). HOPPE, S. 26. Die Aktenversendung zur Prüfung des Falles an eine auswärtige juristische Fakultät war besonders dann von Interesse, wenn wegen ungenügenden Streitwertes eine Appellation an eines der Reichsgerichte nicht in Frage kam. KOPITZSCH, S. 363. FREITAG, S. 12. Burspraken sind jene Beschlüsse des Rates, die öffentlich bekannt gemacht wurden. Die Anfertigung von Gerichtsprotokollen war zu dieser Zeit noch nicht üblich, so dass richterliche Urteile und Entscheidungen als Basis zur Verschriftlichung des Rechtes nur bedingt tauglich waren (GABRIELSSON, S. 137). HOPPE, S. 17 ff. Dieses Stadtrecht von 1603 erschien erstmals in Hochdeutsch, wurde 1604 nochmals nachgebessert und 1605 gedruckt. Zur Stadtrechtsentwicklung siehe auch GABRIELSSON, S. 138 ff.
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auch Römisches Recht in vergleichbarem Umfang, gestützt auf die Nürnberger Reformation von 1564, die Carolina und die kursächsischen Konstitutionen von 1572, wobei die Schwierigkeiten darin bestanden, diese sich teils widersprechenden Regelungen zu harmonisieren. Dieses Recht galt nur im Stadtgebiet und den Vorstädten St. Georg und St. Pauli, im restlichen Landterritorium waren Landrecht und Gemeines Recht relevant.20 Generell war das Reichskammergericht als Appellationsinstanz für alle Untertanen des Kaisers im Alten Reich vorgesehen, doch wurde dieses Recht auf Betreiben der Reichsstände mittels kaiserlicher Privilegien eingeschränkt, um jenen die Machtposition als oberster Gerichtsherr ihres Territoriums zu erhalten. Die kaiserlichen Privilegien konnten die Appellation an das Reichskammergericht ganz oder aber zumindest bis zu einem bestimmten Streitwert verbieten. Der Hamburger Rat ersuchte im 16. Jahrhundert um die Erteilung eines solchen Privilegs um seine Einwohner nicht „… aus unnotturft unnd allain zu vermeidung geferlichen verzug, verlengerung und ausflucht des Rechten an unns unnd unser kaiserlich Camergericht zu appellieren unnderstanden, daraus dann die volnziehung gerechter und wolgesprochner Urtailn verhindert wurden“. 1553 entsprach Karl V. diesem Wunsch und gewährte ein Privilegium de non appellando. 21 Zunächst hatte der Rat eine Appellation an die neue Instanz unter Hinweis auf die Unterstellung der Stadt unter den Herzog von Holstein als oberstem Gerichtsherrn gänzlich untersagt. Schließlich wurde die Appellationssumme mit dem Privileg auf 600 rheinische Goldgulden festgelegt, d. h. bei Unterschreitung dieses Streitwertes war eine Anrufung des Reichskammergerichts untersagt. Ebenfalls von der Appellationsfähigkeit ausgenommen wurden Urteile über die Stadt betreffende Injuriensachen oder Gebäude. Nicht durchsetzen konnte sich der Rat mit einer Forderung im Jahre 1634, als eine Erweiterung der Appellationssumme von 600 auf 1.000 Gulden vom Reichshofrat abgelehnt wurde. Ferdinand II. gewährte zwar eine moderate Erhöhung auf 700 Gulden, schloss aber Appellationen gegen Urteile, „die Faktoreien, Bodmerei, Wechsel, Assekuranzen und alle anderen mit dem Gewerbe und dem Handel der Kaufleute zusammenhängen Streitigkeiten“ zum Inhalt 20
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HOPPE, S. 20 ff. Vgl. auch FREITAG, S. 12 ff. Weitere Quellen des Stadtrechts von 1603 waren das Seerecht der Hanse und die Antwerpener Wechselordnung. Das Statut besteht aus vier Teilen, die Vorschriften zum Prozess-, Privat- und Strafrecht enthalten. Im 17. und 18. Jahrhundert wurde das Stadtrecht modifiziert vor allem bezüglich der Handelsund Handwerkssachen (siehe dazu FREITAG, FN 31 f., 42). U. EISENHARDT, Die kaiserlichen Privilegia de non appellando (Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, 7), Köln-Wien 1980, S. 209, Zitat ebd. (Auszug aus dem Privileg).
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hatten, aus. 22 Folglich wurde nun versucht, Verfahren mit dem Hinweis auf nicht erreichte Streitwerte – etwa wegen Mängeln bei der Währungsumrechnung – oder das Vorliegen einer Handelssache abzuwenden, wobei gerade bei der Definition einer Handelsstreitigkeit kein „allgemeingültiger Konsens“ bestand.23 Mehrfach äußerte der Rat Bedenken gegenüber der Praxis des Reichskammergerichts, offensichtliche Handelssachen überhaupt zuzulassen. Gerade die in solchen Fällen gewünschte Prozessbeschleunigung würde durch Zustimmung des Reichskammergerichts zu einem Verfahren ad absurdum geführt.24 Für die Hansestadt liegen 1.369 auswertbare Reichskammergerichts-Prozesse vor, die entweder erstinstanzlich nach Speyer oder Wetzlar gelangten, meistens jedoch Appellationen gegen die Entscheidungen eines der Hamburger Gerichte waren. Der Anteil der letztgenannten Prozesse lag bei fast 80% des gesamten Prozessaufkommens, d. h. bei 1.087 Fällen. Die restlichen Verfahren bestanden aus Mandaten, Citationen und Extrajudizialappellationen. 25 Gerade im Vergleich mit dem Anteil der Appellationen am Prozessaufkommen der benachbarten Herzogtümer Holstein und Sachsen-Lauenburg (58,2%) scheint der Wert sehr hoch zu liegen, doch haben die Untersuchungen zum südlichen Ostseeraum gezeigt, dass sich Hamburg fast genau auf dem dortigen Durchschnittswert von 79,5% befindet.26
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FREITAG, S. 16 f. EISENHARDT, S. 84 f., Zitat S. 85. Erstaunlich war die Argumentation des Rates bezüglich der Gerichtshoheit des holsteinischen Herzogs, während zugleich gegenüber dem dänischen König mit Privilegien argumentiert wurde, welche die Stadt von eben dieser gerichtlichen Subordination ausnahmen. Die Höhe der ersten Appellationssumme war mit jener Bremens und Lübecks zu dieser Zeit vergleichbar. Die Ablehnung der drastischen Erhöhung der Appellationssumme begründet der RHR mit der bei Gewährung dieser Forderung zu starken Einschränkung der kaiserlichen Rechtssprechung. Ein weiteres Argument brachte der RHR in einem Gutachten zu einem Antrag Hessen-Darmstadts vor – dort sei von einer Erhöhung der Appellationssumme nicht nur wegen der „merkliche[n] Schmälerung der kaiserlichen Jurisdiktion“ sondern auch „in Ansehung der armen Parteien“ abzusehen (EISENHARDT, S. 88). A. EBERT-WEIDENFELLER, Hamburgisches Kaufmannsrecht im 17. und 18. Jahrhundert. Die Rechtsprechung des Rates und des Reichskammergerichtes (Rechtshistorische Reihe, 100), Frankfurt a. M. 1992, S. 29 ff. (Beispiele für angebliches Nichterreichen der Appellationssumme), 35 ff. (Beispiele für Definitionsprobleme bei Handelsstreitigkeiten), Zitat S. 35. EBERT-WEIDENFELLER, S. 55 f. FREITAG, S. 27. Erläuterungen zur Extrajudizialappellation finden sich bei den Ausführungen zu den jurisdiktionalen Prozessen. FREITAG, JÖRN, Inanspruchnahme, S. 87. Neben den Herzogtümern Holstein und Sachsen-Lauenburg sowie der Stadt Hamburg untersuchten Freitag und Jörn auch Lübeck sowie Mecklenburg und Pommern. Aus den Angaben für diese Territorien ließ sich der
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Inanspruchnahme Aussagen zur Integration Hamburgs in die verfassungsrechtlichen Strukturen des Alten Reiches können mit Hilfe der zeitlichen Inanspruchnahme des Reichskammergerichts durch Hamburger Parteien und im Vergleich mit den Ergebnissen für das gesamte Reich getroffen werden. Darüber hinaus lässt sich feststellen, ob die oben beschriebenen politischen und verfassungsrechtlichen Entwicklungen in der Stadt und im Reich einen Einfluss auf das Klageverhalten der Hamburger ausübten, der sich in einem zeitweiligen Abfall der Menge der an das Reichskammergericht getragenen Prozesse bemerkbar machte. 27 Auch ein Einfluss der hamburgischen Verhältnisse, z. B. der verschiedenen Bürgerunruhen oder der Versuche der dänischen Krone, die Herrschaft über die Stadt auszuüben, könnten sich im Geschäftsanfall widerspiegeln. Wie aus Tabelle 1 (siehe unten) ersichtlich ist, nahmen die Hamburger die Möglichkeit eines Instanzenzuges an das neue Reichsgericht zunächst nur zögerlich wahr, unterschieden sich darin allerdings nicht von anderen Parteien aus dem südlichen Ostseeraum.28 Selbst aus dem „reichsnäheren“ Thüringen wurden in den ersten zehn Jahren der Existenz des Reichskammergerichts nur zwei Prozesse anhängig.29 In Hamburg waren es mit drei Prozessen nicht viel mehr, doch wird an diesen Zahlen deutlich, dass die Entfernung zum Sitz des Reichskammergerichts, also die „Reichsnähe“ oder „Reichsferne“ zunächst keine Rolle spielt. Inwieweit diese Aussage auch für Frankfurt – den ersten Sitz des Reichs-
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oben genannte durchschnittliche Anteil der Appellationen am gesamten Prozessaufkommen errechnen, wobei Lübeck mit 75,3% und Mecklenburg mit 76,9% ähnliche Werte aufweisen wie Hamburg. Der Anteil der Appellationen aus Pommern liegt dagegen bei 87,6%, d. h. es wurden entsprechend viele Prozesse zuvor bereits von mindestens einer Gerichtsinstanz in Pommern beurteilt. Vgl. FREITAG, S. 19. FREITAG, JÖRN, Inanspruchnahme, S. 78. So wendeten sich Parteien aus Hamburg bzw. Lübeck zwar noch am Ende des 15. Jahrhunderts an das RKG (1498 bzw. 1499), doch der erste Prozess aus Holstein datiert in das Jahr 1501, der erste aus Pommern sogar noch einige Jahre später. Nur Lübeck liegt bezüglich der Inanspruchnahme des RKGs im ersten Jahrzehnt seiner Existenz mit sieben Prozessen im Reichsdurchschnitt. Das erste Verfahren von dort gelangte 1499 an das RKG: ein Lübecker Kaufmann und Bürger appellierte gegen ein Urteil des Obergerichts in seinem Streit mit einem Kaufmann aus Grabow (Bistum Ratzeburg). Die Parteien konnten sich nicht über die Bezahlung einer Partie Flachs einigen (H.-K. STEIN-STEGEMANN [Bearb.], Findbuch der Reichskammergerichtsakten im Archiv der Hansestadt Lübeck, 2 Bände [Veröffentlichungen des Schleswig-Holsteinischen Landesarchivs, 18 = Inventar der Akten des Reichskammergerichts, 13], Schleswig 1987, S. 589 f., S63). FREITAG, JÖRN, Inanspruchnahme, S. 78.
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kammergerichts – zutreffend ist, wird später zu zeigen sein. Im ersten Hamburger Prozess am Reichskammergericht wurde die Stadt 1498 vom kaiserlichen Fiskal wegen einer ausstehenden Reichssteuer in Höhe von 2.600 rheinischen Gulden verklagt30 und auch im zweiten Prozess aus demselben Jahr appellierte eine ortsfremde Partei gegen die Stadt und einige Einwohner: Ein ursprünglich von mehreren Hamburger Kaufleuten verklagter Magdeburger Kaufmann war mit dem Urteil des Hamburger Obergerichts in der Streitsache nicht einverstanden und wandte sich Hilfe suchend an das Reichskammergericht. 31 Erst am Beginn des 16. Jahrhunderts, im Jahr 1501, appellierte erstmals ein Hamburger Bürger an das Reichskammergericht.32 Insgesamt erreichten das Gericht bis zu dessen Verlegung nach Speyer neun Hamburger Prozesse, d. h. durchschnittlich jeweils drei in den ersten Jahrzehnten des Bestehens des Gerichts. Ranieris Stichprobe für den Geschäftsanfall des Reichskammergerichts in der Zeit bis zur Verlegung des Gerichts zeigt eine Gesamtzahl von 5.000 Prozessen bis 1526, dem letzten Jahr vor der Etablierung des Gerichts in Speyer. Die Spitzenwerte des jährlichen Prozesseinganges liegen in dieser Zeit bei 240 Fällen aus dem gesamten Alten Reich.33 Die geringe Prozessfrequenz Hamburgs lässt sich zum einen mit der Entfernung Hamburgs vom Gericht und der erst allmählichen Verbreitung der Kenntnisse vom Vorhandensein und vor allem den Möglichkeiten dieser neuen Institution als Klageund Appellationsinstanz über den ständischen Gerichten erklären. Außerdem war wegen der unsicheren Finanzierung des Personals und der Unklarheiten über den Fortbestand des Gerichts beim Tode seines Gründers eine gesicherte Arbeit der Richter unmöglich, wobei die Tätigkeit des Gerichts zusätzlich durch den mehrfachen Wechsel des Gerichtsstandortes belastet wurde. Andererseits bestrafte der Hamburger Rat die ersten elbstädtischen Parteien, die sich an das Reichskammergericht wandten und sorgte somit zweifellos ebenfalls für die nur
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STEIN-STEGEMANN, S. 1262 f., Nachtrag III/28. In dieser Zeit versuchte Hamburg noch, zwischen dem dänischen und dem kaiserlichen Anspruch auf Oberhoheit über die Stadt eine unabhängige Stellung zu erhalten. STEIN-STEGEMANN, S. 616, L15. Der Magdeburger appellierte zum einen gegen eine gegnerische Partei, die Hamburger Kaufleute, zum anderen aber auch gegen den Hamburger Rat als dem in der Sache zuständigen Gericht. Die Parteien stritten sich um die Bezahlung einer Ladung Roggen und die Aufhebung eines Warenarrests gegen den Magdeburger Kaufmanns. STEIN-STEGEMANN, S. 20, B1. Ein Hamburger Bürger stritt sich namens seiner Frau mit deren früherem Vormund bezüglich einer Rentenzahlung und der Rechnungslegung über die Vormundschaft. RANIERI, Recht und Gesellschaft, S. 300.
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geringe Zahl der Hamburger Prozesse in den ersten Jahrzehnten der Gerichtstätigkeit.34 Tabelle 1: Geschäftsanfall aus Hamburg am Reichskammergericht 1495-1806 (1.369 Prozesse) Zeitraum 1495-1504 1505-1514 1515-1524 1525-1534 1535-1544 1545-1554 1555-1564 1565-1574 1575-1584 1585-1594 1595-1604 1605-1614 1615-1624 1625-1634 1635-1644 1645-1654
Prozesse 3 3 2 7 10 32 37 49 60 55 56 42 50 39 51 80
Zeitraum 1655-1664 1665-1674 1675-1684 1685-1694 1695-1704 1705-1714 1715-1724 1725-1734 1735-1744 1745-1754 1755-1764 1765-1774 1775-1784 1785-1794 1795-1806
Prozesse 91 66 57 42 39 13 38 52 22 52 78 102 44 36 61
Dieses niedrige Niveau blieb bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts erhalten, durchschnittlich erreichte ein Hamburger Prozess pro Jahr das Reichskammergericht. Neben den Restriktionen des Rates gegen klage- und appellationswillige Bürger kann diese Zurückhaltung auch mit den Vorurteilen der evangelischen Hamburger gegenüber dem noch rein katholisch besetzten Gericht sowie der Blockade des Gerichts während des Schmalkaldischen Krieges erklärt werden, als der Geschäftsanfall aus dem gesamten Reich rückläufig war.35 Nach der Eini34
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GABRIELSSON, S. 145. Die Anwälte des Hamburger Rates argumentierten am RKG, die Herren von Holstein seien als Landesfürsten die obersten Richter der Stadt, verschwiegen aber, dass die Stadt im Besitz eines Privilegs stand, welches sie von eben dieser Gerichtsbarkeit befreite. RANIERI, Recht und Gesellschaft, S. 300. Die durchschnittlichen jährlichen Prozesseingänge sanken von ca. 280 (Anfang der 1530er Jahre) auf 171 (Mitte der 1540er), einen Tiefstand, der erst in der zweiten Hälfte des Dreißigjährigen Krieges wieder erreicht wurde.
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gung der verfeindeten Konfessionen auf dem Augsburger Reichstag im Jahre 1548, sowie der einige Jahre später erfolgten Festschreibung der beiden Konfessionen im Augsburger Religionsfrieden und der Besetzung (und Aufstockung) des Reichskammergerichts mit Personal beider Glaubensrichtungen nahm der Prozessanfall rasch zu. Wie auch die Zahl der aus dem Reich an das Gericht getragenen Prozesse bis auf einen jährlichen Durchschnitt von fast 670 Prozessen (1590-1594) stieg36, erhöhte sich die Zahl der hamburgischen Prozesse von durchschnittlich einem auf fünf pro Jahr.37 Am Ende des 16. und am Anfang des 17. Jahrhunderts stimmt die tendenzielle Entwicklung des Geschäftsanfalls aus Hamburg und dem Reich ebenso überein – die Anzahl der Prozesse sank leicht. Dabei war im Alten Reich der Höhepunkt des Geschäftsanfalls für die Speyerer Zeit des Reichskammergerichts an der Jahrhundertwende überschritten worden 38 , während Hamburg diesen Höchstwert mit ca. neun Prozessen pro Jahr erst um 1660 erreichte. Der für das Reich sichtbare deutliche Abwärtstrend ab den 1620ern bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges39 war für Hamburg nicht nachvollziehbar. Im Gegenteil, die Anzahl der an das Gericht gebrachten Fälle stieg am Ende des Dreißigjährigen Krieges an und erreichte bis 1689 einen jährlichen Wert von bis zu
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RANIERI, Recht und Gesellschaft, S. 140 f., 300. Neben der Aufstockung des RKG-Personals sieht Freitag auch in den nun stattfindenden und vor allem wirksamen Visitationen einen Grund für die gestiegene Akzeptanz des Gerichts (FREITAG, S. 21). Dem ist zuzustimmen, denn obwohl die Visitationen 1588 wegen der Auseinandersetzungen um die Session des Magdeburger Administrators eingestellt wurden, nahm das jährliche Prozessaufkommen weiter zu (vgl. RANIERI, Recht und Gesellschaft, S. 300; R. SMEND, Das Reichskammergericht. 1. Teil: Geschichte und Verfassung (Quellen und Studien zur Verfassungsgeschichte des Deutschen Reiches in Mittelalter und Neuzeit, IV, 3), Weimar 1911, S. 182 ff. sowie J. LEEB, Der Magdeburger Sessionsstreit von 1582. Voraussetzungen, Problematik und Konsequenzen für Reichstag und Reichskammergericht [Schriftenreihe der Gesellschaft für Reichskammergerichtsforschung, 24], Wetzlar 2000). RANIERI, Recht und Gesellschaft, S. 300. Vgl. dazu RANIERI, Recht und Gesellschaft, S. 139, 300, und A. BAUMANN, Die Gesellschaft der Frühen Neuzeit im Spiegel der Reichskammergerichtsprozesse. Eine sozialgeschichtliche Untersuchung des 17. und 18. Jahrhunderts (Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, 36), Köln-Wien 2001, S. 18 ff. Wie bereits angemerkt wurde, sank der Geschäftsanfall bedingt durch den Krieg auf Werte zurück, die zuvor lediglich in der Anfangszeit des Gerichts unterschritten wurden. Dies ist nicht nur mit dem Krieg im Allgemeinen, sondern im Besonderen auch mit den Differenzen des Gerichtspräsidenten mit dem Kaiser zu erklären – letzterer ließ ihn wegen seiner Zuwendung zu Frankreich für ein Jahrzehnt festsetzen und legte damit das Gericht weitgehend lahm.
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13 Prozessen. Diese dem Reichstrend gegenläufige Entwicklung erklärt sich aus der Bevölkerungsentwicklung der Stadt, deren Einwohnerzahl trotz (und auch gerade wegen) des Krieges stieg, da das als sichere Festung und neutral geltende Hamburg zum Ziel vieler vom Krieg Vertriebener wurde.40 Dennoch sind diese Zahlen mit der nötigen Vorsicht zu interpretieren, da nicht alle sozialen Schichten den gleichen Zugang zum Reichskammergericht hatten, d. h. eine statische Koppelung der Entwicklung der Einwohnerzahl und des Geschäftsanfalls nicht angenommen werden kann.41 Dies zeigte sich am Beginn des 18. Jahrhunderts, als trotz steigender Einwohnerzahl der hamburgische Geschäftsanfall rückläufig war – hier wirkte sich die erneute Blockade der Spruchtätigkeit durch religiöse Differenzen innerhalb des Gerichts aus. Ebenfalls ohne Einfluss auf den Geschäftsanfall verlief die politische Entwicklung der Stadt nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges. Die Verwicklungen Hamburgs in den Nordischen Krieg, die Differenzen mit den dänischen Königen und die innerstädtischen Unruhen spiegeln sich allerdings nur in Einzelfällen wider.42 Das Ringen um die politische Macht in der Stadt wurde jedoch nicht am Reichskammergericht ausgetragen, sondern am Reichshofrat und mit-
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41 42
Zur Bevölkerungsentwicklung Hamburgs siehe die Angaben aus KLESSMANN, S. 65 f., 114, 123, 165, 246. Vgl. auch H. REINCKE, Hamburgs Bevölkerung, in: H. REINCKE, Forschungen und Skizzen zur hamburgischen Geschichte (Veröffentlichungen aus dem Staatsarchiv der Hansestadt Hamburg, 3), Hamburg 1951, S. 167-200, sowie FREITAG, S. 22. Hamburgs Bevölkerung nahm von 14.000 (1500) auf 115.000 (1800) zu, d. h. zugleich eine Vervierfachung zwischen 1500 und 1700 (60.000) sowie im 18. Jahrhundert nochmals eine Verdopplung. Reincke und Klessmann gehen von einem Anstieg der Einwohnerzahl Hamburgs von 1600 bis 1700 von ca. 40.000 bis auf 60.000 aus – schon diese Zunahme ist eine dem allgemeinen Trend im Alten Reich deutlich entgegenlaufende Entwicklung. Mauersberg verwies auf einen noch stärkeren Anstieg der Einwohnerzahl Hamburgs von 23.000 (1600) auf ca. 75.000 (um 1685), der die hamburgische Sonderrolle noch deutlicher hervorhebt (H. MAUERSBERG, Wirtschafts- und Sozialgeschichte zentraleuropäischer Städte in neuerer Zeit: dargestellt an den Beispielen von Basel, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover und München, Göttingen 1960, S. 35, 47). FREITAG, S. 22. STEIN-STEGEMANN, S. 713 f., M46. Differenzen Hamburgs mit dem benachbarten Sachsen-Lüneburg spiegeln sich in einem Prozess wider, den der Kanzler des Fürsten gegen den Rat der Stadt bezüglich seiner Ausweisung aus Hamburg auf Antrag der schwedischen Regierung, den Arrest seiner Güter und die Behinderung der Klage führte. Er ist ein Resultat des Versuchs Hamburgs, zwischen den dänischen, schwedischen und Reichsinteressen seine Neutralität zu wahren. Trotz der zunächst durch die Schweden abgegebenen Versicherung, der Stadt notfalls militärisch gegen die Dänen beizustehen, ist es schließlich mit Braunschweig-Lüneburg ein weiterer Nachbar, der die Stadt vor dem Zugriff Christians V. retten kann (LOOSE, Zeitalter der Bürgerunruhen, S. 301).
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tels Anrufung des Kaisers mit der Bitte um Vermittlung.43 Auswirkungen auf die Zahl der Hamburger Prozesse hatte auch die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt, die sich seit dem 16. Jahrhundert Richtung Westen orientierte und am Atlantischen Handel teilnahm. Die Handelskontakte nach England, den Niederlanden und auf die Iberische Halbinsel finden sich in Prozessen am Reichskammergericht wieder. Daneben wirkten sich die Ausweitung des Hamburger Hinterlandes bis zur Oberelbe und zur Oder sowie der Versuch der Stadt, seine Neutralität gerade in Kriegszeiten zu erhalten, positiv auf die Entwicklung des elbstädtischen Handels aus.44 Wegen der engen wirtschaftlichen Anbindung an England wurde Hamburg am Ende des 18. und vor allem im 19. Jahrhundert als „The Continent’s most English City“ bezeichnet, nachdem das Handelsvolumen mit England dasjenige mit Frankreich überholt hatte.45 Die Einwanderer belebten mit Innovationen italienischer und französischer Herkunft den Hamburger Handel, dem die Stadt mit der Herausgabe von Wechselordnungen und der Gründung der Wechselbank nach niederländischem Vorbild Rechnung
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FREITAG, S. 23. Eines der wenigen Beispiele für eine Anrufung des RKGs bezügliche der innerstädtischen Streitereien ist der Prozess zwischen dem Rat und dem ältesten Syndicus der Stadt, dessen Tochter schließlich für sich und ihren Vater wegen der gegen ihn erhobenen Vorwürfe des Hochverrats und Schädigung des städtischen Fiskus’ am RKG prozessierte (STEIN-STEGEMANN, S. 713 f., G3). Ende der 1670er Jahre eskalierten die Differenzen zwischen den bürgerlichen Kollegien und ein kaiserlicher Kommissar wurde zur Vermittlung entsandt. Ein Rezess entstand, der die Oberalten stark begünstigte und den Rat und Bürgerschaft nach Abreise des Kommissars stillschweigend übergehen wollten, wogegen jedoch die Oberalten in Wien um Bestätigung beim Kaiser nachsuchten, dessen Anrufung bezüglich einer innerstädtischen Angelegenheit wiederum als Verrat angesehen wurde (LOOSE, Zeitalter der Bürgerunruhen, S. 272 f.). S. SCHUKYS, Die Einwirkung des Dreißigjährigen Krieges auf den Fernhandel Hamburgs, in: M. KNAUER, S. TODE (Hrsg.), Der Krieg vor den Toren. Hamburg im Dreißigjährigen Krieg 1618-1648 (Beiträge zur Geschichte Hamburgs, 60), Hamburg 2000, S. 213-241, hier S. 236 ff. Gerade die Neutralität Hamburgs bewirkte einen stetigen Zustrom an englischen, niederländischen und portugiesischen Kaufleuten, von denen letztere zumeist Glaubensflüchtlinge waren. NORTH 1996, Zitat S. 1. Neben Hamburg trug auch Frankfurt einen Namen, der die wichtige Rolle des Wechsel-, Geld- und Bankengewerbes widerspiegelte: „Des deutschen Reiches Gold- und Silberloch“ (siehe dazu auch den Titel des folgenden Werkes: H. BÖHME, Frankfurt und Hamburg. Des deutschen Reiches Silber- und Goldloch und die allerenglischste Stadt des Kontinents, Frankfurt a. M. 1968). Der Handel mit England etablierte sich aber nicht erst im 18. Jahrhundert – im Gegenteil, die Beziehungen zu den Merchant Adventurers reichten bis in die Mitte des 16. Jahrhunderts zurück.
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trug.46 Diese Entwicklung schlug sich in einer steigenden Zahl von Handelsund geldwirtschaftlichen Prozessen nieder.47 1693 wurde das Reichskammergericht in Wetzlar wiedereröffnet, wenn auch zunächst noch ohne sein Archiv, welches die Franzosen aus Speyer mitgenommen hatten. Ähnlich wie für den Rest des Reiches ist auch für Hamburg in dieser Phase kurz nach Beginn der Gerichtstätigkeit ein hohes Prozessaufkommen sowie die Auswirkung der erneuten Blockade des Gerichts durch seinen Präsidenten feststellbar.48 Nachdem das Gericht seine Tätigkeit erneut aufnahm, lag die Zahl der an das Reichskammergericht getragenen Prozesse für den Rest des 18. Jahrhunderts zwischen 100 und 200 pro Jahr49, für einzelne Jahrgänge jedoch auch deutlich höher.50 Die aus Hamburg eingebrachten Fälle hielten sich durchschnittlich bei fünf pro Jahr, was einem Anteil von ca. 2,5% des gesamten Geschäftsanfalls aus dem Alten Reich im 18. Jahrhundert entsprach.51 In der bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts leicht zunehmenden Inanspruchnahme des Gerichts durch Hamburg wie auch die anderen Stände verdeutlicht sich die nach der ingelheimschen Affäre zunächst gesunkene, nun jedoch wieder zunehmende Akzeptanz des Gerichts.52
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NORTH, Handelsexpansion, S. 165. NORTH, Kommunikation, S. 34. Mit dieser Entwicklung konnte Lübeck nicht mithalten – eine Tatsache, die sich auch in der abnehmenden Zahl von Handels- und besonders deutlich bei den geldwirtschaftlichen Fällen ablesen lässt (T. FREITAG, N. JÖRN, Lübeck und seine Bewohner vor den obersten Reichsgerichten in der Frühen Neuzeit, in: ZVLGA 81, S. 161-200, hier S. 180 f.). FREITAG, S. 24. Zum Präsidenten und späteren Kammerrichter Franz Adolf Dietrich Freiherr von Ingelheim siehe ausführlich H. DUCHHARDT, Reichskammerrichter Franz Adolf Dietrich von Ingelheim 1659/1732-1742, in: Nassauische Annalen, 81, 1970, S. 273 ff. H. HARTHAUSEN, Das Reichskammergericht in Speyer, in: Das Reichskammergerichtsmuseum Wetzlar (hg. v. der Gesellschaft für Reichskammergerichtsforschung), Wetzlar 1987, S. 23. BAUMANN, S. 133-135. Die hier abgebildeten Zahlen verdeutlichen zum einen die Auswirkung der Blockade Ingelheims (1705-1709: keine Prozesseingänge), zum anderen die weit über dem Durchschnitt liegenden Spitzenjahre (1722: ca. 332; 1732: ca. 324; 1727: ca. 309). Dieser Prozentsatz bezieht sich auf Ranieris Berechnung von 209 jährlichen Neueingängen (F. RANIERI, Die Arbeit des Reichskammergerichts in Wetzlar. Kontinuität und Diskontinuität im Vergleich zur Speyerer Zeit [Schriftenreihe der Gesellschaft für Reichskammergerichtsforschung, 4], Wetzlar 1988, S. 13). FREITAG, S. 25.
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In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts steuerte Hamburg erneut gegen den allgemeinen, im südlichen Ostseeraum53 und im Reich54 sichtbaren Trend an. Während sich dort die Inanspruchnahme rückläufig entwickelte, erreichten aus Hamburg nach der endgültigen Lösung von dänischen Herrschaftsansprüchen so viele Prozesse wie nie zuvor das Reichskammergericht. Die Zahl der Fälle stieg – nach einem vorübergehenden Einbruch – selbst in den 1790ern nochmals deutlich an, während die durchschnittlichen Werte der neu eröffneten Prozesse aus dem Reich wieder das Gründungniveau erreichten.55 Letzteres ist vor dem Hintergrund, dass 1782 endlich alle 25 Beisitzer-Stellen (wie schon im Reichsschluss von 1720 vorgesehen) besoldet werden konnten und die Arbeit des Gerichts beschleunigt wurde, besonders bemerkenswert. Ein direkter Bezug zwischen Geschäftsanfall und Bevölkerungsentwicklung ist jedoch auch im 18. Jahrhundert kaum herzustellen56, da sich die steigende Einwohnerzahl (die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die 100.000 überschritt) nicht mit der schwankenden Inanspruchnahme vereinen lässt. Dagegen liefern die Kreditkrise nach dem Siebenjährigen Krieg 57 und der konjunkturelle Aufschwung Hamburgs am Ende des 18. Jahrhunderts eine Erklärung für die erneut zunehmende Prozesszahl, die sich in mehreren Konkursprozessen sowie einer hohen Zahl von Handels- und Gewerbeprozessen widerspiegelt. Daran lässt sich erkennen, dass die Hamburger Parteien in einer Anrufung des Reichskammergerichts zur Lösung ihrer Streitfälle bis zu dessen Auflösung interessiert waren.58 Der Anteil der Appellationen am Hamburger Prozessaufkommen betrug zwischen 1495 und 1806 durchschnittlich knapp 80% und lag damit teilweise deutlich über den Anteilen für seine nächsten, ländlichen Nachbarn, jedoch auf einem nur wenig über dem Lübecks befindlichen Niveau.59 Wie schon angedeutet wurde und aus Tabelle 2 (siehe unten) ersichtlich ist, standen den insgesamt 1.087 Appellationen (also Verfahren, in denen der Urteilsspruch der städtischen 53 54 55
56 57
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FREITAG, JÖRN, Inanspruchnahme, S. 88. BAUMANN, S. 134 f. BAUMANN, S. 135. Für das Jahr 1803 schätzt Baumann die Zahl der eingebrachten Prozesse auf ca. 60, ein Wert der noch unter dem Durchschnitt aus der Gründungszeit des Gerichts liegt (bei nun deutlich höherer Bevölkerungszahl im Reich und weitgehender Akzeptanz des Gerichts) und seine Ursache im Reichsdeputationshauptschluss und den damit einhergehenden Veränderungen in der politischen Landschaft des Reiches und seiner Institutionen hat. Vgl. FREITAG, S. 25. ECKARDT, S. 34 f. KOPITZSCH, S. 354 f. Die Stadt musste an Dänemark fast 1,5 Millionen Taler zahlen. FREITAG, S. 26. Siehe oben FN 26.
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Instanz durch das Reichskammergericht korrigiert werden sollte) 134 Mandate, 116 Citationes und 32 Extrajudizialappellationen gegenüber. Dabei fällt auf, dass sich die prozentualen Anteile der Appellationen sowie der außergerichtlichen Fälle60 deutlich steigerten, während sich der Anteil der Mandate61 und vor allem der am Reichskammergericht erstinstanzlichen Prozesse stark verringerten. Gerade die Zunahme des Anteils an Appellationen vor dem Hintergrund der schon beschriebenen Einflussnahme der Stadt über den Erwerb von Appellationsprivilegien ist bemerkenswert, da sich dieser Trend nicht in den Vergleichsterritorien im südlichen Ostseeraum erkennen ließ.62 Nur in Lübeck war eine mit Hamburg vergleichbare Entwicklung feststellbar, während die Territorien Holstein, Mecklenburg und Pommern durch Privilegien die Zahl der Appellationen wenigstens eindämmen konnten.63
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T. SEEGER: Die Extrajudizialappellationen (Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, 25), Köln-Wien 1992, S. 33 ff. Vor allem zum Ende des Untersuchungszeitraumes blieb mehreren Fällen die gerichtliche Untersuchung versagt. In ihnen fühlte sich eine Partei direkt oder indirekt in ihren Rechten durch Befehle, Verordnungen und Urteile des Rates beschnitten und suchte um Richtigstellung am RKG nach. Obwohl im gemeinen Recht schon im späten Mittelalter praktiziert, wurden sie erst mit dem Reichsabschied von 1594 reichsrechtlich bindend und in die RKG-Ordnung am Beginn des 17. Jahrhunderts aufgenommen. Daraus erklärt sich ihr geringer Anteil in den ersten beiden Jahrhunderten des Untersuchungszeitraumes. B. DICK, Die Entwicklung des Kameralprozesses nach den Ordnungen von 1495 bis 1555 (Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, 10), KölnWien 1981, S. 93 ff. Mandatsprozesse sollten das Verfahren am RKG beschleunigen und wurden erst Mitte des 16. Jahrhunderts in der Prozessordnung verankert. FREITAG, JÖRN, Inanspruchnahme, S. 89 f. EISENHARDT, S. 73 ff., 90 f., 97 f., 101 ff., 111. Die Höhe des Lübecker Appellationsprivilegs lag seit 1588 bei 500 Lübecker Goldgulden (ohne weitere Einschränkungen). Die holsteinischen Herzöge erhielten 1617 eine Erhöhung ihres Privilegs auf 1.000 Goldgulden (und Nichtappellationsfähigkeit von Injuriensachen), die mecklenburgischen bekamen 1651 eine Privilegienerweiterung auf 2.000 rheinische Gulden zugesprochen (und ebenfalls den Ausschluss von Injuriensachen), nachdem Wallenstein (als Herzog zu Mecklenburg) zwischen 1629 und 1634 illimitiertes Privileg gewährt wurde. Der brandenburgische Kurfürst erwarb 1702 ein Appellationsprivileg für Hinterpommern mit einer Appellationssumme von 2.500 Goldgulden und der schwedische König 1648 ein illimitiertes Privileg für seine Reichsbesitzungen (für diese etablierte er in Wismar ein Oberappellationsgericht).
Hamburg und Frankfurt vor dem Reichskammergericht
43
Tabelle 2: Verfahrensarten der Hamburger Prozesse am Reichskammergericht 1495-180664 Zeitraum
Appellationen
Mandate
Citationes
Extrajudizialappellationen
1495-1600 1601-1700
191 (66,6%) 461 (80,6%)
36 (12,5%) 70 (12,2%)
58 (20,2%) 40 (7%)
2 (0,7%) 1 (0,2%)
1701-1806 1495-1806
435 (85,3%) 1.087 (79,4%)
28 (5,5%) 134 (9,8%)
18 (3,5%) 116 (8,5%)
29 (5,7%) 32 (2,3%)
Auch im Vergleich mit Ranieris Stichproben für das Alte Reich im 16. Jahrhundert verlief die hamburgische Entwicklung bezüglich der Appellationen gegensätzlich, denn im Reich sank deren Anteil vom Ende des 15. Jahrhunderts bis 1600 von über 70% auf über 40%. Der Anteil der Citationen entwickelte sich im 16. Jahrhundert im Reich leicht abfallend, von 22% auf 12%, der Anteil der Mandate stieg dagegen deutlich an von unter 5% auf fast 45% und übertraf damit sogar den Wert der Appellationen.65 In Hamburg dominierten von Beginn an Appellationsverfahren, bis zum Ende des 16. Jahrhunderts war ihr Beitrag zum Hamburger Prozessaufkommen auf knapp 70% gestiegen.66 Scheinbar wird hier ein städtischer Trend sichtbar, denn die im 16. Jahrhundert an Hamburg und auch Lübeck vergebenen Appellationsprivilegien hatten keine langfristig sichtbaren Auswirkungen auf den Anteil der Appellationen.67 Deren hoher Anteil deutete zum einen auf eine entsprechende finanzielle Ausstattung der appellierenden Partei (und damit deren sozialen Status) bzw. einen entsprechend hohen Streitwert hin, zum anderen aber auch auf das besonders in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts bei dem Hamburgern vorhandene Wissen um die Möglichkeit einer Korrektur bzw. Kontrolle der obersten städtischen Gerichtsinstanzen durch die Reichsjustiz. Damit konnten die appellierenden Parteien auf eine letztinstanzliche Regelung des Gerichtsverfahrens in ihrem 64
65
66 67
FREITAG, S. 27. Nicht enthalten sind die Confirmationes, die ebenfalls nicht zu den 1.369 Prozessen gezählt wurden. RANIERI, Recht und Gesellschaft, S. 396 f. Die Spitzen- bzw. Tiefstwerte liegen für die Appellationen bei 74,4% in den 1520ern bzw. 33,3% in den 1580ern, für Citationen bei 23,5% (1550er) bzw. 12,2% (1590er) und für Mandate bei 44,2% (1590er) bzw. 3,6% (bis 1519). FREITAG, S. 28. Vgl. EISENHARDT, S. 84, 97. Hamburg bekam sein erstes Privileg erst 1553 (siehe oben), Lübeck dagegen schon 1504 (40 Gulden Lübecker Währung) und eine Erweiterung 1544 (200 Goldgulden Lübecker Währung).
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Hamburg und Frankfurt vor dem Reichskammergericht
Sinne hoffen oder als erstinstanzlich klagende Partei das Verfahren verlängern.68 Während Diestelkamp meint, mit den systematisch erhöhten Appellationsprivilegien seien die sozial tiefer gestellten vom Reichskammergericht ferngehalten worden und deshalb weniger Appellationen zu verzeichnen, sieht Ranieri in den gesteigerten Appellationssummen nur einen Ausgleich für die „galoppierende“ Inflation, woraus sich der geringe bis gar nicht vorhandene Einfluss der Privilegien in Hamburg oder Lübeck erklärt. 69 Anzunehmen ist eine Verbindung beider Meinungen, da zwar ärmeren Parteien der Zugang zum Gericht erfolgreich erschwert wurde (es sei denn, die Inanspruchnahme des Status als arme Partei erfolgte in öffentlicher Erklärung), die begüterten sich aber in ihrem Klageverhalten nicht beeinflussen ließen. Dass dennoch verschiedene Stände um weitere Appellationsprivilegien nachsuchten, erklärt sich aus der mit ihnen verbundenen Machtposition des betreffenden Gerichtsstandes, der für die nicht appellationsfähigen Verfahren oberste Instanz blieb.70 Sogar nach der Anhebung der Summe 1634 auf 700 rheinische Goldgulden71 wuchs der Anteil der Appellationen am Hamburger Prozessaufkommen weiter, selbst die Zahl der Handelsprozesse wuchs, da deren Definition den Parteien überlassen blieb 72 , obwohl sie nach dem Wortlaut des Privilegs als nicht appellabel galten.73 Generell bleibt festzuhalten, dass Hamburg in den Instanzenzug des Alten Reiches – nach anfänglicher Zurückhaltung in den ersten Dekaden der Gerichtstätigkeit – über den Reichsdurchschnitt hinaus eingebunden war.
Prozessgegenstände Nach der Betrachtung der Inanspruchnahme des Reichskammergerichts durch Hamburger Parteien soll jetzt anhand der Differenzierung der Fälle nach den einzelnen Prozessgegenständen in den ranierischen Kategorien 74 geklärt wer68 69 70 71 72 73
74
FREITAG, S. 28. RANIERI, Recht und Gesellschaft, S. 204, FN 32. Siehe oben in den Ausführungen zum Appellationsprivileg in Kapitel II.2. EISENHARDT, S. 85. FREITAG, S. 29. EISENHARDT, S. 85. Ausgeschlossen sind u. a. „… sachen, factoreyen, Maß copey, Boddemereywechßley, assecurantien, unnd so auf Rechnung beruehen, auch sonsten alle andere kauffmans gewerbe und handel betreffen …“ (S. 217). RANIERI, Recht und Gesellschaft, S. 282 ff. Auf die Schwierigkeiten mit der Kategorisierung ist schon verwiesen worden (siehe oben), und auch Freitag thematisiert die Schwierigkeiten einer exakten Zuordnung. Dennoch hält er mit dem gleichen Argument wie der
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den, mit welchen Problemen sich die hamburgischen Bürger an das Gericht wandten. Mit dieser Betrachtung können Aussagen zu den „Konfliktstrukturen im Gemeinwesen des frühneuzeitlichen Hamburgs“ 75 getroffen werden, die durch den gewährten Einblick in eher private rechtliche Probleme die politische Geschichte der Stadt ergänzen. Neben einem Überblick über die Streitgegenstände aller Hamburger Reichskammergerichtsprozesse und deren Verteilung sowohl in den einzelnen Kategorien als auch den Zeitpunkt ihres Eingangs am Reichskammergericht, werden dann die einzelnen Kategorien näher betrachtet. Ohne dem Ergebnis zu weit vorzugreifen kann hier schon festgehalten werden, dass die größten Anteile den Kategorien „Geldwirtschaft“ und „Handel und Gewerbe“ zuzurechnen sind, die aber erst in den beiden folgenden Kapiteln (III und IV) genauer untersucht werden. Tabelle 3: Gegenstände der Hamburger Prozesse 1495-1806 (1.369 Prozesse)76 Prozessgegenstand keine Angabe staatl.-hoheitliche Rechte Jurisdiktion Lehnswesen Grundherrschaft Kriminalität Familienverband Grund- und Bodenwirtschaft Geldwirtschaft Handel und Gewerbe
75 76
Anzahl der Prozesse 8 46 178 0 1 57 252 58 483 286
Anteil am gesamten Prozessaufkommen (in %) 0,6 3,4 13 0 0,1 4,2 18,4 4,2 35,3 20,8
Autor an dieser Differenzierung fest, da sie nämlich eine Vergleichsmöglichkeit zu den bereits vorhandenen, eben auch auf diesem Schema basierenden Untersuchungen ermöglicht (FREITAG, S. 31 f.). Dabei ist nicht auszuschließen, dass sich aufgrund subjektiver Schwerpunktsetzung bezüglich der einzelnen Prozessinhalte bei einer Kategorisierung durch eine andere Person abweichende Ergebnisse einstellen (auf die tiefer greifende, nach rechts-historischen Aspekten vorgenommene Kategorisierung der gesamten RKGAkten durch Schildt und seine Mitarbeiter ist ebenfalls verwiesen worden), jedoch sollte die grundlegende Tendenz erhalten bleiben. FREITAG, S. 31. Die Prozentsätze sind auf Zehntel Prozentpunkte gerundet; gleiches gilt für die Tabelle mit den Gegenständen der Frankfurter Prozesse.
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Die prozentuale Verteilung der in Tabelle 3 (siehe oben) dargestellten Prozessgegenstände macht deutlich, dass ca. 75% der gesamten hamburgischen Prozesse aus drei Lebensbereichen stammten. Dabei stellten die geldwirtschaftlichen Prozesse mit über 35% den größten Einzelanteil, Handel und Gewerbe sowie Streitigkeiten im Familienverband folgten mit jeweils etwa 20%. Den viertgrößten Anteil lieferten die Jurisdiktionsprozesse mit 13%, es folgten Kriminalität, Grund- und Bodenwirtschaft mit ca. 4% und die Kategorie staatlich-hoheitliche Rechte mit ca. 3%. Aus dem Bereich Grundherrschaft77 war nur ein einziger Prozess nachweisbar (Anteil < 0,1%), lehnsrechtliche Prozesse konnten überhaupt nicht belegt werden. Der Vergleich dieser Ergebnisse mit den Erkenntnissen zum südlichen Ostseeraum und zu Lübeck bestätigte den festgestellten Trend teilweise. Ähnlich wie in Hamburg waren auch in Lübeck die Bereiche Geldwirtschaft (32%), Handel und Gewerbe (21%) und Familienverband (16%) diejenigen mit den größten Anteilen am gesamten Lübecker Prozessaufkommen, welches allerdings mit 774 Prozessen nur etwas mehr als 50% des hamburgischen Prozessaufkommens entsprach.78 Die insgesamt 5.763 Prozesse aus dem südlichen Ostseeraum verteilten sich dagegen anders. Zwar stellten auch hier die geldwirtschaftlichen Prozesse mit knapp über einem Drittel der Fälle den größten Anteil, doch danach folgten Familienverband (15%), Jurisdiktion (12%) und Kriminalität (10%) noch vor Handel und Gewerbe sowie staatlich-hoheitlichen Rechten (jeweils ca. 8,5%). Streitigkeiten zum Lehnswesen (3%) und zur Grundherrschaft (1%) waren im Vergleich mit den Anteilen für Hamburg und Lübeck deutlich überrepräsentiert und verwiesen auf die für die Territorialstaaten bedeutsamen Probleme zwischen Herrschaft und Untertanen; diese waren jedoch für innerstädtische Streitigkeiten gegenstandslos.79 Für die zeitlichen Differenzen der Inanspruchnahme des Reichskammergerichts im 16. Jahrhundert bezüglich der einzelnen Prozessgegenstände ließen sich im Vergleich mit Hamburg wiederum Ranieris Stichproben heranziehen, 77
78
79
STEIN-STEGEMANN, S. 230 f., E39. Dieser durch einen außergerichtlichen Vergleich beigelegte Streit zwischen dem Pächter eines Vorwerkes und dem Rat der Stadt behandelte u. a. die Frage nach der Rechtmäßigkeit von Dienstleistungen durch die Untertanen in verschiedenen Dörfern, enthielt aber mit dem Streit um widerrechtlich gefällte Bäume in einem vom Kläger gepachteten Wald auch charakteristische Elemente des Bereichs Grund- und Bodenwirtschaft. FREITAG, JÖRN, Lübeck, S. 177. Die Werte für die restlichen Kategorien sind: keine Angabe 1%, staatlich-hoheitliche Rechte 8%, Jurisdiktion 12%, Kriminalität 8% und Bodenwirtschaft 3% (gerundete Werte), aus dem Bereich Lehnswesen gibt es ebenso wie in Hamburg nicht einen Prozess, in der Kategorie Grundherrschaft ebenfalls einen. FREITAG, JÖRN, Lübeck, S. 177 f.
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die den Zeitraum von 1494 bis 1599 umfassen.80 Diese in den Tabellen 4 und 5 (siehe unten) abgebildeten Prozessgegenstände verdeutlichen einige Unterschiede zwischen den Werten des Alten Reiches und denen Hamburgs. Tabelle 4: Prozessgegenstände nach Ranieri für das Alte Reich 1494-1599 (746 Prozesse)81 Prozessgegenstand keine Angabe staatl.-hoheitliche Rechte Jurisdiktion Lehnswesen Grundherrschaft Kriminalität Familienverband Grund- und Bodenwirtschaft Geldwirtschaft Handel und Gewerbe
Anzahl der Prozesse 26 110 149 29 23 88 88 63 150 20
Anteil am gesamten Prozessaufkommen (in %) 3 15 20 4 3 12 12 8 20 3
Zwar war auch im Reich der Anteil der privatrechtlichen Prozesse der umfangreichste, Verfahren um staatlich-hoheitliche Rechte wurden allerdings doppelt so häufig wie in Hamburg oder Lübeck geführt, Probleme im Familienverband gelangten dagegen aus den Städten (14% für Hamburg, 16% für Lübeck82) etwas öfter an das Reichskammergericht (12% für das Reich). Der Anteil der Jurisdiktionsfälle im 16. Jahrhundert aus Hamburg und dem Reich betrug jeweils rund ein Fünftel der gesamten Prozesse.83
80
81
82 83
RANIERI, Recht und Gesellschaft, S. 483 f. Ranieri gliedert diese 105 Jahre in sechs unterschiedlich lange Abschnitte, die hier in einem Diagramm gebündelt werden. Ebenso wird zwecks einfacher Vergleichbarkeit mit den Hamburger Prozessen verfahren, von denen bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts ohnehin nur 26 an das RKG gezogen wurden. Die Anzahl der Frankfurter Prozesse in diesem Zeitraum lag, wie noch zu zeigen sein wird deutlich höher, doch wird aus Gründen einer übersichtlichen Darstellung der Gemeinsamkeiten und Gegensätze zwischen diesen beiden Städten die zeitliche Einteilung auch bei Frankfurt beibehalten. Die Prozentsätze sind auf ganze Prozentpunkte gerundet; gleiches gilt für die anderen Tabellen mit zeitlicher Differenzierung. FREITAG, JÖRN, Lübeck, S. 177. Hier ist der Anteil Lübecks deutlich geringer und erreicht im 16. Jahrhundert durchschnittlich nur knapp 12% (FREITAG, JÖRN, Lübeck, S. 177). Das Zustandekommen die-
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Tabelle 5: Zeitliche Differenzierung der Inanspruchnahme des Reichskammergerichts mit einzelnen Streitgegenständen aus Hamburg 1495-1599 (285 Prozesse) Prozessgegenstand keine Angabe staatl.-hoheitliche Rechte Jurisdiktion Lehnswesen Grundherrschaft Kriminalität Familienverband Grund- und Bodenwirtschaft Geldwirtschaft Handel und Gewerbe
Anzahl der Prozesse 2 22 52 0 0 19 41 8 97 44
Anteil am gesamten Prozessaufkommen (in %) 1 8 18 0 0 7 14 3 34 15
Der hamburgische Charakter als Handels- und Hafenstadt schlug sich schon im 16. Jahrhundert in den Streitgegenständen nieder, denn die Bereiche Geldwirtschaft und vor allem Handel und Gewerbe konnten – verglichen mit den Anteilen für das Reich – deutlich häufiger nachgewiesen werden. Der Abstand zum gesamten Reich war im Falle Lübecks sogar noch größer, die geldwirtschaftlichen (38%) und Handels- und Gewerbeprozesse (16%) machten mehr als die Hälfte aller Lübecker Prozesse im 16. Jahrhundert84 aus und verdeutlichten die herausragende Stellung der Stadt als Haupthandelsplatz der Hanse. Inwieweit diese Beobachtungen auch für Frankfurt zutreffend sind, wird später zu zeigen sein. Bemerkenswert ist, dass auch im 17. und 18. Jahrhundert der Anteil der geldwirtschaftlichen und Handels- und Gewerbeprozesse aus Hamburg zusammen jeweils mehr als die Hälfte des hamburgischen Prozessaufkommens beisteuerte, wenn auch leichte Verschiebungen in den Einzelwerten für beide Kategorien auftraten.85 So stellten die geldwirtschaftlichen Streitigkeiten bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts annähernd zwei Fünftel aller Hamburger Prozesse, während dann in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Handels- und
84 85
ser Differenz im Vergleich zu Hamburg wurde mit den Ausführungen über die Behinderung der elbstädtischen Kläger durch den Hamburger Rat erklärt. FREITAG, JÖRN, Lübeck, S. 180. Siehe dazu die restlichen vier Tabellen (39-42) zur zeitlichen Differenzierung der Inanspruchnahme des RKGs mit einzelnen Streitgegenständen aus Hamburg für die Jahre 1600 bis 1806 im Anhang.
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Gewerbefälle mit den geldwirtschaftlichen gleichzogen und zusammen fast zwei Drittel am gesamten Prozessaufkommen erreichten. Hier spiegelte sich Hamburgs wirtschaftliche Entwicklung wider, die vor allem in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts durch die Befreiung von den dänischen Ansprüchen und die neu gewonnene Selbständigkeit einen weiteren Schub erhielt.86 Die Lübecker Werte entwickelten sich anders, obwohl auch hier die geldwirtschaftlichen und Handels- und Gewerbestreitigkeiten im 17. und 18. Jahrhundert mindestens knapp 50% am gesamten Prozessaufkommen stellten. Doch während sich in Hamburg die Werte beider Kategorien annäherten, drifteten sie in Lübeck stark auseinander. Fälle aus dem Bereich Geldwirtschaft gingen anteilsmäßig und absolut zurück (89 Fälle, 32% im 17. Jahrhundert; 17/13% im 18. Jahrhundert). Die Handels- und Gewerbeprozesse nahmen anteilig stark zu, auch wenn die absolute Zahl der Verfahren nur geringer stieg (47/17% im 17. Jahrhundert; 54/42% im 18. Jahrhundert).87 Im Vergleich zum Alten Reich war die Entwicklung bezüglich der geldwirtschaftlichen Prozesse Hamburgs ähnlich, auch im Reich hielt diese Kategorie den größten Anteil (teilweise stark schwankend zwischen 21 und 53% im 17. Jahrhundert, sich dann stabilisierend bei 30-35% im 18. Jahrhundert).88 Dagegen blieb die reichsweite Bedeutung der Handels- und Gewerbeprozesse mit durchschnittlich 6% im 17. und 18. Jahrhundert 89 weit hinter den Hamburger oder gar Lübecker Werten zurück und verdeutlichte den ländlichen Charakter des Reiches in der Frühen Neuzeit.90 Genauere Ausführungen zu diesen beiden zuletzt besprochenen Kategorien folgen in den Kapiteln III und IV und werden dort mit Beispielen illustriert. Zu den nach ihnen anteilig bedeutendsten Bereichen – Familien-
86 87
88 89
90
Vgl. dazu KOPITZSCH, S. 355 ff. FREITAG, JÖRN, Lübeck, S. 180. Dieses Phänomen erklärt sich mit einem Blick auf die Entwicklung des gesamten Prozessaufkommens aus Lübeck, welches vom 16. bis zum 18. Jahrhundert rückläufig war. Nach 367 Prozessen im 16. Jahrhundert, sind es im 17. Jahrhundert nur 278 und 18. Jahrhundert gar nur noch 129 Prozesse. BAUMANN, S. 153. BAUMANN, S. 153. Bei den anderen hamburgischen Streitgegenständen, von denen nur noch derjenige zum Familienverband in seiner zeitlichen und prozentualen Entwicklung mit dem Trend für das Alte Reich annähernd übereinstimmt, liegen die Werte wegen der herausragenden Bedeutung der Kategorien Handel und Gewerbe sowie Geldwirtschaft entsprechend niedriger oder sind praktisch nicht vorhanden (S. 154 ff.). Diese Aussage wird unterstützt durch die Werte der beiden Kategorien für die ländlichen Territorien des südlichen Ostseeraumes, die im Schnitt sogar noch unter denen des Reiches liegen (Holstein/Sachsen-Lauenburg 3,4%; Mecklenburg 2,2%; Pommern 3,9%; FREITAG, JÖRN, Inanspruchnahme, S. 71), da in diese ja auch die städtischen Werte Eingang gefunden haben.
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verband und Jurisdiktion – sowie den noch kleineren Kategorien folgen etwas später in diesem Kapitel noch einige Ausführungen. Zuvor jedoch sollen die Prozesslängen und die Prozessparteien näher betrachtet werden.
Prozessdauer Über die Klagen der Zeitgenossen ob der – angeblichen – Langsamkeit des Reichskammergerichts ist schon berichtet worden.91 Die bei Smend genannten Zahlen über „unerledigte Prozessaktenberge“ 92 sind in der Tendenz richtig, jedoch in den absoluten Zahlen von bis zu mehreren tausend Akten sicherlich deutlich zu hoch.93 Diese Untersuchungen sind in den letzten Jahren immer wieder bestätigt worden und treffen auch im Falle Hamburgs und Frankfurts zu. Dabei wird im Verlauf der Untersuchungen zu zeigen sein, ob sich die deutlich größere Entfernung Hamburgs zum Sitz des Reichskammergerichts im Vergleich zu Frankfurt in sichtbar längeren Prozesslaufzeiten niederschlug. Denn selbst nach der Verlegung des Gerichts von Speyer nach Wetzlar, also dichter an Hamburg heran, blieb das Problem der unzureichenden Infrastruktur bestehen, Verkehr und Kommunikation über größere Strecken waren temporär und finanziell aufwendig.94 Mitte des 17. Jahrhunderts wurde daher im Jüngsten Reichsabschied festgeschrieben, dass zur Beschleunigung der Verfahrensaufnahme alle Anträge, Beweise, Schriftstücke, Zeugenaussagen usw. vollständig einzureichen seien, um den Verfahrensvorlauf zwischen den Gerichtsprokuratoren und der jeweiligen Prozesspartei zu verkürzen.95 Negativ wirkten sich dage91
92 93 94 95
Ranieri sprach in seinen Untersuchungen nochmals Äußerungen von der „wohl endlosen Dauer“ der Prozesse in der historischen Literatur an, widerlegte diese Aussagen dann aber mit seinen Ergebnissen (RANIERI, Recht und Gesellschaft, S. 211 ff.). Baumann weist zu Recht auf die Schwierigkeiten bei der Bestimmung der eigentlichen Prozessdauer hin, da die genannten Zahlen u. U. nicht den tatsächlichen Zeitraum der Verhandlung am RKG wiedergeben, sondern der Zeitpunkt des Abschlusses in den Prozessprotokollen durch Sichtvermerke und Nachträge künstlich nach hinten verlängert wird (BAUMANN, S. 104). Die Findbücher für Hamburg und Frankfurt, deren Angaben die Basis für die Aussagen zur Prozesslänge bilden, beachten dieses Problem und verweisen getrennt auf den eigentlichen Prozessabschluss und die nachlaufenden Sichtvermerke, Bestätigungen usw. FREITAG, S. 83. Vgl. SMEND, S. 119 f. Siehe dazu z. B. NORTH, Handelsexpansion, S. 169 f. FREITAG, S. 83 (besonders §§ 37 und 38 des Jüngsten Reichsabschieds). Nicht nur die Prozessparteien wurden zu entsprechender Sorgfalt bei der Vorbereitung eines Verfahrens am RKG aufgefordert, sondern auch die internen Abläufe sollten im Sinne einer
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gen – neben den Totalblockaden des Gerichts – auch die Schwierigkeiten bei der Finanzierung des Gerichts und die daraus resultierende Personalknappheit sowie die Verzögerungen durch die prozessierenden Parteien und Anwälte wegen Fristverlängerungen (z. B. zwecks Zeugenbefragung) auf die Prozesslänge aus. Eine besonders lange Dauer eines Falles konnte die Parteien veranlassen, sich aus dem Verfahren zurückzuziehen 96 , wenn selbst Promotorialschreiben den Prozess nicht beschleunigten.97 Verzögernd wirkten sich ebenfalls der Tod einer Prozesspartei oder deren Anwalts sowie das Verschwinden der beklagten Partei aus. Die folgenden Angaben zur Prozessdauer sowohl für Hamburg als auch später für Frankfurt basieren auf den jeweiligen Findbüchern, die differenzierte Aussagen zur Prozessdauer ermöglichen. 98 Tabelle 6 (siehe unten) zeigt die
96
97
98
Verfahrensbeschleunigung modifiziert werden. So wurde den Assessoren nahe gelegt, die Relationen in der gebotenen Kürze zu verfassen, da sonst zwischen Schlussantrag und abschließendem Urteil wiederum Jahre vergehen konnten (H.-M. GÖTTE, Der Jüngste Reichsabschied und die Reform des Reichskammergerichts, Diss., München 1998, S. 68 ff., S. 79 ff., besonders S. 95 f.). BAUMANN, S. 104 f. Baumann führt ein schönes, wenn auch nicht zu Hamburg oder Frankfurt gehörendes Beispiel für massive Verzögerung eines Prozesses durch anderweitige Aktivitäten der Parteien oder deren Desinteresse an: Der Administrator des Deutschen Ordens prozessierte 207 (!) Jahre lang mit dem Markgrafen von BrandenburgAnsbach um eine Schankgerechtigkeit. Wegen des Desinteresses der Parteien an der Fortführung der Verhandlungen ruhte das Verfahren insgesamt für 169 Jahre, war mit knapp 40 Jahren reiner Prozessdauer aber immer noch eindeutig zu den negativen Beispielen für die Verweildauer einzelner Verfahren am RKG zu rechnen. Ebert-Weidenfäller weist indirekt darauf hin, dass zumindest einige Klagen wegen der Langsamkeit des Gerichts durchaus berechtigt waren (auch die folgenden Ausführungen zu Hamburg und Frankfurt belegen einige „ewige“ Prozesse, die nicht zu Lebzeiten der ursprünglichen Prozessparteien abgeschlossen wurden). So existierten im 18. Jahrhundert Vordrucke für Gesuche um ein beschleunigtes Verfahren (EBERT-WEIDENFELLER, S. 285), woran deutlich zu sehen ist, dass es sich nicht nur um einige wenige zeitlich ausufernde Prozesse handeln konnte. Stein-Stegemann listet anhand der Protokolleinträge der einzelnen Akten das „Einführungs- und das Endjahr“ der einzelnen Prozesse auf, wobei für letzteres das Ende der Prozesshandlung und nicht die „internen Vermerke der RKG-Leserei“ entscheidend sind (letztere sind separat verzeichnet). Ebenso verhält es sich mit den beigelegten Schriften, die vor den offiziellen Prozessbeginn datiert sein können (bzw. einzeln am Gericht eintrafen und bis zur Verfahrenseröffnung gesammelt wurden und demzufolge auch im Protokoll verzeichnet sind), so dass auch diese Abweichung getrennt vom eigentlichen Verhandlungsstart verzeichnet wird. Ein Beispiel sei hier auch genannt: Von 1673 bis 1678 beschäftigt sich das RKG mit dem Mandatsantrag eines Hamburger Kaufmanns gegen den Rat der Stadt. Letzterer soll aufgefordert werden, einen am Obergericht schon 1659 ausgesprochenen Bescheid in einem Prozess des Klägers gegen einen Nachbarn umzu-
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Dauer der Hamburger Prozesse im gesamten Untersuchungszeitraum zwischen 1495 und 1806 und bestätigt auf den ersten Blick die von der neueren Forschung festgestellte Erkenntnis, dass ein großer Teil der Prozesse zügig erledigt werden konnte. Zwei Drittel aller Verfahren waren nach maximal fünf Jahren abgehandelt, weitere 25% konnten nach 20 Jahren abgeschlossen werden. Weniger als 10% aller Prozesse zogen sich über einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren hin, wobei gerade die sechs „ewigen“ Prozesse mit einer Dauer von mehr als 50 Jahren mit einem verschwindend geringen Anteil (0,4%) am gesamten Prozessaufkommen beteiligt sind. Der Vergleich mit Lübeck sowie dem südlichen Ostseeraum bescheinigt Hamburg eine überdurchschnittlich schnelle Erledigung der am Reichskammergericht anhängigen Verfahren. In Lübeck waren drei Fünftel (60%) aller Prozesse nach fünf Jahren erledigt, nach 20 Jahren ca. 30% und nur ca. 10% der Fälle – wie in Hamburg – dauerten mehr als 20 Jahre, wobei die „ewigen“ einen Anteil von immerhin 1,4% erreichten.99 Tabelle 6: Dauer der Hamburger Prozesse 1495-1806 (1.369 Prozesse) Jahre bis 1 1 bis 3 4 bis 5 6 bis 10 11 bis 15 16 bis 20 21 bis 30 31 bis 50 51 bis 100 über 100
Prozesse 214 519 183 224 88 36 55 44 5 1
Für das 16. Jahrhundert liegen Vergleichswerte Ranieris zu Prozesslängen im Alten Reich vor, für das 17. und 18. Jahrhundert hat Baumann umfangreiche Werte aufgeschlüsselt. Letztere sind jedoch wegen der Abweichungen in der
99
setzen. Das Verfahren am Obergericht zog sich von 1658-1672 hin, dann wandte sich der klagende Kaufmann an das RKG, wo das Verfahren 1673 eröffnet wurde. Die Verhandlung der Sache war dann fünf Jahre später abgeschlossen, der letzte Vermerk im Protokoll des Prozesses stammt jedoch aus dem Jahr 1683. Relevanz für die Untersuchung der Prozesslänge hat nur die Angabe der Verhandlungszeit von 1673-1678 (STEINSTEGEMANN, S. XV, 286, G17). FREITAG, JÖRN, Lübeck, S. 184.
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Differenzierung der Prozesslängen nur eingeschränkt in diesem Vergleich verwendbar.100 Ranieris Ergebnisse für die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts101 weichen deutlich von denen für den südlichen Ostseeraum102 und Hamburg103 ab. Tabelle 7: Zeitliche Entwicklung der Hamburger Prozesslängen 1495-1806 (1.369 Prozesse, absoluter Wert und prozentualer Anteil am jeweiligen Zeitraum)104 Dauer
14951549
15501599
16001649
16501699
17001749
17501806
14951806
1-5 Jahre
23 (71,9)
133 (52,6)
157 (62)
244 (76,5)
106 (70,2)
253 (70)
916 (66,9)
6-20
6 (18,8) 2 (6,3) 0
81 (32) 36 (14,2) 3 (1,2) 0
68 (26,9) 26 (10,3) 2 (0,8) 0
64 (20,1) 11 (3,4) 0
40 (26,5) 5 (3,3) 0
89 (24,7) 19 (5,3) 0
0
0
0
348 (25,4) 99 (7,2) 5 (0,4) 1 (0,1)
253
253
319
151
361
21-50 51-100 > 100
1 (3,1)
gesamt
32
1.369
Ranieris Stichprobe wies für die Prozesse aus dem Alten Reich, die nach fünf oder weniger Jahren erledigt waren, einen Anteil von unter 25% aus. Mehr als 50% der Prozesse wurden vom Gerichtspersonal in sechs bis 20 Jahren bearbeitet, für das restliche Viertel der Prozesse benötigten Anwälte und Richter mehr als 20 Jahre, wobei allein 14% der Fälle über 50 Jahre lang anhängig blieben,
100
101
102 103 104
BAUMANN, S. 106, 178. Baumann differenziert die Prozesslängen nach einer Dauer von bis zu zwei, bis zu fünf, bis zu zehn und mehr als zehn Jahren. Damit sind Richtwerte vorgegeben, an denen sich Entwicklungen erkennen lassen. Dafür sind die zeitlichen Schritte klein gehalten und umfassen – anders als bei Ranieri – jeweils fünf Jahre, so dass anhand dieser Zahlen auch kurzfristige Trends erfasst werden können. RANIERI, Recht und Gesellschaft, S. 409 f. Die aus dieser Tabelle errechneten Zahlen werden von Freitag und Jörn übernommen. FREITAG, JÖRN, Inanspruchnahme, S. 115. Siehe dazu Tabelle 7. Vgl. FREITAG, S. 108.
54
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also innerhalb einer Generation keinesfalls zu bewältigen waren.105 Die Werte für den südlichen Ostseeraum im Allgemeinen und Lübeck sowie Hamburg im Besonderen zeigten für die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts ein völlig anderes Bild. Vor allem die schnellen Verhandlungen (bis zu fünf Jahre) vereinten im südlichen Ostseeraum, Lübeck und Hamburg jeweils mehr als die Hälfte aller Prozesse (52,9%; 58,1%; 54,7%), wohingegen der Anteil der nächsten Kategorie (sechs bis 20 Jahre Dauer) jeweils ca. ein Drittel des gesamten Prozessaufkommens betrug (32,6%; 33,2%; 30,5%). Besonders bei den „ewigen“ Prozessen war der Unterschied zu Ranieris Ergebnissen stark ausgeprägt, denn hier erreichte keiner der Vergleichswerte zum südlichen Ostseeraum, Lübeck und Hamburg ähnliche Dimensionen (2,3%; 1,3%; 1,3%).106 Trotz dieser im Vergleich mit dem Reich beeindruckenden Zahlen spiegelten sich in ihnen die Reformen des Gerichts nach der Beilegung der konfessionellen Streitigkeiten in der Mitte des 16. Jahrhunderts nicht wider. Obwohl das Personal des Reichskammergerichts mehrfach aufgestockt wurde, um die wegen der Blockade des Gerichts während des Schmalkaldischen Krieges aufgelaufenen Prozesse abzuarbeiten107, verlängerte sich gleichzeitig die Bearbeitungsdauer der Prozesse. Die Hamburger Werte für die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts liegen in Tabelle 7 (siehe oben) vor und unterbieten deutlich jene aus der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts. Letztgenannter Zeitraum war im gesamten Untersuchungszeitraum derjenige, in dem die Verfahren am längsten dauerten. Ab 1600 wurden durchschnittlich mehr als zwei Drittel aller Verfahren nach spätestens fünf Jahren beendet. Ähnliches ließ sich für den südlichen Ostseeraum 108 und Lübeck 109 feststellen, die Werte bei Baumann für das 17. und
105 106
107 108
109
FREITAG, JÖRN, Inanspruchnahme, S. 115. FREITAG, JÖRN, Lübeck, S. 184. Die prozentualen Angaben in den drei Klammern geben die Anteile in der Reihenfolge jeweils für den südlichen Ostseeraum insgesamt, für Lübeck und für Hamburg wieder. SMEND, S. 174. Vgl. auch Kapitel II.1. FREITAG, JÖRN, Inanspruchnahme, S. 115. Der durchschnittliche Wert für den südlichen Ostseeraum zwischen 1555 und 1806 liegt bei 64,7%, d. h., weil hier der Wert für die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts (52,9%) mit eingerechnet wurde, dürfte die Quote der in maximal fünf Jahren erledigten Prozesse zwischen 1600 und 1806 bei über zwei Dritteln liegen. Siehe FN 108: Diese Überlegungen treffen auch für Lübeck zu, da hier in den Wert des prozentualen Anteils der bis zu fünf Jahre andauernden Prozesse über den gesamten Untersuchungszeitraum (> 60%) auch jener für die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts mit einfließt (58%), obwohl die Verschiebungen nicht so deutlich sind (vgl. FREITAG, JÖRN, Lübeck, S. 184).
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18. Jahrhundert schwankten dagegen deutlich. 110 Die Schwierigkeiten bei der Bewältigung der Verfahren in einem angemessenen Tempo in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts waren wohl dem deutlich gestiegenen Prozessaufkommen aus dem ganzen Reich geschuldet, welches auch mit mehr Personal nicht so schnell wie zuvor bewältigt werden konnte.111 In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts beschleunigte sich die Abwicklung der Hamburger Verfahren trotz des Dreißigjährigen Krieges, in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts sogar deutlich, so dass um den Wechsel vom 17. zum 18. Jahrhundert bis zu 83% aller hamburgischen Prozesse am Reichskammergericht in weniger als fünf Jahren beendet wurden. Dabei waren Auswirkungen des Standortwechsels des Gerichts kaum feststellbar. Im 18. Jahrhundert wurden weiterhin über 70% der Hamburger Prozesse in weniger als fünf Jahren verhandelt, aber trotz insgesamt sinkendem Prozessaufkommen aus dem Reich in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts und der schließlich doch noch erreichten vollen Personalstärke des Gerichts hielt sich die durchschnittliche Prozessdauer sowohl für Hamburg als auch für Lübeck bestenfalls auf gleichem Niveau.112 Die Arbeitsleistung des Gerichts blieb in den letzten Dekaden seiner Existenz bescheiden.113 Dennoch können an dieser Stelle zwei eindeutige Aussagen zur Prozessdauer gemacht werden – zum einen wurden zwischen 1495 und 1806 der deutlich größte Anteil der hamburgischen Prozesse innerhalb weniger Jahre erledigt, zum anderen wirkte sich die Distanz Hamburgs zum Gerichtsstandort im reichsweiten Vergleich nicht negativ aus. Interessant und lohnenswert ist ein Blick auf die Prozessdauer der einzelnen Streitgegenstände (siehe unten Tabelle 8). Dabei fällt auf, dass die in der älteren und zeitgenössischen Literatur zum Reichskammergericht beklagten „Endlosfäl110
111
112
113
BAUMANN, S. 178. Dies liegt darin begründet, dass sich durch Baumanns enge zeitliche Abstufung (Fünf-Jahres-Schritte) einige Abschnitte ergeben, in denen kein Prozess mit einer Dauer von unter fünf Jahren nachweisbar ist. An dieser Stelle sei auch nochmals auf den Magdeburger Sessionsstreit verwiesen, in dessen Folge durch die Lahmlegung des Deputationstages auch das Revisionswesen zusammenbrach (V. PRESS, Das Reichskammergericht in der deutschen Geschichte (Schriftenreihe der Gesellschaft für Reichskammergerichtsforschung, 3), Wetzlar 1996, S. 23 ff.; LEEB).Ob sich daraus Konsequenzen für die Prozessdauer ergeben muss offen bleiben. Freitag weist darauf hin, dass diese Entwicklung nicht für die Hamburger Prozesse nachvollzogen werden kann, da die Revision nicht in den Prozessprotokollen verzeichnet wurde (FREITAG, S. 85). FREITAG, S. 85 f. Die Entwicklung Lübecks und Hamburgs bezüglich der Prozessdauer verläuft im 17. und 18. Jahrhundert weitgehend parallel. Zur Verkürzung der Verfahrensdauer trugen sicherlich auch die Verfügungen des Jüngsten Reichsabschiedes bei. SMEND, S. 240. SCHMIDT-VON RHEIN, S. 22.
56
Hamburg und Frankfurt vor dem Reichskammergericht
le“ vor allem im Bereich der staatlich-hoheitlichen Rechte auftraten.114 Dies galt nicht nur für Hamburg selbst, sondern auch für den gesamten südlichen Ostseeraum. Anhand der Auflistung von acht Prozessen115, die nach 1555 begannen und mindestens 100 Jahre andauerten, wird deutlich, dass sich in ihnen vor allem die Territorialherren des südlichen Ostseeraumes engagierten. Ihnen standen die entsprechenden Mittel zur Verfügung, um „publizistisch wirksam zu werden und das Bild von den überlasteten und langsamen Assessoren mitzuzeichnen“.116 Tabelle 8: Prozesslängen einzelner Hamburger Streitgegenstände 1495-1806 (1.369 Prozesse, absoluter Wert und prozentualer Anteil der jeweiligen Prozessdauer) Streitgegenstand Keine Angabe
Prozessdauer 1-5 Jahre 8 (100)
6-20 0
21-50 0
25 (54,3)
6 (13)
über 50 0
gesamt
1 (2,2)
46
8
Staatl./hoheitl. Rechte Jurisdiktion
130 (73)
37 (20,8)
14 (30,4) 11 (6,2)
0
178
Grundherrschaft Kriminalität
1 (100) 36 (63,2)
0 16 (28,1)
0 5 (8,8)
0 0
1 57
Familienverband Grund/Bodenwirtschaft Geldwirtschaft
161 (63,9) 38 (65,5)
71 (28,2) 16 (27,6)
19 (7,5) 3 (5,2)
1 (0,4) 1 (1,7)
252 58
327 (67,7)
29 (6)
2 (0,4)
483
Handel/Gewerbe
190 (66,4)
125 (25,9) 77 (26,9)
18 (6,3)
1 (0,3)
286
114 115
116
FREITAG, JÖRN, Inanspruchnahme, S. 119. FREITAG, S. 86. FREITAG, JÖRN, Inanspruchnahme, S. 119 f. Abgesehen von einem Prozess zwischen zwei adeligen Familien Mecklenburgs sind in die anderen sieben Fälle Herzogsfamilien involviert, die gegen andere Adelige oder die Räte der Städte Hamburg und Lübeck prozessieren. Der längste dieser Prozesse dauert 168 Jahre – der Herzog von HolsteinGottorf als Rechtsnachfolger des Herzogs von Sachsen-Lauenburg klagt gegen den Lübecker Rat auf Wiedereinlösung der Herrschaft Mölln und des Gutes Ritzerau, welche vom sachsen-lauenburgischen Herzog an die Stadt verpfändet worden war (allerdings sind auch in diesem Prozess sicherlich die von Baumann im Beispiel des Administrators des Deutschen Ordens vs. den Markgrafen von Brandenburg-Ansbach festgestellten Phasen vorhanden, in denen der Prozess ruhte; BAUMANN, S. 104 f.). FREITAG, S. 86.
Hamburg und Frankfurt vor dem Reichskammergericht
57
Im südlichen Ostseeraum waren nur etwas mehr als vier Fünftel aller staatlichhoheitlichen Prozesse nach weniger als 20 Jahren erledigt – der niedrigste Wert mit Ausnahme der grundherrschaftlichen Fälle, von denen noch weniger nach zwei Dekaden beendet werden konnten (74%). Allerdings dauerte keines der letztgenannten Verfahren länger als 50 oder gar 100 Jahre. In diesen „politischen“ Prozessen agierten die Parteien öffentlich, um einerseits Interesse für ihre Sache zu wecken und andererseits „das ihnen angetane Unrecht auch späteren Generationen mitzuteilen“. 117 Der einzige hamburgische Prozess mit grundherrschaftlichem Gegenstand war nach fünf Jahren beendet, musste allerdings – da es nur den einen Fall aus dieser Kategorie gab – als wenig repräsentativ gelten.118 Dagegen erlaubten die 46 Prozesse um staatlich-hoheitlich Rechte sehr wohl eine Aussage zur Prozessdauer im Vergleich mit anderen Streitgegenständen. Nur etwas mehr als 50% dieser Verfahren konnten innerhalb von fünf Jahren am Reichskammergericht beigelegt werden, weitere 13% waren innerhalb von 20 Jahren abgeschlossen, doch fast ein Drittel dieser Prozesse wurde mehr als 20 Jahre verhandelt – der mit deutlichem Abstand ausdauerndste Streitgegenstand.119 Der längste hamburgische Prozess wurde – ebenso wie der erste Hamburger Prozess am Reichskammergericht120 – vom kaiserlichen Fiskal gegen die Stadt sowie den König von Dänemark bzw. die Herzöge von Holstein wegen ausstehender Steuern eröffnet und belegte zugleich den schon thematisierten, Jahrhunderte andauernden Streit zwischen Dänemark und dem Reich um die Stadt an der Elbe.121 Bezüglich der anderen Streitgegenstände mit einer aussagekräfti-
117
118
119
120 121
FREITAG, JÖRN, Inanspruchnahme, S. 119 ff., Zitat S. 120. Dass diese Strategie hervorragend funktionierte, ist – so die Autoren – an der Meinung der Zeitgenossen und den Aussagen in der älteren rechtsgeschichtlichen Literatur zur Frage der Prozessdauer zu erkennen. Der Fall ist oben (bei den Prozessgegenständen) schon vorgestellt worden. Er war in der Tat schnell bewältigt worden, denn auch in Hamburg wurde er innerhalb eines Jahres durch den Rat (1756) verhandelt und beurteilt und gelangte dann an das RKG (17561761) (STEIN-STEGEMANN, S. 230 f., E39). Hier wurden z. B. Streitigkeiten zwischen dem Domkapitel und dem Rat der Stadt wegen Abgabenbefreiung geführt sowie landeshoheitliche Fragen zwischen Hamburg und den angrenzenden Herzogtümern verhandelt (vgl. FREITAG, S. 86 f.). STEIN-STEGEMANN, S. 1262 f., Nachtrag III/28. STEIN-STEGEMANN, S. 1262 f., Nachtrag III/28. STEIN-STEGEMANN, S. 266 ff., F32. Das Verfahren wurde 1549 eröffnet und 1618 durch einen außergerichtlichen Vergleich beendet, wobei das RKG in einem Urteil den Status Hamburgs als Reichsstadt bestätigte. Zwischen 1618 und 1769 befand sich das Verfahren bei der Visitationsdeputation wegen beantragter Revision, wurde jedoch durch den
58
Hamburg und Frankfurt vor dem Reichskammergericht
gen Zahl von 50 oder mehr Prozessen ist festzuhalten, dass innerhalb von fünf Jahren knapp zwei Drittel (Kriminalität) bis drei Viertel (Jurisdiktion) dieser Fälle zu den Akten gelegt werden konnten. Obwohl einige wenige privatrechtliche Streitigkeiten länger als ein halbes Jahrhundert andauerten, war der größte Teil dieser Prozesse (jeweils über 90%) nach spätestens 20 Jahren vom Reichskammergerichts-Personal bearbeitet worden. Diese Ergebnisse entsprechen denen für den gesamten südlichen Ostseeraum, wo ebenfalls Fälle aus den Bereichen Kriminalität, Familienverband, Geldwirtschaft sowie Handel und Gewerbe zu über 90% innerhalb von zwei Dekaden erledigt wurden.122 Einen Einfluss auf die Schnelligkeit der Arbeit des Gerichtspersonals hatte auch die unnötige Beschäftigung mit Prozessen, wenn nämlich Verfahren trotz ihres Ausschlusses von der Appellationsfähigkeit durch bestehende Privilegien an das Reichskammergericht gezogen und dort auch verhandelt wurden. Dies strapazierte die ohnehin dünne Personaldecke des Gerichts zusätzlich. Jedoch bleibt festzuhalten, dass der überwiegende Teil der hamburgischen Verfahren – gerade bei den privatrechtlichen Streitigkeiten – zügig bearbeitet wurde. Ob sich allerdings die räumliche Entfernung Hamburgs (und des südlichen Ostseeraums) nach Speyer respektive Wetzlar in der Prozessdauer widerspiegelt, muss der Vergleich mit Frankfurt klären.
Prozessparteien – soziale Differenzierung Nach der Betrachtung der Prozessgegenstände und der Dauer der Hamburger Reichskammergerichts-Prozesse soll in diesem Abschnitt nach einer sozialen Differenzierung der hamburgischen Prozessparteien gefragt werden. Klagten und appellierten sämtliche Teile der elbstädtischen Einwohnerschaft oder be-
122
Gottorfer Vergleich und die Aufgabe der Herrschaftsansprüche der Dänen über die Stadt hinfällig (KOPITZSCH, S. 354 f.). FREITAG, JÖRN, Inanspruchnahme, S. 119. Diese „überdurchschnittlich schnelle“ Bearbeitung der Prozesse fand wegen der überwiegend an ihnen beteiligten „kleinen Leute“ keinen öffentlichkeitswirksamen Widerhall und konnte sich so auch nicht ausgleichend neben dem von den Ständen in den „politischen Prozessen“ entwickelten Bild der Langsamkeit der Verfahren etablieren. Möglicherweise wurde der allgemeine Eindruck der Arbeit des Gerichts aber auch durch die immer wieder auftretenden Blockaden und die unzureichende Finanzierung bzw. Besetzung verstärkt (ausgelöst durch Streitigkeiten um geeignete Kandidaten innerhalb der präsentierenden Reichskreise – siehe dazu z. B. H. DUCHHARDT, Nicht-Karrieren. Über das Scheitern von ReichskammergerichtsKandidaturen und -präsentationen [Schriftenreihe der Gesellschaft für Reichskammergerichtsforschung, 7], Wetzlar 1989) der Assessorenstellen (S. 121).
Hamburg und Frankfurt vor dem Reichskammergericht
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schränkte sich der Zugang zum Reichskammergericht auf einzelne soziale Gruppen? Die in den Appellationsprivilegien verzeichneten Streitsummen legen nahe, dass sich nicht jeder Hamburger Einwohner mit seinem Fall an das Reichskammergericht wenden konnte, zumal ja auch zusätzliche Verfahrenskosten entstanden (so mussten Anwälte, Notare und Boten bezahlt werden). Darüber hinaus schloss die Bezeichnung Hamburger Bürger auch Parteien ohne Bürgerstatus mit ein, z. B. Auswärtige und Frauen, die natürlich ebenso das Reichsgericht in Anspruch nehmen konnten. Neben einer Gegenüberstellung zu Lübeck123 wird auch die im historischen Überblick zu Hamburg ausgesparte soziale Zusammensetzung der hamburgischen Gesellschaft in der Frühen Neuzeit mit jener der Hamburger Kläger am Reichskammergericht verglichen. Aussagen zu Kaufleuten und Handwerkern bzw. deren Institutionen werden in diesen Vergleich natürlich mit einbezogen, jedoch vertiefend in den Kapiteln III und IV betrachtet.124 Wie aus Tabelle 9 (siehe unten) hervorgeht, repräsentierten Kaufleute die größte Gruppe der hamburgischen Kläger am Reichskammergericht. Annähernd zwei Drittel aller Kläger und Appellanten der Elbestadt lassen sich dieser sozialen Schicht zuordnen, dahinter folgten Bürger (24%) und sonstige Einwohner (12,5%). Dabei stieg der Anteil der Kaufleute vor allem vom 16. zum 17. Jahrhundert stark an und hob sich mit über 40% für das 17. und 18. Jahrhundert deutlich von Lübeck (31,5%; hier sind die kaufmännischen Korporationen mit erfasst, deren Anteil für Hamburg jedoch nur 0,4% betrug) ab.125 123
124
125
Die gesammelten Ergebnisse können mit ähnlichen Beobachtungen zu Lübeck verglichen werden, da hierzu Untersuchungen vorliegen: FREITAG, JÖRN, Lübeck sowie H.K. STEIN, Die vermögende Oberschicht und die „Spitzenvermögen“ in Lübeck während des 16. bis 18. Jahrhunderts. Thesen, Ergebnisse und Erfahrungen aus der Bearbeitung des Reichskammergerichtsbestands und anderer Archivquellen in Lübeck, in: B. DIESTELKAMP (Hrsg.), Forschungen aus Akten des Reichskammergerichts (Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, 14), Köln-Wien 1984, S. 159-184. An dieser Stelle kann schon darauf hingewiesen werden, dass gerade für die Schicht der Kaufleute für das 16. und 17. Jahrhundert Forschungsarbeiten zur Verfügung stehen: H. KELLENBENZ, Unternehmerkräfte im Hamburger Portugal- und Spanienhandel 15901625 (Veröffentlichungen der Wirtschaftsgeschichtlichen Forschungsstelle, 10), Hamburg 1954. H. KELLENBENZ, Sephardim an der unteren Elbe. Ihre wirtschaftliche und politische Bedeutung vom Ende des 16. Jahrhunderts bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts (VSWG, Beiheft 40), Wiesbaden 1958. M. REISSMANN, Die hamburgische Kaufmannschaft des 17. Jahrhunderts in sozialgeschichtlicher Sicht (Beiträge zur Geschichte Hamburgs, 4), Hamburg 1975. FREITAG, S. 59. Freitag weist darauf hin, dass die Angaben zu den Prozessparteien in den Verfahrensprotokollen (die darüber Eingang in die Findbücher fanden) häufig unvoll-
60
Hamburg und Frankfurt vor dem Reichskammergericht
Tabelle 9: Soziale Differenzierung der Hamburger Kläger und Appellanten 1495-1806 (1.369 Prozesse; absolute Werte und prozentuale Anteile im jeweiligen Zeitraum)126 Kläger
1495-1599
1600-1699
1700-1806
1495-1806
Bauern, Kätner Bewohner der Landgebiete127
1 (0,4) 4 (1,4)
1 (0,2) 12 (2,1)
3 (0,6) 7 (1,4)
5 (0,4) 23 (1,7)
Handwerker Handwerksämter
3 (1,1) 0
30 (5,2) 9 (1,6)
56 (10,9) 16 (3,1)
89 (6,5) 25 (1,8)
Kaufleute Kaufmännische Korporationen
68 (23,9) 1 (0,4)
257 (44,9) 2 (0,3)
206 (40,2) 2 (0,4)
531 (38,8) 5 (0,4)
Bürger (ohne berufliche Zuordnung)
(122 (42,8)
135 (23,6)
70 (13,7)
327 (23,9)
Sonstige Bewohner (ohne berufliche und rechtliche Zuordnung) Adel
25 (8,8)
60 (10,5)
86 (16,8)
171 (12,5)
7 (2,5)
8 (1,4)
7 (1,4)
22 (1,6)
Geistliche
9 (3,2)
9 (1,6)
10 (2)
28 (2)
126
127
ständig bzw. für eine soziale Einordnung nicht ausreichend sind. Selbst der rechtliche Status (Bürger oder nur Einwohner) ist nicht immer ersichtlich. Vor allem im 18. Jahrhundert schlägt sich dies in einem Sinken der Zahlenangaben für die Bürger nieder und verzerrt dadurch teilweise das Gesamtbild der sozialen Differenzierung. Weitere Schwierigkeiten ergeben sich aus dem Versuch einer Rekonstruktion der Prozessparteien mit Hilfe der Bürgerbücher (Hamburgisches Geschlechterbuch. Genealogisches Handbuch bürgerlicher Familien, 1-10, Görlitz-Limburg a. d. Lahn 1910-1962) oder auch der im Staatsarchiv überlieferten Stammbäume, worauf REINCKE, Hamburgs Bevölkerung, S. 183, H. MAUERSBERG, Wirtschafts- und Sozialgeschichte zentraleuropäischer Städte in neuerer Zeit: dargestellt an den Beispielen von Basel, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover und München, Göttingen 1960, S. 30 ff., 139 ff., und REISSMANN, S. X, 1, hinweisen. Die Angaben zu Lübeck enthalten einen Unsicherheitsfaktor, da in 40% der Fälle keine Aussage zum sozialen Status der lübeckischen Kläger gemacht werden konnte – lediglich ihr rechtlicher Status als Bürger geht meistens aus den Protokollen hervor. Die Prozentangaben zu den Lübecker Kaufleuten und Handwerkern enthalten jeweils auch die Prozesse, an denen kaufmännische Korporationen und Zünfte beteiligt waren (FREITAG, JÖRN, Lübeck, S. 190 f.). Anmerkungen zu dieser Tabelle, soweit sie nicht im Text erwähnt wurden, siehe FREITAG, Anhang 5 FN 1-9. Der Unterschied zwischen der Betitelung einer Prozesspartei als „Bauer, Kätner“ oder „Bewohner der Landgebiete“ ist folgender: Ein Bauer wird als solcher mit Hilfe der Nennung seines Berufes identifiziert, während ein Bewohner der Landgebiete aus den der Stadt unterstehenden Dörfern in der Umgebung stammt, wobei hier entweder andere Berufe verzeichnet sind oder aber eine Feststellung desselben nicht möglich ist.
61
Hamburg und Frankfurt vor dem Reichskammergericht Domkapitel Städtische Amtsträger
3 (1,1) 8 (2,8)
8 (1,4) 19 (3,3)
1 (0,2) 23 (4,5)
12 (0,9) 50 (3,7)
Territoriale Beamte Reichsunmittelbare
12 (4,2) 11 (3,9)
12 (2,1) 5 (0,9)
20 (3,9) 0
44 (3,2) 16 (1,2)
Kaiserlicher Fiskal Territorialherren, -städte
4 (1,4) 7 (2,5)
1 (0,2) 3 (0,5)
4 (0,8) 0
9 (0,7) 10 (0,7)
Keine Angabe Gesamt
0 285
1 (0,2) 572
1 (0,2) 512
2 (0,1) 1.369
Noch beeindruckender ist das Anwachsen des Anteils der Handwerker, die zusammen mit den Kaufleuten im 17. und 18. Jahrhundert jeweils die Hälfte der Kläger und Appellanten stellten. Die Anteile der Prozesse, in denen die jeweiligen Institutionen beider Berufsgruppen (Korporationen und Ämter) vertreten waren, lagen dagegen vergleichsweise niedrig – besonders bezüglich des hohen Anteils der Kaufmannschaft an der gesamten hamburgischen Klägerschaft konnten sie vernachlässigt werden. Der Anteil der Lübecker Handwerker und Zünfte in der gesamten Frühen Neuzeit entsprach mit 8,5%128 in etwa dem der Hamburger Handwerker und Ämter (8,3%). Dagegen waren Bauern als Kläger am Reichskammergericht nur sehr selten vertreten. Auch unter Einbeziehung der Klagen und Appellationen aus den ländlichen Gebieten entfielen nur etwas mehr als 2% aller Prozesse auf bäuerliche Schichten.129 Dass Hamburg mit diesen Werten im Trend für den südlichen Ostseeraum lag, zeigten die Anteile der bäuerlichen Kläger und Appellanten aus Holstein/Sachsen-Lauenburg (1,4%), Mecklenburg (0,4%) und Pommern (0,5%)130, während für das Alte Reich vor allem nach der Wiedereröffnung des Reichskammergerichts in Wetzlar eine Zunahme der bäuerlichen Rechtsuchenden festgestellt wurde.131 Dies ist umso erstaunlicher, als doch auch und gerade die Territorien des südlichen Ostseeraumes ländliche Gebiete darstellten.132 128 129
130
131
FREITAG, JÖRN, Lübeck, S. 190 f. FREITAG, S. 60. Zu den Landgebieten zählen die hamburgischen Walddörfer, Marschund Geestlanden sowie Ritzebüttel und Bergedorf. Dabei ist zu beachten, dass im Findbuch ganze Gruppen von Klägern oder Appellanten zusammengefasst werden („Interessenten des Billwerder Ausschlags“) – die ganze Gemeinde wird so ohne soziale Schichtung komplett in diese Kategorie gezählt (S. 106). FREITAG, JÖRN, Inanspruchnahme, S. 105. Diese Werte entstammen einer groben Rasterung der sozialen Schichtung der Kläger und Appellanten (Territorialherren, landsässiger Adel, Stadtbevölkerung und Bauern). RANIERI, RKG in Wetzlar, S. 20 f. Ranieri gibt die Zahl der bäuerlichen Kläger in der Wetzlarer Zeit des RKGs mit 10% an – ein Wert, der die Ergebnisse zum südlichen Ost-
62
Hamburg und Frankfurt vor dem Reichskammergericht
Der Anteil des Adels an der städtischen Klägerschaft war in Hamburg mit 1,6% noch geringer als in Lübeck (4,1%) und hob sich hier erwartungsgemäß vom Rest des südlichen Ostseeraumes ab, wo die landsässigen Adeligen durchschnittlich mehr als die Hälfte der Klagenden ausmachten.133 Der geringe hamburgische Wert war einerseits den Besonderheiten des dortigen Stadtrechtes geschuldet, welches den Zuzug Adeliger stark reglementierte, andererseits bildete das Hamburger Patriziat keine in sich abgeschlossene und nach Nobilitierung strebende Schicht.134 Ratsherren und Bürgermeister waren dennoch unter den Klägern und Appellanten nachzuweisen, ihre Prozesse machten etwas mehr als 50% der Fälle unter Beteiligung städtischer Amtsträger aus, doch wurde nur in Ausnahmefällen ihre Amtstätigkeit zum Anlass für Prozesse135, sondern auch sie führten in der überwiegenden Anzahl privatrechtliche Verfahren, welche den Bereichen Geldwirtschaft und Handel zugerechnet werden konnten.136 Die Zahl
132
133 134
135
136
seeraum und Hamburg weit übersteigt. Gabel weist für den NiederrheinischWestfälischen Kreis eine rege Beteiligung der bäuerlichen Schichten an RKG-Prozessen nach, wo Auseinandersetzungen mit den Landesherren und anderen Ständen geführt werden (H. GABEL, Beobachtungen zur territorialen Inanspruchnahme des Reichskammergerichts im Bereich des Niederrheinisch-Westfälischen Kreises, in: B. DIESTELKAMP [Hrsg.], Das Reichskammergericht in der deutschen Geschichte [Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, 21], Köln-Wien 1990, S. 143-172, hier S. 165 ff.). An dieser Stelle machen sich wahrscheinlich erstmals im Verlaufe der bisherigen Ausführungen die Entfernung der Territorien von RKG und die Wirksamkeit von Appellationsprivilegien bemerkbar. FREITAG, JÖRN, Lübeck, S. 190 f. FREITAG, JÖRN, Inanspruchnahme, S. 105. FREITAG, S. 61. Die hamburgische Oberschicht war kein Patriziat im Sinne einer geburtsständisch privilegierten Schicht, ein gesetzter oder gewohnheitsrechtlich verankerter Anspruch auf einen oder mehrere Ratsstühle für bestimmte Familien ist ebenfalls nicht vorhanden (REISSMANN, S. 325). Ein – auch von Freitag erwähntes – Beispiel ist der Prozess des Bürgermeisters Peter Lütkens gegen den Rat der Stadt und das 52er Kollegium. Wegen des Vorwurfs der Korruption in Justizfragen war der jetzige Appellant aus dem Amt entfernt und verklagt worden, verließ daraufhin heimlich mit seiner Familie die Stadt und klagte seinerseits am RKG (STEIN-STEGEMANN, S. 662 f., L63). Bei der Ratswahl im Jahr 1663 war darüber hinaus der Verdacht entstanden, dass mittels Bestechung Verwandte aktueller Ratsherren in den Rat aufgenommen werden sollten (vgl. dazu LOOSE, Zeitalter der Bürgerunruhen, S. 270 ff.). Dies ist nicht weiter verwunderlich, da nach dem Ratswahlrezess von 1663 zwar Wert auf juristisch gebildete Ratsherren gelegt wurde, jedoch auch stets einige „des Kauff- und See-Handels woll kundig seyn[de]“ Bürger. Vielmehr waren im Hamburger Rat im 17. Jahrhundert fast alle Nichtgraduierten in einem kaufmännischen Beruf tätig (REISSMANN, S. 343 ff., Zitat S. 345). Der schon zuvor genannte Peter Lütkens repräsentiert diese kaufmännischen Amtsträger in einem weiteren Prozess, der während der vorge-
Hamburg und Frankfurt vor dem Reichskammergericht
63
der klagenden territorialen Beamten war etwas geringer, nahm aber ebenso wie jene der städtischen Amtsträger im 18. Jahrhundert zu. Neben den temporär oder ständig in Hamburg residierenden schwedischen und weiteren Amtsträgern trat hier auch das Kammergerichtspersonal in Erscheinung. Letzteres klagte aber fast ausschließlich wegen nicht gezahlter Honorare oder Botenlöhne.137 Rückläufig entwickelte sich der ohnehin geringe Anteil am Prozessaufkommen seitens der Reichsunmittelbaren sowie der Territorialherren bzw. der unter ihrer Herrschaft stehenden Städte, ein Beleg für den von Ranieri festgestellten Rückgang der Zahl der in Wetzlar rechtsuchenden Territorialstände.138 Die bisherigen Ausführungen stellten die soziale Schichtung der Kläger und Appellanten am Reichskammergericht vor, sind aber nicht hinreichend genau, da besondere soziale Gruppen wie Juden oder Frauen zwar in sie einfließen, aber nicht als solche erkennbar sind. Darüber hinaus wurden auch zu den Beklagten noch keine Aussagen gemacht. Diese beiden Bereiche sollen in den folgenden Untersuchungen thematisiert werden, allerdings zunächst nur für die Bürger und sonstigen Bewohner sowie die Frauen und die noch nicht erwähnten geistlichen Kläger und Appellanten. Die große Gruppe der Kaufleute und Handwerker sowie die vor allem bei geldwirtschaftlichen und Handelsprozessen vermuteten Juden werden erst in den nächsten beiden Kapiteln näher beleuchtet. Für die zusammen annähernd der Zahl der Kaufleute entsprechenden Bürger und sonstigen Bewohner 139 ist im Verlauf des Untersuchungszeitraumes eine gegenläufige Entwicklung festzustellen, d. h. der Anteil der Bürger ohne festzustellende berufliche Zuordnung nahm ab, jener der Einwohner, bei denen
137
138
139
nannten Verhandlung ebenfalls am RKG anhängig war. Er klagte mit zwei Hamburger Kaufmannskollegen gegen einen anderen Hamburger und zwei Frankfurter Kaufleute um die Priorität der Forderungen als Gläubiger gegenüber einem auf der Frankfurter Ostermesse verstorbenen hamburgischen Kaufmann, wobei die Zuständigkeit des RKGs sowie der Gerichte in Frankfurt und Mainz hinterfragt wird (STEIN-STEGEMANN, S. 663 f., L64). Ein Beispiel ist die Klage einer Prokuratorenwitwe sowie zweier Kollegen ihres verstorbenen Mannes namens der Kinder der Klägerin gegen drei Hamburger Bürger, die Rechnungen des Verstorbenen nicht bezahlt haben (STEIN-STEGEMANN, S. 1041, S156). Generell stehen auch bei den territorialen Amtsträgern nicht ihre Amtstätigkeit, sondern ihre privatrechtlichen Streitigkeiten (Geldwirtschaft und Familienverband) im Vordergrund. RANIERI, RKG in Wetzlar, S. 17. Wenn sie denn unter den Prozessparteien zu finden sind, dann in der Regel als Beklagte, d. h. sie selbst nehmen das Gericht nicht mehr in Anspruch. Auf die Schwierigkeiten der Beantwortung der Fragen zum genauen sozialen und rechtlichen Status einer Prozesspartei mit Hilfe der Akten wurde schon hingewiesen.
64
Hamburg und Frankfurt vor dem Reichskammergericht
weder ein Beruf noch ein rechtlicher Status festzustellen ist, dagegen zu. Obwohl die Tendenz generell richtig ist und mit Looses 140 , Reißmanns 141 und Mauerbergs142 Angaben zu den Veränderungen in der Zusammensetzung der Hamburger Gesellschaft im 17. und 18. Jahrhundert übereinstimmt, weist Freitag143 auf die dennoch durch Fehler in der Protokollführung des Gerichts entstehenden möglichen Ungenauigkeiten bei der Auswertung der Findbücher bzw. Prozessakten hin, die jedoch die Grundaussage unbeeinflusst lassen. Eine vermehrte Inanspruchnahme des Reichskammergerichts durch die städtischen Unterschichten ist daraus allerdings nicht abzuleiten, da einerseits nicht alle vermögenden Personen Bürgerrecht besaßen und andererseits von der Mög-
140
141
142
143
LOOSE, Zeitalter der Bürgerunruhen, S. 266. Loose geht für das 17. Jahrhundert davon aus, dass nur ein Siebtel bis ein Fünftel der hamburgischen Einwohner das Bürgerecht besaß, welches nur von Männern lutherischen Glaubens erworben werden konnte. Da jedoch mit dem Erwerb des Bürgerrechts auch die nächsten Verwandten des Betreffenden den rechtlichen Status der fremden Person verloren, werden 70% bis 80% der gesamten Einwohnerschaft der Stadt im bürgerlichen Nexus geführt. REISSMANN, S. 17 ff. Für die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts verweist Reißmann auf 208 „in den großen Fremdenkontrakt eintretende Kaufleute“, von denen nur 25 (also weniger als ein Achtel) bis 1700 auch das Bürgerrecht erwarben (S. 27). MAUERSBERG, S. 38, 42. FREITAG (S. 67, FN 289) weist auf darauf hin, dass der von Mauersberg berechnete Anteil der Nichtbürgerlichen mit über vier Fünfteln für 1759 zu hoch angegeben ist, wenn für die Berechnung eine einheitliche Familiengröße in bürgerlichen und nichtbürgerlichen Haushalten zu Grunde gelegt wird (für 1759 benennt Mauersberg 9.000 Bürger, 4.000 Schutzverwandte und 3.300 Personen, die keiner der beiden Gruppen zugerechnet werden können). Legt man den Berechnungen eine gleiche Haushaltsgröße zu Grunde, dann beträgt der Anteil der Bürger an der städtischen Bevölkerung etwas mehr als 50%. In Verbindung mit den Zahlen für 1603/1604 (ca. 14.500 Bürger, 650 Fremde, ca. 7.300 Schutzverwandte [alle Zahlen inklusive Angehörige]) wird der Einfluss der Einwanderer auf die soziale bzw. rechtliche Schichtung der Einwohner deutlich, d. h. der Anteil der Bürger nahm ab (MAUERSBERG, S. 40). FREITAG, S. 67. Ein Vergleich von einzelnen Hinweisen in den Findbüchern mit Eintragungen in den hamburgischen Geschlechterbüchern verdeutlicht, dass in den Angaben der Prozessprotokolle der Vermerk zum rechtlichen Status der Partei als Bürger der Stadt vergessen wurde. Nicht auszuschließen ist daher die „Anwesenheit“ weiterer Bürger unter den sonstigen Einwohnern. Diese Überlegung ist besonders für Reichsstädte wie Hamburg und Frankfurt (wo sich ähnliche Tendenzen zeigen) richtig, da der Bürger einer Reichsstadt einen engen Bezug zu einer Reichsinstitution wie dem RKG hatte. Dies wird auch im großen Anteil der Bürger an den Prozessen deutlich, der sich zu ihrem relativ kleinen Anteil an der städtischen Einwohnerschaft umgekehrt proportional verhält. Hier zeigt sich der soziale Status der Bürger als „Vermögens- und Bildungselite“ (BAUMANN, S. 78).
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lichkeit einer Klage als arme Partei kaum Gebrauch gemacht wurde.144 In mehr als zwei Drittel der Prozesse klagten dabei Bürger gegen Bürger bzw. Einwohner gegen Einwohner145, zu etwas mehr als 10% wurde jeweils der hamburgische Rat verklagt. Gegeneinander prozessierten beide Gruppen in ca. 15% der Fälle, wobei sich die Verfahren der Bürger und Einwohner jeweils zu ca. 70% auf geldwirtschaftliche und familiäre Streitigkeiten erstreckten, dagegen selten – mit einem Anteil von durchschnittlich 5% – auf Handels- und Gewerbesachen. In seinen Untersuchungen zum Reichskammergericht im 16. Jahrhundert hat Ranieri festgestellt, dass Frauen nur in wenigen Fällen und dann zumeist passiv (sie werden von ihren Männern oder Kuratoren vertreten) in Erscheinung traten.146 Ersteres ließ sich für Hamburg im 16. Jahrhundert bestätigen, der Anteil der Frauen und Witwen an den Klägern und Appellanten lag bei 6%, verdoppelte sich im 17. Jahrhundert auf nahezu 12% und fiel dann im 18. Jahrhundert wieder leicht ab (siehe unten Tabelle 10). Dennoch liegen diese Werte leicht über den von Baumann ermittelten, die für das 17. und 18. Jahrhundert einen durchschnittlichen Frauenanteil von etwas mehr als 9% nachwies.147 Der Anteil der von Kuratoren bzw. Vormündern vertreten weiblichen Kläger stieg dabei im Untersuchungszeitraum stark an und machte in der Frühen Neuzeit
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BAUMANN, S. 79. Bereits die RKGO von 1495 legte erste Regelungen für den Zug armer Parteien an das Gericht fest – wenn diese unter Eid glaubhaft versicherten, arm zu sein, musste ein Anwalt oder Prokurator des Gerichts den ihm zugewiesenen Mandaten betreuen; im Falle einer Zurückweisung des Mandats drohte die Amtsenthebung. – Auch im südlichen Ostseeraum treten arme Parteien kaum in Erscheinung, da ihnen wohl zunächst das Wissen um die Existenz einer reichsgerichtlichen Instanz fehlte und darüber hinaus sowohl die Kosten als auch die Appellationsprivilegien Klagen aus den untersten sozialen Schichten der städtischen und territorialen Gesellschaft einen Riegel vorschoben (FREITAG, JÖRN, Inanspruchnahme, S. 109). Auch diese Beobachtung wird von den Ergebnissen zum südlichen Ostseeraum bestätigt, wo ebenso meist innerhalb der eigenen sozialen Gruppe geklagt wurde (FREITAG, JÖRN, Inanspruchnahme, S. 109). Gleiches gilt im Speziellen für Lübeck (FREITAG, JÖRN, Lübeck, S. 193) und deckt sich mit Ranieris Resultaten (RANIERI, Recht und Gesellschaft, S. 225). RANIERI, Recht und Gesellschaft, S. 227. Siehe dazu BAUMANN, S. 80 ff., die auf die notwendige Unterscheidung der Frauen bezüglich ihres Status hinweist, der ihre Rechtsposition definiert. So klagen Ehefrauen und Töchter ohne Vertretung durch den Ehemann oder Vater als Einzelpartei oder Prozessgemeinschaft und werden von Baumann als „Frau“ bezeichnet, während „Frauen“ Gruppen von Klägerinnen (z. B. Stiftsdamen) darstellen. Dazu kommt die Kategorie Witwe, wobei diese entweder selbstständig klagt, oder sich – wie auch die zuvor genannten Einzelpersonen und Gruppen – von einem Vormund oder einem Kurator vertreten lässt. BAUMANN, S. 80.
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insgesamt einen Anteil von 80% der hamburgischen Prozesse unter Beteiligung von Frauen auf der Klägerseite aus. Dieses Ergebnis ist insofern bemerkenswert, als im 17. und 18. Jahrhundert Frauen in Hamburg nach der Gerichtsordnung von 1605 als unmündig galten und sich vor dem Rat oder einem der hamburgischen Gerichte von einem Vormund oder Kurator bzw. dem eigenen Vater oder Ehemann vertreten lassen mussten 148 , d. h. 20% der weiblichen Kläger und Appellanten agierten allein vor Gericht oder eine Vertretung durch einen Vormund ist nicht erkennbar. Der größte Einzelanteil der Frauen und Witwen an den Hamburger Klägerinnen ließ sich zu den Kaufleuten rechnen, in den Kategorien Bürger und sonstige Bewohner waren es zusätzlich mehr als 50%. Der restliche Teil der weiblichen Klägerschaft verteilt sich auf andere soziale Gruppen und spiegelt so das Ergebnis der allgemeinen sozialen Differenzierung wider. Neben den 136 Klägerinnen traten Frauen auch als Beklagte in Erscheinung, wenn auch nicht ganz so häufig (123), wobei sich die meisten Klagen – unabhängig davon, ob eine Frau die Beklagte ist – gegen Angehörige der gleichen sozialen oder rechtlichen Schicht richteten. Dabei klagten selbst die Kaufmannsfrauen und -witwen vor allem in den Bereichen Geldwirtschaft und Familienverband, eine Beobachtung, die von Baumann anhand ihrer Stichproben bestätigt wird.149
148
149
FREITAG, S. 69. Die baumannsche Stichprobe zu Hamburg ergab angesichts der hamburgischen Formalia von 1605 zu Recht ein von den hier vorgestellten Ergebnissen abweichendes Bild – sie fand in ihrer Stichprobe keine alleinklagenden Frauen (BAUMANN, S. 82). Die Abweichung der erzielten von den nach Rechtslage zu erwartenden Ergebnissen ist nur durch nachlässige Protokollführung zu erklären, denn in den meisten der betroffenen 26 Fälle, in den Frauen ohne Vormund auftreten, ist das Protokoll vollständig erhalten, so dass Fehler in der Protokollführung angenommen werden müssen. Immerhin bestätigt der Trend der Ergebnisse die Rechtslage, denn vor allem im 18. Jahrhundert erscheinen weniger als 10% der Frauen allein als Klägerinnen oder Appellantinnen in Akten. Ein ähnliches Ergebnis (mit ca. 11%) errechnet Jung für Wetzlarer Klägerinnen, die allein vor Gericht auftraten. Dabei stützt sie sich auf die 935 Wetzlarer RKG-Prozesse, in denen Privatparteien als Kläger auftraten, von denen wiederum in rund 30% der Fälle Männer und Frauen gemeinsam auftreten. Zusätzlich klagen in 15% der Prozesse nur Frauen, von denen die überwiegende Zahl auch aus Wetzlar selbst stammte (I. JUNG, „Ihrem Herzen und Charakter Ehre machen“. Frauen wenden sich an das Reichskammergericht [Schriftenreihe der Gesellschaft für Reichskammergerichtsforschung, 21], Wetzlar 1998.S. 8 f.). BAUMANN, S. 83.
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Hamburg und Frankfurt vor dem Reichskammergericht
Tabelle 10: Frauen und Witwen als Klägerinnen und Appellantinnen in Hamburger Prozessen 1495-1806 (1.369 Prozesse)150 Partei Bewohner der Landgebiete Anteil Kuratel
1495-1599 0
1600-1699 2 (3%)
1700-1806 1 (1,9%)
1495-1806 3 (2,2%)
Handwerker Anteil Kuratel Kaufleute Anteil Kuratel Sonstige Bürger Anteil Kuratel Sonstige Bewohner Anteil Kuratel
1 (5,9%) 1 1 (5,9%) 1 9 (52,9%) 3 4 (23,5%) 2
2
1
3
2 (3%) 1 26 (38,8%) 23 13 (19,4%) 11 18 (26,9%) 13
0
3 (2,2%) 2 46 (33,8%) 43 32 (23,5%) 23 43 (31,6%) 33
Geistliche Anteil Kuratel
0
2 (3%) 2
0
2 (1,5%) 2
Amtsträger Anteil Kuratel
1 (5,9%) 0
3 (4,5%) 1
1 (1,9%) 1
5 (3,7%) 2
Adel Anteil Kuratel Gesamt Anteil Kuratel Anteil am gesamten Prozessaufkommen
1 (5,9%) 1 17
1 (1,5%) 1 67
0 52
2 (1,5%) 2 136
8 (47,1%)
54 (80,6%)
48 (92,3)
110 (80,9%)
6%
11,7%
10,2%
9,9%
19 (36,5%) 19 10 (19,2%) 9 21 (40,4%) 18
Einen deutlich kleineren Anteil am Prozessaufkommen als Frauen und Witwen steuerten die geistlichen Personen sowie das Domkapitel151 mit zusammen ca. 3% aller Prozesse bei, wobei vor allem juristische Probleme (ca. 33%) verhandelt wurden, d. h. neben der Forderung nach Urteilsvollstreckungen stand besonders die Frage der Zuständigkeit der städtischen Gerichtsbarkeit für Personen des zweiten Standes zur Diskussion. 152 Abgesehen von den Jahren zwi150 151
152
Vgl. FREITAG, S. 107. Die Trennung der Bereiche Geistliche und Domkapitel unterscheidet zwischen geistlichen Personen und der kirchlichen Institution. Klagt z. B. der Domherr privatrechtlich und nicht im Namen des Domkapitels, wird er der Kategorie Geistliche zugerechnet. Ein Beispiel ist die gemeinsame Klage des Vikars und des Domherren zu Hamburg gegen einen Ratsherren sowie einen Bürger der Stadt, in der es eigentlich um die angebliche Bürgschaft der Kläger für die Schulden eines Lübecker Gastwirtes (Diener des
68
Hamburg und Frankfurt vor dem Reichskammergericht
schen 1653 und 1675 sowie 1680 und 1719, als das Domkapitel schwedischer Verwaltung unterstand, gab es im 16. und 17. Jahrhundert immer wieder Prozesse um juristische Kompetenzen, sei es, dass die städtischen Gerichte Urteilsgewalt über Geistliche beanspruchten oder aber das Domkapitel wegen angemaßter kirchlicher Administration seitens der Stadt an das Reichskammergericht zog. 153 Darüber hinaus wurden auch um die Einführung der Reformation in Hamburg Verfahren am Reichskammergericht angestrengt. 1529 und 1530 ersuchte das Domkapitel zweimal um ein Mandat wegen der Registrierung der kirchlichen Einkünfte durch den Rat sowie des Entzugs der vom Kapitel durchgeführten Aufsicht über die Pfarrer der Hauptkirchen.154 Hintergrund des Streits um den letztgenannten Punkt war die nach jahrelangen Streitigkeiten zwischen Rat und Bürgerschaft entschiedene und im Langen Rezess festgehaltene Einsetzung protestantischer Pfarrer.155 Angesichts der bisher präsentierten Untersuchungsergebnisse zur sozialen Differenzierung der hamburgischen Prozessparteien fällt auf, dass vor allem privilegierte gesellschaftliche Schichten am Reichskammergericht vertreten waren. Diese Beobachtung war schon bei Ranieri für das gesamte Alte Reich im 16. Jahrhundert zu finden, der vor allem den niederen Adel (am Ende des 16. Jahrhunderts 40%) und die städtische Oberschicht (um 12%, vor allem städtisches Patriziat und Inhaber hoher Ämter für Hof- und Landesverwaltung) als klageführende Parteien ausmachte.156 Wenig Anteil hatten dagegen die bäuerli-
153
154
155 156
Hauptmanns von Brockdorff) ging. Die Kläger wollen sich dem Urteil des Obergerichts nicht beugen und wenden ein, dass sie als Personen geistlichen Standes nicht einem weltlichen Gericht unterworfen seien (STEIN-STEGEMANN, S. 752, M88). Zur Zeit der schwedischen Verwaltung wurde das von den Schweden in Wismar installierte Tribunal zum Oberappellationsgericht für die schwedischen Besitzungen im Reich, also auch für das Domkapitel (FREITAG, S. 68). POSTEL, S. 214. Neben den zwei Prozessen (STEIN-STEGEMANN, S. 329 ff., H14, H15) gibt es Mitte des 17. Jahrhunderts einen weiteren zwischen dem Domkapitel und dem Rat der Stadt (STEIN-STEGEMANN, S. 331 f., H16), der ebenso wie der 1529 begonnene Prozess 30 Jahre verhandelt wird, jedoch diesmal einen Streit um die Oberhoheit über die Teutsche Schule des Domkapitels zum Inhalt hat. Auch diese Differenzen zwischen Kapitel und Rat sind in der Einführung der Reformation und dem Langen Rezess zu suchen, welcher in Anlehnung an die bugenhagensche Kirchen- und Schulordnung auch in das Schulwesen eingriff (ECKARDT, S. 24 f.). POSTEL, S. 198 ff. RANIERI, Recht und Gesellschaft, S. 229 ff. „Die soziale Zusammensetzung der Prozessparteien vor dem Reichskammergericht stellt in der Tat fast eine spiegelbildliche Umkehrung der damaligen Gesellschaftsstruktur dar […] noch Ende des 18. Jahrhunderts ist die Mehrheit der Rechtssuchenden städtischer Provenienz und adlige[n] Standes.“ (S. 232, FN 44, teilweise auch bei Freitag, S. 70).
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chen Schichten, obwohl sie zwischen 80% und 90% der Bevölkerung des Reiches ausmachten. 157 Die Untersuchungen Baumanns zu den Parteien am Reichskammergericht im 17. und 18. Jahrhundert belegten, dass sich daran grundsätzlich nichts änderte. Unter den Privatparteien dominierten der landsässige Adel sowie die städtischen Eliten.158 Dieser Trend setzte sich in Hamburg mit einigen, dem städtischen Charakter geschuldeten Besonderheiten fort. Anhand der für das 17. Jahrhundert vorliegenden Kleiderordnungen lassen sich einzelne soziale Schichten differenzieren, wobei der Beruf wichtigster Anhaltspunkt für die Zuordnung ist. So gehörten Ratsherren, Kaufleute, graduierte Akademiker (also auch graduierte Geistliche) und selbständige Brauer zu den „Vornehmsten“, den mittleren Stand besetzten Schiffer, Geistliche, Zunfthandwerker, unselbstständige Brauer, Akademiker, Gewandschneider und sonstige Kaufleute. Die restlichen Einwohner der Stadt bildeten die unterste Schicht, in der Tagelöhner, Arbeiter, Gesinde und Gewerbelehrlinge versammelt waren.159 Die Kombination dieser Schichtung mit den Erkenntnissen Ranieris und Baumanns bestätigt sich für die hamburgischen Prozessparteien, bei denen die Kaufleute im 17. Jahrhundert mit 45% die größte Klägergruppe stellten. Kaufleute und ihre Familien hatten im letzten Drittel des 17. Jahrhunderts einen Anteil von etwa einem Fünftel an der gesamten Stadtbevölkerung160, klagten aber mehr als doppelt so häufig. Noch deutlicher fiel diese Diskrepanz bei den Graduierten aus, die im selben Zeitraum nur 1,4% der hamburgischen Bevölkerung ausmachten, aber mit 6% der Kläger einen mehr als viermal so großen 157 158
159
160
RANIERI, Recht und Gesellschaft, S. 233. BAUMANN, S. 76 ff. So differenziert Baumann nach der Häufigkeit der Klagen innerhalb der Privatparteien, die mit Titel, Beruf oder rechtlichem Status benannt werden können: An erster Stelle stehen die Kaufleute, dann die „Räte“ und Akademiker, Bürger und Handwerker. Dazu gesellen sich Gastwirte, die „vielleicht […] durch ihren kommunikativen Arbeitsplatz einen Wissensvorsprung“ hatten, „der ihnen den Umgang mit offiziellen Stellen erleichterte“ (S. 79). REISSMANN, S. 284 ff. Gerafft bei LOOSE, Zeitalter der Bürgerunruhen, S. 267 sowie FREITAG, S. 70. Reißmann verweist auf die Tücken dieser Ordnung mit Bezug auf die „Schiffer“. „Daß damit die bloßen Schiffsf ü h r e r im Unterschied zu den gleichzeitigen Schiffse i g n e r n gemeint sind, leuchtet nicht ein.“ (Sperrungen Reißmanns) Die Ordnung von 1648 führt aus, dass „alle Schiffer, so würcklich zur See … fahren“ gemeint seien. Letzteres leuchtet ein, denn die Schiffseigner waren zumeist Kaufleute, also der ersten Schicht zuzurechnen. Die Bezeichnung Schiffer verweist aber nur auf den Kapitän (oder die Offiziere), da die Bootsleute ausdrücklich dem dritten Stand, also der Unterschicht zugerechnet werden (REISSMANN, S. 284, FN 363, 364). REISSMANN, S. 28. In dieser Zahl sind alle in Hamburg ansässigen Kaufleute nebst ihren Familien eingerechnet, also Bürger und Fremde.
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Hamburg und Frankfurt vor dem Reichskammergericht
Anteil an der Inanspruchnahme des Reichskammergerichts hatten.161 Die Charakterisierung Hamburgs als „blühende Gewerbestadt“ im 17. Jahrhundert ist anhand der Anzahl der am Gericht klagenden Handwerker und Ämter jedoch nicht nachvollziehbar. Sie resultierte daraus, dass fast die Hälfte der erwerbstätigen Bevölkerung bzw. deren Familien im Gewerbesektor Beschäftigung fanden.162 Jedoch war deren Anteil an den hamburgischen Klägern mit nur 7% sehr viel geringer – hier schlug sich ihre soziale Stellung in der städtischen Mittelschicht nieder, die nach den schon für das Reich vorgestellten Tendenzen mit einem entsprechend beschränkten Zugang zum Reichskammergericht einherging. 163 Auch jüdische Kläger waren bezüglich ihres Bevölkerungsanteils mit weniger als 1% der hamburgischen Prozesse am Reichskammergericht unterrepräsentiert.164 Insgesamt waren in Hamburg – wie im Reich – die vermögenden Bevölkerungsschichten überproportional, die deutlich ärmeren Unterschichten unterproportional am Reichskammergericht vertreten. Eine Abweichung bestand lediglich im sehr geringen Anteil des niederen Adels, dem in Hamburg vor allem Personen der städtischen Oberschicht angehörten.165 Im 18. Jahrhundert sank der Anteil der Kaufleute an den hamburgischen Klägern und Appellanten leicht ab (auf knapp über 40%, siehe oben Tabelle 9), wohingegen jener der Handwerker und Ämter auf zusammen 14% anstieg. Zwar spiegelte diese Annäherung wiederum nicht die soziale Wirklichkeit der Stadt wider, wurde aber auch nicht der gestiegenen Bedeutung des Handels gerecht, die einen eher noch größeren Anteil der Kaufleute erwarten ließ. Der Grund für diese Entwicklung lag in der im 18. Jahrhundert steigenden Zahl von Gewerbetreibenden, die mit den Ämtern zwecks Sicherung ihres Einkommens um Produktionsprivilegien stritten.166 Darüber hinaus war ein leicht erweiterter 161 162 163
164 165
166
FREITAG, S. 71. REISSMANN, S. 19 f. REISSMANN, S. 24. Entsprechend ist der Anteil am Geschäftsanfall der sozial unter der produzierenden angesiedelten Gruppe der Fracht- und Hilfsberufe sowie Gastwirte (zusammen ca. 28% Anteil an der hamburgischen Bevölkerung) noch deutlich geringer (REISSMANN, S. 19. FREITAG, S. 71). Diese umgekehrte Proportionalität zwischen dem Anteil einer sozialen Schicht an der städtischen Schicht sowie an den Klägern und Appellanten am RKG ist ebenso für Lübeck nachzuweisen (mit der Einschränkung, dass ein Drittel der Prozessparteien nicht näher bestimmt werden kann). So sind Angehörige der lübeckischen Unterschichten am RKG kaum präsent (FREITAG, JÖRN, Lübeck, S. 190 f.). FREITAG, S. 71. Auf die Beschränkungen bzw. das Verbot des Zuzugs Adeliger nach Hamburg wurde schon verwiesen (siehe z. B. H. KELLENBENZ, Deutsche Wirtschaftsgeschichte Band I, Von den Anfängen bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, München 1977, S. 228). KOPITZSCH, S. 369 f. MAUERSBERG, S. 189 ff. Siehe dazu ausführlicher in Kapitel IV.
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Zugang zum Reichskammergericht erkennbar, worin Hamburg mit den Entwicklungen im Reich im 18. Jahrhundert übereinstimmte.167 Eine weitere Möglichkeit der sozialen Schichtung unabhängig vom Beruf bietet ein Blick auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse. Loose zergliedert die hamburgische Bevölkerung in vier Teile, deren Grenzen aber nicht starr gezogen werden können. Der kleinen Oberschicht gehörten im 17. Jahrhundert demzufolge reiche Kaufleute und Wandschneider sowie graduierte Akademiker an. Die bisher als Einheit betrachtete Mittelschicht wird zweigeteilt, in deren oberem Drittel versammeln sich Kaufleute, Wandschneider und Akademiker, sowie Gewerbetreibende mit einem überdurchschnittlichen Einkommen. Den größten Anteil der städtischen Gesellschaft bindet die mittlere bis untere Mittelschicht, der vor allem die Masse der Handwerksmeister angehört. Unter diesen rangiert die Schicht der völlig Besitzlosen. 168 Schwieriger sind Aussagen zum 16. Jahrhundert zu treffen. Reincke nimmt für das 14. Jahrhundert eine „erstaunlich ausgeglichene Gestaltung der Sozialordnung“ an, in der die „Zahl der Besitzlosen nur klein gewesen sein kann“. Selbst Angehörige der unteren Schichten konnten – in bescheidenem Rahmen – Rücklagen bilden. Zu den Spitzenverdienern gehörten damals schon die Mehrzahl der Wandschneider und Kaufleute.169 Im 15. Jahrhundert hielt der allgemeine Vermögenszuwachs zunächst noch an, doch in der zweiten Hälfte drifteten die Vermögensverhältnisse auseinander. Vor allem Handwerker begannen zu verarmen und in der Unterschicht tauchten erstmals völlig Unvermögende auf. Dagegen stiegen die Spitzenvermögen und gleichzeitig die sozialen Spannungen, die ihre Ursache im Vermögensgefälle und der damit einhergehenden stärkeren oder schwächeren
167 168
169
FREITAG, S. 72. LOOSE, Zeitalter der Bürgerunruhen, S. 267 f. Als Gewerbe mit überdurchschnittlichen Einkommen bezeichnet Loose Goldschmiede, Zuckerbäcker, Brauer, Kramer, Schiffer (mit den schon gemachten Einschränkungen) und Makler. Zu den unteren zwei Dritteln der Mittelschicht gehören außerdem Buchhalter, Bootsleute (anders bei REISSMANN, S. 284, der sich aber an dieser Stelle auf die Kleiderordnungen bezog, siehe oben), Gastwirte, Höker und ähnliche Berufe. Zur Unterschicht gehören Handwerksgesellen, Arbeiter, Tagelöhner, Kutscher, Dienstboten, Soldaten, Arme und Bettler. Während die Angehörigen der letztgenannten Schicht über keinerlei Vermögen verfügen, sind in der unteren Mittelschicht zwar ebenfalls wenige monetäre Ressourcen, dafür aber zumeist Immobilienbesitz vorhanden. Der Unterschied zwischen der oberen Mittel- und der Oberschicht bestand darin, dass die erstgenannten nicht die finanziellen Möglichkeiten der letztgenannten vorweisen konnten, um deren „Lebenszuschnitt“ und „gesellschaftliche Entfaltung“ zu erreichen (S. 268). REINCKE, S. 219. Es fehlen – so Reincke – sowohl die sehr reichen als auch die sehr armen Leute.
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Hamburg und Frankfurt vor dem Reichskammergericht
Partizipation an der städtischen Politik hatten und sich in den Bürgerunruhen entluden. Im 16. Jahrhundert war ein leicht gegenläufiger Trend zu beobachten – die Mittelschicht konnte nun ihr Einkommen stabilisieren170, doch bedeutete dies wegen der zunehmenden Inflation keine Verbesserung der Vermögenssituation. Anfang des 17. Jahrhunderts sorgte der florierende Handel zumindest bei den Kaufleuten für steigende Einnahmen und zog – neben den niederländischen und portugiesischen Einwanderern – auch Kaufleute aus dem Reich an die Elbe.171 Da die Kaufleute besonders häufig unter den hamburgischen Klägern und Appellanten am Reichskammergericht vertreten waren und sie zur sozialen Ober-, bei weniger erfolgreichen Händlern zumindest zur oberen Mittelschicht gehörten, werden die Aussagen Ranieris und Baumanns über den Zugang vor allem vermögender Personen zum Reichskammergericht bestätigt. Die Appellationsprivilegien und die nicht unbedeutenden Prozesskosten (gerade für das weit vom Reichskammergericht entfernte Hamburg) taten ein Übriges, um vor allem den „Vermögenderen“ Prozesse am Speyerer bzw. Wetzlarer Gericht zu ermöglichen. 172 Die Streitwerte, so sie denn festgestellt werden können, waren entsprechend hoch.173 Natürlich sagen diese Streitwerte noch nichts über die Höhe des Vermögens der Beteiligten aus, dieses ist vielmehr noch höher anzusetzen. Für das 16. bis 18. Jahrhundert hat Stein die Vermögensverhältnisse von Lübecker Bürgern am Reichskammergericht in einer Stichprobe rekonstruiert und zur besseren Vergleichbarkeit einer entsprechenden hamburgischen Auswahl für das 16. Jahrhundert gegenüber gestellt. Dabei fiel für Lübeck auf, 170
171 172 173
REINCKE, S. 219 f. Auch innerhalb der Berufsgruppe der Kaufleute findet sich keine homogene Verteilung des Vermögens wieder. So sind viele Kaufleute am Ende des 15. Jahrhunderts von Einkommenseinbußen betroffen und müssen sich über den Rentenmarkt mit Krediten versorgen. Dagegen können einige wenige Spitzenverdiener unter ihnen ihr Vermögen weiter steigern. Zur verstärkten Kreditnachfrage trugen ebenfalls die Handwerker bei, die versuchten, die Krise in den 1480er Jahren mit geborgtem Geld durchzustehen (GABRIELSSON, S. 178 f.). POSTEL, Reformation und Gegenreformation, S. 251. STEIN, S. 161 f., Zitat S. 161. Hier seien beispielhaft nur zwei Fälle genannt: In einem seit 1735 in Hamburg und ab 1760 am RKG verhandelten Prozess streiten sich die Erben zweier inzwischen verstorbener Hamburger Kaufleute (wahrscheinlich Brüder) um eine von dem einen Bruder für den anderen ausgestellte Obligation in Höhe von 17.285 Mark banco. In einem anderen Prozess von 1766 streiten mehrere Kaufleute um die Begleichung von Wechselschulden in Höhe von 30.000 Mark banco, wobei allein das Vermögen des Bankrotteurs, der die entsprechenden Wechsel nicht einlösen kann, auf annähernd drei Millionen Mark geschätzt wird – allerdings hat der Mann über zehn Millionen Mark Schulden (STEINSTEGEMANN, S. 260 ff., 304 f., F27, G34).
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dass zwei Drittel der Lübecker Kläger und Beklagten im 16. Jahrhundert der dortigen Oberschicht zuzurechnen und vor allem die reichsten von ihnen ausschließlich Ratsherren und Kaufleute waren, die mehrere 10.000 Mark besaßen.174 Nur gut ein Fünftel der Lübecker Prozessparteien gehörten der oberen Mittelschicht an, wobei auch hier wieder Kaufleute, aber auch Schiffer, Brauer und weitere Handwerker zu finden waren. Diese traten vor allem als Appellanten in Erscheinung, die in einem solchen Prozess am Reichskammergericht „häufig das ‚letzte’ verzweifelte Mittel“ sahen, um dem wirtschaftlichen und sozialen Abstieg zu begegnen.175 Ähnlich wie in Lübeck belegt auch die Untersuchung zu Hamburg im 16. Jahrhundert einen großen Anteil vermögender Prozessparteien, von denen mehr als die Hälfte zur Oberschicht zählte. Insgesamt waren die nachgewiesenen Vermögen in Hamburg etwas niedriger als in Lübeck, doch auch hier gehörten fast ausschließlich Ratsherren und Kaufleute zu den Reichsten.176 Die vermögendsten drei Personen in der Stichprobe Steins, die keiner der beiden vorgenannten Kategorien zugeordnet werden konnten, waren Brauer; ihnen folgten neben einem Goldschmied vor allem Schiffer und weitere Kaufleute. 174
175 176
STEIN, S. 161 ff., 177. Die hier und in den nächsten Ausführungen angegebenen Summen beziehen sich auf deren Wert um 1700. Die Grenze zwischen einem Vermögen der Ober- und einem der Mittelschicht legt Stein bei 20.000 lübischen Mark um 1700 an, d. h. er rechnet die entsprechenden Werte aus dem 16. Jahrhundert auf die entsprechende Höhe um 1700 um. Entsprechend verfährt er mit den Stichproben für das 18. Jahrhundert, womit eine bessere Vergleichbarkeit erreicht wird. Wo die Grenze zwischen den Vermögen der Mittelschicht und denen der Unterschicht (so denn dort Vermögen vorhanden ist) liegt, bleibt offen. STEIN, S. 163 f., Zitat S. 164. STEIN, S. 183. FREITAG, S. 73. Da viele der hamburgischen Ratsherren von Beruf her Kaufleute waren, ist dieses Ergebnis wenig überraschend (vgl. REISSMANN, S. 343 ff.). – Für Lübeck hat Pelus-Kaplan die Handelsbücher von Lübecker Kaufleuten im 16. und 17. Jahrhundert untersucht, die komplett oder als Auszugkopien auch einzelnen Lübecker RKG-Prozessen beiliegen und auf die Umsätze einzelner Kaufleute oder Firmen hindeuten. In einem Fall aus dem Jahr 1595 standen sich die Bürger und Schiffskapitäne Claus Holste und Hans Schroder in einem Streit um die Abrechnung einer Handelsgesellschaft am RKG gegenüber, deren Handelsgeschäfte u. a. mit Rigaer Kaufleuten der Akte beiliegen. 1582 fand am RKG ein Streit um die Rechnungslage bezüglich eines kaufmännischen Erbes statt. Die Akten enthalten auch die Geschäftsbücher eines Handelsdieners des verstorbenen Kaufmannes: Pelus-Kaplan benennt deren Zahl mit 13, ein eindeutiger Hinweis auf die rege Geschäftstätigkeit dieses Gehilfen und ein indirekter Hinweis auf dessen wahrscheinliches Vermögen (M.-L. PELUS-KAPLAN, Zu einer Geschichte der Buchhaltung im hansischen Bereich: Die Handelsbücher der Lübecker Kaufleute vom Anfang des 16. bis zum Ende des 17. Jahrhunderts, in: ZVLGA 74, 1994, S. 31-45, hier S. 36 u. 39, sowie STEIN-STEGEMANN, Lübeck, S. 279, 340 f., H55, K23).
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Da Stein annimmt, dass sich die Vermögensverhältnisse der hamburgischen Prozessparteien auch im 17. und 18. Jahrhundert vergleichbar mit denen Lübecks entwickelten, sind zwei Fünftel bis die Hälfte der Prozessbeteiligten der Oberschicht- und weitere 20% der Mittelschicht zuzurechnen. Allerdings übertreffen nur einige wenige hamburgische Streitwerte die für Lübeck im 18. Jahrhundert angegebenen Spitzenvermögen, die Stein bei zwei Beteiligten mit 400.000 bis 440.000 Mark angibt.177 Auf eine weitere Möglichkeit der Schätzung hamburgischer Vermögen im 17. Jahrhundert wies Freitag hin, der dazu die Ausführungen Kellenbenz’ zu den Umsätzen der Kunden der 1619 gegründeten
177
STEIN, S. 182. Von einem Rückgang der Spitzenvermögen in Lübeck im 18. Jahrhundert kann entgegen Freitags Aussagen (FREITAG, S. 73) anhand der steinschen Stichproben nicht ausgegangen werden – im Gegenteil, die Spitzenvermögen werden deutlich größer (auch diese Zahlen wurden auf den Geldwert von 1700 berechnet). Die zwei im Text genannten Beispiele sind zwei Kaufleute, von denen einer später Ratsherr wird. Überhaupt sind unter den über 30 Personen im 18. Jahrhundert bis auf eine Ausnahme nur Ratsherren und Kaufleute zu finden, einzig ein Dr. Sievers mit ca. 160.000 Mark Vermögen fällt ins Auge (dieser könnte durchaus auch Ratsmitglied sein, z. B. als Jurist). – Der „teuerste“ Hamburger Prozess, der sich aufgrund der Findbuchangaben rekonstruieren lässt, datiert in das Jahr 1767 (zur Ermittlung von Aussagen über die genaue Entwicklung der Vermögensverhältnisse hamburgischer Prozessparteien müssten die RKG-Akten komplett auf solche Angaben durchgesehen und mit weiteren Überlieferungen verifiziert und ergänzt werden). Mehrere Kaufleute aus Hamburg und Altona klagten in ihrer Eigenschaft als Gläubiger der Firma Seyler und Tillemann gegen deren Konkursverwalter, die Übernehmer der Konkursmasse und den Rat der Stadt. Strittig und überprüfenswert war aus Sicht der Kläger die Konkursverwaltung der mit drei Millionen Mark banco fallierten Firma, da angeblich Teile der Konkursmasse von den Beklagten verschwiegen, den Klägern also zu wenig Geld gezahlt worden sei (STEIN-STEGEMANN, S. 65 ff., B58). Ein Prozess dieser finanziellen Dimension ist eine Ausnahme, da selbst Gläubiger-Prozesse um die Zahlung von Schulden aus Fallitmassen in der Regel einzelne Kreditpapiere oder Warenladungen betreffen und nicht – wie im genannten Beispiel – um die gesamte Hinterlassenschaft der Bankrotteure geführt wird. Allerdings ist auch im Beispielprozess fraglich, wie viel Vermögen den Betreibern der fallierten Firma noch geblieben bzw. wie hoch tatsächlich der finanzielle Wert der Konkursmasse war. Die größten hamburgischen Vermögen benennt Stein im 18. Jahrhundert mit drei Millionen Mark bei der Familie Stenglin (nach Angaben von Percy Schramm) sowie auf etwa 1,2 Millionen bei den Familien Boetefuer und Kellinghusen (STEIN, S. 176), deren Familienmitglieder an mehreren hamburgischen Prozessen im 18. Jahrhundert beteiligt sind. – Für das frühe 19. Jahrhundert (1808-1813) legt Schramm fünf Vermögenslisten vor. Unter den hier Verzeichneten befinden sich auch Mitglieder der Familien Amsinck, Kellinghusen und Spreckelsen (P. E. SCHRAMM, Kaufleute zu Haus und über See. Hamburgische Zeugnisse des 17., 18. und 19. Jahrhunderts [Veröffentlichungen der Forschungsstelle für Hamburgische Wirtschaftsgeschichte, 1], Hamburg 1949, S. 263 ff).
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Hamburger Bank zu Rate zog. 178 Fast 60% der umsatzstärksten Anleger (> 100.000 Mark) ließen sich als Prozessparteien am Reichskammergericht identifizieren und bestätigten somit, dass sich v. a. vermögende Schichten und unter diesen besonders die Kaufleute den vollständigen Instanzenzug leisteten. Zwar ist die Spanne der Umsätze zwischen den 42 bei Kellenbenz gelisteten Firmen groß und der Umfang der Handelstätigkeit erlaubt nur eine indirekte Aussage zu den entsprechenden Vermögen der Kaufleute, doch übertreffen sie zumindest beim Umsatz die steinsche Grenze zwischen Ober- und Mittelschicht um mindestens das Fünffache.179 Von diesen Firmen bzw. Kaufleuten konnten 32 als Niederländer sowie aus dem niederrheinischen Gebiet Zugewanderte eingeordnet werden, während nur wenige hamburgische und portugiesische Familien vertreten waren. Der überwiegende Anteil aller bei Kellenbenz verzeichneten Kaufleute engagierte sich im Handel mit der Iberischen Halbinsel, wenige andere handelten mit Kupfer oder waren Reeder.180 Unter den erfolgreichsten Klienten der Hamburger Bank befanden sich viele niederländische Kaufleute, da diese zu den umsatzstärksten Händlern in Hamburg gehörten und die Bank von Kaufleuten vorwiegend niederländischer Provenienz und nach dem Vorbild der Amsterdamer Wisselbank gegründet wurde.181 Zu erwarten wäre deshalb, dass sich diese „niederländischen Hamburger“ als Prozessparteien am Reichskammergericht ausmachen lassen, da sie sowohl von ihrer sozialen Stellung als Kaufleute als auch von ihren Vermögensverhältnissen her dem überwiegenden Anteil der hamburgischen Kläger und Beklagten entsprechen. Diese Annahme bestätigte sich – in über 5% der hamburgischen Prozesse im 17. Jahrhundert konnten niederländische Kaufleute nachgewiesen werden.182 Anders als für die oberen sozialen Schichten waren zwischen 1495 und 1806 nur 26 hamburgische Prozesse am Reichskammergericht anhängig, bei denen 178
179
180
181 182
FREITAG, S. 74. KELLENBENZ, Unternehmerkräfte, S. 238 ff. (besonders die Tabelle auf S. 239). Zur Erinnerung: Stein setzte die Grenze bei 20.000 Mark an (STEIN, S. 162). Natürlichen lassen Angaben zu den Umsätzen keine Aussagen über Gewinne zu, die in ein Vermögen fließen konnten. Interessant ist dennoch die angesprochene große Spanne zwischen den Umsätzen: 32 der genannten Firmen bzw. Kaufleute haben im Jahr 1619 einen Umsatz von 100.000 bis 200.000 Mark, von den restlichen zehn schaffen drei Umsätze zwischen ca. 350.000 und 380.000 Mark. Mit Abstand an der Spitze befindet sich die Firma Rudolf und Arnold Amsinck, die etwas über 640.000 Mark umsetzt (KELLENBENZ, S. 239). KELLENBENZ, S. 239. Die beiden Reeder stellen ihre Schiffe ebenfalls für den Spanienhandel zur Verfügung. NORTH, Handelsexpansion, S. 165. NORTH, Kommunikation, S. 34. Ausführlich dazu siehe Kapitel III.1.
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die Prozessparteien eine Klage nach dem Armenrecht erhoben oder die Zulassung zum Armeneid beantragt wurde.183 Diese Prozesse verteilten sich auf die drei untersuchten Jahrhunderte (zehn im 16., neun im 17. und sieben im 18. Jahrhundert). Ein sich über den Untersuchungszeitraum steigernder Zugang armer Parteien zum Reichskammergericht – es handelte sich vor allem um bürgerliche Kläger und Beklagte ohne bekannten Beruf – konnte somit nicht festgestellt werden.184 Generell muss mit einem Überblick über die soziale Struktur der hamburgischen Kläger und Beklagten festgehalten werden, dass trotz der großen Breite der als Prozessparteien vertretenen Schichten vor allem die finanziell potenten am Reichskammergericht klagten bzw. verklagt wurden, da nur sie überhaupt mit ihren Problemen entsprechende Streitwerte erreichten und in der Lage waren, sich ein solches Verfahren leisten zu können. Die umfangreichen Anteile der Frauen aus dem Bereich der Kaufleute, Bürger und sonstigen Bewohner bestätigten dies. Später wird bezüglich der Kaufleute, Juden und Handwerker ausführlicher zu prüfen sein, ob sich die hier festgestellten ersten Ergebnisse untermauern lassen. Loose liefert eine „grobe Schätzung“ der sozialen Schichtung der hamburgischen Bürgerschaft im 17. Jahrhundert – danach gehörten 5% der Einwohner der Oberschicht an, 60-65% der Mittelschicht und 30-35% den städtischen Unterschichten.185 Für den Zugang zum Reichskammergericht aus Hamburg bedeutete dies anhand der Ergebnisse eine fast ausschließliche Beteiligung der Ober- und Mittelschicht an den Prozessen.
183
184
185
A. LAUFS, Die Reichskammergerichtsordnung von 1555, Köln 1976, S. 140 f. (Erster Teil: Von Personen, Titel XLI. Von den armen partheien. §§ 1-3). „… soll der arm, ehe er zugelassen, seiner armut und vermögens eyn urkundt von seiner obrigkeyt oder andern glaubwirdigen personen bringen oder aber zum wenigsten etlichermassen anzeyg und scheine seiner armuth darthun und darauf den gewonlichen eydt der armut, wie der hieunden under den eyden der cammergerichtspersonen gesetzt ist, schweren …“ (§ 1). Dieser Schwur war nötig, damit die den Armen-Status reklamierende Partei die „costen nit zu bezahlen hetten“ (§ 3). Dies ist so auch von BAUMANN, S. 79 für das Reich im 17. und 18. Jahrhundert festgestellt worden. LOOSE, Zeitalter der Bürgerunruhen, S. 268. Loose warnt selbst, dass diese Zahlen nur einen „ungefähren Eindruck vom Aufbau der Hamburger Bürgerschaft“ vermitteln können. Zur oberen Mittelschicht gehören demzufolge die Kaufleute und Akademiker, Goldschmiede, Brauer, Zuckerbäcker, Kramer, Schiffer und Makler, während sich in der mittleren und unteren Mittelschicht – die den größten Anteil an der Stadtbevölkerung stellte – die überwiegende Zahl der Handwerksmeister, Buchhalter, Bootsleute, Gastwirte und Angehörige ähnlicher Gewerbe versammelte.
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Prozessparteien – geografische Verortung Ein weiteres Charakteristikum und Indiz für die Klärung der Frage, ob sich die Stadt – wiewohl bezüglich der Ausführungen Press’ schon beinahe außerhalb des Reiches gelegen186 – in das Alte Reich integrierte187, ist die Entfernung der Prozessparteien voneinander. Einschränkend ist zu bemerken, dass sich die überwiegende Anzahl von juristischen Konflikten zwischen unmittelbar benachbarten Parteien abspielte und daher nur begrenzte Aussagen zur tatsächlichen Mobilität der Prozessteilnehmer zulassen.188 Zu erwarten wäre dennoch, dass sich die bisherigen Ausführungen zur wirtschaftlichen Entwicklung Hamburgs – speziell zu seiner Rolle im seeseitigen Fernhandel des Reiches – und die große Anzahl von an den Prozessen beteiligten Kaufleuten in einer entsprechenden Entfernung der Prozessparteien voneinander widerspiegeln. Umso überraschender ist, dass nur ca. 8% der hamburgischen Prozesse Parteien aus weiter entfernten Territorien vereinigten (siehe unten Tabelle 11), wohingegen der größte Anteil mit über 90% auf Hamburg selbst (78%) oder eines der unmittelbar benachbarten Gebiete (14%) beschränkt blieb. Für Lübeck, dessen Bedeutung als Handelsplatz im Verlaufe der Frühen Neuzeit zwar sank, das aber weiterhin über weitläufige Beziehungen verfügte, zeichnete sich ein ähnliches Bild. 70% der Reichskammergerichtsprozesse wurden zwischen Lübecker Parteien geführt, 18% mit Parteien aus benachbarten Territorien und nur 12% mit weiter entfernten Prozessgegnern. 189 Damit geben die lübeckischen Werte den Eindruck wieder, die Stadt sei noch internationaler geprägt als Hamburg, zumal sich die Hamburger Prozessparteien trotz des wirtschaftlichen 186
187 188
189
Die Frage, ob Hamburg geografisch überhaupt noch zum Reich gehörte, scheint angesichts der Überlegungen zur Wahl eines neuen Standortes nach der Vertreibung des Gerichts aus Speyer insofern berechtigt, da bereits das in der engeren Auswahl stehende Goslar als in der „Peripherie des Reiches“ gelegen bezeichnet wird – demgegenüber befindet sich Hamburg noch deutlich weiter entfernt (PRESS, RKG, S. 27). Natürlich lag Hamburg innerhalb der Reichsgrenzen, doch in der Wahrnehmung der Zeitgenossen war offensichtlich auch eine deutlich zentraler gelegene Stadt wie Goslar bereits peripher. Ungeachtet der schon mehrfach thematisierten Querelen um den Reichsstadtstatus. FREITAG, S. 78. Eine Hilfe bieten in diesem Fall die Protokolleinträge, die neben dem aktuellen Aufenthaltsort des Klägers u. U. auch dessen früheren Wohnort enthalten sowie auswärtige Kläger benennen, auch wenn sich diese von heimischen Geschäftspartnern vor Gericht vertreten lassen. Die Abb. 1 (im Anhang) zu den Hamburger Kontakten im Alten Reich versucht, diese Informationen graphisch aufzubereiten und liefert zusammen mit den hamburgischen Kontakten über die Grenzen des Reiches hinaus (Abb. 3 in Anhang) einen Einblick in die weit verzweigten Kontakte bzw. Herkunftsorte der Hamburger Prozessparteien. FREITAG, JÖRN, Lübeck, S. 195 ff.
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Fortschritts und der Etablierung neuer Handelskontakte (z. B. auf die Iberische Halbinsel) im Laufe des Untersuchungszeitraumes immer mehr in die Stadt zurückzogen. Eine Erklärung dafür bietet sich nach einem Blick in die Prozessakten bzw. die Findbücher an, wobei auffällt, dass sich Prozessparteien aus entfernten Territorien – bei denen es sich überwiegend um Kaufleute handelte – entweder selbst wegen Geschäften in Hamburg aufhielten oder aber sich von Hamburger Kollegen vertreten ließen und damit nur noch als Nebenkläger in Erscheinung traten. Tabelle 11: Geografische Entfernung der Hamburger Prozessparteien 14951806 (1.353 Prozesse; absolute Werte und prozentualer Anteil an allen Prozessen innerhalb des Zeitraumes)190
15 (40,5)
Parteien im benachbarten Territorium192 12 (32,4)
Parteien in weiter entfernten Territorien 9 (24,3)
156 (62,4) 196 (75,1)
59 (23,6) 43 (16,5)
31 (12,4) 19 (7,3)
1651-1700 1701-1750
241 (77,5) 133 (86,4)
39 (12,5) 15 (9,7)
28 (9) 5 (3,2)
1751-1806 1495-1806
310 (87,1) 1.051 (77,7)
25 (7) 193 (14,3)
17 (4,8) 109 (8)
Zeitraum
Parteien innerhalb Hamburgs191
1495-1550 1551-1600 1601-1650
Wenig überraschend in einigen Teilen ist dagegen das Ergebnis für den südlichen Ostseeraum. Die Prozesse aus Mecklenburg und Pommern konzentrierten sich fast ausschließlich auf Parteien aus dem eigenen oder bestenfalls benach-
190
191
192
FREITAG, S. 79. Es fehlen 16 Prozesse (1,2% des gesamten Prozessaufkommens), bei denen die Entfernung der Prozessparteien nicht sicher bestimmt werden konnte. Hierzu zählen in diesem Teil der Untersuchung (gleichwohl nicht in der Stadt selbst gelegen) die Walddörfer, Marsch- und Geestenlande, Ritzebüttel und das Amt Bergedorf (letzteres wird mit Lübeck zusammen verwaltet). Die Rolle des Domkapitels ist ambivalent, es zählt zu den Parteien innerhalb Hamburgs, es sei denn es führt als Institution ein Verfahren gegen den Rat der Stadt (dann gilt es als benachbartes Territorium). Die Herzogtümer Holstein, Holstein-Schauenburg, Sachsen-Lauenburg und Braunschweig-Lüneburg (später das Kurfürstentum Hannover) sowie Erzbistum und Herzogtum Bremen gelten als benachbarte Territorien.
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barten Territorium (wegen Grenz- 193 oder Handelsstreitigkeiten) und weisen zumindest anhand dieser Werte die beiden Herzogtümer als relativ schwach in den Reichsverband integriert aus. Ganz anders jedoch stellt sich die Situation für die Herzogtümer Holstein und Sachsen-Lauenburg dar, die ebenso wie Hamburg und Lübeck etwa 10% ihrer Prozesse am Reichskammergericht mit Parteien aus weiter entfernten Territorien führten.194 Der überwiegende Anteil der Kontakte Hamburgs in benachbarte Territorien (bzw. Städte) betraf Lübeck und Altona, die zusammen ein Viertel dieser Prozessparteien stellten. Darüber hinaus wurden Prozesse mit Parteien u. a. aus Bremen, Lüneburg und Wandsbek geführt, einzelne z. B. mit Harburg und Reinbek. Prozessbeziehungen zu weiter entfernten Parteien im Reich bestanden in die beiden Handelszentren Frankfurt und Köln, aber auch nach Speyer im 16. und 17. Jahrhundert und nach Wetzlar im 18. Jahrhundert, als hamburgische Parteien Prozesse mit dem Personal des Reichskammergerichts ausfochten.195 Die Prozessbeziehungen der hamburgischen Kläger und Beklagten in weiter entfernte Territorien und Städte, stellten – neben den schon genannten auch nach Stettin und Leipzig sowie über die Reichsgrenzen hinaus (Danzig, Iberische Halbinsel) und sogar nach Übersee (Barbados und Batavia196) – nur einen 193
194
195
196
Ein Beispiel für Grenzstreitigkeiten ist einer der „ewigen“ Prozesse, ein insgesamt 160 Jahre andauernder Streit zwischen den Herzögen von Pommern und von Mecklenburg wegen Fragen zur Grenzziehung zwischen ihnen und der Grafschaft Hoya sowie Herrschaftsfragen auf dem Territorium der Grafschaft (FREITAG, JÖRN, Inanspruchnahme, S. 120). FREITAG, JÖRN, Inanspruchnahme, S. 132. Die Erklärung für den unerwartet großen Anteil auswärtiger Prozessparteien bezüglich Holsteins und Sachsen-Lauenburgs ist aus den Gegenständen dieser Prozesse ersichtlich. Neben den auch für die beiden Reichsstädte bedeutenden Kategorien Geldwirtschaft sowie Handel und Gewerbe, spielen in den Herzogtümern auch familiäre Streitigkeiten über größere Entfernungen eine wichtige Rolle, an denen die im Reich verstreut lebenden Frauen der adeligen Häuser beider Herzogtümer mehrfach beteiligt sind. Siehe dazu genauer Abb. 1. Die speyerischen und wetzlarischen Kontakte betreffen – wie schon gesagt – nicht Kaufleute oder Familienmitglieder (wie vornehmlich bei den anderen Kontakten), sondern das Gerichtspersonal. Meistens klagte dieses auf Erstattung seiner Kosten bzw. seines Lohnes für ihre Vertretung der Hamburger Partei und konnte dazu direkt am RKG das Verfahren eröffnen (vgl. dazu z. B. SMEND, S. 349). 1661 appellierte Jan Godevers, Faktor in Barbados und danach Kaufmann in Hamburg gegen ein Urteil des Obergerichts in seinem Streit mit einem Sephardim um den Arrest einer Zuckerladung. Der Appellat hatte diese Partie, die der Kläger im Auftrag seines Chefs (einem holländischen Kaufmann) von Barbados aus verschickte, als angeblicher Partner des holländischen Kaufmannes für sich beansprucht (STEIN-STEGEMANN, S. 312 f., G43). 1648 begann ein Prozess um das Erbe der verstorbenen Ehefrau eines in Batavia ansässigen niederländischen Kaufmannes (STEIN-STEGEMANN, S. 1088, T9).
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sehr geringen Teil aller hamburgischen Prozesskontakte dar, zeugen aber dennoch von den weit gespannten Familien- und Handelsbeziehungen der Hamburger Einwohner.197 Wie schon angedeutet, entwickelte sich aber die Zahl der in den Prozessakten über Hamburg hinaus feststellbaren Kontakte im Untersuchungszeitraum rückläufig.198 Entsprechend stieg die Zahl der Prozesse, die die Hamburger untereinander führten, an. Diese „Regionalisierung“ der am Reichskammergericht ausgetragenen Streitigkeiten war nicht allein für Hamburg, sondern auch für Lübeck und den Rest des südlichen Ostseeraumes festzustellen. Die Konzentration auf innerstädtische bzw. -territoriale Prozesse verstärkte sich vor allem im 18. Jahrhundert.199 In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ist ein leichtes Ansteigen der Prozesskontakte Hamburgs und des südlichen Ostseeraumes in weiter entfernte Territorien zu konstatieren, dessen Ursache in der großen Anzahl geldwirtschaftlicher sowie Handels- und Gewerbestreitigkeiten lag, die in dieser Phase drei Fünftel aller Prozesse ausmachten und deren Prozessparteien am ehesten weit gespannte Kontakte unterhielten. 200 Dazu passt, dass in der Hälfte der hamburgischen Prozesse, in denen Hamburger als Bevollmächtigte tätig waren, diese als Kaufleute in Vertretung ihrer auswärtigen Geschäftspartner identifiziert werden können. Ein weiteres Drittel der Bevollmächtigten ist beruflich nicht einzuordnen, doch betraf ihre Vertretung ebenfalls hauptsächlich handelsund geldwirtschaftliche Belange. Gerade durch die häufige Bevollmächtigung – nach deren Erteilung die beiden vor Gericht in Erscheinung tretenden Parteien zunächst einen rein innerhamburgischen Streit vermuten ließen – ist die von Freitag und Jörn angerissene Frage nach einer Abkopplung des südlichen Ostseeraumes und speziell Lübecks aus dem Alten Reich gemessen an einer Abnahme der kommunikativen Verbindungen zu anderen Reichsteilen eindeutig mit nein beantwortet.201
197 198
199
200 201
Zu den Kontakten über die Grenzen des Alten Reiches hinaus siehe Abb. 3 im Anhang. Siehe dazu die Tabellen 49 und 50 zu den Hamburger Kontakten im Alten Reich und über dessen Grenzen hinaus im Anhang. FREITAG, S. 80. Die Frage ob es sich hierbei um ein auf den Norden des Reiches begrenztes Phänomen handelt, wird im Vergleich mit Frankfurt zu klären sein. Freitag weist in seinen Ausführungen auf ähnliche „Regionalisierungstendenzen“ bezüglich der an den RHR getragenen Prozesse aus Hamburg und Lübeck hin, bei denen ebenfalls der Anteil derjenigen zwischen innerstädtischen Parteien besonders im 18. Jahrhundert deutlich ansteigend ist. FREITAG, JÖRN, Inanspruchnahme, S. 131. FREITAG, JÖRN, Lübeck, S. 196 f. Vielmehr lässt sich aus dieser Entwicklung eine auf die anfallenden Kosten und den gewonnenen Nutzen orientierte Handlungsweise vermuten,
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Tabelle 12: Entfernung der Hamburger Prozessparteien bei einzelnen Streitgegenständen 1495-1806 (1.353 Prozesse; absoluter Wert und prozentualer Anteil an allen Prozessen innerhalb der Entfernungskategorie)202 Streitgegenstand
Parteien innerhalb Hamburgs
Keine Angabe
5 (0,5)
Parteien in benachbarten Territorien 1 (0,5)
Parteien in weiter entfernten Territorien 0
Staatl./hoheitliche Rechte
19 (1,8)
20 (10,4)
7 (6,4)
Jurisdiktion Lehnswesen
123 (11,7) 0
32 (16,6) 0
21 (19,3) 0
Grundherrschaft Kriminalität
1 (0,1) 48 (4,6)
0 6 (3,1)
0 3 (2,8)
Familienverband Grund- und Bodenwirtschaft Geldwirtschaft
209 (19,9) 51 (4,9)
30 (15,5) 5 (2,6)
10 (9,2) 0
367 (34,9)
69 (35,8)
42 (38,5)
Handel und Gewerbe Gesamt
228 (21,7) 1.051 (100)
30 (15,5) 193 (100)
26 (23,9) 109 (100)
Ein Überblick über die Entfernung der Prozessparteien bezüglich einzelner Streitgegenstände (Tabelle 12) unterstützt ebenfalls die bisherigen Ausführungen: Mit jeweils zusammen über 50% hatten die Bereiche Geldwirtschaft sowie Handel und Gewerbe den größten Anteil an den Prozessen über die hamburgischen Stadtgrenzen hinaus, während etwa Prozesse zur Kriminalität sowie zur Grund- und Bodenwirtschaft vor allem Hamburger Parteien betrafen und nur in wenigen Fällen die Stadtgrenzen überschritten. Zum Abschluss der Ausführungen zur geografischen Verortung der Prozessparteien soll deren Streuung im Reichsgebiet anhand einer Karte graphisch dargestellt werden (siehe unten Abb. 1 im Anhang).203 In ihr sind die hamburgi-
202 203
da sicherlich eine ähnliche Bevollmächtigung seitens der Hamburger Kaufleute für ihre auswärtigen Kollegen erfolgte, wenn sich dort juristische Probleme ergaben. FREITAG, S. 81. Im Kartenausschnitt sind auch die Orte der ländlichen Gebiete verzeichnet. Nicht aufgeführt sind die Prozesse Hamburgs mit dem kaiserlichen Fiskal, die etwa 8% der Prozesse in weiter entfernte Territorien ausmachten. Die Datenbasis für diese Karte findet sich mit einer Auflistung aller über Hamburg hinausreichenden Kontakte (auch jene, die nicht in dieser Karte verzeichnet wurden) in einer Tabelle (49) im Anhang der Arbeit. – Die
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schen Kontakte im Alten Reich im Rahmen der Prozesse am Reichskammergericht für den gesamten Untersuchungszeitraum in einer Auswahl dargestellt. Aufgrund ihrer Menge sind nur Orte mit mindestens drei Kontakten zwischen 1495 und 1806 komplett erfasst worden, für Orte oder Territorien mit nur einem oder zwei Kontakten sowie für Orte im – nach modernem Sprachgebrauch – Großraum Hamburgs wurde eine der Übersichtlichkeit dienende Auswahl getroffen. Dadurch können ca. 75% der hamburgischen Prozesskontakte in der Karte dargestellt werden. Wie schon festgestellt wurde und mittels der Karte noch einmal eindrucksvoll untermauert wird, stellten Lübeck bzw. Altona mit 53 bzw. 23 Kontakten allein fast 20% aller Kontakte im Rahmen der Prozessverfahren mit Beteiligten außerhalb Hamburgs. Überhaupt befinden sich tendenziell die Orte mit einer vergleichsweise hohen Kontaktfrequenz eher im Norden des Reiches, d. h. in größerer räumlicher Nähe zu Hamburg.204 Gemessen an dem durch die Karte vermittelten Bild, kam der erste auswärtige Kontakt Hamburgs im Rahmen eines privatrechtlichen Prozesses am Reichskammergericht über eine vergleichsweise große Entfernung zustande – der erste Kläger in einem Hamburger Verfahren kam aus Magdeburg.205 Festzuhalten ist außerdem, dass vom 16. zum 17. Jahrhundert die Anzahl der Kontakte und deren Streuung zu-, vom 17. zum 18. Jahrhundert aber wieder abnehmen (allerdings bei gleich bleibender Streuung). Die hohe Anzahl der gesamten Kontakte (386 gegenüber 202 für benachbarte und weiter entfernte Gebiete in Tabelle 12) erklärt sich aus der Beteiligung mehrerer Personen aus verschiedenen Städten bzw. Territorien, die in einem Prozess als Gruppe von Klägern oder Beklagten auftraten.206
204 205
206
Basis dieser Karte sowie jener für Frankfurt und auch der Europakarten datiert um 1740, doch wurde der Einfachheit halber auf Einzelkarten für die jeweiligen Jahrhunderte verzichtet, so dass die Verschiebungen der Reichsgrenzen in der Frühen Neuzeit ausgeblendet wurden. Andererseits ermöglicht diese Bündelung möglichst vieler Kontakte in einer Karte einen besseren Überblick über die Verbindungen in das Alte Reich im gesamten Untersuchungszeitraum. Auf die Ausnahmen Köln, Frankfurt, Speyer und Wetzlar ist schon verwiesen worden. Dieser Prozess zwischen einem Magdeburger Kaufmann sowie hamburgischen Kaufleuten um eine Partie Roggen und arretierte Waren ist schon vorgestellt worden (STEINSTEGEMANN, S. 616, L15). Ein Beispiel für das gemeinsame Auftreten mehrerer Personen aus verschiedenen Orten bietet ein Mitte des 17. Jahrhunderts an RKG gezogener Prozess, der vor dem Hintergrund eines Erbstreites die Zuständigkeit des Gerichts in dieser Sache und die Formalia einer Appellation thematisiert. Es handelt sich bei den Parteien um Verwandte bzw. sonstige Erbberechtigte, die Beklagten kommen aus Hamburg, die Kläger aus Amsterdam und Michelstadt bzw. Speyer (STEIN-STEGEMANN, S. 977 f., S94).
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Einzelne Prozessgegenstände Zum Abschluss der statistischen Untersuchungen zu den Hamburger Reichskammergerichtsprozessen sollen die einzelnen Prozessgegenstände noch etwas näher beleuchtet werden, um die schon getroffenen allgemeinen Aussagen zu vertiefen und festzustellen, welche Streitgegenstände innerhalb der einzelnen Kategorien auftreten, ob Häufungen bestimmter Streitgegenstände vorkommen und ob sich wichtige Eckpunkte der hamburgischen frühneuzeitlichen Geschichte in den Reichskammergerichtsprozessen finden lassen. Dabei wird bewusst auf Ausführungen zu den Bereichen Geldwirtschaft sowie Handel- und Gewerbe verzichtet, die sich in den nächsten beiden Kapiteln befinden. Dagegen werden die Prozesse um familiäre Streitigkeiten sowie staatlich-hoheitliche Rechte jetzt schon aufgegriffen – allerdings mit dem Hinweis, dass auch ein Teil der in diesen Bereichen vertretenen Fälle für Handel, Handwerk und Geldwirtschaft von Bedeutung sind (z. B. die Prozesse um zünftige Rechte im Bereich der staatlich-hoheitlichen Prozesse). Wegen ihres geringen bzw. nicht vorhandenen Anteils werden die Kategorien Grundherrschaft und Lehnswesen nicht thematisiert.207
Kriminalität Mit insgesamt 57 Prozessen zwischen 1495 und 1806 – das entspricht einem Anteil von etwas mehr als 4% am gesamten hamburgischen Prozessaufkommen – blieb die Rolle der Kriminalitätsprozesse am Reichskammergericht gering. Das ist angesichts der ursprünglichen Aufgabe des Gerichts erstaunlich, denn dessen Hauptaugenmerk sollte auf dem Erhalt des allgemeinen Landfriedens mittels der Klärung von Konflikten auf dem Gerichtswege und der Verurteilung des Landfriedensbruches sowie der Zurückdrängung des Fehdewesens liegen. Ein entsprechender Einfluss der Reichsgerichtsbarkeit bei der Erreichung dieser Ziele wird demzufolge von der Forschung hervorgehoben.208 207
208
Zu dem einzigen grundherrschaftlichen Fall in den Hamburger Prozessen siehe oben bei den Prozessgegenständen. FREITAG, S. 34. Ranieris Untersuchungen zum 16. Jahrhundert bestätigen den Einfluss des RKGs bei der Durchsetzung des Landfriedens. In der Gründungsphase des Gerichts bis zum Ende des 15. Jahrhunderts machten die Kriminalitätsfälle ein Zehntel des Geschäftsanfalls aus und behandelten in mehr als der Hälfte dieser Prozesse Landfriedensbrüche. Der Anteil dieses Verfahrensgegenstandes erhöhte sich in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts im Zuge des um sich greifenden Raubrittertums und den Wirren im Ge-
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Dagegen spielten diese Gegenstände mit insgesamt nur neun Fällen im Rahmen des hamburgischen Prozessaufkommens eine sehr geringe Rolle, wobei selbst in diesen wenigen Fällen der Vorwurf eines Landfriedensbruchs strittig blieb. 209 Der Hamburger Rat wurde selbst zweimal am Reichskammergericht wegen Landfriedensbruchs vorstellig. Im ersten Fall von 1574 klagte der Rat gegen holsteinische Adelige „auf den Landfrieden“, weil diese ein auf Grund gelaufenes Schiff auf der Elbe überfallen hatten.210 Der zweite Prozess datiert in die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts: Am Anfang des Dreißigjährigen Krieges drangen Söldner des Herzogs von Braunschweig-Lüneburg in die Vierlande (Amt Bergedorf) ein und zerstörten einen Deich.211 Daraufhin beantragte der Rat am Reichskammergericht ein Strafmandat gegen den Friedensbrecher. 212 Auch wenn die Rekonstruktion einer Tendenz mit Hilfe von nur neun Prozessen zweifelhaft erscheint, bleibt dennoch festzuhalten, dass sich keiner dieser Fälle nach 1650 ereignete und damit die Wirksamkeit des Reichskammergerichts bezüglich der Eindämmung von Selbstjustiz und der Förderung der gerichtlichen Beilegung von Konflikten auch am Beispiel Hamburgs belegt werden kann. Viel häufiger war allerdings der Injurienvorwurf213, wobei Beleidigungen
209
210 211 212 213
folge der Reformation. In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts war die Zahl der Klagen wegen Landfriedensbrüchen stark rückläufig und wurden zunehmend von Klagen wegen Beleidigungen, Ehrverletzungen und auch Hexerei abgelöst (RANIERI, Recht und Gesellschaft, S. 241 f.). Ein solcher Prozess ist jener des Peter von Sprengel und des Erzbischofs von Bremen gegen den Rat der Stadt Hamburg. Auslöser einer Vorladung des Klägers an das Hamburger Niedergericht war eine Beleidigung des Rates durch den Kläger. Der Kläger lehnt diese Vorladung mit dem Hinweis der Parteilichkeit des Gerichts ab und klagt wegen Hausfriedensbruchs im Zuge der Untersuchungen sowie eines ihm bezüglich der Vorladung abgenötigten Eides (STEIN-STEGEMANN, S. 953, S 71). Ein „echter“ Landfriedensbruch wurde am Beginn der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts an das RKG gebracht, als ein Gutsbesitzer gegen den Rat der Stadt klagte, weil sich letzterer des Landfriedensbruches schuldig gemacht habe. Der Kläger warf der Stadt das Abholzen von Bäumen, die Beschlagnahme von Vieh, die Verletzung der Jagdgerechtigkeit, die Gefangennahme von Ziegeleiknechten und die Aufhetzung der Bauern auf seinem Gut vor (STEINSTEGEMANN, S. 486 f., H186). FREITAG, S. 34. LOOSE, Zeitalter der Bürgerunruhen, S. 304. STEIN-STEGEMANN, S. 1266 f., Nachtrag III Nr. 36. Dies hat Baumann auch für das Reich im 17. und 18. Jahrhundert festgestellt, wo in mehr als der Hälfte der Kriminalsachen Beleidigungen und Ehrverletzungen die größte Rolle spielen und damit auch die ranierischen Tendenzen zum Ende des 16. Jahrhunderts bestätigt werden. Insgesamt ist auch im Reich der Anteil der Kriminalsachen am Prozessaufkommen rückläufig (BAUMANN, S. 99, 176 f. RANIERI, Recht und Gesellschaft, S. 242).
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(knapp 60%) in größerer Zahl als Tätlichkeiten und Körperverletzungen (ca. 40%) beklagt wurden. Insgesamt aber nahmen die Hamburger Parteien das Reichskammergericht in Kriminalsachen nur selten in Anspruch.
Staatlich-hoheitliche Rechte Der Anteil der Hamburger Prozesse, dessen Gegenstände dem Bereich staatlich-hoheitliche Rechte zuzuordnen sind, liegt mit 3,4% des Prozessaufkommens (46 Fälle) noch unter jenen der Kategorien Kriminalität und Grund- und Bodenwirtschaft. Dennoch sind gerade die hier vor allem im 16. Jahrhundert versammelten Prozesse in ihrer Bedeutung für die Geschichte der Stadt kaum zu unterschätzen. Neben den schon erwähnten Verfahren des Reichsfiskals gegen die Stadt, in denen die Frage der Reichsunmittelbarkeit mehrfach strittig war, führte der Rat vor allem Prozesse mit benachbarten Städten und Territorien um die Ausübung der Landes- und Steuerhoheit.214 Dies beinhaltet jedoch in keinem einzigen Fall eine Beteiligung Hamburgs an einem Reichskammergerichtsprozess um hansische Handelsprivilegien.215 Die Prozesse um landeshoheitliche Herrschaft führte der Rat gegen die Grafen von Holstein und Schauenburg um den Billwerder, mit den Herzögen von Holstein um die Wiedereinlösung des verpfändeten Hammerbrooks sowie mit 214
215
FREITAG, JÖRN, Lübeck, S. 180 f. Auch der größte Teil der Lübecker RKG-Prozesse um staatlich-hoheitliche Rechte betraf Streitigkeiten mit den territorialen Nachbarn. So führte der Rat gegen die Herzöge von Sachsen-Lauenburg mehrere Prozesse um die Fischereigerechtigkeit auf dem Ratzeburger See (z. B. STEIN-STEGEMANN, Lübeck, S. 539 ff., S7, S10-S28). GABRIELSSON, S. 158 ff. Die Ursache hierfür liegt in der ambivalenten Haltung des Rates gegenüber gesamthansischen Angelegenheiten, die von der Stadt nur dann unterstützt wurden, wenn ein eigenes Interesse an ihnen bestand. So war Hamburg 1367 auf dem Hansetag in Köln, auf dem das weitere Vorgehen im Krieg gegen Dänemark erörtert wurde, nicht vertreten. Dies lag zum einen am geringen Interesse der Hamburger am Ostseehandel, zum anderen versuchte sich die Stadt mit dem nördlichen Nachbarn zu arrangieren und sah in kriegerischen Aktivitäten keine Vorteile. – Am RHR sind im 16. und 17. der hamburgische und der lübeckische Rat gemeinsam in hansischen Angelegenheiten vertreten, um ihre Handelsprivilegien gegen auswärtige Konkurrenz zu verteidigen. Freitag spricht von insgesamt acht sicher zu benennenden Verfahren zwischen 1546 und 1679, die gegen englische und spanische Konkurrenten sowie Kaperfahrer gerichtet sind (FREITAG, S. 36). Um dem Problem der Seeräuberei zu begegnen, leistete sich die Stadt schon Mitte des 16. Jahrhunderts eigene Begleitschiffe auf der Elbe, in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts wurden mehrere Kriegsschiffe gebaut, die bis ins Mittelmeer vorstießen (POSTEL, Hafen und Schiffahrtsverwaltung, S. 45, 50).
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den Herzögen von Sachsen-Lauenburg um das Amt Ritzebüttel.216 Zu diesen Fällen kommen noch einige aus dem Schleswig-Holsteinischen Landesarchiv, die von den Räten Hamburgs und Lübecks zwischen 1562 und 1631 gegen die Herzöge von Sachsen-Lauenburg geführt wurden.217 Dass sich der Hamburger Rat aktiv um eine Sicherung und Ausweitung der hoheitlichen Rechte bemühte wird an der Gegenüberstellung der Rolle der Stadt in diesen Prozessen deutlich. Als Kläger war die Stadt 12 Mal vertreten aber nur drei Mal als Beklagter. Anders sah es bezüglich der Fälle um die Einhaltung der Zollprivilegien (besonders auf der Elbe) aus, deren zeitlicher Schwerpunkt ebenfalls zwischen 1550 und 1625 lag – hier fand sich Hamburg häufiger als beklagte Partei wieder (10 Prozesse) als das es selbst aktiv wurde (7). Nach dem Erwerb der verschiedenen Handelsprivilegien seit dem 14. Jahrhundert versuchte die Stadt, diese Rechte gegen die umliegende Konkurrenz zu verteidigen.218 So prozessierte Hamburg
216
217
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Nach der Visitation durch eine RKG-Kommission beginnt 1576 ein Prozess am RKG, indem der Rat der Stadt Hamburg gegen die Entscheidung der Kommission appelliert, dass er den ursprünglich 1395 von Adolph VII. von Holstein an die Stadt verpfändeten Billwerder wegen der von Otto IV. (Graf zu Holstein, Schauenburg und Sternberg) in Buxtehude hinterlegten Pfandsumme wieder zurückgeben müsse. Der Rat wendet ein, dass die Kommission keine gerichtliche Befugnis besäße (STEIN-STEGEMANN, S. 743 ff., H12. Dieser Prozess verweist auf die Bemühungen Friedrichs II. von Dänemark, die verpfändeten Ländereien möglichst günstig zurück zu erwerben, doch brachte er damit nicht nur die Hamburger, sondern auch den Kaiser gegen sich auf. Dieser verbot die von Friedrich II. verlangte Erbhuldigung [POSTEL, Reformation und Gegenreformation, S. 227]. Weitere Prozesse aus diesem Anlass sind STEIN-STEGEMANN, S. 490 ff., 890 f., H192, H193, S11. Gegen den Herzog von Sachsen-Lauenburg prozessierte die Stadt u. a. 1629. Der Herzog führte einen Citationsprozess wegen Streitigkeiten um die Grenzziehung zwischen Ritzebüttel und dem Lande Hadeln, in dessen Folge es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen gekommen war (STEIN-STEGEMANN, S. 1230 f., Nachtrag I/ Nr. 31). FREITAG, S. 37. Neben einzelnen Prozessen um Weidegerechtigkeiten und Zollerhebungen wurde besonders die Grenzziehung zwischen Bergedorf und dem Herzogtum immer wieder verhandelt. Herauszuheben ist das kaiserliche Privileg aus dem Jahr 1482, welches die Stadt 1.200 fl. kostete und ihr erlaubte, einen Stapel zu errichten. Dieses wichtige Privileg wurde zudem von beiden um die Oberhoheit über die Stadt streitenden Parteien gewährt, denn zuvor hatte sich Hamburg jenes bereits von Christian I. 1480 ausstellen lassen (die Urkunde wurde auf 1465 vordatiert, da man sich nun auch beim Kaiser um ein solches Privileg bemühte). Damit war Hamburg formal zur Endstation für Waren wie Roggen, Gerste, Weizen, Mehl, Bier und Wein geworden, die die Stadt aus dem Reich kommend auf der Elbe erreichten. Dass um die Einhaltung dieses Privilegs prozessiert werden musste ist verständlich, da sich Hamburg in der Praxis nicht durchsetzen konnte. So hatte die Stadt schon am Anfang des 15. Jahrhunderts versucht, den Lüneburger Elbhandel an einen
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u. a. gegen die Herzöge von Braunschweig-Lüneburg und die Städte Stade und Emden um die Handelsvormacht auf der Elbe, für deren Erhalt Hamburg sogar Kriegsschiffe einsetzte.219 In einem weiteren im Schleswiger Archiv vorhandenen Prozess klagte Hamburg 1575 gegen den dänischen König Friedrich II. um die Elbhoheit zwischen der Stadt und der Elbmündung. Dabei offenbarten sich die Ansprüche des Königs auf die Stadt mit dem Einwand, diese Klage sei obsolet, da die Stadt unter seiner Hoheitsgewalt stehe.220 Diese am Reichskammergericht ausgetragenen Streitigkeiten konzentrierten sich fast ausschließlich auf die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts.221 Ebenfalls im Bereich der staatlich-hoheitlichen Rechte finden sich jene 12 Hamburger Prozesse um die städtische Verfassung, die besonders im 17. und 18. Jahrhundert in Speyer und Wetzlar geführt wurden.222 Weitere sechs Fälle
219
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Hamburger Stapel zu binden, doch wurde dies durch ein kaiserliches Mandat verboten (GABRIELSSON, S. 172 ff.). 1566 bemühte sich Hamburg gerichtlich um die Durchsetzung seines Stapelprivilegs und klagte gegen die Herzöge von Braunschweig-Lüneburg und die Städte Lüneburg, Stade und Buxtehude. Im Gegenzug eröffneten Stade und Buxtehude drei Jahre später ein Verfahren gegen Hamburg, welches sich fast 40 Jahre hinzog und in dem die Kläger eine Entschädigung von 8.000 Rtlr. wegen der Behinderungen ihres Elbhandels durch hamburgische Kriegsschiffe forderten (STEIN-STEGEMANN, S. 901 ff., 1267 f., S22, Nachtrag III Nr. 38). 1550 hatte sich Hamburg am RKG um ein Mandat bemüht, um die durch Karl V. in diesem Jahr bestätigten Stapelrechte den Städten Stade, Buxtehude, Harburg, Lauenburg und Bleckede durch das RKG öffentlich bekannt zu machen (STEINSTEGEMANN, S. 327, H11). Auch mit der Stadt Emden lag Hamburg im Streit. Emden klagte 1598 wegen des durch hamburgische Kriegsschiffe ausgeübten Zwanges gegenüber Schiffen aus Emden, die in Hamburg das Tonnengeld und einen zusätzlichen Zoll auf Textilien zahlen mussten. Dagegen wandten die Emdener ein, dass niederländische und englische Kaufleute von diesem Zoll verschont würden und außerdem die allgemeine Teuerung zusätzlich angeheizt würde. Nach dem Abschluss dieses Verfahrens klagte Emden 1604 sofort wieder wegen eines neuen Zolls auf Felle und eines Lastgeldes, was nach dem Reichsabschied von 1576 verboten sei (keine neuen Zölle oder die Erhöhung bestehender) (STEIN-STEGEMANN, S. 223 f., H31, H32. Zum Tonnengeld siehe LOOSE, Zeitalter der Bürgerunruhen, S. 293 f.). FREITAG, S. 38. Siehe dazu die Beispiele in FN 497. Die Förderung Glückstadts durch Christian IV. und die Einführung des dortigen Elbzolls wurde von Hamburg direkt beim Kaiser beanstandet (nicht am RKG), doch das Reichsoberhaupt musste ob der Entwicklungen des Dreißigjährigen Krieges selbst lavieren und genehmigte 1633 den Zoll, um den dänischen König aus dem von Schweden initiierten Bund der evangelischen Reichsstände herauszuhalten. Das hamburgische Elbprivileg blieb trotz dieser Genehmigung in Kraft (LOOSE, Zeitalter der Bürgerunruhen, S. 296). Freitag weist darauf hin, dass Fragen der städtischen Verfassung Hamburgs vor allem am RHR ausgetragen wurden (FREITAG, S. 38). Ein Beispiel für die innerstädtischen Proble-
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behandeln strittige Fragen des kirchlichen Patronats zwischen der Stadt und dem Domkapitel. 223 Die hamburgische Politik im 17. Jahrhundert, zwecks Privilegiendurchsetzung nicht mehr das Reichskammergericht zu bemühen sondern sich direkt an den Kaiser zu wenden224, sorgte für ein Absinken des ohnehin geringen Anteils der Fälle um staatlich-hoheitliche Rechte am gesamten Prozessaufkommen. 225 Diese Tendenz lässt sich mit den Entwicklungen im Reich vergleichen, wo der Anteil am gesamten Prozessaufkommen zwar höher war, aber ebenfalls im 17. Jahrhundert absank und erst zum Ende der Frühen Neuzeit wieder stieg, als z. B. landeshoheitliche Konflikte zwischen Reichsständen vermehrt am Reichskammergericht ausgetragen wurden.226
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226
me betrifft Protokollfragen der Verwaltung. 1624 klagen drei Doktoren (Juristen) gegen einen gleichnamigen Verwandten des Ratsherren und Bürgermeisters Vincent Moller, der als Advokat und Sekretär der Stadt tätig ist. Die Kläger streiten um die die Rangfolge der Sekretäre und Syndici des Rates, da der Beklagte bei Gerichtssitzungen nicht seinem Rang gemäß platziert würde (STEIN-STEGEMANN, S. 282, G11). Siehe dazu die Ausführungen zum Domkapitel und den geistlichen Klägern bei der sozialen Differenzierung der Prozessparteien. Auf die zeitweilige Unterstellung des Domkapitels unter das Wismarer Tribunal wurde schon hingewiesen, nach 1719 klagte das Kapitel auch wieder in Wetzlar. Als finanzstärkster Reichstand im südlichen Ostseeraum war Hamburg in der Frühen Neuzeit einer der kaiserlichen Kreditgeber und versprach sich von diesen Zahlungen eine entsprechende Gegenleistung, wie die Befreiung von Einquartierungen und die Sicherung eines – im hamburgischen Sinne – freien Handels. Neben kaiserlichen Forderungen waren von der Stadt auch die dänischen und zeitweise schwedischen zu berücksichtigen. Dass die Stadt sich dennoch wirtschaftlich positiv entwickelte, beruht nach Jörn auf der Beachtung der Erkenntnis des kaiserlichen Gesandten Graf Schönborn: „Man könne ‚die Kühe oft, nit aber auf einmahl bis auf das Bluth melcken’.“ (N. JÖRN, Beobachtungen zur Steuerzahlung der Territorien des südlichen Ostseeraumes in der Frühen Neuzeit, in: N. JÖRN, M. NORTH [Hrsg.], Die Integration des südlichen Ostseeraumes in das Alte Reich [Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, 35], Köln-Weimar-Wien 2000, S. 311-391, hier S. 352 ff., Zitat S. 351). Vgl. dazu auch die Diagramme (15-18) im Anhang mit der Aufschlüsselung der Prozessgegenstände für Hamburg zwischen 1600 und 1806. RANIERI, Recht und Gesellschaft, S. 244 f. BAUMANN, S. 93, 155, 170 f. Ranieri für das Ende des 16. Jahrhunderts einen Anteil dieser Prozesse von fast 15% am gesamten Prozessaufkommen fest. Dieser Wert wird nach Baumann auch nach dem Dreißigjährigen Krieg wieder erreicht, doch liegt der Anteil in mehreren Jahrzehnten im 17. Jahrhundert und in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts bei unter 10%.
Hamburg und Frankfurt vor dem Reichskammergericht
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Jurisdiktion Deutlich größer als bei den beiden bisher besprochenen Kategorien war der Anteil der jurisdiktionalen Verfahren am hamburgischen Prozessaufkommen (13%, 178 Fälle). Daher lohnt sich hier eine Aufschlüsselung der Einzelstreitgegenstände in einer Tabelle (siehe unten Tabelle 13), womit die Vergleichbarkeit zu den Frankfurter Ergebnissen erleichtert wird. 227 Aus den allgemeinen Betrachtungen zum Geschäftsanfall und den Prozessgegenständen228 wird ersichtlich, dass der Anteil der Jurisdiktionsprozesse vor allem in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts bzw. der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts über dem errechneten hamburgischen Durchschnitt lag (18% bzw. 20%) und Reichsniveau erreichte.229 Dabei waren Streitigkeiten um Fragen der Ausübung der Gerichtsbarkeit mit nur 5% Anteil und keinem einzigen Fall im 18. Jahrhundert schwach vertreten. 230 Viel häufiger wurde am Reichskammergericht wegen Konflikten um eine Verzögerung oder Verweigerung der städtischen Justiz (im gesamten Untersuchungszeitraum) sowie der Ausübung der Kriminalgerichtsbarkeit (vor allem im 16. sowie im 17. Jahrhundert) und des Vollzugs von Urteilen (besonders im 17. und 18. Jahrhundert) prozessiert. Dabei bot der Einwand der Behinderung (vor allem in Streitigkeiten mit familienrechtlichem oder geldwirtschaftlichem Hintergrund231) durch die städtische Justiz die Möglichkeit, ein Verfahren unter Umgehung der Appellationsprivilegien an das Reichskammergericht zu ziehen. Dadurch und wegen der schnellen Bearbeitung der Jurisdiktionsprozesse, von denen fast 75% innerhalb von fünf Jahren abgehandelt wur227
228
229
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Ebenso erfolgt eine Darstellung der Einzelstreitgegenstände in den Kategorien Familienverband (siehe unten) sowie Geldwirtschaft und Handel- und Gewerbe (Kapitel III und IV), die jeweils noch größere Anteile am gesamten hamburgischen Prozessaufkommen beinhalten. Vgl. dazu auch die Diagramme (15-18) im Anhang mit der Aufschlüsselung der Prozessgegenstände für Hamburg zwischen 1600 und 1806. RANIERI, Recht und Gesellschaft, S. 244. BAUMANN, S. 91 f., 155. Ranieri gibt für das Ende des 16. Jahrhunderts einen Anteil der Jurisdiktionsprozesse von 15% am Prozessaufkommen an, Baumann für das 17. und 18. Jahrhundert durchschnittlich knapp 20%, bei Spitzenwerten von deutlich über 25% in den ersten beiden Dekaden des 17. Jahrhunderts. Die Fragen der jurisdiktionellen Hoheit berühren den Grenzbereich zur Kategorie staatlich-hoheitliche Rechte. So sind fünf Fälle vorhanden, in denen vor allem um die Zuständigkeit der städtischen Gerichte für Angehörige des zweiten Standes gestritten wird. Ein Beispiel für eine solche Klage ist die folgende: 1564 klagte ein hamburgischer Kaufmann und Bürger gegen seinen Stiefvater sowie den Rat der Stadt wegen Justizverweigerung. Hintergrund war ein familiärer Streit um die Herausgabe des väterlichen Nachlasses des Klägers, der beim Beklagten deponiert war (STEIN-STEGEMANN, S. 206, E10).
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den, kam dem Reichskammergericht eine nicht unbedeutende Kontrolle über die städtische Gerichtsbarkeit zu.232 Denn die Verfahren wegen Justizverzögerung bzw. die Aufforderung zur Vollstreckung eines Urteils griffen direkt Fehlleistungen des hamburgischen Justizwesens auf.233 Als Rechtsmittel zur Überprüfung und – gegebenenfalls – Korrektur einer Entscheidung des Rates oder des Obergerichts stand den Hamburgern darüber hinaus auch die Möglichkeit der Eröffnung einer Nullitätsklage zur Verfügung234, doch wurde von ihr wenig Gebrauch gemacht. Mehr als die Hälfte der Fälle wegen Justizbehinderung entfiel auf Mandatsprozesse gegen den Hamburger Rat. Insgesamt erreichten die 38 Prozesse wegen verweigerter oder verzögerter Jurisdiktion einen Anteil von fast 3% am gesamten hamburgischen Prozessaufkommen und waren in dieser Größenordnung mit Lübeck vergleichbar. 235 Eine Möglichkeit zur Beschleunigung eines Verfahrens bestand in der Bitte an das Reichskammergericht, ein Promotorialschreiben an den Rat zu verschicken, worauf entweder die Urteilsfindung des zuständigen Hamburger Gerichts tatsächlich schneller erfolgte oder aber dem Kläger nun die Möglichkeit einer Klage wegen Justizbehinderung offen stand.236 232
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236
Vgl. B. DIESTELKAMP, Die Reichsgerichtsbarkeit in den Ostseeländern, in: N. JÖRN, M. NORTH (Hrsg.), Die Integration des südlichen Ostseeraumes in das Alte Reich (Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, 35), Köln-Weimar-Wien 2000, S. 13-38. Diestelkamp weist ausdrücklich auf die wichtige Rolle der Verfahren wegen Justizverweigerung oder -verzögerung hin, die „für die Beurteilung des Verhältnisses der Region zur Reichsjustiz von erheblicher Bedeutung“ sind, da sie die Möglichkeit boten, die „Rechtssuchenden vor dem Versagen der reichsständischen Justiz zu schützen“ (Zitate S. 29, 31). FREITAG, S. 87. LAUFS, S. 253 f. (Dritter Teil: Vom gerichtlichen Prozeß, Titel XXXIV Von nullitet- und nichtigkeyt-sachen, wie und welchergestalt in denselben procediret und gehandelt werden soll). Die förmliche Nullitätsklage (principaliter) forderte ein Kassieren des Urteils, während sie in Verbindung mit einer Appellation (incidenter) eine Änderung des Urteils anstrebte. Wichtig ist, dass dieser Klageweg die im Appellationsprivileg beschriebenen, als nicht appellabel geltenden Bedingungen nicht tangierte, sondern für alle Gegenstände und Streitwerte offen stand. DIESTELKAMP, Ostseeländer, S. 34 f. Der exakte Anteil der hamburgischen Fälle wegen Justizbehinderung liegt bei knapp 2,8%, der Lübecker Anteil bei knapp 2,6%. Dieser prozentuale Anteil entspricht den 20 Justizbehinderungsfällen gemessen an den 774 Lübecker Prozessen. Diestelkamp geht von 770 Lübecker Prozessen aus, doch ist die Veränderung in der Prozentangabe marginal. Für Hamburg sind acht Prozesse nachweisbar, in denen ein entsprechendes Mandat (Promotorialschreiben) gefordert wurde. Ein Beispiel ist einer der Prozesse des klagefreudigen Kaufmannes und holsteinischen Rats in Hamburg, Jacques Budier. Er beantragte 1658 ein Promotorialschreiben beim RKG (wegen Justizverzögerung in einem
91
Hamburg und Frankfurt vor dem Reichskammergericht
Tabelle 13: Differenzierung der Hamburger Jurisdiktionsprozesse 1495-1806 (178 Prozesse; absoluter Wert und prozentualer Anteil der Prozesse im jeweiligen Zeitraum)237 Streitgegenstand
14951599 0
16001699 0
17001806 1 (2,9)
14951806 1 (0,6)
Zulässigkeit der Appellation Justizverzögerung, -verweigerung, Gerichtsbehinderung
4 (7,7) 14 (26,9)
2 (2,2) 14 (15,4)
2 (5,7) 10 (28,6)
8 (4,5) 38 (21,3)
Versendung der Akten an eine Juristenfakultät
3 (5,8)
14 (15,4)
8 (22,9)
25 (14)
Ausübung der weltlichen Gerichtsbarkeit und städtischen Jurisdiktion
5 (9,6)
4 (4,4)
0
9 (5,1)
Urteilsvollstreckungen Zuständigkeit der Gerichte in anderen Streitgegenständen
4 (7,7) 7 (13,5)
27 (29,7) 15 (16,5)
10 (28,6) 3 (8,6)
41 (23) 25 (14)
Ausübung der geistlichen Gerichtsbarkeit238
2 (3,8)
3 (3,3)
0
5 (2,8)
Ausübung der Kriminalgerichtsbarkeit Summe (Anteil an Jurisdiktionsprozessen 1495-1806)
13 (25) 52 (29,2)
12 (13,2) 91 (51,1)
1 (2,9) 35 (19,7)
26 (14,6) 178 (100)
Näheres nicht ersichtlich
Obwohl unklar ist, ob die Einflussnahme des Reichskammergerichts grundsätzlich eine Beschleunigung eines Verfahrens nach sich zog, gibt gerade die Inanspruchnahme dieser kaiserlichen Rechtstitel einen Hinweis auf die Integration der Hamburger Gerichtsbarkeit in die politische bzw. juristische Ordnung des Reiches. 239 Die schon erwähnte Nullitätsklage wurde nur neun Mal vorge-
237
238
239
Erbstreit), doch musste er zwei Jahre darauf warten. Zwar wurde im selben Jahr noch der Prozess am Hamburger Obergericht abgeschlossen (1660), allerdings ist der Wert einer Bitte um Verfahrensbeschleunigung zweifelhaft, wenn das RKG selbst einige Zeit mit der Ausfertigung verstreichen lässt (STEIN-STEGEMANN, S. 100, B95). Freitag, S. 104. Freitag präzisiert teilweise die von Ranieri innerhalb der Jurisdiktionsprozesse getroffenen Unterscheidungen insofern, als dass einzelne Unterpunkte weiter differenziert dargestellt werden, siehe RANIERI, Recht und Gesellschaft, S. 282. Strittig ist in diesen Verfahren die Zuständigkeit städtischer Gerichte für geistliche Personen. Eine eigene geistliche Gerichtsbarkeit gab es im Hamburger Domkapitel nicht. Freitag, S. 40. Freitag verweist auf Diestelkamp, der mit Blick auf juristische kaiserliche Interventionen in Streitfällen mit Beteiligung Holsteins und Sachsen-Lauenburgs bemerkt
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Hamburg und Frankfurt vor dem Reichskammergericht
bracht240, die Extrajudizialappellationen241 jedoch waren besonders im letzten Drittel des Untersuchungszeitraumes häufig zu finden (siehe Tabelle 3). Obwohl dieses Rechtsmittel der versuchten Abwehr diverser Rechtstitel des Rates diente, ist jener dennoch in nur fünf Fällen als Hauptbeklagter feststellbar. Die restlichen 27 Extrajudizialappellationen ergingen in der Hauptsache gegen Privatparteien oder Handwerksämter, wobei allerdings deren beklagten Handlungen teilweise Entscheidungen und Anordnungen des Rates zugrunde lagen. Gegenstand dieser Verfahren waren überwiegend strittige Handelsgeschäfte und Versicherungsangelegenheiten.242 In Fragen der Kriminaljustiz wurden 25 hamburgische Verfahren am Reichskammergericht anhängig. So beschwerten sich Kläger über von ihnen zu erduldende Misshandlungen während der Verhaftung und im Gefängnis und hofften auf korrigierende Verfügungen bzw. die Bestätigung eines Schadensersatzanspruches von Seiten der Reichsjustiz gegenüber dem Rat. 243 In den
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241
242
243
hat, dass die „Aktivitäten im Reichsnorden am kaiserlichen Hof nicht verborgen blieben“. Beispielsweise klagte 1754 der entlassene stellvertretende Rektor des Johanneums gegen den Rat, das Schulamt und den Rektor seiner Schule gegen seiner Suspendierung (STEINSTEGEMANN, S. 852 f., R27). Extrajudizialappellationen waren „außergerichtliche Berufungen“, die sich gegen Befehle, Ge- und Verbote, Verfügungen, Verordnungen, Geldstrafen usw. richteten, die nicht in einem Gerichtsverfahren verfügt worden waren (also ebenfalls extrajudizial), d. h. die betroffene Partei war nicht gehört worden. Erging nach Eingang dieser Appellation ein Bescheid des RKGs, blieb die Sache auch aus Sicht des RKGs extrajudizial. Wurde allerdings auch die Gegenpartei zum Gegenstand angehört, war damit ein normales gerichtliches Verfahren eröffnet. Im Reichsabschied von 1594 wurde dieses Rechtsmittel erstmals reichsrechtlich fixiert (T. SEEGER, Die Extrajudizialappellation [Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, 25], Köln-Wien 1992, S. 31 ff.). 1799 gelangte im Rahmen einer Extrajudizialappellation eine Sache an das RKG, die zuvor an der Hamburger Admiralität und dem Obergericht verhandelt worden war. Mehrere ursprünglich verklagte Versicherer appellierten gegen ein Hamburger Urteil, welches sie zur Zahlung der Versicherung für eine Schiffsladung Leinwand, Teer, Pech und Fichtenholz verpflichtete. Das amerikanische Schiff, auf dem die Waren transportiert wurden, sollte von Altona nach Lissabon fahren, strandete jedoch bei Terschelling, wobei die Ladung stark beschädigt wurde. Die Appellanten weigerten sich die Versicherungssumme an den Appellaten zu bezahlen, da dieser Hamburger Kaufmann insolvent sei (STEINSTEGEMANN, S. 1240, Nachtrag II Nr. 6). So forderte 1597 ein Lübecker Bürger namens seiner Frau vom Hamburger Rat Schadensersatz wegen Beleidigung, Inhaftierung, Folterung und Hinrichtung seines Schwagers, eines Goldschmieds aus Altona. Dieser war wegen Fälschung von Gold- und Silberwaren, Falschmünzerei und Exhibitionismus (!) angeklagt, zur Urfehde gezwungen,
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1620er Jahren fallen drei Prozesse gegen den Kaufmann und Bürger Jacob Steffens auf, der wegen Münzvergehen zur Urfehde gezwungen wurde und schließlich im Gefängnis landete. 244 Neben den Vorwürfen der Justizbehinderung wurde wegen der zögerlichen Umsetzung von Ratsentscheiden und Reichskammergerichtsurteilen geklagt, deren Auslöser – wie bei den Extrajudizialappellationen – in Streitigkeiten aus den Bereichen Geldwirtschaft sowie Handel und Gewerbe bestand.245 In den letzten vier Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts bedingten die Umbrüche in der städtischen Verfassung eine wahre Prozessflut in jurisdiktionalen Sachen246, allein in dieser Zeit wurden 38 Prozesse am Reichskammergericht anhängig. Im so genannten Kämmereirezess wurde 1563 die Aufsicht über die von Schulden geplagte städtische Finanzverwaltung (die Kämmerei) der Bürgerschaft übertragen, die dazu Kämmereibürger zur Ablösung der bisher zuständigen Ratsherren ernannte.247 Da der Rat versuchte, diese Maßnahmen zu hintergehen und ihm durch seine weiterhin bestehende Gerichtsgewalt eine Möglichkeit zur Behinderung von dagegen gerichteten Klagen zur Verfügung stand, drohte die Bürgerschaft schließlich mit der Einstellung der Steuerzahlung, womit auch die Besoldung der Ratsherren ausgefallen wäre. Doch schließlich einigten sich die Parteien im Rezess von 1603, der wesentliche Teile des Langen Rezesses von 1529 wieder aufgriff und die Unabhängigkeit der städtischen Justiz sowie die Beachtung der hamburgischen Privilegien und die Beendigung der
244
245
246
247
aus der Stadt ausgewiesen und nach seiner Rückkehr schließlich hingerichtet worden (STEIN-STEGEMANN, S. 1044 ff., S160, S161). STEIN-STEGEMANN, S. 960 ff., S78, S79, S80. Die ersten beiden Prozesse (Beginn 1622) fielen genau in die Hochphase der Kipper- und Wipperzeit zwischen 1618 und 1623, als der ausufernde Finanzbedarf der Kriegsparteien im Dreißigjährigen Krieg bei entsprechend kreativen Maßnahmen schnellen finanziellen Erfolg versprach (WENGENROTH, S. 314. Vgl. auch K. SCHNEIDER, Hamburg während der Kipper- und Wipperzeit, in: ZVHG 67/1981, S. 47-74). Dazu zählte das Gesuch eines Suhler Kaufmannes beim RKG, gegen den Hamburger Rat ein Mandat auf Vollstreckung eines Obergerichtsurteils auszustellen. Strittig war zwischen dem Kläger und einem Hamburger Kaufmann die Bezahlung einer Ladung Pulver im Wert von über 1.000 Rtlr. (STEIN-STEGEMANN, S. 564 f., K35). Fragen der innerstädtischen Verfassung gehören in den Bereich der staatlich-hoheitlichen Rechte, doch zogen die Wandlungen der Stadtverfassung umfangreiche Klagen im Bereich der Jurisdiktion nach sich (siehe dazu die weiteren Ausführungen). GABRIELSSON, S. 121 f. Die neue Kämmereiordnung schrieb neben dem Ziel der Schuldensenkung die Überwachung der Ratsbeschlüsse über notwendige Investitionen durch die Bürgerschaft vor, so dass sich dieser die Möglichkeit politischer Einflussnahme eröffnete.
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Hamburg und Frankfurt vor dem Reichskammergericht
Kammergerichtsstreitigkeiten durch den Rat festschrieb. 248 Nach dieser Einigung, die den Hamburger Bürgern langfristig die Einflussnahme auf die städtische Politik sicherte, ging die Zahl der Jurisdiktionsprozesse wieder zurück. Erst in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts kam es in Folge neuer Auseinandersetzungen um die Stadtverfassung zu weiteren Klagen, die auf die Missstände im städtischen Justizwesen hindeuteten. Um einen Aufstand der Bürgerschaft gegen den Rat – wegen der jurisdiktionalen Unstimmigkeiten sowie Unregelmäßigkeiten bei der Ratswahl Anfang der 1660er Jahre – abzuwenden, schickte der Kaiser mehrere Kommissare als Vermittler und Schiedsrichter an die Elbe. Nachdem aber der Rezess des Kommissars Windischgrätz ohne echte Zustimmung der Bürgerschaft durchgesetzt und Anfang der 1680er Jahre einigen Ratsherren eine Konspiration mit einer weiteren Kommission unterstellt wurde, hielten die Unruhen in der Stadt bis zur Verabschiedung des Hauptrezesses 1712 an.249 Der seit 1693 ausgetragene Priesterstreit und die anarchischen Zustände am Beginn des 18. Jahrhunderts machten den Einsatz einer weiteren
248 249
GABRIELSSON, S. 141 ff. So wurde bei der sozialen Schichtung der Prozessparteien schon auf den Bürgermeister Peter Lütkens verwiesen, dem man 1663 Bestechlichkeit im Amt und Vetternwirtschaft vorwarf. Der von Windischgrätz 1674 durchgedrückte Rezess begünstigte die Oberalten und war deshalb für die Bürgerschaft nicht tragbar. Die Oberalten suchten dagegen in Wien beim Kaiser heimlich um dessen Bestätigung nach. Zu weiteren Unruhen führten die so genannten Jastram-Snitgerschen Wirren. 1682 hatte die Bürgerschaft einen eigenen Vertreter zum Kaiser gesandt, um den Parteilichkeiten des kaiserlichen Residenten in Hamburg für den Rat und den Ratsherrn Krull (dieser weigerte sich, sein Amt aufzugeben, nachdem die heimliche Intervention beim Kaiser bekannt wurde) zu begegnen. Der Vertreter der Bürgerschaft, mit belastendem Material gegen den Rat versehen, starb auf dem Rückweg von Wien nach Hamburg, doch gelangten dessen Papiere in die Hände Jastrams und Snitgers. Diese warfen daraufhin dem Bürgermeister Meurer – gestützt auf diese Unterlagen und mit einer großen, vor allem aus der handwerklichen Mittelschicht stammenden Gefolgschaft hinter sich – Konspiration mit dem kaiserlichen Residenten und dem kaiserlichen Kommissar vor. Der Bürgermeister floh und in der Folge wurden die bürgerlichen Kollegien erweitert, doch artete der innerstädtische Konflikt aus, nachdem der Herzog von Celle sich für den abgesetzten Bürgermeister verwendete. Nachdem Vermittlungsversuche seitens des dänischen Königs und des brandenburgischen Kurfürsten scheiterten, drohte offener Krieg zwischen dem Herzog und dem Kurfürsten, der wegen der französischen Ambitionen im Südwesten des Reiches aber vermieden wurde. Schließlich nutze Christian V. die Lage aus – um die Stadt seiner Oberhoheit zu unterwerfen, rückte er 1686 mit Militär vor. Derart bedroht, einigte sich Hamburg mit den Dänen, Jastram und Snitger wurden (auch auf Betreiben Meurers) wegen Hochverrats angeklagt und letztlich hingerichtet (LOOSE, Zeitalter der Bürgerunruhen, S. 270 ff.).
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kaiserlichen Kommission notwendig250, allerdings spiegelten sich die Entwicklungen in dieser Zeit nicht in Reichskammergerichts-Prozessen wider.251 Neben den Verfassungskonflikten wurden Prozesse um die Zuständigkeit der städtischen Gerichte und die Aktenversendung zwecks Prüfung und Entscheidungshilfe an auswärtige juristische Fakultäten geführt. Letztgenanntes Verfahren war in der Hamburger Gerichtsordnung von 1603 ausdrücklich als Rechtsmittel festgeschrieben worden.252 Festzuhalten ist, dass vom Reichskammergericht in vielen Fällen eine Kontrolle der städtischen Gerichtsbarkeit von den Rechtssuchenden erwartet wurde. Dabei standen einerseits Entscheidungen und Verfügungen des Rates sowohl in Kriminalsachen als auch verfassungsrechtliche Fragen zur Disposition, andererseits wurde versucht, Behinderungen durch die hamburgische Justiz abzuwen-
250
251
252
FREITAG, S. 42. Im Priesterstreit standen sich die Pastoren Horb und Mayer als Führer größerer Anhängerschaften gegenüber, wobei sich aus einem theologischen Disput eine „verselbständigte bürgerliche Oppositionsbewegung“ entwickelte, die die Autorität des Rates stark beeinträchtigte. 1699 folgte ein Rezess, der die Forderungen nach einer Reformierung der bürgerlichen Kollegien festschrieb, doch forderten die Nachfolger Mayers mit Wort und Tat weitere Maßnahmen. Bis 1708 wurden mehrere Ratsherren von der Bürgerschaft abgesetzt, da sie einem Beschluss auf Verbannung eines gegen diese Forderungen agitierenden Schriftstellers nicht nachkommen wollten. Um der Situation Herr zu werden, entsandte der Kaiser eine Kommission und ein militärisches Aufgebot des niedersächsischen Kreises, worauf sich die Lage langsam beruhigte und 1712 der bis 1860 geltende Hauptrezess verabschiedet wurde (LOOSE, Zeitalter der Bürgerunruhen, S. 281 ff., Zitat S. 283). Lediglich die Vorgänge um August Wygand werden am RKG verhandelt, da dieser einen Mandatsprozess gegen den Rat und die Verordneten der Hamburger Bank 1694 anstrengte. Hintergrund war der Verkauf von Juwelen, die ein fallierter Jude bei der Bank als Sicherheit hinterlegt hatte. Die Bürgeropposition unter Mayer nutzte diesen Fall, um die Missstände in Verwaltung und Justiz anzuprangern (STEIN-STEGEMANN, S. 1171 f., W28). Dies ist – zumindest teilweise – der vorübergehenden Schließung und Verlegung des Gerichts sowie der Blockade durch Ingelheim zuzuschreiben. FREITAG, S. 43. Am häufigsten und besonders im 16. und 17. Jahrhundert wurde um Rat an der Universität Rostock nachgesucht. Das Hamburger Findbuch weist auf diese Prozesse unter dem Stichwort „Vorinstanzen, Juristen-Fakultäten und Schöppenstühle“ hin (STEIN-STEGEMANN, S. 1609 ff.). Der eigentliche Gegenstand dieser Prozesse ist wiederum in den drei anteilig größten Bereichen Familienverband, Geldwirtschaft sowie Handel und Gewerbe zu finden. Von 55 Verfahren in Handelssachen, die von EbertWeidenfeller untersucht wurden, ist bei 20% ein Urteil des Rates nach vorheriger Versendung der Akten ergangen. Strittig ist dennoch der Sinn dieses Rechtsmittels, da – so die Parteien – „leicht die Gefahr [bestünde], daß das lokale Recht bei der Rechtsfindung hintangestellt werde“ (EBERT-WEIDENFELLER, S. 277).
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den, die Verfahren zu beschleunigen und ergangene Urteile vollstrecken zu lassen.
Familienverband Von den 1.369 Hamburger Reichskammergerichts-Prozessen können – wie bereits festgestellt wurde – 252 (18%) in den Bereich der familienrechtlichen Streitigkeiten eingeordnet werden. Dabei ist ein weitgehend gleichmäßiger Beitrag dieser Kategorie am Prozessaufkommen zwischen 1495 und 1806 zu beobachten, nur in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts stieg ihr Anteil auf fast ein Viertel an. Ebenso wie im Rest des Reiches wurde dabei besonders um Erbschaften gestritten (siehe unten Tabelle 14). 253 Nach einer eher zögerlichen Inanspruchnahme des Reichskammergerichts in Familiensachen im 16. Jahrhundert, wurde es vor allem im 17. und 18. Jahrhundert von Hamburger Parteien zur Austragung familiärer Streitigkeiten regelmäßig genutzt 254 , wobei die erbrechtlichen Auseinandersetzungen einen Anteil von über zwei Dritteln ausmachten.255 Hinzu gesellten sich Prozesse um die Ehe und das Ehegüterrecht (ca. 20%) sowie – mit geringeren Anteilen – um Fragen der Vormundschaft und Alimentierung.256
253
254
255
256
Vgl. dazu auch die Diagramme (15-18) im Anhang mit der Aufschlüsselung der Prozessgegenstände für Hamburg zwischen 1600 und 1806. Der Vergleich mit den Werten Ranieris und Baumanns lässt einen leicht größeren Anteil dieser Kategorie im 16. Jahrhundert erkennen, ebenso im 17. und 18. Jahrhundert, doch der hamburgische Wert in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts übersteigt den Reichsdurchschnitt deutlich (RANIERI, Recht und Gesellschaft, S. 483 f. BAUMANN, S. 90, 164 f.). Diese Beobachtungen decken sich nur z. T. mit jenen zu Lübeck, wo nicht nur ein Absinken der absoluten Anzahl von Familiensachen in der Frühen Neuzeit zu konstatieren ist (bedingt durch die Abnahme der Inanspruchnahme des RKGs durch Lübecker Parteien), sondern auch der prozentuale Anteil von 16% auf 11,5% absinkt (FREITAG, JÖRN, Lübeck, S. 180 f.). Hierbei ist zu beachten, dass zwar der absolute Anteil der Erbschaftsverfahren an den familiären Streitigkeiten Bestand hat, jedoch in den Teilkategorien eine Zuordnung einzelner Prozesse in einen bestimmten Teilbereich wegen der Überschneidungen zwischen ihnen bzw. der z. T. nebeneinander in einem Prozess vorhandenen Gegenstände nicht einfach war. Der hohe Anteil der familiären Streitigkeiten an den RKG-Prozessen (nicht nur aus Hamburg und – wie noch zu zeigen sein wird – aus Frankfurt) ist den häufig wechselnden verwandtschaftlichen Beziehungen geschuldet, die ihre Ursache in den Mehrfachheiraten hatten (BAUMANN, S. 91).
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Hamburg und Frankfurt vor dem Reichskammergericht
Tabelle 14: Differenzierung der Hamburger Familienverbandsprozesse 14951806 (252 Prozesse; absoluter Wert und prozentualer Anteil der Prozesse im jeweiligen Zeitraum)257 Streitgegenstand Näheres nicht ersichtlich
14951599 1 (2,4)
16001699 2 (2)
17001806 2 (1,8)
14951806 5 (2)
Gültigkeit von Ehen, Eheversprechen Ehegüterrecht, Aussteuer, Brautschatz
0 4 (9,8)
1 (1) 18 (17,6)
10 (9,2) 18 (16,5)
11 (4,4) 40 (15,9)
Alimente, Schwängerung, uneheliche Kinder Vormundschaft und deren Abrechnung
2 (4,9)
1 (1)
3 (2,8)
6 (2,4)
4 (9,8)
12 (11,8)
5 (4,6)
21 (8,3)
Testamentarische Erbfolge Nachlassinventare, -verwaltung
4 (9,8) 7 (17,1)
9 (8,8) 23 (22,5)
29 (26,6) 16 (14,7)
42 (16,7) 46 (18,3)
Erbverträge und -vergleiche, Erbteilungen
10 (24,4)
22 (21,6)
7 (6,4)
39 (15,5)
Fideikommissnexus und -stiftung Gesetzliche Erbfolge, Pflichtteil
0 9 (22)
1 (1) 13 (12,7)
6 (5,5) 13 (11,9)
7 (2,8) 35 (13,9)
Summe (Anteil an Familienverbandsprozessen 1495-1806)
41 (16,3)
102 (40,5)
109 (43,3)
252 (100)
Bereits im 16. Jahrhundert kann trotz der vergleichsweise kleinen Anzahl von Prozessen ein Schwerpunkt im Bereich der Nachlassstreitigkeiten und der Konflikte um Erbteilungen festgestellt werden, jedoch war gerade der Anteil der Ehesachen im Vergleich zum Rest des Reiches deutlich geringer.258 Im 17. Jahrhundert dominierten Nachlassprozesse sowie Verfahren um Erbverträge die Kategorie Familienverband, doch auch Fragen des Ehegüterrechts wurden im 17. und 18. Jahrhundert vergleichsweise häufig bis an das Reichskammergericht gezogen und sogar einzelne Fideikommisse lassen sich nachweisen.259 257 258
259
FREITAG, S. 104. FREITAG, S. 44 f. Ranieris Ergebnisse für das Reich im 16. Jahrhundert weichen teilweise von den hamburgischen ab. So stellen die Erbteilungen im Reich den größten Anteil an den familiären Streitigkeiten, während bei Baumann die entsprechenden Werte für das 17. und 18. Jahrhundert im Schnitt noch unter denen Hamburgs liegen. Ähnliches ist für das Ehegüterrecht festzustellen: Während Hamburg im 16. Jahrhundert eher unterdurchschnittlich abschneidet, übersteigen die Werte im 17. und 18. Jahrhundert jene Baumanns teilweise deutlich (RANIERI, Recht und Gesellschaft, S. 502 ff. BAUMANN, S. 164 f.). Für das 16. Jahrhundert deckt sich dieses Ergebnis genau mit dem Ranieris – nicht ein einziger Fideikommiss konnte nachgewiesen werden; diese tauchten erst im 17. Jahrhun-
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Wenig überraschend ist, dass sich – im Gegensatz zu den jurisdiktionalen Streitigkeiten oder jenen um staatlich-hoheitliche Rechte – deutlich weniger Prozesse mit einem Bezug zur bekannten hamburgischen Geschichte finden ließen, doch einige der verhandelten Fälle betrafen bekannte Hamburger Familien, deren Zwistigkeiten oft nur mittels mehrerer Prozesse zu lösen waren.260 Zu diesen traten zwei Fälle, in denen um die Gültigkeit der erbrechtlichen Bestimmungen des Langen Rezesses prozessiert wurde.261 Generell bleibt festzuhalten, dass sich das Reichskammergericht gerade im 17. und 18. Jahrhundert als beliebte Instanz für die Austragung familiärer Streitigkeiten erwies. Dies gilt umso mehr, als einige wahre „Prozessserien“ festgestellt werden können.262 Viel
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dert als Verfahrensgegenstand am RKG auf (RANIERI, Recht und Gesellschaft, S. 502 ff.). – Ein Fideikommis war eine verstärkt im 19. Jahrhundert aufkommende Möglichkeit, das Familienvermögen zu verwalten. Mittels Willenserklärung des Kommissstifters wurde das Vermögen für eine bestimmte Familie gebunden, d. h. es blieb „in seiner Gesamtheit unteilbar, unveräußerlich und unverschuldbar“ und war einer festgelegten Erbfolge unterworfen. Das eingesetzte Vermögen bildeten Kapitalien sowie agrarisch nutzbarer Grundbesitz (K. JANDAUSCH, Die Familienstiftung als Instrument zur Bewahrung der adligen Familie. Adliges Standesbewusstsein im bürgerlichen Zeitalter am Beispiel des Geschlechts von Schwerin 1860-1920, Magisterarbeit, Greifswald 2004, S. 42, FN 133). In den Jahren 1617 und 1618 wurden drei Verfahren am Obergericht ausgetragen, die später am RKG landeten und dort bis 1646 bzw. 1653 anhängig blieben. Gestritten wurde um das Erbe des Ratsherrn Hermann Moller innerhalb dessen Familie sowie auch seitens der Mitglieder der Familien von der Fechte und von Spreckelsen. Hier begegnet uns einerseits der Ratssekretär Vincent Moller wieder (siehe oben Prozessgegenstand staatlich-hoheitliche Rechte), andererseits sind auch Verwandte von Johann von Spreckelsen involviert, der als – ebenfalls beschuldigter – Schwager des der Bestechung bezichtigten Bürgermeisters Lütkens Anfang der 1660er in Erscheinung tritt (siehe oben Prozessgegenstand Jurisdiktion) (STEIN-STEGEMANN, S. 612 ff., L12, L13, L14). In einem dieser Prozesse appellieren mehrere Erben einer verstorbenen Witwe zu Hamburg gegen ein Urteil des Obergerichts, welches zu Gunsten des Appellaten (ebenfalls ein Hamburger Bürger) in einer Auseinandersetzung um eine Erbschaft entschied. Strittig ist dabei die Frage, welche Rechtsgrundlage bei dieser Entscheidung bindend war: Sind die Bestimmungen des Rezesses von 1529 und die kaiserliche Bestimmung von 1521 anzuwenden, oder gilt das Gewohnheitsrecht (der „alte sächsische Rechtsgrundsatz ‚nächst Blut, nächst Erbe’“). Ebenfalls auf diese kaiserliche Konstitution sowie eine Bursprake beruft sich die klagende Partei in einem weiteren Prozess Mitte des 16. Jahrhunderts (schon im Hamburger Verfahren werden Gutachten aus Emden, Leipzig und Frankfurt a. d. Oder für diesen Fall angefordert) (STEIN-STEGEMANN, S. 648 f., 1178, L47, W34). FREITAG, S. 45. Freitag verweist u. a. auf die Prozesse um das Erbe des Kaufmannes Vincent von Kampen (der im Handel mit der Iberischen Halbinsel engagiert war und im Prozess C3 als „Kaufmann in Spanien“ tituliert wird) (STEIN-STEGEMANN, S. 146, 507, 539 ff., C3, J18, K5, K6, K7, K8).
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seltener wurde das Gericht in Fragen grund- und bodenwirtschaftlicher Relevanz in Anspruch genommen, die zum Abschluss der Betrachtung einzelner Prozessgegenstände näher beleuchtet werden sollen.
Grund- und Bodenwirtschaft Der Anteil der hamburgischen Prozesse aus dem Bereich Grund- und Bodenwirtschaft am gesamten Prozessaufkommen lag – wie jener in Kriminalitätssachen – bei knapp über 4%. Im gesamten Untersuchungszeitraum traten hier vor allem nachbarschaftliche und baurechtliche Streitigkeiten in Erscheinung. 263 Besonders häufig (zu etwa einem Viertel) waren Bewohner der Landgebiete als Parteien in diesen Verfahren vertreten und prozessierten vor allem bezüglich der Instandhaltung der Elbdeiche aber auch um Weidegerechtigkeiten.264 Anders als bei den Kriminalsachen war in Fragen der Grund- und Bodenwirtschaft keine rückläufige Entwicklung des Prozessaufkommens, sondern eine zwar geringe, aber stetige Inanspruchnahme des Reichskammergerichts in diesem Bereich zu beobachten. Mit diesen Ausführungen ist die allgemeine statistische Aufarbeitung der Hamburger Reichskammergerichts-Prozesse im Rahmen dieser Untersuchung abgeschlossen. Dabei hat sich nach Auswertung des Geschäftsanfalls, der Differenzierung einzelner Prozessgegenstände und -parteien sowie der Dauer der Verfahren gezeigt, dass Hamburg – abgesehen von leichten „Startschwierigkei263
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Am Ende des 18. Jahrhunderts appelliert ein Kattunfabrikant gegen einen benachbarten Zuckersieder, weil er an der kleinen Alster einen Kattun-Klopferbaum entfernen soll, der das Wasser stark verunreinigt (STEIN-STEGEMANN, S. 637, L38). 1657 appelliert ein Hamburger gegen mehrere Nachbarn, da diese ihn gewaltsam daran hindern, in seinem Garten am Herrengraben einen Brunnen graben zu lassen (STEIN-STEGEMANN, S. 717, M50). In einem dritten Beispiel appellieren am Fischmarkt wohnende Hamburger gegen ihre Nachbarn wegen der Frage der Bezahlung einer reparierten Grundmauer am Haus der Beklagten sowie die Benutzung eines Ganges unter ihrem Haus, da dieser zu den Räumen der Kläger führt (STEIN-STEGEMANN, S. 1194 f., W53). Die Gemeinde Groden beantragt am RKG ein Mandat gegen den Hamburger Rat in einem Streit um Weiderechte und den Besitz des Butendeiches mit Weiden und Feldern (STEIN-STEGEMANN, S. 306, G36). 1634 appellieren die Anwohner des alten Elbdeiches bei Ritzebüttel gegen ein Urteil des Obergerichts, welches sie dazu verpflichtete, sich an den Kosten für die Instandhaltung des neuen Elbdeiches zu beteiligen. Beklagte waren die Anwohner des Neuen Feldes bei Ritzebüttel sowie die Kämmerei und der Rat der Stadt Hamburg (STEIN-STEGEMANN, S. R56). Wie wichtig der Erhalt der Deiche war, zeigen die drei großen Fluten im 18. Jahrhundert. So gab es 1717 im Amt Ritzebüttel nach Deichbrüchen mehr als 300 Tote zu beklagen (KLESSMANN, S. 246).
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ten“ – in den 1495 geschaffenen reichsrechtlichen Instanzenzug trotz seiner peripheren Lage integriert war. Die Vergleiche mit den Erkenntnissen zum südlichen Ostseeraum und speziell zu Lübeck aber auch mit denen zum Alten Reich können verdeutlichen, dass grundlegende Entwicklungen hinsichtlich Inanspruchnahme und Prozessdauer ähnlich verliefen. Jedoch lassen sich auch Unterschiede zwischen Hamburg und dem südlichen Ostseeraum bzw. dem Reich gerade bezüglich der geldwirtschaftlichen sowie der Handels- und Gewerbeprozesse beobachten, die der Charakterisierung Hamburgs als Zentrum von Handel und Gewerbe geschuldet waren und daher besonders mit den Lübecker Ergebnissen übereinstimmten.
3. Frankfurt Instanzenzug und Appellationsprivilegien Der Instanzenzug der Frankfurter Bürger an das Reichskammergericht gestaltete sich vergleichbar dem der Hamburger, d. h. erst nach Inanspruchnahme einer städtischen Instanz konnte eines der beiden Reichsgerichte zwecks Korrektur des Urteils angerufen werden. Ausnahmen galten dabei natürlich dann, wenn der Rat der Stadt selbst oder ein anderer Reichsstand als eine der Parteien im Prozess vertreten war.265 Im Mittelalter lag die rechtliche Gewalt in der Stadt zunächst in den Händen des Schultheißen, der dem Wetterauer Vogt als Ge265
KALTWASSER, S. 54. Die Juden integrierten sich in dieses System (siehe die Ausführungen zu den Hamburger und Frankfurter Juden im Kapitel III), d. h. auch ihnen stand die Appellation an ein Reichsgericht zu, wenn sie das Frankfurter Urteil anzweifelten. Direkt an das RKG wandte sich der kaiserliche Rat und Reichsschultheiß der Stadt, Johann Martin Baur von Eyseneck, der auf Wahrung seiner Privilegien als Reichsunmittelbarer klagte. Interessant an seiner Person ist, dass er ursprünglich ein Teilnehmer der städtischen Unruhen im Vorfeld des Fettmilchaufstandes und einer der von der Bürgerschaft in den Rat gesandten neuen Ratsherren war. Nachdem er 1614 Fettmilch festgesetzt hatte (der dann in Mainz inhaftiert und schließlich in Frankfurt geköpft wurde), erhielt er vom Kaiser die Nobilitierung (KALTWASSER, S. 150, B27). Siehe zum Fall Eysenecks auch die Ausführungen bei H. BOCK, Insinuation von Privilegien an Reichskammergericht, Reichshofrat und Kaiserlichem Hofgericht zu Rottweil, um sie „zue schützen und handt zu haben“, in: A. BAUMANN, St. WENDEHORST, S. WESTPHAL (Hrsg.), Die Reichsstadt Frankfurt als Rechts- und Gerichtslandschaft im Römisch-Deutschen Reich (Bibliothek Altes Reich, 3), München 2008, S. 39-56.
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richtsherr für das Frankfurter Umland aber nicht untergeordnet war. Dem Schultheiß zur Seite wählten die Bürger eigene Bürgermeister mit Beisitzern, denen die Polizeiverwaltung und niedere Gerichtsbarkeit oblag. In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts erhielt Frankfurt Privilegien zugestanden, die den Gerichtsstand ihrer Bürger regelten und deren Ladung an ein fremdes Gericht ausschlossen. Außerdem wurden von Schultheiß, Schöffen und Rat der Stadt die Rechte der Bürger und Fremden im Interesse des städtischen Friedens geregelt.266 Neben den oben schon erwähnten verschiedenen Frankfurter Messeprivilegien erhielt die Stadt 1465 von Friedrich III. den Messegerichtsstand über alle Messebesucher, d. h. das Frankfurter Schöffengericht war für Streitfälle zwischen Messebesuchern zuständig, die bei ihrer Abreise während eines anhängigen Prozesses einen für sie haftenden Bevollmächtigten benennen mussten. Verschiedene kaiserliche Privilegien im 14. und 15. Jahrhundert schrieben zudem den Gerichtsschutz für Messebesucher fest, so dass diese sowie ihr Eigentum, selbst wenn gegen sie an einem Gericht des Königs oder des Reiches prozessiert wurde, während der Messezeit als tabu galten. Der Schutz wurde 1376 auf Schulden halber in Reichsacht befindliche Personen ausgeweitet, ausgenommen Landfriedensbrecher. 1398 erwarb Frankfurt zudem vom Papst das Recht, den Gottesdienst in einem Zeitraum von 14 Tagen vor bis 14 Tage nach einer Messe auch bei Anwesenheit von mit Bann belegten Messebesuchern durchzuführen.267 Zum Ende des Mittelalters entstand der rechtliche Rahmen innerhalb der Stadt, der für die nächsten Jahrhunderte relevant blieb. Der Rat sorgte sich – neben seinen anderen Aufgaben – um die Strafrechtspflege, das Schöffengericht verhandelte die strittigen, der Schöffenrat die nichtstrittigen Rechtssachen, z. B. Beurkundungen und die Bestellung eines Vormunds. Entschieden wurde nach dem mehrheitlichen Votum der Bürgermeister; die Ratsherren waren zur friedlichen Einigung verpflichtet und sollten, Zwecks Bindung an den Entscheid, bei 266
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ORTH, S. 49. Nach dem Vorbild der Frankfurter Ordnung ließen sich um 1300 mehrere andere Orte von ihren jeweiligen Herren solche Ordnungen bestätigen. BUND, S. 57. DIETZ, Bd. 1, S. 41 ff. 1396 hatte Bonifatius IX. zwar verboten, wegen Schulden eine ganze Stadt mit dem Kirchenbann zu belegen, doch da selbst derjenige gebannt wurde, der mit einem Gebannten Umgang hatte, sicherte die Stadt mit dieser Regelung die Abhaltung des feierlichen öffentlichen Gottesdienstes. – Das Messegeleit, welches den Schutz der nach Frankfurt strömenden Kaufleute sichern sollte, wurde schon in Zeiten vor dem allgemeinen Landfrieden durch Maßnahmen wie die Einführung des Westfälischen Landfriedens 1371 unterstützt (zur Verwicklung von Frankfurter Bürgern in westfälische Prozesse siehe ausführlich R. GIMBEL, Die Reichsstadt Frankfurt am Main unter dem Einfluß der Westfälischen Gerichtsbarkeit [Studien zur Frankfurter Geschichte, 25], Frankfurt a. M. 1990).
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der Verhandlung und Abstimmung anwesend sein.268 Die Kontrolle des Mainzer Erzbischofs über die klerikalen Einrichtungen in der Stadt und die damit einhergehende geistliche Jurisdiktion behinderte allerdings auch noch an der Wende zur Frühen Neuzeit die Frankfurter Gerichtshoheit über alle Einwohner der Stadt.269 Das durch den Rat ausgeübte Recht der Gesetzgebung entwickelte sich im 14. Jahrhundert, nachdem 1297 ein „Artikelbrief“ das bisher „gewiesene“ Gewohnheitsrecht von Schultheiß, Schöffen, Rat und Bürgerschaft als gemeinsame Rechtsbasis festschrieb. Ein halbes Jahrhundert später wurde im „Alt Gesetzbuch“ aber auch vom Rat und den Schöffen gesetztes Recht verzeichnet, doch handelte es sich nur um eine kurze Episode270, denn 1370 endete das alte Gesetzbuch. 1373, im Jahr nachdem die Stadt u. a. das Schultheißenamt vom Kaiser erworben hatte – womit die „letzte Einfallspforte potentieller Fremdbestimmung einer Instanz unterhalb des Reichsoberhauptes“ geschlossen wurde271 –, erschien ein neues Gesetzbuch, welches 1417 und 1487 überarbeitet wurde. Im Jahre 1387 bestätigte König Wenzel dem Rat die Funktion eines Gerichts in Strafsachen, welches auch Landfriedensbruch verfolgte. Das mit Kaufleuten besetzte Schöffengericht verhandelte weiterhin vor allem zivile Prozesse, diente aber auch als Appellationsinstanz (Oberhof) für umliegende Territorien, wenn der Appellant das Einverständnis seines Landesherrn vorweisen konnte.272 Mit den Überarbeitungen des Frankfurter Rechts um 1500 hielt das römische Recht Einzug, begünstigt durch den Aufstieg einer juristisch gebildeten Patriziergeneration. Im Jahre 1509 wurde die „Reformacion der stat Franckenfort am meine“
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BUND, S. 107. JOHANN, S. 55. Beispiele in den Ausführungen zu den Prozessgegenständen werden zeigen, dass die Frage der Gerichtshoheit auch in der Frühen Neuzeit Thema einiger Auseinandersetzungen war. ORTH, S. 50. Seit 1311 hatten die nun gewählten Bürgermeister auch Aufgaben des Schultheißen übernommen, d. h. sie sahen sich dazu in der Lage, rechtlich bindende Vorschriften zu erlassen. BUND, S. 88. Das Schultheißenamt blieb bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts erhalten (DUCHHARDT, Frankfurt am Main, S. 265). BUND, S. 107 ff. In seinen Verfahren ging der Rat inquisitorisch vor, Folter wurde seit dem 14. Jahrhundert angewandt. Gestraft wurde mittels verschiedener Maßnahmen: Bei Bruch des Stadtfriedens drohte der Tod, allerdings konnte die Strafe vom Rat je nach Sachlage abgeschwächt werden, wenn auch eine Begnadigung ausgeschlossen war. Bestraft wurde u. a., wer seine Pflicht bei der Verteidigung der Stadt vernachlässigte, Hypothekenbelastung beim Verkauf von Eigentum verschwieg, Gott lästerte oder Münzenverbrechen beging. Die Strafen reichten von Geldzahlungen und Verbannung bis zu öffentlichen Verstümmelungen oder Hinrichtungen.
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eingeführt, eine umfassende Kompilation des Stadtrechts.273 Diese bildeten das erste gedruckte Stadtrecht, welches versuchte, „das bestehende Recht nach dem Geist und Zuschnitt des römischen Rechts umzuarbeiten, ausdrücklich auch deshalb, um es mit dem am Reichskammergericht eingeführten Recht in Einklang zu bringen“. 274 In den 1570er Jahren überarbeite einer der Syndici die „Reformacion“, deren Neufassung 1578 erschien („Der Statt Franckenfurt am Mayn erneuwerte Reformation“).275 Eine weitere Korrektur erfolgte 1611, deren Grundgerüst bis auf kleinere Ergänzungen oder Änderungen bis 1810 bestehen blieb.276 Anders als im Falle Hamburgs war in Frankfurt – nach den Prozessakten – fast ausschließlich nur eine Instanz dem Reichskammergericht vorgelagert277 , d. h. die Prozesse wurden an einem Frankfurter Gericht verhandelt und beurteilt (Rat, Schöffenrat, Schöffengericht [= Stadtgericht], Bürgermeisteraudienz278) und dann mittels Appellation oder Mandatsverfügung am Reichskam273
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BUND, S. 113. JOHANN, S. 56 f. BOTHE, S. 276. „Die Reformation von 1509 bildete den Abschluß einer Entwicklung, … dem Zusammenwachsen von heimischem und Römischem Recht“ (JOHANN, S. 56). KALTWASSER, S. 15. Der ausführliche Titel des Drucks lautet „Reformacion der stat Franckenfort am Meine des Heiligen Romischen Richs = Cammer“. JOHANN, S. 57 ff. Mit der Rezeption des Römischen Rechts ging eine wachsende Bedeutung juristisch gebildeter Personen in Diensten der Stadt einher, von denen einige bereits in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts festgestellt werden konnten (Syndici). Sie berieten Rat, Schöffengericht und Privatpersonen und dienten als städtische Diplomaten bei heiklen Gesandtschaften (z. B. zum RKG oder zum Kaiser). KALTWASSER, S. 15. Der Name der geänderten Fassung von 1611 erschien unter dem Namen „Der Statt Franckfurt am Mayn erneuerte Reformation, wie die in Anno 1578 außgangen, und publicirt, Jetzt abermals von newen ersehen, an vielen underschiedlichen Orten geendert, verbessert und vermehrt“. Nachdem sich schon die beiden Fassungen von 1509 und 1578 am gemeinen, kaiserlichen Recht sowie am Statutenbuch und den Kodifizierungen benachbarter Rechte orientiert hatten, ergänzte die letzte umfangreiche Neufassung in der Frühen Neuzeit besonders das Privat- und Prozessrecht. Dies bedeutet aber keineswegs, dass es nicht auch in Frankfurt einen mehrstufigen Instanzenzug gab (siehe dazu die weiteren Ausführungen), jedoch ist im Inventar fast ausschließlich nur eine Vorinstanz verzeichnet. In einigen Fällen wurden dieselben Gegenstände von den schon zuvor beteiligten Parteien vor derselben Instanz mehrfach behandelt, z. B. wenn es eine Rückverweisung der Sache durch das RKG gegeben hatte. Das Schöffengericht ließ sich bereits für das 12. Jahrhundert nachweisen, während der Schöffenrat erst seit 1509 bestand. Da es zwei Bürgermeister gab (einen älteren und einen jüngeren), existierten auch zwei Bürgermeisteraudienzen. Zu diesen Gerichten bzw. Urteilskammern gesellten sich im 18. Jahrhundert einige vorgeordnete Behörden. Dazu gehörten das Landamt (zur Verwaltung der Ortschaften Bonames, Bornheim, Dortelweil, Hausen, Nieder-Erlenbach, Niederursel sowie Ober- und Niederrad [Frankfurter Land-
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mergericht anhängig. Ob sich diese vermeintlich kürzere Vorlaufzeit in kürzerer Prozessdauer am Reichskammergericht niederschlug, wird in der Folge zu untersuchen sein. Das Schöffengericht war gefolgt vom Schöffenrat die am häufigsten genannte Frankfurter Vorinstanz des Reichskammergerichts, allerdings blieb die Abgrenzung der gerichtlichen Zuständigkeiten zwischen ihnen unklar. Einige „hochwichtige“ Fälle wurden vor dem Rat verhandelt, andere mit Beteiligung von Bürgern aus vom Frankfurter Zoll befreiten Städten kamen in einigen Fällen an das „Pfeifergericht“, einer Sonderform des Schöffengerichts.279 Im Jahre 1512 erteilte Kaiser Maximilian der Stadt ein Privilegium de non appellando in Höhe von 60 rheinischen Gulden, schloss dabei allerdings alle Urteile von der Appellationsfähigkeit aus, die zu Körperverletzungen ergangen waren. Karl V. bestätigte knapp 30 Jahre später die letztgenannte Regelung. 1568 erhöhte Maximilian II. die Appellationssumme auf 200 rheinische Gulden, nur acht Jahre später hob sie Rudolf II. auf 300 Gulden an.280 Erst knapp 170
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gemeinde]), das Konsistorium (Erstinstanz für Ehesachen), das Kuratelamt (Vormundschaftssachen) und das Bauamt (mit fachbezogener Gerichtstätigkeit). Eine weitere ältere, schon im Mittelalter bestehende Instanz war das Ackergericht. Benötigten die Prozessparteien juristischen Rat, holten sie diesen seit dem Ende des 15. Jahrhunderts bei den Rechtsgelehrten an der Universität in Mainz oder beim sachverständigen RKG-Personal ein (KALTWASSER, S. 15 f.). – Ähnlich wie in Hamburg gab es auch in Frankfurt eine Vielzahl unterschiedlicher Instanzen, die jedoch in den RKG-Prozessen praktisch nicht in Erscheinung treten: Neben den bereits genannten Obergerichten (Rat, Schöffengericht, -rat) gab es noch das Schöffenreferier, eine Instanz, die dem Schöffengericht bzw. rat zuarbeitete. Zu den Untergerichten gehörten neben den Bürgermeisteraudienzen auch die Einrichtungen des Obersten Richters, Land-, Bau-, Forst- und Fuhramt sowie das Ackergericht (alle bereits vor der Stadtrechtsreformation von 1578 existent), sowie Frevelgericht, Peinliches Verhör-, Rosszoll-, Pfand-, Konsistorial- und Kuratelamt (A. JOHANN, Die städtischen Frankfurter Gerichtsinstitutionen in der Frühen Neuzeit. Ein Überblick [Vortrag im Rahmen der 5. Tagung des „Netzwerks Reichsgerichtsbarkeit“ 1.2.12.2005 in Frankfurt a.M.]). Die Audienzen beider Bürgermeister bezeichnet SchlickBamberger als wichtigstes städtisches Amt. Der von der ersten Bank (Patrizier) gewählte ältere wie auch der jüngere Bürgermeister (gewählt von der zweiten Bank [Kaufleute]) konnten selbst Entscheidungen in Streitsachen treffen und besaßen das Recht, Fälle an den Obersten Richter zu verweisen sowie Appellationen gegen dessen Urteile entgegen zu nehmen (bei überschaubarem Streitwert) (G. SCHLICK-BAMBERGER, Die Audienzen des Jüngeren Bürgermeisters in der Reichsstadt Frankfurt am Main. Ein Untergericht als Spiegel des reichsstädtischen Alltagslebens, in: A. BAUMANN, St. WENDEHORST, S. WESTPHAL [Hrsg.], Die Reichsstadt Frankfurt als Rechts- und Gerichtslandschaft im Römisch-Deutschen Reich [Bibliothek Altes Reich, 3], München 2008, S. 15-38). KALTWASSER, S. 1239. Zum Justizwesen der Stadt siehe auch AMEND-TRAUT, Wechselverbindlichkeiten, S. 130-137. EISENHARDT, S. 82 f.
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Jahre danach beantragte die Stadt eine weitere Erhöhung dieser Summe auf 1.000 Reichstaler. Ähnlich wie im Falle Hamburgs im Jahr 1634 (damals forderte die Stadt eine Erhöhung der Appellationssumme von 600 auf 1.000 Gulden 281 ) argumentierte der Reichshofrat, dass eine Anhebung der Summe gerechtfertigt, aber in dieser Höhe nicht vertretbar sei, da die kaiserliche Jurisdiktion zu stark eingeschränkt würde. Kaiser Karl VII., 1743 ebenso wie der Reichshofrat in Frankfurt residierend282, setzte sich über dessen Bedenken hinweg und gewährte im November desselben Jahres eine Anhebung der Appellationssumme auf 1.000 Reichstaler. Diese Regelung blieb, nach mehrmaliger Bestätigung, bis zum Ende des Alten Reiches in Kraft.283
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EISENHARDT, S. 85. Hamburg wurde nur eine Erhöhung der Summe auf 700 Goldgulden gewährt, da sich der Reichshofrat gegenüber Ferdinand II. mit der Argumentation einer zu stark beschränkten kaiserlichen Jurisdiktion durchsetzen konnte. In der Folge wurde dieses Privileg mehrfach bestätigt, doch die Höhe der Appellationssumme blieb unangetastet. Darüber hinaus waren die Beschränkungen der appellationsfähigen Streitgegenstände gegenüber Frankfurt deutlich höher: Appellationen gegen Urteile betreffend Faktoreien, Bodmerei, Wechsel, Assekuranzen sowie alle übrigen Gewerbe und Handel tangierenden Streitigkeiten wurden für nicht appellabel erklärt. DUCHHARDT, Frankfurt am Main, S. 277 ff. Die Frankfurter fühlten sich mit diesem in ihren Mauern regierenden Kaiser verbunden, da er sich – anders als seine Vorgänger – in den Augen der Frankfurter mehr für die Belange im Reich interessierte. Zumindest hinsichtlich der Vergabe des Privilegium de non appellando an die Stadt im Jahre 1743 ist dem zuzustimmen. EISENHARDT, S. 83. Der Kaiser merkte ob der Bedenken des RHR handschriftlich an, dass wegen „unsers hiesigen längeren Aufenthalts aus sonderbarer kaiserlicher Gnade die Summa appellabilis hiesiger Stadt auf 1000 Reichstaler erstreckt sein soll“. Das Privileg betonte, dass die allgemeine Höhe der Appellationssumme bei RHR und RKG seit dem jüngeren Reichsabschied von 1654 schon bei 400 Reichstalern liege und eine deutliche Erhöhung notwendig sei, weil „obangeregte Erhöhung der Summa appellabilis [400 Reichstaler, d. Autor] ihnen nicht allein gar nicht zu statten käme, sondern vorerwehnte ihre Privilegia dadurch in effectu aufgehoben, und sie anderen minderen Ständen des Reichs, deren Privilegia sich etwa auf eine geringere Summe erstrecken, gleich gesezet worden“. Dann wurde die oben zitierte Bemerkung des Kaisers zum RHR-Vorschlag in der Begründung des Privilegs aufgegriffen: „Und wir dann gnädigst angesehen und betrachtet die unseren am Reich hochgeehrten Vorfahren und uns in mannigfaltige weise offt williglich geleistete treue und unverdrossene Dienste, und andere unser kayserliches Gemüth bewegende Ursachen, besonders aber, um dieser Stadt ein Andencken unsers hiesigen längern Aufenthalts zu hinterlaßen.“ (S. 206).
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Inanspruchnahme Mehr als 1.634 Prozesse wurden von Frankfurt aus an das Reichskammergericht gezogen (ungefähr 2% aller Reichskammergerichts-Prozesse), darin nicht eingerechnet mehrere Dutzend Fälle, bei denen die überlieferten Informationen derart bruchstückhaft sind, dass eine sinnvolle Erfassung im Rahmen dieser Untersuchung nicht möglich ist.284 Da im Falle Hamburgs eine Integration in die verfassungsrechtlichen Strukturen des Alten Reiches anhand von „nur“ knapp 1.400 Prozessen nachgewiesen werden konnte, ist es mehr als wahrscheinlich, dass dies für Frankfurt ebenso gelingt. Trotz deutlich niedrigerer Einwohnerzahl wurden von hier aus noch mehr Rechtsangelegenheiten am Reichsgericht anhängig gemacht. Ebenso konnte bei der hamburgischen Inanspruchnahme eine Beziehung sowohl zur städtischen als auch zur Geschichte des Reiches nachgewiesen werden – die folgenden Untersuchungen werden zeigen, ob dies auch für Frankfurt zutrifft. Die – räumlich wie auch historisch – größere Nähe zum Kaiser285 lässt ein positives Ergebnis vermuten. Zum Vergleich gewonnener Frankfurter Daten werden die Untersuchungen Ranieris und Baumanns für das Alte Reich erneut bemüht, sowie die Betrachtungen Westphals zur Reichsgerichtsbarkeit in den thüringischen Territorialstaaten in der zweiten Hälfte der Frühen Neuzeit286 (soweit die von ihr gewonnen Daten 284
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Vgl. z. B. KALTWASSER, S. 1090-1092. Die hier verzeichneten Prozesse sind nur in fragmentarischen Angaben überliefert und daher statistisch nicht mehr genau genug zu erfassen. Insgesamt sind im Inventar 1.744 Prozesse verzeichnet, d. h. etwas mehr als sechs Prozent der im Frankfurter Spezialrepertorium befindlichen Prozesse sind nur in Form der dortigen Angaben nachweisbar und nicht als Aktenstücke im Frankfurter Bestand vorhanden. Die Rolle Hamburgs zwischen dänischen, reichischen und zunächst auch noch hansischen Interessen wurde ebenso dargelegt, wie die enge Bindung Frankfurts an den Kaiser durch die Rolle der Stadt als kaiserliche Pfalz im Mittelalter sowie als Wahl- und später auch Krönungsort des Reichsoberhauptes. Dass das Verhältnis zwischen dem Kaiser und seiner Stadt nicht unproblematisch war, verdeutlichten die Querelen um Frankfurts Rolle im Schmalkaldischen Krieg oder das teilweise immer wieder gespannte Verhältnis zwischen den christlichen und jüdischen Einwohnern der Stadt. S. WESTPHAL, Kaiserliche Rechtsprechung und herrschaftliche Stabilisierung. Reichsgerichtsbarkeit in den thüringischen Territorialstaaten 1648-1806 (Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, 43), Köln 2002. Wie der Vergleich zwischen Hamburg und dem südlichen Ostseeraum bietet auch der Frankfurts mit den thüringischen Territorialstaaten die Möglichkeit, einer Reichsstadt eine „historische, dynastisch geprägte Region“ gegenüberzustellen (S. 24, 28). Der Unterschied zum südlichen Ostseeraum besteht in einer (wie zwischen Hamburg und Frankfurt) größeren räumlichen Nähe zum Kaiser. Allerdings waren die hamburgischen und lübeckischen Werte in
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zum Vergleich tauglich sind287). Im nächsten Teilkapitel (II.4) folgt dann eine Bündelung und direkte Gegenüberstellung der hamburgischen und Frankfurter Ergebnisse unter dem Hinweis auf die jeweiligen Vergleichswerte. Die Inanspruchnahme des Reichskammergerichts durch Frankfurter Prozessparteien gestaltete sich im zeitlichen Verlauf keineswegs gleichmäßig, sondern wies immer wieder Höhen und Tiefen auf (siehe unten Tabelle 15) – mit teilweise überraschenden Einzelheiten. Anders als in Hamburg, von wo in den ersten Jahrzehnten der Existenz des Gerichts nur wenige Prozesse dorthin gelangten288, hatten die Frankfurter zum Zeitpunkt der Gründung des Gerichts den Vorteil des „Heimrechts“ 289 , weswegen die ersten drei Frankfurter Fälle bereits aus dem Jahre 1494 stammten und insgesamt bis 1505 (also in den ersten zehn Jahren der Existenz des Gerichts) bereits 14 anhängig waren. Aus den im Vergleich zum südlichen Ostseeraum „reichsnäheren“ thüringischen Territorien waren es dagegen nur zwei Prozesse in diesem Zeitraum.290 Im Jahr 1495 gelangte ein Fall in die Prozessakten, in dem erstmals eine Frankfurter Partei klagte. Dabei handelte es sich aber nicht um eine Privatpartei, sondern um Bürgermeister und Rat der Stadt, die gegen die Grafen von Büdingen, Hanau und Solms prozessierten. Strittig war die von den Beklagten erzwungene Zahlung
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die Gesamtbilanz des südlichen Ostseeraums eingebunden, während Westphal die im Thüringischen gelegenen Reichsstädte Mühlhausen und Nordhausen sowie Erfurt (zu Kurmainz) und das Eichsfeld ausschloss, da sie rechtlich nicht in den Herrschaftsbereich der thüringischen Dynastien einzuordnen sind. Wie aus den Untersuchungen Freitags und Jörns sowie den daraus für Hamburg vergleichend verwendeten Daten deutlich wurde, kann es zu Verschiebungen bei der Gewichtung einzelner Prozessgegenstände sowie der sozialen Differenzierung der beteiligten Parteien kommen, die von dem Charakter des betrachteten Gebietes abhängen (gemeint ist eine eher städtische oder ländliche Prägung). Westphal nennt einige auch im Rahmen der hier vorliegenden Untersuchung zu Hamburg und Frankfurt verwertbare Daten bezüglich der Inanspruchnahme, besonders aber zu den Streitgegenständen. Bei den Untersuchungen zur Prozesslänge ziehen auch Freitag und Jörn thüringische Daten heran (FREITAG, JÖRN, Inanspruchnahme, S. 115); siehe unten. Zur Erinnerung: Der Rat der Stadt beschränkte aus eigenem, umstrittenen alleinigen Gerichtsanspruch über seine Bürger den Zugang zum RKG, d. h. vor allem Appellationen nach Urteilen des hamburgischen Obergerichts wurden behindert (siehe dazu Kapitel II.2). Siehe dazu auch Kapitel II.2. FREITAG, JÖRN, Inanspruchnahme, S. 78. In einzelnen Fragen bezüglich Inanspruchnahme und Prozessgegenständen greifen auch Freitag und Jörn auf thüringische Werte zurück, so dass auch für die erste Hälfte der Frühen Neuzeit einige Daten vorliegen und herangezogen werden können.
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von Wildgeld für die Nutzung einer Weide außerhalb Sachsenhausens und der Landwehr, die allerdings der Stadt von Karl IV. verliehen worden war.291 Die nächsten beiden Prozesse stammten aus dem Jahr 1496, in denen erstmals Frankfurter Privatparteien als Kläger nachweisbar sind.292 Bis 1526 – im darauf folgenden Jahr etablierte sich das Gericht in Speyer – wurden 46 Prozesse an das Reichskammergericht gezogen, immerhin fast 3% aller Frankfurter Prozesse. Diese erhebliche Inanspruchnahme erklärt sich neben der vergleichsweise moderaten Gestaltung der Appellationssumme aus einer wenig restriktiven Politik des Rates gegenüber Appellationen der Frankfurter.293 Interessant sind die Auswirkungen der Reichspolitik auf das Klageverhalten der Einwohner, obwohl diese Aussagen bei durchschnittlich knapp zwei Fällen pro Jahr natürlich mit Vorsicht zu genießen sind. 1502/1503 sowie auch 1519 sind keine Prozesse nachweisbar – zum ersten Datum musste Kaiser Maximilian nach dem Entzug des Reichsregiments durch die Stände das Gericht neu gründen, zum zweiten stellte der Tod des Kaisers die Existenz „seines“ Gerichts in Frage, bevor Karl V. dessen Erhalt bestätigte.294 Damit kamen aus Frankfurt knapp 1% der gesamten Prozesse in der Zeit vor 1527.295 Das ist, wie sich im Vergleich mit Hamburg zeigen wird, ein beachtlicher Wert, der – abgesehen von den oben genannten Gründen – wohl auch dem Wissensvorsprung der Frankfurter um das Reichskammergericht und seine rechtlichen Möglichkeiten sowie der immer noch größeren geografischen Nähe zu den verschiedenen temporären Standorten geschuldet war.
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KALTWASSER, S. 323, F17. Der Sache war zunächst ein Urteil Friedrichs III. (Linz 1491) vorausgegangen, bevor der Kölner Erzbischof als kaiserlicher Kommissar damit befasst war. Auch diese beiden Prozesse behandelten Erbstreitigkeiten (also Familiensachen), einer der Kläger stammte aus Nieder-Erlenbach (Frankfurter Landgemeinde) (KALTWASSER, S. 207, 1060 ff., B120, W34). Zur Erinnerung: In Hamburg waren Handelsstreitigkeiten laut Privileg von der Appellationsfähigkeit ausgenommen, worauf der Rat gegenüber dem RKG mehrfach hinwies. In Frankfurt gab es eine solche Beschränkung nicht. Allerdings waren auch die Frankfurter nicht gänzlich frei von Behinderung durch den Rat, worauf insgesamt acht Prozesse verweisen, in denen u. a. auf die Behinderung oder Verweigerung der Appellation durch die städtische Obrigkeit Bezug genommen wird (siehe unten). Diese Fälle sind nicht mit jenen gleichzusetzen, in denen die Appellationsfähigkeit bezweifelt wird PRESS, RKG, S. 16 ff. Auch 1505 und 1506 ist kein Fall nachweisbar, da nun die Stände als Aufsichtsgremium des Gerichts Mühe hatten, dessen Tätigkeit aufrecht zu erhalten. 1507 musste es deshalb erneut bewilligt werden und folgerichtig ist in diesem Jahr auch ein Prozess belegt. RANIERI, Recht und Gesellschaft, S. 300.
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Tabelle 15: Geschäftsanfall aus Frankfurt am Reichskammergericht 1495-1806 (1.634 Prozesse) Zeitraum vor 1495 1495-1504 1505-1514 1515-1524 1525-1534 1535-1544 1545-1554 1555-1564 1565-1574 1575-1584 1585-1594 1595-1604 1605-1614 1615-1624 1625-1634 1635-1644
Prozesse 3 11 18 11 24 23 25 35 56 35 56 71 54 77 66 43
Zeitraum 1645-1654 1655-1664 1665-1674 1675-1684 1685-1694 1695-1704 1705-1714 1715-1724 1725-1734 1735-1744 1745-1754 1755-1764 1765-1774 1775-1784 1785-1794 1795-1806
Prozesse 65 59 44 60 63 87 29 126 98 69 59 102 62 40 18 45
Bis 1555 hielt sich die Inanspruchnahme des Reichskammergerichts durch Frankfurter Parteien auf einem leicht höheren, aber verglichen mit späteren Jahrzehnten dennoch bescheidenem Niveau – zwar gingen zwischen 1527 und 1555 weitere 67 Prozesse aus Frankfurt ein, aber nach der zügigen Akzeptanz des Gerichts wäre eine deutlichere Zunahme der Fälle zu vermuten gewesen. Doch scheinen auch in Frankfurt Bedenken ob der katholischen Ausrichtung des Gerichts vorhanden gewesen zu sein; die Blockade des Gerichts während des Schmalkaldischen Krieges und der Seitenwechsel Frankfurts in das Lager der Kaisergegner haben ein Übriges dazu beigetragen.296 Mit dem Einsetzen der 296
RANIERI, Recht und Gesellschaft, S. 300. Im gesamten Reich war in dieser Zeit die Zahl der jährlich eingehenden Prozesse rückläufig, sie sanken von durchschnittlich ca. 280 (Anfang der 1530er) auf 171 (Mitte der 1540er) – dieser Wert wurde erst in der zweiten Hälfte des Dreißigjährigen Krieges wieder erreicht. – Für den Höhepunkt der Auseinandersetzungen zwischen Bauern und Ständen im Jahr 1525 ist ebenfalls kein Prozess nachzuweisen, allerdings war Frankfurt von den Ereignissen nur am Rande betroffen. Das Gericht befand sich zu dieser Zeit noch nicht fest in Speyer und eine Reise an das Gericht ob der unsicheren Lage außerhalb der schützenden Stadtmauern schien offensichtlich wenig wünschenswert.
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Hamburg und Frankfurt vor dem Reichskammergericht
Reformation in Frankfurt brach die Nutzung des Reichskammergerichts durch die hiesigen Einwohner ab – in den Jahren 1534 und 1535 ist nur ein einziger Prozess verzeichnet, der vom kaiserlichen Fiskal gegen die Stadt eröffnet wurde.297 In den nächsten Jahren waren die Frankfurter mit durchschnittlich zwei Prozessen jährlich am Gericht vertreten, 1544 waren es sogar fünf. Dann machten sich die Auswirkungen der konfessionellen Händel bemerkbar, so dass 1545 und 1547 jeweils nur ein Prozess, 1546 sogar kein einziger nach Speyer gelangte.298 Erst nach der Beilegung der Differenzen zwischen Kaiser und Stadt nahmen die Frankfurter das Reichskammergericht wieder als Option zur Klärung ihrer Rechtssachen wahr und trugen 1548 gleich sieben Verfahren nach Speyer. Nach der konfessionellen Einigung von 1555, die für das Reichskammergericht eine Erweiterung des Personals um protestantische Juristen mit sich brachte, wuchs die Zahl der Prozesse aus dem Reich stark an.299 Diese Entwicklung ist auch für Frankfurt zu beobachten; statt durchschnittlich zwei Fällen pro Jahr in der Zeit bis 1555 können für die folgenden fünf Jahrzehnte fünf pro Jahr nachgewiesen werden. An der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert schwankte die Frequentierung des Gerichts durch Frankfurter Parteien, sie war – wie im gesamten Reich300 – generell leicht rückläufig. Allerdings stand die Dekade mit der größten Anzahl Frankfurter Prozesse während der Speyerer Zeit des Gerichts noch aus. Diese folgte nämlich ausgerechnet am Beginn des Dreißigjährigen Krieges (16151624), als insgesamt 77 Prozesse aus Frankfurt das Personal in Speyer beschäftigen.301 In dieser Zeit war die Messe bereits seit Jahrzehnten der Glanzpunkt der Stadt, die innerstädtischen politischen Auseinandersetzungen im Gefolge des Fettmilch-Aufstandes wie auch die daraus resultierenden Differenzen zwischen christlichen und jüdischen Einwohnern konnten mit Hilfe kaiserlicher Vermittlung beigelegt werden. 302 Anfang der 1630er Jahre wurde schließlich auch Frankfurt von den Kriegsereignissen erreicht, die sich besonders auf Wirt297
298
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300
301
302
Siehe dazu unten die Ausführungen zu den Reformationsprozessen. Bei dem Fall handelt es sich um KALTWASSER, S. 352 f., F60. Bei den beiden Prozessen handelt es sich einerseits um einen Erbschaftsstreit sowie andererseits um eine Kapitalforderung aus einem Schuldschein (KALTWASSER, S. 627 f., 925 f., J272, S74). RANIERI, Recht und Gesellschaft, S. 140 f., 300. Anfang der 1590er werden pro Jahr im Schnitt 670 Prozesse aus dem gesamten Reich in Speyer anhängig. RANIERI, Recht und Gesellschaft, S. 300. Für das Alte Reich sind zu dieser Zeit die Jahre mit der höchsten Frequentierung während der Speyerer Zeit des Gerichts vorbei. Dies entspricht – wie leicht zu erkennen ist – einem jährlichen Schnitt von knapp acht Fällen. Dieser Wert wird erst zum nächsten Jahrhundertwechsel wieder erreicht. SCHINDLING, S. 230 ff.
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schaft und Messe auswirkten. Folgerichtig nahm die Zahl der Verfahren erkennbar ab – von acht im Jahr 1630303 auf nur einen zwei Jahre später. Den im Reich zu beobachtenden Abwärtstrend bei der Inanspruchnahme des Reichskammergerichts304 vollzog Frankfurt nach, allerdings in deutlich abgeschwächtem Maße (die durchschnittliche Zahl der jährlichen Prozesse zwischen 1635 und 1644 betrug etwas mehr als vier).305 Nach dem Krieg nahm die Zahl der Frankfurter Prozesse wieder leicht zu und erreichte in den nächsten fünf Dekaden bis zur Vertreibung des Gerichts aus Speyer knapp sechs pro Jahr. Obwohl sich die Zahl der Einwohner der Stadt zwischen 1655 und 1700 knapp verdoppelte 306 (u. a. als Folge hugenottischer Einwanderung) und die Messe eine glanzvolle Wiederauferstehung feierte, waren auch zwischen 1675 und 1694 nur sechs Prozesse im Jahr vor die Speyerer Richter gebracht worden – eine Folge der Auseinandersetzungen zwischen Frankreich und dem Reich sowie der damit einhergehenden wirtschaftlichen Blockadepolitik des Kaisers.307 Darüber hinaus wird in den Untersuchungen zu den Prozessgegenständen und den Handelssachen deutlich werden, dass es zu einer Verschiebung zwischen den Anteilen der einzelnen Kategorien bzw. innerhalb der Teilbereiche kommt. Beispielsweise lässt die Einführung kreditwirtschaftlicher Innovationen und die Charakteristik Frankfurts als Finanzmetropole eine Zunahme entsprechender Fälle am Reichskammergericht vermuten, doch dazu später mehr.
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Womit genau der größte jährliche Durchschnitt während der Speyerer Zeit des RKGs erreicht wurde. Vgl. dazu RANIERI, Recht und Gesellschaft, S. 139, 300, und BAUMANN, S. 18 ff. Dieser Wert wird nochmals deutlich während des Spanischen Erbfolgekrieges und zur Zeit der französischen Revolution unterschritten. – Zur Erinnerung: Wie auch Hamburg versuchte sich die Stadt am Main nach den negativen Erfahrungen aus der Zeit des Schmalkaldischen Krieges möglichst neutral zu verhalten, um als Folge dieser Politik den ohnehin vorhandenen wirtschaftlichen Negativtrend nicht weiter zu verstärken. Siehe dazu die Angaben zu den Einwohnerzahlen bei BUND, S. 66 ff. SCHINDLING, S. 209. DUCHHARDT, Frankfurt am Main, S. 261, 297. KALTWASSER, S. 34. KLÖTZER, S. 305. 1655 werden 17.000, viereinhalb Jahrzehnte später ca. 32.000 Einwohner geschätzt. Siehe dazu z. B. bei I. BOG, Der Reichsmerkantilismus. Studien zur Wirtschaftspolitik des Heiligen Römischen Reichs im 17. und 18. Jh. [Forschungen zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, 1], Stuttgart 1959, S. 142 ff. – Schon bei den Ausführungen zu Hamburg (Kapitel II.2) war davor gewarnt worden, wegen den zwischen den sozialen Schichten differierenden Zugangsmöglichkeiten zum Gericht einen statischen Zusammenhang zwischen einem Steigen der Einwohnerzahl und einer stärkeren Inanspruchnahme des RKGs zu erwarten (FREITAG, S. 22). Dies ist ebenso für Frankfurt zu beachten und wird durch die Zahlen bestätigt.
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Eine der oben angedeuteten überraschenden Einzelheiten war die Ignoranz der Frankfurter bezüglich der Vertreibung des Gerichts aus Speyer. Zwar ist ein Absinken der Prozesszahlen von neun (1686) auf drei (1688) festzustellen, doch abgesehen vom Jahr 1689, in welchem kein Prozess nachweisbar ist, waren die Frankfurter in den Jahren 1690-1692 mit drei Prozessen pro Jahr vertreten. Im Jahr darauf (1693) wurde das Gericht in Wetzlar wiedereröffnet und wie aus großen Teilen des Reiches308 gab es auch aus Frankfurt im ersten Wetzlarer Jahr ein sehr hohes Prozessaufkommen. Eine der Ausnahmen bildeten die thüringischen Territorien, wo die Aufnahme der Gerichtstätigkeit 1693 in den ohnehin geringen Prozesszahlen keinen Niederschlag findet. 309 Dagegen kommen aus Frankfurt in diesem Jahr 27 (!) Prozesse, die höchste Anzahl aus einem einzigen Jahr überhaupt (für Frankfurt). Ab 1695 bis zum Ende des Reichskammergerichts (also während der Wetzlarer Periode) werden pro Jahr im Durchschnitt 6,7 Prozesse aus Frankfurt anhängig, was einem Anteil von 3,2% des gesamten jährlichen Geschäftsanfalls aus dem Alten Reich im 18. Jahrhundert entspricht.310 Im Durchschnitt nahm die Inanspruchnahme durch Frankfurter Parteien bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts leicht zu, jedoch ist gerade nach der Blockade
308
309
310
HARTHAUSEN, S. 23. BAUMANN, S. 133-135. Nach der Neuaufnahme der Tätigkeit des Gerichts lag die Zahl der jährlichen Prozesse zwischen 100 und 200 und ging in einzelnen Jahren sogar deutlich darüber hinaus. WESTPHAL, S. 64 f. Die thüringischen Dynastien waren nur selten am RKG vertreten und nutzten vor allem den RHR als Vermittler ihrer rechtlichen Probleme. Zwischen 1648 und 1806 konnte Westphal nur 128 Prozesse unter Beteiligung eines Mitgliedes einer thüringischen Dynastie (als Kläger und/oder Beklagter) feststellen. Zu diesen kommen weitere 38 Fälle, in denen gegen Urteile von Gerichten unter dynastischer Aufsicht appelliert wurde. Der Umfang der Inanspruchnahme entsprach etwa demjenigen in der ersten Hälfte der Frühen Neuzeit und ist mit durchschnittlich weniger als einem Prozess pro Jahr zwischen 1495 und 1806 um ein Vielfaches geringer als die durchschnittliche Inanspruchnahme durch hamburgische bzw. Frankfurter Parteien (knapp 4,5 bzw. über 5 Prozesse pro Jahr). Dies scheint, so Westphal, „ein generelles Kennzeichen der Territorien aus dem Obersächsischen Reichskreis gewesen zu sein“ (S. 65). Die geringe Frequentierung des RKGs durch dynastische thüringische Parteien lässt sich dabei z. T. auf die Apellationsprivilegien zurückführen. Diese waren an sich nicht besonders hoch (400 fl. für die Grafen Reuß von Plauen [1611 und mehrfach bestätigt]; 500 fl. [1691] bzw. 1.000 fl. [ab 1697/1710] für die beiden gräflichen Linien der Schwarzenburger), jedoch kamen die Ernestiner durch die Verleihung eines illimitierten Privilegium de non appellando „in den Genuß eines Vorrechts, das eigentlich nur den Kurfürsten zustand“ (vgl. dazu WESTPHAL, S. 65 f., Zitat S. 65 sowie EISENHARDT, S. 112 f., 116 f.). Dieser Prozentsatz basiert auf Ranieris Angabe von 209 jährlichen Neueingängen im 18. Jahrhundert (RANIERI, RKG in Wetzlar, S. 13).
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des Gerichts durch die Politik des Präsidenten von Ingelheim ein massiver Bruch in der Frequentierung des Gerichts festzustellen.311 Die Zahl der Frankfurter Fälle sank von 13 (1702) auf sieben (1703) und schließlich nur einen im Jahr 1704. Bis 1711 (fünf Prozesse) ist dann kein einziger Fall nachzuweisen – die längste Periode Frankfurter Abstinenz vom Reichskammergericht überhaupt. Auf die Dekade von 1705 bis 1714 mit 29 Prozessen folgte die mit der stärksten Inanspruchnahme überhaupt: zwischen 1715 und 1724 können 126 Prozesse nachgewiesen werden. Eine Erklärung hierfür liefern die wieder steigende Akzeptanz des Gerichts und das Ende des Spanischen Erbfolgekrieges, welches zugleich die durch den Kaiser verfügte Wirtschaftsblockade Frankreichs beendete und so zu einem Zwischenhoch der Frankfurter Messe wie des Handels im Allgemeinen beitrug. Darüber hinaus fielen in diese Zeit die Nachwirkungen der geplatzten Börsenspekulationen in England und den Niederlanden, deren Folgen auch in Frankfurter Prozessen aufgearbeitet werden mussten.312 In den folgenden drei Dekaden nahm die Frequentierung des Reichskammergerichts ab (bei durchschnittlich 7,5 Prozessen pro Jahr), steigt dann aber nochmals auf 102 Verfahren zwischen 1755 und 1764 an. Dies ist insofern beachtenswert, weil offensichtlich weder der Siebenjährige Krieg und die französische Besetzung der Stadt, noch die steigende Anzahl von Beschwerden über die Arbeit des Gerichts313 die Frankfurter von dessen Nutzung abhalten konnte.314 Auch die massive Anhebung der Appellationssumme von 300 Gulden auf 1.000 Reichstaler im Jahre 1743 wirkte sich nicht aus.315 In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts deckte sich die Entwicklung der Inanspruchnahme mit dem für das Alte Reich feststellbaren rückläufigen Trend316, obwohl im Jahre 1782 die finanziellen Mittel für die Besoldung aller 311
312
313
314
315 316
SCHMIDT-VON RHEIN, S. 18. Nicht nur die Zahl der Frankfurter Fälle brach ein, sondern ebenso die hamburgischen und die anderer Reichsstände (FREITAG, S. 25). Eine der Ausnahmen bildete wahrscheinlich auch in diesem Falle Thüringen, da hier ja ohnehin nicht einmal ein Fall pro Jahr anfiel. Siehe dazu in Kapitel III.2 die Auseinandersetzungen zwischen den Bankiers de Rhon und der Firma Faesch (KALTWASSER, S. 849 ff., R23, R26, R35). Auch der Niedergang des Frankfurter Bücherhandels fällt in diese Zeit und findet seinen Ausdruck in dem Prozess zwischen den Erben des letzten bedeutenden Verlegers Zunner und dessen ehemaligem Teilhaber Meyer Abraham Beer (KALTWASSER, S. 536 ff., J114). SCHMIDT-VON RHEIN, S. 21. So ist von bestechlichen und parteilichen Richtern die Rede, doch die notwendige Visitation kann erst nach dem Krieg durchgeführt werden. 1758 gelangten 18 Frankfurter Prozesse nach Wetzlar (nach 1693 die zweitgrößte Anzahl). Vgl. dazu EISENHARDT, S. 83. BAUMANN, S. 134 f.
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Beisitzerstellen am Reichskammergericht zur Verfügung standen. In der Dekade von 1785 bis 1794 erreichten nur noch 18 Prozesse die Wetzlarer Richter und damit zugleich einen Wert, der letztmals zwischen 1515 und 1524 unterboten wurde. 317 Damit wird auch nochmals darauf verwiesen, dass eine steigende städtische Bevölkerung 318 nicht automatisch eine höhere Frequentierung des Gerichts bedingte. Im Gegenteil, die schon während des Siebenjährigen Krieges einsetzende und mehrere Jahrzehnte anhaltende Depression machte sich ebenso wie die französische Besatzung am Beginn der 1790er Jahre bemerkbar. In den letzten Jahren der Gerichtstätigkeit stieg auch die Zahl der Frankfurter Prozesse nochmals an (45 in den elf Jahren von 1795 bis 1805; 1806 gab es keinen) und belegt damit – analog zu Hamburg – das weiterhin vorhandene Interesse der Frankfurter Parteien an Vermittlung ihrer rechtlichen Differenzen durch das Reichskammergericht. Tabelle 16: Verfahrensarten der Frankfurter Prozesse am Reichskammergericht 1495-1806319 16. Jh. 227
17. Jh. 420
18. Jh. 451
19. Jh. 18
gesamt (%)
Appellationen
15. Jh. 7
Mandate (cum clausula) Mandate (sine clausula)
0 0
2 2
45 109
73 97
0 3
120 (6,96) 211 (12,23)
Mandate (andere) Citation
1 4
13 53
13 56
0 54
0 3
27 (1,57) 170 (9,86)
Promotorialium Prozessverfahren gesamt
0 12
0 297
4 647
8 683
0 24
12 (0,70) 1.663 (96,46)
Prozessverfahren
Rechtsfunktionen gesamt
317 318
319
1.123 (65,14)
1.724 (100)320
BAUMANN, S. 135. BUND, S. 66 ff. SCHINDLING, S. 209. DUCHHARDT, Frankfurt am Main, S. 261, 297. KALTWASSER, S. 34. KLÖTZER, S. 305. Die Frankfurter Einwohnerzahl stieg von ca. 10.000 bis 12.000 (1500) auf ca. 40.000 (1800). Dabei erfasst die Zahl für das Jahr 1800 nur die Stadtbevölkerung, in den der Stadt gehörenden Dörfern (Nieder- und Oberrad, Bornheim, Hausen, Bonames, Dortelweil, Nieder-Erlenbach und Niederursel – Frankfurter Landgemeinde) lebten nochmals ca. 5.000 bis 6.000 Personen. Entgegen der Hamburger Entwicklung, aber dafür passend zum Reichstrend, sank die Bevölkerung zwischenzeitlich kriegsbedingt in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts von 20.000 (1620) auf 17.000 (1655). KALTWASSER, S. 14.
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115
Nachdem nun geklärt ist, wie sich die Inanspruchnahme des Reichskammergerichts durch Frankfurter Kläger und Appellanten im Laufe des Untersuchungszeitraumes entwickelte, stellt sich die Frage, welche Verfahren von ihnen angestrengt wurden. Bei der Betrachtung der einzelnen Verfahrensarten fällt zunächst der hohe Anteil der Appellationen auf. Dabei ist zu beachten, dass die in Tabelle 16 dargestellte Übersicht zu den Prozessarten teilweise eine doppelte Auflistung einzelner Prozesse vornimmt, da es Beispiele gibt, in denen etwa auf eine Appellation noch im laufenden Verfahren ein Mandatsbefehl folgte. Knapp zwei Drittel der Frankfurter Prozesse sind demnach keine erstinstanzlichen Verfahren, sondern verlangten die Überprüfung eines Urteils oder Entscheids der Frankfurter Instanz. Hinzu kommen 358 Mandate und 170 Citationen wobei insgesamt zu beobachten ist, dass sowohl die Zahl der Appellationen als auch die Zahl der Mandate vom 16. zum 17. Jahrhundert stark anstieg, während die Zahl der Citationen trotz steigender Prozesszahlen gleich blieb, sich also anteilig rückläufig entwickelte. 321 Zwei Umstände fallen besonders ins Auge: Zum einen sind Extrajudizialappellationen nicht nachweisbar322 und zum anderen steigt die Zahl der Appellations- und Citationsverfahren im Untersuchungszeitraum deutlich an. Damit lief die Frankfurter Entwicklung jener des Reiches entgegen, wo der Anteil der Appellationen im ersten Jahrhundert der Gerichtstätigkeit von 70% auf 40% absank. Auch der auf Reichsebene von Ranieri festgestellte Rückgang der Citationen kann für Frankfurt nicht belegt werden, lediglich die Zahl der Mandate erhöhte sich ebenfalls, allerdings längst nicht so stark wie auf Reichsebene.323 Am Ende des 16. Jahrhunderts machten Appellationen etwa drei Viertel aller Frankfurter Verfahren aus, obwohl der Stadt 1512 ein 320
321
322
323
Die in der Tabelle einzeln aufgelisteten Prozessverfahren werden um insgesamt 61 (ca. 3,5%) Confirmationen, Salvi conducti sowie nicht differenzierbare Rechtsfunktionen (Prozessart nicht feststellbar) ergänzt. Die Diskrepanz zu den 1.634 gezählten Verfahren liegt darin begründet, dass es bei einigen Fällen zur Anwendung zweier Rechtsmittel kommt, d. h. eine ursprüngliche Appellation konnte noch während des laufenden Verfahrens durch den Antrag eines Mandats oder eine Citation ergänzt werden. Erläuterungen zu den einzelnen Prozessarten finden sich oben bei der Untersuchung der Inanspruchnahme des RKGs durch hamburgische Parteien (Kapitel II.2). Kurz zusammengefasst war der Appellationsprozess ein Berufungsverfahren, die Citation ein ordentliches erstinstanzliches Verfahren und der Antrag auf ein Mandat begründete ein außerordentliches „Schnell“verfahren (vgl. KALTWASSER, S. 12). Es gibt weniger als ein halbes Dutzend Extrajudizialakten, jedoch keine wie in Hamburg nachweisbaren Extrajudizialappellationen. Eine Überprüfung dieser Beobachtung mit Hilfe der Datenbanken zu Hamburg und Frankfurt liefert die entsprechenden Ergebnisse der Handzählung (B. SCHILDT u. a. [Bearb.], Prozessdatenbank des Reichskammergerichts zu Hamburg und Frankfurt, Veröffentlichung steht noch aus). RANIERI, Recht und Gesellschaft, S. 396 f.
116
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Appellationsprivileg verliehen und dieses bis 1576 noch zweimal erhöht wurde. 324 Ähnlich wie in Hamburg vermittelt dies einen ersten Eindruck vom Streitwert der Verfahren sowie den Vermögens- bzw. sozialen Verhältnissen der Frankfurter Parteien, die sich auch Mitte des 18. Jahrhunderts von einer weiteren deutlichen Erhöhung der Appellationssumme nicht abschrecken ließen. Insgesamt kann festgehalten werden, dass Frankfurt und seine Bewohner seit der Gründung des Gerichts in den Instanzenzug des Alten Reiches eingebunden waren.
Prozessgegenstände Bisher konnte festgestellt werden, dass die Frankfurter Parteien das Reichskammergericht vor allem wegen Berufungen bemühten, doch ist nun zu fragen, welcher Art die verhandelten Gegenstände in den einzelnen Prozessen waren. Dazu dienen natürlich wiederum die von Ranieri begründeten Kategorien325, so dass hiermit nicht nur ein Einblick in die zumeist privatrechtlichen Probleme der Einwohner gewährt, sondern auch die Basis für den späteren Vergleich mit den hamburgischen Ergebnissen gelegt wird. Wiederum sollen nicht nur die Gegenstände aller Frankfurter Prozesse nach ihrer Zugehörigkeit zu einzelnen Teilbereichen in verschiedenen Zeiträumen betrachtet werden, sondern auch die singulären Kategorien. Die Streitgegenstände Handel und Gewerbe sowie Geldwirtschaft werden in die allgemeine Untersuchung mit eingebunden, allerdings in den Kapiteln III und IV nochmals gesondert betrachtet. Tabelle 17: Gegenstände der Frankfurter Prozesse 1495-1806 (1.634 Prozesse) Prozessgegenstand keine Angabe staatl.-hoheitliche Rechte Jurisdiktion Lehnswesen Grundherrschaft Kriminalität Familienverband 324 325
EISENHARDT, S. 82 f. Siehe dazu oben Kapitel II.1.
Anzahl der Prozesse 4 57 135 2 8 81 353
Anteil am gesamten Prozessaufkommen (in %) 0,2 3,5 8,3 0,1 0,5 4,9 21,6
Hamburg und Frankfurt vor dem Reichskammergericht Grund- und Bodenwirtschaft Geldwirtschaft Handel und Gewerbe
35 750 209
117 2,2 45,9 12,8
Wie aus den Werten der Tabelle 17 hervorgeht, machten nur drei der zehn Kategorien deutlich über drei Viertel aller Gegenstände aus. Der größte Anteil mit knapp 46% entfiel auf die Geldwirtschaft (750 Prozesse), familiäre Streitigkeiten mit über 21% (353) sowie der Bereich Handel und Gewerbe mit knapp 13% (209) folgen auf den nächsten beiden Plätzen. Mit Beiträgen von teilweise klar unter einem Zehntel am gesamten Prozessaufkommen teilen sich die restlichen Gegenstandskategorien das verbliebene Viertel. Dabei hatten die juridiktionalen Sachen immerhin noch über 8% (135) beizusteuern, während gerade einmal acht Prozesse (0,5%) um Fragen zur Grundherrschaft sowie ganze zwei im Bereich der Lehnsfragen (0,1%)326 geführt wurden. Dieses Ergebnis weicht von den Werten für die thüringischen Territorialstaaten deutlich ab. Nach Westphal können die dortigen Reichskammergerichts-Prozesse (128) wie folgt verteilt werden: den größten Anteil machten hier die Juridiktionsprozesse (36%) aus, gefolgt von den geldwirtschaftlichen Sachen (17,6%), staatlich-hoheitlichen Rechten (14,4%) und den Streitigkeiten im Familienverband (12%).327 Der hier gezogene kurze Vergleich bedarf allerdings der schon bei der Inanspruchnahme gemachten Einschränkung, dass die Datenbasis für die Thüringer Werte weniger als einem Zehntel der Frankfurter Fälle entspricht.328 Dennoch lässt sich bei der Gegenüberstellung Frankfurts und Thü-
326
327
328
Dem aufmerksamen Leser wird auffallen, dass der Anteil eines Prozesses mit 0,1 angegeben wird, derjenige von acht Prozessen aber mit 0,5. Diese Diskrepanz ist der Rundung der einzelnen Werte geschuldet, die nach den gängigen Regeln vorgenommen wurde. Letztere fanden nur bei großen Anteilen keine Anwendung (weil hier die Abweichung zwischen tatsächlichem Wert und der Rundung geringer ist), wenn die Gesamtsumme der gerundeten Anteile nicht 100 ergab. – Weitere vier Prozessgegenstände konnten nicht spezifiziert werden. WESTPHAL, S. 46. Den Rest auf 100% machen die restlichen fünf Kategorien mit einem Gesamtanteil von einem Fünftel aus. Siehe oben. Bezüglich des gesamten thüringischen Prozessaufkommens an RKG und RHR (letztere machen den überwiegenden Anteil der knapp 1.100 Fälle aus), entspricht die Verteilung der Streitgegenstände eher dem Frankfurter RKG-Bild, ist aber wegen der Mischung beider Reichsgerichte nur von begrenzter Aussagekraft. Hier stellen die geldwirtschaftlichen Prozesse den überwiegenden Anteil (37%), gefolgt vom Familienverband (17,6%). Die beiden nächsten Kategorien weichen jedoch nicht nur in ihren Anteilen, sondern auch in der Reihenfolge von den Frankfurter Daten ab. Demnach belegen die staatlich-hoheitlichen Rechte den dritten Platz (17,2%) vor den jurisdiktionalen Fällen
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Hamburg und Frankfurt vor dem Reichskammergericht
ringens vor allem eines erkennen, nämlich die auf Geld sowie Handel und Handwerk ausgerichtete städtische Wirtschaft, die so auch schon für Hamburg im Vergleich mit dem insgesamt ländlich geprägten südlichen Ostseeraum festgestellt werden konnte.329 Die Prozessgegenstände können aber nicht nur in einem Überblick über den gesamten Prozesszeitraum differenziert werden, sondern auch nach zeitlichen Abschnitten, um so einen Eindruck von den Veränderungen in der Inanspruchnahme des Gerichts durch einzelne Prozessgegenstände zu vermitteln. Auf Basis der Stichproben Ranieris für das Alte Reich zwischen 1495 und 1599 konnte bereits ein derartiges Diagramm erstellt und die in ihm enthaltenen Werte mit dem hamburgischen Prozessaufkommen im 16. Jahrhundert verglichen werden (siehe oben Tabelle 4).330 Gleiches soll nun auch mit Frankfurt geschehen (siehe unten Tabelle 18), wobei einige Unterschiede festgestellt werden können. Wie in Frankfurt war auch der Anteil der privatrechtlichen Streitigkeiten im Reich am größten, allerdings mit einer anderen Gewichtung der einzelnen Kategorien. Im Reich machten die geldwirtschaftlichen Auseinandersetzungen wie auch die jurisdiktionalen Sachen jeweils 20% am gesamten Prozessaufkommen aus, während die Werte in den entsprechenden Frankfurter Kategorien davon teils deutlich abwichen: Während die geldwirtschaftlichen Verfahren bereits im 16. Jahrhundert einen Anteil von über 40% erreichten, betrug der Beitrag des Bereichs Jurisdiktion weniger als die Hälfte (7%) des Anteils aus dem Reich. 331 Ähnliche Verschiebungen bezüglich der Größe der einzelnen Gegenstandsbereiche ergaben sich auch in den bisher nicht genannten. So waren die Anteile der Lehns-, Grundherrschafts- und staatlich-hoheitlichen Prozesse im Reich größer (4%/3%/15%) als in Frankfurt (0,3%/1%/5%), dafür
329 330
331
(12,5%). Auffällig ist die schon aus diesen Zahlen deutlich erkennbare Präferenz eines bestimmten Gerichts für einen bestimmten Prozessgegenstand (WESTPHAL, S. 53). FREITAG, JÖRN, Lübeck, S. 177 sowie oben Kapitel II.2. Tabelle 4 mit den ranierischen Prozessgegenständen für das Alte Reich im 16. Jahrhundert ist bereits im entsprechenden Abschnitt zu Hamburg (Kapitel II.2) thematisiert worden. Die Datenbasis für das Diagramm findet sich bei RANIERI, Recht und Gesellschaft, S. 483 f. Ebenso wie für Hamburg wird auch für Frankfurt verfahren, d. h. die Prozesse aus dem ersten Jahrhundert der Gerichtstätigkeit werden im Diagramm 8 dargestellt. Die Anzahl der Frankfurter Prozesse in diesem Zeitraum lag deutlich höher, doch wird aus Gründen einer übersichtlichen Darstellung der Gemeinsamkeiten und Gegensätze zwischen den beiden Städten diese zeitliche Einteilung auch bei Frankfurt beibehalten. RANIERI, Recht und Gesellschaft, S. 483 f.
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erreichten hier die Familien- (21% gegenüber 12% im Reich) sowie Handelsund Gewerbesachen (13% gegenüber 3%) überdurchschnittliche Werte.332 Die schon mehrfach bemühte Charakterisierung Frankfurts als Handelsund Finanzzentrum schlägt sich schon im 16. Jahrhundert erwartungsgemäß in einem verglichen mit dem Reich deutlich größeren Anteil der Teilbereiche Handel und Gewerbe sowie Geldwirtschaft nieder. Sie bestätigen damit die Rolle Frankfurts als Drehscheibe des Messehandels im Alten Reich und in Europa sowie seine Mittlerfunktion im Handel zwischen Oberdeutschland und den Niederlanden sowie dem Osten Europas (letztere Funktion geht im Verlauf des Untersuchungszeitraums zunehmend auf Leipzig über).333 Weiterhin ist zu bemerken, dass im 17. und 18. Jahrhundert die Zahl der Handels- und Gewerbe sowie der geldwirtschaftlichen Prozesse zusammen mehr als die Hälfte aller Fälle ausmachte. 334 Die drei umfangreichsten Kategorien hielten im Verlaufe der 207 Jahre von 1600 bis 1806 nicht nur ihren teils deutlichen Abstand zu den kleinen Bereichen, sondern blieben auch in ihrer Rangordnung stabil (wenn auch mit sich verändernden Werten). In der hohen und im Untersuchungszeitraum steigenden Zahl der geldwirtschaftlichen sowie der Handels- und Gewerbeprozesse lässt sich Frankfurts wirtschaftliche Entwicklung erkennen. Zwar war die Stadt am Main schon im Spätmittelalter vor allem wegen seiner zwei jährlichen Messen ein ökonomisches Zentrum, doch wird gerade im zunehmenden Auftreten von Streitigkeiten im Bereich Geldwirtschaft ein Wandel vom reinen Warenhandelsplatz zum Handels- und Finanzzentrum sichtbar.335
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334
335
RANIERI, Recht und Gesellschaft, S. 483 f. Siehe dazu BUND, S. 63 f. und KELLENBENZ, Europäische Wirtschafts- und Sozialgeschichte, S. 871. Die temporären Verschiebungen zwischen den Anteilen der einzelnen Kategorien gehen aus den restlichen vier Diagrammen (43-46) im Anhang hervor. Die Entwicklung der Anteile in den jeweiligen Zeitabschnitten wird nochmals bei der Betrachtung einzelner Prozessgegenstände thematisiert. Die überaus hohe Gesamtanzahl von Prozessen mit geldwirtschaftlichem Hintergrund sowie die in dieser Kategorie angesiedelten Teilbereiche Wechselschulden und sonstige Forderungen aus Kreditpapieren unterstützen diese Aussage. Die genannten Prozesse werden vertiefend im Kapitel III vorgestellt.
120
Hamburg und Frankfurt vor dem Reichskammergericht
Tabelle 18: Zeitliche Differenzierung der Inanspruchnahme des Reichskammergerichts mit einzelnen Streitgegenständen aus Frankfurt 1495-1599 (326 Prozesse)336 Prozessgegenstand keine Angabe staatl.-hoheitliche Rechte Jurisdiktion Lehnswesen Grundherrschaft Kriminalität Familienverband Grund- und Bodenwirtschaft Geldwirtschaft Handel und Gewerbe
Anzahl der Prozesse 1 15 22 1 2 28 70 6 137 44
Anteil am gesamten Prozessaufkommen (in %) 0 5 7 0 1 9 21 2 42 13
Die Entwicklung der Inanspruchnahme des Reichskammergerichts bezüglich dieses Gegenstandes aus dem Alten Reich im 17. und 18. Jahrhundert verlief ähnlich, aber auf niedrigerem Niveau – sie hält mit einigen starken Schwankungen im 17. Jahrhundert den größten Anteil, bleibt aber beispielsweise am Anfang des Jahrhunderts deutlich hinter Frankfurt zurück. Bei Handel und Gewerbe zeigt sich ein ähnliches Bild, da dessen Bedeutung mit Frankfurter Anteilen zwischen 12% im 17. und 13% im 18. Jahrhundert zwar hinter die geldwirtschaftlichen Prozesse zurücktreten musste, aber immer noch höher als im Reich war, wo deren Beitrag zum gesamten Prozessaufkommen bei durchschnittlich 6% lag.337 Mit den beiden zuletzt angesprochenen und im Untertitel der Arbeit hervorgehobenen Kategorien werden sich die Kapitel III und IV gesondert beschäftigen, doch ist bisher deutlich geworden, dass der Umfang des Frankfurter Prozessaufkommens mit dem Voranschreiten innerhalb des Untersuchungszeitraumes immer mehr von den Prozessen um Finanzfragen bestimmt wurde. Zu den kleineren Prozessgegenständen sowie den Streitigkeiten im Familienverband finden sich noch in diesem Kapitel weitere Erläuterungen, doch werden nun zunächst – in Analogie mit der hamburgischen Untersuchung – die Dauer der Frankfurter Prozesse und die an ihnen beteiligten Parteien vorgestellt. 336
337
Die restlichen Tabellen mit der zeitlichen Differenzierung der Inanspruchnahme des RKGs finden sich in den Tabellen 43 bis 46. BAUMANN, S. 153.
Hamburg und Frankfurt vor dem Reichskammergericht
121
Prozessdauer Auf die angebliche Langsamkeit des Reichskammergerichts ist schon mehrfach verwiesen worden; eine Argumentation dazu kann an dieser Stelle ausgespart werden. Die ebenfalls schon thematisierten Blockaden des Gerichts sollten sich nach den bisherigen Erkenntnissen kaum auswirken, da einzelne Fälle selbstverständlich nur dann von eingeschränkter Gerichtstätigkeit betroffen sind, wenn sie auch am Gericht anhängig wurden. Da der Instanzenzug in Krisenzeiten aber unterblieb – siehe die mehrere Jahre andauernde Abwesenheit neuer Frankfurter Prozesse zur Zeit der ingelheimschen Affäre –, betrafen solche Blockaden nur die noch anhängigen, alten Prozesse. Tabelle 19: Dauer der Frankfurter Prozesse 1495-1806 (1.634 Prozesse) Jahre bis 1 1 bis 3 4 bis 5 6 bis 10 11 bis 15 16 bis 20 21 bis 30 31 bis 50 51 bis 100 über 100
Prozesse 355 499 180 280 116 80 74 40 9 1
Obwohl der Weg zum Reichskammergericht für die Frankfurter Rechtssuchenden merklich kürzer war als für die Hamburger Parteien, galten die Einschränkungen durch die infrastrukturellen Defizite auch für sie.338 Daher unterlagen die Frankfurter Parteien ebenso den Bestimmungen des Jüngsten Reichsabschieds, die eine Beschleunigung der Verfahren durch entsprechende Vorbereitung zu erreichen suchten (Einreichung der Prozesssache in einem Stück, um den Arbeitsaufwand am Gericht zu verkleinern und zeitaufwendige Nachrecherchen zu vermeiden).339 Unvermeidlich waren gewisse Verzögerungen ohnehin, beispielsweise wegen der ungenügenden Anzahl des tatsächlich tätigen Gerichtspersonals oder die Einholung eines auswärtigen Gutachtens. Die fest338 339
NORTH, Handelsexpansion, S. 169 f. GÖTTE, S. 68 ff., 79 ff.
122
Hamburg und Frankfurt vor dem Reichskammergericht
gestellte geringe Zahl von Promotorialien (siehe oben Tabelle 16) verweist entweder darauf, dass die Frankfurter Parteien wenig Vertrauen in deren Wirkung setzten, könnte aber andererseits auch ein noch zu überprüfender Beleg für die zügige Arbeit des Frankfurter Gerichts sein. Zur Ermittlung der Prozessdauer wurden die im Findbuch verzeichneten Angaben verwendet.340 In Tabelle 19 (siehe oben) werden die Laufzeiten der Frankfurter Verfahren zwischen 1495 (1494) und 1806, also für den gesamten Untersuchungszeitraum, dargestellt. Knapp zwei Drittel aller Fälle konnten demnach in fünf Jahren oder weniger beendet werden, womit sich die Klagen der Zeitgenossen ob der Langsamkeit des Gerichts prinzipiell zunächst nicht bestätigen. Weitere 12% der Verfahren endeten nach maximal 20 Jahren und knapp ein Viertel der Fälle war länger als zwei Dekaden am Reichskammergericht anhängig. Ganze zehn „ewige“ Prozesse (0,6%) dauerten länger als 50 Jahre – darunter war einer, der mehr als ein Jahrhundert lang verschiedene Generationen von Prozessparteien und Gerichtspersonal beschäftigte. Für Thüringen zeigt sich ein etwas anderes Bild. Zunächst einmal ist der Anteil der maximal fünfjährigen Verfahren mit etwas mehr als drei Fünfteln etwas geringer als in Frankfurt, dafür wurden deutlich mehr Fälle im Zeitraum zwischen zehn und 20 Jahren erledigt (fast 26%). Allerdings waren die „ewigen“ Prozesse um ein Vielfaches häufiger vertreten (4%), immerhin einer dauerte ebenfalls mehr als 100 Jahre (0,3% von insgesamt 296 Fällen).341 Auf die Beschränkungen in der Vergleichbarkeit mit den baumannschen Daten bezüglich der Prozesslänge
340
341
Wie bei Stein-Stegemann für Hamburg finden sich auch bei Kaltwasser nicht nur Angaben zur eigentlichen Prozessdauer am RKG, sondern (wenn vorhanden) auch die zeitliche Einordnung einer Bearbeitung der Streitsache an einem städtischen Gericht (im Falle der Appellationen) sowie Hinweise auf Vor- und Nachlaufzeiten im Rahmen der Bearbeitung der eigentlichen RKG-Prozessakte. So verweisen entsprechende Anmerkungen z. B. auf das Alter beiliegender Privilegien sowie auf Sichtvermerke in den Protokollen nach Abschluss des Falles. Erstere können weit vor der Gründung des Gerichts, letztere auch nach dessen Auflösung erscheinen. In diesem Zusammenhang sei nochmals auf die drei ältesten im Bestand befindlichen Prozesse verwiesen, die bereits im Jahr 1594 begonnen wurden (siehe oben und KALTWASSER, S. 185, 775, 1078, B86, N2, W53). FREITAG, JÖRN, Inanspruchnahme, S. 115. Die Zahlen decken den Zeitraum zwischen 1555 und 1806 ab und „unterschlagen“ damit die ersten Jahrzehnte der Gerichtstätigkeit. Allerdings dürfte diese Aussparung den allgemeinen Trend nicht zu stark beeinflussen, so dass die prinzipiellen Aussagen auch unter Einbeziehung dieser Fälle zutreffen sollten, allerdings Abweichungen bei den prozentualen Anteilen einzelner Zeiträume entstehen könnten. Anders als bei Westphal handelt es sich um 296 Prozesse, wobei Freitag und Jörn diejenigen, von denen nach den Eintragungen im Generalrepertorium nur das Anfangsjahr bekannt war, außen vor ließen.
Hamburg und Frankfurt vor dem Reichskammergericht
123
wurde bereits hingewiesen342, doch können Ranieris Stichproben für das Alte Reich in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts verwendet werden.343 In einer Gegenüberstellung mit den Thüringer und Frankfurter Daten (für Frankfurt siehe unten Tabelle 15) in diesem Zeitraum fällt sofort auf, dass die Prozesse aus dem gesamten Reich im Schnitt deutlich länger verhandelt wurden als die thüringischen und Frankfurter. Ranieri wies nach, dass weniger als ein Viertel der Verfahren nach fünf und weniger als die Hälfte nach sechs bis 20 Jahren beendet werden konnte. Dem stehen weitere 25% mit einer Laufzeit von 20 Jahren und mehr gegenüber, wobei vor allem der hohe Anteil (14%) der mehr als 50jährigen Fälle zu beachten ist.344 Die Frankfurter und Thüringer Werte bieten ein anderes Bild. Die Abwicklung der Prozesse bezüglich dieser Stände konnte viel schneller erledigt werden, knapp 49% der Frankfurter und über 52% der thüringischen Auseinandersetzungen waren innerhalb der ersten fünf Jahre abgewickelt. Bis zu 20 Jahre dauerten weitere 37,6% (Frankfurt) bzw. 28,4% (Thüringen). Alle Frankfurter Fälle in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts beschäftigten das Gerichtspersonal maximal 50 Jahre (13,5% Anteil der 20-50jährigen Prozesse, längere Laufzeiten gab es nicht), aus Thüringen verblieben knapp 7% mehr als ein halbes Jahrhundert am Reichskammergericht, darunter auch zwei Prozesse (2,3%) mehr als einhundert Jahre. Die genannten Frankfurter Zahlen beziehen sich auf alle Verfahren und stimmen wiederum mit der Stichprobe Kaltwassers zu 409 Frankfurter Fällen (ca. 25% des gesamten Bestandes; siehe unten Tabelle 20) überein, wie eine Aufschlüsselung der Frankfurter Laufzeiten nach der entsprechend angepassten Differenzierung der Zeiträume beweist (siehe unten Tabelle 21). Die Diskrepanzen in den Zeiträumen ein sowie zwei bis fünf Jahre ergeben sich aus der Art der Zuordnung durch den Autor. Prozesse, die mit nur einer Jahresangabe im Findbuch verzeichnet sind, also maximal ein Jahr andauerten, wurden hier ebenso aufgenommen, wie Prozesse, die mit benachbarten Jahren (z. B. 1712-1713) notiert wurden, obwohl diese theoretisch auch fast zwei Jahre dauern konnten (Anfang Januar 1712 bis Ende Dezember 1713). Da jedoch nicht jede einzelne Akte nach genauen Daten (Tag und Monat) befragt werden konnte, weichen die entsprechenden Einträge in den Tabellen 20 und 21 (siehe unten) voneinander ab. Das Gesamtergebnis der beiden Kategorien (ein sowie zwei bis fünf Jahre) mit zusammen jeweils etwa zwei Fünfteln aller Fälle stimmt
342 343 344
Siehe oben Kapitel II.2 und BAUMANN, S. 106, 178. RANIERI, Recht und Gesellschaft, S. 409 f. Siehe auch FREITAG, JÖRN, Inanspruchnahme, S. 115.
124
Hamburg und Frankfurt vor dem Reichskammergericht
aber annähernd überein und auch bei den anderen Längenkategorien ergeben sich kaum Verschiebungen zwischen Stichprobe und Komplettergebnis. Bei einem Blick auf die zeitliche Entwicklung der Frankfurter Prozesslängen (siehe unten Tabelle 22) im Untersuchungszeitraum fällt auf, dass gerade in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, als zumindest in den drei Jahrzehnten nach dem Augsburger Religionsfrieden gute Arbeitsbedingen am Reichskammergericht herrschten 345 , der im Vergleich mit den anderen Zeiträumen geringste Anteil der Prozesse innerhalb von fünf Jahren erledigt werden konnte. Zusammen mit dem dafür am höchsten gelegenen Wert für die Verfahren, die zwischen sechs und 20 Jahren abgewickelt wurden, erreicht aber auch dieser Zeitraum den Durchschnitt für den Anteil der Fälle zwischen einem und 20 Jahren Dauer. Anhand dieser Tabelle lässt sich ebenso noch einmal die Entwicklung der Inanspruchnahme nachvollziehen: Nach einem relativ kontinuierlichen Anstieg bis in die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts, sank das Frankfurter Prozessaufkommen in den letzten fünfeinhalb Dekaden ab. Tabelle 20: Stichprobe Kaltwassers zur Dauer ausgewählter Frankfurter Prozesse (409 Prozesse)346 Prozess- nicht nutznummern bar
erwähnt (1 Jahr)
1-100 500-600 10001100
1
2-5 Jahre
6-10 Jahre
11-20 Jahre
21-30 Jahre
31-40 Jahre
mehr als 41 Jahre
gesamt
16
43
17
14
6
1
3
100
24
43
18
9
1
4
1
101
17
44
17
15
3
3
2
101
15001606
1
16
44
25
15
4
1
1
107
gesamt
2
73
174
77
53
14
9
7
409
0,49
17,85
42,54
18,83
12,96
3,42
2,20
1,71
100
in %
345
346
Hier sei nochmals an Moraws Aussage von der Zeit des „wohl größten Erfolg[s]“ des RKGs erinnert (MORAW, Rechtspflege und Reichsverfassung, S. 28). KALTWASSER, S. 21.
125
Hamburg und Frankfurt vor dem Reichskammergericht
Tabelle 21: Prozessdauer aller Frankfurter Prozesse (1.634 Prozesse) Differenzierung nach der Stichprobe Kaltwassers347 1 Jahr
2-5 Jahre
6-10 Jahre
11-20 Jahre
21-30 Jahre
31-40 Jahre
mehr als 41 Jahre
Prozesse
621
413
280
196
73
26
25
in %
37,9
25,3
17,1
12,0
4,5
1,6
1,6
Tabelle 22: Zeitliche Entwicklung der Frankfurter Prozesslängen 1495-1806 (1.634 Prozesse, absoluter Wert und prozentualer Anteil im jeweiligen Zeitraum) Dauer
14951549 73 (72,3)
15501599 112 (48,9)
16001649 202 (65,0)
16501699 200 (66,7)
17001749 251 (66,1)
17501806 196 (62,6)
14951806 1.034 (63,3)
6-20
27 (26,7)
86 (37,6)
92 (29,6)
75 (25,0)
103 (27,1)
93 (29,7)
476 (29,1)
21-50
1 (1,0)
31 (13,5)
15 (4,8)
22 (7,3)
22 (5,8)
23 (7,4)
114 (6,9)
51-100 > 100
0 0
0 0
1 (0,3) 1 (0,3)
3 (1,0) 0
4 (1,0) 0
1 (0,3) 0
9 (0,6) 1 (0,1)
Gesamt
101
229
311
300
380
313
1.634
1-5 Jahre
Die Dauer der Prozesse bezüglich einzelner Streitgegenstände findet sich in Tabelle 23 (siehe unten). Überdurchschnittlich schnell wurden Verfahren im Bereich der Jurisdiktion sowie Grund- und Bodenwirtschaft abgewickelt (Dauer 1-5 Jahre, jeweils mehr als 68% der Fälle), allerdings fiel die letztgenannte Kategorie innerhalb eines Verhandlungszeitraums von maximal 20 Jahren etwas zurück. Bei Bezugnahme auf zwei Dekaden Dauer erreichten mehrere Bereiche Werte von z. T. deutlich über 90% erledigter Verfahren innerhalb dieser Zeit, am schnellsten wurden demnach Kriminalitätssachen verhandelt (97,5% in 20 Jahren oder weniger). Die ermittelten Werte decken sich weitgehend mit denen zum südlichen Ostseeraum, wo jurisdiktionale Prozesse zu 94,4% und geldwirtschaftliche zu 93,4% innerhalb von maximal 20 Jahren zu den Akten gelegt werden konnten. Auseinandersetzungen um staatlich-hoheitliche Rechte benö347
Unbrauchbare Prozesse wurden vernachlässigt.
126
Hamburg und Frankfurt vor dem Reichskammergericht
tigten dagegen vergleichsweise lange Zeit, 4,8% von ihnen waren nach 50 Jahren noch immer am Reichskammergericht anhängig.348 Letzteres traf von der Tendenz her auch für Frankfurt zu – 3,5% der Fälle dieser Kategorie dauerten mehr als 50 Jahre. Darüber hinaus erwiesen sich auch grundherrschaftliche Auseinandersetzungen mit 25% Anteil bei mehr als zwei Dekaden Prozesslänge (bei allerdings auch nur acht Prozessen insgesamt) als ausdauernd. Tabelle 23: Prozesslängen einzelner Frankfurter Streitgegenstände 1495-1806 (1.634 Prozesse, absoluter Wert und prozentualer Anteil der jeweiligen Prozessdauer) Prozessdauer 1-5 Jahre 4 (100)
6-20 Jahre 0
21-50 Jahre 0
über 50 Jahre 0
gesamt
Staatl./hoheitl. Rechte
37 (64,9)
14 (24,6)
4 (7)
2 (3,5)
57
Jurisdiktion
92 (68,1)
34 (25,2)
9 (6,7)
0
135
Lehnswesen Grundherrschaft
1 (50) 4 (50)
1 (50) 2 (25)
0 1 (12,5)
0 1 (12,5)
2 8
Kriminalität
55 (67,9)
2 (2,5)
0
81
Familienverband
208 (58,9)
32 (9,1)
1 (0,3)
353
Grund/Bodenwirtschaft Geldwirtschaft
24 (68,6)
24 (29,6) 112 (31,7) 6 (17,1)
5 (14,3)
0
35
478 (63,7)
218 (29,1)
51 (6,8)
3 (0,4)
750
Handel/Gewerbe
133 (63,6)
63 (30,2)
10 (4,8)
3 (1,4)
209
Streitgegenstand Keine Angabe
348
4
FREITAG, JÖRN, Inanspruchnahme, S. 119. Der letztgenannte Wert ist mit Abstand der höchste vor der Kategorie Grund- und Bodenwirtschaft mit 2,5% Anteil der Prozesse mit mehr als 50 Jahren Laufzeit. Auf den gesamten Durchschnitt der Dauer aller Prozesse haben diese beiden Werte nur einen relativ kleinen Einfluss, da die Zahl der in diesen Kategorien enthaltenen Prozesse vergleichsweise gering ist.
Hamburg und Frankfurt vor dem Reichskammergericht
127
Prozessparteien – soziale Differenzierung Die für Hamburg präsentierten Ergebnisse zur Frage des sozialen Zugangs zum Reichskammergericht machten deutlich, dass in Übereinstimmung mit den Erkenntnissen Ranieris und Baumanns vor allem sozial besser gestellte Einwohner der Stadt nach Speyer und Wetzlar zogen – unabhängig von ihrem rechtlichen Status. Aufgrund der ähnlichen Charakteristik Frankfurts als Handels- und Finanzzentrum sowie der großen Zahl geldwirtschaftlicher Prozesse, an denen oft Kaufleute beteiligt sind, ist eine vergleichbare Schichtung der Parteien zu erwarten. Da auch der Frankfurter Rat ein Appellationsprivileg besaß, welches den Zugang zum Reichskammergericht begrenzte, ist ein den hamburgischen Verhältnissen ähnliches Ergebnis umso wahrscheinlicher, auch wenn die Kosten für den Zug an das Gericht wegen der geringeren Entfernung nach Speyer und Wetzlar niedriger ausfielen. Die Kategorie der Bürger umfasst dabei auch Personen, die nicht das Frankfurter Bürgerrecht besaßen, aber als Bürger einer anderen Stadt oder als Frauen, Witwen oder Töchter von Bürgern entsprechend zu kategorisieren sind. Wie schon bei der Elbestadt wird auch die im historischen Überblick zu Frankfurt ausgesparte soziale Zusammensetzung der Gesellschaft in der Frühen Neuzeit mit jener der Frankfurter Kläger am Reichskammergericht verglichen. Als zusätzliche Referenzgrößen bieten sich die Angaben zu den thüringischen Territorialstaaten an, die zwar insgesamt eher ländlich geprägt sind, aber von der reinen geografischen Lage her betrachtet noch eher als Frankfurt in den Mittelpunkt des Reiches zu stellen sind, deren Entfernung nach Speyer und Wetzlar aber größer ist (allerdings deutlich geringer als die Entfernung Hamburg-Speyer/Wetzlar). Erste Ergebnisse zu Kaufleuten und Handwerkern bzw. deren Institutionen werden schon an dieser Stelle beachtet, da diese beiden Gruppen entsprechend große Anteile an den Klägern und Appellanten stellen, doch werden sie in den Kapiteln III und IV nochmals aufgegriffen. Bei der Betrachtung der Kläger und Appellanten aus Frankfurt wird deutlich, dass auch hier die Kaufleute mit Abstand die größte Gruppe bildeten (siehe unten Tabelle 24). Ihr Anteil betrug im gesamten Untersuchungszeitraum knapp unter 50% und stieg ebenso wie die Gesamtzahl der nach Speyer sowie Wetzlar gezogenen Prozesse im Laufe der Frühen Neuzeit an (besonders vom 16. auf das 17. Jahrhundert). Während Kaufleute im 15. und 16. Jahrhundert aber nur etwas mehr als ein Viertel aller Kläger und Appellanten stellten, erreichte ihr Anteil im 18. und beginnenden 19. deutlich über 50%. Ohne den weiteren Untersuchungen in Kapitel III zu weit vorzugreifen, kann hier festgehalten werden, dass es sich bei diesen Kaufleuten vor allem um wohlhabende
128
Hamburg und Frankfurt vor dem Reichskammergericht
Vertreter ihres Berufstandes handelt (es sind kaum „paupere“ Kaufleute auszumachen), die nicht nur – in den Reichskammergerichtsprozessen nachweisbare – familiäre Netzwerke ausbildeten, sondern auch an ganzen Prozess„serien“349 beteiligt sind. Hintergrund der Klagen waren jedoch nicht nur berufsbezogene Streitigkeiten bezüglich Handels- oder geldwirtschaftlichen Gegenständen, sondern ebenso auch familienrechtliche Differenzen, z. B. in Fragen der Regelung oder Verwaltung von Nachlässen, die besonders bei einem vorherigen Konkurs des Verstorbenen auch zu neuen geldwirtschaftlichen Konflikten mit dessen Geschäftspartnern führen konnten. Tabelle 24: Soziale Differenzierung der Frankfurter Kläger und Appellanten 1495-1806 (1.634 Prozesse; absoluter Wert und prozentualer Anteil im jeweiligen Zeitraum) Kläger
1495-1599
1600-1699
1700-1806
1495-1806
Bauern, Kätner
1 (0,3)
0
0
1 (0,1)
Bewohner der Landgebiete
4 (1,2)
5 (0,8)
8 (1,2)
17 (1)
Handwerker
25 (7,5)
44 (7,2)
75 (10,9)
144 (8,8)
Handwerkszünfte
1 (0,3)
0
10 (1,4)
11 (0,7)
Kaufleute350
84 (25,3)
301 (49,2)
371 (53,8)
756 (46,3)
0
1 (0,2)
3 (0,4)
4 (0,2)
53 (16)
63 (10,3)
33 (4,8)
149 (9,1)
66 (19,9)
93 (15,2)
73 (10,6)
232 (14,2)
Kaufmännische Korporationen Bürger (ohne berufliche Zuordnung) Sonstige Bewohner (ohne berufliche und rechtliche
349
350
Der Begriff der Serie wurde bewusst mit Anführungszeichen versehen, da zwei Arten von Serien unterschieden werden müssen. Eine echte Serie findet sich bei Isaac de Bassompierre und besonders Claus Bromm, die mehrfach als Prozesspartei am Gericht auftreten (Bromm klagt elfmal am RKG!). Daneben gibt es aber auch Prozessreihen von Familien, an denen zwar viele Mitglieder beteiligt sind, aber jeweils nur in einem oder höchstens zwei Prozessen. Ein solches Beispiel sind die Barckhausen, von denen insgesamt 24 Angehörige am RKG in einzelnen Prozessen auftreten. Bei der gleichzeitiger Nennung von Beruf und Handelstätigkeit (z. B. „Färber und Handelsmann“) wird die betreffende Person dem Handwerk zugerechnet. Die für Hamburg in diese Kategorie eingerechneten Schiffer sind in Frankfurt kaum vertreten (einige Mainschiffer), doch wird mit diesen analog verfahren.
129
Hamburg und Frankfurt vor dem Reichskammergericht Zuordnung)351 Adel352
1 (0,3)
8 (1,3)
9 (1,3)
18 (1,1)
Geistliche
4 (1,2)
6 (0,9)
14 (2)
24 (1,5)
3 (0,9)
1 (0,2)
3 (0,4)
7 (0,4)
46 (13,9)
33 (5,4)
31 (4,5)
110 (6,7)
Territoriale Beamte
8 (2,4)
32 (5,2)
29 (4,2)
69 (4,2)
Reichsunmittelbare355
24 (7,2)
21 (3,4)
22 (3,2)
67 (4,2)
Kaiserlicher Fiskal
3 (0,9)
1 (0,2)
3 (0,4)
7 (0,4)
Territorialherren, -städte
7 (2,1)
2 (0,3)
6 (0,9)
15 (0,9)
Keine Angabe
2 (0,6)
1 (0,2)
0
3 (0,2)
Gesamt
332
612
690
1.634
Domkapitel353 Städtische
Amtsträger354
Nicht alle Einwohner der Stadt waren Bürger356, mehr noch, ein Teil lebte nur vorübergehend zum Arbeiten in der Stadt. Nach Schätzungen gehörten 1347 351
352 353
354
355
356
Ebenso wie bei den Hamburger Prozessparteien verstecken sich hier möglicherweise weitere Bürger, die wiederum Kaufleute oder Handwerker sein könnten (siehe dazu die folgenden Ausführungen). Nobilitierte Handelsfamilien wie die Barckhausen werden den Kaufleuten zugerechnet. Hier werden (wie in Hamburg) nur geistliche Institutionen geführt, klagt ein Domherr oder Angehöriger eines anderen Kapitels für sich selbst, ist er als Geistlicher anzusprechen. Hierzu zählen vor allem die Bürgermeister und Ratsherren, aber auch Ehrenämter (Almosenkastenverwalter u. ä.). Neben dem Frankfurter Rat, der den Hauptteil dieser Kategorie ausmacht, ist hier beispielsweise auch der Hochmeister des Deutschen Ordens vertreten. Die gleichen Schwierigkeiten wie im Falle Hamburgs ergeben sich bei der Zuordnung eines rechtlichen oder beruflichen Status’ aus den Findbuchangaben, die jeweils auf die unvollständigen oder überhaupt nicht präsenten Angaben in den Ladungen und Vollmachten zurückgreifen mussten. Zwar existieren auch für Frankfurt umfangreiche Bürgerbücher, die allerdings bezüglich des Berufs auf freiwilligen Angaben basierten. Erschwerend bei einer Überprüfung einzelner Personen wirkt sich aus, dass die Namen innerhalb der einzelnen Buchstaben nicht alphabetisch sortiert sind. Einen Kläger wie Caspar Schlarpf[f] (KALTWASSER, S. 982 f., S163 [Prozessbeginn 1597]) findet sich zwar in der Übersicht des Bürgerbuches wieder, es fehlt jedoch jede weitere Angabe und eine Rekonstruktion des Datums seines Bürgereides ist nicht möglich, um in diesem Jahr nach einem ausführlicheren Eintrag zu suchen; siehe dazu Bürgerbücher der Stadt Frankfurt (auch auf Mikrofich), insgesamt 1312-1868, relevant Bd. 4-22 (1440-1500 – 1803-1809), Ergänzung durch Bd. 40 (1562-1635) und Bd. 41 (1598-1684) sowie Bd. 42 (Bei-
130
Hamburg und Frankfurt vor dem Reichskammergericht
18% der Einwohner zu den nur temporär in Frankfurt Weilenden (Gesinde, Dienstboten, wandernde Handwerker), 1440 war ihr Anteil genauso hoch. Die Zuwanderung männlicher Personen betrug im 14. Jahrhundert durchschnittlich 30, im 15. Jahrhundert über 50 Personen pro Jahr, wobei durchschnittlich 75% als Gewerbetreibende anzusprechen sind, ca. 10% beschäftigten sich mit Handel, Verkehr (Spedition) und Gastwirtschaft. Ihr Herkunftsgebiet deckt sich weitgehend mit dem Einzugsgebiet der Frankfurter Messe, doch betrug ihre Entfernung zu Frankfurt in vier Fünfteln der Fälle maximal 10 Meilen.357 In der Frühen Neuzeit wanderten – wie in Hamburg – Glaubensflüchtlinge aus den spanischen Niederlanden nach Frankfurt, wo sie letztlich mehr als 10% der Bevölkerung ausmachten.358 Zu diesen gesellten sich im späten 17. Jahrhundert auch oberitalienische Handelsfamilien, die sich hier aus wirtschaftlichen Gründen niederließen.359 1685 wurde vom französischen König das Edikt von Nan-
357
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sassenbuch 1778-1816), im genannten Beispielfall Bd. 7 (1586-1607). Einige der Kurzeinträge in der alphabetischen Zusammenstellung (s. o., nur nach dem ersten Buchstaben des Nachnamens) enthalten jedoch Berufsbezeichnungen, z. B. „Barch[ent]we-ber“, „Possamentirer“, „Taperirer“, „Reichs-Schreiner“, „Buchtrucker“, „goldtarbeiter“, „Bender“, „taglöhner“, „Weingärtner“ „Schneyder“, „Maurer“, „Koch“, „Handelsman“, „Diamantschneider“, „Bierbrauer“, „kürschner“, „Biltschnitz“, „Gärtner“, „Ferber“, „Schwertfeger“, „Pfarherr“, „Spilman“ oder auch nur „Wittib“ (Bd. 7), während zur nächsten Jahrhundertwende in der Kurzübersicht auch diese spärlichen Angaben fehlen (Bd. 11 [1690-1723]). Auffällig ist, das sehr viele Tagelöhner, Gärtner und Bender vertreten sind, die jedoch entweder zu arm oder mit zu wenig Streitwert versehene Auseinandersetzungen führten, so dass sie viel seltener am RKG vertreten waren, als ihr Anteil an den Bürgern betrifft (und da sind die nichtbürgerlichen Personen in diesen Berufen noch gar nicht mit eingerechnet). BUND, S. 69. Waren zunächst die Zuwanderer vor allem ländlicher Herkunft, wuchs im 15. Jahrhundert der Anteil der städtischen Neubürger. 75% aller Zugezogenen stammten von nördlich des Mains, allerdings insgesamt mehr als die Hälfte aus der Wetterau („Frankfurt durfte also mit Fug [und Recht] eine wetterauische Stadt heißen“: BUND, S. 70 zitiert hier Karl Bücher). Die Einbürgerung verlangte die Zahlung eines Bürgergeldes und einer Rente an die Stadt und verpflichtete „die Neuen“ zur Steuer- und Wehrpflicht nach den Bestimmungen des Rates (S. 74). Vor allem die Niederländer gehörten zu den reichsten Einwohnern der Stadt (obwohl es natürlich auch arme Niederländer in Frankfurt gab): Die niederländischen Immigranten stellten im Jahr 1612 60 der 140 höchstbesteuerten Einwohner Frankfurts – neben je 40 Deutschen und Juden. Dies ist vor allem deshalb bedeutsam, weil die gesamte Anzahl der niederländischen Steuerpflichtigen nur ein Fünftel aller Steuerzahler ausmachte (BRÜBACH, S. 223). SCHINDLING, S. 211. Namen wie Le Bleu, Briers und Brentano deuten auf die ursprüngliche Herkunft ihrer Träger hin. Schon vor dem Fall Antwerpens waren um 1560 ca. 2.000 Niederländer in der Stadt, deren Zahl sich um 1600 auf 4.000 verdoppelt hatte, allerdings noch vor dem Fettmilch-Aufstand wieder auf ca. 2.000 halbierte. Die Ursache für diese
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tes kassiert, woraufhin 250.000 Hugenotten360 das Land verließen. Innerhalb der nächsten zehn Jahre kamen 70.000 von ihnen nach Frankfurt, doch blieben nur wenige wegen der religiösen Beschränkungen dauerhaft in der Stadt, sondern wurden von Agenten nach Brandenburg oder in die niederländische Republik vermittelt.361 Eine genaue Angabe zum Anteil der Bürger unter den Frankfurter Einwohnern kann für das 17. und 18. Jahrhundert nicht geleistet werden, doch wird er etwa die Hälfte betragen haben. Nur die Bürger konnten am politischen Leben der Stadt teilnehmen, wobei sich das Maß dieser Partizipation nach dem Stand bzw. dem rechtlichen Status richtete. Das Patriziat hatte die politische Macht inne, während – zumindest bis zur ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts – reiche Kaufleute nicht ihrer wirtschaftlichen Bedeutung entsprechend an der Politik beteiligt wurden. 75% der Bürger im 18. Jahrhundert waren Handwerker, Kaufleute (Bankiers) und Patrizier, das restliche Viertel bestand aus Akademikern (Juristen, Pfarrer, Ärzte362). Gänzlich ausgeschlossen blieben Einwohner mit begrenztem oder ohne Bürgerrecht, also beispielsweise Beisassen und Ju-
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Entwicklung liegt in Frankfurts Rolle als Durchzugsstadt, welche die Flüchtlinge zunächst aufnahm, die dann aber in andere Gebiete des Reiches weiter zogen. Das Problem war die vergleichsweise wenig tolerante städtische Politik – der Rat verbot den reformierten niederländischen Immigranten Mitte der 1590er Jahre ihren Gottesdienst. Dass trotz der religiösen Einschränkungen nicht noch mehr Flüchtlinge die Stadt wieder verließen, lag an der unangefochtenen Attraktivität der Frankfurter Wirtschaft und Messe: die geschäftlichen Möglichkeiten und Gewinnchancen wogen die Intoleranz mehr als auf. In zwei größeren Wellen verließen Immigranten die Stadt wieder, zunächst 1562 in Richtung der calvinistischen Kurpfalz und nach 1596 in das angrenzende Hanau, nachdem der dortige Graf 1595/96 das reformierte Bekenntnis eingeführt hatte (S. 224 f.). Die hugenottischen Kriege einhundert Jahre zuvor finden sich in einem Frankfurter Prozess wieder. Der in einem Hamburger Prozess als Faktor eines hamburgischen Kaufmannes auftretende Peter Kind(t) (siehe STEIN-STEGEMANN, S. 1006 f., S123) klagte 1589 mit einem Frankfurter Kollegen selbst am RKG gegen den Vertreter dreier Obristen (Regimentsbefehlshaber im „zuvorstehendem Frantzösischen Zuge“). Die Beklagten hatten „deutsches Kriegsvolk“ im Auftrag Ludwigs von Gonzaga (Prinz von Mantua und Herzog von Nevers) zur Unterstützung der französischen Hugenotten angeworben (1.000 Reiter, 2.000 Infanteristen). Zur Besoldung dieser Truppen hatte Gonzaga (bzw. dessen Beauftragter Robert de Villiers, einer der drei Kommandeure) den Appellanten Geld übergeben, wovon 14.000 Goldkronen an die Beklagten auf der Ostermesse 1589 gezahlt und der Rest der Summe (insgesamt ca. 35.000 Dukaten) bei den Frankfurter Kaufleuten deponiert werden sollte. Die Kläger verweigerten die Auszahlung und appellierten gegen ein entsprechendes Urteil des Frankfurter Schöffengerichts an das RKG (KALTWASSER, S. 306, E25). DUCHHARDT, Frankfurt am Main, S. 261 ff. Zum Teil konnten sich hier aber auch Gesellen, Tagelöhner oder Gesinde befinden, denen von ihren Vorfahren das Bürgerrecht vererbt worden war.
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den.363 Insgesamt können 149 Bürger ohne berufliche Zuordnung ausgemacht werden (9,1% am gesamten Prozessaufkommen), wobei deren Anteil an den Klägern und Appellanten in den drei differenzierten Zeiträumen sinkt (von 16% im 16. über 10,3% im 17. auf nur noch 4,8% im 18. Jahrhundert), d. h. zusammen mit dem ebenfalls sinkenden Anteil sonstiger Einwohner (ohne berufliche und rechtliche Zuordnung) sowie der ebenfalls abnehmenden Kategorie „keine Angabe“ verweist dies auf eine zunehmend bessere Zuordnung einzelner Kläger und Appellanten zum Ende des Untersuchungszeitraumes hin. Dabei ist anzunehmen, dass die hier verzeichneten Bürger einen Beruf besaßen bzw. ausübten und mit Blick auf die Dimension der prozentualen Anteile der Kaufleute und Handwerker (als größte, nach dem Beruf sicher definierbare Gruppen) zu großen Teilen einer dieser beiden Kategorien zugerechnet werden könnten. Am Ende der 1380er Jahre erreichte die Bevölkerungszahl Frankfurts mit 10.000 ihren spätmittelalterlichen Höhepunkt, von denen 34% bedesteuerpflichtig waren. Dieser prozentuale Anteil war um 1500 ebenso groß, jedoch war die absolute Einwohnerzahl trotz über 5.000 Zuwanderern gesunken – ein eindeutiger Hinweis auf das ungesunde städtische Leben. Die größte Einwohnergruppe bildeten Handwerker und Händler, allein erstere machten 1387 über 50% der Bevölkerung aus.364 Entsprechend dem großen Anteil der Handwerker überwogen die mittleren und kleinen Vermögen, es gab nur wenige Arme (4%) und besonders Reiche (6%). Die in den Bedebüchern 1495 mit einem Geldwert bezeichneten Vermögen beliefen sich bei 46% der Steuerpflichtigen auf unter 20 Gulden, weitere 27% besaßen bis zu 100 Gulden. Bis zu 400 Gulden konnten nur noch 14% der Steuerzahler vorweisen und weitere 13% besaßen mehr als 400 Gulden, wobei nur 1,7% über 10.000 Gulden ihr Eigen nannten. Besonders in den Gruppen mit Vermögen zwischen 20 und 400 Gulden waren die Handwerker überproportional vertreten, d. h. sie konnten einen „bescheidenen Wohlstand“ vorweisen.365 Das meiste Geld besaßen aber andere, in der Mitte
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HOLTFRERICH, S. 88. Dies änderte sich erst mit den kaiserlichen Resolutionen in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts und der Einrichtung verschiedener bürgerliche Kontrollgremien zu Überwachung der Ratstätigkeit. BUND, S. 66. Trotzdem blieb das spätmittelalterliche Frankfurt überwiegend von einem Mix aus Handwerk und Agrarwirtschaft geprägt, da sowohl die Patrizier als auch die Handwerker von ihrem Grundbesitz lebten, also Handel und Handwerk mit Landwirtschaft (zur Eigenversorgung) kombinierten. BUND, S. 67. Eine ähnliche Verteilung vermerkt BOTHE, S. 201, der vom „ungeheuren Reichtum der Großhändler“ berichtet. 1475 zahlten von 2.529 Steuerzahlern über 800 nur den Herschilling (waren also ohne Vermögen), über 1.600 zahlten maximal einen halben Gulden und nur elf Bürger führten über 50 fl., drei sogar über 80 fl. Steuern ab.
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des 14. Jahrhunderts Kaufleute und Wechsler, am Ende des 15. Jahrhunderts vor allem das Patriziat, welches über Grundbesitz verfügte und Handel trieb.366 Mehrere dieser Personen bzw. deren Familienangehörige, die Vermögen von teilweise mehreren zehntausend Gulden 367 anhäuften, finden sich in Reichskammergerichts-Prozessen wieder, u. a. Stefan Grünberger und Mitglieder der Familie Lifferdes.368 Neben den wirtschaftlich wichtigen Zuwanderern aus dem Ausland kamen auch Leute aus dem städtischen Umland nach Frankfurt, wobei letztere die mit Abstand größte Gruppe der Neueinwohner bildeten. Die von den Niederländern und Italienern belebte Wirtschaft (Handel und Gewerbe) lockte sie wegen der guten Verdienstmöglichkeiten zahlreich in die Stadt. Um diesen Zuzug zu kanalisieren, wurde 1583 vom Rat ein Vermögen von mindesten 100 Gulden als Aufnahmebedingung vorgeschrieben.369 Im Jahr 1556 wiesen von 2.111 Bürgern 724 (ein Drittel) ein Vermögen von 50 Gulden auf, 185 besaßen gar nichts, 45 dagegen gaben 8.000 Gulden an. Die 80 wohlhabendsten Steuerzahler (knapp 4%) brachten fast die Hälfte (45%) des Vermögens auf.370 Die Zahlen verdeutlichen die großen Abstände zwischen dem durchschnittlichen Vermögen der Frankfurter Bürger und den wenigen Reichsten.371
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Das heißt, dass 3% der Steuerzahler mehr als die Hälfte des Steueraufkommens bestritten. BUND, S. 68. Die Summen sind bei Dietz in Pfund/Heller angegeben, doch entsprechen diese 1:1 dem Gulden (KALTWASSER, S. 108). Siehe dazu genauer Kapitel III.1. JOHANN, S. 48 ff. Die Hälfte davon sollte in Immobilien angelegt sein. 1593 wurde die Summe auf insgesamt 50 fl. halbiert, da v. a. die Seidenmanufakturen Arbeitskräfte in großer Zahl nachfragten. Im gleichen Jahr richtete die Stadt ein Inquisitionsamt ein, das die Vermögensverhältnisse, Religion und Herkunft potentieller Bürger und Beisassen prüfte. BOTHE, S. 344. Bei M. MEYN, Die Reichsstadt Frankfurt vor dem Bürgeraufstand von 1612-1614. Struktur und Krise (Studien zur Frankfurter Geschichte, 15), Frankfurt a. M. 1980, finden sich verschiedene Tabellen zur Vermögensentwicklung bzw. Steuerzahlung in Frankfurt um das Jahr 1600. So belegte das Steuerregister aus dem Jahre 1607 den Reichtum der Angehörigen der patrizischen Gesellschaften. Von den hier verzeichneten 77 Limpurgern versteuerten 52 ein Vermögen von 5.000 fl. oder mehr, 22 davon mindestens 15.000 fl. (S. 220). Ein anderes Bild ergab sich aus der Steuerzahlung der sonstigen Bürger (ohne Beisassen) – von den 2.046 Bürgern versteuerten 780 maximal 100 fl., insgesamt 1.483 (das sind etwas weniger als 75%) versteuerten bis zu 900 fl. Lediglich acht Bürger gaben 12.000-15.000 fl. Vermögen an, doch bei 15.000 fl. und mehr waren es 90(!). Diese Anzahl resultierte nicht aus der Offenlegung der tatsächlichen Vermögensverhältnisse, sondern diente einer großen Anzahl von Kaufleuten dazu, ihre wahre finanzielle Potenz zu verbergen. Folglich zahlten sie freiwillig den Höchstsatz (S. 221). In einer weiteren Tabel-
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Einen eingeschränkten bürgerlichen Status (ein „minderes Bürgerrecht“) besaßen die Beisassen, die von politischen Ämtern ausgenommen und wie die Juden vom Wohlwollen des Rates abhängig waren.372 Konnte ein Zugereister ein Vermögen von 500 Gulden nachweisen, wurde er nach Schwur eines Eides und Entrichtung einer Gebühr Beisasse auf Lebenszeit, allerdings war dieser Status nicht vererbbar. Außerdem unterlagen sie in ihrer Berufausübung einigen Beschränkungen: Ihnen war nur Großhandel, nicht aber der Unterhalt eines Ladens erlaubt und sie wurden nicht für alle Handwerke zugelassen (z. B. waren ihnen Schneiderei und Nahrungsmittelherstellung sowie seit 1690 auch die Hökerei verboten). 1750 stellten die Beisassen einen Anteil von 5% an der städtischen Bevölkerung, wobei sich unter ihnen viele der zugewanderten reichen italienischen Kaufleute und französische Immigranten befanden.373 Die Prozes-
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le stellte Meyn den versteuerten Vermögen von 1607 jene von 1593 gegenüber. 2.720 Bürger zahlten Steuern, davon 986 für ein Vermögen von maximal 100 fl., 2.091 (ca. 77%) für höchstens 900 fl. Der im Jahre 1607 gestiegene Anteil größerer Vermögen (ca. 27% mit mehr als 900 fl.) täuscht über die tatsächliche Entwicklung hinweg: Trotz steigender Einwohnerzahlen sank die Zahl derjenigen, die überhaupt ein Vermögen zu versteuern hatten. Die soziale Entwicklung innerhalb Frankfurts wurde im 17. Jahrhundert durch zunehmende Verarmung bestimmt. Beispielsweise nahmen die Anträge von Zunfthandwerkern auf die Erteilung von Weinschankrechten stark zu, womit sich diese ein Nebeneinkommen sichern wollten. Damit wird auch deutlich, dass nicht nur die städtische Unter-, sondern auch Angehörige der Mittelschicht von Pauperisierung betroffen waren. Zu den durch sozialen Abstieg Gefährdeten zählten auch die 3.000 bis 4.000 Handwerksgesellen in der Stadt, die wegen ihrer großen Zahl für die innere Ruhe in der Stadt gefährlich wurden (Fettmilch-Aufstand) (S. 225). Deren rechtlicher Status wurde 1735 in einem Gesetz festgelegt (HOLTFRERICH, S. 88 f.). – Alle Bürger, Beisassen, Juden und sonstigen Bewohner sowie zur Messezeit auch die Fremden unterstanden der politischen Gewalt der Bürgermeister, Schöffen und des Rates, die wiederum nur dem König/Kaiser als Stadtherrn verantwortlich waren. Von den Bürgern und Beisassen wurden Eide auf „Treue, Gehorsam und Beistand“ gefordert. Die Unterteilung der Bürgerschaft erfolgte in nur zwei Gruppen, die Zünfte und die Gemeinde (alle nichtzünftigen Bürger, also auch die kleine Gruppe der Patrizier). Im Gegensatz zu anderen Städten konnten die Zünfte kaum eine politische Beteiligung an der Stadtregierung durchsetzen, denn nach Zunftunruhen im 16. Jahrhundert erhielten diese zwar einen zusätzlichen Sitz auf der Handwerkerbank, standen aber andererseits völlig unter der Kontrolle des Rates (MATTHÄUS, S. 20 ff., Zitat S. 20). KOCH, Grundlagen der bürgerlichen Gesellschaft, S. 86 ff. DUCHHARDT, Frankfurt am Main, S. 273. So klagte 1712 der Beisasse und Zuckerbäcker Ludwig Nocre im Namen seiner Ehefrau gegen den Notar Paul Kissner sowie den Rat der Stadt. Hintergrund des Streits war der Erwerb eines Hauses durch die Klägerin vom Vater des Beklagten (KALTWASSER, S. 787 f., N26). Siehe dazu die Auszüge aus dem Kaufvertrag im Anhang. – Ein Haus zu kaufen war für Beisassen prinzipiell kein Problem, allerdings wurde ihnen durch ein RHR-Urteil von 1735 der Erwerb von Grund und Boden verboten
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se am Reichskammergericht, an denen Familien wie die Brentano, Guaita und Belli beteiligt waren, betrafen in der Mehrzahl Handelssachen und werden deshalb im nächsten Kapitel genauer untersucht.374 Die Beisassen (wie auch die noch vorzustellenden Juden) fließen in verschiedene Kategorien im Rahmen der sozialen Differenzierung ein. Können sie wie die vorgenannten Handelsfamilien
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(DUCHHARDT, Frankfurt am Main, S. 273). In einem anderen Prozess klagte 1717 der z. Z. flüchtige Frankfurter Beisasse und Handelsmann Johann Peter Luca gegen den Rat und Bürgermeister der Stadt auf freies Geleit zur Durchführung eines Prozesses mit seinen Gläubigern. Die Stadt dürfe laut des vom RKG herausgegebenen Mandats den Kläger in seinem Handel nicht behindern und müsse die Abmachung zwischen dem Kläger und seinen Gläubigern zur Rückzahlung der Schulden auf der „künftige[n] Ostermeß“ anerkennen, ersterem also freien Zugang zu seinen Waren und Büchern gewähren (KALTWASSER, S. 729, L45). Im dritten Beispiel klagte ein Frankfurter Beisasse und Handelsmann 1714 gegen den Rat wegen der Weigerung der Stadt zur Durchführung eines Urteils gegen seinen früheren Teilhaber, Johann Nicolas Deutgen, einen Frankfurter Bürger und Kaufmann. Der Kläger bestand zunächst auf der Herausgabe der Handlungsbücher und dem Erlass der Prozesskaution, stellte dann aber seinerseits das Verfahren ein, da er sich wegen der erwarteten Dauer des Verfahrens und der Insolvenz seines früheren Teilhabers keine Chancen mehr ausrechne. Stattdessen sei jetzt „die rechte Saison zur Baad Chur … [zur] Widerherstellung der verlohrenen gesundtheit … ins Acher Bad zu gehen“ (KALTWASSER, S. 870 f., R55). 1708 und 1735 waren Reglements mit der Definition des rechtlichen Status’ der Beisassen vom Rat verabschiedet worden, die neben den schon genannten Bestimmungen u. a. auch den Betrieb von Handelsgesellschaften zwischen Beisassen und Bürgern untersagte (DUCHHARDT, Frankfurt am Main, S. 273). Der Bankrotteur Deutgen klagte seinerseits 1716 gegen den schon oben erwähnten Notar Kissner, der diesmal als Mandatar der Firma Johann Milnes & Comp. (Wakefield) auftrat. Strittig war in diesem Fall eine Restforderung von 200 Pfund, da der Kläger behauptete, ihm seien von der Firma auf der Ostermesse 1716 zwei Ballen graumelierter Tücher zu wenig geliefert worden, während die Beklagten meinten, die bisher gelieferte Ware entspräche einem Wert von 420 Pfund, die vom Kläger bezahlt worden waren. So heißt es in der Rationes decidendi: „Es hat Johann Nicolay deutgen appellant von des appellaten Principalen verschiedene tücher aus Engellandt auf Credit bekommen, u. ist denen selben in Ostermes anno 1716. 420. £ Sterling schuldig gewesen, diese forderung ein zu cassiren ist Janes Millnes anhero kommen, in hoffnung das gelt als bald zu bekommen, da Er aber das selbe sogleich nicht fähig werden können, hat Er aber 220 £ Sterling bahr u. über die restirende 200 £ zwey Wechselbriefe jeden auf 100 £ Sterling à 6 Monate u. resp. ein Jahr zahlbar genommen, u. ist damit wieder nach Haus gegangen, … [der Kläger habe später] aber angefüget, daß Er solche zu bezahlen umb deswegen nicht schuldig seye, weilen bey der ersten Zahlung der 220 £ Sterling von Jonas Milnes Mündlich versprochen worden seye, ihme noch 2 Ballen feiner melirte tücher zu schicken, welches sie nicht gehalten, sondern ihn dargegen noch schwehrlich injuriiret, u. daß Er sie wie die zu Enndts zu betriegen gemeint seye …“ (KALTWASSER, S. 268, D10). Siehe dazu Beispielprozesse in Kapitel III.1.
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in ihrer Berufstätigkeit hinreichend genau definiert werden, so erfolgte eine Einordnung in die Bereiche Kaufleute oder auch Handwerker.375 In nur sieben Prozessen trat der kaiserliche Fiskal als Kläger in Erscheinung (jeweils drei datieren in das 16. und 18. Jahrhundert, einer stammt aus dem 17. Jahrhundert). Einen dieser Fälle führte der Kläger im Rahmen der in Frankfurt Einzug haltenden Reformation376, drei weitere betrafen ebenfalls die Stadt, die entweder allein oder zusammen mit Frankfurter Einwohnern verklagt wurde.377 Drei Verfahren richteten sich gegen verschiedene Frankfurter und einen Hanauer Buchhändler (letzterer besuchte die Messe), die im Zuge zensierender Maßnahmen am Reichskammergericht erscheinen mussten – doch dazu später mehr. 378 Im Jahre 1803 klagte der Fiskal gegen „die an dem gesetzwidrigen Absprunge an den kaiserlichen Reichs-Hofrat teilhabenden Stadt- und LandGast- und Weinwirte zu Frankfurt“. Er forderte eine Bestrafung, weil diese mit ihrer Sache vom Reichskammergericht – nach dessen abschlägiger Beurteilung ihrer Klage gegen die Stadt Frankfurt – an den Reichshofrat zogen. Der Rat hatte in einer neuen Verordnung eine Erhöhung des Wein- und Mahlgeldes verfügt (unter Bezugnahme auf alte Privilegien; das älteste stammte von Kaiser Ludwig IV. aus dem Jahr 1333).379 Mit durchschnittlich 1,5% zwischen 1495 und 1806 war der Anteil der Geistlichen unter den Frankfurter Klägern und Appellanten, zu denen sich noch knapp ein halbes Prozent Prozesse von Seiten geistlicher Institutionen 375
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Es sei nochmals darauf verwiesen, dass in diesen Fällen der berufliche den rechtlichen Status überwiegt. Letzterer kommt erst zum Tragen, wenn ein Beisasse ohne erkennbare Berufsbezeichnung in Erscheinung tritt – weshalb er dann der Kategorie sonstige Bewohner beigefügt wird. Zwar wurde im Text darauf verwiesen, dass Beisassen ein „beschränktes Bürgerrecht“ genießen, doch ist eine Einordnung unter die Bezeichnung Bürger nur bei vollem Besitz des Bürgerrechts vorgenommen worden. Wie aus den bisherigen Ausführungen und den weiteren zu den fremden Kaufleuten in Kapitel III sichtbar wird, sagt der Besitz des Bürgerrechts nichts über den sozialen Status sowie Einkommen oder Vermögen der jeweiligen Person aus, da gerade einige der aus Frankreich, Oberitalien und den Niederlanden zugewanderten Fremden – ebenso wie einige Juden – als erfolgreiche Kaufleute, Bankiers und Hoffaktoren zu den reichsten Einwohner Frankfurts zählen, aber keinerlei politische Macht ausüben (zumindest keine rechtlich fixierte; über finanzielle Verbindungen etwa zwischen der jüdischen Gemeinde und dem Patriziat wird noch zu berichten sein). Siehe dazu bei den Prozessen der Geistlichen (KALTWASSER, S. 352 f., F60). KALTWASSER, S. 351 ff., 370, F58, F61, F90. Zum dritten Fall (F90) siehe Kapitel III.1. die Ausführungen zum Messehandel, sowie F58 (Klage gegen die Stadt wegen der Judensteuer) weiter unten und die Ausführungen zu den Juden als soziale Gruppe. Siehe Kapitel III.1. KALTWASSER, S. 357 f., F65.
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gesellten, gering.380 Seit dem Mittelalter kam es zwischen dem Rat und dem Klerus immer wieder zu Konflikten381, da letzterer auch in Frankfurt eine herausragende Stellung innehatte und diese gegen Machtansprüche des Rates verteidigte.382 Der Erzbischof von Mainz ging gegen die Reformationsbestrebungen in Frankfurt vor, wozu u. a. der so genannte „dritte Frankfurter Religionsprozess“ gehörte, in dem der Mainzer die Stadt wegen der Abschaffung der Messe auf Landfriedensbruch und Restauration verklagte. 383 Im Falle einer Niederlage Frankfurts sah sich die Stadt militärischer Bedrohung (zur Urteilsvollstreckung) ausgesetzt, weswegen sie sich dem Schmalkaldischen Bund an380
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Im Spätmittelalter umfasste der zweite Stand in Frankfurt zwischen 240 und 300 Personen, d. h. gemessen an einer Bevölkerung von 10.000 Einwohnern durchschnittlich 2,7%. Sie waren von der städtischen Steuer befreit und lebten von Pfründen und Stiftungen sowie von der Bettelei. Der größere Anteil der niederen Angehörigen dieses Standes kam aus Frankfurt und Umgebung, wobei besonders die Verbindung zwischen den Weißfrauen und Patriziat bzw. Bürgerschaft sehr eng war (BUND, S. 68). Einer der Streitpunkte war die Steuerfreiheit des Klerus, welche letzterer gewerblich ausnutzte und damit die städtischen Handwerker und den Rat gegen sich aufbrachte. Darüber hinaus sorgten die Kornverkäufe aus der Stadt hinaus für Unmut (MATTHÄUS, S. 115 ff.). MATTHÄUS, S. 23. Der Anteil der Geistlichen an der Frankfurter Einwohnerschaft lag im Spätmittelalter bei etwa 2,5-3% (d. h. mit Blick auf die später festgestellte Beteiligung als Kläger und Appellanten in RKG-Prozessen war der Klerus unterdurchschnittlich vertreten). Das Bartholomäusstift war das älteste und größte der drei Frankfurter Stifte, die dem Mainzer Erzbischof unterstanden. Dadurch waren Konflikte mit der Stadt Frankfurt vorprogrammiert, denn der Mainzer Kurfürst hatte daneben auch die Oberaufsicht über sämtliche kirchliche Verhältnisse der Stadt. Die beiden anderen Stifte (St. Leonhard und der Liebfrauenstift) wurden Anfang des 14. Jahrhunderts gegründet und arbeiteten relativ bald mit dem schon im 9. Jahrhundert gegründeten Bartholomäusstift gegen die sich vom König/Kaiser emanzipierende städtische Verwaltung zusammen. Zu diesen Stiften gesellten sich mehrere Orden, darunter auch der Deutsche Orden, und es wurde das Katharinenkloster zur Versorgung unverheirateter Patriziertöchter begründet (1345) (S. 24 f.). – Zwischen 1525 und 1548 sah sich das Bartholomäusstift – wie viele andere geistliche Einrichtungen im Reich während dieser Zeit – durch die religiösen Unruhen und Kriege sowie Frankfurts gewandelte Konfession und Zugehörigkeit zum protestantischen Bündnis in seiner Existenz bedroht. Die Protektion durch den Mainzer Erzbischof sowie zwei Privilegien Karls V. sicherten zwar das Überleben des Stifts, doch musste dieses finanzielle Einbußen durch den Wegfall von Pfründen und Gläubigen verkraften. Im 18. Jahrhundert gab es 4.000 bis 5.000 Katholiken in Frankfurt, die erschwerten Zugang zum Bürgerecht beklagten und vom Rat gänzlich ausgeschlossen blieben (G. RAUCH, Pröbste, Propstei und Stift von Sankt Bartholomäus in Frankfurt [9. Jahrhundert bis 1802] [Studien zur Frankfurter Geschichte, 8], Frankfurt a. M. 1975, S. 247 ff.). Zu den Reformationsprozessen siehe unten die Ausführungen zu den Prozessen um staatlich-hoheitliche Rechte.
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schloss. 1533 klagte der Reichsfiskal als Nebenkläger des Mainzer Kurfürsten, ab 1534 führte er einen eigenen Prozess gegen die Stadt, da Karl V. hier ein Exempel statuieren wollte.384 Deutlich größer – zwischen vier und sieben Prozent war der Anteil der territorialen und städtischen Beamten sowie der Reichsunmittelbaren, die als Kläger und Appellanten am Reichskammergericht auftraten.385 Zu ihnen gehörten aus der Stadt Frankfurt selbst die Bürgermeister und Ratsherren, aber auch städtische Juristen, Schöffen und weitere Amtsträger, wenn sie in eigener Sache und nicht in Vertretung der Stadt Klage führten. In der überwiegenden Anzahl ihrer Verfahren wurden privatrechtliche und Kriminalitätssachen verhandelt.386 Klagten sie dagegen in Vertretung der Stadt, wurden die betreffenden Prozesse der Kategorie der Reichsunmittelbaren zugeordnet, wobei die diesbezüglichen Einträge in den Akten ohnehin fast ausschließlich die „Stadt“ oder den „Rat“ als klageführende Partei auswiesen. Zu den territorialen Beamten zählten u. a. die Agenten und Räte verschiedener Territorien, die in Frankfurt in Vertretung ihrer Herren oder ihrer Regierung residierten. Diese kamen nicht nur aus den umliegenden Gebieten, sondern aus dem ganzen Reich und teilweise auch aus anderen europäischen Ländern.387 384
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MATTHÄUS, S. 402 f. Der Rat schickte eine Gesandtschaft nach Speyer zum RKG, um die Prozesse bis zu einem Konzil aussetzen zu lassen, scheiterte aber mit seiner Forderung (trotz der Drohung, sich ansonsten den Protestanten anzuschließen). Einer der Gesandten war der Sohn Hamman von Holzhausens, Justinian. Darüber hinaus befand sich Frankfurt zu dieser Zeit auch noch mit Landgraf Philipp von Hessen in einem Verfahren, weil die Stadt ihm den Durchzug seiner Truppen verweigerte, mit denen der Graf die Wiedereinsetzung des Herzogs von Württemberg durchsetzen wollte. Siehe oben Tabelle 17. Eine Ausnahme bildete der Prozess von Johann Lorenz Nicolai, der 1650 gegen die Stadt auf Wiedereinsetzung in sein Amt als Waagemeister klagte. Nach 23 Jahren Amtstätigkeit war er auf den Römer geladen worden und sah sich dort dem Vorwurf der Unfähigkeit im Amt und der Verletzung der Waageordnung ausgesetzt, der Schlüssel zur Waage wurde einbehalten (KALTWASSER, S. 791, N35). Waageordnung und Waagemeistereid der Stadt Frankfurt regeln u. a. folgendes: Der Eid weist u. a. sinngemäß darauf hin, der Waagemeister solle als Repräsentant der Stadt deren Stärken „[her-]vorkeren vnd [be]werben“ sowie vor „schaden warnen“. Versuchen von Bürgern oder Fremden, sich selbst durch Probieren ein Vergleichsgewicht herzustellen, um künftig auf die Nutzung der öffentlichen Waage verzichten zu können, sind vom Waagemeister notfalls durch Falschaussage abzuwehren (#3). Im Falle der Territorialbeamten wurde keine Unterscheidung zwischen Klagen in eigener Sache und solchen in hoheitlichem Auftrag vorgenommen. Residenten und andere Amtsträger führten jedoch nicht nur selbst Klage, sondern traten ebenso als Beklagte in Erscheinung. In einem Prozess mit Bezug zur Frankfurter und württembergischen Geschichte in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurden 1738 der herzoglich württem-
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Tabelle 25: Frauen und Witwen als Klägerinnen und Appellantinnen in Frankfurter Prozessen 1495-1806 (1.634 Prozesse) Partei Handwerker Anteil Kuratel Kaufleute Anteil Kuratel Sonstige Bürger Anteil Kuratel
1495-1599 5 (8,3%) 2 9 (15%) 2 9 (15%) 5
1600-1699 9 (5,8%) 5 58 (37,4%) 14 22 (14,2%) 7
1700-1806 24 (15%) 13 71 (44,4%) 23 14 (8,7%) 4
1495-1806 38 (10,1%) 20 138 (36,8%) 39 45 (12%) 16
Sonstige Bewohner Anteil Kuratel
30 (60%) 6
48 (31%) 9
31 (19,4%) 5
109 (29,1%) 20
Geistliche Anteil Kuratel
0
3 (1,9%) 1
2 (1,3%) 1
5 (1,3%) 2
Amtsträger Anteil Kuratel Adel Anteil Kuratel Gesamt Anteil Kuratel Anteil am gesamten Prozessaufkommen
6 (10%) 5 1 (1,7%) 60
10 (6,5%) 3 5 (3,2%) 1 155
12 (7,5%) 3 6 (3,7%) 2 160
28 (7,5%) 11 12 (3,2%) 3 375
20 (33,3%)
40 (25,8%)
51 (31,9%)
111 (29,6%)
18,2%
25,4%
23,1%
22,9%
Zu den in der Tabelle zur sozialen Differenzierung nicht eigenständig erfassten Kategorien zählen die Frauen und Witwen, die als Klägerinnen und Appellantinnen selbstständig oder vertreten durch ihre Ehemänner oder Vormünder am Reichskammergericht prozessierten (Tabelle 25). In Frankfurt gab es am Ende des Mittelalters einen Frauenüberschuss – so lag der Anteil der weiblichen Steuerzahler (als selbständige Haushaltsvorstände) 1510 immerhin bei knapp 28%. Waren Frauen im Gewerbe tätig, dann meist in nichtzünftiger Arbeit; in bergische Hofrat und Frankfurter Resident, Dr. Henrich Ehrenfried Luther, und die Stuttgarter Regierung von einem Frankfurter Kreditorenausschuss an das RKG gezogen, da letztere gegen eine Entscheidung des Schöffengerichts in Frankfurt appellierten. Diese Auseinandersetzung folgte auf den plötzlichen Tod des württembergischen Herzogs sowie die Verhaftung und Hinrichtung seines Hoffaktors Oppenheimer. Der Resident versuchte, das Frankfurter Vermögen des Hingerichteten im Auftrag der Übergangsregierung zu sichern, die Appellanten machten dagegen ihre Ansprüche auf die Hinterlassenschaft zur Befriedigung ihrer Forderungen geltend (siehe auch Kapitel III; KALTWASSER, S. 560 ff., J149).
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einigen Fällen führten sie Betriebe ihrer verstorbenen Angehörigen fort, oftmals allerdings nur bis zur erneuten Heirat oder der Geschäftsübernahme durch Söhne.388 In mehreren Textilberufen waren Frauen als Lehrlinge zugelassen und genossen die gleichen Rechte wie Söhne von Zunftangehörigen, allerdings eher aus Gründen einer leichteren Verheiratung mit Gesellen aus dem gleichen Berufszweig. Die Zulassung als Meister sah keine Zunftordnung vor und auch in nichtzünftigen Gewerben war ihr Anteil nur gering.389 Dennoch können berufstätige Frauen in Reichskammergerichts-Prozessen nachgewiesen werden: Die größte Gruppe bildeten mit 15 Verfahren die Mägde, daneben gab es einige weitere Berufe, in denen jeweils eine Frau auftrat, z. B. als Apothekerin390 oder Köchin391. Weitgehende Parallelen zur bereits vorgenommen Differenzierung der Frankfurter Kläger und Appellanten zeigt die Aufschlüsselung der unter ihnen befindlichen Frauen: Besonders viele weibliche Prozessparteien fanden sich in den Kategorien der Kaufleute sowie der Bürger und Bewohner wieder, also genau jenen Gruppen, die auch insgesamt die größten Anteile an allen Klägern 388
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BUND, S. 71. Ein schönes Beispiel für gezielte Heirat innerhalb eines Berufsstandes ist Margarete Hase, die Tochter eines Glockengießers. Sie vermählte sich zwischen 1492 und 1514 vier Mal – jeder der Herren war Glockengießer. 1508/1509 und nach dem Tod ihres vierten Mannes (Jahr unbekannt) bis zur Übernahme des Geschäfts durch ihre Söhne 1526 führte sie die Werkstatt, doch blieb sie auch danach offensichtlich die Eigentümerin. BUND, S. 72. In der dietzschen Zusammenstellung zu den Teilnehmern des Frankfurter Handels zwischen 1210 und 1550 sind neben 1.001 männlichen Kaufleuten nur 14 (1,4%) weibliche zu finden. Im 15. Jahrhundert werden zudem 15 Ärztinnen gezählt und sechs der elf Personen, denen 1368 der Rat das städtische Wechselgeschäft erlaubte, waren Frauen! 1725 appellierte der sachsen-weimarsche Agent und Handelsmann zu Frankfurt namens seiner Frau gegen eine hier ansässige Apothekerin, die Schwester seiner Frau und damit seine Schwägerin. Die Appellatin machte 900 Rtlr. aus nicht verkauften Konkurswaren geltend, die Appellanten 1.246 Rtlr. an Miete und Gegenständen aus dem Nachlass der verstorbenen Mutter der Schwestern. Der Fall erhielt zusätzliche Brisanz durch die Tatsache, dass der Appellant gleichzeitig Nachlassverwalter seiner Schwiegermutter und früherer Vormund seiner Schwägerin war (KALTWASSER, S. 112, A6). In dem Fall war die Köchin weder Klägerin noch Beklagte, sondern Objekt eines Streites zwischen Georg Friedrich Lindt und dem Schöffenrat der Stadt. Der Kläger forderte die Aufhebung der „durch den Schöffenrat auf Ansinnen seiner Verwandtschaft verhängten Kuratel wegen Schwachheit an Körper und Geist und der Unfähigkeit, sein Vermögen zu verwalten“. Ursache dieser vormundschaftlichen Regelung war der Wunsch des Klägers (Sohn eines kurmainzischen Kammerates, Salinendirektors und späteren Speiegel- und Glashändlers sowie Erbe von 40.000 fl. Vermögen), eine Köchin zu heiraten (KALTWASSER, S. 727 f., L44).
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und Appellanten auf sich vereinigten. Vom 16. zum 17. Jahrhundert war eine deutliche Steigerung der Zahl der an Prozessen teilnehmenden Frauen zu bemerken, die mit der generell größeren Inanspruchnahme des Reichskammergerichts durch Frankfurter Parteien im 17. Jahrhundert erklärt werden kann, da sich der Anteil am gesamten Prozessaufkommen im Vergleich der beiden Jahrhunderte viel geringer veränderte (er stieg lediglich von 18,4% auf 25,2%). Besonders auffällig war zudem der geringe Anteil der ausgewiesenen Kuratelfälle, d. h. Prozesse, bei denen in den Akten (respektive im Findbuch) auf die Vertretung der Frau durch einen Mann (Anwalt, Vormund, Ehemann, Vater, Bruder) explizit hingewiesen wird.392 In den Frankfurter Prozessen sind – wenn auch nicht immer als teilnehmende Prozesspartei – einige bekannte Persönlichkeiten der Stadtgeschichte nachzuweisen. Neben Philipp Jakob Spener393 zählen dazu auch die Vorfahren Johann Wolfgang Goethes, sein Ururgroßvater Johann Wolfgang Textor394 und der Großvater Friedrich Georg Göthge395. Der aus dem Thüringischen stammende Großvater gehörte zu den deutschen, nichtcalvinistischen Handwerkern, die in der zweiten Hälfte der 1680er Jahre zusammen mit den Hugenotten aus Frankreich flüchteten.396 In drei Prozessen mit familienrechtlichem Hintergrund – hier sind verschiedene Nachlass- bzw. Erbschaftsregelungen strittig – ist in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts der Rechtswissenschaftler Johann Daniel von Olenschlager, ein promovierter Jurist, Schöffe, Ratsmitglied und Direktor des Konsistoriums, als Beklagter vertreten. 397 Außerdem finden mehrere Prozesse unter Beteiligung von Mitgliedern der Familie Serlin statt: Wilhelm Serlin hatte 1665 das später so genannte „Frankfurter Journal“ gegründet, ein
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Auf die Gruppe der Bewohner der Landgebiete wurde in der Tabelle bewusst verzichtet, da in diesem Bereich keine Frauen als Klägerinnen oder Appellantinnen nachgewiesen werden konnten. Siehe Kapitel III.1. Der promovierte Jurist Textor war seit 1690 Stadtsyndikus und wurde 1695 von den Kreditoren seiner zweiten Ehefrau verklagt. Die mehr als 35 Jahre jüngere Ehefrau trennte sich nach nur einem Jahr Ehe von Textor, der behauptete, sie sei „entwichen“. Deshalb verweigerte er die Bezahlung von Rechnungen in Höhe von insgesamt 1.315 Rtlr. für Waren, die er und seine Frau für seine Töchter aus erster Ehe gekauft hatten (u. a. Käse, Austern, Zitronen, Marzipan, Nachtröcke, Seiden- und Wolltücher). Unter den Kreditoren ist auch der Großvater Friedrich Göthge, ein Schneider, der 58 Rtlr. 9 kr u. a. für samtene Kleider und Röcke forderte (KALTWASSER, S. 1006 f., T12). Siehe oben FN 674. DUCHHARDT, Frankfurt am Main, S. 262. KALTWASSER, S. 113, 376 f., 798, A8, F104, O8.
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„politisches“ Blatt, „das wegen Verbreitung falscher Nachrichten relativ oft mit den städtischen Behörden aneinander geriet“.398 Anders als in Hamburg sind Juden in großer Zahl als Kläger und Appellanten an Frankfurter Reichskammergerichtsprozessen beteiligt. Sie können in mehr als 250 Fällen als Kläger399 und in insgesamt fast 380 Fällen als Prozessbeteiligte ausgemacht werden. Sie waren damit proportional weit über ihrem Anteil an der Bevölkerung vertreten. Im Jahr 1241 betrug die Größe der jüdischen Gemeinde ca. 200 Personen, von denen im Pogrom dieses Jahres mehrere zum Verlassen der Stadt gezwungen wurden. Die „zweite Judenschlacht“ ein Centennium später (1349) tötete und vertrieb die letzten Reste der seit 1260 neu entstandenen jüdischen Gemeinde (50 bis 60 Personen) und bis 1500 schwankte die Zahl ihrer Angehörigen in Frankfurt zwischen 30 und 200 Personen. Anders als die christlichen Zuwanderer (von den Kaufleuten einmal abgesehen) stammten nur wenige jüdische Einwanderer aus der nächsten Umgebung der Stadt, sondern kamen aus weiter entfernten Städten. Dies verweist teilweise wiederum auf das Vorhandensein eines entsprechenden Vermögens, denn neben den Kosten für den Umzug wurden in Frankfurt Abgaben für die Nieder-
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DUCHHARDT, Frankfurt am Main, S. 287. Zu den Redakteuren zählten vor allem Gymnasiallehrer, die sich – so Duchhardt – ihr „klägliche Besoldung“ mit einem „Zubrot“ aufbesserten. Die Differenzen mit der Stadt lassen sich am RKG nicht ausmachen, aber dennoch sind vier Prozesse mit der Familie in Verbindung zu bringen: Zweimal war Wilhelm Serlin in Speyer, je einmal als Beklagter (1665, „Buchdrucker“) und Kläger (1666, „Buchhändler“), beide Male war der Prozessgegner Johann Heigel (kurpfälzischer Kammerrat [in Frankfurt und Heidelberg]). Im ersten Fall stritten die Parteien um eine Schuldforderung von 500 fl., wahrscheinlich resultierend aus dem im zweiten Fall ein Jahr später verhandelten Geschäft über den Neudruck der Jenaer Ausgabe von Luthers Werk in acht Bänden (KALTWASSER, S. 473, 915, H79, S58). Die beiden anderen Prozesse (1701 und 1717) thematisieren die familieninternen Streitigkeiten um das Erbe des Privilegium impressorium der Journals nach dem Tod des Gründers 1674 bzw. dessen Ehefrau 1686. Der seit 1649 in Frankfurt lebende (und aus Nürnberg stammende) Serlin gab die Zeitung zweimal wöchentlich in Konkurrenz zur (Ober)Postamtszeitung heraus; gute Nachrichten, ein protestantischer Einschlag und ein moderater Preis von 2 fl. pro Jahr ließen die Auflage auf beachtliche 1.500 Exemplare ansteigen. Bis 1802 blieb die Familie als Verleger tätig, nachdem das oben genannte Privileg erstmals 1686 in der Familie vererbt wurde. Die Prozesse beschäftigen sich mit Ansprüchen auf das Privileg und Nachweisen über die Einkünfte aus dem „Journal“ (KALTWASSER, S. 273, 1054 f., D19, W23). Ein Vermögen Serlins wird bei Dietz nicht vermerkt, allerdings bezog seine Witwe ein jährliches Einkommen von 20.000 Rtlr. – eine stattliche Rente, die auf die entsprechend großen Vermögenswerte des Verstorbenen hindeutet (DIETZ, Bd. 3, S. 138). Auch mehrere der nicht gezählten Prozesse, von denen nur Einzelinformationen überliefert sind, belegen jüdische Kläger (z. B. KALTWASSER, S. 627).
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lassung fällig.400 In der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts hatten die Frankfurter Juden Bürgerrecht, zahlten aber ihre Steuern direkt an das Reichsoberhaupt. 1331 übertrug der Kaiser der Stadt den Schutz der jüdischen Einwohner, die sich seit 1337 nur am Frankfurter Reichsgericht einem juristischen Verfahren stellen mussten. Zünftige Arbeit401 war ihnen verboten, jedoch durften sie Geld zu festgelegten Zinssätzen an Frankfurter und Fremde verleihen. Schließlich wurden sie 1495 zur Bezahlung des gemeinen Pfennigs, also zur Finanzierung des Reichskammergerichts herangezogen. Zwei Jahre später versuchten königliche Räte, diese Besteuerung mittels eines Kammergerichtsprozesses direkt zu übernehmen, doch der Kaiser verweigerte seine Zustimmung. 402 Schließlich klagte der kaiserliche Fiskal 1510 gegen Bürgermeister und Rat der Stadt Frankfurt sowie „in specie [gegen] die Frankfurter Juden“ am Reichskammergericht und forderte ein Mandat zur Abführung der Kopfsteuer an den Kaiser, während die Stadt geltend machte, dass die Juden nur der Stadt steuerpflichtig und von allen Reichssteuern befreit seien. 403 In den Jahren vor der Reformation 400
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BUND, S. 68, 131. 30% der jüdischen Zuwanderer stammten aus mehr als 30 Meilen Entfernung (bei den christlichen Zuwanderern nur knapp 10%) und kamen zu 90% aus anderen Städten (christl. Neubürger 36%). Die so genannte „Judenbede“ war eine von den Juden an die Stadt zu zahlende Vermögenssteuer. Darüber hinaus konnte es vorkommen, dass der Kaiser wegen Geldmangels „seine“ Juden der Stadt verpfändete, d. h. die eigentlich an den Kaiser zu zahlenden Steuern mussten nun an die Stadt entrichtet werden. Eine solche Regelung führte 1349 zum Pogrom, da der Kaiser der Stadt die Juden verpfändete und ihr deren Sicherheit überließ, sie aber gleichzeitig das Recht erhielt, sich das dem Kaiser geborgte Geld bei der jüdischen Gemeinde gewaltsam wieder zu beschaffen. 1360 verfügte der Kaiser in einem Privileg die Neugründung der Gemeinde, deren Mitglieder aber nicht mehr das Bürgerecht erhielten und nach jeweils einem Jahr ihr Niederlassungsrecht bestätigen lassen mussten. 1372 verkaufte Karl IV. seine letzten Rechte an der Judensteuer an die Stadt, die in den 1420er Jahren die Weiterreichung dieser Steuer an den Kaiser zwecks Finanzierung der Hussitenkriege verweigerte, woraufhin die Juden (!) in Reichsacht gestellt wurden und die Stadt verließen. 1460 wurde ein Ghetto, die Judengasse, auf Anweisung des Rates und mit Hilfe städtischer Finanzen errichtet – damit war die gesellschaftliche Sonderstellung der jüdischen Gemeinde festgeschrieben (S. 132). BUND, S. 132. Davon ausgenommen waren innerhalb der jüdischen Gemeinde Bäcker und Metzger, die entsprechend den religiös-rituellen Bestimmungen ihre Ware produzierten und an ihre Glaubensgenossen verkauften. BUND, S. 135. Dieser Fall ist nicht in den Prozessakten belegt, wahrscheinlich wurde er vom Kaiser rechtzeitig genug „abgebogen“, so dass es bei Gedankenspielen seiner Räte blieb. Die Juden sollten die auf dem Wormser Reichstag festgelegte Kopfsteuer von zwei rheinischen Gulden für jede mindestens 13jährige jüdische Person zahlen. Die Stadt machte ihr vom Kaiser erkauftes Recht der Judensteuererhebung geltend und bekam Recht, auch
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durchdachte der Rat mehrfach eine notfalls gegen den Willen des Kaisers verfügte Vertreibung der Juden aus der Stadt, doch dieser verbot derartige Überlegungen.404 In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wuchs die Zahl der Juden in Frankfurt stark an, trotz jener der Gemeinde von der Stadt auferlegten Beschränkungen.405 Genauso wie bei der restlichen Bevölkerung war dies nur den vielen Einwanderern zu verdanken, die bis 1610 die jüdische Gemeinde auf 2.700 Personen vergrößerten. Nach dem Fettmilch-Pogrom und dem Dreißigjährigen Krieg war ihre Zahl auf 1.800 gesunken (1651), bis 1709 aber auf 3.000 gestiegen – zwischenzeitlich machte ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung der Stadt über 10% aus.406 1616 hatte Kaiser Matthias die Stättigkeit (das Niederlas-
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wenn der königliche Steueranspruch formal nicht beseitigt wurde (dieser wurde aber auch nicht mehr praktisch umgesetzt) (KALTWASSER, S. 351 f., F58). Schon zuvor (1499) hatten Stadt und jüdische Gemeinde gegen die von Kaiser Maximilian verordnete Zahlung einer Steuer von 2.000 fl. wegen der „Underhalltüng unsers Kriegs so wir gegen den Sweytzern fueren“ geklagt und sich dabei auf das inzwischen der Stadt gehörende Recht zur Erhebung der Judensteuer berufen. Neben Frankfurt war diese Steuer auch von anderen Städten gefordert worden (KALTWASSER, S. 322 f., F15a). BUND, S. 136. SCHINDLING, S. 209. Die Stadt wuchs nun insgesamt, zwischen der Mitte des 16. Jahrhunderts und dem Beginn des Dreißigjährigen Krieges verdoppelte sich die Einwohnerzahl. Erst während des Krieges ging die Bevölkerung wieder zurück. Dennoch erholte sich die Stadt schneller als der Durchschnitt des Reiches, denn sie erreichte bereits Mitte der 1670er Jahre wieder den Einwohnerstand von vor dem Krieg, während das Alte Reich rund einhundert Jahre dafür brauchte. Das Wachstum ist aber nicht auf die eigene Vermehrung der Frankfurter Bevölkerung zurückzuführen, sondern ausschließlich auf Einwanderer (S. 211). SCHINDLING, S. 211. DUCHHARDT, Frankfurt am Main, S. 263. Die Wuchervorwürfe, die im Zusammenhang mit dem Fettmilch-Aufstand gegen die Juden erhoben wurden, lassen sich in einem RKG-Prozess aus dem Jahr 1613 nachweisen. Vertreter des Bürgerausschusses, verschiedener Gesellschaften und Zünfte der Stadt klagten gegen die zwei Baumeister (Vorsteher) der jüdischen Gemeinde, nachdem das Frankfurter Schöffengericht 1612 in einem Prozess zugunsten der Beklagten entschieden hatte. Nach den Vereinbarungen im Bürgervertrag (ebenfalls von 1612) durften jüdische Kreditgeber 8% Zinsen auf Darlehen nehmen. Die Kläger verweigerten sich dem – eine der Forderungen im Fettmilch-Aufstand bestand in einer Senkung der Darlehenszinsen auf 5%. Durch die Umwälzungen in Folge der städtischen Auseinandersetzungen wurden die Juden „auch in materieller Hinsicht … auf das empfindlichste geschädigt. Ein Theil der Schuldner zeigte überhaupt keine Lust, seinen Verpflichtungen nachzukommen, schien doch die Vertreibung der Juden über kurz oder lang sicher zu sein. … Aber auch diejenigen Schuldner, welche zahlen wollten, verweigerten den durch den Bürgervertrag festgesetzten Zinsfuß.“ (KALTWASSER, S. 172 f., B69; Zitat S. 172). 1614 wurden die Juden schließlich aus der
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sungsrecht407) erneuert, nachdem die Juden im Pogrom von 1614 aus der Stadt vertrieben worden waren. Besonders die reichsten Juden wurden vom Rat hofiert, da sie diesem als Kreditoren dienten408, während es zwischen den ärmeren Mitgliedern der jüdischen Gemeinde und den christlichen Handwerkern immer wieder zu Auseinandersetzungen um Fragen der Besitzstandswahrung und unzulässigen Konkurrenz kam.409 Der Anteil der Prozesse mit jüdischen Klägern beträgt mehr als 15%, derjenige mit jüdischen Prozessparteien sogar mehr als 23%. Dabei ist festzustellen, dass der größere Anteil dieser Fälle nach 1650 an das Reichskammergericht gelangte, also in einer Zeit, als die jüdische Gemeinde langsam wieder zu wachsen begann. Nur 50 Prozesse fingen vor 1600 an (13% von 380 Fällen)410, wei-
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Stadt vertrieben, als Vincenz Fettmilch und sein Gefolge die Judengasse stürmten und die Häuser plünderten (SCHINDLING, S. 236). Siehe dazu M. WOLFSOHN, U. PUSCHNER, Geschichte der Juden in Deutschland, München 1992, S. 50 f., wo ein Auszug aus der Frankfurter Judenstättigkeit abgedruckt ist. Einen Eindruck vom „Frankfurter Judenghetto“ lieferte um 1810 Johann Wolfgang von Goethe, der sich an seine Kindheit in Frankfurt erinnerte (S. 65 f.). Ausführungen zum Judenviertel finden sich außerdem u. a. bei R. GAY, Geschichte der Juden in Deutschland, München 1993, S. 70-78. Siehe dazu ausführlich Kapitel III.1. Die jüdische Oberschicht konnte wegen ihrer Tätigkeit als Hoffaktoren oder Kaufleute teilweise Vermögen von mehreren hunderttausend Gulden anhäufen (siehe z. B. KALTWASSER, S. 560 ff., 567, J149, J157). DUCHHARDT, Frankfurt am Main, S. 269 ff. Pro Jahr durften sechs Juden die Stättigkeit erwerben und sich zwölf Paare verheiraten. Um die Aufnahme zu erreichen, musste ein Vermögen von 1.000 fl. nachgewiesen, eine Schutzgebühr an den Rat gezahlt und diesem gehuldigt werden. Den Schutz konnte der Rat weder aufkündigen noch an den Kaiser zurück übertragen, da die zunächst nur verpfändete Gemeinde (also die Judensteuer) seit 1685 in den dauerhaften Besitz der Stadt übergegangen war. Diese Konflikte sind aber nicht in einzelnen Prozessen nachzuweisen, da hier weder der Streitwert noch das Vermögen der Parteien für eine Anrufung des RKGs ausreichte. Unter diesen sind auch die schon oben vorgestellten Prozesse um die Judensteuer von 1499 und 1510 (KALTWASSER, S. 322 f., 351 f., F15a, F58). Aber 1503 ist auch der erste privatrechtliche Fall mit Beteiligung eines Juden aus Frankfurt am RKG nachweisbar: Der Frankfurter Schutzjude Gumbrecht von Weisenau zum Hirsch wurde von einem Aschaffenburger Bürger sowie einem inzwischen verstorbenen Frankfurter bzw. dessen Witwe verklagt, die eine Korrektur des Frankfurter Urteils verlangten. Die Kläger waren zur Zahlung von 100 fl. wegen eines 1496 zwischen Klägern und Beklagtem ausgestellten Schuldbriefes verurteilt worden (KALTWASSER, S. 1105, Z16). Der Beklagte ist zwar nur einmal am RKG nachzuweisen, aber er – wie auch sein Vater Simon – werden allein im Jahr der Klage am RKG mehrfach in den Regesten zur Geschichte der Frankfurter Juden erwähnt. So musste Gumbrecht wegen eines Rechtsstreits am RKG erscheinen, nachdem er am Frankfurter Reichsgericht wegen Beleidigung verklagt wurde. Der Kläger hatte Recht bekommen, sollte allerdings die Gerichtskosten tragen und appellierte deshalb an
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tere 141 im 17. Jahrhundert (37%), von denen etwa die Hälfte (49 Prozesse) nach 1650 anhängig wurde. Dagegen können 50% der Prozesse im 18. und beginnenden 19. Jahrhundert beobachtet werden, also jener Zeit, in der die jüdische Gemeinde ihre größte Zahl erreichte (bezogen auf den Untersuchungszeitraum) und einige Juden in die oben aufgezeigte Rolle als Krediteure von Fürsten und Territorialherren schlüpften.411 Deutlich weniger Prozesse (insgesamt 40; ca. 2,4% aller Prozesse) fanden unter der Beteiligung armer Parteien statt, zwei Verfahren im 16., fünf im 17. und die restlichen 34 im 18. Jahrhundert. Die Zahl der Armen in der Stadt war gestiegen, als „notwendige, systemimmanente Folge von wirtschaftlicher Prosperität, von Wohlstand“, d. h. einerseits erweiterte sich im Verlauf der Frühen Neuzeit die Spanne zwischen den Reichsten und Ärmsten in der Stadt; andererseits lockte die Stadt vor allem fremde Arme an (Bettler, Handwerker, Zigeuner), deren Versorgung den Städtern strikt untersagt wurde. 412 Folgerichtig befinden sich unter den armen Parteien Dienstmägde, Lohnlakaien, mehrere Handwerker bzw. deren Frauen, aber auch sechs Kaufleute, von denen einer zum Gasseninspektor abstieg.413 Die Zunahme der Anzahl armer Parteien als
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das RKG. Schließlich konnte der Frankfurter Rat die Parteien versöhnen, Gumbrecht zahlte die Gerichtskosten und der Kläger ließ die Appellation fallen (dieser Fall ist weder bei Kaltwasser noch in der schildtschen Datenbank nachzuweisen; entweder ist er verloren gegangen oder aber nie am RKG verhandelt geworden). Im selben Jahr nahm der Mainzer Erzbischof Gumbrecht als „Judenbürger“ auf. Vater Simon, der Ende 1503 einer von 29 Juden in Frankfurt war, die in diesem Jahr die Stättigkeit erhielten, hatte zu der Zeit selbst Streit mit einem Arnold von Bingen um Pfandstücke und Zinsen. Wenig später erhielten Vater und Sohn eine Vorladung an das RKG nach Regensburg, weil der oben genannte Aschaffenburger gegen ein vom Frankfurter Stadtgericht erlassenes Urteil appelliert hatte. Der Anwalt der Vorgeladenen erklärte, dass Simon in erster Instanz nicht beteiligt gewesen sei und deshalb zu Unrecht zitiert werde. Nur wenige Tage danach wurde Simon erneut in den Regesten erwähnt, diesmal hatte er eine Witwe am Hofgericht in Rottweil verklagt, der Grund ist nicht ersichtlich (D. ANDERNACHT, Regesten zur Geschichte der Juden in der Reichsstadt Frankfurt am Main von 1401-1519 [Forschungen zur Geschichte der Juden, Abteilung B: Quellen], Teil 3, Die Regesten der Jahre 1496-1519, Hannover 1996, S. 859 ff.). 1515 und 1528 ist Simon schließlich doch noch am RKG vertreten. Im ersten Fall als Kläger und Gläubiger gegen einen fallierten Bürger; im zweiten Prozess werden seine Witwe und Erben verklagt, den die Witwe des Beklagten aus dem Fall von 1515 wegen dieser Schuldforderungen angestrengt hat (KALTWASSER, S. 949, S113, S114). Siehe dazu Kapitel III.1. DUCHHARDT, Frankfurt am Main, S. 274, Zitat ebd. Der ehemalige Handelsmann und jetzige Gasseninspektor Kripner führte zwischen 1736 und 1750 drei Prozesse in Wetzlar (noch im ersten Prozess [1739] erhielt er den Armenstatus). Zweimal klagte er gegen Beer Drach, einen Frankfurter Schutzjuden, der sein
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Verfahrensteilnehmer vor allem im 18. Jahrhundert deckt sich mit Baumanns Erkenntnissen zum Alten Reich – auch hier ist ein Anstieg der als „pauper“ bezeichneten Kläger festzustellen.414 In mehr als 90% der Frankfurter Armenprozesse ist die arme Partei der Kläger, wobei in der Hauptsache entweder gegen den Arbeitgeber oder aber Gläubiger prozessiert wird, in 10% der Fälle ist die Stadt beklagt.415
Prozessparteien – geografische Verortung Nachdem die Kläger und Appellanten nach ihrer sozialen Stellung differenziert wurden, soll nun ihre geografische Einordnung erfolgen. Die große Anzahl an Kaufleuten unter den Prozessparteien sollte Auswirkungen auf die Streuung der Verfahrenskontakte haben, obwohl sich bereits bei Hamburg herausstellte, dass der deutlich größte Teile der gerichtlichen Auseinandersetzungen zwischen Personen aus der Stadt und deren Landgebieten selbst sowie den benachbarten Territorien stattfanden. Diese Tendenz wird durch vergleichbare Lübecker Zahlen bestätigt416, obwohl beide Hansestädte als bedeutende Häfen für Nordund Ostsee breit gefächerte Handelsbeziehungen besaßen. Das Vorhandensein ähnlich gelagerter geschäftlicher Beziehungen lässt die Frankfurter Messe mit ihrem auf ganz Europa ausgedehnten Einzugsgebiet vermuten417, so dass in der
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Schuldner war. Im ersten Prozess fordert der Kläger eine seit 1702 (!) ausstehende Wechselschuld von 300 fl. plus Zinsen von ca. 500 fl. und Erstattung der Unkosten, während der Beklagte erklärte, diese Schuld sei längst bezahlt, aber der Mortifikationsschein sei 1711 beim Brand in der Judengasse vernichtet worden. 1747 klagte Kripner wegen einer Wechselschuld von 1.800 fl. aus einem Wechselgeschäft von 1703 (!) zwischen ihm und einer dritten Partei – der beklagte Drach hatte gegen den an ihn indossierten Wechsel protestiert. 1750 stritt er sich schließlich mit zwei seiner drei Schwestern in einer Auseinandersetzung um die Erbschaft des Großvaters (KALTWASSER, S. 922 ff., K42, K43, K44). BAUMANN, S. 79. Die armen Parteien werden sowohl bei den Handels- als auch bei den Handwerksfällen nochmals thematisiert (Kapitel III und IV). Einer der Fälle in denen die Stadt verklagt wird, ist ein Prozess um einen Buchdrucker, der u. a. für Philipp Jakob Spener eine Bibel herstellen sollte und mehr als 30 Jahre nach der Auftragserteilung gegen Bürgermeister und Rat der Stadt klagt, weil diese in der fraglichen Angelegenheit Zeugen verhören wollen (KALTWASSER, S. 475, H85; siehe unten Kapitel II.2). Siehe dazu oben die Ausführungen zu Hamburg (Kapitel II.2) sowie FREITAG, JÖRN, Lübeck, S. 195 ff. Zur Frankfurter Messe folgen Erläuterungen im Kapitel III bei der Betrachtung der Frankfurter Handels- und geldwirtschaftlichen Fälle sowie der an ihnen zumeist beteilig-
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Folge untersucht werden muss, ob sich diese in einer größeren Entfernung zwischen den Prozessparteien niederschlagen. Tabelle 26: Geografische Entfernung der Frankfurter Prozessparteien 14951806 (1.612 Prozesse; absolute Werte und prozentualer Anteil an allen Prozessen innerhalb des Zeitraumes)418 Zeitraum
Parteien innerhalb Frankfurts419 35 (35,7)
Parteien im Benachbarten Territorium420 12 (12,2)
Parteien in weiter entfernten Territorien 51 (52,1)
1495-1550 1551-1600 1601-1650
96 (42,9) 139 (46,2)
17 (7,6) 25 (8,3)
111 (49,5) 137 (45,5)
1651-1700 1701-1750
178 (58,2) 242 (63,7)
23 (7,5) 24 (6,3)
105 (34,3) 114 (30)
1751-1806 1495-1806
199 (65,7) 889 (55,1)
23 (7,6) 124 (7,7)
81 (26,7) 599 (37,2)
Doch auch im Falle Frankfurts fällt sofort auf, dass mehr als die Hälfte der Kontakte im Rahmen reichskammergerichtlicher Verfahren zwischen Frankfurter Parteien oder solchen aus benachbarten Territorien zustande kamen (Tabelle 26). Jedoch übersteigt der Anteil der Parteien aus weiter von einander entfernten Territorien den hamburgischen mit ca. 37% um ein Vielfaches, während auf Frankfurt selbst etwa 55% sowie auf die benachbarten Territorien ca. 8% der
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ten Kaufleute. An dieser Stelle sei nur darauf verwiesen, dass die Entwicklung der Frankfurter Messe sowohl von einer wohlmeinenden Privilegierung durch Kaiser und Papst im Spätmittelalter wie auch seiner günstigen Lage im Schnittpunkt mehrerer wichtiger Handelstraßen profitierte. Es fehlen 22 Prozesse (1,3% des Prozessaufkommens), bei denen die Entfernung der Parteien nicht sicher bestimmt werden konnte. Hierzu zählen auch die der Stadt gehörenden Dörfern Nieder- und Oberrad, Bornheim, Hausen, Bonames, Dortelweil, Nieder-Erlenbach und Niederursel. Die Rolle der geistlichen und Deutschordens-Einrichtungen in der Stadt ist ambivalent – sie werden als Parteien innerhalb Frankfurts betrachtet, es sei denn sie führten als Institution ein Verfahren gegen den Rat der Stadt (dann gelten sie als benachbartes Territorium). Die Grafschaften Isenburg, Hanau und Friedberg sowie Hessen-Darmstadt und das Erzbistum Mainz gelten als benachbarte Territorien (wenn die dortigen Herrscher klagten oder appellierten), sowie Kläger und Appellanten aus den Städten/Gemeinden Bergen-Enkheim, Offenbach, Höchst, Soden, Rödelheim, Oberursel, Hanau, Homburg, Oberissigheim, Kronberg, Praunheim, Eppstein, Heusenstamm und Bockenheim .
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Verfahren entfielen. Noch viel klarer als bei Hamburg übersteigen diese Werte die Ergebnisse für den ländlich dominierten südlichen Ostseeraum.421 Die für Hamburg beobachteten Regionalisierungstendenzen der Konflikte zum Ende des Untersuchungszeitraums hin, lassen sich allerdings auch für Frankfurt feststellen, da im 18. Jahrhundert die innerstädtischen Auseinandersetzungen auf fast zwei Drittel anstiegen, während die Verfahren zwischen weiter entfernten Parteien auf unter 30% sanken. Die größte Zahl von Kontakten in benachbarte oder weiter entfernte Territorien bestanden von Frankfurt aus in andere wichtige Handelszentren, z. B. nach Köln (74 Kontakte), Mainz (53) und Nürnberg (30) sowie nach Hamburg (immerhin 17). Daneben hatten auch die Verbindungen ins benachbarte Hanau (von den Streitigkeiten zwischen der Stadt und den dortigen Grafen wurde bereits berichtet 422 ) mit 53 Fällen einen gewichtigen Anteil an den über die rein lokale Ebene hinausreichenden Kontakten im Rahmen der Prozesse am Reichskammergericht. Hinzu kamen mit kleineren Zahlen heutige Frankfurter Ortsteile wie Nieder-Erlenbach (13) und Rödelheim (5).423 Neben den Prozessbeziehungen in weiter entfernte Territorien und Städte innerhalb des Reiches gab es auch eine ganze Anzahl, welche die Reichsgrenzen überschritten, z. B. nach Amsterdam und Antwerpen, Basel und Venedig. 424 Diese zeugen nicht nur von geschäftlichen, sondern auch von familiären Beziehungen, die von den nach Frankfurt eingewanderten Fremden aufrechterhalten wurden. Die wie schon im Falle Hamburgs umfangreichen Kontakte nach Speyer (34) und später Wetzlar (25) sind zum Teil der Tatsache geschuldet, dass dem Reichskammergerichts-Personal der Klageweg am eigenen Gericht offen stand.425 Doch insgesamt entwickelten sich auch im Falle Frankfurts die überre-
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Zur Erinnerung: Mecklenburgische und pommersche Prozesse fanden fast nur unter Beteiligung von Parteien aus dem eigenen Territorium statt, während die Herzogtümer Holstein und Sachsen-Lauenburg mit Hamburg und Lübeck vergleichbare Anteile von Prozessen zwischen weiter entfernten Parteien aufwiesen (FREITAG, JÖRN, Inanspruchnahme, S. 132). Siehe dazu z. B. bei BUND, S. 84 ff. Ausführliche Zahlen zur Beteiligung von Parteien aus dem Alten Reich an Frankfurter RKG-Prozessen finden sich im Anhang der Arbeit in Tabelle 28 sowie eine erste Übersicht in Abb. 2. Zu den Kontakten über die Grenzen des Alten Reiches hinaus siehe Abb. 4. Vgl. dazu z. B. SMEND S. 349. Neben dem eigentlichen Gerichtspersonal spielten hier auch verschiedene Dienstboten und Tagelöhner eine Rolle, die wegen ausstehender Löhne gegen Frankfurter Gerichtsbesucher klagten.
150
Hamburg und Frankfurt vor dem Reichskammergericht
gionalen Kontakte innerhalb der Prozesse im Untersuchungszeitraum rückläufig.426 Tabelle 27: Entfernung der Frankfurter Prozessparteien bei einzelnen Streitgegenständen 1495-1806 (1.612 Prozesse; absoluter Wert und prozentualer Anteil an allen Prozessen innerhalb der Entfernungskategorie)
Keine Angabe
3 (0,3)
Parteien in benachbarten Territorien 0
Staatl./hoheitliche Rechte
25 (2,8)
16 (12,9)
16 (2,7)
Jurisdiktion Lehnswesen
81 (9,1) 1 (0,1)
19 (15,3) 0
34 (5,7) 0
Grundherrschaft Kriminalität
6 (0,7) 36 (4,1)
2 (1,6) 6 (4,8)
0 38 (6,3)
Familienverband Grund- und Bodenwirtschaft Geldwirtschaft
223 (25,1) 23 (2,6)
25 (20,2) 6 (4,8)
96 (16) 6 (1)
392 (44,1)
42 (33,9)
309 (51,6)
Handel und Gewerbe Gesamt
99 (11,1) 889 (100)
8 (6,5) 124 (100)
100 (16,7) 599 (100)
Streitgegenstand
Parteien innerhalb Frankfurts
Parteien in weiter entfernten Territorien 0
Dass die überregionalen Kontakte vor allem den Handels- und familiären Beziehungen der vielen an den Prozessen beteiligten Kaufleute geschuldet waren, lässt sich aus Tabelle 27 ableiten. 85% der Prozesse zwischen Parteien aus weit voneinander entfernten Territorien entfielen auf die drei Kategorien Geldwirtschaft (allein >50%), Handel und Gewerbe sowie Familie. Darüber hinaus wird deutlich, dass bei den Kriminal-, Handels- und Gewerbesachen die Verfahren mit Parteien innerhalb Frankfurts weniger als die Hälfte und im Falle der geldwirtschaftlichen Auseinandersetzungen nur wenig mehr als 50% des Prozessanfalls in diesem Gegenstandsbereich ausmachten.427 Die zunehmende Konzen426
427
Siehe dazu die Tabellen 28 und 29 zu den Frankfurter Kontakten im Alten Reich und über dessen Grenzen hinaus im Anhang. Dieses Ergebnis spiegelt zugleich nochmals die Verteilung der Inanspruchnahme des RKGs bezüglich einzelner Streitgegenstände wider – bei einem entsprechend großen Anteil der geldwirtschaftlichen Fälle am gesamten Frankfurter Prozessaufkommen war die
Hamburg und Frankfurt vor dem Reichskammergericht
151
tration auf innerstädtische Konflikte in der zweiten Hälfte des Untersuchungszeitraums kann zum Teil mit der auch für Frankfurt zu konstatierenden Prozessvertretung der Kaufleute untereinander erklärt werden, auch wenn diese nicht die hamburgischen Dimensionen erreichte. In der Karte (siehe unten Abb. 2 im Anhang) wird die geografische Streuung der Frankfurter Prozessparteien 428 grafisch dargestellt. Ebenso wie bei Hamburg können aus Gründen der Übersichtlichkeit nur Orte mit drei oder mehr Kontakten, sowie eine Auswahl sonstiger Territorien und Städte abgebildet werden.429 Da die Gesamtzahl der Kontakte allein wegen der größeren Anzahl von Prozessen jene Hamburgs übersteigt, ist diese Einschränkung umso zwingender. Dennoch können auch in der Frankfurter Karte annähernd drei Viertel der Verfahrenskontakte verzeichnet werden. Anhand der Karte wird nochmals deutlich, dass relativ wenige Städte (wie Köln, Mainz oder Nürnberg) mit einer besonders großen, weit über dem Durchschnitt liegenden Zahl von Verbindungen einen umfangreichen prozentualen Anteil an allen Prozessen mit Beteiligten außerhalb Frankfurts hatten (für die drei genannten Städte zusammen über 18%, also fast ein Fünftel aller ca. 870 Kontakte430). Bezogen auf Städte wie Wien, Breslau oder Stettin, bewegten
428
429
430
Wahrscheinlichkeit groß, dass es im Rahmen dieser Verfahren Kontakte über die Stadtgrenzen hinaus gab. Diese Annahme wurde durch die ermittelten Zahlen bestätigt. Auch im Falle von Verfahren, an denen kein in Frankfurt beheimateter Kläger oder Beklagter bzw. Appellant oder Appellat beteiligt war, kann dennoch von einem Frankfurter Prozess und daher auch von Frankfurter Prozessparteien gesprochen werden: Diese Prozesse entsprangen Messestreitigkeiten, für welche das Frankfurter Schöffengericht die erste Instanz darstellte (siehe dazu z. B. M. ROTHMANN, Schulden vor Gericht: Die Frankfurter Messegerichtsbarkeit und der Messeprozess in Mittelalter und beginnender Früher Neuzeit, in: A. BAUMANN, St. WENDEHORST, S. WESTPHAL [Hrsg.], Die Reichsstadt Frankfurt als Rechts- und Gerichtslandschaft im Römisch-Deutschen Reich [Bibliothek Altes Reich, 3], München 2008, S. 285-303) – weshalb diese Prozesse bei der Aufteilung des RKG-Archivs Mitte des 19. Jahrhunderts letztlich auch im Frankfurter Bestand angesiedelt wurden. Im Anhang der Arbeit befindet sich eine vollständige Tabelle mit den einzelnen Kontakten Frankfurts im Alten Reich (Tabelle 49), die ebenso wie die Karte zwischen den Jahrhunderten des Untersuchungszeitraumes unterscheidet und im Gegensatz zur bisherigen Praxis dieser Arbeit die Daten für das 15. und 19. Jahrhundert separiert, auch wenn die jeweiligen Zeiträume, die in diesen beiden Jahrhunderten tangiert werden, nur wenige Jahre betragen. Wie im Falle Hamburgs entstehen die Diskrepanzen zu den in den Tabellen genannten Werten für benachbarte und weiter entfernte Städte und Territorien durch die Tatsache, dass an den Prozessen nicht nur zwei Einzelpersonen, sondern auch Personengruppen unterschiedlicher Herkunft beteiligt waren (z. B. Gläubiger aus verschiedenen Orten im Rahmen eines Verfahrens um Schuldforderungen).
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Hamburg und Frankfurt vor dem Reichskammergericht
sich die meisten Prozessbeziehungen dennoch innerhalb eines vergleichsweise engen Radius’ um Frankfurt herum431, d. h. sie konzentrierten sich im Westen des Reiches entlang des Rheins und an den wichtigen Handelsstraßen. Anders als bei Hamburg, wo im 15. Jahrhundert lediglich eine Magdeburger Prozesspartei festgestellt werden konnte432, stammten im Falle Frankfurts in den ersten fünf Jahren der Gerichtstätigkeit bereits 17 Parteien nicht aus der Stadt selbst, sondern u. a. aus Hamburg und Breslau.433 Im 16. und 17. Jahrhundert nahm die Zahl der Kontakte stark zu, fiel dann im 18. Jahrhundert aber ab – bei allerdings gleich bleibender Streuung.
Einzelne Prozessgegenstände Dem Beispiel Hamburgs folgend sollen hier die verschiedenen Prozesskategorien über das bisherige Niveau hinaus eingehender betrachtet werden. Zunächst einmal ist festzustellen, welche einzelnen Streitgegenstände innerhalb der jeweiligen Kategorien 434 besonders stark oder schwach vertreten sind. Außerdem wird besonders in den Kategorien Kriminalität und staatlich-hoheitliche Rechte, aber auch im Bereich der jurisdiktionalen Sachen zu prüfen sein, ob sich einzelne historische Frankfurter Ereignisse am Reichskammergericht in Prozessen entdecken lassen. Dabei ist zwangsweise nicht auszuschließen, dass vor allem wegen der großen Anzahl von Kaufleuten in den Frankfurter Verfahren diese jetzt bereits angesprochen werden – etwa im Bereich der Familienverbandsstreitigkeiten.
Kriminalität Einen geringen Anteil am Frankfurter Prozessaufkommen stellten mit 81 Fällen (oder ca. 5%) die Kriminalverfahren, so dass auch an dieser Stelle hervorzuhe-
431
432
433 434
Diese Aussage steht nicht im Widerspruch zum großen Anteil der Prozesse zwischen Parteien aus weiter voneinander entfernten Territorien, da auch ein großer Teil der innerhalb des bezeichneten Radius angesiedelten Städte weit genug von Frankfurt entfernt war, um die Grenze zur unmittelbaren Nachbarschaft zu überschreiten (z. B. Köln). Bezogen auf die Prozesse mit auswärtiger Beteiligung, doch betrug die Gesamtzahl der hamburgischen Prozesse vor 1500 ohnehin nur drei. Für die genauen Daten siehe die entsprechende Tabelle 28 im Anhang. Ausschließlich der Ausführungen zu Handel- und Gewerbe- sowie Geldwirtschaftsprozessen, die den Kapiteln III und IV vorbehalten bleiben.
Hamburg und Frankfurt vor dem Reichskammergericht
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ben ist, dass die Reichsgerichtsbarkeit einen sichtbaren Einfluss auf die Wahrung des allgemeinen Landfriedens ausübte, d. h. der Gerichtsweg wurde bei Streitigkeiten bereits vor einem Bruch des Landfriedens beschritten und nicht erst danach zur Abstrafung des Friedensbrechers.435 In Frankfurt scheint dieser positive Einfluss auf eine Verrechtlichung der Streitkultur besonders erfolgreich gewesen zu sein – lässt sich doch kein einziger Fall einer Verhandlung wegen Landfriedensbruches gegen eine Privatperson im Rahmen der Frankfurter Reichskammergerichts-Prozesse feststellen.436 Zudem hielt sich der Umfang der eingebrachten Fälle in den drei Jahrhunderten des Untersuchungszeitraumes auf einem stabilen Niveau und umfasste im 16. Jahrhundert 28, im 17. Jahrhundert 30 sowie im 18. Jahrhundert 23 Verfahren.437 Zumindest angesichts der Reichskammergerichts-Prozesse bestand scheinbar in Frankfurt wenig Gefahr, mit körperlicher Gewalt konfrontiert zu werden, doch ist dieser Umstand den Zuständigkeiten des Gerichts geschuldet. 45 Fälle – also mehr als die Hälfte der Kriminalitätsfälle – behandelten Verbalinjurien, während andere Straftatbestände in geringerem Maße vertreten waren. Diebstähle und Körperverletzungen stellten mit weiteren zwölf bzw. neun Prozessen die nächst größeren Anteile, während eine ganze Reihe weiterer Delikte in kleinerem Umfang vertreten waren, darunter Raub 438 , Freiheitsberaubung 439 , Falschmünzerei440 und der Vorwurf der versuchten Brandstiftung441. 435
436
437
438
Siehe RANIERI, Recht und Gesellschaft, S. 241 f., der für das Alte Reich bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts ein Ansteigen der Landfriedensprozesse, ab der zweiten Hälfte deren starke Rückläufigkeit feststellte. Dennoch musste sich das RKG auch weiterhin mit Prozessen dieser Kategorie beschäftigen, da diese auch Tatbestände wie Beleidigungen oder Ehrverletzungen umfasst (siehe Kapitel II.1). Eine Ausnahme bildete der Vorwurf des Landfriedensbruches gegen die Stadt von Seiten des Mainzer Erzbischofs als Reaktion auf die Einführung der Reformation, doch werden die daraus entstehenden rechtlichen Entwicklungen bei den staatlich-hoheitlichen Prozessen betrachtet. Zur zeitlichen Differenzierung siehe die Diagramme 8 und 19-22. Zwar stieg der Wert in dieser Kategorie vom 16. zum 17. Jahrhundert marginal an, jedoch ist dabei zu beachten, dass sich die Einwohnerzahl der Stadt und damit auch die Zahl potentieller Kläger und Appellanten erhöhten. Im Jahr 1700 gelangte ein Prozess zwischen einem polnischen Rabbiner und einem Frankfurter Schutzjuden an das RKG. Der appellantische Rabbiner war mehrere Jahre durch Europa gereist und schließlich von dem Appellaten als Gast eingeladen worden, wobei letzterer zusammen mit seinen beiden Brüdern den Rabbiner beraubte („haben Sie nebst dreyen andern in der Cammer verborgen geßessenen Juden den armen unschuldigen Appellanten ergriffen, zu Erden geworffen, ihme die Kleider zerrissen, auff den leib und füße getretten, mit waßer geschittet, blaw und schwarz geschlagen“). Ihm wurden verschiedene Stücke (darunter Perlenschnüre) im Wert von mehr als 1.000 Rtlr. abge-
154
Hamburg und Frankfurt vor dem Reichskammergericht
In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts strengte der Schöffe und Ratsherr Claus Bromm 442 mehrere Beleidigungsklagen gegen die Stadt Frankfurt bzw. seine Ratskollegen an. Hintergrund dieser Prozessserie waren die missglückten Kupferspekulationen des Rates in der Mitte der 1550er Jahre, mit denen die zuvor durch den Schmalkaldischen Krieg erlittenen finanziellen Verluste ausgeglichen werden sollten, obwohl diese in der Nachbetrachtung gering wogen angesichts der nun innerhalb weniger Jahre aufgetürmten Schulden von mehreren hunderttausend Gulden. Da die Stadt nicht selbst als Einzahler der 70.000 Gulden genannt werden wollte, mussten Bromm, von Glauburg,
439
440
441
442
nommen. Die Appellaten behaupteten dagegen, sie hätten die wertvollen Stücke lediglich zur Aufbewahrung vom Appellanten erhalten (KALTWASSER, S. 525 ff., J94). Der Frankfurter Andreas Mandt klagte 1749 am RKG gegen Bürgermeister und Rat der Stadt Frankfurt, da er als angeblicher Komplize seines Dienstherren (Baron Jacob Friedrich Du Fay) an dessen Überfall auf den herzoglich sachsen-eisenachischen Geheimrat von Stetzberg beteiligt gewesen sein soll und deshalb eingesperrt wurde. Der Kläger gab an, seinen Herrn lediglich bis vor die Tür der stetzenbergischen Wohnung begleitet und von dessen Absichten nichts gewusst zu haben (KALTWASSER, S. 771, M60). Der Kölner Wilhelm Guiden versuchte 1623, am RKG ein Mandat gegen Bürgermeister und Rat der Stadt Frankfurt zu erwirken, um die vom Kläger angezeigten, jedoch bisher nicht belangten und nicht näher bezeichneten Personen zu verfolgen, die „viel tausend Taler aus dem Reich entführet und mit anderen falschen überschwemmet“ hatten. In diesem in die Hochzeit des Kippens und Wippens am Beginn des Dreißigjährigen Krieges fallenden Prozess wurde dem Kläger seitens der Stadt die Strafverfolgung der angezeigten Personen verweigert, da die Vorwürfe haltlos seien (KALTWASSER, S. 424 f., G77). Die Gemeine Judenschaft zu Frankfurt klagte 1734 gegen den ebenfalls in Frankfurt beheimateten Schutzjuden Liebmann, da dessen Entlassung aus dem Gefängnis bevorstand. Sollte dies tatsächlich der Fall sein, müsste der Beklagte der Stadt verwiesen werden, da er sich nicht nur zu Beleidigungen gegen die jüdische Gemeinde hatte hinreißen lassen, sondern auch mit Brandstiftung in der Judengasse drohte (KALTWASSER, S. 598 f., J213). Bromm saß seit 1546 im Frankfurter Rat, war zwei Jahre lang städtischer Gesandter beim Kaiser, wurde 1553 geadelt und beteiligte sich ab 1554 mit eigenem Kapital wie auch im Auftrag der Stadt Frankfurt an der Saigerhandlung auf der Steinbacher Hütte bei Eisleben. Dieses Geschäft mündete in einer finanziellen Katastrophe, die der Stadt Frankfurt horrende Schulden bescherte und Bromm in jahrelangen Streit mit dem Rat versetzte. Dank der Unterstützung des Kaisers wie auch des sächsischen Kurfürsten wurde er 1574 Stadtschuldheiß (gegen den Willen des Rates), später kaiserlicher Hofdiener und 1586 kursächsischer Rat. Allerdings hatte er schon 1560 seine Ratszugehörigkeit verloren und war zwei Jahre später von den Alten Limpurgern ausgeschlossen worden (KALTWASSER, S. 209).
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Stalburg und Geddern das Geschäft in ihrem Namen abschließen.443 Obwohl ein Großteil der anfänglichen Gewinne der Gesellschaft zur Schuldentilgung der alten Gesellschafter gegenüber den Mansfelder Grafen benötigt und damit nicht an die Anleger ausgezahlt wurde, schoss der Frankfurter Rat weitere 40.000 Gulden nach. 444 Insgesamt bestanden 1557 Forderungen der Stadt in Höhe von 170.000 Gulden und der vier Frankfurter Gesellschafter in Höhe von fast 75.000 Gulden an die Steinacher Hüttengesellschaft. Obwohl der Kupferpreis stieg (und damit zunächst auch die Gewinne), zogen die Kreditforderungen der Mansfelder Grafen das erwirtschaftete Kapital aus der Gesellschaft, deren Pachtvertrag schließlich gekündigt wurde – nach der Weigerung, einen weiteren Kredit an Graf Hans Georg von Mansfeld zu zahlen. 1558 verglichen sich die alten und neuen Gesellschafter, der Graf kam ihnen teilweise entgegen.445 Dr. Conrad Humbracht446 äußerte als Vertreter des Rates bei den Vergleichsverhandlungen Zweifel an der Redlichkeit Claus Bromms gegenüber der Stadt, weshalb dieser drei Beleidigungsklagen gegen den Schöffen und Ratsherrn Hans Völcker (1562) 447 , Humbracht selbst (1566) 448 und die Stadt (1570)449 erhob. Abgesehen von diesem Streit innerhalb des Rates waren die Folgen verheerend – einerseits waren die städtischen Schulden auf über eine Million Gulden gewachsen, wobei vor allem die hohen jährlichen Zinsen schmerzten, andererseits diente die Kupferspekulation noch Jahrzehnte später
443
444 445 446
447
448 449
Die aufgewendete Gesamtsumme betrug 118.000 fl., da Claus und Hans Bromm (mit 20.000 und 6.000 fl.) sowie von Glauburg und dessen Halbbruder (zusammen 22.000 fl.) noch privates Kapital einbrachten (DIETZ, Bd. 1, S. 299). KALTWASSER, S. 208. DIETZ, Bd. 1, S. 294 ff. Dessen Familie war durch Heirat mit den Stalburgern und den Scheids verwandt; er selbst war zunächst Schöffe und Ratsmitglied, später dann älterer Bürgermeister. Humbracht und seine Verwandten sind an insgesamt neun RKG-Prozessen beteiligt. Einer seiner Nachfahren war Adolph Carl von Humbracht (inzwischen war die Familie geadelt worden), der zwischen 1777 und 1816 im Rat saß (aus gesundheitlichen Gründen zurückgetreten), und zwar als Schöffe, Senator und älterer Bürgermeister. Zuvor hatte er im französischen Militär gedient (KOCH, Grundlagen bürgerlicher Gesellschaft, S. 394 f.). Bromm hatte gegen Völcker zunächst am Frankfurter Schöffengericht geklagt, war dort aber negativ beschieden worden, weswegen er an das RKG appellierte und Genugtuung „wegen beleidigender und ehrabschneidender Äußerungen“ des Beklagten forderte (KALTWASSER, S. 211 f., B122). KALTWASSER, S. 210, Nummer 168. KALTWASSER, S. 207 ff., Nummer 167. Bromm klagte gegen die Stadt nicht nur wegen Beleidigung, sondern auch wegen seines Ausschlusses aus dem Rat und der patrizischen Gesellschaft.
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den Aufständischen unter Fettmilch als ein Hauptargument für die dem Rat vorgeworfene Misswirtschaft.450 Die höchste feststellbare Summe in einem Prozess wegen Beleidigung verlangte der Spezereihändler Johann Michael Pfeiffer (ein ehemaliger Frankfurter Bürger, der zum Zeitpunkt des Prozesses als kurmainzischer Kommerzienrat ein akkreditierter Agent in Frankfurt war): 10.000 Reichstaler sollte der Rat der Stadt Frankfurt zahlen wegen Festsetzung des Klägers und „herbester“ Beleidigungen durch einen „untersten Bedienten der Stadt“.451 Trotz dieser z. T. recht spektakulären Fälle bleibt festzuhalten, dass die Frankfurter Parteien das Reichskammergericht wegen Kriminalsachen eher selten in Anspruch nahmen.
Staatlich-hoheitliche Rechte Im Gegensatz zu den Kriminalitätsprozessen ist der Anteil der Verfahren um staatlich-hoheitliche Rechte am Frankfurter Prozessaufkommen mit ca. 3,5% deutlich geringer (57 Fälle).452 Jedoch sind gerade in dieser Kategorie Prozesse versammelt, die wichtige politische Ereignisse der Stadtgeschichte tangieren, darunter mehrere der so genannten Religionsprozesse, die um die Einführung der Reformation geführt wurden. Neben diesen in der Folge genauer beschriebenen Verfahren, in deren Rahmen u. a. der kaiserliche Fiskal als Kläger in Erscheinung trat, gehören in diese Kategorie auch mehrere Prozesse um die Durchsetzung und Wahrung der Judenstättigkeit sowie Auseinandersetzungen um Gerechtigkeiten verschiedenster Art. Im April 1533 wurde auf Mehrheitsbeschluss der Frankfurter Bürgerschaft die Einführung der Reformation beschlossen, ungeachtet der seit 1529/30 (Reichsabschiede von Speyer und Augsburg) drohenden Gefahr eines Achturteils durch das Reichskammergericht wegen Bruch des Landfriedens. Markgraf Albrecht von Brandenburg, seinerseits Frankfurter Nachbar als Erzbischof von
450 451 452
DIETZ, Bd. 1, S. 305. KALTWASSER, S. 819, P22. Über den Untersuchungszeitraum betrachtet, verlief die Inanspruchnahme des RKGs durch Frankfurter Parteien bezüglich dieses Gegenstandes schwankend: Die 15 Verfahren im 16. Jahrhundert umfassten u. a. auch die so genannten Religionsprozesse, während Fragen der Steuerhoheit sowie Grenzstreitigkeiten mit benachbarten Territorialherren im 17. (17) und 18. Jahrhundert (25, besonders in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts [Stadtexpansion, Aufhebung geistlichen Besitzes 1803]) zu einer Zunahme staatlich-hoheitlicher Auseinandersetzungen führten.
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Mainz, klagte dann auch gegen die Stadt am Reichskammergericht.453 Dieser Entwicklung war eine Klage des Frankfurter Rates gegen den Mainzer Erzbischof und dessen Fiskal vorausgegangen – Bürgermeister und Rat forderten in Speyer die Aussetzung des kurmainzischen Arrestmandates gegen die Stadt. Der Arrest war erlassen worden, weil der Rat die St. Anna Laienbruderschaft aufgelöst und von Prior und Konvent des Karmeliterklosters, wo die Kleinodien der Bruderschaft verwahrt wurden, deren Herausgabe mit dem Hinweis forderten, diese seien nun als weltliche Güter zu betrachten. Das Kloster verweigerte sich diesem Ansinnen, während gleichzeitig der Mainzer Erzbischof das Arrestmandat verhängte.454 Ebenfalls in das Jahr 1529 datierte ein zweiter Vorgang, der wiederum den Mainzer Erzbischof auf den Plan rief: Der Rat erließ ein Edikt, in welchem Gotteslästerung, Ehebruch, Prostitution, Fluchen usw. allen Einwohnern der Stadt verboten wurde, d. h. auch geistlichen Personen. Das Verbot hing u. a. an den Toren der Stiftskirchen, weshalb der Mainzer Erzbischof am Reichskammergericht gegen Bürgermeister und Rat der Stadt Frankfurt klagte.455 Wenige Wochen bevor sich die Frankfurter Bürgerschaft zur endgültigen Einführung der Reformation entschloss (die Gefahr einer Abkehr vom alten Glauben war bereits deutlich erkennbar), klagte der Mainzer Erzbischof am Speyerer Gericht wegen der Erteilung eines Strafmandates gegen die Stadt, die unter Drohung mit der Reichsacht eine vollständige Restitution durchführen solle.456
453
454
455
456
Kaltwasser, S. 38. Siehe auch sowie JAHNS, Frankfurt, und S. JAHNS, Frankfurt, Reformation und Schmalkaldischer Bund. Die Reformations-, Reichs- und Bündnispolitik der Reichsstadt Frankfurt am Main 1525-1536 (Studien zur Frankfurter Geschichte, 9), Frankfurt a. M. 1976. Der Zustimmung der Bürger zur Reformation waren u. a. der seit Jahren anhaltende Unmut über die lavierende Politik des Rates bezüglich der Religionsfrage und die Sonderstellung der Geistlichkeit in der Stadt vorausgegangen (JAHNS, Frankfurt und Reformation, S. 26 ff.). KALTWASSER, S. 324 f., F19. Bei diesem wie auch dem nächsten Fall war neben den genannten Gesichtspunkten auch die Frage der Jurisdiktion des Mainzer Erzbischofs über den Frankfurter Rat umstritten, doch rechtfertigen die dominanten Fragen um die innerstädtische Verfassung der Stadt Frankfurt die Einordnung in diese Kategorie. KALTWASSER, S. 39 f. und S. 733 f., M1b. Die Mandate sollten von den Kirchentüren entfernt werden – bei Nichtbefolgung drohte nicht nur eine Strafe von 100 Mark lötigen Goldes, sondern auch ein Entzug der Messeprivilegien. Die Stadt hatte künftig für den Schutz der Geistlichen zu sorgen. KALTWASSER, S. 734 ff., M2. Die Ereignisse überrollten diesen Mainzer Vorstoß – im April wurde die Reformation eingeführt. Der Reichsfiskal klagte daraufhin Anfang 1534 gemäß den Beschlüssen von 1529/30 gegen die Stadt. Die beiden Verfahren wurden schließlich in einem zusammengefasst.
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In dem Bestreben, ein Exempel zu statuieren, begann schließlich der kaiserliche Reichsfiskal ein Verfahren gegen die Stadt, da diese den kaiserlichen Religionsfrieden gebrochen und den Schutz- und Schirmbrief für die drei Stiftskirchen verwirkt habe. Dieses Urteil ermächtigte den Mainzer Erzbischof, zwecks Exekution der Restitution mit Gewalt gegen die Nachbarstadt vorzugehen457, doch wurde die Sache auf Betreiben König Ferdinands I. Anfang 1535 eingestellt. Zur Wahrung der eigenen Sicherheit trat Frankfurt dennoch im Jahr darauf dem Schmalkaldischen Bund bei.458 Einer der jüngsten Frankfurter Prozesse aus dem Jahr 1804 wurde von den Konventualen des zu dieser Zeit bereits säkularisierten Karmeliterklosters geführt. Im Zuge des Reichsdeputationshauptschlusses waren der Stadt die Güter verschiedener Frankfurter Stifte, Kirchen und Klöster zugesprochen worden, doch musste die Kämmerei dafür den Geistlichen lebenslang eine Pension bezahlen. Zusätzlich oblag der Stadt die Sorge um das katholische Schulwesen und den Gottesdienst. Mit dem Argument, die Ausgaben würden die Einkünfte aus den städtischen Neuerwerbungen weit übertreffen, wurde die Zahlung an fremde, aus dem Weinheimer Karmeliterkloster stammende Geistliche verweigert. Diese waren aus dem dortigen Kloster bereits 1802 ausgeschlossen worden und nach Frankfurt geflüchtet – sie forderten mit ihrer Klage eine Gleichbehandlung mit den Frankfurter Karmelitern.459 Mehrere Klagen führten Angehörige der Grafenfamilie von IsenburgBüdingen gegen die Stadt Frankfurt, darunter eine um den Anspruch der isenburgischen Untertanen aus Offenbach, ihr Vieh im Frankfurter Stadtwald weiden zu lassen, sowie eine Beschwerde wegen der Arretierung des Offenbacher Marktschiffes und der damit nicht mehr gewährleisteten freien Schifffahrt auf dem Main. 460 Ebenso sind der Prozess des Johann Martin Baur von Eyseneck 461 sowie der Erben des kaiserlichen und Reichs-OberpostamtsSekretärs Joseph Lorenz Krebs462 zu nennen, die sich jeweils wegen vom Kaiser verliehener Freiheiten bzw. Privilegien an das Reichskammergericht wandten.
457 458 459 460 461
462
JAHNS, Frankfurt und Reformation, S. 301. KALTWASSER, S. 42 f. und S. 352 f., F60. KALTWASSER, S. 429 f., H5. KALTWASSER, S. 483 f., J9, J10. KALTWASSER, S. 150, B27. Eyseneck beantragte die Bestätigung seiner Privilegien, die ihm der Kaiser wegen seiner Verdienste während des Fettmilch-Aufstandes verliehen hatte. KALTWASSER, S. 691 f., K94. Die Erben machten gegenüber der Stadt Frankfurt ihren Anspruch auf Anerkennung der Post- und Kammeralfreiheiten geltend.
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In Fragen bezüglich verschiedener Steuern geriet die Frankfurter Obrigkeit nicht nur mit den Grafen von Isenburg-Büdingen aneinander, sondern u. a. auch mit dem Reichshauptmann Ritter Siegmund Rorbach463, dem Rat der Stadt Straßburg464 und dem in Frankfurt ansässigen Deutschen Orden465. Einnahmen („ewige Zinsen und Gülte“) der drei Frankfurter Stiftskirchen aus Häusern und Grundstücken auf städtischem Gebiet bildeten den Hintergrund einer Prozessserie zwischen den Kapiteln und dem Rat in der Mitte des 16. Jahrhunderts. Die Stadt versuchte 1549, den Vertrag über die Einnahmen aufzukündigen, nachdem der Reichstag bereits 1541 dieser Forderung zugestimmt hatte – die Kapitel protestierten.466 1555 wandten sich die Stifte erneut nach Speyer und monierten Unstimmigkeiten zwischen ihnen und dem Rat in dieser Frage, weshalb nun eine kaiserliche Kommission zwecks Zeugenbefragung eingesetzt wurde.467 Sechs Jahre später schlossen die Beteiligten den Frankfurtischen Vertrag, eine Konsensregelung, zu der sich die Stadt trotz der ursprünglichen Zustimmung des Reichstags bereiterklärte. Nach diesem Vergleich blieben die vor 1554 aufgekündigten Zinsen im Status quo, d. h. ihre Ablösung hatte Bestand, wohingegen die bisher noch existierenden Einnahmen der Kapitel nicht angetastet werden durften.468 Daneben waren Gerechtigkeiten verschiedenster Art zwischen der Stadt und diversen Territorialherren umstritten. In einem der ersten Frankfurter Verfahren standen sich Bürgermeister und Rat und die Grafen von Büdingen, Hanau und Solms 1495 gegenüber und prozessierten um die Nutzung einer Weide vor der Frankfurter Landwehr.469 1755 begann ein 33 Jahre andauernder Prozess 463
464
465
466
467 468
469
Die Stadt Frankfurt und deren jüdische Gemeinde wehrten sich gegen den Versuch des Beklagten, eine von Maximilian I. erhobene Steuer zur Finanzierung des Krieges gegen die Schweizer zu zahlen (KALTWASSER, S. 322 f., F15a). Strittig war 1625 ein von der Stadt Straßburg neu erhobener Zoll, der ohne kaiserliche Zustimmung und entgegen eines zwischen Frankfurt und Straßburg bestehenden Vertrages eingeführt worden war (KALTWASSER, S. 331 f., F24). 1751 forderte der Kurfürst von Köln in seiner Eigenschaft als Deutschmeister des Deutschen Ordens am RKG die Einhaltung kaiserlicher Privilegien durch den Rat der Stadt Frankfurt. Zwischen den Parteien war die Freiheit der Ordensmitglieder vom Siegel- und Flaschengeld umstritten (KALTWASSER, S. 1006, T10). KALTWASSER, S. 242, B180. Auch dieser Prozess steht gemeinsam mit den beiden nächsten Fällen im Zusammenhang mit der Reformation und der Säkularisierung von kirchlichem Besitz. KALTWASSER, S. 240, B176. KALTWASSER, S. 241, B179. Einzige Ausnahme der vorgestellten Regelung bildete die Kornpacht, die sich – gleichwohl vor 1554 gekündigt – weiterhin im Besitz der Kläger befand. KALTWASSER, S. 323, F17.
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zwischen dem Grafen Wilhelm Carl Ludwig zu Solms-Rödelheim und der Stadt Frankfurt um die Fischereigerechtigkeit in der Rödelheimer „Eck“. Mit Hilfe von sieben Bewaffneten hatte die Stadt eine Reuse der gräflichen Fischer beschlagnahmen lassen, wobei zwischen den Parteien umstritten war, welche Seite Eigentümer der fraglichen Gebiete sei. Der Prozess endete nach mehr als drei Dekaden mit einem Vergleich.470 Am Ende des 17. Jahrhunderts standen sich Schultheiß, Gericht und Gemeinde zu Bornheim sowie Bürgermeister und Rat der Stadt Frankfurt am Reichskammergericht gegenüber (1698). Betreffend das Weideland zwischen Frankfurt und Bornheim konnten sich die Parteien nicht über das Viehtriebrecht und Zehntpflichten einigen, da die Grenzziehung (Position der Grenzsteine) umstritten war.471 Neben den bisher ausgeführten Beispielen, welche in die Zählung der Kategorie Eingang gefunden haben, verweist das Findbuch zu den Frankfurter Reichskammergerichts-Akten auf weitere, jedoch verloren gegangene oder nur in Auszügen erhaltene Prozesse, von denen einige ebenso zu den staatlichhoheitlichen Rechten gehören. Es wurden Prozesse gegen Mainz und die Grafen von Hanau um das Recht der Erhebung eines Wegegeldes an einer Brücke bei Vilbel, gegen Mainz wegen der Störung der Territorialsuperiorität und der Jagdgerechtigkeit zwischen Landwehr und Griesheim, gegen die Grafen von Hanau wegen der Störung von Frankfurter Waldbesitz und der Festnahme eines Forstknechtes sowie gegen Schultheiß und Gemeinde zu Groß- und Klein Karben wegen unbefugter Ausübung der Weidegerechtigkeit bei Dortelweil geführt.472
Jurisdiktion Zu den umfangreicheren Prozessgegenständen zählt der Bereich der Jurisdiktion, der insgesamt 135 Fälle, d. h. ca. 8,3% des Frankfurter Prozessaufkommens ausmacht. Aus der Aufschlüsselung der Inanspruchnahme des Reichskammergerichts für einzelne Gegenstände innerhalb mehrerer Zeitabschnitte 473 geht 470 471
472
473
KALTWASSER, S. 952 f., S119. KALTWASSER, S. 204, B113. In diesem Fall sind neben den staatlich-hoheitlichen Rechten zugleich auch Fragen der Grundwirtschaft betroffen, die jedoch als zweitrangig betrachtet wurden, da der Auslöser dieses Prozesses unzweifelhaft die Unsicherheit der Grenzziehung zwischen den Territorien war. KALTWASSER, S. 329 ff. Die hier genannten Beispiele stellen eine Auswahl weiterer Fälle dar. Siehe dazu die Diagramme 8 sowie 19-22.
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hervor, dass jurisdiktionale Fälle vor allem im 17. und 18. Jahrhundert nach Speyer und Wetzlar gezogen wurden mit einem Spitzenwert von 35 Verfahren in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts.474 In Tabelle 28 (siehe unten) werden vergleichbar mit den Hamburger Ausführungen einzelne Teilbereiche der Kategorie Jurisdiktion herauskristallisiert, die eindeutige Präferenzen für bestimmte vor der Reichsjustiz zu verhandelnde Sachverhalte offenbaren. Das so entstandene Bild unterscheidet sich von den hamburgischen Erkenntnissen. Den größten Anteil in dieser Kategorie lieferten Verfahren, in denen sich Frankfurter Bewohner über die Behandlung durch die städtische Obrigkeit beklagten, woraufhin das Reichskammergericht in den meisten Fällen eine Haftentlassung der Betroffenen forderte. So erwirkte der Frankfurter Schutz- und Handelsjude Schwab 1755 gegen Bürgermeister und Rat ein Mandat, welches seine Freilassung aus dem Gefängnis anordnete. Schwab hatte 1.000 Gulden Kaution angeboten und das Reichskammergericht entschied, die Stadt müsse diese annehmen. Schwab argumentierte, seine Inhaftierung sei zu Unrecht erfolgt, er sei vielmehr Opfer einer Verschwörung, „weil er in der ‚Judenstrittigkeit dem Kannischen Theil beygetretten’“ sei.475 Der Kläger verwies hier auf die Auseinandersetzungen innerhalb der jüdischen Gemeinde am Ende der 1740er Jahre, als es zu Differenzen zwischen Isaak Kann und David Mayer Juda Kulp kam, die erst nach Einführung eines neuen Judenreglements in den 1770er Jahren verebbten.476 In einem Zehntel der Prozesse aus diesem Gegenstandsbereich war die Zulässigkeit der Appellationen an das Reichskammergericht umstritten.477 Drohte 474
475
476 477
Dennoch unterschritten diese Werte das Reichsniveau: Zur Erinnerung seien hier nochmals die Werte genannt (siehe auch FN 507): Ende des 16. Jahrhunderts erreichten die Jurisdiktionsprozesse im Reich einen Anteil von 15%, im 17. und 18. Jahrhundert durchschnittlich knapp 20%, bei Spitzenwerten von deutlich über 25% in den ersten beiden Dekaden des 17. Jahrhunderts (RANIERI, Recht und Gesellschaft, S. 244. BAUMANN, S. 91 f., 155). – Wie nicht nur anhand der Tabelle 21 sondern auch jener zu den Familienverbandssachen (Tabelle 22) oder denen zu Handel und Gewerbe sowie Geldwirtschaft (Tabellen 26 und 27) deutlich zu erkennen ist, kann zwischen zwei Teilabschnitten des Untersuchungszeitraums getrennt werden. Vom 16. auf das 17. Jahrhundert erfolgte ein starker Zuwachs in der Zahl der eingebrachten Prozesse, während die diesbezüglichen Veränderungen zwischen dem 17. und 18. Jahrhundert wesentlich geringer ausfielen, zumal zu letzterem auch noch die ersten Jahre des 19. Jahrhunderts zählten. KALTWASSER, S. 613 f., J240. Angeblich hatte der Kläger einen Bediensteten zum Diebstahl in einem Krämerladen angestiftet und war trotz der Kautionszahlung erneut verhaftet worden. DUCHHARDT, Frankfurt am Main, S. 272. Insgesamt war die Zulässigkeit noch seltener Gegenstand von Auseinandersetzungen, als die Zahlen in der Tabelle suggerieren, weil in diese auch die Privilegienbestätigungen für
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Hamburg und Frankfurt vor dem Reichskammergericht
eine Ablehnung des Verfahrens wegen formaler Beschränkungen478, stand auch den Frankfurtern die Möglichkeit einer Nullitätsklage offen, mit deren Hilfe ein Verfahren doch noch an das Reichsgericht gezogen werden konnte.479 Allerdings wurde diese Chance zur Überprüfung oder Korrektur der städtischen Urteile von den Frankfurtern nur selten wahrgenommen.480 In ebenso geringem Maße nutzten die Frankfurter Parteien die außergerichtlichen Berufungen (Extrajudizialappellationen)481, mit deren Hilfe städtische Entscheidungen und Anordnungen, die ohne ein ordentliches Gerichtsverfahren getroffen wurden, abgewendet werden konnten.482 Zur Behinderung und Verzögerung von Appellationen kam es in acht Fällen483, sowie in einem weiteren Prozess, der nur noch im Repertorium, nicht aber im Bestand nachweisbar ist, weswegen er auch nicht in die Statistik einfloss. Im besagten Fall aus dem Jahr 1693 beantragte der kaiserliche Fiskal eine Bestrafung von Schultheiß, Bürgermeister, Schöffen und Rat der Stadt Frankfurt, „weil sie Partheien, welche an das Kammergericht appellieren wollen, und Notare, welche die Appellations-Instrumente aufnehmen, durch Ansetzung von
478 479
480
481 482
483
die Stadt einflossen, da in ihnen ebenfalls die Zulässigkeit der Appellation behandelt bzw. festgelegt wurde (z. B. Bestätigung der Erhöhung der Appellationssumme auf 200 fl. im Jahre 1570 [KALTWASSER, S. 371, F95] und auf 1.000 Rtlr. 1767 [KALTWASSER, S. 370, F89]). In einigen weiteren Fällen wurde von den Parteien als Nebenargument vorgebracht, dass die Höhe der Streitsumme möglicherweise nicht ausreichend sei. Siehe dazu die Ausführungen zu den Frankfurter Appellationsprivilegien. Zur Nullitätsklage siehe LAUFS, S. 253 f. sowie FN 512. Wurde in Form einer Nullitätsklage an das RKG appelliert oder geklagt, waren die Einschränkungen bezüglich Gegenstand und Streitwert irrelevant. In nur 27 Fällen klagten oder appellierten Parteien in Form einer Nichtigkeits- bzw. Nullitätsklage, d. h. in gerade einmal 1,6% aller Frankfurter Verfahren. Siehe dazu SEEGER, S. 31 ff. sowie oben FN 518. Lediglich sechs extrajudiziale Verfahren konnten im Rahmen des gesamten Frankfurter Prozessaufkommens festgestellt werden, darunter das folgende Beispiel: Der Anwalt der Witwe des Kaufmannes Samuel Behagel beantragte beim RKG die Aufhebung eines sechsmonatigen Berufsverbots als Anwalt in Frankfurt, „Welches gegen ihn verhängt wurde aufgrund seines ‚unanständigen Betragens’ gegen den Frankfurter Schöffenrat“ bzw. den Richter (KALTWASSER, S. 243, B17 extrajud.). So erhoben zwei Appellanten aus Leipzig und Nürnberg im Jahre 1505/1508 gegen das Frankfurter Stadtgericht den Vorwurf der Appellationsbehinderung. Hintergrund des Streits war ein Prozess zwischen einer Erbengemeinschaft und den Appellanten, weil erstere bei letzteren Schulden hatten. Die Appellanten versuchten daraufhin, auf dem Klageweg eine Partie Kupfer aus dem Besitz der Prozessgegner durch die Stadt mit Arrest belegen zu lassen, doch das Stadtgericht gab diesem Antrag nicht statt. Wegen des Vorwurfs der Appellationsbehinderung war die Einschaltung des RKGs in dieser Sache gesichert und eine kaiserliche Kommission wurde eingesetzt (KALTWASSER, S. 599, J214).
Hamburg und Frankfurt vor dem Reichskammergericht
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Strafen hiervon zurückhalten“.484 Jedoch beklagten Frankfurter Prozessparteien nicht nur Einschränkungen ihres Rechts auf Appellation, sondern in weiteren Fällen auch Gerichtsbehinderung 485 bzw. Rechts(hilfe)verweigerung 486 oder -verzögerung487.
484
485
486
487
Auszug aus dem Repertorium bei KALTWASSER, S. 354, F62. Dass sich die Frankfurter Parteien von der Nutzung des in diesem Jahr wiedereröffneten RKGs nicht abhalten ließen, belegten bereits die Zahlen zur Inanspruchnahme – im Gegenteil, auch aus Frankfurt erreichten Mitte der 1690er Jahre überdurchschnittlich viele Verfahren den neuen Gerichtsort. Im Jahre 1627 rief der gräflich solmsische Rat zu Frankfurt das RKG gegen den Frankfurter Bürgermeister Spentz, einen Unterrichter und Schöffen, zu Hilfe. Er beantragte ein Mandat, um dem Bürgermeister die Behinderung der Fortführung seiner Rechtsache zu verbieten. Hintergrund des Verfahrens war ein Streit um die Bezahlung mit schlechten Münzsorten während der Hochphase der Kipper- und Wipperzeit in der ersten Hälfte der 1620er Jahre (KALTWASSER, S. 344, F45). In einem zweiten Beispielfall klagte der Frankfurter Johann Weber 1662 gegen die städtische Obrigkeit (Schultheiß, Bürgermeister, Schöffen und Rat) auf „Einhaltung der Prozeßvorschriften bei Vorenthaltung der Klageschrift des Prozeßgegners bzw. Anspruch auf Haftentlassung aufgrund einer Injuriensache“. Der städtischen Obrigkeit musste in diesem Prozess Parteilichkeit unterstellt werden, da der Kläger die ursprüngliche Auseinandersetzung mit dem kaiserlichen Rat und Schultheiß des Frankfurter Stadtgerichts, Bender von Bienenthal, geführt hatte. Strittig zwischen den miteinander verwandten Parteien (die Tochter von Bienenthals war mit dem Schwager des Klägers verheiratet) war ursprünglich ein Erbe. Auf das erste Mandat (1662) zur Gewährung der Klagefortführung folgten ein Strafmandat (1664) sowie ein Promotorialium (1666). Dieser Prozess war eines der zwölf Verfahren, in denen die Form des Promotorialiums zur Anwendung kam (KALTWASSER, S. 1088 f., W73). Der Bankier Johann Martin de Ron beantragte 1724 am RKG ein Mandat gegen den Frankfurter Rat in seinem Rechtsstreit mit dem ehemaligen Frankfurter Schutzjuden und jetzigen kurmainzischen Schutzverwandten Salomon Seckel. Letztgenannter sollte aus seinem in Frankfurt bestehenden Personalarrest freigelassen werden, in den er wegen einer Wechselauseinandersetzung mit dem Kläger geraten war (der Gefangene war als Folge des Bankrotts des lothringischen Hofjuden Levi ebenfalls falliert). Das vom Kläger beantragte Mandat forderte von der Stadt, jenem die ihm zustehende Rechtshilfe in dieser Sache zu gewähren (KALTWASSER, S. 871, R56). Zu den Prozessen, die sich mit Rechtsverzögerung oder -verschleppung auseinandersetzten, gehörte auch das Mandatsverfahren des Frankfurter Juden Zuns aus dem Jahre 1721. In einem Streit mit einem anderen Frankfurter um einen Wechselbrief von 500 Rtlr. hatte jener versucht, den Prozess an ein anderes Gericht zu ziehen, weshalb der Kläger um ein Mandat zur Beendigung dieser Verzögerungstaktik nachsuchte (KALTWASSER, S. 543, J123).
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Tabelle 28: Differenzierung der Frankfurter Jurisdiktionsprozesse 1495-1806 (135 Prozesse; absoluter Wert und prozentualer Anteil der Prozesse im jeweiligen Zeitraum) 14951599 1 (4,5)
16001699 1 (1,8)
17001806 2 (3,5)
14951806 4 (2,9)
Zulässigkeit der Appellation Justizverzögerung, -verweigerung, Gerichtsbehinderung
4 (18,2) 2 (9,1)
2 (3,5) 10 (17,8)
7 (12,3) 7 (12,3)
13 (9,6) 19 (14,1)
Versendung der Akten an eine Juristenfakultät
0
3 (5,4)
3 (5,3)
6 (4,4)
Ausübung der weltlichen Gerichtsbarkeit und städtischen Jurisdiktion
2 (9,1)
3 (5,4)
4 (7)
9 (6,8)
Urteilsvollstreckungen Zuständigkeit der Gerichte in anderen Streitgegenständen
5 (22,7) 1 (4,5)
9 (16,1) 8 (14,3)
13 (22,8) 6 (10,5)
27 (20) 15 (11,1)
Ausübung der geistlichen Gerichtsbarkeit
1 (4,5)
1 (1,8)
1 (1,7)
3 (2,2)
Ausübung der Kriminalgerichtsbarkeit Summe (Anteil an Jurisdiktionsprozessen 1495-1806)
6 (27,4) 22 (16,3)
19 (33,9) 56 (41,5)
14 (24,6) 57 (42,2)
39 (28,9) 135 (100)
Streitgegenstand Näheres nicht ersichtlich
Gerichtliche Auseinandersetzungen mit teilweise herstellbarem historischem Bezug waren jene Streitereien um die Zuständigkeit eines Gerichtsstandortes bzw. der -kompetenz. Dabei musste sich der Frankfurter Rat mit den benachbarten Territorialherren (z. B. dem Erzbischof von Mainz488) und in der Stadt ansässigen Ständen (z. B. dem Deutschen Orden489 oder den Stiften490) in recht488
489
Die bei den staatlich-hoheitlichen Fällen eingeordneten Auseinandersetzungen zwischen der Stadt und dem Erzbischof (siehe oben) berührten u. a. auch Fragen der Jurisdiktion, da der Mainzer seine Gerichtsgewalt über die geistlichen Einrichtungen in Frankfurt geltend machte und der Stadt entsprechende Kompetenzen absprach. Doch nicht nur zur Zeit der Reformation, sondern auch später waren die Zuständigkeiten zwischen den Parteien umstritten. So klagte der Erzbischof 1627 gegen den Rat der Stadt, weil dieser gewaltsam aus dem Gewölbe des Dominikanerklosters eine zuvor vom geistlichen Gericht in Mainz beschlagnahmte Kiste entfernt hatte (KALTWASSER, S. 736, M4). Ähnliche Scharmützel wie mit dem benachbarten Erzbischof lieferte sich die Frankfurter Obrigkeit auch mit dem in der Stadt angesiedelten Deutschen Orden. So klagte dessen Administrator 1604 gegen die Stadt, weil diese auf einem dem Orden gehörenden Hof
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liche Verfahren einlassen. Daneben sah sich die städtische Obrigkeit in einem Fünftel der in dieser Kategorie verzeichneten Verfahren aufgefordert, bereits ergangene Urteile ihrer eigenen oder der kammergerichtlichen Justiz auch wirklich zu vollstrecken.491 Lediglich sechsmal war die Aktenversendung zur Einholung auswärtigen Rates Hauptgegenstand von Frankfurter Verfahren 492 (gerade einmal 0,4% des gesamten Prozessaufkommens), was allerdings keinen Hinweis auf eine prinzipielle Verweigerung der Frankfurter Obrigkeit bezüglich dieser Möglichkeit darstellte, sondern lediglich der ohnehin geringen Zahl von Verfahren geschuldet war, in denen überhaupt die Chance zur Aktenverschickung wahrgenommen wurde. Insgesamt geschah dies in 78 Fällen, am häufigsten wurden Altorf (Nürnberg) und Gießen (in jeweils 12 Verfahren) sowie Helmstedt und Tübingen (jeweils 8) in Anspruch genommen.493 Bei der Übersicht zu den Frankfurter Gerichtsinstanzen wurde bereits darauf hingewiesen, dass es zwar – ähnlich wie in Hamburg – eine Vielzahl verschiedener Gerichte und Entscheidungsgremien gab, jedoch waren die Vorinstanzen für Verfahren, die schließlich an das
490
491
492
493
einen „ordensritterlichen“ Schäfer verhaftet und ihm 2 Rtlr. abgenommen hatte – ein Verstoß gegen den 1543 „umb gnediger guter Nachbarschafft willen“ (#4) erneuerten Vertrag zwischen Stadt und Orden bezüglich dieses Hofes (KALTWASSER, S. 1002 f., T6). 1757 klagte das Liebfrauenstift gegen zwei Frankfurter, die zuvor in einem Verfahren am Ackergericht der Stadt einen zwischen ihnen und dem Stift umstrittenen Acker zugesprochen bekamen. Nachdem das Stift eine Revision am übergeordneten Schöffengericht verloren hatte, appellierte es an das RKG mit dem Hinweis, die kaiserlichen Privilegien von 1530 und 1748 „befreiten Personen und Güter der [drei Frankfurter] Stifte von aller weltlichen Obrigkeit, vor allem aber von der Jurisdiktion der Reichsstadt Frankfurt“ (KALTWASSER, S. 731 f., L50). Siehe dazu z. B. KALTWASSER, S. 368, F84. In diesem Prozess klagte 1755 ein Frankfurter Gasthalter auf den Vollzug des Urteils in dem grundwirtschaftlichen Prozess gegen seinen Nachbarn (siehe unten sowie KALTWASSER, S. 346 f., F50). – Der Anteil dieser Prozesse entspricht in etwa jenem Hamburgs (23%). Eines dieser Verfahren stammte aus dem Jahr 1748, als Dr. Klumpf gegen Schultheiß und Schöffen der Stadt Frankfurt ein Mandat zur Aktenversendung an eine unparteiische Universität beantragte, welches ihm im Namen Kaiser Franz’ auch gewährt wurde. Hintergrund war ein Streit zwischen ihm und der Witwe eines Spezereihändlers aus Sachsenhausen, die gegen ihn eine 14 Jahre alte Forderung von 100 fl. geltend machte (KALTWASSER, S. 690, K90). Ein weiteres Beispiel stellt der Prozess des Juristen Dr. Bader dar, der 1667 gegen die Frankfurter Obrigkeit ein Mandat zur Versendung der Akten an eine unparteiische Juristenfakultät in einem nicht näher bezeichneten Verfahren erwirkte (KALTWASSER, S. 230, B153/1 [Aktennummer 379]). Weitere Universitäten waren: Erlangen, Frankfurt a. d. Oder, Göttingen, Halle, Heidelberg, Ingolstadt, Jena, Köln, Leipzig, Mainz, Rinteln, Rostock, Straßburg und Wittenberg.
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Hamburg und Frankfurt vor dem Reichskammergericht
Reichskammergericht gelangten, bis auf wenige Ausnahmen Schöffengericht494 und Schöffenrat495. Zu anderen Vorinstanzen zählten der Rat496 (in 23 Fällen), das Pfeiffergericht (eine Sonderform des Schöffengerichts; 18) und die Bürgermeisteraudienz (12). Dazu kamen in Einzelfällen andere der oben genannten Institutionen wie Land- und Bauamt (in zwei bzw. einem Verfahren). Insgesamt nutzten die Frankfurter Prozessparteien das Reichskammergericht vergleichsweise ausgiebig für die Klärung jurisdiktionaler Streitfälle, besonders aber für die Abwehr von Übergriffen seitens des Rates. Weitere größere Komplexe bildeten jene Verfahren, in denen die Frage der Gerichtskompetenzen zwischen der Stadt und ihren Nachbarn umstritten war sowie die Prozesse um Justizverweigerung oder -verzögerung (bezüglich Appellationen, Klagen und Urteilsvollstreckungen), wo vor allem dem Rat bzw. den städtischen Gerichtsinstanzen unlautere Methoden unterstellt wurden (z. B. Nichtvollstreckung wegen Parteinahme).
Familienverband Den zweitgrößten Anteil an den insgesamt 1.634 Frankfurter Prozessen erreichten die Verfahren mit Bezug zum Familienverband: 353 Fälle (21,6% des Prozessaufkommens) können dieser Kategorie zugewiesen werden, die sich zwar auf alle drei Jahrhunderte des Untersuchungszeitraumes verteilten, sich allerdings vom 16. zum 17. Jahrhundert annähernd verdoppelten.497 In jedem Fall war das Reichskammergericht für Frankfurter, die verschiedenste Klagen und Appellationen vor dem Hintergrund des Familienverbandes führten, sehr attraktiv. Aus Tabelle 29 (siehe unten) wird ersichtlich, dass die hohe Anzahl der Prozesse in dieser Kategorie vor allem Erbschaftsstreitigkeiten sowie Auseinandersetzungen um Nachlässe geschuldet war, die jeweils vom 15. bis ins 19. Jahr-
494 495
496
497
Dieser wurde auch als Stadtgericht bezeichnet (KALTWASSER, S. 1239). In diese Kategorie zählen auch der „Magistrat“ (Stadtregierung; in den Akten als „Rat“ bezeichnet, da die Bezeichnung Magistrat erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gebräuchlich wurde) sowie die vorinstanzliche Titulatur „Schultheiß und Schöffen“ (KALTWASSER, S. 1239). Nicht zu verwechseln mit dem Magistrat – der Rat fungierte nur in bedeutenden zivilrechtlichen Angelegenheiten als Gericht. Siehe dazu die Diagramme 8 sowie 19-22. Gelangten im 16. Jahrhundert „nur“ 70 Prozesse dieser Kategorie an das RKG, waren es im 17. Jahrhundert bereits 138 und im 18. Jahrhundert gar 145 Verfahren, die einen familienrechtlichen Hintergrund aufwiesen.
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Hamburg und Frankfurt vor dem Reichskammergericht
hundert nachgewiesen werden können. Die Verteilung der Verfahren innerhalb der Kategorie weist bezogen auf die drei Jahrhunderte des Untersuchungszeitraumes Parallelen zu Hamburg auf und übersteigt ebenso wie dessen Anteile an den einzelnen Zeitabschnitten die Werte für das Reich.498 Bereits im 15. Jahrhundert behandelten fünf der insgesamt 12 Frankfurter Verfahren u. a. auch Auseinandersetzungen um Erbschaften499, die zusammen mit den Fragen der testamentarischen Erbfolge und den Nachlassangelegenheiten über die Hälfte aller Familienverbandsprozesse ausmachten. Tabelle 22: Differenzierung der Frankfurter Familienverbandsprozesse 14951806 (353 Prozesse; absoluter Wert und prozentualer Anteil der Prozesse im jeweiligen Zeitraum) Streitgegenstand Näheres nicht ersichtlich
14951599 1 (1,4)
16001699 3 (2,2)
17001806 3 (2,1)
14951806 7 (2)
Gültigkeit von Ehen, Eheversprechen Ehegüterrecht, Aussteuer, Brautschatz
2 (2,9) 5 (7,1)
4 (2,9) 12 (8,7)
6 (4,1) 16 (11)
12 (3,4) 33 (9,3)
Alimente, Schwängerung, uneheliche Kinder Vormundschaft, Abrechnung über Vormundschaft Testamentarische Erbfolge
0
8 (5,8)
4 (2,8)
12 (3,4)
2 (2,9)
15 (10,9)
10 (6,9)
27 (7,6)
11 (15,7)
17 (12,3)
22 (15,2)
50 (14,2)
Nachlassinventare, -verwaltung Erbverträge und -vergleiche, Erbteilungen Fideikommissnexus und -stiftung
14 (20) 28 (40)
29 (21) 35 (25,4)
37 (25,5) 26 (17,9)
80 (22,7) 89 (25,2)
0
2 (1,4)
4 (2,8)
6 (1,7)
Gesetzliche Erbfolge, Pflichtteil Summe (Anteil an Familienrechtsprozessen 1495-1806)
7 (10) 70 (19,8)
13 (9,4) 138 (39,1)
17 (11,7) 145 (41,1)
37 (10,5) 353 (100)
498
499
Siehe dazu RANIERI, Recht und Gesellschaft, S. 483 f. BAUMANN, S. 90, 164 f. Im 16. Jahrhundert standen einem Anteil von 12% im Reich 21% für Frankfurt gegenüber, im 17. und 18. Jahrhundert lag der Reichsdurchschnitt bei ca. 17%, der Frankfurter Anteil der Familienprozesse bei ca. 22%. Unter diesen befindet sich auch ein Prozess aus dem Jahr 1496, als zwei Einwohner Nieder-Erlenbachs wegen der Erbansprüche an die Hinterlassenschaft des Vaters des Appellanten aneinander gerieten (der Appellat war der Stiefvater des Klägers) (KALTWASSER, S. 207, B120).
168
Hamburg und Frankfurt vor dem Reichskammergericht
Mit kleineren Anteilen folgten Streitigkeiten um Pflichtteile, Ehegüterrecht und Vormundschaft, in noch geringerem Maße um die Gültigkeit von Ehen500 und Alimentierung501 . Die kleinste Teilkategorie bildeten allerdings die Fideikommisse, da diese Art der Erbschaftsregelung erst im 19. Jahrhunderts an Bedeutung gewann.502 Wie für den gesamten Bereich Familienverband steigerte sich die Zahl der Prozesse auch in den kleinen Kategorien vom 16. zum 17. Jahrhundert. Im 18. Jahrhundert wurde das Reichskammergericht in einigen Teilkategorien dagegen wieder seltener in Anspruch genommen als im 17. Jahrhundert (z. B. bei Alimenten), in anderen stieg die Zahl der eingebrachten Prozesse dagegen nochmals an (z. B. beim Ehegüterrecht). Wie im folgenden Kapitel noch näher zu zeigen sein wird, fielen die mittels Vermählung entstandenen familiären Bindungen zwischen den verschiedenen wohlhabenden Kaufmannsfamilien (Stalburg, Behagel, Bassompierre, Du Fay usw.) auf. Mitglieder dieser u. a. Familien waren jeweils in mehreren Prozessen am Reichskammergericht vertreten, wobei es sich nicht nur um berufsbezogene Fälle handelte (z. B. betreffend den Konkurs von Isaak Behagel d. J. mit der vom Vater ererbten Manufakturenhandlung 503 ), sondern ebenso auch Vormundschaftsangelegenheiten und Nachlässe, die gerichtlich geklärt werden mussten und wegen ihrer hohen Streitwerte bis an das Reichskammergericht getragen wurden. Einer der Prozesse mit familienrechtlichem Hintergrund behandelte einen Erbschaftsstreit innerhalb der Familie Merian. Dabei klagte die Witwe des Portraitmalers Matthäus Merian 504 des Älteren 1688 gegen ihren 500
501
502
503 504
So stritten sich ab 1783 der Frankfurter Notar und Feueramtsschreiber Behrends sowie dessen Frau („Ehekonsortin“) mit dem Vater des Appellanten (einem Chirurgen). Letzterer hatte seinem erwachsenen Sohn die Heirat mit seiner schwangeren Braut verboten und war in dieser Ablehnung von der Frankfurter Obrigkeit bestätigt worden (in diesem Fall ist das Konsistorialrevisionsgericht die urteilende Instanz, bevor die Sache nach Wetzlar überstellt wurde) (KALTWASSER, S. 160 f., B49). In diesem Teilbereich sind auch die mit der Alimentierung eng verbundenen Klagen wegen unehelicher Schwangerschaft angesiedelt. So appellierte 1602 ein Gastwirt (der während des Prozesses verstarb) gegen ein Urteil des Frankfurter Stadtgerichts, welches ihn zur Zahlung von 600 fl. verurteilt hatte, da er die Tochter des Appellaten, die bei ihm als Dienstmagd tätig war, geschwängert hatte (KALTWASSER, S. 481, J4). Folgerichtig fehlen derartige Fälle im 16. Jahrhundert komplett (wie in Hamburg und im Reich [RANIERI, Recht und Gesellschaft, S. 502 ff.]) und sind im 17. und 18. Jahrhundert nur marginal vertreten. Zur Erklärung dieser Nachlassregelung siehe oben FN 537. Siehe dazu unten Kapitel III. Matthäus Merian der Ältere und sein gleichnamiger Sohn hielten in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in verschiedenen Kupferstichen das zu dieser Zeit noch gotische Bild der Stadt fest (SCHINDLING, S. 206). Nicht vertreten ist die ebenfalls berühmte Maria Sybilla Merian, die Tochter von Merian dem Älteren, die als Kupferstecherin und Malerin
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jüngsten Sohn und dessen Geschwister. Neben einem Haus waren zwischen den Parteien auch verschiedene Mobilien, darunter mehrere Bilder des 1687 verstorbenen Meisters, umstritten.505 Anhand dieser Ergebnisse wird klar, dass die Frankfurter Parteien das Reichskammergericht besonders im 17. und 18. Jahrhundert gern zur Klärung ihrer innerfamiliären Streitigkeiten nutzten und dabei vor allem in Erbschaftsund Nachlassfragen. Viel kleinere Anteile am Prozessaufkommen stellten dagegen Verfahren aus den Bereichen Grund- und Bodenwirtschaft sowie Lehnswesen und Grundherrschaft, die zum Abschluss dieser Ausführungen ebenfalls einer näheren Betrachtung unterzogen werden sollen.
Grund- und Bodenwirtschaft Die 35 festgestellten Verfahren aus dem Bereich der Grund- und Bodenwirtschaft können in allen drei Jahrhunderten des Untersuchungszeitraumes nachgewiesen werden, allerdings mit einer starken Konzentration im 18. Jahrhundert: Sechs Verfahren im 16. und fünf im 17. stehen 24 Prozesse im 18. Jahrhundert gegenüber.506 Bei der größten Anzahl dieser Fälle handelt es sich um Auseinandersetzungen zwischen Nachbarn um baurechtliche Fragen oder konkurrierende Ansprüche auf die Nutzung von Häusern oder Grundstücken.507 So klagte der Buchdrucker Nicolaus Bassée508 im Jahre 1588 gegen Dorothea Steffan (eine geb. Stalburg), weil er sich in seiner Lichtgerechtigkeit gestört fühlte.509 Kurz vor dem Beginn des Dreißigjährigen Krieges gelangte ein Prozess an das Reichskammergericht, welches für Frankfurter Verhältnisse insofern ungewöhn-
505 506 507
508 509
das künstlerische Erbe ihres Vaters antrat und wegen ihrer Insektenforschungen in Surinam auch wissenschaftliche Berühmtheit erlangte (siehe dazu ausführlicher E. P. FISCHER, Leonardo, Heisenberg & Co. Eine kleine Geschichte der Wissenschaft in Porträts, München 2000, S. 53-65). KALTWASSER, S. 750 f., M29. Siehe dazu die Diagramme 8 sowie 19-22. Fast die Hälfte aller Prozesse dieser Kategorie (17) datieren in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts – jene Zeit, in der einerseits die städtische Bevölkerung wuchs, andererseits aber auch der Ausbau der Stadt (Expansion über die bisherigen Grenzen hinaus) begonnen wurde. Zu Bassée folgen detaillierte Ausführungen im Kapitel III.2. Kaltwasser, S. 240, B175. Die Angaben zu diesem Fall sind spärlich, da nur Teile der ursprünglichen Prozessakte überliefert sind. Das Verfahren wurde am Frankfurter Stadtgericht eröffnet und gelangte dann mittels Appellation an das RKG, allerdings fehlen zu den dortigen Vorgängen die Unterlagen.
170
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lich ist, weil zwei Vorinstanzen vermerkt wurden – 1613 und 1617 war der Fall bereits am Schöffengericht anhängig, bevor er ebenfalls 1617 Speyer per Appellation erreichte. Der Frankfurter Andreas Beer (und Konsorten) lag im Streit mit seinem Nachbarn Peter Frey (und Konsorten510) um die Frage der Abwasserentsorgung ihrer beiden Gasthäuser.511 Zwar nahm die Zahl der grundwirtschaftlichen Verfahren im 18. Jahrhundert stark zu, da inzwischen die Bevölkerung stetig anstieg, aber erst nach dem Ende des Siebenjährigen Krieges mit der Erweiterung der Stadt begonnen wurde.512 Jedoch änderten sich die Gegenstände der Prozesse kaum: Im Jahre 1732 lag das St. Bartholomäusstift mit einem Frankfurter Weinhändler und Gastwirt in einem Streit um die Lichtgerechtigkeit. Ein Baubescheid vom Beginn des Jahres hatte den Appellanten zur Verkleinerung eines zuvor vergrößerten Fensters im Stiftshaus verpflichtet, da der Appellat sich davon gestört fühlte. Dagegen legte der Appellant Rechtsmittel am Reichskammergericht ein.513 Ein vergleichbares Bauproblem trugen 1755 ein Frankfurter Kaufmann und seine Nachbarn an das Reichskammergericht: Der Appellant hatte drei Jahre zuvor das städtische Zeughaus für 8.500 Gulden gekauft und den Umbau zu einem Wohnhaus begonnen, wobei er dabei auch die Fenster vergrößern lassen wollte. Dagegen erhoben die Appellaten Einspruch, welcher von der Stadt unter Verweis auf Regelungen in der Stadtreformation positiv beschieden wurde.514 Neben baurechtlichen Fragen wurden in geringerem Umfang auch strittige Nutzungsrechte am Reichskammergericht verhandelt. Im Jahre 1753 appellierte der Syndikus des Bartholomäusstiftes gegen ein Urteil des Schöffengerichts. Ein
510
511 512
513 514
Bei beiden Parteien verschiedene Verwandte sowie auf appellantischer Seite ein Vormund der Stiefkinder des Klägers und auf appellatischer Seite die Vorbesitzerin des Gasthauses des Beklagten. KALTWASSER, S. 158, B46. Siehe KLÖTZER, S. 303 ff. sowie Tabelle 2 mit der Entwicklung der Einwohnerzahlen in Frankfurt. KALTWASSER, S. 235 f., B161. KALTWASSER, S. 346 f., F50. Der Umbau der Fenster hätte Veränderungen an der Dachtraufe erfordert, womit das Traufenrecht der Nachbarn verletzt würde. Dieses Verfahren zog einen weiteren Prozess nach sich, der dieses Mal vom Appellaten gegen die Stadt eröffnet wurde – er forderte die Umsetzung des erstinstanzlichen Frankfurter Urteils und beklagte die Verzögerungen durch den Schöffenrat, der sich offensichtlich nicht auf eine einheitliche Position in diesem Fall einigen konnte (KALTWASSER, S. 368, F84). Der zweite Fall gehört allerdings nicht in die Kategorie der grund- und bodenwirtschaftlichen Prozesse, sondern in den Bereich der Jurisdiktion (siehe oben).
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Frankfurter Krugkrämer und mehrere Kaufleute stritten mit dem Stift um die Nutzung eines an das Haus des Krugkrämers stoßenden Grundstücks.515 Der Anteil der Verfahren um grund- und bodenwirtschaftliche Streitigkeiten am gesamten Frankfurter Prozessaufkommen war mit etwa 2% gering.
Grundherrschaft und Lehnswesen Die Zahl der Prozesse in diesen beiden Kategorien war im Falle Hamburgs so gering, dass auf ihre separate Betrachtung verzichtet wurde.516 Für Frankfurt konnten aber immerhin zehn Verfahren festgestellt werden, zwei mit lehnsrechtlichem und acht mit grundherrschaftlichem Bezug. Mit fast einem Jahrhundert Abstand fanden die Auseinandersetzungen um Lehen statt, eine im Jahre 1526517 (bis 1535), die zweite im Jahre 1624518 (bis 1626). Die acht Verfahren um Fragen der Grundherrschaft verteilen sich – soweit eine solche Aussage bei nur acht Fällen überhaupt sinnvoll ist – gleichmäßig über die drei Jahrhunderte des Untersuchungszeitraumes. Hintergrund dieser Prozesse waren
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KALTWASSER, S. 376 f., F104. Der Appellant behauptete, das Grundstück gegen jährlich 4 Rtlr. Zins verliehen zu haben, der Appellat erklärte dagegen, er habe dieses Grundstück beim Kauf seines Hauses mit erworben. Fraglich ist, inwieweit der Platz überhaupt zu nutzen sei, da er von Seiten der Stadt mit einem Bauverbot belegt worden war. Die Akte enthält u. a. eine farbige Zeichnung, die das strittige Gebiet inklusive Stift und Höllgasse (wo sich das Streitobjekt befand) abbildet. Das Haus des Appellaten gehörte ursprünglich Johann Bonaventura von Bodeck, der in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts in mehr als einem halben Dutzend Fällen am RKG vertreten war (siehe dazu Kapitel III.2). Siehe oben Kapitel II.2. Für die Hansestadt konnte lediglich ein Fall aus dem Bereich der Grundherrschaft ermittelt werden, ein Verfahren mit primär lehnsrechtlichem Bezug tauchte gar nicht auf. Otto von Dorthausen und Johann Woerden von Vliett appellierten am RKG gegen ein Urteil des Frankfurter Stadtgerichts in einem Streit mit Magdalena von Amerongen um ein Lehen, welches sich laut Lehensregister im Besitz der mütterlichen Seite der Familie der Appellatin befand (KALTWASSER, S. 293, D31). Der zweite Fall mit lehensrechtlichem Bezug wurde von Erzherzog Carl von Österreich (als Administrator und Meister des Deutschen Ordens) und Freiherr Ulrich von Wolkenstein (Komtur des Deutschen Ordens zu Frankfurt) gegen den Bürger und Marstaller Michael Ottinand aus Frankfurt geführt. Letztgenannter besaß ein erbliches Lehen des Ordens, welches er einem Dritten ohne Wissen des Ordens für 3.250 fl. verkauft hatte, dieses Geschäft aber auf Druck des Ordens wieder rückgängig machen musste. Damit das Haus bewohnt sei, ließ der Appellat die dritte Partei als „Zinsmann darinnen sitzen“, was vom Stadtgericht im Vorverfahren akzeptiert wurde. Daraufhin appellierte der Orden an das RKG (KALTWASSER, S. 1005, T11).
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strittige Zahlungen (Korngülte519 und Zehnt520) sowie zu leistende Frondienste521.
4. Vergleich Nach dem Abschluss der Untersuchungen zu Hamburg und Frankfurt am Reichskammergericht – vorbehaltlich der noch ausstehenden gesonderten Betrachtung der Handels- und Handwerkssachen – ist es an der Zeit, beide Städte auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse miteinander zu vergleichen. Dabei bleibt die Reihenfolge der Unterpunkte der Teilkapitel II.2 und II.3 erhalten, jedoch wird insofern eingeschränkt, dass die Prozessgegenstände in einem Punkt zusammengefasst werden.
Instanzenzug und Appellationsprivilegien Der prinzipielle Instanzenzug unterschied sich für Hamburg und Frankfurt vor allem in der Art und Anzahl der dem Reichskammergericht subordinierten Urteilsgremien. In beiden Städten gab es Gemeinsamkeiten hinsichtlich der 519
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1588 appellierten die Kornherren der Stadt Frankfurt am RKG gegen ein Urteil des Hanauer Hofgerichts. Hintergrund war ein Streit zwischen ihnen und verschiedenen Einwohnern von Bergen, Enkheim und Seckbach um die Abgabe von Korn- und Weingülte, die für die in Seckbach gelegenen Güter an die Appellanten gezahlt werden sollten (KALTWASSER, S. 373, F100). Isaak Löw Beer, ein fürstlich-hessischer Hofagent und zugleich Schutz- und Handelsjude in Frankfurt, appellierte 1793 an das RKG in seinem Streit mit einem Frankfurter Kaufmann und dem Schöffenrat. Der hessen-darmstädtische Jägermeister war in Konkurs geraten und hatte seine Besitzungen in Dortelweil an den Appellaten übertragen. Damit war der Appellant als ein weiterer Gläubiger des Jägermeisters nicht einverstanden, da die Ländereien angeblich mit einem Allodial-Zehnten versehen waren, um dessen Vorhandensein am RKG gestritten wurde (KALTWASSER, S. 585, J191). 1737 appellierte der Syndikus der Gemeinde Nieder-Erlenbach gegen ein Urteil des dortigen Schöffengerichts in einer Auseinandersetzung mit Johann Ernst von Glauburg und dessen Erben: Letztere bestanden auf der Pflicht der Gemeinde zur Fruchtfron und weiteren Diensten für die Burgherren zu Nieder-Erlenbach. Beide Seiten interpretierten den Begriff der „Frongerechtigkeiten“ unterschiedlich, nachdem die Burg inklusive der Dienste von der Stadt Frankfurt an einen Glauburg verkauft worden war (KALTWASSER, S. 783 f., N19).
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Rechtssprechung durch den Rat sowie die Bürgermeister (in Hamburg als Obergericht, in Frankfurt als Schöffengericht [als ein Teil des Rates] bezeichnet), jedoch auch spezielle Gerichte. So wurde in Hamburg die Admiralität u. a. zur Entscheidung von seerechtlichen Streitigkeiten eingeführt, während in Frankfurt das Schöffengericht für die Zeit der Messe Sondervollmachten übernahm. Sowohl Frankfurt als auch Hamburg stützten sich bei der eigenen Rechtspraxis auf Gesetze und Statuten, die im 16./17. Jahrhundert dem vom Reichskammergericht praktizierten Römischen Recht angepasst wurden.522 Übereinstimmung herrschte bei den städtischen Obrigkeiten auch darüber, die Delegierung eigener Rechtshoheit an das Reichskammergericht zu begrenzen. Die zu diesem Zweck zur Verfügung stehenden Appellationsprivilegien wurden noch im 16. Jahrhundert an Frankfurt (1512) und Hamburg (1553) verliehen. Während sich der Frankfurter Rat bis 1743 mit letztlich 300 rheinischen Gulden als Appellationssumme vergleichsweise moderat gab, erlangte Hamburg gleich in seinem ersten Privileg eine doppelt so hohe Summe sowie u. a. den Ausschluss von Injuriensachen. 1634 erwirkte die Stadt eine Erhöhung auf 700 Gulden sowie den Ausschluss von Handelssachen von der Appellationsfähigkeit, doch konnte anhand mehrerer hundert Handelsprozesse bewiesen werden, dass gerade letzteres Verbot wegen der toleranten Haltung des Reichskammergerichts wenig wirksam war. In Frankfurt galten dagegen nur Urteile wegen Körperverletzung als nicht appellabel523 , Einschränkungen bezüglich Handelssachen bestanden nicht. Darüber hinaus gelang es der Stadt 1743, gegen die Empfehlung des Reichshofrates524 eine Appellationssumme von 1.000 Reichstalern durchzusetzen.525
522
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525
Siehe dazu die entsprechenden Abschnitte für Hamburg und Frankfurt in den Kapitel II.2 und II.3. Entsprechende Verfahren können nicht nachgewiesen werden, obwohl in einigen Prozessen Misshandlungsvorwürfe vorgebracht werden. Deren Hintergrund liegt jedoch in den meisten Fällen in einer gewaltsamen Durchsetzung von Ansprüchen und Forderungen begründet und muss darüber hinaus jeweils auf ihren Wahrheitsgehalt geprüft werden. Lediglich in einem Fall wird ein Mord erwähnt, der aber keinen direkten Bezug zum eigentlichen Verfahrensgegenstand besitzt. Hamburg hatte bei der letztmaligen Privilegienerhöhung 1634 versucht, 1.000 fl. zu erhalten, doch entsprach der Kaiser in diesem Fall der Empfehlung des RHR auf eine geringfügigere Erhöhung zur Vermeidung der zu starken Einschränkung der kaiserlichen Jurisdiktion. Es gibt weitere Beispiele dieser Art (z. B. Bremen 1768; EISENHARDT, S. 80), aber eben auch solche, wo der Kaiser die entsprechenden Verwerfungsgründe ignorierte (z. B. Hessen-Darmstadt 1631; EISENHARDT, S. 88). Vgl. EISENHARDT, S. 82 ff.
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Während die städtische Gerichtsbarkeit auch ohne eine Zugehörigkeit zum Reich Bestand gehabt hätte, beweist die Beantragung von Appellationsprivilegien die Einbindung beider Städte in das Rechtssystem des Alten Reiches. Zwar könnte das Bemühen um ein Privileg zu Recht als Versuch der Ausgrenzung (und Versuch der Wahrung der eigenen Gerichtshoheit) verstanden werden, doch spiegelt sich beispielsweise in dem verschieden starken Bemühen beider Räte um eine Begrenzung oder Verhinderung von Appellationen an eine den städtischen Gerichten übergeordnete Instanz das vorhandene Wissen um die Aufgaben und Möglichkeiten des Reichskammergerichts wider. Zudem machten beide Städte als Reichsstände 526 selbst von den Möglichkeiten des Rechtsweges Gebrauch, z. B. um Handelsprivilegien gegen benachbarte Ansprüche durchzusetzen.
Inanspruchnahme Die hohe Zahl von 1.369 bzw. 1.634 Prozessen aus Hamburg bzw. Frankfurt zeugt von der Akzeptanz des Reichskammergerichts bei den Bewohnern beider Städte als Vermittlungsinstanz rechtlicher Streitigkeiten bzw. als Kontroll- und Revisionsinstrument der städtischen Gerichtsbarkeit und belegt die Integration auch des im Norden des Reiches gelegenen Hamburgs in dessen verfassungsrechtliche Strukturen. Allerdings muss einschränkend angemerkt werden, dass die höhere Zahl der Frankfurter Prozesse noch eine deutliche Aufwertung bei einem Vergleich der Einwohnerzahlen beider Städte erfährt. Lag Frankfurt um 1500 nur knapp hinter Hamburg, konnte die Stadt an der Elbe 1600 bereits doppelt so viele Einwohner vorweisen, um 1800 sogar die dreifache Anzahl.527 Daneben wirkten sich verschieden hohe Appellationssummen und Entfernungen zum Gerichtsort aus. Einen Vorsprung bei der Gesamtzahl der Verfahren „erarbeitet“ sich Frankfurt bereits am Anfang des 16. Jahrhunderts, als die dortigen Einwohner ihre
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527
Auch wenn der Status im Falle Hamburgs lange Zeit in der Praxis umstritten blieb, rechtlich hatte das RKG selbst 1618 diesen in einem Urteil bestätigt. Vgl. dazu die Angaben zu den Bevölkerungszahlen für Hamburg (KLESSMANN, S. 65 f., 114, 123, 165, 246. Vgl. auch H. REINCKE, Hamburgs Bevölkerung, in: H. REINCKE, Forschungen und Skizzen zur hamburgischen Geschichte [Veröffentlichungen aus dem Staatsarchiv der Hansestadt Hamburg, 3], Hamburg 1951, S. 167-200) und Frankfurt (BUND, S. 66 ff. SCHINDLING, S. 209. DUCHHARDT, Frankfurt am Main, S. 261, 297. KALTWASSER, S. 34. KLÖTZER, S. 305.). Zwei Tabellen (47 und 48) dazu finden sich im Anhang.
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Nähe zum in ihrer Stadt gegründeten Gericht nutzen. Wie aus dem Verlauf der Graphen in Tabelle 30 (siehe unten) hervorgeht, dauerte es bis zur zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, bevor Hamburg bei der Frequentierung des Gerichts erstmals an Frankfurt vorbeiziehen konnte. So verdeutlichen die Zahlen zur Inanspruchnahme innerhalb einzelner Dekaden für die Mainmetropole bereits einen ersten Einbruch zur Zeit des Todes Maximilians, als die Existenz des Reichskammergerichts (wie schon direkt am Anfang des 16. Jahrhunderts) zur Disposition stand. Während aus Hamburg wegen der oben genannten Faktoren bis 1524 gerade einmal acht Prozesse bis nach Frankfurt, Regensburg usw. gelangten, hatte Frankfurt bereits ein Appellationsprivileg erhalten. Erst um 1550 überstieg die Zahl der Hamburger die der Frankfurter Prozesse, als sich die Stadt des Kaisers von diesem ab- und dem protestantischen Bündnis zuwandte. In der Mitte des 16. Jahrhunderts erwarb Hamburg sein erstes Appellationsprivileg, aber die Zahl der Prozesse nahm dennoch sprunghaft zu – bedingt durch die Aufstockung des Gerichts um lutherisches Personal und die „Blütezeit“528 während einer drei Jahrzehnte anhaltenden, ungestörten Arbeit. Ein erster Rückgang der Inanspruchnahme, der bei beiden Untersuchungsobjekten nahezu parallel festgestellt werden konnte, erfolgte während des Dreißigjährigen Krieges, nach dessen Ende sowohl für Hamburg als Frankfurt eine erneute Zunahme der Prozesszahlen sichtbar wird, für Hamburg allerdings eine stärker ausgeprägte. Zum Ende der Speyerer Zeit des Gerichts verlief die Entwicklung des Geschäftsanfalls verschieden: Aus Frankfurt gelangten selbst während der Phase des erzwungenen Umzugs nach Wetzlar Prozesse an das Reichskammergericht, während hamburgische Parteien dem flüchtenden Gericht fernblieben. Beiden Städten gemeinsam war dann allerdings die Tendenz während der nächsten Jahrzehnte bis zum Ende des Gerichts, auch wenn die absoluten Werte für einzelne Zeitabschnitte z. T. weit auseinander lagen und eine leichte Versetzung der Graphen eintrat.529 Dem massiven Einbruch in der Nutzung des Gerichts während der ingelheimschen Affäre folgte eine erneut steigende Inanspruchnahme, die – nach einer weiteren Talfahrt – in der Zeit nach dem Siebenjährigen Krieg einen Höhepunkt erreichte. In den letzten Jahrzehnten seiner Existenz wurde das Gericht schließlich weniger genutzt, obwohl inzwischen alle bisher vakanten Stellen mit entsprechendem Personal besetzt waren. Trotz des Rückgangs der Inanspruchnahme konnte das Gericht gerade in den letzten drei Dekaden seines Bestehens seinen zwischenzeitlich beschädig528
529
Moraw spricht von der Zeit des „wohl größten Erfolgs“ in der Geschichte des RKGs (MORAW, S. 28). Letzteres bedeutet, dass die Entwicklung tendenziell ähnlich verlief – jedoch mit zeitlichem Versatz.
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ten Ruf als unabhängige Instanz wieder herstellen und wurde allgemein respektiert. Tabelle 30: Vergleich des Geschäftsanfalls für Hamburg und Frankfurt 14951806 (Anzahl der Prozesse im jeweiligen Zeitraum) Zeitraum vor 1495 1495-1504 1505-1514 1515-1524 1525-1534 1535-1544 1545-1554 1555-1564 1565-1574 1575-1584 1585-1594 1595-1604 1605-1614 1615-1624 1625-1634 1635-1644
Prozesse Hamburg 0 3 3 2 7 10 32 37 49 60 55 56 42 50 39 51
Prozesse Frankfurt 3 11 18 11 24 23 25 35 56 35 56 71 54 77 66 43
Zeitraum 1645-1654 1655-1664 1665-1674 1675-1684 1685-1694 1695-1704 1705-1714 1715-1724 1725-1734 1735-1744 1745-1754 1755-1764 1765-1774 1775-1784 1785-1794 1795-1806
Prozesse Hamburg 80 91 66 57 42 39 13 38 52 22 52 78 102 44 36 61
Prozesse Frankfurt 65 59 44 60 63 87 29 126 98 69 59 102 62 40 18 45
Tabelle 30 ermöglicht mit Hilfe einer Gliederung in Zehnjahresschritten einen direkten Vergleich des Geschäftsanfalles zwischen Hamburg und Frankfurt. Die Differenzen zwischen den Frequenzzahlen der einzelnen Dekaden fallen für Frankfurt viel stärker als für Hamburg aus – der Grund dafür könnte in der größeren Zahl potentieller Kläger in Hamburg (wegen der größeren Einwohnerzahl) sowie dem insgesamt dennoch niedrigeren Klageniveau der Elbmetropole zu finden sein.530 Ein Vergleich mit Gabels Untersuchungen zum Geschäftsanfall mit Hilfe der Reichskammergerichts-Akten im Landesarchiv Münster lässt erkennen, dass 530
Die Vermutung, dass sich wegen der größeren Entfernung Hamburgs Nachrichten über wichtige Ereignisse im Zusammenhang mit dem RKG langsamer verbreiteten und die daher Klagetätigkeit nicht sofort beschränkten, ließ sich nicht bestätigen. So sind die Einbrüche in der Inanspruchnahme zur Zeit der ingelheimschen Affäre bei beiden Protagonisten deutlich und vor allem sofort sichtbar.
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auch hier die Inanspruchnahme des Reichskammergerichts zunächst nur zögerlich einsetzt und um 1600 bis in die erste Hälfte des Dreißigjährigen Krieges hinein ihren absoluten Höhepunkt erreicht. Danach fällt sie stark ab und erreicht einen zweiten, etwas weniger eindrucksvollen Höhepunkt um 1700 bis in die 1730er Jahre, allerdings mit einem Totaleinbruch während der Blockade des Gerichts durch Ingelheim.531 Ein ähnliches und dennoch leicht divergierendes Bild ergibt sich bei der Betrachtung der Inanspruchnahme aus den Akten des Landesarchivs Düsseldorf (hierzu gehören auch die Kölner und Aachener Prozesse), die zwar ebenfalls um 1600 und 1700 ihre größte Frequenz erreichen, allerdings direkt nach der Gründung des Gerichts in einem Maße einsetzen, das mit Frankfurt vergleichbar ist. Einzelne Brüche ergeben sich wiederum ab den 1630er Jahren bis zum Kriegsende sowie – sehr deutlich – am Beginn des 18. Jahrhunderts, bevor nach einem erneuten Aufschwung ab Mitte der 1720er ein starker und stetiger Rückgang zu verzeichnen ist.532 Eine davon stärker abweichende Bilanz gilt es zum Herzogtum Jülich festzustellen (Stichprobe); die insgesamt bescheidene Anzahl von Prozessen setzt sehr verhalten in den 1510ern ein und erreicht den absoluten Spitzenwert bereits Mitte der 1530er. Zwei weitere Spitzen werden wiederum um 1600 und 1700 erreicht, die Tiefstände in den 1550er und späten 1570er Jahren (Blockade der Visitationen durch den VierKlöster-Streit), sowie am Ende des Dreißigjährigen Krieges. Ab Mitte der 1770er können zumindest in der Stichprobe keine Prozesse mehr festgestellt werden.533 Interessant ist, dass die ingelheimsche Blockade des Gerichts offensichtlich Auswirkungen auf die Inanspruchnahme aus dem ganzen Reich hat, denn auch aus Jülich kann zwischen 1705 und 1710 kein einziger Fall vermeldet werden. Diese aus machtpolitischen Gründen einsetzende mehrjährige Stilllegung der Gerichtstätigkeit wirkte sich anscheinend viel verheerender als die Kriege und sonstigen Streitigkeiten aus, da letztere die einzelnen Untersuchungsobjekte (Hamburg, Frankfurt, Thüringen, den südlichen Ostseeraum sowie die drei hier besprochenen) in verschieden starkem Maße und zeitversetzt betreffen, während Anfang des 18. Jahrhunderts ein Totalausfall der Inanspruchnahme zu bemerken ist. Nochmals sollte betont werden, dass sich die steigenden Appellationssummen nicht auf die Frequentierung des Gerichts auswirkten – dies konnte 531
532 533
H. GABEL, Beobachtungen zur territorialen Inanspruchnahme des Reichskammergerichts im Bereich des Niederrheinisch-Westfälischen Kreises, in: B. DIESTELKAMP 1990 (Hrsg.), Das Reichskammergericht in der deutschen Geschichte (Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, 21), Köln-Wien 1990, S. 143-172, hier S. 170. GABEL, S. 171. GABEL, S. 172.
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sowohl für Hamburg und Frankfurt als auch für Lübeck festgestellt werden. Da, so Ranieri, die gesteigerten Appellationssummen aber ohnehin nur einen Ausgleich für die „galoppierende“ Inflation bildeten534, ist dieses Ergebnis verständlich, zumal ja auch die Zahl der Bewohner der genannten Städte im Verlauf der Frühen Neuzeit wuchs535 und damit die Zahl der potentiellen Kläger und Appellanten. Jedoch scheint dieser Trend nur für Städte zu gelten, denn in den Territorien des südlichen Ostseeraumes erwiesen sich die Appellationsprivilegien als wirksam und die Zahl der appellativen Prozesse sank. 536 Eine ähnliche Entwicklung konnte Gabel für das Herzogtum Jülich-Kleve feststellen: Zur Mitte des 16. Jahrhunderts sah sich der dortige Herzog mit einer steigenden Zahl von Appellationsverfahren konfrontiert, die von seinem Territorium aus an das Reichskammergericht gelangten. Seinem Ersuchen um ein Appellationsprivileg wurde stattgegeben und nach der Erhöhung der Summe auf 2.500 Goldgulden (Mitte der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts) sowie der Gewährung eines illimitierten Privilegs im Jahre 1764 konnte der Zugang zum Reichskammergericht aus dem jülich-klevischen Territorium erheblich beschränkt werden.537 Bevor nun der Vergleich der Prozessgegenstände erfolgt, sollte noch eine Gruppe von Verfahren erwähnt werden, die deutlich die Beziehungen zwischen beiden Städten hervorhebt. Gemeint ist die Inanspruchnahme des Reichskammergerichts von Hamburg und Frankfurt aus in Prozessen bzw. Streitigkeiten, an denen jeweils Parteien aus beiden Städten beteiligt sind oder in denen wenigstens ein Bezug zwischen den Handelszentren hergestellt werden kann. 538 Insgesamt enthält der Frankfurter Bestand 18 Prozesse, in denen eine Verbindung mit Hamburg nachweisbar ist, davon wird in vier Fällen allerdings nur
534 535 536 537 538
RANIERI, Recht und Gesellschaft, S. 204, FN 32. Siehe im Anhang die Tabellen 47 und 48 mit den Angaben zur Bevölkerungsentwicklung. FREITAG, JÖRN, Inanspruchnahme, S. 89 f. GABEL, S. 159 ff. EISENHARDT, S. 110. Letzteres trifft z. B. auf den folgenden Fall zu: 1722 klagte der Wiener Hofjude Enoch Simon, der sich zum Zeitpunkt der Prozesseröffnung in Frankfurt aufhielt, gegen seine Gläubiger, um sich freies Geleit zu sichern zwecks Prüfung einer möglichen Güterabtretung und Bezahlung seiner Gläubiger aus seinen Aktiva nach Reihenfolge und Größe der Forderungen. Der Kläger war aus Wien geflohen und in Frankfurt arretiert worden, jedoch wegen eines Missverständnisses ohne Zahlung einer Kaution wieder frei gekommen und erneut geflüchtet. Er wurde schließlich per Ediktalcitation in Augsburg, Frankfurt und Hamburg gesucht, konnte aber das oben genannte freie Geleit erwirken, nachdem er vom niederösterreichischen Wechselgericht verurteilt worden war (KALTWASSER, S. 545, J127).
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indirekt auf die Elbestadt verwiesen.539 In den restlichen 14 Verfahren540 sind zwölf Mal Parteien aus beiden Städten vorhanden (fünf Hamburger und sieben Frankfurter Kläger), in zwei Fällen klagen Hamburger Parteien vor einem Frankfurter Gericht gegeneinander. Die Prozessgegenstände sind vor allem im Bereich Handel und Geldwirtschaft angesiedelt; in zehn Fällen werden Schuldforderungen aus Geschäften541 oder Wechseln542 eingeklagt, in mehreren Fällen gibt es Hinweise auf die Frankfurter Messe. Die anderen vier Prozesse behan-
539 540
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542
Siehe Beispiel FN 829. Zwölf der Verfahren stammen aus dem 17., die restlichen beiden aus dem 18. Jahrhundert. In einem Prozess am Frankfurter Schöffengericht hatten 1630 ein Frankfurter Schutzjude und seine Kompagnons die Arretierung des Hamburger Kaufmannes Bootz erwirkt. Dagegen klagte Bootz 1631 am RKG in einem Verfahren, das letztlich 56 (!) Jahre andauerte. Strittig war ein Messegeschäft zwischen den Parteien. Die Frankfurter hatten von Bootz für einen vierkarätigen Diamanten (800 Rtlr.) eine Lieferung von sechs Pfeifen spanischen Weins (ca. 2.600 Liter) eingetauscht und Bootz dann wegen dessen mangelnder Qualität verhaften lassen (KALTWASSER, S. 202, B110). Die Hamburger Kaufleute Georg Müller und Johann Schlegel waren in drei Frankfurter Prozessen vertreten, dagegen nur der letztgenannte in einem weiteren Hamburger Fall. 1669 klagte er gegen den Kurator einer Glückstädter Witwe (eines dänischen Kanzleirates und Amtsverwalters zu Steinburg) auf die Zahlung von 2.300 Rtlr. aus einer Obligation (STEIN-STEGEMANN, S. 925 f., S44). In Frankfurt prozessierten sie 1646 am Schöffengericht gegen die Frau eines Frankfurter Kaufmannes auf Zahlung für Kommissionswaren (die Forderung bestand seit 1642), die bisher nicht erfolgt war und für die die Beklagte gebürgt hatte. Der Ehemann war falliert, weshalb nun die Rangfolge der Gläubigerforderungen an die Konkursmasse unklar war. Die Beklagte appellierte schließlich am RKG gegen die Frankfurter Instanz, die den Ansprüchen der Hamburger stattgegeben hatte (KALTWASSER, S. 274, D21). Die in Hamburg in mehreren Prozessen vertretenen Kaufleute Cornelius und Johann de Hertoge (z. B. STEIN-STEGEMANN, S. 663 f., L64; eine Klage zusammen mit dem Hamburger Bürgermeister Peter Lütkens [siehe oben Kapitel II.2] gegen einen Hamburger und zwei Frankfurter Kaufleute) klagten 1671 am RKG gegen einen Frankfurter Kaufmann und dessen Bürgen. Sie versuchten ihre Forderung in Höhe von 2.239 Rtlr. an den Nachlass eines „1661 in der Franckfurther Ostermeße in Schulden verstorben[en]“ hamburgischen Kaufmanns als derjenigen der Beklagten vorrangig durchzusetzen. Schließlich wurden die Kläger aus dem Frankfurter Tuchlager des verstorbenen Schuldners abgefunden, da die Beklagten zur Sicherung ihrer eigenen Forderungen Gelder und Waren des Verstorbenen in Mainz und Wien arretiert hatten (KALTWASSER, S. 448 f., H44). 1719 klagte die Frankfurter Witwe Matheus Guaitas gegen einen Frankfurter Handelsmann, der angeblich Mandatar eines hamburgischen Kaufmannes war. Zwischen den Parteien war eine Wechselschuld von 800 fl. strittig (KALTWASSER, S. 406 f., G44).
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deln drei Erb- bzw. Nachlassfragen543 sowie eine Forderung nach Urteilsvollstreckung544. Die Zahl der Hamburger Prozesse ist sogar noch größer und um543
544
Das folgende Beispiel ist einer der Prozesse, in denen nur am Rande ein Verweis auf Hamburg erfolgte (in diesem Falle ein Siegel eines Hamburger Notars), andererseits aber die Reichweite der Frankfurter Handelsbeziehungen demonstriert. Die Kinder des verstorbenen Heinrich Barckhausen sowie dessen Schwiegersohn Thomas Ochs zogen gegen den polnischen Generalmajor Jordan 1700 nach Wetzlar. Sie ließen letzteren vorladen, um ein schon 1687 ergangenes RKG-Urteil vollstrecken zu lassen. Darüber hinaus sollten dem Beklagten rechtliche Schritte außerhalb des Reiches untersagt und die von ihm verfügte Arretierung von klägerischen Geldern in Riga aufgehoben werden (KALTWASSER, S. 134, B3). 1682 hatten die Vormünder der barckhausenschen Kinder gegen den während des Prozesses verstorbenen Frankfurter Kapitän Leinweber (verheiratet mit Barckhausens Schwester) sowie dessen Schwager, den damaligen Obrist-Leutnant Jordan (verheiratet mit Leinwebers Schwester), geklagt. Sie forderten eine erneute Bilanzierung der Forderungen der Beklagten an den Nachlass Barckhausens – die Forderungen waren durch Kapitaleinlagen von Leinwebers Ehefrau in das Handelshaus seines Schwagers entstanden. Strittig war die Höhe der Forderungen, da Barckhausen die Gelder in seinen Büchern nicht getrennt bilanziert und in den 26 Jahren seiner Arbeit mit den Geldern des Ehepaars Leinweber keine Rechnung gestellt hatte (KALTWASSER, S. 133 f., B2). Barckhausen handelte in großem Stil mit Rhein- und Branntwein, Leinwand, Laken und Spitzen nach Amsterdam, Hamburg, Minden, Kopenhagen, Danzig, Stockholm, Riga, Nürnberg, London, Lissabon und Malaga. Kleinere Geschäfte tätigte er mit spanischem Wein, Zucker, Pfeffer und thüringischem Roggen (DIETZ, Bd. 4, S. 32 f.). – An dieser Akte zeigt sich ein weiteres Überlieferungsproblem: In ihr befindet sich die Abrechnung eines Hauszinses aus dem Jahr 1770, die nicht zu diesem Prozess gehört und auch keinem anderen zugeordnet werden kann. Einer der Beteiligten wird nur in diesem Schriftstück genannt, der Familienname des anderen (Friedrich Maximilian Bachmann) kann in drei anderen Prozessen nachgewiesen werden, doch lässt sich auch hier kein weiterer Bezug herstellen. Bei diesem Fall sind erneut die Hamburger Müller und Schlegel präsent, die 1654 gegen die Stadt Frankfurt klagen, um die Vollstreckung des RKG-Urteils durchzusetzen. Das RKG hatte die Appellation der Kaufmannsehefrau (siehe Prozess D21, FN 834) verworfen und das Frankfurter Urteil bestätigt, dass den jetzigen Klägern 1.770 Rtlr. zuständen, die von der Ehefrau des in den 1640ern fallierten Frankfurter Kaufmannes zu zahlen seien (KALTWASSER, S. 772, M62). Im Zusammenhang mit dieser Forderung wurden sie wiederum von zwei Frankfurtern namens deren Ehefrauen verklagt – die oben genannte Schuldnerin (M62) war deren Schwägerin. Die Hamburger hatten zur Befriedigung ihrer immer noch ausstehenden Forderung (1.770 Rtlr.) Gelder der Kläger arretieren lassen. Die Schwägerin hatte beim Tod ihres ersten Mannes (nicht der fallierte Kaufmann) 33.000 fl. geerbt, wobei die besonderen Regelungen im Testament wegen ihrer Kinderlosigkeit und Wiederverheiratung ihren Schwägerinnen (Schwestern ihres verstorbenen Mannes und Ehefrauen der Kläger) jeweils ein Viertel der Summe zusprachen. Da die Schwägerin inzwischen mit ihrem fallierten Ehemann in die Niederlande gezogen war, versuchten die Hamburger Kaufleute ihr Geld bei den Klägern einzutreiben (KALTWASSER, S. 793 f., O2).
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fasst insgesamt 22 Fälle aus dem 16. bis 19. Jahrhundert.545 Auffällig ist dabei, dass der größte Teil dieser Prozesse ohne Frankfurter Parteien verhandelt wird546, sondern u. a. lediglich ein Bezug zu Geschäften Hamburger Kaufleute auf der Frankfurter Messe (in sechs Fällen547) hergestellt wird. Den 14 Fällen ohne direkte Frankfurter Beteiligung548 stehen acht gegenüber, in denen Frankfurter Parteien vertreten sind, zweimal als Beklagte und sechsmal als alleinige 545
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Sieben Prozesse stammen aus dem 16., zehn aus dem 17., vier aus dem 18. und einer aus dem 19. Jahrhundert. Kurios ist die Zuordnung des folgenden Beispiels, welches erstinstanzlich vor Schultheiß und Schöffen der Stadt Frankfurt verhandelt wurde und von dort aus per Appellation an das RKG gelangte. Der Fall befindet sich im Hamburger Bestand, obwohl trotz der Herkunft beider Prozessparteien das erstinstanzliche Verfahren in Frankfurt stattfand. Auch die Einordnung durch die Wetzlarer Mitte des 19. Jahrhunderts nach den aktuellen Gerichtsorten der Klagenden (die allerdings auf Hamburg verweist) ist kein schlagendes Argument, da sich im Frankfurter Bestand ja auch fünf Verfahren mit hamburgischen Klägern befinden, die ebenso Frankfurter Gerichte erstinstanzlich bemühten. 1595 gelangt besagte Sache, ein Streit zwischen mehreren Hamburger Kaufleuten, an das RKG. Sie waren Gläubiger eines hamburgischen Kaufmanns und verfügten den Arrest der Güter eines Frankfurter Kaufmannes, dem Faktor des Schuldners. Strittig war die Priorität der einzelnen Forderungen (Stein-STEGEMANN, S. 1006 f., S123). Der Faktor, der Kaufmann Peter Kind(t), war 1589 selbst Kläger am RKG. In diese sind teilweise aber auch Frankfurter Parteien involviert (siehe Beispiele), jedoch nicht in alle. Ohne Beteiligung von Frankfurter Parteien erfolgte 1638 ein Prozess zwischen dem Hamburger Kaufmann und Bürger Hans Georg Orth und mehreren anderen Hamburger Kaufleuten. Strittig war die Gültigkeit einer Obligation, mit der der Kläger eine Restschuld von 3.164 Rtlr. bei den Beklagten bezahlen wollte. Der Akte liegen u. a. Auszüge aus den Geschäftsbüchern des Klägers mit Eintragungen über Tuchverkäufe auf der Frankfurter Herbstmesse zwischen 1622 und 1633 bei (STEIN-STEGEMANN, S. 780 f., O10). Das RKG wies die Appellation nach dem Eingang des Abschlußberichts einer aus hamburgischen Kaufleuten bestehenden Kommission als unzulässig zurück und forderte den Kläger zur Zahlung seiner Restschuld auf, hatte dadurch aber das Verfahren, welches schließlich seitens der Prozessparteien eingestellt wurde, erheblich verzögert (EBERTWEIDENFELLER, S. 57 f.). Einer dieser Prozesse ist die Klage des Marquis de Chasteler (aus Unterfranken) gegen die Hamburger Bankiers Engelbach und Roeck im Jahr 1796. Strittig war ein angeblich gefälschter Wechsel über 30.000 fl., der vom Kläger akzeptiert und von den Beklagten über das Frankfurter Bankhaus Schmidt & Comp. eingezogen werden sollte. Dieser Streit war bereits vor dem Frankfurter Schöffenrat verhandelt worden, allerdings erst mit dieser Citation durch den Kläger ohne direkte Vorinstanz an das RKG gezogen worden (der Kläger machte seine Reichsunmittelbarkeit als Mitglied der mittelrheinischen Ritterschaft geltend) (STEIN-STEGEMANN, S. 155, C12). Schmidt war nach 1800 einer der Vorsteher der Frankfurter Börse (H. BÖHME, Frankfurt und Hamburg. Des deutschen Reiches Silber- und Goldloch und die allerenglischste Stadt des Kontinents, Frankfurt a. M. 1968, S. 60).
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Kläger549 sowie in Klagegemeinschaft mit hamburgischen Kaufleuten oder als deren Mandanten550. Die letztgenannten geben auch das Stichwort zur sozialen
549
550
1804 appellierte der Frankfurter Bankier und Handelsmann Michael Fellner gegen ein Urteil des Hamburger Obergerichts an das RKG. Strittig war zwischen ihm und einem hamburgischen Kollegen die Rückzahlung einer Summe von ca. 5.600 fl., die der Kläger auf Empfehlung des Beklagten letztgenanntem für eine Ladung schottischer Manufakturwaren vorgeschossen hatte. Die Waren wurden dann auf der Frankfurter Herbstmesse 1797 zum Verkauf angeboten. Zu den Aktenbeilagen zählt ein Gutachten von verschiedenen Frankfurter Bankiers und Leipziger Kaufleuten (STEIN-STEGEMANN, S. 239, F6). Fellner war 30 Jahre zuvor an einem Frankfurter Prozess beteiligt, in dem er und ein weiterer Frankfurter Kaufmann von einem Kollegen knapp 1.350 Rtlr. für eine nach Amsterdam gehende Lieferung Indigo forderten, die von dem damaligen Appellanten wegen angeblich mangelhafter Ware zurückgewiesen worden war (KALTWASSER, S. 199, B104). Der Wert des Warenlagers Fellners belief sich 1811 auf über 23.000 fl., stellte jedoch nur einen Bruchteil desjenigen Wertes anderer Kollegen dar, unter ihnen drei Brentanos mit zusammen ca. 850.000 fl. und Gontard & Söhne mit über 600.000 fl. (BÖHME, S. 52). – Ein weiteres Frankfurter Gutachten (von zahlreichen Kaufleuten und Tuchbereitern über „Ratin-Gewebe“ [Wolle]) wurde für einen Prozess zwischen dem Amt der Lakenhändler und Gewandschneider (Hamburg) und dem Rat der Stadt Hamburg (nebenbeklagt war das Krameramt) benötigt, in dem 1683 den Kramern der Verkauf von Tuchstücken verboten wurde, da dieses alleiniges Recht der Kläger sei (STEIN-STEGEMANN, S. 350 f., H37). 1695 folgte ein weiterer Prozess am RKG mit denselben Beteiligten, in dem ein zuvor vom Obergericht ergangenes und vom RKG bestätigtes Urteil zur Vollstreckung angemahnt wurde, welches den Kramern den Verkauf von Tuchstücken untersagte und ausdrücklich auch das Ratin-Gewebe einbezog. Auch diesem Prozess liegen Gutachten und Stoffproben bei, diesmal von Kaufleuten und Tuchfabrikanten aus London, Amsterdam und Leiden (STEIN-STEGEMANN, S. 349 f., H36). Der Bevollmächtigte (ein hamburgischer Kaufmann) der Frankfurter Kaufleute Autheus und Rühel (letzterer tauchte auch in einem Frankfurter RKG-Verfahren als Mitbeklagter in einem Wechselstreit mit einem Bremer Kaufmann auf) klagte gegen den Hamburger Kaufmann Meckenhäuser in einem Streit um das Eigentumsrecht und die gewaltsame Inbesitznahme einer Ladung Tabak bei zwei fallierten Kaufleuten. Die Kläger machten geltend, sie hätten den Tabak nur in Kommission übergeben, der Beklagte gab an, er hätte die Partie in gutem Glauben als Bezahlung für eine Bürgschaft erhalten (STEINSTEGEMANN, S. 878 f., R58). Insgesamt hatten die Frankfurter Kläger 25 Fässer geliefert, von denen einige an den Beklagten vom Bruder eines der Falliten übergeben wurden, da er für deren Schulden beim Beklagten in Höhe von 9.000 Mark banco bürgte. Die fraglichen Fässer wurden verkauft, allerdings forderten die Kläger die erzielten ca. 2.700 Rtlr., da die Ware ihr Eigentum gewesen sei. Obwohl der übergebende Bürge nicht zum Eigentümer der Ware werden könne und diese folgerichtig nicht rechtsbindend veräußern durfte, gewährten die Hamburger Richter dem eigenen Sachverfolgungsrecht Vorrang und gaben dem Beklagten nach dessen Eidesleistung auf gutgläubigen Erwerb der Ware Recht und wiesen den klägerischen Anspruch ab, weshalb letztere an das RKG appellierten (EBERT-WEIDENFELLER, S. 214 ff.).
Hamburg und Frankfurt vor dem Reichskammergericht
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Einordnung der Kläger und Beklagten vor, die ebenso wie in den Frankfurter Prozessen fast ausschließlich als Kaufleute bezeichnet werden können. Allerdings ist in einem Hamburger Fall auch die Stadt Frankfurt als Beklagter551 zu finden. Übereinstimmungen treten auch bei den verhandelten Gegenständen auf, die vor allem Schuldforderungen aus Geschäften mit Waren oder Kreditpapieren sowie Arretierung552 und Beschlagnahme zur Sicherung von Ansprü551
552
1679 klagten die Erben des Hamburger Kaufmannes Rouloff (die Kaufleute von der Willigen und Bailly namens ihrer Ehefrauen, Töchter des Verstorbenen) gegen die Erben des Frankfurter Kaufmannes Schulier (der Kaufmann von Günterrod [gemeint ist ein Mitglied der Familie Günterode, die u. a. mit den Stalburgern verwandt waren und u. a. das Frankfurter Schultheißenamt inne gehabt hatten; siehe dazu Bothe, S. 36] sowie die Witwe Schulier) sowie den Rat der Stadt Frankfurt. Strittig war die Schadenersatzforderung eines Henrich Schlebusch in Höhe von 20.000 Rtlr. gegen die Kläger wegen angeblich verbotener Zession einer seiner Obligationen durch die Kläger an die Witwe Schulier (STEIN-STEGEMANN, S. 880 f., R60). Mittels dieser neuen Klage erreichten die Kläger einen Aufschub ihrer gerichtlich festgestellten Haftung für den Schaden Schlebuschs und wandten außerdem ein, dass ihrerseits ein berechtigter Anspruch gegen Schlebusch bestehe (EBERT-WEIDENFELLER, S. 91 ff.). Dem Verfahren war ein Jahr zuvor ein anderer RKG-Prozess vorausgegangen (bzw. war bei der 1679 erfolgenden Citation noch anhängig), in dem die gleichen Kläger direkt gegen den hamburgischen Kaufmann Schlebusch klagten. Sie forderten eine neue Beweisführung über die Höhe des dem Beklagten wegen der angeblich verbotenen Zession durch die Kläger an die Witwe Schulier entstandenen Schadens (STEIN-STEGEMANN, S. 879 f., R59). Der Beklagte gab an, wegen dieser Sache (gemeint ist die Zession) seinen Kredit eingebüßt zu haben. Er habe zuvor 2.000 Rtlr. pro Jahr verdient, mache daher für die letzten 22 Jahre einen Verdienstausfall von 44.000 Rtlr. geltend und forderte deshalb Schadenersatz in Höhe von 30.000 Rtlr. Ein Wittenberger Gutachten gab Schlebusch recht, verringerte aber die Forderung auf 10.000 Rtlr. Am RKG machten die Kläger, die wegen der Streitigkeiten Waren und Schiffe des Beklagten mit Arrest belegen ließen – geltend, ein einzelner Arrest könne nicht einen so hohen Schaden verursachen, doch das RKG bestätigte Schlebuschs Anspruch, allerdings in Höhe von „nur“ 10.000 fl. (EBERT-WEIDENFELLER, S. 90 f.). 1721 klagte der Hamburger Kaufmann Havelmeyer gegen die Bevollmächtigten der Erben des venezianischen Kaufmanns Pommer und forderte die Aufhebung des Arrests in einem Streit um die Lieferung und Bezahlung einer Partie Uniformen für das vom venezianischen Oberst van Schmidburg in Hamburg angeworbene Regiment. Der Kläger hatte die Uniformen über einen Nürnberger Spediteur nach Venedig geliefert. Auch in diesem Fall lag wieder ein Frankfurter Gutachten bei (STEIN-STEGEMANN, S. 414, H108). Das Regiment war für den Einsatz gegen die Türken bestimmt und dessen Kommandeur hatte beim Kläger die Uniformen für insgesamt 10.653 Rtlr. bestellt. Die Lieferung war nach Venedig oder Verona bestimmt, wobei sich der Kläger an Pommer wandte, mit dem er bekannt war. Pommer empfahl einen Spediteur aus Verona, doch hatte Havelmeyer die Uniformen bereits an einen Nürnberger Spediteur versandt, der den Transport an den endgültigen Bestimmungsort erledigen sollte. Der Spediteur lieferte schließlich an Pommer in Venedig und forderte die Speditionskosten für sich und Pommer vom
184
Hamburg und Frankfurt vor dem Reichskammergericht
chen betreffen. Bei einigen der Verfahren, die Frankfurt nur indirekt erwähnen, gutachten dortige Kaufleute in Fragen zu Handelsgeschäften. Insgesamt kann festgestellt werden, dass die Zahl der Prozesse (und damit die Inanspruchnahme des Reichskammergerichts) unter direkter Beteiligung von Parteien aus beiden Städten gemessen am gesamten Prozessaufkommen bescheiden war, jedoch immerhin Handelsbeziehungen zwischen ihnen auch in Reichskammergerichts-Verfahren nachgewiesen werden konnten. Eine Erklärung für die vergleichsweise geringe Zahl der Prozesse ergab sich mit der Rekapitulierung der Haupthandelspartner bzw. -routen für beide Städte, die sich nicht überschnitten. Die Karten mit den wichtigsten Kontakten beider Städte innerhalb des Reiches (siehe unten Abb. 1 und 2 im Anhang) verdeutlichten, dass vor allem die Orte, mit denen es besonders viele Kontakte im Rahmen der Oberst. Da Havelmeyer noch auf sein Geld wartete, untersagte er Pommer die Auslieferung der Ware, der jedoch wegen der angespannten politischen und militärischen Lage eine Übergabe nur schwer verzögern konnte und dem Kläger mitteilte, er müsse eventuell die Nürnberger Speditionskosten übernehmen. Schließlich lieferte Pommer die Uniformen gemäß der Anweisungen des Spediteurs, seinem unmittelbaren Geschäftspartner, aus, woraufhin Havelmeyer Pommer auf Erstattung der 10.653 Rtlr. verklagte, obwohl er seinen Spediteur nicht angewiesen hatte, die Lieferung an Pommer zu stoppen. Der Beklagte schloss eine Haftung gegenüber dem Kläger aus, da sie nie einen Vertrag eingegangen wären, sondern sein Vertragspartner der Nürnberger Spediteur gewesen sei, weswegen der Kläger aus der diesbezüglichen Sicht als außen stehende dritte Partei keine Ansprüche gegen ihn geltend machen könne (EBERT-WEIDENFELLER, S. 172 ff.). Abschließend sei noch auf die Appellation des Tambacher Kaufmannes Hünefeldt gegen den hamburgischen Kaufmann Giese (sowie den nebenbeklagten Rat der Stadt Hamburg) aus dem Jahr 1673 verwiesen. Die Parteien stritten um eine Partie Wolle, die vom Kläger an einen Hannoveraner Kaufmann auf der Frankfurter Messe verkauft, von dem fallierten Käufer aber nicht bezahlt worden war. Der Bankrotteur hatte die Wolle an die Beklagten weiterveräußert, weswegen sie der Kläger bei den Beklagten arretieren wollte, wogegen letztere argumentierten, sie hätten im guten Glauben gekauft. Der Wert der Ware belief sich auf 2.138 Rtlr. – die Rechnung der Beklagten an den Falliten liegt der Akte bei. Sie enthält außerdem u. a. einen Kommentar des hamburgischen Bürgermeisters Vincent Moller (der selbst Kaufmann und Jurist ist) sowie Auszüge aus einem Kommentar David Mevius’ über das lübische Recht (STEIN-STEGEMANN, S. 479 f., H179). Die Vorinstanz gab den Beklagten Recht, dass sie die Wolle rechtmäßig erworben hätten. Dagegen versuchte der Appellant wegen Verfahrensmängeln (es erfolgte keine Aktenversendung) eine Nullitätsklage am RKG anzustrengen, da deshalb das Urteil ungültig sei. Die Stadt Hamburg merkte unter Verweis auf das Appellationsprivileg an, sämtliche heimische Handelssachen wären nicht appellabel, es sei denn es hätte einen Fall von Justizverweigerung gegeben, doch könnte der Kläger in Hamburg selbst appellieren bzw. Revision beantragen. Das RKG ließ die Sache zu, jedoch wegen der zweifelhaften Begründung nicht als Nullitätsklage, sondern als normale Appellation (EBERT-WEIDENFELLER, S. 47 f.).
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185
Prozesse gab, in Kreisen um Hamburg und Frankfurt herum zu finden sind, die sich nicht berühren. Da – wie schon gezeigt – eine Vielzahl der gesamten Prozesse aus beiden Metropolen Handel und Geldwirtschaft zum Gegenstand haben bzw. von Kaufleuten begonnen werden, kann hier von einer Aufteilung der Handelsgebiete mit einer Dominanz Hamburgs im Norden und einer solchen Frankfurts in der Mitte des Reiches gesprochen werden. Dies bestätigt die Überlegungen zur wirtschaftlichen Gliederung des Alten Reiches in vier Handelsräume und die Zuordnung Hamburgs (hansisches) und Frankfurts (rheinisches) zu zwei verschiedenen Handelsgebieten.553
Prozessgegenstände Das Ergebnis der Untersuchungen zu den Hamburger und Frankfurter Prozessgegenständen ist die Erkenntnis, dass die drei größten Kategorien bei beiden Städten gleich sind. Auf die geldwirtschaftlichen Prozesse folgten in Hamburg anteilig die Handels- und Gewerbesachen sowie die Prozesse innerhalb des Familienverbandes, bei Frankfurt war deren Reihenfolge umgekehrt. Einen teils deutlichen Abstand gab es zu den weiteren Kategorien, wobei vor allem Streitigkeiten mit lehnsrechtlichem und grundherrschaftlichem Hintergrund in sehr geringer Zahl zu finden waren (siehe unten Tabelle 31), deren marginaler Anteil am gesamten Prozessaufkommen dem städtischen Charakter der Untersuchungsobjekte geschuldet blieb. Der Vergleich mit dem südlichen Ostseeraum 554 , Thüringen 555 und dem Reich 556 erbrachte, dass die Gewichtung der einzelnen Prozessgegenstände zum Teil erheblich von jener Hamburgs und Frankfurts abwich. Dies kann mit der ländlichen Prägung sowie den – im Vergleich zu den Präferenzen städtischer Einwohner bezüglich einer Inanspruchnahme des Reichskammergerichts – anderen Vorlieben für einzelne an das 553
554 555 556
M. NORTH, Kommunikation, S. 10. NORTH, Handelsexpansion, S. 157. North unterscheidet vier Wirtschaftsräume im Reich in der Frühen Neuzeit: den hansischen (dessen Schwerpunkt sich allmählich von der Ost- zur Nordsee verlagerte und den Aufstieg Hamburgs ermöglichte), den rheinischen (entlang des Rheins und seiner Nebenflüsse, die Handelszentren wie Frankfurt und Köln mit den Niederlanden verbanden), den mitteldeutschen (der die wirtschaftliche Verbindung des Reiches in den Osten Europas darstellte und dessen Zentren – neben Leipzig – in Berlin und Dresden angesiedelt waren) und den oberdeutschen Handelsraum (mit Zentren wie Nürnberg und Augsburg, der seine hoch- und spätmittelalterliche Führungsposition zugunsten der anderen drei verlor). FREITAG, JÖRN, Lübeck, S. 177. WESTPHAL, S. 46. RANIERI, Recht und Gesellschaft, S. 483 f. und BAUMANN, S. 153 ff.
186
Hamburg und Frankfurt vor dem Reichskammergericht
Gericht zu bringende Probleme etwa durch mecklenburgische, pommersche oder thüringische Stände erklärt werden.557 Da die Art der verhandelten Gegenstände zugleich auch vom sozialen Stand der Prozessparteien abhängig war, bestand für Territorialherren und städtische Obrigkeiten die Möglichkeit, durch entsprechende Appellationsprivilegien und die in ihnen festgelegten Mindeststreitwerte ärmere Parteien vom Instanzenzug fernzuhalten, wenn diese nicht von der offensichtlich wenig genutzten Chance der Zulassung zum Status als arme Partei Gebrauch machten. Tabelle 31: Prozessgegenstände Frankfurts (1.634 Prozesse) und Hamburgs (1.369 Prozesse) am Reichskammergericht 1495-1806 Prozessgegenstand keine Angabe staatl.-hoheitliche Rechte Jurisdiktion Lehnswesen Grundherrschaft Kriminalität Familienverband Grund- und Bodenwirtschaft Geldwirtschaft Handel und Gewerbe
Anzahl der Prozesse Hamburg 8 46 178 0 1 57 252 58 483 286
Anzahl der Prozesse Frankfurt 4 57 135 2 8 81 353 35 750 209
Die bisherigen Ausführungen zu den einzelnen Kategorien558 verdeutlichten – abgesehen von den absoluten Werten – ein für beide Städte ähnliches Bild. In den Bereichen Kriminalität und Jurisdiktion dominierten Klagen bzw. Appella557
558
Auch GABEL, S. 162 ff., liefert einige Ansätze zu den Prozessgegenständen aus dem Herzogtum Jülich für das 16. Jahrhundert, die er mit Ranieris Erkenntnissen für das Reich vergleicht: Die Appellationen in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts betrafen „vornehmlich Streitigkeiten privatrechtlicher Art“ (S. 162 f.). Besonders war hervorzuheben, dass Familiensachen anteilig häufiger als im gesamten Reich vertreten waren. Ein weiteres Drittel der Prozesse behandelte Sachen der Kategorie Geldwirtschaft (insbesondere Schulden), während die anderen Gegenstände das restliche Drittel unter sich aufteilten. Daran änderte sich in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts scheinbar wenig, doch traten neben der städtischen Bevölkerung zunehmend Landadelige des Herzogtums am RKG in Erscheinung. Zu den Kategorien Handel und Gewerbe sowie Geldwirtschaft siehe die nächsten beiden Kapitel (III und IV).
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187
tionen wegen erlittener Injurien (und nur in einigen z. T. zweifelhaften Fällen wegen Landfriedensbruchs) sowie Rechtsbehinderung (und -verzögerung), Fragen der Kriminalgerichtsbarkeit und Unklarheiten bezüglich einzelner gerichtlicher Zuständigkeiten. Dagegen erlaubte die Kategorie der staatlichhoheitlichen Rechte mit den in ihr versammelten Prozessen eine direkte Anknüpfung an wichtige Ereignisse der städtischen Geschichte. Die politischen Gegensätze zwischen Dänemark und Hamburg wurden ebenso am Reichskammergericht ausgetragen wie Grenzstreitigkeiten zwischen Frankfurt und den umliegenden Territorien. Daneben fanden sich auch Hamburgs Bemühungen um den Erhalt seiner Handelsprivilegien, die Frankfurter Auseinandersetzungen zwischen Rat, Bürgerschaft und jüdischer Gemeinde sowie die Schwierigkeiten um die Einführung der Reformation in beiden Städten wieder. Bezüglich der Kategorie der Grund- und Bodenwirtschaft fällt die hamburgische Besonderheit der immer wieder strittigen Deichnutzung und -erhaltung auf, während die Familienverbände sowohl im Norden als auch in der Mitte des Reiches besonders mit allen Facetten der Nachlassregelung und -verwaltung an das Reichskammergericht zogen. In geringerem Maße wurde aber auch bei Ehestreitigkeiten und Vormundschaftsfragen sowie überaus sensiblen Themen wie unehelichen Schwangerschaften in Speyer und Wetzlar um rechtliche Hilfe nachgesucht.
Prozessdauer Noch stärker als im Bereich der Prozessgegenstände näherten sich Hamburg und Frankfurt bezüglich der Prozessdauer an. Die Verhandlungen zogen sich nicht übermäßig lange hin – die beiden längsten Prozesse dauerten zwar jeweils mehr als 100 Jahre 559 , die überwiegende Anzahl der Verfahren (jeweils über 50%) war jedoch innerhalb von drei Jahren abgehandelt, weitere 30% nach zehn Jahren. Das restliche Fünftel der Prozesse fasste Prozesslängen zwischen elf und mehr als 100 Jahren Dauer zusammen, wobei gerade der Anteil der „ewigen“ Prozesse mit einer Laufzeit von mehr als fünfzig Jahren mit jeweils unter einem Prozent verschwindend gering war (siehe unten Tabelle 32). Gemessen an den vielen Möglichkeiten einer unbewussten oder absichtlichen Prozessverschleppung560 war die insgesamt zügige Abhandlung der Ham559
560
Beide Prozesse (KALTWASSER, S. 435 f., H17. STEIN-STEGEMANN, S. 266 ff., F32) wurden bereits vorgestellt. Siehe dazu auch die ausführliche Darstellung in den Beispielprozessen in den Kapiteln III und IV.
188
Hamburg und Frankfurt vor dem Reichskammergericht
burger und Frankfurter Prozesse erstaunlich. Dennoch tritt der größte Unterschied in den einzelnen Kategorien ausgerechnet im Bereich der Laufzeiten „bis zu einem Jahr“ auf – dieser resultiert aus der größeren geografischen Nähe Frankfurts zum Sitz des Reichskammergerichts.561 Beim Vergleich der Ergebnisse mit jenen zur Dauer der Verfahren aus dem südlichen Ostseeraum stellt sich heraus, dass die Schnelligkeit der Prozessabwicklung nicht allein eine den aus städtischer Provenienz stammenden Fällen vorbehaltene Eigenschaft war, sondern selbst Prozesse aus dem (im Vergleich mit Hamburg) noch weiter entfernten Pommern konnten ähnlich zügig erledigt werden. Tabelle 32: Dauer der Prozesse aus Frankfurt (1.634 Prozesse) und Hamburg (1.369 Prozesse) am Reichskammergericht 1495-1806 Jahre bis 1 1 bis 3 4 bis 5 6 bis 10 11 bis 15 16 bis 20 21 bis 30 31 bis 50 51 bis 100 über 100
Anzahl der Prozesse Hamburg 214 519 183 224 88 36 55 44 5 1
Anzahl der Prozesse Frankfurt 355 499 180 280 116 80 74 40 9 1
Auch bei der Differenzierung der Prozessdauer nach einzelnen Gegenständen sind die Ergebnisse für Hamburg und Frankfurt ähnlich: Eine besonders lange Laufzeit wiesen vor allem die Prozesse um staatlich-hoheitliche Rechte auf, die zwischen den Parteien (die Städte auf der einen, umliegende Territorialherren auf der anderen Seite) über mehrere Generationen mit z. T. mehrjährigen Unterbrechungen um scheinbare Banalitäten – wie den Besitz einer Weide – geführt wurden und letztlich mit einem Vergleich zwischen den Gegnern endeten. Trotz gelegentlicher statistischer Ausreißer konnten die Fälle in den anteilig 561
Im unten (Kapitel IV.2) ausführlich geschilderten Hamburger Beispielfall zum Handwerk (STEIN-STEGEMANN, S. 386 f., H80), beantragten die Anwälte beider Seiten mehrfach eine Frist von zwei bis drei Monaten zur Beibringung neuer Dokumente – u. a. auch mit dem Hinweis auf die Reisetermine der Kammerboten, die für Abholung und Lieferung der offiziellen Dokumente zuständig waren.
Hamburg und Frankfurt vor dem Reichskammergericht
189
größten Kategorien (Geldwirtschaft, Handel und Gewerbe, Familienverband) für gewöhnlich innerhalb weniger Jahre bewältigt werden. Dies schloss ausdrücklich auch solche Verfahren ein, bei denen der Rat einer auswärtigen juristischen Fakultät eingeholt oder Zeugen befragt werden mussten.
Prozessparteien – soziale Differenzierung und geografische Verortung Tabelle 33: Soziale Differenzierung der Kläger und Appellanten aus Frankfurt (1.634 Prozesse) und Hamburg (1.369 Prozesse) am Reichskammergericht 1495-1806 Soziale Gruppe
Anzahl der Prozesse Hamburg 5 23
Anzahl der Prozesse Frankfurt 1 17
89 25
144 11
Kaufleute Kaufmännische Korporationen
531 5
756 4
Bürger Sonstige Bewohner
327 171
149 232
Adlige Geistliche
22 28
18 24
Domkapitel Städtische Amtsträger
12 50
7 110
Territoriale Beamte Reichsunmittelbare
44 16
69 67
Kaiserlicher Fiskal Territorialherren, Stände
9 10
7 15
2
3
Bauern, Kätner Bewohner der Landgebiete Handwerker Handwerkszünfte
Keine Angabe
Die Untersuchung der Prozessgegenstände hatte ein eindeutiges Ergebnis erbracht – eine Dominanz der Prozesse mit Handels- und geldwirtschaftlichem Bezug. Dementsprechend erreichten die Kaufleute in beiden Städten den mit Abstand größten Anteil an den Klägern und Appellanten (siehe unten Tabelle
190
Hamburg und Frankfurt vor dem Reichskammergericht
33).562 An der zweiten Stelle – bezüglich einer möglichen Aussage zu einer Berufs- oder Amtstätigkeit – befanden sich die Handwerker, gefolgt von den städtischen und territorialen Amtsträgern.563 Für den Zugang zum Reichskammergericht war vor allem die soziale Stellung der Kläger und Appellanten entscheidend, denn besser gestellte gesellschaftliche Schichten traten häufiger am Gericht in Erscheinung, als anhand ihres Anteil an der städtischen Bevölkerung erwartet werden durfte. Diese Beobachtung hatte bereits Ranieri für das gesamte Alte Reich im 16. Jahrhundert herausgearbeitet, der in seinen Stichproben insbesondere den niederen Adel (am Ende des 16. Jahrhunderts 40%) und die städtische Oberschicht (um 12%, vor allem städtisches Patriziat und Inhaber hoher Ämter für Hof- und Landesverwaltung) als klageführende Parteien ausmachte.564 Dagegen waren die bäuerlichen Schichten des Reiches, obwohl sie zwischen 80% und 90% Anteil an der gesamten Bevölkerung hatten, kaum vertreten.565 Die für das 17. und 18. Jahrhundert von Baumann durchgeführten Untersuchungen zu den Parteien am Reichskammergericht bestätigten die für das 16. Jahrhundert ermittelten Trends auf Reichsebene – unter den Privatparteien dominierten der landsässige Adel sowie die städtischen Eliten.566 Genau diese städtischen Eliten, zu denen die Kaufleute zumindest aufgrund ihres Einkommens bzw. Vermögens zählten567, waren in Hamburg und Frank-
562
563
564
565 566
567
Zur Erinnerung: Die Zuordnung zu den Kategorien im Diagramm erfolgte zuerst nach dem Beruf der Person und erst wenn dieser nicht feststellbar war anhand einer rechtlichen Einteilung. Demzufolge befanden sich unter den Kaufleuten Bürger, Beisassen, Juden, Fremde, Kaufmannswitwen sowie auch Adelige wie im Falle Frankfurts nobilitierte Kaufmannsfamilien wie die Barckhausens. Noch vor den drei hier genannten Gruppen rangierten die Bürger und sonstigen Bewohner, die nur anhand der Nennung ihrer rechtlichen Stellung im städtischen Gefüge oder der Nennung eines Ortsnamens eingeordnet werden konnten. RANIERI, Recht und Gesellschaft, S. 229 ff. „Die soziale Zusammensetzung der Prozessparteien vor dem Reichskammergericht stellt in der Tat fast eine spiegelbildliche Umkehrung der damaligen Gesellschaftsstruktur dar […:] noch Ende des 18. Jahrhunderts ist die Mehrheit der Rechtssuchenden städtischer Provenienz und adlige[n] Standes.“ (S. 232, FN 44, teilweise auch bei FREITAG, S. 70). RANIERI, Recht und Gesellschaft, S. 233. BAUMANN, S. 76 ff. So differenziert Baumann nach der Häufigkeit der Klagen innerhalb der Privatparteien, die mit Titel, Beruf oder rechtlichem Status benannt werden können: An erster Stelle stehen die Kaufleute, dann die „Räte“ und Akademiker, Bürger und Handwerker. Dazu gesellen sich Gastwirte, die „vielleicht […] durch ihren kommunikativen Arbeitsplatz einen Wissensvorsprung“ hatten, „der ihnen den Umgang mit offiziellen Stellen erleichterte“ (S. 79). Zur Erinnerung: Unabhängig von Einkommen und Vermögen differierten die Möglichkeiten zur politischen Teilhabe in der Stadt deutlich. Die Mitwirkung war nicht nur nicht
Hamburg und Frankfurt vor dem Reichskammergericht
191
furt die am stärksten vertretenen Prozessparteien. Vermögende Kaufleute beider Städte sowie hamburgische Reeder und Frankfurter Verleger und Bankiers sind selbst oder ihre Angehörigen nicht nur in einzelnen, sondern teilweise in mehreren Verfahren zu beobachten, die neben ihrer eigentlichen Berufstätigkeit auch weitere gerichtsrelevante Aspekte des Alltags umfassten, z. B. Familiensachen oder die Auseinandersetzung mittels Verbalinjurien. Da es sich beim überwiegenden Teil der Prozesse um Appellationen handelte, reichten die beschränkenden Bestimmungen der Appellationsprivilegien aus, um große Teile der städtischen Bevölkerung, deren Streitigkeiten die festgeschriebenen Summen kaum erreichen konnten, vom Reichskammergericht fernzuhalten. Folgerichtig war daher der Anteil der Handwerker, die mit wenigen Ausnahmen gerade nicht zur städtischen Oberschicht gehörten, bereits deutlich geringer als derjenige der Kaufleute, während Gesinde aus beiden Städten am Reichskammergericht fast nicht existent ist. Eine weitere Konsequenz bildeten die sehr geringen Anteile der Kläger und Appellanten, die den Status einer armen Partei für sich geltend machen. Deren prozentualer Anteil lag in beiden Städten bei jeweils ca. 2%, bei denen es sich vorwiegend um verarmte Kaufleute und Bürger ohne berufliche Zuordnung handelte. Die Schichtung der Beklagten und Appellaten war jener der Kläger und Appellanten ähnlich, doch war besonders auffällig, dass in der überwiegenden Anzahl der Prozesse zwischen Privatpersonen beide Parteien aus der gleichen sozialen und beruflichen Gruppe stammten. Der Anteil der Frauen bei den Prozess eröffnenden Parteien war, obwohl sie – bedingt durch Regelungen, die ihre rechtliche Handlungsfähigkeit an die Vertretung durch den Ehemann oder einen sonstigen Vormund bzw. Vertreter koppelten – allein kaum erfolgreich vor Gericht agieren konnten, bemerkenswert hoch. Sie gehörten den gleichen gesellschaftlichen Schichten wie den bei der allgemeinen statistischen Untersuchung festgestellten an, da sich die Einordnung nicht zuletzt auch über Stellung bzw. Beruf des Ehemannes oder Vaters der klagenden Frauen definierte.568 Nur wenige der klagenden oder ap-
568
nur eine Frage des Geldes, sondern auch der rechtlichen Stellung der einzelnen Person – arme Handwerker konnten Ratsmitglieder sein, reiche Immigranten dagegen nicht. Auf den Zugang zum RKG hatte der Rechtsstatus (bei Männern) keinen Einfluss. Erstaunlich war der große Unterschied zwischen Hamburg und Frankfurt bezüglich der Kuratelverfahren und jenen, in denen die Frauen zumindest laut Akte ohne einen Vormund auftraten. Letzterer überstieg im Falle Frankfurts klar den hamburgischen Anteil. Überhaupt waren weibliche Klägerinnen und Appellantinnen in Frankfurt weitaus zahlreicher vertreten.
192
Hamburg und Frankfurt vor dem Reichskammergericht
pellierenden Frauen übten tatsächlich einen Beruf aus.569 Als bedeutsam erwies sich die Rolle der Einwanderer für die ökonomische Entwicklung beider Städte, da neben den für die Stadt überlebenswichtigen Zuwanderern aus dem näheren Umland auch Immigranten aus Italien, Frankreich, den Niederlanden und von der Iberischen Halbinsel an Elbe und Main heimisch wurden. Die ausländischen Fremden sorgten mit ihren geschäftlichen Beziehungen und Innovationen für eine Belebung der städtischen Ökonomien, doch sollen sie – ebenso wie eine weitere nicht im Diagramm erkennbare Gruppe, die Juden – zusammen mit den Kaufleuten aus dem Reich im nächsten Kapitel genauer untersucht werden. Tabelle 34: Entfernung der Prozessparteien Frankfurts (1.612 Prozesse) und Hamburgs (1.353 Prozesse) am Reichskammergericht 1495-1806 Geografische Differenzierung Parteien innerhalb der Stadt Parteien in benachbarten Territorien Parteien in weiter entfernten Territorien
Anzahl der Prozesse Hamburg 1.051
Anzahl der Prozesse Frankfurt 889
193 109
124 599
Neben der sozialen erfolgte auch eine geografische Differenzierung der Prozessparteien (Tabelle 34), deren Ergebnis – trotz der gerade auch mittels der Prozesse zu rekonstruierenden Handelsbeziehungen auf dem europäischen Kontinent und darüber hinaus – in einer Häufung der Verfahren zwischen Parteien aus Hamburg oder Frankfurt bzw. den benachbarten Territorien bestand. Zugleich machen die dennoch nicht unerheblichen Kontakte in weiter entfernte Territorien und Städte deutlich, dass auch die bereits im Überblick zur wirtschaftlichen Entwicklung des Reiches in der Frühen Neuzeit beschriebenen kommunikativen und infrastrukturellen Beschränkungen für die Handeltreibenden zwar ein Erschwernis, aber kein unüberwindliches Hindernis bedeuteten.570 Die Analyse der Entfernungen zwischen den Parteien bezogen auf einzelne Prozessgegenstände lässt den direkten Zusammenhang mit den Klägern bzw. 569
570
Neben den Frauen, die als Händler und Handwerker die Betriebe ihrer verstorbenen Ehemänner weiterführten (siehe dazu die entsprechenden Ausführungen in den Kapiteln III und IV), sowie einigen Dienstmädchen, waren vor allem Adelige vertreten, deren Zuordnung anhand ihres gesellschaftlichen Ranges erfolgte. Auch wenn die Frühe Neuzeit als Zeitalter einer Kommunikations- und Verkehrsrevolution gilt (siehe dazu u. a. NORTH, Handelsexpansion), wurde z. B. das Tempo einer Reise oder Nachrichtenübermittlung von Wetter und Infrastruktur und nicht zuletzt auch von den finanziellen Möglichkeiten bestimmt.
Hamburg und Frankfurt vor dem Reichskammergericht
193
Appellanten hervortreten: So wurden Verfahren um staatlich-hoheitliche Rechte zwischen benachbarten Territorien, d. h. dem Rat der beiden Städte571 und den verschiedenen Territorialherren geführt, während Kaufleute Prozesse mit einem familiären oder ökonomischen Hintergrund über alle drei differenzierten Distanzen anstrengten. Die Karten zu den Kontakten innerhalb des Reiches im Rahmen der Reichskammergerichts-Prozesse liefern zudem einen Eindruck von der breiten Streuung der Parteien. Dass die Zahl der Frankfurter jene der hamburgischen Kontakte deutlich überstieg, kann mit dem Hinweis auf die Frankfurter Messe begründet werden: Während vor allem der Seehandel Hamburgs unter Beteiligung von einheimischen Kaufleuten ablief, die mit Kollegen in anderen Ländern in geschäftlichem Kontakt standen und diese z. T. auch bei Prozessen in Hamburg und am Reichskammergericht vertraten, trafen auf der Frankfurter Messe in viel stärkerem Maße ortsfremde Parteien aufeinander. Kam es zwischen diesen zu einem Rechtsstreit, urteilte das Messegericht über zwei fremde Parteien, d. h. ein solcher Prozess fand gänzlich ohne einheimische Beteiligung statt. 572 Anhand der Karten lassen sich zudem die Vorstellungen einer Einteilung des Reiches in Wirtschaftszonen bestätigen – die Häufung von Kontakten um die beiden Städte herum ist klar erkennbar. In beiden Städten überwogen die Anteile der Prozesse zwischen einheimischen Parteien 573 , allerdings kann auch eine Vielzahl von Fällen festgestellt werden, in denen eine oder gar beide Verfahrensgegner nicht aus Hamburg bzw. Frankfurt stammten. Die Stadt am Main könnte anhand der gewonnenen Daten als das internationalere Handelszentrum angesprochen werden, doch greift diese Aussage eindeutig zu kurz, da sie sich lediglich auf die Reichskammergerichts-Prozesse stützt. Einerseits kann eine größere Zahl von Prozessvertretungen im Falle Hamburgs festgestellt werden, d. h. eine gerichtliche Auseinandersetzung zwischen zwei Hamburger Kaufleuten, von denen einer der Vertreter eines auswärtigen Handelsmannes war, zählte zunächst einmal als innerstädtisches Verfahren. Andererseits überwog die Zahl der Frankfurter Verfahren ohne Beteiligung einer heimischen Partei die der entsprechenden
571
572
573
Als Kläger in eigener Sache tat sich der Frankfurter Rat hervor, der deutlich mehr Verfahren eröffnete als sein Pendant in Hamburg. Als Beklagter war aber auch der Rat der Elbmetropole häufig vertreten. Erst im 18. Jahrhundert ließ sich auch für Frankfurt der Trend zur Prozessvertretung durch einheimische Kollegen verstärkt ausmachen. Zur Erinnerung: Zu diesen Verfahren zählten sowohl in Hamburg als auch in Frankfurt mehrere, die unter Beteiligung von Bewohnern der Landgebiete ausgetragen wurden, d. h. Parteien, die nicht direkt innerhalb der Stadtmauern, aber auf städtischem Besitz in umliegenden Dörfern wohnten.
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Hamburger Fälle deutlich (84 gegenüber 29).574 Wie ist dennoch diese Diskrepanz bezüglich der Zahl der Prozesskontakte in weiter entfernte Territorien zu erklären? Womöglich wirkte sich hier doch die größere Entfernung Hamburgs zum Sitz des Reichskammergerichts stärker als bisher im Rahmen dieser Untersuchung angenommen aus. Der zeitliche und damit auch finanzielle Aufwand für ein Verfahren am Reichskammergericht war von Hamburg aus zweifellos größer, als wenn sich der auswärtige Kaufmann bereits am Main befand. Darüber hinaus unterstellten die Messeprivilegien fremde Messehändler der Frankfurter Gerichtsbarkeit, so dass im Falle einer Anrufung des Schöffengerichts und eines unbefriedigenden Urteils der Gang nach Speyer oder Wetzlar beim Wunsch nach einer Appellation nicht zu vermeiden war.575
574
575
Ursächlich dafür ist Frankfurter Messe, zu der eine große Anzahl auswärtiger Kaufleute in der Stadt weilte. Vgl. ROTHMANN.
III. HANDELSPROZESSE VOR DEM REICHSKAMMERGERICHT
1. Handel und Handelsprozesse in Hamburg und Frankfurt Hamburgs Handel im Spiegel der Reichskammergerichts-Prozesse Von Ebert-Weidenfeller wurde aufgezeigt, dass sich ab der Mitte des 18. Jahrhunderts der Rat der Stadt Hamburg sowie die erbgesessene Bürgerschaft zunehmend über das Reichskammergericht beschwerten, da dieses trotz des eindeutigen Privilegs Appellationen in Handelsstreitigkeiten zur Verhandlung zuließ und sie nicht ablehnte.1 Zur Erinnerung: Im Appellationsprivileg von 1634 waren eigentlich sämtliche den Handel betreffende Sachen von der Appellation an das Reichskammergericht ausgeschlossen worden.2 Dennoch lag der Anteil der Handels- und Gewerbesachen – letztere werden in Kapitel IV näher betrachtet – in den drei Jahrhunderten des Untersuchungszeitraums bei über einem Fünftel des gesamten hamburgischen Prozessaufkommens. In den 100 Jahren zwischen 1650 und 1750 fiel deren Anteil zwar auf unter 15% und deutete auf eine eingeschränkte Wirksamkeit des Appellationsprivilegs hin, doch in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts machten die Handels- und Gewerbesachen über 30% aus und erreichten damit annähernd die Menge der geldwirtschaftlichen Prozesse. 3 Daher sind die vom Rat vorgebrachten Beschwerden nur allzu verständlich, schließlich bedeutete die Anrufung der Reichsgerichte 1
2 3
EBERT-WEIDENFELLER, S. 253 ff. Freitag nennt als Beispiel den Prozess M68 (FREITAG, S. 29). Diese Prozessakte enthält ein Promotorialschreiben Kaiser Ferdinands III. aus dem Jahre 1640, in welchem er das RKG auf das Hamburger Appellationsprivileg von 1634 und die in ihm enthaltenen nicht appellabelen Gegenstände hinweist. In dem Fall klagte in Hamburg ein Geschwisterpaar gegeneinander um die Teilung der Erbschaft des Vaters (besonders erwähnt wird ein Brauerbe; dieses wird öfter zum Gegenstand von Streitigkeiten, was angesichts der vielen Hamburger Brauereien nicht überraschen kann). Trotz des Hinweises des Kaisers landete die Sache 1648 in einer zweiten Appellation (M69) erneut am RKG (erste Appellation 1638), da nach dem Tod des Schwagers (Ehemann der zunächst klagenden Schwester) der erneut appellierende Bruder um seinen Anteil am Erbe fürchtet (STEIN-STEGEMANN, S. 733 f., M68, M69). EISENHARDT, S. 85. Vgl. auch Kapitel II.2. Vgl. dazu die Tabellen in Kapitel II.2 (3) sowie diejenigen im Anhang (39-42) mit der Aufschlüsselung der Prozessgegenstände für Hamburg zwischen 1600 und 1806.
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Handelsprozesse vor dem Reichskammergericht
durch eine hamburgische Partei in einem solchen Fall eine Kontrolle der städtischen Gerichtsbarkeit bezüglich ökonomischer Entscheidungen. Hier soll nun untersucht werden, wie diese eigentlich verbotenen Prozesse genauer differenziert werden können, bevor dann die anteilig stets größte Prozesskategorie der geldwirtschaftlichen Fälle und die für diese Prozesse hauptsächlich verantwortlichen Kaufleute näher betrachtet werden. Das Niveau des Anteils der hamburgischen Handels- und Gewerbesachen am Reichskammergericht zwischen 1495 und 1806 lag noch etwas über dem Lübecks (ca. 21%) und weit über dem des südlichen Ostseeraumes, in dessen Prozessaufkommen nur ca. 8,5% Gewerbe- und Handelsstreitigkeiten vertreten sind.4 Ähnlich wie in Hamburg stieg in Lübeck der Anteil dieser Fälle in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts stark an und erreichte fast 56%, während allerdings gleichzeitig die geldwirtschaftlichen Prozesse massiv zurückgingen.5 Wie für Lübeck gilt auch für Hamburg, dass sich beide Städte damit weit oberhalb des Reichsniveaus in der Frühen Neuzeit bewegten. 6 Gerade in diesem Umstand wird erneut der insgesamt ländliche Charakter des Reiches sichtbar, denn die geringe Inanspruchnahme des Reichskammergerichts in Handels- und Gewerbesachen kann nicht mit den Appellationsprivilegien erklärt werden, die kaum Einschränkungen für die Appellationsfähigkeit von derartigen Streitgegenständen vorsehen.7 Dies heißt nicht, dass es – abgesehen von den Handelszentren (wie im Falle Frankfurts noch genauer zu untersuchen ist) – in weiten Teilen des Reiches keinen Handel gab, doch beschränkte sich dieser auf regionale Aktivitäten der beteiligten Kaufleute und erreichte in Streitfällen viel seltener die notwendige Appellationssumme.
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7
FREITAG, JÖRN, Lübeck, S. 177. FREITAG, JÖRN, Lübeck, S. 180. RANIERI, Recht und Gesellschaft, S. 483 f. BAUMANN, S. 160 f. Im 16. Jahrhundert erreichte der Anteil der Handels- und Gewerbeprozesse nach Ranieris Rechnungen maximal 4%, bei Baumann pendelte er im 17. und 18. Jahrhundert zwischen 2% und maximal 10% in den 1790er Jahren. EISENHARDT, besonders S. 70, 79. Abgesehen von den illimitierten Privilegien waren neben Hamburg auch Augsburg und Bremen Sonderregelungen für Kaufleute bzw. Handelssachen gewährt worden. Augsburg erhielt in einer Erweiterung seines Privilegs im Jahre 1627 das Recht verliehen, Streitigkeiten zwischen Kaufleuten als oberste Instanz zu regeln, es durfte in dieser Sache nicht an das RKG appelliert werden. In Bremen gab es eine geringere Beschränkung, denn die Stadt durfte nach dem Privileg von 1541 zwar ein besonderes Handelsgericht einrichten, dessen Urteile nicht an das RKG appellabel waren, jedoch waren nur Verfahren mit einem Streitwert bis 200 Goldgulden betroffen.
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Handelsprozesse vor dem Reichskammergericht
Tabelle 35: Differenzierung der Hamburger Handels- und Gewerbeprozesse 1495-1806 (286 Prozesse; absoluter Wert und prozentualer Anteil des Streitgegenstandes im Zeitraum)8 Streitgegenstand
1495-1599
1600-1699
1700-1806
1495-1806
Gewerbe- und Handelsfreiheit9 Zunftwesen allg., Streit zwischen Ämtern und Unzünftigen Aufnahme in, Ausschluss aus Ämtern, Zwang zum Amtseintritt
2 (4,5) 0
3 (2,8) 12 (11,3)
5 (3,7) 38 (27,9)
10 (3,5) 50 (17,5)
0
3 (2,8)
8 (5,9)
11 (3,8)
Handelsgesellschaften Assekuranzwesen
10 (22,7) 2 (4,5)
12 (11,3) 9 (8,5)
9 (6,6) 18 (13,2)
31 (10,8) 29 (10,1)
Sonstige Handelsgeschäfte Sicherung privater Handelsforderungen (Arrest, Beschlagnahme) Zwangsvollstreckung, Konkurse
15 (34,1) 14 (31,8)
34 (32,1) 30 (28,3)
33 (24,3) 7 (5,1)
82 (28,7) 51 (17,8)
1 (2,3)
3 (2,8)
18 (13,2)
22 (7,7)
Summe (Anteil an Handels- und Gewerbeprozessen 1495-1806)
44 (15,4)
106 (37,1)
136 (47,6)
286 (100)
In Hamburg betrafen 75% der Handels- und Gewerbesachen tatsächlich den Handel, die restlichen Prozesse das Gewerbe (siehe dazu ausführlich Kapitel IV). Die Fälle mit Handelsbezug umfassten Handelsgeschäfte und die an ihnen beteiligten Gesellschaften, die Arretierung von Waren zur Sicherung zumeist finanzieller Forderungen aus Handelsgeschäften, Konkurse und Versicherungen (siehe Tabelle 35), wobei die erstgenannten Handelsgeschäfte wiederum den größten Anteil ausmachten. Im 16. und 17. Jahrhundert bestimmten sie zu einem Drittel die Handels- und Gewerbesachen, im 18. Jahrhundert immerhin noch zu einem Viertel. Die Dominanz des Textilgewerbes bezüglich des hamburgischen Handels spiegelt sich vor allem in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wider, als mehrere Prozesse Streitigkeiten um Tuchlieferungen behan-
8 9
FREITAG, S. 105. Die Streitgegenstände um Handels- und Gewerbefreiheiten haben nur einen geringen Anteil am Prozessaufkommen innerhalb des Bereichs Handel und Gewerbe, allerdings kommt es zu Überschneidungen mit anderen Prozessgegenständen. Das betrifft nicht nur Zunftstreitigkeiten im weiteren Sinne, sondern auch Prozesse um die Zollhoheiten und Handelsprivilegien Hamburgs, die jedoch den staatlich-hoheitlichen Rechten zugeordnet wurden.
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Handelsprozesse vor dem Reichskammergericht
delten, vereinzelt wurde aber auch wegen Schwierigkeiten beim Nahrungsmittelhandel geklagt.10 Die aus der Menge der Handelsstreitigkeiten abzuleitende positive Entwicklung des hamburgischen Handels11 beruhte dabei – neben der Immigration, die bei der Betrachtung der Kaufleute nochmals thematisiert wird – vor allem auf den ebenfalls schon genannten Stapelprivilegien. Das kaiserliche Stapelprivileg 10
11
1595 wurde eine hamburgische Bürgerwitwe am Obergericht von zwei Londoner Kaufleuten wegen der bisher nicht erfolgten Zahlung von 857 Rtlr. (in Form einer Obligation) aus einem Geschäft mit englischen Tuchen verklagt. Die Witwe appellierte daraufhin am RKG und machte geltend, dass sie als Frau ohne Kurator nicht vor Gericht gestellt und deshalb nicht haftbar gemacht werden könne. Dieser Prozess verbindet mehrere interessante Elemente. Er führt uns einerseits den Status der Frau im hamburgischen Justizwesen vor Augen (siehe dazu Kapitel II.2), andererseits verweist er auf die Handelsbeziehungen zu England, die zum Teil vom Tuchhandel bestimmt wurden, sowie den in diesem Fall praktizierten bargeldlosen Geschäftsverkehr mittels eines Kreditpapiers (STEINSTEGEMANN, S. 732 f., M67). Ende der 1570er Jahre appellierten zwei ursprünglich beklagte Hamburger Bürger und Kaufleute (einer von ihnen war Gutsbesitzer im Fürstentum Magdeburg, der andere niederländischer Herkunft) gegen einen anhaltinischen Gutsbesitzer. Die Appellanten hatten eine Summe von 1.030 Rtlr. für eine Lieferung Korn des Appellaten zurückgehalten und waren von diesem angeblich tätlich angegriffen worden. Sie verweigerten die Zahlung aufgrund Schlechtlieferung und zusätzlicher Kosten wegen des täglichen ‚Umstechens’ des Getreides (um es zu trocknen) (STEINSTEGEMANN, S. 598 f., K72). Ein dritter Beispielfall ist quasi als Stellvertreterprozess zu bezeichnen, da die beiden streitenden Parteien nur über ihre jeweiligen Vertreter involviert waren. Dies ist allerdings der Tatsache geschuldet, dass sich beide nicht in Hamburg aufhielten und auch kein direktes geschäftliches Verhältnis miteinander eingingen. Zwei Prokuratoren und Bürger zu Hamburg appellierten in Vollmacht eines Kaufmannes (ein früherer Kammerjunker und Bürger zu Paris, der nun in Frankfurt am Main weilte) gegen ein Urteil des Obergerichts, an welchem ihr Klient vom Faktor und Ritter des Königs von Portugal in Antwerpen verklagt worden war. Letzterer handelte in Vollmacht eines in Lissabon wohnenden weiteren Hoffaktors. Strittig war die vom nebenbeklagten Hamburger Rat durchgeführte Beschlagnahme von 254 Sack Pfeffer, die dem Appellaten von „holländischen Rebellen“ in Vlissingen geraubt und an den Appellanten verkauft worden war, woraufhin diese Säcke nach Hamburg gebracht wurden (STEIN-STEGEMANN, S. 22, B3). Die Parteien im letzten Beispielfall prozessierten um eine Beschlagnahme, die im Allgemeinen zusammen mit den Arretierungen von Waren im 16. Jahrhundert ein Drittel der Handels- und Gewerbesachen ausmachten. Darüber hinaus deutet dieser Fall auf den niederländischen Unabhängigkeitskampf gegen die spanisch-habsburgische Krone an. Dass ein portugiesisches Schiff dabei weggenommen wurde, ist angesichts der Personalunion der spanischen und portugiesischen Krone erklärbar. Zudem können wir einen Blick auf die Möglichkeiten der Kriegsfinanzierung werfen (vgl. M. NORTH, Geschichte der Niederlande, München 1997, S. 28 ff.). Positiv sind nicht die vielen Prozesse selbst, aber sie deuten auf die insgesamt große Anzahl von Handelsgeschäften hin.
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199
von 1482 konnte sich Hamburg 1550 und erneut 1555 und 1559 bestätigen lassen und begegnete so den von Braunschweig-Lüneburg erhobenen Beschwerden über die hamburgische Behinderung des Elbhandels. Eine echte Neuerung und zugleich weiterer Anreiz für Kaufleute in Hamburg zu handeln, stellte die Eröffnung der Börse 1558 dar. Mit ihr stand ein täglich nutzbarer Handelsplatz zur Verfügung, der besonders den Tuchgroßhandel kanalisierte.12 Anfang des 17. Jahrhunderts wurde der Warenbörse die Hamburger Wechselbank13 zur Seite gestellt, so dass nun auch Kreditpapiere einfach und schnell an zentraler Stelle gehandelt werden konnten. Die Bemühungen der Stadt um Neutralität im Dreißigjährigen Krieg verhinderten eine kriegsbedingte Rezession, da sie einerseits vom Krieg Vertriebenen eine Zuflucht bot (Arbeitskräftemangel hatte Hamburg nicht zu beklagen) und andererseits gut am Geschäft mit allen Kriegsparteien verdiente.14 Dies wird durch die auch im 17. Jahrhundert anhaltend hohe Zahl von hamburgischen Handelsprozessen am Reichskammergericht verdeutlicht, die – anders als im Reich – ihren Anteil am hamburgischen Prozessaufkommen halten konnten.15 Allerdings wandelte sich die Art
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14
15
POSTEL, Reformation und Gegenreformation, S. 231 ff. Siehe auch die Beispielprozesse zu den Stapelprivilegien in Kapitel II.2 sowie ausführlich bei E. BAASCH, Hamburgs Seeschiffahrt und Warenhandel vom Ende des 16. bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts, in: ZVHG 9/1894, S. 295 ff. Zur Erinnerung: Die Hamburger Börse war die erste in Deutschland und die vierte in Europa, wobei Antwerpen 1531 den Anfang gemacht hatte. Die ebenfalls von Antwerpen inspirierte Veredelung halbfertiger englischer Tuche in Hamburg erwies sich als profitabel und bescherte den Wandschneidern eine anderen Berufszweigen überlegene soziale Stellung (REISSMANN, S. 9). Wie schon erwähnt, erfolgte diese Gründung ebenfalls nach niederländischem Vorbild und wurde vor allem von niederländischen Kaufmannsfamilien getragen (PETERS, S. 154). Siehe dazu ECKARDT, S. 32. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts beeinträchtigten die englisch-niederländischen Seekriege auch den Hamburger Seehandel und ließen dessen Risiko – wie schon während der spanisch-niederländischen Auseinandersetzungen in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts – stark ansteigen. So klagte 1693 ein englischer Kaufmann am RKG gegen die Tochter eines inzwischen verstorbenen sowie gegen einen weiteren Hamburger Kaufmann (die Sache gelangte erstmals 1682 an die Admiralität). Verhandelt wurden die Beweisführung und Eidesleistung der Beklagten in einem Streit um deren Bürgschaft für die Unkosten des Klägers bei der Wiederbeschaffung der Fracht seines Schiffes. Dieses hatte Branntwein von der Ile de Ré nach Hamburg transportieren sollen, war aber bei Ostende von Engländern (!) aufgebracht worden (STEIN-STEGEMANN, S. 1107 f., T27). Allein der Anteil der Handelsfälle aus Hamburg erreichte im 17. Jahrhundert 15% (damit ist nicht die komplette Kategorie Handel und Gewerbe gemeint!) (FREITAG, S. 50, FN 219), der aus den Werten Baumanns errechnete Anteil der gewerblichen und Handels-
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Handelsprozesse vor dem Reichskammergericht
der Waren, wobei zwar immer noch Tuche und Leinwände, aber auch Kupfer und Zucker sowie Salz und Wein gehandelt wurden. 16 Um berechtigte oder unberechtigte Forderungen gegen Handelspartner durchzusetzen, prozessierten Schiffsbetreiber und Besatzungen mit den Kaufleuten um Frachtkosten oder Fragen des Schiffseigentums, doch waren diese Klagegründe nicht ganz so häufig vertreten.17 Der überwiegende Anteil der Handelsprozesse ließ den hamburgischen Bezug zum Seehandel erkennen, der das Bild der Stadt entscheidend prägte.18 Im 18. Jahrhundert entwickelte sich der Anteil der Handelsgeschäfte an der Kategorie Handel und Gewerbe rückläufig zu Gunsten der stark zunehmenden Zunftstreitigkeiten, obwohl die Stadt weiterhin „führender nordeuropäischer
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prozesse aus dem ganzen Reich lag in dieser Zeit bei gerade einmal 4,1% (vgl. BAUMANN, S. 160). 1626 geraten zwei Hamburger Kaufleute am RKG aneinander, bei dem der Kläger dem Beklagten vorwarf, einen Vertrag über die Lieferung einer Partie ungarischen Kupfers nicht erfüllt zu haben, weshalb er seinen eigenen Verpflichtungen ebenfalls nicht korrekt nachkommen konnte und stattdessen schwedisches Kupfer nach Spanien verschiffen musste (STEIN-STEGEMANN, S. 1033 f., S150). Einige Jahre zuvor (1603) hatte ein Hamburger Bürger und Weinkaufmann (der sich dann als Weinschenk in Hildesheim niederließ) gegen mehrere Mitglieder eines Schiedsgerichts sowie den Hamburger Rat geklagt, weil sich die Richter in seinem Prozess gegen die hamburgischen Bürgen eines Amsterdamer Kaufmanns angeblich parteilich verhielten, ihn beleidigt und seine Waren arretiert hatten. Gegenstand des Prozesses war der Streit um Verschiffung und Verkauf einer Ladung Wein und Salz zwischen dem Kläger und dem Amsterdamer Kaufmann (STEINSTEGEMANN, S. 1014 f., S132). Zum Schiedsgericht gehörte Dominicus van Uffeln, der als Zuckerimporteur in Kellenbenz’ Untersuchung in Erscheinung trat (1612: 121 Kisten, 5 Pipen). Er war im Handel mit Portugal tätig, bezog von dort seinen Zucker und war 1612 nach sieben „Portugiesen“ größter eingesessener Zuckerimporteur (KELLENBENZ, Sephardim, S. 111 f., 478). So klagte 1686 ein Hamburger Kaufmann gegen einen hamburgischen Reeder und ein vom Obergericht ergangenes Urteil. Beide Parteien waren Gläubiger eines Hamburger Schiffers und gerieten nach der Arretierung und Verpfändung dessen Schiffes im Streit über ihre Rangfolge bei der Befriedigung der jeweiligen Ansprüche (STEIN-STEGEMANN, S. 1040, S155). Freitag verweist in diesem Zusammenhang auf einen Prozess um ein Holzgeschäft (FREITAG, S. 50), in welchem ein Hamburger Ratsherr und Kaufmann sowie drei andere Hamburger Kaufleute vor Gericht aneinander gerieten, nachdem ein lübeckischer Kaufmann die gleiche Partie Holz an die Beklagten verkauft und an den Kläger und zwei weitere Kollegen zediert hatte. Die Beklagten hatten diese Ladung in Lauenburg arretieren lassen. Obwohl es sich hier nicht um Seehandel im engeren Sinne handelt, ist in diesem sowie den vorgenannten Beispielfällen sowohl die wirtschaftliche Anbindung des Hamburger Hinterlandes über die Elbe als auch die für den Handel nach Übersee günstige Lage erkennbar (STEIN-STEGEMANN, S. 862 f., R39).
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Zwischenmarkt“ war. Die seit der Mitte des 18. Jahrhunderts teilweise kriegsbedingten wirtschaftlichen Schwankungen, ebbten zum Ende des Jahrhunderts ab, so dass sich die Einnahmen der städtischen Finanzverwaltung mehr als verdoppelten.19 Wichtigster auswärtiger Handelspartner der Stadt wurde in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts schließlich Frankreich, dessen Importe zwischen dem Ende des Siebenjährigen Krieges und der Revolution zu über 50% die hamburgischen Einfuhren bestimmte. 20 Das Textilgewerbe blieb von diesen Entwicklungen unbeeinflusst, wie mehrere Prozesse um Tuche und -lieferungen bewiesen, schließlich hatten die Kattundruckereien – neben den Zuckerraffinerien und den Fabriken zur Tabakveredlung – überregionale Bedeutung erlangt.21 Der Ausweitung des Fernhandels und dessen Konzentration auf die Nordsee und den Atlantik folgt auch die Entwicklung des Geschäftsanfalls bezüglich der Assekuranzprozesse, die im 18. Jahrhundert 13% der gewerblichen und Handelssachen ausmachten. Bevor besonders im 18. Jahrhundert in Hamburg die so genannte Partenreederei praktiziert wurde, bei der mehrere Kaufleute ein Schiff finanzierten und das Risiko seines Verlustes verteilten, versuchten die Händler einem Totalverlust ihrer Waren durch deren Verteilung auf mehrere Schiffe zu 19
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KOPITZSCH, S. 374. Die Gesamteinnahmen der Kämmerei betrugen 1716 knapp 3,1 Millionen Mark, 1746 nur noch 2,5 Millionen und um 1800 5,8 Millionen. Eine ähnliche Entwicklung ist für die Zolleinkünfte zu beobachten: sie stiegen von 1716 (0,21 Millionen Mark) bis 1746 (0,24 Millionen) nur leicht an, verdreifachten sich dann aber bis 1800 (0,75 Millionen). Siehe dazu auch oben die Ausführungen zum Admiralitätszoll. Vgl. dazu NORTH 1996, besonders S. 8. In der ersten Hälfte des Jahrhunderts war das Gros des auswärtigen Handels noch mit England abgewickelt worden, während die französisch-hamburgischen Handelsbeziehungen zusätzlich durch den Spanischen Erbfolgekrieg belastet wurden. Die Handelsrouten einzelner Warenlieferungen sind spekulativ und aus den Findbuchangaben nicht zu rekonstruieren (FREITAG, S. 50). KOPITZSCH, S. 374. 1753 appellierte ein jüdischer Kaufmann in Hamburg gegen zwei Kaufleute (Vater und Sohn) sowie den Rat der Stadt. Der Appellant weigerte sich trotz entsprechenden Urteils des Rates in der städtischen Instanz, für eine von den Appellaten gelieferte Partie Kattun im Wert von knapp 4.000 Mark zu bezahlen, da die „auf Treu und Glauben“ gekaufte Ware (die inzwischen im Auftrag eines Danziger Kaufmannes nach Bremen geschickt worden war) stark beschädigt gewesen sei (STEIN-STEGEMANN, S. 522, J36). Am Ende des 18. Jahrhunderts führten jeweils zwei Hamburger Kaufleute gegeneinander Klage um eine Schadenersatzforderung der Appellanten in Höhe von knapp 4.000 Mark an die Appellaten. Letztere hätten als Beauftragte der K.u.K.-Zuckerraffinerie in Königsaal zwar eine Partie Feinzucker an die Appellanten geliefert, doch entspräche dieser Zucker in seiner Qualität nicht der zuvor begutachteten Probe, weswegen der Kaufvertrag nicht erfüllt worden sei (STEIN-STEGEMANN, S. 1131 f., V6). Nicht nur Kaffeetrinken wurde immer beliebter (1780 gab es schon 15 Kaffeehäuser), auch das Rauchen setzte sich mehr und mehr durch. Allein über 50 Sorten Schnupftabak wurden um 1730 in der Stadt angeboten (KLESSMANN, S. 297 f.).
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begegnen.22 Zusätzlich begannen im 17. Jahrhundert vor allem die in Hamburg ansässigen Niederländer, den Warentransport auf See sowie die Schiffe selbst zu versichern.23 Das bereits im 18. Jahrhundert stark ausdifferenzierte Angebot an Schiffsversicherungen wird anhand Spooners Ausführungen zum Amsterdamer Seeversicherungswesen für eineinhalb Dekaden in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts besonders deutlich.24 22
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NORTH, Handelsexpansion, S. 171 ff. Ab der Mitte des 18. Jahrhunderts schuf Hamburg erstmals bedeutende eigene Tonnagezahlen zu Handelszwecken, da teilweise Walfangschiffe umfunktioniert wurden. Zur Mitte des 17. Jahrhunderts hatte sich innerhalb der hamburgischen Schifffahrt die Grönlandfahrt als ein spezialisierter Teilbereich entwickelt. Die Walfangflotte der Stadt bestand aus bis zu 60 Schiffen und verschaffte 2.000 Seeleuten sowie mehreren gewerblichen „Zulieferern“ Arbeit (LOOSE, Zeitalter der Bürgerunruhen, S. 333). FREITAG, S. 51. Das größte Problem für den Warentransport über See bildeten Piraterie und Kaperei (letztere war vom Staat geduldete/angeregte Piraterie), wenngleich auch durch Stürme oder andere natürliche Widrigkeiten Schiffe verloren gingen. Besonders im Mittelmeer betrieben zunächst Genueser und Korsen Seeräuberei und Kaperfahrt, im Verlauf des 16. Jahrhunderts wurden aber besonders die Barbaresken (nordafrikanische Piraten) zum Sicherheitsrisiko für die Kauffahrtschiffe. Auf der Ost- und Nordsee trieben die Vitalienbrüder (deren berühmtester Vertreter sicher Klaus Störtebeker war) ihr Unwesen, teils aus eigenem Antrieb, teils aber auch mit obrigkeitlicher Unterstützung oder wenigstens Duldung. Der Schaden für den hansischen Handel sowohl in der Ostsee als auch auf den Handelrouten nach den Niederlanden und England war entsprechend groß und zwang die hansischen Kaufleute zu geeigneten Gegenmaßnahmen, z. B. zur Konvoibildung und Bewaffnung ihrer Schiffe. Im Kampf gegen die spanischhabsburgische Flotte taten sich vor allem die Engländer in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts hervor, als Kapitäne wie Drake und Raleigh mit Unterstützung Elisabeths I. Jagd auf spanische Silberflotten machten (KELLENBENZ, Die Wiege der Moderne, S. 296 f.). Um sich gegen den Schaden an Schiffspersonal und Waren abzusichern, wurde neben militärischen Maßnahmen auch in Versicherungen investiert, die einerseits den Warenwert bezahlten und andererseits auch Mittel für den Freikauf von Schiffern bereitstellten – letzteres wurde teilweise auch von den Schiffervereinigungen übernommen. Maßgeblichen Anteil an der Entstehung des Versicherungswesens in Hamburg hatten die niederländischen Einwanderer, die vor allem zur Verbreitung der Seeversicherungen beitrugen (POSTEL, Reformation und Gegenreformation, S. 250). Die Ermittlung einzelner Prämien basierte auf verschiedenen Faktoren, die Spooner in einer übersichtlichen Grafik (Graph 8: Insurance rates and distances from Amsterdam 1769 in F. C. SPOONER, Risks at sea: Amsterdam insurance and maritime Europe [17661780], Cambridge 1983, S. 129, sowie auch S. 200 ff.) darstellt. Neben der Entfernung des Ziel- oder Herkunftsortes bildete die Jahreszeit einen entscheidenden Faktor: Die Versicherungsprämie für ein nach Surinam fahrendes Schiff betrug 2% des Wertes (höchste Prämie, am billigsten waren London und Rouen mit z. T. unter 1%) – genau so viel wie für ein aus London ankommendes Schiff. Dies war der niedrigste Wert für den Importhandel, für ein aus Surinam kommendes Schiff mussten schon 4-8% gezahlt wer-
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Der erste hamburgische Versicherungsfall, der am Reichskammergericht landete, datiert in das Jahr 1594. 25 Im 17. Jahrhundert können bereits neun Fälle 26 dieses Charakters ausgemacht werden und im nächsten Centennium waren es gar 18 Prozesse, die in den meisten Fällen Seeversicherungen beinhalteten – eine kaufmännische Vorsorgemaßnahme, die angesichts der kriegerischen Auseinandersetzungen des 18. Jahrhunderts gerechtfertigt war.27
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den. Noch stärker wurden hier allerdings Schiffe aus Häfen veranschlagt, bei denen die geografische Lage die Möglichkeit der Beschädigung oder des Verlusts durch klimatische Besonderheiten einschloss. Entsprechend waren Handelsgüter aus Ostsee-, Nordseeund Nordmeerhäfen mit 4% (Oslo), 6% (Bergen, Königsberg, Riga), 8% (Stockholm) oder gar bis zu 12% (Archangelsk) versichert. Neben der Entfernung und der geografischen Breite verweist Spooner ebenfalls auf die Gefahren durch eine multinationale Mannschaft, wodurch sich die Wahrscheinlichkeit von Meutereien erhöhe – ein Risiko, welches sich (ebenso wie Seekriege) wiederum in der Versicherungsprämie niederschlug (S. 128, 248). Mehrere Versicherer und ein Hamburger Kaufmann streiten um die Bezahlung einer Versicherungssumme für eine von Hamburg nach Genua oder Livorno bestimmte Ladung Korn. Zwar machen die Versicherer geltend, dass das Schiff z. T. durch ein Unwetter, z. T. durch Piraten beschädigt Lissabon anlaufen musste, darüber liege allerdings durch die Hafenbehörde in Lissabon keine Bestätigung vor, so das Argument des geschädigten Kaufmannes. Im Gegenteil: das Schiff hätte nach der Reparatur durchaus weiterfahren können, doch hätten die Appellanten wegen des „schlappen [italienischen] Marktes“ für Getreide darauf verzichtet (STEIN-STEGEMANN, S. 590 f., K62; siehe dazu auch S. 859 f., R36). An einem Drittel dieser Prozesse ist Jacques Budier beteiligt, nach Kellenbenz zusammen mit Otto Brüggemann (der in zwei dieser Fälle ebenfalls involviert ist) zwei der führenden Hamburger Rußhändler, wobei erstgenannter auch mit der Iberischen Halbinsel handelte (H. Kellenbenz, Unternehmerkräfte im Hamburger Portugal- und Spanienhandel 1590-1625 [Veröffentlichungen der Wirtschaftsgeschichtlichen Forschungsstelle, 10], Hamburg 1954, S. 131, 198. STEIN-STEGEMANN, S. 110 f., 433 f., 602 f., B104, H127, K75). Dass die Herren Budier und Brüggemann nicht nur in „rußigen Sachen“ tätig sind, zeigt Prozess B39, ein Streit um eine Ladung Roggen von Archangelsk nach Lissabon (STEIN-STEGEMANN, S. 50 f.). Besonders die Versicherer selbst klagten gegen ihre Klienten und warfen ihnen vor, ihre Waren mit Absicht und fälschlicherweise als neutrales Handelsgut deklariert zu haben, woraufhin die Wegnahme zwangsläufig erfolgte. 1796 wird an das RKG ein Streit um die Zahlung einer Versicherungssumme für eine abgebrannte Mühle herangetragen. Ein Hamburger Papiermühlenbesitzer (die Mühle befindet sich auf holsteinischem Territorium) klagt gegen den Hamburger Bevollmächtigten der Phönix-Assekuranz-Compagnie in London wegen der Zahlung von 21.000 Mark banco, die ihm laut Versicherungsvertrag zuständen. Dagegen macht der Beklagte geltend, dass Brandstiftung und Zeugenbestechung im Spiel seien. Dieser Streit landet als einer der letzten Hamburger RKG-Prozesse 1806 erneut vor Gericht, als der Kläger bezüglich der Versicherungssumme gegen die Erben der Hamburger Firma des Bevollmächtigten vorgeht (STEIN-STEGEMANN, S. 634
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Parallel zu den Assekuranzprozessen verlief die Entwicklung der Inanspruchnahme des Reichskammergerichts in Konkursfällen – im 16. und auch 17. Jahrhundert sind nur einzelne Fälle auszumachen, doch im 18. Jahrhundert stieg ihr Anteil bedingt durch die Kreditkrise in den 1760er Jahren sprunghaft an.28 Abgesehen von Prozessen, die direkt wegen Konkursen geführt wurden, gab es weitere, in denen Verbindungen zu verschiedenen Fallitfällen nachgewiesen werden können.29 Einer der besonders umstrittenen Bankrotte war jener der
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f., 1250 f., L35, Nachtrag III Nr. 8). Für die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts listet Böhme Zahlen zum „See-Gefahr-Versicherungsgeschäft zu Hamburg“ auf: 1814 betrugen die Versicherungssummen knapp 42 Millionen Mark banco und stiegen unregelmäßig auf annähernd 294 Millionen Mark 1844 an (BÖHME, Hamburg und Frankfurt, S. 113). Zu den Gründen der Kredit- bzw. Geldkrise siehe SCHNEIDER, „Banco, Species und Courant“, S. 79 ff. Die Geldkrise begann schon vor dem Ausbruch des Siebenjährigen Krieges am Anfang der 1750er Jahre, wurde durch die militärischen Verwicklungen allerdings verstärkt und mündete schließlich in eine Kreditkrise. Schon 1750 musste die Hamburger Bank vorübergehend schließen, da ein Mangel an Silber bzw. Silbergeld herrschte. Dies hatte zwei Folgen: Einerseits versuchten die Kriegsparteien, sich Geld mittels Münzverschlechterung zu beschaffen, andererseits wurden unsichere Kredite aufgenommen. Um ersterem Problem zu begegnen, tauschten sich Hamburg und Frankfurt 1758 über mögliche gemeinsame Maßnahmen aus, wobei allerdings der Hamburger Rat letztlich meinte, dass „jeder Zwang dem Handel schade“, zumal die Reichsgesetze zwar die Ausfuhr von münzbaren Edelmetallen aus dem Reich verboten, aber nicht deren Zirkulation innerhalb der Reichsgrenzen. Hamburg überstand letztlich sowohl die erste als auch die zweite Kipper- und Wipperzeit ohne große Einschränkungen, da die Stadt selbst „in diesen beiden Geldkrisen eine angemessene Rolle als Umschlagplatz für minderwertiges Kriegsgeld“ spielte (S. 80). Die Hamburger Bank überlebte ebenso – im Gegensatz zu anderen Bankhäusern und Kaufleuten in der Stadt – wegen ihrer vorsichtigen Kreditpolitik die Krise von 1763 unbeschadet, obwohl das Kreditvolumen deutlich gewachsen war und der Hamburger Handel noch mehr als der Amsterdamer litt. In den zwei Dekaden nach 1763 gelangten neun Konkurse an das RKG sowie zusätzlich 17 andere Fälle, die besagten Bezug zu einem Bankrott aufwiesen. 1787 prozessierte ein Hamburger Schiffsmakler gegen Bevollmächtigte der Neuen Assekuranz-Compagnie in Hamburg. Hintergrund waren Forderungen der Appellaten an den im Gefängnis einsitzenden fallierten Kläger, gegen den wiederum von Seiten der Versicherung ein Anspruch in Höhe von über 37.000 Mark bestand. Der Kläger wendete ein, dass die Beklagten die Fristen nicht eingehalten hätten, die bei Vergleichen in Fallitsachen zwischen Schuldner und Gläubiger zu beachten seien (STEIN-STEGEMANN, S. 277 f., G6). Ein Beispielprozess im Zusammenhang mit der Pleitenserie nach 1763 ist folgendes: 1766 wurde ein Verfahren um die Herausgabe verschiedener Wechsel und Schuldscheine notwendig, nachdem einer der beteiligten Geschäftsleute Bankrott gegangen war (siehe unten) (STEINSTEGEMANN, S. 304 f., G34). Mehr als 7,5 Millionen Mark Schulden waren bei dem beteiligten Geschäftsmann, dem Hamburger Juden Hirsch Moses Ries, aufgelaufen. Seinen Verpflichtungen von über 10,5 Millionen Mark stand ein Guthaben von „nur“ knapp drei Millionen gegenüber (SIEVEKING, S. 70).
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Firma Seyler und Tillemann, der in direktem Zusammenhang mit dem Konkurs der Gebrüder de Neufville stand (den Auslösern der Kreditkrise). In diesem Fall wurde von den Gläubigern eine Bankrottsumme von insgesamt drei Millionen Mark banco vermutet, die einzelnen Forderungen beliefen sich auf Summen zwischen 20.000 und 160.000 Mark. Neben den Bankrotteuren, die sich mit der Anschuldigung des betrügerischen Falliments konfrontiert sahen, bezog sich die Kritik der Gläubiger auch auf die Arbeit des Konkursverwalters, dem Verstöße gegen die Neue Fallitenordnung von 1753 vorgeworfen wurden.30 Es lässt sich beobachten, dass trotz des vorhandenen Appellationsprivilegs stetig Handelsprozesse aus Hamburg an das Reichskammergericht gezogen wurden, um einerseits säumige Geschäftspartner wenigstens teilweise haftbar zu machen und andererseits nicht gerechtfertigte Forderungen abwehren zu können. Diese Gründe entsprechen jenen für die nächste zu betrachtende Gegenstandskategorie (Geldwirtschaft), die zu überwiegenden Teilen ebenfalls Handels- und gewerbliche Vorgänge berührt.
30
FREITAG, S. 52 f. Einer der Prozesse um den Konkurs der genannten Firma wurde 1768 am RKG anhängig. Ein Hamburger Kaufmann und Schutzjude appellierte in einem Verfahren gegen die Übernehmer der seyler-tillemannschen Fallitmasse. Die Beklagten forderten vom Kläger eine Zahlung von 60.000 Mark aus seiner Bürgschaft für einen Liefervertrag zwischen einer dritten Partei und den Bankrotteueren. Vereinbart wurde 1762 die Lieferung von Silber an die Falliten, die wiederum im Gegenzug die schlechte AnhaltZerbster Kriegsmünze liefern wollten. Das über einen Makler ausgehandelte Geschäft verpflichtete diesen zur Bürgschaft gegenüber Seyler und Tillemann, da ihnen ihr Geschäftspartner unbekannt war. Schließlich wurde die Bürgschaft vom Kläger übernommen, an den sich die Firma Seyler und Tillemann nach Lieferschwierigkeiten ihres Vertragspartners wandte. Mit ihrem Konkurs ging die Bürgschaftsforderung auf die Übernehmer der Fallitmasse über, die den jetzigen Appellanten am Hamburger Obergericht auf Zahlung der Bürgschaft verklagten (STEIN-STEGEMANN, S. 523, J37 sowie EBERTWEIDENFELLER, S. 88. Siehe ausführlich dazu den Hamburger Beispielprozess Kapitel III.3). Zur Fallitenordnung von 1753 siehe KLEFEKER, Teil 3, S. 240 ff. SIEVEKING, Hamburger Bank, S. 70 gibt die Konkurssumme für Seyler und Tillemann sogar mit mindestens 4,3 Millionen Mark an.
206
Handelsprozesse vor dem Reichskammergericht
Tabelle 36: Differenzierung der Hamburger Geldwirtschaftsprozesse 14951806 (483 Prozesse; absoluter Wert und prozentualer Anteil des Streitgegenstandes im Zeitraum)31 Streitgegenstand
1495-1599
1600-1699
1700-1806
1495-1806
Näheres nicht ersichtlich Kaufverträge, Anfechtung und Aufhebung von Kaufverträgen Mietverhältnisse, Verpachtung
1 (1) 10 (10,3)
0 23 (10,9)
0 19 (10,9)
1 (0,2) 52 (10,8)
5 (5,2)
11 (5,2)
11 (6,3)
27 (5,6)
Schadensersatzforderungen wegen nicht erfüllter Verträge Dienst- und Arbeitsverhältnisse, Löhne, Gehälter Honorarforderungen von Advokaten, Ärzten u. a. Schuldforderungen aus Obligationen, Darlehen, Bürgschaften
4 (4,1)
11 (5,2)
12 (6,9)
27 (5,6)
2 (2,1)
3 (1,4)
6 (3,4)
11 (2,3)
2 (2,1)
1 (0,5)
8 (4,6)
11 (2,3)
42 (43,3)
109 (51,7)
53 (30,3)
204 (42,2)
Wechselschulden32 Grundschulden, Hypotheken, Renten, Verschreibungen Strittige Schuldhaftung
3 (3,1) 17 (17,5)
11 (5,2) 20 (9,5)
24 (13,7) 19 (10,9)
38 (7,9) 56 (11,6)
4 (4,1)
17 (8,1)
10 (5,7)
31 (6,4)
sonstige Summe (Anteil an Geldwirtschaftsprozessen 1495-1806)
7 (7,2) 97 (20,1)
5 (2,4) 211 (43,7)
13 (7,4) 175 (36,2)
25 (5,2) 483 (100)
Fälle mit geldwirtschaftlichem Hintergrund hatten – wie schon gezeigt wurde – den größten Anteil an den Hamburger Reichskammergerichts-Prozessen nicht nur im gesamten Betrachtungszeitraum (ca. 36%) sondern auch in einzelnen Zeitabschnitten33 – ein Trend, der mit den Untersuchungen zum Alten Reich 31
32
33
FREITAG, S. 105. Ebenso wie schon bei den familienrechtlichen Problemen ist zum einen die Einordnung in eine Unterkategorie wegen mehrerer rivalisierender Teilgegenstände u. U. schwierig, andererseits sind auch hier die jeweiligen Anlässe für die Eröffnung eines Verfahrens vielschichtig und zwingen zur Vorsicht bei der Feststellung allgemeiner Tendenzen. Weitere Wechselstreitigkeiten wurden der Kategorie Handel und Gewerbe zugeordnet, da diese Prozesse Handelsgeschäfte betrafen, bei denen allerdings die Bezahlung mit Wechseln vorgenommen wurde. Siehe Tabelle 3. Vgl. dazu auch die Tabellen 39-42 im Anhang mit der Aufschlüsselung der Prozessgegenstände für Hamburg zwischen 1600 und 1806.
Handelsprozesse vor dem Reichskammergericht
207
übereinstimmt.34 Aus der Differenzierung der Teilkategorien (siehe oben Tabelle 36) wird deutlich, dass vor allem allgemeine Schuldforderungen aus verschiedenen Kreditformen über zwei Fünftel dieser Prozesse bestimmten.35 Bedeutend geringer war der Anteil der Prozesse, die um Renten-, Hypotheken- oder Grundschulden geführt wurden, obwohl sie die zweitgrößte Teilkategorie bildeten. Entsprechend der wichtigen Rolle der Renten im Kreditgeschäft im späten Mittelalter und am Beginn der Frühen Neuzeit, war ihr prozentualer Anteil im 16. Jahrhundert hoch (17,5%).36 Ein stetiges Konfliktpotential bildeten Kauf-
34
35
36
Hier sei nochmals auf RANIERI, Recht und Gesellschaft, S. 505 ff. und BAUMANN, S. 158 f. verwiesen. Darüber hinaus stellt Ranieri eine gegenüber der Speyerer Zeit des RKGs in Wetzlar deutlich gestiegene Zahl von Schuldenprozessen (v. a. Wechselprozessen) fest, die auf die zunehmende Verschuldung des Adels zurückgeführt wird. Darüber hinaus wird auch der Streitwert der einzelnen Prozesse größer, was allerdings teilweise der ebenfalls zunehmenden Inflation geschuldet ist (RANIERI, RKG in Wetzlar, S. 19). Die Bedeutung der geldwirtschaftlichen Prozesse wird durch die Untersuchungen zum südlichen Ostseeraum bestätigt, ihr Anteil am Prozessaufkommen des RKG lag bei durchschnittlich 34%. Auch am RHR machten sie mit knapp 18% den größten bestimmbaren Anteil aus, es sei aber darauf verwiesen, dass in einem Drittel der RHR-Prozesse für den südlichen Ostseeraum keine Inhaltsangabe gemacht werden konnte (FREITAG, JÖRN, Inanspruchnahme, S. 73). Für Lübeck lässt sich dies ebenfalls bestätigen, doch sind die Geldwirtschaftsprozesse mit knapp 32% anteilig etwas geringer vertreten als in Hamburg (FREITAG, JÖRN, Lübeck, S. 177). Da Bürgschaften, Darlehen und Obligationen so häufig vertreten sind (im 17. Jahrhundert werden die aus ihnen erwachsenden Schulden in über der Hälfte aller geldwirtschaftlichen Prozesse verhandelt), soll an dieser Stelle kurz auf deren Funktion verwiesen werden. Klar ist der Sinn einer Bürgschaft – jemand haftet mit seinem Eigentum (ganz oder teilweise) für eine andere Person und muss, sollte diese bestimmten finanziellen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen können, deren Begleichung übernehmen. Ein Darlehen ist ein Kredit, also eine gegen eine Gebühr (Zins) verliehene Summe, die dem Darlehensgeber entsprechend der Vereinbarung zwischen den Parteien zurückgezahlt werden muss. Eine Obligation ist eine Schuldverschreibung, mit der sich der Aussteller gegenüber dem Gläubiger zur Zahlung einer Summe nebst Zinsen verpflichtet, also ein langfristiges Darlehen (R. WALTER, Obligation, in: M. NORTH [Hrsg.], Von Aktie bis Zoll. Ein historisches Lexikon des Geldes, München 1995, S. 286). Obligationen sind auch die sogenannten Gültbriefe (Kommunalanleihen), mit denen die Städte Geld aufnahmen unter der Verpflichtung, dieses nach einer Anzahl von Jahren mit entsprechenden Zinsen zurückzuzahlen. Der Rentenkredit war im genannten Zeitraum die wichtigste Form des mittel- und langfristigen Kredits. Er gilt als Frühform der Hypothek, da ein Grundstückseigentümer Kredit bekommen konnte, wenn er sein Haus oder Grundstück als Sicherheit anbot. Konnte die vereinbarte Rente (ein jährlicher Zins) nicht gezahlt werden, gingen Haus oder Grundstück bzw. Teile davon in den Besitz des Kreditgebers über, doch musste diese „Besitzeinweisung“ häufig vor Gericht erstritten werden. Im Regelfall profitierten
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Handelsprozesse vor dem Reichskammergericht
verträge, die 10% der Prozesse ausmachten, geringer waren die Anteile der Miet- oder Pacht- sowie Lohnforderungen, wobei letztere zumeist von Reichskammergerichts-Personal gestellt wurden. Die schon thematisierte, für das Reich am Beginn der Frühen Neuzeit noch neue Kreditform des Wechsels, wuchs in ihrer Bedeutung für hamburgische Prozesse im Untersuchungszeitraum. In Hamburg war der Wechsel – vornehmlich von den niederländischen und portugiesischen Einwanderern verbreitet – als Zahlungsmittel bald so beliebt, dass 1619 die Hamburger Wechselbank gegründet wurde. Entsprechend nahm die Zahl der Wechselprozesse zu und überstieg im 17. und 18. Jahrhundert den Anteil dieser Fälle im Reich.37 Die nach dem Ende des Siebenjährigen Krieges in den 1760er Jahren auftretende Wechselkrise38, ausgelöst durch den Zusammenbruch der Firma der Ge-
37
38
beide Seiten von diesem Arrangement: Der Kreditgeber konnte sein Geld gewinnbringend anlegen, der Kreditempfänger verschaffte sich benötigtes Kapital (M. NORTH, Rentenkredit, in: M. NORTH [Hrsg.], Von Aktie bis Zoll. Ein historisches Lexikon des Geldes, München 1995, S. 339 f.). Im Reich war im 16. Jahrhundert nach der ranierischen Differenzierung die Kategorie der Grundschulden die größte (nach „keine Angabe“ und „allgemeine Schuldforderungen“). Hier und im Vergleich zur baumannschen Differenzierung zeigt sich allerdings auch, dass absolute Aussagen nur vorsichtig getroffen werden sollten, da die Kategorien u. U. nicht deckungsgleich sind (RANIERI, Recht und Gesellschaft, S. 505 ff. BAUMANN, S. 158 f.). Vgl. dazu NORTH, Handelsexpansion, S. 165 und NORTH, Kommunikation, S. 34. Erstaunlich sind die Ergebnisse Ranieris, der in seinen Stichproben nur am Ende des 15. Jahrhunderts einige Wechselprozesse fand, im 16. Jahrhundert jedoch nicht einen! Bei Baumann sind Wechselprozesse im 17. Jahrhundert noch selten, doch im 18. Jahrhundert wird zeitweise das hamburgische Niveau erreicht (RANIERI, Recht und Gesellschaft, S. 505 ff. BAUMANN, S. 158 f.). 1589 wurde am Hamburger Obergericht eine Wechselsache verhandelt, die ein Jahr später am RKG landete und dort weitere 12 Jahre verblieb. Ein hamburgischer Kaufmann war ursprünglich von einem anderen Hamburger und einem Kölner Kaufmann wegen einer ausstehenden Wechselschuld in Höhe von knapp 2.300 Rtlr. verklagt worden. Dagegen wandte der Appellant ein, er habe diese Wechsel auf der Frankfurter Herbstmesse von 1589 nur als Buchhalter und Faktor seines Vaters, eines Hamburger Seidenhändlers, unterschrieben (STEIN-STEGEMANN, S. 127 f., B123). Wie bereits oben angedeutet wurde, liegen die Ursachen für die Wechselkrise in der schon vor dem Ausbruch des Krieges einsetzenden, gezielten Geldverschlechterung, die durch den großen Geldbedarf zur Finanzierung der militärischen Aktivitäten der Kriegsparteien verstärkt wurden. An der Geldverschlechterung war die Stadt nicht unbeteiligt, denn der Handel mit schlechter Münze war in Hamburg selbst zwar verboten, der Rat unterließ allerdings den beschränkenden Eingriff in den Edelmetallhandel und leistete so dem illegalen Treiben Vorschub. Auch entsprechende Mandate des Kaisers zeigten in Hamburg – gleichwohl sie sich in Frankfurt als praktikabel erwiesen – keinen Erfolg, da der Rat u. a. seine Handelsfreiheit geltend machte, wonach auch der Handel mit Münzen des Gegners (in diesem Falle Preußen) erlaubt sei (K. SCHNEIDER, Zum Geldhandel in
Handelsprozesse vor dem Reichskammergericht
209
brüder de Neufville in Amsterdam39, schlug in eine bis 1788 anhaltende Wirtschaftskrise um. Da hamburgische Handelshäuser und Banken eng mit ihren niederländischen Kollegen zusammenarbeiteten, wurden sie durch die „Wechselreiterei“ ebenfalls stark in Mitleidenschaft gezogen. Allein im ersten Krisenjahr 1763 gingen 97 Hamburger Firmen Bankrott und als Folge dieser Entwicklung vergrößerte sich die Zahl der Wechselprozesse, die bis an das Reichskammergericht gelangten.40 Aus der großen Anzahl der Verfahren um Schulden aus diversen Kreditpapieren wird deutlich, welche Verbreitung der weitgehend bargeldlose Zahlungsverkehr erreicht hatte. Strittig war dabei die Bezahlung der Schulden an die Gläubiger sowie die Frage, welche Partei letztlich für einen mehrfach weitergegebenen Wechsel haftete, nicht aber die Umrechnungskurse zwischen den vielen verschiedenen, nebeneinander existierenden Währungen. Darüber hinaus betonten die vielen Handels- und geldwirtschaftlichen Prozesse die Rolle des Reichskammergerichts als Schlichter in wirtschaftlichen Streitigkeiten. Nachdem die handelsrelevanten Prozessgegenstände differenziert betrachtet wurden, wenden wir uns nun der Gruppe der Kaufleute zu, die mit durchschnittlich fast 40% zwischen 1495 und 1806 den größten Anteil an den Hamburger Klägern und Appellanten stellte (siehe oben Tabelle 6). 41 War im
39 40
41
Hamburg während des Siebenjährigen Krieges, in: ZVHG 69/1983, S. 61-82, besonders S. 61, 65, ). FREITAG, S. 48. KOPITZSCH, S. 374 f. Das folgende Beispiel ist uns schon bei den Prozessen mit Bezug zu den Konkursen während der Kreditkrise begegnet: 1766 appellierte ein ursprünglich beklagter Hamburger Kaufmann am RKG, der als Bevollmächtigter der Firma Gotzkowsky und Streckfus in Berlin auftrat, gegen ein Urteil in einem Streit mit den drei Kuratoren eines Hamburger Juden. Hintergrund der Auseinandersetzung war die geforderte Herausgabe von verschiedenen Wechsel- und Schuldbriefen durch den Appellanten bzw. dessen Klienten, die selbiger von der Leipziger Kaufmannschaft ausgestellt worden waren. Die Berliner Firma hatte diese Wechsel 1763 an Daniel Stenglin & Co. zur Neukreditierung von (durch die Wirtschaftskrise bedrohte) Hamburger Handelshäusern weitergegeben. So hatte sie u. a. der jüdische Klient der Appellaten erhalten, der jedoch trotzdem in Konkurs gehen musste. Strittig war, inwieweit die Berliner Firma für die Schulden des Appellaten haftbar zu machen war – die Appellanten argumentierten, sie seien nur für Forderungen zuständig, die sich aus den Vertragsbedingungen dieser Wechselbriefe ergeben (STEIN-STEGEMANN, S. 304 f., G34). Als größte Gruppe der Kläger und Appellanten sowie als zweitgrößte Gruppe der Beklagten und Appellaten macht auch Baumann im 17. und 18. Jahrhundert die Kaufleute aus. Dabei ist unklar, ob es sich um einen „kleinen Ladenbesitzer“ oder einen Großkaufmann handelt, wenn nicht Bezeichnungen wie „Bankier“ im Protokoll vermerkt sind. Sicher ist jedoch, dass mehr als ein Drittel aller von Kaufleuten geführten Prozesse
210
Handelsprozesse vor dem Reichskammergericht
16. Jahrhundert noch der Anteil der Bürger Hamburgs der größte in der sozialen Differenzierung gewesen, änderte sich dies in den nächsten zwei Jahrhunderten deutlich, so dass als Kaufleute charakterisierte Bürger in dieser Zeit zu zwei Fünfteln und mehr als klagende Partei in Erscheinung traten. 42 Dabei führten sie aber nicht nur Prozesse, die mit ihrer Berufstätigkeit direkt in Verbindung standen, sondern beispielsweise auch solche aus dem Bereich Familienverband.43 Wie erwartet hatten aber über 70% der von Hamburger Kaufleuten angestrengten Prozesse geldwirtschaftliche (37%) oder Handelssachen (33,5%) zum Inhalt.44 Dennoch ist aus den vorhandenen Zahlen ein direkter Zusammenhang zur konjunkturellen Entwicklung in Hamburg nicht herzustellen, da sich z. B. der wirtschaftliche Aufschwung der Stadt in der Mitte der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts (bedingt durch die endgültige Lösung von Dänemark und die aufkeimenden Ansätze der Industrialisierung) nicht in gesteigerten Prozesszahlen aus den Kategorien Handel und Geldwirtschaft niederschlägt.
42
43
44
Schuldforderungen aus den verschiedensten Geschäftszweigen zum Gegenstand hatte. Eine Orientierungshilfe für die Einordnung eines Kaufmanns in die obere oder untere Mittelschicht kann in der Höhe des Streitwertes bestehen, doch werden diese vergleichsweise selten explizit genannt (BAUMANN, S. 77). Bei deutlich über 1.000 hamburgischen Prozessen sind aus den Findbuchangaben keine Streitsummen ersichtlich. Auf die Schwierigkeiten bei der Zuordnung der Prozessparteien bei Nichtvorhandensein genauer Einträge in den Ladungen und Vollmachten ist schon verwiesen worden, wobei davon auszugehen ist, dass sicherlich ein Teil der Bürger Kaufleute waren, die im 16. Jahrhundert mit ca. 25% Anteil die zweitgrößte Gruppe hinter den Bürgern ohne Berufsbezeichnung waren. Dessen Anteil am Prozessaufkommen der hamburgischen Kaufleute lag bei 12% und beinhaltete vor allem Erbstreitigkeiten (FREITAG, S. 62), die teilweise einen geschäftlichen Hintergrund haben konnten. Zusammen sind das 375 Prozesse (197 aus dem Bereich Geldwirtschaft, 178 aus dem Bereich Handel), die (von Kaufleuten eingebracht) einen Anteil von 27% des gesamten hamburgischen Prozessaufkommens ausmachen – ein beeindruckendes Zeugnis für die Rolle des RKGs als Schiedsinstanz für wirtschaftliche Konflikte. Überhaupt lässt sich die Rolle der Gerichtsbarkeit für die Kontrolle des wirtschaftlichen Handelns dahingehend erweitern, dass eine entsprechend große Zahl von Streitigkeiten an Hamburger Gerichten ausgetragen wurde, die jedoch nie an das RKG gelangten. Darüber hinaus betreffen über ein Viertel der aus dem südlichen Ostseeraum an den RHR gezogenen Prozesse ebenfalls die Gegenstände Geldwirtschaft sowie Handel und Gewerbe und zeichnen damit ein ähnliches Bild von der Anrufung dieses Gerichts als Korrektiv wirtschaftlichen Handelns. Allerdings betrifft diese Aussage die von allen Parteien eingebrachten Prozesse, eine Aussage nur für Kaufleute kann nicht getroffen werden, da wegen der diesbezüglich unsicheren Quellenlage von Freitag und Jörn von einer Differenzierung abgesehen wurde (FREITAG, JÖRN, Inanspruchnahme, S. 75, 111).
Handelsprozesse vor dem Reichskammergericht
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Eine Differenzierung der kaufmännischen Parteien in weitere Schichten (Fernkaufleute, Schiffer, Kaufleute im Binnenhandel) ist nur ansatzweise möglich, der schon erwähnte, vor allem im 18. Jahrhundert gestiegene Anteil der Streitigkeiten zum Thema Seehandel und Seeversicherungswesen45 deutet aber eine entsprechend starke Beteiligung der Kaufleute am überseeischen Fernhandel an. Nicht anders als andere hamburgische Kläger am Reichskammergericht klagten auch die Kaufleute vor allem in der eigenen sozialen Schicht bzw. dem eigenen Berufsstand. Mehr als die Hälfte der Klagen (ca. 56%) wurden gegen andere Kaufleute geführt, die andere Hälfte gegen Bürger bzw. sonstige Einwohner (13% bzw. knapp 10%) sowie den Rat der Stadt (knapp 9%) und städtische Amtsträger erhoben (6%).46 Der überwiegende Teil der kaufmännischen Klagen (über 90%) wurde von Kaufleuten erhoben, die sich zum Zeitpunkt des Konflikts in Hamburg in Geschäften aufhielten oder in der Stadt ansässig waren. Die restlichen Prozesse gehen auf Personen aus Altona, Glückstadt, Frankfurt und Amsterdam, besonders jedoch auf Lübeck zurück.47 Die starke Gewichtung der durch Parteien aus Hamburg angestrengten Prozesse und das möglicherweise im Spiegel der Inanspruchnahme des Reichskammergerichts entstehende Bild einer Abgeschlossenheit des hamburgischen Handels ist damit zu erklären, dass die in Hamburg ansässigen Kaufleute häufig in Vertretung für auswärtige Geschäftspartner gegen andere hamburgische Parteien klagten. Dabei sind dennoch gerade die Kaufleute an fast 30% aller Streitigkeiten zwischen Privatpersonen (und gruppen) in benachbarten Gebieten beteiligt, bei den Prozessen in weiter entfernte Territorien und Städte wächst ihr Anteil auf 45%. Dagegen machten die Handwerker nur 2% dieser letztgenannten Prozesse aus und demonstrieren eindrucksvoll ihre regionale Bindung sowie die geringeren finanziellen Mittel. Diese Entwicklung ist mit jener Lübecks vergleichbar, wo ebenfalls besonders die Kaufleute Prozesse über die Stadtgrenzen hinaustrugen. 48 Die schon im allgemeinen statistischen Teil erläuterte starke Präsenz von Kaufleuten bei den
45 46
47
48
Siehe Tabelle 24 (Assekuranzwesen). FREITAG, S. 63. Die städtischen Amtsträger sind vor allem Ratsherren, die jedoch nicht wegen ihrer Amtstätigkeit, sondern hauptsächlich wegen ihres Berufs als Kaufleute in Sachen strittiger Geschäfte verklagt wurden. Hier sei noch einmal darauf verwiesen, dass sich eine große Anzahl an Kaufleuten unter den Hamburger Ratsmitgliedern befand (REISSMANN, S. 343 ff.). Auf die besonders häufigen Kontakte zwischen Hamburg und Lübeck ist in Kapitel II.2 bei den Erläuterungen zur Verortung der Prozessparteien schon eingegangen worden. Siehe dazu auch Abb. 1 und 3 im Anhang. FREITAG, S. 80.
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über Hamburg hinausreichenden Prozessen, wird durch die Beobachtung bestätigt, dass diese sich nicht nur in handels- und geldwirtschaftlichen Streitgegenständen engagierten, sondern auch bei den jurisdiktionalen Prozessen in weiter entfernte Territorien an der Hälfte dieser Fälle (siehe oben Tabelle 9) beteiligt waren. In ihnen prozessierten die Kaufleute mit dem Rat der Stadt um dessen Gerichtszuständigkeit in Handelssachen und die Vollstreckung entsprechender Urteile. Unsicher ist, wie viele der klagenden Kaufleute tatsächlich Hamburger Bürger waren.49 Dies ist vor allem bei jenen 37 Parteien der Fall, deren Namen eine fremde Herkunft andeuten. Insgesamt können 110 auswärtige Kläger nachgewiesen werden, bei denen fast ausschließlich eine sichere Identifizierung als Kaufmann möglich ist. Ihr Anteil am hamburgischen Prozessaufkommen erreicht für den gesamten Untersuchungszeitraum 8%, doch ist dieser Wert vor allem der großen Zahl auswärtiger Kläger im 17. Jahrhundert geschuldet (80; Anteil am Prozessaufkommen im 17. Jahrhundert 14%), allein in diesem Jahrhundert können knapp drei Viertel aller fremden Kläger nachgewiesen werden.50 Unumstritten war die Bedeutung der Beziehungen der Fernhandelskaufleute nicht nur für sie selbst, sondern auch für die wirtschaftliche Bedeutung und Entwicklung der Stadt51, unabhängig davon, ob sie als hamburgische Kaufleute in Europa handelten oder als fremde Kaufleute auch mit Hamburgern Geschäfte tätigten. Doch war gerade die Zahl der Prozesse (zehn Fälle), die 49
50
51
FREITAG, S. 63. Knapp die Hälfte der hamburgischen Kaufleute bezeichnet Freitag als Bürger, wobei der Anteil am Ende des 18. Jahrhunderts leicht sank. Letzteres deutet auf eine gestiegene Frequentierung Hamburgs durch auswärtige Kaufleute hin, die sich entweder in der Stadt niederließen (ohne Bürger zu sein) oder aber wenigstens zum Zeitpunkt der Streitigkeiten und Klageeröffnung im Hamburger Gerichtsverfahren (bei Appellationen) in der Stadt präsent waren. FREITAG, S. 63, 107. Für ein Drittel der 110 auswärtigen Kläger (37 für den gesamten Untersuchungszeitraum) kann die fremde Herkunft nur anhand ihres Namens vermutet werden. Mittels der Arbeiten von Reißmann und Kellenbenz zu den hamburgischen Kaufleuten im 16. und 17. Jahrhundert können Kaufleute als auswärtig identifiziert werden, wobei das Hauptaugenmerk auf der Fremdheit liegt. Viel eher als Angaben über eine fremde Herkunft sind in den Protokollen die Berufsbezeichnungen Kaufmann oder Handelsmann zu finden. Die starke Konzentration der fremden Kläger auf das 17. Jahrhundert erklärt sich zum einen aus dem Untersuchungszeitraum der beiden vorgenannten Arbeiten, andererseits aber auch aus den historischen Hintergründen, die beispielsweise niederländische Kaufleute dazu veranlassten, sich ab dem Ende des 16. Jahrhunderts verstärkt in Hamburg niederzulassen. Dieses Problem der historischen Einordnung wird in der Folge thematisiert, wenn zugleich Aussagen über die anderen Herkunftsländer der fremden Kläger getroffen werden. REISSMANN, S. 9.
Handelsprozesse vor dem Reichskammergericht
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englische Kaufleuten am Reichskammergericht anstrengten, gering. 52 Das ist deshalb erstaunlich, weil – wie bereits gezeigt wurde – England bis zum Anfang des 18. Jahrhunderts wichtigster auswärtiger Handelspartner Hamburgs war. Schon Mitte des 16. Jahrhunderts (1567) hatten die Merchant Adventurers von dem Angebot Gebrauch gemacht, einen Stapel in Hamburg zu errichten.53 Anfang des 17. Jahrhunderts (1611) wurde ihnen dann ein endgültiges Niederlassungsrecht an der Elbe gewährt, so dass sich die englische Kompanie in Ham-
52
53
Ein weiteres Beispiel neben den bereits oben genannten mit englischer Beteiligung ist ein Prozess aus dem Jahr 1577. Mehrere hamburgische Reeder eines Schiffes (hier wird zugleich der Versuch der Risikominimierung durch dessen Verteilung auf mehrere Kaufleute sichtbar) appellierten in einem Verfahren gegen einen englischen Kaufmann. Der nun Beklagte hatte in der Vorinstanz als Kläger von den Appellanten die Bezahlung von 1.000 Talern gefordert, die er beim dänischen Zoll bezahlen musste. Die jetzigen Kläger wollten diese zusätzliche Summe nicht zahlen, da ihr Schiff von den Dänen unrechtmäßig arretiert worden sei (STEIN-STEGEMANN, S. 1258, Nachtrag III Nr. 20). KELLENBENZ, Unternehmerkräfte, S. 179. Jedoch wurde ihr Kontrakt wegen des Protestes der Hansestädte zehn Jahre später nicht verlängert, woraufhin die englischen Kaufleute die Stadt zunächst wieder verließen (S. 180). Dass Hamburg dennoch ihre Aufnahme gegen die hansischen Interessen durchsetzte, lag in ihrem positiven Einfluss auf den Hamburger Handel begründet: die Stadt wollte „auf diese vermögenden und für den Hamburger Handel so wichtigen zureisenden Kaufleute nicht verzichten“ (MAUERSBERG, S. 139). – Das Angebot an die Merchant Adventurers erfolgte nach der englischniederländischen Handelssperre von 1564, woraufhin der Tuchhandel von Antwerpen nach Hamburg verlegt wurde. Aus den Zolleinnahmebüchern hat Pitz für die Jahre 15681573 die Namen der Zollpflichtigen und die Tuchmengen ausgewertet. Dabei stellte er fest, dass „auch beim kühnsten Versuche der Namensgleichheit“ fast drei Fünftel der Kaufleute nur einmal bzw. an nur einem Tag zu finden sind. Zusammen mit weiteren 15%, die nur zweimal vermerkt waren, handelten also 75% der gelisteten Tuchhändler in mehr als vier Jahren maximal zwei Mal (über See). Am RKG ist Bartold Kock in einem Prozess nachweisbar, den er 1576 gegen den Rat der Stadt und mehrere Kaufleute, darunter der Ratsherr Diderich Rademin und Hartich von Spreckelsen, wegen der Beschlagnahme seiner Waren führt. Kock, ein Flandernfahrer und seit 1571 KaufmannsÄltermann, ist insgesamt 38 Mal in den Zolllisten zwischen 1568 und 1573 verzeichnet und verzollt dabei 896 Laken und 1.990 Kirseien. Bei einem Wert von 1.000 Talern pro 32 Laken, ergibt sich allein für diese eine Gesamtsumme von 28.000 Talern. Damit war er im Durchschnitt der hier verzeichneten Tuchhändler schon als Großkaufmann anzusprechen, wurde allerdings bezüglich des Handelsvolumens noch von einigen Kollegen übertroffen. Sebastian Lertze, seit 1571 Geschäftspartner einer Antwerpener Firma, ist 37 Mal mit insgesamt 3.208 Laken im Wert von 100.250 Talern verzeichnet (E. PITZ, Merchant Adventurers und deutsche Tuchkaufleute in Hamburg in den Jahren 15681573, in: H. JÄGER, F. PETRI, H. QUIRIN [Hrsg.], Civitatum Communitas. Studien zum europäischen Städtewesen [FS Heinz Stoob; Städteforschung, A/21II], Köln/Wien 1984, S. 781-797, Zitat S. 785 und besonders S. 789. STEIN-STEGEMANN, S. 576, K47).
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burg etablierte. Diese war allerdings durch einen steten Zustrom neuer und der Abwanderung alter Kaufleute gekennzeichnet, d. h. die meisten englischen Händler blieben nur zeitweise in der Stadt und in ihrem Viertel weitgehend unter sich. Die sephardischen Juden standen ihnen darin nicht nach, im Gegenteil, sie schotteten sich noch stärker ab und wurden ebenso wie die Engländer nicht in die Hamburger Bevölkerung integriert.54 Aufgrund der Nähe zu den Niederlanden sowie der wirtschaftlichen Möglichkeiten55 bot sich Hamburg geradezu als Ziel der Flüchtlinge aus den spanischen Niederlanden an, die besonders nach der Eroberung Antwerpens 1585 in Folge der Glaubenskämpfe zwischen der katholischen spanischen Krone und den protestantischen bzw. calvinistischen Niederländern in das Alte Reich strömten.56 Dabei war Hamburg nicht einziger Anlaufpunkt der Niederländer, doch existierten hier sehr viel versprechende Bedingungen, um die ohnehin schon bestehenden Geschäftsbeziehungen zu hamburgischen Kollegen zu vertiefen bzw. zu erneuern. 57 Handelte es sich bei den Neuankömmlingen um Lutheraner, war der Erwerb des hamburgischen Bürgerrechts einfacher58, doch auch Gläubigen anderer Konfessionen wurde dies nicht grundsätzlich untersagt.59 Die mit den Merchant Adventurers schon im 16. Jahrhundert in Nord-
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FREITAG, S. 63. LOOSE, Zeitalter der Bürgerunruhen, S. 266. Wenn sie sich auch nicht in die Einwohnerschaft der Elbestadt integrierten, waren sie doch selbst oder über Vertreter am RKG präsent, d. h. zumindest in den nachgewiesenen Fällen in die Reichsjustiz eingebunden. Natürlich konnte diesbezüglich keine Freiwilligkeit angenommen werden, wenn sie selbst als Beklagte am RKG auftraten, doch ist auch in diesen Fällen – wenn sie in der hamburgischen Vorinstanz als Kläger aufgetreten waren, also den Instanzenzug eröffnet hatten – das Wissen um die Möglichkeit einer Appellation der Gegenpartei an das RKG vorauszusetzen. Die wirtschaftlichen Kontakte der Hamburger zum westlichen Nachbarn entstanden keinesfalls erst mit dem Eintreffen der niederländischen Flüchtlinge, sondern begannen bereits im Mittelalter. Sie verstärkten sich allerdings im letzten Viertel des 16. Jahrhunderts bedingt durch die politischen Ereignisse und dem daraus entstehenden Zustrom niederländischer Kaufleute (siehe dazu E. BAASCH, Die Börtfahrt zwischen Hamburg, Bremen und Holland [Forschungen zur hamburgischen Handelsgeschichte, 2], Hamburg 1898). Siehe auch NORTH, Niederlande, S. 30 f. In Folge des niederländischen Aufstandes trafen bereits im Jahr 1567 die ersten Flüchtlinge aus dem Westen in Hamburg ein, doch die große Masse kam nach 1585 (KLESSMANN, S. 111). KELLENBENZ, Unternehmerkräfte, S. 179. Dazu trug auch die Heiratspolitik der Neuankömmlinge dieses Glaubens bei, die sich auch familiär mit hamburgischen Kaufleuten verbanden (KELLENBENZ, Unternehmerkräfte S. 180). Siehe dazu auch REISSMANN, S. 25, FN 78. MAUERSBERG, S. 231.
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deutschland eingetroffenen Flamen und Wallonen hatten 1588 eine reformierte Gemeinde in Stade gebildet, wo ihnen die Abhaltung des Gottesdienstes – anders als in Hamburg – gestattet wurde. Hier kamen die flüchtenden, reformierten Niederländer zunächst unter, 1602 erreichten sie dann Altona (wo ebenfalls eine Gemeinde gegründet werden durfte) und 1605 schließlich auch Hamburg. Mit der Stadt wurden ihre Pflichten und Freiheiten in einem „Fremdenkontrakt“ geregelt, so dass sie nun – wie auch die Portugiesen – weitgehend selbständig Handel treiben durften. 60 Viele ursprünglich aus den Niederlanden stammende Familien verloren in den nächsten Jahrzehnten ihren Fremdenstatus und wurden in den Geschlechterbüchern verzeichnet. 61 Vor allem die schon gesondert angesprochenen lutherischen Niederländer konnten sich in Ehrenämtern an der Politik der Stadt beteiligen, eine Option, die anderen Fremden nach den Bestimmungen des Kontraktes verwehrt blieb. Davon abgesehen, waren die Fremden schon im 17. Jahrhundert den Einheimischen z. B. in Fragen der Besteuerung und im Handelsrecht weitgehend gleichgestellt, auch wenn der Rat Teilbereiche kaufmännischer Tätigkeit zu Gunsten hamburgischer Händler protektionierte.62 60
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KELLENBENZ, Unternehmerkräfte, S. 180. Neben der Aufnahme in den „Fremdenkontrakt“ konnten sich Fremde auch in Schutzverwandtschaft des Rates begeben, indem sie „Schutztaler“ zahlten. Jedoch wären sie unter diesen Bedingungen dazu verpflichtet gewesen, für Handelsgeschäfte einen Aufsicht führenden Kurator oder hamburgischen Kollegen in Anspruch zu nehmen. Erst der – trotz des Misstrauens der erbgesessenen Bürger schließlich begründete – Fremdenkontrakt stellte die darin aufgenommenen Fremden ihren hamburgischen Kaufmannskollegen weitgehend gleich (MAUERSBERG, S. 139). FREITAG, S. 64. Daher ist die Zahl der Prozesse mit niederländischer Beteiligung auf der Kläger- bzw. Appellantenseite noch größer, da die gezählten 44 niederländischen Kläger und Appellanten nur die Fremden, nicht aber die „Eingebürgerten“ erfassen. Zu diesen Familien gehören u. a. zwei, von denen jeweils ein Mitglied an einem RKG-Prozess von 1698 beteiligt war. Rudolf Amsinck und Peter Heusch sowie weitere Hamburger Kaufleute führten in siebter (!) Appellation eine Verhandlung gegen den ursprünglichen Kläger, einen weiteren hamburgischen Kaufmann. Der Gegenstand des zuvor schon 15 Jahre an der Admiralität und dem Obergericht verhandelten Prozesses bestand in einem Streit um die Havarie eines Handelsschiffes, wobei die Appellanten die Versendung der Akten dieses Falles zum Einholen einer auswärtigen Meinung beantragten (STEINSTEGEMANN, S. 481 f., H181). REISSMANN, S. 231, 234. So waren die bereits erwähnten Wandschneider und Kramer gegen Konkurrenz von Fremden abgeschirmt. Der Detailhandel mit englischem Tuch innerhalb der Stadt wurde den Merchant Adventurers untersagt und blieb der Korporation der Wandschneider vorbehalten, der nur Bürger angehören konnten. Ähnliches wurde für die Kramer festgelegt, die ebenso wie die Wandschneider zu den sozial gehobenen Rängen gehörten (S. 9 und siehe oben). – Leider sind keine Prozesse mit Bezug zum Bra-
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Entsprechend ihrem Beruf können auch für die fremden Kaufleute vor allem Prozesse aus den Bereichen Geldwirtschaft und Handel festgestellt werden. 63 Bemerkenswert ist an den Fällen im 17. Jahrhundert, in dem sowieso viele fremde Kaufleute am Reichskammergericht als Kläger oder Appellanten auftraten, dass sich unter diesen in ca. 40% der Prozesse ebenfalls Fremde befanden. Die vielfältigen Geschäftskontakte der Fremden untereinander – besonders bei den am häufigsten vertretenen Niederländern – weisen darauf hin, dass die Neuhamburger ihre heimischen geschäftlichen Verbindungen auch in der neuen Heimat pflegten.64 Diesbezüglich konnte schon gezeigt werden, dass vor allem die Niederländer wegen großer Jahresumsätze ihrer Firmen hervorzuheben sind, die auf ein entsprechendes finanzielles Vermögen hindeuteten. 65
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silienhandel festzustellen, den nicht nur die niederländischen und portugiesischen Hamburger, sondern auch die hamburgischen Kaufleute selbst durchführten. Am Ende des 16. Jahrhunderts hatten letztere Italien durch die Straße von Gibraltar erreicht und wenige Jahre später auch die marokkanische Küste. Trotz protektionistischer Bestrebungen seitens der Mutterländer, versuchten schon im 16. Jahrhundert einzelne Hamburger Kaufleute, mit den südamerikanischen Kolonien Portugals und der Niederlande Handel zu treiben (JOCHMANN, LOOSE, S. 250). Dabei ist zu beachten, dass natürlich nicht nur fremde Kaufleute nach Hamburg zogen oder flüchteten; vielmehr „stammten [die neuen Einwohner] aus allen sozialen Schichten und fanden Zugang zu allen Schichten der hamburgischen Bevölkerung“ (LOOSE, Zeitalter der Bürgerunruhen, S. 265 f.). Allerdings sind hamburgische Fremde am RKG eben fast ausschließlich in Person von Kaufleuten vertreten, die ja generell den größten Teil der hamburgischen Kläger und Appellanten stellten. Vgl. FREITAG, S. 64. Bei den Beklagten, mit denen die hamburgischen Kaufleute in Prozesse eintreten, beträgt der Anteil Fremder nur ca. 10%. Ein Beispiel für einen Prozess zwischen niederländischen Kaufleuten in Hamburg bietet die Appellation des uns schon bekannten Jaques Budier in einem Verfahren gegen Paul Berenberg (Angehöriger einer weiteren niederländischen Familie, die später im Bürgerverzeichnis geführt wird) und Konsorten sowie (nebenbeklagt) den Rat der Stadt. Strittig sind die Kautionsleistung und Beweisführung des Klägers im Prozess am Obergericht (1644) um die Ungültigkeitserklärung eines Konnossements über eine Ladung Roggen und wegen einer Forderung des Klägers über 6.100 lübische Mark. Im Jahre 1631 hatte der Kläger mit seinem Partner Brüggemann ein Geschäft mit Moskauer Roggen für den Herzog Friedrich III. von Schleswig-Holstein-Gottorp vermittelt und auch dessen Verschiffung geregelt. Problematisch war der Zustand des Roggens, wobei unklar ist, ob er schon schlecht verladen wurde oder auf der Fahrt verdorben ist. In der Akte finden sich Gutachten von Kaufleuten in Hamburg, Lübeck und Lissabon über die Haltbarkeit des Getreides bei entsprechender Lagerung und die damaligen Roggenpreise. Diese Gutachten ergingen sowohl an das Obergericht (1634) als auch an das RKG (1664). Der Prozess am RKG zog sich bis 1721 hin, 90 (!) Jahre nach dem relevanten Vertrag um die Roggenlieferung (STEINSTEGEMANN, S. 101 f., B96). Siehe dazu Kapitel II.2.
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Doch eine weitere Möglichkeit zur Beurteilung der Handelsgeschäfte und damit indirekt auch des Vermögens der hamburgischen Kaufleute bietet die Aufstellung des Umsatzes von Hamburger Firmen, deren Basis die AdmiralitätszollEinnahmebücher aus verschiedenen Jahren der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts bilden. 66 Die hier verzeichneten Ein- und Ausgänge der zollpflichtigen Schiffe in den Jahren 1644 bis 1646 unterstreichen einerseits die inzwischen vollzogene Verlagerung des hamburgischen Handelsschwerpunktes von Ostsee und Mittelmeer zum Atlantik und zur Nordsee, andererseits bestätigen sie die Bedeutung des Handels mit der Iberischen Halbinsel. Denn die größte Anzahl der hier im genannten Zeitraum verzeichneten Schiffe steuerte die Elbe von Spanien und Portugal (besonders Malaga) aus an, dicht gefolgt von Frankreich (Rouen) sowie England (London) und Norwegen (Bergen). Dennoch brach der Handel mit der „deutschen“ Ostsee (Danzig) sowie Schweden (Göteborg) und den baltischen Ländern nicht ab, wenn er auch inzwischen z. T. deutlich hinter den Schiffspassagen für die vorgenannten Länder zurückblieb. Die hamburgischen Ausfuhren steuerten dieselben Ziele an, allerdings mit zwei deutlichen Unterschieden: Zum ersten waren die Ausfuhren nach der Iberischen Halbinsel deutlich größer als die Einfuhren, während zweitens bei Frankreich – genau umgekehrt – die Importe die Exporte überboten.67 Für das Jahr 1645 listet Reißmann über 100 hamburgische Firmen bzw. Kaufleute mit einem admiralitätszollpflichtigen Umsatz von mehr als 5.000 Mark auf.68 Von den 15 Handelsfirmen mit mehr als 100.000 Mark Umsatz in diesem Jahr traten neun (60%) als Prozessparteien am Reichskammergericht
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Siehe dazu bei REISSMANN, Anhänge, S. 370 ff. REISSMANN, S. 370 f. Hierbei ist natürlich zu beachten, dass sich diese Zahlenangaben und die aus ihnen abgeleiteten Vermutungen lediglich auf die Anzahl der verzollten Schiffe beziehen. Dabei müssen sowohl der Schmuggel als auch die Tonnage der einzelnen Schiffe außen vor bleiben. Davon ausgehend, dass die Schiffe im Handel mit der Iberischen Halbinsel sowie mit Frankreich in beide Richtungen verkehrten, sollten die Aussagen zum Verhältnis von Import und Export zutreffend sein. REISSMANN, S. 379-384. Zwar handelt es sich bei dieser Auflistung nur um die Umsätze eines Jahres (und dabei wiederum nur um die Seehandelsgeschäfte der Beteiligten), doch hat eine von Reißmann durchgeführte Gegenprobe für knapp 80 der hier versammelten Kaufleute und Firmen für die Jahre 1644 und 1646 ergeben, dass in den meisten Fällen die Umsätze in diesem Dreijahreszeitraum weitgehend stabil blieben und nur in wenigen Ausnahmen stark differierten (S. 33 f.). Wie schon zu den Untersuchungen der Umsätze der Kontoinhaber bei der Hamburger Bank sei nochmals darauf verwiesen, dass sich die tatsächlichen Vermögensverhältnisse der Beteiligten zwar nur indirekt aus den Umsatzzahlen ablesen lassen, ein großer Umsatz allerdings auch auf ein entsprechendes finanzielles Vermögen des Kaufmannes hindeutet.
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auf. 69 Bei Handelsfirmen und Kaufleuten mit einem Umsatz von 50.000 bis 100.000 Mark sind immerhin noch zwei Fünftel als Prozessparteien nachzuweisen, bei Umsätzen zwischen 20.000 und 50.000 Mark beträgt ihr Anteil noch 25%. Selbst von denjenigen mit weniger als 20.000 Mark Umsatz im Jahr 1645 wurden noch einige in Speyer und Wetzlar vorstellig. Vor allem in den beiden oberen Umsatzklassen finden sich viele Niederländer und einige Portugiesen wieder, bei allen Kaufleuten dieser Klassen handelte es sich etwa je zur Hälfte um Bürger und Fremde.70 Diese – mit der notwendigen Vorsicht festzuhaltenden – Tendenzen lassen den Schluss zu, dass sich besonders die umsatzstarken und damit sicherlich auch die vermögendsten hamburgischen Kaufleute am Reichskammergericht nachweisen lassen, wobei ihr Anteil dort ihren Beitrag zur städtischen Bevölkerung um ein mehrfaches überstieg. Deutlich geworden sind aber auch die ebenfalls vorhandenen Unterschiede innerhalb der Kaufmann69
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Den größten Umsatz macht in diesem Jahr Michel Heusch mit knapp 203.000 Mark, der zweimal am RKG als Beklagter in Erscheinung tritt. 1647 ist er als Rechtsnachfolger eines Kollegen (Everdt Pelle, bei Reißmann für 1645 mit ca. 23.500 Mark Umsatz verzeichnet) und ursprünglicher Kläger (am Obergericht) in einem Prozess um die Zahlung einer Obligation in Höhe von 9.000 lübischen Mark an ihn durch den Kläger. Letzterer ist laut RKG-Akte ein gewisser Eberhard Schlaff und wahrscheinlich ebenfalls in den Zollakten verzeichnet: dort erscheint 1645 ein Evert Schlaff mit einem Jahresumsatz von ca. 5.400 Mark. Hier bestätigt sich auch die steinsche Äußerung, dass für Personen der Mittelschicht ein Prozess am RKG das letzte Mittel sei, um den drohenden Ruin abzuwenden (STEIN, S. 164). Wenn ein Kaufmann mit einem jährlichen Umsatz von etwa 5.500 Mark eine Summe von 9.000 Mark zahlen muss, kann dies durchaus den wirtschaftlichen Untergang bedeuten. Der zweite Prozess mit Heusch (ursprünglich Kläger am Obergericht 1643) datiert in das Jahr 1646. Zwei Hamburger Kaufleute (Johann Verpoorten und Balthasar Palandt) klagten wegen der Zahlung einer Obligation in Höhe von 2.855 Mark an den beklagten Heusch. Diese Summe hatte Heusch bezahlt, um einen Schiffer im Auftrag der Kläger aus der „Barbarei“ (gemeint sind nordafrikanische Piraten) freizukaufen. Dies geschah auch, doch wurde der Schiffer nach dem Loskauf von Franzosen gefangen genommen, woraufhin sich die Kläger weigerten, Heusch die entstandenen Auslagen für den Loskauf zu ersetzen. Von den beiden Klägern ist „Baltzer“ Palandt mit einem Umsatz von 9.700 Mark sicher im Admiralitätszoll nachweisbar, sein Kollege Verpoorten nicht – der einzige Verporten ist ein „Hans Adrians“; die beiden sind allerdings miteinander verwandt (Hans Adrians Umsatz 1645 wird mit fast 26.000 Mark angegeben). 1632-1634 sowie 1637 sind sie gemeinsam verzeichnet und erreichen Umsätze (im Spanienhandel) von 19.000 bis 25.000 Mark. Anhand dieser älteren Listen wird auch der wirtschaftliche Aufstieg von Michel Heusch deutlich, der 1637 „nur“ 49.000 Mark Umsatz erzielte (STEIN-STEGEMANN, S. 894 f., 1226 f., S15, Nachtrag I Nr. 24; Umsatzzahlen bei REISSMANN, S. 373 f., 379 ff.). Damit wird auch erneut die von Ranieri und Baumann festgestellte umgekehrte Proportionalität des Zugangs zum RKG belegt: Je reicher bzw. sozial höher gestellt eine Schicht ist, umso größer ist ihr Anteil an den Prozessparteien.
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schaft – die finanziellen Differenzen zwischen den „Superreichen“ und den „nur“ der oberen bis mittleren Mittelschicht angehörenden Händler waren riesig. Eine – neben den Fremden – weitere mit besonderen Rechten und Pflichten ausgestattete Bevölkerungsgruppe waren die Juden. 71 Sie sind in Hamburger Fällen nachzuweisen und sollen daher näher betrachtet werden. Der Anteil der jüdischen Prozessparteien unter den hamburgischen Klägern und Appellanten war mit ca. 2% Beteiligung an allen Hamburger Prozessen zwischen 1495 und 1806 sehr gering, wie ein Vergleich mit Frankfurt zeigen wird.72 Der zeitliche Schwerpunkt dieser Prozesse lag im 18. Jahrhundert, wo sie immerhin ca. 4% der hamburgischen Fälle ausmachten. Während in Frankfurt die ersten Juden schon im 12. Jahrhundert angesiedelt wurden73, lassen sich in Hamburg erst am Ende des 16. Jahrhunderts die ersten sephardischen Juden (aus Portugal) nachweisen, am Beginn des 17. Jahrhunderts (seit den 1620ern) ließen sich hier auch die ersten deutschen Juden nieder. Zur Mitte des 17. Jahrhunderts lebten etwa 15 deutsche jüdische Familien in Hamburg (aschkenasische Juden)74 sowie etwa 600 sephardische Juden.75 Erst am Beginn des 18. Jahrhunderts wurde ihr rechtlicher Status endgültig geklärt, als ein kaiserliches Reglement die seit dem 16. 71
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Ein Überblick zur Geschichte der hamburgischen Juden findet sich in den Aufsätzen von G. BÖHM (Die Sephardim in Hamburg, in: A. HERZIG [Hrsg.], Die Juden in Hamburg 1590 bis 1990, Hamburg 1991, S. 21-40), G. MARWEDEL (Die aschkenasischen Juden im Hamburger Raum [bis 1780], in: A. HERZIG [Hrsg.], Die Juden in Hamburg 1590 bis 1990, Hamburg 1991, S. 41-60) und A. HERZIG (Die Juden in Hamburg 1780-1860, in: A. HERZIG [Hrsg.], Die Juden in Hamburg 1590 bis 1990, Hamburg 1991, S. 61-76), die im Begleitbuch zur Ausstellung „Vierhundert Jahre Juden in Hamburg“ veröffentlicht wurden. Wegen des deutlich höheren Anteils der Juden an den Frankfurter Prozessen und deren ausführlicher Betrachtung werden hier auch einige Aussagen zu den hamburgischen Juden gemacht, um diese Beobachtungen mit jenen zu Frankfurt besser vergleichen zu können. Im Gegensatz zu Lübeck und dem südlichen Ostseeraum ist ihre Zahl (zumindest die Zahl der Prozesse mit jüdischer Beteiligung) dennoch geradezu üppig (FREITAG, S. 64. Jüdische Prozessparteien werden weder bei Freitag und Jörn bei den Untersuchungen zum südlichen Ostseeraum, noch bei denen zu Lübeck thematisiert.). Ebenso wie bei den Fremden waren die hamburgischen Juden nicht nur Händler oder Kreditoren, doch standen vor allem Juden aus diesen Betätigungsfeldern vor Gericht. In Frankfurt wird sich dies etwas anders darstellen (siehe unten). ORTH, S. 34 f. HOLTFRERICH, S. 32 ff. KLESSMANN, S. 358. FREITAG, S. 65. Die spanischen Juden waren aus ihrer Heimat vertrieben worden und nach Portugal gezogen, doch nach der Vereinigung der spanischen mit der portugiesischen Krone im Jahr 1580 mussten sie auch die spanische Neuerwerbung verlassen und kamen u. a. nach Hamburg (KLESSMANN, S. 116 f.).
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Jahrhundert bestehende Vorstellung, dass Juden und Christen vor Gericht gleiche Rechte und Pflichten besäßen, auch für Hamburg festschrieb.76 Die Prozessgegenstände weisen auf die Rolle der Juden im Geldgeschäft hin, sie waren an 18 Fällen mit geldwirtschaftlichem Hintergrund beteiligt. 77 Seltener (vier Prozesse) klagten jüdische Kaufleute in Handelssachen und in nur zwei Fällen suchten sie beim Reichskammergericht Hilfe wegen „empfundener Diskriminierung“.78 In der Rolle als Kläger oder Beklagter standen den jüdischen Prozessparteien besonders im letzten Jahrhundert des Untersuchungszeitraumes meistens christliche Kaufleute und Bürger gegenüber. Denn gerade die im 18. Jahrhundert – wenn auch schwankend – wachsende hamburgische Wirtschaft zog trotz gelegentlicher gewalttätiger Ausschreitungen weitere Juden in die Stadt.79 76
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F. BATTENBERG, Das Reichskammergericht und die Juden des Heiligen Römischen Reiches. Geistliche Herrschaft und korporative Verfassung der Judenschaft in Fürth im Widerspruch (Schriftenreihe der Gesellschaft für Reichskammergerichtsforschung, 13), Wetzlar 1992, S. 5. Die Juden unterstanden als Einwohner des Reiches dem Römischen Recht, hatten aber bezüglich ihrer Religion einige abweichende Verfahrensregeln am RKG zu beachten. Die Juden scheinen von dieser Möglichkeit der Reichsgerichtsbarkeit regen Gebrauch gemacht zu haben, errechnet Battenberg doch anhand einer Stichprobe, dass jüdische Kläger prozentual häufiger unter den Klägern am RKG zu finden sind, als ihrem Anteil an der Bevölkerung entspricht (BATTENBERG, S. 6). Zu diesen gehört auch der folgende Prozess: Ende des 18. Jahrhunderts klagen mehrere Hamburger Kaufleute gegen mehrere Hamburger Juden (darunter der Bevollmächtigte eines Paderborner Schutzjuden), die Erben eines jüdischen Hamburger Kaufmannes sind. Strittig ist die Echtheit mehrerer Wechsel und Obligationen, die die Kläger den Beklagten einlösen sollen. Diese resultieren aus Geschäften mit Seide und anderen Stoffen zwischen den Klägern und dem verstorbenen jüdischen Kaufmann (insgesamt 23.000 Mark courant). Verhandelt wird an mehreren Instanzen – 1782 an der Praetur und 17821784 im Rat. Noch im selben Jahr landet die Sache am RKG, bevor sie im Jahr darauf erneut am Rat verhandelt wird (1785-1786). Von 1786-1803 ist sie wiederum am RKG (STEIN-STEGEMANN, S. 117, B111). FREITAG, S. 65. Einer der Prozesse in Handelssachen ist der schon erwähnte Fall J36, in dem die Bezahlung einer Partie Kattun zwischen einem jüdischen Händler und christlichen Kaufleuten strittig war (STEIN-STEGEMANN, S. 522, J36). 1770 klagte ein Hamburger Schutzjude gegen den Rat der Stadt wegen Justizverzögerung in einem Prozess, bei dem der Kläger die Herausgabe seiner minderjährigen Tochter verlangte. Diese war von ihrer getauften Schwester angeblich entführt und auf Beschluss des Prätors und des Rates in einer christlichen Familie untergebracht worden – gegen den Protest der jüdischen Gemeinde. Dort sollte sie bleiben, bis sie freiwillig zu ihren Eltern heimkehren wolle. Der Vater berief sich bei seinem Protest auf das Judenreglement von 1710, welches bei unter 15jährigen Juden einer Zustimmung der Eltern bei der Religionsänderung bedurfte. Außerdem stehe ihm die väterliche Gewalt zu (STEIN-STEGEMANN, S. 523 f., J38). KLESSMANN, S. 358 ff. Zur Erinnerung: Hamburg besaß am Ende der Frühen Neuzeit die größte jüdische Gemeinde im Reich. Um 1800 lebten etwa 6.300 aschkenasische und
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Sehr gering war dagegen die Zahl der Buchdrucker und -händler in hamburgischen Prozessen. So sind von den bei Benzing für das 16. und 17. Jahrhundert für Hamburg aufgeführten Buchdruckern 80 gerade einmal zwei mit je einem Prozess am Reichskammergericht zu verzeichnen. Einer der beiden Beteiligten war Johann Wickradt d. J., dessen Vater Johann Wickradt d. Ä.81 ebenfalls als Buchdrucker in Hamburg wirkte. Wickradt d. J. gehörte 1560 zu mehreren Appellanten, die gegen die Witwe eines Hamburger Ratsherren und den Rat der Stadt wegen der ihnen auferlegten Zahlung von 350 Mark Zinsen aus zwei Brauhäusern an die Appellaten Klage führten.82 Ein Vierteljahrhundert später (1584) kann Hans Binder, hamburgischer Verleger seit 157083, als Beklagter in einem Reichskammergerichtsprozess nachgewiesen werden. Er vertrat als Kurator die Witwe eines Kieler Bürgermeisters gegen den gräflich oldenburgischen Kanzler Dr. von Haller. Dieser hatte gegen ein Urteil des hamburgischen Ober-
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130 sephardische Juden in Hamburg. Erstere waren schon seit 1671 in der so genannten Dreigemeinde (Hamburg, Altona, Wandsbek) zusammengeschlossen, ihre rechtliche Stellung innerhalb Hamburgs durch das Reglement von 1710 geregelt, welches ihnen u. a. Missionierung verbot, die öffentliche Religionsausübung an christlichen Sonn- und Feiertagen beschränkte, Wucher untersagte und sie den städtischen und Reichsgesetzen unterwarf (mit Ausnahme des Ehe- und Erbrechtes). Das Reglement sicherte ihnen den Schutz der Stadt zu, doch die eingeschränkten bürgerlichen Rechte limitierten die wirtschaftlichen und beruflichen Optionen, da Juden nicht Mitglieder von Ämtern werden konnten. Die Unterordnung unter die Reichsgesetze garantierte ihnen allerdings die Anrufung des RKGs in den vom Appellationsprivileg gestatteten Fällen (H. KROHN, Die Juden in Hamburg 1800-1850. Ihre soziale, kulturelle und politische Entwicklung während der Emanzipationszeit [Hamburger Studien zur neueren Geschichte, 9], Frankfurt a. M. 1967, S. 9 f.). Einige vertiefende Bemerkungen zum Buchdruck folgen in der kleinen Übersicht zur Frankfurter Wirtschaft sowie bei der Betrachtung der Frankfurter Buchhändler und -drucker, die als Prozessparteien am RKG nachzuweisen sind. Eine Übersicht zum Buchdruck in der Frühen Neuzeit bietet Giesecke, der sich dem Thema nicht nur auf einer theoretischen Ebene (Medien-, Kommunikations- und Informationssysteme) nähert, sondern auch technische Details des Druckens liefert (M. GIESECKE, Der Buchdruck in der frühen Neuzeit. Eine historische Fallstudie über die Durchsetzung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien, Frankfurt a. M. 1991). J. BENZING, Die Buchdrucker des 16. und 17. Jahrhunderts im deutschen Sprachgebiet, Wiesbaden 1982, S. 180 f. STEIN-STEGEMANN, S. 233 f., E41. Die Witwe beanspruchte die Nutzung der Brauhäuser und hatte deshalb erstinstanzlich gegen die Appellanten geklagt. Diese wandten ein, der Verstorbene hätte zwar in der Tat Nutzungsrechte an dem Erbe seiner zweiten Frau beanspruchen können, jedoch nicht das Recht besessen, dieses an seine nunmehr klagende dritte Frau weiter zu vererben, so dass die Braugerechtigkeiten an die Familie bzw. rechtmäßigen Erben (die Appellanten) zurückgefallen sei. BENZING, S. 181.
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gerichts appelliert in einem Streit um die Priorität der Forderungen beider Parteien an einen Dritten.84 Wie aus der Schilderung der Fälle erkennbar ist, berührten sie nicht die eigentliche berufliche Tätigkeit der beiden Protagonisten. Die knapp 80 Kontakte Hamburgs über die Grenzen des Alten Reiches hinaus85, die besonders auf Handels- bzw. geldwirtschaftliche Prozesse oder aber familiäre Streitigkeiten von Kaufleuten zurückzuführen sind, zeichnen ein interessantes Bild der Reichweite der Elbmetropole vor allem im Hinblick auf den Seehandel.86 Denn selbst in den Fällen, in denen nicht explizit wegen Handelsproblemen prozessiert wurde, offenbarte sich diese Reichweite, da die Geschäftsbeziehungen ursächlich für das Entstehen familiärer Bindungen seitens der hamburgischen Kaufleute in Europa waren. Einen weiteren Hinweis für die Bedeutung Hamburgs liefert eine wesentlich kleinere, aber beachtenswerte Gruppe: In der Elbmetropole residierten verschiedene territoriale Amtsträger, deren Prozesse jedoch nicht ihre Amtsführung bezüglich der Vertretung ihres Territorialherrn betrafen, sondern meistens wegen Handels- oder geldwirtschaftlichen Problemen geführt wurden. Der größte Teil der hamburgischen Fernkontakte bestand zu europäischen Hafenstädten im Ostseeraum, in England und auf der Iberischen Halbinsel, doch existierten selbst im Rahmen der Reichskammergerichts-Verfahren Einzelbeziehungen in die Karibik, den russischen Norden und nach Südostasien.87 84
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STEIN-STEGEMANN, S. 321 f., H4. Die schuldnerische dritte Partei aus Hamburg hatte eine Schuldverschreibung gegen die Zahlung von 1.000 Mark lübisch an einen Kieler Krediteur geleistet, von dem wiederum der verstorbene Ratsherr den Pfand – ein Erbe am Pferdemarkt – erworben hatte. Im Anhang der Arbeit befindet sich eine Tabelle, welche die Datenbasis für diese Karte darstellt und eine Auflistung der hier verzeichneten Orte mit der genauen Anzahl der Kontakte enthält. Außerdem ist zwecks besserer Übersichtlichkeit die hier abgebildete Karte im Anhang nochmals größer dargestellt. Dabei ist unbedingt zu beachten, dass hier nur eine Tendenz anhand der Findbuchangaben gezeigt werden kann. Wie weit die Verquickungen des hamburgischen Handels bzw. der Handeltreibenden tatsächlich reichen, kann nur nach kompletter Durchsicht aller Prozessakten beantwortet werden, wobei die Herkunftsorte von Zeugen und einzelnen Kreditpapieren recherchiert, sowie eventuell präzisere Aussagen über die Mobilität der Prozessparteien anhand des in den Akten verfügbaren Materials getroffen werden können. So wird der Prozess V6 (siehe oben, STEIN-STEGEMANN, S. 1131 f.) zwar zwischen hamburgischen Kaufleuten in Hamburg und Wetzlar geführt, strittig ist jedoch eine Partie Zucker aus der Karibik. Der Prozess, der den Handelskontakt nach Barbados offen legt, wird von einem in Hamburg lebenden englischen Kaufmann in Vertretung eines (wohl hamburgischen) Kaufmanns in London geführt. Sie klagen gegen einen Hamburger Ratsherren und weitere Verwandte eines verstorbenen Hamburger Kaufmannes. Die Beklagten lassen bei ei-
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Vor allem die erstgenannten, hauptsächlichen Kontakte spiegelten Hamburgs Handelsbeziehungen in die Ostsee und die Nordsee (begründet im hansischen Handel in seiner Rolle als Vermittler des spätmittelalterlichen Handels zwischen diesen beiden Meeren) wider, die Kontakte nach West- und Südwesteuropa geben zugleich Auskunft über Hamburgs Beteiligung am Atlantischen Handel. Keine Beachtung fand die Herkunft der Waren selbst, die in Einzelfällen aus der Karibik oder in der Karte nicht verzeichneten europäischen Städten erfolgte, doch erweitert deren Einbeziehung die Bandbreite und Internationalität des hamburgischen Handels zusätzlich. Die Untersuchung zu den Handels- und geldwirtschaftlichen Prozessen Hamburgs verdeutlicht, dass sich wichtige Aspekte der wirtschaftlichen Entwicklung der Stadt in den Reichskammergerichts-Prozessen wieder finden lassen, einige allerdings auch nicht (z. B. die Wirtschaftskrise von 1798/1799). Daneben hat die Analyse der Handelskontakte bzw. geschäftlichen und auch familiären Verbindungen der Kaufleute aufgezeigt, wo dem Erkenntniswert aus den Prozessakten Grenzen gesetzt werden. Natürlich muss zunächst eine geschäftliche Angelegenheit zwischen zwei Parteien strittig sein, ein genügend nem hamburgischen Seidenhändler eine Partie Kattun aus Barbados arretieren, um eine Schuldforderung gegen einen weiteren Hamburger Kaufmann in London durchzusetzen (hier werden Streitwerte genannt: es handelt sich um zwei Obligationen von 70.670 lübischen Mark und 1.200 Pfund Sterling). Der Kläger wendet in Vertretung seines in London weilenden Kollegen ein, dass die fragliche Partie seinem Kollegen gehöre, wofür als Beweis die Kaufmannsrechnungen, die Kaufmanns-Marke auf den Waren (ein Siegel) und die eidlichen Aussagen des Obligationen-Schuldners und des Seidenhändlers dienen sollen (STEIN-STEGEMANN, S. 156 f., C14). Der Kontakt nach Archangelsk kommt über eine Vertretung zustande. Ein (niederländischer) Kaufmann in Hamburg (im Verfahren am Obergericht der Beklagte) appelliert gegen den englischen Courtmaster sowie einen englischen Kaufmann in Hamburg, die einen (hamburgischen) Kollegen und dessen (englischen) Partner vertreten, da letztere in Archangelsk weilen. Gestritten wird um Forderungen in Höhe von ca. 8.700 lübischen Mark, wobei der Appellant einwendet, die Prozessgegner müssten sich zwecks Befriedigung ihrer Forderungen u. a. an eine Martha Grete in England wenden (STEIN-STEGEMANN, S. 551, K20). Im dritten Beispiel appellieren ein Apotheker und ein Kaufmann aus Hamburg als Vormünder der Kinder eines hamburgischen Kaufmanns, der sich zwischenzeitlich in Amsterdam aufhält, gegen ein Urteil des Obergerichts in einem Prozess, den ein (niederländischer) Kaufmann in Amsterdam als Universalerbe eines in Amsterdam bzw. in Batavia ansässigen Kaufmanns angestrengt hatte (in der Appellation nebenbeklagt war der Hamburger Rat). Mittels drei Appellationen, zwei Citationen und einem Mandat versuchen die Appellanten, Besitztümer der Mutter ihrer Mündel vor dem Zugriff des Appellaten zu sichern, der Universalerbe des verstorbenen Ehemannes der Mutter ist (diese ist nun mit dem Hamburger Kaufmann in Amsterdam verheiratet, der Vater der appellierenden Kinder ist) (STEINSTEGEMANN, S. 1088, T9).
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hoher Streitwert erreicht und das Appellationsprivileg (nach 1634) ausgehebelt werden (welches ja eigentlich Handelssachen für nicht appellabel erklärte), um überhaupt eine solche Sache an das Reichskammergericht zu bringen. Das bedeutet aber auch, dass alle ordentlichen Geschäfte sowie jene, deren Umfang zu gering war oder dessen Partner die finanziellen Mittel für den Instanzenzug nicht hatten oder nicht einsetzen wollten, eben nicht bei der Reichsjustiz landeten. Außerdem könnten die wirtschaftlichen Streitigkeiten, die den Kreis der hamburgischen Instanzen nicht verließen, zu Rate gezogen werden, um zu verdeutlichen, dass im rein städtischen Rahmen auch weniger vermögende Parteien und Kaufleute in großer Zahl klagten. Dennoch sind wichtige Bereiche des hamburgischen Handels auch in einer entsprechenden Zahl in den Reichskammergerichts-Akten dokumentiert, so z. B. die Präsenz der auswärtigen Kaufleute und die Bedeutung des Seehandels. Auf Grundlage der hier präsentierten Ergebnisse ist Wehlers Aussage vom „Ausschluß Deutschlands von der überseeischen Expansion“ zumindest für Hamburg teilweise zu verneinen.88
Frankfurts Handel im Spiegel der Reichskammergerichts-Prozesse Nach den Ergebnissen der allgemeinen quantifizierenden Untersuchung in Kapitel II.3 bilden die in der Folge zu betrachtenden Prozesse der Kategorien Handel und Gewerbe bzw. Geldwirtschaft die dritt- bzw. größten Teilbereiche. Wie im Falle Hamburgs ist nun zu analysieren, wie die einzelnen Fälle weiter ausdifferenziert werden können, welche der Teilkategorien sich in welchem Maße im Verlaufe des Untersuchungszeitraumes ändern. Wenn die Frankfurter Reichskammergerichts-Prozesse ein deckungsgleiches Abbild der städtischen Wirtschaft liefern, müssten sowohl Waren- als auch Kreditpapiersachen auftreten, wobei letztere wegen der Innovationen auf dem Finanzsektor am Ende des Mittelalters und am Beginn der Frühen Neuzeit sowie der Entwicklung Frankfurts zu einem Finanzzentrum eine ansteigende Tendenz aufweisen sollten.
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H.-U. WEHLER, Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Erster Band: Vom Feudalismus des Alten Reiches bis zur Defensiven Modernisierung der Reformära 1700-1815, München 1987, S. 53. Wie in der Folge gezeigt werden kann, trifft diese Äußerung auch für Frankfurt nur bedingt zu, denn die Stadt am Main profitierte deutlich nachweisbar vom durch den Atlantikhandel mitbestimmten, wirtschaftlichen Aufschwung der Niederlande. Es bleibt daher festzuhalten, dass die generelle Bezeichnung des Reiches als „Hinterland der aufsteigenden atlantischen Welt“ während der auf den Dreißigjährigen Krieg folgenden 150-200 Jahre zutrifft, für bedeutende deutsche Handelsstädte wie Hamburg und Frankfurt oder auch Köln und Straßburg aber sicherlich zu kurz greift.
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Handelsprozesse vor dem Reichskammergericht
Eine interessante Möglichkeit zur Kategorisierung, welche die in den Tabellen 37 und 38 (siehe unten) genannten Bereiche überschneidet, bildet die Separierung von Streitfällen mit Bezug zur Frankfurter Messe sowie eine Beobachtung der gehandelten Waren, wobei die Entwicklung der Wirtschaft vor allem Auseinandersetzungen um Tuche und Weine erwarten lässt. Die Tabelle 37 (siehe unten) differenziert die Frankfurter Handels- und Gewerbeprozesse im gesamten Untersuchungszeitraum und belegt eine Dominanz der Verfahren um Handelsgeschäfte und die Sicherung von Forderungen, die aus diesen erwuchsen. Kleinere Anteile an dieser Kategorie erreichten Auseinandersetzungen um die Abwicklung von Handelsgesellschaften sowie Konkurse und Zwangsvollstreckungen. Über die drei Jahrhunderte hinweg ist eine stetige Zunahme des Gegenstandes Handwerk und Gewerbe festzustellen, obwohl die absoluten Zahlen und Anteile einiger Teilbereiche vom 17. zum 18. Jahrhundert eine negative Entwicklung verzeichnen. Dagegen nimmt besonders die Zahl der Auseinandersetzungen in den Zünften sowie zwischen diesen, dem Rat und einzelnen Handwerkern besonders stark zu.89 Tabelle 37: Differenzierung der Frankfurter Handels- und Gewerbeprozesse 1495-1806 (Prozesse; absoluter Wert und prozentualer Anteil des Streitgegenstandes im Zeitraum) Streitgegenstand Gewerbe- und Handelsfreiheit90
1495-1599 1 (2,3)
1600-1699 3 (4,1)
1700-1806 6 (6,5)
1495-1806 10 (4,8)
Zunftwesen allg., Streit zwischen Ämtern und Unzünftigen
1 (2,3)
1 (1,4)
7 (7,6)
9 (4,3)
Aufnahme in, Ausschluss aus Ämtern, Zwang zum Amtseintritt
1 (2,3)
0
13 (14,2)
14 (6,7)
Handelsgesellschaften Sonstige Handelsgeschäfte
3 (6,8) 25 (56,8)
9 (12,3) 36 (49,3)
12 (13) 29 (31,5)
24 (11,5) 90 (43,1)
Sicherung privater Handelsforderungen (Arrest, Beschlagnahme) Zwangsvollstreckung, Konkurse
9 (20,4)
17 (23,3)
13 (14,2)
39 (18,6)
4 (9,1)
7 (9,6)
12 (13)
23 (11)
Summe (Anteil an Handels- und Gewerbeprozessen 1495-1806)
44 (21,1)
73 (34,9)
92 (44)
209 (100)
89 90
Siehe dazu ausführlich Kapitel IV. Die Streitgegenstände um Handels- und Gewerbefreiheiten hatten nur einen geringen Anteil am Prozessaufkommen innerhalb des Bereichs Handel und Gewerbe, allerdings kommt es zu Überschneidungen mit anderen Prozessgegenständen.
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Handelsprozesse vor dem Reichskammergericht
Ein starker Anstieg ist bei Prozessen mit Bezug zu Konkursen festzustellen – den sieben Verfahren im 16. Jahrhundert folgen 41 im 17. Jahrhundert und sogar 90 im 18. Jahrhundert (mit weiteren drei Prozessen im 19. Jahrhundert sind das insgesamt 141 Prozesse [8,6% des gesamten Prozessaufkommens]).91 Allerdings sind diese nur in einigen wenigen Fällen in die Kategorie der Handels- und Gewerbeprozesse eingeordnet worden, weil sich die fraglichen Verfahren tatsächlich mit anderen Gegenständen vor dem Hintergrund eines Bankrotts beschäftigen (z. B. mit einem Erbstreit sowie Wechsel- oder Bürgschaftsklagen, weil die Einlösung von Forderungen wegen Fallierung des Schuldners nicht mehr möglich war). Die Teilkategorie Zwangsvollstreckungen und Konkurse enthält demzufolge deutlich weniger Prozesse. Insgesamt sind 23 Fälle festzustellen, wobei die Zahlen für die einzelnen Jahrhunderte sowie deren Anteil am jeweiligen Zeitraum trotz der oben erläuterten Einschränkungen eine deutlich steigende Tendenz aufweisen. Die Zunahme der Konkursprozesse ist auf das allgemeine Wachstum des Wirtschaftsvolumens zurückzuführen, d. h. die Handels- und Gewerbe- sowie die geldwirtschaftlichen Prozesse steigen mit zunehmender Bevölkerungs- bzw. Kaufleutezahl an, so dass – zusammen mit verschiedenen durch Misswirtschaft 92 , Kriege oder politische Entwicklungen hervorgerufenen Problemen – die Wahrscheinlichkeit von Geschäftszusammenbrüchen wuchs.93 Zu diesen Konkursen zählt auch ein Prozess aus dem Jahre 1762, den die Ehefrau (Christina Elisabetha Schmidt) des zunächst „ent91
92
93
Zu diesen Fällen gesellen sich weitere, die sich mit der Güterabtrennung bzw. -abtretung (34) sowie dem Separationsrecht (31) beschäftigen, sich aber teilweise mit den schon gezählten Fällen überschneiden. Besonders die letztgenannten Prozesse behandeln die Sicherung des Eigentums der Ehefrauen vor dem Zugriff der Gläubiger der fallierten Ehemänner, entweder noch zu Lebzeiten des Ehemannes oder aber nach dessen Tod bei einer Aufteilung des Erbes oder im Rahmen der Nachlassverwaltung. Ein Beispiel dafür ist die Klage der Witwe des Senators Dr. Johann Heinrich Klotz (seit 1752 Senator für vier Jahre [1756 verstorben]; siehe dazu KOCH, Grundlagen bürgerlicher Herrschaft, S. 390) gegen die Erben des Frankfurter Kaufmannes Walther aus dem Jahr 1764. Die Klägerin hatte nach dem Konkurs und dem Tod ihres Mannes die separatio bonorum bezüglich der Restkaufschillingssumme von 1.025 fl. für ein 1753 gekauftes Haus beantragt. Für diesen Kauf hatte der inzwischen ebenfalls verstorbene Kaufmann dem Senator insgesamt 3.500 fl. geborgt, deren Rest die nun beklagten Erben zurückforderten (KALTWASSER, S. 672, K63). Siehe dazu unten das Beispiel der Bankiersfamilie de Rhon, deren Mitglieder im Gefolge des zusammenbrechenden Aktienmarktes in den 1720ern unverantwortliche Börsenspekulationen vorgeworfen wurden. Oder allgemeiner gesagt: Mit der Steigerung der Wirtschaft und einer größeren Anzahl an ihr partizipierender Personen steigt auch Wahrscheinlichkeit des Auftretens negativer Folgen.
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wichenen“ und dann verstorbenen Teilhabers der Firma „Zwirlein und Schmidt“ gegen dessen Gläubiger anstrengte. Sie widersprach der Beschlagnahme des Warenlagers ihres Mannes, da sie und ihr Vater (der Ratsherr Zwirlein) selbst Ansprüche an den verstorbenen Ehemann bzw. Schwiegersohn geltend machten, weswegen ihnen Teile des Warenlagers zuständen.94 Zwangsvollstreckungen bzw. öffentliche Versteigerungen sind nur in vier Fällen alleiniger Gegenstand eines Reichskammergerichts-Verfahrens. 1718 prozessierte ein Frankfurter Bürger und Knopfmacher gegen mehrere seiner versicherten Kreditoren, darunter ein Ballenmeister, ein Barbier, ein Sattler und Kaufleute (Johann Jacob Schmidt und Johann Martin Du Fay 95 ) in einem Streit um eine Insatzschuld von 1.888 Gulden aus dem Kaufpreis des 1716 öffentlich versteigerten Haus des Klägers. Die Immobilie wurde vom Schwager des Klägers, dem Sattler (der zu den mittels Pfand abgesicherten Kreditoren zählte), zum Höchstgebot von 9.000 Gulden erworben. Der Kläger selbst war nach mehrfachem Bankrott und Schulden von über 34.000 Gulden zahlungsunfähig. In diesem Zusammenhang warf ihm der Frankfurter Rat die Vernachlässigung seines Handwerks zugunsten eines „ihm nicht zukommenden Weinhandels“ vor, den er mit kurzfristigen, nicht eingelösten Wechseln 96 finanziert hatte. 97 94
95 96
97
KALTWASSER, S. 997 f., S187. Der Verstorbene hatte Verbindlichkeiten in Höhe von über 70.000 fl., von denen aber ein Drittel (ca. 23.000 fl.) von Zwirlein und weitere 10.000 fl. von der Klägerin (Illaten) geltend gemacht wurden. Der Wert des Warenlagers wurde auf 10.000-14.000 fl. geschätzt und gibt einen Einblick in das Warensortiment eines Spezereihändlers: Hier finden sich verschiedene Sorten Kaffee, Gewürze, Farbstoffe, Tabak, Zucker, Öle, Rosinen, Tee, Salz, Wachs usw. Die Sozietätshandlung Du Fay wird bei Amend-Traut mehrfach erwähnt (AMENDTRAUT, Wechselverbindlichkeiten, S. 241 f., 246, 354, 356, 401). Bei AMEND-TRAUT, Wechselverbindlichkeiten, finden sich umfangreiche Erläuterungen zum Umgang mit Wechselstreitigkeiten am Reichskammergericht, wobei sich AmendTraut vor allem auf juristisch relevante Fragen stützt, z. B. Zuständigkeit und Verfahren des Reichskammergerichts in Wechselprozessen (1. Hauptteil, S. 138-191) und Zulassung von Beweismitteln (2. Hauptteil, 14., S. 317-321). Wie bereits in Kapitel I beim Römischen Recht thematisiert, stehen bei Amend-Traut rechtliche Fragen im Vordergrund, während die vorliegende Arbeit nach den Prozessinhalten, -beteiligten usw. fragt, um damit die von denen eines Juristen differierenden Fragen des Historikers an die Prozesse beantworten zu können. KALTWASSER, S. 1068 ff., W39. Das Haus wurde öffentlich („unter der Fahne“) zwangsversteigert. Die genannte Summe von 1.888 fl. wurde im Römer deponiert zwecks Sicherung der mütterlichen Erbschaft der sechs unmündigen Stiefkinder aus der dritten Ehe des Klägers. Die Ehefrau hatte nach Misshandlungen und dem Bekanntwerden seiner prekären finanziellen Lage auf Rückzahlung ihres Heiratsgutes von 2.500 fl. gedrängt. 1719 konnte der Kläger ein RKG-Mandat erwirken, welches den Verkauf des durch seinen Schwager ersteigerten Hauses an den Kaufmann Du Fay rückgängig machte, sowie
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Handelsprozesse vor dem Reichskammergericht
Dem Vorwurf des mutwilligen Bankrotts sah sich 1754 der Frankfurter Handelsmann und Tabakfabrikant Johann Jacob Friedrich Fabricius ausgesetzt. Nachdem ihn seine Kreditoren am Schöffengericht verklagt hatten, appellierte er noch im selben Jahr an das Reichskammergericht gegen seine Geldgeber und die Vorinstanz. Wegen aufgelaufener 80.000 Gulden Schulden wurde der Appellant auf der Konstablerwache arretiert, nachdem er aus Holland gelieferte Waren (Indigo und Muskat) für die Hälfte des Preises verkauft hatte. Bezahlt wurden die Waren durch ungedeckte, von Mittätern garantierte und zessionierte Wechsel.98 Zur Durchsetzung bzw. Sicherung privater Handelsforderungen bedienten sich auch die Frankfurter Kaufleute der Beschlagnahmung bzw. Arretierung von Gütern und Waren eines Schuldners. Die Erklärung bezüglich der allgemeinen Zunahme wirtschaftlicher Tätigkeit und des damit verbundenen Anstei-
98
seine Wiedereinsetzung in das Haus und den Ersatz diverser Mobilien, des Schadens und der Kosten anmahnte. Dagegen protestierte wiederum die Stadt mit dem Argument der Misswirtschaft, konnte sich aber nicht durchsetzen. Die Parteien verglichen sich schließlich. KALTWASSER, S. 277 ff., D26. Fabricius war Frankfurter Bürger und lebte offensichtlich über seine finanziellen Verhältnisse. Obwohl er bei der Einbürgerung nur etwas über 1.000 fl. Vermögen hatte, konnte er sich bald ein 20.000 fl. teures Haus und einen aufwendigen Haushalt mit Bedienten leisten. Dies wurde ihm möglich, weil er Handelsbeziehungen nach Holland knüpfte und die ersten dort bestellten Waren mit Hilfe seines geheimen Teilhabers, eines Frankfurter Chirurgen, zunächst auch pünktlich bezahlte. „Sobald sie merkten, daß man durch ihre honetten Zahlungen Vertrauen in sie setzte, fingen sie an, ihren Anschlag in das Werk zu setzen: nämlich immerfort kostbare Waaren zu beschreiben, und dagegen Wechsel-Briefe solutionis loco zu überschicken. So konnte denn auch, leider! das so lange unter allen Völkern so heilig gehaltene Wechselrecht, als eine derer größten Stützen des Commercii, von diesen Bösewichtern nicht verschont bleiben.“ Die beiden stellten Wechsel auf eine nicht existente Person aus, mit denen sie bei ihren holländischen Geschäftspartnern die Bestellungen bezahlten. Diese nahmen die Wechsel guten Glaubens anstelle der Bezahlung an und schickten große Mengen Waren nach Frankfurt. Ein Verwandter von Fabricius stellte weitere Wechsel aus, die über ebenfalls nicht existente „Giranten oder Cessionarii“ bei Wolff eingingen, der sie sofort nach Holland weiterschickte, wo die Wechsel akzeptiert wurden, da ja eine ausreichende Zahl von nach dem Wechselrecht haftenden Parteien beteiligt schien, die Wechsel also sicher schienen (Auszug aus Aktennummer 707, Druckschrift „Species Facti oder Aufrichtige kurtze Erzehlung derer durch Johann Jacob Friderich Fabricius und Johann Georg Wolff [der Chirurg], ehemalige anmaßliche Handelsleute in Franckfurt, ausgeübten, bis daher bekannt gewordenen Betrügereien und dem gegenwärtigen Zustand der Sache, Ad causam Fabricius contra seine sämtlichen Creditores und deren Ausschuß. Appellationis“ 1754). – Zu Fabricius siehe ausführlich die Fallstudie bei AMEND-TRAUT, Wechselverbindlichkeiten, S. 30-42, wo der Prozess und insbesondere der Prozessverlauf erläutert werden.
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gens negativer Begleiterscheinungen trifft nicht nur auf die Konkurse zu, sondern teilweise auch auf die Arrestanlagen und Pfändungen. Die genannte Teilkategorie verzeichnet dementsprechend im Untersuchungszeitraum zunächst eine Zunahme der Prozesse um beschlagnahmte und arretierte Waren, im 18. Jahrhundert geht deren Zahl aber leicht zurück (insgesamt 39 Fälle). Zu diesen Verfahren kommen jedoch weitere aus anderen Kategorien, die zumindest indirekt auf dingliche Arreste Bezug nehmen.99 Ein Beispiel ist der Prozess zwischen einem Kaufmann und sowie einer Kaufmannswitwe aus dem Jahr 1685. Der verstorbene Ehemann der Beklagten hatte eine berechtigte Forderung aus einem Wechselbrief in Höhe von 1.020 Reichstalern gegen den verstorbenen Schwiegervater des Klägers bzw. diesen selbst als berechtigten Erben des Nachlasses. Das Frankfurter Schöffengericht räumte der Beklagten die Befriedigung ihrer Forderung aus dem Nachlass ein und gewährte ihr Pfandrecht an einem Zehntel des nachgelassenen Hauses.100 An mehreren Frankfurter Reichskammergerichts-Prozessen sind Handelsgesellschaften beteiligt (Handelsgesellschaften bzw. -sozietäten), deren Zahl sich im Verlauf der Frühen Neuzeit steigerte und somit auch die Zahl der Prozesse, an denen sie beteiligt waren (insgesamt in 24 Fällen).101 Wiederum gilt auch hier,
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100 101
Die Zahl der Prozesse mit Bezug auf dingliche Arreste (von Waren oder Gütern) steigt von 33 im 16. auf 53 im 17. bzw. 54 im 18. Jahrhundert. Eine parallele Entwicklung vollzieht sich bei den Personalarresten zur Erzwingung einer Befriedigung ausstehender Forderungen, die jedoch nicht nur aus Handels- sondern beispielsweise auch aus Streitigkeiten um Erbschaften usw. resultieren können. Nach nur zwei Personalarresten im 16. Jahrhundert erhöht sich deren Zahl auf 20 im 17. und 26 im 18. Jahrhundert. Weitere 23 Fälle erwähnen die Haft einer Person, wobei es sich hierbei vor allem um Schuldhaft handelt. Neben den Arretierungen kommt es auch zu Beschlagnahmung bzw. Obsignation von Waren, Gütern und Nachlässen in 26 bzw. 24 Fällen sowie zu Pfändungen in 25 Prozessen (davon neun „mandati uff die Constitution von Pfandungen“ z. B. 1594 in einem Prozess zwischen den Vormündern der Grafen von Hanau-Münzenberg und der Stadt Frankfurt um das Verbot der eigenmächtigen Pfändung von Getreide von einem hanauischen Acker; die Stadt machte geltend, dieser Acker gehöre zu ihrem Einzugsgebiet, KALTWASSER, S. 434, H15; aus der kurzen Fallbeschreibung wird ersichtlich, dass dieses Beispiel in den Bereich der staatlich-hoheitlichen Rechte gehört). Pfänder (z. B. Juwelen oder Immobilien) werden ebenfalls in steigender Zahl erwähnt (jeweils einer im 15. und 19. Jahrhundert, 14 im 16., 16 im 17. und 19 im 18. Jahrhundert). KALTWASSER, S. 125 f., A28. Bereits 1510 klagte die Frau eines Apothekers gegen die Witwe des Geschäftspartners ihres ebenfalls verstorbenen ersten Mannes. Strittig war die Abrechnung von Verbindlichkeiten verschiedener Kapitalien und Waren aus der gemeinsamen Handelsgesellschaft der Verstorbenen (KALTWASSER, S. 166 f., B60).
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dass Teilhaber verschiedener Handlungen 102 nicht nur in Verfahren in Ausübung ihres Berufs, sondern auch in Fälle mit einem anderen Hintergrund verwickelt waren.103 In 13 Prozessen werden Fragen der Kündigung und Auflösung sowie Sozietätsverträge im Allgemeinen thematisiert, z. B. in einem Prozess zwischen den Erben eines verstorbenen Frankfurter Materialisten (Franz Huyß) sowie dessen Bruder (Johann Huyß d. Ä.) im Jahr 1634. Strittig zwischen den Parteien war die Zahlung von 8.000 Gulden aus einem Vergleichsvertrag von 1618, der von den Brüdern im Zuge der Auflösung ihrer erfolgreichen Handlungsgesellschaft aufgestellt wurde. Die Kläger legten Widerspruch gegen die Verfügung des verstorbenen Franz Huyß ein, den Kindern des Beklagten die oben genannte Summe zu vererben, da die Familie der Ehefrau des Beklagten große Summen aus der gemeinsamen Firma herausgenommen hatte.104 In diesem Fall kommen die Prozessgegner sogar aus der gleichen Familie, sind aber auch symptomatisch für die Prozessparteien in diesem wie auch den zuvor genannten Bereichen der Konkurs- und Arreststreitigkeiten, in denen die Parteien zu 90% der gleichen sozialen Schicht angehören. In den restlichen Prozessen sind u. a. Adelige sowie die Stadt Frankfurt selbst vertreten, wobei in letzterem Fall gegen Entscheidungen zugunsten einer Partei in der Vorinstanz interveniert wird. Eines der Verfahren um einen Sozietätsvertrag führten 1779 der Kaufmann Georg Nicolaus Keßler, der 1777 entlassene einstige Buchhalter und spätere Handlungsdirektor des Bankhauses Olenschlager, und die Witwe des Bankiers Johann Nikolaus Olenschlager, ein Kaufmann, dessen Familie wie die anderer Kollegen im 18. Jahrhundert zur städtischen Obrigkeit gehörte.105 Die beklagte 102
103
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Handelshäuser und -gesellschaften treten analog zum in Frankfurt gehandelten Warenspektrum in vielen Formen in Erscheinung, z. B. als Dielen-, Edelstein, Hopfen-, Leder-, Saiger-, Tuch-, Wechsel- oder Buchhandlung. Insgesamt werden Handlungen und Handelsgesellschaften sogar in 74 Frankfurter RKGProzessen erwähnt, die jedoch nicht alle Eingang in die Teilkategorie gefunden haben. Klagten beispielsweise die Teihaber eines Bankhauses wegen einer Schuldforderung, dann wurde dieser Fall in den Bereich der Geldwirtschaft eingeordnet (es sei denn, sie würden gegeneinander klagen). KALTWASSER, S. 472, H77. Siehe dazu unten die weiteren Ausführungen zu den Familien Neufville, Olenschlager und de R(h)on, die 1732 erstmals durch ihre Wahl in den „Bürgerauschuss“ eine begrenzte politische Partizipation erreichten (BÖHME, Hamburg und Frankfurt, S. 106). Zur Erinnerung: 1732 endete die Visitation der städtischen Finanzen und Verwaltung durch die kaiserlichen Kommissionen, die 1712/1716 zur Eindämmung der innerstädtischen Unruhen und Wiederherstellung der Ordnung entsandt worden waren (SOLIDAY, S. 17 ff.). Johann Nikolaus Olenschlager von Olenstein (Sohn der beklagten Witwe) gehörte zu den Frauensteinern (einer der beiden überlebenden patrizischen Gesellschaften, allerdings die
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Witwe hatte nach dem Tode ihres Mannes 1763 das Handels- und Bankhaus Olenschlager weitergeführt und den Kläger ab 1772 als Handlungsdirektor beschäftigt. Dessen Entlassung erfolgte unter gewalttätigen Auseinandersetzungen, da der Kläger der Untreue bezüglich Warenspekulationen und der Vergabe zu hoher Kredite an seine Verwandtschaft (Vater und Brüder, Rotgerbermeister zu Alzey) beschuldigt wurde. Keßler machte gegenüber dem Gericht seine laufenden Verträge geltend, nach denen ihm für die restlichen drei Jahre der Vertragszeit jeweils ein Gewinnanteil von 5.200 Gulden sowie die vereinbarte Abfindung von 10.000 Gulden wegen vorzeitiger Vertragsaufhebung zuständen. Während des Verfahrens ordnete das Reichskammergericht an, dem Kläger sei weiterhin Zugang zu den Geschäftsräumen, den Handlungsbüchern und der Geschäftskorrespondenz zu gewähren und die Beklagte wurde verpflichtet, weitere Geschäfte nur mit Wissen und Bestätigung des Klägers zu tätigen. Nach dem Tode der Beklagten verglichen sich deren Erben mit dem Kläger unter Aufrechnung von dessen Forderungen mit den seiner Verwandtschaft gewährten Krediten.106
106
weniger bedeutende, wie mehrere bis zum frühen 18. Jahrhundert belegte Wechsel von Patrizierfamilien zu den Limpurgern beweisen). Durch Einheirat in diese exklusiven Gesellschaften gehörten die neuen Verwandten jedoch noch nicht automatisch zum illustren Kreis der Patrizier, da die sozialen und ständischen Eigenschaften der eingeheirateten Person mit den von der Patriziergesellschaft geforderten Kriterien übereinstimmen mussten. Dabei war zunächst das wichtigste, dass sowohl der Kandidat als auch seine Eltern eine eheliche Geburt nachweisen konnten – eine Forderung, die uns als Kriterium für die Zulassung zum Meisterrecht und der Zunftaufnahme bei den Handwerkern wieder begegnet (siehe Kapitel IV) (A. HANSERT, Adel der Geburt und Adel des Geistes. Zu einem paradigmatischen Rang- und Standeskonflikt zwischen Patriziern und Gelehrten in Frankfurt im 17. und 18. Jahrhundert, in: G. SCHULZ [Hrsg.], Sozialer Aufstieg. Funktionseliten im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit [Deutsche Führungsschichten in der Neuzeit, Bd. 25], München 2002, S. 113-148, hier S. 117 ff.). Olenschlager war zwischen 1781 und 1818 für 26 Jahre Mitglied des Rates als Senator, Schöffe und älterer Bürgermeister (4x) (KOCH, Grundlagen bürgerlicher Gesellschaft, S. 396 f.). KALTWASSER, S. 644 ff., K19. Laut Vertrag von 1772 wurde Keßler bis 1780 eingestellt, da dann der 1751 geborene Sohn der Beklagten (siehe oben FN 1094) volljährig sei. Er wohnte im Haus der Witwe und erhielt jährlich 1.000 Rtlr. Gehalt sowie ein Zehntel des Profits aus seinen Geschäften im Namen der Handlung Olenschlager zugesprochen. Der Umfang des Geschäftsvermögens wird im Vertrag von 1773 angedeutet, der allein für den Geschäftseigenanteil der Witwe Olenschlager 100.000 Rtlr. nennt (#147, Druckschrift: „Sach- und Rechtsstreitsgeschichte zwischen der verwittibten Frau von Olenschlager … und Georg Niclas Keßler …“, Frankfurt 1779). – Auch dieses Beispiel illustriert die Einkommensunterschiede zwischen einem Kaufmann und einem Gesellen – allein das Gehalt des Klägers Keßler (ohne Gewinnbeteiligungen) beträgt mit 1.000 Rtlr. das Zehnfache des durchschnittlichen Jahreseinkommens eines Gesellen (siehe un-
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Auf Handelsgeschäften im Allgemeinen basierende Streitigkeiten können in 90 Fällen nachgewiesen werden, wobei auch hier die Zuordnung in eine andere Teilkategorie der Handelsprozesse nicht zweifelsfrei möglich ist. 107 Dagegen können Versicherungen, die in Hamburg besonders für den Seehandel angeboten und in strittigen Fragen auch am Reichskammergericht verhandelt wurden, für Frankfurt in nicht einem einzigen Verfahren nachgewiesen werden. Immerhin aber existiert in 13 Prozessen ein Bezug zur Main-Schifffahrt (entweder ist die Schifffahrt selbst Hintergrund des Prozesses oder aber ein Schiffer ist unter den Prozessparteien), durch die Frankfurt auf dem Seeweg u. a. mit Straßburg, Köln und den Niederlanden verbunden war. Zwei dieser Prozesse sollen hier kurz vorgestellt werden: 1543 klagte ein Speyerer „Kremer“ gegen einen Bender und einen Prokuristen aus Frankfurt im Streit um ein von ihm den Beklagten für 100 Gulden abgekauftes Schiff, welches er aber nicht in Besitz genommen hatte.108 Im Vergleich mit diesem Streit hat der folgende eine andere Dimension, da er die freie Schifffahrt auf dem Main betrifft. Der Graf von IsenburgBüdingen erwirkte 1731 mit diesem Anspruch ein Mandat gegen die Stadt Frankfurt auf Freigabe des Offenbacher Marktschiffes, welches angehalten und festgesetzt worden war.109 Ebenfalls Bezug zum freien Handel auf dem Main bzw. anderen Flüssen hat die Klage eines Landauer Bürgers gegen den Schultheiß, Bürgermeister, Rat und Gericht in Frankfurt aus dem Jahre 1633, bei dem
107
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ten Kapitel IV sowie SCHULTZ, S. 105). Die Forderung nach 5.200 fl. Gewinnanteil gibt zudem einen Hinweis auf den jährlichen Gesamtgewinn der Gesellschaft (über 50.000 fl.) sowie die nochmals deutlich höheren Umsätze (wahrscheinlich mehrere hunderttausend Gulden). Da bei den Untersuchungen zum südlichen Ostseeraum sowie Lübeck und Hamburg auf eine Doppelnennung in mehreren Kategorien oder Teilbereichen verzichtet worden ist, wurde dieses Verfahren für die Untersuchung beibehalten. Dagegen sind bei Westphal z. T. Mehrfachzuordnungen festzustellen (WESTPHAL, S. 46). Ein Fall wie das folgende Beispiel könnte berechtigterweise mehreren Teilkategorien zugeschlagen werden. 1523 fordert der Speyerer Kaufmann Seckendorf die Aufhebung des vom Kaufmann Olivier (aus Portugal) auf der Frankfurter Messe verfügten Arrests gegen seine Waren in einem Handelswarenstreit, da diese sonst „mit der Zeit verdorben worden“. Unklar ist die prinzipielle Appellationsfähigkeit dieser Sache, da der Streitwert bei lediglich 50 fl., die Appellationssumme aber bei 60 fl. lag (KALTWASSER, S. 914, S56). Dieser Prozess illustriert ebenso wie die bereits getätigten oder noch ausstehenden Nennungen einzelner Teilaspekte die Probleme einer eindeutigen Zuordnung. Daher erscheinen neben den Zahlenwerten in den Tabellen auch immer solche mit dem Hinweis eines „Bezuges“ auf einen bestimmten Aspekt, obwohl dieser bei den bewussten Fällen nicht das ausschlaggebende Kriterium für die Einordnung war (Bsp. Konkurse). KALTWASSER, S. 201, B107. KALTWASSER, S. 483 f., J10.
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erstgenannter wegen der Gewährung des freien Warentransports prozessierte. Einer seiner Geschäftspartner hatte versucht, Wein von Speyer nach Frankfurt mit dem Schiff zu transportieren und war in Mannheim vom „Feind“ überrascht worden, der die Ware konfiszierte und den Geschäftspartner verhaftete.110 Neben den in der Kategorie Handel und Gewerbe111 erfassten Prozessen sind im Rahmen einer Übersicht zu den Frankfurter Handelsfällen auch jene mit dem größten Anteil am Frankfurter Prozessaufkommen zu betrachten, nämlich die Streitigkeiten in geldwirtschaftlichen Angelegenheiten. Die Betitelung Frankfurts als Handels- und Finanzzentrum sowie die bereits festgestellte hohe Zahl an Kaufleuten und Bankiers als Kläger am Reichskammergericht finden ihre Bestätigung im – wie in Hamburg – umfangreichen und im Laufe des Untersuchungszeitraumes zunehmenden Anteil der Geldprozesse.112 Diese Entwicklung stimmte mit jener für das Alte Reich überein. 113 In Tabelle 38 (siehe unten) werden nach dem hamburgischen Schema Unterart und Zeitraum der geldwirtschaftlichen Prozesse differenziert und erlauben somit detaillierte Aussagen zur Inanspruchnahme des Reichskammergerichts durch Frankfurter Parteien in diesen Sachen. Wie die Werte in der Tabelle verdeutlichen, stellten Wechsel- und Kreditsachen (Wechselschulden sowie weitere Schuldforderungen aus Darlehen, Bürgschaften und Obligationen, Grundschulden usw.) mehr als die Hälfte der Prozesse aus dem Bereich der Geldwirtschaft dar mit steigenden Anteilen im Verlauf der Frühen Neuzeit. Dies war besonders der Durchsetzung des Wechsels zu verdanken, den niederländische und italienische Einwanderer und Messebesucher auch in Frankfurt bekannt machten und dadurch zur Etablierung einer der Waren- angeschlossenen Wechselmesse beitrugen. Demgegenüber ging die
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KALTWASSER, S. 1088, W72. Der Feind könnte Graf Tilly gewesen sein, der in einer in der Akte befindlichen Urkunde die Freilassung der Güter des kurzzeitig Verhafteten verfügte und ihm die Zahlung einer Geldbuße erließ. Zu den bisher ausgesparten Gewerbeprozessen siehe Kapitel IV. Siehe Kapitel II.3 sowie die Tabellen 43-46 mit der Aufschlüsselung einzelner Prozessgegenstände aus Frankfurt zwischen 1600 und 1806 im Anhang. Hier sei nochmals auf RANIERI, Recht und Gesellschaft, S. 505 ff. und BAUMANN, S. 158 f. verwiesen. Ranieri stellte wegen zunehmender Verschuldung des Adels eine im 18. Jahrhundert gestiegene Zahl von Schuldenprozessen (v. a. Wechselprozessen) fest, deren Streitwert – teilweise inflationsbedingt – zunahm (RANIERI, RKG in Wetzlar, S. 19). Die Bedeutung der geldwirtschaftlichen Verfahren wurde auch bei Westphals Ausführungen zu den RKG- und RHR-Prozessen aus Thüringen bestätigt und zeigt, dass beide Reichsgerichte in geldwirtschaftlichen Fragen angerufen wurden (WESTPHAL, S. 46).
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Zahl der Prozesse um Schuldforderungen aus anderen Teilbereichen114 vom 17. zum 18. Jahrhundert zurück, da diese nun von der speziellen Form der Wechselschulden verdrängt wurden. Neben diesen großen Sektionen traten kleinere in Erscheinung: Auseinandersetzungen um Kaufverträge und Schadensersatzforderungen wurden ebenso am Reichskammergericht verhandelt, wie – zu noch geringeren Anteilen – Miet- oder Pacht- sowie Lohnforderungen.115 Die schon thematisierte und im Alten Reich am Anfang des 16. Jahrhunderts noch neue Kreditform des Wechsels wuchs in ihrer Bedeutung im Untersuchungszeitraum auch für Frankfurt besonders nach der Gründung der Börse im Jahr 1585. 116 Entsprechend nahm die Zahl der Wechselprozesse zu und überstieg im 17. und 18. Jahrhundert den Anteil dieser Fälle im Reich.117 Wie bereits mehrfach angedeutet wurde, versteckt sich durch verschiedene Zuordnungen zu entsprechenden Teilkategorien eine Reihe von Prozessen, die auch Bezüge zu anderen Kategorien aufweisen; bei den geldwirtschaftlichen Fällen ist dies nicht anders. Allein 172 Fälle thematisieren den Wechselhandel bzw. enthalten Wechselforderungen, die v. a. aus Handelsgeschäften resultieren.118 Dabei verdeutlicht die zeitliche Entwicklung die überragende Bedeutung des Wechsels am Ende des Untersuchungszeitraumes. Denn 16 Fällen im 16. und
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116 117
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Gemeint sind die Bereiche Darlehen, Obligationen, Bürgschaften, Hypotheken Grundschulden, Renten, Verschreibungen und sonstige Schuldforderungen. Letztere wurden nicht ausschließlich von RKG-Personal, sondern auch Bediensteten usw. gestellt. Vgl. u. a. DIETZ, Bd. 1, S. 73. Vgl. dazu NORTH, Handelsexpansion, S. 165 und NORTH, Kommunikation, S. 34. Erstaunlich wenige Wechselprozesse fand Ranieri im 15. sowie ebenfalls noch im 16. Jahrhundert und auch bei Baumann sind Wechselfälle im 17. Jahrhundert noch selten. Erst im 18. Jahrhundert reicht ihre Zahl teilweise an das Frankfurter Niveau heran (RANIERI, Recht und Gesellschaft, S. 505 ff. BAUMANN, S. 158 f.). Amend benennt die Zahl der Frankfurter Wechselklagen am RKG mit knapp 200, bei denen allerdings nur in 16 Fällen eine Versendung von Akten veranlasst wird (die Auswahlkriterien der Fakultäten sind unklar, allerdings dürften Konfession und Prominenz der Kläger eine Rolle gespielt haben). Da Frankfurt keine Universität besaß, mussten die Akten an auswärtige Territorien verschickt werden (z. B. nach Frankfurt/Oder). Die 16 Fälle stammen alle aus dem 18. Jahrhundert, einer Zeit, in der im Reich allgemein von einer Versendung Abstand genommen wird. Doch wurde in Frankfurt generell wenig auswärtiger Rat eingeholt, da in nur ca. 80 Fällen überhaupt diese rechtliche Möglichkeit genutzt wird (A. AMEND, Die Beteiligung von Juristenfakultäten in Frankfurter Wechselprozessen, in: A. BAUMANN, St. WENDEHORST, S. WESTPHAL [Hrsg.], Die Reichsstadt Frankfurt als Rechts- und Gerichtslandschaft im Römisch-Deutschen Reich der Frühen Neuzeit [Bibliothek Altes Reich, 2], München 2006). Siehe auch oben Kapitel II.3.
Handelsprozesse vor dem Reichskammergericht
235
40 im 17. stehen 116 Prozesse aus dem 18. Jahrhundert gegenüber.119 Teilweise parallel dazu entfaltet sich die Zunahme der Verfahren, die Zinsen und sonstige Forderungen aus Darlehen usw. zum Gegenstand haben. Die 173 Fälle sind vor allem im 17. und 18. Jahrhundert angesiedelt und verweisen auf die zunehmende Kreditierung durch Geldleihe. Geringer war die Zahl der Prozesse mit Bezug zu Hypotheken usw. (112) und Miete bzw. Pacht (27).120 Renten lassen sich in keinem der Frankfurter Prozesse nachweisen, jedoch werden vor allem in den ersten 150 Jahren des Untersuchungszeitraumes 29 Prozesse um Gültbriefe121 geführt. Später wurde diese Möglichkeit der Finanzierung des städtischen Gemeinwesens kaum noch genutzt, da im 18. Jahrhundert Bankiers die Ausgabe 119
120
121
Einzelne Prozesse untersuchten Teilbereiche des Wechselhandels: Einer beschäftigte sich mit einer angeblichen Wechselmanipulation, elf mit der Wechselordnung bzw. dem Wechselrecht. Zu den Prozessen mit Bezug zum letztgenannten Bereich sollen hier zwei Beispiele folgen: 1726 klagte der Bankier, Senator und Schöffe Heinrich Bartels (siehe KOCH, Grundlagen bürgerlicher Herrschaft, S. 380 f., hier als Handelsmann geführt) gegen die verwitwete Fürstin zu Nassau-Diez, da er nach dem Urteil des Frankfurter Schöffengerichts zur Wiederbeschaffung von Juwelen verpflichtet wurde, die ursprünglich Eigentum der Beklagten waren. Bartels selbst hatte die Kleinodien im Rahmen seiner Geschäfte mit dem Den Haager Juwelier Everhart zur Sicherung seiner Wechsel als Pfand erhalten und sie später versteigert, so dass die Beklagte sie nicht mehr einlösen konnte und geltend machte, dass Everhart eine Weiterverpfändung laut Wechselrecht untersagt war (KALTWASSER, S. 143, B19). Das Handelshaus Bartels wurde 1610 in Frankfurt von Heinrich Bartels gegründet (der 1585 selbst vor den Spaniern aus den Niederlanden geflohen war) und handelte mit Tuchen, Seidenwaren, Juwelen, Kupfer und Kreide. Im Testament des prozessierenden Heinrichs waren mehrere Immobilien sowie Kapitalien von 50.000 fl. verzeichnet, die zu einem großen Teil an seinen Neffen (Heinrich Bartels IV.) fallen sollten, der wiederum mit einer von Barckhausen verheiratet war, die selbst 70.000 fl. Vermögen in die Ehe einbrachte. Der Neffe begründete u. a. mit Isaak Behagel d. J. (siehe unten) das Collegium Musicum (DIETZ, Bd. 4, S. 119 ff.). 1754 klagte der Tabakfabrikant und Kaufmann Johann Jacob Friedrich Fabricius gegen das Frankfurter Schöffengericht und seine Kreditoren, die ihm betrügerischen Bankrott und Verstöße gegen das Wechselrecht vorwarfen (siehe oben und KALTWASSER, S. 358 ff., F66). Ein Beispiel zu den Grundzinsprozessen verdeutlicht, dass Kaufleute nicht nur mit reinen Handelssachen am RKG vertreten sind: 1753 klagte der Syndicus des Wahl- und Krönungsstiftes St. Bartholomäus zu Frankfurt gegen einen Krugkrämer und dessen Konsorten (darunter vier Kaufleute aus der Familie Olenschlager). Strittig ist das Benutzungsrecht an einem „Höffgen“ genannten Platz, der an das Haus des Krugkrämers angrenzt. Der Kläger behauptete, den Platz für 4 Rtlr. im Jahr verliehen zu haben, der Beklagte machte geltend, er habe das Grundstück mit dem Haus zusammen erworben. Strittig war der wirtschaftliche Nutzen der Immobilie, da diese bereits seit mehreren Jahren mit einem Bauverbot belegt war (KALTWASSER, S. 376 f., F104). Gültbriefe sind städtische Schuldverschreibungen, die dem Erwerber jährliche Zinsen garantierten und der Stadt Kapital verschafften.
236
Handelsprozesse vor dem Reichskammergericht
von Staatsanleihen vermittelten.122 Ein Sonderfall innerhalb der Prozesse um Schulden- und Zinsforderungen stellen die Fälle mit dem Verweis auf Wucher (8) sowie Wucherzinsen (17) dar, die von zahlungsunfähigen oder -unwilligen Parteien besonders gegen jüdische Prozessbeteiligte geltend gemacht wurden („Judenwucher“).123
Tabelle 38: Differenzierung der Frankfurter Geldwirtschaftsprozesse 14951806 (Prozesse; absoluter Wert und prozentualer Anteil des Streitgegenstandes im Zeitraum) Streitgegenstand Näheres nicht ersichtlich
1495-1599 1 (0,7)
1600-1699 4 (1,4)
1700-1806 3 (0,9)
1495-1806 8 (1,1)
Kaufverträge, Anfechtung und Aufhebung von Kaufverträgen Mietverhältnisse, Verpachtung
14 (10,9)
12 (4,1)
13 (4,1)
39 (5,2)
10 (7,3)
6 (2,1)
11 (3,4)
27 (3,6)
Schadensersatzforderungen wegen nicht erfüllter Verträge
6 (4,4)
21 (7,1)
15 (4,7)
42 (5,6)
122 123
Siehe dazu unten und HOLTFRERICH, S. 97. 1609 appellierten ein während des Prozesses verstorbener Frankfurter Bürger und Handelsmann und dessen Ehefrau gegen einen Frankfurter Schutzjuden. Strittig war die Zahlung einer Restschuld von 1.500 fl. an den Beklagten durch die Kläger, nachdem letztere 1601 ihr gesamtes Habe (Leintücher, Zinnwerk, Kupfer, Silbergeschirr usw.) für ein entsprechendes Darlehen des Beklagten verpfändet hatten. Nach der Zahlungsunfähigkeit der Kläger stellte der Schöffenrat den geringeren Wert der Gegenstände fest. Der Prozess fällt in die Zeit des Fettmilchaufstandes, als die Juden aus der Judengasse vertrieben wurden und erst unter dem Schutz des Kaisers wieder in die Stadt einziehen konnten. Entsprechend wird auf das Argument des Judenwuchers zurückgegriffen und dabei eine 1616 produzierte „Calculatio Jüdischen Wuchers“ vorgelegt, nach deren Berechnungen eine Summe von 100 fl. dem verleihenden Juden nach 30 Jahren wegen ungehöriger Zinsen 117.250 fl. und 12 Batzen einbringen. Wenig später strengte der Kläger einen weiteren Prozess an, der wegen einer Laufzeit von mehreren Jahrzehnten von dessen Erben weitergeführt wurde und die Stadt Frankfurt sowie die zwölf jüdischen Kreditoren des Klägers an das RKG zog (unter ihnen auch der oben beklagte). Der Kläger verlangte die Entlassung aus der Schuldhaft, in welche ihn die Gläubiger bei ausstehenden Forderungen von 5.700 fl. gebracht hatten. Der Kläger beschwerte sich u. a. über Wucherzinsen (12,25% per annum), woraufhin das RKG nur 5% sowie die klägerischen Aufzeichnungen als Entscheidungsgrundlage akzeptierte. Dennoch stellte ein kaiserlicher Kommissar 1643 fest, dass den Kreditoren inzwischen fast 13.400 fl. zuständen. Dagegen protestierten die klägerischen Erben und einer der beklagten Kreditoren, da nun die Prozesskosten selbst mehrere tausend Gulden erreicht hätten (KALTWASSER, S. 935 ff., S. 93, S94).
237
Handelsprozesse vor dem Reichskammergericht Dienst- und Arbeitsverhältnisse, Löhne, Gehälter
6 (4,4)
1 (0,3)
7 (2,2)
14 (1,9)
Honorarforderungen von Advokaten, Ärzten u. a.
2 (1,5)
0
8 (2,5)
10 (1,3)
Schuldforderungen aus Obligationen, Darlehen, Bürgschaften Wechselschulden
41 (29,9)
80 (27,2)
52 (16,3)
173 (23,1)
16 (11,7)
40 (13,6)
116 (36,4)
172 (22,9)
Grundschulden, Hypotheken, Renten, Verschreibungen
13 (9,5)
58 (19,7)
41 (12,9)
112 (14,9)
Strittige Schuldhaftung sonstige124
8 (5,8) 20 (14,6)
27 (9,2) 45 (15,3)
19 (5,9) 34 (10,7)
54 (7,2) 99 (13,2)
Summe (Anteil an Geldwirtschaftsprozessen 1495-1806)
137 (18,3)
294 (39,2)
319 (42,5)
750 (100)
Kaufverträge sind in etwas mehr als drei Dutzend Fällen Gegenstand eines Prozesses, jedoch in über 90% der Fälle bezüglich Immobilien (vor allem Häuser, die aber teilweise spezifiziert werden125). Ebenfalls niedrig ist die Zahl der124
125
Diese Kategorie umfasst Schuldforderungen allgemeiner Art zumeist ohne Arrestanlage oder Beschlagnahme. Dies können z. B. Fälle wie jener aus dem Jahre 1617 sein, in welchem Catharina de Bary mit mehreren Kaufleuten aus Köln und Bremen um die „Restzahlung einer Schuldforderung“ stritt (KALTWASSER, S. 137 f., B9). Ähnlich allgemein gestaltete sich das Verfahren zwischen einer Eislebener und einer Frankfurter Partei aus dem Jahre 1569, die sich wegen einer „Schuldforderung aus Messegeschäften“ auseinandersetzten (KALTWASSER, S. 189, B89). In den Prozessakten wie im Findbuch sind verschiedenste Schuldforderungen aus Geschäften, Erbschaften und Nachlassregelungen, sowie als Schadensersatzforderungen im Rahmen von Geschäften oder Jurisdiktionsprozessen verzeichnet. Ein Blick auf die unter die allgemeine Bezeichnung „Forderungen“ (bzw. Forderungsrecht) im Register des Findbuchs (KALTWASSER, S. 1212) subsumierten Prozesse bestätigt die Zunahme derartiger Verfahren von Frankfurter Parteien am RKG zum Ende des Untersuchungszeitraumes hin (zwei Prozesse im 15., 47 im 16., 83 im 17., 92 im 18. und drei im 19. Jahrhundert; insgesamt 227). Gerade die geldwirtschaftlichen Prozesse verdeutlichen zudem nochmals die Probleme bei der exakten Zuordnung einzelner Prozessgegenstände in die bestehenden Kategorien: 1614 standen sich zwei Erbengemeinschaften in einem Prozess gegenüber, in welchem die versprochene Bürgschaftsleistung für eine Schuldverschreibung über 1.000 fl. strittig war (KALTWASSER, S. 469 f., H72). Unzweifelhaft ist die Einordnung des Falles in den Bereich der Geldwirtschaft, jedoch weniger eindeutig die Festlegung auf die Teilkategorie. In diesem speziellen Beispiel wurde die Kategorie „Schuldforderungen aus Obligationen, Darlehen, Bürgschaften“ gewählt. Zu den Häusern gehörten eine Materialhandlung, vier Backhäuser, die Basséeische Buchhandlung, ein Garten, eine Bergwerksgrube und eine Eisenhütte. Die wenigen als solche
238
Handelsprozesse vor dem Reichskammergericht
jenigen Prozesse, die der Teilkategorie Löhne und Gehälter sowie Honorarforderungen zugerechnet werden können.126 In neun Prozessen ist Reichskammergerichts-Personal als Prozesspartei vertreten, die in drei Fällen ausstehende Gehälter geltend machen.127
126
127
explizit betitelten Kaufverträge für Mobilien betreffen Färberwaid und Kriegsmaterial, jedoch ist davon auszugehen, dass auch bei den anderen Warengeschäften in den meisten Fällen ein Kaufvertrag die Geschäftsmodalitäten schriftlich fixierte, während ein gültiger Wechsel oder andere Arten von Kreditpapieren quasi einen geldwirtschaftlichen Vertrag zwischen den am Geschäft Beteiligten darstellten. 1762 appellierte ein Frankfurter Handelsmann gegen ein Urteil des Frankfurter Schöffengerichts. Dieses hatte den Beklagten, einem Frankfurter Metzgermeisterehepaar, den Besitz einer durch sie vom Kläger erworbenen Schirn samt Keller zugesprochen. Dagegen verlangte der Kläger die Nichtigkeit des vorinstanzlichen Urteils und den Rücktritt vom Kaufvertrag, da ein anderer Metzgermeister ein Vorkaufsrecht beanspruchte. Die Beklagten hatten unter der Zusicherung gekauft, dass der bisherige Mieter dieses Recht nicht geltend mache (KALTWASSER, S. 119, A18). 1569 standen sich zwei Frankfurter am RKG gegenüber, wobei der Beklagte Anspruch auf Erfüllung eines Kaufvertrages für ein Haus erhob, der den Betrieb einer Seidenfärberei und -zwirnerei einschloss. Die Parteien einigten sich schließlich auf eine Vertragsauflösung. Unklar ist, um welche Art von Verfahren es sich hierbei handelte, da die ganze Überlieferung dieses Prozesses aus einem einzigen Blatt besteht; wahrscheinlich ist es eine Appellation (KALTWASSER, S. 132, A40). Zu dieser Gruppe zählen einzelne Fragen der Kriegsbesoldung, Botenlöhne und Forderungen von Anwälten für die Prozessvertretung. Insgesamt sind im Untersuchungszeitraum 35 Anwälte an Frankfurter Prozessen am RKG beteiligt (natürlich unbeachtlich der Prokuratoren, die bei jedem Prozess vertreten sind), von denen besagte neun (also rund ein Viertel) am RKG tätig ist. Neben den drei Gehaltsforderungen sind mehrere Familiensachen, eine Klage wegen eines Zinsrückstandes aus einem Frankfurter Gültbrief sowie eine Klage wegen Verletzung des Gerichtsstandes durch die Stadt Frankfurt festzustellen (das Recht auf erstinstanzliche Klagen am RKG stand dessen Personal zu). Zwei der anderen Lohnklagen standen zumindest im Zusammenhang mit RKG-Prozessen. 1738 klagte ein Wetzlarer Lohnlakai (als arme Partei) gegen den Frankfurter Handelsmann Karl von Bodeck und forderte knapp 80 fl. als Gesindelohn für geleistete Dienste im Auftrag des Beklagten (KALTWASSER, S. 941 f., S102). Dieser hatte sich wegen eines Verfahrens gegen einen Kollegen aus der Familie Guaita in Wetzlar aufgehalten (KALTWASSER, S. 407 f., G46; zu den Bodecks und Guaitas siehe unten). Bereits ein Jahr zuvor prozessierten zwei Wetzlarer Kofferträger sowie ein anderer Lohnlakai (arme Partei) gegen von Bodeck, da dieser ihnen insgesamt 405 fl. für verschiedene Dienste in mehr als zwei Jahren schuldete. Das RKG verfügte die Arrestanlage auf Gelder, die der Beklagte von der Kanzlei zu Hohensolms forderte. Das Urteil des RKG erkannte den Klägern 607 fl. zu, entweder aus den bodeckschen Kapitalzinsen aus Hohensolms oder aus Bodecks Vermögen (KALTWASSER, S. 1011, T21). Der Prozess, der von Bodecks Anwesenheit in Wetzlar erforderte, wurde von ihm und dessen Vater (Johann Bonaventura von Bodeck, siehe unten) gegen Bürgermeister und Rat der Stadt
Handelsprozesse vor dem Reichskammergericht
239
Die Palette der in Frankfurt verhandelten Waren lässt sich aus den Verfahren gut ablesen (besonders dann, wenn Inventare angelegt worden sind128). Zu den wichtigsten Produkten gehörten englische Tuche129, da Frankfurt schon am Ende des 17. Jahrhunderts zu den bedeutendsten Stapelplätzen für englische Manufakturwaren im Reich gehörte.130 Der Vater bzw. Großvater zweier Frankfurter Kläger, Isaak Behagel, hatte seinen Erben nach seinem Tod 1721 ein Geschäft hinterlassen, welches um 1740 die erste große Manufakturenhandlung für englische Tuche war. Zugleich hatte Behagel mit seinen Geschäften den Aufstieg zu einem der reichsten Frankfurter Kaufleute geschafft, dessen Nachlass auf fast 260.000 Gulden geschätzt wurde. Sein Sohn, Isaak Behagel d. J., führte die Wollhandlung weiter, ließ jedoch das Geschick seines Vaters vermissen und machte 1737 Bankrott (mit mehr als 70.000 Gulden Schulden), woraufhin er floh und dann als Hofkammerrat in wied-neuwiedische Dienste trat. 1763 klagten er und seine Tochter am Reichskammergericht auf Auszahlung der arretierten, seit 1751 rückständigen Zinsen aus dem mütterlichen Vermögen gegen die Stadt Frankfurt. Der Vormund der Kläger war Jean Noé d’Orville, der das strittige Vermögen zur Verwaltung an das Handels- und Bankhaus Goll & Söhne übergeben hatte.131
128
129
130
131
Frankfurt geführt. Strittig waren ausstehende Steuerzahlungen nach dem Wegzug der Familie Bodeck aus Frankfurt (KALTWASSER, S. 196 ff., B102 [Signatur 148]). Zum Beispiel im 1773 am RKG anhängig gemachten Prozess Dietz vs. Stadt Frankfurt in Sachen Brentano vs. Brentano (siehe dazu ausführlicher unten). Der Akte liegt ein Inventar bei, welches u. a. die Waren des verstorbenen Stefano Brentano auflistet (KALTWASSER, S. 277 ff., D26). Der Vorteil eines Inventars gegenüber einem „normalen“ Handelsvertrag besteht in der Verzeichnung aller im Haushalt oder einer Handlung befindlichen Waren, während sich ein Vertrag über ein Geschäft nur auf ein oder wenige Produkte bezieht. Eine Ausnahme bilden die Montierungslisten aus den Prozessen um Kriegslieferungen, die detaillierte Angaben zur Ausstattung gemeiner Soldaten sowie der Unteroffiziere enthalten. Schon am Ende des Mittelalters und am Beginn der Frühen Neuzeit hatten verschiedene Tuchhändler bedeutende Vermögen von mehreren tausend Gulden angehäuft. Jene waren z. T. neben ihrer Tätigkeit als Großhändler auch Mitglieder des Rates und gehörten dem städtischen Patriziat an (Frauensteiner oder Alten Limpurger) (DIETZ, Bd. 1, S. 224 ff.) DIETZ, Bd. 4, S. 299 ff. verweist hier u. a. auf die englische Manufakturwarenhandlung von Isaak Behagel und Jakob von de Walle. Mit den Aussagen wird wiederum die große Bedeutung des Textilgewerbes sowie die große Anzahl von Beschäftigten in diesem Bereich bestätigt (u. a. REININGHAUS, S. 6 f.), über das Dietz schrieb: „An keinem Handelszweig haben sich so viele Frankfurter Großkaufleute beteiligt und ist so viel verdient worden.“ (KALTWASSER, S. 159). KALTWASSER, S. 159, B47. Weitere Prozesse zu den Behagels siehe unten.
240
Handelsprozesse vor dem Reichskammergericht
Bevor einige andere verhandelte Produkte kurz vorgestellt werden132, sei darauf verwiesen, dass – trotz des zunehmenden Finanzverkehrs – der Warenhandel „das Rückgrat aller Geschäftstätigkeit“ in Frankfurt bildete; dies galt auch für die Messen.133 Schon um 1400 werden fast 90 verschiedene Waren134 genannt, die im Rahmen der Messe gehandelt wurden. Am Ende des 18. Jahrhunderts betrug der Anteil des Warengeschäfts immer noch 80% bis 90% des Frankfurter Messehandels, wobei sich das Sortiment erweitert hatte. 135 Allerdings beschränkte sich der Frankfurter natürlich nicht nur auf die Zeit der beiden Messen: Neben diesen gab es den am Ende des 12. Jahrhunderts etablierten Frankfurter Wochenmarkt 136 sowie den „ständigen Handel“ 137 . Letzterer bezeichnet den Groß- und Fernhandel außerhalb der Messezeit und bildete das zweite Standbein Frankfurts im internationalen Geschäft. Zu den gehandelten Waren zählten im Falle der Kaufmannsfamilie Grünberger Pelze, Stockfische, Flachs, Wein, Zwiebelsamen und Alaun, die von und nach Lübeck, Köln, Straßburg, Erfurt und die Niederlande geliefert wurden.138 1515 ließ sich der aus 132
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135
136
137 138
Dabei wird dann auch auf einige bedeutende Frankfurter Kaufleute verwiesen (siehe auch unten). N. BRÜBACH, Die Reichsmessen von Frankfurt am Main, Leipzig und Braunschweig (14.18. Jahrhundert) (Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte, 55), Stuttgart 1994, S. 180. Dazu zählten verschiedenste Gewürze, Stoffe, Metalle, Papier, Felle, Leder, Fische sowie andere Fertigwaren wie Schwerter, Sensen und Kämme (BRÜBACH, S. 182). DIETZ, Bd. 1, S. 101. Beispielsweise wurden nun auch sächsische Spitze und die sprichwörtlichen Schweizer Uhren angeboten. Auf dem Wochenmarkt verkauften die Händler vor allem Lebensmittel und diente besonders zur Versorgung mit Waren des täglichen Bedarfs, weshalb er von den Einwohnern der Stadt und der umliegenden Gebiete frequentiert wurde – d. h., ihm fehlte u. a. die für die Messe bedeutsame Überregionalität (entsprechend fanden sich hier keine Fernhandelskaufleute ein). Mit dem Wochenmarkt vergleichbar war der Judenmarkt, der – trotz offiziellen Verbots – am Sonntag abgehalten wurde (DIETZ, Bd. 1, S. 117 ff.). Die Waren bestanden aus Lebensmitteln aller Art – Obst, Gemüse, Getreide, Fisch, Fleisch sowie anderen Naturprodukten wie Honig, Eier, Butter, Milch und Käse (S. 128 f.). DIETZ, Bd. 1, S. 131. Die Witwe Stefan Grünbergers ist in zwei Fällen am RKG vertreten. Grünberger hatte den väterlichen Handel gemeinsam mit seinem Bruder Jakob übernommen, engagierte sich aber auch für die Stadt Frankfurt. Er war Schöffe und Ratsmitglied sowie städtischer Gesandter und vererbte sein Vermögen dem von Großkaufleuten verwalteten Almosenkasten (unter den ersten Verwaltern waren Bromm, Eller, Bocher und Ugelheimer, von denen die ersten drei entweder selbst oder aber ihre Verwandten Prozesspartei waren). Der eine Fall der Witwe Grünberger richtete sich 1532 denn auch gegen die Stadt, da sie die ihr nach dem gültigen Ehevertrag zustehende Hälfte des Vermögens ihres Mannes forderte. Sie habe beim „kauffhandel mit will[d]werk, stockfitsche, flachse und anderer
Handelsprozesse vor dem Reichskammergericht
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Lübeck stammende reiche Heringshändler Heinrich Lifferdes d. Ä. in Frankfurt nieder, der mit einem Lübecker Kompagnon nicht nur Fisch, sondern auch Wein, Tuch, Seide, Flachs, Pelze und Leder im Sortiment hatte, die sie zwischen Lübeck und Süddeutschland über Lüneburg, Hildesheim und Göttingen verhandelten. Bei seinem Tod hinterließ er ein Vermögen von 30.000 Gulden.139 Der Frankfurter Färbemittelhandel, der die heimische Wolltuchherstellung belieferte, wurde von dem Wollweber und Großkaufmann Carl Scheid begründet, dessen Sohn Conrad zu den Alten Limpurgern gehörte und Schöffe sowie insgesamt viermal Frankfurter Bürgermeister war. Carl Scheid hinterließ bei seinem Tode ein gut gefülltes Warenlager, welches u. a. Blei, Salpeter, Wachs, Schmalz, Tücher, Zwiebelsamen, Flachs, Käse und Wein enthielt. Zu deren Ein- und Verkauf beschäftigte er Faktoren in Breslau, Leipzig und Lübeck und unterhielt mit ihnen seine Geschäftsbeziehungen beispielsweise nach Straßburg und in die Niederlande.140 Ebenfalls mit Wolle und Farbwaren handelte Ludwig Martorf – ein Alten Limpurger, Schöffe und Bürgermeister –, der 1527 starb
139
140
war“ mitgewirkt, weshalb ihr nach Frankfurter Stadtrecht der „halbtheil dessen, so auß und mit dem kauffhandel erobert … zu vollem aygenthumb zusteet“. Die andere Hälfte des Vermögens könne an den Almosenkasten gezahlt werden (KALTWASSER, S. 405, G41 sowie DIETZ, Bd. 1, S. 225). DIETZ, Bd. 1, S. 227, 292 f. In den niedersächsischen Städten verfügten die beiden Gesellschafter über Faktoren und Warenlager, im Süden des Reiches hatten sie Geschäftsbeziehungen nach Worms, Speyer, Straßburg, Pforzheim, Heilbronn, Reutlingen, Nürnberg und Bamberg. Die Handlung wurde von seinem Stiefsohn Peter Orth, Sohn eines Kuchenbäckers und selbst Schöffe und Ratsmitglied, weitergeführt. Die illustre Verwandtschaft demonstriert der Jurist Dr. Johann Philipp Orth, der zwischen 1692 und 1733 für insgesamt 42 Jahre in verschiedenen Positionen im Frankfurter Rat saß (als Schöffe, Senator, jüngerer und älterer Bürgermeister) (KOCH, Grundlagen bürgerlicher Herrschaft, S. 380 f.). 1553 und 1554 appellierte Heinrich Lifferdes d. J. zweimal zusammen mit seinem Schwager (einem RKG-Beisitzer aus Speyer) gegen seine Stiefmutter, da die Kläger auf der Inventarisierung des väterlichen Vermögens bestanden, von dem die Witwe behauptete, es stehe ihr nach dem gemeinsamen Testament und den Bestimmungen der Frankfurter Reformation zu (KALTWASSER, S. 715 ff., L26, L27). Ein weiterer Großhändler im 16. Jahrhundert war der Frankfurter Bürgermeister Stefan Göbel, dessen Witwe in einem Nachlassprozess gegen die Kinder aus der ersten Ehe ihres Mannes klagte (KALTWASSER, S. 1029 f., V13). Sie hatte nach dem Tod Stefans den Florentiner Seidenhändler Laurentius de Villani geheiratet (der durch diese Ehe zum Frankfurter Bürger wurde), der selbst in zwei Fällen am RKG erschien: Einer behandelte Schuldforderungen, der andere Geleitfragen (siehe unten) (KALTWASSER, S. 1030 f., V 14, V15). DIETZ, Bd. 1, S. 229 ff. Es gibt vier RKG-Prozesse, in denen die Witwe und Kinder Carl Scheids sowie deren Nachfahren familienrechtliche Streitigkeiten austrugen. Er hinterließ Waren, Immobilien (Häuser und Landbesitz), Barschaften und Gülten im Wert von mehreren zehntausend Gulden.
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Handelsprozesse vor dem Reichskammergericht
und dessen Vermögen mit 35.000 Gulden angegeben wurde. Sein gleichnamiger Sohn, ebenfalls ein Ratsherr, wurde 1562 am Reichskammergericht vom Schöffen und Ratsherrn Hans Bromm141 verklagt, da Martorf letzterem 800 Gulden für ein ihm verkauftes Gebäude schuldete.142 Der Sohn Ludwig Martorfs d. J. (also die dritte Generation) ist in einem Prozess nachweisbar, der geldwirtschaftliche Relevanz hat. 1593 klagten die Stadt Worms sowie ein dortiger Ratsherr gegen den Schöffen und Ratsherrn Johann von Martorf und dessen Schwager von Holzhausen (ebenfalls Bürger und Ratsherr143) im Streit um eine Schuldverschreibung der Stadt Miltenberg.144 Den bisher vorgestellten Kaufleuten ist der Handel mit Tuchen bzw. Färbemitteln gemein – zwei Bereiche, die seit der Mitte des 16. Jahrhunderts von der Hälfte der Frankfurter Kaufmannschaft betrieben wurden. 145 Diese Ge141 142
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144
145
Die elf Prozesse (als Kläger) seitens dessen Bruders Claus sind Frankfurter Rekord. DIETZ, Bd. 1, S. 232. KALTWASSER, S. 211, B121, B122. Ein Jahr später erwirkte Bromm ein Strafmandat gegen die Stadt, welches diese aufforderte, den Anspruch Bromms auf die 800 fl. durchzusetzen. Wie angesichts der sozialen Stellung und des vorhandenen Vermögens der Prozessparteien vor dem Hintergrund der bisherigen Erkenntnisse richtig vermutet werden kann, ist dies nicht der einzige Prozess, an dem Mitglieder der Familien Bromm und Martorf(f) beteiligt waren (zu Bromm siehe oben). Während der Bruder des älteren Ludwig Martorf (Melchior) Gesellschafter seines Bruders war und später nach Leipzig ging, handelte ihr (Groß-)Neffe Georg mit Wein – ein Geschäft, welches ebenso einträglich war (das Vermögen Georgs belief sich auf 14.000 fl.). Auch die Holzhausens waren über Generationen bei den Limpurgern sowie folgerichtig auch in der städtischen Verwaltung engagiert und familiär u. a. mit den Günderrodes und den Glauburgs verbandelt (ROTH, S. 60). KALTWASSER, S. 1080 f., W58. Die Beklagten forderten die Rückgabe der Schuldverschreibung (Nennwert 2.000 fl. in Gold, jährlicher Zins: 80 fl. [4%]), die Ludwig Martorf 1567 an den Wormser Ratsherrn als Pfand übergeben hatte. Strittig war in diesem Fall die Zuständigkeit des Frankfurter Stadtgerichts (erste Instanz) für einen Wormser Bürger, weshalb die Stadt Worms ebenfalls beteiligt gewesen ist. In folgenden Geschäften waren Frankfurter Kaufleute um 1550 engagiert: Tuche, Seide, Samt – 30%; Rohwolle, Farb- und Gerbstoffe – 20%; gesalzener Fisch, Flachs und Schmalz – 15%; Wein – 10%; Spezereien und Apothekerwaren – 8%; Pelze, Häute, Leder – 5%; Bücher und Papier – 5%; Metalle – 4% und Viehhandel – 3% (DIETZ, Bd. 1, S. 306 f.). – Einer der berühmtesten von Holzhausens, der aber nicht in einem Frankfurter RKG-Prozess zu finden ist, war Hamman, Mitglied der Limpurger Patriziergesellschaft und Bürgermeister Frankfurts (siehe dazu ausführlich bei MATTHÄUS, S. 93 ff.). Im Gegensatz zu den Stahlburgern handelten die Holzhausens zur Zeit Hammans nicht mehr, sondern lebten von Zins- und sonstigen Einkünften. Gleichwohl Hamman von Holzhausen nicht in Speyer in Erscheinung trat, klagte er dennoch häufig in Frankfurt selbst, z. B. in verschiedenen Familiensachen (Streit um das Erbe seiner Schwester und die Vormundschaft über den Sohn seines Bruders). Insgesamt können zehn Prozesse am Schöffengericht nachgewiesen werden, darunter ein absurd anmutender Streit um 15
Handelsprozesse vor dem Reichskammergericht
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schäftsbereiche waren lukrativ, da beispielsweise die Preise für englische Tuche seit dem Ende des Mittelalters deutlich stiegen. Auch beim Handel mit Wein, der zu dieser Zeit von ca. 10% der Frankfurter Geschäftsleute betrieben wurde, konnte gut verdient werden, da sich die Preise für einige Weine verdreifachten.146 Zu den Seidenhändlern (dem einzigen noch standesgemäßen Beruf eines Patriziers in dieser Zeit147) gehörte die Familie Stalburg148, die Seide aus Italien importierte und sie auf den Frankfurter Messen sowie nach Göttingen, Osnabrück, Stade, Lemgo, Hamburg, Flensburg, Lübeck, Leipzig, Köln, Aachen, Metz und Nürnberg verhandelte.149 Ein ähnliches geschäftliches Netzwerk errichteten die ebenfalls im Seidenhandel tätigen Mengershausen, deren Handlung 1609 fallierte.150 Auch die im 16. und 17. Jahrhundert einwandernden Niederländer
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Heller (!), den Hamman bis an das RKG bringen wollte, von seinen Ratskollegen davon aber abgebracht wurde. In der Person dieses von Holzhausens wird der Zusammenhang von Vermögen und gerichtlichen Aktivitäten deutlich, eindrucksvoll illustriert von Matthäus’ Aussage: „Je umfangreicher der Besitz, desto zahlreicher die Prozesse.“ (M. MATTHÄUS, Ein Frankfurter Patrizier vor Gericht. Die Prozesse des Hamman von Holzhausen [1467-1536] [Vortrag im Rahmen der 5. Tagung des „Netzwerks Reichsgerichtsbarkeit“ 1.-2.12.2005 in Frankfurt a.M.]). BRÜBACH, S. 200. Übersicht zu Wein- und Tuchpreisen am Beispiel von Rheingau-Wein (1400-1600) und rotem englischen Tuch (1450-1630). DIETZ, Bd. 1, S. 307. In dieser Haltung drückt sich der von Seide bis heute ausgehende Hauch von Luxus aus. Ein Fall wird oben angesprochen: KALTWASSER, S. 416, G59. Der Schöffe Claus Stalburg, der mehrere zehntausend Gulden hinterließ, prozessierte nicht am Reichsgericht, andere Familienmitglieder dagegen schon. Auch bei den Stalburgern, die mit zwei Dutzend Angehörigen in einem Dutzend Verfahren vertreten waren, wurden die familiären Verästelungen der Kaufmanns- und Patrizierfamilien untereinander sichtbar – es gab (und das sind nur die in den RKG-Prozessen feststellbaren) Verbindungen u. a. zu den Du Fay, den Humbracht, den Günderode und den Glauburg. – Die Stalburgs gehörten wie die Familien Blum, Bromme u. a. zu ehemaligen Handwerkerfamilien, die sich durch „äußerst erfolgreich betriebenen Handel“ innerhalb von zwei bis drei Generationen zur Einheirat bei den Limpurgern qualifizierten und von diesen – ebenfalls Großhandel Treibenden – „als ebenbürtig akzeptiert wurden“. Mal abgesehen vom Seidenhandel zogen sich die Patrizier am Beginn der Frühen Neuzeit von der Handelstätigkeit zurück und richteten ihre Lebensführung nach dem Vorbild des Landadels aus. Dabei lebten sie nun von dem inzwischen erworbenen Haus- und Grundbesitz sowie von Kapitaleinnahmen und Ratsgehältern (HANSERT, S. 119). DIETZ, Bd. 1, S. 307. DIETZ, Bd. 1, S. 308. Beim Konkurs standen einem geschäftlichen Vermögen von 50.000 fl. Schulden von 60.000 fl. gegenüber. Durch Heirat waren die Mengershausen mit den von Melem und den Scheid verwandt – mit letzteren stritten die Kinder und Erben der Witwe des Firmengründers Hieronymus Mengershausen um verschiedene Legate aus dem Erbe (KALTWASSER, S. 902, S35).
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waren (soweit nachweisbar) vor allem im Tuch- und Seidenhandel sowie als Juweliere tätig. Zu den erfolgreichsten unter den Immigranten gehörte Johann von Bodeck 151 , dessen Nachfahre Johann Bonaventura von Bodeck im 18. Jahrhundert in insgesamt acht Wetzlarer Fällen anzutreffen ist, darunter mehrere mit geldwirtschaftlichem Hintergrund.152 Dass die Zuwandernden teilweise beachtliche Vermögen erwirtschafteten bzw. mitbrachten, belegt das Beispiel Jakob Couvreurs153, der als Seiden- und Juwelenhändler mehr als 300.000 Gulden besaß.154 Johann von Bodeck hinterließ bei seinem Tode im Jahre 1631 fast 670.000 Gulden, einer seiner Nachfahren, Dominicus von Bodeck (Vater des Johann Bonaventura), vererbte seinem Sohn 1663 immerhin auch 326.000 fl.155 Im gesamten Untersuchungszeitraum können Kaufleute mit der Aktenbezeichnung „Tuchhändler“ in 18 Fällen nachgewiesen werden (knapp fünf Dutzend Prozesse erwähnen verschiedenste Tuche, Wolle und Seide) und an ebenso vielen Prozessen waren Juweliere beteiligt156 (26 Verfahren erwähnen Juwelen 151
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Dieser ist wie auch einige seiner Nachfahren am RKG nachweisbar, jedoch nicht innerhalb des Frankfurter Bestandes, sondern in den Akten des Landeshauptarchivs Koblenz. Der fragliche Prozess zeugt aber vom Umfang der bodeckschen Geschäfte (26.000 fl.) (siehe oben sowie LOOZ-CORSWAREM, SCHEIDT, S. 24, 175). – Die Bodecks sind mit den van Uffeln, Zuckerhändler aus Hamburg, verwandt, so dass hier – neben den geschäftlichen Verbindungen zwischen beiden Städten (siehe Kapitel II.4) – auch familiäre Bande zwischen den Untersuchungsobjekten hergestellt werden können (KELLENBENZ, Die Wiege der Moderne, S. 322). Von Bodeck klagte 1698 gegen einen Frankfurter Schreiner und dessen Ehefrau, da die Beklagten die Werkstatt von einem anderen Schreiner übernommen hatten, auf die der Kläger ein Darlehen von 1.500 fl. gewährt hatte. Dieses forderte er nun mit Zinsen zurück. 1735 bestätigten Bodeck und seine Söhne eine Schuldverschreibung in Höhe von knapp 4.900 fl. zugunsten eines Gasthalters. 1722 begann ein 44jähriger Prozess gegen die Stadt Frankfurt, die nach dem Wegzug der Familie von städtischem Territorium Steuern nachforderte (10% Vermögenssteuer, 12.000 fl. das Vermögen betrug demzufolge mindestens 120.000 fl., wahrscheinlich war es höher) (KALTWASSER, S. 194 ff., B100, B101, B102 [Signatur des letzten Falles: 148; es gibt mehrere Fälle B102]). Dessen Enkel (ebenfalls mit Namen Jakob) führte das Handelshaus der Familie fort und konnte in vier Prozessen am RKG belegt werden, darunter einer aus dem Jahr 1699, als er gegen den Frankfurter Schutzjuden Löw zum Ochsen klagte. Hintergrund der Differenzen war eine Wechselbetrügerei (500 fl.) (KALTWASSER, S. 257 f., C28). BRÜBACH, S. 221 ff. DIETZ, Bd. 2, S. 14. DIETZ, Bd. 3, S. 255 ff. Dort sind weitere Familienmitglieder mit ebenso eindrucksvollen Vermögen verzeichnet. Auch Dominicus prozessierte einmal in Speyer, allerdings in einem Verfahren, indem es um Forderungen an einen anderen Frankfurter Kaufmann aus den väterlichen Geschäften ging (KALTWASSER, S. 1015, U4). Dazu ein Beispiel: 1692 appellierte die Witwe des verstorbenen Juweliers Schneider gegen die Gläubiger ihres Mannes, die ihren Teil des familiären Vermögens vor den Gläubigern
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im Zusammenhang mit Geschäften [im Verkauf oder als Pfandstücke]). Etwas geringer war die ausgewiesene Zahl von Spezereihändlern157 (elf Prozesse erwähnen Spezereiwaren), während Weinhändler158 sogar in 28 Fällen belegbar sind (sechs im 17. und 22 im 18. Jahrhundert; ebenfalls 28 Verfahren erwähnen Wein [Preise], jeweils einzelne Fälle insgesamt 13 verschiedene Weinsorten). Einen noch größeren Anteil an den Prozessparteien stellen die Buchhändler, die in insgesamt 49 Auseinandersetzungen auftauchen. 159 Allerdings handelten nicht nur diese Kaufleute mit den genannten Waren aus ihrer Berufsbezeichnung, sondern auch andere Händler, da die Nennung des Berufs gewöhnlich
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aus der Konkursmasse retten wollten. Ein Teil der Schulden (80.000 Rtlr.) war durch die Verpfändung der Juwelen abgedeckt (KALTWASSER, S. 910, S49). – Einer der bedeutenden Juwelenhändler war der 1633 verstorbene Daniel de Briers, um dessen Erbe bzw. Nachlass in mehreren Prozessen in Speyer gestritten wurde. Die Liquidation seiner Juwelenhandlung 1633 erfolgte allerdings per Schiedsentscheid, da er sich mit seinen Partnern (insgesamt drei Teilhaber: de Briers mit 50%, die beiden anderen mit je 25% Kapitalanteil) einig war und deshalb kein Gericht bemühen musste. Ein Fall für die Gerichte wurde diese Auflösung erst, nachdem die Erben de Briers nach dessen Tod (noch 1633) diese Vereinbarung trotz eines zweiten Schiedsspruchs 1636 nicht anerkannten (siehe dazu ganz aktuell den Beitrag von G. MARCUSSEN-GWIAZDA, Zur Liquidation der Juwelengesellschaft Daniel de Briers in Frankfurt am Main. Ein Beitrag zu konsensualen Konfliktlösungsstrategien bei Handelstreitigkeiten im nordwesteuropäischen Kontext, in: A. BAUMANN, St. WENDEHORST, S. WESTPHAL [Hrsg.], Die Reichsstadt Frankfurt als Rechts- und Gerichtslandschaft im Römisch-Deutschen Reich [Bibliothek Altes Reich, 3], München 2008, S. 165-184). Unter diesen Prozessen befinden sich drei des Spezereihändlers Pfeiffer (siehe oben Kapitel II.3), von denen einer seine Handlung betraf: 1763 führte er eine Auseinandersetzung mit einem aus Kirchberg stammenden Kläger um eine Summe von 115 fl. aus einem Darlehen von 320 fl. Er hatte zur Sicherung des Darlehens drei Fuder minderwertigen Wein (ca. 2.600 Liter) bereitgestellt, die verkauft worden waren (KALTWASSER, S. 818, P21). Siehe auch den Konkurs der Handlung Zwirlein und Schmidt (KALTWASSER, S. 997 f., S187). 1753 wurde der Weinhändler und Kaufmann Spener von einem Frankfurter Schutzjuden verklagt. Anlass war die Weigerung Speners, einen von ihm selbst ausgestellten Wechsel in Höhe von 1.111 Rtlr. anzunehmen, der vom eigentlichen Empfänger des Wechsels an den Kläger zessioniert worden war. Da Spener wegen eines Weingeschäfts um insgesamt 19 Stück Wein (mehr als 5.200 Flaschen oder 21.000 Liter Wein im Wert von fast 3.900 Rtlr.), den er z. T. in Waren und den Rest in drei Wechseln bezahlt hatte, mit dem Empfänger des Wechsels noch in einem Prozess stand, verweigerte er zunächst die Auszahlung des Kreditpapiers an den Kläger (KALTWASSER, S. 569, J160). Zu den Buchdruckern siehe auch unten und in Kapitel IV.
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eine Selbstbetitelung darstellt.160 Nicht ganz so oft finden sich andere Waren, z. B. Getreide161 , Kupfer162 oder auch Kriegsmaterialien163 , einzelne Prozesse 160
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Andererseits sind die genannten Kaufleute nicht nur in Handels- und geldwirtschaftlichen Prozessen vertreten, sondern wie alle Gruppen am RKG mit einer Vielzahl von Problemen konfrontiert worden (vor allem Familiensachen). Siehe dazu unten bei den jüdischen Kaufleuten die Beispielfälle KALTWASSER, S. 506 ff., J63, J65, J67, J68. Von den Kupferspekulationen Frankfurts und einzelner Kaufleute ist schon berichtet worden, obwohl diese nur den Hintergrund für einige Beleidigungsprozesse bildeten (siehe oben Kapitel II.3). 1735 klagte der Kölner Kaufmann Adolph von Recklinghausen gegen den Frankfurter Bankier Seger von den Berg(e) auf die Erfüllung eines Vertrages über Kupferlieferungen, da hierfür bereits 3.000 fl. Vorschuss gezahlt worden waren (KALTWASSER, S. 842, R8). Die Ausstattung von Soldaten (Montierung) war ein einträgliches Geschäft, welches bedingt durch die in der Frühen Neuzeit häufigen Kriege und militärischen Scharmützel immer Konjunktur hatte und im Gegensatz zum anderen Handel von der unsicheren Lage profitierte. Die Einhaltung von Lieferverträgen und deren pünktliche Umsetzung war für den anfordernden Kriegsherren lebenswichtig, da die Söldnerheere wegen Versorgungsmängeln (oder noch schlimmer: ausstehendem Sold) leicht außer Kontrolle gerieten. So meuterte die habsburgische Armee in den Niederlanden zwischen 1572 und 1607 46 Mal, d. h. im Schnitt mehr als einmal pro Jahr. In diesem Zusammenhang wird die Bedeutung privater Finanziers von Territorialherren deutlich, die nicht nur die Hofhaltung, sondern auch die Armeen ihrer Schuldner kreditierten. Da Krieg ein teures Geschäft war – besonders die Artillerie kostete enorm viel –, reichten selbst diese Finanzhilfen meist nicht aus, weswegen die Krieg führenden Parteien zu alternativen Finanzierungsmethoden wie der Münzverschlechterung und dem Verkauf militärischer Ämter (z. B. der Posten eines Regiments-Obersten) griffen (KENNEDY, S. 126 ff.). In immerhin zwölf Prozessen wurde vor dem Hintergrund der Kriegsmateriallieferungen am RKG prozessiert, darunter auch die folgenden Beispielfälle: 1798 zogen zwei Frankfurter Kaufleute nach Wetzlar in einem Streit mit zwei Brüdern (Kaufleuten aus Siegen). Sie baten um die Möglichkeit einer Appellation trotz Überschreitens der Frist (wegen des Todes ihres Anwalts) im Verfahren gegen die Beklagten, bei denen sie Munition im Gesamtgewicht von 378.656 Pfund bestellt hatten. Die Beklagten, Betreiber einer Munitionsfabrik, lieferten die Ware von Siegen nach Frankfurt, allerdings konnten sich die Parteien trotz vertraglicher Festlegung über die Höhe der Frachtkosten nicht einigen (ca. 15.400 fl. plus Zinsen). Wie es in der Akte heißt, war dieser Prozess eine der „traurigen Folgen des in diesem Jahrzehend zwischen kayserlicher Majestät und der französischen Republik geführten unseligen Krieges“ – gemeint sind hier natürlich die Revolutionskriege in den 1790er Jahren (KALTWASSER, S. 247 f., C9). Der im Jahr 1688 wieder aufgenommene Krieg zwischen Frankreich und dem Reich schlug sich auch in verschiedenen Verfahren nieder. So klagte der Frankfurter Messerschmied Feiner 1693 gegen einen Frankfurter Gasthalter und einen Schneider, mit denen er eine gemeinsame Sozietät gebildet hatte. Strittig war zwischen ihnen die Offenlegung bzw. Teilung des Gewinns aus einem Geschäft mit dem Landgrafen Georg von Hessen-Darmstadt, dem sie 1688 ein Regiment mit 1.000 Fußsoldaten ausrüsteten (KALTWASSER, S. 335 f., F31. Siehe dazu die Beschrei-
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beschäftigen sich mit dem Verkauf von Kastanien164, Kreide165 und „Trauerwaren“166. Genauso wie der Hafen bzw. der Seehandel eine wichtige Eigenheit Hamburgs bildeten, ist dies in Frankfurt für die schon seit dem Mittelalter abgehaltenen Messen anzunehmen. Deshalb konnte erwartet werden, dass eine größere Anzahl von Reichskammergerichts-Prozessen Messegeschäfte erwähnen – eine Vermutung, die mit der Untersuchung bestätigt wird. Innerhalb der Handelsfälle lassen sich 118 Verfahren feststellen (Anteil am gesamten Frankfurter Prozessaufkommen bei knapp 7,2%), die sich allgemein mit strittigen Messegeschäften167 befassen (insgesamt 42; einer im 15., 21 im 16., zehn im 17. und
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bung der Ausrüstung im Anhang.). In #4 wird übrigens sowohl nach dem alten als auch dem reformierten Kalender datiert, da Frankfurt erst einige Jahre später den neuen Kalender einführte – eine Maßnahme, die aus Frankfurter Sicht die Verschiebung der Frühjahrsmesse notwendig machte. 1628 appellierte ein Frankfurter Schutzjude in einem Prozess gegen ein Urteil des Frankfurter Stadtgerichts anlässlich seiner Auseinandersetzung mit einem Speyerer Handelsmann. Der Beklagte hatte sich verpflichtet, im Herbst 1628 500 Malter Kastanien „so gut und schön selbige zu bekommen sein werden“ an den Kläger zu liefern. Die Ware wurde verschimmelt geliefert, weswegen der Kläger beim älteren Bürgermeister die zeitweise Arretierung des Beklagten veranlasste, da die Lieferung „so nicht Kaufmannsgut gewesen“ sei. Dagegen klagte der Appellat in der städtischen Instanz und erwirkte eine Verurteilung des Appellanten zur Zahlung von 809 fl., weshalb sich dieser wiederum an das RKG wandte (KALTWASSER, S. 498, J43). Ebenfalls 1628 standen sich am RKG ein Kölner und zwei Frankfurter Kaufleute gegenüber (zu den letzteren zählte Isaak de Rhon), die sich um ein Geschäft auf der Ostermesse 1626 stritten. Die Beklagten hatten dem Kläger 38 Fässer Kreide (431½ Zentner) verkauft und sie dann nach Nürnberg und Augsburg geliefert. Allerdings weigerte sich der Kläger zu bezahlen, da – so seine Begründung – die Lieferung mangelhaft sei („kein Kaufmannsgut“; selbes Argument wie beim vorherigen Beispiel, siehe FN 1153). Daraufhin ließen die Beklagten zur Durchsetzung ihrer Forderung Waren des Klägers in Frankfurt arretieren, wogegen dieser protestierte (KALTWASSER, S. 752, M33). 1733 appellierte Jacob Ochs, ein Frankfurter Schutzjude, gegen ein Urteil des Schöffengerichts in einem Streit mit den Erben des verstorbenen Metzgermeisters Melchior. Hintergrund waren mehrere gegenseitige Wechselforderungen in Höhe von fast 2.000 Rtlr. sowie 109 Rtlr. für Trauerwaren, die der Kläger in das Sterbehaus beim Ableben des Metzgermeisters geliefert hatte (KALTWASSER, S. 555 f., J145). – Aus Platzgründen konnte hier nur eine Auswahl der in den RKG-Prozessen anzutreffenden Waren gezeigt werden, doch wird auch so die große Breite des Warenangebots deutlich (welches durch einzelne Wareninventare in den Akten nochmals bedeutend erweitert wird). Diese nicht in einer der beiden Tabellen zu den geldwirtschaftlichen sowie den Handelsund Gewerbeprozessen geführte Kategorie fasst mehrere Teilbereiche daraus zusammen bzw. sortiert diese neu. Wie aus den folgenden Beispielen ersichtlich ist, werden im Messe- ebenso wie auch im sonstigen Geschäftsverkehr die gleichen Probleme gerichtlich
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neun im 18. Jahrhundert) sowie einen Bezug zur Oster- (insgesamt 35; 13 im 16., 12 im 17. und zehn im 18. Jahrhundert) und zur Herbstmesse (insgesamt 41; 13 im 16., 22 im 17. und sechs im 18. Jahrhundert) herstellen. Demnach kann konstatiert werden, dass die Zahl der Prozesse mit Messebezug vor allem im 16. und 17. Jahrhundert mit jeweils über 40 Prozessen gleich bleibend hoch war, während im 18. Jahrhundert nur noch 25 Fälle nach Wetzlar gelangten.168 Der Fall aus dem 15. Jahrhundert ist einer der ältesten Frankfurter Reichskammergerichts-Prozesse und zugleich ein Beleg für das große Einzugsgebiet der Messe. Zwar stammten beide Parteien aus dem Reich, doch handelte es sich nicht um Frankfurter Bürger, sondern um einen Breslauer und einen Nürnberger Messebesucher. Der aus dem Osten des Reiches stammende Kläger scheint zuvor die Messe in Nürnberg besucht zu haben, denn dort hatte er einem Kölner Kaufmann Pelze für 900 fl. verkauft, wobei letztgenannter den beklagten Nürnberger als Bürgen für eine Summe bis 1.000 fl. angegeben hatte, weshalb sich der Kläger an den Appellaten wegen der Bezahlung der ausstehenden Gelder wandte. Schließlich vereinbarten die Parteien eine Tilgung der restlichen 500 fl. auf der nächsten Frankfurter Messe. 169 Dieser Prozess verdeutlicht einige wichtige Aspekte spätmittelalterlicher bzw. frühneuzeitlicher Kaufmannschaft und Messetätigkeit. Einerseits verweist gerade das Beispiel des Klägers auf die auch um 1500 durchaus noch übliche Wanderschaft des Fernhandelskaufmannes von einer Messe zur nächsten.170 Andererseits lässt sich die Charakteristik Frankfurts nicht nur als reiner Warenhandelsplatz, sondern auch als – schon erwähnter – Clearing-Ort für Geldgeschäfte erkennen171, da als Zeitpunkt bzw.
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verhandelt. So finden sich hier Arrestanlagen, Bankrotte und diverse Streitigkeiten um Forderungen aus Waren- oder Kreditpapiergeschäften. Ein direkter Zusammenhang zwischen der sinkenden Prozesszahl und einer sich wandelnden Bedeutung der Frankfurter Messe (Aufschwung der Leipziger Messe) ist nicht herstellbar. BRÜBACH, S. 487 ff. KALTWASSER, S. 972 f., S146. JENKS, S. 69 f. Zwar begann die Ablösung des Wanderhandels durch die sesshafte Geschäftstätigkeit bereits in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, doch lag Breslau – anders als Nürnberg und Frankfurt – etwas abseits, so dass die Vermutung des Wanderhandels nahe liegt, während die in das engere wirtschaftliche Netz zwischen Oberdeutschland, Frankfurt und dem Niederrhein (bis in die Niederlande) eingebundenen Nürnberger und Kölner Kaufleute (wie der Beklagte und der ursprüngliche Schuldner des Klägers) füreinander bürgen und auf die Frankfurter Messe als Ort des finanziellen Ausgleichs verweisen. Deswegen war die persönliche Anwesenheit des Kölners in Frankfurt nicht mehr erforderlich, weil sein Nürnberger Kollege die Zahlungsverpflichtungen übernahm (was im genannten Beispiel allerdings scheiterte, so dass der Breslauer klagte). NORTH, Kommunikation, S. 36.
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Ort für die Verrechnung der ausstehenden Summen die Frankfurter Messe vereinbart wurde.172 Die im Zusammenhang mit Messestreitigkeiten Klagenden sind fast immer Kaufleute 173 bzw. reiche Handwerker, allerdings treten auch Kläger wie der Reichsfiskal174 in einzelnen Prozessen auf. Bei den Beklagten handelt es sich ebenso vor allem um Kaufleute175, in Einzelfällen aber auch um den Rat der 172
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Zwar ist diese Verrechnung wegen des Warengeschäftes notwendig geworden, doch wird das den Warenhandel begleitende Geldgeschäft (Bezahlung der Lieferung) zeitlich und räumlich vom Handelsgeschäft entkoppelt und an einen Ort verlagert, wo beide Parteien sicher wieder aufeinander treffen. Im folgenden Beispiel wurde die Stadt Frankfurt selbst beklagt und zwar wegen eines Geschäfts, welches sich einerseits direkt auf die Frankfurter Verwicklungen im Schmalkaldischen Bund und Krieg zurückführen lässt und andererseits die große Bedeutung von Kriegsmaterial angesichts vielfacher militärischer Auseinandersetzungen demonstriert. 1548 klagten zwei Nürnberger Kaufleute gegen die Stadt, weil diese angeblich Kriegsmaterial im Wert mehrerer tausend Gulden zwangsweise einbehalten hatte. Auf der Ostermesse 1546 hatten die Kläger „ca. 400 Zentner Schlangen- und Hackenpulver, 600 Harnische, 2000 niederländische Reiterspieße, 6000 Landsknechtsspieße, 600 Hellebarden, 900 lange spanische Harken, 400 deutsche Harken mit allem Zubehör etc.“ verkaufen wollen und diese wegen nicht erfolgten Geschäftsabschlusses in der Stadt eingelagert. Auf Beschluss des Regensburger Reichstages wurden die Kriegsmaterialien durch den Kaiser gekauft und zum Einsatz gegen Mainz bestimmt, was von der Stadt verweigert wurde, da außerhalb der Messezeiten keine Messewaren herausgegeben würden. Allerdings verkaufte die Stadt (die Mitglied des gegen den Kaiser und die Katholiken gerichteten Schmalkaldischen Bundes war) das Pulver und 400 lange Rohre und übergab den Rest an die Bundesgenossen nach Straßburg. Einer der Kläger beschuldigte die Stadt zudem, ihn widerrechtlich in einer Herberge festgehalten und unter Zwang gesetzt zu haben (KALTWASSER, S. 369, F85). 1626 prozessierte der kaiserliche Reichsfiskal (der Speyerer Assessor Dr. Ebersheim) gegen den Hanauer Buchhändler Eifried sowie den Rat der Stadt Frankfurt, wobei von der Stadt unter Strafandrohung die Beschlagnahme eines von Eifried auf der Ostermesse 1618 angebotenen, im Messekatalog vermerkten und im Auftrag der Grafen von Löwenstein gedruckten Buches („Wohl begründeter Gegenbeweiß in Sachen Würzburg gegen Grafen von Löwenstein-Wertheim“) wegen der Beleidigungen der Würzburger Bischöfe und der früheren Kaiser gefordert wurde. Umstritten war, ob die Stadt ihre obrigkeitliche Aufsichtpflicht verletzt hatte, d. h. den Druck oder – nach Durchsicht des Kataloges – zumindest die Präsentation des strittigen Werkes hätte verbieten lassen müssen (unter dem Hinweis auf die entsprechenden Regelungen der Reichsabschiede von 1548, 1570 und 1577) (KALTWASSER, S. 353 f., F61). 1770 appellierte der Bamberger Handelsmann de Angelis gegen den Augsburger Kaufmann Obwexer, dem in einem Urteil des Frankfurter Schöffengerichts eine seit der Frankfurter Herbstmesse von 1765 bestehende Forderung von fast 4.000 fl. bestätigt wurde. Kurz nach Prozessbeginn flüchtete der Appellant (KALTWASSER, S. 120 f., A21, siehe dazu unten Kapitel III.2: Frankfurter Beispielfall).
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Stadt, wenn – wie im folgenden Beispiel – ein Reichskammergerichts-Mandat von der Stadt ignoriert wurde. 1629 klagte die Witwe des Lyoner Juweliers Pallier gegen den Bürgermeister und den Rat der Stadt auf Begleichung einer seit 1602 bestehenden Schuldforderung in Höhe von 871 Kronen in Gold plus Zinsen aus dem in Frankfurt arretierten Vermögen des Antoni Dourier (genannt de la Vergne), ein Schuldner des verstorbenen Ehemannes der Klägerin. Dourier war auf der Ostermesse 1603 verhaftet worden, konnte aber flüchten und hatte wohl die Reichsgrenze überschritten. Die Stadt bot der Klägerin 200 bzw. 300 Reichstaler bei Ausschluss weiterer Forderungen an, was diese ablehnte. 1631 verfügte das Reichskammergericht die jährliche Alimentierung der Klägerin mit 50 rheinischen Gulden bis zum Ende des Falles, aber erst 1643 kam die Stadt dieser Forderung nach, wobei „Animositäten“ zwischen Frankfurt und Lyon – bedingt durch den Dreißigjährigen Krieg – für weitere Verzögerungen sorgten.176 Der hier beschriebene Prozess demonstriert in einem Ausschnitt die Reichweite der Frankfurter Messe, deren Einzugsgebiet schon am Ende des Mittelalters (im 15. Jahrhundert) europäische Dimensionen 177 erreichte. Gerade der Kontakt zu Lyon verweist auf eine Verbindung zu einer der wichtigsten Messen im 15. und 16. Jahrhundert in Europa. Besonders die Lyoner Wechselmessen dienten der Entwicklung des Finanzplatzes Frankfurt als Vorbild.178 17 Kontakte nach Augsburg179 und 30 nach Nürnberg (wie auch 35 nach Straßburg) sowie 176
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KALTWASSER, S. 834 f., P51. Der Vater des Flüchtigen war königlicher Leibwächter bei Ludwig XIII. (man denkt unwillkürlich an Dumas „Musketiere“), was den Sohn allerdings nicht von einer kriminellen Karriere abhielt. So hatte er in zwei Gasthäusern in Frankfurt gestohlen und war deshalb sowie wegen anderer „höchst strafbahrlicher Qualitäten halben deren etliche vor keuschen Ohren nicht zu erzehlen (innerhalb zweyen Jahren in Teutschlandt uff die 500 Weibsbilder geschändet)“ verhaftet worden. Nach seiner Flucht suchte nicht nur Frankfurt nach ihm, sondern auch Straßburg, Nürnberg, Leipzig, Salzburg, Offenheim und andere Orten fahndeten wegen „schwerer Verbrechen“. Das arretierte Vermögen wurde auf 5.700 Dukaten geschätzt, die durch Zinsen bis 1647 (Prozessende) auf über 8.900 Dukaten gewachsen war. Siehe dazu unten die Karte zu den überregionalen Kontakten im Zusammenhang mit Frankfurter RKG-Prozessen (Abb. 4 im Anhang). NORTH, Kommunikation, S. 32 f. Lyon war wegen der umfassenden Förderung der französischen Könige zu einem Zentrum des Messehandels aufgestiegen (sowohl bezüglich des Waren-, als auch des Geldverkehrs). Zur Erinnerung: 1585 war in Frankfurt eine eigene Messwährung (conto) eingeführt worden. Darüber hinaus hatte die Stadt (bzw. die Messe) nicht nur Kontakt nach Lyon, sondern auch zu den genuesischen Messen, die ebenfalls in das finanzielle Ausgleichsystem eingebunden waren (S. 36). Ein Beispiel für die vielfältigen Beziehungen der einzelnen Messestädte untereinander ist ein Fall aus dem Jahr 1594. Mehrere Straßburger Kaufleute appellierten gegen ein Urteil
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74 nach Köln180 , 18 nach Antwerpen und 22 nach Amsterdam181 zeigen die Einbindung Frankfurts als Vermittlungszentrum in den mitteleuropäischen
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des Frankfurter Stadtgerichts in einem Streit mit einem „Arzeneidoktor aus Dinkelsbühl“ sowie dessen Geschäftspartnern (u. a. aus Augsburg und Ulm). Der Schwager des Beklagten war ein inzwischen flüchtiger Kaufmann aus Nördlingen, der u. a. auf den Messen in Frankfurt, Leipzig, Straßburg, Augsburg und Nürnberg Geschäfte gemacht hatte und verschiedenen Kollegen kleinere und größere Summen Geld schuldete. Diese Außenstände waren bis zur Ostermesse 1792 in Frankfurt auf 20.000 fl. angewachsen, weswegen auf der Messe ein Vergleich mit den für ihren Verwandten und Kollegen bürgenden Beklagten zunächst ausgehandelt, dann aber von den Klägern als nicht akzeptabel zurückgewiesen wurde (KALTWASSER, S. 931 f., S84). Ebenfalls aus dem Jahr 1594 stammt ein Prozess, der wiederum zwar am Frankfurter Schöffengericht erstinstanzlich verhandelt, aber zwischen zwei ortsfremden Parteien geführt wurde. Ein Antwerpener Kaufmann appellierte in Speyer anlässlich einer Auseinandersetzung mit einem Kölner Kollegen um die Bezahlung einer Lieferung von etwa 65 Zentnern Quecksilber (im Wert von 2.080 fl.). Der Antwerpener Kaufmann hatte diese Ladung bei dem Beklagten geordert, der sie an einen niederländischen Kaufmann in Frankfurt übergeben sollte. Die Bezahlung würde nach Ablieferung der Ware in Antwerpen erfolgen. Die Lieferung kam wegen „Kriegsempörung“ und Sperrung des Rheins bei Köln verspätet am Zielort an, weswegen der Beklagte höhere Lieferkosten geltend machte, die der Kläger nicht zahlen wollte, da zudem 255 Pfund Quecksilber ausgelaufen seien. Die „Kriegsempörung“ bezieht sich auf den spanisch-niederländischen Konflikt (der Vertrag zwischen den Parteien stammte aus dem Jahr 1583) und illustriert zugleich, weshalb Antwerpen am Ende des 16. Jahrhunderts seine Vorherrschaft als niederländisches Handelszentrum an Amsterdam verlor (KALTWASSER, S. 730, L47). Dies ist nicht der einzige Fall, indem Parteien Kriegssituationen u. a. als Grund für Handelsbeeinträchtigungen zitieren. Knapp 30 Fälle lassen sich in dieser Beziehung nachweisen, darunter auch das folgende Beispiel: 1655 prozessierte der Sohn eines Frankfurter Wollhändlers gegen seine christlichen und jüdischen Kreditoren in Frankfurt und Stuttgart wegen der Zulassung zum beneficium authenticae („citationis ad videndum se admitti ad beneficium authenticae …“). 1636 hatte er als einziger, minderjähriger Sohn die Hinterlassenschaft seines Vaters geerbt, „eine ansehnliche Verlassenschaft, stattlichen Kaufhandel und starkes Kapital von zusammen über einhunderttausend Reichstaler[n]“. Wegen Versagens seiner Vormünder bei der Verwaltung des Vermögens, des lang andauernden („grundverderblichen“) Krieges und des Konkurses mehrerer Debitoren (darunter Adelige und hohe Militärs) hätte er mehrere tausend Taler Schulden angehäuft. Inzwischen habe er (nach Schließung der Handlung 1651) 90.000 fl. an seine Kreditoren zurückgezahlt, könne aber weiteren Verpflichtungen nicht in der üblichen Weise nachkommen. Deshalb beantragte er, seine verbliebenen Immobilien und Waren den einzelnen Kreditoren nach Höhe und Fälligkeit der Forderungen zu übertragen, womit einige der Gläubiger nicht einverstanden waren (KALTWASSER, S. 970 f., S143). Ein Beispielfall aus Amsterdam und Köln hat zwar keinen direkten Messebezug, zeigt aber die Kaufleute in einer Rolle als Kreditoren Adeliger (zu Fuggern, Welsern und Co. siehe oben, unten folgen einige Ausführungen zu jüdischen Hoffaktoren). Mehrere Kaufleute aus den beiden genannten Städten ersuchten 1655 um ein Strafmandat gegen
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Handel zwischen Oberdeutschland und den großen niederrheinischen Handelsplätzen auf.182 Aber nicht nur die Besucher der Frankfurter Messe183, ebenso die Waren, die natürlich auch Kaufleute aus dem Reich präsentierten, wurden zunehmend international.184 Produkte aus dem Orient und Italien, aus Russland, England, Frankreich, den Niederlanden, Skandinavien sowie den überseeischen Kolonien der europäischen Mächte standen zum Verkauf bereit.185 Eine Unterstützung der Aussage zur überragenden Bedeutung der Frankfurter Messe liefert eine kleiner Vergleich zwischen Hamburg und Frankfurt bezüglich jener Prozesse, die zwar in einer der beiden Städte in der Vorinstanz verhandelt und von dort an das Reichskammergericht gelangten, deren Parteien aber nicht aus den beiden untersuchten Städten stammten.186 29 Prozessen aus Hamburg stehen 84 aus Frankfurt gegenüber, bei denen keine der beiden Prozessparteien Einwohner einer der genannten Städte war. In Hamburg sind sechs Fälle im 16. und jeweils elf im 17. und 18. Jahrhundert nachweisbar (sowie einer aus dem 19. Jahrhundert) 187 , so dass sich – auf einer zugegebener Maßen schmalen Datenbasis – ein Zusammenhang zwischen der Zunahme des ham-
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Schultheiß, Bürgermeister, Schöffen und Rat der Stadt Frankfurt zwecks Vollzugs eines Urteils in ihrer Streitsache gegen den Landgrafen Georg von Hessen, dem sie fast 13.000 fl. geborgt hatten, die sie nun mit Zinsen zurückforderten. Mehrere Promotorialien an die Stadt zur Exekution des vorliegenden Urteils hatten sich zuvor als wirkungslos erwiesen (KALTWASSER, S. 833, P48). In der Verteilung der Kontakte nach Antwerpen und Amsterdam nach einzelnen Jahrhunderten zeigt sich außerdem der Wechsel in der Bedeutung der beiden Städte. Im 16. und 17. Jahrhundert können acht bzw. zehn Kontakte nach Antwerpen nachgewiesen werden, dann brechen diese ab (zur Erinnerung: 1585 wurde Antwerpen von den spanischen Truppen eingenommen). Parallel dazu lässt sich der Aufstieg Amsterdams als wichtiger Frankfurter Handelspartner verfolgen: nach nur einem Kontakt im 16., können im 17. zehn und im 18. Jahrhundert elf Kontakte beobachtet werden (zur niederländischen Wirtschaft im 17. und 18. Jahrhundert vgl. NORTH, Niederlande, S. 43 ff., 71 ff.). Bis sich die Frankfurter Messe als europäischer Handelsplatz etablierte, dauerte es freilich einige Zeit. In den ersten Jahrzehnten der Messe kamen die Besucher noch aus den nahe gelegenen Bischofsstädten Mainz und Worms sowie aus den Wetterauer Städten, aus Würzburg und Nürnberg. Zur Mitte des 14. Jahrhunderts war das ganze Reich zum Einzugsgebiet für die Frankfurter Messe geworden (z. T. lagen die Herkunftsorte der Besucher später auch außerhalb der Reichsgrenzen [wie z. B. Ypern und Brügge]) (BRÜBACH, S. 31 ff.). Zu den Kontakten im Rahmen der Frankfurter RKG-Prozesse siehe die Tabellen 28 und 29 im Anhang, die überwiegend auf Geschäfts- oder Familienverbindungen von Kaufleuten oder eben auch Messebesuche zurückzuführen sind. Siehe dazu oben die Bemerkungen und Beispiele zu einzelnen Waren und Produkten. DIETZ, Bd. 1, S. 32. Die folgenden Zahlen beziehen sich auf alle Prozesse aus den beiden Städten. Siehe dazu die Tabelle 28 im Anhang.
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burgischen (See-)Handels und den Verfahren zwischen Ortsfremden herstellen lässt. Viel deutlicher allerdings spiegeln die Frankfurter Zahlen die „Internationalität“ der Messe wider. Vor allem im 16. bzw. 17. Jahrhundert, der Glanzzeit der Messe in der Frühen Neuzeit188, sind 41 bzw. 32 Fälle zwischen Ortsfremden festzustellen, während deren Zahl im 18. Jahrhundert auf nur sechs zurückgeht – in einer Zeit, als die Frankfurter der Leipziger Messe den Vortritt lassen musste.189 Mit dem Messeprivileg war die Erteilung eines Geleitbriefes (1240) verbunden, der die Messebesucher im ganzen Reich unter den Schutz des Kaisers sowie die Landesherren der Territorien190 stellte, durch deren Gebiete die Kaufleute nach Frankfurt reisten.191 Obwohl insgesamt 31 Frankfurter Reichskam188
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Natürlich bedeutet Glanzzeit kein ununterbrochenes Hoch, sondern gerade im 17. Jahrhundert auch einen zwischenzeitlichen Absturz. 1631 machte sich in Frankfurt der Dreißigjährige Krieg bemerkbar, während bis dahin die Messe kaum an Strahlkraft verloren hatte. Zwischen 1631 und 1637 erlebte der Messeverkehr einen massiven Einbruch bis hin zum Ausfall der Messe 1635. Danach dauerte es bis 1653, bevor sich ein neuer, wirklicher Aufschwung einstellte (auch in den ersten Jahren nach dem Frieden von Münster und Osnabrück stagnierte die Entwicklung), der bis 1666 andauerte, als es wegen der Seuchen am Niederrhein zu einem erneuten Rückgang des Messeverkehrs kam. Einem zwischenzeitlichen Aufschwung (Dietz hebt besonders die Ostermesse von 1671 hervor, auf der sich verschiedene Adelige aus dem ganzen Reich zeigten [u. a. der Herzog von Württemberg, die Herzogin von Ostfriesland und die vier hessischen Landgrafen]) folgte wiederum ein Einbruch ab der Mitte der 1670er Jahre, als die merkantilistischen Bestrebungen des Kaisers als unterstützende Maßnahme des Krieges gegen Frankreich sowie letzterer selbst zu wirken begannen (siehe oben). Epidemien und weitere Kriege am Ende des Jahrhunderts sorgten für entsprechende Schwankungen bei der Frequentierung der Messe (DIETZ, Bd. 1, S. 86 ff.). Dazu gesellen sich noch drei Fälle im 15. und zwei im 19. Jahrhundert. Eines der Beispiele aus dem 15. Jahrhundert ist der oben beschriebene Fall zwischen dem Breslauer und dem Nürnberger Kaufmann, die ihre Streitigkeiten um die Bezahlung eines Pelzhandels während der Frankfurter Messe nicht klären konnten und sich deshalb an das Schöffengericht der Stadt wandten, bevor eine der beiden Parteien wegen der Ablehnung des von der Vorinstanz gefällten Urteiles an das RKG appellierte (welches sich wiederum zu diesem Zeitpunkt ebenfalls in Frankfurt befand) (KALTWASSER, S. 972 f., S146). DIETZ, Bd. 1, S. 42. Die Landesherren mussten gegen die Zahlung einer bestimmten Summe den Kaufleuten einen Geleitbrief ausstellen und ihnen militärischen Schutz für ihre Person sowie die mitgeführten Waren gewähren. Die Kaufleute wurden im Idealfall von einem Landesherrn zum anderen weitergereicht, z. B. auf dem Weg von Nürnberg nach Frankfurt insgesamt neunmal (um 1400). Dietz listet für das Spätmittelalter sieben verschiedene Geleite auf, die die wichtigsten Handelsrouten Frankfurts absicherten (S. 43 f.). DIETZ, Bd. 1, S. 41 f. Die Ostermesse dauerte knapp drei, die Herbstmesse (als ältere der beiden) sogar dreieinhalb Wochen. In der halben Woche vor dem Beginn der eigentli-
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mergerichts-Prozesse Geleitfragen bzw. „Schutz und Schirm“ aufgreifen, wird in keinem der Fälle wegen der Verweigerung des Geleitprivilegs zur Frankfurter Messe geklagt. Die fraglichen Prozesse thematisieren dagegen u. a. persönliche Schutzprivilegien, die vom Kaiser oder auch einem Gericht verliehen wurden – fast immer, um einem Schuldner die Regelung seiner finanziellen Angelegenheiten ohne die Drohung einer Verhaftung zu gewähren.192 Drei dieser Prozesse nehmen Bezug auf die Messeprivilegien Kaiser Friedrichs III. (1465)193, jedoch nicht im Rahmen der Geleitgewährung, sondern mit Blick auf die Zuständigkeit
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chen (Waren-)Messe bestand bereits Geleitschutz für die Besucher. In der zweiten Woche wurde der Zahlungsverkehr erledigt (Warenschulden, Gülten und Zinsen bezahlt, Geld gewechselt und Wechsel präsentiert) und in der dritten zogen die Kaufleute unter dem Schirm des Geleits wieder ab (S. 40). Diese Kraft Autorität des Kaisers verliehenen Geleitregelungen galten bis zum Ende des Alten Reiches, sie wurden letztmals 1802 bestätigt (S. 45). 1552 klagte der Frankfurter Bürger und Seidenhändler Laurentius de Villani (ursprünglich aus Florenz stammend, seit über 40 Jahren in Deutschland handelnd und 1552 nach Speyer gegangen) gegen den jüngeren Frankfurter Bürgermeister, der ihn misshandelt, sein Hausrecht verletzt und sein Warengewölbe eigenmächtig gesperrt habe, obwohl der Kläger seit 1530 einen Schutz- und Geleitbrief Karls V. besaß (KALWASSER, S. 1030 f., V15). Ein anderes Beispiel ist der Prozess eines weiteren Frankfurter Handelsmannes (ein Beisasse, dessen Vorfahren aus Italien stammten), der gegen den Bürgermeister und den Rat der Stadt klagte, ihm ein vom Kaiser verliehenes Geleit zu respektieren, um sich mit seinen Gläubigern zu einigen (KALTWASSER, S. 729, L45). Im Jahr 1618 erbaten Bürgermeister und Rat der Stadt Frankfurt die Bestätigung der städtischen Privilegien, darunter neben den Messe- auch die Appellationsprivilegien. Zum Ende des Dreißigjährigen Krieges klagte die Gräfinwitwe von Isenburg-Büdingen gegen Bürgermeister und Rat der Stadt, weil sie als Besucherin der Messe von der Witwe des Juweliers und Kaufmannes Jacob Moors des Älteren (der selbst in mehreren Prozessen am RKG in Erscheinung tritt) verklagt und zur Zahlung einer Schuld von 1.900 Rtlr. (aus einem 1635 aufgenommenen Darlehen) verurteilt wurde. Sie machte geltend, dass Frankfurt als Instanz ein „unzuständiges, minderes Gericht“ sei. 1616 appellierte der Aachener Bürger und Handelsmann Römer in einem Streit mit einer Witwe aus Treisa. Hintergrund war eine Forderung des verstorbenen Ehemannes der Beklagten an den Kläger aus Wollgeschäften in Höhe von 2.156 Philippstalern auf mehreren Frankfurter Messen zwischen 1611-1613. In dem Verfahren wurde u. a. auch die Frage des kompetenten Gerichtsortes aufgeworfen (beide Prozessparteien waren keine Ortsansässigen), weswegen diese Akte – wie auch die beiden vorgenannten – Abschriften der kaiserlichen Privilegien von 1465 enthält (KALTWASSER, S. 372 f., 483, 869 f., F98, J8, R53). – Das zweite Beispiel der Gräfinwitwe lenkt den Blick auf eine weitere Funktion der Frankfurter Messe, nämlich ihre Rolle als Treffpunkt zwischen Geld benötigenden Landesherren und kaufmännischen Kreditoren. Zu den adeligen Schuldnern zählten u. a. die Landgrafen von Hessen-Darmstadt und Hessen-Kassel (HOLTFRERICH, S. 71 f.). Siehe dazu das oben genannte Beispiel des Landgrafen Georg von Hessen-Darmstadt (KALTWASSER, S. 833, P48).
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der Frankfurter Gerichte für Messestreitigkeiten (in zwei Fällen) sowie die Bestätigung der genannten Rechte. Zusammen mit den Sonderregelungen des während der Messe geltenden Fremdenrechts, in welches der Reiseschutz und die zeitweise Handels- und Gewerbefreiheit eingebunden waren, versuchte die Stadt, ihre wirtschaftliche Basis – die Messe und ihre Besucher – so gut wie möglich zu schützen.194 Kaiserliche Privilegien von 1360, 1376 und 1465 gewährten den Kaufleuten einen speziellen Gerichtsschutz, ihnen wurde freier Zugang zur Messe gewährt und sie durften wegen einer an einem der Reichsgerichte anhängigen Rechtssache nicht belangt oder verhaftet werden. 195 Dies schloss ausdrücklich den Schutz vor Gläubigern ein. Die Kammergerichtsordnung von 1495 erklärte außerdem auch das freie Geleit für in Reichsacht befindliche Personen (für die Zeit der Messe), während die drei Dekaden zuvor gewährten Privilegien die Frankfurter Gerichte zur ersten Instanz für rechtliche Streitigkeiten erklärten – und zwar ausdrücklich auch für jene Messebesucher, die keine Frankfurter Einwohner waren.196 Mit der stetigen Anpassung der von den Gerichten benutzten Rechtsvorschriften wurde zugleich versucht, den Wünschen der Kaufleute nach Rechtssicherheit im Messehandel entgegenzukommen.197
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DIETZ, Bd. 1, S. 45. Laut einer Druckschrift von 1776 gilt die Messefreiheit im Zeitraum der Geleitgewährung – eine Regelung, die schon mehrere Jahrhunderte zuvor im Hochund Spätmittelalter ihre Gültigkeit hatte. DIETZ, Bd. 1, S. 46. BRÜBACH, S. 145 ff. DIETZ, Bd. 1, S. 48. Zu den Messeprivilegien gehörte die Benennung Frankfurts als Gerichtsort für Streitigkeiten zwischen Messebesuchern auch dann, wenn beide Parteien nicht in Frankfurt ansässig waren. Dem Schöffengericht wurde die Verhandlung dieser Prozesse übertragen und selbiges damit in den Rang eines Reichsgerichts erhoben, welches nur noch drei gleichberechtigte Appellationsinstanzen über sich stehen hatte (Kaiser, Hofgericht [später RHR] und RKG). Neben den kaiserlichen Privilegien gewährte auch der Papst mehrere Bullen, welche die von der weltlichen Macht verliehenen Rechte nochmals bestätigten und teilweise ergänzten. So durfte die Stadt Messopfer und Gesänge während der Messezeit (sowie in den zwei Wochen davor und danach) abhalten, auch wenn mit dem Kirchenbann belegte Personen die Messe besuchten. Darüber hinaus konnten die Regelungen der Fastenzeit bzw. einzelner Fastentage gegen die Zahlung einer kleinen Gebühr außer Kraft gesetzt werden (DIETZ, Bd. 1, S. 48 f.). BRÜBACH, S. 179. Neben möglichst geringer Dauer der Prozesse und einem übersichtlichen Instanzenzug (ein Frankfurter Gericht, danach eine Appellationsinstanz auf Reichsebene), wurden international übliche Regeln bezüglich der auf den Messen eingesetzten Instrumente (z. B. Wechsel) als Orientierungshilfe zur Rechtsfindung eingesetzt. – Darüber hinaus ließ der Rat während der Messewochen Tag und Nacht die Stadttore, die Landwehr und den Zugang zum Main überwachen (BOTHE, S. 169).
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Die Frage der Messefreiheit für Personen unter Bann ist in einem Frankfurter Reichskammergerichts-Prozess thematisiert worden. 1498 waren die Hansestädte Elbing und Danzig auf Veranlassung der ehemaligen Nürnberger Bürger Thomas Jodeck und Wilhelm Rauscher mittels Ächtungsurteils gebannt worden, welches die genannten Herren 1503 in Frankfurt vorlegten. Sie erhielten zur Antwort, „daß die Stadt gefreit sei und daß außerdem die aus Danzig und Elbing in vielen Jahren die Frankfurter Messen nicht aufgesucht hätten“. 198 Jodeck klagte daraufhin am Reichskammergericht gegen die Stadt (1504), da er behauptete, mehrere Nürnberger Kaufleute hätten mit den beiden Städten gehandelt, sich dann auf der Herbstmesse (1503) aufgehalten und seien von der Frankfurter Obrigkeit dafür nicht belangt worden. Das Reichskammergericht entschied, zwischen den eigentlichen Geächteten und solchen Personen, die mit diesen Umgang hatten (etwa durch Handel), müsse unterschieden werden. Letztere seien deshalb in keiner Weise haftbar zu machen.199 Eine der städtischen Einnahmequellen bildete der Messzoll, eine Abgabe, die allerdings von verschiedenen zeitgenössischen Autoren in der Frühen Neuzeit als sehr gering gelobt wurde. Um die Attraktivität der Messe nicht zu beschränken, verzichtete der Rat weitgehend auf Zollerhöhungen – außer in besonders prekären finanziellen Lagen der Stadt.200 Entsprechend sind nur vier Prozesse nachweisbar, die sich unmittelbar mit Fragen der Zollfreiheit beschäftigen, an denen jedoch kein Kaufmann als Privatperson beteiligt ist. Einzelne Städte, Klöster und auch Standespersonen erlangten bereits im Mittelalter be198 199
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BRÜBACH, S. 150 ff. und DIETZ, Bd. 1, S. 47, Zitat ebd. KALTWASSER, S. 629 f., J278. BRÜBACH, S. 152. Gegen dieses Urteil gingen Jodeck und Rauscher vor, indem sie einen Frankfurter Schöffen verklagten, woraufhin sich die Stadt um Hilfe an den Kaiser wandte, der das Privileg von 1376 bestätigte. Gleichzeitig erklärte das RKG erneut, der Achtprozess sei in Schuld- und Handelssachen generell nicht relevant. – 1515 hatte der kaiserliche Fiskal (in diesem Fall der RKG-Prokurator Dr. Reinhard Thiel; zu dieser Zeit saß das RKG in Worms) Bürgermeister und Rat der Stadt an das RKG zitiert und Aufklärung über die Nichtbeachtung der Acht und des damit verbundenen Arrests auf das Eigentum der Einwohner von Danzig und Elbing verlangt (KALTWASSER, S. 370, F90). Eine der nicht vorhandenen, nur im Spezialrepertorium gelisteten Prozessakten verzeichnet die Klage des kaiserlichen Fiskals gegen Bürgermeister und Rat der Stadt Frankfurt, wobei ersterer die Konfiszierung verschiedener Waren von Nürnberger Kaufleuten in Frankfurt forderte, da diese nach Auskunft Thomas Jodecks mit Danzig und Elbing gehandelt hatten (KALTWASSER, S. 352, F59). DIETZ, Bd. 1, S. 49. Die einzige „wirkliche“ Abgabe war der „Doppelzoll“, der während der Herbstmesse an allen Zugängen der Stadt von fremden Messebesuchern (nicht den eigenen Bürgern) erhoben wurde. Es handelte sich bei ihm um den üblichen Zoll und Weggeld auf Waren, welches zur Herbstmesse für Fremde verdoppelt wurde (von ihm befreit waren folgende Güter: eiserne Öfen, Käse und Wollsäcke) (S. 327).
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sondere Zollfreiheiten von Frankfurt, die allerdings nicht zum völligen Verzicht auf Abgaben führten, sondern die betreffenden Personen und Stände den Frankfurter Bürgern gleichstellten. Zu den Nutznießern gehörten auch Nürnberg201 und Straßburg202, mit denen erste entsprechende Regelungen am Ende 201
Bürgermeister und Rat der Stadt Nürnberg klagten 1653 gegen die Stadt Frankfurt, weil durch die Einführung eines neuen Warenzolls die gegenseitige, durch kaiserliche Privilegien (1332 sowie 1347/1355) verliehene Zollfreiheit verletzt wurde (KALTWASSER, S. 790, N30). Zur Erinnerung: am Beginn der 1650er Jahre befand sich die Messe in einem neuen Aufschwung, nachdem sie wegen des Dreißigjährigen Krieges nur eingeschränkt oder sogar überhaupt nicht abgehalten wurde – die Stadt sah in einer Erhöhung des Zolls eine Möglichkeit, die durch den Krieg erneut vergrößerten Schulden etwas abzubauen. Im August 1656 (also während des schon laufenden RKG-Verfahrens) ging ein Schreiben von Nürnberg nach Frankfurt, in dem die Hoffnung ausgedrückt wurde, sich womöglich auch jetzt noch außergerichtlich zu einigen. Dabei nahmen die Nürnberger Bezug auf einen 1625 abgeschlossenen Vertrag betreffend Zollvergünstigungen: „… Vndt ob wir zwar dieser ander weitigen vnd endlichen nachgebung vnß weniger als wenig Zuerfrewen haben, im deme E. S. [Eure Stadt] die so wohln Anno 1625. als anietzo nachgegebene puncten, gegen vnd wider vnßere alte privilegia compaetata vnd herkommen, gleichwohl erhalten über dieses alles auch das einige, so den vnserigen so wohl des 1. Pe Cento halber, als in andere weg, weniger dann mit Recht abgedrungen wordten in händen behalten, Wir hingegen nit allein nichtzit(?) dabey gewinnen, sondern auch das einige, was wir vorhero gehabt, nit einmal conserviren, vnd also bey bisßherigen einträgen so wohl als ao. 1625. da vnßeren Zollfreyheiten ein mercklicher Abbruch beschehen E. S. allenthalben, gewinn vnd vortheil laßen, hingegen unsers theils nichts dann schaden haben, So wollen wir iedoch vmb friedt vnd ruhe willen, auch zu verhoffenden beßern hinfürigen vernehmen, zu E. S. endlicher gegen erklärung hiemit nochmals gestellet haben, ob Sie es bey diesen ultimatis bewenden vnd geschehen laßen mögen, daß der vergleich ohne einzige anderwertige änderung also eingerichtet, vnd außgefertiget werdte, oder aber daß die Sach vermittelst Rechtlicher prosecution des am Kayserlichen Cammergericht angefangenen vnd iederzeit eventualiter reservirten proceß, durch vnPartheyischen außsPruch erlediget, vnd erörtert werden möge, woselbsten es vnsers bedenckens keines pers?utirens der arcanorum ararii vnd anders bedürffen wirdt, wann nur E. S. selber realia tractiren vndt à scopo selber nit werdten abweichen, hierüber dero vnbeschwerdte widerantwort erwartend vnd nächst empfehlung Göttlicher Obschuz p. Datum Nürmberg den 9 Aug. 1656 Bürgermeister vndt Rath der Statt Nürmberg.“ (#9, Auszug). – Dieser Streit ist bei weitem nicht der erste zwischen Frankfurt und Nürnberg in Fragen der Zollfreiheiten und Messeprivilegien. 1406 – Nürnberg bemühte sich um die Pivilegierung einer eigenen Reichsmesse – erging ein gegenseitiges Verbot an die Kaufleute beider Städte, die jeweils andere Messe zu besuchen. In den Städten und acht Meilen Umkreis durfte nicht gehandelt werden. Die Folge war, dass Frankfurt in diesem Jahr die geringsten Einnahmen im 15. Jahrhundert (neben 1462) an Zoll-, Wegegeldern und Ausfuhrgebühren verzeichnen musste. Ähnliche Verbote wegen Zollstreitigkeiten gab es auch gegenüber Köln und Straßburg, wovon besonders der Erzbischof von Mainz profitierte, der eigene Messepläne verfolgte (DIETZ, Bd. 1, S. 53).
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des 13. Jahrhunderts vereinbart wurden203 und die in jeweils einem Prozess am Reichskammergericht wegen dieser Freiheiten mit Frankfurt im Streit liegen.204 Dagegen sind derartige Verfahren ausgerechnet für den wichtigsten Messekonkurrenten in Leipzig nicht festzustellen205, an den die Frankfurter Messe ihren 202
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1625 klagten Bürgermeister und Rat der Stadt Frankfurt am RKG gegen Bürgermeister und Rat von Straßburg wegen eines von den Beklagten eingeführten neuen Einfuhrzolls (nach der neuen Straßburger Zollordnung von 1624), da dieser zumindest bezüglich des Klägers gegen frühere Vereinbarungen gegenseitiger Zollfreiheit verstoße. Frankfurt bezog sich auf die Neufassung des Vertrages zwischen beiden Städten von 1412 (KALTWASSER, S. 332 f., F24). Neben dieser Vereinbarung werden auch ältere Privilegien angeführt (#9-17), u. a. eines von Karl IV. aus dem Jahre 1347 für Straßburg. Außerdem liegt eine Auflistung von Kosten bei (#21), die den Kaufleuten bei der Reise durch Straßburg entstehen („für Mann mitt Kram durchgehet … i x“ [ein Kreuzer], eine Person aus Frankfurt „egal ob groß oder klein“ bezahlt zwei Schilling, für ein Fuder Essig oder Wein werden neun Schillinge fällig). DIETZ, Bd. 1, S. 50. Neben den beiden schon genannten Verfahren zu Nürnberg und Straßburg klagte 1751 auch der in Bonn sitzende Deutschmeister (Clemens August von Bayern, Kurfürst von Köln) gegen die Stadt Frankfurt wegen Aufrechterhaltung der kaiserlichen Privilegien aus dem Jahre 1221 (Ordensprivilegien Kaiser Friedrichs II.) sowie die Einhaltung des zwischen der Stadt und dem Orden 1449 geschlossenen Vertrages (1668 erneuert), der Zollund Wegegeldfreiheit für „alle Früchte, Weine und andere Provisionen, ‚es mögen diesselben erkauffet oder auf des hohen Ordens Güther gewachsen sein’“ garantierte (KALTWASSER, S. 1006, T10). Ebenfalls wegen der Verletzung der bisherigen Zollfreiheit prozessierte 1774 das Kloster Bronnbach gegen die Stadt Frankfurt, wobei in diesem Fall ein direkter Messebezug herzustellen ist. Nach dem neuen Frankfurter Zollgesetz entfiele die Zollfreiheit für Bronnbacher Waren auf der Messe, obwohl diese bisher Bestand hatte. Dies bezeugten mehrere Frankfurter Kaufleute (#10) sowie Auszüge aus dem Handelsbuch Peter Brentanos, der dem Kloster zwischen 1750 und 1762 mehrfach verschieden Waren lieferte (#26). Die Zollfreiheit des Klosters wurde erstmals 1233 von König Heinrich VII. gewährt und mehrfach bestätigt (1367 Karl IV., 1415 Sigismund, 1530 Karl V., 1577 Rudolf II.), zuletzt 1765 (Joseph II.) (#10, 14, 15) (KALTWASSER, S. 229, B151). Gegen die Erhöhung eines bestehenden Zolls (ohne Messebezug) klagte der Graf von Isenburg-Büdingen 1559: Mehrere Einwohner der unter seiner Herrschaft stehenden Dörfer der Dreieich mussten für ihre Pferde in Frankfurt statt der bisherigen drei sechs Pfennige Zoll bezahlen (KALTWASSER, S. 481 f., J5). Dies scheint zunächst erstaunlich, erklärt sich aber mit dem unbeschränkten sächsischen Appellationsprivileg. Die Frankfurter Ostermesse wurde wegen der Einführung des reformierten Kalenders in der Stadt verschoben und kollidierte nun mit dem Leipziger Termin (1706 erfolgte die erste, abschlägig beantwortete Bitte an Leipzig, auch die dortige Messe zu verlegen; zwischen 1711 und 1726 wurde die Frankfurter Messe schließlich alternativ terminiert). Die Leipziger Messe stellte dabei nur das größte Problem dar, denn der gesamte reichische und europäische Messekalender wurde gestört, da den Kaufleuten nicht mehr genügend Zeit zur Reise zwischen den einzelnen Messeorten blieb. Letztlich
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ersten Rang unter den Messen im Reich am Anfang des 18. Jahrhunderts nach „vierhundertjähriger Vorherrschaft“ abtreten musste. 206 Dennoch lassen sich acht Prozesse mit einem Bezug zur Leipziger Messe separieren, unter ihnen auch der Frankfurter Beispielfall aus dem Bereich Handel. 207 Neben einem Prozess am Ende des 16. Jahrhunderts gibt es drei aus dem 17. und vier aus dem 18. Jahrhundert, an denen Kaufleute beteiligt sind, die im Zusammenhang mit den rechtlichen Streitigkeiten auch die Leipziger Messe erwähnen.208 Auch hier ist die Zahl der Prozesse nicht sehr groß, doch ist an diesen wenigen Beispielen die steigende Bedeutung der Leipziger Messe zum 18. Jahrhundert hin abzulesen. Insgesamt bestätigt sich Kaltwassers Eindruck, „von der Allgegenwärtigkeit und Wichtigkeit des Waren- und Geldhandels“ in Frankfurt vor allem zur Messezeit.209
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erging die Entscheidung, dass die Messe am Dienstag nach Ostern beginnen sollte – eine Regelung, die von 1727 bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts galt, allerdings die kaufmännischen Interessen nicht berücksichtigte, da die Überschneidung mit dem Leipziger Ostertermin nicht behoben wurde (BRÜBACH, S. 136 ff. und DIETZ, Bd. 1, S. 91 f.). DIETZ, Bd. 1, S. 59. Dies ist erstaunlich, denn Frankfurt bekam die Leipziger Konkurrenz zu spüren. So kauften die rheinischen Kürschner nicht mehr vorrangig in Frankfurt, sondern in Leipzig, und auch die Nürnberger Kaufleute wickelten ihre Geschäfte mit Osteuropa nun über die sächsische Messe ab. Siehe unten Kapitel III.2 (KALTWASSER, S. 120 f., A21). 1609 klagte die Ehefrau eines zunächst flüchtigen und dann verstorbenen Frankfurter Bürgers und Federmachers gegen die Gläubiger ihres Ehemannes. Diese wollten sie zur Zahlung der Schulden ihres Mannes zwingen, da die Eheleute angeblich gemeinsam den Federhandel betrieben hätten. Der Ehemann war allerdings allein auf den Messen in Straßburg, Naumburg, Worms und Leipzig gewesen und die Klägerin hatte in Frankfurt auch nicht ständig „im Kram gesessen“. Die Schulden beliefen sich auf mehrere hundert Gulden, u. a. 280 fl. für Kranich- und Straußenfedern, die der Ehemann von Straßburg nach Nürnberg vermittelte. Im Konkursverfahren wurden fast 13.000 bearbeitete und 633 Pfund „unberaitte“ Federn inventarisiert (KALTWASSER, S. 975, S150). Ein zweites Beispiel stammt vom Ende des 18. Jahrhunderts (1779). Ein Frankfurter Kaufmann appellierte gegen einen Frankfurter Schutzjuden in einem Streit um eine indossierte Wechselforderung von 300 Karolinen aus einem Kommissionshandel mit Seidenwaren, dessen Gesamtwert bei über 10.000 fl. lag. Der Kläger hatte mit einem der drei Kompagnons des Beklagten (die wahrscheinlich mit der Ostindischen Gesellschaft Geschäfte tätigten) diesen Vertrag auf der Leipziger Jubilate-Messe 1778 abgeschlossen (KALTWASSER, S. 678, K70). Siehe im Anhang einen Auszug aus der Argumentation des klägerischen Anwalts. KALTWASSER, S. 46.
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Bis 1600 erweiterte sich der Kreis der Messebesucher auf Kaufleute aus ganz Europa210 und die Einnahmen aus dem Besucherverkehr und dem Messehandel stiegen (trotz der moderaten Abgaben) auf über 10.000 Gulden an. Von knapp 5.200 Gulden im Jahr 1550 erhöhten sich die Zollerträge auf knapp 15.000 Gulden im Jahre 1608 und erreichten selbst im Jahr des Fettmilch-Aufstandes knapp 14.500 Gulden. Besonders ins Auge fällt auch das Messejahr 1586, als im Vergleich zu 1580 und 1595 (den jeweils am nächsten liegenden Daten bei Dietz) über 1.000 Gulden mehr eingenommen wurden, was mit dem Fall Antwerpens und der Verlagerung von Teilen des dortigen Handels nach Frankfurt zu erklären ist. 211 Im Jahrhundert zwischen dem Beginn des Dreißigjährigen Krieges und dem Ende des Spanischen Erbfolgekrieges schwankten die Messeeinnahmen erneut, erreichten aber insgesamt einen größeren Umfang (der allerdings z. T. wohl auf Inflation zurückzuführen ist). Der niedrigste verzeichnete Wert datiert in das Jahr 1635, als die Messe wegen der Kriegswirren und einer Epidemie vorübergehend eingestellt wurde (ca. 18.500 Gulden), der höchste 210
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Der englische Reisende Thomas Coryat schrieb 1611: „Ich hatte das Glück, die Herbstmesse zu erleben. Die Reichtümer, so ich auf dieser Messe sah, waren unermesslich, insonderheit an einer gewissen Stelle, Under den Roemer genennt, allwo die Goldschmiede die Läden hatten, und war dies der gloreichste Anblick meines Lebens, maßen die Buden der Nürnberger. Dieser Platz ist in verschiedene Abteilungen aufgeteilt und haben diese hinwiederum eine große Menge Verschläge für die Händler und Krämereien der Handwerker, damit sie ihre Ware zeigen können. Ich erblickte allda einen unglaublichen Reichtum, also daß es einem Menschen unmöglich ist, solches in seinem Geiste zu begreifen, er habe es denn mit leiblichen Augen gesehen. Den allertrefflichsten Anblick in ganz Frankfurt – von den Goldschmieden abgesehen – bot ein Engelländer dar, ein gewisser Thomas Sackfield aus der Grafschaft Dorset, einst meines Vaters Diener, welcher als ein armseliger Mensch Engelland verlassen, nachdem er aber ein paar Jahre an des Herzogen von Braunschweig Hofe verbracht, ward er so reich, daß dieser glitzernde Haufen Ware bei weitem die Deutschen, Franzosen und Italiäner oder wen immer in den Schatten stellte. Dieser Platz wird während der ganzen Messe von vielen hochgestellten und fürstlichen Personen aufgesucht. Ich sahe daselbst den Grafen von Sconenberg, den Mächtigsten einer in Deutschland. Denn er hat im Jahr (wie ich vernahm) etwan vierzigtausend Pfund Sterling. Auch sah ich viel andere Grafen und etliche Pfalzgraven, von denen es (so ich recht verstand) in Deutschland gar viele geben soll.“ (J. J. HÄSSLIN [Hrsg.], Frankfurt, München 1959, S. 76 f.). Coryat lieferte einen lebendigen Augenzeugenbericht von der Messe, hatte aber auch das Glück, zu einer Glanzzeit der Messe in Frankfurt anwesend zu sein. DIETZ, Bd. 1, S. 68. Die hohen Einnahmen während des Krisenjahres 1612 verweisen auf die bereits getroffenen Feststellungen, dass sowohl Rat als auch die rebellierenden Handwerker versuchten, die Messe möglichst nicht zu beeinträchtigen, da sie um deren Bedeutung für das wirtschaftliche Wohlbefinden der Stadt wussten (SCHINDLING, S. 223 ff.).
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Ertrag ist für das Jahr 1716 verzeichnet (45.000 Gulden).212 Die Zahl der durchschnittlichen Messebesucher (gemeint sind zunächst nur die Kaufleute) gibt Dietz um 1600 mit ca. 2.000 an, wobei sich deren Herkunftsorte über das Reich (150 Städte) und das Ausland (50; einschließlich Schweiz und Niederlande) verteilen. Zu diesen Personen gesellten sich Bedienstete, Schiffer, Makler, höfische Einkäufer usw., so dass am Ende des 16. und am Anfang des 17. Jahrhunderts bis zu 5.000 Personen die Stadt besuchten – mehr als ein Viertel der Einwohnerzahl zu dieser Zeit.213 Dabei quoll die Stadt förmlich über, denn auch der Warenverkehr während der Messe fand innerhalb der Stadtmauern und in räumlich getrennten Bereichen statt, d. h. es gab weder einen besonderen „Messemarkt“ und schon gar nicht einen Verkauf auf einem offenen Platz vor der Stadt.214 Im 18. Jahrhundert stieg die Zahl der Messebesucher aus dem In- und Ausland weiter an215, wodurch sich auch die Zolleinnahmen erhöhten (1762: fast 220.000 Gulden), allerdings durch die politischen (militärischen) Ereignisse
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DIETZ, Bd. 1, S. 88. Die Schwankungen der Erträge verdeutlichen einige weitere Zahlen: Im Jahr 1644 betrugen die Einnahmen über 29.000 fl., 1649 (inzwischen war der Krieg zu Ende) aber nur knapp 23.000 fl. Zwischen 1680 und 1700 gab einige gute und einige schlechte Jahre, z. B. liefen die Geschäfte zwischen 1684 und 1688 passabel (während des vorübergehenden Friedens mit Frankreich). Doch zwei weitere Zahlen demonstrieren die Abhängigkeit der Messe bzw. auch allgemein des Handels von günstigen Rahmenbedingungen: 1696 lagen die Einnahmen bei etwa 24.500 fl., nach dem Frieden von Rijswijk zwei Jahre später bei 38.500 fl. DIETZ, Bd. 1, S. 82. Zur Einwohnerzahl siehe Tabelle 48 im Anhang. Die Unterbringung der Messfremden erfolgte in den Häusern der Frankfurter, die durch das Vermietungsgeschäft „mühelosen und reichlichen Gewinn“ erzielten, wobei nicht nur Wohn-, sondern auch Lager- bzw. Ausstellungsräume zur Verfügung gestellt wurden. Dabei waren einige Regeln zu beachten: Einerseits durften z. B. jüdische Messebesucher nur in der Judengasse wohnen, andererseits war es jedem Frankfurter gestattet, Fremde zu beherbergen, was außerhalb der Messezeiten nur den Gasthaltern gestattet war. Darüber hinaus erfolgte das Angebot der Waren geordnet, d. h. die Anbieter gleicher Produkte wurden zwecks besserer Übersicht für die Käufer zur gemeinsamen Präsentation ihrer Waren verpflichtet (so stellten Leinwand- und Spitzenhändler ihre Waren im Leinwandhaus aus) (S. 78 f., Zitat S. 78). DIETZ, Bd. 1, S. 79. Am Ende des 18. Jahrhunderts (1791) zählte Dietz über 250 deutsche und 70 ausländische Herkunftsorte, sowie 1.000 deutsche und 210 auswärtige Firmen (DIETZ, Bd. 1, S. 96-98, tabellarische Übersicht über die Herkunftsorte der Messebesucher in den Jahren 1776, 1791 und 1818). Daneben wuchs auch der allgemeine, nicht auf die Messezeit bezogene Handel, da die Stadt in dieser Zeit zum Finanzzentrum aufstieg und die Einwohnerzahl deutlich zunahm.
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wiederum beträchtlich schwankten. 216 Um 1800 schließlich wirkten sich die Ereignisse im Zuge der Auseinandersetzungen mit Frankreich und schließlich die französische Besetzung negativ aus – so versuchten die Besatzer im benachbarten Mainz eine Konkurrenzmesse zu etablieren, die gänzlich scheiterte. Der Niedergang war allerdings nicht mehr aufzuhalten: die Frankfurter Messe sank u. a. wegen der preußischen Schutzzollpolitik zu einem „besseren Jahrmarkt“ herab.217 Obwohl bei der bisherigen Betrachtung der einzelnen Prozessarten in den Kategorien Handel- und Gewerbe sowie Geldwirtschaft schon mehrere Kaufleute (unter ihnen auch Messebesucher) vorgestellt wurden, sollen diese nun nochmals gesondert betrachtet werden. Dabei soll auch geklärt werden, ob sich erneut der bisherige Trend bestätigen lässt, dass vor allem wohlhabende Kläger bzw. Prozessparteien den Weg nach Speyer und Wetzlar fanden. Da die Träger der hier vorgestellten Prozesse zu einem großen Teil Kaufleute waren, die insgesamt annähernd die Hälfte aller Frankfurter Kläger und Appellanten stellten (insgesamt 756 im gesamten Untersuchungszeitraum [ca. 46%]) 218 , ist diese Frage zum Teil bereits positiv zu beantworten, da die Händler im Allgemeinen zur vermögenden Mittel- sowie der Oberschicht im sozialen Gefüge der Stadt zu rechnen sind.219 Besonders die reichen Fernhandelskaufleute gehörten schon im Mittelalter zum städtischen Patriziat220 und bildeten innerhalb dieser noch 216
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In der Zeit des Spanischen Erbfolgekrieges wirkte sich das erneute Handelsverbot geschäftsschädigend aus, dann gab es mehrere gute Jahre nach dem Frieden von Utrecht, einen weiteren Einbruch bis 1725, eine kurze Erholung und eine erneute Rezession in den nächsten Kriegen. Allerdings wirkte sich die französische Besetzung während des Siebenjährigen Krieges positiv aus, da viele Kaufleute hierher auswichen (daher auch die großen Einkünfte zwischen 1759 und 1762 mit mindestens 170.000 fl. jährlich, 1763 waren es nur noch 160.000 fl. und bis 1772 – am Ende der schweren Finanzkrise [siehe oben die Ausführungen zu Hamburg] – sanken die Einnahmen auf 114.000 fl.; Leipzig bekam den Krieg zwischen Österreich und Preußen zu spüren) (DIETZ, Bd. 1, S. 94 ff.). P. C. HARTMANN, Messefreiheiten, Messeprivilegien, Messerecht und Fremdenrecht in der Frühen Neuzeit, in: H. POHL (Hrsg.), Frankfurt im Messenetz Europas – Erträge der Forschung (Band 1 der Reihe: R. KOCH [Hrsg.], Brücke zwischen den Völkern. Zur Geschichte der Frankfurter Messe, 3 Bände), Frankfurt a. M. 1991, S. 249-261, hier S. 257. Siehe Kapitel II.3 und besonders Tabelle 24. Dass nicht alle Kaufleute zu dieser Gruppe zu zählen sind, werden im Verlaufe der Betrachtung einzelner Prozessparteien die „pauperen“ Kaufleute zeigen, die allerdings nur vereinzelt auftreten (siehe unten). Dies kann nicht verwundern, da schon die allgemeine quantitative Untersuchung demonstrierte (siehe Kapitel II.3), dass der Anteil der armen Parteien in Frankfurter Prozessen am Reichskammergericht limitiert war. BUND, S. 76. Weitere Angehörige der städtischen Oberschicht waren Angehörige des Ministerialadels, freie Grundbesitzer und sehr reiche Handwerker.
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nicht abgeschlossenen Schicht die bedeutendste Gruppe.221 Daran änderte sich auch im 17. und 18. Jahrhundert wenig, die Sozialstruktur blieb ständisch bestimmt, angeführt vom Patriziat, welches sich weitgehend von seinen früheren Handelsgeschäften zurückgezogen hatte und stattdessen von Einkünften aus Immobilienbesitz, einem militärischen Kommando oder als Repräsentant auswärtiger Höfe lebte. Darüber hinaus dominierte dieser vergleichsweise kleine Kreis von Familien die Politik des Rates. In der städtischen Sozialstruktur folgten an zweiter Stelle vor den Handwerkern die Kaufleute, die im Gegensatz zum lutherischen Patriziat aus allen vier Konfessionen stammten, wenn auch Juden, Katholiken und Reformierte z. T. Sonderregeln222 unterworfen waren. Die durch den Fettmilchaufstand ausgelösten Veränderungen hatten zu einer Auflösung der bürgerlichen Gesellschaften geführt223, so dass erst 90 Jahre später mit den Börsenvorstehern eine Interessenvertretung der Kaufleute existierte. Es dauerte sogar bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, ehe Angehörige dieser wirtschaftlich potentesten Schicht innerhalb der Stadt auch politisch den Status einer „bürgerlichen Elite“ erreichten – vorausgesetzt, es handelte sich bei ihnen um Protestanten. 224 Der dritte und größte Stand innerhalb der städtischen Gesellschaft wurde von den Handwerkern gebildet, die jedoch erst im nächsten Kapitel genauer untersucht werden225, darunter rangierten Gesellen, Gesinde und Bettler (kurz: die städtische Unterschicht).226 Zu den in Frankfurt Klagenden gehörten regelmäßig auch auswärtige Kaufleute227, die einen kleinen Einblick in die Reichweite der internationalen Han221 222
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BUND, S. 77. Siehe unten die Ausführungen zu den fremden Kaufleuten (die meist nur ein eingeschränktes Bürgerrecht erhielten [Beisassen]) sowie den Frankfurter Juden, die – wie auch in anderen Städten des Reiches – eine rechtliche Ausnahmestellung innehatten. KOCH, Grundlagen bürgerlicher Gesellschaft, S. 11. Ein Dekret der kaiserlichen Kommission zur Untersuchung bzw. Vermittlung während des Fettmilchaufstandes und seiner Folgen verbot 1616 „bey Straff Leib und Lebens, Ehr, Hab und Guts“ die Zünfte und alle anderen Gesellschaften (mit nur einigen Ausnahmen, u. a. die Alten Limpurger). HOLTFRERICH, S. 85 f., Zitat S. 86. Zum Ende des 18. Jahrhunderts stieg der Anteil der Kaufleute in den von Bürgern besetzten Kontrollausschüssen und dem Rat. Die Einrichtung der Ausschüsse war der Umsetzung mehrerer kaiserlicher Resolutionen aus dem ersten Drittel des 18. Jahrhunderts geschuldet – so entstanden der „51er-Ausschuss“ (als Kontrollorgan des Rates) und das „28er-Kolleg“ (Aufsicht über die städtischen Finanzen“) (KOCH, Grundlagen der bürgerlichen Gesellschaft, S. 24 ff.). Siehe Kapitel IV. KOCH, Grundlagen der bürgerlichen Gesellschaft, S. 108 ff. Siehe oben die Anmerkungen zu den Prozessen, in denen keine der Parteien aus Frankfurt kam. – Bedenkt man dazu noch, dass im 17. und 18. Jahrhundert nur etwa 25-30%
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delsbeziehungen Frankfurts geben, die ihre Basis in den Messen hatten. Auf der Herbstmesse fallierte der Frankfurter Faktor des Lyoner Handelsmannes Matheus (Mathes) Spon, Karl Ott, der von Venedig aus stets die Frankfurter Messe besuchte. Dieser Bankrott schlug sich in einem Prozess am Reichskammergericht nieder, den die Erben des Spon 1594 gegen einen Augsburger Kaufmann nebst Konsorten anstrengten. Hintergrund des Streits war ein Wechselbrief über 1.800 Dukaten von Ott an Spon, zahlbar an die Beklagten. Spon verweigerte nach dem Bankrott seines Faktors die Auszahlung und wurde, da er sich selbst auf der Herbstmesse 1592 aufhielt, arretiert. Im Gegenzug setzte Lyon die dort lagernden Waren der Beklagten ebenfalls fest, woraufhin die Parteien an das Frankfurter Schöffengericht zogen (1593), welches Spon zur Zahlung verurteilte.228 Dietz nennt ein zweites Beispiel für die Internationalität Frankfurts, nämlich Edemaeus Matalon von Besançon. Der verkaufte in Lyon sein Geschäft (u. a. Teppichhandel) nebst seinen Filialen in Prag, Leipzig und Frankfurt an Paul und Peter Fermond in Nürnberg unter der Verpflichtung, seine Waren und Außenstände auf der nächsten Frankfurter Messe an die Käufer zu übergeben, die dann auf drei folgenden Ostermessen jeweils 2.000 Gulden an ihn bezahlen würden.229 Auch dieses Geschäft landete Jahre später (1633) am Reichskammergericht. Im genannten Jahr war gegen Paul Fermond und Konsorten von Aymon Buttod Madalon – einem während des Prozesses verstorbenen Bürgers und Kaufmannes aus Besançon – geklagt worden, weil der
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der Einwohner der Stadt tatsächlich aus Frankfurt stammten, ist das wenig überraschend (HOLTFRERICH, S. 85). Entsprechend groß war der Anteil von Frankfurter Klägern und Appellanten, die zumindest ihrem Namen nach wohl als Fremde gelten mussten (also nach ihrem rechtlichen Status Einwohner oder Beisassen waren) – ihre Verfahren machten ca. ein Viertel der Frankfurter Handelsprozesse aus (die Ermittlung einer genauen Anzahl ist wegen der bereits angesprochenen, für Hamburg ähnlich vorhandenen Schwierigkeiten nicht möglich). Dagegen hatte der Kläger am RKG appelliert (KALTWASSER, S. 957 f., S126 sowie auch DIETZ, Bd. 1, S. 69). Die sponschen Erben treten in einem weiteren Fall in Erscheinung, nämlich 1602. Ein Frankfurter Kaufmann appellierte in einem Prozess gegen einen Straßburger Kaufmann und forderte eine Arretierung dessen Waren bis zur Bezahlung einer Forderung über 471 Franken. Dieses Geld war dem Beklagten in einer verschlossenen Schachtel auf der Herbstmesse 1601 zur Lieferung an die sponschen Erben übergeben worden, dort aber nie angekommen (KALTWASSER, S. 686, K83). Interessant ist hier, dass zu einer Zeit, als Kreditpapiere sich längst durchgesetzt hatten, Bargeld verschickt wurde. DIETZ, Bd. 1, S. 69 f.
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Appellant die 1619230 übergebenen und weiterverkauften Waren mit schlechter Münze bezahlt hätte, weswegen Madalon am Frankfurter Stadtgericht (Vorinstanz, ebenfalls 1633) die Arretierung der Waren des Appellanten erwirkte.231 Unter den fremden Klägern befindet sich auch ein Pariser Bankier (Franz Adam Baron von Holbach, aus der Pfalz gebürtig), der 1750 gegen einen Frankfurter Kaufmann nebst Ehefrau prozessierte. 232 Der Beklagte, Jean (Johann) Noe(l) Gogel d. Ä.233, war Besitzer einer Wechselhandlung, die er ob des Schadens für seinen Ruf und die eigene Kreditwürdigkeit nach der Klageerhebung aufgeben musste. Was war geschehen? 1720 hatte der Beklagte dem Kläger einen Schuldschein zur Abwendung des eigenen Bankrotts ausgestellt (bei dem Gogel mit seinem gesamten Hab und Gut inklusive seines Wohnhauses haftete), dessen Einlösung der ehemalige Freund des Beklagten nun forderte (ca. 21.500 Rtlr.). Holbach, mit Mississippi-Aktienspekulationen234 reich geworden, 230
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Zur Kipper- und Wipperzeit in Frankfurt siehe K. SCHNEIDER, Frankfurt und die Kipper- und Wipperinflation der Jahre 1619-1623 (Mitteilungen aus dem Frankfurter Stadtarchiv, 11), Frankfurt a. M. 1990. KALTWASSER, S. 337 f., F35. Nach den Ausführungen des klägerischen Anwalts (#7) hatte Edameus Matalon den ursprünglichen Preis um 20% auf die genannten 6.000 fl. erhöht (wegen verschiedener Unkosten, u. a. Fracht), aber sich zur Drittelung der Zahlung bereit erklärt, deren letzte Fälligkeit für 1629 vereinbart wurde. Siehe auch K. SCHNEIDER, Frankfurt und die Kipper- und Wipperinflation, sowie SCHNEIDER, Schmelzzettel, S. 105 f. Neben der Überwachung des Zahlungsverkehrs durch den Frankfurter Rat als Reaktion auf die gezielten Münzmanipulationen am Beginn des Dreißigjährigen Krieges (siehe oben) folgte 1705 ein Verbot der Münzausfuhr nach Frankreich (Gold und Edelmetall) im Zuge der vom Kaiser angeordneten merkantilistischen Maßnahmen während des Krieges mit Frankreich. Zur Eindämmung der Geld- und Kreditkrise im Siebenjährigen Krieg erließ der Kaiser 1760 ein Mandat gegen „Hecken- und andere verbottenen Münzstätten“ (SCHNEIDER, Schmelzzettel, S. 105), womit die Geldspekulationen unterdrück werden sollten – letztlich erfolglos, was für Hamburg auch deutlich anhand mehrerer relevanter Prozesse am RKG bewiesen werden konnte (siehe oben). In Frankfurt scheinen die Maßnahmen (der Rat erließ zusätzlich eigene Mandate) etwas erfolgreicher gewesen zu sein – zumindest ist keine Fallhäufung bezüglich Konkursen oder Wechselsachen zu dieser Zeit in Frankfurt festzustellen. Siehe dazu auch K. SCHNEIDER, Frankfurt a. M. und die Geldkrise des 18. Jahrhunderts, in: ScrM, 39, 2005, S. 1-44. Zu weiteren Bankiers, die teilweise nach Frankfurt eingewanderte Vorfahren haben, siehe unten. Dass auch Gogel bzw. seine Familie zur städtischen Oberschicht gehörte, zeigt ein Blick auf seinen Sohn, Johann Noel Gogel (d. J.), der – selbst ebenfalls Kaufmann – 1806 Senator in Frankfurt wurde und von diesem Amt drei Jahre später aus gesundheitlichen Gründen zurücktrat (KOCH, Grundlagen bürgerlicher Herrschaft, S. 400 f.). In diese Papiere investierten am Anfang des 18. Jahrhunderts auch Mitglieder der Familie de Rhon (siehe in den nächsten Beispielen), die so ebenfalls ein ansehnliches Vermögen von mehreren Millionen Gulden anhäuften.
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hatte als Dank für die Mithilfe Gogels bei dubiosen Börsengeschäften eigentlich Geheimhaltung versprochen. Die Sache ging vor Gericht, weil der Beklagte, gleichwohl inzwischen saniert, nur einmal knapp 7.000 Gulden der geschuldeten Summe zurückgezahlt hatte (1723).235 Dieser Prozess ist der einzige mit einem unmittelbaren Hinweis auf die – seit 1585 organisierte236 – Börsentätigkeit von in Frankfurt klagenden Kaufleuten und Bankiers, wobei unklar ist, ob es sich um Spekulationen an der Frankfurter Börse handelt. Allerdings gibt es drei weitere Prozesse unter Beteiligung der Bankiersfamilie de Ron (Rhon)237, deren Handels- und Bankhaus wegen missglückter Aktienspekulationen vor dem Hintergrund der Amsterdamer und Londoner Börsenkrisen im Oktober 1720 zusammenbrach.238 An diesen Beispielen zeigt sich die bereits in der Frühen Neuzeit vorhandene Vernetzung der Finanzwelt (sowie des Handels, siehe oben), quasi die Vorstufe der heutigen globalisierten Wirtschaft, wenn auch die modernen Kommunikationsmittel zur Beschleunigung des Informationsaustausches noch nicht zur Verfügung standen. So wird hier keineswegs um „bescheidene“ Summen von einigen tausend Gulden gestritten239, sondern seitens der
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KALTWASSER, S. 463 f., H62. Zur Erinnerung: 1585 waren von mehreren Kaufleuten die Geld- und Wechselkurse festgeschrieben worden, womit der Börsenverkehr eröffnet wurde (DIETZ, Bd. 1, S. 73). Neben den drei Prozessen um Aktienspekulationen, die in der Folge näher vorgestellt werden, gibt es zehn weitere Prozesse am Ende des 17. und in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts unter Beteiligung von Mitgliedern der Bankiersfamilie de Rhon (siehe unten). 1723 (zweimal) und 1725 klagten Mitglieder der Familie de Rhon gegen die Kuratoren der Faesch’schen Kreditmasse (Firma der Witwe des Johann Rudolf Faesch und Isaak Faesch, Amsterdamer Korrespondenten der Kläger), da diese die „Spekulationswut“ der Söhne Johann Martin de Rhons (Inhaber der Rhonschen Handlung zum Zeitpunkt des Zusammenbruchs, der allerdings bei Prozessbeginn bereits verstorben war) und besonders das Geschäftsgebaren von Johann Conrad de Rhon kritisierten: Die Rede ist vom „windigten actienhandel“ und der Vorgaukelung großer Gewinne, obwohl Johann Conrad zunächst vor allem mit Spekulationen von Mississippi-Aktien viel Geld gemacht hatte. Die Gewinne verlor er allerdings bei weiteren riskanten Investitionen in England und Frankreich. Dagegen nimmt sich der Prozess seines Bruders Samuel de Rhon gegen die Kreditoren (1725) bescheiden aus, der gegen die Forderung zur Rückgabe von Briefen und Skripturen der Firma Faesch eigene Ansprüche stellte. Er sei bereit zur Herausgabe der Unterlagen, wenn man ihm mehrere in Amsterdam verbliebene Koffer und eine „Restitution von 500 fl.“ gewähre, wobei er die genannte Summe angeblich zur „Alimentation der Faesch’schen Dienstboten vorgeschossen“ hatte (KALTWASSER, S. 849 ff., R23, R26, R35). Wobei „einige tausend Gulden“ schon das Lebenseinkommen eines normalen Handwerkers übersteigen konnten, lag doch das Jahreseinkommen eines Handwerksgesellen Mitte
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ebenfalls fallierten Amsterdamer Firma Faesch bestanden Forderungen von fast 2,3 Millionen (!) Gulden.240 Dennoch ist die Höhe der Forderungen nachvollziehbar, war doch der „vornehme“ Bankier Johann Martin de Rhon241 schon drei Jahrzehnte zuvor (1690) größter Steuerzahler der Stadt Frankfurt (120.000 Gulden).242
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des 18. Jahrhunderts bei durchschnittlich 100 Talern (siehe unten Kapitel IV sowie SCHULTZ, S. 105). KALTWASSER, S. 851 f., R26. Zu diesem Zeitpunkt war übrigens Heinrich von Barckhausen d. Ä. Bürgermeister (Koch, Grundlagen bürgerlicher Herrschaft, S. 380), der an den Anwalt der Beklagten (die Kuratoren der Faesch’schen Kreditmasse) schrieb, dieser möge die für diesen Fall beiliegenden Briefe des Klägers komplett einreichen und nicht nur in Teilen, da sonst deren Sinn entstellt werde. „Hochedler, die beyln. in lingua gattica, worauf sich der Herr Joh. Conr. De Rhon beziehet, sind extractus aus einigen brieffen, welche wann die gantze brieffe gelesen, einen gantzen andern sensum produciren werden, und wären das eintzige, welches ich etwa zu erinnern hätte, daß E. H. diesen anlagen, als ohnvollkommenen stücken, und welche ohne producirung der gantzen brieffen, oder correspondenz, nichts probiren könten, in specie in dem abzuhaltenden recess contradiciren möchten.“ (#15, Extrakt eines Schreibens an den Anwalt der Beklagten). – Auch andere Kaufleute waren von der Bankrottwelle direkt oder indirekt betroffen, z. B. die Handlung von Theodor Gottlieb Braun und Jacob Philipp Dreyer aus Frankfurt, deren Kreditoren (darunter auch der Bankier Johann Martin de Rhon) 1722 gegen ein Urteil zugunsten der Ehefrau des Fallitens Braun appellierten. Das Frankfurter Schöffengericht hatte 1720 einer Separation der Mitgift der Ehefrau Brauns aus der Konkursmasse des Geschäfts Braun & Dreyer zugestimmt (KALTWASSER, S. 155, B38). So bezeichnet in seinem RKG-Prozess gegen den Beauftragten der Töchter aus der zweiten Ehe des Dr. Chombart. In dem besagten Fall von 1699 wurde um die Begleichung bzw. den Ersatz von ca. 1.280 Rtlr. aus einer Gesamtzahlung von ca. 2.800 Rtlr. gestritten, da ein Teil dieser Zahlung in schlechter Münze erfolgt sein soll (Hintergrund war eine Erbauseinandersetzung der Kinder des dreimal verheirateten Chombart). Dies ist plausibel, da der Kläger zwischen 1693 und 1696 in eine Untersuchung wegen Münzverbrechen verwickelt war. Die verhandelten Summen nehmen sich gegenüber den Forderungen von 1720/1723 geradezu mickrig aus (KALTWASSER, S. 849, R22). – Nach der ersten Kipper- und Wipperzeit am Anfang des Dreißigjährigen Krieges begann in den 1650er Jahren eine zweite, weswegen eine Vielzahl neuer, auf verschiedenen Münzfüßen basierende Münzen ausgeprägt wurde. 1690 versuchten Sachsen, Brandenburg und Braunschweig-Lüneburg mit dem Leipziger Rezess für ihre Territorien eine einheitliche Münzbasis zu schaffen. Diesem Vertrag trat Frankfurt noch im selben Jahr bei und 1693 übernahm der Kaiser diesen Fuß zur Neuberechnung des Reichstalers, dessen Wert nun mit zwei Gulden bzw. 120 Kreuzern angegeben wurde (HOLTFRERICH, S. 99 ff.). DIETZ, Bd. 4, S. 188. Im Jahr 1710 gelang ihm dies zum dritten Mal, wobei er jetzt bereits 225.000 fl. zahlte.
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Eine nicht nur für Frankfurt, sondern für die kulturelle Entwicklung des Reiches, ja Europas wichtige Gruppe waren die Buchhändler und -drucker243, deren bedeutendste uns in mehreren Prozessen am Reichskammergericht begegnen.244 Acht Fälle mit Beteiligung von Buchhändlern stammen aus dem 16. Jahrhundert, 23 aus dem 17. und 18 aus dem 18. Jahrhundert. Ein Teil dieser Buchhändler ist gleichzeitig als Drucker (Buchdrucker werden in 43 Fällen genannt mit abnehmender Tendenz im Verlaufe der Frühen Neuzeit) oder sogar Verleger (13) anzusprechen. Bis zur Mitte des Dreißigjährigen Krieges lief das Buchgeschäft – parallel zur Messe – glänzend, doch dann übernahmen verschiedene kaiserliche Kommissare die Aufsicht über den Frankfurter Büchermarkt, in den sie mittels Zensur, Beschlagnahme und Verboten zum Nachteil des Buchhandels eingriffen. Ein „Zensur-Brief“ Kaiser Karls VI. von 1715245 untersagte die Verbreitung schmähender Schriften, Drucke und Bilder, doch schon zuvor hatten verschiedene Kommissare wie der aus Frankfurt stammende kaiserliche Rat Ludwig von Hörnigk für die Durchsetzung kaiserlichkatholischer Interessen gesorgt. Dennoch kann u. a. dank des Frankfurter Buchhändlers Franz Varrentrapp, der in insgesamt elf Wetzlarer Verfahren erwähnt wurde, eine Wiederbelebung des Buchhandels zur Mitte des 18. Jahrhunderts festgestellt werden.246 Der Kameralist Ludwig von Hörnigk – Doktor der Medizin und der Jurisprudenz, kaiserlicher Rat und dieser Eigenschaft auch Frankfurter Bücherkom243
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Obwohl der Beruf des Buchdruckers eigentlich in den Bereich des Handwerks einzuordnen ist, werden die in der Folge genannten Herren zu den Kaufleuten gerechnet, da sie zwar auch Druckereien besaßen, vor allem aber mit den Büchern handelten und mittels dieser Geschäftsverbindung (Druck und Handel sowie eventuell auch Verlag) wohlhabend wurden – d. h. sie hatten einen ganz anderen sozialen Status als etwa einer ihrer eigenen, lohnabhängigen Drucker oder Typensetzer inne. – Zum Frankfurter Buchhandel siehe ausführlich u. a. DIETZ, Bd. 3, Erster Abschnitt. 30 Prozesse beschäftigen sich direkt oder indirekt mit Nachdruck, Aufbewahrung und Preisen von Büchern, 21 mit dem Buchhandel und weitere einzelne Prozesse mit Buchdruckerprivilegien (sieben Fälle) sowie Papierbereitstellung (vgl. KALTWASSER, S. 46). Noch zu Lebzeiten Feyerabends und Bassées wurde vom Rat der Stadt eine Ordnung gegen den Nachdruck erlassen (1588), die bestimmte, „dass jeder Nachdruck, auch in anderem Format oder mit anderem Titel, an anderem Ort oder mit verändertem oder verbesserten Inhalt, verboten sein solle. Nur wenn ein Werk bis auf etwa 100 Exemplare verkauft und trotz Nachfrage binnen zwei Jahren nicht neu aufgelegt würde, war eine Ausnahme gestattet.“ (DIETZ, Bd. 3, S. 34 f.). Auszüge finden sich bei Kaltwasser, S. 354 ff., die aus der Akte eines Prozesses stammen (siehe oben Kapitel II.2 zu den Prozessen des kaiserlichen Fiskals; KALTWASSER, S 354 ff., F63). KALTWASSER, S. 47 ff.
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missar – ist in sieben Prozessen am Reichskammergericht vertreten, allerdings nicht in seiner Eigenschaft als Bücherkommissar, sondern vor allem in Familiensachen sowie „auch in seiner Eigenschaft als verleumderische Person“. 1645 klagte er gegen Bürgermeister, Schöffen und Rat der Stadt Frankfurt aus Protest gegen seine angeordnete Verhaftung, obwohl er unter kaiserlichem Schutz stehe. Der Verhaftungsgrund ist leider aus der Akte nicht ersichtlich – allerdings könnte er aus Streitigkeiten zwischen dem Kläger und der Stadt herrühren. Zwei Jahre zuvor hatte ihm letztgenannte seine Entlassung als städtischer Arzt angedroht und ihn verhaften lassen, da er „anzüglich und hitzig“ gegen Frankfurter Materialisten geschrieben hatte, auf deren Seite sich die Stadt stellte. In seiner Tätigkeit als Bücherkommissar visitierte er die örtlichen Druckereien, beschlagnahmte Bücher bei Messfremden und inspizierte ab 1661 auf kaiserlichen Befehl den amtlichen Messekatalog noch vor dessen Druck.247 Gleichfalls sieben Verfahren benennen Varrentrapp als Kläger in Wetzlar.248 In einem dieser Fälle überwarf er sich 1758 mit der Frankfurter Buchdruckergesellschaft, da diese ihm vorwarf, unrechtmäßig eine Druckerei zu betreiben – er habe das Druckerhandwerk nicht zunftmäßig gelernt.249 Der bereits erwähnte 247
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DIETZ, Bd. 3, S. 67 ff. KALTWASSER, S. 476, H86. Schon die Buchdruckerordnung von 1573 legte in Artikel 3 eine Selbstzensur der Drucker unter Hinweis auf die Reichsverfassung fest: „Zum andern, als des heiligen reichs constitutiones und satzungen allen und jeden stenden und also fürnemlich allen truckern aufferlegen und verbieten, kein famos libel oder schmeheschrifften weder heimlich noch öffentlich zu trucken oder nachzutrucken, auch anderswo getruckt nit feil zu haben etc., so wöllen wir hiemit alle und jede trucker und gesellen ernstlich erinnert und vermanet haben …“ (K. BÜCHER, B. SCHMIDT [Hrsg.], Frankfurter Amts- und Zunfturkunden bis zum Jahre 1612 [Veröffentlichungen der Historischen Kommission der Stadt Frankfurt a. M., VI], Bd. 1, Frankfurt a. M. 1914, S. 139 ff., hier S. 140). Ebenso verlangten die Ausführungen des Rates zum Messebuchhandel bereits am Ende des 16. Jahrhunderts eine Vorlage der Kataloge zur Prüfung durch die Obrigkeit: „Und dann ordnen und wöllen wir, erstlichen, so offt und wann angeregte buchhändler, verläger und truckhere unsere freie und offentliche messen zugebrauchen vorhabens, daz sie alle und jede messen, ehe und daz die buchgaden uffgethan und die buecher zue failem kauff vorgelegt werden, indicem oder catalogum dero buecher, so sie von einer meß zue der andern getruckht und truckhen lassen, die seien groß und klein, von einem halben, gantzen oder mehr bogen und charten, nichtzit ußgescheiden, inn unser statt cantzlej mit volkomlichen tituln oder inscriptionen lieffern und unserer censur underwerffen sollen.“ (Artikel 3, S. 172 f.). Zu diesen kommen vier Fälle, in denen andere Parteien Varrentrapp verklagten oder aber dessen Druckwerke in Prozessen zitiert werden. KALTWASSER, S. 49, 1022 f., V3 (Aktennummer 1512; es gibt insgesamt fünf Prozesse mit der Signatur V3 [vier von Franz und einer vom Kaufmann Heinrich Adam Varrentrapp]). Die Vorsteher der Buchdruckergesellschaft warfen dem Appellanten vor, „sich aus eigener Autorität der Buchdruckerei zu unterziehen“. Er habe die Druckerei
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Christian Egenolff 250 sowie Siegmund Feyerabend 251 , Nikolaus Bassée 252 und Johann(es) Aubry 253 sind ebenfalls als Prozessparteien zu benennen. Dabei
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zunächst heimlich von einem Buchdrucker führen lassen und dann einen Faktor eingesetzt – der Rat habe dieses Verhalten stillschweigend geduldet. In einem 1584 an das RKG getragenen Fall werden Egenolff und Feyerabend nur erwähnt. Nikolaus Bassée klagte auf die Aufhebung eines Urteils, wonach er einem Straßburger Papierhersteller seit 1572 100 fl. zuzüglich 5% Zinsen jährlich schulde. In einer der Prozessbeilagen beschwerte sich der Kläger über seine „Mißgönner“ Egenolff und Feyerabend, die eine von ihm gedruckte Bibel bei der Obrigkeit als „calvinisch“ angezeigt hätten, woraufhin ihm die Angabe Frankfurts als Druckort untersagt wurde, obwohl er argumentierte, dass mit Hilfe Matthias Ritters die Bibel durch „fleißiges durchsehen und corrigiren viel volkstümlicher geworden“ sei (KALTWASSER, S. 147, B22 [im Findbuch „B2“, Druckfehler]). In einem nur noch als Vorakte erhaltenen Fall von 1542 klagte ein Frankfurter Buchdrucker gegen seinen Gesellen wegen einer Entschädigung von 20 fl., da dieser nach drei Wochen seinen Dienst verlassen habe, um in den Krieg zu ziehen. Darüber hinaus äußerte er Zweifel an der fachlichen Eignung seines Angestellten und führte als Zeugen Egenolff an. Zehn Jahre später gab es einen ähnlichen Fall, als die Witwe des inzwischen verstorbenen Druckers gegen einen anderen Gesellen prozessierte, der ebenfalls 20 fl. Schadensersatz wegen Bruchs des Arbeitsvertrages zahlen sollte (KALTWASSER, S. 628, J 274, J275). In einem dritten Prozess von 1533 war Egenolff schließlich selbst der Beklagte, der von einem Straßburger Kollegen wegen Privilegienverletzung belangt wurde. Der Kläger warf dem Beklagten – modern gesprochen – Plagiatismus vor. Dieser habe ein Kräuterbuch, für dessen Druck der Kläger ein Privileg Karls V. besitzt, nachgedruckt und 1533 auf der Ostermesse angeboten, weshalb dem Kläger großer finanzieller Schaden entstanden sei (wegen der Abbildungen, die genau wie die mühsam hergestellten Originale des Klägers aussehen) (KALTWASSER, S. 950, S116). – Bei BENZING, S. 119 ff. werden 92 Buchdrucker für Frankfurt im 16. und 17. Jahrhundert erwähnt, von denen die bedeutendsten in RKG-Prozessen nachgewiesen werden können. Zu diesen zählt natürlich auch Egenolff, der in seiner Zeit in Frankfurt (1530-1555) mehr als 500 Werke aus allen Wissenschaftsgebieten druckte (BENZING, S. 120 f.). Feyerabend (auch Sigismund genannt) war über 30 Jahre (1559-1590) in Frankfurt tätig und wurde zu einem der bedeutendsten Verleger im Alten Reich, dessen größter Konkurrent Bassée ebenfalls in Frankfurt arbeitete. Der Wert seines Bücherlagers wird für das Jahr 1587 mit 14.000 fl. angegeben (234 Verlagswerke) (SCHINDLING, S. 250. DIETZ, Bd. 3, S. 29 ff.). Neben der Erwähnung Feyerabends im Prozess B22 (siehe oben FN 1240) tauchte einer seiner Kataloge (von 1574) in den Beilagen in einem Streit um den Nachlass Nikolaus Bassées auf. Darüber hinaus begann sein Schwiegersohn Cuno Wiederhold (kurtrierischer und hessischer Schultheiß zu Niederbrechen und Ehemann der feyerabendschen Tochter Maria) zwischen 1596 und 1597 fünf Prozesse am RKG (die teilweise bis 1622 andauerten) um den Nachlass seines Schwiegervaters gegen die Brüder seiner Frau bzw. den Rat der Stadt (KALTWASSER, S. 145 ff., 1072 f., 1086, 1093 f., B21, W44, W45, W67, W98, W99). An einem weiteren Fall war er ebenfalls beteiligt (siehe unten FN 1243). – Da Feyerabend verlegerisch tätig war und wohl nicht selbst druckte, wird er bei Benzing nur indirekt erwähnt (bei Bassée als dessen Konkurrent), jedoch ist
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belegen ihre Verfahren zum einen die finanzielle Potenz der Beteiligten, die teilweise mehrere Fälle an das Reichskammergericht bringen (und bestimmt weitere an den Frankfurter Gerichten verhandelten), zum anderen illustrieren sie, dass die Verleger und Drucker neben ihren beruflichen auch mit privaten Problem zu kämpfen hatten und sich nicht scheuten, den vollständigen Instanzenweg zu beschreiten. Dabei fällt erneut ins Auge, dass sich die angestrengten Klagen und Appellationen vor allem gegen Angehörige des eigenen Berufsstandes bzw. der eigenen sozialen Schicht richteten.254 Interessante familiäre Querverbindungen ergeben sich aus der Person des Lüttichers Theodor de Bry (d. Ä.), der 1590 als Flüchtling in Frankfurt einen Verlag aufbaute und als ge-
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einer seiner Verwandten, Johann Feyerabend, vermerkt, der ebenfalls Frankfurter Bürger wurde und für Siegmund mehrere Werke druckte (BENZING, S. 127). Nikolaus Bassée war ein wallonischer Glaubensflüchtling und gehört ebenfalls zu den bedeutenden Frankfurter Verlegern und Buchdruckern im 16. Jahrhundert. 1561 als mittelloser Buchbinder in die Stadt gekommen, erwarb er durch eine bürgerliche Heirat selbst das Bürgerecht und hinterließ bei seinem Tod ein Vermögen von ca. 33.400 fl. In der Dekade nach 1566 verlegte er 93 Werke, darunter neben Till Eulenspiegel u. a. auch Fachliteratur. Über den Druck einer 1582 begonnenen Bibel geriet er mit Feyerabend in Streit (KALTWASSER, S. 147. DIETZ, Bd. 3, S. 32 ff. BENZING, S. 124 f.). Dass es in den RKG-Prozessen nicht nur um berufsbezogene Streitigkeiten ging (siehe oben FN 1240), beweist ein Fall aus dem Jahr 1588, als Bassée eine geb. Stalburg wegen der Störung seiner Lichtgerechtigkeit verklagte (KALTWASSER, S. 240, B175). Aubry ist ein Schwiegersohn von Andreas Wechel, einem französischen Calvinisten. Der Schwiegervater floh infolge der Batholomäusnacht 1572 von Paris nach Frankfurt, wo er seinen Verlag samt Druckerei und Buchhandel neu eröffnete, während seine im gleichen Beruf tätigen Schwiegersöhne nach Wien und Prag gingen. Bis zu seinem Tod 1581 florierte sein Unternehmen, welches die Schwiegersöhne (der zweite ist Claude de Marne) übernahmen, die 1584 zusammen mit einem von Feyerabend abgekauften Geschäftshaus ebenso das Frankfurter Bürgerrecht erwarben. Die beiden gehörten auch zu den „Umsiedlern“, die 1596 dem Ruf des hanauischen Grafen folgten, allerdings beließen sie ihr Unternehmen in Frankfurt (SCHINDLING, S. 250 und DIETZ, Bd. 3, S. 37 f., 74 ff. BENZING, S. 127 f.). 1594 wurden Aubry und sein Kompagnon, der Buchdrucker Johann Gymnicus aus Köln, von den Erben Siegmund Feyerabends (darunter auch Cuno Wiederhold) verklagt, da sie mit dem Nachdruck der Consilia Menochii ein feyerabendsches Privileg gebrochen hätten. In einem Privileg Kaiser Rudolphs, welches der Akte beiliegt, wird das Sammelwerk des Juristen Menochi ausdrücklich genannt (KALTWASSER, S. 334, F29). Auszug aus dem Privileg (#1): Danach habe „erwelter Sigmundt Feierabent“ das „Kay. Privilegium vnnd Freibrif, Consilia vnnd opera. Sonderlich Francisci Bursati. Johannis Cephati. Aymonis Gravettae vnnd Jacobi Menochij. Zu trucken vnnd zu Complirn“. Eine Ausnahme bildet eine Klage Johann Feyerabends (Sohn von Siegmund Feyerabend und ebenfalls Buchdrucker), der in einem Nachlassstreit gegen einen Metzgermeister appellierte (KALTWASSER, S. 335, F30).
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lernter Kupferstecher die Verbreitung des Kupfer- anstelle des Holzstichs förderte. Sein gleichnamiger Sohn übernahm den Verlag und nach dessen Tod Matthäus Merian d. Ä., der mit der Tochter des jüngeren de Bry verheiratet war. Merian und sein Sohn verlegten im eigenen Verlag mehrere Kupferstiche mit Ansichten deutscher Städte, darunter auch mehrere von Frankfurt. 255 In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wurde die Stadt zum wichtigsten Druckzentrum im Reich und konnte eines der umfangreichsten Buchangebote Europas vorweisen, „das … hinter keiner Stadt der Christenheit zurücksteht, selbst nicht hinter Basel …“. 256 Da die Werke der Verleger und Drucker von den sozial oberen Schichten der Stadt stetig nachgefragt wurden, stiegen deren Ansehen und Wohlstand. Verschiedene Repräsentanten der in Frankfurt entstandenen, reichsstädtisch geprägten humanistischen Bürgerkultur legten bedeutende Büchersammlungen an und vermachten diese nach ihrem Tod der Stadtbibliothek.257 Mit dem kriegsbedingten, temporären Niedergang der Messen Anfang der 1630er Jahre verlor Frankfurt auch als Buchzentrum an Bedeutung und konnte sich nach dem Krieg nur noch als wichtiges Zentrum innerhalb des Reiches behaupten – der europäische Anspruch war dagegen verloren.258 Den255
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SCHINDLING, S. 251. DIETZ, Bd. 3, S. 90 f. Siehe Kapitel II.3 und den Prozess KALTWASSER, S. 750 f., M29, bei dem allerdings eine spätere Ehefrau des älteren Merian gegen ihre Kinder (Stiefkinder?) klagte. Der Buchhandel konnte ein einträgliches Geschäft sein, wie das Beispiel von Thomas Matthias Götz zeigt. Der Teilhaber von Merian d. Ä. hinterließ bei seinem Tod Werke im Schätzwert von 30.000 fl., deren Verkaufswert etwa das dreifache betrug. Sein Vermögen wurde auf 100.000 fl. taxiert, seine drei Buchhandlungen in Frankfurt, Jena und Leipzig enthielten insgesamt 86.000 Bände (DIETZ, Bd. 3, S. 127, 133 ff.). SCHINDLING, S. 250 ff., Zitat S. 252. Schindling zitiert einen englischen Reisenden, der die Frankfurter Buchmesse im Herbst 1608 besuchte und offensichtlich begeistert war. SCHINDLING, S. 253. Siehe auch das Kapitel zu Buch und Lesen bei M. NORTH, Genuss und Glück des Lebens. Kulturkonsum im Zeitalter der Aufklärung, Köln 2003, S. 8 ff. Einer dieser Vertreter der humanistischen Bürgerkultur war der Alten Limpurger Patrizier Freiherr Johann Maximilian von und zum Jungen, der 1701 als Beklagter Gläubiger des fallierten, verstorbenen Orgel- und Spielwerkeherstellers Samuel Breiting in Wetzlar erschien. Der Kläger war ein weiterer Frankfurter Buchhändler, der Schwager des Falliten. Er verlangte 2.000 fl. Schadensersatz wegen der Beschlagnahme eigener Mobilien durch die Gläubiger, die er nach der öffentlichen Versiegelung der Räume seines Schwagers entfernt hatte und deswegen arretiert worden war (KALTWASSER, S. 402 f., G36). Lassen wir noch einmal Thomas Coryat zu besseren Zeiten der Büchermesse zu Wort kommen: „Alsdann ging ich in die Büchergaß und erblickte daselbst eine solch unendliche Fülle von Büchern, dass es zum Staunen war. Denn diese Gasse übertrifft bei weitem den Sankt Pauls Platz zu London und die Sankt Jacobs Gasse zu Pariß und die Merceria zu Venezia, und alles, so ich auf meinen Reisen sah. Also daß es ein wahrhafftiges Epitome aller prinzipalen Buchhandlungen Europiens erscheinet. Item ist diese Gaß nicht
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noch setzte die Stadt Maßstäbe als Ausgangspunkt des Pietismus, der die Frömmigkeits- und Reformbewegung in den protestantischen Reichsterritorien initiierte und dessen Anfänge vor allem mit dem Namen Philipp Jakob Spener verbunden sind.259 Zwei bedeutende Protagonisten des Buchhandels am Ende des 17. und Anfang des 18. Jahrhunderts waren der Buchdrucker und -händler Balthasar Christoph Wust260 und der Verleger Johann David Zunner261, die sich
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nur berühmt weil hier so viel Bücher verkauft werden, und zwar aller möglichen Arten und aller Disziplinen, sondern auch wegen ihrer Druckereien. Denn selbige Stadt hat in der Buchdruckerkunst also geblühet, daß sie keiner Stadt der Christenheit nachstehet, nicht einmal der Stadt Basel, die ich doch zuvor wegen ihrer Vollkommenheit in selbiger Kunst so stark gepriesen habe.“ (HÄSSLIN, S. 78). SCHINDLING, S. 253. Spener wirkte 20 Jahre in Frankfurt als Senior des lutherischen Predigerkollegs sowie Hauptpastor der Barfüßerkirche (1666-1686) und war indirekt an einem RKG-Prozess beteiligt. 1702 wandte sich Johann Heigel als arme Partei an das RKG gegen den Frankfurter Rat, um eine fragwürdige Entscheidung der Stadt aufheben zu lassen. 33 Jahre zuvor war zwischen dem Kläger und Spener (sowie zwei weiteren, inzwischen verstorbenen Beteiligten) ein Verlagsvertrag zur Anfertigung einer Bibel mit „Lutheri Glossen und Außlegungen“ geschlossen worden. Der Kläger forderte 500 Rtlr., da er eine Vorlage für das Werk innerhalb von zwei Jahren präsentiert hatte, wofür die genannte Summe gezahlt werden sollte, die aber im Vertrag nicht erwähnt wurde. Nachdem der Kläger diese Summe nach Jahrzehnten (offensichtlich wegen finanzieller Not) einforderte, verfügte der Rat die Befragung von Zeugen, wogegen der Kläger am RKG klagte (KALTWASSER, S. 475, H85). Eine seiner Kollegteilnehmerinnen, die ihm geistig nahe stand, war Maria Juliane Baur von Eysseneck, die 1656 als Klägerin am RKG auftrat. Johann Peter Kayb prozessierte für sich und zusammen mit Johann Jacob Baur von Eysseneck für die minderjährigen Söhne des verstorbenen Balthasar Kayb, dessen Witwe die ebenfalls klagende Maria Julia war. Hintergrund des Verfahrens ist ein Streit um die Erbschaft des Verstorbenen bzw. dessen schon vorher verschiedenen Bruders. Die Beklagten waren mit den Klägern verwandt, unter ihnen befand sich u. a. auch ein Mitglied des Stalburg-Clans, der die Tochter einer Schwester des verstorbenen Balthasar Kayb geheiratet hatte (KALTWASSER, S. 631 f., K1). Wust war chronisch pleite, er schuldete u. a. jüdischen Gläubigern 24.000 fl. und seinem Konkurrenten Zunner fast 2.600 fl. (siehe dazu den RKG-Prozess zwischen den beiden in FN 1252). Er verlor mehrere verpfändete Druckrechte (deren Wert mit knapp 29.000 fl. angegeben wurde; diese und verschiedene Forderungen summierten seine Außenstände auf 50.000 fl.) und sank dadurch „immer mehr zum abhängigen Lohndrucker herab“ (DIETZ, Bd. 3, S. 151 ff., Zitat S. 155). – Wust war der Sohn eines Wittenberger Buchdruckers und heiratete eine Tochter des Frankfurter Druckers Kaspar Rötel, der selbst wiederum die Witwe des Kunstverlegers Wilhelm Hoffmann geheiratet hatte und dessen Geschäft übernahm, welches später auf Wust überging. Auch die nächste Generation der Familie blieb dem Druckerhandwerk treu, denn sein Sohn gleichen Namens (Balthasar Christoph Wust d. J.) druckte nach seiner Heirat mit der Tochter des Verlegers Johann Beyer im eigenen Betrieb und auch sein Sohn Johann Wust war in diesem Geschäftszweig tätig (BENZING, S. 133 ff., 138 f.).
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1687 in einem Prozess 262 am Reichskammergericht gegenüberstanden. Die genannten waren „die beiden letzten und zugleich größten Vertreter des alten, nach ihnen rasch zusammenbrechenden Frankfurter Buchhändlerwesens“ 263 , womit die oben mit Zahlen belegte, im 18. Jahrhundert abnehmende Beteiligung von Buchdruckern und -händlern an Frankfurter Prozessen erklärt wird. Die in der Gruppe der Kaufleute zusammengefassten Personen machten in Frankfurt über den gesamten Untersuchungszeitraum betrachtet annähernd 50% der Kläger und Appellanten am Reichskammergericht aus.264 Diese entstammten einem breit gefächerten sozialen Feld, also wie auch in Hamburg sowohl aus der Ober- wie auch der Mittelschicht. Zur ersten Gruppe zählten – 261
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Zunners Erfolg beruhte nach Dietz u. a. auf dem Zusammenbruch seines „leichtsinnigen“ früheren Geschäftsfreundes Wust. Bei seinem Tod hinterließ er nach seinen Geschäftsbüchern Aktiva von knapp 180.000 fl., die nach Abzug der Schulden ein Vermögen von mehr als 120.000 fl. übrig ließen (DIETZ, Bd. 3, S. 156 ff.). – Die „Tendenzen der schlechten Lage des Frankfurter Buchhandels manifestierten sich in der einzigen christlich-jüdischen Buchhandelssozietät in Frankfurt“, begründet zwischen Meyer Abraham Beer und Zunner, womit erstgenannter der erste jüdische Teilhaber einer großen christlichen Handlung wurde. 1704 starb Zunner, Johann Adam Jung stieg in die Handlung ein und Beer musste 1708 nach Annullierung des Vertrages durch den Rat aus der Handlung ausscheiden. Beer wurde damit zum Gläubiger der zunnerschen Erben, 1737 ging die Firma Bankrott (KALTWASSER, S. 49). In seiner Rolle als Gläubiger klagte Beer 1718 gegen die zunnerschen Erben auf Befriedigung seiner Forderungen. In einem Vergleich war 1708 Verständigung darüber erzielt worden, dass dem Kläger 38.000 Rtlr. zuständen, die auf mehreren Messen gezahlt werden sollten. 1717 bestanden die Aktiva der Handlung in knapp 150.000 fl., von denen rund 85.000 fl. nach Abzug der Verbindlichkeiten (ohne Beers Forderungen) übrig blieben, d. h. zu diesem Zeitpunkt lief das Geschäft noch zufriedenstellend (KALTWASSER, S. 536 ff., J114). 1729 klagten die zunnerschen Erben gegen Beer wegen dessen Forderungen zur Zahlung zweier Wechselbriefe (1.090 fl.). Eine RKG-Kommission des 1718 begonnenen Prozesses J114 hatte 1726 bestimmt, dass Beer immer noch 17.000 fl. seiner ursprünglichen Forderung von 38.000 fl. zustanden (ebenfalls umstritten waren Forderungen aus beiden Prozessen wegen Druckplatten und mehreren Exemplaren verschiedener bei Zunner gedruckter Werke) (KALTWASSER, S. 1104 f., Z15). Wust appellierte gegen ein Urteil in einem Prozess gegen Zunner wegen dessen Forderung von 2.580 fl., die Wust in fünf Raten zahlen wollte – aber nicht konnte. Dagegen forderte Wust die Aussprechung eines Nachdruckverbots gegen Zunner und 2.324 fl. (KALTWASSER, S. 1081, W59). Dass Wust nicht zahlen konnte, ist wenig verwunderlich. So schreibt Dietz: „Ein merkwürdiger Mensch dieser Wust! Bei weitem der größte Drucker und dabei fast sein ganzes Leben lang verschuldet und im Frondienst seiner christlichen und jüdischen Gläubiger!“ (DIETZ, Bd. 3, S. 151). KALTWASSER, S. 1081. Kaltwasser zitiert hier Dietz, der sogar von „Buchhändlerherrlichkeit“ spricht (DIETZ, Bd. 3, S. 151). Siehe dazu oben Kapitel II.3.
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neben den schon genannten reichen Zuwandererfamilien265 – auch Bankiers wie die Neufville266, die Olenschlagers und die de R(h)on, die 1732 erstmals durch die Besetzung des „Bürgerauschusses“ eine freilich limitierte politische Partizipation erreichten.267 Allerdings konnten die sozialen Spannungen innerhalb der Stadtmauern so nicht eingedämmt werden, da nun alle drei im Rat vertretenen Gruppen, Patriziat, reiche Kaufleute und Bankiers 268 sowie die Handwerker, ihre Rechte gegen die anderen zu verteidigen bzw. auszuweiten suchten.269 Ein gewichtiger Vertreter der Kaufleute und Bankiers war David de Neufville, der zusammen mit seinem Bruder Jacob das nach ihnen benannte Bankhaus gründete sowie Mitinitiator der Börsendeputation und deren Vorsteher war. Er führte ebenso wie sein Bruder mehrere Prozesse am Reichskammergericht – u. a. 1698 eine Wechselklage gegen einen Frankfurter Bürger und Gasthalter in Höhe
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Siehe dazu oben Kapitel II.3 die Ausführungen zu den Familien Brentano, Guaita usw. Die de Neufville gehörten wie die Familien Gontard, Brevillier, de Bassompierre, de Bary, Passavant, d’Orville, Souchay, Fingerlin, Ziegler, Gogel, Du Fay und Bernus zu den im 17. Jahrhundert nach Frankfurt eingewanderten Kaufleuten und – teilweise späteren – Bankiers (wie die Namen andeuten, handelte es sich bei einem Teil von ihnen um niederländische Glaubensflüchtlinge). Die letztgenannten Bernus besaßen am Beginn des 18. Jahrhunderts über zwei Millionen Gulden Vermögen und gehörten zu den reichsten Familien der Stadt. Die Bankiers Heinrich und Johann Bernus hinterließen am Anfang des 18. Jahrhunderts je 800.000 fl. (ROTH, S. 58 f.). Für Mitglieder fast aller hier genannten Familien sind ein oder mehrere Prozesse am RKG nachzuweisen, darunter auch für Jakob Bernus, einen Kaufmann und Bankier (Sohn des o. g. Heinrich), der zwischen 1726 und 1729 fünf Mal am RKG in verschiedenen Familiensachen in Folge des Todes seines Vaters und seines Onkels Johann klagte, darunter auch gegen seine Mutter (Stiefmutter?), die nun mit einem Baseler Seidenfabrikanten verheiratet war und ihr Heiratsgut aus der Ehe mit Heinrich forderte (KALTWASSER, S. 176 f., B76). BÖHME, Hamburg und Frankfurt, S. 106. Das vergleichsweise große politische Gewicht der hamburgischen Kollegien sowie der dortigen Bürgerschaft blieb dem Frankfurter Bürgerausschuss versagt. – Zu den de R(h)on siehe die oben angeführten Beispiele. Die Bezeichnung als Bankier in den Bürgerbüchern ist eine von den Betreffenden vorgenommene Eigendefinition (1773 gab es 47 Bankiers als Teilgruppe der Kaufleute-Bürger [266], sowie 428 Handwerker bzw. Kleinkaufleute [Detailhändler]) (HOLTFRERICH, S. 86, 97). DUCHHARDT, Frankfurt am Main, S. 289. Ein wichtiges Amt im Rahmen der Kaufmannschaft war der Börsenvorsteher. Seit dem Beginn des 18. Jahrhunderts wurde dieser Posten von den oben genannten Bankiers sowie weiteren wichtigen Kaufleuten besetzt, unter ihnen Reformierte wie die Passavant, Gontard, de Bary und d’Orville sowie Lutheraner wie die Bansa, Fellner, von der Berghen, Hofmann, Schmidt und Sarasin. Aber auch Altgläubige versuchten, ihre kaufmännischen Interessen geltend zu machen – zu deren wichtigsten Vertretern zählten Mühlen, Brentano-Laroche und Guaita (BÖHME, S. 59 f.).
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von 1.030 Reichstalern, bei welcher die beiden Brüder gemeinsam klagten.270 In einem 1718 am Reichskammergericht anhängig gewordenen Prozess zwischen dem Frankfurter Bankier und Handelsmann Jacob Schaub und dem ebenfalls in der Stadt ansässigen Kaufmann Johann Ludwig Harscher (beide stammten ursprünglich aus Basel) traten David und Jacob de Neufville neben anderen Kaufleuten und Bankiers (darunter Jacob Philippe d’Orville, Johann Nicolaus von Olenschlager sowie Benjamin Metzler seel. und Söhne) als Gutachter auf. Schaub fordert von Harscher 420 Reichstaler aus einer Wechselschuld. Letztgenannter hatte Schaub eine Zahlungsanweisung auf Friedrich Du Fay ausgestellt, die jedoch wegen dessen Konkurs vom Kläger nicht eingelöst werden konnte. Die gutachtenden Frankfurter Kollegen erklärten auf Anfrage des Gerichts den üblichen Gebrauch von Assignationen. 271 Die hier erstmals angesprochenen Handelsmänner unter den genannten Gutachtern waren ebenfalls in eigenen Verfahren am Reichskammergericht vertreten272, wie beispielsweise die Söhne
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KALTWASSER, S. 779, N10. #7 (Libellus appellationis sive gravaminum, quam iniquitatis summarius, cum petitione legali vom Anwalt der Kläger): Der Wechselbrief war in Nürnberg mit Sicht auf die Kläger zahlbar und wurde eingelöst, d. h. Roth hatte sein Geld erhalten. Bei dem Versuch, durch den Korrespondenten der Kläger in Nürnberg den von Roth erhaltenen Wechselbrief beim Aussteller einzulösen, erfolgte weder eine Annahme noch eine Auszahlung des Wechsels, da die dritte Partei inzwischen falliert war. Die Kläger protestierten und verlangten von Roth ihr Geld zurück, zumal er den Wechsel einen Monat vor Ablauf des Verfallsdatums präsentiert hatte. KALTWASSER, S. 884, S11. Zu den Gutachtern gehörten u. a. David und Jacob de Neufville, Johann Nicolaus von Olenschlager und Benjamin Metzler seel. Söhne. Die Assignation ist die Überschreibung eines Wechsels per Indossament, wobei sich der neue Inhaber bei einem Ausfall des Ausstellers zur Befriedigung seiner Ansprüche aus dem Wechsel an den Indossator wendet. Der Text des Gutachtens findet sich im Anhang der Arbeit. – Auch die Familie Neufville gehörte zu den niederländischen Einwanderern im 16. Jahrhundert, die durch den Wollhandel reich geworden war. Über mehrere Generationen sind seit dem Ende des 16. bzw. Anfang des 17. Jahrhunderts jeweils Vermögen von mehreren zehntausend bis zu über einhunderttausend Gulden nachzuweisen (DIETZ, Bd. 3, S. 265 ff.). Im 19. Jahrhundert (1834) wurde Sebastian de Neufville Ratsmitglied (Senator) – dies war in der Frühen Neuzeit für Einwandererfamilien wegen der Bürgerrechtsregelungen nicht möglich gewesen. Letzteres traf natürlich auch für die ursprünglich italienischen Einwanderer zu: So wurde der Kaufmann Georg Friedrich Guaita 1807 in den Rat gewählt, dem er als Senator, Schöffe und älterer Bürgermeister angehörte (KOCH, Grundlagen bürgerlicher Gesellschaft, S. 400 f., 418 f.). Diese Beobachtungen sind mit denen zu Hamburg vergleichbar (siehe oben in diesem Kapitel sowie II.2), wo beispielsweise besonders viele der bei Reißmann (REISSMANN, Anhänge, S. 370 ff.) verzeichneten umsatzstärksten hamburgischen Kaufleute als Parteien am Reichsgericht nachgewiesen werden konnten. Ähnlich ist es auch im Falle Frank-
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Benjamin Metzlers im Jahre 1735. Der Frankfurter Eisenhändler Johann Georg Neuburger stritt mit ihnen um einen 1732 abgeschlossenen Kaufvertrag über eine Eisenmenge von insgesamt 3.000 Zentner, die dem Fränkischen Kreis gehörte und von den Beklagten Metzlers an den Kläger verkauft wurde. Dieser weigerte sich wegen der schlechten Qualität des Eisens den vollen Preis zu bezahlen.273 Eine weitere Kaufmannsfamilie mit großem Vermögen und Verbindungen zu anderen Kaufleute-Bankiers in Frankfurt waren die Behagels, deren Name schon im Zusammenhang mit der Behagelschen Manufakturwarenhandlung fiel. In dem genannten Prozess274 wurden Beziehungen zu den Familien d’Orville und Goll angedeutet, doch ist dieser Fall nicht der einzige unter Beteiligung von Mitgliedern der Familie Behagel. Insgesamt nahmen 14 Angehörige an 13 Verfahren teil, unter ihnen auch Carl Behagel, Enkel des Firmengründers (Isaak d. Ä.) und Sohn des Bankrotteurs und Kammerrats (Isaak d. J.275). Er war Kaufmann und Tabakfabrikant aus Frankfurt, lebte aber zeitweise in Offenbach, da er seine Fabrik nicht in Frankfurt bzw. auf Frankfurter Territorium betreiben durfte. 276 Behagel hatte in eine weitere Kaufmannsfamilie eingeheiratet (die
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furts, wo ebenfalls die der sozialen Oberschicht zuzurechnenden Kaufleute und Bankiers in teilweise mehreren Prozessen bis an das RKG ziehen. KALTWASSER, S. 777 f., N8. Das Eisen bestand aus 2.000 Kugeln und 1.000 Bomben und wurde in Frankfurt gelagert. Pro Zentner sollte das Eisen 1 fl. 20 kr kosten, „wobei gutes Fichtelberger Eisen als Kugel- und Bombenmaterial versichert worden war“. Wegen mangelnder Qualität weigerte sich der Kläger, die jeweils 800 fl. auf fünf aufeinander folgenden Messen zu zahlen. – Das die Lieferung aus Bomben und Kugel bestand ist angesichts der Bedeutung der Kriegslieferungen als „Motor der Gewerbe“ wenig verwunderlich. Im Spätmittelalter eingeführte Waffengattungen wie Artillerie und mit Feuerwaffen versehene Infanterie mussten von Kanonen- und Gewehrherstellern sowie Munitionslieferanten ausgerüstet werden, wobei die große Zahl der Religions- und Erbfolgekriege sowie die Türkenabwehr für eine stetige Nachfrage sorgten. Abgesehen von den Waffenspezialisten wurden Textilhersteller für die Uniformen und Nahrungsmittellieferanten in Anspruch genommen (H. SCHULTZ, Handwerker, Kaufleute, Bankiers. Wirtschaftsgeschichte Europas 1500-1800 [Fischer Europäische Geschichte], Frankfurt 1997, S. 130 ff., Zitat S. 130). Siehe oben KALTWASSER, S. 159, B47. Isaak Behagel d. J. gründete nach seinem Bankrott eine neue Handelsfirma in Form einer Aktiengesellschaft und machte nun in Floßholz, Steinkohle und Kalk. 1756 wurde er zum Reichsadeligen erhoben (Behagel von Adlerskron) (DIETZ, Bd. 4, S. 304). Zur restriktiven Politik des Rates bezüglich mehrerer Versuche von Philipp Bolongaro, in Frankfurt eine Tabakfabrik zu errichten, siehe oben und DUCHHARDT, Frankfurt am Main, S. 292. Bolongaro hatte schließlich ein Angebot des Mainzer Erzbischofs zum Bau der Fabrik in Höchst angenommen. – In Kapitel IV wird bei den Frankfurter Handwer-
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Bassompierres277), mit der er einen familienrechtlichen Prozess am Reichskammergericht austrug. Ein weiterer Behagel ist Daniel, ein Porzellanfabrikant und Bruder von Isaak d. Ä., der 1667 als Gläubiger eines Zuckerbäckers und Spezereiwarenhändlers in einem allerdings ebenfalls eine Familiensache betreffenden Fall prozessierte.278 Eine geschäftsbezogene Klage strengte 1757 der Graf von Degenfeld-Schonburg gegen Isaak Behagel d. J. und dessen drei Kinder an: Er forderte die Bezahlung einer Wechselschuld in Höhe von 6.350 Reichstalern plus Zinsen für 21 Jahre (Behagel war 1737 falliert), wobei strittig war, ob Erbschaftsgelder in die Konkursmasse einzurechnen seien oder nicht.279 Neben dem Streben nach politischem Einfluss innerhalb der Stadt versuchten die reichen Kaufleute und Bankiers ihre soziale Stellung mittels Nobilitierung zu erhöhen280, was mehr als 30 Frankfurter Kaufleuten auch ge-
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kern unter dem Stichwort Lebenswandel ein Fall mit Beteiligung Carl Behagels ausführlich zitiert (KALTWASSER, S. 148, B23). Mitglieder der Handelsfamilie Bassompierre sind wiederum in insgesamt acht RKGFällen vertreten. Darunter ist mit Elisabeth eine verheiratete Du Fay, wobei letztere selbst wiederum mehr als zehn Mal als Prozesspartei zu benennen sind. Eine Du Fay ist ebenfalls Anna Sybilla – eine geborene Stalburg, die gleichfalls in etwa einem Dutzend Verfahren prozessieren. Diese Reihung, die sich weiter fortsetzen ließe, verweist deutlich auf die familiären Beziehungen zwischen den reichen Kaufmannsfamilien. KALTWASSER, S. 121 f., A22. Die Akte enthält u. a. zahlreiche Inventarlisten (darunter Schriftstücke betreffend Vermögen und Nachlass des verstorbenen Johann Leo [verstorbener Vater der Beklagten; Bll. 182-214, 245-266], seiner vierten Ehefrau, der inzwischen verstorbenen Catharina Leo geb. Manz, und ihres zweiten Ehemannes, des verstorbenen Nicolaus Anspach [Vater des Klägers; Bll. 161-164], sowie Aktiva und Passiva des Handelskonsortiums der Gebrüder Anspach einschließlich umfangreicher Namenslisten ihrer Schuldner und Gläubiger, ferner Spezifikation der für die Hochzeit und Ausstattung der Beklagten aufgewendeten Kosten 1664 ff. [Bll. 422-425; darunter eine Liste mit mehr als 100 Debitoren und Außenständen von zusammen fast 5.800 Rtlr.]) (#14, Acta priora, Gesamtumfang ca. 970 Seiten). In diesen Prozess intervenierte auf Klägerseite ein Halbbruder der Beklagten mit einer Forderung von zunächst 9.800 fl. (#25), die er später auf 12.160 fl. spezifizierte (#42). KALTWASSER, S. 265 f., D5. Dies ist kein ungewöhnlicher Vorgang, sondern in der Frühen Neuzeit auch in anderen Städten zu beobachten. Graßmann zeigt als Möglichkeit des sozialen Aufstiegs in Lübeck um 1500 Beispiele von auswärtigen Kaufleuten (Hinrich Castorp und Hermann Meßmann), die mittels eigener Heirat oder einer geschickten Ehepolitik für ihre Kinder in die einflussreichsten Lübecker Kaufmannsdynastien aufstiegen (so waren die Töchter Meßmanns mit einem Lübecker Ratsherren und einem späteren Wismarer Bürgermeister verheiratet) (siehe dazu A. GRASSMANN, Sozialer Aufstieg um 1500 in Lübeck, in: G. SCHULZ [Hrsg.], Sozialer Aufstieg. Funktionseliten im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit [Deutsche Führungsschichten in der Neuzeit, Bd. 25], München 2002, S. 97-112, besonders S. 100 ff.).
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lang. Auch hier begegnen uns die schon bekannten Namen wie Merian, Neufville, Olenschlager, Bolongaro281, Gontard und Barckhaus(en)282, die entsprechend häufig auf die Möglichkeit eines reichsgerichtlichen Verfahrens zurückgriffen. 283 Gerade am Beispiel der letztgenannten Familie lässt sich ein Vergleich zu den bei Stein verzeichneten Spitzenvermögen von Lübecker Prozessparteien am Reichskammergericht am Ende des 17. Jahrhunderts herstellen. Der reichste Lübecker, der am Gericht auftrat, war der Ratsherr und Gutsbesitzer von Stiten, dessen Vermögen mit 150.000 bis 225.000 Mark angegeben wird. 284 Der 1680 geadelte Frankfurter Handelsmann (und braunschweiglüneburgische Rat) Franz von Barckhausen prozessierte 1677 gegen Bürgermeister, Schultheiß, Schöffen und Rat der Stadt wegen seiner Bestellung als Vormund der Kinder seines verstorbenen Kollegen und Schwagers Johann Ochs285, da er als dessen Gläubiger eine Interessenkollision befürchtete.286 Das 281
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Roth listet eine Übersicht zu Frankfurter Nachlässen mit 800.000 Gulden und mehr zwischen 1700 und 1816 auf, unter denen sich fast ausschließlich Bankiers und Tabaksfabrikanten befanden. Die drei vermögendsten mit einem Nachlass von jeweils zwei Millionen Gulden waren der Schnupftabakfabrikant Jakob Bolongaro (1780) sowie die Bankiers Johann Philipp Bethmann (1793) und Peter Heinrich Bethmann-Metzler (1800). Unter den nächsten Personen folgen weitere Bolongaros und Bethmanns (Simon Moritz 1782, 1,37 Mill. fl.), der Spezereihändler Peter Anton Brentano (1797, ca. 0,9 Mill. fl.) und der Bankier Mayer Amschel Rothschild (1810, 0,8 Mill. fl.) (ROTH, S. 58). DUCHHARDT, Frankfurt am Main, S. 291. Neben der Nobilitierung diente auch die Einheirat in den Alten-Limpurger-Kreis oder die Frauensteiner (also in das Patriziat) der Erhöhung der eigenen sozialen Stellung. So klagten Mitglieder der Familie Ba(r)ckhaus(en) zwischen 1653 und 1796 sieben Mal in Speyer und Wetzlar, allerdings fast ausschließlich in Familiensachen, d. h. in ihrem Falle Erbstreitigkeiten (KALTWASSER, S. 138 ff. B11-B17). STEIN, S. 181. Die Angaben zu den hamburgischen Vermögen stammen aus dem 16. Jahrhundert, wobei hier der Ratsherr Ditmar Koel mit 90.000 Mark (Geldwert von 1700) der Reichste war (S. 183). Zur Erinnerung: Anfang des 17. Jahrhunderts waren mehr als 50 Kaufleute und Handelshäuser bei der Hamburger Bank mit einem Umsatz von mehr als 100.000 Mark verzeichnet, wobei deren Handelstätigkeit ein entsprechendes Vermögen erahnen lässt und von denen mehr als die Hälfte in Prozessen am RKG auftauchte (KELLENBENZ, Unternehmerkräfte, S. 239). Dieser wiederum war in sieben Fällen als Prozesspartei am RKG vertreten oder wurde zumindest erwähnt. 1655 klagten er und sein Schwager Giese namens ihrer Ehefrauen gegen zwei hamburgische Kaufleute. Die Beklagten hatten Gelder der Kläger mit Arrest belegt, da sie eine seit 1642 bestehende Forderung von 1.770 Rtlr. gegen die Witwe des Bruders der klägerischen Ehefrauen befriedigen wollten. Der Verstorbene hatte seiner Frau 33.000 fl. hinterlassen, von denen jedoch im Falle einer Wiederverheiratung der Witwe sowie deren Kinderlosigkeit (beides traf zu) je ein Viertel an die klägerischen Ehefrauen bzw. deren Familien fallen sollte, weshalb der Beklagte bei diesen seine Forderung geltend machte. 1678 (Johann[es] Ochs war seit einem Jahr tot) prozessierten die Erben
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Vermögen von Barckhausens wurde bei seinem Tod im Jahr 1682 auf wenigstens 300.000 bis 400.000 fl. geschätzt287, was nach der Umrechnungstabelle bei Stein288 einem Wert von 600.000 bis 800.000 Mark entspricht. Damit übertraf er die am Reichskammergericht nachweisbaren lübeckischen Vermögen um ein Vielfaches und galt – neben seinem Schwager – als reichster Mann Frankfurts zu dieser Zeit.289 Zu den weiteren Bankiers bzw. Kaufleuten mit eigenen Verfahren in Wetzlar zählten die Familien Metzler und Bethmann.290 Die Metzlers hatten in dem von Benjamin 1674 gegründeten Handelshaus (seit 1744 „B. Metzler seel. Sohn & Co.“291) zunächst neben dem Warenhandel (Tuch-, später Spezereihandel292)
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und Administratoren des Ochs, unter ihnen auch Franz von Barckhausen, gegen den Vertreter des Generalfeldmarschalls Graf Wolfgang Julius von Hohenlohe wegen einer Entscheidung des Frankfurter Schöffengerichts. Dieses hatte die jetzigen Kläger zur Zahlung von fast 12.800 Rtlr. verurteilt als „Ersetzung des Gageausstandes“ für die Dienste des Grafen als Marschall der Rheinischen Allianz gegen die Türken („wider den Türken so sauer mit höchster Gefahr Leibes-Lebens- und ewiger Barbarischer Dienstbarkeit“). Ochs war der Bundeskassierer der Rheinischen Allianz und empfing 1666 eine Assignation zur Auszahlung des Soldes an Hohenlohe, konnte dieser Anweisung wegen fehlender Gelder aber nicht nachkommen. In den folgenden Jahren versäumte er die Zahlung aus persönlichen Gründen, da er eingehende Gelder zunächst zur Begleichung seiner eigenen Forderungen an die Bundeskasse nutzte. Bei seinem Tode hinterließ Ochs eine „unbeschreibliche Unordnung“, weshalb sich das RKG-Verfahren verzögerte. Bei Abschluss des Prozesses nach 44 Jahren war schließlich auch der Graf verstorben (KALTWASSER, S. 793 ff., O2, O3). KALTWASSER, S. 139, B12. KALTWASSER, S. 139 f. STEIN, S. 178. KALTWASSER, S. 139. In den hier sowie auch in den vorgenannten Beispielen erwähnten Familien- und Geschäftsbeziehungen wird zugleich ein schon beobachtetes Muster angedeutet, nämlich das Verbleiben innerhalb der eigenen sozialen Schicht. Dies bestätigt u. a. die Heirat des hessen-darmstädtischen Kammerjunkers und Oberamtmannes zu Lichtenau und Wildstätten, Heinrich Franz von Barckhausen, mit Sophia Sybilla, geb. von Syvertes, die „reichste Erbin der Stadt“, die 280.000 fl. Kapitalien in die Ehe einbrachte (ihr Vater, seinerseits Schöffe und Ratsmitglied, hatte Joseph Süß Oppenheimer sein Haus zur Miete überlassen, als dieser aus der Frankfurter Judengasse ausgezogen war [KALTWASSER, S. 560 ff., J149]). Einen Überblick zur Geschichte der Bankhäuser Metzler und Bethmann liefern H. VOELCKER (Bearb.), Geschichte der Familie Metzler und des Bankhauses B. Metzler seel. Sohn & Co. zu Frankfurt am Main 1674 bis 1924 (im Auftrag der Familie Metzler aus Anlaß des 250jährigen Geschäftsjubiläums), Frankfurt a. M. 1924, und J. Ph. Freiherr v. BETHMANN (Hrsg.), Bankiers sind auch nur Menschen. 225 Jahre Bankhaus Gebrüder Bethmann, Frankfurt a. M. 1973. Siehe dazu oben den Fall KALTWASSER, S. 884, S11.
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auch Bankgeschäfte293 für ihre Kunden angeboten, doch ab 1760 trat das Geldund Kreditgeschäft in den Vordergrund. Zwar war mit Friedrich Metzler ausgerechnet das wichtigste Familienmitglied nicht am Reichskammergericht präsent, dafür erfreuten sich er und seine Verwandten der Aufmerksamkeit europäischer Monarchen, als deren Kreditoren die Metzlers auftraten. So wurde Friedrich Metzler 1790 zum Leibbankier des Königs von Sizilien ernannt und der Jurist Johann Wilhelm Metzler repräsentierte die Stadt Frankfurt während der Kaiserkrönung Napoleons I. 1804 in Paris.294 In drei Prozessen sind Mitglieder der Familie Bethmann nachweisbar, darunter die Brüder Johann Philipp und Simon Moritz in einem Prozess von 1757 gegen eine jüdische Witwe aus Frankfurt. Sie brachten gegen die Klägerin eine Forderung von etwa 1.000 Reichstalern für von ihnen gelieferte weiße polnische Federn vor. 295 Eine andere Dimension hatten die Bankgeschäfte am Ende des 18. Jahrhunderts, als das Haus Bethmann Österreich Anleihen im Wert von 30 Millionen Gulden vermittelte, während die Metzlers zur gleichen Zeit Preußen entsprechende Gelder verschafften.296 292 293
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HOLTFRERICH, S. 96. Drei der insgesamt zehn Prozesse mit Beteiligung der Familie Metzler fielen in die Zeit um 1700, an denen die Handelsgesellschaft Johann Zwirlein & Theodor Metzler direkt oder indirekt beteiligt war. 1694 klagte ein Frankfurter Schutzjude gegen den Rat der Stadt, da er fälschlicherweise eines Münzverbrechens bezichtigt werde – ein Gerücht, welches von seinen Feinden lanciert worden sei. Im Gegenzug beschuldigt er Metzler und Zwirlein der Versendung verbotener Münzen. 1702 appellierten zwei andere Frankfurter Schutzjuden gegen Metzler und Zwirlein, da diese die Bezahlung einer Wechselschuld in Höhe von 3.400 Rtlr. durch die Appellanten am Frankfurter Schöffengericht eingeklagt hatten. Dagegen verlangten die Appellanten von den Beklagten, die Freigabe eines im Herbst 1700 in Amsterdam gegen 12.000 Rtlr. versetzten Pfandes (vier Perlenschnüre des bayerischen Kurfürsten im Wert von angeblich rund 55.000 Rtlr. und zwei Schmuckdiamanten) nicht mehr zu behindern. Im gleichen Jahr erwirkte einer der beiden Kläger ein Mandat gegen die Stadt – diese solle Metzler und Zwirlein bei „hoher Strafandrohung“ dazu auffordern, die Einlösung des Pfandes nicht weiter zu behindern, da die Wechselforderung nichts mit diesem Geschäft zu tun habe (KALTWASSER S. 530 f., 610 f., J100, Aktennummer 709 [keine andere Signatur vorhanden]), J235). Mitglieder der Familie Zwirlein werden selbst in zwölf RKG-Verfahren als Prozesspartei oder sonstige Beteiligte erwähnt, unter ihnen natürlich auch der hier vorgestellte Johann Zwirlein, der seit 1697 Ratsherr in Worms war. HOLTFRERICH, S. 86. KALTWASSER, S. 572 f., J167. Die Klägerin behauptete, keinen solchen Auftrag gestellt zu haben bzw. es handele sich um Kommissionsware, deren Qualität darüber hinaus fraglich sei. HOLTFRERICH, S. 97. Diese umfangreichen Finanzgeschäfte sorgten für eine endgültige Trennung des Handels- und Bankgewerbes, da die Bankhäuser angesichts der erzielten
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Dass nicht alle Kaufleute zu den begüterten Personen innerhalb der Stadt zählten, machen einige Fälle deutlich, an denen Händler im Status einer armen Partei beteiligt waren.297 Diese klagten zumeist gegen andere Kaufleute bzw. Kreditoren wegen Auseinandersetzungen über Geschäftssachen. Beispielsweise wendete sich 1785 die Ehefrau eines Frankfurter Bürgers und Kaufmannes, der in Offenbach fallierte, als arme Partei an das Reichskammergericht. Ihre Gegner waren Gläubiger ihres Mannes u. a. aus Frankfurt sowie das fürstliche Isenburger Hofgericht. Der Ehemann war zwei Jahre zuvor mit seiner „Pelusch- und Wollenzeug-Fabrick“ von Gießen nach Offenbach gezogen und stand unter isenburgischem Schutz. Schon kurz danach sah er sich genötigt, von einem Frankfurter Bürger 1.500 Gulden als Kredit aufzunehmen, wofür nicht nur er, sondern auch seine Ehefrau haften sollte. Diese machte schließlich vor den Wetzlarer Richtern geltend, dass Verfahren am Offenbacher Hofgericht sei widerrechtlich, da dieses ihr untersage, sich selbst oder Teile der Konkursmasse zu entfernen und sie auf Betreiben der Gläubiger anwies, sich 18 Monate in Hausarrest zu begeben. Sie forderte stattdessen die Rücknahme dieser Verfügungen und die Separation und Herausgabe ihres eigenen Vermögens aus der
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Gewinne ohne eine parallele Handelstätigkeit lebensfähig waren. – Allerdings schlugen sich die Angehörigen der Oberschicht auch mit alltäglichen, nicht berufsbezogenen Problemen herum. So stritten Simon Moritz Bethmann und der Frankfurter Perückenmacher Setz um eine Baugenehmigung, die dem Bankier erlaubte, aus einem seiner Warenlager einen Pferdestall zu machen (KALTWASSER, S. 243, B27 extrajud. [die Akte ist nur fragmentarisch erhalten]). – Eine in der Mitte des 18. Jahrhunderts (um 1765) eingeführte Neuerung im Bankwesen war die Herausgabe sogenannter Partialobligationen, d. h. Anleihen, die unter mehreren Bankiers gestückelt wurden und so das Geschäftsrisiko des einzelnen reduzierten. Sachsen machte den Anfang beim Verkauf von Staatsanleihen auf der Leipziger Messe, doch waren es vor allem die Bankhäuser Metzler und Bethmann sowie später auch Rothschild, die von Frankfurt aus dieser Innovation zum Durchbruch verhalfen. Die erste Frankfurter Emissionsanleihe wurde 1768 vom Bankhaus Goll und Söhne eingeführt (allerdings in Amsterdam) – eine 200.000-Gulden-Anleihe für NassauSaarbrücken, gestückelt in 200 Partialobligationen im Wert von je 1.000 fl. (HOLTFRERICH, S. 111). Auch das Bankhaus Goll wird in einem RKG-Prozess erwähnt: 1763 klagte Isaak Behagel wegen der Auszahlung des mütterlichen Vermögens an seine Kinder, wobei die Kapitalien bei Goll deponiert waren (KALTWASSER, S. 159, B47 und siehe oben). – Zu Simon Moritz von Bethmann siehe ausführlich W. FORSTMANN, Simon Moritz von Bethmann 1768-1826. Bankier, Diplomat und politischer Beobachter (Studien zur Frankfurter Geschichte, 6), Frankfurt a. M. 1973. Siehe dazu auch oben in Kapitel II.3 die Beispiele zum früheren Handelsmann und jetzigen Gasseninspektor Kripner (KALTWASSER, S. 922 ff., K42, K43, K44) sowie unten zur Familie Guaita (KALTWASSER, S. 407 f., G46).
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Fallitmasse.298 In einem 1757 beginnenden Prozess hatte die Stadt Frankfurt eine Mitschuld am finanziellen Ruin des Klägers eingeräumt, da sie ein Urteil des Reichskammergerichts ignorierte, wodurch dem Kläger nicht nur fast 2.500 Reichstaler sondern auch mehrere zehntausend Flaschen Wein vorenthalten wurden. 20 Jahre nach Prozessbeginn fiel der Kläger auf den Status einer armen
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KALTWASSER, S. 865, R42. Mal abgesehen davon, dass die Fabrik des Ehemannes der Klägerin zum finanziellen Schaden des Betreibers führte, wird hier deutlich, dass sich das Fürstenhaus (Wolfgang Ernst zu Isenburg) offensichtlich einen positiven wirtschaftlichen Effekt von der Ansiedlung der Fabrik in seinem Territorium versprach, da er die Familie des Frankfurter Handelsmannes zu diesem Zweck unter seinen Schutz gestellt hatte. – Ein weiteres Beispiel ist die Klage eines Offenburgers namens Nörlinger gegen den Frankfurter Kaufmann Kneussel. Strittig war ein Geschäft (Schleißhanf und Dochtgarn) zwischen den beiden bzw. die Rechnungsstellung darüber, da der Beklagte diese nach Verlust der ersten durch den „des Schreibens unerfahrenen“ Kläger höher ausgestellt hatte. Weil der Kläger nicht zahlen wollte, wurden mehrere seiner in Frankfurt lagernden Waren beschlagnahmt (zusammen 71 Zentner und 157 tt [Pfund]). #6 (Auszug aus der Schrift des klägerischen Anwalts): „… daß Awlts Ppli in Anno. 1709. mense incirca Septembri ahn Appellatischen Hn. Kneüßel ein quantität wahren von dachtgarn und schleißhanff unter accordirtem und bedungenem preyss puré und ohne einige Condition, redlich und ehrlich verkaufft, deren Summa ahn gelt 1914. rhlr 26 xr. betrag, Appellatus auch bis incirca den 30ten 7bris eiusdem anni allschon bey 1200 rhlr bahren geldes ohne wiederredt oder die gerinste reservaon [reservation] darauff Er zahlet habe; … und das Er [Appellat] ihm [Appellant] eine andere Rechnung geben mögte, erführet, worzu Er sich dann willig verstandten, als aber diese zweyte Rechnung ausgelieffert werden sollen, so in herbstmess 1710. also hat ein gantzes Jahr nach geschlossenem Kauff geschehen hat Appellat Awlts Ppali einen schein zu unterzeichnen vorgeleget, unter dem Vorwand, das, weil Er Ihme eine andere Rechnung geben müste, solches umb lebens und sterbenß willen zu thuen seye, weiter aber nichts zubedeüten habe; …“. Obwohl der Kläger schon 1.200 Rtlr. gezahlt hatte, stellte der Beklagte eine zweite Rechnung über einen Restbetrag in Höhe von 974 Rtlr. aus. #20 (Rechnung des Beklagten vom 03.07.1714, die er während des RKG-Prozesses zum Nachweis seiner berechtigten Forderung nach Beschlagnahme von Waren des Klägers beibrachte): Soll: „2 Posten von Nürlinger zusammen 1334:45 Rtlr“; Soll Haben: „Umb Verkauffte Vor Rechnung Nicolaus Nürlinger Zu Offenburg 7. Fasser Von mir mit arrest belegte hanff“ (mehrere Dutzend Zentner „langer“ bzw. „Strehnhanff“ für insgesamt ebenfalls 1334:45 Rtlr.). #33 (Rechnung und Gegenrechnung der Summen, die beide Beteiligten vom jeweils anderen zu bekommen haben): Der Kläger kann insgesamt 2622:49 Rtlr. fordern, der Beklagte 2596:64 Rtlr., macht zusammen mit den Unkosten 45:85 Rtlr. für den Kläger. Die ersten beiden Posten auf dessen Rechnung lauten: „1. Für 48 Wellen dachtgarn à 23. Centner 52 tt. den Centner Zu 17. Rthl. … 399:45. 2. Für 83. butzen à 105. C. 66. tt. Schleißhanff zu 14 1/3 Rthl. Pr. Cent. … 1514:41. vid: ggtheilige Rechnung sub lit. beym i. 2. und 3. posten.“ (macht zusammen 1913:95 Rtlr., also wohl die ursprüngliche Summe) (KALTWASSER, S. 788, N27).
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Partei zurück, das Verfahren selbst dauerte bis 1799.299 Wie schon bei Hamburg (siehe oben) ist allerdings auch in Frankfurt die Zahl der armen Prozessparteien und damit auch die der armen Kaufleute sehr gering. Neben den christlichen Kaufleuten haben sich besonders die Frankfurter Juden300 an diversen Waren- und Geldgeschäften beteiligt, was ihnen mit einigen Ausnahmen erlaubt war. So durften sie nicht mit Waffen, Getreide oder Wein handeln und keine Läden (außerhalb der Judengasse 301) unterhalten 302 , wobei vor allem die letzte Bestimmung in Frankfurt ab dem Ende des 17. Jahrhunderts teilweise ignoriert wurde und für Spannungen zwischen der jüdischen Mittel- und Unterschicht und ihren christlichen Pendants sorgte. Die jüdische Oberschicht303, verbunden mit Namen wie Jud Süß Oppenheimer304, Isaak und 299
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Das Frankfurter Schöffengericht hatte als Vorinstanz im Streit zwischen dem Aachener Handelsmann Joseph Florantin (Florentin; solms-hohenlohischer Kammerrat) und den Frankfurter Kaufleuten Breitenbach und Gerock geurteilt, dass in einer von letzteren angestrengten Wechselklage Florantin 2.422 Rtlr. an die Frankfurter zu zahlen hätte und die bei diesen zum Kommissionsverkauf lagernden kostbaren französischen Weine zu arretieren seien (ca. 56.400 Flaschen Champagner, Burgunder, Mulseau und Muscadet). Dagegen appellierte Florantin, der aber trotz einer Kautionsleistung durch einen Frankfurter Juden und einer Rückgabeverfügung des RKG, da den Appellaten das Geld gar nicht zustehe, verweigerten sich die Beklagten und die Stadt dem Urteil (KALTWASSER, S. 349 f., F54). Zu den Frankfurter Juden im 17. und 18. Jahrhundert siehe u. a. SOLIDAY, S. 175 ff. Innerhalb der Tore der Judengasse befand sich ein Sonderrechtsterritorium, d. h. Finanzen, Steuern, Polizey, Brandbekämpfung und Schule regelte die jüdische Gemeinde in eigener Verantwortung. Zwar zahlten sie gesonderte Steuern an die Stadt, waren dafür aber vom Wehrdienst (Stadtverteidigung) und Quartierstellung befreit (DUCHHARDT, Frankfurt am Main, S. 271). DUCHHARDT, Frankfurt am Main, S. 269 ff. So waren im Jahr 1612 40 Juden unter den einhundert größten Steuerzahlern in Frankfurt – neben weiteren 40 Deutschen und sogar 60 Niederländern (BRÜBACH, S. 223). Im Jahr 1738 beginnt am RKG ein 28 Jahre andauernder Prozess um das Vermögen des in Stuttgart hingerichteten Oppenheimers. Nach dem überraschenden Tod des württembergischen Herzogs Karl Alexander war schon im Jahr 1737, also noch zu Lebzeiten des inzwischen festgesetzten Oppenheimers, am Frankfurter Schöffengericht eine Auseinandersetzung um dessen Besitztümer ausgebrochen. Die Kaufleute Wahler sowie Beer Hertz Oppenheimer klagten als Vertreter des Frankfurter Kreditorenausschusses gegen den württembergischen Hofrat und neuen Residenten zu Frankfurt sowie die herzogliche Regierung. Strittig waren die in Frankfurt sichergestellten Besitztümer des Arrestanten. Das Vermögen Oppenheimers belief sich nach der Vermögensaufstellung auf ca. 425.000 fl., die Gläubigeransprüche betrugen ca. 610.000 fl. (die der Frankfurter Kläger auf etwa 28.000 fl.). Während des Prozesses wurde u. a. darauf hingewiesen, dass Oppenheimer widerrechtlich außerhalb der Judengasse gewohnt habe (KALTWASSER, S. 560 ff., J149). Die Handels- bzw. Geschäftstätigkeit der Juden spiegelt sich in einem Prozess von 1766
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Samuel Stern305, Löw Deutz306 und Abraham Drach307, wurde vom städtischen Patriziat protektioniert, da sie diesem wie auch dem Kaiser und anderen Reichs-
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wider, in dem fünf Frankfurter Schutzjuden (darunter ein weiterer Oppenheimer) gegen einen Frankfurter Kaufmann klagten, der ihnen auf mehrere Wechsel insgesamt über 12.500 Rtlr. schulde. Der Beklagte wandte ein, dieses Geld ohne Wissen seiner Eltern gegen Wucherzinsen zum Bezahlen seiner Spielschulden erhalten zu haben, wohingegen die Kläger anmerkten, der Beklagte sei schließlich 30 Jahre alt, besitze seine eigene Firma und habe dazu noch 100.000 fl. in der holländischen Lotterie gewonnen (KALTWASSER, S. 578, J178). 1753 klagte eine inzwischen zum Christentum konvertierte Jüdin gegen ihren Ex-Ehemann sowie dessen Vater (Elkan und Beer Hertz Oppenheimer [s. o.]) auf Herausgabe ihres Heiratsgutes von 12.000 fl. und Alimentierung. Dabei waren sowohl der Ehevertrag als auch die Art und Weise der Trennung der Eheleute (die Klägerin hätte „die Haußhaltung an den Nagel gehengt und sowohl den verdächtigen Umgang mit fremden Manns-Personen, als das verderbliche Verpfänden [von Eigentum ihres Mannes] fortgesetzt“) umstritten (KALTWASSER, S. 885 ff., S14). Meyer Seligmann Oppenheimer, ein weiterer Frankfurter Schutzjude, wurde 1755 von einem Bonner Juden (kurkölnischer Hoffaktor) in einem Prozess verklagt, in dem der Kläger angeblich unbefugt einen Wechsel in Höhe von 251 Rtlr. auf den Beklagten ausgestellt hatte (KALTWASSER, S. 572, J166). Nicht nur die Geschäfte jüdischer Kaufleute und Bankiers untereinander gelangten an das RKG, sondern auch Streitigkeiten zwischen jüdischen und christlichen Kaufleuten: 1794 eröffneten Wolf Seligmann Oppenheimer und weitere Schutz- und Handelsjuden aus Frankfurt ein Verfahren gegen die Handlungsgesellschaft Heeser, die von drei Brüdern geführt wurde. Die Beklagten verweigerten die Bezahlung mehrerer von ihnen für die Kläger ausgestellter Wechsel im Gesamtwert von ca. 2.900 Karolinen, da diese nicht die Handlung selbst, sondern den ältesten der drei Brüder privat beträfen. Dieser sei aus der Firma inzwischen ausgeschieden, nun in Konkurs geraten und daraufhin arretiert worden (KALTWASSER, S. 586 f., J192). Einen Eindruck vom mitunter riskanten Leben eines Hofjuden liefert GAY, S. 89-93. Die Gebrüder Stern wurden 1715 von einem Mainzer Juden verklagt, der von ihnen 1.829 fl. 2½ kr für eine Kornlieferung forderte. Hierbei ist vor allem der Punkt interessant, dass den Juden der Handel u. a. mit Korn eigentlich verboten war (KALTWASSER, S. 533 f., J107). 1722 prozessierte Samuel Stern gegen eine verwitwete Schutzjüdin auf Aufhebung des Arrestes an vier „Stück“ Wein wegen einer Wechselschuld von insgesamt 2.000 fl. Die Quittungen darüber seien beim Brand der Judengasse von 1711 vernichtet worden. Eine Suche zweier Baumeister auf Anweisung des Bürgermeisters nach unbeschadeten Papieren am Brandplatz blieb erfolglos (KALTWASSER, S. 543 f., J125). 1729 verklagte ein Frankfurter Schutzjude Isaak Stern als Vormund seines 19jährigen Enkels auf Zahlung von 1.430 Rtlr. aus sechs Wechselbriefen. Die Beklagten machten geltend, der Enkel sei zur Ausstellung vom Kläger verleitet worden, woraufhin das Schöffengericht in Abwesenheit des Appellanten diesen zu Arrest verurteilt und die Wechsel für ungültig erklärt hatte. Der dann inhaftierte Kläger führte an, der Enkel sei verheiratet und besäße selbst die Stättigkeit, weswegen er voll geschäftsfähig sei (KALTWASSER, S. 552 f., J140). Auch Löw Deutz ist in mehreren Fällen am Reichsgericht vertreten: 1677 führte er eine Auseinandersetzung mit dem Frankfurter Kaufmann Reuß um eine Schuldforderung von
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ständen als Kreditoren sowie Heeres- und Hoflieferanten dienten. Sie alle erschienen in Prozessen am Reichskammergericht, die teilweise ihre Handelstätigkeit gerichtlich untersuchten.308 Dabei fällt auf, dass sie trotz des Verbots mit Getreide und Wein handelten, worin sich die überaus tolerante und von den anderen Kaufleuten bemängelte Haltung des Rates erkennen lässt. Zudem hatte der Kaiser gerade während der Kriegszüge gegen Frankreich ein Interesse an den Warenlieferungen und Krediten „seiner“ Juden. Besonders in der Person des erstgenannten Oppenheimers lässt sich die neue Rolle einiger wichtiger jüdischer Kreditoren im 18. Jahrhundert festmachen. Oppenheimer, württembergischer Hoffaktor in Stuttgart sowie bis zu seiner Hinrichtung 1738 vier Jahre lang württembergischer Resident in Frankfurt, führte seine Geschäfte lange Zeit von hier aus und gehörte genauso wie der am kaiserlichen Hof in
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1.000 Rtlr. 1679 und nochmals 1680 (secundae appellationis) verklagte ihn ein jüdischer Kompagnon auf 1.000 Rtlr. aus einem Getreidegeschäft des gemeinsamen Frucht-, Mehlund Schrothandels. Insgesamt sollten 8.000 Malter à 170 Pfund Getreide an die kaiserlichen Truppen, die sich im Reichskrieg gegen Frankreich am Rhein befanden, geliefert werden. Ursprünglicher Vertragspartner war der Schwiegervater des Beklagten, Samuel Oppenheimer (siehe oben, der kaiserliche Oberhoffaktor), der 4.000 Rtlr. per Wechsel zahlte, die vom Appellanten aber nur mit 3.000 Rtlr. abgerechnet wurden. 1679 klagte dann Oppenheimer selbst gegen seinen Schwiegersohn auf ca. 3.800 Rtlr. wegen der Versäumnis des Liefertermins. Obwohl Deutz insgesamt sieben Mühlen in Frankfurt und Umgebung mit dem Mahlen des Korns beauftragt hatte (dieses wurde zum Brotbacken für die Armee benötigt), konnte er nicht termingerecht liefern (KALTWASSER, S. 506 ff., J63, J65, J67, J68). Auch Abraham Drach bzw. seine Familie treten als Prozessparteien am RKG in Erscheinung: 1686 klagte ein Frankfurter Kaufmann gegen Drachs Ehefrau, der er offensichtlich Geld schuldete (1.111 Rtlr.). Das Frankfurter Gericht hatte die Ansprüche der Appellatin für rechtens erklärt (KALTWASSER, S. 150, B28). 1677 waren die Frankfurter Juden der Anlass für einen Streit um die Gerichtshoheit zwischen dem Frankfurter Rat und dem Erzbischof von Mainz. Letzterer hatte mehreren Frankfurter Juden wegen einer Schlägerei auf dem Hof der Synagoge in Frankfurt mit Arrest gedroht, einige tatsächlich inhaftieren lassen und sie an das Mainzer Gericht zitiert, was die Juden verweigerten. Daraufhin wurden sie zur Zahlung von 200 Rtlr. verurteilt. Unter den Festgehaltenen befanden sich auch Abraham Drach (als ältester Baumeister) und sein Sohn, denen bei widerrechtlichem Verlassen der Stadt Mainz (ohne Zahlung der 200 Rtlr.) weitere 1.000 Dukaten Strafe angedroht wurden. Schließlich stellten die Mainzer Juden Kaution, sie kamen frei und die Stadt Frankfurt klagte wegen Eingriffs in ihre Gerichtsprivilegien über ihre jüdische Gemeinde und bekam in Speyer Recht: Das Frankfurter Gericht sei zuständig und den Arrestanten sei ihr Schaden zu erstatten. Ein Jahr später klagte die Stadt erneut auf Befolgung der RKG-Anordnung (KALTWASSER, S. 325 ff., F20, F21). Nicht in Frankfurter RKG-Prozessen ist dagegen der Frankfurter Jude Samson Wertheimer nachzuweisen, der am Anfang des 17. Jahrhunderts als Hoffaktor zu den wichtigsten kaiserlichen Finanziers gehörte (DUCHHARDT, Frankfurt am Main, S. 266).
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Wien tätige Samuel Oppenheimer zu den „Fuggern ihrer Zeit“. Überhaupt gingen die meisten Fürsten des Reiches zu dieser Zeit dauerhafte Verbindungen mit jüdischen Geldgebern ein, die der jüdischen Oberschicht angehörten und oftmals mittels einer gezielten Heiratspolitik familiäre Netzwerke etablierten.309 Sogar ein Angehöriger der Familie Rothschild, deren Wurzeln ebenfalls in Frankfurt lagen310, kann in einem Prozess am Reichskammergericht nachgewiesen werden – in einem Streit mit einer geb. von Olenschlager.311 Zu den Konflikten zwischen Juden und Handwerkern, die von ersteren mehrfach bis vor den Kaiser getragen wurden, gesellten sich Auseinandersetzungen innerhalb der jüdischen Gemeinde, in die am Ende des 17. Jahrhunderts vor allem Abraham Drach312 und Isaak Kann313 verwickelt waren und die bis 309
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BATTENBERG, S. 44, 53, 112. DUCHHARDT, Frankfurt am Main, S. 271, Zitat ebd. Diese Netzwerke sicherten nicht nur die kurzfristige Beschaffung größerer Kapitalmengen, sondern boten auch einen gewissen Schutz gegen antijüdische Übergriffe. So hatte die Tochter von Abraham Drach in die Familie Oppenheimer eingeheiratet. Sie klagte 1686 in Speyer gegen mehrere Gläubiger ihres ermordeten Ehemannes auf Separation ihres Eigentums aus der Konkursmasse, da sie an seinen Geschäften nicht beteiligt gewesen sei (die Klägerin war blind) (KALTWASSER, S. 515 f., J76). HOLTFRERICH, S. 97. 1797 prozessierte der Frankfurter Schutz- und Handelsjude gegen die während des Verfahrens verstorbene Antoinette von Hack, geb. von Olenschläger, bzw. deren Erben. Strittig war die Rechtmäßigkeit einer Wechselschuldforderung des Klägers in Höhe von 10.000 fl., die von der Beklagten angeblich ungelesen auf Drängen ihres Mannes 1792 unterschrieben wurde, von deren Summe sie aber „keinen Kreuzer erhalten“ habe. „Die Aechtheit beider Urkunden, unvermögend ihre Handunterschrift zu verläugnen, erkannte die Frau Ausstellerin gerichtlich an. Aber ganz nach der Sitte zahlungsflüchtiger Wieber, die um rechtliche Verbindlichkeiten zu eludiren ein jedes Abenteuer bestehen, komponirte sie eine bis zum Anschauen fabelhafte Genealogie jener beiden Urkunden, und behauptete darauf die theils lächerlichsten – theils unzuläßigsten Einreden …“ (KALTWASSER, S. 587, J194). 1675 klagte ein ursprünglich aus Frankfurt stammender Jude gegen Schultheiß, Schöffen, Bürgermeister und Rat der Stadt Frankfurt sowie gegen Abraham Drach wegen der Ausweisung aus der Stadt (Aufkündigung des Judenschutzes und des Niederlassungsrechts). Der inzwischen als Hoffaktor beim Grafen von Hanau untergekommene Kläger verlangte die Aufhebung dieser widerrechtlichen „Exclusion“, da diese seiner Meinung nach auf Veranlassung des „mächtigen“ Drach verfügt worden sei (KALTWASSER, S. 608 f., J229). Dass die Position Abraham Drachs offensichtlich deutlich exponiert war, zeigt ein weiterer Prozess aus dem Jahre 1682, als ein Frankfurter Schutzjude gegen den Rat der Stadt klagte, weil dieser keine freie Wahl der jüdischen Baumeister garantiere. Der Kläger sei von der Kandidatur ausgeschlossen worden, weil nahe Verwandte Drachs bevorzugt würden (KALTWASSER, S. 620 f., J254). Der Streit zwischen Drach und Kann beschäftigte nicht nur das RKG, sondern auch den RHR. 1678 klagte Drach gegen den Rat der Stadt Frankfurt am RKG, der ihn und Kann
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zum Einsatz von Militär eskalierten. Weitere Ausschreitungen gab es am Ende der 1740er Jahre, als (ein anderer) Isaak Kann314 sich anmaßte, die Finanzen der jüdischen Gemeinde nach eigenem Gusto zu regeln und Vorschriften über das Privatleben der Gemeindemitglieder zu erlassen. David Mayer Juda Kulp 315 organisierte dagegen den Widerstand, aber erst in den 1770er Jahren – inzwischen war ein neues Reglement ergangen – verliefen sich die Spannungen.316
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zu einer Einigung zwingen wollte und damit in ein am RHR anhängiges Verfahren eingriff. Da die Streitereien zwischen den Kontrahenten nicht nur auf sie selbst beschränkt blieben, sondern zur Parteienbildung führten, verdonnerte die Stadt jeden der beiden zur Zahlung von 1.000 Rtlr. wegen „Zänkerei und vorsätzlicher Unruhestiftung“ (KALTWASSER, S. 617, J247). Im Jahre 1752 wandten sich Beer Löw, Isaak Kann und Moses Kann nach Wetzlar in einem Verfahren gegen einen in Kassel und Frankfurt ansässigen, zum Christentum konvertierten Kaufmann (verheiratet mit einer ebenfalls konvertierten Christin, die zuvor mit Elkan Oppenheimer verehelicht war [s. o. KALTWASSER, S. 885 ff., S14], Nichte der Kläger). Der Beklagte hatte angeblich seinen Schwager aus der Judengasse gelockt und hielt ihn in seinem Haus gefangen, bis dieser konvertierte und getauft würde. Dies schien nicht gerechtfertigt, da die Kläger laut Testament des verstorbenen Schwiegervaters des Beklagten mit der Vormundschaft über den Schwager betraut worden seien. Hintergrund des Streits war das Vermögen des Verstorbenen (mehr als 200.000 fl.), welches die Kläger ohne Nachweis eingezogen und dem Beklagten (dessen Ehefrau die Tochter des Verstorbenen war) lediglich 10.000 fl. ausgezahlt hatten (KALTWASSER, S. 563 ff., J153). Ein Jahr später prozessierten die Kann-Brüder erneut, diesmal gegen einen ihrer Neffen (ein weiterer Sohn des verstorbenen Gumpel Wimpfe Levi [der Vater war Handelspartner der Kläger]), der ebenfalls konvertiert war und nun als Musketier im Bossenchen Infanterieregiment in Namslau diente. Strittig war ein ausgehandelter Vergleich zwischen Klägern und Beklagtem um die Schulden des letzteren (KALTWASSER, S. 567, J157). Auch Kulp erscheint – wenn auch indirekt – in einer der Prozessakten: 1753 klagte ein Frankfurter Schutzjude gegen sieben andere Frankfurter Juden (darunter zwei Oppenheimer), da ihm die Aufnahme in die Stättigkeit verwehrt werde. Der Kläger war mehr als zehn Jahre zuvor wegen verbotenen Spiels von der Gemeinde verstoßen worden, hätte nun aber die von den Baumeistern verhängten Strafen verbüßt und müsse wieder aufgenommen werden, da er heiraten wolle (zur Erinnerung: nur eine begrenzte Anzahl Juden wurden jährlich zur Stättigkeit und zur Heirat zugelassen). Wegen des Vaters, selbst ein Schutz- und Handelsjude, hätte er ein Anrecht auf die Zulassung. Der Rat hatte keine Einwände, doch die ebenfalls auf Stättigkeit wartenden Kläger protestierten wegen „Bannübertretungen und ‚vorgehabten’ Meineides des Klägers“. Dessen Anwalt argumentiert, die Ursache dieses Prozesses seien die Streitigkeiten in der Judengasse einige Jahre zuvor, denn es sei bekannt, dass die Beklagten insgeheim Anhänger des „gefährlichen aufwiklerischen Aufstandes der sehr berüchtigten Kulpischen Partei“ seien, während der Kläger zu dessen Gegnern gehörte (KALTWASSER, S. 570, J162). DUCHHARDT, Frankfurt am Main, S. 272.
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Wie schon aus der sozialen Differenzierung der Prozessparteien ersichtlich wurde317, waren die Beisassen bezüglich ihres rechtlichen Status’ eine nur wenig über den Juden angesiedelte Gruppe318, die freilich ebenfalls Handelsgeschäfte tätigten und einen entsprechenden Wohlstand aufwiesen.319 Die schon genannten Familien Brentano 320 , Guaita 321 und Belli 322 sind nur drei Beispiele für
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Siehe Kapitel II.3. DUCHHARDT, Frankfurt am Main, S. 273. Womit sich erneut bestätigt, dass der Zugang zum Reichskammergericht vor allem eine Frage der finanziellen Mittel war (Streitwert und Verfahrenskosten). 1792 gelangte ein Prozess unter mehreren, teilweise schon vor mehreren Jahrzehnten verstorbenen Mitgliedern der Familie Brentano nach Wetzlar, der schon seit 1756 vor mehreren Gerichten ausgetragen wurde. Vom Mainzer Hofgericht (1756) zogen die Parteien vor den Frankfurter Schöffenrat (1758), das Schiedsgericht (1772) und das Schöffengericht (1784), bevor die Sache am RKG anhängig gemacht wurde. Strittig war die Vermögensverteilung der 1739 erneuerten Handelsgesellschaft „Dominico Brentano und Söhne“, wobei zwei der drei Söhne nach dem erneuerten Gesellschaftsvertrag von 1746 bis 1752 gemeinschaftlich mit ihrem Neffen (Sohn ihres inzwischen verstorbenen Bruders) handelten. Dieser stieg 1752 aus dem Unternehmen aus und einigte sich mit seinen Onkel auf die Zahlung von 4.500 fl. Abschlag und weitere Summen je nach einkommenden Außenständen. Die Firma mit Zweigstellen in Tremezzo, Bingen, Mainz und Amsterdam (wo die verhandelten Südfrüchte und Spezereiwaren direkt bei der Ost- und Westindischen Kompanie gekauft wurden) lief bis 1753 ausgezeichnet (1752: 325.000 fl. Umsatz), dann trennten sich die beiden Brüder ebenfalls, wobei der eine wirtschaftlich abstürzte, der andere aber weiterhin erfolgreich handelte. 1756 begann der aus dem Geschäft ausgestiegene Neffe auf weitere Zahlungen zu klagen, wobei sich schließlich die verschiedenen Forderungen beider Prozessparteien auf mehrere zehntausend Gulden summierten. 1801 standen die Parteien erneut am RKG und beantragten die Bestätigung eines Vergleichs, der den Streit schließlich gütlich beilegte und auch das 1792 eröffnete Verfahren beendete (KALTWASSER, S. 185 ff., B87, B88). Zwischen 1716 und 1738 klagten drei Mitglieder der Familie Guaita am RKG in vier Prozessen, die einen geldwirtschaftlichen bzw. handelsgeschäftlichen Hintergrund aufweisen. Zweimal prozessierte die Witwe des Spezereikrämers Mattheo Guaita – in einem Fall gegen einen inzwischen fallierten Kaufmann, der zwei Jahre in ihrem Haus wohnte (Kostgeld in Höhe von 400 Rtlr.) und von ihrem inzwischen verstorbenen Mann gelieferte Waren nicht bezahlt hatte (1.170 fl.). In einem zweiten Prozess stritt sie mit einem Frankfurter Kaufmann (als Vertreter eines hamburgischen Kollegen) um eine Wechselschuld von 800 fl. Gottfried Guaita klagte gegen eine Witwe wegen Schulden ihres verstorbenen Mannes in Höhe von 420 fl. und der Kaufmann Georg Liborius Guaita eröffnete ein Verfahren gegen Karl von Bodeck zu Praunheim, der ihm 1.000 Rtlr. nebst Zinsen aus einem Wechsel schuldete. Letztgenannter Prozess ist einer der wenigen, in denen eine Partei (in diesem Fall der Kläger) als „pauper“ in Erscheinung tritt. Zur Durchsetzung der Forderungen des Klägers wurde eine Arrestanlage auf Gelder des Beklagten gefordert (KALTWASSER, S. 406 ff., G43, G44, G45, G46). – Die Familien Guaita und Bren-
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Fremde in Frankfurt, wobei vor allem die Prozessakten zu den Fällen der Familie Brentano einen wunderbaren Eindruck von der Größe dieser Familie sowie auch dem vorhandenen Vermögen (unter Hinweis auf die Geschäftsbücher) liefern.323 Entsprechend ausführlich und aufwendig gestalteten sich die gerichtlichen Verfahren. Zwölf Jahre lang hatte das Frankfurter Schiedsgericht in einem zwischen den Familienmitgliedern ausgetragenen Streit um Firmenbeteiligungen und Erbschaften über 300 Handelsbücher sowie 80 Inventare und Skripturen ausgewertet, doch zweifelten die Parteien dann die schiedsrichterlichen Inventare an, deren Richtigkeit von der juristischen Fakultät der Universität Tübingen bestätigt wurde. Dennoch wandte sich die eine Seite der Familie an das Reichskammergericht, das die Appellation für rechtens erklärte und seinerseits eine Überprüfung der Inventarlisten verfügte. Letztlich erwies sich der insgesamt 45jährige Rechtsstreit als scheinbar unnötig, da sich die Parteien auf einen Vergleich einigten.324
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tano handelten mit Hilfe eines „ganz Europa umspannenden Netz[es] von Filialen und Handelsgesellschaften“ mit Südfrüchten und Spezereiwaren (ROTH, S. 59). Dass auch zwischen Frankfurter Beisassen aus verschiedenen Herkunftsgebieten familiäre Beziehungen entstehen konnten, beweist der Prozess des Kaufmanns Joseph Belli, der im Namen seiner Ehefrau klagte, einer zweifachen Witwe, die mit Franzosen verheiratet gewesen war. Der Prozessgegner war ein französischer Kaufmann (Pierre du Fresne) aus Münster, wobei allerdings beide ursprüngliche Parteien – Kläger und Beklagter – während des Prozesses starben, der von 1737 bis 1803 andauerte. Strittig war ein zwischen dem zweiten Ehemann der Klägerin und dem Beklagten getätigtes Geschäft. Der Kläger beanspruchte die Zahlung von 900 Rtlr. Zinsen für inzwischen verfallene waldecklippische Wechselbriefe in Höhe von 3.000 Rtlr., mit denen der Beklagte eine Lieferung von zehn Stück Wein bezahlt hatte. Unklar war dabei die Höhe der Zinszahlung bzw. der Zeitpunkt, ab welchem diese fällig wurden (KALTWASSER, S. 164 f., B57). Ein Überblick zur Geschichte der Familie findet sich bei K. GÜNZEL, Die Brentanos. Eine deutsche Familiengeschichte, Zürich 1993. Mit dem Namen Brentano ist aber nicht nur die Geschichte des Bankhauses verbunden: Aus der Familie stammten auch hochrangige Soldaten (z. B. der kaiserliche Feldmarschall-Leutnant Joseph Anton Freiherr von Brentano di Cimaroli und dessen Neffe Anton Joseph Freiherr von Brentano di Cimaroli Mitte des 18. Jahrhunderts) sowie der Dichter Clemens von Brentano. Siehe oben, KALTWASSER, S. 185 ff., B87, B88. Nicht ausgeschlossen ist aber auch, dass gerade die gerichtliche Auseinandersetzung beide Parteien zu einem Vergleich animierte. – In einem Prozess von 1773 klagte der Frankfurter Superintendent Dietz gegen den Schöffenrat, der sich zum Zeitpunkt der vorinstanzlichen Klage in Frankfurt gerade mit den Auseinandersetzungen der Familie Brentano beschäftigte. Der Kläger machte einen Anspruch von 8.000 Rtlr. gegenüber dem inzwischen verstorbenen, nach der Trennung von seinem Bruder wirtschaftlich erfolglosen Brentano (er hatte bei seinem Tod Handelsschulden in Höhe von knapp 60.000 fl. sowie weitere Verbindlichkeiten in Höhe von ca. 3.000 fl., denen etwa 11.500 fl. Vermögen entgegenstanden) geltend. Die umfangrei-
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Ein Blick auf die Karte zu den Kontakten Frankfurts325 ergibt ein deutlich anderes Bild im Vergleich mit Hamburg. Neben einer annähernd doppelten so großen Anzahl von Beziehungen zeigt sich für Frankfurt – trotz der Lage an Main und Rhein – eine nach den Kontakten eindeutige Charakterisierung als binnenländischer Handelsplatz. Die Kontakte beschränken sich auf den europäischen Raum, d. h. besonders eine Nord-Süd-Achse, die von den Niederlanden bis nach Oberitalien reicht. Interessanterweise beginnen viele der Prozesse vor einem Frankfurter Gericht, da es sich bei den Parteien um auswärtige Messebesucher handelt, die Probleme mit Handelsgeschäften im Allgemeinen oder Geldgeschäften im Besonderen haben. Dies ist ein Unterschied zu Hamburg, wo Prozesse mit auswärtigen Beteiligten meist in deren Abwesenheit begonnen wurden – die auswärtigen Kaufleute ließen sich – ob als Kläger oder Beklagte – von Hamburger Kollegen vor Gericht vertreten. Jedoch sei nochmals ausdrücklich darauf hingewiesen, dass diese Karte nur einen begrenzten Einblick in die verschiedenen Geschäfts- und familiären Kontakte der Frankfurter Kaufleute (als mit Abstand bedeutendste Gruppe bei Prozesskontakten sowohl innerhalb als auch außerhalb des Reiches) liefern kann – nämlich jene, die aus den Findbuchangaben sowie den bearbeiteten Prozessakten und Aktenbeilagen abzuleiten sind.326
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che Inventarliste der Besitztümer Brentanos führt neben dem üblichen Hausrat (Geschirr, Möbel, Kleidung) auch seine Waren auf, die einen Eindruck vom Sortiment eines Spezereihändlers vermitteln. Neben Färbemitteln (z. B. Cochenillen) und Gummi finden sich hier u. a. Kapern, Zitronen, Zucker, Rosinen, Kaffee, Kakao, Mandeln, verschiedene Gewürze, Reis, Schokolade Tabak und Tee in teilweise beachtlichen Mengen (z. B. mehrere tausend Pfund Zucker) (KALTWASSER, S. 277 ff., D26). Siehe Abb. 4 im Anhang. Dort befindet sich auch eine Tabelle, welche die Datenbasis für die Karte darstellt und eine Auflistung der verzeichneten Orte mit der genauen Anzahl der Kontakte enthält (Tabelle 29). Außerdem ist zwecks besserer Übersichtlichkeit die hier abgebildete Karte im Anhang nochmals größer dargestellt. An dieser Stelle ist nochmals ein Hinweis auf die Grenzziehung bzw. Zuordnung der einzelnen Städte angebracht: So zählte Dietz bei seiner Berechnung der Zahl der Messebesucher die Niederlande und die Schweiz zum Ausland (siehe oben und DIETZ, Bd. 1, S. 82). Hier sei kurz auf einen Fall unter Beteiligung Carl Behagels verwiesen, der – obwohl es sich bei den Prozessparteien um Kaufleute handelte – im Kapitel IV ausführlicher vorgestellt wird. In dem Verfahren erwähnt ein Gutachten zum Lebenswandel des Beklagten einen mehr als einjährigen geschäftlichen Aufenthalt in Marseille, ohne dass diese Information aus dem Findbuch ersichtlich wird. Dies ist im Zusammenhang des Prozesses aber auch nicht notwendig, da sich die Parteien zum Klagezeitpunkt in Frankfurt bzw. Offenbach aufhalten (KALTWASSER, S. 148, B23). Ein zweites Beispiel ist der Fall des Gumbrechts von Weisenau zum Hirsch, dem unter Nutzung von Sekundärquellen auch (wahrscheinlich geschäftliche) Kontakte nach Rottweil nachgewiesen werden können,
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2. Einzelfälle Zur besseren Veranschaulichung der gewonnenen Erkenntnisse werden in diesem Teilkapitel zwei Einzelbeispiele vorgestellt, jeweils eines aus Hamburg und Frankfurt. Die Auswahl erfolgte mit dem Ziel, nicht nur typische Handelsprozessgegenstände herauszugreifen, sondern diese möglichst mit aus den bisherigen Ausführungen bekannten Namen von Personen und Städten zu kombinieren. Darüber hinaus kommen bislang nur kurz angerissene Themen wie die Rolle eines Maklers und interessante Aktenbeilagen zur Sprache.
Hamburger Prozess J37327 Der hier näher vorzustellende Hamburger Handelsprozess präsentiert einen der größten hamburgischen Streitwerte – über 60.000 Mark banco – und steht im Zusammenhang mit dem bereits mehrfach angesprochenen Zusammenbruch der Firma Seyler und Tillemann. Der Hamburger Kaufmann Michael Levin von Minden, ein in der Stadt ansässiger Schutzjude, appellierte 1768 gegen ein Urteil des Hamburger Obergerichts in einem Verfahren, welches mehrere Übernehmer der Fallitmasse der Firma Seyler und Tillemann gegen ihn als ursprünglichen Beklagten führten. Zu den Appellaten gehörten Otto Heinrich Knorre,
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auch wenn diese aus seinem RKG-Prozess nicht ersichtlich sind (siehe Kapitel II.3 und ANDERNACHT, Regesten, S. 859 ff.). Allerdings ist damit ein Hinweis gegeben, dass sich über die direkten Verfahrensbezüge hinaus weitere Verbindungen aufzeigen lassen, welche aus der dargestellten Karte (ebenso wie auch jene für Hamburg) eine ergänzungsfähige Basis machen. Zur vollständigen Angabe aller aus den RKG-Akten ableitbaren Beziehungen und Kontakte der Prozessparteien müssten diese komplett durchgelesen werden – eine Arbeit, die zumindest im Rahmen dieser Untersuchung nicht geleistet werden konnte. STEIN-STEGEMANN, S. 523, J37. Hinweise auf die Firma Seyler und Tillemann und ihre Silber- und Münzgeschäfte finden sich auch bei F. V. SCHRÖTTER, G. V. SCHMOLLER, Das Geld des Siebenjährigen Krieges und die Münzreform nach dem Frieden: 1755-1765 (Acta Borussica), Berlin 1910, S. 92 f. Herzog Friedrich Karl von Holstein-Plön schloss 1761 einen Vertrag mit dem Bankhaus Seyler und Tillemann, doch wurde dieser wieder gelöst, „weil der König von Dänemark von geringhaltigem Gelde Schaden für sein Land befürchtete“. Friedrich Karl erklärte sich zur Prägung unter einem fremden Stempel und der Ausgabe dieser Münzen an die im Reich stehenden Armeen bereit, so dass der dänische König schließlich zustimmte – immerhin stand allein für Friedrich Karl ein Gewinn von 360.000 Rtlr. in Aussicht. Die Münzen wurden unter Aufsicht des Kommis’ des Bankhauses mit dem Siegel Anhalt-Zerbsts hergestellt.
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Jakob Mumsen Witwe & Comp. sowie Johann Eberhard Jantzen (in Vollmacht des Johann Diodatis). Strittig war in der Appellationssache die Zulassung von Beweisartikeln und Zeugenaussagen im hamburgischen Verfahren um eine Forderung der Appellaten gegen den Appellanten in Höhe von 60.338 Mark banco aus dessen Bürgschaft für einen Liefervertrag. Dieser Vertrag verpflichtete die fallierte Firma zur Bereitstellung von „Zerbster Münze“ (eine schlechte Kriegsmünze des Fürstentums Anhalt-Zerbst, die zur Zeit des Siebenjährigen Krieges ausgegeben worden war328), die über den Makler Jonathan Israel Brandon und den Appellanten an Jochim Meyer Junior (alias Ruben Meyer, einen Berliner Münzunternehmer) gehen sollte, wofür dieser im Gegenzug Silber liefern würde.329 Vertreten wurden die Parteien durch Dr. Johann Hermann Scheurer330 (für den Appellanten) und den Lic. Lukas Andreas von Bostell 331 (für die Appellaten). Dieser Prozess begann sofort mit einer dreimonatigen Verzögerung durch den klägerischen Anwalt, da dieser um einen Aufschub für die Herstellung einer Abschrift des Rezesses sowie der dazu notwendigen Ausführungen bat.332 So war der Anwalt der Appellaten der erste, der am 11. April 1768 die gedruckte Vollmacht seiner Mandanten beim Gericht einreichte. 333 Ende
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Der allgemeine Hintergrund dieses Prozesses wurde bereits bei anderen Beispielen thematisiert – die Kriegsfinanzierung durch gezielte Münzverschlechterung, wobei dieses System jeweils nach dem Krieg zusammenbrach, als die Spekulationsblasen platzten (siehe dazu die bereits zitierten Werke von SCHNEIDER: Hamburg während der Kipper- und Wipperzeit sowie Zum Geldhandel in Hamburg während des Siebenjährigen Krieges). Zu den der Akte beiliegenden Schriftstücken gehören u. a.: eine 242 Seiten starke Acta priora (Producta in Sachen …), #3 (Citatio …), #9 und 10 (Extractus Protocolli Judicii Superioris Hamburgensis in Sachen jetzige Appellaten gegen jetzigen Appellanten sowie Bestätigung der Annahme der Appellationssache durch den Hamburger Rat), #11 (Libellus Gravaminum des klägerischen Anwalts), #12 (Rechnungsaufstellung aus dem Jahr 1762, u. a. über die strittige Summe; ebenso Acta priora Bll. 39-67), #1, 16, 17 (gedruckte Vollmachten), #18 (Kammergerichtsboten-Rechnung), ohne Nummer oder Quadrangel: Protokoll der Verhandlung am Hamburger Obergericht, Beilage No. 10 (Rationes decidendi des Hamburger Obergerichts). Aus letztgenannter Beilage geht übrigens hervor, dass die Forderung neben den genannten ca. 60.000 Mark auch noch 14.028 Mark Zinsen umfasste. Scheurer war zwischen 1721 und 1772 am RKG tätig und betreute in dieser Zeit zehn Prozesse. Bostell war einer der produktivsten RKG-Prokuratoren, die mit hamburgischen Verfahren in Berührung kamen. In seinen 40 Jahren am RKG (1743-1783) wirkte er an 105 Verfahren mit. Protokolleintrag vom 13.01.1768. Protokolleintrag vom 11.04.1768.
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April lieferte der klägerische Anwalt endlich seine Eingaben und Kopien bei Gericht ab (#2-18), so dass der Prozess eigentlich beginnen konnte.334 Am 6. Mai beantragte der Anwalt des Beklagten die Gewährung einer angemessenen Frist, damit er auf die Eingaben seines Prozessgegners entsprechend reagieren könne.335 Genau einen Monat später sorgte Bostell für eine weitere Verzögerung, indem er „um eine weitere Erstreckung des Termini auf 2. bis 3. M.[onate] unterthgst [untertänigst]“ bat. 336 Obwohl der klägerische Anwalt Scheurer Auslöser der ersten Verzögerung zu Prozessbeginn war, monierte er nun, dass dem zwei Tage vorher geäußerten Begehren seines Kollegen nicht stattgegeben werden dürfe, da eine solche Verzögerung nicht zulässig sei. 337 Darauf wiederum reagierte Bostell mit dem Antrag, „die nachgesuchte Frist gdst [gnädigst] zu gestatten“ und berief sich dabei auf seinen Antrag etwa zwei Wochen zuvor.338 Nur einen Tag später verwies Scheurer auf die Regelung aus dem Jahre 1573, wonach ihm angesichts der Verzögerung eine entsprechende Information hätte zugehen müssen.339 Am 16. Juli, nachdem die Akte bereits mit einem ersten Completum versehen und nur eine Woche später wieder geöffnet worden war, erging eine Entscheidung des Gerichts, den nun bereits mehr als einen Monat zurückliegenden Antrag des Anwalts Bostell auf Fristverlängerung für seine Erwiderungen auf die Eingaben Scheurers positiv zu beantworten.340 Ende August 1768 meldete sich erneut Scheurer zu Wort und beklagte heftig, dass die gewährte Frist von drei Monaten abgelaufen sei, ohne dass der gegnerische Anwalt seine Schriften vorgelegt habe.341 Nach weiteren Debatten um die Frage der termingerechten Prozessfortführung teilte der appellantische Anwalt schließlich mit, dass die vom gegnerischen Anwalt benötigte Abschrift der Vorakten samt Rationes decedendi noch nicht vom Hamburger Magistrat we334 335 336 337 338 339
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Protokolleintrag vom 29.04.1768. Protokolleintrag vom 06.05.1768. Protokolleintrag vom 06.06.1768. Protokolleintrag vom 08.06.1768. Protokolleintrag vom 22.06.1768. Protokolleintrag vom 23.06.1768. „… und kann also das producirte Schreiben [des gegnerischen Anwalts] das ihm auch nicht einmahl vorgezeigt worden [ist], nicht recognosciren.“ Auf dieses Geplänkel der Anwälte folgte ein erstes Completum am 9. Juli desselben Jahres. Protokolleintrag vom 16.07.1768. „In Sachen Juden Michael Levi von Minden, wider Johann Diodati, und Cons. als Bürgern, und Übernehmer der Seyler= und Tillemannischen Massae: Aplois. [Appellationis] Ist die durch Lt. Bostell gebettene Frist ad primam post ferias magnas zugelaßen, und sub praejudicio angesetzt.“ Daraufhin ruhte der Fall weitere sechs Wochen. Protokolleintrag vom 31.08.1768.
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gen „anderer Vordringlicher Geschäfften“ geliefert worden sei und zu deren „Einbringung noch 5. bis 6. Wochen“ Aufschub notwendig wären. 342 Ende November konnte Scheurer endlich mitteilen, dass die Kopien der Vorakten „produciret und mit vorgestriger Post“ geliefert wurden.343 Der letzte Protokolleintrag vom 8. Dezember 1768 bestätigt den Erhalt der Kopie mit unbeschädigtem Siegel durch Anwalt Bostell 344 , danach folgt das endgültige Completum vom 9. Januar 1769. Aus taktischen Gründen hatte Scheurer als Anwalt des Appellanten und in der Vorinstanz unterlegenen Beklagten den Prozess um mehrere Monate verzögern können. Wie bereits angedeutet wurde, bestritt der klägerische Anwalt die Glaubwürdigkeit eines Zeugen der jetzigen Appellaten im vorinstanzlichen Hamburger Verfahren und damit dessen Zulassung als Zeuge. Der aus Sicht des Appellanten umstrittene Zeuge war der Makler Brandon, der den Vertrag zwischen Jochim Meyer und der fallierten Firma Seyler und Tillemann vermittelt hatte. Da Meyer mit der Firma bisher keine Geschäfte getätigt hatte, forderte letztgenannte von Brandon die Übernahme einer Bürgschaft für den ihr unbekannten Handelspartner. Über die Bürgschaftsforderung kam Levin in dieses Geschäft, da er erklärte, als „Übernehmer des Kontraktes“ bei Ausfall des Meyers zur Verfügung zu stehen. 345 Die ersten Transaktionen (Austausch von Zerbster Münze gegen Silber via Brandon oder Levin) erfolgten vereinbarungsgemäß, doch konnte Meyer in der Folge seiner vertraglichen Verpflichtung zur Silberlieferung nicht mehr nachkommen, weshalb sich Seyler und Tillemann an den Bürgen Levin wandten. Dass dieser Bürge war, ließ sich die Firma im erstinstanzlichen Prozess vom Makler Brandon selbst bestätigen. Dagegen machte Levin geltend, „der Zeuge dürfe nicht vernommen werden, da eine Kollusion [ein geheimes Einverständnis] zwischen Seyler & Tillemann und dem Zeugen zum Nachteil des Beklagten vorgelegen habe“. 346 Levin warf Brandon den Bruch seines Maklereides vor, dass er in eigener Sache handle und selbst der von Seyler und Tillemann geforderte Bürge sei. Über diese Bedenken setzte sich die hamburgische Vorinstanz (Obergericht) hinweg und ließ Brandon als Zeugen zu, da er in seiner Eigenschaft als Makler besonders glaubwürdig sei. 347 342 343 344 345 346 347
Protokolleintrag vom 03.10.1768. Protokolleintrag vom 28.11.1768. Protokolleintrag vom 08.12.1768. EBERT-WEIDENFELLER, S. 88. EBERT-WEIDENFELLER, S. 89. EBERT-WEIDENFELLER, S. 89; siehe auch S. 134 in Bezug auf den Prozess von Heinrich Krüger, Bürger und Kaufmann zu Hamburg, gegen den Testamentsvollstrecker des hamburgischen Kaufmannes Guillaume de Labistrat (STEIN-STEGEMANN, S. 597, K70).
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Zugleich könne von einem Eigeninteresse des Maklers am Ergebnis des Prozesses nicht mehr die Rede sein, da er nur kurz als Bürge fungiert habe, zum Zeitpunkt der Vertragsverletzung durch Meyer jedoch nur noch „als bloßer Unterhändler und nicht als eine am Vertrag interessierte und partizipierende Person anzusehen“ sei. Allerdings stände es Levin ebenso frei, mittels eigener Fragen oder sonstiger Beweismittel das Gegenteil dieser Annahme zu belegen.348 In einem von Scheurer mit anderen Papieren im April 1768 eingereichten Notariatsinstrument verwies der Appellant auf die Täuschung durch den von ihm angezweifelten Makler: Der Vertragspartner der Firma Seyler und Tillemann war „Jochim Meyer junior, aus Berlin“, der „auf den erdichteten Nahmen von Ruben Meyer, unter der Vermitllung und auf der Guarandie des damahligen Macklers Jonathan Israel Brandon“ den Liefervertrag abschloss. Brandon wäre nur so lange Bürge, „biß dieser [Brandon] einen andern guarand darzu auftreiben würde“. Dies würde, so Levin, der Darstellung in den Handlungsbüchern der Firma widersprechen und daher Brandon als Zeugen disqualifizieren. Obwohl dies dem Obergericht bekannt war, wurde Brandon als Zeuge zugelassen.349 In seiner Argumentation wies Scheurer darauf hin, dass die Rolle seines Mandanten bei besagtem Münz- und Silbergeschäft lediglich in der Rolle eines Spediteurs gelegen habe.350 Nach nur einigen Wochen stieg Levin wieder aus
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Hier waren 1687/88 sowohl die Beweisführung als auch die Schadensersatzforderung strittig, die der Testamentsvollstrecker in der Vorinstanz gegen den Appellanten erhoben hatte. Krüger sollte 3.352 Mark an de Labistrat für die Lieferung einer Partie Pflaumen zahlen. Der Appellant beklagte die Schlechtlieferung durch den Appellaten in diesem über einen Makler vermittelten Geschäft. Im Zuge des Verfahrens, bei dem die Glaubwürdigkeit des Maklers ebenfalls angezweifelt wurde, betonte das Gericht besonders, „daß ein Makler bereits Kraft Amtes ein Zeuge mit besonderer Glaubwürdigkeit sei“ (EBERT-WEIDENFELLER, S. 88, FN 297). EBERT-WEIDENFELLER, S. 89. Obwohl das hamburgische Obergericht ein durchaus vorhandenes, temporäres Interesse des Maklers zugesteht (eben weil er zwischenzeitlich selbst als Bürge auftrat), ist dennoch der Vorwurf der Befangenheit und die Ablehnung als Zeuge der Kläger (und späteren Appellaten) nicht vertretbar. #6 (Instrumentum Notariale vom 29.04.1768). Es wurden, so Levin, „widerrechtliche Beweis articuln“ geführt und der Makler und Bürge Brandon zur Befragung und damit als Zeuge gegen ihn selbst zitiert. Aus dem Instrument ist ebenfalls ersichtlich, dass das Obergericht die Bedenken des damaligen Beklagten (Levin) sehr wohl zur Kenntnis genommen, aber trotz dieses Vorbehalts einer Befragung Brandons aus den bereits genannten Gründen zugestimmt hatte. #11 (Libellus Gravaminum des klägerischen Anwalts). Die entsprechende Vereinbarung zwischen Levin und Brandon stammte aus dem Jahr 1762, als ersterem „von dem damaligen Mackler Jonathan Israel Brandon angetragen [wurde], die durch ihn Brandon zu
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dem Geschäft aus, da er keine Anweisungen mehr von Brandon bezüglich weiterer Lieferungen zwischen Meyer und der Firma Seyler und Tillemann erhalten habe.351 Nach der Regelung eigener Geschäfte außerhalb Hamburgs kehrte er 1763, dem Jahr des Zusammenbruchs der Firma nach Hause zurück, wo er erfuhr, dass die Konkurserben der Firma versucht hatten, mit Meyer in Berlin Kontakt aufzunehmen, der dortige Ruben Meyer aber jedwede Ansprüche „gantz nachdrücklich“ abwies, „weil er mit Seyler und Tillemann gar keinen Verkehr gehabt“ hätte. Daraufhin hätten sich die jetzigen Appellaten nach Durchsicht der übernommenen Handlungsbücher und Rücksprache an ihn, Levin, gewandt. Dabei bestritt der Anwalt die Darstellung der Gegenseite, dass Levin seinerzeit öffentlich vor der Börse die Übernahme der Bürgschaft für Meyer übernommen hatte.352 Brandon sagte 1766 aus, dass ihm Samuel Lehmann Hertz das Angebot gemacht hätte, „in seinem Namen für besagten von Minden denen Herren Seyler & Tillemann einen Accord [Vergleich] zwischen 30 & 40 pro Cent anzubieten. Er … hätte aber selbigen [Hertz, als Vertreter Levins] selbst an die Herren Seyler & Tillemann verwiesen, und nachhero vernommen, daß er bey denenselben selbst gedachten Accord angetragen habe.“ Ein ähnliches Angebot sei auch Ende 1762 oder Anfang 1763 durch Jacob Moses Schlesinger, den Schwager Levins, an Brandon ergangen. 353 Auch in diesem Fall lehnte Brandon eine Übernahme der Verpflichtung ab, da nicht er, sondern Levin selbst der Bürge war. Der Ausgang des Verfahrens selbst ist unklar354, da, wie bereits berichtet, auch die Protokolleinträge mit der Bestätigung des Erhalts der Acta priora durch den Anwalt der Appellaten und ursprünglichen Kläger enden. Anzunehmen ist, dass die Sache danach im Sande verlief und die Entscheidung des hamburgischen Obergerichts damit Bestand hatte. Dieses bestätigte den Anspruch der Konkurserben der Firma Seyler und Tillemann und sah die Einwände des Beklagten Levin als unerheblich an. Im Gegenteil, in den Rationes decidendi wurde ihm Falschaussage vorgeworfen, während die Aussage des Zeugen Bran-
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empfangende Zerbster Müntze, für Jochim Myer Junior in Berlin oder dessen Ordre zu spediren“. Dem stimmte Levin zu und handelte in der Folge auf Anweisung Brandons. Das Geschäft lief „aber nur bis medio Februarii gedachten 1762. Jahres, weil appellant seit der Zeit keine Anweisung von besagten Brandon erhalten, und auch einige Zeit darauf dringender Umstände halben mit seinen Debitoribus Richtigkeit zu treffen in aller Eile nach Berlin und andern Orten verreisen müßte“ (#11). #11. #14. Siehe dazu auch den entsprechenden Eintrag in der Hamburger Prozessdatenbank (SCHILDT).
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don als gewichtig betrachtet und als zu den anderen Beweisen und Aussagen passend gewertet wurde.355
Frankfurter Prozess A21356 Der ausgewählte Frankfurter Prozess zu Handels- bzw. Geldsachen vereinigt mehrere im Zusammenhang mit den Handelsfällen thematisierte Bereiche – nicht nur entsteht die in diesem Verfahren strittige Forderung bei einem Messegeschäft, sondern neben den Waren finden sich auch mehrere Wechselbriefe sowie eine Kontenaufstellung, eine Inventarisierung des Klägervermögens, eine gedruckte Ediktalzitation der Stadt Bamberg betreffend den flüchtigen Appellanten, Protokolle über den Vollzug des Reichskammergerichts-Urteils, eine Rechnung des Reichskammergerichts-Boten und Ausschnitte aus der Frankfurter Kaiserlichen Reichs-Ober-Post-Amts-Zeitung von 1771.357 Diese Mischung macht den nun vorzustellenden Fall interessant und berichtenswert. 355
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Beilage No. 10. Brandon hatte ausgesagt, „Zeuge [gewesen] zu seyn, und das Beklagter [Levin] an seiner Stelle die Bürgschaft übernommen, das ist gerade dasjenige, was Beklagter geleugnet [hat]“. – Eine interessante, für den eigentlichen Gegenstand des Verfahrens aber wenig relevante Beilage bildet die Rechnung des Reichskammergerichts-Botens Johann Winter, der – neben den sonstigen Gebühren – für die 52 Meilen von Wetzlar nach Hamburg 26 fl. „Preislohn“ forderte (#18). KALTWASSER, S. 120 f., A21. Die Prozessakte enthält 18 Seiten (Protokoll, fest gebunden), sowie „Briefverkehr“ (Aktenbeilagen [fest gebunden, „Volum: Unic:“, 253 Seiten]) und die Vorakte („Acta priora“, 200 Seiten [wie fast immer üblich ebenfalls fest gebunden]). Zu den Aktenbeilagen gehören u. a. #3 (Citatio des Appellaten), #5 (Kopie eines Erlasses der Vorinstanz vom 22.9.1769, nachdem „sind die bisherigen Process Kosten gegen einander zu compensiren, die transmissions Gebühren aber von jedem Theil zur Helfte zu tragen.“), #7 (Bitte Dr. Rüppels vom 15.1.1770, ihm für die Lieferung eines Libellum gravaminum noch etwas Zeit zu geben), #11 (Erneute Bitte vom 9.Marty, da „ich mich von einer Unpäßlichkeit kaum erhohlet“ habe), #12 (Supplication [Ergänzung] von Dr. Rüppel vom 16. Maij 1770 mit dem Hinweis, daß „die mit arrest beschlagene dem moder und verderben ausgesezte Waaren 4540 fl. Werth sind“), #13 (Libellus Gravaminum von Dr. Besserer, dem Anwalt des Klägers), #15 (Abschrift der beiden Wechselbriefe), #16 (Bilanz des Klägers von 1765), #22 (Annahme der Appellation durch das Frankfurter Schöffengericht vom 25.7.1770), #24 (Rechnung des RKG-Boten vom 11.7.1770, darunter „Vor Zweytage Marktgeld Einen jeden Tag a 45x“, insgesamt 42 fl. 50 x), #26 (bei Kaltwasser „25:“; zahlreiche Kopien von Wechselbriefen und anderen Geschäftspapieren), #30 und 31 (Ediktzitation der Stadt Bamberg betreffend den flüchtigen de Angelis, 1771 Druck), #35 (RKG-Urteil betreffend Einrichtung einer Kommission beim Schöffengericht Frankfurt zur Inventarisierung und Teilung des Vermögens des Klägers), #36 und 38
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Im Jahre 1770 klagte der Augsburger Handelsmann Johann Obwexer (auch: Owexer)358 gegen den Bamberger Kaufmann Bartolomae de Angelis am Frankfurter Schöffengericht. Obwexer forderte die Zahlung einer Summe, die seit der Frankfurter Herbstmesse von 1765 ausstehe und die er bereits in Leipzig 359 gerichtlich geltend gemacht hatte. Noch im gleichen Jahr appellierte d’Angelis gegen das Urteil des Schöffengerichts beim Reichskammergericht in Wetzlar. Das ca. fünfjährige Appellationsverfahren360 begann jedoch sogleich mit einer zweimonatigen Verzögerung, da der Anwalt des Appellanten, Johann Paul Besserer361, um Aufschub für die Reproduktion wichtiger Aktenstücke für diesen Prozess bat, da er „nicht wissen kann, wann derselbe [Cammerbott] retourniret“.362 Angelis erhob Anspruch auf die Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils samt des verfügten Arrests und wies die Forderung Obwexers in Höhe von 3.808 Gulden 9 Kreuzern aus Wechselbriefen und Kontokorrent zurück. Zwei Monate später teilte Dr. Mainone (auch Mainoné), der Anwalt des Appellaten mit, dass sein Mandant inzwischen verstorben und nun dessen „hinterlaßene Söhne unter gewöhnlichen Vorbehalt Vermöge original-general Vollmacht“ seine Mandanten seien, weshalb er um eine weitere zweimonatige
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(Frankfurter Kaiserl. Reichs-Ober-Post-Amts-Zeitung vom 16.7.1771) und #39, 41 und 42 (Protokolle betreffend den Vollzug des RKG-Urteils). – Die Oberpostamts-Zeitung war das Konkurrenzblatt des von Wilhelm Serlin (siehe oben) begründeten „Frankfurter Journals“. Da Obwexer während des Prozesses verstarb, traten dann dessen Erben (Eintrag in der Hauptakte vom 16.6.1774) als Prozesspartei auf, allerdings wurde aus Gründen der Übersichtlichkeit weiterhin der ursprüngliche Kläger und spätere Appellat genannt. Dieser Fall gehört zu jenen acht Frankfurter Prozessen, in denen zumindest indirekt ein Bezug zur Leipziger Messe hergestellt werden kann. Davon abgesehen belegt die Erwähnung dieser Messe zusammen mit der in Frankfurt (weshalb dies ein Frankfurter Prozess ist) sowie der Herkunft der beiden Prozessparteien die Vernetzung des Handels im Reich während der Frühen Neuzeit. Laut Protokoll dauerte der gesamte Prozess etwas mehr als fünf Jahre und einen Monat. Das älteste beiliegende Aktenstück datiert in das Jahr 1764, der erste Protokolleintrag stammt vom 29.08.1770 und das Completum vom 09.10.1775. Darüber hinaus ist ein Visum (Sichtvermerk) vom 12.09.1808 im Protokoll notiert. Lic. Besserer war zwischen 1753 und 1777 an insgesamt 52 Frankfurter RKG-Prozessen beteiligt, der Anwalt des Appellaten, Dr. Johann Wilhelm Mainone, an 21 Verfahren zwischen 1764 und 1791. Protokolleintrag vom 27.08.1770. #24 enthält eine Rechnung des Kammergerichtsboten Johan Lodowig Stremell über insgesamt 42 fl. 90 x an den Appellanten, die u. a. auch den folgenden Eintrag enthält: „Vor Eine Insinuation zu Franckfurtt auff dem römer Bey dem ältere H. Bürgermeister von glauburg zählt 2 [fl.] 20x“.
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Frist zur Prozessvorbereitung nachsuche. 363 Am 05.11.1770 reichte der appellantische Anwalt 24 Aktenstücke ein, darunter die Vollmacht seines Mandanten, die strittigen Wechselbriefe und das Urteil des Frankfurter Schöffengerichts in dieser Sache.364 Zu den Beilagen zählte eine von ihrer Art her typische „Citatio Inhibitio et Compulsoriales In Sachen d’Angelis ca. N: Obwexer“, in der es u. a. heißt: „Wir Joseph der Andere von Gottes Gnaden Erwehlter Röm. Kayser … und Tyrol p.p. Entbiethen denen respective Edlen und Ehrsamen, Gelehrten, unseren und des Reichs Lieben getreüen Burgermeistern und Rath unserer Kayserlichen Reichs-Stadt Franckfurt am Mayn: Sodann Johann Obwexer: Imgleichen N: Rüppel derer Rechten Dr:, als appellantischem Advocaten, unsere Gnad und alles Guts. … Hierum so heischen und Laden Wir Dich obbenannten Appellaten, Von unserer Kömiglh=Kayßerlichen Macht, auch Gericht= und Rechteswegen hirmit auf den Sechszigsten Tag den nächsten nach Überantwortt= oder Verkündigung dieses, deren Wir dir Zwantzig Vor den Ersten, Zwantzig Vor den anderen, Zwantzig Vor den Dritten – Letzten – und Endlichen Rechts-Tag setzen […] oder durch deinen Gevollmächtigten Anwaldt an diesem Unserem Kayserlichen Cammer=Gericht zu erscheinen ihme Appellanten in Rechten gebührend zu antworthen, darauf der Sachen und allen ihren Gerichts-Tagen und Terminen bis nach Endlichem Beschluß und Urtheil aus zu warthen. …“365 Von weiteren Unwägbarkeiten bezüglich der zeitlichen Dauer eines Prozesses zeugen die Beilagen #7 und #11. Erstere ist der Auszug aus einem Schreiben Dr. Rüppels, dem Frankfurter Anwalt d’Angelis’, in welchem er sich entschuldigt, dass er die Gravamina seines Mandanten noch nicht ausgefertigt habe. 366 Nachdem er im Januar 1770 um zwei Monate Zeit gebeten hatte, schrieb er im März an Besserer und ersuchte um eine weitere Frist.367 Die Beilage #13 beinhaltet die Gravamina des appellantischen Anwalts und nennt u. a. die auf der Herbstmesse in Frankfurt 1765 vorgebrachten Forderungen des Appellaten gegen den Kläger in Höhe von ca. 3.800 Gulden, die „in zwey
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Protokolleintrag vom 26.10.1770. Die Vollmacht (#1A) ist unterschrieben mit „Johann Obwexer seine Söhne“. Protokolleintrag vom 05.11.1770. Der Anwalt bringt die Aktenstücke #1B-#24 ein. #3. #7: „Meine dermaligen Verhinderungen machen mir es ganz ohnmöglich, den Libellum gravaminum vor Ablauf … des künftigen Monats … zu entwerfen“. #11. Das erklärt z. T. die dann am RKG von Besserer selbst geforderte Verlängerung seiner Abgabefristen. In dem Schreiben Rüppels heißt es u. a.: „… indem ich mich noch von einer Unpäßlichkeit kaum erhohlet, und mir überdem gantz unaussetzliche Verhinderungen dermahlen aufliegen. …“.
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Wechselbriefen, dem einen von 55, und den anderen von 65 Carl d’or, dann einem angeblichen Saldo eines Conto-corrente von 2408 fl 5 xr vermeintlich zu begründen“ besteht. Zur Sicherung seiner Forderungen hatte Obwexer „auf des Beklagten vorräthige Mess-Waaren“ Arrest legen lassen. Dass diese Forderung nach Ausgleich des Kontos berechtigt sei, bestritt er: „Grav: III. [Gravaminum III #13] in ansehung des ausgestellten illiquiden, und diesseits standhafft widersprochenen vermeinten Rechnungs-Saldo von 2408 fl 5 xr desto minder bestehen, und fortdauern, als theils letzterer auf ein ordnungsmäßiges Credit und debet vollständig in sich fassendes Conto-corrente nicht gebauet, sondern unförmlich und verstümmelt ausgeworffen ist, mithin in derjenigen gestalt nirgends bescheinigt vorlieget, wie solches doch die Verhängung eines arrestes, der eine Speciem Executionis darstellet, ohnumgänglich erheischet.“ 368 In #15 liegen Abschriften der beiden strittigen Wechselbriefe bei. Der eine datiert auf den 09.06.1764 (älteste Beilage) und lautet auf 55 „Carlin“ (ebenfalls vermerkt ist der Umrechnungskurs von 1 Carlin zu 4 Rtlr.), zahlbar auf der nächsten Herbstmesse in Frankfurt. Der zweite stammt vom gleichen Tag und lautet – zu ansonsten gleichen Bedingungen – auf 65 „Carlin“.369 In der nächsten Beilage folgt eine Kontoaufstellung des Klägers, die u. a. die Zahlungsverpflichtungen an den Beklagten enthält (mit Zinsen zusammen ca. 3.800 Gulden), aber auch geschäftliche Kontakte des Klägers nach Braunschweig, Leipzig und Fürth (also zu weiteren Messeorten) offenbart. 370 Das Frankfurter Schöffengericht bestätigte am 20.09.1770 die ordnungsgemäße Appellation d’Angelis’ inklusive der Hinterlegung der geforderten Kaution.371 Am 19.11.1770 vermeldet das Prozessprotokoll die Übergabe der Acta priora des vorinstanzlichen Schöffengerichts an das Reichskammergericht. 372 Das Gericht gab – „auf eingeholten Rath auswärtiger Rechtsgelehrten hirmit für Recht erkannt“ – das Urteil bekannt, dass dem Kläger Obwexer bezüglich seiner Forderungen Recht gegeben werde, die jeweiligen Verfahrenskosten aber von beiden Parteien zu tragen seien.373 368 369 370 371 372
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#13. #15. D’Angelis hat hier allerdings mit „von Nürnberg“ unterschrieben. #16. #22. Die Acta priora enthalten u. a. die Auflistung einer Lieferung von d’Angelis an Johann Nikolaus Olenschlager im September 1765 im Wert von 4.540 fl. (u. a. 40 Dutzend seidene Handschuhe, 120 Paar seidene Hosen und zehn Dutzend seidene Beutel; #25 Bl. 12), mehrere Wechsel (u. a. 3.000 fl. „an die ordre H. Daniel Wolf[f]; Bl. 17), ein Urteil des Schöffengerichts (Bl. 78) sowie aus dem anschließend beginnenden Appellationsverfahren den Kautionsschein (Bl. 99). #25, Bl. 18.
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Beide Reichskammergerichts-Anwälte der Prozessparteien erhielten Einblick bzw. Kenntnis von den Acta priora374, doch das Gerichtsverfahren verzögerte sich weiter, da der appellatische Anwalt Mitte Dezember um vier bis sechs Wochen Verschiebung bat.375 Einen Monat später reichte er seine Ausführungen nebst Beigaben ein376, in denen er seinen Mandanten Obwexer als „Banquier … in Augspurg“, der „eine zeitlang den Handelsmann Bartholomaei d’Angelis mit Geld und Credit [versorgte], so, daß Ersterer an Leztern manchesmal wol zwanzig- und mehr Tausende zu fordern hatte“. Da der Appellant die zwei Wechselbriefe nicht wie vereinbart bezahlt habe, sah sich der Appellat genötigt, „wider seinen herumirrenden Debitorem nach aller Strenge des mercantilRechts, wo immer er, oder doch Waaren von ihme anzutreffen seyn würden, zu verfahren. Zu diesem Ende gab Obwexer der Raggion Daniel Wolf die Vollmacht, den in der Neujahrsmeß anno 1765. vermutlich zu Leipzig betreffenden d’Angelis um fl. 7220. in alten Louis d’or à 7½ fl., dann um 1346 fl. 24 xr neue Louis d’or à fl. 11 gerichtlich zu belegen, und nach Schärfe der Rechten mittelst Sequesteirung dessen Effetti etc. bis zu gänzlicher Bezahlung, auch Ersezung aller Schäden und Kösten auszuklagen“.377 Zum Zeitpunkt der Vorlage dieser Schrift war der Appellant schon flüchtig378, wie aus vom appellatischen Anwalt Ende Februar beigelegten Zeitungsausschnitten hervorgeht.379 Dazu gehört auch #30: „Dienstag, den 22ten Januar 1771. VI. Stuck. Neuigkeiten. Warschau, vom 26ten December. Nachdem die leidig Pest so ziemlich nachgelassen, Man auch durch den Cordon auf allen Landes-Strassen 374 375 376 377 378
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Protokolleinträge vom 21.11.1770. Protokolleintrag vom 14.12.1770. Protokolleintrag vom 14.01.1771. Die Aktenstücke #26 und #27 werden eingebracht. #26, S. 4 ff. [Aktenblätter 113 f.]. Die Großkaufleute hatten bereits am Beginn des 18. Jahrhunderts den Schutz des Wechselrechts gefordert: „… gegen die, welche ihre Wechsel nicht einlösten, müsse sofort mit der Exekution vorgegangen werden. Aber der Rat gestatte ihnen Appellation: dann könne der Schuldner inzwischen sein Gut flüchten; auch könne er in Konkurs geraten, …“ (BOTHE, S. 483). Genau dies war in diesem Fall auch passiert: Obwexer klagte auf das „Kaufmannsrecht“, bestand also auf der Einlösung seiner Wechsel, doch dem Schuldner wurde vom Frankfurter Gericht bzw. Rat die Appellation erlaubt (zu Recht, aber im Ergebnis unnötig), woraufhin sich der Schuldner absetzte und fallierte. Protokolleintrag vom 27.02.1771.
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Die beste Obhuth hat; So kommt die Zeitung an, Die auch das hartste Herz leichtlich bewegen kan. Das Medziboce ist fast gänzlich ausgestorben, Ganz Baar ist durch die Pest auch dergestallt verdorben, Daß nur noch Wenige die Haut davon gebracht. Und von Vollhynien man gleiches Unheil sagt.“380 Dann beginnen die eigentlichen Neuigkeiten, darunter u. a. „Fortsetzung der abgebrochenen Capitulation zu Lemmos. Zu gleicher Zeit ließ die Türkische Garnison dem Herrn General Orloff folgende Bittschrift überreichet. …“, die Anzeige einer Versteigerung auf dem „Hochgräflich Schönbornischen Dom Herrn Hofe“ wo „verschiedene Mobilien gegen baares Geld mittels Versteigerung verkauft werden sollen, worunter eine großße Stock Uhr, dann einige Portraits besonders angemerket zu werden verdienen.“ und die Rubriken „Sachen, die zu verkaufen oder zu vermiethen seynd.“ [hier „in der sogenannten EselsGasse ein Viehe Stall und Stadel … Der Liebhaber dessen kan sich bey Anton Markard, Gassen Hauptmann in der Frauen-Gasse, darum melden.“], „Sachen die zu kauffen gesuchet werden.“ [hier ein „Rend-Schlitten“] und „Sachen, die verlohren worden.“ [hier ein „silbernes Gehäuß von einer Sach-Uhr, Mehr: Ein Paar eckige silberne Schuhschnallen“] – und natürlich die „Citationes edictales Creditorum primae.“ wo es heißt: „Aus dem Dom-Capitul. Casten-Amt daselbst. Demnach der dahiesige Handels Burger Bartholomä Angelis zu Ende des Monats Octobris vorigen Jahrs, vermuthlich seines grossen Schulden Lastes halber, von hier ausgetretten ist, und der Ort seines dermaligen Aufenthalts weder von seinem zuruckgelassenen Ehe-Weib noch von Jemand anderst verläßig ausgekundschaftet werden kan, indessen aber die rechtliche Nothdurft erforderet, daß dessen Schulden Stand gründlich untersuchet, und mit seinen Gläubigeren Ordnungs mäßig liquidiret werde; Solchemnach wird Eingangs erwehnter Bartholomä Angelis sowohl, als alle und jede, welche an demselben eine Forderung zu machen berechtiget und Willens sind, ad liquidandum binnen 45. Tägen, deren 15. für den ersten, 15 für den zweyten, und 15. für den dritten, letzten, und peremptorischer Termin angesetzet sind, …“ 381 Durch weitere Eingaben Besserers im April, Juli und August 1771 konnte dieser das Verfahren verzögern, da er sich bezüglich seines Mandanten mit dessen Frankfurter An-
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#30. Die Formatierung des Originals wurde übernommen. #30. Diese Druckschrift ist doppelt vorhanden (ebenso #31).
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walt beraten musste, der jedoch immer noch nicht in der Lage zu sein schien, wichtige Schriften zu liefern.382 Im September 1771 erging eine Anweisung der Kammergerichtskanzlei an die Stadt Frankfurt mit der Forderung nach Inventarisierung und Versteigerung des Warenlagers des Appellanten („… das angelische Waaren-Lager … inventiren, und hernachmahls offentlich an die meist biethenden feyl biethen und das daraus gelößte Geld, … an dieses Kayserlichen Cammergerichts. Leserey ad Depositum einschicken sollen …“).383 Im September und November reichte der appellatische Anwalt zwei Exemplare der „Frankfurter Kaiserl. Reichs-Ober-Post-Amts-Zeitung“ vom 16. Juli 1771 ein. 384 In der Rubrik AVERTISSEMENTS (diese enthält u. a. die Lottozahlen der 3. Ziehung in Wetzlar) wird in einer Anzeige der Stadt Bamberg nach dem Appellanten gefahndet: „Demnach der dahiesige Handelsburger Bartholomä Angelis, zu Ende des Monats Octobris n.p. vermutlich seines großen Schulden-Lastes halber von hier ausgetreten ist, …“. Zugleich ergeht die Mahnung an den Flüchtigen, sich schnellstmöglich zu melden, da seine Kreditoren Zahlung verlangten.385 Noch 382
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Protokolleinträge vom 29.04., 10.07. und 26.08.1771 nebst beigefügten Schreiben Dr. Rüppels (#32-34). #35, Bl. 157. Protokolleinträge vom 01.09. und 06.11.1771, #36 und 38. #36, S. 4. Die Zeitung enthält aber noch weitere interessante, allerdings nicht mit dem Prozess in Verbindung stehende Nachrichten: „Wien, vom 8 Julii. In Deutschland [!] hat man seit einiger Zeit angefangen, von dem Kunst-Caffee viel Wesens zu machen. Damit die Fremden ihre Künste den Erblanden nicht in hohem Preise verkaufen mögen; so ist die Einfuhr alles fremden Kunst-Caffee, er mag pur oder gemischt seyn, bey Confiscations- und anderer willkührlicher Strafe verboten worden. … Warschau, vom 28 Jun. Die Briefe aus dem Cracauischen fehlen; von Zamoc aber wissen wir nun, daß Pulawsky, welcher mit seiner Division den Obersten Drewiz nicht abwarten wollte, sich vergangene Woche auf das eilfertigste nach Zamosc zugezogen hatte. Zamosc ist ein etwas vester Ort, und hat überdieß noch ein kleines Schloß. Dieses hatte Pulawsky zu seinem Zufluchtsorte erwählet, und er sich schon mit dem dortigen Commandanten in Unterhandlungen eingelassen, um ihn dahin zu bringen, der Conföderation zu schwören, und ihm die Stadt zu überliefern. Es war schon ziemlich weit damit gekommen, als der Generalmajor von Suwarow, welcher dem Pulawsky gefolget war, unvermuthet ankam, denselben und dessen Leute attaquirte, 100 Mann davon niederhieb, und 42 Mann nebst einem Rittmeister gefangen nahm. Nun wird gesagt, Pulawsky habe sich in das Gebirge und nach Dukla gezogen. Diesen Augenblick geht hier die Nachricht ein, daß Pulawsky von den vereinigten Corps des Herrn Braniky und Obersten Drewiz geschlagen sey, und sich mit 200 Pferden nach Czenstochau retiriret habe. Die hierher entbotene Dißidenten haben einen blutigen Anfall von den Conföderirten auszustehen gehabt. Prag, vom 30 Junii. Vor wenig Wochen fand ein Bauer auf den Gütern seynes Grundherrn im Katonitzer Creyße, und zwar bey dem Dorfe Bodnack an einem Bache, dessen Ufer
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im gleichen Jahr übergab die Stadt Frankfurt dem Gericht ihren Kommissionsbericht über den ersten Teil des Vollzugs der ReichskammergerichtsEntscheidung (Versteigerung des appellantischen Warenlagers). Die Sache lag nun im Auftrag der Stadt in den Händen der Handelsgesellschaft Olenschlager, mit der d’Angelis bereits Geschäfte getätigt hatte und die für den Verkauf der Waren während der nächsten Herbstmesse (1771) sorgen sollte.386 Im Mai 1772 ging schließlich ein weiterer Bericht aus Frankfurt mit der genauen Rechnungsstellung und Inventarliste der Güter des Klägers ein.387 Zu den Waren zählten u. a. Dutzende seidene Uhrbänder, teilweise mit Gold, grüne seidene Beutel, seidene Beinkleider, Seidenstrümpfe für Männer und seidene Frauenhandschuhe (fingerlos und teilweise durchlöchert) für zusammen 1.407 Gulden und 31 Kreuzer. Von diesen wurden aber nur 1.248 Gulden und 28 Kreuzer an das Gericht (bzw. später an die Beklagten) übergeben, da Unkosten für Ausrufer, den Vergantungsschreiber und die Zustellung verschiedener Schreiben (u. a. an den „Obrist-Richter“ in Bamberg) abgezogen wurden.388 Obwohl der Fall damit erledigt schien, dauerte es noch mehr als zwei Jahre, bevor das Gericht zu einem abschließenden Urteil kam.389 Am 27.08.1773 forderte der appellatische Anwalt eine Beschleunigung des Verfahrens, da „bey längerem Verzug der Höchstrichterlichen Entscheidung … der Schaden für den
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durch die grosen Gewässer sehr war ausgespület worden, einen ansehnlichen Schatz, der aus lauter alten Goldmünzen besteht [mindestens „62 Pfund und drittehalb Loth des feinesten Goldes in vielerley Münzarten“, die entweder „auf den Creutzzügen noch mit aus den Morgenländern gebracht worden, oder … alte Böhmische Münzen sind.“], welche in einem kupfernen Kessel von einem Schuhe im Durchschnitte befindlich waren. Die Einfalt des Bauers hielte solche für meßingene Knöpfe, und vertauschte sie für wenige Seidel Mehl. … Livorno, vom 4 Julii. Vergangene Woche giengen aus hiesigem Haven zwo Grosherzogliche Kriegsfregatten, Oestereich und die Schwalbe, unter den Befehlen des Captain Ucton, nach ihrer gewöhnlichen Creuzfahrt unter Segel. … Vermischte Neuigkeiten. Von Gibraltar geht die Nachricht ein, daß der Friede zwischen Dännemark und Algier unter Vermittelung des Königs von Sardinien geschlossen sey. … Ohnlängst forderten Janitscharen in Constantinopel auf eine gute Art Geld von dem Caimacan oder Vize-Vizier, den sie nicht kannten, weil er, wie gewöhnlich, verkleidet durch die Strasse gieng. Der Caimacan sagte: Es ist billig, daß Reisende ein Fehrgeld bekommen, und reichte ihnen gegen 20 Zechinen. … Von Hanau geht die Nachricht ein, daß daselbst am 11 dieses der Frau Erbprinzeßin Königl. Hoheit mit einer jungen Prinzeßin entbunden worden. …“ (S. 1-3). Protokolleintrag vom 04.12.1771, #39. Protokolleintrag vom 27.08.1773, #41 und 42. #41. Das Protokoll vermerkt in der Zwischenzeit ein Completum (09.07.1772; nicht das erste in dieser Akte), sowie ein Visum (18.12.1772) und ein Revisum (23.12.1772).
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appellatischen Theil täglich größer“ wird.390 Dennoch verstrich fast nochmals ein Jahr, bevor ein endgültiger Entscheid festgehalten wurde. Für den 16.06.1774 vermerkt das Protokoll den Beschluss des Reichskammergerichts in dieser Sache, der wie folgt lautete: „In Sachen Bartholomaei Angelis Appellanten eines wider Johann obwexer, jetzo dessen Erben in actis benannt, Appellaten andren Theils Ist die Sache von amts wegen für beschlossen auf- und angenommen, darauf allen an= und vorbringen nach zu recht erkannt, daß durch Richtern voriger Instanz wohl geurthelt übel davon appelliret, dahero solche Urthel zu confirmiren und bestättigen seye; als Wir hiermit confirmiren, und bestättigen, Appellanten die Gerichts Kosten an diesem Kayserlichen Cammer Gericht derentwegen aufgelassen denen Appellaten, nach rechtlicher Ermäßigung zu entrichten, fällig ertheilend. Dann wird die Sach an voriger Instanz Richtern hirmit rückverwiesen, anbey dem Magistrat der Reichs-Stadt Franckfurt, daß Selbiger die aus dem subhastirten Angelischen Waaren-Lager erlösete Gelder appellatischen Gebrüdern Obwexer gegen Leistung der von selbigen anerbottenen hinlänglichen Caution verabfolgern lassen sollen, aufgegeben.“391
Mit einfachen Worten – die Klage Obwexers in der Vorinstanz war gerechtfertigt, das Frankfurter Schöffengericht hatte auch richtig entschieden und den Söhnen des inzwischen verstorbenen Appellaten standen die entsprechenden Summen aus dem Verkauf der Waren zu, während der Appellant wegen schlechter Appellation für die Gerichtskosten aufkommen musste. Damit war ein aufwendiger, fünfjähriger Prozess (der Anlass des Streits lag sogar zehn Jahre zurück) abgeschlossen, in dem das Reichskammergericht der Vorinstanz und damit dem jetzigen Appellanden Recht gab und dessen bestehenden Anspruch mit der Verfügung zum Verkauf der arretierten Waren befriedigte.
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Protokolleintrag vom 27.08.1773. Protokolleintrag vom 16.06.1774. Wie daraus ersichtlich wird, war der Appellat während des Verfahrens verstorben, weswegen seine Erben als beklagte Partei benannt werden.
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3. Vergleich Eine Gemeinsamkeit der Reichskammergerichts-Prozesse aus Hamburg und Frankfurt ist, dass jeweils die größte Zahl der Fälle den Kategorien Handel und Geldwirtschaft zuzuordnen ist (in Frankfurt noch in weit stärkerem Maße als in Hamburg). Da die Verfahren aus Frankfurt mit wirtschaftlichem Bezug erstmals als Einheit (nicht nur anhand ausgewählter Beispiele) sowie diejenigen aus Hamburg ausführlicher als bisher in der Forschung analysiert wurden, kann für zwei der bedeutendsten frühneuzeitlichen Handelszentren des Reiches belegt werden, in welch starkem Maße sich die Verrechtlichung des Geschäftslebens im Untersuchungszeitraum durchgesetzt hat. Gerade die Prozessserien, die mehrere Kaufmannsdynastien immer wieder bis an das Reichskammergericht führte, lassen erkennen, dass sich die Appellanten und Kläger wegen der nicht immer nach ihren Vorstellungen gefällten Urteile und deren teils mangelnder Durchsetzung an eine übergeordnete gerichtliche Instanz wandten. Für die Möglichkeit, eine aus ihrer Sicht irrige oder gar durch private Interessen der städtischen Instanzen manipulierte Entscheidung noch abzuändern, scheuten sie keine Kosten und Mühen und nahmen ein zusätzliches Gerichtsverfahren in Kauf, welches im Idealfall Monate, unter Umständen aber auch mehrere Jahre dauern konnte. Die hohe Zahl auswärtiger Prozessparteien gerade im Zusammenhang mit der Frankfurter Messe verdeutlicht außerdem, dass das Wissen um die Chance der Einschaltung eines unabhängigen Gremiums nicht nur im ganzen Reich, sondern auch bei reichsfremden Kaufleuten vorhanden war. Anhand der Ausführungen werden aber auch einige Differenzen deutlich, gleichwohl beide Städte als wichtige Gewerbe-, Handels- und Bankenzentren ihrer Zeit galten. Im Falle Hamburgs etwa sind besonders die Fälle hervorzuheben, die den Seehandel und die Schiffsversicherungen betreffen. Jedoch ist dies nicht der einzige Unterschied zwischen den beiden Städten. Zum ersten muss hier nochmals auf die gewichtige Rolle der Frankfurter Buchhändler hingewiesen werden, deren berühmteste Vertreter auch unter den Klägern am Reichskammergericht zu finden sind. Ähnlich wie bei den restlichen Kaufleuten, die als Kläger und Appellanten in Erscheinung traten, konnten auch bei den mit Buchhandel Beschäftigten Prozesse mit Bezug zu ihrer Tätigkeit festgestellt werden, doch nutzten auch sie das Reichskammergericht zur Klärung nicht berufsbezogener Streitigkeiten. Am Beispiel der Buchhändler lässt sich noch eine andere Aussage festmachen: In ihren Prozessen am Reichskammergericht spiegelt sich zumindest teilweise die Entwicklung des Frankfurter Buchwesens wider, d. h. diese Verfahren unterstützen und ergänzen die bisherigen Erkennt-
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nisse. So kann indirekt die Rezession im Verlagswesen in Frankfurt am Anfang des 18. Jahrhunderts anhand des massiven Rückganges entsprechender Fälle am Reichskammergericht verfolgt werden. Die im Vergleich mit Frankfurt geringere Bedeutung des Hamburger Buchmarktes wiederrum lässt sich aus der viel kleineren Anzahl diesbezüglicher Verfahren und Beteiligung von Buchhändlern und -verlegern erkennen. Zum zweiten gestatteten neben den Verfahren aus dem Buchgewerbe auch jene Prozesse um Wechsel- oder Messestreitigkeiten einen Einblick in die Entwicklung einzelner Wirtschaftszweige des städtischen Handels. Nicht nur lässt sich im Verlauf des Untersuchungszeitraumes eine Zunahme der Prozesse um Schulden aller Art feststellen, immer häufiger finden diese vor dem Hintergrund einzutreibender Wechselschulden und anderer Probleme des Wechselhandels statt. Diese Zunahme verweist ihrerseits auf die – trotz auftretender Schwierigkeiten – steigende Akzeptanz des Wechsels als Mittel zur Vereinfachung des Handels zwischen den Geschäftspartnern. Die für beide Städte belegbare Entwicklung findet eine Erklärung in den ebenfalls nachweisbaren Schwierigkeiten verschiedener Kaufleute mit schlechten Münzen, wie auch der hamburgische Beispielfall demonstriert.392 Ebenso können anhand einzelner Verfahren oder gar Prozessserien die Schwankungen der Börsen registriert werden: Rezessionen sind anhand mehrerer Reichskammergerichts-Verfahren für Frankfurt in den 1720er Jahren, für Hamburg in den 1760ern zu konstatieren. In diesem Zusammenhang treten besonders Prozesse im Gefolge von Konkursen auf, weil sich Händler an der Börse verspekulierten und schlechte, also nicht mehr einlösbare Wechsel zur Finanzierung dieser Spekulationen eingesetzt wurden. Der dennoch im 18. Jahrhundert insgesamt anhaltende Aufschwung des Bankgewerbes ist wiederum besonders für Frankfurt anhand einer steigenden Anzahl von Bankiers festzustellen, die in beruflichen oder anderen Fällen am Reichskammergericht als Prozessparteien zu finden sind. Zum dritten erlauben die Untersuchungen Aussagen zu den am Reichskammergericht vertretenen Kaufleuten, wobei auffällt, dass in beiden Städten viele ausländische Einwanderer und deren Nachfahren unter den Prozessparteien vertreten sind. Hamburg und Frankfurt, beide integriert in ein kontinentales Netz wichtiger Handelszentren, boten zum Beispiel den Glaubensflüchtlingen aus den Niederlanden im 16. Jahrhundert vergleichsweise gute Bedingungen, die hier weiter ihrer beruflichen Tätigkeit nachgingen. Dies war auch aus Sicht der Städte wünschenswert, da sich der Aufschwung des Fernhandels positiv auf den lokalen und regionalen Handel sowie das heimische Gewerbe auswirkte. Ob392
Siehe oben sowie STEIN-STEGEMANN, S. 523, J37.
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wohl die Einwanderer in beiden Städten in der Frühen Neuzeit von der politischen Teilhabe ausgeschlossen blieben, unterstützten die Räte die Bemühungen um eine Belebung des Wirtschaftslebens mit ihrer Zustimmung zur Gründung von Börsen und Banken sowie einer Gesetzgebung, die zum Beispiel den Wechselhandel auf eine rechtlich sichere Ebene stellte. Die von den fremden Kaufleuten in ihre neue Heimat mitgebrachten Geschäftsbeziehungen sorgten für eine engere Verzahnung des hamburgischen Handels mit den Niederlanden, England und der Iberischen Halbinsel, im Falle Frankfurts für enge Kontakte in die Niederlande, nach Frankreich und Italien. Mehr noch als bei Hamburg, wo die abnehmende Bedeutung der mittelalterlich-hansischen Handelskontakte z. B. nach Lübeck in einer relativ geringen Prozesszahl mit Lübecker Beteiligung indirekt sichtbar wird, lassen die Reichskammergerichts-Prozesse im Falle Frankfurts ein breit gefächertes Beziehungsgeflecht der Kaufleute erkennen, wobei nochmals einschränkend darauf hingewiesen werden muss, dass die Prozessakten nur einen kleinen Ausschnitt der tatsächlichen Reichweite und Streuung der Handelsbeziehungen liefern können.393 Ebenso interessant wie die Beteiligten selbst sind ihre Argumentationen im Verfahren zur Durchsetzung ihrer Interessen. So begegnen uns in mehreren Prozessen Hinweise, dass Parteien die Nicht- oder Schlechtlieferung von Waren als Kriegsfolge deklarierten, um so von der Vertragserfüllung oder wenigstens den anstehenden Schadensersatzforderungen entbunden zu werden. Dabei ist zwar nicht immer klar, ob es sich um tatsächliche oder nur vorgeschobene Einwände handelte, jedoch machen diese Beispiele die – gewollte oder ungewollte – Einflussnahme der politischen Entwicklung im Reich auf den Handel deutlich. Trotzdem bieten gerade diese Fälle einen direkten Anknüpfungspunkt an die historischen Ereignisse im Reich und in Westeuropa – genauso wie einzelne Rechtfertigungsversuche in den Prozessaussagen der Beteiligten einen Bezug zur Frankfurter Historie herstellen. So nutzten mehrere Parteien die wiederkehrenden Auseinandersetzungen mit den Juden als Basis für Klagen wegen „Judenwuchers“ sowie den Brand in der Judengasse am Anfang des 18. Jahrhunderts als Erklärung für den angeblichen Verlust von Kreditpapieren und Verträgen. Ein beachtenswerter Unterschied zwischen Hamburg und Frankfurt lag in der Frankfurter Messe begründet, zu der in mehreren Dutzend Prozessen ein
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Die wurde im Falle Hamburgs besonders deutlich bei der Durchsicht der Statistik des Hamburger Imports über See, der ein im Vergleich zu den Informationen aus den RKGAkten viel umfassenderes Bild zu Handelsbeziehungen des wichtigsten deutschen Hafens liefert (siehe KRAWEHL, SCHULENBURG).
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direkter oder indirekter Bezug hergestellt werden kann.394 Wegen der großen Anziehungskraft der Messe sowie des Frankfurter Privilegs, die Messebesucher für die Messezeit der eigenen Gerichtsbarkeit zu unterstellen, ist die Zahl der Prozesse, die ohne Beteiligung einer einheimischen Partei stattfand, größer als in Hamburg. Dagegen lässt sich für die Elbmetropole konstatieren, dass sich hier deutlich mehr fremde Kaufleute in Reichskammergerichts-Verfahren von heimischen Kollegen und Geschäftspartnern vertreten ließen.395 Auch bezüglich einer anderen Gruppe treten Differenzen zwischen den untersuchten Städten auf – da in Frankfurt mehr Juden lebten, waren diese auch häufiger an Prozessen beteiligt, wobei sich auch bei ihnen die Klagetätigkeit nicht ausschließlich auf geschäftliche Bereiche beschränkte. Wichtig war die jüdische Geschäftstätigkeit sowohl für Hamburg als auch für Frankfurt, da die Juden nicht nur als Kreditoren für Fürsten und andere Adelige auftraten, sondern auch den Räten als Geldgeber zur Verfügung standen. Dabei war die Geschäftstätigkeit rechtlich stark fixiert, doch konnten diese Bestimmungen umgangen werden. Mehrfach wurden jüdische Parteien bis an das Reichskammergericht mit dem tatsächlichen oder angeblichen Vorwurf des Erhebens von Wucherzinsen verfolgt. Aber nicht nur jüdische Kaufleute unterliefen Bestimmungen (z. B. mittels Handels mit für sie eigentlich verbotenen Waren), sondern auch eine andere, für Hamburg bedeutende Regelung wurde in mehreren hundert Fällen außer Kraft gesetzt: Zwar galt nach dem Appellationsprivileg die hamburgische städtische Gerichtsbarkeit als letzte Instanz in Handelssachen, doch setzten sich nicht nur die Kaufleute selbst, sondern auch das Personal am Reichskammergericht über diese Regelung hinweg. Letzteres überließ in der Mehrzahl der Handelssachen den Appellanten selbst die Feststellung, ob die fragliche Streitsache appellabel war.396 Darüber hinaus sorgte diese Maßnahme für unnötige Verzögerungen bei der gewünschten schnellen Abfertigung von Handelssachen (das war eines der Argumente für die Forderung des Hamburger Rates, Handelsfälle als nicht-
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Die große Zahl von Prozessen mit Messebezug unterstützt die in verschiedenen Arbeiten (z. B. BRÜBACH) festgestellte Bedeutung der Frankfurter Messe als einer der wichtigsten europäischen Handels- und Kontaktbörsen der Frühen Neuzeit. Diese Bild ergab sich aus den untersuchten Akten und ist daher mit der nötigen Vorsicht zu betrachten, doch unterstützt der Hinweis auf die gerichtlichen Sonderregelungen zur Zeit der Frankfurter Messen diese Aussage, da in diesen Fällen die betroffenen Fremden selbst vor Gericht erscheinen konnten. Siehe oben und die Beispiele bei EBERT-WEIDENFELLER, S. 35-45.
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appellabel zu betrachten), die sich in Ausnahmefällen sogar über mehrere Jahrzehnte hinzogen.397 Im Rahmen der geldwirtschaftlichen Streitigkeiten sind die größten Streitwerte der hamburgischen und Frankfurter Prozesse zu beobachten, da in diesen Fällen die in der Regel wirtschaftlich potentesten städtischen Gruppen, Bankiers und Kaufleute sowie auch Patrizier, zu den häufigsten Prozessparteien gehören. Summen von mehreren tausend oder gar zehntausend Gulden oder Reichstalern erscheinen angesichts einiger genannter Vermögen und Umsätze von mehreren hunderttausend Gulden/Reichstalern gering, doch konnte ein verlorener Prozess einen Kaufmann mit einem Umsatz zwischen 2.000 und 10.000 Gulden/Reichstaler im Jahr in den Bankrott treiben. Zudem barg der Prozess an sich – unabhängig vom Ausgang – die Gefahr, bei seinen Geschäftspartnern das absolut notwendige Vertrauen und damit die Kreditwürdigkeit zu verspielen. Jene nicht in die in diesem Kapitel untersuchten Kategorien gehörenden Prozesse um verschiedene Handelsprivilegien 398 tangierten dennoch die Geschäfte beider Städte in besonderem Maße. Die Schwächung oder Ausschaltung der umliegenden Konkurrenz mit Hilfe verschiedenster Privilegien sicherte die eigene Wirtschaft, d. h. die Einkommen der Kaufleute und den Warenaustausch in der Stadt, und lieferte somit einen Beitrag zu den städtischen Einnahmen. Erwerb und Erhalt von Privilegien, letzteres in mehreren Fällen auf dem Gerichtsweg am Reichskammergericht eingefordert, bildeten am Beginn der Frühen Neuzeit eine der Säulen des ökonomischen Erfolgs sowohl in Hamburg als auch in Frankfurt. Wenngleich die Räte beider Städte nicht immer vorausschauend agierten und sich selbst wichtiger wirtschaftlicher Innovationen durch eine restriktive Politik beraubten, lässt die große Zahl der Handelsprozesse auf einen umfang397
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Wie bereits festgestellt wurde, erfolgte die Abwicklung der Hamburger und Frankfurter Prozesse in den meisten Fällen erstaunlich zügig angesichts einer Reihe von möglichen Verzögerungen. So verstarben Prozessparteien oder Prokuratoren während der Verfahren, die in der RKGO vorgesehene Übergabe aller relevanten Dokumente zum Prozessauftakt wurde unterlaufen oder aber eine der Parteien war flüchtig. Erschwerend kam in Hamburg hinzu, dass zudem kein „allgemeingültiger Konsens“ darüber bestand, welche Gegenstände als Handelsachen galten (EBERT-WEIDENFELLER, S. 35). Agierte dann das RKG auch noch ungeschickt, d. h. wenn in hamburgischen Verfahren die Prüfung auf Zulassung des Verfahrens erst nach Abschluss der Beweisaufnahme erfolgte, dann hatten sich die Parteien bei einem ablehnenden Bescheid völlig unnötig in Kosten gestürzt und das Gerichtspersonal wertvolle Zeit verschwendet. Hierzu gehörten auch Verfahren um Zoll- und Steuerfreiheiten, die allerdings ebenso in den Bereich der staatlich-hoheitlichen Rechte eingeordnet wurden (siehe Kapitel II.2 und II.3).
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reichen Handel der Einwohner und ihrer auswärtigen Geschäftspartner schließen. Im nächsten Kapitel wird zu fragen sein, ob dies auch für das Handwerk beider Städte gilt. Da der enge Zusammenhang zwischen Handel und Handwerk bereits thematisiert wurde (und sich nicht zuletzt in der Titulatur der ranierischen Kategorie widerspiegelt), darf eine positive Antwort darauf erwartet werden.
IV. HANDWERKSPROZESSE VOR DEM REICHSKAMMERGERICHT
1. Handwerk und Handwerksprozesse in Hamburg und Frankfurt Hamburgs Handwerk im Spiegel der Reichskammergerichts-Prozesse Die Darstellungen zum hamburgischen Handwerk 1 legen den Schluss nahe, dass sich die Streitigkeiten zwischen dem Rat und den Ämtern um die zünftigen Privilegien, die Förderung der Freimeister durch die Stadt sowie Differenzen bei der Aufnahme auswärtiger Handwerker in die hamburgischen Ämter auch in Prozessen am Reichskammergericht niederschlagen. In diesem Teilkapitel sollen daher die Streitgegenstände der unter dem Obertitel Gewerbeprozesse subsumierten Fälle betrachtet sowie später nach den beteiligten Handwerkern und Gewerbetreibenden gefragt werden. Dabei wird untersucht, ob tatsächlich vor allem die als vermögend geltenden handwerklichen Berufsgruppen am Reichskammergericht vertreten waren und somit die Aussage vom leichteren Zugang bei entsprechender sozialer Stellung bzw. finanzieller Ausstattung bestätigt wird. Die Aufsicht über die hamburgischen Ämter lag in der Hand einzelner Ratsherren, die als Morgensprachherren und Amtspatrone sowie als Schiedsrichter zur außergerichtlichen Klärung innerzünftiger Konflikte fungierten. Scheiterten diese Vermittlungsversuche, folgten gerichtliche Auseinandersetzungen vor den städtischen Gerichten, von wo aus die Verfahren gegebenenfalls an die Reichsgerichte gezogen wurden. Im 17. Jahrhundert nutzten gewerbliche Parteien die letztgenannte Möglichkeit noch wenig, aber im 18. Jahrhundert nahm die Zahl der gewerblichen Konflikte am Reichskammergericht und auch am Reichshofrat stark zu. Dies ist nicht nur in Hamburg der Fall (siehe Tabelle 24) sondern auch für Lübeck2 und das Alte Reich3 nachgewiesen. Die in 1
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Siehe dazu u. a. MAUERSBERG, KLESSMANN, GABRIELSSON sowie H. G. GÄBLE, Die Einführung der Gewerbefreiheit in Hamburg und die Folgen für das Handwerk unter besonderer Berücksichtigung zeitgenössischer Quellen, Hamburg 1981. FREITAG, JÖRN, Lübeck, S. 180. RANIERI, RKG in Wetzlar, S. 18. BAUMANN, S. 78, 87 f. Gerade der Versuch, mittels der im Reichsabschied von 1731 enthaltenen Reichshandwerksordnung die Abschottung der Zünfte und ihr Verharren in den alten Sitten und Gebräuchen mittels neuer Maßnahmen aufzuweichen, sorgte für eine steigende Anzahl von Prozessen. – Auch für den RHR
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der Reichshandwerksordnung 1731 festgeschriebenen Maßnahmen legten die Setzung, Durchführung und Überwachung des Handwerksrechtes in die Hände der städtischen Obrigkeit und erleichterten den Erwerb des Meisterrechts. 4 Knapp 7,5% der hamburgischen Reichskammergerichts-Prozesse des 18. Jahrhunderts (38 Prozesse) befassten sich mit Ämterkonflikten, ihr Anteil bezüglich der Handels- und Gewerbeprozesse im 18. Jahrhundert lag sogar bei annähernd 28% und hatte sich im Vergleich zum 17. Jahrhundert deutlich gesteigert (11,3%; im 16. Jahrhundert sind solche Prozesse gar nicht nachzuweisen). Die Streitigkeiten des letztgenannten Jahrhunderts betrafen besonders die Wahrung einzelner Produktions- und Verkaufsprivilegien. 5 Im 18. Jahrhundert verschlechterten sich die Einnahmen der zünftigen Handwerker durch eine steigende Zahl von Meistern in den einzelnen Ämtern, aber vor allem auch wegen der wachsenden Anzahl unzünftiger Handwerker und Gewerbetreibender. 6 Dabei unterschied sich zwar die Zahl der Prozesse im 17. und 18. Jahrhundert,
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lässt sich diese Tendenz durch die Untersuchungen Freitags und Jörns bestätigen, die im 18. Jahrhundert eine verstärkte Inanspruchnahme des RHRs durch lübeckische und hamburgische Ämter und Handwerker feststellten. Im 18. Jahrhundert beschäftigten sich 10% der Hamburger RHR-Prozesse nur mit Ämterkonflikten (FREITAG, JÖRN, Inanspruchnahme, S. 42 ff.). BAUMANN, S. 87. Beispiele für solche Streitigkeiten sind folgende: 1605 klagte das Amt der Wandbereiter in einem Prozess gegen einen Lakenhändler und Gewandschneider, bei dem insbesondere strittig war, ob der Beklagte englische Laken in Hamburg verkaufen dürfe und verwiesen auf die Regelungen im Rezess von 1603 (STEIN-STEGEMANN, S. 347 f., H33). Mitte des 18. Jahrhunderts gerieten die Brüderschaft der Grobbäcker und die Ämter der Weiß- und Fastbäcker sowie der Kuchen- und Losbäcker in einen Streit um die Frage, wer das Recht zur Herstellung und zum Verkauf von Feinbrot besitze (STEIN-STEGEMANN, S. 355 f., H43). Knapp 25 Jahre später trafen die Parteien in dieser Frage erneut am RKG aneinander, indem u. a. eine Vollstreckung des im ersten Prozess vom RKG bestätigten Ratsentschluss gefordert wurde, der den Grobbäckern die Herstellung und den Verkauf von Feinbrot untersagte. Zugleich sollte den hier als Beklagte dastehenden Grobbäckern eine Appellation gegen das Urteil am RHR untersagt werden (STEIN-STEGEMANN, S. 358 f., H46). Im letzten Beispiel führten Tuchfärber Prozesse gegen den Rat der Stadt, da ihnen wegen des Vorwurfs des unerlaubten Färbens und Verkaufens von Tuchen zunächst die Räumung der Färberei, dann die Beschlagnahme der selben sowie der Färbemittel drohte (STEIN-STEGEMANN, S. 802 f., P14, P15). KOPITZSCH, S. 369 f. MAUERSBERG, S. 189 ff. Kopitzsch listet einige beeindruckende Zahlen auf, die den großen Anteil unzünftiger Handwerker verdeutlichen. So gab es um 1789 bei verschiedenen handwerklichen Berufen (u. a. Maurer, Schneider, Tischler) neben 619 Amts- und Freimeistern und 1.500 Gesellen auch noch 5.800 unzünftige Handwerker (S. 369), so dass die gerade in diesen Berufgruppen ausbrechenden Gesellenunruhen nicht überraschen können.
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nicht jedoch die jeweils verhandelten Gegenstände. Wie zuvor bestimmten Auseinandersetzungen zwischen einzelnen Ämtern und zunehmend mit unzünftigen Handwerkern um Produktions- und Verkaufsprivilegien den Prozessinhalt.7 Dagegen häuften sich die Streitigkeiten innerhalb der Ämter um finanzielle und rechtliche Verwaltungsfragen zwischen den Älterleuten und den anderen Meistern bzw. Gesellen sowie Differenzen wegen verweigerter Aufnahme in ein oder den Ausschluss aus einem Amt.8 Der Wunsch einzelner Handwerker nach Unabhängigkeit von Zunftprivilegien sowie Veränderungen innerzünftiger Regelungen verdeutlichte sich in der Rolle der Ämter im Rahmen der Prozesse. Während die Ämter im 18. Jahrhundert in 16 Fällen als klagende Prozesspartei auftraten, wurden von einzelnen Handwerkern 30 Klagen und Appellationen in Gewerbesachen gegen ein Amt angestrengt. Insgesamt spiegelt sich in den hamburgischen Gewerbeprozessen eine sich für den einzelnen Handwerker verkomplizierende wirtschaftliche Lage
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In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts klagte das Amt der Kramer gegen das Amt der Büttner und Kleinbinder (Böttcher) in einem Streit um den Verkauf von bemalten und unbemalten Eimern mit Eisenbeschlägen (STEIN-STEGEMANN, S. 378, H70). An der Wende des 18. zum 19. Jahrhundert klagten zwei Hamburger Kaufleute gegen das Schusteramt, welches den Klägern bei einer Strafe von 500 Rtlr. verboten hatte, englische und französische Modeschuhe zu verkaufen. Dagegen meinten die Kläger, dass hier ein unberechtigtes Monopol von Seiten des Schusteramtes geltend gemacht werde. Als einer der letzten hamburgischen RKG-Prozesse überhaupt folgte 1803 eine zweite Appellation in dieser Sache (STEIN-STEGEMANN, S. 587 f., K59). Anfang des 18. Jahrhunderts appellierten die Meister des Tischleramtes in einem Streit mit den Älterleuten ihres Amtes, nachdem sie einen der Alten wegen einer angeblichen Unterschlagung von Geldern aus der Gesellenlade abgesetzt und vor dessen Haus Unruhe gestiftet hatten. Die Beklagten wehrten sich vor allem gegen die Wahl eines neuen Ältermannes durch die Kläger ohne Hinzuziehung der anderen Älterleute oder des AmtsPatrons (des für das Amt zuständigen Ratsherren) (STEIN-STEGEMANN, S. 367, H56). In der Mitte der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts klagte das Tischleramt gegen einen hamburgischen Tischler sowie den Rat der Stadt in einem Streit um die Zulassung des Beklagten als Meister. Die ursprüngliche Lehre bei einem Hamburger Meister hatte der Beklagte in Folge des Tischlergesellenaufstandes von 1771 abgebrochen, seine Ausbildung aber in Harburg abgeschlossen. Dies wurde von den Klägern nicht anerkannt, obwohl Lehrbriefe der Harburger Tischlerzunft als Beweise eingebracht werden konnten (STEIN-STEGEMANN, S. 370 f., H61). Die Aufnahme in eine Zunft bzw. ein Amt war an eine Reihe von Kosten und Auflagen geknüpft: Ein Bäckergeselle z. B. musste gemäß Zunftsatzung eine Arbeitsbescheinigung und einen Herkunftsnachweis vorlegen, Beiträge in die allgemeine Kasse zahlen sowie versichern, die Amtsregeln einschließlich der für die Arbeit geltenden Qualitätsmaßstäbe einzuhalten (ECKARDT, S. 19).
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wider, die sich in der wachsenden Bereitschaft ausdrückte, Konflikte zur Besitzstandswahrung oder -mehrung mit Hilfe der Reichsjustiz zu klären.9 Nachdem die gewerblichen Streitgegenstände betrachtet worden sind, wenden wir uns jetzt den Handwerkern und Handwerksämtern zu. Vor allem im 18. Jahrhundert wurden von ihnen Prozesse an das Reichskammergericht gebracht, ihr Anteil am gesamten Prozessaufkommen betrug in diesem Jahrhundert zusammen 14% (siehe oben Tabelle 6). Dabei ist bezüglich der Handwerker ebenso wie bei den Kaufleuten nur in knapp der Hälfte der Fälle ein Bürgerrecht nachweisbar.10 Ebenfalls vergleichbar sind die teilweise erheblichen sozialen Unterschiede innerhalb der Handwerkerschicht, die einerseits im Bereich einzelner Ämter auftraten, in denen die Meister die führende Rolle innehatten. Andererseits sind auch Rangunterschiede zwischen einzelnen Berufen zu beachten. So stand das Lebensmittel verarbeitende Handwerk in hohem Ansehen und blieb von konjunkturellen Schwankungen weitgehend unbeeinflusst, da Nahrungsmittel permanent nachgefragt wurden.11 Insgesamt konnten für Hamburg 89 Handwerker als Kläger und Appellanten festgestellt werden, von denen zehn zur Gruppe der Gesellen, immerhin 19 aber zu den Meistern zählten. Inwieweit diese Gewichtung den tatsächlichen Verhältnissen entsprach, muss offen bleiben, jedoch ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sich ein Meister eher als ein Geselle aus dem gleichen Gewerbe einen Instanzenzug an das Reichskammergericht leisten konnte. Im Falle Hamburgs ein bestimmtes Gewerbe als eindeutig klagefreudigstes zu benennen, erweist sich als schwierig, wenn auch das Textilgewerbe mit 15% Anteil am handwerklichen Prozessaufkommen eine führende Rolle einnahm.12 Dies ist wenig verwunderlich, da dieses Gewerbe im Untersuchungszeitraum die meisten Beschäftigten vorweisen konnte und sich 9 10
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FREITAG, S. 56. Andererseits sind selbst die Amtsmeister nicht immer als Bürger in den Prozessakten geführt, so dass der Anteil der Handwerker mit Bürgerstatus sicherlich höher ist. BAUMANN, S. 78. Baumann verweist darauf, dass sich gerade Parteien aus dem Nahrungsgewerbe im 17. und 18. Jahrhundert verstärkt an das RKG wandten. Jedoch ist zu beachten, dass es auch innerhalb des Lebensmittelgewerbes Abstufungen gab, da verschiedene Nahrungsmittel einer differenzierten Nachfrage unterworfen waren (siehe oben die Erläuterungen zu den Metzgern und Bäckern). Diese ist aber teilweise der Bündelung verschiedener Berufszweige unter dem Begriff Textil verarbeitendes Gewerbe geschuldet, denn neben den Wandbereitern sind auch Buntmacher, Samt- und Kattunhersteller mit einbezogen. Dennoch decken sich diese Beobachtungen mit Reißmanns Feststellungen, der den Wandschneiderstand neben den Kramern als wichtiges wirtschaftliches Band zwischen dem Fernhandel und der städtischen Bevölkerung betrachtete und auf deren herausragende ökonomische Stellung und einen entsprechenden sozialen Rang hinwies (REISSMANN, S. 9).
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unter den hier vereinigten Berufen u. a. die Gewandschneider befanden, deren finanziell und sozial herausragende Rolle schon verdeutlicht wurde. Mit Anteilen zwischen fünf und sieben Prozent folgten diverse Zimmer- und Tischlergewerbe, Knochenhauer und Schlachter im Bau- und Lebensmittelgewerbe, die nach dem Textilsektor die meisten Arbeitskräfte beschäftigten. Den 89 klagenden gewerblichen Parteien standen 42 beklagte gegenüber, wobei besonders gewerberechtliche Streitigkeiten bis in die letzte Instanz verfolgt wurden, mit denen sich die Ämter und Älterleute z. B. wegen der Verweigerung einer Aufnahme in das Amt als Meister auseinandersetzen mussten. Daneben führten Handwerker und Gewerbetreibende aber auch noch weitere Prozesse, die einen geldwirtschaftlichen (20% der Fälle) oder familienrechtlichen Gegenstand (ca. 14%) betrafen. Einige der Fälle hatten einen Bezug zum Handel, so dass sich besonders die Einordnung der klageführenden Person als Handwerker oder Kaufmann schwierig gestaltete.13 In den meisten Fällen prozessierten Handwerker gegen Ämter und Älterleute (33% der Prozesse) oder gegen andere Handwerker (17%), zu jeweils 10% gegen Bürger und sonstige Einwohner. Die gegen die Ämter bzw. deren Obere angestrengten Prozesse beinhalteten nicht nur rein gewerbliche Gegenstände, sondern berührten auch jurisdiktionale Fragen wie die Forderung nach Vollstreckung von Urteilen oder Fragen nach der Zuständigkeit des Reichskammergerichts in gewerblichen Dingen.14 Generell bestätigte sich aber nochmals der schon bei den Kaufleuten wie
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FREITAG, S. 66. Als Beispiel verweist Freitag auf vier Prozesse eines Hamburger Samtfabrikanten, der gegen einen hamburgischen Ratsherren und Kaufmann wegen der Umstände um die Teilung einer gemeinsamen Handlung klagt. Dabei versuchte er u. a. ein Mandat gegen den Rat der Stadt wegen Justizverzögerung und parteilicher Rechtssprechung zu Gunsten des Beklagten Ratsherren zu erreichen sowie den Arrest seiner Waren bzw. in Lübeck deponierten Gelder zu beenden (STEIN-STEGEMANN, S. 558 ff., K29, K30a, K31, K32). Auch dazu sei auf zwei Beispiele verwiesen: In einem Fall appellierte das ursprünglich beklagte Amt der Saymacher (Wollstoffhersteller) gegen einen hamburgischen Berufsgenossen sowie den Rat der Stadt in einem Streit um die Aufnahme des Saymachers in das Amt, der wegen des angeblichen unehrbaren Lebenswandels des Appellaten in Greifswald und Danzig abgelehnt worden war. Strittig war aus der Sicht des Amtes vor allem die Zuständigkeit des RKG. In einem anderen Prozess (siehe oben) forderte das Amt der Buntfutterer ein Mandat zur Vollstreckung eines Urteils gegen den Rat der Stadt, mit welchem dieser aufgefordert werden sollte, dass Urteil des Obergerichts in einem Streit der Buntfutterer mit den Hutstaffierern wegen des Verkaufs von gefütterten Hüten durchzusetzen (STEIN-STEGEMANN, S. 365 f., H54, H55).
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auch in der allgemeinen statistischen Untersuchung festgestellte Trend, dass vor allem innerhalb der eigenen Schicht prozessiert wurde.15 Im Vergleich mit den hamburgischen Kaufleuten lassen sich ob der deutlich geringeren Anzahl der Beteiligungen auch weniger Aussagen zu Handwerkern treffen. Zwar spiegelte sich in der steigenden Zahl von Prozessen durch und gegen die Ämter deren Versuch einer Wahrung und Ausweitung ihrer Machtstellung gegenüber der städtischen Obrigkeit wie auch den eigenen Mitgliedern und der Konkurrenz wider, doch wurde aus Kostengründen eine Vielzahl von Prozessen gerade aus der sozialen Schicht der Gesellen, die sich gegen die starke Abschottung der Meister mit eigenen Institutionen zu behaupten versuchten, nicht bis nach Speyer oder Wetzlar verfolgt. Der „mobilste Stand der städtischen Gesellschaft“ (die Gesellen) schloss sich in Korporationen zusammen, die zwischen ihren Mitgliedern schlichteten und sich gegen zünftige Übergriffe zur Wehr setzten.16 1754 klagten die Gesellen des Amtes der Hamburger Hauszimmerleute in einem 33 Jahre andauernden Prozess gegen die Meister in einem Streit um verschiedene Forderungen zur besseren sozialen Absicherung der Kläger, die u. a. mehr Lohn und Urlaub beanspruchten.17 15
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Den kleinsten Anteil der von Handwerkern Beklagten stellen der Rat in acht Fällen (9%) sowie einzelne Ratsherren (6 Prozesse, ca. 7%) und Kaufleute (ca. 6%). SCHULTZ, S. 102 ff., Zitat S. 106. Große Probleme bereitete den Gesellen der Zugang zum Meisteramt, der teilweise mit dem Einverständnis des Rates von den Ämtern reglementiert wurde. Die Forderungen der Zünfte an ihre (zukünftigen) Mitglieder gingen über die strengste Kirchenzucht hinaus: Neben dem Nachweis ehelicher Geburt verlangten die Zünfte „eine Anwartschaft in langen Mutjahren, komplizierte Meisterstücke, hohe Gebühren und teure Bewirtung beim Meisterschmaus“ (S. 105). Schultz nennt hier ein Beispiel, bei dem ein Berliner Bäckermeister Mitte des 18. Jahrhunderts für jeden seiner drei Söhne 120 Taler für die Erlangung des Meisterrechts und 400 Taler für die Betriebsgründung bezahlte – eine Summe, die sich bei weitem nicht jeder Geselle leisten konnte (bei einem durchschnittlichen Jahreslohn von 100 Talern). STEIN-STEGEMANN, S. 380 f., H73. Darüber hinaus sollten die Meister Beiträge zur Armenkasse (angelegt zum Lohnausgleich für Arme und Kranke Amtsmitglieder) leisten und deren Auszahlungen an Gesellen nicht beschränken sowie den Zugang zur Meisterschaft erleichtern, das Amtshaus den Gesellen bei den „Krug-Tagen“ zur Verfügung stellen und ihnen die Anstellung eines eigenen Amtsboten erlauben. „Volumen II“ (Auszug aus den Ausführungen von Bürgermeistern und Rat der Stadt Hamburg zur Vorgeschichte der RKG-Appellation durch die Gesellen): Ablehnung eines eigenen Boten: „Das Amts-Gericht hat hierauf erkannt: daß den Klägern die Befugniß zur Annehmung eines eigenen Bothen, nicht zu verstatten. Das Gravamen setzen Klägern in appellatorio darin: daß ihnen, einen eigenen Bothen für ihr Geld zu halten, da sie von dem bisherigen keine Dienste hätten, abgeschlagen worden. Ihrer Krancken und Armen wegen, hoften sie ein Mitleiden zu verkenen, anietzo einer von ihnen das Boten-Amt umsonst übernehmen wolle, wodurch der Armen-Lade jährlich 42 [Währung unklar] zuwüchse. Ein Bote könne
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Insgesamt bestätigen die Untersuchungen zu den Handwerksprozessen sowie den Beteiligten das bereits bekannte Bild des hamburgischen Gewerbes, jedoch weisen die vergleichsweise geringen Prozesszahlen auf einen beschränkten Zugang zum Reichskammergericht hin. Die Grenzen wurden einerseits durch den geringeren Streitwert der typischen handwerklichen Geschäfte bestimmt, die – zusammen mit den nicht unerheblichen Verfahrenskosten – eine große Zahl von Appellationen mit einem prozentualen Anteil, der jenem der Handwerker an der städtischen Bevölkerung entsprach, nicht zuließen. Andererseits aber spiegelten auch die bescheidenen Zahlen die verschiedene Gewichtung der einzelnen Gewerke wider, wobei die Beteiligten allerdings – ganz anders als bei den Kaufleuten – auf den städtischen Rahmen beschränkt blieben.
Frankfurts Handwerk im Spiegel der Reichskammergerichts-Prozesse Ähnlich wie im Falle Hamburgs sollen auch für Frankfurt zunächst die Handwerksfälle untersucht werden, bevor ein Blick auf die dortigen Handwerker am Reichskammergericht deutlich machen wird, dass sie sich ebenso wie ihre Hamburger Kollegen nicht nur mit arbeitsbezogenen Problemen nach Speyer und Wetzlar wandten. In der quantitativen Untersuchung in Kapitel II konnte festgestellt werden, dass insgesamt 209 Verfahren im Rahmen der Frankfurter Reichskammergerichts-Prozesse dem Bereich Handels- und Gewerbesachen (siehe auch Tabelle 26) zugeordnet werden. Von diesen wiederum betrifft das Gewerbe nur ein kleiner Teilbereich in besonderem Maße, nämlich die Auseinandersetzungen im Bereich der Zünfte, d. h. Streitigkeiten zwischen einzelnen Zünften, deren Mitgliedern oder auch mit der städtischen Obrigkeit. Insgesamt ist der Anteil dieser Verfahren an der Kategorie sehr klein und erreicht gerade einmal 11%. Trotz unmöglich 2. Herren dienen, und andere Ämter hätten gleichwohl 2. Bothen. Beklagte [Meister] antworten darauf, daß ihnen der obgedechte Vergleich ausdrücklich verböthe, mehr als einen Bothen zu halten, folglich hätten sie kein Recht um einen 2ten zu bitten. Der Vorwand, daß sie keine Dienste von dem eintzigen hätten, wäre unwahr, vielmehr würde ihnen selbiger allezeit, iedoch nach Maasgabe des art. 8. citati gestattet, und hätten sie darüber mit Recht zu klagen Ursache, so wäre ihnen schon wissend, wo und welcher gestalt dasselbe geschehen müsse. Die Ersparung der 42 [Währung] sey nur ein deckmantel, ohne welchen die wahre Ursache diese sey, daß sie desto heimlicher und öfterer könnten zusammenlaysten. Die 42 [Währung], welche der ietzige Bothe aus der GesellenLade zu heben hätte, würden ihm in Ansehung der Dienste gereichet, welche er den Beklagten leiste. Das Beyspiel anderer Ämter, mache bey diesem keine Regel, und alles raisonniren könne geschlossene Vergleiche nicht aufheben.“
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dieser niedrigen Anzahl lässt sich feststellen, dass sich diese Fälle vor allem auf das 18. Jahrhundert konzentrierten, als die Haltung des Rates gegenüber den Handwerkern und ihren Vereinigungen ambivalent wurde. Zwar verhinderte die Obrigkeit im Sinne der Handwerker die Gründung von Großbetrieben auf städtischem Grund18, fällte aber andererseits auch Urteile gegen die Interessen der Zünfte, weshalb diese sich nach Wetzlar wandten. Bei seinen Entscheidungen in Zunftsachen entschieden der Rat und die städtischen Gerichte zudem nach eigenem Interesse, so dass sie einerseits mit, andererseits aber auch gegen die Handwerksordnung von 1731 argumentierten. Die wichtigste Tätigkeit der Handwerker, die den dritten und von der Zahl her größten Stand der städtischen Gesellschaft bildeten, bestand in der Versorgung der Stadtbevölkerung und der Besucher der Messen, Königswahlen und (später) -krönungen mit Waren und Dienstleistungen. Seit dem Anfang des 18. Jahrhunderts gehörten sie als anteilig bedeutendste Gruppe zum Rat der Stadt19 und verfügten – trotz der Reformen nach dem Fettmilchaufstand – mit den Zünften über eine Interessenvertretung, deren rechtliche Bedeutung in den Ratsordnungen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts festgeschrieben wurde.20 Trotz der großen Zahl von Handwerktreibenden (Meister und Gesellen, mit Bürgerrecht und ohne) waren diese am Reichskammergericht bezüglich ihres Anteils an der Stadtbevölkerung deutlich unterrepräsentiert. Lediglich 144 Handwerker (8,8% des gesamten Prozessaufkommens) und elf Zünfte (0,7%) traten im gesamten Untersuchungszeitraum als Kläger und Appellanten in Erscheinung. Dabei war zum Ende der Frühen Neuzeit eine Zunahme der Prozesse zu verzeichnen, nach zusammen 26 Fällen (Handwerker und Zünfte) im 16. Jahrhundert stieg deren Zahl auf 44 im 17. bzw. 85 im 18. Jahrhundert an. Nicht auszuschließen ist außerdem, dass sich unter den Bürgern und sonstigen Einwohnern ebenfalls noch Handwerker „verstecken“, allerdings bliebe selbst dann die Zahl der Handwerker weit hinter derjenigen der Kaufleute zurück (weniger als ein Fünftel). Aufgrund dieser insgesamt geringen Inanspruchnahme des Reichskammergerichts durch die Handwerker ist es wenig überraschend, dass eine Stichprobe 18 19
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DUCHHARDT, Frankfurt am Main, S. 292. Siehe dazu die Anhänge mit der Zusammensetzung des Frankfurter Rates im 18. und beginnenden 19. Jahrhundert bei KOCH, Grundlagen bürgerlicher Gesellschaft, S. 379 ff. Unter den hier verzeichneten Ratsmitgliedern überwiegen bei den Handwerksmeistern scheinbar Bäcker, Metzger und Fischer (also Lebensmittelgewerbe), aber es sind auch andere Gewerke mehrfach vertreten, darunter Kürschner, Glockengießer, Schuhmacher, Gärtner und Schlosser. HOLTFRERICH, S. 86 f.
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bezüglich des Auftretens von dem Rat angehörenden Meistern (im 18. Jahrhundert21) und deren Präsenz am Reichsgericht nur in einem Fall ein positives Ergebnis lieferte. Der Metzgermeister Johann Hartmann Garkoch, Ratsherr von 1742 bis 175922 und in den Prozessakten als „Gasthalter“ sowie „Gastwirt und des Rats“ betitelt, war in einem Prozess selbst der Kläger und wurde in einem zweiten erwähnt, in welchem sein Schwiegervater gegen die eigene Tochter (Garkochs Ehefrau) klagte.23 Dabei fielen einige interessante Details auf: Zunächst einmal war schon der Vater, der Metzgermeister Johann Simon Garkoch, zwischen 1727 und 1731 Ratsherr gewesen24 – eine für eine Handwerkerfamilie ungewöhnliche „Häufung“ politischer Posten.25 Sodann ließ sich in den beiden Fällen die schon mehrfach benannte Tendenz feststellen, dass Prozessgegner in vielen Fällen aus der gleichen sozialen Schicht stammten. Zur Zeit des Verfahrens seiner Ehefrau gegen ihren Vater, einen Gastwirt, wurde er selbst als ein solcher bezeichnet. Während des zweiten Prozesses (1756) war er gemäß Prozessakte noch immer im „Hotelgewerbe“, aber auch schon Ratsmitglied und klagte nun gegen eine Freifrau. 26 Die dritte Auffälligkeit besteht darin, dass Garkoch in keinem der beiden Prozesse mit seinem eigentlichen Beruf angesprochen bzw. berufsbezogen gerichtlich tätig wurde. Er appellierte gegen ein Urteil des Frankfurter Schöffengerichts, welches ihn zur Rückgabe eines Legscheines (ein Pfandschein für vier Juwelen) und zur Zahlung von 100 Gulden verpflichtete. Einem bei ihm wohnenden Leutnant von Brand hatte er die Juwelen und Gelder zum Ausgleich von Kost und Logis abgenommen. Die Kleinodien hatten ursprünglich der beklagten Freifrau von Elster aus Erfurt gehört, waren aber mehrfach zessioniert worden, so dass unklar blieb, wem diese Juwelen zu diesem Zeitpunkt tatsächlich gehörten.27 21
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Siehe dazu die Listen der Ratsmitglieder im 18. Jahrhundert bei KOCH, Grundlagen bürgerlicher Gesellschaft, S. 379 ff. KOCH, Grundlagen bürgerlicher Gesellschaft, S. 388 f. 1731 appellierte der Frankfurter Gastwirt List gegen ein Urteil des Schöffengerichts in einem Streit mit seiner Tochter, der Ehefrau des „Gasthalters“ Garkoch. Der Kläger versuchte, dem Verdacht seiner Tochter zu widersprechen, sie sei bei der Separation des mütterlichen Vermögens seiner Kinder vom väterlichen absichtlich benachteiligt worden (KALTWASSER, S. 718 f., L31). KOCH, Grundlagen bürgerlicher Gesellschaft, S. 386 f. Allerdings ist der Vater, wie so viele andere im Rat vertretene Handwerksmeister, nicht am RKG nachzuweisen. Diesen Eindruck vermitteln zumindest die untersuchten Ratsmitglieder (siehe KOCH, Grundlagen bürgerlicher Gesellschaft, S. 379 ff.). Wären die Prozessgegner in jedem Fall ein Spiegelbild der eigenen sozialen Stellung, hätte sich die Familie Garkoch sichtbar verbessert. KALTWASSER, S. 379 f., G1.
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Mehrere gewerbliche Frankfurter Prozesse wurden um Zunftrechte bzw. deren angebliche oder tatsächliche Verletzung geführt. 28 1768 appellierten vier Mitglieder der Benderzunft gegen die Witwe eines verstorbenen, ebenfalls zünftigen Bendermeisters. Das Frankfurter Schöffengericht forderte die Appellanten zur Rückgabe mehrerer von ihnen konfiszierter Fässer auf, die die beklagte Witwe außerhalb der Messezeit nach Frankfurt gebracht hatte. Die Bender beriefen sich auf einen Verstoß gegen die Zunftordnung und äußerten die Sorge, wegen der Einfuhr weiterer „auswärtiger“ Produkte sei ihre Nahrungsgrundlage in der Zeit zwischen den Messen gefährdet. Das Frankfurter Gericht teilte diese Zweifel nicht, weswegen die Kläger appellierten.29 Auch die Geschwore28
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Für Wetzlar analysiert Diestelkamp zwei Zunftprozesse, betreffend die Holzarbeiterzunft um 1750 sowie die Barbiere (genauer gesagt die zu diesen zählenden Chirurgen) in den 1770er Jahren. Im ersten Fall wurden der Witwe eines erfolgreichen Schreinermeisters (deren Sohn Recht studierte) aus Neid Steine in den Weg gelegt. Den Vorwand lieferte die Heirat des zur Weiterführung des Geschäfts eingestellten Gesellen mit der Tochter der Meisterin. Im zweiten Fall hatte der Amtsdirektor des Chirurgenkollegs dem Sohn eines Schinders und Wasenmeisters (auch der Sohn hatte dieses Handwerk ausgeübt) einen ordentlichen Lehrbrief über eine dreijährige Ausbildung zum Chirurgen ausgestellt. Problematisch waren die Herkunft und Vorgeschichte des nunmehrigen Gesellens, da dessen voriges bzw. seines Vaters Handwerk als unehrliche Tätigkeit galt und deswegen der Zugang zu einem ehrbaren Handwerk verboten sei. Besagtes Gewerbe gehörte trotz der Reichspolizeiordnungen von 1548 und 1577 sowie der Reichshandwerksordnung von 1731 immer noch zu den geächteten (es war nicht zum ehrbaren Handwerk heraufgestuft worden). Seit 1772 war den Söhnen von Vätern in unehrlichen Berufen der Zunftzugang endlich gestattet worden, einen ehrbaren Beruf zu erlernen, allerdings durften sie selbst nicht in dem unehrlichen Gewerbe gearbeitet haben. Problematisch im hier beschriebenen Fall von 1774 war, dass dem Sohn dieser Weg rechtlich verwehrt blieb (da die Regelung für ihn zu spät gekommen war) und er sich deshalb die Papiere als Chirurg per Bestechung zu verschaffen suchte (als Sohn eines Nachrichters und eigener entsprechender Tätigkeit verfügte er über gute anatomische Kenntnisse). Im ersten Fall wurde zugunsten der Witwe entschieden, deren nunmehriger Schwiegersohn die Werkstatt weiterführen durfte. Der zweite Prozess verlief im Sande, da der Rat und die Zunft den Appellanten unter Druck setzten, so dass er den Prozess aufgab. Letzterer Punkt verweist auf ein Problem, nämlich dass sich „Zünfte und Rat … über das Reichshandwerkerrecht und die eigenen Zunftartikel hinwegsetzten, wenn sie dies im eigenen Interesse für notwendig hielten“ (B. DIESTELKAMP, Zunftprozesse des 18. Jahrhunderts aus der Reichsstadt Wetzlar vor dem Reichskammergericht, in: St. BUCHHOLZ [Hrsg.], Überlieferung, Bewahrung und Gestaltung in der rechtswissenschaftlichen Forschung. Ekkehard Kaufmann zum 70. Geburtstag [Rechts- und staatswissenschaftliche Veröffentlichungen der GörresGesellschaft, N.F., 69], Paderborn 1993, S. 69-89, Zitat S. 88). KALTWASSER, S. 233, B155. Der Akte liegt ein Urteil der Marburger Juristenfakultät (#42) zu einem ähnlichen Fall bei, in dem die dortigen Juristen wie das Frankfurter Gericht urteilten und eine Beschränkung auswärtiger Einfuhren unter Berufung auf eine
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nen des Bierbrauerhandwerks 30 appellierten im 18. Jahrhundert (1713) gegen einen Ratsentscheid, der dem an den Main gezogenen Appellanten die Aufnahme in die Brauerzunft als Meister gestattete. Dabei stimmte nicht nur der jüngere Bürgermeister, sondern auch ein Teil der Zunftmitglieder zu, nachdem letztere den Antrag zunächst unter Hinweis auf den Lebenswandel des Appellaten bzw. die Aufnahmebedingungen für fremde Gesellen31 negativ beschieden hatten. Die Parteien verglichen sich schließlich noch im selben Jahr.32
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Zunftordnung ablehnten. Andererseits wiesen die Bender sieben Fälle nach, in denen sie zwischen 1739 und 1758 ebenfalls unter dem oben genannten Vorwurf mehrere Fässer beschlagnahmt hatten (#8). Die Bender argumentieren, dass keine fremden Waren außerhalb der Messen in die Stadt eingeführt werden dürften, wenn es dafür ein Handwerk in der Stadt gäbe: „Die Beweg-Ursachen zu dieser kündbahren Verfassung sind wohl vornehmlich diese, daß die Handwercker bey ihrer Nahrung um da mehr erhalten werden, als die Bürger schwehre Capitalia auf ihren Häusern stehen haben, oder Solche dazu verwenden, ihre Gesellen und Arbeits Gesinde in kostbahren Lohn und Brot unterhalten, und diese Interessen und Kosten wieder auf ihre Arbeit schlagen müssen …“ (bezieht sich auf die Frankfurter Ratsverordnung vom 6.3.1725; #6 [Libellus Nullitatum et Gravaminum des klägerischen Anwalts]). Zu den Frankfurter Bierbrauern im 17. und 18. Jahrhundert siehe SOLIDAY, S. 156 ff. Diese waren in der Zunftordnung der Barbiere und Bierbrauer von 1594 sowie mehreren Nachträgen in den folgenden Jahrzehnten zu finden. Siehe dazu BÜCHER, SCHMIDT, Bd. 1, S. 79 ff. („Eines erbarn raths der statt Franckfurt am Main den barbirern und bierbrewern gegebne gemeine articul und ordnung“ vom 17.01.1594). Der erste Teil behandelt Fragen des Verhaltens der Zunftmitglieder in „gemeiner statt sachen und gegen dem rath“ (S. 79, „Der erste theil“). Hier folgen Hinweise auf den Gehorsam gegenüber den Bestimmungen der Zunft und das Verhalten im Falle eines Feuers oder der notwendigen Stadtverteidigung, während im zweiten Teil (S. 81 ff., „Der ander theil“) mehrere Artikel das Zusammenleben der Zunftmitglieder regeln: Z. B. Artikel 13 „Es soll kein maister dem anndern sein gesindt abspannen oder uffhaltten bey straff, so offt einer hierwider hanndlet, eines gulden, dene so wol der maister alß auch der knecht oder jung, welcher sich darzu bewegen ließ, der zunfft unableßlich verfallen sein soll.“ (S. 83). KALTWASSER, S. 236, B164. Die Akte enthält u. a. eine Klage und Beschwerde der von 82 Bierbrauermeistern über den Jüngeren Bürgermeister von Barckhausen, der sie „vor meinaydige Leuth“ gehalten haben soll: „… Richterlichen Ambt nicht zustehet, auch den grösten Criminellen mit Scheltwortten anzulasten, so viel weniger will es dem Jüngen Herrn Bürgermeister seinem Ambt gemäß /: alß welches wir jederzeit mit allem Respect denerirt, auch ins künfftig zuthun jederzeit vnvergessen seyn :/ zustehen, vnß alß Ehrliebenden und unser ordentlichen obrigkeit jederzeit gehorsame Bürger, mit solchen, auch bey den Heyden verhasten übelthaten, vnschüldiger weiße, und ohne eintzigen hierzu gegebenen anlaß mit solchen hartten wortten anzugreiffen; ... Alß befinden wir vns gemäßiget, bey Ewr. HochAdel. Getr. und Herrl. Darüber vnterthänigste Klag zu führen, und zu bitten, daß der beklagte Junge Herr Bürgermeister hierüber vernommen, und darauf in Recht erkandt werden möge, daß Er den vnß vorgeworffenen Meinaydt
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Im Jahr 1719, einer Zeit als das Buchdruckerhandwerk in Frankfurt seine Blütezeit bereits überschritten hatte33, appellierte der Vorsteher der Buchdrucker gegen ein Urteil des Schöffengerichts in einem Prozess gegen den Frankfurter Buchdrucker Johann Bernhard Bader („der Kunst-Buch Druckerey erfahren“). Dem Appellaten war von der Zunft die Aufnahme verweigert worden, obwohl er die formalen Kriterien erfüllte. Das Gericht sah deshalb kein Problem und bestimmte Bader zum Buchdruckermeister, was jedoch von den Klägern aus anderen Gründen abgelehnt wurde. Die zünftigen Meister bemängelten seine „maculirt- und befleckte Geburt“, da seine Eltern zu einem Zeitpunkt geheiratet hatten, als seine Mutter schon schwanger war.34 Den Brief eines Gießener Meisters, bei dem der Beklagte zuvor tätig war, betrachteten die Appellanten deshalb als „höchst verdächtig“.35 Tatsächlich hieß es u. a. in der Buchdruckerordnung aus dem Jahr 1589 in Artikel 3: „Es soll auch hinfero keiner zum meister angenommen werden, er hab dann daß handwerck, wie sich gepürt, bei einem ehrlichen meister außgelernet, auch zuvor seinen und seiner hausfrawen guten geburtsbrieff ufgelegt …“ 36 Im Interesse eines – modern gesprochen – freien Wettbewerbs ignorierte das Schöffengericht diesen Einwand. Weitere Fälle, bei denen Handwerkern die Aufnahme in die Zunft verweigert oder sie aus derselben ausgeschlossen werden, lassen sich für die Schnei-
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behörigen erweisen, oder aber wiedrigenfalß deshalben rechtlicher gebühr nach angesehen, und vnß behörige Satisfaction gegeben werden möge. …“ (#7). Siehe oben Kapitel III.1 und KALTWASSER, S. 46 ff. KALTWASSER, S. 238 f., B169. Acta priora, Bll. 211-215, enthält die Aussage des Buchdruckermeisters Müller aus Gießen aus dem Jahr 1710 zugunsten des Appellaten, wobei ersterer zu dieser Zeit seine Druckerei bereits seit 45 (!)Jahren betreibt. Auf den nächsten Blättern (bis 218) folgt die Aussage des Mainzer Buchdruckermeisters Wust („Zöllner und Forschreiber in Maynz“), dass Bader bei ihm nicht als Lehrling, sondern schon als Geselle tätig gewesen sei – eine Aussage, die nach Ansicht der Kläger höchst verdächtig ist, da sie „vermuthen …, daß [sie] mit Geld erkaufft seyn müsse“. (Weitere Ausführungen zu den Prozessbeilagen und der Argumentation finden sich im Anhang der Arbeit.) – Generell bestand die Verpflichtung zur Wanderschaft, die erst 1869 durch die Gewerbeordnung des Norddeutschen Bundes aufgehoben wurde. Dies galt allerdings nicht für die eigentlichen Lehrjahre, sondern erst für die Gesellenzeit nach Abschluss der Ausbildung (R. S. ELKAR, Umrisse einer Geschichte der Gesellenwanderungen im Übergang von der Frühen Neuzeit zur Neuzeit, in: R. S. ELKAR [Hrsg.], Deutsches Handwerk in Spätmittelalter und Früher Neuzeit. Sozialgeschichte – Volkskunde – Literaturgeschichte [Göttinger Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte, 9], Göttingen 1983, S. 85-116, hier S. 92). BÜCHER, SCHMIDT, Bd. 1, S. 132 ff., hier S. 133.
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derzunft 160937, die Buchdrucker 175838 und die Zinngießer 176239 ermitteln. Der letztgenannte Fall ist deshalb beachtenswert, weil sich hier ein Zinngießermeister beschwerte, dass er nach Meinung der Zinngießerzunft keinen siebten Gesellen anstellen dürfe. Der Rat hatte ihm dies mit dem Hinweis auf die seit 1736 geltende Verordnung, nach der für einen Zinngießer nur maximal sechs Gesellen zulässig seien, verboten.40 Dagegen machte der Appellant geltend, dass die Reichsverordnung zur Abschaffung von Handwerksmissbräuchen aus dem Jahr 1731 die Zahl der Gesellen eines Meisters nicht begrenzte.41 Unter den armen Frankfurter Parteien, die am Reichskammergericht klagten, befanden sich zu mehr als einem Drittel Handwerker. Neben einem Schneider, 37
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KALTWASSER, S. 396, G24. 1609 appellierte ein Frankfurter Schneider in einem Prozess gegen seine Zunft, da diese ihn aus der Gemeinschaft ausgeschlossen hatte – dem Appellanten wurde der Diebstahl von Zunfteigentum (Tuche) vorgeworfen. KALTWASSER, S. 1022 f., V3. Siehe zu diesem Fall auch die Ausführungen zu Franz Varrentrapp in Kapitel III.1. Diesem wurde vorgeworfen, er habe die Buchdruckerei nicht zunftmäßig erlernt – ein Vorwurf, der nach der Zunftordnung eine Mitgliedschaft in der selbigen und die Ausübung dieses Handwerks untersagte: Auszug aus „Eines erbaren raths ordnung und artickel, wie es forthin auff allen truckereien in dieser stadt Franckfurt sol gehalten werden“ (1573), wo es in Artikel 2 heißt: „ Erstlich, nachdeme menniglich erkennen muß, daß die kunst der truckerey ein sonderlich gnad und gabe gottes sey, dadurch nicht allein gottes wort, sondern auch sonst alle gute kuenst an tag fürgetragen werden, derwegen solchem werck und handel billich für andern handtwerckern ehrliche unverleumbde personen sollen gefodert und gebraucht werden, als ordnen und wöllen wir, daß alle trucker und gesellen sich eins erbarn unstraffbarn wandels und wesens befleissen, auch fürthers keinen poßlierer oder lehrjungen annemen, er habe denn schein und urkund fürbracht, daß er von ehrlichen unverleumbten eltern ehelich geboren und sich selbst auch wol und unstrefflich verhalten hab.“ In Artikel 8 folgen dann detailierte Ausführungen zur üblichen Ausbildung zünftiger Drucker (BÜCHER, SCHMIDT, Bd. 1, S. 139 ff., Zitat S. 140). KALTWASSER, S. 659, K39. In der Einigung zwischen Bürgern und Rat nach dem Ende des Fettmilchaufstandes war u. a. verfügt worden, dass die Handwerker ihre Zunftordnungen von Rat erhielten, der alleine zu deren Änderung berechtigt sei. Dieses Beispiel bestätigt Diestelkamps oben zitierte Aussage, dass sich Rat und Zünfte nach eigenem gusto (wenn auch unter Berufung auf bestehende städtische Ordnungen) über die Reichsvorschriften hinwegsetzten (DIESTELKAMP, Zunftprozesse, S. 88). Die Buchdrucker unterlagen diesbezüglich keiner Beschränkung, in der Ordnung von 1573 heißt es in Artikel 9: „Es mag auch ein jeder trucker nach seinem gefallen und gelegenheit, wie viel er will, poßelierer und lehrjungen anstellen und annemen.“ (BÜCHER, SCHMIDT, Bd. 1, S. 142). In den Neufassungen von 1588 und 1598 fehlt dieser Hinweis, allerdings ist auch keine Beschränkung ersichtlich (S. 147 ff.). Siehe dazu auch oben das Beispiel des Buchhändlers Wust, der am Ende des 17. Jahrhunderts zeitweise zwei Dutzend Gesellen beschäftigte (DIETZ, Bd. 3, S. 151).
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einem Knopfmacher und einem Schlosser, waren auch Angehörige des Textilund des Nahrungsmittelgewerbes darunter (Schönfärber, Leinweber, zwei Bäcker), die nach den allgemeinen Ausführungen zum Handwerk in der Frühen Neuzeit eher zu den besser verdienenden Handwerkern gehörten. Andererseits stellten diese auch die größte Zahl der Gewerbetreibenden, so dass damit die Wahrscheinlichkeit steigt, verarmten Angehörigen dieser Berufe als Prozessparteien am Reichskammergericht zu begegnen. 42 Unter den Fällen befand sich einer, indem ein Schneider- und Stubenmeister bzw. nach dessen Tod seine Frau gegen die Schneiderzunft klagte (1766). Das Frankfurter Schöffengericht hatte in der Vorinstanz einer Entscheidung der Zunftgeschworenen zugestimmt, nach welcher der Kläger als Zunftstubenmeister abgesetzt, seine Besoldung halbiert und seiner Frau der Besuch der Zunftstube untersagt wurde (dazu musste er den Zunftstubenschlüssel abgeben). Der kranke Kläger berief sich auf ein 1746 vertraglich vereinbartes „lebenslanges“ Recht auf das Stubenmeisteramt. Dem hielten die Beklagten entgegen, der Kläger habe sich unredlich verhalten und seine Frau Kleider aus der Zunftstube gestohlen und verkauft, um „Brandewein trinken zu können“.43 42
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Vgl. dazu BUND, S. 60 für das Frankfurter Spätmittelalter sowie REININGHAUS, S. 9 allgemein für die Frühe Neuzeit. KALTWASSER, S. 222 f., B138. Dass der persönliche Lebenswandel zum Gegenstand eines Verfahrens gemacht wird, ist nicht ungewöhnlich. So klagen 1763 die drei Gebrüder Bassompiere (Frankfurter Kaufleute) gegen Carl Behagel, einen jetzt in Offenbach lebenden Frankfurter Handelsmann, für dessen Kinder sie die Vormünder sind (die verstorbene Schwester der Kläger war die Ehefrau des Beklagten und hatte ihren Brüdern testamentarisch die Vermögensverwaltung für ihre minderjährigen Kinder übertragen). Der Beklagte war nach dem Tod seiner Frau längere Zeit geschäftlich unterwegs gewesen (Marseille) und hatte seine Kinder bei deren Onkeln (den Klägern) gelassen, beanspruchte nach seiner Rückkehr aber das Sorgerecht und die Aussetzung der testamentarischen Verfügung. Die Kläger wollen mittels eines Gutachtens beweisen, dass der Beklagte dazu nicht fähig sei. Gedrucktes Attest (Auszug): „Wodurch die von gedachten Herren Bassompierre in= und auser Gericht, geäuserte Vorspiegelung, als ob ich mit solchen eröfterten gefährlichen Krankheits-Anfällen behaftet seye, welche in keine Weise gestatteten, mir ohne Gefahr meine Kinder anzuvertrauen, besonders da auch ich ein übler Haushälter und Verschwender seye, Sonnenklar wiederleget, und der Gottgefälligen Wahrheit zu lieb attestiret wird, daß sowol am Leibe gesund, auch an meinem Gemüth und Verstand keine Turbationes noch etwas verwirrtes oder unzusammenhangendes nie gezeiget, ich mich auch als ein rechtschaffener Bürger und honetter Mann jederzeit aufgeführet, mithin vorbedachte niederträchtige und unchristliche Aeuserungen von denen Herren de Bassompierre gegen besseres Wissen und Gewissen blos zu meiner Verunglimpfung und zu vermeintlicher Erlangung ihres widerrechtlichen Endzweckes, gleich wie noch andere niederträchtige Mittel fälschlich ersonnen, und respective angewendet worden. … Nachdeme Carl Behagel dahier zu vernehmen gegeben, wie er eines Attestats
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Im Jahr 1700 strengten der Frankfurter Bürger und Schlossermeister Jacob Schätz und seine Söhne im Status einer armen Partei einen Prozess gegen den Bürger und Weinhändler Albert Sommer sowie die Stadt Frankfurt an. Strittig war dabei das Abrechnungsverfahren bezüglich der Liquidation der von beiden Parteien gemeinsam betriebenen Strumpffabrik. Die Kläger hatten sich mit mehr als 2.100 Reichstalern am Betrieb beteiligt, dessen große Verluste sie ruinierten. Die Schlosserei des Klägers wurde an dessen Gläubiger, den Rittmeister von Barckhausen übergeben, der sie an einen anderen Schlosser verkaufte, obwohl er vom Kläger und dessen Söhnen die geborgten 500 Gulden nebst Zinsen zurückerhielt. Das Abrechnungsverfahren selbst verzögerte sich zum Teil durch den Beklagten, aber auch durch die „Wahl und Crönung wie auch der kaiserl. freyen Reichs- und Handel Stadt Ffort Huldigung“ Karls VI. im Jahre 1711. Allerdings befand sich das Verfahren zu diesem Zeitpunkt schon über zehn Jahre am blockierten Reichskammergericht.44 Neben dieser ungewöhnli-
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seiner bisherigen=nachdeme er vor einem Jahr und drüber wiederum von Marseille retourniret und sich beständig hier aufgehalten und in Fürstlichem Schutz gestanden, Leibes= und Gemüths=Umständen auch seines Lebenswandels, benöthiget seye; dannenhero um dessen Obrigkeitliche Ertheilung geziemend und gehorsamst nachgesucht, und man ihme diesem billigen Gesuch zu willfahren nicht entstehen können, als wird demselben sothanes Attestat, eingezogener Attestatorum von den hiesigen Geistlichen, Medico und glaubwürdiger hiesiger honetten Leuten nach, dahin von Oberamts wegen um so mehr, als man diese Zeit über, auch nichts widriges von demselben vernommen, ertheilet, daß er Zeit seines letztern Hierseyns sowol am Leibe gesund gewesen, als auch an seinem Gemüthe und Verstand sich keine Turbationes, noch etwas verwirrtes, oder unzusammengenhangendes, gezeiget, er sich auch so aufgeführet, wie es einem rechtschaffenen Bürger und honetten Mann gebühret. Urkundlich des hierunter gedruckten hiesigen Fürstlichen Oberamts=Insiegels und der Unterschrift. Offenbach den 21ten October 1761. (L.S.) Fürstl. Isenburgisches Oberamt hieselbst.“ (es folgt ein weiteres Attest „von einem Löblichen Consistorio der französischen Reformirten Gemeinde in Offenbach“) (KALTWASSER, S. 148, B23). – Wie von den Meistern wurde ein entsprechendes Verhalten auch von den Lehrlingen und Gesellen gefordert. Dazu gehörte neben Ehrlichkeit, pünktlicher Bezahlung von Lehr- und Zunftgeldern und Unterordnung unter die Zunftregeln und Anweisungen von Meistern und Lehrherren auch eine eheliche Herkunft. Dies war in der Zunftordnung des Frankfurter Rates von 1377 nicht ausdrücklich festgelegt, fand aber auch hier Anwendung: „Für den unehelich Geborenen gilt bei den meisten Zünften Frankfurts … der grausame Satz: des Hurensohnes Geld wollen wir nicht haben“ (siehe dazu K. WESOLY, Lehrlinge und Handwerksgesellen am Mittelrhein. Ihre soziale Lage und ihre Organisation vom 14. bis zum 17. Jahrhundert [Studien zur Frankfurter Geschichte, 18], Frankfurt a. M. 1985, S. 50 ff., Zitat S. 56). Nach der Mandatsverfügung zur Durchführung des Abrechnungsverfahrens appellierte Schätz 1701 gegen einen bürgermeisterlichen Entscheid (Bürgermeisteraudienz 1700), die im Römer arretierten Mobilien zugunsten eines Frankfurter Schutzjuden zu versteigern,
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chen Begründung der Verzögerung städtischer Pflichten45, gab dieser Fall aber auch Hinweise auf die Suche nach zusätzlichen Verdienstmöglichkeiten bzw. Geldanlagen durch die Beteiligten, die sich allerdings zumindest einen Teil der benötigten Summe zum Betrieb der Strumpffabrik borgen mussten. Neben Kaufleuten, denen normalerweise mehr Kapital zur Verfügung stand, versuchten auch Gewerbetreibende in die Produktion außerhalb des eigenen Handwerks zu investieren, doch erwiesen sich die Betriebsgründungen zumeist als kurzlebig – wie auch im hier geschilderten Fall.46 Noch kurioser mutet ein Streit zwischen einem während des Prozesses verstorbenen Weinschröter (aus Frankfurt, arme Partei) bzw. dem Kurator seines minderjährigen Sohnes und einem Kaufmann aus Frankfurt an: Der den Generalstaaten dienende, Anfang des 18. Jahrhunderts verstorbene holländische Vizeadmiral Johann (oder Jakob) Jordan sei der Bruder des Großvaters mütterlicherseits des Klägers, der deshalb primären Anspruch auf die Erbschaft habe. Der Admiral hatte im 17. Jahrhundert durch die „Ruinierung der spanischen Silberflotte … einen sehr großen Reichtumb“ angehäuft, der – so der Kläger – dem klagenden Großcousin, der als Erbe am ehesten in Frage käme, gehören solle.47
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da dieser nur Gläubiger seines Kompagnons sei und das Eigentum der fraglichen Gegenstände noch geklärt werden müsse (KALTWASSER, S. 882 ff., S9, S10). 1703 klagte auch der Sommer am RKG gegen die Stadt (ab 1716 seine Tochter, da Sommer verstarb), dass diese sich mit der Versteigerung der Effekten des Schlossers Schätz zu viel Zeit lasse. Schließlich wendet sich Sommers Tochter 1713 (also noch zu Lebzeiten des Vaters) als arme Partei an das RKG mit dem Anspruch auf Auslieferung der ihr zustehenden und im Römer deponierten Geldsumme aus dem väterlichen Prozess (KALTWASSER, S. 953 f., 989, S120, S173). Siehe oben FN 1526: Der Beklagte sowie seine Tochter bedienen sich ebenfalls dieses Arguments in eigenen Prozessen, die aber auch vor dem Hintergrund des gescheiterten Betriebs der Strumpffabrik stattfinden. NORTH, Handelsexpansion, S. 153. 1696 hatten sich Schätz und Sommer zusammengetan und nur vier Jahre später standen sie sich bereits vor Gericht gegenüber, da die Firma hoch verschuldet war. Diese Geschichte beruht auf „Spekulationen, Mutmaßungen bzw. interpretierten Zeitungsberichten“ und ist mehr als dreieinhalb Dekaden nach dem Tode des Erblassers nur noch schwer nachprüfbar, da beispielsweise der vorgelegte Stammbaum der Familie des Admirals im Jahr 1700 endet (#8) (KALTWASSER, S. 408 f. [Zitat S. 408], G47). Etwa um 1710 ist der Admiral (hier: Johannes Jordan) in Middelburg/Seeland (oder Hamburg) verstorben. Der Kläger fordert das Erbe (u. a. vier Tonnen Gold) für sich und seine Schwester Anna Sibille, während der Beklagte angeblich schon 20.000 fl. empfangen hat unter der wahrheitswidrigen Behauptung, er sei ein „Coosin“ des Verstorbenen (aus #7: Libellus Gravaminum Summarius des klägerischen Anwalts).
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In der Häufung einzelner Berufe am Reichskammergericht wird erneut die soziale und finanzielle Abstufung innerhalb der Handwerkerschaft deutlich. Bei Wesoly48 findet sich eine Auflistung über die Mitgliederstärken und den Rang der einzelnen Zünfte in Frankfurt am Ende des 16. Jahrhunderts, in der die Wollweber, Metzger, Schmiede und Bäcker die ersten Ränge belegten, Gärtner und Schneider jedoch die größten zünftig organisierten Berufsgruppen darstellten. Übertroffen wurde selbst die Zahl der beiden letztgenannten aber von den Händlern und Krämern sowie den Posamentierern. Mitglieder der hier benannten Berufsgruppen gehörten auf der dritten Bank dem Rat an, die sie sich mit niederen städtischen Beamten und Tagelöhnern teilen mussten.49 Am Reichskammergericht häufig vertretene Berufsgruppen waren die bereits im vorigen Kapitel vorgestellten Buchdrucker, -binder und -verleger, sowie Wein-, Tuchund Seidenhändler, Juweliere und Gastwirte. Von den ranghöchsten Gewerben waren besonders die Metzger häufig als Kläger oder Beklagte, Appellanten oder Appellaten in Speyer oder Wetzlar präsent (in 20 Fällen), aber auch 14 Schmiede verschiedener Provenienz, wobei die Goldschmiede mit acht Prozessbeteiligungen den größten Anteil innerhalb dieser Berufsgruppe stellten. Die den Tuchhändlern zuarbeitenden Wollweber waren unter dieser Berufsbezeichnung nicht in den Frankfurter Prozessen zu finden. Wesoly ordnete dieser Gruppe allerdings auch die Färber zu, von denen insgesamt elf Verfahrensbeteiligungen überliefert sind. Zünfte mit größeren Mitgliederzahlen, wie Fischer, Schuhmacher oder gar die Gärtner (Häcker) ließen sich nicht nachweisen. Dagegen waren neben den Metzgern weitere wichtige Nahrungsmittelgewerbe vertreten – in 27 Fällen Bäckermeister und -gesellen (inklusive mehrerer Zucker- und einem Pastetenbäcker) sowie in 21 Fällen Bierbrauer.50 Die Frage der Zuordnung des Berufs eines Gastwirtes bzw. Gasthalters in den Bereich der Handwerke oder aber zu den Händlern kann nicht eindeutig beantwortet werden, doch standen auch Personen mit dieser Berufsbezeich48
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K. WESOLY, Lehrlinge und Handwerksgesellen am Mittelrhein. Ihre soziale Lage und ihre Organisation vom 14. bis zum 17. Jahrhundert (Studien zur Frankfurter Geschichte, 18), Frankfurt a. M. 1985, S. 395. Die komplette Tabelle findet sich im Anhang (Tabelle 30). MAUERSBERG, S. 95. Die hier gemeinten Kleinhändler und Krämer sind nicht mit den Fern- und Großkaufleuten zu verwechseln, die die zweite Bank im Rat besetzten. In der Aufstellung Wesolys werden 31 Barbiere verzeichnet, doch „verstecken“ sich in dieser Zahl auch 14 Bierbrauer, da die beiden Gruppen erst 1586 getrennt wurden (die Barbiere erhielten eine eigene Ordnung). Um 1300 dagegen waren Bäcker und Brauer mit einer Ordnung ausgestattet, ein Zusammenschluss, der sinnvoller als jener von Brauern und Barbieren erscheint (siehe dazu O. RÜDIGER [Bearb.], Die ältesten Hamburgischen Zunftrollen und Brüderschaftsstatuten [hg. von Bürgermeister Kellinghusen’s Stiftung], Hamburg 1874, S. 22 ff.).
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nung häufig am Reichsgericht (in zusammen 42 Fällen). 51 Anders als Jäger, Knopf- und Kammmacher, die jeweils nur einmal als Prozesspartei auftraten, war dies bei den Schneidern 18 Mal der Fall. Neben den bisher vorgestellten Handwerken fanden sich auch Sattler (in zehn Verfahren) und Bender/Böttcher (7), sowie Angehörige verschiedener Berufe aus dem Baugewerbe wie Schreiner (12), Steinmetze (6) und Maurer (5). Festzuhalten bleibt, dass sich der große Anteil der Handwerker an der städtischen Bevölkerung nicht in einer besonders starken Präsenz der im gewerblichen Sektor Tätigen oder einer entsprechend hohen Zahl von Handwerksprozessen niederschlug. Zwar waren sowohl Zünfte als auch Handwerker verschiedener (vor allem höherrangiger) Berufsgruppen mit typischen Problemen am Reichskammergericht vertreten, deren Ursache in dem Bemühen der Zünfte und einzelnen Handwerker um Nahrungssicherung lag. Doch gerade die ambivalente Haltung des Rates, der in mehreren Verfahren Politik für oder wider die Interessen der Zünfte machte, gab wiederholt Anlass zur Klage. 52 Insgesamt wurde das Reichskammergericht in gewerblichen Fragen nur selten und mit einer Dominanz im 18. Jahrhundert genutzt. Die Zwistigkeiten zwischen Obrigkeit, Zünften und einzelnen Handwerkern belegen auch die folgenden Beispiele zweier Handwerksprozesse, von denen besonders das Frankfurter Verfahren aus dem Bereich des Nahrungsmittelgewerbes verdeutlicht, dass die Zünfte nicht nur von auswärtigen Handwerkern Konkurrenz befürchteten, sondern auch den geschäftlichen Expansionsplänen eigener Mitglieder äußerst kritisch gegenüberstanden.
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Wie ein bereits zitierter Beispielfall zeigt, werden einzelne Personen mit mehreren Berufsbezeichnungen belegt. So appellierten 1733 mehrere Kaufleute gegen ein Urteil des Frankfurter Schöffengerichts auf die Zuerkennung der Haftung durch ihre Wirtsleute bezüglich einer gestohlenen Summe (1.170 fl.). Die Appellanten hatten die Messe besucht und waren bei einem Ehepaar, deren Beruf mit Gastwirt und Bierbrauer angegeben wird, abgestiegen, wo ihnen angeblich aus ihrem Gepäck das Geld gestohlen wurde (KALTWASSER, S. 150 f., B29). Dieser Prozess verweist auf eines der Probleme, mit denen sich Gastwirte und -halter konfrontiert sahen. Neben Diebstahlvorwürfen finden sich auch Beschwerden über falsche Abrechnungen und Schuldforderungen durch oder gegen Gastwirte. Die Entscheidungen der städtischen Obrigkeit wurden zudem von persönlichen Motiven beeinflusst: Wenn eine der beiden Parteien einen Verwandten im Rat hatte, konnte ein unparteiisches Urteil nicht mehr garantiert werden – ein Grund mehr, eine unabhängige Instanz wie das RKG zu bemühen.
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2. Einzelfälle Wie bei den Handelsprozessen sollen auch im Falle der Gewerbesachen zwei Beispiele die bisherigen Ausführungen noch „griffiger“ gestalten. Ausgewählt wurden die Fälle nach den schon für den Bereich Handel und Geldwirtschaft aufgestellten Kriterien53, allerdings spielte auch das Vorhandensein von Abbildungen in den jeweiligen Akten eine wichtige Rolle, da sie nicht nur die Prozesse bzw. deren Gegenstände illustrieren, sondern auch einen Eindruck vom teilweise sehr umfangreichen und in seiner Herstellung aufwändigen Akteninhalt vermitteln.
Hamburger Prozess H8054 Über die Probleme der Hamburger mit der Sauberhaltung des Elbwassers und der Verhängung möglicher Strafen bei Verunreinigung und Einschränkungen bei der Viehhaltung auf den Deichen55 ist bereits berichtet worden.56 Aber Wasser bzw. dessen Bereitstellung in der Stadt für den Hausgebrauch und zum Feuerlöschen wurde auch in einem Prozess am Reichskammergericht thematisiert. In dem hier vorzustellenden Fall, der u. a. eine Skizze der von den Appellanten verrichteten Arbeiten enthält57, appellierten die Herren Christian Fischer, Johann Kasimir Faist und Johann Gottlieb Krusch, alle drei „Kunstmeister“ – d. h. Brunnenmeister der Wasserkunst – in Hamburg gegen ein Urteil des dortigen Obergerichts in ihrem Prozess gegen das Drechsleramt, welches das alleini53 54 55
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Siehe dazu die einleitenden Bemerkungen des Kapitels III.1. STEIN-STEGEMANN, S. 386 f., H80. Dies ist nicht nur als Maßnahme gegen die Verunreinigung der Elbe und ihrer hamburgischen Nebenarme zu verstehen, sondern auch als Anweisung zum Erhalt der Deiche, die zum Hochwasserschutz angelegt wurden. Siehe oben Kapitel II.2. Die Akte enthält ein 23seitiges Protokoll, eine 923 Seiten starke Vorakte (bestehend aus einem Protokoll und 883 Seiten „Producta“, die fest gebunden sind, aber weder Deckel noch Umschlag auf weisen [u. a. Bll. 270-282: Auszug aus dem Protokoll der Jahrverwalter der neuen Wasserkunst vor dem alten Millerntor 1603-1626; Bll. 283-295: gerichtlicher Vergleich von 1703 zwischen dem Beklagten und Jürgen Hinsch, ehemaliges Mitglied des Amtes der Drechsler, über strittige Fragen; Bll. 414: schematische Skizzen von Pumpen]) sowie annähernd 30 Beilagen, darunter die Citatio (#2), die Ausführungen der Anwälte, #7 (Instrumentum Notariale), #11 (Libellus gravaminum summarius vom Anwalt der Kläger [Gülich]) und ohne Quad. (Protokoll der Vorinstanz).
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ge Recht auf die Herstellung der Pumpen und Brunnenhölzer für sich reklamierte.58 Das Verfahren war nur vier Jahre am Reichskammergericht anhängig (17641768), begann allerdings bereits im Jahre 1737 am Hamburger Niedergericht (1737-1739) und lag dann mehrere Jahrzehnte am Obergericht (1739-1762), bevor es auf Initiative der Brunnenmeister per Appellation bis nach Wetzlar gelangte. Dort wurden die Appellanten von Dr. Johann Philipp Gottfried von Gülich59, das appellatische Amt von Dr. Johann Albert Ruland60 vertreten. Die lange Vorlaufzeit erklärt sich damit, dass bereits der Vater eines der Appellanten, Nikolaus Wilhelm Fischer, in der gleichen Angelegenheit mehrere Jahre zuvor mit dem Drechsleramt ebenfalls in Streit gelegen hatte. Zu dieser Appellatis prima gab es eine secunda, deren Hamburger Vorverfahren 1762 eröffnet wurde (in dem Jahr endete der Obergerichtsprozess, der zur ersten Appellation führte) und welche dieselben Appellanten gegen dieselben Appellaten im Jahr nach dem Prozessbeginn des ersten Verfahrens am Reichskammergericht einbrachten. 61 Inzwischen war den Appellanten vom Drechsleramt die Herstellung von Pumpen außerhalb ihres Brunnen-Distriktes verboten worden, wogegen diese mittels Appellation in Wetzlar Beschwerde einlegten, da – abgesehen vom aus ihrer Sicht unzulässigen Verbot – diese Sache mit dem ersten Prozess noch am Reichsgericht anhängig war. Doch der Reihe nach: Das Protokoll des Verfahrens begann mit dem 11. April 1764, als der appellantische Anwalt Gülich sogleich um einen Aufschub bat, da er zwar erste Aktenstücke zu diesem Prozess von einem Kammerboten zugestellt bekommen hatte, jedoch auf weiteres Material aus Hamburg wartete
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Zu den Drechslern siehe HELLWAG, S. 66-73. Die Unterscheidung zwischen Drechslern und Zimmerleuten oder Kistlern (Kistenherstellern) konnte meist nur anhand des verwendeten Werkzeugs geschehen (Drechselbank oder Hobel) und offenbart die Schwierigkeiten bei der Abgrenzung zwischen der Zuständigkeit zwischen den in dem hier vorgestellten Fall vertretenen Klägern und Beklagten, die unter Nutzung der selben Werkzeuge und Rohstoffe arbeiten. Für das Jahr 1375 lässt sich eine „Settinghe der Dregere [Drechsler] und Schatschneider“ nachweisen, im Jahr 1438 bestätigt Bischof Gerhard die Mauritiusbrüderschaft der Drechsler und 1515 kann eine Ordnung der Kisten- und Luchtenmacher belegt werden. Weitere Ergänzungen bzw. Ordnungen zu speziellen Berufen im Holz verarbeitenden Gewerbe folgten im Verlaufe der Frühen Neuzeit (S. 540, 546, 548). Siehe auch RÜDIGER, S. 54 ff. Gülich war von 1757 bis 1795 am RKG tätig und betreute in dieser Zeit 57 Fälle. Ruland wirkte am RKG zwischen 1747 und 1771 und bearbeitete dabei insgesamt 60 Prozesse. STEIN-STEGEMANN, S. 389 f., H81. Auch die Vertretung der Prozessparteien obliegt sinnvollerweise den bereits mit dem laufenden Verfahren betrauten Anwälten.
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und es „ungewiß [war], ob derselbe zeitig revertir[t]“.62 Ende August desselben Jahres war Gülich imstande, den bereits im April angekündigten Reproductions Recess und weitere 23 Aktenstücke dem Gericht zu übergeben.63 Am 10. Oktober wurde im Protokoll festgehalten, dass bisher keine Reaktion der appellatischen Seite erfolgt war.64 Am 14. November 1764 monierte der klägerische Anwalt, dass von „Seiten des Appellatischen Theils [zu dem anberaumten Termin] abermahls Niemand erschienen ist“.65 Lediglich der Anwalt des beklagten Amtes, Ruland, war zugegen und ersuchte um zwei Monate Frist zur Vorbereitung seiner eigenen Anträge bzw. Erwiderungen auf die schriftlichen Einlassungen Gülichs.66 Erst am 29. November konnte Ruland dem Gericht anzeigen, dass ihm nun Erläuterungen des Amtes zugegangen waren und er „zu derselben Production die vorhin nachgesuchte Frist“ beanspruche.67 Am 12. Dezember versuchte Ruland schließlich, in Ermangelung der ihm bisher noch nicht zugegangenen Abschrift der Acta priora „die anhero nicht erwachsene Appellation [durch das Gericht] für desert zu erklären“ oder aber wenigstens auch für die Reaktionen der Gegenseite kürzere Termine unter Vorbehalt der Verfahrenseinstellung festzusetzen.68 Gülich zeigte sich davon nicht beeindruckt und prüfte die von seinem Gegner eingebrachte Vollmacht.69 Mit dem Beginn des neuen Jahres erschien ein weiterer Anwalt auf der Bühne dieses Prozesses: Dr. Bostell übergab namens des hamburgischen Rates die Abschrift der Acta priora an das Gericht und damit an die Verfahrensanwälte.70 Nach der Durchsicht der Unterlagen forderte Ruland von Bostell die Ergänzung der Abschrift durch die Akten des Verfahrens Nikolaus Wilhelm Fischer, Christoph Lembeck und Philipp Heinrich Dehn gegen das Drechsleramt.71 Während der nächsten Monate trafen 62 63
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Protokolleintrag vom 11.04.1764. Protokolleintrag vom 31.08.1764 (#1-24). Darunter befanden sich u. a. „Supplicationen und deren Bey- und Neben Anlagen“, Auszüge aus Protokollen des hamburgischen Obergerichts und seine Bevollmächtigung durch die Appellanten. Protokolleintrag vom 10.10.1764. Daraufhin wird die Akte zunächst geschlossen (Completum vom 12.10.), fünf Tage darauf aber wieder geöffnet und später erneut geschlossen. Protokolleintrag vom 14.11.1764. Protokolleintrag vom 14.11.1764. Am 23.11. legt Ruland die Bevollmächtigung durch seinen Mandanten vor. Protokolleintrag vom 29.11.1764. Protokolleintrag vom 12.12.1764. Protokolleintrag vom 14.12.1764. Protokolleintrag vom 11.01.1765. Protokolleintrag vom 08.02.1765. Diese Akten liegen auch bis Anfang März nicht vor, so dass Ruland einen weiteren Aufschub des Verfahrens um zwei bis drei Monate fordert (Protokolleintrag vom 06.03.1765).
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die Anwälte der beiden Prozessparteien einige Male aufeinander und gaben jeweils Terminwünsche für weitere Ausführungen an, so dass es bis Anfang Mai 1765 dauerte, bis Gülich die „Replicae“ produziert hatte.72 Ruland erkannte im Gegenzug zwar das Einreichen dieser Ausführungen an, monierte aber deren „offenbar verspätete“ Abgabe und behielt sich eine eventuell nötige Reaktion vor.73 Dann wiederum beschwerte sich Gülich, dass die Erwiderungen Rulands übermäßig lange auf sich warten ließen, obwohl dieser seine eigenen Ausführungen „schon vor vielen Wochen erhalten“ habe. Zwei Tage später vermerkte das Protokoll die Abgabe der geforderten Schrift durch Ruland. 74 Dennoch waren sich die Parteien und damit die Anwälte weiterhin nicht einig – die taktischen Spielchen zogen sich bis weit in das nächste Jahr (1766) hinein.75 Mit zunehmender Zeitdauer wurde der Ton selbst innerhalb des offiziellen Protokolls schärfer: Von Handlungen „wider die Ordnung“ war zunächst die Rede, dann sprach der appellatische Anwalt von „Verschleppung dieser Sach“.76 Nach weiteren Verzögerungen im Frühjahr 1767 77 war Ruland schließlich der Zusammenarbeit mit Gülich bei diesem Verfahren überdrüssig: „[Ruland] weiß sich mit GgAldt [gegnerischem Anwalt] wegen des ohnaufhör[lic]hen Zeit Gesuchs nicht weiter einzulassen, sondern bittet, wie der Urthel halber retro
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Protokolleintrag vom 06.05.1765. Protokolleintrag vom 03.06.1765. Protokolleinträge vom 27. und 29.11.1765. Aus der Spanne zum letzten zitierten Protokolleintrag (siehe FN 1555) wird deutlich, wie lange sich das Verfahren bereits wegen dieser taktischen Geplänkel der Anwälte hinzieht. So beantragte Gülich am 10. September eine weitere Fristverlängerung: „… bey noch immer abgehender Instruction stellt [appellantischer Anwalt] eine weitere FristErstreckung von 2-3 M. lediglich zu höchstrichterlicher Milde.“ (Protokolleintrag vom 10.09.1766). Darüber beschwerte sich Ruland einige Wochen später: „Demnach das gghr [gegnerische] Zeit-Suchen wider die Ordnung schnur stracks angehet, und zum strafbaren Auffenthalt der Sache gereichet, […] und bittet nunmehro die Urthel vorhin gebettener massen gdgst [gnädigst] zu befördern.“ (Protokolleintrag vom 20.10.1766). Der Unmut Rulands scheint begründet zu sein, vermerkt doch das Protokoll für den 10. November den Eintrag, dass der appellantische Anwalt erst jetzt, zweieinhalb Jahre nach Prozessbeginn, wichtige Unterlagen von seinen Mandanten bekommen hat: „… nachdem die Appellanten Ihm [Gülich] auch in dieser Sach die Advocatur aufgetragen, und ihm die manual Acta erst kürzlich zugekommen“ waren, bat er um eine weitere Frist zur Bearbeitung dieser Akten (Protokolleintrag vom 10.11.1766). Protokolleinträge vom 20.10.1766 und vom 13.02.1767. Siehe Protokolleinträge vom 06.05.1767 und vom 06.07.1767 (Gülich musste „wegen einund andern Umstands“ mit seinen Klienten „dennoch correspondiren“ und bat deshalb um einen „terminum ultimo“ [Protokolleintrag vom 06.05.1767]).
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gebetten, nunmehro fordersamt zu sprechen.“78 Am 17. November wurde die Akte vorübergehend geschlossen, eine Woche später aber fortgeführt mit dem Hinweis, eine weitere Fristverlängerung zugunsten der Appellanten sei zu gestatten.79 Mitte Dezember wies Gülich darauf hin, dass der nächste Termin „in die bevorstehende[n] Weynachts Ferien fällt“ und er zweifele, vorher mit der „Instruction“ fertig zu sein80 – somit wurde deutlich, dass sich das Verfahren mindestens bis 1768 hinziehen würde. Ein Jahr später, im Dezember 1768, findet sich der letzte Protokolleintrag: Ruland ließ festhalten, dass „demnach eine handlung nicht weiter zu laßig ist“ und die Sache extrajudicial zu behandeln sei. 81 Am 14. Februar 1769 wurde die Akte mit einem abschließenden Completum versehen. Die ausführliche (jedoch nicht vollständige) Auflistung der Protokolleinträge vermittelt ein Bild von den möglichen Prozessverzögerungen durch taktische Winkelzüge und nachsichtige Richter. Zudem spiegelt sich der Zeitaufwand zur Kommunikation mit den jeweiligen Klienten im entfernten Hamburg in der wiederholten Forderung beider Anwälte nach einer Fristverlängerung von zwei bis drei Monaten wider. Diese Zeitspanne ist charakteristisch, sie lässt sich auch in anderen hamburgischen Prozessen feststellen. Am 29. November 1765 war vom appellatischen Anwalt die letzte Prozessbeilage eingereicht worden82, eineinhalb Jahre nach dem Prozessbeginn und drei Jahre vor dessen Ende. Zu den vom appellantischen Anwalt eingebrachten Schriftstücken gehörte u. a. ein Auszug aus einem Schreiben des hamburgischen Juristen Johann Klefeker an Gülich vom Februar 1763, in welchem er „die Sache der hiesigen Kunstmeister contra das Amt der Drechsel […] Ihnen bestens empfehle, und nahmens meiner Principalen, als appellanten hiemit die procuratur ergebenst antrage“. 83 Selbst hier kam es bereits zu ersten Verzögerungen: „Es eilet in dieser Sache das fatale introducenda appellationis zu Ende, und theils 78
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Protokolleintrag vom 08.07.1767. Erst am 28. September folgt eine Reaktion: „… wann höchsterhebliche Verhinderungen schuldt darahn seyn müsen, das ihme die erforderliche instruction beschehener erinnerung ohnerachtet, noch nicht zugekommen ist, sowill eine fernerweite erstreckung des jüngst collegirten terminus adversae von höchstrichterlicher milde unthgst [untertänigst] erbitten, dem Vergeblichen widerspruch generalie contradicirendt.“ (Protokolleintrag vom 28.09.1767; das Verfahren ist nun bereits seit dreieinhalb Jahren anhängig). Protokolleinträge vom 17.11.1767 (Completum) und vom 24.11.1767 (Fortsetzung des Verfahrens). Protokolleintrag vom 10.12.1767. Protokolleintrag vom 20.12.1768. Protokolleintrag vom 29.11.1765. #5.
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Unpäslichkeit, theils das schmerzhafte Absterben meiner Vielgeliebten Ehegattin hat mich bisher gehindert, den libellum appellatorium fertig zu machen.“84 Zur eigentlichen Streitsache, den Differenzen zwischen Kunstmeistern und Drechsleramt um die Frage der Zuständigkeit für Herstellung und Reparatur von Brunnenhölzern und Pumpen (siehe unten Abb. 5), führte Gülich aus: „… das Hamburgische Drechsler Amt [hat] vor vielen Jahren sich ein fallen lassen, den Kunstmeistern das Bohren der Pumpen und Brunnenhöltzer für die Bürger und Einwohner der Stadt streitig zu machen, wodurch sich die damals lebende, jetzt längst Verstorbene Kunstmeister veranlasset gesehen, sich mit ihme in einen gerichtlichen Proceß einzulassen, welcher von dem Hamburgischen Niedern Gericht per Appellationem an das dasige Obergericht gekommen, und allda usque ad Replicas vorhandelt worden. Das Drechsler Amt hat aber seit 1739., weil sich solches überzeugt gefunden, mit dieser Sache nicht fort zukommen, diesen Proces nicht weiter fortgesezt, und die Kunstmeister, mit welchen sie demselben geführet, sind währender Zeit verstorben. Vor ohngefehr 2. Jahren aber liesse sich das Drechsler Amt aufs neue in den Sinn kommen, seine längst auf gegebene Ansprüche wieder zu erneuern, und gegen die jetzige Kunstmeister, modo Appellanten zu behaupten, das sie nicht befugt wären, gebohrte Höltzer und Pumpen für der Stadt Bürger und Einwohner zu verarbeiten, …“85 Die Andeutung einer Verhandlung in dieser Sache am hamburgischen Niedergericht bezog sich auf den Prozess, den der inzwischen verstorbene Nikolaus Wilhelm Fischer und Konsorten Ende der 1730er Jahre führte. Doch war dies nicht die einzige Auseinandersetzung zwischen Kunstmeistern und Drechsleramt. Die Acta priora geben Auskunft, dass bereits am Anfang des 18. Jahrhunderts ein gerichtlicher Vergleich zwischen dem Amt und einem ehemaligen Mitglied geschlossen wurde.86 Anhand der oben zitierten Ausschnitte aus der
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#5. #11 (Factis species aus dem Libellus Gravaminum Summarius). Acta priora, Bll. 283-295: Vergleich aus dem Jahre 1703 zwischen Jürgen Hinsch und dem Drechsler-Amt. Darin wurde festgehalten, dass Hinsch „als ein vormaliges MitGlied dieses Amts, wegen neue Auflagen, bis daher zu solchem Ampte sich nicht gehalten, einiger Streit entstanden, daher dies Ampt denselben vor einiger Zeit einige Pumpen Höltzer und Werckzeug abpfänden, auch darüber die Sache auf beiden Seiten zu einiger Weitläuffigkeit, und Gerichts-Process hat gedeyen wollen. Dieser Streit und Irrungen durch höchstrichterliche Vermittelung Ihro Magnific. des Tit. Herrn Bürgermeisters Herrn Petri von Lengerken […] als AmptsPatroni, und dessen inständiges Zureden beider Parteyen, nachfolgendermassen gäntzlich verglichen, und gehaben worden.“ Es wurde entschieden, dass Hinsch seine Hölzer und Werkzeuge umgehend zurückerhalte, wei-
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Argumentation Gülichs ist davon auszugehen, dass die Appellanten ein Gewohnheitsrecht geltend machten, welches vom Niedergericht seiner Zeit bestätigt wurde, dass nämlich beide Parteien gleiches Recht zur Ausübung der strittigen Arbeiten hätten.87 Das Drechsler-Amt wiederum ging offensichtlich trotz dieser ursprünglichen Entscheidung nicht gerade zimperlich mit den Kunstmeistern um, wurde doch Krusch (einer der drei Appellanten), „welcher jene Arbeit für Bürger verfertiget hatte, in Straffe genommen“.88 Deshalb wandten sich die drei Appellanten extrajudizial an den Senat der Hansestadt, wo ein Einigungsversuch zwischen den Gegner scheiterte und die Angehörigen des Amtes veranlasste, den alten Prozess gegen die drei Kunstmeister wieder zu eröffnen. Dazu wurde der Anwalt der inzwischen verstorbenen beklagten Kunstmeister aus dem Verfahren Ende der 1730er Jahre, Steinhauser, an das hamburgische Gericht zitiert, um die nunmehr Verklagten zu vertreten. Steinhauser wies darauf hin, dass seine ursprünglichen Klienten längst verstorben und sein Mandat damit automatisch erloschen sei. Schließlich verbot das Hamburger Obergericht den drei Kunstmeistern in deren Abwesenheit das Herstellen und Reparieren der Pumpen und Brunnenhölzer, weshalb Gülich letztlich an den Herrn Kammerrichter appellierte, seinen Mandanten bisher verweigertes Recht widerfahren zu lassen.89 Gleichwohl hatten die Kunstmeister nicht sofort am Reichskammergericht Beschwerde eingelegt, sondern sich zunächst an die entscheidende Instanz zwecks Revision des Urteils gewandt, doch waren sie damit gescheitert. Das Obergericht stellte in dieser Sache lediglich fest, die Appellation sei zu verwerfen und dem Urteil zu entsprechen. Allerdings stehe den Appellanten das Recht auf eine erneute Appellation an die nächsthöhere Instanz zu.90 Von dieser Möglichkeit machten die Kunstmeister Gebrauch, so dass nun auch Gülich in den Fall involviert wurde.91
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ter seiner Arbeit als Pumpen- und Leitungshersteller nachgehen dürfe und seinen Kindern der spätere Berufsweg in das Amt offenstünde. #26 (Unterthänigste Exeptiones non devolutae in eventum frivolae Appellationis). Die Richtigkeit dieses Urteils wird vom appellatischen Anwalt am RKG angezweifelt. #11. Die Strafe bestand in der Zahlung von 10 Rtlr. für jede festgestellte, aus der Sicht des Amtes verbotene Arbeit (#26). #11. Gülich schrieb, der Herr Kammerrichter möge urteilen, „das durch Richter voriger Instantz wiederrechtlich sententionirt, wohl davon appelliret worden“ ist. #17 (Extractus Protokolli Judicii Superioris Hamburgensis in Sachen der hiesigen Kunstmeistern … vom 10.12.1762). Der Prozessakte liegt u. a. eine Rechnung des Kammergerichts-Boten vom Mai 1764 bei, auf der er für die 52 Meilen zwischen Hamburg und Wetzlar 17 fl. 20 xr velangt (20 xr pro Meile) (#20). Anhand der Vollmacht für den appellatischen Anwalt (Ruland) ist es möglich, auch die Vertreter des Drechsler-Amtes zu benennen: Anthon Janssen, Gerhard
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Im Dezember 1764 reagierte Ruland auf die von Gülich eingereichten Papiere samt dessen Argumentation: Er zweifle am ernsthaften Interesse der Appellanten an deren eigener Appellation, da sie – trotz Strafandrohung – mehrere Termine verstreichen ließen, ohne vor Gericht präsent zu sein. Entsprechend fiel seine Wortwahl bei der Charakterisierung der Appellanten aus, er sprach von „andringlichen“ und „anmaslichen Appellantes“, in deren Fall es unerheblich sei, ob sie „durch eine Wahl und Mehrheit der Stimmen von den BrunnenInteressenten erwählet werden, [da] dergleichen Collegia es viele giebet“.92 Letztlich scheint die Sache – ebenso wie das zweite Verfahren (H81) – im Sande verlaufen zu sein. Obwohl die höchste städtische Instanz in diesem Fall dem Beschwerde führenden Amt Recht gab, zeigte sich in diesem Verfahren auch die Schwäche der handwerklichen Vereinigung. Bezeichnend war der Verweis auf den Vergleich von 1703 zwischen dem ehemaligen Amtsbruder Hinsch und der Zunft, als ersterem die eigenständige, vom Amt unabhängige Arbeit nach Vermittlung durch die städtische Obrigkeit gestattet werden musste. Auch das ursprüngliche Urteil des Niedergerichts aus dem Jahre 1739 fiel zu Gunsten der damals klagenden Kunstmeister aus, denen bezüglich ihrer Berufsausübung die gleichen Rechte wie den Angehörigen des Amtes zugestanden wurden. Etwa anders gestaltete sich der nun zu präsentierende Frankfurter Fall, da hier Streitigkeiten innerhalb einer Zunft ausgefochten wurden, doch bekam – wie zu zeigen sein wird – auch in diesem Verfahren der einzelne Handwerker Recht.
Frankfurter Prozess M5593 Die Auswahl gerade dieses Frankfurter Handwerksprozesses erfolgte ebenfalls aus mehreren Gründen: Einerseits handelte es sich um einen in dieser speziellen Form in den Frankfurter Prozessakten einmaligen Streit zwischen einer Zunft
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Six, Claes Diederich Dührkoop und Joachim Michael Eggers (Älterleute des Amtes) (#25). #26. Ruland nennt mehrere Termine, die ungenutzt verstrichen. Dies könne nicht sein, „fals es ihnen nur jemalen ein Ernst gewesen wäre, dem injuncto, obschon ihrer unstreitigen Schuldigkeit nach, eine gebührende Folge zu leisten“. KALTWASSER, S. 768 f., M55. Die Coverabbildung zeigt eine der Akte beiliegende Karte mit der Darstellung der strittigen Metzgerschirn von Johann Lorenz Sonnenmeyer (Institut für Stadtgeschichte Frankfurt a. M., Reichskammergericht: Akten, Prozess Nr. 1090 [Quadr. 43]; siehe Abbildungsverzeichnis).
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und einem ihrer Mitglieder. Andererseits enthält die Akte zwei farblich gestaltete Karten bzw. Abbildungen94, die einen sehr plastischen Eindruck vom Gegenstand des Prozesses vermitteln. Darüber hinaus gehörten die Beteiligten einem Lebensmittelgewerbe, also einem der bedeutenden Gewerke in der Stadt an. Dass sich der Rat dennoch nicht in diesen Streit einmischte, zeigt dessen Position gegenüber den Zünften und deren Beschränkung wirtschaftlichen Fortschritts durch Festhalten an „Traditionen“. Doch der Reihe nach: 1710 bzw. 1711 wandten sich die Geschworenen und Mitmeister des Metzgerhandwerks zu Frankfurt an den Rat der Stadt und warben für ihre Zunftordnung von 159595, die einem zünftigen Metzgermeister den Kauf eines Ladens, der bisher nicht zu diesem Zweck genutzt worden war, verbot. Genau das versuchte der „Altschirn“-Metzgermeister Johann Lorenz Sonnenmeyer, wobei sein neues Geschäft zwischen sogenannten „Neuschirnen“ (von unzünftigen Metzgern) und anderen Geschäften (laut Abb. 6a „allerley Läden“ [E]; siehe unten) liegen sollte. Der Rat hatte ihm dies – trotz seines Wissens um die Zunftordnung – gestattet. Gegen diesen Entscheid appellierte die Zunft 1713 am Reichskammergericht in einem fünfjährigen Prozess, denn die „Fleischkaufordnung“ sah in Artikel 40 die Pfaffengasse, in welcher der neue Laden des Beklagten war, als Verkaufsort für „die frembden und unzunfftigen metzger“ vor.96 94
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Die Akte enthält darüber hinaus ein 24seitiges Protokoll, mehr als 50 Beilagen und eine 182 starke Acta priora (#11). Zu den Beilagen gehören u. a. #19 (1714: Attestat des Arztes, daß die 15 Monate alte Tochter Anna Maria des Beklagten 1711 nicht an den „Uhrschlechten“ [Pocken] verstorben sei, wie immer behauptet wurde, sondern an einem 14 Tage anhaltendem Fieber, #33 (1691: Konzession für die Errichtung von fünf neuen Schirnen durch Johann Jacob Schmidt, Bürger und Handelsmann, Besitzer der Behausung „zum roten Haus“ auf dem Markt „auf der Seite, da man den Tuchgaden hinuntergeht“), #43 (ca. 1713: Kolorierte Federzeichnung von Häusern, zünftigen und unzünftigen Schirnen und der „neuen Schirn“ in der Gegend um den Dom [Bartholomäusstift], Krautmarkt, lange Schirn, Tuchgaden etc. [112cm x 19cm]), #44 (ca. 1713: Stilisierte kolorierte Federzeichnung der Gebäude mit den unterschiedlichen Schirntypen [33cm x 19cm]), mehrere gedruckte Vollmachten für RKG-Anwälte, #24 (Abrechnung über eingenommene Gelder der Schwiegermutter des Beklagten [Schirnzinsen, sonstige Außenstände gegen Quittung]) und #56 (Paritionsanzeige). BÜCHER, SCHMIDT, Bd. 1, S. 382 ff. Erneuerte Fleischkaufordnung vom 27.02.1595 („Erneuerte metzgerordnung, wie es mit dem fleischkauff in dieser statt Franckfurt gehalten werden soll. Decretum in senatu donnerstags den 27. februarij anno 1595“). Die Metzger besaßen eine der ältesten Frankfurter Ordnungen, deren Wurzeln bis in das Jahr 1355 zurückreichten (S. 348 f.). BÜCHER, SCHMIDT, Bd. 1, S. 393. „Die frembden und unzunfftigen metzger sollen ihr fleisch auf das gewicht und nach erachtung der geordneten schätzer bey den strafen, wie
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Die Kläger wurden von Lic. Johann He(i)nrich Flender97 vertreten, während der Beklagte auf mehrere Anwälte zurückgreifen musste. Zunächst war für ihn Lic. Johann Ulrich von Gülchen, ab 1717 allerdings Lic. Johann Jacob Wahl zuständig.98 Anders als der Frankfurter Handelsprozess begann dieses Verfahren am 28.08.1713 mit der Eingabe von elf Schriftstücken durch den klägerischen Anwalt, darunter auch die „Citatio et Compulsoriales“. 99 Die Kläger
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oben von den inlendischen metzgern vermeldt und die ordnung ware maß gibt, in der Pfaffengassen bey der wagen [Stadtwaage] und nit in iren heusern fail haben und verkauffen und sich hinfuro des fleischtragens in der burger und inwoner heuser alhier und des von der handt verkauffens gentzlich enthaltten bey straf von einer jeden uberfahrung 4 fl., so offt das noth geschicht.“ (Artikel 40). Dieser ist zwischen 1693 und 1723 an insgesamt 49 Frankfurter Prozessen beteiligt, gehörte also zu den RKG-Juristen, die nach dem Umzug nach Wetzlar ihre Amtstätigkeit begannen. Auch in der zeitlichen Aufnahme „seiner“ Fälle spiegelt sich die ingelheimsche Blockade des RKGs wider: Zwischen 1701 und 1710 betreut er ganze drei Verfahren (jeweils eines 1701, 1702 und 1704). Mit dem Wechsel zwischen den Hauptvertretern ändert sich auch der beigeordnete Jurist. Von Gülchen (bei KALTWASSER, S. 1252 als „Dr.“ geführt) betreut zwischen 1687 und 1728 97 Frankfurter Prozesse. Er hat im Jahr 1687 zwei Verfahren und macht dann die Krisenzeit und den Umzug des RKGs nach Wetzlar mit, wo er 1693 gleich sieben Prozesse übertragen bekommt. Auch bei ihm sind die Jahre zwischen 1703 und 1710 (nicht ein einziger Fall) von viel „Freizeit“ geprägt, doch nach der erneuten Aufnahme der Geschäfte durch das RKG bekommt er sehr viele Verfahren vorgelegt: 1713 sind es 12 und 1714 sogar 42 (!) Prozesse, doch nur ein Jahr später fällt die Zahl auf zwei, da er mehr als ausgelastet scheint. Dagegen nimmt sich die Arbeitsleistung seines Nachfolgers – in reinen Zahlen gemessen – bescheiden aus. Zwischen 1714 und 1726 bearbeitet er 27 Fälle. – Die Herren Flender und von Gülich werden übrigens von ihren Söhnen als beigeordnete Anwälte unterstützt. Im Falle von Johann Anton Heinrich Flender ist dieser Prozess das zweite von nur zwei Verfahren (jeweils eines 1711 und 1713), während Dr. Christian Hartmann von Gülchen (auch Gülich; zu dieser Zeit [1713] noch Lic.) mit diesem Fall seinen Einstand am RKG gibt (zwischen 1713 und 1736 betreut er insgesamt ebenfalls 97 Verfahren, 1714 wie sein Vater dieselben 42). Protokolleintrag vom 28.08.1713, die Aktenstücke #1, 3-10 sowie #2a und b werden eingebracht. Die Beilagen #3 und #4 sind auf Pergament geschriebene Instrumente, in denen die Kläger namentlich genannt werden: Nicolaus Conradt, Johann Philipp Schmitt, Johann Philipp Lindheimer und Philipp Henrich von Carben (in den Vollmachten an die Anwälte finden sich auch die Namen einiger Geschworener des Metzgerhandwerks: Peter Bamen, Johann Adam Hager, Johann Jacob Hardtman und Johann Fridrich Lindheimer [#8-10]). Im Instrument findet sich auch der Grund für die Appellation, nämlich die „… HochEdlen und hochweisen Rath Schrifften contra den Mr. Lorentz SonnenMeyer, auch Metziger allhier, welcher unter der alten Metzger=Schirn eine Fleisch=Schirn hette, ohnlängsthin aber auch unter der neuen Schirn für sich FleischSchirne gekaufft und nun die alte Schirn würcklich verlassen …“ (#3). – In diesem Fall wurden die Vorschriften zur Beschleunigung des RKG-Verfahrens eingehalten, indem
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machten den oben genannten Gegenstand geltend, da sie in dieser Sache als „sämtliche MitMeister gegen diesen eintzigen Mann, der alten hergebrachten observanz zu Folge, mild obrigkeitl: zu schützen und Ihme zu injungiren, entweder bey der neuen Schirn zu verbleiben, oder zu der alten Schirn sich wiederumb zu begeben; dennoch aber, dessen ohngeachtet, am zweyten dieses lauffenden Monats Junii [1713] der jetzt wohl und löblich regierende ältere Herr Bürgermeister allhier, ihnen mündlich angezeiget hette, dass bey einem gantzen HochEdlen und Hochweisen Rath beschlossen seye: Daß es bey vorigem Decreto, wie nemlich sie die 3 neue Schirne, für alte Schirne hin künfftig passiren lassen und den Lorentz Sonnenmeyer nebst dem, Hanndwerckermäßig halten solten, es sein Verpleiben haben müßte.“100 Der Frankfurter Notar, der die Appellationsinstrumente für die Appellanten ausgefertigt hatte, legte auch eine beglaubigte Abschrift aus einer Senatsentscheidung von 1665 bei, die „sämtliche mezger der Alten Schirn sich über Neue Schirner und Juden in verschiedenen Künsten beschweret, und demnach gebethen, zu ordiniren, daß Sie in ausheuung des Fleisches an die alte ordnung gehalten werden mögen. Zum andern: Daß weder unter der Alten noch neuen Schirn einige Schirn nicht mehr aufgerichtet, noch aus einer Schirn zwey gemacht, 3 Kein Recht, Er habe dann Zehen Jahr alhier geschirnet, Zur Meisterschafft gelaßen werde. Item Daß die NeuSchirner keine Lehrjungen aufnehmen, noch Zweyerley Fleisch Theil haben mögen, und Dann ebenwohl an die Artickel gebunden seyn sollen, Sollen Sie Rechenherren undt Herren deputirte Zum Fleischambt dieses werck der ordnung und Edicten nach überlegen undt referiren.“101 Am 01.09.1713 reichte der klägerische Anwalt die Acta priora des Verfahrens vor dem Frankfurter Rat ein.102 Zum Ende des Monats erschien erstmals der appellatische Anwalt im Protokoll des Verfahrens und übergab seine Bevollmächtigung durch den Beklagten und seine Ausführungen zur Position seines Mandanten bzw. den Eingaben der Gegenseite.103 Es stehe dem Beklagten von Rats wegen frei, „an welchem orth der Statt er immer wolle“ einen
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der klägerische Anwalt die zunächst notwendigen Dokumente gebündelt bei Prozessbeginn einreicht. #3. Beide Instrumente wurden vom Frankfurter Notar Johannes Christianus Heinsius ausgefertigt #6. In #7 liefert der Notar eine Abschrift von Senatsstatuten aus dem Jahr 1679, die ebenfalls die Metzgerschirnen betrifft und festhält, dass „denen Neuschirnern Rechte zu fördern“, allerdings „denenselben eine gewisse Anzahl gesezt werden möge“. Die in den Ausführungen genannten „Zwanzig Personen“ (Altschirner) wenden sich mit dem Anliegen an die Bürgermeister, um die „bisherige Nahrung“ zu sichern. Protokolleintrag vom 01.09.1713. Protokolleintrag vom 27.09.1773. Hier wird von Gülchen als „Dr.“ betitelt.
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Laden zu errichten, da es „vielfältige Exempel“ gebe, „daß altschirner der Neuschirner Häuser bezogen, und Neuschirner unter der altschirn gewohnet und ihre Schirnen daselbst gehabt, und dennoch deßen ohngeachtet respective Altoder Neuschirner geblieben vnd davor gehallten worden“. Gülchen zählte mehrere Namen auf, bei denen es sich um Metzger handelte, die entsprechend den zuvor gemachten Angaben ihre Läden mit alten oder neuen Metzgern ohne Konsequenzen getauscht hätten.104 Eine Erwiderung auf diese Ausführungen ließ auf sich warten, da die Kläger sich dazu beraten mussten. Von Carben, einer der Kläger, schrieb am 06.01.1714 diesbezüglich an Flender und bat um etwas Zeit.105 Der Anwalt legte das Schreiben zwei Tage später dem Gericht in Wetzlar vor.106 Es dauerte schließlich bis Anfang April, bevor eine Erwiderung des klägerischen Anwalts eingereicht wurde.107 Aus diesen wie auch späteren Eingaben ging hervor, dass beide Seiten auf ihrem Standpunkt beharrten. Um jedoch den möglichen Vorwurf eines nicht ehrbaren Lebenswandels gegen den Beklagten abzuwenden, brachte der appellatische Anwalt ein Attest dessen Arztes ein, welches bescheinigte, dass die Tochter Sonnenmeyers an einem Fieber und nicht an den Pocken verstorben war.108 Der klägerische Anwalt bezog sich seinerseits auf ein von der Gegenseite eingebrachtes Beispiel einer Übertragung einer Schirn und versuchte, dieses zu entkräften. Dazu ließ er den Frankfurter Notar Heinsius eine Befragung von vier Zeugen vornehmen, denen jeweils 28 Fragen vorgelegt wurden. Problematisch war, dass die bewussten Vorgänge bereits 40 Jahre zurücklagen. 109 Die Zeugen110 wurden sowohl zu den alten Vorgängen als auch zu Sonnenmeyer
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#13 („Rechtsbegründete Exceptiones cum resutatione Praetensorum Gravaminum et petitione legali“). Siehe #14. Protokolleintrag vom 08.01.1714. Protokolleintrag vom 09.04.1714. Protokolleintrag vom 27.08.1714. „Weilen Johann Lorentz Sonnenmayer, metzger allhier, mich als seinen Medicum ordinarium ersuchet, ihm schrifftlichs Zeugnuß zu ertheilen, woran sein in der Zweyten Ehe er jüngstes Kind Anna Maria in dem Fünfzehnden Monat seines Alters gestorben, so Ao. 1711. d. 1ten May leider geschehen, als habe ihn solches nicht allein nicht abschlagen, sondern anbey Versicherung geben wollen, daß obiges sein Kind nicht an den uhrschlechten, wie vorgegeben wird, sondern an einem starcken und vierzehen tags lang anhaltendem fieber damahls gestorben. Franckfurt d. 2t. July. 1714. J. Meißner. M.D.“ (#19). Protokolleintrag vom 03.06.1715, #26. Siehe oben #13. Die Zeugen sind Johann Daniel Soldtner, ein 59 Jahre alter Altschirner (dessen Großvater ein Ratsmitglied war), der 67 jährige Neuschirner Peter Türck, der 63 jährige Neuschirner Conrad Odermer und die 39 jährige Witwe Margaretha Leßin (Witwe eines
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befragt. Unter den Fragen war die Nr. 27: „Ob Er nicht gehöret, daß Lorenz Sonnemeyer darzumahl vor dem Gebots E. Ersamen Handwercks allein aufgestandten, und sich selbsten das Urtel gesprochen, sagend: Daß, wer daraus [einer Altschirn] feihl haben wollte, solcher auch in der Neuschirner Schlachthauß schlachten müßte?“ Der erste Zeuge antwortete mit ja („Affirmat.“), die anderen beiden mit nein („Negat.“), während die vierte Zeugin, zum Verhalten ihres verstorbenen Mannes (eines Metzgers) befragt, äußerte, diesem habe das Rechneiamt gesagt, „Er als ein altschirner solle von solcher Neuschirne bleiben und feilhalten wo sich gebühr“ – also besser keine Neuschirn erwerben solle. 111 Außerdem legte Flender einen Auszug aus der bereits zitierten „Fleischkaufordnung“ vor.112 Zur besseren Verdeutlichung der Lage des neuen Ladens und dessen weit von den bisherigen zünftigen Metzgerschirnen entfernte Position überreichte der klägerische Anwalt dem Gericht die beiden Karten, auf denen die Lage der einzelnen Läden und Straßen angezeigt wurde.113 Im Jahr 1716 legte die beklagte Seite (Sonnenmeyer) nach und übergab dem Gericht einen Fall, in dem der Rat 1691 einem Bürger und Kaufmann die Errichtung von fünf neuen Schirnen erlaubt hatte und präsentierte zugleich das Attest zweier Zimmer- und Maurermeister, dass die Errichtung der Schirn an der von Sonnenmeyer gewünschten Stelle baulich unproblematisch wäre.114 1717 erging ein Urteil des Reichskammergerichts an die Appellanten115, die Ratsentscheidung unverzüglich zu akzeptieren und dem Appellaten den Kauf des Ladens zu genehmigen. Im Jahr darauf verzeichnete das Protokoll als vorletzten Eintrag116, „daß nach beschehener derselben parition der Sonnemeyer undt dessen Successoren hinführ vndt zu jeder zeith sich deren in actis bemelten 3. transmutirten Alt-Schirnen durch zünftige oder alt schirner Metzger
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Metzgers, die nach dem Verhalten ihres Mannes, der eine Neuschirn erwerben wollte, befragt wird) (#26). #26. Der Verstorbene hatte beim Rechneiamt angefragt, ob er die Erwerbung tätigen könne. Man habe ihm u. a. auch gesagt, dass er sein Altschirn-Recht verliere, wenn er diesen Kauf tätige, prinzipiell abgelehnt wurde die Anfrage jedoch nicht. #29, es handelt sich um den Artikel 40 (siehe oben und BÜCHER, SCHMIDT, Bd. 1, S. 393). Protokolleintrag vom 06.09.1717, #43 und #43. Protokolleintrag vom 21.10.1716, #33 und #35. #54, „Mandatum de exequendo sine clausula …“ vom 10.09.1717. Nach dem Urteil der RKG-Richter wurde festgestellt, „dass durch voriger Instanz Richtern wohl geurthelt undt decretirt [und von den Klägern] übel davon appelliert“ worden ist. Dementsprechend seien die Ratsbeschlüsse im Sinne Sonnenmeyers „zu confirmiren“. Protokolleintrag vom 29.09.1718.
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gebrauche bewenden /: ubrigens die in der ergangenen Urthel enthaltene Clausel der ohnnachtheiligkeith dahin erklärendt, daß in Vorfallenden Künftigen, Künfftig fällen, wenn in deme vorhandene zunft-ordnungen oder articuln etwas zu ändern sowohl der zunfft als dem gemeinen Statt Weesen mehr Vorträglich oder nothwendig zu seyn erachtet würde, daß die zunft vorher genugsamb darüber gehört, wirdt das gantze Werck mit allen umständen Wohl untersucht undt überlegt, fürders alß demen nach befindender Nothwendigoder gemeine Nutzbarkeit Obrigkeitl. Verordnung darüber gemacht werden solle /: …“. 117 Am 17. Oktober reichte der Anwalt des Beklagten die Paritionsanzeige118 der Stadt Frankfurt in dieser Sache ein, worauf die Akte zwei Monate später endgültig geschlossen wurde.119 Der Prozess bescherte der klagenden Zunft wie im Hamburger Beispielprozess eine Niederlage. Darüber hinaus bleibt zu fragen, warum sich der Rat mit derartigen Entscheidungen gegen die unter seiner Aufsicht stehenden Zünfte selbst das Leben schwer machte und nicht eine Anfrage wie die Sonnenmeyers zum Anlass nahm, um die entsprechende Zunftordnung zu ändern. Das mögliche Argument, nämlich eine Klage der betreffenden Zunft zu vermeiden, erwies sich angesichts des hier vorgestellten Prozesses als obsolet.120
3. Vergleich Anhand der ermittelten Zahlen einzelner Prozessgegenstände können – unter Beachtung der Schwierigkeiten bei der eindeutigen Zuweisung eines Streitgegenstandes in eine der Kategorien – 286 Handels- und Gewerbefälle für Hamburg und 209 für Frankfurt nachgewiesen werden, d. h. deren Anteil am gesamten Prozessaufkommen aus den beiden Städten liegt in Hamburg deutlich hö-
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Protokolleintrag vom 29.09.1718. #56. Nach anfänglicher Weigerung der Kläger, dem Mandat des RKGs nachzukommen, haben sie nach einem Gespräch mit den städtischen Juristen ihren Widerstand aufgegeben. Protokolleintrag vom 17.10.1718 und Completum vom 14.12.1718. Auch bei einer abschlägigen Beantwortung des Kaufantrags von Sonnenmeyer hätte die Möglichkeit bestanden, dass dieser sich an das RKG mit der Bitte um Überprüfung der Entscheidung wendet, so dass ein Prozess beim Beharren aller Parteien auf ihrer Position zwangsweise ein Verfahren nach sich gezogen hätte.
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her.121 Allerdings wurden nicht alle Verfahren im Rahmen dieses Kapitels untersucht, da das z. T. bereits zuvor geschah (II). Besondere Relevanz erhielten hier jene Prozesse, in denen es um Streitigkeiten zwischen Ämtern bzw. Zünften mit der städtischen Obrigkeit, Unzünftigen, anderen Ämtern oder eigenen Mitgliedern kam. Die Zahl dieser Verfahren stieg vor allem im 18. Jahrhundert stark an, während sie im 16. Jahrhundert noch keine Bedeutung hatten. Die Entwicklung innerhalb der Kategorie „Handwerk“ spiegelt anhand der Reichskammergerichts-Prozesse aus beiden Städten eine allgemeine Tendenz im frühneuzeitlichen Reich wider – eine Zunahme der Unstimmigkeiten zwischen handwerklichen Vereinigungen und den Stadträten. Erstere waren an der Sicherung der Existenz bzw. Erwerbsgrundlage für ihre Mitglieder sowie auch an politischer Teilhabe an der städtischen Regierung und Verwaltung interessiert, während letztgenannte die Aktivitäten der Zünfte und Ämter argwöhnisch betrachteten und deren Streben nach Selbstständigkeit und Einfluss zu unterbinden versuchten. Entsprechend den Vorstellungen städtischer Amtsträger wurden nicht nur die Handwerkervereinigungen von Ratsmitgliedern beaufsichtigt, sondern in mehreren Fällen bewusst gegen die Interessen der Zünfte entschieden – etwa bei der Zulassung freier Meister auf städtischem Territorium oder gar innerhalb der Stadtmauern. Ebenfalls beachtenswert aus der Sicht handwerklicher Entwicklung in den beiden untersuchten Städten sind die Verfahren der am Reichskammergericht vertretenen Handwerker, auch wenn diese das Gericht nicht immer mit einem rein berufsbezogenen Gegenstand in Anspruch nahmen. Sowohl in Hamburg als auch in Frankfurt nutzten Handwerker verschiedenster Berufe das Reichskammergericht einerseits für die oben genannten berufsbezogenen Streitigkeiten mit ihren Zünften oder um sich den Zugang zu einer Zunft zu verschaffen bzw. gegen den Ausschluss aus einer solchen zu wehren. Andererseits bemühten sie das Gericht – wie alle sonstigen Privatparteien – auch für Klagen in Familien-, Handels- oder jurisdiktionalen Angelegenheiten. Dabei unterlagen sie den gleichen Zugangsbeschränkungen wie die anderen Kläger und Appellanten, d. h. sie mussten weitgehend auf Appellationsprivilegien sowie die ihnen im Falle eines Instanzenzuges entstehenden Kosten Rücksicht nehmen. Da nur einige wenige Handwerker zu den sehr vermögenden Einwohnern beider Städte zählten 122 121
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Knapp 21% Anteil in Hamburg standen ca. 13% in Frankfurt gegenüber, wobei dieser Abstand deshalb relativ groß ausfällt, weil der hamburgische Wert nicht nur ein absolut größerer ist, sondern auch noch auf eine insgesamt kleinere Zahl von Verfahren bezogen wird. Als Beispiel durften die Stalburger gelten, die in Frankfurt den sozialen Aufstieg in die städtische Elite erreichten. Dabei waren in diesem Fall die handwerklichen Karrieren der
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oder die Gegenstände keinen direkten Zug an das Reichskammergericht erlaubten, waren die Handwerker im Vergleich zu ihrem Anteil an der städtischen Bevölkerung am Gericht deutlich unterrepräsentiert. Die von ihnen bezüglich ihres Berufes vorgebrachten Klagen werfen allerdings trotz ihrer vergleichsweise geringen Anzahl ein interessantes Licht auf die Machtkämpfe zwischen den Zünften bzw. Ämtern und den Räten beider Städte, die im letzten Drittel des Untersuchungszeitraums stark zunahmen, als sich die Handwerkervereinigungen unter dem Hinweis auf ihre althergebrachten Traditionen und Rechte sowie die Nahrungssicherung123 gegen Modernisierungsbestrebungen wehrten. So sei hier an den Beispielfall erinnert, in dem sich ein Frankfurter Handwerker über die Verweigerung eines siebten Gesellen beschwerte, obwohl die Reichshandwerksordnung von 1731 ausdrücklich keine Begrenzung der Gesellenanzahl pro Meister vorsah. Ausgerechnet in diesem Fall befanden sich Frankfurter Rat und betreffende Zunft jedoch auf derselben Seite, da eine Klage gegen die vom Rat mit einer entsprechenden, einschränkenden Regel versehene Ordnung zugleich ein Angriff auf die Machtposition des Rates war, die dieser auch gegenüber der Reichsjustiz verteidigen wollte. Andererseits waren die Räte aber bereit, gegen – teils überholte Bedenken einzelner Ämter und Zünfte – Aufnahmewünsche zugereister Handwerksgesellen in Meisterrecht und Zunft zu bewilligen und scheuten in dieser Frage auch nicht den Gang nach Wetzlar. Als aufschlussreich erweist sich ein Blick auf die einzelnen vor Gericht vertretenen Gewerke, da hier jene zu finden sind, die das handwerklich-städtische Bild prägten, nämlich Textil- und Nahrungsmittelgewerbe für Hamburg und Frankfurt, sowie besonders die Brauer für die erst- und die Buchdrucker für die letztgenannte Metropole. In den rein berufsbezogenen Prozessen entstammen die Beteiligten meistens der gleichen Schicht (da als Vertreter der Ämter und Zünfte ebenfalls Handwerker klagten) oder gehörten zur Obrigkeit (wenn die Stadt als Kläger oder Beklagter in diesen Fällen auftrat). Auch bezüglich der zwischen Handwerkern und anderen privaten Prozessparteien geführten Auseinandersetzungen handelte es sich bei den Verfahrensgegnern überwiegend um Angehörige des eigenen Standes bzw. der gleichen Berufsgruppen. War dies
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betreffenden Personen allerdings längst vorbei, denn die Vermögensanhäufung, die eine Eintrittskarte zur patrizischen Gesellschaft darstellte, wurde über Handelsaktivitäten und eben nicht im ursprünglichen Beruf erreicht. Die Nahrungssicherung ist sowohl für die Hamburger als auch die Frankfurter Handwerker bzw. deren Organisationen einer der drei für alle handwerklichen Vereinigungen geltenden Grundsätze (zusammen mit der Etablierung moralischer Vorschriften und eines innerzünftigen Ehrencodex’ sowie Regelung der Produktionsabläufe und Nachwuchsgewinnung) (SOLIDAY, S. 144).
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nicht der Fall, z. B. bei Streitigkeiten zwischen Handwerkern und Kaufleuten, dann bestand häufig ein geschäftlicher Kontakt zwischen den Parteien, in dessen Folge es zu Unstimmigkeiten bei der Bezahlung von Schulden aller Art oder Differenzen über die Art der Lieferung verschiedener Waren oder der Bereitstellung von Dienstleistungen kam. Festzuhalten ist, dass auch die Handwerker – im Rahmen ihrer bescheideneren finanziellen Möglichkeiten – das Reichskammergericht zur Klärung ihrer Streitfragen in Anspruch nahmen, wenn auch trotz ihres insgesamt größeren Anteils an der städtischen Bevölkerung in viel geringerem Maße als die Kaufleute. Die Nutzung des Reichskammergerichts gewährte ein unabhängiges Urteil (wenn ein solches überhaupt erging), da in dem Fall die Möglichkeit einer parteilichen Entscheidung, wie sie gegenüber den Räten der Städte in einzelnen Beispielen bemängelt wurde, als ausgeschlossen galt. War nach dem Neuerscheinen der Reichshandwerksordnung zwischen dem Rat/der Zunft und einem Handwerker die Zahl der erlaubten Gesellen strittig, konnte sich der Hilfesuchende an das Reichskammergericht wenden, um zu versuchen, mit dessen Hilfe die Ordnung, die zu diesem Punkt keine Einschränkungen mehr vornahm, durchzusetzen. Die entstehenden Kosten des Verfahrens konnten durch den wirtschaftlichen Zugewinn mittels einer gesteigerten Produktion nicht nur kompensiert, sondern sicher auch übertroffen werden – vorausgesetzt der Rat akzeptierte und exekutierte das Urteil. Insgesamt können das Wachstum der städtischen Bevölkerung und die entsprechend steigende Zahl von Handwerkern anhand der gleichfalls zunehmenden Zahl von Handwerksstreitigkeiten am Reichskammergericht verdeutlicht werden. Allerdings ist ebenso einschränkend zu bemerken, dass – angesichts mehrerer tausend Handwerksprozesse an städtischen Gerichten in Frankfurt und Hamburg – eine Betrachtung dieser Verfahren am Reichskammergericht nur einen kleinen Einblick in die vielschichtigen Probleme der Handwerker und Zünfte in ihren Beziehungen untereinander oder zu anderen Geschäftspartnern sowie der städtischen Obrigkeit erlaubt.
V. ZUSAMMENFASSUNG
Das Ziel dieser Untersuchung, mit Hamburg und Frankfurt zwei der wichtigsten Handelszentren des Alten Reiches anhand ihrer Prozesse am Reichskammergericht und dabei besonders in Handels- und Gewerbefällen zu vergleichen, wurde mittels quantifizierender Untersuchungen und Bezugnahme auf einzelne Prozessbeispiele erreicht. Die vorliegende Arbeit betritt dabei mit Blick auf Frankfurt ein bisher vergleichsweise unerforschtes Teilgebiet der Reichskammergerichts-Geschichte, da die dortigen Verfahren zuvor nur in Ausschnitten, nicht jedoch im Ganzen betrachtet worden sind. Für Hamburg konnte auf die in früheren Forschungen gewonnenen Erkenntnisse zur Inanspruchnahme des Reichskammergerichts in der Stadt selbst sowie auch im südlichen Ostseeraum zurückgegriffen und jene vertieft werden. Auf dieser Basis ist es möglich, nicht nur die zusammen ca. 3.000 Verfahren beider Städte getrennt zu befragen, sondern die Ergebnisse einander gegenüberzustellen. Das Projekt zur Reichsgerichtsbarkeit im südlichen Ostseeraum hatte zuvor bereits solchen Vergleich zwischen Hamburg und Lübeck ermöglicht, doch konnte dieser mit der Einbeziehung Frankfurts auf eine andere quantitative und qualitative Ebene gehoben werden. Mit der Stadt am Main bietet sich die Chance, nicht nur eine von der Bevölkerungszahl und Wirtschaftskraft her eher den hamburgischen Dimensionen entsprechende Stadt als Vergleichsobjekt heranzuziehen und so die Aussagen zur reichsrechtlichen Integration Hamburgs zu überprüfen. Zugleich steht damit auch ein Handelszentrum bereit, welches an zentraler Stelle innerhalb des Reiches lag. Dabei treten weitgehende Gemeinsamkeiten aber auch Unterschiede zwischen den Untersuchungsobjekten auf, die an dieser Stelle unter Rückgriff auf die Fragestellungen der Studie noch einmal kurz zusammengefasst werden. Die Beantwortung der ersten Frage zu den Klägern und Appellanten („Wer wendet sich mit welchen Fällen an das Reichskammergericht?“) führt zu einer eindeutigen Aussage; Kaufleute stellten in beiden Städten die größte Klägerbzw. Appellantengruppe. Auffällig ist außerdem, dass, gemessen an der sozialen Stellung einer klagenden oder appellierenden Person oder Personengruppe, diese bezüglich ihres Anteils an der städtischen Bevölkerung z. T. überproportional an den Hamburger und Frankfurter Prozessen beteiligt gewesen sind. Da vor allem Handeltreibende zu den Klägern gehörten, sind auch Fälle mit gewerblichem oder geldwirtschaftlichem Hintergrund entsprechend stark vertre-
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ten und bestätigten gleichzeitig die Rolle beider Städte als Handels- und Gewerbezentren. Darüber hinaus nutzten verschiedene Parteien das Reichskammergericht aber auch zur Beilegung ihrer familiären oder sonstigen rechtlichen Streitigkeiten. Unterschiede ergeben sich zwischen beiden Städten mit Blick auf die Häufigkeit der einzelnen Prozessgegenstände, doch stimmen die gewonnenen Daten in vielen Punkten mit den Erkenntnissen zum Alten Reich, dem südlichen Ostseeraum und speziell zu Lübeck überein. Auf den ersten Blick scheint der quantitative Unterschied zwischen den Prozesszahlen Hamburgs und Frankfurts nicht besonders groß zu sein (zur Erinnerung: ca. 1.400 standen ca. 1.600 Prozesse gegenüber1), doch ergibt der Bezug zur Bevölkerungsentwicklung beider Städte im Untersuchungszeitraum, dass Frankfurt bei deutlich geringerer Einwohnerzahl dennoch ein höheres Prozessaufkommen aufweist. Dies kann u. a. mit der größeren Nähe der Stadt am Main zu den verschiedenen Standorten des Reichskammergerichts erklärt werden. Diese geringere Entfernung ist auch ein Grund für die in den ersten Jahrzehnten der Existenz des Gerichts deutlich ausgeprägtere Nutzung durch Frankfurter Kläger und Appellanten. Ein zweiter Grund besteht in den Blockadeversuchen durch den Hamburger Rat am Beginn des Untersuchungszeitraums, der sowohl gegenüber dem Reichskammergericht als auch den Herzögen von Holstein seinen Anspruch als oberste Gerichtsinstanz für seine Einwohner durchzusetzen versuchte. Dementsprechend dauerte es fast bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts, bis der hamburgische Geschäftsanfall denjenigen Frankfurts übertraf. Dies ist umso bemerkenswerter, als Frankfurt schon vergleichsweise früh ein Appellationsprivileg zuerkannt wurde, welches die appellationsfähige Streitsumme eines Gerichtsverfahrens auf einen Wert begrenzte, der das Jahreseinkommen mittlerer und vor allem unterer sozialer Schichten weit übertraf. Nach dem deutlichen Anstieg der Zahl hamburgischer ReichskammergerichtsVerfahren zur Mitte des 16. Jahrhunderts beantragte auch die Stadt an der Elbe ein erstes Appellationsprivileg – eine Maßnahme, die weder hier noch im Falle Frankfurts zu einem Einbruch in der Zahl der Verfahren führte. Im Gegenteil, steigende Einwohnerzahlen und eine zunehmende Inflation (relatives Sinken der Appellationssumme) sorgten für eine weitere Erhöhung der Inanspruchnahme des Gerichts durch Parteien aus beiden Städten. Dass 1
Leider wird nicht festzustellen sein, wie viele Prozesse tatsächlich aus Hamburg und Frankfurt (aber auch dem Rest des Reiches) an das RKG gelangten. Wie aus einigen Hinweisen im Rahmen dieser Arbeit bezüglich verschiedener Frankfurter Fälle – die Frau Kaltwasser trotz der überaus spärlichen überlieferten Angaben dankenswerterweise im Findbuch mitverzeichnet hat – hervorging, betrug allein die Zahl der nicht auswertbaren, aber zumindest in Fragmenten erhaltenen Prozessakten mehr als einhundert Stück.
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diese nicht gleichmäßig erfolgte, blieb verschiedenen Ereignissen in den Städten bzw. im Reich geschuldet, die sich auf beide Untersuchungsobjekte z. T. ähnlich, z. T. aber auch verschieden auswirkten. Zu den massivsten Einschnitten gehörten der Dreißigjährige und der Siebenjährige Krieg sowie die Blockade des Gerichts durch den Freiherrn von Ingelheim. Obwohl im Falle der hier genannten Beispiele die Entwicklung der Inanspruchnahme bei beiden Städten ähnlich verlief, sind auch deutliche Unterschiede zu erkennen. So stieg die Zahl der Hamburger Prozesse am Ende des 17. Jahrhunderts (mit Ausnahme der Zeit der Verlagerung des Gerichtsstandortes) zunächst an, während gleichzeitig die aus Frankfurt eingebrachten Verfahren zurückgingen – eine Folge der drohenden Expansion Frankreichs sowie der merkantilistischen Beschränkungen seitens des Kaisers als Reaktion auf diese Politik. In jedem Fall kann bewiesen werden, dass nicht nur die im Zentrum des Reiches gelegene Stadt Frankfurt, sondern auch die als peripher einzuordnende Elbmetropole in die verfassungsrechtlichen Strukturen des Reiches eingebunden war. Das erscheint als selbstverständlich, doch eine rein formale Einbindung (de jure) muss nicht auch eine praktische (de facto) bedeuten (vergleiche dazu den Status der Eidgenossenschaft im Reich zwischen 1499 und 1648). Die Räte beider Städte nutzten das Reichskammergericht dementsprechend zur Durchsetzung und zum Schutz ihrer Interessen und Privilegien, letztere besonders bezogen auf Handel und Gerichtshoheit. Dies deutet – zusammen mit der umfangreichen Gesamtzahl der Verfahren – auf eine notwendige Akzeptanz des Gerichts als Regulierungsund Überwachungsinstanz hin (wenn man auch mittels der Appellationsprivilegien versuchte, den Einfluss des Reichsgerichts zu begrenzen). Es diente den klagenden und appellierenden Einwohnern als Überprüfungsinstanz der städtischen Gerichtsbarkeit oder auch als Instrument zur Verzögerung von durch niedere Instanzen verhängten Zahlungen; Territorien konnten hier ihre Streitigkeiten friedlich beilegen. Gerade die Rolle als Kontroll- oder Verzögerungsinstanz wird durch die Tatsache bekräftigt, dass die überwiegende Anzahl der Prozesse sowohl aus Hamburg als auch aus Frankfurt Appellationen waren, d. h. Verfahren, in denen bereits an eines der jeweiligen städtischen Gerichte ein oder mehrere Urteile zur Streitsache gesprochen hatte. Die Motivation einer der beiden Prozessparteien, die Möglichkeit einer Appellation tatsächlich in Anspruch zu nehmen, war dabei nicht nur von dem aus ihrer Sicht unbefriedigenden Ausgang des Verfahrens (inklusive der drohenden Zahlungen an den Prozessgegner) bestimmt, sondern in mehreren Beispielen auch von der vermuteten oder wirklich vorhandenen Parteilichkeit des städtischen Gerichtspersonals. Der Gedanke lag nahe, in einem solchen Fall das Reichskammergericht als übergeordnete Instanz anzuru-
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fen und dort seine Beschwerden und Einwände vorzubringen. Für diese Möglichkeit waren die betroffenen Parteien bereit, z. T. erhebliche Prozesskosten auf sich zu nehmen. Als ebenso berechenbar erwies sich in den meisten Fällen auch der zeitliche Aufwand für die Prozessparteien. Es kann erneut belegt werden, dass der bei weitem größte Anteil der vor dem Reichskammergericht aus beiden Städten anhängig gemachten Verfahren nach maximal fünf Jahren erledigt war. Dagegen stellten Prozesse mit einer Dauer von 50 und mehr Jahren einen nur sehr geringen Anteil am gesamten Prozessaufkommen. Ein Unterschied zwischen Hamburg und Frankfurt zeigt sich hier besonders auffällig nur im Bereich der innerhalb eines Jahres erledigten Verfahren – ein Hinweis auf die größere Nähe Frankfurts zum Gerichtsstandort. Im Zeitraum bis zu fünf Jahren Verfahrensdauer stellte die geografische Entfernung jedoch offensichtlich kein Hindernis dar, da das Gericht selbst bei Fällen aus noch weiter entfernten Gebieten des südlichen Ostseeraumes nicht mehr Zeit benötigte. Ein direkter Einfluss etwa der ingelheimschen Blockade auf die Länge einzelner Verfahren ist nicht festzustellen, da in Phasen einer Beeinträchtigung der Arbeit des Gerichts oder bei anderen widrigen Einflüssen (z. B. Kriegen) auch die potentiellen Kläger und Appellanten entsprechend reagierten und die Inanspruchnahme des Gerichts insgesamt rückläufig war. Die besonders langen Prozesse erweisen sich zumeist als Streitigkeiten zwischen den Städten und benachbarten Territorien um herrschaftsrechtliche und Eigentumsfragen. Die vier für diese Arbeit angefertigten Karten verdeutlichen die geografische Streuung der Prozessparteien. Diese stammten zwar zum größeren Teil aus Hamburg und Frankfurt, doch war eine nicht unerhebliche Zahl von Beteiligten über das Reich und sogar über dessen Grenzen hinaus verstreut. Gerade letzteres ist ein eindrucksvoller Beleg für die Größe der Einzugsgebiete beider Städte – besonders in Hinblick darauf, dass die Handels- und sonstigen Kontakte, die im Rahmen von Reichskammergerichts-Prozessen nachweisbar sind, nur einen kleinen Teil der gesamten (Geschäfts-)Beziehungen ihrer Bewohner widerspiegeln. Dennoch ist eine Häufung der Kontakte im hansischen (Hamburg) und rheinischen (Frankfurt) Wirtschaftsraum festzustellen, die zugleich die Grenzen des regionalen Handels definieren. Die Fernhandelsbeziehungen beider Städte orientierten sich an ihrer Charakteristik – Hamburgs Kontakte bestanden vor allem zu Küstenstädten im Bereich von Nord- und Ostsee sowie Atlantik, während Frankfurts Kontakte naturgemäß den Handel über Land reflektierten. Bemerkenswert ist aber die – zumindest anhand der Prozesse festzustellende – größere Anzahl der Frankfurter gegenüber den Hamburger Kontakten, was einerseits auf die größere Anzahl von Frankfurter Fällen, andererseits auf die Messe zurückgeführt werden konnte, während welcher Frankfurt als Gerichts-
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ort auch für die Streitigkeiten zwischen nicht aus der Stadt stammenden Messebesuchern fungierte. Der Hinweis auf die Geschäftskontakte liefert die Möglichkeit, sich nochmals den Prozessbeteiligten zuzuwenden. Wie bereits festgestellt, waren vor allem Kaufleute und Handwerker unter den Klägern und Appellanten sowie auch unter den Beklagten und Appellaten. Letzteres wiederum ist dem Umstand geschuldet, dass die Prozesse zwischen Privatparteien zu einem großen Teil Angehörige der gleichen sozialen Schicht und Berufsgruppe betrafen. Dies ist gerade angesichts der großen Zahl von Verfahren mit Handels- und geldwirtschaftlichem Hintergrund verständlich, da sich in diesen eben die größten Gruppen Handeltreibender innerhalb der städtischen Gesellschaft begegneten – Kaufleute und Handwerker. Natürlich handelten auch Angehörige der zahlenmäßig größten Einwohnergruppe, der Unterschicht, bzw. tätigten diverse Geschäfte, doch reichte deren Streitwert nur in den seltensten Fällen aus, die von den Appellationsprivilegien gesetzte Summe zu erreichen. Zugleich machten nur wenige Parteien von ihrem Recht Gebrauch, als arme Partei dennoch den Weg an das Reichskammergericht zu suchen oder wenigstens einen Teil der Verfahrenskosten zu sparen. Die Erkenntnis bezüglich der besonders häufigen Klagen innerhalb der eigenen sozialen Schicht stützt auch die in beiden Städten große Anzahl familiärer Streitigkeiten, da es sich bei diesen aus der Natur der Sache heraus um Zwistigkeiten zwischen Familienangehörigen oder sich ähnlich nahe stehenden Personen handelt. Auch bei diesen Prozessen bestätigt sich die Aussage, dass besonders vermögende, sozial besser gestellte Personen das Reichskammergericht überdurchschnittlich häufig in Anspruch nahmen. Das wird auch durch einen Blick auf die Kontenliste der Hamburger Bank eindrucksvoll untermauert, wo sich unter den umsatzstärksten Firmen ein großer Teil in einem oder gar mehreren Verfahren vor dem Reichskammergericht nachweisen ließen. Neben den Privatparteien, zu denen auch (in bescheidenem Maße) Angehörige des ersten und zweiten Standes zählten, lassen sich städtische und geistliche Institutionen sowie Zünfte und einige kaufmännische Korporationen als Prozessbeteiligte nachweisen. Deren Hauptanliegen als Kläger oder Appellanten bestand in dem bereits erwähnten Schutz bzw. der Durchsetzung ihrer Privilegien und Rechte gegenüber Privatpersonen oder anderen Institutionen. Wegen der Beteiligung von Reichsunmittelbaren (zu denen auch die Räte gehörten) verkürzte sich in vielen dieser Prozesse der Instanzenzug auf ein alleiniges Verfahren vor dem Reichskammergericht, welches – neben dem Reichshofrat – in solchen Fällen zuständig war. Zu solchen von den zuletzt genannten Parteien geführten Prozessen gehören auch stadtgeschichtlich bedeutsame, die etwa
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Fragen zur Durchsetzung der Reformation aufgriffen oder aber (im Falle Hamburgs) den umstrittenen Status der Stadt zwischen dem Hoheitsanspruch der dänischen Könige und des Kaisers thematisierten. Mit den angedeuteten Verfahren waren Vorgänge verbunden (wie die Glaubensspaltung oder die Zahlung der Reichssteuern), die nicht nur den rein städtischen Rahmen betrafen, sondern reichsweite Bedeutung erlangten. Neben diesen Geschehnissen gab es wirtschaftliche Ereignisse inner- und außerhalb des Reiches, die Auswirkungen auf die beiden Handelsstädte hatten. Zu denen gehörten die bereits erwähnte merkantilistische Abschottung gegenüber dem französischen Gegner, wodurch die Kaufleute in Frankfurt und Hamburg von einem wichtigen Handelspartner abgeschnitten wurden, aber auch verschiedene, durch andere Konflikte ausgelöste Wirtschaftskrisen. Kriegerische Aktivitäten behinderten den Handel zu Land und auf See und die schwierige Finanzierung der kostspieligen Auseinandersetzungen zwischen Territorien oder Staaten brachten den Finanzmarkt wiederholt zum Einstürzen. Davon waren Hamburg und Frankfurt als Handelsund Finanzzentren zwangsweise massiv betroffen – ablesbar an den wegen verschiedener Konkurse oder dem Vorwurf der Zahlung mit schlechter Münze geführten Reichskammergerichts-Prozessen. Zu den Gruppen von Klägern und Appellanten, die separat untersucht wurden, zählen Frauen und Juden. Beide Gruppen mussten sich z. T. gesonderten Regelungen innerhalb der städtischen Grenzen oder auch auf Reichsebene unterwerfen. So konnten Frauen gewöhnlich nur mittels eines Vormundes oder Anwalts vor Gericht auftreten. Doch hinderte dieser Umstand die Frauen von Angehörigen des zweiten Standes sowie von Kaufleuten und Handwerkern (und viel seltener auch von Angehörigen der Unterschichten) nicht daran, als Prozesspartei aufzutreten. Dabei zeigt sich, dass es sich keineswegs nur um Witwen handelte, die nach dem Tod ihrer Ehemänner in einem bereits laufenden Verfahren die Rolle einer Klägerin, Appellantin, Beklagten oder Appellatin übernahmen. Ebenso waren auch Frauen am Reichskammergericht vertreten, welche die Handlung oder den Handwerksbetrieb ihres Mannes weiterführten und sich deshalb folgerichtig mit den gleichen Problemen wie zuvor ihre Männer konfrontiert sahen. Trotz verschiedener Beschränkungen bezüglich ihrer Berufs- und besonders Handelstätigkeit waren die Frankfurter Juden ebenfalls sehr häufig in Gerichtsverfahren vor dem Reichskammergericht vertreten, wo sie sich an Fällen mit gewerblichem und geldwirtschaftlichem, aber auch an solchen mit familienrechtlichem Hintergrund beteiligten. Hinzu traten Auseinandersetzungen mit der Stadt um Fragen der Unterordnung der jüdischen Gemeinde unter die Hoheit des Rates.
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Die von einigen ausführlichen und vielen kürzer erwähnten Beispielen untermauerten Betrachtungen zu den Handels- und Handwerksfällen sowie den an ihnen Beteiligten (Kapitel III und IV) verfeinern das bereits von der allgemeinen quantifizierenden Untersuchung (Kapitel II) gezeichnete Bild zweier von Handel, Handwerk und Geldwirtschaft geprägter Städte. Die Beschäftigung mit diesen Prozessgegenständen liefert Aussagen zu im Rahmen der Reichskammergerichts-Prozesse thematisierten wirtschaftlichen Sachverhalten und den mit ihnen besonders befassten Personengruppen. Vor allem die Kontakte im Rahmen der Frankfurter Messen förderten eine Reihe von Prozessen zutage, die nicht nur Bezug zur Messe selbst aufwiesen, sondern in denen darüber hinaus auch Parteien aus verschiedenen Teilen des Reiches und Europas der Frankfurter Gerichtsbarkeit unterworfen waren (siehe oben). Ihrer wirtschaftlichen Bedeutung entsprechend unterhielten beide Städte bzw. ihre Kaufleute Beziehungen sowohl untereinander (Kontakte zwischen Hamburg und Frankfurt), als auch zu wichtigen anderen Handels- und Messezentren im Reich und über dessen Grenzen hinaus, z. B. nach Köln, Leipzig, Straßburg, in die Niederlande oder nach Frankreich. Dabei war es üblich, dass vor allem hamburgische Kaufleute ihre Kollegen aus dem Ausland vor den heimischen städtischen Gerichten oder auch vor dem Reichskammergericht vertraten. Unüberwindbare rechtliche Beschränkungen waren in dieser Hinsicht nicht zu befürchten – im Gegenteil: Die große Anzahl von fremden Kaufleuten sowohl in Hamburg als auch in Frankfurt, die keinen Bürgerstatus besaßen, aber dennoch z. T. mehrfach vor dem Reichskammergericht in Erscheinung traten, bestätigt die Aussagen über die Möglichkeiten des Zugangs zum Reichsgericht. Wichtig war dafür vor allem, dass eine anwaltliche Vertretung, u. U. vermittelt von einem Hamburger oder auch Frankfurter Kollegen, zur Verfügung stand. Aus den Prozessgegenständen lassen sich im Falle des Streits um ausstehende Zahlungen, Schulden, mangelhafte Lieferungen und Erbschafts- bzw. Testamentsstreitigkeiten verschiedene in beiden Städten gehandelte und angebotene Waren und Dienstleistungen erkennen. Die Waren können in Handelsgüter verschiedenster Art unterteilt werden, u. a. Textilien, Metalle, Nahrungsmittel und sonstige Fertigwaren (wie etwa Waffen). Zu den Dienstleistungen gehörten Auftragsarbeiten von Handwerkern (im Bereich Gewerbe) oder die Kreditvergabe (im Bereich Handel/Geldwirtschaft). Ähnlich wie bei der Frage der Handels- und sonstigen Kontakte können die Prozesse mit Blick auf die Waren und Dienstleistungen ebenfalls nur einen begrenzten Eindruck vermitteln, da das
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einzelne Verfahren in der Regel mit nur einem Gegenstand befasst war.2 Jedoch liefern die Inventare, die über eine Hinterlassenschaft im Falle eines Todes oder Konkurses angefertigt wurden, die Möglichkeit, einen Blick in das breit gefächerte Warenangebot eines Materialisten oder Spezialitätenhändlers zu werfen. Damit bestätigt sich erneut, dass die Reichskammergerichts-Verfahren und speziell jene mit einem geschäftlichen oder handwerklichen Hintergrund Aussagen zu einzelnen Aspekten der städtischen Wirtschaft und deren Reichweite bzw. Einzugsgebiet erlauben, eine umfassende Darstellung aber nur in Ansätzen zulassen. Die umfangreiche Kategorie Geldwirtschaft enthält vor allem Prozesse um allgemeine Schuldforderungen aus Schuldscheinen, Wechseln (in Frankfurt besonders während der Messe) und Darlehen, aber auch aus der Nichteinhaltung von Bürgschaften, während die Handel- und Gewerbesachen Prozesse um Fragen der Handels- und Gewerbefreiheit, das Zunftwesen und die Forderungen von Handelsgesellschaften und Kaufleuten bündelten. Nicht nur kann die Zunahme des bargeldlosen Zahlungsverkehrs im Untersuchungszeitraum anhand einer steigenden Zahl entsprechender Prozesse nachgewiesen werden, vielmehr stieg mit der Zahl der Einwohner in beiden Städten (in Hamburg mehr, in Frankfurt deutlich zurückhaltender) auch die Geschäftstätigkeit, da viele der Fremden im zweiten und dritten Sektor arbeiteten. Nicht immer bewiesen die Stadträte bei ihren Versuchen, die städtische Wirtschaft zu fördern, den notwendigen Weitblick. Obwohl Hamburg und Frankfurt für Einwanderer und Glaubensflüchtlinge zunächst attraktiv erschienen, entschieden sich viele von ihnen später, in benachbarte Städte und Gemeinden umzusiedeln (im Falle Hamburgs beispielsweise nach Altona, im Falle Frankfurts nach Mainz oder auf hanauisches Territorium), da die dortigen Stadträte mit einer liberaleren Politik versuchten, die großen Nachbarn und Konkurrenten auszustechen. Diese Politik betraf auch ausdrücklich tolerante Regelungen in Fragen der Religion, weshalb es beispielsweise in Frankfurt zu einer starken Abwanderung niederländischer Flüchtlinge nach Bockenheim kam, wo der Graf von Hanau den reformierten Gottesdienst zuließ – wichtige Investoren und Steuerzahler gingen der Stadt auf diese Weise verloren. Bei den Handwerkern kann eine ähnliche Gewichtung einzelner Prozessgegenstände wie bei den Kaufleuten festgestellt werden. Zu den berufsbezogenen Streitfällen (z. B. Fragen der Warenqualität) gesellen sich ebenso Handels-, geldwirtschaftliche und Familiensachen, in geringerem Maße auch jurisdik2
Eine Ausnahme bildeten hier die strittigen Fragen zur Montierung verschiedener militärischer Einheiten, deren zu liefernde Grundausstattung aus mehreren Textilien, Waffen und sonstigem Zubehör bestand.
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tionale und grund- und bodenwirtschaftliche Probleme. Im Zusammenhang mit den von und gegen Zünfte angestrengten Verfahren fiel auf, dass diese im 18. Jahrhundert zunahmen. Während dieser Zeit schrumpfte die Bedeutung der Zünfte, die sich durch freie Handwerker, auswärtige Konkurrenz und – so in Frankfurt in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts – eine „laissez faire“Haltung der städtischen Obrigkeit gegenüber ihren traditionellen Rechten bedroht sahen. Entsprechend fällte der Rat der Stadt Entscheidungen über die Aufnahme oder den Ausschluss einzelner Handwerker, ohne die Zunftmitglieder überhaupt dazu befragt zu haben und ließ in anderen Fällen freie Handwerker in bewusster Konkurrenz zu den zünftigen zu. Klagte die Zunft in solchen Fällen gegen einzelne Berufsgenossen, erschien der Rat der Stadt oft als Nebenbeklagter, dem z. T. Willkürlichkeit und Parteilichkeit unterstellt wurde und der sich mal an den Zunftvorschriften, mal an den eigenen Vorstellungen oder aber der Reichshandwerksordnung orientierte. Die Ergebnisse der Untersuchung bezüglich der Reichweite der Handelskontakte sowie der anhand der Prozessakten und des Admiralitätszolls ermittelten Waren widerlegen teilweise Wehlers These vom Ausschluss des Alten Reiches von der Europäischen Expansion.3 Diese mag für den Erwerb von Kolonien Bestand haben, trifft jedoch mit Blick auf den Kolonialhandel Frankfurts und besonders Hamburgs nicht zu. Im Gegenteil, gerade für die Stadt an der Elbe hat Baasch mittels der Zollregister festgestellt, dass sie eine negative Handelsbilanz aufwies4, also in größerem Umfang Rohstoffe und Fertigerzeugnisse importiert als ausgeführt wurden, die – erinnert seien hier nur an Kaffee und Zucker5 – zumindest teilweise aus dem kolonialen Handel stammten. Nur bei einem Teil der Fälle lassen sich Streitwerte aus den Findbucheinträgen oder den Akten ableiten, wobei sie ohnehin zunächst einmal nur bei Appellationen für den Fortgang des Verfahrens oberste Priorität besaßen. 6 Einzelne Prozesse wiesen erstaunliche Summen auf – mehrere zehntausend Gulden im Falle von Konkursen wie demjenigen der Firma Seyler und Tillemann, der einige Klagen aus Hamburg nach sich zog. Dabei wurde die Gesamtschuldensumme der fallierten Handlung mit mehreren Millionen Gulden angegeben, die einzelnen Gläubiger forderten deutlich weniger. Andere
3 4 5 6
Siehe WEHLER, S. 53. Siehe BAASCH, Ein- und Ausfuhrhandel, S. 117 ff. Vgl. KRAWEHL, SCHULENBURG. So konnten z. B. bei verschiedenen Verfahren bereits aufgrund der Natur der strittigen Gegenstände keine Streitsummen genannt werden – wie sollte beispielsweise der Wert eines Handelsprivilegs exakt in Gulden oder Reichstaler ausgedrückt werden?
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Prozesse mit vor allem geldwirtschaftlichem oder einem sonstigen handelsbezogenen Hintergrund konnten Forderungen von bis zu zehntausend und mehr Gulden oder Reichstaler aufweisen. Daneben gab es auch Verfahren um deutlich geringere Summen, bei denen unklar war oder sogar von einer der Prozessparteien angezweifelt wurde, ob der Streitwert überhaupt den per Appellationsprivileg definierten Grenzwert überschritt. Strittig war dabei in Einzelfällen auch die vom Hamburger Rat beim Reichskammergericht beklagte Praxis, den reinen Zahlenwert einer Streitsumme gelten zu lassen und diese nicht in die im Appellationsprivileg genannte Währung umzurechnen. Hier – ebenso wie in mehreren Prozessen mit dem Vorwurf der Falschmünzerei – gewährte die Handhabung der Verfahren einen Einblick in das Problem der uneinheitlichen Währung im Reich, die als eine der Ursachen für die Gründungen der Hamburger und der Frankfurter Bank gilt. Mit dem Reichskammergericht stand eine Institution zur Verfügung, die vor allem Kaufleuten beider Vergleichsstädte zur Verfolgung ihrer Interessen diente und als weitere gerichtliche Instanz über die städtischen Gerichte hinaus für Rechtssicherheit im Handelsverkehr sorgte – auch wenn das Reichskammergericht wegen fehlender Mittel zur direkten Durchsetzung seiner Anordnungen und Urteile die Heimatstädte der im Prozess unterlegenen Partei gelegentlich um Mithilfe bei der Vollstreckung bitten musste. Dennoch ist mit Blick auf die große Zahl der ökonomisch relevanten Reichskammergerichts-Verfahren eine massive Verrechtlichung des Geschäftslebens im Untersuchungszeitraum zu konstatieren (als Teilbereich der grundsätzlichen, mit der Territorialisierung und der Ausbildung entsprechender Strukturen einhergehenden Verrechtlichung, selbst wenn die Frage nach den Urteilen bzw. deren Durchsetzung offenbleibt). Die Notwendigkeit der Existenz einer Reichsinstanz offenbarte sich vor allem in den vielen Handels- und Geldwirtschaftssachen aus dem Norden des Reiches, die trotz des bestehenden Privilegs in hoher Zahl Speyer und Wetzlar erreichten. Nicht zuletzt bemängelten die Parteien an Elbe und Main immer wieder die teilweise Parteilichkeit der städtischen Instanzen, da einem unparteiischen Verfahren zuweilen persönliche Interessen und Beziehungen entgegenstanden. In welchem Maße sich die Kläger und Appellanten Hilfe in Speyer und Wetzlar erhofften, belegt ein Beispielfall7, in dem ein Landauer Kaufmann das Reichskammergericht ersuchte, es möge die Stadt Frankfurt (trotz des andauernden Dreißigjährigen Krieges) zur Gewährung und Sicherung eines freien Warentransports veranlassen – eine bezeichnende und zugleich unrealistische Bitte. 7
Siehe KALTWASSER, S. 1088, W72.
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Darüber hinaus weisen die Prozesse indirekt auf den Umfang des städtischen Handels hin, denn obwohl der Anteil des Regional- und Lokalhandels an den Verfahren deutlich hinter den des Fern- und Großhandels zurücktrat (wegen der aufgezeigten Beschränkungen), erreichten insgesamt viele hundert Fälle mit geschäftlichem, geldwirtschaftlichem oder gewerblichem Hintergrund das Reichskammergericht, auch wenn diese dennoch nur einen kleinen Teil des städtischen Handels widerspiegeln. Im Falle Hamburgs fiel auf, dass vor allem die kleine Gruppe besonders vermögender und umsatzstarker Kaufleute das Gericht überproportional häufig frequentierten, wohingegen die große Zahl der Händler mit einem für Kaufleute eher geringen Einkommen (welches dennoch den städtischen Durchschnitt weit überstieg) seltener vertreten war.8 Die überwiegende Zahl der Handeltreibenden war demzufolge gar nicht am Reichskammergericht präsent. 9 Die große Zahl der Handels- und Geldgeschäfte verweist allerdings nicht nur auf positive Effekte, sondern legt auch die negativen Folgen des Aufschwungs im tertiären Sektor offen. Gerade diese weniger erfreulichen Auswirkungen wie die massiv steigende Zahl von Konkursen im Verlauf der drei betrachteten Jahrhunderte waren letztlich ursächlich dafür, dass sich eine solch umfangreiche Zahl von Handels- und Geldwirtschaftssachen überhaupt am Reichskammergericht nachweisen lässt. Zugleich demonstrieren einzelne Beispiele die für den Handel sowohl positiven als auch negativen Seiten ständiger Kriege. Einerseits erwies sich das Kriegsgeschäft als überaus profitabel, andererseits beeinträchtigten die fortwährenden militärischen Auseinandersetzungen den freien Warentransport in ebensolchem Maße wie die Streitigkeiten um diverse Zoll- und Handelsprivilegien. Allerdings boten kriegerische Einflüsse die Chance, sie als Ursache für die Nicht- oder Schlechterfüllung bestehender Verträge argumentativ zu nutzen. Überhaupt erwiesen sich einige Prozessteilnehmer als besonders kreativ in der Wahl ihrer Klage- oder Verteidigungsstrategie: 8 9
Siehe REISSMANN, Anhänge, S. 370 ff. Im Zusammenhang mit den Frankfurter Handwerksprozessen am RKG konnte bereits der Hinweis geliefert werden, dass nur ein sehr kleiner Teil der Verfahren von städtischen Gerichten tatsächlich bis an das RKG gelangte. Dies wirft interessante Fragen nach der Gewichtung einzelner Gegenstände an städtischen Gerichten sowie zu den dort beteiligten Parteien auf. Der Anteil jener Personen, die den unteren sozialen Schichten angehörten, dürfte wesentlich umfangreicher sein. Damit entsteht bezüglich der sozialen Differenzierung wahrscheinlich eine viel größere Übereinstimmung zwischen den Anteilen einzelner Schichten an der städtischen Bevölkerung und der Häufigkeit ihrer Teilnahme an Gerichtsverfahren. Gleiches steht mit Blick auf die Prozessgegenstände zu erwarten, so dass z. B. der Anteil der Handwerksfälle steigen würde.
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Sie bemühten die wiederkehrenden Auseinandersetzungen mit den Frankfurter Juden, um Anschuldigungen wegen angeblichen „Judenwuchers“ mehr Gewicht zu verleihen, während jüdische Parteien ihrerseits das Nichtbeibringen wichtiger Dokumente mit Bränden in der Judengasse erklärten.
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NAMENSREGISTER Als Hinweis an den Leser erhalten die hier verzeichneten Personen, die aus Hamburg (H) oder Frankfurt (F) stammen, einen entsprechenden Vermerk. Erfasst wurden nur die in den Textkapiteln erwähnten Personen, Familien und Firmen. Adolph VII., Graf von Holstein-Kiel 86 Albrecht von Brandenburg, Erzbischof von Mainz 156 Alten Limpurg, Gesellschaft (adelige ganerbschaftliche Vereinigung) (F) 133, 154, 231, 239, 241-243, 263, 272, 279 Amerongen, Magdalena von (F) 171 Amsinck, Arnold, Kaufmann (H) 75 Amsinck, Firma/Familie (H) 74 f. Amsinck, Rudolf, Kaufmann, Senator (H) 74 f., 215 d’Angelis, Bartholomä, Kaufmann 249, 298-306 Anspach, Handelsfirma Gebrüder Anspach (F) 278 Anspach, Nicolaus, Kaufmann (F) 278 Aubry, Johann(es), Buchdrucker (F) 270 f. Autheus, Kaufmann (F) 182 Bachmann, Friedrich Maximilian 180 Bader, Johann Bernhard, Buchdrucker (F) 324 Bamen, Peter, Metzgermeister (F) 340 Barckhausen, Franz von, Kaufmann (F) 279 f. Barckhausen, Heinrich Franz von, Oberamtmann zu Lichtenau uns Wildstätten; hessisch-darmstädtischer Kammerjunker 280, 327 Barckhausen, Heinrich von, Kaufmann (F) 180, 267, 323 Barckhausen, Sophia Sybilla von (F) 289 Bartels, Handelshaus (F) 235 Bartels, Heinrich, Bankier, Senator und Schöffe (F) 235 Bary, Catharina de (F) 237
Bary, de, Familie/Kaufleute (F) 275 Bassée, Nicolaus, Buchdrucker (F) 169, 268, 270 f. Bassompierre, Familie (F) 168, 275, 278, 326 Bassompierre, Isaac de (F) 128 Beer, Andreas, Schutz- und Handelsjude (F) 170 Beer, Familie (F) 113 Beer, Isaak Löw, Schutz- und Handelsjude sowie fürstlich-hessischer Hofrat (F) 172, 288 Beer, Meyer Abraham 113, 274 Behagel, Carl, Kaufmann (F, Offenbach) 277, 326 Behagel d. J., Isaak, Wollhändler (F) 168, 235, 239, 277 f. Behagel, Daniel, Porzellanfabrikant (F) 278 Behagel, Familie/Manufakturwarenhandlung (F) 168, 277 Behagel, Isaak, Tuchhändler (F) 239 Behagel, Samuel, Kaufmann (F) 162 Belli, Joseph, Kaufmann (F) 290 Berenberg, Paul, Kaufmann (H) 216 Berg(e), Seger von den, Bankier (F) 246 Bernus, Familie/Kaufleute (F) 275 Bernus, Heinrich, Bankier (F) 275 Bernus, Jakob, Kaufmann und Bankier (F) 275 Bernus, Johann, Bankier (F) 275 Besançon, Edemaeus Matalon von, Geschäftsmann 264 Bethmann, Familie/Bankiers (F) 281 Besserer, Dr. Johann Paul, Anwalt 298300 Bethmann, Johann Philipp, Bankier (F) 279 Bethmann, Simon Moritz, Bankier und Kaufmann (F) 279, 282
Anhang Bethmann-Metzler, Peter Heinrich, Bankier (F) 279 Beyer, Johann, Verleger (F) 273 Bienenthal, Bender von, Kaiserlicher Rat und Schultheiß des Stadtgerichtes (F) 163 Binder, Hans, Verleger (H) 221 Bingen, Arnold von (F) 146 Bodeck zu Praunheim, Karl von, Freiherr 238, 289 Bodeck, Dominicus von, Kaufmann (F) 244 Bodeck, Johann Bonaventura von, Patrizier (F) 171, 238, 244 Bodeck, Johann von, Kaufmann (F) 244 Boetefur, Familie (H) 74 Bolongaro, Jakob, Schnupftabakfabrikant (F) 279 Bolongaro, Philipp, Tabakfabrikant (F) 277 Bonifatius IX., Papst 101 Bootz, Kaufmann (H) 179 Bostell, Lukas Andreas von, Anwalt 293295, 333 Brand, von, Leutnant 321 Brandon, Jonathan Israel, Makler (F) 293, 295-298 Braniky, General 304 Braun, Theodor Gottlieb, Kaufmann (F) 267 Breitenbach, Kaufmann (F) 284 Breiting, Samuel, Orgel- und Spielwerkehersteller (F) 272 Brentano, Anton Joseph Freiherr von 290 Brentano, Clemens von, Dichter 290 Brentano, Dominico, Kaufmann (F) 289 Brentano, Joseph Anton Freiherr von, kaiserlicher Feldmarschall-Leutnant 290 Brentano, Peter Anton, Spezereihändler (F) 258, 279 Brentano, Stefano, Kaufmann (F) 239 Brevillier, Familie/Kaufleute (F) 275 Briers, Daniel de, Juwelenhändler (F) 245 Bromm, Claus, Schöffe und Ratsherr (F) 128, 154 f. Bromm, Hans, Schöffe und Ratsherr (F) 155, 242
363 Brüggemann, Otto, Kaufmann (H) 203, 216 Bry d. Ä., Theodor de, Verleger und Kupferstecher (F) 271 Bry d. J., Theodor de (F) 272 Budier, Jacques, Kaufmann und holsteinischer Rat (H) 90, 203, 216 Bugenhagen, Johannes 68 Carben, Philipp Henrich von, Metzgermeister (F) 340, 342 Carl, Erzherzog von Österreich 171 Castorp, Hinrich, Kaufmann (Lübeck) 278 Chasteler, Marquis de (Unterfranken) (H) 181 Christian I., König von Dänemark, Norwegen und Schweden 86 Christian IV., König von Dänemark und Norwegen 87 Christians V., König von Dänemark und Norwegen 39, 94 Clemens August von Bayern, Erzbischof von Köln 258 Conradt, Nicolaus, Metzgermeister (F) 340 Coryat, Thomas, englischer Reisender und Schriftsteller 260, 272 Couvreur(s), Jakob, Juwelen- und Seidenhändler (F) 244 Daniel Stenglin & Co., Firma 209 Degenfeld-Schonburg, Christoph Martin von, Graf (F) 278 Dehn, Philipp Heinrich, Brunnenmeister (H) 333 Deutgen, Johann Nicolas (Nicolay), Kaufmann (F) 135 Deutz, Löw (F) 285 f. Dietz, Superintendent (F) 290 Diodati, Johann, Theologe (Genf) 293 f. Dorthausen, Otto von (F) 171 Dourier, Antoni (F) 250 Drach, Abraham, Jude (F) 285-287 Drach, Beer, Schutzjude (F) 146 f. Drake, Sir Francis 202 Drewitz, Oberst 304 Dreyer, Jacob Philipp, Kaufmann (F) 267
364 Dührkoop, Claes Diederich, Drechslermeister (H) 338 Du Fay, Anna Sybilla (F) 278 Du Fay, Elisabeth (F) 278 Du Fay, Familie/Kaufleute (F) 168, 275 Du Fay, Friedrich, Baron (F) 276 Du Fay, Jacob Friedrich, Baron, Kaufmann (F) 154 Du Fay, Johann Martin, Kaufmann (F) 227 Egenolff, Christian, Drucker (Straßburg) 270 Eggers, Joachim Michael, Drechslermeister (H) 338 Elisabeth I., Königin von England 202 Elster, Freifrau von 321 Engelbach, Bankier (H) 181 Everhart, Juwelier (Den Haag) 235 Eyseneck, Johann Martin Baur von, kaiserlicher Rat und Reichsschultheiss (F) 100, 158 Eysseneck, Johann Jacob Baur von, Patrizier (F) 273 Eysseneck, Maria Juliane Baur von, Witwe Balthasar Kaybs (F) 273 Fabricius, Johann Jacob Friedrich, Tabakfabrikant (F) 228, 235 Faesch, Isaak (F) 113, 266 Faesch, Johann Rudolf (F) 113, 266 Fahnenberg, Egid Joseph Karl von, Assessor am RKG (Wetzlar) 13 Faist, Johann Kasimir, Brunnenmeister (H) 11, 331 Fechte, von der, Familie (H) 98 Feiner, Johann Peter, Messerschmied (F) 25 Fellner, Michael, Bankier und Kaufmann (F) 182 Ferdinand I., deutscher Kaiser 158 Ferdinand II., deutscher Kaiser 33, 105 Ferdinand III., deutscher Kaiser 195 Fermond, Paul (Nürnberg) 264 Fermond, Peter (Nürnberg) 264 Fettmilch, Vincenz, Lebkuchenbäcker (F) 20, 100, 110, 130, 134, 144 f., 156, 158, 236, 260, 263, 320, 325 Feyerabend, Johann, Drucker und Verleger (F) 268, 270 f.
Anhang Feyerabend, Maria (F) 270 Feyerabend, Siegmund, Drucker und Verleger (F) 270 f. Fischer, Christian, Brunnenmeister (H) 331 Fischer, Nikolaus Wilhelm, Brunnenmeister (H) 11, 332 f., 336 Flender, Johann Anton Heinrich, Anwalt 340, 342 f. Flender, Lic. Johann He(i)nrich, Anwalt 340 Florantin, Joseph, Kaufmann und solmshohenlohischer Kammerrat (Aachen) 284 Franz Adolf Dietrich Freiherr von Ingelheim, Reichskammerrichter 40 Franz I., deutscher Kaiser 165 Franz II., deutscher Kaiser 2 Fresne, Pierre du, Kaufmann 290 Frey, Peter, Gasthausbesitzer (F) 170 Friedrich II., deutscher Kaiser 258 Friedrich II., König von Dänemark und Norwegen 86 f. Friedrich III., deutscher Kaiser 101, 108, 254 Friedrich III., Herzog von SchleswigHolstein-Gottorp 216 Friedrich Karl, Herzog von SchleswigHolstein-Sonderburg-Plön 292 Fugger, Familie/Kaufleute (Augsburg) 11 Garkoch, Johann Hartmann, Metzgermeister und Ratsherr (F) 321 Garkoch, Johann Simon, Metzgermeister und Ratsherr (F) 321 Geddern, Familie/Kaufleute (F) 155 Georg, Landgraf von Hessen-Darmstadt 25, 33, 246, 254 Gerhard von Hoya, Erzbischof von Bremen 332 Gerock, Kaufmann (F) 284 Giese, Kaufmann (H) 184 Glauburg, Johann Ernst von, Patrizier und Kaufmann (F) 154 f., 172, 299 Göbel, Stefan, Bürgermeister (F) 241 Godevers, Jan, Faktor in Barbados, Kaufmann (H) 79 Goethe, Johann Wolfgang, Dichter (F) 141, 145
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Göthge, Friedrich Georg, Großvater Goethes, thüringischer Handwerker 141 Götz, Thomas Matthias, Buchhändler (F) 272 Gogel d. Ä., Jean (Johann) Noe(l), Kaufmann (F) 265 f. Gogel d. J., Johann Noel, Kaufmann (F) 265 Gogel, Familie/Kaufleute (F) 275 Goll & Söhne, Bankhaus (F) 239, 277, 282 Gonzaga, Ludwig von, Prinz von Mantua und Herzog von Nevers 131 Gontard, Familie (Gontard & Söhne, Firma) (F) 182, 275 Gotzkowsky und Streckfus, Firma (Berlin) 209 Grete, Martha (England) (H) 223 Grünberger, Jakob, Kaufmann (F) 240 Grünberger, Stefan, Kaufmann, Schöffe und Ratsmitglied (F) 133, 240 Guaita, Georg Friedrich, Senator, Schöffe und älterer Bürgermeister (F) 276 Guaita, Georg Liborius, Kaufmann (F) 289 Guaita, Gottfried, Kaufmann (F) 289 Guaita, Matheus (Mattheo), Spezereikrämer (F) 179, 289 Guiden, Wilhelm (Köln) 154 Gülchen, Lic./Dr. Christian Hartmann von, Anwalt 340-342 Gülchen, Lic. Johann Ulrich von, Anwalt 340 Gülich, Dr. Johann Philipp Gottfried von, Prokurator am RKG 331-338 Günterode, Familie 183 Gymnicus, Johann, Buchdrucker (Köln) 271
Hase, Margarete, Eigentümerin einer Glockengießerei (F) 140 Havelmeyer, Kaufmann (H) 183f. Heeser, Handelsgesellschaft (F) 285 Heigel, Johann, Buchdrucker (F) 142, 273 Heinrich VII., deutscher König 258 Heinsius, Johannes Christianus, Notar (F) 341 f. Hertoge, Johann de, Kaufmann (H) 179 Hertz, Samuel Lehmann 297 Heusch, Michel, Kaufmann (H) 218 Heusch, Peter, Kaufmann (H) 215 Hinsch, Jürgen, Drechslermeister (H) 331, 336, 338 Hoffmann, Johann Wilhelm, Kunstverleger (F) 273 Hohenlohe(-Neuenstein), Wolfgang Julius Graf von, Generalfeldmarschall 280 Holbach, Franz Adam Baron von, Bankier 265 Holste, Claus, Kapitän (H) 73 Holstein-Schauenburg, Graf von 85 Holzhausen, Hamman von, Bürgermeister (F) 138, 242 f. Holzhausen, Justinian von, Ratsherr (F) 138 Hörnigk, Ludwig von, kaiserlicher Rat (F) 268 Horb, Pastor (H) 95 Hünefeldt, Kaufmann (Tambach) 184 Humbracht, Adolph Carl von, Schöffe, Senator und älterer Bürgermeister (F) 155 Humbracht, Conrad, Schöffe, Ratsmitglied und älterer Bürgermeister (F) 155 Huyß d. Ä., Johann, Materialist (F) 230 Huyß, Franz, Materialist (F) 230
Hack, Antoinette von (F) 287 Hager, Johann Adam, Metzgermeister (F) 340 Haller, von, gräflich oldenburgischer Kanzler 221 Hardtman, Johann Jacob, Metzgermeister (F) 340 Harscher, Johann Ludwig, Kaufmann (F) 276
Ingelheim, Graf Franz Adolf Friedrich von, Präsident des RKGs 40, 113, 121, 175, 177, 340, 352 Janssen, Anthon, Drechslermeister (H) 337 Jantzen, Johann Eberhard (H) 293 Jastram, Cord, Färber/Reeder (H) 94 Jodeck, Thomas, Großkaufmann (F) 256
366 Jordan, Anna Sibille 328 Jordan, Generalmajor (Polen) 180 Jordan, Johann (Jakob), Admiral 328 Jordan, Oberstleutnant (F) 180 Joseph II., deutscher Kaiser 258, 300 Jung, Johann Adam, Buchhändler (F) 274 Jungen, Freiherr Johann Maximilian von und zum, Patrizier (F) 272 Kampen, Vincent von, Kaufmann (H) 98 Kann, Isaak, Jude (F) 161, 287 f. Kann, Moses, Jude (F) 288 Karl Alexander, Herzog von Württemberg 284 Karl IV., deutscher Kaiser 108, 143, 258 Karl V., deutscher Kaiser 32, 87, 104, 108, 135, 137 f., 258 Karl VI., deutscher Kaiser 268, 327 Karl VII., deutscher Kaiser 105 Kayb, Balthasar (F) 273 Kayb, Johann Peter (F) 273 Kellinghusen, Familie (H) 74 Keßler, Georg Nicolaus, Kaufmann (F) 230 f. Kind(t), Peter, Kaufmann (H) 131, 181 Kissner, Paul, Notar (F) 134 f. Klefeker, Johann, Anwalt (H) 335 Klotz, Johann Heinrich, Senator (F) 226 Kneussel, Kaufmann (F) 283 Knorre, Otto Heinrich, Münzmeister (H) 292 Kock, Bartold, Kaufmann (H) 213 Koel, Ditmar, Ratsherr (H) 279 Krebs, Joseph Lorenz, ReichsOberpostamts-Sekretär (F) 158 Kripner, Gasseninspektor (F) 146 f. Krüger, Heinrich, Kaufmann (H) 295 f. Krull, Ratsherr (H) 94 Krusch, Johann Gottlieb, Brunnenmeister (H) 11, 331, 337 Kühnreiche, Christian, Schneider (F) 24 Kulp, David Mayer Juda, Jude (F) 161, 288 Labistrat, Guillaume de, Kaufmann (H) 295 f. Leinweber, Kapitän (F) 180
Anhang Lembeck, Christoph, Brunnenmeister (H) 333 Lengerke, Peter von, Bürgermeister (H) 336 Leo, Catharina (F) 278 Leo, Johann (F) 278 Lertze, Sebastian, Tuchkaufmann (H) 213 Leßin, Margaretha, Witwe eines Metzgermeisters (F) 342 Levi, Gumpel Wimpfe, Kaufmann (F) 288 Levi, Samuel, lothringischer Hofjude 163 Levin, Michael, Kaufmann und Schutzjude (H) 292-298 Lifferdes d. Ä., Heinrich, Heringshändler (F) 241 Lifferdes d. J., Heinrich, Heringshändler (F) 241 Lindheimer, Johann Fridrich, Metzgermeister (F) 340 Lindheimer, Johann Philipp, Metzgermeister (F) 340 List, Gastwirt (F) 321 Luca, Johann Peter, Beisasse und Kaufmann (F) 135 Ludwig IV., deutscher Kaiser 136 Ludwig XIII., König von Frankreich 250 Luther, Dr. Henrich Ehrenfried, württembergischer Hofrat (F) 139 Luther, Martin 142 Lütkens, Peter, Bürgermeister (H) 62, 94, 98, 179 Madalon, Aymon Buttod, Kaufmann 264 f. Mainone (auch Mainoné), Dr. Johann Wilhelm, Anwalt 299 Mandt, Andreas (F) 154 Mansfeld, Hans Georg Graf von (H) 155 Markard, Anton, Gassenhauptmann (F) 303 Marne, Claude de, Drucker und Buchhändler (F) 271 Martorf d. J., Ludwig, Ratsherr (F) 242 Martorf, Johann von, Schultheiß, Ratsherr und Schöffe (F) 242
Anhang Martorf, Ludwig, Schöffe, Bürgermeister, Woll- und Farbwarenhändler (F) 241 f. Martorf, Melchior, Woll- und Farbwarenhändler (F) 242 Matthias, deutscher Kaiser 144 Maximilian I., deutscher Kaiser 144, 159 Maximilian II., deutscher Kaiser 104 Mayer, Pastor (H) 95 Meckenhäuser, Kaufmann (H) 182 Mengershausen, Hieronymus, Seidenhändler (F) 243 Merian d. Ä., Matthäus, Verleger (F) 168, 272, 279 Merian, Sybilla, Kupferstecherin (F) 168 Meßmann, Hermann, Kaufmann (Lübeck) 278 Metzler, Benjamin (F) 277, 280 Metzler, Friedrich, Leibbankier des Königs von Sizilien (F) 281 Metzler, Johann Wilhelm, Anwalt (F) 281 Metzler, Theodor, Bankier und Kaufmann (F) 281 Meurer, Bürgermeister (H) 94 Mevius, David, Jurist 184 Meyer Junior, Jochim, alias Ruben Meyer, Münzunternehmer 293, 295-297 Mil(l)nes, Janes (John), Textilkaufmann 135 Milnes & Comp., Firma (Wakefield) 135 Minden, Michael Levin von (H) 293-298 Moller, Hermann (H) 98 Moller, Vincent, Kaufmann und Jurist (H) 88, 98, 184 Moors d. Ä., Jacob, Juwelier und Kaufmann (F) 254 Müller, Buchdruckermeister (Gießen) 324 Müller, Georg, Kaufmann (H) 179 f. Mumsen, Jakob, Kaufmann (H) 293 Napoleon I., Kaiser von Frankreich 281 Neuburger, Johann Georg, Eisenhändler (F) 277 Neue Assekuranz-Compagnie, Versicherung (H) 205 Neufville, David de, Kaufmann und Bankier (F) 205, 209, 275 f. Neufville, Familie 230, 275
367 Neufville, Jacob de, Kaufmann und Bankier (H) 205, 209, 276 Neufville, Sebastian de, Senator (F) 276 Nicolai, Johann Lorenz, Waagemeister (F) 138 Nocre, Ludwig, Zuckerbäcker (F) 134 Nördlinger, Nicolaus, Kaufmann (Offenburg) 283 Obwexer (auch: Owexer), Johann, Kaufmann (Augsburg) 149, 299-302, 306 Ochs, Jacob, Bankier (F) 247 Ochs, Johann, Bankier (F) 279 f. Ochs, Thomas (F) 180 Odermer, Conrad, Metzgermeister (F) 342 Olenschlager, Familie/Handelsgesellschaft (F) 230 f., 235, 305 Olenschlager, Johann Daniel von, Kaufmann (F) 141 Olenschlager von Olenstein, Johann Nicolaus von, Patrizier (F) 230 f., 276, 301 Olivier, Kaufmann (Portugal) 232 Oppenheimer, Beer Hertz, Kaufmann (F) 284 f. Oppenheimer, Elkan (F) 285, 288 Oppenheimer, Joseph Süß, Finanzfaktor (F) 280, 284 Oppenheimer, Meyer Seligmann, Schutzjude (F) 285 Oppenheimer, Samuel, kaiserlicher Oberhoffaktor, vorher Hofjude Ludwigs von Baden (F) 286 f. Oppenheimer, Wolf Seligmann, Kaufmann (F) 285 Orloff, General 303 Orth, Hans Georg, Kaufmann (H) 181 Orth, Johann Philipp, Anwalt (F) 241 Orth, Peter, Kaufmann, Schöffe und Ratsmitglied (F) 241 Orville, d’, Familie/Kaufleute (F) 275 Orville, Jacob Philippe de, Kaufmann und Bankier (F) 276 Orville, Jean Noé de, Bankier und Kaufmann (F) 239 Ott, Karl, Handelsfaktor für M. Spon, Lyon (F) 264 Ottinand, Michael, Marstaller (F) 171
368 Otto IV., Graf zu Holstein, Schauenburg und Sternberg 86 Palandt, Balthasar, Kaufmann (H) 218 Pallier, Juwelenhändler (Lyon) 250 Passavant, Familie/Kaufleute (F) 275 Pelle, Everdt, Kaufmann (H) 218 Pfeiffer, Johann Michael, Spezereihändler (F) 156, 245 Philipp, Landgraf von Hessen 138 Phönix-Assekuranz-Compagnie, Versicherung (London) 203 Pommer, Kaufmann (Venedig) 183f. Pulawsky, General 304 Rademin, Diderich, Ratsherr (H) 213 Raleigh, Sir Walter 202 Rauscher, Wilhelm, Kaufmann (F) 256 Recklinghausen, Adolph von, Kaufmann 246 Reuß, Grafen von 112 Rhon, Familie/Kaufleute (F) 226, 230, 275 Rhon, Isaak de, Kaufmann (F) 247 Rhon, Johann Conrad de, Bankier (F) 266 f. Rhon, Johann Martin de, Bankier (F) 163, 266 f. Rhon, Samuel de, Bankier (F) 266 Ries, Hirsch Moses, Jude (H) 205 Ritter, Matthias (F) 270 Roeck, Bankier (H) 181 Römer, Wollhändler (Aachen) 254 Rorbach, Siegmund, Ritter, Reichshauptmann (F) 159 Rötel, Kaspar, Drucker (F) 273 Rothschild, Mayer Amschel, Bankier (F) 279, 282 Rouloff, Kaufmann (H) 183 Rudolf II., deutscher Kaiser 104, 258 Rühel, Kaufmann (F) 182 Rüppel, Dr., Anwalt 298, 300, 304 Ruland, Dr. Johann Albert, Anwalt 332335, 337 f. Sackfield, Thomas, Händler (F) 260 Schätz, Jacob, Schlossermeister (F) 327 f. Schaub, Jacob, Kaufmann und Bankier (F) 276
Anhang Scheid, Carl, Wollweber und Großkaufmann (F) 241 Scheid, Conrad, Kaufmann (F) 241 Scheurer, Dr. Johann Hermann, Prokurator am RKG 293-296 Schlaff, Eberhard, Kaufmann (H) 218 Schlarpf(f), Bürger (F) 129 Schlebusch, Heinrich, Kaufmann (H) 183 Schlegel, Johann, Kaufmann (H) 179 f. Schlesinger, Jacob Moses, Kaufmann (H) 297 Schmidt, Christina Elisabetha (F) 226 Schmidt & Comp., Bankhaus (F) 181 Schmidt, Johann Jacob, Kaufmann (F) 227, 339 Schmiedburg, van, Oberst (Venedig) 183 Schmitt, Johann Philipp, Metzgermeister (F) 340 Schnieder, Juwelier (F) 244 Schroder, Hans, Kapitän (H) 73 Schulier, Kaufmann (F) 183 Seckel, Salomon, Schutzjude, später kurmainzischer Schutzverwandter (F) 163 Seckendorf, Kaufmann (Speyer) 232 Serlin, Wilhelm, Gründer des „Frankfurter Journal“ (F) 141 f., 299 Setz, Perückenmacher (F) 282 Seyler und Tillemann, Firma (H) 74, 205, 292-297, 357 Siegling, Conrad, Gastwirt (F) 24 Sievers, Dr., Jurist (?) (H) 74 Simon, Enoch, Hofjude 178 Six, Gerhard, Drechslermeister (H) 337 Snitger, Hieronymus, Kaufmann (H) 94 Soldtner, Johann Daniel, Metzgermeister (F) 342 Sommer, Albert, Weinhändler (F) 327 f. Sonnenmeyer, Anna Maria (F) 339, 342 Sonnenmeyer, Johann Lorenz, Metzgermeister (F) 339-344 Souchay, Familie/Kaufleute (F) 275 Spener, Philipp Jakob, Theologe (F) 141, 147, 245, 273 Spener, Weinhändler (F) 245 Spon, Mattheus (Mathes), Kaufmann 264 Spreckelsen, von, Familie (H) 98
Anhang Spreckelsen, Hartich von, Kaufmann (H) 213 Spreckelsen, Johann von, (H) 98 Sprengel, Peter von (H) 84 Stalburg, Claus, der Reiche, Schöffe, Rentier und Mäzen (F) 243 Stalburg, Familie (F) 155, 168, 183, 243, 273, 345 Steffan, Dorothea (geb. Stalburg) (F) 169 Steffens, Jacob, Kaufmann (H) 93 Steinhauser, Anwalt (H) 337 Stenglin, Familie (H) 74 Stern, Isaak, Schutzjude (F) 285 Stetzberg, von, sachsen-eisenachischer Geheimrat 154 Störtebeker, Klaus, Seeräuber 202 Stremell, Johan Lodowig, Kammergerichtsbote (Wetzlar) 299 Suwarow, von, Generalmajor 304 t’Serclaes, Johann, Graf von Tilly, brabantischer Graf und General 233 Textor, Johann Wolfgang, Anwalt (F) 141 Thiel, Reinhard, Prokurator am RKG 256 Türck, Peter, Metzgermeister (F) 342 Uffeln, Dominicus van, Zuckerimporteur (H) 200 Ugelheimer, Peter, Buchdrucker (F) 240 Varrentrapp, Heinrich Adam, Kaufmann und Buchdrucker (F) 268 f., 325 Varrentrapp, Franz, Buchhändler (F) 268 Verpoorten, Johann, Kaufmann (H) 218 Viktor Amadeus II., König von Sardinien-Piemont 305 Villani, Laurentius de, Seidenhändler (Florenz) 241, 254 Villiers, Robert de, Beauftragter Ludwigs von Gonzaga, Kommandeur (F) 131 Vliett, Johann Woerden von, Junker (F) 171 Völcker, Hans, Schöffe und Ratsherr (F) 155 Wahl, Lic. Johann Jacob, Anwalt 340
369 Walle, Jakob von de, Textilhändler (F) 239 Wallenstein, Albrecht von, kaiserlicher Feldherr 42 Weber, Johann (F) 163 Wechel, Andreas, französischer Calvinist und Verleger 271 Weisenau zum Hirsch, Gumbrecht von, Schutzjude (F) 145 f., 291 Wenzel, deutscher König 102 Wertheimer, Samson, Jude, Hoffaktor (F) 286 Wickradt d. Ä., Johann, Buchdrucker (H) 221 Wickradt d. J., Johann, Buchdrucker (H) 221 Wiederhold, Cuno, kurtrierischer und hessischer Schultheiß zu Niederbrechen 270 f. Wilhelm Carl Ludwig, Graf zu SolmsRödelheim 160 Windischgrätz (Windisch-Graetz), Gottlieb Amadeus Graf von, kaiserlicher Kommissar und Diplomat 94 Winter, Johann, Reichskammergerichtsbote (Wetzlar) 298 Wolff, Johann Georg, Bankier (F) 228 Wolf, Daniel, Kompaniehandlung 302 Wolfgang Ernst, Graf zu Isenburg(Birnstein) 283 Wolkenstein, Ulrich von, Freiherr und Komtur des Deutschen Ordens (F) 171 Wust d. J., Balthasar Christoph, Buchhändler und Drucker (F) 273 Wust, Balthasar Christoph, Buchhändler und Drucker (F/Mainz) 273-275, 324 f. Wust, Johann, Buchdrucker (F) 273 Wygand, August (H) 95 Ziegler, Familie/Kaufleute (F) 275 Zunner, Familie (F) 113 Zunner, Johann David, Verleger (F) 113, 273 f. Zwirlein & Schmidt, Firma (F) 226 Zwirlein, Johann, Händler (F) 227, 245, 281
370
Anhang
ORTSREGISTER Verzeichnet sind die in den Textkapiteln erwähnten Orte und Länder (dort auch „dänisch“, „englisch“ usw.; nicht beachtet wurden die Tabellen und Karten im Anhang). Aachen 177, 243, 254, 284 Algier 305 Altona 74, 79, 82, 92 f., 211, 215, 221, 356 Altorf (b. Nürnberg) 165 Alzey 231 Amsterdam 75, 82, 149,180, 182, 200, 202, 204, 209, 211, 223, 251 f., 266, 281 f., 289 Anhalt-Zerbst 205, 292 f. Antwerpen 32, 149, 198 f., 214, 251 f., 260 Archangelsk 203, 223 Aschaffenburg 145 f. Augsburg 14, 37, 124, 156, 178, 185, 196, 247, 249-251, 264, 299, 302 Bamberg 104, 241, 249, 298 f., 304 f. Barbados 79, 222 f. Basel 149 Batavia 79 Bergedorf 61, 78, 84, 86 Bergen 172, 203, 217 Bergen-Enkheim 148, 172 Berlin 185, 209, 293, 296 f., 318 Besançon 264 Billwerder 61, 85 f. Bingen 146, 289 Bleckede 87 Bockenheim 148, 356 Bodnack 304 Bonames 103, 148 Bonn 258, 285 Bornheim 103, 114, 148, 160 Brandenburg (Kftm.) 94 Brandenburg-Anspach (Mgft.) 56 Braunschweig 19, 240, 301 Braunschweig-Lüneburg (Hztm.) 78, 84, 87, 199 Bremen 30, 33, 78 f., 84, 173, 182, 196, 201, 214, 237 Bremen (EBtm.) 78
Bremen (Hztm.) 78 Breslau 151 f., 241, 248, 253 Bronnbach 258 Brüssel 252 Büdingen 107, 158 f. Buxtehude 86 f. Celle (Lüneburg, Hztm.) 94 Dänemark 3, 34 f., 38, 41, 49, 57 f., 8588, 94, 106, 179, 187, 210, 213, 292, 305 Danzig 79, 180, 201, 217, 256, 317 Deutscher Bund 22 Dinkelsbühl 251 Dortelweil 103, 114, 148, 160, 172 Dresden 185 Düsseldorf 177 Dukla 304 Eidgenossenschaft 351 Eisleben 154, 237 Elbing 256 Emden 87, 98 England 39 f., 85, 87, 113, 198 f., 200, 202, 213-215, 217, 222 f., 239, 243, 252, 260, 266, 272, 309, 314 f. Eppstein 148 Erfurt 107, 240, 321 Erlangen 165 Flandern 213, 215 Flensburg 243 Florenz 254 Frankfurt (Main) 2-4, 6-12, 15-21, 25, 27-64, 79-80, 82, 89, 96, 100, 102196, 198, 204, 208, 211, 219, 221, 224-292, 298-311, 313-315, 319-330, 338-341, 344-352, 354-360 Frankfurt (Oder) 98, 165
371
Anhang Frankreich 7, 14, 37, 39 f., 94, 111, 113 f., 136, 141, 192, 201, 217 f., 252, 262, 265 f., 286, 309, 355 Friedberg (Gft.) 148 Fürth 220, 301 Genua 202 f. Gibraltar 216, 305 Gießen 165, 282, 324 Glückstadt 87, 179, 211 Göteborg 217 Göttingen 165, 241, 243 Goslar 77 Grabow 34 Greifswald 4, 317 Griesheim 160 Groden 99 Gut Ritzerau 56 Hadeln 86 Halle 165 Hamburg 2f., 6-12, 16-23, 25, 27-100, 103-108, 111-116, 118, 120-122, 127131, 142, 147-149, 151 f., 161, 165, 167 f., 171-233, 242 f., 247, 252, 262, 264 f. , 274-276, 279, 284, 289, 291298, 307-311, 313-329, 331-333, 335337, 344-347, 349-359 Hammerbrook 85 Hanau 107, 131, 136, 148 f., 159 f., 172, 229, 249, 271, 287, 305, 356 Hanau (Gft.) 148 Hanau-Münzenberg 229 Hannover 18, 38, 60, 78, 146, 148, 184 Harburg 79, 87, 315 Hausen 103, 148 Heidelberg 142, 165 Heilbronn 241 Helmstedt 165 Hessen (Hztm.) 148 Hessen-Darmstadt (Gft.) 33, 148, 173, 254 Hessen-Kassel (Gft.) 254 Heusenstamm 148 Hildesheim 200, 241 Höchst 148, 277 Holland 228 Holstein 30, 32, Holstein (Hztm.) 33 f., 36, 42, 49, 57, 61, 71, 78 f., 84 f., 92, 149, 203, 350
Holstein-Gottorf (Hztm.) 56 f. Holstein-Schauenburg (Hztm.) 78 Homburg 148 Hoya (Gft.) 79 Iberische Halbinsel 39, 75, 78 f., 98, 192, 203, 309, 217, 222, 309 Ile de Ré 199 Ingolstadt 165 Isenburg-Büdingen (Gft.) 148, 232, 282 f., 327 Italien 252, 309 Jena 142, 165, 272 Jülich-Kleve (Hztm.) 177, 186 Kassel 288 Katonitz 304 Kiel 221 f. Kirchberg 245 Klein Karben 160 Koblenz 244 Köln 2 f., 15, 79, 82, 85, 108, 149, 151 f., 154, 159, 165, 177, 185, 208, 224, 232, 237, 240, 243, 246-248, 251, 257 f., 271, 355 Königsaal 201 Königsberg 203 Konstantinopel 305 Kopenhagen 180 Korsika 202 Krakau 304 Kronberg 148 Landau 232, 358 Lauenburg 87, 200 Leiden 182 Leipzig 19, 79, 98, 119, 162, 165, 182, 185, 209, 240-243, 248, 250 f., 253, 258 f., 262, 264, 267, 272, 282, 299, 301 f., 355 Lemgo 243 Linz 108 Lissabon 92, 180, 198, 203, 216 Livorno 203 London 180, 182, 203, 217, 223 Lübeck 16, 18, 22, 30, 33 f., 40, 42-44., 46-49, 52, 54-56, 59-62, 65, 67, 70, 72-74, 77-80, 82, 85 f., 90, 92, 96, 100, 106, 147, 149, 178, 196, 200,
372
Anhang
207, 211, 216, 219, 232, 240 f., 243, 278-280, 309, 313 f., 317, 349 f. Lüneburg 79, 86 f., 241 Lyon 250, 264
Offenburg 283 Oldenburg 221 Oslo 203 Ostende 199
Magdeburg 35, 37, 55, 82, 152, 198 Mainz 63, 100, 102, 104, 137 f., 146, 148 f., 151, 157, 160, 164 f., 179, 249, 252, 257, 262, 277, 285 f., 289, 324, 356 Malaga 180, 217 Mannheim 233 Marburg 322 Marokko 216 Marseille 291, 326 Mecklenburg (Hztm.) 34, 42, 49, 56, 61, 78 f., 149, 186 Michelstadt 82 Middelburg 328 Miltenberg 242 Minden 180, 292, 294, 297 Mölln 56 Moskau 216 Mühlhausen 107 Münster 176, 253, 290
Paris 198 Pforzheim 241 Plauen 112 Pommern (Hztm.) 34, 42, 61, 78, 186, 188 Portugal 39, 59, 72, 75, 198, 200, 203, 208, 215-219, 232 Prag 1, 264, 271, 304 Praunheim 148, 289 Preußen 208, 262, 281
Namslau 288 Niederbrechen 270 Nieder-Erlenbach 103, 108, 114, 148 f., 167, 172 Niederlande 14, 39, 72, 75, 79, 87, 113, 119, 130 f., 136, 180, 185, 192, 198 f., 202, 209, 212, 214-216, 218, 223, 232 f., 235, 252, 309, 328, 355 Niederrad 103, 114, 148, 382 Niederrheinisch-Westfälischer Kreis 16, 62 Niederursel 103, 148 Nordhausen 107 Norwegen 217 Nürnberg 32, 142, 149, 151, 162, 165, 180, 183-185, 241, 243, 248, 248-53, 256-260, 264, 276, 301 Oberissigheim 148 Oberrad 103, 114, 148, 382 Oberursel 148 Österreich 14, 178, 262, 281 Offenbach 148, 158, 232, 277, 282, 291, 326 f.
Ratzeburg 34, 90 Regensburg 146, 175, 249 Reinbek 79 Reutlingen 241 Riga 73, 180, 203 Rinteln 165 Ritzebüttel 61, 78, 86, 99 Rödelheim 148 f., 160 Rostock 95, 165 Rottweil 146, 291 Rouen 203, 217 Russland 203, 222, 252 Sachsenhausen 108, 165 Sachsen-Lauenburg (Hztm.) 33 f., 49, 56, 61, 78 f., 85 f., 92, 149 Sachsen (Hztm.) 267, 282 Schleswig 87 Schweden 38 f., 63, 68, 87 f., 200, 217 Seckbach 172 Siegen 246 Skandinavien 252 Soden 148 Solms 107, 159 Spanien 59, 75, 85, 98, 111, 113, 180, 198 f., 200 f., 202 f., 214, 217-219, 235 Speyer 7, 14, 16 f., 33, 35, 37, 40, 50, 58, 72, 77, 79, 87, 108-112, 127, 138, 142, 149, 156 f., 159, 161, 170, 175, 187, 194, 207, 218, 232 f., 241 f., 244 f., 247, 249, 251, 254, 262, 279, 286 f., 318 f., 329, 358 Stade 87, 215, 243, 303
373
Anhang Stettin 79, 151 Stockholm 180, 203 Straßburg 159, 165, 224, 232, 240 f., 249-251, 257-259, 264 f., 355 Stuttgart 139, 251, 284, 286 Suhl 93 Terschelling 92 Thüringen 34, 106 f., 112 f., 117, 122 f., 127, 141, 177, 180, 185 f., 233 Treisa 254 Tremezzo 289 Tschenstochau 304 Tübingen 165, 290 Türkei 183 Ulm 251 Ungarn 200 Venedig 149, 183 Verona 183
Vlissingen 198 Wallonie 215 Wandsbek 79, 221 Warschau 304 Wetzlar 4, 7, 14, 16 f., 21-23, 40, 50, 58, 61, 63, 66, 72, 79, 82, 87 f., 112-114, 127, 146, 149, 161, 168, 175, 180 f., 187, 194, 207, 218, 222, 233, 238, 244, 246, 248, 262, 268 f., 272, 279 f., 282, 288 f., 298 f., 304, 313, 318-320, 322, 329, 332, 337, 340, 342, 346, 352, 358 Wien 39, 94, 151, 178 f., 271, 287, 304 Wismar 42, 68, 88, 278 Wittenberg 165, 183 Worms 1, 143, 241 f., 252, 256, 259, 281 Würzburg 249, 252 Ypern 252
374
Anhang
ABKÜRZUNGEN Bekl. Bll. chrstl. d. A. d. Ä. d. J. EBtm. extrajud. fl. FN geb. Gebr. Gft./Mgft. HRG HZ Hztm. IEG ISG/IfStG jun. Kl. Kftm. kr Lic. RHR RKG RKGO Rtlr seel. sen. StAH vs. VSWG xr
Beklagter Blätter christlich der Autor der Ältere der Jüngere Erzbistum extrajudizial Gulden Fußnote geboren Gebrüder Grafschaft/Markgrafschaft Handwörterbuch zur Deutschen Rechtsgeschichte Historische Zeitschrift Herzogtum Institut für Europäische Geschichte Institut für Stadtgeschichte Frankfurt Junior Kläger Kurfürstentum Kreuzer Licentiat Reichshofrat Reichskammergericht Reichskammergerichts-Ordnung Reichstaler seelig Senior Staatsarchiv Hamburg versus Vierteljahresschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Kreuzer
#
Quadrangel (Nummerierung der Prozessaktenbeilagen [soweit vorhanden])
Anhang
375
VERZEICHNIS DER TABELLEN UND ABBILDUNGEN Tabellen Tabelle 1: Tabelle 2: Tabelle 3: Tabelle 4: Tabelle 5: Tabelle 6: Tabelle 7: Tabelle 8: Tabelle 9: Tabelle 10: Tabelle 11: Tabelle 12: Tabelle 13: Tabelle 14: Tabelle 15: Tabelle 16: Tabelle 17: Tabelle 18: Tabelle 19: Tabelle 20: Tabelle 21: Tabelle 22: Tabelle 23: Tabelle 24: Tabelle 25:
Geschäftsanfall aus Hamburg am Reichskammergericht 1495-1806 Verfahrensarten der Hamburger Prozesse am Reichskammergericht 1495-1806 Gegenstände der Hamburger Prozesse 1495-1806 Prozessgegenstände nach Ranieri für das Alte Reich 1494-1599 Zeitliche Differenzierung der Inanspruchnahme des Reichskammergerichts mit einzelnen Streitgegenständen aus Hamburg 1495-1599 Dauer der Hamburger Prozesse 1495-1806 Entwicklung dr Hamburger Prozesslängen 1495-1806 Prozesslängen einzelner Hamburger Streitgegenstände 1495-1806 Soziale Differenzierung der Hamburger Kläger und Appellanten 1495-1806 Frauen und Witwen als Klägerinnen und Appellantinnen in Hamburger Prozessen 1495-1806 Geografische Entfernung der Hamburger Prozessparteien 1495-1806 Entfernung der Hamburger Prozessparteien bei einzelnen Streitgegenständen 1495-1806 Differenzierung der Hamburger Jurisdiktionsprozesse 1495-1806 Differenzierung der Hamburger Familienverbandsprozesse 1495-1806 Geschäftsanfall aus Frankfurt am Reichskammergericht 1495-1806 Verfahrensarten der Frankfurter Prozesse am Reichskammergericht 1495-1806 Gegenstände der Frankfurter Prozesse 1495-1806 Zeitliche Differenzierung der Inanspruchnahme des Reichskammergerichts mit einzelnen Streitgegenständen aus Frankfurt 1495-1599 Dauer der Frankfurter Prozesse 1495-1806 Stichprobe Kaltwassers zur Dauer ausgewählter Frankfurter Prozesse Prozessdauer aller Frankfurter Prozesse (Differenzierung Kaltwassers) Zeitliche Entwicklung der Frankfurter Prozesslängen 1495-1806 Prozesslängen einzelner Frankfurter Streitgegenstände 1495-1806 Soziale Differenzierung der Frankfurter Kläger und Appellanten 1495-1806 Frauen und Witwen als Klägerinnen und Appellantinnen in Frankfurter Prozessen 1495-1806
376 Tabelle 26: Tabelle 27: Tabelle 28: Tabelle 29: Tabelle 30: Tabelle 31: Tabelle 32: Tabelle 33: Tabelle 34: Tabelle 35: Tabelle 36: Tabelle 37: Tabelle 38: Tabelle 39: Tabelle 40: Tabelle 41: Tabelle 42: Tabelle 43: Tabelle 44: Tabelle 45: Tabelle 46: Tabelle 47: Tabelle 48:
Anhang Geografische Entfernung der Frankfurter Prozessparteien 1495-1806 Entfernung der Frankfurter Prozessparteien bei einzelnen Streitgegenständen 1495-1806 Differenzierung der Frankfurter Jurisdiktionsprozesse 1495-1806 Differenzierung der Frankfurter Familienverbandsprozesse 1495-1806 Vergleich des Geschäftsanfalls für Hamburg und Frankfurt 1495-1806 Prozessgegenstände Frankfurts und Hamburgs am Reichskammergericht 1495-1806 Dauer der Prozesse aus Frankfurt und Hamburg am Reichskammergericht 1495-1806 Soziale Differenzierung der Kläger und Appellanten aus Frankfurt und Hamburg am Reichskammergericht 1495-1806 Entfernung der Prozessparteien Frankfurts und Hamburgs am Reichskammergericht 1495-1806 Differenzierung der Hamburger Handels- und Gewerbeprozesse 1495-1806 Differenzierung der Hamburger Geldwirtschaftsprozesse 1495-1806 Differenzierung der Frankfurter Handels- und Gewerbeprozesse 1495-1806 Differenzierung der Frankfurter Geldwirtschaftsprozesse 1495-1806 Zeitliche Differenzierung der Inanspruchnahme des Reichskammergerichts mit einzelnen Streitgegenständen aus Hamburg 1600-1649 Zeitliche Differenzierung der Inanspruchnahme des Reichskammergerichts mit einzelnen Streitgegenständen aus Hamburg 1650-1699 Zeitliche Differenzierung der Inanspruchnahme des Reichskammergerichts mit einzelnen Streitgegenständen aus Hamburg 1700-1749 Zeitliche Differenzierung der Inanspruchnahme des Reichskammergerichts mit einzelnen Streitgegenständen aus Hamburg 1750-1806 Zeitliche Differenzierung der Inanspruchnahme des Reichskammergerichts mit einzelnen Streitgegenständen aus Frankfurt 1600-1649 Zeitliche Differenzierung der Inanspruchnahme des Reichskammergerichts mit einzelnen Streitgegenständen aus Frankfurt 1650-1699 Zeitliche Differenzierung der Inanspruchnahme des Reichskammergerichts mit einzelnen Streitgegenständen aus Frankfurt 1700-1749 Zeitliche Differenzierung der Inanspruchnahme des Reichskammergerichts mit einzelnen Streitgegenständen aus Frankfurt 1750-1806 Entwicklung der Einwohnerzahl Hamburgs Entwicklung der Einwohnerzahl Frankfurts
Anhang Tabelle 49: Tabelle 50: Tabelle 51:
377
Prozesse aus Hamburg und Frankfurt mit Beteiligung von Parteien aus dem Alten Reich Prozesse aus Hamburg und Frankfurt mit Beteiligung von Parteien außerhalb des Alten Reiches Zahl, Rang, Zusammensetzung und Mitgliederstärke der Frankfurter Zünfte im 16. Jahrhundert (1587)
Abbildungen Covermotiv: Institut für Stadtgeschichte Frankfurt a. M., Reichskammergericht: Akten, Prozess Nr. 1090 (Quadr. 43) Es handelt sich um eine der Akte beiliegende kartografische Darstellung, die die Lage der strittigen Metzgerschirn von Johann Lorenz Sonnenmeyer in seiner Auseinandersetzung mit der Metzgerzunft im Frankfurter Handwerksfall M55 abbildet. Sonnenmeyers neuer Laden („C“, grün eingefärbt) befindet sich in prominenter Lage an der Südseite des Kaiserdoms St. Bartholomäus in der Pfaffengasse („D“), gegenüber der Stadtwaage („A“). Die „Alt Schürrnen“ („G“, rot eingefärbt) befinden sich dagegen westlich des Domes zwischen Markt und Krautmarkt. Abbildung 1: Kontakte Hamburger Kläger/Appellanten im Alten Reich 1495-1806 Abbildung 2: Kontakte Frankfurter Kläger/Appellanten im Alten Reich 1495-1806 Abbildung 3: Kontakte Hamburger Kläger/Appellanten außerhalb des Alten Reiches 1495-1806 Abbildung 4: Kontakte Frankfurter Kläger/Appellanten außerhalb des Alten Reiches 1495-1806
378
Anhang
TABELLEN
Die Tabellen 39-46 zeigen die im Text angesprochenen Entwicklungen der zeitlichen Differenzierung der Hamburger und Frankfurter Prozessgegenstände in jeweils vier 50-Jahres-Schritten.1 Tabelle 39: Zeitliche Differenzierung der Inanspruchnahme des Reichskammergerichts mit einzelnen Streitgegenständen aus Hamburg 1600-1649 (253 Prozesse)2 Prozessgegenstand keine Angabe staatl.-hoheitliche Rechte Jurisdiktion Lehnswesen Grundherrschaft Kriminalität Familienverband Grund- und Bodenwirtschaft Geldwirtschaft Handel und Gewerbe
1
2
Anzahl der Prozesse 1 7 27 0 0 15 43 15 92 53
Anteil am gesamten Prozessaufkommen (in %) 0 3 11 0 0 6 17 6 36 21
Der jeweils letzte Zeitabschnitt (1750-1806) ist natürlich etwas größer und umfasst 56 Jahre. Vgl. FREITAG, S. 102.
379
Anhang
Tabelle 40: Zeitliche Differenzierung der Inanspruchnahme des Reichskammergerichts mit einzelnen Streitgegenständen aus Hamburg 1650-1699 (319 Prozesse)3 Prozessgegenstand keine Angabe staatl.-hoheitliche Rechte Jurisdiktion Lehnswesen Grundherrschaft Kriminalität Familienverband Grund- und Bodenwirtschaft Geldwirtschaft Handel und Gewerbe
Anzahl der Prozesse 3 3 64 0 0 8 59 10 119 53
Anteil am gesamten Prozessaufkommen (in %) 1 1 20 0 0 3 18 3 37 17
Tabelle 41: Zeitliche Differenzierung der Inanspruchnahme des Reichskammergerichts mit einzelnen Streitgegenständen aus Hamburg 1700-1749 (151 Prozesse)4 Prozessgegenstand keine Angabe staatl.-hoheitliche Rechte Jurisdiktion Lehnswesen Grundherrschaft Kriminalität Familienverband Grund- und Bodenwirtschaft Geldwirtschaft Handel und Gewerbe
3 4
Vgl. FREITAG, S. 102. Vgl. FREITAG, S. 103.
Anzahl der Prozesse 0 3 13 0 0 11 37 7 59 21
Anteil am gesamten Prozessaufkommen (in %) 0 2 9 0 0 7 25 5 38 14
380
Anhang
Tabelle 42: Zeitliche Differenzierung der Inanspruchnahme des Reichskammergerichts mit einzelnen Streitgegenständen aus Hamburg 1750-1806 (361 Prozesse)5 Prozessgegenstand keine Angabe staatl.-hoheitliche Rechte Jurisdiktion Lehnswesen Grundherrschaft Kriminalität Familienverband Grund- und Bodenwirtschaft Geldwirtschaft Handel und Gewerbe
Anzahl der Prozesse 2 11 22 0 1 4 72 18 116 115
Anteil am gesamten Prozessaufkommen (in %) 1 3 6 0 0 1 20 5 32 32
Tabelle 43: Zeitliche Differenzierung der Inanspruchnahme des Reichskammergerichts mit einzelnen Streitgegenständen aus Frankfurt 1600-1649 (312 Prozesse) Prozessgegenstand keine Angabe staatl.-hoheitliche Rechte Jurisdiktion Lehnswesen Grundherrschaft Kriminalität Familienverband Grund- und Bodenwirtschaft Geldwirtschaft Handel und Gewerbe
5
Anzahl der Prozesse 0 9 25 1 1 16 65 3 150 42
Anteil am gesamten Prozessaufkommen (in %) 0 3 8 0 0 5 21 1 49 13
Vgl. FREITAG, S. 103. In der Kategorie Grundherrschaft gibt es einen Fall, der aber nur 0,27 % Anteil am gesamten Hamburger Prozessaufkommen in diesem Zeitraum hat, so dass hier den Rundungsregeln entsprechend auf 0 abgerundet wird. Bei den noch folgenden Frankfurter Tabellen ist entsprechend verfahren worden.
381
Anhang
Tabelle 44: Zeitliche Differenzierung der Inanspruchnahme des Reichskammergerichts mit einzelnen Streitgegenständen aus Frankfurt 1650-1699 (303 Prozesse) Prozessgegenstand keine Angabe staatl.-hoheitliche Rechte Jurisdiktion Lehnswesen Grundherrschaft Kriminalität Familienverband Grund- und Bodenwirtschaft Geldwirtschaft Handel und Gewerbe
Anzahl der Prozesse 0 8 31 0 0 14 73 2 144 31
Anteil am gesamten Prozessaufkommen (in %) 0 3 10 0 0 5 24 1 47 10
Tabelle 45: Zeitliche Differenzierung der Inanspruchnahme des Reichskammergerichts mit einzelnen Streitgegenständen aus Frankfurt 1700-1749 (383 Prozesse) Prozessgegenstand keine Angabe staatl.-hoheitliche Rechte Jurisdiktion Lehnswesen Grundherrschaft Kriminalität Familienverband Grund- und Bodenwirtschaft Geldwirtschaft Handel und Gewerbe
Anzahl der Prozesse 0 7 35 0 2 12 82 7 195 43
Anteil am gesamten Prozessaufkommen (in %) 0 2 9 0 1 3 21 2 51 11
382
Anhang
Tabelle 46: Zeitliche Differenzierung der Inanspruchnahme des Reichskammergerichts mit einzelnen Streitgegenständen aus Frankfurt 1750-1806 (310 Prozesse) Prozessgegenstand
Anzahl der Prozesse
keine Angabe staatl.-hoheitliche Rechte Jurisdiktion Lehnswesen Grundherrschaft Kriminalität Familienverband Grund- und Bodenwirtschaft Geldwirtschaft Handel und Gewerbe
3 18 22 0 3 11 63 17 124 49
Anteil am gesamten Prozessaufkommen (in %) 1 6 7 0 1 4 20 5 40 16
Tabelle 47: Entwicklung der Einwohnerzahl Hamburgs6
6
Jahr
Einwohner
1300
5.000
1350
10.000
nach der Pest von 1350
4.000
1450
16.000
1500
14.000
1550
20.000
1600
36.000-40.000
1700
60.000
1750
90.000
1800
115.000
Zusammengestellt anhand der Angaben aus KLESSMANN, S. 65 f., 114, 123, 165, 246. Vgl. auch H. REINCKE, Hamburgs Bevölkerung, in: H. REINCKE, Forschungen und Skizzen zur hamburgischen Geschichte (Veröffentlichungen aus dem Staatsarchiv der Hansestadt Hamburg, 3), Hamburg 1951, S. 167-200. Für den Rückgang der Einwohnerzahlen zwischen 1450 und 1500 waren erneute Pestwellen (1464 und 1484) sowie eine Pockenepidemie (1487) verantwortlich.
383
Anhang
Tabelle 48: Entwicklung der Einwohnerzahl Frankfurts7 Jahr
Einwohner
1385
ca. 10.000
1500
ca. 10.000-12.000
1555
ca. 12.000-14.000
1620
20.000
1655
17.000
1700
ca. 32.000
1800
ca. 40.000
Tabelle 49: Prozesse aus Hamburg und Frankfurt mit Beteiligung von Parteien aus dem Alten Reich Hinweis: Wegen der großen Anzahl der Kontakte kann in den Karten (um die Übersichtlich- und Nachvollziehbarkeit zu erhalten) nur eine Auswahl der gesamten Kontakte dargestellt werden. Alle Orte mit drei oder mehr Kontakten im gesamten Untersuchungszeitraum sind ausnahmslos vertreten; hinzu gesellt sich eine repräsentative Auswahl an Kontakten mit Orten, die im Untersuchungszeitraum nur ein- oder zweimal vertreten sind. Heutige Stadtteile Frankfurts und Hamburgs, die im Untersuchungszeitraum noch eigenständige Ortschaften darstellten sind im Kartenausschnitt zu sehen und in der Tabelle mit „(F)“ und „(H)“ gekennzeichnet. Aus Platzgründen muss die Einzelverzeichnung der Städte getrennt nach Jahrhunderten entfallen.
Frankfurt
7
Gesamtkontakte einzelner Städte - Aachen 10 - Alsfeld 3 - Altenhauslau 1 - Altona 1 - Alzey 1 - Apolda 1 - Arnsburg 1 - Arolsen 1
Gesamtanzahl der Kontakte
BUND, S. 66 ff. SCHINDLING, S. 209. DUCHHARDT, Frankfurt am Main, S. 261, 297. KALTWASSER, S. 34. KLÖTZER, S. 305. Die Zahl für das Jahr 1800 gibt nur die Stadtbevölkerung an, in den der Stadt gehörenden Dörfern (Nieder- und Oberrad, Bornheim, Hausen, Bonames, Dortelweil, Nieder-Erlenbach und Niederursel) leben nochmals ca. 5.000 bis 6.000 Personen.
384
Anhang -
Aschaffenburg 2 Augsburg 17 Baden 1 Bamberg 3 Bauberg 1 Bautzen 1 Bergen-Enkheim 4 (F) Bingen 4 Bingenheim 2 Birkenfeld 1 Birstein 1 Blomenhoff 2 Bockenheim 1 (F) Bodenwerder (Hameln) 1 Bonn 3 Bornheim 2 (F) Braunfels 1 Braunschweig 1 Bremen 8 Breslau 3 Bronnbach 1 Bruchsal 1 Büdingen 8 Burggrävenrode 2 Büttel (Gft. Oldenburg) 1 Calw (Württemberg) 1 Cerda (Hessen/Rheinfels) 1 Cham (Oberpfalz) 1 Cheneux (Limburg) 1 Coburg 1 Dambach 2 Dannenberg 1 Darmstadt 14 Diedenbergen 1 Dieringen 3 Diez 2 Dillenburg 1 Dinkelsbühl 2 Dorfelden 1 Dortelweil 3 (Bad Vilbel) Duisburg 1 Durlach 2 Ehrenbreitstein 2 Eisenach 2 Eisleben 1 Elberfeld 2 Ellfeld 1
867 pro Jahrhundert: 15.: 17 16.: 249 17.: 328 18.: 261 19.: 12 16. Jh. 17. Jh.: Zunahme der Kontakte und breitere Streuung 17. Jh. 18. Jh.: Abnahme der Kontakte bei gleich bleibender Streuung
Anhang -
Engeltal (Mainz) 1 Eppstein 4 Erfurt 5 Erlabrunn 1 Eschborn 1 Eupen 1 Eysseneck 1 Faimingen 1 Falkenburg 1 Frankenberg 1 Frankenthal 1 Freienstein 1 Freudstein 1 Friedberg 11 Fritzlar 2 Fulda 2 Fürth 2 Geisenheim 1 Gelnhausen 6 Gera 1 Gießen 3 Gonzenheim 1 Görlitz 1 Gotha 1 Griesheim 1 Gronau 1 Groß Karben 1 Groß-Gerau 1 Groß-Glogau 1 Gudensberg 1 Guntersblum 1 Hagenau 1 Haina 1 Halle (Westfalen?) 2 Hamburg 17 Hanau 53 Hannover 3 Heidelberg 14 Heidenheim 2 Heidesheim 1 Heidingsfeld (Würzburg) 5 Heilbronn 3 Herborn 3 Herbstein 1 Herrenstrunden 1 Hersfeld 1 Heusenstamm 1
385
386
Anhang -
Hildburghausen 2 Hildesheim 2 Hirschfeld1 Hochdorf 1 Höchst 6 (F) Hochstadt 1 Hoheneybach 1 Hztm. Hessen 1 Idstein 5 Isenburg 2 Iserlohn 1 Isny (Allgäu) 1 Jena 2 Kaisersberg 1 Kassel 3 Kirchberg (Hunsrück) 1 Kirchheimbolanden 2 Klein Karben 1 Kleinheubach 1 Kloppenheim (bei Friedberg) 1 Koblenz 3 Köln 74 Königshofen 1 Königstein 2 Konstanz 2 Kreuznach 2 Kronberg 4 Kuchenheim (bei Euskirchen) 1 Laasphe (Westfalen) 1 Landau 4 Landsberg a.d. Warthe 1 Laufen 1 Lauterbach 1 Leipzig 18 Lemgo 1 Leun über Wetzlar 1 Lich 1 Linz 1 Lorch 1 Lübeck 6 Lüneburg 1 Magdeburg 1 Mainz 53 Mannheim 7 Marburg 3 Markstett 1 Marwitz/Hirschfeld 1
Anhang -
Mergentheim 5 Milching[en] 2 Miltenberg 2 Minden 1 Moers 1 Mömpelgard (Montbéliard) 1 Monsheim 1 Moosbach (Pfalz) 1 Mörfelden 1 Moßbach (bei Wiesbaden) 1 Mühlhausen 1 Münster 3 Münzenberg 3 Namslau 1 Nassau 3 Neuburg (Württemberg) 1 Neuenstein 1 Neuhof (Fulda) 1 Neuleiningen (Pfalz) 3 Neustadt 1 Neustadt a.d. Haardt 2 Neuwied 3 Niederbrechen 5 Nieder-Erlenbach 13 (F) Niederrad 1 (F) Nordhausen 1 Nürnberg 30 Oberissigheim (Darmstadt) 1 Oberkotzau (bei Hof) 1 Oberrad 2 (F) Oberroßbach 2 Oberseemen (Vogelsberg) 1 Obertoden 1 Oberursel 2 (F) Offenau 1 Offenbach 4 Offenburg 1 Okriftle 1 Oppenheim 8 Oranienstein 1 Ortenberg 4 Pforzheim 1 Philippsburg 1 Plurs (Pleurs) 1 Posen 1 Prag 3 Quedlinburg 1
387
388
Anhang -
Randersacker (bei Würzburg) 1 Rastatt 1 Rauschenberg 1 Regensburg 1 Reiffenberg 2 Reisach 1 Rieneck 1 Rödelheim 5 (F) Rodheim (Gft. Nidda) 1 Roßbach 2 Rostock 1 Salzufflen 1 Schifferstadt 2 Schorrenburg 1 Schwäbisch Hall 1 Schwallbach 2 Schwanau 1 Seckbach 1 Sesenheim 1 Siegen 4 Slam-Grumbach 1 Soden 3 Soest 1 Solms 2 Speyer 34 Sprendlingen 2 Staden 1 Stettin 1 Stuttgart 7 Sulzbach 1 Treisa 1 Trier 3 Tübingen 1 Ulm 4 Umstadt 2 Unna 1 Usingen 4 Viermünden 1 Vitzum 1 Volkmarsen 2 Walbronn 1 Waldorf 1 Wallau (Herrschaft Eppstein) 1 Wallbrunn 2 Weilbach 1 Weilburg 2 Weissenburg 1
389
Anhang
Hamburg
-
Wenkheim 1 Wertheim 6 Wesel 3 Wesen 1 Wetzlar 25 Wicker 1 Wien 7 Wiesbaden 6 Wildenburg 1 Wilmersdorf 2 Windsheim 1 Wintersheim 1 Wolkenstein 1 Worms 33 Würzburg 4 Zell a. Hamersbach 1 Zerbst 1 Ahrensburg 1 Altengamme 2 (H) Altona 23 (H) Anhalt-Bernburg 1 Barmbek 1 (H) Basthorst (bei Mölln) 1 Bergedorf 4 (H) Berlin 3 Billwerder 8 (H) Bleckede 2 Boizenburg (Elbe) 1 Bordesholm 1 Borstel (Holstein) 1 Bramstedt 3 Braunschweig 11 Breitenburg (bei Itzehoe) 1 Bremen 7 Breslau 2 Buxtehude 5 Curslack 1 Dannenberg (Lauenburg)1 Dettingen (Unterfranken) 1 Dresden 2 Duderstadt 1 Ebstorf (bei Lüneburg) 1 Eckernförde 1 Eimsbüttel 2 (H) Emden 2 Erfurt 3 Eutin 2
386 pro Jahrhundert: 15.: 1 16.: 120 17.: 143 18.: 113 19.: 9 ähnlich wie zu Frankfurt: 16. Jh. 17. Jh.: Zunahme der Kontakte und breitere Streuung 17. Jh. 18. Jh.: Abnahme der Kontakte bei gleichbleibender Streuung Aber: Gesamtzahl der Kontakte deutlich niedriger, v.a., da viele dieser Fälle mit auswärtiger Beteiligung von in Hamburg ansässigen Geschäftspartnern geregelt werden
390
Anhang -
Finkenwerder 1 (H) Flensburg 1 Frankfurt 8 Friedrichsort (bei Kiel) 1 Gft. Holstein/ Schauenburg/ Sternberg 5 Glückstadt 10 Gotha 1 Göttingen 2 Groden 1 Grünholf (bei Eckernförde) 2 Hadeln 2 Hadersleben 2 Halberstadt 2 Hamm 3 (H) Hammerbrook 1 (H) Hannover 5 Harburg 2 Heiligenhafen 1 Hildesheim 4 Hohendorn (Lauenburg) 1 Holstein 1 Horn 2 Hztm. ? Lauenburg 1 Hztm. Anhalt 1 Hztm. Braunschweig-Lüneburg 3 Hztm. Gottorf 2 Hztm. Holstein 6 Hztm. Mecklenburg 1 Hztm. Mecklenburg-Strelitz 2 Hztm. Sachsen-Lauenburg 5 Itzehoe 2 KFtm Braunschweig 1 KFtm Sachsen 1 Kiel 2 Kirchwerder 1 Köln 6 Krempe 1 Langenhorn (bei Brestedt in Schleswig) 1 Lauenburg 5 Leipzig 3 Limmer (bei Hannover) 1 Lübeck 53 Lüneburg 17 Magdeburg 4 Marburg 1
Anhang -
Marschacht (bei Winsen) 1 Marutendorf 1 Michelstadt 1 Minden 2 Molzen (Lüneburg) 1 Moorburg 1 (H) Moorwerder 1 (H) Mühlhausen (Thüringen) 1 Münster 2 Neuengamme 4 (H) Neustrelitz 1 Nienstedten 3 (H) Ochsenwerder 3 (H) Oldenburg 1 Parchim 2 Pfalz-Zweibbrücken 1 Plön 1 Quarnbek (bei Kiel) 1 Ratzeburg 3 Rehna 1 Reinbek 2 Rinteln 1 Ritzebüttel 6 Salzwedel (BraunschweigLüneburg) 1 Sandbek (bei Kiel) 1 Schiffbeck 2 Schlesien 1 Schleswig 2 Schönbek (bei Kiel) 1 Schulenburg (bei Oldesloe) 1 Schwartau 1 Seedorf (Holstein) 1 Seestermühle 1 Segeberg 1 Spadenland 3 (H) Speyer 14 Sprakensehl (Gifthorn) 1 Stade 3 Stadthagen 1 Stapelholm 1 Steinbek 3 Stettin 4 Suhl 2 Tatenberg 1 Trittau 2 Uelzen 1
391
392
Anhang -
Vedell (Pinneberg) 1 Verden 1 Vlotho 1 Volksdorf 1 (H) Wandsbek 6 (H) Wetzlar 7 Wien 1 Winterhude 2 (H) Wismar 1 Wohldorf 2 (H)
Gesamtzahl der Kontakte
1.253
Tabelle 50: Prozesse aus Hamburg und Frankfurt mit Beteiligung von Parteien außerhalb des Alten Reiches Hinweis: Städte, die während des Betrachtungszeitraumes zeitweise auch zum Reich gehörten, sind der Einfachheit halber dennoch über den gesamten Zeitraum mit aufgeführt (z. B.: Metz, Basel, Straßburg). Aus Platzgründen muss die Einzelverzeichnung der Städte getrennt nach Jahrhunderten entfallen.
Frankfurt
Gesamtkontakte einzelner Städte - Amsterdam 22 - Antwerpen 18 - Basel 11 - Bassano 1 - Bern 1 - Besancon 2 - Cambrai 1 - Como 1 - Danzig 1 - Florenz 2 - Genf 2 - Genua 1 - Leiden 1 - Lille 1 - London 2 - Lüttich 1 - Lyon 6 - Maastricht 1 - Mailand 2 - Metz 8 - Obenthon 1 - Paris 4
Gesamtanzahl der Kontakte 145 dazu: 1x Lothringen (17. Jh.) 2x Portugal (16. Jh.) 2x Polen (je 1x 17. u. 18. Jh.) 150 Obenthon wird auf der Karte unter „Frankreich“ eingeordnet
393
Anhang
Hamburg
Gesamtzahl der Kontakte
- Ripaille 1 - Rotterdam 1 - Rouen 1 - Savigny 1 - St. Nicolas de Port 4 - Straßburg 35 - Thorn 1 - Tourcoing 1 - Tournai 2 - Utrecht 1 - Vallon 1 - Venedig 2 - Vervier 1 - Wakefield 1 - Zürich 2 - Amsterdam 22 - Antwerpen 5 - Archangelsk 1 - Barbados 1 - Batavia 1 - Cadiz 1 - Danzig 3 - Gent 1 - Göteborg 1 - Harlem 1 - Karlskrona 1 - Königsberg 1 - Kopenhagen 6 - Kristianstadt 1 - Leiden 1 - London 10 - Malaga 4 - Nantes 1 - Paris 1 - Porto 1 - Posen 1 - Rotterdam 2 - San Sebastian 1 - Stockholm 1 - Straßburg 1 - Utrecht 1 - Venedig 1 - Yarmouth 1 + 2x Portugal, 1x Lothringen, 5x Dänemark, Schottland 1x u. 2x Polen
73 Dazu: 5x Dänemark (4x16. Jh., 1x17. Jh.) 1x Schottland (17. Jh.) 79
218+11 16. Jh.: 59 17. Jh.: 107 18. Jh.: 48 19. Jh.: 4
394
Anhang
Tabelle 51: Zahl, Rang, Zusammensetzung und Mitgliederstärke der Frankfurter Zünfte im 16. Jahrhundert (1587)8 Zunft
8
Wollweber
8
Anteil an der zünftigen Bevölkerung in % 1
Metzger Schmiede
54 80
3 4
Bäcker Schuhmacher Kürschner Gerber Gärtner (Häcker) Fischer Schneider
57 65 10 9 192 49 102
3 4 1 1 11 3 6
Bender Leinweber Zimmerleute Scherer (Barbiere)
74 28 29 31
4 2 2 2
Steinmetze Sackträger Weinschröter Steindecker Weitere kooperierte Handwerksgenossenschaften: Schreiner Säckler
42 11 18 29
2 1 1 2
62 33
3 2
Bader Hutmacher Sattler Seiler Heinzler Händler und Krämer mit 219 Angehörigen und Posamentierer mit 236
8 6 14 10 51
1 1 1 1 3
Tabelle bei WESOLY, S. 395.
Mitglieder
Zugeordnete Handwerker (in der Gesamtzahl enthalten) 3 Färber, 1 Textilhilfsgewerbe Alle Metallhandwerke; Holzschuhmacher 3 Müller
5 Tuchscherer, 3 Seidensticker 16 Barchentweber 14 Bierbrauer (nach 1586 erhalten die Barbiere eine eigene Ordnung) 23 Maurer, 5 Hafner
11 Weißgerber und 8 Nestler
Anhang
ABBILDUNGEN Abb. 1: Kontakte Hamburger Kläger/Appellanten im Alten Reich 1495-18069
9
Erläuterungen zur Karte im Text (Kapitel II.2).
395
396
Anhang Abb. 2: Kontakte Frankfurter Kläger/Appellanten im Alten Reich 1495-180610
10
Erläuterungen zur Karte im Text (Kapitel II.3).
Anhang
397
Abb. 3: Kontakte Hamburger Kläger/Appellanten außerhalb des Alten Reiches 1495-180611
11
Erläuterungen zur Karte im Text (Kapitel III.1).
398
Anhang
Abb. 4: Kontakte Frankfurter Kläger/Appellanten außerhalb des Alten Reiches 1495-180612
12
Erläuterungen zur Karte im Text (Kapitel III.1).
399
Anhang
QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS
Nichtgedruckte Quellen Bürgerbücher der Stadt Frankfurt (auch auf Mikrofich), 1312-1868, Bd. 4-22 (1440-1500 – 1803-1809), Ergänzung durch Bd. 40 (1562-1635) und Bd. 41 (1598-1684) sowie Bd. 42 (Beisassenbuch 1778-1816). Hans Schenk (Bearb.), Reichskammergericht (Bestand AR 1). Urteilsbücher. Datenbank (Disketten) und Begleitheft (Findbücher zu den Beständen des Bundesarchivs, 52), Koblenz 1995. Bernd Schildt u. a. (Bearb.), Prozessdatenbanken des Reichskammergerichts zu Hamburg und Frankfurt, Veröffentlichung steht noch aus. Prozessakten des Reichskammergerichts des Instituts für Stadtgeschichte Frankfurt und des Staatsarchivs Hamburg (die hier genannten Akten wurden z. T. nach den Angaben in den Findbüchern für eine nähere Untersuchung ausgewählt, erwiesen sich aber in mehreren Fällen für den weiteren Gebrauch z. B. wegen des wenig aussagekräftigen Materials als ungeeignet, weswegen sie im Text der Arbeit nicht explizit erwähnt werden): Institut für Stadtgeschichte A6 A9 A10 A11 A12 A13 A18 A19 A21 A22 A23 A32 A34 A35 A36 A37 A40
Staatsarchiv A16 A22 B1a B1b B19 B58 B70 B95 B96 B111 B115 B116 B123 C11 C12 C14 C15
Institut für Stadtgeschichte B1 B2 B3 B9 B10 B12 B17 extrajud. B19 B21 B22 B23 B24 B25 B27 extrajud. B28 B29 B38
Staatsarchiv C22 D2 D5 D6 D11 E10 E31 E32 E33 E39 E41 F6 F27 F31 F32 G6 G11
400 Institut für Stadtgeschichte B46 B47 B49 B57 B60 B69 B76 B86 B89 B100 B101 B102 B104 B107 B110 B113 B120 B121 B122 B138 B151 B153/1 B155 B161 B164 B169 B174 B175 B176 B179 B180 C6 C9 C28 D5 D9 D10 D11 D19 D21 D31 E15 E24 E25 E28 E31
Anhang Staatsarchiv G34 G36 G42 G43 H4 H11 H12 H14 H15 H16 H33 H35 H36 H37 H43 H46 H54 H55 H56 H57 H58 H59 H60 H61 H62 H63 H64 H65 H66 H70 H73 H80 H81 H108 H143 H148 H153 H154 H179 H186 H181 J23 J33 J36 J37 J38
Institut für Stadtgeschichte E36 F5 F6 F13 F15a F17 F19 F20 F24 F26 F29 F30 F31 F33 F35 F44 F45 F50 F54 F58 F60 F61 F63 F64 F65 F66 F84 F85 F89 F95 F98 F100 F104 G1 G10 G13 G20 G21 G24 G30 G35 G36 G41 G43 G44 G45
Staatsarchiv J47 K1 K20 K29 K30a K31 K32 K35 K41 K43 K44 K46 K47 K59 K62 K63 K70 K72 K73 L12 L13 L14 L15 L35 L37 L38 L47 L63 L64 M46 M50 M67 M68 M69 M88 M93 N4 O8 O10 O15 P14 P15 R27 R39 R56 R58
401
Anhang Institut für Stadtgeschichte G46 G47 G59 G65 G68 G77 G80 H1 H5 H12 H13 H15 H17 H23 H44 H62 H72 H77 H79 H85 H86 H87 H92 J4 J5 J8 J9 J10 J40 J43 J63 J65 J67 J68 J76 J94 J114 J123 J125 J127 J140 J142 J143 J144 J145 J149
Staatsarchiv R59 R60 S15 S18 S21 S22 S44 S71 S73 S78 S79 S80 S94 S115 S132 S150 S151 S155 S156 S160 S161 S162 S184 T9 T10a T10b T20 T27 T29 T31 U1 V3 V6 V11 V14 V17 W4 W5 W28 W29 W34 W53 W55 W56 Z1 Z2
Institut für Stadtgeschichte J153 J157 J160 J162 J166 J167 J178 J191 J192 J194 J213 J214 J229 J240 J247 J254 J258 J274 J275 J277 J278 K1 K13 K17 K19 K42 K43 K44 K63 K70 K72 K83 K90 K94 L10 L26 L27 L31 L44 L45 L50 M1b M2 M4 M17 M29
Staatsarchiv Nachtrag I/6 Nachtrag I/7 Nachtrag I/11 Nachtrag I/12 Nachtrag I/13 Nachtrag I/24 Nachtrag I/31 Nachtrag II/6 Nachtrag III/8 Nachtrag III/20 Nachtrag III/28 Nachtrag III/36 Nachtrag III/38
Institut für Stadtgeschichte M33 M54 M55 M56 M60 M62 N2 N5 N8 N10 N19 N26 N27 N30 N35 O2 O3 P9 P21 P22 P30 P48 P51 R8 R22 R23 R26 R27 R35
402 Institut für Stadtgeschichte R42 R53 R55 R56 S9 S10 S11 S14 S35 S40 S49 S56 S80 S84 S85 S93 S94 S102 S116 S119
Anhang Institut für Stadtgeschichte S120 S124 S126 S135 S139 S143 S146 S150 S153 S157 S162 S173 S187 T3 T6 T7 T8 T10 T11 T12
Institut für Stadtgeschichte T21 U4 V3 (1512) V8 V9 V12 V13 V14 V15 W23 W25 W26 W27 W34 W39 W44
Institut für Stadtgeschichte W45 W53 W58 W59 W62 W65 W67 W70 W72 W73 W98 W99 Z14 Z15 Z16 Z7
Gedruckte Quellen Dietrich Andernacht, Otto Stamm (Hrsg.), Die Bürgerbücher der Reichsstadt Frankfurt 1311-1400 und das Einwohnerverzeichnis von 1387 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission der Stadt Frankfurt am Main, 12), Frankfurt a. M. 1955. Dietrich Andernacht, Regesten zur Geschichte der Juden in der Reichsstadt Frankfurt am Main von 1401-1519 (Forschungen zur Geschichte der Juden, Abteilung B: Quellen), Teil 3, Die Regesten der Jahre 1496-1519, Hannover 1996. Ernst Baasch (Hrsg.), Quellen zur Geschichte von Hamburgs Handel und Schiffahrt im 17., 18. und 19. Jahrhundert, Hamburg 1910. Karl Bücher, Benno Schmidt (Hrsg.), Frankfurter Amts- und Zunfturkunden bis zum Jahre 1612 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission der Stadt Frankfurt a. M., VI), 2 Bde., Frankfurt a. M. 1914. Konrad Bund, 1436-1986. 550 Jahre Stadtarchiv Frankfurt am Main. Eine Kurzübersicht über seine Bestände (Mitteilungen aus dem Frankfurter Stadtarchiv, 3), Frankfurt a. M. 1986.
Anhang
403
Paul Flamme, Peter Gabrielsson, Klaus-Joachim Lorenzen-Schmidt (Hrsg.), Kommentierte Übersicht über die Bestände des Staatsarchivs der Freien und Hansestadt Hamburg, 2. Aufl., Hamburg 1999. Hamburgisches Geschlechterbuch. Genealogisches Handbuch bürgerlicher Familien, 1-10, Görlitz-Limburg a. d. Lahn 1910-1962. Rudolf Jung, Das Frankfurter Stadtarchiv. Seine Bestände und seine Geschichte (Veröffentlichungen der Historischen Kommission der Stadt Frankfurt a. M., 1), Frankfurt a. M. 1909. Inge Kaltwasser (Bearb.), Inventar der Akten des Reichskammergerichts 14951806. Frankfurter Bestand (Veröffentlichungen der Frankfurter Historischen Kommission, 21), Frankfurt a. M. 2000. Claudia Kauertz (Bearb.), Die Akten des Reichskammergerichts im Hauptstaatsarchiv Hannover: Hochstift Hildesheim und benachbarte Territorien 1495-1806 (Inventar der Akten des Reichskammergerichts, 30), Hannover 2009. Otto-Ernst Krawehl, Frank Schulenburg (Bearb.), Statistik des Hamburger seewärtigen Einfuhrhandels im 18. Jahrhundert – nach den Admiralitätsund Convoygeld-Einnahmebüchern (Quellen und Forschungen zur Historischen Statistik von Deutschland, 20), St. Katharinen 2001. Otto Graf von Looz-Corswarem, Hellmuth Scheidt (Bearb.), Repertorium der Akten des Reichskammergerichts im Staatsarchiv Koblenz (Veröffentlichungen der Landesarchivverwaltung Rheinland-Pfalz, 1), Koblenz 1957. Peter Oestmann (Bearb.), Ein Zivilprozeß am Reichskammergericht. Edition einer Gerichtsakte aus dem 18. Jahrhundert (Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, 55), Köln-Weimar-Wien 2009. Otto Rüdiger (Bearb.), Die ältesten Hamburgischen Zunftrollen und Brüderschaftsstatuten (hg. von Bürgermeister Kellinghusen’s Stiftung), Hamburg 1874. Otto Rüdiger (Bearb.), Ältere Hamburgische und Hansestädtische Handwerksgesellendocumente. Nachtrag zu den „Ältesten Hamburgischen Zunftrollen und Brüderschaftsstatuten“ (Separatabdruck aus der Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte, Bd. 6), Hamburg 1875. Hans-Konrad Stein-Stegemann (Bearb.), Findbuch der Reichskammergerichtsakten im Archiv der Hansestadt Lübeck, 2 Bände (Veröffentlichungen des Schleswig-Holsteinischen Landesarchivs, 18 = Inventar der Akten des Reichskammergerichts, 13), Schleswig 1987. Hans-Konrad Stein-Stegemann (Bearb.), Findbuch der Reichskammergerichtsakten im Staatsarchiv Hamburg, 4 Teile (Veröffentlichungen aus dem Staatsarchiv der Freien und Hansestadt Hamburg, XIII = Inventar der Akten des Reichskammergerichts, 21), Hamburg 1993-95.
404
Anhang
Literatur Anja Amend, Gerichtslandschaft Altes Reich im Spiegel einer Wechselbürgschaft, in: Anja Amend, Anette Baumann, Stephan Wendehorst, Siegrid Westphal (Hrsg.), Gerichtslandschaft Altes Reich. Höchste Gerichtsbarkeit und territoriale Rechtsprechung (Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, 52), Köln-Weimar-Wien 2007, S. 7-15. Anja Amend, Anette Baumann, Stephan Wendehorst, Siegrid Westphal (Hrsg.), Gerichtslandschaft Altes Reich. Höchste Gerichtsbarkeit und territoriale Rechtsprechung (Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, 52), Köln-Weimar-Wien 2007. Anja Amend, Die Inanspruchnahme von Juristenfakultäten in der Frankfurter Rechtsprechung. Zur Rolle der Spruchkollegien auf territorialer Ebene und ihre Bedeutung für das Reich, in: Anja Amend, Anette Baumann, Stephan Wendehorst, Steffen Wunderlich (Hrsg.), Die Reichsstadt Frankfurt als Rechts- und Gerichtslandschaft im Römisch-Deutschen Reich (Bibliothek Altes Reich, 3), München 2008, S. 77-96. Anja Amend, Anette Baumann, Stephan Wendehorst, Steffen Wunderlich, Recht und Gericht im frühneuzeitlichen Frankfurt zwischen der Vielfalt der Vormoderne und der Einheit der Moderne. Einleitung, in: Anja Amend, Anette Baumann, Stephan Wendehorst, Steffen Wunderlich (Hrsg.), Die Reichsstadt Frankfurt als Rechts- und Gerichtslandschaft im RömischDeutschen Reich (Bibliothek Altes Reich, 3), München 2008, S. 9-13. Anja Amend, Anette Baumann, Stephan Wendehorst, Steffen Wunderlich (Hrsg.), Die Reichsstadt Frankfurt als Rechts- und Gerichtslandschaft im Römisch-Deutschen Reich (Bibliothek Altes Reich, 3), München 2008. Anja Amend-Traut, Die Spruchpraxis der höchsten Reichsgerichte im römischdeutschen Reich und ihre Bedeutung für die Privatrechtsgeschichte (Schriftenreihe der Gesellschaft für Reichskammergerichtsforschung, 36), Wetzlar 2008. Anja Amend-Traut, Wechselverbindlichkeiten vor dem Reichskammergericht. Praktiziertes Zivilrecht in der Frühen Neuzeit (Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, 54), Köln-Weimar-Wien 2009. Anja Amend-Traut, Brentano, Fugger und Konsorten – Handelsgesellschaften vor dem Reichskammergericht (Schriftenreihe der Gesellschaft für Reichskammergerichtsforschung, 37), Wetzlar 2009. Heinz Angermeier, Die Vorstellung des gemeinen Mannes von Staat und Reich im deutschen Bauernkrieg (VSWG 53, 1966), in: Heinz Angermeier, Das alte Reich in der deutschen Geschichte. Studien über Kontinuitäten und Zäsuren, München 1991, S. 341-354.
Anhang
405
Heinz Angermeier, Der Wormser Reichstag 1495 in der politischen Konzeption König Maximilians I. (Schriften des Historischen Kollegs 1, 1982), in: Heinz Angermeier, Das alte Reich in der deutschen Geschichte. Studien über Kontinuitäten und Zäsuren, München 1991, S. 229-243. Heinz Angermeier, Das alte Reich in der deutschen Geschichte. Studien über Kontinuitäten und Zäsuren, München 1991. Karl Otmar von Aretin, Kaiser Joseph II. und die Reichskammergerichtsvisitation 1766-1776 (Schriftenreihe der Gesellschaft für Reichskammergerichtsforschung, 11), Wetzlar 1991. Karl Otmar von Aretin, Das Alte Reich 1648-1806, 4 Bände, Stuttgart 19932000. Gerd Augner, Die kaiserliche Kommission der Jahre 1708-1712. Hamburgs Beziehungen zu Kaiser und Reich zu Anfang des 18. Jahrhunderts (Beiträge zur Geschichte Hamburgs, 23), Hamburg 1983. Ernst Baasch, Die Islandfahrt der Deutschen, namentlich der Hamburger, vom 15.-17. Jahrhundert (Forschungen zur hamburgischen Handelsgeschichte, 1), Hamburg 1889. Ernst Baasch, Hamburgs Seeschiffahrt und Warenhandel vom Ende des 16. bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts, in: ZVHG 9/1894, S. 295 ff. Ernst Baasch, Hamburgs Convoyschiffahrt und Convoywesen. Ein Beitrag zur Geschichte der Schiffahrt und Schiffahrtseinrichtungen im 17. und 18. Jahrhundert, Hamburg 1896. Ernst Baasch, Die Börtfahrt zwischen Hamburg, Bremen und Holland (Forschungen zur hamburgischen Handelsgeschichte, 2), Hamburg 1898. Ernst Baasch, Die Organisation des alten Land-, Fuhr- und Frachtwesens in Hamburg (Forschungen zur hamburgischen Handelsgeschichte, 3,1), Hamburg 1902. Ernst Baasch, Die hamburgischen Waren-Auktionen vor der Einführung der Reichs-Gewerbe-Ordnung (Forschungen zur hamburgischen Handelsgeschichte, 3,2), Hamburg 1902. Ernst Baasch, Geschichte des hamburgischen Waren-Preiskourant (Forschungen zur hamburgischen Handelsgeschichte, 3,3), Hamburg 1902. Ernst Baasch (Hrsg.), Quellen zur Geschichte von Hamburgs Handel und Schiffahrt im 17., 18. und 19. Jahrhundert, Hamburg 1910. Ernst Baasch, Zur Statistik des Ein- und Ausfuhrhandels Hamburgs Anfang des 18. Jahrhunderts, in: HGBll 54/1929, S. 89-144 (gedruckt Lübeck 1930). Friedrich Battenberg, Das Reichskammergericht und die Juden des Heiligen Römischen Reiches. Geistliche Herrschaft und korporative Verfassung der
406
Anhang
Judenschaft in Fürth im Widerspruch (Schriftenreihe der Gesellschaft für Reichskammergerichtsforschung, 13), Wetzlar 1992. Friedrich Battenberg, Die Juden in Deutschland vom 16. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts (Enzyklopädie Deutscher Geschichte, 60), Oldenburg 2001. Friedrich Battenberg, Bernd Schildt (Hrsg.), Das Reichskammergericht im Spiegel seiner Prozessakten. Bilanz und Perspektiven der Forschung (Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, 57), KölnWeimar-Wien 2010. Anette Baumann, Die Gesellschaft der Frühen Neuzeit im Spiegel der Reichskammergerichtsprozesse. Eine sozialgeschichtliche Untersuchung des 17. und 18. Jahrhunderts (Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, 36), Köln-Wien 2001. Anette Baumann, Peter Oestmann, Stephan Wendehorst, Siegrid Westphal (Hrsg.), Prozesspraxis im Alten Reich. Annäherungen – Fallstudien – Statistiken (Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, 50), Köln-Weimar-Wien 2005. Anette Baumann, Advokaten und Prokuratoren. Anwälte am Reichskammergericht (1690-1806) (Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, 51), Köln-Weimar-Wien 2006. Hans Joachim Behr, Die Bedeutung der Prozeßakten des ehemaligen Reichskammergerichts für die wissenschaftliche Forschung, in: Archivalische Zeitschrift 77/1992, S. 113-125. Hartmut Berghoff, Jakob Vogel (Hrsg.), Wirtschaftsgeschichte als Kulturgeschichte: Dimensionen eines Perspektivenwechsels, Frankfurt a. M. u. a. 2004. Josef Benzing, Die Buchdrucker des 16. und 17. Jahrhunderts im deutschen Sprachgebiet, Wiesbaden 1982. Johann Philipp Freiherr von Bethmann (Hrsg.), Bankiers sind auch nur Menschen. 225 Jahre Bankhaus Gebrüder Bethmann, Frankfurt a. M. 1973. Urs Bitterli, Die Entdeckung Amerikas. Von Kolumbus bis Alexander von Humboldt, München 1991. Fritz Blaich, Die Wirtschaftspolitik des Reichstags im Heiligen Römischen Reich. Ein Beitrag zur Problemgeschichte wirtschaftlichen Gestaltens (Schriften zum Vergleich von Wirtschaftsordnungen, 16), Stuttgart 1970. Hartmut Bock, Insinuation von Privilegien an Reichskammergericht, Reichshofrat und Kaiserlichem Hofgericht zu Rottweil, um sie „zue schützen und handt zu haben“, in: Anja Amend, Anette Baumann, Stephan Wendehorst, Steffen Wunderlich (Hrsg.), Die Reichsstadt Frankfurt als Rechts- und Gerichtslandschaft im Römisch-Deutschen Reich (Bibliothek Altes Reich, 3), München 2008, S. 39-56.
Anhang
407
Günter Böhm, Die Sephardim in Hamburg, in: Arno Herzig (Hrsg.), Die Juden in Hamburg 1590 bis 1990, Hamburg 1991, S. 21-40. Helmut Böhme, Frankfurt und Hamburg. Des deutschen Reiches Silber- und Goldloch und die allerenglischste Stadt des Kontinents, Frankfurt a. M. 1968. Helmut Böhme, Stadtregiment, Repräsentativverfassung und Wirtschaftskonjunktur in Frankfurt am Main und Hamburg im 19. Jahrhundert, in: Jahrbuch für Geschichte der oberdeutschen Reichsstädte, hg. v. der Arbeitsgemeinschaft für reichsstädtische Geschichtsforschung, Denkmalpflege und bürgerschaftliche Bildung, Band 15, 1969. Ingomar Bog, Der Reichsmerkantilismus. Studien zur Wirtschaftspolitik des Heiligen Römischen Reichs im 17. und 18. Jh. (Forschungen zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, 1), Stuttgart 1959. Hans-Joachim Bohnsack, Hamburgs Weg zum Haushalt: Die Entwicklung der Finanzwirtschaft der Stadt von den frühesten Anfängen bis zum Jahre 1860, Hamburg 1987. Jürgen Bolland, Die Hamburgische Bürgerschaft in alter und neuer Zeit, Hamburg 1959. Jürgen Bolland, Senat und Bürgerschaft. Über das Verhältnis zwischen Bürger und Stadtregiment im alten Hamburg, 2. Aufl., Hamburg 1977. Karl Erich Born, Assignaten, in: Michael North (Hrsg.), Von Aktie bis Zoll. Ein historisches Lexikon des Geldes, München 1995, S. 25 f. Friedrich Bothe, Die Entwickelung der direkten Besteuerung in der Reichsstadt Frankfurt bis zur Revolution 1612-1614 (Staats- und Sozialwissenschaftliche Forschungen, 26), Leipzig 1906. Friedrich Bothe, Frankfurter Patriziervermögen im 16. Jahrhundert. Ein Beitrag zur Charakteristik der bürgerlichen Vermögen und der bürgerlichen Kultur (Archiv für Kulturgeschichte, Ergänzungsheft 2), Berlin 1908. Friedrich Bothe, Die Geschichte der Stadt Frankfurt am Main, Frankfurt a. M. 1913. Friedrich Bothe, Frankfurts wirtschaftlich-soziale Entwicklung vor dem dreißigjährigen Kriege und der Fettmilchaufstand (1612-1616), Frankfurt a. M. 1920. Robert Brandt, Die Grenzen des Sagbaren und des Machbaren. Anmerkungen zur Rechtsgeschichte des Frankfurter „Zunfthandwerks“ während der Frühen Neuzeit, in: Anja Amend, Anette Baumann, Stephan Wendehorst, Steffen Wunderlich (Hrsg.), Die Reichsstadt Frankfurt als Rechts- und Gerichtslandschaft im Römisch-Deutschen Reich (Bibliothek Altes Reich, 3), München 2008, S. 247-264.
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Anhang
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Anhang
Greifswald) (Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Beihefte, 175), Stuttgart 2004. Bernd Herbert Wanger, Kaiserwahl und Krönung im Frankfurt des 17. Jahrhunderts (Studien zur Frankfurter Geschichte, 34), Frankfurt a. M. 1994. Raimund J. Weber, Reichspolitik und reichsgerichtliche Exekution. Vom Markgrafenkrieg (1552-1554) bis zum Lütticher Fall (1789/90) (Schriftenreihe der Gesellschaft für Reichskammergerichtsforschung, 25), Wetzlar 2000. Klaus Weber, Deutsche Kaufleute im Atlantikhandel 1680-1830: Unternehmen und Familien in Hamburg, Cádiz und Bordeaux (Schriftenreihe zur Zeitschrift für Unternehmensgeschichte, 12), München 2004. Hans-Ulrich Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Erster Band: Vom Feudalismus des Alten Reiches bis zur Defensiven Modernisierung der Reformära 1700-1815, München 1987. Jürgen Weitzel, Der Kampf um die Appellation ans Reichskammergericht: Zur politischen Geschichte der Rechtsmittel in Deutschland (Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, 4), Köln-Wien 1976. Ulrich Wengenroth, Deutsche Wirtschafts- und Technikgeschichte seit dem 16. Jahrhundert, in: Martin Vogt (Hrsg.), Deutsche Geschichte. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, Stuttgart 1997, S. 297-396. Kurt Wesoly, Lehrlinge und Handwerksgesellen am Mittelrhein. Ihre soziale Lage und ihre Organisation vom 14. bis zum 17. Jahrhundert (Studien zur Frankfurter Geschichte, 18), Frankfurt a. M. 1985. Siegrid Westphal, Kaiserliche Rechtsprechung und herrschaftliche Stabilisierung. Reichsgerichtsbarkeit in den thüringischen Territorialstaaten 16481806 (Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, 43), Köln 2002. Siegrid Westphal, Ehen vor Gericht – Scheidungen und ihre Folgen am Reichskammergericht (Schriftenreihe der Gesellschaft für Reichskammergerichtsforschung, 35), Wetzlar 2008. Joachim Whaley, Religiöse Toleranz und sozialer Wandel in Hamburg: 15291819 (Arbeiten zur Kirchengeschichte Hamburgs, 18), Hamburg 1992. Christian Wieland, Adel zwischen territorialstaatlicher Integration und dem „Drang nach Speyer“. Bayern und die Reichsgerichtsbarkeit im 16. Jahrhundert, in: Anja Amend, Anette Baumann, Stephan Wendehorst, Siegrid Westphal (Hrsg.), Gerichtslandschaft Altes Reich. Höchste Gerichtsbarkeit und territoriale Rechtsprechung (Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, 52), Köln-Weimar-Wien 2007, S. 41-57. Hermann Wiesflecker, Kaiser Maximilian I. Das Reich, Österreich und Europa an der Wende zur Neuzeit. 2. Bd.: Reichreform und Kaiserpolitik 14931500. Entmachtung des Königs im Reich und in Europa, München 1975.
Anhang
431
Kristina Winzen, Handwerk – Städte – Reich: die städtische Kurie des immerwährenden Reichstags und die Anfänge der Reichshandwerksordung, Stuttgart 2002. Clemens Wischermann, Institutionenökonomische Theorien und die Erklärung der Wirtschaftsentwicklung in der Neuzeit, in: Olaf Mörke, Michael North (Hrsg.), Die Entstehung des modernen Europa 1600-1900, Köln 1998, S. 81-92. Michael Wolfsohn, Uwe Puschner, Geschichte der Juden in Deutschland, München 1992. Klaus Wriedt, Die ältesten Vereinbarungen zwischen Hamburg und Lübeck, in: Helmut Jäger, Franz Petri, Heinz Quirin (Hrsg.), Civitatum Communitas. Studien zum europäischen Städtewesen (FS Heinz Stoob; Städteforschung, A/21II), Köln-Wien 1984, S. 756-764. Karl Zeiger, Hamburgs Finanzen von 1563-1650 (Hamburger wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Schriften, 34), Rostock 1936.
ELMAR WADLE
VERFASSUNG UND RECHT WEGMARKEN IHRER GESCHICHTE
Wer sich der Geschichte von Verfassung und Recht zuwendet erfährt bald, wie weit und abwechslungsreich die Themenfelder sind, die sich anbieten. Um dieses Wissen zu erproben ist und bleibt es sinnvoll, nicht nur einige Schwerpunkte zu pflegen, sondern auch auszuscheren auf bislang noch nicht beschrittene Pfade in unbekanntes Terrain. Solchen Einsichten ist zuzuschreiben, dass die hier zusammengestellten Beiträge entstanden sind. Sie können als »Wegmarken« von Expeditionen in andere Landschaften gelten. Die beschriebenen Dokumente, Personen, Ereignisse und Zusammenhänge können in einem weiteren Sinne auch als »kleine und größere Wegmarken« der Geschichte selbst verstanden werden. Sie kennzeichnen wichtige Aspekte des Wandels von Verfassung und Recht seit dem späteren Mittelalter. Einen besonderen Schwerpunkt bilden die Untersuchungen zum 19. und 20. Jahrhundert. 2007. 396 S. GB. MIT SU. 170 X 240 MM. ISBN 978-3-205-77712-0
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Deutsche Rechtsgeschichte HER AUSGEGEBEN VON K ARl KROEScHEll , AlBREcHt cORdES UNd K ARiN NEHlSEN-VON StRyK
Das dreibändige Standardwerk zur Deutschen Rechtsgeschichte liegt jetzt in einer Neubearbeitung als UTB-Studienbuch vor. Behandelt wird die Geschichte aller in Deutschland geltenden Rechte von der Frühzeit bis zur Gegenwart. Es beschäftigt sich mit Fragen der Verfassung, des Strafrechts und des Privatrechts. Die Bände bieten einen dreifachen Zugang zur Geschichte des Rechts: 1. Zur Einführung werden die geschichtlichen Wirkungsfelder des Rechts umrissen. Eine Quellenkunde vermittelt unsere Erkenntnismöglichkeiten. 2. Quellentexte mit Übersetzungen lassen das Recht selbst zu Wort kommen. 3. Zur Vertiefung werden sachliche und methodische Forschungsprobleme aus aktueller Perspektive diskutiert. BanD 1: Bis 1250
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Die Rechtsgeschichte gliedert sich in zahlreiche Einzelfächer, wobei der Einteilung in Römisches und Deutsches Recht besondere Bedeutung zukommt. Diese Trennung scheint derzeit in Rückbildung begriffen zu sein. Das aus der Lehrpraxis entstandene Buch trägt dieser Entwicklung Rechnung. Das Standardwerk liegt jetzt in einer vierten überarbeiteten und ergänzten Auflage vor. Es eignet sich vorlesungsbegleitend für Studierende der Rechtswissenschaft und ist darüber hinaus für Historiker von großem Gewinn. Mit dieser Auflage liegt die „Rechtsgeschichte“ erstmalig im ePub-Format vor und kann auf geeigneten eReadern genutzt werden. 2011. 509 S. BR. 120 X 185 MM ISBN 978-3-8252-3603-8 (BUCH) | ISBN 978-3-8385-3603-3 (EBOOK)
„[E]ine kurzweilige und äußerst anregende (Zeit-)Reise durch 2500 Jahre Rechtsgeschichte[…], auf die sich jede/r Studierende der Rechtswissenschaft – nicht zuletzt zum besseren Verständnis des geltenden Rechts – begeben sollte.“ Journal der Juristischen Zeitgeschichte
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Quellen und Forschungen zur höchsten gerichtsbarkeit im alten reich Herausgegeben von anja amend-TrauT, IgnacIo czeguHn, FrIedrIcH baT Tenberg, albrecHT cordes, ulrIcH eIsenHardT, PeTer oesTmann und WolFgang sellerT eIne ausWaHl
bd. 38 | eva orTlIeb im auFtrag des kaisers
bd. 26 | sIgrId jaHns
die kaiserlichen kommissionen des
das reichskammergericht und
reichshofrats und die regelung
seine richter
Von konflikten im alten reich
Verfassung und sozial struktur
(1637–1657)
eines höchsten gerichts im alten
2001. vII, 426 s. gb.
reich
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teil i | darstellung 2011. XXII, 783 s. gb.
bd. 39 | oTTo volk
Isbn 978-3-412-06403-7
die Wohnungen der kameralen
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in Wetzlar
2003. 2 bde., Insgs. 1528 s. mIT cd-rom.
Verzeichnis der häuser und
gb. Isbn 978-3-412-06503-4
Wohnungen der angehörigen des reichskammergerichts 1689/93–
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1806
die gesellschaFt der Frühen
2001. X, 141 s. 5 klaPPkarTen. gb.
neuzeit im spiegel der
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reichskammer gerichtsprozesse eine sozialgeschichtliche
bd. 40 | bengT cHrIsTIan FucHs
untersuchung zum 17. und
die sollicitatur am reichs
18. Jahrhundert
kammergericht
2001. vII, 178 s. gb.
2002. XIII, 259 s. gb.
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Isbn 978-3-412-12501-1
bd. 37 | aneTTe baumann, sIegrId
bd. 41 | bernHard dIesTelkamP (Hg.)
WesTPHal, sTePHan WendeHorsT
das reichskammergericht am
und sTeFan eHrenPreIs (Hg.)
ende des alten reiches und sein
prozessakten als Quelle
FortWirken im 19. Jahrhundert
neue ansätze zur erforschung
2002. IX, 305 s. gb.
der höchsten gerichtsBarkeit im
Isbn 978-3-412-02302-7
alten reich 2001. vIII, 281 s. gb.
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Quellen und Forschungen zur höchsten gerichtsbarkeit im alten reich bd. 42 | WolFgang Prange
bd. 48 | aneTTe baumann (bearb.)
Vom reichskammergericht
gedruckte relationen und Voten
in der ersten hälFte des
des reichs kammer gerichts Vom
16. Jahrhunderts
16. bis 18. Jahrhundert
die urteile in christian Barths
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edition – kammerBoten und
mIT eInem vorW. von bernHard
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dIesTelkamP. 2005. vIII, 699 s. mIT cd-
2002. 184 s. 18 s/W-abb. gb.
rom. gb. m. su. | Isbn 978-3-412-10605-8
Isbn 978-3-412-02602-8 bd. 49 | albrecHT cordes (Hg.) bd. 43 | sIegrId WesTPHal
Juristische argumentationen
kaiserliche rechtsprechung und
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herrschaFtliche stabilisierung
2006. IX, 239 s. gb.
reichsgerichtsBarkeit in den
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thüringischen territorialstaaten 1648–1806
bd. 50 | a. baumann, P. oesTmann,
2002. X, 526 s. gb.
s. WendeHorsT, s. WesTPHal (Hg.)
Isbn 978-3-412-08802-6
prozess praxis im alten reich annäherungen – fallstudien –
bd. 46 | a. baumann, P. oesTmann,
statistiken
s. WendeHorsT, s. WesTPHal (Hg.)
2005. vII, 211 s. gb.
reichspersonal
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funktions träger für kaiser und reich
bd. 51 | anneTTe baumann
2003. vII, 406 s. gb.
adVokaten und prokuratoren
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anWälte am reichskammergericht (1690–1806)
bd. 47 | nIls jörn, bernHard dIesTel-
2006. XII, 230 s. gb. mIT su.
kamP, kjell ake modéer
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integration durch recht das Wismarer triBunal (1653–1806)
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2003. XI, 411 s. gb.
baumann, sTePHan WendeHorsT,
Isbn 978-3-412-18203-8
sIegrId WesTPHal (Hg.) gerichtslandschaFt altes reich höchste gerichtsBarkeit und territoriale rechtsprechung 2007. vIII, 172 s. gb.
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Quellen und Forschungen zur höchsten gerichtsbarkeit im alten reich bd. 53 | leoPold auer, Werner ogrIs,
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richts im frühen 16. Jahrhundert
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2011. lIv, 1469 s. In 2 bänden.
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dem reichskammer gericht
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frühen neuzeit
celle und seine rechtsprechung
2009. X, 534 s. 5 Farb. dIagramme,
im 18. Jahrhundert
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2011. XvI, 346 s. gb. Isbn 978-3-412-20792-2
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reichskammergericht
FrankFurt und hamburg Vor dem
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dem 18. Jahrhundert
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tren im Vergleich
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2012. XX, 859 s. gb. Isbn 978-3-412-20865-3
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