Zu beiden Ufern: Kubanisches Theater 9783964567864

Der Begriff "Kuba zu beiden Ufern" bezeichnet die beiden heute existierenden kubanischen Gesellschaften in Kub

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German Pages 228 Year 2019

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Table of contents :
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Das Unsichtbare zeigen
Theater und Moderne: 30 Jahre danach
Der Exodus großer Dramatiker
Kubanisches Theater im Exil: Gegen Wind und Wetter
Jenseits von Kuba: Die kubanische Identität im Theater des Exils
Erhalten und widerstehen: Das Kubanische im englischsprachigen Exiltheater
Vom Zorn der 70er Jahre zur Sehnsucht nach Versöhnung der 90er: Revolution und Konterrevolution (?) in fünf kubanischen Exilstücken
Inszenierungen im Exil
Der Künstler als Stellvertreter? Ópera ciega von Víctor Varela
Bild und Rolle des Schwarzen im zeitgenössischen kubanischen Theater
Schwarze Präsenz im kubanischen Theater der Diaspora
Das teatro vernáculo: die Entstehung der cubanidad
Am anderen Ufer schließt sich der Kreis: Das kubanische teatro vernáculo in Miami
Die Frau im kubanischen Theater: Gibt es sie?
Kubanische Theaterautorinnen im Exil
Homophobie: Erinnerung, Paradoxon und andere Spiele
Wiederbegegnung: ein polemisches Thema
Die Reise zum anderen Ufer: Exil und Wiederbegegnung
Bibliographie
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Zu beiden Ufern: Kubanisches Theater
 9783964567864

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Zu beiden Ufern: Kubanisches Theater Heidrun Adler, Adrián Herr (Hrsg.)

THEATER IN LATEINAMERIKA Herausgegeben von der Theater- und Mediengesellschaft Lateinamerika Band 6

Zu beiden Ufern: Kubanisches Theater

Herausgegeben von Heidrun Adler und Adrián Herr

Vervuert • Frankfurt am Main 1999

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Zu beiden Ufern : kubanisches Theater / hrsg. von Heidrun Adler und Adrián Herr. Frankfurt am Main : Vervuert, 1999 (Theater in Lateinamerika ; Bd. 6) Span. Ausg. u.d.T.: De las dos orillas ISBN 3-89354-326-0 © Vervuert Verlag, Frankfurt am Main 1999 Alle Rechte vorbehalten Umschlaggestaltung: Michael Ackermann, unter Verwendung einer Abbildung von Raúl Dezárate Gedruckt auf säure- und chlorfreiem, alterungsbeständigen Papier. Printed in Germany

Inhaltsverzeichnis Vorwort

9

Graziella Pogolotti

19

Das Unsichtbare zeigen Raquel Carrió

29

Esther Sánchez-Grey Alba

43

José A. Escarpanter

51

Laureano Corees

59

Mirza L. González

65

Jorge Fehles

75

Theater und Moderne: 30 Jahre danach

Der Exodus großer Dramatiker Kubanisches Theater im Exil: Gegen Wind und Wetter

Jenseits von Kuba: Die kubanische Identität im Theater des Exils Erhalten und widerstehen: Das Kubanische im englischsprachigen Exiltheater

Vom Zorn der 70er Jahre zur Sehnsucht nach Versöhnung der 90er: Revolution und Konterrevolution (?) in fünf kubanischen Exilstücken Pedro R. Monge Rafuls

99

Inszenierungen im Exil Carolin Overhoff

Der Künstler als Stellvertreter? Ö

ciega von Víctor Varela

105

Inés María Martiatu Terry

113

Armando González Pérez

121

Esther Suárez Durán

131

José Antonio Évora

139

Bild und Rolle des Schwarzen im zeitgenössischen kubanischen Theater Schwarze Präsenz im kubanischen Theater der Diaspora Das teatro vernáculo: die Entstehung der cubanidad

Am anderen Ufer schließt sich der Kreis: Das kubanische teatro vernáculo in Miami Rosa Ileana Boudet

149

Olympia B. González

157

Juan Carlos Martínez

167

Vivian Martínez Tabares

179

Daniel Zalacain

189

Die Frau im kubanischen Theater: Gibt es sie? Kubanische Theaterautorinnen im Exil Homophobie: Erinnerung, Paradoxon und andere Spiele Wiederbegegnung: ein polemisches Thema Die Reise zum anderen Ufer: Exil und Wiederbegegnung Bibliographie

205

Wir danken Rosa Ileana Boudet für die Koordinierung der Beiträge aus Kuba und Pedro R. Monge Rafuls für die Aufsätze aus dem Exil.

Yo vengo de todas partes y hacia todas partes voy; arte soy entre las artes, en los montes monte soy.

Vorwort

José Martí: Versos sencillos.

Der vorliegende Band begleitet die 5. Anthologie der Reihe Moderne Dramatik Lateinamerikas, die dieser Reihe entsprechend Theaterstücke aus Kuba heißen sollte. Bei der Zusammenstellung der Anthologie stellte sich unmittelbar die Frage, ob damit alle kubanischen Autoren, die nicht in Kuba leben, ausgeschlossen sind; oder ob man im Exil geschriebene Stücke unter aus Kuba einordnen darf. Allein mit der Titeländerung in Kubanische Theaterstücke ist es jedoch nicht getan, denn es existieren inzwischen zwei kubanische Gesellschaften, in Kuba und in den USA. Wer von beiden spricht, benutzt heute den Begriff Kuba zu beiden Ufern. Der politische Raihmen, in dem sich das kubanische Theater nach 1959 entwickelte, führte zwangsläufig zur Politisierung des Theaterdiskurses, was nach einigen Jahren höchster Kreativität (bis 1968) Texte hervorbrachte, die sich mit mehr oder weniger literarischem Erfolg den herrschenden politischen Diskurs zu eigen machten, die eine neue Form des didaktischen Theaters kreierten1 oder trotz aktueller Erfolge in literarische Bedeutungslosigkeit verfielen. Andererseits blieben Texte, die sich nicht anpaßten, unveröffentlicht oder wurden geächtet. Autoren verstummten - in Deutschland prägte man dafür den Begriff innere Emigration - und viele gingen ins Exil. Die meisten in die USA, wo inzwischen eine neue, zum Teil bereits in englischer Sprache geschriebene kubanische Theaterliteratur entstanden ist. Bisher gibt es nur eine Anthologie kubanischer Theaterstücke, in der auch Werke erscheinen, die im Exil geschrieben wurden. Es ist die von Carlos Espinosa Domínguez herausgegebene Anthologie Teatro cubano contemporáneo, Madrid 1992. Sie enthält elf in Kuba geschriebene Stücke und fünf aus dem Exil. In Kubanische Theaterstücke haben wir uns um ein

1

Das kubanische Kollektivtheater, das vom TEATRO ESCAMBRAY, LA YAYA, CABILDO etc. entwickelt wurde, hat das didaktische Theater der Welt beeiflußt. Vgl. Francisco Garzón Céspedes: El teatro de participación popular y el teatro de la comunidad: un teatro de sus protagonistas. Havanna 1977; vgl. auch Rosa Ileana Boudet: Teatro Nuevo. Una respuesta. Havanna 1983; und Heidrun Adler Politisches Theater in Lateinamerika. Von der Mythologie über die Misswn zur kollektiven Identität. Berlin 1 9 8 2 , S. 7 4 - 8 5 . TEATRAL SANTIAGO, CUBANA DE ACERO

10

Heidrun Adler

Gleichgewicht bemüht. Die Ausgrenzung des Exiltheaters aus der kubanischen Literatur wird 1992 zum ersten Mal von Rine Leal, einem angesehenen kubanischen Kritiker, in dem Aufsatz Asumir la totalidad del teatro cubano2, angesprochen; er beschwört die Einheit des kubanischen Theaters: Wesentlich ist, daß wir dieses andere Theater als einen Teil unseres Theaters, als Ausdruck unserer Kultur annehmen, und wichtiger noch, daß wir seine Entwicklung innerhalb des unseren untersuchen, nicht als etwas Fremdes. [...] Es handelt sich um ein und dieselbe Dramatik, die sich in unterschiedlichem Kontext realisiert." (1992:32)

1994 fand in Madrid ein Symposium unter dem Titel La isla entera statt, Lyriktage für ein ungeteiltes Kuba. Den Veranstaltern ging es um das kulturelle Gedächtnis Kubas ohne jede Diskriminierung. Mit dem vorliegenden Band wollen wir etwas Ähnliches versuchen. Wir haben Autoren in Kuba und außerhalb Kubas gebeten, zu einer Reihe von Themen zum kubanischen Theater zu schreiben, um auf diese Weise einen intellektuellen Dialog herzustellen, der eine systematische, vergleichende Analyse vorbereiten kann. Zu einzelnen Aspekten gibt es bisher die Untersuchungen von Juan Carlos Martínez: El reencuentro, un tema dramático, mit Stücken aus Kuba und aus dem Exil zum Thema Wiederbegegnung unter den Kubanern zu beiden Ufern3 und von José A. Escarpantes Rasgos comparativos entre la literatura de la isla y del exilio; el tema histórico en el teatro4. Die hier versammelten Aufsätze sollen beschreiben und erläutern, wie das Theater die Geschichte Kubas begleitet, ob es in der Dualität der beiden Kubas die von Line Real beschworene Einheit bewahrt hat. In Kuba dokumentieren die Zeitschriften Conjunto und Tablas mit vier Ausgaben im Jahr ausführlich das auf der Insel geschriebene und inszenierte Theater. Pionierarbeit zur Dokumentation des Exiltheaters leistet die Zeitschrift OLLANTAY Theater Magazine mit zwei Ausgaben im Jahr, in New York herausgegeben von Pedro Monge Rafuls. Die in Miami erscheinenden Anales Literarios, herausgegeben von Vara González und Matías Montes Huidobro, haben 1995 eine Sondernummer Drama2

in La Gaceta de Cuba (Sept.-Okt. 1992), abgedruckt in 2 (Juli 1993), S. 26-32.

3

in Lo que no se ha dicho. (Monge Rafuls 1994), S. 63-72. Ibd. S. 53-62.

4

OLLANTAY

Theater Magazine 1,

Vorwort

11

turgos mit einer kritischen Bibliographie des kubanischen Theaters zu beiden Ufern (1959-1993) gebracht, und Christilla Vasserot publizierte Théâtres cubains, eine Sondernummer von Les Cahiers de la Maison Antoine Vitez, Montpellier 1995, ohne Diskriminierung des einen oder anderen Ufere. Exil bringt Entwurzelung, Verlust der nationalen Identität, und bedeutet für viele Autoren das Ende ihrer Schaffenskraft. Exil kann aber auch als Herausforderung begriffen werden. Denn in der gewohnten Umgebung werden Veränderungen, nicht aber Bestehendes wahrgenommen. Im Exil ist alles Veränderung, und will man überleben, müssen diese Veränderungen verarbeitet werden. Das geschieht in einem dialogischen Prozess, einem steten Austausch von mitgebrachter und neu aufgenommener Information. Der Vertriebene wird kreativ, indem er im fremden Kontext seine gewohnte Denkweise verändert. Dieser das Exil kennzeichnende Dialog (Exil/Exilant) besteht nicht notwendig aus gegenseitiger Anerkennung, meistens ist er eher polemisch; doch auch darin liegt eine kreative Potenz. Einzelne Untersuchungen dazu, was das Exil dem kubanischen Theater beschert hat, liefern u.a. Maida Watson-Espener: Ethnicity and the Hispanic American Stage: The Cuban Expérience5; José A. Escarpanter: Veinticinco años de teatro cubano en el exilioRodolfo G. Cortina: Cuban American Theater, Houston 1991; Matías Montes Huidobro; Entwicklung des spanischsprachigen Theaters in Miami, 1959-1988"7; Censura, marginación y exilio en el teatro cubano contemporáneo8; Candyce Leonhard: La cubania: The Soul of Cuban Theatre in the Mid-1990s9 und nun die hier versammelten Aufsätze. Einen einleitenden Überblick über charakteristische Züge des kubanischen Theaters nach der Revolution gibt Grazieila Pogolotti und definiert die Aufgabe des Theaters als „das Unsichtbare zu zeigen". Eine theoretische Basis für ein solches Unterfangen, deren Parameter für das Theater zu beiden Ufern gültig sind, bietet Raquel Carrió an. Wir Europäer sind eine lineare Denkweise gewöhnt und sehen die Wechselwirkungen der Geschichte als Wellen. Carrió weist nach, daß, indem sie die Co5

in Hispanic Theatre in the United States. Houston 1984, S. 34-44.

6

in LATR 19,2 (Spring 1986), S. 57-66. in Theater in lateinamerika. (Adler 1991), S. 213-223. in Dramaturgos 1,1 (1995), S. 7-25. in LATR 30/ 2 (Spring 1997), S. 139-152.

7 8 9

12

Heidrun Adler

dices der Moderne zu definieren sucht, die Geschichte (in Kuba) zyklisch verläuft. Esther Sánchez-Grey Alba informiert über Autoren, die das kubanische Theater bis zur Revolution repräsentierten, ins Exil gingen, aus der kubanischen Dokumentation verschwanden und zum Teil 1988 in Dramaturgia cubana contemporánea von Raquel Carrió wieder ihren Platz einnehmen.10 Daten über ihre Arbeitsmöglichkeiten im Exil liefert José A. Escarpanter. Die Distanz des Emigranten erlaubt ihm eine andere Sicht auf das Verlorene, die fremde Sprache hemmt oder stimuliert seine künstlerische Ausdruckskraft und schreibt sich auf besondere Weise ins (nationale) Bewußtsein ein. Laureano Corees stellt Autoren vor, die in den USA versuchen, die verlassene Heimat in der Erinnerung zu erhalten und eine kulturelle Kontinuität zu schaffen. Stücke wie Coser y cantar (1981) von Dolores Prida zeugen von der Herausforderung: She und Ella, ein und dieselbe Person in ihrer englischen und ihrer kubanischen Persönlichkeit, zeigen die unterschiedliche Sichtweise und auch den lexikalisch-szenischen Entwurf beider Kulturen in einem Text. „La otredad histórica configura la otredad dramática." (Montes Huidobro 1995: 12) Das bestimmt die Interrelation und Kontinuität der Texte zu beiden Ufern. Die Generation kubanischer Autoren, die bereits auf Englisch schreiben, untersucht Mirza L. González. Sie haben als Kinder die Insel verlassen, und da sie selbst nicht die Wahl hatten, „zu bleiben oder zu gehen"11, setzen sie sich intensiver als ihre Väter mit der Heimat auseinander. Sie scheinen die Entscheidung ihrer Eltern, ins Exil zu gehen, immer wieder durchzuexerzieren, um sie zu akzeptieren oder zu verwerfen. Der natürliche Generationskonflikt nährt sich hier zusätzlich aus dem Konflikt der unterschiedlichen politischen Kulturen. Das große Thema Familie, das sich durch das kubanische Theater zieht von Tembladera (1918) von José A. Ramos über Aire frío (1959) von Virgilio Piñera, La noche de los asesinos (1965) von José Triana, El super (1977) von Iván Acosta, La emboscada (1978) von Roberto Orihuela, Alguna cosita que alivie el sufrir (1986) von René Alomá bis Manteca (1994) von Alberto Pedro Tornente, um nur die wichtigsten innerhalb und außerhalb Kubas geschriebenen Stücke zum Thema zu nennen, beschäftigt die jungen Exil-

10

Zum ersten Mal werden hier auch Autoren genannt, die im Exil schreiben.

11

Ein Thema mit Tradition in Kuba, vgl. Montes Huidobro in Persona, vida y mäscara en el teatro cubano. Miami 1973, S. 178.

Vorwort

13

kubaner in ganz besonderem Maße. Das „Gespenst der Auflösung" 12 geistert in ihren Texten herum. Immer drohen äußere Kräfte, die Familie zu zerstören. Sie zusammenzuhalten, ist das Ziel der Autoren. Als in den 60er Jahren die ersten Autoren Kuba verließen, gingen sie in ein zweifaches Exil, denn die Sympathie der Intellektuellen in aller Welt galt der kubanischen Revolution. Wer sich von ihr distanzierte, war ein Reaktionär, im schlimmsten Fall ein Konterrevolutionär. Wie abwegig die Bezeichnung und die dahinterstehende Meinung in Bezug auf das kubanische Exiltheater sind, demonstriert Jorge Febles. Am Beispiel Victor Varelas analysiert Carolin Overhoff, wie die jüngeren Autoren auf der Insel mit ihrer Realität umgehen. Dieser Autor kann stellvertretend für seine Generation betrachtet werden, da die herausragenden Merkmale des kubanischen Theaters, wie sie von Montes Huidobro (1973) genannt werden, in seinem Werk konzentriert erscheinen: Theater im Theater durch rituelle Handlungen, Rollentausch und ein ständiger Wechsel zwischen Realität und Traum, Drang nach individueller Freiheit und Auflehnung gegen Autorität, die im Vatermord symbolisiert wird, Herabsetzung der Frau als Verfremdung des Inzestmotivs. Folgen wir dem Gedankengang von Montes Huidobro, daß es sich um einen magischen Akt handelt, wenn ein Autor einer Figur Identität verleiht, und daß die dramatische Entwicklung einer Figur eine Summe von Identitäten aufdeckt, dann werden Leben, Magie, Theater zu Synonymen. Aus psychischem Zwang (Triana), um Frustrationen abzubauen, Sehnsüchte zu erfüllen (Pedro Torriente), vollzieht sich der Rollentausch, um die Figur des Mächtigeren einzunehmen (Varela), Er zu sein = Inzest und Vatermord. Die Figuren interpretieren sich auf verschiedenen Ebenen. In der Psychiatrie hieße das Schizophrenie: Spaltungsirresein, in dem die Konfrontation und Trennung der persönlichen inneren Welt mit/von der Realität aufgegeben worden ist13. Auf dem Theater ist dies eine Form, den Drang von Individuum/Gemeinschaft nach Freiheit und die Furcht vor Autorität darzustellen; und auch umgekehrt die Furcht vor zu viel Freiheit und die Suche nach Autorität, widergespiegelt in der kreisförmigen Struktur mancher Stücke. Victor Varela ist ein wunderbares Beispiel auch für die Störungen der Beziehung zwischen Symbol und Person oder dem Wort und seiner Bedeutung im kubanischen Drama. Absurde Wortspiele, um unverein12

Rine Leal: Prolog z u Teatro: 5 autores cubanos. N e w York 1995, S. XVI.

13

Pschyrembel. Klinisches Wörterbuch. Berlin 1994, S. 1376.

14

Heidrun Adler

bare Bedeutungen zu vereinen (Triana), Worte, die nicht ausreichen, um Bedeutung zu tragen (Corrales), Worte, die Gefahr bedeuten (Estorino), Worte als Ritual, als Medium der Magie (Montes Huidobro). Im Exil heißt die Motivation ,Freiheif, von Zensur, von der Schere im Kopf, und auch Freiheit, sich am Theater der Welt zu messen. Die kubanischen Autoren nehmen diese Herausforderung an, aber nicht die Regisseure. Pedro R. Monge Rafuls beschreibt aus der Sicht des Autors, wie das kubanische Exiltheater eine Chance vergab, die großartige Theaterbewegung, die nach der Revolution in Kuba begonnen hatte, fortzusetzen. Ein wesentliches Element der cubanidad ist die schwarze Liturgie. Sie ist in einigen Werken auf der Bühne präsent: Maria Antonia (1967) von Eugenio Hernández Espinosa, Otra historia de un amor (1993) von Pedro Monges Rafuls - ein Beispiel aus Kuba und eins aus New York. Unterschwellig finden wir sie in einer Vielzahl von Stücken, im Aberglauben und in fast alltäglichen Ritualen. Sie stammt aus der YorubaMythologie und hat keine schriftliche Tradition 14 . Oft zeigen sich darin seltsame Interrelationen zwischen dem europäischen Ödipus-Mythos, der Yoruba-Tradition und christlicher Verdrängung des VatermordMotivs 15 , was andererseits zu Feminisierung und Manifestationen des machismo führt. Die afro-kubanische santería ist eine Mischung aus weißer und schwarzer Mythologie. Die wilden Götter, die Kinder fressenden Götter, Changó, Obatalá, Yemayá, haben sich zivilisiert und in den Gemütern der Menschen eingenistet. Nicht, um sie zu verschlingen oder mit ihnen zu leben, sondern um ihre Liebesprobleme zu lösen, ihren Ehrgeiz, eine höhere soziale Stellung einzunehmen, zu erfüllen oder sie aus geschäftlichen Schwierigkeiten herauszuholen. 16

Die Rolle des Schwarzen hat eine lange Tradition als Negrito im teatro vernáculo, dem kubanischen Buffo-Theater, als lächerliche Figur. Im Drama tritt er in legendären Figuren der Freiheitskämpfe des 19. Jahrhunderts auf. Nach der Revolution hat sich an diesem widersprüchlichen Bild wenig geändert. Tradierte Vorurteile und die reiche afrika14

Fernando Ortiz: „Predisposición al lector". Vorwort zu ¡¡Oh, Mio Yemayäü von Rómulo Lachatañeré. Manzanillo 1938.

15

In der christlichen Hierarchie sind Gott Vater, der Heilige Geist und der Sohn eine „Person". Doch bevor sich die Dreieinigkeit konstellieren kann, tötet nicht der Sohn den Vater, sondern der Vater läßt zu, daß der Sohn getötet wird.

16

Walterio Carboneil: Como surgió la cultura nacional. Havanna 1961, S. 24-25.

Vorwort

15

nisch geprägte Folklore identifizieren ihn einerseits mit dem Volkstheater, auf der anderen Seite setzen, wie Inés María Martiatu Terry darstellt, Autoren wie Eugenio Hernández Espinosa Farben und Gesten der zutiefst theatralen afrikanischen Rituale und Rhythmen, Tanz und Gesang in szenische Codices um und schaffen auf diese Weise eine neue Theaterästhetik. Im Exil wird die rituelle Komponente der schwarzen Kultur tradiert. Wie der Schwarze im nordamerikanischen Alltag erscheint, nimmt nur Trash, von Monge Rafuls auf. Im Exil gehört es zur Betonung der cubanidad, so Armando González Pérez, die wesentlichen Einflüsse der schwarzen Kulturen herauszustellen. Es ist nicht der schwarze Freiheitskämpfer und nicht das Negerlein des teatro vernáculo: es ist die Magie, die Hoffnung, den tristen Alltag mit Mächten zu begegnen, die in der Lage sind, die Realität zu manipulieren Die älteste Form des kubanischen Theaters ist das teatro vernáculo. Esther Suárez Durán beschreibt seine Entwicklung aus den frühen Wandertheatern der Kolonialzeit mit seinen kritischen Possen, der spanischen zarzuela und der italienischen opera buffa. Während diese Theaterform in Teilen im didaktischen Theater der Insel fortbesteht - der direkte Dialog zwischen Bühne und Publikum, Improvisationen über aktuelle Ereignisse, spontane Wortspiele und Witze -, erlebt sie im Exil eine neue Blüte mit politischem Akzent. José Antonio Évora informiert über Themen, Schauspieler und Publikum jenes urkubanischen Theaters im Exil. Frauen spielen im kubanischen Theater zu beiden Ufern eine unterschiedliche Rolle. Obgleich Flora Lauten, Herminia Sánchez, Gilda Hernández, Yúlky Cary und viele andere die entscheidende kreative und praktische Arbeit zur Entwicklung des teatro colectivo geleistet haben, wird ihr Beitrag zum Gegenwartstheater gering eingeschätzt. Rosa Ileana Boudet sieht ihre Leistungen eher im Tanztheater, in der Suche nach einem neuen ästhetischen Diskurs, der die Grenzen zwischen den Genres überschreitet. Anders die Kubanerinnen im Exil. Olympia B. González stellt Autorinnen vor, die versuchen, die traditionelle Rolle der kubanischen Frau neu zu definieren. Der Konflikt zwischen kubanischer Tradition und dem Leben in den USA ist ihnen näher als den Männern. Sie haben den Zusammenhalt der Großfamilie verloren und suchen ihre Identität in einer Rekonstruktion ihrer Rolle aus Erinnerungen, Erzähltem und aus den Erfahrungen des Exils. Ihre Bindungen an Kuba reichen über das Bewußtsein der Erwachsenen hinaus in kindliche und transindividuelle Bereiche des nicht oder kaum artikulierten Gedächt-

Heidrun Adler

16

nisses - viele haben als Kinder das Land verlassen. Oft sind es Monologe, mit denen sie ihr Selbstgefühl manifestieren.17 Das Thema Homosexualität als Ausgangspunkt für Konflikte zwischen Individuum und Gemeinschaft taucht erst im Exil offen auf der Bühne auf. In der machismo-Tradition der kubanischen Gesellschaft ist Homosexualität ein ausgegrenztes Phänomen, das man der Lächerlichkeit preisgibt. Dennoch ist es unterschwellig in allen wichtigen Stücken des kubanischen Theaters präsent.18. Juan Carlos Martínez stellt Autoren vor, die das Thema aufarbeiten und im offenen sozialen Kontext der USA die Intoleranz als Konstante der cubanidad herausstellen. Die aus der Homosexualität entstehenden Konflikte erweisen sich als Spannungen um Macht und Machtmißbrauch, als Varianten des VatermordMotivs, das in Kastration mündet und des Bruderkonflikts, des ewigen cainismo der Kubaner (Montes Huid obro 1973).19 Zum Thema reencuentro schreiben Vivian Martínez Tabares aus Kuba und Daniel Zalacain aus den USA. Martínez Tabares wählte für ihre Untersuchung den Titel: Wiederbegegnung: Ein polemisches Thema, als direkte Antwort auf den oben erwähnten Aufsatz von Juan Carlos Martínez: Wiederbegegnung: ein dramatisches Thema. Nur wenige Stücke, die dieses Thema behandeln, sind beiden Autoren bekannt, daraus ergibt sich die seltene Gelegenheit, daß vier Texte nebeneinander von beiden Ufern aus betrachtet werden. Beide Autoren heben hervor, daß die Figuren der jeweils,anderen Seite' verfremdet oder gar entstellt werden - eine Argumentation, die uns aus dem deutsch-deutschen Dialog vertraut ist. Reencuentro heißt bei den meisten Autoren Rückkehr nach Kuba, in die in der Erinnerung festgehaltene Zeit, Daniel Zalacain stellt darüber hinaus Stücke vor, in denen sich Familienangehörige, Freunde im Exil wiederbegegnen. Fast immer sind diese Begegnungen enttäuschend. Doch trotz aller Ressentiments, die auf beiden Seiten schwer zu überwinden sind, gibt es die nationale Identität, die cubanidad. Die im Exil geschriebenen Stücke suchen nach ihrer Verbalisierung, in Kuba nutzt Alberto Pedro Tórnente dazu die Musik.

Siehe dazu: Heidrun Adler: „Sprich mit mir. Technik des Monologs", in Geschlechter/ Performance, Pathos, Politik. (Adler, Röttger 1998), S. 131-140. 18 Vgl. Montes Huidobro (1973). 17

19

Vgl. auch José A. Escarpanter: „La familia en el teatro cubano", in (Winter/Spring 1994), S. 89-100.

OLLAHTAY

2/1

Vorwort

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Als wir die Autoren um ihre Beiträge baten, ging es uns nicht um eine politische Gegenüberstellung, sondern um eine konkrete literarische Einschätzung des kubanischen Theaters, die von einer angemessenen Kontextualisierung ausgeht. Das vorliegende Ergebnis manifestiert eine Einheit, die in dialektischer Weise das Anderssein und auch die partielle Ablehnung - das ewige Kains-Motiv - einschließt. Wir lesen hier mehr davon, was die beiden Ufer verbindet, als davon, was sie trennt. Heidrun Adler

Literatur Adler, Heidrun: Politisches Theater in Lateimmerika. Berlin 1982. — (Hrsg.): Theater in Lateimmerika. Berlin 1991. — ; Röttger, Kati (Hrsg.): Geschlechter/ Performance, Pathos, Politik. Frankfurt/Main 1998. Boudet, Rosa Ileana: Teatro Nuevo: Una respuesta. Havanna 1983. Carbonell, Walterio: Como surgió la cultura nacional. Havanna 1961. Escarpanter, José A.: „Veinticinco años de teatro cubano en el exilio", in LATR 19, 2 (Spring 1986), S. 57-66. — : „La familia en el teatro cubano", in OLLANTAY Theater Magazine 2 , 1 (Winter/ Spring 1994), S. 89-100. Garzón Céspedes, Francisco: El teatro de participación popular y el teatro de la comunidad: un teatro de sus protagonistas. Havanna 1977. Leal, Riñe: „Asumir la totalidad del teatro cubano", in La Gaceta de Cuba (Sept.-Okt. 1992); abgedruckt in OLLANTAY 1,2 (July 1993), S. 26-32. (Hrsg.): Teatro: 5 autores cubanos. New York 1995. Leonhard, Candyce: „La cubanía: The Soul of Cuban Theatre in the Mid-1990s", in LATR 30,2 (Spring 1997), S. 139-152. Monge Rafuls, Pedro R. (Hrsg.): Lo que no se ha dicho. New York 1994. Montes Huidobro, Matías: Persona, vida y máscara en el teatro cubano. Miami 1973. ; González Montes, Yara (Hrsg.): Anales Literarios. Sondernummer Dramaturgos 1, 1 (1995). Ortiz, Fernando: Predisposición al lector. Vorwort zu ¡¡Oh, Mío Yemaydü von Rómulo Lachatañeré. Manzanillo 1938. Pschyrembel. Klinisches Wörterbuch. Berlin 1994. Vasserot, Christiila (Hrsg.): „Théâtres cubains". Sondernummer von Les Cahiers. Maison Antoine Vitez. Montpellier 1995. Watson-Espener, Maida: „Ethnicity and Hispanic American Stage: The Cuban Expérience", in Hispanic Theatre in the United States. Houston 1984, S. 34-44.

Graziella Pogolotti

Das Unsichtbare zeigen Die Kalender wurden von den Menschen erfunden, damit errichteten sie ihre eigene Ordnung, eine willkürliche Ordnung in der grenzenlosen Zeitlichkeit der Natur. So bildeten die Tage Jahre, und die Summe der Jahre schuf Jahrhunderte. Und die reine Konvention wurde schließlich zu einer selbständigen Realität. Das Ende des ersten Jahrtausends war mit Vorzeichen belastet. Das zweite scheint in einem Abgrund von Veränderungen zu enden. Zweihundert Jahre nach der Französischen Revolution begann der Verfall der sozialistischen Welt in Europa. Ein Jahrhundert zuvor wurde auf der Weltausstellung unter dem Zeichen des wissenschaftlichen und technologischen Fortschritts in Paris der Eiffelturm als Sinnbild der triumphierenden Moderne errichtet. Und der Kubaner José Martí beschrieb jenes Ereignis für die gerade unabhängig gewordenen Kinder Lateinamerikas, die ihre Pläne für die Zukunft schmiedeten. In Kuba hatten die 1989 entfesselten Ereignisse ihre Folgen in der Welt der Vorstellungen wie im wirtschaftlichen Leben, und zwar so schwerwiegende, daß sie das Überleben des Landes als unabhängige Nation bedrohten. Was die Ideenwelt angeht, überstürzte sich ein Prozess der kritischen Reflexionen, der schon einige Jahre zuvor begonnen hatte und seinen politischen Ausdruck in dem sogenannten Prozess der rectificación1 fand, der sich auch in der Kultur manifestierte, besonders bei den Bildenden Künsten und dem Theater. Im einen und anderen Fall boten die Revision der Wirtschaftsführung und die Warnung vor einem Verfall der ethischen Werte, der sich abzuzeichnen begann, einen Rückgriff auf die Quellen der 60er Jahre an. Im Januar 1988 versuchte der 4. Kongress des kubanischen Schriftsteller- und Künstlerverbandes, die Entwicklung der nationalen Kultur in der Zeit der revolutionären Veränderungen zu charakterisieren, und man betonte die Notwendigkeit, Debatte und Kritik zu fördern, um auf diesem Wege die positiven Bemühungen zu intensivieren. Persönliches Erlebnis und kollektive Erfahrung haben sich in der Zeit zur Erinnerung abgesetzt.

1

Die auf dem Parteitag der Kommunistischen Partei Kubas unter d e m Namen rectificación beschlossenen Maßnahmen führten einerseits zu einer strengeren Zentralisierung in der Wirtschaft, andererseits zur Liberalisierung von Presse und Kultur.

20

Graziella Pogolotti

Einer der großen Mythen der kubanischen Kultur dient Abelardo Estorino als Vorlage, um einen intensiven Dialog zwischen Geschichte und Fatum herzustellen. Das tragische Schicksal der Cecilia Valdös, einer Mulattin von heller Haut, die durch eine Verbindung mit dem reichen Erben Gamboa „weiß" werden wollte, inspirierte im 19. Jahrhundert Cirilo Villaverde zu seinem berühmten realistischen Roman. Dessen Ende in Blut und Wahnsinn diente als Vorlage für zarzuelas, Filme und Operetten. In der Erinnnerung des Volkes ist der Originaltext vergessen, Cecilia ist zur Legende geworden. Die Figur hat sich selbständig gemacht. Mit dem Titel: Parece blanca bringt Abelardo Estorino sie auf die Bühne, die ganz und gar von einem Buch beherrscht wird, das auf einem Pult liegt. So ist den Protagonisten bewußt, daß sie aus einem Text stammen, der seit vielen Jahren ihr Schicksal vorschreibt. Durch das ganze Stück zieht sich eine Spannung zwischen Bewußtsein und Fatum, das sich unaufhaltsam vollzieht. Der Titel des Stücks zeigt an, daß es sich nicht um eine neue Version der bekannten Cecilia Valdes handelt. Der Mittelpunkt des Interesses hat sich verschoben. Die Geschichte wiederholt sich nicht in denselben Termini. Sie scheint die gleiche zu sein, und doch ist es eine andere. Aus der Perspektive des Endes dieses Jahrhunderts schreibt sich ein Konflikt von universellem Interesse in die nationale Tradition ein. Die wiederholte intertextuelle Referenz unterstreicht den Reichtum des literarischen Textes. Seine vorrangige Funktion ist es, eine Kultur zu evozieren, die in der Zeit gewachsen ist, um eine mit der großen Geschichte essentiell und innigst verbundene Erinnerung zu nähren. Schon früh hat das Werk Estorinos diese kritische Perspektive. Kurz nach dem Sieg der Revolution nutzte El robo del cochino (1961) die Familienstruktur, ein häufiges Thema im kubanischen Theater, um eine Gegenüberstellung der alten und der neuen Werte, verkörpert im Vater und seinem Sohn, auf die Bühne zu bringen. Es kommt zum Bruch. Der Junge verläßt die Familie und schließt sich den Rebellen an. Mit ähnlicher Struktur spielt La casa vieja (1964) nach dem Sieg der Revolution. Esteban stellt hier das Andere vor - er ist lahm und kommt aus der Stadt. In seinem Bruder, einem politischen Führer, entdeckt er das Fortbestehen alter Vorurteile hinter der Maske des Neuen, Vorurteile in Bezug auf Sexualität, auf das Verhältnis zur Frau, auf den Respekt vor gesellschaftlichen Konventionen und in der Bewertung bestimmter materieller Güter als Machtsymbole. Der politische Führer ist kein Opportunist. Er lebt seiner Arbeit und seiner Aufgabe hingegeben, ohne sich der Widersprüche bewußt zu sein, die in ihm fortleben. Sein Gegenpart, Bruder

Das Unsichtbare zeigen

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Esteban, ist Künstler, von Beruf Architekt. Seine Rolle im Theatertext wie im Leben ist es, Stein des Anstoßes, Auslöser des Konflikts zu sein. Es sei die Aufgabe des Künstlers, meint Estorino, das Unsichtbare zu zeigen, das verborgen unter der Oberfläche ruht. Dieses Thema nimmt in seinem Werk immer mehr Gestalt an, bis es in Vagos rumores (1992) zum Kern des Stückes wird. Hier nimmt Estorino eine Figur wieder auf, die er vor Jahren schon einmal benutzt hat, den Dichter des 19. Jahrhunderts, José Jacinto Milanés aus Matanza. Das Anderssein wird hier noch mehr hervorgehoben: in La casa vieja ist Esteban lahm, Milanés leidet unter Anfällen von Wahnsinn. Er wird von sexuellen Konflikten verfolgt, von Visionen, die sich aus der ungerechten Kolonialgesellschaft nähren, die - gestützt auf die Sklaverei - von Habgier getrieben wird, von Visionen von Toten und Gefolterten, nachdem die sogenannte Conspiración de la Escalera aufgedeckt worden war. Der Dichter verurteilt den vulgären Pragmatismus der Kaufleute und die blutrünstige Gier der politischen Macht, aber noch strenger geht er mit den Intellektuellen ins Gericht, die im Augenblick der Gefahr das Land sich selbst überlassen. Gefangen zwischen Klarsicht und Wahnsinn, nackt vor dem Zuschauer, verteidigt Milanés, sprich Estorino, das ethische Engagement des Künstlers für sein Werk, Quelle der Wahrheit, und für die Gesellschaft, die Nation und die Kultur, zu der er gehört. Über die politischen Veränderungen hinaus wollte die Kubanische Revolution einen Raum für eine größere Vollkommenheit des von wirtschaftlicher Unterdrückung und ererbten Vorurteilen befreiten, emanzipierten Menschen schaffen. Aus diesem Grund wird der Gegensatz zwischen dem Alten und dem Neuen zum häufigen Motiv im Theater der ersten Jahre. Die kleinbürgerlichen Werte im Familienleben erscheinen in einem breiten Spektrum von Texten, die von den Komödien von Héctor Quintero bis zu den ersten Werken von José Triana reichen. Der Konflikt zwischen dem Alten und dem Neuen, zwischen der Last des Erbes und dem Zukunftsplan drückt sich sowohl im Gegensatz der Werte aus, als auch im Widerstand allen Veränderungen gegenüber. Eins der erfolgreichsten Stücke des kubanischen Theaters, Santa Camila de la Habana vieja (1962) von José R. Brene, griff dieses Problem aus optimistischer Perspektive schon sehr früh auf. Mit kostumbristischem Akzent, der sicher dafür sorgte, daß das Stück ein breites Publikum erreichte, näherte es sich der Welt der gesellschaftlichen Randgruppen und der Religiosität afro-kubanischen Ursprungs. Die Protagonistin widersetzt sich der Veränderung. Aber in ihrer Umgebung wandelt sich die Realität rasch. Sie gibt schließlich nach und nimmt eine auf die Ar-

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beit und Solidarität zwischen den Menschen gründende Wertskala an. Die 60er Jahre sind noch nicht zu Ende, als Roberto Blanco in einer wunderschönen Inszenierung das Stück von Eugenio Hernández Espinosa Maria Antonia (1967) auf die Bühne bringt. Mit tragischem Atem enthüllt der Text die Macht der großen Mythen, die zu einer anderen, unterschwelligen Kultur gehören. Jenseits ihrer Wünsche kann Maria Antonia den Alternativen der Veränderung, die das Leben ihr bietet, nicht nachgeben. Ihr Geschick ist vorgezeichnet und muß sich erfüllen. Genau wie in Réquiem por Yarini (1960) von Carlos Felipe führen mit einem anderen Mythos der marginalen Welt alle Schritte unweigerlich auf die Erfüllung des Fatums zu, das von einer Macht vorgezeichnet ist, die die Fähigkeit der Menschen übertrifft. Maria Antonia deckt die tiefen Wurzeln des Mythos auf, seine Macht, jenseits aller historischen Ereignisse zu überleben. Sein poetischer Atem und der literarische Text evozieren eine hispanische Tradition, und die dramatische Struktur läßt den Willen zur Integration erkennen, ein Streben nach Moderne, das in den Grundkonzeptionen eingeschrieben ist, die die Gründer der kubanischen Nation bewegten und die auch vom sozialistischen Entwurf eingefordert werden. Darüber hinaus hat die Kubanische Revolution dazu beigetragen, eine antikolonialistische Optik der Dritten Welt zu festigen, mit der das mythologische Universum von Maria Antonia erkennbare kommunizierende Röhren etabliert. Paradoxerweise bauten die Erkenntnis des Andersseins, die implizite Kritik an der offiziellen Kultur, Brücken vom Theater zur Integration bis dahin ausgegrenzter Sektoren und stimmten im Wesentlichen mit dem von den politischen Instanzen formulierten Entwurf überein. 1962 unternahm eine Gruppe von Schauspielern im Gebirge des Escambray das schwierige Abenteuer, eine andere Randzone der kubanischen Gesellschaft, die ländliche Welt, ihre Werte ihre Widersprüche, eine bis dahin unsichtbare Realität, zu erforschen. Die Revolution hatte mit der Agrarreform unter Tausenden von Landarbeitern, die sich in äußerster Not befanden, Land verteilt, und später sollten diese Kleinbauern begreifen, daß privates Eigentum nicht in den sozialistischen Entwurf paßt. Das TEATRO ESCAMBRAY brachte Probleme dieser Art auf die Bühne: die Figuren debattierten dort über die Vorteile des Kollektivs und die Verteidigung des erst kürzlich erworbenen Grundbesitzes. Hin und hergerissen zwischen Einsicht und Ablehnung, zwischen Mißtrauen und dem Wunsch, an den materiellen Vorteilen teilzuhaben, die sich aus der Urbanisation des Landlebens ableiten könnten, sterben und aufer-

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stehen sie auf der Bühne in der Diskussion um eine Wahrheit, die jeder für sich erkennen muß. Der Text bietet keine Lösungen an; immer provisorisch, immer relativiert entstehen diese aus der improvisierten Diskussion mit den Zuschauern. Roberto Orihuela, Autor der Gruppe ESCAMBRAY, führt ebenfalls in den 70er Jahren das bis dahin mit Stillschweigen übergangene Thema ,Frau' ein. Wieder sind es die Zuschauer, die von Orihuela in Tribunale eingeteilt, ihr Leben beurteilen sollen. Als symbolisches Abbild der Gewalt, die zu den machistischen Werten gehört, evoziert der Hahnenkampf die Vergewaltigung. Zu einer Ehe gezwungen, die ihre Familie erhalten soll, findet eine Frau durch die gesellschaftlichen Veränderungen die Möglichkeit, sich zu emanzipieren, indem sie sich in die Arbeitswelt eingliedert. Aber die Barrieren der Vorurteile sind nicht gefallen. Wenn sie ihren aufgezwungenen Mann verlassen will, um eine volle Emanzipation in einer freien Partnerwahl zu erreichen, wird sie wieder damit konfrontiert. Und wieder liegt die Entwicklung in den Händen des Publikums. Der Konflikt enthüllt dann seine ganze Dramatik in den unterschiedlichen Vorstellungen der heranwachsenden Generation und der etablierten, die am traditionalistischen Konformismus hängt. Die Kritik ist wieder auf das Bewußtsein der Menschen konzentriert, um eine grundlegende Änderung der Mentalität zu bewirken. Der Übergang von den 70er zu den 80er Jahren ist von einer Lawine von Uraufführungen, in vielen Fällen kurzlebige Erfolge, gekennzeichnet, die versuchen, die Probleme einer in der Revolution geformten Generation aufzugreifen. In erster Linie wendet sich die Kritik gegen die Reste einer prüden Moralkonzeption. Die Jungen beginnen, ihre Freiheit der Wahl auf dem Gebiet der Sexualität einzufordern. Die Darstellung des Problems entwickelt sich rasch zur Ablehnung gesellschaftlicher Masken, um am Ende in das Thema der doppelten Moral zu münden, das in den 80er Jahren das Theater beherrscht. Mit Molinos de viento (1984) von Rafael González, geschrieben für das TEATRO ESCAMBRAY, wird der Konflikt der Werte aus einer anderen Perspektive gezeigt. Die Handlung spielt in einer Schule, wo einige Schüler die Fragen für das Examen gestohlen haben. Während der Untersuchung der Angelegenheit, die einen Ausschluß der betreffenden Schüler zur Folge haben kann, entwickelt sich ein viel größerer Betrug. Für einen Inspektionsbesuch muß eine Welt ohne Risse simuliert werden, in der alles den Forderungen des Modells entsprechend funktioniert. Im Verlauf der Handlung verliert der Direktor seine realistischen Züge und verwandelt sich in eine groteske Maske. Die Schule repräsen-

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tiert mit ihren komplexen Widersprüchen die Gesellschaft. Der Gegensatz von Vergangenheit und Zukunft stellt sich dem kritischen Blick der Gegenwart, wo sich der Opportunismus in der scheinbaren Verteidigung der Werte, die die neue Gesellschaft erhalten, demaskiert. Molinos de viento ist eine offenkundige Anspielung auf den Don Quijote von Cervantes und enthüllt den Keim eines Übels, das von innen her die Eroberung einer Utopie bedrohen kann, in der die ökonomischen und gesellschaftlichen Veränderungen ein notwendiger Weg waren, die Entwicklung des Menschen optimal zu fördern. Darum erfährt der Protagonist, der Schuldirektor, eine zunehmende Verfremdung seiner Gestik ins Roboterhafte. Obwohl am Anfang sehr kritisiert, bereiste diese Inszenierung von Molinos de viento das ganze Land und wurde von Zuschauern aller Altersklassen gut aufgenommen. Die neuen Generationen, die in den Kunsthochschulen ausgebildet wurden, forderten im kulturellen Leben der 80er Jahre ihre Rolle ein. Die staatliche Politik förderte neue Theatergruppen und stimulierte auf diese Weise eine Dynamik, die in den vorangegangenen Jahren eingefroren war. Der dramatische Text, der auf die Erfahrung des Wortes gegründet war, schien dem szenischen Diskurs gegenüber an Boden zu verlieren. Zum ersten Mal wurde der künstlerischen Kreation ihre eigene Geschichte bewußt, um sie zurückzufordern und auch, ambivalent zwischen Huldigung und Negation der Paradigmen, zu überschreiten. Die Wiederentdeckung der Dramatiker, die sich in den 50er Jahren einen Namen gemacht hatten, realisierte sich über die Transgression. „Ich bin allein", proklamierte ans Publikum gewandt die Figur von Lila, la tnariposa (1954) von Rolando Ferrer und kündete auf diese Weise die existenzielle Debatte des Helden von Las perlas de tu boca (1989) an, ein Stück, das von der Gruppe BUENDIA als Ergebnis eines kollektiven Kreationsprozesses inszeniert worden war. Die Anerkennung der kulturellen Identität kreuzte sich mit den Fragen nach der Identität des Menschen in existenziellem Sinne. Ersteres manifestierte sich in der Nutzung literarischer Texte, in der Debatte afrokubanischer Mythen und Rituale und in interkulturellen Untersuchungen. In der anderen, komplementären Richtung reetablierte sich ein manchmal fragmentiertes Gedächtnis, und vorsichtig zeigte sich das Thema Homosexualität. Das Verschwinden des sozialistischen Lagers in Europa und die verstärkte Blockade der USA haben eine tiefgreifende Wirkung auf das Leben der Kubaner auf allen Ebenen des täglichen Lebens. Das Theater läßt sich davon jedoch nicht hemmen. In kleinen Sälen ohne Klimaanlagen unter prekären Installationen für Licht und Ton, die Vorstellungen

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oft durch plötzlichen Stromausfall unterbrochen, findet es doch sein Publikum. Die Suche nach Selbsterkenntnis und nach einem Raum zur Reflexion ruft die Menschen zusammen. Kritische Anspielungen auf das tägliche Elend und auf den Verfall der ethischen Werte machen das Theater der 90er Jahre dem Neuen aufgeschlossen. Der Blick ist oft kostumbristisch an die Unmittelbarkeit der Ereignisse gebunden. Er findet manchmal eine Antwort bei den Zuschauern, die mit Gelächter den Konflikten ihrer unmittelbaren Realität ausweichen. Manteca (1993) von Alberto Pedro Tórnente scheint sich, zum Beispiel, auf dieser Linie zu bewegen. Eingeschlossen in einer Wohnung ziehen drei Geschwister ein Schwein auf, das ihnen Fleisch und Fett liefern soll. Das konkrete Ziel, das den elementaren Forderungen des Überlebens entspricht, mündet in ein Opferritual. Aber der Himmel schließt sich nicht. Alles wird noch einmal von vorn beginnen. Vorsätzlich banal und grotesk dient die Geschichte als Vorwand, um die tiefe Zerrissenheit zu zeigen, die im Bewußtsein der Figuren herrscht. Der eine ist ein frustrierter Schriftsteller, der andere ist vom Zusammenbruch der Sowjetunion, an der er seine Illusionen festgemacht hatte, erschüttert. Die Schwester leitet die Diskussion, und trotz ihrer Bitterkeit hält sie sich an ihre Vergangenheit, an eine Hoffnung, an den Willen, den Zyklus immer und immer zu wiederholen. Obwohl der Autor es ausdrücklich verneint, evoziert das Stück La noche de los asesinos von José Triana in der Konfiguration der Personen und in der Öffnung auf eine zyklische Wiederholung. Es fordert auf diese Weise die Kontinuität der nationalen Kultur. Am Vorabend des Jahrhundertendes behauptet sich aufs Neue eine kritisch reflexive Strömung, die das Anekdotische und Gegenständliche verläßt. Das ist der Fall bei einigen Dramatikern aus dem vorangegangenen Jahrzehnt und bei experimentellen Arbeiten der jüngsten Generation von Theaterleuten. Als Erzähler und Dramatiker wendet sich Reinaldo Montero dem Ende eines anderen Jahrhunderts zu. Am Vorabend des Unabhängigkeitskrieges gegen Spanien, Ende des 19. Jahrhunderts, findet die nordamerikanische Intervention in Kuba statt. Das historische Thema dient Montero in Los equívocos morales (1995) dazu, eine ethische Debatte einzuleiten. Der Kompromiß zwischen Erbe, Ambivalenzen in den intergenerationalen Beziehungen und der Vorstellung von Kontinuität und Ablösung drückt sich oft im szenischen Diskurs der jüngsten Autoren aus. Personen aus der Bibel, dem Drama der Antike und Texten kubanischer Autoren dienen als Anlaß zu einer neuen Lesung aus heutiger Sicht.

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Wobei nicht so sehr eine Konfrontation, als vielmehr ein Dialog aus anderer Position begonnen werden soll. Das Theater hat fast vierzig Jahre lang die Geschichte der Kubanischen Revolution begleitet, in einem Jahrhundert der großen Kriege und nationalen Befreiungsbewegungen. In diesem Kontext fand es einen Raum für sein Wachstum und die Eroberung eines neuen Publikums. Seine kritische Haltung hat sich nie gegen die Grundsätze des Entwurfs zur Veränderung der Realität, zur vollen Emanzipation des Menschen gestellt. Die Gesellschaft verändern hieße, das Leben verändern, wie der Dichter sagt. Nach und nach hat es jedoch die Brüche entdeckt, die die volle Realisierung des Vorhabens bedrohen, und hat die Randgebiete erforscht. Es hat das Unsichtbare gezeigt, und das ist die Funktion der Kunst und der Kritik. Deutsch von Adrián Herr

Literatur Brene, José R.: „Santa Camila de la Habana vieja", in Teatro cubano contemporáneo, hrsg. von Carlos Espinosa Domínguez. Madrid 1992. Estorino, Abelardo: „El robo del cochino" (1961), in El teatro hispanoamericano contemporáneo, hrsg. von Carlos Solórzano. Mexiko 1964, Bd. 2, S. 76-128 und in Teatro. Havanna 1984. : „La dolorosa historia del amor secreto de don José Jacinto Milanés" (1974), in Teatro cubano contemporáneo (Espinosa Domínguez 1992). : „La casa vieja", in Teatro. Havanna 1984. : „Vagos rumores", in Conjunto (Juli-Dez. 1992). : „ Parece blanca", in Tablas 1-2 (1994). Felipe, Carlos: „Réquiem por Yarini", in Teatro, hrsg. von José A. Escarpanter, José A. Madrigal. Boulder 1988 und in Teatro cubano contemporáneo (Espinosa Domínguez 1992). Ferrer, Rolando: „Lila, la Mariposa", in Teatro cubano contemporáneo (Espinosa Domínguez 1992). González, Rafael: „Molinos de viento", in Seis obras de teatro cubano, hrsg. von Riñe Leal. Havanna 1989. Hernández Espinosa, Eugenio: „Maria Antonia", in Teatro cubano contemporáneo (Espinosa Domínguez 1992). Montero, Reinaldo: Los equívocos morales (1995). „Moralischer Irrtum", in Kubanische Theaterstücke (Adler, Herr 1999), S. 297-357. Pedro Torriente, Alberto: Manteca (1993).

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Graziella Pogolotti Jacobson (1932). Professorin an der Universidad de La Habana. Studierte an der Sorbonne in Paris, schreibt seit 1950 Theaterkritiken. P u b l i k a t i o n e n : Examen de conciencia. H a v a n n a 1965; Teatro y revolución (Hrsg.). H a v a n n a 1975; Oficio de leer. H a v a n n a 1983; René Portocarrero. H a v a n n a 1987;

„Vigencia del teatro nuevo", in Escenarios de dos mundos (Bd. 2: Cuba, 1988), S. 45-47; zahlreiche Aufsätze zum Theater in Kuba.

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Theater und Moderne: 30 Jahre danach In der Theaterhistoriographie ist es inzwischen ein Gemeinplatz zu behaupten, die Moderne des kubanischen Theaters beginne mit Electra Garrigó (1941), dem Text von Virgilo Piftera, mit dem ohne Zweifel eine Epoche beginnt, die die besondere Eigenschaft hat, sich ein um das andere Mal zu wiederholen. Dennoch sind die Codizes jener Moderne nicht immer klar definiert. Man stellt Periodisierungen auf, erstellt einen (historischen, kritischen) Diskurs, aber das Wesentliche der Moderne entgeht uns gelegentlich.1 Vor fast 20 Jahren schrieb ich bereits meine ersten Arbeiten zu diesem Thema. Später, in Una pelea cubana por la modernidad (1981) glaubte ich, den Leitfaden, der eine Geschichte (oder einen Sinn) des Begriffs stützt, etwa von der Uraufführung von El conde Alarcos in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunders bis zu den juegos de decapitaciones der jüngsten Versuche der Theatermacher verfolgen zu können. So gesehen scheint sie eine Summe aufeinanderfolgender Annäherungen zu sein. Aber es kommt vor, daß die Moderne zum rückläufigen Thema wird. Wenn man glaubt, sie sei vorbei, man könne sich von ihr lösen, man könne sie einordnen und auf einen Zeitraum künstlerischer Produktion reduzieren die historischen Avantgarden, die Neo-Avantgarden, oder in einer letzten Anstrengung ihre Unterscheidung durch die Vorsilbe Post - geschieht es, daß die Moderne als Begrenzung, Opposition, Bruch oder Referenz wieder auftaucht, aber wie ein Hase quer über das Feld springt. Man wird wohl darüber nachdenken müssen, ob wir ihre Wurzeln, ihre wirkliche Natur oder Beschaffenheit ausreichend untersucht haben. Dieser Aufsatz verfolgt genau dieses Ziel: Die Moderne nicht nur als das, was war zu sehen oder was wir niemals erreichen (bestimmten Kriterien zu entsprechen), sondern als jene Besonderheit, die sichtbar oder unsichtbar wird, gegenwärtig oder abwesend, sich zeigt oder sich in Verbindung mit anderen Erscheinungen der Geschichte, die wie die Moderne immer und immer wieder aufzutauchen scheint, enthüllt oder versteckt. 2

1

Virgilio Piftera: Teatro completo. Havanna 1960. Für eine Charakterisierung der Moderne und ihre Periodisierungskriterien vgl. Raquel Carrió: Dramaturgia cubana contemporánea. Havanna 1988.

2

Raquel Carrió: „Una pelea cubana por la modernidad" (1. Version) in Dramaturgia cubana contemporánea (Carrió 1988). 2. Version: Primer acto 225 (1988); und „Teatro

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Dies ist aber nur möglich, weil sich - zumindest unter uns - der Terminus Moderne weniger auf eine bestimmte künstlerische Bewegung bezieht, als auf die Absicht zu erneuern, zu verändern, mit dem Erbe zu brechen oder die Tradition wieder aufleben zu lassen. So war es zur Zeit der romantischen Dichter und Dramatiker, als der klassische Kanon zu erdrücken schien, paradoxerweise aber als Richtschnur, Maske oder Verhüllung der Auflehnung, Unterscheidung und Unabhängigkeit (der politischen wie der ästhetischen) gegen die vom kolonialen System eingesetzten Modelle fungierte. So nimmt das Werk von Heredia, Milanés, Avellaneda, Luaces und Marti das vorweg, was später ein wichtiger Zug der Avantgarden sein sollte: das aktive Ringen um eine nationale, kubanische Diktion, die aber „wie die Nationalität" aus der Integration verschiedener Traditionen und Referenten entstanden ist. Wir sprechen von einem kolonialen (und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert neokolonialen) Zustand, aus dem sich die cubanidad - als Unterscheidung - über Prozesse der Assimilation, der Aneignung und des Bruchs ausdrückt. In diesem Kontext ist das, was dem künstlerischen Werk eine unterscheidende Eigenschaft verleiht, einerseits der seltsame Eifer, sich die Referenten anzueignen (im historischen Sinn: in der Kolonialzeit europäische, afrikanische, in jedem Fall aber Derivate der herrschenden Systeme) und andererseits die rasche Assimilation, Bearbeitung und Diversifizierung der Formen. Das erklärt, inwiefern der kubanische Romantizismus oder Modernismus (zu Beginn und Ende des 19. Jahrhundert) wie auch später die Avantgarden integrierende Bewegungen waren und keine negierenden oder ausschließenden - keine reproduzierenden -, die sich beeilten, die Modelle zu subvertieren, zu transgredieren und zu mischen, in der Absicht zeitgemäß zu sein, mit der Welt verbunden, aber auf eine besondere, differenzierende Art. Das Problem der Identität ist in Kuba demnach ein wesentlicher Zug bei der Formulierung der Moderne. Aus dem rückläufigen Paradox Domination/Rebellion (Assimilation/Bruch) entsteht die Notwendigkeit, die aktive Suche nach dem Neuen als Opposition. Aber seltsamerweise fungiert die Sprache in jedem Fall als Maske, als Verhüllung, die ihrerseits das Wesentliche entdeckt und enthüllt. 3

3

y modernidad en Cuba: Aproximaciones a un texto imposible", in Cuba, la isla posible. Barcelona 1995. Identität und Formen der Annährung siehe Raquel Carrió: El rostro polémico del ser. Havanna 1989; und „Ironías y paradojas del comediante", in Tablas (1997).

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Von diesem Gesichtspunkt aus ist der wesentliche Beitrag der Avantgarde für das kubanische Theater in einer ersten Phase seiner Entwicklung (1940 bis ungefähr 1968) die Bemühung um eine organische Synthese der Strömungen und Tendenzen, die die notwendigerweise pluralistische Tradition der Dramatik und der nationalen Szene bilden. Im Verlauf des 19. und den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts erleben wir, wie sich das gehobene und daneben das populäre Theater entwickeln. Das eine benutzt (und manipuliert) die Modelle - Romantik, Realismus - und das andere läßt die Buffo- und vernáculo-Formen wieder aufleben. Während die gehobene Dramatik die Adaption („Kubanisation") der Modelle an die Gegebenheiten des eigenen Landes über den dramatischen Text versucht, haben das Buffo- und vernáculo-Theater die Bühne erobert. Es ist bezeichnend, daß das Buffo-Theater generell unehrerbietig, transgressiv, parodistisch oder karikaturistisch vorgeht, während der gehobene Text zu adaptieren sucht. Frei vom wörtlichen Text, offen für alle populären Ausdrucksformen (lokales Idiom, Musik, Tanz: das visuelle und sonore Universum der Bühne) arbeitet das teatro vernáculo durch Reduktion. Es findet in der offenen Form von Ironie, Witz, Hyperbel und Karikatur - das sind seine Effekte - Ergebnisse, die sich der Adaption annähern und mit anderen Absichten aus dem Text stammen. Man hat in einigen Fällen versucht, in dieser Differenzierung, die Polarität eines Ideentheaters (von gebildeten Autoren im Dialog mit den Modellen des romantischen und realistischen Dramas geschrieben) und eine entideologisierte Szene zu sehen, die als einfaches Vergnügen den etablierten Werten und Kräften dient. Eine aufmerksame Lektüre enthüllt jedoch, daß in den vernácula-Formen der Kern der Opposition oder Rebellion sich als Spiel und in der Komplizenschaft des Rezipienten etabliert und daß die Reduktionsformen wie Signifikanten auf der Suche nach einem analogen Signifikat fungieren. Es ist gerade das Spiel, die Parodie und die Karikatur als Maske oder Verhüllung, woraus die Theater-Avantgarde in Kuba - auf ihrer Suche nach Differenzierung - ein Mittel zur philosophischen Debatte erhält.4 In dieser Dimension bedeutete das Erbe des teatro vernáculo - fast immer am Rande der Avantgarden untersucht, während es ihnen in Wirklichkeit vorausgeht und ein Teil der Avantgarde ist - die Möglich4

Siehe Rine Leal: Selva oscura. Historia del Teatro cubano. 2 Bd. Havanna 1975. Ferner seine Anthologien zum Buffo- und vernäculo- Theater. Ich beziehe mich in erster Linie auf die Glanzzeit des TEATRO ALHAMBRA im ersten republikanischen Jahrzehnt bis 1935. Vgl. Teatro Alhambra. Antologia, hrsg. von Eduardo Robreno. Havanna 1979.

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keit, Komponenten eines Stils, der erst viele Jahre später die volle Integration erreichen sollte, zusammenspielen zu lassen. Die Figuren des Gallego, der Mulattin, des Negerleins (Archetypen, die Rumba, Tanz, Witz, rasches Wortspiel und Anspielungen auf das politische Leben des Landes: Korruption, Machtmißbrauch usw. vertreten) und vor allem offene, variable Formen, die für die Verbindungen Emission/Rezeption, Schauspieler/Zuschauer, Kunst/Gesellschaft usw. diversifizierbar sind, schufen einen Raum für den kulturellen Widerstand, der sich im Spiel, in Ironie, Humor, Relativierung des Ernsten, des Vorgetäuschten und der Angeberei ausdrückt. Das, was Piñera als den systematischen Bruch des Tragischen durch das Komische bezeichnet und was unter dem augenscheinlichen Witz des Spiels Text/Szene (das gehobene und das populäre, das klassische Modell und die vernácula Tradition) die philosophische Debatte über die condition cubaine und die éducation sentimentale, die unsere Väter uns haben angedeihen lassen, verhüllt.5 Es verwundert also nicht, daß Electra Garrigó nicht den Beginn eines Prozesses der Kubanisierung der Referenten markiert (mit anderen Mitteln waren es Vorgehensweisen von Milanés, Luaces oder Marti), sondern das Finden einer Sprache, die in der Lage ist, die verschiedenen Zusammenflüsse der Tradition zu synthetisieren. Tatsächlich eine aus historischen Gründen gespaltene Tradition - man erinnere sich der Polarisierung in eine weiße und eine schwarze Kultur als Folge der Einfuhr afrikanischer Sklaven während der Kolonialzeit - mußte sie eine Ausdrucksweise finden, eine in sich signifikante Sprache, damit die philosophische Debatte auf dem spezifischen Gebiet des Bildes funktionieren kann, das heißt, um einen Raum des Widerstands und der Fundierung als Eigenschaft des Textes und der Repräsentation zu schaffen. Auf diese Weise ist das Signifikative in der Version von Piñera weniger die Aktualisierung des Klassikers (eine den europäischen Avantgarden eigene Vorgehensweise), als vielmehr die Öffnung des Textes zur Integration der redimensionierten Referenten in Bezug auf einen spezifischen soziokulturellen Kontext, der durch seine Pluralität (vernáculoTradition) gekennzeichnet ist und in diesem Fall die Codizes einer 5

In Electra Garrigó wird die Sage der Atriden durch die Parodie ins Absurde verzerrt. Diese Poetik schafft eine Tradition, die bis in unsere Tage reicht. Das gehobene Niveau - Modell als Referent - schafft die Maske, die die Enthüllung des Verzerrten, des Besonderen als Ausdrucksmittel der Überschreitungen (koloniale, neokoloniale) des Kontexts erlaubt. Vgl. Virgilio Piñera: Vorwort zu Teatro completo. Havanna 1960 und Raquel Carrió: „Una brillante entrada en la Modernidad", in Teatro cubano contemporáneo. Antología. (Espinosa Domínguez 1992).

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Theatralität etabliert, die ihren Höhepunkt in den folgenden Jahrzehnten finden wird. Daher bedeutet auch das Werk von Autoren wie Piflera (von Electra Garrigó bis Aire frto, 1962), Carlos Felipe (von El chino 1947 bis Rèquiem por Yarini, 1960) und Rolando Ferrer (Lila, la mariposa, 1954) die Öffnung zum Idearium einer Moderne (Erneuerung, Bearbeitung des Erbes), die sich jedoch durch schwierige Bedingungen der nationalen Szene in den Jahren der neokolonialen Republik (1902-1958) behindert sah. Ohne offizielle Unterstützung, ohne ein breites Publikum, mußte die Realisierung eines nationalen Theaters, von dem seine Protagonisten träumten, vertagt werden. Die Utopie eines universellen kubanischen Theaters, das das volle Erbe eines multikulturellen Landes umfaßt, erklärt das Phänomen, das sich im Januar 1959 mit dem Sieg der Revolution vollzog und was der Historiker und Kritiker Rine Leal die theatrale Öffnung der 60er Jahre genannt hat.6 Rückblickend erscheint uns die Öffnung der 60er Jahre als die Zeit größten Glanzes der dramatischen Produktion und Repräsentation unseres Landes. Zum ersten Mal bezahlte man einen Autor für die Inszenierung seines Textes. Zum ersten Mal stellte man eine Verbindung zwischen von kubanischen Autoren geschriebenen Werken und der Bühne her. Außerdem, und das ist wesentlich, gab es zum ersten Mal ein breites Publikum für das Theater. Und dennoch wäre die Behauptung zu einfach, allein diese Gründe hätten die Kristallisation eines Entwurfs (Moderne) verwirklicht, der Jahrzehnte zuvor entstanden ist. Ohne die Arbeit der 40er und 50er Jahre, ohne das Werk von Autoren wie Piftera, Felipe, Ferrer oder Paco Alfonso und die Bemühungen der Gruppen angefangen bei LA CUEVA (1937) bis TEATRO ESTUDIO (1958) - kleine Bastionen, in denen sich der Wille zum Werk darstellt - wäre die Öffnung der 60er Jahre nicht das geworden, was sie ist: der Höhepunkt eines langen Prozesses der Suche und des Experimentierens, um ein eigenes Theater zu schaffen, das mit modernen Techniken gemacht wird, aber in der Geschichte wurzelt und die kulturellen Züge des Landes trägt. In diesem Sinne ist es logisch, daß, als die notwendigen Bedingungen zur Entwicklung eines nationalen Theaters geschaffen wurden (Publikationen, Wettbewerbe, Inszenierungen, Schulen und Seminare zur Ausbildung von Schauspielern, Dramaturgen und Technikern), die langwierigen Bemühungen und latenten Impulse eine Kristallisierung erfuhren, die den Höhepunkt der theatralen Produktion in Kuba darstellt. Werke wie Santa Camila de la Habana Vieja (1962) von José R. Brene; Contigo pan y ce6

Rine Leal: Breve historia del teatro cubano. Havanna 1980.

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bolla (1962) und El premio flaco (1964) von Héctor Quintero; La casa vieja (1964) von Abelardo Estorino; María Antonia (1964) von Eugenio Hernández und La noche de los asesinos (1965) von José Triana zusammen mit Aire frío (1962) und Dos viejos pánicos (1968) von Virgilio Piñera; Réquiem por Yarini (1965 uraufgeführt) von Carlos Felipe und Los siete contra Tebas (1968) von Antón Aruffat bilden das bedeutendste Corpus jenes Jahrzehnts, denn in ihnen kristallisieren sich die Ausdrucksmöglichkeiten, die vom Entwurf der Avantgarde gebildet wurden und im vorrevolutionären Kontext nicht realisierbar waren.7 In hohem Maße erklärt dies, daß der Blick in die Vergangenheit ein allen diesen Stücken gemeinsamer Zug ist. Sowohl, wenn es um die Auflösung der Familie geht (Contigo pan y cebolla, El robo del cochino, La casa vieja, La noche de los asesinos, Aire frío und Dos viejos pánicos) oder um die Rettung marginaler Traditionen (das Leben in den Slums von Havanna in Santa Camila..., El premio flaco, oder María Antonia), ist der Blick distanziert, und die Ausdrucksmittel erreichen in der Behandlung der Themen eine volle Integration. Drei Texte zeigen eine Übereinstimmung erstaunlicher Qualität, von der man geträumt hatte: El premio flaco von Quintero, wo in der Darstellung der Slums und der Armenviertel von Havanna die vernáculo-Tradition ein hohes Niveau der Stilisierung erreicht; Maria Antonia von Hernández, eine Metapher von außerordentlicher Schönheit für die Ausgrenzung der Schwarzen, mit der tragischen Figur einer Frau, Sinnbild ihrer Rasse und ihrer Kultur; und La noche de los asesinos von Triana, die Welt der Träume, Obsessionen und Gespenster der Kleinbürger, ihre verbotenen Spiele und in gewisser Weise ihre karikatureske, fast esperpentische Unmöglichkeit der Erfüllung. Mit Bedeutungen beladen, in einem Spiel, das zwischen Grausamkeit und Schönheit, zwischen Perversion und Unschuld pendelt, schließt La noche de los asesinos den 25 Jahre zuvor mit Electra Garrigó begonnen Zyklus. In den drei Fällen geht es um eine zurückgelassene Welt. Der Blick historisiert sich, und die Metapher fungiert als Synthese, Sakralisierung, Ritualisierung der Erinnerung und des szenischen Raum. Mit der Uraufführung von La noche... 1966 unter der Regie von Vicente Revueltas und ein Jahr später von Maria Antonia, inszeniert von Roberto Blanco, hatte der Entwurf der Moderne im kubanische Theater sein Ziel erreicht. Für die

7

Vgl. Raquel Carrió: „La dramaturgia de la Revolución en los primeros años (19591968)", in Dramaturgia cubana contemporánea (Carrió 1988); Riñe Leal: En primera persona. Havanna 1967 und Magaly Muguercia: El teatro cubano en víspera de ¡a revolución. Havanna 1988.

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Zuschauer von damals bedeuteten die Werke den Höhepunkt einer langen Erfahrung, aber auch den Abschied von einer Welt.8 Es ist demnach nicht zufällig, daß zwischen 1967 und 1968 Diskussionen und Konfrontationen stattfanden, die die Theaterbewegung als Teil der sozialen Strukturen im Ganzen angingen. Heute erscheint uns die Polarität zwischen dem Theater im Saal und dem sogenannten Neuen Theater müßig, die das folgende Jahrzehnt charakterisierte. Damals stellte sie ein komplexes Problem des kubanischen Theaters dar. Neue Kollektive entstanden, die ihre Aktionen in nicht traditionelle szenische Räume verlegten (Landgemeinden, offene Plätze, Straßen, Produktionsstätten) und nach einem neuen Publikum und neuen Formen der Kommunikation suchten. Diese Polarisierung führte zu einem Bruch, der allgemein dem Dogmatismus und den Manipulierungen der offiziellen Politik zu Gunsten jener von der Kontamination der Vergangenheit „befreiten" Ausdrucksformen zugeschrieben wurde. Darüber gibt es viele Geschichten, und die Aussagen des einen und anderen Protagonisten sind nützlich, um jene Zeit zu charakterisieren. Aber es versteht sich von selbst, daß die offiziellen Direktiven nicht isoliert im Raum standen. Sie gehörten in die ideologischen Konfrontationen Ende jenes Jahrzehnt (nicht nur auf nationaler Ebene). Die ästhetischen Veränderungen enthüllen hier die erste Krise in der Kontinuität eines Avantgarde-Modells.9 Grundsätzlich muß zwischen jenen Gruppen unterschieden werden, die aus dem Wunsch nach (historischer, soziokultureller) Forschung entstanden sind und jenen, die auf der Suche nach neuen Ausdrucksformen experimentierten und den Epigonen oder späteren Auswüchsen, die nicht immer den Glanz und die Effizienz der ersten Versuche erreichten. Wichtig ist jedoch, wie die Formen der ländlichen Tradition - sogar im Vergleich mit den Manifestationen der städtischen Randgruppen - in den Vordergrund rücken und zum Ausdruck eines Bereichs der TheaterAvantgarde werden, die sich auch in den Theatersälen abspielt. Kollektive wie TEATRO ESCAMBRAY ( 1 9 6 8 ) im Zentrum der Insel oder CABILDO TEATRAL SANTIAGO im Osten - die bedeutendsten Theaterkollektive kommen als ästhetische Antworten auf Forderungen nach Kommunikation im Kontext der sozialen Veränderungen in bestimmten Gegenden.

8

Siehe Teatro y revolución. Antología. (Pogolotti 1975) und Teatro cubano contetnpordneo. Antología. (Espinosa Domínguez 1992).

9

Über die Krise der Modemisierungsentwürfe und ihre Folgen für die Modelle der Avantgarde siehe die Untersuchung von Román de la Campa: José Triam: ritualización de la sociedad cubana. University of Minnesota 1979.

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Es entstehen dort Werke aus historischen und soziokulturellen Untersuchungen, die der szenischen Realisierung (gezeigter Text) vor dem literarischen Text den Vorrang geben und die in ihrer Mehrzahl das Spiel, Musik, Tanz, Pantomime oder andere Formen der Repräsentation wie mündliche Erzählung, Streitgespräch, ländliche Feste, Karneval, Komparsentanz und die sogenannten relaciones10 wieder aufgreifen. Neben Gründen, die der kubanische Kontext liefert (die besondere Intensität des Veränderungsprozesses auf dem Lande oder, im Fall des ESCAMBRAY, die Konfrontation mit konterrevolutionären Banden, die eine reiche Literatur zum Thema schuf), läßt die Konvergenz dieser Ausdrucksmittel mit anderen lateinamerikanischen Ländern im Laufe der 70er Jahre daran denken, daß die Krise der Moderne mit dem Zusammenbruch der Ausdruckssysteme zusammenfällt - Strategien der Sprache und Formen der Kommunikation - und den Wunsch nach Rückkehr zu den Ursprüngen favorisierte, eine Dekonstruktion und Suche nach einem verlorenen Theater oder das Wiederfinden einer - direkteren, menschlicheren - Beziehung von Schauspieler/Zuschauer, Kunst/Gesellschaft etc. In jedem Fall sind Werke wie La vitrina (1971) und El paraíso recobrado (1972) von Albio Paz; El juicio (1973) von Gilda Hernández (ESCAMBRAY); De cómo Santiago puso los pies en la tierra vom CABILDO oder später Huelga (CUBANA DE ACERO unter der Regie des Kolumbianers Santiago Garcia) offene Texte, karnevalesk und fröhlich, entstanden aus einem Experiment, das Quellen (historische, Zeugenaussagen) benutzt und szenische Sprachen entwickelt, die ihre Herkunft aus Projektionen der Avantgarde offenlegen.11 Von diesem Gesichtspunkt her ist es weniger wichtig, uns bei Betrachtungen über die Naivität oder die politische Unmittelbarkeit jener Ausdrucksformen aufzuhalten, als vielmehr hervorzuheben, daß die Krise der Avantgarde-Entwürfe - so wie sie Jahrzehnte vorher formuliert wurde - in diesen Arbeiten eine Desakralisation des theatralen Ideariums (Imaginariums) ist: Das Theater tritt aus der Fabel heraus (siehe El juicio von Gilda Hernández und die Analyse von Leal). Es sucht andere Personen und Orte - Plätze, Straßen, Orte sozialer und kultureller Kon-

10

Vgl. Rosa Ileana Boudet: Teatro Nuevo: Una respuesta. Havanna 1983; und die Bände des TEATRO ESCAMBRAY, TEATRO LA YAYA (was ländliche Traditionen angeht), CABILDO TEATRAL SANTIAGO (Tradition der relaciones und des Karnevals) u.a.

11

Vgl. Analyse von Riñe Leal in La dramaturgia del Escambray. Havanna 1984; und die Rekopilation von Texten: Teatro latinoamericano de creación colectiva. (Garzón Céspedes 1978).

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flikte wo Möglichkeiten für andere Repräsentationsformen bestehen. Natürlich ist das auch eine Mode, aber entscheidend ist, daß es als Theatererfahrung in die folgenden Jahrzehnte mitgenommen wird. Vielleicht müssen noch Jahre vergehen, um beurteilen zu können, welche Auswirkungen die neuen Diskurse der 80er Jahre im Kontext einer Tradition haben, die nach der Polarisierung zwischen dem Theater auf der Bühne und dem Neuen Theater, das für die 70er Jahre charakteristisch war, entstanden sind. Das Terrain für die Begegnung boten die Theaterfestivals von Havanna von 1980-84, die Gründung einer Fachzeitschrift zur Analyse und kritischen Debatte zwischen verschiedenen Theatergenerationen und, auf besondere Weise, Lesungen, die von jungen Schauspielern, Dramaturgen und Theaterleuten, die im INSTITUTO SUPERIOR DE ARTE (ISA) ausgebildet worden sind, veranstaltet werden. Aufschlußreich ist auch, daß die Abschlußarbeit des ersten Jahrgangs des ISA La emboscada (1978) von Roberto Orihuela war, ein Stück, das den ersten Zyklus der Produktion des TEATRO ESCAMBRAY abschließt. Nach Recherchen in jener Gegend geschrieben, erzählt es eine lokale Geschichte, die aber die ideologische Konfrontation der ersten Phase der Revolution typisiert. 20 Jahre später von den Studenten wieder aufgegriffen, aktualisiert die Version von 1981 unter der Leitung von Flora Lauten den Konflikt (die Konfrontation zwischen Brüdern innerhalb einer Familie) und extensiviert die Problematiken zu Beginn des Jahrzehnts. Wieder ist das Vorgehen eine Öffnung des Textes für andere Bedeutungen. Wenn La emboscada vom ESCAMBRAY die Konfrontation der Vorstellungen in den ersten Revolutionsjahren historisiert, so hebt die Version von Lauten die Codizes eines Dialogs hervor, der das wichtigste Zeichen der 80er Jahre beiträgt. Darin tauschen mindestens drei Theatergenerationen ihre praktische Erfahrung aus. Inszenierungen wie Bodas de sangre von Berta Martínez, wie Yerma von Roberto Blanco, eine neue Version des Galileo Galilei von Vicente Revueltas neben Aufführungen der Werke des ESCAMBRAY und des CABILDO in Havanna wechselten mit experimentellen Projekten junger Schauspieler ab: El pequeño principe, El Lazarillo de Tormes, eine Version der Electra Garrigó und Lila, la mariposa zwischen 1981 und 1985, aus denen sich das TEATRO BUENDIA unter der Leitung von Flora Lauten formierte, einer Schauspielerin, die die ersten Jahre des TEATRO ESTUDIO und die Erfahrungen des ESCAMBRAY miterlebt hat. Als „bereichernde Kontinuität" charakterisierte Riñe Leal die Szene der 80er Jahre. Das war sie aber in erster Linie durch die Neuformulierung einer kritischen Poetik, die die besten Beiträge aus der Tradition in sich vereinte - die Rückkehr zum Kunsttheater, den Geist des

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polemischen und erneuernden Aufbruchs der 70er - und einer Szene, die auf der Suche nach Entschlüsselung des historischen Prozesses der vergangenen Jahre eine neue Lesung der Zeichen befürwortete. In gewisser Weise also ein Theater, das von der Gegenwart her die Codizes eines Erbes, das nicht immer gut dargestellt worden war, hinterfragt.12 Drei Inszenierungen synthetisieren meiner Meinung nach das Bestreben des Theaters der 80er Jahre nach einer neuen Wertung des Erbes. La cuarta pared (1988) von Víctor Varela und dem TEATRO DEL OBSTÁCULO, junge Leute, die die Experimente von Grotowsky, Kantor und Revueltas der 60er Jahre aufnehmen, um einen transgressiven Diskurs über die Koordinaten des Kontexts, in dem sie ausgebildet wurden, zu schaffen; Las perlas de tu boca (1989) von Flora Lauten und dem TEATRO BUENDLA, eine seltsame Zeremonie, die mit von den Schauspielern selbst erarbeiteten Masken in der Erinnerung der Kubaner nachforscht - Tradition, doppelte Moral - und mit Zeit/Raum-Brüchen die Geschichte einer Familie erzählt; und Eppur se muove von Caridad Martínez und dem Ballet des TEATRO DE LA HABANA, WO Ironie und Karikatur - maskierend, wie in den vorangenannten Stücken - im Spiel und mit einer Sprache, die mit Extensionen arbeitet, mit Analogien und kontinuierlichem Mißbrauch der Referenten, delirante Auslegungen des unmittelbaren Kontextes provozieren. Jenseits der offenkundigen Unterschiede zwischen einem und dem anderen Werk - extreme Sakralisierung der Zeichen bei Varela; Wechsel zwischen Ritual und Profanem bei Lauten; Gebrauch des vernáculo in der Inszenierung des Ballettheaters - ist die Neigung zu einem (kritischen, historischen) Diskurs evident, der an den Grenzen einer Moderne angesiedelt ist, dessen - alternative - Paradigmen Mittel und Ziele diversifizieren, aber eine Rekurrenz der Topoi und Embleme der Tradition etablieren. In jedem Fall - und nicht nur der szenischen Dramatik, sondern auch der geschriebenen Texte jener Zeit - machte die Operativität des Zitats, die Ironie, das Paradox oder die Desproportionalität der Vergleiche (Anspielungen, Symbole) aus der Poetik der Fragmentierung das Mittel einer unsichtbaren écriture in ihrer Textuali-

12

Siehe Raquel Carrió: „Rescatar a los clásicos y un llamado a la experimentación; De La emboscada a Electra: Una clave metafórica"; und „La experimentación como principio metodológico en la formación de nuevos teatristas", in Dramaturgia cubana contemporánea (Carrió 1988). Vgl. auch die Polemik über die Erneuerung in jenen Jahren in der Zeitschrift Tablas zwischen 1982-1986 und Relación de Premios y Memorias de los Festivales de Teatro de la Habana.

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tat/ Visibilität allein durch den Kontakt - Berührung, Komplizenschaft mit dem Rezeptor.13 So gesehen ist es auch heute nicht zufällig, daß sich der Zeichenwechsel in Richtung auf eine Dramatik des Zuschauers darstellt, die sogar Korrespondenzen im schriftlichen Text findet. Ein Text wie La dolorosa historia del amor secreto de Don José Jacinto Milanés (1974) von Abelardo Estorino nimmt das Spiel der Rezeptivitäten voraus, die er später in Morir del cuento (1984) entwickelt. Es gibt ähnliche Vorgehensweisen in der Dramatik jüngerer Autoren, von Abilio Estévez (La verdadera culpa de Juan demente Zenea, Perla marina, Santa Cecilia), Reinaldo Montero (Los equívocos morales), Rafael González (Molinos de viento. Calle Cuba 80 bajo la lluvia) oder Alberto Pedro Tómente ( Weekend en Bahia, Pasión Malinche, Manteca) und Carmen Duarte, Amado del Pino, Salvador Lemis, Carlos Celdrán, Ricardo Muñoz und der Text von Joel Cano ('Timeball o el juego de perder el tiempo) der mit großer Sorgfalt den Übergang in die Produktion der 90er Jahre exemplifiziert.14 Natürlich kann man diese (textuellen oder szenischen) Vorgehensweisen einfach unter dem Kriterium einer Postmoderne zusammenfassen, in der der integrierende Entwurf vor den Dekonstruktionen der Epoche zurückweicht. Seltsam ist jedoch, daß das Legat der Moderne der Gebrauch und die Manipulation des Textes oder die Tradition als Maske, Versteck, die das Wesentliche enthüllen - in diesem Fall als Referent wirkt, in dem die Beziehungen Schauspieler/Zuschauer, Text/Kontext, Bühne/ Publikum, Kunst /Gesellschaft ruhen und das Angekündigte in den jüngsten Ausdrucksformen die Artikulation eines Diskurses wird, der als Anrufung, Sühne oder Exorzismus fungiert. Opera ciega (1991), Segismundo ex Marqués (1993), El arca (1996) des TEATRO DEL OBSTÁCULO arbeiten wie Exerzitien im Bewußtsein des Zuschauers. Las ruinas circulares (1992), La càndida Eréndida (1992) und Otra tempestad (1997) des TEATRO BUENDIA ritualisieren eine Teilnehmerschaft, die sich auf der Komplizenschaft und dem symbolischen Beitrag des Rezeptors aufbaut. Der Werdegang des TEATRO DEL PÚBLICO von Carlos Díaz - seine Trilogie des nordamerikanischen Theaters, La niñita querida, Caligula, Escuadra ha-

13

Vgl. Raquel Carrió: „Correr el riesgo de la imperfección" (1989); „Máscaras y rituales: la investigación intercultural y la escritura escénica" (1992) in Tablas und Conjunto (aufgenommen in El tercer personaje. Havanna 1993) und „Ironía y paradojas del comediante", in Tablas (1997).

14

Siehe Teatro cubano contemporáneo. Antología. (Espinosa Domínguez 1992) und Morir del texto. Diez obras teatrales. (Boudet 1995).

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cia la muerte oder seine jüngste Version von King Lear (1997) - entsteht aus einer Rekodifizierung des vernáculo oder des strikt literarischen Textes (man benutzt oder man respektiert den Text als alternative Signifikanten), der in jedem Fall den Ortswechsel der szenischen Ausführung und die Emotionalität des Rezeptors evidenziert, als stützte sich die historische Metapher auf Ironie und Paradox der Unaufführbarkeit des (wirklichen) Textes. Mehr als ein Stilmittel (tatsächlich alles Beiträge aus der modernen Untersuchung des Bildes: vom vernáculo zum Transformatiosentwurf des Zuschauers) versetzen uns die 90er Jahre in eine Rekontextualisierung der Ausdrucksmittel - manchmal Codizes der Konfrontation -, deren Szenarium die (sensorielle, emotionale) Erinnerung des Zuschauers ist und folglich ein Appell zur Wiederbegegnung. In diesem Sinne ist es unvermeidlich, daran zu erinnern, daß Revueltas schon vor 30 Jahren in seiner Inszenierung von La noche de los asesinos die phantastischen Handlungen der Protagonisten in spiegelnde Bilder fragmentierte. Oder, daß sich in den ersten Arbeiten des Neuen Theaters der Text in der Debatte gelegentlich eingeschoben - zwischen Schauspielern und Publikum vervollständigte. Tatsächlich bringt eine im systematischen Wechsel von Integration und Bruch geformte Tradition verschiedene Mittel hervor, um ihre Grenzen überschreiten zu können. In den 90er Jahren haben die ökonomische Krise und der Mangel an Mitteln die Bühne nicht daran gehindert, ein kritisches Theater zu gestalten, das sich bemüht, die Fragmente wieder zusammenzusetzen. Und es ist nicht zu übersehen, daß der von der Moderne auf der Ebene der Repräsentation geschaffene Widerstand im Kontext einer Landschaft nach der Schlacht als implizite Poetik arbeitet: ein wenig Zauberei, mit der eine heimliche, unterschwellige, vom Zuschauer mitgetragene Besonderheit erwacht.15 Gegen Ende des Jahrhunderts ensteht die Utopie des kubanischen Theaters in Formulierungen neu, die die Geschichte der Nation und des Theaters selbst abgreifen. Otra tempestad des TEATRO BUENDIA (eine Version, die vom Shakespeare-Text ausgeht und kulturelle Quellen der Yoruba und Arará benutzt); Medea (Text von Reinaldo Montero, inszeniert von Abelardo Estorino) oder La casa vieja (Text von Abelardo Estorino, 1964, der den Zusammenbruch der Ausdruckssysteme im nächsten 15

Raquel Carrió: Las ruinas circulares. Aproximaciones al texto. Paris 1994. (Vorwort zum Bühnenprotokoll). Paris, 1994; Ironías y paradojas del comediante. (Notizen zur Inszenierung von Otra tempestad) y La metáfora histórica y la ironía sentimental en el teatro cubano de los 90. Festival de Teatro del Sur - Tres continentes. Gran Canaria 1997; República Dominicana 1997.

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Jahrzehnt v o r w e g n i m m t , in einer Version des TEATRO DE DOS, eines Kollektivs, d a s in d e n 9 0 e r Jahren entstanden ist) b e z e u g e n dies. In gewiss e m Sinne fungiert die Bühne ein über d a s andere Mal wie ein Laboratorium der Seele der Nation, v o n der Marti sprach. Eine Rückkehr z u d e n Wurzeln o d e r ein Zusammentreffen d e s Zufalls? In jedem Fall beginnen in Kuba die Dekonstruktionen sehr viel früher. Seit d a s L a n d beschloß, mit d e r Welt auf d e r H ö h e d e r Zeit z u sein. D a s ist es, w a s die Geschichte d e r Nation und d a s Theater prägt. D a h e r die selten verstandene Hartnäckigkeit d e r F r a g m e n t e , die z u m Magneten zurückkehren wollen. 1 6 Deutsch von Heidrun Adler Literatur Boudet, Rosa Ileana: Teatro Nuevo: Una respuesta. Havanna 1983. — (Hrsg.): Morir del texto. Diez obras teatrales. Havanna 1995. Campa, Roman de la: José Triana: ritualización de la sociedad cubana. University of Minnesota 1979. Carrió, Raquel: Dramaturgia cubana contemporánea. Havanna 1988. : „Una pelea cubana por la modernidad", in Primer Acto 225 (1988). : „El rostro polémico del ser", in Conjunto (1989). : „Una brillante entrada en la modernidad", in Teatro cubano contemporáneo. Antología. (Espinosa Domínguez 1992). : El tercer personaje. Havanna 1993. : Las ruinas circulares. Aproximaciones al texto. Paris 1994. : „Teatro y modernidad en Cuba: Aproximaciones a un texto imposible", in Cuba, la isla posible. Barcelona 1995. : „Ironías y paradojas del comediante", in Tablas (1997). Espinosa Domínguez, Carlos (Hrsg.): Teatro cubano contemporáneo. Antología. Madrid 1992. Garzón Céspedes, Francisco (Hrsg.): Teatro latinoamericano de creación colectiva. Havanna 1978. Leal, Riñe: En primera persona. Havanna 1967. : La selva oscura. Historia del teatro cubano. 2 Bde. Havanna 1975. : Breve historia del teatro cubano. Havanna 1980. : La dramaturgia de ESCAMBRAY. Havanna 1984. (Hrsg.): Teatro cubano del siglo XIX. Antología. Havanna 1986. Lezama Lima, José: Fragmentos a su imán y Confluencias. Havanna 1988. Martí, José: Obras completas. Havanna 1972. Muguercia, Magaly: El teatro cubano en vísperas de la revolución. Havanna 1988. 16

José Martí: Obras completas; José Lezama Lima: Fragmentos a su imán y Confluencias. Havanna 1988.

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Piñera, Virgilio: Teatro completo. Havanna 1960. Pogolotti, Grazieila (Hrsg.): Teatro y revolución. Antología. Havanna 1975. Robreño, Eduardo (Hrsg.): Teatro Alhambra. Antología. Havanna 1979. Raquel Carrió (1951). Studium der hispan. Philologie an der Universidad de La Habana, 1976. Promotion in Kunstgeschichte 1994. Lehrt am INSTITUTO SUPERIOR DE ARTE. Seit 1986 künstlerische Beraterin der Gruppe BUENDIA. Publikationen: Dramaturgia cubana contemporánea. Estudios críticos. Havanna 1988; Recuperar la Memoria del fuego. Lima 1992; El tercer personaje. Havanna 1992; Escrito en el espacio o el Libro de los Talleres. Havanna 1992; Pedagogía y experimentación en América Latina. Mexiko 1996. In Vorbereitung: Teatro y modernidad: siete ensayos de ficción und La investigación intercultural y la escritura escénica. Enthält Arbeiten über das TEATRO BUENDÍA und zwischen 1993 und 1998 publizierte Aufsätze. Lyrik: ¡Mi arca! 1997; Hojas recuperadas 1997. Theater: Otra tempestad 1993; Las ruinas circulares 1994.

Esther Sánchez-Grey Alba

Der Exodus großer Dramatiker Von jener ersten Autorengeneration, die Anfang des Jahrhunderts das Theater zu neuer Blüte gebracht hatten, waren 1959, als die drastische Änderung des politischen Kurses einen massiven Exodus kubanischer Intellektueller zur Folge hatte, die meisten zu alt, um das schwierige Abenteuer des Exils unternehmen zu können. José Ci4 Pérez, Luis A. Baralt und Marcelo Salinas, die als repräsentativ für jene Generation gelten können, gingen diesen Weg. Als einer der ersten verließ José Cid Pérez (1906-1994) die Insel. Sein Werk ist ein hervorragendes Beispiel für die Entwicklung, die das kubanischen Theater durchlief. In seinen ersten Stücken ist der Einfluß der europäischen Meister Ibsen und Zola in einer realistischen Gegenüberstellung der gesellschaftlichen Konventionen, die im neuen Jahrhundert überwunden werden mußten, deutlich erkennbar. Später aber, ohne daß er sich vom Ideendrama entfernte, das den größten und besten Teil seines Schaffens ausmacht, begann er mit großem Erfolg ein Theater der Avantgarde, das stets von einer vernunftbetonten Haltung geleitet wurde. Aus dieser Zeit stammen Hombres de dos mundo (1945),... Y quiso más la vida (1951), in Havanna, und La comedia de los muertos (1953) in Barcelona uraufgeführt. Er besaß also ein konsolidiertes Werk, als er am 11. November 1960 ins Exil ging. Außerhalb Kubas schrieb er zwei Stücke, La última conquista und La rebelión de los títeres und erfuhr die Genugtuung, daß das erste in New York aufgeführt wurde; auch die Inszenierung einiger seiner anderen Werke in den USA konnte er erleben.1 Cid Pérez war es möglich, wenngleich begrenzt, sein dramatisches Werk fortzuführen, denn er war der Jüngste der drei genannten Autoren. Er ging mit 54 Jahren und starb an dem Tag, an dem er 34 Jahre im Exil war. Luis A. Baralt (1892-1969) war bereits 68 Jahre alt, als er Ende 1960 das Land verließ, und lebte nur noch 9 Jahre. Ihm blieb keine Zeit, seine kreative Arbeit wieder aufzunehmen. Baralt hatte sich in Kuba mit Übersetzungen von Tschechow, Shakespeare, Cocteau, Menotti und vielen anderen um die Verbreitung des Theaters der Welt verdient gemacht. Als Leiter von TEATRO UNIVERSITARIO, LA CUEVA, TEATRO DE ARTE 1

Vgl. Esther Sánchez-Grey Alba: Teatro cubano. Dos obras de vanguardia de José Cid Pérez. New York 1989, S. 127-151. In demselben Buch erschien auch zum ersten Mal La rebelión de los títeres.

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schuf er historische Inszenierungen wie die von Fuenteovejuna zum 300. Todestag von Lope de Vega auf dem Vorplatz der Kathedrale. Aber die Geschichte der kubanischen Literatur schuldet ihm eine gründlichere Untersuchung seines eigenen dramatischen Werkes. Der poetische Zug seiner Texte ist erkannt worden, es gibt aber eindeutige Charakteristika des modernistischen Theaters, von denen man in der Kritik bisher nichts erwähnt hat. Ein Theater, das zudem in der Dramatik der Welt sehr selten ist. Diese ästhetische Richtung finden wir voll entwickelt in La luna en el pantano (1936) und Junto al rio (1938) und Spuren davon in seinem letzten Stück Tragedia indiana (1952). Auch andere Stücke sind möglicherweise in modernistischem Stil geschrieben, denn sie stammen aus derselben Zeit. Aber sie sind verloren gegangen. Im Exil lehrte er Philosophie und vergleichende lateinamerikanische Literatur an der Southern Illinois University in Carbondale. Seine Arbeit als Schriftsteller blieb auf das wissenschaftliche Essay beschränkt. Marcelo Salinas (1886-1979) ist sehr früh mit Alma guajira bekannt geworden; 1928 erhielt er dafür den Preis des Ministerio de Educación. Das Stück gilt als Klassiker des kostumbristischen kubanischen Theaters. Nach diesem ersten Erfolg wurden viele seiner Stücke aufgeführt, einige auch ausgezeichnet wie Ráfaga 1939. Sein Werk enthält hauptsächlich kostumbristisches Theater mit einem sozialen Engagement und analytischem Gespür, wie es Florencio Sánchez in Argentinien schrieb. Fünf Jahre mußte er auf die Erlaubnis zum Verlassen Kubas warten und konnte Anfang 1971 ins Exil gehen. Er war damals 81 Jahre alt und hatte aufgehört zu schreiben, weil er sich den Beschränkungen und intellektuellen Restriktionen der Zensurbehörde nicht unterwerfen wollte, wie er in einem Brief an Freunde schrieb.2 Jüngsten Forschungen zufolge hat er aber in Miami noch mindestens zwei Theaterstücke geschrieben: El café de Lamparilla gehört, wie er selbst schreibt, zum género chico cubano, womit er ins Havanna von gestern zurückkehrt, in die fröhliche und lebendige Stadt, die er in seiner Erinnerung bewahrte. En el santo nombre de la decencia bezeichnet er als dramatisches Essay in zwei Akten und wendet sich damit wieder dem Thema der gesellschaftlichen und famiDE L A HABANA

2

Der Brief ist mit dem Datum 28. Februar 1970, Santiago de las Vegas, an José Cid und Dolores Marti gerichtet.

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liären Vorurteile zu. Beide Stücke sind unveröffentlicht und nicht aufgeführte Diese drei Autoren waren anerkannte Dramatiker, als das kubanische Theater den Kurs der Revolution nahm. In den 50er Jahren zeigte sich aber bereits eine neue Generation, die mit neuem Elan und offen für Experimente und neue dramatische Konzeptionen, wie das Theater von Virgilio Piñera in hohem Maße zeigt, die kubanische Szene bereicherten. Zu diesen jungen Dramatikern gehört Matías Montes Huidobro (1931), der seine brillante Karriere mit kaum zwanzig Jahren begann. 1950 gehörte sein erstes Stück Las cuatro brujas zu den Finalisten des Premio Prometeo und im folgenden Jahr erhielt das zweite, Sobre las mismas rocas, den ersten Preis. Sein Theater hinterfragt die menschliche Existenz im Angesicht von Einsamkeit, Angst und Schmerz. Die Art, wie er Symbole einsetzt, die pessimistische Note und fatalistische Einstellung seiner Texte sind charakteristisch für sein ganzes dramatisches Werk. Zu Beginn der Revolution wurden Los acosados (1959), El tiro por la culata (1961) und Las vacas (1959) aufgeführt; 1961, dem Jahr, in dem er ins Exil ging, wurde Las vacas mit dem Premio José Antonio Ramos ausgezeichnet. In den USA nahm er seine kreative Arbeit wieder auf, die neben der Dramatik auch Roman, Erzählung und Lyrik umfaßt. Er hat ein umfangreiches Werk im Ausland geschrieben, das auf Festivals der USA und anderer Ländern gezeigt wird.4 1987 wurde sein Stück Exilio Finalist zum Premio Letras de Oro der Universität von Miami.5 Zu dieser Generation gehört auch Julio Matas, der große Anerkennung als Regisseur des absurden Theaters erlangte. Seine Inszenierung von Die kahle Sängerin von Ionesco ist berühmt geworden. Von 1960 bis 1 9 6 5 war er Leiter des TEATRO DE CUBA, dann ging er ins Exil. Als er das Land verließ, hatte er zwei Lyrikbände, einen Band Erzählungen und ein Stück in 3 Akten, La crònica y el suceso, veröffentlicht, in dem man bereits das Spiel szenischer Realitäten und einen neuen Umgang mit dem My-

3

In meiner Untersuchung „La trágica secuela del cisma cubano en la obra dramática de Cid, Baralt y Salinas", in OLLANTAY Theater Magazine, in Vorbereitung, gehe ich ausführlicher auf diese drei Autoren ein.

4

La navaja de Olofé wurde z.B. in der Universidad do Spirito Santo in Brasilien auf Portugiesisch aufgeführt.

5

Mehr Information über diesen Autor siehe Jorge Febles und Armando González Pérez: Matías Montes Huidobro. Acercamiento a su obra literaria. New York 1997; und auch OLLANTAY Theater Magazine 5 , 2 1 9 9 8 .

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thos wahrnimmt, die ihn charakterisieren sollten. Sein umfangreiches Werk wurde in den USA geschrieben.6 Eduardo Manet (1930) gehört ebenfalls in diese zweite Generation, die den Initiatoren des nationalen kubanischen Theaters folgte. Die ASOCIACIÓN TEATRAL DE AUTORES (ATA) führte am 31. Oktober 1 9 4 8 Scherzo auf, das erste Theaterstück von Manet, ein Stück in einem Akt, dessen gute Komposition von der Kritik gelobt wurde: „guter Geschmack und kritisches Gespür für rein theatrale Werte."7 Wenig später brachte die Gruppe PROMETEO von Francisco Morin, die sich um neue Autoren bemühte, La infanta que no quiso tener los ojos verde auf die Bühne. Zusammen mit Presagio, am 15. Dez. 1950 uraufgeführt, erschienen beide Stükke mit einem Vorwort von Luis A. Baralt.8 Natividad González Freire bezeichnete die drei Stücke, die den Beginn der Karriere dieses Autors markieren, als „bezaubernd".9 Manet schrieb häufig Theater- und Filmkritiken für die Zeitschrift Prometeo. Beim Staatsstreich von Batista verließ er Kuba und ging nach Frankreich, wo er anfing, Romane zu schreiben. Aber 1960 baten ihn seine Freunde, zurückzukommen und eins seiner Theaterstücke in Kuba aufzuführen.10 Bei seiner Rückkehr arbeitete er als Leiter des CONJUNTO DRAMÁTICO NACIONAL und im INSTITUTO CINEMATOGRÁFICO, wo er vier Spielfilme und sechs Kurzfilme drehte. Als Castro den sowjetischen Einmarsch in Prag unterstützte, war für Manet die Zeit gekommen, in seine Wahlheimat zurückzukehren. Zur Ausreise aus Kuba verhalf ihm Roger Blin, der ihn einlud, das Stück Die Nonnen, das er Ende des vergangenen Jahres geschrieben hatte, in Paris aufzuführen. Es wurde ein Erfolg, erhielt 1969 den Preis Lugné Poe und ist inzwischen in 21 Sprachen übersetzt und in Europa, den USA und Kanada aufgeführt worden.11 In Frankreich machte sich Manet nicht nur als 6

Vgl. Luis F. González Cruz: „Lo cubano, lo universal en el teatro de Julio Matas", in Círculo. Revista de cultura XXVI (1995), S. 87-95. Vgl. auch meine Untersuchung: „La realidad en el teatro de Julio Matas" in Círculo XX (1991), S. 77-84.

7

M. Casal in „Crítica", in Prometeo II, 11 (Nov. 1948), S. 20.

8

Luis A. Baralt: Vorwort zu Scherzo, Presagio, La infanta que no quiso tener los ojos verdes. Havanna 1949.

9

Natividad González Freire: Teatro cubano contemporáneo (1928-1957). 1958, S. 190.

10

Erklärung des Autors in Christian Sauvage: „Eduardo Manet raconte Cuba", in Le journal de dimanche 2491 (sept. 18, 1994), Archiv des OLLANTAY ART HERITAGE CENTER, New York.

11

Auf Spanisch zum ersten Mal in Teatro: 5 autores cubanos New York 1995, S. 61-107.

Havanna

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Dramatiker, sondern auch als Romancier einen Namen, und obwohl er französischer Staatsbürger geworden ist und auf Französisch schreibt, fühlt er sich zutiefst kubanisch. Vor allem in seinen Romanen läßt er das heimatliche Ambiente wiedererstehen. Das Schicksal von José Triana (1931) ist dem Manets ähnlich. Er verließ Kuba, um in Madrid zu studieren. Dort begann er, sich für das Theater zu interessieren, nahm Unterricht in der SOCIEDAD DE BELLAS ARTES und arbeitete als Regieassistent und Schauspieler in Madrid und Toledo. 1959, dem Jahr der großen Veränderungen, kehrte er nach Kuba zurück und begann sofort, Theater zu schreiben. 1960 wurde El Mayor General hablará de teogonia aufgeführt, ein absurdes Stück in einem Akt. Es folgten Medea en el espejo, El parque de la fraternidad, La visita del ángel und La muerte del Ñeque das 1963 zum besten Stück des Jahres erklärt wurde. Das Stück, das ihn berühmt gemacht hat, ist La noche de los asesinos. Es wurde 1965 mit dem Premio Casas de las Américas ausgezeichnet, auf dem 7. Festival des Teatro Latinoamericano in Havanna gezeigt und später in Europa und überall in der Welt. Die kubanische Zensurbehörde meinte jedoch, das Stück folge nicht den revolutionären Richtlinien. Triana wurde ausgegrenzt. Er mußte manuelle Arbeit verrichten und sogar Zuckerrohr schneiden, und keins seiner Werke wurde publiziert. 1980 konnte er endlich ins Exil gehen und lebt seitdem in Europa, wo er seine Arbeit mit Palabras comunes wiederaufnahm, das er schon in Kuba zu schreiben begonnen hatte. Es wurde unter dem Titel Worlds Apart im September 1986 von der ROYAL SHEAKESPEARE COMPANY mit großem Erfolg in Stratford o. A. uraufgeführt. Noch andere sind zu nennen, die beim Verlassen des Landes bereits ein anerkanntes Werk geschaffen hatten, im Exil jedoch aufgehört haben, Theater zu schreiben oder zumindest ihre Arbeiten nicht mehr publizierten, wie Manuel Reguera Saumeil (1928), der 1950 in Kuba für Sara en el traspatio den Premio Nacional de Teatro erhielt; oder Ramón Ferreira, der nach El hombre inmaculado (1959) nicht mehr schrieb, bis er 1971 nach Puerto Rico auswandern konnte und sich dort der Prosa widmete; Fermín Borges (1931-1987), der 1958 die Theatertruppe Los COMEDIANTES gründete und leitete und verschiedene Stücke geschrieben und aufgeführt hatte. Als die Revolution ausbrach, arbeitete er in der Organisation des TEATRO NACIONAL, WO er die ESCUELA DE TEATRO gründete und den CONSEJO NACIONAL DE CUBA. Aber 1980 verließ er Kuba über Puerto Mariel und hat nie wieder Theater geschrieben. In der folgenden Generation muß Raúl de Cárdenas (1938) genannt werden, der mit Los ánimos están cansados (1960) und La palangana, das

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1961 als bester Einakter des Jahres genannt wurde, begann; beide Stücke wurden im kubanischen Fernsehen gezeigt. Er ging im September 1961 ins Exil in die USA, hat dort mit Erfolg weitergearbeitet, verschiedene Preise des ACCA und den Premio Letras de Oro von 1988/89 mit Un hombre al amanecer erhalten. In Miami hat er Los Carbonell de la Calle Obispo, Al ayer no se dice adiós, Las pepillas del Vedado und andere Stücke gezeigt. Ein anderer für diese Generation repräsentativer Autor ist René Ariza (1940-1994), in dessen Leben sich die Realität widerspiegelt, der sich die Autoren jener Zeit des substantiellen Wandels im kulturellen Leben Kubas gegenübersahen. Ariza studierte Schauspiel an der ACADEMIA MUNICIPAL DE ARTES DRAMÁTICAS und begann sofort, beim Fernsehen und mit verschiedenen Theatergruppen als Schauspieler und Regisseur zu arbeiten. 1967 erhielt sein Stück La vuelta a la manzana den Premio José Antonio Ramos der UNEAC und im folgenden Jahr El banquete zwei Nominierungen für denselben Preis. Aber 1971 entließ man ihn, „weil er nicht die erforderliche ideologische Überzeugung zeigte", und 1974 wurde er zu acht Jahren Gefängnis verurteilt, weil er „Erzählungen und Aufsätze schrieb, die eine Dissidentenhaltung zeigten und daher konterrevolutionäre Propaganda darstellten".12 1979 wurde er dank internationaler Interventionen zugunsten einer Gruppe politischer Gefangener befreit. Er konnte Kuba verlassen, ließ sich in San Francisco nieder und nahm seine Arbeit als Autor, Schauspieler und Regisseur bis zu seinem Tod 1994 wieder auf. Dies ist eine knappe Vorstellung jener Autoren, die aus der kubanischen Theatergeschichte verschwanden, als sie ins Exil gingen. Der eine und andere ist 1988 wieder darin aufgenommen worden. Aber es wäre zu wünschen, daß die Forschung sich ihrer mit sorgfältigen Untersuchungen annähme, um ihnen den ihnen gebührenden Platz einzuräumen. Deutsch von Adrián Herr

12

Luis F. González Cruz, Francisca M. Colecchia (Hrsg.): Cuban Theatre in the United States: A Critical Anthology. Arizona State University 1992, S. 60.

Der Exodus großer Dramatiker

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Literatur Ariza, René: La vuelta a la manzana (1967). : El banquett (1968). Casal, M.: „Crítica", in Prometeo II, 11 (Nov. 1948). Febles, Jorge; González Pérez, Armando (Hrsg.): Matías Montes Huidobro. Acercamiento a su obra literaria. New York 1997. González Cruz, Luis F.: „Lo cubano y lo universal en el teatro de Julio Matas", in Círculo XXV] (1995), S. 87-95. ; Colecchia, Francesca M. (Hrsg.): Cuban Theatre in the United States: A Critical Anthology. Arizona State University 1992. González Freire, Natividad: Teatro cubano contemporáneo (Í928-1957). Havanna 1958. Manet, Eduardo: Scherzo, Presagio, La infanta que no quiso tener ojos verdes. (Baralt 1949). : „Las monjas", in Teatro: 5 autores cubanos (Leal 1995), S. 61-107. Sánchez-Grey Alba, Esther (Hrsg.): Teatro cubano: Dos obras de vanguardia de José Cid Pérez. New York 1989. [La última conquista. La rebelión de los títeres]. : „La realidad en el teatro de Julio Matas", in Círculo XX (1991), S. 77-84. : „La trágica secuela del cisma cubano en la obra dramática de Cid, Baralt y Salinas", in OLL/NTAY Theater Magazine, in Vorbereitung. Sauvage, Christian: „Eduardo Manet raconte Cuba", in Le journal de dimanche 2491 (18. Sept. 19S4).

Esther Sánchez-Grey Alba, graduiert an der Universidad de la Habana und Rutgers University, spezialisiert auf lateinamerikanisches Theater. Lehrt an der Drew University und Montclair State University. Mitherausgeberin von Círculo: Revista de Cultura. Publikationen: Teatro Cubano. Tres obras dramáticas de José Antonio Ramos; Teatro cubano: Dos obras de vanguardia de José Cid Pérez; La mujer en el teatro hispanoamericano y otros ensayos. Im Druck ist Panorama del teatro cubano. Mitherausgeber Estudios Literarios sobre Hispanoamérica y Martí ante la crítica actual. Aufsätze zum kubanischen Theater.

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Kubanisches Theater im Exil: Gegen Wind und Wetter Für alle Bereiche des kubanischen Lebens bedeutet die Revolution 1959 eine scharfe Zäsur. Das Theater bildet da keine Ausnahme. Wie in anderen hispanoamerikanischen Hauptstädten, hatte in Havanna eine Gruppe Theaterleute 1936 begonnen, für ein anspruchsvolles, dem europäischen und nordamerikanischen Standard entsprechendes Theater zu kämpfen. Und nach langem Bemühen hatte dieses Unterfangen auch Früchte getragen. 1 Ab 1954 entstanden die ersten Studiobühnen, die teatros de bolsillo. In diesen kleinen Theatersälen fanden an den Wochenenden Aufführungen statt. Ihr Repertoire war äußerst vielfältig. Die meisten bevorzugten Titel der kommerziellen Theater vom Broadway, aus Paris, London und Madrid, doch gab es auch einige wenige, wie das PROMETEO von Francisco Morin, die sich mit ihren Stücken weiter vorwagten. Aber nur selten standen einheimische Dramen auf dem Programm. Daher beschlossen die teatros de bolsillo, den Februar als „Monat des kubanischen Theaters" einzuführen und Texte von Autoren der Insel zu inszenieren. Es gab hervorragende Texte von Carlos Felipe, Virgilio Piñera und Rolando Ferrer, doch ihre Inszenierung und Publikation erwies sich als äußerst schwierig. Diese Theaterbewegung, die auf die Hauptstadt begrenzt blieb, wurde durch kleine Privatunternehmen unterstützt und überlebte in erster Linie dank des selbstlosen Einsatzes der Theaterleute, die kaum ein Gehalt bezogen. 2 Viele Regisseure und Interpreten des kommerziellen Fernsehens - ein anderes gab es nicht - widmeten sich einigen dieser Inszenierungen als Ausgleich für ihre Routinearbeit in Fernsehserien und Komik-Sendungen von geringem künstlerischen Wert. Es gab nur zwei Schulen zur Ausbildung von Schauspielern und Technikern - das SEMINARIO DE ARTES DRAMÁTICAS d e r U n i v e r s i t ä t H a v a n n a u n d d i e ACADEMIA MUNICIPAL DE ARTES DRAMÁTICAS, ebenfalls in der Haupt-

stadt; sie verfügten beide nur über geringe Mittel. 1

Über diesen Zeitraum des kubanischen Theaters existiert ein grundlegendes Werk: El teatro en vísperas de la Revolución von Magaly Muguercia. Havanna 1988.

2

Die Diktatur Fulgencio Batistas (1952-1958) schuf 1954 das INSTITUTO NACIONAL DE CULTURA, doch diese Institution trug nur wenig zur Theaterbewegung bei. Mit wenigen Ausnahmen richteten sich die von dort geförderten Theaterleute nach den Vorbildern des kommerziellen Theaters.

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Mit der Revolution änderte sich dieses Bild vollkommen. Wie auf dem Gebiet der anderen Künste, nahm man sich des Theater in einem Maße an, wie man es nie zuvor auf der Insel erlebt hatte. Mit dem von der neuen Situation begünstigten nationalistischen Elan schlössen sich ihnen viele private Institutionen an. Das ARLEQUÍN z.B. richtete den Zyklus „Montag des kubanischen Theaters" ein und führte unter vielen anderen die ersten Stücke von José Triana und Nicolás Dorr auf. Im Rahmen einer dezentralisierten Kulturpolitik wurden professionelle Theatergruppen nicht nur in Havanna, sondern auch in allen Provinzen unterstützt; das galt auch für das Puppentheater und das Theater für Kinder. Alle diese Gruppen verfügten über Werkstätten für professionelle Bühnenarbeit; Theaterbrigaden wurden organisiert, die über die Insel reisten und das Theater zum ersten Mal in abgelegene Dörfer zur Landbevölkerung brachten; in Arbeiter-Zentren entstanden Laienbühnen; Theaterschulen wurden eingerichtet und die Studienpläne der bestehenden Bildungsstätten modernisiert, das SEMINARIO NACIONAL DE D R A M A TURGIA zur Ausbildung von Autoren gegründet und Theater-Wettbewerbe ausgeschrieben, in denen sich neue Dramatiker wie Manuel Reguera Saumeil und Leopoldo Hernández einen Namen machten; und es wurden Verlage gegründet, die zeitgenössische Texte und kritische Arbeiten zum kubanischen Theater publizierten. Die Tatsache, daß die Theaterarbeit einen offizieller Charakter erhielt, brachte den Mitwirkenden einerseits eine relative Sicherheit: Viele konnten zum ersten Mal von ihrer Arbeit am Theater leben; andererseits wurde ihnen ein striktes ideologisches und moralisches Engagement zur Revolution abverlangt, das sich schließlich bis auf die intimsten Bereiche ihres Lebens erstreckte. Wer diese stillschweigende Übereinkunft nicht akzeptierte, sah sich total ausgegrenzt. Und damit begann der Exodus vieler Theaterleute nach Venezuela, Puerto Rico und in die Vereinigten Staaten. In der Geschichte Kubas ist das Exiltheater keine Neuerscheinung. Wie Matías Montes Huidobro und Rodolfo J. Cortina betonen, steht das heute im Ausland geschriebene kubanische Theater in einer Tradition, die während der Unabhängigkeitskriege im 19. Jahrhundert begann. 3 3

Matías Montes Huidobro: „Continuidad teatral", in Dramaturgos 1,1 (Mai-Juni 1987), S. 3-6. Rodolfo J. Cortina (Hrsg.): Cuban American Theater. Houston 1991, S. 3-6. Auch Riñe Leal beschreibt dieses erste, sehr reiche kubanische Exiltheater: La selva oscura. De los bufos a la neocolonia. Havanna 1975 und Teatro mambí. Havanna 1978.

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Allerdings zeigt es heute andere Züge, und auch der Kontext, in dem es entsteht, ist ein anderer. Zum einen manifestierte sich das Exiltheater des 19. Jahrhunderts nicht nur in den Vereinigten Staaten, sondern auch in den hispanoamerikanischen Nachbarländern wie Mexiko; heute entsteht es praktisch nur innerhalb der USA. Zum anderen gehört das nach 1960 von Kubanern in den USA geschriebene Theater in linguistischer, ethnischer und kultureller Hinsicht zum hispanoamerikanischen Theater, das heißt zum Theater der Chicanos und der Mexiko-Amerikaner im Westen und Mittelwesten und der „Neoyorricans", der in New York lebenden Puertorikaner. 4 Dennoch unterscheidet sich das kubanische Exiltheater davon grundlegend. In der Regel verschlagt es Mexikaner und Puertorikaner aus ökonomischen Gründen in die Vereinigten Staaten, und ihr Theater ist in erster Linie ein Protesttheater. Im Gegensatz dazu haben die meisten Kubanern aus politischen Gründen ihr Land verlassen. Ihr Theater gehört zur Exilliteratur, die eine deutlich sichtbare Verbundenheit mit der Originalkultur aufweist. 5 Aber anders als jene hispanoamerikanischen Theaterleute, die in der jüngsten Vergangenheit ihre Heimat verlassen mußten, wurden die kubanischen Künstler im Exil nicht moralisch und wirtschaftlich unterstützt. Die Sympathie der Intellektuellen galt in aller Welt viele Jahre Castro und der Revolution; wer sich davon distanzierte, wurden ungeprüft als Reaktionär abgestempelt. Das bedeutete für den Kubaner eine doppelte Ausgrenzung. Zum Glück hat sich das in den letzten Jahren geändert. Das Theater außerhalb Kubas hat einen weiten Weg zurückgelegt, die Zeitspanne läßt sich nur mit dem Exiltheater des spanischen Bürgerkriegs vergleichen. Im Unterschied zu den spanischen Theaterleuten, die während des Bürgerkriegs ins Exil in spanischsprachige Länder gingen, befinden sich die meisten Kubaner aber, was Sprache und Kultur angeht, in einem fremden Medium. Und im Gegensatz zur Situation vieler Autoren der spanischen Diaspora, die in den letzten Jahren des FrancoRegimes in ihr Land zurückkehren und dort ihre Werke veröffentlichen

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Zum hispanoamerikanischen Theater in den Vereinigten Staaten siehe: Nicolás Kanellos (Hrsg.): Hispanic Theater in United States. Houston 1984 und Joanne Pottlitzer Hispanic Theater in the United States and Puerto Rico. New York 1988.

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Zu diesem Thema siehe die Arbeiten von Gustavo Pérez Firmat: Trascending Exile: Cuban American Literature Today. Miami 1987 und Life on the Hyphen. The Cuban American Way. Austin 1994.

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und aufführen konnten, ist den Kubanern eine wechselseitige kulturelle Annäherung verwehrt. 6 Nach einer von Joanne Pottlitzer zwischen 1984 und 1985 durchgeführten Umfrage über das hispanoamerikanische Theater in den Vereinigten Staaten waren von 101 interviewten Theatergruppen 21 Kubaner, und von denen haben sich 17 in Miami niedergelassen. Manche leben in New York und in Los Angeles, wenige in Atlanta. Die Autoren des Exiltheaters sind unterschiedlicher Herkunft. Einige unter ihnen sind in Kuba vor der Revolution ausgebildet worden, andere verfügen über gründliche Studien in den Universitätszentren der Vereinigten Staaten, jüngere sind Absolventen der mit der kubanischen Revolution eingerichteten Theaterschulen. Keiner kann von seiner Arbeit als Autor leben. Dieses Theater erhält kaum Subventionen offizieller Stellen und seltener noch Zuwendungen privater Institutionen. Zwangsläufig widmen sich unabhängige Gruppen daher dem kommerziellen Theater mit einem Repertoire ohne Risiko. Wenn man sich aber aus den Tageseinnahmen finanzieren muß, spielt das Publikum eine entscheidende Rolle. Abgesehen von einer kleinen Gruppe Intellektueller, Studenten und Theaterliebhaber, will die Mehrheit unterhalten werden oder sich mit der Vergangenheit in der Heimat oder der aktuellen Lage im Exil beschäftigen. Man ist nicht bereit, formale Innovationen oder transgressive Themen zu akzeptieren. Außerdem verhindert das Fehlen einer kompetenten und leidenschaftslosen Kritik, die in einem konsolidierten Theaterleben die Voraussetzungen dafür schafft, daß Theaterleute und Publikum sich orientieren können. Von den erwähnenswerten Ausnahmen abgesehen, tendiert die in Zeitungen und Zeitschriften erscheinende Kritik eher zu vereinfachenden Rezensionen als zu einer profunden Analyse. In diesem Zusammenhang muß die Arbeit von zwei Publikationen hervorgehoben werden: das Theater-Blatt Dramaturgos, das unter Leitung von Matías Montes Huidobro und Yara González Montes beim Persona-Verlag in Honolulu auf Hawaii erschien, und das von Pedro Monge Rafuls herausgegebene OLLANTAY Theater Magazine, das seit Januar 1993 in New York herauskommt. Ausgezeichnet informiert ¡Aha!, das Sprachrohr der Association of Hispanic Arts in New York, das seit 1975 alle Aktivitäten

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Viele Schauspieler, Regisseure und Dramatiker haben sich in hispanoamerikanischen Ländern wie Venezuela, Mexiko und Puerto Rico niedergelassen, jedoch existiert dort keine kubanische Vereinigung.

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der in dieser Stadt ansässigen hispanoamerikanischen Künstler aufzeichnet. Auch gibt es kaum Verlage, die an kubanischen Theaterstücken interessiert sind. Ausnahmen sind die Verlage Arte Público Press in Houston, Texas, und Bilingual Press in Tempe, Arizona. In Miami gibt es den kubanischen Verlag Ediciones Universal; Persona, in Honolulu gegründet, jetzt nach Miami verlegt, und ganz neu: The Presbyter's Peartree, mit Sitz in Princeton. In Spanien verdienen die Verlage Betania und Verbum, beide mit Sitz in Madrid, Erwähnung. In New York und Los Angeles haben sich die Kubaner häufig mit anderen hispanoamerikanischen Theatergruppen zusammengetan und sich nach den Normen der nordamerikanischen Gesellschaft strukturiert. Sie werden durch private Spenden und finanzielle Hilfen auf Bundesstaats-, Staats- oder Gemeindeebene, die innerhalb des künstlerischen Rahmens der Vereinigten Staaten angeboten werden, finanziert. Das gibt ihnen einen gewissen Spielraum für Experimente und erlaubt einigen wenigen, von ihrer Arbeit am Theater zu leben. In Miami und Atlanta dagegen ist das Theater der Kubaner mit wenigen Ausnahmen von privaten Bemühungen abhängig. Kaum jemand geht dort ein Risiko mit Inszenierungen ein, die nicht den vorherrschenden Publikumsgeschmack treffen. Als Folge davon ist dort das Theater ganz allgemein zwar außerordentlich engagiert, besitzt aber weder die Vielfalt noch die Qualität, die es in New York zeigt. Hier ist die Arbeit mehrerer Institutionen besonders hervorzuheben: INTAR (International Arts Relations), 1966 gegründet mit Max Ferrá als künstlerischem Leiter; REPERTORIO ESPAÑOL, 1 9 6 8 ins Leben gerufen unter der Geschäftsführung von Gilberto Zaldívar und der künstlerischen Leitung von René Buch; das SPANISH DUMÉTHEATRE, das von 1 9 6 9 bis 1979 unter der Leitung von Herberto Dumé in Betrieb war; das Duo THEATRE, 1 9 6 9 von Manuel Martin jr. und Magaly Alabau gegründet; LATE (Latin American Theatre Ensemble)-EL PORTÓN, gegründet von Mario Peña, Margarita Toirac und Victor Acosta; und das CENTRO CULTURAL CUBANO, das von 1 9 7 2 bis 1 9 7 9 in Betrieb war. Von 1 9 7 6 bis 1 9 8 1 ließ Francisco Morin seine Gruppe PROMETEO Wiederaufleben, und 1 9 7 7 bildeten sich zwei Organisationen: das THALIA SPANISH THEATRE von Silvia Brito und OLLANTAY, CENTER FOR THE ARTS, das Symposien organisiert und Publikationen zum hispanoamerikanischen Theater in den Vereinigten Staaten herausgibt. Auf dem Gebiet des Theaters für Kinder ist die Arbeit von THE DON QUIXOTE EXPERIMENTAL THEATRE unter der Leitung von Osvaldo Pradere von Bedeutung, das seit 1974 existiert.

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In Los Angeles verdienen außer dem 1 9 7 3 gegründeten T H E BILINGUAL FOUNDATION OFTHE ARTS zwei private Gruppen besondere Erwähnung: PATRONATO DEL TEATRO eine 1 9 6 4 von Marie Curi und Efrén Besanilla gegründete Organisation, und HAVANAFAMA, 1 9 8 9 unter der Lei-

tung von Juan Roca entstanden. In Miami ragen zwei Institutionen heraus: PROMETEO und TEATRO AVANTE. Bei PROMETEO, 1 9 7 2 von Teresa María Rojas ins Leben gerufen, handelt es sich um ein zweisprachiges Theaterprojekt, das dem MiamiDade Community College angehört, dem wichtigsten Zentrum für Theaterausbildung der hispanoamerikanischen Bevölkerung dieser Stadt. Das 1 9 8 1 von Mario Ernesto Sánchez gegründete TEATRO AVANTE ist dank der finanziellen Hilfe verschiedener Stellen die stabilste Gruppe des Theaters von Miami. Seit 1 9 8 6 organisiert es jedes Jahr das FESTIVAL INTERNACIONAL DE TEATRO HISPANO DE MIAMI. D i e HISPANIC THEATER GUILD, die wie eine private Stiftung arbeitet, hat 1 9 8 9 ihre Aktivitäten

aufgenommen. Die 1977 von Marta Llovio ins Leben gerufene Gruppe CHICOS hat nicht nur Theateraufführungen für Kinder und Jugend lidie inszeniert, sondern diesen auch Schauspielunterricht angeboten. Das 1 9 8 0 von José Carril errichtete TEATRO GUIGNOLTHEATRE war bis 1 9 9 2 in Betrieb. Bei der Aufzählung der Theater in Miami tritt das BELLAS ARTES besonders hervor. Innerhalb des CREATION ART CENTER werden Inszenierungen des Arenatheaters aufgeführt. Die übrigen Theater, wie LAS MÁSCARAS, MARTI und CASANOVA sind in unterschiedlichem Maße kommerziell ausgerichtet. Die kubanische Diaspora umfaßt mehrere Generationen. Einige gehören zur sogenannten gespaltenen Generation, sie haben als Jugendliche den Sieg der Revolution miterlebt und sind zu verschiedenen Zeiten ins Exil gegangen - Julio Matas, Matías Montes Huidobro und José Triana, alle drei 1931 geboren, ferner Mario Martin (1934), José Corrales (1937) und Raúl de Cárdenas (1938). Diese Autoren haben weiter in spanischer Sprache geschrieben. Drei ihrer Zeitgenossen, Maria Irene Fomés (1930), Reinaldo Ferradas (1932) und Manuel Martin Jr. (1934) sind jedoch keine Exilanten, sie sind bereits vor der Revolution in die Vereinigten Staaten ausgewandert und schreiben auf Englisch. Eine andere Gruppe hat Kuba als Kinder oder Jugendliche verlassen - Miguel González-Pando (1941), Iván Acosta, Pedro Monge Rafuls und Dolores Prida, alle 1943 geboren, ferner Héctor Santiago (1944), Luis Santeiro (1947), René R. Alomá (19471986), José Abreu Felippe (1947), Manuel Pereiras (1950) und Eduardo Machado (1953). Einige von ihnen ziehen die englische Sprache vor.

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Das Schicksal hat kubanische Autoren verschiedenen Alters über Amerika und Europa verstreut und ihnen die Möglichkeit geboten, in politischer Freiheit zu schreiben. Eine Fülle unterschiedlichster Stücke ist so entstanden, sowohl im Hinblick auf den Stil als auch auf den ideologischen Ansatz. Doch trotz aller Divergenzen ist in allen Texten etwas Gemeinsames erhalten, was Montes Huidobro als die Charakteristika des kubanischen Theaters bezeichnet: die Verfremdung, das Absurde, das Theater im Theater, die violente Erotisierung und eine besondere, kubanische Art des Witzes.7 Was Themen und Handlungsort angeht, konzentrieren sie sich vornehmlich auf die Familie und sind in drei klar umrissenen Zeiträumen angesiedelt: Kuba vor 1959 (Palabras comunes von José Triana, 1988); Kuba während der Revolution (Amar así von José Abreu Felippe, 1980; Las sombras no se olvidan von Raúl de Cárdenas, 1989) und deren Auswirkungen, das Exil ( Union City Thanksgiving von Manuel Martin jr., 1982) und die Wiederbegegnung (Balada de un verano en La Habana von Héctor Santiago, 1994). Nur wenige Stücke weichen von diesem Schema ab, manche greifen das Thema der Ausschreitungen der Revolution in abstrakter Weise, doch mit deutlichen Bezügen zur kubanischen Situation auf (La madre y la guillotina, 1961, und Ojos para no ver, 1979, beide von Montes Huidobro. Las hetairas habaneras von José Corrales und Manuel Pereiras, 1977, und Diálogo de Poeta y Máximo von Julio Matas, 1992). Das kubanische Exiltheater behauptet sich selbst unter der Last materieller und moralischer Schwierigkeiten und kann sich, was Technik und Thematik angeht, mit dem zeitgenössischen Theater der Welt messen. Deutsch von Ursula Guinaldo

Literatur Cortina, Rodolfo J. (Hrsg.): Cuban American Theater. Houston 1991, S. 3-6. Kanellos, Nicolás (Hrsg.): Hispanic Theater in United States. Houston 1984. Leal, Riñe: La selva oscura. De los bufos a la neocolonia. Havanna 1975. : Teatro mambí. Havanna 1978. Montes Huidobro, Matías: Persona, vida y máscara en el teatro cubano. Miami 1973. 7

Siehe Matías Montes Huidobro: Persona, vida y máscara en el teatro cubano. Miami 1973.

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: „Continuidad teatral", in Dramaturgos 1,1 (Mai-Juni 1987), S. 3-6. Muguercia, Magaly: El teatro en vísperas de la Revolución. Havanna 1988. Pérez Firmat, Gustavo: Trascending Exile: Cuban American Literature Today. Miami 1987. : Life on the Hyphen. The Cuban American Way. Austin 1994. Pottlitzer, Joanne: Hispanic Theater in the United States and Puerto Rico. New York 1988.

José Antonio Escarpanter ( 1 9 3 3 ) . Promotion in Hispanischer Literatur der Universidad de La Habana. Lehrte Theatergeschichte an der ACADEMIA MUNICIPAL DE ARTES DRAMÁTICAS. 1 9 7 0 verließ er Kuba und ging nach Madrid. Seit 1 9 8 2 liest er über Lateinamerikanisches Theater an der Auburn University, Alabama. Publikationen: Editionen von Autoren des 19. und 20. Jahrhunderts und zahlreiche Aufsätze zum kubanischen Theater, speziell zum Exiltheater; ein Buch zu diesem Thema ist in Vorbereitung.

Laureano Corees

Jenseits von Kuba: Die kubanische Identität im Theater des Exils In ihrem Essay über Afrika bemerkt Maya Angelou, daß die Kontinentalafrikaner gar nicht wissen, welchen kulturellen Beitrag ihre Landsleute, die in andere Länder, vornehmlich in die Sklaverei, verschleppt worden sind, geleistet haben. (1997:11) Diese Menschen haben sehr viele Aspekte ihres Ursprungskontinents bekanntgemacht, ohne daß die Zurückgebliebenen es zur Kenntnis genommen hätten. Im Hinblick auf das Exil deutet die afroamerikanische Verfasserin hiermit wohl ein universelles Muster an: Die, die fortmüssen, nehmen etwas aus ihrem Geburtsland mit, und denjenigen, die bleiben, wird in ihrer Gleichgültigkeit nicht bewußt, daß das Eigene auch jenseits ihrer Grenzen existiert. Der im Exil Lebende spielt offenbar eine doppelte Rolle: Zum einen schafft er sich ein neues Leben in dem Land, das er sich zu eigen macht, und zum anderen läßt er das Verlorene Wiederaufleben, um es dann in seine neue Existenz zu integrieren. Beide Prozesse ergänzen sich. In vielen Fällen wandelt sich das Exil in einen Raum der Entdeckung, sowohl im Hinblick auf die neue Umgebung als auch hinsichtlich der Wahrnehmung des zurückgelassenen Landes. Es wäre falsch zu glauben, daß der im Exil Lebende die Erfahrungen seines Landes „einfriert", daß die Beziehungen zu seinem Land nur einem bestimmten, nämlich dem ihm bekannten, da von ihm erlebten Zeitraum entsprechen. Es handelt sich vielmehr um eine ewige Metamorphose, in der sich die Identität - durch den Lauf der Zeit, durch neue Zwänge und neue Erfahrungen entscheidend beeinflußt - fortentwickelt. Daher kann behauptet werden, daß das Kuba unserer im Exil lebenden Autoren genauso lebendig und real ist wie jede andere Darstellung der Insel. Man müßte eigentlich in jeder Studie, die das Kubanische zu verstehen versucht, von transplantierten Kulturen sprechen, da die kubanische Realität nicht nur auf der Insel zu finden ist. Was in beiden Fällen die Fortgegangenen mit den Zurückgebliebenen vereint, nährt sich in erster Linie von Wünschen und Illusionen; und falls eine bestimmte Spannung zwischen diesen Gruppen besteht, hat das eher etwas mit Dogmen zu tun, die die kubanische Identität festzuschreiben versuchen.

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E L REPERTORIO ESPAÑOL in New York führte 1 9 9 7 Vagos rumores von Abelardo Estorino auf. Der Grundgedanke des Stücks ist das Thema des Exils. Das Drama zeigt das Leben eines kubanischen Dichters während der Kolonialzeit, der aus Liebe zu seiner Heimat jede Form von Entwürdigung, einschließlich der Folter, in Kuba aushält. Wiederholt macht der Dramatiker deutlich, daß sich nur diejenigen als wirkliche Staatsbürger ansehen können, die auch in schweren Zeiten dableiben. Dabei vergißt er allerdings, daß sich „der Kubaner" nicht so eng definieren läßt und weder einer besonderen Politik noch einer bestimmten Entscheidung entspricht. Was dächte wohl der Patriot José Martí, der für die Unabhängigkeit der Insel kämpfte und Jahre im Exil verbrachte, von einem durch geographische Parameter beherrschten Identitätsbegriff? Allerdings teilen nicht alle Insel-Kubaner diese enge Sicht in Fragen der Identität. Rine Leal hat sich mit besonderem Interesse dem Werk von Exilautoren gewidmet und geht davon aus, daß Distanz sich nicht mit Vergessen gleichsetzen läßt und daß es auch außerhalb Kubas wertvolle Informationen über die Insel gibt.1 Diese Studie will das Werk von Dramatikern im Exil beleuchten und versuchen, verständlich zu machen, was die kubanische Identität ausmacht. Das Theater der Kubaner außerhalb Kubas ist durch seine Lebendigkeit und seinen Reichtum bekannt. Es zeigt, wie die Kubaner dieses Land sehen, das die meisten Flüchtlinge aufgenommen hat, und beschäftigt sich ausführlich mit dem Thema der kubanischen Diaspora. Wir werden vier Autoren untersuchen: zwei, die in Kuba aufgewachsen sind - Martin Jr. und Monge Rafuls - und zwei, die eher der kubanischen Exilkultur in den Vereinigten Staaten angehören - Machado und Cruz. In diesen Stücken fällt das emotionale Register in Szenen auf, die wenig mit dem Rationalen zu tun haben. Was gewöhnlich die Handlung vorantreibt, ist nicht das Ergebnis eines auf Nachforschungen und Überlegungen basierenden Schreibens, sondern Erlebtes und Ersehntes. In vielen Stücken wird die „kubanische Tragödie" gezeigt, deretwegen die Autoren und oft auch ihre Familien das Land verlassen haben. In den hier zu untersuchenden Werken finden wir Anspielungen auf eine zerstörte Welt und auf die Desintegration der kubanischen Familie. 1980 erlebte ich eine Inszenierung von Swallows von Manuel Martin Jr. im INTAR, einem New Yorker Theater, das Werke mit hispanoamerikanischen Themen aufführt. Das Stück mit viel Musik zeigt jugendliche Intellektuelle, die Kuba verlassen haben. Im Mittelpunkt der Handlung 1 Rine

Leal (Hrsg.): Vorwort zu Teatro: 5 autores eubanos. New York 1995.

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steht als Hauptgrund für das Exil dieser Gruppe die Repression, der sie als Homosexuelle ausgesetzt waren: die Ungerechtigkeiten in Gerichtsverhandlungen und Urteilen, das Vorgehen einer Regierung, die mehr und mehr ihre Paranoia an jedem demonstriert, der sich ihrer Denkweise widersetzen könnte. Es wird deutlich, wie Mitglieder der Bevölkerung als unerwünscht abgestempelt werden. Die Figuren des Stückes widersetzen sich der Ausgrenzung, sie fühlen sich als Teil der kubanischen Realität. Sie sind Kubaner, und keinen Augenblick haben sie die Möglichkeit einer anderen Identität in Erwägung gezogen. Ein Teil der Handlung spielt in Kuba, dem Kuba schrecklicher Erinnerungen, die die Figuren noch Jahre nach ihrem jeweiligen Fortgehen verfolgen. Diese Erinnerungen sind ständig gegenwärtig, denn trotz der zeitlichen Distanz und der neuen Erfahrungen fern der Insel sind sie Bestandteil ihres Denkens. Wenn Magaly Alabau „Forget about the past" singt, dann ist das ein Wunsch nach Exorzismus, die Erinnerung aber bleibt und macht gewissermaßen ihre Existenz aus. Es ist unmöglich, sich von dem Geschehenen zu befreien. Die Figuren scheinen sogar an ihrem Entschluß zur Rückkehr festzuhalten, denn ebenso wie die Schwalben, die dem Stück den Namen geben, sehen sie ihren Aufenthalt im Norden nur als vorübergehend an. Wenn in manchen Szenen die Dinge auch durch eine humorvolle Brille betrachtet werden, läßt sich dahinter doch die kubanische Tragödie erahnen. So plant die Frau, die nach Kuba zurückkehrt, ihre Reise unter dem Gesichtspunkt, wie sie am besten ihrer Familie, der das Notwendigste fehlt, so viel wie nur möglich mitbringen kann. Die Gesten und der Ton beim Berichten, mit welcher Geschicklichkeit sie die verschiedensten Waren versteckt, stammen aus der Welt des vaudeville. Das Lachen, das solche Szenen begleitet, verdeckt die Not, die auf der Insel herrscht, nicht. Das Stück von Monge Rafuls Nadie se va del todo (1991) bricht mit der Einheit von Ort und Zeit und zeigt eine Realität, in der immer alles gleichzeitig geschieht. Schauplatz ist sowohl Kuba als auch die Vereinigten Staaten; die Trennung zwischen beiden Orten ist nicht endgültig, die Handlung weist Zeitsprünge auf und ruft damit das Gefühl hervor, daß beide Orte zugänglich bleiben. Die Erfahrung läßt sich zurückgewinnen, die Gegenwart nährt sich ständig aus der Vergangenheit und zeigt eine enge Verbindung zu den geschehenen Ereignissen, die immer noch ihre Gültigkeit besitzen. Lula und ihr Sohn Toni kehren nach dreißig Jahren Exil nach Kuba zurück. Sie waren zu Beginn der Revolution nach der Erschießung Ju-

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lios, Tonis Vater und Lulas Ehemann, fortgegangen. Im Stück sind Szenen eingefügt, die die Vorbereitungen für diese Reise und die Rückkehr nach Kuba zeigen. Daneben stehen Szenen einer gemeinsam erlebten Vergangenheit, die in Lulas Erinnerung mit der Erschießung Julios in Zusammenhang stehen. Diese Erinnerung zwingt zum Dialog, und Lula kann schließlich der Denunziantin Nena, die ihren Mann Julio verraten hat, vergeben. In diesem Sinne handelt das Stück von Befreiung. Der tiefe Schmerz der Familie verliert sich weder im Vergessen noch im Groll, sondern mündet in die geistige Öffnung, die vergibt, um weiterleben und gleichzeitig die Vergangenheit akzeptieren zu können. Die Tatsache, Kubaner zu sein, verbindet die, die im Exil leben, mit denen, die auf der Insel blieben. Sie ist stärker als die Unterschiede, die sie trennen könnten. Andererseits zeigt das Stück auch gerade diese trennenden Elemente auf. Sowohl der Dogmatismus in Kuba als auch die Distanz zur Heimat der im Exil geborenen Generationen - Tonis Frau - sind Kräfte, die dem Dialog und der Versöhnung, die das Stück anstrebt, entgegenwirken. Das heißt, die Bedrohung der kubanischen Identität besteht sowohl innerhalb als auch außerhalb Kubas, dasselbe gilt für Lösungsmöglichkeiten des Problems. Nadie se va del todo suggeriert etwas Essentielles: einen Kern des Kubanischen, der vielleicht von der Materie anderer Kulturen und Identitäten verdeckt worden ist. Doch die Insel ruft. Toni, der junge Mann, der in den Vereinigten Staaten aufgewachsen ist, zieht die Möglichkeit in Betracht, in Zukunft in Kuba zu leben. Sein Land versetzt ihn in Erstaunen - obwohl er die Sprache seines Volkes nicht fließend beherrscht, verbindet ihn eine andere, vielleicht nachhaltigere, weil essentiellere Sprache mit allem, was damit zusammenhängt. Für die Entwicklung dieser Figur, aber auch für die anderen, ist die Rückkehr auf die Insel von großer Bedeutung. Das Stück lädt alle Kubaner zu künftigen grundlegenden Begegnungen ein, so als würde die Rückkehr auf die Insel als eine Art Wiedervereinigung eines geteilten Geistes die Fragen der Identität klären. Machados Stück Bröken Eggs (1987) dagegen teilt diesen Optimismus nicht. Hier ist die Welt der im Exil Lebenden ein locus horribilis. Obwohl vor Nadie se va del todo entstanden, zieht es nicht die Möglichkeit einer Annäherung zwischen den Kubanern beider Ufer in Betracht. Das Stück zeigt eine Familie auf der Hochzeitsfeier einer der Töchter; die Familie funktioniert nicht. Die Eltern der Braut haben sich wegen der Seitensprünge des Vaters getrennt, er lebt jetzt mit einer Argentinierin zusammen. Eine der Schwestern ist unverheiratet schwanger, und der

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Bruder nimmt während der Feier Kokain. Die Tante kann nicht ohne ihre Dosis Valium auskommen, und alle fühlen sich elend im Exil, obwohl sie schon lange in den Vereinigten Staaten leben. Für einige der Figuren ist Kuba ein Ort ihrer Sehnsucht. Dort haben sie ihre Jugend und ihre erste Liebe erlebt. Gleichzeitig ist es der Ursprung eines gewissen Verfalls, der Ort, an dem der Niedergang der Familie begann, ein Prozeß, der sich im Exil fortgesetzt hat. Die Sünden der Väter, Chaos und Unterentwicklung, begleiten die Figuren auch jenseits der Insel. Vielleicht macht erst die Perspektive von den Vereinigten Staaten aus es möglich, einen kritischen Blick auf die kubanische Wesensart zu werfen. Andererseits wird das Exil als Verstümmelung empfunden. Sonja wird gefragt, ob sie einer Lobotomie unterzogen wurde, und antwortet: I repeated that word over and over to myself, 'lobotomy, lobo-tomy, lo-bo-tomeee!' I looked it up. It said an insertion into the brain, for relief, of tension. I remembered people who had been lobotomized, that their minds could not express anything, they could feel nothing. They looked numb, always resting, then I realized that the old man was right. (1987:186)

In Bröken Eggs sind die im Exil Lebenden Opfer. Sie fühlen sich als Vertriebene, aus Kuba „ausgestoßen". Ihr Geschick als Gemeinschaft und als Individuen scheint von übergeordneten Kräften gesteuert zu werden. Machados Figuren haben im Exil wie zuvor in Kuba wenig Einfluß auf ihr Leben. Obwohl sie wichtige Entscheidungen treffen mußten, ist ihnen ein gewisser Fatalismus zu eigen, wie er uns auf der Insel, zu der sie gehören, vertraut ist. A Park in Our House von Nilo Cruz spielt in Kuba, ohne irgendeinen Bezug zu den Vereinigten Staaten. Eine kubanische Familie erwartet einen Russen, den sie bei sich aufnehmen will. Das Andere definiert hier die kubanische Identität. Kubaner zu sein heißt, sich mit dem Ausländer zu identifizieren, sowohl mit dem Russen als auch mit dem Amerikaner, mit Staatsbürgern, die im Laufe der Geschichte gewisse Rechte genossen haben, die dem Kubaner selbst verwehrt bleiben. Das Stück zeigt ein Kuba, in dem trotz der Revolution gewisse Klassenunterschiede fortbestehen. Ebenso beleuchtet es die Unterschiede zwischen den Weltanschauungen. Für einige bietet der Spiritismus eine Lösung, für andere ist er Aberglaube. Der Riß zwischen denen, die eine bessere Zukunft planen, und der staatlichen Bürokratie, die alles kompliziert, wird verdeutlicht in den Entwürfen für die Anlage eines Parks, der dem Stück den Namen gibt. In diesem Stück existiert der Ort der Erholung, genau wie

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die kubanische Identität, nur als Skizze, als Werk in der Entstehung, als Modell, das vielleicht nie verwirklicht wird. Es zeigt das Scheitern der Revolution. A Park in our House deutet an, daß eine nationale Identität nicht realisiert worden ist. Da der Kubaner seine Aufmerksamkeit allem Ausländischen gewidmet hat, konnte er sich nicht gemäß seiner eigenen Kriterien selbst definieren. Camilo, ein Junge, der auf geheimnisvolle Weise seine Stimme verloren hat und große Teile des Stücks hindurch stumm ist, ist die Schlüsselfigur für diese Gleichung. Er imitiert andere Figuren, sein Wesen definiert sich durch den Anderen: durch Gesten und Handlungen macht er ihn sich zu eigen. Cruz ist sich der kulturellen Maskierung bewußt und glaubt, daß die Natur den Kubaner jenseits kodierter Diskurse unterweisen kann. Er sucht Antworten in der Vegetation der Insel und im Donner des Meeres, das sie umgibt. Das Exil versetzt den Kubaner in die Lage, seine Identität zu bestimmen. Die Distanz, die ihm die Verbannung bietet, hilft ihm, die Eigenheiten seiner Heimat deutlicher zu erkennen. Die vier untersuchten Stücke sind nicht die Ausnahme der Regel, sie verdeutlichen vielmehr das wunderbare Paradox, daß aus der Entfernung Annäherungen möglich sind, die die Nähe offenbar verwehrt. Deutsch von Ursula Guinaldo

Literatur Angelou, Maya: Even the Stars Look Lonesome. New York 1997. Cruz, Nilo: A Park in Our House in OiLANTAYTheater Magazine 5,1 (1997), S. 122-168. Leal, Rine (Hrsg.): Teatro: 5 autores eubanos. New York 1995. Machado, Eduardo: „Broken Eggs ", in On New Ground: Contemporary Hispanic-American Plays. (Osborn 1987). Monge Rafuls, Pedro: „Nadie se va del todo", in Teatro: 5 autores eubanos (Leal 1995), S. 109-158. : „Niemand geht ganz und gar", in Kubanische Theaterstücke (Adler, Herr 1999), S. 247-2%.

Laureano Corces hat sich auf hispanoamerikanisches Theater spezialisiert. Er hat an der Sorbonne, Paris, Theaterwissenschaft studiert und schließt gerade an der Universität in New York seine Dissertation über die Dialektik zwischen den Gattungen Komödie/Tragödie im modernen spanischen Theater ab. Er lehrt Literatur an der City University von New York.

Mirza L. González

Erhalten und widerstehen: Das Kubanische im englischsprachigen Exiltheater Das Thema dieses Aufsatzes ist das in englischer Sprache geschriebene kubanische Exiltheater. Seine Autoren haben als Kinder oder Jugendliche die Heimat verlassen und ihre Ausbildung im Ausland erhalten. 1 Unsere Untersuchung will zeigen, in welcher Weise diese Autoren das Kubanischen, die cubanidad, in ihrem Theater erhalten und, obwohl sie in der Sprache des Exils schreiben, der Überfremdung widerstehen. 2 N a c h einer Definition der cubanidad, der kubanischen Wesensart, suchten schon die Gelehrten zur Zeit der Republik. Sie besitzt jedoch, wie Cintio Vitier treffend formuliert hat, „die schwer zu fassende Eigenschaft des Flüchtigen" (1970:20), und er fügt hinzu: Es gibt kein unveränderbares und fest umrissenes kubanisches Wesen, das wir unabhängig von seinen sich wandelnden und problematischen Darstellungsformen definieren können, um dann zu behaupten: dort erscheint es, dort nicht. Unser Abenteuer besteht darin, uns auf die Entdeckung von etwas zu begeben, das wir vermuten, aber dessen Identität wir nicht kennen. Etwas, das außerdem keine feststehende Wesensart, sondern eine Entwicklung hinter sich hat und sich nicht von seinen vielfältigen historischen Darstellungsformen trennen läßt. (1970:18) Diese Arbeit konzentriert sich darauf, zwei wesentliche Aspekte hervorzuheben, in denen sich die cubanidad manifestiert: das Äußere, das

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Die kubanische Diaspora nimmt bereits 1961 Formen an. Mit Hernández, Montes Huidobro, Matas und de Cárdenas beginnt die „gespaltene Generation", zu der auch José Corrales und Tony Betancourt zählen, die nach New York gingen, und Pedro Román, Manuel Martin Jr. und Manuel González Pando, die nach Miami zogen. Zu ihnen stoßen die „trasterrados" (der Begriff stammt von José A. Escarpanter) Iván Acosta, René Alomá, Eduardo Machado, Pedro Monge Rafuls, Andrés Nóbregas, Manuel Pereiras García, Dolores Prida, Luis Santeiro und Omar Torres. Nur wenige dieser Autoren schreiben auf Englisch, auch wenn sie einige englischsprachige Werke zu verzeichnen haben (vgl. Escarpanter in Lo que no se ha dicho (Monge Rafuls 1994: 53-55).

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Auseinandersetzungen über die cubanidad im auf Englisch geschriebenen Theater und seine Einbeziehung in das dramatische Vermächtnis der Insel führt Rine Leal in Teatro: 5 autores cubanos (1995: Xf.). Siehe auch „The Deal" von Charles GómezSanz (Monge Rafuls 1994:3-9).

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die Symbole und die Umstände der kubanischen Wesensart beinhaltet und sie sichtbar macht; und das Innere, bezogen auf das der cubanidad Wesentliche, ihre Psychologie. Die Mehrzahl der kubanisch-amerikanischen Dramatiker stellt in ihren Werken, unabhängig ob sie auf Spanisch oder Englisch geschrieben sind, die kubanische Thematik innerhalb und außerhalb der Insel dar, eng verbunden mit den politisch-revolutionären Umständen und ihren Auswirkungen auf Familie und Individuum. In den Stücken von Nilo Cruz, Luis Santeiro, Lorenzo Mans und Manuel Martin Jr. 3 , die hier besprochen werden sollen, sehen sich die Figuren mit den typischen Problemen konfrontiert, die das Leben innerhalb oder außerhalb der InselNation bestimmen. Sie suchen auf verschiedene Art und Weise nach Lösungen. Entweder in offener Rebellion, oder sie versuchen zu überleben, indem sie sich anpassen. Dafür lassen sich drei thematische Schwerpunkte formulieren: Der erste zeigt das Leben im post-revolutionären Kuba und die Überlebenskonflikte, wie sie in drei Stücken von Cruz erscheinen: A Park in Our House (1995), Two Sisters and a Piano (1996) und Drinking the Sea (1994). Der zweite kommentiert wie in The Lady From Havana (1988) von Santana das Leben der Exilierten in den Vereinigten Staaten und die Spannungen und Konflikte, die während der Eingewöhnung in die neue gesellschaftliche Situation entstehen. Der dritte behandelt die politischen Ansichten im kubanischen Exil, wie sie sich in den Stücken Swallows (1980) von Manuel Martin Jr. und Saint Evangelina (1996) von Mans beobachten lassen. A Park in Our House wurde 1995 vom McCARTER THEATRE, Princeton, produziert und von Loretta Greco inszeniert. Das Stück spielt im Kuba der 70er Jahre, und die Handlung konzentriert sich auf das Leben um das Ehepaar Hilario und Ofelia. Ihre Neffen, Pilar und Camilo, die wie eigene Kinder aufgezogen wurden, vervollständigen mit Hilarios

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Obwohl Martin zu dieser Gruppe gehört, muß erwähnt werden, daß er 1953 in die USA kam. Zu den kubanisch-amerikanischen Dramatikern, die hauptsächlich auf Englisch schreiben, gehören darüber hinaus: Alomá, Machado, Peter Macy, Elias Miguel Muñoz, Prida und Pereiras Garcia, dessen umfangreiches Werk eine eigene Studie verdient. Maria Irene Fornés, die ebenfalls auf Englisch schreibt, lebte schon vor der Revolution in den USA und greift deshalb auf andere Erfahrungen als die der genannten Autoren zurück.

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Cousin, Fifo, die Familie. Dimitri, ein junger Russe, lebt vorübergehend bei der Familie. 4 Cruz stellt den politischen Konflikt innerhalb des Mikrokosmos der Familie dar und folgt damit einer Tradition, die José Antonio Ramos in Tembladera (1918) begann und die von Virgilio Pitterà in Electra Garrigò (1941) fortgesetzt wurde.5 In Fabiola (1985) und In the Eye of the Hurricane (1989), Teile der Tetralogie The Floating Island Plays (1991) von Machado wird diese Thematik im Exil weiterverfolgt. Das dargestellte Familienmodell ist matriarchialisch; der religiöse Synkretismus ist ein weiteres Charakteristikum. Den Vorbereitungen für Camilos Kommunion, mit denen das Stück beginnt, folgt eine YorubaZeremonie am Strand, deren Hauptfigur ebenfalls Camilo ist. Die sporadischen Vergleiche zwischen der Verfügbarkeit von Waren in der Vergangenheit und dem jetzigen Mangel, das Fehlen des Lebensnotwendigsten machen die wirtschaftliche Realität der Insel sichtbar. Die Mühen, für den täglichen Unterhalt zu sorgen, die Angst vor Denunzianten, die an Verfolgungswahn grenzt, die Furcht vor dem Gefängnis, die Verpflichtung zum Militärdienst oder die freiwillige Arbeit in der Landwirtschaft als Loyalitätsbeweis für das Regime, an das man nicht glaubt, all das vergiftet die Gefühle der Figuren und manifestiert sich im Verhalten von Individuen, die unter der politischen Situation leiden. Camilos Stummsein symbolisiert die Folge eines sozio-poli tischen Systems, das durch Knebelung funktioniert. Schweigen, so Nilo Cruz, sichert das Überleben. Two Sisters and a Piano, 1996 vom McCARTER THEATRE in Princeton

produziert und von Loretta Greco inszeniert, spielt auf Kuba im Jahre 1979. Die Hauptfiguren, die Schwestern Sofia und Maria Celia, sind vom Komitée zur Verteidigung der Revolution angezeigt worden und als 4

Moskaus Präsenz auf Kuba war in den 70er Jahren am stärksten, weil die internationalen Austauschprogramme intensiviert wurden. In diesen Jahren war die wirtschaftliche und militärische Abhängigkeit vom Ost-Block durch die Einrichtung der Sowjetisch-kubanischen Komission für Zusammenarbeit in Wirtschaft, Wissenschaft und Technik (Dezember 1970) und die Aufnahme Kubas in den Sowjetischen Rat für wirtschaftliche Beratung (Juli 1972) am größten (Duncan 1985).

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Carlos Espinosa Domínguez führt in Teatro cubano contemporáneo an, daß Ramos als erster Intellektueller seiner Zeit die politische Problematik innerhalb der Familie ansiedelte (1992:15). Weitere Informationen zu diesem Thema finden sich bei Escarpanter in „La familia en el teatro cubano" (1994: 89-100). Es empfiehlt sich ebenfalls die Lektüre von Matías Montes-Huidobro, Persona, vida y máscera en el teatro cubano. Miami 1973.

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Konterrevolutionäre zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Das Motiv für die Anklage macht die Absurdität und die Unverhältnismäßigkeit der politischen Repression deutlich: Sie werden beschuldigt, Klavier zu spielen, Musik zu hören und Gedichte zu lesen; das ist subversiv. Nachdem sie ihre Strafe abgeleistet haben, leben sie unter Hausarrest. Mit Hilfe von Rückblenden und eines Tagebuchs, das Maria Celia schreibt, erfahren wir Details ihres politischen Sündenfalls und die gewalttätige Reaktion ihrer Nachbarn. Ausgegrenzt suchen sie Zuflucht: Sofia in der Musik und Maria Celia in der Phantasie, indem sie Geschichten und Briefe schreibt. In ihren alltäglichen Ritualen, den sich wiederholenden Frustrationen, die wie ein Teufelskreis wirken, wird uns die psychische Verfassung der Figuren nähergebracht. Die von äußerer Gewalt bedrohte, verschlossene Welt erinnert an Las monjas (1969) von Eduardo Manet. Zwei Ebenen überschneiden sich in diesem Stück: die Realität und das Erträumte beziehungsweise Imaginierte. Verbunden werden sie durch Metatheatralität. Konkrete Bezüge auf die Realität werden mit Hilfe der Briefe und des Tagebuchs von Maria Celia eingeführt. Die erinnerten oder erträumten Szenen zwischen Elio und seiner Geliebten stellen Verbindungen zum Außen her und sind Zeugnisse der Welt jenseits der Abgeschlossenheit, in der sich die Schwestern befinden. Elio, Maria Celias Freund, arbeitet auf einem Leuchturm. In Gesprächen mit Maria Celia und in Monologen berichtet er von Fluchtversuchen, Schiffbrüchen, von angeschwemmten Ertrunkenen oder einzelnen Körperteilen. Das dritte Stück von Cruz, Drinking the Sea, ist noch nicht aufgeführt worden. Es beschreibt die Zeit zwischen Februar und Oktober 1993. Der erste Akt spielt auf Kuba, und der zweite beschreibt die Flucht übers Meer und die Ankunft in den Vereinigten Staaten. Während in den vorausgegangenen Stücken der Plan zur Flucht entworfen wird, zeigt dieses Drama seine Kulmination und Ausführung. Die Dynamik der Handlung entwickelt sich aus dem FigurenDreieck Julio, Pepe und Inés. Das Mädchen, eine Physiotherapeutin, versucht Julio, der gelähmt in einem Rollstuhl sitzt, zum Gehen zu bewegen. Die Briefe, die Pepe als Postbote in die Hand bekommt, bestätigen ihm die Existenz einer Welt außerhalb der Insel als mögliche Zukunft. In ihren Gesprächen drücken die drei Freunde ihre Sehnsucht aus, das Land zu verlassen, und beschließen, gemeinsam mit einem Floß zu fliehen.

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Das Subthema, und somit einer der repräsentativen Codizes der kubanischen Situation, ist die Krise der Familie, die mit der Auflösung und dem Auseinanderbrechen der Gruppe in Beziehung steht, sowie die ständige Überwachung der Dissidenten durch die Regierung und das Durchsuchen ihrer Post. Hinzukommt die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit den Privilegien der Touristen, sie können nur mit Dollars erhältliche Waren erstehen, die dem durchschnittlichen Kubaner unerreichbar sind.6 Der Wunsch des Einzelnen, seine Lebensumstände zu verändern, steht jedoch im Zentrum; und Weggehen ist die einzige Möglichkeit, dies zu erreichen. Die Figuren fühlen sich eingesperrt und betrachten die Welt außerhalb der Insel als etwas Verbotenes und Unerreichbares. Inés beschreibt den Fluchtwunsch, den sie mit einer Erweiterung ihres Horizonts gleichsetzt, wenn sie erklärt: „I'd like to live in a place where the land extends and I can walk for miles. Where I can run and never reach the end. Here, there's always the sea. The jail of water..." (S. 33)

Inés hat eine wichtige Bedeutung als Sprachrohr der allgemeinen Meinung. Sie benennt nicht nur die wirtschaftlichen und politischen Umstände, die den Impuls zur Flucht geben und die Vorstellung von der Nation als Gefängnis anschaulich machen, sondern steht auch für ein weiteres soziales Übel: die Prostitution. Früher hatte sie sich als Touristin ausgegeben und die Bars von Havanna aufgesucht, um Ausländer kennenzulernen und dem Beruf der „jinetera" nachzugehen; im Kuba Fidel Castros ein Modewort für Prostituierte.7 The Lady from Havana wurde 1 9 9 0 vom I N T A R , dem HISPANIC AMERICAN ARTS CENTER, produziert und von Max Ferrä inszeniert. Das Stück gibt neben der Darstellung häuslicher Probleme in der Verban6

Der Wert von Gegenständen innerhalb des kubanischen Systems hat eine symbolische und eine ökonomische Bedeutung. Auf der symbolischen Ebene ist er Ausdruck einer Tradition oder des Fortbestehens der Familie und unerläßlicher Teil der Wurzeln und Identität einer bestimmten Gruppe. Bezogen auf ihren praktischen Nutzen sind Kunstobjekte oder Schmuck als Tauschobjekte hoch geschätzt. Am häufigsten werden Lebensmittel wie Reis und Kaffee zum Tauschen genutzt, aber auch Turnschuhe und Fahrräder, die wichtige Fortbewegungsmittel darstellen. Die wertvollsten Gegenstände sind jedoch Autoreifen, da sie unabdingbar für die Herstellung von Flößen sind.

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Vgl. Coco Fusco in Encuentro (1997:53-64), und Andrei Codrescu in The New York Times Magazine (1998:32-35).

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nung und dem Aufzeigen der bestehenden Antagonismen zwischen den beiden politischen Kulturen auch einen einleitenden sozio-kulturellen Überblick über familiäre und persönliche Fragestellungen auf der Insel und im Exil. Das Drama beginnt in Miami 1980 mit der Ankunft der „Mama" aus Kuba. Sie wird von ihrer Freundin und Haushälterin begleitet, die seit 20 Jahren bei ihr lebt. Der erste Akt beschreibt das Zusammentreffen der Mutter mit ihrer Tochter und fungiert als Szenarium, das die daraus resultierenden Spannungen auffächert. Sie entstehen aus der gegenseitigen Zurückweisung der gegensätzlichen politisch-sozialen Verhaltensweisen: die des kastristischen Kubas und die anti-kastristische des Exils. Diese kontroversen Denkweisen zu beiden Ufern werden auch in den Stücken anderer Exil-Autoren thematisiert, so in A Little Something to Ease the Pain (1986) von Alomá, Siempre tuvimos miedo (1987) von Hernández und Nadie se va del todo (1991) von Monge Rafuls. Die Mutter und die Haushälterin fungieren unter anderem als Informationsträger zwischen Kuba und dem Exil. Sie beschreiben die Schwarzmarkt-Aktivitäten und die ständigen Tauschgeschäfte, die notwendig sind, um das Nötigste zu erhalten. Verweise auf Lebensmittelmarken und die neue post-revolutionäre Begrifflichkeit tragen gemeinsam mit anderen repräsentativen Details zur Darstellung des kubanischen Hintergrundes bei. 8 Die Kommentare der Mutter sorgen für Irritationen bei der Tochter, da sie die nordamerikanischen Gewohnheiten kritisieren. Erstmals werden neue, für die kubanischen Exilfamilien bereits typische Zeichen dargestellt, wie etwa die Situation der alten Leute, die in Heime geschickt werden, weil die Kinder keine Zeit haben, sich um sie zu kümmern, sich deshalb aber schuldig fühlen; oder die Probleme der Jungen, die weniger aufmerksam erzogen werden und sich deshalb fremden Gruppierungen anschließen: in diesem Fall den Hare Krishnas. 9 In Swallows, das 1980 vom INTAR produziert und von seinem Autor, Manuel Martin, inszeniert wurde, geht es um die Situation der kubanischen Diaspora nach der Revolution. In diesem zeugnishaften Text werden die wichtigsten Momente der kubanischen Revolution und ihr 8

Namen wie Lenin, Yudelka, Ludmilla, Lumumba etc., Persönlichkeiten des Ostblocks, erscheinen auf Kuba häufig.

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Weitere Stücke, die sich mit der Thematik des Exils und dem Adaptionsprozeß der kubanischen Familie auseinandersetzen, sind El super (1977) von de Acosta, Holinight (1987) von Pereiras Garcia und Union City Thanksgiving von Manuel Martin Jr.

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Einfluß auf die Kubaner innerhalb und außerhalb der Insel mit Mitteln dargestellt, wie sie im Dokumentarfilm verwendet werden. In einer Vielzahl von Szenen werden die Erfahrungen zusammengestellt, die die Bevölkerung im Verlauf der Zeit gemacht hat. Dialoge über die Agrarreform, das Embargo, die Trennung von der Familie und der Heimat, politische Gefangene, Exekutionen und anderes werden in zum größten Teil nostalgischen Gesprächen von Menschen innerhalb und außerhalb der Insel als Reminiszenzen an die Vergangenheit gehalten. Es gibt Szenen, in denen bestimmte Handlungen wie die Folterungen eines politischen Gefangenen, Repressionen gegen Homosexuelle, ein terroristischer Akt oder einfach die Erfahrung der Ankunft in den USA und der lange Kampf der Flüchtlinge um eine Verbesserung ihrer Situation unmittelbar dargestellt werden. Swallows ist ein gutes Beispiel für die Darstellung der kubanischen Wesensart in ihrer visuellen Erscheinungsform und für die Reflexion über das „Sein", die Emotionen und die Psychologie des Kubanischen nach den revolutionären Entwicklungen zu beiden so unterschiedlichen Ufern. Als anklagendes Stück spiegeln seine Dialoge und Szenen die Unsicherheit und die Angst gegenüber Überwachung, Verfolgung, Einschüchterung und direkter Angriffe wieder, denen die Bewohner der Insel kontinuierlich ausgesetzt sind. In ihm drücken sich Beklemmungen, schmerzliche Erinnerungen und Traumata aus, die seine Figuren erlebt haben und noch als Exilanten erleben, da sie unlösbar mit den Ereignissen in der Heimat verbunden sind. Mit Hilfe zweier Ebenen im selben Bühnenraum, wobei auf der unteren die Szenen der Emigranten in den Vereinigten Staaten und auf der oberen die Szenen auf Kuba dargestellt werden, entstehen frustrierende dialogische Beziehungen, und es gelingt, die Probleme der Diaspora sichtbar zu machen. Von allen dargestellten Themen und Problemen steht in Swallows die fehlende Kommunikation zwischen den beiden Gruppen im Vordergrund. Das Stück hinterläßt am Ende den Eindruck, daß alle bisherigen Annäherungsversuche zwecklos waren. Auch wenn es paradox klingt, die fragmentarische und manchmal chaotische Darstellung der Situationen und die scheinbar unzusammenhängende Folge von Ereignissen in Swallows liefern eine umfassende und ganzheitliche Vision der vielfältigen Aspekte der kubanischen Situation, die durch das Zusammenfassen und Verbinden der beiden Realitäten gewonnen wird.

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Saint Evangelina von Mans ist der dramatische Versuch einer hagiographischen Wiederbelebung.10 Deshalb ist es möglich, das Stück im Zusammenhang mit den Historiendramen der Insel oder des Exils zu betrachten.11 Saint Evangelina beginnt in New York und endet auf Kuba, und deckt die Zeit vom letzten Teil der Freiheitskämpfe (1895) bis zur „guerra hispanoamericana" (1898) ab. Evangelina, eine in den Vereinigten Staaten in der Verbannung lebende Kubanerin, die aktiv an den Freiheitskämpfen teilnahm, ist ein Präzedenzfall im kubanischen Theater. 12 Neben Carlos, ihrem Freund, ihrer Tante und Señor Carbonell erscheinen noch weitere historische Figuren wie Randy (der Zeitungsmagnat William Randolph Hearst) und Teddy (der spätere Präsident der Vereinigten Staaten, Theodore Roosevelt). Anspielungen auf das Auslaufen des Panzerkreuzers Maine nach Kuba und seine Stationierung vor der Küste Havannas und andere historische Ereignisse geben Anlaß für eine generelle Diskussion der Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Hispanoamerika. Die visuellen und auditiven Codes sind von nationalistischen Symbolen durchzogen. Die kubanische Flagge ist ein wesentliches Requisit für die Entwicklung des Handlungsverlaufs. Evangelina, die mit der kubanischen Flagge bekleidet ist, wird zum Beispiel von einer Nonne - der Inquisition - tätlich angegriffen: ein deutliches Symbol für die spanische Reaktion auf die kubanischen Befreiungsversuche. Neben einem starkem Nationalismus steht die Kritik an der politischen und wirtschaftlichen Vormachtstellung der Vereinigten Staaten gegenüber Lateinamerika im Mittelpunkt des Dramas. Mans bezieht sich jedoch nicht nur auf die kubanische Wesensart, sondern geht darüber hinaus und wird zum Echo vielschichtiger Stimmen, die sich für die 10

Evangelina hat tatsächlich existiert. Sie mußte zur Zeit der Massenkundgebungen von Valeriano Wyler ins Gefängnis und wurde durch die Intervention einer amerikanischen Gruppe freigelassen. Vgl. The Story of Evangelina Cisneros und den Roman Al partir von Omar Torres.

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Siehe dazu den Artikel von Escarpanter in ho que no se ha dicho (1994:53-62).

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Obwohl es historische Daten über die aktive Teilnahme von Frauen an revolutionären Prozessen gibt, hat es nie zuvor eine weibliche Hauptfigur im Theater der Insel oder des Exils gegeben. Man kennt die berühmte Mariana Pineda von Federico Garda Lorca und das kontroverse Stück Santa Juana de América von Andrés Lizárraga. Erstaunlicherweise erhielt dieses den Preis des ersten Wettbewerbs von C A S A DE LAS AMÉRICAS auf Kuba und wurde als Hommage an Argentinien im TEATRO NACIONAL DE LA HABANA in der Inszenierung von Eduardo Manet am 2 4 . Mai 1960 uraufgeführt.

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Freiheit nicht nur Lateinamerikas, sondern aller Länder der Welt und für das Recht auf politische Selbständigkeit einsetzen. In Themen und Traditionen des kubanischen Theaters des 20. Jahrhunderts und auf diese Weise mit den historischen Parametern, mit denen sie innerhalb und außerhalb der Insel leben müssen, drücken die Figuren des Exiltheaters in englischer Sprache - politisch und sozial glaubhaft - ihre persönlichen Konflikte aus und reflektieren darüber. Dieses Theater ist daher nicht nur eine Beschreibung der kubanischen Situation, es muß auch als Entwurf eines Gesamtüberblicks aller ihrer Facetten betrachtet werden. Die das Kubanische bestimmenden Zeichen - wie zum Beispiel der Familienkonflikt - lassen sich bei Santeiro und in A Park in Our House von Cruz nachweisen. Andere kubanische Codes wie Phantasterei, Wunder, Magie und religiöser Synkretismus erscheinen ebenfalls in den Stücken von Cruz. In den Stücken von Santeiro, Manuel Martin Jr. und Mans läßt sich nachvollziehen, wie man in der Verbannung unter Trennungsschmerz und Entwurzelung leidet. Deshalb lassen sich Trennung von der Familie, Entfernung, mangelnde Verständigung, politische Unterschiede und andere Konflikte beobachten, die sich, erschwert durch kulturelle und linguistische Unterschiede zu den traditionellen Problemen hinzugesellen. Dazu kommen auch noch die Spannungen, mit denen sich die jüngeren Generationen in den Vereinigten Staaten konfrontiert sehen, wie das Fehlen einer Identität, die Unsicherheit angesichts der eigenen kulturellen Werte und der Versuch, sich religiösen Sekten oder anderen weniger eklektischen Gruppen anzuschließen. Das englischsprachige Exiltheater versteht sich als Theater des Widerstands. Und es ist eben dieser, die vielfältigen Überlebensstrategien in sich vereinende Widerstand, der dem Theater zu beiden Ufern seine Einheit gibt, denn, so beschreibt es Leal: „Theater außerhalb von Kuba (und auf der Insel) zu machen, ist immer auch eine Art zu leben, zu überleben, zu widerstehen, gleich zu sein, die ,edle kubanische Gesinnung' anzuerkennen." (1995: XVII) Deutsch von Carolin Overhoff

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Literatur Codrescu, Andrei: „Picking the Flowers of the Revolution", in The New York Times Magazine (Feb. 1,1998), S. 32-35. Cruz, Nilo: Drinking the Sea (1994). : Two Sisters and a Piano (1996).

: „A Park in Our House", in OLLANTAY Theatre Magazine 5,1 (Winter/ Spring 1997, S. 122-168. Detancourt Cossio, Evangelina: The Story ofEvangelina Cisneros. New York 1998. Duncan, Raymond: The Soviet Union and Cuba. Interests and Influence. N e w York 1985. Escarpanter, José A.: „La familia en el teatro cubano", in OLUNTAY Theater Magazine

11,1 (Winter/Spring 1994), S. 89-100. : „Rasgos comparativos entre la literatura de la isla y del exilio: el tema histórico en el teatro", in Lo que no se ha dicho. (Monge Rafuls 1994), S. 53-62. Espinosa Domínguez, Carlos: „Una dramaturgia escindida", in Teatro cubano contemporáneo. Antologia. Madrid 1992, S. 13-77. Fusco, Coco: „Jineteras en Cuba", in Encuentro 4 / 5 (Frühjahr/Sommer 1997), S. 5364. Gómez-Sanz, Charles: „The Deal", in Lo que no se ha dicho. (Monge Rafuls 1994), S. 39. Leal, Rine: „Ausencia no quiere decir olvido", in Teatro: 5 autores cubanos. New York 1995, S. IX-XXXI. Mans, Lorenzo: Saint Evangelina (1996). Martín Jr., Manuel: Swallows (1980). Méndez Soto, Ernesto: Panorama de ¡a novela cubana de la revolución. Miami 1977. Monge Rafuls, Pedro. „Cuando vuelva a tu lado", in Lo que iw se ha dicho. (Monge Rafuls 1994), S. XI-XXII.

Montes Huidobro, Matías: Persona, vida y máscara en el teatro cubano. Miami 1973.

Santeiro, Luis: The LadyfromHavana. New York 1991. Torres, Omar Al partir. Houston 1986. Vitier, Cintio: Lo cubano en la poesia. Havanna 1970. Mirza L. González, Güines, Havanna. Studierte an der Universidad de la Habana Physik, Mathematik und Pädagogik. Lebt seit 1962 in Chigaco; MA der Loyola University und Promotion an der Northwestern University. Liest an der DePaul University in Chicago im Departament of Modern Languages, speziell zur Literatur der Karibik und zur Revolutionsliteratur. P u b l i k a t i o n e n : La novela y el cuento psicológicos de Miguel de Corrió. Miami 1979; Literatura revolucionaria hispanoamericana. Antología. Madrid 1994. In Vorbereitung ist eine

Sammlung von Erzählungen, die noch 1998 erscheinen soll. Mehrere Artikel über Miguel Carrió und Jesús Castellanos, María Irene Fornés, Miguel Barnet und andere.

Jorge Febles

Vom Zorn der 70er Jahre zur Sehnsucht nach Versöhnung der 90er: Revolution und Konterrevolution (?) in fünf kubanischen Exilstücken Kritiker und Theaterleute wie José Escarpanter, Pedro Monge Rafuls, Héctor Santiago und Matías Montes Huidobro, um nur vier unter ihnen zu nennen, haben immer wieder auf die Ausgrenzung hingewiesen, deren Opfer die außerhalb des Landes entstandene Dramatik von Exilkubanern geworden ist. Escarpanter erklärt beispielsweise im Vorwort zu einer Sammlung von Kurzstücken von Leopoldo Hernández, daß das Werk dieses Dramatikers eines der ungewöhnlichsten, reifsten und kohärentesten Beispiele im kubanischen Theater der letzten dreißig Jahre darstellt, obwohl es mit all den Schwierigkeiten wie Gleichgültigkeit, Unkenntnis und Vorurteilen, die auf der kubanischen Kunst des Exils lasten, konfrontiert gewesen ist. (1990:9)

Monge Rafuls protestiert seinerseits massiv in „On Cuban Theater" (1994) gegen den Vorhang des Schweigens, der sich über den künstlerischen Ausdruck innerhalb und außerhalb des Landes breitet. In seinem Text, der fast wie eine Streitschrift wirkt, beklagt er sich über die Vorteile, die der in Kuba lebende Theaterschaffende genießt, der von der staatlichen Maschinerie gefördert wird, sofern er nur Übereinstimmung mit der herrschenden Ideologie zeigt. Dagegen arbeitet der emigrierte Schriftsteller im demütigenden Vergessen, von der angelsächsischen Gesellschaft aufgrund seines minoritären Status verstoßen und abseits des herrschenden künstlerischen Apparats. Gleichzeitig wird er in den USA häufig von den eigenen hispano-amerikanischen bzw. spanischsprachigen Künstlergruppierungen aufgrund einer ihm häufig unterstellten „altmodischen" politischen Einstellung abgelehnt. Nicht selten erfährt das kubanische Exiltheater auf sehr vereinfachende Weise Geringschätzung, indem ihm der Stempel einer politisierten und unversöhnlichen Dramatik aufgedrückt wird. Aus diesem Blickwinkel erscheint das gesamte künstlerische Schaffen des Exils als eine Ansammlung konterrevolutionärer Wälzer, als Sammelsurium rückständiger Kunstgebilde, deren Hauptfunktion angeblich darin bestehen soll, erfolglos ein System zu unterminieren, das trotz all seiner Fehler als Resultat des freien Willens des kubanischen Volkes gewertet wird. Als Folge davon entsteht ein

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Großteil der Theaterarbeit im Exil völlig unbemerkt, außer, sie steht in Verbindung mit ehemaligen Kultfiguren der kubanischen Revolution selbst, wie José Triana, oder sie stammt aus der Feder von Autoren, die gänzlich im Theater des jeweiligen Landes, in dem sie arbeiten, integriert sind, so wie es in den Sonderfällen des Frankokubaners Eduardo Manet und der US-Kubanerin Maria Irene Fornés geschehen ist. Dementsprechend besteht auch gewöhnlich die Annahme, das Exiltheater werde von den antagonistischen Motiven von Revolution und Konterrevolution bestimmt, d.h. es basiere zum größten Teil auf dem rhetorischen Scheingefecht zwischen den gesellschaftspolitischen Antipoden, was ideologische Schwarz-Weiß-Malerei, Kriegsgeschrei und gefährliche Pamphlete hervorbringen würde. Selbst ein gemäßigter Kritiker wie Espinosa Domínguez behauptet: Die Revolution ist möglicherweise das Thema, das durch Ressentiment und leidenschaftlichen Ton am stärksten vorbelastet ist, was mehr als einen vielversprechenden Text verdorben hat. (1992:68)

Läßt man jedoch den Großteil der in den USA von kubastämmigen Autoren1 verfaßten Schlüsselstücke Revue passieren, so wird deutlich, daß, selbst wenn es eine Art Übereinstimmung in der Kritik an Kuba oder zumindest in der schwarz-weiß-malerischen Darstellung der sozialpolitischen Situation der Insel gibt, nie ein konzertiertes konterrevolutionäres Bemühen erkennbar wird; bzw. daß das „Wir repräsentieren dies in Opposition zu jenem" nicht auf einem politisch definierten Vorgehen beruht, das so oft Antrieb des offiziellen kubanischen Theaters war. Es ist schwierig, aussagekräftige Gegenbeispiele zu solch vollkommen den revolutionären Zielen verschriebenen Texten wie Santa Camila de la Habana vieja von José Brene oder den im sozialistischen Realismus angesiedelten Stücken Andoba o mientras llegan los camiones von Abrahán 1

Mit diesem Überbegriff löse ich das leidige Problem, zwischen den Generationen und den oft entgegengesetzten Auffassungen der Künstler zu unterscheiden, die in den USA arbeiten. Zum Zweck meiner Untersuchung subsumiere ich darunter sowohl Schriftsteller, die sich stark in Kuba verwurzelt fühlen, wie auch andere, die sich selbst als „Kuba-Amerikaner" bezeichnen würden, oder - wenn man dem von Manzor-Coats (1994) vorgeschlagenen Begriff folgen will - als „US-Kubaner". Genausowenig unterscheide ich unbedingt zwischen den „one-and-a-halfers" und den „Cubanbred Americans", die Gustavo Pérez Firmat in seinem Meisterwerk Life on tite Hyphen (1994) einander gegenüberstellt. Mich interessiert es, die widersprüchlichen Motive nachzuverfolgen, die ich in meinem Titel anspreche, und aufzuzeigen, wie sie in einer Reihe von Theaterstücken zutage treten.

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Rodríguez, En chiva muerta no hay bandidos von Reinaldo Hernández Savio und Girón: historia verdadera de la brigada 2506 von Raúl Macías bzw. den Kollektivproduktion der Theatergruppe ESCAMBRAY anzuführen. Abgesehen von einigen Einzelfällen wie La soledad de la Playa Larga (1975) von José Sánchez Boudy zeichnen sich die bedeutendsten Stücke des kubanischen Exiltheaters durch eine ganz individuelle Herangehensweise an die nationale Problematik aus. Die Debatte wird von der dramatischen Person bzw. den Personen auf der Bühne geführt, und in der Mehrzahl der Fälle ist die Stimme des Anderen, d.h. des Antagonisten von „drüben", übermächtig, manchmal sogar ohrenbetäubend. Im Exil sind Tendenzstücke entstanden, die jedoch zum größten Teil nicht einem definierten politischen Projekt unterliegen, sondern auf der dem jeweiligen Autor eigenen ideologischen Befindlichkeit beruhen. So ist ein traditionelles Protesttheater entstanden und nicht so sehr das Theater eines auf reaktionäre Prämissen eingeschworenen konterrevolutionären Kollektivs. Daher stelle ich in meinem Titel das Wort „Konterrevolution" in Frage, das ein gewisses Engagement für eine organisierte Bewegung suggerieren würde, deren gemeinsames Ziel die Zerschlagung des kubanischen Regimes wäre. Die Dramatiker, die ich in meinem Aufsatz behandele, könnten als Anti-Revolutionäre gesehen werden, in dem Sinne, daß sie in der Mehrheit die marxistische Doktrin, auf der das kubanische System beruht, verabscheuen. Genauso könnte man sie als Revolutionäre bezeichnen, da sie die herrschende Ideologie und eine vor fast vierzig Jahren an die Macht gekommene Regierungsmaschinerie ablehnen. Aber man sollte sie nicht als Konterrevolutionäre klassifizieren, wenn unter diesem Begriff die Zugehörigkeit zu einer reaktionären Gruppierung verstanden wird, die einem speziellen politischen Credo folgt und deren einziges Interesse in der Rückkehr zu historischen Zuständen wie vor Castro besteht, was die meisten der Autoren letztlich genauso abstoßend fänden. In meiner Untersuchung möchte ich die Dichotomie von RevolutionKonterrevolution oder, besser gesagt, den Konflikt zwischen einzelnen Schriftstellern und der Revolution anhand von fünf repräsentativen Texten zusammenfassen, die aus zwei der drei Jahrzehnte stammen, in denen die dramatische Produktion des Exils am intensivsten gewesen ist. Aus den späten 70er Jahren - ein Zeitraum, der laut Espinosa Domínguez (1992: 64) vom Aufbruch des kubanischen Einwanderer-Theaters bestimmt wird - habe ich El súper von Iván Acosta, Ojos para no ver von Matías Montes Huidobro, Las hetairas habaneras von José Corrales und Manuel Pereiras sowie Alguna cosita que alivie el sufrir von René Alomá

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ausgewählt. Dann überspringe ich zehn Jahre, um am Beispiel von Nadie se va del todo2 von Pedro R. Monge Rafuls das Theater der 90er Jahre zu dokumentieren (in dem sich ein gewisser versöhnlicher Optimismus aufgrund des weltweiten Zusammenbruchs des Kommunismus feststellen läßt). Mein Ziel ist es, anhand von untereinander sehr verschiedenen Texten, die jeweils das Werk von sowohl im Politischen als auch im Dramatischen eigenständigen Autoren sind, die in Frage stehende Konstante zu erläutern. Als am 5. November 1977 El súper von Iván Acosta im Kubanischen Kulturzentrum von New York uraufgeführt wird, erhält das Stück sehr gute Besprechungen von der Lokalpresse, die in El súper etwas ganz Neuartiges innerhalb der Exildramatik ausmacht. Diese Originalität macht sich auch der Film zunutze, der in der geschickten Regie von León Ichazo und Orlando Jiménez Leal mit überraschendem Erfolg in vielen nordamerikanischen Kinos gezeigt wurde. Der Film wurde mit renommierten nationalen und internationalen Preisen ausgezeichnet. 3 Die Neuheit von El súper beruht darauf, daß in dem Stück ein vergessener Bereich der Diaspora dargestellt wird. Schon die Soziologen Richard Fagen, Richard Brody und Thomas O'Leary haben in ihrer Studie Cubans in Exile: Disaffection and the Revolution festgestellt, daß es, wenn auch sicherlich eine unverhältnismäßig große Zahl der Exilkubaner „from the middle und upper strata of prerevolutionary society" (1968: 16) stammt, unter den Flüchtlingen „enough bus drivers, mechanics, and shoe salesmen..." gibt „... to render simplistic class explanations of the exodus inaccurate." (23) Acosta siedelt seinen Helden Roberto Amador Gonzalo in der Unterschicht der kubanischen Gesellschaft an. Vormals bescheidener Losverkäufer in Kuba, stellt seine Situation in New York nicht den schwindelerregenden Aufstieg dar, der gewöhnlich mit dem kubanischen Emigranten assoziiert wird, denn er arbeitet als Hausmeister eines Mietshauses in einem Hispano-Viertel der Stadt. So gesehen steht der politische Hintergrund des Stücks Seite an Seite mit einem universellen Anliegen, das in der Darstellung des Hispano offenbar wird, der als

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„Niemand geht ganz und gar", in KubanischeTheaterstücke 247-2%.

(Adler, Herr 1999), S.

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Der Film erhielt folgende Preise: Preis des Festivals FILMEX in Los Angeles; „Keynote Film" beim M.O.M.A.-Filmfestival; „Grand Prix" beim Internationalen Filmfestival Mannheim; „Spezialpreis" als wichtigster Film beim Filmfestival in Montréal; „Preis für den besten Film des Jahres" vom Verband der Filmkritiker in New Y o r k

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entwurzeltes Wesen in der Metropole gezeigt wird, als ein Geschöpf, das unter den gleichen Übeln leidet wie jeder andere Emigrant auch. Vincent Camby, ein bekannter Filmkritiker der N E W Y O R K TIMES stellt die kosmopolitische Tendenz des Stücks heraus, wenn er schreibt: „El super is much less about politics than it is about the disorientation of exiles who become living metaphors for the human condition." (1979:58) Bei dem Versuch, das Stück innerhalb des Protesttheater-Modells von Revolution-Gegenrevolution anzusiedeln, wird deutlich, daß dieses Stück lediglich am Rande dazugehört. Auf jeden Fall ist El super voll von Kuba. Eine der Obsessionen seiner Hauptpersonen ist gerade die Erinnerung an eine idyllische Vergangenheit, an dies vom Heimweh verklärte Gestern, das Wissenschaftler wie David Rieff etwas frivol damit abtun, daß sie das idyllische Bild dem Wunsch zuschreiben, in der Vergangenheit zu leben. Gleichzeitig setzt sich das Stück durchgehend mit dem Prozeß auseinander, der zur Flucht führte, und natürlich mit dem dafür Verantwortlichen, d.h. mit jenem Fidel Castro, der innerhalb des Stücks wie auch in der diskursiven Realität des durchschnittlichen Emigranten zu einer Art böswilligem Demiurg geworden ist, dessen Wissen, Schläue und Fähigkeit, Angst und Schrecken zu verbreiten, das menschliche Denkvermögen übersteigen, besonders in einem Land voller naiver Gefolgsleute der fünften Kolonne. Doch weit davon entfernt, sich auf eine fadenscheinige und dichotomische Argumentation zu beschränken, entscheidet sich Acosta dafür, die skizzierten Standpunkte auf der Grundlage eines paradoxen und verfremdenden Schemas von - in Ansätzen Brechtscher Prägung zu problematisieren.4Der Autor selbst nannte sein Stück in einer Beschreibung im Programmheft zur Premiere „konventionelles Protesttheater" und stellte damit den episch-kritischen Grundzug heraus, von dem es angetrieben wird. Darum setzt er der fast Mitleid erregenden Stimme des Protagonisten andere repräsentative Stimmen mit antagonistischen bzw. extremen Sichtweisen entgegen, wie beispielsweise diejenige, die das Loblied auf die unvermeidliche Assimilation anstimmt, verkörpert von der heranwachsenden Tochter von Roberto Amador Gonzalo. Acosta geht noch weiter, denn es gelingt ihm, daß seine Figur sich mittels ihrer Kommentare über die Absurdität des politischen Geredes, das sie aufreibt, selbst widerlegt. Als sein Freund

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Auf den in El super vorhandenen Einfluß von Brecht habe ich in zwei Artikeln der 80er Jahre hingewiesen: „ El super: encrucijada entre la nostalgia y el olvido" (1985: 112-118) und „El sitper: Epic Resonance within a Nondialectic Construct" (1986: 295-302).

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Pancho den Gesprächsfaden verliert und Roberto fragt, über was sie gerade sprachen, antwortet dieser ihm: „Über dasselbe, worüber wir immer reden: über Kuba, Fidel, die Invasion und darüber, wie beschissen wir dastehen." (1982: 23) Dieses Stück der 70er Jahre zeigt beispielhaft den Zorn, der sich unter den Emigranten breit gemacht hat, da sie sich wie der Protagonist - dazu gezwungen sehen, sich die Unmöglichkeit der Rückkehr einzugestehen. Die Zustände auf der Insel bringen sie dazu, wie es in dem Drama geschieht, ihr familiäres Dilemma übergangsweise durch die Flucht nach Miami zu lösen, das als eine Art Ersatz für Kuba gesehen wird und Wärme und Sonne verheißt, wenn auch anders als daheim. El super ist somit eine Reflexion über die Agonie des Heimatlosen und beinhaltet zweifellos eine bittere Kritik an dem System, das zum Exil geführt hat. Dennoch ist es kein Propagandastück von konterrevolutionärer Beschaffenheit. Es reiht sich ganz im Gegenteil in jene wohlbekannte Familienthematik ein, deren Tragweite Montes Huidobro auf den Punkt gebracht hat: „Die Familie scheint der beliebteste Blickpunkt der kubanischen Dramatik zu sein. Alle Dramatiker beharren darauf." (1973: 25) Die Krise, die Acosta mit dem Generationenkonflikt zwischen Roberto Amador Gonzalo und seiner Tochter Aurelita reflektiert, deutet die zerfleischende und destruktive Tendenz an, die viel kategorischer von Autoren wie Montes Huidobro, Triana, Monge Rafuls und Santiago in ihren Texten erforscht wird, die teilweise der kreolischen Familie gewidmet sind. Rine Leal unterstreicht die Beharrlichkeit dieses Motivs, denn er beschreibt es als „Strömung, die die Dramatik ,beider Ufer' eint." (1995: XIV) Er führt ferner an, daß in unserem Theater die Familie [...] stets kurz davor ist, wegen äußerer Gründe, die die Gruppe beeinflussen, auseinanderzubrechen, und daß das Ziel unserer Dramatik im Verlauf ihrer Geschichte die Erhaltung ihrer Einheit war. (1995: XV)s

Er skizziert damit den wirklichen ideologischen Hintergrund von El super, das Bemühen des Protagonisten, seine Familie zu retten, die sich 5

Leal scheint in diesem Text von dem Abstand zu nehmen, was er Jahre zuvor behauptet hat, als er in seinem Prolog zu 6 obras de teatro cubano anführte, daß das bewußte Motiv sich auf der Insel fast überholt habe, da „die Familie nun auf einer festeren Grundlage steht, und, konnte man vormals ihre stufenweise Fragmentierung beobachten, so wohnen wir heute der Analyse der Probleme bei, die ihre Konsolidierung in einem veränderten gesellschaftlichen Kontext verhindern." (1989: 23)

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in einer feindseligen Umgebung auflöst, in die sie aus politischen Gründen, die mit Akribie dargelegt werden, zu kommen gezwungen war. Sowohl Ojos para no ver (1979) von Matías Montes Huidobro wie auch Las hetairas habaneras von José Corrales und Manuel Pereiras beleuchten eine andere Ausrichtung des Exiltheaters, die - genau wie das Familienmotiv - Auswirkungen auf die 80er und 90er Jahre in Form einer höchst kritischen Deutung des kubanischen Systems haben sollte. Beide Stücke weisen szenisch gewagtere Ansätze auf. Montes Huidobro geht beispielsweise von der Ästhetik der Brechtschen Verfremdung aus6, der er die Postulate Artauds überstülpt, um zur monströsen, fast allegorischen Darstellung einer repressiven Regierung zu gelangen. In seinem Stück regiert das Unverhältnismäßige, die Willkür, Gewalt und Panik. In einem dunklen Gemälde im Stile Goyas bildet das Stück ein Beispiel für eine weitere Variante jener verzerrenden Darstellung des prototypischen Tyrannen, wie er in den zum literarischen Kanon zählenden narrativen Texten wie Tirano Banderas (R. del Valle-Inclán: Tyrann Banderas), El señor presidente (M.A. Asturias: Der Herr Präsident) und El otoño del patriarca (G. García Márquez: Der Herbst des Patriarchen) zu finden ist. General Solavaya, Schöpfer eines korrupten und bestialischen Systems, das sich durch Terror an der Macht hält, lebt selbst in der ständigen Angst, innerhalb von Regierungs- oder Familienkreisen könnte eine zerstörerische Gegenfigur auftauchen, die ihn ersetzen will, der Sohn, der wie er „den Ton angeben will". (1979: 33) Es wird damit auf die Unveränderlichkeit der Kainschen Seele angespielt, wodurch die begriffliche Trostlosigkeit gerechtfertigt wird, die das zutiefst pessimistische Stück prägt. Die Litanei am Ende hebt auf die dem Stück inhärente Kreisstruktur ab, die sich allein durch die Liebe durchbrechen läßt, die im Drama von einer Marienfigur von vielfältiger Gestalt symbolisiert wird, die Glauben und Weiterleben verkörpert. Das „Nie... niemals... Immer" (59), das die zwei Personen, die am Schluß auf der Bühne stehen, rezitieren, wird somit leicht, aber nur ganz leicht, durch das „Crescendo in Blau" (59), das die 6

José Escarpanter legt dar: „Im Exil war die Einstellung der Dramatiker offener, auch wenn einige der vorherrschenden künstlerischen Tendenzen der marxistischen Doktrin, die in den letzten Jahrzehnten Mode war, entsprachen. Die Forderungen des epischen Theaters von Bertolt Brecht und seines Nachfolgers, des Dokumentartheaters, halten viele der außerhalb der Insel geschriebenen Werke aufrecht, wie man in Ojos para no ver von Montes Huidobro beobachten kann." (1994: 56) Ich habe meinerseits versucht, die Brechtsche Grundhaltung dieses Stücks in meinem Aufsatz „La desfiguración enajenante en Ojos para no ver" (1982) zu untermauern.

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Bühne in sanftes Licht taucht, und durch „den Umhang der Jungfrau" (59) abgeschwächt, der wie ein „Kegel in blau" (59) bis zum Ende des stufenweisen Dunkelwerdens zu sehen ist. In ihrer scharfsinnigen Untersuchung zum Einsatz der Beleuchtung in diesem Stück folgert Elsa Martínez Gilmore, daß das Vorhandensein dieses Umhangs die Möglichkeit unterstreicht, die zyklische Teratologie zu bezwingen, die der Text dokumentiert. Laut Martínez Gilmore suggeriert der lichttechnische Diskurs, daß die Rettung der Maria im Stück oder diejenige der Zuschauer in der Welt - genau wie die Rettung der Fischer von Cobre - nur über eine mühselige Wandlung erfolgen kann, die einen Glauben an die Möglichkeit, die Geschichte zu verändern, erfordert, der analog zu dem des Gläubigen angesichts eines Wunders sein müßte. (1997:57)

Dieser Hoffnungsschimmer mindert jedoch für den Leser-Zuschauer nicht wesentlich den im Stück allgemein vorhandenen Zorn. Die konkreten Bezüge auf das kubanische System liegen in der volkstümlichen Sprache, dem Gebrauch von Namen wie Solavaya, Manengue oder La Conga und in den Anspielungen auf bestimmte Parolen, Ereignisse und Spitznamen, die mit der kubanischen Revolution in Verbindung stehen. Differenziert werden sie durch den universellen Anspruch des Stücks, das letztendlich auf jedes repressive System, sei es nun rechts- oder linksgerichtet, anspielt. Daher wird auch nie genauer gesagt, welche Fahne Solavaya Ruperta übergibt, damit sie diese vor dem Publikum schwenkt, und die Hauptfigur wird ebenso als Kommandant wie als Oberst oder General bezeichnet. Wichtig ist, daß die Verbindung zu all den Militärdiktaturen hergestellt wird, die es in Lateinamerika wie auch in der ganzen Welt im Verlauf des 20. Jahrhunderts zu Genüge gegeben hat. Ojos para no ver ist somit ein Stück, das sich zweifellos mit der kubanischen Revolution auseinandersetzt, sich aber in keinster Weise einem spezifischen konterrevolutionären Vorhaben verschreibt. Tatsächlich versucht es, ausgehend von der besonderen Situation seines Autors, den Castrismus und die Gestalt von Fidel Castro mit wohlbekannten Archetypen zu verknüpfen, um gegen ein jedes System zu protestieren, das den Menschen einschränkt oder erniedrigt. In diesem Sinn widersetzt sich das Stück ideologisch der Obsession von Wesen wie Roberto Amador Gonzalo in El super, für die die Person Castros und der politische Prozeß auf der Insel das „Böse des Bösen" darstellt, das Roberto U. Fernández in einem „meta-essayistischem" Ab-

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schnitt von La montaiia rusa parodiert.7 Der Versuch, die kubanische Tragödie auf eine universellere Ebene zu heben, auf der sie zur vieldeutigen Metapher wird, erkennt vielmehr implizit das an, was David Rieff von den vernünftigen Kubanern einfordert: sie sollen akzeptieren, daß „while they have their grievance and their pain, they live in a world awash in pain." (1993:48) Las hetairas habaneras (1977) ist eine parodistische Bearbeitung der Troerinnen von Euripides. In der Tat schneidern Corrales und Pereiras eine „kubanische Melo-Tragödie" zurecht, die genauso viel von einer grotesken Farce hat wie von einer melodramatischen Rundfunk-Familienserie oder einem formelhaften und blutrünstigen tragischen Konstrukt, das zur schmerzlichen Läuterung führen soll. Die symbolhaft derbe Namensgebung erhellt die dem Stück inhärente Doppeldeutigkeit. Zum Beispiel wird Priamus zum Zuhälter Primo, Hektor verwandelt sich in einen rein kubanischen Yayo („Opa"), Hekabe, Andromache und Kassandra werden zu Diosdada, Carlota und Iluminada, Helena erhält den Namen Estrella (Sternchen), Paris ist der Zuhälter Juan Alberto und Menelaos wird zum Statthalter Menelao Garrigö. Während in Ojos para no ver die vier Marienfiguren einem einzigen Leidensbild Gestalt verleihen, um eine gewisse mythisch-religiöse Tendenz herauszustellen, spiegelt sich in diesem Stück der für die kubanischen Glaubensvorstellungen charakteristische Synkretismus nicht nur im dramatischen Dialog der Hetären aus dem Bordell La Gloria, sondern auch in der szenischen Präsenz des Heiligen Rochus, von Yemayä und in gewisser Weise auch von Alejo. Rochus ist Sinnbild für den bürgerlichen Katholizismus, während die Göttin Yemayä den Kult der Yoruba verkörpert, der mit der offiziellen Religion zu einem polysemischen Ritualismus verschmilzt, da nämlich jedes Bild, jedes Symbol entsprechend der (kubanischen) Gegebenheiten interpretiert wird. Schließlich deutet die Figur des Alejo - dieses problematischen Lakaien, der auf plumpe Art das politische Verhalten des Romanciers Alejo Carpentier nachäfft - auf eine weitere religiöse 7

Ich beziehe mich auf den „Essay" La amenaza que nos asecha (sie), den Apolinar del Rato Sr. beim „Wettbewerb für Kunst, Literatur und Musik unter der Schirmherrschaft der Cuban-American Alliance of Freedom, Democracy and for the Prevention of Communism and the Preservation of Moral Principies and Biculturalism" einreicht (La montaña rusa, 1985: 96). Der Beginn dieses Metatexts erhellt die verzerrende Absicht von Fernández, wenn er sich mit der krankhaften anticastristischen Besessenheit von bestimmten Teilbereichen des kubanischen Exils auseinandersetzt: „Der Kommunismus ist schlecht, es ist das Schlechteste, was es gibt." (1985:113)

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Ausrichtung: den Laizismus, der auf der uneingeschränkten Bewunderung des Tyrannen gründet, der auf der Bühne zur neuen Gottheit wird, die man mit grotesken Namen („der Schmierige", „das Pferd") und profanen Gebeten verherrlicht. Dies äußert sich, als Menelaos, beinah im Duett mit Coralio, zum Chorführer eines opernhaften Sprechgesangs wird, in dem der Frauenchor sich nicht nur bereit erklärt, dem „öffentlichen Leben", den „schönen Nächten", der „Männerliebe" und den „Genüssen des Lebens" zu entsagen, sondern auch der „Wahrheit der Heiligen und Götter", der „Religion". (1988: 53) Die Hetären von Havanna, Sinnbild für ein unterworfenes und erniedrigtes Volk, widmen sich unwiderruflich dem Ziel, den potentiellen Prototyp des Machos, den Infanten Nikomedes, Sohn von Yayo und Carlota, Enkel von Primo und Diosdada, zu retten. Er muß gerettet werden, um die zuhälterische und entsprechend korrupte Sippe seines Großvaters und seines Erzeugers zu erhalten. Aber Menelao Garrigö schenkt dem Jungen erst das Leben, nachdem er ihn kastriert und ihn so zu einem „neuen Mann" (57) gemacht hat, zu einem unfruchtbaren Wesen, zu einer Kreatur, die sich nicht verwirklichen kann. Diosdada erklärt: Mein Enkel [...] lebt für das Niemals, um nicht einmal eine Frucht zu hinterlassen und sich am Rande des Lebens zu verirren. Mein Enkel lebt wie tot. Meinem Enkel wurden die Träume beschnitten. (50)

Mit spürbarer Aggressivität wird die in Kuba während der Revolution erfolgte politische und sozio-ökonomische Wandlung verurteilt, doch kleidet sich die Kritik in eine originelle Dramaturgie, die jeglicher abgedroschener Didaktik entgegensteht. Las hetairas habaneras stützt sich ebenfalls auf ein komplexes intertextuelles Gerüst, nicht zuletzt kubanischer Provenienz. Obgleich das Stück hauptsächlich auf der griechischen Vorlage beruht und, laut Escarpanter, „sich sowohl im Semantischen wie auch im Formalen dem orthodoxesten Kanon der attischen Tragödie angleicht"8, kopiert es auch kubanische Vorbilder. Escarpanter verweist auf eine komische Komponente im Hintergrund des Stücks, wo gehobener Wortschatz Seite an Seite mit vulgären Ausdrücken steht und einen ambivalenten lyrischen Stil erzeugt. Zudem sind überall volkstümliche Bezüge auf die im Stück dramatisierte Epoche zu finden, auf das erste Jahr der Revolution, auf 1959. Daher wimmelt es in den Dialogen von leicht wiedererkennbaren 8

im Vorwort zu Las hetairas habaneras

(1988:5-9).

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Fragmenten aus Liedern jener Zeit. Schließlich verarbeitet der Text Schlüsselstücke wie Electro Garrigó von Piñera, El Mayor General hablará de teogonia von Triana und natürlich Réquiem por Yarini von Felipe, ein weiteres Stück aus dem Prostituiertenmilieu, das dem Machismo, der im Fall von Las hetairas habaneras als Auslöser gesellschaftlicher Krankheiten bezichtigt wird, huldigt. Das Stück von Corrales und Pereiras stellt eine tour de force des Exiltheaters dar. Trotz seines engagierten Hintergrunds, der es zuweilen zu einer Streitschrift gegen Castro geraten läßt, ist es eine komplexe Komposition, die weit über das reine Protesttheater, d.h. das simple antirevolutionäre Engagement, hinausgeht. Wie in Ojos para no ver drängt sich uns eine halluzinatorische und höchst theatralische Sichtweise auf, die das Bühnengeschehen zu einer Art groteskem Alptraum werden läßt. Wir sehen bzw. lesen keine Diatribe mit dem Ziel, zum Handeln oder Protest aufzurufen. Vielmehr ist es an der Zeit, über den tatsächlichen Zustand nachzudenken, der das Ergebnis einer Serie von nationalen Fehlern und historischen Ereignissen ist, auf die der plot verweist. Las hetairas habaneras ist kein dramatisches Konstrukt, das auf der konventionellen Formel von Gut gegen Böse beruht, sondern ein ausgefeiltes Zusammenspiel von Elementen und Ausdrucksformen, die die Revolution genauso entmythologisieren sollen wie das legendäre „Kuba von damals", das zur Revolution geführt hat. Vielleicht ist dieser kritische Unterton schuld an dem geringen Bühnenerfolg dieses für das kubanische Theater grundlegenden Stücks. Der kubanisch-kanadische Dramatiker René Alomá hatte schon sein Stück A Litte Something to Ease the Pain fertiggestellt, als er 1979 mit der Absicht auf die Insel reiste, dort seine Wurzeln wiederzufinden, die er verlor, als er noch als Kind 1959 emigrierte. Er versuchte, darin einzutauchen, was Alberto Sarrain „die Emotion des Wiedersehens" ( 1 9 9 2 : 1 2 7 2 ) genannt hat. Das Stück wurde 1 9 8 0 im SAINT LAWRENCE CENTER in Toronto uraufgeführt. Erst 1986 inszenierte das Theater AVANTE in Miami die ins Spanische übersetzte Version unter dem Titel Alguna cosita que alivie el sufrir. Sarrain, der Übersetzer, sagt über seine Arbeit: Alguna cosita que alivie el sufrir ist ein Text, der, obwohl er ursprünglich auf Englisch geschrieben worden ist, eine kubanische Sprechweise in sich trägt, die seine Übersetzung in eine kolloquiale und von der Insel geprägte Sprache erleichterte. [...] Es muß die Leistung von Alomá hervorgehoben werden, auf Englisch zu schreiben und dabei Rhythmen, Tonfälle und Übergänge wiederzugeben, die nicht nur für das Spanische typisch sind, sondern für das kubanische Spanisch. (1992:1273)

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Es handelt sich um einen Text, der, wie so viele von Maria Irene Fornés9, nicht nur eine kubanische Thematik, sondern auch eine ausgeprägt kreolische Tonart aufweist. Dem Vorbild von Carlos Espinosa Domínguez und seiner Anthologie Teatro cubano contemporáneo folgend erscheint es demnach sinnvoll, die übersetzte Fassung dieses Stücks im Rahmen der für die Exildramatik repräsentativen Stücke zu diskutieren. Alguna cosita que alivie el sufrir beruht auf einem fruchtbaren Motiv der jüngsten Exilliteratur: die vorübergehende Rückkehr ins Heimatland und die Folgen der Auseinandersetzung sowohl mit der jüngsten Vergangenheit wie auch mit der Gegenwart der Menschen, die während der Zeitspanne, die der Reisende zu überbrücken sucht, weiter auf der Insel gewohnt haben. Diese Reise bringt unvermeidliche ideologische Auseinandersetzungen mit sich, in denen sich die Auffassungen von Revolution und Konterrevolution gegenüber stehen. Dies antithetische Schema wird auf recht naive Weise wirkungsvoll skizziert, denn die sich gegenüberstehenden Diskurse stammen von Individuen, die zu elementaren Synekdochen beider Begrifflichkeiten werden, auch wenn sie nicht mit der Machtmaschinerie in Konflikt stehen. Im Fall von Alguna cosita que alivie el sufrir wird das Phänomen der Spaltung hauptsächlich im Konflikt zwischen zwei Brüdern dargestellt, die beide Schriftsteller sind: Carlos (Pay) Rabel, der entwurzelte Dramatiker, der zurückkehrt, um Kuba in sich aufzunehmen, und Nelson (Tatin), der im eigenen Land wie auch im Ausland preisgekrönte Erzähler, der zunächst die bedingungslose Loyalität zum revolutionären Regime verkörpert. Er teilt das Engagement mit der Großmutter Cacha und der Studentin Amelia. Der Text dreht sich um das innere Dilemma von Pay, dem verlorenen Sohn, der zwar stets seinem antirevolutionären Denken treu bleibt, sich dennoch vom Zauber Santiagos einnehmen läßt, das er zu jener für kollektive Verwirrung und Sinnestrübung ohnehin 9

Ich denke an Stücke wie The Widow, A Conduct of Life und Sarita und sogar an der Insel noch fernere Stücke wie Fefu and Her Friends. Sie offenbaren nicht nur die Beschäftigung mit einer ,Hispano'-Problematik, sondern sind auch sprachlich so gestaltet, daß sie, auch wenn sie auf Englisch gesprochen werden, Spanisch klingen. Gleichzeitig verspürt man in den Stücken eine Tonart und ein Weltbild, das mit dem vieler moderner kubanischer Schriftsteller verwandt ist. So erläutert Susan Sontag in ihrem Vorwort zu den Plays von Maria Irene Fornös: „She ist unmistakably a writer of bicultural inspiration: one very American way of being a writer. Her imagination seems to me to have, among other sources, a profoundly Cuban one. I am reminded of the witty, sexual phantasmagorias of Cuban writers such as Lydia Cabrera, Calvert Casey, Virgilio Pinera." (1986:7)

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anfälligen Zeit des Karnevals besucht. Der Kontakt zu seinem Volk und seinen Wurzeln wird so verführerisch, daß er sich überlegt, seine politischen Überzeugungen hintanzustellen, um sich endgültig wieder in die Wirklichkeit der Insel einzufügen, d.h. erneut an den nationalen sozioökonomischen Lebensumständen teilzuhaben. Im Festrausch teilt er diese Absicht seiner Familie mit. Das führt zum sofortigen Ende der Maskerade, die sich im Verlauf des Stücks entwickelt hat. Tatin, der revolutionäre Schriftsteller, der neue Mustermensch, widerspricht den Absichten seines Bruders, indem er seine Enttäuschung über das herrschende System und über die Lebensbedingungen kundtut, die dieses herbeigeführt hat. „Niemand ist hier glücklich!" (1992: 1328) - gesteht er Pay. Und danach ruft er aus: „Ich will Kuba für immer verlassen!" (ibid) Ironischerweise bringt das Ende des Karnevals einen Rollentausch mit sich, bei dem sich der ausgewanderte Bruder die Rückkehr wünscht, während der Dagebliebene fliehen will. Die rhetorische Schlacht, die nun geführt wird, legt die Allgegenwart eines im jeweiligen Lebensraum angesiedelten ideologischen Unterbaus offen, der die Persönlichkeiten der beiden geformt hat. Um Pay, der sich danach sehnt, auf der Insel zu leben, davor zu bewahren, versichert ihm Tatin: Von hier geht man ein für alle Mal, und läge es in meiner Macht, würde ich alles dransetzen, daß man es dir nicht gestattet [zurückzukehren]. (1992:1329)

Sofort danach erklärt er ihm, welcher Art die Macht ist, über die er verfügt: Das einzige, was hier funktioniert, ist die Macht der Zerstörung. Also, komm mir nicht dumm, wenn ich Lust dazu habe, moderst du im Gefängnis. (1992:1329)

Diese Drohungen, die das Produkt einer Gesellschaft sind, in der der Einzelne mit verleumderischen Anschuldigungen andere ausgrenzen und unterdrücken kann, wecken wiederum die Aggressionen von Pay, die sich auf entfremdende Redewendungen des Exils stützen: „Ich hasse dich! Scheißkommunist!" (ibid) Es ist, als würden die Wege, die zur Begegnung führen, parallelen Pfeilen folgen, die jedoch in die entgegengesetzte Richtung weisen. Das darauf folgende Gespräch, in dem die zwei Brüder, nun etwas ruhiger, über ihre jeweilige Situation diskutieren, erwägt die Möglichkeit, die erwähnten Pfeile umzudrehen und sie auf das gleiche Ziel zu richten, auf Versöhnung, die die Großmutter Cacha, eine Art Mutter Kuba, herbeiwünscht, wenn sie sagt: „Ich warte darauf, daß alle heimkehren. Sie müssen zurückkehren, denn ich erwarte sie." (1992:

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1332) Erst das unwiderrufliche Ende des Karnevals, der Maskeraden und Verkleidungen, der allgemein verbreiteten Heuchelei, die die Schranken zwischen den Brüdern errichtet, wird eine endgültige Wiederbegegnung der Kubaner beider Seiten ermöglichen. Dieses nostalgische Theaterstück beschwört aus der ausdrücklich individualistischen Perspektive eines in Kanada aufgewachsenen und die längste Zeit seines Lebens vom konterrevolutionären Diskurs des Exils entfernt lebenden Autors auf sehr subtile Weise die mögliche Versöhnung. Doch diese Annäherung ist nur aus der Ferne zu sehen, denn sie vollzieht sich erst nach weiteren Ortsveränderungen. Wie die Tonaufnahme, die Pay in der letzten Szene des Dramas macht, verkündet, wird das nächste Treffen der Brüder auf fremdem Boden stattfinden und nicht auf der Insel: Mama und Papa versuchen alles nur Mögliche über die jamaikanische Botschaft. Mama kennt den Konsul gut und glaubt, daß er dich mit deiner ganzen Familie rausholen kann. (1333)

Somit färbt der Zorn der 70er Jahre auch das Ende des Stücks von Alomä. El super, Ojos para no ver, Las hetairas habaneras und Alguna cosita que alivie el sufrir sind Ursprung einer Reihe fruchtbarer Parameter, die zusammengefaßt werden sollten, bevor wir mit der Analyse von Nadie se va del todo beginnen, einem Schlüsselstück der 90er Jahre, das die anderen Stücke alle mit einschließt und sowohl die Kontinuität als auch die Erneuerung im Politischen und in der Art der dramatischen Umsetzung darstellt. Ohne Zweifel stimmen die vier besprochenen Stücke darin überein, daß sie die kubanische Revolution kritisch in den Blick nehmen. Im ersten Text geht die Regimekritik von der besonderen Krise der gespaltenen Familie aus. Die in Kuba erfolgten politischen Veränderungen werden dafür verantwortlich gemacht, daß sie die auf der Insel offen vorhandene Spaltung der Brüder ins Exil ausdehnt. In diesem Sinne wird der immer wieder zitierte familiäre Raum bemüht, der laut Montes Huidobro die der kreolischen Gesellschaft eigene „Kainshaltung" reflektiert. Las hetairas habaneras und Ojos para no ver zeichnen sich durch die alptraumhafte und metaphorische Darstellung des kubanischen (Alltags-)Dramas aus. Während das erstgenannte Stück einen ausgeprägten „Regionalismus" in der Wahl der Worte und der settings wie auch intertextuelle Bezüge auf kanonisierte Werke aufweist, will das zweite das Lokale durch verwirrende Kunstgriffe ins Universelle heben. In beiden Stücken soll der Revolutionsprozeß entmythologisiert werden,

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indem seine auf Gewohnheitsrecht beruhende Denkart besonders in seiner historischen Verflechtung mit Lateinamerika hervorgehoben wird. Beide Stücke zeigen zudem einen Hang zum dramatischen Experiment, zur puren und anti-illusionistischen Theatralität.10 Alguna cosita que alivie el sufrir folgt schließlich veristischen Mustern, die laut Sarrain (1992: 1273) auf das Vorbild von Tennessee Williams (siehe The Glass Menagerie) zurückgreifen, um auf der Insel eine Famil ienkrise anzusiedeln, die entfernte Ähnlichkeit mit der in El super aufweist. In diesem Stück steht die Problematik der Entwurzelung im Vordergrund, begünstigt durch den Widerstreit der Ideologien, die die beiden Brüder zu Opfern der feindlichen Systeme machen. Selbstverständlich verspürt man auch den leicht optimistischen Unterton, daß die unbestimmte Zeitspanne der Trennung vielleicht in der Versöhnung enden wird, in der positiven Vereinigung von hüben und drüben. Nadie se va del todo ist in hohem Maße ein vieldeutiges Stück, das schon im Titel die Notwendigkeit einer Wiederbegegnung anspricht. Es handelt sich dabei um einen komplexen dramatischen Aufbau, dessen neuartige Technik der in Ojos para no ver und Las hetairas habaneras offenbar gewordenen Lust am Experiment ähnelt. Durch die Verwendung nur einer Spielebene, auf der gleichzeitig alle Handlungen ablaufen, die sich zu verschiedenen historischen Zeitpunkten ereignet haben, umgeht Monge Rafuls jede chronologische Abfolge und den Bezug auf konkrete Orte, die irgendwelche naturalistischen Vorspiegelungen der Realität hervorrufen könnten. Ein Ort steht für alle Orte und eine Zeitebene für alle anderen. Dies verleiht dem poetischen Geschehen die Gleichzeitigkeit von rückwärtsgerichteten Obsessionen und dem theatralen Raum das Fließende eines Traums oder einer verzauberten Erinnerung. Dadurch daß sich Gegenwart und Vergangenheiten verbrüdem, gelingt es, die Fähigkeit des Lesers-Zuschauers auszuschalten, sich vom vorher Geschehenen zu distanzieren und an das Nachher, d.h. an die dargestellte Gegenwart, zu klammern. Beispielsweise wird die Hinrichtung von Julio, eine Episode, die 1960 geschehen ist, trotz des alptraumhaften Charakters dieser Szene als genauso gültig wahrgenommen wie das SalsaStück von Los VAN-VAN, auf das Tony im Dezember 1990 tanzt. Wenn 10

Ich verwende den Begriff „anti-illusionistisch", um auf eine dem epischen Theater verwandte Künstlichkeit in der Szenographie hinzuweisen. Diese Stücke versuchen nicht, „the illusion of actuality" zu erschaffen, wie Bentley (1955:217) es bezeichnet, die von der naturalistischen Inszenierung angestrebt wurde. Ganz im Gegenteil versuchen sie ständig, die unverhältnismäßige Unwirklichkeit des Dargestellten zu betonen.

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die kubastämmige Nordamerikanerin Lourdes zu ihrer Schwiegermutter sagt „Ich möchte nicht, daß die Vergangenheit Gegenwart wird" (1995: 150), verdeutlicht dies daher die Empfindungen des Publikums gegenüber einem Stück, in dem sich die Erinnerung mit genauso viel oder noch mehr Nachdruck als die fragwürdige Gegenwart zeigt. Die mehrdeutige Auflösung dieser „barock" zu nennenden Dramenstruktur beleuchtet das problematische Nebeneinander von historischen Augenblicken. In einer Art Rückbewegung oder Flash-back diskutieren Tony und seine Mutter Lula am Schluß des Stücks die Möglichkeit einer Reise nach Kuba, während gleichzeitig der Großvater Antonio symbolisch die Heldenphotos fortwirft, die er über Jahre in seiner Schuhschachtel aufbewahrt hat. Beide Szenen enden mit den Worten Tonys „Ich glaube, wir hätten die Reise absagen sollen" (1999: 310). Diese Aussage beunruhigt den Kritiker Juan Carlos Martínez und führt ihn zu der Frage, ob die Reise von Tony und Lula nach Kuba wirklich stattgefunden hat oder ob sie nur eine Metapher für: die Existenz einer kollektiven Erinnerung [ist], die die historische Kontinuität des kubanischen Volkes entgegen aller Leiden, Entwurzelung, Exil und Revolution garantiert. (1994:69)

Diese Hypothese ist ohne Bedeutung: wichtig ist die Überlagerung von Zeitebenen, die die Verunsicherung des Zuschauers verursacht, genau die gleiche Verunsicherung, die der Kult eines Systems hervorrufen sollte, das das unverhältnismäßige, aber hoffentlich nicht immerwährende Auseinanderdriften so vieler Kubaner zur Folge hatte. Verwendet Las hetairas habaneras teilweise ein intertextuelles Muster, das man auch in anderen Exilstücken wie La balada de un verano en La Habana von Héctor Santiago finden kann, so stiftet dieses Stilmittel in Nadie se va del todo Verwirrung in dem konterrevolutionären Blickwinkel und der Protesthaltung, von der das Stück durchdrungen ist. Die Schuhschachtel der Marke Amadeo, die Antonio mit Drucken und Ausschnitten von revolutionären Helden füllt, zeigt gewisse Parallelen mit der „leeren Schuhschachtel", die in dem absurden Stück von Virgilio Piñera dem Protagonisten, der sie mit Füßen über die Bühne stößt, „Schrecken, Furcht und Gewalttätigkeit" (1986: 29) einflößt. Die Schachtel, die sich mit militärischen Ikonen und Opfern von Kriegen und Schauprozessen füllt, wird zur Metapher der tragischen Geschichte der Inselbevölkerung. Als Antonio am Ende des Stücks das Fenster öffnet, um den Inhalt der Schachtel hinauszuschütten, und die Schnipsel der Helden überall

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verstreut werden, wird damit auf jene progressistische und anti-epische Haltung angespielt, die Schriftsteller wie Cabrera Infante und Heberto Padilla für Kuba gefordert haben. Der von Monge Rafuls ersonnene entmythologisierende Akt der Figur erinnert an jenen kafkaesken Gregorio Suárez, der in En mi jardín pastan los héroes auf quijoteske Weise in einen schimärenhaften Park einbricht, um über eingebildete Gestalten herzufallen, die die Geschichte des Vaterlandes versinnbildlichen. Nach der wütenden Schlacht sieht er, wie die Helden „die nutzlosen Waffen schwenkten, die nie mehr Behausungen noch Menschen zerstören würden." (1981:105) Dieser Drang zur Erniedrigung in karnevalesker Form, der beabsichtigt, die Dringlichkeit eines Erneuerungsprozesses zu betonen, wird durch die Schuhschachtel suggeriert, die Antonio mit berühmten Männern füllt und später in einer Art Reinigungszwang ausleert, was auf eine von Parolen, Drohungen und Trennung freie Zukunft verweist. Ein weiteres intertextuelles Element, auf das flüchtig eingegangen werden soll, ist die Einbeziehung zweier nicht-fiktiver Texte, die den szenischen Diskurs ergänzen. Die referentielle Ausrichtung des Kommentars, den Mime bezüglich eines Zeitungsartikels aus Granma abgibt, in dem das „Zeitalter der Fahrräder" (153) während der Sonderperiode angekündigt wird, wird noch durch eine Fußnote vervollständigt, die auf den doppelten Charakter von Nadie se va del todo hinweist. Wir haben es mit einem Text zu tun, der aufgeführt aber auch gelesen werden kann. Dies wird noch stärker durch den Brief hervorgehoben, den Julio seinen Eltern vor der Hinrichtung schreibt. Wenn die Figur zweimal aus dem Manuskript vorliest, das sie gerade schreibt, dann werden in Wirklichkeit dem Publikum die Worte eines Opfers der Revolution wiedergegeben. In der Fußnote steht, daß das Gelesene „[ein] Brief des Hauptmanns Porfirio Remberto Ramírez ist, dem Präsidenten der F.E.U. (Universitäre Studentenvereinigung) aus Las Villas, Kuba, der in der Nacht des 12. Oktobers 1960 erschossen wurde." (130) In der Aufführung bleibt diese Fußnote natürlich völlig unbemerkt. Das Schriftstück ist demnach als eine Art literarische Hommage an eines jener Wesen zu werten, die Antonios Schachtel bevölkern und den heroischen Zyklus von Schmerz und Tod konnotieren, dem ein Ende gesetzt werden muß, um eine sowohl kohärente wie auch friedliche Entwicklung der kubanischen Nation zu erreichen. Die dem Drama innewohnende alptraumhafte Nuance wird noch auf inhaltliche Weise durch eine Zweiteilung des ursprünglichen Motivs der gespaltenen Familie ergänzt. In Nadie se va del todo zerfällt der schon

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durch die politische Repression von 1960-61 in Kuba zerstörte familiäre Kern im Exil noch stärker, da dort die Bindung zur eigenen Erde, die von der Mutter Lula verkörpert wird, auf charakteristische Weise von den jüngeren Familienmitgliedern geringgeschätzt wird. De facto verkörpert Tony den archetypischen „one-and-a-halfer", auf den Pérez Firmat so nachdrücklich verweist (1994). Als marginales Wesen, das zwischen den Kulturen wandelt, oder, wenn man so will, gegen die Kulturen anläuft, stellt er ein Paradox dar, das erst durch die Wiederbegegnung mit der Insel und in der Erinnerung an seinen erschossenen Vater eine gewisse Bestimmung erfährt. Fast am Ende des Stücks gesteht er am Grab seines Vaters: „Ich habe nicht gewußt... es gibt so vieles, das ich nicht wußte; von dem ich erst in Kuba erfahren habe. [...] Ich habe mich verändert." (1999: 306) Lourdes ist ihrerseits das, was Pérez Firmat als „Cuban-bred American" (1994: 5) bezeichnet, d.h. die in den USA geborene Tochter kubanischer Eltern, für die die Insel eine unzugängliche, mythische Abstraktion darstellt, die weitgehend der Einbildung der Alten entstammt. Die Insel verkörpert einen phantasmagorischen Ort, der für sie nur im Bereich grotesker Träumerei Bestand hat. Zu dieser Familienproblematik findet man Parallelen auf der heimatlichen Antilleninsel. Als Lula und Tony dorthin gelangen, entdecken sie Konflikte, die den eigenen ähnlich sind. Natürlich gibt es in ihrer unmittelbaren Familie, gebildet von Antonio und Coral, einen stoischen Widerstand gegen das Regime, das den Befehl zur Exekution ihres einzigen Sohnes gegeben hat. Allerdings fällt vor allem bei Coral eine gewisse Toleranz gegenüber den Anhängern Castros auf, die auf die Emigrantin unverständlich und fast abstoßend wirkt. Zudem verdeutlicht das Paar Asunción und Mime, die ,neuen Menschen', das Fortbestehen einer für die Lebensumstände Kubas repräsentativen Aufspaltung. Während Asunción vollständig hinter dem Regime steht, kritisiert Mime das System, obwohl er erklärt, er sei untrennbar mit seinem Lebensraum verbunden. Es wird so ein gefährlicher Krisenzustand vermittelt, der sich nur durch eine generelle Öffnung lösen ließe, wie es Alguna cosita que alivie el sufrir vorschlägt. Es sind Veränderungen von beiden Seiten notwendig, die die Versöhnung und Wiederbegegnung ermöglichen und dem durch die Spaltung hervorgerufenen Mangel ein Ende setzen würden. Darauf scheint Riñe Leal anzuspielen, wenn er behauptet, daß „niemand seiner Herkunft, seinen Erinnerungen, seinen Verstorbenen, seiner Geschichte entfliehen kann" (1995: XXVI) und daß „wenn auch keiner ganz und gar geht, so stimmt es auch, daß niemand ganz und gar bleibt." (ibid) Im wesentlichen sieht der Leser-Zuschauer sich mit einer im globalen Sinne

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entfremdeten Wirklichkeit konfrontiert. Diese Entfremdung ist krankhaft. Das konzeptionelle Gerüst von Nadie se va del todo leitet sich wie in den zuvor analysierten Stücken aus einer persönlichen, individuellen Herangehensweise her, das nichts mit einer konterrevolutionären Didaktik zutun hat, die auf einer reaktionären Haltung beharrt, auf der unausweichlichen Rückkehr zu einer unwirklich gewordenen Vergangenheit, auf der Wiedererlangung des Verlorenen. Ganz im Gegenteil: es wird versucht, ein Fenster zu skizzieren, das zwar noch schwierig zu durchklettern ist, sich aber aus einer Perspektive der Brüderlichkeit ein wenig einer Versöhnung im Guten öffnet. Es wird die Umarmung und nicht die Rache gefordert, selbst wenn diese den Menschen, die wie die Witwe Lula Gewalt und Haß am eigenen Leib erfahren haben, gerechter erscheinen mag. Nadie se va del todo faßt die vom kubanischen Exiltheater schon in der Periode, die ich als den „Zorn der 70er Jahre" bezeichnet habe, verwendeten Möglichkeiten zusammen. In diesem Zeitraum erscheint die Wahrscheinlichkeit einer auf gegenseitigem Verständnis beruhenden Verbrüderung ziemlich gering. Ojos para no ver, El super u n d Las hetairas

habaneras sind bis zu einem gewissen Grad bittere Stücke, die auf der unverstandenen Verschlechterung der Situation in diesem historischen Augenblick beruhen, in dem die damalige Sowjetunion Kuba mit eiserner Hand an sich band und in dem die Revolutionäre von der Insel mit Arroganz und Verwegenheit durch die Welt marodierten. Algutta cosita que alivie el sufrir ist seinerseits ein für diesen Augenblick ziemlich untypischer Text, der auf der hartnäckigen Hoffnung des verträumten Wanderers zwischen den Systemen beruht, der in einer der Perioden der Öffnung für die Exilkubaner zwischen 1977 und 1980 zurückkehrt, als die Insel mit gewissem Enthusiasmus die in Nordamerika verlorenen Söhne empfängt. Die vier Texte erläutern jedoch stets eine sowohl oppositionelle wie auch von Trauer erfüllte Haltung, die sich von persönlichen Meinungen ablöst. Gleichzeitig zeigen sie ziemlich unterschiedliche Auffassungen von Theater. Es handelt sich schließlich um Stücke, die das kubanische Problem anhand von künstlerischen und ideologischen Grundsätzen beleuchten, die niemals ganz mit einem anti-castristischen Bekehrungseifer übereinstimmen. 1990 nutzt Pedro Monge Rafuls, der als freier Autor in New York arbeitet, wie Alomä die eigene Reise nach Kuba, die schon nach dem Zusammenbruch des sowjetischen Blocks und dem Beginn der Sonderperiode stattgefunden hat, um ein Stück zu schreiben, das die zuvor be-

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schriebenen zusammenfaßt und ergänzt. Er beleuchtet damit eine Kontinuität und einen Bruch; die Kontinuität erweist sich in den oben analysierten Parametern, der Bruch in dem etwas hoffnungsvolleren Ansatz, der sich in dem im wesentlichen tragischen Stück ausmachen läßt. Trotz der nicht zu leugnenden Hindernisse wird die Möglichkeit einer Wiederbegegnung angedeutet, die auf der Versöhnung der Gegensätze beruht. Die Entwicklung von Mime hin zu Tony und umgekehrt deutet im Rahmen des von Monge Rafuls konstruierten Raum- und Zeitflusses auf die Instabilität des Vorhangs, der die beiden Ufer trennt. Das, was der Emigrant in Kuba lernt und was der fest an sein Heimatland gebundene Kubaner seinerseits durch den verlorenen Sohn entdeckt, läßt physische und emotionale Bande entstehen, die das unvermeidliche Ende der Spaltung vorhersagen. Die politische Einstellung der kubanischen Dramatiker, die im Ausland leben, ist oftmals der Grund für die Ablehnung ihrer Stücke gewesen, besonders wenn diese den Dialog mit dem in der Heimat herrschenden Regime suchen. Die Bezeichnung „Konterrevolutionäre" ist innerhalb und außerhalb der Insel wie ein Leitmotiv benutzt worden, das dazu dient, Verdienste zu schmälern, in Schubladen einzuordnen und, was noch schlimmer ist, die Stücke gar nicht zu kennen und im Vergessen zu begraben. Ich habe auf diesen Seiten versucht, mit Hilfe einer schematischen Untersuchung von fünf Stücken der kubanischen Exildramatik den Widersinn dieses Begriffs darzulegen. Ich halte dies für grundlegend, um langfristig die Integration von Texten und Autoren wie die zuvor analysierten in das Panorama der nationalen Dramatik zu erreichen. Riñe Leal unterstreicht in einer Rezension der von Carlos Espinosa Domínguez herausgegebenen Anthologie Teatro cubano contemporáneo, die in La Gaceta de Cuba erschienen ist, die starken Parallelen zwischen den in der Anthologie publizierten Texten von Montes Huidobro, Alomá und Manuel Martin Jr. Er weist beispielsweise darauf hin, daß Themen wie Randexistenz, Entwurzelung, Heimweh, Identitätskampf, Satire, Frustration des Einzelnen, Enttäuschung, Bitterkeit und der Wunsch, seinen Platz in unserer Kultur zu behaupten [...] problemlos von unseren Zuschauern auf Kuba verarbeitet werden können, denn einige dieser Themen treten auch in unserer eigenen neuesten dramatischen Produktion zutage. (1993:32)

Dann fügt er hinzu:

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Der Kern des Problems ist, daß wir dieses ,andere' Theater als Teil von uns annehmen müssen, als einen Ausdruck unserer Kultur und, was noch wichtiger ist, daß wir seine Entwicklung innerhalb unseres Theaters betrachten und nicht als Fremdkörper. [...] Es ist an der Zeit, mit dieser ,anderen' Dramatik, die auch die unsrige ist, einen theatralischen Dialog aufzunehmen, (ibid)

Die Antwort, die eine Gruppe von im Exil lebenden Theaterleuten, zu der Monge Rafuls, Ivän Acosta, José Corrales und Alberto Sarrain (der Übersetzer von Alomä) zählten (1993: 37f.), auf diesen Aufruf von Leal gegeben hat, verdeutlicht die gemeinsame Haltung der Dramatiker, die in diesem Aufsatz untersucht wurden.11 Ihr Manifest bestätigt rhetorisch, was ich versucht habe, anhand der hier untersuchten Stücke herauszustellen. In der Tat hat die kubanische Exildramatik im allgemeinen eine anti-castristische ideologische Haltung eingenommen, aber nur selten wird sie durch einen in didaktisches Drama verpackten Bekehrungseifer charakterisiert. Ihr kritischer Ansatz zeigt sich im allgemeinen in den wesentlich anspruchsvolleren, ästhetisch und inhaltlich differenzierten Texten, eine Folge der simplen Notwendigkeit, ein Theater zu schaffen, das sowohl regionale als auch ideologische Grenzen zu überschreiten vermag. Deutsch von Almuth Fricke

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Ihr Artikel erlaubt uns, eine grundlegende Realität zu formulieren; Kultur kann nämlich nur dort ausgeübt werden, wo man es auch wirklich will. Und bis heute hat man uns, als reaktionären Elementen, die Möglichkeit verwehrt, unsere legitimen Wünsche zu erfüllen. Aus dieser Situation ist eine Generation entstanden, die, bewußt oder unbewußt, nach Erfüllung gerade dieser Wünsche strebt; wir wollen vor allem das Recht, uns in der Gesellschaft zu verwirklichen, aus der wir stammen und der wir entfremdet wurden. Sie und wir, die diese Antwort unterzeichnen, tun jetzt den ersten Schritt... Es ist nicht leicht. Wir sind ein Land voller Politiker, die in der Lage sind, die Einheit des Volkes, der Familie und der Intellektuellen zu verhindern (auf der Insel wie in Miami)... Nur, wenn wir das politische Elend vergessen und in erster Linie daran denken, daß unsere Mission als Intellektuelle über die sozio-politische Teilung hinausreicht, wenn wir nur daran denken, daß es nur ein Kuba gibt, werden wir zusammenkommen können, um miteinander über das Theater zu sprechen. (1993:37-38)

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Jorge Febles lehrt an der Western Michigan University. Publikationen: Aufsätze über Roberto G. Fernández, José Martí, Matías Montes Huidobro. Hrsg.: Cuentos olvidados de Alfonso Hernández Cata. Senda Nueva, 1982; zusammen mit Armando González-Pérez: Matías Montes Huidobro: Acercamientos a su obra literaria. Mellen Press, Lewiston 1997 (Sammlung von Aufsätzen).

Für Virginia Santana Sosa y Lourdes Rojas

Pedro R. Monge Rafuls

Inszenierungen im Exil Gott sei Dank dafür, daß ich in einer Stadt lebe, in der es Theater im Überfluß gibt. Ich kann großartige Off- und Off-off-Broadwaystücke, Musicals und Vorstellungen des sogenannten ethnischen Theaters sehen, zu dem das afro-amerikanische und lateinamerikanische Theater in den USA gehören. Aber leider kann ich nicht sagen, ich hätte viele Inszenierungen des im Exil geschriebenen kubanischen Theaters gesehen. Es gibt verschiedene Gründe, warum es kaum Produktionen dieses Theaters gibt. Der erste: die Haltung der amerikanischen Künstler; aus politischen Gründen wurde bisher das Theater von der Insel akzeptiert, das der Exilanten abgelehnt. Man will unsere Stücke weder kennenlernen noch aufführen; wir werden nicht zu Festivals in Europa oder Amerika eingeladen, wo wir unser Theater zeigen könnten, das in vielen Fällen von höherer theatraler Qualität ist als das, was auf den Bühnen in Havanna gezeigt wird. Der zweite: die Haltung kubanischer Regisseure und Produzenten im Exil, die dem außerhalb Kubas geschriebenen Theater keinerlei Wert beimessen. Der dritte: die Haltung der Exilgemeinde, die, getreu dem Grundsatz, daß der Prophet unter den Seinen nichts gilt, alles, was von der Insel kommt, unsere „wahren kulturellen Wurzeln", höher einschätzt als die Exilliteratur. Diese drei Gründe und die daraus resultierende Unkenntnis dessen, was außerhalb Kubas geschrieben und dramatisiert wird, verhindern die Entwicklung einer Theaterbewegung, die reicher und ganz anders sein könnte, als das Theater auf der Insel. Würde man unser Theater objektiv und ohne politische Vorurteile untersuchen, könnte man die Unterschiede herausarbeiten und feststellen, wie diese Theaterliteratur sich in zwei Sprachen (Spanisch und Englisch) entwickelt und dennoch ihre kubanische Identität nicht verliert. Der wichtigste Faktor einer Inszenierung ist zweifellos der Regisseur. Um den ist es im Exil schlecht bestellt. Es gibt keine Regisseure mehr wie Luis A. Baralt, Andrés Castro, Rubín Vigón und Francisco Morin, denen wir nicht nur neue künstlerische Konzepte und die Gründung von Theatergruppen verdanken, die sich jeweils um eine neue Ästhetik bemühten, sondern auch die Entdeckung von Autoren und Werken, die die Szene von Havanna erneuert haben. Wir finden auch keine Regisseure wie Herberto Dumé, der jungen Autoren die Gelegen-

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heit gab, sich vorzustellen, die später zu wichtigen Namen des kubanischen Gegenwartstheaters wurden. Im Exil in New York inszenierte Francisco Morin die Uraufführung von La madre y la guillotina (1976), ein Stück, das Matías Montes Huidobro noch in Havanna geschrieben hatte (1961), und das ihn, wie er berichtet, zu der Entscheidung trieb, Kuba zu verlassen. Die Inszenierung erfaßte den Kern und die Botschaft von Montes Huidobro; den Schauspielerinnen hatte Morin auf nüchterne und direkte Weise sein szenisches Konzept vermittelt, was zu unvergeßlichen Leistungen von Regina Suárez und Mirta Cataya führte. Morin inszenierte noch einige Stücke von Alberto Guigou, aber am Exiltheater waren er und Andrés Castro überhaupt nicht interessili. Beide haben die Gelegenheit verschenkt, das fortzusetzen, was sie in Havanna begonnen hatten. Regisseure wie Mario Ernesto Sánchez in Miami oder Max Ferrá in New York haben im Theater AVANTE bzw. im INTAR Exilstücke inszeniert, aber die großen Möglichkeiten der Gruppen, mit denen sie arbeiteten, haben sie nicht wahrgenommen. Weder suchten sie nach Neuem noch schufen sie ein dramatisches corpus oder auch nur ein ,Latino'Theater. Bei den Produktionen des INTAR, die ich gesehen habe, konnte ich nur eine Mischung aus Techniken der leichten Komödie und des Buffo-Theaters erkennen, die mit generell oberflächlichen Klischées schnelle Lacher erzeugen, und im AVANTE wurden Nostalgie und Exilthematik auf einfachste Weise ausgebeutet. Auf diese Weise haben Regisseure und Produzenten keinerlei Interesse für bestimmte Autoren oder Stücke wecken können. Eine Ausnahme machen Alguna cosita que alivie el sufrir (1986) von René R. Alomá, Regie Mario Ernesto Sánchez, und die Komödien Our Lady of the Tortilla und The Lady front Havana von Luis Santeiro, beide unter der Regie von Max Ferrá. Dazu muß jedoch gesagt werden, daß nicht die dramatische Qualität den Erfolg dieser Stücke herbeigeführt hat. Alguna cosita... wurde erst auf Drängen kubanischer Theaterleute auf dem Festival Latino gezeigt. Damit erreichten sie, daß nicht nur Künstler von der Insel, sondern auch aus dem Exil vorgestellt wurden. Und die beiden Komödien fanden nur wegen der Popularität von Santeiro Beachtung; er ist Autor von ¿Qué pasa USA?, dem populärsten Fernsehprogramm der Latinos in den Vereinigten Staaten. Die drei Stücke sind in ihrer literarischen Qualität vergleichbar mit Werken von Héctor Quintero und einigen Stücken von Abelardo Estorino. Richtungslosigkeit und fehlendes Geschichtsbewußtsein zeigt auch die Regiearbeit von René Buch, der nur drei Stücke eines Exilautors in-

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szeniert hat, obwohl er einer der beiden Gründer des TEATRO REPERin New York ist, dem „bedeutendsten Theater des ,Latino'-Theaterschaffens in den USA". 1986 inszenierte er auf Spanisch Las damas modernas de Guanabacoa von Eduardo Machado, und im August 1998 zeigte er noch einmal Revoltillo von Eduardo Machado, das er 1987 für das TEATRO REPERTORIO ESPAÑOL produziert hatte, allerdings erst nachdem beide Stücke in der englischen Version Bröken Eggs und The Modern Ladies of Guanabacoa 1984 von James Hammerstein und dem ENSEMBLE STUDIO THEATRE produziert worden waren und den Autor in der Off-Broadway-Szene bekannt gemacht hatten. Revoltillo ist das erste Exilstück, das offiziell in Havanna gezeigt wurde. Vorher hatte Dolores Prida 1996 auf einem Frauenfestival in Kuba Coser y cantar gezeigt. Leider fand auch Revoltillo nicht wegen seiner unbestreitbaren theatralen Qualität Beachtung in der Theatergeschichte Kubas, sondern allein aus fragwürdigen politischen Gründen. René Buch inszenierte auch Sweet Powder von Machado auf Englisch. Wegen der einfallslosen, konservativen Inszenierungen hat keins der Stücke größeres Interesse geweckt. Einige Autoren wie Manuel Martin begannen, selbst ihre Stücke zu inszenieren. Martin hat einige der interessantesten Momente des kubanischen Theaters in den USA geschaffen, obwohl seine Regie noch nicht über das Thema der Stücke, die er inszenierte hinausreicht. Sein Stück Swallows, 1980 geschrieben, basiert auf Interviews, die er mit Kubanern auf der Insel und im Exil gemacht hat, und reflektiert auf diese Weise, was die Kubaner zu beiden Ufern denken. Er griff damit als erster das Thema Wiederbegegnung auf, mit dem einige von uns versuchen, Berührungspunkte zwischen den beiden Gruppen zu finden, in die sich das kubanische Volk geteilt hat. Die Regie von Martin verdient Beachtung, wegen der geringen Verbreitung des kubanischen Theaters in den USA ist sie leider kaum besprochen worden. Die Aufführung des Stücks wurde heftig sabotiert, und zur Premiere mußte die Polizei einer Bombendrohung nachgehen. Auch Union City Thanksgiving von Martin nimmt innerhalb der in englischer Sprache geschriebenen kubanischen Dramatik einen besonderen Platz ein. Das Stück stellt ein kontroverses Bild einer kubanischen Familie im Exil vor; es wurde von dem Belgier André Ernotte inszeniert, der, wie Martin meint, die kubanische Idiosynkrasie nicht verstanden hat, obwohl die Inszenierung höchst professionell war. Die spanische Produktion, Sangivin en Union City (DUO 1986) war vollkommen anders. Der Regisseur Gonzalo Madurga, ein Kubaner, verstand es, das kubanische Temperament wiederzugeben, und das Ergebnis war vom künstleTORIO ESPAÑOL

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rischen Standpunkt her positiv. Martín hat auch zwei Stücke von Dolores Prida inszeniert. Seine Aufführung von Botánica machte sie zur bekanntesten ,latino'-Dramatikerin in den USA. Das Stück stand von 1991 bis 1997, also sechs Jahre, auf dem Programm des TEATRO REPERTORIO ESPAÑOL in N e w York.

Iván Acosta wurde ebenfalls zum Regisseur seiner eigenen Stücke, während er Direktor des inzwischen aufgelösten CENTRO CULTURAL C U BANO von New York war, einer Organisation, die in den 70er Jahren von der Exilgemeinde unterstützt wurde. Mit Ausnahme der Werke von Acosta und von Omar Torres, ebenfalls einem Mitarbeiter des CENTRO, wurden dort nur Autoren der Insel - selbst systemtreue Autoren - produziert. Das wichtigste Stück von Acosta ist El super, das er 1978 inszenierte. Es behandelt die Probleme, die aus der Trennung der Familien entstehen, und die Anstrengungen der Exilierten, sich an das Leben in den USA anzupassen. El super ist mit Werken von Héctor Quintero vergleichbar und ist heute vielleicht das bekannteste Exilstück. Es ist auch mit einem gewissen Erfolg verfilmt worden. Raúl de Cárdenas gründete eine Theatergruppe, um seine Stücke von nicht kubanischen Regisseuren inszenieren zu lassen. Bevor er nach Miami zog, inszenierte Herberto Dumé Anfang der 80er Jahre in New York Faramalla, das er zusammen mit José Corrales geschrieben hat, und Juana Machete von José Corrales. Heute, nachdem er in Miami nur Stücke von der Insel und einige des Theaters der Welt inszeniert hat, zeigt Dumé ein gewisses Interesse an der Exildramatik und versucht, ein Repertoire des kubanischen Exiltheaters zu schaffen. Bisher hat er zweimal Exilio (1988, 1996) von Matías Montes Huidobro inszeniert und 1998 Faramalla noch einmal aufgenommen. Seine Inszenierung von Balada de un verano en La Habana (1997) machte Héctor Santiago in der Theaterszene von Miami bekannt. Santiago, ein kontroverser Autor, der Themen - und ganze Dialoge - kubanischer und auch anderer Autoren plagiiert, ist seit Baiada... der am häufigsten auf Spanisch aufgeführte Exilautor. Baiada... ist eine Kopie des fast unbekannten Stückes Siempre tuvimos miedo des verstorbenen Leopoldo Hernández. Vierzig Jahre hat es gedauert, bis die Schauspielerin Yvonne López Arenal und der Regisseur Jorge Folgueira, zwei in Kuba ausgebildete Künstler, in Los Angeles die Gruppe AVELLANEDA ACTOR'S THEATRE gründeten, die erste Gruppe mit dem Ziel, ein Ensemble mit Werken von kubanischen Exilstücken auszubilden. Ihre erste Produktion zeigten sie 1998 mit einer Wiederaufnahme von El super von Acosta. Diese Wiederaufnahme eines Stückes, das sich ausschließlich mit dem Exil befaßt,

Inszenierungen im Exil

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zwanzig Jahre nach seiner Uraufführung, ist für unser Theater von großer Bedeutung, denn sie erlaubt, vorsichtig von Kontinuität zu sprechen. Daß unser Theater keineswegs so uninteressant ist, daß es keine Beachtung verdient, zeigt, daß viele Stücke von Exilautoren bedeutende Auszeichnungen erhalten haben oder auf wichtigen Bühnen der angloamerikanischen Szene aufgeführt wurden - José Triana, Eduardo Manet und Maria Irene Fornés auch in Europa -, und, was noch entscheidender ist, es wächst das Interesse an einigen Universitäten in den USA, sich mit dem im Exil geschriebenen Theater zu beschäftigen. A Park In Our House von Nilo Cruz kam 1996 im NEW YORK THEATRE WORKSHOP auf die Bühne, Regie führte Loretta Greco, eine Italienerin, die die kubanische Idiosynkrasie einzufangen und sehr sensibel zu übermitteln verstand, obwohl das Stück, wenngleich auf Englisch geschrieben, vom Thema und seiner szenischen Sprache her vollkommen kubanisch ist. Das Stück löste das erfolgreiche Rent von Jonathan Larson ab, das an ein größeres Broadway-Theater überwechselte, und kam in der angloamerikanischen Szene sehr gut an. Aber bei kubanischen Regisseuren und Produzenten in Miami und auch in New York sind Autoren wie Cruz unbekannt, einige behaupten sogar öffentlich, im Exil würde kein anspruchsvolles Theater geschrieben. Bedauerlicherweise nutzen die Regisseure im Exil die künstlerischen Vorteile nicht, die ihnen das Theater in den USA bietet. Sie sehen sich weder die Inszenierungen der großen amerikanischen Regisseure an noch die eingeladener Künstler, die Ästhetiken anbieten, von denen sie für ihre eigenen Inszenierungen viel lernen könnten. Ihnen und den Autoren im Exil ist es nicht gelungen, sich gegenseitig zu ergänzen. Deutsch von Adrián Herr

Literatur Acosta, Iván: El super. Miami 1978. Alomá, René R.: „Alguna cosita que alivie el sufrir" (1986), in Teatro cubano contemporáneo (Espinosa Domínguez 1992), S. 1275-1333. Corrales, José: Juana Machete, o la vida en bicicleta (1982). ; Dumé, Herberto: Faramalla (1982). Cruz, Nilo: „A Park in Our House" (1996), in OLLANTAY 5 , 1 (Winter/Spring 1997), S. 122-168. Hernández, Leopoldo: Siempre tuvimos miedo (1981). Honolulu 1988. Machado, Eduardo: The Modern Ladies ofGuanabacoa (1984). : „Bröken Eggs" (1984), in On New Ground: Contemporary Hispanic American Plays (Osborn 1987).

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Pedro R. Monge Rafuls

: Las damas modernas de Guanabacoa (1986). : Revoltillo (1987). Martín Jr., Manuel: Swallows (1980). : Union City Thanksgiving (1986). In Teatro cubano contemporáneo (Espinosa Domínguez 1992). : Sangivin en Union City (1986). Montes Huidobro, Matías: La madre y la guillotina (1961). New York 1976. : „The Guillotine", in Selected Latin American One-Act Plays (Colecchia, Matas 1973). : Exilio. Honolulu 1988. Prida, Dolores: Coser y cantar (1981). : Botánica (1990). New York 1991. Santeiro, Luis: Our Lady of the Tortilla (1988). : The Lady from Havanna (1988). New York 1991. Santiago, Héctor: „Baiada de un verano en La Habana", in Teatro: 5 autores cubanos (Leal 1995), S. 160-215.

Pedro R. Monge Rafuls (1943), Autor und Verleger, verließ Kuba 1961.1977 gründete er THE OLLANTAY CENTER O F THE ARTS in New York und 1 9 9 3 das OLLANTAY Theater Magazine. Publikationen: Cristóbal Colón y otros locos, 1986; En este apartamento hay fuego todos los días, 1987; Limonada para el Virrey, 1987; De la muerte y otras cositas, 1988; El instante fugitivo, Solidarios, 1989; Easy money, Recordando a Mamá, 1990; Nadie se va del todo, Noche de Ronda, 1991; Otra historia de un amor, Momentos, 1993; Consejo a un muchacho que comienza a vivir, No hay mal que dure 100 años. Soldados somos y a la guerra vamos, Trash, 1995; Se ruega puntualidad, 1997 u.a. Hrsg.: Lo que no se ha dicho. New York 1994.

Carolin Overhoff

Der Künstler als Stellvertreter? Ópera ciega von Víctor Varela

Die politischen Entwicklungen in der Sowjetunion, „Perestroika" und „Glasnost", führten auf Kuba zu einem wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Spagat, der beim Treffen der Kommunistischen Partei 1986 den Namen „rectificación" erhielt. Die dort beschlossenen Änderungen führten einerseits zu strengeren wirtschaftspolitischen Kontrollen der Resourcen durch zentrale Organe, und andererseits zur Liberalisierung von Presse, Kirche und Kultur. Unter anderem wurde auch das Kulturministerium neugeordnet. Jeder künstlerische Bereich erhielt ein Gremium, in dem über die Verteilung der Mittel an Projekte entschieden wurde. Das ISA (INSTITUTO SUPERIOR DE ARTE), die universitäre Ausbildungsstätte für Theaterleute und ihr Karriere-Sprungbrett, verlor seine zentrale Stellung.1 Durch die Auflösung der Sowjetunion wurde aus dem Spagat eine Zerreißprobe. Der Verlust des wichtigsten Handelspartners löste ein Versorgungsproblem aus, Hunger und Flucht waren die Folge. 1991, ein Jahr vor der Gründung der GUS-Staaten, schrieb Victor Varela Opera ciega, eine Art Selbstbildnis, in dem er seine persönliche Reaktion auf die politische und gesellschaftliche Situation auf die Bühne bringt. Die Handlung siedelt er im Kopf seiner Figur Artor an. Der ist als Spielleiter das alter ego und Stellvertreter des Autors und Regisseurs Varela. Sein Bewußtseinskonflikt wird von der Bühnenfigur inszeniert und formuliert sich zu Beginn und in der Mitte des Stückes als Stimme aus dem off. Die problematische Situation auf Kuba, das Festhalten des Regimes am Diskurs der Revolution, das zu Unfreiheit und größter ma1

Vgl. Randy Martin: „Cuban Theatre under Rectification - The Revolution after the Revolution", in The Drama Review 34,1 (Frühjahr 1990), S. 38-59. Diese Veränderung ist nicht allein auf die Kulturpolitik zurückzuführen, sie ging vor allem von den jungen Theaterschaffenden aus. Vgl. Armando Correa: „El teatro cubano de los 80: Creación versus oficialidad", in LATR 25, 2 (Spring 1992), S. 67-77. Víctor Varelas Inszenierung La cuarta pared von 1986, die er in seinem Wohnzimmer aufführte, da er nicht am ISA ausgebildet wurde und deshalb keine Fördermittel erhielt, hatte besondere Bedeutung. Sie wurde auf Grund ihres Erfolges in den kleinen Saal des TEATRO NACIONAL übernommen und veränderte damit die problematische Situation von Künstlern, die ohne Subventionen arbeiteten.

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terieller Not führt, löst im Artor einen schizophrenen Zustand aus; er spürt die Dringlichkeit einer Rebellion gegen den Diskurs und ist zugleich unfähig, gewaltsam zu handeln: Wie kann man nicht denken; Wie soll das Denken keine Form annehmen; und die Form nicht zur Wunde werden, Die Wunde die Idee verhindern und die Idee die Handlung. (1999: 209)

Um die Schizophrenie zu überwinden, erfindet der Artor die Figur des Walpurg, der diesen Zustand mit ihm teilt. Er stellt ihm in Ana eine Figur zur Seite, die ihm als Muse in seinem Kopf Orientierungshilfe geben soll. Während Ana Walpurg auf der Suche nach seinem kreativen Potential, das gleichbedeutend ist mit erlösender Freiheit, unterstützt, zeigt Varela auf einer weiteren Ebene mit der Figur des Helden den Gegenstand seiner, des Artors und Walpurgs Verzweiflung. Varela weiß dabei nur zu gut, daß er nicht der erste ist, dem sich als Künstler die Problematik des Handelns stellt, und zitiert mit dem Helden den Subtext von José Trianas La noche de los asesinos (1961). In Trianas Stück waren es die Kinder Beba, Cuca und Lalo, die unmittelbar nach Castros Revolution rituelle Morde an den die Autorität repräsentierenden Eltern begingen. Genau dreißig Jahre später erhält Beba, die den tatsächlichen Mord bei Triana verspricht, von Varela noch einmal eine Chance. Nicht nur durch intertextuelle Bezüge zu Triana gibt Varela Hinweise auf die Tradition des Bewußtseinskonflikts. Dem Motiv des rituellen Elternmordes geht im ersten Dialog der Hinweis auf einen möglichen Vatermord und ödipalen Inzest voraus. Ana fühlt sich wegen ihrer Liebe zu Walpurg schuldig: „Ich fühle eine unendliche Schuld, dich zu lieben; Dieses Gefühl betrachtet man zur Zeit mit Abscheu."(1999: 210) Da es Ana nicht gelingt, Walpurg bei der Überwindung seiner Schizophrenie zu helfen, verwandelt sie sich in eine Nonne. Als „Mutter" will sie ihn nun bewegen, den Helden zu töten. Walpurg hingegen hofft, durch sie geheilt zu werden, und will mit ihr schlafen. Die doppelte Bedeutung der Mutter ist ein deutlicher Bezug auf denÖdipus von Sophokles. Die Zerissenheit und die Unfähigkeit, sie zu überwinden, erfährt noch eine weitere thematische Variierung durch Bezüge und Zitate aus Hamlet. Da es Walpurg auch nach Anas Verwandlung nicht gelingt, die Tat auszuführen, ruft er Beba. Zunächst verwechselt sie ihn, wie Hamlet den Polonius, mit einer Ratte. Dann aber tötet sie stellvertretend für ihn den Helden.

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Mit seinen Hinweisen auf Bühnenfiguren wie Ödipus, Hamlet, Woyzeck, Heiner Müllers Hamlet, Gombrowiczs Mönch und Trianas Beba sowie durch seine eigenen Figuren Walpurg und Artor macht Varela anschaulich, daß künstlerische Kreativität Stellvertreter produziert. Dabei gilt sein besonderes Interesse den mythologischen Figuren Ödipus und Christus, deren Stellvertretung Erlösung verheißt. Anas Aufgabe ist die der Muse des Künstlers. Da sie sie nicht erfüllen kann, wird sie zu einer religiösen Figur. Als Nonne zelebriert sie eine Messe, die zwei Funktionen hat: Sie ist ein Angriff auf die politischen Umstände, die Walpurgs Schizophrenie hervorrufen, und Hinweis auf Erlösung durch ein stellvertretendes Opfer. Ana formuliert eine scharfe Kritik am Mißbrauch religiöser Rituale, Motive und Elemente: Im Namen des Zorns Gottes/bringe ich den Krieg/denjenigen/die die Gebete mißbrauchen/das Königreich des Himmels als Zuflucht/ ihrer Klagen benutzen/und die göttliche Gnade bespucken/ seine Barmherzigkeit ausnutzen, um sich mit einer/Segnung zurückzuziehen/die ihre Übeltaten rechtfertigt und ihren Perversionen Glaubwürdigkeit verleiht. (1999:216)

Castro, der 1975 den Atheismus in der Verfassung verankerte und Weihnachten abschaffte, kodierte die Revolution zum Mythos um, stilisierte ihre Helden zu Ikonen und fordert seit dem Ende der Sowjetunion eine Duldsamkeit, die einem Märtyrertum gleichkommt. An die Stelle des gemeinschaftstiftenden Rituals der Kirche setzte er die Rituale der Heldenverehrung und öffentlicher Prozesse gegen Andersdenkende. Anas Messe benennt diesen Mißbrauch. Vergebung bedeutet nun jedoch nicht mehr Erlaß der Sünden, sondern fordert die Ablösung des patriarchialischen Vaters durch das Opfer des Helden. Nach der Seelenfeier ergreift aber nicht der Künstler Walpurg das Messer, sondern die bereits als Theaterfigur ausgewiesene Beba. Obwohl Beba den von Triana ersehnten Vatermord ausführt, hat dies keine Konsequenzen für Varelas Figuren. Im Gegenteil, durch den nur stellvertretenden Theatermord wird Walpurgs, des Artors und Varelas Scheitern offensichtlich. Die bloße Stellvertretung, die dem Ritual eigen ist, führt zum Selbstmord Walpurgs und zur Kreuzigung Anas, die jedoch im Unterschied zur christlichen Kreuzigung keine Erlösung bringt. Der Künstler hat als Stellvertreter versagt. Varela stellt zwar einen identifikatorischen Vergleich zwischen der Rolle des Künstlers und dem religiösen Erlöser an, glaubt aber nicht mehr an die unmittelbare Erlöserfunktion der Stellvertreterrolle des Künstlers. Die entstehende Korrespondenz zwischen

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dem stellvertretenden Ritual auf der Bühne und dem stellvertretenden Ritual der Messe hinterfragt sowohl die Erlösung durch die christliche Religion als auch durch die Kunst. C. G. Jung hat darauf hingewiesen, daß die Heiligen Schriften als Ausdruck des menschlichen Unterbewußtseins interpretiert werden können, in denen sich in der Menschheit reif gewordene Fragen artikulieren. 2 Die Menschwerdung Gottes, die das Bild des grausamen Gottes in das Bild des guten Gottes verwandeln sollte, war ein Wunsch nach der Ablösung des ambivalenten und unverständlichen Gottes. Das stellvertretende Opfer Christi durch die Kreuzigung beschreibt Jung als Hinweis auf das Verbleiben der Ambivalenz, die jedoch der Mensch für sich durch die Verheißung einer Vergebung löste. René Girard stellt die These auf, daß sich in den Opferungen der Wunsch nach Gemeinschaft und die Sehnsucht des Menschen an der Teilhabe der göttlichen Identität erkennen läßt. Darüberhinaus wird im stellvertretenden Ritual eine drohende Gewalt von den zu schützenden Individuen abgewandt: „Die Gesellschaft bemüht sich, eine Gewalt, die ihre eigenen, um jeden Preis zu schützenden Mitglieder treffen könnte, auf ein relativ wertfreies, ,opferfähiges' Opfer zu leiten." 3 Varela läßt es in seiner komplexen Auseinandersetzung mit der gegenseitigen Abhängigkeit von Bewußtsein und Unbewußtem nicht bei dem christlichen Kontext bewenden, sondern verfolgt das christliche Motiv der Ablösung des bösen Vaters bis in die antike Tragödie und den Mythos zurück. Denn auch im antiken Mythos formuliert sich das menschliche Unbewußte. Klaus Heinrich beschreibt den Ödipus-Mythos als Wiederkehr des Verdrängten. 4 In seiner Analyse des Mythos wird der Geschlechterkonflikt von Ödipus ausgetragen und schafft dem durch die Ablösung des Matriarchats verdrängten Weiblichen ein Ventil. Heinrichs Darstellung der sophokleischen Kritik ein der Rationalisierung durch die griechische Philosophie verbindet sich mit einer Kritik an Sophokles. Heinrich wirft ihm vor, den Ödipus durch dessen Mysterium in Ödipus auf Kolonos zu einer Erlöserfigur verklärt zu haben. Die Kritik an intellektueller Einsicht durch nur verstandesmäßiges Sehen wird seiner Meinung nach dadurch wieder aufgehoben.

2

Vgl. C. G. Jung: Antworten auf Hiob. Frankfurt/ Main 1990.

3

Vgl. René Girard: Das Heilige und die Gewalt. Frankfurt/ Main 1992, S. 13.

4

Klaus Heinrich: arbeiten mit ödipus. Dahlemer Vorlesungen. Band 3. Berlin 1993.

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Wie Ödipus sticht sich Artor am Ende von Opera ciega die Augen aus; aber nicht, weil er Einsicht in die Situation erhalten hat, sondern weil auch er daran gescheitert ist, die Zerreißprobe zu bestehen und seine Schizophrenie zu überwinden. Sehen, das macht Varela durch seine intertextuellen Strategien deutlich, bedeutet keine tatsächliche Einsicht. Der Artor macht sich darüber keine Illusionen mehr: Ihr, die ihr glaubt, daß die Tragödie in Griechenland geblieben und das Orakel eine antike Fiktion ist, hört meinen Verstand sprechen, reine ex machina. Denkt an das, was der Mensch nicht ist und warum es uns nicht gelungen ist [...] das Unabänderliche der christlichen Autokastration zu transzendieren, nachdem wir Gott getötet hatten. (1999:221)

Die intellektuelle Einsicht des Ödipus führt zur Remythisierung, und auch die Hoffnung auf Erlösung durch die Kreuzigung Christi ist für Varela nur die Variation des Wunsches nach Auferstehung. Die Suche der Gesellschaft nach einem stellvertretenden Opfer für die realen Zerreißprozesse führte laut Heinrich in der Renaissance dazu, daß der Künstler als Figur in den Vordergrund trat, die in der Lage war, die Menschen von ihren Schicksalsängsten zu befreien, indem sie die realen Zerreißungen zwischen den Ansprüchen der Klassen und Schichten aushielten und balancierten. Auch das Scheitern der Aufklärung brachte Folgen mit sich, durch die der Künstler weiterhin eine maßgebliche Rolle zu spielen hatte: Wissenschaftsgläubigkeit und Kunstreligion, die eine für das Kopf-, die andere für das Triebwesen Mensch bestimmt und beide es als tätiges in sich zerschneidend und so begrenzend, arbeiten Hand in Hand.5

Am Ende des 20. Jahrhunderts hat der Künstler in Anbetracht gescheiterter Utopien und in Folge der Ablösung von Revolutionen durch Diktaturen die Auferstehungsfähigkeit des Orpheus und die Zerreißungsfähigkeit des Aktaion verloren, wie sie Heinrich für die Renaissancemalerei belegt. Die Walpurgisnacht am Ende des Stückes, Ausdruck des Freiwerdens alternativer Kräfte und Kritik an remythisierenden Modellen, ist die mentale Katastrophe des Autors. Die Konfrontation mit der Aufgabe, eine Lösung zu formulieren, endet mit dem psychischen Zusammenbruch und der Darstellung einer perver5

Klaus Heinrich: „Der Untergang von Religion in Kunst und Wissenschaft", in Heinrich: Das Floß der Medusa. Berlin 1995, S. 87.

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tierten Auferstehung. Dennoch bleiben die Sehnsüchte nach Opfern und Ritualen erhalten. Gerade in Kuba, wo der Bevölkerung durch Embargo und Mißwirtschaft eine ständige Zerreißprobe abverlangt wird. Aber dem Künstler mißlingt der identifikatorische Vergleich mit einer auferstehungsfähigen Figur, weil er durch die Analyse seiner Vorgänger um das Scheitern von stellvertretender Gewalt weiß. Die beiden mythologischen Erlöserfiguren Ödipus und Christus stehen als Beispiele für das Scheitern der Einsicht und illustrieren den menschlichen Wunsch nach Auferstehung. Ödipus, der den Geschlechterkonflik, die Spannung des Patriarchats mit dem verdrängten weiblichen Potential des entmachteten Matriarchats, austrägt, und Christus, der den ambivalenten Gott durch den guten Gott ablöst, sind nur Namen auf einer langen Liste von Variationen des Themas: Die gesellschaftliche Ungerechtigkeit durch Unterdrückung bleibt bestehen und das patriarchalische Bild wird durch das Mysterium der Auferstehung nur aufs neue zementiert. Auch Ana, die sich für Walpurg opfert, gelingt keine erlösende Auferstehung. Die Varianten in der Geschichte haben Varela gelehrt, daß die Befreiung ausbleibt. Deshalb entspricht Anas Auferstehung dem „Schicksal" der kubanischen Frauen, die sich in einer Gesellschaft durchzubringen versuchen, in der ohne Dollar das Überleben kaum noch möglich ist: sie wird Prostituierte. Zwar beteiligt sich Ana an der Verdrängung des Weiblichen durch ihren religiösen Diskurs, aber ihre Kreuzigung ist eben auch wieder ein Sündenbockopfer, das tatsächliche Gewalt bannt und die erneute Wiederholung eines nur stellvertretenden Opfers ohne Aussicht auf Lösung der Verdrängung bedeutet. Ganz kann aber auch Varela die Hoffnung nicht aufgeben: „Lang ist die Liste und vielfältig die Möglichkeit, eine wird die Vollendung sein." (1999: 221) Der Künstler kann als stellvertretend Handelnder nur versagen. Opera ciega ist als „Opernlibretto" eine tragikomische Parodie auf das eigene Pathos, aber gibt gleichzeitig dem Glauben an die bewußtseins- und gemeinschaftsstiftende Funktion seines scheiternden Theaterrituals Ausdruck. Nicht das verdrängte Weibliche stellt bei Varela (im Unterschied zu Heiner Müllers Hamletmaschine) deshalb ein Potential dar, sondern das Scheitern des Künstlers selbst; denn das künstlerische Schaffen ermöglicht vielleicht die Darstellung und die Analyse der Situation, ohne deshalb auf Lösungsmechanismen wie Remystifizierung auszuweichen. Kunst, darauf weist Heinrich hin, ist wie der Mythos ein

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Ort, a n d e m V e r d r ä n g t e s w i e d e r k e h r t . 6 Dieses Potential bleibt Inbegriff d e r Freiheit u n d die Hoffnung W a l p u r g s nach seinem Scheitern; Irgendwo sind meine Fingernägel/meine Nägel, damit der Andere sie nimmt/damit der Andere sie feilt/sich in das frische Fleisch seiner Finger steckt/ ein Sopran, die Mission auf dem Felsen. (1999:225) In V a r e l a s S t ü c k La cuarta pared v o n 1986 hatte es deshalb eine tatsächliche E r f a h r u n g v o n Gemeinschaft gegeben, die e r 1 9 9 5 in El arca w i e d e r a u f n i m m t . 7 In seiner Auseinandersetzung m i t Ö d i p u s u n d Christus steht die E r f a h r u n g im V o r d e r g r u n d , daß sich d a s Patriarchat nicht d u r c h einen V a t e r m o r d beheben läßt. D e r s c h i z o p h r e n e W a l p u r g sieht in A n a seine H e i l u n g . Die Schuld, die er z u ü b e r w i n d e n sucht, ist d a s Ergebnis d e r Religion und d e r Psychoanalyse: Bringen Sie meiner Seele Frieden, aber reden Sie nicht wie meine Folterknechte. Den Komplex beseitigen, was für eine Unverschämtheit. Man weiß nichts über die Orthopädie der Seele, dafür alles über die Bürokratie des Geistes und über Medikamente, die Chemie der Idiotie. Ich kann Ihnen aus Erfahrung versichern, daß das Wissen der Psychologie in eine Hausapotheke paßt. (1999:215) A b e r die A n n a h m e des Weiblichen ist nicht n u r d u r c h Religion u n d P s y c h o p h a r m a k a verstellt, sondern wird a u c h v o n A n a selbst u n m ö g l i c h g e m a c h t , d a sie sich ihre eigene Freiheit versagt u n d die Rolle d e r rächenden Nonne annimmt.

6 Vgl. Heinrich (1993). 7

In La cuarta pared reißt eine Familie gemeinschaftlich die vierte Wand ein und konfrontiert die Zuschauer direkt mit den Schauspielern. Die von Varela und seiner Theatergruppe TEATRO DEL OBSTÄCULO ausgehend von einem Dramentext entwickelte non-verbale Aufführung hat er als Performancetext dokumentiert. In El arca führt die Künstlerfigur Uzbel die Arche, die er als Metapher der Rechtfertigung für das Überleben des kubanischen Kommunismus benutzt, nach Grönland. Seine künstlerische Kreativität läßt ihn die Mechanismen der Arche umkehren. Hier ist es erneut nicht die Auferstehung, die Varela anstrebt, sondern die persönliche Freiheit, die sich in der ironischen Auferstehung als Eisbär ausdrückt. Das Theater hat erneut keine unmittelbare politische Funktion, aber es kann als geistiger Freiraum für humanistische Individualität und Selbstdefinition Gemeinschaft schaffen. Vgl. Victor Varela: El arca. Unveröffentlichtes Manuskript. Havanna 1995.

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Durch den Papstbesuch im Januar 1998 hat sich in Kuba eine neue Situation ergeben, die Varelas Frage nach der Freiheit wieder unter einem anderen Vorzeichen stellt. In der verzweifelten Situation gelingt es Castro durch die erneute Umkehrung Kommunismus = Religion in Religion = Kommunismus ein neues gemeinschaftstiftendes Ritual zu inszenieren. Die Kunst muß die Konfliktdarstellung und ihre Lösungen nicht mehr konstruieren. Die traditionelle katholische Religion, von der diese Aufgabe nach der Aufklärung an Kunst und Wissenschaft übergegangen war, erhält sie vom kubanischen Patriarchen erneut zurück. Natürlich sind damit Hoffnungen auf einen sanften Übergang von Diktatur zu Demokratie, freie Wahlen und ein Ende des Embargos verbunden, aber Castro verlagert die Erlösung erneut aus der Geschichte heraus, um sich selbst darin seinen Platz zu sichern.

Literatur Correa, Armando: „El teatro cubano de los 80: Creación versus oficialidad", in LA TR 25,2 (Spring 1992), S. 67-77. Girard, René: Das Heilige und die Gewalt. Frankfurt/Main 1992, S. 13. Heinrich, Klaus: arbeiten mit ödipus. Dahlemer Vorlesungen. Band 3. Berlin 1993. : „Der Untergang von Religion in Kunst und Wissenschaft", in ders.: Das Floß der Medusa. Berlin 1995, S. 87. Jung, C. G.: Antworten auf Hiob. Frankfurt/ Main 1990. Martin, Randy: „Cuban Theatre under Rectification - The Revolution after the Revolution", in The Drama Review 34,1 (Frühjahr 1990), S. 38-59. Varela, Victor: „Òpera ciega", in Morir del texto, hrsg. von Rosa Ileana Boudet. Havanna 1995, S. 237-260.

Carolin Overhoff (1968). Studierte Theaterwissenschaft und Kunstgeschichte in Wien, Bristol und Berlin. Dramaturgie-Assistentin von 1994-96 am Schauspielhaus Hannover. Dozentin an der Hochschule für Kunst und Design, Hannover, seit 1995. Dissertation über Tendenzen in der Dramatik Lateinamerikas seit Mitte der 80er Jahre. Freie Universität Berlin 1997.

Inés Maria Martìatu Terry

Bild und Rolle des Schwarzen im zeitgenössischen kubanischen Theater Auf Kuba haben die Schwarzen in allen Lebensbereichen stets eine Rolle gespielt. Millionen von Afrikanern sind als Sklaven auf die Insel gebracht worden. Sie stammten aus fast neunzig Ethnien mit unterschiedlichen Sprachen, Religionen und Identitäten, wurden jedoch nur nach ihrer Hautfarbe als Schwarze klassifiziert. Ihre Integration in die kubanische Gesellschaft ist schwierig und komplex verlaufen. In einem Prozeß der Transkulturation, so Fernando Ortiz, verschmolzen hispanische, afrikanische und andere Elemente miteinander zum kubanischen ajiaco (Eintopf). Nicht nur im religiösen Bereich, sondern in allen Aspekten des kulturellen Lebens haben sie dazu beigetragen, jene Besonderheit des kubanischen Volkes - cubanidad - zu schaffen. Der haitianische Dichter Jacques Roumain sagt über den Schwarzen: „...er ist hier wie ein Splitter in der Wunde und wie eine Laterne in der Mitte des Dorfes." Im Theater der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts wird die Schwarzenproblematik als Auseinandersetzung mit verschiedenen Aspekten unserer Geschichte und Identität thematisiert. Im folgenden soll dies anhand von Werken zeitgenössischer Autoren aufgezeigt werden, die nicht in einer anthropologischen Sichtweise verharren, sondern versuchen, das Wesentliche dieser Problematik ausführlich wiederzugeben. Ein Stück aus dem 17. Jahrhundert, Espejo de paciencia (1608) von Silvestre Baiboa, enthält bereits Elemente des Kreolentums als Ausdruck des Entstehens einer neuen Identität. Hier erscheint beispielsweise der Schwarze, Salvador, auf der Bühne, er ist ein „ Sohn des Golomón, ein kluger Schwarzer", der sich als Held auszeichnet, indem er den Piraten Gilberto Girón, Entführer des Bischofs Fray Juan de las Cabezas, durch einen Lanzenstoß tötet. Gerardo Fulleda Leön (1941), der sich dem historischen Drama gewidmet hat, greift in seinem Stück Azogue (1979) aus einer zeitgenössischen Perspektive auf diesen Stoff zurück. Er zeichnet ein aufschlußreiches Bild der Interessen der damals herrschenden Klasse. Mit der Figur des Akpalö, eines Sängers, durch dessen Verse die Sicht des Volkes auf die damaligen Ereignisse Ausdruck findet, führt er einen Gegenspieler ein, stellt Salvadors Schicksal in den Mittelpunkt und äußert sich damit aus der Perspektive der Schwarzen, „der Menschen ohne Geschichte". Der schwarze Sklave erfährt große Anerkennung, weil er

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Inés Marút Martìatu Terry

einen Vertreter der herrschenden Klasse gerettet hat. Man verspricht ihm die Freiheit, das Versprechen wird am Ende jedoch nicht eingelöst. Fulledas Salvador ist ein Mensch mit Verstand, der nicht länger bereit ist, sein Leben, das dem eines Tieres gleicht, zu akzeptieren. So wagt er es, in einer Diskussion dem Bischof gegenüberzutreten, der die Sklaverei schließlich nicht mehr zu rechtfertigen vermag. Salvador begreift, daß er sich n u r durch Rebellion oder durch Flucht ins Palenque - der einzige Ort, der Sklaven wirkliche Freiheit bietet - von seinen Gebietern befreien kann. Eines der wenigen Werke von Eugenio Hernández Espinosa, das sich mit der kubanischen Geschichte auseinandersetzt ist Aponte (1969). Es handelt von dem freien Schwarzen, José Antonio Aponte, von dem José Martí behauptet, er sei der Erste gewesen, der für die Unabhängigkeit Kubas kämpfte. In dieser leidenschaftlichen Tragödie gibt Hernández die Sicht der Schwarzen zu Beginn des 19. Jahrhunderts (1812) wieder und verdeutlicht die politische Rolle der cabildos (Vereinigungen von Negersklaven und ihrer Nachkommen). Der Handwerker Oni Changó, Leiter des Cabildo Changó Teddun und Mitglied der Truppenverbände der spanischen Armee, die sich aus Mulatten und Schwarzen zusammensetzten, genoß ein hohes Ansehen unter seinesgleichen und sogar bei den Weißen. Mit Hilfe seiner Beziehungen zu cabildos in anderen Gebieten der Insel und zu weißen und schwarzen Abolitionisten aus Jamaica u n d anderen Teilen der Karibik organisierte er eine der umfassendsten u n d bedeutendsten Verschwörungen, die jemals durch die spanischen Behörden aufgedeckt wurden. (Franco Ferrán 1977) Sein Plan enthielt unter anderem Aufstände in Zuckerrohranlagen, Brandlegungen an zentralen Stellen Havannas sowie die Gründung einer unabhängigen Regierung, bestehend aus kooperationsbereiten Weißen u n d Schwarzen. Die Beziehungen zwischen santería und Politik, die Tragweite der Gedanken eines Schwarzen wie Aponte und die Bestrebungen der freien und versklavten kubanischen Schwarzen sind die wesentlichen Aspekte, die Eugenio Hernández in dieser Tragödie thematisiert. Plácido (1982) von Fulleda León spielt ebenfalls im 19. Jahrhundert (1843). Jene Epoche ist gekennzeichnet durch komplexe Widersprüche innerhalb der Klassen, Rassen und der Nation. Die Mächtigen der Zukkerwirtschaft forcierten die Ausdehnung der Zuckerindustrie, u m die Vormachtstellung auf dem Weltmarkt, die Haiti nach seinem verheerenden Befreiungskrieg verloren hatte, einzunehmen. Dies implizierte die Konsolidierung der Plantagenwirtschaft und zwangsläufig eine gesteigerte Sklaveneinfuhr und eine damit einhergehende G e f ä h r d u n g des

Bild und Rolle des Schwarzen

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Bevölkerungsgleichgewichts zugunsten der Schwarzen und Mulatten. Inzwischen war ein Kleinbürgertum freier Schwarzer und Mulatten mit einer gewissen Bildung und militärischer Ausbildung entstanden - einige übten freie Berufe aus, besaßen Geld und betrieben Geschäfte. Da es zu immer mehr Sklavenaufständen kam, befürchtete man, daß sie die Führung einer umfassenden Sklavenrebellion übernehmen könnten, wie es auf Haiti geschehen war. In jener schwierigen Zeit vollzog sich die Leidensgeschichte des Gabriel de la Concepción Valdés, die Fulleda mit Placido aufnimmt. In zwölf Szenen und sehr poetischer Sprache entwirft er ein Bild jener Gesellschaft und ihrer Widersprüche. Plácido, der Poet, steht als Protagonist inmitten der Konflikte, die die dramatische Handlung entfesseln. Er ist Mulatte, Bastard einer weißen Tänzerin und eines schwarzen Handwerkers, und gehört daher der untersten Schicht der Gesellschaft jener Zeit an. Wegen seiner Begabung gewinnt er Gönner und kann mit deren Hilfe zu allen sozialen Klassen Beziehungen knüpfen, allerdings nicht ohne Einschränkungen und Vorbehalte. Der zunehmende Widerstand der Sklaven, die wachsende Unzufriedenheit des schwarzen Kleinbürgertums und der Druck englischer Abolitionisten überstürzen die Ereignisse. Plácido wird als Intellektueller und Künstler - in seinen Werken hatte er seinen Unmut gegenüber der Gesellschaft und ihrer Ungerechtigkeiten bereits zum Ausdruck gebracht - einer der führenden Köpfe der Rebellion. Nach Aufdeckung der Conspiración de la Escalera wurde Plácido zum Tode verurteilt und hingerichtet. Dreihundert Schwarze und Mulatten wurden an den Galgen gebracht und mehr als vierhundert in die Verbannung geschickt. Anderen wurde die Lizenz zur Ausübung ihrer Ämter und Berufe entzogen, und man konfiszierte ihr Vermögen. Die schwierigen Beziehungen zwischen den Rassen werden anhand verschiedener Figuren - Plácidos weiße Mutter, die ihn als ihren Sohn nicht anerkennt, die weiße Geliebte und die schwarze Ehefrau - veranschaulicht. Zwischen diesen Figuren entwickelt sich der zentrale Konflikt, der Plácido zwingt, seine Verantwortung als Intellektueller und als Mensch zu definieren.1 In der Dramatik der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts finden sich selten Schwarze als Figuren, sie werden nur erwähnt und in Form von 1

Die Figur des Schwarzen wird zum Protagonisten. Die historische Krise ist hier nicht abstrakt sondern wird, wie es Lukäcs ausdrückt „anhand der menschlichen Beziehungen erlebbar" gemacht. (Martiatu Terry 1986)

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Anekdoten eingebunden. Manchmal treten sie als Dienstboten und als Übeltäter auf oder dienen zur Veranschaulichung negativer Verhaltensweisen. Paco Alfonso, Begründer eines politischen Volkstheaters, versucht in Stücken wie Cañaveral (1947) oder Yari Yari (1950) den Schwarzen von diesem Bild zu befreien und ihm wieder Präsenz als handelnde Figur zu verleihen. Mit Santa Camila de la Habana Vieja (1962) thematisiert José Ramón Brene die zwischenmenschlichen Probleme der Schwarzen und ihre Konfrontation mit Klassenkonflikten, Auswirkungen ihrer Integration in die neue revolutionäre Gesellschaft. In Kuba wird seit jeher darüber debattiert, inwieweit die europäische Komponente unserer Kultur gegenüber der Volkskultur privilegiert ist. Obwohl sich eine Tendenz gegenseitiger Annäherung der verschiedenen Auffassungen erkennen läßt, geht die Diskussion weiter. Fernando Ortiz stellt in diesem Zusammenhang fest: ...dabei komponieren so viele negroide Musik, ohne es zu wollen, oder zumindest ohne es zu sagen, manchmal ohne es zu verstehen, und meistens sind sie bereit, es zu leugnen. (Ortiz 1987)

Diese Spannung, die aus einem Klassenbewußtsein resultiert und sich im soziokulturellen Bereich widerspiegelt, existiert weiter. Obwohl eine Rassendiskriminierung auf institutioneller Ebene zu Beginn der 60er Jahre abgeschafft wurde, sind die Vorurteile, die sich nach wie vor im kulturellen Bereich wahrnehmen lassen, erhalten geblieben und werden von einflußreichen Faktoren wie Familie und Medien ständig reproduziert (Pérez Álvarez 1996). Handelt es sich um schlechten Geschmack oder um Begriffe des Volkes, so wird beispielsweise von Populismus gesprochen. 2 Andererseits wird im Bezug auf die Volkskultur der negativ konnotierte Terminus ,marginal' angewandt. 3 Die allgemeine 2

Der Populismus ist eine von dem Peruaner Victor Raul Haya de la Torre ins Leben gerufene politische Strömung. Sie privilegiert die Mittelklasse als führende Schicht. Der Anschluß der kubanischen Mittelklasse an die Volksbewegungen, die mächtige Studentenbewegung in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts sowie die Etablierung des Populismus in Kuba durch Eduardo R. Chibäs rechtfertigen eine gründliche Auseinandersetzung mit dem Einfluß des Populismus auf das politische Denken in Kuba.

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Die Mehrheit der Schwarzen, zuerst als Sklaven und später als Arbeiter, hat zum gesellschaftlichen Wohlstand der Insel beigetragen, dennoch wurden sie von dessen Nießbrauch und von politischer Mitsprache oftmals ausgeschlossen (marginiert). AI duro y sin careta, eine Version von Mario Balmaseda über das Drehbuch

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ideologische und künstlerische Krise, die letztlich aus der permanenten Debatte über die Hegemonie der europäischen Kultur resultiert, hat Eugenio Hernández Espinosa bewogen, die Volkskultur auf einem höheren Niveau einzusetzen, als es das gängige Volkstheater tut. In seinem Stück Maria Antonia (1967) wird z. B. die santería nicht als brujería (Hexerei), sondern als Religion behandelt. Im Vordergrund steht eine schwarze Frau, die sich nicht an die gesellschaftlichen Normen hält. Da sie nicht als Hauptfigur einer Tragödie begriffen wurde und eher als Protagonistin einer Chronik blutiger Ereignisse betrachtet werden konnte, faßte man das Stück als politische oder sogar als religiöse Polemik auf. Dieses Stück war der erste große Erfolg des Theaters der Revolution; insgesamt 20.000 Zuschauer besuchten die Aufführungen. In Calixta Comité (1980) thematisiert Hernández die menschlichen Widersprüche unter Mitgliedern der Massenorganisation, Komité zur Verteidigung der Revolution (C.D.R.), und kritisiert damit den offiziellen Zweckoptimismus - ein Charakteristikum unseres Populismus. Die Figuren werden mit ihren Tugenden, Fehlern, Frustrationen, Schwierigkeiten und möglichen Konfliktlösungen gezeigt, die sich aus dem Antagonismus ihrer Verpflichtung als Mitglieder des C.D.R. und ihren persönlichen Gefühlen ergeben. Calixta Comité spiegelt die ideologische Krise in Kuba wieder, die sich wenige Monate nach der Uraufführung des Stückes darin äußerte, daß es nicht mehr nur die Bürgerlichen waren, die die Insel „irrtümlicherweise" verließen. Alto riesgo (1996), das bisher letzte Stück von Eugenio Hernández Espinosa, bewegt sich zwar im „Rahmen der Revolution", ist aber gleichzeitig ein gewagtes Stück. Espinosa geht einem aktuellen Thema auf den Grund. Eine junge Frau - Opfer einer Razzia in der Universität, die gegen konterrevolutionäre Umtriebe durchgeführt wurde - rächt sich auf besondere Weise an dem Mann, dem sie ihre Vorstrafe zu verdanken hat: Sie wird jinetera, eine Hure (Elizalde 1995).4 Der Autor konfrontiert die Figuren, verurteilt nicht. So wird die Situation in ihrer vollen Komplexität sichtbar, und der Ausgang bleibt offen. Obwohl das Phänomen der jineteras nicht nur die schwarzen Frauen betrifft, bilden sie und die Mulattinnen - sie werden von den Touristen

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von Sara Gómez und Tomás González zu dem Film De cierta manera (Regie führte Sara Gómez) und Andoba von Abrahán Rodríguez behandeln diese Themen (Martiatu Terry 1989). Die jinetera wird nicht diskriminiert, sondern in vielen Fällen als Heldin angesehen (Elizalde 1995).

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als sexuell exotische Objekte angesehen - die Mehrzahl der Frauen, die diese Form der Prostitution sui generis ausüben. Durch die Legalisierung des Dollars und dessen zunehmenden Einfluß haben sich Wertvorstellungen, Lebensentwürfe, die Bedeutung von Erfolg sowie die Art und Weise, diesen zu erlangen, verändert (Martín Fernández, Perera Pérez und Díaz Pérez 1996). Und diese Veränderungen haben in recht kurzer Zeit die Aufwertung der schwarzen Frau innerhalb der Gesellschaft bewirkt (Elizalde 1995). Fernando Ortiz erläutert in seinem Buch Los bailes y el teatro en el folklore de Cuba die Theatralität und die Ritualität afrikanischer Religionen, die im Karneval und bei anderen Volksfesten in Kuba praktiziert werden. Mit dieser Studie verbindet er in einer kulturwissenschaftlichen und vorurteilsfreien Herangehensweise die Anthropologie mit dem Theater. Die afrikanischen Religionen sind Bestandteil des spirituellen Lebens großer Bevölkerungteile. Die santería (von den Yoruba), der palomonte (von den Bantu), die Sociedad Secreta Abakuá (von den Karabalí), die regla arará und der vodoo (beide von den Dahomey) sowie Spiritismus aller Art haben einander beeinflußt und sich mit dem Volkskatholizismus vermischt. Damit bilden sie einen Teil komplizierter transkultureller Beziehungen. Die reichen Mythologien, auf denen diese-Religionen beruhen, und ihr rituelles Erbe haben ein teatro ritual caribeño mit eigenen Charakteristika hervorgebracht. Es ist heilig, wenn es religiöse Funktionen erfüllt, und profan, wenn es in theatralen Spielräumen, die konventioneller oder auch unkonventioneller Art sein können, aufgeführt wird. Dieses Theater, das in einer lebendigen religiösen Kultur wurzelt, unterscheidet sich vom interkulturellen Theater und von der sogenannten „postmodernen Performance". 5 Durch transkulturelle Prozesse 6 sind das sakrale und das profane teatro ritual caribeño (rituelles Theater der Karibik) entstanden und haben trotz gegenseitiger Beeinflussung eigene Entwicklungen genommen. Die Akteure dieses Theaters sind die gläubigen Künstler - Schauspieler, Tänzer und Medium in einer 5

Die postmoderne Performance „... ist das Produkt einer postindustriellen Gesellschaft, die von ihrer Geschichte und Kultur dermaßen übersättigt ist, daß sich ihre Mitglieder danach sehnen, sich selbst und ihre Tradition im unablässigen Schwall bedeutungsloser Bilder aufzulösen." (Fischer-Lichte 1994)

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Transkulturation ist eine Kette von Elementen, die nach Ortiz die kubanische und karibische Kultur konstituiert. Im Theater, einem von historischem Miteinander gezeichneten, kontinuierlichen Prozeß, zeigt sich die biologische und/oder kulturelle Vermischung als gemeinsame Identität.

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Person - und die von ihnen beeinflußten Teilnehmer. Durch eine kontinuierliche Erfahrung artikulieren sie ihre Verantwortung als Künstler gegenüber dem Glauben (Martiatu Terry 1994). Dieses Theater hat fast alle Bühnenkünste beeinflußt: das Kinder- und Jugendtheater, das Erwachsenentheater, den traditionellen, modernen und zeitgenössischen Tanz. Die Dramatiker schöpfen aus den oralen Traditionen, die diesen Religionen zugrunde liegen. Als wichtigste Quelle gilt das Oráculo de Ifä, ein Sehersystem der Yoruba, mit seinen patakines (Legenden), die viele Autoren inspiriert haben. Folgende Stücke, die sich mit mythologischen, religiösen und damit zusammenhängenden volkskulturellen Themen befassen, sind hervorzuheben: An erster Stelle Maria Antonia von Eugenio Hernández Espinosa, wo die santería im Vordergrund steht; in Chago de Guisa (1989) von Gerardo Fulleda León sind es Elemente der Bantu und Yoruba Traditionen; Cefi y la muerte (1983) von Ramiro Herrera beruht auf dem teatro de relaciones, einer karnevalesken Theaterform aus Santiago de Cuba; Baroco von Rogelio Meneses ist eine Version von Réquiem por Yarini von Carlos Felipe. Repique por Mafifa (1992) handelt von einer schwarzen Glockenspielerin der Congagruppe Los HOYOS aus Santiago de Cuba, die nicht akzeptieren kann, daß sie ein Mannweib und von einem Geist besessen ist; La piedra de Elliot von Elaine Centeno ist ein Werk voller Ritualität und zeigt die Sorgen eines schwarzen Jugendlichen unserer Zeit, sein Verhältnis zur Religion, zu Göttern, Geistern und zum Mysterium. Da die Magie als Mittel zur Erlangung von Erkenntnis, zur Beherrschung der Wirklichkeit und als zweite Erklärung aller Dinge und die Funktionen von Ritualen in der karibischen Kultur eine bedeutende Rolle einnimmt, können sich die Strukturen einiger Dramengattungen verändern.7 Rogelio Meneses experimentiert in Santiago de Cuba erfolgreich mit den Techniken der Medien des Spiritismus und des bembé de sao (Mischung aus santería, palomonte und Spiritismus). Tomás González hat Besessenheitstechniken, das Oráculo de Ifá und andere Elemente aus zeitgenössischen Schauspieltechniken miteinander kombiniert und in Havanna seine Methode der actuación trascendente entwickelt. Deutsch von Bettina Reisser 7

Im Unterschied zur klassischen Tragödie besitzen die Figuren in der karibischen Tragödie die Möglichkeit, ihr Schicksal durch Magie zu ändern. Maria Antonia hätte sich durch santerk retten können, was sie ablehnte. Weil sich Chago de Guisa bedroht sieht, führt er bestimmte Riten aus, ohne die die Handlung der Tragödie nicht vorangetrieben würde.

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Inés Maria Martiatu Terry

Literatur Arango y Parreño, Francisco de: „Discurso sobre la agricultura de la Habana y medios de fomentarla", in Documentos para la Historia de Cuba, hrsg. von Hortensia Pichardo. Havanna 1971. Barnet, Miguel: „La Posesión", in Tablas 4 (1984). Elizalde, Rosa Miriam: „Jineteras en la Habana, ¿qué será de mí si la suerte me abandona?", in Contracorriente 1,2 (Okt.-Nov. 1995). Fischer-Lichte, Erika: „La performance postmoderna. ¿Regreso al teatro ritual?", in Criterios 32 (Juli-Dez. 1994). Franco Ferrán, José Luciano: Las conspiraciones de 1810 y 1812. Havanna 1971. Fulleda León, Gerardo: Algunos dramas de la colonia. Havanna 1984. Henríquez Urefta, Max: Panorama histórico de ¡a literatura cubana. Bd. 1. Havanna 1987. Hernández Espinosa, Eugenio: Teatro. Havanna 1989. : „Alto riesgo", in Tablas 1 (1997). Leal, Riñe: La selva oscura. Havanna 1975. Martiatu Terry, Inés María: „Plácido, el destino incierto", in Tablas 4 (1986). : Prolog zu Teatro de Eugenio Hernández Espinosa. Havanna 1989. : „Mayoría étnica y minoría cultural", in Tablas Sonderausgabe für Asociación Internacional de Teatro para Niños y Jóvenes (1993). : „Actuación trascendente, ¿el nacimiento de un método?", in El reino de este mundo (Taller Escuela de Teatro de América Latina y el Caribe). Lima 1994. : „Transculturación e interculturalidad, algunos aspectos teóricos", in Tablas 4 (1996). Martín Fernández, Consuelo; Perera Pérez, Maricela; Días Pérez, Maicky: „La vida cotidiana en Cuba. Una mirada psicosocial", in Temas, 7 (Juli-Sept. 19%). Orovio, Helio: Diccionario de la música cubana. Bwgráfico y técnico. Havanna 1981. Ortiz, Fernando: Los bailes y el teatro de los negros en el folklore de Cuba. Havanna 1981. : „La música sagrada de los negros yorubás en Cuba", in Ultra (1937). Pérez Alvarez, María Magdalena: „Los prejuicios raciales y sus mecanismos de reproducción", in Temas 7 (Juli-Dez. 1996). Pino, Amado del: „Presentación a Alto riesgo", in Tablas 1 (1997). Inés María Martiatu Terry (1942), spezialisiert auf die Kultur der Karibik. Studium von Geschichte, Ethnologie, Musik und Theater an der Universidad de La Habana. Publikationen (u. a.): Maria Antonia wa-ni-ilere de la violencia. 1984; Baroko, el rito como representación. 1993; „A festival against all odds", in The Drama Review (Sommer 1995); „Los bailes y el teatro: la obra orticiana", in América negra (Nov. 1996; El Caribe: teatro sagrado, teatro de los dioses (Monographie). Madrid 1992; Vorwort zu Teatro de Eugenio Hernández. Havanna 1989; Actuación trascendente. Lima 1994; Okín diez años. Havanna 1998.

Armando González Pérez

Schwarze Präsenz im kubanischen Theater der Diaspora Alles wird rekonstruiert werden müssen, und die alten Mythen, wenn sie von neuem wiedererstehen, werden uns ihre Zaubersprüche und Rätsel mit einem unbekannten Gesicht darbieten. Die Fiktion der Mythen sind neue Mythen, mit neuen Erschöpfungen und Schrecken. José Lezama Lima: Die amerikanische Ausdruckswelt1

Wie schon in meinem Buch Acercamiento a la literatura afrocubana beschrieben, hat die neueste von der afrokubanischen Kultur der Yoruba inspirierte Literatur sowohl in Kuba als auch im Exil an literarischer Präsenz gewonnen und zeugt von einer Aufwertung des Beitrags der Schwarzen zum kulturellen Erbe Kubas. Die junge Generation kubanischer Künstler nimmt die afrikanische Vergangenheit in ihrem Verhältnis zur Gegenwart und ihren Wirkungen auf die Zukunft in den Blick, um neue Ausdrucksformen für ihre intimsten Gefühle zu finden und um auf der Suche nach der eigenen Identität ihre Wurzeln wieder zu entdecken. (1994:11 f.) Der Prozeß der Transkulturation, der mit der Kolonisation begonnen hat, bestimmt heute weiterhin das Leben der Kubaner innerhalb und außerhalb der Insel. Rogelio Martínez Furé sagt in einem Interview mit der Zeitschrift Cuban Update: Cuba is among the countries with the greatest diversity of popular religions of African origins; they are alive and in an open process of growth, both here and abroad... What is happening right now is simply that people have taken off their white mask and are assuming their true culture features, their destinity. (1991:28)

Zur Rolle der afrokubanischen Kultur im Exil bemerkt die Wissenschaftlerin Isabel Castellanos: Weit entfernt davon auszusterben, erlebt diese Kultur heute, erneut im unfreiwilligen Exil, eine Blütezeit und Expansion und ist Motor eines erstaunlichen Transkulturationsprozesses im Schoß der nordamerikanischen Gesellschaft. Es ist offenkundig: der afrokubanische Geist ist unbesiegbar. Er widersteht allen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Veränderungen, denen er ' Deutsch von Gerhard Poppenberg. Frankfurt/ Main 1992, S. 25.

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Armando Gonzalez Pérez unterworfen ist... Er vergeht nicht. Er verändert sich zwar, doch sein Wesen bleibt immer unversehrt. Und wurde gestern noch die Besprengung mit einem Basilikumzweiglein vollzogen, greift man heute, ist das Kraut in Miami, New York oder Los Angeles nicht auffindbar, zu einer Spraydose, um das Wasser der Sieben Mächte zu versprengen... (1994:33)

Nach Ansicht von Rine Leal ist der afrikanische Einfluß auf die kubanische Dramatik schon in der Kolonialzeit nachweisbar, aus der die ersten Zeugnisse einer beginnenden kubanischen Theaterkunst stammen. (1975: Bd. I, 63) Fernando Ortiz bekräftigt diese These in seiner interessanten und aufschlußreichen Studie Los bailes y el teatro de los negros en el folklore de Cuba, in der er die den magisch-religiösen Systemen, die durch die Sklaven unterschiedlicher Herkunft nach Kuba gebracht wurden, innewohnende Theatralität beschreibt. (1995:431 ff.) Der Dramatiker und Kritiker Matias Montes Huidobro stellt ebenfalls die enge Beziehung zwischen der afrikanischen Liturgie und dem kubanischen Theater heraus: Die Liturgie der Schwarzen hatte immer schon einen besonderen Stellenwert im Spektrum der kubanischen Glaubensformen und war genauso einflußreich wie die christliche Religion; mehr noch, meinen einige. Wir begegnen daher einem ausgeprägten magischen Element, das aus erster Hand aus den in Kuba weiterlebenden afrikanischen Religionen stammt, aus der reichen literarischen, religiösen und magischen Welt, die sich aus den Quellen der Yoruba speist. [...] Magische Welt, theatralische Welt und schwarze Welt scheinen synonym zu sein. (1991:41 ff.)

Wenn man bedenkt, daß im Exil das Bekenntnis zur afrokubanischen Kultur beinah einer Manifestation nationaler Identität gleichkommt, ist die Zahl der zeitgenössischen Dramatiker gering, die dieses Thema behandelt haben oder in ihrer literarischen Arbeit aus der Mythologie der Yoruba und ihrem reichen Fundus an Gesängen, Tänzen, Chorgebeten, Pantomimen und Dialogen schöpfen. Die schwache Präsenz der schwarzen Thematik im Theater der Diaspora ist aus dem historischen, politischen, gesellschaftlichen und künstlerischen Kontext des Exils zu erklären und zu verstehen, in dem diese Theaterkünstler sich bewegen und dessen kulturelle Rahmenbedingungen ihnen wenig Möglichkeit zur Veröffentlichung ihrer Stücke und noch viel weniger zu deren Inszenierung bieten. Man muß dazu sagen, daß die Theaterkünstler im Exil völlig auf sich gestellt waren, um sich in der für sie schwer verständlichen und manchmal feindlichen Welt zurechtzufinden. Sie hatten weder die Möglichkeiten noch die Unterstützung, die den

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Dramatikern auf Kuba bei der Verbreitung der reichen afrokubanischen Folklore durch den staatlichen Apparat zuteil wurde.2 Dieser Aufsatz soll einen informativen, wenn auch nicht erschöpfenden Überblick über die Präsenz der schwarzen Kultur im Theater der Diaspora geben. Zu diesem Zweck werden Stücke analysiert, deren vielfältige Thematik sich in ganz unterschiedlicher dramatischer Form präsentiert. Es handelt sich um Stücke, die eine direkte Botschaft übermitteln und ohne Angst vor Repressalien umstrittene Themen wie Rassismus, Verfolgung von Homosexuellen, Aids, Inzest, Drogen und natürlich die Kritik an der Revolution Castros zur Sprache bringen. Es sind ganz unterschiedliche Autoren, die im Exil Theaterstücke geschrieben haben, die aus der Kultur der Schwarzen schöpfen. Sie gehören verschiedenen Generationen von kubanischen Theatermachern an, zu denen u.a. Autoren wie Matías Montes Huidobro, Raúl de Cárdenas, José Corrales, Manuel Pereiras, Héctor Santiago, Manuel Martín Jr. und Pedro Monge Rafuls zählen.3 Die Stücke dieser Autoren lassen sich je nach Blickwinkel als politische, historische oder soziologische Stücke klassifizieren. In den meisten ist das Spanische die Sprache der Verständigung, obwohl es auch einige Stücke gibt, die auf Englisch geschrieben sind wie Rita and Bessie und Trash. Die Stücke, die im Kontext der afrokubanischen Mythologie stehen, benutzen zuweilen das Yoruba, besonders in den Ritualen, Gebeten und Gesängen. Die seit 1959 außerhalb Kubas auf Spanisch oder Englisch geschriebenen und veröffentlichten Dramen behaupten sich zu Recht als Teil des kulturellen Corpus, von dem das Leben und die Identität der Kubaner genauso mitgestaltet wird wie die in Kuba entstandene Kunst; als Beispiel dafür ließe sich der große kubanische Roman des 19. Jahrhunderts Cecilia Valdés nennen, der ebenfalls im Exil veröffentlicht wurde.

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Als allgemeinen Überblick über das kubanische Exiltheater vgl. den hervorragenden Aufsatz von Pedro R. Monge Rafuls: „Sobre el teatro cubano", in OLLANTAY 2 , 1 (1994), S. 101-113.

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Der Kritiker José A. Escarpanter unterteilt in seinem Aufsatz „Rasgos comparativos entre la literatura de la isla y del exilio: el tema histórico del teatro", in Lo que no se ha dicho (Monge Rafuls 1994), S. 53-62, die verschiedenen Jahrgänge von Dramatikern in zwei Generationen, die er als „die gespaltene Generation" und „die heimatlose Generation" bezeichnet. Nicht in dieser Klassifizierung enthalten ist der im französischen Exil lebende Dramatiker José Triana, Autor der Stücke Medea en el espejo (1960) und La muerte de Ñéque (1963), die er noch in Kuba geschrieben hat und die von großer Bedeutung für diese literarische Richtung sind.

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Matías Montes Huidobro schreibt 1981 La navaja de Olofé, in dem er sehr frei die Mythen und Legenden der Yoruba interpretiert, die mit den orishas, den Göttern der santería, die mit den Sklaven nach Kuba kamen, gleichgesetzt werden, besonders mit Ochün, Changó und Yemayá.4 In dem kurzen Stück beleuchtet der Autor die problematische Liebe bzw. sexuelle Beziehung der Protagonisten. Das scheinbar einfache Thema wird erst kompliziert, wenn mit der santería das heikle Inzestthema angeschnitten wird. Die Verwendung dieses dramatischen Elements ermöglicht eine Verdoppelung der Figuren und erweitert die Deutungsmöglichkeiten des Stücks. „La navaja", die Messerklinge, kann sowohl auf das Werkzeug anspielen, das der Mann für die Rasur verwendet, als auch auf die Waffe, zu der die Frau am Ende des Stücks bei der symbolischen Kastration greift. Das Messer kann sich aber auch auf den Phallus beziehen, dem Symbol von Stärke und sexueller Macht, das mit Olofé bzw. Olofi gleichgesetzt wird, der höchsten Gottheit in der Glaubensvorstellung der Yoruba, und mit Changó, der Verkörperung des macho par excellence. Der Protagonist des Stücks, ein junger Mulatte, legt von Anfang an ein machohaftes Gebaren gegenüber seiner Geliebten an den Tag. Er schreit sie an, daß er sie satt habe und daß er an diesem Karnevalsabend ausgehen wolle, um sich mit jungen und scharfen Mulattinnen zu vergnügen. Der Aktionsraum Bett/Sessel trägt zur Verdoppelung der Figur der Frau bei. Die Frau/Geliebte legt sich aufs Bett und bietet ihm an, mit ihm zu schlafen, um ihn davon abzuhalten, fortzugehen. Durch die Zurückweisung erfährt der Charakter der Frau eine Veränderung; verärgert steht sie auf und geht zum Sessel. Dem Autor gelingt es, sie nun mit Hilfe der Magie der Yoruba in eine traurige Mutter zu verwandeln, die sich darum sorgt, was ihrem Sohn im Karneval von Santiago alles passieren kann. Sie warnt ihn vor den Gefahren des Alkohols und der Messerstechereien und rät ihm, sich vor den Mulattinnen in Acht zu nehmen, die heiß wie Feuer sind. Die Mutter/Geliebte beklagt ihr Alter: Wie weit liegen die guten Zeiten zurück! Jene Nächte. Als ich in Trance fiel... 90 prozentiger Alkohol mit Zitrone... Ach, mein Junge, hättest du deine Mutter nur in ihren besseren Tagen gekannt! Sie hätte eine von denen sein können... (1991:211)

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Auch wenn La navaja de Olofe eine Bearbeitung des frühen Stücks Las caretas ist, unterscheidet es sich inhaltlich und von der dramatischen Struktur grundlegend von dem frühen Stück, das verloren ging, als der Autor ins Exil mußte.

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Die Mutter/Geliebte ist eifersüchtig auf die Mulattinnen und gibt Olofé die Schuld an ihrem körperlichen Verfall. Wenn sich der Sohn/ Geliebte ihr vor dem Spiegel nähert, singt sie in grotesker Manier: Siehst du, ich kann nicht mehr laufen,/ Siehst du, vögeln kann ich auch nicht mehr,/ Siehst du, ich bin eine echte Negerin,/ Siehst du, doch eine Negerin ohne Pfeffer. (209)

Die Mutter/Geliebte symbolisiert wie die Göttin Yemayá die Fruchtbarkeit als Mutter-Erde oder Mutter-Wasser, von der alles Leben ausgeht. Die Mutter geht zurück ins Bett und erzählt auf laszive Weise die Legende von der Verführung des Gottes Changó durch seine Mutter Yemayá. Die Mutter/Geliebte spielt eine aktive Rolle in der Verführung ihres Sohns, den sie kleiner Changó nennt. Die mystische Vereinigung findet statt, wenn die Mutter als Göttin der Lucumi (kubanische Bezeichnung für die Yoruba) ausruft: Komm berühr mich, Olofé! Olofé bin ich! Olofé bist du! Olofé ist das Bett! ... Fliege und schwimme! Schwimme im Wasser! Schwimme... im... Wasser! (210)

La navaja de Olofé ist in seiner dramatischen Struktur mit der Magie und den Mythen der Yoruba ein komplexes Stück. Das Inzestthema verweist auf die Arbeiten von Sigmund Freud und seine Untersuchungen zum Ödipus-Komplex. In La navaja de Olofé ist die Quelle der Inspiration die santería, und die Yoruba-Mythen werden der Handlung des Stücks, der Funktion seiner Figuren und der szenischen Darstellung angepaßt. Matfas Montes Huidobro gelingt es mit Hilfe der afrokubanischen Elemente eine erstaunliche Theatralität herzustellen, die er uns mit Figuren präsentiert, die von den Göttern Olofé/Changó besessen sind und in der sich besonders die Figur der Mutter/Geliebten/Yemayá durch die Vielfalt ihrer dramatischen Rollen hervorhebt. Das Stück Otra historia, das Pedro Monge Rafuls zwischen 1993 und 1996 geschrieben hat, weist unserer Meinung nach neue Elemente innerhalb dieser Dramatik auf, wie z. B. die physische Präsenz der orishas, die aktiv in das Leben der Protagonisten eingreifen, die auf der Bühne gezeigten Liebesszenen zwischen Changó und Ochún und das Thema der Homosexualität, die in dem Stück akzeptiert wird, obwohl die Religion Homosexualität generell ablehnt. Die Präsenz der orishas durchdringt das gesamte Stück, gleich zu Anfang wird eine Beziehung zwischen den Gottheiten, den Protagonisten und den Zuschauern hergestellt. Die Magie beginnt in dem Moment, wenn das Publikum das Theater betritt und

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die in den für sie emblematischen Farben gekleideten orishas die Zuschauer empfangen und mit einigen von ihnen einen sogenannten despojo, einen Ritus zur Geisteraustreibung vollziehen. Die Macht der orishas ist so umfassend, daß sogar der santero, der Priester der santería-Religion, sich ihrem Willen unterwerfen muß. Die Präsenz des Afrokubanischen und der Magie sind grundlegende Aspekte dieses Textes und begründen seine dramatische Struktur. Zur Gestaltung des Handlungsablaufs und der szenischen Umsetzung wird eine lineare Sprache verwendet, die mit Brüchen in Dialog, Zeit und Raum versetzt ist. Das Bühnengeschehen von Otra historia dreht sich um die Dreiecksbeziehungen zwischen José Luis, Marina und Teresa und zwischen José Luis, Marina und Marquito. José Luis liebt Marquito, spielt aber in der Öffentlichkeit den Frauenhelden. Die „andere Geschichte", nämlich diese Liebesgeschichte, ist das zentrale Thema des Stücks. Monge Rafuls stellt ihr in einer gewagten Szene die Beziehung zwischen Changó und Ochún gegenüber. Das afrokubanische Element und die Magie sind grundlegende Faktoren für die Entwicklung der dramatischen Handlung und die szenische Umsetzung dieses mutigen und provokativen Theaterstücks. Zudem trägt das magisch-religiöse Element der santería dazu bei, den konventionellen Realismus auf der Bühne zu überwinden und hebt Otra historia auf ein poetischeres Niveau. Las hetairas habaneras, \977 von José Corrales und Manuel Pereiras geschrieben, und das 1998 entstandene Los hijos de Ochún von Raúl de Cárdenas sind politische Stücke, die den afrokubanischen Mythos einsetzen, um die Handlung voranzutreiben. Die Intertextualität beider Stücke zu klassischen Vorlagen ist auffallend. Las hetairas habaneras rekurriert auf Die Troerinnen von Eurípides und Los hijos de Ochún auf Die Perser von Aischylos. Keines der beiden Stücke greift ausschließlich auf die vorgegebenen Muster der griechischen Tragödie zurück, wenn auch Elemente wie der Chor, die fortlaufende Entwicklung der Handlung, verschiedene Ausdrucksformen und einzelne Sequenzen des Stücks sowie der Grabgesang am Ende auf diese Tradition verweisen. Los hijos de Ochún erzählt von der Invasion der „Schweinebucht", vom Bruderkrieg, der in den Kontext der afrokubanischen Mythologie gestellt wird. So wird beispielsweise die Königin der Perser, Atossa, zu Ochún, die in der santería mit der Barmherzigen Jungfrau von Cobre gleichgesetzt wird, der Schutzheiligen Kubas. Ihr Sohn Xerxes erscheint doppelt als die beiden Söhnen der Yoruba-Gottheit. In Los hijos de Ochún geht es nicht in erster Linie um die äußerlichen Auswirkungen des Konfliktes, es geht vielmehr den Gründen nach, die die Männer dazu bewogen haben, dar-

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an teilzunehmen. Die Rivalität zwischen den Götterbrüdern Ogútt und Changó wird auf die aktuelle kubanische Problematik projiziert. Sie beschuldigen sich gegenseitig - unmißverständliche Anspielungen auf die Gegenwart - den Konflikt verursacht zu haben. Die Tragödie endet mit dem itutu, dem Totengetrommel der Yoruba, das von dem Gesang des Chores und des akpuón, des Solisten, begleitet wird. Die letzten Verse des Stücks sind Ausdruck von Solidarität und Hoffnung: Wir sind die Wut, die Träne/der weinenden Mutter./ Wir sind der Zorn des gerechten Patrioten,/der gegen Spanien kämpfte./ Wir sind die Statue des Schwarzen Maceo,/wir sind die Lyra, die Marti erschauern ließ./Wir sind Kuba, wir sind eins,/und eins mit allen,/die ihr Leben der Freiheit geopfert haben.../ Wir sind Kuba, und Kuba wird wieder aufstehen. (78 f.)

Die Autoren von Las hetairas habaneras bedienen sich geschickt der Parodie, um den Diskurs der kubanischen Revolution zu unterminieren. Die Parodie ist auf die Figur von Menelao Garrigó alias Fidel Castro konzentriert. Die Handlung spielt im Bordell La Gloria in Havanna in den ersten Jahren der Castro-Revolution. Zur Geburt des Enkels von Diosdada, der Chefin des Bordells, singen die Hetären. Dabei mischen sich in die christliche Liturgie Elemente afrikanischer Glaubensvorstellungen: Gesegnet sei er von Eleggw/und von den orishas der Berge /allen orishas./V on Korallenstrauch und Palme/ bringe ich Stärke,/Stolz, Verführungskraft/ und Ungestüm./ Und vom Tabakblatt und Kaffeestrauch/bringe ich diesem Kind/ sein ganzes ashé (Charisma). (19)

Menelao ist ein Revolutionär, der den Neuen Menschen schaffen will. Im Verlauf einer verwickelten Handlung läßt er den heranwachsenden Enkel Diosdadas kastrieren. Nun ist der der neue Mensch, der bedingungslos - ohne eigene Triebe - dem Kurs der Revolution folgt. Las hetairas habaneras ist ein allegorisches Stück mit einer soliden Struktur, seine parodistischen Absichten sind in den Kontext der afrokubanischen Mythologie eingebettet und unterwandern den Diskurs des neuen politischen Systems in Kuba. Besonderer Spott gilt jenen, die wie die Hetären dem Regime dienen. - Am Ende des Stückes landen sie in einem Umerziehungslager. La eterna noche de Juan Francisco Manzano (1995) von Héctor Santiago basiert auf der traurigen Lebensgeschichte, der „ewigen Nacht" des Sklaven Juan Francisco Manzano. In poetischer Form beschreibt es den

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Zustand der Erniedrigung und Nichtigkeit, zu dem Juan Francisco Manzano durch die Sklaverei verurteilt war. Im ersten Teil bezieht sich das Stück auf originale Auszüge und Bearbeitungen der Lebenserinnerungen von Manzano. Der zweite Teil verarbeitet die apokryphe Version seines Lebens. Das Autor nennt es eine Maskerade für Schauspieler, Marionetten und esperpentos, groteske Verzerrungen. Große dramatische Wirkung hat der Einsatz des ikú (eines Orakels, das den Tod prophezeit). Der Tod ist die Verkörperung der Wirklichkeit, die Manzano umgibt und ihn immer an sein Dilemma erinnert: Wohin soll ich dich bringen, Mulatte? Es wird so vieles über dich geredet! Du bist hochmütig und hast dein Schicksal nicht angenommen! Ein Sklave bleibt Sklave, auch wenn er seine Freiheit erkauft. Sieh deine Haut an und sag mir, was du siehst... (1995:5)

Manzano will diese Tatsache nicht akzeptieren. Sein ambivalenter Charakter gründet darin, daß er fern der afrikanischen Kultur und der Grausamkeiten, die sein Volk erleiden m u ß t e aufgewachsen ist und glaubt, sich mit Hilfe seiner intellektuellen Gaben Respekt und Freiheit verschaffen zu können. Sein Konflikt wird in den Worten des ikú deutlich: Hast du nicht dein ganzes Leben damit zugebracht, Anerkennung bei diesem weißen Publikum zu erheischen? [...] Ich werde dir helfen... Ein wenig kenne ich mich im Rampenlicht aus. Vergiß nicht, daß ich es bin, der den letzten Vorhang fallen läßt! (7)

Das Stück betont die Grausamkeit der Plantagengesellschaft, in der Manzano lebte, und thematisiert die konspirative Bewegung gegen die Sklaverei und für die Freiheit, „La Escalera", an der Manzano und der Dichter Gabriel de la Concepción, genannt Plácido, wahrscheinlich teilgenommen haben. Plácido wurde 1844 in Matanzas hingerichtet. Die hier untersuchten Stücke zeigen, auf welche Weise die nach Kuba verpflanzten afrikanischen Mythen auch im Theater des Exils präsent sind. Die schwarze Kultur wird nicht nur als folkloristische Attraktion eingesetzt. Sie wird vielmehr als wesentlicher Teil der kubanischen Identität hervorgehoben. Deutsch von Almuth Fricke

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Literatur Cárdenas, Raúl de: Los hijos de Ochún (1998). Castellanos, Isabel; Castellanos, Jorge: Cultura afrocubam, Bd. 4. Miami 1994. Corrales, José; Pereiras Manuel: Las hetairas habaneras. Honolulu 1988. Escarpanter, José A.: „Rasgos comparativos entre la literatura de la isla y del exilio: el tema histórico en el teatro", in Lo que no se ha dicho. (Monge Rafuls 1994), S. 53-62. González-Pérez, Armando: Acercamiento a ¡a literatura afrocubana. Ensayos de interpretación. Miami 1994. Leal, Riñe: Teatro Bufo: Siglo XX: Antología. 2 Bde. Havanna 1975. Martínez Furé, Rogelio: „Black Culture, Cuban Culture", in Cuban Update XXVI (1991), S. 27 f. Monge Rafuls, Pedro R.: „Sobre el teatro cubano", in OLLANTAY 2,1 (1994), S. 101-113. : Otra historia (19%). Montes Huidobro, Matías: „La navaja de Olofé", in Obras en un acto. Honolulu 1991. Ortiz, Fernando: Los bailes y el teatro de los negros en el folklore de Cuba. Havanna 1985. Santiago, Héctor: La eterna noche de Juan Francisco Manzano (1995). Weitere Theaterstücke zum Thema Corrales, José: Orlando (1987). : Vida y mentira de Lila Ruiz (1989). : Nocturno de cañas bravas. Princeton 1994. : Cuestión de santidad (1996). Martín Jr., Manuel: Rita and Bessie (1992). Monge Rafuls, Pedro R.: „Trash", in Ollantay 3,1 (199), S. 107-114. Sánchez-Boudy, José: La rebelión de los negros. Miami/Madrid 1988. Santiago, Héctor: Historias de orishas yorubas de la isla negra de Cuba: cuatro patakis. (1995) : Medea y los cuchillos (1996). : Shangó Olufina: Alafín de Oyó (1996). : Taita Jicotea y Taita Ciervo (1993). : Vida y pasión de la Peregrina. Miami 1997. Triana, José: „Palabras comunes", in Teatro. Vorwort von José A. Escarpanter. Madrid 1991. Armando González-Pérez, Dr. phil. der Michigan State University; Chairman des Department of Foreign Languages and Literatures der Marquette University. Spezialgebiete Literatur des spanischen Mittelalters, afro-hispanische Literatur und zeitgenössisches kubanisches Theater. Publikationen: Acercamiento a la literatura afrocubana. Ensayos de interpretación. Hrsg. mit Jorge Febles: Matías Montes Huidobro: Acercamientos a su obra literaria. Lewiston 1997. (Essay-Sammlung).

Esther Suárez Durán

Das teatro vernáculo: die Entstehung der cubanidad Wenn wir uns mit dem teatro vernáculo beschäftigen, müssen wir zwangsläufig auf die Entstehungsmomente des nationalen Bewußtseins zurückkommen. Und wenn wir von cubanidad sprechen, dann im Sinne der großen kubanischen Essayisten dieses und des vergangenen Jahrhunderts, das heißt, den Begriff nicht an einer statischen, gestalteten und verfestigten Wesensheit festmachen, die sich historisch und unabhängig von ihren konkreten Äußerungen definieren ließe. In jedem Fall ist damit „ein besonderes Gefühl für die Insel und eine bestimmte Haltung gegenüber der Welt" 1 verbunden, ein bestimmter Tonfall2, ein Komplex von Empfindungen, Idealen und Vorstellungen, der sich in erster Linie im Bewußtsein einer Zugehörigkeit3 manifestiert. Bildet sich der Charakter eines Volkes in der materiellen und spirituellen Auseinandersetzung mit anderen Völkern, so verlief diese für Kuba in kürzester Zeit und auf engstem Raum als eine Kreuzung der verschiedensten Kulturen. Schon vor Columbus sind auf der Insel unterschiedliche indianische Kulturen zusammengetroffen. Nach 1492 kamen die Weißen aus allen Teilen Europas - Spanier, Italiener, Franzosen, Nordeuropäer - in einem stetigen Strom von Einwanderern. Und mit den Weißen kamen die Schwarzen, zunächst aus den unterschiedlichsten Gegenden und Kulturen Afrikas, dann auch von anderen Antilleninseln; später, als man sie als Arbeitskräfte anwarb, kamen Asiaten aus China und auch aus Japan hinzu. Eine schreckliche Folge des Zusammentreffens von in ihrer Entwicklung und Zielsetzung so unterschiedlichen Kulturen war das Verschwinden der Eingeborenen von der Insel. So stammte bereits gegen Ende des 16. Jahrhunderts die gesamte Bevölkerung und damit alle in 1

2 3

Vgl. Cintio Vitien Lo cubano en la poesía. Universidad Central de Las Villas 1958, S. 13. Vgl. ders.: „Poesía y cubanía", in Estudios Literarios. Havanna 1981, S. 68. Vgl. Fernando Ortiz: „Los factores humanos de la cubanidad", in Etnia y sociedad. (Auswahl, Kommentar und Vorwort von Isaac Barreal). Havanna 1993, S. 4. Ortiz schreibt weiter: „Die vollkommene cubanidad besteht nicht nur darin, aus irgendwelchen umweltbedingten Zufällen, die das Individuum umgeben und seine Lebensbedingungen geprägt haben, Kubaner zu sein; es zählen genauso das Bewußtsein, Kubaner zu sein, und der Wille dazu."

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Esther Suárez Durati

Kuba überlebenden Kulturen von jenseits der Meere; alle waren „gleichermaßen Eindringlinge, die als Eroberer oder als Sklaven [...] von außen kamen und vom Trauma ihrer Entwurzelung oder gewaltsamen Verpflanzung gezeichnet waren."4 Diese Umstände prägen die ersten Merkmale der cubanidad. So ist es kein Zufall, daß sich schon in den Versen des ersten literarischen Dokuments, dem Espejo de paciencia, das die Rettung des Bischofs von Bayamo aus den Händen der Piraten beschreibt, die Figur des Priesters mit den heidnischen Gottheiten und der indianischen Fauna und Flora mit der Ungezwungenheit und undogmatischen Freizügigkeit vermischen, die später als Wesenszug des Kubanischen genannt werden. Das künstlerische Schaffen der Folgezeit fügt weitere Merkmale hinzu. In der Poesie werden die ersten Gegenstimmen zum Mutterland laut: Die Gedichte von Manuel Justo de Rubalcaba (1769-1805, Vertreter der kubanischen silva) beschreiben die Früchte der Insel als süßer und köstlicher; Gabriel del Concepción Valdés (oder Plácido, 1809-1844) und José Jacinto Milanés y Fuentes (1814-1863) betonen den strahlenden Zauber kreolischer Lebensart; parallel dazu entwickelt die volkstümliche Dichtung eine eigene poetisch-musikalische Ausdrucksform: aus der aus Spanien stammenden Espinela (nach dem span. Dichter Vicente Espinel benannter Zehnzeiler) entsteht die ländliche Dezime, die von der Leier oder Gitarre, vom tiple (hochgestimmte amer. Gitarre) oder güiro (kuban. Musikinstrument aus einem Flaschenkürbis) begleitet wird. Ende des 18. Jahrhunderts komponiert der Kubaner Esteban Salas, Kapellmeister der Kathedrale von Santiago de Cuba neben auf lateinischen Texten basierenden Messen und Motetten eine große Zahl von Volksliedern zu komischen Gedichten auf Spanisch; das war einzigartig für diese Epoche. Aus der gleichen Zeit stammt die erste volkstümliche Komposition rein kubanischer Prägung: die guaracha5, „La Guabina", die um 1780 in Mode kam. Sie unterscheidet sich in Struktur und Intention kaum von der zeitgenössischen Musik. Für die Bühne ist das 19. Jahrhundert die Blütezeit für alle Arten des Musiktheaters. 1810 beginnt es, das Interesse an rein dramatischen Elementen zu verdrängen und das Musikalische in den Vordergrund zu 4

Ebd., S. 13.

5

Das Oxford Dictionnary of Music gibt folgende Definition der guaracha: kubanischer und puertorikanischer Tanz und Gesang. Die geläufigste Form der guaracha, ein Tanz der weltweit Mode war, ist der s / 8 -Takt. Sein besonderes Merkmal ist der im allgemeinen zweideutige Charakter der Texte." (Havanna 1981, S. 584).

Das teatro vernáculo

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rücken. Man spielt alle Arten von Opern, Operetten und ihre volkstümlichste und einfachste Variante: die tonadilla escénica6, die in Spanien bereits außer Mode war, in Havanna und anderen amerikanischen Städten aber bei jeder Aufführung mit Spannung erwartet wurde. Sie war so beliebt, daß man bis zu zweihundert Kompositionen verzeichnet hat, zum Großteil aus der Feder kubanischer Autoren. Einer der bedeutendsten Komödianten Havannas, Francisco Covarrubias, ein Schauspieler mit sicherem Gespür für das Volkstümliche und ein Kenner des Unterhaltungstheaters des Mutterlandes, begriff, daß man die spanischen Typen aus saínetes (span. Schwank, Lustspiel), tonadillas und zarzuelas (span. volkstümliches Singspiel) durch kubanische Typen ersetzen konnte. Er brachte seit 1812 guajiros (Landarbeiter), monteros (Viehhirten) und Tagelöhner auf die Bühne, und wenn er in seinen Stücken auch die Strukturen seiner spanischen Vorläufer beibehielt, bemühte er sich doch, die musikalischen Teile mit einheimischen Rhythmen zu bestreiten. Komödienschreiber wie José Agustín Millán und Bartolomé José Crespo y Borbón (der unter dem Pseudonym Creto Gangá firmierte) folgten seinem Beispiel. Millán verarbeitete kubanische Gebräuche, Umgangsformen, Ambientes und Ereignisse, und Creto Gangá führte die Sprache der schwarzen Sklaven auf der Bühne ein. Die Figur des Schwarzen war zwar seit Beginn des Jahrhunderts auf der Bühne präsent, nun bot sich die Möglichkeit, sie zu einem „Typ" zu entwickeln. Diese Vorläufer bereiteten den Weg für ein Theaterphänomen von weitreichender Bedeutung in der Entstehung des nationalen Theaters: des kubanischen teatro bufo. Mitte des 18. Jahrhunderts kommt in Paris eine aus Neapel stammende Gattung des Musiktheaters in Mode: die opera buffa, die italienische Bezeichnung für die komische Oper. Und schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist es Brauch in Paris, jene Theater, in denen diese Art von Stücken gespielt wurde und auch deren Schauspieler, als bouffes zu bezeichnen. Wenig später erreicht die Gattung auch Spanien mit der Gründung der COMPAÑÍA DE BUFOS MADRILEÑOS durch Francisco Arderius in Madrid. Am 3 1 . Mai 1 8 6 8 gibt die COMPAÑÍA DE BUFOS HABANEROS im Villanueva-Theater der Hauptstadt ihr Debüt. Mit ihnen erscheinen - nun 6

Diese tonadilla hat ihren Ursprung in den spanischen jdcaras, kurze und leichte Lieder bzw. Romanzen, die in den Pausen der Theateraufführungen gesungen wurden. Die jdcara, vom Arabischen xaque, Gauner, Zuhälter, diente dazu, die Richtung der Stücke zu verdeutlichen, da diese scharfer Zensur unterlagen.

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Esther Sudrez Durän

endgültig - die nationale Dramatik, die kreolische Musik und die kubanischen Typen auf der Bühne. Das teatro bufo brach in eine Theaterwelt ein, die bis dato von der italienischen Oper, der spanischen zarzuela und dem spätromantischen Drama beherrscht wurde, zu einem Zeitpunkt, als alles gegen eine nationale Dramatik verschworen schien. Man entdeckte das Theater als Ort gesellschaftlicher Auseinandersetzung: Havanna war ein wichtiger Standort geworden, und Stars aus Spanien, Frankreich und Italien wurden unter Vertrag genommen; an der Bildung nationaler Theaterkompagnien war man nicht interessiert. Außerdem verschärfte sich die koloniale Zensur.7 Ungeachtet dieser großen Hindernisse eroberte das teatro bufo die Spielzeit,8 obwohl gesellschaftliche Randfiguren Träger seines Bühnengeschehens sind, das ebenfalls in einem marginalen Umfeld spielt, was dem guten Geschmack der Epoche fremd war; obwohl es der gekünstelten Sprechweise der kubanischen Bühnen die Umgangssprache entgegensetzte, die später mit Elementen der Sprachen der Immigranten, dem Galicischen, Katalanischen, Chinesischen und den Kongosprachen, durchsetzt wurde; obwohl in den Aufführungen der danzón, die guaracha und rumba zu hören waren. Zugleich nahmen die kubanischen Typen die Bühne in Besitz, und der Erfolg der Stücke hing ganz davon ab, wie die Schauspieler sie zu gestalten verstanden. Das teatro bufo „ist keineswegs eine für Publikationen und Akademien geeignete literarische Gattung," schreibt Riñe Leal, es ist „eine Art des Theatermachens, die viel stärker auf der Phantasie und Darstellungskraft der Schauspieler als auf dem Geschick seiner Autoren be-

7

Der Hinweis auf die Existenz dieser Einrichtung stammt von 1550, als verboten wurde, „ein jegliches Buch, das Angelegenheiten aus Westindien behandele, ohne vorherige und besondere Erlaubnis zu drucken und zu verkaufen." 1577 forderte dann die Verwaltung vor Ort, daß die militärischen und kirchlichen Machthaber jeden Text prüfen sollen. 1795 etablierte sich mit der Gründung von EL PAPEL PERIÓDICO die Kontrolle über alles Gedruckte. 1 8 1 1 bildete sich im Gegenzug zur politischen Freiheit des Druckgewerbes, die 1810 von den Cortes, dem Parlament, beschlossen wurde, eine lokale Zensurbehörde. 1813 verfügten die Cortes de Cádiz dann selbst, daß die Bürgermeisterämter Abkommen mit den Komödianten treffen sollten, und diese Listen mit den zu spielenden Stücken vorlegen.

8

Der Erfolg war so groß, daß im Zeitraum von acht Monaten die gleiche Anzahl von Kompagnien entstand: Los HABANEROS, LOS CARICATOS, Los BUFOS-MINSTRELS, L o s MADRILEÑOS, L o s BUFOS CANTANTES, LOS CUBANOS, L o s BUFOS TORBELUNOS u n d

sogar eine Frauentruppe LAS BUFAS. Ihr Aktionsradius erstreckte sich auf weite Teile des Landes.

Das teatro vernáculo

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ruht." 9 Die Autoren benutzten die einfache Sprache der Masse der Bevölkerung, um ihre Kultur von der spanischen zu unterscheiden, und dies scheinbare literarische Unvermögen war die Quelle ihrer Ausdruckskraft, die eine im reinsten Sinne szenische Dimension annahm, weil sie in keiner Weise versuchten, mit der Literatur gleichzuziehen. Diese Autoren, die meist in einer Person Dramatiker, Regisseure, Impresarios, Schauspieler oder Musiker waren, also mit Leib und Seele Theaterleute, entwarfen eher Skizzen als die üblichen Theatertexte. Es waren durchlässige Texte, bewußte Vorwände, Provokationen, Entwürfe, mit denen sich zuallererst die Darsteller auseinandersetzen mußten und die Raum für Überraschungen ließen. Daher legten die Autoren auch keinen Wert auf den Erhalt der Texte, die zum größten Teil noch aufgespürt werden müssen. Aus politischen Gründen endete am 22. Januar 1869 jäh die erste glanzvolle Zeit des teatro bufo - die nicht zufällig fünf Monate vor Beginn des ersten Unabhängigkeitskriegs begonnen hatte.10 Der Großteil der bufos ging ins Exil, weil ihnen Gefängnis oder Tod drohten. Erst 1877, kurz vor Ende der kriegerischen Auseinandersetzung, meldete sich das teatro bufo mit der COMPAÑÍA DE TIPOS PROVINCIALES, ab 1879 bekannt als die BUFOS DE SALAS, zurück. Zwischen 1880 und 1890 blühte diese Theaterform wieder auf, und nach und nach entstanden komplexere Produktionen, die die große Zeit des ALHAMBRA-Theaters vorbereiteten. Neue Autoren begannen zu schreiben: Sarachaga, Mellada, Almeyda, Laverán, Salas, Olallo. In Inszenierungen, die von Phantasie und kritischem Geist zeugten, wurden mehr nationale Stücke als je zuvor aufgeführt. Politische Satire und Kritik an der Kolonialverwaltung wurden zum wesentlichen Element dieses Theaters. Diese zweite Etappe brachte zudem Darsteller hervor, die einen Stil begründeten, eine „kubanische Schule". Ihre Popularität war groß, und viele schufen ihre Figuren mit solcher Meisterschaft, daß man sich noch heute an sie erinnert - nicht nur das klassische, für die großen Bevölkerungsgruppen der Insel mehr oder minder repräsentative Dreigespann von Negerlein, Galicier und Mulattin, sondern auch den guajiro, den Draufgänger, den Chinesen und den Trunkenbold. Die Frechheit seiner Texte, der spontane Witz, der aktuelle Mißstände und Personen des öffentlichen Lebens attackierte, brachte dem 9

Rine Leal: Breve historia del teatro cubatto. Havanna 1980, S. 76.

10

Der „zehnjährige Krieg", der am 10. Oktober 1868 mit dem Aufstand in der Zukkerpflanzung La Demajagw im Osten der Insel begann.

Esther Suärez Duran

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teatro vernáculo (oder bufo) aber auch viele Feinde ein. Die Gesellschaft in Havanna bewunderte die französischen Schauspieler und verachtete die bufos im Namen der guten Sitten und des guten Geschmacks. Man darf nicht vergessen, daß das ausländische Theater damals das ästhetische Vorbild war und das fremde Bild, das vorgeblich für das kubanische Theater repräsentativ sein sollte, seine Widersacher gerade in den bufos fand. Gleichzeitig gab es nach Angaben jener Zeit über 12.000 Personen, die ohne Besitz oder eine bekannte Einnahmequelle in Spielhöllen lebten"; 93 % der getauften Kinder zwischen 1841 und 1846 waren unehelich; zwischen 1880 und 1890 lag die Zahl der im Gefängnis Inhaftierten durchschnittlich bei 1101, d.h. auf 1000 Einwohner kamen sieben Gefangene; 1899 gab es bis zu 1400 Freudenhäuser in Havanna, 12 während 1907 von den über Zehnjährigen 41 % der in Kuba geborenen Weißen und 55 % der Farbigen weder lesen noch schreiben konnten.13

Offensichtlich war die angebliche Unmoral der bufos nicht nur ein ästhetisches Phänomen, sondern hatte auch eine politische und ideologische Komponente. Nach dieser glanzvollen Epoche erlebte die Gattung mit dem Jahrhundertwechsel, der Besatzung durch die Nordamerikaner und dem Elend der Republik ihren schrittweisen Niedergang. Das ALHAMBRA, am 10. November 1900 eröffnet, war ihre letzte Heimstätte wenngleich die Produktionen bereits einen anderen Ton hatten - bis zum 18. Februar 1935. An diesem Tag stürzte wie ein böses Omen das Dach des Theaters ein. Das teatro vernáculo bewegte sich genau innerhalb jener Konturen, die das nationale Bewußtsein der Epoche bestimmten. Ohne Zweifel ist es das Phänomen, das dieses Nationalgefühl verkörperte, nachbildete und wiedergab. Die volkstümlichen Typen, ihr Gestus und ihre Mimik, die brillanten Wortspiele und der spontane Witz, mit denen die reale Situation des Landes auf der Bühne gezeigt wurde, kennzeichnen diese urkubanische Theaterform. Als Kunstrichtung eines in seiner Weise politischen Theater hat es im Kampf um die Unabhängigkeit, ab 1868, seinen Teil geleistet. Deutsch von Almuth Fricke

11

Francisco Figueras: Cuba y su evolución colonial. Havanna 1907, S. 297.

!2 Ebd., S. 273-288. 13

José Antonio Ramos: Manual del perfecto fulanista. Havanna 1916.

Das teatro vernáculo

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Literatur Diccionario Oxford de la Música. Havanna 1981. Figueras, Francisco: Cuba y su evolución colonial. Havanna 1907. Leal, Riñe: Breve Historia del teatro cubano. Havanna 1980. Ortiz, Fernando: „Los factores humanos de la cubanidad", in Etnia y sociedad, hrsg. von Isaac Barreal. Havanna 1993. Ramos, José Antonio: Manual del perfecto fulanista. Havanna 1916. Vitier, Cintio: Lo cubano en la poesía. Universidad Central de Las Villas 1958. : „Poesía y cubanía", in Estudios Literarios. Havanna 1981. Esther Suárez Durán (1955). 1978 Abschluß in Soziologie an der Universität von Havanna, wo sie sich u.a. den Theatergruppen PINOS NUEVOS und CUBANA DE ACERO anschließt. Arbeitet im Forschungszentrum für Darstellende Kunst. Publikationen: De la investigación sociológica al hecho teatral (Aufsatz), 1988; Un colectivo tras el telón (Aufsatz), 1988. Theaterstücke für Kinder und Jugendliche: Asesinato en la playita de 16 (in der Anthologie Teatro juvenil), 1986; Estación para la vida, 1987; Concierto en luna mayor (in Monólogos teatrales cubanos), 1989; Mi amigo Mozart, 19%; Para subir al cielo se necesita, 1997; El libro del orégano, 1997 (Erzählungen).

Und ich kann kein Theater machen für ein billiges Publikum, das so ist wie du... La Lupe

José Antonio Évora

Am anderen Ufer schließt sich der Kreis: Das kubanische teatro vernáculo in Miami1

Stellen Sie sich eines jener Wandertheater vor, die auf der Suche nach Publikum in Kuba von Ort zu Ort ziehen. Stellen Sie sich nun vor, daß sich aus irgendeinem unvorhergesehenen Grund die Mitglieder jener Gruppe eines schönen Tages (eines schönen Tages?) gezwungen sehen, außerhalb der Insel auf Tournee zu gehen, und daß sie sich vorübergehend in einem anderen Land niederlassen, in das auch immer mehr Kubaner kommen und wo sowohl Theaterleute wie Publikum die Illusion haben, daß sie schon morgen in ihre Heimat zurückkehren werden, denn ihre Reise geschah nicht freiwillig. Doch es stellt sich heraus, daß ihr Traum von der nahen Rückkehr nach fast vierzig Jahren ein Traum geblieben ist. Dies vermittelt eine Vorstellung vom Wesen des teatro vernáculo in Miami. Es ist ein Theater, das mit seinem Publikum auf Tournee gegangen ist, ohne daß Theaterleute oder Publikum dies gewollt hätten. Es begann seine Arbeit in dem fremden Land mit jener Mentalität, mit der jeder vorübergehende Aufenthalt ertragen wird, besonders wenn er unfreiwillig ist: im Bewußtsein der bevorstehenden Rückkehr. Da sein Exil politische Gründe hatte, wird die Politik auch zum Leitmotiv seines Repertoires. Der Revolution auf der Insel entgegnet es mit Konterrevolution, und dies nicht nur auf politischer Ebene, sondern auch im Künstlerischen. In dem verständlichen Wunsch, das verlorene Gleichgewicht wiederzufinden, und dem Bemühen, die physische Entwurzelung mit einer Überdosis emotionaler Bindung zu kompensieren, entwickelt das teatro vernáculo eine sehr konservative Haltung: es behält die Theatertechniken und -muster bei, mit denen es vor dem Exil gearbeitet hat, auch wenn einige der Theaterleute sicherlich über ausreichende Kenntnis, Erfahrung und Inn ovationsbereitschaft ver-

1

Für diesen Aufsatz habe ich Teile meiner Untersuchung Teatro vernáculo cubano en el exilio: las circunstancias y la tradición verwendet, die 1992 dank eines Stipendiums der John Simon Guggenheim Memorial Foundation erstanden ist. Zur Feldforschung gehörte auch der regelmäßige Besuch von Theateraufführungen in Miami in 1 9 9 4 , u.a. im MARTÍ, LAS MÁSCARAS, TRAIL, BELLAS ARTES und CASANOVA, jetzt TEATRO ZAYAN.

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José Antonio Évora

fügen, um das Theater zu verändern, neue Modelle zu erproben und Autoren der Avantgarde zu inszenieren. Was war der Grund dafür? Das Publikum wollte einfach nichts anderes sehen als das, was es gezwungenermaßen nicht mehr sehen konnte: in Miami mußte die Bühne zum Projektionsort seines Heimwehs werden, und selbst sein Verlangen, noch Jahre nach der Ausreise die aktuelle Situation in Kuba auf der Bühne zu sehen, wird von der Erinnerung gefiltert. Sei es nun in Aufführungen über Ereignisse der 70er, 80er oder 90er Jahre, müssen - zur Selbstbestätigung seines zahlenden Publikums - das Kuba, das 1959 verloren gegangen ist, und die Angriffe des neuen Regimes auf die individuelle Freiheit weiterleben. In Jineteras y apagones, geschrieben und inszeniert von Mario Martín (TEATRO MARTÍ, Juni 1994) spielt eine Szene auf dem Land, und das Haus der jungen und naiven Maricusa, der Nichte von Gardenia, ist eine Schilfhütte, die wie auf einer Ansichtskarte aussieht. Die Handlung spielt zwar vorgeblich 1994, aber die Chefin des Revolutionskomitees2 des Gebäudes, in dem Gardenia in Havanna lebt, trägt eine olivgrüne Uniform und besitzt Schlüssel zu allen Wohnungen, was einem erst vor kurzem nach Miami gekommenen Kubaner gänzlich falsch vorkommen muß, aber nicht den Emigranten von Anfang der 60er Jahre. Auch wenn das vorrevolutionäre Kuba in den meisten Produktionen des teatro vernáculo, die ich gesehen habe, nicht explizit vorkommt, ist es in den Wunschvorstellungen der dramatischen Personen präsent. Ein Stück wie Las Carbonell de la calle Obispo (TEATRO TRAIL, April 1994) beschwört den Geist von Havanna und seine Gepflogenheiten in der Zeit vor 1959 mit einer Geschichte über vier Schwestern, die hervorragend von Schauspielern gespielt wurden3. Da das teatro vernáculo im Exil keine Subventionen erhält, sondern auf die Kasseneinnahmen angewiesen ist - genau wie zuvor in Kuba -, ist es verständlich, daß die Schauspieler, Dramatiker und Regisseure4,

2

CDR, Comité de Defensa de la Revolución, Überwachungsorgan in den einzelnen Stadtvierteln.

3

Komödie in zwei Akten von Raúl de Cardenas mit einer Inszenierung, die auf der ursprünglichen Fassung von Tony Wagner basierte. Die Schauspieler waren Marcos Casanova (Maria Eugenia), Reynaldo González (María Rosa), Eduardo Corbe (María Elena) und Jorge Ovies (María Elvira). Im Programmheft steht, daß die Handlung „in einer Wohnung in der Calle Obispo im Havanna von 1994" spielt. Schauspieler und Regisseur sind meist eine Person, wie im Fall von Nestor Cabell, Pedro Román oder Armando Roblán im TRAIL; oder sie bilden ein Doppelgespann

4

Am anderen Ufer schließt sich der Kreis

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die ihren Beruf an einem Ort wie Miami weiter ausüben wollten, während sich die ersehnte Rückkehr immer weiter hinauszögerte, sich gezwungen sahen, eine Art Theater der Nostalgie zu machen, dessen Überleben am Jahrhundertende fast wie ein Wunder erscheint. Aber es ist nur der Beweis für die Vitalität einer Gattung, die gewaltsam aus ihrer natürlichen Umgebung gerissen worden ist. Den Zahlen einer Umfrage zufolge, die ich mit 156 Zuschauer in zwei Theatern ( L A S MÁSCARAS und TRAIL) im August und September 1994 durchgeführt habe, setzt sich mehr als die Hälfte des Publikums, das eine Eintrittskarte bezahlt, um teatro vernáculo in Miami sehen zu können, aus Personen zusammen, die älter als 50 Jahre sind, und davon sind 82 % älter als 60. Als beliebtester Schauspieler (unter den noch aktiven, denen im Ruhestand und den Verstorbenen) wurde Leopoldo Fernández genannt, auch unter seinem Spitznamen Tres Patines. Von allen Befragten sind 68 zwischen 1959 und 1969 aus Kuba ausgereist, 26 im Jahr 1980, 14 zwischen 1970 und 1974, 10 zwischen 1985 und 1989, acht vor 1959, vier zwischen 1975 und 1979 und vier zwischen 1990 und 1993, und nur zwei zwischen 1981 und 1984. Nur zwei Personen gaben eine andere Nationalität an (ein Dominikaner; der zweite machte keine Angabe); zwei waren in Miami als Kinder von Kubanern geboren; acht Kubaner waren zu Besuch in Miami, und acht machten keine Angabe, wann sie aus Kuba emigriert sind. Auch wenn der Gedanke an die Rückkehr immer in den Aufführungen präsent ist, beschäftigt sich das teatro vernáculo sowohl mit der aktuellen Situation in Miami wie auch in Kuba. Eine Vorankündigung5 des Stückes En los 90 Fidel sí revienta, die 1994 mehrmals in der Zeit-

wie Alfonso Cremata und Salvador Ugarte vom Theater LAS MÁSCARAS, Mario Martin (als Autor und Regisseur) und Polito Fernández im MARTI, u.a. 5

Zeichnung und Text der Ankündigung stammten von Armando Roblán, der auch den Entwurf machte. Sie zeigt eine Karikatur von Fidel Castro, den Roblán in dem Stück imitiert, das er selbst geschrieben und inszeniert hat und in dem er neben Castro weitere Personen darstellt. Darüber hinaus hat er auch das Bühnenbild entworfen und angefertigt, und häufig kündigt er persönlich seine Vorstellungen im Hörfunk und Fernsehen an. Zudem arbeitet er für das Fernsehen, und seine Figur Nanito ist sehr beliebt in Miami; er hat einen vorzüglichen Sendeplatzes im Programm „Sábado Gigante" (Canal 23, Univisión; Samstags von 19.00 bis 23.00 Uhr).

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schrift ßxrro 6 veröffentlicht wurde, trug folgenden Untertitel: „An jedem Wochenende ein neues Stück mit dem Neuesten aus Kuba!" Die satirische Chronik der jüngsten Ereignisse wechselte alles aus, was nicht mehr aktuell war, und die Inszenierung wurde regelmäßig überarbeitet. So erschien an einem Samstag „Castro" im Rüschenhemd und sagte „Sie wollten keine Veränderungen", nur wenige Tage, nachdem man ihn in olivgrüner Uniform auf der Bühne gesehen hatte, wo er gegen die Steine kämpft, die gegen Schaufenster (und natürlich auch Fenster seines Büros) in Havanna fliegen. Die Parodie Robläns auf Castro ist der Hauptanziehungspunkt seiner Vaudevilles, in denen es auch musikalische Teile gibt, zu denen Mädchen in Bikinis tanzen, die gewöhnlich nit Sprüchen wie „Lily Löwe, Ex-Kätzchen von Porcel... Heute Pantherkatze von Roblän" angekündigt werden. Die Imitationen, mit denen Roblän schon vor seinem Exil 1959 in Kuba begonnen hat, und die damals von Castro selbst gutgeheißen wurden - denn noch waren sie ihm wohlgesinnt - , sind von beeindruckender Perfektion, vor allem für Kubaner, die nach 1958 auf der Insel geboren und aufgewachsen sind und dia vom Kommandanten nie ein anderes Bild kannten, als das des erhabenen und mythischen Helden, der die Geschicke des Landes lenkt. Nicits ist entlarvender als das Lächerliche, denn es verleiht dem gottähnlchen und unerreichbaren Bild, das Menschen wie Fidel Castro von sich selbst schaffen, wieder Bodenhaftung. Während diese Art der Parocie für die Emigranten der ersten Jahre nichts Neues ist, erlebt der nach .959 in Kuba aufgewachsene und erst vor kurzem nach Miami emigrierte Zuschauer die Darstellung von Roblän-Castro, der auf lächerliche Weise zu einer himmlischen Musik tanzt, als Bruch. Ihm wird damit eine Dimension vor Augen geführt, zu der die sprichwörtliche Respektlosijkeit des teatro bufo wegen der politischen Zensur drei Jahrzehnte lang sciweigen mußte. Die unmittelbare Gegenwart des Emigranten, sein Alltag in Miami manifestiert sich häufig als Anspielung auf iie Formalitäten, die zum Erlangen der Aufenthaltsgenehmigung und tmerikanischen Staatsbürgerschaft erforderlich sind, auf die Schwierigkeiten, Arbeit zu finden, und auf die Mißverständnisse zwischen den Neuankömmlingen in Miami und ihren Verwandten, bei denen sie /ufnahme finden. In diesen Episoden wird das Heimweh oft Gegenstand von Spott, der fast wie aus 6

Wochenzeitschrift der Mediengruppe SUN SENTINEL im November 1992 gegründet und bis Dezember 1997 veröffentlicht, die in Miani unentgeltlich verteilt wurde und sich größter Beliebtheit erfreute.

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dem Leben gegriffen scheint. In A Cuba me voy hoy mismo, que se acabó el comunismo, geschrieben, inszeniert und dargestellt von Salvador Ugarte und Alfonso Cremata (TEATRO LAS MÁSCARAS, August 1994) wendet sich die von Cremata gespielte Figur des Neuankömmlings an eine junge Frau aus seiner Verwandtschaft, die er gerade kennengelernt hat: Und dir, mein Schatz, fehlt Kuba dir sehr? Nein, ich bin hier geboren, - antwortet das Mädchen. Cusa - sagt jener - ich glaube, die Kleine ist nicht ganz dicht.

Die Inszenierungen von Guillermo Álvarez Guedes sind beispielhaft für die Monologstücke des teatro vernáculo.7 Das große Talent dieses Theatermachers, einer lebenden Legende dieser Gattung, beruht nicht allein auf seinem „Geschick, Geschichten zu erzählen", das er zweifellos besitzt, sondern auch auf seiner scharfen und geschulten Beobachtungsgabe, mit der er das Lächerliche, das im Alltag unbemerkt bleibt, bloßlegt und herausarbeitet. Auch wenn er seine Stücke manchmal explizit in Kuba oder Miami ansiedelt, sind seine Figuren so angelegt, daß sich ein Inselkubaner genauso von seinen Witzen angesprochen fühlt wie ein Exilkubaner. Warum es Álvarez Guedes gelingt, die von beiden Seiten wohl gehüteten Barrieren zu durchbrechen, hat außer mit seiner Virtuosität viel mit der Verwurzelung seiner Arbeit im teatro bufo zu tun, das trotz der politischen Spaltung für die Kubaner aller politischen Richtungen ein gemeinsames Erbe darstellt. Álvarez Guedes ist auch einer der herausragenden Vertreter des kulturellen Widerstands, den die Exilkubaner Stück für Stück in Miami aufgebaut haben und der später Grundlage für die Niederlassung mittelund südamerikanischer Einwanderer in Miami war. In seinen Witzen verdrängt das Spanische oft das Englische, und oftmals sind es nicht die Kubaner, „Latinos" oder „Hispanos", die sich als kulturelle Minderheit fühlen müssen, sondern es wird einfach den U.S.-Amerikanern zugeschoben, „die immer noch nicht aus Florida abgehauen sind und uns hier in Ruhe lassen; sie merken gar nicht, daß das hier uns gehört." 8 Auch wenn darüber gelacht werden kann, geht er in seinen Darstellun7

In Miami spielt Álvarez Guedes nicht in Theatern, sondern während nur einer Spielzeit im Club TROPIGALA des Hotels Fontainebleau-Hilton in Miami Beach. Im Februar 1998 hat er eine Radio-Livesendung ins Leben gerufen, die von Montags bis Freitags zwischen 6.00 und 10.00 Uhr morgens vier Stunden lang von der „Emisora Clásica 92 FM" ausgestrahlt wird.

8

Aufführung im Club LES VIOLINS am

1.

Juni

1992.

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gen der Familienverhältnisse und individuellen Wunschvorstellungen seiner Landsleute in keinster Weise nachsichtig mit ihnen und ihren Gewohnheiten um. Das Verdrängen der Gegenwart Während das teatro vernáculo sich im Exil an das zurückgelassene Kuba geklammert hat, um das Heimweh seines Publikums zu stillen, wurde auf der Insel die Gegenwart verdrängt und das gesamte Repertoire des teatro bufo, das auf Politisches einging, dazu verpflichtet, sich mit der Vergangenheit zu beschäftigen. Es entstand das merkwürdige Paradox eines „klassischen kubanischen Theaters": inmitten von Musicals im Broadway-Stil, der Sketch-Marathons des CONJUNTO NACIONAL DE ESPECTÁCULOS und bemerkenswerten, sozialkritischen Komödien, deren Aufführungen sich vor Publikum nicht retten konnten (ich denke an Algo muy serio und La última carta de la baraja von Héctor Quintero im Theater HUBERT DE BLANCK 1979) war nur die Wiederaufnahme von schon kanonisierten Stücken des ALHAMBRA wie Tin Tan te comiste un pan oder El velorio de Pachencho von Francisco und Gustavo Robreno möglich, denn die Behörden haben jeden zeitgenössischen Text, der mehr oder minder offen die Regierungspolitik von Fidel Castro in Frage stellte, verboten.9 Es war allerdings bekannt, daß Schauspieler WÍ6 Carlos Pous bei den Neuinszenierungen der Klassiker des teatro bufo im nicht kontrollierbaren Stegreifspiel die eine oder andere versteckte Spitze gegen das Systems einschmuggelten. Das Verdrängen der Gegenwart machte sich noch viel stärker in dem humoristischen Fernsehprogramm San Nicolas del Peladero bemerkbar, ein wahres Museum der Archetypen des teatro bufo, wo ,Galicier', ,Mulattin', ,Chinese', ,Sonntagsredne¿ und ,Draufgänger/ (jeweils gespielt von Juan Carlos Romero, Aurora Basnuevo, José Nuñez Sariol, Carlos Moctezuma und Enrique Arrecondo), unter Sympathiebezeugungen auf die „schwärenden Wunden der Vergangenheit" schimpften. San Nicolas... wurde von Asiera entonces abgelöst, weniger subtil in seiner Tendenz zum Pamphlet und somit auch weniger beliebt. Beide er9

Professor Wilfredo Cancio Isla erzählt, daß einer der aktivsten Musiktheaterregisseure im Kuba der 70er und 80er Jahre ihm 1989 sagte, daß es damals unverantwortlich gewesen wäre, ein Stück wie La isla de las cotorras aufzuführen, eine Politsatire des TEATRO ALHAMBRA, „denn heutzutage müssen die Regisseure sorgfältiger mit der politischen Situation umgehen". Interview mit dem Autor, Miami 1998.

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füllten denselben Zweck: sie sollten die Lust des Publikums auf diese kubanische Gattung befriedigen, deren Wesen sich allerdings durch den fehlenden Gegenwartsbezug verändert. Die Stilrichtung hat überlebt, doch ohne den für die Gattung typischen frechen Kommentar des Zeitgeschehens. Dadurch ist sie bei der Jugend in Mißkredit geraten, denn sie ist veraltet. Anstelle der konzeptionellen Erneuerung, die ein lebendiges und unzensiertes teatro bufo hätte leisten können, bewirkten die von der internationalen Avantgarde erlernten Techniken nur eine Erneuerung im Formalen. Das Wunschdenken, mit dem Ausland auf dem aktuellsten Stand sein zu wollen, gab dem eigenen kubanischen Theater den Geruch des Antiquierten. So überrascht es nicht, daß heutzutage einige Gattungen und Stilrichtungen in Kuba als „Phasen" der kubanischen Theatergeschichten klassifiziert werden: zu Beginn steht das teatro bufo, es folgt Realismus in den 70er und 80er Jahren und heute das experimentelle Theater. So als hätte es in den 50er Jahren kein experimentelles Theater gegeben (fragen Sie Francisco Morin), als hätte es den 60ern an Realismus auf der Bühne gefehlt (fragen Sie Virgilio Piftera) oder als würde das teatro bufo ausschließlich der Vergangenheit angehören. Doch diese Periodisierung scheint sich auf den akademischen Bereich zu beschränken. In der Sendung Sabadazo, die Ende 1993 ins Leben gerufen wurde, tauchen Figuren wie La Pia und Antolín el Pichón von Angel Garcia und Margot von Osvaldo Doimeadios auf, die ungeheuer beliebt wurden, zwar auch gewisse Grenzen nicht überschreiten durften, aber ganz entschieden in der Gegenwart verhaftet sind. In einem 1994 in Havanna veröffentlichten Interview sagt Garda: Diese Art von Humor haben wir nicht erfunden. Im kubanischen teatro vernáculo hat es immer schon große Schauspieler gegeben. Von Garrido und Piñero, Pototo und Filomeno, Carlos Pous, Candita Quintana bis hin zu den Meistern der jüngsten Zeit wie Enrique Arredondo, Carlos Moctezuma, Álvarez Guedes und vielen anderen... Ihnen verdanken wir die Akzeptanz, die diese Art von Humor genießt, der zwar nicht der einzige, aber auf jeden Fall der beliebteste ist.10

Der kubanische Dramatiker und Regisseur Manuel Martin Jr., der in New York lebt, verweist auf eine Form des Weiterlebens des teatro bufo in der Arbeit von Autoren, die keine Komödien schreiben:

10 Wochenzeitung Opciones (9.-15. Oktober 1994), S. 14A.

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Ich glaube, im teatro bufo ist eine Veränderung eingetreten, eine Wendung zum Ernsthafteren, und sogleich beginnt die Tragödie. Contigo pan y cebolla von Héctor Quintero enthält beispielsweise viele Elemente des teatro bufó, und man findet dies bei allen kubanischen Autoren, die hier [in New York] leben, [...] und am komischsten ist es, wenn jemand auf Englisch schreibt und diesen Stil dennoch beibehält. Wir können diese ganz spezifische Schreibweise nicht umgehen, denn das erste, was wir in unserem Leben zu sehen bekamen, war teatro bufo. Man findet es bei Pedro [Monge Rafuls], der selbst, wenn er Stücke über Leute anderer Nationalitäten schreibt, sie alle unter dem gleichen Dach unterbringt; bei Eduardo Machado in Las damas modernas de Guanabacoa und auch in Revoltillo, einem Stück über die Hochzeit einer Kubanerin und eines Juden in Miami, bei Dolores [Prida], und so weiter... 11

Theatermacher wie Salvador Ugarte, Regisseur von LAS MÁSCARAS in Miami, wehren sich heftig dagegen, ihre Texte und Inszenierungen unter die Bezeichnung teatro bufo fallen zu lassen.12 Er besteht darauf, daß dies die Gattung von Negerlein, Galicier und Mulattin sei, während es in seinen Stücken um „Marielitos", Bootsflüchtlinge, Inselkubaner, die zu Besuch in Miami sind, und Emigranten, die in den ersten Jahren der Castro-Regierung nach Miami gekommen sind, geht. Ähnlich ergeht es Luis Santeiro, Schöpfer und Drehbuchautor der Serie ¿Qué pasa USA?, die sehr bekannt ist und vom spanischen U.S.Fernsehen sogar in Wiederholung gesendet wurde. In der Serie geht es um eine kubanische Familie, die im Exil in Miami lebt und sich den neuen Lebensbedingungen anpaßt (während die Großeltern nur Spanisch sprechen, sprechen die Eltern Englisch und Spanisch und die heranwachsenden Kindern neigen dazu, mehr Englisch zu sprechen, beherrschen aber das Spanische perfekt.) Santeiro erzählt, daß Max Ferrá^ ihm den Vorschlag machte, kubanisches teatro vernáculo in New York zu machen und er dies ablehnte, „denn wen interessiert hier schon dies Zeug vom Negerlein und der Chinesin; es ist so schwierig, so etwas heutzutage auf die Bühne zu bringen, ohne in Stereotypen zu verfallen." 14 Es ist fast zu einem Beweis intellektueller Strenge geworden, dem teatro bufo der letzten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts nicht seinen wahren Stellenwert als Begründer einer Gattung zuzuerkennen, die sich mit

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Interview mit dem Autor. New York, Oktober 1994.

12

Interview mit dem Autor. Coral Gables, September 1994.

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Gründer und künstlerischer Direktor von INTAR (International Art Relations Inc.), einer gemeinnützigen Organisation mit Sitz in New York.

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Interview mit dem Autor. New York, Juni 1994.

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der Zeit mit Hilfe neuer Typen und Darstellungsformen verändert und erneuert. Bemerkenswert ist, daß keiner der Theatermacher, die ich interviewt habe, das teatro bufo vor dem Vorwurf in Schutz nimmt, eine Gattung zu sein, die sich nicht weiterentwickelt hat. Es wird eine willkürliche Grenze zwischen dem Vorher und Nachher eines Theaters gezogen, dessen gemeinsamer Nenner die Satire auf Personen des kubanischen Alltags ist, was Ugarte und Alfonso Cremata einerseits und Santeiro andererseits im Exil auf bewundernswerte Weise fortgeführt haben. Aber diese Ablehnung enthält auch eine versteckte Verbeugung vor den Gründern dieser Gattung, denn Negerlein, Galicier und Mulattin sind zu unvergänglichen Typen geworden, deren Authentizität den Kreis für ihren Einsatz auf der Bühne und für die Theatergattung, die sie ins Leben gerufen haben, scheinbar geschlossen hat. Aber so ist es nicht: Der Kreis ist größer geworden, und das Gattungsmuster lebt auf irgendeine Weise in jeder Theaterarbeit weiter, die mit Situationen, in denen Kubaner die Hauptrolle spielen, versucht, das Publikum zum Lachen zu bringen. Es treten nicht die gleichen Typen auf, da man sie als solche nicht mehr in der gegenwärtigen kubanischen Gesellschaft erkennen kann - weder auf der Insel noch im Exil -, aber man kann ihre Spuren verfolgen, wenn Figuren wie die Großmutter in ¿Qué pasa USA? oder der Bootsflüchtling in Cuca la balsera para comisionada und Cuba será liberada15 keine Eigennamen tragen, sondern Namen, die ihre Lebensumstände beschreiben. Die Hauptfrage ist, was mit der Gattung geschehen wird, wenn sich die politische Situation in Kuba ändern sollte. Wird das traditionelle Modell des teatro bufo wieder eingeführt werden, das in Miami von den ersten Einwanderern gepflegt worden ist, sobald die lang ersehnte Rückkehr Wirklichkeit geworden ist? Wird es zu einer Vereinigung zwischen dem traditionellen Modell und der auf der Insel deutlichen Tendenz einer Neubelebung des teatro vernáculo kommen; eine Vereinigung, die wie es Carlos Díaz in La niñita querida versucht hat - der seit Jahren anhaltenden formalen Erneuerung durch die Assimilation universeller Theatermodelle Rechnung trägt? Wird es in Kuba eine Erneuerung dieser urkubanischen Gattung geben? Ich wette, ja. Deutsch von Almuth Fricke

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Geschrieben, inszeniert und dargestellt von Salvador Ugarte und Alfonso Cremata im TEATRO LAS MASCARAS. Miami, August 1994.

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José Antonio Évora

José Antonio Évora, B.A. der Universität von Havanna, Journalismus; wurde zweim a l v o n d e r ASOCIACIÓN DE ESCRITORES Y ARTISTAS DE CUBA z u m „ b e s t e n n a t i o n a l e n

Filmkritiker" ernannt. Kam mit einem Stipendium der John Guggenheim Memorial Foundation in die USA, um das kubanische Volkstheater im Exil zu untersuchen.

Rosa Ileana Boudet

Die Frau im kubanischen Theater: Gibt es sie? In der Liste der für den Premio Casa de las Américas nominierten Werke erscheinen 1960 zwei Dramatikerinnen: María Irene Fornés (1930) mit La viuda und Gloria Parrado (1927) mit La paz en el sombrero. Trotz des vielversprechenden Beginns dieses Jahrzehnts läßt sich die weibliche Dramatik jedoch nicht mit der ihrer männlichen Kollegen vergleichen. Das gilt nicht nur für die Kriterien Wertung und Kanon, es zeigt sich auch, daß es nur wenige isoliert dastehende Werke von Autorinnen gibt, und daß sie innerhalb der Theaterentwicklung keinen nennenswerten Raum einnehmen. Theaterstücke von Frauen kommen selten zur Aufführung, werden aus den wichtigsten Anthologien ausgeschlossen oder sind nur in geringer Zahl vertreten. Wenn sie aber, wie in Teatro cubano en un acto aufgenommen werden, dann bezeichnet der Herausgeber z. B. den Einakter Mañana es una palabra als „eine tour de force einer fortgeschrittenen Schülerin der Schauspielkunst"1, was vielleicht erklärt, warum Norah Badia (1921), die zweimal ausgezeichnet worden war, nicht wieder fürs Theater geschrieben hat. Maria Irene Fomés - zweifellos die international bekannteste kubanische Dramatikerin - lebt seit 1945 außerhalb Kubas, und ihr Werk ist in Kuba kaum bekannt. Sie schreibt auf Englisch, und nur Theaterkenner haben mit der Publikation der spanischen Version von Fefu and her Frends2 auf ihre Bedeutung aufmerksam gemacht. Das Werk einiger Autorinnen, das in den 40er und 50er Jahren entstand, bedarf einer neuen Lesart. Ich denke dabei in erster Linie an Flora Díaz Parrado und an Renée Potts. Aus heutiger Sicht ist El velorio de Pura (1941), eine Vorwegnahme der ironischen Groteske des absurden Theaters. Pura erhängt sich, nachdem sie mangels eines geeigneten Kandidaten mit einem Idioten geschlafen hat, während die Männer schlüpfrige Witze erzählen und ein Chor untröstlicher Klageweiber versucht, in der Nacht einen Ehemann zu finden. Ihr spöttischer und ironischer Blick 1

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Riñe Leal über Norah Badfa in Teatro cubano en un acto. Havanna, 1963, S. 25. Norah Badía: „Mañana es una palabra", in Teatro cubano en un acto (Leal 1963), S. 87-105. „Fefu y sus amigas", in Teatro: 5 autores cubanos. (Leal 1995), S. 1-60. Leal verfolgt den Gedankengang von Susan Sontag, wenn er sie mit Lydia Cabrera, Calvert Casey und Virgilio Piñera in Verbindung bringt. Vgl. Mirza L. González: „La trayectoria dramática de María Irene Fornés" in OLLANTAY, 5 , 1 (1997), S. 39-52.

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Rosa Ileana Boudet

zeigt sich auch in Juana revolteo (1944), das an einem Tag voller Freude mitten im volkstümlichen Milieu eines Stadtteilfestes von Santiago de Cuba spielt, und in Noche de esperanzas, wo eine alte Jungfer vom Teufel und seinen jungen Anhängern betrogen wird, die versprechen, ihre sexuellen Wünsche zu befriedigen. Das Stück zeigt die soziale Heuchelei, die erotischen Frustrationen und verdrängten Sehnsüchte der Frau. Díaz Parrados Theater verdient eine gründliche Untersuchung; sie ist eine vom männlichen Kanon vollkommen unterschätzte und vergessene Dramatikerin, die die patriarchalische Gesellschaft durch ihre bissigspöttischen Fragen und tragikomische Perspektive herausgefordert hat. Ihr Werk überragt das vieler ihrer männlichen Zeitgenossen. Renée Potts zeigt die intime Seite der weiblichen Welt in romantischen Komödien, in denen sie, wie in Cocoa en el paraíso (1951), eine außergewöhnliche Romanze im Leben von Maria Noemi zu rechtfertigen versucht oder sich wie in Domingo de Quasimodo (1952) der Psychologie zuwendet. Einige Autorinnen haben sich in Anlehnung an das Theater von Casona, Benavente und die nordamerikanischen Autoren O'Neill und Elmer Rice der leichten Komödie gewidmet. Dazu gehören Isabel Fernández, Cuqui Ponce und María Álvarez Ríos sowie die Pioniere der musikalischen Komödie: Maria Julia Casanova schrieb die Texte, und Olga de Blanck komponierte die Musik. Gloria Parrado - sie arbeitet auch als Schauspielerin, Regisseurin und Dramaturgin - beschäftigt sich in expressionistischer und ironischer Weise mit soziologischen Problemen. In La brújula (1961) löst der Besuch der Duquesa de la Fe in einem kleinen Dorf - wie in Dürrenmatts Der Besuch der alten Dame - eine Kette von Ereignissen aus, die die Umgebung in die Sphäre eines irrealen Universums verwandelt. La paz en el sombrero und El mago sind politische Satiren. Ihr veröffentlichtes Werk 3 bleibt klein, da ihr sozialkritisches Engagement sich nicht in den Figuren und Situationen manifestiert und ihre Szenerie wegen der einfachen Ausführung stets den Eindruck einer Skizze vermittelt. Maité Vera (1930) hat wie Parrado viel für die Bühne gearbeitet und ist als Drehbuchautorin für Radio und Fernsehserien bekannt geworden. 1963 schreibt sie die erfolgreiche musikalische Komödie Las yaguas, mit Musik von Piloto. Darin beschäftigt sie sich mit der Realität eines Viertels am Stadtrand, das sich zu Beginn der Revolution mit den ersten 3 Teatro. Havanna 1966. [lin día en ¡a agencia o un viaje en bicicleta año; ]uicio de Aníbal und La espera] und Teatro. Havanna 1984. [La paz en el sombrero, La brújula und El mago].

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Veränderungen auseinandersetzt. Laut Graziella Pogolotti „im Kampf zwischen dem Alten und dem Neuen" geschrieben, entwirft es ein ausgeprägt kostumbristisches Gemälde, in dem die weiblichen Figuren ziemlich resigniert die traditionelle Rolle im Dienste des Mannes erfüllen oder halbherzig versuchen, sich daraus zu befreien. Las Ulloas (1963), La mujer de otra galaxia (1982) und Elegua y las tres reinas (1995) sind neben anderen Stücken noch unveröffentlicht. Memorias de un proyecto (1975), das mit dem Nationalpreis für Theater der UNEAC (Unión Nacional de Escritores y Artistas de Cuba) ausgezeichnet wurde, greift das Thema der Arbeitswelt auf, indem es die Schwierigkeiten einer Frau, die eine Projektabteilung leitet, aus der Perspektive des Schauplatzes der „Produktion" aufzeigt. Mit gutem Dialog und einem besonderen Gespür für das Alltägliche kehrt Vera zur Form eines strengen Realismus zurück und bleibt bei bekannten Schemata, die durch ihre Arbeit für Radio und Femsehen beeinflußt sind. In den 70er Jahren sahen sich einige Frauen, die an Theaterprojekten teilgenommen hatten, für die es keine schriftlichen Vorlagen gab, veranlaßt, ihre eigenen Texte für das kollektives Theater zu erstellen. Ihre Stücke gehören zu den repräsentativsten dieses Jahrzehnts. Herminia Sánchez (1927) und Flora Lauten (1942), zwei der bedeutendsten Schauspielerinnen des TEATRO ESCAMBRAY realisierten eigene Projekte. Sánchez mit dem TEATRO DE PARTICIPACIÓN POPULAR, das, wie sein Name sagt, von der Aktion innerhalb der Gemeinschaft von Arbeitern und Landbevölkerung ausgeht. Cacha Basilia de Cabarnao - der Lebensweg einer Bäuerin -, Amante y peñol - spielt im Hafen -, Belén Belén - beschreibt ein Viertel des alten Havanna - sind nur einige der wichtigsten Ergebnisse des Kollektivtheaters, das mit der lebhaften Beteiligung von Laienschauspielern seinen Höhepunkt erreichte.4 In der Gemeinde von La Yaya schreibt Flora Lauten für eine Gruppe ein Repertoire kurzer Stücke, die als Rollenspiele mit dem Ziel, das Leben der Landbevölkerung zu verändern, konzipiert sind. In Anlehnung an das Theater der sozialen Agitation oder die Experimente der Chicanos nennt sie sie „Spiele" oder „Akte", die machismo und Aberglauben aburteilen oder wie in Este sinsonte tiene dueño die Frauen aufrufen, für ihre sexuelle und individuelle Freiheit zu kämpfen. Diese Stücke, ge4

Siehe dazu ausführlicher: Rosa Ileana Boudet: Teatro Nuevo: Una respuesta. Havanna 1 9 8 3 ; und die Bände des TEATRO ESCAMBRAY, TEATRO LA YAYA (was ländliche Traditionen angeht), CABILDO TEATRAL SANTIAGO (Tradition der relaciones und des Karneval).

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sammelt in Teatro La Yaycß, sind didaktisches Theater, wie es nach der Revolution überall auf dem Land und in Stadtvierteln zur politischen und praktischen Erziehung eingesetzt wurde. Gilda Hernández schrieb 1973 El juicio, ein Stück, bei dem der Zuschauer einen Teil der Handlung improvisiert. Vielleicht ist es der einzige Integrationsversuch des Zuschauers, der durch sein moralisches Urteil den Zusammenhalt der Gemeinschaft festigt. In der Publikation wurden die auf Tonband festgehaltenen Zeugnisse der „improvisierten" Szenen mit aufgenommen. Diese kühne Präsenz der Realität innerhalb der Fiktion macht El juicio zum ungewöhnlichsten Theaterexperiment jener Zeit. Die Frauen widmen sich beharrlich und leidenschaftlich dem didaktischen Theater, dem sie mit experimentellen Stücken und einer „Bühnensprache", innerhalb der sie die Rolle der Autorin, Regisseurin, Schauspielerin und Intendantin spielen, den Stempel der totalen Erneuerung des kubanischen Theaters aufdrücken. Zu diesen Theaterfrauen gehört Yúlky Cary (1947); 1979 erhält sie für Rampa arriba, rampa abajo den Preis der UNEAC. Das Stück befaßt sich mit kriminellem Verhalten junger Frauen. Divertida y verídica relación de Cristóbal Colón von Tussy Caveda, 1983 mit dem Premio David ausgezeichnet, weist Bezüge zum teatro vernáculo, dem traditionellen kubanischen Buffo-Theater auf. In den 80er Jahren erleben wir das „Versiegen eines umfassenden, selbstbezüglichen Diskurses [...], es erscheint eine Poetik der Fragmentierung, der man sich auf verschiedene Weise nähern kann, angefangen bei den Gedankenfetzen von Victor Varela in Ópera ciega (1991) bis hin zu den ,Spielkarten-Bildern' in Timeball von Joel Cano". 6 Die neue Art des Schreibens zeichnet sich durch Diskontinuität von Zeit und Raum aus, durch Überlagerung und Verwirrung der Handlung, durch abstrakte Figuren, anonyme Stimmen, Entpersönlichung, Bruch der Einheiten, Aneinanderreihungen und den Ersatz von Dialogen durch Monologe und lyrische Rezitationen. In diesem breiten Spektrum neuer Ansätze tauchen auch neue Autorinnen auf, deren Werk sich noch einer abschließenden Analyse entzieht, die aber sehr viel zahlreicher sind als ih-

5

6

Flora Lauten: Teatro La Yaya. Havanna 1981. [Vorwort von Rosa Ileana Boudet. Zusammengestellt von Carlos Espinosa.] Rosa Ileana Boudet: Prolog zu Morir del texto. Diez obras teatrales. Havanna 1995, S. IX.

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re Vorgängerinnen.7 Carmen Duarte (1959), die produktivste Theaterautorin, zeigt einen gewissen Hang zur Groteske im Stil von Virgilio Piñera und bringt aus verzerrendem Blickwinkel einen philosophischen Gesichtspunkt und aus einer ironischen Perspektive tragikomische Nuancen ein. Sie beschäftigt sich mit der Dualität der Rollen in El Tarot oder mit den Gegensätzen in El golpe y la risa. In ihrem bekanntesten Stück ¿Cuánto me das marinero? (1989) begegnen sich wie in Mrozek eine junge Selbstmörderin und eine alte Fischerin auf offenem Meer. Das Zusammentreffen gipfelt nicht im Untergang einer der beiden, sondern in einem Pakt, einem Werteaustausch in einer versöhnlichen, solidarischen und mystischen Erlösung. Esther Suárez Durán (1955) arbeitet u.a. in Asesinato en la playita de 16 und Mi amigo Mozart mit verschiedenen Registern und Perspektiven, um das Theater, vor allem um die Sicht der Jugendlichen zu bereichern oder es speziell den Kindern zu widmen. Lira Campoamor (1962) kritisiert in Galaxia cero die unzureichende Ausbildung von Begabungen und begibt sich auf die Suche in das Innere der Figuren. Fátima Patterson (1951) gelingt es mit Repique por Mafifa (1992), die Emotionen wiederzubeleben, die sich in der Erzählung der Glockenspielerin der CongaGruppe Los HOYOS kristallisieren, als diese das Publikum auffordert, dem Konflikt einer Figur beizuwohnen, die sich im Conga-Tanz verewigen will und sich in einer magischen Zeremonie der afrokubanischen Tradition direkt an ihre Zuschauer wendet. Eine Gruppe von Autorinnen wie Elaine Centeno (La piedra de Eliot 1997), Elizabeth Mena (Rondeles 1990) und Antonia Fernández (Safo 1991) hat mit ihren ersten Texten einen unkonventionellen Schaffensprozeß in Gang gesetzt, der mit Beiträgen von Mitgliedern des Kollektivs angereichert worden ist. Andere wie Aida Bahr oder Lourdes Gómez haben allein publiziert und/oder aufgeführt, oft nur ein einziges Stüde, wie in den 60er Jahren Berta Martínez und Ingrid González. Während sie als Schauspielerinnen oder Regisseurinnen arbeiten, entstehen beim Experimentieren mit neuen Formen gelegentlich Stücke, dieser Weg wird von den Frauen jedoch nicht weiterverfolgt. Manche Autorin hat nur lokale Bedeutung erlangt wie Ana María de Agüero, die, obwohl sie viel schreibt, nur in ihrer Geburtsstadt Santiago de Cuba aufgeführt wird. 7

Die Werke der meisten der erwähnten Autorinnen sind nicht publiziert, mit Ausnahme von Carmen Duarte, Esther Suárez und Antonia Fernández. Van Brackle hat noch nichts aufgeführt. Ana María de Agüeros Werk ist praktisch unveröffentlicht. Daher ist mein Inventar mit Sicherheit unvollständig.

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Elvira Van Brackle Guerra (1967) hat eine Anzahl kurzer Stücke geschrieben, die auf den ersten Blick unaufführbar erscheinen, weil sie einen betont narrativen Charakters besitzen. Der Schlüssel zu diesen Texten ist der Humor. In Laurel y Hardy (1997) finden sich Gags, Unlogik und ein verkürzter, zusammenhangloser Dialog; in El juego de la cordura (1990) weigern sich die nicht greifbaren Figuren, eine Geschichte zu erzählen, sie verschwimmen und widersprechen sich, als wären sie Rätsel oder Witze. Abracadabra ist ein experimentelles Stück, das in gewisser Weise mit dem offenen Text von Joel Cano vergleichbar ist. Das dramatische Werk von Raquel Carrió (1950) wird in jüngster Zeit häufiger aufgeführt. Las ruinas circulares entstand in Zusammenarbeit mit Neida Castillo, und Otra tempestad in Zusammenarbeit mit Flora Lauten; dabei hat die Auseinandersetzung mit den Quellen zu neuen Versionen geführt und geht daher über die übliche Arbeit des Dramatikers hinaus. Es handelt sich um reale Prozesse von Auseinandersetzung, in denen Querverbindungen, Entleihungen und Austausch zu einem „anderen" Schreiben führen. In diesen Bereich gehört auch die Arbeit des Teatro Cinco, eines von fünf Schauspielerinnen gebildeten Kollektivs8, das dem Zufall überlassene Aufführungen beabsichtigte, in denen ein improvisierter „Orakeltanz" simuliert wird, bei dem die Stimmen der Vorfahren einen Dialog mit den Toten aufnehmen. Noch weiter wagen sich die Choreographinnen Rosario Cárdenas, Marianela Boán, Lidice Núñez und Isabel Bustos vor, die für die bedeutendsten Gruppen des Tanztheaters des Landes schreiben. Dieser schematische Überblick macht deutlich, daß es kein „Theater von Frauen" gibt: Die Autorinnen haben sich keine exklusiven Themen ausgesucht, sie sind offen für Brüche und Veränderungen. Sie unterscheidet nicht die Auswahl geschlechtsspezifischer Themen 9 , denn die meisten sind dem gültigen Kanon gefolgt oder bei der allgemein üblichen Thematik geblieben, ohne diese weder konzeptionell noch stilistisch zu überschreiten. Obwohl die Frauen fast immer ein existierendes Modell übernommen haben (die vernácula Tradition, das well-made play, die Komödie), was die Kritik gelegentlich als „Imitation" bezeichnet, geht ihre Arbeit doch darüber hinaus. Sie haben Ereignisse und Ver8 9

Es ist inzwischen wieder aufgelöst. Zu meiner Überraschung stieß ich auf Übereinstimmung in Dramaturgos francesas contemporáneas. Colección Teatro del Siglo XX. Universität Valencia 1997, Vorwort von Irene Sadowska-Guillón. Ein spezifisch weibliches Territorium, ein „soziologischer Harem", wird hier bestritten.

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änderungen aufgenommen, die nicht nur das von Frauen geschriebene, sondern das gesamte kubanische Theater bewegt haben. So verwenden Parrado und Vera in den 60er Jahren die gültigen Kodizes, Sánchez, Lauten und Hernández suchen ein Theater jenseits bestehender Grenzen, wo das noch unbeeinflußte Publikum zum Protagonisten wird, als Hauptanliegen der 70er Jahre. Duarte, Van Brackle und eine Gruppe neuer Autorinnen fordern einen Platz innerhalb einer an der Aufführung orientierten Dramatik, die sich dem Text im Entstehen von Sanchis Sinisterra nähert. Welches sind nun die Merkmale einer femininen Identität? Vielleicht die ironische, parodistische und spöttische Art, das Universum und sich selbst zu betrachten. Díaz Parrado, Fornés, Parrado, Duarte und Van Brackle, neben anderen, setzen sich für ein Theater ein, das schwer zu beschreiben ist, in dem man jedoch eine humoristische Spur wiedererkennt, die eine Anleihe an unsere Buffo-Tradition macht. Und wenn man das choreographische Werk von Frauen wie Boán analysiert, stößt man auf eine Hommage an die Tradition, mit der jedoch ständig gebrochen wird. Daß es eine weibliche Dramatik in unserer Vorstellung nicht gibt, rührt in erster Linie daher, daß Autorinnen relativ selten aufgeführt und verglichen mit Schauspielerinnen und Regisseurinnen kaum erwähnt werden. Ein neues dramatisches Konzept ändert in den 80er Jahren die Situation. Der Aufführungs-Text schließt Varianten des Performance-Texts ein und akzeptiert so ein Schreiben, das literarisch scheinbar einfach und unzureichend ausgearbeitet ist, auf der Bühne jedoch hervorragend funktioniert. In Mafifa... ist der Bezug das Ritual, ein Dialog mit nicht anwesenden Geistern, der den Zuschauer herausfordert; in Safo wird die Geschichte einer Bokrosängerin mit Musik, Gesten und dem Körper erzählt.10 Daraus entsteht ein wunderschöner Monolog, in dem familiäre Erlebnisse der Schauspielerin mit Texten von Margarite Yourcenar und Jorge Luis Borges verwoben werden. Die Beschäftigung mit der Thematik wird individueller und existentieller, das Interesse an der Poesie und dem 19. Jahrhundert, das für alle Autoren dieser Periode gilt, wird deutlich bei Mena mit Rondeles; Silvia Ramos zeigt mit Tula einen anderen Blick auf die afrokubanischen Zeremonien. Diese Perspektive öffnet uns den Zugang zu Flora Lautens „actos" in LA YAYA als Aktionstheater innerhalb bestimmter Gemeinschaften. Oder Cacha Basilio... eine Lebenser10

Die Texte sind in Zusammenarbeit der Schauspielerin Antonia Fernández und des Regisseurs Carlos Celdrán entstanden.

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fahrung, eine Geschichte, ein Projekt, d a s eine begrenzte Darstellung übersteigt, wie El juicio ein Ereignis, ein Spiel, eine kühne F o r m der D a r stellung u n d d e r Poetik war. Die F r a u scheint begabter, fähiger und flexibler zu sein, jenseits d e s Textes eine Bühnensprache zu finden, die ihr erlaubt, mit Gestik, K ö r p e r und Improvisation die Grenzen zwischen den Gattungen z u verwischen, Hierachien aufzuheben, z u skizzieren und zu scherzen, d a s heißt, eine a n d e r e Graphie z u ersinnen, die in ein p a a r J a h r e n das k u b a n i s c h e Theater kennzeichnen wird. Deutsch von Ursula Guinaldo Literatur Badía, Norah: „Mañana es una palabra", in Teatro cubano en un acto. (Leal 1963), S. 87105. Boudet, Rosa Ileana (Hrsg.): Morir del texto. Diez obras teatrales. Havanna 1995. Fornés, María Irene: „Fefu y sus amigas", in Teatro: 5 autores cubanos. (Leal 1995), S. 160. González, Mirza L.: „La trayectoria dramática de María Irene Fornés", in OLLANTAY 5, 1 (1997), S. 39-52. Lauten, Flora: Teatro La Yaya. Havanna 1981. Parrado, Gloria: Teatro. Havanna 1966. [Un día en la agencia o un viaje en bicicleta año 1957, Juicio de Aníbal, La espera]. : Teatro. Colección Repertorio Teatral. Havanna 1984. [La paz en el sombrero, La brújula, El mago]. Sadowska-Guillón (Hrsg.): Dramaturgos francesas contemporáneas. Valencia 1997. Teatro cubano. Cuatro obras recomendadas al II Concurso Literario Hispanoamericano de la Casa de las Américas. Havanna 1961. [María Irene Fornés, La viuda; Gloria Parrado, La paz en el sombrero].

Rosa Ileana Boudet Cao (1947). Studium an der Universidad de La Habana; Chefredakteurin der Zeitschrift Revolución y Cultura (1973-1978) und der Zeitschrift Tablas 1982-1987. Leitet das Departamento de Teatro Latinoamericano in CASA DE LAS AMÉRICAS und die Zeitschrift Conjunto. Publikationen: La dramaturgia cubana en la literatura cubana. 1987; „El teatro en la Revolución", für Escenario de dos mundos. Inventario teatral de Iberoamérica. Madrid 1988; „New Playwrights, New Challenges: Current Cuban Theater", für Bridging Enigma: Cubans on Cuba, Sondernummer von South Atlantic Quarterly. 1996; Alónimo alónimo (Prosa). 1977; Este único reino (Erzählung). 1988; El Vaquerito (Biographie). 1982; Teatro nuevo: una respuesta (Essay). 1983; artículos y ensayos. Hrsg.: Teatro de la Yaya, Obras de Flora Lauten, (1978); Teatro de Albio Paz (1982); Morir del texto (Anthologie). 1995; Vagos rumores y otras obras, von Abelardo Estorino (1998).

Olympia B. González

Kubanische Theaterautorinnen im Exil Es heißt, das kubanische Theater sei von einem matriarchalischen Einfluß beherrscht, der Personen und Konflikte der bedeutendsten Werke bestimmt. „Wundern wir uns nicht darüber, daß eines der bevorzugten Themen die Auseinandersetzung zwischen Eltern und Kindern ist, mit dem unterschwelligen Potential von Inzest und mit einer starken matriarchalischen Tendenz."1 Diese Auffassung kann uns als Ausgangspunkt dienen, um das kubanische Exil-Theater von Frauen einzugrenzen. Wenn das Matriarchat in seiner hispanischen Ausprägung, die Gewalt und machismo birgt, die Grundlage für die familiären Beziehungen der Kubaner bildet und somit den Charakter des dramatischen Konflikts zwischen den Menschen bestimmt, - was geschieht dann, wenn das Stück aus der Sicht der Frau geschrieben wird? Und welche Rolle wird der Familie in einem Theaterstück zukommen, das fernab von kubanischem Territorium geschrieben wird, im Exil, das in irgendeiner nordamerikanischen Stadt oder sonstwo auf der Welt sein kann? Die Lektüre der Werke, die in diesem Artikel erwähnt werden, verdeutlicht, daß das außerhalb Kubas von Frauen geschriebene kubanische Theater die Probleme von Frauen nur als eines unter anderen Themen behandelt und von dem Wunsch beseelt ist, zu erforschen und zu hinterfragen und das statische Konzept des Matriarchats zu ergründen. Dieses Theater macht es zu seinem Anliegen, angesichts der Problematik der Spaltung, die das Leben in einer fremden und in ihrer Assimilationsfähigkeit so starken Kultur bedeutet, das weibliche Ich in verschiedenen Milieus und Themenstellungen neu zu definieren. Man muß jedoch festhalten, daß für die Autorinnen die Angst vor dem Andersartigen nicht zu einer thematischen Obsession geworden ist. Einige von ihnen haben die wesentlichen Probleme der Gesellschaft oder ganz allgemein der hispanischen Welt oder den Menschen als geschlechtliches und empfindsames Wesen untersucht. Dabei darf die relativ geringe Zahl von Werken, die in der Zeit von 1959 bis 1997 geschrieben wurden, nicht erstaunen. Die dem Theater eigene Problematik und die Vergänglichkeit der Theateraufführung verschwören sich gegen die Frau, wenn diese nicht 1

Hervorzuheben ist, daß Montes Huidobro in seiner verdienstvollen kritischen Untersuchung keine bedeutende Autorin einbezieht. Gertrudis Gómez de Avellaneda ist z. B. eine hervorragende Dramatikerin des 19. Jahrhundert. Vgl. Matías Montes Huidobro: Persona, vida y máscara en el teatro cubano. Miami 1973, S. 30.

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die Mittel hat, um auf ihre Kunst aufmerksam zu machen. „In unserer Exil-Literatur ist keine Äußerungsform so wenig bekannt, geschätzt und verbreitet wie das Theater. Davon zeugt die völlige oder doch partielle Unkenntnis von allem, was mit dem Theater zu tun hat."(Santiago 1994: 97) Und trotzdem schreiben die Dramatikerinnen. Dieser Aufsatz ist nach thematischen Koordinaten strukturiert. Statt einer chronologischen Ordnung zu folgen, die einen falschen Eindruck von Kontinuität erwecken würde, erschien es mir sinnvoller, mit der Untersuchung gleicher Themenbereiche den Charakter der einzelnen Stücke tiefer auszuloten. Einige von ihnen sind in mehr als einer Hinsicht miteinander verbunden, wie man ja auch in der Gesellschaft bestimmte Verhaltensweisen nur schwer von anderen trennen kann, die mit ihnen einhergehen. Beginnen wir mit jenen Werken, die sich auf das Wesen des Weiblichen und seine Rolle in der sozialen Dynamik in Kuba und im Exil konzentrieren. Sie gehen der Beziehungen zwischen Mann und Frau nach, der homosexuellen oder lesbischen Problematik, der Rivalität unter Frauen und den Banden zwischen Mutter und Tochter. Fast alle Autorinnen behandeln eines oder mehrere dieser Themen, und immer kommen sie zu beunruhigenden Ergebnissen, die sich aus Auflehnung und Aufrichtigkeit ergeben; und diese Ergebnisse sind ein gutes Beispiel dafür, wie sich innerhalb der hispanischen Kultur ganz allgemein die weibliche Problematik manifestiert, wenngleich in den Dramengestalten die Idiosynkrasien der Kubaner sehr deutlich werden. Sie verweisen auf den Kontrast zwischen der traditionellen Vorstellung von einem Frauenleben und den Fragestellungen der heutigen Gesellschaft. Das Zusammentreffen von nordamerikanischem Lebensstil und den von den Eltern vermittelten Normen, hat die kubanische Frau in den USA tiefgreifend (und auch auf fruchtbare Weise) erschüttert. Es ist bekannt, daß trotz der bestehenden Tendenz, die eigenen Traditionen, die Werte der hispanischen Kultur zu bewahren, heute prozentual mehr kubanisch-amerikanische Frauen außerhalb ihres Hauses arbeiten als Nordamerikanerinnen, und ihre Zahl ist auch sehr viel höher als die der anderen hispanischen Frauen in den USA. Ihre Geburtenrate ist dagegen die niedrigste. Diese Daten werfen Fragen auf, die sich auch in den Theaterstücken wiederfinden. Eine zweite Gruppe von Werken beschäftigt sich mit dem Problem der kubanischen Identität außerhalb Kubas und der inneren Spaltung, die sich bei Menschen im Exil vollzieht, wenn sie beginnen, neue Sitten und Gebräuche zu übernehmen. Es gibt keinen Kubaner, der fern von Kuba lebt und nicht dieses merkwürdige Gefühl gehabt hätte, in zwei

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gleichermaßen fremden und einander feindlichen Welten zu leben. Besonders die Kubanerin lebt unter einem starken Druck, der sie einerseits mit ihren Geschlechtsgenossinnen in der Heimat verbindet, sie aber andererseits in linguistischer, politischer, sexueller oder religiöser Hinsicht rigoros von ihnen trennt. Schließlich seien noch jene Autorinnen genannt, die mit historischen Elementen arbeiten oder mit Aspekten der kubanischen Folklore, wie sie im kollektiven Bewußtsein der kubanischen Gesellschaft fortlebt. In die erste Gruppe gehört Maria Irene Fornés, obgleich sie nicht im Exil lebt, da sie bereits in den vierziger Jahren in die USA emigriert ist. Fornés entwickelt die Handlung ihrer Stücke aus den Schwierigkeiten und dem Unbekannten, das die Frauengestalten aus verschiedenen sozialen Schichten umgibt. Ein absurdes Produkt, enstanden aus dem Zusammenprall von Bildern und Sehnsüchten, bestimmt das Leben dieser Frauen und manifestiert sich in einer dynamischen und häufig explosiven Sprache. Wenn Fornés in den dargestellten Situationen auch nicht aus kubanischer Sicht schreibt, so sollte doch erwähnt werden, daß ihr erstes Stück, La viuda, in Kuba spielt. Ihre Dramatik folgt keinen festen Regeln, und sie will ihr Werk auch nicht allein dem Feminismus zugeordnet wissen. Ihre bekanntesten Werke sind Molly's Dreams, The Successful Life of3, Sarita und Fefu and her Friends.2 Ana María Simó ist erst spät zum Theater gekommen. Bekannt wurde sie mit Erzählungen, Gedichten und durch ihre Arbeit im Bereich des experimentellen Films. Sie wurde 1943 in Cienfuegos, Las Villas, geboren und lebt seit Mitte der 70er Jahre in New York. In den letzten Jahren sind einige ihrer Werke in englischer Sprache veröffentlicht worden, wie das 1986 in New York uraufgeführte Stück What Do You See?3 Andere Titel sind Going to New England, Ted and Edna, Exiles, Alma, The Opium War und der Film How to Kill Her. Das kurze Stück What Do You See? enthält einen eindrucksvollen Dialog. Zwei Frauen, Sarah und Emily, durchleben eine Zeit der Unsicherheit in ihrer Liebesbeziehung. Man ahnt, daß es eine Veränderung oder einen Bruch geben wird, aber beide klammern sich an jenen idyllischen Augenblick, als ihre Beziehung begann. Deutlich spürt man die Kraft der Leidenschaft, die sie anzieht und zugleich abstößt. Trotz der Alltagsatmosphäre stellt das Stück geschickt 2

3

Vgl. Promenade and Other Plays. New York: Winter House, 1971. Das Buch von Diane Lynn Moroff: Fornes: Theater in the Present Tense, Ann Arbor 1996 enthält eine Chronologie ihrer Werke. Veröffentlicht in Tough Acts to Follow (Einakter über gay/ lesbische Erfahrungen), hrsg. von Noreen Barnes, Nicolas Deutsch. San Francisco.

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die Gemeinplätze des heterosexuellen Sprachgebrauchs mit ihren Konnotationen von Verlangen und Macht in Frage, und wir bekommen eine Vorstellung von dem, was die beiden Frauen zusammenhält. Die Doppeldeutigkeit, die stets in der Nostalgie der Menschen im Exil enthalten ist, wird deutlich in dem Stück Exiles, in dem die Hauptfigur, eine junge Frau, seelisch gespalten ist und von zwei Personen dargestellt wird, die ganz unterschiedlich in ihrem Verhalten sind. In den gleichen Zusammenhang, in das Spiel mit Aspekten der sexuellen Identität und der Sehnsucht nach Kuba, ist „Carmelita Tropicana" einzuordnen; das ist der Name einer Figur, die von Elena Troyano vorgestellt wird, einer jungen Autorin, die die Wirkung des Camp-Theaters nutzt, um die hispanischen Stereotypen des Weiblichen zu zerstören und dem machismo, der unsere Kultur charakterisiert, offen zu kritisieren. Ihre Strategie, die einen starken Anflug von politischem Engagement zeigt, klagt die Herrschaft des Mannes in der Gesellschaft und die patriarchalischen Werte an, die der Frau den Gehorsam gegenüber dem Vater und dem Vaterland vorschreiben. Leche de Amnesia ist der Titel eines Stücks, in dem Elena Troyano die Rückreise nach Kuba verarbeitet, in das Land, das sie als kleines Kind mit ihren Eltern verlassen hat. Der Titel ist ein Wortspiel mit „leche de magnesia", einer weißen, unangenehm schmekkenden und an Samenflüssigkeit erinnernden Flüssigkeit, die man in Kuba den Kindern einflößte, wenn sie Leibschmerzen hatten. „Carmelita" zeigt das Bemühen, sich an die Vergangenheit zu erinnern, und ruft ein Gedächtnis ab, das mit überkommenen Gedanken angefüllt ist. Sie besucht den Friedhof und findet die Gräber ihrer Vorfahren nicht mehr, aber sie stößt dort auf ein Paar, das ihr von den Ereignissen der „Sonderperiode" 4 berichtet, und sie begegnet einem Esel, der von seiner Reise von Spanien nach Kuba berichtet, als er einst einen der Eroberer begleitete. Die Bilder des heutigen Kuba mit den ständigen wirtschaftlichen Umorientierungen und den obsessiven Gedanken an Nahrungsbeschaffung verbinden sich mit den Erinnerungen des kleinen Mädchens. Daraus ergibt sich ein fragmentierter Diskurs mit erotischen Anspielungen, in dem sich viele Stimmen zu einer chaotischen Welt verweben, die kaum zu beschreiben ist. Die Stimme von Carmelita vermischt sich mit der eines Schweins, das geopfert werden soll, um anschließend gegessen zu werden. Getreu der Camp-Kritik, verdeutlicht dieses Schauspiel, daß 4

Damit sind die Maßnahmen gemeint, die ergriffen wurden, um der ökonomischen Situation der äußerster Knappheit und des wirtschaftlichen Verfalls zu begegnen, die in Kuba nach dem Fall des Sowjetischen Systems und dem Ende der Finanzhilfe aus der Sowjetunion herrschte.

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das Heimweh nur ein Schleier ist, der die Grausamkeit der Personen und ihr mangelndes Identitätsbewußtsein verbirgt. July de Grandy gehört zu denen, die als Kinder in die USA gekommen sind und sich selbst als „Brückengeneration" bezeichnen. Mit ihrer Hinwendung zum Theater ist sie einer Familientradition gefolgt, denn schon ihre Eltern und Großeltern waren Schauspieler und Theaterunternehmer. Zu ihren Werken gehören El elevador, Doblefondo, Conexiön sin hilos (letzteres in Mexiko uraufgeführt) und Trampa mortal. Ihr Stil zeigt eine deutliche Begabung zur Komödie und den Einfluß der melodramatischen Tendenz des zeitgenössischen spanischen Theaters, obgleich ihre Thematik ein breites Spektrum aufweist, von der Aidsepidemie und ihren Auswirkungen auf die menschlichen Beziehungen bis zur Ambivalenz, die zwischen dem unverheirateten Mann und seiner Mutter herrscht. Doblefondo (1989) entwickelt in realistischer Sprache das Problem von zwei Frauen, die erleben, wie die ihnen fremd gewordenen Kinder das Elternhaus verlassen, und die sich nun, nachdem sie mehrfach verheiratet waren, bemühen, die Leere ihres Lebens zu verbergen. In der Schlußszene schließlich bekennen die Freundinnen/Rivalinnen ihre Ängste und beginnen, ihre eigene Situation zu begreifen. Es gelingt der Autorin, eine ganze Generation von Frauen zu zeichnen, die, als sie mit ihren kleinen Kindern in ein unbekanntes Land kamen, ihre eigenen Jugendträume vergessen mußten, um wirtschaftlich und seelisch zu überleben. Obgleich ihnen bewußt wird, daß sie allein geblieben sind, gelingt es ihnen zum Schluß, sich ein wenig besser mit ihrer besonderen Rolle als Frauen abzufinden, die in einer Gesellschaft leben, in der sie nicht immer verstanden werden. Un punto que se pierde en la distancia y el tiempo, von Yolanda OrtalMiranda, bringt die Erlebnisse einer jungen, in eine Nervenklinik verbannten Schizophrenen auf die Bühne. Ana durchlebt die Ambivalenzen einer Frau, die in einer traditionellen Kultur aufgewachsen ist, in der sexuelle Liebe und romantisches Ideal eine einander ausschließende Dichotomie bilden. Als Kubanerin ist sie in den Augen vieler Männer ein Sexobjekt; sie gerät in zweideutige Situationen, die bei ihr eine Krise und einen Selbstmordversuch auslösen. Das Leben der Randgruppen in dem Heim, in das man sie gebracht hat - der von seinen Eltern verstoßene Homosexuelle, die alte verlassene Frau, das orientierungslose junge Mädchen -, zeigt eine Parallele auf zum Leben im Exil, zu den sich selbst entfremdeten, nahezu unsichtbaren Wesen, die überleben, indem sie sich in einer Gesellschaft, in der sie selbst kaum etwas bedeuten, gegenseitig beschützen.

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Dolores Prida hat mit ihren intelligenten und zornigen Analysen der seelischen Spaltung des Exilkubaners und der hispanischen Bevölkerung New Yorks die Gemüter der Theaterbesucher am stärksten bewegt. Ihre Frauengestalten, die den traditionellen Paradigmen treu bleiben und sich damit von der Gesellschaft, in der sie leben, abheben, lassen einen Blick auf das Komische, zuweilen Pathetische zu, und dadurch kann man wahrnehmen, wie wenig gefestigt ihre innere Welt ist. Mehrere ihrer Werke wie Coser y Cantar verbinden das Englische mit dem Spanischen, ein Phänomen, das sich im Bewußtsein einer großen Zahl von Hispanos zeigt, die lernen, in zwei Sprachen zu denken. Unter anderen Themen hat besonders ihre kritische Haltung gegenüber der stereotypen Definition der hispanischen Frau eine gewisse Ablehnung bei einigen Gruppen hervorgerufen, die sich der kritischen Sicht verweigern und nicht sehen wollen, welchen Einschränkungen jene Menschen unterliegen, die in eine unbekannte und feindliche Umwelt versetzt worden sind. Trotz allem hält Dolores Prida sich selbst für eine optimistische Person. 5 Die Herausforderung, in einer anderen Kultur zu leben, sieht sie als ein Problem der Auswahl und der Anpassung. Die Personen in ihren Stücken sind gezwungen, bestimmte Verhaltensweisen und Bräuche aufzugeben, um sich der nordamerikanischen Welt anzupassen; weil aber das Gleichgewicht erhalten werden muß, wird der Prozeß ganz bewußt vollzogen, unter Abwägung aller Veränderungen. Nach Dolores Prida „entspricht der Kampf für die Selbst-Definition einem Prozeß, in dem entschieden wird, wer siegt, welche Kultur die Herrschaft über den Körper erlangen wird. Beide Kulturen siegen, und eigentlich siegt keine, das ist die Botschaft". (Feliciano 1995: 116) Coser y Cantar zeigt, wie das Ich (ella/she) aus diesem Prozeß der seelischen Spaltung hervorgeht, der zur Verschmelzung von sehr unterschiedlichen Werten und Verhaltensweisen führt. Weitere Werke von Dolores Prida sind Beautißil Señoritas, Savings, Pantallas, Botánica, Mr. Beggar's Soap Opera, La era Latina, Crispí und Juan Bobo. Obgleich sie bisher nur einen Monolog, Rum and Coke, geschrieben hat, der im Dezember 1997 im AREA STAGE THEATRE von Miami Beach uraufgeführt wurde, zeigt Carmen Peláez, daß sie im Hinblick auf den ethnischen Kontrast und die Identitätssuche im kubanischen Theater neue Perspektiven eröffnet. Die Mischung aus Rum und Coca-Cola bezieht sich auf ein Getränk, in dem sich der kubanische und der nord5

Vgl. das Interview mit Wilma Feliciano „1 Am a Hyphenated American", in LATR 2 9 , 1 (Fall 1995), S. 113-118.

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amerikanische Geschmack verbinden und mit dem die Identität der in den USA geborenen Kinder von Kubanern angemessen beschrieben werden kann. In dem Monolog übernimmt ein und dieselbe Schauspielerin die Rolle einer Model-Aspirantin, einer kubanischen Großmutter in Miami, die wiederholt im Hungerstreik ist, und einer Mutter, die, um Geld zu sparen, im Ausverkauf auf Schnäppchenjagd geht. Die ModelAspirantin beschließt, nach Kuba zu fahren, weil sie wissen möchte, wie dieses Land beschaffen ist, um das sich alle Gespräche in ihrem Elternhaus zu drehen scheinen. Dort trifft sie (und sie verkörpert sie auch) eine Prostituierte, die resigniert ihrer Arbeit nachgeht, und sie trifft eine in Ungnade gefallene Ballerina, die jetzt die Toiletten im Kabarett TROPICANA putzt. Mit einem Dialog voller geistreicher Beobachtungen des Lebens in Kuba und in Miami, gelingt es dem Werk, die kubanische Alltagsphilosophie zu verdeutlichen, die das Lachen mit dem Fatalismus verbindet und den bittersüßen Geschmack der Erfahrungen von Frauen vermittelt, die in einem Milieu leben, das ihren tiefsten Sehnsüchten entgegensteht. Aber ihr großes Bedürfnis nach Liebe, ihre Zerbrechlichkeit hindern diese Personen nicht daran, eine Lebensfreude zu bekunden, die zugleich ihre Hoffnung aufrechterhält. Eine Reihe von Autorinnen ist noch zu nennen: Achy Obejas hat mit Carnicería einen Ausflug ins Theater gemacht. Das Stück wurde 1983 in Chicago uraufgeführt und gilt als das erfolgreichste aller in dieser Stadt aufgeführten hispanischen Stücke. Obejas schreibt Prosa (u.a. Memory Mambo, 1996, und Kurzgeschichten) und arbeitet als Journalistin in englischer Sprache. Myriam Acevedo ist Schauspielerin sie lebt in Italien, schrieb Al compás del estaberio (Miami, 1988) und A quien pueda interesar (1995), einen Monolog mit Auszügen aus dem Werk verschiedener kubanischer Schriftsteller über die Geschichte und spezifisch kubanische Erfahrungen.6 Mary A. Calleiro schrieb Los payasos und Los insuficientes; Ofelia Fox und Rose Sánchez brachten in Kalifornien Réquiem por un marino genovés zur Uraufführung (1991), ein historisch-kritisches Stück über Christoph Columbus. Zum Schluß müssen auch noch zwei Frauen erwähnt werden, die eine wichtige Rolle im kubanisch/amerikanischen Theater in Miami gespielt haben: Teresa María Rojas, Schauspielerin und Lehrerin für Drama, Gründerin der Gruppe PROMETEO, aus der viele junge Talente hervorgegangen sind, und die Dramatikerin und Regisseurin Maria Julia 6

Vgl. das Interview mit Yara González Montes: „Myriam Acevedo vista por sí misma", in Anales Literarios. (Dramaturgos) 1,1 (1995), S. 124-126.

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Casanova, Autorin der Musicals Vivitttos hoy, Hotel Tropical und Nuestros maridos. Außerdem schreibt sie Komödien und Serien für das Fernsehen. Zusammenfassend stellen wir fest, daß das Theater von Frauen, die nicht in K u b a leben, im Prozeß der Transkulturation des kubanischen Volkes Spuren hinterlassen hat. Es haben sich Freiräume eröffnet, in d e nen die Frau, trotz der überwiegend schwierigen U m s t ä n d e eines L e bens im Exil, ihren Sorgen, ihren intimsten Konflikten und Sehnsüchten Ausdruck verleiht. Deutsch von Veronica Beucker Literatur Feliciano, Wilma: „I am a Hyphanated American; Interview With Dolores Prida", in LATR 29,1 (Fall 1995), S. 113-118. Fornés, María Irene: Promenade and Other Plays. New York 1971. Gonzáles Montes, Yara: „Myriam Acevedo vista por sí misma", in Amies Literarios (Dramaturgos) 1,1 (1995), S. 123-126. Maratos, Daniel C. und Hill, Marnesba D. (Hrsg.): Escritores de la Diaspora Cubana. New York 1986. Martínez, Carlos: Dictionnary of Twentieth Century Cuban Literature. Greenwood 1990. Montes Huidobro, Matías: Persona, vida y máscara en el teatro cubano. Miami 1973. Moroff, Diane Lynn: Fornés: Theatre in the Present Time. Ann Arbor 1996. Noriega, Chon A. und López, Ana M.: The Ethnic Eye: Latino Media Arts. Minneapolis 1996. Ortal Miranda, Yolanda: Un punto que se pierde en la distancia y el tiempo. New York 1991. Prida, Dolores: Beautiful Señoritas and Other Plays. Houston 1991. Santiago, Héctor: „Características del teatro frente a otros géneros literarios en el exilio", in Lo que no se ha dicho. (Monge Rafuls 1994), S. 97-112. Simó, Ana María: „What Do You See?", in Tough Acts to Follow - One-Act Plays on the Gay/Lesbian Experience, hrsg. von Noreen Barnes, Nicholas Deutsch. San Francisco (o.J.). Troyano, Elena: „Milk of Amnesia/ Leche de Magnesia", in The Drama Review, 39, 3 (Fall 1995), S. 94-111.

Olympia 6. González, promovierte in Literatur an der Cornell University, Ithaca. Arbeitet zur Zeit als Associate Professor, Loyola University of Chicago. Publikationen: „Larra: el romántico y el didáctico", in Evocaciones del romanticismo hispánico. Madrid 1988; Mirtos frescos y deleitosa nave: La poesía de Pedro Soto de Rojas. Madrid 1990; „La escena de la seducción en unos poemas de Pedro Soto de Rojas", Monographie Review/Revista Monográfica VII, 1991; „Un orden en el caos: visión crítico

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narrativa de Julieta Campos", Letras Femeninas, Sondernummer, 1994; „Del cuadro a la mirada por el cuadro: poemas de Severo Sarduy", Puentelibre II, 5-6, 1995; „El tiempo de la imaginación: Orfeo y la música en El invierno en Lisboa", in Confluencias 10,2,1995; Cuban Folktales. Chicago 1997; „Iraida Iturralde: la sensualidad de la luz",

in Anales literarios II, 2,1998.

Juan Carlos Martínez

Homophobie: Erinnerung, Paradoxon und andere Spiele Die kubanische Dramatik, die sich in den letzten vier Jahrzehnten außerhalb von Kuba entwickelt hat, wurde - zu ihrem Vor- oder Nachteil - von den Bedingungen des Exils und der verzweifelten Suche nach einer eigenen Identität geprägt. In diesem Kampf um die Zugehörigkeit zu einer Nation und einer Kultur, mit denen offiziell gebrochen und von denen eine geographische Trennung vollzogen worden ist, haben die kubanischen Dramatiker in der Diaspora ihre analytischen Sinne in Bezug auf und ihre Fragen über die kubanische Realität geschärft. Analyse und Infragestellung haben keine beschauliche Annäherung an die Wertvorstellungen und Vorurteile, die tief in der kubanischen Zivilgesellschaft verwurzelt sind, geschaffen; das Thema der Homosexualität als Ursprung für Konflikte zwischen individueller Identität und kollektivem Bewußtsein ist dabei in den letzten fünfzehn bis zwanzig Jahren immer öfter in den Stücken der Autoren, die im Ausland und vor allem in den Vereinigten Staaten leben, in Erscheinung getreten. Vor diesem Zeitraum ist die Homosexualität als Thema oder Unterthema des kubanischen Theaters im allgemeinen nahezu inexistent. Da die nationale Dramatik eine Gesellschaft widerspiegelt, die seit Jahrhunderten Werten, die vom machismo geprägt sind, unterworfen und in ihrem äußeren Erscheinungsbild aggressiv heterosexuell ist, streifte sie den Konflikt nur oberflächlich oder reduzierte ihn auf einige unglückselige oder unbedeutende Figuren wie die Clowns des teatro bufo, die mit verbundenen Händen und flötenden Stimmen auftraten. Dennoch brachten Autoren von der Bedeutung eines Virgilio Piñera (in Jesús, aufgeführt 1959, und Aire frío, 1962), José Triana (in La noche de los asesinos, 1966) und Abelardo Estorino (in La casa vieja 1964) zunehmend Figuren auf die Bühne, die einen inneren Widerstreit in all seiner existentiellen Komplexität ausstanden, der viel umfassender und vielfältiger ist, als der bereits erwähnte Antagonismus zwischen kleinbürgerlichem Individualismus und dem Bewußtsein einer Gruppe. Aber zu dem damaligen Zeitpunkt, inmitten der siegreichen Revolution, die mit ihrer läuternden Offensive die Homophobie zum kollektiven moralischen Prinzip erhob, konnte oder wollte sich niemand mehr damit auseinandersetzen.

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Mehr als dreißig Jahre später ist es nicht schwer - wenn man die lähmende Wirkung einer scharfen offiziellen Zensur und den gleichzeitigen gesellschaftlichen Zwang dieser Zeit bedenkt trotz der mitunter kryptischen Sprache dieser drei großen kubanischen Dramatiker (oder gerade deshalb) eine dem gesellschaftlichen Kanon nicht verpflichtete Moralität zu erkennen, auch wenn sie noch von dem ambivalenten Wunsch geprägt ist, zu existieren, ohne bemerkt zu werden. Erst als die kubanischen Dramatiker im Exil begannen, ihr emotionales Gedächtnis wiederzufinden, erschien das Thema der Homosexualität mit einem eigenen Gesicht auf dem Theater; als Teil oder kleiner Bestandteil der Suche nach einer Identität, die aus politischen Gründen verloren ging. Die Entwurzelung wächst durch die Eingliederung in eine Megakultur wie die amerikanische, deren ethnische Vielfalt die Grenzen des Nationalen in ein verallgemeinerndes und vereinfachendes Hispano- oder Latino-Amalgam auflöst und verwischt. Auf diesem unsicheren Boden - und ihm zum Trotz - mußte das kubanische Theater im Exil seine Fundamente aufbauen. Das Paradoxon hat für die nationale Theatergeschichtsschreibung eine demystifizierende Darstellung der Homosexualität bewahrt, die ganz entschieden als Einstellung zum Leben aufgefaßt wird. In einigen Texten überwiegt der Wunsch, die Gesellschaft anzuklagen, in anderen erscheint die Homosexualität als Teil eines größeren Konflikts, der größtenteils politisch motiviert ist, und in wieder anderen unterstützt die psychosoziale Untersuchung des Phänomens die Darstellung des dramatischen Konflikts. Was alle diese Texte verbindet, ist eine gewisse Hartnäckigkeit, die sich nach außen wendet und die zur Diskussion über ein Thema aufruft, das in der kubanischen Gesellschaft immer als Tabu behandelt worden ist und nur verstohlen und nur mit vorgehaltener Hand diskutiert werden konnte. Die Blüte der Homosexualität als Thema innerhalb des kubanischen Theaters im Exil ist dem Wissenschaftler Alberto Sandoval Sánchez eine aufschlußreiche Analyse über die wichtigsten Intentionen der engagierten und den historischen Veränderungen ihrer Zeit unterworfenen Dramatiker wert: Es ist interessant zu beobachten, daß kubanische Exilanten öfter aus sich herausgehen als andere Latinos/Latinas. In ihren Stücken ist die Kritik an zwanghafter Heterosexualität offen und direkt. Die Logik hinter dieser liberalen Position zeigt, daß das Verlassen Kubas für Kubaner absolute Freiheit bedeutet. Dementsprechend bedeutet die Freiheit des Wortes in der amerikanischen Demokratie auch die Freiheit der Sexualität. Das Ziel der Exilkubaner ist es, die an

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die amerikanisch-kubanische Gemeinschaft vererbte und in Kuba (vor und nach Castro) praktizierte Homophobie aufzudecken 1

Zwei unterschiedliche Herangehensweisen im krtischen Umgang mit der tradierten Homophobie lassen sich beobachten: Einerseits erscheint der theatrale Text als retrospektiv wiedererlangtes Gedächtnis; andererseits ist der dramatische Text eine Chronik der Gegenwart, deren Zeitbezug durch die Entstehung des literarischen Textes untergraben wird. Erinnerung und Risiko Die Rückkehr mit Hilfe der Erinnerung, die spirituelle Reise zurück zu den Ursprüngen, ist ein Strukturprinzip, auf das sich viele Stücke kubanischer Dramatiker außerhalb des Landes beziehen. Dieses Mittel war besonders jenen Autoren nützlich, die sich mit dem Thema der Homosexualität aus psychosozialer Sicht auseinandergesetzt haben, unabhängig davon, ob sie Erklärungen für die sexuelle Identität ihrer Figuren in deren individueller gesellschaftlicher Entwicklung suchten, oder sie deren jeweilige Persönlichkeit betonten, die letztlich jede Wahl prägt - auch die, die das sexuelle Verhalten bestimmt. Kuba stellt den ursprünglichen Bezug dar, wobei die zeitlichen und örtlichen Referenzen nie pittoresk sind. Die dramatischen Konflikte, ihre Figuren und die Werte, die sie ausmachen, sind eng mit dem Barocken und Zufälligen einer Idiosynkrasie verschmolzen, in der Landschaft, Klima, Umgangssprache, Licht, Gesten, Gerüche, Tonfälle, Sexualität und Politik sich komplizenhaft zu einem Bündel von Wesen, Arten und Anschauungen verbinden, die einige „das Kubanische" nennen und andere wissenschaftlicher als nationale Kultur identifizieren. In El palacio de los gritos2 und in Nocturno de canas bravas3 macht José Corrales - einer der profiliertesten und phantasievollsten kubanischen Autoren der letzten zwanzig Jahre - ausführlichen Gebrauch von einer immer enigmatischen psychologischen Anlage seiner Figuren, um das persönliche Drama dieser Wesen, die in eine Kabbala verstrickt zu sein scheinen und deren wahre sexuelle Identität nie preisgegeben wird, der 1

Alberto Sandoval Sánchez: „So Far From National Stages, So Close to Home: An Inventory of Latino Theater on AIDS", in OLLANTAY 2,2 (Summer-Fall 1994), S. 70.

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The Presbyter's Peartree. Princeton 1994.

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The Presbyter's Peartree. Princeton 1994.

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öffentlichen Meinung auszusetzen. In beiden Texten stellt der Autor aus der Trinität Raum-Figur-Handlung einen sich aufeinander beziehenden Zusammenhang her, der sie, wie das Drama selbst, das seine Figuren durchleben, und wie die historische Situation (dem Anfang der 50er Jahre beziehungsweise die Mitte der 40er), die sie widerspiegeln, einer geschlossenen und unterdrückerischen Struktur aussetzt. Im ersten Stück versucht ein Ehepaar - hinter stets verschlossenen Türen - seine homosexuellen Neigungen durch die Flucht in eine eheliche Krise zu entkräften; im zweiten hingegen geben drei Freunde, geschützt von der Abgeschlossenheit eines Waldes, anhand von Träumen und Beschwörungen ihrer ambivalenten Mischung aus Faszination und Ablehnung Ausdruck, die einer für den anderen gehegt und die ihr Leben seit der Kindheit geprägt hat. Beide Arbeiten geben glaubhaft das Klima sexueller Repression wieder, die die kubanische Gesellschaft von damals bereits zur moralischen Tugend erklärt hatte und förderte; und ihre Analysen bieten Rückschlüsse, mit deren Hilfe sich dechiffrieren läßt, wo sich die Vorläufer unserer tradierten Homophobie finden lassen. In The Great Performance4 entwickelt Elias Miguel Muñoz eine bewegende Geschichte, in der zwei exilierte Homosexuelle, ein Mann und eine Frau, beglückt feststellen, daß sie aus derselben Gegend im Westen Kubas stammen; dies stellt den Ausgang für eine wachsende Freundschaft dar, während der beide in einen Raum der Erinnerung und Phantasie eindringen, der ihnen ermöglicht, ihr eigenes Leben neu zu überprüfen und das Gerüst aus Vorurteilen, Intoleranz, Verfolgung und manischer Ablenkung von der eigenen Sexualität bloßzulegen, dem sie beide seit ihrer Kindheit ausgesetzt waren. Die zentrale Handlung des Stücks (im doppelten Sinne zu verstehen: im Leben handeln und für den anderen handeln, um ihm zu zeigen, wer er nicht ist) wird an der Freundin deutlich, die ein Jahr und all ihre Erparnisse der Pflege des Freundes widmet, um ihm vor seinem Tod noch eine letzte glückliche Erinnerung zu schaffen: diejenige, geliebt zu werden. Auch Alberto Sarrain läßt in Donde habita el olvido (1993) als dramatischer Schriftsteller Fähigkeiten erkennen, die an seine bekannte Virtuosität als Regisseur erinnern. Der Grundgedanke des Stücks baut auf einer Ästhetik der Erinnerung auf, in der das Unbewußte die Beziehungen zwischen Raum und Zeit verändert oder ihm entsprechend neu geordnet werden; dadurch wird die Logik der Ereignisse einer veränderten 4

Das Stück wurde 1991 auf Englisch geschrieben und befindet sich im Archiv des OLLANTAY ARTS HERITAGE CENTER, N e w Y o r k .

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Bewertung unterstellt, da sie sich in ihrer Wahrnehmung der Realität subjektiv und natürlich auch emotional ausrichtet. In einer Art traumhaftem Exorzismus werden die die Persönlichkeit der beiden Figuren begründenden Handlungen dargestellt, deren Leben parallel verlief, bis ein unglücklicher Zufall ihre Schicksale in einem tragischen und befreienden Schluß verbindet. Die Familie - die patriarchalische Autorität, der manipulierende Einfluß durch die Gefühle der weiblichen Figuren - erscheint als Allegorie der zerstörerischen Wirkung der Gesellschaft und ihrer öffentlichen und religiösen Institutionen auf den Menschen und dessen freiheitliche Natur. Die wissenschaftlichen Hypothesen, die im Stück erhoben werden - auch wenn der Autor behauptet, sie seien frei erfunden und nicht beabsichtigt - werfen tiefgreifende ethische Fragestellungen über die Bestrebungen auf, das menschliche Verhalten zu kontrollieren, und werden zu einem dramatischen Manifest, das einen Ort fordert, an dem der Mensch mit grenzenloser Freiheit so sein kann, wie er ist, ohne dabei zum Vergessen Zuflucht nehmen zu müssen. „Jeder Kubaner hat bezahlt und wenn es nur ein knappes Kilo Schmerz war." Behauptungen wie diese, klar, direkt, ohne jegliche literarische Prätentionen, kommen mehrfach in La vida es un carnaval (1994) vor, wahrscheinlich eine der lebendigsten und schamlosesten Darstellungen, die über das Schicksal der Homosexuellen im kastrierten Kuba Castros je geschrieben wurde. Sein Autor, Enrique R. Mirabai, ein in Mexiko lebender Kubaner, macht eine postmoderne Variante des bufo cübano, und fegt, indem er sich auf dessen Sarkasmus und dessen kreolische Späße als stilistische Mittel bezieht, respektlos über die Arbeitslager der 60er Jahre, die Einschränkung der Künstler und Intellektuellen in den 70er Jahren, die beschämenden Razzien nach Homosexuellen im COPPELIA und die - immer wieder stattgefundene - Entfernung politisch unerwünschter Individuen aus den Universitäten hinweg: eine via crucis fast allen menschlichen Elends und aller Anfeindungen, die zum Schutz der kommunistischen Heilslehre erdacht wurden. Sein Protagonist, der im Stück als „pathetisch revolutionärer" Mulatte in den Vierzigern beschrieben ist, kämpft verzweifelt um zwei unerfüllbare Leidenschaften: um die Liebe eines jungen sozialistischen Kupplers und um ein politisches Projekt, das von Männern zum Wohl der machos entworfen wurde. Die letzte Szene dieses Mannes, der in den Straßen Havannas von denselben Leuten mit Steinen beworfen wird, die Minuten später seiner Deklamation des niemals so subversiv erschienenen AI partir der Avellaneda aus dem 19. Jahrhundert applaudieren, ist vielleicht die klügste Analyse, die jemals über den politischen Opportunismus und die ideo-

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logischen Inkonsequenzen der kubanischen Revolution für das Theater geschrieben wurde. Es können noch weitere Autoren innerhalb dieser stärker politisierten Auseinandersetzung mit dem Thema der Homosexualität genannt werden. Zum Beispiel der Veteran Matías Montes Huidobro, dessen Exilio5 - auch wenn es vor allem eine Studie über die menschlichen Beziehungen in klassenkämpferischen Zusammenhängen darstellt - durch seine Protagonisten Zeugnis von der Verfolgung der Homosexuellen im Kuba der 60er Jahre ablegt. Auch wenn sich dieses Stück durch eine außergewöhnliche stilistische Komplexität auszeichnet, in die sich der Text durch eine Folge von Sub- und Intertexten öffnet, die durch die Vielfalt der Blickwinkel seiner Figuren entsteht und die eine gewisse Distanzierung des Autors selbst vorwegnimmt, läßt Montes Huidobro nicht zu, daß seine Bezüge auf das realistische Drama seine Objektivität bei der Interpretation der Ereignisse beeinträchtigen, auf die es - wie etwa die Intoleranz Kubas gegenüber jeglicher Form der Andersgläubigkeit - vom historischen Standpunkt her gesehen bedauerlicherweise auch keine Antwort gibt. Ein wesentlich jüngerer, aber nicht weniger stilistisch risikobereiter Autor, José Abreu Felipe, hat ebenfalls seine Spuren zum Thema hinterlassen. Als Angehöriger der Mariel-Generation6 hat er seinen ersten dramatischen Text, Amar así1 zwischen Oktober und November 1980 auf der Insel geschrieben, als die Erinnerungen an die folgenschweren Tage des Massenexodus und die kubanische Kristallnacht noch frisch im kollektiven Gedächtnis waren; aber erst acht Jahre später konnte dieses tragische saínete über eines der beschämensten Ereignisse in der kubanischen Geschichte veröffentlicht werden. Der Text bewegt sich fließend zwischen zwei Ebenen: einer inneren von Orestes, der von seinem jungen homosexuellen Liebhaber verlassen wurde, und einer äußeren, die eine Gesellschaft widerspiegelt, die mitten in den Ausschreitungen eines despotischen und intoleranten politischen Systems jegliche moralische Autorität verloren hat. Die Parallelität der Argumentationslinien deutet dennoch auf die gleiche Interpretation 5

Editorial Persona. Serie Teatro. Honolulu 1988.

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Junge Künstler und Schriftsteller, die 1980 unter den mehr als 100 000 Kubanern aus dem Hafen von Mariel in die USA geflohen sind und deren Werk nur im Exil Beachtung fand. Tatsächlich konnte Abreu Felippe erst 1983 Kuba verlassen und nach Spanien gehen; später hat er sich in den USA niedergelassen.

7

Ediciones Universal. Colección Teatro. Miami 1988.

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von Liebe als verlorenem Ausdruck der Freiheit hin, ohne die der Mensch und seine Beziehungen keinen Sinn und keine Glaubwürdigkeit haben. Andere Autoren wie Nilo Cruz in A Park in Our Houseß und Carmelita Tropicana in Memories ofthe Revolution9 erzählen ebenfalls offen von homosexuellen Figuren, deren Leben durch die Wechselfälle der kubanischen Revolution verändert (oder von ihnen betroffen) werden. Die größte Herausforderung, der alle diese Texte trotzen, besteht in der selektiven Subjektivität, die jeden Versuch, die Erinnerung zu rekonstruieren, begleitet; insbesondere wenn die Erinnerung der hier genannten Autoren direkt in die Ereignisse hineingezogen und/oder Teil der von ihnen dargestellten und beurteilten Umstände war. Die Stücke sind, wenn auch nicht unbedingt biographisch, Augenzeugenberichte oder Beobachtungen Nahestehender. Trotz dieser Nähe, die durch die Interpretation der Realität Risiken der Verzerrung - wie Fehler oder Ausschweifungen - bergen mögen, ist ihr dokumentarischer Wert nicht zu leugnen. Teil des Spiels Von der anderen Seite des Ufers hat das Gesicht der tradierten Homophobie kein freundlicheres Antlitz. Das kubanische Exil brachte gemeinsam mit seinen Erinnerungen auch seine Vorurteile und seine anderen Laster mit. Die Zeit und die Lektionen als Bürger einer freiheitlichen Gesellschaft konnten die Risiken, eine rückschrittliche, intolerante und sexistische Moral zu bilden, zwar vermindern, aber nicht auslöschen. Bei der Suche der kubanischen Autoren nach Themen, die sich von der politischen Realität entfernen, stießen sie unweigerlich auf die Probleme der Entwurzelung und der Eingewöhnung, die das Exil mit sich bringt. Und nur wenig später erschien neben dem Ausgeschlossensein und der Entwurzelung die Homosexualität als Konflikt. Genau 1983 kam Union City Thanksgiving10 in New York auf die Bühne, und mit ihm spielte erstmals eine homosexuelle Figur - noch dazu eine Frau - die Hauptrolle in der umfangreichen und komplexen Welt der kubanischen Immigration und deren Darstellung im Bereich der

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OLLANTAY

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Archiv des OLLANTAY ARTS

5,1 (Winter/Spring 1997), S. 122-168.

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Teatro cubano contemporáneo. Antología. (Espinosa Domíngue 1992).

HERITAGE CENTER.

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Juan Carlos Martinez

Familie. Sein Autor, Manuel Martin Jr., hatte schon gezeigt, daß ihn die Homosexuellenthematik interessiert: mit einer Randfigur in Carmencita, das 1978 aufgeführt wurde, und deutlicher in Swallows aus dem Jahr 1980, in dem die Geschichte zweier Homosexueller - einem Mann und einer Frau - die in ein Dokudrama über die Auswirkungen der Revolution auf die Familien innerhalb und außerhalb Kubas eingefügt ist, richtet er erstmals das öffentliche Interesse auf die Repression und Verfolgung der Homosexuellen auf der Insel. 11 Aber erst in Union City... ereignet sich das Unfaßbare: die ,heiligen' Probleme der Exilfamilie verbinden sich auf ein und derselben Ebene mit einem wesentlich weltlicheren und weniger patriotischen Problem: der Homosexualität. Die Beziehung zwischen Nidia und Sara, die von der Familie als nicht existent betrachtet wird, löst eine für uns typische passive homophobische Reaktion aus: das Phänomen wird ignoriert, um es nicht ablehnen zu müssen. Auch dann, als die emotionalen Erpressungen und Nachstellungen, die einer der Brüder dem Paar gegenüber ausübt, während des familiären Festessens zum Erntedankfest zur offenen, anklagenden Revanche werden, versucht jeder auf seine Art, sich, ohne Partei zu ergreifen, von dem Problem zu distanzieren. Die Großmutter, Symbol der traditionellen Kräfte im Stück, beschreibt in ihren letzten Worten ihren unerschütterlichen Glauben an die Moral und den vorgespielten Schein: Stell dir vor... eine Weinrebe in den Tropen. Als sie das erstemal Früchte trug, waren die Trauben ganz sauer... aber wir aßen sie mit Genuß, als wären sie die köstlichsten Früchte der Welt, und wir taten so, als wären sie so süß wie die, die wir in Spanien zurückgelassen haben. (1992:857)

Union City Thanksgiving war zu jenem Zeitpunkt ein Werk der Öffnung und veränderte den Blick auf die Familienprobleme kubanischer Exilanten genau in dem Moment, in dem sich abzeichnete, daß eine neue Generation von Exilkubanern aufwuchs, die unter anderen Bedingungen als ihre Eltern und mit neuen Problemen an die Tradition

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Swallows hatte seine Premiere einen Monat vor den Ereignissen in der Peruanischen Botschaft Havannas und der darauffolgenden Ausreise über den Hafen von Mariel, die auch einige Tausend Homosexuelle betraf, die sich gezwungen sahen, ihre Heimat zu verlassen. Einige Jahre später, 1984, zeigten die Filmemacher Néstor Almendros und Orlando Jiménez Leal einen Dokumentarfilm, Conducta impropia, der um die Welt ging und ähnliche Vorkommnisse anklagt, wie sie Martin in Swallows dramatisierte.

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herangingen; was wiederum eine Erneuerung der Themen, ihrer Darstellung und Analyse notwendig machte. Martin nahm die Herausforderung an und sah sich kurze Zeit später von anderen Autoren umgeben, die bereit waren, mit ihren Stücken zu der Entmythologisierung des Themas Homosexualität beizutragen. Im selben Jahr fand die Uraufführung von Randy Barcelós12 Canciones de la Vellonera statt, und ein Jahr später gab es eine öffentliche Lesung von dessen Never Marry a Horse of a Différent Color. Beide Texte zeigen die Homosexualität nicht als Konflikt an sich, sondern als psychosozialen Kontext, der einen Lebensstil bestimmt - fast immer falsch interpretiert und in Stereotypen gesehen -, in dem sich Menschen mit ihren Leidenschaften, Niederlagen und Erfolgen bewegen. Mit einer ähnlichen Haltung, aber größerer gedanklicher Tiefe und von höherem stilistischen Rang kam Manuel Pereiras - produktiv, ikonoklastisch, rebellisch - mit All About Muté, Still Still, Bebo and the Band, In the Country ofAzure Nights, La Paloma, The Two Romantic Ladies und anderen Stücken13 dazu. Am Ende des Jahrzehnts und zu Beginn des neuen begann das Theater, sich zunehmend mit der AIDS-Problematik auseinanderzusetzen. Die lateinamerikanische Gemeinde entkam der Wirkung der Epidemie nicht, und die Dramatiker reagierten unmittelbar mit Stücken, deren agitative und vorbeugende Absichten dringlicher waren als ihre künstlerischen Ansprüche. Die Kubaner stellten sich mit besonderem Eifer ihrer Veranwortung einem Phänomen gegenüber, das die homosexuelle Gemeinde erschüttert und in vielerlei Hinsicht ihre Weltsicht verkehrt hatte. Autoren wie Pedro Monge Rafuls (Noche de ronda), Ofelia Fox und Rose Sánchez (Siempre Intenté Decir Algo (SIDA)/Alguien Importante Decidió Salir (AIDS), Muñoz (The Great Performance) und Pereiras (All Hallow Even), um nur einige zu nennen, verbinden Kreativität mit Wagemut, um nicht nur über das Drama der von der Krankheit direkt Betroffenen, sondern auch über die Reaktionen in den Familien zu reflektieren, die dazu gezwungen sind, mit dem Verlust einer geliebten Person und oftmals gleichzeitig mit dem Trauma der plötzlichen Enthüllung ihrer Homosexualität fertig zu werden. 12

(1946-1995). Bekannter für seine Arbeiten als Choreograph und Kostümdesigner am Broadway. Seine zwei einzigen dramatischen Texte befinden sich im Archiv des OLLANTAY ARTS HERITAGE CENTER, New York

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Manuel Pereiras Garcia: Complete Plays, 32 Bände. The Presbyter's Peartree. Princeton 1998.

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Aber in dem Maß, in dem die Wissenschaft die Entfernung zwischen Verzweiflung und Heilung verkürzt hat und die Gesellschaft vom Erschrecken zur Routine übergegangen ist, haben sich auch die Schwerpunkte des theatralischen Diskurses neu geordnet. Das Wort scheint die Obsession der Bilder überlebt zu haben, die jahrelang die Avantgarde dominierte, und man erlebt die Wiedergeburt des „Textes", eine Lust an dem, was gesagt wird, in dem Inhalt und Form sich per Definition ausschließen, aber das eine nicht ohne das andere auskommt. Innerhalb dieser Bewegung zurück zur Literalität des Theaters erscheinen Muerte por aire14 von José Abreu Felipe und Se ruega puntualidad (1997) 15 von Pedro Monge Rafuls; zwei hinsichtlich ihrer sprachlichen Qualität und ihrem ungewöhnlichen Blick auf die Sexualität außergewöhnliche Texte, die bei der Darstellung unvorhersehbarer menschlicher Verhaltensweisen mit ihrem System von Codizes und Zeichen den Auftakt für eine neue - offenere und elliptischere - Herangehensweise an das szenische Schreiben gaben, die sich konventioneller Klassifizierungen und einer naturalistischen Spielweise entzieht. Das mit stark lyrischem Akzent versehene Stück von Abreu Felipe ist ein Spiel zwischen Leben und Tod, in dem, wie es einer der Schutzengel/Apokalyptischen Reiter beschreibt, der einzig mögliche Raum die Luft und die Zeit ist: „nur in der Erinnerung liegt die Erfüllung". Adrián, der sich auch mit Gewalt der Jagd nach Erfolg widersetzt, lebt sprichwörtlich ausgestellt in einem undurchdringlichen hölzernen Rahmen, der ihn dennoch nicht gleichgültig gegenüber fleischlichen Lüsten und grauenhaften Erinnerungen macht. Gerade in seiner Angreifbarkeit liegt die Humanität dieser Kern-Figur. Der Text ist von einer erdrückenden Fülle, die durch die Übernahme und Parodie von Fragmenten aus Werken von Calderón de la Barca, Carson McCullers, Saint-John Perse, Jorge Manrique, Reinaldo Arenas, bis zu Zitaten aus Büchern des Alten Testaments in ihrer Dimension zunimmt und dadurch Universalität gewinnt. Für seine Maßstäbe erreicht Monge Rafuls, der bislang dem realistischen Diskurs zugehörig war und sich durch sein besonderes Interesse für Umgangssprache auszeichnete, mit Se ruega puntualidad einen verwegenen Wendepunkt seines dramatischen Schaffens. Denn dort dringt er mit vier Figuren und einer für ihn unbekannten Leidenschaft für pro14

1996. Als dieser Artikel geschrieben wurde, fanden die letzten Korrekturen für seine Veröffentlichung in Spanien statt.

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OLLANTAY

Press, Colección Teatro.

II.

New York

1997.

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vozierende Sprache in einen bissigen, sarkastischen und manchmal dämonischen Surrealismus ein. Der Kampf um die Macht und die daraus resultierenden vielfältigen Verwicklungen zwischen Mamapar, Gustavo, Manolete und dem Polizisten durchleuchten ein überaus subtiles Wechselspiel zwischen Autorität/Unterwerfung, Sexualität/Transvestismus, Ritualität/ Entweihung. In einer der wenigen Regieanweisungen vergißt er nicht zu erwähnen, daß Gustavo und Manolete ambivalente aber nicht stereotype Figuren seien, und spezifiziert, daß die aufreizende Weiblichkeit des zweiten allmählich bis gegen Ende verschwinden sollte. Diese Bemerkung gibt einen Hinweis auf die permanente Überschreitung, die sich im Verlauf des Stückes ereignet - darüber hinaus zwei Alternativen für den Schluß zuläßt -, und auf seinen Versuch, die dunklen Absichten des menschlichen Verhaltens sichtbar zu machen. Wenn dieser Text einen in der Darstellung seiner Gedanken risikofreudigeren Pedro Monge erkennen läßt, dann verrät Otra historia (1996), das ihn mehr als drei Jahre für Recherche und Schreiben gekostet hat, einen von der Theatralität und der Dramatik der afrokubanischen Mythologie, vor allem ihrer sich durch die Präsenz der Yoruba ausgeprägten Formen faszinierten Dramatiker. Es ist nicht das erste Mal, daß sich das kubanische Theater mit ihr befaßt>6, aber niemals zuvor ist die Liebestragödie zwischen zwei Männern als ein von den Orishas bestimmtes Schicksal interpretiert worden. Um die explosive Irritation zu verstehen, die dieser Text beim Lesen provoziert, muß man dazu erwähnen, daß die afrokubanische Religiosität einer der soziokulturellen Pfeiler des makellosen machismo der kubanischen Gesellschaft ist. Deshalb ist schon die Assoziation zwischen Homosexualität und santería innerhalb desselben Bedeutungszusammenhangs genug, um Polemik und Unruhe hervorzurufen. Monge Rafuls wechselt Realismus und Magie durch eine einfache aber ineinander verschlungene Assoziation von Ursache und Wirkung miteinander ab, in der - wie im Modell der griechischen Tragödie - die Figuren nutzlos gegen ein vorbestimmtes und unveränderbares Schicksal kämpfen. Aber die gut gesetzte Pointe ist nicht viel mehr als eine Ausrede, um eine umfangreiche Charakterologie des klassischen macho zu entwickeln, der paradoxerweise im Jubel über die Herrschaft seines Geschlechts in die Falle seiner zerbrechlichen menschlichen Natur gerät.

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Eindrucksvoll in Maria Antonia von Eugenio Hernández Espinosa, Réquiem por Yarini von Carlos Felipe, Santa Camila de la Habana vieja von José R. Brene.

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Alle diese Texte und viele weitere, die hier aus Platzgründen fehlen müssen, gehören zu einer die kubanische Dramatik im Exil erneuernden Bewegung, die - gegen den Strom und obwohl sie selten auf die Bühne gebracht wird - weiter wächst und auf ihrem Existenzrecht beharrt; sie bringt in dieses Niemandsland, das im Leben der Exilkubaner die Utopie von der Realität trennt, einen kritischen - und manchmal verstörenden - Blick ein. Deutsch von Carolin Overhoff Literatur Abreu Felipe, José: Amar así. Miami 1988. : Muerte por aire (19%). Barceló, Randy: Canciones de Vellonera ( 1 9 8 3 ) . Archiv des

OLLANTAY ARTS HERITAGE

CENTER, N e w York.

: Never Marry a Horse of a Different Color (1984). Archiv des OLLANTAY ARTS New York. Corrales, José: El palacio de los gritos. Princeton 1993. : Nocturno de cañas bravas. Princeton 1994. Cruz, Nilo: „A Park in Our House", en OLLANTAY 5 , 1 (Winter/Spring 1997), S. 122168. Martin Jr., Manuel: Swallows (1980). : „Union City Thanksgiving", in Teatro cubano contemporáneo. Antología. (Espinosa Domínguez 1992). Mirabal, Enrique R.: La vida es un carnaval (1994). Monge Rafuls, Pedro: Otra historia (19%). : Se ruega puntualidad. New York 1997. Montes Huidobro, Matías: Exilio. Honolulu 1988. Muñoz, Elias Miguel: The Great Performance (1991). Archiv des OLLANTAY ARTS HERITAGE CENTER, New York Pereiras Garcia, Manuel: Complete Plays. 32 Bde. Princeton 1998. [z.B. All About Muté, Still Still, Bebo and the Band, In the Country of Azure Nights, La Paloma, The Two Romantic Ladies]. Sandoval Sánchez, Alberto: „So Far From National Stages, So Close to Home: An Inventory of Latino Theater on AIDS", in OLLANTAY 2,2 (Summer-Fall 1994). Sarrain, Alberto: Donde habite el olvido (1993). Tropicana, Carmelita (Elena Troyano): Memories of Revolution. Archiv des OLLANTAY ARTS HERITAGE CENTER, New York. HERITAGE CENTER,

Juan Carlos Martinez (1951) Havanna. Journalist und Theaterautor, studierte in Kuba, Deutschland und den USA. Gehört zu den Gründern der Zeitschrift Tablas. Seit 1990 lebt er in New York.

Vivian Martínez Tabares

Wiederbegegnung: ein polemisches Thema Das Thema Wiederbegegnung erscheint in dem Augenblick auf dem kubanischen Theater, in dem die Gesellschaft die ersten Schritte in Richtung Dialog mit dem Exil unternimmt, das heißt, gegen Ende 1978, und erstmals Tausende jener Kubaner die Insel besuchen, die man offiziell nüchtern - um politisch abwertende Begriffe zu vermeiden - als die kubanischen Gemeinde im Ausland bezeichnet. Der Terminus reencuentro - Wiederbegegnung - setzt voraus, daß zwei Bereiche getrennt wurden. So wird es die beste Art sein, dieses Thema anzugehen, wenn wir beide Seiten für sich behandeln. Das Problem ist jedoch komplexer als das Theater es bisher hat zeigen können. Als 1992 die Anthologie Teatro cubano contemporáneo1 erschien, schrieb Rine Leal, wir sollten das kubanische Theater als Ganzes akzeptieren2, ein positives, kulturelles Unterfangen, das jedoch von einem etwas naiven Enthusiasmus getragen wird, der die faktischen Schwierigkeiten übersieht - die politischen Differenzen zwischen Kuba und den Vereinigten Staaten -, jenseits des Theaters ein normales Klima des Austausches zu schaffen. Eine Gruppe von Theaterleuten im Exil antwortete ihm mit einem Inventar ihrer theatralen Aktivitäten, mit denen sie ihr Interesse am Theater der Insel belegen. Auch sie übergehen die entscheidenden Fakten mit der Formulierung: „...unsere Mission als Intellektuelle reicht über die soziopolitischen Unterschiede hinaus".3 Um dem Thema - Wiederbegegnung von beiden Ufern aus gesehen - gerecht zu werden, wähle ich für diese Untersuchung vier Texte: zwei, die außerhalb Kubas geschrieben wurden: Alguna cosita que alivie el sufrir (1979) von René Alomá und Nadie se va del todo (1991) von Pedro Monge Rafuls, und zwei, die in Kuba geschrieben wurden: Weekend en Bahía (1986) und Delirio habanero (1994), beide von Alberto Pedro Tómente. Alguna cosita que alivie el sufrir ist der erste mir bekannte Text, in dem das Thema auftaucht. Nach Erlebnissen von Freunden und Kollegen schuf der Autor so etwas wie ein vorwegnehmend autobiographi1 Madrid 1992, hrsg. von Carlos Espinosa Domínguez. Sie enthält elf Stücke aus Kuba und fünf außerhalb Kubas geschriebene Stücke. 2

Riñe Leal: „Asumir la totalidad del teatro cubano", in La Gaceta de Cuba (Sept.-Okt. 1992). Abgedruckt in OLLANTAY 1, 1 (Juli 1993), S. 26-32.

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„Manos a la obra. Respuesta a Riñe Leal", in OLLANTAY 1,1 (Juli 1993), S. 33-39.

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sches Stück, denn als er 1979 nach Kuba reiste, hatte er es bereits geschrieben 4 , und die persönliche Erfahrung sollte nur noch als Bestätigung dienen. Das Stück spielt in der Welt einer Familie - Leitmotiv der kubanischen Dramatik und Austragungsort der politischen Widersprüche, die die Handlung vorantreiben der Rabeis und ihrer Vergangenheit im Kontext der nationalen Geschichte, um den Mikrokosmos als Spiegel der Konflikte größeren Ausmaßes darzustellen. Die Reise von Pay ist ein Versuch, die Erinnerungen wiederzugewinnen. Er will seine Familie wiedersehen - was nicht ohne Spannung ablaufen kann, da er an den Widersprüchen und Zweifeln trägt, die ihn zum Verlassen des Landes getrieben haben -, und er ist auch neugierig, was aus der Welt geworden ist, die er zurückgelassen hat; eine Welt, an die ihn gemischte Gefühle von Anziehung und Abstoßung binden. Die Betonung der cubanidad, ebenfalls ein häufiges Motiv der kubanischen Dramatik, erscheint auch in diesem Text. So hebt Ana, die Frau von Tatin, dem Bruder, der in Kuba geblieben ist, hervor: „Nichts ist wie dies [Kubanität]." Ihr Mann ist stolz: „Wo auch immer ein Kubaner auftaucht, man erkennt ihn sofort." Tante Delia, deren Liebling Tatin ist, preist die Schule des Sohnes als eine der besten des Landes. Hinter jeder Aussage spürt man eine seltsame Mischung ehrlichen Stolzes und feiner Parodie. Sich auf chaotische Weise überlagernde Dialoge dienen als kostumbristischer Pinselstrich für eine allgemeine Verhaltensweise. Julio, der Vetter wird als „typischer" Kubaner charakterisiert, unentschlossen, kumpelhaft und machista, ein Schürzenjäger mit wenig im Kopf, für den das Leben etwas ist, das man nicht allzu ernst nehmen sollte. Zum pittoresken Akzent der Figur gehört auch seine pragmatische und naive Überzeugung, daß man, wenn man im Ausland nicht reich ist, lieber in Kuba bleiben sollte. Als kostumbristisch erscheinen auch die Schwierigkeiten des täglichen Lebens mit Anspielungen auf das Essen, auf die fehlenden Dinge - „das Waschmittel ist da"; ein Schwein muß über einen Kumpel „besorgt" werden, um zum Abschied ein kleines Familienfest zu organisieren; der defekte Wassertank - oder Anspielungen auf eine schlechte wirtschaftliche Organisation, die dazu führt, daß es keine Orangen gibt. Immer färbt die politische Perspektive den Diskurs ein. Das Stück reflektiert über die negativen Effekte des Exils für alle, und Cacha, die 4

Vgl. Alberto Sarraín: „Un testimonio de amor y nostalgia", in Teatro cubano contemporáneo. (Espinosa Domínguez 1992), S. 1269-1274.

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Großmutter, nutzt ihre Autorität, um angesichts der ideologischen Divergenzen an die gegenseitige Toleranz zu appelieren, und evoziert am Ende einen Traum der Versöhnung. Auf dem Höhepunkt, der von nostalgischen Exkursen hinausgezögert wird, eskaliert der grundlegende Widerspruch zwischen den beiden Brüdern. Pay kündigt an, er wolle bleiben, und Tatin läßt nach einer aggressiven Reaktion schließlich seine Maske fallen, die er kaum noch ertragen konnte, und sagt in einem unerwarteten Ausbruch, er wolle Kuba verlassen. Der Ausgang verschiebt das Gleichgewicht endgültig zur anderen Seite: aus dem Exil schreibt Pay dem Bruder hoffnungsvoll, daß alle ihre Ziele erreichen mögen. Juan Carlos Martinez vertritt „die These als Provokation" des Textes von Alomä, indem er die Möglichkeit des Dialogs anspricht und die Folgen des Besuchs „der Gemeinde"5 in Kuba prognostiziert. Ich glaube, hinter dem forcierten Ausgang des Stückes und dem Versuch zu zeigen, daß beide Seiten tief berührt sind, und besonders die hiesige, steht unbewußt oder auch nicht das eigene Zeugnis, entwurzelt zu sein und die Richtung verloren zu haben. Ich stimme mit Rine Leal vollkommen überein, was die dramatische Struktur von Nadie se va del todo von Pedro Monge Rafuls angeht: „...es ist mit das Neuste, was das kubanische Theater in den letzten Jahren gezeigt hat, indem Zeit und Raum in einer Weise verwoben werden, die Lillian Manzor Coats6 als ,rhizomatisch bruchstückhaftes Vorgehen' bezeichnet."7 Die Handlung spielt gleichzeitig an vier Orten: New York, Miami, Central Zaza und Havanna, und die lineare Zeit ist in unendlich viele Ebenen fragmentiert, die in scheinbar freizügigster Weise ablaufen. Daraus entsteht ein Puzzle, das nur mit Timeball (1990) von Joel Cano zu vergleichen ist, einem kartomantisch theatralen Spiel, in dem 52 Szenen wie Spielkarten frei ausgetauscht werden können. Wie in jenem Stück hat Nadie se va del todo eine gebrochene Kreisform, in der Anfang und Ende relative und ungewisse Begriffe sind. Am Ende ist nicht klar, ob das, was wir gesehen haben, geschehen oder nicht geschehen ist. In Nadie se va del todo ist wieder die Familie der Ort, an den Lula mit ihrem Sohn Toni zurückkehrt, um die Eltern ihres Mannes wiederzusehen, der vor dreißig Jahren erschossen wurde, weil er gegen die Revo5

Juan Carlos Martínez: „El reencuentro, un tema dramático", in Lo que no se ha dicho. (Monge Rafuls 1994), S. 63-72.

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Lillian Manzor Coats, unveröffentlichtes Manuskript.

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Rine Leal: „Ausencia no quiere decir olvido", Vorwort zu Teatro: 5 autores cubanos. (Leal 1995), S. VII-XXXIII.

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lution konspiriert hatte. Eine konfuse Mischung aus Gefühlen und Vorstellungen hat die Frau motiviert: der Wunsch, eine abrupt verlorene Welt wiederzufinden - in der Personenbeschreibung heißt es, sie floh aus Kuba in einem Boot -, die Sehnsucht, die Heimat wiederzusehen, die sie dem Sohn vermitteln kann -, Toni findet, seltsamerweise auf Englisch, eine nostalgische Formulierung dafür: „I also want to go. See the place where I was born." Außerdem ist sie neugierig, ob sich nach dem Zusammenbruch des europäischen Sozialismus etwas verändert hat. In ihrem Widerstreit zwischen Entwurzelung und Verwurzelung will Lula sich von den Kubanern der extremen Rechten des Exils unterscheiden und wehrt sich gegen die Vorstellung, die Amerikaner könnten auf der Insel einmarschieren und beklagt „das arme Land, das niemand versteht". Wieder taucht hier der politische Gesichtspunkt der Autors auf, der schließlich trotz seiner Absicht, Schematisierungen zu vermeiden, doch die Balance verliert. Die Bühnenanweisungen spielen auf den Geruchsinn an, um den Zustand der viele Jahre alten Kleidung von Antonio und Coral zu beschreiben, „die sogar einen unangenehm Geruch hätten, könnten wir sie riechen", mit einem mitleidigen Ton, der einen oberflächlichen Blick und versteckte Überheblichkeit erkennen läßt. Auf der anderen Seite sind Figuren wie Asunción und Mime für das Festhalten an der Revolution, in deren Prozeß sie aufgewachsen sind, repräsentativ. Sie sind Träger eines leeren Diskurses, in dem sich Sätze wie Schlagwörter wiederholen, und auf Einwände können sie nur erregt und verwirrt reagieren. Die schwache dramatische Gestaltung dieses Paares wird von der Absicht diktiert, als kontextueller Hintergrund zu fungieren, und untergräbt willkürlich eine klare Gegenüberstellung der Gegensätze, die sehr viel dramatischer auf menschlicher Ebene hervortritt: in der Beziehung zwischen den Besuchern und Coral und Antonio, die den Prozeß der Veränderungen miterlebt haben und sich im Widerstreit zwischen ihrem Schmerz und einem latenten Gefühl des Dazugehörens selbst verändert haben. Während die beiden außerhalb Kubas geschriebenen Texte die Familie als Handlungsraum wählen, stehen die Stücke von Alberto Pedro Torriente in einem größeren Rahmen. In Weekend en Bahía trifft sich ein ehemaliges Liebspaar, das nicht wieder zusammenkommen kann, weil die Nacht ihrer Erinnerungen, Frustrationen, Übereinstimmungen und Ablehnung, die Musik der Beatles und von Benny Moré als Hintergrund, ihnen klarmacht, daß trotz aller Erinnerungen an ihre Jugend und ihre Liebe die unterschiedliche Art und Weise, sich dem Leben zu stellen, sie unwiederbringlich trennt.

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Ich glaube, selbst ohne daß ihm der volle Umfangs des Themas und der gewählten Situation bewußt war, hat Alberto Pedro die Spannung einer bis dahin noch nicht gekannten Problematik außerhalb des Handlungsablaufes auf dem kubanischen Theater vorweggenommen und in der Utopie den Dialog geschaffen, der später auf gesellschaftlicher Ebene zu einem umfassenderen Thema wird und zum Zusammentreffen „zweier nicht vereinbarer Welten"8. Vorher war das Thema nur aus dem Blickwinkel derer behandelt worden, die zurückkommen, und zwar 1983 in der freien Version von Flora Lauten von Der kleine Prinz, inszeniert mit Studenten des INSTITUTO SUPERIOR DE ARTE. Der Text von Saint Exupéry wurde hier aus der Perspektive einer Gruppe von Jugendlichen bearbeitet, die als Kinder von ihren Eltern in die USA mitgenommen worden waren und nach 20 Jahren in der Brigade Antonio Maceo auf die Insel zurückkamen, um ihre Wurzeln zu suchen9. Die an Bildern reiche Inszenierung unterstrich die Rolle der Erinnerung auf der Suche nach der persönlichen Identität. Eine bewegende Szene spielte sich ab, als die Schauspieler sich unter das Publikum begaben, um die verlorenen Gesichter ihrer Angehörigen zu suchen. Andere weniger bedeutende Texte greifen in diesen Jahren das Thema Wiederbegegnung auf: Baño de mar von Alejandro Iglesias, Eran las tres de la tarde von Armando Lamas, Desengaño cruel von Luís Agüero und Blue Moon in Havanna von Miguel Montesco. Mit Delirio habanero kehrt Alberto Pedro Torriente 1994 zum Thema zurück, und erreicht mit der Begegnung dreier Figuren die weitreichendste Annäherung. Die Figuren sind nicht durch familiäre Bande miteinander verknüpft, dennoch verbinden sie allgemeinere, vielleicht tiefer greifende, auf der Ebene des kollektiven Bewußtseins wirkende Bindungen: eine gemeinsame Kultur, deren reiche Tradition der Volksmusik ein Klima der Verständigung, des Dialogs, der über die ideologischen und politischen Differenzen hinausgeht, ermöglicht. Die Wiederbegegnung wird hier mit schillernden Figuren gezeigt: Celia Cruz, die Königin der Salsa, eine einzigartige Figur, die Anfang 8

Die Formulierung stammt aus dem Titel der ausgezeichneten Einführung des Textes von Abelardo Estorino, die in Tablas 14, 2 (April-Juni 1987), S. 33-39, nachzulesen ist.

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1978 wurde die Gruppe AREITO, ZU der einige dieser jungen Leute gehörten von ausgezeichnet für die Produktion Contra viento y marea. Als Folge dieser Erfahrung drehte der Cineast Jesús Díaz den Dokumentarfilm 5 hermanos. CASA DE LAS AMÉRICAS

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der 60er Jahre ins Exil in die USA ging, und nun inkognito auf der Insel weilt, weil die Barmherzige Jungfrau von Cobre [die Schutzpatronin Kubas] sie selbst an einen Punkt an der Nordküste gebracht hat, den sie hier nicht nennen darf. Und Bárbaro, der sich als unser sortero mayor Benny Moré identifiziert, ein unübertroffener populärer Mythos, Paradigma der cubatiidad, der vor etwa vierzig Jahren auf dem Höhepunkt seines Ruhms in Havanna starb. Das Stück ist eine Art überbordende Phantasie, die die verschiedensten Zeichen enthüllt: Besessenheit und Rollentausch, Mythos und Geschichte, Luzidität und Wahnsinn mit einem Trio, das zwischen Tragödie und Buffo-Theater, Salsa, Son, Bolero Guaguancó, Guaracha agiert. Das Delirium ist der Raum des Möglichen und Unmöglichen, ein sinnlicher und elender Raum der Sehnsüchte, angefangen bei pathetischen Wünschen Varillas, dem besten Barkeeper, den die Stadt gekannt hat, die niemals erfüllt wurden und dazu verurteilt sind, niemals erfüllt zu werden. Sie sind in erster Linie ein Vorwand, um ein Ritual der Erinnerung auszuleben, um die Notwendigkeit eines geistigen Lebens und die außerordentliche Bedeutung der kulturellen Werte hervorzuheben. Die Figuren sind in einer transfigurierenden Dimension aufgebaut, die vom anderen jeweils in Frage gestellt wird. Eine Möglichkeit der Reflexion über den Sinn der Identität - „Ich bin ich! Ich bin ich!" werfen sich Celia und Bárbaro gegenseitig an den Kopf - und ein Spiel schauspielerischer Verwechslungen voller Möglichkeiten. Celia Cruz und Bárbaro sind und sind nicht, wer sie zu sein vorgeben. Varilla schwankt opportunistisch zwischen nationalistischen, rassistischen und brüderlichen Beteuerungen. Die gigantische Band von Benny Moré mit ihren Bläsern ist nichts als ein Traum hinter farbigen Lichtem, und Varillas' Bar ist nur eine Schimäre zwischen alten Brettern, Staub und Mäusen. Aber die kubanische Musik von Miguel Matamoros bis Pablo Milanés ist in den intertextuellen Spielen mit bekannten Melodien lebendig, die sich als Sinngeber für den Dialog artikulieren, für die phantastischen Erscheinungen von Celia Cruz bis zur Verewigung des Bárbaro des Rhythmus der am Ende wieder lebendig und der Erde zurückgegeben ist. Der Text ist ein rara avis, in dem die Handlung zuweilen stillzustehen scheint, mit deutlichen Pausen in der Komposition, die wie willkürliche „Szenen im Entstehen" sind, die durch die Dramaturgie der Aufführung aufgefüllt werden. Der Ton wechselt abrupt, und die Personen drehen sich in konzentrischen Kreisen. Der fragmentierte Diskurs läßt zwischen seinem Gerüst ein Delirium von Grandezza, von Verfolgung, Mysterium, verbotenen Spielen, Rivalitäten, Übereinstimmungen und

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Widersprüchen entstehen und die Anerkennung der Kultur als Instanz der Bestätigung und der Einheit hervortreten. Die Zeit der Handlung ist unbestimmt. Der Zuschauer rezipiert den Text jedoch konkret aus der Perspektive unserer Zeit gegen Ende des Jahrhunderts; vor dem Hintergrund der schwierigen sozioökonomischen Umstände, unter denen wir in Kuba leben, wo die ziemlich frivolen Träumereien von Bars und leichtem Leben und die Sehnsucht nach der kubanischen Musik Metaphern für ganz andere Sorgen und Hoffnungen des einfachen Mannes sind: für seine unmittelbaren materiellen Nöte, seine frustrierten Träume und den Kampf ums Überleben. Dieser Mangel ist Motiv pathetischer Verfremdung auf der elementaren Ebene des täglichen Lebens mit klarer sozialer Pespektive und schmerzlicher Erinnerung derer, die in dem Traum von Varilla von seinen zukünftigen Kunden nicht vorkommen: ... und hier werden Musiker, Sänger, Toreros, Baseballspieler und alle kubanischen Künstler sich treffen, die heute über die Welt verstreut sind. (379)

Oder, wenn er für ein Klima der kulturellen Öffnung ohne jede politischen Bedingungen plädiert, gegen ausschließende Kriterien, aber in der Absicht, alles was uns gehört, zu bekommen, wenn er Celias Klagen darüber, daß hier ihre Lieder nicht im Radio gespielt werden, beantwortet: ... Ich sehe die Gegenwart, die Vergangenheit und die Zukunft. Und das hier ist nicht für immer. Eines Tages wirst du das Radio anmachen, und auf einer Welle: Bárbaro, auf der anderen die Königin, El Bárbaro [...] die Königin, El Bárbaro... (391)

Und auf Bárbaros Hartnäckigkeit in einem Augenblick vorübergehender Luzidität, was die vorgebliche Bar angeht, die abgerissen werden soll, antwortet er blind und taub gegen die grausame Realität und die Entbehrungen aus politischen und ideologischen Gründen, wenngleich nicht weniger luzide bei der Verteidigung seines Raums individueller Freiheit: Was dort draußen geschieht, interessiert uns nicht. Ich will nichts mehr von Hunger hören, nichts von Zerfall (er meint auch Mauern und Systeme) noch von Unglück. Wir haben eine Bar. Du bist du, ich bin ich, sie ist sie. Wir haben eine Bar. (380)

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Die Bar ist ein gemeinsames Utopia, an das sich die Figuren klammern, um einen Ausweg aus der Krise zu finden; an diesen notwendigen Raum für Initiativen und persönliche Anstrengungen gegenüber kollektiven Formeln, die vom Sozialrevolutionären Entwurf vertreten werden, der durchaus für einen großen Teil der Errungenschaften verantwortlich ist, aber in den gegenwärtigen Zeiten nicht ausreicht: „Der Tag wird kommen, an dem jeder sein Geschäft haben wird." Der Autor will polemisieren und bietet keine bündigen Gesichtspunkte an. Sein Blick ist auf die Apathie und die allgemeine Enttäuschung in dieser Zeit gerichtet, er meidet aber den einseitigen Blick. Wenn Bárbaro die exklusive Art von Bar ablehnt, die Varilla sich in seiner Phantasie ausmalt, „das schreckt die Leute ab, an einem solchen Platz kann ich nicht spielen," verteidigt Alberto Pedro das populäre Engagement des Sängers und kritisiert ironisch die ausschließende, diskriminierende Vorstellung als unannehmbar. Andererseits bedeutet in dem Augenblick, in dem das Werk geschrieben wird, in einer Realität, die sich in rasender Geschwindigkeit verändert, allein die Tatsache, Ausländer zu sein, Zugang zu bestimmten Plätzen zu haben, die dem nationalen Geldbeutel unerreichbar sind, eine von allen in Frage gestellte soziale Diskriminierung. Und ironisch läßt er in der Fiktion des Textes Bárbaro hinterlistig fragen: „Oder läßt du keine Ausländer rein?" Ferner spielt das Stück auf die Prohibition von 1967 an, und Varilla träumt von einem eigenen Geschäft in dem Augenblick, in dem sich neue wirtschaftliche Möglichkeiten auftun und viele beginnen, auf eigene Rechnung zu arbeiten. Zugleich unterstreicht er die unersetzbare Rolle der Kunst bei der geistigen Verwirklichung des Menschen, als ein Gegenmittel zu Elend und Mangel. Über die Wiederbegegnung stellt Delirio habanero das kubanische Theater ins Rampenlicht der gesellschaftlichen Diskussion und betont sein Vertrauen in das Theater - und sei es im Delirium - als Mittel zur Selbsterkenntnis und als veränderndes Medium in den Konflikten der Menschen unserer Zeit. Deutsch von Adrián Herr

Wiederbegegnung: ein polemisches Thema

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Literatur Acosta, Iván et al.: „Manos a la obra. Respuesta a Riñe Leal", in OLLANTAY 1, 2 (Juli 1993), S. 33-39. Alomá, René R.: „Alguna cosita que alivie el sufrir", in Teatro cubano contemporáneo. (Espiosa Domínguez 1992), S. 1275-1333. Espinosa Domínguez, Carlos (Hrsg.): Teatro cubano contemporáneo. Antología. Madrid 1992. Estorino, Abelardo: „Einführung zu Weekend in Bahía von Alberto Pedro Tórnente", in Tablas 2 (April-Juni 1987), S. 33-39. Leal, Riñe: „Asumir la totalidad del teatro cubano", in La Gaceta de Cuba (Sept.-Okt. 1992). Abgedruckt in OLLANTAY 1,1 (Juli 1993), S. 26-32. : „Ausencia no quiere decir olvido", Vorwort zu Teatro: 5 autores cubanos. (Leal 1995), S. VII-XXXIII. Martínez, Juan Carlos: „El reencuentro, un tema dramático", in Lo que no se ha dicho. (Monge Rafuls 1994), S. 63-72. Monge Rafuls, Pedro R.: „Nadie se va del todo", in Teatro: 5 autores cubanos. (Leal 1995), S. 109-158. Pedro Torriente, Alberto: „Weekend en Bahía", in Tablas 14, 2 (April-Juni 1987), S. 315. : „Delirio habanero", in Tablas 37,1 (1996), S. 1-20. : „Havanna Delirium", in Kubanische Theaterstücke (Adler, Herr 1999), S. 359-396. Sarrain, Alberto: „Un testimonio de amor y nostalgia", in Teatro cubano contemporáneo (Espinosa Domínguez 1992), S. 1269-1274.

Vivían Martínez Tabares (1956). Studium der Theaterwissenschaft im INSTITUTO leitete 1987-1990 die Zeitschrift Tablas. Ist heute Chefredakteurin der Zeitschrift Conjunto von CASA DE LAS AMÉRICAS. Lehrt am INSTITUTO SUPERIOR DE

SUPERIOR DE ARTE;

ARTE u n d i s t M i t g l i e d d e s L e h r k ö r p e r s d e s INSTITUTO DRAGÓN DEL M A R DE CINE E IN-

DUSTRIA AUDIOVISUAL von Fortaleza, Brasilien.

Publikationen: José Sanchis Sinisterra: explorar las vías del texto dramático. Buenos Aires 1993; Didascalias urgentes de una espectadora interesada. Havanna 1996; Aufsätze und Rezensionen.

Daniel Zalacain

Die Reise zum anderen Ufer: Exil und Wiederbegegnung If Cuba had been for so long in the heart of Miami, then it appeared that Miami was increasingly in the heart of Havana. Whether, in fact, what was occurring was the political endgame remained unclear, but that people on both sides of the Strait were confronting both their oldest an most recent feelings, and plumbing the depths of these emotions they had lived with so long, was undeniable. The difference was that if in both Havana and Miami people dreamed of transformationDavid Rieff: The Exile. In s e i n e m V o r w o r t z u Teatro: 5 autores cubanos1 schreibt Rine Leal unter d e m Titel Ausencia no quiere decir olvido, d a ß die Theaterstücke, die er in d i e s e m B a n d herausgibt, z w a r im A u s l a n d b e k a n n t sind, nicht jed o c h in K u b a u n d „daß m a n u n s c h w e r ihre V e r w a n d t s c h a f t m i t d e n Stücken, die auf d e r Insel geschrieben w e r d e n , erkennen k a n n [...] U n s e r T h e a t e r ist universell g e w o r d e n , u n d v o n d e n lokalen G e g e b e n h e i t e n a u s g e h e n d hat es eine eigene S t i m m e entwickelt, die d a s T h e a t e r zu beiden Ufern m i t e i n a n d e r v e r b i n d e t . " 2 D a s T h e m a d e r W i e d e r b e g e g n u n g hat a u c h d i e A u t o r e n beschäftigt, die a u f d e r Insel schreiben, w e n n es d o r t a u c h erst später auftaucht als im Exil. U n t e r ihnen ist Alberto P e d r o T o r r i e n t e d e r bekannteste, er b e h a n d e l t als erster A u t o r in K u b a d a s T h e m a in seiner K o m ö d i e Weekend en Bahia (1986). 1 New York 1995. Das Thema reencuentro taucht auch häufig im Werk der kubanischen Prosaschriftsteller auf, die außerhalb von Kuba leben. Reinaldo Arenas zum Beispiel behandelt es in seinem Roman Viaje a la Habana (1990). Dort kehrt der Protagonist Ismael nach fünfzehn Exiljahren in New York nach Kuba zurück. Wieder in Havanna fühlt er sich fremd, entwurzelt, gefangen und deprimiert durch den Anblick des Verfalls und des Ruins, den die Stadt bietet. Dennoch findet er hier in der Gestalt von Carlos, mit dem er sexuelle Beziehungen eingeht, zum ersten Mal seit fünfzehn Jahren wieder die Liebe - die einzige Rettung, die er für Kuba sieht. Später erfährt er, daß es sich in Wahrheit um seinen eigenen Sohn Ismaelito handelt. Zum Schluß verspricht er, ihm zur Ausreise aus Kuba zu verhelfen. Die Erzählung versinnbildlicht die Reise des Menschen auf der Suche nach dem nie erreichten oder verlorenen Glück. Die Welt, von der Arenas erzählt, ist fantastisch und zugleich wahr und realistisch. Die Personen spalten sich auf in einem imaginierten und einem historischen Universum, das vom Autor gleichzeitig geträumt und gelebt wird und in dem das Wunderbare ein Teil der Realität ist.

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Zwei Menschen, die einmal ein Paar waren, begegnen sich nach 19 Jahren wieder. Esteban lebt in Bahía, Mayra kommt aus New York zu einem Besuch in Kuba. Pedro stellt Mayra fast wie eine Figur von Ionesco dar. Ihre Handlungen sind unsinnig, mechanisch und ungereimt, und das bewirkt, daß sie komisch erscheinen, - vielleicht das Resultat der Bemühungen des Autors, die, die im Exil leben, lächerlich zu machen. Aber dem Humor, der sich aus ihren Handlungen ergibt, liegt eine tiefe Verzweiflung zugrunde; sie fühlt sich fremd und verlassen, ein Opfer der Realität, die ihr Schicksal geworden ist. Sie kehrt nach Kuba zurück, um sich selbst wiederzufinden. Doch auch Esteban, selbst wenn er ruhiger und vernünftiger dargestellt wird, leidet ebenso folgenschwer wie Mayra. Er fühlt sich allein, von seiner Frau verlassen und im Leben gescheitert. Dennoch zieht er es vor, in Kuba zu bleiben und dort seine Entfremdung zu ertragen, „das ist gesünder" (1987: 14), sagt er. Das Werk endet mit Mayras Versprechen, zurückzukehren. In Delirio Habanero (1994) greift Alberto Pedro dasselbe Thema noch einmal auf. Die Handlung spielt in einer verlassenen Bar in Havanna. Die Personen sind El Bárbaro (der den unsterblichen Benny Moré verkörpert), Varilla (der ebenfalls verstorbene Besitzer von La Bodeguita del Medio,) und La Reina (die Celia Cruz darstellt). Varilla versucht, alle miteinander zu versöhnen, damit sie die beiderseitigen Ressentiments überwinden, und er versichert ihnen, daß sie „... alle von hier sind und in Frieden zusammen leben müssen" (1999: 404). So wird der Versuch gemacht, auf der Bühne darzustellen, daß der Geist des Autochthonen immer lebendig bleiben wird, und daß sich die Exilierten und die Kubaner auf der Insel bald versöhnen werden, geeint durch die Liebe zu Kuba. Delirio habanero ist in technischer Hinsicht ein sehr gelungenes Werk. Eine Atmosphäre des Traums und der Trugbilder bestimmt die Szene, besonders an den Stellen, die in einer Art von Flashback Bilder der 50er Jahre zeigen. Während La Reina, gekleidet wie Celia Cruz, ihre Lieder singt, werden in der Gestalt des Bárbaro die lebend ig-toten Rumberos Malanga, Lilón, Mulense, Palito und Chano Pozo wieder zum Leben erweckt. Der Autor setzt hier die Musik als Brücke zur Vergangenheit und als Katalysator des Wiedersehens in der Gegenwart ein. Obgleich Pedro Torriente Mayra und Celia Cruz, die Personen, die ins Exil gingen, in einer Weise charakterisiert, daß sie wenig authentisch erscheinen, irreale Wesen, Produkte eines Theaterdeliriums, ist nicht zu übersehen, daß die literarischen Bemühungen und die Thematik seines Theaters mit dem der Exilkubaner übereinstimmen.

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Die Autoren der Werke, die im folgenden untersucht werden, leben im Exil in den USA, einige von ihnen seit mehr als dreißig Jahren, andere erst seit kurzer Zeit. Sie entwickeln ihr Werk und leben ihr Leben fern von der Insel, eine Perspektive, die es ihnen erleichtert, eine umfassende und profunde Sicht des kubanischen Wesens einzubringen. Aber es ist „eine Ferne, die nicht Vergessen bedeutet", wie Sarrain (1992:1271) betont, denn sie haben nie aufgehört, sich als Kubaner zu fühlen. Das Kubanische ist offenkundig, auch wenn der Text in den USA geschrieben wird. Die Lebendigkeit der kubanischen Kultur im Exil zeigt sich ebenso in den Stücken, die in Kuba spielen wie in denen, die das Thema der Wiederbegegnung behandeln. Ob die Dramatiker Kuba noch einmal besucht haben oder nicht, die Handlung ihrer Dramen gibt ein lebendiges Zeugnis von den Gefühlen beim Wiedersehen und wird gespeist aus der Mischung von tatsächlichen persönlichen Erfahrungen, seien sie aktuell oder aus der Vergangenheit, mit den Geschichten, die in den verschiedenen kubanischen Kreisen ständig Mittelpunkt aller Gespräche sind. Die Dramatiker lassen ihre Sicht des Wiedersehens in Personen und Situationen einfließen, die die Gefühle eines Volkes widerspiegeln, das aus politischen Gründen seit über drei Jahrzehnten geteilt ist und seit Ende der 70er Jahre das Bedürfnis nach einem Austausch hat, der helfen könnte, seinen Zustand der Entfremdung zu klären. Die Stücke haben eine realistische Basis und zeigen einen ausgeprägten Symbolismus, oder sie spielen geschickt mit Raum und Zeit, surrealistischen Zügen und dem Theater im Theater. Als thematischer und strukturierender Faktor spielt der Aspekt der Zeit eine wichtige Rolle, denn schon die Reise zu einer Wiederbegegnung ist eine Rückkehr in die Vergangenheit, die in vielen Fällen unwiederbringlich ist und deshalb auch keine Verbindung zur Gegenwart herstellen kann. Die in der Erinnerung bewahrte Zeit und die Gegenwart, zwei Lebensformen ein und derselben Kultur, doch seit mehr als dreißig Jahren voneinander getrennt, begegnen sich in einem Kampf um das anachronistische Zusammenleben am gleichen Ort und zur gleichen Zeit. Die Paradoxie dieser Situation birgt auch die Tragödie, die in jedem dieser Werke zwischen den Dialogen und dem Schweigen sichtbar wird. Die Gesamtheit der Werke schafft eine Dramatik, in der das Wiedersehen von Familienangehörigen, die sich jahrelang und in vielen Fällen jahrzehntelang nicht gesehen haben, in einer Zeremonie ritualisiert wird, die auf Veränderung abzielt, und das gleichermaßen in Kuba wie im Exil. Das Wiedersehen stellt eine Übung in inniger familiärer Vereinigung dar, bei der man sich wieder

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derselben Nationalität versichert und sich zu ihr bekennt. Wie Juan Carlos Martinez sagt: muß sich die Wiedervereinigung der kubanischen Gesellschaft als Bestätigung des Individuums und als Ablehnung der ideologischen Gruppenforderungen notwendigerweise auf der emotionalen Ebene des Ich und des Du vollziehen, auf der des unmittelbaren und privaten Wir... (1994:63).

Dennoch kann die gefundene Lösung einmal versöhnlich und rettend sein, ein anderes Mal herzzerreißend und rachsüchtig, aber fast immer zeigt sich darin die Unzufriedenheit der Kubaner mit ihrer Situation, ob sie nun ihr Leben in Kuba verbringen oder im Exil. Das Erlebnis des Exilierten, der nach Kuba reist, um seine Familienangehörigen wiederzusehen und mit diesem Besuch die Reise zu den Wurzeln unternimmt, ist das Anliegen von fünf der acht in dieser Untersuchung besprochenen Werke. Der verstorbene René R. Alomä ist einer der ersten Dramatiker, der das Thema wirkungsvoll auf die Bühne gebracht hat. A little Something to Ease the Paiti3 (1980, 1986) erzählt die Geschichte von Pay, der nach siebzehn Jahren im Exil in Kanada 1979 nach Santiago de Cuba zurückkehrt, um seine Familie zu besuchen. Das Wiedersehen mit seiner Großmutter, mit Tanten, Cousins und Cousinen ist fröhlich und emotional, solange es lediglich um die Erinnerungen geht. Spannungen treten erst auf, als er seinem Bruder Tatin begegnet, mit dem er schon als Jugendlicher zerstritten war, weil er dessen politische Ideen über die Revolution nicht teilte. Pay hatte Kuba 1962 mit seinen Eltern und seinem anderen Bruder verlassen. Tatin, ein idealistischer, begeisterter Revolutionär, hatte sich geweigert mitzugehen. Pay fühlt sich im Exil entwurzelt und findet während seines Besuchs in Kuba zu seiner wahren Identität zurück. So verblüfft er seine Familie mit der Ankündigung, daß er zurückkommen und ganz auf der Insel leben will. Größer aber noch ist die Überraschung, als Tatin ihnen eröffnet, er würde, wenn er könnte, Kuba verlassen, weil er sich von der Revolution betrogen fühlt. Das Werk endet 3

Das Stück wurde mit dem Titel Exile 1 9 8 0 von der TORONTO ARTS PRODUCTION im in Toronto uraufgeführt. 1 9 8 1 machte Alomä daraus eine Radiofassung, die von der CANADIAN BROADCASTING CORPORATION ausgestrahlt wurde. Internationale Aufmerksamkeit erlangte das Stück, als es anläßlich der 500-Jahr-Feiern in der spanischen Übersetzung von Alberto Sarrafn mit dem Titel Alguna cosita que alivie el sufrir in dem Band Teatro cubano contemporáneo: Antología, Madrid 1 9 9 2 , veröffentlicht wurde. 1 9 8 6 wurde es im Theater AVANTE in Miami uraufgeführt.

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nicht miteinem Abschied, sondern mit der Hoffnung, daß Tatin bald mit seiner Fanilie Kuba verlassen kann und sie einst vielleicht alle zusammen zurickkehren werden, um wieder in Santiago de Cuba zu leben. Der doppelte Konflikt, der des Exilierten, der zurückkehren und des Revolutionirs, der ins Exil gehen möchte, wird erst gegen Ende des Stükkes deulich. Beide Brüder fühlen sich entfremdet und suchen einen Ausweg aus ihrer Lage. Wenn man auch annehmen könnte, dies sei der zentrale Konflikt, so wird die Handlung doch vom Wiedersehen der geteilten Fimilie bestimmt. Die Technik des Autors ist weitgehend realistisch, wabei er geschickt die Musik als kostumbristisches Element einsetzt. Eine" der ersten, die das dramatische Potential des Wiedersehens erkennen, st Leopoldo Hernández mit Siempre tuvimos miedo (1981)4. Das Thema Aigst, die das Verhalten der Menschen bestimmt, hatte er schon in La corsegraciótt del miedo (1957) bearbeitet. Mit dem Naturalismusrezept desRealismus entwickelt er das dramatische Geschehen aus dem Besuch enes Mannes, der seine Schwester nach fünfundzwanzig Jahren im Exil h den USA in Kuba besucht. Beide sind jetzt in den Sechzigern; sie war n Kuba geblieben und hat sich inzwischen mit einem Leben voller Schwierigkeiten abgefunden. Er, der in Los Angeles lebt, spürt die Last der großen Stadt, die ihn isoliert und entfremdet. Beide sind Opfer eines fätden Determinismus, der sie zu Parkinson und zur Angst verurteilt, - iie Krankheit geerbt vom Vater, die Angst von der Mutter. Im Verlauf ¿es Dialogs gibt er seine Aversion gegen die Revolution zum Ausdruci, für die er selbst einst gekämpft hat. Seine ständig geäußerte Verachtung für das System und für die, die dazu beigetragen haben, es aufrecht zu erhalten, erzeugen in seiner Schwester eine wachsende Angst: S e fürchtet, daß Leute vom Überwachungskomitee ihn hören könnten, was später zu Repressalien gegen sie und ihre ganze Familie führen würde. Bis zur letzten Szene wartet man auf das angekündigte Eintreffe! der Familienmitglieder, die kommen sollen, um den Bruder zu begrüben. Niemand erscheint, denn alle haben Angst und haben beschlösset, während seines Besuchs dem Haus fern zu bleiben. Selbst sein früherer "reund Bravo antwortet nicht auf seine Anrufe, aus Angst, sich verdächtg zu machen. Auch die Schwester erkennt die Auflösung der ganzen fation, die ihr Bruder ihr im einzelnen vorhält und gibt zu: 4

Es gab 9 8 6 im COCONUT GROVE PLAYHOUSE in Miami eine Lesung des Stücks. Eine engliscle Version von Rafael de Acha wurde während der Ersten Konferenz über kubanis:hes Theater in den Vereinigten Staaten vom N E W THEATER der Universität von Floida aufgeführt.

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daß sie uns die Fröhlichkeit, von der du immer sprichst, genommen und uns die Angst gelassen haben. (1988:33)

Aber Sie (Ella) fürchtet auch, die Rückkehrer aus dem Exil könnten die Macht in Kuba übernehmen. Sie meint: Sie kämen mit den Zeichen der Rache auf der Stirn, und meine Enkelin würde unter ihnen noch mehr leiden als unter denen, die heute regieren. (33)

Er (El) dagegen beklagt die innere Unruhe, an der er im Exil leidet und die ihn deprimiert und zur Einsamkeit verdammt. „Exil ist beschissen" (21) erklärt er seiner Schwester. Das Stück betont die Bitterkeit und den Pessimismus, die beide, sie in Havanna und ihn in Los Angeles, so sehr beherrschen, daß sie sich nach dem Tod sehnen, ein Gefühl, das sich auf das gesamte Milieu und das Erbe, die Revolution und das Exil, den Parkinson und die Angst überträgt. Sie sind sich der Angst bewußt, die sie noch stärker lähmt als ihre Krankheit, und sie verabschieden sich in der Erkenntnis, daß ihnen als einzige Hoffnung nur der Kampf ums Überleben bleibt. Nadie se va del todo (1991)5 von Pedro Monge Rafuls behandelt das Thema auf eine komplexere Weise. Ohne auf die realistische Handlungsbasis zu verzichten, präsentiert sich das Stück in Fragmenten und bewegt sich frei in verschiedenen Räumen (New York, Central Zaza, Miami und Havanna) und Zeiten (zu Beginn der Revolution und dreißig Jahre später), die der Autor in der Art eines Puzzlespiels geschickt zusammenfügt. Da ist Lula, deren Mann Julio in Kuba wegen antirevolutionärer Aktivitäten erschossen wurde und die jetzt an einer Universität in New York unterrichtet. Sie will mit ihrem Sohn Tony ihr Heimatdorf in Kuba besuchen, um ihm das Grab seines Vaters zu zeigen. Tony hat Kuba als Kleinkind verlassen. Er ist ein erfolgreicher Architekt geworden. Während Tony den Plan der Kubareise mit seiner Mutter und seiner Frau Lourdes bespricht, die nicht will, daß er fährt, weitet sich die Handlung auf der Bühne aus, und auf der gleichen Ebene spielt sich noch einmal die Tragödie in Central Zaza ab, als man Julio erschießt und Lula und Julios Eltern, Antonio und Coral, dies miterleben. Diese Szenen 5

Pedro R. Monge Rafuls ist Gründer und Herausgeber von THE OLLANTAY CENTER und vom OLLANTAY Theater Magazine in New York. Es gab von dem Stück 1991 in Miami zwei szenische Lesungen unter der Leitung von Alberto Sarrain. Mit dem Stück wurde 1994 das Programm Der Autor und sein Werk auf dem Festival von Cádiz in Spanien eröffnet. FOR THE ARTS

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alternieren kontrapunktisch mit den Szenen in New York. Parallele Szenen in Miami und in Zaza halten den Augenblick fest, in dem Lula in einem Boot die Küste Floridas erreicht und Coral zur selben Zeit in Zaza den Leichnam ihres Sohnes fordert. Der zweite Akt zeigt die Wiederbegegnung in Kuba. Schon im ersten Akt waren schnelle Bilder des Wiedersehens vorweggenommen worden. Die Szenen offenbaren die Gefühle, die Lulas Schwiegereltern durchlebt haben. Deutliche Spuren dieses Schmerzes zeigen sich in der psychologischen Situation von Antonio. Der Tod seines Sohnes hat ihn zutiefst erschüttert, und er ist nur noch damit beschäftigt, Bilder kubanischer Führer auszuschneiden, die er dann in einen Schuhkarton legt, während Coral resigniert alles erträgt. Monge Rafuls fügt Personen in sein Stück ein, die aus dem engen Familienkreis heraustreten und die verschiedene Typen in der Gesellschaft darstellen. So verkörpert Mime den kritisch Fragenden; Asunción, seine Freundin, gehört zu denen, die immer noch für die Revolution sind und alle Opfer rechtfertigen. Der Schluß des Stückes läßt die Möglichkeit zu einer Versöhnung und zu Veränderungen offen. Diese Hoffnung ergibt sich erstmals, als Tony seine kubanischen Wurzeln wiederfindet. Die Reise zum Ursprung hat aus ihm „einen anderen Menschen" gemacht, wie er selber sagt, und damit ist angedeutet, daß, egal, wo man zur Zeit lebt, die Bande der nationalen Einheit wieder aufleben können. Die Tatsache, daß Coral und Lula der Nachbarin Nena verzeihen, die in Verdacht steht, Julio verraten und damit seine Erschießung veranlaßt zu haben, ist eine nahezu heroische Geste, mit der alter Haß überwunden wird. Wie ihr Sohn, so stellt auch Lula fest, daß sich ihre Beziehung zu denen, die in Kuba leben, verändert hat. Die Verheißung einer politischen Veränderung konkretisiert sich symbolisch, als Antonio den Inhalt des Schuhkartons zum Fenster hinauskippt und die Papierschnipsel mit den Helden der Revolution in alle Winde zerstreut werden. Das Stück geht über das, was auch nur ein einfaches Melodram des Wiedersehens sein könnte, weit hinaus. Monge Rafuls bietet stattdessen mit wohl durchdachten Kontrapunkten auf den Ebenen von Zeit und Raum eine bewegende Geschichte, die einen tiefen Einblick in die komplexe Psychologie der kubanischen Nation gewährt. Wenn man das Stück auch als Anklage gegen die Revolution verstehen kann, so übermittelt es doch den Gedanken der Versöhnung. Es zeigt, daß trotz der Risse, die durch das kubanische Volk gehen, trotz der Jahre der Trennung, der Ressentiments, des Heimwehs und der Interessenverknüpfungen alle durch ein gemeinsames Schicksal geeint werden, nämlich durch die nationale Identität.

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Balada de un verano en la Habana (1992) von Héctor Santiago weist in Form, Inhalt und Intention ein dramatisches Grundschema auf, das dem Jahre zuvor von Hernández konzipierten Siempre tuvimos miedo sehr ähnlich ist. Wie in dem Stück von Hernández haben die beiden Hauptpersonen auf den ersten Blick sehr unterschiedliche Standpunke in Bezug auf die Errungenschaften der Revolution, und beide versichern, mit ihrem Leben - er in Miami, sie in Havanna - sehr zufrieden zu sein. Auf der einen Seite steht Santiago, der aus dem Exil nach Kuba reist, um seine Schwester wiederzusehen und die Vergangenheit wieder heraufzubeschwören, und der alles verändert und zerstört findet. Und auf der anderen Seite ist Teresa, die Schwester, die geblieben ist und die Revolution verteidigt. Genau wie Sie (Ella) bei Hernández, gibt sie sich nach außen als Revolutionärin, wird aber immer mehr von Angst ergriffen. Und wie Er (El) hat auch Santiago eine Freundschaft ohne Erfüllung zurückgelassen. Der Autor 6 entwickelt hier nicht den naturalistischen Determinismus, wie er in Siempre tuvimos miedo herrscht. Der Dialog nimmt zuweilen surrealistische Züge an, etwa wenn die Geschwister als ihre längst verstorbenen Eltern auftreten. Solche Szenen gibt es im ersten Akt als Flashbacks, die die Zeit, als sie noch Kinder waren oder als Santiago und sein Vater die Insel verließen, wieder aufleben lassen. Wie in Nadie se va del todo überlagern sich im Verlauf der Handlung die Szenen der Vergangenheit und der Gegenwart. Im zweiten Akt handelt es sich nicht mehr um retrospektive Szenen, sondern jetzt leben die toten Kubaner mit den Lebenden, etwa so, als sei das Dorf Cómala von Pedro Páramo nach Havanna überführt worden. Teresa: „Wir sind ein Teil des Traums geworden... Wir sind alle tot." (1995: 206) Im dritten Akt legen beide die ideologische Maske ab und bekennen einander die harte Realitiät ihres Lebens in Kuba und in den USA. Mit den gleichen Worten, die der Protagonist in Siempre tuvimos miedo ausspricht, erklärt Santiago: „Das Exil ist beschissen". (207) Schließlich vollzieht sich wie bei den Gestalten Er und Sie, eine Veränderung: sie finden wieder zu ihrer geschwisterlichen Zuneigung und zur Versöhnung über die ideologischen Differenzen und die sozialen Vorurteile hinweg. Das letzte Werk, in dem die Wiederbegegnung in Kuba stattfindet, ist Havana Tijuana Flight (1997) von Teresa Page. 7 In englischer Sprache 6

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Héctor Santiago lebt als Theaterautor in New York. Balada de un verano en ¡a Habana wurde im April 1996 vom DUMÉSPANISHTHEATRE in Miami uraufgeführt. Das erste Theaterstück - noch nicht uraufgeführt - dieser Autorin, die Kuba erst kürzlich verlassen hat. Zur Zeit lebt sie in San Diego, Kalifornien. Es liegt von ihr auch ein Romanmanuskript vor mit dem Titel La Habarn de noche.

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geschrieben, zeigt das Stück das Wiedersehen von Santos mit seiner Frau und seinen Kindern, die er vor siebzehn Jahren verlassen hat. Santos hatte 1980 mit seinem Bruder und seiner Mutter an dem großen Exodus aus dem Hafen von Mariel teilgenommen. Jetzt ist Santos mit einer Nordamerikanerin verheiratet und lebt in San Diego, Kalifornien. Im ersten Akt ist Santos' Frau empört über die vielen Ausgaben für Kleidung und alle möglichen Sachen, die er nach Kuba mitnehmen will. Obgleich Santos seit siebzehn Jahren in den Vereinigten Staaten lebt, hat er doch nur wenig Geld. Er arbeitet in einem Fotokopiergeschäft und verdient mit neun Dollar die Stunde nicht viel. Sein Bruder Claudio hingegen hat sich sogar ein Haus kaufen können und ist ganz und gar amerikanisch geworden. Er ist mit dem Besuch in Kuba nicht einverstanden, weil er der Ansicht ist, daß Santos damit indirekt der kubanischen Regierung hilft. Er erklärt, daß die Angst und die Demütigung, die er damals in Kuba erdulden mußte, als seine Nachbarn erfuhren, daß er auswandern wollte, ihn gezwungen haben, den Alptraum in seinem Kopf völlig auszulöschen und ein echter Amerikaner zu werden. Den zweiten Akt benutzt Teresa Page, um ein anderes Thema einzuführen, das mit der Wiederbegegnung einhergeht, nämlich die Reise selbst. Mehrere Ausländer fliegen gemeinsam mit Santos nach Kuba: eine Nordamerikanerin, die mit der Regierung sympathisiert und versucht, Hilfe zu leisten, indem sie Medikamente, Kondome und Bibeln mitbringt, ein Spanier und ein Mexikaner, die beide Geschäfte auf der Insel betreiben und auch an die Prostituierten denken, und eine Frau aus der Dominikanischen Republik, die das Land kennenlernen möchte. In Retrospektiven wird eine andere Reise auf der Bühne gezeigt: die von Santos, Claudio und ihrer Mutter in dem Boot nach Florida. An diesen Stellen setzt Page zur Ergänzung des Dialogs wirkungsvoll Dias und Geräusche ein. Außerdem gibt es in diesem Akt auch Szenen, die vor ihrer Abreise aus Kuba spielen, als Santos' erste Frau Luisa ihn als Verräter der Revolution beschimpft und ihm nicht gestattet, seine Kinder mitzunehmen oder sich von ihnen zu verabschieden, und es gibt eine gewalttätige Szene mit den Nachbarn, als diese erfahren, daß die drei das Land verlassen wollen. Der dritte Akt zeigt Santos' Wiedersehen mit seinen Kindern Valia und Ariel und seiner Exfrau Luisa. Für Santos wird es zu einem Alptraum der Heuchelei: Luisa bereut, sich von ihm getrennt zu haben und möchte gern zu ihm zurückkehren. Dieselben Nachbarn, die ihn beschimpft hatten, als er wegging, rufen ihn an, bitten um Gefälligkeiten und tun, als seien sie seine besten Freunde; und seine als Prostituierte lebende Tochter zeigt für den Vater keineswegs liebevolle Gefühle, sie will von

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ihm nur, daß er ihr neue Kleider kauft. Zum Schluß bittet ihn sein Sohn Ariel, ihm eine Möglichkeit zur Ausreise zu beschaffen, weil er das Leben in Kuba nicht mehr erträgt. Wenn Santos Kuba verläßt, ist er verwirrter und unglücklicher als zuvor. Er hat den letzten Pfennig seiner Ersparnisse ausgegeben und bereut, diese Reise unternommen zu haben. Eine andere Art des Wiedersehens im Exiltheater ist die Begegnung von Familienmitgliedern auf nordamerikanischem Boden. Die beiden Stücke, die im folgenden kommentiert werden sollen, zeigen das Dilemma derer, die als Kinder in den Jahren 1960-1961 allein von ihren Eltern in die Vereinigten Staaten geschickt wurden, weil man fürchtete, die Revolutionsregierung würde ihnen die elterlichen Rechte nehmen. Das Wiedersehen mit ihren Müttern, zwanzig Jahre später, hat erschütternde Situationen zur Folge. In beiden Stücken handelt es sich um exilierte Frauen, die ohne mütterliche Wärme aufwuchsen und immer von ihren traurigen und schmerzlichen Erinnerungen an eine Jugend ohne ihre Eltern verfolgt wurden. Mit diesem Thema wird zugleich die problematische Situation der alten Mutter behandelt, die mit einer Tochter konfrontiert wird, die sie kaum kennt, und mit einer Umwelt, die ihr fremd und merkwürdig erscheint.8 Das erste dieser Stücke, The Lady from Havana (1988-1990)9, von Luis Santeiro in englischer Sprache geschrieben, spielt in Miami. Es zeigt das Wiedersehen von Beba mit ihrer Tochter Marita im Jahr 1980, nachdem sie sich zwanzig Jahre nicht gesehen haben. Die etwa fünfundsiebzigjährige Beba ist in Begleitung ihres Dienstmädchens Zoila aus Kuba angekommen. Im Verlauf des ersten Aktes wird deutlich, daß es Beba schwer wird, sich an das neue Leben im Exil, im Haus ihrer Tochter, zu gewöhnen. In Kuba hatte sie sich weniger verlassen gefühlt, auch wenn sie dort die Bequemlichkeiten entbehren mußte, die sie jetzt in Miami genießt. Hier verbringt sie den Tag allein, denn ihre Tochter muß arbeiten gehen. 8

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Dieselbe Thematik des Heranwachsenden, der aus politischen Gründen von seinen Eltern verlassen wurde, hat Jesus Diaz in dem kubanischen Film Lejantä bearbeitet, zu dem er das Drehbuch schrieb und auch Regie führt e. Hier sind es die Eltern, die das Land verlassen und ihren sechzehnjährigen Sohn Reinaldo zurücklassen, der sie nicht begleiten darf, weil er alt genug ist, um zum Militärdienst eingezogen zu werden. Die Wiederbegegnung mit der Mutter, die nach zehn Jahren nach Kuba reist, um ihren Sohn zu besuchen, zeigt deutlich den Bruch. Obgleich der Sohn sie empfängt, interessiert er sich nicht für ihre Geschenke und behandelt sie distanziert. Das Stück wurde 1990 in New York von INTAR unter der Regie von Max Ferrä uraufgeführt.

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Nie kommen ihre Enkel und die anderen Familienmitglieder sie besuchen. Sie verbringt ihre Tage mit Telefonieren und Fernsehen. Der zweite Akt spielt 1990, zehn Jahre später, in einem Beerdigungsinstitut, während der Totenwache für Beba. Dieser Akt konzentriert sich auf die Dialoge ihrer Freundinnen Isabel und Gloria und ihrer Cousine Rosa. Von ihnen erfahren wir, daß Beba ihre letzten Lebensjahre nicht im Haus ihrer Tochter verbrachte, sondern in einem Altersheim, wo Isabel und Gloria ihre Nachbarinnen waren. Die drei Freundinnen erinnern sich an die Zeit, die sie gemeinsam in Kuba verbrachten und an die, die sie im Exil lebten. Mit aller Deutlichkeit zeigt Santeiro das einsame Leben der Alten in den Vereinigten Staaten, am Rande der Gesellschaft, wo der Lebensstil im Haus ihrer Kinder keinen Raum für sie läßt und wo vor allem niemand für sie Zeit hat. So verbringen viele Menschen im Exil ihre letzten Tage in einem Altersheim unter Gleichaltrigen, und es bleibt ihnen nichts anderes übrig, als amerikanisch zu werden, indem sie Bingo spielen, Bermudas tragen und an verschiedenen Aktivitäten wie Halloweenfeiern und Ausflügen ins Aquarium teilnehmen. Das zweite Stück, Las lägrimas del alma (1995) von Pedro Monge Rafuls, besteht aus einem einzigen kurzen Akt und spielt 1994 in Union City, New Jersey. Die Schwestern Iraida und Lourdes haben mit Hilfe der Aktion PETER PAN 1 0 Kuba vor mehr als dreißig Jahren ohne ihre Eltern verlassen. Sie haben weder Vater noch Mutter jemals wiedergesehen bis zu dem Zeitpunkt, an dem ihre Mutter Clara sie besuchen kommt. Ihr Vater war einige Jahre nach ihrer Abreise in Kuba gestorben. Zunächst ist es ein sehr glückliches Wiedersehen, bis Clara ihnen mitteilt, daß sie um Asyl bitten und nicht nach Kuba zurückkehren will. Das ruft bei ihren Töchtern Überraschung und Bestürzung hervor, denn sie alle haben ihr Leben ohne die Mutter geplant. Sie sind auch der Ansicht, daß sie damals von ihren Eltern verlassen wurden. Wie schon in den an10

Die Aktion PETER PAN ermöglichte von 1960-62 ungefähr vierzehntausend Kindern, Kuba ohne Begleitung zu verlassen. Der Plan wurde von der katholischen Kirche in Miami, besonders von Pater Bryan O. Walsh, und der Regierung der Vereinigten Staaten entwickelt. Die Aktion gestattete Kindern zwischen 6 und 16 Jahren, ohne Visum in die Vereinigten Staaten einzureisen, und die Katholische Kirche übernahm es, für die Aufnahme in Familien zu sorgen. Vgl. Mirta Ojito: „Cubans Face Past as Stranded Youths in U.S.", in The New York Times, (12. Januar 1998), S. AI, und Enrique Soria: „La CIA, la iglesia y los niños cubanos: El lado humano de una operación secreta", in El diario la prensa (New York), (18. Januar 1998), S. 19.

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deren Stücken, treten auch hier die Kinder - in diesem Fall die Enkel von Clara - nicht in Erscheinung, um ihre Familienangehörigen zu begrüßen. Das Desinteresse und die fehlende Liebe der Kinder zu ihren Verwandten verdeutlichen noch einmal die Auflösung der Familie als Folge der Trennung. Das letzte Werk, das hier analysiert werden soll, Exilio (1986)11 von Matías Montes Huidobro, behandelt das Thema des Wiedersehens aus einer anderen Perspektive. Hier gibt es zwei Wiederbegegnungen, die erste mit der Realität der Kubanischen Revolution in den frühen 60er Jahren, und die zweite zwei Jahrzehnte später in New York. Montes Huidobro bringt gleichzeitig mehrere sich überschneidende Szenarien auf die Bühne und versucht auf diese Weise, jede Unterscheidung zwischen Realität und Fiktion, Text und Intertextualität zu verwischen. Den Text schreiben und ihn auf die Bühne bringen ist eins, und das bildet das konstituierende Element der Handlung. Die Personen, Darsteller ihrer eigenen realen Tragödie, sind in der Tragödie, die sie auf der Bühne inszenieren, gleichzeitig Autoren und Schauspieler, wodurch die historischen Ereignisse des kubanischen Exils in einem mimetischen Akt nachgestellt werden. Auf die Personen in Exilio paßt genau die Definition, die Lionel Abel von dem Begriff Metatheater gibt, eine Definition, die auf den zwei Konzepten Calderóns basiert: die Welt ist ein großes Schauspiel und das Leben ist Traum. Abel stellt fest, daß das Metatheater: ...die notwendige Form ist, um Gestalten auf die Bühne zu bringen, die in voller Selbsterkenntnis auf der Bühne nur noch in der Lage sind, die Dramatisierung ihrer selbst zu leisten. (1963:78)

Die Personen sind dramatisch noch bevor sie die Bühne betreten haben, und sie sind sich der eigenen Theatraliät bewußt. Im ersten Akt beginnt die Handlung im November 1958 in einem Appartement in New York. Vier Personen warten im Exil darauf, nach Kuba zurückzukehren, sobald die Regierung von Batista gestürzt ist und Castro triumphiert. Sie proben die chaotische Farce ihrer eigenen Dramen, die sie aufführen wollen, bevor sie nach Kuba fahren. Es sind: Miguel Ángel, Dichter und Dramatiker; Victoria, Schauspielerin; Rubén, Schauspieler und Regisseur und Román, Theaterautor. Eine fünfte Person, Beba „la Gorda", ist politische Aktivistin und verkauft Bons, um den Revolutionären zu helfen. Sie ist die, die das Geld verdient und die kocht. Die anderen proben 11

Das Stück w u r d e im März 1988 im MUSEO CUBANO DEL ARTE Y CULTURA in Miami

uraufgeführt.

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nach den Texten der Werke, die Miguel Ángel - Cantata de la Sierra - und Román - La vida breve - gerade schreiben. Die Personen bringen einige Seiten der Manuskripte durcheinander, woraus sich ein absurder Dialog ergibt, der teils poetisch, teils narrativ eine Art beschreibender Erzählung von dem gibt, was auf der Bühne geschieht. Auf diese Weise vermischen sich die verschiedenen metatheatralen Handlungsebenen - Farce, Pantomime und Groteske - um eine chaotische Szene des Deliriums zu schaffen, die sich durch die Doppeldeutigkeit der Sprache und die vielfältigen impliziten Konnotationen ebenso auf die nationalen Idiosynkrasien bezieht wie auf die unklare Vorstellung vom Schicksal Kubas. Indem Montes Huidobro bestimmten Normen der Comedia dell'Arte und der Dramatik Pirandellos folgt, schafft er drei Ebenen der Realität: die der Straße, die der Bühne und die des Stückes, das aufgeführt wird. Wie oft bei Pirandello, triumphiert die Illusion über die Realität. Den Schöpfern der Fiktion bleibt nichts anderes übrig, als die Folgen zu akzeptieren. Zu guter Letzt kommt Miguel Ángel zu dem Schluß, daß die ganze kubanische Philosophie auf zwei Prämissen beruht: „andere bescheißen" und „selbst beschissen werden"(1988: 26). Der zweite Akt spielt 1963, auf der Bühne des TEATRO NACIONAL in Havanna, während der Proben zu dem Stück La vida breve, das Román immer noch nicht zu Ende geschrieben hat. Victoria gesteht Román ihren Entschluß, wieder ins Exil in die Vereinigten Staaten zurückzukehren, weil sie mit der Revolution, die sie für bloßes Theater hält, unzufrieden ist. Miguel Ángel wiederholt seinerseits die Theatralität des Lebens in Kuba, als er einen Monolog des Segismundo aus Das Leben ein Traum von Calderón de la Barca rezitiert. Dennoch will er bleiben und der „Dichter der Revolution" werden, obgleich er erkennt, daß das, was er schreibt, falsch ist. Rubén, der nach seiner Rückkehr nach Kuba Leiter des TEATRO NACIONAL wurde, wird abgesetzt und weil er homosexuell ist, verhaftet und gefoltert. Seinen Posten übernimmt Beba, die nichts vom Theater versteht, aber Mitglied der Kommunistischen Partei und aktive Revolutionärin ist. Sie selbst sagt, daß Román sein Werk niemals fertig schreiben kann, denn in Kuba sei Fidel Castro der einzige, der Theater mache. Im dritten Akt begegnen sich die fünf Personen zwanzig Jahre später in New York im Appartement von Román und Victoria. Beba und Miguel sind in diplomatischer und akademischer Mission in New York. Román und Victoria scheinen sich in ihrem zweiten Exil bestens eingelebt zu haben und genießen ein angenehmes Leben, fem vom kubanischen Drama. Ganz anders Rubén, der immer noch von dem Alptraum,

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den er in Kuba durchlebt hat, gefoltert wird und einer der Akteure des Dramas ist. Rubén glaubt, daß ihrer aller Wiederbegegnung den Schluß des Stücks La vida breve darstellt, des Stücks, das Román vergessen und nie beendet hat. In voller Absicht verabredet er sich mit Miguel Ángel, um sich an Beba zu rächen und sie bei dem Besuch umzubringen. Zu dem Mord kommt es nicht, aber die wahre Rache von Rubén und Miguel Ángel wird sich bei Bebas Ankunft in Kuba vollziehen, denn wir erfahren von Miguel Ángel, daß die Regierung ihr schon eine Weile mißtraut und sie ausgrenzen wird. Die Szene der letzten Begegnung hat hauptsächlich deshalb nichts von der Sentimentalität der anderen Stükke, die dieses Thema behandeln, weil die metatheatrale Abstraktion Distanz ermöglicht. Victoria und Román, die die kubanische Realität nicht mehr wahrnehmen, empfangen Miguel Ángel und Beba nur ungern, sie sind höflich und zurückhaltend. Beba verhält sich ähnlich und gibt vor, die Realität des Exils nicht zu verstehen. Rubén und Miguel Ángel möchten La vida breve beenden. Beide haben unter Bebas Aktionen gelitten, und ihr Sturz verschafft ihnen am Ende Genugtuung. In diesen Stücken wird die Wiederbegegnung als Ritual inszeniert, das zur Veränderung der kubanischen Gesellschaft beiträgt. Der historische Prozeß, den die Autoren auf die Bühne bringen, stellt kein isoliertes Geschehen, ohne Verbindung zu den Ereignissen, die es beeinflussen, dar. Ganz im Gegenteil verändert sich das Ritual des Wiedersehens und wird durch eben die Ereignisse bekräftigt, die es bedingen. Das heißt, es muß nicht ein sich wiederholendes Ritual sein, eine Kopie des vorausgegangenen, sondern eines, das sich entwickelt und aus dem anderen hervorgeht. Stanley Walens macht darauf aufmerksam, daß: ...ein Ritual, wenn es sich zweimal in der gleichen Weise vollzieht, dadurch abgeschafft wird, denn ein Ritual wächst unserem eigenen Wachstum entsprechend, - sein Leben rekapituliert den Verlauf des unseren. (1981:219)

So haben die Autoren verschiedene Situationen untersucht, die eine menschliche Erfahrung aufzeigen. Selbst in dem Stück von Santiago, in dem das Ritual des Wiedersehens das Geschehen in dem Stück von Hernández nachahmt, entsteht eine andere transzendentale Ebene, die das Ritual auf ein neues und eindrucksvolles Niveau erhebt. In allen Stücken wird deutlich, wie die Wiederbegegnung sich auf drei verschiedenen Ebenen vollzieht: die Begegnung mit dem Ort, der Familie und den Freunden und mit sich selbst. Diese Konfrontationsübung bringt die Personen dazu, die Maske fallenzulassen und sich der Situation bewußt

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zu werden Sie führt zur Überprüfung der eigenen Identität und zu einer genaueren Vorstellung davon, welche Rolle man hat, wenn man sich als nordamerkanischer Kubaner dem Schicksal des eigenen Landes und dem Exil s:ellen muß. Man gelangt dadurch zur Katharsis und zur Erneuerung. Generell enden diese Stücke nicht mit einem Abschied für immer, soidern die Türen bleiben offen für weitere Begegnungen. Das Ritual, das als Mittel eingesetzt wird, um die Veränderung eines Menschen zu bewirken, funktioniert in der Form gesellschaftlicher Magie, deren Folgen von der Disposition dessen abhängen, der sie betreibt. So kann das Eitual des Wiedersehens eine befreiende und erlösende Wirkung haben, oder es bleiben Beklemmung und Uneinigkeit. Das kubanische Exiltheater hat zum Thema Wiederbegegnung eine Dramatik nit ganz eigenem Gesicht gefunden. Auf der Insel tragen Autoren wie Alberto Pedro Torriente ihren Teil dazu bei. Im Hinblick auf Form, Struktur und Ästhetik bietet es die Pluralität nebeneinander bestehender Dimensionen und mündet der soziopolitischen Realität der kubanischtn Gegenwart gegenüber in eine kritische Haltung. Ohne Zweifel bedeutet das Thema eine einzigartige tour de force, die Spuren hinterlassen wird in der weiteren Entwicklung des Bühnengeschehens zu beiden Uiern. Deutsch VöflVeronica Beucker Literatur Abel, Lionel:Metatheatre. New York 1963. Aloma, Reñí R.: „A Little Something to Ease the Pain", in Cuban American Theatre, hrsg. von Rodolfo J. Cortina. Houston 1991. : „Algura cosita que alivie el sufrir", in Teatro cubano contemporáneo. Antología. (Espinoza Domínguez 1992), S. 1275-1333. Hernández, Leopoldo M.: Siempre tuvimos miedo. Honolulu 1988. Martínez, Jum Carlos: „El reencuentro: un tema dramático", in Lo que no se ha dicho. (Monge Rifuls 1994). Monge Rafas, Pedro R.: „Nadie se va del todo", in Teatro: 5 autores cubanos. (Leal 1995), S. 109-159. : „Niemand geht ganz und gar", in Kubanische Theaterstücke (Adler, Herr 1999), S. 247-2%. — : „Las lágrimas del alma", in Puente libre 7 (Sommer 1995), S. 137-140. Montes Huidobro, Matiás: Exilio. Honolulu 1988. Ojito, Mirta: „Cubans Face Past as Stranded Youths in U.S.", in The New York Times (12.1.1998; S.A1. Page, Teresa:Havana Tijuana Flight (1997). Pedro Torriente, Alberto: „Weekend en Bahía", in Tablas 14,2 (1987), S. 3-15.

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