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German Pages 1181 [1200] Year 1998
Herbert Ernst Wiegand
Wörterbuchforschung 1. Teilband
Herbert Ernst Wiegand
Wörterbuchforschung Untersuchungen zur Wörterbuchbenutzung, zur Theorie, Geschichte, Kritik und Automatisierung der Lexikographie 1. Teilband Mit 159 Abbildungen im Text
W DE G Walter de Gruyter · Berlin · New York 1998
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der Deutschen Bibliothek
Wiegand, Herbert Ernst: Wörterbuchforschung : Untersuchungen zur Wörterbuchbenutzung, zur Theorie, Geschichte, Kritik und Automatisierung der Lexikographie / Herbert Ernst Wiegand. - Berlin ; New York : de Gruyter Teilbd. 1 (1998) ISBN 3-11-013584-1
© Copyright 1998 by Walter de Gruyter & Co., D-10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Satz und Druck: Arthur Collignon GmbH, Berlin Buchbinderische Verarbeitung: Lüderitz & Bauer-GmbH
Für Marianne, die mich immer wieder daran erinnert hat, daß das eigentliche Leben eigentlich erst jenseits meiner Arbeitszimmer beginnt.
Vorwort Das Grundanliegen dieses Buches ist die Erarbeitung einer allgemeinen Theorie der Lexikographie. Den Grundfragen, die aus diesem Anliegen erwachsen sind, bin ich während zwei Jahrzehnten nachgegangen. Es handelt sich um Fragen nach dem Gegenstand, der Form und dem Aufbau einer solchen Theorie, für die es keine Vorbilder gibt. Es versteht sich, daß zu den Grundfragen auch solche zur wissenschaftshistorischen Einordnung und zur Methodologie gehören. Mit dem Grundanliegen ist der Versuch verbunden, tragfähige Fundamente für die Wörterbuchforschung zu legen, so daß diese sich nicht nur zu einer selbständigen wissenschaftlichen Disziplin entwickeln, sondern auch den Status einer offiziellen akademischen Disziplin erhalten kann. Nach traditionsverpflichteten Anfangsbemühungen wurde mir - unter dem Eindruck pragmatischer Fragestellungen innerhalb der Sprachwissenschaft - Mitte der 70er Jahre klar: Wenn das Nachdenken über Wörterbücher zu einer allgemeinen Theorie der Lexikographie führen soll, die nicht nur ein vertieftes Verständnis der lexikographischen Praxis ermöglicht, sondern die darüber hinaus handlungsleitend in lexikographischen Prozessen angewandt werden kann, muß von einem Verständnis von Lexikographie ausgegangen werden, das nicht nur philologisch-historisch und sprachsystemlinguistisch, sondern letztlich kulturwissenschaftlich begründet ist. — Isoliert man Wörterbücher weitgehend aus ihren kulturhistorischen Entstehungs-, aus ihren je individuellen Benutzungs- und aus ihren ökonomischen Verwertungszusammenhängen und betrachtet sie demgemäß vornehmlich als fertige Werke, in denen verantwortungsbewußte Lexikographen den Wortschatz einer oder mehrerer Sprachen oder entsprechende Teilwortschätze gemäß in Wörterbuchwerkstätten tradierten Prinzipien interessenfrei dokumentieren, dann liegt nicht nur eine stark eingeschränkte Perspektive, sondern auch eine fragwürdige Idealisierung vor. Sie ist gebunden an ein Vorverständnis des Gegenstandsbereiches, das die Erarbeitung einer allgemeinen Theorie der Lexikographie erheblich erschwert, wenn nicht sogar unmöglich macht, und sie führt zu einem theoretischen Verständnis von Lexikographie, das diese lediglich als eine der Lexikologie nachgeordneten Bereich begreift. In diesem Buch wird eine Perspektive gewählt, die ein erweitertes Verständnis von Lexikographie ermöglicht; sie eröffnet sich, wenn mindestens die jetzt zu nennenden Gesichtspunkte bei der Theoriebildung in ihrer vollen Tragweite berücksichtigt werden. Wörterbücher werden gemacht, damit sie benutzt werden. Die lexikographische Praxis - in welcher ihrer verschiedenen Ausprägungen auch immer -
VIII
Vorwort
ist daher darauf ausgerichtet, daß eine andere, die kulturelle Praxis der Wörterbuchbenutzung ermöglicht wird. Zum Gegenstandsbereich einer allgemeinen Theorie der Lexikographie gehören daher zwei über wechselseitige Erwartungen miteinander verbundene, kulturelle Handlungsbereiche: der der Wörterbuchbenutzer und der der Lexikographen. In beiden Handlungsbereichen wirken sich Kräfte des gesellschaftlichen Umfeldes aus. Im ersteren sind es vor allem die Bildungsinstitutionen, im letzteren sind es besonders solche gesellschaftlichen oder staatlichen Institutionen, die das Herstellen von Wörterbüchern finanzieren. Das Eingebundensein insbesondere der lexikographischen Prozesse in unterschiedliche Interessenkonstellationen, das eine kritische Aufmerksamkeit der Wörterbuchforschung als angebracht erscheinen läßt, muß daher ebenfalls berücksichtigt werden.- Die Lexikographie verdankt ihre Existenz dem anthropologischen Faktum, daß nicht jeder alles wissen kann sowie der historischen Erfahrung, daß es Situationen gibt, in denen fehlendes Wissen rasch benötigt wird. Wörterbücher stellen in dieser Sichtweise eine bestimmte Form der textuellen Wissensrepräsentation dar, sie sind Textträger, auf denen Texte verschiedener Sorten gemäß pragmatisch eingespielter Gepflogenheiten für mehr oder weniger genau bestimmte Adressatenkreise so zusammengeordnet sind, daß fragliche Daten, aus denen Wissen erschlossen werden kann, möglichst gezielt gesucht und rasch gefunden werden können. Zum Gegenstand einer allgemeinen Theorie der Lexikographie gehören daher Wörterbücher als Textträger. Wörterbücher entstehen in lexikographischen Prozessen, die sich häufig über Jahrzehnte erstrecken. Ein bereits abgeschlossener oder noch im Gang befindlicher lexikographischer Prozeß ist ein Teil eines historischen Gesamtprozesses, der die Entwicklung einer oder mehrerer Einzelsprachen begleitet; meistens sind die einzelnen lexikographischen Prozesse voneinander nicht unabhängig. Der Gegenstandsbereich einer allgemeinen Theorie der Lexikographie hat daher auch eine ausgeprägte historische Dimension. Er erweist sich damit insgesamt als relativ heterogen, und zwar insofern, als Phänomene von recht unterschiedlicher Art bei der Theoriebildung untersucht werden müssen, so daß ein Rückgriff auf Methoden aus verschiedenen Disziplinen erforderlich wurde sowie ein Aufbau der Theorie, der eine Darstellung in verschiedenen Teiltheorien ermöglicht (vgl. die Vorbetrachtung). Das allmähliche Wachsen des Buches hatte zur Folge, daß die meisten seiner Teile mehrere Fassungen durchlaufen haben und daß es von vielen fruchtbringenden Gesprächen mit meinen jetzigen und früheren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ANDREA LEHR, KLAUS-PETER KONERDING, MARTHA RIPFEL und WERNER WOLSKI begleitet wurde, die auch - ebenso wie ULRICH SCHEUERMANN — jeweils verschiedene Teile des Manuskriptes kritisch gelesen haben. Ihnen sowie Frau URSULA QUOOS, die über Jahre - treu und ohne zu verzweifeln - mehrmals neue Typoskriptfassungen erstellte, und MATTHIAS KAMMERER, der sie in der Schlußphase ablöste und mich bei den Korrekturarbeiten besonders unterstützt hat, danke ich ganz besonders. Auch die regelmä-
Vorwort
IX
ßigen Diskussionen mit meinen Doktorandinnen und Doktoranden, insbesondere die mit ANDREAS BLUMENTHAL, LOTHAR LEMNITZER und ANGELIKA STORRER seien als Anregungsquellen dankend erwähnt. - In mehreren Projekten zur Lexikographie, bei der Erarbeitung und Herausgabe gemeinsamer Publikationen, bei den Planungsarbeiten für zweisprachige, für Text- und für Fachwörterbücher sowie in zahlreichen internationalen Symposien zur Lexikographie konnte ich mit Lexikographen sowie mit Kolleginnen und Kollegen, die sich ebenfalls für Wörterbücher interessieren, zusammenarbeiten und diskutieren. Dies war für mich stets von großem Nutzen. In diesem Zusammenhang gilt mein Dank besonders KIJASMUHAMED AGAEV, GERHARD ÄUGST, HENNING BERGENHOLTZ, URSULA BRAUSSE, GÜNTHER DROSDOWSKI, D I R K GEERAERTS, RUFUS
Gouws,
GISELA HARRAS, REINHARD R . K . HARTMANN, FRANZ JOSEF HAUS-
MANN, PETER HELLWIG, HELMUT HENNE, DIETER HERBERG, FRITZ HERMANNS, REGINA HESSKY, WERNER HÜLLEN, KARL HYLDGAARD-JENSEN, SCHAWKAT K A RIMOW, ALAN KIRKNESS, JARMO KORHONEN, HANS-PEDER KROMANN, PETER K Ü H N , INGRID LEMBERG, KLAUS-DIETER LUDWIG, PETER LUTZEIER, KLAUS M U DERSBACH, CARLA MARELLO, WOLFGANG MÜLLER, GENNADIJ PAN, PAN ZAIPING, ULRICH PÜSCHEL, OSKAR REICHMANN, THORSTEN ROELCKE, HEIDEMARIE SALVESKY, MUHIDDIN SATTAROW, BURKHARDT SCHAEDER, HARTMUT SCHMIDT, WERNER SCHOLZE-STUBENRECHT, HEINO SPEER, GABRIELE STEIN, SVEN TARP, DIETER VIEHWEGER, WERNER WELZIG, MATTHIAS WERMKE, REINHOLD WERNER, LADISLAV ZGUSTA u n d EKKEHARD ZÖFGEN.
Zu Dank verpflichtet bin ich auch allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern, die in den Jahren 1983—1997 am Heidelberger Lexikographischen Kolloquium teilgenommen haben, weiterhin den Kollegen im Forschungsschwerpunkt Lexikographie an der Neuphilologischen Fakultät der Universität Heidelberg und schließlich den über 300 Studierenden, die sich als Probanden für empirische Untersuchungen zur Verfügung gestellt haben. An letzter, aber nicht geringster Stelle möchte ich der Stiftung Volkswagenwerk danken, die mir für die Zeit vom 1. 10. 1987 bis 30. 09. 1988 ein einjähriges Akademiestipendium gewährte und dazu einen Betrag für Sach- und Hilfskraftmittel, sowie BRIGITTE SCHÖNING, der Leiterin des zuständigen Fachbereiches im Verlag Walter de Gruyter, und WOLFGANG KONWITSCHNY, der den ersten Teilband als Hersteller betreut hat. Das Buch ist meiner Frau gewidmet, die mir seit mehr als 35 Jahren Lebensumstände ermöglicht, unter denen man in Ruhe und mit Freude wissenschaftlich arbeiten kann. Mein tiefer Dank an sie kann hier kaum angemessen ausgedrückt werden. Oberurff, im August 1997
Herbert Ernst Wiegand
Inhaltsverzeichnis zum 1. Teilband Vorwort Inhaltsverzeichnis zum 1. Teilband Vorbetrachtung
VII XI 1
Teil I: Studien zur Strukturierung eines Forschungsfeldes 1.
Sprachlexikographie und Wörterbuchforschung
13
1.1. 1.2. 1.2.1. 1.2.2. 1.2.3. 1.2.4. 1.2.4.1. 1.2.4.2.
Worum es geht Was ist Sprachlexikographie? Ist die Sprachlexikographie eine Wissenschaft? Ist die Sprachlexikographie angewandte Linguistik? Ist die Sprachlexikographie ein Zweig der Lexikologie? . . . Die Sprachlexikographie als Praxis Praxis oder Poiesis? Lexikographische Praxis als Ergon und Energeia: Warum die Sprachwörterbücher zur Praxis gehören Einige allgemeine Eigenschaften der Sprachlexikographie als Praxis Die nichtwissenschaftliche Sprachlexikographie als kulturelle Praxis Die wissenschaftliche Sprachlexikographie als eigenständige kulturelle und wissenschaftliche Praxis Ist die wissenschaftliche Sprachlexikographie zugleich Theorie und Praxis, theoretische und praktische Lexikographie? Zum Verhältnis von Sprach-, Sach- und Allbuchlexikographie Sprachlexikographie und gesellschaftliche Interessen Was Sprachlexikographie ist: eine erste zusammenfassende Charakterisierung ihres gegenwärtigen Status Wörterbuchforschung: ihr Gegenstandsbereich, ihre Aufgaben und ihre Ziele im Überblick Terminologische Probleme und Entscheidungen Lexikalischer Metabereich versus Metabereich zur Lexikographie Sprachnachschlagewerk, Sprachwörterbuch und Wörterbuch
13 14 15 23 26 33 33
1.2.4.3. 1.2.4.4. 1.2.4.5. 1.2.4.6. 1.2.5. 1.2.6. 1.2.7. 1.3. 1.3.1. 1.3.1.1. 1.3.1.2.
34 37 38 40 42 47 59 61 64 64 64 64
XII
1.3.1.3. 1.3.1.4. 1.3.2. 1.3.3. 1.3.4. 1.4. 1.4.1. 1.4.2. 1.4.2.1. 1.4.2.2. 1.4.2.2.1. 1.4.2.2.2. 1.4.2.2.3. 1.4.2.2.4. 1.4.2.2.5. 1.4.2.3.
1.4.2.4. 1.5. 1.5.1. 1.5.1.1. 1.5.1.2. 1.5.1.3.
1.5.1.4.
1.5.1.5. 1.5.1.6.
Inhaltsverzeichnis zum 1. Teilband
Sprachlexikographie und Lexikographie Metalexikographie und Wörterbuchforschung Der Gegenstandsbereich der Wörterbuchforschung: eine vorläufige Charakterisierung Aufgaben und Ziele der Wörterbuchforschung: eine allgemeine Charakterisierung Drei relevante Gemeinsamkeiten von Lexikographie und Wörterbuchforschung Ist die Wörterbuchforschung eine wissenschaftliche Disziplin? Überlegungen zum Begriff der Disziplin Der gegenwärtige Status der Wörterbuchforschung Die Wörterbuchforschung als wissenschaftliches Forschungsfeld Möglichkeiten der internen Strukturierung der Wörterbuchforschung Subdisziplinen hinsichtlich des Gegenstandsbereiches Subdisziplinen hinsichtlich der Perspektiven Subdisziplinen hinsichtlich der Methoden Subdisziplinen hinsichtlich des Wissenskorpus Subdisziplinen hinsichtlich der Darstellungsmittel Der Gegenstandsbereich und die Forschungsgebiete der gegenwärtigen Wörterbuchforschung: eine erste Zusammenfassung Wörterbuchforschung als akademische Disziplin Computer, wissenschaftliche Lexikographie und Wörterbuchforschung Zentrale Aspekte lexikographischer Prozesse ohne Computereinsatz Die Vorbereitungsphase: Konzipierung eines Wörterbuchprogramms und Erarbeitung eines Wörterbuchplans Die Phase der Materialbeschaffung: Erstellung der Wörterbuchbasis als Aufbau einer lexikographischen Ausgangsdatei Die Phase der Materialaufbereitung: Verzettelung von Ausgangsmaterialien und Aufbau einer Kartothek als lexikographische Zwischendatei Die Phase der Materialauswertung: Schreiben von Wörterbuchartikeln als Erarbeitung der lexikographischen Ergebnisdatei Die Phase der Satz- und Druckvorbereitung: Herstellung der Druckvorlage Übersichten zum lexikographischen Prozeß ohne Computereinsatz
71 72 76 79 87 89 90 97 97 103 104 113 115 116 117
117 118 133 134 136 139
145
148 149 150
Inhaltsverzeichnis zum 1. Teilband
1.5.2. 1.5.2.1.
1.5.2.2. 1.5.2.3. 1.5.2.3.1. 1.5.2.3.2. 1.5.2.3.3. 1.5.2.3.4. 1.5.2.3.5. 1.5.2.3.6. 1.5.2.3.7.
1.5.3. 1.5.4. 1.6. 1.7. 1.8.
Zentrale Aspekte computerunterstützter lexikographischer Prozesse Lexikographische Prozesse ohne Computereinsatz und ihre Umstrukturierung zu computerunterstützten lexikographischen Prozessen: ein frühes historisches Beispiel aus der deutschen Dialektlexikographie Bemerkungen zum Gebrauch von Daten und Information . . Computerunterstützte lexikographische Prozesse Computerunterstützung in der Vorbereitungsphase Computereinsatz in der Phase der Datenbeschaffung Die Phase der Computerisierung: Datenerfassungsvorbereitung, Datenerfassung und Dateneingabe Computereinsatz in der Phase der Datenaufbereitung Computereinsatz in der Phase der Datenauswertung Ubersichten zum computerunterstützten lexikographischen Prozeß Lexikographische Tätigkeiten im computerunterstützten lexikographischen Prozeß: Bemerkungen zu den Kenntnisvoraussetzungen Einordnung der computerlexikographischen Prozesse Das Zusammenwirken computerunterstützter lexikographischer und computerlexikographischer Prozesse Der Gegenstandsbereich der Wörterbuchforschung: eine abschließende Charakterisierung Wissenschaftliche Lexikographie und andere akademische Disziplinen Resümee: der Status der Sprachlexikographie und Wörterbuchforschung Mitte der 90er Jahre
XIII
153
153 160 171 173 179 185 196 209 233
233 239 245 246 248 254
Teil II: Wörterbuchbenutzungsforschung 2.
Die Wörterbuchbenutzungsforschung in der Mitte der 90er Jahre: eine allgemeine Charakterisierung 259
3.
Handlungstheoretische Grundlegung der Wörterbuchbenutzungsforschung 268
3.1. 3.2. 3.3.
Vorbemerkung zur Vorgehensweise Porträts der konstruierten Wörterbuchbenutzer Ein handlungstheoretischer Rahmen für die empirische Erforschung von Benutzungshandlungen Einige Eigenschaften von Handlungsbeschreibungen: exemplarisch entwickelt
3.3.1.
268 269 270 271
XIV
Inhaltsverzeichnis zum 1. Teilband
3.3.2. 3.3.3. 3.3.3.1. 3.3.3.2. 3.3.3.3. 3.3.3.4. 3.3.3.4.1. 3.3.3.4.1.1. 3.3.3.4.1.2. 3.3.3.4.1.3. 3.3.3.4.1.4.
3.3.3.4.1.5. 3.3.3.4.1.6. 3.3.3.4.2. 3.3.3.5. 3.3.3.5.1. 3.3.3.5.2. 3.3.3.6. 3.3.3.7. 3.3.3.8. 3.3.3.9.
3.3.3.10. 3.3.4. 3.3.4.1. 3.3.4.1.1. 3.3.4.1.2. 3.3.4.1.3.
Zentrale Eigenschaften von Handlungen: exemplarisch an Wörterbuchbenutzungshandlungen Benutzungsarten: unterschieden nach Handlungszielen . . . . Benutzerziel und Benutzerzwischenziel Ein genuiner Zweck für alle Wörterbücher Wörterbuchgegenstände und Wörterbuchgegenstandsbereiche Ein Wörterbuch usuell benutzen Ein Wörterbuch als Nachschlagewerk benutzen: erste Unterscheidungen bei den Konsultationshandlungen Nichtverbale Fragehandlungen Externe Suchhandlungen und externe suchstrategische Benutzungshandlungen Interne Datenbearbeitungshandlungen und interne Informationserschließungshandlungen Gezielte interne Suchhandlungen, interne Datenauswahl handlungen und direkte Informationserschließungshandlungen Nachschlagehandlungen Zu den generischen Systemen von Handlungsmustern . . . . Ein Wörterbuch als Lesebuch zur Sprache benutzen Ein Wörterbuch nichtusuell benutzen Ein Wörterbuch benutzen, um etwas über das benutzte Wörterbuch zu erfahren Ein Wörterbuch benutzen, aber nicht als Wörterbuch Usuelle und nichtusuelle Benutzungsarten: zwei Übersichten Punktuelle Konsultationsziele, offene Lektüreziele und Prüfziele Ein Wörterbuch propädeutisch benutzen, um die usuelle Benutzung zu lernen Der Gegenstandsbereich der Benutzungsforschung: eine Übersicht über die Benutzungsarten und die zugehörigen Handlungsmuster Allgemeine, spezielle und wörterbuchspezifische Benutzungspraxis Ein Wörterbuch als Nachschlagewerk benutzen: weitere Differenzierungen bei den Konsultationshandlungen Einige Spezifizierungen des Systems von Handlungsmustern Ein nichtstandardisiertes Wörterbuch als Nachschlagewerk benutzen Ein finalalphabetisches Wörterbuch als Nachschlagewerk benutzen Ein Rechtschreibwörterbuch als Nachschlagewerk benutzen
284 293 296 298 301 303 304 311 318 326
329 336 340 350 355 355 359 359 361 363
366 370 372 372 374 380 384
Inhaltsverzeichnis zum 1. Teilband
3.3.4.1.4. 3.3.4.2. 3.3.4.2.1. 3.3.4.2.2. 3.3.4.2.3. 3.3.4.2.4. 3.3.4.2.5. 3.3.4.2.6. 3.3.4.3. 3.3.4.4. 3.3.4.4.1. 3.3.4.4.2. 3.3.4.4.3. 3.3.4.4.4. 3.3.4.5. 3.3.4.5.1. 3.3.4.5.2. 3.3.4.5.3. 3.3.4.5.4. 3.3.5. 3.3.6. 3.3.7. 3.3.7.1. 3.3.7.2. 3.3.7.3. 3.3.8. 3.3.8.1. 3.3.8.2. 3.3.8.3.
Übersicht über die Spezifizierung des Systems von Handlungsmustern Zugriffshandlungen Externe Zugriffshandlungen Selektionsbezogene externe Zugriffshandlungen Rudimentäre externe Zugriffshandlungen Übersicht über die externen Zugriffshandlungen Interne Zugriffshandlungen Übersicht über interne Zugriffshandlungen Verweisbefolgungshandlungen und verweismotivierte Konsultationshandlungen Ein bestimmtes Wörterbuch als Nachschlagewerk benutzen: erstes Beispiel Spezifische Typen von externen Zugriffshandlungen Spezifische Typen von internen Zugriffshandlungen Spezifische Typen von Verweisbefolgungshandlungen Übersicht über die spezifischen Handlungstypen: erstes Beispiel Ein bestimmtes Wörterbuch als Nachschlagewerk benutzen: zweites Beispiel Spezifische Typen von externen Zugriffshandlungen Spezifische Typen von internen Zugriffshandlungen Spezifische Typen von Verweisbefolgungshandlungen Übersicht über die spezifischen Handlungstypen: zweites Beispiel Gesamtübersicht über die Familien von Benutzungshandlungen Zusammenfassende und weiterführende Überlegungen zur Darstellungssprache für Benutzungshandlungen Typen von Wörterbuchbenutzern Benutzer, Benutzerrollen, potentielle Benutzer und Adressaten Benutzungslerner, kundige, geschulte und eingeweihte Benutzer Weitere Möglichkeiten, verschiedene Typen von Wörterbuchbenutzern zu unterscheiden Benutzungsmodalitäten, Benutzerfertigkeiten Kundig und unkundig ausgeführte Konsultationshandlungen Angemessene und unangemessene Wörterbuchwahl bei Konsultationshandlungen Fehlerfrei, fehlerkorrigierend und fehlerhaft ausgeführte Benutzungshandlungen und Benutzerfehler
XV
390 392 393 400 402 402 404 408 408 423 425 437 446 448 450 450 477 479 480 480 495 500 500 505 509 510 510 511 515
XVI
3.3.9. 3.3.9.1. 3.3.9.1.1. 3.3.9.1.2. 3.3.9.1.3. 3.3.9.1.4. 3.3.9.2. 3.3.9.2.1. 3.3.9.2.2. 3.3.9.2.3. 3.3.9.2.4. 3.3.9.2.5. 3.3.9.3. 3.3.10. 3.3.11. 3.3.11.1. 3.3.11.2.
Inhaltsverzeichnis zum 1. Teilband
Der Benutzungskontext von Konsultationshandlungen . . . . Der äußere Benutzungskontext Benutzungsumstände I: Der Benutzungsort Benutzungsumstände II: Benutzungszeit und Benutzungsdauer Benutzungsgelegenheiten und Benutzungszusammenhänge Arten von Konsultationshandlungen: unterschieden nach kommunikativen Benutzungszusammenhängen Der innere Benutzungskontext Der Aufbau des inneren Benutzungskontextes einer Konsultationshandlung unter Berücksichtigung ihres Vorkontextes Punktuelle Konsultationsziele, Suchfragen und Benutzerinteressen Benutzungsgründe und Benutzungsanlässe Benutzungsfolgen: erfolgreiche, teilweise erfolgreiche Konsultationshandlungen und ihr Nachkontext Benutzungsfolgen: erfolglose Konsultationshandlung Der Nutzen von Wörterbüchern als Folge von Konsultationshandlungen Zum potentiellen Nutzen von Wörterbüchern Eine handlungstheoretisch begründete Strukturierung der Benutzungsforschung Tabellarische Übersicht zur Strukturierung der Benutzungsforschung Konsequenzen aus der Strukturierung der Benutzungsforschung
4.
Z u r Methodologie der Benutzungsforschung
4.1.
Benutzungsforschung und die Methoden der empirischen Sozialforschung: allgemeine Orientierungen und exemplarische Hinweise Die Beobachtung in der Benutzungsforschung Die schriftliche Befragung in der Benutzungsforschung. . . . Orientierung über Befragungsformen für die empirische Benutzungsforschung Über die Fragegegenstände der empirischen Untersuchungen in der bisherigen Benutzungsforschung Exemplarische Überlegungen zur Fragebogenkonstruktion in der Benutzungsforschung Ein erster Fragebogenentwurf als Diskussionsgegenstand . . Erste Teildiskussion: der Fragebogen im Forschungsprozeß Zweite Teildiskussion: Benutzerprofile und Benutzergruppenprofil als angestrebte Ergebnisse der Datenauswertung . . . .
4.1.1. 4.1.2. 4.1.2.1. 4.1.2.2. 4.1.2.3. 4.1.2.3.1. 4.1.2.3.2. 4.1.2.3.3.
519 520 520 521 523 531 532 533 538 541 553 558 560 562 563 564 566 568
568 570 583 584 586 589 590 597 598
Inhaltsverzeichnis zum 1. Teilband
4.1.2.3.4. 4.1.2.3.5. 4.1.2.3.6. 4.1.2.3.7. 4.1.2.3.8. 4.1.2.3.9. 4.1.2.3.10. 4.1.2.3.11. 4.1.2.3.12. 4.1.2.3.13. 4.1.3. 4.1.3.1. 4.1.3.1.1. 4.1.3.1.2. 4.1.3.1.3. 4.1.3.1.4. 4.1.3.1.5. 4.1.3.1.6. 4.1.3.1.7. 4.1.3.1.7.1. 4.1.3.1.7.2. 4.1.3.1.7.3. 4.1.3.1.7.4. 4.1.3.1.7.5. 4.1.3.1.7.6. 4.1.3.1.7.7. 4.1.3.2. 4.1.3.3. 4.1.3.4. 4.1.3.4.1.
Dritte Teildiskussion: Fragebogenart Vierte Teildiskussion: Fragegegenstände Fünfte Teildiskussion: Fragebogenvorspann Sechste Teildiskussion: Fragearten und Fragetechniken . . . . Siebte Teildiskussion: verschiedene weitere Aspekte von Fragebogen Ein zweiter Fragebogenentwurf Erläuterungen zum zweiten Fragebogenentwurf I: Ablauforganisation und Bezug zum Modell des Fragegegenstandes Erläuterungen zum zweiten Fragebogenentwurf II: Auswertungsmöglichkeiten Revidierung des zweiten Fragebogenentwurfes nach dem ersten Probelauf Fragebogen zur Benutzererfahrung Der Test in der Benutzungsforschung Überlegungen zur Entwicklung von Wörterbuchbenutzungstests Einige allgemeine Aspekte von Testaufgaben Erste Serie von Testaufgaben zur Konsultationspraxis: Benutzungsaufgaben Zweite Serie von Testaufgaben zur Konsultationspraxis: weitere Benutzungsaufgaben Dritte Serie von Testaufgaben: Wörterbuchwahlaufgaben . . Übersicht zu einem polythematischen Benutzungsleistungstest für den Benutzer-in-actu Aufgabenstrukturen und Aufgabentypen bei Wörterbuchbenutzungstests Einige teststatistische und testtheoretische Hinweise Normorientierte versus kriteriumsorientierte Messung . . . . Testrohwertsätze und ihre deskriptive Charakterisierung . . . Zu den Maßen der zentralen Tendenz Zu den Dispersionsmaßen Zu den Standardwerten und zur Standardnormalverteilung Zur Testaufgabenanalyse Zu den Testgütekriterien Überlegungen zur Entwicklung von informellen Wörterbuchkenntnistests Überlegungen zu spezifischen Benutzungstests und zu gemischten Benutzertests Überlegungen zu Benutzertests als kriteriumsorientierte Leistungstests Zur systematischen Erzeugung von Benutzungsaufgaben . . .
XVII 599 603 620 620 644 645 656 657 662 664 677 680 684 685 700 715 717 720 729 733 734 741 751 754 755 760 767 792 795 797
XVIII
Inhaltsverzeichnis zum 1. Teilband
4.1.3.4.2.
Zur Kontentvalidierung von kriteriumsorientierten Benutzertests Von der Rohtesterprobung über die Aufgabenanalyse bis zur Testanalyse Metalexikographische Tests: drei Übersichten Zur Rolle des Experiments in der Benutzungsforschung . . . Zur Rolle der Inhaltsanalyse in der Benutzungsforschung . . Genuin metalexikographische Methodenkonzepte in der Benutzungsforschung Wörterbuchbenutzungssituationen: ein methodologisches Konzept Typologien von Wörterbuchbenutzungssituationen: begriffliche Rahmen für die empirische Forschung Eine Methode zur Typologisierung von Wörterbuchbenutzungssituationen Erste Teiltypologie: konfliktbedingte Konsultationssituationen Erster Teiltypologieausschnitt: Konsultationssituationen anläßlich lexikonbedingter Textverstehensschwierigkeiten . . Zweiter Teiltypologieausschnitt: Konsultationssituationen anläßlich grammatikbedingter Textverstehensschwierigkeiten Dritter Teiltypologieausschnitt: Konsultationssituationen anläßlich von Korrektheitszweifeln bei der Textlektüre Vierter Teiltypologieausschnitt: Konsultationssituationen anläßlich lexikonbedingter Ausdruckswahlunsicherheiten bei der Formulierung von Schriftstücken Fünfter Teiltypologieausschnitt: Konsultationssituationen anläßlich lexikonbedingter Ausdrucksfindungsschwierigkeiten bei der Formulierung von Schriftstücken Sechster Teiltypologieausschnitt: Konsultationssituationen anläßlich von Korrektheitszweifeln bei der Formulierung von Schriftstücken Siebter Teiltypologieausschnitt: Konsultationssituationen anläßlich grammatikbedingter Formulierungsbarrieren . . . . Zur Rolle von Typologien von Konsultationssituationen für empirische Untersuchungen Zweite Teiltypologie: nichtkonfliktbedingte Konsultationssituationen Bemerkungen zu weiteren Teiltypologien von Wörterbuchbenutzungssituationen Wörterbuchbenutzungsprotokolle Mündliche Wörterbuchbenutzungskommentare
4.1.3.4.3. 4.1.3.5. 4.1.4. 4.1.5. 4.2. 4.2.1. 4.2.2. 4.2.2.1. 4.2.2.2. 4.2.2.2.1. 4.2.2.2.2.
4.2.2.2.3. 4.2.2.2.4.
4.2.2.2.5.
4.2.2.2.6.
4.2.2.2.7. 4.2.2.3. 4.2.2.4. 4.2.2.5. 4.2.3. 4.2.4.
804 812 816 819 822 823 824 844 844 846 867
888 890
901
909
919 953 958 964 969 974 1010
Inhaltsverzeichnis zum 1. Teilband
4.2.5.
5.
XIX
Experimente zum Verhältnis von Wörterbuchform und Wörterbuchbenutzung: vorläufige Hinweise
1022
Resümee: Stand und Aufgaben der Benutzungsforschung Mitte der 90er Jahre
1026
Anhang
1033
Literaturverzeichnis Verzeichnis der Definitionen Verzeichnis der Namengebungskonventionen Verzeichnis der Abbildungen Verzeichnis der Beispiele Verzeichnis der zitierten Wörterbuchausschnitte Namenregister Sachregister
1033 1106 1113 1114 1119 1121 1122 1128
Inhaltshinweise zum 2. Teilband Teil III: Systematische Wörterbuchforschung Teil IV: Historische Wörterbuchforschung Teil V: Kritische Wörterbuchforschung Anhang Nachwort
Vorbetrachtung Es gibt nichts Praktischeres als eine gute Theorie. (KURT LEWIN)
Dieser orientierende Teil dient der Vorverständigung mit dem Leser, zu der ich gerne dadurch etwas beitragen möchte, daß ich zunächst vorgängige Standpunkte, die motivierend waren, kurz vorstelle und sodann den Aufbau einer allgemeinen Theorie der Lexikographie, zu der die beiden Bände dieses Buches einen Beitrag liefern möchten, in möglichst einfacher Form und kurz skizziere. Die Skizze besteht in erster Linie aus Feststellungen. Die Fragestellungen, auf die sie Antworten sind und die zugehörigen Begründungen werden in den einzelnen Kapiteln im Rahmen jeweils geeigneter Argumentationszusammenhänge gegeben. Mit der Zeichnung der Skizze des Theorieaufbaus gliedert sich zugleich der empirische Gegenstandsbereich der Wörterbuchforschung in Teilbereiche und die Wörterbuchforschung in Forschungsgebiete (vgl. Abb. Vor-1; S. 9 u . Abb. 1-18; S. 118). Die erwähnten „vorgängigen Standpunkte" lassen sich zu drei Gruppen ordnen. Zur ersten gehören Einschätzungen, die sich in erster Linie auf die Rolle der Wörter, aber auch auf die anderer lexikalischer Einheiten in einer Einzelsprache, damit auf den Status des Lexikons in einer Sprachtheorie und schließlich auf die sich daraus ergebende gesellschaftliche Rolle der Lexikographie beziehen. Zur zweiten Gruppe gehören Überzeugungen zum Verhältnis von Theoriebildung und praktischer Wörterbucharbeit in ihrem sozialen und kulturellen Kontext, und schließlich bilden die dritte Gruppe Auffassungen zum Verhältnis von Lexikographie und Universität. Die Einschätzungen der ersten Gruppe seien im Anschluß an LEIBNIZ eingeführt. Dieser schreibt in seinen ,,Unvorgreiffliche[n] gedancken, betreffend die ausübung und Verbesserung der teutschen spräche" von 1717 „ D e r G r u n d u n d B o d e n einer S p r a c h e sind die W o r t e [...]" (LEIBNIZ 1983, 17); da es ihm in dieser Abhandlung vor allem um die deutsche Sprache geht, folgert er, daß eine M u s t e r u n g und U n t e r s u c h u n g aller d e u t s c h e n W o r t e " (LEIBNIZ 1983, 17) eine der „Hauptarbeiten" sei, wenn man die Entwicklung der deutschen Sprache fördern möchte. Die „Hauptarbeit", die sich auf die Wörter einer Sprache in allen ihren Differenzierungen bezieht, ist für LEIBNIZ Wörterbucharbeit. Die Lexikographie hatte damals ein besonders hohes Ansehen, weil in den maßgeblichen Sprachkonzeptionen der Zeit die Wör-
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ter so eingeschätzt wurden, daß sie u. a. beim Denken, Fühlen, Erinnern und Sprechen eine zentrale Rolle spielen. Lexikographische Arbeit war „akademische" Tätigkeit im ursprünglichen Sinne des Wortes. Sie galt deswegen als besonders verantwortungsreich (vgl. dazu W I E G A N D 1997), weil sich die Lexikographen nicht in einem bloß formalen Sinne, sondern auch inhaltlich mit Wörtern beschäftigten, und damit notwendigerweise mit den Phänomenen, für welche die Wörter Zeichen sind (vgl. LEIBNIZ 1983, 6ff.). Seit LEiBNizens berühmter Abhandlung sind rund 280 Jahre ins Land gegangen. In dieser Zeit hat sich die Auffassung vom Wort in der Sprachwissenschaft im historisch unterschiedlich gewichteten Kontakt mit der Logik, der Philosophie und der Psychologie mehrmals grundsätzlich gewandelt. Derzeit ist zwar die Situation in der Lexikologie besonders kontrovers, denn es konkurrieren grammatiktheoretisch, psycholinguistisch, psychologisch, sprachphilosophisch und semiotisch basierte Konzeptionen vom Lexikon, die nur teilweise vermittelbar sind. Wenn ich die Lage richtig einschätze, spielt jedoch in den allermeisten Ansätzen die Kategorie des Wortes (wieder) eine zentrale Rolle, so daß der Metapher LEiBNizens, die Wörter seien der „Grund und Boden einer Sprache", relativ zu den meisten Ansätzen ein guter Sinn abgewonnen werden kann. Nach meiner Auffassung — und das wäre hier der „vorgängige Standpunkt" — können die Wörter — als der Inbegriff lexikalischer Einheiten deswegen als der „Grund und Boden einer Sprache" gelten, weil sie als vorund nachtextuell vermittelnde Instanzen zwischen abstrakten Sprachformen auf der einen und Bausteinen des Wissens über die Welt und/oder über die zugehörige Sprache sowie deren Gebrauch auf der anderen Seite gedacht werden können, so daß das Lexikon als ein zentraler Teil einer Sprachtheorie zu konzipieren ist (vgl. Tl. III). Unter dieser Voraussetzung geht es erstens - und das ist im sozialen und kulturellen Kontext zu denken - in der Lexikographie vor allem um die geordnete und zugriffsbereite, textuelle Präsentation dessen, was uns die Wörter (über etwas anderes) zu wissen geben und damit um etwas, was strittig sein kann und was wir nur aus ihrem Gebrauch erfahren können, und zweitens geht es um die textuelle Darbietung dessen, was wir über die Wörter wissen; dabei geschieht die Präsentation lexikographischer Texte zu dem, was uns die Wörter zu wissen geben, und zu dem, was wir über sie wissen, in der Erwartung, daß es Situationen gibt, in denen Personen nicht wissen, aber wissen möchten, was andere schon wissen, deren — aus Texten erschlossenes Wissen - der Lexikograph so mehr oder weniger parzelliert vertextet, daß es anhand seiner Text- und Bilddaten wiederum erschlossen werden kann, so daß gezielte Antworten auf spezielle Frage erhältlich sind. - In dieser Perspektive zeigt sich, daß die Rolle der Lexikographie - sei es nun als kommerzielle, universitäre oder Akademielexikographie - als Teil des kulturellen Prozesses in einer Gesellschaft nicht gering eingeschätzt werden kann.
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Im Laufe meiner Beschäftigung mit Wörterbüchern - und damit wären wir bei der zweiten Gruppe „vorgängiger Standpunkte" - bin ich allmählich zu der Überzeugung gelangt, daß eine möglichst weitgehende theoretische und methodologische Durchleuchtung einer althergebrachten (und daher ζ. T. auch etwas verstaubten), pragmatisch eingespielten Praxis zu einem vertieften Verständnis dieser Praxis, zu einem höheren Grad ihrer Beherrschung und damit in manchen Bereichen auch zu ihrer Erneuerung führen kann. Diese Überzeugung war der Motor zur Theoriebildung. - Die praktische Wörterbucharbeit und damit jeder konkrete lexikographische Prozeß, zu welchem ein bestimmtes Wörterbuch als dessen Endergebnis gehört, werden im Prozeß der Theoriebildung einerseits verstanden als Teile eines - die Entwicklung von Einzelsprachen begleitenden - lexikographischen Gesamtprozesses und damit auch als Komponenten eines kulturellen Prozesses, so daß sie sich in je spezifischer und historisch einmaliger Art und Weise gestalten, und zwar vor allem bedingt durch die Besonderheiten der jeweils lexikographisch bearbeiteten Sprachen und der Kultur, zu der letztere gehören. Diese Ansicht der praktischen Wörterbucharbeit, die sich besonders unter einer historischen Perspektive ergibt, war in verschiedenen, mehr oder weniger deutlichen Ausprägungen bis Mitte der 60er Jahre vorherrschend. Dies änderte sich zunehmend Mitte der 70er Jahre, und zwar dadurch, daß immer häufiger eine systematische Perspektive eingenommen wurde. Nun interessierten andererseits die rekurrenten Eigenschaften lexikographischer Prozesse, ihre unterschiedlichen Grundlagen, übergreifende Gesichtspunkte und durch die Logik der Sachzusammenhänge gegebene Gesetzmäßigkeiten. Beide Perspektiven, die individualisierende und die generalisierende, müssen Berücksichtigung finden, wenn eine allgemeine Theorie der Lexikographie erarbeitet wird. Kommen wir schließlich zum Verhältnis von Lexikographie und Universität. An fast allen Universitäten, an denen philologische Fakultäten existieren, ist Lexikographie Lehr- und Forschungsgegenstand. An vielen Universitäten werden auch Wörterbücher, und zwar meistens historische und neuerdings auch Fachwörterbücher erarbeitet. Die Lexikographie hat damit eine unübersehbare akademische Existenz. Meine Auffassung ist jedoch, daß es an der Zeit ist, daß die Wissenschaft von der Lexikographie eine akademische Disziplin mit offiziellem Status werden sollte, welche im geregelten Miteinander mit anderen akademischen Disziplinen Studierende zu einem akademischen Abschluß führt, der berufsqualifizierend ist. Nach meiner Einschätzung wäre dies ein Weg, dessen Beschreiten langfristig dazu beiträgt, höhere Qualitätsstandards für die lexikographische Arbeit zu setzen und allmählich den notwendigen universitären Einfluß insbesondere auf die kommerzielle Lexikographie zu gewinnen. Im folgenden gehe ich dazu über, den Aufbau einer allgemeinen Theorie der Lexikographie grob zu skizzieren. Wie ein solcher Aufbau zu gestalten ist, ist alles andere als selbstverständlich, und ebensowenig ist von vornherein klar,
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von welcher Art eine solche Theorie sein muß. Daher haben sich im Laufe des Nachdenkens auch mehrere Versionen für den Aufbau der Theorie ergeben (vgl. WIEGAND 1983a, 1983b, 1984b), die nur teilweise in die nun vorliegende Fassung eingegangen sind. Es ist hier nicht der Ort, auf einer Metaebene wissenschaftstheoretische Erörterungen anzustellen; daher seien nur einige Bemerkungen gemacht. In einer Sprache formulierte menschliche Erkenntnis ist gerade dann theoretisch, wenn sie hinsichtlich der Form allgemein ist und wenn ihr Inhalt das hic et nunc Gegebene transzendiert. Das gilt auch für nichtwissenschaftliche Formen menschlicher Erkenntnis. In den empirischen Wissenschaften kommt hinzu, daß versucht wird, die Ergebnisse von Untersuchungen zu einem Gegenstandsbereich so zusammenfassend und generalisierend aufzubereiten sowie so zu ordnen, daß Theorien entstehen. Die angeblich allgemeingültigen Standards für den Aufbau, die Darstellung und die Prüfung von empirischen Theorien sind nichts weiter als historische Konventionen von eingeschränkter Gültigkeit und - wie gerade die jüngste Wissenschaftshistoriographie zeigt - auch dann ζ. T. recht fragwürdig, wenn sie von Trägern berühmter Namen vorgetragen wurden; denn die sub specie aeternitatis urteilenden methodologischen Metatheorien überschätzen ihre Erkenntnismöglichkeiten genauso wie die Theorien, über die sie urteilen. Das klassische Erkenntnisprogramm ebenso wie das des logischen Empirismus und das des kritischen Rationalismus müssen als gescheitert gelten. Theorien sind nach meiner Überzeugung immer nur ein Zwischenstadium im Prozeß der Wissenschaft; sie entstehen aus anderen Theorien und führen zu anderen hin, so daß empirische Daten als reine Daten im wissenschaftlichen Prozeß, wenn er einmal in Gang gesetzt ist, nicht gegeben sind. Um des vertieften Wissens willen und in der Hoffnung, daß dieses einen höheren Gewißheitsgrad aufweist als das Wissen, das in die Untersuchung eingeht, untersuchen wir einen Gegenstandsbereich wissenschaftlich, und zwar um Theorien zu erarbeiten, und wir erarbeiten Theorien, um bessere Untersuchungen machen zu können. Dabei sind nur diejenigen Verfahrensregeln einzuhalten, welche die beteiligten Forscher jeweils als angemessen einschätzen, überall gültige Verfahrensregeln - auch wenn das einige Superhirsche im Gehege der Wissenschaftstheorie immer noch predigen — gibt es nicht. — Der Zweck der Theorien besteht wissenschaftsimmanent zunächst darin, die Wahrnehmung zum Gegenstandsbereich zu verfeinern und hypothetische Zusammenhänge über möglichst feinkörnigen Beobachtungsergebnissen zu formulieren, so daß man zu den Gesetzmäßigkeiten des Gegenstandsbereiches gelangt und Erklärungen und Voraussagen möglich sind. Jede Theorie kann damit in einem Praxisausschnitt Dienste leisten. Bei manchen Theorien ist das weniger deutlich, bei anderen mehr. Eine allgemeine Theorie der Lexikographie gehört zu den letzteren: Sie ist eine Theorie einer Praxis für die Praxis. Bevor man den Versuch unternimmt, eine allgemeine Theorie der Lexikographie zu erarbeiten, ist es erforderlich, denjenigen Bereich genauer anzu-
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schauen, von dem man annimmt, daß er als empirischer Gegenstandsbereich für die Theorie infrage kommt. Diese Sichtung hat Jahre in Anspruch genommen; sie erfolgte nicht vorurteilsfrei, sondern im Lichte von Vortheorien, und zwar auf der Basis eigener Erfahrungen im Umgang mit Wörterbüchern sowie zusammen mit der Anreicherung von Kenntnissen durch deren Studium, weiterhin aufgrund von Erfahrungen bei der Mitarbeit in verschiedenen lexikographischen Prozessen, in Kenntnis der Evaluationsergebnisse mehrerer in Gang befindlicher lexikographischer Prozesse im Rahmen eines Forschungsprojektes (COLEX) und nicht zuletzt in Kenntnis der einschlägigen metalexikographischen Literatur. Das Ergebnis dieser Eruierungen besteht u. a. darin, daß der empirische Gegenstandsbereich der Wörterbuchforschung als zweischichtig gelten kann und aus vier zusammengehörigen, aber deutlich voneinander abgrenzbaren Teilbereichen besteht. Die erste Schicht bilden (1) die Lexikographie und (2) die Wörterbuchbenutzung; die zweite Schicht bilden (3) der wissenschaftliche Metabereich zur Lexikographie und Wörterbuchbenutzung sowie (4) der nichtwissenschaftliche Metabereich zur Lexikographie und Wörterbuchbenutzung (vgl. 1.3.2.). Der zentrale Teil des Gegenstandsbereiches der Wörterbuchforschung und einer allgemeinen Theorie der Lexikographie ist die Lexikographie in allen ihren verschiedenen Ausprägungen. Sie ist dem Forscher als eine Menge von entweder abgeschlossenen oder noch in Gang befindlichen lexikographischen Prozessen gegeben, die aufgrund der Logik der Sachzusammenhänge und deren traditioneller Überlieferung stets bestimmte abgrenzbare Phasen aufweisen; ihre Endprodukte sind Wörterbücher. Zu untersuchen sind mithin, und zwar unter historischen und systematischen Gesichtspunkten, Lexikographen bei der Arbeit in der Wörterbuchwerkstatt und besonders ihre lexikograhischen Produkte, einschließlich der lexikographischen, wissenschaftlichen, kulturellen und sozialen Einflüsse, die sich in der Wörterbuchwerkstatt auswirken. — Für die Lexikographie gilt die Benutzervoraussetzung: Wörterbücher werden um ihrer Benutzung willen gemacht. In jeder Wörterbuchwerkstatt existieren daher Vorstellungen über die potentiellen Wörterbuchbenutzer, die sich nachweislich auf die Wörterbucharbeit auswirken. Besonders wenn eine allgemeine Theorie der Lexikographie Orientierungsangebote für die lexikographische Praxis enthalten soll, ist es daher zweckmäßig, die Wörterbuchbenutzung als weiteren Teil der ersten Schicht des Gegenstandsbereiches der Wörterbuchforschung und einer allgemeinen Theorie der Lexikographie anzusehen. Wissenschaften untersuchen ihren Gegenstandsbereich unter Berücksichtigung früherer Forschungen. Ab einem gewissen Zeitpunkt gehören deshalb alle einschlägigen Arbeiten der Wörterbuchforschung, die von der ersten Schicht des Gegenstandsbereiches handeln, also die wissenschaftlichen Arbeiten zur Lexikographie und Wörterbuchbenutzung, zum empirischen Gegenstandsbereich der Wörterbuchforschung. Sie gehören aber - mit Ausnahme der Texte der wissenschaftlichen Wörterbuchkritik, was besonders zu begründen ist (vgl.
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Tl. V), - nicht zum Gegenstandsbereich einer allgemeinen Theorie der Lexikographie. Vielmehr werden sie bei der Ausarbeitung einer solchen Theorie berücksichtigt. Die Lexikographie war immer von öffentlichem Interesse. Daher gibt es nichtwissenschaftliche Texte der verschiedensten Art über Wörterbücher, Wörterbuchbenutzung und Lexikographen. Die Menge dieser Texte und Textausschnitte bilden den nichtwissenschaftlichen Metabereich zur Lexikographie und Wörterbuchbenutzung, der als zweiter Teil der zweiten Schicht zum emprischen Gegenstandsbereich der Wörterbuchforschung aber - mit Ausnahme der journalistischen Rezensionen - nicht zu dem einer allgemeinen Theorie der Lexikographie gehört. Vielmehr können auch solche Texte bei der Theoriebildung Berücksichtigung finden. Die skizzierte Grobgliederung des Gegenstandsbereiches der Wörterbuchforschung und die Ergebnisse von durchgeführten Untersuchungen, welches ihre zentralen Fragestellungen sind, lassen es beim gegenwärtigen Stand der Entwicklung als zweckmäßig erscheinen, die Wörterbuchforschung in vier Forschungsgebiete (FG) einzuteilen: - Wörterbuchbenutzungsforschung (FG I) - Kritische Wörterbuchforschung (FG II) — Historische Wörterbuchforschung (FG III) — Systematische Wörterbuchforschung (FG IV). Im folgenden wird kurz der jeweilige Beitrag der einzelnen Forschungsgebiete zu einer allgemeinen Theorie der Lexikographie und zur Methodologie der Wörterbuchforschung erläutert. Die Wörterbuchbenutzungsforschung wird im Tl. II dieses Buches behandelt. Jede Art von Benutzungsforschung wird durch folgenden einfachen Grundgedanken gerechtfertigt: Wenn man wissenschaftliche Kenntnisse, die empirisch fundiert sind, über Wörterbuchbenutzer und insonderheit über die Wörterbuchbenutzung hat, kann man den Nutzungswert von in Zukunft zu erarbeitenden Wörterbüchern mit guten Gründen erhöhen. Während für die Lexikographie nur die Benutzervoraussetzung gilt, macht die Wörterbuchbenutzungsforschung die zusätzliche Voraussetzung, die sich historisch rechtfertigen läßt, daß der Nutzungswert zukünftiger Wörterbücher nicht nur erhöht werden kann, sondern auch erhöht werden sollte. - Jeder, der ein Wörterbuch benutzt, handelt. Daher wird - nach einer Charakterisierung des Zustandes der Wörterbuchforschung Mitte der 90er Jahre im 2. Kapitel - im 3. Kapitel eine handlungstheoretische Grundlegung der Wörterbuchbenutzungsforschung versucht. Dieses geschieht - ζ. T. auf der Basis von Ergebnissen aus dem Projekt „Empirische Wörterbuchbenutzungsforschung" - dadurch, daß zentrale Bausteine für eine Theorie der Wörterbuchbenutzung, die eine Teiltheorie einer allgemeinen Theorie der Lexikographie bildet, bereitgestellt werden, so daß ein theoretischer Rahmen für zukünftige empirische Forschungen gegeben ist. Im
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Rahmen der Theorie der Wörterbuchbenutzung werden u. a. die Eigenschaften von Benutzungshandlungen systematisch dargestellt, die Regelsysteme für die Ausführung von Benutzungshandlungen erarbeitet, eine Typologie von Wörterbuchbenutzern und von Benutzungshandlungen entworfen, ein Modell für die Einbettung von Konsultationshandlungen in den inneren und äußeren Benutzungskontext entwickelt sowie schrittweise eine formale Darstellungssprache für Benutzungshandlungen eingeführt, bei der es sich um eine - um zwei kontextsensitive Konnektoren erweiterte - mehrsortige prädikatenlogische Sprache zweiter Stufe handelt. - Das 4. Kapitel bietet den Versuch einer Grundlegung der Methodologie der Wörterbuchbenutzungsforschung. Im Anschluß an die empirische Sozialforschung, an die Psychologie und Pädagogik werden die Beobachtung, die in der empirischen Benutzungsforschung eine relativ geringe Rolle spielt, die schriftliche Befragung und insbesondere die Fragebogenkonstruktion, daraufhin der Test, die sog. Inhaltsanalyse und das Experiment behandelt. Dies geschieht problemorientiert anhand zahlreicher Beispiele, die auf empirischen Untersuchungen basieren. Weiterhin werden genuin metalexikographische Methodenkonzepte entwickelt, und zwar eine Typologie von Wörterbuchbenutzungssituationen als Rahmen für die empirische Erforschung der Wörterbuchbenutzung, die Methode der Wörterbuchbenutzungsprotokolle und die der mündlichen Wörterbuchbenutzungskommentare. Es wird weiterhin dargelegt, wie der Aufbau von Experimenten zum Verhältnis von Wörterbuchform und Wörterbuchbenutzung erfolgen kann. Wie solche metalexikographischen Experimente durchgeführt werden können, kann genauer erst im Tl. III dargestellt werden, nachdem die Theorie der Wörterbuchform eingeführt ist. Die Systematische Wörterbuchforschung wird im Tl. III dieses Buches und ζ. T. in Tl. I, und hier besonders im Unterkapitel 1.5. behandelt. Ihr Gegenstandsbereich sind die rekurrenten und damit invarianten Eigenschaften und Relationen sowie die Gesetzmäßigkeiten lexikographischer Prozesse und somit die nicht-idiomorphen Eigenschaften von Wörterbüchern aller Typen, da letztere als Teile lexikographischer Prozesse aufgefaßt werden müssen. Die Aufgabe des Systematischen Wörterbuchforschung besteht darin, auf der Basis empirischer Untersuchungen eine Theorie des lexikographischen Prozesses als Teiltheorie einer allgemeinen Theorie der Lexikographie zu erarbeiten. Ein erster Vorschlag für eine solche Theorie, der auf meinen bisherigen Arbeiten aufbaut (vgl. ζ. B. WIEGAND 1988d, 1989b, 1989c, 1989d, 1990b, 1991, 1994e, 1995, 1996), aber in den meisten Hinsichten über diese hinausgeht, wird in Tl. III vorgelegt. Die Theorie des lexikographischen Prozesses beantwortet die Fragen, wie Wörterbücher unterschiedlicher Typen gemacht werden, wie Wörterbücher beschaffen sind und wie sie eingeteilt werden können, wenn diese Fragen nicht als solche nach idioprozessualen und idiomorphen, sondern nach invarianten Eigenschaften verstanden werden. Demgemäß besteht die Theorie aus folgenden drei Teiltheorien:
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Vorbetrachtung
— einer Theorie der íexikographischen Datenbearbeitung — einer Theorie der lexikographischen Textträger und — einer Theorie der Wörterbucheinteilung. Ich gehe nachfolgend der Reihe nach kurz auf diese drei Teiltheorien ein. Der Gegenstand einer Theorie der lexikographischen Datenbearbeitung ist die Klasse aller Methoden, die angewandt werden, um Daten lexikographisch zu bearbeiten. Die Theorie stellt daher zugleich eine Methodologie der Lexikographie dar und besteht ihrerseits aus drei Teiltheorien. Die erste ist eine Theorie der lexikographischen Datenbeschaffung. In ihr sind die Prinzipien formuliert und die Methoden beschrieben, wie man Wörterbuchbasen als lexikographische Ausgangsdateien mit oder ohne Computerunterstützung aufbaut. Die zweite Teiltheorie ist eine Theorie der lexikographischen Datenaufbereitung. Ihr Gegenstand sind alle Methoden, welche angewandt werden, um von der lexikographischen Ausgangsdatei mit oder ohne Computerunterstützung zur lexikographischen Zwischendatei zu gelangen. - Schließlich ist die dritte Teiltheorie eine Theorie der lexikographischen Datenauswertung. Ihr Gegenstand sind die Methoden, die beim Schreiben von lexikographischen Teiltexten mit Leitelementträger, insbesondere beim Abfassen von Wörterbuchartikeln und damit bei der Erarbeitung der lexikographischen Enddatei mit oder ohne Computer angewandt werden. Der generelle Rahmen für die Theorie ist bereits in 1.5. ausgearbeitet und exemplarisch gefüllt. Im Tl. III wird er weiter systematisch ausgefüllt. — Die zweite Teiltheorie der hier vorgelegten Theorie lexikographischer Prozesse ist eine Theorie lexikographischer Textträger. Diese bildet das Zentrum des Buches. Wörterbücher werden aufgefaßt als Textträger, d. h. als Gebilde, die aus Texten unterschiedlicher Sorten bestehen, welche nach tradierten und — je kulturspezifisch - nach pragmatisch eingespielten Gepflogenheiten zusammengeordnet und z. T. miteinander inhaltlich vernetzt sind. Die Theorie der lexikographischen Textträger besteht aus zwei Teiltheorien, einer Theorie der Wörterbuchform und einer Theorie des Wörterbuchgegenstandes. Die Theorie der Wörterbuchform ist in wesentlichen Teilen eine Theorie der Strukturen lexikographischer Texte und Teiltexte. Hier werden beispielsweise behandelt: Makrostrukturen und -architekturen, Artikelstrukturen, Mikrostrukturen und -architekturen, Mediostrukturen, Verteilungsstrukturen, Binnen- und Rahmenstrukturen, innere und äußere Zugriffs- und Schnellzugriffsstrukturen, Thema-Rhema-Strukturen, Kohärenzstrukturen und zahlreiche weitere Strukturen lexikographischer Texte. Diese Teiltheorie ist in wesentlichen Teilen formal ausgearbeitet, so daß sie auch als Grundlage für formale Grammatiken zur Erzeugung von Wörterbuchartikelstrukturen dienen kann, die beim Parsen von Wörterbuchartikeln benötigt werden. Die zweite Teiltheorie der Theorie lexikographischer Textträger ist eine Theorie des Wörterbuchgegenstandes. Unter einem Wörterbuchgegenstand wird
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Allbuchlexikographie
ZENTRALER TEIL DES EMPIRISCHEN GEGENSTANDSBEREICHES DER WÖRTERBUCHFORSCHUNG
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Lexikologie
Abb. 1-7: Veranschaulichung zum Status der Sprachlexikographie; „•=•=•" bedeutet soviel wie hat als zentralen Teil ihres empirischen Gegenstandsbereiches; „ bedeutet soviel wie ist ein Teil von; „—bedeutet soviel wie übernimmt Ergebnisse und Methoden von; „x ·«—• y" bedeutet soviel wie y übernimmt i Ergebnisse und Methoden von χ und χ übernimmt j Ergebnisse und Methoden von y (ì, j e Ν)
Die bisher gegebenen Charakterisierungen zum gegenwärtigen Status der Sprachlexikographie reichen zu einer Bestimmung ihres historisch-systematischen Ortes noch nicht aus. Wir benötigen dazu eine genauere Betrachtung ihres wissenschaftlichen Metabereiches, ihrer Verhältnisse zu verschiedenen Wissenschaften und eine generelle Analyse der Rolle des Computers innerhalb von lexikographischen Prozessen (vgl. 1.3. bis 1.6.).
13 Die abschließende Charakterisierung findet sich unter 1.7.
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I 1. Sprachlexikographie und Wörterbuchforschung
1.3.
Wörterbuchforschung: ihr Gegenstandsbereich, ihre Aufgaben und ihre Ziele im Überblick
1.3.1. Terminologische Probleme und Entscheidungen In 1.2. wurde argumentiert, daß die verschiedenen wissenschaftlichen Formen der Beschäftigung mit der Sprachlexikographie nicht selbst Teil der Sprachlexikographie sind, sondern ihren wissenschaftlichen Metabereich bilden, der vom nichtwissenschaftlichen Metabereich, zu dem ζ. B. journalistische Wörterbuchrezensionen (i. S. v. RIPFEL 1989, 33 ff.) gehören, unterschieden werden muß. Diese Einteilung hat u. a. zur Folge, daß Redeweisen wie theoretische Lexikographie (vgl. ζ. Β. Ζ 1-23 u. 1-24; S. 43) oder Lexikographie als Theorie (vgl. ζ. Β. Ζ 1-28; S. 44) und entsprechende Ausdrucksweisen in anderen Sprachen (vgl. etwa ATKINS 1992/93 u. WIERZBICKA 1992/93) - unabhängig davon, ob sich mit ihnen brauchbare sachliche Unterscheidungen verbinden oder nicht hier als weniger gut geeignet eingeschätzt werden. Durch diese Einschätzung ergeben sich terminologische Fragen, die nun behandelt werden.
1.3.1.1. Lexikalischer Metabereich versus Metabereich zur Lexikographie BAHR führt den Terminus lexikalischer
Metabereich wie folgt ein:
(Z 1-41: BAHR 1977, 1) „Alle Formen der Darstellung unter Einschluß der Bedeutungserklärungen, die der Beschreibung lexikalischer Objekte im Wörterbuch dienen, fassen wir unter dem Begriff des lexikalischen Metabereiches zusammen."
Für das, was BAHR in (Z 1-41) lexikalischen Metabereich nennt, werde ich später den Terminus lexikographische Metaebene einführen (vgl. Tl. III). Das von BAHR Gemeinte darf nicht mit dem wissenschaftlichen Metabereich zur Sprachlexikographie, um den es in 1.3. geht, verwechselt werden. Die Unterscheidung einer lexikographischen Metaebene, die dadurch gegeben ist, daß der Lexikograph über einen Wörterbuchgegenstand schreibt, vom Metabereich zur Lexikographie, der ζ. B. durch Schreiben über Wörterbücher gegeben ist (vgl. 1.3.2.), ist — soviel sei vorweggenommen - u. a. deswegen wichtig, um die Auffassung von der sog. Metasprache in der Sprachlexikographie (vgl. zu dieser ζ. B. REY-DEBOVE 1989) durch eine differenzierte Auffassung ersetzen zu können (vgl. WIEGAND 1983, 415ff. u. Tl. III).
1.3.1.2. Sprachnachschlagewerk, Sprachwörterbuch und Wörterbuch Bisher wurde für alle Endprodukte der Lexikographie als übergeordneter Ausdruck Nachschlagewerk und für alle Endprodukte der Sprachlexikographie der
1.3. Wörterbuchforschung: ihr Gegenstandsbereich, ihre Aufgaben und ihre Ziele
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Ausdruck Sprachnachschlagewerk verwendet. Relativ zu dieser Terminologie ist ein gedrucktes Sprachwörterbuch dann ein Sprachnachschlagewerk neben anderen; danach wären ζ. B. eine gedruckte Konkordanz oder ein gedruckter Wortindex als Beispiele für andere Sprachnachschlagewerke keine Sprachwörterbücher, und im Deutschen wären Sprachwörterbuch, Konkordanz und Wortindex kohyponyme Termini zum superonymen (oder: hyperonymen) Ausdruck Sprachnachschlagewerk. Mit dem Ausdruck Sprachnachschlagewerk läßt sich zwar in wissenschaftlichen Texten unmittelbar verständlich eine spürbare Lücke im Inventar der lexikalisierten deutschen Bezeichnungen für Nachschlagewerke systematisch schließen, der Ausdruck ist aber - im Unterschied zu Nachschlagewerk - im nichtwissenschaftlichen Sprachgebrauch ungebräuchlich und kommt auch in deutschsprachigen Titeln für Sprachnachschlagewerke bisher m. W. nicht vor. Für die systematische Entwicklung der wissenschaftlichen Terminologie, die im Deutschen - besonders wenn es um die hierarchischen Beziehungen von Termini geht — auf die Bildung von Komposita angewiesen ist, ist Sprachnachschlagewerk sowohl als erste als auch als zweite Konstituente ungeeignet. Komposita wie ζ. B. Sprachnachschlagewerkforschung oder gar Sprachnachschlagewerkbenutzungsforschung sind zwar nach den Regeln der deutschen Wortbildung möglich (und wären aus systematischen Gründen sogar nützlich), haben aber aufgrund mehrerer Eigenschaften (ζ. B. der Wortlänge) keine guten Chancen, geläufig zu werden. Aus diesem Grunde habe ich auch bisher bereits Wörterbuchforschung verwendet, obwohl aus systematischen Gründen Sprachnachschlagewerkforschung notwendig gewesen wäre. Sprachnachschlagewerk ist daher — zwar nicht aufgrund seiner semantischen, wohl aber aufgrund einiger Eigenschaften seiner Formativstruktur - als übergeordnete Bezeichnung für alle Nachschlagewerke der Sprachlexikographie nur in sehr speziellen Zusammenhängen als geeigneter Terminus anzusehen. In der wissenschaftlichen Literatur wird der Ausdruck Sprachwörterbuch meistens dann verwendet, wenn es auf den Unterschied zum Sachwörterbuch oder zum Allbuch ausdrücklich ankommt (vgl. ζ. B. Z A U N M Ü L L E R 1 9 5 8 u. LEXIKON SPRACHE 1 9 9 3 , s. v. Wörterbuch, 6 9 2 ) . Entsprechend wird auch in den Artikeln mancher neuerer SachWörterbücher verfahren, ζ. B. in der 16. Auflage des Großen Brockhaus (vgl. 16BROCKHAUS, Bd. 12, s. v. Wörterbuch). Ansonsten verwendet man Wörterbuch, wenn es um den Gebrauchsgegenstand geht, und neuerdings - wenn der Datenträger mitbenannt werden soll - auch Printwörterbuch oder Papierwörterbuch im Unterschied zu den verschiedenen Arten von Wörterbüchern auf elektronischen Datenträgern (vgl. dazu 1 . 5 . 3 . ) . Der Gebrauch von Wörterbuch ist allerdings weder in wissenschaftlichen noch in nichtwissenschaftlichen Texten des gegenwärtigen Standarddeutsch einheitlich; für einen Teil der nichtwissenschaftlichen Texte ist dies auch das Ergebnis einer Untersuchung, in der H J O R T ( 1 9 6 7 ) den Gebrauch der Ausdrücke Lexikon, Wörterbuch, Enzyklopädie und Konversationslexikon in Buchtiteln, Titelseiten,
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I 1. Sprachlexikographie und Wörterbuchforschung
Verlagsprospekten und Nachschlagewerken untersucht und zusätzlich die vier Ausdrücke 15 Informanten zur Abgrenzung vorgelegt hat. Während SCHULT feststellt: ( Z 1 - 4 2 : SCHULT 1966, 7)
„Unproblematisch ist das Wort Lexikon im Sprachgebrauch der Gegenwart. Im DudenFremdwörterbuch [...] als: Ί ) alphabetisch geordnetes allgemeines Nachschlagewerk. 2) älter für: Wörterbuch 'definiert', erweist es sich in allen überprüften Titeln als inhaltlich richtig angewandt.' "
kommt
HJORT ZU
dem Ergebnis:
( Z 1 - 4 3 : HJORT 1967, 5 6 4 )
„Es wurde gezeigt, daß die Begriffe Wörterbuch und Lexikon ohne nähere Spezifizierung viel zu ungenau sind. Es ist nicht gelungen, einen faktischen Unterschied zwischen beiden aufzuzeigen, da die Anwendung beider Termini sich weitgehend überschneidet."
Das Ergebnis von SCHULT kommt aufgrund einer falschen Methode zustande. Sie geht vom Duden-Fremdwörterbuch aus und beurteilt den Sprachgebrauch in Buchtiteln nach den Bedeutungsparaphrasenangaben in diesem Wörterbuch; der umgekehrte Weg wäre richtig (vgl. auch HJORT 1 9 6 7 , 3 5 8 ) . Bereits in der Brockhaus Enzyklopädie von 1970 steht s. v. Lexikon die Erklärung „sowohl Sprach- wie SachWörterbuch", und meine Belege erlauben den gleichen Schluß, den HJORT in (Z 1 - 4 3 ) zieht. HJORT ( 1 9 6 7 , 3 6 4 ) stellt weiterhin fest, daß die Sprachwörterbücher (bis 1967) in ihren Titeln meistens den Ausdruck Wörterbuch führen. Ob diese Trendangabe auch in der Gegenwart noch zutrifft, ist ohne statistische Schätzungen auf der Basis empirischer Untersuchungen und bibliographischer Recherchen kaum mit hinreichender Sicherheit zu beurteilen, da es auch Beispiele dafür gibt, daß frühere Auflagen eines Werkes Lexikon und spätere Wörterbuch heißen, was öfters bei Lizenzausgaben vorkommt; ζ. B. ist HERKUNFTSWÖRTERBUCH 1 9 9 4 eine Lizenzausgabe von K N A U R S - E L 1 9 8 3 . Es fällt allerdings auf, daß gerade in jüngster Zeit relativ viele neue deutsche Sprachwörterbücher und ζ. B. auch zweisprachige mit Deutsch im Titel oder Untertitel Lexikon führen, ζ. B. folgende: -
D B G Lexikon der deutschen Sprache (ULLSTEIN-LDS 1969) Knaurs Fremdwörter-Lexikon (KNAURS-FL 1982) Knaurs Lexikon der sinnverwandten Wörter (KNAURS-LSW 1982) Knaurs etymologisches Lexikon (KNAURS-EL 1983) Das große Lexikon der Synonyme (GLS 1978) Kleines Lexikon untergegangener Wörter (OSMAN 1976) Kleines Lexikon deutscher Wörter arabischer Herkunft (OSMAN 1982) affengeil. Ein Lexikon der Jugendsprache (EHMANN 1992) oberaffengeil. Neues Lexikon der Jugendsprache (EHMANN 1996) Lexikon zur Wortbildung (ÄUGST 1975) Lexikon der europäischen Abkürzungen (KIPP 1990)
1.3. Wörterbuchforschung: ihr Gegenstandsbereich, ihre Aufgaben und ihre Ziele
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Lexikon der Abkürzungen (KOBLISCHKE 1994) Akü: das lustige Abkürzungslexikon ... (MÜLLER-REMSCHEID 1 9 8 9 ) Lexikon der Jugendsprache (MÜLLER-THURAU 1 9 8 5 ) Lexikon deutscher Präpositionen (SCHRÖDER 1 9 8 6 ) Lexikon deutscher Konjunktionen (BUSCHA 1989) Lexikon deutscher Partikeln (HELBIG 1988) Lexikon deutscher Modalwörter (HELBIG/HELBIG 1990) Lexikon zum Artikelgebrauch (GRIMM 1987) Lexikon deutscher Präfixverben (SCHRÖDER 1992) Lexikon der Ruhrgebietssprache (BOSCHMANN 1995) Sprichwörterlexikon (BEYER/BEYER 1985) Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter. Ein Lexikon (SCHMIDT-WIEGAND/ SCHOWE 1 9 9 6 )
-
Zitatenlexikon (EICHELBERGER 1983) Reclams Zitaten-Lexikon (JOHN 1993) Lexikon der treffenden Luther-Zitate (BRÜLLMANN 1983) Lexikon der treffenden Pointen (RONNER 1985) Das Graffiti-Lexikon (KREUZER 1 9 8 6 ) Trendwörterlexikon (HORX 1996, Schmutztitel) Illustriertes Lexikon der deutschen Umgangssprache (ILDUS 1980-84) Lexikon der Goethe-Zitate (DOBEL 1972) Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten (RÖHRICH 1973) Lexikon der Redensarten (MÜLLER 1994) Das andere Sprichwörter-Lexikon (GRUHLE/VOLXEM 1993) Lexikon der Beleidigungen (o. Aut., o. J.) Steierisches Schimpfwortlexikon (JONTES 1986)
-
Schimpfwortlexikon (BLAY 1996)
- Brisante Wörter von Agitation bis Zeitgeist. Ein Lexikon zum öffentlichen Sprachgebrauch (BRISANTE WÖRTER 1989) - Das neue Fremdwörter-Lexikon (NFL O. J.) - Fremdwörterlexikon (WAHRIG-FL 1 9 8 7 ) - Fremdwörter-Lexikon (HOLLANDER 1989) - Auf Deutsch; das neue Fremdwörterlexikon (TEXTOR 1985) - Lexikon Naturwissenschaft in der Alltagssprache ... (SCHNEIDER/SCHNEIDER 1989) - Lexikon der deutschen Synonyme (SYNONYME O. J. [1989]) - Lexikon der Synonyme (SCHILL 1993) - Das Krüger Lexikon der Synonyme (BULITTA/BULITTA 1993) - Lexikon der deutschen Antonyme (PETASCH-MOLLING 1 9 8 9 ) - Lexikon deutscher Verben der Fortbewegung (SCHRÖDER 1 9 9 3 ) - Kleines Valenzlexikon deutscher Verben (ENGEL/SCHUMACHER 1978) - Lexikon österreichischer Familiennamen (HORNUNG 1989) - Deutsches Namenlexikon (BAHLOW 1980) - Lexikon der Vornamen (DROSDOWSKI 1974) - Neues Lexikon der Vornamen (BURKART 1 9 8 7 ) - Deutsche Grundsprache. Wort- und Satzlexikon (MATUTTAT 1969) - Deutsch-russisches Satzlexikon (PAFFEN 1980) - Idioms: Lexikon der englischen Redewendungen (BOOTH 1988)
68
I I . Sprachlexikographie und Wörterbuchforschung
— Expresiones idiomáticas: Lexikon der spanischen Redewendungen (MORENO TORRES 1990)
-
Locutions: Lexikon der französischen Redewendungen (KÖSTERS-ROTH 1990).
Auch viele Fachwörterbücher — seien sie nun fachliche Sprach-, fachliche Sach- oder fachliche Allbücher (i. S.v. W I E G A N D 1988a, 761 ff.) - führen im Titel Lexikon (Z. B . M E R C K ' S WARENLEXIKON 1920; BREPOHL 1989; G A T Z 1983; B I - L VIROLOGIE 1 9 8 6 ; C O N R A D 1 9 8 5 ; H L GEOGRAPHIE 1 9 9 0 ; H L G E O L O G I E / M I NERALOGIE 1 9 9 0 ; H Ö F F E 1 9 8 6 ; J A U C H 1 9 8 9 ; M Ü L L E R e t a l . 1 9 8 8 ; FALKNER 1 9 8 2 ; NATURSTEIN-LEXIKON
1 9 8 6 ; SCHNEIDER
1983 u.
1991; WOLL
1992;
LEXIKON
SPRACHE 1 9 9 3 ; S C H U L Z E 1 9 8 8 ; BACHMANN 1 9 9 0 u . 1 9 9 3 ; G W L 1 9 8 8 ; S L D 1 9 9 2 ;
1993; BERGMANN 1993). Fachwörterbuch ..."
RLM
SCHULZE
(1989) hat im Untertitel „Lexikon und
Manche Nachschlagewerke, insbesondere im Bereich der Namen- und Fachlexikographie, vermeiden im Titel oder Untertitel die Ausdrücke Wörterbuch oder Lexikon. So gibt es ein Titelmuster der Form „X von A bis Z" mit „X" als Variable für die Bezeichnung eines Fachgebietes, einer Disziplin oder Teildisziplin (z. B . KRETSCHMER 1969; K R E U Z E R 1986; D I T K O 1993; IBELGAUFTS 1993) oder mit „X" als Variable für Klassen sprachlicher Ausdrücke, z. B.: „Vornamen von A - Z " (SIMON 1988). Auch alle Arten von Namenbüchern, die im Titel nicht den Ausdruck Wörterbuch tragen, sind Wörterbücher (z. B. ZGUSTA 1984; SEIBICKE 1996). Weiterhin findet sich das Titelmuster „ABC der Ζ" mit „Z" als Variable für ein Sachgebiet (z. B . B Ü N T I N G / E I C H L E R 1982; K L I N G BERG (Hrsg.) 1993) und eine häufige Titelmuster-Variante ist „Kleines ABC der Z" (z. B . PALMER 1948). Auch gibt es Nachschlagewerke, anhand deren Titel man nicht (sicher) erschließen kann, ob es sich um ein Nachschlagewerk handelt oder nicht (z. B . GOTTSCHALD 1982; BALLMER/BRENNENSTUHL 1986; MACKENSEN 1990; N A U M A N N 1994). - Nimmt man jedoch die großen wissenschaftlichen Wörterbücher, die Dialektwörterbücher, die Bildwörterbücher und vor allem die zweisprachigen Wörterbücher, die allenfalls als idiomatische Wört e r b ü c h e r ( z . B . BOOTH 1 9 8 8 ; KÖSTERS-ROTH 1 9 9 0 ; M O R E N O TORRES 1 9 9 0 ) u n d
im fachsprachlichen Bereich einmal Lexikon heißen (z. B. FALKNER 1982), hinzu, dann stimmt die Trendangabe von H J O R T auch heute noch, wenn man K Ü H N (1978) und H O R N (1987) für eine Auszählung zugrundelegt. Hinzu kommt, daß die verschiedenen Produkte der Sachlexikographie — auch wenn es zahlreiche sachlexikographische Werke gibt, die Wörterbuch, Sach- oder Fachwörterbuch heißen (z. B . SEU 1993; DINZELBACHER 1992; D E N Z L E R / A N D R E SEN 1982; F U C H S / R A A B 1990; BÖHM 1994; W I L P E R T 1989; STRUBE 1996) - eher Lexikon oder manchmal auch Atlas im Titel führen. Allerdings können nicht alle Werke, die keine Atlanten im herkömmlichen Sinne sind, aber einen Titel nach dem Titelmuster „Atlas zur Y " tragen, mit „Y" als Variable für Fachgebiets· oder Disziplinbenennungen als Fachwörterbücher gelten. Beispielsweise ist die erfolgreiche Serie der dtv-Atlanten mit inzwischen 20 Titeln wie z. B.
1.3. Wörterbuchforschung: ihr Gegenstandsbereich, ihre Aufgaben und ihre Ziele
-
d t v - A t l a s z u r C h e m i e (BREUER 1 9 8 9 / 9 0 )
-
dtv-Atlas zur Ökologie (HEINRICH/HERGT 1990) dtv-Atlas zur Atomphysik (BRÖCKER 1989) dtv-Atlas zur deutschen Sprache (KÖNIG 1994),
69
keine Fachwörterbuchserie. Vielmehr gehören die einzelnen Bände zu einem Mischtyp aus fachlichem Sachwörterbuch und Handbuch (vgl. Tl. III). Wenn man also den Sprachgebrauch außerhalb der wissenschaftlichen Literatur und die Titelgebungsgewohnheiten berücksichtigt, ergeben sich gute Gründe, den Ausdruck Wörterbuch als übergeordneten Terminus für alle Arten von gedruckten Nachschlagewerken der Sprachlexikographie zu verwenden. Hinzu kommt, daß Wörterbuch sich - im Unterschied zu Sprachnachschlagewerk — als erste oder zweite Konstituente für Komposita gut eignet, was die bisher in der deutschsprachigen Forschung eingespielte Terminologie deutlich zeigt (ζ. B. Wörterbuchbenutzung, Reimwörterbuch). Gegen eine Wahl von Wörterbuch als übergeordneten Terminus spricht nun allerdings, daß sich in der Geschichte der germanistischen Lexikographie der Gebrauch eines Inventars von Fachausdrücken pragmatisch eingespielt hat, nach dem ζ. B. gedruckte Indices (i. S. v. index verborum) und gedruckte Konkordanzen und deren diverse Mischformen entweder nur eingeschränkt oder gar nicht als Wörterbuch gelten. M A T T A U S C H beispielsweise stellt fest: ( Z 1 - 4 4 : MATTAUSCH 1 9 8 2 , 3 0 3 )
„Wir sehen [...] ab von den zahlreichen mit Computerhilfe erstellten Wortindices, die [...] als bloße Formeninventare allerdings den Begriff 'Wörterbuch' nur sehr eingeschränkt erfüllen." GÄRTNER/KÜHN
meinen:
( Z 1 - 4 5 : GÄRTNER/KÜHN 1 9 8 4 , 6 3 0 )
„Eine lemmatisierte Konkordanz als 'Wörterbuch' zu bezeichnen (SCHANZE 1978; DANNHAUER/HORCH/SCHUFFELS 1983) geht allerdings zu weit; denn die Lemmatisierung ist nur eine Vorstufe der traditionellen Wörterbuchschreibung und klammert die semantische Erklärung der Belege eines Stichwortes noch aus [...]."
Der Auffassung, Konkordanzen sollten nicht als Wörterbücher bezeichnet werden, kann ich nur dann zustimmen, wenn es sich um den Titel eines Nachschlagewerkes handelt; denn relativ zum vortheoretischen, pragmatisch eingespielten Gebrauch des Ausdruckes Wörterbuch kann dieser im Titel einer lemmatisierten Konkordanz allerdings falsche Erwartungen wecken. 14 Unter systemati14 Für GEERAERTS ist der vortheoretische Wörterbuchbegrifif prototypisch organisiert; er führt aus:
(Z l-45a: GEERAERTS 1989, 293 f.) „It follows from the discussion in the previous paragraph that the notion 'dictionary' is a prototypical one, in the sense of'prototype' outlined by ROSCH (1978): there are clear, central cases of 'dictionarity' next to peripheral, less salient examples. The prototypical dictionary, in particular, is monolingual rather than multilingual, provides linguistic rather than encyclopaedic information, contains primarily semasiological rather than onomasiological or non-semantic data, gives a description of a standard language rather than restricted or marked language varieties, and serves a pedagogical purpose rather than a critical or scholarly one. Thus, less
70
I 1. Sprachlexikographie und Wörterbuchforschung
sehen Gesichtspunkten jedoch empfiehlt es sich m. E., alle gedruckten Formen von Verbalindices und Konkordanzen als Wörterbücher aufzufassen, während die nichtgedruckten Formen, besonders weil bestimmte Rahmentexte fehlen, zu den lexikographischen Listen gehören (vgl. 1.5.2.3.4.). Will man also Wörterbuch als übergeordneten Terminus für alle auf dem Datenträger Papier fixierten Nachschlagewerke beanspruchen, hat man - falls man nicht einen anderen bisher noch nicht bekannten Fachausdruck verwenden will — zwei Möglichkeiten: (a) Man rechnet ζ. B. gedruckte Indices und Konkordanzen sowie ihre Erarbeitung nicht zur Sprachlexikographie. (b) Man verwendet Index, Konkordanz, Glossar, Idiotikon, Onomastiken, Vokabular (ium), Dictionarium, Nomenciator, Wörterverzeichnis u.a. als Hyponyme zu Wörterbuch. Wer - wie ich - (a) für inadäquat hält und die Möglichkeit (b) wählt (vgl. auch HAUSMANN 1 9 8 5 , 3 7 0 u. 16BROCKHAUS, S. V. Wörterbuch), sollte noch weitere sachliche Gründe angeben können für diese terminologische Entscheidung (vgl. hierzu Tl. III). Meine Entscheidung, die auch für die im II. Teil zu entwikkelnde Theorie der Wörterbuchbenutzungshandlungen von Bedeutung ist (vgl. 3 . 3 . 3 . ) , lautet also: Für den Bereich der Sprachlexikographie wird ab jetzt Wörterbuch als übergeordneter Terminus für alle Nachschlagewerke verwendet; Sprachwörterbuch und Sprachnachschlagewerk werden nur dann benutzt, wenn es ausdrücklich auf die Unterschiede zu den Nachschlagewerken der anderen Teilgebiete der Lexikographie ankommt. Für Wörterbücher, welche keine Bücher sind, werden η-komplexe Prädikate verwendet (mit η > 1), wie ζ. B. Maschinenwörterbuch und elektronisches Wörterbuch (vgl. 1 . 5 . 3 . ) . Meine Auffassung ist weiterhin, daß für systematische Zwecke im Englischen dictionary der geeignete generische Terminus für alle Nachschlagewerke der Sprachlexikographie salient kinds of dictionaries may differ in a number of respects from the conceptual reference point formed by the prototypical kind of dictionary just described. At the periphery of the category, boundary problems may arise: is an encyclopaedia strictly speaking a dictionary or not? The point is not that an answer to such questions might not be arrived at (the discussion under Principle iv considered some arguments for treating them as dictionaries), but rather that the class of dictionaries is not very well defined before the metalexicographical reflection takes up question of what it is for something to be a dictionary. Our pretheoretical notion of dictionaries is clear-cut mainly near the prototypical centre of the category: a closer look at the edges may reveal these to be blurred." Woher GEERAERTS SO genau weiß, welche Eigenschaften das prototypische Wörterbuch hat und welche Bevölkerungsgruppen über einen entsprechenden WörterbuchbegrifT verfügen, läßt er offen. Es scheint nicht so, als seien seine (durchaus interessanten) Behauptungen empirisch fundiert, so daß man sie allenfalls als hypothetisch ansehen kann; immerhin wäre eine prototypische Organisation des vortheoretischen Wörterbuchbegriffes eine mögliche Erklärung dafür, daß nur drei von 62 befragten DaF-Studenten im 1. Semester zwei kopierte Seiten aus D A N N H A U E R / H O R C H / S C H U F F E L S (1983) als Seiten aus einem Wörterbuch gelten lassen wollten (vgl. auch Ζ 1-44). Ein metalexikographischer Wörterbuchbegriff kann natürlich nicht prototypisch, sondern muß klassifikatorisch organisiert sein.
1.3. Wörterbuchforschung: ihr Gegenstandsbereich, ihre Aufgaben und ihre Ziele
71
ist und daß ζ. B. glossary und concordance als hyponyme Termini zu dictionary eingeführt werden sollten, wenn es um systematische Fragestellungen geht; dies darf natürlich keineswegs mit einem Plädoyer dafür verwechselt werden, daß dictionary in die Bedeutungsparaphrasenangaben zu den Lemmazeichen concordance und glossary in einem Wörterbuch des britischen oder amerikanischen Englisch der Gegenwart gehört, denn hier muß ja der vortheoretische Gebrauch beschrieben werden. Die hier vertretene Auffassung zum Gebrauch von dictionary als Terminus in wissenschaftlichen Texten wird ζ. B. von READS Artikel „Dictionary" in der Encyclopaedia Britannica zumindest nicht ausgeschlossen: ( Z 1 - 4 6 : READ 1974, 7 1 3 )
„The word 'dictionary' is used to describe a wide variety of reference works. Basically, a dictionary lists a set of words with information about them. The list may attempt to be a complete inventory of a language or may be only a small segment of it. A short list, sometimes at the back of a book, is often called a glossary. When a word list is an index to a limited body of writing, with references to each passage, it is called a concordance." Auch folgende Zusammenstellung von Termini bei fassung:
GELB
spricht für meine Auf-
( Z 1 - 4 7 : GELB 1958, 6 5 )
„A complete typology and terminology of dictionaries includes dozens of different terms and expressions, such as dictionary, vocabulary, lexicon, glossary, thesaurus, concordance, index, gazetter, encyclopaedia, linguistic atlas; [...]." In H O W A R D - H I L L (1979, 2 4 ) wird die lemmatisierte Konkordanz ausdrücklich zu den Wörterbüchern gerechnet, der Index dagegen ausdrücklich nicht; die Argumente für diese Entscheidung scheinen mir wenig überzeugend zu sein (vgl. Tl. III). Auch die Unsicherheit und Unentschiedenheit, was als Wörterbuch gelten soll und was nicht, die anhand einer großen Zahl von weiteren Belegen aus Wörterbüchern und aus dem wissenschaftlichen Schrifttum belegt werden könnte, zeigt, daß die Frage danach, was heutzutage als Sprachlexikographie aufzufassen ist, notwendig ist.
1.3.1.3. Sprachlexikographie
und
Lexikographie
Da es bisher u. a. auch darum ging, die Sprachlexikographie von anderen Teilgebieten der Lexikographie zu unterscheiden, mußte ich - um Mißverständnisse möglichst zu vermeiden - meistens den Ausdruck Sprachlexikographie verwenden. Da es im folgenden fast nur noch um die Sprachlexikographie geht, beziehe ich mich auf diese durchgehend mit Lexikographie. Nur wenn es ausdrücklich auf den Unterschied ankommt, verwende ich nachfolgend noch Sprachlexikographie (vgl. z. B. 1.7.).
72
I 1. Sprachlexikographie u n d Wörterbuchforschung
1.3.1.4. Metalexikographie und Wörterbuchforschung Der Ausdruck Metalexikographie ist eine Übersetzung aus dem Französischen; er wird in der deutschsprachigen Forschung seit Mitte der 80er Jahre und erst in neuester Zeit öfter, und zwar auch in Buchtiteln und in Titeln von Aufsätzen verwendet. Man vergleiche (neben meinen Arbeiten) u. a. die Belegsammlung bei LINK (1987, 238ff.) und SCHAEDER (1987a, 99ff.). Weiterhin vgl. man: SCHAEDER (1987, 124ff.), STÖRIG (1986, 184); ZÖFGEN (1985, 155 u. 1994); WOLSKI (1986, 3ff. u. 1994[95], 87); FRIEBERTSHÄUSER (1986, 1); STELLMACHER (1986, 35); REICHMANN (1987, 278 u. 1993, 161); RIPFEL (1987, 251); STORRER (1996); POLL (1996); D A N L E X - G R O U P (1987, 274 mit Belegen für metalexicography 4ff.) sowie GEERAERTS (1989, 295); HAUSMANN (1989, 1047 u. 1989b, 75); MARELLO (1989, 239 mit Beleg für metalessicografia)\ MÜLLICH (1990, 2); HEYN (1991); KROMANN (1992, 152ÍT.); LEXIKON SPRACHE (1993 s. v. Metalexikographie) u. P A U L - 9 D W (s.v. Lexikographie)·, BERGENHOLTZ/SVENSÉN (1994, 153 mit Beleg für metalexikografi)\ auch von LS Ρ metalexicography wird inzwischen gesprochen (vgl. BERGENHOLTZ e t a l . 1 9 9 4 , 1 5 2 ) .
D a es sich um einen relativ jungen Fachausdruck handelt, ist sein Gebrauch - wie auch S C H A E D E R (1987a, 9 9 Í T . ) gezeigt hat - noch relativ instabil. Dies hat auch wissenschaftssoziologische Gründe. L I N K kommt aufgrund ihrer Belege zu folgendem Vorschlag für eine Paraphrase: ( Z 1 - 4 8 : LINK 1 9 8 7 , 2 4 3 )
,,'Metabereich der Sprachlexikographie, also die Gesamtheit all derjenigen wissenschaftlichen Bemühungen, deren Ergebnis nicht selbst ein Wörterbuch ist, sondern die sich um Theorie, Geschichte und Kritik der Lexikographie, auch als Grundlage für eine bessere Praxis, bemühen.' " Dieser Vorschlag ist zwar verständlich, aber insofern etwas merkwürdig, als hier davon die Rede ist, daß sich die Gesamtheit der wissenschaftlichen Bemühungen bemühen. H A U S M A N N schreibt: ( Z 1 - 4 9 : HAUSMANN 1 9 8 5 , 3 6 8 )
„Wörterbuchforschung ist das Gesamt der auf Wörterbücher ausgerichteten wissenschaftlichen Theorie und Praxis. Die Wörterbuchforschung teilt sich in die oben definierte Lexikographie [= wissenschaftliche Praxis, die darauf ausgerichtet ist, daß Wörterbücher entstehen, H. E. W.] oder praktische Wörterbuchforschung und eine Wissenschaft, die Wörterbücher zum Gegenstand hat, ohne auf das Machen von Wörterbüchern ausgerichtet zu sein. Eine solche Wissenschaft kann 'Metalexikographie' oder 'theoretische Wörterbuchforschung' genannt werden." Der in (Z 1-49) vorgeschlagene Sprachgebrauch, in dem Lexikographie und praktische Wörterbuchforschung sowie Metalexikographie und theoretische Wörterbuchforschung in dem Sinne synonym verwendet werden, daß sie auf den gleichen Gegenstand bezogen sind, hat den Vorteil, daß man mit Wörterbuchforschung über einen superonymen Fachausdruck verfügen würde, der für
1.3. Wörterbuchforschung: ihr Gegenstandsbereich, ihre Aufgaben und ihre Ziele
73
alle Arten der Beschäftigung mit Wörterbüchern stehen könnte; der Nachteil aber scheint mir schwerwiegender zu sein. Denn es ist m. E. fehlleitend, die Lexikographie als praktische Wörterbuchforschung aufzufassen, weil ζ. B. die nichtwissenschaftliche Lexikographie gerade keine Forschung ist. Auch SCHAEDER (1987, 101 f.) betont, es sei problematisch, die Praxis der Wörterbuchherstellung als praktische Wörterbuchforschung zu bezeichnen. Mit Berufung auf HAUSMANN (1985, 368) stellt SVENSÉN fest: (Z l-49a: SVENSÉN 1993, 1) „Lexicography also includes the development and description of the theories and methods which are to be the basis of this activity. This part of the subject is sometimes called metalexicography 'lexicography which deals with lexicography.' (HAUSMANN 1985: 368)"
Daß die Metalexikographie als ein Teil der Lexikographie zu gelten hat, wird von HAUSMANN nirgends und — soweit ich sehe — auch von keinem anderen Forscher ernsthaft vertreten. Die Auffassung, daß die Wörterbuchforschung mit der Lexikologie identisch ist, die sich bei SUCHAROWSKI (1996, 146) findet, muß wohl nicht eigens diskutiert werden. Ich verwende Metalexikographie — im Unterschied u. a. zum LEXIKON SPRACHE (1993, 388) - als übergeordneten Terminus für den gesamten Metabereich, dessen Gegenstandsbereich vor allem (aber nicht nur, wie wir noch genauer sehen werden) die in 1.2.5. unterschiedenen drei Arten von Lexikographie sind, so daß man demnach - relativ zu diesen - drei Arten der Metalexikographie unterscheiden kann: die Wörterbuchforschung, die Lexikonforschung und die Allbuchforschung·, es ergibt sich demnach folgende Darstellung: Metalexikographie
Wörterbuchforschung
Lexikonforschung
Allbuchforschung
Abb. 1-8: Einteilung der Metalexikographie; „—>" bedeutet soviel wie ist ein Teil der
Nach (Abb. 1-8) hat man also einen pateronymen und drei untereinander kopartonyme, zu Metalexikographie partonyme Termini. Wenn es nicht ausdrücklich auf den Unterschied zu den anderen Arten der Metalexikographie ankommt, können daher Wörterbuchforschung und Metalexikographie so verwendet werden, daß man damit auf den gleichen Gegenstand Bezug nimmt. Zu dieser Lösung seien nun einige kritische Fragen gestellt. (1) Ist es nicht angemessener, den Terminus Metalexikographie durch Nachschlagewerkforschung zu ersetzen? Diese Frage ist angeregt durch STÖRIG (1986) (vgl. auch HAUSMANN 1985, 370). Dies ist nicht zu empfehlen. Hierfür gibt es sprachliche und sachliche Gründe. Zu den ersteren gehören die größere morphosyntaktische Variabilität von Metalexikographie (ζ. B. ist das Adjektiv metalexikographisch sehr nützlich) sowie die leichtere Übersetzbarkeit. Zu den
74
I I . Sprachlexikographie und Wörterbuchforschung
letzteren Gründen gehört, daß es zahlreiche Nachschlagewerke gibt, die man dann schwerlich als Produkte der Lexikographie ansehen kann, wenn man das übliche historisch-pragmatisch eingespielte Verständnis von Lexikographie und entsprechender Wortäquivalente in anderen großen Kultursprachen zugrundelegt; solche Nachschlagewerke sind ζ. B.: Telephon- und Telefaxbücher, Branchenverzeichnisse, Fahr- und Flugpläne, statistische Jahrbücher, Bibliographien u. a. Man wird ζ. B. nicht davon sprechen wollen, daß die Fahrpläne in einer lexikographischen Abteilung der Deutschen Bundesbahn erarbeitet werden! Ich unterscheide daher zwischen lexikographischen und nichtlexikographischen Nachschlagewerken (wobei Nachschlagewerke hier als etwas gelten, das gedruckt ist). 15 Diese Unterscheidung ist eine, die vor allem historisch gewordenen Einteilungen gerecht werden will. Eine solche Unterscheidung ausschließlich systematisch (ζ. B. anhand von Eigenschaften der Nachschlagewerke) zu begründen, ist eine - und das mag überraschend klingen - relativ schwierige Aufgabe, und es ist sehr die Frage, ob man unter systematischen Gesichtspunkten nicht eher zu dem Ergebnis kommt, ζ. B. Telephonbücher als eine besondere Form von Sachwörterbüchern zu klassifizieren. Es ergibt sich daher folgende Darstellung: (gedruckte) Nachschlagewerke lexikographische Sprachwörterbücher (= Wörterbücher)
Sachwörterbücher (= Lexika)
nichtlexiicographische Allbücher
AUSSCHNITT AUS DEM GEGENSTANDSBEREICH DER METALEXIKOGRAPHIE Abb. 1-9: Ausschnitt aus dem Gegenstandsbereich der Metalexikographie; „—" bedeutet soviel wie ist eine Unterklasse
von
(2) Was immer auch im Einzelnen zur Metamathematik gezählt wird, man ist sich einig darüber, daß sie ein Teil der Mathematik ist (vgl. z. B. EPW, Bd. 2, 864ff. u. KONDAKOW 1978, 340). Muß daher nicht die Metalexikographie, wenn das meta-Wortbildungsmuster als korrekt verwendet gelten soll, als Teil der Lexikographie angesehen werden? Diese Frage ist angeregt durch LINK (1987, 288; vgl. auch Ζ l-49a). Dies ist offenbar nicht der Fall, denn ζ. B. auch Metaethik ist nach dem gleichen Wortbildungsmuster gebildet. Die Metaethik zählt aber dennoch nicht zu Ethik, sondern gilt als eigenständige Disziplin, was vor 15 Definitionen dieses Terminus werden im Tl. III gegeben.
1.3. Wörterbuchforschung: ihr Gegenstandsbereich, ihre Aufgaben und ihre Ziele
75
allem mit der sog. Neutralitätsthese begründet wird (vgl. EPW, Bd. 2, 864 u. G R E W E N D O R F / M E G G L E (Hrsg.) 1 9 7 4 , 2 u. 7 ff.). Für metaethics ist daher der von L I N K ( 1 9 8 7 , 2 9 0 ) zitierte Eintrag zum englischen Lemmazeichen meta- aus dem OED nicht korrekt, weil man von der Metaethik gerade nicht sagen kann, sie sei „a higher science (actual or hypothetical) of the same nature but dealing with neterior and more fundamental problems." Schon gar nicht paßt diese Charakterisierung auf das Verhältnis von Lexikographie und Metalexikographie. 1 6 (3) Die vorgeschlagene Lösung sieht keinen übergeordneten Terminus für Lexikographie und Wörterbuchforschung vor. Liegt hier nicht eine — möglicherweise störende - terminologische Lücke vor? Eine Lücke liegt in der Tat vor. Diese hat aber Entsprechungen in fast allen vergleichbaren Wissenschaftsbereichen; z. B. gibt es auch zu Literatur und Literaturwissenschaft, zu Übersetzung und Übersetzungswissenschaft (oder: Translationswissenschaft) sowie zu Sprache und Sprachwissenschaft keine lexikalisierten übergeordneten Ausdrücke. Die Lücke m u ß also, wenn man auf beide Bereiche Bezug nehmen will, z. B. durch ein Konjunkt wie Lexikographie und Wörterbuchforschung jeweils textuell überbrückt werden. Versuche, die Lücke auf der lexikalischen Ebene zu schließen, führen zu unbefriedigenden Ergebnissen, wie der Vorschlag von QUEMADA zeigt. QUEMADA faßt seine Ausführungen in folgendem Abstract zusammen: ( Z 1 - 5 0 : QUEMADA 1987, 2 2 9 )
„With the development of methodological studies on dictionaries and the introduction of computers into the processing of natural languages especially in computer-elaborated lexical productions, the word lexicography, recently stabilized in the sense of the 'art and science of the dictionary', has become inadequate to designate present realities and more particularly new lexicography without the dictionary. The proposition is to use dictionaries ('dictionnarique') which encompasses the theoretical, practical, technological and commercial approaches to the dictionary. Lexicography would thus specifically designate the analytical and thematic study of words culled from usage in discourse and text without necessarily being linked to the making of a dictionary. Lexicographic dictionaries (dictionnairique lexicographique) would address itself more particularly to problems and methods of researching, developing and distributing language dictionaries."
Wie anhand zahlreicher Zitate in 1.2. gezeigt wurde, trifft es nicht zu, daß das Wort Lexikographie (lexicography) durchgängig in der Bedeutung von art and science of the dictionary (vgl. Ζ 1-50) verwendet wird bzw. wurde. Weiterhin ist 16 Ein anderer Fall ist gegeben mit dem Ausdruck Metakognitionsforschung (vgl. BERTRAM et al. 1987). Die Metakognitionsforschung erforscht im Rahmen der kognitiven Psychologie das metakognitive Wissen, d. h. sie beschäftigt sich u. a. mit einem jahrhundertealten philosophischen Thema, nämlich der iterativen Reflexivität des cogito me cogitare ... (vgl. auch FEGER/ GRAUMANN 1983, 97 ff.). - Neuerdings hat SCHAEDER (1992, 17 f.) sich kritisch zur Unterscheidung von Lexikographie und Metalexikographie geäußert. Ich gehe darauf im Teil IV ein.
76
I 1. Sprachlexikographie und Wörterbuchforschung
es — zumindest vor dem Hintergrund der deutschsprachigen Bezeichnungstradition — kontraintuitiv, von „lexicography without the dictionary" zu sprechen. Allenfalls könnte man von „lexicography without printed dictionaries" sprechen. Das wäre dann ungefähr „computational lexicography", die nicht darauf ausgerichtet ist, daß gedruckte Wörterbücher entstehen, sich aber um die automatische Extraktion von Textdaten aus gedruckten Wörterbüchern bemüht, weswegen die Redeweise von „lexicography without printed dictionaries" ebenfalls ungenau ist (vgl. 1.5.3.). Allerdings ist auch die Computerlexikographie darauf ausgerichtet, daß „Nachschlagewerke" entstehen, denn ζ. B. ein lexikalisches Datenbanksystem kann als eine neue Form von Nachschlagewerk aufgefaßt werden, das allerdings üblicherweise nicht mit Nachschlagewerk bezeichnet wird. Auch ist nicht einzusehen, warum mit lexicography (bzw. mit dem franz. und dt. Wortäquivalent) nun ein Teil dessen bezeichnet werden soll, was man üblicherweise zu den lexikologischen Studien rechnet. D a der Vorschlag QUEMADAS, einen neuen übergeordneten Fachausdruck, nämlich dictionnairique, einzuführen, eine ganze Reihe unzumutbarer Konsequenzen hat, kann niemandem empfohlen werden, ihm zu folgen.
1.3.2. Der Gegenstandsbereich der Wörterbuchforschung: eine vorläufige Charakterisierung Folgt man z. B. HAUSMANN (vgl. Ζ 1-49), dann ist die Wörterbuchforschung eine Wissenschaft. Ob und wenn ja, in welchem Sinne dies der Fall ist, will ich hier zunächst noch offen lassen (vgl. 1.4.2.1.); ich spreche daher weiterhin von einem Forschungsfeld, um dessen Strukturierung es (wie unter 1.1. festgestellt) nach wie vor geht. Forschungsfelder ohne einen Gegenstandbereich als einem Ausschnitt aus der Realität im weiteren Sinne gibt es im Bereich der empirischen Wissenschaften nicht. Die Gegenstandbereiche verschiedener Forschungsfelder können gleich sein oder sich überlappen, so daß mit der Charakterisierung des Gegenstandbereiches allein ein Forschungsfeld noch nicht ausreichend bestimmt ist. Der Gegenstandsbereich der Wörterbuchforschung ist - wie jeder wissenschaftliche Gegenstandsbereich — zweischichtig und kann in folgende vier Teilbereiche untergliedert werden: (i) die Lexikographie (ii) die Wörterbuchbenutzung (iii) den wissenschaftlichen Metabereich zur Lexikographie und Wörterbuchbenutzung (iv) den nichtwissenschaftlichen Metabereich zur Lexikographie und Wörterbuchbenutzung. Zu (i): Als der zentrale Teil des Gegenstandsbereiches der Wörterbuchforschung läßt sich die Lexikographie (und zwar insgesamt, d. h. in ihrer wis-
1.3. Wörterbuchforschung: ihr Gegenstandsbereich, ihre Aufgaben und ihre Ziele
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senschaftlichen und nichtwissenschaftlichen Ausprägung) als eine Menge von entweder abgeschlossenen oder abgebrochenen oder noch nicht abgeschlossenen lexikographischen Prozessen auffassen, die ihrerseits als Komponenten eines kulturellen Prozesses zu gelten haben. Zu einem lexikographischen Prozeß, welcher ein Handlungsfeld im Sinne von (= i. S. v.) 1.4. ist, gehören alle lexikographischen Tätigkeiten, die ausgeführt wurden und werden, um ein bestimmtes Wörterbuch zu erarbeiten. Die Ergebnisse der Tätigkeiten werden zum lexikographischen Prozeß gerechnet, und zwar nicht nur die Endprodukte, die Wörterbücher, sondern auch — und dies gilt speziell für die wissenschaftliche Lexikographie — alle Teil- oder Zwischenergebnisse wie Arbeitsanweisungen, Instruktionen, Protokolle, Konzeptionspapiere, Probeartikel, Musterartikel, Korrekturunterlagen, Werkstattberichte usw., also alle jene Schriftstücke, in denen auch die selbstreflexive Komponente der Lexikographie als einer eigenständigen, kulturellen und wissenschaftlichen Praxis konkret faßbar wird. Die verschiedenen lexikographischen Prozesse - insonderheit die, welche als Teilprozesse des lexikographischen Gesamtprozesses zu einer historischen Einzelsprache zu gelten haben - sind nicht unabhängig voneinander: Lexikographen, die in verschiedenen Werkstätten arbeiten, interagieren miteinander, und Wörterbücher sind Quellen für andere Wörterbücher. — Zu (ii): Als weiterer Teil des Gegenstandsbereiches der Wörterbuchforschung ist die Wörterbuchbenutzung gegeben als eine unbekannte Anzahl von individuellen Benutzungshandlungen: diese haben keine schriftlichen Ergebnisse, da sie weder Textherstellungs- noch Schreibhandlungen sind, so daß sich dieser Teilbereich, was seine empirische Gegebenheitsweise betrifft, von der Lexikographie unterscheidet (vgl. Tl. II). Zu (iii): In jedem Forschungsfeld wird der Gegenstandsbereich unter Berücksichtigung früherer Forschung und ihrer Ergebnisse erforscht. Zu einem bestimmten Zeitpunkt t x gehören daher im Prinzip wenigstens alle jeweils thematisch einschlägigen Arbeiten der Wörterbuchforschung zur Lexikographie und Wörterbuchbenutzung zum Gegenstandsbereich der Wörterbuchforschung nach t x . Diese wissenschaftlichen Arbeiten (einschließlich der wissenschaftlichen Rezensionen; vgl. W I E G A N D 1994g) bilden insgesamt den wissenschaftlichen Metabereich zur Lexikographie und Wörterbuchbenutzung. Zu (iv): Schließlich kann man einen mehr oder weniger peripheren Teil des Gegenstandsbereiches unter der Bezeichnung nichtwissenschaftlicher Metabereich zur Lexikographie und Wörterbuchbenutzung zusammenfassen. 17 Hierzu gehören 17 Der Umfang dieses Teils des Gegenstandsbereiches darf nicht unterschätzt werden. Dies wird in einer Bibliographie dokumentiert werden, die voraussichtlich unter folgendem Titel erscheinen wird: „Die Lexikographie des Deutschen von ihren glossographischen Anfängen bis zu ihrer elektronischen Gegenwart. Eine teilweise kommentierte, selektive Bibliographie zur germanistischen Wörterbuchforschung mit ausführlicher Berücksichtigung angrenzender Forschungsfelder". Bisher sind ca. 15000 Titel gesammelt und als Computerdateien verfügbar, darunter ca. 2000, die zum nichtwissenschaftlichen Metabereich der Lexikographie gehören, insbesondere journalistische Wörterbuchrezensionen.
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I 1. Sprachlexikographie und Wörterbuchforschung
(1) alle nichtwissenschaftlichen Texte, die als ganze Texte auf die Lexikographie und/oder Wörterbuchbenutzung bezogen sind, insbesondere journalistische Wörterbuchrezensionen, Werbetexte der Verlage zu Wörterbüchern, Zeitungsberichte über Wörterbuchprojekte und über Wörterbuchwerkstätten, Stellungnahmen zu Wörterbuchplänen und -programmen sowie (2) alle Textstellen in nichtwissenschaftlichen Texten, die von der Lexikographie handeln (vgl. HAUSMANN 1989c), ζ. B. solche in Interviews mit Lexikographen, Tagebuchaufzeichnungen, literarischen Essays, Unterrichtsplänen, Briefen und Fragebogen von Buchmarktanalysen. Es ist klar, daß insbesondere die unter (2) aufgelisteten Schriftstückarten vor allem als Quellen dienen, um etwas über die Lexikographie und insbesondere über die Wörterbücher zu erfahren. Die Quellen eines Forschungsfeldes müssen aber m. E. zu dessen Gegenstandsbereich gezählt werden, denn der Forscher m u ß auch sie zunächst wissenschaftlich untersuchen und beurteilen. Im übrigen kann das Verhältnis von Quelle und Untersuchungsgegenstand in den einzelnen metalexikographischen Untersuchungen wechseln. Insgesamt ist mithin der Gegenstandsbereich der Wörterbuchforschung in folgendem Sinne zweischichtig: Die erste Schicht bilden die lexikographischen Metal exikographie
Wörterbuchforschung
Metabereich zur Sprachlexikographie und Wörterbuchbenutzung
nichtwissenschaftlicher
Lexikonforschung
Wörterbuchbenutzung
wissenschaftlicher
Allbuchforschung
Sprachlexikographie (als Praxis)
nichtwissenschaftliehe Sprachlexikographie (als kulturelle Praxis)
wissenschaftliche Sprachlexikographie (als eigenständige kulturelle und wissenschaftliche Praxis)
ZENTRALER TEIL EMPIRISCHER GEGENSTANDSBEREICH DER WÖRTERBUCHFORSCHUNG Abb. 1-10: Einteilung der Metalexikographie mit Gegenstandsbereich der Wörterbuchforschung; „ — b e d e u t e t soviel wie ist ein Teil der; , , = • " bedeutet soviel wie hat als empirischen Gegenstandsbereich·, vgl. Abb. 1-18; S. 118; Abb. 1-43; S. 242 u. Abb. 1-44; S. 247
1.3. Wörterbuchforschung: ihr Gegenstandsbereich, ihre Aufgaben und ihre Ziele
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Prozesse und die Wörterbuchbenutzung, die zweite Schicht ist die der Texte über die erste Schicht, und sie bildet mithin den Metabereich zur ersten. Es wäre ein Irrtum anzunehmen, ein Wörterbuchforscher, der zum Zeitpunkt t x einen metalexikographischen Text T¡ verfaßt, in welchem er einen lexikographischen Prozeß LPj untersucht und dabei auch über bereits vorliegende Arbeiten über LPj schreibt, agiere auf einer Metametaebene; er ist vielmehr dabei, den wissenschaftlichen Metabereich zur Lexikographie zu erweitern, und bei seinen Forschungen werden ihm Sachverhalte aus der ersten und zweiten Schicht zum Objekt. Ist T¡ abgeschlossen, gehört er selbst zum Gegenstandsbereich der Wörterbuchforschung. Wir können nun die in diesem Abschnitt 1.3.2. interessierenden Elemente der (Abb. 1-7; S. 63) und (Abb. 1-8; S. 73) zusammenfügen und durch weitere Elemente ergänzen, so daß wir (Abb. 1-10; S. 78) erhalten.
1.3.3. Aufgaben und Ziele der Wörterbuchforschung: eine allgemeine Charakterisierung Die Wörterbuchforschung existiert zunächst einmal dadurch, daß Untersuchungen zu dem soeben charakterisierten Gegenstandsbereich vorliegen. Ihre tatsächlichen, bisher bereits anvisierten Ziele sowie ihre bereits formulierten Aufgaben können nur angemessen charakterisiert werden, wenn von diesen Untersuchungen ein möglichst großer internationaler Ausschnitt berücksichtigt wird. Die Herausarbeitung der Aufgaben, die bisher in der Wörterbuchforschung eine Rolle spielten und noch spielen, kann so erfolgen, daß man versucht, die forschungsleitenden Fragen in ihren Untersuchungen zu sichten, um sie dann zunächst zu Fragebereichen zu ordnen. Dieses Vorgehen berücksichtigt die Vorgängigkeit des Fragens für das wissenschaftliche Forschen (vgl. UNGEHEUER/WIEGAND 1982) und hat zugleich den Vorteil, daß die Wörterbuchforschung nicht nur — wie bisher — durch die relativ pauschale Angabe ihres Gegenstandsbereiches charakterisiert wird, sondern durch diejenigen Ausschnitte aus diesem, zu denen sie bisher Fragen gestellt hat; dadurch ergibt sich zugleich eine erste Vorstrukturierung ihres Gegenstandsbereiches nach Bereichen des Fragens, nach Aufgabengebieten. In diesem Sinne kann die Wörterbuchforschung als die Gesamtheit aller, im Schrifttum nachweisbaren, wissenschaftlichen Bemühungen aufgefaßt werden, die darauf abzielen, diejenigen theoretischen, methodischen, terminologischen, historischen, dokumentarischen, didaktischen und kulturpädagogischen Fragen zu beantworten, die sich stellen (a) (b) (c) (d) (e)
bei der Planung und Erarbeitung neuer Wörterbücher, bei der Pflege älterer Wörterbücher, bei der kritischen Beurteilung und Leistungsprüfung von Wörterbüchern, bei der Feststellung von Benutzerbedürfnissen und -verhalten, beim Einsatz des Computers in der Lexikographie und Wörterbuchforschung,
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I 1. Sprachlexikographie und Wörterbuchforschung
(f) bei der Erarbeitung einer Geschichte der Lexikographie und Wörterbuchforschung, (g) bei der Ermittlung der Funktionen von Wörterbüchern innerhalb der Sprach-, Kultur- und Wissenschaftsgeschichte, (h) bei der systematischen Erforschung der Wörterbuchform, (i) bei der Erforschung des Wörterbuchgegenstandes und seinen Beziehungen zur Wörterbuchbasis und dem Wörterbuchgegenstandsbereich, (j) bei der systematischen Erforschung der Einteilungen von Wörterbüchern, (k) bei der Ausarbeitung einer Wörterbuchdidaktik, (1) bei der bibliographischen Dokumentation der Wörterbücher und aller metalexikographischen Arbeiten und (m) beim Aufbau einer allgemeinen Theorie der Lexikographie. Die vorstehende Liste der metalexikographischen Fragebereiche, denen sich nach meinen Recherchen (die ζ. T. im Zusammenhang mit der in Anm. 17 erwähnten Bibliographie stehen) die einzelnen Fragen der berücksichtigten publizierten Untersuchungen (i. S. v. 1.4.) zuordnen lassen, verdeutlicht, daß die Aufgaben innerhalb der Wörterbuchforschunmg relativ aspektreich sind, so daß dieses Forschungsfeld - i. S. v. 1.4. - mehrere Perspektiven aufweist. Das läßt erwarten, daß die Antworten auf die Fragen, die Lösungen der Aufgaben und mithin die Ergebnisse der bisherigen Wörterbuchforschung inhaltlich recht unterschiedlich sind, so daß sie ganz verschiedenen Zwecken dienen können. Es entsteht daher die für ein einheitliches Verständnis der Wörterbuchforschung zentrale Frage (= F¡): Kann man auf der Basis der einzelnen Untersuchungen der Wörterbuchforschung ein übergeordnetes Ziel erkennen, dem die Forschungsergebnisse der einzelnen metalexikographischen Untersuchungen dienen? Man beachte ausdrücklich, daß Fi nicht lautet: Welches übergeordnete Ziel hat die Wörterbuchforschung? (= F 2 ). Denn mit F 2 wird unterstellt, die Wörterbuchforschung könne Ziele haben; Ziele haben aber zunächst nur diejenigen Individuen, die in diesem Forschungsfeld Forschung betreiben. Erst wenn man deren Ziele kennt, die sich in ihren Untersuchungen finden, kann man behutsam zu den Zielen der Wörterbuchforschung übergehen. Um F! zu beantworten, seien zunächst einige vorgeordnete Fragen anhand von drei Beispielen diskutiert. Bei dieser Diskussion greife ich auf die analytische Handlungstheorie zurück, da Forschen eine besondere Form des Handelns ist. (B 1-4) 1976 hat R E T T I G ein sehr nützliches Verfahren zum Vergleich von Wörterbuchauflagen entwickelt. RETTIGS Untersuchung ist ein Beitrag zur Wörterbuchforschung. Sein Ergebnis ist, daß wir über ein technisches Verfahren verfügen, mit dem man einen bestimmten Typ von Wörterbuchauflagen vergleichen kann (vgl. Ζ 1-51; S. 81).
1.3. Wörterbuchforschung: ihr Gegenstandsbereich, ihre Aufgaben und ihre Ziele
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Was aber ist das Handlungsziel, wenn jemand ein solches Verfahren entwickelt? Ein erstrebenswertes Handlungsziel kann ja nicht darin bestehen, daß das Verfahren entwickelt ist. RETTIG beginnt seinen Beitrag wie folgt: ( Z 1 - 5 1 : RETTIG 1976, 138)
„Für die historische Lexikologie sind die zeitgenössischen Wörterbücher einer Epoche eine wichtige Quellenkategorie. Aber diese Quellen sind nur mit Einschränkungen verwendbar. Neben den Unwägbarkeiten, die sich aus den Zielen und Tendenzen eines Wörterbuchautors, seiner Willkür und seinen Irrtümern ergeben, besteht ein Hauptproblem in der Feststellung von Identität oder Verschiedenheit der Neuabdrucke und Neubearbeitungen früherer Auflagen. Erst unsere Kenntnisse von der Originalität oder gegenseitigen Abhängigkeit der einzelnen Auflagen ermöglichen ihre sinnvolle Benutzung als Zeugen der sprachgeschichtlichen Entwicklung. Ein Verfahren, das sich für den Vergleich eines bestimmten Typs von Wörterbuchauflage eignet, wollen wir hier vorstellen."
In (Z 1-51) skizziert RETTIG zunächst die wissenschaftliche Problemlage, die ihn zur Entwicklung des Verfahrens veranlaßt hat. Handlungstheoretisch ausgedrückt heißt das: er gibt eine Einschätzung der Situation in seinem Handlungsfeld und nennt seine Präferenzen. Dann folgt eine Charakteristik des Handlungsziels, das man auch wie folgt formulieren kann: Die Art des Wörterbuchvergleiches, die das Verfahren ermöglicht, soll dazu dienen, wissenschaftliche Voraussetzungen zu schaffen für die „sinnvolle Benutzung" in sprachwissenschaftlichen Benutzungssituationen, die dann entstehen, wenn Wörterbücher als Quellen für die historische Lexikologie benutzt werden. Das Mittel zur Erreichung des Handlungszieles ist die Entwicklung eines Verfahrens. Die metalexikographische Entwicklung des Verfahrens dient also in erster Linie der Sprachgeschichtsforschung: die Wörterbuchforschung stellt in diesem Beispiel der Sprachgeschichtsforschung ein methodisches Instrument zur Quellenkritik zur Verfügung. Sie hat hier ganz deutlich eine Hilfsfunktion für ein anderes Forschungsfeld. Es entsteht also anhand des ersten Beispiels zunächst der wie sich herausstellen wird — zu einseitige Eindruck, das gesuchte übergeordnete Ziel in den Untersuchungen der Wörterbuchforschung bestehe darin, für andere wissenschaftliche Disziplinen Ergebnisse bereitzustellen. Fassen wir RETTIGS ( = R) Forschungstätigkeit, also alle Aktivitäten, die er ausgeführt hat, um das Verfahren zu entwickeln, als eine Handlung auf, dann kann ζ. B. folgende Handlungsbeschreibung gegeben werden: (1) R hat ein Verfahren zum Vergleich von Wörterbuchauflagen
entwickelt.
Mit (1) wird die Handlung Rs so beschrieben, daß vor allem ihr Ergebnis thematisiert wird. Handlungen haben neben wenigstens einem Ergebnis stets wenigstens eine Folge; in der Menge der Folgen einer Handlung können die vom Handelnden intendierten Folgen von den nichtintendierten unterschieden werden. Die Folgen sind Wirkungen der Ergebnisse. Mit (2) R hat Voraussetzungen dafür geliefert, daß Wörterbücher als Quellen für schichtliche Forschungen richtig eingeschätzt werden können.
sprachge-
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I 1. Sprachlexikographie und Wörterbuchforschung
wird die Handlung Rs so beschrieben, daß eine ihrer Folgen thematisiert wird. Nach (Z 1-51) kann man annehmen, daß mit (2) eine der von R intendierten Folgen beschrieben wird. Die intendierten Folgen einer Handlung zu nennen bedeutet u. a. soviel wie die Ziele des Handelnden anzugeben. Handlungen werden vollzogen, damit die intendierten Folgen eintreten, und nicht um ihrer Ergebnisse willen. Daß dies der Fall ist, erkennen wir daran, daß (3) R hat ein Verfahren [...]
entwickelt, damit ein Verfahren [...]
existiert.
ungeeignet ist, Rs Handlung angemessen zu beschreiben; vielmehr könnte (3) eher dazu verwendet werden, R zu beleidigen. Denn in (3) wird das Erreichen des Ergebnisses der Handlung als Ziel der Handlung angegeben, und diese Form der Handlungsbeschreibung bedeutet immer, daß die Handlung als eine besondere Form sinn- und zweckloser „Beschäftigungstherapie" interpretiert wird. Man kann nun Handlungsbeschreibungen wie (1), die das Handlungsergebnis thematisieren und damit die beschriebene Handlung einem Akttyp zuordnen (vgl. Tl. II), und solche wie (2), welche die intendierten Folgen der Handlung thematisieren und somit ein Handlungsziel angeben, in verschiedener Weise zu komplexeren Handlungsbeschreibungen zusammenfassen; ζ. B. kann man die Sätze, in denen die Handlungsziele thematisiert sind, zu um-zuSätzen umformulieren, so daß sie als Nebensätze für diejenigen Sätze fungieren können, in denen die Handlungsergebnisse thematisiert sind. Auf diese Weise erhält man ζ. B. die folgenden vier Sätze: (4) R hat ein Verfahren [...] entwickelt, (a) um den Vergleich von Auflagen zu ermöglichen (b) um eine Forschungslücke zu schließen (c) um der Sprachgeschichte zu dienen (d) um die sinnvolle Benutzung der Wörterbücher als Zeugen der sprachgeschichtlichen Entwicklung zu fördern.
(4a) bis (4d) stellen nur eine kleine Anzahl dar aus Handlungsbeschreibungen, in denen das Ergebnis und mögliche Ziele von Rs Handlung angegeben werden. Man kann nun Sätze wie (4a) bis (4d) so umordnen, daß bestimmte Kombinationen von Sätzen verwendet werden können, um sinnvolle Handlungsbeschreibungen zu machen, und für andere Kombinationen dies nicht gilt. Dies erlaubt Rückschlüsse auf eine Ordnung der beschriebenen Handlungsziele. Mit (5) R hat ein Verfahren [...] entwickelt, um den Vergleich von Auflagen zu ermöglichen und um dadurch die sinnvolle Benutzung der Wörterbücher als Zeugen der sprachgeschichtlichen Entwicklung zu fördern.
kann die Handlung Rs auf akzeptable Weise beschrieben werden. Mit (6) R hat ein Verfahren [...] entwickelt, um die sinnvolle Benutzung der Wörterbücher als Zeugen der sprachgeschichtlichen Entwicklung zu fördern und dadurch den Vergleich von Auflagen zu ermöglichen.
1.3. Wörterbuchforschung: ihr Gegenstandsbereich, ihre Aufgaben und ihre Ziele
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kann Rs Handlung nicht angemessen beschrieben werden. Der Vergleich von (5) und (6) erlaubt die Feststellung, daß das in (4a) genannte Ziel dem in (4b) genannten in dem Sinne vorgeordnet ist, daß man es erst erreicht haben muß, wenn man das andere erreichen will. Das mit (4a) genannte Ziel wird in (5) als Zwischenziel interpretiert auf dem Weg zu einem weiteren Ziel. Dieses in (5) genannte Ziel ist aber natürlich kein „Endziel", kein letztes Ziel der Forschung, denn man kann ζ. B. (4c) und (4d) arrangieren zu (7) R hat ein Verfahren [...] entwickelt, um die sinnvolle Benutzung der Wörterbücher als Zeugen der sprachgeschichtlichen Entwicklung zu fördern und um dadurch der Sprachgeschichtsforschung zu dienen.
Was in (5) als weiteres Ziel genannt ist, erscheint nun in (7) als Zwischenziel. Damit dürfte plausibel sein, daß die durch F, eingeleitete Suche nach dem übergeordneten Ziel in den Untersuchungen der Wörterbuchforschung nicht als Suche nach einem „Endziel" aufgefaßt werden kann, denn jede um-zu-Kette läßt sich durch ein weiteres Glied erweitern und sei es nur durch Festredenphrasen wie „... um dem Fortschritt der Wissenschaft zu dienen" oder „... um der Menschheit zu dienen. " Ein Teil der mit der Frage Fi gestellten Aufgabe läßt sich nun klarer formulieren: Gesucht ist dasjenige übergeordnete Handlungsziel in den Untersuchungen der Wörterbuchforschung, das in geeigneten Handlungsbeschreibungen als ein Zwischenziel genannt werden kann, für das folgende Bedingungen gelten (i): Es muß den einzelnen Forschungszielen, die in den Untersuchungen genannt werden, nachgeordnet sein; (ii): Seine Nennung muß in allen geeigneten Handlungsbeschreibungen zu bereits vorliegenden und zukünftigen Untersuchungen zu angemessenen Interpretationen führen. In (Z 1-51) ist dieses Ziel bereits angedeutet: RETTIG spricht hier von der „sinnvollen Benutzung". Anhand des ersten Beispiels kann eine erste Verallgemeinerung wie folgt vorgenommen werden: (8) R hat Wörterbuchforschung betrieben, um ein bestimmtes Forschungsergebnis E, zu erreichen und um dadurch wissenschaftliche Voraussetzungen zu schaffen für die erfolgreiche Benutzung bestimmter Wörterbücher in bestimmten sprachwissenschaftlichen Wörterbuchbenutzungssituationen.
Faßt man nun R in (8) nicht mehr als Abkürzung für einen Namen sondern als Variable für die Namen aller Autoren von Untersuchungen auf, die entweder vollständig oder in Teilen zur Wörterbuchforschung gerechnet werden können, womit (8) nicht mehr, wie (1) bis (7), eine Handlungsbeschreibung sondern eine Satzform für Handlungsbeschreibungen ist, dann kann man bereits eine relativ große Zahl von metalexikographischen Untersuchungen angeben, auf die die gegebene Verallgemeinerung zutrifft. Ich gebe ein zweites Beispiel (B l-4a); ISING schreibt: ( B l - 4 a als Ζ 1 - 5 2 : ISING 1 9 5 6 , 8)
„Die folgende Untersuchung ist ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Lexikographie [...]. Das Hauptgewicht liegt in der Herausarbeitung bestimmter Methoden der
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Wörterbuchkritik, die von verschiedenen Ansatzpunkten aus Möglichkeiten für eine Bewertung der Wörterbuchangaben eröffnen sollen [...]. Schließlich kam es darauf an, durch ständige Gegenüberstellung beider Lexikographen die Eigenart ihrer Werke deutlich werden zu lassen und ihre Bedeutung für die Wortforschung unserer Zeit zu zeigen." In (Z 1-52) wird zwar nicht expressis verbis von Wörterbuchbenutzung gesprochen. Wenn aber die Wörterbücher STIELERS und KRAMERS für die Wortforschung im 20. Jh. tatsächlich Bedeutung gewinnen sollen, dann müssen sie erfolgreich benutzt werden; ISINGS Untersuchung hat dann wissenschaftliche Voraussetzungen dafür geliefert. Auch auf (B l-4a) trifft die in (8) gegebene Verallgemeinerung zu, nicht aber auf das folgende dritte Beispiel (B l-4b). WIEGAND/KUCERA (vgl. auch KUCERA/TROJANUS 1985, 198) schließen den ersten Teil ihrer Bw-Rezension wie folgt: (B l - 4 b als Ζ 1-53: WIEGAND/KUCERA 1981, 206)
„Der Kauf des Brockhaus-Wahrig kann niemandem empfohlen werden; bei seiner Benutzung ist Vorsicht angebracht. Diese Warnung gilt vor allem für ausländische Benutzer." Interpretiert man die Aktivitäten, die ausgeführt wurden, um die BROCKHAUSWAHRIG-Kritik zu verfassen, mit (9) WIK haben eine BW-Kritik verfaßt. als eine Handlung, dann ist das Ergebnis der Handlung, daß diese Kritik vorliegt. D a ß sie vorliegt, war nicht das Handlungsziel von W/K. Dieses war vielmehr u. a., die potentiellen Benutzer auf die Mängel des Bw aufmerksam zu machen, so daß sie bei der Benutzung vorsichtig sind (vgl. Ζ 1-53). Auch durch die Bw-Kritik wird eine wissenschaftliche Voraussetzung für die erfolgreiche Benutzung eines Wörterbuches geschaffen, allerdings nicht nur - und deswegen gilt (8) für das dritte Beispiel nicht — für bestimmte Wörterbücher in sprachwissenschaftlichen Benutzungssituationen. Wenn (8) für alle Untersuchungen der Wörterbuchforschung gelten soll, m u ß lediglich die Einschränkung auf bestimmte Wörterbücher und den genannten Typ von Benutzungssituationen entfallen. In (B 1-4) ist E¡ (vgl. 8) die Entwicklung eines Verfahrens zum Vergleich von Wörterbuchauflagen; in (Β 1 -4a) ist E; die Herausarbeitung von Methoden der Wörterbuchkritik (verstanden als quellenkritische Wörterbuchanalyse i. S. v. WIEGAND 1997a); in (B l-4b) ist E, die wissenschaftliche Kritik eines Wörterbuches. Im vierten bis — sagen wir — tausendsten Beispiel könnte ich nun jeweils andere Forschungsergebnisse E¡ vorführen, und es ergäbe sich eine außerordentlich große Heterogenität. Daher drängt sich die Frage auf: Ist die Suche nach einer generellen Antwort auf F, realistisch? Ich meine: Ja. In (8) ist die Antwort bereits vorgeformt; sie sei zunächst vorläufig so formuliert: (10) Die in den einzelnen Untersuchungen der bisherigen Wörterbuchforschung wörterbuchextern vorgelegten Forschungsergebnisse lassen sich so verstehen: sie dienen dem
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übergeordneten Ziel, wissenschaftliche benutzung zu schaffen.
Voraussetzungen für erfolgreiche
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Wörterbuch-
Dadurch, daß in (10) ausdrücklich von „wörterbuchextern vorgelegten Forschungsergebnissen" die Rede ist, ist eine klare Abgrenzung gegenüber der wissenschaftlichen Lexikographie erreicht. Entsprechendes gilt jedoch nicht gegenüber der Sprachwissenschaft, was sofort deutlich wird, wenn man in (10) „in den einzelnen Untersuchungen der bisherigen Wörterbuchforschung" ersetzt durch in bestimmten Untersuchungen der Sprachwissenschaft. Auch kann man zu (B 1-3; S. 38) folgende Handlungsbeschreibung geben: (11) A und Β haben die Etymologien erarbeitet, um dadurch wissenschaftliche Voraussetzungen für die Benutzung des etymologischen Wörterbuches zu schaffen.
Durch (11) wird exemplarisch deutlich, daß es natürlich kein Privileg von metalexikographischen Untersuchungen ist, wissenschaftliche Voraussetzung für die Erarbeitung von Wörterbüchern und damit für die erfolgreiche Wörterbuchbenutzung zu schaffen. D a ß Untersuchungen aus verschiedenen Forschungsfeldern einem übergeordneten Ziel dienen oder so verstanden werden können, ist auch natürlich nichts Außergewöhnliches. Will man eine Abgrenzung zu anderen Forschungsfeldern vorsehen, dann muß man (10) so umformulieren, daß die spezifisch metalexikographischen Fragestellungen erwähnt werden, denn die Fragestellungen sind entscheidend für die Abgrenzung von Forschungsfeldern. Als Antwort auf Fi sei daher vorgeschlagen: (10a) Die in den einzelnen Untersuchungen der bisherigen Wörterbuchforschung als Antworten auf spezifisch metalexikographische Fragestellungen vorgelegten Forschungsergebnisse lassen sich so verstehen: Sie dienen dem übergeordneten Ziel, wissenschaftliche Voraussetzungen für erfolgreiche Wörterbuchbenutzung zu schaffen.
Man beachte, daß (10) und (10a) im Unterschied zu (1) bis (7) keine konkreten Handlungsbeschreibungen sind und im Unterschied zu (8) die Variable R für Autoren metalexikographischer Untersuchungen fehlt, so daß (10) und (10a) keine Satzformen für Handlungsbeschreibungen mehr sind, die durch Einsetzen von Namen von Autoren in eine Handlungsbeschreibung übergehen. (10) und (10a) sind vielmehr Interpretationen, die auf der Basis der Kenntnis der Untersuchungen der Wörterbuchforschung mit denjenigen Methoden zustande gekommen sind, die anhand der Beispiele (B 1-4 bis 4b) vorgeführt wurden. Mit (10) und (10a) wird niemandem ein Handlungsziel unterstellt; und niemand muß bei seinen metalexikographischen Untersuchungen das angegebene Handlungsziel als sein persönliches Ziel im Auge haben, sondern mit (10) und (10a) wird nur gesagt, daß man jede metalexikographische Untersuchung so verstehen kann, daß sie dem genannten übergeordneten Ziel dient. Wie alle Interpretationen sind auch (10) und (10a) interessengeleitet. Mein Interesse ist es, für die in Tausenden von Untersuchungen existierende Wörterbuchforschung einen gemeinsamen Bezugspunkt zu finden, von dem aus sich der Sinn dieser For-
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schungen so angeben läßt, daß diese Sinngebung von möglichst vielen akzeptiert werden kann. Von dem in (10) und (10a) formulierten übergeordneten Ziel her kann jeder, der es will, für seine metalexikographische Forschung einen Sinn herleiten. (10) und (10a) sind also ein Angebot zum einheitlichen Verständnis der inhaltlich recht unterschiedlichen Aktivitäten in einem Forschungsfeld. Wenn man von (10a) als der Antwort auf F[ zu einer Antwort auf die Frage F 2 , nämlich „Welche übergeordneten Ziele hat die Wörterbuchforschung?" übergehen will, gibt es eine Reihe von Problemen. Nach dem, was bisher ausgeführt wurde, kann die Antwort auf F 2 nur lauten: (11) Die Wörterbuchforschung hat das übergeordnete Ziel, durch die wörterbuchexterne Bereitstellung von Forschungsergebnissen als Antworten auf spezifisch metalexikographische Fragestellungen wissenschaftliche Voraussetzungen für erfolgreiche Wörterbuchbenutzung zu schaffen.
(11) ist eine jener Äußerungen, die Quelle weitreichender Mißverständnisse sein können (vgl. Ζ 1-8; S. 22). Das Handlungsziel, das jemand, der (11) äußert, erreichen will, ist deswegen relativ unklar, weil die Wörterbuchforschung nicht etwas ist, das tatsächlich Ziele haben kann. Sind mit die Wörterbuchforschung alle oder die meisten Untersuchungen oder die Wörterbuchforscher gemeint? Wird mit (11) eine Beschreibung gegeben, eine Forderung ausgesprochen, ein Vorschlag gemacht? Wer also, wenn er (11) äußert, nicht mißverstanden werden will, muß einen Hinweis mitgeben, wie (11) gemeint ist. Mein Hinweis lautet: (11) und alle entsprechenden Formulierungen von mir, die sich später finden, sind als Vorschläge aufzufassen, von denen ich hoffe, daß sie eine integrative Wirkung auf die Wörterbuchforschung haben. (11) kann auch als eine Verkürzung von (10a) gelesen werden. — Die Überlegungen in 1.3.3. führten also zu einem Ergebnis, das wie folgt zusammenfassend charakterisiert werden kann: Eine Durchsicht der Untersuchungen zur Lexikographie, Wörterbuchbenutzung und zum Metabereich der Lexikographie, in denen die Wörterbuchforschung konkret existiert, zeigt, daß viele unterschiedliche Fragen gestellt und somit zahlreiche verschiedene Aufgaben erkannt wurden; diese lassen sich zu Fragebereichen ordnen, wodurch eine empirisch basierte Übersicht über die Aufgabengebiete entsteht, aus der die Vielfalt der Wörterbuchforschung ersichtlich wird. Die Vielfalt zeigt sich auch in den Ergebnissen der einzelnen metalexikographischen Untersuchungen. Diese Forschungsergebnisse, die Antworten auf je spezifische metalexikographische Fragen sind, werden nicht um ihrer selbst willen produziert, sondern sie lassen sich alle so verstehen, daß sie einem übergeordneten Ziel dienen, von dem her sie ihren Sinn gewinnen. Dieses Ziel besteht darin, wissenschaftliche Voraussetzungen zu schaffen für eine erfolgreiche Wörterbuchbenutzung in der Lexikographie, in anderen fachlichen Praxisbereichen, in den Wissenschaften und im Alltag. Dadurch ist nun die Wörterbuchforschung nicht nur durch einen einheitlichen, aus vier Teilbereichen bestehenden Gegenstandsbereich, son-
1.3. Wörterbuchforschung: ihr Gegenstandsbereich, ihre Aufgaben und ihre Ziele
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dern auch durch ein einheitliches und klares Ziel bestimmt. Im Unterschied zu (Z 1-49; S. 72) wird hier also eine positive Zielbestimmung gegeben, während es in (Z 1-49) nur heißt, daß die „theoretische Wörterbuchforschung" nicht auf das Machen von Wörterbüchern ausgerichtet ist, so daß eine positive Zielbestimmung nicht vorliegt.
1.3.4. Drei relevante Gemeinsamkeiten von Lexikographie und Wörterbuchforschung Bisher wurden vor allem die Unterschiede von Lexikographie und Wörterbuchforschung betont; in diesem Abschnitt geht es um einige Gemeinsamkeiten. Zunächst sei ausdrücklich auf folgendes aufmerksam gemacht: Der Wert einer Unterscheidung (hier also der von Lexikographie und Wörterbuchforschung) kann nicht dadurch erfolgreich in Frage gestellt werden, daß man auf einige Gemeinsamkeiten des oder Zusammenhänge zwischen dem Unterschiedenen aufmerksam macht. Außerdem ist es häufig gerade so, daß ein möglichst deutliches Unterscheiden die Voraussetzung dafür ist, daß die für einen gemeinsamen Rahmen relevanten oder grundlegenden Zusammenhänge zwischen dem Unterschiedenen überhaupt erst erkennbar werden. Die erste relevante Gemeinsamkeit von Lexikographie und Wörterbuchforschung ist das, was ich die Benutzervoraussetzung nennen möchte. Beide setzen voraus, daß gedruckte Wörterbücher (oder: Printwörterbücher) gebraucht und daher benutzt werden. Daß diese Voraussetzung richtig ist, ist für die Lexikographie eine hinreichende Legitimationsbasis und für die Wörterbuchforschung einer der zentralen Aspekte für ihre Legitimation. Würden eines Tages keine neuen Wörterbücher mehr benötigt, verschwände die Lexikographie allmählich von selbst, nicht aber die Wörterbuchforschung, denn diese hat einen historischen Bereich (vgl. Tl. IV). Die zweite relevante Gemeinsamkeit von Lexikographie und Wörterbuchforschung besteht darin, daß beide ein gemeinsames Ziel haben, nämlich die kulturelle Praxis der Wörterbuchbenutzung zu fördern. Wie sie das tun, darin unterscheiden sie sich, und zwar grundsätzlich. Die Lexikographie dient diesem Ziel praktisch: sie stellt einen Gebrauchsgegenstand her, der die Wörterbuchbenutzung allererst ermöglicht. Die Wörterbuchforschung dient diesem Ziel theoretisch: sie schafft (neben anderen Disziplinen) wissenschaftliche Voraussetzungen für die erfolgreiche Wörterbuchbenutzung. Es wird sich später herausstellen, daß der Unterschied zwischen beiden Bereichen größer ist als die voranstehende Formulierung vermuten läßt, dann nämlich, wenn näher dargelegt ist, was es im Einzelnen eigentlich bedeutet, wissenschaftliche Voraussetzungen für eine erfolgreiche Wörterbuchbenutzung zu schaffen. Eine dritte und letzte Gemeinsamkeit von Lexikographie und Wörterbuchforschung besteht im folgenden: Lexikographen können sowohl Lexikographie als auch Wörterbuchforschung betreiben und tun dies sehr häufig auch (vgl.
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I 1. Sprachlexikographie und Wörterbuchforschung
Anm. 11). Entsprechendes gilt für bestimmte Gruppen von Wissenschaftlern. Besonders das Ineinandergreifen von lexikographischen und metalexikographischen Tätigkeiten, ζ. B. in größeren Wörterbuchwerkstätten von Akademien, hat manche zu der Ansicht gebracht, diese beiden Arten von Tätigkeiten seien nicht zu unterscheiden; ich werde mich bemühen zu zeigen, daß eine hinreichend deutliche Unterscheidung möglich ist. Klar sollte nur hier schon sein: Es geht um die Unterscheidung zweier Arten von Tätigkeiten, nicht um die unfruchtbare Aufteilung in Praktiker und Theoretiker. Hier sei noch einmal darauf hingewiesen, daß die lexikographische Praxis nicht als reflektionslose Anwendung vorgefertigter Theorien und Methoden verstanden werden kann. Jede Praxis ist theoriegetränkt und hat ihre selbstreflexiven Komponenten, die eine mehr, die andere weniger. Wenn ζ. B. eine Wörterbuchmannschaft über Probleme ihrer laufenden Wörterbucharbeit diskutiert, dann gehört diese Reflexion auf die eigene Praxis natürlich zu dieser Praxis und ist keine Wörterbuchforschung. Aus dem Nachdenken über die eigene Praxis als Teil dieser Praxis kann jedoch Wörterbuchforschung entstehen, und wir haben viele Beispiele dafür (vgl. MÜLLER 1 9 8 4 , FRIEND 1 9 6 7 , LANDAU 1984, HARRAS/HASS/STRAUSS 1991). KEMPCKE stellt fest: (Z l-53a: KEMPCKE 1985, 1) „Nach Abschluß der Arbeiten für das 'Handwörterbuch der deutschen Gegenwartssprache' haben sich die Autoren dieses Wörterbuches auf neuralgische Punkte der Wörterbuchkonzeption konzentriert und dabei ihre Vorstellungen von einer Verbesserung lexikographischer Methoden entwickelt."
Die Arbeiten in dem Sammelband „Beiträge zu theoretischen und praktischen Problemen in der Lexikographie der deutschen Gegenwartssprache", aus dessen Einleitung (Z l-53a) stammt, ebenso wie die in dem Sammelband „Wortbedeutungen und ihre Darstellung im Wörterbuch" zeigen sehr deutlich, wie man von der Reflexion auf die eigene Praxis zur Wörterbuchforschung übergehen kann. Der Schritt vom Nachdenken als Teil der Praxis zur Wörterbuchforschung ist dann vollzogen, wenn sich das Erkenntnisinteresse von der eigenen Praxis löst und auf Generalisierungen, Systematisierungen und Theoriebildung gerichtet ist. Das Resümee dieses Abschnittes, das die zusammenfassende Charakterisierung zum Status der Sprachlexikographie (vgl. XII in 1.2.7.) ergänzt, kann somit lauten: (XIII) Lexikographie und Wörterbuchforschung haben gemeinsam — eine Voraussetzung: die Benutzervoraussetzung — ein Ziel: die Förderung der Wörterbuchbenutzung — ein Faktum: beide können von einer Person betrieben werden, und dies ist auch häufig der Fall (vgl. weiter XIV; S. 91). Lexikographie und Wörterbuchforschung gehören systematisch zusammen. Die historische Ausprägung der systematischen Zusammengehörigkeit kann im Einzelfall verschieden sein.
1.4. Ist die Wörterbuchforschung eine wissenschaftliche Disziplin?
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1.4. Ist die Wörterbuchforschung eine wissenschaftliche Disziplin? F ü r m a n c h e Forscher ist die W ö r t e r b u c h f o r s c h u n g (bzw. die Metalexikographie) eine wissenschaftliche Disziplin oder eine Wissenschaft (vgl. ζ. Β. Ζ 1-49; S. 72). QUEMADA schreibt: ( Ζ 1-54: QUEMADA 1987, 233)
„Les résultats obtenus [der Untersuchungen zur Lexikographie, H. E. W.] et l'intérêt croissant qu'ils suscitent marquent de façon concrète l'avènement d'une lexicographie critique et théorique dite par certains métalexicographie, discipline nouvelle dont l'objectif principal est l'étude des types et des méthodes des dictionnaires de langue." F ü r QUEMADA ist d e m n a c h die Metalexikographie eine „neue Disziplin", u n d der K o t e x t erlaubt den Schluß, d a ß eine wissenschaftliche Disziplin gemeint ist. Entsprechendes gilt f ü r HAUSMANN, der ü b e r die Entwicklung in D e u t s c h l a n d schreibt: ( Z 1-55: HAUSMANN 1989b, 99)
„Zwischen 1967 und 1972 wurde also in der Metalexikographie vor allem unter dem Einfluß Frankreichs der Durchbruch erzielt. Von da ab kann man von der impliziten Existenz einer Disziplin sprechen, auch wenn ein eigener Name für diese Disziplin noch umstritten ist." O d e r es heißt in der gleichen Arbeit: (Z 1-56: HAUSMANN 1989b, 102) „Ein Großteil heutiger metalexikographischer Literatur durch Lexikographen ist allerdings die Folge der Existenz der Disziplin Metalexikographie." In ihrem Vorwort z u m 1. Bd. des J a h r b u c h e s 'Lexicographica' schreiben die Herausgeber, n a c h d e m sie einige E t a p p e n der Forschungsentwicklung g e n a n n t haben: ( Z 1-57: KUCERA et al. 1985, I X )
„Thus, one can see that the study of dictionaries tends to develop into a discipline of its own." In diesem Zitat ist eine wissenschaftliche Disziplin gemeint. Auch SCHAEDER (1987, 6) spricht ca. zwei J a h r e später d a v o n , d a ß die G e s a m t h e i t der wissenschaftlichen Beschäftigung m i t deutschsprachigen W ö r t e r b ü c h e r n sich derzeit zu einer eigenen Disziplin entwickelt, u n d a u c h hier k a n n n u r eine wissenschaftliche Disziplin (oder Subdisziplin) gemeint sein. U m den historisch-systematischen O r t der W ö r t e r b u c h f o r s c h u n g n o c h gen a u e r als bisher zu bestimmen, soll d a h e r n u n untersucht werden, o b u n d gegebenenfalls in welchem Sinne die W ö r t e r b u c h f o r s c h u n g eine wissenschaftliche Disziplin ist. Hierzu ist es notwendig, zuerst herauszuarbeiten, was unter einer Disziplin verstanden werden soll.
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I 1. Sprachlexikographie und Wörterbuchforschung
1.4.1. Überlegungen zum Begriff der Disziplin In der neueren maßgeblichen wissenschaftstheoretischen Literatur ist der Gebrauch der Ausdrücke Disziplin und wissenschaftliche Disziplin und ihrer Wortäquivalente im Englischen und Französischen uneinheitlich, so daß keine einheitlichen Fachbegriffe vorliegen. Weiterhin ist zu beachten, daß ζ. T. statt dieser beiden Ausdrücke die Bezeichnung Einzelwissenschaft verwendet wird. Damit dieser Abschnitt sich nicht verselbständigt, muß auf eine weitschweifige Auseinandersetzung mit den verschiedenen Auffassungen verzichtet werden. Stattdessen folgt die Argumentation in ihren Grundlinien - nicht aber in allen Gewichtungen, Unterscheidungen und terminologischen Regelungen im einzelnen — POSNER (1988), weil dort ein großer Teil der einschlägigen Literatur zum Thema zu einem systematischen (aber undogmatischen) Ansatz verarbeitet wurde, der deswegen als fruchtbar gelten muß, weil er auf tatsächliche historische Verhältnisse im Bereich der Wissenschaften anwendbar ist. Beim Nachdenken über Disziplinen erweist es sich als zielführend, zunächst berufliche Disziplinen von wissenschaftstheoretisch begründeten, wissenschaftlichen Disziplinen zu unterscheiden und dann zu zeigen, daß die akademischen Disziplinen, wie sie in Institutionen wie Universitäten und anderen Hochschulen faktisch in Erscheinung treten, als historische Kompromißgebilde betrachtet werden können, die - neben spezifisch eigenen Eigenschaften — sowohl Eigenschaften von beruflichen als auch solche von wissenschaftlichen Disziplinen aufweisen. Zur Charakterisierung von beruflichen und von wissenschaftlichen Disziplinen benötigt man zunächst den Terminus Handlungsfeld (oder den mit letzterem gleichbedeutenden Terminus Tätigkeitsfeld), welcher nachfolgend auch in seiner Kurzform Feld Verwendung findet. Er läßt sich wie folgt charakterisieren: Eine Menge von sich wiederholenden Handlungen (oder auch: Tätigkeiten), welche in dem Sinne rekurrent sind, daß sie als zu bestimmten, angebbaren Handlungstypen gehörig erkannt werden, und für welche es meistens wenigstens eine Bezeichnung gibt, bildet ein bestimmtes Feld. Da die Bedingung gilt, daß die feldzugehörigen Handlungen zu bestimmten Typen gehören müssen, kann ein Feld in genereller Weise durch eine Menge von bestimmten Handlungstypen charakterisiert werden. Beispiele für Felder sind: der Drogenmißbrauch, die Philatelie, der Flugzeugmodellbau, das Turniertanzen und ein lexikographischer Prozeß. Damit eine Handlung zu einem bestimmten Feld gezählt wird, sind die jeweils konkreten Handlungsziele der Handlungssubjekte und die Art und Weise des jeweils konkreten Handlungsvollzugs nicht ausschlaggebend; sie können, innerhalb eines Rahmens, der vor allem durch die Handlungstypen bestimmt wird, verschieden sein. Werden alle oder die wichtigsten zugehörigen Handlungen ausgeführt, um den Lebensunterhalt zu verdienen, spricht man von Arbeit. Bestimmte Arbeitsarten sind in modernen Gesellschaften bestimmten Berufen zugeordnet, so daß eine Arbeits(auf)teilung gegeben
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ist, relativ zu der m a n verschiedene Berufe unterscheiden kann. Die Ausübung eines Berufes erfordert - neben Erfahrung(en) - bestimmte Kenntnisse und Fertigkeiten. Diese können im Prinzip wenigstens ζ. T. autodidaktisch erworben werden. Meistens werden sie jedoch dadurch erworben, daß ein offizielles Berufsausbildungsprogramm durchlaufen wird. Wer eine entsprechende anerkannte Ausbildung erfolgreich abgeschlossen hat, hat einen offiziellen Beruf. Dieser gehört zu einer beruflichen Disziplin; ohne deren faktische, gesellschaftliche und/oder staatliche Existenz, die vor allem in berufs- bzw. berufsgruppenspezifischen Lehrinhalten sowie einer dazugehörigen Organisation erkennbar ist, existiert er als Beruf mit eingeführter Berufsbezeichnung, der offiziell ausgeübt werden kann, nicht. Obwohl die voranstehenden Charakterisierungen relativ allgemein gehalten sind, reichen sie dennoch aus, um die in 1.2.7. gegebene zusammenfassende Charakterisierung zum Status der Lexikographie begründet wie folgt ergänzen zu können: (XIV) Lexikograph ist kein offizieller Beruf; die Lexikographie ist selbst keine berufliche Disziplin, und sie gehört auch zu keiner solchen. Lexikographie ist vielmehr - sowohl in ihrer wissenschaftlichen als auch in ihrer nichtwissenschaftlichen Ausprägung — eine in zahlreiche Felder - die lexikographischen Prozesse - aufgeteilte Menge von Handlungsfeldern, die keiner beruflichen Disziplin zugeordnet sind (vgl. weiter XV; S. 102). Denn die feldzugehörigen lexikographischen Tätigkeiten werden entweder im Rahmen einer Berufsausübung ausgeführt, die zu anderen Berufen gehören, ζ. B. als Verlagsangestellter oder als Hochschullehrer, oder sie werden außerhalb einer Berufsausübung ausgeführt, ζ. B. wenn ein Zeitungsredakteur seine Sprachglossen zu einem Wörterbuch zusammenstellt (vgl. ζ. B. SILLNER 1973). Wenn ein Handlungsfeld als eine wissenschaftliche Disziplin (in wissenschaftstheoretischer Perspektive) gelten soll, müssen bestimmte Kriterien erfüllt sein. Diese werden nachfolgend skizziert. Eine Menge von Tätigkeiten, welche dem Ziel dienen, Wissen zu erlangen, heißt Studium. Diese bewußt sehr allgemein gehaltene Charakterisierung, die mit dem alltäglichen Gebrauch des Wortes Studium übereinstimmt, erlaubt es, jede Art der menschlichen Wissensaneignung (einschließlich der Wissenserweiterung) als Studium zu begreifen, so daß ein akademisches Studium an einer Universität oder einer anderen Hochschule lediglich als eine besondere Art des Studiums zu gelten hat. Besteht ein Studium aus sich wiederholenden Tätigkeiten, welche in dem Sinne rekurrent sind, daß sie als zu bestimmten, angebbaren Tätigkeitstypen gehörig identifiziert werden können, dann gehört es zu einem Feld, so daß man von einem Feld von Studien (oder: einem Studienfeld) sprechen kann. Derjenige Ausschnitt aus der Realität - wobei hier Realität im üblichen lebensweltlichen Sinne verwendet ist - dem ein Studium gilt, um Kenntnisse
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I 1. Sprachlexikographie und Wörterbuchforschung
über ihn zu erlangen oder vorhandenes Wissen zu erweitern, heißt Gegenstandsbereich des Studiums. Letzterer darf nicht mit dem Gegenstand des Studiums verwechselt werden. Die Gegenstandsbereiche können in verschiedener Weise unterschieden und eingeteilt werden. Mit Bezug auf die Beschaffenheiten der verschiedenen bereichszugehörigen Gegenstände können sie ζ. B. danach eingeteilt werden, ob ihre Gegenstände als zusammenhängend oder zusammenhanglos oder als homogen oder heterogen betrachtet werden, so daß man mithin folgende Arten von Gegenstandsbereichen unterscheiden kann: — zusammenhängende und homogene — zusammenhängende und heterogene — zusammenhanglose und homogene — zusammenhanglose und heterogene. Ein Studium kann sich auf einen festgelegten Gegenstandsbereich in seiner Gesamtheit beziehen oder auf bestimmte Ausschnitte; ist das erstere der Fall, kann man von der Erkundung (oder auch der Exploration) des Gegenstandsbereiches sprechen. Gehört der Gegenstandsbereich zusätzlich zu den zusammenhängenden oder homogenen, kann man von der Erforschung des Gegenstandsbereiches sprechen. Es ist unbedingt dies zu beachten: wenn ein Gegenstandsbereich erforscht wird, handelt es sich nicht notwendigerweise um wissenschaftliche Forschung. - Die Gegenstandsbereiche mehrerer verschiedener Studienfelder können sich überschneiden, und mehrere Felder können den gleichen Gegenstandsbereich haben. Letzteres ist dann der Fall, wenn sich das Studium gemäß seiner Ziele auf unterschiedliche Eigenschaften im Gegenstandsbereich richtet, so daß unterschiedliche Gegenstände des Studiums gegeben sind, wobei letztere als Mengen von Eigenschaften angesehen werden müssen. Ein Studium, dessen Ziele so bestimmt sind, daß es sich auf alle Eigenschaften der bereichsinternen Gegenstände richtet, gibt es nicht. Die jeweiligen Ziele eines Studiums bestimmen seine Perspektive (n); diese determiniert bzw. determinieren, welche Eigenschaften der bereichszugehörigen Gegenstände als relevant gelten und welche nicht, d. h.: die Perspektiven konstituieren den zu studierenden Gegenstand als Menge von Eigenschaften. Perspektiven können wertneutral oder wertorientiert sein. Ein feldzugehöriges Studium kann unter einer Perspektive oder unter mehreren durchgeführt werden; mehrere feldzugehörige Studien können eine gleiche oder mehrere verschiedene Perspektiven aufweisen. Eine Erforschung eines homogenen Gegenstandsbereiches oder einer seiner Ausschnitte unter wenigstens einer einheitlichen Perspektive heißt eine Untersuchung. Ein Feld von Studien (also eine Menge von rekurrenten Tätigkeiten mit dem Ziel, Kenntnisse über einen Gegenstandsbereich zu erlangen), zu welchem es eine festgelegte Menge von wechselseitig zusammenhängenden Perspektiven gibt, so daß also eine bestimmte Menge von Eigenschaften der bereichsinternen Gegenstände als für das Studium relevant gelten und andere nicht, heißt ein Fach. Eine Menge von Eigenschaften der bereichs-
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zugehörigen Gegenstände, die in einer Untersuchung perspektivengemäß als relevant gelten, bilden den Untersuchungsgegenstand. Die Menge aller Untersuchungsgegenstände zusammen mit der Menge aller potentiellen Untersuchungsgegenstände bilden den Fachgegenstand. Unter potentiellen Untersuchungsgegenständen sind dabei Mengen von Eigenschaften der bereichszugehörigen Gegenstände zu verstehen, die gemäß der fachzugehörigen Perspektiven als relevant einzustufen sind, aber noch nicht zu Untersuchungsgegenständen wurden. Auf potentielle Untersuchungsgegenstände wird öfters mit dem Ausdruck Forschungslücke Bezug genommen. Während man die Gegenstandsbereiche von Fächern als Ausschnitte aus der lebensweltlichen Realität in den allermeisten Fällen mit Ausdrücken der Alltagssprache ausreichend deutlich charakterisieren kann (ζ. B.: die Botanik untersucht Pflanzen), ist dies bei der Charakterisierung der Perspektiven und Fachgegenstände meistens nicht möglich. Vielmehr benötigt man hierzu Ausschnitte aus der fachzugehörigen Terminologie. Ein Fach, wie es tatsächlich historisch in Erscheinung tritt, darf nicht von vornherein mit einem akademischen Fach und schon gar nicht mit einer Disziplin oder einer wissenschaftlichen Disziplin im wissenschaftstheoretischen Sinne identifiziert werden. Die jeweiligen Eigenschaften, die einen Fachgegenstand ausmachen, können den Subjekten eines Studiums in unterschiedlicher Weise zugänglich sein. Manche sind direkt beobachtbar, andere dagegen nur indirekt, also mittels technischer Apparaturen, welche die Eigenschaften in direkt beobachtbare umwandeln. Beobachtbare Eigenschaften bilden die Daten des Faches (vgl. 4.1.1.). Zum Fachgegenstand können auch nichtbeobachtbare Eigenschaften gehören; diese sind Gedankengebilde und heißen Konstrukte. Fächer, zu deren Fachgegenständen Daten zählen (wie ζ. B. die Chemie), heißen empirisch·, solche, bei denen das nicht der Fall ist (wie ζ. B. die Logik), heißen entsprechend nichtempirisch. Um die Daten in verschiedener Weise zu bearbeiten und um die Konstrukte zu erzeugen sowie letztere durch Konfrontation mit Daten oder anderen Konstrukten zu überprüfen, entstehen in den Fächern verschiedene Arten von Methoden: Datenerhebungsverfahren, Einteilungsverfahren, Beweisverfahren, Analyse- und Interpretationsmethoden, Berechnungsverfahren (ζ. B. statistischer Art) etc. Bei einer Untersuchung, in der solche Methoden angewandt wurden, deren Anwendung wiederholbar ist, handelt es sich um eine wissenschaftliche Untersuchung und damit um einen Beitrag zur wissenschaftlichen Forschung. Letztgenannte unterscheidet sich dadurch von denjenigen Studien, die Exploration und Erforschung genannt wurden, daß für die beiden letzteren das Kriterium der Wiederholbarkeit der Methodenanwendung nicht gilt. Fachspezifische Studien können das Wissenskorpus, über welches ein Fach bereits verfügt, erweitern. Das neue Wissen muß in das vorhandene integriert oder das neue an das tradierte (bzw. umgekehrt) angepaßt werden. Gelingt das
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nicht, kann ein Fach in eine Krise geraten, sich aufspalten oder sich umorganisieren. Im vorliegenden Rahmen kann es als ausreichend gelten, wenn man sich das Wissen des Faches als eine Menge von Sätzen denkt. Eine ausgezeichnete Untermenge, die als gültig angesehen wird, beinhalten die bzw. eine der Lehrmeinung(en) des Faches. Obwohl es leicht geschieht, dürfen Lehrmeinungen nicht mit wissenschaftlichen Theorien verwechselt werden; erstere enthalten im Unterschied zu letzteren Werturteile, Anweisungen, Vorschläge etc., welche nur mit Bezugnahme auf Autoritäten akzeptiert, verteidigt und ausgeführt werden können. Für Theorien dagegen ist charakteristisch, daß sie Aussagen enthalten, die als wahr angenommen werden. Wissenschaftliche Theorien, die von Alltagstheorien unterschieden werden müssen, können sehr unterschiedlich aufgebaut sein und verschiedenen Zwecken dienen. Die wichtigsten generischen Zwecke sind: Beschreibung, Erklärung, Voraussage und Veränderung. Wissenschaftliche Forschung, die darauf ausgerichtet ist, daß Theorien über den Fachgegenstand entstehen, nennt man Wissenschaft. Auch nach dieser Auffassung von Wissenschaft ist die Lexikographie keine Wissenschaft. Handlungstheoretisch betrachtet, gehören die Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschung selbst zur Forschung und damit zur Wissenschaft. Werden wissenschaftliche Theorien außerhalb der wissenschaftlichen Forschung angewendet, orientiert sich diese Anwendung an Werten, die meistens als Interessen artikuliert werden. Werden wissenschaftliche Theorien als Basis für weitere Forschung wissenschaftsintern angewendet, fungieren sie als Modelle. In dieser Funktion werden sie nicht in erster Linie nach dem Wahrheitskriterium, sondern vor allem nach dem Fruchtbarkeitskriterium bewertet. Methoden, Theorien, Forschungsergebnisse etc. müssen an andere vermittelt werden. Dies kann mittels allgemeinverständlicher Darstellungsmittel wie ζ. B. natürlichen Sprachen - geschehen; oder aber es werden spezifische Mittel geschaffen, wie ζ. B. bestimmte Konstruktsprachen, welche dann so eingeführt werden müssen, daß sie intersubjektiv und damit im Prinzip auch in anderen Fächern, und zwar besonders in Nachbarfächern, verständlich sind, so daß ein wechselseitiger Wissensaustausch sowie Begrenzungen und Kontrollen möglich sind. Die Forschungsmethoden, die Theorien oder Theoriefragmente und die Darstellungsverfahren, welche zu einem Fach gehören, bilden seinen wissenschaftlichen Apparat. Damit das fachintern produzierte Wissen aufeinander bezogen (ζ. B. kritisch befragt oder aufeinander abgestimmt) werden kann, ist eine fachinterne Kommunikation zwischen denen erforderlich, die im Fach wissenschaftlich arbeiten und die fachspezifische wissenschaftliche Gemeinde bilden, die einen Teil der Wissenschaftler ausmacht. Die Wissenschaftler im Fach schaffen sich im Laufe der Entwicklung des Faches ihre spezifischen, fachinternen Kommunikationsformen (ζ. B. regelmäßige fachspezifische Tagungen) und ihre fachspezifischen Publikationsmittel (ζ. B. Fachzeitschriften, Jahrbücher, Buchreihen etc.) sowie Kommunikationswege und -formen für die Kommunikation mit
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anderen Fächern und gesellschaftlichen und staatlichen Institutionen (wie Verlage, Ausschüsse, Gutachtergremien etc.). Auf einem gewissen Stand der Entwicklung gibt sich die wissenschaftliche Gemeinde ihre eigene Fachgeschichte, in welcher kanonische Texte („Klassiker"), paradigmatische Problemformulierungen und -lösungen Integrationszentren bilden, so daß eine historische Identität des Faches entsteht (vgl. für die Wörterbuchforschung die ersten Ansätze dazu in H A U S M A N N 1989b). In den voranstehenden Ausführungen sind die Kriterien genannt, welche benötigt werden, um eine Disziplin und darauf aufbauend eine wissenschaftliche Disziplin im wissenschaftstheoretischen Sinne zu spezifizieren. Die Geschichte der wissenschaftstheoretischen Versuche, wissenschaftliche Disziplinen zu definieren, lehrt, daß nur eines der genannten Kriterien - wie ζ. B. die Methoden oder Gegenstandsbereiche oder Theorien — nicht ausreicht, um wissenschaftliche Disziplinen angemessen zu bestimmen (vgl. POSNER 1 9 8 8 , 1 7 6 sowie die dort angeführte Literatur). Im folgenden wird eine Menge (MO von fünf Kriterien (k) angegeben (vgl. POSNER 1988, 177ff.). Wenn alle fünf Kriterien (k,, k 2 , ..., k 5 ) erfüllt sind (d. h.: wenn Sätze der Form „X WEIST k n AUF" wahr sind, wobei „ X " als Variable für Namen von Studienfeldern und „ k " als Variable für Ausdrücke, welche die Kriterien bezeichnen, fungieren), dann weist ein Feld von Studien fünf Komponenten auf. Das Vorhandensein aller fünf Komponenten bildet die notwendige Bedingung dafür, daß ein Feld von Studien als Disziplin im wissenschaftstheoretischen Sinne gelten kann. Die Kriterien besagen, daß folgende fünf Komponenten vorliegen müssen: -
ein festgelegter Gegenstandsbereich (ki) eine spezifische Menge von Perspektiven (k 2 ) spezifische Methoden (k 3 ) ein spezifisches Wissenskorpus (k 4 ) spezifische Darstellungsmittel (k 5 ).
Wendet man die genannten Kriterien auf historisch gegebene Fälle an, wird ersichtlich, daß sie nicht ausreichen, um verschiedene Disziplinen gegeneinander abzugrenzen. Zwar müssen auf jedes Feld von Studien, wenn es als Disziplin gelten soll, alle fünf Kriterien zutreffen, aber dennoch kann wenigstens eines der Kriterien für die Charakterisierung einer Disziplin ein höheres Gewicht haben, weil es in jeder Disziplin eine Art Integrationszentrum gibt, das einmal mehr bei den Methoden, ein anderes Mal mehr bei den Fachgegenständen etc. zu finden ist. Es kann daher eine zweite Menge (M 2 ) von Kriterien (k 6 , k 7 , ..., k 1 0 ) angegeben werden, die in einer Oder-Beziehung stehen (derart, daß auch mehrere Kriterien erfüllt sein dürfen - ein Oder im „einschließenden" Sinne), so daß gesagt werden kann: Eine Disziplin im wissenschaftstheoretischen Sinne ist charakterisiert durch
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einen homogenen Gegenstandsbereich (k 6 ) oder eine durchgehend einheitliche Perspektive (k 7 ) oder eine zentrale Methode (k 8 ) oder ein zentrales Wissenskorpus (k 9 ) oder dominante Darstellungsmittel (k 10 ).
Sind alle Kriterien aus M j erfüllt sowie wenigstens eines, höchstens aber einige aus M 2 , dann liegt die notwendige und hinreichende Bedingung dafür vor, daß ein Feld von Studien als Disziplin im wissenschaftstheoretischen Sinne gelten kann. Damit eine Disziplin als wissenschaftliche Disziplin angesehen werden kann, müssen die Kriterien noch weiter spezifiziert werden. Denn mit den Kriterien der beiden Mengen Μ,, M 2 sind bestimmte, für wissenschaftliche Disziplinen charakteristische Eigenschaften der fünf Komponenten noch nicht genannt; ζ. B. ist eine Disziplin keine wissenschaftliche Disziplin, wenn die Methoden nicht derart sind, daß ihre Anwendung wiederholt werden kann, oder wenn die Perspektiven nicht in einem bestimmten Sinne wertneutral sind oder wenn die Theorien widersprüchlich sind etc. Es wird daher — um dies auszuschließen - folgende dritte Menge (M 3 ) von den fünf Kriterien ( k n , ki 2 , ..., k 15 ) zusammengestellt. Eine Disziplin im wissenschaftstheoretischen Sinne erfüllt die notwendige Bedingung für eine wissenschaftliche Disziplin, wenn -
ihr Gegenstandsbereich in seiner Gesamtheit erforscht wird ( k n ) ihre Perspektiven in einem bestimmten Sinne wertneutral sind (k 12 ) ihre Methoden wiederholt anwendbar sind (ki 3 ) das Wissenskorpus vornehmlich auf Theoriebildung angelegt ist und wenigstens eine konsistente Theorie enthält (k 14 ) - die Darstellungsmittel intersubjektiv und damit prinzipiell auch interfachlich verstehbar sind (k 15 ). Felder von Studien, für die nicht alle Kriterien aus M j erfüllt sind, sind deswegen keine Disziplinen im wissenschaftstheoretischen Sinne, weil sie unvollständig sind. Felder, die kein Integrationszentrum haben, so daß kein Kriterium aus M 2 erfüllt ist, sind ebenfalls keine Disziplinen, da sie insofern amorph sind, als sie nicht abgegrenzt sind. Schließlich sind Felder von Studien keine wissenschaftlichen Disziplinen, wenn nicht alle Kriterien aus M 3 und wenigstens ein Kriterium aus M 2 erfüllt sind. Im Anschluß an POSNER ( 1 9 8 8 ) können nun die genannten Kriterien verwendet werden, um folgende zusammenfassende Charakterisierung von einer wissenschaftlichen Disziplin zu geben. Ein Feld von Studien ist eine wissenschaftliche Disziplin (und damit eine Einzelwissenschaft) im wissenschaftstheoretischen Sinne (i), wenn es folgende fünf Komponenten aufweist: -
einen festgelegten Gegenstandsbereich, der in seiner Gesamtheit erforscht wird
1.4. Ist die Wörterbuchforschung eine wissenschaftliche Disziplin?
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spezifische Perspektiven, die (in einem bestimmten Sinne) wertneutral sind Methoden, die wiederholt anwendbar sind ein Wissenskorpus, das vornehmlich auf Theoriebildung hin angelegt ist und wenigstens eine konsistente Theorie enthält Darstellungsmittel, die intersubjektiv und damit interfachlich verstehbar sind und
(ii) wenn die Disziplingrenzen bestimmbar sind hinsichtlich -
der Homogenität des Gegenstandsbereiches oder hinsichtlich der Einheitlichkeit seiner Perspektive oder hinsichtlich der zentralen Rolle einer seiner Methoden oder hinsichtlich einer zentralen Theorie oder hinsichtlich dominanter Darstellungsmittel.
D a ß zu einer wissenschaftlichen Disziplin disziplininterne und die Disziplingrenzen überschreitende Kommunikation sowie eine spezifische Geschichte gehört, ergibt sich aus dieser Charakterisierung. Fragt man sich nun, ob alle akademischen Disziplinen, die man an allen Arten von Hochschulen mit einem anerkannten Abschluß studieren kann, zugleich wissenschaftliche Disziplinen im wissenschaftstheoretischen Sinne sind, m u ß dies verneint werden. Vielmehr sind wohl die meisten akademischen Disziplinen, die man gegenwärtig aufzählen kann, historisch bedingte Kompromißgebilde aus Anforderungen aus beruflichen Disziplinen, Disziplinen und wissenschaftlichen Disziplinen im wissenschaftstheoretischen Sinne.
1.4.2. Der gegenwärtige Status der Wörterbuchforschung Nachfolgend wird ein weiterer Schritt zur Bestimmung des gegenwärtigen Status der Wörterbuchforschung getan. Dies geschieht dadurch, daß Antworten auf die Fragen gegeben werden, -
ob die Wörterbuchforschung eine wissenschaftliche Disziplin im wissenschaftstheoretischen Sinne ist (vgl. 1.4.2.1.) wie die Wörterbuchforschung intern strukturiert werden kann (vgl. 1.4.2.2.) und wie die Wörterbuchforschung sich Mitte der 90er Jahre als akademische Disziplin darstellt (vgl. 1.4.2.3.).
1.4.2.1. Die Wörterbuchforschung als wissenschaftliches Forschungsfeld Im folgenden werden die in 1.4.1. genannten Kriterien auf die Wörterbuchforschung angewandt. D a ß das Kriterium k¡ erfüllt ist, wurde bereits in 1.3.2. gezeigt: die Wörterbuchforschung hat einen festgelegten empirischen Gegen-
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I 1. Sprachlexikographie und Wörterbuchforschung
standsbereich, welcher aus vier deutlich abgegrenzten Teilen besteht (vgl. Abb. 1-10; S. 78). Um darzulegen, daß die Wörterbuchforschung eine spezifische Menge von Perspektiven hat, so daß also das Kriterium k 2 erfüllt ist, kann man an die in 1.3.3. aufgezählten Fragebereiche (a) bis (m) anknüpfen, denn die Perspektiven stehen mit den Fragen und Fragetraditionen in einem wechselseitigen Zusammenhang. Zunächst seien die wichtigsten Perspektiven genannt; die Wörterbuchforschung verfügt über (i) (ii) (iii) (iv) (v) (vi)
eine eine eine eine eine eine
historische Perspektive, formstrukturelle Perspektive, prozeßorganisatorische Perspektive, dokumentarische Perspektive, produktbewertende Perspektive, Nutzungsperspektive.
Unter jeder dieser Perspektiven, welche über das in 1.3.3. dargelegte Zwischenstadium der Fragebereiche ermittelt wurden, werden in Untersuchungen andere Eigenschaften der Gegenstände im Gegenstandsbereich der Wörterbuchforschung relevant. Zu (i): Unter der historischen Perspektive werden — pauschal ausgedrückt — alle Eigenschaften im Gegenstandsbereich relevant, welche zu untersuchen sind, wenn eine Geschichte der Lexikographie erarbeitet werden soll. In Untersuchungen, die als Beiträge zu einer solchen Geschichte gelten können, wird dann die historische Perspektive durch historisch ausgerichtete Fragen konkretisiert und spezifiziert, die vor allem zu den Fragebereichen (f) und (g) gehören und denen gemeinsam ist, daß mit ihnen nach dem Ursprung, der Entstehung und der Veränderung von Eigenschaften oder Eigenschaftskomplexen aus dem Gegenstandsbereich gefragt wird. Im Tl. IV wird die historische Perspektive der Wörterbuchforschung behandelt und an Beispielen entfaltet. Dabei wird auch deutlich werden, daß sich mehrere Unterperspektiven herausarbeiten lassen und damit auch mehrere Arten, wie man eine Lexikographiegeschichte oder einen Ausschnitt aus dieser schreiben kann (vgl. auch WIEGAND 1990a, 2101 ff.). Zu (ii): Unter der formstrukturellen Perspektive werden - pauschal gesagt - alle Eigenschaften der Wörterbuchform von Wörterbüchern aller Wörterbuchtypen relevant, die zu erforschen sind, um eine generelle Theorie zu den Strukturen der Wörterbuchform zu erarbeiten. In Untersuchungen zur Wörterbuchform wird die formstrukturelle Perspektive in konkreten und spezifischen Fragen greifbar, welche besonders zu den Fragebereichen (h) und (i) gehören. Im Tl. III wird u. a. die formstrukturelle Perspektive behandelt und eine Teiltheorie zur Wörterbuchform vorgetragen.
1.4. Ist die Wörterbuchforschung eine wissenschaftliche Disziplin?
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Zu (iii): Unter der prozeßorganisatorischen Perspektive werden — wiederum pauschal formuliert - Eigenschaften relevant, deren Untersuchung die Ausarbeitung einer Theorie der Organisation eines lexikographischen Prozesses ermöglicht. Die Fragen, in welchen diese Perspektive greifbar wird, gehören vor allem zu den Bereichen (a), (b) und (e). Eine zusammenhängende Studie unter dieser Perspektive wird in diesem Buch nicht vorgelegt; es werden jedoch wichtige Gesichtspunkte berücksichtigt (vgl. 1.5.). Zu (iv): Unter der dokumentarischen Perspektive geht es um das, was lexikographisch dokumentiert ist; also werden in dieser Perspektive Eigenschaften des Wörterbuchgegenstandes relevant und dessen Beziehungen zur Wörterbuchbasis und zum Wörterbuchgegenstandsbereich sowie damit auch alle Beschaffenheiten, deren Untersuchung qualitative und quantitative Aussagen über die lexikographische Abdeckung (i. S. v. WIEGAND 1989b, 396 u. Tl. III) ermöglichen. Die Fragen, in welchen diese Perspektive in Untersuchungen gegenwärtig ist, gehören vor allem zu dem Fragenbereich (a), (i) und (j). Die dokumentarische Perspektive kommt vor allem in den Teilen III und IV zur Geltung. Zu (v): Unter der produktbewertenden Perspektive werden diejenigen Eigenschaften von Wörterbüchern relevant, welche anhand von (z. T. selbst noch zu entwickelnden) Standards vor allem relativ zu den genuinen Zwecken, denen die Wörterbücher dienen wollen/sollen, zu untersuchen sind, um die Wörterbuchqualität zu prüfen. Die Fragen, in welchen diese Perspektive sich zeigt, gehören vor allem zu dem Bereich (c). Die produktbewertende Perspektive spielt in Tl. V eine entscheidende Rolle. Zu (vi): Unter der Nutzungsperspektive geht es schließlich um den Nutzen und die Benutzung von Wörterbüchern. Die entsprechenden Fragen sind vor allem den Fragebereichen (a), (d) und (g) zugeordnet. Die Nutzungsperspektive überwiegt im Tl. II. Die sechs Perspektiven der Wörterbuchforschung schließen sich nicht aus, so daß in einer Untersuchung mehrere Perspektiven zu Geltung kommen können. So kann z. B. die historische Perspektive der formstrukturellen vorgeordnet werden; in diesem Falle untersucht man die Entwicklung der Wörterbuchform (vgl. Tl. IV). Oder die produktbewertende Perspektive und die Nutzungsperspektive werden gleichgeordnet, so daß man beispielsweise eine Gruppe von Wörterbüchern hinsichtlich ihres Nutzens bewertet. Es ist deutlich, daß das Integrationszentrum der Wörterbuchforschung nicht (wie z. B. bei der Geschichtswissenschaft) bei den Perspektiven liegt, denn es gibt keine durchgehend einheitliche Perspektive. Bei der Betrachtung des Kriteriums k 3 kann insofern von der Auflistung der Perspektiven ausgegangen werden, als diese bereits vermuten läßt, daß in der Wörterbuchforschung qualitativ sehr verschiedene Methoden zur Anwendung gelangen können. Diese Methoden wurden zum überwiegenden Teil in anderen Disziplinen entwickelt (vgl. z. B . RIPFEL/WIEGAND 1 9 8 8 ) . Einige Me-
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thoden wurden dagegen innerhalb der Wörterbuchforschung erarbeitet und sind auch für diese spezifisch, so daß das Kriterium k 3 als erfüllt gelten kann. Solche Methoden sind ζ. B.: - die Methode zum Vergleich von Wörterbuchauflagen (vgl. RETTIG 1 9 7 6 ) - die Datenerhebungsmethode mittels Wörterbuchbenutzungsprotokollen (vgl. 4.2.3.)
- die Analysemethode der funktional-positionalen Segmentation (vgl. Tl. III) - die Methode der Funktionsfestlegung von Angaben mittels einer Funktionenmatrix (vgl. WIEGAND 1 9 9 6 , 50ff.). Innerhalb der Wörterbuchforschung ist - wegen der verschiedenen Perspektiven und der unterschiedlichen empirischen Gegebenheitsweisen der Untersuchungsgegenstände in den vier Gegenstandsteilbereichen - ein Methodenpluralismus notwendig, so daß das Integrationszentrum nicht (wie ζ. B. bei der Anatomie) bei den Methoden gesucht werden kann. Die Wörterbuchforschung verfügt über keine zentrale Methode. Nach dem Kriterium k 4 muß ein für die Wörterbuchforschung spezifisches Wissenskorpus gegeben sein, wobei es sich um ein Wissen über den Gegenstandsbereich handeln muß, welches streng von dem disziplininternen Metawissen über die eigenen Perspektiven, Methoden und Darstellungsmittel sowie über das eigene Wissenskorpus unterschieden werden muß. Ein Wissen über den Gegenstandsbereich liegt ohne Zweifel vor, beispielsweise das Wissen über - die Einteilung von Wörterbüchern (vgl. Tl. III) - die Wörterbuchform (vgl. Tl. III) - Ausschnitte aus der Geschichte der Lexikographie (vgl. Tl. IV). Obwohl das metalexikographische Wissen bis jetzt nicht anhand einer oder mehrerer Theorien einheitlich organisiert ist, kann k 4 als erfüllt gelten, weil dies mit k 4 nicht gefordert ist. Nach dem Kriterium k 5 schließlich muß geprüft werden, ob die Wörterbuchforschung für sie spezifische Darstellungsmittel verwendet. Zunächst ist klar, daß in der Wörterbuchforschung Darstellungsmittel verwendet werden, welche auch in anderen Disziplinen Verwendung finden. Solche Darstellungsmittel sind ζ. B. Diagramme, Tabellen, Matrizen und Graphen (vgl. z. B. HSK 5.1 bis 5.3). Das für die Wörterbuchforschung spezifische Darstellungsmittel ist ihre Terminologie, die ζ. T. an die in der Lexikographie entstandene anschließt (vgl. das Sachregister in HSK 5.3). Obwohl zahlreiche Termini, die in metalexikographischen Texten gebraucht werden, aus anderen Bereichen (ζ. B. aus der Linguistik, der Informatik, der Taxonomie und der empirischen Sozialforschung) stammen, gibt es zahlreiche genuin metalexikographische Termini (vgl. ζ. B. die Definitionen in Tl. II), so daß das Kriterium k 5 erfüllt ist. Nach diesen Überlegungen können alle Kriterien aus Mj als erfüllt gelten. Damit weist die Wörterbuchforschung die fünf Komponenten K l 5 K 2 , ..., K 5
1.4. Ist die Wörterbuchforschung eine wissenschaftliche Disziplin?
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auf, welche gegeben sein müssen, damit sie als Disziplin im wissenschaftstheoretischen Sinne angesehen werden kann. In einem nächsten Schritt kann nun danach gefragt werden, ob wenigstens ein Kriterium aus M 2 erfüllt ist. Dies ist der Fall, und zwar ist k 6 erfüllt. Die Wörterbuchforschung hat einen homogenen Gegenstandsbereich. Seine Homogenität besteht darin, daß er durchgehend aus Handlungen besteht, die sich auf Wörterbücher beziehen, und zwar aus — Handlungen, mit denen Wörterbücher benutzt werden: Benutzungshandlungen — Handlungen, mit denen Wörterbücher erarbeitet und geschrieben werden: Textherstellungs- und sonstige Herstellungshandlungen — Handlungen, mit denen über Wörterbücher geschrieben/gesprochen wird: kommunikative Handlungen. Da sich (nach welcher Handlungstheorie auch immer) Handlungen nicht ohne ausdrückliche Berücksichtigung ihrer Ergebnisse definieren lassen, gehören die Handlungsergebnisse zur Handlung und damit die Wörterbücher zum Gegenstandsbereich (vgl. 1.2.4.2.). Die anderen vier Kriterien aus M 2 sind alle nicht erfüllt. Denn die Wörterbuchforschung verfügt — wie wir ζ. T. bereits gesehen haben — über keine durchgehend einheitliche Perspektive (k7), über keine zentrale Methode (k8), über kein zentrales Wissenskorpus (k9) und über kein dominantes Darstellungsmittel (kio). Disziplinen, die sich von anderen - wie die Wörterbuchforschung — durch den Gegenstandsbereich abgrenzen, müssen den größten Wert darauf legen, daß dieser genau festgelegt ist. Seine Festlegung müssen sie von Zeit zu Zeit überprüfen. Darauf wird zurückzukommen sein (vgl. 1.5.5.). Beispielsweise ist es derzeit eine durchaus offene Frage, ob die Computerlexikographie zum Gegenstandsbereich der Wörterbuchforschung gehören soll oder nicht. In einem weiteren Schritt kann nun gefragt werden, ob die Wörterbuchforschung eine wissenschaftliche Disziplin im wissenschaftstheoretischen Sinne ist. Dazu muß geprüft werden, ob alle Kriterien aus M 3 und wenigstens ein Kriterium aus M 2 bei der Wörterbuchforschung erfüllt sind. Eine solche Prüfung ist beim derzeitigen Stand der Forschung bis zu einem gewissen Grade eine Einschätzungsfrage, insbesondere dann, wenn derjenige, der diese Prüfung vornimmt, selbst in der Disziplin arbeitet. Nach meiner Einschätzung sind - neben k 6 - folgende Kriterien erfüllt: ki2, k 13 und k 15 ; k n und k M sind dagegen nicht erfüllt. Nach k¡ 2 müssen die Perspektiven der Wörterbuchforschung in einem bestimmten Sinne wertneutral sein. Die Einschränkung „in einem bestimmten Sinne" bezieht sich darauf, daß die wissenschaftsintern geltenden Werte (wie z. B. die Orientierung am Wahrheitskriterium) nicht betroffen sind. Vielmehr meint wertneutral hier, daß außerwissenschaftliche Werte sich — wenn überhaupt — lediglich im for-
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I 1. Sprachlexikographie und Wörterbuchforschung
schungsleitenden Erkenntnisinteresse wiederfinden, welches der Forschung vorgeordnet ist. Das Kriterium ki 2 hat auch für wörterbuchkritische Arbeiten zu gelten (vgl. Tl. V). Daß die Methoden wiederholt anwendbar sind, wie es das Kriterium k 13 fordert, soll gewährleisten, daß mehrere Forscher unter gleichen forschungsrelevanten Bedingungen zu weitestgehend gleichen Ergebnissen gelangen, so daß eine Intersubjektivität der Ergebnisse gewährleistet ist. Die bereits genannten Methoden, die innerhalb der Wörterbuchforschung zur Anwendung gelangen, sowie weitere (vgl. auch 4.2.) sind wiederholt anwendbar, so daß k 1 3 erfüllt ist. Schließlich sind die Darstellungsmittel - wie es mit dem Kriterium k 1 5 verlangt wird - intersubjektiv verstehbar. Daß dies der Fall ist, bedeutet natürlich nicht, daß etwa die Verwendung mancher Fachtermini oder die von Strukturgraphen ζ. B. bei der Darstellung von hierarchischen Artikelstrukturen nicht zuerst gelernt werden muß. Das Kriterium k n kann nicht so verstanden werden, daß mit ihm verlangt wird, jeder im Gegenstandsbereich auftretende Gegenstand sei einzeln zu untersuchen; vielmehr muß k n so verstanden werden, daß von der Anlage der Forschungstätigkeit in einer Disziplin insgesamt her ersichtlich ist, daß ihr Gegenstandsbereich in seiner Gesamtheit, d. h. die Gegenstände in ihren Zusammenhängen unter den disziplinspezifischen Perspektiven zu erforschen sind. Das kann von der derzeitigen Wörterbuchforschung noch nicht gesagt werden, wenn es auch gerade neuerdings Tendenzen gibt, den Gegenstandsbereich in seiner Gesamtheit in den Blick zu nehmen; hierzu gehören — wie in der vorliegenden Studie - Überlegungen zu seinem Aufbau und zu seinen Grenzen; auch die stärker werdenden bibliographischen Bemühungen sind hierfür ein deutliches Signal (vgl. ζ. B. C O P 1990; WIEGAND 1988 u. 1995b; ZGUSTA/FARINA 1 9 8 8 ; DOLEZAL/MCCREARY 1 9 9 6 u . A n m . 17).
Ebenso wie das Kriterium k n , so ist auch k 14 , mit dem gefordert wird, daß das Wissenskorpus vornehmlich auf Theoriebildung angelegt ist und wenigstens eine konsistente Theorie enthält, nicht erfüllt. Zwar gibt es in der neueren Wörterbuchforschung eine ganze Reihe von Ansätzen zur Theorienbildung. Es gibt aber bisher keine konsistente metalexikographische Theorie, die in einer falsifizierbaren Form vorliegt und einen größeren zusammenhängenden Ausschnitt aus dem Gegenstandsbereich erklärt. Damit kann die zusammenfassende Charakterisierung zum gegenwärtigen Status der Sprachlexikographie erneut ergänzt werden. (XV) Die Wörterbuchforschung - so wie sie sich (mir) Mitte der 90er Jahre darstellt — ist keine wissenschaftliche Disziplin im wissenschaftstheoretischen Sinne und damit - anders gesagt - keine selbständige Einzelwissenschaft. Vielmehr ist sie eine Disziplin, die sich derzeit so entwickelt, daß man eventuell zu einem zukünftigen Zeitpunkt feststellen kann, daß auch die Kriterien k u und k 1 4 zutreffen. Damit wird die Behauptung im Zitat (Z 1-57; S. 89) bestätigt (vgl. weiter XVI; S. 120).
1.4. Ist die Wörterbuchforschung eine wissenschaftliche Disziplin?
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Eine Disziplin, die auf dem Wege ist, sich zu einer wissenschaftlichen Disziplin zu entwickeln, kann ein wissenschaftliches Forschungsfeld heißen. Ein wissenschaftliches Forschungsfeld ist mithin aufzufassen als ein historisches Zwischenstadium zwischen einer Disziplin und einer wissenschaftlichen Disziplin. Ein Feld von Studien ist dann ein wissenschaftliches Forschungsfeld, wenn alle Kriterien von Mi gelten, wenigstens ein Kriterium aus M 2 sowie mindestens ein Kriterium, höchstens aber vier Kriterien aus M 3 .
1.4.2.2. Möglichkeiten der internen Strukturierung der Wörterbuchforschung Um zu untersuchen, welche Möglichkeiten gegeben sind, die Wörterbuchforschung intern zu strukturieren, ist es zielführend, zunächst darzulegen, was unter Subdisziplinen im wissenschaftstheoretischen Sinne verstanden werden kann. Man kann dann die theoretisch gegebenen Möglichkeiten, Subdisziplinen zu bilden und zu unterscheiden, mit den tatsächlichen historischen Gegebenheiten konfrontieren. Es war dargelegt worden, daß zu jeder Disziplin fünf Komponenten gehören: Ki K2 K3 K4 K5
= = = = =
ein festgelegter Gegenstandsbereich, eine spezifische Menge von Perspektiven, spezifische Methoden, ein spezifisches Wissenskorpus, spezifische Darstellungsmittel.
Feststellungen, daß etwas zu etwas anderem gehört oder daß etwas Teil von etwas anderem ist, legen eine Beziehung nur relativ allgemein fest. Es dürfte jedoch klar sein, daß jede der fünf Komponenten auf eine andere Art und Weise zu einer Disziplin gehört. Das erkennt man u. a. daran, daß man ζ. B. feststellen kann: Eine Disziplin verwendet ihre Darstellungsmittel (aber nicht ihren Gegenstandsbereich) oder: eine Disziplin produziert ihr Wissenskorpus (aber nicht ihren Gegenstandsbereich). Weitere Feststellungen dieser Art sind möglich (vgl. POSNER 1988, 179), so daß deutlich wird: eine Disziplin steht zu jeder ihrer Komponenten K], K 2 , ..., K 5 in einer anderen Beziehung. Im vorliegenden Zusammenhang kann jedoch meistens von den Unterschieden der einzelnen Beziehungen abstrahiert werden; dadurch wird die allgemeine Redeweise möglich, daß die Komponenten zu einer Disziplin gehören oder Teil einer Disziplin sind. Um die nachfolgenden Überlegungen möglichst einfach und übersichtlich zu gestalten, sei weiterhin festgelegt, daß jede der fünf Komponenten als eine Menge von Elementen gleichen Typs aufgefaßt werden soll und daß die Abkürzungen Ki, K 2 , ..., K 5 als Mengensymbole verwendet werden dürfen. Dann ergeben sich folgende Festlegungen: Der Gegenstandsbereich ist eine Menge von Gegenständen (g); Ki = {gi, g 2 , ..., gn}· Eine Perspektive (P) ist eine Menge von Fragen (f), so daß K 2 eine Menge von Men-
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I 1. Sprachlexikographie und Wörterbuchforschung
gen ist: K 2 = {Pi, P2, ···, Pn}· K 3 ist eine Menge von Methoden (M), und Methoden lassen sich als Mengen von Vorschriften auffassen: K 3 = { M b M 2 , ..., M n }. Das Wissenskorpus kann als eine Menge von Propositionen (p) aufgefaßt werden: K 4 = {pl5 p 2 , ..., pn}· Schließlich ist die Komponente K 5 eine Menge von Darstellungsmitteln (d) K 5 = {d,, d 2 , ..., dn}. Unter den gerade eingeführten Voraussetzungen lassen sich Subdisziplinen wie folgt charakterisieren: Sind zwei Disziplinen D l s D 2 so weit gleich, daß sie sich nur dadurch voneinander unterscheiden, daß eine Komponente von D, eine Untermenge der entsprechenden Komponente von D 2 ist, dann ist Di eine Subdisziplin von D 2 . Die Relation, auf deren Paare der Relationsterm ist Subdisziplin von zutrifft, ist transitiv. Um Mißverständnisse zu vermeiden, muß zusätzlich erläutert werden, was in der gegebenen Charakterisierung unter gleich zu verstehen ist. D, und D 2 gelten als gleich — — — — -
hinsichtlich hinsichtlich hinsichtlich hinsichtlich beitragen hinsichtlich
Ki, K2, K3, K4,
wenn wenn wenn wenn
sie sie sie die
die gleichen Gegenstandsbereiche untersuchen dies unter den gleichen Perspektiven tun dabei die gleichen Methoden verwenden spezifischen Untersuchungen zum gleichen Wissenskorpus
K 5 , wenn die gleichen Darstellungsmittel verwendet werden.
Bei der Überprüfung, ob eine Subdisziplin im wissenschaftstheoretischen Sinne vorliegt, müssen (wie im Falle einer Disziplin) alle Kriterien aus M t und wenigstens ein Kriterium aus M 2 erfüllt sein. Ist das nicht der Fall, liegen allenfalls Subfelder von Studien vor. Da zu einer Disziplin fünf Komponenten gehören, können fünf Arten von Subdisziplinen unterschieden werden, und zwar wie folgt: Subdisziplinen -
hinsichtlich K,: ( K , ( D , ) C K,(D 2 )) hinsichtlich K 2 : (K 2 (D,) C K 2 (D 2 )) hinsichtlich K 3 : (K 3 (D,) C K 3 (D 2 ))
-
hinsichtlich K 4 : (K 4 (D,) Ç K 4 (D 2 )) hinsichtlich K 5 : ( K 5 ( D , ) C K 5 (D 2 )).
Bei gut ausgebauten Disziplinen (wie ζ. B. der Biologie und der Linguistik) sind alle Arten von Subdisziplinen faktisch ausgebildet. In den nächsten Abschnitten sei nun der Reihe nach wenigstens ausschnittsweise dargelegt, wie die fünf Arten von Subdisziplinen im wissenschaftstheoretischen Sinne im Falle der Wörterbuchforschung gebildet werden können, und dann jeweils gefragt, ob sie derzeit tatsächlich ausgeprägt sind.
1.4.2.2.1. Subdisziplinen hinsichtlich des Gegenstandsbereiches Im folgenden werden Subdisziplinen im wissenschaftstheoretischen Sinne betrachtet, welche hinsichtlich der Komponente K l 5 dem festgelegten Gegenstandsbereich der Wörterbuchforschung, gebildet werden können. Dazu müssen zunächst Kriterien angegeben werden, welche dazu dienen können, Untermengen in K) zu bilden; hierzu gibt es eine Reihe von Möglichkeiten. Da es
1.4. Ist die Wörterbuchforschung eine wissenschaftliche Disziplin?
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hier in erster Linie darauf ankommt, möglichst jene Subdisziplinen im wissenschaftstheoretischen Sinne hinsichtlich K [ zu entwickeln, die Entsprechungen in der historisch gegebenen Wörterbuchforschung Mitte der 90er Jahre haben, bietet es sich zuerst an, die bereichszugehörigen Gegenstände nach Einzelsprachen zu sortieren. Entscheidet man sich für historische Einzelsprachen, dann sind ζ. B. die italianistische (ital.), hispanistische (hisp.), französistische (franz.), anglistische (angl.) und germanistische (germ.) Wörterbuchforschung Subdisziplinen der Wörterbuchforschung (WF) im wissenschaftstheoretischen Sinne, weil beispielsweise für die letztere gilt: -
die Menge der lexikographischen Prozesse, die zu einem deutschen Wörterbuch oder zu einem zwei- oder mehrsprachigen Wörterbuch mit Deutsch führen, ist eine Untermenge aller lexikographischen Prozesse - die Menge der Handlungen, in denen ein deutsches Wörterbuch oder ein zwei- oder mehrsprachiges Wörterbuch mit Deutsch benutzt wird, ist eine Untermenge aller Benutzungshandlungen - die Menge der wissenschaftlichen und nichtwissenschaftlichen Texte bzw. Textstellen über deutsche Wörterbücher und über zwei- oder mehrsprachige Wörterbücher mit Deutsch ist eine Untermenge der wissenschaftlichen und nichtwissenschaftlichen Texte bzw. Textstellen über Wörterbücher. Damit ist ein klar festgelegter Gegenstandsbereich der germanistischen Wörterbuchforschung ausgegliedert; es gilt: Κ ! (germ. WF) C Ki(WF). Entsprechendes gilt für die anderen genannten (und nicht genannten) Subdisziplinen hinsichtlich K p Nach den gerade getroffenen Feststellungen dürfte klar sein, daß unter germanistischer Wörterbuchforschung nicht das gleiche zu verstehen ist wie unter Wörterbuchforschung, die von Germanisten durchgeführt wird. Entsprechendes gilt für die anderen Subdisziplinen. Nach den voranstehenden Überlegungen gelten demnach weiterhin folgende Beziehungen: ! (ital. W F ) C K I ( W F ) Κ](hisp. W F ) Ç KL(WF) Κ
K , (franz. W F ) Ç K,(angl. W F ) Ç
K,(WF) K,(WF).
Wie bereits erwähnt, liegt eine Subdisziplin im wissenschaftstheoretischen Sinne nur dann vor, wenn neben dem Kriterium k j die restlichen vier Kriterien aus Mi sowie wenigstens ein Kriterium aus M 2 erfüllt sind. Im folgenden sei dies ausgeführt, und zwar am Beispiel der germanistischen Wörterbuchforschung. Das Kriterium k 2 ist erfüllt, denn für die germanistische Wörterbuchforschung sind die gleichen sechs Perspektiven spezifisch wie für die Wörterbuchforschung insgesamt. Entsprechendes gilt für das Kriterium k 3 : Diejenigen für die Wörterbuchforschung spezifischen Methoden, welche wiederholt anwendbar sind, sind auch bei der Erforschung des Gegenstandsteilbereiches Κ ! (germ. WF) anwendbar und daher gleichermaßen für die
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I 1. Sprachlexikographie und Wörterbuchforschung
germanistische Wörterbuchforschung spezifisch. Nach dem Kriterium k 4 ist gefordert, daß eine Subdisziplin im wissenschaftstheoretischen Sinne über ein spezifisches Wissenskorpus verfügt. Dies ist bei der germanistischen Wörterbuchforschung der Fall. Denn wenn diese einen festgelegten Ausschnitt aus dem Gegenstandsbereich der Wörterbuchforschung untersucht, ist (falls dies nicht gänzlich erfolglos geschieht) klar, daß sie auch ein für sie spezifisches Wissenskorpus erarbeitet, ζ. B. Wissen über lexikographische Prozesse, welche zu einsprachigen deutschen Wörterbüchern oder zu zwei- oder mehrsprachigen Wörterbüchern mit Deutsch führen. Bei der Prüfung, ob die germanistische Wörterbuchforschung als eine Subdisziplin der Wörterbuchforschung gelten kann, muß entschieden werden, ob erstere zum gleichen Wissenskorpus etwas beiträgt wie die gesamte Wörterbuchforschung. Das kann bejaht werden, weil das Wissenskorpus der gesamten Wörterbuchforschung als die Vereinigungsmenge der spezifischen Wissenskorpora aller metalexikographischen Felder von Studien aufgefaßt werden kann. Auch das Kriterium k 5 kann als erfüllt gelten, weil für die germanistische Wörterbuchforschung die gleichen (Arten von) Darstellungsmitteln spezifisch sind wie für die Wörterbuchforschung, wobei natürlich die Tatsache, daß ζ. B. in der französistischen Wörterbuchforschung ζ. T. andere Termini Verwendung finden als in der germanistischen, die behauptete Gleichheit nicht infragestellen kann. Denn mit Gleichheit der Darstellungsmittel ist hier nur gemeint, daß in beiden Disziplinen Fachsprachen verwendet werden, welche natürliche, mit Fachlexik angereicherte Sprachen sind. Schließlich ist auch k 6 erfüllt, weil der Gegenstandsbereich der germanistischen Wörterbuchforschung im gleichen Sinne homogen ist wie der der gesamten Wörterbuchforschung. Damit ist dargelegt, daß sich die germanistische Wörterbuchforschung von der gesamten Wörterbuchforschung nur dadurch unterscheidet, daß gilt Κ ι (germ. WF) C K[(WF), und wurde weiterhin gezeigt, daß alle Kriterien aus M! sowie k 6 e M 2 gelten. Die germanistische Wörterbuchforschung ist damit eine Subdisziplin der Wörterbuchforschung. Es läßt sich nun folgende Veranschaulichung geben: Wörterbuchforschung
Abb. 1-11: Erste Veranschaulichung zu den Subdisziplinen der Wörterbuchforschung hinsichtlich der Komponente Κ,; „—(Κ)-*" bedeutet soviel wie ist eine Subdisziplin von hinsichtlich K,
1.4. Ist die Wörterbuchforschung eine wissenschaftliche Disziplin?
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Im folgenden soll exemplarisch gezeigt werden, daß - falls das Kriterium zur Bildung von Gegenstandsteilbereichen im Gegenstandsbereich der Wörterbuchforschung historische Einzelsprachen sind - die Gegenstandsteilbereiche der einzelsprachenbezogenen Subdisziplinen der Wörterbuchforschung hinsichtlich K] sich überlappen, so daß sich überlappende Subdisziplinen vorliegen. So gehört ζ. B. die zweisprachige Lexikographie Spanisch-Englisch/Englisch-Spanisch sowohl zum Gegenstandsteilbereich der hispanistischen als auch zu dem der anglistischen Wörterbuchforschung, und die zweisprachige Lexikographie Englisch-Deutsch/Deutsch-Englisch gehört sowohl zum Gegenstandsteilbereich der anglistischen als auch zu dem der germanistischen Wörterbuchforschung. Es gelten demnach die folgenden Beziehungen: K^hisp. WF) Π K,(angl. WF) = K,(hisp. WF Λ angl. WF) K^angl. WF) Π K,(germ. WF) = Κ,(angl. WF Λ germ. WF). Dies kann wie folgt veranschaulicht werden (vgl. Abb. 1-12; S. 108). Es wurde bereits oben darauf hingewiesen, es gäbe eine Reihe von Möglichkeiten, Subdisziplinen im wissenschaftstheoretischen Verständnis zu bilden, und es wurde betont, es ginge zunächst darum, solche Subdisziplinen zu entwickeln, die erwarten lassen, daß sie eine historische Entsprechung aufweisen. Für die bisher aufgewiesenen Subdisziplinen hinsichtlich K^ wie germ. WF, angl. W F usw. ist das der Fall. N u n ist jedoch gerade bei einer noch sehr jungen Disziplin wie der Wörterbuchforschung, welche - wie oben dargelegt wurde auf dem Wege ist, eine wissenschaftliche Disziplin zu werden, das theoretische Nachdenken über mögliche Subdisziplinen kein bloßes Gedankenspiel, das lediglich der Entfaltung einer Systematik dient, welche dem hier benutzten Ansatz inhärent ist. Vielmehr ermöglichen derartige Überlegungen unterschiedliche Einblicke in die Entwicklungsmöglichkeiten einer Disziplin, eröffnen Perspektiven auf mögliche zukünftige Aufgabengebiete, können die Beschränkungen des status quo offenlegen und können daher sicherlich insgesamt anregend sein. Betrachten wir also einige weitere Möglichkeiten hinsichtlich der Komponente K i , Subdisziplinen im wissenschaftstheoretischen Sinne zu entwickeln. Die entscheidende Frage ist hierbei, ob sich weitere Kriterien finden lassen, welche eine interessante, möglichst durchgehende Unterteilung des Gegenstandsbereiches der Wörterbuchforschung in Gegenstandsteilbereiche ermöglichen. Wie in WIEGAND (1984) gezeigt wird, läßt sich bei der wissenschaftlichen Sprachlexikographie die Textlexikographie (TextL) klar von der Sprachsystemlexikographie (SystemL) abgrenzen (vgl. auch WIEGAND 1994f). In ersterer werden Wörterbücher zu einem oder zu mehreren Texten erarbeitet, in letzterer Wörterbücher zu Sprachsystemen oder zu einem oder mehreren Ausschnitten aus solchen. Diese beiden Arten von Lexikographie unterscheiden sich sehr weitgehend (vgl. Tl. III). Dieser Unterschied im Gegenstandsbereich allein rechtfertigt das
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I 1. Sprachlexikographie und Wörterbuchforschung
Wörterbuchforschung
î9 ííispanistische Wörterbuchforschung
anglistische Wörterbuchforschung
germanistische Wörterbuchforschung
\ /
Lexikographie des Spanischen
Benutzung span. Wörterbücher
wiss. Metabereich zur Lexikographie des Spanischen und zur Benutzung span. Wörterbücher
nichtwissenschaftl. Metabereich zur Lexikographie des Spanischen und zur Benutzung span. Wörterbücher
zweisprachige Lexikographie (Span.-Engl./ Engl.-Span.) Benutzung zweispr. Wbb (Span.-Engl./ Engl.-Span.) wiss. Metabereich zur zweispr. Lexikographie (Span.-Engl./ Engl.-Span.) und zur Benutzung zweispr. Wbb
Lexikographie des Englischen
Benutzung engl. Wörterbücher
wiss. Metabereich zur Lexikographie des Englischen und zur Benutzung engl. Wörterbücher
zweisprachige Lexikographie (Engl.-Dt./ Dt.-Engl.) Benutzung zweispr. Wbb (Engl.-Dt./ Dt.-Engl.)
Lexikographie des Deutschen
wiss. Metabereich zur zweispr. Lexikographie (Engl.-Dt./ Dt.-Engl.) und zur Benutzung zweispr. Wbb
wiss. Metabereich zur Lexikographie des Deutschen und zur Benutzung dt. Wörterbücher
nichtwiss. nichtwissenschaftl. nichtwiss. Metabereich Metabereich Metabereich zur zur zweispr. zur zweispr. Lexikographie des Lexikographie Englischen und zur Lexikographie (Span.-Engl./ (Engl.-Dt./ Benutzung engl. Engl.-Span.) Dt.-Engl.) Wörterbücher und zur und zur Benutzung Benutzung , zweispr. Wbb, \ zweispr. Wbb -
GEGENSTANDSBEREICH DER HISP ANISTISCHEN WÖRTERBUCHFORSCHUNG
GEGENSTANDSBEREICH DER ANGLISTISCHEN WÖRTERBUCHFORSCHUNG
Benutzung dt. Wörterbücher
nichtwissenschaftl. Metabereich zur Lexikographie des Deutschen und zur Benutzung dt. Wörterbücher
GEGENSTANDSBEREICH DER GERMANISTISCHEN WÖRTERBUCHFORSCHUNG
Abb. 1-12: Zweite Veranschaulichung zu Subdisziplinen der Wörterbuchforschung hinsichtlich der Komponente K 1 ; die sich überlappen; „ — b e d e u t e t soviel wie ist eine Subdisziplin von hinsichtlich der Komponente K,\ „=>" bedeutet soviel wie hat als empirischen Gegenstandsbereich
1.4. Ist die Wörterbuchforschung eine wissenschaftliche Disziplin?
109
Nachdenken über zwei zugehörige Subdisziplinen. Nach den vorausgegangenen Unterscheidungen gelten: Ki(TextL) C K i ( W F ) K,(SystemL) C K,(WF).
Auch das Kriterium k 6 e M 2 ist erfüllt, da die beiden Subkomponenten von K|(WF) als homogen angesehen werden können. Weiterhin ist es ohne weiteres denkbar, daß - um nur ein weiteres Kriterium herauszugreifen — k 2 erfüllt sein könnte, denn es ist ebenso möglich wie sinnvoll, ζ. B. — eine Geschichte der Textwörterbücher zu schreiben (Perspektive i) — ihre Wörterbuchform zu untersuchen (Perspektive ii) — zu untersuchen, wie textlexikographische Prozesse zu organisieren sind (Perspektive iii) — Eigenschaften des Wörterbuchgegenstandes und dessen Beziehung zu den Texten zu untersuchen (Perspektive iv) — die Qualität der textlexikographischen Produkte zu prüfen (Perspektive v) — und nach dem Nutzen und der Benutzung von Textwörterbüchern aller Art zu fragen (Perspektive vi). Über die Bezeichnungen der beiden Subdisziplinen im wissenschaftstheoretischen Sinne sollen hier keine weiteren Überlegungen angestellt werden, vielmehr wird einfach von der Wörterbuchforschung zur Textlexikographie und von der Wörterbuchforschung zur Sprachsystemlexikographie gesprochen. Nach diesen Ausführungen kann folgende Veranschaulichung gegeben werden (vgl. Abb. 1-13; S. 110). Die Wörterbuchforschung zur Textlexikographie ζ. B. hätte die Aufgabe, auf der Basis der Untersuchung der textlexikographischen Prozesse und damit auch der Textwörterbücher eine generelle Theorie dieses Praxisausschnittes zu entwerfen. Eine besondere Erschwernis hierbei wäre sicherlich die Sprachenvielfalt im empirischen Gegenstandsbereich. Die dadurch bei der Forschung auftretenden Sprachbarrieren dürfen nicht unterschätzt werden. Man kann daher überlegen, ob man die auf die Textlexikographie bezogene Wörterbuchforschung nicht besser als Subdisziplin zu den einzelsprachbezogenen Subdisziplinen entwickelt, so daß sich dann Subdisziplinen im wissenschaftstheoretischen Sinne, wie ζ. B. germanistische Wörterbuchforschung zur Textlexikographie (= germ. WF/TextL), ergeben und folgende Beziehungen gelten: K,(germ. WF/TextL) Ç K,(germ. W F ) C K , ( W F )
Der Gegenstandsbereich der germanistischen Wörterbuchforschung zur Textlexikographie besteht aus folgenden vier Teilbereichen: — Textlexikographie des Deutschen — Benutzung von Textwörterbüchern des Deutschen
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I 1. Sprachlexikographie und Wörterbuchforschung
Wörterbuchforschung
zur Textlexikographie
Sprachsystemlexikographie
ΰ Textlexikographie
Sprachsystemlexikographie
Benutzung von Textwörterbüchern
Benutzung von Sprachsystemwörterbüchern
wissenschaftlicher und nichtwissenschaftlicher Metabereich zur Textlexikographie und Benutzung von Textwb.
wissenschaftlicher und nichtwissenschaftlicher Metabereich zur Sprachsystemlexikographie und Benutzung von Sprachsystemwb.
EMPIRISCHER GEGENSTANDSBEREICH Abb. 1-13: Dritte Veranschaulichung zu Subdisziplinen der Wörterbuchforschung hinsichtlich der Komponente K[j „—(ßj)-*" bedeutet soviel wie ist Subdisziplin von hinsichtlich K,; „=*•" bedeutet soviel wie hat als empirischen Gegenstandsbereich
-
wissenschaftlicher Metabereich zur Textlexikographie und zur Benutzung von Textwörterbüchern des Deutschen - nichtwissenschaftlicher Metabereich zur Textlexikographie des Deutschen und zur Benutzung von Textwörterbüchern. Die Aufgabe einer Subdisziplin „germanistische Wörterbuchforschung zur Textlexikographie" bestände nicht nur darin, zu einer generellen Theorie der Textlexikographie einen Beitrag zu leisten, sondern u. a. auch darin, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß ζ. B. ein großes Wörterbuch zur deutschen Sprache der Literatur entsteht oder daß ein Klassiker-Wörterbuch erarbeitet wird (vgl. W I E G A N D 1 9 8 9 ) oder daß ein PAUL CELAN Wörterbuch (vgl. WOLSKI 1 9 9 4 [ 9 5 ] ) oder ein Wörterbuch zu den philosophischen Schriften FRIEDRICH SCHILLERS entsteht (vgl. ROELCKE 1 9 9 4 [ 9 5 ] ) . Was soeben am Beispiel der germanistischen Wörterbuchforschung skizziert wurde, gilt mutatis mutandis für alle einzelsprachbezogenen Subdisziplinen. Entsprechend gilt ζ. B. für die russistische ( = russ.) Wörterbuchforschung: K,(russ. WF/TextL) Ç K,(russ. WF) Ç K,(WF).
Es ist klar, daß sich auf die gezeigte Weise ganz verschiedene Hierarchien von Subdisziplinen im wissenschaftstheoretischen Sinne entwickeln lassen. Einen kleinen Ausschnitt aus einer solchen Hierarchie findet man in der (Abb. 1 - 1 4 ) .
1.4. Ist die Wörterbuchforschung eine wissenschaftliche Disziplin?
111
Wörterbuchforschung
Abb. 1-14: Erste Veranschaulichung zu einem Ausschnitt aus einer Hierarchie von Subdisziplinen hinsichtlich der Komponente Kj; „ — b e d e u t e t soviel wie ist Subdisziplin von hinsichtlich K¡\ „ = • " bedeutet soviel wie hat als empirischen Gegenstandsbereich
Auch zur Subdisziplin im wissenschaftstheoretischen Sinne „germanistische Wörterbuchforschung zur Systemlexikographie" können weitere Subdisziplinen hinsichtlich Kq gebildet werden; als Kriterium kann man z. B. Varietäten nehmen. Dann ergeben sich z. B.: -
germanistische Wörterbuchforschung zur Dialektlexikographie ( = germ. WF/DialL) - germanistische Wörterbuchforschung zur Fachlexikographie ( = germ. WF/ FachL) - germanistische Wörterbuchforschung zur Standardsprachenlexikographie ( = germ. WF/StandL) Es gelten folgende Beziehungen: K,(germ. WF/DialL) C K,(germ. WF/SystemL) Ç K,(germ. WF) Ç K,(WF) K^germ. WF/FachL) Ç K,(germ. WF/SystemL) Ç K,(germ. WF) Ç K,(WF) K,(germ. WF/StandL) Ç K,(germ. WF/SystemL) Ç K,(germ. WF) C K,(WF).
Danach läßt sich für die germanistische Wörterbuchforschung folgende Hierarchie von Subdisziplinen im wissenschaftstheoretischen Sinne angeben (vgl. Abb. 1-15; S. 112). Fragt man, ob der angebenen Hierarchie von Subdisziplinen im wissenschaftstheoretischen Sinne eine entsprechende Ordnung in der akademischen Realität entspricht, muß eine negative Antwort gegeben werden, weil nicht alle dazu notwendigen Kriterien erfüllt sind. Vielmehr handelt es sich bei den Bereichen um verschiedene Subfelder von Studien innerhalb der germanistischen
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I I . Sprachlexikographie und Wörterbuchforschung
germ. WF
Abb. 1-15: Zweite Veranschaulichung zu einem Ausschnitt aus einer Hierarchie von Subdisziplinen hinsichtlich der K o m p o n e n t e K ^ „—(K¡)->·" bedeutet soviel wie ist Subdisziplin von hinsichtlich K¡; „ = • " bedeutet soviel wie hat als empirischen Gegenstandsbereich
Wörterbuchforschung. Sichtet man die einschlägige Literatur, dann ergibt sich erstens, daß sich ein relativ großer Teil der Titel zwanglos einem der vier Felder zuordnen läßt, und zweitens, daß es in allen Feldern wissenschaftliche Untersuchungen (im oben festgelegten Sinne) gibt. Die folgende Feststellung ist daher eine über die tatsächlichen Verhältnisse innerhalb der germanistischen Wörterbuchforschung Mitte der 90er Jahre: Bei der germanistischen Wörterbuchforschung zur Textlexikographie, zur Dialektlexikographie, zur Fachlexikographie und zur Standardsprachenlexikographie handelt es sich um wissenschaftliche Untersuchungsfelder der germanistischen Wörterbuchforschung hinsichtlich der Komponente „Gegenstandsbereich" (KO. Wissenschaftliche Untersuchungsfelder können sich zu Subdisziplinen und letztgenannte (über historische Zwischenstadien) zu wissenschaftlichen Subdisziplinen entwickeln. Ein weiteres interessantes Kriterium, das es erlaubt, K! in Untermengen zu zerlegen, ist der Datenträger, auf welchem die Endprodukte des lexikographischen Prozesses fixiert sind. Man kann diesem Kriterium eine binäre Ausprägungsstruktur zuschreiben, so daß man zunächst nur zwischen nichtelektronischen und elektronischen Datenträgern unterscheidet. Dieses Kriterium kann allerdings nur dann Verwendung finden, wenn (i) Prozesse, deren Endprodukte (also Maschinenwörterbücher aller Art) auf elektronischen Datenträgern fixiert sind, überhaupt als lexikographische Prozesse eingestuft werden und wenn - falls sie als lexikographische Prozesse angesehen
1.4. Ist die Wörterbuchforschung eine wissenschaftliche Disziplin?
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werden - (ii) entschieden ist, ob sie zum Gegenstandsbereich der Wörterbuchforschung gehören sollen oder nicht. Da beide Fragen bisher bewußt ausgeklammert wurden, um sie im größeren Zusammenhang behandeln zu können (vgl. 1.5.1. ff.), wird dort auch auf die Folgerungen eingegangen, welche sich ergeben, wenn man das genannte Kriterium anwendet.
1.4.2.2.2. Subdisziplinen hinsichtlich der Perspektiven In 1.4.2.1. wurde festgestellt, daß zur Wörterbuchforschung sechs Perspektiven gehören; K 2 ist mithin eine Menge von sechs Perspektiven (P). Zu jeder Perspektive kann eine Subdisziplin im wissenschaftstheoretischen Sinne wie folgt gebildet werden: P¡: Historische Wörterbuchforschung, PJ¡: Wörterbuchforschung zur Wörterbuchform, Piü : Forschung zur Organisation lexikographischer Prozesse, P iv : Wörterbuchforschung zum Wörterbuchgegenstand, P v : Kritische Wörterbuchforschung, P vi : Wörterbuchbenutzungsforschung. Fragt man, ob alle sechs Subdisziplinen in der heutigen akademischen Realität als ausgebaute Subdisziplinen eine Entsprechung haben, dann fällt die Antwort negativ aus. Beispielsweise gibt es zur Organisation lexikographischer Prozesse kaum ernst zu nehmende Untersuchungen. Gewisse Arbeiten erfahrener Chefredakteure oder Lexikographen über ihre Arbeit können als berufsbiographische Berichte eingestuft werden (vgl. z. B. LANDAU 1984, Kap. 6 „Dictionary Making", 226-271), aber nicht als wissenschaftliche Untersuchungen unter prozeßorganisatorischer Perspektive. Sie gehören zu den sekundären Quellen für eine Untersuchung der Organisation des lexikographischen Prozesses. Untersuchungen dieser Art können nicht allein mit genuin metalexikographischen Methoden erarbeitet werden; vielmehr müssen Methoden aus der Ökonomie und Soziologie herangezogen werden. Wir hatten gesehen, daß die Wörterbuchforschung insgesamt als eine Disziplin gelten kann, welche dabei ist, sich zu einer wissenschaftlichen Disziplin zu entwickeln. Es war weiterhin festgestellt worden, daß Disziplinen in diesem historischen Übergangsstadium als wissenschaftliche Forschungsfelder bezeichnet werden können. Natürlich wäre es falsch, wollte man folgern, jedes Subfeld von Studien eines wissenschaftlichen Forschungsfeldes sei damit notwendigerweise eine Subdisziplin, welche dabei ist, sich zu einer wissenschaftlichen Subdisziplin zu entwickeln. Dieser Schluß ist gerade nicht zwingend. So kann es durchaus sein, daß einige Subfelder von Studien eines wissenschaftlichen Forschungsfeldes als Subdisziplinen eingestuft werden können und andere nicht, weil es sich z. B. nur um Untersuchungsfelder handelt. Dies gilt auch relativ
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I I . Sprachlexikographie und Wörterbuchforschung
zu nur einer der fünf Komponenten. Da die jeweilige Einstufung verlangt, daß wenigstens ein großer Teil der vorgelegten Untersuchungen in einem Subfeld von Studien geprüft wird, wenn entschieden werden soll, ob die fünf Kriterien aus Mi und ein Kriterium aus M 2 gelten, und da dies zu verschiedenen Schwierigkeiten (ζ. B. zu solchen aufgrund von Sprachbarrieren) führen kann, empfiehlt es sich, einen Terminus einzuführen, welcher so definiert ist, d a ß die Frage, ob es sich um ein Subfeld von Studien oder um eine Subdisziplin handelt, offen bleibt. Als Ausdruck, der terminologisiert werden kann, eignet sich Forschungsgebiet. Ein Forschungsgebiet ist dann ein Teil einer Disziplin oder eines wissenschaftlichen Forschungsfeldes, welches entweder ein Subfeld von Studien oder eine Subdisziplin ist. Ein Forschungsgebiet in diesem Sinne ist demnach — was der Ausdruck Forschungsgebiet auch nahelegen könnte - kein Ausschnitt aus dem Gegenstandsbereich der Wörterbuchforschung. Nach meiner Kenntnis der metalexikographischen Literatur und unter Berücksichtigung der in 1.3.3. genannten Fragebereiche ist es aus verschiedenen Gründen zweckmäßig, wenn die Wörterbuchforschung hinsichtlich der Komponente K 2 , also hinsichtlich ihrer Perspektiven, in folgende vier Forschungsgebiete untergliedert wird: 1 8 — Wörterbuchbenutzungsforschung ( = W B F ) (Perspektive vi) — Systematische Wörterbuchforschung ( = SWF) (Perspektive ii, iii, iv) - Historische Wörterbuchforschung ( = H W F ) (Perspektive i) - Kritische Wörterbuchforschung ( = K W F ) (Perspektive v). Es gelten: K 2 (WBF) Ç K 2 (WF) K 2 (SWF) C K 2 (WF)
K 2 (HWF) Σ K 2 (WF) K 2 (KWF) Ç K 2 (WF).
Danach ergibt sich folgende Veranschaulichung (vgl. Abb. 1-16; S. 115). Die in (Abb. 1-16) veranschaulichte Untergliederung der Wörterbuchforschung kann mit der Untergliederung der Wörterbuchforschung in einzelsprachenbezogene Subdisziplinen kombiniert werden, weil auch Subdisziplinen Forschungsgebiete aufweisen können. Dies ist in (Abb. 1-17) veranschaulicht. Wenn es für irgendwelche Zwecke sinnvoll ist, kann man die Forschungsgebiete weiter ζ. B. in Untersuchungsfelder untergliedern. Man erhält dann
18 Zu jedem dieser Forschungsgebiete gibt es in diesem Buch einen eigenen Teil. Der Tl. II behandelt die Wörterbuchbenutzungsforschung. Die Teile III, IV und V (im 2. Teilband) behandeln die Systematische, Historische und Kritische Wörterbuchforschung.
1.4. Ist die Wörterbuchforschung eine wissenschaftliche Disziplin?
115
Wörterbuchforschung
K2
Wörterbuchbenutzungsforschung
1
K2
Systematische Wörterbuchforschung
K2
K2
Historische Wörterbuchforschung
Kritische Wörterbuchforschung
Abb. 1-16: Veranschaulichung zur Untergliederung der Wörterbuchforschung in Forschungsgebiete hinsichtlich der Komponente K 2 ; „—|K 2 [—bedeutet soviel wie ist Forschungsgebiet von hinsichtlich K2
Wörterbuchforschung
4 (andere; vgl. Abb. 1-11; S. 106)
K2
germ. Wörterbuchbenutzungsforschung
K2
Systematische germ. WF
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germ. WF
K2
Historische germ. WF
Kritische germ. WF
Abb. 1-17: Veranschaulichung der Untergliederung der Wörterbuchforschung und der germanistischen Wörterbuchforschung; „ — b e d e u t e t soviel wie ist Subdisziplin von hinsichtlich K¡; „—[kJ>" bedeutet soviel wie ist Forschungsgebiet von hinsichtlich K2
z. B.: Historische germanistische Wörterbuchforschung zur Dialektlexikographie oder germanistische Wörterbuchbenutzungsforschung zur Standardsprachenlexikographie.
1.4.2.2.3. Subdisziplinen hinsichtlich der Methoden Es war in 1.4.2.1. festgestellt worden, daß in der Wörterbuchforschung unterschiedliche Methoden angewandt werden. Die Anzahl der Methoden, welche für die Wörterbuchforschung spezifisch sind, ist jedoch eher gering. Auch kann nicht gesagt werden, daß die Wörterbuchforschung bereits ein besonders methodenbewußtes wissenschaftliches Forschungsfeld sei: Während die Entwicklung von Subdisziplinen im wissenschaftstheoretischen Sinne im Falle der Komponenten K! und K 2 interessante Perspektiven eröffnen kann, ist dies im
116
I 1. Sprachlexikographie und Wörterbuchforschung
Fall der Komponente K 3 weniger der Fall. Allerdings wäre eine quantitative Wörterbuchforschung, welche computerunterstützt arbeitet, vor allen Dingen statistische Methoden anwendet und die zentrale Aufgabe hätte, anhand von Wörterbüchern quantitative Aussagen über die Lexik von Einzelsprachen und Varietäten zu machen, und welche Größenklassen von Wörterbüchern berechnen könnte, ein sehr nützliches Subfeld von Studien hinsichtlich K 3 . Betrachtet man die vier Forschungsgebiete hinsichtlich K 2 , dann ist klar, daß die Wörterbuchbenutzungsforschung nicht nur als ein Forschungsgebiet hinsichtlich K 2 , sondern auch als ein solches hinsichtlich K 3 zu gelten hat. Denn ihre Methoden sind eine Untermenge der Menge der Methoden der Wörterbuchforschung, und darunter sind solche, welche für die Wörterbuchbenutzungsforschung spezifisch sind.
1.4.2.2.4. Subdisziplinen hinsichtlich des Wissenskorpus Will man Subdisziplinen im wissenschaftstheoretischen Sinne hinsichtlich K 4 so entwickeln, daß sie möglichst eine reale Entsprechung haben, ist es zweckmäßig, sich zunächst an die in 1.4.2.1. getroffene Feststellung zu erinnern, daß das Kriterium k ] 4 e M 3 nicht erfüllt ist: die Wörterbuchforschung verfügt derzeit noch nicht über eine einheitliche Theorie, welche einen größeren zusammenhängenden Ausschnitt aus dem Gegenstandsbereich erklärt. Sucht man nach einem Kriterium, anhand dessen die Komponente K 4 , das für die Wörterbuchforschung spezifische Wissen, in Untermengen zerlegt werden kann, wird man mithin nicht erwarten können, daß man ein theoriebezogenes Kriterium findet, welches K 4 durchgängig so in Teilbereiche gliedert, daß für diese ein Wirklichkeitsbezug gegeben ist. Ein Kriterium, das nicht auf eine metalexikographische Theorie bezogen ist, aber das Wissenskorpus durchgehend in Untermengen zerlegt, wäre die Zugehörigkeit des Wissens zu den einzelsprachenbezogenen Subdisziplinen hinsichtlich K p Dann gilt z. B.: K 4 (germ. WF) C K 4 (WF). Wenn die germanistische Wörterbuchforschung jedoch auch als Subdisziplin der Wörterbuchforschung hinsichtlich K 4 gelten soll, dann muß voraussetzungsgemäß nicht nur ihr spezifisches Wissenskorpus eine Untermenge des Wissenskorpus der Wörterbuchforschung sein, sondern in allen restlichen Komponenten müssen die germanistische Wörterbuchforschung und die Wörterbuchforschung gleich sein. Dies ist aber nicht der Fall, weil gilt: K t (germ. WF) Ç K ^ W F ) . Entsprechendes gilt für die anderen einzelsprachenbezogenen Subdisziplinen, so daß sich auf diesem Wege keine Subdisziplinen hinsichtlich K 4 im wissenschaftstheoretischen Sinne entwickeln lassen. Ein Kriterium, anhand dessen Subdisziplinen im wissenschaftstheoretischen Sinne hinsichtlich K 4 entwickelt werden können, die eine klare Entsprechung in der akademischen Wirklichkeit haben, läßt sich nicht angeben. Die Wörterbuchforschung Mitte der 90er Jahre weist keine Subdisziplinen hinsieht-
1.4. Ist die Wörterbuchforschung eine wissenschaftliche Disziplin?
117
lieh K 4 auf. Allenfalls lassen sich Tendenzen aufweisen, die erkennen lassen, daß Subfelder von Studien sich etablieren, welche eventuell zu Subdisziplinen hinsichtlich K 4 werden können. Beispielsweise gibt es eine Reihe von metalexikographischen Untersuchungen (vgl. Tl. III), in denen das Bemühen erkennbar ist, eine texttheoretisch fundierte Theorie des Wörterbuchs zu erarbeiten. Diese wäre dann ein Ausschnitt aus K 4 . Eine texttheoretische Wörterbuchforschung (text.WF) wäre erst dann eine Subdisziplin der Wörterbuchforschung, wenn nicht nur gelten würde K 4 (text.WF) Ç K 4 (WF), sondern, wenn der gesamte Gegenstandsbereich der Wörterbuchforschung berücksichtigt werden würde, wenn alle ihre Perspektiven zur Geltung kämen und alle ihre Methoden und Darstellungsmittel angewandt werden würden. Eine solche Entwicklung ist möglich, aber derzeit nicht abzusehen.
1.4.2.2.5. Subdisziplinen hinsichtlich der Darstellungsmittel In der derzeitigen Wörterbuchforschung existieren weder Subfelder von Studien hinsichtlich der Komponente K 5 noch Subdisziplinen. Zwar ist es denkbar und auch zu erwarten, daß in Zukunft metalexikographische Untersuchungen zunehmend formale Darstellungsmittel verwenden; die Entstehung einer formalen Wörterbuchforschung, die sich als Subdisziplin im wissenschaftstheoretischen Sinne ohne weiteres entwickeln läßt, als tatsächliche Subdisziplin ist m. E. derzeit kaum zu erwarten, es sei denn, man entschließt sich, alle Arten von Maschinenwörterbüchern zum Gegenstandsbereich der Wörterbuchforschung zu rechnen.
1.4.2.3. Der Gegenstandsbereich und die Forschungsgebiete der gegenwärtigen Wörterbuchforschung: eine erste Zusammenfassung Nach den Überlegungen in 1.3.2. und 1.4.2.2. ergibt sich: es ist ein Kennzeichen des gegenwärtigen Status der Wörterbuchforschung als wissenschaftliches Forschungsfeld, daß sie lediglich hinsichtlich ihres Gegenstandsbereiches (Ki) und/ oder hinsichtlich ihrer Perspektiven (K 2 ) so durchgehend in Forschungsgebiete (i. S. v. 1.4.2.2.2.) untergliedert werden kann, daß die Gliederungsergebnisse die historische Situation der Wörterbuchforschung darstellen. Im Anschluß an (Abb. 1-10; S. 78) und (Abb. 1-16; S. 115) kann daher die Gliederung der gegenwärtigen Wörterbuchforschung als wissenschaftliches Forschungsfeld in (Abb. 1-18; S. 118) in eine zusammenfassende Übersicht gebracht werden. 19 19 Die Durchnumerierung der Forschungsgebiete (I bis IV) hat keine inhaltliche Bedeutung und impliziert keine Relevanzordnung. Sie wurde beigegeben, damit die Verbindung zu früheren Arbeiten von mir leichter hergestellt werden kann (vgl. W I E G A N D 1984, 559f.) und damit man verständlich ζ. B. vom Forschungsgebiet II reden kann.
118
I I . Sprachlexikographie und Wörterbuchforschung Metalexikographie ' Î ' Wörterbuchforschung (als wissenschaftliches Forschungsfeld)
Lexikonforschung
K2
Wörterbuchbenutzungsforschung (Forschungsgebiet I) A
Metabereich zur Sprachlexikographie und Wörterbuchbenutzung
nichtwissenschaftlicher
Kritische Wörterbuchforschung (Forschungsgebiet II)
Wörterbuchbenutzung
Allbuchforschung
K2
K2
Historische Wörterbuchforschung (Forschungsgebiet III)
Systematische Wörterbuchforschung (Forschungsgebiet IV)
Sprachlexikographie (als Praxis)
nichtwissenschaftliche Sprachlexikographie (als kulturelle Praxis) wissenschaftlicher
wissenschaftliche Sprachlexikographie (als eigenständige kulturelle und wissenschaftliche Praxis)
ZENTRALER TEIL EMPIRISCHER GEGENSTANDSBEREICH DER WÖRTERBUCHFORSCHUNG Abb. 1-18: Veranschaulichung zum Gegenstandsbereich und zu den Forschungsgebieten der gegenwärtigen Wörterbuchforschung; „—•" bedeutet soviel wie ist ein Teil der, „—|K2[-»·" bedeutet soviel wie ist Forschungsgebiet von hinsichtlich K2; „ = • " bedeutet soviel wie hat als empirischen Gegenstandsbereich·, „ — b e d e u t e t soviel wie berücksichtigt Ergebnisse aus; vgl. W I E G A N D (1996b, 135)
1.4.2.4. Wörterbuchforschung als akademische Disziplin Die historisch gegebenen Disziplinen und wissenschaftlichen Disziplinen, wie sie an akademischen Institutionen wie Universitäten, Fachhochschulen und Akademien heutzutage tatsächlich anzutreffen sind, sind häufig weder Disziplinen noch wissenschaftliche Disziplinen im wissenschaftstheoretischen Sinne; dies hängt vor allem damit zusammen, daß sie auf berufliche Disziplinen abgestimmt werden müssen (vgl. POSNER 1988, 165 u. 179f.). Disziplinen, wie sie an akademischen Institutionen tatsächlich eingerichtet sind, heißen akademische
1.4. Ist die Wörterbuchforschung eine wissenschaftliche Disziplin?
119
Disziplinen', hierbei ist akademisch zu lesen wie zu einer höheren Lehrstätte gehörig (vgl. hierzu auch SINCLAIR 1984, 3). Ist die Wörterbuchforschung Mitte der 90er Jahre eine akademische Disziplin? Geht man dieser Frage nach, muß man zunächst genau zwischen der akademischen Existenz eines wissenschaftlichen Forschungsfeldes und seinem offiziellen Status als akademische Disziplin unterscheiden. Die Minimalvoraussetzung dafür, daß eine akademische Disziplin einen offiziellen Status hat, ist gegeben, wenn sie - auf der Basis eines geregelten akademischen Studiums - entweder allein oder im institutionell festgeschriebenen und abgesicherten Zusammenwirken mit einer oder mehreren anderen akademischen Disziplinen — über einen anerkannten akademischen Abschluß verfügt (ζ. B. den Magister-Abschluß in der Bundesrepublik Deutschland). Eine akademische Disziplin wird zur offiziell anerkannten, berufsausbildenden Disziplin, wenn sie, entweder allein oder in institutionell geregelter Zusammenarbeit mit anderen akademischen Disziplinen, über einen Abschluß verfügt, der — eventuell zusammen mit einer weiteren Qualifikation — als die staatlich anerkannte Qualifikation für die Ausübung eines akademischen Berufes oder mehrerer gilt (ζ. B. das 1. Staatsexamen in der Bundesrepublik Deutschland). Die genannten Regelungen in den einzelnen Staaten sind verschieden. Die Frage, ob die Wörterbuchforschung eine akademische Disziplin mit offiziellem Status ist, muß daher staatenspezifisch geprüft werden. Dies kann hier auf globaler Ebene nicht im Detail geschehen. Einige Hinweise seien jedoch gegeben. Nach GATES ( 1 9 8 9 , 9 6 ) kann nicht ausgeschlossen werden, daß die Wörterbuchforschung (unter dem Namen lexicography) an einigen Universitäten Nordamerikas einen offiziellen Status als akademische Disziplin hat. An der Telegu University in Hyderabad ist - nach ZGUSTA ( 1 9 8 8 , 6 2 ) - „for the first time in history" eine eigene Professur für Lexikographie eingerichtet. Eine weitere Professur für Lexikographie gibt es an der Wirtschaftsuniversität Arhus in Dänemark; sie wurde mit einem Schwerpunkt zur zweisprachigen Fachsprachenlexikographie ausgeschrieben; ihr derzeitiger Inhaber ist HENNING BERGENHOLTZ. In Frankreich (vgl. R E Y 1 9 8 6 ) , in Großbritannien (vgl. SINCLAIR 1 9 8 4 ; HARTMANN 1 9 8 6 ) und auch mit großer Wahrscheinlichkeit in allen anderen europäischen Staaten ist die Wörterbuchforschung keine akademische Disziplin mit offiziellem Status. Dies bedeutet natürlich nicht, daß es in den genannten Staaten keine akademischen Kurse für Lexikographen gegeben hat (z. B. die von R. R. K. HARTMANN organisierten; vgl. HARTMANN 1 9 9 2 od. der in Lille, der zu einem „Diplome Européen de Lexicographie" führt). Solche internationalen Kurse müssen allerdings von akademischen Lehrveranstaltungen, die ja nicht für Lexikographen, sondern für die eingeschriebenen Studierenden, und zwar meistens die der sprachwissenschaftlichen Disziplinen abgehalten werden, unterschieden werden. Während die Frage, ob die Wörterbuchforschung derzeit eine akademische Disziplin mit offiziellem Status ist, wohl für die allermeisten Staaten Europas
120
I 1. Sprachlexikographie und Wörterbuchforschung
verneint werden muß, muß umgekehrt die nach ihrer akademischen Existenz durchgehend bejaht werden. Die akademische Existenz zeigt sich darin, daß Lehrveranstaltungen, und zwar Seminare im Grund- und Hauptstudium sowie Vorlesungen über Lexikographie und Wörterbücher abgehalten werden; sie zeigt sich weiterhin darin, daß diejenigen Wissenschaftler, die sich für Lexikographie interessieren, ζ. T. zusammen mit Lexikographen ihre eigenen Kommunikationsmittel geschaffen haben (ζ. B. das internationale Jahrbuch „Lexicographica" und die angeschlossene Reihe „Lexicographica. Series Maior" oder die Zeitschrift „Dictionaries" in den USA, „International Journal of Lexicography" in Großbritannien, „Lexicographical Studies" in China, „Lexique" in Frankreich, „Lexikos" in Südafrika, „LexikoNordica" in Skandinavien u. „Revista de Lexicographia" als hispanistische Zeitschrift; vgl. auch B O U L A N G E R 1987); die akademische Existenz wird auch darin sichtbar, daß es internationale Organisationen gibt (z. B . A F R I L E X , DSNA und E U R A L E X ) und regelmäßige Tagungen (wie z. B. seit 1983 den EURALEX-Kongreß) sowie eigene Sektionen in großen Kongressen (z. B. beim IVG-Kongreß 1985 u. 1995) und spezifische kleinere Tagungen und Symposien (vgl. H A R T M A N N 1990; W I E G A N D 1981, 1982, 1983c, 1984d, 1984e und 1986a). Die Tatsache, daß die Wörterbuchforschung (meistens unter dem Namen Lexikographie bzw. entsprechender Wortäquivalente in anderen Sprachen) eine akademische Existenz hat, erlaubt eine weitere Ergänzung der in 1.2.7. gegebenen vorläufigen Statusbestimmung der Lexikographie: (XVI) Die Lexikograpie ist (in einem bestimmten Sinne) im Rahmen anderer akademischer Disziplinen Lehr- und Forschungsgegenstand (vgl. weiter XVII; S. 133). Um etwas eingehender zu zeigen, wie die Existenz der Wörterbuchforschung in der akademischen Lehre an den Universitäten und Hochschulen in einem Teil des deutschen Sprachgebietes während eines bestimmten Zeitraumes sich darstellt, wird in (Abb. 1-19; S. 121-127) eine Tabelle zu Lehrveranstaltungsankündigungen gegeben. Die Ubersicht in (Abb. 1-19) ist wie folgt entstanden: Für die Zeit vom Sommersemester 1981 bis zum Wintersemester 1985/86 wurden die im Institut für deutsche Sprache erarbeiteten zehn Bände ausgewertet (vgl. DSL 1981-DSL 1984/85 u. DSG/A 1985, 1986), in welchen - auf der Basis der entsprechenden Vorlesungsverzeichnisse — alle Lehrveranstaltungsankündigungen an den Universitäten und Hochschulen der Bundesrepublik Deutschland, Österreichs und der Schweiz aufgenommen wurden, die zur allgemeinen und germanistischen Linguistik zählen, sowie weiterhin solche aus anderen Philologien, deren Fragestellungen erkennbar von allgemeinem Interesse sind. Bei den gewählten Selektionsverfahren der Dokumentationsbände ist daher für die zehn Semester vom SS 81 bis WS 85/86 nicht sichergestellt, daß alle Lehrveranstaltungsankündigungen zur Lexikographie erfaßt sind. Für die Zeit vom Sommersemester 1986 bis zum Sommersemester 1990 wurden die Vorlesungsverzeichnisse direkt ausgewertet, so daß für die acht Semester im letzteren Zeitraum alle Lehrveranstaltungsankündigungen zur Lexikogra-
121
1.4. Ist die Wörterbuchforschung eine wissenschaftliche Disziplin?
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Für die erste Version der Off-line-Erfassung sei festgelegt: Die Bedingungen sind so, daß die Datenerfassung und -eingäbe über Lochstreifen erfolgen muß. Da ohnehin alle Fragebogen Antwort für Antwort überprüft werden müssen und da viele handschriftliche Antworten außerordentlich schwer lesbar sind, wird zunächst jeder Urbeleg in einen Erfassungsbeleg überführt; es wird also
188
I 1. Sprachlexikographie und Wörterbuchforschung
eine Belegaufbereitung durchgeführt, und zwar werden alle brauchbaren Antworten maschinenschriftlich in einen leeren Fragebogen übertragen. Dann wird ein Korrekturgang durchgeführt. Danach ist die Phase der Erfassungsvorbereitung abgeschlossen. Anschließend werden mit Hilfe eines Lochstreifenstanzers - eines Datenerfassungsgerätes, welches in der Mitte der 60er Jahre besonders verbreitet war - durch Bedienung der zugehörigen Tastatur und unter Anwendung einer der üblichen Lochstreifencodes die maschinenlesbaren Lochstreifen hergestellt. In dieser maschinenunterstützten Umsetzung der Daten von einem beschrifteten und vom Menschen und damit visuell lesbaren Datenträger auf einen gelochten (oder: gestanzten), nur von bestimmten Maschinen (nichtvisuell) lesbaren Datenträger besteht die Datenerfassung in der ersten Version der Off-line-Erfassung. Der erstellte Lochstreifen dient in der anschließenden Phase der Dateneingabe (hier also der der Lochstreifen-Eingabe) als Eingabedatenträger. Dieser wird vom Lochstreifenleser (nichtvisuell) gelesen i. S. v. fotoelektrisch abgetastet, d. h. hier, daß Fotozellen den Wechsel der Lichtenergie (Lochung, keine Lochung) in elektrische Spannungssignale umwandeln. Der Codierer im Lochstreifenleser setzt die Daten erneut um, und zwar in einen internen computerlesbaren Code (ζ. B. den EBCDIC-Code). In dieser Form gelangen sie dann (eventuell über einen Puffer oder direkt) in den Arbeitsspeicher und von dort in einen externen Speicher zur dauerhaften Aufbewahrung. Im folgenden wollen wir - ohne Berücksichtigung von technischen Details - betrachten, wie die Rechnerdatei beschaffen ist, in welcher die Daten der 800 Fragebogen gespeichert sind. Dazu nehmen wir für die erste Version der Off-line-Erfassung an, daß die Fragebogen die in der (Abb. 1-27; S. 189) wiedergegebene allgemeine Form aufweisen. Die Erfassungsvorschriften waren derart, daß die Daten in folgender Reihenfolge abgelocht wurden: - Fragebogen-Nr. (= FB-Nr.) - Sachgruppen-Nr. (= SG-Nr.) - Frage-Nr. (= F-Nr.)
- Antwort (= A) - Belegort (= B) - Altersgruppe (= AG).
Die Ablochung nach diesen Erfassungsvorschriften ermöglicht, daß leicht eine formatierte Datei mit Datensätzen fester Länge aufgebaut werden kann, welche aus 6 Datenfeldern besteht. Unter der Voraussetzung, daß alle Gewährsleute alle Fragen beantwortet haben, ergeben sich 256000 (= 800 X 320) Datensätze. Hätte man die computerexterne Fragebogendatei (in der Phase der Materialaufbereitung i. S. v. 1.5.1.3.) von Hand nach Verzettelungsvorschriften verzettelt, welche den Erfassungsvorschriften entsprechen, hätte man also 256 000 Zettel (ζ. B. von DIN A6-Größe) schreiben müssen, die ζ. B. in 256 Karteikästen à 1000 Zettel, geordnet nach Fragebogen-Nr., hätten stehen können. Ein informelles Abbild der computerisierten Datei nach der Dateneingabe findet sich in (Abb. 1-28; S. 190).
1.5. Computer, wissenschaftliche Lexikographie und Wörterbuchforschung
189
FRAGEBOGEN: DIALEKTWÖRTERBUCH ... Name ... Altersgruppe ...
Fragebogennr. ...
Belegort ... SACHGRUPPE Frage Frage
SG, F,
SACHGRUPPE
SGi
Frage
FJ
SACHGRUPPE
SGH
Frage
F320
F2
(Antwort X)) (Antwort x2)
(Antwort Xj)
(Antwort X320)
Abb. 1-27: Allgemeine Form des Fragebogens im Beispiel (B 1-6) für die erste Version der Off-lineErfassung
Die in (Abb. 1-28; S. 190) wiedergegebene computerisierte Fragebogendatei ist ein Element einer computerisierten lexikographischen Ausgangsdatei für das Beispiel (B 1-6; S. 180). Im folgenden betrachten wir die zweite Version der OfT-line-Erfassung für die Daten der Fragebogendatei. Die geltenden Bedingungen sind so, daß ein Magnetplattenerfassungsgerät zur Datenerfassung verwendet werden muß. Dabei handelt es sich um eines der älteren Modelle, welches nicht mit einem optischen Belegleser gekoppelt werden kann, was bedeutet, daß die Fragebogendaten durch die Bedienung einer Eingabetastatur in das Erfassungsgerät übertragen werden. Wie in der ersten, so wird auch in der zweiten Version zunächst ein Erfassungsbeleg hergestellt. Mit einem direkt anschließenden Korrekturgang wird die Phase der Datenerfassungsvorbereitung abgeschlossen. Danach werden alle 800 Erfassungsbelege zusammen mit den Erfassungsvorschriften, die denen in der ersten Version entsprechen, an eine Datenerfassungsfirma geschickt, welche die Dateien als Auftragsarbeit professionell herstellt. Von dieser Firma erhält die Wörterbuchwerkstatt des Dialektwörterbuches mehrere Disketten, auf welchen die Fragebogendaten in einer Datei gemäß (Abb. 1-28) gespeichert sind. Auch die Magnetdisketten gelten wie die Lochstreifen als sog. Zwischendatenträger. Sie sind jedoch - im Unterschied zum Lochstreifen - zugleich externe Speicher, da sie an die Zentraleinheit
190
I 1. Sprachlexikographie und Wörterbuchforschung
FB-Nr.
F.-Nr.
A
1
1
muk kern
1
2
pennen
800
320
Schiere
t
t
t
FragebogenNr.-Feld
FrageNr.-Feld
Antwortfeld
FB-NR.
Β
AG
F.-Nr.
SG-Nr.
1
Oberurff
4
1
1
800
Haina
2
320
14
t
t
Fragebogen- BelegortNr.-Feld feld
t Altersgruppenfeld
} Datensatz
computerisierte • Datei (Fragebogen-Datei)
t FrageNr.-Feld
t SachgruppenNr.-Feld
Abb. 1-28: Informelle Darstellung des Aufbaus einer formatierten Datei: computerisierte Fragebogendatei für (B 1-6); [ | - einfacher oder komplexer Ordnungsbegriff (Schlüssel)
unmittelbar anschließbar sind. Daher ist hier mit der Datenträgerübergabe an die Wörterbuchwerkstatt die Fragebogendatei computerisiert, da die gespeicherten Daten verarbeitungsbereit vorliegen. Wie die vorstehende Charakterisierung der beiden Versionen der Off-lineErfassung zeigt, ist die dreigeteilte Phase der Computerisierung bei der Offline-Methode außerordentlich arbeitsintensiv und fehleranfállig. Dies gilt auch für die zweite Version, in welcher nur die Bedienung des Lochstreifenlesers wegfällt. Allerdings gilt grundsätzlich: Selbst wenn durch die OfT-line-Erfassung relativ viel Zeit verbraucht wird, wird diese - verglichen mit dem lexikographischen Prozeß ohne Computereinsatz - in der Phase der Datenaufbereitung wieder eingespart, und insgesamt spart man auch bei der Anwendung der OfT-line-Erfassung Zeit. In einem modern organisierten, computerunterstützten lexikographischen Prozeß wird man versuchen, möglichst viele Daten on-line zu erfassen. Bevor wir zwei Versionen der On-line-Erfassung kurz betrachten, sei darauf hingewiesen, daß diese relativ häufig mit der sog. direkten Datenerfassung verwechselt wird (Z. B. in SCHULZE 1988, 154). Für die On-line-Erfassung ist charakteristisch, daß die Datenerfassung mit der Dateneingabe zusammenfällt.
1.5. Computer, wissenschaftliche Lexikographie und Wörterbuchforschung
191
Daher spricht man auch von Direkteingabe (vgl. ζ. B . JAMIN/BRENNEIS 1 9 8 8 , 130). Für die direkte Datenerfassung ist dagegen charakteristisch, daß die Urbelege als maschinenlesbare Datenträger erstellt werden. Letzteres wäre - um nur eine der zahlreichen Möglichkeiten zu nennen - ζ. B. dann der Fall, wenn der Fragebogen in der DIN-genormten OCR-B-Schrift (vgl. DIN 6 6 0 0 9 ) geschrieben wäre und von den Gewährsleuten verlangt würde, sie sollten ihre Antworten mit einer Schreibmaschine in den Fragebogen eintippen, welche diese Schrift aufweist. Natürlich wäre eine solche Datenbeschaffungsstrategie zum Scheitern verurteilt. Im folgenden betrachten wir zwei Versionen der On-line-Erfassung für die Daten der Fragebogendatei. Für die dritte Version sind die Bedingungen so, daß die Datenerfassung mit einem modernen Blattleser zu erfolgen hat. Dieser Blattleser ist ein Klarschriftleser und kann mehrere Schreibmaschinenschriften (z. B. OCR-B, Courier 12 u. a.), sowie genormte Handschrift (ζ. B. Handschrift in Versalien wie PENNEN) lesen. Die Dokumentengröße kann gewählt werden (ζ. B. DIN A4). Der Blattleser liest eine DIN A4 Seite Fließtext in ca. 15 Sekunden und wandelt die gelesenen Zeichen in einen binären Code um. Er kann über eine genormte V.24/.28-Schnittstelle an einen Rechner angeschlossen werden. 22 Der Blattleser kann die 800 verschiedenen Handschriften nicht lesen. Daher müssen auch in der dritten Version Erfassungsbelege hergestellt werden, die in einem Korrekturgang überprüft werden müssen, so daß es auch hier eine Phase der Erfassungsvorbereitung gibt. In der Wörterbuchwerkstatt hat man sich rechtzeitig mit den Eigenschaften des Blattlesers vertraut gemacht und den Fragebogen, der mit einem Textverarbeitungsprogramm hergestellt wurde, entsprechend präpariert. Da man die Fragen nicht einlesen will, sind sie mit Rückweisungsmarkierungen versehen; unter jeder Frage steht eine Folge von Ziffern und Buchstaben, welche aus drei Gruppen besteht, ζ. B. 127.1 Ob 4. In der ersten Zifferngruppe steht die Fragebogen-Nr. (127), gefolgt von einem Punkt und der Frage-Nr. (.1). Die Buchstabengruppe ist eine Belegortsigle (Ob = Oberurff). Darauf folgt die Ziffer für die Altersgruppe ( = 4 ) . Hinter den Fragen und hinter der gerade beschriebenen alphanumerischen Kette sind die Zeilen frei. In die erste freie Teilzeile wird von den Gewährspersonen die handschriftliche Antwort geschrieben. Darunter wird in der Wörterbuchwerkstatt diese Antwort in maschinenschriftlicher Form (ζ. B. mukkern) geschrieben. Der Blattleser liest dann im Erfassungsbeleg nur ζ. B. die Zeile „127.1 Ob 4 mukkern" und dann die nächste Zeile „127.2 Ob 4 pennen" usw. Alle Zeilen mit den Fragen und den handschriftlichen Antworten weist er zurück. Auf diese Weise gelangen alle Daten der Fragebogen in einer formatierten Form in den 22 Nachfolgend gehe ich davon aus, daß Blattleser selektiv einlesen können, d. h. auf eine Rückweismarkierung reagieren, auch wenn die bisher gängigen das noch nicht ausreichend differenziert „können".
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I 1. Sprachlexikographie und Wörterbuchforschung
Rechner, so daß eine computerisierte Datei schnell aufgebaut ist. Man sieht, daß man die Erfassungsvorbereitung vereinfachen kann, wenn man zu Beginn der Datenbeschaffung weiß, wie alle beschafften Daten erfaßt werden sollen. Dennoch ist die Erfassungsvorbereitung nach Eingang der ausgefüllten Fragebogen auch hier relativ arbeitsintensiv. Jeder Fragebogen besteht aus 10 D I N A4-Seiten und auf jeder Seite sind 32 Fragen. Bei 800 Fragebogen sind das 8000 D I N A4-Seiten (also ζ. B. 16 Leitzordner zu je 500 beantworteten Fragebogenseiten). Auf jeder D I N A4-Seite sind höchstens 32 Antworten (meistens aus einem Wort bestehend) in die freie Teilzeile zu tippen. In einer Arbeitsstunde können 1,5 Fragebogen bearbeitet werden, so daß man also für die Überführung der Urbelege in die Erfassungsbelege ca. 445 Arbeitsstunden benötigt. Mit dem Korrekturgang muß man ca. 4 Monate für die Phase der Erfassungsvorbereitung rechnen. Die Phase der Datenerfassung und Dateneingabe dauert dagegen höchstens zwei volle Arbeitstage. Schließlich sei als letztes die vierte Version für die Erfassung der Fragebogendaten kurz charakterisiert. Die Daten werden an einer Datensichtstation (Terminal) eingegeben, und zwar in der Reihenfolge, wie sie in der (Abb. 1-27; S. 189) dargestellt sind. Die Tastatur der Datensichtstation ist Erfassungs- und Eingabegerät zugleich. Nach Auslösung einer Taste des Eingabegerätes können die eingegebenen Daten auf dem Bildschirm visuell kontrolliert und gegebenenfalls korrigiert werden, bevor sie vom Arbeitsspeicher der Zentraleinheit in einen externen Speicher übertragen werden. Eine weitere (unbedingt notwendige) Korrektur kann anhand eines Ausdrucks gelesen werden. Da man bei einer Fragebogenaktion für ein Dialektwörterbuch schwerlich erreichen kann, daß die Gewährsleute unmittelbar maschinenlesbare Urbelege erstellen und daher die Benutzung von Lesegeräten nicht zur direkten Datenerfassung führt, sondern die relativ aufwendige Erstellung eines Erfassungsbelegs notwendig wird, ist die direkte Dateneingabe an einer Datensichtstation (Terminal) wohl derzeit die geeignetste Art, um die Daten der Fragebogendatei zu erfassen. In (Abb. 1-29; S. 193) werden die vier behandelten Versionen der Erfassung der Fragebogendaten vergleichend veranschaulicht. Nachdem wir nun am Beispiel der Fragebogendatei des Beispiels (B 1-6) vier Möglichkeiten der Überführung von computerexternen Dateien der lexikographischen Ausgangsdatei in Rechnerdateien ohne Berücksichtigung geräte- und programmtechnischer Details erörtert haben, sei noch kurz auf einige sinnvolle Möglichkeiten eingegangen, wie die anderen in (Abb. 1-25; S. 183) wiedergegebenen computerexternen in Computerdateien überführt werden können. Anders als bei der Behandlung der Fragebogendatei wird dabei ausschließlich die neueste Geräteentwicklung zugrunde gelegt. Die in der Phase der Datenbeschaffung übernommene Zwischendatei des Regionalwörterbuchs (vgl. iv) wird direkt über ein Terminal eingegeben. Auf jeder Karteikarte dieser Zwischendatei steht im Karteikartenkopf das normalisierte Lemmazeichen. Im Karteikartenfeld stehen wenigstens ein Beleg und eine
1.5. C o m p u t e r , w i s s e n s c h a f t l i c h e L e x i k o g r a p h i e u n d W ö r t e r b u c h f o r s c h u n g
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1.5. Computer, wissenschaftliche Lexikographie und Wörterbuchforschung
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223
224
I 1. Sprachlexikographie und Wörterbuchforschung
tar kein Filler vorgesehen ist. Nach Auslösung von Ki wird die 7. Artikelposition freigegeben, die Pragmatikposition. Im Fenster erscheint als Legende für diese Position: (BAsb):
LZTs7: 7. Pragmatikp.
Prüfe, ob pragmat. Angaben erforderlich sind! Vgl. Wbi, Wb2. Wenn ja: Markierungsprädikate aus der Liste in § 10 IB auswählen! Wenn nein: *7.1. # Lekos kann sich die Liste der Markierungsprädikate (welche solche Prädikate wie abwertend, umgangssprachlich, Medizin usw. und die zugehörigen Abkürzungen enthält) ansehen, oder er kann sie sich auch auf den Bildschirm holen. Im vorliegenden Fall verzichtet er allerdings darauf, die Liste einzusehen, weil er weiß, daß die für Lohn erforderliche Markierung „standardsprachlich" dadurch erfolgt, daß eine entsprechende Angabe nicht gemacht wird. Er befolgt daher die Vorschrift 7.1. und gibt „0" und danach Ki ein, wodurch die 8. Position zur Bearbeitung freigegeben wird, also die für die Bedeutungsparaphrasenangabe. Zur Unterstützung bei der Formulierung der Bedeutungsparaphrasenangabe bietet MSG im Fenster den Text in (Abb. 1-39) an. LZTs7: 8. BPA; mindestens zwei Wortformen! (a) BPA des VoWb mit WBi-Wb4 vergleichen und Hyperonyme aufbewahren! (b) Erste vorläufige lexikalische Paraphrase so formulieren, daß sie ein Hyperonym zum Lemmazeichen enthält! (falls nicht möglich, vgl. (i)). (c) Hyperonymenprüfung vornehmen! (ci) Prüfen, in welcher BPA des VoWb das gewählte Hyperonym vorkommt; ggf.: Lemmazeichen für 9. u. 10. Artikelp. aufbewahren! (C2) BPA zum gewählten Hyperonym in Wbi-WB 4 überprüfen! (C3) Ggf.: anderes Hyperonym wählen! (d) Zweite vorläufige lexikalische Paraphrase formulieren! Wurde bei (d) ein neues Hyperonym gewählt, (c) erneut ausführen! (e) Lexikalische Paraphrase mit Belegen konfrontieren! (f) Bei Interpretationsproblemen auf die Primärquellen zurückgehen! (g) Endgültige lexikalische Paraphrase formulieren! (h) Von dieser zur BPA übergehen! (hi) Wo nötig, BIK oder BIK-Variable setzen, (lu) zugelassene Angabeklassen 8.1. BPA 8.2. BP2A Erweiterungen der Angaben um BezB, BezSp und BIK sind zugelassen; vgl. IB § 15 (i) Falls (b) nicht möglich ist, IB 16 konsultieren! Abb. 1-39: Bildschirmausgabe BA10b zur Unterstützung der Formulierung der Bedeutungsparaphrasenangabe. Abkürzungen: BIK = Bedeutungsidentifizierungskennzeichnung; BezB = Bezugsobjektbeispiel; BezSp = Bezugsbereichspezifizierung (vgl. Wiegand 1991 u. Ή. III)
1.5. Computer, wissenschaftliche Lexikographie und Wörterbuchforschung
225
Im folgenden betrachten wir, wie Lekos die Aufforderungen (a) bis (h), die sich im Fenstertext in (Abb. 1-39; S. 224) finden, ausführt. Die Bedeutungsparaphrasenangabe im Vorgängerwörterbuch (VoWb) lautet: BPA(Vowb): Entgelt für in einer bestimmten Zeit geleistete Arbeit
In den Vergleichswörterbüchern sind die Bedeutungsparaphrasenangaben ähnlich, aber anders formuliert; ähnlich sind sie vor allem deswegen, weil in allen das Syntagma für geleistete Arbeit auftritt. Auffälligerweise werden in den fünf zu vergleichenden Bedeutungsparaphrasenangaben vier verschiedene Hyperonyme zu Lohn verwendet, nämlich: Entgelt, Bezahlung (vgl. E l-16a; S. 216), Bezüge und Vergütung. Dieser Vergleich veranlaßt Lekos (ohne daß er hierzu eine „Operation" angeben könnte), die Aufforderung (b) so auszuführen, daß er folgende vorläufige lexikalische Paraphrase (LP) formuliert. LPt>: Bezahlung für in einer bestimmten Zeit geleistete Arbeit
Auf der Basis von LPb führt er nun die in der Fensterausgabe BAiob in (Abb. 1 - 3 9 ; S. 224) unter (c) geforderte Hyperonymenprüfung durch, und zwar benutzt er hierzu die Wörterbuchbank und stellt eine Frage vom Fragetyp (4), nämlich: In welchen Bedeutungsparaphrasenangaben kommt die Wortform Bezahlung vor? Da die gemeldete Anzahl der BPA(vowb) relativ groß ist, läßt er sich eine (relativ umfangreiche) Liste ausdrucken, die nachfolgend in einem Ausschnitt mitgeteilt wird. Gage: Gehalt: Honorar: Sold:
Bezahlung der Einzelleistung eines Künstlers regelmäßige monatliche Bezahlung der Beamten und Angestellten Bezahlung, die Angehörige der freien Berufe (z. B. Ärzte, Rechtsanwälte, Schriftsteller) für einzelne Leistungen erhalten [monatliche] Bezahlung der Wehrdienst leistenden Soldaten
Als nächstes überprüft Lekos gemäß (C2) die vier Bedeutungsparaphrasenangaben zu Bezahlung in den Vergleichswörterbüchern. Insbesondere die folgende Bedeutungsparaphrasenangabe: Geldsumme, die jemandem für das, was er dafür empfangen hat, gegeben wird
veranlaßt ihn, in der LPb Bezahlung durch die pluralische Form Bezüge zu ersetzen, weil er erkennt, daß Bezüge ein Hyponym zu Bezahlung und ein Hyperonym zu Lohn ist; es ergibt sich daher folgende neue Bedeutungsparaphrasenangabe: LPd: Bezüge für in einer bestimmten Zeit geleistete Arbeit
Anschließend nimmt Lekos die Hyperonymenprüfung für Bezüge vor. Hierbei ergeben sich keine Gesichtspunkte, die ihn zur Änderung der LPd veranlassen könnten. Er folgt daher nun der Aufforderung (c) und überprüft zunächst, ob
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I 1. Sprachlexikographie und Wörterbuchforschung
der Gebrauch von Lohn in den Belegen, welche als Kandidaten für Belegbeispielangaben im ersten semantischen Subkommentar gelten, mittels der LPd angemessen paraphrasiert wird. Dabei treten nun gleich mehrere Belege auf, welche Lekos zwingen, die LPd zu ändern. Anhand zweier Belege sei dies demonstriert. Der Beleg Nr. 19 lautet: Der Lohn für die Heimarbeit wurde nicht nach der Arbeitszeit berechnet; vielmehr erhielten die Frauen Stücklohn (Qu 201, 17).
Da Stücklohn ein lexikalisches Hyponym zu Lohn ist, so daß jeder Stücklohn ein Lohn ist, ist sofort offensichtlich, daß die Bezugnahme auf die Zeit in der LPd nicht korrekt ist. Lekos entschließt sich daher, in dieser den Teil in einer bestimmten Zeit zu tilgen, so daß sich ergibt: LPe: Bezüge für geleistete Arbeit
Der Beleg Nr. 38 lautet: Man sollte die Bezahlung, die den Schwarzarbeitern zugesteckt wird, nicht 'Lohn' nennen, eben weil sie keine Steuern zahlen (Qu 201, 19).
Bei diesem Beleg wird Lekos unsicher, und da die Belege 19 und 38 aus der gleichen Primärquelle Qu 201 stammen, holt er diese aus der Hauptdatei I der computerexternen lexikographischen Ausgangsdatei (vgl. Abb. 1-35; S. 211). Bei der Lektüre von Qu 201 stellt er fest, daß beide Belege aus einem Interview mit einem gewerkschaftlichen Fachmann für Lohnfragen stammen. Mehrere Textstellen veranlassen ihn nun, in zwei Fachwörterbüchern, welche er aus der Hauptdatei II der Ausgangsdatei holt, die Artikel s. v. Lohn zu lesen. Da auch mehrere Belege dafür sprechen, entschließt sich nun Lekos für folgende endgültige lexikalische Paraphrase: LPg: Bezüge eines Arbeiters für geleistete Arbeit aufgrund eines Arbeitsverhältnisses
Dann geht Lekos, gemäß der Aufforderung (h) in der Fensterausgabe, von der lexikalischen Paraphrase LP g zur Bedeutungsparaphrasenangabe für die 8. Artikelposition dadurch über, daß er zwei Bedeutungsidentifizierungskennzeichnungen (BIK) setzt, und zwar eine hinter Bezüge und eine hinter Arbeit, so daß sich ergibt: BPA: Bezüge (3) eines Arbeiters für geleistete Arbeit (4) aufgrund eines Arbeitsverhältnisses
Die Bedeutungsidentifizierungskennzeichnungen entnimmt Lekos den Artikeln s. v. Bezug und s. v. Arbeit im bereits erschienenen ersten Band des Wörterbuches, welches im lexikographischen Prozeß P2 erarbeitet wird. Dort bilden die gleichen Ziffern die Polysemieangaben. Wären in der BPA Ausdrücke aufgetreten, welche erst in die (noch nicht bearbeitete) Lemmareihe nach L eingeordnet
1.5. Computer, wissenschaftliche Lexikographie und Wörterbuchforschung
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werden, hätte er BIK-Variablen setzen müssen, die dann später entweder durch BIK ersetzt oder getilgt worden wären. Nachdem Lekos die BPA eingegeben und Ki ausgelöst hat, wird die zweite semantische Artikelposition, die Position „9. Synonymangabe" zur Bearbeitung freigegeben. Bevor wir betrachten, wie Lekos diese bearbeitet, sei kurz darüber nachgedacht, worin die Unterstützung besteht, die MSG bei der Formulierung der BPA anbietet. LENDERS schreibt: (Z 1-72; LENDERS 1990, 213f.) „[...] der zentrale Schritt der Wörterbucherstellung, die Beschreibung der Wortbedeutung, ist nach wie vor Sache des Lexikographen. Kein Computer kann dem Menschen die Definition eines Begriffes, die Zuordnung einer Bedeutung zu einem Wort, abnehmen."
Man kann (Z 1-72) zwar durchaus uneingeschränkt zustimmen, denn daß die BPA schließlich so lautet, wie oben dargelegt, ist das Ergebnis zahlreicher Interpretationsakte von Lekos- Ein gut ausgestattetes Lexikographiesystem kann jedoch die Wissensgrundlage, auf deren Basis solche Interpretationsakte jeweils erfolgen, erheblich verbessern. Wer lexikalische Paraphrasen zu einer Lexikeinheit formulieren will, benötigt einen onomasiologischen Orientierungsrahmen, also einen engeren Ausschnitt aus dem lexikalsemantischen Netz, zu der diese Lexikeinheit gehört (vgl. schon WIEGAND 1977). Erfahrungsgemäß liefert das menschliche Gedächtnis auf Anforderung solche Netzteile nur unzureichend. Wie wir gesehen haben, kann eine Wörterbuchdatenbank solche Textausschnitte liefern, aus welchen der Lexikograph kompetenzgestützt netzimmanente Ausdrücke ermitteln kann, welche nur durch wenige Knoten von der zu beschreibenden Lexikeinheit (hier Lohn) entfernt ist. Eine gut ausgestattete lexikographische Datenbank (die nicht nur eine einzige Wörterbuchbank haben sollte) liefert daher schneller und sicherer eine Liste von Kandidaten für Prädikate, die in lexikalische Paraphrasen gehören könnten, als das Gedächtnis des Lexikographen und die Handlungen vom Typ EIN WÖRTERBUCH BENUTZEN (vgl. Tl. II). Schließlich ist die methodische Führung, die ein Lexikograph durch MSG jeweils relativ zu einer Artikelposition über die Fensterausgabe erhält, nicht zu unterschätzen. Die in der dritten Fensterausgabe BAiob (vgl. Abb. 1-39) für die Bearbeitung der 8. Artikelposition in Kurzform wiedergegebene offene lexikographische Beschreibungsmethode kann ohne den Einsatz des Computers nicht erfolgreich angewandt werden. Wollte man beispielsweise die Aufforderung (ci) aus der letzten Fensterausgabe BAiob gewissenhaft ausführen, müßte man das gesamte Vorgängerwörterbuch daraufhin durchsehen, ob in einer Bedeutungsparaphrasenangabe die Wortform Bezahlung auftritt. Im folgenden betrachten wir, wie Lekos die 9. Position (SynA) bearbeitet. Für deren Bearbeitung erhält Lekos die Fensterausgabe in (Abb. l-39a):
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I 1. Sprachlexikographie und Wörterbuchforschung
LZTS7: 8. SynA" (n > 1) (a) Aus dem VoWb, W3, W4 und den kumulativen Synwbi —Synwb3 die Synonymenkandidaten zu einer Liste Li zusammenstellen und die Liste für Position 10 aufbewahren! (b) Testi gemäß IB § 17 anwenden und zu einer Liste L2 übergehen! (c) Alle BPA des VoWb zu den Synonymenk. aus L2 überprüfen! (d) Ggf. von L2 zu einer Liste L3 übergehen! (e) Zu den Synonymenk. aus L3 (oder L2) die BPA aus W2 und W4 überprüfen! (f) Synonyme vorläufig festlegen! (g) Diese mit den Belegen konfrontieren! (h) Synonyme endgültig festlegen! (hi) Wo nötig, BIK oder BIK-Variable setzen! (I12) Zugelassene Angabeklassen: 9.1. SynA" (n > 1) Nur Erweiterungen um BIK sind zugelassen, z. B.: SynA(BIK). Abb. l-39a: Bildschirmausgabe BA u b zur Bearbeitung der Synonym(en)angabe(n)
Nachdem Lekos der Aufforderung (a) aus BAub gefolgt ist, verfügt er über folgende Liste Li: Zahlung, Belohnung, Entgelt, Gage, Sold, Besoldung, Vergütung, Bezahlung, Einkommen, Entlohnung, Arbeitslohn, Löhnung, Sold Der in der Aufforderung (b) erwähnte Test aus dem § 17 des Instruktionsbuches beinhaltet mehrere Schritte. Im ersten Schritt ist kompetenzgestützt zu entscheiden, ob man in die Satzformen SFi Jedeljederljed.es χ ist ein y und jedesljederljede
y ist ein χ
mit „x" als Variable für Lemmazeichen und „y" als Variable für Synonymenkandidaten, das zu bearbeitende LZ und ein Element aus Li so einsetzen kann, daß ein Satz entsteht, der als wahr gelten kann. Beispielsweise ergibt sich durch Einsetzung von Lohn und Zahlung: (1) Jeder Lohn ist eine Zahlung
und jede Zahlung
ist ein Lohn.
Das zweite Konjunkt in (1) ist sicher falsch, so daß auch (1) falsch ist. Das Paar (Lohn, Zahlung) ist daher kein Element der Relation der lexikalischen Synonymie. Die Testanweisung im Instruktionsbuch besagt weiterhin, daß bei der Betrachtung der Sätze, die aus SFi durch Einsetzungsoperationen hervorgehen, Belege für die Synonymenkandidaten zu prüfen sind. Die Bearbeitung der Liste Li führt dazu, daß Lekos zu folgender Liste übergeht: Entlohnung, Arbeitslohn. Gemäß der Aufforderung (c) überprüft er sodann die Bedeutungsparaphrasenangaben für Arbeitslohn und Entlohnung, indem er an die Wörterbuchbank eine Frage vom Typ (11) richtet. Er enthält daraufhin folgende BPA:
1.5. Computer, wissenschaftliche Lexikographie und Wörterbuchforschung
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(a) der Lohn für Arbeits- und Dienstleistungen (b) a) das Entlohnen, b) Lohn Danach behält Lekos die Liste L2 bei. Auch die Überprüfung der BPA aus W3 und W4 sowie die Konfrontation mit den Belegen gemäß (g) in BAub gibt keinen Anlaß, L2 zu ändern, so daß damit die endgültigen Synonyme festliegen und Lekos die 9. Artikelposition mit einem Filier nach der Filiervorschrift SynA < SynA (BIA), welche nach (I12) erzeugt werden kann, füllen kann. Er gibt also die Vor-Angabe „Arbeitslohn Entlohnung (2)" ein. An dieser Stelle sei die Beschreibung der Arbeit von Lekos am Artikel Lohn abgebrochen, da im Prinzip klar sein dürfte, wie die Interaktion mit MSG abläuft und da es auf Details sowie deren Beschreibung im vorliegenden Zusammenhang nicht ankommt. Zusammenfassend läßt sich feststellen: Auch wenn in der Phase der Datenauswertung standardisierte Wörterbuchartikel am Bildschirm verfaßt werden - sei es nun auf die Art, wie im Beispiel (B 1-7), oder sei es auf eine ähnliche andere Art (vgl. ζ. B. KAMMERER 1994) - folgt der Lexikograph dem Prinzip der lexikographischen Textkonstitutionierung (vgl. WIEGAND 1984). Die für das jeweilige Wörterbuch geltenden Prinzipien bewirken, daß bei der Erarbeitung von Wörterbuchartikeln eine Reihe von Aufgaben besteht, und zwar gilt: Pro Artikelposition hat der Bearbeiter eine lexikographische Aufgabe zu lösen, ζ. B. die Aufgabe, den Textabschnitt für die Morphologieposition zu formulieren. Um diese Aufgaben zu lösen, wird ihm für jede Artikelposition eine lemmazeichentypspezifische offene lexikographische Beschreibungsmethode in einer verkürzten Form als Fensterausgabe angeboten. Die ausführliche Methodenbeschreibung findet sich im Instruktionsbuch. Die verkürzten Methoden bestehen aus Aufforderungen, bestimmte lexikographische Handlungen auszuführen, und aus Filiervorschriften für die Artikelpositionen (die Slots). Die erfolgreiche Anwendung der Methoden führt zu Filiera; diese sind Ketten von elementaren Angaben, die zu bestimmten Klassen von Angaben mit gleichem, allgemeinen genuinen Zweck gehören. Die Filier kann man entweder pro Artikelposition eingeben, oder aber es werden zunächst alle Felder eines ausgedruckten Artikelformulars ausgefüllt und dann der so geschriebene Artikel geschlossen am Terminal eingegeben. Ist ein Artikel fertiggestellt, wird er in der Ergebnisbank abgelegt. Das computerunterstützte Schreiben eines Artikels besteht dann darin, daß nacheinander mehrere Aufgaben in einem gesteuerten Dialog dadurch gelöst werden, daß die im Fenster ausgegebenen Methoden positionsspezifisch angewandt werden, wobei auch die Text- und die Wörterbuchbank benutzt werden. In (Abb. 1-40; S. 230f.) wird eine zusammenfassende Veranschaulichung gegeben. Während der Phase der Computerisierung (vgl. 1.5.2.3.3.) und insbesondere der der Datenaufbereitung (vgl. 1.5.2.3.4.) Handlungstypen zugeordnet sind, zu denen Handlungen gehören, deren erfolgreiche Ausführung ein Wissen
230
I 1. Sprachlexikographie und Wörterbuchforschung ca o Ν O Λ ιωΉ— α>H t Ό U g Í-8 I ω 3 3, ~ ωω λo .s3ä « a Ο υ 2 3 C O 2 'C Ι.& S -s #2 te c I8 ¿3aα 3 cJ C tiÖ ο STu3·"! Q ε s 0 OU α& 6 II
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I 1. Sprachlexikographie und Wörterbuchforschung
in angewandter Informatik verlangt, gilt letzteres für die Phase der Datenauswertung weniger. Erforderlich ist lediglich eine angelernte und routinemäßige Praxis mit dem Terminal unter der Bedingung einer bestimmten Software. Einem großen Teil der Handlungstypen, zu denen genuin lexikographische Handlungen gehören, welche in der Praxis der Materialauswertung des lexikographischen Prozesses ohne Computereinsatz ausgeführt werden (vgl. Abb. 1-21; S. 151), entsprechen Handlungstypen, welche der Phase der Datenauswertung im computerunterstützten lexikographischen Prozeß zuzuordnen sind. Daß sich die Handlungen entsprechen, zeigt sich am Handlungsergebnis. Die Ergebnisse einer Handlung vom Typ EINEN WÖRTERBUCHARTIKEL FORMULIEREN und einer Handlung vom Typ EINEN WÖRTERBUCHARTIKEL COMPUTERUNTERSTÜTZT FORMULIEREN können gleich sein. Die Computerunterstützung wirkt sich vor allem darin aus, daß die Handlungsausführung anders geschieht. Anders gesagt heißt dies: im Ausführungsbereich ζ. B. einer Handlung vom Typ EINEN FORMKOMMENTAR FORMULIEREN liegen andere Handlungen als im Ausführungsbereich einer Handlung vom Typ EINEN FORMKOMMENTAR COMPUTERUNTERSTÜTZT FORMULIEREN. Das Handlungsergebnis, der hingeschriebene bzw. ausgedruckte Formkommentar, kann jedoch in allen wesentlichen inhaltlichen Aspekten gleich sein. Die Verantwortung für die Inhalte eines Wörterbuchartikels verbleibt auch im computerunterstützten lexikographischen Prozeß vollständig beim Lexikographen. Die Inhalte sind das Ergebnis von Analysen und Interpretationen, welche jeweils vor oder während des Formulierungsprozesses stattfinden. Ein gutes Lexikographiesystem kann die Voraussetzungen für angemessene Analysen und Interpretationen quantitativ und qualitativ verbessern. Die Verantwortung für die Einhaltung des Artikelformates kann an ein Computerprogramm abgetreten werden. Bei anspruchsvollen Wörterbüchern bedeutet dies eine Entlastung für den Lexikographen. Wie im einzelnen der lexikographische Arbeitsplatz auch ausgestattet sein mag, es gilt: Das Schreiben von Wörterbuchartikeln mit Unterstützung von Computern ist traditionelle Lexikographie mit Unterstützung eines modernen technischen Mediums. Dies zeigt sich systematisch auch darin, daß die Bezeichnungen für Handlungstypen, die der Phase der Materialauswertung zugeordnet werden können, nur durch das Prädikat COMPUTERUNTERSTÜTZT erweitert werden müssen, um die Bezeichnungen für diejenigen Handlungstypen zu erhalten, die der Phase der Datenauswertung zugeordnet werden können. Man vergleiche die folgenden Bezeichnungen für Handlungstypen mit denen in (Abb. 1-21; S. 151). - EINEN WÖRTERBUCHARTIKEL COMPUTERUNTERSTÜTZT SCHREIBEN - EINEN FORMKOMMENTAR COMPUTERUNTERSTÜTZT SCHREIBEN - EINEN SEMANTISCHEN KOMMENTAR COMPUTERUNTERSTÜTZT SCHREIBEN
1.5. Computer, wissenschaftliche Lexikographie und Wörterbuchforschung
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-
EINE B E D E U T U N G S P A R A P H R A S E N A N G A B E COMPUTERUNTERSTÜTZT FORMULIEREN usw.
Im computerunterstützten lexikographischen Prozeß ist eine Prozeßphase, die der Phase der Satz- und Druckvorbereitung im lexikographischen Prozeß ohne Computereinsatz entspricht, nicht obligatorisch. Entsprechende Handlungstypen sind - je nach konkreten Bedingungen verschieden - entweder den vorangehenden Prozeßphasen zuzuordnen, oder dem technischen Herstellungsprozeß, der auf den computerunterstützten lexikographischen Prozeß folgt. Die Betrachtung des computerunterstützten lexikographischen Prozesses ist daher mit der Behandlung der Phase der Datenauswertung abgeschlossen.
1.5.2.3.6. Übersichten zum computerunterstützten lexikographischen Prozeß Im Abschnitt 1.5.1.6. wurden Übersichten zum lexikographischen Prozeß ohne Computereinsatz gegeben, um die generellen Ausführungen zu diesem Prozeßtyp in einer Veranschaulichung zusammenzufassen. Entsprechend wird in diesem Abschnitt verfahren. Dadurch wird der Vergleich erleichtert (vgl. Abb. 1-41 ; S. 234 u. Abb. 1-42; S. 236f.).
1.5.2.3.7. Lexikographische Tätigkeiten im computerunterstützten lexikographischen Prozeß: Bemerkungen zu den Kenntnisvoraussetzungen In diesem Abschnitt soll auf die in 1.5. gestellte Ausgangsfrage, welche lexikographischen Handlungen vom Computereinsatz im computerunterstützten lexikographischen Prozeß wie betroffen sind, so eingegangen werden, daß die in Abschnitt 1.5.2. (und seinen Unterabschnitten) anhand von Beispielen implizit gegebenen Einzelantworten erstens zu generelleren und expliziten Antworten zusammengefaßt werden und daß zweitens - auch im Anschluß an 1.4.2.4. allgemeine Hinweise auf die erforderlichen Kenntnisse erfolgen, die zur Handlungsausführung benötigt werden. Dabei werden nur lexikographische Prozesse betrachtet, bei welchen in der Vorbereitungsphase der Computereinsatz Teil der Planung ist, so daß also Fälle, wie der in 1.5.2.1. dargestellte, nachfolgend nicht mehr berücksichtigt werden. Wie die Ausführungen in 1.5.2.3.-1.5.2.3.6., so beziehen sich auch die in diesem Abschnitt nur auf solche computerunterstützte lexikographische Prozesse, in welchen größere Wörterbücher so erarbeitet werden, daß in allen Prozeßphasen ein in der Vorbereitungsphase geplanter Computereinsatz erfolgt. Wir betrachten zunächst die Vorbereitungsphase. Im Vergleich mit dem lexikographischen Prozeß ohne Computereinsatz gestalten sich Handlungen vom Typ EINE WÖRTERBUCHKONZEPTION ERARBEITEN im computerun-
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I 1. Sprachlexikographie und Wörterbuchforschung
Abb. 1-41: Erste Veranschaulichung zum (vorgängig geplanten) computerunterstützten lexikographischen Prozeß; „ " bedeutet soviel wie ist ein Subfeld von; „ = = • " bedeutet soviel wie hat als Ergebnis·, „ — [ T ) - > " bedeutet soviel wie legt den Rahmen fest für; „—|T|->" bedeutet soviel wie bestimmt die Ausführung von; „—[3a)->" bedeutet soviel wie wird
(partiell oder vollständig) computerisiert zur; „—|3b|->' iiedeutet soviel wie wird außereitet
zu; „—Q->"
bedeutet soviel wie wird ausgewertet
für
1.5. Computer, wissenschaftliche Lexikographie und Wörterbuchforschung
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terstützten lexikographischen Prozeß insofern gänzlich anders, als ihre erfolgreiche Ausführung ohne gründliche Kenntnisse in angewandter Informatik deswegen nicht möglich ist, weil fast alle Handlungen, die zu Handlungstypen gehören, welche im Ausführungsbereich des Handlungstyps EINE WÖRTERBUCHKONZEPTION ERARBEITEN liegen, verschiedene und zunehmend speziellere Kenntnisse in angewandter Informatik verlangen. Der optimale Fall liegt vor, wenn der leitende Lexikograph oder wenigstens einer aus dem Leitungsteam über diese Kenntnisse selber verfügt; andernfalls muß die Kompetenz eines Informatikers in Anspruch genommen werden, was zu Kommunikationsschwierigkeiten der verschiedensten Art führen kann. Es wurde gerade festgestellt, daß fast alle Planungshandlungen vom Computereinsatz tangiert werden. Hierbei sind mindestens zwei Fälle zu unterscheiden. Einmal kann das Wissen, welche Möglichkeiten der Computereinsatz mit sich bringt, die Planung so beeinflussen, daß die Qualität des geplanten Wörterbuches zunimmt. So kann - um nur ein Beispiel anzuführen - beim Ausführen einer Handlung vom Typ EINE TEXTUELLE RAHMENSTRUKTUR ENTWERFEN das Wissen, daß bestimmte Arten von Registern durch den Einsatz von Computern leichter zu erstellen sind, dazu führen, daß eine - relativ zu den Wörterbuchzwecken — gehaltvollere Rahmenstruktur entworfen wird als ohne dieses Wissen. Zum anderen kann die Kenntnis der Möglichkeiten des Computereinsatzes dazu führen, daß die erwünschte Qualität des geplanten Wörterbuches nicht erreicht wird. Beispielsweise kann bei der Ausführung einer Handlung vom Typ DAS SYSTEM DER DATENERFASSUNG FÜR DIE PRIMÄRDATEN FESTLEGEN das Wissen von den Möglichkeiten der zum Einsatz vorgesehenen Lesemaschine dazu führen, daß schriftliche Quellen, welche nicht direkt eingelesen werden können, aus der Wörterbuchbasis ausgeschlossen werden, so daß die technischen Realisierungsmöglichkeiten und nicht das philologisch Notwendige die Handlungsvollzüge bestimmen. Die beiden Fälle zeigen, daß die technischen Möglichkeiten die Qualität des Produktes mitbestimmen können. Wir wenden uns nun der Phase der Datenbeschaffung zu. Bei der Datenerhebung sind die Einsatzmöglichkeiten von Computern (derzeit noch) beschränkt. Selbst wenn hier die Möglichkeiten sich in Zukunft vergrößern, es werden viele Handlungstypen, welche dieser Phase zuzuordnen sind, vom Computereinsatz unberührt bleiben. Beispiele sind Handlungen, die zu den Typen POTENTIELLE PRIMÄRQUELLEN IDENTIFIZIEREN UND KRITERIEN FÜR DIE PRIMÄRQUELLENAUSWAHL ERARBEITEN gehören. Zur Ausführung dieser Handlungen gehört eine philologisch und linguistisch fundierte lexikographische Kompetenz, welche kaum an einen Computer delegierbar ist. Eine neue Möglichkeit der lexikographischen Datenbeschaffung ist die On-line-Übernahme. Um Handlungen vom Typ LEXIKOGRAPHISCHE DATEN ON-LINE ÜBERNEHMEN erfolgreich ausführen zu können, ist - neben einem normalen Computerbedienungs-Know-how, das man ζ. B. in einem
236
I 1. Sprachlexikographie u n d Wörterbuchforschung
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Ζ w Λ St« ω< ω oi s Q βί , ω£ÖwΖ Η eü co in ? tu * Ζ οζ" für Grapheme zu verwenden, verwende ich es in dieser Arbeit als Kennzeichnung für Buchstaben und Buchstabenfolgen.
3.3. Eine Theorie zur empirischen Erforschung von Benutzungshandlungen
327
Antworten auf Suchfragen sind keine extraindividuellen Entitäten, welche (in einem substantiellen Sinne) ein Teil des Teiltextes mit Leitelementträger des benutzten Wörterbuchexemplars sind, so daß man sie einfach vorfindet. Es sind vielmehr kognitive Entitäten, die — in Übereinstimmung mit den Ausführungen in 1.5.2.2. - anhand von Textdaten durch deren Bearbeitung erarbeitet werden müssen. Man kann daher von internen Datenbearbeitungshandlungen oder auch von internen Informationserarbeitungshandlungen sprechen. Der Handlungstypennamen für das Familienoberhaupt der HT-4-Familie, also für den vollständig generischen Handlungstyp HT-4, lautet wie folgt: ANHAND DER LEXIKOGRAPHISCHEN DATEN EINES TEILTEXTES (oder: TEXTTEILS) MIT EINEM LEITELEMENTTRÄGER IN EINEM WÖRTERBUCH EINE ANTWORT ERARBEITEN. Die Variante des Handlungstypennamens mit „TEXTTEILS" bezieht sich auf die finalalphabetischen Wörterbücher (vgl. 3.3.4.1.2.), da es aus texttheoretischer Perspektive als plausibler gelten muß, die Lemmata eines finalalphabetischen Wörterbuches nicht als Teiltexte, sondern lediglich als Textteile aufzufassen (vgl. Tl. III). HT-4 ist also so generisch angesetzt, daß Spezifizierungen hinsichtlich aller Wörterbuchtypen möglich sind. 19 Der vollständig generische Handlungstyp, welcher im unmittelbaren Ausführungsbereich von HT-4 liegt, muß also entsprechend generisch angesetzt werden. Betrachtet man diejenigen Benutzungshandlungen, die im unmittelbaren Ausführungsbereich von internen Datenbearbeitungshandlungen liegen und sieht dabei von allen — durch die wörterbuchtypspezifischen Eigenschaften des benutzten Wörterbuchexemplars bedingten - Ausführungsalternativen ab, dann ergibt sich (auf der Basis entsprechender Handlungsbeschreibungen) ein vollständig generischer Handlungstyp HT-4a, der durch folgenden vollständigen Namen faßbar wird: ANHAND GEFUNDENER LEXIKOGRAPHISCHER DATEN EINES TEILTEXTES (oder: TEXTTEILS) MIT EINEM LEITELEMENTTRÄGER INFORMATIONEN ERSCHLIESSEN. Die Benutzungshandlungen, welche zu den Handlungstypen aus der HT-4a-Familie gehören, sollen interne Informationserschließungshandlungen heißen. Diese liegen also im unmittelbaren Ausführungsbereich der internen Informationserarbeitungshandlungen und dürfen nicht mit diesen verwechselt werden. Die Unterscheidung dieser beiden Benutzungshandlungen gründet in der Auffassung, daß die wäh19 Auch die Ausführung von internen Datenbearbeitungshandlungen kann individuell relativ unterschiedlich ausfallen, und auch bei der Beschreibung von Handlungsalternativen im unmittelbaren Ausführungsbereich von Handlungen, die zu Handlungstypen aus der HT-4-Familie gehören, stößt man wieder an die Grenze, an der Handlungsbeschreibungen in Beschreibungen von „kognitiven Operationen" übergehen; vgl. Anm. 13. - Handlungstheoretisch betrachtet, geschieht das Bearbeiten von Daten oder das Erarbeiten von Informationen dadurch, daß Schlußprozesse ausgeführt werden, so daß die Handlungen, die zu Handlungstypen aus der HT-4a-Familie gehören, Informationserschließungshandlungen heißen. Natürlich wird hier mit einer handlungstheoretischen Sprache stärker kondensiert als mit einer kognitionspsychologischen.
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II 3. Handlungstheoretische Grundlegung der Wörterbuchbenutzungsforschung
rend des suchenden Lesens vollzogenen (nur ζ. T. bewußtseinsfahigen) Prozesse als Inferenzprozesse (Φ logische Schlußprozesse) beschrieben werden können. Das Erarbeiten einer Antwort (i. S. v. Handlungen der HT-4-Familie) ist ein Prozeß, dessen Komplexitätsgrad wesentlich von der Textstruktur des jeweiligen Teiltextes mit einem Leitelementträger, insbesondere der des jeweiligen Wörterbuchartikels, abhängt und damit auch ζ. T. vom Wörterbuchtyp (vgl. Tl. III). Im Falle von Wörterbuchartikeln ist der Komplexitätsgrad genau berechenbar, und er kann sehr gering sein, wie ζ. B. bei manchen monoinformativen Wörterbüchern oder auch bei manchen nichtstandardisierten Wörterbüchern aus dem Bereich der nichtwissenschaftlichen Lexikographie (ζ. B . BIERCE 1 9 8 4 , BÖS-DEUTSCH 1 9 8 6 u n d JUBEL-DEUTSCH 1 9 8 6 , BRUNO 1 9 9 1 , R Ö H L 1 9 9 1 ,
1992). Er kann aber auch relativ hoch sein, ζ. B. bei der Erarbeitung von Antworten aus längeren Artikeln des F W B oder solchen aus SANDERS (1969). Der höhere Komplexitätsgrad kann aber nur relativ zu bestimmten Wörterbuchtypen berücksichtigt und einsichtig dargestellt werden, so daß also bei der Definition des vollständig generischen Handlungstyps HT-4 nur folgende Regel berücksichtigt werden soll: {HT-4} —• {HT-4a}. Der Handlungstyp HT-4 wird daher wie folgt definiert: FETZER
(D 3-11: interne Datenbearbeitungshandlung h τ HT-4) Eine interne Datenbearbeitungshandlung, die zum vollständig generischen Handlungstyp ANHAND DER LEXIKOGRAPHISCHEN DATEN EINES TEILTEXTES (oder: TEXTTEILES) MIT EINEM LEITELEMENTTRÄGER IN EINEM WÖRTERBUCH EINE ANTWORT ERARBEITEN gehört, ist eine Benutzungshandlung, die dadurch ausgeführt wird, daß anhand lexikographischer Daten eines Teiltextes (oder: Textteiles) mit einem Leitelementträger Informationen erschlossen werden ({HT-4}—• {HT-4a}; vgl. auch D 3-11.1, 11.2 u. 11.3; S. 329, 334, 335). Nach ( N G K 3 - 2 ; S. 315ff.) hat der generische Handlungstyp HT-4* den vollständigen Namen: ANHAND DER LEXIKOGRAPHISCHEN DATEN EINES WÖRTERBUCHARTIKELS EINE ANTWORT ERARBEITEN. (NGK 3-4: ΗΤ-4-Famìlie: interne Datenbearbeitungshandlungen/Informationserarbeitungshandlungen) Hinter der Handlungstypennummer „4" können entweder hinter einem senkrechten Strich „|" Kennummern für Typen von Teiltexten mit einem Leitelementträger (ζ. B. für Registertypen oder Artikeltypen wie Einzeilenartikel u. a.) stehen, oder es folgen direkt hinter der Typennummer oder hinter „4*" Abkürzungen wie ζ. Β. KA für Kurzartikel (HT-4*KA).
Im folgenden seien wörterbuchtypenspezifische Betrachtungen eingeschoben, und zwar mit dem Ziel zu zeigen, wie und weshalb die Berücksichtigung von Wörterbuchtypen sich auf den unmittelbaren Ausführungsbereich von generischen Handlungstypen aus der HT-4-Familie auswirkt. Der dadurch sichtbar werdende Ausschnitt aus dem Handlungsmustersystem, das HT-4 konstituiert, bleibt allerdings im folgenden Abschnitt noch sehr schmal (vgl. weitergehend 3.3.4.).
3.3. Eine Theorie zur empirischen Erforschung von Benutzungshandlungen
329
3.3.3.4.1.4. Gezielte interne Suchhandlungen, interne Datenauswahlhandlungen und direkte Informationserschließungshandlungen Zu den in der Abschnittsüberschrift genannten Klassen von Benutzungshandlungen gehören Handlungen, welche zu Handlungstypen gehören, die im unmittelbaren Ausführungsbereich von Handlungstypen der HT-4-Familie liegen. Die Benutzung poly informa ti ver, standardisierter Wörterbücher (wie z. B. DUDEN-DUW, BW, W D G , HWDG, COLLINS 1980, CHULD 1 9 8 7 u n d LANG.-FR.-
DT. 1985) spielt in der Benutzungsforschung eine hervorragende Rolle; daher definiere ich zunächst Handlungen vom Typ HT-4*.6, gebe also eine Definition relativ zu diesem Wörterbuchtyp, und zwar wie folgt: ( D 3-11.1: h τ HT-4*.6) Eine Handlung v o m Typ A N H A N D DER LEXIKOGRAPHISCHEN DATEN EINES WÖRTERBUCHARTIKELS EINES POLYINFORMATIVEN STANDARDISIERTEN WÖRTERBUCHES (= WB-6) EINE ANTWORT ERARBEITEN ist eine interne Datenbearbeitungshandlung, die dadurch ausgeführt wird, daß in einem Wörterbuchartikel gezielt nach lexikographischen Daten gesucht wird ({HT-4*.6}—• {HT-4a*.6}; vgl. auch D 3-11.2 u. 11.3; S. 334, S. 335).
Das Erarbeiten einer Antwort i. S. v. HT-4*.6 gehört zu den Prozessen mit höherem Komplexitätsgrad, die bisher m. W. empirisch nicht gründlich untersucht wurden. Für polyinformative, standardisierte Wörterbücher gilt generell dies: Das Erarbeiten der gesuchten Antwort (in Wörterbuchartikeln, die keine Kurzartikel sind, bzw. anhand von lexikographischen Daten, die nicht zu den lemmanahen Angaben gehören) wird stets zunächst dadurch ausgeführt, daß Daten artikelintern gesucht werden, so daß also interne Suchhandlungen ausgeführt werden. Dieses gezielte Suchen ist zum einen Teil ein - durch Zugriffshilfen vorgängig gesteuertes - suchendes Lesen, das nicht mit dem auf den Textinhalt zielenden, fortlaufenden Lesen (dem sog. verstehenden Lesen) verwechselt werden darf, weil es dabei vor allem um die Erkennung von Instanzen von Zeichengestalten geht. Das suchende Lesen, das — abhängig von der Benutzererfahrung - mehr oder weniger schnell vollzogen wird, geschieht auf der Basis mehr oder weniger genauer Kenntnisse des Aufbaus der Wörterbuchartikel (vor allem der inneren Zugriffsstruktur (en), vgl. WIEGAND 1989b, 393 u. 1996 sowie Tl. III), die — je nach Benutzertyp (i. S. v. 3.3.7.) und damit in Abhängigkeit von den Wörterbuchkenntnissen des jeweiligen Benutzers-in-actu (i. S. v. D 3-31; S. 501) — das gezielte Suchen bis zu textuellen Artikelpositionen oder größeren Texteinheiten des Wörterbuchartikels (wie ζ. B. Postkommentaren i. S. V. WIEGAND 1989d) ermöglichen; zum anderen Teil geschieht daraufhin das gezielte Suchen dadurch, daß aus dem positionsinternen Datenangebot oder aus dem größerer Texteinheiten Daten, relativ zu Suchfragen, verstehensbasiert ausgewählt werden, wobei das suchende Lesen in „richtiges" Lesen
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II 3. Handlungstheoretische Grundlegung der Wörterbuchbenutzungsforschung
übergeht und Daten gefunden werden. 20 Wie empirische Untersuchungen zeigen, ist das arikelinterne Datensuchen, Datenfinden und Datenauswählen, das zusammengenommen als das interne Zugreifen konzeptualisiert werden kann, - obwohl je nach empirischem Fall mehr oder weniger deutlich unterscheidbar - miteinaner verwoben. Um wenigstens tendenzielle Unterscheidungen zu ermöglichen, spreche ich daher von zugreifendem Suchen und zugreifendem Auswählen. Ersteres geschieht in Akten des suchenden Lesens, und letzteres ist mit dem Erschließen der passenden Information verbunden, zu dem seinerseits stets gehört, daß die ausgewählte Angabe auf die zugehörige Adresse bezogen wird, denn anhand allein von Angaben kann keine lexikographische Information erschlossen werden. Ich werde nachfolgend davon ausgehen, daß das zugreifende Suchen in internen Suchhandlungen geschieht und das zugreifende Auswählen in internen Datenauswahlhandlungen. Weiterhin werde ich festlegen, daß letztere im unmittelbaren Ausführungsbereich der ersteren liegen, wodurch eine relativ starke Kondensierung der Beschreibung erfolgt. Daß das Suchen von Daten dadurch ausgeführt wird, daß Daten ausgewählt werden, ist wohl auch nicht ohne weiteres einsehbar. Daher seien noch folgende Erläuterungen gegeben: Ein Benutzer-in-actu, der ζ. B. in einem Wörterbuchartikel bei der Ausführung einer Konsultationshandlung Textdaten sucht, tut dies in der Absicht, solche Textdaten zu finden, aus denen er (unter Berücksichtigung der Adresse, ζ. B. des Lemmas) eine Antwort auf seine Suchfrage erschließen kann. Wenn er geeignete Textdaten gefunden hat, dann ist dies das Ergebnis einer erfolgreich ausgeführten internen Suchhandlung. Fragt man anhand empirischer Fälle, wie dieses Ergebnis zustande gekommen ist, dann lassen sich die unterschiedlichen bewußtseinsfahigen Operationen, die der Benutzer ausgeführt hat, am besten mit dem Ausdruck Daten auswählen kondensiert charakterisieren. Dies bedeutet dann, daß das Datenfinden das Ergebnis einer erfolgreichen artikelinternen Datensuche ist, die dadurch ausgeführt wurde, daß aus dem Datenangebot ausgewählt wurde; mit der Datenauswahl (deren Grenzfall eine Nullwahl sein kann) erfolgt zugleich das Erschließen der Antwort auf die Suchfrage. Damit dürfte als plausibel gelten, daß interne Datenauswahlhandlungen (Handlungen aus der HT-5a-Familie) im unmittelbaren Ausführungsbereich von internen Datensuchhandlungen (Handlungen vom Typ HT-5) liegen (vgl. D 3-12; S. 331; D 3-24b; S. 442). Weiterhin muß folgendes berücksichtigt werden: Bei dem zugreifenden Suchen läßt sich das oben charakterisierte gezielte Suchen vom ungezielten Suchen (vgl. 3.3.4.4.2.) unterscheiden. Hierbei ist zu beachten, daß das ungezielte Suchen kein artikelinternes Suchen ohne Benutzerziel ist, sondern ein Suchen
20 Mit „richtigem" Lesen ist hier das sog. fortlaufende Lesen gemeint, das von Zeile zu Zeile voranschreitet und mit dem keine Zeichen gesucht, sondern Textinhalte erfaßt werden. Dieses wird auch „verstehendes Lesen" genannt.
3.3. Eine Theorie zur empirischen Erforschung von Benutzungshandlungen
331
o h n e K e n n t n i s des Artikelaufbaus und damit ein Suchen o h n e Rückgriff auf die K e n n t n i s einer internen Zugriffsstruktur, w a s recht verschiedene G r ü n d e haben kann. D i e im D e f i n i e n s v o n ( D 3-11.1) genannte H a n d l u n g gehört zu e i n e m U n t e r t y p v o n HT-5. Gezielte
interne
Suchhandlungen
aus der HT-5-Familie
k ö n n e n nur a n h a n d solcher Wörterbücher ausgeführt werden, welche Teiltexte mit e i n e m Leitelementträger und innerer Zugriffsstruktur, also ζ. B. standardisierte Wörterbuchartikel, aufweisen. Sie k ö n n e n wie folgt definiert werden: (D 3-12: gezielte interne Suchhandlung h τ HT-5) Eine gezielte interne Suchhandlung, die zum vollständig generischen Handlungstyp IN EINEM TEILTEXT MIT EINEM LEITELEMENTTRÄGER UND INNERER ZUGRIFFSSTRUKTUR GEZIELT NACH LEXIKOGRAPHISCHEN DATEN SUCHEN gehört, ist eine Benutzungshandlung, die dadurch ausgeführt wird, daß mit einer Suchfrage und in Kenntnis des Aufbaus des Teiltextes diejenigen teiltextinternen lexikographischen Daten zugreifend ausgewählt werden, anhand derer eine Antwort erschlossen werden kann ({HT-5} — {HT-5a}; vgl. D 3-12.1 u. D. 3-27; S. 443). D i e im D e f i n i e n s v o n ( D 3-12) genannte interne Datenauswahlhandlung
gehört
zu einem generischen H a n d l u n g s t y p , der f o l g e n d e N a m e n trägt: HT-5a = EINER MIT
SUCHFRAGE
UND IN KENNTNIS
LEITELEMENTTRÄGER
KOGRAPHISCHE SCHLI ESSEN
DATEN
DES AUFBAUS
UND INNERER ZUGREIFEND
DER ANTWORT
EINES
ZUGRIFFSSTRUKTUR AUSWÄHLEN,
MIT
TEILTEXTES DIE
LEXIEIN
ER-
ERMÖGLICHEN.
(NGK 3-5: HT-5-Familie: gezielte interne Suchhandlungen) Wie im Falle von HT-3, so kann m a n — wenn die HT-5-Familie für Spezialuntersuchungen explizit entwickelt werden soll — f ü r die Typen von Teiltexten mit einem Leitelementträger und innerer Zugriffsstruktur Kennummern oder Abkürzungen vergeben; erstere stehen hinter einem senkrechten Strich „|" und letztere hinter der Typennummer. Haben ζ. B. Wörterbuchartikel mit einer integrierten Mikrostruktur (i. S. v. WIEGAND 1989d, 483f.) die Kennummer „6", dann gehört der Kurzname HT-5*¡6 zu dem vollständigen Namen IN EINEM WÖRTERBUCHARTIKEL MIT INTEGRIERTER MIKROSTRUKTUR GEZIELT NACH LEXIKOGRAPHISCHEN DATEN SUCHEN. D i e i m D e f i n i e n s v o n ( D 3-11.1) genannte H a n d l u n g k a n n nach diesen Überleg u n g e n wie folgt definiert werden: (D 3-12.1: h τ HT-5*.6) Eine Handlung vom Typ IN EINEM WÖRTERBUCHARTIKEL EINES POLYINFORMATIVEN, STANDARDISIERTEN WÖRTERBUCHES GEZIELT NACH LEXIKOGRAPHISCHEN DATEN SUCHEN ist eine interne Suchhandlung, die dadurch ausgeführt wird, d a ß mit einer Suchfrage und in Kenntnis des Artikelaufbaus diejenigen artikelinternen lexikographischen Daten zugreifend ausgewählt werden, anhand derer eine Antwort erschlossen werden kann ({HT-5*.6}—» {HT-5a*.6}).
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II 3. Handlungstheoretische Grundlegung der Wörterbuchbenutzungsforschung
Die im Definiens von (D 3-12.1) genannten Handlungen gehören zu einem Typ HT-5a*.6; dieser kann so benannt werden: MIT EINER SUCHFRAGE UND IN KENNTNIS DES ARTIKELAUFBAUS LEXIKOGRAPHISCHE DATEN (IN EINEM WÖRTERBUCHARTIKEL EINES POLYINFORMATIVEN, STANDARDISIERTEN WÖRTERBUCHES) ZUGREIFEND AUSWÄHLEN, DIE EIN ERSCHLIESSEN DER ANTWORT ERMÖGLICHEN. Wie im Falle von HT-3a, so wird auch hier das Muster, das HT-5a*.6 konstituiert, nicht mehr angegeben, so daß wir hier nicht erfahren, wie eine Handlung h τ HT-5a*.6 vollzogen wird und sich die Darstellung ergibt: {HT-5a*.6} —• {HT-5*.6a} (vgl. Abb. 3.2; S. 341). Wird eine Handlung h τ HT-5*.6 mit einem usuellen Benutzerziel aus der Klasse Zi ausgeführt, dann ist sie erfolgreich, wenn die gesuchten lexikographischen Daten gefunden sind, und mit diesem Fund beginnt das Erschließen der Antwort anhand der Daten. Die Suche nach den lexikographischen Daten muß unter Umständen auf andere Wörterbuchartikel ausgedehnt werden. Hierbei werden Handlungen vollzogen, die zu anderen Handlungstypen gehören, ζ. B. zum Typ ANHAND EINES WÖRTERBUCHES EINEM VERWEIS AUF EINE VERWEISADRESSE FOLGEN, in dessen Ausführungsbereich wieder ein Handlungstyp aus der HT-l.l-Subfamilie liegen kann (vgl. 3.3.4.3.). Deswegen steht in (D 3-12.1) artikelintern als Spezifizierung von teiltextintern in (D 3-12). Daß Handlungen, die zu HT-5*.6 gehören, usuell sein können, ist klar, ζ. B. wenn die Suchfrage wie in (B 3-2; S. 284) lautet: (65) Was bedeutet
'ein alter Hase
sein'?
Lautet sie jedoch in einer metalexikographischen 4.2.2.4.), (66) Wie ist die Bedeutungsangabe
Benutzungssituation
zu 'ein alter Hase sein'
(i. S. v.
aufgebaut?
dann ist sie nichtusuell. In beiden Fällen sucht der Benutzer nach den gleichen lexikographischen Daten, nämlich nach der Bedeutungsangabe zu 'ein alter Hase sein', aber die Information, die er anhand dieser Daten erschließt (oder: die Antworten, die er anhand von ihnen konstituiert), werden verschieden sein. Im folgenden betrachten wir noch einen anderen Handlungstyp aus der HT-4-Familie, und zwar HT-4*.5 = ANHAND DER LEXIKOGRAPHISCHEN DATEN EINES WÖRTERBUCHARTIKELS EINES AUSSPRACHEWÖRTERBUCHES EINE ANTWORT ERARBEITEN sowie den Handlungstyp in seinem unmittelbaren Ausführungsbereich. In vielen monoinformativen Wörterbüchern muß meistens dann nicht mehr im Wörterbuchartikel gezielt gesucht werden, wenn im Rahmen der usuellen Benutzung eine externe Suchhandlung, die zu einer der Handlungstypen aus der HT-3-Familie gehört, erfolgreich ausgeführt wurde. Beispielsweise stehen im GWDA - man vergleiche (E 3-1 u. 2; S. 301) - die Ausspracheangaben meist unmittelbar hinter dem Lemma (und
3.3. Eine Theorie zur empirischen Erforschung von Benutzungshandlungen
333
gehören damit zu den lemmanahen Angaben-, vgl. Tl. III), so daß der Benutzerin-actu sie weder gezielt suchen kann noch gezielt suchen muß; vielmehr nimmt er sie (ohne interne Suchhandlungen auszuführen) unmittelbar wahr, wenn er das Lemma gefunden hat (vgl. E 3-5a u. 5b). Dies ist sogar dann der Fall, wenn zwischen der Lemmazeichengestaltangabe und der Ausspracheangabe eine andere Angabe, z. B. eine Sprachenidentifizierungsangabe wie schwed. oder engl, oder eine Angabe eines anderen Angabetyps steht. Die allermeisten Wörterbuchartikel eines Aussprachewörterbuches stehen überdies auf einer Wörterbuchzeile und sind damit Einzeilenartikel (vgl. auch 3.3.4.4.2.). Dies ist auch z. B. im D U D E N - 6 der Fall, aus welchem die Artikelstrecke in (E 3-5a) stammt. (E 3-5a)
Engeron e'ri:geron erigibel eri'gi:b|, ...ble ...bb erigieren eri'gi:rgn Çrik 'etrik, schwed. ,e:rik 'Erika (Vorn.) 'e:rika 'Erika (Pflanze) 'e:rika, selten: e'irka Erikazee erika'!$e:3 Eriksson schwed. ,e:rikson Erin 'e:nn, engl. Ί ί π η Eringer 'e:nqt Erjnna e'nna erinnerlich es'lineliç erinnern ef'linen Erinnophilie ennofi'li: Erinnye e'nnys Erinnys e'nnvs, ...yen e'nnysn Eris 'e:ns Eriskirch 'e:nskirc Erismann 'e:nsman Eristhawi georg. 'eristhawi Eristik e'nstik Erjstiker e'nstike Erith engl. 'Ι3πθ eritis sicut deus e:ritis zi:kut de:os Eritrea eri'tre:a, it. eri'trc:a -
DUDEN-6, 2 8 1
-
Das Erarbeiten einer Antwort aus den Kurzartikeln in (E 3-5a) gehört offensichtlich zu den Fällen von niedrigem Komplexitätsgrad, und nach dem bisher Gesagten ist wohl hinreichend deutlich, daß im unmittelbaren Ausführungsbereich von HT-4*.5 kein Handlungstyp aus der HT-5-Familie liegen kann, wie das bei HT-4*.6 der Fall ist. Unter der Voraussetzung, daß man die verwendete Lautschrift kennt, erschließt man die Aussprache anhand des gesamten Wörterbuchartikels sozusagen „mit einem Schlag" oder „auf einen Blick". Man führt also Handlungen vom Typ HT-4*.5 dadurch aus, daß man eine Benutzungshandlung vom Typ: HT-lla*.5 = ANHAND DES GESAMTEN WÖRTERBUCHARTIKELS EINES AUSSPRACHEWÖRTERBUCHES (= WB-5) DIE GESUCHTE INFORMATION DIREKT ERSCHLIESSEN ausführt (vgl. D 3-26; S. 439).
334
II 3. Handlungstheoretische Grundlegung der Wörterbuchbenutzungsforschung
Man wird hier fragen: Wieso erschließt man die gesuchte Information nicht ausschließlich anhand der Ausspracheangabe? Die Antwort muß lauten: weil man im Rahmen der usuellen Benutzung anhand von Angaben allein — mit Ausnahme anhand der Lemmazeichengestaltangabe - keine Informationen erschließen kann. 2 1 Angaben müssen auf ihre Adressen bezogen werden, bevor man Informationen erschließen kann. Dies wird im Tl. III genau erörtert. Der Handlungstyp HT-4*.5 kann nun wie folgt definiert werden: (D 3-11.2: h τ HT-4*.5) Eine Handlung vom Typ ANHAND LEXIKOGRAPHISCHER DATEN EINES WÖRTERBUCHARTIKELS EINES AUSSPRACHEWÖRTERBUCHES (= WB-5) EINE ANTWORT ERARBEITEN ist eine interne Datenbearbeitungshandlung, die dadurch usuell ausgeführt wird, daß eine Handlung ausgeführt wird, die zum Typ HT-lla*.5 = ANHAND DES GESAMTEN WÖRTERBUCHARTIKELS EINES AUSSPRACHEWÖRTERBUCHES DIE GESUCHTE INFORMATION DIREKT ERSCHLIESSEN gehört ({HT-4*.5}—• {HT-lla*.5}; vgl. auch D 3-11.3; S. 325). Es ist zu beachten, daß eine Einschränkung auf die usuellen Benutzungshandlungen (i. S. v. D 3-7; S. 303) vorliegt und daß die Wörterbuchartikel Kurzartikel sind (vgl. 3.3.4.4.2.). Bei der nichtusuellen Benutzung steht im unmittelbaren Ausführungsbereich von HT-4*.5 ein Handlungstyp aus der HT-5-Familie, nämlich — wegen der Typennummer 5 für Aussprachewörterbücher — der Handlungstyp HT-5*.5 = IN EINEM WÖRTERBUCHARTIKEL EINES AUSSPRACHEWÖRTERBUCHES GEZIELT NACH LEXIKOGRAPHISCHEN DATEN SUCHEN. Bei der nichtusuellen Benutzung wird daher der Regel gefolgt, die mit {HT-4*.5} — {HT-5*.5} formuliert ist. Wir können nun den vollständigen N a m e n zu H T - l l a * . 5 nach N G S - l c ' (vgl. N G K 3 - 1 ; S. 307ff.) umformen, indem wir Wörterbuch für AUSSPRACHEWÖRTERBUCH einsetzen. Wir haben dann den vollständigen Namen für den generischen Handlungstyp HT-IIa*, nämlich ANHAND DES GESAMTEN WÖRTERBUCHARTIKELS EINES WÖRTERBUCHES DIE GESUCHTE INFORMATION DIREKT ERSCHLIESSEN. Dieser bezeichnet einen Handlungstyp, dessen zugehörige Handlungen, welche direkte Informationserschließungshandlungen heißen, ζ. B. anhand von monoinformativen Wörterbüchern ausgeführt werden oder anhand von polyinformativen, die überwiegend Kurzartikel aufweisen, wie beispielsweise SCHÜTZEICHEL ( 1 9 8 1 ) (vgl. 3.3.4.4.2.). Zu den monoinformativen Wörterbüchern gehört auch eine Reihe von Abkürzungswörterbüchern, ζ. B. auch KOBLISCHKE (1980). Aus diesem Wörterbuch stammt (E 3-5b).
21 Aus diesem Grund ist auch in (D 3-26; S. 439) von dem Leitelementträger und leitelementträgernahen Daten die Rede.
3.3. Eine Theorie zur empirischen Erforschung von Benutzungshandlungen
(E 3-5b)
335
HKA (engï) Hong Kong Airways (Luftverkehrsgesellschaft Hongkongs) HKE t K.E HKFRD t HCRFA hkg, auch hk Hektokilogramm (1 hkg = 10J kg = I dt) HKG Hochtemperatur-Kernkraftwerk GmbH (BRD) HKI Fachverband Heiz- und Kochgeräteindustiie (BRD) HKL Milit Hauptkampflinie Hlcld. Halbkunstleder hkm Hektokilometer(l h km = 10 1 km) HKR Anat {erst: HT-3*|5.11, dann: HT-3*|4.11}.
Auch in (B 3-4; S. 339) führt Nancy Benutzungshandlungen aus, ohne eine Suchfrage an den K N A U R S - G W ZU richten. Auch hier liegt also kein Handlungstyp aus der HT-2-Familie vor, sondern einer aus der HT-3-Familie. Da der K N A U R S - G W i. S. v. W I E G A N D (1989b, 390f.) ein schwach nischenalphabetisches Wörterbuch ist, können die 50 Benutzungshandlungen, welche Nancy in (B 3-4) ausführt, so aufgefaßt werden, daß ihre Ausführung als Abarbeitung des folgenden Regelsystems erfolgt (wobei „V" die Abkürzung für Verben ist): R-1.15||3*|l.V.15 = {HT-1.15} —• {HT-3*jl.V. 15} —• {HT-3a*.V.15}. HT-3*ll. V.15 ist der Kurzname für den Handlungstyp EIN VERBLEMMA IN EINEM SCHWACH NISCHENALPHABETISCHEN WÖRTERBUCH SUCHEN. Damit ist an zwei Beispielen gezeigt, daß Handlungen, welche zu einem Handlungstyp aus der HT-2-Familie gehören, als Ausführungsalternativen für Handlungen gelten können, die zu einem Typ aus der HT-3-Familie gehören, wenn Handlungen vom Typ HT-1 = EIN WÖRTERBUCH BENUTZEN ausgeführt werden sollen. Weiterhin ist im folgenden die Frage zu beantworten: Wie unterscheidet sich das von HT-1 konstituierte System von Handlungsmustern S-l in (Abb. 3-2) von S-l .1, dem System also, das von HT-1.1 konstituiert wird (vgl. Abb. 3-2a)? Die Antwort muß lauten: Der Unterschied liegt allein darin, daß in S-l (weil HT-1 der am wenigsten spezifische Handlungstyp ist) offen bleibt, ob Handlungen h τ HT-1 und damit alle Handlungen im Ausführungsbereich von Handlungen h τ HT-1 entweder usuell — also mit einem Benutzerziel z¡ e Zi (einem punktuellen Konsultationsziel i. S. v. D3-17; S. 361) — oder nichtusuell - also mit einem Benutzerziel Zj e Z3 (einem Prüfziel i. S. v. D 3-19; S. 362) - ausgeführt werden, während in S-l. 1 dies gerade nicht offen bleibt. Denn alle Handlungen, die zum systemkonstituierenden Handlungstyp HT-1.1 = EIN WÖRTERBUCH ALS NACHSCHLAGEWERK BENUTZEN gehören, sind nach (D 3-8; S. 305) usuelle Benutzungshandlungen, so daß auch alle Handlungen in ihrem Ausführungsbereich usuell sind. (NGK 3-0.3: usuell vs. nichtusuell) Ersetzt man in (Abb. 3-2) das Namenpaar HT-1: EIN WÖRTERBUCH BENUTZEN in der ersten Schweifklammer durch das Namenpaar HT-1.1: EIN WÖRTERBUCH ALS NACHSCHLAGEWERK BENUTZEN, dann ändert sich in der Darstellung der Teile
346
II 3. Handlungstheoretische Grundlegung der Wörterbuchbenutzungsforschung
der Regelsysteme, die rechts vom ersten Rechtspfeil stehen, nichts bis auf die Namen R-X//Y der Regelsysteme. Beispielsweise wird (nach N G K 3-0.2) aus R-ll/2 der Name R-1.11/2. Solange in der ersten Schweifklammer einer Regelformulierung oder einer Regelsystemdarstellung entweder beide oder einer der beiden Namen für HT-1 oder HT-1.1 stehen, ist Eindeutigkeit in dem Sinne gegeben, daß man - allein aufgrund der Verwendung der Beschreibungssprache für Benutzungshandlungen — im ersten Fall weiß, daß die Handlungen entweder sowohl usuell als auch nichtusuell ausgeführt werden können. Bei einer Regelformulierung wie {HT-6}—* {erst: HT-3} — {HT-3a} ist das allerdings nicht klar. Beispielsweise kann {HT-2}—* {HT-6} sowohl ein Teil von R-l||2 als auch ein Teil von R-l.l||2 sein. Will man diese Unbestimmtheit verhindern, weil der Kontext nicht ausreichende Klarheit schafft, kann man „ H T " in den Kurznamen wie die Benutzerzielklassen (Z\, Z2, Z 3 , Z5; vgl. 3.3.3. u. Abb. 3-10; S. 374) indizieren und von {HT-2} — {HT-6} zu {ΗΤ,-2} — {ΗΤ,-6} übergehen; letztere Regelformulierung ist dann ein Teil von R-l.l||2 (vgl. Abb. 3-2a; S. 347). In den vollständigen Namen f ü r Handlungstypen kann dann die Ergänzung MIT Z¡ (oder: MIT PUNKTUELLEM KONSULTATIONSZIEL) bzw., wenn es sprachlich angemessener ist, UNTER Z¡ (oder: UNTER EINEM PUNKTUELLEN KONSULTATIONSZIEL) hinzugefügt werden, ζ. Β. {HT,-2: MIT Zi EINE SUCHFRAGE AN EIN WÖRTERBUCH RICHTEN}— {HT1-6: MIT Z, IN EINEM WÖRTERBUCH ETWAS NACHSCHLAGEN}. Nur um diese Konvention zusammenhängend zu verdeutlichen, wird in (Abb 3-2a) ein Ausschnitt aus S - l . l dargestellt, der dem in (Abb. 3-2) entspricht. In den Abb. für die Mustersysteme, die Untertypen von HT-1.1 konstituieren, ζ. B. in der Darstellung von S-1.1.1, S - l . l . 2 und S - l . l . 3 , wird die Indizierung nicht vorgenommen, weil sie redundant ist (vgl. Abb. 3-11 bis 3-13; S. 378ff.). Dies bedeutet aber nicht, daß in entsprechenden Regelformulierungen für Regeln, die befolgt werden, wenn Handlungen ausgeführt werden, die im Ausführungsbereich ζ. B. von Handlungen h τ HT-1.1.3 liegen, die Indizierung in den Kurznamen nicht erfolgen kann. Auch beispielsweise die drei folgenden Regelformulierungen (Rf) haben daher als beschreibungssprachlich korrekt zu gelten. (Rfi) {HTi-4*.5: ANHAND LEX. DATEN MIT Z\ IN WÖRTERBUCHARTIKELN EINES AUSSPRACHEWÖRTERBUCHES EINE ANTWORT ERARBEITEN} — {HTi-lla*.5: MIT Zi ANHAND DES GESAMTEN WÖRTERBUCHARTIKELS EINES AUSSPRACHEWÖRTERBUCHES DIE GESUCHTE INFORMATION ERSCHLIESSEN} (Rf 2 ) {HT3-4*.2: MIT Z 3 ANHAND DER LEMMATA EINES FINALALPHABETISCHEN WÖRTERBUCHES EINE ANTWORT ERARBEITEN}— { HT3-4*.2a: EINE DURCH Z 3 BESTIMMTE MENGE VON LEMMATA EINES FINALALPHABETISCHEN WÖRTERBUCHES ANALYSIEREN} (vgl. Abb. 3-12; S. 383) (Rf 3 ) {HTi-2*.7: MIT EINEM PUNKTUELLEN KONSULTATIONSZIEL EINE SUCHFRAGE AN DAS WÖRTERVERZEICHNIS EINES KUMULATIVEN SYNONYMENWÖRTERBUCHES RICHTEN}— {HTi-6*.7: MIT PUNKTUELLEM KONSULTATIONSZIEL IN EINEM KUMULATIVEN SYNONYMENWÖRTERBUCH ETWAS NACHSCHLAGEN} Handlungen vom Typ EIN WÖRTERBUCH USUELL BENUTZEN (i. S. v. D 3-7; S. 303) werden entweder mit Benutzerzielen aus der Klasse Z\ oder mit solchen aus Z2 ausgeführt. Deshalb wird „ H T " im zugehörigen Kurznamen mit „1" und „2" indiziert, so
3.3. Eine Theorie zur empirischen Erforschung von Benutzungshandlungen
HT,-2: M I T Z, EINE SUCHFRAGE AN EIN WB R I C H T E N
H T r 3 : U N T E R Z, E I N E N LEITELEMENTTRÄGER (=L) IN E I N E M WB SUCHEN
HT-1.1: EIN W O R T E R B U C H (=WB) ALS N A C H SCHLAGEWERK BENUTZEN
HTj-6
HT,-3a > R-l.l||2 HT,-4a
HT,-3a
)> R-l.l||3
HT,-3a: U N T E R Z, M I T EINER F R A G E 'IST L I N E I N E M TEILTEXT/TEXTTEIL M I T ÄUSSERER ZUGRIFFSSTRUKTUR VORHAND E N O D E R NICHT?' DIE A N W E N D U N G D E R LEX. A N O R D N U N G S M E T H O D E IM WB N A C H V O L L Z I E H E N
A N H A N D LEX. D A T E N IN TEILTEXTEN/TEXTT E I L E N M I T L IN E I N E M WB EINE A N T W O R T ERARBEITEN HT-1.1.1 -HT-1.1.10; (vgl. Abb. 3-9,3-11, 3 - l l a , 3-13)
erst: HT,-3 dann:
347
> R-l.l||3a
t>S-l.l
HT,-4a
!> R-1.1II4
HT,-4a: M I T Z, A N H A N D LEX. D A T E N A U S TEILTEXTEN/TEXTT E I L E N M I T L EINES WB I N F O R M A T I O N E N ERSCHLIESSEN
IN E I N E M WB ETWAS NACHSCHLAGEN
!> R-l.l||4a
erst: HT,-3 dann: HT,-4
HT,-3a )> R-1.1II6 HT,-4a
Abb. 3-2a: Übersicht über einen zentralen Ausschnitt des Systems von H a n d l u n g s m u s t e r n S - l . l , das HT-1.1 konstituiert
d a ß sich ergibt: ΗΤ,μ-l.
H a n d l u n g e n v o m Typ EIN WÖRTERBUCH
NICHTUSUELL
B E N U T Z E N (i. S. v. D 3-15'; S. 3 5 5 ) w e r d e n e n t w e d e r m i t B e n u t z e r z i e l e n a u s der K l a s s e Ζ 3 o d e r m i t s o l c h e n a u s Z4 a u s g e f ü h r t . D e s h a l b lautet der K u r z n a m e HT314-I. D a in der B e n u t z u n g s f o r s c h u n g die p o l y i n f o r m a t i v e n ,
standardisierten Wörterbücher
eine
zentrale R o l l e spielen, w i r d in ( A b b . 3-3; S. 3 4 8 f . ) ein zentraler A u s s c h n i t t a u s d e m
348
II 3. Handlungstheoretische Grundlegung der Wörterbuchbenutzungsforschung
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3.3. Eine Theorie zur empirischen Erforschung von Benutzungshandlungen
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379
380
II 3. Handlungstheoretische Grundlegung der Wörterbuchbenutzungsforschung
nichtstandardisierten Wörterbüchern solche gibt (oder: geben kann), die mehrere Wörterverzeichnisse aufweisen und/oder ein oder mehrere Register, so daß es sinnvoll ist, den generischen Handlungstyp HT-2.1 = EINE SUCHFRAGE AN EIN NICHTSTANDARDISIERTES WÖRTERBUCH RICHTEN anzusetzen und entsprechende Untertypen wie HT-2*.l oder HT-2R.1. In (Abb. 3-1 la) ist das mit S-1.1.1 verwandte Regelsystem S*-1.1.1 wiedergegeben, das anhand von (B 3-6) behandelt wurde. Der Verwandtschaftsbereich von η Regel- und Mustersystemen (mit η > 2) bestimmt sich durch die Zahl der Handlungstypen, deren Verwandtschaft sich über η Regel- oder Mustersysteme erstreckt. Im Falle des Verwandtschaftsbereiches von S-l.l und S-1.1.1 sind es sechs Handlungstypen aus S-l.l und sechs aus S-1.1.1 (vgl. Abb. 3-11). Der Verwandtschaftsgrad innerhalb des Verwandtschaftsbereichs bestimmt sich durch die Anzahl der verwandten Regeln, welche in den η Regel- und Mustersystemen auftreten. Im Falle von S-l.l und S-1.1.1 sind vier miteinander verknüpfte Regeln der Systeme paarweise miteinander verwandt. Der Verwandtschaftsindex ist daher vier (Verwandtschaft 4. Grades = vier hintereinander auftretende Rechtspfeile zwischen Handlungstypen). Handelt es sich bei den verwandten Handlungstypen im Verwandschaftsbereich von η Regel- oder Mustersystemen - wie in (Abb. 3-11) - um Handlungstypen, deren vollständige Namen nach NGS-1.1 gebildet wurden, dann können Angaben zum Verwandtschaftsbereich und der Verwandtschaftsindex u. a. dazu herangezogen werden, um vergleichbare Aussagen über das Benutzer-Know-how zu machen, welches Benutzer von einem Wörterbuchtyp auf einen anderen übertragen können oder nicht.
3.3.4.1.2. Ein finalalphabetisches Wörterbuch als Nachschlagewerk benutzen In der lexikographischen Werkstattsprache heißen finalalphabetische Wörterbücher (wie MATER 1983) auch rückläufige Wörterbücher oder rückläufige Wortlisten (vgl. BRÜCKNER/SAUTER 1984). Systematisch gesehen, handelt es sich um finalalphabetische Wörterbücher. Bei diesen gibt es einen Untertyp, zu dem MATER (1983) und BRÜCKNER/SAUTER (1984), aber nicht M U T H M A N N (1988) gehören, deren Wörterbuchartikel aus nur einer Zeichengestaltangabe bestehen, die zugleich als Leitelementträger fungiert (vgl. Tl. III). Gegeben sei folgendes Beispiel: (B 3-7)
Für sein Wortbildungsseminar benötigt Leo einige Beispiele für Adjektive auf -oid, da ihm nur paranoid einfällt. Er schlägt im MATER (1983) nach mit der Suchfrage: „Welche Adjektive auf -oid gibt es noch?" und findet dort schizoid und negroid.
Der Handlungstyp EIN FINALALPHABETISCHES WÖRTERBUCH ALS NACHSCHLAGEWERK BENUTZEN trägt den Kurznamen HT-1.1.2. Da Leo
3.3. Eine Theorie zur empirischen Erforschung von Benutzungshandlungen
381
in (B 3-7) M A T E R (1983) erfolgreich benutzt hat, können wir eine bestimmte Folge seiner Konsultationshandlungen so auffassen, als sei sie die Befolgung des folgenden Regelsystems: (81) {HT-1.1.2}—» {HTi-2*.2}—• {HTi-6*.2}—• {erst: ΗΤ,-3*|1.2} — {HTi-3a*|l.2}.
Nach ( N G K 3-0.3; S. 345f.) ist (81) äquivalent mit (81') {HT-1.1.2.}— {HT-2*.2} —• {HT-6*.2} —• {erst: HT-3*|1.2}— {HT-3a*|1.2}.
Die Frage, die sich jetzt stellt, lautet: Wie führt Leo eine Handlung aus, die zu folgendem generischen Handlungstyp gehört: HT-4*.2 = ANHAND DER LEX. DATEN VON TEXTTEILEN MIT LEITELEMENTTRÄGERN IM WÖRTERVERZEICHNIS EINES FINALALPHABETISCHEN WÖRTERBUCHES EINE ANTWORT ERARBEITEN? Nachdem Leo den drei Regeln gefolgt ist, die im Regelsystem (81) verknüpft sind, muß er eine usuelle Benutzungshandlung h τ HT-4*.2 dadurch ausführen, daß er folgenden Eintrag „bearbeitet": Haloid Alkaloid Metalloid Kristalloid Kolloid Paraboloid Hyperboloid Zelluloid Pegamoid paranoid Konoid Kettenkonoid Anthropoid
Aneroid Asteroid negroid Ellipsoid Spannungsellipsoid Elastizitätsellipsoid Planetoid Deltoid Trapezoid schizoid Spermatozoid -
MATER ( 1 9 8 3 , 11)
-
(E 3-10) ist ein Teil des Wörterverzeichnisses und besteht aus 24 „Textteilen mit Leitelementträgern", um an die Formulierung anzuschließen, die sich im vollständigen Namen von HT-4 findet (vgl. Abb. 3-2; S. 341) und dort aus Gründen der Verallgemeinerung erforderlich war; es handelt sich bei den 24 Textteilen um rudimentäre Wörterbuchartikel, die Lemmata sind und - in der Perspektive einer generellen Klassifikation von Wörterbuchangaben - als Lemmazeichengestaltangaben zu gelten haben (vgl. Tl. III), so daß nun der vollständige Name von HT-4*.2 lautet: ANHAND DER LEMMATA EINES FINALALPHABETISCHEN
WÖRTERBUCHES
EINE ANTWORT
ERARBEITEN.
Wenn Leo anhand der lexikographischen Daten in (E 3-10) eine Antwort auf seine Suchfrage erarbeiten will, muß er jedes Lemma auf -oid, beginnend bei „Spermatozoid" und endend bei „Haloid", daraufhin überprüfen, ob die zugehörige lexikalische Einheit ein Adjektiv ist oder nicht. Abstrahiert man von den spezifischen Bedingungen, die in (B 3-7) vorliegen und bleibt damit bei den
382
II 3. Handlungstheoretische Grundlegung der Wörterbuchbenutzungsforschung
generischen Handlungstypen, dann erschließt ein Benutzer eines finalalphabetischen Wörterbuches (das zum gleichen Typ wie MATER 1983 gehört) die gesuchten Antworten dadurch, daß er Handlungen ausführt, die zu einem Typ gehör e n , d e r s o b e n a n n t w e r d e n k a n n : HT-4*.2a BESTIMMTE MENGE VON LEMMATA
= EINE DURCH DIE SUCHFRAGE EINES WB-2 ANALYSIEREN. In
(B 3-7) wird die in (E 3-10) wiedergegebene Menge von Lemmata durch -oid in der Suchfrage Leos bestimmt, und das Analysieren besteht darin, daß Leo jeweils entscheiden muß, ob ein Lemma ein Zeichen repräsentiert, das ein Adjektiv ist oder nicht. Wir können nun folgende Definition geben: (D 3-11.5: h τ HT-4*.2) Eine Handlung vom Typ ANHAND DER LEMMATA EINES FINALALPHABETISCHEN WÖRTERBUCHES EINE ANTWORT ERARBEITEN ist eine interne Datenbearbeitungshandlung, die dadurch ausgeführt wird, daß eine durch die Suchfrage bestimmte Menge von Lemmata in der Weise analysiert wird, wie es nach dem propositionalen Gehalt der Suchfrage erforderlich ist ({HT-4*.2} — {HT-4*.2a}).
Ein zentraler Ausschnitt des Systems von Handlungsmustern ( = S-1.1.2), das HT-1.1.2 konstituiert, kann wie folgt angegeben werden (vgl. Abb. 3-12; S. 383). Das Regelsystem (82) {HT-2.2} —+ {HT-6.2} —» {erst: HT-3.2} — {HT-3a.2} ist mit dem Regelsystem (82') {HT-2.1} —» {HT-6.1} —• {erst: HT-3.1} — {HT-3a.l}
verwandt, und zwar besteht eine Verwandtschaft 3. Grades. Diese Verwandtschaft wird um einen Grad gesteigert, wenn man HT-1.1.2 in (82) und HT-1.1.1 in (82') als Handlungstypen hinzunimmt, die das Regelsystem konstituieren. In (Abb. 3-12) ist zu beachten, daß in der Schweifklammer, in welcher der Kurzname HT-2*.2 steht, unter diesem drei Auslassungspunkte stehen; dies besagt, daß im unmittelbaren Ausführungsbereich von HT-1.1.2 weitere H a n d lungstypen angegeben werden können, beispielsweise die in (81) und (8Γ) genannten, die bereits bei der Behandlung von (B 3-7) eine Rolle spielten, oder aber die beiden folgenden: HT-2R.2 = EINE SUCHFRAGE AN EIN REGISTER (= R) EINES FINALALPHABETISCHEN WÖRTERBUCHES RICHTEN und HT-2A.2 = EINE SUCHFRAGE AN EINEN AUSSENTEXT MIT ÄUSSERER ZUGRIFFSSTRUKTUR (= A) EINES WB-2 RICHTEN. Es ergibt sich dann (in linearisierter Schreibweise; vgl. 11"; S. 280) folgendes Handlungsmuster: (82") {HT-1.1.2}-» {HT-2.2, HT-2*.2, HT-2R.2, HT-2A.2, ...}.
Auch in (82") sind die drei Auslassungspunkte zu beachten, da - wie anhand von HT-1 in (Abb. 3-3; S. 348f.) ausgeführt wurde - die Handlungstypen, die im mittelbaren Ausführungsbereich von HT-1.1.2 liegen, auch im unmittelbaren Ausführungsbereich liegen können. Dies sei an folgendem Beispiel demonstriert:
3.3. Eine Theorie zur empirischen Erforschung von Benutzungshandlungen
383
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